^^^^-^ t^ ,^y;^-g^|? S^Ä--.^! >^ ARCHIV FÜE NATURGESCHICHTE. GEGRÜNDET VON A. F. A WIEGMANN, FORTGESETZT VON W. F. ERICHSON, F. H. TROSCHEL UND E. VON HÄRTENS. HEEAUSGEGEBEN DR. F. HILGENDORP, CÜSTOS DES K. ZOOLOG. MUSEUMS ZU BERLIN. ZWEIUNDFUNFZIGSTER JAHRGANG. £rster Band. Mit 16 Tafeln. BERLIN 1886. NICOLAISCHE VERLAGS - BUCHHANDLUNG R. STRICKER. Inhalt des ersten Bandes. Seite Tetilla japonica, eine neue Tetractinellidenform mit radiärem Bau. Von Dr. Wilhelm Lampe aus Hornhausen. (Hierzu Taf. I) 1 Studien über neue und weniger bekannte Podophthalmen Bra- siliens. Beiträge zur Kenntniss der Süsswasser-Genera: Trichodactylus, Dilocarcinus, Sylviocarcinus und der marinen Genera: Leptopodia, Stenorhynchus. Von Dr. Emil A. Göldi in Rio de Janeiro. (Hierzu Taf. 11 u. III) 19 Ueber die Anatomie und die Functionen der Bienenzunge. Von Paul Franz Breithaupt aus Pössneck i. Th. (Hierzu Taf. IV u. V) 47 Helminthologische Beobachtungen von Dr. von Linstow in Hameln. (Hierzu Taf. VI bis IX) 113 Beiträge zur Kenntniss der Coleopteren-Fauna Koreas, bearbeitet auf Grund der von Herrn Dr. C. Gottsche während der Jahre 1883 und 1884 in Korea veranstalteten Sammlung; nebst Bemerkungen über die zoogeographischen Ver- hältnisse dieses Faunengebietes und Untersuchungen über einen S i n n e s a p p a r at im Gaumen von Misölamindius morio. Von H. J. Kolbe. (Hierzu Taf. X u. XI) 139 Ueber Milben von P. Kram er. (Hierzu Taf. XII) .... 241 Ueber Speicheldrüsen von Insecten. Von Alfred Knüppel. (Hierzu Taf. XIII u. XIV) 269 Graffilla Brauni n. sp. von Ferdinand Schmidt, z. Z. Assistent am zoolog. Inst. d. Univ. Rostock. (Hierzu Taf. XV u. XVI) 304 ^a//f Tetilla japonica, eine neue Tetractinellidenform mit radiärem Bau. Von Dr. Wilhelm Lampe aus Hornhausen. Als im Herbste 1884 die Leipziger zoologische Sammlung durch die gütige Vermittelung des Herrn Dr. Ijima aus Enoura in Japan eine Anzahl in Alkohol conservirter Exem- plare einer Tetilla erhielt, welche sich bei näherer Betrachtung als eine von den bislang beschriebenen Tetillen abweichende Form ergab, wurde mir dieselbe durch die Güte meines hoch- verehrten Lehrers, Herrn Geheimrath Professor Dr. Leuckart, zur genaueren Untersuchung überlassen. Mit Dank nahm ich das freundliche Anerbieten an, zumal der anatomische Bau und die histologischen Structurverhältnisse dieser allerdings sehr begrenzten aber immerhin hochinteres- santen Schwammform im Allgemeinen nur ziemlich dürftig be- kannt sind. Indessen kam noch ein weiterer Umstand hinzu, der mich zu einem möglichst eingehenden Studium der vorliegenden Tetilla veranlasste. Es war dies der evident radiär symme- trische Bau, der auf Querschnitten so charakteristisch zu Tage trat. Ich glaubte auf diese Eigenthümlichkeit unseres japanischen Schwammes um so mehr Gewicht legen zu müssen, als in neuester Zeit abermals der Streit entbrannt ist über die Stel- lung der Spongien im Thierreich und gerade Marshall*), der Hauptvertreter der von Leuckart**) zuerst ausgesprochenen *) Agilardiella radiata. Separatabdrack aus d. Abh. d. Berliner Akademie d. Wiss. 1883, pag. 13 u. 14. **) Ueber die Morphologie und die Verwandtschaftsverhältnisse der wirbellosen Thiere 1848. Arch. f. Natg. 52. Jahrg. I. Bd. 1. II. 1 2 Dr. Wilhelm Lampe: Tetilla japonica, Ansicht, dass die Spongien mit den Coelenteraten zu einem Typus zu vereinigen seien, als einen Hauptbeweis für die Richtigkeit seiner Hypothese die radiäre Symmetrie bei manchen Formen hinstellt. Was die üntersuchungsmethoden anbetrifft, so will ich nur hervorheben, dass die in Alkohol gehärteten Exemplare nach der Giesbrecht'scheu Schnittmethode behandelt wurden, was jedoch wegen der im Innern des Schwämme? zahlreich vor- kommenden Quarzkörner und allerhand anderer Fremdkörper mit einigen Schwierigkeiten verknüpft war. Die Schnitte wur- den alsdann auf den Objectträger gebracht und in Canada- balsam aufbewahrt. Als beste Färbungsmittel erwiesen sich Pikrokarmin und Haematoxylin. Auf eine sehr practische Bestimmungsmethode des Wassercanalsystems komme ich an der betreffenden Stelle mit einigen Worten zurück. Bevor ich nun mit der eigentlichen Darstellung unseres Schwammes, den ich nach seinem Fundorte als Tetilla ja- ponica bezeichnen will, beginne, ist es wohl zweckmässig, hier noch einen kurzen Ueberblick über die vorhandene Literatur der bisher studirten Tetillen vorauszuschicken. Der Gründer der Gattung Tetilla ist der ausgezeichnete Spongienkcnner Oscar Schmidt. Derselbe führt in seinem Werke: „Die Spongien der Küste von Algier. Mit Nachträgen zu den Spongien des adriatischen Meeres (Drittes Supplement) 1868" ganz zum Schluss auf pag. 40 und 41 unter dem Namen Tetilla euplocamos einen eigenthümlichen Schwamm aus Desterro an, welcher sich durch einen birnförmig gestalteten Körper und durch einen spiralig gedrehten Nadelschopf auszeichnet. Die Form der Nadeln, die von einem centralen Knotenpuncte aus spiralig und büschelförmig sich verbreiten, und der gänzliche Mangel einer Rinde bestimmen den Autor dazu, diesen Schwamm nicht der Gattung Tethya, mit welcher derselbe eine überein- stimmende Anordnung der Nadeln besitzt, einzureihen, sondern denselben als den Repräsentanten einer besonderen Gattung aufzustellen. Nachdem Schmidt*) in dem Wurzelschopfe der Tetilla euplocamos wahre Anker konstatirt hatte, welche denselben *) Grund^äige einer Spongien-Fauna des Atlantischen Gebietes 1870 pag. 66. eine neue Tetractinellidenfbrm mit radiärem Bau. 3 Bau besassen wie die der Tethya cranium Johnston, vereinigte er diese beiden Arten mit einer inzwischen gefundenen neuen Species zu der Gattung Tetilla. Er hebt jedoch hervor, dass diese 3 Arten, obschon sie keine Rinde besitzen, dennoch „durch ihre Nadelformen und den Habitus so eng mit Rinden- schwämmen zusammenhängen, dass, sofern man die Abstammung im Auge behält, eine Trennung sich gar nicht rechtfertigen Hesse." Nach diesen ersten ziemlich dürftigen Notizen beschrieb im Jahre 1879 Selenka*) zwei interessante Tetillen von Rio de Janeiro, welche in ähnlicher Weise wie die Tetilla japonica einen radiären Bau des Wassercanalsystems erkennen Hessen, Die kleinere Art, welche er Tetilla radiata nannte, zeichnete sich durch eine regelmässige Anordnung von acht Längscanälen aus, während die andere, auf die er den Schmidt'schen Namen Tetilla euplocamos übertrug, diese Regelmässigkeit der Radiär- canäle vermissen Hess. Es zeigt somit die Gattung TetiUa in der Form sowie in der damit zusammenhängenden Lebensweise eine auffallende Uebereinstimmung mit dem sog. Hyalonema boreale Loven.**) Die Form der Tetilla japonica ist in der Regel eUipsoidisch, nur selten in der Mitte ein wenig aufgetrieben. An dem oralen Pol, und zwar genau in der Längsaxe, mündet stets die ein- fache kreisrunde Mundöffnung von 0,7 bis 1,2 mm. Durchmesser. An dem aboralen Pol geht der Schwammkörper allmählich sich verdünnend in einen mehr oder weniger langen Wurzelschopf über, welcher aber kein einheitliches Ganzes darstellt, sondern aus einer Anzahl von Hauptsträngen besteht, die ihrerseits sich wiederum vielfach in feinere Fasern auflösen. Das grösste mir vorliegende Exemplar besitzt, den Wurzelschopf nicht mit- gerechnet, eine Länge von 2,4 cm. bei einem grössten Durch- messer von 1,2 cm. Es stimmt also die T. japonica mit der von Selenka in der Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie Band XXXIH auf Taf. XXVII in Fig. 5 abgebildeten T. euplocamos sowohl in *) Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie Bd. XXXIII, 3. **) Archiv für Naturgeschichte XXXIV. Jahrgang I. Bd. pag. 82. 4 Dr. Wilhelm Lampe: Tetilla japonica, ihrem äussern Habitus als auch in ihrer Grösse ziemlich genau überein. Die Oberfläche, welche bei makroskopischer Betrachtung durch die zahlreichen aus ihr hervorragenden Nadeln völlig wie behaart erscheint, ist mit unendlich vielen kleinen, kegel- förmigen Erhebungen besetzt. Dieselben sind nur äusserst flach, 0,015 mm. hoch, mit blossem Auge also nicht sichtbar und sind wie die Spitzen eines Bergzuges durch Sättel mit einander verbunden. Dadurch entstehen regelmässige Ver- tiefungen, kleine Trichter, an deren Grunde je eine Hautpore mündet. Die Ränder derselben werden durch die pallisaden- artig hervorstehenden Spicula noch verlängert. Es unterliegt keinem Zweifel, dass eine derartige Einrichtung für die Wasser- zufuhr und somit für die Ernährung von ausserordentlichem Werthe ist. üeber die Farbe vermag ich leider nichts Bestimmtes zu sagen ; die mir zu Gebote stehenden Spiritus-Exemplare besitzen ein graues Ansehen. Der Untergrund, in welchem die Schwämme festgewurzelt waren, ist zweifellos lockerer Sandboden gewesen, was man aus dem Detritus, der an dem Wurzelschopfe haften geblieben ist, mit Sicherheit schliessen kann. Ausserdem bekunden dies aber auch noch zahlreiche Quarzpartikelchen, welche den untern Theil des Schwammkörpers massenhaft erfüllen. Skelet. Das Skelet baut sich im Wesentlichen aus zweierlei Haupt- formen von Nadeln auf: erstens aus Stabnadeln und zweitens aus Vierstrahlern. Neben diesen kommen dann auch noch Kugelsterne der verschiedensten Art vor und, allerdings sehr selten, Dreistrahler. Die bei Weitem vorherrschenden Stabnadeln sind sämmt- lich cylindrisch, zeigen aber sonst mannigfache Differenzen. Die Mehrzahl der stärkeren Einaxer ist entweder gerade oder nur leicht gebogen und, nach beiden Seiten hin allmählich sich verjüngend, gleichmässig scharf zugespitzt. Nur diejenigen, welche mit der einen Spitze frei über die Oberfläche des Schwammes hervorragen, besitzen ungleich werthige Pole. Wäh- rend nämlich das nach Innen gekehrte Ende in eine äusserst eine neue Tetractinellidcnform mit radiärem Bau. 5 schlanke Spitze ausläuft, ist das freie Ende kurz und kräftig zugespitzt (Fig. 2, a.). Die Grösse der Nadeln variirt bedeu- tend; die Dicke schwankt zwischen 0,004 bis 0,008 mm., die Länge kann bis 4 mm. und darüber betragen. Die dünneren, zarteren Stabnadeln, welche ebenfalls eine beträchtliche Länge erreichen, aber höchstens einen Durchmesser von 0,001 mm. besitzen, sind niemals gerade, sondern stets wellenförmig ge- krümmt und beschreiben oftmals die zierlichsten Windungen und Schlängelungen. Ausser diesen immerhin ziemlich lang gestreckten einaxigen Formen findet sich noch eine eigenthümliche Gruppe von win- zigen Stabnadeln, welche für unsere neue Species ganz charak- teristisch ist (Fig. 2, b.). Es sind diese Nadeln ausserordentlich verkürzt und dünn, nur 0,011 bis 0,017 mm. lang und 0,0009 bis 0,0012 mm. dick. Ihre Form ist eine sehr wechselnde. Bald sind sie nur wenig gebogen mit stark umgeschlagenen Spitzen, bald hantelartig an beiden Enden verdickt, bald S förmig oder sichelförmig gekrümmt. Auch gerade Formen, deren eines Ende gewöhnlich in 3 sich rechtwinklig kreuzenden Spitzen ausläuft, oder sich in 2 aufwärts gerichtete Ankerzähne spaltet, sind nicht selten. In den wenigsten Fällen sind die winzigen Einaxer völlig glatt, sondern für gewöhnlich mit kleinen spitzen Dornen besetzt, welche bei den gekrümmten Formen insofern eine regelmässige Anorgnung zeigen als sie stets nur auf den convexen Seiten auftreten, während die con- caven Flächen frei bleiben. Die vorkommenden Vierstrahler sind entweder Ankernadeln oder concave Vierstrahler. Bei den Ankern stimmen die drei facialen Schenkel unter sich vollständig überein und umstehen symmetrisch den ausser- ordentlich verlängerten Apical-Strahl (Fig. 2, c). Dieselben sind ankerzahnförmig gekrümmt und laufen in eine kurze, aber scharfe conische Spitze aus. Ihr Durchmesser an der Basis beträgt 0,004 bis 0,005 mm., ihre Länge 0,021 bis 0,025 mm.; der schlanke Apical-Strahl ist von gleicher Stärke wie die Zähne. Die zweite Art, die concaven Vierstrahler, lassen sich nach ihrer Grösse und nach der Beschaffenheit der drei facialen Strahlen wiederum in zwei differente Formen zergliedern. Die facialen Schenkel der kräftiger entwickelten concaven ß Dr. Wilhelm Lampe: Tetilla japonica, Vierstrahler sind völlig gerade, aber von ungleicher Länge, in- dem stets einer praeponderirt (Fig. 2, d.). Dieser im Sinne Häckel's als basaler Strahl zu bezeichnende Schenkel erreicht eine Länge von 0,04 mm., während die beiden lateralen Strahlen ungefähr um die Hälfte verkürzt sind. Die Dicke ist ziemlich übereinstimmend, 0,0019 bis 0,0023 mm.; die drei facialen Winkel sind gleich. Der Apical - Strahl ist auch hier wie bei den Ankern vollständig gerade und von ansehnlicher Länge; sein Durchmesser beträgt 0,003 mm. An der Stelle, wo die drei divergirenden Schenkel sich abzweigen, erscheint der Apical- Strahl stets ein wenig aufgetrieben. Bei den dünneren, concaven, vierstrahligen Nadeln sind die drei facialen Strahlen ganz gleichwerthig (Fig. 2, e.). Sie sind leicht gekrümmt, so dass sie sich gegenseitig ihre convexen Seiten zukehren. Ihre Länge steht zu der des vierten Strahles nicht in einem solchen Missverhältnisse, wie dies bei den Ankern und den stärkeren Formen der Fall ist. Sie sind 0,03 bis 0,04 mm. lang und nur 0,0008 mm. dick; der Apical -Strahl besitzt einen Durchmesser von 0,001 mm. Von den verschiedenartigsten gestalteten Kugelsternen will ich hier nur eine besonders interessante Form erwähnen.* Es stellt dieselbe em zierliches, rosettenähnliches Gebilde dar, welches aus einer Anzahl (15 — 20) Gerstenkorn-ähnlicher Kiesel- körner sich aufbaut und zwar derartig, dass die Längsaxe der einzelnen Theilstücke nach dem Centrum der Kugel gerichtet ist (Fig. 2, f.). Dass wir in diesem Gebilde wirklich ein Conglomerat von kleinen Kieselkörnern vor uns haben, welche durcli eine Kittmasse nur lose zusammengehalten werden, geht aus dem Umstände hervor, dass schon bei geringem Druck die einzelnen Körnchen auseinander weichen. Gehen wir nun nach der Beschreibung der einzelnen Skelet- elemente zur Schilderung der Lagerung und Betheiligung der Kieselnadeln an dem Aufbau des Skelets über. An der Basis des Schwammes aus dem Wurzelschopfe er- hebt sich ein mächtiges Strahlenbündel, welches gewissermassen den Stamm des ganzen Stützapparates repräsentirt. Dasselbe besteht aus dicht neben einander geschichteten Stabnadeln mit dazwischen gestreuten Ankern und durchsetzt in axialer Rich- tung das Individuum ungefähr bis auf zwei Dritttheile seiner ganzen Länge (Fig. 3.). An den Seiten wird dasselbe noch eine neue Tetractinellidcnform mit radiärem Bau. 7 vielfach von den dünnen Stabnadeln begleitet, welche vermöge ihrer Elasticität und Biegsamkeit wohl dazu geeignet sind, den zahlreichen Wassercanälen auszuweichen. Von dem oberen Endpuncte dieses Hauptstammes, dem Centrum des Skelets, wie man denselben wohl am passendsten bezeichnen könnte, strahlen nach allen Richtungen hin gleichmässig Nadelbüschel aus, welche anfangs nur aus wenigen einaxigen Nadeln zusam- mengesetzt sind, nach der Peripherie hin aber sich allmählich verdicken, pinselartig ausbreiten und schliesslich die Oberfläche durchbrechen. Die letzten Ausläufer dieser Büschel bestehen lediglich aus den ungleichpoligen Einaxern und aus concaven Vierstrahlern, welch letztere aber stets beträchtlich weiter in das Freie hinausragen als die ersteren. Die Bedeutung der Anker ist offenbar; sie stellen eben, indem sie sich mit ihren ankerzahnförmig gekrümmten Schenkeln in dem Wurzelschopfe festklammern, eine innigere Verbindung zwischen diesem und dem eigentlichen Schwammkörper her. Die concaven Vierstrahler wie auch die ungleichpoligen Stabnadeln, welche über die Schwammoberfläche hervorstehen, dienen zweifelsohne in erster Linie zum Schutz gegen äussere Angriffe. Selenka ist allerdings der Ansicht, dass die con- caven Viorstrahler zugleich auch als Fangapparate fungiren können, jedoch scheint mir dies ziemlich unwahrscheinlich. Die kleinen, winzigen Stabnadelu ordnen sich fast aus- schiesslich an der Innenwand der grossen axial verlaufenden Hauptcanäle an, und zwar kommen sie dort in ungeheurer Menge, zu vielen Tausenden dicht nebeneinander vor. Am aller zahlreichsten finden sie sich gerade der Mundöffnung gegen- über auf der Spitze des isolirten Kegels. Sie sind vielfach in einander verkettet und verschlungen und bilden ganz ähnlich wie der Stäbchenmörtel bei manchen Kalkschwämmen einen continuirlichen Ueberzug der Gefässwände. Es ist klar, dass dadurch die Consistenz der Canäle nicht unwesentlich erhöht wird. Hie und da treten dieselben merkwürdigerweise auch im Innern der Schwammmasse auf, doch nur höchst selten isolirt, meistens auch hier gruppenweis beisammen. Wir sehen also, dass in der Anordnung des ganzen Skelets ein gewisser radiärer Bau sich deutlich zu erkennen giebt. Zwar können wir denselben nicht als einen ursprünglichen be- zeichnen, welcher in dem jungen Schwämme gleich von Anfang 3 Dr. Wilhelm Lampe: Tetilla japonica, an so evident, wie er uns bei dem ausgebildeten Thiere ent- gegentritt, vorhanden gewesen ist, sondern es ist derselbe jeden- falls seeundären Ursprungs. Zunächst hat sich wahrscheinlich der axiale Hauptstamm gebildet, und im Laufe der Zeit erst sind die nach allen Richtungen hin sich gleichmässig verthei- lenden Strahlenbündel entstanden. Wassercanalsystem. Das Wassercanalsystem zeigt, wie man sich auf jedem beliebigen Querschnitt durch den Schwamm ohne alle Schwierig- keit überzeugen kann, einen auffallend radiär symmetrischen Bau. Der einfache Mund führt in einen nach unten trichterförmig sich erweiternden Hohlraum, welcher sich constant in sechs aboralwärts verlaufende Gefässstämme fortsetzt (Fig. 4.). Die- selben reichen ziemlich weit hinab, besitzen einen rundlichen Querschnitt und sind von ansehnlicher Weite. Während bei Tetilla radiata und Tetilla euplocamos 2 mal 4 Hauptstämme auftreten, ist also für unsere Tetilla japonica die Zahl 6 cha- rakteristisch. Durch diese Längscanäle, welche wir als die getheilte Magenhöhle in Anspruch nehmen müssen, wird der ganze Schwammkörper gewissermassen in zwei Zonen getheilt, in eine innere, den isolirten Kegel, und eine äussere, den Mantel. Senkrecht zu den Radiärcanälen durchsetzt ein vielfach verzweigtes Röhrensystem den Weichkörper des Schwammes. Der Verlauf dieser zahlreichen Gänge und Spalten ist, da sie niemals genau radial gerichtet sind, sondern bald auf-, bald absteigen; bald rechts, bald links ausbiegen, ausserordentlich schwierig zu enträthseln und scheint auf den ersten Blick völlig regellos und ohne jeglichen Zusammenhang zu sein. Erst mit Hülfe der Born'schen Plattenmethode wurde es möglich, ein klares Bild über die Figuration des wirren Röhrengeflechts mir zu verschaffen. Ich machte von derselben in der Weise Ge- brauch, dass ich eine Anzahl auf einander folgender Querschnitte auf etwas starkem Papier möglichst genau entwarf, sämmtliche Stellen, welche sich als Hohlräume darthaten, ausschnitt und die einzelnen Blätter der Aufeinanderfolge der Schnitte gemäss zu- sammenlegte. Es Hess sich so die Verbindung der auf den Schnitten getrennt dastehenden Lücken mit Leichtigkeit erkennen. eine neue Tetractinellidcnforni mit radiärem Bau. 9 Auf diese Art und Weise kam ich zu dem Resultat, dass bei unserem Schwämme zwei Canalsysteme sich antagonistisch gegenüberstehen, die sich im Princip ganz ähnlich verhalten wie die, welche F. E. Schulze in seinen Arbeiten für die meisten von ihm untersuchten Schwämme ausführlich beschrie- ben hat. Natürlich treten auch hier mancherlei bemerkenswerthe Eigenthümlichkeiten auf, welche sich nothwendigerweise aus der durch die Längsstämme herbeigeführten Zweitheilung des Schwammkörpers ergeben müssen. Die Hautporen sind jedenfalls sämmtlich constant und werden wohl nie geschlossen. Sie sind kreisrund oder ellipsoi- disch und relativ ziemlich gross; sie liegen, wie schon bemerkt, stets an der Basis der flachen trichterförmigen Vertiefungen und münden theils direct, theils durch ein kurzes, feines Poren- canälchen in die subdermalen Hohlräume. Dieselben stellen unregelmässig ausgebuchtete Lacunen dar, welche aber nicht, wie das gewöhnlich bei den damit ausgestatteten Schwämmen der Fall zu sein pflegt, parallel der Oberfläche ausgebreitet sind, sondern mehr oder weniger radial gestreckt erscheinen. Ich glaube, dass diese abweichende Form derselben hauptsäch- lich durch die seitlich sie begrenzenden starken Nadelbüschel hervorgerufen wird. Die das Wasser zuführenden Canäle, welche einzeln an der Basis der subdermalen Hohlräume entspringen, enden in der Regel im untern Dritttheil des äussern Mantels, nur wenige zwängen sich durch die Gewebebrücken zwischen den Radiärcanälen hindurch und reichen mit ihren baumartig sich ausbreitenden Aesten bis in den centralen Theil des Schwammes hinein. Die Zahl der Einführungsgänge ist eine weit beträchtlichere als die der Abführungscanäle, dagegen sind sie nicht so stark verzweigt wie jene und besitzen auch ein geringeres Lumen. Das Ende der Ausführungsgefässe ist insofern noch bemer- kenswerth, als es niemals die Dermalwand der Längsstämme senkrecht durchbricht, sondern immer unter einem Winkel nach der Mundöffnung, also nach der Richtung des Wasserstromes, geneigt ist. Offenbar ist diese Bildung erst secundären Ur- sprungs. Denn ebenso wie ein Nebenfluss an seiner Mündung an dem stromabwärts liegenden Ufer eine Scholle nach der anderen wegspült und dadurch der ursprünglich vielleicht rechte Winkel allmählich stumpfer und stumpfer wird, ist auch hier 10 I^r. Wilhelm Lampe: Tetilla japonica, die Neigimg des Nebencanals zu dem Hauptcanal entstanden. Ich hebe diese an und für sich nicht gerade auffallende Bildung besonders hervor, da, wie wir sogleich sehen werden, diese Eigenthümlichkeit der Enden der Abflussröhren es ermöglicht, uns mit aller Bestimmtheit und Genauigkeit über den Verlauf des Wasserstromes in den Gefässen des isolirten Kegels zu Orientiren. Wie schon bemerkt, setzt sich nur eine kleine Anzahl der Wasser zuführenden Gänge direct von Aussen bis in den cen- tralen Theil fort. Das auf diesem Wege herbeigestrudelte Wasser würde aber bei Weitem nicht der Masse des isolirten Kegels und der Zahl der in demselben vorkommenden Geissei- kammern entsprechen. Es ist daher schon a priori anzunehmen, dass derselbe noch auf irgend einem anderen Wege Wasser empfängt, was aber nur von den Radiärcanälen aus möglich ist. Es müssen also die Gefässe, welche den isolirten Kegel durchsetzen und auf der Dermal wand ausmünden, theil weise Einführungsgänge, theil weise Ausführungsgefässe sein. Dies lässt sich denn auch in der That nachweisen. Während näm- lich eine Anzahl stets senkrecht zu den Hauptcanälen steht, zeigt ein anderer Theil in dem letzten Ende wieder jene charakteristische Neigung nach der Richtung des Wasserstromes. Die auf eine solche Art und Weise vermittelte Ernährung der centralen Schwammmasse kann jedoch niemals eine so voll- ständige werden als der Mantel sie geniesst, denn es erhält derselbe ja zum grossen Theil schon einmal durchgeseihtos Wasser, ein Umstand, der sich auch nach verschiedenen Seiten hin geltend macht, wie z. B. in dem spärlicheren Auftreten der Geschlechtsproducte. Weichtheile. Ectoderm. Das Ectoderm tritt theil weise nur sehr undeutlich hervor; an manchen Stellen scheint dasselbe nach meinen Beobachtungen überhaupt völlig zu fehlen. So hat es mir nicht gelingen wollen, selbst mit den stärksten Vergrösserungen ein solches an der Oberfläche nachzuweisen. Ebenso habe ich in den kleineren Canälen vergebens darnach gesucht. Ich zweifle aber nicht, dass dasselbe auch hier auftritt, es bedarf jedenfalls nur der eine neue TetractinellideDform mit radiärem Bau. H Behandlung eines frischen Schwammes mit Silbernitrat, um das- selbe sichtbar zu machen, was mir leider nicht möglich war, da mir nur Spiritus -Exemplare zur Verfügung standen. Die Zellen des Oberflächen - Ectoderms können möglicherweise auch im Laufe der Zeit schon wieder verschmolzen oder zerstört worden sein. In den grösseren Gefässen und besonders in den Radiär- stämmen tritt es indessen schon bei Anwendung der gewöhn- lichen Tinctionsmethode ausserordentlich deutlich und scharf be- grenzt hervor, zeigt aber eine wesentlich andere Beschaffenheit als in den meisten bisher untersuchten Schwämmen. Während im Allgemeinen das Ectoderm ein continuirliches, einschichtiges Plattenepithel darstellt, dessen einzelne polygonalen Zellen mit ihren Seitenkanten aneinanderstossen, lässt wenigstens das der Längscanäle eine sehr deutliche Schichtung erkennen. Dieselbe ist allerdings nicht sehr stark, in der Regel besteht sie nur aus zwei bis drei Zellenlagen. Die Zellen sind mehr oder weniger polyedrisch, in der Mitte etwas verdickt und nach allen Seiten hin sich allmählich abflachend, so dass sie sich in einen scharfen Saum ausziehen. Auf einem Querschnitt haben sie ganz das Aussehen einfacher Spindelzellen. Sie besitzen einen Durchmesser von 0,019 bis 0,022 mm. und in der Mitte eine Höhe von 0,0028 bis 0,004 mm. Der etwas plattgedrückte Kern hat eine grösste Axe von 0,004 mm. Die Lagerung derselben in den einzelnen Schichten ist dergestallt, dass sie stets abwechselnd mit ihren abgeflachten Rändern regel- mässig übereinander greifen. Es erhalten dadurch die Zellen- lagen überall eine gleichmässige Höhe. Diese Anordnung der Zellen wird auch da eingehalten, wo nur eine einzige Schicht auftritt, wie in den zahlreichen zuführenden und abführenden Canälen des Mantels und des isolirten Kegels. Geissein treten an den Zellen des Ectoderms nie auf. Entoderm. Die Form der Geisseikammern ist ellipsoidisch oder birn- förmig, nur da, wo dieselben durch die Strahlenbüschel ein Hinderniss in der Ausbildung erfahren haben, sind sie mehr oder weniger unregelmässig und verzerrt. Das Lumen ist sehr constant, die Länge beträgt 0,025 bis 0,03 mm., der grösste Durchmesser 0,015 bis 0,02 mm. 12 Dr. Wilhelm Lampe: Tetilla japonica, Die Geisselzellen stehen dicht neben einander und kleiden die ganze Innenwand der Kammern aus. Sie sind je mit einem laugen Fiimmerhaar ausgestattet und von annähernd rundlichem Habitus, nur wenig länger als breit; ihre Länge beträgt 0,004 mm., ihr Querdurchmesser 0,003 bis 0,0035 mm. Der Kragen ist wegen der Kleinheit der Zellen nur undeutlich zu erkennen, dagegen tritt der der Basis genäherte Kern sehr scharf hervor. In jede Geisseikammer mündet stets nur je ein feines Einfuhr ungscanälchen, welches genau an dem gegenüberliegenden Pole als ein ebenso zarter Ausführungsgang wieder austritt. Ausserordentlich häufig ist die ganze Kammer von einer dünnen coutinuirlichen Membran umgeben, welche sich unmittel- bar an das basale Ende der Geisselzellen anlegt. Dieselbe bleibt stets völlig homogen und lässt keinerlei Structur erkennen. Offenbar ist dieses Gebilde ein secundäres Product, welches im Laufe der Zeit entweder von den Geisselzellen selbst oder von Aussen her abgeschieden worden ist. Hinsichtlich des Vorkommens und der Lagerung der Kam- mern ist zunächst zu bemerken, dass dieselben sehr weit ver- breitet in dem Schwammkörper auftreten, jedoch an den ver- schiedenen Stellen in sehr ungleicher Anzahl. Nur direct unter der Oberfläche, in einer Zone, welche von der Peripherie bis ungefähr zu der unteren Fläche der subdermalen Hohlräume sich erstreckt, fehlen sie vollständig. Die darauf folgende Partie ist dagegen ausserordentlich reich daran. Hier liegen sie in grosser Menge dicht nebeneinander^ ziemlich regelmässig um die Einführungscanäle angeordnet. Nach dem Innern nimmt die Zahl derselben ganz allmählich ab, und in nächster Nähe der Radiärcanäle trifft man sie nur noch ganz vereinzelt an. Es ergiebt sich diese Vertheilung eigentlich von selbst aus dem Verlauf der einführenden und ausführenden Gefässe. In dem isolirten Kegel sind sie vollständig gleichmässig vertheilt, nur im Umkreis des Skeletcentrums ist die Zahl eine bedeutendere. Es ist mir sehr wahrscheinlich, dass die starke Ansammlung von Geisseikammern an diesem Puncto mit der verhältnissmässig grossen Neubildung von Kieselsubstanz im Zusammenhange steht, welche bei dem Wachsthum des Individuums nothwen- digerweise an dieser Stelle erfolgen muss. eine neue Tetractinellidenform mit radiärem Bau. 13 Mesoderm. Das Mesoderm stimmt mit dem der bisher untersuchten Schwämme im Wesentlichen überein. Es lassen sich auch hier jene drei Elemente unterscheiden, welche in erster Linie den Weichkörper aller Schwämme zusammensetzen. Indessen besitzt dasselbe je nach der Beschaffenheit der Grundsubstanz, und jenachdem die verästelten Bindegewebszellen oder die rund- lichen, amoeboid beweglichen Zellen vorherrschen, ein sehr differentes Aussehen. Die gallertartige Zwischensubstanz ist entweder völlig homogen und structurlos oder fein granulirt. Im Allgemeinen sind die Partien, wo die verästelten Bindegewebskörperchen vorwalten, hyalin, während umgekehrt mit der Zunahme der amoeboiden Zellen auch die Trübung der Grundsubstanz wächst. Die Bindegewebskörperchen sind ausserordentlich stark ver- ästelt, ihre verzweigten, protoplasmatischen Ausläufer stossen stets mit denen der Nachbarzellen zusammen, so dass dieselben in directer und beständiger Communication mit einander stehen. Es erhält dadurch der ganze Weichkörper gewissermassen das Aussehen eines complicirten Maschenwerkes. Während für ge- wöhnlich die Protoplasmafäden nach allen drei Dimensionen des Raumes gleichwerthig ausgebildet sind, ist dies überall da, wo Druck- oder Zugwirkungen sich geltend machen, nicht der Fall. So sind an der Oberfläche und im Umkreis der Gefässe die- selben hauptsächlich in der Längsrichtung der betreffenden Flächen stark ausgedehnt, die Querverbindungen dagegen ausser- ordentlich verkürzt. Am auffallendsten tritt diese Erscheinung in unmittelbarer Umgebung der grösseren Eier zu Tage. Hier werden nämlich die ursprünglich wirr durcheinander liegenden feinen Fortsätze dicht zusammengeschoben und vollständig pa- rallel gerichtet, sodass es scheint, als ob die Zwischensubstanz an den betreffenden Stellen eine faserige Structur angenommen hätte. Die amoeboiden Zellen, welche mehr oder weniger massen- haft in dem Maschenwerk zerstreut vorkommen, sind von un- regelmässig rundlichem Habitus und meistens mit kleinen lap- pigen Fortsätzen ausgestattet. Sie erreichen durchschnittlich eine Grösse von 0,007 bis 0,01 mm., während der Kern, welcher constant ein kleines Kernkörperchen einschliesst, einen 14 r)!"' Wilhelm Lampe: Tetilla japonica, Durchmesser von 0,003 bis 0,004 mm. besitzt. Das Proto- plasma der Zellen stellt stets eine feinkörnige Masse dar. Bezüglich ihres Vorkommens zeigen sie erhebliche Diffe- renzen. Ganz besonders zahlreich treten dieselben in der Nähe der im Ruhestadium sich befindenden Eier auf, und zwar sind sie hier gewöhnlich sehr regelmässig zu Zellnestern augeordnet. Ausserdem trifft man sie aber auch in grosser Menge direct unter der Oberfläche zwischen den subdermalen Hohlräumen. Hier sind sie so dicht nebeneinander gruppirt, dass die ver- ästelten Bindegewebskörperchen vollständig verschwinden. Jeden- falls stehen die Ansammlungen von Zellen an diesen Partien mit der auftretenden Knospung in naher Beziehung. Es er- scheint mir dies um so wahrscheinlicher, da dieselben stets kugelig gestaltet sind und niemals jene kleinen lappigen Fort- sätze, welche die amoeboiden Zellen charakterisiren , erkennen lassen, also ihre amoeboide Bewegung eingebüsst haben. Ausser diesen beiden Zellelementen kommen im Mesoderm noch eigenthümliche, ansehnliche Zellen vor, die ich wegen der Constanz ihres Auftretens und wegen ihres sonstigen Verhaltens als unbedingt zum Schwammkörper gehörig betrachten muss. Dieselben sind bedeutend voluminöser als die gewöhnlichen amoeboiden Zellen (0,015 bis 0,025 mm.), besitzen einen gela- tinösen homogenen Zellkörper und schliessen in ihrer Mitte einen deutlich wahrnehmbaren Kern ein. Anfangs rund, ziehen sie sich im Laufe der Zeit nach einer Richtung aus und nehmen eine mehr oder weniger regelmässig länglich ovale Form an. Zu gleicher Zeit werden um den Kern herum feine, hyaline, stark lichtbrechende Körper ausgeschieden, welche immer mehr und mehr nach der Peripherie hinrücken und sich dort an der Innenseite der Zellen zu kleinen Leisten anordnen. Es läge nahe, diese Zellen analog zu setzen jenen besonders bei Chon- drilla und Chondrosia vorkommenden knolligen Gebilden mit den stark lichtbrechenden Einlagerungen von fettähnlicher Sub- stanz, welche F. E. Schulze als Reservenahrungszellen in Anspruch zu nehmen geneigt ist. Jedoch widerspricht dieser Auffassung das chemische Verhalten; die kleinen Körnchen und Leisten sind nämlich in absolutem Alkohol, in Aether und Benzol unlöslich. Meine Vermuthung, dass wir es hier eventuell mit ausgeschiedener Kieselsäure zu thun hätten, bestätigte sich ebenfalls nicht, denn einmal werden sie durch Säuren zerstört, eine neue Tetractinellidenform mit radiärem Bau. 15 und dann ist auch ihr optisches Verhalten ein anderes als das der gewöhnlichen Kieselgebilde ; dieselben sind nämlich ausgezeichnet doppeltbrechend, die Nadeln dagegen nur einfachbrechend. Ich muss also dahingestellt sein lassen, welcher Natur die Ausschei- dungen sind, und was für eine Function den Gebilden zukommt. Was nun schliesslich noch die Pigmenthaufen anbetrifft, welche in ziemlich bedeutender Menge den Weichkörper un- seres Schwammes erfüllen, so bin ich durch die Bildung und Anordnung derselben zu der Ansicht geführt, dass wir in diesen direct die unbrauchbar gewordenen Zersetzungsstoffe des Orga- nismus vor uns haben. Eine ähnliche Function möchte in neuerer Zeit auch v. Lendenfeld*) denselben zuertheilen. Er glaubt, dass die Pigmentkörnchen entweder „physiologisch den rothen Blutkörperchen der Wirbelthiere vergleichbare Bildungen" seien, oder auch, dass sie möglicherweise „die beim Stoffwechsel der Wanderzellen unbrauchbar gewordenen Theile enthalten, die dann den Kragenzellen tibertragen und hier durch die Athmung wieder in brauchbare Stoffe verwandelt oder ausgestossen wer- den." Dieser letzten Ansicht muss ich nun unbedingt den Vor- zug geben. Die Pigmentkörnchen werden stets in den amoe- boiden Zellen gebildet; man kann hier alle möglichen Stadien nebeneinander beobachten. Zunächst wird ein ganz kleines, kaum sichtbares Körnchen von dunkelbrauner Farbe in der Zelle ausgeschieden; dasselbe vergrössert sich, es folgt alsdann ein zweites, drittes u. s. w. , bis die ganze Zelle dicht damit angefüllt ist. Diese so mit Pigmentkörnchen versehenen Zellen liegen anfangs regellos in der Schwammmasse zerstreut. Sobald sie aber vollständig in Pigment umgewandelt sind, rücken die- selben allmählich gegen die Hauptcanäle vor, ordnen sich hier zu runden Nestern an, deren centraler Theil gewöhnlich noch eine helle protoplasmatische Substanz enthält und durchbrechen endlich die Dermalwand der Canäle und werden so mit dem Wasserstrome fortgeführt. Die mikrochemische Untersuchung, die ich in Bezug auf die Substanz der Pigmentkörnchen vor- nahm, führte leider zu keinem befriedigenden Resultat, da die durch die Säure zerstörte organische Substanz das ganze Prä- parat so sehr verdeckte, dass man überhaupt bei weiterer Be- handlung nichts mehr zu erkennen vermochte. •) Zeitschrift für wiss. Zoologie Bd. XXXVH Ipag. 254. 16 Dr. Wilhelm Lampe: Tetilla japonicä, Genitalproducte. Tetilla japonicä ist getrennten Geschlechts; Eier und Sperma kommen stets in verschiedenen Individuen vor, aller- dings scheinen die Weibchen bei Weitem zahlreicher zu sein als die Männchen, wenigstens fand ich unter sechs von mir untersuchten Exemplaren nur ein einziges Männchen. Sperma. lieber die männlichen Geschlechtsproducte ist nicht viel zu sagen. Es stellen dieselben unregelmässig geformte Klümp- chen dar, welche sich aus einer grossen Anzahl von kleinen rundlichen Kügelchen zusammensetzen, dessen helleres Innere von einem dunkleren Rande umsäumt wird. Die Spermaballen entstehen allerorts aus den amoeboiden Zellen. Dieselben zer- fallen ganz ähnlich einem sich furchenden Ei in die runden Körperchen, welche anfangs noch ziemlich ansehnlich sind, bei der fortgesetzten Theilung aber immer kleiner und kleiner werden. Auf einer bestimmten Entwicklungsstufe zeigen die Klümpchen in der Mitte einen hellen, protoplasmatischen Raum. Es ist wohl möglich, dass in diesem sich die Fäden der Sper- matozoen bilden. Die grösseren, reiferen Ballen sind stets vollständig solide. Eier. Die Eier sind ebenfalls mesodermatische Producte, jedoch bilden sie sich nicht an jeder beliebigen Stelle, sondern sie entstehen, wenigstens die späteren Generationen, vorzugsweise aus jenen Zellnestern, welche ständig die reiferen Eier begleiten (cf. pag. 14). Man könnte demnach diese Zellgruppen gleich- sam als die Ovarien des Schwammes betrachten. In ihren ersten Stadien kann man die sich entwickelnden Eier durch Nichts von den betreffenden Mesodermzellen unterscheiden. Die Dottermasse der jüngeren, noch amoeboid beweglichen Eier ist fein granulirt; bei dem allmählichen Wachsthum wird dieselbe aber grobkörniger. Zunächst treten nur wenige grössere glän- zende Dotterkörner auf, deren Zahl mit der Grösse der Eier stetig zunimmt, so dass schliesslich die ganze Masse dicht da- mit erfüllt zu sein scheint. Eine eigenthümliche Anordnung der Dottermasse macht sich ausserordentlich häufig bei mittelgrossen Eiern geltend. Es ordnet sich dieselbe zum Theil in Fäden eine neue TetractinelHdenform mit radiärem Bau. 17 an, welche sehr regelmässig radapeichenartig von dem Eikern nach der Peripherie hin ziehen, und zwischen denen helle Lücken bleiben, die jedenfalls mit Zellwasser angefüllt sind. Die grössten Eier erreichen einen Durchmesser von 0,1 mm. Eine besondere Endothelkapsel, welche vielfach bei anderen Schwämmen constatirt werden konnte, tritt weder bei den amoeboid beweglichen noch bei den ruhenden Eiern auf. Bezüglich der Lagerung und Vertheilung ist zu bemerken, dass die Zahl der in dem Mantel vorkommenden Eier eine viel grössere ist als die in dem isolirten Kegel, was, wie ich schon hervorgehoben habe, in der mangelhafteren Ernährung des letzteren begründet liegt. Während die jüngeren Stadien ver- möge ihrer amoeboiden Bewegung überall in der Schwamm- masse auftreten, concentriren sich die reiferen, grösseren Eier besonders um die Radiärcanäle und letzten Enden der aus- führenden Gänge, wo sie alsdann stets sehr stark in das Lumen der Gefässe hineinragen. Ausser auf geschlechtlichem Wege ist unser Schwamm aber auch fähig, sich auf ungeschlechtlichem Wege fortzupflanzen. Dies zeigen die zahlreichen Knospen, welche sowohl bei Weib- chen als auch bei Männchen auftreten. Die Losschnürung der- selben geht stets von den mesodermatischen Elementen aus vor sich, es wird dieselbe, wie ich schon angedeutet habe, ein- geleitet durch die kolossalen Ansammlungen von amoeboiden Zellen zwischen den subdermalen Hohlräumen. Geisseikammern gehen nie mit in die Knospen über, wie dies Selenka für seine Tetilla radiata constatiren konnte, wo stets 12 bis 20 Kammern in der Mitte der über die Oberfläche sich hervor- wölbenden Mesodermzellen eingeschlossen sind. Zum Schluss sei es mir gestattet, meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Geheimrath Professor Dr. Leuckart, meinen verbindlichsten Dank auszusprechen für das freundliche Wohl- wollen und die jederzeit bereitwillige Unterstützung, welche er mir bei Anfertigung der vorliegenden Arbeit im reichlichsten Maasse zu Theil werden liess. Leipzig im Juli 1885. Arch. f. Natg. 52. Jahrg. I. Bd. 1. H. 18 Dr. Wilhelm Lampe: Tetilla japonica. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Tetilla japonica. Natürliche Grösse. Fig. 2. Verschieden gestaltete Kieselgebilde. a. ungleichpolige Stab- nadeln; b. winzige Stabnadeln; c. Anker; d u. e. concave Vier- strahler; f. Kugelstern. Fig. 3. Schematische Darstellung des Skelets im Längsschnitt, o. Oscu- lum; c. Centrum des Skelets. Fig. 4. Querschnitt, r. RadiärcanUle. Fig. 5. Theil eines Querschnittes der Oberfläche genähert, en. Geissei- kammern, z. Th. von einer Membran umgeben; p. Pigmenthaufen. Fig. 6. Theil eines Querschnittes in der Nähe der Radiärcanäle. r. ßadiär- canal ; m. ec. mehrschichtiges Ectoderm desselben ; e. ec. ein- schichtiges Ectoderm eines Seitencanals ; g^. reifes Ei ; ga- amoe- boid bewegUches Ei mit radspeichenartig angeordnetem Proto- plasma; g3 u. g4. jüngere Eier; Z. n. Zellnester, aus denen die Eizellen hervorgehen; d. grosse Zellen des Mesoderms mit doppelt brechenden Einlagerungen. Stadien über neue und weniger bekannte Podophthalmen Brasiliens. Beiträge zur Kenntniss der Süsswasser-Genera: Trichodactylus, Dilocarcinus, Sylviocarcinus und der marinen Genera: Le- ptopodia, Stenorhynchus. Von Dr. Emil A. Göldi in Rio de Janeiro. 1885.*) Hierzu Tafel 11 und IIL Trichodactylus Cunningliami Smith. Uca CimniDghami Bäte 1869. Trichodactylus (?) Cunniughami Smith 1869. Trichodactyhis punctatus Dana (?). Trichodactylus punctatus Eydoux et Souleyet (?). Trichodactylus quadratus var. (?) von Martens 1869. Die Synonymie dieser Süsswasserkrabbe Brasiliens ist ein Labyrinth von Confusion und Irrthümern, durch welches mich hindurchzuarbeiten mir viele Mühe gekostet hat und welches mich bis auf den heutigen Tag im Zweifel darüber lässt, wem eigentlich die Priorität gehört. Wenn ich den Species - Namen „Cimninghami" beibehalte, so geschieht es gewiss nicht wegen der Beschreibung von C. Spence Bäte, die gerade eine der *) Eine Zusammenfassung der Resultate wurde bereits gegeben in Zoologischer Anzeiger Bd. VIII (1885), S. 662. 2* 20 Dr. Emil A. Göldi: Studien über neue und weniger hauptsächlichsten Fehlerquellen darstellt, sondern in Rücksicht auf den Umstand, dass Dr. Cunningham die einzige mir bekannte Zeichnung lieferte, welche die Art als solche mit Sicherheit erkennen lässt — sofern man nämlich das Thier zur Vergleichung vor sich hat. Ich habe sowohl von dieser als von der anderen, so häufig mit T. Cunninghami verwechselten Art Serien verschiedener Altersstadien beider Geschlechter vor mir, theils selbst ge- sammelt, theils von meinen Leuten herbeigebracht, die ich zu derartigen Beobachtungen angeleitet habe. Ich verfüge somit über ein Material, wie es kaum einem anderen Forscher zu Gebote stand und bin als in der Heimath dieser Krebs-Familie Ansässiger in der glücklichen Lage, dieses Material nach Be- lieben zu bereichern. Species - Charactere : Cephalothorax — Ringsum scharf- kantig, mehr dem Trapez sich nähernd, abgeflacht. Kiemen region flach, Hinterrand nicht steil in das Abdomen umbiegend. Zwei flach -beulige Erhöhungen halbmondförmig quer über die vor- dere Hälfte verlaufend. Stirne wenig steil abfallend. Seitem-and ringsum mit feinen zahnartigen Höckerchen, welche nach vorne zu schärfer werden und am deutlichsten am Stirnrand auftreten; am vorderen Drittel zwei durch schwache Einschnitte gebildete grössere Zähne (immerhin weniger in die Augen springend als bei verschiedenen Dilocar- cinus - Arten) ; zwischen äusserem Augenrand und erstem Seitenzahn 6 schwache Höckerchen. Seitenrand schwach nach oben aufgeworfen. I, Fusspaar (Scheerenpaar) — Innenzahn des Armes scharf spitzig beiderseits. Rechte Scheere stärker, oben und unten mit 7 stumpf- höckerigen, regelmässig von einander abstehenden Zähnen. Linke Scheere bloss vorne dichter mit kleinen spitzen, von oben und unten in einander greifenden Zähnchen bewehrt. Fusspaare II, III, IV — Tarsus dick, stark filzig. Fusspaar V — Tarsus breit, stark abgeplattet. Farbe: Cephalothorax und Scheeren tief dunkelroth - braun , die übrigen Beinpaare heller. — Die ganze Krabbe mit flachen, punktartigen, auf dem Rücken dichter, auf den Beinen spärlicher auftretenden Vertiefungen. Vorliegende Art, die ich sehr bald als specifisch verschieden von Trichodactylus quadratus erkannte, wäre beinahe von mir als eine neue Species beschrieben worden. Selbst heutigen Tages, wo ich im Besitze einer umfassenden Literatur bin, glaube ich, dass ich in jenem Falle kaum eines literarischen Fehltritts hätte beschuldigt werden können augesiclits des Um- standes, dass in der That nirgends eine gute, allseitige bekannte Podophthalmen Brasiliens. 21 Beschreibung existirte. Die Geschichte der Synonymie wird dies am besten beweisen. Ein reiner Zufall spielte mir die „Annais and Magazine of Natural History. Vol. I." (Fourth Series 1868. London) in die Hand, wo ich einen Artikel von Spence Bäte, betitelt: „Carcinological Gleanings No. III" (pag. 442 — 448) fand. Dort heisst es: „Dr. Cunningham writes me from At sea, Nov. 8, 1867. (Between Montevideo and Magellaiu Sti'eet.) The mention of Tijuca [Rio de Janeiro] reminds me of a matter that I shall feel much obliged to you if you cau give me a little Information upon, viz. how far is the development of the land and freshwater decapods made out? I am aware that the crayfish is stated not to undergo any metamorphosis in the young State; but I have not been able to ascertain, in the limited number of books which I have there for consultation, whether the same thing holds good in the Brachyurous Decapoda. I obtained several specimens of a crab, in the province of Rio Janeiro, which frequents streams and damp rocks in their vicinity; and while exploring the bauks of a cascade in the neighbourhood of Tijuca, I obtained a female specimeu, which, to my surprise, had between fifty and sixty fully developed live young ones under the pleon, in the ordinary position of the ova. These little creatures were very active and several escaped on the parent being captured; but I have preserved a number of them, and I send you specimens in this letter, together with a careful sketch of the parent. This occurence, it appears to me, goes far to prove that this species either undergoes no marked metamorphosis between the eg^ and the perfect animal, or eise that the metamorphosis takes place while the young animal is beneath the pleon of its parent. The body of the addult crab is of a dull purple colour; the legs are of a considerable paler tint." Hier schaltet Spence Bäte in Parenthese ein: [Appendix VII, PL XXI, fig. 3]. Die auf Seite 447 befindliche Anmerkung aus der Feder von Bäte lautet nun folgendermassen: „VII. Uca Cunninghami (PI. XXI, fig. 3) . . — I know this species only by Dr. Cunningham's figure and place it in the genus Uca rather than in that of Gecar- cinus, because there are no theeth or spines on the legs. 22 Dr. Emil A. Göldi: Studien über neue und weniger The two genera, as well as those of Cardisoma and Ge- carcoidea, are distingiüshed from each other by the different form of the gnathopoda, which, not being shown in Dr. Cun- ningham's drawing, I cannot appeal to. But since the species of several genera described by Milne-Edwards are distin- guished by having rows of spines or teeth on the walking-legs, I think it more probable, that this species may be more closely allied, throiigh tliQ form of the oral apparatus with üca than with either of the others. Female. Carapace circularly oval; lateral margins not converging until over the peniütimate pereiopod, then suddenly narrowing to about one-third of the broadest diameter of the carapace; anterior or intraorbital margin smooth and conti- nously emarginate; latero -frontal margins rounded, not defined, furnished with two short teeth formed rather by depressions than dental elevations. Orbits broad, and not deeply impressed in the carapace. Antennae short. First pair of pereiopoda chelate, unequal, right the larger; chelae strong, having the internal margin of the digital process of the propodos straight, tapering, and armed with four or five streng tubercles ; dactyloa curved, tapering, and armed with one or two small tubercles. The rest of the pereiopoda are subequal in length, the last being somewhat the shortest, and have the tarsi smooth and unarmed. The pleon has none of the segments fused. The telson is narrower at the base than the preceding segment." Zu dieser Bemerkung tritt nun hinzu Fig. 3 auf Tafel XXI, darstellend: „Uca Cunninghami nov. spec. $, nat. size: P, pleon, Seen on the outer side, P„, the same inside in situ, showing: — p, pleopoda; v — young crabs; z, termination ot intestinal track; t, one of the pleopoda." Die beigefügte, also nach der Zeichnung von Dr. Cun- ningham reproducirte Figur, die fragliche Krabbe von oben gesehen darstellend, ist so gut — zumal für eine Skizze, wie sie auf dem Schiffe gemacht werden kann — dass ich auf den ersten Blick mein vermeintlich neues Thier wiedererkannte, gleichzeitig aber die Unhaltbarkeit der Bate'schen Classification einsah. Die Gattung Uca schliesst nämlich Krabben ein, die sämmtlich breiter sind als lang bezüglich ihres Cephalothorax, am vorderen Drittel des Seitenrandes eine starke Wölbung aufweisen; die Glieder der Scheerenfüsse sind bekannte Podophthalraen Brasiliens. 23 nach innen zu scharf bedornt ; die Tarsen aller fünf Schreitfuss- Paare sind kantig, gezähnelt. Der Stirnrand zeigt eine ganz andere Beschaffenheit, die Augenhöhlen sind lang gestreckt ; die Augen selbst zeigen bei Uca durch Verlängerung ihres Stieles den Uebergang zu den in dieser Beziehung extremen Gruppen Gelasimus — Gonoplax — Ocypoda — Macrophthalmus : De- tails, die auf der Zeichnung sammt und sonders fehlen. Glücklicher ist Sidney I. Smith gewesen, der seinem für mich ganz besonders werth vollen Werkchen: „Notes of the crustacea Collected by Prof. C. F. Hartt on the coast of Brazil in 1867" eine Liste beifügte: „List of the described species of Brazilian Podophtalmata" (1869)*). Unter den bekannten „Trichodactylidae" nimmt die dritte Stelle eine Krabbe ein, die unter dem provisorischen Namen: „Trichodactylus (?) Cunning- hami (Uca Cunninghami Bäte)" figurirt. Das hinter dem Genus- Namen befindliche Fragezeichen beweist, dass der Autor das fragliche Thier nicht aus eigener Anschauung kennt; aber die von Bäte mitgetheilte Figur von Dr. Cunningham führt ihn zu der Vermuthung, dass wohl eher ein Glied der Gattung: Trichodactylus gemeint sein möchte. Der scharfe Blick dieses nordamerikanischen Carcinologen hat in der That das Richtige getroffen. Merkwürdiger Weise erschien in demselben Jahre 1869 in Troschel's Archiv für Naturgeschichte eine Arbeit von Ed. V. Martens, betitelt „Südbrasilische Süss- und Brackwasser- Crustaceen nach den Sammlungen des Dr. Reinh. Hensel." Dort heisst es Seite 2 unter Trichodactylus quadratus: „Milne- Edwards giebt in seinem ersten Werke keine Seitenzähne an, ebenso wenig zeigt die citirte Abbildung solche, daher Dana seine Exemplare aus Rio Janeiro mit zwei schwachen Aus- *) Die Abteilung für Zoologie am National -Museum in Rio de Janeiro besitzt die Doubletten zu den Hartt 'sehen Sammlungen, die ich bei Antritt meiner Stellung aus dem Staube und der Gefahr des Verderbens rettete. Ausserdem fand ich in den Flaschen, mit deren Inhalt im Laufe der Zeit manche nur Confusion verursachende Local - Veränderungen vor- genommen worden sind, keine namentragenden Etiquetten, sondern blos kleine Zettelchen mit Bleistift -Nummern, zu denen keinerlei Register existirte. An der Hand der Smith 'sehen Liste fand ich mich trotzdem mit der Zeit zurecht. 24 Dr. Emil A. Göldi: Studien über neue und weniger schnitten des Seitenrandes für eine andere Art, punetatus hielt.*) Aber in der späteren Arbeit sagt Milne- Edwards: „bords lateraux entiers oii obscurement tridentes." Die von Dr. Hensel mitgebrachten Exemplare, worunter eines von bedeutender Grösse, sowie andere brasilianische von Sello und V. Olfers im Berliner Museum zeigen alle zwei deutliche, wenn auch kleine Seitenzähne hinter der äusseren Augenecke, welche M. -Edwards als ersten Seitenzahn zu bezeichnen pflegt. Rio Janeiro, in einem Bache, der von der Tijuca her- abkommt. — Eydoux et Souleyet geben die Sandwichinseln als Fundort ihres Trichod. punetatus an; der Seitenzähne wird nicht erwähnt; im Uebrigen stimmt ihre Beschreibung und Ab- bildung so sehr mit Tr. quadratus, dass sie nicht wohl als eigene Art gerechtfertigt scheint und der Fundort höchst un- wahrscheinlich wird." Diese Bemerkungen leiten mich zu der Vermuthung — ich möchte fast sagen — Gewissheit, dass v. Martens den eigentlichen Trichodactylus quadratus nie gesehen hat, dass er nie beide Arten zur Vergleich ung vor sich hatte; sonst müsste er auf die richtige Fährte gekommen sein. Was er unter Trichod. quadratus beschreibt, ist sicherlich nichts anderes als Tr. Cunninghami! So bietet denn die Natur- geschichte dieser brasilianischen Krabbe das eigenthümliche Schicksal dar, dass das, was in der neuen Welt von Seiten Dr. Cunningham's und Sidney J. Smith 's zu ihrer wissen- schaftlichen Erkenntniss geschah, in demselben Jahre in der alten Welt durch die von v. Martens unwissentlich hervor- gerufene Confusion wieder annulirt wurde. — Mein eigenes Verdienst um diese Frage reducirt sich somit auf eine auf reicheres Material gestützte kritische Durchsicht ung, scharfe Abgrenzung zweier vielfach verwechselter Species und endgültige Entscheidung der Gattung. In der Smith'tichen Liste wird freilich nun einer von den beiden Namen (?) Tri- chodactylus punetatus und Trichodactylus (?) Cunninghami zu *) Leider fehlt mir zur Vergleichung Dana's Crustaeeen - Werk, d. h. ich besitze blos Band II, aber weder den Atlas noch den gerade erforderlichen ersten Band. Eine bezügliche Figur scheint in Dana nicht vorhanden zu sein, was mein Vorgehen zu Gunsten Dr. Cunningham's rechtfertigen wird. bekannte Podophthalmen Brasiliens. 25 Seilwinden haben, da dort bisher das gleiche Thier unter zwei verschiedenen „Reisepässen" figurirte. — Meine eigenen Exemplare stammen theils aus der „Serra d a B i s c a " bei der Eisenbahnstation Cascadura (Don Pedro II- Bahn), einer schluchtenreichen, von Bächen durchströmten Waldgegend. Jäger aus der benachbarten brasilianischen Re- sidenz, die ihren Proviant von „Carne seeca" (an der Sonne getrocknetem Rindfleisch) vor der Zubereitung in fliessendem Wasser auswässern, beobachten diese Süsswasserkrabbe regel- mässig, zumal bei eingetretener Dunkelheit, wo letztere von dem auszuwässernden Trockenfleisch ihren Tribut erheben möchte. Von dort her bekam ich auch ein Weibchen mit einer grossen Anzahl von eben entwickelten Jungen. Eine andere Reihe von kleineren, etwa 1 cm. hohen Exemplaren fing ich im April 1885 in den Bächen des sog. „botanischen Gartens" in Rio. Meine beiden grössten Exemplare sind etwa 3 cm. hoch, doch wird mir versichert, dass es noch grössere gebe. Tricliodactylus quadratus Milue-Edwards Trichodactylus fluviatilis Latreille (?). Milne-Edwards gab 1837 in seiner „Histoire naturelle des crustacees Vol. II, pag. 16" folgende Diagnose dieser Spe- cies: „Carapace lisse; ses bords lateraux un peu releves. Pates mediocres. Tarses cylindriques, allonges et couvert d'un duvet court et serre. Longueur: 1 pouce . Habite le Bresil.*)" Eine Abbildung findet sich dort nicht. Derselbe Autor sclireibt in „Cuvier, Regne animals Crustaces" (Texte) auf Seite 60 als Anmerkung zu den Telphusen: „. . . . J'en ai forme uu nouveau [sous-genre] sous le nom de Trichodactylus, avec uu crustace des eaux douces du Bresil, aualogues aux precedens, mais ayant le test presque carre, le troisieme articles des pieds- machoires exterieurs en forme de triangle allonge et crochu au beut et les tarses couverts d'un duvet serre." Der zugehörige Atlas giebt auf Tafel XV von Trichod. quadratus ein etwa 1 cm. grosses Exemplar (von dem es heisst, es sei in natürlicher Grösse) und ausserdem die Analyse der Antennenregion, den *) Diese Diagnose ist allerdings sehr lückenhaft. 26 Dr. Emil A. Göldi: Studien über neue und weniger äusseren Kieferfuss und ein Stück vom Bauchschilde „pour montrer la disposition des verges qui naissent de l'article basilaire des pattes posterieures." — Die Crustaceen in Castel- uau's Reisewerk (Animaux nouveaux ou rares receuillis pendent l'expedition dans les parties centrales de l'Amerique du Sud: de Rio de Janeiro a Lima et de Lima au Parä- 1843 — 1847) sind ebenfalls von Milue-Edwards bearbeitet (1857). Dort heisst es von Trichod. quadratus blos: „Cette espece n'est pas rare au Bresil." (Beachtenswerth ist hier das Auftreten einer neuen Species Trichod. dentatus Edw., von der Milne-Edwards ausdrücklich mittheilt: „Cette jolie espece du Bresil — [ohne nähere Fundortsangabe] — „rappelle un peu par sa forme le Tr. fluviatilis avec laquelle eile ne pourra etre confondue ä cause de l'existence de quatre dents spiniformes placees ä quelque distance en arriere de la dent orbitaire externe vers le bord latero - anterieur de sa cara- pace."*) Sorgfältige Prüfung einer Reihe von Krabben dieser Species, sowie Vergleichung mit den citirten Quellen veranlassen mich, folgende Diagnose aufzustellen: Species - Charactere : Cephalothorax — mit flacher Seiten- Kante, bei jungen Exemplaren nach oben vorspringend, bei älteren ab- gestumpft. — Grundform eher ein Rechteck mit abgerundeten Seiten, Kiemenregion beulig aufgetrieben, überhaupt der ganze Rückenschild von Jugend auf gewölbter. Hinterrand steil in das Abdomen umbiegend. Die beiden halbmondförmigen Erhöhungen, die quer über die vordere Hälfte des Cephalothorax verlaufen, minder in die Augen springend. Stime steiler nach unten abfallend. Seitenrand ohne zahn- artige Höcker oder diese wenigstens so unbedeutend, dass sie selbst beim Darüberfahren mit einer Nadel kaum bemerklich werden. Am vorderen Drittel ein durch einen ganz schwachen Einschnitt gebil- *) Genauere Beschreibung und Abbildung lieferte M. -Edwards in den „Archives du Museum d'histoire naturelle" (Tom. VII, pag. 182 und Tafel 15). Diese Art ist mir bisher noch nicht zu Gesichte gekommen; ich werde aber auf sie bedacht sein. — In Claudio Gay (Historia fisica y politica de Chile 18 54), Atlas, (Taf. 1 der Crustaceen) finde ich eine weitere südamerikanische Art als Trichod. granarius N i c. abgebildet. Nach dem Habitus zu schliessen würde diese chilenische Art, die ich indessen blos aus jener Abbildung kenne, nach dem heutigen System wahrscheinlich in der Gattung Sylviocarcinus unterzubringen sein. bekannte Podophthalmen Brasiliens. 27 deter Zahn (in den Zwischenraum fallend zwischen den beiden Zcähnen von Trichod. Cunninghami). — I. Fusspaar (Scheerenpaar) — Innenzahn des Armes beiderseits stumpfer. Rechte Scheere bei alten Exemplaren mächtig in die Länge entwickelt, mit 7 stumpfen, unregelmässig von einander abstehenden Zähnen. Fuss- paare II, III, IV — Tarsus schlanker. Fusspaar V — Tarsus un- wesentlich breiter und platter als dasjenige der vorher- gehenden Paare. — Farbe — dunkelrothbraun, zuweilen dem Schwarzen sich nähernd. Einige zollhohe Exemplare fing ich um "Neujahr 1885 auf einer Reise nach dem Rio Angii, linksseitigem Zufluss des Parahyba (Provinz Minas Geräes) und zwar entdeckte ich sie in einem Kanal, der Wasser nach dem „Engenho" der von mir zum Quartier gewählten Fazenda des Senhor Manoel de Medeiros zuführen sollte — bei Gelegenheit eines heftigen Ge- witterregens aber durchbrochen wurde. In den Tümpeln dieses ausgelaufenen Kanals machte ich überhaupt reiche zoologische Beute. — Eine Serie kleiner, etwa 1 cm. hoher Exemplare dieser Species kam mir aus der brasil. ProvinzRioGrande do Sul zu. Unter verschiedenen carcinologischen Manuscripten von meinem geschätzten Collegen Dr. Fritz Müller in Itajahy (Provinz St. Ca tharina), die des Druckes harren in den leider bisher sehr unregelmässig erscheinenden Heften der „Archivos do Museu nacional de Rio de Janeiro" findet sich eine Abhandlung in portugiesischer Sprache, betitelt: „Trichodactylus [Siri de agua doce] sem metamorphose", begleitet von zwei prachtvollen Tafeln, die ich erst zu Gesichte bekam, als vor- stehende Zeilen schon geschrieben waren. Zu dieser herrlichen Arbeit, die von neuem Zeugniss ablegt von dem Genie des rühmlichst bekannten Naturforschers und auf deren Erscheinen in den nächsten Heften der „Archivos" ich hiermit aufmerksam mache, bildet somit meine eigene Arbeit das systematische Seitenstück, das der Wissenschaft vielleicht auch einigen Nutzen bringen wird — da Dr. Fritz Müller, wie ich gesehen habe, selber den Mangel einer kritischen Sichtung des Genus Trichodactylus in der carcinologischen Lite- ratur gefühlt hat. Dieser Umstand trägt namentlich dazu bei, mich zu veranlassen, vorliegende Blätter zur Veröffent- lichung zu bringen. Fritz Müller 's Abhandlung bezieht sich auf Trichodactylus quadratus, genau in den Grenzen, die ich 28 Dr. Emil A. Göldi: Studien über neue und weniger fiir den Species - Begriff gezogen Labe. Tricbocl. Cunningbami wird von ihm ebenfalls signalisirt; freilich hat ihm die zur Bestimmung nöthigo Special-Literatur gefehlt. Dilocarciniis septemdentatus Gerstäcker (1856). Dilocarcinus Castelnaui Milne-Edwards (1854 — 1855). Cancer septemdentatus Herbst. Cancer No. 956 (Zoopliylacium Gronovianum). Das von Milne-Edwards (Archives du Musee d'histoire naturelle VII pag. 178) aufgestellte Genus Dilocarcinus soll sich durch Verwachsung der mittleren Abdominal-Segmente aus- zeichnen bei beiden Geschlechtern. Milne-Edwards beschrieb damals (1854 — 1855) gleichzeitig 4 Species, sämmtlich aus Süd- Amerika: Dilocarcinus spinifer, D. emarginatus, D. pictus, D. Castelaaui. Gerstäcker fügte 1856 (Carcinologische Beiträge, Archiv für Naturgeschichte pag. 148) eine neue Species, Dilo- carcinus pardalinus bei, mit 4 Zähnen am Seitenrande und un- bekannter Herkunft, obwohl Süd -Amerika als Vaterland ver- muthet wird. Smith führt (1869) in seiner „List of described species of Brazilian Podophthalmata" (pag. 36) blos 3 Arten auf: D. emarginatus, D. pictus, D. Castelnaui. Von Mar- tens endlich („Südbrasilische Süss- und Brackwasser-Crnstaceen" pag. 5 ff.) (Archiv f. Naturgeschichte 1869) bringt wiederum eine neue Species, Dilocarcinus multidentatus („wahrscheinlich aus Bahia?") mit zugehöriger guter Abbildung. — Beginnen wir mit einer Revision dieser früheren Quellen über Dilocarcinus septemdentatus sive Castelnaui. Alles, was Milne-Edwards über ihn publicirte, beschränkt sich auf fol- gendes: ,,D. Castelnaui (pag. 182, Vol. VII, Planche XIV, Fig. 4): „Espece tres-voisine de la precedente ,*) mais ayant les bords latero-antericurs de la carapace armes d'une serie de sept epines (y compris l'angle orbitaire externe); les epines du bord sous- orbitaire tres-aigues et les angles latero - anterieurs du cadre buccal scarnis seulement d'une crete transversale sans *) Dilocarcinus pictus. bekannte Podophthalmen Brasiliens. 29 epines. — Troiive ä Salinas, (province de Goyaz) par M. M. Castelnaii et Deville." Die Figur 5 auf Tafel XIV bringt nun von dieser Krabbe weiter nichts als den Vorderrand und die rechte, vordere Hälfte des Rückenschildes — etwa einen Qua- dranten der Krabbe (von oben gesehen). Wem es nicht be- sonders auf Genauigkeit ankommt, dem mag das Gegebene genügen, um die Species-Bestimmung zu ermöglichen. Ich will davon absehen, dass bei meinem Exemplar ($), die Zähne des Unteraugeurandes spitziger, aber weniger massiv sind als der Milne-Edwards'sche Quadrant sie angiebt und ferner auch von dem Umstände — der übrigens auch von Gerstäcker her- vorgehoben wurde — , dass die Ecken des Mund-Gerüstes eben nicht glatt, sondern auch beiderseits mit 5 spitzigen Zähneu bewehrt sind. Verdächtig erscheint mir jedoch, dass im Texte die auf die Tafel verweisende Zahl der Figur (thatsächlich 5) verwechselt ist mit derjenigen (thatsächlich 4) von Dilocarcinus emarginatus. Dieser an und für sich geringfügige Irrthum, den man kurzweg als „Druckfehler" bezeichnen könnte, bringt mich aber ferner zu der Vermuthung, dass mit dem ersten Versehen noch ein zweites, viel erheblicheres eng im Zusammenhang stehen möchte. Milne-Edwards giebt nämlich, (wie oben citirt) für Dilocarcinus Castelnaui Salinas in der Provinz Goyaz an, während er als Fundort für D. emarginatus Loretto am oberen Amazonas bezeichnet. Da mein eigenes Exemplar von D. Castelnaui (altes Weibchen mit vielen hundert Jungen) nun vom Amazonas herkommt und ich von dem Ueberbringer (Mon- sieur Kumpel sb erger, naturalista viajante do Museu Nacional in Rio de Janeiro) genauer die Fundstelle (Süsswasser der Insel Marajo) in Erfahrung brachte, scheint mir die Annahme sehr nahe zu liegen, dass mit dem Verdrucken der Figurenzahl für D. emarginatus und D. Castelnaui in der Castelnau-Doville'schen Sammlung auch eine Verwechselung der Etiquetten in den be- treffenden Flaschen vorgekommen sein mochte, die Anlass zu den irrthümlichen Angaben Milne-Edwards' gab. — Milne-Edwards hat diese Krabbe als neu beschrieben. Gerstäcker hat ihm übrigens nachgewiesen, dass die Art nicht neu, sondern schon von Gronovius (Zoophylaceum Gro- novianum pag. 222) als Cancer No. 956 beschrieben und dessen Beschreibung von Herbst (Naturgeschichte u. s. w. I, p. 155) in der Uebersetzung copirt worden sei (als Cancer septemdentatus). 30 Dr. Emil A. Güldi: Studien über neue und weniger Da diese Krabbe also schon mehrere Beschreiber gefunden, beschränke ich mich auf Ausfüllung bestehender Lücken. Das alte ausgewachsene Thier ist eine der schönsten Formen, die mir aus der ganzen Gruppe zu Gesichte gekommen sind: schön durch die Zierlichkeit seiner Umriss -Linien, den gleichmässig stark gewölbten Rückenschild und die hell roth- braune Ge- sammtfärbung. Die rechte Scheere meines $ Exemplares (dem leider das hinterste Beinpaar fehlt) ist in allen Proportionen etwa zweimal stärker als die linke. Die Grundfarbe des Ab- domens ist gelblich weiss; entsprechend der ursprünglichen An- zahl der Segmente finden sich rothe Querlinien. Der Innenzahn des Armgliedes ist ebenso scharf wie bei Trichod. Cunning- hami. Was die Configuration der äusseren Kieferfüsse anbe- langt, finde ich sie ganz ähnlich denen des D. pictus (nach Milne-Edwards), weniger denen von Dil. spinifer (Taf. XIV bei M.-Edw.). Meine eigenen Abbildungen ergeben alles Uebrige von selbst. Völlig neu dürften der Wissenschaft dagegen die früheren Entwicklungsstadien dieser Species sein, während für andere Arten durch Dr. Fritz Müll er 's und Westwood 's hochinter- essante Arbeiten unsere Kenntniss über den allgemeinen Verlauf und den Character der Entwicklung bei dieser interessanten Gruppe von Crustaceen bereits eine breitere Basis erhielt. Ich kann mich hier bei Dilocarcinus septemdentatus um* so kürzer fassen, als sich diese Süsswasserkrabbe Amazoniens enge an Trichod actylus quadratus anschliesst und die Entwicklungs- geschichte letzterer Species, wie oben bemerkt, schon in einer neuen Abhandlung aus der Hand Dr. Fritz Müller 's einen vortrefflichen Bearbeiter gefunden. Als Mens. Rumpelsberger auf Marajö das in Rede stehende weibliche Exemplar von Dilocarcinus septemdentatus in die Spiritusflasche brachte, traten unter dem Abdomen des- selben eine Unzahl kleiner gelblich -weisser junger Krabben hervor, deren Betrachtung die nachfolgenden Zeilen gewidmet sein sollen. Diese jungen Dilocarcini sind etwa 5 mm. breit (Cephalo- thorax und Schreitfüsse) , bei einer Höhe von 2 mm. — somit Objecto, die sich wohl zur mikroskopischen Untersuchung eignen. Dies allerdings in ungleicher Weise, denn ich musste selbst- verständlich unter diesen Exemplaren diejenigen auswählen. bekannte Podophthalmen Brasiliens. 31 die von der beginnenden Pigment -Bildung noch am wenigsten berührt waren. Die allgemeine Configuration dieser winzigen Jungen, unter denen beide Geschlechter vertreten sind, ähnelt schon sehr derjenigen ihrer Mutter. Die 7 Zähne, welche letztere jedoch beiderseits an der vorderen Hälfte des Seitenrandes am Cephalothorax aufweist, fehlen mit Ausnahme des einzigen am äusseren Orbital-Rande. Die Grösse der Augen, beider Fühler- paare, der Maxillipedien an und für sich könnte auffallend er- scheinen; der Carcinologe indessen kennt die eigenthümliche Disproportion, die manchmal an's Abenteuerliche streift, als allgemeine Regel. Die Augen meiner jungen Dilocarcini sind im Verhältniss zu den übrigen Dimensionen des Leibes allerdings gross genug. Wenn ich die Dicke ihres Stieles auf Vg der Höhe des ganzen Leibes anschlage, entferne ich mich jedenfalls nur unwesentlich von der Wahrheit. Die Enden ragen beiderseits so weit vor, dass sie mit der grössten Queraxe des Cephalothorax nahezu in eine Linie fallen — Verhältnisse, die bei der Mutter nicht zu finden sind. Die Dicke der festen, durchsichtigen Cornea, welche bei geeigneter Einstellung des Mikroskop -Tubus leicht überblickt werden kann, mag ca. V23 der Breite des Augen- stieles betragen. Bei oberflächlicher Einstellung tritt ihre zier- liche, rhombische Felderung zu Tage; bei Senkung erscheinen im Unterhaut- Gewebe die Anfänge der Pigment - Bildung in Gestalt unregelmässig verästelter, braunrother Pigmentzellen. Der eigentliche Pigmentkörper des Auges ist bohnenförmig. Auf der convexen, distalwärts gekehrten Seite bemerkt man bei genügender Vergrösserung (V, Hartnack) die Peripherie mit einer Menge cylindrischer, radialgestellter Linsen umstellt, die eine halbkugelige Aussenseite zeigen. Der Innenseite des bohnen- förmigeu Pigmentkörpers liegt eine grauliche, runde Stelle auf, die wohl eine Ganglien- Anschwellung darstellen wird. Stellung und Gestalt des hinteren Antennenpaares bei Jung und Alt ergeben sich aus den Figuren 5, 7, 8. Beachtenswerth sind die vorderen Antennen (Fig. 6, Fig. 7; vergl. auch die Vorderansicht des alten $, Fig. 5), die in der Jugend weit mehr in die Augen springen, als bei der ausgewachsenen Krabbe. Dem Endgliede des distalen Astes sitzen in bestimmter Gruppirung die Geruchs-Borsten auf, 32 Dr. Emil A. G öl dl : Studien über neue und weniger deren Disposition und Gestalt aus Fig. 9 hervorgeht. Der rechte Ast (Fig. 10) trägt 3 starre Chitin -Haare auf seiner Spitze ; zwei andere mit verschiedener Richtung sind zu beiden Seiten ersichtlich. — Länge und Gliederzahl, sowie auch die jeweiligen Dimensionen unter sich betrachtet und verglichen, scheinen bei Jung und Alt in bestimmter Weise zu variiren. Besondere „Fossettes" zur Bergung beider Antennenpaare, wie sie der alte Dilocarcinus besitzt, gehen diesen Jungen natürlich ab. Die äusseren Maxillipedien (Fig. 11) sind bei den Jungen durch grössere Gleichmässigkeit zumal der 3 Endglieder ausgezeichnet; im Alter zeigen sich die Basalglieder mehr flächenhaft verbreitert. Am zugehörigen Taster stehen auf dem Endglied 4 federartige, lange Chitinhaare. Der Endstachel vom Innenaste des Kieferfusses ist sägeartig gebildet und ver- hältnissmässig stark. Die mediale Seite aller Glieder dieses Innenastes erweist sich mit steifen Chitin -Borsten bewehrt, die hier wie andererorts tiberall auf einem wohl ersichtlichen Tu- berkel eingelenkt sind. Bemerkenswerth sind auch die Füsse (Fig. 14), welche bei dem ausgewachsenen Exemplare durch ihre lamellenartige Abplattung, wie auch bei anderen südamerikanisclien Süss- wasserkrabben , als echte „pedes natatorii" erscheinen. Die ünterkante der beiden letzten Glieder trägt auf den beiden Firsten der in der Mitte sich hinziehenden Rinne eine dichte Bürste nach unten -aussen gerichteter feiner Haare, die unter dem Mikroskop blos einen Schaft aufweisen. So beim alten Exemplar. Anders bei den Jungen. Die Innenseite jener beiden Endglieder, vornehmlich des Tarsus, trägt hier mehrere starke Haare, mit Seitenfahne nach Federart, von höchst auf- fallender Grösse, denn ihre Länge steht bei mehreren derjenigen des Tarsus wenig nach. Diese zierlichen Chitinfedern stehen senkrecht zur Längsaxe ihrer Glieder. Ich fand sie an den beiden Endgliedern aller Schreitfusspaare ; am zahlreichsten jedoch an denen des hintersten. Der distalen Seite kommen in mehr oder minder regelmässiger Vertheilung die gewöhnlichen steifen, kurzen Chitinhaare zu. Der Verlauf der Musculi flexores et extensores ist deutlich ersichtlich durch die durchsichtigen Wandungen der Beinglieder. Die Scheeren dieser Jungen gleichen völlig denen gleichaltriger Trichodactyli ; die Zähne sind gleich in Abstand und Grösse. bekannte Podophthalmen Brasiliens. 3B Am meisten musste mich das Abdomen dieser jungen Di- locarcini interessiren. Würden auch die Jungen bereits auf diesem Stadium die Segmente IV, III und II zu einem verwachsen tragen? Ein vorheriges genaueres Examen des Abdomens beim alten Weibchen Hess mich deutlich die Verwachsungs- Furchen zwischen Glied IV und III, wie zwischen III und II erkennen. Diese Concrescenz der Abdominal -Segmente, die Milne-Edwards als Genus - Characteristicum in Anspruch nahm, musste somit eine secundäre Erscheinung sein, ein ceno- genetisches Altersmerkmal (Fig. 4). Die Ontogenie der Jungen, dachte ich mir, wird die Bestätigung bringen. Nach unseren heutigen entwicklungsgeschichtlichen Fundamentalsätzen müssen die Abdominal -Segmente IV, III, II auf gewissen Stadien der jungen Dilocarciniden ebenso frei und beweglich sein, wie die- jenigen entsprechender Phasen anderer Süsswasserkrabben. So war es auch. Alle diese jungen Dilocarcini wiesen 7 gelenkig verbundene Abdominal -Segmente auf; noch keine Spur von Verwachsung war zu constatiren (Fig. 13). Ich glaube, dieser Thatsache zwei weitere Schlüsse entnehmen zu können: 1) Da die Verwachsung der Hinterleibsringe weiter nichts als ein Altersphänomen, ist sie wohl eine verhältniss- mässig neue Einrichtung. 2) Ihre Bedeutung als systematisches Merkmal ist dadurch wesentlich vermindert, oder, was dasselbe besagen will, den Dilocarciniden darf auf Grund dieses Merkmals unter den südamerikanischen Süsswasserkrabben keinerlei Sonderstellung angewiesen werden. Sylviocarcinus petropolitanus nov. spec. Das nordamerikanische Genus Sylviocarcinus wurde 1854 von Milne-Edwards in dem schon mehrfach citirten Tome VII der „Archives du Museum d'histoire naturelle" ge- gründet. Die dort auf pag. 178 gegebene Diagnose lautet: „Le Sylviocarcinus differe generiquement des Trichodactyles par la forme natatoire des pattes postörieures, et du genre Dilocarcinus par la structure de l'epistome et du palais, oü la gouttiere mediane de ce dernier est remplacee par une crete mediane simple." Milne-Edwards kannte damals blos eine hierher gehörige Art, den Sylviocarcinus Devillei (benannt Arch. f. Natg. 52. Jahrg. I. Bd. 1. H. 3 34 Dr. Emil A. GÖldi: Studien über neue und weniger ZU Ehren eines jungen Reisenden des Pariser Museums und Begleiters des Grafen Castelnau), den er auf Planche XIV in den Figuren 1, la — le characterisirte. Meines Wissens ist seither blos eine weitere Species hinzugekommen, nämlich der von V. Martens bekannt gemachte Sylviocarcinus panoplus („Süd -Brasilische Süss- und Brackwasser -Crustaceen." Archiv f. N. 1869, pag. 3 und Taf. I [Fig. 1— Ic]). Erstere Art stammt aus dem Araguay (Salinas, Provinz Goyaz), letztere (durch Dr. Hensel) aus Rio Pardo und vom Guahyba bei Porto Alegre. Ich habe in Brasilien und zwar aus nächster Nähe von Rio eine grössere Anzahl einer weiteren hierher gehörigen Art bekommen. Sie ähnelt dem von v. Martens beschriebenen S. panoplus mehr als dem S. Devillei M. -Edwards'. Von S. De- villei sagt M. -Edwards (pag. 177): „Les bords latero-ante- rieurs sont armes de six dents, dont la premiere est formee par l'angle orbitaire externe, dont les trois suivantes sont peu saillantes et ä base tres-large et la derniere spiniforme." Damit stimmt denn auch die Figur 1 überein, obwohl diese besonders sorgfältig ausgeführt nicht scheint. V. Martens leitet seine Species -Beschreibung von S. panoplus mit den Worten ein: „Vor allen anderen dadurch ausgezeichnet, dass die Seitenzähne, 5 an der Zahl, die ganze Länge des Seitenrandes ein- nehmen." Die zugehörige Abbildung 1 giebt ein den Ein- druck grosser Treue hervorrufendes Bild eines S. panoplus in natürlicher Grösse (mit besonders entwickelter linker Scheere). Meine neue Art, von der mir grosse und kleine Exemplare beiderlei Geschlechts zur Hand sind, besitzt nun, wie ein Blick auf meine Fig. 18 lehrt, ebenfalls 3 Zähne jederseits, deren hinterster genau in die Hälfte der Körperlänge fällt.*) Statt geradwinkliger Buchten zwischen je 2 Zähnen, wie sie nach M. -Edwards S. Devillei besitzen soll, sind diese Buchten rundlich ausgeschweift, genau so wie es v. Martens für S. pa- noplus mit 5 Zähnen angiebt. Von einem scharfen Zahn am *) Wollte ich, wie M. -Edwards, die äussere Orbital -Ecke mit einrechnen, dann ergäben sich für meine Art jederseits 4 Zähne — bezw. im Ganzen 8, aber nicht 6. Der zweite Zahn liegt dem ersten näher als dem dritten. bekannte Podophthalmen Brasiliens. 35 äusseren Orbital -Rand ist bei meiner neuen Sylviocarcinus-Art nicht die Rede. Ich war einige Zeit stark in Zweifel, ob meine neue Art nicht etwa mit dem S. Devillei identisch sein möchte. Mi Ine - Edwards giebt nämlich an, blos ein einziges weibliches Exem- plar zu besitzen. Wenn ich ferner seine Abbildung betrachte, will es mir immer scheinen, als ob diese in oberflächlicher Weise angefertigt worden sei. Ich mache z. B. auf den Umstand aufmerksam, dass jene Abbildung links 4 Zähne aufweist, rechts blos 3 — ohne, dass im Text dessen mit einem Worte gedacht würde. Die „Femoralia" erscheinen bei M.- Ed- wards nicht blos bei Sylviocarcinus, sondern auch Dilocarcinus allerwärts am distalen Gelenke mit auffallenden Ringen aus- gestattet, die ich, ohne anzustehen, als übertrieben erkläre. An der Scheere (seine Figur Ic) neigen alle Zähne stark nach aussen. Das ist bei meinem Sylviocarcinus nicht der Fall. Ebensowenig ist der Stirnrand bei meinen Exemplaren „faible- ment tubercule sur le bord" (vergl. seine Figur la). Dagegen trifft seine Bemerkung: „Une dent aigue occupe de chaque cote l'extremite anterieure des bords lateraux du cadre buccal, qui forme un carre long" wieder zu. Andrerseits erscheint bei meinen Individuen der „Dactylite" (d. h. von aussen nach innen gerechnet, das 2. Glied der Schreitfusspaare) zwar aller- dings lamellenartig und zweimal so breit als das Endglied, aber nicht drei- und mehrmal , wie auf Fig. 1 d. Die Form dieses Endgliedes selbst (meine Fig. 22, letztes Schreitfusspaar) weicht ab von der von Milne-Edwards auf seinen Fig. Id und le für S. Devillei in Anspruch genommenen. Viel genauer sind die Abbildungen für S. panoplus von v. Härtens. Diese lassen mich keinen Augenblick darüber im Zweifel, dass unsere beiden Arten zwar specifisch verschieden, aber doch des Aehnlichen und Gemeinsamen genug besitzen. Ausser der bezeichnendsten Differenz in der Bewaffnung des Cephalothorax - Randes kommt meiner neuen Art ein etwas anders geformtes 3. Glied am Medial -Aste des äusseren Kieferfusspaares zu. Man vergleiche meine Figur 21 mit der Figur Ib bei v. Härtens. Die Figur vom männlichen Abdomen bei v. Härtens (Ic) kommt derjenigen von meiner neuen Species (19) so nahe, dass eine Bestimmung zwischen diesen beiden Sylviocarcinus-Arten, sofern sie sich lediglich auf 3* 36 l^r. Emil A. Göldi: Studien über neue und weniger die Gestalt der männlichen Abdomina zu stützen hätte, jeden- falls ein schweres Stück Arbeit bilden müsste. Bezüglich des äusseren Kieferfusses stimmen meine Thiere mehr mit der Ab- bildung Ib von Milne-Edwards überein. Das $ Abdomen meiner neuen Art kennzeichnet meine Figur 20. Scheeren -Abbildungen giebt weder der eine noch der andere Autor, wenn ich von den Gesammt- Abbildungen absehe. Ich habe die Scheeren alter Männchen meiner neuen Sylvio- carcinus-Art mit denen annähernd gleich grosser Individuen von Trichodactylus Cunninghami und Tr. quadratus verglichen und finde sie denen letzterer Art ähnlicher, doch scheint mir die Aussenseite der „Hand" etwas mehr beulig aufgetrieben (Fig. 23). Ich zähle am beweglichen Glied 4 grössere und 4 kleinere Zähne; unten 4 grosse und 3 kleinere. Von Martens schreibt über die Scheere von S. panoplus: „Jeder Finger zeigt jederseits eine Längsfurche, welche Grübchen enthält; auch diese Furchen sind in der kleineren Hand mehr ausgeprägt." Das stimmt auch bei der neuen Sylviocarcinus-Art und — wie ich nachtragen will — übrigens mehr oder weniger auch bei Dilocarcinus septemdentatus. Die Farbe der neuen Art ist hell -rothbraun, lichter als diejenige der oben geschilderten Trichodactyli. — Das auf Fig. 18 gezeichnete 9 Exemplar giebt alle Maasse im natürlichen Verhältniss. Das cT, dessen rechte Scheere meine Flg. 23 darstellt, ergiebt folgende Dimensionen: Breite des Cephalothorax 32 mm. (zwischen den beider- seitigen, dritten Zähnen gemessen). Länge des Cephalothorax 30 mm. Länge des rechten Scheerenarmes 68 V2 mm. Länge des linken Scheerenarmes 33 mm. Entfernung der beiden äusseren Orbital-Ecken 1872 mm. Meine Exemplare stammen sämmtlich aus der Nähe von Petropolis (Provinz Rio de Janeiro), wo sie der Präparator der zoologischen Section am hiesigen National - Museum , Senhor Eduarde Teixera de Siqueira, häufig angetroffen hat. Die Fundstelle ist durch die Angabe: „Cachoeira do Pinto Estrella" genauer definirt. Eine kurze Species - Diagnose Hesse sich in Folgendem zu- sammenfassen: Sylviocarcinus petropolitanus, mit 3 bekannte Podophthalmen Brasiliens. 37 tSeitenzähnen auf der vorderen Hälfte des Cephalo- horax-Randes (mit Abrechnung der Augenwinkel- Ecke). Zähne scharf spitzig, nach aussen gerichtet; Zwischenräume ausgerundet. Die ganze Körperober- fläche mit kurzen, dicken Haaren bedeckt, die der Krabbe ein borstiges Aussehen verleihen. Leptopodia lineata noT. spec. Meines Wissens ist von der atlantischen Küste Süd -Ame- rikas keine Leptopodia -Art bekannt. Auch Smith führt (bis 1869) keine hierher gehörige Art an in seinem Verzeichniss der aus Brasilien bekannten Podophthalmen. Milne-Edwards beschreibt in seiner „Histoire naturelle des crustacös (Paris 1834) in Band I, pag. 275 ff. 2 Arten: Leptopodia sagittaria (Golf von Mexiko, Antillen) und L. calcarata (Bay von Charlestown). Im zugehörigen Atlas (Taf. 15, Fig. 14) befindet sich die Unteransicht der vorderen Körperhälfte erstgenannter Species. Der nämliche berühmte Carcinologe giebt wiederum in „Cuvier, Regne animal" (Band: Crustaceen) auf Tafel 36 eine Gesammtabbildung der nämlichen Art, nebst äusserem Kieferfuss, männlichem und weiblichem Abdomen (Text-Band, pag. 96). D'Orbigny hat an der paci- fischen Küste Süd -Amerikas eine Leptopodia gefunden, die er („Voyage dans l'Amerique meridionale" Tom. IX, PI. 4 des Crustaces) abbildet und im Texte der L. sagittaria zuertheilt, obwohl mit Bedenken. In den übrigen mir zu Gebote stehenden Atlanten zu früheren und späteren Süd -Amerika -Expeditionen habe ich nichts diese Gattung Betreffendes gefunden. Verfolgt man bei Milne-Edwards die synoptische Tafel auf pag. 274 Bd. I, so findet man, dass unter den von ihm „Macropodiens" genannten „Dreieck-Krabben" sich die Gattungen Achaea und Leptopodia am nächsten stehen. Ersterem Genus kommt bei sonst gleichen Verhältnissen des 3. Gliedes der äusseren Kieferfüsse ein blos mittellanges Rostrum zu, während bei Leptopodia das Rostrum ausserordentlich lang ist. Ich habe nun seit meinem Aufenthalte in Brasilien 3 Exem- plare eines „Macropodien" untersucht, der sich dem Genus Leptopodia einreiht, aber mit keiner der beiden einzigen mir 38 ^^' Emil A. GÖldi: Studien über neue und weniger aus der Literatur bekannten Species übereinstimmt. Hinsichtlich der allgemeinen Formbeschaffenheit kommt meine brasilianische Art (2 2 und 1 c/*) der Milne-Edwards'schen Figur auf Taf. 36 des „R6gne animal" von Cuvier allerdings nahe; die dort abgebildete Leptopodia sagittaria ist jedoch in allen Teilen grösser. Ferner ist die dort angegebene Färbung ein gleich- massiges Gelbbraun; weder dort noch im Text (sowohl zu Cu- vier, als Milne-Edwards „Crustaces") wird irgend eine An- deutung gemacht von besonderer Zeichnung und Färbung. Die bei D'Orbigny abgebildete pacifische Leptopodia ist kleiner, mit kürzerem, schwachem Rostrum und weist eine grüne Färbung auf nebst röthlichen Scheeren. — Mit der Leptopodia calcarata stimmen meine Thiere ebenfalls nicht überein; abgesehen von anderem, fehlt das Hauptmerkmal: die 3 Stacheln am dritten Glied der 4 hinteren Schreitfusspaare. Eine minutiöse Ver- gleichung endlich der gemeinhin als systematische Merkmale benutzten Partieen des äusseren Chitin- Gerüstes ergiebt zwischen den Milne-Edwards'schen und meinen eigenen Zeichnungen Differenzen genug, um meine brasilianischen Thiere als mit keiner mir aus der Literatur bekannten Leptopodia-Art überein- stimmend, als eigene Art auszuscheiden. Die Zukunft wird lehren, ob bei mir blos eine locale Varietät vor- liegt oder — ob das von Milne-Ewards abgebildete Exemplar nicht vielleicht durch langes Liegen im Alkohol um seine ursprüngliche Farbe gekommen.*) Ich habe meine brasilianischen Leptopodien selbst gesammelt, lebend und frisch beobachten und zeichnen können. Sicher ist, dass zwischen meinen brasilianischen Thieren und der fraglichen Abbildung in Cuvier ebenso erhebliche Unterschiede zu Tage treten, als sie in den Milne-Edwards'- schen Werken allerorts jeweils zwischen zwei Species derselben Gattung aufgeführt werden. Die brasilianische Leptopodia ist auffallend genug ge- *) Dieser Verdacht liegt sehr nahe, denn die Angabe falscher Farbe (an durch längeres Verweilen in Spiritus gebleichten Crustaceen) ist von jedem Kenner brasilianischer Süsswasserkrabben bei der Abbildung des Trichodactylus quadratus (Cuvier, Tafel 15, Fig. 3) mit Evidenz zu constatiren. bekannte Podophthalmen Brasiliens. 39 zeichnet. 3 concentrisch in einander eingeschachtelte, schwarz- braune Streifen wiederholen die Form eines langgezogenen, gleichschenkligen Dreiecks, unter welcher sich der Körper der Leptopodien präsentirt. Jeder derselben ist aussen und innen von einer schmalen, leuchtend weissen Linie eingerahmt; der übrige Zwischenraum bietet noch verschiedene gleichgerichtete Linien - Systeme von verschiedenen Nuancen. Die Allgemein- Färbung dieser Zwischenräume entspricht der gelblich - braunen der ausserordentlich langen, zerbrechlichen Schreitfusse. Die gleiche Streifung besitzt der Raum zwischen Augen und Kiefer- geriist und sogar die Augen (Fig. 25). — Die mittlere Körp er- lange beträgt 44 mm.; davon entfallen auf das Rostrum (von Augenmitte ab gemessen) 22 mm., somit gerade die Hälfte. Milne-Edwards zeichnet die Dornen am Rostrum von Lept. sagittaria durchaus symmetrisch. Bei meinen brasiliani- schen Leptopodien ist diese Symmetrie nicht so streng durch- geführt. Die grösste Breite des Körpers (zwischen den Hüften des HL Schreitfusspaares) beträgt 14 mm. Länge des I. Schreitfusspaares (Scheerenpaares) bei einem Weibchen 49 mm.; IL: 104 mm.; IIL: 95 mm.; IV.: 79 mm.; V.: 60 mm.; Daraus ist ersichtlich, dass das II. Schreitfusspaar das längste ist und die übrigen Beinpaare nach hinten zu an Länge ab- nehmen. Die Bedorn ung des III. Gliedes aller Schreitfuss- paare ist dieselbe, wie bei Leptopodia sagittaria (nach Milne- Edwards' Abbildung in Cuvier); ebenso die Beschaffenheit der Scheeren bis auf den Umstand, dass bei den Weibchen meiner brasilianischen Art die Scheere beiderseits blos auf der Hälfte der Ausdehnung schliesst; medialwärts klaffen die beiden Stücke auseinander. Völlig schliesst die Scheere bei den Männ- chen; das betreffende Fusspaar zeigt hier die so häufig wieder- kehrende Erscheinung besonderer Stärke und Ausbildung, [cf beiderseits 82 mm. lang und 5 mm. breit an der Scheeren- Basis, während das oben zur Messung dienende 2 Exemplar bei 49 mm. Länge blos 3 mm. Scheerenbreite aufweist. Die Längenverhältnisse dieses cT hinsichtlich der Beinpaare sind: L 82 mm.; IL 125 mm.; III. 109 mm.; IV. 91 mm.; V. 77 mm. Dies bei zwei Individuen verschiedeneu Geschlechtes bei fast gleicher Leibesgrösse.] Abdomen. Milne-Edwards giebt im Text zu „Cuvier, Regne animal" (pag. 96) die Anzahl der Abdominalsegmente 40 Dr. Emil A. Göldi: Studien über neue und weniger für Lept. sagittaria beim cf zu 5, beim $ zu 6 an.*) Auf PL 36 der Tafeln finde ich jedoch als „Fig. Id" das ^ Ab- domen mit 7 Segmenten gezeichnet. In dessen „Histoire natu- relle des Crustaces" (Bd. I, pag. 275) schreibt er: „L'abdomen se compose dans les deux sexes de six articules." Bei Aleide D'Orbigny wiederum figurirt das cT Abdomen mit 6 Seg- menten, das 9 mit 5. Wo liegt da die Wahrheit? Bei meinen brasilianischen Leptopodien (Fig. 30, Fig. 31), die ich gerade wegen dieser widersprechenden Angaben be- sonders genau zu untersuchen mich bemühte, finde ich beim cT 6 Abdominalsegmente, beim 2 dagegen blos 5. Richtig ist somit blos die betreffende Tafel bei D'Orbigny; alles andere ist verzeichnet, verdruckt und verwechselt. Von grosser biologischer Wichtigkeit ist dieser Umstand übrigens nicht. Glied I des cT stellt eben einfach eine Concrescenz von den ursprünglichen Segmenten I und II dar. Beim $ ist dieses Glied I das secundäre Resultat einer Verwachsung der ursprüng- lichen Segmente I, II, III, wie sich noch recht wohl aus der Disposition der Furchen und Buckeln deduciren lässt. Ein ana- loger Fall zu dem Abdomen der erwachsenen Dilocarciniden. Aeussere Kieferfüsse (Fig. 26). Diese weichen in ihrer Gestalt von derjenigen ab, die Milne- Edwards in Fig. Ib bei Cuvier für Lept. sagittaria angiebt. Der mediale Rand des II. Gliedes verläuft bei meinen Thieren nicht parallel dem distalen. Ich habe die mediale Aussenecke dieses Gliedes in Fig. 26 a besonders gezeichnet, bei stärkerer Vergrösserung, um dem Leser eine Vorstellung von der Anordnung der Chitin- Borsten zu geben. Das folgende Glied, III, von dem Milne - Edwards angiebt: „il est presque triangulaire et porte ä son angle l'article suivant, qui est assez developpe," trägt an seiner Ecke einen deutlichen Dorn (Fig. 26), von dem ich nichts finde bei M.-E. und D'Orbigny. Das Endglied des medialen Astes (Fig. 26) ist schmächtig und dünn, etwa Ys so dick wie das vorhergehende. Bei M.-E. dagegen finde ich es ebenso stark wie das vorhergehende. — Die äusseren Kieferfüsse meiner brasilianischen Leptopodien stimmen weit besser mit der Fig. 3 a, PL 4 bei D'Orbigny. *) La queue des mäles est de cinq segments; Celle de la femelle en a un de plus. bekannte Podophthalmen Brasiliens. 41 Mittlere Kieferftisse (Fig. 27). Ich habe sie noch nirgends abgebildet gefunden. Die Figur 27 a giebt eine Vor- stellung von der Beschaffenheit der Endpartie des medialen Astes bei stärkerer Vergrösserung (V^ Hartnack). Innere Kieferfüsse (Fig. 28). Auch dieses Paar kenne ich aus keiner anderweitigen Abbildung. lieber Aufbau und Stellung in situ der äusseren und inneren Antennnen giebt meine Figur 25 die nöthige Aus- kunft. Figur 29 stellt ein Stück der Endpartie der linken, äusseren Antenne dar bei stärkerer Vergrösserung. Es erübrigt nur noch, die Fundstellen meiner 3 brasiliani- schen Leptopodien anzugeben. I) cT, von mir an der Praya d'Icarahy (Bay von Rio de Janeiro) aufgefunden im Frühjahr 1885. II) $, von der Ponta do Cajü (Rio de Janeiro). m) 2, vom Cabo Frio. Sämmtliche Exemplare waren zufällig durch die Fischer mit dem grossen Schleppnetz („arrastäo") heraufgeholt worden und würden ohne mein Dazwischenkommen unbeachtet geblieben sein. Seethiere, die so klein sind und keinen Marktpreis be- sitzen, gelangen äusserst selten in die Hände eines Forschers, sofern letzterer sich nicht selber an Ort und Stelle begiebt. Stenorhynchus longirostris? Inachus longirostris Fabr. Macropus longirostris Latr. Macropodia tenuirostris Leach. Aus der mir zu Gebote stehenden carcinologischen Literatur kenne ich aus der Gattung Stenorhynchus (characterisirt bei Milne-Edwards, Crustaces Tom. I, pag. 278 ff.) blos 3 Arten: Stenorhynchus phalangium, St. egyptius, St. longi- rostris. Die erstere und letztere Species kenne ich aus eigener Anschauung von Neapel her. Von ersterer befindet sich eine Abbildung in Cuvier, „Regne animal" (Band Crustaceen, PI. 35, Fig. 3) nebst den systematisch wichtigeren äusseren Chitingerüst -Partien. Von Stenorhynchus longirostris ist mir 42 I^r« Emil A. Göldi: Studien über neue und weniger augeublicklich blos eine Figur zur Hand, diejenige in Brehm's Illustr. Thierleben, Bd. X, pag. 1, wohl ein Männchen dar- stellend. Milne-Edwards beschliesst seine Gattungs- Diagnose mit den Worten: „On n'a encore trouve de Stenorynques que dans la Mediterranee et les autres mers d'Eu- rope. Tous sont de tres-petite taille." Meines Wissens sind seither keine neuen Species hinzugekommen aus irgend welcher Gegend der Erde. Das neueste, vom Februar 1885 datirende „Preisverzeichniss der durch die zoologische Station zu Neapel zu beziehenden Seethiere" — das doch einigermaasen ein Kri- terium abgiebt für die Zusammensetzung der Mittelmeerfauna — erwähnt ebenfalls blos St. phalangium und St. longirostris. Sidney Smith kannte in seiner „List of the described species of Brazilian Podophthalmata (1869)" keine brasilianische Ste- norhynchus-Art; auch in der Hartt 'sehen Sammlung fand sich keine solche vor. Ich habe in Brasilien bisher 2 Individuen, beides Weibchen, einer Stenorhynehus-Art gefunden, die dem St. longirostris so nahe kommt, dass ich eine Ab- scheidung als neue Species solange für zwecklos halte, als mich das Auffinden eines zugehörigen Männchens mjt abweichenden Characteren nicht dazu zwingt. Ob meine brasilianischen Stenorhynchen einer neuen Art zugehören, scheint mir lange nicht so interessant, wie das Factum, dass das bisher nur aus europäischen Meeren bekannte Genus eine weit ausgedehntere Verbreitung besitzt und sogar an der atlantischen Küste Süd-Amerikas zu Hause ist.*) (Dieselbe merkwürdige Thatsache constatirte ich auch bei Pachygrapsus maurus, dessen brasilianische Exem- plare ich von den afrikanischen nicht zu unterscheiden vermag.) Figur 32 giebt eine sorgfältige Zeichnung in natürlicher Grösse mit Beobachtung aller der Details, die formbeeiuflussend auftreten. Sie gestattet mir, mich bei der Beschreibung kurz zu fassen. „Longirostris" sind meine beiden Individuen aller- *) Anmerkung des Herausgebers. Inzwischen ist St. phalangium von Gor de, falcifer Stps. vom Cap, brevirostris und fissirostris Hasw. von Port Jackson bez. Neuseeland, curvirostris A. M. -E. von Bass-Str. nachgewiesen worden. — Wegen des einfachen Rostrums dürfte der oben beschriebene Krebs vielleicht der Gattung Podochela St. zuzurechnen sein. F. Hlf. bekannte Podophthalmen Brasiliens. 43 diogs Dicht ; allein es sind Weibchen und das weibliche Geschlecht ist bezüglich solcher secundären Sexual- Charactere, wie Rostrum, Scheeren u. s. w. bekanntlich mehr oder weniger im Nachtheil gegenüber den Männchen ihrer eigenen Species. Beide Indivi- duen tragen an den langen, leicht abfallenden, bespornten Schreitfüssen kleine Algenstückchen. Es ist an allen Beinpaaren und bei beiden, an verschiedenen Orten und zu verschiedener Zeit gefangenen Individuen, ein und dieselbe Algen -Species. Dieser Umstand leitet mich zu der Annahme, dass hier eine absichtliche Symbiose vorliege, wie sie jedem, der einmal an der Küste sich mit carcinologischen Stu- dien beschäftigte, z. B. von den Dromia-Krabben, her zur Genüge bekannt wurde. Figur 33 stellt die vergrösserte Unteransicht des Kopfes und Vorderkörpers dar. Eine Vergleichung mit der ent- sprechenden Abbildung von St. phalangium im „Regne animal" (PI. 35, Fig. 3 a) lässt ziemlich weitgehende Differenzen er- kennen. „Bifide" kann ich das Rostrum meiner brasilianischen Stenorhynchen nicht nennen. Milne-Edwards zeichnet am Ende der Augenstiele blos eine feine Borste. Bei meinen Thieren springt ein verhältnissmässig entwickelter, deutlich er- sichtlicher, zweigliedriger Fortsatz in die Augen. Die äusseren Maxillipedien (meine Figur 34) stimmen ziemlich gut mit der entsprechenden Figur 3c bei „Cuvier" überein. Doch scheint mir das zweite Glied des medialen Astes (eigentlichen Kieferfusses) an ersterer Stelle etwas zu regelmässig; die mediale Vorderecke springt auch entschieden zu weit nach oben vor (ein Fehler, den ich auch an den äusseren Kieferfussen mancher anderen Crustaceen in den Mi Ine- Ed war ds'schen Werken beobachtet habe). Das gleiche gilt von dem dritten Glied. Das zweite Glied des distalen Astes (Tasters) trägt auf der Aussenseite einen kleinen Höcker. Die Kieferfüsse bei Milne-Edwards verrathen fast überall einen schematischen Character, der sich nicht wohl wird recht- fertigen lassen. Beweis dafür sind wiederum die inneren Kieferfüsse von St. phalangium (Fig. 3d in Cuvier), mit denen ich diejenigen von meinen brasilianischen Stenorhynchen zu vergleichen bitte (Fig. 36). Die mittleren Maxillipedien hat Milne-Edwards nicht abgebildet. Ihre Gestalt bei meinen Thieren ergiebt sich aus Fig. 35. 44 r^r« Emil A. Göldi: Studien über neue und weniger Ich kenne, wie bemerkt, bisher 2 Exemplare dieser Art von den Küsten Brasiliens, beides Weibchen. No. I stammt von der Ponta do Cajü (Bay von Rio de Janeiro), No. 11 fing ich am Cabo Frio („Sacco do Famo"). Beide Ex- emplare wurden in den Maschen der grossen Schleppnetze aus der Tiefe heraufgeholt. 9 mm. 5 mm.*) 17 mm. 11 mm. 7 mm. 6 mm. 6 mm. 4 mm. Rostrum (von Augenmitte ab) I: II: Körperlänge (minus Rostrum) I: H; Körperbreite I; II: Spornlänge I: II: Die Aussenseite des Abdomens, welches mit dem der 9 Lepto- podien grosse Aehnlichkeit besitzt, finde ich dicht mit verhält- nissmässig groben Haaren besetzt, etwa wie bei Sylviocarcinus petropolitanus. Figuren- Erklärung. Fig. 1. Trichodactylus Cunninghami, cf, nach photographischer Aufnahme (V3 der natürlichen Grösse). Fig. 1 a. Rechter Vorderrand des Cephalothorax mit den beiden schwachen Zähnen (Vg der natürlichen Grösse). [Durch Versehen des Lithographen 3 statt 2.] Fig. Ib. Aeusserer Kieferfuss (ungefähr natürliche Grösse.) Fig. Ic. Armglied mit spitzigem Dorn, von aussen gesehen (V2 der natürlichen Grösse). Fig. 1 d. Rechte Scheere eiaes Männchens , von aussen (Vj der natür- lichen Grösse). Fig. 1 e. Männliches Abdomen (Va der natürlichen Grösse). [Die ent- sprechenden Figuren 2 a — 2f stellen die jeweiligen Partien bei Trichodactylus quadratus dar.] Fig. 2. Trichodactylus quadratus, cT, nach photographischer Aufnahme (V3 der natürlichen Grösse). *) Am zweiten Exemplar scheint ein kleines Stück vom Rostrum abgebrochen zu sein. bekannte Podophthalmen Brasiliens» 45 Fig. 2 a — 2 e. Vorderer Seitenrand, Kieferfuss, Armglied, rechte Scheere, männliches Abdomen von Trichod. quadratus zusammengestellt zur Vergleichung mit den gleichwerthigen Partien bei Trichod. Cunninghami cf . (Mit Ausnahme des Kieferfusses in Va der natürlichen Grösse.) Fig. 3. Dilocarcinus septemdentatus, $, Ober-Ansicht, nach photographischer Aufnahme (Va der natürlichen Grösse). Fig. 4. ünteransicht , zur Demonstration des Kieferapparates und der Verwachsung der Abdominal -Ringe beim ausgewachsenen Indi- riduum. Fig. 5. Vorderansicht des alten $ (etwas über Vj der natürlichen Grösse). Zeigt unter anderem die Gestalt der äusseren Kieferfdsse im er- wachsenen Stadium, sowie die Zähne der Ecken des Mund- Gerüstes. Oberansicht eines jungen Dilocarcinus (2 mm. hoch), stark vergrössert. Kopf und vordere Körperhälfte eines solchen Jungen, von unten gesehen, stärker vergrössert. Aeussere Antenne, Endpartie eines Jungen. (Hartnack %.) Innere Antenne eines Jungen. Endpartie des distalen Astes zur Veranschaulichung der Geruchsborsten. Innere Antenne. Endpartie des medialen Astes. (H. %.) Aeusserer Kieferfuss eines jungen D. (H. %.) Auge eines jungen D. bei stärkerer VergrÖsserung. Die Partie über dem Pfeil, bei gesenktem Tubus des Mikroskopes, zeigt die Disposition der FarbstofFzellen ; diejenige unter dem Pfeil veranschaulicht die Facettirung der Cornea (bei gehobenem Tubus). [H. %.] Abdomen eines Jungen. Die Abdominal-Ringe IV, III, II sind noch nicht verwachsen. Endpartie des hintersten Schreitfusses eines Jungen. Ersichtlich sind die eigenthümlichen , federähnlichen, langen Chitinhaare der Medialseite. [H. %.] Scheere eines Jungen bei stärkerer VergrÖsserung. Endstachel vom medialen Aste des äusseren Kieferfusses (conf. Fig. 11). Einer der grossen Chitindorne auf der Endpartie des medialen Astes der mittleren Kieferfdsse (starke VergrÖsserung). Sylviocarcinus petropolitanus, $, von oben gesehen (V2 der natürlichen Grösse). Männliches Abdomen (V2 der natürlichen Grösse). Weibliches Abdomen (zu Fig. 18; Va der natürlichen Grösse). Aeusserer Kieferfuss (% : l). Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8. Fig. 9. Fig. 10. Fig. 11. Fig. 12. Fig. 13. Fig. 14. Fig. 15. Fig. 16. Fig. 17. Fig. 18. Fig. 19. Fig. 20. Fig. 21. 46 Dr. E m i 1 A. 6 ö 1 d i : Studien über Podophthalmen Brasiliens. Fig. 22. Endglied des hintersten Schreitfusspaares eines erwachsenen In- dividuums (^4 : l). Fig. 23. Rechte Scheere eines Männchens (Va der natürlichen Grösse). Fig. 24. Leptopodia lineata, Oberansicht, nach photographischer Aufnahme (ungefähr halbe natürliche Grösse), cf . Fig. 25. Kopf und vordere Körperhälfte desselben, etwas vergrössert, von unten gesehen, cT. Die Kieferfiisse im „Cadre buccal" sind weggelassen.*) Fig. 26. Aeusserer Kieferfuss (vergrössert). Fig. 26 a. Vorderecke des zweiten Gliedes vom medialen Aste des äusseren Kieferfusses, stärker vergrössert. (H. ^tO Fig. 27. Mittlerer Kieferfuss. Fig. 27 a. Endpartie des Medialastes vom mittleren Kieferfuss, stärker ver- grössert. (H. %.) Vorne sitzen besonders starke Chitindome auf (vergl. Fig. 17 bei Dilocarcinus septemdentatus). Die concen- trische Schichtung der äusseren Chitin -Decke ist deutlich er- sichtlich. Fig. 28. Innerer Kieferfuss. Fig. 29. Ein Stück von der Endpartie der äusseren Antennen. Fig. 30. Männliches Abdomen mit 6 Segmenten. Fig. 31. Weibliches Abdomen mit 5 Segmenten (beide in gleichem Grössen-Vcrhältniss gegeben). Fig. 32. Stenorhynchus 1., Oberansicht, natürliche Grösse. $. Fig. 33. Unteransicht des Kopfes, bei Vergrösserung. Ersichtlich sind die vorderen und hinteren Antennen, die Unterseite des Rostrums, die gegliederten Fortsätze auf den Augen, der Vorderrand des „Cadre buccal". (2 : 1.) Fig. 34. Aeusserer Kieferfuss. (V2 ' 1-) Fig. 35. Mittlerer Kieferfuss. (V2 ^ 1 ) An der Basis des Tasters be- findet sich eine Kieme (br.). Fig. 36. Innerer Kieferfuss. {% : I.) *) Die Augenstiele reichen in der Fig. 25 bis an die Grube der inneren Antennen. Dies ist offenbar ein Versehen des Zeichners, die äussere Begrenzung der Gruben wird in Wirklichkeit durch das l. Basal- glied der äusseren Antennen gebildet. Der Herausgeber. Ueber die Anatomie und die Fuuctiouen der Bieuenznnge. Von Panl Franz Breithanpt aus Pössneck i. Th. Hierzu Tafel 4 und 5. Wohl keine Classe des Thierreichs, von den niedersten Lebewesen an bis zum Wirbelthier, vermag dem aufmerksamen Beobachter, dem Naturfreund wie dem Naturforscher, dem Ana- tpmen wie dem Physiologen, eine so reiche Fülle anregenden Materials zu bieten als die der Insecten, diese an Reichthum der Arten und Formen alle andern Thierclassen zusammen- genommen tibertreffende Abtheilung der Gliederthiere. Und nicht am wenigsten sind es die Mundwerkzeuge dieser Thiere, welche, wegen ihrer Vielgestaltigkeit das Interessanteste am ganzen Insektenkörper darstellend, so vielfach Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen geworden sind, so dass man sich sogar veranlasst gesehen hat, den Bau dieser Theile des Insectenorganismus als Eintheilungsprincip für die ganze Classe der Hexapoden aufzustellen. Das geschah schon im vorigen Jahrhundert durch die grossen Forscher Fahr icius und Linne. Aus der neuesten Zeit will ich nur Muhr^*) erwähnen, welcher an der Ordnung der Orthopteren dieses Princip im Speciellen durchzuführen suchte. *) Die Ziffern beziehen sich auf das am Schluss des Aufsatzes be- findliche Literaturverzeichniss. 48 Paul Franz Breithaupt t Üeber die Anatomie Von grösstem Interesse sind die Insectenmundwerkzeiige auch für den Physiologen, der in denselben eine Reihe der merkwürdigsten und gelungensten Vorrichtungen erkennt, die theils der Aufaahme von Flüssigkeiten dienen, theils auch zum Zerkleinern des Baumaterials, dabei aber zugleich den ver- schiedensten Bedingungen der Nahrungsgewinnung und der Lebensweise in so hohem und weitgehendem Masse angepasst sind, dass z. B. wohl schwerlich eine Blume zu finden ist, deren Nektarien versteckt genug wären, um nicht von irgend einem naschhaften Insect aufgefunden und ausgeplündert zu werden. Fast eben so viel Anregung bietet die Betrachtung der Insectenmundtheile dem vergleichenden Anatomen, der da findet, dass diese so verschiedenen Zwecken dienenden Apparate nicht nach verschiedenen Principien, sondern alle nach dem gleichen Plane aufgebaut sind. Wer würde wohl bei der ersten Be- trachtung des sauber zusammengefalteten Bienenrüssels, des uhrfederartigen Rollrüssels des Falters, des taschenmesserartig eingeklappten Saugrüssels der Wanze oder des dolchbewehrten Stechrüssels der Bremse, auf den Gedanken kommen, dass all diese anscheinend so specifischen Zwecken dienenden Mundein- richtungen keine Neubildungen sind, sondern nichts als Modi- ficationen, als mehr oder minder weitgehende Umgestaltungen desselben Kiefermaterials darstellen, aus welchem die Mund- theile der kauenden Insecten zusammengesetzt sind? — Den Beweis für diese wichtige Thatsache geliefert zu haben, ist das grosse Verdienst des geistreichen Franzosen Savigny'', welcher in seinen Memoiren zunächst für die Schmetterlinge und Wanzen überzeugend nachwies, dass die zum Saugen einge- richteten Mundtheile derselben im Wesentlichen dieselbe Zu- sammensetzung zeigten wie die Kauwerkzeuge der Käfer und Heuschrecken. In allen diesen Fällen finden wir oberhalb der Mundöffnung zunächst eine unpaare Oberlippe (labrum), darunter zu beiden Seiten des Mundes die paarigen Oberkiefer (mandi- bulae), dann drittens die paarigen Unterkiefer (maxillae), die aus einem Grundstück (stipes) und den Laden (lobi) bestehen, an deren Verbindungsstelle ein ein- oder mehrgliedriger Taster aufsitzt; endlich als unpaares Schlussstück des Ganzen die wieder in der Medianlinie gelegene und den Mund nach unten verschliessende Unterlippe (labium), gleich den Unterkiefern und die Functionen der Bienenzunge. 49 aus mehreren Stücken zusammengesetzt und ebenfalls Taster tragend. Im Anschluss an Savigny hat dann Erichson^ in seinen Entomologien nicht minder scharfsinnig für die ganze Classe der Gliederthiere (Arthropoden) nachgewiesen, dass die Mundtheile derselben, mit Ausnahme der Oberlippe, als Modificationen von Beinen zu betrachten und bei den Hexapoden aus drei Bein- paaren hervorgegangen seien, die unpaarige Unterlippe der Insecten also weiter nichts sei, als das mehr oder minder voll- ständig verschmolzene dritte Kieferpaar. Dieses vonErichson aufgestellte und jetzt auch durch entwicklungsgeschichtliche Thatsachen allgemein als bereclitigt anerkannte Princip ist von einem Landsmann Savigny 's, Brulle% für eine Anzahl von Insectengriippen noch specieller durchgeführt worden. DurcJi diese Arbeiten hatte sich für den vergleichenden Anatomen ein grosses Feld zur weitern Untersuchung und Ver- gleichung geöffnet, das dann auch redlich ausgenutzt wurde, wie eine äusserst umfangreiche, hier aber nicht weiter zu be- sprechende Literatur zur Genüge beweist. Die Mehrzahl dieser Untersuchungen ist übrigens, so weit sie der altern Zeit an- gehört, in Folge der mangelhaften technischen Hilfsmittel kaum über die Darstellung der gröberen, äusserlich wahrnehmbaren Verhältnisse hinausgekommen. Erst durch die Verbesserung der Mikroskope, nicht minder aber auch durch die Einführung der Mikrotome, welche die Methode der Dünnschnitte zu ungeahnter Entfaltung brachten, ist es uns möglich geworden, auch den feineren anatomischen und histologischen Aufbau der betreffenden Apparate genauer zu studiren. In Folge dessen sind in den letzten Jahren eine Anzahl theilweise sehr gelungener Arbeiten auf diesem Gebiete ver- öffentlicht worden, von denen ich hier nur einige anfahren will: die Arbeit von Dimmock^^ über die Mundtheile von Dipteren, die von Kräpelin^ über den Fliegenrüssel, von Geise^ und von Wedde"^ über den Rhynchotenrüssel und endlich die von Kirbach^ über den Schmetterlingsrüssel, Arbeiten, welche mit Ausnahme der Abhandlungen von Kräpelin und Dimmock sämmtlich aus dem zoologischen Institut Leipzigs hervorge- gangen sind. Man hätte vielleicht erwarten können, dass die Mund Werk- zeuge desjenigen Insects, welches von allen die umfangreichste Arch. f. Natnrg. 52. Jahrg. I. Bd. 1. H. ^ 50 Paul Franz Breithaupt: Ueber die Anatomie Literatur, wissenschaftliche wie populäre, hervorgerufen hat, des einzigen fast, welches seiner Producte wegen vom Menschen geschätzt und gepflegt wird, und dessen Lebensweise und Ana- tomie man genauer kennt als die irgend eines andern Insects, nämlich der Biene, dass also deren Mundtheile vor allen andern Gegenstand einer genaueren und eingehenderen Untersuchung gewesen wären. Doch mit Nichten. Gerade für die Honigbiene sind unsere Kenntnisse dermalen noch so wenig zureichend, dass unsere grössten Bienenkenner noch heute nicht einig darüber sind, wie die Bienen es fertig bringen, mit ihrem Saugrüssel sowohl grosse Massen süssen Saftes in kürzester Zeit aufzunehmen, als auch mit denselben Apparaten die kleinsten Spuren von Honig zu entfernen. Wir werden später auf die verschiedenen Ansichten zurückkommen, die in dieser Beziehung sich geltend zu machen suchten. Einstweilen sei nur so viel bemerkt, dass der Einzige, welcher hier das Richtige getroffen und eine, wenngleich kurze, doch völlig naturgemässe Darstellung des Bienenmundes gegeben hat, Leuckart^ ist, dessen Ansichten über den Saugact, welche ich später anzuführen Gelegenheit haben werde, mit meinen Resultaten fast vollständig zusammenfallen. Sonst findet sich ausser einer nur vorläufigen, indess nicht in allen Punkten zu- treffenden Mittheilung Kräpelin's^, von dem allerdings in nächster Zeit mehr zu erwarten steht, und einer kleinen Arbeit von Briant^°, die jedoch sehr oberflächlich und ungenau und in Bezug auf den Saugact vollständig verfehlt ist, nur eine einzige, allerdings gar umfangreiche Arbeit, welche uns nament- lich durch ihre vielen Illustrationen in den Hauptpunkten Auf- schluss über die genannten Verhältnisse am Bienenmunde bringt. Ich meine Dr. J. B. Wolff's *^ Monstrearbeit: „Das Riechorgan der Biene", eine bis in's Kleinste gehende, nach Vitus Grä- ber*^ „auf dem Gebiet der Kerfphysiologie wahrhaft epoche- machende" Arbeit, die durch ihre allerdings meist sehr natur- getreuen und plastischen Abbildungen auf den ersten Blick den Eindruck riesigen Fleisses und grösster Genauigkeit macht. Wenn man aber — abgesehen davon, dass man überhaupt kaum einem Menschen zumuthen kann, das ganze, 250 grosse Quartseiten umfassende Werk durchzulesen (die Erklärung der Abbildungen umfasst für sich allein 56 Seiten), und dass, wie Schiemenz*^ nachgewiesen, der Hauptpunkt der ganzen Ar- und die Functionen der Bienenzunge. 51 beit von vornherein ein ganz verfehlter ist, indem dasjenige^ was Wolff als Riechorgan beschreibt, eher Alles andre, nur kein Riechorgan ist, das Riechorgan vielmehr in den Fühlern und nicht in der Mundklappe zu suchen sei, wie auch die Ver- suche Dönhoffs*:* und Hauser's*^ zeigen — wenn man also beim genauem Durchlesen gewahr wird, wie der Verfasser be- züglich der einzelnen Organe im Kopfe der Biene hartnäckig denselben Bauplan wiederfinden will, wie beim Wirbelthier- schädel und so z. B. von „Nasen" und von einem processus nasiformis spricht, andrerseits die einzelnen Endoskeletstücke als Knochen (ossa) bezeichnet, so wird man wohl mit Schie- menz übereinstimmen, wenn dieser dem Verfasser vorwirft, dass er ein recht „weites zoologisches Gewissen besitzt", lieber- dies hat Wolff 's Darstellung für die Erkenntniss des mecha- nischen Zusammenwirkens der Mundtheile und namentlich des Saugmechanismus eine nur geringe Bedeutung. Es i^t daher wohl an der Zeit und lohnt sich auch der Mühe, die von Wolff gelassenen Lücken auszufüllen und seine laugathmigen Beschreibungen durch eine kürzere und genauere Darstellung der Verhältnisse am Bienenrüssel zu ersetzen, und das will ich hier versuchen, soweit es meine Kräfte erlauben. Allerdings war es meine Absicht, als ich, unabhängig von Wolff, an die Untersuchung des Bienenrüssels ging, ausser dem feinern ana- tomischen Bau auch die Histologie der Bienenzunge, besonders die Nervenendigungen, in den Bereich meiner Betrachtung zu ziehen und zur Darstellung zu bringen. Dass mir die Ausfüh- rung dieser letztern Absicht leider gänzlich und die der zuerst ausgesprochenen theilweise vereitelt worden ist, habe ich einer schweren Netzhautentzündung zuzuschreiben, die ich mir in diesem Sommer (1885) durch übermässiges Arbeiten mit Lupe und Mikroskop zugezogen hatte, so dass ich länger als vier Monate hindurch arbeitsunfähig wurde. Glücklicherweise war ich vor Eintritt dieser Krankheit mit den wichtigsten Punkten meiner Untersuchungen soweit gediehen, dass es nur noch des Zeichen- stiftes und der Feder bedurfte, um die Resultate nach den vor- handenen, flüchtigen Skizzen zu fixiren. Aber auch das wäre mir jetzt, nach überstandener Krankheit, in Folge der zurück- gebliebenen Schwächung der Sehkraft nicht möglich gewesen, wenn sich mir nicht ein rettender Ausweg geboten hätte durch die geschickte Hand meines Freundes und Landsmannes, des 4* 52 Paul Franz Breithaupt: Ueber die Anatomie Zeichenlehrers Rudolf Koch, dem ich auch an dieser Stelle nochmals meinen wärmsten und innigsten Dank für die mir in der Noth geleistete Hilfe ausspreche. Sollten sich in einigen der theilweise schematisirten Ab- bildungen Mängel und Verstösse vorfinden, auch Illustration und Beschreibung der Bienenmundtheile nicht in der Weise gelungen sein, wie es für solch complicirte Verhältnisse nöthig gewesen wäre, so bitte ich all diese Mängel zu entschuldigen mit Rück- sicht auf das mir widerfahrene Unglück und auf die Unbekannt- schaft meines Zeichners mit der mikroskopischen Anatomie und Histologie und deren Darstellungsweise. Und doch, was hätte mir die Opferwilligkeit meines Freundes und seine geschickte Hand nützen können, wenn es mir nicht durch die ausgezeichnete und glückliche Behandlung meines verehrten Arztes, des Herrn Dr. med. Gl. Schwabe in Leipzig, ermöglicht worden wäre, nach einer verhältnissmässig sehr kurzen Unterbrechung von vier Monaten schon wieder, wenn auch mit grosser Vorsicht, zu arbeiten und die Haupt- resultate meiner Untersuchungen zur Darstellung zu bringen. Ich erachte es deshalb auch als meine Pflicht, den Gefühlen des tiefinnigsten und herzlichsten Dankes gegen Herrn Dr. Schwabe, dessen geschickte Behandlung mir von Neuem mein Augenlicht zurückgegeben, auch an dieser Stelle nochmaligen beredten Ausdruck zu verleihen. Schliesslich sei es mir auch gestattet, den Herren Lehrern Seligmann in Oepitz bei Pössneck und Jentzsch in Sprotta bei Eilenburg für die mir übersandten Exemplare von Bienen- königinnen hiermit meinen Dank zu bezeugen. — Kehren wir nacli dieser Abschweifung zu unserer Biene zurück und suchen wir nach einem kurzen Bericht über die angewandten Untersuchungsmethoden zunächst einen allgemeinen Ueberblick über die Mundtheile der Biene zu gewinnen, dem sich dann eine genauere Beschreibimg der feineren Anatomie des Unterlippenapparates, sowie des Mechanismus desselben, und endlich eine Besprechung des Saugactos selbst unter Be- rücksichtigung der von Autoren älterer und neuerer Zeit dar- über gemachten Angaben anschliessen wird. und die Functionen der Bienenzunge. 53 Material und üntersucliungsinethoden. Obgleich man nach der Ueberschrift vermuthen könnte, dass sich meine Untersuchungen vornehmlich auf die Honigbiene, Apis mellifica, und zwar die Arbeiterin erstreckten, so muss ich doch gleich hier bemerken, dass ich von den Apiden mehr die Species Bombus (B. terrestris, lapidaris und ruderatus) be- rücksichtigt habe und zwar aus dem einfachen Grunde, weil alle Theile hier viel grösser und der Untersuchung zugänglicher sind, dennoch aber mit wenigen Abweichungen denselben ana- tomischen Aufbau zeigen wie bei Apis mellifica. Demnach be- ziehen sich meine Angaben und Abbildungen sowohl auf Apis wie auf Bombus und nur da, wo merkliche Abweichungen statt- finden, habe ich dieselben besonders hervorgehoben. Zu den Leckversuchen benutzte ich im ersten Frühling Bienen, die mir von Herrn Geheimrat Leuckart bereitwilligst aus seinem Bienenbestand zur Verfügung gestellt wurden. Später fing ich mir zu dem Zwecke Königinnen der Erd- und Steinhummel, namentlich aber von B. ruderatus, welche sich wegen ihrer colossal langen Zunge am besten zu derartigen Versuchen eignete. Leider wurde ich in diesen Experimenten im Juni dieses Jahres unterbrochen, und nunmehr, im Winter, ist es nicht leicht möglich, dieselben zu vervollständigen. Zur anatomischen Untersuchung diente mir im Winter das gewöhnliche Spiritusmaterial des zoologischen Institutes zu Leipzig, in dem ich diese Arbeiten vornahm, später verarbeitete ich mehr frische Exemplare und zwar ausser den Arbeiterinnen von Apis m. auch einige Königinnen und Drohnen, von den Hummeln jedoch fast nur Königinnen. Als Färbemittel für die einzelnen Gewebe wandte ich meist das salzsaure Carmin an, aber fast nur bei Bombus, während ich bei Apis damit keine günstigen Erfolge erzielte; hier lieferte mir Boraxcarmin, theilweise auch Hämatoxylin, die reizendsten Bilder. Das Schneiden der äusserst spröden und vor dem Messer wie Glas zersplitternden Chitintheile wollte mir anfangs trotz des vorzüglichen Mikrotoms garnicht recht gelingen, bis ich einmal das vorher zu diesem Zwecke noch wenig angewandte Eau de Labaraque (unterchlorigsaures Kali) versuchte, welches die Fähigkeit besitzt, Chitin zu lockern und bei längerer Ein- 54 Paul Franz Breithaupt: Ueber die Anatomie Wirkung zu lösen, während bei nicht allzu langer Einwirkung die übrigen Gewebe weniger angegriffen, theil weise sogar recht gut conservirt werden. Da ich nun an mir selbst erfahren habe, wie lange man alle möglichen Methoden vergeblich durchprobiren miiss, ehe man leidlich gute Schnitte erhält, so glaube ich den- jenigen, welche sich ebenfalls mit der Untersuchung stark chi- tinisirter Insectentheile beschäftigen, einen Gefallen erweisen zu können, wenn ich die von mir benutzte Methode noch etwas genauer bespreche. Das erwähnte Eau de Lab. empfiehlt sich namentlich sehr zur Herstellung instructiver Quetschpräparate, weil das für gewöhnlich sehr dunkle, zuweilen sogar ganz schwarze und undurchsichtige Chitin durch dieses Mittel auf- gehellt und durchsichtig gemacht wird, wodurch man sehr schöne, klare Bilder erhält. Bei der Anwendung verdünnte ich die coucentrirte Lösung des unterchlorigsauren Kalis mit 3 — 4 Teilen Wasser und liess diese Lösung auf frische Objecte einen, auf bereits gehärtete zwei Tage einwirken. Nach dem Auswaschen mit Wasser und 35procentigem Alcohol härtete ich mit Alcohol absol. , hellte in Nelkenöl auf und bettete die Quetschpräparate direct in Canadabalsam ein, die zum Schneiden bestimmten Objecte führte ich jedoch aus Nelkenöl in Terpentinöl, in dem Wachs gelöst war, über, worauf ich sie nach einigen Tagen in Wachs-Paraffinmischung einbettete. Als ich übrigens sah, dass ich die Auflockerung des Chitins nicht ganz nach Belieben regeln konnte, beschränkte ich diese Methode auf die Herstellung von Quetschpräparaten. Zur Herstellung der Dünnschnitte be- diente ich mich von da an einer einfacheren Methode, bei der die Einbettungsmasse und die Art der Einbettung die Haupt- factoren bildeten. Es darf nämlich die Einbettungsmasse bei möglichst grosser Zähigkeit doch nicht so hart wie reines Wachs und nicht so nachgiebig wie reines Paraffin sein und so fand ich schliesslich durch vieles Probiren, dass eine Mischung von 3 Theilen weissem Wachs und 1 Theil weichem Paraffin die trefflichsten Dienste leistete, durch öftere Benutzung und Um- bettung aber immer zäher und besser wurde. Die Methode war nun folgende: Die vor und nach dem Färben mit Alcohol ab- solut, gehärteten Objecte führte ich durch Nelken- und Ter- pentinöl zunächst in eine schon bei 35° R. flüssige Mischung von Wachs und Terpentin über, in der sie mindestens 24 Stunden bei 40 — 45" R. im Oefchen erwärmt wurden. Wohl ebensolange und die Functionen der Bienenzunge. ^ i 55 Hess ich bei 50° R. flüssiges Wachs darauf einwirken und erst, wenn sie von demselben ordentlich durchdrungen waren, bettete ich sie in einem Stanniolkästchen direct auf dem Oefchen ein, wobei mit grösster Vorsicht und möglichst langsam abgekühlt werden musste, damit sich keine Luftblasen, die sonst alle Mühe vereiteln, an das Object anlagerten. (Durch ganz rasche Ab- kühlung erreicht man zwar auch den letzteren Zweck, aber das Wachs wird in Folge dessen so fest, dass es nicht leicht mehr zu schneiden ist.) Bei einer Temperatur von mindestens 17** R. schneiden sich dann die langsam abgekühlten Objecto ziemlich leicht, und bei einiger Uebung und richtiger Messerstellung bringt man es bald dahin, dass sich die einzelnen Dünnschnitte mit ihren Rändern an einander legen, zu einem langen Bande sich verbindend. Das bewerkstelligte ich mit einem Schanze'- schen Mikrotom, mit dessen Mikrometerschraube ich die Dicke der Schnitte bis auf Vioo und V150 mm. genau reguliren konnte. Schliesslich wurden die theilweise ganz tadellosen Schnittserien nach dem Giess brecht 'sehen Verfahren mittelst Schellack auf- geklebt und der Einschluss mit in Xylol gelöstem Canadabalsam bewerkstelligt. Zum Schluss bemerke ich noch, dass es sehr wesentlich ist, beim Schneiden der mit steifen Borsten besetzten Chitin- gebilde, z. B. einer Bienenzunge, am hintern Ende zu beginnen und so, mit der Richtung der Haare fortschreitend, stets erst deren Basis und zuletzt die Spitze zu treffen, weil im andern Falle die Schneide des Messers zu leicht ausgleitet. Schliesslich ist auch noch die Stellung des Mikrotommessers zur Schuitt- richtung nicht ohne grosse Bedeutung, indem eine Schiefstellung desselben sehr oft ein Zersplittern und Zerreissen der Schnitte bewirkt, was bei der Querstellung, also normal zur Schnitt- richtung, und bei der unbedingt erforderlichen hohen Tempe- ratur meist vermieden wird. Allgemeine Uebersicht über die jttundtheile der Biene. Da ich den allgemeinen Bau der Bienenmundtheile als be- kannt voraussetzen muss, glaube ich mich bei der zum Ver- ständniss des feinern Baues nothwendigen Recapitulation der Illustrationen entschlagen zu können. 56 Paul Franz Breithaupt: Ueber die Anatomie Im Allgemeinen finden wir bei unsern Thieren dieselben Theile wie bei den kauenden Insecten, deren Mundtheile in der Einleitung kurz aufgezählt wurden. An den untern Theil des sogenannten Kopfschildes (clypeus) setzt sich beweglich die aus einer trapezförmigen Hornplatte bestehende Oberlippe (labrum) an. Dieselbe bedeckt von oben her mit ihrem freien, behaarten Rande den Eingang zu der Mundöffnung. Zu beiden Seiten der letzteren befinden sich zwei kräftige, nur gegen einander bewegliche Zangen, die Oberkiefer (mandibulae), mit scharfen Rändern versehen, beinahe löffel- artig ausgehöhlt, vornehmlich zum Bearbeiten des Wachses dienend. Namentlich bei Bombus sind sie äusserst kräftig ent- wickelt und mit mächtigen Beugemuskeln verbunden. Den untern Verschluss der Mundhöhle bildet der aus den Unter- kiefern und der Unterlippe zusammengesetzte Rüssel, seitlich und hinten an dem Kopfskelet beweglich befestigt durch eine Anzahl kleinerer Hebelstücken und eine dazwischen ausge- spannte, weisse dehnbare Gelenkhaut, welche an ihrem vorderen Rande in eine innere, die Mundhöhle bekleidende Duplicatur übergeht. Ehe wir aber an die speciellere Besprechung des Rüssels gehen, wird es von Vortheil sein, sich über die darüber liegende Mundöfiriung und den Schlund zu informiren. Zieht man bei einer fi-ischen Biene mit einer Pincette den Rüssel nach unten, so öffnet sich (vorausgesetzt, dass man den Kopf dabei horizontal richtet) zwischen Rüssel und Oberlippe und Mandibeln der ziemlich weite, von der oben erwähnten Duplicatur ausgekleidete Mund, mit Seitenwänden, die ebenso continuirlich in die Oberseite der Unterlippe übergehen, wie die Hinterwand. Nach oben und hinten setzt sich der Mund in das trichterförmige Schlundrohr oder den Pharynx fort, dessen untere Bekleidung die sogenannte untere Schlundplatte (Schi, Fig. 14) bildet, eine rauhe, hornige Platte, deren Seitenränder nach hinten in 2, den Oesophagus auseinanderspannende Horn- gräten auslaufen, während sie vorn nach unten umgebogen und schwalbenschwanzähnlich ausgeschnitten ist. Schimenz'^ bildet diese Platte (in Fig. 7) sehr schön ab und zeigt, dass auf ihr in zwei seitlichen Reservoirs die Ausführgänge der obem Kopfspeicheldrüsen münden. Hinter diesen Reservoirs befinden sich zwei starke höckrige Stellen, die sich beim ge- und die Functionen der Bienenzunge. 57 Dauern Zusehen in eine Anzahl (circa 40) kreisrunder, niedriger Papillen auflösen, die je mit einem ganz kurzen Haar versehen sind. Von unten her treten an diese Papillen die Verzweigungen eines direct vom Gehirn entspringenden, nicht unbedeutenden Nervenstranges, vorher jede zu einer dicken Ganglienzelle an- schwellend, woraus zu schliessen ist, dass diese Stellen mit ihren Nervenendigungen irgend eine Sinnesperception vermitteln, welcher Art freilich, wage ich nicht mit Bestimmtheit zu be- haupten. Anfangs hielt ich sie für Geschmacksorgane und wurde darin bestärkt durch die Beschreibung Kirbach's, welcher auf der Schlundplatte der Schmetterlinge zwei ähnliche Stellen fand, von denen er gleichfalls vermuthete, dass sie die Geschmacksperception vermitteln könnten. Auf ihre Lage ganz am Eingang des Pharynx, an einer exponirten Stelle, über welche jede Art von Speise, sowohl flüssige als feste, gleiten muss, scheint diese Vermuthung zu bestätigen. Andrerseits finden sich aber an der hintern und untern Seite der gleich zu erwähnenden Mundklappe ganz eben solche Papillen mit genau denselben Nervenendigungen und aufsitzenden feinen Haaren, nur noch in viel grösserer Menge, von Wolff *^ als Riechorgane beansprucht, die aber aller Wahrscheinlichkeit nach weiter nichts als einfache Tasthaare sind. Wolff sieht die einen als Riechorgane, die andern als Tastorgano an, obgleich sie sämmt- lich, ich wiederhole es, ganz genau den gleichen Bau, gleiche Länge und Stärke der Haare besitzen. An die Schlundplatte, welche dem Zungenbeine Treviran's entspricht, inserirt sich mit seinen Rändern das obere muskulöse Dach des Schlundes, welches nach vorn in eine längliche, mit Muskeln ausgestattete und von der Ansatzstelle der Oberlippe in den Mund herabhängende Hautfalte, die Mundklappe (kl) übergeht. Diese mit breiter Basis oben inserirte, nach vorn spitz zulaufende und in der Mittellinie mit einem fein behaarten Kamme versehene Klappe, der Epipharynx Savigny's'^, das Sublabrum Latreille's, wurde vonReaumur'^ als die eigent- liche Zunge angesehen; sie ist es, welche schon von Kirby und Spence^^ fälschlich als Nase (Rhinarium) gedeutet worden war und nun wieder von Wolff" als Riechorgan beansprucht wurde — mit welchem Rechte freilich, das zu erörtern liegt nicht in meiner Aufgabe. Jedenfalls fällt ihr vor Allem die Aufgabe zu, bei den Pumpbewegungen des Schlundes theils di© 58 Paul Franz Breithaupt: Ueber die Anatomie Schlundöffnung nach vorn zu verschliessen , wobei der in der Mittellinie vorspringende Kamm sich in die Rinne der Schlund- platte einpasst. Weiter aber hat diese Klappe den luftdichten Verschluss der Mundhöhle nach vorn zu vermitteln, indem sie sich bei vorgestrecktem Rüssel zwischen diesen und die Ober- lippe einschiebt. Der zwischen den auseinander klaffenden Unterkiefern entstehende Spalt wird dabei mittelst ihres Kammes vollständig ausgefüllt und auf diese Weise eine luftdichte Ver- bindung der Mundhöhle mit dem Saugrohr des Rüssels her- gestellt. Ob die Mundklappe den Bienen beim Wabenbau auch gewissermassen als Kelle zum Glattstreichen des Wachses dienen kann, wie behauptet ist, will ich dahingestellt sein lassen. Nach hinten geht der Pharynx in den allmählig enger werdenden Oesophagus über, welcher am Ende der beiden Schlundgräten nach unten umbiegt, zwischen dem obern und untern Schlundganglion hindurch nach dem Hinterhauptsloch verläuft, den Thorax durchsetzt und sich im Hinterleib dann zu dem Vor- oder Honigmagen erweitert, an welchen sich dann erst der eigentliche Chylusmagen anschliesst. Durch seine ausgezeichnete Muskulatur, welche übrigens Wolff sehr schön darstellt, ist nun der Schlund in den Stand gesetzt, die nämlichen Pumpbewegungen zu machen wie ein Blasebalg, indem er sich rhythmisch erweitert und wieder zu- sammenzieht. Dabei ist indess nicht ausgeschlossen, dass die Contraction der Schlundmuskeln auch successive von einem Ende zum andern fortschreitet. Die Erweiterung des Schlundes wird durch eine Anzahl Muskelpaare bewirkt, die sich einerseits zwischen der untern Schlundplatte und den tiefer gelegenen Seitenwänden des Kopfes, andrerseits zwischen der obern weichen Schlunddecke und dem obern Schädeldach ausspannen. Die Zusammenziehung dagegen erfolgt durch die Contraction der Ringmuskeln des Schlundes und der sich zwischen den beiden langen Schlundbeingräten ausspannenden Muskeln. Ein Theil der obern Schlunddecke ist mit einer sehr nervenzellen- reichen Haut ausgekleidet, welche auf den Schnitten die reizend- sten Bilder lieferte und deren genaues Studium sehr zu em- pfehlen wäre. Es stellt also der Schlund der Biene ein vollständiges, nach vorn durch die bewegliche Mundklappe luftdicht verschliessbares Pumpwerk dar, welches seiner Aufgabe in weitgehendstem Masse und die Functionen der Bienenzunge. 59 nachkommt imd daher der Mitwirkung eines sogenannten „Saug- magens", als welcher die Honigblase von Treviranus ^^, Burmeister*' u. A. gedeutet worden ist, durchaus nicht bedarf. Kehren wir nach dieser nothwendigen Erläuterung zum Rüssel zurück. Derselbe entsteht, wie schon angedeutet, aus der Vereinigung der Unterkiefer mit der Unterlippe und liegt, in der Ruhe sauber zusammengefaltet und mit der vordem Hälfte nach unten umgeklappt, in einer tiefen Aushöhlung der Schädelbasis, deren vom Hinterhauptsloche an beginnende Aus- kerbung man in Fig. 21 einigermassen ermessen kann. Die Unterkiefer (maxillae), von derselben Länge wie die Unterlippe, bestehen aus einem sehr starken Basalstücke und der gelenkig daran inserirten, sensenklingenähnlichen Lade, an deren Verbindungsstelle ein kurzer, eingliedriger Taster oder eigentlich nur ein Tasterrudiment aufsitzt. Die dünnen, nach unten stark gekrümmten Laden legen sich mit ihren obern be- haarten Rändern aneinander und umfassen so von oben rinnen- förmig die Unterlippe, noch mehr aber deren vordem Anhang, die Zunge, welche sich von unten her zwischen die Unterkiefer einschiebt. Die Unterseite der Klinge oder Lade ist an ihrem Vorderrande gefaltet (Fig. 11), während der äusserste Rand mit langen Borsten eingesäumt ist, zwischen denen kleinere, auf Papillen sitzende Haare stehen, welche allem Anschein nach Tasthaare sind. Ferner erhebt sich auf der Unterseite noch eine Längsleiste oder ein Kamm, welcher mit einer Reihe sehr starker Borsten, der Zungenhechel Wolff's, besetzt ist. „Nichts in der Erscheinung dieses Endes, sagt Briant**', unterstützt die häufig gemachte Behauptung, dass es zum Schneiden gebraucht würde. Je stärker das Chitin, um so dunkler ist es; aber das Ende der Klinge ist sehr durchsichtig und zart." Das Grundstück der Unterkiefer enthält im Wesentlichen die zur Beugung und Streckung der Lade nöthigen und für den ersten Zweck äusserst kräftigen Muskeln und nimmt hinten das Ende der Angel (cardo) in sich auf. Während der untere, sehr hornige Rand mit langen, kräftigen, nach innen gekrümmten Borsten besetzt ist, die wesentlich zur Umfassung der Unterlippe beitragen, geht der obere Rand in seiner hinteren Hälfte in die schon erwähnte weiche Gelenkshaut über, die von den hintern 60 Paul Franz Breithaupt: Ueber die Anatomie Seitenrändern der Unterlippe und des Fulcrums kommend, ober- halb der Unterkiefergrundstücke seitlich und hinten an die Kopfbasis sich inserirt. Die Hebelstücke, welche die Maxillar- stammstücke mit dem Kopfskelet gelenkig verbinden, sind in diese Gelenkshaut eingelagert. Sie treten durch ihre dunkle Farbe auf dem hellen Grunde deutlich hervor und umgrenzen die Haut wie vier senkrechte, im Quadrat stehende Eckpfäble eines oben und vorn ofl&en Leinwandzeltes. Das vordere dieser Hebelstücke, der Segelhalter Wolff's, eine dünne Chitinleiste, weldhe von der Mitte des obern Randes des Kiefergrundstückes senkrecht nach oben geht, dient eigentlich nur als Aufhänge- stange für das Hauptgewicht des Unterkiefers und der mit einem ähnlichen, von derselben Stelle nach unten gehenden Chitinstück dem Unterkiefer verbundenen Unterlippe. Auch bildet dieser sogenannte Segelhalter die vordere Begrenzung der Seitenwände des Mundes und, wie daraus hervorgeht, die Umbiegungsstelle der äussern Kehlhaut, wo diese in ihre innere Duplicatur über- geht. Das hintere der in die Kehlhaut eingebetteten Hebel- stücke ist die schon erwähnte Angel (cardo), ein unserm Ober- schenkelknochen nicht unähnliches Chitinstück, das mit seinem unteren, in zwei ungleiche Fortsätze ausgekehlten Ende der Maxillenbasis eingelenkt ist und, schräg nach oben gehend, sich hier mit dem oberen Ende eines ebenfalls von hinten und unten schräg nach oben gehenden und die Hinterseite der unteren Kopfaushöhlung seitlich begrenzenden Hornpfeilers verbindet. Von den beiden ungleich langen Fortsätzen des untern Endes der beiden Angeln verbinden sich die längeren, vorderen mit dem hintern Ende der Unterkiefer, die beiden andern kürzeren aber mit den vordem Enden einer aus zwei beweglich ver- bundenen Chitinbalken bestehenden und ebenfalls in der Kehl- haut liegenden Chitingabel. Diese Gabel umfasst mit ihrem spitzen, nach vorn offenen Winkel, resp. dessen Schenkeln, das darunter liegende dreieckige Fulcrum oder submentum (sm, Fig. 17), dem sie aber nur mit der hintern Spitze inserirt ist. Das Fulcrum ist eine kleine und gekrümmte schwarze Horn- platte von der Gestalt eines gleichschenkeligen Dreiecks, das mit seiner Spitze der erwähnten Gabel sich verbindet, während die Basis dem Hinterrande der Unterlippe aufsitzt. Es würde nach Erichson^ den verschmolzenen cardines des verwach- senen dritten Kieferpaares entsprechen und ist ebenfalls mit und die Functionen der Bienenzunge. 61 der Kehlhaut verwachsen, derart, dass seine seitlichen Ränder unmittelbar in dieselben tibergehen. Es dehnt sich also nach unten die Kehlhaut zwischen den Grundstücken der Unterkiefer, den Balken der Chitingabel, den Seitenrändern des Fulcrums, der Unterlippe und einem Raum aus, der nach vorn durch die Verbindungsstücke zwischen der Mitte der Unterkiefer und der oberen Unterlippenränder be- grenzt ist. An den beiden Seiten wird die Kehlhaut vorn und hinten von den Segelhaltern und den Angeln der Unterkiefer begrenzt, oben und unten von der Schädelbasis und dem obern Rande der Maxillen. Hinten endlich dehnt sich die beim Vor- ziehen des Rüssels breit ausgespannte Kehlhaut (kh, Fig. 14 und 15) zwischen den Balken der Chitingabel und den Angeln aus, biegt dann aber oben an der Insertionsstelle der Angeln nach hinten um und geht in die die tiefe Aushöhlung der Schädelbasis auf der Rückseite begreifzeude Wand (ba) über. Nun zur Unterlippe, welche wie die Unterkiefer aus meh- reren Stücken besteht. Das grösste dieser Stücke ist das Kinn (mentum), eine feste, stark verhornte und daher glänzend schwarz erscheinende Chitinhülse, welche von Erich son^ als die verwachsenen Grundstücke seines dritten Kieferpaares be- trachtet wird und dem sogenannten Zungenbeine Bur meist er 's und Hart ig 's entspricht. Dieses Kinn enthält im Wesentlichen die zur Bewegung der Zunge nöthigen Muskeln und den un- paaren Ausführungsgang der vereinigten Brust- und Kopfspeichel- drüsen (System H und HI von Siebold 's), welcher sich vorn zu einer SpeichelampuUe erweitert und auf der Rückenseite der Zunge ausmündet. Wie wir gesehen, ist das Mentum nach hinten mit dem dreieckigen Submentum verbunden, vorn aber trägt es seitlich die viergliedrigen Lippentaster (Palpi labiales) und in der Mitte, von diesen auf der Unterseite umgeben, den Endtheil der Unterlippe, welcher nach Gerstfeldt *** wiederum in 3 Lappen, die Nebenzungen (paraglossa) und die Hauptzunge (ligula) zerfällt. Der mittlere Lappen also ist es, der die Zunge bildet, von Fabricius ligula genannt, lingua von Kirby und Spence'% lingula nach Leuckart®, ein Gebilde, welches nach Erichson^ den Innern Laden der verwachsenen Lippen- kiefer entspricht. Es ist ein cylindrisches , plattgedrücktes und in seiner Gestalt einer Lancette ähnliches Organ, welches auf der Aussenseite mit regelmässig angeordneten Quirlen steifer 62 Paul Franz Breithaupt: Ueber die Anatomie Haare oder Borsten besetzt ist, die der Zunge das Ansehen einer Flaschenbürste oder eines Fuchsschwanzes geben. Ihre Basis wird von den schuppenartigen Nebenznngen umgeben, während das ganze Gebilde unten von den Lippentastern, den seitlichen Fortsätzen der Unterlippe, oben von den Laden der Unterkiefer vollständig umhüllt wird. Die letzteren bilden wie zwei mit ihren Rändern auf einander gelegte Dachrinnen durch dichtes Auf- und Uebereinanderlegen ihrer haartragenden Ränder ein geschlossenes Rohr, das wichtige Saugrohr des Rüssels (hg) oder die äussere Zungenscheide, in der sich die Zunge wie der Kolben einer Pumpe auf- und abwärts bewegen kann. Dieses ganze Rohr mitsammt der Zunge ist nun in der Ruhe wie die Klinge eines Taschenmessers eingeklappt, so dass die Spitze desselben nach hinten und die obere oder Rückenseite nach unten zu liegen kommt. Da gleichzeitig der untere Rand der Maxillarladen in den Zwischenraum zwischen Maxillenbasis und Mentum eingefügt ist, so erscheint der ganze Apparat nach hinten eingeschlagen und sicher beschützt, letzteres vor allen Dingen auch durch die vorn über einander gelegten Oberkiefer. Dass diese Umlegung des Rüssels natürlich eine gelenkige Ver- bindung der Laden und der vordem Anhänge der Unterlippe mit ihren betreffenden Grundstücken voraussetzt, braucht wohl nicht erst besonders angeführt zu werden. Nach dieser nur skizzenhaften Beschreibung der Bienen- mundtheile, die aber das Verständniss des nun Folgenden wesentlich erleichtern wird, gehe ich zu der feineren Anatomie der Unterlippe über und zwar im Anschluss an die in den bei- gefügten Tafeln gegebenen Illustrationen. Aus gewissen Gründen bringe ich den Haupttheil meiner Arbeit, die Anatomie der Zunge zuerst, obgleich fllr das Verständniss der Verbindung von Zunge und Unterlippe eine vorgängige Zergliederung des letzteren Organes vortheilhafter wäre. Ich hoffe aber auch ohne dies verständlich zu werden. Die Zunge (lingula). Ueber die ungefälire Gestalt der Zunge habe ich im Vor- hergehenden sclion einige Andeutungen gegeben. Wir haben die Zunge als eine cylindrisch gekrümmte Chitiulamelle zu be- und die Functionen der Bienenzunge. 63 trachten, deren seitliche Ränder der Länge nach nach unten eingerollt sind und so an der Unterseite der Zunge eine offene Rinne ho bilden, in welche von unten her ein chitinöser Stab als Zungenkern sich einlagert, der die Zunge in ihrer ganzen Länge durchzieht und ihr als Stütze dient. Dieser Chitinstab (Chst) oder Zungenkern nach Wolff ^', den man seiner Function nach als Stütze der Zunge auch Zungenbein nennen könnte, welchen Namen ich aber für seinen hintern Theil reserviren möchte, ist weiter nichts als eine anfangs lamellare, mediane Fortsetzung der stark chitinisirten und glänzend schwarzen Hülse des Kinnes (Um, Fig. 16) und zwar des mittelsten, vordersten Zipfels derselben, wovon man sich nicht blos auf Quer- und Längsschnitten, sondern ohne grosse Mühe auch dann überzeugen kann, wenn man das ganze Zungenbein unter der Lupe aus den umgebenden Theilen heraus präparirt. Diese Operation ist durchaus nicht so schwer, als es nach der Be- schreibung von Brandt und Ratzeburg"^" scheinen könnte, denen es erst nach langer Maceration und nach dem Zerfetzen des Zungenmantels gelungen ist; es ist nur nothwendig, frisch getödtete Bienen zu diesem Zwecke zu benutzen. Man erhält dann vom Zungenbein, d. h. ungefähr dem hinteren Fünftel des Stabes, ein Bild, wie es in Fig. 20 dargestellt ist, wo bei Um das Zungenbein zunächst als breite Lamelle aus dem wie von zwei Cycloiden begrenzten, mittleren Zipfel der hornigen Hülse des Mentums entspringt. Nicht weit von dieser Stelle entsendet es seitlich ein paar hörnerähnliche Fortsätze, die ich deshalb auch Zungenbeinhörner (zh) benennen will. Es ist merkwürdig, dass dieselben noch von keinem einzigen Bienenanatomen dar- gestellt oder überhaupt nur erwähnt sind, uud doch sind sie für die Bewegung der Zunge nicht ohne Bedeutung, da sie mit den später zu erwähnenden Winkelhebeln (s, Fig. 16) am Zungengrunde direct verbunden sind und so deren Bewegungen und damit auch die der Zungenwurzel wesentlich beeinflussen. Diese Hörner erscheinen, ebenso wie der hinter ihnen liegende Anfangstheil des Stabes in durchfallendem Lichte dunkelbraun, sind also stark verhornt, im Gegensatz zum Vordertheile des Stabes, welcher von den Hörnern an bis zur Spitze glashell und durchsichtig erscheint. Ein klein wenig weiter nach vorn finden wir am Zungenbein eine verdickte Stelle ii, die Insertions- stelle für die Sehnen des Muskelpaares mjb, welches vom 64 Paul Franz Breithaupt: Ueber die Anatomie Hinterrand des Mentums kommt und das Zungenbein bedeutend nach hinten ziehen kann. Bis zu dieser Insertionsstelle ii ist das Zungenbein immer noch eine einfache Lamelle, wie man auch aus den Quer- schnitten 22 — 25 erkennen kann. Nun aber stellt sich mit der Vergrösserung des senkrechten Durchmessers in der Mittellinie der Unterseite ein feiner Spalt ein, der sich bald zu einer deutlichen Rinne oder einem Kanal (h,) erweitert und bis zur Spitze der Zunge verläuft. Auf dem Querschnitt (Fig. 12) er- scheint das Lumen dieses Kanales oval, mehr breit als hoch, nach unten geschlossen durch die übergreifenden seitlichen Ränder des Stabes und durch die daran sitzenden, nach der Mitte und vorwärts gerichteten, kurzen Schliesshaare sh. Die Innern Wände des Stabes sind stärker chitinisirt als der übrige Theil des sogenannten Zungenkernes und zeigen eine gelbbraune Färbung, wie die meisten Chitintheile, welche mit der Luft oder überhaupt der Aussenwelt in Berührung kommen. Da auch die Schliesshaare diese gelbbraune Färbung aufweisen, so wird in Folge dessen der centrale Theil des Chitinstabes von unten gesehen viel dunkler erscheinen als die Seiten, und es ist des- halb nicht zu verwundern, wenn Brandt und Ratzebu rg^" durch diese gelbliche Färbung sich zu dem Schlüsse verleiten Hessen, dass dieser Kanal noch mit Honig gefüllt sei. Sie sagen nämlich (p. 179): „Nach langer Maceration gelang es uns, diesen Theil (d. h. den Zungenmantel) leicht in viele Stücke zu zerreissen und eine dünne Röhre darzustellen, welche jenen Hautlappen, der hier also nur wie eine Hülle auftritt, der ganzen Länge nach durchläuft. Sie hat eine kurze, dicke herzförmige Basis (Verwechselung mit der jedenfalls daran hängen gebliebenen Zungenwurzel), eine breite, schief trichter- förmige, mit kurzen Haaren besetzte Spitze, und beide sind verbunden durch die eigentliche, unten dickere, oben dünnere Röhre, in welcher wir deutlich einen mit gelber Flüssigkeit (Honig) angefüllten Kanal wahrnahmen; . . . ." Demselben Irrthum ist auch Gers tfcldt '^ verfallen, indem er bei Besprechung des in der Zunge enthaltenen Kanales (p. 93) sagt: „Mehr wie einmal schien es mir, dass dieser Kanal eine gelbliche Flüssigkeit enthielt, die dann kaum etwas andres sein kann, als der aufgesogene Honigsaft." Der Chitinstab an sich erscheint als ein stark lichtbrechender und die Functionen der Bienenzunge. 65 Körper vou homogener, structurloser BeschafFenheit und nimmt auf den Querschnitten die verschiedensten Formen an. Nach hinten, wo der Kanal h^ als" feiner Spalt verläuft, erscheint der Stab seitlich zusammengepresst, mehr hoch als breit, wird aber nach der Mitte zu allmählig breiter und zeigt dann im Querschnitt eine schmetterlingsähnliche Gestalt. Nach dem vordem Ende der Zunge hin rundet er sich wieder mehr ab (Fig. 3), tritt an der äussersten Spitze aus dem ihn umgebenden Zungenmantel wieder heraus und breitet sich aus als ein feines LöfFelchen, dessen Concavität nach oben gekehrt ist. Wir haben also gesehen, dass die mit ihren Rändern nach unten gekehrte Rinne hj wie ein geschlossener Kanal durch die ganze Länge des Chitinstabes sich hinzieht und erst ganz liinten durch Zurücktreten der seitlichen Ränder sich nach unten in die Zungenfurche h^ (den zweiten Hohlraum der Zunge) öffnet und als feiner Spalt verläuft. In welcher Weise nun aber das Lumen dieses nach unten offenen Kanales nach vorn auf das Löffelchen ausmündet, dessen Concavität nach oben, also gerade entgegengesetzt gerichtet ist, das ist, von Wolff ^' einstweilen abgesehen, bisher noch keinem Bienenanatomen ganz klar ge- wesen und auch mir ist es erst nach langen, vergeblichen Ver- suchen gelungen, die geeigneten Querschnitte durch die Ueber- gangsstelle zu erhalten. Verschiedene Autoren haben überhaupt kurzweg in Abrede gestellt, dass die nach ihrer Meinung ganz solide Zunge an ihrer Spitze eine Oeffiiung besitze; Andere, die Röhrenform der Zunge erkennend, haben wohl eine an der Spitze stattfindende Durchbohrung des Löffelchens oder des sogenannten „Knopfes" vermuthet, jedoch über das Wie hat sich Keiner ausgelassen. Der Einzige, bei dem ich über diesen Uebergang des Stabes in das Löffelchen und die noch schwie- riger sich vorzustellende Ausmündung des nach unten offenen Kanales h^ in die nach oben gerichtete Concavität des Löffel chens eine halbwegs klare und nahezu richtige Vorstellung und Beschreibung finde, istWolff*', obgleich auch er eine bildliche Darstellung desselben durch Schnitte nicht zu geben vermag. Nur an einem einzigen und wie er glaubt, den sogenannten Löffelstiel gerade treffenden Schnitt, welcher fast mit dem in Fig. 5 von mir dargestellten übereinstimmt, sucht er die Ent- stehung des Löffelchens aus dem im Lumen h^ auftretenden Zapfen zp, resp. einer vorspringenden Längsleiste zu erklären. Arch. f. Natg. 52. Jahrg. I. Bd. 1. H. 5 6ß Paul Franz Breithaupt: Ueber die Anatomie Und in der That, er trifft das Richtige, wenn er das Löffelchen im Wesentlichen als die ausgebreitete Längsleiste in Anspruch nimmt. Um die Beziehungen zwischen Stab und Löffelchen richtig verstehen zu lernen, wird es nöthig sein, die in Fig. 3 — 7 dar- gestellten Querschnitte im Einzelnen genau zu verfolgen. Es sind Schnitte, welche die äusserste Zungenspitze (von Bombus ruderatus) in der Reihenfolge treffen, wie solche in Fig. 8 an- gezeichnet ist. In den Figuren 3, 4, 5 ist der Chitinstab oder Zungenkern noch vom Zungenmantel M umgeben; er stellt wie der Zungenmantel eine cylindrisch gekrümmte Chitinlamelle dar, deren Ränder unten zusammen stossen. Von der Innern Wand dieser Lamelle entspringt nun in der Mittellinie eine Längsleiste (zp), die sich zunächst ganz allmählig in das Lumen herabsenkt. An der Stelle aber, wo der Zungenmantel nach vorn abbricht und der Stab zu Tage tritt, verlängert sich die Längsleiste ganz plötzlich, wie aus Fig. 2 ersichtlich, und breitet sich, unten angekommen (Fig. 6), nach beiden Seiten löffelartig aus. Die beginnende Ausbreitung zeigt deutlich Fig. 7. Aus den Breitendimensionen der Schnitte 5, 6, 7 gleich 0,12 : 0,06 : 0,135 mm. kann man ersehen, dass der Schnitt durch den Löffelstiel kaum halb so breit ist als der voran- gehende und der darauf folgende, dass also mit andern Worten Fig. 6 um die Hälfte schmäler sein müsste. Aus Fig. 6 er- sehen wir auch, dass das Lumen h^ durch die Längsleiste in zwei auf dem Löffelchen getrennt mündende Lumina gespalten wird. Es ist wohl als eine einfache optische Täuschung zu betrachten, wenn Briant*" den Chitinstab in einer Gabelung auf dem Löffelchen auslaufen lässt. Wie beschreibt nun Wolff** diesen Uebergang vom Stab in das Löffelchen? — Seite 75 heisst es: „Die Fortsetzung des Rinnengrundes in die Rückenseite des Löffelchens geschieht nun nicht, wie man erwarten sollte, dadurch, dass die eine Fläche in die andere glatt und allmählig übergeht, sondern dadurch, dass mitten aus dem Rinnengrunde plötzlich eine Leiste wie eine Mittelrippe hervortritt, die grätenartig spitz anfängt, sich rasch nach rechts und links hin ausbreitet, in der Rückenseite des Löffelchens verschwindet und so gewissermassen der Stiel desselben wird. Dieser nach hinten keilförmig zulaufende, das Licht stark brechende Knorpelvorsprung ist es, welcher von und die Functionen der Bienenzunge. 67 unten her wie der trichterförmige Eingang in eine Höhle aus- sieht." In Bezug auf diese Längsleiste stimmen also meine Re- sultate mit Wolff's Angaben überein, differiren aber mit den- selben in Bezug auf die Frage, wie die seitlichen Ränder des Stabes nach vorn endigen. Das geschieht nicht so einfach, wie Wolff annimmt, indem die auseinander weichenden, stark be- haarten Ränder des Riunenanfanges (Fig. 6) rechts und links nach oben herumschlagen und sich nun einfach in der Concavität des Löffelchens verlieren. Der Verlauf ist vielmehr so, wie aus Fig. 1 und 7 ersichtlich, dass die vor dem sich ausbreitenden Löffelchen seitlich zurücktretenden lamellaren Ränder la sich ausfransen oder in einen dichten Wirtel von ziemlich laugen Haaren S auflösen, welche ich in Rücksicht auf die ihnen zu- kommende, leicht zu errathende Function Sammelhaare nennen möchte. Diese langen fadenförmigen Haare, welche sicher von derselben Art wie die Schliesshaare sh sind, besitzen an der Spitze eine kleine, kolbige Verdickung, welche Kräpelin"^ auf die etwas gewagte Vermuthung bringt, dass dieselben, „analog den Riechhaaren an den Innern Antennen der Krebse, an ihrer Spitze mit feiner Oeffnung versehen sind und daher als Ge- schmacks- oder Geruchsorgane in Anspruch zu nehmen sein dürften". — Wie ein Kranz oder eine Halskrause umstehen diese Sammelhaare namentlich an den Seiten (Fig. 1) den Löffel- stiel oder, was hier noch mehr in Betracht kommt, den doppelten Eingang vom Löflfelchen in den Kanal hj und lassen nicht die kleinste Spur von Honig zwischen sich hindurch. Trifft nun die Biene nur mit ihrer äussersten Zungenspitze auf eine dünn mit Honig überzogene Stelle auf, so biegt sich das Löffelchen mit der Concavität stets nach unten um; folglich werden die kleinsten Flüssigkeitsmengen theils mit dem Rande des Löffel- chens geschöpft, theils von den Sammelhaaren nach der Con- cavität des Löffelchens geleitet, von wo sie nun in dem Capillarrohr hj aufsteigen. Aus meiner Darstellung wird also, wie ich hoffe, hervor- gegangen sein, dass das Löffelchen weiter nichts ist als die den Zungenmantel überragende Fortsetzung des Chitinstabes. Im Gegensatz hierzu behauptet Wolff^^, dass das Löffelchen nicht ausschliesslich aus dem Zungenkern, sondern gemeinschaft- lich aus diesem und dem Zungenmantel hervorgehe und zwar 6^ Paul Franz Breithaupt: Ueber die Anatomie in der Weise, dass die obere, concave, behaarte Fläche die Fortsetzung des Mantels, die glatte, untere, convexe Fläche aber die Fortsetzung des Zungenkernes sei. Er will sogar beim Herauspräpariren des Stabes die Spaltung von Zungenmantel und Stab bis in das Löffelchen hinein fortgesetzt haben, was mir allerdings nie gelungen ist und wahrscheinlich auch nicht möglich sein wird, da ich mit ziemlicher Sicherheit behaupten kann, dass das Löffelchen nur aus dem Chitinstab und zwar aus der erwähnten, auch von Wolff ganz richtig gewürdigten Mittellängsleiste hervorgeht. Eine andere Frage ist es allerdings, ob nicht ein Theil der Sammelhaare S vom Vorderrande des Zungenmantels entspringt. Obgleich dies auf Querschnitten nicht zu unterscheiden ist, so hat es nach Fig. 9, welche eine Zungenspitze nach Entfernung des Stabes darstellt, doch fast den Anschein, als ob wirklich der daran sitzende Büschel von Sammelhaaren die Fortsetzung des Mantels sei, denn in dem zugehörigen Präparat konnte ich nicht die geringste Spur von einem noch etwa hängen gebliebenen Stückchen des heraus präparirten Chitinstabes wahrnehmen. Während die untere, convexe Fläche des Löffelchens kahl ist, erscheint die concave Fläche wie etwa das Blatt von Dro- sera rotundifolia mit Haaren besetzt, die nach dem Rande zu grösser und zahlreicher werden, mit breiter Basis entspringen und dem Löffelchen ein dichtes Auflegen seiner Ränder auf die abzuleckende Fläche, sowie ein vollständiges Abkratzen jeglicher Spur von Honig ermöglichen. Diese Haare sind schon von Wolff*' beschrieben und auch von Briant*° dargestellt. Der Letztere lässt dieselben bandförmig verästelt sein. Wenn ich nun auch die Möglichkeit solcher Verzweigung nicht geradezu ausschliessen will, wenigstens nicht für Apis m., so kann ich doch vorläufig diese Angabe nur für die Folge einer optischen Täuschung ansehen, welcher man allerdings gerade bei diesen Haaren sehr leicht verfallen kann. Jedenfalls habe ich mich durch planmässiges Verfolgen eines einzelnen Haares von der Basis bis zur Spitze für Bombus mit Sicherheit davon über- zeugt, dass die das Löffelchen bedeckenden Haare einfach sind und sich nicht verästeln. Mehrfach hat das Löffelchen übrigens zu den merkwürdig- sten Beschreibungen und den abenteuerlichsten Vermuthungen Anlass gegeben. Viele sahen es als einen halbkugelförmigen und die Functionen der Bienenzunge. 69 Knopf, Andere als eine Saugscheibe oder Saugwarze an, die in der Mitte durchbohrt ist durch eine Oeffnung, welche direct in den Innenraum der röhrigen Zunge führt. Swammerdam^* bildet die sogenannte „Saugscheibe" ähnlich wie den Haken- kranz von Taenia solium ab und ähnlich beschreibt sie auch Treviranus'^ Auch Hyatt^^ beschreibt und bildet es ab als eines hohlen Conus oder Trichter, welcher als Saugscheibe dient. Wenn man freilich das Wort „Saugscheibe" nicht in dem Sinne auffasst wie den Saugnapf einer Taenie, sondern als Organ zum Aufsaugen minimaler Flüssigkeitsmengen, dann be- ruhen diese Vorstellungen auf einer nicht ganz unrichtigen Wahrnehmung. Betrachten wir nach dieser Erörterung den äusserlich sicht- baren Theil der Zunge, den Zungenmantel, welcher sich wie ein der Länge nach von den Rändern her eingerolltes Blatt um den oben beschriebenen Zungenkern, den Chitinstab herumlegt. Dieser Mantel ist nun aber nicht als ein einfaches Blatt zu be- trachten, sondern er besteht aus 2 Blättern, einem obern und einem untern, welche an ihren Rändern mit einander verwachsen sind. Entwicklungsgeschichtlich würde also der Zungenmantel als ein von der Unterlippe nach vorn ausgestülpter Lappen auf- zufassen sein, dessen obere und untere Seite morphologisch gleichwerthig sind, und der, so gut wie alle andern Aus- stülpungen des Körpers, im Innern seinen Tracheen-, Nerven- und Blutraum besitzt. Rollt sich nun die Lamelle des Zungen- mantels nach unten ein, so kommt das untere Blatt in das Innere einer Rinne (hj) zu liegen, wo es dann, wie die meisten im Innern liegenden Membranen, seinen chitinösen Character grösstentheils verliert; statt hart und undurchsichtig wie das obere Blatt zu sein, erscheint es demnach als weiche und zart- häutige, gefaltete Membran (m, Fig. 12). Trotzdem aber ist seine Fläche, wie schon Swammerdam^* wusste, soweit sie die Rinne h^ begrenzt, in ganzer Ausdehnung- mit Haaren be- setzt, welche vorn kurz sind und auf unregelmässigen Papillen sitzen, am hintern Theil der Zunge aber länger werden und auf regelmässig zugespitzten und angeordneten Papillen stehen (Fig. 12c). Es müssen nach dem Vorhergehenden natürlich diese Härchen und die auf der Aussenseite der Zunge sitzenden langen Borsten homologe Gebilde sein. Die Härchen mit ihren Papillen sind nun die Hligelchen, welche Trevirauus'^^Cp. 120), 70 Paul Franz Breithaupt: Ueber die Anatomie der Vermuthung Swammerdam's folgend, irrthümlicherweise für Drüsen hielt, während er das Netzwerk feiner Furchen zwischen den Papillen und die Härchen selbst für ein Netz von Fäden hielt. Da sich nun der Chitinstab von unten her in die Rinne ha eingelagert hat, so ist es ganz natüi'lich, dass die Membran m um ihn her umgreift und ihm dicht aufliegt, ja sogar an seinen untern Rändern mit ihm verwachsen erscheint. In Folge dessen kann man das Vorhandensein dieser Membran sehr leicht de- monstriren, wenn man eine frische Bienenzunge unter dem Deckgläschen einem Drucke unterwirft. Der Stab, welcher von Natur etwas gekrümmt ist, wird, in der Mitte gepresst und an beiden Enden unterstützt, aus seiner Lage im Innern der Zunge herausgedrängt und zieht die fragliche Membran mit sich. In Folge dessen hat dieselbe schon zu manchen Missdeutungen Anlass gegeben, die soweit gehen, dass die Zunge sogar als ein häutiger Sack beschrieben wird, welcher zuerst den Honig aufnimmt. Prof. Cook von Michigan scheint zu glauben, dass die Biene beim Saugen den Stab nach aussen bringt und so den Innern Raum der Zunge durch Zufügung des von der aus- gestülpten Membran gebildeten Hohlraums vergrössert. Einer Widerlegung bedarf diese Ansicht wohl schwerlich. Bisher hatte man geglaubt, und auch Wolff und Briant'" stellen es so dar, dass die Membran m sich mit ihren Rändern an den untern Rändern des Chitinstabes anhefte, also nicht um den Stab herumgreife. Es hat das allerdings auf den Quer- schnitten diesen Anschein und scheint bestätigt zu werden durch das eben angeführte Experiment, bei welchem die Membran an dem Stab hängen bleibt. Ich habe aber Grund, bei meiner Ansicht zu verharren und werde darin bestärkt durch die Be- funde am vordersten Ende des Zungenmantels, da, wo er direct mit dem Stab verwachsen ist. Namentlich zeigen die Quer- schnitte Fig. 4 und 5 sehr deutlich, wie die doppelte Lamelle des Zungenmantels sich um den Stab herumgeschlagen hat und zwar derart, dass der obere Rand der Umbiegungsstelle am weitesten nach vorn zu gelegen ist (Fig. 2), zu beiden Seiten absteigend aber mehr nach hinten zu verläuft. Dieser Saum ist gekennzeichnet in Fig. 8 und 9 durch eine einfache Contur von Tasthaarpapillen. Aus der angedeuteten Umhüllung des Stabes durch den Mantel ist schon a priori zu schliessen, dass die untern Ränder des umgeschlagenen Mantels nicht gleich und die Functionen der Bienenzunge. 71 vorn, sondern erst weiter hinten in der Mitte zusammenstossen. Um sich den erwähnten Vorgang und den Verlauf der Conturen klar zu legen, braucht man sich z. B. nur einen Handschuh- finger vorzustellen, welcher der Länge nach auf einen Bleistift gelegt und um ihn herumgeschlagen wird. Dies ist auch die einfachste und beste Erklärung für meine Behauptung, dass der Zungenmantel sich keinesfalls in die Hohlfläche des Löffelchens fortsetzt, wie es Wolff*' behauptet. Dass auf diese Weise der Blutraum der Zunge nach vorn zu geschlossen ist und das Löffelchen vielleicht nicht mehr er- nähren kann, dieser Umstand widerlegt meine Ansicht nicht, denn, einmal ausgebildet, kann das Löffelchen ebenso gut ein todtes Organ sein wie die einzelnen Haare. Die äussere Membran M des Zungenmantels ist stark chi- tinisirt und mit nach vorn gerichteten, langen Borsten B be- deckt, welche von Wolff^' Sammelhaare genannt werden. Diese bis Vg mm langen Haare sind fein zugespitzt, etwas nach der Zunge zu gekrümmt und mit ihrer abgeplatteten Basis reihenweise zu regelmässig angeordneten Quirlen vereinigt. Diese Quirle bilden also hornige Bögen, welche die Wandungen der Zunge stützen und also denselben Zweck haben wie die hornigen Leisten in der Aussenwand des Falterrüssels, ausser- dem aber durch die dünne Zwischenhaut der Zunge zugleich eine grössere Schmiegsamkeit verleihen. Da die Haare beim Eintauchen der Zunge in eine Flüssigkeit durch die Wirkung der Capillarattraction auseinander gehen, so hatte man früher geglaubt, dass diese Mantelhaare sich von selbst rhythmisch aufrichteten, woraus man wieder auf daran sitzende Muskelfäden in der Zunge schloss. Diese Ansicht von den „erectilen" Haaren der Zunge finden wir nicht blos bei Swammerdam^* und Treviranus *^, bei denen sie durch die damals sehr mangel- haften technischen Hilfsmittel entschuldbar ist, sondern auch noch bei Gerstfeldt^^ und Herm. Müller. Auf der Rückenseite der Zunge sind die Haare am stärk- sten und längsten; sie nehmen nach unten aber an Länge und Stärke ab und gehen an den untern Rändern allmählig in die feinen Haare der Membran m über (Fig. 12). Ebenso nehmen die Haare nach hinten zu an Länge und Dicke ab, dagegen werden sie nach der Zungenspitze zu länger und dichter, namentlich bei Apis (Fig. 10), so dass die Spitze selbst einen 72 Paul Franz Breithaupt: üeber die Anatomie förmlichen Pinsel bildet, welcher zum Aufwischen des Honigs ganz vorzüglich geeignet ist. Am Vorderrande der Zunge aber bleibt auf dem Mantel noch eine nackte Stelle, die bei Bombus cylindrisch (Fig. 9 und 10), bei Apis dagegen conisch gebildet ist. Ihre Längs- und Breitendimensionen sind bei Bombus rud. 0,125 mm. resp. 0,1 mm. B. terrestris 0,125 „ „ 0,15 „ Apis mell. 0,115 „ „ 0,085—0,055. Der dem Chitinstabe verbundene Vorderrand dieser nackten Zone, die zur leichteren Lenkbarkeit der Zunge ein Wesentliches beiträgt, ist mit einer Anzahl steifer Tasthaare (T) von 0,06 mm. Länge eingesäumt, die sich wie alle Tasthaare auf einer Papille erheben. Circa 9 Stück umsäumen den vordem Theil nach dem Löffelchen zu, während die beiden untern Ränder noch 5 — 6 Stück tragen. Da solche Tasthaare auch an den Taster- spitzen, an dem gefalteten vordem Rand der Maxillarladen (Fig. 11), an den Spitzen der Fühler, kurz an allen hervor- ragenden und beweglichen Punkten vorkommen, so kann es nicht überraschen, sie auch zerstreut unter den langen Borsten auf der Zungenoberfläche zu finden. Freilich sind sie hier um so seltener, je weiter sie nach hinten stehen. An der Spitze selbst sind sie, wie erwähnt, am dichtesten, so dass sie der Biene genaue Kunde über die Beschaffenheit eines Blumenkelches geben können, in den dieselbe nicht mehr hineinsehen kann, aber doch ihre Zunge hineinsteckt, weil ihr ein süsser Duft das Vorhandensein des Honigs verräth. Diese Tasthaare zeigen alle, ob kurz oder lang, denselben Typus; sie bestehen sämmt- lich aus einer auf dem Gipfel, resp. im Centrum einer kreis- runden Papille sich erhebenden, steifen, dolchartig gekrümmten, hohlen Borste, an welche von unten her ein Nerv tritt. Jedes Nervenästchen, das an ein solches Tasthaar herantritt, schwillt vorher zu einer kerntragenden Ganglienzelle von kugeliger oder spindelförmiger Gestalt an. Der Nerv, welcher die Tasthaare der Zungenspitze versorgt, verläuft als doppelter Strang (n) von einer Trachee (tr) begleitet, zu beiden Seiten im Innern der Zunge (Fig. 12). Mit der Abnahme der Grösse der Mantelhaare werden auch die Querringel nach hinten zu immer undeutlicher, bis sie am Zungengrunde schliesslich ganz verschwinden. Auf dem Rücken der Zungenwurzel finden wir somit eine glatte Stelle, welche und die Functionen der Bienenzunge. 73 nach vorn eine seichte Rinne bildet (r, Fig. 16, 17, 19). Briant*" nennt diese Rinne die „Futterrinne" mit Rücksicht auf die Beobachtung, dass sich die Bienen auch gegenseitig füttern und dabei die Zunge der zu fütternden Biene auf die Zungenrinne derjenigen legten, welche sie versorgt. Es würde offenbar für die mit Haaren dicht bedeckte Zungenspitze un- möglich sein, über eine andre, eben so dicht besetzte Fläche zu gleiten, namentlich wenn die Richtungen der Haare, wie in diesem Falle einander gerade entgegengesetzt sind. Ich bringe diese Deutung freilich nur unter grossem Vorbehalt, da jeden- falls auch die hinter der Zungenwurzel liegeijde, später zu be- sprechende Speichelspritze hier mit in's Spiel kommt. Auch glaube ich eher annehmen zu dürfen, dass die Bienen, welche sich von andern füttern lassen, ihre Zunge direct in die Mund- höhle strecken, um hier den aus dem Honigmagen durch Con- traction desselben erbrochenen Honig zu trinken. Das Hinterende der Zungenrinne (r) ist durch eine nicht unwichtige Einschnürung (kn, Fig. 19) gegen den am stärksten verhornten Theil der Zungenwurzel abgesetzt, welcher von oben gesehen eine fast herzförmige Gestalt zeigt und zu beiden Seiten das Geschmacksorgan G als eine Anzahl feiner Poren erkennen lässt. Von der Seite gesehen erscheint dieser Theil wie aus zwei seitlichen, starken Hornplatten bestehend mit nach unten gehenden, winkelhebelähnlichen, S-förmigen Fortsätzen (s), deren Spitzen mit den schon erwähnten Zungenbeinhörnern (zh) in gelenkiger Verbindung stehen. Am deutlichsten zeigt dies Fig. 16, in welcher mau auch den von unten kommenden Chitin- stab oder das Zungenbein in die Zunge sich einlagern sieht. Diese Verbindung bedingt einerseits eine leichtere Lenkbarkeit der Zunge vermittelst des Stabes, andrerseits aber dient sie, die Wände der Zungenwurzel immer gespreizt zu halten. Der zwischen den Hornplatten gelegene mittlere Theil der Zungen- wurzel senkt sich nach hinten sehr steil ab und geht in die untere Wand der Speichelspritze über. Im Längsschnitt bildet er eine sehr scharfe Contur (Fig. 14 und 15), die auch als c in Fig. 16 wieder deutlich hervortritt. Bevor wir zum Schluss die Verbindung der Zunge mit dem Grundtheil der Unterlippe in's Auge fassen und damit die Zunge verlassen, mögen noch einige Zahlenangaben deren Grössen- verhältnisse illustriren. 74 Paul Franz Breithaupt: Ueber die Anatomie Die Länge der ganzen Zunge von ihrer Basis bis zur Spitze beträgt bei der Arbeiterin von Apis mellifica ungefähr 6,5 mm., bei den Drohneu und bei der Königin bedeutend, fast um die Hälfte weniger, wie denn ja überhaupt die Mundtheile der ge- schlechtlich entwickelten Formen viel schwächer und kürzer sind, dem hochentwickelten, langen Rüssel der Arbeiterin gegenüber fast rückgebildet erscheinen. Diese Kürze des Rüssels erklärt sich einfach aus der Lebensweise der Geschlechtsthiere , die wohl den Honig aus den Zellen entnehmen, aber nicht wie die Arbeiter aus tiefen Blumenkelchen trinken können. Länger ist die Zunge schon bei den Königinnen der Erd- und Steinhummel, nämlich 8 — 9 mm., da sie im Frühling, zur Gründung des Staates, Arbeiterdienste thun; die längste Zunge aber von den von mir untersuchten Apiden hatte Bombus ruderatus, bei der sie die respectable Länge von 12 mm. erreicht, während der ganze Rüssel 17 — 18 mm. in der Länge misst. Die Breite der Zunge schwankt zwischen gewissen Grenzen und ist natürlich hinten bedeutender als vorn. Im Einzelnen beträgt sie bei Apis m. vorn 0,045 — 0,085 mm. hinten 0,16 —0,18 „ bei Bombus vorn 0,085 — 0,1 „ hinten 0,350—0,365 „ woraus ersichtlich, dass die Zunge von Bombus fast die doppelte Breite derjenigen von Apis besitzt. Das Löffelchen hat bei Bombus eine Breite von 0,135 — 0,175 mm. „ Länge „ 0,095—0,175 „ bei Apis eine Länge von 0,11—0,13, Breite von 0,11 mm. Ferner beträgt der Zwischenraum zwischen den einzelnen Quirlen bei Bombus vorn 0,04, hinten 0,045 mm. „ Apis „ 0,025, „ 0,035 „ Schliesslich mögen noch einige Zahlenangaben über das Lumen des im Chitinstab enthaltenen Kanales hj eine Vorstellung davon geben, mit welch feinem Capillarröhrchen wir es hier zu thun haben, so dass es einfach undenkbar ist, dass grosse Mengen Honig in relativ kurzer Zeit durch dieses Röhrchen geleitet werden könnten. Das meist ovale Lumen hat im grösseren Durchmesser bei Apis 0,03, bei Bombus vorn 0,035, hinten 0,045 mm. Der und die Functionen der Bienenzunge. 75 Durchmesser eines jeden der getrennt auf den Löffel aus- mündenden Lumina ist bei B. ruderatus h^ h^ =: 0,022 mm.; die Breite des Chitinstabes vorn 0,05 — 0,055 mm. in der Mitte 0,115—0,125 „ Das Kinn (mentum). Die Insertion der Zungenwurzel an dem Grundtheil der Unterlippe wird verständlicher werden, wenn w^ir zuvor den Bau dieses Organes erkannt haben werden. In Fig. 17, welche von Wolff entlehnt ist wie auch Fig. 18 und 19, ist dieser Theil von oben gesehen dargestellt, die vordem Anhänge in natür- licher Lage, aber zum grössten Theil abgeschnitten. Selbstredend bezieht sich diese Darstellung nur auf die vorgestreckte Zunge. Die äussere Begrenzung des Mentums bildet unten und an den Seiten eine starke, glänzend schwarze Chitinhülse, in welcher die Bewegungsorgane der vordem Anhänge und die Speichelspritze enthalten sind. Diese Hülse hat namentlich an ihren obern Begrenzungen sehr kräftige Ränder, welche als Muskelansätze dienen. Im hinteren Theil gehen diese Ränder nach oben in die weiche Kehlhaut über, deren innere Dupli- catur die Auskleidung des Mundes bildet. In der Fig. 17 ist sie zum grössten Theile weggenommen, um die Lage der Muskeln zu zeigen; nur das vorderste Stück (o) der inneru Duplicatur ist noch zu sehen als Oberseite der Unterlippe, also als directe Fortsetzung der seitlichen Ränder nach der Mitte zu. Soweit wir sie hier sehen, ist sie eine weiche, sehr dehn- bare, quer gefaltete und fein behaarte Haut, die vor dem all- mähligen Uebergang in die Seitenränder der Hülse noch zwei wichtige Einlagerungen enthält, die Cristen er, zwei elastische und nahezu parallel laufende Stäbe, welche nach vorn an die Ansatzstellen der Nebenzungen gehen, nach hinten aber in die seitlichen harten Ränder des Mentums sich fortsetzen. Das vordere Ende der Haut o begiebt sich bei hyp unter das Dach der hier entspringenden Nebenzungen und bildet einen dicht behaarten Lappen, dessen untere Wand in die sogenannte Speichelklappe übergeht. Allem Anschein nach haben wir es in diesem Lappen mit dem Hypopharynx Savigny's zu thun. Ich glaube, dass auch Gerstfeldt ^« dieser Ansicht huldigt. 76 Paul Franz Breithaupt: üeber die Anatomie wenn er als Hypopharynx einen dem Epipharynx ähnlichen Hautlappen beschreibt, der mit seiner Basis am Grunde der Unterlippe hängt und mit dem freien Theil nach vorn hin zwischen den Maxillen liegt, im Allgemeinen aber bei den Bienen wenig entwickelt ist. Vor der Insertionsstelle der Nebenzungen sehen wir rechts und links je eine Spalte, die beide je weiter nach vorn, um so mehr in die Tiefe gehen, auf der Unterseite zusammentreffen und den Vorderteil der Unterlippe in einen mittleren und zwei seitliche Lappen zerspalten. Diese allmählige Abspaltung kann man am besten auf den Querschnitten 22 — 24 verfolgen. Die derart abgespaltenen seitlichen Lappen sind die Lippentaster (Lt), von denen ich leider kein Totalbild gegeben habe. — Wie die Abspaltung auf der untern Seite zu Tage tritt, lehrt am besten Fig. 18. Es ist klar, dass der Spalt unten nicht von Anfang an median verlaufen kann, da sich die mittlere Lamelle der Chitinhülse, welche in ihrer Fortsetzung den Chitinstab bildet, erst in das Innere einsenken muss, ehe die untern Räuder der Lippentaster sich in der Mitte treffen können. Das Bild Fig. 18 zeigt am besten, wie diese untern Ränder über den verschwindenden Chitinstab hinweggreifen, sich in der Mitte scharf aneinanderlegen und auf diese Weise, unterstützt durch die daran sitzenden Haare, einen äusserst dichten Verschluss der Zungenscheide nach unten hin bewerkstelligen. Die Lippentaster bilden ein paar lange Blätter, welche wie eine Rinne oder Halbröhre die Zunge von unten her umschliessen und beinahe eben so lang sind, wie diese. Sie bestehen je aus vier Gliedern, von denen das hinterste das längste und stärkste ist. Das zweite, halb so lang, bildet dessen geradlinige Fort- setzung, während die beiden vordersten, sehr kleinen und keulen- förmigen Glieder sich nahe der Spitze des zweiten ansetzen, rechtwinkelig von ihm abstehend, so dass sie dem Rüssel ein ganz characteristisches Aussehen verleihen. Auf der Aussenseite und namentlich an den Rändern sind die Lippentaster mit steifen und nach vorn gerichteten Borsten besetzt, welche einen luftdichten Verschluss der Zungenscheide nach allen Seiten hin ermöglichen. — Dem Haarbesatz der obern Ränder entsprechend findet sich auch ein solcher an den untern Rändern der Unter- kieferladen. Ausserdem sollen nach Kräpelin^ parallel mit den obern Rändern an der Aussenseite der Lippentaster Längs- und die Functionen der Bienenzunge. 77 leisten verlaufen, an welche sich die mit ebensolchen Leisten, aber auf der Innenseite, versehenen Maxillarladen anhaken. Zusammengehalten werden die Taster, wie daraus ersichtlich, durch die übergreifenden und mit Hilfe der ineinandergreifenden Leisten angehakten Unterkieferladen, zum Theil auch durch Muskeln, welche von der Seitenwand der Unterlippe kommen und durch die ganze Länge der beiden hintern Tasterglieder verlaufen (m, Fig. 21). Zwischen Tastern und Zunge liegen die Nebenzungen oder Paraglossen (Nz), schuppenähnliche Gebilde, welche wie Hüll- blätter die Zungenwurzel umfassen und die innere Zungenscheide bilden. Auf der Oberseite sind sie stark hornig und mit Tast- haaren besetzt, nach unten werden sie zarthäutiger und setzen sich eine kleine Strecke lang an den von den Lippentastem bereits getrennten Chitinstab an (Fig. 23 — 25), bis dieser, höher hinaufstrebend, in das Innere der Zunge sich hineinlegt (Fig. 26). Von der Ansatzstelle der Nebenzimgen an lassen die oberen Ränder einen feinen Spalt zwischen sich. Die vordem Enden der Nebenzungen reichen über den Punkt, an welchem dieser Spalt nach vorn plötzlich abbricht, als zwei seitliche, der Zunge dicht anliegende Lappen noch eine Strecke hinaus; die untern Ränder dieser Lappen verschmelzen schon ziemlich weit vorn und heften sich hinten am Chitinstab an. Ein sehr anschau- liches Bild von der Form der Nebenzungen kann man sich machen, wenn man seine beiden Hohlhände mit zusammen- gelegten, aber gestreckten Fingern so aneinander legt, dass sich oben nur die Daumen, unten nur die kleinen Finger in ihrer ganzen Länge berühren, während die mittleren Finger bei ge- krümmter Handfläche über die andern hinausragen wie die seitlichen Lappen der Nebenzungen. Der zwischen den Hand- flächen gelassene Raum würde dann, als dem Hohlraum h^ ent- sprechend, von der Zungenwurzel ausgefüllt werden. Wie über- haupt die Nebenzungen sich von dem mittelsten Lappen der Unterlippe abspalten und dann die Zunge zwischen sich nehmen, das kann am ehesten verstanden werden, wenn man sie auf den Querschnitten 22 — 28 verfolgt. Während die obere Spalte schon in Fig. 22 deutlich sichtbar ist, tritt die untere erst in Fig. 27 auf, also bedeutend weiter nach vorn als oben. So sieht man auch in Fig. 27 gerade noch die äussersten Enden der obern Ränder, während sie in Fig. 28 verschwunden sind. 78 Paul Franz Breithaupt: Ueber die Anatomie Der Hohlraum h^, den die NebenzuDgen (innere Zungen- scheide im Gegensatz zu der äusseren, nur von den Tastern und Kieferladen gebildeten) zwischen sich und der Zungenwurzel lassen, und den ich nachWolff*' die Geschmackshöhle nennen will, ist also nach unten durch die verwachsenen Ränder, welche sich an das Zungenbein ansetzen, vollständig geschlossen; nach vorn ööhet er sich in das grosse Saugrohr hg, nach hinten unten geht er in den Vorhof (v) der Speichelampulle (Spa) über, während er nach hinten oben durch den zwischen den obern Nebenzungenräudern gelassenen Schlitz mit der Mundöffnung communicirt, wodurch zugleich die Communication der Mund- höhle mit dem grossen Saugrohr hg des Rüssels hergestellt wird. Dass die Nebenzungen, wie man wohl vermuthet hat, den Zweck haben sollten, die Zungenwurzel zu schützen und zu stützen, kann ich mir nicht recht denken; das besorgen auch die Theile der äusseren Zungenscheide genugsam. Wahrschein- licher ist es, dass sie die Wände der äussern Zungenscheide in gehörigem Abstände halten sollen, noch mehr aber wird ihnen die Aufgabe zufallen, den Uebergang der in der Zunge ent- haltenen Hohlräume h, und ha nach der Mundöflnung hin zu vermitteln. Denn der Mundraum kann sich bis auf die Mitte der Neben Zungen und noch weiter ausdehnen, wenn sich nämlich die obere Schlundklappe kl in den Zwischenraum zwischen Oberlippe, Unterkiefer und Nebenzungen einschiebt, wie es in Wirklichkeit beim Lecken der Fall ist. Die Speichelspritze. Die schon mehrfach erwähnte Speichelampulle ist die auf die ZuDgenbasis, resp. auf die Futterrinne ausmündende Er- weiterung des Speichelganges Sp. Letzterer entspringt im Thorax als paariger Sammelgang der Brustspeicheldrüsen (Sy- stem III von Siebold's), steigt unterhalb des Oesophagus in den Kopf und, nachdem er hier noch die ebenfalls paarigen Sammelgänge der zu beiden Seiten des Hinterkopfes gelegenen Speicheldrüsen (System H) aufgenommen, senkt er sich als un- paarer Ausführungsgang (Sp) in die Unterlippe ein, in derselben zwischen den Muskeln bis zum Zungengrunde verlaufend. Das Lumen dieses Ganges ist schon hier ziemlich weit und mit einem elastischen Spiralfaden ausgekleidet, welclier dem ganzen und die Functionen der Bienenzunge. 79 Organe das Aussehen einer Trachee verleiht und denselben Zweck hat, wie die Drahtwindungen in einem weiten Gummi- schlauche, nämlich die Wandungen zu stützen, damit sie nicht [n Folge der auf das vordere Ende wirkenden Pumpbewegungen zusammenfallen. Im Vordertheil der Unterlippe angekommen, verliert dieser Ductus ejaculatorius seine spiralige Structur und erweitert sich zu einem geräumigen Mundstück, das von oben her durch den Hypopharynx wie von einer Oberlippe bedeckt wird. Seine untere Hälfte ist namentlich an den Seiten stark chitinisirt, so dass man sogar von Hörnern der Speichelampulle reden kann (sph). Sie bildet eine Rinne, in welche sich die obere Hälfte convex nach unten gekrümmt einlegt, so dass das Ganze dann, wie aus den in Fig. 29 und 30 dargestellten Querschnitten her- vorgeht, gewissermassen zwei in einander geschachtelten und mit den Rändern gelenkig verbundenen Rinnen gleicht. Da beide in der Ruhe dicht auf einander liegen, so ist das Lumen des Speichelganges in diesem Zustande sehr eng und auf eine schmale, sichelförmige Spalte zwischen den beiden Chitinlamellen reducirt. Die Ausmündung dieses engen Kanales, dessen Längs- schnitt in Fig. 14 mit enthalten ist, bildet eine trichterförmige Oeffnung direct hinter der Zungenwurzel, den Vorhof v der Speichelampulle oder, wie sieBriant*" benennt, die „Speichel- kammer". Wie wir schon gesehen, geht die untere Lamelle dieser Speichelampulle in die Hinterwand (c) der Zungenwurzel über (Fig. 16). Ebenso verlaufen ihre Seitenwände in die der Zungenwurzel und sind mit dieser sehr innig verbunden durch eine Einrichtung, welche besser aus einem in Fig. 13 dar- gestellten Seitenlängsschnitt ersichtlich ist. An den Hinten-and der S-förmigen Fortsätze setzt sich jederseits ein sehniges Band hy an, welches oben ein gebogenes, verhärtetes Chitinstück b in sich eingelagert enthält und, nach hinten breiter werdend, sich in zwei Fortsätze spaltet. Der untere setzt sich in die Seitenwand der Speichelampulle, resp. deren Hörner sph fort, dem Muskel m, als Insertionspunkt dienend, so dass dieser Muskel nicht blos auf die Speichelampulle, sondern zugleich auch auf die Zungenwurzel wirkt; der obere aber geht nach oben an die Insertionsstelle der Nebenzungen, mit deren Hinter- rand er sich verbindet, und setzt sich von da ab noch ein Stück fort als die Sehne des Muskels m^. (In Fig. 16 ist diese 80 Panl Franz Breithaupt: Ueber die Anatomie Verbindung nicht richtig dargestellt, indem die Speichelampulle zu tief liegt.) Durch dieses hyaline Band hy ist also die Zungenwurzel zwar gelenkig, aber unnachgiebig verbunden unterseits mit der Speichelampulle und dem daran sich inse- rirenden Muskel mj, oberseits mit der Ansatzstelle der Neben- zungen und dem Muskel m^. Wieder zur Betrachtung der Speichelampulle zurückkehrend, bemerken wir, dass sich an die Decke derselben starke Muskel- bündel ansetzen und zwar in der Mittellinie, wie Fig. 29 und 30 ergeben. Verfolgt man diese Muskelbündel auf den Quer- schnitten nach hinten, so sieht man, dass dieselben die Ver- einigung zweier Muskeln m4 bilden, welche sich oben an die chitinösen Cristen er (Fig. 17) ansetzen. Ihre Contraction hebt diese Decke und wölbt sie stark nach oben (Fig. 30), so dass ein luftverdünnter Raum gebildet wird, in den eine grosse Quantität des Speicheldrüsensecretes aus den hintern Theilen eindringt. Nach Erschlaffung dieser Muskeln wird sodann die Decke des Speichelganges, die ich deshalb auch mit vollem Rechte Speichelklappe nenne (Spk), infolge ihrer eigenen Ela- sticität in ihre alte Lage innerhalb der untern Halbrinne zu- rückgehen, so dass das Speichelsecret, diesem Drucke nach- gebend, nach vorn gespritzt wird und zunächst in den Vorhof v und in den Hohlraum h4 der Innern Zungenscheide eintritt. Durch diese Einrichtung ist die Biene in den Stand gesetzt, willkürlich eine bestimmte Menge Drüsensecret dem den Hohl- raum h^ passirenden und nach dem Munde emporsteigenden Nektar beizumischen, und zwar in der Weise beizumischen, dass der Speichel schon seine Einwirkung begonnen hat, wenn die süsse Flüssigkeit zur Prüfung ihres Geschmackes an die Papillen des zu beiden Seiten der Zungenwurzel gelegenen Geschmacksorganes G herantritt. Gleichzeitig aber scheint mir die Lage des Ausführungskanales der Speicheldrüsen am hintern Ende des Hohlraums hi, also des mit diesem in Verbindung stehenden grossen Saugrohres überhaupt, darauf hinzudeuten, dass der ausgespritzte Speichel, wenigstens theilweise, dazu be- stimmt ist, einerseits die Zunge zum Zweck der Honigaufnahme stets feucht zu erhalten, da ein feuchter Schwamm leichter Flüssigkeiten annimmt als ein trockener, und anderseits in de^ Zungenscheide auf der behaarten Zungenoberfläche abwärts nach der Nahrungsquelle hinzufliessen , um dort entweder sehr zäh- und die Functionen der Bienenzunge. 81 flüssige Substanzen zu verdünnen oder feste aufzulösen. Bei meinen mit Lupe und Mikroskop controUirten Beobachtungen an leckenden Bienen habe ich deutlich gesehen, dass an denjenigen Stellen, wo der recht dünn auf das Glas aufgetragene und etwas angetrocknete, gefärbte Zuckersaft von der emsig leckenden Zunge berührt wurde, im Umkreis der Zungenspitze öfters eine klare Flüssigkeit sich bemerkbar machte, die sich durch Auf- lösung des Zuckersaftes schnell blau färbte und dann mitsammt dem gelösten Safte eben so schnell von der Zungenspitze ab- geleckt wurde. Dieses Ablecken des eingetrockneten Zucker- saftes hätte aber offenbar nicht geschehen können, wenn nicht von hinten her eine auflösende Flüssigkeit auf denselben herab- geleitet worden wäre. Ganz dieselben Verhältnisse finden wir, wie von Kir- bach^ sehr schön dargestellt ist, bei den Schmetterlingen wieder. Schon Reaumur^^ hat eine darauf bezügliche Beob- achtung (p. 241) angeführt. Er Hess einen Schmetterling an einem Stück festen Zuckers saugen und sah dabei, dass ein Theil der aufgesogenen Nahrung in sehr dünnflüssigem Zustande im Rüssel abwärts stieg, der Zucker aber an den Stellen, welche der Rüssel berührt hatte, erweicht und ein wenig aufgelöst wurde. Dieselbe Beobachtung kann man nun auch an einer Biene oder Hummel machen, welche man an einem Stückchen Kandiszucker lecken lässt. Aehnliches sieht man auch bei der Fliege (Musca), die, wenn sie ein Zuckerkörnchen aufiiehmen will, dasselbe zuvor zwischen ihren Lippenkissen mittelst des im Rüssel abwärts ge- leiteten Speichels auflöst. Eine weitere Analogie bietet nach Geise^ und Wedde'' die mit vollem Rechte ihren Namen führende „Speichelspritze" der Wanzen, welche ihr scharfes Secret durch den Rüssel in die angebohrten Wunden spritzt und so einen vermehrten Säfte- zufluss bewirkt. Wenn Kirbach^ bei den Schmetterlingen das Organ, welches die Weiterleitung des Speichels bezweckt, in Uebereinatimmung mit derselben Einrichtung bei den Wanzen als „Speichelspritze" bezeichnet, dann ist kein Grund vorhanden, der analogen Einrichtung bei der Biene diesen Namen zu ver- sagen. Ich werde dieselbe denn auch im Folgenden stets als „Speichelspritze" anführen. Im Anschluss an diese Betrachtung der Speichelspritze der Arch. f. Natg. 52. Jahrg-, I. Bd. 1. H. Q 82 Paul Franz Breithaupt: tJeber die Anatomie Biene habe ich eine kleine Abweichung zwischen Apis und Bombus zu erwähnen. Bei Bombus liegt in dem von mir als Hypopharynx bezeichneten Lappen ein unpaares System (Sy- stem V) einzelliger Drüsen, welches sich bei Apis nicht vor- findet und das wohl deshalb auch nur wenig Beachtung gefunden hat. Schon Leydig fand diese' Drüse bei den Hummeln, auch Wolff erwähnt sie und Schiemenz'^ fand sie bei Bombus, Psithyrus, Megachile, Anthidium, Antophora, Mecta, Andrena, Osmia und Dichroa. Die Drüsen selbst sind, wie erwähnt, ein- zellig (dr, Fig. 16 imd 22) und haben jedenfalls denselben Bau wie die zu beiden Seiten des Schlundes gelegenen einzelligen Drüsen (System I). Nur bezüglich der Ausführungsgänge unter- scheiden sie sich von jenen, indem die einzelnen, an dem birn- förmigen Ende der Drüsen entspringenden Kanälchen sich nicht in einem gemeinsamen Ausführungsgang sammeln, sondern je für sich, wie aus Fig. 22 ersichtlich, den vordem Theil der Speichelklappe direct vor der Insertion des Muskels m4 durch- bohren. Der Umstand, dass dieses Drüsensystem sich bei der Honig- biene nicht vorfindet, und die geringe Grösse desselben lässt jedenfalls den Schluss gerechtfertigt erscheinen, dass ihm eine hervorragende Bedeutung nicht beizulegen ist. Ueber die che- mische BeschaflPenheit des Secretes lässt sich bei der geringen Grösse der Drüsen eine mikrochemische Untersuchung nicht an- stellen, so dass man darüber, ebenso wie über ihre Function, nur Vermuthungen aussprechen kann. Die Lage dieser Drüsen lässt vielleicht am ehesten die Annahme zu, dass ihr Secret die viel gebrauchte, elastische Speichelklappe und ^en hinteren, stark verhornten Theil der Zungenwurzel stets geschmeidig er- halte und die Reibung der spröden Chitintheile verringere, woraus man dann wieder auf eine ölige Beschaffenheit des Drüsensecretes zurückschliessen kann. Der Ansicht, dass wir es hier blos mit einer Schmierdrüse zu thun haben, ist auch Schiemenz'3 (p. 108). Gestützt wird dieselbe durch die Be- funde bei andern Insekten, namentlich bei den Wanzen, bei denen (Pyrrhocoris) Wedde^ einige kleine Drüsen erwähnt, die gleichfalls Schmierdrüsen sein dürften und von denen namentlich die eine unpaare fast dieselbe Lage hat wie die hier be- sprochene. und die Functionen der Bienenzunge. 83 Das Geschmacksorgan. Ich kann die Beschreibung der Speichelspritze nicht ver- lassen, ohne noch einmal auf das bereits mehrfach erwähnte Geschmacksorgan zurückzukommen und zwar unter Bezugnahme auf das, was Wolff^' (p. 93) über dasselbe sagt. Ich muss freilich gleich hinzufügen, dass ich für diesen in das Gebiet der Geschmacksphysiologie einschlagenden Theil keine Verantwor- tung übernehmen mag, da der Sitz des Geschmacksorganes mit eben so grosser Wahrscheinlichkeit auch auf dem Schlund- plättchen in den Höckerchen zu beiden Seiten desselben ge- sucht werden kann. An der glatten Zungenwurzel findet sich auf der Oberseite der beiden dicken Hornplatten jederseits eine Gruppe (G) von circa 22 — 27 feinen Grübchen oder Poren, welche diese Platten vollständig durchsetzen und daher schon bei schwacher Ver- grösserung im durchfallenden Licht als helle Pünktchen er- scheinen. Leider ist diese Stelle so stark chitinisirt, dass es mir unmöglich war, genügend dünne Schnitte von ihr zu erhalten. Ich habe deshalb auch nur eine etwas schematische Abbildung in Fig. 13b construirt, um wenigstens einigermassen einen Be- griff vom Bau des Geschmacksorganes bieten zu können. Da ich auch mit den mir zu Gebote stehenden stärksten Ver- grösserungen keine Spur einer Borste auf oder in den Poren (gp) entdecken konnte, auch der Durchmesser dieser Poren be- deutend geringer ist als der der gewöhnlichen Tasthaare (das Verhältniss ist ungefähr 1:3), so habe ich Grund zu der An- nahme, dass der Bau derselben im Wesentlichen derselbe ist wie der der Geruchsgruben, welche ja auch eine chemische Einwirkung vermitteln und welche Schimenz*^ in den Beuge- seiten der Fühlerspitzen nachgewiesen zu haben glaubt. Schie- menz unterscheidet grössere und kleinere Geruchsgruben (Fig. 22, 23 und 27 seiner Abbildungen). Bei den ersteren tritt der Nerv von unten in die auf der Oberseite durch eine äusserst dünne Verschlussmembran bedeckte Grube, welche also morpho- logisch weiter nichts ist als die Papille einer bis auf ein Mini- mum reducirten Tastborste. Die Grübchen der zweiten Gruppe sind nach oben offen und der Nerv endigt in einer äusserst feinen Papille, die sich auf dem Grunde der Grube erhebt. Diesen letzteren nun scheinen unsere Geschmacksporen allen 84 Paul Franz Breithaupt: Ueber die Anatomie Anzeichen nach zu entsprechen. Der Boden der Grübchen gp würde also ein äusserst feines, vollkommen durchsichtiges Häut- chen bilden, an welches von unten der Nerv tritt, nachdem er vorher zu einer, wie es scheint, spindelförmigen Ganglienzello (gz) angeschwollen ist. Diese Nerven sind die Zweige eines kurzen, starken Astes (ng), welchen der grosse Zungennerv bei seinem Eintritt in die Zunge abgiebt. Wolff^* nennt diese Poren „Geschmacksbecher" in Analogie mit den an unserer Zungenwurzel gelegenen Geschmacksorganen, und ist der Mei- nung, dass das in der Innern Zungenscheide stets vorhandene Secret der Speicheldrüsen die Becher immer feucht erhalte und bei einer Veränderung des Speichels durch den eingesogenen und den Hohlraum h4 passirenden Honig diese Veränderung den Nervenendapparaten in den Geschmacksporen sofort mit- theile, dass also durch den chemisch veränderten Speichel eine Geschmacksempfindung vermittelt würde. Das erste Pröbchen der zu schmeckenden Flüssigkeit soll, ohne Mitwirkung des Schlundes, blos durch die Wirkung der Capillarität , in dem von Wolff „Geschmacksröhrchen" be- nannten Kanäle h, „blitzschnell" aufsteigen und sich über die Schmeckbecher ergiessen. — So bezeichnet Wolff auch den Hohlraum h4, welcher der Innern Zungenscheide angehört, als „Geschmackshöhle" und legt ihr die Aufgabe zu, das aus der Speichelspritze hervordringende Secret nicht zu rasch nach vorn ablaufen zu lassen, damit die Geschmacksbecher immer feucht erhalten werden. Ob und in wie weit diese Ansichten Wolff's'* mit der Wirklichkeit übereinstimmen, vermag ich nicht zu beurtheilen; ich muss die Entscheidung einer späteren Untersuchung über- lassen. Indess will ich doch einige Experimente anftihren, welche es jedenfalls sehr zweifelhaft erscheinen lassen, dass das erste Pröbchen der zu kostenden Flüssigkeit allein vermöge der Capillarität des „Geschmacksröhrchens" emporsteige. Brachte ich mit der Zungenspitze einer durch Chloroform betäubten oder durch Kälte erstarrten Biene etwas Honig oder Vanillinzucker- lösung in directe Berührung, so war keine Bewegung der Zunge zu bemerken. Ich masse mir nun nicht an, zu behaupten, die Biene schmeckte diesen Saft nicht, aber sie documentirte es nicht durch ein äusserliches, sichtbares Zeichen. Wahrschein- licher aber ist es, dass die Zuckerlösung nicht von selbst, ohne und die Functionen der Bienenzunge. 85 eine saugende Bewegung seitens der Biene, zum Geschmacks- organe dringen konnte. Denn entfernte ich gleich darauf den Honig von der Zungenspitze und berührte damit nur ganz fein die Beugeseite der Fühler, so antwortete die ruhig daliegende Biene sofort mit einem Vorschnellen des ganzen Rüssels und brachte die gewöhnlichen Bewegungen der Zunge hervor, ob- gleich kein Zuckersaft dieselbe mehr berührte. Das scheint also darauf hinzudeuten, dass auch bei der Biene Geruch und Geschmack physiologisch nicht scharf zu trennen sind, wie solches ja auch die Beobachtungen an uns selbst genügend bestätigen. Muskulatur und Mechanismus des Unterlippenapparates. Um die Wirkungen der in der Unterlippe befindlichen Muskeln, die also die Retraction und die selbstständigen Be- wegungen der Zunge hervorbringen, verständlicher zu machen, vvill ich erst die drei verschiedenen Stellungen der Zunge zur Unterlippe in's Auge fassen unter der Voraussetzung, dass die Unterlippe zunächst als Ganzes feststehe und nicht vor- und zurückbewegt werde. Wie das Letztere geschieht, werden wir später sehen. Von den drei characteristischen Stellungen, welche die Zunge zur Unterlippe einnehmen kann, ist die erste die in der Ruhelage des Rüssels, in welcher also die Zunge mit dem sie umgebenden Saugrohre, kurzum der vordere Theil des Rüssels, eingeschlagen an der Unterseite des Kopfes liegt. Diese Lage wird zum grossen Theil durch die Contraction der mächtigen Unterkiefermuskeln hervorgebracht, wodurch die Maxillarladen nach unten umgelegt werden und die vordem Anhänge der Unterlippe mit sich ziehen. Diese Stellung I zeigt Fig. 15 im Längsschnitt. Wird dann zum Zweck der Honigaufnahme der Rüssel nach vorn empor geschlagen, dann kann in dieser vorgestreckten Stellung des Rüssels die von der Zungenscheide umschlossene Zunge wieder zwei Lagen annehmen, wie man schon aus den stossweisen Vorstreckungen und Zurückziehungen derselben schliessen muss. Wird die Zunge vorgestreckt, so ragt sie über die Zungenscheide ein ganzes Stück heraus und zeigt die Stellung H, welche in Fig. 14 dargestellt ist; zieht sie sich 86 Paul Franz Breithaupt: Ueber die Anatomie wieder in die Zimgenscheide zurück, so wird die Zungenwurzel mitsammt den Nebenzungen, also kurz der mittlere Lappen der Unterlippe, in diese hereingezogen, wie in ein Futteral; in diesem dritten Falle hat dann der hintere Theil der Zunge eine Lage (III), die derjenigen bei eingeklapptem Rüssel entspricht und folglich durch dieselbe Fig. 15 zur Darstellung gebracht werden kann. Die in diesem Falle zur Retraction der Zunge und zugleich zu ihrer Lenkung dienenden Muskeln sind nun: m^ = Retractoren der Zunge, mjb = „ des Zungenbeins, ma = „ der Unterlippe und der Nebenzungen. Zu diesen gesellen sich noch der Protractor der Unterlippe = mg und der Heber der Speichelklappe = m4, von Wolff * auch Protractor linguae genannt. Der Retractor der Zunge, mi, entspringt gemeinschaftlich mit m^b in dem kahnförmigen, äusserst harten hintern Ende der Unterlippe, deren hintere Hälfte er fast ganz ausfüllt (Fig. 17). Vorn theilt ersichjeder- seits in zwei ungleiche Köpfe, von denen der stärkste und obere, m^, die ganze untere Hälfte der Speichelspritze umfasst, um sich sodann oben sowohl an der chitinösen untern Wand der- selben, welche bekanntlich direct in die Zungenwurzel übergeht, als auch an deren noch stärker chitinisirten Seitenwänden (sph), welche durch das hyaline Band (hy, Fig. 13) mit den Seiten- wänden der Zungenwurzel verbunden sind, zu inseriren. Diese Verbindung ermöglicht es also, dass das Muskelpaar m^ direct auf die Zungenwurzel wirken kann. Das untere, schwächere Muskelpaar m^b setzt sich, wie wir gesehen haben, bei ii an die Seiten des Zungenbeins an. Aus der einseitigen und ver- schieden combinirten Action dieser zwei Muskelpaare an der Zungenwurzel lassen sich nun die verschiedenen Bewegungen der vorgestreckten Zunge ableiten. Wird z. B. durch eine schwache Contraction von mj am hintern obern Ende des Zungenmantels nach hinten gezogen, so muss sich die Zungen- spitze, da der Mantel nur hier mit dem steifen, aber elastischen Chitinstab verwachsen ist, nach oben umbiegen; erfolgt dieser relativ ganz unbedeutende Zug nur auf einer Seite, so muss die Zungenspitze sich schief stellen. Wird aber durch die Muskeln m^b am hintern Ende des Zungenbeins, also an der Unterseite der Zunge gezogen, so muss die Zungenspitze sich natürlich und die Functionen der Bienenzunge. 87 Dach abwärts biegen, wenn der Mantel nicht zugleich mit als Ganzes nach hinten gezogen wird. Auf diese Weise kann also die Zungenspitze bei vorgestreckter Zunge die verschieden- artigsten Bewegungen ausführen. Obwohl bei diesen verschiedenen Bewegungen in wech- selnder Weise an der Zungenwurzel gezogen wird, kann diese dennoch in Folge ihrer Elasticität nicht zurückweichen. Sie wird feststehen, so lange die Contraction der vier Muskeln nicht ihr Maximum erreicht und dadurch die Elasticität des Zungen- beins überwindet, und so lange sich die Enden der beiden Cristen er (Fig. 17) wie zwei gerade, elastische Stäbe oder Balken den Wurzeln der Nebenzungen entgegenstemmen. Nur wenn an den Paraglossen zugleich mitgezogen wird, so dass sie anfangen sich einzuschlagen, dann erst werden der Zungen- wurzel ihre Stützen genommen ; die Contraction des zweiköpfigen Muskels m^ kann jetzt ihr Maximum erreichen und auf diese Weise die Einziehung der Zunge in das Futteral bewirken. Die Umbiegung der elastischen Stäbe wird aber, wie Fig. 13, 14 und 15 zeigen, durch das Muskelpaar m2 bewirkt, welches vom hintern obern Rande i der Schädelbasis ba kommt, parallel unter der Oberhaut der Unterlippe verläuft und sich an die Wurzeln der Paraglossen ansetzt, die ja ihrerseits wieder mit der Zungenwurzel durch den obern Fortsatz des hyalinen Bandes hy verbunden ist, dessen Fortsetzung nach hinten die Sehne des Muskels m,^ bildet. Dass dieser sehr lange Muskel zu- gleich als Zurückzieher der Unterlippe dienen wird, wenn diese mittelst der Unterkieferangeln und des Muskels m^ vorgeschoben ist, liegt auf der Hand. Wenn nun der grosse zweiköpfige Muskel mi + m^b und der eben beschriebene Retractor m^ gleichzeitig kräftig an- ziehen, dann wird die Zungeuwurzel mit ungeheurer Gewalt, also blitzschnell zurückbewegt, d. h. in die Unterlippe ein- gezogen werden und zwar Hand in Hand mit den Nebenzungen, welche ja infolge ihrer innigen Verbindung mit der Zungen- wurzel in allen Fällen um diese herumgelegt bleiben und so mit in das Futteral der Unterlippe hineingezogen werden müssen, so dass sie schliesslich unter die gespannte Membran 0 der Oberseite der Unterlippe zu liegen kommen, mit der sie vorher in gleicher Höhe gelegen hatten. Diese Maximalcontraction der Muskeln mj + mib und mg g8 Paul Franz Breithaupt: Ueber die Anatomie und die dadurch herbeigeführte Lage der Zungenwurzel veran- schaulicht Fig. 15, denn ich habe ja schon bemerkt, dass die Lage des hintern Theiles der Zunge im zurückgezogenen Zu- stande ganz dieselbe ist, ob nun der Rüssel nach unten um- geschlagen oder zum Lecken vorgestreckt ist. Wir sehen in Fig. 15 zunächst, wie durch den contrahirten Muskel m^ die Speichelspritze, welche bei vorgestreckter Zunge (Fig. 14) bei- nahe senkrecht unter der Oberlippe lag, weit nach hinten verlegt worden ist, beinahe in die Mitte des Mentums unterhalb der Schlundplatte. Dadurch geschieht es, dass der Muskel m^, der vorher nach hinten und oben gerichtet war, jetzt eine entgegen- gesetzte Richtung, von unten nach oben und vorn erhalten hat. Die Speichelspritze, der natürlich die mit ihr fest verbundene Zungenwurzel folgen musste, liegt nun, stark gekrümmt, mit ihrer hintern obern Fläche dicht am Hypopharynx an, wodurch selbstredend die Ausmündung geschlossen ist. Der Hypopharynx ist von der Oberfläche verschwunden, er ist mit in die Tiefe und nach hinten gezogen worden, und es ragt nur noch die quergespannte, nach unten innen umgeschlagene Membran 0, auf dem Längsschnitt wie ein spitzer Zipfel, über die Zungen- wurzel hervor, diese nach unten drückend. Die Umbiegungs- stelle dieser Membran 0 ist in Fig. 17 durch den scharfen Absatz, den die elastischen Stäbe er in der Mitte erleiden, ge- kennzeichnet. Der elastische Stab, welcher das Zungenbein bildet, ist durch die Maximalcontraction seiner Muskeln m ^ b so sehr nach hinten gezogen, dass er S-förmig gekrümmt ein gutes Stück in das Futteral der Unterlippe eingelagert ist. Dadurch kommt natürlich die Muskelansatzstelle i weiter nach hinten zu liegen, als das Ende der Zungenbeinhörner zh, welches ungefähr in den räumlichen Punkt x fällt. In diesem Punkt sind nun auch die Spitzen der Winkelhebel s mit den Zungenbeinhörnern ge- lenkig verbunden, es müssen also die vorher senkrecht stehenden Winkelhebel s sich so nach hinten umgelegt haben, dass sie fast horizontal liegen, wie es durch die punktirten Linien an- gedeutet ist. Diese Horizontallage der langen Winkelhebel hat eine Verminderung des senkrechten Durchmessers der Zungen- wurzel zur Folge, und so hat die Letztere bequemen Platz in dem Futteral der Unterlippe. So kommt es auch, dass die in dem sehnigen Band hy eingelagerten Stäbe b, statt wie vorher und die Functionen der Bienenzunge. 89 einen rechten, jetzt einen gestreckten Winkel mit den Winkel- heboln bilden. Jetzt verstehen wir auch den Zweck der Ein- schnürung kn an dem härtesten Theil der Zungenwurzel; denn durch die Umlegung der Winkelhebel um 90° müsste der übrige steife Theil der Zungenwurzel eine nach oben gerichtete Stellung einnehmen, wenn es ihr nicht durch diese Einschnürung kn er- möglicht wäre, an dieser Stelle eine starke Knickung zu machen. Den übrigen Theil drückt die querüber gespannte Hautfalte o soweit nieder, dass die Zunge sich gerade nach vorn strecken muss, resp. bei umgelegtem Rüssel sich nach unten umbiegt in der durch Fig. 15 dargestellten Weise. Durch diese Einsenkung der Zungenwurzel in das Futteral der Unterlippe ist nun, wie man sieht, zwischen der Zungen- wurzel und dem eingestülpten Theil der Membran 0 ein enger, tiefer, von vorn nach hinten und unten umbiegender Spalt ent- standen. Dieser Spalt wird zum grössten Theil von den gleich- zeitig mit der Zungenwurzel eingezogenen Nebeuzungen aus- gefüllt, was man allerdings im Längsschnitt nicht gut darstellen kann. Ihre Spitzen werden aber oben aus dem Spalt noch hervorragen und das ist sehr schön von Wolff^' dargestellt an einer von oben gesehenen Unterlippe mit zurückgezogener Zunge. Die Enden der elastischen Stäbe oder Cristen er sind durch die Contraction der Muskeln m^ nach unten umgebogen und mit den Wurzeln der Nebenzungen nach hinten gezogen worden, so dass sie gerade wie das S-förmig gekrümmte, elastische Zungenbein eine Art Sprungfeder bilden, welche beim Nach- lassen der Muskelspannung sofort mit grosser Heftigkeit wieder nach vorne schnellen würde. Nun ist aber kaum anzunehmen, dass die Retractoren der Zunge und der Paraglossen in der Ruhelage des Rüssels fortwährend gespannt sind; es ist also sehr wahrscheinlich, dass die durch das Zungenbein und die elastischen Stäbe er gebildeten Sprungfedern durch die Maximal- contraction der Retractoren in eine Ruhelage gebracht werden, in welcher ihre federnden Kräfte derart gefesselt sind, dass es nur eines kleinen Anstosses bedarf, sie frei zu machen. Wahr- scheinlich wird durch den Druck der quergespannten Membran o auf die Zungenwurzel diese in der Ruhelage festgehalten werden ; ein andrer, nicht unwichtiger Factor wird die horizontale Lage der Winkelhebel und der gestreckte Winkel sein, den diese in 90 Paul Franz Breithaupt: Ueber die Anatomie der dem gespanuten Zustande einer Armbrust vergleichbaren Ruhelage mit den Hornstäben b bilden. Da diese äusserste Ruhelage natürlich die fortdauernde Spannung der Zungenretractoren überflüssig machen würde, so wird die Zunge jedenfalls nicht vollständig in dieselbe ein- treten, wenn sie sich, wie es beim Lecken geschieht, nur für einen Augenblick zurückzieht, um im nächsten Augenblick wieder vorzuschnellen. In diesem Falle behalten die Retractoren selbst- redend ihre Spannung so lange, bis wieder eine Vorstreckung der Zunge behufs erneuter Honigaufnahme erfolgen soll. Die Auslösung der gebundenen Federkräfte geschieht nun wahrscheinlich durch die Contraction des Muskels m4, durch welche die Speichelspritze und mit ihr die Zungenwurzel ein wenig nach vom oder eher nach oben gezogen wird. Deshalb nennt auch Wolff^^ diesen Muskel Protractor linguae. Dieses Heben der Zungenwurzel braucht ja nur unbedeutend zu sein, um sie aus ihrer Gleichgewichtslage herauszubringen und die Federkräfte des elastischen Zungenbeins und der Stäbe er zu entfesseln. Auf diese Weise wird natürlich die Zunge mit einem ge- wissen Ruck vorgeschnellt. Mit der Zungenwurzel schnellt auch die Speichelspritze vorwärts, der bereits contrahirte Muskel m4 zieht die Speichelklappe in die Höhe, wobei die Speichel- ampulle durch den lappigen Hypopharynx wie durch eine an die Zungenwurzel angepresste Klappe nach vorn geschlossen wird; es füllt sich die Speichelampulle mit dem aus dem Speichelgang nachdrängenden Secret, welches dann beim Nach- lassen der Muskelspannung durch die elastische, in ihre normale Lage zurückspringende Speichelklappe nach vorn ausgespritzt und über die Zunge ergossen wird. Schliesslich muss ich noch einer von Wolf f als „Zungen- hechel" beschriebenen Einrichtung erwähnen, welche den Zweck haben soll, beim Vorstrecken der Zunge deren Haare auf- zurichten und so das Saugrohr selbst zu erweitern. Diese Einrichtung besteht in einer Reihe langer, steifer Borsten, welche an der Innenseite eines jeden der vier das Saugrohr oder die Zungenscheide bildenden Blätter auf einer am Vorder- ende hervortretenden, kammähnlichen Leiste aufsitzen. Durch die an den Spitzen der vier Blätter stärker hervortretende Con- vergenz werden auch diese bereits etwas nach innen gekrümmten und die Functionen der Bienenzunge. 91 Hechelhaare, welche eben in ihrer Gesammtheit die „Zungen- hechel" Wolff's bilden, noch mehr einwärts, d. h. nach der Zunge zu gerichtet werden. Wird nun die Zunge zum Zweck der Honigaufnahme vorgestreckt, so greifen die Haare der Zungenhechel natürlich in die Mantelhaare der Zunge ein und bewirken dadurch ein Aufrichten derselben, was wiederum eine Vergrösserung des Saugrohres und eine vermehrte Aufnahme- fähigkeit der Zunge zur Folge haben würde. Beim Zurückziehen der vollgesogenen oder beladenen Zunge bewirkt jetzt die Zungenhechel ein Niederlegen der Mantelhaare, dadurch ein Engerwerden des Saugrohrs und ein leichteres Auspressen und Aussaugen der beladenen Zunge. Ob die Wirkung der Zungen- hechel wirklich eine so bedeutende ist, wie es nach dieser Dar- stellung den Anschein hat, konnte ich durch directe Beobachtung leckender Bienen nicht feststellen, doch führe ich diese Ein- richtung der Vollständigkeit halber hier mit an. So sehen wir also, dass die Biene die Fähigkeit besitzt, die Zunge vorzustrecken und zurückzuziehen, letzteres allein durch Muskelkraft, ersteres vornehmlich durch die Elasticität des Zungenbeins, so dass besondere Muskeln zum Vorstrecken erspart werden. Dieser ganze Mechanismus aber ist so ein- gerichtet, dass nicht blos die Zunge vor- und zurückgezogen wird, sondern auch die Zungenscheide, d. h. das Saugrohr selber, bei der Streckung der Zunge zugleich mitgestreckt und erweitert wird; dass die Zunge ferner in dem Masse, als sie sich zur Thätigkeit anschickt, mit Speichel angefeuchtet wird; dass ihre Haare beim Vorstrecken durch die Zungenhechel aufgerichtet werden und dadurch nicht nur ihre Aufnahmefähigkeit wesentlich erhöhen, sondern auch zugleich das Saugrohr erweitern helfen; und dass schliesslich beim Zurückziehen der Zunge sich die Haare wieder niederlegen und das Saugrohr verengen. Dieser ganze bewundernswerthe Mechanismus zeigt also, dass das von der Natur überall befolgte Princip, mittelst einer gegebenen Einrichtung mehr als einen Zweck zu erreichen, bei der Biene im höchsten Grade ausgebildet ist. Unsere bisherigen Betrachtungen haben uns gezeigt, wie die Biene ihre Zunge rasch hervorschnellen kann, um sie einer Honigquelle zu nähern, doch zunächst nur unter der Voraus- setzung, dass dabei die Unterlippe selbst fest bleibe. Nun kann aber auch, wie wir wissen, der ganze Unterlippenapparat vor- 92 Paul Franz Breithaupt: Ueber die Anatomie geschoben werden und zwar Hand in Hand mit den Unter- kiefern, wobei die letzteren die Hauptmotoren werden, obgleich auch der Muskel ma die Unterlippe selbstständig ein wenig vorwärts bewegen kann. Mit der gleichzeitigen Vorwärts- bewegung ist aber noch nicht der höchste Grad der Vorstreckung erreicht, den die Zunge annehmen kann, wenn die Biene den Honig aus einem besonders tiefen Blumenkelche holen will. Dieser höchste Grad von Protraction der Unterlippe und ihres Hauptanhanges, der Zunge, wird. dadurch erreicht, dass, nach- dem der Unterlippen- und Unterkieferapparat gemeinsam vor- geschoben worden ist, die Unterlippe für sich durch die mit ihrer Spitze dem Fulcrum gelenkig verbundene Chitingabel noch weiter vorgestreckt wird. Die Arme dieser Gabel bilden einen Hebel, der sich um eine ideale Axe dreht, welche durch die Verbindungspunkte der Gabelenden mit den hintern Fort- sätzen der Unterkieferangeln gebildet wird. Klappt bei bereits vorgestreckter Unterlippe die Spitze dieser Gabel nach unten und vorn um, so muss durch diese Bewegung das Fulcrum und mit ihm die Unterlippe noch um die doppelte Länge des gabel- förmigen Hebels weiter vorgestreckt werden, als die Unter- kiefer. Dass aber infolge der starken Protraction der Unterlippe diese nicht am Ende mit der Spitze in die Höhe schnellt statt nach vorn, dafür sorgt die starke und breite Oberlippe, welche sich von oben her wie ein Schutzdach über den Rüssel legt. Schneidet man einer Biene die Oberlippe ab, dann schnellt bei dem Versuche, zu lecken, der Rüssel schief in die Höhe. Zum Vorstrecken der Unterlippe dienen mehrere Muskeln. Zunächst der Protractor der Unterlippe mg, ein schwacher und den anderen gegenüber nur unbedeutender Muskel, der sich unten am Hinterrand der Unterlippe ansetzt und dann schräg nach oben und vorn geht, um sich in !,, der höchsten Stelle der hinteren Schädelbasis ba, an wdcher sich auch der Muskel ma iuserirt, zu fixiren. Dazu kommt dann ein Paar kräftiger Protractoren der Unterkiefer, die sich an deren obern Rand ziemlich weit nach hinten ansetzen und dieselben bedeutend nach vorn ziehen können. Drittens geht dem Muskelpaar m^ parallel ein stärkeres und längeres Paar, welches von den Hinterenden der Unterkieferangeln nach der Stirnseite des Kopfes geht und sich hier an ein paar Vorsprüngen vor den und die Functionen der Bienenzunge. 93 Antennen anheftet. Auch am obern Ende der Angeln sitzen Muskeln, welche nach hinten gehen und die Angeln mit ihren untern Enden vorwärts stossen. Bei dem gleichzeitigen Ein- wirken dieser zwei Muskelpaare an den Angeln werden diese selbst um ihre eigene Axe etwas gedreht und ausser nach vorn auch nach auswärts bewegt, so dass ein Auseinanderweichen der Stammstücke der Unterkiefer stets mit ihrer Vorwärts- bewegung verknüpft ist. Die Beobachtung, dass die Unterlippe dadurch vorgeschoben wird, dass die Unterkiefer auseinander- weichen, hat man schon früh gemacht; wir finden sie schon bei Treviranus*^ und bei Kirby und Spence^^ Der Spaltraum, den die aus einander gerückten, oberen Ränder der Unterkiefergrundstücke vorn über der Unterlippe lassen, wird durch die bewegliche Mundklappe ausgefüllt, so dass das Saugrohr nach oben dicht geschlossen wird und in directe Communication mit der Mundhöhle tritt. So kommt es denn, dass dem Saugrohr des Rüssels in dem Schlünde ein mächtiges Pumpwerk aufsitzt, welches seine Wirkung auf den ganz vorgestreckten Rüssel ausdehnt und zwar in einer ganz erstaunlichen Art, wie ich dann gleich vorzuführen Gelegenheit haben werde. Vorher aber noch einige Worte über die Führung, welche der vorgestreckte Rüssel durch die Oberkiefer und die Oberlippe erhält. Da die einzelnen Theile des Saugrohres durch den Widerstand, den sie bei ihrer Vorstreckung an der Oberlippe erleiden, leicht auseinander gedrängt werden könnten, so werden sie seitlich von den geöffneten Oberkiefern wie von einer Zange zwischen sich genommen, wobei die löffelartig ausgehöhlte Gestalt derselben und ihre mächtigen langen Haare ein Aus- weichen nach unten verhindern. Dass aber die einzelnen Blätter des Saugrohrs, namentlich die Kieferladen, durch diesen seit- lichen Druck nicht zu weit über einander geschoben werden, wodurch die Zunge zu sehr eingeengt würde, dass verdanken sie den kräftigen Haarreihen, welche die Zungenhechel bilden. Schiebt sich z. B. ein oberer Rand der Kieferladen über den andern, so stösst seine Zungenhechel bald an den obern Rand der andern Lade und wird von diesem dann wie von einem Pallisadenzaun aufgehalten. So kann also das Saugrohr weder auseinanderklaffen, noch zu weit zusammengedrückt werden und seinen Dienst versagen. 94 Paul Franz Breithaupt: Ueber die Anatomie Der Saugact. Wie nach dem Vorhergehenden klar geworden sein wird, bietet der vorgestreckte Bienenrüssel dem Honig im Wesent- lichen zwei Wege, auf denen er aus den Blumenkelchen nach der Mundöflftiung emporsteigen kann. Der eine Weg ist das Wolff'sche Geschmacksröhrchen , das feine Capallarrohr im Innern des Zungenstabes, welches nach vorn auf den Löffel, nach hinten aber in den Hohlraum h 4 der Innern Zungenscheide ausmündet und durch diese weiter mit dem Mund in Verbindung steht. Den andern Weg haben wir in dem viel grösseren Saug- rohr vor uns, welches durch die vier Blätter der äusseren Zungenscheide und die Zungenoberfiäche selbst gebildet wird. Durch ihn wird natürlich wegen seiner bedeutenderen Aus- dehnung eine bedeutendere Masse von Honig nach dem Munde transportirt werden können, als durch das erst erwähnte Röhr- chen. Da dieses Saugrohr nach hinten in den Hohlraum h4 der innern Zungenscheide übergeht, so ist es klar, dass von diesem Hohlraum an der Weg nach dem Munde in beiden Fällen derselbe sein muss. Ausser diesen zwei Wegen hat man zuweilen noch einen dritten angenommen, nämlich den durch die Rinne hg, welche von den umgebogenen Rändern der Zunge eingeschlossen wird. Da aber die Honigleitung durch diese Rinne im Grunde nur eine Begleiterscheinung der Leitung in dem grossen Saugrohr des Rüssels bildet, so habe ich sie nicht be- sonders mit in Betracht gezogen. Die erwähnten zwei Möglichkeiten der Honigleitung sind es nun, welche schon seit langer Zeit den verschiedensten und abweichendsten Ansichten über die Art der Honigaufnahme Raum gegeben haben, so dass man geradezu von zwei grossen, einander gegenüberstehenden Parteien innerhalb derjenigen Forscher, welche diesen Act zum Gegenstand ihrer Unter- suchungen gemacht haben, sprechen könnte. Einer sucht den Andern zu widerlegen, und so ist man denn bis in die neueste Zeit noch nicht recht einig darüber, wie die Biene, deren Lebensweise und Organismus sonst mit einer beispiellosen Sorg- falt studirt worden ist, ihre Nahrung zu sich nimmt und die grossen Massen süssen Honigs einsammelt. Von den beiden einander entgegengesetzten Meinungen über die Art der Honigaufnahme stützt sich die eine auf die und die Fuflctionen det Bienenzunge. 95 unter Lupe und Mikroskop gemachten Beobachtungen leckender Bienen, denen zufolge die Zungenspitze sich wie ein feuchter Schwamm mit Honig vollsaugen sollte, der dann beim Zurück- ziehen der Zunge in ihre Scheide durch die Pumpbewegungen des Schlundes nach dem Munde weitergeleitet würde. Aus dieser Beobachtung schloss man also, theil weise unbekannt mit dem röhrigen Bau der Zunge, dass die Biene mit ihrer Zungen- spitze den Honig nicht aufsauge, sondern zunächst nur lecke, ähnlich wie ein Hund, welcher Milch leckt. Man könnte dem- nach diese Theorie, nach welcher die Zunge den Bienen nicht zum Aufsaugen, sondern zum Lecken des Honigs dient, als die „Lecktheorie" bezeichnen. Die hervorragendsten Vertreter dieser Ansicht, welche zuerst von Reaumur^^ aufgestellt wurde, sind Kirby und Spence'% Huxley, Newport, Hartig, Her- mann Müller und unsere beiden grössten Bienenkenner Leuckart^ und v. Berlepsch. Dem gegenüber werfen nun die Gegner der Lecktheorie, die Röhrenform der Zunge wohl erkennend, mit Recht ein, dass durch jene Annahme weder die in der Zunge liegenden Organe, noch der löffelähnliche Anhang an der Zungenspitze erklärt würden, Organe, die doch übrigens gerade für die zuerst von Swammerdam^' aufgestellte Behauptung sprechen, dass der Honig durch sie in die röhrige Zunge geleitet werde. Freilich wird dabei ausser Acht gelassen, dass das feine, nur 0,03 mm. im Durchmesser haltende Capillarrohr doch ausser Stande ist, grössere Honigmengen in kurzer Zeit nach dem Honigmagen zu leiten.*) Vertreten wird diese „Saugtheorie" von Treviranus''', *) Um sich einen Begriff von der geringen Quantität Honig zu bilden, welche das Capillarrohr fasst, braucht man nur folgendes einfache Rechen- exempel anzustellen. Der Durchmesser des Kanales hi ist = 0,03 mm., die Länge höchstens 6 mm., also zunächst der Flächeninhalt eines Querschnittes r^K = (0,015)2 . 3,14 = 0,000225 . 3,14 = 0,00070650 qram. r^TC . h = 6 . 0,0007065 = 0,0042390 cbmm. Eine einzige Füllung des Kanals hj enthält also erst eine Honigmenge von 0,004239 cbmm., auf einen ganzen Cubikmillimeter kommen also 1 : 0,004239 oder 100000 : 4239 = 236 Füllungen des Capillarrohres. Um einen einzigen CubikmiUimeter Honig nach innen zu befördern, müsste demnach das Capillarrohr hi 236 Mal gefüllt und wieder ausgesaugt werden, was natürlich in einem ununterbrochenen Strome geschehen könnte. Wie viel Öfter aber müsste das gesehen, wenn die Honigblase, die 12 — 14mgr. fasst, mit Honig gefüllt werden sollte? 96 Paul Franz Breithaupt: üeber die Anatomie Burmeister '% Brandt und Ratzeburg^", Gerstfeldt'% V. Siebold und neuerdings von Kräpelin^ Swammerdam* war also der erste, welcher die Zunge für eine Röhre hielt, die an ihrem zierlichen Endläppchen, der „Saugwarze", durchbohrt sei und dasjenige Organ darstelle, durch welches der Honig aufgesogen werde. Ungefähr 100 Jahre nach ihm widerlegte dies Reaumur^^ Er hatte zwar anfangs mit Swammerdam geglaubt, dass die Bienen den Blumensaft durch das mit einer Oeflnung versehene Ende der Zunge auf- saugten, änderte aber seine Meinung, nachdem er gesehen hatte, dass Bienen, die sich in einer gläsernen, auf ihrer innem Fläche hin und wieder mit Honig bestrichenen Röhre befanden, mit der Fläche des „Rüssels" (Zunge) in dem Honig so herum- fuhren, als wenn sie ihn ableckten. Reaumur'^ also ist es, von welchem die besonders durch Leuckart^^ vertretene und mit Hilfe sowohl des Experiments wie der directen Beobachtung — Leuckart liess die Bienen gefärbten Honig unter dem Mikroskop lecken — bestätigte Annahme herrührt, dass der Honig von der Biene zunächst nicht aufgesogen, sondern wie die Milch vom Hunde aufgeleckt werde. („II semble que ce soit pour l'y faire agir, comme un cliien qui lape du lait ou du bouillon, fait agir sa langue." a. a. 0. S. 322.) Etwa 80 Jahre nach Reaumur verwarf Treviranus'* diese Ansicht, nicht ohne dem bewunderungswürdigen Forscher in vieler Beziehung Unrecht zu thun. Er kehrte zu der alten Meinung Swammerdam 's zurück, entwickelte aber von dem sog. „Rüssel", d. i. der Zunge, fast noch merkwürdigere An- sichten, indem er den letzteren als eine hohle Röhre beschreibt, deren vorderes, halbkugeliges Ende, die „Saugwarze", in der Mitte mit einer Oeffiiung versehen und rings umher mit diver- girenden Haaren besetzt sei. Als Verbindungsstück zwischen dem Kanal des hinten offenen Rüssels beschreibt er einen ima- ginären „Ausführungsgang des Rüssels", dessen Verbindung mit dem Oesophagus er zwar trotz zehnjähriger, vergeblicher Be- mühungen nie deutlich nachweisen konnte, welchen er aber trotzdem als eine sehr zarthäutige Röhre beschreibt, die mit dem Speichelgang in der Scheide des Rüssels bis ungefähr zur Mitte des letzteren fortgeht und sich ausserhalb desselben mit einer geringen Krümmung nach dem Hirnring begiebt. So kommt er zu dem Schluss, dass die Biene sich ihres Rüssels und die Functionen der Bienenzunge. 97 nicht zum Lecken, sondern nur zum Saugen bediene und dass es die sog. „ Saugblase'- (Honigmagen) sei, durch deren Er- weiterung die einzusaugenden Flüssigkeiten in dem Kanal des Rüssels aufzusteigen bestimmt werden. Dieser Ansicht Treviranus' widersprechen Kirby und Spence^^, welche in der Introduction (p. 177) sagen, dass die Zunge, „obgleich so lang und aufgeblasen, doch nicht eine Röhre ist, durch welche der Honig passirt, noch eine Saug- pumpe, sondern eine wirkliche Zunge, welche den Honig auf- wischt oder aufleckt und ihn, wie wir es auch machen, auf ihrer Oberfläche nach dem Mund hinter befördert." — Aus diesem Grunde meinen sie auch (p. 447), dass „die Kerfe nach der Art, wie sie ihr Futter aufnehmen, in drei grosse Haufen zerfallen, denn die grosse Mehrzahl der Immen und auch einige andere lecken nur ihr Futter mit der Zunge, obschon sie Ober- und Unterkiefer haben, die sie aber nur zum Kauen benutzen; man könnte sie daher Lecker nennen." — An andrer Stelle (p. 443) sagen sie noch von der Zunge: „Bei der Stockbiene endet sie in eine Art Knopf, den man fälschlich für durchbohrt hielt zum Einsaugen des Honigs. Unter der Mitte besteht sie aus einer in der Ruhe längs gefalteten Haut, welche zu einer beträchtlichen Grösse anschwellen kann. Dieser häutige Sack nimmt den Honig auf, welchen die Zunge sozusagen von den Blüthen leckt, und führt ihn in den Schlund." Um bei der Lecktheorie zu verbleiben, führe ich noch einige andre Citate von Vertretern derselben an. Huxleyz. B. sagt von der Zunge: „Seiner Function nach ist dieses Organ eine Zunge und befähigt die Biene, den Honig aufzulecken, von dem sie sich nährt." H artig erwähnt gelegentlich, dass die Hymenopterenzunge „völlig geschlossen imd keine Saugröhre sei". Newport^^ geht mehr in's Detail: „Die Art und Weise, in der der Honig aufgenommen wird, wenn das Organ im Grunde einer Blüthe in denselben getaucht wird, ist die des Aufleckens oder eine gleichmässige Aufeinanderfolge von kurzen und schnellen Vorstreckungen und Zusammenziehungen des Or- ganes, welches die Flüssigkeit veranlasst, sich auf demselben anzuhäufen und längs seiner Obei-fläche aufzusteigen, bis sie die Oeffhung der Röhre erreicht, welche gebildet wird durch Zu- sammenlegen der Maxillen oben und der Lippentaster und dieses Theils der Zunge unten .... Bei jeder Contraction wird ein Arch. f. Natg. 52. Jahrg. I. Bd. 1. H. 7 98 Paul Franz Breithaupt: Ueber die Anatomie Theil der ausgestreckten Zunge (ligula) in die Oeflfnung der Röhre hineingezogen und der Honig, mit dem sie bedeckt ist, steigt in die Mundhöhle hinein, in seiner Entfernung von der Zungenoberfläche unterstützt durch die kleinen Haarbüschel, mit dem das verlängerte zweite Glied jedes Lippentasters ausgestattet ist." Das ist im Wesentlichen dasselbe, was auch die späteren Vertreter der Lecktheorie anführen, und wird noch ergänzt durch das, was Hermann Müller in der „Natur" (p. 189) sagt: „Die Haarquirle an der Spitze werden durch Adhäsion mit Honig gefüllt; dieser Honig wird in die Zungenscheide ge- zogen und nach dem Oesophagus getrieben durch eine doppelte Ursache: erstens durch den Druck der aufgerichteten Haarquirle und zweitens durch Saugen." Auf der andern Seite gaben schon bald nach Kirby und Spence*^ die beiden Anatomen Brandt und Ratzeburg^" eine Abbildung von der Röhre im Innern der Zunge und lieferten so thatsächlich den Beweis, dass die Zunge nicht ge- schlossen und solid, sondern eine wirkliche Röhre sei. Das bestätigte auch später Gerstfeldt^^ durch seine Untersuchungen; er sagt (p. 93): „Ich habe mich bei Apis, Bombus, Megilla und allen andern von mir untersuchten Bienen überzeugt, dass die ligula nicht solid und geschlossen, sondern wirklich röhren- förmig ausgehöhlt und an ihrem mehr oder weniger deutlich knopfförmigen Ende eine Oeffnung besitzt." Nachdem er nun noch den Kanal im Innern beschrieben und erwähnt hat, dass derselbe öfters eine gelbliche Flüssigkeit zu enthalten scheine, kommt er zu dem Schlüsse: „Auch trage ich kein Bedenken, die von einem Kanäle durchzogene ligula für dasjenige Organ zu erklären, durch welches die aus den Blumenkronen aufzu- saugende Flüssigkeit in den Verdauungskanal der Biene gelangt, obgleich der holländische Naturforscher Brants diesen honig- aufsaugenden Kanal der ligula blos als eine Rinne betrachtet, die an der Unterseite der ligula liegt, durch die Vereinigung ihrer Ränder geschlossen wird, aber am Grunde blind endigt und nicht in die Nahrungswege führt, so dass es ihm noch räthselhaft bleibt, wie die Bienen saugen." Obgleich Gerstfeldt hiernach den Theilen der Zungen- scheide eine directe Betheiligung beim Saugact abspricht, muss er ihnen doch eine gewisse Function bei der Nahrungsaufnahme zugestehen und versucht daher (p. 94) eine Erklärung ihrer und die Functionen der Bienenzunge. 99 Function zu liefern, welche jedenfalls, obwohl sie blosse Neben- verhältnisse betrifft, nicht ganz unrichtig ist und deshalb auch im Folgenden von mir angeführt werden soll. Er sagt: „Wäh- rend die ligula das eigentliche Saugorgan ist und die Para- glossen, wenigstens da, wo sie kurz sind, sicher keine andre Bedeutung haben, als die von ihnen umfasste Basis der ligula zu stützen, mögen die Labialtaster und die Maxillarladen, die im Ruhezustand eine Art Scheide bilden, wohl dazu dienen, der ligula das Eindringen in die den Honig enthaltenden Blüthen- theile zu erleichtern, indem sich nämlich die Maxillen von ein- ander entfernen, wobei zugleich die ganze Unterlippe vorwärts geschoben wird, könnten sie wohl die Wandungen der Honig- röhrchen ausdehnen und auf diese Weise der vordringenden ligula einen leichtern Durchgang bereiten." Auch Kräpelin^ bespricht in seiner Mittheilung kurz den Saugact: „Die zu saugende Flüssigkeit tritt demnach an der Spitze des Rüssels (d. i. Zunge) in die Unterlippe selbst ein, gelangt jedoch auf ihrem Wege mehr und mehr in das von Unterlippentastern und Kiefern gebildete äussere Saugrohr, um schliesslich an der Einlenkungsstelle der Paraglossen, beid- seitig der Körper der Unterlippe (d. i. Zungenwurzel) um- fliessend, zwischen Unterkiefern und Unterlippe in den Mund zu treten." Die bisher angeführten Anhänger der Saugtheorie sind also darüber einig, dass die durch das Löffelchen ausmündende Röhre es ist, welche zur Honigleitung dient und dass die Oeff- nung dieser Röhre auf dem Löffelchen zugleich die Eintritts- stelle für den Honig bildet. Demgegenüber stellt nun Briant*" neuerdings eine ganz neue und eigenartige Hypothese auf, die von den bisherigen gänzlich abweicht und die ich ihrer Origi- nalität wegen specieller besprechen muss, da ich daran Ver- schiedenes anknüpfen kann, was ich dann später nicht zu wiederholen brauche. Briant geht davon aus, dass die Biene beim Lecken ihre Zunge fest an die Unterlage anlegt und zwar so, dass ihre Oberseite, also auch die Concavität des Löffel- chens nach unten, die ganze Spitze aber nach hinten gerichtet ist. Dann wird der Druck des fest angepressten Stabes auf die äussere Zungenwand ihre unteren Ränder veranlassen, an der Umbiegestelle der Zungenspitze, wie er sagt, „ein Loch zu bilden, welches demnach auf der obern Fläche geöffnet sein 7* 100 Paul Franz Breithaupt: Ueber die Anatomie wird, imd obgleich ich nicht die Thatsache beobachtet habe, scheint es unmöglich, anzunehmen, dass der Honig nicht in dieses Loch eintreten werde." — Man möge mir verzeihen, wenn ich nun auch den übrigen Vorgang nach den eigenen Worten Briant's bringe. Er fährt also fort: „Wenn die Zunge nun zurückgezogen wird, so wird der Stab, welcher gegen die Innenseite der Zunge angedrückt war, über die Stirnseite hinweggehen und so das durch die Membranen in dem obern Theile der Zunge gebildete Loch bedeutend vergrössern; und indem die Ränder des Schlitzes an der Aussenwand durch in einander greifende Haare dicht mit einander vereinigt werden, so wird das Resultat die Hervorbringung eines Vacuums sein, welches den Honig vom untern Theile der Zunge heraufziehen wird. Die Zunge wird dann wieder ausgestreckt; aber jetzt vergrössert sich die Speichelkammer (d. i. der Vorhof der Speichelampulle), sowie die Zunge vorwärts gestreckt wird, und so wird der Honig noch höher und in den Mund gezogen, von wo er noch einmal durch den muskulösen Pharynx herauf- gezogen wird. Dies wird indessen nicht erklären, wie die Biene befähigt ist, solch minutiöse Spuren von Honig zu ent- fernen, wie sie es unzweifelhaft kann. Die Haare der Zunge werden den Honig zurückstreichen, d. h. ihn vom Munde weg- treiben, nach der Zungenspitze selbst zu und das Löffelchen wird dann, sobald die Zunge zurückgezogen ist, dazu dienen, den Honig zu sammeln und den so gesammelten Honig in die Zunge hinein zu treiben. Da in der Zunge die Capillarität der engen Rinne, unterstützt durch die Thätigkeit der Speichel- kammer, ein Mittel an die Hand giebt, welches die grössere Oeffnung nicht gewähren würde, so kann das kleinste Honig- partikelchen aufgesogen werden." In Bezug auf den letzteren Theil, die Aufnahme sehr kleiner Honigmengen, stimme ich mitBriant vollkommen überein, ob- gleich aus seiner Darstellung und überhaupt aus seiner ganzen Arbeit nicht hervorgeht, wenigstens nicht mit Sicherheit, ob er eine Oeffnung des im Chitinstab enthaltenen Kanales nach vom auf das Löffelchen annimmt oder nicht. Ich möchte fast das Letztere glauben, da auch keine einzige Andeutung über eine Oeffnung zu finden ist, weder bei Besprechung der Zunge, noch speciell des Löffelchens und des Stabes. Ich bin jedoch überzeugt, dass Brian t seine etwas kühne und die Functionen der Bienenzunge. 101 Hypothese von dem durch die Ränder der Zunge gebildeten Loch nicht „erfunden" haben würde, wenn er einmal eine Biene unter dem Mikroskop hätte lecken sehen und wenn es ihm ge- lungen wäre, die Ausmündung des feinen Capillarrohres des Stabes auf das LöfFelchen zu finden und genau nachzuweisen. Ich will allerdings nicht in Abrede stellen, dass es ja leicht möglich ist, dass auch auf dem vonBriant angegebenen Wege Honig geleitet werden kann und dass sich auch zuweilen Honig vorfindet in der an der Unterseite der Zunge gelegenen Rinne, der Hauptweg wird aber stets derjenige auf der Zungenober- fläche sein, welche vermöge ihrer dichten Haarbedeckung grosse Massen von Honig aufoimmt, wovon man sich nach Leu ckart's Vorgang durch directe Beobachtung leckender Bienen über- zeugen kann. Zur Bekräftigung seiner Hypothese sucht Briant auch die Lecktheorie, namentlich unter Citation Herm. Müll er 's, zu widerlegen durch folgenden Einwurf: „Der Bericht, welcher seinen Weg in so manche Bücher gefunden hat, dass die Bienen den Honig durch Lecken aufnehmen, erscheint mir ohne ge- nügenden Grund. Die Länge und die Richtung der Haare, d. h. alle von der Biene wegzeigend, genügen, um diese An- sicht zu verwerfen." — Dieser auch schon von Treviranus*" gegen die Lecktheorie geltend gemachte Einwurf ist aber nichts weniger als geeignet, letztere zu widerlegen; im Gegentheil ist mir das Vorhandensein und die gegen die Honigquelle hua ge- richtete Stellung der dichten und langen Mantelhaare nur ein Grund mehr zu der durch die directe Beobachtung bestätigten Annahme, dass die Hauptmasse des Honigs auf der Aussenseite der Zunge, also in dem Saugrohr des Rüssels oder der Zungen- scheide geleitet wird. Denn die Zwischenräume zwischen den mikroskopisch kleinen, relativ aber sehr langen Haaren ( '/g mm.) auf der Zungenoberfläche bilden unter sich eben so viele winzige Capillarräume (von circa Ygo mm. Durchmesser), die von vorn nach hinten immer enger werden müssen, da die Haare an der Basis bedeutend breiter sind als an der Spitze oder in der Mitte. Es widerspricht also nicht nur nicht den physikalischen Gesetzen, sondern es ist sogar nach den Gesetzen der Capillar- attraction ganz sicher anzunehmen, dass der Honig, so gut wie er in einem einzigen dieser minimalen Capillarröhrchen auf- steigen muss, auch auf der ganzen Zungenoberfläche gegen die 102 Paul Franz Breithaupt: Ueber die Anatomie Riclitung der Haare geleitet werden kann, namentlich wenn er beim Zurückziehen der Zunge in seiner aufwärts steigenden Bewegung unterstützt wird durch die kräftigen Pumpbewegungen des Schlundes. Jeder der bis jetzt citirten Autoren hat also nur einen Weg_ der Honigaufnahme angenommen; entweder die Biene leckt oder sie saugt den Honig durch die Röhren der Zunge. Nur Briant nimmt schon insofern eine vermittelnde Stellung ein, als er die grösseren Honigquantitäten durch die an der Unterseite der Zunge befindliche, ziemlich weite Rinne h^ leiten lässt, die minimalsten Spuren jedoch durch den Kanal h^ des Chitinstabes. Andre fragten sich nun, als sie die zwei Möglich- keiten der Honigleitung erkannt hatten, ob nicht vielleicht beide möglichen Wege unter verschiedenen Bedingungen benützt würden, der eine in diesem, der andre in jenem Falle. So würde also eine Vermittelung zwischen Leck- und Saugtheorie stattfinden und eine solche vermittelnde Ansicht finden wir denn auch zuerst bei Wolff*% später und im Anschluss an diesen vertreten durch Graber ^^ Der Letztere stellt (p. 141) den Saugact so dar, dass die Biene zuerst nur ihre äusserste Zungen- spitze in den Nektar stecke. „Es füllt sich, angezogen durch die Haare, zuerst das Löffelchen, von wo das süsse Nass „blitzschnell" durch das Capillarrohr der Zunge selbst bis zu deren Wurzel aufsteigt, wo es sich, weil die Rinne hier weit aus einander klafft, in die Höhlung des Rüssels, sowie über die „Schmeckbecher" ergiesst. Mundet der Saft, dann beginnt erst die mechanische Saugkraft des Schlundes ihr Werk. Der dehn- bare Rachen sperrt sich weit auf und sogleich stürzt ein Strom der früher nur gekosteten Flüssigkeit zwischen der Zunge und der Rüsselwand in denselben empor. Darauf schliesst sich das Gaumensegel (d. i. die Mundklappe), das Schlundrohr zieht sich von vorne nach hinten zusammen und so wird der erste Schluck in den Saugmagen befördert, dem also wenig oder nichts mehr bei der Aufnahme des Honigs zu thun übrig bleibt." Durch meine eigenen Beobachtungen leckender Bienen habe ich mich nun überzeugt, dass vor Allem das grosse Saugrohr des Rüssels der Weg ist, den die Biene benutzt, um grössere Quantitäten Honig aufzunehmen. Im Wesentlichen bin ich mit der Darstellung Wolff's und Grab er 's einverstanden bis auf zwei Punkte: Erstens hat Grab er bei seiner Darstellung ver- und die Functionen der Bienenzunge. IQß säumt, den Haaren auf der Zunge jene wichtige Rolle zuzu- ertheilen, die ihnen nach der Beschreibung Wolff's in Wirklich- keit zukommt, und zweitens war es mir, namentlich nach einigen Experimenten, sehr zweifelhaft, dass das erste Pröbchen der zu kostenden Flüssigkeit nur durch die Capillarität des engen Röhrchens in demselben aufsteige. Da aber die beiden ge- nannten Autoren sich nicht darüber auslassen, wie sie sich die Aufuahme der kleinsten Honigmengen wohl vorstellen, so fragte ich mich, ob nicht vielleicht das sogenannte „Geschmacks- röhrchen" diese Function übernehme. In der That fand ich diese Vermuthung durch meine Experimente bestätigt. Bevor ich diese jedoch darlege, will ich hinzufügen, dass Leu ckart^, der früher nur ein Auflecken des Honigs statuirte, neuerdings zu einem mit dem meinen nahezu übereinstimmenden Resultate gekommen ist. In einem erst vor kurzem erschienenen Heftchen (9) sagt er, an die Beschreibung der Zunge und des Stabes mit seinem Capillarrohr anknüpfend, wörtlich wie folgt: „Von mancher Seite wird behauptet, dass der Honig durch dieses Rohr (d. h. das Capillarrohr hj aufsteige, imd in der That scheint das auch der Fall zu sein, wenn es sich um die Auf- nahme einer nur geringen Honigmenge handelt. Im andern Falle geschieht, wie man sich durch Fütterungsexperimente mit gefärbtem Zuckersafte leicht überzeugen kann, die Aufnahme durch die der Zunge (wie auch der Rinne) in ganzer Aus- dehnung aufsitzenden Borsten, welche schwammartig den Honig zwischen sich so lange festhalten, bis er beim Zurückziehen der Zunge in die von den Unterkiefern etc. gebildete Röhre ab- gestreift wird. Das sogenannte Saugen der Biene ist somit für gewöhnlich mehr ein Lecken, obwohl sich schliesslich damit auch Saugbewegungen verknüpfen." Bei den von mir angestellten Experimenten habe ich mich bemüht, die Verhältnisse, unter denen die Bienen leckten, den natürlichen Vorkommnissen des Honigs mög- lichst anzupassen. Da nun die Blüthen , welche von ^ den Bienen beflogen werden, den Honig in der Regel nur in geringen Mengen enthalten, habe ich bei meinen Versuchen die von mir benutzte, (mit Indigo) gefärbte und durch Zusatz von Vanillin riechend gemachte Zuckerlösung in einer dünnen Schicht auf den Objectträger gebracht und die an- fangs mittelst eines Fadens danebe» fixirte, später durch den 104 Paul Franz Breithaupt: Ueber die Anatomie Geruch allein angelockte Biene dann unter Lupe und Mikro- skop beobachtet. Emsig wischte die Zunge alsbald über das Glas hin. Stoss folgte auf Stoss, jedesmal begleitet von einem Anschwellen der Zunge. Deutlich war zu sehen, wie der gefärbte Zucker in dem grossen Saugrohr des Rüssels aufstieg. Dabei legte sich die nach hinten umgelegte Zungenspitze fast stets mit ihrer Rückenseite, zuweilen auch mit ihren Flanken, doch immer mit ihrer ganzen Fläche an das Glas an, so dass das Löffelchen mit seiner Concavität meist nach unten gekehrt war. Zuletzt, wenn nur noch Spuren von Zucker vorhanden waren, wischte nur noch die äusserste, mit der Rückenseite aufliegende Spitze und das Löffelchen, welches sich mit seinen Rändern dabei fest an die abzuleckende Fläche anlegte und darauf hin- und her- schabte. In kürzester Zeit war jede Spur von Zuckersaft auf- gepinselt. Dabei passirte es natürlich oft, dass der Zuckersaft zum Theil bereits angetrocknet war, ehe sich die oft sehr wider- spenstigen Thiere zum Lecken anschickten; in solchen Fällen sah ich deutlich, wie sich bei dem vergeblichen Versuch, den angetrockneten Zucker blos durch Lecken zu entfernen, plötzlich im Umkreis der Zunge eine klare Flüssigkeit ausbreitete und den Zucker verflüssigte, die natürlich nichts anderes sein konnte als Speichel, den die Speichelspritze nach vorn ent- leert hatte. Ich näherte mich nun, während die Biene, resp. Hummel, emsig leckte, von der Seite mit einer feinen Scheere und schnitt rasch den in Thätigkeit befindlichen Rüssel ab, zuweilen nur die Spitze, öfters auch mehr. Bei diesem zwar etwas grau- samen, aber durch die sofort nachfolgende Abtödtung des be- treffenden Thieres einigermassen wieder compensirten Verfahren war ich sicher, die gefärbte Zuckerlösung bei der nachfolgenden mikroskopischen Untersuchung genau an jenen Stellen der Leitungswege wieder zu finden, bis zu denen sie im Augenblick des Abschneidens gerade gedrungen war. Die abgeschnittenen Theile brachte ich dann sofort in Alkohol absol., durch welchen die Zuckerlösung nicht ausgezogen wurde, und behandelte sie dann nach einigen Tagen wie meine früheren Präparate in der früher angegebenen Weise. Mit Hilfe dieser Methode erhielt ich nun eine Anzahl von 10 — 12 Querschnittsserien, die mir und die Functionen der Bienenzunge. 105 klar und unwiderleglich zeigen mussten, welchen Weg die ge- färbte Zuckerlösung passirt hatte. Und was ergab nun die mikroskopische Untersuchung dieser Schnitte? In den meisten Fällen fand sich, wie nicht anders zu er- warten war, die gefärbte Zuckermasse auf der Aussenseite der Zunge, in den Zwischenräumen zwischen den einzelnen Haaren, theilweise auch in der Rinne h^y in welche sie von unten her eingedrungen war, vielleicht auch in der von Briant^" be- schriebenen Weise. Nur in zwei Fällen war auf der Aussen- seite nichts zu entdecken, dagegen fand ich den Kanal des Stabes oder das Capillarrohr h^ fast in seiner ganzen Länge mit der gefärbten Zuckermasse angefüllt. Es war das gerade bei jenen Zungen der Fall, welche ich in dem Augenblicke ab- geschnitten hatte, als die Biene oder Hummel eben noch die letzten Spuren des dünn aufgetragenen Zuckersaftes von dem Glasplättchen ableckte, während ich die andern Zungen theils gleich nach Beginn ihrer Thätigkeit, theils in der besten Arbeit abgeschnitten hatte. Bei der ersten Art von Schnitten war die Vertheilung der Zuckerlösung auf der Peripherie der Zunge durchweg eine der- artige, dass sich die Hauptmasse auf der Oberseite befand, während nach unten immer nur geringe Spuren zu sehen waren. Das ist ja auch ganz natürlich und einleuchtend, wenn man bedenkt, dass das untere, von den Lippentastern gebildete Halbrohr nach allen Seiten der Zunge dicht anliegt, während die übergreifenden und stark gekrümmten Unterkieferladen ein Dach über der Zunge bilden, welches das eigentliche Saugrohr hervorbringt. Die aufgeleckte Flüssigkeit musste also auf der oberen Zungenfläche und in dem oberen Halbrohr namentlich nach hinten steigen, um dann, nachdem der Hohlraum der Innern Zungenscheide und der Spalt zwischen den Nebenzungen- wurzeln passirt war, in den Mund zu gelangen. Diesen Weg konnte ich auch auf den nach einander folgenden Schnitten ganz genau controliren. Dabei war, wie schon erwähnt, auch Zuckersaft in die Rinne h^ der Zunge vorn eingedrungen und nach hinten weiter geleitet worden; ganz hinten war sie aber aus dieser Rinne nach unten wieder ausgetreten und im Hohl- raum h4 auf beiden Seiten der Zungenwurzel emporgedrungen, hier mit der Hauptmasse des aufgenommenen Honigs sich wieder vereinigend. Diese kleinere Partie hatte also aller Wahrschein- 106 Paul Franz Breithaupt: üeber die Anatomie lichkeit nach den Weg durchgemacht, welchen Brian f* fälsch- licherweise für die Hauptmasse des Honigs annimmt. Verfolgte ich nun auch auf einer der beiden von den übrigen abweichenden Schnittserien den Verlauf, welchen die in dem Capillarrohre h^ enthaltene Zuckermasse genommen hatte, so zeigte sich Folgendes: An der Spitze war die Anwesenheit des Zuckers bis in die äussersten Schnitte, z. B. in dem durch Fig. 5 dargestellten Schnitt, zu constatiren, derselbe musste also durch die Oeffnung des Kanales hj vom Löflfelchen aus ein- gedrungen sein. Nach hinten aber, wo der Kanal hj allmählig als feiner Spalt verläuft, war die Zuckerlösung schon ein ganzes Stück vor der Zungenwurzel nach unten aus dem Kanal her- ausgetreten zunächst in die Rinne h^ und von dieser auf dem bereits bekannten Wege in den Hohlraum der Innern Zungen- scheide. Es war also nach diesen Experimenten und Untersuchungen mir klar geworden, dass in zwei verschiedenen Fällen die beiden möglichen Leitungswege zur Honigaufnahme benutzt worden waren: der eine in dem grossen Saugrohr des Rüssels, wobei also die Biene den reichlich vorhandenen Zucker mit ihrer Zunge nur geleckt hatte; der andre Weg durch das Ca- pillarrohr des Chitinstabes, wenn die letzten Reste vom Zucker aufgenommen wurden. Nachdem ich diese beiden wichtigen Thatsachen einmal constatirt hatte, war es mir nun leicht, den sich daraus er- gebenden Schluss zu ziehen und in Einklang mit den bei den Leckversuchen direct gemachten Beobachtungen zu bringen, dass nämlich die Biene nur solange leckt, als noch genügend Flüssigkeit vorhanden ist, um die Zungenoberfläche sich voll- saugen und derart beladen zu lassen, dass jedes einzelne Capillarröhrchen zwischen den Haaren erfüllt ist, wodurch es der Biene ermöglicht wird, die Ladung nach dem Zurückziehen der Zunge in das Futteral des Rüssels einzusaugen. Wird aber die Zunge nicht mehr genügend beladen, bekommt das Saug- rohr vielleicht gar Nebenluft, ist also der frühere Mechanismus nicht ausreichend, dann muss ein anderer feinerer Weg benutzt werden, um noch die letzten Honigspuren von dem Glas, resp. der Unterlage abzupinseln und nach dem Munde zu leiten. Nun erst kommt die im Zungenstab liegende Capillarrohre mit ihrer zweitheilig auf das Löflfelchen ausmündenden Oeflfnung zur und die Functionen der Bienenzunge. |07 vollen Geltung und giebt durch ihre Capillarität ein Mittel an die Hand, welches das grosse Saugrohr nicht gewähren kann. Die nach hinten umgebogene Zungenspitze presst sich mit ihrer Oberseite fest an das Glas an, das Löffelchen setzt sich, die concave Seite nach unten, mit seinen behaarten Rändern dicht auf der Glasplatte auf, ebenso die dichten seitlichen Büschel der um das Löffelchen herumstehenden Sammelhaare, und so wird beim Vorwärtsschieben der Zunge jede Honigspur von der getroffenen Stelle sauber abgekratzt; es sammeln sich diese kleinen Quantitäten im Löffelchen an und dringen von da durch die Oeffnung in die Capillarröhre h^, von wo sie leicht nach dem Hohlraum h4 und nach dem Munde gelangen. Auf diesem Wege durch die sog. „Geschmackshöhle", wie Wolff den Hohlraum der Innern Zungenscheide nennt, vermitteln noch die letzten Spuren der durch das Capillarrohr aufsteigenden Flüssig- keiten eine Sinnesempfindung, welche das Vorhandensein dieser Honigreste viel sicherer meldet, als die Tasthaare an der Zungenspitze es vermögen. Sind die letzten Spuren abgepinselt, so wird auch die Geschmacksempfindung aufhören, und die Biene zum Bewusstsein kommen, dass für sie hier nichts mehr zu holen sei. Es ist klar, dass die Biene in denjenigen Fällen, in denen sie den Honig nur mit der äussersten Spitze ihrer Zunge er- reichen kann, nicht mehr leckt, sondern nur noch saugt, also blos von dem Capillarrohr im Zungenstabe ausschliesslichen Gebrauch macht. Das geht auch aus einigen Experimenten hervor, welche Professor Cook ^"^ mittheilt. Er sagt: „Ich habe Honig in feine Röhren und hinter feine Drahtgaze gebracht, so dass die Bienen ihn gerade mit dem Trichter am Ende des Stabes (d. i. Löffelchen) erreichen konnten. So weit sie ihn mit dem Löffelchen erreichen konnten, so weit verschwand er. Ich habe in solchen Fällen die rothe Axe gesehen, wenn die Biene gefärbten Syrup schlürfte. Die nachfolgende Untersuchung durch Zergliederung offenbarte die rothe Flüssig- keit noch in der Röhre des Stabes." — Aus diesem Ex- periment darf man sich aber nicht zu dem falschen Schluss verleiten lassen, dass der dabei benutzte Leitungsweg der einzige Weg ist, auf welchem überhaupt Honig aufgenommen wird. Auch ist es falsch, wenn Briant '" annimmt, dass in diesem Falle die Haare der Zunge den Houig zurück- 108 Paul Franz Breithaupt: Ueber die Anatomie streichen, d. h. ihn vom Munde weg nach der Zungenspitze selbst zu treiben. So glaube ich auf die einfachste Weise erklären zu können, wie die Biene vermöge ihrer behaarten Zunge und des damit verbundenen, complicirten Mechanismus befähigt ist, sowohl die grössten Honigquantitäten in kürzester Zeit aufzulecken, als auch die kleinsten, noch übrig gebliebenen Spuren sauber ab- zupinseln und aufzusaugen, üebrigens darf man nicht glauben, dass sie beim Ausbeuten der winzig kleinen Nektarien sich stets des zweiten Weges, des Capiliarrohrs der Zunge, aus- schliesslich bedienen müsse und also nicht lecken könne; denn sind auch die Nektarien sehr klein und minutiös, so ist es der complicirte Bienenrüssel nicht minder; es stehen beide also in einem wechselseitigen Grössenverhältniss , welches vielleicht in Vergleich gebracht werden kann mit dem Grössenverhältniss, welches die Zunge eines grossen Hundes zu einem kleinen Näpfchen darbieten würde. Dass durch die Bienenzunge, wie überhaupt durch den Bienenrüssel, keine festen Nahrungsstoffe, wie Pollen etc. ge- leitet werden können, erscheint nach dem Vorausgehenden wohl selbstverständlich und bedarf daher keiner weiteren Ausein- andersetzung; der Rüssel ist eben nur für die Aufnahme der flüssigen Nahrung da, während die feste Nahrung direct in den Mund gebracht wird, um von da denselben Weg zu passiren wie der Honig. Zum Schluss ist es mir eine angenehme Pflicht, auch an dieser Stelle meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Geh. Rath Prof. Dr. Rud. Leuckart, meinen herzlichsten Dank aus- zusprechen sowohl für die Stellung dieses sehr dankbaren Themas, als auch für die vielfache Anregung, das freundliche Wohlwollen und die jederzeit bereitwillige Unterstützung, welche er mir bei Durchführung meiner Arbeit in reichlichstem Masse zu Theil werden Hess. Leipzig, den 5. December 1885. und die Functionen der Bienenzunge. 109 Literatur -Verzeicliniss. 1. Muhr, Die Mundtheile der Orthopteren. 2. Savigny, Memoires sur les animaux sans vertebres. I. mem. Paris 1816. 3. Erichson, Entomologien. 4. Brülle, Reeherches sur les transformations des appendices dans les Articules. — Annales des sciences naturelles, III. serie, Zool., Tome II. 1844. 5. Kräpelin. a) Zur Anatomie und Physiologie von Musca. b) Ueber die Mundwerkzeuge der saugenden Insecten. — Vorläufige Mittheilung. Zoolog. Anzeiger, I. Jahrg. 1882. 6. Geise, Die Mundtheile der Rjmchoten. Bonn 1883. 7. Wedde, Beiträge zur Kenntniss des Rynchotenrüssels. Berlin 1885. 8. Kirbach, Ueber die Mundwerkzeuge der Schmetterlinge. 1883. 9. Leuckart. a) Die Anatomie der Biene. Erläuternder Text zu einer Wandtafel. 1885. b) Eichstädter Bienenzeitung 1855, p. 206, 1863, p. 144. 10. Briant, On the anatomy and the functions of the tongue of the Honey-Bee (worker). 1884. 11. Wolff, Das Riechorgan der Biene. — Nova acta Acad. Caes. Leop. Carol. Germ. nat. curios. Tom. XXXVIII. 1876. 12. Vitus Graber, Die Insecten. I. Theil. München 1877. 13. Schimenz, Ueber das Herkommen des Futtersaftes und die Speichel- drüsen der Biene nebst einem Anhange über das Riechorgan. 1882. — Zeitschrift f. wissensch. Zool. Bd. 38. 14. Dönhoff, Experimente über den Sitz des Geruchssinnes bei der Biene. — Eichst. Bienenzeitung. Jahrg. 1854 p. 231 und 1855 p. 44. 15. Haus er, Dieselbe Zeitschrift. Bd. XXXII. Jahrg. 1880. p. 367. 16. Treviranus, Ueber die Saugwerkzeuge der Insecten. — Vermischte Schriften. Bd. IL p. 95 etc. 17. Burmeister, Handbuch der Entomologie. I. p. 380. 18. Gerstfeldt, Ueber die Mundtheile der saugenden Insecten. 1853. 19. Kirby und Spence, Einleitung in die Entomologie. Deutsch von Oken. Bd. I und HI. 20. Brandt und Ratzeburg, Medicinische Zoologie. Bd. II. 21. Swammerdam, Biblia naturae. 22. Hyatt, Americ. A. Mic. Journal. 1879. 23. Reaumur, Memoires pour servir a l'histoire des Insectes. Vol. V. Memoire 5. p. 309. 24. Cook, Amerikan. Bienenzeitung. 1879. 25. Newport, Insecta. Bd. II. 26. Dimmock, The anatomy of the mouth-parts etc. of some Diptera. Boston 1881. 110 Paul Franz Breithaupt: Ueber die Anatomie Erklärung der Abbildungen. Die Bezeichnung ist für alle Figuren dieselbe und zwar ist im Speciellen : Z = die Zunge, Nz = Nebenzungen, Lt = Lippentaster, Um = Grund- theil der Unterlippe, Uk = Unterkiefer. M = der behaarte Zungenmantel, m = die innere Membran desselben. Chst = der Chitinstab, das Zungenbein oder der Zungenkem. L = das LöfFelchen. zp = der Zapfen oder die Mittellängsleiste des Chitinstabes, la = untere Ränder oder Lamellen des Stabes. sh = die daran sitzenden Schliesshaare. B = Zungenhaare, Q = Quirle derselben. S = Sammelhaare. T := Tasthaare an der Zungenspitze. hl = das Capillarrohr des Chitinstabes. ha = die an der Unterseite der Zunge liegende Rinne, ha = der von der äussern Zungenscheide umschlossene Hohlraum oder das grosse Saugrohr des Rüssels. h4 = Hohlraum der inneren Zungenscheide, n =: Nerv, tr = begleitende Trachee. r = obere Zungen- oder Futterrinne. kn = Einschnürung hinter derselben. s = S förmige Fortsätze oder Winkelhebel der Zungenwurzel. G = das Geschmacksorgan, o = obere Membran der Unterlippe, darin er = die elastischen Stäbe oder Cristen. hyp = Hypopharynx. hy = sehniges Band mit dem Homstab b. Sp = Speichelgang. Spk = Speichelklappe. Spa = Speichelampulle oder Speichelspritze. V = Vorhof derselben, sph = Hörner der Speichelspritze, zh = Zungenbeinhörner. dr = Drüsensystem V. kh = Kehlhaut. ba = hintere Basis der Schädelaushöhlung. ii = höchste Stelle derselben, sm = submentum oder Fulcrum. mi = Retractor der Zunge. mj = Retractor der Unterlippe, m^b = Retractor des Zungenbeins. und die Functionen der Bienenzunge. 111 ms = Protractor der Unterlippe. m4 = Hebemuskel der Speichelklappe. Im Einzelnen stellt nun dar: Fig. 1. Vorderes Ende des Chitinstabes mit dem Löffelchen. Von oben. Fig. 2. Seitenansicht desselben, zum Theil als Längsschnitt gedacht. Oberseite links, Unterseite rechts liegend. Fig. 3 — 7. Schnitte durch die Zungenspitze in der in Fig. 8 durch die nebengezeichneten Striche angedeuteten Reihenfolge. Schnitt 6 durch den Löffelstiel, Schnitt 7 umgekehrt liegend. Fig. 8. Zungenspitze von Bombus ruderatus. Von oben. Fig. 9. Der Mantel derselben Zunge für sich. Von oben. Fig. 9 b. Derselbe etwas weiter hinten. Von unten. Fig. 10. Zungenspitze von Apis melUfica, Arbeiterin. Fig. 11. Vorderstes Ende einer Unterkieferlade. Von unten. Fig. 12a. Querschnitt durch die Bienenzunge, ungefähr in der Mitte. Stärkste VergrÖsserung. Fig. 12 b. Schematischer Querschnitt des Rüssels an derselben Stelle. Fig. 12 c. Einige Papillen der Membran m aus dem vordern, mittleren und hinteren Theil der Zunge. Fig. 13 a. Seitlicher Längsschnitt durch die Zungenwurzel und die Ansatz- stelle der Nebenzungen. Fig. 13 b. Das Geschmacksorgan im Längsschnitt. — ng = Geschmacks- nerv, gz = Ganglienzellen der einzelnen Zweige desselben, gp = Geschmacksporen, cht = Chitin. Fig. 14. Schematischer Mittellängsschnitt durch den Kopf und nament- lich durch die Unterlippe bei vorgestreckter Zunge. — Ob = Oberlippe, kl = Mundklappe, darunter der Mund; Schi = Schlundplatte, ms = Schlundmuskeln, oes = Speiseröhre. Um in diesem Falle = untere Lamelle des Mentums. Fig. 15. Zum Theil schematisirter Mittellängsschnitt durch die Unterlippe bei zurückgezogener und nach hinten umgeschlagener Zunge. X = Endpunkt der Winkelhebel s. Fig. 16. Zun gen Wurzel mit den umgebenden Theilen, nach einem Quetsch- präparat gezeichnet. Von rechts gesehen. Zum Theil etwas schematisirt. Fig. 17. Unterlippe mit dem hintern Fünftel ihrer vordem Anhänge. Von oben. (Nach Wolff.) Fig. 18. Beugestelle der Unterlippe. Von unten. (Nach Wolff.) Fig. 19. Zungenwurzel. Von oben. (Nach Wolff.) Fig. 20. Hinterer Theil des Zungenstabes oder das Zungenbein. Fig. 21. Schematischer Querschnitt durch den mittleren Theil des Kopfes. K = Seitentheile desselben, an welche sich nach vorn die Ober- kiefer ansetzen. 112 PaulFranzBreithaupt: üeb. Anatom, u. Function, d. Bienenzunge. Fig. 22—28. Aufeinanderfolgende Querschnitte durch die Unterlippe und ihre vordem Anhänge in der bei Fig. 16 angedeuteten Reihen- folge. Fig. 22. Ein solcher Schnitt stärker vergrössert, gerade die Speichel- spritze treffend. Die beiden folgenden Schnitte zeigen die Abspaltung der Lippentaster, die drei folgenden die der Nebenzungen. Fig. 28. Ganz schematischer Querschnitt, zeigt die Lage und Anordnung der Nebenzungen, Lippentaster und Unterkieferladen um die Zunge herum. Fig. 29. Querschnitt durch die Speichelspritze bei gesenkter, Fig. 30. bei gehobener Speichelklappe. Druck von E. Buchbinder in Neu-Ruppln. Helmintliologische Beobachtungen von Dr. von Linstow in Hameln. Hierzu Tafel VI, VII, VIII, IX. Angiostorauin uigrovenosum Riid. Zum Vergleich mit dem Entwickelungsgange von An- giostomum entomelas und macrostomum versuchte ich die Ton Leuckart^) beschriebene Entwickelung der Embryonen von Angiostomum nigrovenosum im Freien zu wiederholen und kam dabei zu folgenden Resultaten: Die Eier der hermaphroditischen Lungenform aus Rana fusca enthalten den vollständig entwickelten Embryo ; sie sind sehr dünnhäutig, 0, 1 3 mm. lang und 0,06 mm. breit und fängt der unbewegliche Embryo an sich zu rühren, sobald die Eier in's Wasser gelangen, um eine Viertelstunde darauf auszuschlüpfen. Seine Länge beträgt 0,56, seine Breite 0,03 mm., der Oesophagus misst Vs,?? cl^i^ Schwanz ^/7,3 der Gesammtlänge ; ersterer zeigt eine grössere, vordere und eine kleinere, hintere Anschwellung, welche letztere undeutliche Ventilzähne führt. An der Bauchseite Hegt eine grosse Genitalanlage von Vs;? tler Körperlänge und das Darmlumen ist geschlängelt. Das Wachsthum ist nun ein rapides ; am dritten Tage bereits ist der Nematode 0,89 mm. lang und 0,035 mm. ^) Allgemeine Naturgeschichte der Parasiten. Leipzig und Heidelberg 1879, Pag. 128, Fig. 61— 62. Arcli. f. Natg. 52. Jahrg. 1. Bd. 8 114 T>Y. von Linstow: breit geworden; der Oesophagus misst 1/4,3 ii^d der Schwanz Vt^s der ganzen Länge und das Darmlumen ist gestreckt. Am vierten Tage fand ich bereits das erste geschlechts- reife Männchen, das 0,68 mm. lang und 0,036 mm. breit war ; der Oesophagus von V-t Körperlänge zeigt eine Ein- schnürung in der Mitte und einen schwachen Bulbus am Ende, der Schwanz nimmt Vie der ganzen Länge ein, die beiden geknöpften Girren sind 0,033 mm. lang und gelblicli von Farbe wie auch der 0,016 mm. grosse Stützapparat,, und fand ich 3 prä- und 1 postanale Papille beiderseits. Am 11. Tage zeigten sich die ersten Embryonen ent- haltenden Weibchen, die 0,98 mm, lang und 0,072 breit waren; scheinbar waren es lebende, sich bewegende Thiere, in Wirklichkeit aber nur Cuticularschläuche, die von 2 in ihnen enthaltenen Embryonen bewegt wurden. Von der ursprünglichen Structur bemerkte man nur den Anfang der Auskleidung des Oesophagus -Lumens; der von dert Embryonen nicht eingenommene Raum wurde von einer mit Körnchen durchsetzten Flüssigkeit erfüllt. Die beiden sich lebhaft bewegenden Embryonen sind 0,56 mm. lang und 0,026 mm. breit und zeigen deutlicli die durch die Muskulatur bedingte Längsstreifung. Der Oesophagus misst 74,9) der Schwanz ist ^/q,^ der Gesammt- länge und ersterer hat am Ende einen schwachen Bulbus mit Zahnapparat, der bewegt wird. Die Geschlechtsanlage ist bohnenförmig im Gegensatz zu den Embryonen der freilebenden Form von Ang. macrostomum, wo die Genital- anlage unsichtbar ist. In den befruchteten Weibchen sind, ebenso wie in denen von Ang. entomelas und macrostomum, ursprünglich 8 — 10 Eier vorhanden, von denen sich aber fast immer nur 2 entwickeln. Bei einer fi'üheren Gelegenheit 1) sprach ich aus, wie ich die Art und Weise für unklar hielte, auf welche die Eier der hermaphroditischen Lungenform aus der Lunge ^) Dieses Archiv 1885 pag. 10. Helminthologische Beobachtungen. 115 in den Darm gelangten, es muss aber doch einen solchen Modus geben, denn nicht nur die Eier der genannten Art machen diesen Weg, sondern auch die des gleichfalls die Froschlungen bewohnenden Distomum cylindraceum , die 0,044 mm. lang und 0,023 mm. breit sind; dieselben fand ich massenhaft im Frosch darm, während in der einen Lunge 2 grosse Exemplare dieses Parasiten lebten und im ganzen Verdauungstract kein Distomum zu finden war. Der Ent- wicklungsgang ist demnach nicht nur bei den 3 genannten Angiostomum- Arten genau derselbe, sondern die Aehnlich- keit erstreckt sich auch auf die Embryonen, welche bei der zweigeschlechtlichen, freilebenden Form schlanker, kräftiger und lebhafter sind als bei der hermaphroditischen Lungenform. Oxysoma brevicaiidatum Zed. ^ Fig. 1—17. Das hier beschriebene Thier kommt im Darm von Rana und Anguis nicht selten vor und wird der Embryo lebend geboren. Er ist 0,738 mm. lang und 0,039 mm. breit; der Oesophagus misst V4,.5 5 cler Schwanz 1/7,5 der ganzen Länge; ersterer zeigt 2 Anschwellungen, von denen die hintere einen undeutlichen Zahnapparat führt; am Kopf- ende bemerkt man einen kleinen Mundbecher. Der Darm ist nicht erkennbar und der Anus macht sich durch eine kleine Prominenz bemerkbar. Mit Ausnahme des äussersten Schwanzendes, welches abgerundet ist, ist der ganze Körper, auch die Cuticula, mit glänzenden Körnchen dicht durch- setzt, die in der Gegend des Oesophagus viel sparsamer stehen (Fig. 1); eine Genitalanlage ist nicht sichtbar. Die erwachsenen Weibchen deponiren diese Embryonen nach einem eintägigen Aufenthalte im Wasser und wachsen letztere im genannten Medium langsam, indem sie sich ') Schneider, Monograph. der Nematoden pag. 114—115, Tah. X Fig. la— b; Dnjardin, Hist. des Helm. pag. 228— 230, pl. 5 Fig.E; V. Linstow, Archiv für Naturgesch. 1877 pag. 179—180, Tab. XII Fig. 9. 8* 116 Dr. von Linstow: gleichzeitig etwas versclimälern ; sie sind nun 0,885 mm. lang und 0,029 mm. breit geworden; die glänzenden Kügel- clien sind mehr auf den Darm beschränkt; bei einigen Exemplaren zeigen sich schon nach wenigen Tagen Spuren einer beginnenden Häutung, in dem vom Oesophagus ein- genommenen Körpertheil zeigen sich gar keine Kügelchen mehr, eine Geschlechtsanlage ist noch nicht sichtbar; das Chitinrohr des Oesophagus wird deutlich und unter der Cuticula des stumpfen Schwanzendes bildet sich ein zu- gespitztes; der Oesophagus misst jetzt 1/4,2 ? cler Schwanz 1/7,7 der ganzen Körperlänge. Die Entwickelung vollzieht sich nicht nur im Wasser, sondern auch in den Excrementen von Kana und Anguis, so lange dieselben feucht bleiben. Am 9. Tage war die Häutung der freilebenden Larve voll- zogen (Fig. 2). Die Länge beträgt nunmehr 0,928, die Breite 0,036 mm. Die Cuticula ist fein quergestreift, die glänzenden Körnchen sind auf die Darmwand beschränkt und stehen gegen Ende des Darmes dichter: der Oesophagus von 1/4,5 Körperlänge verdünnt sich in der Glitte plötzlich sehr und ist am Ende wieder zu einem Bulbus mit Ventil- zähnen angeschwollen; der Darm ist ohne Lihalt; im Wasser scheint das Thier keine Nahrung aufzunehmen; die Be- wegungen sind sehr lebhaft. An der Bauchseite findet sich eine halbmondförmige Geschlechtsanlage und an der Rücken- seite zieht ein langer, zelliger Schlauch hin; der Schwanz ist nunmehr zugespitzt und gegen früher bedeutend ver- kürzt, da er nur V11/7 der ganzen Länge einnimmt. Nach 13 Tagen lebten von 5 hi's Wasser gelegten Weibchen noch 3; eine Production von Embryonen findet im Wasser nicht statt, nur die schon im Uterus vorhandenen und aus der Eischale ausgeschlüpften werden in's AVasser deponirt, was in einigen Tagen vollendet ist. Die Em- bryonalentwicklung im Uterus vollzieht sich nur im Sommer und Herbst, Mitte Oktober hört sie auf und von dieser Zeit an werden keine Embryonen mehr in's Wasser geboren. Bei der Cultur der Larven von Oxysoma brevicaudatum und Angiostomum nigi'ovenosum fand ich, dass die Larve Helminthologische Beobachtungen. 117 von Rhabclitis aspera Bütschlii) gelegentlich als Pseudo- parasit im Darm von Eana fusca lebt und in kurzer Zeit in den nach aussen gelangten Excrementen geschlechtsreif wird, umgekehrt wie z. B. Strongylus in geschlechtsreifem Zustande parasitisch und als Larve frei in der Erde lebt. Die so veränderte Larve entwickelt sich im Darm der genannten Wohnthiere zur geschlechtsreifen Form. Ein halberwachsenes, bereits befruchtetes Weibchen mass 3,69 mm. in der Länge und 0,29 mm. in der Breite; der Oesophagus nahm Vs/s, der Schwanz 722,5 der ganzen Länge ein; die Vulva liegt vor der Körpermitte und theilt den Leib im Verhältniss von 16 : 29. Erwachsen ist das Weibchen 9,38 mm. lang und 0,53 mm. breit; der Oeso- phagus nimmt 1/13,9 und der Schwanz 1/21,9 der ganzen Länge ein, die Vulva liegt nunmehr verhältnissmässig viel weiter nach hinten, da sich der vordere durch sie gebildete Abschnitt des Körpers zum hinteren verhält wie 15 : 16. Der Kopf (Fig. 5) ist dreilippig und zeigt die Basis einer jeden Lippe einen Chitinsaum; der Oesophagus ist nunmehr völlig cylindrisch und nur am Ende zu einem kugelförmigen Bulbus angeschwollen, welcher einen com- plicirten Klappenapparat trägt (Fig. 1); man bemerkt 3 an die Aortenklappen der Säugethiere erinnernde Klappen (Fig. 9, a, Fig. 11), welche um ihre Endpunkte drehbar sind; sie ruhen auf 3 Basalplatten (Fig. 9, b), welche nach dem Darm zu von 3 Längsstäben (Fig. 9, 'c) gestützt werden. Die Mundöffnung ist von der Scheitelfläche gesehen dreischenklig (Fig. 12) und werden die 3 Winkel von einem halbkreisförmigen Chitinbogen umgeben. Die Muskeln gehören zur Ordnung der Schneider'schen Meromyarier; von der Seite betrachtet erscheinen die Muskelzellen an der convexen Aussenseite hyalin, an der concaven Lmenseite granulirt (Fig. 14), bei starken Ver- grösserungen erkennt man die letztere (Fig. 13) als aus feinen Parallelzügen bestehend. ») Beiträge Pag. 113— 114, Tab. IX Fig. 58a— c. 118 Dr. von Linstow: Aussen an das Chitinrobr des Oesophagus legen sicli 3 Unterstützungsleisten (Fig. 9, d), die isolirt und stärker vergrössert rinnenförmig , der Länge nach eingeknickt erscheinen (Fig. 10), mit dem Winkel nach aussen und zeigen die Aussenränder feine parallele Querstrichelung. Die Cuticula ist dreischichtig; die innerste Schicht umkreist den ganzen Körper, in die mittlere sind in den Seitenlinien zwei starke Seitenleisten mit keilförmigem Querschnitt eingelagert (Fig. 17) und die feine, äussere Schicht überzieht die ganze Aussenfläche, welche 0,0027 nun. breite Querringel zeigt. An die Innenseite der Innenschicht lagert sich in den Seitenlinien je ein starker Seitenwulst (Fig. 17, a) und in der Dorsal- und Ventrallinie bemerkt man daselbst je einen weit schwächeren Dorsal- resp. Seitenwulst; zwischen diesen Wülsten liegen der Innenfläche der Cuticula die Muskel- felder an (Fig. 17, c); die stärkere Aussenschicht ist die contractile; die Länge der rhombischen Muskelzellen be- trägt beim erwachsenen Weibchen 0,72 mm. Bei jüngeren Exemplaren liegt an der Bauchseite unter dem Ende des Oesophagus eine grosse Excretionsgef äss- öffnung mit 2 nach hinten verlaufenden Gefässen (Fig. 6, c). Abgesehen von den später zu beschreibenden, regel- mässigen Papillen am männlichen Schwanzende ist der ganze Körper beider Geschlechter hie und da mit Papillen besetzt und beim Weibchen bemerkt man in der Bauchlinie eine Reihe derselben vom Kopfende beginnend und vor dem After aufhörend (Fig. 3). Um die Mitte des Oesophagus legt sich ein starker Nervenring, von dem Kervenfasern entspringen (Fig. 6). Die weibliche Geschlechtsröhre ist doppelt ; das Ovarium (Fig. 3, a) ist anfangs schmal und bildet die Keimzellen; in dem darauf folgenden breiteren Tlieile (b) beginnt die Dotterbildung, bis man am Ende (c) die zur Befruchtung reifen Eier findet. Hierauf verengt sich die Röhre zu einer ersten Tube (e), in welche hinein sich ein Ei (d) nach dem anderen drängt, um in das grosse, prall mit Samen gefüllte Receptaculum seminis (f) zu gelangen, in welchem die Helminthologische Beobachtungen. 119 Eefruchtimg der Eier (g) vollzogen wird; die Röhre verengt sich nun zu einer zweiten Tube (h), welche in den mit be- fruchteten Eiern erfüllten Uterus (i) führt, wo die Eier sofort eine Perivitellinschicht absondern. Dieser Theil des Uterus liegt ganz hinten im Körper; in dem nach vorn umbiegenden Theil desselben vollzieht sich nun die Dotter- furchung und schlüpfen die Embryonen, me gesagt, bereits im Uterus aus; derselbe ist hier so dünnwandig, dass er überall den Bewegungen der andrängenden Embryonen nachgiebt; die Wandung zeigt Kerne und Kernkörperchen. Da, wie wir sehen werden, die männlichen Girren so auffallend lang sind, so war zu vermuthen, dass der Bau ■der weibhchen Genitalien von dem gewöhnlichen Typus der Nematoden abweichen würde, was in der That der Fall ist; von der kurzen Vulva (1) aus theilt sich die Geschlechts- TÖhre, aber nicht wie bei Strongylus, CucuUanus und Rhab- ditis, wo die Vulva senkrecht in einen doppelten Uterus führt, von denen der eine nach vorn und der andere nach hinten zieht; auch nicht wie bei Trichosoma, wo nur ein Uterus vorhanden ist, sondern die beiden Uteri verlaufen beide parallel nach hinten. Der erste, dünne Theil des Ovarium ist 0,048 mm. breit und 1,2 mm. lang und werden hier, wie bereits bemerkt, die 0,098 mm. grossen Keim- "bläschen gebildet; der nun folgende Theil erreicht den be- trächtlichen Durchmesser von 0,39 mm., ist aber meistens nur 0,24 mm. breit. Die unbefruchteten Eier sind, wenn sie nicht durch Druck seitens der anliegenden abgeplattet werden, 0,088 mm. lang und 0,066 mm. breit. Die beiden Tuben, welche starke, muskulöse Wandungen besitzen, sind 0,3 mm. lang und 0,036 mm. breit, während das Recepta- culum seminis eine Länge von 0,72 und eine Breite von €,21 mm. besitzt. Die Eier sind dünnhäutig und ziemlich gross; sie messen 0,131 im Längen-, und 0,082 mm. im Querdurch- messer. Die Ovarien erstrecken sich nach vorn bis zu einer Entfernung von 0,3 mm. vom Oesophagusbulbus. Die erste Tube ist ungemein dickwandig und bemerkt man in der 120 Dl'- von Linstow: Wandung kurze, dicke Querwülste, die Muskeln sind; das Keceptaculum seminis hat dünne Ringmuskeln in der Wan- dung, die zweite Tube ist dünnwandig und dem Uterus- ähnlich gebaut, sie zeigt in der Wandung Kerne und Kern- körperchen; die Uteruswandung lässt feine Längsmuskeln erkennen. Beim erwachsenen Männchen findet man die Cuticula fein quergeringelt; die Geschlechtsorgane sind bereits ent- wickelt bei einer Länge von 2,38 mm. und einer Breite von 0,16 mm.; hier nimmt der Oesophagus V4 ^nd der Schwanz Vi4r4 der ganzen Länge ein. Die Girren messen 1,55 mm., sind also mehr als halb so lang wie der ganze Körper; das accessorische Stück misst 0,078 mm. Der Oesophagus -Bulbus ist V5 des Körperdurchmessers breiig die ExcretionsgefässöiFnung Vs? die eigentliche Mündung^ ist dagegen nur 0,013 mm. breit; später verschwindet dies. Organ. An den Enddarm legen sich mehrere rundliche Drüsen wie bei Ascaris. An der Bauchseite findet man meistens 10 prä- und 3 postanale Papillen und ausserdem 3 — 4 neben der Cloake stehende beiderseits. Das genannte accessorische Stück (Fig. 10) ist von der Seite schwach dolchförmig gekrümmt und die vorderen Enden der Girren (Fig. 15) zeigen blumenkohlförmige Granulationen. Die Dimensionen des erwachsenen Männchens betragen für die Länge 6,6 mm., für die Breite 0,42 mm.; der Oeso- phagus nimmt hier Vi/i? der Schwanz V3;i,4 der Gesammt- länge ein und die Girren sind 1,68 mm. lang. Die grossen Spicula des Männchens sind elastisch; in den Körper zurückgezogen erscheinen sie gerade, vorge- streckt krümmen sie sich sichelförmig und bei der Gopula werden sie ohne Zweifel in die parallel neben einander liegenden Uteri bis hinten in die Receptacula seminis ge- führt, um dem nachströmenden Samen bis hierher einen Weg zu bahnen. Die Spermatozoen sind kugelfönnig mit granulirtem Kern und glänzendem Kernkörperchen (Fig. 8); sie sind 0,016 mm. gross, der Kern misst 0,0098 mm. und liegt excentrisch. Helmiüthologische Beobachtungen. 121 Der durchschnittlich 1,6 mm. lange Cirrus ist so lang, dass er von der Vulva bis in das weibliche Receptaculum seminis reicht ; von diesem an bis zur Vulva sind die ganzen Uteri mit Samenkörperchen gefüllt. Nach der Befruchtung bildet sich in der Oeffnung der Vulva ein Chitinstöpsel (Fig. 4), der eine nochmalige Begattung hindert und erst bei der Geburt der ersten Embryonen abgestossen wird. Um diese Zeit ist von der Excretionsöffnung bereits nichts mehr zu sehen. Merkwürdig ist die beständige Abnahme der verhältniss- mässigen Schwanzlänge; beim Embryo beträgt sie auf die ganze Länge berechnet 1/7,5, ^^i der Wasserlarve Vt/s? ^^^ der gehäuteten Wasserlarve Vii,? » beim unreifen Männchen Vi4,4, beim reifen Weibchen V21/95 beim reifen Männchen ^/39/4) so dass erst jetzt das Thier seinen Namen brevicau- datum mit Recht trägt. Oxyuris OYOCostata u. sp. Fig. 18—22. = Oxyunis Glomeridis m. Archiv für Naturgesch. 1885 pag. 246, Tab. XIV Fig. 25. Im Enddarm der Larven von Cetonia aurata — Herr Professor Taschenberg hatte die Güte, die Art zu bestimmen — welche im Grunde eines Waldameisenhaufens (Formica rufa) von meinem Sohne gefunden wurden, entdeckte ich eine Anzahl Oxyuren, und zwar ist die Art identisch mit dem Weibchen aus Glomeris limbata, das ich unter dem vorläufigen Namen Oxyuris Glomeridis beschrieb. Das Männchen ist 0,74 mm. lang und 0,052 mm. breit; der cylindrische , am Ende mit einem Bulbus versehene Oesophagus misst V4-35 der fein zugespitzte Schwanz Vio der Gasammtlänge. Der gerade Cirrus ist 0,026 mm. lang und am männlichen Schwanzende findet man 1 prä- und 2 ponastale Papillen jederseits (Fig. 18—19). Die scheitelständige Mundöffnung ist quergestellt und von 4 sehr kleinen Papillen umgeben (Fig. 20). Vor dem mit Ventilzähnen versehenen Oesophagus- 122 Dl'- von Liiistow: Bulbus ist der Oesophagus (Fig. 22) etwas eingeschnürt; die Excretionsöffnung unter dem Anfangstheil des Darmes (Fig. 22 b) ist klein und von ihr gehen 4 winklig gebogene, auffallende, von dunkler Masse erfüllte Gefässe ab (Fig. 22 a), die dann plötzlich viel schmäler und hyalin werden; 2 von ihnen verlaufen nach vorn und 2 nach hinten. Was das Weibchen betrifft, so kann ich auf meine frühere Beschreibung verweisen. Die 0,086 mm. langen und 0,043 mm. breiten Eier (Fig. 21) tragen 6 Längsleisten, die am unteren Pol aus gemeinschaftlicher Basis ent- springen, am oberen aber frei endigen, an welchem später der Embryo ausschlüpft. Die Leisten der Eier werden deutlicher, wenn diese den Uterus verlassen haben; hier beginnt bereits die Dotterfurchung und findet man bis zu 4 Furchungskugeln. In der Erde sclilüpft der Embryo aus dem Ei, welches von den Cetonien- Larven mit den Excrementen entleert Avird und wandert in diese ohne Zwischenwirth wieder ein. Die Larve ist 0,295 mm, lang und 0,036 mm. breit. Oeso- phagus und Schwanz nehmen beide VA3 der Körperlänge ein und letzterer ist dünn und pfriemenförmig, Avie bei der von Galeb (Les Oxyurides) gezeichneten Larve von Oxyuris Blattae und bei den von Leuckart in den Eiern anderer Oxyuren gefundenen ,,kaulquappenförmigen Embryonen". Bei den meisten erwachsenen Weibchen war die Cuti- cula dicht mit Haaren besetzt, die kurz sind und in kleine Kügelchen endigen; zwischen denselben stehen einzelne sehr lange, die bis zu einer Länge von 0,1 mm. anwachsen und handelt es sich hier offenbar um Pilzmycelien. So sind diese Pilze Parasiten der Helminthen, diese Parasiten der Käfer- larven und letztere Parasiten, wenn auch nur Conviven, der Ameisen. Der Darminhalt der Cetonienlarven riecht nach Ameisen- säure und färbt blaues Lackmuspapier roth. Wenn nach Taschenberg 1) die Cetonien-Larven öfter in Ameisenhaufen (Formica rufa) leben und sich von den vermodernden *) Brehm's Thierlebeu, Insekten, pag. 94 und 259. Helminthologische Beobachtungen. 123 Holztlieilchen des Nestes ernähren, so gemessen sie aber auch die durch die Ameisen in das Nest gebrachten In- sekten, denn der Darm der Cetonien-Larven enthält stets zahlreiche Schuppen von Schmetterlingsflügeln und andere Insektenreste, welche die unbeholfenen, tief unter der Erde verborgenen Larven wolil nur auf diese Weise erlangen können, und sind diese also wahre Gäste der Ameisen, welche sie füttern. Mitunter kriechen die Oxyuren, den Darm durch- bohrend, in die Leibeshöhle ihrer Wirthe, wo sie nicht selten in die Tracheen gelangen, die sie dann ganz aus- füllen. Was die Artrechte dieser Form betrifft, so ist zu bemerken, dass das männhche Schwanzende ganz mit Schneider's i) Abbildung von Oxyuris spirotheca Györy stimmt ; es fehlt bei unserer Art aber die spiralige Hülle der Eischale, die sich aufrollt, sobald das Ei in's Wasser geräth; auch wäre eine solche nicht nöthig, da Cetonia und Glo- meris Landbewohner sind; übrigens ist bei 0. spirotheca der Kopf nach Galeb^) ganz anders gestaltet. Jedenfalls gehört aber unsere Art zu der von Galeb in Käfern ge- fundenen Gruppe von 0. spirotheca, hydrophili, hydroi und hydrobii. Noch sind 4 andere Oxyuren zur Vergleichung heranzuziehen, die von Hammerschmidt 3) dargestellt sind und von Diesing mit Unrecht in das Genus Anguillula ge- stellt wurden : Oxyuris gracilis, brachyura, depressa (= dila- tata) und laticollis. Alle leben im Rectum von Käferlarven wie unsere Art, und zwar bei Polyphylla fuUo, Rhizotrogus solstitialis , Cetonia marmorata und Oxythyrea stictica. 0. gracilis hat einen doppelten Oesophagus -Bulbus, wie etwa das freilebende Genus Diplogaster; 0. brachyura zeigt einen Schwanz von nur V40 Körperlänge; 0. depressa ist nur in ganz jungen Larven beobachtet und beschrieben; 0 Monographie der Nematoden pag. 119 — 120, Tab. VII Fig. 10—11. '^) Recherches sur les entozoaires des insectes; Organisation et developpem. des Oxyurides, pag. 15—16. PI. XXV Fig. 8—9. 3) Heidinger's naturw. Abhandl. I, pag. 279—288, Tab. X. 124: Dl", '^oii Linstow: die Form des einzigen Oriians, das ausser dem uncharakte- ristischen Oesophagus und Darm abgebildet ist, der Bulbus des Oesophagus, stimmt aber nicht mit unserer Art; end- lich 0. laticollis ist durch eine bogig begrenzte Hülle des Oesophagus ausgezeichnet, welche unserer Art fehlt: übri- gens ist bei jüngeren Exemplaren von 0. ovocostata der Schwanz hinter dem Anus plötzlich verjüngi: und nicht all- mäldig conisch zugespitzt, wie Hammerschmidt bei 0. de- pressa angiebt. Distomimi validuiu ii. sp. Fig. 23—27. Durch die Güte des Herrn S. A. Poppe in Vegesack erhielt ich 4 grosse Distomen. welche von Herrn Capitain F. Schäffer unter dem '29/' nördl. Breite und o5<^30' westl. Länge, also zwischen dem mittleren Afrika und Central- Amerika. im Magen einer nicht bestimmten Delphin -Art gefunden T\-ui*den. Die Länge erreicht 17 mm., die Breite 7 mm., der Mundsaugiiapf ist 1,5 nun. und der gi'osse, im vorderen Körperdrittel gelegene Bauchsaugnapf 4 mm. breit. Hinter dem letzteren ist der Körper beträchtlich verdickt und überall von Querrunzeln umgeben. Zwischen Mund- und Bauchsaugnapf ist er an der Bauchseite ausgehöldt und erhebt sich in dieser Furche vom Bauchsaugnapf nach vorn ein länglicher Wulst, an dessen Vorderrande die Geschlechts- öÖnungen münden (Fig. 23). Die Cutic-ula ist senki-echt zur Fläche von kleinen Stäbchen durchsetzt, welche an der Aussenfläche von einem kreismnden Hofe umgeben sind (Fig. 25). Hinter dem Bauchsaugnapf erweitern sich die Darmschenkel mächtig und erfüllen fast den ganzen Leibes- raum, nur eine schmale Brücke zwischen sich lassend, in der die Geschlechtsröhren, Nerven und Wassergefässe ver- laufen. Die ganze hintere Leibeshöhle erfüllt eine ki'üm- liche. braunschwarze, fettige, nach verdorbenem Thran riechende Masse: der zersetzte Darminhalt hat die Ge- schlechtsorgane aufgelöst, von denen hier nichts zu erkennen ist. Die Eier sind 0.033 mm. lan? und 0,026 nmi. breit. Helminthologiäche Beobachtungen. 125 Zu vergleichen ist die Art mit den in Delphinen gefundenen: Distomiim Pallasii Poirier, D. campanula Cobbold, D. lancea Diesing, D. Andersoni Cobbold, D. palliatum Looss und D. Tursionis Marchi. Distomum Pallasii Poirier i) = Fasciola ventricosa Pallas, non Distomum ventricosum Rud. , ist '2b mm. lang und 15 mm. breit; die Eier messen 0,039 und 0,024 mm. ; die Saugnäpfe sind klein, der Mundsaugnapf misst 1, der im 2. Fünftel des Körpers stehende Bauchsaugnapf 3 mm. : der Körper ist ohne Querrunzeln und wurde die Art im Magen von Phocaena communis (Delphinus phocaena) gefunden. Distomum campanula Cobbold = D.oblong-um Cobbold 2) aus den Gallengängen von Phocaena communis und Plata- nista gangetica ist eine kleine Art, deren Bauchsaugnapf etwas kleiner ist als der Mundsaugnapf. Distomum lancea Diesing^) aus den Gallengängen von Delphinus tacuschi und Orcella brevirostris hat einen langen Oesophagus, der bei D. validum fehlt. Distomum Andersoni Cobbold^) aus dem Darm von Platanista gangetica, ist 2.4 nmi. lang und 0,54 mm. breit; es hat ein abgeschnürtes Kopfende und einen Bauchsaug- napf von etwa ^ 3 Körperdurchmesser. Distomum palliatum Loos ^) aus den Gallengängen von Delphinus delphis führt einen Bauchsaugnapf, der nur 1 V2 mal so breit wie der Mundsaugnapf ist und smd die Eier 0,056 mm. lang und 0,043 mm. breit. Distomum Tursionis Marchi^) endlich aus dem Darm von Delphinus tursio hat gleiche Saugnäpfe und einen Körper, der 20 mal so lang ist wie breit. ') Contribut. ä Thistoire des Trematodes. Paris 1885. pag. 13 — U, PI. XXin Fig. 6. -) Transact. Linn. Soc. XXTE pag. 168; Entozoa pag. 34 Fig. 10: Linn. Soc. Joiun. ÜTO. pag. 40, PI. XII Fig. 2. ^) System, beim. I pag. 334: Denkschr. d. k. Akad. d. Wiss. AVien X pag. 54. Tab. II Fig. 17—19; Cobbold, Linn. Soc. Journ. XIII pag. 36, PI. X Fig. 1. 0 Linn. Soc. Journ. XTTT pag. 45. PI. X Fig. 3. ^) Zeitschr. für wissenscli. Zoolog. 41 pag. 390. ^) Atti Soc. Ital. sc. natiu-. XY fasc. 4. 126 Dr. von Linstow: Die sehr compacte Rindenschicht ist zum Studium der Structur von Cuticula und Muskeln besonders geeignet. Auf Querschnitten (Fig. 24, 26, 27) findet man zu äusserst eine aus 2 Schichten bestehende Cuticula, von denen die äussere sehr fein, die innere aber (Fig. 26, a) mächtig ist und von den erwähnten Stäbchen durchsetzt wird; darunter folgt eine granulirte, mit Kernen durchsetzte Schicht, die Subcuticularschicht, unter dieser eine schmale Ringmuskel- schicht (Fig. 26, c), dann eine Schicht von in Bündeln ge- ordneten Längsmuskeln (Fig. 26, d) und nunmehr eine im vorderen Körpertheil fast den ganzen Hohlraum erfüllende Masse von dorsoventralen (e) und diagonalen Muskeln (f j. Die Fibrillen der Diagonal- und Dorsoventralmuskebi sind sehr breit, bis zum Durchmesser von 0,013 mm. Bemerkenswerth ist nun, dass die Subcuticula und die Schicht, in welcher die Ring- und Längsmuskeln verlaufen, (Fig. 26, i) sich durch Anwendung von Färbemethoden als anders geartet erweist als die übrigen und als eine elastisch- fibröse zu bezeichnen ist ; eine solche scheint bei den zarten Formen des Genus Distomum mit schlaffem Körper zu fehlen und auf die grossen Arten mit verhältnissmässig starrer Rindenschicht und mächtiger Muskulatur beschränkt zu sein. In diese elastisch -fibröse Schicht ist der Bauch- saugnapf (Fig. 27) eingelagert als Aequivalent für die Ring- und Längsmuskulatur. Durch Anwendung von Picrocarmin- Glycerin färbt die Cuticula sich braun, die elastisch-fibröse Schicht rosenroth, die Kerne der Subcuticula dunkelroth, die Muskulatur gelb. Die weibliche Geschlechtsröhre in der Höhe des Bauch- saugnapfes zeigt auf Querschnitten eine granulirte Tunica intima (Fig. 26, a), auf diese folgt eine dünne Ring- (b) und nach aussen von dieser eine mächtige Längsmuskelschicht (c); die männliche Geschlechtsröhre ist ähnlich gebaut, aber ohne klaffendes Lumen. Wir besitzen eine erhebliche Anzahl vortrefflicher Untersuchungen über den Hautmuskelsclilauch der Trema- toden, und sind die Resultate dieser Untersuchungen in Kurzem folgende: Helmiiithologische BeobachtungeD. 127 Leuckart i) führt über die Trematoden im Allgemeinen an, sie besässen eine Ring-, eine Längs- und eine Diagonal- mnskelschicht ; bei Distomum tereticolle findet sich nach innen vom Hautmuskelschlauch in beträchtlicher Entfernung noch eine zweite Längsfaserschicht ; zwischen beiden seien die Dotterstöcke eingelagert. A. Schneider-) findet bei den Plathelminthen im All- gemeinen, dass von aussen nach innen Quer-, Diagonal- und Längsmuskeln folgen; in der Querschicht sind immer Längsfasern eingeflochten; die Diagonalmuskeln bestehen aus zwei Lagen; die Fasern der inneren Hälfte stossen mit denen der anderen in der Rücken- und Bauchlinie unter einem Winkel zusammen, der in der Aussenschicht in der Bauchlinie nach hinten geöffnet ist. F. Sommer 3) beschreibt bei Distomum hepaticum Ring-, Längs- und Diagonalmuskeln. E. Mace*) findet bei D. hepaticum ein Cuticula, dar- unter eine elastische Schicht, und unter dieser Ring-, Dia- gonal-, Longitudinal- und Dorsoventralmuskeln. L. V. Lorenz '^) sieht bei Distomum robustum eine Cuti- cula, darunter eine 1. Körnerschicht, dann eine 1. Ring- muskel-, eine 2. Körner-, eine 2. Ringmmuskel, eine Longi- tudinal- und eine Diagonalmuskelschicht. Kerberf^) beobachtet bei Distomum Westermani eine Cuticula, darunter eine Epidermis, dann Ring-, Längs- und Diagonalm iiskeln . •) Die nienscblichen Parasiten Bd. I, Leipzig u. Heidelberg 1863. -) Neue Beiträge zur Anatomie der Plathelminthen. Zoolog. Beitr. Bd. I, Breslau 1884. ^) Die Anatomie des Leberegels. Zeitschr. f. wiss. Zoolog. 34, pag. 587—640, PI. XXVII -XXXII. *) Recherches sur la structure du Distoma hepaticum, Nancy 1881. ^) Ueber Distomum robustum. Verh. d. Zool. bot.* Ges. Wien XXX 1880-81, Pag. 583—586, Tab. XIX. ^) Zur Kenntniss der Trematoden. Arch. f. microsc. Anat. XIX, Bonn 1881, pag. 529-578, Tab. XXVI— XXVn. 128 Dl'- von Linstow: P. M. Fischer ^) findet bei Opistliotrema (Monostomum) cochleare Ring-, Längs- und Diagonalmuskeln. H. E. Ziegler 2) sieht bei Gasterostomum fimbriatum eine 1. Ring-, eine Längs- und eine 2. Ringmuskelschicht ; bei anderen Formen kreuzen sich die inneren Ringmuskeln u.nd werden so zu diagonalen. A. Pachinger^) giebt für Distomum cygnoides an, unter der subcuticularen Schicht finde sich eine von transversalen Fasern; dann folgen Ring-, Längs-, Diagonal- und Dorso- ventralmuskeln. J. Poirier^) ist der erste, welcher die Anwesenheit einer elastischen Schicht betont, und zwar einer doppelten, doch findet er nicht, dass dieselbe eine äussere, Kerne führende Lage hat. Distomum spiculator Duj. Diese Art scheint sehr selten zu sein, denn sie ist nur ein einziges Mal von Dujardin^) und zwar in unreifem Zu- stande gefunden; der Fundort ist der Darm von Mus decumanus. Die Mundöffnung umgeben 2 Reihen von Dornen; an den Enden der Reihen stehen je 4 grössere, dazwischen 18 kleinere, die Gesammtzalil ist also 26, nicht 20, wie Duj ardin schreibt. Die Art gehört zu der zahl- reichen Gruppe von Distomen, welche Dornen am Kopf- ende tragen: D. spinulosum, baculus, trigonocephalum, recurvatum, militare, beleocephalum, asperum, echinatum, ferox, pseudoechinatum, cinctum, bilobum, leptosomum, echinocephalum, serratum, apiculatum, laticolle, annulatum. ^) Heber den Bau von Opistliotrema cochleare. Zeitschr. f. wiss. Zool. 40, Leipzig 1883. ^) Bucephalus und Gasterostomum. Zeitschr. f. wiss. Zool. 39, Leipzig 18^3. "^) Anatomie von Distomum cygnoides (ungarisch), Klausen- ■burg 1883. ^ *) 1. c. ^) Histoire des Helminthes pag. 424. Helminthologische Beobachtungen. 129 radula, histrix, scabrum, fallax, denticulatum, nephrocephalum und incrassatum. Der sehr genauen Beschreibung Dujardin's habe ich nur hinzuzusetzen, dass meine Exemplare, etwa 40, ge- schlechtsreif sind: wenn Dujardin die Länge auf 1,7 — 2 mm. und die Breite auf 0,5 — 0,6 mm. angiebt, betrugen diese Maasse bei meinen Exemplaren resp. 4 und 1,2 mm. und die Eier waren 0,151 mm. lang und 0,082 mm. breit. Auch D. trigonocephalum hat 26 solcher Kopfstacheln, ist aber durchschnittlich 8 mm. lang, nach Dujardin sogar bis zu 11,25 mm.; die Körperform ist viel gestreckter, die Breite beträgt bei einer Länge von 8 mm. 1,6 mm. und die Eier sind 0,161 mm. lang und 0,098 mm. breit. Der Cirrus hat die beträchtliche Länge von 1,02 mm. und die Breite von 0,096 mm.; seine Aussenwand wie die Ausldeidung des Lumens ist mit hinfälligen kleinen Kegeln besetzt, deren Seitenwände etwa so gross wie ihre Basis sind. An den Ausfiihrungsgang des Ovariums setzt sich eine Samenblase von 0,049 mm. Breite; ihr Ausmündungskanal ist 0,016 mm. breit (Fig. 29, c). Die beiden Geschlechtsöffnungen liegen dicht neben einander wie bei fast allen Distomen. Die Cuticula ist von Stäbchen durchsetzt und 0,0082 mm. dick (Fig. 28, a) und die Muskelschicht hat einen Durchmesser von 0,0148 mm. (Fig. 28, b). Zu äusserst, unter der Cuti- cula, findet man eine Ring-, darunter eine Längs- und unter dieser eine sich kreuzende Diagonalmuskelschicht; alle drei bilden dünne, aber continuirliche Lagen; eine Muskelfaser liegt dicht an der anderen, und unter den an- gegebenen finden sich unregelmässig vertheilte, sehr dicke Dorsoventralmuskeln ; eine elastisch -fibröse Schicht, wie D. validum sie hat, fehlt hier. Die Bauchsaugnapfinusku- latur ist hier wie dort ihrer Hauptmasse nach radiär (Fig. 28, h), dagegen liegt hier an der dem Lumen zuge- wandten Innenfläche eine Schicht Meridionalfasern (Fig. 28, g), während an der Aussenfläche, nach der Körpermitte zu, eine Lage Aequatorialfasern zu finden ist, von denen auch einzelne in der Masse der Radiärfasern zu bemerken sind (Fig. 28, i); bei D. validum liegen die Meridionalfasern um- Arch. f. Natg. 52. Jahrg. I. Ed. 9 130 Dr. von L instow: gekehrt an der Rückenfläclie. Die Muskeln des Hautmuskel- schlauchs bestehen hier aus regelmässig nebeneinander ge- lagerten Fasern, nicht, wie bei D. validum besonders die Längsmuskeln, aus Faserbündeln; auch ist hier der Haut- muskelschlauch viel schwächer und schlaffer als bei der genannten Art. Die Schichtung der Muskeln erkennt man bei durchsichtigen Flächenbildern schon durch die Tubus- einstellung. Die Cuticula umkleidet den Bauchsaugnapf von allen Seiten (Fig. 28, f.). Ein Organ, welches von den neueren Forschern in der Regel nicht envähnt wird, also in den von ihnen unter- suchten Formen wohl nicht vorhanden ist, ist die mit dem w^eiblichen Geschlechtsapparat in Zusammensetzung stehende Samenblase (Fig. 29, c), die Vesicula seminalis inferior. Wagener 1) fand sie bei Distomum xanthosomum ; Olsson-) nennt sie Vesicula seminalis interior und bildet sie ])ei Distomum pseudoechinatum ab; van Beneden 3) hielt sie für typisch für alle Trematoden, denn er zeichnet sie in dem Idealbilde für Trematoden mit der Bezeichnung ,,Vesicule seminale interne". WedH) unterscheidet die beiden Samen- blasen als hintere und vordere und giebt ihr Vorkommen bei Gyrodactylus crassiusculus an. Schneider^) hat sie bei Mesostomum Ehrenbergii gefunden und abgebildet und Verf. ^) beschrieb sie bei Distomum pellucidum, wo sie ein gi'osses, in die Augen fallendes Organ ist, und beobachtete sie ausserdem bei Distomum nodulosum, ovatum, arrectum, echinatum, recurvatum, trigonocephalum, mesostomum, und •) ^atunrkundige Verhandelingen, Haarleni 1857, Tab. XXII Fig. 4. ^) Bidrag til Skandinaviens Hehninthfauna, Stockholm 1875, Tfl. IV Fig. 45, V. ^) Memoire snr les vers intestinaux, Paris 1861, PI. XXVII Fig. 2, r. *) Anatomische Beobachtungen an Trematoden, Wien 1857, Tab. IV Fig. 38, f u. g. ^) Untersuchungen an Plathelminthen, Giesseu 1873, Tab. III, Fig. 1, g. «) Dieses Archiv 1873, Tab. V Fig. 6, c. Helmiuthologische Beobachtungen. 131 neuerdings hat Pacliinger^) sie bei D. cygnoides als Recepta- culum beschrieben. Es ist klar, dass diese Blase den Zweck hat, den bei der Begattung in die weibliche Geschlechtsröhre aufge- nommenen Samen aufzusammeln und allmählig zur Be- fruchtung der Eizellen -wieder abzugeben, noch bevor diese Ton Dotterballen und Schale umgeben sind (Fig. 29). Die Frage der Begattung dürfte nunmehr durch die Beobachtung von Looss gelöst sein, welcher zwei Exemplare von Distomum clavigerum in wechselseitiger Begattung beobachtet und abgebildet-) hat, was auch früher schon von Cobbold bei Distomum conjunctum gefunden wurde. In Ermangelung eines zweiten Exemplars tritt auch eine Selbstbegattung ein, wie sie bei den Cestoden die Regel ist, was Zaddach^) bei Distomum cirrigerum direkt beob- achtet hat. Somit dürfte die Frage nach der Bedeutung des Cirrus der Trematoden und Cestoden dahin entschieden sein, dass derselbe Begattungsorgan ist, das entweder zur gegenseitigen Begattung in die Vagina eines anderen Thieres oder zur Selbstbegattung in die eigene eingeführt wird. Der Same dringt dann durch den ganzen Eiergang mittels retroperistaltischer Bewegungen bis an dessen Ende, wo er von der Vesicula seminalis inferior aufgenommen wird, und der vielbesprochene Laurer'sche Kanal dient zur Abfuhr zuviel secernirter Geschlechtsprodukte (Dotterballen und Eizellen) oder in zu grosser Menge eingeführten Samens. Cysticercus Taeniae uncinatae in. Fig. 30—33. In der Leibeshöhle von Silpha laevigata (die Bestim- mung des Käfers hatte Herr Professor Taschenberg die *) Ueber Distomum cygnoides (ungarisch) Klausenburg 1883, Tab. in, Fig. 1. s. ^) Zeitschr. für wissensch. Zoolog. 41, Leipzig 1885, pag. 390, Tab. XXin. ^) lieber die im Flusskrebse vorkommenden Distomum cirrigerum wid isostomum, Zoolog. Anz. Leipzig 1881, pag. 398 und 426. 9* 132 I^i'- von Linstow: Güte zu bestätigen) fand ich einen kleinen Cysticercus von 0,295 mm. Länge und 0,203 mm. Breite (Fig. 30). Die- Hülle des ovalen Körpers oder die Schwanzblase (e) ist eine doppelte und zwar ist die Aussenschicht bei weitem mäch- tiger. Die Saugnäpfe haben einen Dui^chmesser vonO,059mm.^ das Ende des Rostellum ist 0,058 mm. breit und 0,043 mm. hoch und trägt 17 Haken von 0,020 mm. Länge, deren Wurzelast sehr schwach ist, während der Haken- und der breite Hebelast (Fig. 33) fast parallel stehen. Der Scolex (c)^ von Villot als tele bezeichnet, ist im Innern deutlich er- kennbar; der Halstheil, welchen Villot corps nennt, zeigt grosse Kalkkörperchen ; am Hinterende bemerkt man einen zarten, soliden Anhang, dessen Lihalt granulirt ist und einzelne grössere Kügelchen enthält, das Blastogeu (b) oder den ursprünglichen Embryo oder die Oncosphäre, an welchem man 4 Embryonalhaken bemerkt (a). Die Form, Zahl und Grösse der Haken des Scolex machen es unzweifelhaft, dass wir es mit dem Cysticercus der Taenia uncinata^) aus Crocidura leucodon und aranea zu thun haben, wie auch die Embryonalhaken des Bla- stogen mit dem des Embryo im Ei (Fig. 32) übereinstimmen. Was die Hakenzahl 6 der Tänien-Embryonen oder Onco- sphären betrifft, so erleidet dieselbe eine Menge Ausnahmen. Krabbe bildet in seinem vortrefflichen Werke Bidrag til kundskab om Fuglenes Baendelorme bei verschiedenen Eiern 4 Haken ab, so auch bei Taenia Fringillarum, welche Art ich auf diesen Punkt untersuchte, und zwar meistens 6 Haken fand, aber auch 4, 5 und 7 nicht selten (Fig. 34), während neuerdings Hamann-) in den Eiern von Taenia lineata sogar 8 und 10 Haken fand. Die Larve von Caryophyllaeus mutabilis hat, wie auch Scolex decipiens und Cysticercus Arionis, die Embryonalhaken nicht ver- loren. Der Cysticercus ist also bei Scolex decipiens wie bei dem hier beschriebenen durch Sprossung aus dem ') Stieda, Archiv für Naturgesch. 1863 pag. 205—209, Tab. VHI Fig. 5 u. 6a; v. Linstow, ibid. 1880 pag. 52, Tab. HI Fig. 18 (Haken). ^) Zeitschr. für wissensch. Zoolog. 42, Heft 4. Helminthologische Beobachtungen. 133 4-6 hakigen Embryo, dem Blastogen oder dem Proscolex hervorgegangen, einem Gebilde, das bei der weiteren Ent- wicklung verloren geht, wie auch die Schwanzblase. So schliesst sich diese Entwicklung ganz an die von Yillot für Urocystis prolifer angegebene an; auch bei dieser Eorm (Villot, Les Cystiques des Tenias) sprosst aus dem ^lastogen oder dem Proscolex, der hier verhältnissmässig kleiner ist als bei unserer Form, ein Gebilde hervor, das aus Schwanzblase, Körper und Scolex besteht. Die Entwicklungsart der drei Spitzmaustänien : T. unci- iiata, pistillum und T. scalaris aus Cysticercus Taeniae uncinatae, Staphylocystis micracanthus und St. biliarius ist daher nur in dem Punkt unterschieden, dass aus dem Pro- scolex oder dem Embryo oder dem Blastogen bei der ersteren Art eine, bei den beiden letzteren mehrere Schwanz- iDlasen hervorsprossen. Folgen wir der Eintheilung Villot's, so gehört unsere Form zu Urocystis, da sich die Schwanzblase durch äussere Knospung aus dem Proscolex bildet. Dass der schwanz- iirtige Anhang bei Urocystis prolifer oder das Blastogen mit dem sechshakigen Embryo identisch ist, war wahr- scheinlich, doch w^ar der Beweis bisher nicht erbracht. Die Entwicklung der Schwanzblase aus dem Proscolex durch innere Knospung ist die häufigere bei den Cysti- cercoiden (Monocercus Villot); sie findet sich bei Mono- cercus Glomeridis, Cysticercus Arionis, Cysticercus Taeniae gracihs, Cysticercus Lumbriculi, Cysticercus botrioplitis, vielleicht auch bei den beiden mit Gryporhynchus be- zeichneten Formen. Nun glaube ich, dass es nicht angebracht ist, nach der Verschiedenheit der Cysticerken-Entwicklung, wie Villot es gethan hat, verschiedene Gattungen zu bilden, da doch alle diese Cysticerken nur Entwickelungsformen von Taenia sind, einer sehr wohl charakterisirten Gattung. So stellt Villot das Genus Cercrocystis auf, bei dem die Schwanz- blase durch äussere Knospung aus dem Proscolex gebildet wird, wie es den Anschein hat, wenn man den vollkommen entwickelten Cysticercus vor sich sieht; aber der Schein 134 Dr. von Linstow: trügt und in Wirkliclikeit bildet sich die Schwanzblase im Innern des Proscolex, wie man an ganz jungen i) Ent- wicklungsständen sieht. Dass das Knospen nach aussen oder innen nicht als Merkmal verschiedener Genera dienen kann, zeigt schon die Beobachtung von Megnin^), welcher in den Muskeln des Pferdes einen grossen Echinococcus- fand, dessen Tochterblasen nach aussen gesprosst waren,, während sie der Regel nach an der Innenwand der Mutter- blase entstehen. Die Wirthe der zu Taenia gehörigen Cysticerken ge- hören den verschiedensten Thierordnungen an; es sind Säugethiere: Simia, Lemur, Talpa, Plecotus, Vespertilio,, Miniopterus, Sorex, Spalax, Sciurius, Myopotamus^ Arvicola, Lemmus, Dipus, Mus, Lepus, Arctomys, Georhynchus, Pedetes, Meles, Ursus, Felis, Canis^ Foetorius, Sus, Equus, Bos, Phacochoerus , Cerviis, Capra, Antilope, Tarandus, Ovis, Camelus, Camelo- pardalis, Auchenia, Balaena, Catodon, Delphinus^ Macropus. Vögel: Corvus, Luscinia, Meleagris, Pavo, Goui*a. Reptilien: Lacerta, Ascalobotes, Coluber, Coronella. Fische: Tinea, Perca. Käfer: Tenebrio, Silpha, Geotrupes. Hemipteren: Trichodectes. Myriapoden : Glomeris. Schnecken: Arion, Helix, Limnaeus, Tiedemannia. Crustaceen: Gammarus, Cyclops. Würmer: Lumbricus, Saenuris, Nais. Der Zwischenwirth von Ascaris iumbricoides L Dass auch Ascaris Iumbricoides, wie die übrigen As- cariden, einen Zwischenwirth hat, ist durch Versuche in- direct erwiesen. Die Eier dieses Parasiten gelangen in *) Leuckart, die Parasiten des Menschen, 2. Aufl. 1. Band pag. 419, Fig. 180, A. ') Echinocoque a proliferation exogene. Jonrn. Anat. et Phys, Paris 1880, PI. IX— X. Helminthologische Beobachtungen. 135 Unmassen in die Abtrittsgruben und von hier zur Düngung in Gärten und Felder. Daselbst lebt sehr zahlreich ein kleiner, fadenförmiger Myriapode, Julus guttulatus, welcher besonders gern von den Zersetzungsproducten der mensch- lichen Excremente lebt. Unter angetrockneten Krusten derselben findet man ihn oft massenweise und kommt er so überall in Berührung mit den Eiern von Ascaris lum- bricoides. Ausserdem aber benagt er feuchte, in die Erde gelegte Bohnen-, Erbsen, Gurken- und Kürbiskerne, gelbe Wurzeln (Mohrrüben) und vor allem Gartenerdbeeren, in die er sich oft ganz hineinfrisst , wie er auch Löcher in Fallobst jeder Art hineinfrisst und sich in diesen Löchern verbirgt. Den Gärtnern ist der doppelte Trieb von Julus guttulatus zu den menschlichen Excrementen und den Erd- beeren bekannt, denn sie sagen, man dürfe Gartenerdbeeren nicht mit Abtrittsjauche düngen, sonst würden sie von „Würmern", unseren Asseln, zerfressen. Nun habe ich beobachtet, dass Julus guttulatus mit Begierde die Eier von Ascaris lumbricoides frisst und die Eihüllen verdaut; in einem Exemplar fand ich über 30 gefressener Eier. Haben nun die Eier im Freien den Embryo entwickelt, werden sie alsdann vom Julus guttulatus gefressen, frisst dieser sich alsdann in Erdbeeren, Fallobst und gelbe Wurzeln hinein, so wird der Myriapode und mit ihm der Embryo von Ascaris lumbricoides oft, besonders von Kindern, un- bewusst mit den genannten Gartenfrüchten verzehrt werden, da Julus ein nächtliches Thier ist und Tags über in den selbstgefressenen Höhlungen der Früchte unbeweglich ruht. 136 Dl- von Linstow: Erklärung der Abbildungen. Fig. 2 Fig. 3 Fig. 1 — 17: Oxysoma brevicaudatum. Fig. 1 : Embryo. 9 Tage alte, freilebende Larve nach der Häutung halb schematische Darstellung der einen weiblichen Geschlechtsröhre, a Anfang des Ovarium, h Verbreiterung derselben, c reife, unbefruchtete Eier, d Ei, welches in die erste Tube (e) eintritt, / Receptaculum seminis, g Ei in demselben, li zweite Tube, i Uterus mit be- fruchteten Eiern, welche Perivitellui ausgeschieden haben, k Uterus mit Embryonen, / Vulva; in der Bauchhnie zahlreiche Papillen. Fiff. 4 : Vulva mit Chitinpfropf. Kopfende. Kopfende eines halberwachsenen Thieres; a Seiten- Fig. 5 Fig. 6 leiste, h Papille, c Excretionsöffiiung. Fig. 7 Fig. 8 Fic^. 9 Männliches Schwanzende von der Bauchseite. Samenkörperchen. Ende des Oesophagus und Anfang des Darms. a Ventilklappen, h Basalstücke, c stützende Längsstäbchen, d Verstärkungsleisten. Fig. 10: Letztere stärker vergrössert. Fig. 11: Ventilklappe isohrt. Fig. 12: Mundöffnung von der Scheitelfläche. Fig. 13: Muskel von der Fläche gesehen, sehr stark ver- grössert, Oel-Immersion. Fig. 14: Einzelne Muskelzelle. Fig. 15: Anfang eines Cirrus. Helminthologische Beobachtungen. 137 Fig. 16: Stützapparat. Fig. 17: Querschnitt durch die Körperwandung. «Seiten- wulst, h Ventralwulst, c Seitenleiste. Fig. 18 — 23: Oxyuris ovocostata. Fig. 18: Männchen von der Seite, a Hoden. Fig. 19: Männliches Schwanzende von der Bauchseite. Fig. 20: Kopfende von der Scheitelfläche. Fig. 21 : Ein Ei. Fig. 22: Gegend des hinteren Oesophagus- und vorderen Darmtheils von der Bauchseite, a Excretionsgefäss, An- schwellung, h Mündung. Fig. 23 — 27 : Distomum vahdum. Fig. 23: Thier in natürlicher Grösse von der Bauchseite. Fig. 24: Querschnitt durch die Gegend des Cirrusbeutels, vergrössert. a Cuticula, h Subcuticula, c Kingmuskeln, d Längsmuskeln, e Muskelschicht, welche den Cirrüs- beutel umgiebt, / Dorsoventralmuskeln, g Diagonal- muskeln, h Darm, i Nerv, k Cirrusbeutel, / Samenblase, m weibhche Geschlechtsröhre, n männliche, o Wasser- oder Excretionsgefäss. Fig. 25: Cuticula von aussen, stark vergrössert. Fig. 26: Querschnitt durch Cuticula und Muskeln; «Cuti- cula, h granulirte Körnerschicht, e Ringmuskeln, cl Längs- muskeln, e Dorsoventralmuskeln, / Diagonalmuskeln, g Nerv, h Gefäss, i elastisch-fibröse Schicht. Fig. 27: Querschnitt durch den Bauchsaugnapf, a Cuti- cula, h elastisch fibröse Schicht, c Aequatorialmuskeln des Saugnapfes, d Radiär- und e Meridionalmuskeln des- selben, / Längsmuskeln des Körpers, g Dorsoventral- muskeln, h Gefäss, i Nerv, k Darm, l männliches, m weib- liches Geschlechtsrohr. Fig. 28 — 29: Distomum spiculator. Fig. 28 : Querschnitt durch den Bauchsaugnapf; a und / Cuticula, h Hautmuskeln, c Bindegewebe, d Nerv, e Darm, g Meridional-, k Radiär-, i Aequatorialfasern des Bauch- saugnapfes, k männliche, / weibliche Geschlechtsröhre. 138 D r. V 0 11 L i n s 1 0 w : Helminthologische Beobachtungen. Fig. 29: Verbindung der weiblichen Gesclileclitsorgane. a reife Eizelle im Ovarium, h dessen Absonderungs- schicht, c Vesicula seminalis inferior, d Schalendrüse,' e Dottergang, / Uterus, Anfang der weiblichen Geschlechts- röhre. Fig. 30 — 33 : Taenia uncinata. Fig. 30 : Cysticercus Taeniae uncinatae mit Anhang, a Em- bryonalhaken, h Blastogen, c Scolex, d Hals oder Körper, e Schwanzblase. Fig. 31 Fig. 32 • Fig. 33 Fig. 34 Scolex der Taenia. Ei, der Embryo mit 4 Haken versehen. Haken. Ei von Taenia Fringillarum mit 7 hakigem Embryo. (Aus dem Königl. zoologischen Museum zu Berlin.) Beiträge zur Kenntniss der Coleopteren- Fauna Koreas, bearbeitet auf Grund der von Herrn Dr. 0. Gottsche während der Jahre 1883 und 1884 in Korea veranstalteten Sammlung; nebst Bemerkungen über die zoogeographischen Verhältnisse dieses Faunengebietes und Untersuchungen über einen Sinnesapparat im Gaumen von Misolanqyidius morio. Von H. J. Kolbe. Hierzu Tafel X, XI. Vom zoogeograpliisclieii Standpunkte aus betrachtet, sehen wir in den Beiträgen aus Korea, die wir Herrn Dr. C. Gottsche verdanken, einen willkommenen Zuwachs für die Wissenschaft nicht nur, sondern auch für die Sammlungen des Königlichen zoologischen Museums in Berlin, dem der genannte Reisende und Gelehrte seine Ausbeute bereitwilligst iiberliess. Bisher waren zoologische Objekte, zumal Coleoptera, aus der selbst jetzt noch wenig erschlossenen Halbinsel Korea in den Museen kaum vor- handen, höchstens vereinzelte Species, die an den Grenzen oder in einem Hafenorte des Landes gelegentlich gesammelt wurden. Herr Dr. C. Gottsche nahm, von Japan kommend, nach einem kurzen Besuche der Hauptstadt Söul im Jahre 1883 im darauffolgenden Jahre einen achtmonatlichen Aufenthalt in Korea und machte während dieser Zeit einige Reisen quer durch das Land von den Gestaden des chinesischen bis zum japanischen Meere, und auch der 140 H. J. Kolbe: Länge nach, von der Südspitze bei 34"^ 20' bis fast zum 41 ^ N. Br. Die nördliche Grenze des Landes reicht bis zum 43 0; die westösthche Ausdehnung umfasst 6 Längengrade, 124V2 bis I3OV2 Ö. L. Y. Gr. Während nach Gottsched) in dem rauhen Norden Koreas die Flüsse vier Monate lang vom Eise bedeckt sind, nimmt das Klima Süd -Koreas eine vermittelnde Stellung zwischen demjenigen Japans und Nord -Chinas ein. Die mittlere Jahrestemperatur in Wladiwostok* unter dem 430 7' N. beträgt 2^, die von Fusan, unter dem 35 ^ 6', Japan gegenüber, 11,8<^. Obgleich in Wladiwostok das hunderttheilige Thermometer im Juli durchschnittlich nur bis 14,3^ steigt, treibt die bedeutendere Wärme in dem mittleren Theile des Landes, z. B. bei Chemulpho unweit Söul den Stand des Quecksilbers während desselben Monats bis auf 24,6^, im August bis auf 25,6^; im Januar zeigt das Thermometer in Wladiwostok — 14,6, in Chemulpho — 4,5^. Die Vegetationsperiode dauert im Mittel nur 51/2 Monate, und der kurze Sommer bringt starke Regen- güsse, die überall grosse Ueberschwemmungen im Gefolge haben. Der orographische Charakter tritt fast in allen Theilen des Landes hervor, die Haupt- und Nebenketten, an die sich überall niedriges Gebirgsland anschliesst, er- reichen eine Höhe von etwa 1600 m. In Folge dessen ist die Zahl der fliessenden Gewässer gross. Laubwaldungen sind spärlich, aber auf königlichen und klösterlichen Liegen- schaften prächtig entwickelt; sonst finden sich in höheren Theilen Nadel- und Birkenwälder, unter 900 m. auch mit Acer, Quercus, Populus, Tilia, Carpinus und Fraxinus untermischt. Die japanische Palme fehlt in Korea, wohl wegen des kurzen Sommers, doch sind zahlreiche Anklänge an die Flora Japans vorhanden. Die vorliegende Collection Coleopteren stammt von ') Dr. C. Gottsche, Land und Leute iu Korea. Vortrag ge- halten am 3. October 1885 vor der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Mit einer Karte. Separatabdruck aus den Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde zu Berhn. 1886. No. 5. Beiträge zur Kenntniss der Coleopteren-Fauna Koreas. 141 verschiedenen Theilen des Landes. Herr Dr. Gottsclie sammelte zuerst bei seinem ersten Aufentbalte in Söul (Seoul) im August 1883, dann im folgenden Jahre auf der Reise von Söul (37 o 35') nach Fusan (35 « 6'), an der Südostküste, vom 12. Juni bis 1. Juli, — auf der Rück- reise von hier nach Söul vom 6. Juli bis 15. August, und zwar über Mokplio (25. Juli) und Hainam auf der Süd- westspitze, — bei einem Aufenthalt in Soul während der letzten Hälfte des August — und auf der grossen nörd- lichen Reise zwischen Söul und Pingan (Phyöngyang) unterm 39^ N., vom 15. September bis 5. October. Die Zeit und die Lokalität oder Reiseroute, auf welcher die Käfer ge- sammelt wurden, sind bei jedem Individuum angegeben. Die Collection umfasst 142 Species, die freilich, trotz der un- günstigen lokalen und klimatischen Verhältnisse des Landes, wohl nur einen kleinen Bruchtheil der gesammten koreanischen Käferfauna bildet, immerhin jedoch, da sie Vertreter aus allen grösseren und mehreren kleineren Familien enthält, ein charakteristisches Bild von der koreanischen Fauna repräsentirt. Benutzt wurde bei Ausarbeitung des koreanischen Coleopterenmaterials die reiche coleopterologische Literatur über die umliegenden Faunengebiete, die, seit einem halben Jahrhundert aufgestapelt, in ihren jüngsten Phasen namentlich Südost- Sibirien und Japan beherrscht. Werth- voll war in mehreren Fällen, z. B. bei Cicindela gemmata (Faldermann), die ältere russische Literatur, wenn es sich um mongolische und nordchinesische Arten handelte, nicht minder auch die neuere russische; die Namen Faldermann und Motschulsky, Solsky undMorawitz sind hier zu nennen. Die neuesten Faunisten, welche über die Coleopteren des Amurgebietes und Japans schrieben, sind gTossentheils Deutsche, v. Harold, v. Heyden, Kraatz, Faust, Reitter, v. Kiesewetter u. a., da- neben Engländer, Bates, Lewis, Sharp, Gorham, Waterhouse, Jacob y u. a., die Belgier Candeze und und Roelofs und der Franzose de Marseul. Da die koreanische Fauna grösstentheils aus japanischen und 142 H. J. Kolbe: amurensischen Elementen besteht, so leuchtet der Werth der diesbezüglichen reichen Literatur ein. Von der weniger reichen Literatur über chinesische Coleopteren wurden nur Schriften von Bates, Fairmaire, Redtenbacher, Faldermann und Olliff benutzt. Ausserdem war das reichlich vorhandene japanische Coleopterenmaterial des Königlichen zoologischen Museums, in dessen Besitz dasselbe durch Hilgendorf, Hiller, Dönitz, Westphal, Gottsche u. a. gelangte, von grossem AVerthe für die Determination der koreanischen Arten, hauptsächlich aus dem Grunde, weil gerade die japanischen Arten des Museums von Baron v. Harold seiner Zeit gründlich durchgearbeitet sind und letzteres theils von ilim selbst, theils durch ihn von anderen Entomologen mit typischen Arten bereichert wurde. Die zoogeograpliischen Yerhältuisse Koreas. Wir finden, dass Korea faunistisch ausserordentlich nahe mit Japan, und mit diesem Inselreich näher als mit China verwandt ist, und dass China sich mit seinen süd- lichen Formen an Korea merklich weniger betheiligt, als das Amurgebiet mit seinen nördlichen. Behufs Feststellung dieser Verhältnisse habe ich durch eine numerische Ver- gleichung der Elemente der koreanischen Fauna mit den umliegenden Faunengebieten folgende Resultate erlangt. Japan ist in Korea mit 77 Species, also mit mehr als der Hälfte der bekannten koreanischen, vertreten; davon leben 42 in China, 25 im Amurgebiet und der Mand- schurei, wovon 1 1 mit China gemeinsam ; 29 sind auf Korea und Japan beschränkt ; 6 leben auch in Lidien, 6 in Europa, und 2 sind cosmopolitisch. China ist mit 44 Species an der Fauna Koreas be- theiligt; davon sind 10 auf diese beiden Länder beschränkt, die meisten übrigen, 80, auch in Japan, indess nur 1 1 und ausserdem noch 1 im Amurland und der Mandschurei ; nur Beiträge zur Kenutniss der Coleoptereu-Fanua Koreas. 143 2 bis Europa (wovon 1 in Japan), aber 7 bis Indien ver- breitet. Unter den 48 in Korea lebenden amur-mand- schuri sehen Arten finden sich 21, die auf Korea, die Mandschurei und das Amurland beschränkt sind; die meisten übrigen, nämlich 25, sind ausserdem in Japan, nur 13 auch in China, ebenfalls 13 in Europa (wovon 6 auch in Japan) und 3 in der indischen Kegion einheimisch. Es ist bemerkenswerth, dass alle bis Indien und den Sunda-Inseln verbreiteten Species Koreas in Japan leben, so dass Korea als Brücke für die indische Invasion nach Japan erscheint. Für 2 dieser Arten, die bis zum Amur verbreitet sind, ist der Zuzug nach Japan auch über Jesso anzunehmen. In folgenden Aufzählungen sind alle diese Verhältnisse specifiziert. 1. Auf Korea und Japan beschränkte Species.^) Cicindela japanensis, Scarites padficus, Harpalus tridens, Ilyhius apiccdis, Platam hus pictipennis, Gyrinus japoniciis, Phühydrus simulans var. Attagenus japonicus, Copris tripartita, „ Ochus, Ontliophagus viduus, „ fodiens, Phyllopertha conspurccda, Ädoretus tenuimaculattis, Anomala Gottschei, Euchlwa cuprea var., Lacon scroptha, Heterotarsiis carinula, Lyp'rops sinensis, Opatrum pidjens var., „ coriaceum, Upis violaceipennis, JLanthochroa Waterhousei, Apodenis nitens, „ Jekelii var., Euynathus distinctus, Monohammus sejimdus, Ciyptocephalus approximatus, Galerucella distincta. 2. Auf Korea und das Amurgebiet incl. Mandschurei, Mongolei und Daurien beschränkte Species. Cicindela gemmata, '^Mordellistena pumila, Dermestes vorax, Mdoe lohatus, Trichius sucdnctus, ^Mylabi'is calida, ^) Diese Species sind demnach hiermit zum ersten Male vom Continent nachgewiesen. 144 H. J. Kolbe: Zonitis polita, Apoderus ruficolUs, „ lomjiceps, Hhynchites rugosus, ^Larinus pollinis, Polyzonus fasciatus, *Clytus plehejus var., *St7'angalia arcuata, Die mit * bezeichneten Agapanthia pilicwnis, *La7nia textor, *Clythra quadripunctata, Temnaspis cyanipennis, Entomoscelis orientalis, Chrysomela quadrangulata, „ cuprariaf Gdleruca Sedakovii. Species auch in Europa, Man ersieht aus diesen beiden Reihen, dass Korea mit Japan mehr pentamere, mit dem Amurgebiet mehr tetramere Arten gemein hat. 3. Auf Korea und China beschränkte Species. Chlaenius lynx, Stenolophus iricölor var., Helota Gorhami, Popilia coerulea, „ indigonacea, CaUynomes ohsoletus, Mdanotus propexus, Strongylium cuUellatum, Lytta cMnensis, Oides decempunctata. 4. Auf Korea, China und Japan beschränkte Species. Cicindela chinensis, Calosoma chinense, Craspedonotus tibialis, Pheropsophus chine^uis, Galerita japonica var., Planetes himaculatus, Chlaenius costiger, „ virgidifer, Harpalus tinctulus, Anoplogenius circiimcinctus, 5. lieber Korea, China, Sibirien verbreitete Species. Chldenkis inops (bis Indien), „ pcdlipes, *DoUchus flavicornis, Harpalus cep>haloteSj ^'^ „ griseus, Leirus nitens, Cybister japonicus, Ips japonia, Serica japonica, Lachnosterna parallela, Phileurus chinensis, Mhomhorhina japonica, Anthracophora rusticola, Episoinus turritus, Sipalus hypocrita, Melanauster chinensis, Cryptocephaliis japanus. Japan, Amurland und z. Th. Glycyphana jucunda, Prionus insularis, Chrysochus chinensis, Epilachna vigintioctopunctata var., Leis Axyridis. Die mit * bezeichneten Species auch in Europa. Beiträge zur Kenntniss der Coleopteren-Pauna Koreas. 145 6. Auf Korea, Nord-China und Amurland beschränkte Species. Callichroma Bungii. 7. Auf Korea, Nord -China, West -Asien und Europa beschränkte Species. Ateuchus sacer var., | Gymnopleurus Mopsus. 8. In Korea, Japan, Amurland (nicht in China) vor- kommende Arten, die theilweise über Sibirien bis nach Europa (*) verbreitet sind. *Tenebrio pieipes, Cicindela laetescripta, Dictya cnbricoUis, *Änisodaetylus sigtmtus, Bei-mestes tessellatocollis, Serica Orient alis, Glycyphana fulvistemma,' 9. Korea und Europa versehenen auch in Japan, und in Sibirien). Diaperis Lewisit, *Leptura atra. Chrysomela aurichalcea, *Lina populi, ^Coccinella quatuoi-decimpunctata . gemeinsame Arten (die mit o mit •}* in China, mit | am Amur of Dolichus flavicornis, 1 Clytus plebejus var., 0 Änisodactylus signatus, Strangdlia arcuata, t Ateuchus sacer var., o| Leptura atra, f Gymnopleurus Mopsus, 1 Lamia textor, o| Tenebrio pieipes. Clythra quadripunctata. Mordellistena pumila, 0] Lina populi, 1 Mylabris calida, o| Cocänella quatuordecim- 1 Larinus pollinis, punctata. 10. Korea und Indien, z. Th. auch den Sunda- Inseln gemeinsame Arten. (Bedeutung der Zeichen wie bei 9.) o t Galeritajaponica,Ysinetä,ten, o-j- Planetes bimaculatus, of j Chlaenius inops, Aphodius lividus var. obso- letus Fbr. o t Sipalus hypocrita. o Donacia aei'aria, ofl Chrysomela exanthemaiica, o f I Epilachna vigintioctopmictata var. (auch auf austral.- papuasischem Gebiet). 11. Cosmopolitische Arten Koreas. Dermestes cadaverinus, Gibbium scotias, Arch. f. Natg. 52. Jahrg. I. Bd. Aphodius lividus Ol. 10 146 H. J. Kolbe: Für die Bestimmung der Grenze zwischen dem chinesisch-koreanisch-japanischem und dem südostsibirischen Grenzgebiet ist die Anzahl der in jedem dieser Gebiete lebenden europäischen Species von Bedeutung. Wenn dies Verhalten auch nicht immer ausschlaggebend ist, in dem vorhegenden Falle sprechen die beiderseitigen Differenzen für die Wichtigkeit einer solchen Abgrenzung. Es ergiebt sich dabei folgende, trotz des geringen bekannten Bruch- theils der koreanischen Arten, bemerkenswerthe Thatsache, dass die europäischen Formen in grosser Zahl zwar noch das Amurgebiet bewohnen, dass* hier aber oder wenig südlich vom Amur die Südgrenze ihrer Generalverbreitung ist. Von der Amui^fauna besitzen war eine ganze Reihe von verschiedenen Verzeichnissen, aus denen schon die be- treffenden Faunisten die europäischen Species besonders hervorgehoben haben. Von 144 Species der Familie Cerambycidae aus Südost-Sibirien (Amur und angrenzende Gebiete) sind nach Kraatz (Deutsche Ent. Zeitschr. 1879) 56 mit Europa, 8 mit Japan, — von 58 Species der Elateridae vom Amur nach demselben Autor (1879) 16 mit Europa und sehr wenige mit Japan, — von 1 1 0 Species der Clavicorn-ia Südost-Sibiriens nach Reitter (Deutsche Ent. Zeitschr. 1879) 52 mit Europa und 13 mit Japan, — von 180 Species der Curculionidae vom Amur nach Faust (Deutsche Ent. Zeitschr. 1882) 57 mit Europa und 23 mit Japan, — von 118 Species vom Amur aus ver- schiedenen Familien 44 mit Europa und 15 mit Japan, — von 26 Species von Wladiwostok (an der Nordgrenze von Korea) nach v. Hey den (Deutsche Ent. Zeitschr. 1884) 7 mit Europa und 4 mit Japan, ■ — von 139 Species aus verschiedenen Famihen von der Insel Askold (bei Wladi- wostok) nach demselben Autor (1. c.) 39 mit Europa und 28 mit Japan gemeinsam. Darnach sind in der Amurfauna mehr als ein Drittel der Species europäisch. Das Ver- hältniss ist immer ähnlich, ob eine beliebige Collection aus verschiedenen Famihen oder eine reichhaltig vertretene ein- zelne Familie darauf untersucht wird. Wie verhält sich dagegen die beliebige Collection von 142 koreanischen Beiträge zur Kenntniss der Coleopteren-Faima Koreas. 147 Species, unter denen sich nur 15 europäische Species, also fast nur ein Zehntel der Gesammtheit, aber 77, also mehr als die Hälfte, japanische Species finden! Die Fauna von Wladiwostok und Askold enthält seiner südlicheren Lage entsprechend schon weniger europäische und mehr japanische Arten als das Amurgebiet. Von den 15 europäischen Species Koreas kommen am Amur 13, in Japan 6, in Nord-China 3, in Süd-China keine einzige Species vor. Die Insel Askold hat mit Korea 12 Species gemein, nämlich : Chlaetiius pallipes, '* Anisodactylus signatus, Dictya ai'ihricöllis, ** Dermestes cadaverinus, „ tessellatocoUis, Trichius succinctus, Glycyphana jucunda var. "^Tenebrio pidpes, Äpoderus Jekelii, ^'Leptura arcuata, Chrysochus chinensis, Leis Äxyridis. Es sind dies dieselben Arten, die auch am Amur leben; die mit * sind in Europa heimisch, mit ** kosmopolitisch. Das Contingent der mit der Insularfauna des japanischen Reichs identischen Arten Koreas ist nach den Familien verschieden. Reich an beiderseits identischen Arten sind die Familien Carabidae, Dytiscidae, Lamelhcornia und Tenebrionidae, — arm an solchen die Familien Elateridae, Curculionidae und Longicornia; es überrascht dabei der Umstand, dass die erster en auf den unteren Entwicklungs- stufen in der Ordnung Coleoptera, die letzteren auf den oberen stehend erachtet werden. Massgebend in dieser Beziehung für die grössere Anzahl der identischen und die geringe Zahl der nicht identischen beiderseits des japanischen Meeres ist die nicht zu verkennende Thatsache, dass die Variations-, also die Artbildungsfähigkeit der Formen in jüngeren Stämmen intensiver ist als in älteren, welche die Periode ihrer Blüthe und reichen Formenentfaltung hinter sich hajben. Die zahlreichen Reptilien des mesozoischen Zeitalters treten im känozoischen und in der Jetztzeit zurück gegen die warmblütigen Wirbelthiere ; und ebenso wie die kaltblütigen Wirbelthiere auch manche Coleopteren- abtheilungen wegen mangelnder Kraft in der Productivität 10* 148 H. J. Kolbe: von Varietäten und reicher Formenbildung gegenüber solchen, welche in der Ordnung Coleoptera jetzt die herrschenden sind. Es giebt halbe Erdtheile, z. B. Nord- und Mitteleuropa, wo die Tenebrioniden einen so unbe- deutenden Antheil an der Zusammensetzung der Fauna haben, dass sie kaum bemerkbar werden; wohingegen die Curculionidae überall reich sind an Gattungen und diese an Arten. Eine directe Folge der blühenden Kraft ist die Productivität, bei in voller Entwicklungskraft stehenden Thierabtheilungen die reiche Variation der zahlreich sich verbreitenden Individuen. In einer ringsum abgeschlossenen Insularfauna muss die Variabilität nothwendig die Bildung neuer Arten im Gefolge haben, die dann von ihren Ver- wandten auf dem nächsten Festland mehr oder weniger verschieden sind, indess die nicht variationsfähigen Arten der Insularfauna mit ihren Blutsverwandten auf dem Festlande, mit denen sie vor der Trennung der Insel von letzterem zusammenlebten, fortdauernd der Art nach identisch bleiben. Faust und Kr a atz haben auch für die Amurfauna dasselbe Kesultat erzielt. Die 58 Species der FamiUe Elateridae sind fast durchweg von denen Japans verschieden^); von 408 Species Carabidae Japans leben indess 150 auf dem Festlande. Ebenso weichen die Cerambyciden der japanischen Inseln von denen des Amur ab*); nur 8 von 144 Species sind beiderseits identisch und allein 20 Genera der Unterfamilie Lamiidae kommen nicht am Amur vor. Bates stellte 1884 23 neue, auf Japan beschränkte Genera der Familie Cerambycidae auf, wozu noch eine Anzahl früher aufgestellter kommt. Indess leben von den 236 japanischen Species dieser Familie nach Bates (1873, 1884) 53 auf dem Continent, 8 in Europa. Von Carabiden zähle ich nur 11 auf Japan beschränkte Genera. Die Carabidae und Heteromera stehen auf einer tieferen Organisationsstufe und sind daher grossentheils weniger variationsfällig und haben nach der Trennung Japans vom 2) Dr. Gr. Kraatz, Deutsche Entom. Zeitschr. 1879. p. 284. ^) Dr. G. Kraatz, ibid. p. 80. Beiträge zur Keuntniss der Coleopteren-Fauna Koreas. 149 Continent weniger Ausbildungsfähigkeit gezeigt. Dabei gilt als selbstverständlicli, dass die obersten Glieder aller Stämme einer Familie, selbst wenn letztere an sich auf einer niedrigen Organisationsstufe steht, variationskräftiger sind als die unteren Glieder, sich also ähnlich verhalten, wie die höchststehenden Familien. Darum sind die zu den oberen Gliedern des Stammes der Carabi gehörigen Genera Damasier und Coptolahrus Japans von ihren Verwandten auf dem Continent verschieden, hingegen die nachweislich niedrigen Formen von Carahus, nämhch tuherculosus und granulatus Japans denen des Continents gleich. Auf einer höheren Stufe stehen die Damasier und Coptolahrus wegen der schwindenden Chätoporen (einem Paar borstentragender Grübchen auf den abdominalen Ventralsegmenten, und zwar je einem beiderseits der Medianlinie), der Differenzirung der Flügeldeckensculptur von der urtypischen Bildung und der vollständigen Consolidirung des Mentum. Niedrig stehen Carahus tuherculosus und granulatus ,' weil das an niedrige Arthropodentypen erinnernde Vorhandensein von Chäto- poren ausnahmslos ist, die Flügeldeckensculptur auf die weniger entfernte Urform der membranösen und gerippten Vorderflügel hinweist, die Hinterflügel zuweilen bei granu- latus noch auftreten und das Mentum bei dieser letzteren Species die deutlichsten Spuren der Bipartition aus dem Zustande des ursprünglich getrennten dritten Maxillenpaares an sich trägt. * * * Es zeigt sich, dass die identischen Species von Korea und Japan zum grössten Theil unscheinbare oder von der Bildfläche mehr zurücktretende sind, z. B. die kleinen Carabiden, Dytisciden, Ipiden, Chrysomeliden, Tenebrio- niden etc. Charakteristisch für das Faunengebiet sind solche Genera, die durch ihre Individuenzahl oder Grösse und ihren Antheil an dem Lebensbilde der Fauna hervor- treten. Es sind dies meist diejenigen Arten, welche nicht zugleich in Japan leben, nämlich Gymnopleurus, Ateuchus, Fopilia, Glycyphanai Callichroma, Polyzonus, Lamiomimus, Ckrysochus, Oides, Und diese sind fast alle echte chinesische 150 H. J. Kolbe: oder mandschurische Formen. In Japan sind diese Gattungen entweder nicht vertreten oder, mit einigen Ausnahmen, in anderen Arten. Unsere Liste der koreanischen Käfer weist 108 Genera auf. Von diesen kommen 11 nicht in Japan vor, nämlich Selenophorus (Carahidae) — Äteuchus, Gymno- pleurus, CaUynomes (Lamellicornia) — Trichodes (Cleridae) — Mylahris (Meloidae) — Polyzonus, Lamia, Moechoiypa-> Lamiomimus (Longicornia) — und Entomoscelis (Chryso- melidae). Diese Genera haben folgende weitere Verbreitung. Selenophorus Nordindien, Kaschmir und sonst in der orientalischen Region, ausserdem in der äthiopischen, neotropischen und nearktischen Region. Äteuchus Central-, Süd-, Westasien, Südeuropa, Afiika. GymnopleuTus ungefähr dieselbe Verbreitung, wie vorige Gattung, nur noch mit Ausläufern nach Central- Europa. CaUynomes Chma, Java, Philippinen. Trichodes Nord-, Central-, Westasien, China, Nord- amerika, Europa, Capland. Mylahris ganz Asien ausser Japan, Europa, Afrika, Chili, Brasihen. Polyzonus Ostsibirien, China, Ostindien, Philippinen, Südafrika. Lamia (1 Sp.) Europa, Sibirien. Moechoiypa Ostindien, Sunda- Inseln (wahrscheinlich noch in China zu entdecken.) Lamiomimus auf Korea beschränkt. Entomoscelis Ost-, Nord-, Westasien, Europa, Nord-, tropisches und Südafrika. Unter den 108 koreanischen Gattungen, von denen eine grosse Anzahl echt paläarktisch ist, z. ß. Dolichus, HarpaluSy Anisodactylus, Amara, Ilyhius, Platamhus, Phyllope7iha, Ano7)iala, ■ Trichius, Ips, MelanotuSy Trichodes, Diaperis, Sirangalia, Leptura, Lamia, Agapanthia, Lina, Gale7'uca^ Galerucella, kommen als chinesisch -indische Gattungen, an denen theilweise auch Japan partizipirt, folgende in Betracht: Helota, Pheropsophus, Galerifa, Beiträge zur Kenntniss der Coleopteren-Fauna Koreas. 151 Flanetes, Euchlora, Popilia, PhüeurnSy Rhomhorhina, Glycyphana^ Cupes, Agonischius, Strongylium, Episomus, Sipalus, Callichromay Melanatister, Moechotypa, Oicles. Von anderen, zumal kosmopolitischen Gattungen er- innern die Korea bewohnenden theilweise gleichfalls an Indien, z. B. einige Arten von Chlaenius. Die koreanischen Arten dieser Gattung sind ein Gemisch von paläarktischen und indisch- orientalischen Formen; rein paläarktisch ist nur pallipes, die 4 übrigen Arten sind bis Südchina, eine bis Siam verbreitet; die nächsten Verwandten leben im tropischen Asien. Der Ap oder US anguUpennis hat am meisten Aehnlichkeit mit A, hihumeratus Jekel in Indien. Wie vorhin dargelegt wurde, besteht mehr als die Hälfte der bis jetzt bekannten Käferarten Koreas aus japanischen Arten. Dieser Reichthum an Formen der grossen Inseln im östlichen Meere könnte glauben machen, dass wir demnächst noch manche japanische Species in ,Korea entdecken werden, vor allen die so interessanten Damaster. In Betreff dieser originellsten Käfer Japans, die wir als Autochthonen dieses Inselreiches betrachten dürfen, glaube ich aber die ganz bestimmte Vermuthung aussprechen zu dürfen, dass Damast er nicht in Korea existiren. Diese Vermuthung begründe ich folgendermassen. Die Damaster -Yorxn.Qn haben sich von Norden her über Jesso nach Süden verbreitet; ich schliesse das aus der körperlichen Organisation. Die nördlichen Formen (rugi- pennis) besitzen die den niedrigeren Typus bezeichnenden Chätoporen, Siuch. Fortunei auf Nipon; die südlichsten Formen Lewisü und blaptoides entbehren derselben. Die nörd- lichen Formen sind kleiner, dabei in der Form mehr wie Carabu's als Damaster gebildet; die südlichste Form blaptoides ist sehr gross und bizarr gestaltet, in allen Körpertheilen differenzirt. Auch ist bei den nördHchen Formen die Spitze der Flügeldecken nicht ausgezogen, wie so auffällig bei den südlichsten Formen. Der auf der 152 H. J. Kolbe: mittleren Insel Nipon lebende D. Fortunei erscheint auch in seiner Organisation als Mittelform zwischen den nörd- lichsten und südlichsten Formen. Die Invasion von damasteroiden Caraben, welche wohl nur niedrig stehende Formen von Coptolahrus waren, kann nur aus dem Amur- gebiet über Jesso stattgefunden haben. 'Im Amurgebiet leben die von den Damastern Jessos in mancher Hinsicht wenig verschiedenen nördlichen Formen von Coptolahrus, nämlich smaragdiniis, longipennis, Schrenckii; Gehin führt eine Varietät von smaragdinus unter dem Namen damaster oides auf, was doch etwas sagen will; ich kenne diese Form nicht. Es ist kein ZufaU, dass die am weitesten nach Süden (China) verbreiteten Coptolahri yori den süd- japanischen Damastern viel verschiedener sind als die des Amur von denen Jessos ; die Tendenz zur Bildung von ausge- zogenen Flügeldeckenspitzen ist indessen bei den südlichsten Formen beider Verbreitungslinien zum Ausdruck gekommen, während die Tendenz bei den nördlichen in beiden Gattungen zu fehlen scheint, sowohl am Amur wie in Japan. Das Vorkommen von Coptolahrus -Yovm.Qn auf Jesso«'') trägt noch mehr zu der Wahrscheinlichkeit bei, dass die ^) Coptoläbrus Gehini Fairmaire 1875 Petit. Nouv. Ent. p. 37: — Gehin Cat. Carab. 1885 PL X. und C. grandis Bates Trausact. Ent. Soc. London 1883 p. 230 PI. XIII f. 3. Beide sollen zusammen einer Art angehören. Indess ist der Gehin'sche Gehini nach der Figur ganz verschieden von dem Bates'- schen grandis. Das in Gehin s Katalog von Haury abgebildete $ hat wegen der verlängerten Körperform und des wie bei Damaster geformten Prothorax mehr Aehnlichkeit mit einem Damaster, das von Bates abgebildete $ im Habitus grosse Aehnlichkeit mit C. Schrenckii. In der Sculptur stimmen Beide im Principe überein ; die- selbe ist dadurch interessant, dass sie in prototypischer AVeise aus (unterbrochenen) Längsrippen, drei auf jeder Flügeldecke, besteht. Obgleich Bates sagt, dass das $ einen breiteren Prothorax besitze, so scheinen doch beide Formen zwei Arten anzugehören, oder es liegt die gewiss nicht weniger bemerkenswerthe Erscheinung vor, dass das eine Geschlecht (,^) zu Damaste)' hinneigt, während das andere ($) auf der Coptolahrus Stwie stehen geblieben, wie ja häufig das (^ in der Organisation vorauseilt, das $ aber auf der tieferen Organisations- stufe zurückbleibt (Lucanidae, Dynastidae). Beiträge zur Kenntniss der Coleopteren-Fauiia Koreas. 153 Damasten von Coptolahrus oder von auf niedriger Stufe stehenden gemeinsamen Urformen abzuleiten sind, die vom Amur her über die nördlichen Inseln Japans sich verbreitet haben, und dass die Damast er erst in Japan Damaster ge- worden sind. Coptolahrus Gehini ist geradezu als Prototyp oder als eine der dem Prototyp nahestehenden Erstlings- formen der combinirten Coptolahrus- und Damaster -'RQ'ihQ aufzufassen. Die noch wenig oder kaum unterbrochenen Rippen der Flügeldecken *') dieser Species bilden sich durch immer weiter gehende Theilung bei den amurensischen und chinesischen Coptolahrus zu immer kräftiger sich gestaltenden Tuberkeln aus, verschwinden hingegen bei den Damastern Japans. Der den Coptolahris nahestehende Damaster rugi- pennis von Jesso deutet schon durch seinen Namen an, dass die Sculptur der Flügeldecken noch nicht bis zu dem Grade ausgeglichen ist, wie bei Fortunei und hlaptoides, also auch aus diesem Grunde noch auf einer tieferen Organisationsstufe steht, als letztere. Die Namensbe- zeichnung ,,rugipennis" ist als eine glückliche Wahl seitens des Autors Motschulsky zu bezeichnen. Man sieht dabei auch hier wieder, wie die sonst so gering angesehene Sculptur eines Körpertheils eine eminente Bedeutung hat, gesetzt dass kein Irrthum vorliegii. Das Geringste in der Organisation der Lebewelt hat seine Bedeutung und meist beachtenswerthe Ursache. Noch einer bemerkenswerthen Kategorie von Organi- sationsbildungen, die begleitet sind von zoogeographisch- phylogenetischen Folgerungen, erlaube ich mir einige Auf- merksamkeit zu schenken. Einzig aus Korea sind Species der Gattung Elater bekannt, welche abwechselnd convexe und flache Interstitien auf den Flügeldecken besitzen (Fig. 20); bei allen übrigen Arten in Japan, Sibirien, Europa und Nordamerika sind diese interstitialen Streifen gleichgebildet und meist flach oder leicht convex. Dass ®) Die Rippen der Flügeldecken sind als direct aus den Rippen der ursprünglichen häutigen Flügel hervorgegangen zu betrachten. 154 H. J. Kolbe: die abwechselnd hochconvexen Interstitiell der Flügeldecken den Hauptrippen der häutigen Flügel homolog sind, habe ich mir kürzlich gestattet, in einer kleinen Schrift^) dar- zulegen. Es ergiebt sich aus dieser Betrachtung, dass die beiden in Korea lebenden Elaiei^-S^ecies gegenüber allen übrigen der Nordhemisphäre auf einer tieferen Stufe der morphologischen Entwicklung stehen geblieben sind. Warum sind sie nicht in derselben Weise, wie alle Verwandten weiter ausgebildet? Fänden wir dieselbe Erscheinung nicht in zahlreichen Gattungen Nordostasiens, dann würden wir sie gewiss wenig beachten. Es ist daher sicher nicht zufällig, dass bei manchen dieses Continentalgebiet be- wohnenden Species einer Reihe von Gattungen die Flügel- decken ähnlich prototypisch gebildet sind, während ihre ausserhalb wohnenden Verwandten eine höhere Ausbildung zeig'en. Einige dieser Gattungen mögen hier herangezogen werden, z. B. Chrysomela. Wir kennen die Arten dieser Gattung als glatte, glänzende, zuweilen auf den Flügel- decken runzlich punktirte oder punktirt-gestreifte Formen. Die Arten mit sogenannten Doppelstreifen sind für unsere Betrachtungen bereits wichtige Formen. In Ostsibirien, z. Th. auch mehr nach Westen zu, heimathen aber Species aus verschiedenen Speciesgruppen von Chrysomela, welche, wie viele Arten der Gattung Carahus in Europa und Sibirien, gerippte Flügeldecken besitzen. Bei Chr.Koicaleicskyi Gebl. befinden sich auf jeder Flügeldecke acht hohe Rippen; bei Chr. ordinata Stev. Spuren von Rippen, nämhch die Zwischenräume, welche auch bei einigen europäischen Arten die bekannten Doppelreihen bilden, sind convex. Bei Chr. suhcostata Mannerh. sind auf jeder Flügeldecke acht Rippen, die bei der nahe verwandten sylvatica Gebl. im Altai sehr schwach sind. Die der in Europa häufigen Chr, staphylaea L. sehr nahe verwandte daurica Gebl. in Ostsibirien und ') H. J. K 0 1 b e , Die Zwischenräume zwischen den Punktstreifen der punktirt-gestieiften Flügeldecken der Coleoptera als rudimentäre Rippen aufgefasst. (Jahresber. d. westfäl. Provinz. -Vereins f. Wissen- schaft u. Kunst. 1«86 p. 57—59 Taf. III Fig. 1—3.) Beiträge zur Kenntniss der Coleopteren-Fauiia Koreas. ]55 Kamtschatka hat rauh skulptirte Flügeldecken mit unregel- mässigen Resten von convexen Längsstreifen, während die genannte Europäerin viel glatter ist und kaum Spuren von convexen Längsstreifen zeigt. In Kamtschatka lebt Boeheri Mannerh. (sulcafa Germ.), die mir unbekannt ist, deren Namen aber schon andeutet, dass die Flügeldecken gerippt sind. Auch giebt es eine suhsulcafa Mannerh. in Alaska. Bei Chr. cavujera Sahlb. und magniceps Sahlb. der Tschuktschenhalbinsel sind die meisten Zwischenräume rippenförmig. Chr. margiiiata L., die Fischer aus der Dschungarei als sulcafa beschreibt, kommt in seltenen Fällen auch in Europa (ob atavistisch?) mit gerippten Flügeldecken vor; das Königl. Berliner Museum besitzt solche Stücke. Oreina sulcafa Gebl. ist mit einigen Varietäten die einzige ihrer Gattung in Sibirien; die var. hasilea Gebl., welche glatte Flügeldecken besitzt, lebt im Altai, die typische sulcata Gebl. und die var. suhsulcata Dej. vom Baikal -See bis Ostsibirien (Irkutsk); die Formen mit gerippten Flügeldecken scheinen seltener vorzukommen, als die mit glatten Flügeldecken {hasilea u. Var.). In Europa sind bei keiner Orema-Form die Flügeldecken gerippt. Ganz ähnlich wie die central- und ostsibirischen Arten von Chrysomela verhalten sich auch ebendort lebende Arten von Nehria. N. cafenulata Gebl. und nitidula F. haben Kettenstreifen auf den Flügeldecken mit Rippen dazwischen. Bei N. aenea Gebl. im Altai etc. sind die Flügeldecken schwächer gerippt und mit Andeutungen von Kettenstreifen versehen. Auch N. Gehleri Esch. in Sitka und metallica Esch. in Unalaschka gehören hierher. Von koreanischen Arten ist noch ein AjyhocUus zu er- wähnen, den ich als subcosfatus (No. 53) beschrieben; und der Philhydrus crenafostriafus, den ich als Varietät des japanischen simulans aufführe, ist mit letzterem, wie mir scheint, die einzige Species mit punktirt gestreiften Flügel- decken; bei allen übrigen Philhydrus- Arten in anderen Erdtheilen fehlen die Punktstreifen. Auch die Gattung Helota gehört in diese Betrachtung; sie ist über China, Korea, Japan und Indien verbreitet. 156 H. J. Kolbe: Alle Arten besitzen den Rippen homologe Kettenstreifen auf den Flügeldecken und stehen in Anlehnung an ihre isolirte Stellung im System auf einer niedrigen Stufe. Sie soUen den Trogositen und Ipiden zunächst verwandt sein, denen selbst Spuren von Rippen völlig fehlen. Die isolirte systematische Stellung und die Rippenbildung stehen in einem inneren Connex, ohne dass letztere durch ersteres Moment primär bedingt ist. Die Entomologen blieben lange im Unklaren über die systematische Stellung von Helota\ die älteren Autoren stellten sie zu den Erotylidae, auch Chapuis im XII. Bande der Genera des Col. ; oder be- trachteten sie als eine Uebergangsstufe von den Languriidae zu den Erotylidae. v. Harold und Reitter^) verwiesen sie in die Nähe der Ipidae und Trogositidae, anscheinend an ihren richtigen Platz, obgleich sie diesen Familien ziemlich fremd erscheint. Wie die isolirte Stellung von Helota für deren hohes Alter und niedrige phylogenetische Stellung spricht, so tritt uns in Cujus, das gleichfalls in Korea vertreten ist, ein noch isolirter stehendes Genus entgegen. Und in dieser Gattung scheinen die Flügeldecken durch die abwechselnd convexen Zwischenräume, die rippenfÖrmig sind, der Ur- bildung noch näher zu stehen. Die Gattung kommt in einzelnen Arten in den meisten zoologischen Regionen vor und besitzt neben Omma u. a. dieselbe systematische Be- deutung, wie Pelohius und Amphizoa, über die noch kürzlich auf der Naturforscherversammlung Dr. Seidlitz^) sprach. Es sind dies Genera, welche aus einer älteren Zeitperiode noch erhalten geblieben sind. An den eigenthümlichen niedrigen Organisationsver- hältnissen Nordostasiens nimmt Korea anscheinend in nicht geringem Maasse Theil. Was sind die Ursachen dieser ^) Edm. Reitter, System. Einth. d. Trogositiden. 1876. Ver- handl. d. natmh. Ver. Brunn p. 6. ^) Dr. G. Seidlitz, Die Genealogie der Dytisciden. (Tage- blatt der 59. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Berlin 1886 p. 338-, Entomol. Nachr. Jahrg. Xn 1886 p. 313). Beitrage zur Kenntniss der Coleopteren-Faima Koreas. 157 Erscheinung, die sich bis nach Norclwestamerika verfolgen lassen? Klimatische Ursachen sind es wohl nicht; denn in Kalifornien und Mexico liegen ähnliche Erscheinungen vor. Auch nicht Hemmungserscheinungen; denn höher organisirte Formen bewohnen dasselbe Gebiet. Wahr- scheinlich ist, dass ein geringerer Einfluss der geologischen Vorgänge in Nordostasien die Erhaltung älterer Formen begünstigt hat, wie auch in KaUfornien, während diese anderswo zu Grunde gingen. Das ist in Europa und Nord- amerika genugsam beobachtet, sowohl bei Pflanzen wie bei Thieren. Am Ende der Tertiärperiode in Europa ver- schwundene Arten lebten in Nordamerika noch während der Quartärperiode, z. B. Ma-^fodon, Hipparion, während das in Europa im Tertiär vorkommende Taxodium distfchum als Sumpfcypresse noch jetzt im südlichen Nordamerika und Mexico existirt. In Kalifornien und den angrenzenden Landschaften leben eine Menge Gattungen, die sowohl auf einer sehr niedrigen Organisationsstufe stehen und auch nur auf diese Gebiete beschränkt sind. Wenn in Kalifornien die geologischen Ereignisse der Urzeit nicht die Dimensionen besassen, wie in anderen Erdregionen, so dürfte die Er- haltung jener isolirten Genera dieser Aufbewahrungsweise zuzuschreiben sein. Von Korea sagt Dr. Gottsched*'), dass sich an dem geologischen Aufbaue des Landes in erster Linie Urgesteine, z. B. Granit, Gneiss und krystallinische Schiefer betheiligen, welche vielfach von älteren Eruptiv- gesteinen durchbrochen werden; dass aber paläozoische Ablagerungen nur untergeordnet auftreten und jüngere Sedimente fast gänzlich fehlen. Ein tertiärer Küstensaum ist nur an wenigen Punkten vorhanden. *") Dr. C. Gottsche 1. c. p. 10. 158 H. J. Kolbe Der Sinnesapparat im Gaumen von Misolanipiditis morio Kolbe. Taf.X, Fig. 1 — 10 a. Diese Art bot im Laufe der behufs Feststellung der systematischen Stellung an ihr vorgenommenen morpho- logischen Untersuchungen Gelegenheit, einige weitere ana- tomische Verhältnisse festzustellen. Dieselben beziehen sich auf die Gaumenhaut (Gaumensegel, Dr. Wolffj, welche die obere Decke der Mundhöhle einnimmt und sich vorn direct an die Oberlippe anschliesst und oft die letztere theilweise noch bedeckt. Da die folgenden Darlegungen einen generellen Charakter tragen, so sind sie in den allgemeinen Theil aufgenommen. Es werden diese Organe einer ver- hältnissmässig geringen Aufmerksamkeit gewürdigt und noch weniger dem wissenschaftlichen Publikum bildlich vor- geführt. Gerade gegenwärtig ist es aber von Interesse, diesen Gegenstand ins Auge zu fassen, als die Wolff'sche Theorie i^), wonach der Geruchssinn der Insekten an der zarten Gaumenhaut lokalisirt sei, von dem Dr. Kräpelin energisch angegriffen worden ist. Der letztere Gelehrte verlegt den Geruchssinn in die Antennen. Die aus zwei Hälften (Fig. Ihh) bestehende, durch den Processus nasiformis (n) getrennte Gaumenhaut ist vorn vermittelst eines chitinösen Rahmens (/■) mit der Oberlippe (labrum /) verbunden. Jede Hälfte der Gaumenhaut er- scheint über das rahmenförmige Gerüst r ausgespannt. Dieses Gerüst besteht aus einem langen, die Längsseite der Gaumenhaut tragenden und continuiiiich mit dem Vorderbalken zusammenhängenden äusseren Seitenbalken und einem kurzen, ebenfalls mit dem kurzen vorderen continuirlich verbundenen inneren Seitenbalken. In Wirk- ") Dr. 0. J. B. Wolff, Das Riechorgan der Biene. 8 Taf. Nova Acta d. Kais. Leop.-Carol. Akad. d. Naturforscher. Bd. XXXVIII. 1875 p. 1—251. Beiträge zur Kenntniss der Coleopteren-Fauna Koreas. I59 lichkeit sind diese Rahmenbalken nur die stark chitinisirten marginalen Verdickungen der Gaumenhaut selbst, da letztere bei starker Vergrösserung in engstem Zusammenhange mit den Balken erscheint. Der Processus nasiformis n in Fig. 1 ist vorn gabel- förmig, und zwar haben die Zinken a a mit den Zinken h h in Verbindung gestanden und sind nur durch den Druck bei der Präparation unter dem Deckglas in Kanadabalsam auseinander getrieben und zerbrochen. Im Innern des durch die Zinken gebildeten Raumes an der Basis der Gaumen- haut ist gegen das Innere des Clypealtheiles des Kopfes eine grubenartige Vertiefung. Diese Vertiefung ist dicht behaart, und ebenso gehen unter dichter Behaarung die beiden Zinken durch ihre Vereinigung in das beinartige hintere Stück des Processus nasiformis (Fig. 8/^) über, der in der hinteren Hälfte kahl ist. Der vordere Theil der Chitingabel auf der Unterseite des Labrum steht von der Fläche ab, der Stiel jedoch liegt der letzteren nahe an und geht schliesslich in die Materie des Labrum über. Die zarte Gaumenhaut (Fig. lliJi) ist in der vorderen Hälfte, namentHch in der Nähe des Proc. nasiformis mit kleinen runden, convex erscheinenden papillen artigen Gebilden besät. Verglichen mit WolfPs Figuren von der Gaumenhaut der Bienen zeigen sie insoweit keinen Unter- schied; aber bei den Bienen und anscheinend bei den meisten Hymenopteren liegen sie auf der hinteren Hälfte des Gaumensegels, welche bei dem vorliegenden Coleopteron ganz frei von denselben ist. Jederseits des Proc. nasi- formis befinden sich bei Misolampidius morio 70, bei der Arbeitsbiene 110 Stück dieser Gebilde. Figur 2 zeigt einen Theil der vorderen Hälfte der Gaumenhaut vergrössert. Bei höherer Einstellung des Tubus erscheinen die papillen- artigen Gebilde als einfache glashelle kreisrunde Papillen (Fig. 2 a), bei tieferer Einstellung kommt ein innerer conzentrischer kräftiger Ring zum Vorschein (Fig. 4), bei noch tieferer Einstellung verbreitert sich dieser Ring nach innen zu, bis nur ein kleiner Mittelpunkt übrig bleibt (Fig. 5). Dies veranlasst uns, sie mit den Gebilden zu 160 H. J. Kolbe : vergleichen, die Kräpelin in den Abbildungen von den Papillengruben auf den Antennen von Orthopteren (Steno- bothrus) mittheilt. 12) Die Aehnlichkeit zwischen den Ge- bilden derGaumenhaut und denen der Antennen ist auffallend. In der Fig. 3 auf Taf. X geben wir nach Kräpelin einen Längsschnitt durch die Antennengruben von Ste7iobothrus. a ist die Grube; auf deren Grunde erhebt sich die Kuppel- membran, der eine Borste (c) aufgepflanzt ist. Die Kuppelmembran sitzt einem weiten Porenkanale (h) auf; die Borste ist die anscheinend mit chitinöser Umhüllung versehene Endigung eines Nerven, der als Achsenstrang den Porenkanal durchzieht und mit Epithelzellen dicht um- schlossen ist, die den Porenkanal auskleiden. Die dem Anscheine nach papillenartigen Gebilde auf der Gaumenhaut des Misolampidins sind daher in Wirk- lichkeit Gruben, und die als eine Kuppelmembran er- scheinenden Gebilde befinden sich auf dem Grunde der Gruben. Hauser^^) nennt die ähnlichen Gebilde an den Antennen „Gruben mit Papillen" zum Unterschiede von einfachen Gruben. Auf der Gaumenhaut von Misolampidius sind alle Gruben Papillengruben. Alle aber scheinen nicht eine kurze Borste zu tragen; Spuren derselben in Gestalt eines Pünktchens (nämHch bei dem Auge gerade entgegen- stehenden Objekten) sind selbst bei starker Vergrösserung nur in einigen Gruben zu sehen. Es ist möglich, dass der die Kuppelmembran etwa überragende Nerv bei dem trocknen und wieder aufgeweichten Objekte verschrumpft ist. Auch in dieser Hinsicht unterscheiden sich die Papillen- gruben des Misolampidius von den anscheinend analogen Organen der Hymenopteren. Nach Dr. Wolff bestehen die Papillen auf der Gaumenhaut von Apis aus einem *') Dr. Karl Kräpelin, Ueber die Geruchsorgane der Glieder- thiere. Eine historisch -kritische Studie. 3 Taf. — Sep. aus dem Osterprogamm der Realschule des Johanneums. Hamburg 1883. Taf. II Fig. 16 b und c. ") Haus er, Physiologische und histiologische Untersuchungen über das Geruchsorgan der Insekten. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, Bd. 34. 1880 p. 367—403. Beiträge zur Kenntniss der Coleopteren-Fauna Koreas. 161 braunen, festen, wallartig erhabenen Chitinringelcben, das in der Tiefe ein kreisrundes, vollkommen durchsichtiges Häutchen umschliesst. Diese Gebilde bezeichnet Wolff als Riechbecken und das aus der Mitte eines jeden der Riechbecken sich erhebende Haar als Riechhärchen. Der zu jedem Härchen herantretende Nerv bildet kurz vor dem Eintritt in dasselbe eine doppelte gangiiöse Anschwellung. Im Uebrigen ist die Gaumenhaut unbehaart. Bei Miso- lampidius hingegen ist die Gaumenhaut mit zahlreichen, zwischen den Papillengruben zerstreut sitzenden, äusserst feinen und kurzen Härchen besetzt (Fig. 2), die dem Kerne je einer sehr kleinen Membranzelle entspringen (Fig. 7). Diese Härchen bedecken nicht nur die Membran in der Gegend der Papillengruben, sondern nehmen einen grösseren Raum ein, auch nach dem Aussenrande hin; doch finden sie sich nicht überall auf dem hinteren Theile der Gaumenhaut, wo z. Th. nur einfache, nämhch haarlose Membranzellen (Fig. 6), bei starker Vergrösserung er- kennbar sind. Die Haarzellen sind viel kleiner als die haarlosen Membranzellen, so dass man den Eindruck ge- winnt, als ob die Materie dieser Zellen sich auf Kosten des Haares verringert habe. Nach Leydig^'*) ist „das cuticulare Haar in seiner ersten Anlage die Abscheidung eines zelligen Elementes des Panzers; ein fadiger Fortsatz des Zellkörpers kann sich durch den Porenkanal hindurch bis ins Innere des Haares erheben, ja dort bleibend er- halten." Der Durchmesser der Papillengruben ist etwa doppelt so gross als der der haarlosen Membranzellen. Eine kleine Anzahl von Papillengruben, welche denen auf den Seiten- flächen nicht ganz gleich zu sein scheinen, befindet sich beiderseits neben dem Endtheil des Processus nasiformis (Fig. 8), und zwar an der rechten Seite zehn, an der linken neun Stück. Beiderseits bilden längere feine seiden- artige Haare mehrere Schöpfe, an deren Basis die letzt- ") Leydig, Die Hautsinnesorgane der Arthropoden. Zoolog Anzeiger 1886 p. 284—308. Arch. f. Natg. 52. Jahrg. I. ßd. n 162 H. J. Kolbe: erwähnten Papillengruben sich befinden, ohne jedoch in einem primären Verhältniss zu denselben zu stehen. Viel- mehr scheinen diese Papillengruben eine mittlere Borste überhaupt nicht zu besitzen. Den Papillengruben der Gaumenhaut ganz ähnliche Gebilde befinden sich auch am Ende des letzten Maxillar- palpengliedes, und zwar auf der zartchitinösen apicalen Hautfläche desselben (Fig. 9); es sind ihrer nur wenige, in Figur 10 ist eine solche Papillengrube bei stärkerer Vergrösserung dargestellt. Man erkennt die gi-osse Aehn- lichkeit mit denen der Gaumenhaut. Neben den Papillen- gruben befinden sich zalüreichere borstentragende Kegel, welche als Tastborsten bezeichnet werden; die Borsten sind von verschiedener Länge. In Figur 10« ist eine solche bei stärkerer Vergrösserung dargestellt ; man sieht innerhalb des Kegels den Nerv, der nach aussen tretend von einer zarten Chitinhaut umgeben ist und als Borste erscheint. Papillengruben neben Tastborsten an den Palpen von Coleopteren wurden von Hauser 1. c. bei Callidium, Monohaminus etc. und von Kräpelin bei Strang alia nach- gewiesen. Die Aehnlichkeit der Papillengruben an dem Gaumen und den Antennen deutet ^delleicht nicht auf ähnliche Funktionen. Wenn die des Gaumens keine Geruchsorgane sind (Kräpelin contra Wolff), so ist die WahrscheinHchkeit gross, dass es Geschmacksorgane seien. Daher ist die Aehnlichkeit der so verschieden lokalisirten Papillengruben zu erklären; denn der Geruchs- und der Geschmackssinn haben mindestens miteinander eine nahe Verwandtschaft. Betreffs der Wahrscheinlichkeit, dass die Papillengruben der Gaumenhaut Geschmacksorgane seien, ist die Lage derselben vorn und beiderseits der Medianlinie beachtens- werth. Die damit auch gegebene Lage vorn in der Median- linie des Mandibelnpaares, welches vom Gaumen direkt bedeckt wird, scheint vde bestimmt dazu, dass die mit den Mandibeln erfasste Speise in unmittelbare Berührung mit dem vorderen Abschnitte der Gaumenhaut tirtt. Für die Coleopteren ist es nicht anzunehmen, dass das Geschmacks- Beiträge zur Kenntniss der Coleopteren-Fauna Koreas. 163 organ sich an der Zungenwiirzel befindet, wie es Dr. Wolff bei den Bienen beschreibt; denn die Speise gelangt erst an diesen hinteren Theil des Mundes, nachdem schon die Mandibeln und Maxillen die Zerkleinerung der Speise be- sorgt haben. Familie Carabidae. 1. Cicindela chinensis de Geer, Var. japonica Thunberg, Nova Sp. Ins. Diss. p. 25 t. 1. f. 39. Diese bisher nur aus Japan bekannte und daselbst auf allen Inseln gemeine Form liegt in einem Stück vor; Prothorax, die Naht und die vordere Binde der Flügel- decken sind kupferroth. Ueber China, und zwar von Hongkong bis Yang-tsze (Bates), ist nur die bläulichgrüne Form verbreitet, welche als Stammart gilt. Es ist daher bemerkenswerth , dass die japanische Form auch auf dem Continent lebt. Fusan-Söul 6. 7. — 15. 8. 84. 2. Cicindela laetescripta Motschulsky, Schrenck's Reise im Amurlande. II. Coleoptera 1860. p. 88. t.6. f. 19 — Bates Trans. Ent. Soc. London 1873 p. 227. Nach den Stücken der Königl. Sammlung (Amur) und der Motschulsky'schen Beschreibung „Elongato-subovata, vix convexa, punctata, nigro-aenea, femoribus elytrisque subviridibus , his margine omnino, lunula media hamata apice dilatata maculisque duabus oblongis, antice ad suturum albis ; ore, palpis, labro, mandibulis basi tibiisque testaceis, antennis tarsisque fusco - annulatis ; labro unidentato; an- tennis longissimis, articulo tertio ultimo duplo longiore; unguiculis elongatis" determinirt. Es liegen von Korea mehrere Stücke vor, deren Länge von 13 bis 17 mm variirt. Motschulsky giebt bei den Amur -Exemplaren 5 lin. an; doch sind die vom Amur und aus Schaum 's Sammlung stammenden Stücke des Königl. Museums I2V2 bis 14 V2 nim lang. In Japan ist die Art nach Bates 7 — 8 lin. lang. 11* 164 H. J. Kolbe: Wie schon die sancLgelbe und bräunliclie Färbung des Körpers glaublich macht, lebt die Art an sandigen Ufern. Sie wurde an verschiedenen Orten im Amurgebiet an Fluss- ufern und an ähnlichen Lokalitäten in Japan bei Kawachi gesammelt. Herr Dr. Gottsche beobachtete sie in Korea in grosser Anzahl auf Sandflächen an Flussufern, sowohl bei Söul im August 1884, als auch auf der Reise von Fusan nach der Hauptstadt, namentlich bei Hatong und Okkwa (S. Chöllado),-6. 7. — 15. 8. 84. Ihr Flug ist rapide. 3. Cicindela gemmaia Faldermann, Mem. de l'Acad. St. Petersbourg T. H 1835; Sep.p.l4. t.3. f.l. „Elongata, supra obscure aenea, opaca; elytris punctis duobus lunula apicali angusta, fasciaque media abbreviata sinuata albis. Labro flavo, subtiliter nigromarginato. Thorax latitudine paulum longior, apice posticeque truncatus, basi subbisinuatus, lateribus rectis, postice vix angustior, supra obscure aeneus, opacus, disco modice convexus. Elytra thorace duplo latiora, valde elongata, postice parum dilatata, apice rotundata, obscure aenea, opaca, crebre granulata, punctis vel gemmis viridibus detritis interjectis; in ipso humero et pone humerum punctum aliud rotundatum album : in medio fascia alba abbreviata, lata, sinuata, nee marginem nee suturam attingente, et in apice lunula angusta alba antice in punctum magnum rotundatum desinens; etc." Vaterland: Nord-China. Hierzu Taf XI Fig. 21. Diese vor mehr als fünfzig Jahren beschriebene, aber seitdem unbekannt gebliebene und wegen einer entfernten Aehnlichkeit mit C. sylvatica L. von den wenigen Ento- mologen, welche sich mit ihr, meist ohne sie zu kennen, beschäftigt haben, fast immer verkannte Species liegt aus Korea in einem weiblichen und aus dem Amurgebiet in zweien einer abweichenden Form angehörenden Stücken männhchen und weiblichen Geschlechts vor. Faldermann hatte bei der Beschreibung das einzige Exemplar des Petersburger Museums zur Verfügung; doch ist selbiges aus diesem Museum verschwunden, wie 1863 Morawitz (Memoirs de l'Aad. Imper. d. Sciences de St. Petersbourg. Beiträge zur Kenntniss der Coleopteren-Faiina Koreas, 165 Serie VII. Tom. VI. — Sep. Käferfauna d. Insel Jesso p. 6) mittheilt: an der Stelle der wirklichen gemmata be- findet sich daselbst ein Exemplar der C. sylvatica. Mot- schulsky hat seiner Zeit anscheinend die typische gemmata im Petersburger Museum selbst gesehen, wie aus seinen Worten (Meni. Acad. Imper. Sc. de St. Petersbourg. Tom. V. 1844 — Insect. d. 1. Siberie, p. 34), bei Gelegenheit der Vergieichung mit Burmeisteri Fischer, hervorgeht: La C. gemmata se distingue facilement de Tespece qui nous occupe (Burmeisteri Fisch.) par une granulation beaucoup plus prononcee, qui donne ä la surface du corps une aspect terne et par la lunule blanche de Textremite des el^'tres qui n'est representee chez la granulata {^==^ Burmeisteri)^ que par un point rond pres du bord lateral. Während Schaum (Stett. Ent. Zeit. 1857 p. 349) nicht umhin kann, zu vermuthen, dass die gemmata zu sylvatica in noch näherer Beziehung stehe als fasciato- 2)unctata, und zu bedauern, dass man bei dieser Gelegenlieit (eine Chaudoir'sche Abhandlung über Cicindeliden) nichts über C. gemmata Fald. aus der Mongolei erfahre, die nur den russischen Entomologen aus eigener Anschauung be- kannt sei, — klagt Morawitz 1860 1. c. darüber, dass diese Species neuerdings verkannt werde. Weder Chaudoir noch Mot schul sky thun in ihren Schriften der gemmata Erwähnung, soweit ich finde; nur der letztere Autor an dem angeführten Orte. Aus einer von C. A. Dohrn kürzlich publicierten Mittheilung (Stett. Ent. Zeit. 1886 p. 287) geht hervor, dass auch ihm die Art unbekannt geblieben ist, doch tritt er für die Artrechte derselben ein. Im Catalogus Coleopterorum von Gemminger und V. Harold, soAvie in dem Kataloge der sibirischen Käfer von L. V. Heyden ist die gemmata aus Unkenntniss und nach Schaum 's Vorgang als Varietät von sylvatica auf- geführt. Die Faldermann'sche Beschreibung und Abbildung passen ganz gut, z. Th. vollkommen auf das koreanische Exemplar. Doch ist der Prothorax nicht ganz so lang, wie die Charakteristik fordert; er ist zwar um ein Drittel 166 H. J. Kolbe: länger als bei sylvatica, aber nicht ganz, jedoch fast so lang als breit; nämlich 32/5 nun lang und 3 2/3 mm breit. Nach Faldermann soll er etwas länger als breit sein. Doch hielt schon Morawitz 1. c. die Charakterisirung ,,thorax latitudine paulo longior" für eine gewiss übertriebene Angabe. Die grünen Grübchen (? Gemmen) „puncta vel gemmae viridia detrita interjecta" auf den Flügeldecken entsprechen bei den wohlerhaltenen Stücken aus dem Amur- gebiet der Beschreibung ausgezeichnet und können auf keine andere bekannte Art bezogen werden, doch sind sie bei dem schadhaften koreanischen Exemplar sehr undeutlich. In Betreff ihres Verhältnisses zu C. sylvatica ist es beachtenswerth, dass Faldermann davon nichts schreibt, auch Motschulsky schien der Gedanke von einer nahen Zusammengehörigkeit beider Arten fern zu liegen. In der That sind beide Arten von einander sehr verschieden. Zuerst ist es das gelbe und viel kürzere Labrum, wodurch gemmata vor sylvatica ausgezeichnet ist, während das viel längere und zugespitzte, dabei ganz schwarze Labrum einer der ausgezeichnetsten Charaktere der letzteren Art ist. Ferner ist der Prothorax der gemmata länger und ober- seits flacher, die Flügeldecken sind hinten breiter. Die Antennen sind länger. Die Grübchen der Flügeldecken sind kleiner und schön goldgrün umrandet ; die übrige Sculptur ist feiner, gleichmässiger, aus zahlreichen feinen Graneln und Punktgrübchen bestehend, nicht aus zahlreichen grösseren dunklen Gruben, feinen Runzeln und zwischengestreuten Graneln, me bei sylvatica. Die Mittelbinde der Flügel- decken ist ähnlich wie bei manchen Stücken von fasciato- jyanctata, aber schmäler, feiner und von der Naht und dem Seitenrande mehr abstehend. Schliesslich ist noch ein apicaler gelber Streif auf den Flügeldecken vorhanden, der der sylvatica und fasciatopunctata fehlt. C. japonica Guer. ist es, mit welcher gemmata am nächsten verwandt ist. Schon Morawitz er^N^ähnt diese Art 1. c, da sie in dieser Abtheilung den längsten Prothorax hat. Letzterer ist bei gemmata ungefähr ebenso lang, aber mehr parallelseitig ($), hinten nicht, wie bei japoiiica, so Beiträge zur Kenntniss der Coleopteren-Famia Koreas. 167 merklich verschmälert, beim cJ hinten ein wenig schmäler als vorn. Bei japonica ist er in beiden Geschlechtern hinten viel schmäler. Die Kissen auf dem Pronotum sind mehr flachgedrückt, bei sylvatica mehr convex. Die Flügeldecken sind beim S ziemlich schmal, hinter der Mitte wenig, beim $ merklich breiter. Die deutliche Wölbung der Flügel- decken ist ungleichmässig ; bei japonica sind die letzteren fast flach und eben. Die sogenannten Gemmen sind flache Gruben mit einem am Vorderrande der letzteren stehenden und eine nach hinten gerichtete Borste tragenden Körnchen. Diese Gruben sind kleiner als bei japonica und Nihozana, aber grösser als die zahlreichen Ideinen, ebenfalls von einem Körnchen beherrschten Grübchen, welche, wie bei diesen und anderen Arten über die ganze Flügeldecke zerstreut sind und ziemlich dicht stehen. Auch bei C. sylvicola sind diese kleinen zahlreichen Grübchen, aber keine grössere, und die den grösseren Grübchen, von gemmafa, japonica etc. entsprechenden kleinen Grübchen ebenfalls mit einer Borste versehen. Darnach gehört sylvicola nicht zu der Species- gruppe, welche von gemmata, japonica^ sylvatica und Nihozana zusammengesetzt ist. Bei gemmata sind die grossen Grübchen von einem hellgrün- und rothgoldenen Einge umgeben, der den übrigen Arten abgeht, bei denen diese Gruben einfach dunkelblau oder schwarz sind und direkt von der matten Grundfärbung der Flügeldecken be- grenzt werden. Bei gemmata sind diese Gruben ebenso oder ähnlich wie bei den anderen Arten zu einer unregel- mässigen, nicht weit von der Nahtlinie abstehenden Längs- reihe angeordnet; ausserdem befindet sich eine kurze basale Eeihe in der Nähe der Schultern. Die zahlreichen kleinen Grübchen sind kleiner als bei japonica und Nihozana, die Graneln stehen weniger dicht, sind aber ein wenig grösser, mehr ausgebildet, abgerundet und deutlicher. Dass hier nur ein räumlicher Wechsel der Materie stattgefunden, liegt auf der Hand; das Volumen der Graneln entspricht dem Eaume der Grübchen. Bei sylvatica sind die Gruben sowohl wie die Grübchen viel grösser als bei den übrigen Arten. 168 H. J. Kolbe: Die Zeichnung der Flügeldecken entspricht der der Nihozana, doch befindet sich noch ein weisser Streif an der Spitze, der dieser Art fehlt. Das Vorhandensein dieses Streifs unterscheidet gemmata auch von sylvatica und nähert sie dem Verhältniss bei hyhrida^ riparia und sylvicola. Bei japonica ist derselbe Streif nur zuweilen vorhanden. Die Tarsen sind, wie bei Nihozana und syhatica, kürzer als bei japonica^ die überhaupt durch längere Beine sich auszeichnet ; dementsprechend sind auch die erweiterten Glieder der Vordertarsen des Männchens kürzer. Der dreieckige Ausschnitt am Hinterrande des sechsten Ventralsegments des Männchens ist tiefer und breiter als bei japonica und sylvatica, bei letzterer Art bekanntlich sehr klein. Der Eindruck in der Mitte des Hinterrandes des sechsten Ventralsegments des Weibchens ist ebenfalls tiefer und bei dem koreanischen Stück bis fast an die Basis reichend, bei dem Amurweibchen die Mitte des Segment« flachgedrückt und an der Seite rundhch kantig; der Ein- druck ist weniger tief und erscheint ungleichmässig. Bei den übrigen genannten Arten ist überhaupt nur ein ein- facher und kleiner hinterer Eindruck vorhanden. Das Labrum erscheint genau so wie bei japonica und ist viel kürzer als bei Nihozana, wo es ebenso vorgezogen ist, wie bei sylvatica, nur der in eine Spitze auslaufende Längsstiel fehlt und die Färbung ist beingelb, ßyhatica nähert sich auch in der Bildung des Prothorax am meisten der Nihozana, während gemmata bei japoiiica steht. Beschreibung der gemmata. Färbung der ganzen Oberseite matt dunkelbraun, die Zeichnungen der Flügel- decken weissgelb; eine unregelmässige, von der Naht ab- gerückte Längsreihe von etwa fünfundzwanzig grünen, gemmenartigen Fleckchen, welche unter dem Mikroskop als Grübchen mit goldgrüner und kupferfarbener Umrandung erscheinen, hebt sich deutlich vom dunlden Grunde ab. Der kleine Humeral- und der längliche Posthumeralfleck sind getrennt, genau wie bei japonica; die mittlere Quer- binde ist ähnlich wie bei hyhrida oder fasciatojmnctata, nui' schmäler, kleiner, aussen abgekürzt, der innere Haken ein Beiträge zur Kemitniss der Coleopteren-Fauna Koreas. 169 wenig nach hinten gerückt, beim <^ mehr, beim $ wenig; der anteapicale Mondfleck schickt einen den Apicah-and theilweise einnehmenden Streif aus, der von dem runden Mondfleck losgetrennt ist. Das Labrum ist quer, etwa dreimal so breit als lang, gelb, mit schmalem schwärzlichen Rande, vorn in der Mitte kaum vorgezogen, in der Mitte des Vorderrandes mit einem kurzen spitzen Zähnchen und daneben jederseits mit einer kleinen Ausbuchtung. Stirn niedergedrückt, tiefer als bei japonica, mit einzelnen Börstchen bekleidet, beiderseits neben den Augen bis fast zur Mitte längsstreifig. Prothorax länglich, wenig kürzer als breit, fast quadratisch, nach hinten schwach (S) oder kaum (?) verengt ; Vorderrand schwach vorgezogen, Hinter- rand beiderseits kaum merklich ausgerandet, in der Mitte mit sehr kurzem Vorsprunge vor dem Scutellum. Die Ein- drücke des Pronotum sind die gewöhnlichen, aber die Kissen beiderseits der Mittellinie sind wenig convex. Die Flügel- decken sind gestreckt, hinter der Mitte beim (S wenig er- weitert, beim ? deutlicher. Die Unterseite ist glänzendblau, die Brusttheile grün. Seiten derselben dunkelpurpurn. Beine purpurglänzend, Tarsen blaugrün, Schenkel und Schienen unterseits grösstentheils metalhschgrün. Beim Männchen ist das vorletzte Lippentasterglied gelb, nicht metallisch, beim Weibchen die ganzen Taster dunkel- metallfarbig. Da bei diesem 5 auch der Innenhaken der Flügeldeckenbinde mehr nach hinten gerückt ist, so gehört dasselbe vielleicht einer Varietät an. Bei aller Aehnlichkeit haben die beiden Stücke vom Amur mehrfache Unterschiede gegenüber dem koreanischen, der Prothorax ist ein wenig kürzer, die Flügeldecken sind weniger gestreckt, die Zeichnung im Einzelnen etwas anders, die Augen weniger vorstehend und der Eindruck auf dem letzten Abdominalsegment des $ verschieden. Doch mögen diese Abweichungen nur einer Variabilität zuzuschreiben sein. Das koreanische Exemplar wurde von Herrn Dr. Gottsche auf der Reise von Söul nach Fusan im Juni 1884 erbeutet und ist 18 mm lang; die beiden Stücke aus dem Amur- 170 H. J. Kolbe: gebiet erhielt das Museum von dem Naturalienhändler Herrn Putze in Hamburg, das 3 ist 14, das $ 16 mm lang. 4. Cicindela japanensis Cbaudoir, Bull. Soc. Naturalistes de Moscou 1863 p. 2. Wenig von C. hyhrida L. verschieden, kleiner. Die Mehrzahl der koreanischen Exemplare unterscheidet sich von der japanischen Art durch die an maritima er- innernde hakenförmige Mittelbinde der Flügeldecken, wo- durch eine AehnUchkeit mit C. sjyinigera Eschsch. in Kamtschatka geschaffen ist. Der Mondfleck an den Schultern ist meist ganz ; die Flügeldecken etwas glänzend, die Ränder derselben, sowie des Prothorax mehr metallisch. Diese Varietät mag als hamifasciata bezeichnet werden. Sie wurde zahlreich zwischen Söul und Pingan im September 1884 gefunden. Ein auf der Reise von Söul nach Fusan (Juni 1884) erbeutetes Stück stimmt mit der japanischen Form überein. 5. Calosoma cJdnense Kirby, Trans. Linn. Soc. XH 1818 p. 379 — Dejean, Spec. gen. V. 1831 p. 563. 1 (? bei Söul im August 1884 erbeutet. Verglichen mit Dejean's Beschreibung, welche sich nur auf ein weibKches Stück bezieht. Das vorliegende Männchen unterscheidet sich von dem nahe verwandten C.auropiuiciatum Pk. Dj. S mehrfach. Der Körper ist kupferfarbig, schmäler und verhältnissmässig länger; der Kopf Meiner, der Pro- thorax schmäler, nach hinten zu mehr verengt; die Flügel- decken parallelseitig, die Skulptur derselben etwas rauher, die kupferglänzenden Grübchen etwas grösser. Die An- tennen sind merklich länger. Auch in Japan (Yesso) zu Hause: vergl. Bat es, Trans. Eni Soc. Lond. 1883 p. 232. 6. Scarites pacz/zctzs Bates, Trans. Ent. Soc. London 1873 p. 238, V. Harold, 1876 Abhdl. naturw. Ver. Bremen p. 117. Japan, Formosa. Gesammelt zwischen Söul und Fusan im Juni 1884. Beiträge zur Kenntniss der Coleopteren-Faima Koreas^ 171 Verglichen mit japanischen Stücken des König!. Museums und mit diesen nicht völlig übereinstimmend befunden. Der Kopf ist ganz glatt, in den Eindrücken nur schwach ge- strichelt. Das Halsschild ist etwas länger und mehr parallelseitig und die Flügeldecken punktstreiiig, wie bei dem nahe verwandten *S. arenarius Bon. Süd -Europas. An der Aussenseite der Mitteltibien befindet sich nur ein Zahn. Wegen jener Verschiedenheiten als Var. coreanus aufgeführt bildet diese Form ein Zwischenglied zwischen der genannten europäischen und der japanischen Art. Der glatte Kopf erinnert an den nahe verwandten acutidens Chaud., der zwei Zähne an der Aussenseite der Mitteltibien besitzt. 7. Cras2?edo7iotas tihialis Schaum, Berliner Ent. Zeitschr. 1863 p. 87. t. 1. f. 5. Der Schaum'schen Type fast völlig gleich, lieber all auf den japanischen Inseln häufig, im Binnenland und an der Küste. Auch bei Foo-chow in China von H. Lewis ge- funden. Von Herrn Dr. Gottsche auf der Reise von Söul nach Pingan im September 1 884 gefunden. Das vorliegende Exemplar ist nur durch geringere Grösse (19 mm) von den japanischen verschieden. lieber Europa ist die nahe ver- wandte Gattung Broscus verbreitet, die in Ostasien fehlt. 8. Fheropsophiis jessoensis Morawitz, Bidl. Acad. St. Peters- bourg 1863 p. 322. Bisher aus Japan und Nord-China bekannt. Im August und September 1884 bei Söul und auf der Tour nach Pingan beobachtet. 9. Galerita japonica Bates, Trans. Ent. Soc. London 1873 p. 304. Var. coreana. 2 Stücke, gesammelt auf der Reise von Söul nach Pingan im September 1884. Nur nach der Bates'schen Beschreibung determinirt, da aus Japan keine Vertreter vorliegen. Darnach unterscheidet sich die koreanische Form von der japanischen folgender- massen. Der Prothorax ist etwas länger als breit. Die Flügeldecken sind fast parallel, schwarzblau, die Zwischen- 172 H. J. Kolbe: räume mit zwei feinen Streifen versehen. Kopf, Prothorax, Beine und Antennen sind rothgelb, Augen, Seitenränder des Pronotum und die Spitze der Schenkel schwärzlich. Eine aus Hongkong im König!. Museum befindliche Form gehört sicher als Lokalvarietät hierher. G. nigripennlsy von Chaudoir im Bull. Soc. Imp. Nat. Moscou 1861 II p. 557 aus dem Deccan beschrieben, unterscheidet sich von dem Hongkong-Exemplar durch den etwas kürzeren und rothen Prothorax und ebenso gefärbten Kopf und Beine, deren Kniee schwarz oder braun sind, und durch braune Antennen. Alle diese sind wohl als Lokalformen einer Art aufzufassen, welche also von Vorderindien über China und Korea bis Japan verbreitet wäre. 10. Flanetes bimaculatus Mc. Leay, Annulosa Javanica p. 28, t. 2. f. 3. Var. cordicollis. Das koreanische Exemplar unterscheidet sich von der Java-Form auf Grund der Stücke im Königl. Museum durch etwas längeren, vorn an den Seiten mehr gerundeten und nach hinten zu mehr verengten Prothorax und stimmt darin mit den Exemplaren aus Japan überein. Schon H. Bat es weist 1873 Trans. Ent. Soc. London p. 304 auf diesen Unter- schied der japanischen von der javanischen Form hin. Söul - Pingan, September 1884. 1 1 . IHctya crihricollis Morawitz, BuU. Acad. St. Petersbourg 1863 p. 245— Chaudoir, Mon. d. Lebiides in: Bull. Soc. Imp. Nat. Moscou 1870 IL p. 124. Ist in Japan überall häufig, ebenso in Ostsibirien und am Amur, auch auf der Insel Askold. 12. Doliclius flavicornis Fabricius, Systema Eleuth. I. p. 180. Söul— Fusan, Juni 1884; Söul, August 1883. lieber Europa, Kleinasien, Turkestan, Sibirien, Amur- gebiet, Korea, Nord-China und Japan verbreitet. 13. Leirus nitens Putzeys, Etudes sur les Amara p. 234. Stimmt überein mit den japanischen Stücken des Königl. Museums. Verbreitung: Japan, Korea, Mandschurei, Nord-China und Sze-Tschuan (östl. v. Tibet). Beiträge zur Kenntniss der Coleopteren-Faiina Koreas. 173 14. Afnara (Celia) coraica n. Diese kleine Art konnte mit keiner der im Königl. Museum vorhandenen oder sonst beschriebenen identifizirt werden. Sie gehört in die nächste Verwandtschaft der interstitialis Dj., ist kleiner als diese und verhältnissmässig kürzer; die Vorderecken des Prothorax sind spitzer, der Hinterrand breiter, die Hinterecken jederseits vor dem letzteren viel schwächer. Der Körper ist eiförmig, schwarz, massig glänzend, die Schienen, Tarsen und Antennen braun, die 3 ersten Glieder der letzteren rothbraun. Der Prothorax ist hinten am breitesten, kaum schmäler als die Flügeldecken, gegen die Spitze allmählich verengt, die Seiten leicht gebogen; in Folge des merklichen Ausschnittes des Vorderrandes erscheinen die Vorderecken vorgezogen, rechtwinklig, kaum abgerundet. Kopf und Pronotum sind glatt, letzteres jeder- seits vor dem Hinterrande kaum eingedrückt; eine sehr feine Längshnie zieht über die Mitte des Rückens hin; der Hinterrand ist nur an den Seiten gerandet. Die Flügel- decken sind fein und einfach gestreift, die Zwischenräume zwischen den Streifen fast ganz flach, unpunktirt. Der Prosternalfortsatz ist nach hinten etwas vorgezogen, gerandet, nicht behaart. Die erweiterten Glieder der Vordertarsen sind herzförmig, breit und länglich. Länge 6^4 mm. Bei Söul im August 1884 ein 5 gefangen. 15. Chlaenins lynx Chaudoir, Bull. Soc. Imp, Nat. Moscou 1856 HI p. 13 (Sep.); Mon. d. Chlaen. 1876 p. 50. Bisher nur aus Süd-Cliina bekannt gewesen. Die nächsten Verwandten, z. B. bimaculatns Dj., bewohnen das tropische Asien. Söul -Pingan, September 1884. 16. Chlaenins vir guIi/erChajud.oiY, Mon. d. Chlaen. 1876 p.61. Die aus der Gegend von Söul (August 1883) vorlie- denden Stücke wurden mit den im Königl. Museum vor- handenen Stücken aus China und Japan und mit der Chaudoir'schen Beschreibung verglichen. Es soll noch ein 174 H. J. Kolbe: sehr naher Verwandter in China und Japan leben, nämlich pictus Chaudoir, der sich nicht im Museum befindet und von Bates fraglich mit vlrgulifer verbunden wird. Die von Chaudoir angegebenen Unterschiede sind nicht unklar. Die nächsten Verwandten dieser in Japan und von Korea bis Süd-China verbreiteten Art leben im tropischen Asien (m^ca/^6' F., SchönherriD}., hamifer (u\idi\xdi. Qio,.) und Afrika {conformisJ)].^ bilunatusY.Jiejd.). 17. Chlaenius rostiger Chaudoir, Bull. Soc. Imp. Nat. Moscou 1856 p. 258; Sep. p. 72; Mon. d. Chlaen. 1876 p. 95. Aus der Gegend von Söul, August 1883. Bis Süd- China und Formosa verbreitet, in Japan bei Nagasaki gefunden. 18. Chlaenius j^allwes Gebier, Mem. Moscou VI 1823 p. 128 — Dejean, Spec, Gen. II p. 384 — Chaudoir, Mon. d. Chi. p. 222. Diese ist die am weitesten nach Norden verbreitete Art der koreanischen Chlänier; ihr Verbreitungsbezirk um- fasst hier das Amurgebiet, Ostsibirien, Daurien und die östliche Gegend des Baikal-Sees; andererseits kommt sie in Nord-China und in Japan auf allen Hauptinseln vor. Im Habitus und in der Färbung stehen ihr die meisten euro- päischen und viele nordamerikanische Arten nahe. Söul— Pingan, September 1884. 19. Chlaenius inops Chaudoir, Bull. Acad. Imp. Nat. Moscou 1856 II p. 239; Sep. p. 53; Mon. d. Chlaen. 1876 p. 262 — Bates, Trans. Ent. Soc. London 1873 p. 250. Einige Stücke von Söul, August 1883. Den japanischen Stücken gleich. Dem europäischen vestitus sehr ähnlich, aber kleiner, nach Chaudoir über ganz Ostasien, vom Amur, durch die Mandschurei, China, Formosa bis Siam, sowie über alle japanischen Inseln ver- breitet. Nahe Verwandte in Ostindien sind sobrinus Dj., sinnatus Dj. und puncticollis Dj. Beiträge zur Kenntniss der Coleopteren-Fauna Koreas. 175 20. Harpalus cephalotes Motschiilsky, Etud. Ent. 1861 p. 3; syn. cajyito Morawitz, Bull. Acad. St. Petersboiirg 1863 p. 359. Vom Usuri im Amurgebiet durch die Mandschurei, Korea, Nord- China bis zum Yang-tse-Kiang verbreitet, ausserdem in Japan. Ein $ von Söul, August 1884. 21. Ä«r/9a/?ts^meMsPanzer, Fauna Germ. 38. 1. 1797; Bates, Trans. Ent. Soc. London 1873 p. 260. Den europäischen und japanischen Stücken ganz gleich. Die Art ist verbreitet über Europa, Turkestan, Sibirien, das Amurgebiet, Korea, Nord-China bis Shanghai, Japan (Hiogo, Hakodade). Söul — Pingan, September 1884. 22. Haiyalus tridens Morawitz, Beitr. z. Käferfauna d. Insel Jesso p.69, aus den Mem. Acad. Imp. St. Petersbourg T. VI. 1863; BuU. Acad. Imp. St. Petersbourg T. V 1862 p. 326. Söul, August 1883. Mit der Beschreibung des Autors „Nigropiceus, anten- nis pedibusque rufis, prothorace subcordato, postice rugoso- punctato, anguUs posticis rectis, elytris profunde striatis, basi, lateribus apiceque punctulatis et fulvo-pubescentibus" und den im Königl. Museum unter diesem Namen befind- lichen Stücken aus Japan verglichen, zeigen die Koreaner eigentlich keine Abweichung vom Typus. Die Art ist daher jedenfalls richtig bestimmt, nur der charakteristisch sein sollende di-eizackige Sporn der Vorderschienen ist weder bei den koreanischen noch bei den japanischen Stücken so ausgebildet, wie es die Diagnose des Autors verlangt. Dieser Sporn ist nämlich bei den vorliegenden Stücken jederseits in der Mitte mit einem winkligen Vorsprung versehen. Bisher nur aus Japan bekannt. 23. Harpalus tinctulus Bates, Trans. Ent. Soc. London 1873 p. 263. Bei Söul, August 1884. Zuerst aus Japan (Nagasaki) beschrieben, wurde die Art auch in China (Yang-tse-Kiang) gefunden. Auch Bates führt die Art aus Korea auf. 176 ' H. J. Kolbe: 24. Anisodactyliis signatus lUiger, Käfer Preussens I. p. 174. Bei Söul im August 1884 gesammelt. Die Art ist über Süd- und Central-Europa, den Caucasus, Sibirien, Amurgebiet, I. Askold, Korea und in Japan über alle Inseln verbreitet. 25. Selenophorus temjyerains n. S Taf. XL Fig. 22. Diese vom gewohnten Typus abweichende Species ist einem Hypolitlms ähnlicher als der Mehrzahl der Selenophori, und scheint von dem Seleiiophorus qvadricoUis ,,oblongo- ovatus, niger, nitidus; thorace subquadrato, angulis posticis obtuso-rotundatis ; elytris striatis, striis postice profundiori- bus; antennis palpisque ferrugineis; tarsis rufis", von 4V2 Lin. Länge aus Kaschmir (Redtenbacher in v. Hügel's Kaschmir IV. Bd. 2. Abth. p. 502), nicht sehr verschieden zu sein. Der verhältnissmässig schmale und fast parallelseitige Körper ist braun, Kopf und Pronotum dunkler, Flügel- decken hellbraun, Antennen braunroth, Beine gelbroth. Die Flügeldecken sind von gleicher Breite mit dem Prothorax, oberseits fast flach, schwach gewölbt. Der Kopf ist flach, glatt, glänzend, unpunktirt, mit zwei Grübchen zwischen den Antennen. Das Labrum ist abgerundet. Der Prothorax ist quer viereckig, um ein Drittel breiter als lang, nach hinten zu wenig verschmälert, seitlich etwas gerundet, hinter der Mitte am breitesten, oberseits glatt, unpunktirt, vor dem Hinterrande beiderseits niedergedrückt und in den schwachen Eindrücken dicht runzlig punktirt; die Vorder- ecken stumpfwinldig abgerundet, der Vorderrand schmäler als der Hinterrand, die Hinterecken fast rechtT\dnklig, stumpflich abgerundet; eine eingedrückte feine mittlere Längslinie auf der Scheibe ist vorn und hinten abgekürzt. Die Flügeldecken sind glatt ; die scharf eingedrückten Streifen einfach, die Zwischenräume glatt, unpunktirt, nur im dritten Zwischenraum drei Grübchen und mehrere eingestochene Punkte an den Seiten im achten Streif, wie gewöhnlich; die Streifen sind hinten tiefer als vorn. Die Einzelborsten am Kopfe, den Hüften und den Abdominalsegmenten sind Beiträge zui* Kenntniss der Coleopteren-Fauna Koreas, 177 ziemlich lang, die Trochanteren der Hinterbeine mehr als halb so lang als die Schenkel. — Länge 9 mm. Zwei (^ von Söul, August 1884. 26. Ano'plogenius circumcinctus Motschulsky, Etudes Ent. 1857 p. 27. Bei Söul im August 1884 gesammelt. Ausserdem in China (nach Bates am Yang-tse, bei Shanghai, Ningpo, Foochow) und Japan (Osaka, Yedo). 27. Anoplogenius impubis n. Diese Art ist kleiner und heller gefärbt als die vorige. Der Prothorax ist etwas kürzer, hinten deutlich mehr ver- engt. Der Körper ist gelbbraun, oberseits mehr gebräunt, unpunktirt; die Hinterecken des Prothorax abgerundet, vor denselben jederseits mit einer runzligen flachen Grube. Die Flügeldecken sind einfach und nicht tief gestreift, mit einem eingestochenen Punkte hinter der Mitte im dritten Zwischenraum. Die Antennen sind hellbraun, die zwei ersten Glieder heller. — Länge 7 mm. Bei Söul, August 1884, ein männliches Stück. Eine dritte Art von Anoplogenius liegt aus Korea in einem sehr defekten Stücke vor. 28. Stenolojyhus iridicolor Redtenbacher, Reise der Novara. II p. 16. Verglichen mit einigen von Herrn Bates erhaltenen Stücken im Königl. Museum aus Kiu-ldang in Nord -China und der Originalbeschreibung Redtenbacher's nach einem Exemplar aus Hongkong: „Niger, nitidus, elytris iridi- coloribus, antennarum articulo primo, thoracis elytrorumque margine laterali pedibusque testaceis; thorace transverso, angulis posticis rotundatis; elytris simpliciter striatis, striis postice multo profundioribus." Das koreanische Stück weicht nur insofern ab, als die Flügeldecken hellbraun sind, mit bläulichem, irisirendem Schimmer. Die Art ist sehr nahe verwandt mit dem in Europa und Sibirien lebenden vespertinus Pz. Arch. f. Natg. 52. Jahrg. I. Bd. 22 178 H. J. Kolbe: Familie Dytiscidae. 29. Cyhister japonicus Sharp, Trans. Ent. Soc. London 1873 p. 45. lieber Japan, die Mandschurei, Nord -China (bis Shanghai) und Formosa verbreitet. In Korea bei Söul im August 1884 gefangen. 30. Ilyhius apicalis Sharp, ibid. p. 51. Söul, August 1884. Bisher nur aus Japan bekannt. 31. Platambus pictipennis Sharp, ibid. p. 49. 1 Exemplar auf der Reise von Söul nach Fusan im Juni 1884 gefangen. Bisher nur aus Japan bekannt. Es scheint nämlich das koreanische Exemplar zu dieser mir unbekannten japanischen Art zu gehören. Sharp schreibt von drei blassen Flecken an den Seiten der Flügeldecken; das koreanische Exemplar besitzt ein ziemlich breites laterales Band, welches am Innen- rande drei Ansätze zu Flecken trägt. Diese Abweichung ist indess bedeutungslos, da Stücke von PL sinuatus aus der Türkei und Griechenland im Königl. Museum nur drei Marginalflecken besitzen, obgleich nach Sharp (sec. Aube) diese Art ein blassgelbes zusammenhängendes Marginalband trägt. Sharp erwähnt in der Beschreibung des picti])ennis nicht der tiefen und weit auseinander stehenden Punkte, welche das koreanische Exemplar auszeichnen. In der Sammlung des Königl. Museums befindet sich ein Platambus Sharpi Wehncke; doch finde ich diese Art nirgends beschrieben. Sie ist mit pictipennis ziemlich nahe verwandt, ebenfalls stark glänzend schwarz, besitzt indessen auf den Flügeldecken nur eine kleine gelbrothe Basalmakel und eine kleine ebenso gefärbte kurz hinter der Mitte nahe dem Seitenrande. Hauptsächlich aber unterscheidet sich diese Art von allen übrigen Arten von Platamhis (macn- latus L., sinuatus Aube und pictipennis) durch das gekielte Prosternum. PL Sharpi ist mit der Vaterlandsangabe Hakone, Japan (Dönitz), versehen. 32. Coelanibus sp. Beiträge zur Kenntniss der Coleopteren-Fauna Koreas. 179 Familie Gyrinidae. 33. Gyrinus japonicus Sharp, Trans. Ent. Soc. London 1873 p. 55. Die koreanischen Stücke sind nicht verschieden von den japanischen. Bei Söul im August 1883 gefangen. Familie Hydrophüidae. 34. Philhydrus simulans Sharp, Trans. Ent. Soc. London 1873 p. 59. Var. crenato-striatus. Im Allgemeinen der japanischen Form ähnlich, weicht das vorliegende Stück doch merklich ab. Es ist etwas grösser und heller, die Punktirung des Pronotum und der Flügeldecken kräftiger, die Streifen der letzteren tiefer, gegen die Basis hin um das Scutellum nicht verschwindend, sondern wenig schwächer, als hinten. Die Art ist gleich wie simulans durch die Punktstreifen der Flügeldecken ausgezeichnet. Länge 5 mm. Bei Söul im August 1884 gefangen. Familie Staphylinidae. 35. Faederus Gottschei n. Taf. XI Fig. 23. Diese zu den gi-össeren, Europa fremden Formen ge- hörige Art ist aus der nächsten Verwandtschaft des 1\ Foiveri Sharp (Trans. Ent. Soc. London 1 874 p. 74). Nur der Prothorax und die vier ersten Abdominalsegmente sind roth, jener auch ein klein wenig kürzer, die Antennen und Beine dunkelbraun, die Flügeldecken dichter sculptirt. Der Kopf ist glänzend schwarz, rundlich, oberseits mit groben Punkten besetzt, die nach vorn einzeln stehen. Die Antennen sind dunkelbraun, die drei ersten Glieder und die Basis des vierten gelbbraun; das dritte Glied ist zwei und ein halb mal so lang als das zweite. Die konvexen Augen stehen wenig vor. Der Prothorax ist von der Breite des Kopfes, nach hinten verschmälert, ein wenig länger als 12* 180 H. J. Kolbe: breit, schwarz, zerstreut punktirt. Die sehr kurzen Flügel- decken sind merkhch kürzer als der Prothorax, dunkelblau, gegen die Basis hin sehr verschmälert, grob, aber nicht dicht punktirt. Das Abdomen ist in der Mitte breiter als gegen die Basis und die Spitze hin, die vier ersten Segmente roth, die zwei letzten glänzend schwarz. Auch die Beine sind glänzend schwarz, nur die Schenkel an der Basis, die Schienen in der Apicalhälfte und die Tarsen braunroth. — Länge 10 mm. Auf der Reise von Söul nach Pingan im September 1884 gesammelt. Dem Entdecker zu Ehren benannt. Familie Ipidae. 36. Ips ji"apo??mi5) Motschulsky, Etudes Entom. VI 1857 p. 28 ; syn. chinensis Reitter, Verhdl. naturf. Verein Brunn XII, Sep. 1874 p. 160. Bisher aus Japan und Nord-China bekannt. In Korea von Herrn Dr. Gottsche mit der folgenden zusammen- gefunden. 37. Ips parvipustulata n. Taf. XI Fig. 24. Diese Art ist etwas kleiner als japonia. Der Körper ist fast parallel, hinten etwas verengt, schwarz; auf jeder Flügeldecke sind drei kleine runde dunkelgelbrothe Makeln, eine an der Basis, näher der Schulter als dem Scutellum, eine gleich grosse hinter der Mitte auf der Scheibe und eine sehr kleine fast in der Mitte in der Nähe des Seiten- randes. Die Unterseite, Beine und Antennen. sind dunkel- braun, letztes GHed der Fühlerkeule gelblich. Die Punktirung ist nicht sehr fein, auf den Flügeldecken theilweise Streifen bildend. Der Kopf, Pronotum, Flügeldecken und Pygidium sind gröber punktii't als bei japonia. Die Mandibeln des $ sind weniger gross und weniger stark gezähnt, aussen ^^) Die meisten Autoren schreiben japonica oder japonicus, der Autor M 0 1 s c h u 1 s k y ja^miia ; eine etwaige Rectification der letzteren Schreibweise halte ich für unnöthig. K. Beiträge zur Kenntniss der Coleopteren-Fauna Koreas. 181 auch nicht knieförmig gekrümmt. Letztes Abdominalsegment des ocrypha ist der Mesothorax sogar pedunculirt. Die Schienensporne sind bei den Misolampini winzig klein, ebenso bei Misola^npidius und Stenophanes ; hingegen bei Anipliidora merklich grösser, bei den Apocryphini aber gleichfalls sehr klein. Der schlanke Körper, namenthch von Cononotus , sammt den sclilanken Beinen ist wahr- scheinlich auch ein Anzeichen von näherer Verwandtschaft mit Stenophanes. Die Apocryphini und Amphidora besitzen gleichfalls ein längeres Metasternum. Es mag auch hinzu- gefügt werden, dass die Mandibeln in der Gruppe Miso- lampini am Ende einfach, mit Ausnahme einiger Gattungen, 206 H. J. Kolbe: Pseudhelops und ZopJiius , bei Misolampidius , Stenophanes, Amphidora (und auch bei den Apociypbini?) aber am Ende zwei spitzig sind. Die Gelenkliöhlen der Mittelhüften sind bei Misolampidixis , Stenophanes und Amphidora often, bei. den Apocryphini geschlossen. lieber das Verhältniss der systematischen Stellung der mehrgenannten Gattungen kann nur eine eingehende Ver- gleichung, beziehentlich eine umfassende monographische Bearbeitung die nöthige Klarheit verschaffen; hier mögen die gegebenen Hinweise, sowie die folgende, eingehender als von Solsky nach seiner Art tentyrioides abgefasste Charakterisirung von Misolampidius (morio) genügen. Das Labrum (Fig. 1) liegt fast ganz frei, ist beinahe doppelt so breit als lang, vorn fast halbkreisförmig ge- rundet, die Mitte des Vorderrandes jedoch fast abgestutzt, in der Mitte kaum merklich ausgerandet und hier ohne Borsten, die Vorderecken weit nach hinten gerückt ; auch die Seiten gegen den Hinterrand gerückt, kurz, hinten convergent, von oben nicht sichtbar; die Hinterecken stumpfsvinklig. Der Vorderrand ist dicht beborstet, die schmal ausgerandete Mitte frei von Borsten, längeiie und mehr vereinzelte Borsten stehen seitlich. Auch die Oberseite ist behaart. Auf der Unterseite findet sich hinter der Mitte eine chitinige Gabel, die bei durchfallendem Lichte unter dem Mikroskop auch von oben sichtbar ist (vergi. p. 159). Die Mandibeln (Fig. 11) sind um die Hälfte länger als breit; der Rücken ist knieförmig gebogen, an der Basis sehr breit. Am Grunde der Lmenseite findet sich ein breiter Mahlzahn, der innen am vorderen Ende ein kleines Zähnchen trägt. Der Mahlzahn der rechten Mandibel ist convex, der der linken concav. Die ausgeschnittene Innen- seite der Mandibeln trägt einen dicken kissenartigen Haut- saum, der jeghcher Behaarung entbehrt. Das Ende der Mandibeln ist sehr kurz und stumpf zweizähnig. An den Maxillen (Fig. 13) ist der innere Lobus der einen verschieden von dem der anderen. Der innere Lobus (Fig. 15) der rechten Mandibel ist sehr schmal, am Ende knieförmig umgebogen und in zwei längere, nebeneinander- Beiträge zur Kenntniss der Coleopteren-Faima Koreas. 207 stehende, nach innen gewendete Haken (Fig. 16) auslaufend, von denen der eine kürzer und bei geringer Vergrösserung nicht sichtbar ist. Der innere Lobus (Fig. 13 a) der linken MaxiUe ist viel breiter, etwa doppelt so breit als lang, der Rücken sanft gebogen und am Ende innen in zwei kurze, nebeneinanderstehende Zähnchen auslaufend (Fig. 14). Die. Innenseite der Lobi interiores ist beborstet. Der Lobus exterior (Fig. 13 b) ist stark chitinös, an beiden Maxillen gleich, beilförmig, so lang als breit, am Ende am breitesten, hier gerundet, häutig, dicht behaart, die äusseren Haare gerade, die inneren nach innen gebogen. Der Stipes (c) besteht aus drei Stücken, dem oberen sitzt der Lobus exterior auf, der mittlere dient dem Lobus interior als Stütze, und der untere trägt die Squama (d) mit dem Palpus (p). Das erste Glied des Palpus maxillaris ist knie- förmig nach aussen gekrümmt, in dem knieförmigen Theile, vor der Mitte, am dünnsten, mit dem kleinen trompeten- förmig erweiterten Basalstücke der oberen Oeffnung der Squama eingefügt; der Endtheil ist kolbenförmig. Das zweite Glied ist viel grösser, doppelt so lang als das zweite, allmählich gegen das Ende verdickt. Das dritte Glied ist um ein Drittel kürzer als das zweite, ebenfalls am Ende kolbenförmig, aber im unteren Drittel leicht nach innen gekrümmt. Das vierte oder Endglied ist gross, beilförmig, etwas länger, als breit, Bauch- und Rückentheil gelirümmt, am Ende abgestutzt und häutig. Die Färbung der Palpen ist dunkelbraun, die Behaarung spärlich, kurz, anliegend und fein. Die Ligula (Fig. 12) ist frei, vom Mentum nicht be- deckt, vorn doppelt so breit als lang, hinten sehr ver- schmälert, die Seiten ausgeschweift, die Vorderecken ge- rundet, der Vorderrand fast gerade und abgestutzt, nur in der Mitte mit einem sehr kurzen Vorsprunge versehen. Die Aussenseite ist dicht gelb behaart. Die ursprüngliche Zweitheiligkeit der Ligula zeigt sich auf der Innenseite, wo ein dreiecldger Ausschnitt fast bis zum Vorderrande reicht. Unten an der Innenseite seitlich des dreieckigen Halbirungsausschnittes findet sich eine kleine Squama, 208 H. J. Kolbe: welcher der dreigliedrige Palpus labialis .aufsitzt. Das erste Glied dieses Palpus ist wie beim P. maxillaris nacb aussen gekrümmt, doppelt so lang als dick, am Ende mehr erweitert; das zweite dicker als lang, die Innenseite halb so lang als die äussere, an der Basis dünner; das dritte Glied ist gross, kolbig verdickt, am Ende rundlich ab- gestumpft. Das Mentum (Fig. 17) ist fast kreisförmig, etwas breiter als lang, die Aussenseite concav, in der Mitte mit einem convexen Längsbuckel, der Vorderrand nach aussen aufgebogen und etwas vorgezogen. Vorn an der Innenseite ist jeder seits eine dreieckige Stützplatte vorhanden, die beide unter sich und mit dem Mentum continuirüch ver- bunden sind (Fig. 18, 19aa). Der Unterseite des Mentum, welche jeder seits eine erhabene, hinten auswärts gerichtete Leiste besitzt (b — b), ist der hintere, einen Rahmen a — a (Fig. 12) bildende Theil (li) der Ligula (Fig. 12) eingefügt, so dass der Hinterrand des Labium bei x — x liegt und die beiden Stützgräten aa auf den Leisten bb. Die Antennen sind dünn und schlank und überragen die Basis des Prothorax. Das 2. Glied ist klein, das 3. länger als die folgenden, 4., 5. und 6. um die Hälfte kürzer als das 3., unter sich fast gleich, gegen das Ende verdickt, 7. etwas kürzer als 6., 8. ebenso lang und conisch, 9. und 10. ein wenig kürzer und breiter, so lang als breit, am Ende gerundet, 11. um die Hälfte länger und kräftiger als das 10., oval, schräg zugespitzt, die Spitze deutlich. Die vier letzten Glieder sind leicht zusammengedrückt; Der Prothorax ist oben an der Basis gerandet, an den Seiten zwischen Pronotum und Episternum nur mit einer leichten Spur eines Randes versehen. Das Prosternum besitzt zwei Rinnen zwischen den Hüften. Das Mesosternum ist concav und vorn halbkreis- förmig eingedrückt. Das Scutellum ist dreieckig, klein. Die Flügeldecken sind bauchig, ohne Schultern, an der Basis so breit als der Prothorax, die Pleuren nicht abgesetzt. Beiträge zur Kenntniss der Coleoptereu-Fauna Koreas. 209 Die Beine sind schlank, die Schenkel am Ende keuUg verdickt, die Tarsalgiieder aller Beine sclimal, aber unter- seits dicht bürstig behaart. Das erste Glied der Hinter- tarsen ist länger als das zweite und dritte zusammen. Misolampidius morio n. ~A Mc^rt Xdi Archi\ f Naturgosd. WtyV, ^^jf V. m,d Chst WAfffApi ktk \iv1)i\'t" X;)(iir|j.'Hc|i. {,S86 Faf VII s!nu-,jr\ m-y-m WJAfem. i;r7, Ar-'hiv^ f Nalurgesch . 1(386 Taf m hs =® "^3 -^ -:>-'UZ^^Z^(7l7 I.inshn ^-^liA^ urx 'J ßfci/n, ut/t. Aivhn- { Xrit.ii.r(.j(-^s(ii 188G Tai" JX v.I.instnw iin. WAMee/n^cuA Archiv f. Xaturqesch. 1886 ■'ii'AlllLM\%\\\y Taf.X. 7,^« ^Hocde del. Misolampidius mor'io Kolb« Aroliiv f Naturgesch 188fJ. Taf.XI, -^"^nUroü^, -'j//^^. dec. et Izih: Colpoptera von Korea. P.Kramerüber Milben Archiv f. Naturgesch. 1886. ^^^'%,^^/ m m *_ #^:. -■/5 Taf.M. % ^0 m- M^ " 3 v: (7 Speicheldrüsen von Insecten. WA-MetfTb Uih. Archiv f Naturgesch 1886 lai.AiV. / /^ ■^ ^^ ^.® '^' ^a -- . 8 ^\^..#.^ /;?. // % X)" /y Speicheldrüsen von Insecten. Archiv f. Naturgesch. 1886. F^st Taf.XV^ F^2 / ■Jf.7W0t.ft' Fi