ARCHIV FUE MTUE&ESCHICHTE. GEGRÜNDET VON A. F. A. WIEGMANN, FORTGESETZT VON W. F. ERICHSON, F. H. TROSCHEL UND E. VON M ARTENS. HERAUSGEGEBEN VON Dr. F. HILGENDORF, CUSTOS DES K. ZOOLOG. MUSEUMS ZU BERLIN. VIERUNDFrNFZIGSTER JAHRGANG. Erster Band. BERLIN 1888. NICOLAISCHE VERLAGS-BUCHHANDLUNG B. STRICKER. Inhalt des ersten Bandes. Seite W. Freese. Anatomisch-histologische Untersuchung von Membranipora pilosa L. nebst einer Beschreibung der in der Ostsee gefundenen Bryozoen. Mit Tafel I, II 1 Stephan ApWiy. Systematische Streiflichter. I. Marine Hirudineen. 43 Ferdinand Schoof. Zur Kenntniss des Urogenitalsystems der Saurier. Mit Tafel m 62 K. Möbius. Bruchstücke einer Infusorienfauna der Kieler Bucht. Mit Tafel IV-X 81 Di: B. A. Philippi. Berichtigung der Synonymie von Otaria Philippii Peters, welche Herr Burmeister in der Description physique de la Bepublique Argentine gegeben hat 117 F. Rudolf Gasch. Beiträge zur vergleichenden Anatomie des Herzens der Vögel und Reptilien. Mit Tafel XI und XII 119 H. J. Kolbe. Die geographische Verbreitung der Neuroptera und Pseudo- neuroptera der Antillen, nebst einer Uebersicht über die von Herrn Consul Krug auf Portoriko gesammelten Arten. Mit Tafel XIII . 153 Dr. H. Simroth. Zur Kenntniss der Azorenfauna. Mit Beiträgen von Prof. Dr. von Martens, Dr. F. Hilgendorf und S, Clessin. Hierzu Tafel XIV nnd XV 179 Dr. von Linstow. Helminthologisches. Hierzu Tafel XVI .... 235 G. Brandes. Helminthologisches. Hierzu Tafel XVII 247 August Wendt. Über den Bau von Grunda ulvae (Planaria ulvae Oersted). (Aus dem zool. Institut der Universität Rostock.) Mit Tafel XVIII und XIX 252 ^J //^ A natomisch-his tologische Untersuchun g von Membranipora pilosa L. nehst einer Beschreibung der in der Ostsee gefundenen Bryozoen Von W. Freese aus Harburg. Uie vorliegendeu Uutersuchungen beschäftigen sich hauptsächlich mit der Anatomie und Histologie von Membranipora pilosa L, einer in der Kieler Bucht sehr häufigen chilostomen Bryozoe. Dieselben wurden theils an lebenden, meistens jedoch an getödteten Thieren vor- genommen. Zur Abtödtung empfiehlt sich am meisten concentrirte Sublimatlösung; es ist nach meinen Versuchen gleichgültig, ob man dieselbe in kochendem oder kaltem Zustande anwendet.. Minder günstige Resultate lieferten Pikrinsäure, Chromsäure und Uberosmi- umsäure. Versetzt man, wie Nitsche^, die Thiere gleich in starken Alkohol, so leiden durch die plötzliche Entwässerung die Gewebe; die Endocyste löst sich von der Ektocyste ab und bleibt nur an den Rosettenplatten an derselben haften. Die vonFoettinger-) empfohlene Methode Bryozoen vermittels Chloralhydrat ausgestreckt zu tödten, ge- lang nur selten. Wohl aber glückte es mir, die Polypide in ausge- strecktem Zustande zu tödten, wenn ich die Kolonie mit ihrer Unter- lage in süsses Wasser warf und etwa eine Stunde darin stehen Hess. Nachher nahm ich die Abtödtung der wohl nur ermatteten Thiere in Sublimat vor. Dieses \'erhalten gegen Süsswasser zeigt zugleich, dass 3Iembrampora pilosa gegen plötzliche, starke Schwankungen des Salzgehalts sehr empfindlich ist; obwohl sie zu den im allgemeinen euryhalineu"') Bewohnern der Ostsee gehört. — Um die Ektocyste zu studieren, nahm ich theilweise abgestorbene, im Meerwasser ihres ') Nitsche, Beitrag z. Kenntniss der Bryozoen. Zeitschrift für wiss. Zooig. XXI. 1870. S. 416. -) A. Foettinger. Renseignem ents techniques. Archives de Biologie. 1885. 3) K. Möbius. Die wirbellosen Thiere der Ostsee. Jahresbericht d. Coinu]. z. wiss. Unters, d. deutsch. Meere. Berlin. 1873. S. 139. Arch. f. Naturgesch. Jahrg. 1888. Bd. l. H. I. 1 2 W. Freese. organischen Iiilialtes beraubte Kolonien, die jedoch meistens noch aus- gekocht werden mussten, um die auf ihnen sitzenden Diatomeen her- unterzuschütteln. Hatte ich nur frische Kolonien zur Verfügung, so kochte ich dieselben in 20/(,iger Kalilauge; besser jedoch ist es, die Thiere einige Tage in Kalilauge liegen zu lassen und sie dann erst zu kochen, um sie von der organischen Substanz zu befreien. — Zum Zwecke des Schneidens wurden die Kolonien in Essigsäure, Holzessig oder sehr verdünnter Salzsäure entkalkt. Eingebettet wurden dieselben ausschliesslich in Paraffin, und zwar nach vorheriger Behandlung mit Chloroform. Die Serienschnitte wurden mittels dünuer Gummiara- bicumlösung aufgeklebt. — Was die Schueidetechnik betrifft, so stimmen meine Beobachtungen wesentlich mit denen von Vigelius') überein. Es ist am geeignetsten das Messer nicht schräg, sondern senkrecht zum Schlitten zu stellen. Der Schiiittstrecker wurde nur bei Anfertigung von Lateralschnitten benutzt. Als Farbstoffe wurden von mir hauptsächlich Pikrokarmin und Hämatoxylin angewandt, auch Hamannsches essigsaures Karmin lieferte gute Resultate. Ausserdem wandte ich zur Doppelförbung Eosin und Hämatoxylin au. Die Ob- iekte wurden meist vor dem Schneiden gefärbt. In der Benennung der einzelnen Organe und Teile werde ich meistens Nitsche folgen. Auch der Bezeichnungen Zoöcium und Polypid werde ich mich be- dienen, obgleich ich nicht der Ansicht bin, dass das Polypid als ein Tochterindividuum des Zoöciums aufzufassen ist, sondern glaube, dass beide zusammen als ein Individuum angesehen werden müssen. Der zweite Theil dieser Arbeit enthält eine Beschi'eibung der in der Ostsee gefundenen Bryozoen. Die Mehi-zahl derselben wurde auf der Expedition zur Untersuchung der Ostsee an Bord Sr. M. Aviso Pommerania im Sommer 1871 gefangen und findet sich in dem Jahres- bericht der Commission zur wissenschaftlichen Untersuchung der deut- schen Meere vom Jahre 1873 aufgeführt. Diese Bryozoen, sowie einige andere Species, welche später in der Kieler Bucht gefangen und der Sammlung des Kieler Zoologischen Museums einverleibt wurden, standen durch die Güte des Herrn Professor Möbius zu meiner Verfügung. Ausserdem gelang es mir einige für die Ostsee neue Arten in der Umgegend von Kiel aufzufinden, nämlich: Cr isla eburnea, form producta, Sm, Alvyonidinm polyoum Hass., Alcyonidium papillosum Hass., Vesicularia nva L., Vesicidaria ciiscata L., Ilem- hranipora püosa, forma monostachys Busk, Escharipora punctata Hass. Im Ganzen sind nunmehr in der Ostsee 17 Arten oder 20 Va- rietäten beobachtet worden. Um das Bestimmen dieser Bryozoen, sowie das Auffinden etwaiger neuer Arten ohne Zuhülfenahme grösserer Werke zu erleichtern, gebe ich die Diagnosen und Abbildungen der bisher gesammelten Species. Von einigen auf der Pommeraniafahi't gefundenen Arten waren keine Exemplare mehr vorhanden, ich war daher genöthigt, die Diagnosen und Abbildungen anderen Autoren zu entnehmen. Bei der Benennung der einzelnen Arten und Varietäten *) Vigelius. Die Bryozoen, ges. auf d. 3. und 4. Polarfahrt des Willem Barents. ßijdragen tot de Dierkunde. Amsterdam ISSi. Anatomisch-histologische Untersuchung etc. 3 folge ich Smitt') und gebe die von Jolinston-), Busk^j und Hincks ') angewandten Namen wieder, bezüglich der übrigen Synonyma verweise ich auf die Abhandlungen dieser Autoren. Die verzeichneten Ostseefundorte sind meistens dem Berichte über die Pommerania- expedition sowie den späteren Berichten der Kieler Commission und einer Abhandlung von Braun'') entnommen. Es zeigt sich, dass die meisten Arten nur in dem Theile der Ostsee vorhanden sind, welcher westlich von Rügen liegt, Avährend nur eine Form in dem ö.stlichen Becken aufgefunden ist. Es ist dies Memhraniponi, pilosa L., Forma membranacea, welche bis in den finnischen Meerbusen"') hinein recht häufig ist, und eine für die Ostsee charakteristische Form zu sein scheint. Es ergiebt sich hieraus, dass auch nach der Bryozoenfauna die von der Commission zur Untersuchung der deutschen Meere '^) gegebenen Eintheilung der Ostsee in ein westliches, bis Rügen reichendes und ein östliches Becken durchaus berechtigt und zutreffend ist. Ebenso wie die Fauna der anderen Thierklassen zeichnet sich auch die Bry- ozoenfauna des westlichen Beckens dmxh einen grösseren Formeu- reichthum aus. Diese Erscheinung ist auch in diesem P'alle wohl auf den unmittelbaren Zusammenhang des westlichen Beckens mit der sehr formenreichen Nordsee zurückzuführen, sowie auf den er- heblich grösseren Salzgehalt des westlichen Abschnitts der Ostsee. Die geographische Verbreitung unserer meist nordatlantischen Thiere entnehme ich im wesentlichen aus Hincks History of the British Marine Polyzoa 188ü, in welchem Werke dieselbe sehr ausführlich behandelt ist. Einige neue Fundorte wurden nach Stuxberg') und Levinsen^) hinzugefügt. ') Smitt. Kritisk förteckning öfver Skand. Hafs-Bryo^oers. Öfvers. of Kongl, Vetensk. Akad. Förliandlingar. Stockholm. 1865 — 78. 2) Johnston, G. History of the British Zoophytes. lind Edition. Lon- don 1847. 3) Busk, (J. Catalogue of Marine Polyzoa in the Coüection of the British Museum. London. 1852. 1854. 1875. ") Hincks, B. A. History of the British Marine Polyzoa. London 1880. •') Braun, M. Physikalische und biologische Untersuchungen im west- lichen Theile des finnischen Meerbusen. Dorpat 1884. '^) Jahresbericht der Commission etc. Expedition zur Untersuchung der Ostsee. Berlin 1873. S. IX. ■') Stuxberg. P'aunan pä och kring Novaja Semlja. Separatabdruck aus Vega-expeditionens vetenshapliga jachttagels'^rs. Bd. V. Stockholm 1886. *) Levinsen. Bryozoer fra Kara-Hafvet. Saeitiyk af „Dijmphna" Togtets zoologisk-botaniske Udbytte. Kjöbenhavn. 188(j. 1* Anatomisch -histologische Untersuchung von Membranipora pilosa L. sp. Ektocyste, Aeusseres, Varietäten. Memhranipora pilom. L. sp. wird von Smitt') folgendermassen beschrieben: Zoooecia parte proximali (posteriore) Cellnlarium modo producuntur. Area aperturae rotunda vel elliptica spina maxima ad partem proximalem marginis sui armatur. Trotzdem vereinigt er in diesem Artbegriff ausser der langstacbeligen eine Anzahl anderer Varietäten, deren hinterer Stachel sehr klein ist oder sogar fehlen kann. Ich möchte also statt des letzten Satzes folgendes setzen: „Der runde oder elliptische Hof der Oeffnung ist an dem hinteren Theile seines Randes mit einem Stachel von wechselnder Länge bewaffnet, der jedoch auch ganz fehlen kann." Erst dann kann man sämmtliche von Sraitt angeführten Varietäten diesem Artbegriffe unterordnen. Von diesen Varietäten finden sich in der Kieler Bucht drei, welche in Bezug auf die Form des Hautsceletts sowohl, wie auf die äussere Erscheinung der Colonie nicht unbeträchtlich von einander abweichen, während die inneren Bauverhältnisse bei allen ziemlich die gleichen sind. Es ist daher nöthig, dieselben bei der Beschreibung der Ek- tocyste und des Aeusseren der Kolonie, welches durch die Ausbildung der ersteren bedingt wird, getrennt zu behandeln. Als erste Varietät unterscheidet Smitt Membranipohrt pilos«. Forma pilosa und diagnosticirt diese folgendermassen: Forma pilosa, cuius colonia crustiformis vel erecta zoooeciis pertusis, multispinosis quincuncialibus conficitur. In dieser Varietät lassen sich mehrere von anderen Autoren beschriebene Formen unterbringen, nämlich die von Linne aufgestellten Arten Fliistra pilosa-) und Flustra dentata^), deren Zugehörigkeit zu der von Blainville aufgestellten Familie Membraniporidae Farre^) zuerst betont. Farre vereinigt beide Formen zu einer Art Membranipora pilosa; indem er angilDt, dass der einzige Unterschied beider in der grösseren oder geringeren 1) Smitt. Kritisk förteckning etc. Oefversigt. 1867. S. 368. 2) Caroli a Linnaei Systema natuiae Ed. Xlll. Cura Gmelin. Lipsiac 1788. p. 3827. N. 3. 3) ib. p. 3828 N. 11. , ., m '*) Farre. On the structure of the ciliobranchiate Polypi. Philos. Trans- act. of the Royal Society. London 1837. Part. I. pg. 412. Anatomisch-histologische Untersuchung etc. 5 Länge des hinteren Stachels besteht. Hincks^) gibt als Artcharacter den langen Stachel an und bildet auch die langstachelige Form (Flustra pilosa Linnes) als characteristische Form für Memhranipora pilosa ab. Davon unterscheidet er im Text Forma dentata und gibt an, dass bei dieser der hornige Stachel hinter der AustrittsöflPnung fehle, bildet aber trotzdem die mit einem loirzen, hinteren Stachel und vielen Randstacheln versehene Form als Forma dentata ab. Die- selbe Varietät nun, die Hincks als Forma dentata bezeichnet, bildet Busk^) als characteristische Form fax Memhyanipora xnlosa ab. Also alle Autoren vereinigen beide Arten Linnes als %Iemhranipoya pilosa\ nur dass der eine die kurzstachelige, der andere die langstachlige als Characterform annimmt. Meiner Meinung nach ist es durchaus unnöthig in der Species Memhnmipoya jnlosa noch die beiden Varie- täten pilosa und dentata zu unterscheiden und sogar unmöghch, da man wegen der zahlreichen Uebergänge zwischen beiden Formen immer in Zweifel bleiben würde, zu welcher Varietät die mit einem Stachel von mittlerer Länge versehenen Individuen zu rechnen seien. Ich werde also mit Smitt beide Formen zu der Varietät Forma pilosa rechnen. Die Colonie oder der Thierstock von Memhyanipora pilosa^ Forma pilosa (Fig. I.) überzieht im Meere liegende Gegenstände, Steine, Muscheln, vorzüglich Mytilus edulis, Seegras und die hier vorkom- menen Tange Fucus vesiculosus und serratus. Von diesen Unterlagen lassen sich die Thiere ziemlich gut ablösen, besonders leicht von Mytilus. Die Forma pilosa findet sich besonders häufig im äusseren Theile der Kieler Bucht, jedoch auch mit Forma membranacea zu- sammen im inneren Theile derselben in der Region des grünen See- grases. Die Colonie hat ein schwach grünlich gelbes bis rein grünes Aussehen. Die Färbung derselben ist abhängig von der Farbe und Anzahl der auf ihrer Oberfläche vorkommenden Organismen. (Dia- tomeen und andere kleine Algen.) Die Colonie erreicht einen Durch- messer von 10 cm. Zwischen den dicht aneinander stossenden, heller erscheinenden Wänden der Zoöcien zeigen sich die Polypide als Ijraune Punkte. Betrachtet man die Colonie mit ausgestreckten Thieren von der Seite, so erscheinen diese schwach rosa angehaucht. Laub- artig aufrecht wachsende Stöcke wurden von mir ebenso wenig ge- funden, wie die von Smitt'') abgebildete, netzartig in einzelne Streifen aufgelöst wachsende Form. Die einzelnen Thiere liegen dicht anein- ander in Spiralen um das Mutterthier herum und erst in der Peri- pherie grösserer Colonien waren sie in geraden Linien angeordnet. Ein Thier wird meist von sechs Individuen umschlossen; der Stock zeigt also eine quincunxartige Anordnung seiner Elemente. Die ein- zelnen Thiere sind von sehr verschiedener Grösse und Form; von ziemhch gleichen Dimensionen und constanter Form sind dieselben nur dort, wo sie in geraden Reihen neben einander liegen; daher 1) Hincks. Brit. Marine Polyzoa. pg. 137, PI. XXIII fg. 1—4. 2)Busk. Catalogue of Marine Polyz. etc. Part. 11. Cheilostomata. London 1854. pg. 56. PL 71. 3) Smitt. Kritisk föiteckning etc. Oefversigt. 1867. Tf. XX. Fig. 43. 6' W. Freese. werde ich diese Form als typiscli beschreiben. An diesen Stellen erreichen die Zoöcien eine Länge von 0,35 bis 0,50 mm und eine Breite von 0,15 bis 0,20 mm. Der Grundriss des Zoöciums von Membranipora pilosa Forma pilosa ist ein Rechteck, dessen eine Seite etwa zwei bis dreimal so lang ist. wie die andere. An den langen Seiten desselben erheben sich zwei Flächen, die Seitenwände des Zoöciums, welche, sich etwas nach aussen biegend, allmälig in die gewölbte Oberwand des Zoöciums übergehen. Vorn und hinten wird dieser Hohlraum geschlossen durch zwei zu seiner Längsausdehnung etwas nach vorn geneigte Flächen, die zugleich seine kleinsten Wände sind: Vorderwand und Hinterwand. Die Wände des Zoöciums bestehen wie bei allen Bryo- zoen aus einer chitinösen, äusseren Schicht, der Ektocyste, und einer weichen Gewebsschicht, der Endocyste, welche die Matrix der er- steren ist. Die Ektocyste, eine Cuticularausscheidung der Endocyste, bildet das Scelett des Bryozoenindividuums, an ihr ist das Polypid befestigt und inseriren die Muskeln. Bei jungen Thieren besteht sie nur aus einer einschichtigen chitinösen Haut. Bei älteren Thieren wird sie dreischichtig, indem sich in ihrem mittleren Theile Kalkkörperchen ablagern. Hierdurch entsteht allmälig eine innere Kalklamelle, die beiderseits von einer Chitinschicht überzogen wird. Diese Verkalkung findet jedoch nur in den Seitenwänden und in dem hinteren Theile der Oberwand statt, während die Unterseite und der vordere Theil der Oberseite des Zoöciums dauernd aus kalkfreiem Chitin bestehen. Besonders dünn und gleichmässig ist die C'uticula der Unterseite, während die der Oberseite eine etwas grössere Dicke besitzt. Die Oberseite zerfällt also in einen hinteren, kalkhaltigen Theil und einen vorderen Theil, der keine Kalkablagerungen enthält. In dem vorderen, die Hälfte bis zwei Drittel der ganzen Oberwand einnehmenden Theile, liegt die Austrittsöffnung des Polypids, weshalb man ilm den Hof der Oeffnung oder Area aperturae benannt hat. Derselbe ist eine runde bis elliptische, ziemlich ebene Fläche, die von einem verdickten kalkigen Rande umgeben wird, auf welchem bei den von mir gefun- denen Exemplaren fünf bis neun chitinöse Stacheln sich erheben, An der Stelle, wo diese Stacheln dem Rande aufsitzen, ist derselbe etwas verbi'eitert. Was besonders bei dem hinteren mitunter sehr langen Stachel auffallt, welcher an seinem unteren Ende auch dicker ist als die anderen. Dieser unpaare Stachel steht in der Mittellinie der Oberwand hinter der Area, während die übrigen in der Regel (Fig. 1. A.) symmetrisch angebracht sind. Der vordere Theil (Fig. 1 o) des Arearandes, der keine Stacheln mehr trägt, ist viel dünner und besteht nm- aus einer schmalen Leiste. Die Stacheln sind kegelförmig und bestehen sämmtlich aus Chitin, das nur am Grunde der Stacheln Kalkeinlagerungen enthält. Hinter der Austrittsöfthmig des Thieres befindet sich auf der Area der sogenannte Deckel. Dieser Deckel, der kein selbstständiges Gebilde ist, sondern eine einfache Verdickung der chitinösen Oberwand, hat die Form eines Halbmondes, dessen Hörner senkrecht zu seiner Ebene umgebogen sind. An der vorderen, con- Anatomisch-histologische Untersuchung etc. 7 vexen Seite desselben zieht sich scheinbar eine stabförmige Ver- dickung entlang, von welcher noch spater') die Rede sein wird; wäh- rend er an seiner hinteren, concaven Seite ziemlich schnell dünner werdend in die überall gleichmässig, dicke Cuticula der Area übergeht. Der hintere, verkalkte Theil der Oberwand des Zoöciums, der jedoch auch den proximalen Theil der Area seitlich umfasst, ist keine ebene Fläche, sondern erscheint auf Querschnitten des Thieres convex. Auf ihm befinden sich etwa 30 bis 40 kreis- oder ellipsenförmige Stelleu (Fig. 1, g), die bei oberflächlicher Betrachtung Löcher zu sein scheinen. Bei näherer Untersuchung jedoch findet man, dass dieselben nur dünnere und daher durchsichtigere Flecken der Kalklamelle sind, deren Vorhandensein die Familie Membranipora ihren Namen verdankt, obwohl sie weder Poren in der Kalkschicht noch in dem Chitinüber- zuge derselben sind. Es ist daher eigentlich unrichtig von der Art Memhraniponi pilosa mit Smittund Anderen zu sagen, ihre Oberwand sei durchlöchert. Der vordere Theil der Oberwand, die Area, ist etwas nach vorne geneigt, während der hintere, kalkige Abschnitt nach hinten zu abfällt; die Höhe des Zoöciura ist also bei dem un- paarem Stachel am grössten. Die allmälig in die Oberwand über- gehenden Seitenwände des Zoöciums sind ebenfalls verkalkt und tragen auch jene oben beschi'iebenen Verdünnungen. Ausserdem bemerkt man auf ihnen aber noch fünf etwa dreimal so grosse, helle Kreise die Smitt') auch bei Fliistra foliacea fand und ebenfalls für Perforationen hielt, weshalb er ihnen den Namen Communicationsporen gab. Bei stärkerer Vergrösserung jedoch be- merkt man, dass diese Gebilde (Fig. 2, A) von einem nach aussen etwas schneller als nach innen abfallenden Walle (Fig. 2, w) umgeben sind, und dass innerhalb dieses Walles noch Kalksubstanz vorhanden ist, die aber fünf bis zwölf kleine, ebenfalls von einem niedrigen Walle (Fig. 2, v) umgebene Oeftnungen enthält. Es sind die schon öfter beobachteten, von Reichert-*) Rosetten platten genannten Gebilde, denen Hincks^) den Namen Communicationsplatten beilegt. Jedoch zeigen die Perforationen bei Memhranlpora pilosa, nicht die von Reichert beobachtete Anordnung um eine centrale grössere Pore, sondern liegen ebenso wie bei Flnstra membranacea'') und Flustra memhranaceo-trnncata^) ziemlich unregelmässig. Vigelius Annahme, dass in den Rosettenplatten von Flnstra keine Kalkeinlagernngen vorhanden seien, trifft bei Membyanipora nicht zu, da in den mit Kalilauge gekochten Kalkskeletten die Rosettenplatten unversehrt waren. Dieselben sind auch bei unserem Thiere glatt und zeigen 1) D. Abh. S. -20. 2) Smitt. Kritisk förteckning. etc. Öfversigt. 1867. Tf. XX. fig. 15, 3) Reichert. Vergl. anat. Studien über Zoobotrj-on pellucidus. Ab- handl. d. Königl. Akad. der Wissenschaften. Berlin 1869. S. 267. Taf. IIT. Fig. 7. ") Hincks. Brit Marine Polyzoa. pg. VIII. ^) Nitsche. Beitrag z. Kenntniss der Bryozoen. Zeitsch. f. w. Zooig. Bd. XXI. 1870. S. 420. *) Vigelius. Die Bryozoen etc. Bijdragen t. d. Dierkunde. 1884. S. 22. g W. Freese. keine körnige Structur, woraus aber nicht auf Mangel von Kalkein- lagerungen geschlossen werden darf, da der sehr stark verkalkte, mit grossen Warzen besetzte Rand der Seiteuwände von Memhranipora pilosa , Forma membranacea ') ebenfalls der körnigen Structur entbehrt. Uebrigens bestehen bei dieser Varietät ebenso wie bei den fol- genden die Seitenwände aus einer einzigen beiderseits von Chitin über- zogenen Kalkplatte, die au den Enden in die Kalkplatteu der Vorder- wand und Hinterwand übergeht. Unsere Species zeigt also dasselbe Verhalten wie Flnsfra memhranaceo-trimcata^ deren Zoücinm ebenfalls von einer zusammenhängenden Kalkschicht umgeben ist, in der nicht wie bei Flustra membranacea-) an den Seiteuwänden je zwei unver- kalkte, als Gelenke dienende Chitinstreifen liegen. Die ebenfalls dreischichtige Vorderwand des Zoöciums hat die Form eines Rechtecks, das auf einer grossen Seite liegt. Die obere Seite bleibt jedoch nicht gerade, sondern ist entsprechend der Krüm- mung der Oberwand gebogen. Der die Area umgebende, verdickte Rand theilt sich vor den vorderen beiden Stacheln in einen vorderen, oberen, schmalen Theil (Fig. 1, o), der die Area an ihrem Vorder- theil begrenzt, und einen breiteren (Fig. 1, u) der sich nach unten wendend, etwa in halber Höhe auf der Vorderwand hinläuft. Die Vorderwand des einen Zoöciums ist etwas höher wie die Hinterwand des folgenden, so dass sie dieselbe etwas überragt. Auf der Vorder- wand finden sich jene auf der Oberwand und den Seitenwänden be- findlichen, verdünnten Stellen der Kalkschicht nicht, sondern sie ist oben vollkommen glatt und eben. Aber auf ihrem unteren Viertel befinden sich eine Menge kleiner, von einem Walle umgebene, Oeff- nungen, (vergl. Fig. 4, km). Diese Oeffnungen, die Claparede"^) schon bei Bugida und Shrupocellaria beschreibt und für Durchgangs- öflFnungen des Kolonialnervensystems hält, sind auch in Wirklichkeit Communicationsporen, denen auf der Hinterwand des folgenden Zoö- ciums OeflFnungen gegenüberliegen. Sie sind homolog den bei Fhis- traeiden von Witsche-') und Vigelius'^) beobachteten Rosetteuplatten der Vorderwand und Hinterwand. Trotz dieser Homologie möchte ich diesen kleinen von einem niedrigen Walle umgebenen Löchern den Namen Rosettenplatten nicht zugestehen, da sie sich au einer anderen Stelle finden und ihre Grösse nur ein sechstel derjenigen der Rosettenplatten beträgt. Auch haben diese kleinen mit nur einem Loche versehenen Gebilde keine Aehnlichkeit mit einer Rosette; ich schlage also vor, ihnen den alten Namen der Rosettenplatten „Commumcationsjyoren'' zu geben; welchen Smitt für die Rosettenplatten vorschlug, der jedoch später als für dieselben ungeeignet verworfen wurde. Eine den Ro- settenplatten oder auch diesen Communicationsporen ähnliche Bildung 1) D. Abhandl. Seite 10. 2) Nitsche. Beitrag Zeitschr. f. w. Zool. XXI. S. 419. 3) Claparede. Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Seebryozoen. Zeitschritt f. wissensch. Zooig. XXI. S. 160. ") Nitsche. Beiträge. Zeitschrift f. w. Zoolg. XXI. S. 429. *j Vigelius. Die Br^'ozopn etc. Bijdragen t. d. Dierkunde. S 20. Anatomiscli-histologische Untersuchimg etc. 9 beschreibt auch E;hlers') an den Berührungsflächen zweier Glieder von UypopJiorclla expama (Ehlers), konnte sich jedoch nicht über- zeugen, dass die chitinige Wand hier eine Durchbrechung besitze. Eine ähnliche Bildung ist ebenfalls das von Joliet-) bei Bowerhankia imbricata beobachtete Diaphragma zwischen den Zoöcien, das nur eine Durchbohrung besitzt, — Ovizellen, Avicularien oder Vibracu- larien habe ich bei Forma pilosa nicht beobachtet. Eine andere Varietät der 3Ie'mbyanipora pilosa, die sich massenweis in der Kieler Bucht findet, ist die Varietät Forma membranacea (Müll.) Fig. 3. Dieselbe findet sich hauptsächlich in dem inneren Theile des Kieler Hafens, Seegras und Miesmuscheln überziehend, während sich Forma pilosa nur verhältnissmässig selten hier zeigt, sondern vorzüglich in dem äusseren Theile der Kieler Bucht auf dem in grösseren Tiefen wachsenden Fucus serratus zu gedeihen scheint. Die Zugehörigkeit dieser Form zu Smitts^) Varietät Forma membra- nacea ist ohne Zweifel, dieselbe entspricht jedoch nicht der Art Mem- hranipora membranacea Hincks^) die sowohl in der Anzahl der Stacheln als der Tentakeln von Smitts Forma membranacea abweicht, und welche identisch ist mit der von Nitsche^) beschriebenen Flustra membranacea Lin. Die Art Hincks' hat 20 Tentakeln und einen Stachel an jeder vorderen Ecke des Zoöcium, während unsere Varietät von Membranipora piilosa 11 bis 14 Tentakeln und nur einen un- paaren Stachel besitzt. Die Kolonie ist im ganzen derjenigen der Forma pilosa ähnlich, entbehrt jedoch von der Seite gesehen des sammtartigen Aussehens, das dieser durch die grosse Anzahl der Stacheln verliehen wird. Der Polypide beraubte Kolonien unterscheidet man leicht von denen der vorigen Varietät, da sie, mit blossem Auge betrachtet, von ovalen, langen Löchern durchbohrt erscheinen, während die von Forma pilosa rundere, nicht so dicht liegende Löcher tragen. Auch liier sind die Zoöcien am regelmässigsten am Rande grösserer Kolonien ausgebildet und eri'eichen hier eine Breite von 0,15 bis 0,2 mm und eine Länge von 0,3 bis 0,45 mm. Die Kolonien dieser Varietät waren meistens kleiner als die der vorigen. Das Zoöcium von Membranipora pilosa, Forma membranacea hat die Form eines hohlen, vierseitigen Parallelepipedon, die grossen Flächen desselben bilden die Ober- und Unterseite , während die kleineren die Seitenflächen bilden. Geschlossen wird dieser parallele- pipedische Raum durch zwei zu seiner Axe geneigt stehende Flächen, die zugleich seine kleinsten Wände sind, Vorderwand und Hinterwand. Die Hinterwand eines jeden Zoöciums wird von einem mehr oder ') Ehlers. Hypophorella expansa. Ein Beitrag zur Kenntniss der mini- renden Bryozoen. Abhandlung der Königl. Gesellsch. der Wissenschaften zu Göttingen. Bd. XXI. 1876. Seite 14. Fig. 17. ^) Joliet. Bryozoaires des cötes de France. Archives de Zoologie ex- perimentale 1877. pg. 223. Anm. 4. 3) Smitt. Förteckning. etc. Öfversigt. 1867. S. 371. ") Hincks. Brit. Mar. Polyzoa. pg. 140. »JNitsche. Beitrag etc. Zeitschrift f. w. Zooig. XXI. S. 416. 10 W. Freese. weniger entwickelten Stachel (Fig. 3) gekrönt, der sehr klein werden und sogar ganz fehlen kann. Die Unterseite auch dieser Varietät wird von ziemlich dünner Cuticula gebildet, aber auch die Oberwand besteht, da sie fast ganz von der Area eingenommen wird, aus einer chitinösen Membran. Der Deckel ist ähnlich wie bei Forma pilosa und zeigt bis'wjeilen Kalkeinlagerungen. Der einzige, dem unpaaren Stachel der vorigen Varietät ent- sprechende Stachel ist soweit nach hinten gerückt, dass er auf der stark mit Kalkeinlagerungen versehenen Hinterwand zu ruhen scheint, während er vorn in den verkalkten Theil der Oberwand übergeht. Letzterer ist meist sehr schmal und zeigt, nach vorn zu dünner werdend, deutliche Zuwachsstreifen. Am schwächsten ausgebildet ist dieser hintere, kalkhaltige Theil der Oberwand bei Individuen, denen der Stachel fehlt. Uebrigens zeigen die Individuen einer Kolonie ziemlich dieselbe Bewaffnung; häufig jedoch kommt es vor, dass die jüngeren Thiere einer sonst stachellosen Kolonie bewaffnet sind. Nach dem Kochen mit Kalilauge erscheint der Stachel als ein hohler, oben offener Kegel. Dieser innen und aussen von einer Chitinschicht aus- gekleidete Hohlkegel wird an seiner Oeffnung von einem massiven Chitinstachel überragt. Denselben Aufbau zeigen nach Nitsche auch die beiden Stacheln von Flnstra mcmhranacea sehr deutlich, während bei der vorigen Varietät die kalkige Basis der Stacheln nur sehr niedrig ist. Unter diesem Stachel ist die Hinterseite (Fig. 4) von ziemlich gleichmässiger Dicke, wird jedoch auf ihrem unteren Drittel von 20 bis oO Communicationsporen durchbohrt. Die Seitenwände des Zo- öciums zeigen ebenfalls starke Kalkeinlagerungen. Kocht man die- selben in Kalilauge, so zeigt sich, dass der obere, dickere Theil im Innern des Zoöciums mit Reihen warzenförmiger Erhebungen (Fig. 8, e) besetzt ist und nach unten zu schnell dünner wird. Diese Warzen setzen sich auf den verkalkten Theil der Oberwand fort, stehen dort jedoch viel weniger dicht und nur auf dem hinteren, dickeren Theile derselben. Unter dieser Warzenzone ist die Ectocyste der Seiten wand ebenso wie an der ganzen äusseren Seite eben und zeigt keine runden verdünnten Stellen, ausser den zwei, mitunter auch wohl drei Rosetten- platten, die ebenso wie der gewarzte Kantentheil im Gegensatze zu der übrigen Seitenwand, die eine körnige Structur hat, glatt erscheinen. — Auch bei dieser Varietät finden sich keine Vibracularien, Avicularien und Ovizellen. Eine dritte Varietät (Fig. ä) von Menibrunipora pilosa., die sich allerdings nur in einem kleinen, schwachsalzigen Theile 'der Kieler Bucht findet, ist nachSmitt') die Forma monostachys (Busk); nach Hincks'-) wäre es die Art 3femhranij)ora monosfach/s und zwar die Varietät fossaria, die überhaupt Smitts Forma monostachys zu ent- sprechen scheint. Dieselbe findet sich in fast süssem Wasser an dem Einflüsse der Swentine in die Bucht. Ich fand sie dort in unmittel- ') Smitt. Kritisk förteckning. Oefversigt 1867. S. :^70. -) Hincks. Brit. Marine Polyzoa pg. 131. Anatomisch-histologische Untersuchung etc. 11 barer Nähe der Mühle als breite Flächen die Pfähle überziehend oder auch die Stiele von Cordijlophora lacustris umwachsend. Ausserdem erhielt ich noch Exemplare aus dem ebenfalls brackischen Winde- byer Noor bei Eckernforde, welche als schwammarticfe Klumpen den Stielen von Wasserpflanzen angeheftet sind. Von früheren Autoren wurde diese Brackwasserform ebenfalls nur an Flussmünduügen oder solchen Stellen gefunden, wo das Wasser wenig salzreich Avar. Hincks erwähnt ihr Vorkommen an der englischen iind französischen Küste, Smitt an der schwedisch-norwegischen, und Kirchenpauer ^) meint dieselbe auch bei Cuxhafen an der Elbmündnng gesehen zu haben. Dieselbe hat im ganzen einige Aehnlichkeit mit der Varietät membranacea, unterscheidet sich aber von dieser schon dadurch, dass bei ihr der verdickte Rand der Area auch au dem verkalkten Theile der Oberwand ziemlich deutlich ausgebildet ist. (Fig. 5). Die Form des Zoöciums ist dieselbe wie bei der vorigen Varietät, variirt jedoch bei den in schwammartigen Kkimpen wachsenden Colonien ebenso sehr, wie die Grösse der Zoöcien, die in manchen Fällen nur ein Sechstel der typischen Grösse beträgt. Die Area nimmt fast die ganze Oberseite ein, so dass der verkalkte Theil, der übrigens nicht jene scheinbaren Löcher zeigt, hinten nur eine schmale Zone bildet, die an den Seiten den Hof der Oeflfnung etwas umfasst. Der Deckel, der auch häufig Kalkeinlagerungen enthält, scheint bei dieser Form etwas länger zu sein, als bei den vorher beschriebenen. Der die runde oder elliptische Area umgebende Rand ist ringsherum an seiner Oberseite mit Reihen von Warzen besetzt, so dass er von der Seite gesehen, oben eingekerbt zu sein scheint. Hinter dem Oeffnungs- hofe findet sich ein hohler Stachel, der jedoch auch fehlen kann, bei dessen Vorhandensein aber der kalkhaltige, hintere Theil der Ober- wand breiter ist, wie sonst. Einmal beobachtete ich auch noch zwei Stacheln an den vorderen Ecken des Zoöciums , die der Vorderwand so nahe gerückt waren, dass sie auf ihr zu ruhen schienen. Uebri- gens finden sich bei dieser Varietät stachellose und bewaffnete Indi- viduen auf einem Zoöcium neben einander, während die Zoöcien der vorigen Varietät auf einer Colonie auch ziemlich dieselbe Bewaffnung tragen. Die Seiten wände von Forma monostachys ^ die oben von dem Rande der Area begrenzt werden, tragen 2 bis 3, bei sehr langen Individuen auch wohl vier Rosettenplatten. Letztere enthalten 5 bis 10 sehr feine Poren, welche von einem bei dieser Varietät be- sonders grossen Hofe umgeben sind. (Fig. 2 B). Ausserdem bemerkt man auf den Seidenwänden noch eine Anzahl jener, bei Forma pilosa erwähnten, als runde Löcher erscheinenden, verdünnten Stellen, (Fig. 5. g). Dieselben waren aber viel kleiner und lange nicht so zahlreich wie bei jener. Das ist auch wohl der Grund, weshalb ihr Vorhanden- sein von früheren Beobachtern nicht angeführt wird. Die Anwesen- heit dieser runden Grübchen scheint ausser der Art des Vorkommens ^) Jahresbericht der Comm. z. Uut. d. deutsch. Meere. Expedition zur Unters, der Nordsee. Berlin 1875. S, 185. 12 W. Freese. das einzige Merkmal zu sein, durch welches man Forma monostachi/s von der ihr im allgemeinen sehr ähnlichen Forma mcmhranacea un- terscheiden kann, denn hei letzterer konnte ich niemals solche runden, dünnen Stellen bemerken. Die Vorderwand wird ebenfalls von dem Rande der Area be- grenzt und zeigt keine dünnen Gruben, trägt aber ebenso wie die Hinterwand eine grosse Zahl Communicationsporen, deren Structur man bei ihrer verhältnissmässigen Grösse sehr gut erkennt. Dieselben sind ganz ähnlich den Rosettenplatten gebaut, sind jedoch viel kleiner und tragen nur eine einzige Perforation. Innerhalb des ringförmigen Walles sind sie uhrglasartig ausgehöhlt und in der Mitte durchbohrt. Uebrigens überragt auch bei dieser Varietät die Vorderseite des einen Individuums die Hinterseite des anderen. Wie Vigelius bemerkt, scheint die Vorderwand und Hinterwand benachbarten Zoöcien von Flustra memhranaceo-trtmcaUi gemeinsam zu sein. Dieselbe Beob- achtung machte ich bei den zuerst beschriebenen Varietäten; bei Forma monostachys jedoch gelang es mir einen deutlichen Spalt zwischen der Vorderwand des einen und der Hinterwand des anderen Individuum zu erkennen. Bei dieser Form trat die quincunxartige Anordnung der Zoöcien nicht so deutlich hervor, dieselben waren vielmehr häufig in Reihen angeordnet. Was die Angabe Busks') betrifft, dass Avicularien über die Bryozoencolonie zerstreut waren, so muss ich bemerken, dass ich niemals derartige Gebilde fand. Auch Hincks'^) leugnet das Vor- handensein von Avicularien; beschreibt jedoch Gebilde, die er als avicularienähnlich bezeichnet und für unvollkommen entwickelte Zoöcien hält. Solche zwergartige Zoöcien, welche nur ein Sechstel der gewöhnlichen Grösse erreichen, sonst aber die Form der typischen Zoöcien haben, finden sich auch bei den hiesigen Exemplaren und zwar hauptsächlich bei den schwammartig wachsenden Colonien. Da sich jedoch bei ihnen kein mandibelartiger Deckelapparat findet und ihre Anordnung eine durchaus unregelmässige ist, glaube auch ich dieselben für unvollkommen entwickelte Zoöcien halten zu müssen. — Vibracularien und Ovizellen fand ich bei den von mir untersuchten Colonien ebenfalls nicht. Die Eiidocystc. Die Endocyste von Memhranipora pilosa ist die ursprünglich zellige Auskleidung der Ektocyste. Bei ausgewachsenen Thieren je- doch bildet sie ein dünnes Maschenwerk protoplasmatischer Fäden, in dem man keine Zellgrenzen unterscheiden kann. An nicht gefärbten Präparaten erkennt man an der Endocyste ziemlich gleichweit von einanderliegende Protoplasmaklümpchen, die durch von ihnen aus- strahlende Fasern mit einander verbunden sind. Bei gefärbten Stücken aber zeigt sich (Fig. 6), dass diese Protoplasmaklümpchen fast ganz *) Busk. Catalogue of Marine Polyz. etc. Part. II. 1854, pg. 61. "0 Hincks. Brit. Marine Polyz. pag. 134. Anatomisch-histologische Untersuchung etc. 13 von grossen runden oder kleineren ovalen Kernen mit deutlichem Nukleolus gebildet werden, die von einem nur schmalen Hofe proto- plasmatischer Substanz umgeben sind. Aehnlicli manchen Bindege- webszellen sendet dieselbe unregelmässig sich verzweigende Ausläufer nach allen Seiten. Ein Theil dieser faserigen Ausläufer führt ohne sich zu verzweigen zu den nächstliegenden Kernen, die anderen aber verzweigen sich und verlaufen sich kreuzend und mit einander anasto- mosirend, ohne sich an den Hof eines Kernes anzusetzen. Smitt beschreibt die Endocyste als eine homogene Lamelle, die von einem Netze äusserst feiner, anastomosirender, röbriger Kanäle durchzogen ist, welche sich an den Knotenpunkten erweitern. Offen- bar sind diese Knotenpunkte die von einem protoplasmatischen Hofe umgebenen Zellkerne, in denen ich immer einen Nukleolus erkannte. Dass die von den Kernen ausstrahlenden Fäden Röhren seien, kann ich ebenfalls nicht bestätigen, da ich in ihnen keine Doppelcontou- riruug entdecken konnte, auch auf Claparede^) haben dieselben durchaus nicht den Eindruck von hohlen Strängen gemacht. Uebrigens liielt auch Smitt diese Ansicht nicht aufrecht, sondern widerrief die- selbe später. Reichert-) leugnet ebenfalls die Existenz von Kernen in der Endocyste, abgesehen von den in der Knospenbildung begrif- fenen Stellen, und hielt die auch von Nitschc'') als Kerne bezeich- neten Gebilde für die Insertionsstellen des communalen Bewegungs- organs oder für Vacuolen. Ich muss nun zugeben, dass man die Ansatzpunkte der Parietalmuskelfäden leicht für Kerne hält. Dass jedocli wirkliche Kerne vorhanden sind, zeigt sich an mit Hämato- xylin und Eosin gefärbten Präparaten, in denen dieselben ebenso wie die unzweifelhaften Kerne des Darmkanals blau erscheinen, während alles übrige roth ist. Auch Vigelius^) fand Kerne in der von ihm „Parietalschicht des Fasergewebes " genannten Endocyste. Er be- schreibt dieselbe als ein Netzwerk feiner Protoplasmafäden, in dessen Knotenpunkten die Zellkerne liegen, und welches der Ektocyste an- gelagert ist, ohne in eine dünne Membran eingebettet zu sein. Er tritt hierdurch der Behauptung Nitsches entgegen, welcher bei Flustra memhranacea eine helle Membran beschreibt, in welche die Protoplasmastränge eingelagert sein sollen. Da es mir nicht gelang, eine solche dünne Membran zu beobachten, glaube auch ich deren Existenz bezweifeln zu müssen. Eine wirklich epithelartige Struktur zeigt die Endocyste nur dort, wo sie die Rosettenplatten überzieht. Hier findet sich ein auch von Nitsche bei Flustra memhranacea gefundenes Epithel, dessen cylin- drische Zellen einen dunklereu körnigen Inhalt führen und einen eben- falls sehr stark sich färbenden Kern besitzen. Das einzellschichtigc Rosettenplattenepithel bildet einen linsenförmigen Pfropf, der die ') Clapavede. Beitrag etc. Zeitschr. f. w. Zooig. XXI. p. 142 ^) Reichert. Vergl. anat. Untersuch, etc. Abh. d. Königl. Akad. in ßerüu. 1869, iL S. 273. 3) Nitsche. Beiträge etc. Zeitschr. f. w. Zooig. XXI. S. 424. ^) Vigelius. Die Bryozoen etc. Bijdragen. 1884. S. 25. 14 W. Freese. ganze Platte bedeckt und dessen Zellen in der Mitte länger sind, wie an den Seiten. Nach Reichert 0 wurde die Epithelnatur dieses Rosettenplattenüberzuges schon von Fr. Müller vermuthet; Reichert selbst aber schreibt sein scheinbar körniges Gefüge anderen Ursachen zu. Bei Flustra membranaceo-fruncata bezweifelt Yigelius-) die Epithelnatur des Rosettenplattenbelags, doch sind auch bei dieser Species die Kerne an den betreffenden Stellen meistens sehr zahl- reich vorhanden, liegen jedoch so unregelmässig, dass Vigelius zu jener Annahme gelangt. Nach ihm scheint der Pfropf der Rosetten- platten überhaupt nicht immer vorhanden zu ^eh\, welche Erschei- nung mir bei 3Iembrampoya püosa nicht auffiel. Die dunkelgefärbten Kerne dieses Epithels fallen deshalb besonders auf, weil die übrigen Kerne der Endocyste viel schwächer gefärbt werden. Ebenfalls sehr stark färben sich die Kerne in der Gegend der Communicationsporen der Hinter- inid Yorderwand, an welchen Stellen dieselben auch viel dichter liegen, als an der übrigen Endocyste. An die Endocyste angelagert, finden sich Ballen stark licht- brechender Körner, welche, da sie sich in Säuren lösen, wohl Kalk- körperchen sein werden; man hat dieselben auch bei anderen Bryo- zoen der Endocyste anhaftend gefunden. Durch Kohlensäurenent- wicklung bei Zusatz von Säuren den Kalkgehalt dieser Körnerhaufen nachzuweisen, war wegen der starken Verkalkung der Ektocyste unseres Thieres leider unmöglich. Ausserdem haften noch Haufen von Zellen an der Endocyste, die einen grossen Zellkern enthalten und aus denen zum Theil die Geschlechtsprodukte hervorgehen. Die von Reichert beobachteten, sich mit Jod purpurn färbenden Amyloid- kügelchen konnte ich nicht constatiren. Die Leibesliöhle. Die von der Ektocyste und Endocyste umschlossene Höhlung des Zoöciums, die ,perigastric cavity" mancher Autoren, ist eine der Leibeshöhle anderer Thiere entsprechende Bildung. Diese Höhle des Zoöciums ist von einer hellen Flüssigkeit erfüllt, die nach Reichert aus Seewasser und etwas darin gelöstem Eiweiss bestehen soll. In diesei- Höhlung flottirt das dem Darmkanale entsprechende Polypid mit den befestigenden Muskeln. Ausserden finden sich in derselben jedoch noch verschiedene andere Gebilde, von denen wir zunächst die Parietalmuskel besprechen wollen. Die Parietalmuskelii. Zwischen der Oberwand und den Seitenwänden gespannt sind die Parietalmuskeln , deren Anzahl je nach der Länge des Zoöciums ^) Reichert. Vergl. anat. Untersuch, etc. Abhandl, der Königl. Akad. Berlin 1869. II. S. 286. -) Vigelius. Die Bryozoen etc. Bijdragen et. 1884. S. 26. Anatomisch-histologische Untersuchung etc. 15 schwankt, meist sind es 4 oder 5 auf jeder Seite. Wie auch Rei- chert') annimmtjUnd Nitsche anzunehmen scheint, inseriren sie an der Ektocyste der Seitenwände und der Oberwand, hier in einer Linie, die ziemlich nahe den Seitenwänden zu diesen parallel verläuft. Jedes Muskelbündel besteht aus einer unbestimmten Anzahl von Fasern, die zwischen 3 und 10 schwankt. Sie sind bald cylindrisoh, bald band- förmig, tragen aber immer einen deutlichen ovalen Kern, den nach Ehlers-) die Parietalmuskelfasern von Hijpopliorella expansa nur im Jugendzustande besitzen sollen. Die Fasern sind etwas schmäler als die der anderen freien Muskeln und färben sich weniger stark, als diese. Eine Höhlung konnte ich in ihnen nicht entdecken, wohl aber schien es mir mitunter, als ob dieselben doppelt kontourirt wären Bei genauerer Untersuchung zeigte es sich jedoch, dass in diesem Falle zwei einzelne Fasern übereinanderlagen ; auch trug die schein- bar einfache Faser zwei Kerne, deren Vorkommen Reichert auch bei seinen Parietalspannbändern beschreibt. Sollte nicht Reichert ebenfalls zwei sich deckende Fasern vor sich gehabt haben und aus der doppelten Contur derselben auf hohle Schläuche geschlossen hahen? Die Fasern setzen sich mit trichterförmig verbreiterten Enden an die Wände des Zoöciums an, ebenso wie bei den beschriebenen Flustraeiclen sind dieselben auch bei Membranlpora niemals in so hohem Grade tellerförmig verbreitert, wie von Reichert'^) bei Zoo- botryon pellucidus gezeichnet wird. Fuiiiculi laterales imd Fuiiieularplatte. Ausser diesen Muskelfasern und den Geschlechtsprodukten linden sich in der Höhle des Zoöciums, und zwar an ihrer unteren analen Seite, noch die von Nitsche^) sogenannten Funiculi laterales oder Seitenstränge und die Funicularplatte. Beide zusammen bilden das „ Kolonialnervensystem " Fr. Müllers, während Reichert sie schon vorsichtiger als „communales Bewegungsorgan" beschreibt. Dass hier von einem Nervensystem nicht die Rede sein kann, zeigt sich schon daraus, dass man in diesen Gebilden bisher noch keine nervösen Elemente gefunden hat. Ich schliesse mich daher in Bezug auf die Function dieses Apparats ganz der Ansicht Nitsches'') an, der die Funicularplatte für ein Organ hält, das dazu dient, den Darm- kanal in einer bestimmten Lage zum Zoöcium zu erhalten, und der zugiebt, dass die Seitenstränge wohl geeignet seien, Reize von einem Tiere auf das andere zu übertragen, da an ihren Insertionsstellen in den Rosettenplatten die Wände des Zoöciums besonders dünn shid. ^) Reichert. Vergl. anat. Untersuch, etc. Abhandl. der Königl. Akad. Berlin 1869. II. S. 294. 2) Ehlers. Hypophorella expansa etc. Abhand. d. Königl. Gesellsch. i. Göttingen. XXI. S. 29. 3) Reichert. Ebendaselbst. Tat". VI. Fig. 27. -») Nitsche. Beitrag etc. Zeitschrift f. w. Zooig. XXI S. 425. ^) Nitsche, ebendaselbst S. 435. 16 W. Freese. In seiner Monographie von Flusfra memhranaceo-truncata beschreibt Vigelius') diese Gewebe unter dem Namen „Parenchymgewebe", zu welchem er aber auch die Endocyste als Parietalschicht und das äussere, dünne Darmepithel unter der Bezeichnung , Darmschicht des Parenchymgewebes" rechnet. Die Funiculi laterales oder Seitenstränge, die Nitsche beschreibt, sind homolog dem Funiculus posterior und dem Hauptaste des com- munalen Bewegungsorgans, welche Reichert bei Zoobotri/on erwähnt, denn beide setzen sich ebenso wie die Seitenstränge an die Rosetten- platten und scheinen auch eine ähnliche Struktur zu besitzen. Bei Flusfra memhranaceo-trimcata-) scheinen diese Stränge nicht so stark ausgebildet zu sein, wie bei Memhranipora püosa, sondern liegen als dünne Faserstränge dem Hautskelette an. Die Funiculi laterales sind runde Gebilde, die mit einer gemein- schaftlichen Wurzel von einer Rosettenplatte entspringend, sich in zwei in entgegengesetzter Richtung ziehende Stränge teilen, die zu den nächstfolgenden Rosettenplatten derselben Wandung gehen, wo sie sich mit dem ihnen entgegenkommenden Strang verbinden und mit gemeinschaftlicher Wurzel enden. An der Vorder- und Hinter- wand des Zoöciums lösen sich die beiden Seitenstränge bei unserem Tliiere in einzelne Stränge auf, die deutliche Kerne führend, zu den Communikationsporen dieser Wände gehen. Dieselbe Erscheinung beschreiben auch S m i 1 1 und C 1 a p a r e d e •^) bei verschiedenen chilostomen Arten, während die von Nitsche untersuchte Flusfra mcmhranacea und die von Vigelius beschriebene Flusfra memhranaceo-trimcafa auch auf diesen Wandungen wirkliche mehrfach durchbohrte Rosetten- platten besitzen, an welchen die Funiculi laterales unverzweigt inse- rieren. Wie schon bei Beschreibung der Endocyste erwähnt, liegen in der Umgegend der Communikationsporen die Kerne der Endocyste viel dichter und sind auch bedeutend dunkler gefärbt, als an den übrigen Theilen derselben mit Ausnahme der Cylinderzellen des Rosetten- plattenepithels. Ausser durch ihren Zusammenhang mit den Rosetten- ])latten werden die Seitenstränge noch durch dünne, an ihnen sich ansetzende Ausläufer der Funikularplatte in ihrer Lage erhalten. Die Funiculi laterales sind meist rührige Stränge, die von einem aus spindelförmigen Zellen gebildeten Gewebe bedeckt sind, und die in ihrem Innern eine klare, feinkörnige Masse enthalten. Jedoch machen sie keineswegs immer und an ihren Verzweigungen niemals den Ein- druck von hohlen Strängen, wie Nitsche^) es abbildet und beschreibt, sondern häutig erscheinen sie nur aus einem Flechtwerk dieser Spin- delzellen zu bestehen. Dieselbe Erscheinung erwähnt auch Reichert bei Zoobofri/on, -während Vigelius'^) den Seitensträngen gänzlich ihre röhrenförmige Beschaffenheit abspricht. ') Vigelius. Die Bryozoen. Bijdragen. 1884. S. 23. 2) Vigelius. Die Bryozoen etc. Bijdragen. 1884. S. 30. =*) Claparede. Beitr. etc. Zeitsch. f. w. Zooig. XXI, S. 160. ^) Nitsche. Beitr. etc. Zeitsch. f. w. Zooig. XXI. S. 425. Tf. XXXVIIl. Fig. 19. ^) Vigelius. Bryozoeu etc. Bijdragen 1884. S. 30. Anatomisch-histologische Untersuchung etc. 17 Die Spindelzellen (Fig. 7) tragen helle, runde bis ovale und spindelförmige Kerne, die etwa doppelt so gross sind, als die Kerne der Endocyste, und einen oder auch zwei Nukleolen besitzen. Ausser diesen hellen Kernen finden sich noch kleinere dunklere Zellkerne in ihnen. Der Inhalt der Spindelzellen ist sehr feinkörnig, mitunter jedoch finden sich auch einzelne grössere Körnchen. Die Spitzen dieser spindelförmigen Zellen stossen auf einander, wodurch die Funiculi laterales bei schwacher Vergrösserung ein längsgestreiftes Aussehen erhalten, welche Erscheinung auch Claparede') bei Biigula be- schreibt. Die andere von Nitsche erwähnte Ausbildung der Seitenstränge als chitinisirte, bandartige Stränge konnte ich bei Membranipora nicht beobachten. Der zweite Theil des Colonialnervensystems Fr. Müllers und Smitts, die von Nitsche-) sogenannte „Funicularplatte", reprä- sentirt das Communicationsnetz des communalen Bewegungsorgans Reicherts und wird von Vigelius^) als Stranggewebe bezeichnet. Die Funicularplatte liegt bei unserem Thiere ebenso wie die Funiculi laterales der Endocyste der Unterseite sehr genähert. Es ist eine flächenartige Ausbreitung strangartiger Gebilde, die mit der ihr zu- nächstliegenden Endocyste zusammenhängt und auch Zweige zu den Seitensträngen und dem Polypide sendet. Ich sah deutliche Zweige dieses Gewebes an dem Blindsack des Magens vorne sowohl wie hinten inseriren, auch an den Pylartheil sowie an das Rectum setzen sich Fasern an. Jedoch unterschied sich der an das hintere Blinddarm- ende gehende Strang in keiner Weise von den übrigen, während Nitsche ihm eine grössere Mächtigkeit zuschreibt. Wahrscheinlich werden wohl noch mehrere Stränge zur Befestigung des Darmkanals dienen, dieselben scheinen jedoch ziemlich unregelmässig angeordnet zu sein und für jedes Thier eine andere Vertheilung zu zeigen, was auch Vigelius annimmt. Die Funicularplatte besteht bei Membranipora ebenso wie bei Flustra membranacea aus einem Geflecht spindelförmiger Zellen (Fig. 8) von gleicher Grösse, wie die der Seitenstränge. Ihr Inhalt ist eben- falls ein ähnlicher, ihre Kerne jedoch sind immer spitzer und spindel- förmiger und nicht klaren Inhalts wie die der Seiten strangzellen, sondern dunkel geförbt. Vigelius konnte in den Parenchymsträngen von Flustra membranaceo-trimcata keine deutlichen Spindelzellen mehr erkennen. Dies mag wohl bei älteren Zoöcien vom Membrani- j)ora ebenfalls der Fall sein, in denen ich die Struktur der Funi- cularplattenstränge nicht studiren konnte, da dieselben zu sehr mit Geschlechtsprodukten erfüllt waren. Im übrigen stimmen meine Be- obachtungen in Bezug auf den Bau der Kerne mit denen von Vige- lius überein. ^) Cl aparede. Beitrag. Zeitsch. f. w. Zooig. XXI. S. 159. 2) Nitsche. Beitrag etc. Zeitsch. f. w. Zooig. XXI. S. 434. ') Vigelius. Die Bryozoen etc. Bijdragen 1884. S. 24. Arch. f. Naturgeech. Jahrg. 1868. Bd. I. H. l. 2 lg W. Free 8 e. Das Polypid. In dem von der Endocyste und Ektocyste umschlossenen Räume, der der Leibeshöhle anderer Thiere entsprechenden Höhle desZoöciums, liegt durch die Tentakelscheide, die Muskeln und die Punicularplatte mit der Leibeswand verbunden das sogenannte Polypid, welches früher für ein Tochterindividuum der Zoöciums gehalten wurde. Dasselbe ist der Ernährungsapparat des Thieres und zerfallt in einen zum Fang der Nahrung und zur Respiration dienenden Theil, die Tenta- kelkrone mit der Tentakelscheide, und einen verdauenden Theil, den Darmkanal. Die Tentakel scheide. Die Tentakelscheide ist ein hohler Schlauch, der sich vorne an der Oeffnung des Zoöciums an die Endocyste der Oberseite ansetzt, hinten aber an dem Ringkanale des Polypids inserirt. In diesem Zu- stande, also bei zurückgezogenem Polypide, bildet sie eine Scheide um die Tentakeln, bei ausgestrecktem Polypide jedoch ist sie nach aussen gestülpt, so dass sie den Oesophagus, einen Theil des Magens und den analen Theil des Darms umschliesst. In histologischer Hinsicht (Fig. 9) ist sie eine Lamelle, in der man keine Zellgrenzen unterscheiden kann, obwohl ihr deutliche Zell- kerne eingelagert sind. Auf der Tentakelscheide finden sicli faserige Stränge, die schon Nitsche für Muskelfasern hält, und zwar finden sich sowohl Längs- wie Ringmuskelfasern. Obwohl man in denselben keine Kerne erkennt, sondern nur elliptische oder spindelförmige Ver- dickungen, ist man doch wohl berechtigt, sie für Muskelfasern zu halten. Vigelius^) beschreibt, dass bei dem von ihm untersuchten Thiere die Tentakelscheide noch von der von ihm sogenannten , Darmschicht des Fasergewebes " überzogen sei. Er schreibt dieser Schicht die am häufigsten auf der Tentakelscheide zu sehenden, ovalen Kerne zu, die ich für die Kerne der Tentakelscheide selbst halte. Nach seiner Ab- bildung (Fig. 35) zu urtheilen, hält er nur die grösseren, spindelförmigen, viel seltener sich zeigenden Flecken für die der Tentakelscheide zu- gehörigen Kerne. Ich vermuthe in diesen die Kerne der Ringmusku- latur, von deren Vorhandensein Vigelius nichts erwähnt, und zwar aus folgendem Grunde. Er zeichnet in obiger Figur diese Kerne mit ihrer Längsausdehnung parallel den Ringmuskelfasern und zum Theil auf denselben liegend; gehörten dieselben nicht den Muskelfasern an, so müsste auch ich diese Kerne zwischen den Fasern gesehen haben, was aber nicht der Fall ist, sondern immer zeigten sich dieselben eng mit den Muskelelementen verknüpft, während die übrigen Kerne, die über die Tentakelscheide ziemlich gleichmässig vertheilt sind, auch zwizchen den Fasern sich zeigten, ich glaube also nicht, dass die Tentakelscheide zweischichtig ist, und bin der Ansicht, dass die Darm- ^) Vigelius. Die Bryozoen etc. Bijdragen. 1884. S. 33. Anatomisch-histologische Untersuchung etc. 19 schickt des Fasergewebes sich nur auf dem Darmkanale zeigt, wo sie auch schon von anderen Autoren unter dem Namen äusseres Darm- epithel beschrieben wurde; von mir wurde dasselbe allerdings nur auf dem Oesophagus beobachtet. Ebensowenig wie Vigelius fand ich eine Communication der Tentakelscheidenhöhlung mit der Leibeshöhle des Thieres, durch welche die Geschlechtsprodukte des Thieres ins Freie gelangen könnten, son- dern das einzige Organ, das die Tentakelscheide durchbohrt, ist der etwa auf der Hälfte ihrer Länge mündende Afterdarm. An der Mün- dungsstelle des Afters in die Tentakelscheide ist dieselbe häufig zu einer dünnen Röhre ausgezogen, die als eine dünnwandige Fortsetzung des Afterdarms erscheint, von welcher aus die Längsmuskelfasern auf das Rectum übergehen. Die Ringmuskelfasern der Tentakelscheide bilden an ihrem hin- teren Teile (Fig. 9A), ebenso wie Nitsche bei Flustra membranacea besclu'eibt, einen deutlichen Sphinkter, in welchem sie dichter ge- lagert sind und in ziemlich gleichen Zwischenräumen die Tentakel- scheide umziehen. Bei Flustra menibranaceo-truncata^) scheinen die Ringmuskelfasern ziemlich gleichmässig über die Tentakelscheide ver- breitet zu sein, doch liegen sie bei dieser Species auf der ganzen Tentakelscheide ebenso nahe bei einander, wie bei unserem Thiere im Sphinkter. Auch Ehlers^) beschreibt bei Hypopliorella keinen solchen Sphinkter, wie er überhaupt die Anwesenheit von Muskel- fasern auf der Tentakelscheide dieses Thieres bezweifelt. Die Längs- muskelfasern sind an der Basis der Tentakelscheide ziemlich gleich- massig über dieselbe vertheilt. An dem bei zurückgezogenem Polypide distalen Theile jedoch vereinigen sie sich zu vier Bündeln, deren Fasern in die bei Chilostomen zuerst von Nitsche 3) beschriebenen Parieto Vaginalbänder übergehen. Die ParietOTagiiialbänder. Vigelius*), der die Parietovaginalbänder zu seinem Paren- chymgewebe rechnet, bezweifelt das Eintreten von Muskelfasern von der Tentakelscheide in diese Gebilde ebenso wie Ehlers. Diese Parietovaginalbänder sind zwei Paar Faserbündel, die sich von der Tentakelscheide zu der Endocyste erstrecken. Das kurze obere Paar geht aus den beiden oberen auf der Tentakelscheide hinziehenden Längsmuskelbündeln hervor und setzt sich nach hinten oben ziehend an die Endocyste. Das untere Paar geht aus den unteren Bündeln hervor und inserirt, nach vorne zwischen den beiden Opercularmus- kelbündeln hindurch ziehend, an der Endocyste der Vorderwand etwas oberhalb der Communikationsporen (Fig. lOj und nicht wie bei Flustra memhranaceo-truncata an der Neuralwand. Wie auch Vigelius be- ') Vigelius. Die Bryozoen etc. ßijdragen. 1884. S. 33. Fig. 35. ^) Ehlers. Hypophorella expansa. Abh. d. Kgl. Gesellsch. d. Wisseiisch. Göttinnen. XXI. S. 38. 3) Nitsche. Beiträge etc. Zeitschr. f. w. Zooig. XXI. S. 433. '') Vigelius. Die Bryozoen etc. Bijdragen. 1884. S. 29. 20 W, Freese. hauptet, verlässt das obere Paar die Tentakelscheide früher wie das untere, so dass also die beiden Parietovaginalbänderpaare nicht, wie Nitsche behauptet, in einer Ringzone entspringen. Die vorderen Parietovaginalbänder sind cylindrische, ihrer Länge nach gestreifte Stränge, während die hinteren, oberen Bänder ebenfalls längs ge- streifte Gebilde sind, deren Fasern aber immer neben einander in einer Ebene verlaufen und keinen cylindrischen Strang bilden. Sie setzen sich, kegelförmig anschwellend, mit ihren distalen Enden an die Endocyste, während sie an der Tentakelscheide mit flächenartiger Verbreiterung inseriren. Diese Bänder (Fig. l(Tpvb) bestehen aus einer klaren, selten feinkörnigen, homogenen Substanz, in welche die dünnen Muskelfasern eingebettet sind, und welche in ihrem Innern und an ihrer Oberfläche ovale Kerne mit Kernkörperchen eingebettet enthält. Die ParietoYaginalinuskelii. Ganz in der Nähe der Insertionsstellen der Parietovaginalbänder setzen sich an die Tentakelscheide zwei Parietovaginalmuskeln. Dieselben verlaufen von der Tentakelscheide nach hinten unten zu den Seitenwänden des Zoöciums, an denen sich die einzelnen Fasern, mit kegelförmig verbreiteten Enden ansetzen. Die Fasern der Parieto- vaginalmuskeln laufen frei neben einander durch die Leibeshöhle und tragen in der Mitte etwa einen ovalen Kern. Ihre Substanz ist offen- bar eine andere, als die der Parietovaginalbänder, da sie sich mit Pikro- carmin stark färbt, während die Substanz der Bänder nur schwach tingirt wird und ähnlich derjenigen der Funicularplatte zu sein scheint. Der Vaginalsphiiikter. Dicht vor der Insertionsstelle der Parietovaginalmuskeln setzt sich die Tentakelscheide an einen eingestülpten Theil der Ektocyste (Fig. 10 Ekt.). Derselbe ist ein dünnwandiges Rohr, welches ebenso wie die Ektocyste aus Chitin besteht, und ragt von der Vorderseite des Deckels, dessen Hörnern und der vor dem Deckel liegenden Ek- tocyste aus in das Innere des Zoöciums hinein. Durch dieses Um- kippen der Ektocyste nach innen wird die Täuschung verursacht, dass man auf der vorderen Seite des Deckels eine verdickte Leiste zu sehen glaubt. ') Da die äussere Mündung dieses das Innere der Tentakel- scheidenhöhle mit der Aussenwelt verbindenden Rohres ein schmaler- Spalt ist, das Rohr nach unten zu aber allmälig rund wird, sind seine Verhältnisse von zwei Gesichtspunkten aus zu betrachten. Von oben gesehen verschmälert es sich ziemlich schnell und bleibt dann von ziemlich gleicher Dicke. Von der Seite gesehen, zieht es erst eine Strecke weit in ziemlich gleicher Dicke nach unten hinten, wo- rauf es sich etwas erAveitert. Das untere Ende des Rohres schlägt sich nach innen um und büdet eine ringförmige Rinne, in welcher ») D. Abb. S. 7. Änatomisch-histologische Untersuchung etc. 21 der sogenannte Vaginalsphinkter mit seinem unteren Ende be- festigt ist. Derselbe zeigt bei Memhranipora pilosa einen ziemlich compli- cirten Bau und ist etwa lialb so lang, wie der eingestülpte Theil der Ektocyste. Dem Cliitinrohre (Fig. 10. Ekt.) liegt innen eine Schicht grosser mit deutlichen Kernen versehener Cylinderzellen (Fig. 10 Cep.) an, die nach aussen zu kleiner werden. Das Vorhandensein dieses Cy lindere jdth eis wurde von Nitsche') nur auf der dem Deckel zugekehrten, oberen Seite des Sphinkters beschrieben. An der in- neren und unteren Seite dieses von Cylinderepithel gebildeten Dia- phragmas liegt eine Schicht Ringmuskelfasern (Fig. 10 rm.); mit- unter schien es mir auch als ob sich Längsmuskelfasern (Fig. 10 Im.) allerdings in bedeutend geringerer Anzahl vorfänden, deren Lage zu den Ringsmuskelfasern ich jedoch nicht genau beobachten konnte. Die dem Chitinrohre als einem Theile der Ektocyste zugehörige Endocyste (Fig. 10 End.) schlägt sich ebenfalls nach innen zu um, hört dann jedoch nicht auf, wie das hintere Ende der Ektocyste, sondern überzieht auch noch den inneren Mantel des Vaginalsphink- ters. An die Endocyste des Chitinrohres setzt sich etwa in der Mitte der Längsausdehnung des Sphinkters die Tentakelscheide (Fig. 10 ts.) an. Hierdurch wird die Behauptung Nitsches, dass die Tentakel- scheide direkt in die Substanz des Sphinkters übergehe, von selbst hinfällig. Uebrigens ist der vordere Theil des Sphinkters nicht fest mit der eingestülpten Ektocyste verbunden, sondern wenn seine Ring- muskelfasern stark contrahirt sind, liegt der Sphinkter als ein nur mit seinem hinteren Ende mit dem Chitinrohre zusammenhängender Kegel in demselben, während das Chitinrohr erst bei noch stärkerer Contraction in seiner Form verändert wird. Weder von Nitsche noch Vigelius wird ein so complicirter Bau des Vaginalsphinkters beschrieben. Beide haben in demselben Ringmuskelfasern erkannt; Nitsche erwähnt auch Cylinderepithel, während Vigelius'-) eine epithelartige Zellschicht beschreibt, auf welcher nach seiner Angabe Flimmerwimpern sitzen, die ich bei Memhranipora nicht erkennen konnte. Wohl aber erwähnt Vigelius an der proximalen Seite des Diaphragmas eine dem Parietalgewebe ähnliche Schicht, die Nitsche ganz übersehen hat, und welche der von mir beschriebene hintere Endocystenbelag des Sphinkters ist. Die Opercularmuskeln. Vor dem Vaginalsphinkter und dem Ansatzpunkte der Tentakel- scheide setzt sich an das Chitinrohr, und zwar in der Nähe der Deckelhörner, das zum Verschlusse des Deckels dienende Opercular- muskelpaar. Dasselbe entspringt ebenso wie bei Flustra mem- hranacea etwas vor dem Ursprünge der Parietovaginalmuskeln unten an den Seitenwänden des Zoöciums, während es nach Vigelius bei Flustra memhranaceo-trimcata an der Neuralwand entspringt. Von ') Nitscbe. Beiträge etc. Zeitsch. f. w. Zooig. XXI. S. 432. '■'; Vigelius. Die Bryozoeu etc. Bijdragen 1884. S. 34. 22 W. Freese. hier aus geht es nach oben vorne ziehend an die umgebogenen Spitzen des Deckels. Die Opercularmuskehi bestehen aus einer ziem- lieh bedeutenden Anzahl einzelner Fasern, auf denen man mitunter Querstreifung erkennt. Sie enthalten einen deutlichen Kern und in- seriren mit verbreiterten, eingeschlitzt erscheinenden Enden an der Seitenwand des Zoöciums. Von hier aus laufen die Fasern, ohne sich wesentlich zu verschmälern, sich einander nähernd nach oben, spitzen sich dann schnell zu und laufen in je einen dünnen Faden aus (Fig. 11 fd.), welcher auf die Endocyste (Fig. 11. End.) des von den Spitzen des Deckels ausgehenden, oben erwähnten, eingestülpten Theils der Ektocyste übergeht. Ein ähnliches Verhalten scheint bisher noch nicht beobachtet zu sein, jedoch erwähnt Bronn'), dass die Deckel- muskeln sich mittels eines sehnenartigen Theils an den Deckel an- setzen. Auch Nitsche-) zeichnet bei fhcsfra memhrcmacea einen solchen sehnenartigen Theil der Opercularmuskelbündel, erwähnt je- doch im Texte von demselben nichts Dieser sehnenartige Theil der Deckelmuskeln dürfte wohl mit dem Uebertreten von feinen Fäden von den Opercularmuskelfasern auf die Endocyste der eingestülpten Ektocyste in Zusammenhang zu bringen und vielleicht sogar damit identisch sein, indem Witsche den den Seitenwänden des Zoöciums am nächsten gelegenen Theil dieses Endocystenrohres für ein selbststän- diges zu den Muskeln gehöriges Gebilde hielt. Diese dem Chitin- rohre aufliegende Endocyste, in welche die dünnen Ausläufer der Deckelmuskelfasern übergehen, wird bei starker Contraction der Muskeln von demselben abgehoben, sodass die oben erwähnte Täu- schung noch leichter möglich wird. Die Teiitakelkrone. In der von der Tentakelscheide umschlossenen Höhlung, von der Ansatzstelle derselben am Polypjd bis zum Vaginalsphinkter reichend, liegt bei zurückgezogenem Polypide die Tentakelkrone. Dieselbe be- steht aus 12 — 14 hohlen Tentakeln und dem Ringkanale, der die Mundöffnung des Thieres umziehend mit der Tentakelhöhlung com- municirt. In der Nähe der Mundöffnung haben die Tentakeln im Querschnitt die Form eines gleichschenkeligen Dreiecks (Fig. 12), dessen Basis nach aussen gekehrt ist, während sie nach oben zu all- mälig rund werden. Die Tentakeln sowohl, wie der Ringkanal (Fig. 13. rk.) bestehen aus drei Gewebsschichten : dem äusseren Epithel, dem homogenen, der tunica muscularis der phylactolaemen') Bryozoen entsprechenden Cylinder und dem inneren, sehr lockeren Zellbelag desselben. Der J) Bronn. Klassen und Ordnungen der Thieie. Bd. IIT. Abth. 1. Leipzig und Heidelberg. 1862. S. 43. 2) Nitsche. Beitrag. Zeitschr. f. w. Zooig. XXI. Tf. XXXV. Fig. 2 opm. ^) Nitsche. Beitrag z. Anat. und Entwickluiigsgesch. der phylactolae- men Hüsswasserbr^'ozoen etc. Archiv für Anatomie und Physiologie. Leipzig, 18G8. S. 488. Anatomisch-histologische Untersuchung etc. 23 homogene Cylinder ist die Stütze des ganzen Tentakels, er ist an seinem Grunde ebenfalls gleichschenklig dreieckig, wird aber nach oben zu oval. An seiner dem Munde abgekehrten Seite zieht er sich in zwei leistenförmige Fortsätze (Fig. 121.) aus, die am Grunde in die homogene Lamelle des Ringkanals übergehen. Diese beiden Leisten hat Nitsche auch bei Älcijonella beobachtet und als Saum der Intertentakularmembran beschrieben. Am Grunde der Tentakeln nimmt dieser homogene Cylinder (Fig. 13 h) an Dicke zu und geht in die homogene Lamelle des Ringkanals über, die besonders an ihrer Aussenseite, die der Mundöffnung abgekehrt ist und nicht von Epithel überzogen wird, eine beträchtliche Dicke erreicht. An dieser Stelle setzt sich ihr die Tentakelscheide an, die mit der homogenen Mem- bran verschmelzend hier aufhört. Vom Ringkanale aus setzt sich die homogene Membran in den Darmkanal fort, wo sie die äussere, feste Stütze desselben wircL An etwas macerirten Schnitten zeigi dieser die feste Grundlage der Tentakeln bildende Hohlcylinder in Abständen, die etwa seinem Durchmesser gleich sind, recht deutliche V^erdickungen von Ringform, die ich, ebenso wie Vigelius') bei Flustra memhranaceo-truncata^ iür Ringmuskelfasern halte. Für diese Annahme spricht, dass die- selben sich auf Längsschnitten des homogenen Cylinders häufig von demselben loslösen und als gekrümmte Stäbchen aus ihm hervorragen. Ebenso zeigen sich auf Querschnitten der Tentakeln dem homogenen Cylinder eng anliegende runde Körper, die ich für Längsmuskelfasern • halte, deren Vorhandensein auch Nitsche-) bei Älcijonella glaubt annehmen zu dürfen, währeud er von Ringmuskelfasern nichts er- wähnt. Auch Vigelius beobachtete diese Längsmuskelfasern, wäh- rend Ehlers'^) und Nitsche^) die Existenz von Muskelfasern in den Tentakeln der von ihnen untersuchten marinen Bryozoen gänzlich leugnen oder doch bezweifeln. Ehlers leitet das Fehlen von Muskel- fasern in den Tentakeln der marinen Bryozoen aus dem Fehlen von Muskelelementen in der Körperwand derselben ab. Jedoch scheint die Vermutung Ehlers, dass solche Fasern in den Tentakeln bei der Mehrzahl der marinen Bryozoen fehlen, nicht zuzutreffen, da Vigelius sowohl wie ich Muskelelemente in denselben fanden. Auch in dem homogenen Cylinder des Ringkanals, und zwar an der dem Munde zunächst liegenden Seite desselben finden sich bei Memhranipora Ring- inuskelfasern, welche mit dem im Oesophagus vorhandenen Fasern in ununterbrochener Reihe liegen. Durch diese Fasern, welche ich allerdings nur mitunter bemerkte, wird das Polypid befähigt, seine Mundöffnung zu erweitern und zu schliessen. Die Höhlung des homogenen Cyhnders wird von einer sehr ') "Vigelius. Die Bryozoen etc. Bijdragen. 1834. S. 40. ^) Nitsche. Beitr. z. Anat. und Hist. etc. Archiv f. Anatomie u. Phy- siologie. 1868. S. 492. *) Ehlers. Hypophorella expansa, etc. Abh. d. Künigl. Gesellsch. d. Wissensch. Göttingen 1876. S. 45. '») Nitsche. Beitrag etc. Zeitschr. f. wiss. Zooig. XXI. S. 430. 24 W. Freese. lockeren Gewebsschicht ausgekleidet, in der man keine deutliclien Zellen (Fig. 12 u. 13 i) wohl aber eingestreute Kerne beobachten kann, welche von einem Protoplasmahole umgeben sind. Zuweilen zeigten diese Kerne eine Anordnung, wie sie Salensky') bei Bugula be- schreibt, wodurch der Hohlraum der Tentakeln ein korkzieherartig gewundenes Aussehen erhält; meistens jedoch lagen dieselben viel weiter auseinander und nicht so regelmässig, wie es Salensky angibt. Auch dieses innere Epithel der Tentakeln setzt sich in den Ringkanal fort und bildet die innere Auskleidung desselben. Sa- lensky erwähnt, dass das innere Epithel eine durch einen Hohl- raum von dem homogenen Cy linder getrennte Röhre bildet; dies ist bei Membranipora nicht der Fall und wird wohl auf eine durch Schrumpfung bewirkte Loslösung dieses Epithels von demselben zurück- zuführen sein. Vigelius constatirt ebenfalls die Anwesenheit dieser inneren Gewebsschicht, während Nitsche dieselbe bei Flustra nicht beschreibt, und Ehlers an Stelle derselben nur Kerne gesehen hat. An der Aussenseite liegt dem Cylinder eine einschichtige Zell- schicht an, die einerseits in das Flimmerpithel der Mundöffnung über- geht, andererseits die obere Bedachung des Ringkanals bildet und an der Ansatzstelle der Tentakelscheide an die homogene Lamelle auf- hört. Dies Epithel zeigt im Umkreise der Tentakeln ein sehr ver- schiedenes Verhalten, und besteht bei Membranijiora pilosa aus sieben oder acht Zellreihen, deren Anordnung man am besten aus dem Ten- takelquerschnitt erkennt. (Fig. 12). Zwischen den beiden Leisten des homogenen Cylinders, die im Querschnitte als Hörner erscheinen, also auf der dem Munde abgekehrten Seite des Tentakels, finden sich ein oder zwei kleine kubische Zellen mit rundem Kerne. Auf der äusseren Seite der Leisten liegen zwei ebenfalls mit runden Kernen versehene Zellen, die mit den vorher erwähnten die Basis eines gleich- schenkeligen Dreiecks bilden. An den langen Schenkeln liegt jeder- seits eine grosse Zelle mit im Querschnitte des Tentakels rundem, auf Längsschnitten jedoch etwa dreimal so lang wie breit erscheinendem Kerne ; und an der Spitze der Dreiecks befinden sich zwei, am Grunde des Tentakels lange, nachher kürzer werdende Zellen mit dunkelem Inhalte und deutlichem ovalem Kerne. Es sind diejenigen Zellen, die direct in das Mundepithel übergehen. Auf Längsschnitten der Ten- takeln zeigt es sich, dass diese Zellen viel niedriger sind, wie die übrigen des Tentakelepithels (Fig. 13 m.) und nicht senkrecht stehen auf der Axe des Tentakels. Da ausserdem ihre Kerne nicht in einer Reihe liegen, sondern bald weniger bald mehr von dem homogenen Cylinder entfernt sind, so zeigen Querschnitte der Tentakeln an ihrem spitzen Ende häufig zwei übereinanderliegende Zellenpaare oder auch drei oder vier nebeneinanderliegende Zellen. Nitsche beschreibt bei Flustra an der dem Inneren der Tentakelscheidenhöhle zugekehrten Seite der Ten- takeln drei Zellreihen, während Vigelius-) auch nur zwei solcher Reihen annimmt. TJeberhaupt stimmen meine Beobachtungen mit *) Salensky. Untersuchung an Seebryozoen. Zeitschrift f. wiesen schaftl. Zoologie XXIV S. 291. 2) Vigelius. Die Bryozoen. Bijdiagen 1884. S. 38. Anatomisch-histologische Untersuchung etc. 25 denen von Vigelius ziemlicli überein, jedoch erwähnt derselbe die beiden Leisten auf der Aussenseite des homogenen Cylinders nicht, Avelche bei Membranipora hautsächlich an mit Hämatoxylin gefärbten Präparaten immer deutlich hervortraten. Diese Differenzirung des äusseren Tentakelepithels zeigt sich besonders an dem proximalen, im Querschnitte dreieckigen Ende der Tentakeln, während an dem distalen Ende derselben die Zellen einander ähnlicher werden. An lebenden Thieren bemerkt man, dass die Tentakeln von einer Anzahl borstenartiger Wimpern von der Länge des Tentakeldurch- messers besetzt sind, welche für Sinueshaare gehalten werden und welche auch schon Farre') bei Membranipora pilosa gefunden zu haben scheint. Vigelius leugnet das Vorhandensein dieser Haare bei Flustra memhranacco-tnmcata, während Ehlers') ihr Vorhanden- sein bei HypophoreUa constatirt, aber über ihren Ursprung zweifel- haft ist. Man ist wohl berechtigt, diese langen starren Borsten für Sinneshaare zu halten. Leider war es auch mir unmöglich über ihren Ursprung genaueres festzustellen, da man an frischen Exemplaren die einzelnen Zellen des Tentakelepithels nicht unterscheiden konnte, und an getödteten Exemplaren diese Borsten fehlten. Ueber die Art der Tentakelbewimperung konnte ich weder an frischen noch an conservirten Thieren etwas beobachten; und auf Schnitten zeigte es sieh wohl, dass Wimpern vorhanden gewesen waren, aber ihre Anordnung, welche von Vigelius bei Flustra membr.-tnmcata sehr genau beschrieben ist, war nicht zu erkennen. Der Riiigkanal. Ausser dem schon im vorigen Abschnitte erwähnten ist über den Ringkanal noch folgendes zu sagen. Derselbe ist eine die Mundöff- nung des Thieres umziehende Höhlung, welche aus dem Verschmelzen der Tentakelhöhlungen hervorgeht. Ebenso wie die Mundöffnung steht seine Ebene nicht senkrecht auf der Axe des Oesophagus, sondern ist der Afteröffnung abgeneigt, wodurch sie in eme mehr horizontale Lage gelangt. Wie schon erwähnt, wird der Kingkanal im Innern von dem inneren Epithel der Tentakeln ausgekleidet, das einer homo- geenen Membran anliegt (Fig. 13). Diese bildet an der, dem Munde abgekehrten Seite, wo sie mit der Tentakelscheide verschmolzen ist, seine äussere Begrenzung, welche an den übrigen Seiten des Ring- kanals von dem Tentakelepithel oder dem Mund- und Oesophagal- epithel gebildet wird. — Salensky') hält die Höhlung der Tentakeln mit dem zugehöri- gen Ringkanale für ein Gefässsystem , welcher Ansicht ich mich an- schliessen möchte, wenn es mir auch nicht gelang einen Zusammen- hang zwischen dem Ringkanale und der Leibeshöhle zu constatiren. ') Farre. On Üie strucluie of the ciliobranchiate Polypi. Pliilosopbical Transact. of the Royal Society. Lond. 1837. Part. I pg. 412. PI. XXVII. ^) Ehlers. HypophoreUa expansa etc. Abhandl. d. Königl. Gesellsch. d. Wiss. Göttingen Bd. XXI. S. 41. ') Salensky. Untersuchungen au Seebryozoen. Zeitschr. f. wissensch. Zooig. XXIV. S. 293. 2(5 W. Freese. In diesem Falle müsste man der Tentakelkrone die Function eines Respirationsorganes zuschreiben, was auch von vielen Autoren gethan wird. Ebenso wie Vigelius^) scheint es mir jedoch in hohem Grade wahrscheinlich, dass die Tentakelscheide ein viel wichtigeres Respi- rationsorgan bildet, da an dieser Stelle die Scheidewand zwischen Leibeshöhle und dem umspülenden Meerwasser von besonderer Fein- heit ist, während bei den Tentakeln der Sauerstoflf des Meerwassers durch drei verschiedene Schichten hindurch diffundiren muss. Der Darmkanal. Als zweiter Theil des Polypids bleibt noch zu beschreiben der Darm- kanal. Bei ausgestecktem Polypide stellt derselbe, wie bei allen ähnlichen Bryozoen eine in der Symmetrieebene des Zoöciums liegende Schleife dar, deren hinteres Ende blindsackartig ausgezogen ist. Sein anales Ende ist um die Hälfte der Tentakellänge länger als sein orales, auf welchem die Tentakelkrone sitzt. Zieht sich das Polypid zurück, so wird der Darmkanal in seiner symmetrischen Lage gestört, was bei der Tentakelkrone nicht nötig ist. Nur der Oesophagus bleibt in der Symmetrieebene liegen, während der Blindsack und die anlie- genden Magenteile zur Seite gedrängt werden, und erst der After- darm mündet wieder in der Symmetrieebene in die Tentakelscheide. Im zurückgezogenen Polypide haben wir also eine doppelte Krüm- mung des Darmkanals, eine zwischen Oesophagus und Cardialtheil des Magens und eine andere in der Gegend des Blindsacks. — In der Ebene des Ringkanals , die zum Oesphagus in der oben erwähnten Richtung geneigt ist, und von demselben umgeben, liegt die mit langen Wimperhaaren versehene Mundöffnung des Thieres, der durch die Wimperbewegung der Tentakeln Nahrung zugeführt wird. Sie mündet in einen glockenförmigen Oesophagus , dessen Bestandtheile ebenso angeordnet sind, wie bei den früher beschrie- benen chilostomen Bryozoen. üeberhaupt stimmt Membranipora pilosa in Bezug auf den Bau des Darmes ziemlich mit den beiden genauer untersuchten Flustraciden überein, ich werde also hier nur auf etwaige Abweichungen eingehen. Auf den vorderen bewimperten Theil des Oesophagus folgt auch hier ein aus kürzeren, unbewimperten, prisma- tischen Zellen zusammengesetzter Theil, deren Inhalt hell erscheint. (Fig. 13 Cep.) Auf Querschnitten zeigt es sich, dass dieses Epithel aus drei grossen Lappen (Fig. 14) besteht, die in d^r Mitte einge- kerbt sind. Auch die bei anderen Arten schon beschriebene Ring- muskelschicht und das äussere Epithel finden sich auf dem Oesopha- gus von Membranipora. Auf Tangentialschnitten (Fig. 15) dieses Organs aber zeigt das Epithel ein eigenthümliches Verhalten. Während nämlich die übrigen Oesophagalzellen alle im Querschnitue polygonal sind und einen ovalen Kern tragen, zeigt sich auf diesen Schnitten bisweilen ein aus etwa vier Zellreihen bestehender Streifen von im Querschnitte spindelför- migen Zellen mit langen Kernen. Dieselben gehen zu beiden Seiten *) Vigelius. Bryozoen etc. Bijdragen 1884. S. 46. Anatomisch-bistologische Untersuchung etc. 27 allmälig in die polygonale Zellform über, und ebenso an dem vor- deren und hinteren Abschnitte des Oesophagus. Da ihr Inhalt der- selbe ist, wie der der polygonalen Zellen, konnte ich auf Querschnitten des Oesophagus ihre Lage nicht feststellen. Bei genauerer Untersuchung stellte sich heraus, dass drei solche Streifen vorhanden sind. Auf ziemlich dicken Tangentialschnitten des Oesophagus lag ein solches Band spindelförmiger Zellen stets in dem helleren Theile, während der Schnitt zu beiden Seiten dunkler war. Ich schliesse hieraus, dass die Zellen dieses eigenthümlichen Streifens kürzer sind, wie die im Querschnitte polygonalen Zellen und daher heller erscheinen. Also darf ich wohl annehmen, dass dieselben zwischen den drei Haupt- wülsten des Epithels liegen. Nachher schien es mir auch, als ob die auf Querschnitten des Oesophagus kürzeren Zellen auch schmäler sind (Fig. 14), was eine Bestätigung dieser Annahme wäre. Diese, im Querschnitte spindelförmige Zellen enthaltenden Streifen scheinen von keinem Autor beobachtet zu sein. Vielleicht ist die von Nitsche') erwähnte, helle linienartige Zeichnung, welche derselbe auf der Un- terseite des Oesophagus erwähnt und mit dem Nervenknoten in Ver- bindung bringen möchte, durch einen dieser Streifen hervorgerufen. Was den Bau des übrigen Darmkanals anbetrifft, so zeigten sich keine Abweichungen von dem bei den Flustraeiden beschriebenen; und auch die Gewebe desselben sind denen dieser durchaus analog. Nur gelang es mir nicht, die Anwesenheit eines äusseren Darmepithels, das Vigelius') unter der Bezeichnung „Darmschicht des Parenchym- ge wehes" beschreibt, auf dem ganzen Darmkanale nachzuweisen, ich fand dasselbe vielmehr nur auf dem Oesophagus. Der grosse Retractor. An den vorderen Theil des Polypids setzt sich der grösste der im Bryozoenindividuum vorkommenden Muskeln, der sogenannte „grosse Retractor", welcher dazu dient das Polypid in das Zoö- cium zurückzuziehen. Derselbe entspringt an der Hinter wand, bei langgestreckten Individuen jedoch auch an dem hinteren Theile der Seitenwände des Zoöciums. Wie die Fasern aller Muskeln, die beim Ausstülpen und Zurückziehen des Polypids in Thätigkeit kommen und nicht dem Darmkanale angelagert sind, ziehen auch die Fasern des Retractors frei neben einander verlaufend durch die Leibeshöhle. Die Mehrzahl derselben setzt sich an den vorderen Theil des Oesophagus und an den Ringkanal, jedoch inseriren, wie auch bei anderen Species beschrieben wurde, stets einige Fasern an dem übrigen Oesophagus und dem Cardialtheil des Magens. Alle Fasern setzen sich an die nach oben gekehrte Seite des Oesophagus, während die untere Seite frei bleibt. Die Fasern sind lange, cylindrische Stränge, welche mit kegelförmig verbreiterten Enden an der Wand des Zoöciums ent- ^) Nitsche. Beitrag etc. Zeitschrift f. wiss. Zoologie. Bd. XXI. S. 431. Tf. XXX VI. Fig. 1 A. *) VigeliuB. Die Bryozoen etc. Bijdragen 1884. S. 27. 28 W. Freese. springen. Gegen Farbstoffe verhalten sie sich ebenso wie die Fasern der Opercular- und Parietovaginabnuskeln, Ihr Querschnitt ist ein verschiedener und scheint sich je nach dem Contractionszustande zu ändern. Mitunter sah ich an ihnen Querstreifung ebenso wie an den Opercularmuskelfasern, welche auch schon von früheren Autoren be- schrieben wurde. Dieselbe wird dadurch deutlich sichtbar, dass an der mit Farbstoff behandelten Muskelfaser stärker und schwächer gefärbte Stellen mit einander abwechseln. Auf eine Runzelung der Faser ist diese Streifung nicht zurückzuführen. Die Querstreifung zeigte sich an den Fasern jedoch nur bisweilen und häufig wurden dieselben ganz homogen gefärbt. Ein deutlicher runder Kern mit Kernkörperchen findet sich in jeder Faser, während Ehlers') und Kohlwey-) bei den von ihnen untersuchten Thieren nur an jungen Exemplaren einen Kern an den Retractorfäden fanden. Das Nervensystem. Innerhalb des Ringkanals und zwar an dessen analer Seite fand Nitsche^) bei Flustra membranacca ein Gebilde, welches er wegen seiner dem unbestrittenen Nervencentrum der Phylactolaemen homo- logen Lage und Form für das Gehirnganglion dieses Thieres hielt. Ein ähnliches Organ fand ich auch bei Membranixwra (Fig. 16 gh). Dasselbe liegt ebenfalls an der analen Seite des Ringkanals und hat die Form eines dreiaxigen Ellipsoids. Ebenso wie bei Fhistra mem- branacea und HypoplioreUa^) kann man in demselben eine innere Substanz von einer Rindensubstanz unterscheiden; jedoch schien mir diese äussere Membran nicht aus Zellen zu bestehen, wie Vigelius^) bei Fhfstra mcmhranaceo-trunccda beschreibt, sondern eine cuticula- artige Ausscheidung der inneren Substanz zu sein. Ob durch diese der homogenen Lamelle der Tentakeln ähnliche Membran das Gehirn- ganglion mit der Wand des Ringkanals in Zusammenhang steht, konnte ich nicht feststellen. Im Innern der membranösen Kapsel zeigten sich ebenso wie bei den genauer untersuchten Flustraeiden mitunter deuthche Zellen, meist jedoch fanden sich, wie auchNitscheß) bei Älcyonella und älteren Exemplaren von Flustra mcmhranacca beschreibt, in dem mit feinkörniger Substanz erfüllten Lumen der Kapsel eine Anzahl ziemlich grosser Kerne. Nach Ehlers ist das Innere des Nervencentrums bei Ilypophorella ebenfalls von einer ho- mogenen, mitunter feine Körnchen enthaltenden Substanz erfüllt, während derselbe geneigt ist bei Vesicularia eine mit Flüssigkeit ') Ehlers. Hypophorella expansa etc. Abhandl. d. Königl. Gesellsch. cl. Wissensch. Göttingen. Bd. XXI. S. 53. 2) Kohlwey. Halodactylus diapbanus. Inaugural- Dissertation. Halle 1882. S. 36. 3) Nitsche. Beiträge etc. Zeitschr. f. w. Zooig. XXI. S. 431. '') Ehlers. Hypophorella expansa. Abb. d. Königl. Gesellsch. d. Wiss. Göttingen. Bd. XXI. S. 59. ') Vjgelius. Die Bryozoen etc. Bijdragen 1884. S. 42. ') Nitsche. Beitr. z. Anat. u. Entwicklgsch. etc. Archiv f. Anat. u. Physiolg. 1868. S. 495. Anatomisch-hiatologische Untersuchung etc. 29 gefüllte Kapsel anzunehmen. Einen von diesem Ganglion ausgehen- den Schlundring, der bei phylactolaemen Bryozoen vorkommt, fand ich bei unserem Thiere ebenso wenig, wie die von Nitsche bei Flustra beschriebenen, von Ganglion sich abzweigenden, homogenen Fasern, die derselbe ftir Nervenfasern hält, und welche auch von Vigelius beschrieben sind, während Ehlers von dem Gehirnknoten entsprin- gende Nerven nicht sicher erkennen konnte. Die helle linienartige Zeichnung, welche Nitsche bei Flustra an der Analseite des Oeso- phagus fand, und welche er sowohl wie Vigelius mit dem Ganglion in Beziehung bringen möchte, ist, wie schon oben ') erwähnt, meiner Meinung nach vielleicht auf einen jener weiter differenzirten Streifen des Oesophagalepithels zurückzuführen. Einen Zusammenhang dieses Gehirnganglions mit dem Colonialnervensysteme Fr. Müllers zu finden, ist mir ebensowenig gelungen, wie früheren Autoren. Zu bemerken ist übrigens noch, dass Claparede^) bei Scrupocillaria und Bugula kein GehirngangHon gefunden hat. ') Ds. Abhandl. S. 27. -) Claparede. Beiträge etc. Zeitschrift f. wiss. Zooig. XXI. S. 161. Beschreibung der in der Ostsee gefundenen Bryozoen. Endoprocta, Farn* Pedicellinidae, Pedicellina (Sars). Pedicelliiia gracilis. Sars. Fig. 17. Pedicellina gracilis. Sars. Beskr. och Jagttag. S. 6. Fl. I. Fig. 2. a. b. Smitt. Oefversigt Kongl. Vet.-Akad. Pörhand. 1871. S. 1133. Hincks. Brit. Marine Polyzoa. p. 570. lA. LXXI. Fig. 4—6. Möbius. Nachtr. z. d. wirbel- losen Thieren der Ostsee. Jahresber. d. Comm. z. wiss. Unt. d. deutsch. Meere. IV. Berlin 1884. Der kriechende Stamm der Kolonie ist verzweigt. Auf diesem sitzen die Thiere vermittels eines langen, schlanken Stieles, welcher keine Stacheln trägt und sich unten zu einem kurzen cylindrischen bis kegelförmigen Körper verdickt, womit er sich an den Stamm an- setzt. Die Polypide, welche ziemlich unregelmässig vertheilt sind, sind von schief ovaler Form. Fundorte. Kieler Bucht in der Mud-Region auf Mytilus edulis. Die hiesigen Exemplare sind sehr lang gestielt und die basale Verdickung der Stiele war bei ihnen im Verhältniss zur Länge der- selben sehr kurz. Geographische Verbreitung. Kanal, Englische Küsten, Shet- landinseln, Norwegen, Spitzbergen, Weisses Meer. Ectoprocta. Grymnolaemata. Tribus. Cyclostomata, Farn. Clriseae. Crisia (Lam.). Crisia elmrnea. Lin. sp. Fig. 18. 19. Sertularia eburnea. Lin. Syst. nat. ed. XII. pg. 1316. Crisia eburnea. Smitt. Oefversigt. 1878. No. 3. S. 12 und Hincks. Brit. Mar. Polyzoa. 421. PI. LVI. Fig. 5—6. Die weisse, kalkige, aufrechtwachsende Kolonie ist buschartig \md verzweigt sich dichotom. Die Zweige bestehen aus verschiedenen, durch Gelenke verbundenen Internodien, von denen jedes meistens aus Beschreibung der in der Ostsee gefundenen BryoEoen. 31 mekreren Zoöcien gebildet wird. Die Zoöcien liegen in Reihen und sind abwechselnd nach der einen oder anderen Seite gerichtet. Die Gelenke sind hornfarben oder schwarz. Die cylindrischen Zoöcien, welche eine Menge kleiner Löcher in der Kalkschicht tragen, sind mehr oder weniger gekrümmt und nur an ihrem vorderen Ende, an dessen Spitze die runde Oefihung liegt, nicht mit einander verwachsen. Die den Zweigen anliegenden Ovizellen, welche ebenfalls mit jenen Löchern versehen sind, sind birnförmig bis oval und tragen auf einem kurzen, kegelförmigen Fortsatze ihres oberen Endes die runde Oeff- nung. Foiiua eljurnea. (Smitt) Fig. 18. Crisia eburnea. Smitt. Oefversigt. 1865. S. 117. Tf. XVI fg. 7—19. Busk. Cat. of Mar. Polyz. of the Brit. Mus. Part III 1875. pg. 4. PL II I. 2. und PI. V. 1. 2. 5 — 10. Johnston. Brit. Zooph. ed II. pg. 283. PI, L. Fig. 3. 4. Hincks. Brit. Mar. Polyz. pg, 421. PI. LVl. Fig. 5. 6. Möbius. Wirbell. Thiere d. Ostsee. S. Ii3. Lenz. Die wirbellosen Thiere der Travemünder Bucht. Jahresber. d. Comm. III. 1878. Anh. S. 13. In jedem Internodium befinden sich 3-9 gekrümmte Zoöcien, deren kürzerer, vorderer Theil frei ist. Die Zweige entspringen meistens von dem untersten Zoöcium eines Internodium. Die Ovi- zellen sind birnförmig. Fundorte. Kl. Belt, Bülk, Stoller Grund, Kiel. Neustädter Bucht. Cadetrinne. Altengarz. Travemünder Bucht. Geographische Verbreitung. Nord- Amerika, St. Franzisko, Florida, St. Lorenzbai, Grünland; Nordsee, Englische, Französische, Belgische Küste; Norwegen; Finnmarken; Spitzbergen; Murmanska hafvet; Nowaja Senilja; Karisches Meer. Mittelmeer, Adriatisches Meer. Madeira. Südsee, Fidschi-Inseln. Forma producta. (Smitt) Fig. 19, Crisia producta. Smitt. Oefversigt. 1865. S. 116. Tf. XVI. Fig. 4. h. 6. Crisia producta. Busk. Cat. of M. Polyz. of the Brit. Mus. Part III. 1875. pg. 10. Crisidia cornuta (var) Busk. Polyz. of Brit. Mus. Part III. 1875. pg. 3. PI. I. Fig. 3. Crisia eburnea (var ß) Hincks. Brit, Mar. Polyz. pg. 421. Am unteren Ende der Zweige besteht jedes Internodium aus nur einem Zoöcium, während weiter oben mehrere (bis 5) Zoöcien in einem Internodium sich befinden. Die Zoöcien sind mehr oder weniger gerade, ihr vorderer längerer Theil ist frei und nicht angewachsen. Die Zweige entspringen unregelmässig und in ihren Achseln stehen die länglich-ovalen Ovizellen, welche von mehreren Zoöcien umgeben sind. Fundort: Stoller Grund, Geographische Verbreitung. Shetlandinseln; Norwegische Küste. 32 W. Freese. Farn. IHastoporidae. Diastopora (Lmrx., M. Edw.). Diastopora repens. Wood sp. Fig. 20. Tubalipora repens. Wood. Zooph. Crag. Ann. and. Mag. of Nat. Hist. vol. XIII. pg. 14. Alecto dilatans. Busk. Cat. of Polyz. ofBrit. Mus. Part 111. 1875, pg. 24. PI. XXXn. Fig. 2. Diastopora repens. Sniitt. Oefversigt. 1866. S. 395. Tf. VllL Fig. 1—6. Mob ins. Wirbellos. Thier. d. Ostsee. S. 114. Die kalkige, kriechende Kolonie ist nicht aus verschiedenen, durch Gelenke verbundenen Internodien zusammengesetzt. Sie theilt sich in mehrere, ebenfalls kriechende Zweige, welche am Grunde convex sind, an der Spitze jedoch flach werden. Die zerstreut stehen- den Zoöcien, welche kleine Löcher tragen, sind nur an ihrem vor- deren Theile frei, während die Ovizellen bis zum Oeffnungsrande in die Kolonie eingesenkt sind. Fundorte. Cadetrinne, Darserort. (Da die zur Verfügung stehenden Exemplare beschädigt sind, nehme ich Zeichnung und Diagnose nach Smitt.) Geographische Verbreitung, Karisches Meer, Nördliches Eismeer. Tribus. Ctenostomata. Fant, Halcyonelleae. Alcyonidium. Lmrx. Alcyonidinm Mytili. Dal. Fig. 21. Alcyonidium Mytili. Dalyell. Rare and remarquable animals of Scot- land. vol. II. pg. 36. PI. XI. Smitt. Oefversigt. 1866. S. 496. Tf. XII. Fig. 1. 2. Hincks. Brit. Mar. Polyz. pg. 49«. PI. LXX. Fig. 2. 3. Möbius. Die wirbel- losen Thiere d. Ostsee. S. 114. Lenz, Die wirbellos. Thiere d. Travemünder Bucht, S. 13. Die chitinöse Kolonie bildet dünne, durchsichtige, weisslichgelbe bis braune Ueberzüge auf Tang, Seegras und Miesmuscheln. Die Grenzen der Zoöcien sind auf derselben deuthch sichtbar und theilen ihre Oberfläche in viele kleine polyedrische Flächen. Das Zoöcivim ist stachellos und in normaler Ausbildung sechsseitig. Bei älteren Kolonien und hauptsächlich an Biegungen derselben sind die Zoöcien von sehr verschiedener Form. Durch ihren Inhalt, der undurchsich- tig weiss ist, auffallende Ovizellen sind über die Kolonie zerstreut. Die Ovizellen unterscheiden sich in ihrer Form von den polypid- haltigen Zoöcien nicht. Fundorte. Bülk, Kiel, Colberger Haide, Darserort, Altengarz, Travemünde. Geographische Verbreitung. Irische See, Kanal; Nordsee, Englische und Schottische Küste; Norwegen. Alcyonidium polyoiim. Hass. sp. Fig. 22. Sarcochitum polyoura. Hassal. Ann. and. Mag. Nat. Hist. vol. VII. p. 484. Meyer u. Möbius. Fauna der Kieler Bucht. Bd. I. S. 12. John- ston. Brit. Zooph. n. ed. pg. 365. PI. LXXI. Alcyonidium polyoum. Hincks. Brit. Mar. Polyz, pg. 501, PI. LXIX. Fig. 9. Die höckerig erscheinende Kolonie bildet Ueberzüge von bräun- lich-weisser Farbe auf Fucus serratus. Die Zoöcien, deren Umrisse Beschreibung der in der Ostsee gefundenen Bryozoen. 33 nur auf den jüngeren Theilen der Kolonie deutlich sichtbar sind, sind polyedrisch und tragen keine Stacheln. Jedes Zoöciuni trägt eine grosse, kugelförmige Papille, auf deren Spitze die Austrittsöif- nung des Polypids liegt. Fundorte. Kieler Bucht. Colberger Haide. Diese Species wurde von Meyer und Moebius in der „Fauna der Kieler Bucht" als hier lebend aufgeführt, welche Angabe jedoch später*), als auf einer Verwechslung mit Alcj^onidium Mytüi be- ruhend, zurückgenommen wurde. Obiger Fund beweist, dass diese Species dennoch in der Kieler Bucht lebt und keine irrthümliche Ver- wechslung mit Alcyonidium Mytili vorlag. Geographische Verbreitung. Irische See, Bai von Dublin; Kanal, Roskoff; Nordsee, Northumberland. Alcyoiiidhiin gelatinosiim. Lin. sp. Alcyonium gelatinosum. Lin. S^st. Nat. ed. XII. pg. 129.5. Alc^'Oiiidium gelatinosum. Johnston. Brit. ZoopK. ed. IL pg. 35S. PI. LXVIII. Fig. 1—3. Smitt. Oefyersigt. 1866. S. 497. Tf. XIL Fig. 9—13. Hincks, Brit. Mar. Polyz pg. 491. PL LXIX. Fig. 1 — 3. Möbius. Die wirbellos. Thiere' d. Ost- see. S 114, Lenz. D. wirbellos. Thiere d. Travemünder Bucht. Jahresber. d. Comm. z. w. Unt. d. d. Meere. IIl. Anh. S. 13. Die gelbliche, chitinöse Kolonie ist aufrechtwachsend und hat etwa die Form eines Cylinders. Mitunter trägt sie einzelne rund- liche Zweige, welche unregelmässig angeordnet sind. Ueberhaupt scheint die Form der Kolonie eine sehr schwankende zu sein, sie ist jedoch immer ziemlich einfach und wenig blattartig. Die Zoöcien liegen dicht neben einander und ihre Oeffnungen sind auf dem Stocke als niedrige, rundliche Erhebungen sichtbar. Fundorte. Eckernförde, Bülk, Stoller Grund, Kiel, Travemünder Bucht. Geographische Verbreitung. Grönland, Shetlandinseln, Eng- lische und Irische Küste, Ostende, Nordsee, Kattegat, Norwegen, Spitzbergen, Weisses Meer, Murmanska hafvet, Novaja Semlja, Kari- sches Meer. Nordamerika, Natal. Alcyoiiidiimi papillosum. Hass. sp, Fig. 23. Cykloum papillosum. Hassal. Ann. and. Mag. Nat. Hist. (1) Vol. VlI. pg. 483. Johns ton. Bnt. Zooph. ed. IL pg. 364 PI. LXXI. Fig. 1. Alcyonidium pa- pillosum. Smitt. Oefversigt. 1S66. S. 499. Tf. XIL Fig. 20—21. Alcyonidium hirsutum. Hincks. Brit. Marine Polyz. pg. 493. PL LXX. Fig. 4—7. Die chitinöse Kolonie bildet ziemlich grosse Ueberzüge von bräun- licher Farbe und rauher Oberfläche auf Algen, hauptsächlich auf Fucus serratus. Sie trägt auf ihrer Oberfläche stumpfe, kegelförmige Gebilde, welche häufig in einen spitzen Stachel von wechselnder Länge auslaufen. Nur aus der Anordnung dieser konischen Schutz- werkzeuge kann man auf die Grenzen des einzelnen Zoöciums schliessen. Die Oeffnung desselben tritt nicht besonders hervor und ist von etwa sieben Kegeln umgeben. *) Möbius. Die wirbellosen Thiere der Ostsee. Jahresber. d. Comm. r. w. Unters, d. d. Meere. 1873, S. 114. Anmerk. z. Alcyonidium Mytili. Arch. f. Naturgesch. JaLrg. 1888. Bd. I. H. 1. 3 34 W. Freese. Fundorte. In geringer Menge anf angetriebenem Tange: Bülk, Colberger Haide. Die Oeffnung des Zoöciums ragt bei den hiesigen Exemplaren nur wenig über die Area hervor, etwa ebenso wie bei der von Smitt abgebildeten Kolonie, und liegt auf keiner nach oben gewölbten Fläche, wie Hincks zeichnet. Die spitzen Fortsätze auf den kegel- förmigen Stacheln, die denselben die Form einer Pickelhaube ver- leihen, scheinen bisher noch nicht beobachtet zu sein. Geographische Verbreitung. Grönland, Shetlandinseln, Irische und Grossbritannische Küsten, Kanal, Bretagne, Kattegat, Norwegen, Finnmarken, Spitzbergen. AlcyoiiidiuM liispiduiu. Fabr. sp. Fig. 24. Flustra hispida. Fabr. Faun. Grönland, pg. 438. Johns ton. Brit. Zooph. ed. IL pg, 363. PI. LXVI. Fig. ,5, Flustrella hispida. Hincks. Brit. Mar. Polyz. Fig. 506. PL LXXIL Fig. 1—5. Alcyonidium hispidum. Smitt. Oefversigt. 1866 pg. 499. PI. XIL 22—27. Möbius*). Die wirbellos. Thiere der Ostsee. S. 114. Die ziemlich dicke Kolonie hat eine rauhe, zottig aussehende Oberfläche und ist braunroth gefärbt. Sie bildet Ueberzüge von ver- schiedener Grösse auf Fucus serratus und anderen Gegenständen im tieferen Wasser. Die chitinösen, ovalen bis rechteckigen Zoöcien befinden sich in Quincunxstellung. Ihr Rand ist von einer Reihe braunrother, langer, spitzer Stacheln umgeben, welche nach innen neigen. Dieselben entspringen aus einer niedrigen konischen Basis und ihre Zahl ist sehr variabel. Die Oberwand des Zoöciums ist an der Mündung in eine kurze Röhre ausgezogen, welche durch zwei Lippen geschlossen wird. Die eine Lippe bildet einen beweghchen Deckel. Fundorte. Bülk, Stolier Grund, Colberger Haide. Die hier gefundenen Kolonien waren mit einer grossen Menge von Randstacheln besetzt und niemals waren nur Mundstacheln vor- handen, was Hincks bei manchen Exemplaren beschreibt. Auch fand sich niemals die von demselben erwähnte aufrecht wachsende Form. Geographische Verbreitung. Grönland, England, Bretagne, Südwest-Frankreich, Nordsee, Helgoland, Norwegen, Finnmarken, Eismeer. Fafn, Vesicularieae, Vesicularia (Thomps.). Yesiciilaria iiva. Lin. sp. Sertularia uva. Lin. Syst. nat. ed. XlJ.pg. 131L Vesicularia uva. Smitt. Oefversigt. 1866. S. 500. Tf. XIU. Fig. 29-33. Valkeria uva. Johnston. Brit. Zooph. ed. U. pg. 375. Hincks. Brit. Mar. Polyz. pg. 551. PL LXXV. Fig 5. Der kriechende, an seiner Unterlage befestigte Stamm trägt paarig stehende Zweige, welche auch kriechen. Die Zoöcien, deren •'*') in diesem Werke ist folgender Druckfehler zu berichtigen: Seite 114 lies statt Alcyonidium hirsutum Fabr. — Alcyonidium hispidum Fabr. Beschreibung der in der Ostsee gefundenen Bryozüen 35 Form eine oval cylindrische ist, stehen ebenfalls paarig oder zu mehrereren in Haufen beisammen und sind schief am Stamme an- gewachsen. Fundorte. Auf Furcellaria bei Bülk und auf Zostera marina im Kieler Hafen. Die einzelnen Zoöcien stimmen in der Fonn mit den von Smitt abgebildeten überein; jedoch waren dieselben nicht viel länger wie die der folgenden Art, wohl aber viel schlanker. Geographische Verbreitung. Nordsee, Britische und Skan- dinavische Küste, Karisches Meer, Nördliches Eismeer. Yesiciilaria cuscata. Lin. sp. Fig. 25. Sertularia cuscata. Lin. Syst. nat. ed. XII. pg. 1311. Valkeria cuscata. Johnston. Brit. Zooph. ed. 11 pg. 374. Vesicularia cuscata. Smitt. Oef- versigt. 1866. S. 501. Tf. XIII. Fig. 28. 34. 35. Valkeria uva. forma cuscata. Hincks. Brit. Mar. Polyz. pg. 551. PI. LXXV. Fig. 1—5. Die Kolonie wächst aufrecht buschartig. Lange, schlanke Zweige erheben sich von dem auf der Unterlage kriechenden Stamme und geben opponirt stehende Aeste ab. An diesen sitzen die Zoöcien zu zweien oder mehreren beisammen, häufig jedoch stehen ein Zweig und ein Zoöcium einander gegen- über. I)ie Zoöcien sind oval, etwa dreimal so lang wie breit und mit der Mitte ihrer Basis befestigt. Fundort. Friedrichsort. Die von Smitt angeführten Dimensionen der Zoöcien, 0,44 mm Länge und 0,15 mm Breite, stimmen auch für die hiesigen. Geographische Verbreitung. Britische Küste, Nordsee, Kattegat. Tribus Chilostomata. JFam, Cellularieae, Gemellaria (Savigny). Gremellaria loricata. Lin. sp. Fig. 26. Sertularia loricata. Lin. Syst. nat. ed. X. pg. 815. Sertularia loriculata. Lin. Syst. nat. ed XII. pg. 1314. Gemellaria loriculata. Johns ton. ed. II. pg. 293. PI. XLVII. Fig. 12— 13. Gemellaria loricata, Busk. Cat. Mar. Polyz. of Brit. Mus. Part. L pg. 34. PI. XLV. Fig. 5. 6. Smitt. Oefversigt. 1867. S. 286. Tf. XVII. Fig. 54. Hincks. Brit. Mar. Polyz. pg. 18. PI. III. Fig 1— 4. Möbius. Wirbellos. Thiere d. Ostsee. S. 114. Die aufrecht wachsende Kolonie ist von brauner Farbe und bildet ein dichtes B aschwerk, das aus zahlreichen schlanken Zweigen zu- sammengesetzt ist, welche sich dichotom theilen. Jeder Zweig be- steht aus zwei Reihen von Zoöcien, deren Unterseiten zusammenfallen; die Zoöcien einer Reihe liegen nicht in einer Ebene, sondern sind spiralförmig angeordnet. Bei Verzweigungen entspringt aus jedem Zoöcium des alten Astes ein Zoöcium des jungen Zweiges. Das einzehie Zoöcium ist ziemlich schlank und trägt keine Stacheln. Es ist vorne am breitesten und verschmälert sich von der Mitte ab. Die ovale Area nimmt etwa die Hälfte seiner Oberfläche ein und ist von einem wenig verdickten Rande umgeben. 3* 36 W. Freese. Fundorte. Bülk, Stoller Grund, Friedriclisort, Colberger Haide, nördlich von Fehmarn, Warnemünde, Darserort. Geographische Verbreitung. Nordamerika, Labrador, Grön- land, Grossbritannische Küsten, Ostende, Kleiner Belt, Norwegische Küste, Spitzbergen, Weisses Meer, Karisches Meer. ^am, Flustridae, Flustra (Lin.). Fliistra foliacea. Lin. Fig. 27. Flustra foliacea. Lin. Syst, Nat. eJ. XII. pg. 1300. Johnston. ßrit. Zooph. ed. II. po-. 342. PI. LXII. Fig. 1. 2. Busk. Cat. Mar. Folyz. of Brit. Mus. Part I. pg". 47. PI. LV. Fij?. 4. b. PI. LVI. Fig. b. Smitt. Oefversigt. 1867. pg. 360. Tf. XX. Fig. 12—16. ' Hincks. Brit. Mar. Polyz. pg. 115. PI. XIV' Fig. 10. PI. XVI. 1. la. Ib. Mobius. Wirbellos. Thiere d. Ostsee. S. 114. Die Kolonie bildet aufrecht wachsende, laubartig verzweigte Massen, welche aus zwei Schichten von Zoöcien bestehen. Die Zoöcieu sind zungenförmig, die Area bedeckt fast ihre ganze Oberseite und wird jederseits von zwei Stacheln beschützt, zu denen noch ein un- paarer auf dem vorderen Rande des Zoöciums hinzutreten kann. Grosse Avicularien mit halbkreisförmiger Mandibel sind über die Kolonie zerstreut. Die Oeffnung der sehr flachen Ovizellen bildet einen Bogen über dem vorderen Theile des Zoöciums. Fundort. Cadetrinne. Geographische Verbreitung. Norwegen, Belt, Kattegat, Nordsee, Englische Ostküste, Belgien, Normandie, Südwestküste von Frankreich, Mittelmeer, Adriatisches Meer, Gesellschaftsinseln, Algoa- bai, Amoy. Fam, 3Iembraniporidae. Membranipora (Blainv.). Meui])raiii|)ora liiieata. Lin. sp. Fig. 2ö. Flustra lineata. Lin. Syst. nat. ed. XII. pg. 1301. Membranipora lineata. Johnston. Brit. Zooph. ed 11. pg. 319. PI. LXVL Fig. 4. Busk. Cat. Mar. Polyz. of Brit. Mus. Part. IL pg. 58. PI. LXI. Fig. 1. Smitt. Oefversigt. Iö67- S. 363. Ti. XX. Fig. 23—31. Möbius. Wirbellose Thiere der Ostsee. S. 114. Hincks. ßrit. Mar. Polyz. pg. 143. PI. XIX. Fig. 3—6. Lenz. Die wirbel- losen Thiere der Travemünder Bucht. Theil I. S. 13. Das ovale Zoöcium, das nach hinten zu etwas breiter wird, trägt auf seinem Rande sechs bis zwölf Stacheln, von denen zwei an den vorderen Ecken des Zoöciums stehen und etwas nach vorn gebogen sind. Das zweite Stachelpaar steht aufrecht und die übrigen, welche schlank, aber nicht abgeplattet sind, neigen sich über die Area welche membranös bleibt und an ihrem Rande keine Kalklamelle, trägt. Ein ziemlich grosses, erhabenes Avicularium mit nach hinten gerichteter Mandibel findet sich auf dem Hintertheile des Zoöciums. Der grossen, glänzenden Ovizellen sind kugehg und tragen eine ge- bogene Rippe. Vor ihnen befindet sich oft an einer Seite ein Avi- cularium mit nach vorn zeigender Mandibel. Fundorte. Bülk, Fehmarn, Cadetrinne, Travemünder Bucht. Beschieibunf? der in der Ostsee gefundenen Biyözoen. 37 Da mir keine Exemplare dieser Species zur Verfügung standen, nehme ich Zeichnung und Diagnose nach Hincks. Geographische Verbreitung. Florida, Süd-Labrador, Davis- strasse, Island, Atlantischer Ocean, Kanal, Bretagne, Irische See, Nordsee, Shetlandinseln, Skandinavien, Spitzbergen, Murmanska havfet, Nowaja Semlja, Karisches Meer, Adriatisches Meer, Neu-Seeland. Membraiiipora nitida. Fabr. sp. Fig. 29. Cellepora. nitida. Fabricius, Fauna Groenland. pg. 435. Lepralia nitida. Busk. tat. Mar. Polyz. of Brit. Mus. Part. H. pg. 7(3. PI. LXXVI. Fig 1. Jobnston. Brit. Zoopb. ed. IL pg 319. Pl.LV. Fig. 11. Membranipora nitida. Smitt. Oefversigt. 1867. S. 366. Tf. XX. Fig. 50. .nl. Möbius. Wirbellos. Thiere d. Ostsee. S. 114. Membraniporella nitida. Hincks. Brit. Mar. Polyz. P-. 200. PI. XXVII. Fig. 1—8. Die Zoöcien sind oval. Ueber den elliptischen Oeffnungshof wölben sich die hinteren, verbreiterten Stacheln, deren Zahl 5 bis 8 beträgt, ähnlich wie Rippen zu einem Gevfölbe, das nach hinten zu flacher wird und etwa zwei Drittel des ganzen Zoöciums bedeckt. Diese hinteren Stacheln lassen zwischen sich breitere oder engere Zwischenräume von unregelmässiger Form und stosseu auch in der Mittellinie des Zoöciums nicht ganz zusammen. Die Stacheln sind durch eine durchsichtige Haut mit einander verbunden. Nur in un- mittelbarer Umgebung des Deckels bleibt ein schmales halbkreis- förmiges Stück der Area unüberwölbt, dessen Rand zwei oder keine Stacheln trägt. Fundort: Stoller Grund. Da nur ein sehr kleines Stück dieser Art zur Verfügung steht, an Avelchem weder Avicularien noch Ovizelleu vorhanden sind, kann ich deren Form nicht beschreiben. Hincks erwähnt ein oder zwei Avicularien an dem proximalen Theile des Gehäuses mit spitzen Mandibeln, die nach schräg hinten zeigen, und ein Avicularium an jeder Seite der Ovizelle, das nach schräg vorne gerichtet ist. Die Ovizellen sind kugelig und haben eine granulirte oder glatte Ober- fläche. Geographische Verbreitung. Atlantischer Ocean, Bretagne, Kanal, Irische See, Britische Küste, Shetlandinseln, Norwegen, Neu- seeland. Meinl)raiiii)Oi'a Flemiiigii. Busk. Forma trifolium. (Wood.) Fig. 30. Membranipora Flemingii. Busk. Cat. Mar. Polyz. of Brit. Mus. part. II- pg. 58. PI. LXi. Fig. 2. PI. LXXXIV. Fig. 3. 4. h. Hincks. Brit. Mar. Polyz. pg. 162. Membranipora Trifolium. Hincks. Brit. Mar. Polyz. pg. 167. PI. XXII. Fig. 5. 6. -Membranipora Flemingii, Forma trifolium. Ömitt. Oefver- sigt. 1867. S. 367. Tf. XX. Fig. 37—42. MÖbius. Wirbellos. Thiere der Ost- see. S. 115. Das Zoöcium ist von einem körnigen, verdickten Rande um- geben, der 2 oder 4 cylindrische Stacheln trägt. Bei Gegenwart von 4 Stacheln steht das vordere Paar an den vorderen Ecken des Zoöciums, Avährend das zweite Paar die Mitte der Area schützt. Dieses zweite Paar fehlte niemals. Innerhalb des Randes findet sich eine schmale. 38 W. Freese. körnige Kalklamelle, die am hinteren Ende und an den beiden seit- lichen Stacheln sich verbreiternd, eine kleeblattförmige bis elliptische, chitinöse Area aperturae freilässt. Häufig findet sich ein erhabenes Avicularium auf dem verkalkten Theile der Oberwand, dessen spitze Mandibel nach hinten zeigt, wenn das an seiner Seite liegende Zoöcium keine Ovizelle trägt, im anderen Falle aber nach vorne gerichtet ist. Auf den kugeligen bis helmförmigen Ovizellen befinden sich erhabene Linien, die eine sternförmige Figur bilden. Die hintere Seite der Ovizelle wird von einer dreieckigen, ebenen Fläche gebildet, die von einer gezackten Rippe umschlossen wird und meist bis zur Spitze des Oöciums reicht. Fundorte. Auf Tang und Seegras, Kiel, Friedrichsort, Bülk. Die hier gefundenen Kolonien stimmen sehr gut zu der Be- schreibung, die Hincks von den als „fuUy developed specimens" bezeichneten Stücken von Memhranipora Flemingii giebt. Die Area scheint die ganze Oberseite des Zoöciums zvi bedecken; dasselbe ist jedoch zum Theile noch hinter derselben gelegen, und auf diesem schmäleren Theile sitzen auch die Avicularien. Die Zoöcien sind in der Mitte am breitesten und werden nach vorne und hinten zu be- deutend schmäler. Die von demselben Autor beschriebenen, langen, säbelförmigen Anhänge wurden von mh* nicht bemerkt, vielmehr waren alle Stacheln von nahezu gleichen Dimensionen. Dieselben sind chitinöse hohle Cyliuder, die in etwa ein Viertel ihrer Höhe eine iimere, ringförmige Wandverdickung tragen, die den oberen Theil des Hohlraumes von dem unteren trennt, ähnlich wie es Smitt*) bei Flustra foliacea abbildet. Geographische Verbreitung. Labrador, Grönland, Shetland- inseln, England, Kattegat, Norwegen, Spitzbergen, Murmanska hafvet. Meml)raiiii)ora pilosa. Lin. sp. Flustra pilosa, Lin. Syst. nat. ed. XII. pg. 1301. Membranipora pilosa. Smitt. Oef versigt 1867. S. 368. Die verkalkten Zoöcien sind im Grundriss meist rechteckig. Der runde oder elliptische Oeffnungshof trägt auf dem hinteren Theile seines Randes einen Stachel von wechselnder Länge, der jedoch auch fehlen kann. Forma pilosa. (Lin., Smitt.) Fig. 1. Flustra pilosa. Lin. Syst. nat. ed. XII pg. 1301. Lin. Syst. nat. ed. XIII c. Gmelin, pg. 3827 N. 3. Flustra dentata. Lin. Syst. nat. ed. Xlll c. Gmelin., pg. 3828 N. 11. Membranipora pilosa. Busk. Cat. Mar. Polyz. ot Brit. Mus. Part. IL pg. 56. PL LXXI. Hincks. Brit. Mar. Polyz. pg. 137, PI. XXllI Fig. 1—4. Smitt (forma püosa) Oefversigt. 1867. S. 368. Tf. XX. Fig. 49. Die Zoöcien tragen auf dem Rande des Oeffhungshofes fünf 'ois neun Stacheln, von denen der hintere meist stärker entwickelt ist, als die anderen. Der nicht von der Area eingenommene Theil des Zoöciums, welche etwa zwei Drittel seiner Oberfläche bedeckt, ist mit *) Oefversigt. 1867. Tf. XX. Fig. 16. Beschreibung der in der Ostsee gefundenen Bryozoen. 39 vielen als Löcher erscheinenden dünnen Stellen besetzt. Die Colonie Ijildet Ueberzüge auf Fuchs, Zoster a marina und Mytilus edulis. Fundorte. Kieler Bucht, Neustädter Bucht. Geographische Verbreitung. Nord- Amerika, Rhode Island, New Jersey, Neu Schottland, St. Lorenzbai, Labrador, Grönland, Bre- tagne, Kanal, Belgien, Nordsee, Helgoland, Norwegen, Finnmarken. Mittelmeer, Adriatisches Meer, Arabisches Meer. Melbourne. Forma membraiiacca. (Müll., Smitt.) Fig. 3. Flusfcra membranacea. Müll. Zool. Dan. Prodr. pg. 253. Membranipora pilosa, Forma membranacea. Smitt. Oefversigt. 1867. S. 371. Möbius. Wirbellose Thiere der Ostsee. S. 114. (nicht Membranipora membranacea. Hincks. Brit. Mar. Polyz. pg. 140 und Busk. Cat. Mar. Polyz. of. Brit. Mus. Part. II pg. 56). Lenz. Die wirbellosen Thiere der Travemünder Bucht. Theil I. S. 13. Die meist rechteckigen Zoöcien tragen hinter dem OefFnungshofe, welcher fast ihre ganze Oberseite einnimmt, einen kurzen Stachel, der jedoch auch fehlen kann. Der den Oeffnungshof umgebende verdickte Rand verschwindet nach hinten zu allmälig. Die Kolonie l)ildet Ueberzüge auf Fucus, Seegras und Miesmuscheln. Fundorte. Ganze westliche Ostsee bis Dalorö (Schweden), Gott- land, Helsingfors. Forma monostacliys. (Busk., Smitt.) Fig. 5. Membranipora monostachys. Busk. Cat. Mar. Polyz. of Brit. Mus. Part 11. pg. 61. PI. LXX. Membranipora monostachys. Forma fossaria Hincks ürit. Mar. Polyz. pg. 132, PI. XVIII. Fig. 3. 4. Membranipora pilosa, Forma monostachys. Smitt. Oefversigt 1867. pg. 370. Die sehr unregelraassig geformten, meistens jedoch rechteckigen Zoöcien tragen einen kurzen Stachel, der jedoch auch fehlen kann. Der fast die ganze Oberfläche einnehmende Oeffnungshof ist von einem verdickten Rande umgeben, der auch hinten deutlich ausge- bildet ist. Die Colonie lebt mit Cordylophora lacustris zusammen in brackischem Wasser, wo sie Ueberzüge oder schwammartige Massen auf Pflanzenstielen bildet. Fundorte. Swentinenmündung (Kieler Bucht), Windebyer Noor bei Eckernförde. Geographische Verbreitung. Britische Küste, Yarmouth; französische Küste; Kuxhafen; Skandinavische Küste. Cap Verde-Inseln. Farn, JEschariporidae, Escharipora (D'Orb.). Escharipora punctata. Hass. sp. Fig. 31. Lepralia punctata. Hassal. Ann. and. Mag. Nat. hist. (1) Bd. VIT. pg. 868. PI. IX. Fig. 7. Busk. Cat. Mar. Polyz. of. Brit. Mus. Part. II pg. 79. PI. XC Fig. 5-6. PI. XCII. Fig. 4. PI. XCIV Fig. 3. Johns ton. Brit. Zooph, ed. n. pg. 312. PI. LV. Fig. 1. Cribilina punctata. Hincks. Brit. Mar. Polyz. pg. 191. P. XXIV. Fig. 1—4. PI. XXVI. Fig. 3. Escharipora punctata. Smitt. Oefversigt. 1867. Bihang. pg. 4. PI. XXIV. Fig. 4—7. Das cylindrische bis ovale Zoöcium besitzt auf dem ganzen hin- teren Theile der Oberwand grosse kalkfreie Stellen, die als Löcher 40 W. Freese. erscheinen und häufig mit einander in Verbindung stehen. Es trägt vorne einen etwa ein Drittel seiner Länge einnehmenden Oeffnungs- hof von der Form einer ElHpse, deren grössere Axe senkrecht zur Längsaxe des Zoöciums steht. Die Area ist von einem schmalen, verdickten Rande umgeben, welcher vorne zwei bis vier cylindrische Stacheln trägt. Ein oder zwei kleine nach schräg vorne gerichtete Avicularien finden sich an den Seiten des Oeffnungshofes. Die flach- gewölbten Ovizellen, deren Kalklamelle ebenfalls kleine Löcher trägt, siad kreisförmig bis elliptisch. Fundorte. Li geringer Menge auf Seegras und Tang bei Frie- drichsort und Bülk. Die von mir gefundenen Colonien stimmen sowohl in Bezug auf die Form der Zoöcien, wie der Ovizellen mit der von Busk (PL XCn Fig. 4) abgebildeten überein. Jedoch sind bei den hier gefun- denen Exemplaren die unregelmässig angeordneten eckigrunden Löcher der Kalklamelle viel grösser ausgebildet, hängen häufig durch schmale Kanäle mit einander zusammen und verschmelzen sogar zu einem unregelmässig geformten Loche, das oft die Hälfte der verkalkten Oberseite des Zoöciums bedeckt. Die von Hincks und Busk bei eini- gen Colonien gezeichneten Knöpfchen auf der verkalkten Oberwand finden sich auf den von mir untersuchten Exemplaren nicht. Der den Oeflfnungshof umgebende Rand ist an seinem hinteren Theile mitunter in eine kleine Spitze ausgezogen, was auch Hincks er- wähnt. Die Ovizellen der hiesigen Colonien sind mit einer Anzahl kleiner Löcher bedeckt, was auch Hincks und Busk abbilden. Smitt giebt in seiner Diagnose dieser Species an, die Oöcien seien undurchlöchert und scheint daher nicht gewillt zu sein, die von Busk (PI XCn Fig. 4) abgebildete Colonie zu derselben zu rechnen. Da jedoch diese Art sehr zu variiren scheint, glaube ich die von mir untersuchten Exemplare ebenfalls zu derselben rechnen zu dürfen. Mitunter ist der distale Theil der Ovizelle in einen cylindrischen stachelartigen Fortsatz ausgezogen. Geographische Verbreitung. Südwest -Frankreich, Kanal, Irische See, Nordsee, Britische Küste, Shetlandinseln, Norwegen, Karisches Meer. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Membranipora ;iyilosa L. Forma pilosa. ^ A. Zoöcium mit uns^^mmetrischer Vertheiluug der Randstacheln. o. oberer Rand der Area. u. unterer Randtheil derselben. g. dünne Stelle (Grübchen) der Kalklamelle. Fig. 2. Rosettenplatten ^^- von 3Iemhr. ]iilosa. L. A. von Forma pilosa B. von Forma monostachys. w. Wall der Rosettenplatte. V. Wall der Pore. Erklärung der Abbildungen. 41 Fig. 3. Membranij)0)'a pilosa L. ^^ Forma memhranacea. e. Warzenförmige Erhebungen des Arearandes. Fig. 4. Hinterwand von Forma memhranacea '^f'^. km. Communicationsporen. Fig. 5. Memhranipora pilosa L. *,^ Forma monostachys auf einem Stiele von Cordylophora lacustris. e. Warzenförmige Erhebungen des Arearandes. rs. Rosettenplatte. g. Grübchen der Kalklamelle. Fig. 6. Endocyste. ^{^. Fig. 7. Spindelzellen des Funiculus lateralis, ^f . Fig. 8. Spindelzellen der Funicularplatte. ^p. Fig. 9. Fiächenansicht der Tentakelscheide, ^f^, A. hinterer Theil. B. vordere Theil derselben. Im. Längsmuskelfasern. rm. Ringmuskel. Fig. 10. Längsschnitt durch den Vaginalsphinkter ^f. Ekt. Ektocyste. End. Endocyste. Cep. Cy linder epithel des Sphinkters. rm. Ringmuskelfasern desselben. Im. Längsmukelfasern desselben. Vv?^. Vorderwand des Zoöciums. D. Deckel desselben. ost. Austrittsöffnung des Polypids. ts. Tentakelscheide. pvb. Ein vorderes Parietovaginalband. Fig. 11. Deckelmuskel 432. End. Endocyste. mf. Muskelfaser. fd. fadenförmiger Fortsatz derselben. Fig. 12. Tentakelquerschnitte ^p. A. durch den unteren Theil eines Tentakels. B. durch den oberen Theil. h. homogener Cylinder. 1. leistenförmige Fortsätze desselben, i. Inneres Tentakelepithel. Im. Längsmuskelfasern, m. Dunklere Zellen des äusseren Epithels. Fig. 13. Radialer Längsschnitt durch den Oesophagus, ^f*. rk. Ringkanal, h. Homogene Lamelle desselben, i. Inneres Epithel. m. Aeusseres Tentakelepithel, in das Mundepithel übergehend. 0. Mundöffnung. wep. Wimperepithel des Oesophagus. Cep. Cylinderepithel. rm. Ringmuskelfasern, mv. Magenventil, ts. Tentakelscheide. 42 W. Freese. Fi^, 14. Querschnitt des Oesophagus. '^I^. h. Homogene Lamelle. Cep. Cylinderepithel, drei grosse, eingekerbte Lappen bildend. Fig. 15. Tangentialschnitt des' Oesophagus mit einem Streifen im Querschnitt spindelförmiger Zellen, ^f*^. Fig. 16. Querschnitt durch die Ebene des Ringkanals, ^f". gh. Ganglion. m. Mundepithel. ^. Homogene Lamelle. i. Inneres Epithel des Ringkanals. Fig. 17. Fedicellina gracilis (Sars), \'*. Fig. 18. Crisia eburnea. Forma ehurnea mit einer Ovizelle. V* Fig. 19. Crisia ehurnea. Forma producta. \". A. Stück einer Kolonie. B. Stück einer Kolonie mit Ovizelle. Fig. 20. Biastopora repens. (nach Smitt.) Fig. 21. Alcijonidium Myfili. V'- Fig. 22. Alcyonid. polyoum. V^. Fig. 2.3. Alcyonid. papillosum. ^{"•^ Fig. 24. .Alcyonid. hispidum. V- Einzelnes Zoöcium, Fig. 25. Vesicularia cuscata. ^^. Fig. 26. Gonellaria loricata. ^^. Fig. 27. Flustrafoliacea. 'Y. Avicularium von iünf Zoöcien umgeben. Fig. 28. Membranipora lineata (nach Hincks). Fig. -9. Mcmhranipora nitida. \-^, Fig. 30. Membranipora Flcmingii. Forma trifoUum. \^. Fig. 31. Escharipora punctata. ^\^. Systematische Streiflichter. Dr. Stephan Apäthy aus Ungarn. I. Marine Hirudiiieen. Ich will in folgenden Bemerkungen in aller Kürze einiger für die Morphologie der Ordnung und für die Systematik der marinen Formen nicht unwichtigen Thatsachen vorläufig Erwähnung thun, welche ich seit meinem Aufenthalt an der Station zu Neapel zu beob- achten Gelegenheit hatte, und welche später in einer Monographie ausführlicher behandelt werden sollen. Ich kann aber, wenn ich verständlich sein will, nicht umhin, die Quintessenz meiner Ergebnisse der Analyse der äusseren Körperform der Hirudineen in einigen Sätzen wiederzugeben. Whitman (s. S. 58 1.u. II.) war der erste, der in der äusseren Morphologie der Hirudineen einen richtigen Weg einschlug. Er hat aber die geschilderten an und für sich richtigen Thatsachen nicht, oder noch nicht, mit der inneren Organisation und der Embryologie in Einklang zu bringen versucht, respective sie von diesen abgeleitet; er hat sich ausserdem blos auf die Subfamilie der Zehnäugigen beschränkt und den allgemeinen Plan des Körperbaues der Hirudineen nicht erkannt. Sein Hauptverdienst ist, die Ringe zum ersten mal gut gezählt zu haben. Bourne (III.) berührt in seiner Arbeit auch einige Punkte der äusseren Morphologie, dringt aber nicht in die Tiefe der zu lösenden Fragen ein, und ge- räth durch Homologisirung des vorderen Körperendes der Gnathob- delliden mit dem Rüssel der Rhynchobdelhden auf ganz falsche Wege. Und doch waltet in dem Baue des Körpers der verschiedensten Hiru- dineengattungen eine ganz überraschende Einheit und Gleichmässig- keit ob. Es konnte nur Remy Saint-Loup (IV.) gehngen, in der Hirudo eine Taenia zu erkennen, zusammengesetzt aus einer Reihe von C'lepsinen, welche, als Proglottiden der Hirudo-Taenia, je ein Trematod wären. Ich versuche die Hirudineen als Ordnung in Folgendem zu characterisiren. Der meist langgestreckte Körper verjüngt sich in der Regel gegen seme beiden Enden (gegen die Scheiben); er ist glatt oder mit regel- mässig vertheilten Verdickungen, Warzen, resp. Falten der Haut versehen. Letztere ist immer deutlich geringelt. Der Querschnitt 44 Dr. Stephan Apäthy. zeigt eine Kreis- oder horizontale Ovalform; eine bedeutendere Ab- plattung erfolgt nur auf dem Wege secundärer Anpassung. Die Länge des Körpers wird in erster Linie durch die Zahl der auf je ein inneres Somit fallenden äusseren Ringe bedingt; diese ist 3, 6 oder 12, resp. 5, aus einer gewissen Gruppirung von ursprünglich 12 Ringen entstanden. (Unter innerem Somit verstehe ich die Ge- sammtheit der inneren Organe und Gewebslagen, welche in dem me- tameren Körper zwischen je zwei Hauptsepta liegen; als äusseres Somit bezeichne ich dagegen die Gesammtheit der entsprechenden äusseren Merkmale, Ringe, Anhänge etc.: beide Ausdrücke unter- scheiden nur der Kürze wegen die zwei Richtungen, in welchen sich derselbe Begriff „Somit", unseren Untersuchungen darbietet..) Die Hirudineen bestehen ohne Ausnahme aus 33, auch äusserlich nachweissbaren Somiten; auf jedes fällt ein vollständiges Ganglion mit sechs Ganglienkapseln. Die Somite werden zwar in der Regel nur gegen die beiden Körperenden zu reducirt und verkürzt; es kann dies aber auf dem Wege secundärer Anpassung auch anderswo an dem Körper vorkommen. Die Zahl der vollständigen (nicht reducirten) Somite characteri- sirt die Gattung; der Grad der Reduction und die Art und Weise der Verkürzung sind, obwohl sie gelegentlich auch die Gattung be- stimmen, meistens nur für die Art massgebend, und können als se- cundäre Anpassung, eventuell auch ohne jeden Einfluss auf die Fest- stellung der Phylogenie sein. — (Die Reduction, durch welche die un- vollständigen Somite entstehen, ist von der Verkürzung (Abbreviation) wohl zu unterscheiden: jene ist ein rein phylogenetischer Vorgang und hat in der Ontogenie gar keine Spuren hinterlassen; diese ver- läuft ganz im Bereich der Ontogenie. Die Reduction besteht darin, dass, wenn ein Somit, nach den Ansprüchen des betreffenden Körper- theiles, seine Function wechselt, mit gewissen überflüssig gewordenen Organen die Bildung auch jenes Somitdrittels aus der Ontogenie herausfällt, an welches das in Rede stehende Organ, oder jene Gruppe von Organen in dem vollständigen typischen Somit des Mittelkörpers, der Lage nach gebunden war; und mit dem inneren Somitdrittel ver- schwindet auch vom äusseren Somit je ein Drittel der Ringelzahl, welche dem inneren Somit zukommt. Diese Reduction kann nur drittelweise, von hinten nach vorne schreitend, vor sich gehen, ohne jedes Zwischenstadium, und sie erreicht ihren höchsten Grad, wenn nur das erste Drittel des typischen Somits übriggeblieben ist. Die Verkürzung steht mit der Reduction nicht nothwendigerweise in Zu- sammenhang; erster e zeigt sich in zwei Formen: in der einfachen Verschmälerung der einzelnen Ringe und in der Verschmelzung von Ringen, welche demselben Somitdrittel angehören.) Der ganze Körper theilt sich in sechs, auch in ihrer Function verschiedene Regionen, welche mit Ausnahme der drei Somite be- sitzenden Analregion, aus je sechs Somiten zusammengesetzt sind; es sind dies: die Kopf-, Clitellar-, Mitteldarm-, Hinter darm-, Anal- und Haftscheibenregion. In der gesammten, inneren und äusseren Ein- theilung des Somits ist die Dreizahl die herrschende. Systematische Streiflichter. 45 Die Kopfregion hat sich, im Dienste einer mehr oder weniger parasitischen Lebensweise zu einem kleineren oder grösseren Saug- napi ausgebreitet, welcher aus einer Verdickung des vorderen Körper- endes entsteht und an welchem eine centrale mediane Längsspalte als Mundöffnung dient, resp. zu dem Napfrande auseinandergezogen werden kann. Die Anabegion tragt den wahrscheinlich secundären und aus einem einfachen, querspaltförmigen Durchbruch der Haut verhältnissmässig sehr spät gebildeten After an der Dorsalfläche. Zwei bis drei Somite der sechsten Kegion sind bei allen Gattungen der Ordnung zu einer Haftscheibe eingestülpt; die Grösse und Form der letzteren hangt in erster Linie davon ab, ob sie von der betref- fenden Art vorwiegend zum Halten oder als Locomotionsorgan be- nutzt wird. Zu dem eigentlichen Clitellum hat sich, in Grad und Form nach den Familien resp. Subfamilien verschieden, das 10., 11. und 12. Somit in der Regel secundär, ja sogar theilweise nur postembryonal umge- staltet; die männliche Geschlechtsöfinung liegt aber constant auf dem elften, die weibliche an dem zwölften Somit. Die relative Grösse des Mittelkörpers ist jener Nahrungsmenge angepasst, welche die he- treffende Art auf einmal zu sich zu nehmen hat, um ihre Existenz zu sichern. Immer typisch, die Gattung, resp. die Art bezeichnend, sind die Somite 14 — ^3, also die zehn mittleren des Mittelkörpers. Falls die einzelnen Ringe gewisse eigene Merkmale besitzen, so sind diese in regelmässiger Reihenfolge an jedem Somit des Körpers aufzufinden, von welchem der betreffende Ring dm-ch Reduction nicht eliminirt wurde. Der wohl entwickelte Tastsinn besitzt bei den Hirudineen eine allgemeine Verbreitung, und ist an 18 Längslinien von Tastkegelchen gebunden, welch letztere im Umkreise eines jeden Piscicola-Ringes eine Querreihe bilden. (Ich weise nämlich nach, dass ein solcher Zu- stand als u.rsprünglich zu betrachten ist, in welchem, wie bei der heutigen Piscicola, zwölf äussere Ringe auf ein inneres Somit fallen: alle andere Arten der Ringelung sind von verschiedener Gruppirung der ursprünglichen zwölf Ringe herzuleiten. Als Piscicolaring be- zeichne ich der Kürze wegen gelegentlich jeden Ring oder Ringtheil einer beliebigen Hirudinee, welcher mit einem Ringe der Urpiscicola gleichwerthig ist.) Von den erwähnten : 8 Längslinien befinden sich jederseits von der Mittellinie sowohl am Bauch als auch am Rücken je 4, und ausserdem eine rechts und links an dem Körpersaume, an der Grenze von Rücken und Bauchfläche. Ich benenne sie im Gegen- satz zu Whitman, der einen Theil von ihnen ebenfalls mit Namen versehen hat, in folgender Weise: innere und äussere Paramedian-, mnere und äussere Paramarginal- und Marginallinie. Letztere ent- spricht der Laterallinie der Capitelliden. Die Tastkegelchen können auf hervorspringende Warzen der Haut gerathen sein. (Solche Warzen, welche er nur auf den ersten Ringen beobachtet hat, hält Whitman für segmentale Sinnesorgane, obwohl die ohne jeden besonderen Zweck an ihnen befindlichen Tast- 46 ' Dr- Stephan Apäthy. kegelchen gar niclit grösser als alle übrigen sind, und der weitaus überwiegende Theil der Warzen von Elementen, welche mit der Sinnes- thätigkeit in gar keinem Zusammenhang stehen — Drüsen, Bindege- webe, Muskeln und gewöhnliches Epithel — , gebildet wird, z. B. bei Clepsine.) Ausserdem können die Tastkegelchen — eine kleinere oder grössere Gruppe von specifischeu epitheloiden Zellen, welche die Cu- ticula in ein retrahirbares Kegelchen emporwölben und welche alle, ausnahmslos, je ein Tasthärchen besitzen — mit einer Unter- lage von gelblichen, opaken, fetthaltigen Zellen oder eigenthümlichen Pigmentzellen versehen sein. Je nachdem dieser oder jener Fall mit einer bestimmten Anordnung der betreifenden Gebilde vorliegt, sind auch die einzelneu Ringe zu unterscheiden, deren weitere Merkmale in einer dichteren Lagerung des oberflächlichen, reticulären Pigmentes und in der Stellung der Nephridialapertur zu suchen sind. Die Marginallinie zeichnet sich bei gewissen Gattungen, haupt- sächlich in der Familie der Gnathobdelliden durch grössere Tast- kegelchen aus und legt so, als Sinneshnie, eine gewisse Gleichwerthig- keit mit der Seitenlinie der Capitelliden an den Tag. Augen, welche in ihrer höchsten Eutwickelung Licht, Farbe, ja sogar wahrschein- lich auch Form unterscheiden können, haben sich hauptsächhch bei den Süsswassei-gattungen ausgebildet, und zwar benutzten sie die dorsalen Tastkegelchen der ersten Ringe, resp. ersten Somitdrittel der Kopfregion als Bildungs demente. Von specifischen Drüsen münden bei den meisten Hirudineen an der Körperoberfläche Chitinoiddrüsen, welche sich vorwiegend auf dem Somit der männlichen Geschlechtsöffnung entleeren und gegenwärtig zur Coconbildung bestimmt sind, oder bei den einen Cocon nicht be- reitenden Clepsinearten, falls sie noch nicht vollkommen rückgebildet sind, eine andere Lage besitzen und als embryonale Haftdrüse eine Verwerthung finden. (Die Rückenplatte von Clepsine bioculata ist der postembryonale Rest dieser Drüse.) Es giebt keine einzige Erscheinung in der äusseren Morphologie der Hirudineen, welche mit Hilfe des in dem vorhergehenden gebo- tenen Schlüssels nicht leicht verstanden und auf den einheitlichen Plan im Bau des Hiriidineenkörpers zurückgeführt werden könnte. Auf diese Grundlage von Neuem aufgebaut, müsste auch die bisher so verworrene, irrationelle Systematik der Hirudineen ein ganz an- deres Aussehen bekommen; und ich werde es, bei anderer Gelegen- heit, nicht versäumen, diesen Umbau zu versuchen. Da die Branchiobdelliden unmöglich zu den Hirudineen gerechnet werden können, so giebt es in der Ordnung der Hirudineen nur zwei Familien: die der Rhynchobdelliden und die der Gnathobdelliten. Die Meeresformen gehören alle in erstere, und zwar bilden sie die Sub- familie der Ichthyobdelliden, zu welcher unter den Süsswasseregeln nur Piscicola, als Uebergangsform gehört. Die Schwankungen und Uebergängen nicht unterworfene Charak- teristik der Bliyiieliolbdellideil, gegenüber den Gnathobdelliden, be- steht in zwei Punkten; alle anderen Eigenthümlichkeiten sind blos secundär, oder die Folge von diesen: Systematische Streiflichter. 47 1. Der Schlund ist mit einem vorstreckbaren Saugstecher (der Rüssel in der bisherigen Terminologie) versehen, welcher als eine nach vorne auswachsende Kreisfalte hinter dem Schlundring entsteht. 2. Auf je ein inneres Somit des Mittelkörpers fallen 3, 6, resp. 12 äussere Ringe. (12 Ringe besitzt nur eine Süsswasserform, die Piscicola.) Gegenüber diesen Eigenschaften charakterisiren sich die Olia- tholbdelliden in folgender Weise : 1. Der Schlund (hinter dem Schlundring) verläuft gerade, ohne Saugstecher oder irgend eine andere Querfalte; der Rachen (vor dem Schlundring) besitzt hingegen eine mehr oder minder ausgeprägte dreisei- tige Querfalte, welche drei harte Kiefer aus sich hervorgehen lassen kann. 2. Auf je ein inneres Somit des Mittelkörpers fallen 5 äussere Ringe. Die Subfamilie der Ichthyobdelliden wird folgendermassen ge- kennzeichnet: Der Körper ist immer cylindrisch; (in geringem Grade kann er mit Hilfe der dorsoventralen Musculatur abgeplattet werden, oder flacht sich in Folge seiner Weichheit passiv ein wenig ab.) Er ist bei erschlaffter Muskulatur wenigstens 10 mal so lang, als breit. Das Clitellum besteht immer aus reducirten Somiten und bildet, wenig- stens das drittel Clitellarsomit, eine deutliche, ringförmige Einschnür- ung. Beide Geschlechtsöffnungen liegen in dem ersten Drittel des betreffenden Somits. Der After befindet sich zwischen dem ersten und zweiten Somit der Analregion. Der Saugstecher ist nicht länger als das Praeclitellum (die ersten drei Somite der Clitellarregion) ; er liegt, wenn er nicht gebraucht wird, innerhalb der Grenzen des- selben. — Alle übrigen Eigenschaften fuhren uns schon zu den ein- zelnen Gattungen, oder finden sich auch bei den Clepsiniden. Die bisher bekannten Formen der Ichthyobdelliden bringe ich in folgenden Gattungen unter: Ichthijohdella Blainv., Fiscicola Blaiuv., Ca/liobdella Van Beneden & Hesse., Branchellion Sav., und Fonfob- della Leach. Die Arten, welche bisher bald als Ichthyobdella, bald als Piscicola in eine und dieselbe Gattung zusammenfasst worden sind, müssen von einander getrennt werden. Ich nenne Ichthyobdella die im Meere lebenden Arten, Piscicola und zwar Piscicola piscium Roes. die einzige Art, welche die Ichthyobdelliden in dem Süss- wasser repräsentirt. Meine Gründe werde ich in einem späteren Ar- tikel kurz auseinandersetzen. In der vorliegenden Mittheilung werde ich mich auf die Gattungen Pontobdella und CaUiobdella beschränken. Poiitolxlella. Die Gattungsmerkmale der PontdobdeUa, welche wir in der heu- tigen Systematik aufgezählt finden, sind weit entfernt davon um einer Systematik, nicht nur von und für Dilettanten geschrieben zu ent- sprechen. Anstatt die verschiedenen Beschreibungen der Autoren, welche übrigens im wesentlichen keine grosse Mannigfaltigkeit dar- bieten, da sie meisten theils einfach von einander übernommen sind, einzeln zu citiren und sie hier einer eingehenden Kritik zu unter- 48 I^i'- Stephan Ap^thy. werfen, werde ich versuchen, die Gattungscharakteristik von Pontob- della nach den oben gegebenen Principien kurz zusammenzustellen. Ich will nur einen Umstand hervorheben, welcher sehr gut illustrirt, wie weit die Systematik der Hirudineen stets unter dem Niveau der wissenschaftlichen Zoologie gestanden hat, und welcher uns zu gleicher Zeit erlaubt, uns a priori ein Urtheil über die anderweitigen Angaben der betreffenden Autoren zu bilden. Leydig (VI. VII.) (1851) und Quatrefages (VIII. IX.) (1852) hatten schon längst manche sehr wich- tige, auch für die Systematik sehr bedeutungsvolle Thatsachen aus der Anatomie von Pontobdella, Branchellion und Piscicola beschrieben, als Schmarda(X.) (1861) und Johnston (XI.) (1865) noch immer nur die von Moquin-Tandon (XII.) undDiesing (XIII.) gegebenen sehr dürftigen Gattungscharaktere abschrieben. Sie wissen z. B. noch nichts davon, dass auch Pontobdella einen Rüssel besitzt; Johnston spricht bei ihr noch von ,small niouth furnished with three obsolete denticles;" und sagt: as the mouth is edentulous, the fluid must be sucked through or from the soft skin." Die Grattung Pontolbdella. (NB. Ich will hier die Thiere nicht beschreiben, sondern nur die DiagTiosen auf Grund auffälliger, äusserer Merkmale feststellen.) Das typische Mittelkörpersomit besteht aus 6 Ringen, welche alle gleich breit sind, von welchen aber nur der 1., 3. und 5. immer Warzen tragen, deren Lage und Zahl constant und regelmässig ist. (Die Warzen des 1. Ringes sind die grössten; die warzenlosen Ringe können schon bei massiger Contrahirung des Thieres neben den warzeutragenden verborgen bleiben.) Die längsten und breitesten sind die Somite 7 — 9 des Mittelkörpers; das erste Mittelkörpersomit ist 2/3 so lang als diese. Die grösste Breite des Körpers übertrifft immer die der Scheiben. Die Somite des Praeclitellums (7 — 9 des Körpers) sind vollständig, aber auf 3 Ringe verkürzt, letztere ohne besondere Merkmale. Das erste Clitellumsomit ist auf ^[3 reducirt und besteht aus einem stark hervorragenden warzentragenden und einen verschmälerten, warzenlosen Ring. Das zweite und dritte Clitellum- somit bilden zusammen eine Tonnenform , dessen Seiten aber nur während der Geschlechtsreife auffallend gebaucht sind; sie sind auf 2/3 reducirt, ihre Warzen sehr klein, die warzenlosen Ringe ver- schmälert. Alle Somite der Kopfregion sind reducirt; an der Bil- dung des Saugnapfes nimmt mit seinem ersten Ring auch das fünfte Somit Theil. Der Anus ist eine sehr enge Querspalte; er ist am lebenden Thier nur während der Entleerung der Faeces sichtbar. Ich habe mehr als hundert lebende Pontobdella, einige während längerer Zeit (7 Monate) beobachtet. Die Vergleichung von Exem- plaren verschiedenster Grösse und in verschiedenen physiologischen resp. pathologischen Zuständen ergab als Resultat, dass bei derselben Art gewisse Merkmale, welche bisher in der Systematik als mass- gebend galten, nicht unbedeutenden Variationen unterworfen sind. Bevor wir nun zur Prüfung der vermeintlichen europäischen Pontob- dellaarten übergehen, müssen wir einen Blick auf diese Variationen Systematische Streiflichter. 49 werfen; lassen wir aber dabei einstweilen die patbologiscben Zustände ausser acht. 1. Von den Warzen ist nur die Zahl und Anordnung constant; ihre Grösse und Form ist sehr veränderlich. Sie können retrahirt und abgeplattet werden; anstatt der gewöhnlichen, konischen Gestalt mit kleinen Spitzen an ihrem Gipfel, können sie eine halbkugelige Form annehmen, oder sich ganz abflachen. In letzterem Falle bleibt an der Stelle der früheren Warze ein dunkler Funkt, von einem Hch- tereu Hofe umgeben. Wenn sich das Thier vollgesaugt hat, erscheinen die Warzen im Allgemeinen kleiner und die Ringfurchen minder tief (nach dem Ausdrucke der Systematiker „die Ringelung undeutlich"). i. Die Form und die relative Länge des Körpers hängt in erster Linie von der Contraction des Thieres und von dem Gefülltsein des Darmes ab. 3. Der Unterschied in der Grösse der vorderen und hinteren Scheibe wechselt in der Weise, dass je älter, je grösser das Thier selbst ist, umso kleiner der Unterschied zwischen beiden Scheiben wird, von welchen die vordere bei jungen Exemplaren eher kleiner als die hintere war. Form und Grösse der Scheiben sind ausserdem eben- falls von der Contraction des Thieres abhängig. 4. Der Grundton der Körperfärbung ist nach Grösse und Er- nährungszustand des Thieres, nach der Jahreszeit, ja sogar nach der Umgebung verschieden. Die Exemplare, welche an Torpedo mar- morata gefunden worden sind, waren meisteutheils bedeutend dunkler gefärbt, als jene, welche an Raja clavata sassen. Bei jungen Exem- plaren scheint der Pigmentinhalt der Polsterzellen, namentlich wenn der Darm prall gefüllt ist, durch die Hautmuskelschichte durch. Ge- wöhnlich enthalten die Polsterzelleu der jungen Exemplare grünliches Pigment; daher der olivengrüne Ton bei den meisten kleinen Pontob- della. Der Alkohol, in dem die conservirten Exemplare aufbewahrt werden, bekommt bald eine kupfergrüne, bald eine braune bis schar- lachrothe Färbung, letztere namentlich von vollgesaugten Thiereu (die „beautiful scarlet colour" geliefert von Pontobdella laevis nach Johnstons Beschreibung). Sehen wir nun, was für Charaktere den einzelnen Arten der Autoren zu Grunde gelegt werden! Moquin-Tandon zählt vier europäische Pontobdellaarten auf: Pontobdella muricata Lam„ P. verrucata Leach., P. areolata Leach., P. laevis Blainv. Diesing fügt diesen Pontobdella lubrica Grube hinzu. Schmarda stellt Pontobdella oligothela auf Van Beneden und Hesse (XIV.) stellen neben der Pontobdella nach einem einzigen Exemplar die neue Gattung Ophibdella auf, welche nichts anderes ist als eine verkrüppelte junge Pontobdella muricata oder Pb. oligothela Schm. Welche von den beiden, lässt die sehr dürftige Beschreibung und das noch dürftigere Bild nicht erkennen. Ueberhaupt fand ich unter den systematischen Angaben und den Abbildungen des van Beneden-Hesse'schen Werkes keine einzige, welche ich nicht zu modificiren, oder, was weit häufiger, voU- Arch. f. Naturgesch. Jahrg. 18S8. Bd. I. H. i. 4 50 Dr- Stephan Apäthy. kommen widerlegen müsste. Man möge nur die Besclireibungen der Ichthyobdellen nebst ihren Abbildungen und das Bild von Brauch ellion genauer betrachten! Ich fühle mich also berechtigt, die Angaben genannter Abhandlung, was die neuen Arten betrifft, hier nicht weiter zu berücksichtigen. Johnston spricht ausser von den vier Arten bei Moquin-Tandon noch von P. littoralis und P. campanulata. Carus (VI.) zählt die erwähnten Arten mit den alten Diagnosen einfach wieder auf. So finden wir in der Literatur bisher acht europäische Pontob- dellaarten erwähnt: Pontobdella muricata Lam, P. verrucata Leaeh., P. areolata Leach., P. laevis Blainv., .P. lubrica Grrube, P. oligothela Schm., P. littoralis Johnst. und P. campanulata Johnst. (Dalyell). Diese theile ich in zwei Kategorien ein: 1. Zu einer und derselben Species geboren P. muricata, P, verru- cata, P. areolata und P. laevis. 2. Nicht in die Gattung Pontobdella gehören P. campanulata Dal., P. lubrica Grube, P. oligothela Schm. und P. littoralis Johnst. lieber einige der ersten Kategorie sehen wir schon in der älteren Literatur gewisse Zweifel auftauchen. Blainville meint über P. areolata „que la disposition areolaire est due ä la compression et au rap- prochement des tubercules serres les uns contre les autres", (Citirt bei Moquin-Tandon.) Quatrefages macht darauf aufmerksam, dass sogar die warzigsten Pontobdella gelegentlich ganz glatt werden können. „Parfois alors les Hgnes plus foncees, qui entourent la base des tubercules, dessinent de veritables areoles; ces faits me paraissent devoir faire regarder comme douteuses les especes decrites sous les noms d'A. laevis et d'A. areolata". Wir finden in der Beschreibung der ersten vier Arten bei Moquin- Tandon keinen einzigen Punkt, welcher als beständiges Merkmal gelten könnte. Alle vermeintlichen Merkmale sind in den oben er- wäbnten möglichen Variationen enthalten; und spätere Systematiker fügen diesen nichts Wesentliches hinzu. Relative Grösse der Scheiben, Form des Körpers, ob er sich nach vorne rascher oder allmäliger verjüngt, Grösse und Form der Warzen, gelegentlich Farbe und Länge der Alkoholexemplare: das sind die Charaktere, um welche es sich bei der Systematilv der Pontobdella dreht. Vaillant (XVI) macht einen vergeblichen Versuch, die charak- teristischen Unterschiede zwischen P .muricata und P. verrucata fest- zustellen. Aber schon sein Untersuchungsmaterial genügt nicht zur Entscheidung einer solchen Frage. Von der vermeintlichen P. muri- cata hat er nur ein lebendes Exemplar zu Gesicht bekommen und, wie es scheint, conservirte auch nur wenig. Er meint die Hauptsache darin zu finden, dass bei P. muricata nach Savigny's Beschreibung „les grands segments sont generalement separes de trois en trois par un Segment plus petit" ; und bei P. verrucata nach Leach. und Baster gerade das Umgekehrte der Fall ist: „les plus grands alterneraient avec trois anneaux plus petits". Wer dasselbe Thier in verschiedenen Stadien der Contraction betrachtet, der wird bald die eine, bald die Systematische Streiflichter. 51 andere Beschreibung zutreffend finden. Betraclitet man aber in rich- tiger Weise gestreckte und so conservirte Exemplare, so wird man eigentlich keine von den beiden annehmen können. Der andere Punkt, auf welchen Vaillant Gewicht legt, ist die relative Grösse der Scheiben. Den Messungen, welche er anführt, liegt aber nur je ein lebendes Exemplar zu Grunde, und zwar vergleicht Vaillant ein mittelgrosses Exemplar von P. muricata mit einem kleinen derselben Species, welche er als verrucata betrachtet. Der Veränderung gemäss, welche in der relativen Grösse des Saugnapfes während des Wachsthums des Thieres gelegentlich vor sich geht, konnte die vermeintliche P. verrucata einen relativ kleineren Saugnapf besitzen als das zum Vergleich herbeige- zogene grössere Exemplar derselben Species. Ausserdem kann, wie wir sahen. Form und Grösse der Scheiben auch durch andere Verhält- nisse beeinflusst werden. Auf solche Vergleiche kann nur ceteris paribus Gewicht gelegt werden. Also gelingt es auch Vaillants An- gaben nicht, den in Rede stehenden Species eine festere Basis zu verschaffen. Was P. areolata und P. laevis betrifft, so hat sie keiner, der sie beschreibt, lebend gesehen; andere haben sie überhaupt nicht ge- sehen und wiederholen nur das früher Gesagte. Sehr bezeichnend für das Verfahren der damaligen Systematik sind Johnston's folgende Worte: „The specimen labelled "P. areolata"*) in the Mus. Coli, is one of P. muricata, and the specimen which I presume to be P. areolata has uo name affixed to it. It is in bad condition, but from its flexibility and flatness it may be inferred, that the leech is soft when living. Etc." Nun wissen wir, wie die Conservirung zu jener Zeit geschah. Als relativ noch gut kann sie bezeichnet werden, wenn das Thier einfach gleich in genügend starken Alkohol geworfen wurde und nicht in solchem aufbewahrt war, welcher, wie der von 30o/y, als eines der besten Macerirungsmittel gilt. Das Aussehen des con- servirten Thieres ist ziemlich verschieden, je nachdem es in verschie- denen Contractionsstadien rasch oder allmählig getödtet wird. — Und nach solchen Unterschieden fand man die Aufstellung von neuen Species vollkommen berechtigt. Unter den direkt, sammt dem lebenden Rochen auf die Station gebrachten Pontobdellaexemplaren fand ich nie andere, als die typische P. muricata, oder höchstens noch die angebliche verrucata. Unter jenen Exemplaren hingegen, welche auf dem Fischmarkte aufgesucht worden sind, traf ich mit in verschiedener Weise verkrüppelten, ver- stümmelten Pontobdella auch die P. areolata und P. laevis sehr häufig an. Bournes Angabe, dass letztere in Neapel sehr selten wären, kann ich nur aus seinem relativ kurzen Aufenthalt an der Station erklären. Schon dies alles reducirt, glaube ich, die Haltbarkeit jener vier Pontobdella-Species auf ein Minimum. Ganz vernichtet wird sie durch folgende Reihe von Metamorphosen, welche ich an anfangs typischen *) Möglicherweise das Originalexemplar „donnee par Banks au Museum de la societe Linneenne de Londres (Leach)." (MoquinTandou.) 4* 52 Dl'- Stephan Apäthy. Pontobdella muricata, während längerer Gefangenschaft derselben, wiederholt zu beobachten die Gelegenheit hatte. Die verschiedenen Stadien dieser Metamorphose habe ich nach den neuesten, theilweise eigenen Methoden möglichst lebensgetreu conservü't, und stelle sie, als systematische Belege, jedem Liebhaber von neuen Species gerne zur Verfügung. Diese Metamorphosenreihe kann entweder durch physiologische oder durch pathologische Zustände hervorgerufen werden. Die am meisten instruktiven Exemplare verdanke ich den letzteren. Erstere kommen, abgesehen von flüchtigen Veränderungen, welche nur mit der Muskelthätigkeit der Thiere zusammenhängen, hauptsächlich während der Häutung vor; sie können aber, wenn das Aquarium nicht rein und das Wasser nicht in reger Circulation gehalten wird, leicht in pathologische umschlagen. Letzteres findet meistens dann statt, wenn das Thier in sehr vollgesaugtem Zustande in Gefangenschaft kommt. In solchem Falle werden die Körperwandungen durch den übermässig gefüllten Reservoh*darm gelegentlich derart ausgedehnt, dass sie nicht selten platzen oder, durch den Druck in ihrer Ernährung verhindert, allmählich absterben. Setzen wir den Fall, wir haben das Vergnügen gehabt, eine typische P. muricata in unserem Aquarium während einer Woche beobachten zu können. Das Thier haftete mit der hinteren Scheibe an der Glaswand und hielt seinen Körper charakteristisch eingerollt. Die nächste Woche vielleicht werden wir unsere muricata nicht mehr an der Glaswand, sondern an dem Boden des Aquariums, und nicht mehr eingerollt, sondern halb ausgestreckt, höchstens mit eingekrümm- tem Kopfende finden; wir werden bei ihr eine ungewöhnliche Reiz- barkeit und Beweglichkeit bemerken, und, was das Merkwürdigste, alle systematischen Charaktere der P. verrucata auffinden. Unsere nun- mehrige P. verrucata wird in diesem Zustande ungefähr eine Woche verweilen. Allmählich wird sich aber das Blut in dem Darme in der hinteren Körperhälfte ansammeln; die vordere wird sich dagegen sehr verlängern und verschmälern. Der vordere Napf erscheint klein, wie atrophirt; die Haut ist glatt und zeigt hauptsächlich an der hin- teren Hälfte des Körpers gelegentlich ziemlich deutlich jene mit lichtem Hof umgebenen Flecke, welchen unser Thier seinen dritten Namen zu verdanken hat. Die Ringelung ist höchstens noch hie und da wahrnehmbar, der ganze Körper weich, schlaff. Das Thier bewegt sich nicht mehr, ist ganz unempfindlich. Unsere nunmehrige P. areolata können wir in diesem Stadium gelegentlich Wochen lang beobachten. Früher oder später wird sie gar nicht mehr haften, sondern lang- gestreckt, wie leblos am Boden liegen; die Scheiben sind klein, zu- rückgezogen, hauptsächlich die hintere, die Cuticula löst sich von dem Körper in grossen Fetzen ab. Nun haben wir jene Form mit dünnem, im höchsten Grade extendirtem Körper und glatter, un- geringelter, schmutzigbrauner Haut vor uns, welche als P. laevis gilt. Meistentheils überleben die Thiere diese Metamorphose nicht lange; an den beiden Scheiben sammeln sich Bakterien und kleine Krebse an. Die beiden Köi'perenden sterben ab, faulen, während die Systematische Streiflichter. 53 Mitte des Thieres noch Tage lang weiterlebt. Einigemal überstanden aber meine Untersuchimgsobjekte die Häutung glücklich und ver- wandelten sich in areolata, verrucata und schliesshch die anfangliche muricata zurück. Um der objektiven Wahrheit getreu zu bleiben, muss ich ge- stehen, dass die beschriebenen Stadien der Metamorphose nicht immer so regelmässig einander gefolgt sind. Leider konnten nur zu oft die Thiere nicht über die areolata — wegen Mangel an Lebenszähigkeit — hinausgelangeu. Das ist aber, wie ich glaube, auch gar nicht nötliig, um die Unhaltbarkeit dieser vier PontobdeUaspecies genügend zu demonstriren. An die Stelle dieser vier Species mnss also eine einzige, und zwar mit dem ältesten Namen, als Pontol)dolla muricata Lam. gestellt werden. Als Art wird sie in folgender Weise charakterisirt: Das ausgestreckte Thier erreicht nicht selten eine Länge von 20 cm; die Weite beträgt in solchem Zustande den 15 — 20stenTheilder Länge. Die Haut ist vollkommen undurchsichtig, in der Regel ziem- lich resistent. Der erste Ring des typischen Somits trägt die grössten Warzen, u. z. 8 an der Zahl; der dritte 10 und der fünfte 12; ausser diesen kommen gelegentlich an jedem dieser Ringe an der Rücken- fläche noch zwei kleinere Warzen vor. Die Warzen des vierten Ringes sind von der Grösse der letzteren; sie sind sehr inconstant; auch ihre Zahl wechselt; immer vorhanden sind sie nur an den Somiten 6 — 11 des Mittelkörpers, in der inneren Paramedian- und Param argin allinie des Rückens. Die Warzen des Rückens sind im Allgemeinen bedeutend grösser als die der Bauchfläche. — Der Saug- napf ist mit einem blasseren aufgeworfenen Saume versehen und trägt in der Regel secbs, ausserhalb dieses Saiunes gelegene kleine Randpapillen. Vordere und hintere Scheibe besitzen, wenn sie haf- ten, bei dem ausgewachsenen Thiere gleich grosse Durchmesser. — Die Grundfarbe des Körpers kann alle Uebergänge zwischen grün- Hchgrau bis olivengrün, strohgelb und chokoladenbraun aufweisen. Meistens besitzt der Rücken einen medianen Längsstreifen von weiss- Kcher Farbe; zu beiden Seiten dieses Streifens sind sehr oft leber- braune oder dunkelgrüne Flecke zerstreut. Die Bauchseite ist immer lichter, eintöniger, das Clitellum noch blasser. Calliobdella. Die vier Arten der zweiten Kategorie (s. S. 50) repräsentiren Avahr- scheinlich dieselbe Hirudinee, und zwar die P. oligothela Schm., aber in verschiedener Grösse und in verschiedenem Contractionsstadium. Mög- hcherweise ist die P. littoralis Johnst. eine Ichthyobdella. Die Be- schreibungen von Johnston und Grube (XVII.) sind aber so dürftig, so oberflächlich, dass man die Frage nur auf dem Wege des Aus- schliessens entscheiden kann. Der P. campanulata liegt blos die Beschreibung des alten Dalyells und ein Alkoholexemplar im British Museum zu Grund. Grube sagt von seiner P. lubrica: „Ich erhielt nur ein Exemplar und zwar in Palermo". Ein anderes Exemplar hat seitdem (1Ö40) Niemand gesehen, obwohl das betreffende Thier, 54 ß*"- Stephan Apathy. die P. oligothela Schm., von welcher wir weiter unten noch Näheres erfahren werden, in dem Mittehneer gar nicht selten ist. 1861 beschreibt Schmarda eine Hirudinee verhältnissmassig ziem- lich genau, wenigstens kenntlich und giebt ihr den Namen P. oligo- thela. Er erhielt wahrscheinlich nur ein Exemplar von der Scorpaena scrofa, und der grösste Theil seiner Beschreibung ist nach der Con- servirung in Weingeist verfertigt, sowie auch die Abbildung. Ich erhielt während eines Jahres in Neapel mehr als dreissig lebende und zehn conservirte Exemplare älteren Ursprunges von dieser Hiru- dinee. Ein Vergleich dieser mit der Beschreibung von P. lubrica Grube, P. oligothela Schm. und Scorpaenobdella elegans Saint-Loup stellt es trotz der Dürftigkeit der Beschreibungen ausser Zweifel, dass wir es in allen diesen Fällen, ja sogar bei den zahlreichen neuen Gattungen und Sorten der Van Beneden-Hesse'schen Arbeit, mit der- selben Form zu thun haben, welche aber weit davon entfernt ist, eine Pontobdella zu sein. Saint-Loup glaubte (V.) vor ungefähr anderthalb Jahren eine höchst merkwürdige Hirudinee an der Scorp. scrofa entdeckt zu haben. Von alledem aber , was er zur Schmarda'schen Besclireibung der P. oligothela unbewusst hinzufügt, ist nur eines beachtenswerth: der neue Genusname. Das neue Genus scheint also Saint-Loup eigen zu sein; die Species aber weder ihm, noch Schmarda, sondern Grube, der ihrer zuerst Erwähnung thut. Der richtige Name des Thieres wäre also Scorpaenobdella lubrica Grube. Die Benennungen Pontob- della littoralis (?) Johnst., P. campanulata Dalyell, P. lubrica Grube, P. oligothela Schm.. Scorpaenobdella elegans Saint-Loup sind also zu synonymisiren. Wir finden aber schon bei van Beneden-Hesse ein neues Genus, die Calliobdella, welche den Uebergang zu Branchellion bilden soll. Trotz der mangelhaften Beschreibung und der sehr schlechten Abbildungen kann ich nicht umhin, die Calliobdella van Beneden-Hesse für identisch mit der Scorpaenobdella Saint-Loup zu erklären. Nach dem Princip der Priorität, welches wir in der Syno- nymisirung zum Leitfaden genommen haben, muss also die in Rede stehende Gattung Calliobdella, die Art lubrica Grube genannt werden. Ueber die Calliobdella lubrica (Grube) - wie wir diese Hi- rudinee von nun an nennen wollen — liegen zwei ausführlichere Be- schreibungen vor : die ältere von Schmarda und die neuere von Saint- Loup. In der ersteren wiegt das Lückenhafte, in der letzteren das Unrichtige vor. Die Fehler der Schmarda'schen Beschreibung sind durch die Zeit, zu der sie gemacht wurde, und die Massensammlung, bei der sie gemacht wurde, vollkommen entschuldigt. Saint Loup beobachtete aber ein lebendes Exemplar, beschreibt dieses allein bei der betrefifenden Gelegenheit, und zwar vor nur IV2 Jahren. Aller- dings genügt ein Exemplar, selbst wenn es nach der besten Methodik untersucht wird, bei weitem nicht, um daran alles erforschen zu können; es ist aber Niemand gezwungen, so unvollständige Beobach- tungen zu veröffentlichen, am allerwenigsten aber berechtigt, dabei nicht einmal die Litteratur zu berücksichtigen. Meine mehr als 40 Exemplare von Calliobdella befähigen mich, wie ich glaube, zur rieh- Systematische Streiflichter. 55 tigen Beleuchtung der Angaben, welche Saint-Loup auf Grund seines einzigen Exemplars liefern konnte. Sie können mit Ausnahme einiger sehr auffälliger Thatsachen, in Falsches und in nicht Bezeichnendes eingetheilt werden. Ich erwähne nur die bedeutendsten Irrthümer, welche, wenn sie durch irgend einen Systematiker je berücksichtigt werden sollten, in das System der Hirudineen noch mehr Coufusion hineinbringen könn- ten. Ihre Berichtigung wird theilweise in der weiter unten folgenden Charakterisirung der Gattung und der Art enthalten sein, theilweise wenn es sich nicht um bezeichnende Merkmale handelt, gleich die Citate aus Saint-Loups Mittheilung begleiten. Nach Saint-Loup wäre das Somit aus fünf äusseren Ringen zu- sammengesetzt, welche mit „saillies verruqueuses" versehen sein sollen, und zwar in dem vorderen Drittel des Körpers mit wenigeren, als in dem hinteren. Die vordere Scheibe soll ähnKch wie die von Pontob- della geformt sein und in zwei Gruppen getheilte Augenflecke tragen. Le tube digestif est d'abord remarquable par l'absence de toute division metamerique. II n'y a plus ni ramifications laterales ni etrang- lements zonitaires la region stomaco-intestinale , dont les deux parties difierenciees, chez d'autres Hirudinees, sont ;ici confondues." Der Darm ist ganz so gebaut, wie der von Pontobdella; der Hinter- darm ist von dem Mitteldarm sehr auffallend getrennt. Letzterer bildet einen weiten Reservoirsack, welcher nach hinten bis in die Analregion reicht. Der entodermale Hinterdarm (la region intes- tinale aut.) ist, wenn der Mitteldarm prall gefüllt ist, gewöhnlich sehr dünn, beinahe fadenförmig; er zieht in gerader Linie über dem Reser- voirdarm, diesem sich eng anschmiegend, nach hinten und besteht, sechs Somiten entsprechend, aus sechs durch starke Einschnürungen von einander getrennten Abschnitten; der letzte — gelegentlich auch der vorletzte — von diesen ist, in Gegensatz zu den anderen, sack- artig erweitert. Der ectodermale Hinterdarm mit dem Anus ist sehr kurz und eng. Nun sollen in die Cloake dieses Egels „deux canaux lateraux" münden. „Ces canaux, qui remontent vers la region anterieure, sem- blent se perdre ä une distance de 6 mm ou 7 mm de leur origine; je n'ai pu distinguer exactement de quelle maniere ils sont en rapport de communication avec les cavites du corps. II faudrait, pour eclair- cir ce point, etudier Fanimal par le procede des coupes, et je n'ai pu jusqu ici me procurer d'autres echantillons." Er fügt hinzu: „Aucune disposition de ce genre n'a ete decrite jusqu' ici chez les Bdelles." Ich habe, ausser noch anderen Methoden, dieses Thier auch an vollständigen Serien von Querschnitten untersucht, und kann mit Bestimmtheit behaupten, dass auch bei der Scorpaenobella elegans Saint-Loup nichts AehnHches vorhanden ist. Es bleibt mir nichts Anderes übrig, als anzunehmen, dass Saint-Loup, da er den Mittel- und Hiuterdarm als undififerencirt beschreibt, den gelegentlich bei- nahe fadenförmigen Hinter darm (Intestinum) für einen jener merk- würdigen , canaux lateraux" hält und den anderen nur hinzugedacht hat. Er hatte den herauspraepirten Darm vielleicht in einer solchen 56 Dr« Stephan Apäthy. Lage vor sich, dass der Hinterdarm, anstatt oben, rechts oder links von der Längenachse des weiten Mitteldarmes lag, und ein unpaarer Seitencanal konnte sogar Saint-Loup unwahrscheinlich vorkommen. Was Saint-Loup über das Nervensystem, namentlich über die Zahl der Ganglien angiebt, ist schon durch das in der allgemeinen Charakterisierung der Hirudineen enthaltene widerlegt; ebenso jene Behauptung, dass zwischen der männlichen und der weiblichen Ge- schlechtsöffnung zwei Ganglien liegen. Calliobdella bildet auch keine Ausnahme von der Regel, dass die männliche Geschlechtsöffnung an dem Uten, die weibliche an dem 12ten Somit sich befindet, und zwar natürlich immer hinter den Ganglien. Noch eher kann es bei Branchellion z. B. vorkommen, dass alle drei Ganglien des eigent- lichen Clitellums vor die männliche Geschlechtsöffnung verschoben worden sind. Die Oattung Calliobdella kann in folgender Weise genauer charakterisirt werden: Das Mittelkörpersomit besteht aus 6 Ringen, von welchen je zwei durch tiefere Furchen von den anderen getrennt sind. Beson- dere Merkmale besitzt nur der erste Ring immer, und zwar in Ge- stalt von mehr oder weniger erhabenen, meist schwarzen Pünktchen in der inneren Paramedianlinie des Rückens und in der inneren und äusseren Paramarginallinie sowohl des Rückens als auch des Bauches. Am constantesten und grössten sind die inneren Paramarginalpünkt- chen des Rückens. Der erste resp. der erste und zweite Ring ragt mehr hervor als die anderen. Die Haut ist übrigens glatt, sehr weich und lose; sie wirft leicht grössere Falten. Alle zwölf Somite des Mittelkörpers besitzen je ein Paar contraktiler Seitenblasen, welche bei ihrer Diastole die Haut der ersten zwei Ringe emporheben, und zwar an dem 13 — IGten Somit zwischen der Marginallinie und der äusseren Paramarginallinie der Bauchfläche, an dem 17. — 24ten zwischen denen der Rückenfläche. Seinen Somiten 7—^9 entsprechend, zeigt der Mittelkörper eine plötzKche Erweiterung, deren grösster Durch- messer auf den ersten Ring des 9ten Somits fällt. — Das dritte Somit des eigentlichen Clitellums wird schon bei massiger Contraction von einer Ringfalte an dem Vordersaume des ersten Mittelkörper- somits bedeckt; ersteres bildet eine massige Einschnürung des Leibes. Das 1. — 4. Somit der Clitellarregion besitzt in der äusseren Parama- ginallinie je ein paar kurzer, stumpfer, fingerförmiger, nicht pulsiren- der Hautfortsätze, u. z. am Rücken, mit Ausnahme des ersten, welches sie an der Bauchfläche trägt. Das 5te und 6te Körpersomit ist schon vollständig; der Saugnapf wird blos durch die 4 ersten Somiten gebildet; er ist während der Ruhe wenig abgesetzt, ungefähr -/:j so breit, als die, wenn sie nicht haftet, ebenfalls wenig abgesetzte hintere Scheibe, deren Durchmesser beim Haften die grösste Körperbreite während einer starken Extension meistens erreicht, aber nie übertriff't. (Augen sind nicht vorhanden.) Das Thier nimmt, blos mit der hin- teren Scheibe haftend, und den Körper wie Piscicola aufrecht haltend, während der Ruhe immer eine doppelt S-förmige Krümmung des Systematische Streiflichter. 57 Körpers an, wobei der Kopf stets extendirt, nie bauchwärts ge- krümmt wird. Was nmi die Arten der Gattung Calliobdella betrifft, so sind, wie schon erwähnt, die Beschreibungen von Pontobdella lubrica Grube, P, campanulata Dalyell (wahrsch. auch F. littoraHs Johnst.) P. oli- gothela Schm. und Scorpaenobdella elegans Saint-Loup auf eine und dieselbe Art zu beziehen, welche ich als Calliobdella lubrica (Grube) rehabilitiren will. Welche von den Van Beneden-Hesse'schen Calliob- dellaarten dieser entspricht, kann ich weder nach der Beschreibung noch nach den Abbildungen entscheiden; es wird dies überhaupt kaum jemandem gelingen. Jene phantastischen Arten werden wahr- scheinlich für immer die Unica des Van Beneden-Hesse'schen Werkes bleiben. Ausser der Calliobdella lubrica Grube fand ich auf verschiedenen Wirthen vier Exemplare verschiedener Grösse von einer Calliobdella, welche ich, so lange ich nicht eventuelle Uebergangsformen finde, als gesonderte Species betrachten muss. Ich nenne sie vorläufig Calliobdella nigra. Also haben wir zwei Calliobdellaspecies vor uns, welche ich fol- gendermassen charakterisire: Calliolbdella liibi'ica Grube. Das grösste Exemplar, welches mir in die Hände gekommen ist, war ausgestreckt 50 mm lang und 4 mm, massig contrahirt 7 mm dick. In der Ruhelage, also bei massiger Contraction übertraf die Breite der Körperanschwellung den Durch- messer der Haftscheibe höchstens um das li/2-fache. Die grösseren Exemplare sind immer vollkommen undurchsichtig. Der Mittelkörper ist schmutzig olivengrün, mit rostfarbener Melirung; der Vorderkörper ist heller, der Saugnapf transparent, mit einer rostbraunen Querbinde, (resp. mit zwei schmäleren). Das Clitellum bildet einen weisslichen oder wenigstens auffallend hellen Gürtel. Der Hinterkörper geht mehr in das Rostbraune über; die Haftscheibe ist transparent, mit den charakte- ristischen 14 Radien der Ichthyobdelliden in grauer Farbe; die Interradien sind mehr oder minder deutlich orangegelb. Die Bauchseite ist heller, als der Rücken, schmutzig grünlichgrau. Die schwarzen inneren Para- marginalpunkte des Rückens sind auffallend; die inneren paramedianen weiss, oder wenigstens heller, und durchscheinend. Am 7ten und 9ten Somit sind letztere grösser; oft befindet sich zwischen diesen und den vorhergehenden Somiten je ein grösserer, unregelmässiger, getäfelter, unebener Fleck von schmutzig w^eisser Farbe. Die klei- neren Exemplare (welche wahrscheinlich den verschiedenen Arten bei Van Beneden-Hesse als Substrat dienten) sind viel heller gefärbt, resp. ihre Haut ist an Pigment viel ärmer; daher sind sie durch- sichtiger und lassen den prallgefüllten Mitteldarm rÖthlich, und den Hinterdarm braun durchscheinen, letzteren als einen medianen, gele- gentlich segmental gefiederten Längsstreifen des Rückens des hinteren Körperdrittels. — Die Calliobdella leben an den Kiemendeckeln oder in der Gaumenhöhle, seltener an den Bavichflossen sehr verschiedener meist kleiner Fische (Scorpaena porcus, Sargus annularis, Corvina umbrina, Caranx trachurus, üranoscopus scaber, Lophius piscatorius. 58 Dr. Stephan Apäthy. Blennius pholis, Gobius niger, Coris Giofredi, Solea vul- garis etc.) Calliobdella nigra n. sp. Die unterscheidenden Merkmale dieser Art sind die folgenden: die Farbe des Rückens ist intensiv schwarz, sammetglänzend ; nur am Rande der Haftscheibe sind den Interradien der vorigen Art entsprechende, opake weisse Fleckchen, und gelegentlich an der Stelle der grossen, unregelmässigen Rücken- flecken der vorigen Art ein leiser, nebliger Anflug von Weiss. Die Bauchfläche ist etwas lichter, und lässt einen olivengrünen Ton der Färbung erkennen. Die Haut ist auffallend lose, die Seitenausstül- pungen grösser, die des 5— lOten Mittelkörpersomites fingerförmig. Der Durchmesser der Körperanschwellung ist 2 — 3 mal so gross, als der der haftenden hinteren Scheibe. Die schwarzen Punkte der ersten Ringe sind nur dann kenntlich, wenn bei der Conservirung ein Theil des Hautpigments ausgezogen wurde. Das Hauptergebniss dieser kurzen Mittheilung kann ich im Fol- genden zusammenfassen : Es ist bis jetzt nur eine europäische Pontobdellaart bekannt, und dies ist die P. muricata Lam. Die übrigen, in der Litteratur vorkommenden Arten sind theils verschiedene physiologische oder pathologische Zustände derselben Art, theils sind sie von der Gattung Pontobdella zu trennen und der Gattung Calliobdella Van Beneden- Hesse einzureihen. Als solche bilden sie ebenfalls nur eine haltbare Art, die Calliobdella lubrica Grube (Pontobdella lubrica Grube = P. campanulata Dalyell = P. oligothela Schmarda = Scorpaenobdella elegans Saint-Loup.) Zu dieser scheint sich eine neue Art, die Calliobdella nigra mihi zu gesellen. Neapel, 1887 December. Verzeicliniss der citirten Literatur. I. Whitman, Cli. 0., The external Morphology ol' the Leech. Proceed. Am. Ac. Arts. Sc. V. 20. 1884. II. — , The Leeches of Japan. Quart. Journ. Micr. Sc. (2) vol. 26 1886. ni. Bourne, A. G., Contributions to the Anatomy of the Hirudinea. Quart. Journ. Micr. Sc. (2) Vol. 24. 1884. IV. Saint-Loup, Rcmy, Eecherches sur Torganisation des Hirudinees. Ann. Sc. Nat. Tome 18. 1885. V. — , Sui- iine nouvelle Ichthyobdelle. Compt. Eend. Tome 102. p. 1180. Mai 1886. VI. Leydig. Fr., Zur Anatomie von Piscicola geometrica etc. Zeit. wiss. Zool. 1. Bd. 1849. Vn. — , Anatomisches über Branchellion und Pontobdella. Zeit. wiss. Zool. 3. Bd. 1851. Vm. Quatrefages, A. de, Etudes sur les types inferieurs de l'embranchement des Anneies. Memoire sur le Branchellion d'Orbigny. Ami. Sc. Nat. 3 Ser. Tome 17 1852. IX. — , Note sur le Systeme nerveux des Albiones. Ann. Sc. Nat 3 Ser. Tome 18. 1852. X. Schmarda, L., Neue wirbellose Thiere. 1. Bd. 2. Hälfte. Leipzig. 1861. Systematische Streiflichter. 59 XL Johnston, Cr., British non parasitical -worms etc. London 1865. Xn. Moquin-Tandon, A, Monographie de la Familie des Hirudinees. Nouv. Edit. Paris. 1846. Xni. Diesing, C M., Öj^stema Helminthum. Vol. L Vindohonae. 1850. XIV. Van Beneden et Hesse, Eecherches sur les Bdellodes ou Hirudinees etc. Bruxelles 1863. XV. Carus, V., Prodromus Fauuae Mediterraneae. Vol. I. Stuttgart. 1885. XVL Vaillant, L, Contributions ä l'etude Anatomique du Genre Pontobdella. Ann. Sc. Nat. V. S6r. Tome 13. 1870. XVn. Grube, A. E., Actinien, Echinod. und Würmer d. Adriat. u. Mittehneeres. Berlin. 1840. Nachtrag. Beim Verfassen der vorhergehenden Schrift war ich im Besitz von einem Exemplar einer eigenartigen Pontobdella, welche ich zwischen älterem Material in der zoologischen Station aufgefunden habe. Das Thier ist 24 mm lang und offenbar ein junges Individuuum gewesen. Avif seiner Etiquette stand, dass es beim Dredgen in GO m Tiefe bei Capri (Bocca piccola) frei gefunden worden ist. Ich wollte die Beschreibung dieses einen Exemplars, obwohl es von der Pb. mu- ricata in höchst charakteristischer Weise verschieden ist, nicht ver- öffentHchen. Am 6. Januar dieses Jahres wurde aber bei Pozzuoli ebenfalls im Dredgematerial, auf einem Steine ein anderes Exemplar frei gefangen, welches mit dem früher erwähnten ohne Zweifel als in dieselbe Art gehörend erschien. Es war ausgestreckt 60 mm lang und befand sich in männlich geschlechtsreifem Zustande; während seiner Gefangenschaft drang nämlich aus seiner vorderen Geschlechts- öffnung ein wohl entwickeltes Spermatophor hervor. Es ist vielleicht berechtigt, diese Species nach den genaimten zwei Exemplaren, welche ich mit einer grossen Anzahl von P. muri- cata verglichen habe, im Folgenden genauer zu beschreiben. Ich will diese erste unzweifelhafte europäische Pontobdellaspecies, welche neben muricata bisher bekannt ist, zu Ehren meines Freundes G, C. J. Vosmaer Poiitolbdella Vosniacri nennen. Diagnose. Der Körper ist gedrungener als bei muricata und ca. 10 — 12 mal so lang als breit, (bei muricata caeteris paribus 15 — 20 mal). Der Saugnapf ist auffallend klein, in der Ruhe gar nicht abgesetzt, haftend so breit als der Anfang der Clitellarregion und kaum halb so breit als die Haftscheibe. Der sehr verdickte C/y der ganzen Kopfbreite) Napfrand (die Lippe), eine kleme, drei- eckige Mundöffnung umgebend, ist radiär gerunzelt; hinter dem Napfrande befinden sich (3 symmetrisch gelagerte, tentakelartige (bis i mm lange) kolbenförmige Papillen. Jedes Somit des Mittel- körpers trägt auf vier (1. 3. 4. und 5.) Ringen auffallende und con- stante Warzen; die warzenlosen Ringe erscheinen selbst bei starker Streckung sehr schmal und sind wenig auffallend. Die grösseren 60 Dl'- Stephan Apäthy. Warzen entsprechen der Lage nach meistentheils den constanten Warzen des Muricata-Somits; die kleineren altern iren mit diesen und ergänzen die Zahl der Warzen jedes der betreffenden Ringe in der Regel auf 18; der erste Ring der Somite ist ausserdem noch durch eine constante weisse Medianwarze der Bauchfläche charakterisirt. Jede Warze trägt in ihrem Centrum ein transparent weisses Pünkt- chen. Die Farbe ist am Rücken dunkler, am Bauche etwas lichter olivengrün, gegen den Kopf ins RöthKchbraune, gegen die Haft- scheibe ins GelbHche übergehend. Der Napfrand sammt den Ten- takeln ist gelblich weiss, ersterer mit 8 radiären chocoladebraunen Streifen. Die grösseren Warzen der ersten und zweiten Reihe sind, hauptsächlich am Bauche, weiss; am auffallendsten ist die Färbung der Marginalwarzen, von welchen jede zweite oder dritte vom Prae- clitellum angefangen einen intensiv kreide weissen Fleck trägt; letz- terer breitet sich auch auf die benachbarten Warzen der anstossenden Ringe aus. Auf der Haftscheibe befinden sich zackenartige weisse Randflecke und zwei concentrische Reihen von ebenfalls weissen Punkten. lieber die Grösse der im Vorhergehenden charakterisirten Species kann ich nach meinen zwei Exemplaren natürlich keine direkten Angaben liefern. Da sich aber das grössere in der männlichen Ge- schlechtsreife befand, und diese nach meiner Erfahrung bei allen Hirudineen der weiblichen vorangeht, welche bei den Ichthyobdelliden im ganz ausgewachsenen Zustande erfolgt, da ich weiter die weiblich geschlechtsreifen Individuen der genannten Familie immer mindestens zwei mal so gross als die männlichen fand, so darf ich vielleicht darauf schliessen, dass die Pontobdella Vosmaeri ungefähr 120 mm. Länge erreichen kann, also an Grösse hinter der muricata doch noch bedeutend zurückbleibt. Von einer grossen morphologischen Wichtigkeit erscheint mir die Thatsache, dass bei P. Vosmaeri alle 18 charakteristischen Längs- linien durch kleinere oder grössere Warzen, welche alle sehr ent- wickelte Tastkegelchen tragen, vertreten sind. Die Medianpapillen der Bauchfläche, welche weniger constant auch in anderen Reihen als in der ersten des Somits vorkommen und mit Ausnahme der dritten Reihe, wo sie derselben Querreihe, wie die übrigen, zugehören, etwas vor den anderen stehen, mögen m der Weise hergeleitet wer- den, dass die inneren Paramedianpapillen des vorhergehenden Ringes des ursprünglich zwölfringeligen Somits etwas nach hinten und gegen die Medianlinie aneinander gerückt sind. (S. Analyse der äusseren Körperform der Hirudineen. Mittheil. a. d. zool. Station zu Neapel, Bd. 8. Heft 2.) Bei P. muricata sind, wie bereits erwähnt, nur in- constante Reste einer Warzenreihe auf dem vierten Ring des Somits vorhanden, und so können gewiss nicht vier Warzenreihen als charak- teristisch tür das vollständige Somit (Bourne) angegeben werden. Immerhin könnte man sie als Zeichen eines früheren phylogenetischen Stadiums, in welchem noch alle vier Warzenreihen complet waren, betrachten. Ein solches Stadium scheint in P. Vosmaeri erhalten ge- blieben zu sein. Systematische Streiflichter. Q\ In der Gefangenschaft setzte sich das Thier auf einen Stein und blieb in der für Pontobdella charakteristischen zusammengerollten Lage Tage lang regungslos; es gerieth jedoch bei der leisesten Be- rührung hauptsächlich der tentakelförmigen Napfpapillen in grosse Unruhe. Sollte die bedeutendere Eutwickelung des Tastsinnes bei dieser Species nicht vielleicht in engem Zusammenhange mit dem Umstand stehen, dass die bisherigen Exemplare, obwohl sie sehr verschiedenen Alters sind und gewiss noch nicht zum Coconlegen reif sind, beide frei, tief auf felsigem Meeresgrunde gefunden wor- den sind? Zur ImXm aes Uropillalsystens ier Saurier von Ferdinand Schoof, Lehraintscandidat. {Aus dem zool. Institut der Universität Rostock.) Mit Tafel DI. Im Sommer vorigen Jahres wandte ich mich an Herrn Professor Braun um ein Thema für eine Dissertation. Derselbe übertrug mir die Bearbeitung des ürogenitalsystems der Saurier: ich sollte, im Anschluss an die von ihm und einigen andern Autoren bei gewissen Reptilien gefundenen Reste des Wolffschen Ganges beim Weibchen und des Müller'schen beim Männchen untersuchen, wie weit solche Rudimente bei den verschiedenen Gruppen von Sauriern nachzuweisen seien. Hierbei stellten sich jedoch Schwierigkeiten in Bezug auf die Beschaffung des Materials entgegen. Es zeigte sich nämlich, dass das reichliche vom Institut zur Verfügung gestellte, scheinbar gut erhaltene Spiritusmaterial für die Untersuchung nicht mehr brauchbar war, weil (fie Ephithelien nicht genügend erhalten waren. Da in Folge dessen für frisches, lebendes Material gesorgt werden musste, dessen Beschaffung natürlich mit grosseren Kosten verbunden ist, war ich genöthigt, die Arbeiten auf eine geringere Anzahl von Gattungen zu beschränken, als anfangs beabsichtigt war. Herr Professor Braun stellte mir seinen Vorrath an lebenden Sauriern, bestehend in elf Exemplaren von Uromastix acantJmmrns und zwei Exemplaren von Stellio vulgaris in liebenswüi'digster Weise zur Ver- fügung. Nachdem ich dann noch Vertreter mehrerer Gattungen aus dem herpetologischen Institut in Montpellier bezogen hatte, verfügte ich über folgende Thiere: A. Aus der Familie der Lacertidae: 5 Lacerta viridis (3 Männ- chen, 2 Weibchen), 2 Acanthodadijlus lineo-maculatus (Weibchen). B. Aus der Familie der Scincoidea: 4 Gongylus ocellatus (1 Männchen, 3 Weibchen), * C. Aus der Familie der Agamidae: 1 Agama armata {in Spiritus) (Männchen), 1 Agama inermis (in Spiritus) (Männchen), 2 Stellio vulgaris (Männchen), 11 Uromastix acanthinurus (1 Männchen, 10 Weibchen), Ferdinand Schoo f. 63 D. Aus der Familie der Chamaeleontea: 5 Chamaeleo vulgaris (1 Männclien, 4 Weibchen). Die Untersuchungen wurden im hiesigen zoologischen Institut unter Aufsicht von Herrn Professor Braun ausgeführt, dem ich für seine mannigfache Unterstützung und Unterweisung, sowie auch für die Ueberlassung von Material meinen wärmsten Dank ausspreche. Die Behandlung der Objecte geschah in folgender Weise: die mit Chloroform getödteten Thiere wurden unter l^'/o Salzlösung präparirt und mit ausgebreitetem Rauchfell drei bis vier Stunden in V'i "/o Chromsäurelösung gelegt. Darauf wurden sie mit Wasser abgespült und je einen halben Tag mit öO^/q, 70 ^'/q und zum Schluss mit 95 o/,| Alkohol behandelt. Diejenigen Organe, von welchen Schnitte gemacht werden sollten, wurden herauspräparirt, in Pikro-Carmin gefärbt, der Reihe nach mit 50, 70, 95 "/o ^^^d absolutem Alkohol entwässert und dann zuerst mit einer Mischung von absolutem Alkohol und Terpentin, hierauf mit reinem Terpentin behandelt. Um sie für die Einbettung vorzubereiten, wurden sie dann längere Zeit in eine erwärmte Mischung von Terpentin und Paraffin gelegt, um schliesshch in Paraffin mit etwas Talgzusatz eingebettet zu werden. Für die Untersuchung auf Urnierenreste wurden durch die Ovarien und, wo es erforderlich schien, auch durch die Nieren Quer- schnittserien gelegt, die mit dem Jung'schen Mikrotom angefertigt wurden. Die Dicke der Schnitte betrug durchschnittlich Vioo öiQ^- Die Belegpräparate für die folgenden Angaben werden im zoologischen Institut aufbewahrt. Ich theile die Arbeit in drei Theile: I. Reste des Müller'schen Ganges bei Männchen. IL Reste des Wolf'schen Ganges bei Weibchen. III. Bau des Ovariums und der Nebennieren. Einzelne Bemerkungen über die Nieren werden gelegentlich eingeschaltet werden. I. Reste des Müller'schen Oaiiges bei Männchen. A. Historische Ueber sieht. Rudimente des Müller'schen Ganges werden zuerst von Leydig^) bei Eidechsen beschrieben. Dieser Autor sah bei Lacerta agilis vom vordem spitzen Ende des Nebenhodens einen; mit blossem Auge sichtbaren grauen Faden nach vorne ziehen, der aus stellenweise durchbrochenem, Blutgefässe und Pigment führendem Bindegewebe bestand und vorne in einen, zu einem Knäuel aufgewundenen, mit einem derb wandigen Epithel ausgekleideten Kanal überging. 0 Deutsche Saurier. S, 130. T. X. Fig. 1249. f)4 Zur Kenntniss der Urogenitalsystems der Saurier. Am Rande des Fadens zog sich ein Längsstrang glatter Muskel- fasern hin. Auch bei Blindschleichen sah Leydig Rudimente eines solchen Kanals, dessen Epithel bei frischen Thieren deutlich wimperte. Er betont die individuelle Verschiedenheit dieser Rudimente, die er für Reste des Müller'schen Ganges hält. Neuerdings werden dann von Howes^) mehrere Fälle von ru- dimentären Tuben bei Männchen von Lacerta viridis erwähnt. Er beschreibt Seite 186 die Greschlechtsorgane einer grünen Eidechse, die sich durch fast vollständig entwickelte, an einer Bauchfellfalte aufgehängte, mämiliche Tuben auszeichnet. Letztere unterscheiden sich von weiblichen Eileitern dadurch, dass die Querfalten nur am vorderen Ende, in der Nähe des hier gut entwickelten Ostium ab- dominale vorhanden sind. Auch das bei weiblichen Thieren am freien Rand der Tubenfalte sich hinziehende Muskelband war hier deutlich entwickelt. Innen waren die Tuben mit einem Drüsen- und Flimmerepithel ausgekleidet. H o w e s fand den, sich durch stärkere Entwickelung vor dem linken auszeichenden rechten Gang im hintern Tlieil, mit Sekret gefüllt. Der erstere schien als Samenbehälter zu dienen, da er in seinem distalen Abschnitt mit Spermatozoen angefüllt war. Derselbe Autor beschreibt dann einen andern Fall, wo sich, ähnlich dem von Leydig angegebenen vom vordem Ende des Neben- hodens ein Faden nach vorne zieht, der hier jedoch nicht in einen blindgeschlossenen Kanal, sondern in einen wirklichen, in die Leibes- höble sich öffnenden Trichter übergeht. (Fig. 2.) Bei einer ganzen Reihe männlicher Exemplare von Lacerta viridis constatirte Howes als Reste der Tube ein von vorne nach hinten ziehendes Band, das auf eine kurze Strecke, entweder in der Mitte seines Verlaufs, oder am vorderen Ende in einen Kanal überging, der alle Uebergänge von einem fadenförmigen Rudiment bis zu einem vollständig entwickelten Kanal, also einer alle Bestandtheile enthal- tenden Tube darbot. Bei Schildkröten werden von van Wyhe-) und später von CK. Hoffmann ^) rudimentäre MüUer'sche Gänge erwähnt. Letzterer beschreibt bei einem jungen Männchen von Emys etiropaca eine an einer schmalen Peritonealfalte aufgehängte, in zwei Stücke zerfallene männliche Tube, von welchen das hintere vorne und hinten blind geschlossen ist, das vordere hinten ebenfalls blind endigt, nach vorne jedoch durch ein 1 cm breites Ostium abdominale mit der Leibeshöhle in Communication tritt. Diese Tubenreste bestanden aus einem 1 mm im Durchmesser haltenden Kanal, der mit sehr niedrigem FHmmerepithel ausgekleidet ^) Oü the vestigial structure of the reproductive apparatus in the male of tlie green lizard iu: Journ. of anat. aud. physiol. Vol. XXI new series vol. I. Part. n. Jan. 1887. ^) J. von Wyhe, Bydrage tot de keniiis van hat uro-genitalsystera by de Seliild- padden in: Nederl. tydschrift der Dierkundige Vereenigung Bd. V. 1880. ä) C. K. Hoffmann in: Bronns Klassen und Ordnungen des Thierreiclis VI. Bd. 3. Abth. S. 291. Tafel XL. Fig. 11. von Ferdinand Schoof. 65 war und eine dicke, aus fibrillärem Bindegewebe bestehende Wandung besass. Nach Ho ff mann sind solche Fälle bei jungen Exemplaren von Emys europaea recht häufig; wo die Tube fehlt, ist doch meistens eine Peritonealfalte vorhanden. Aehnliche Verhältnisse wie die beschriebenen fand dieser Autor bei jungen Männchen von Chelonia imbricata. B. Eigene Beobachtungen. Lacerta viridis. Von dieser Species standen mir drei Männchen zu Gebote. Wie in den vonHowes erwähnten Fällen setzt sich die den Nebenhoden und das vas deferens überziehende Peritonealfalte auch hier auf eine Breite von 1 — 2 mm nach den Seiten hin fort. Während sie nach vorn hin breiter wird und in das parietale Blatt des Bauchfells übergeht, verschmälert sie sich nach hinten und verliert sich in der Nähe der Cloake in die Wand des Samenleiters. Bei zwei Exemplaren wird der freie Rand der Peritonealfalte von einem V2 — "V4 mm breiten, aus glatten Fasern bestehenden Muskel- band eingenommen. Reste einer Tube finden sich hier in ähnlicher Weise wie in dem von Howes in Fig. 2 ^) seiner Arbeit abgebildeten Fall in Form eines Fadens, der vom Nebenhoden nach vorne zieht und sich an die obere Wand eines taschenförmigen, hinten blind geschlossenen, mit Epithel ausgekleideten Trichters ansetzt, der sich mit einer 5 mm breiten Spalte in die Leibeshöhle öffnet. Bei dem dritten Exemplar findet sich eine deutliche Tube, die am freien Rande der Peritonealfalte in Form eines 1 mm breiten Streifens hinzieht, sich hinten unabhängig vom Samenleiter an die Cloakenwand ansetzt und wahrscheinlich in dieselbe einmündet, während sie vorne in ein sich in die Leibeshöhle öffnendes Ostiiim abdominale übergeht. Die aus glatten Muskelfasern bestehende Wandung der Tube um- schliesst einen 0,72 mm weiten, mit einem flachen Epithel aus- gekleideten Kanal. Diese letzte Ausbildungsform des MüUer'schen Ganges bildet ein Uebergangstadium von der bei Howes in Figur 2 abgebildeten Form zu derjenigen, welche in Figur 1 dargestellt ist. Grongylus ocellatus. Von dieser Art habe ich nur ein Männchen untersuchen können, bei dem jedoch keine Spur einer Tubenfalte des Bauchfells, geschweige denn eine Tube selbst vorhanden ist. Es scheint also die hier im embryonalen Zustande sicher vorkommende männliche Tube voll- kommen zu schwinden. Aus der Familie der Agamiden konnte ich je ein Männchen von Agama armata, Agama inermis (beide in Spiritus), Uromastix acanthi- nurus und zwei von Stellio vulgaris untersuchen. Bei den drei ersteren war keine Spur einer Tubenfalte vorhan- den. Von Uromastix muss jedoch eine sonst ungewöhnliche Lage *) a. a. 0. Arch. f. Naturgesch. Jahrg. 1888. Bd. l. H. l. 66 Zur Kenntniss des Urogenitalsystems der Saurier der Testikel zu einander erwähnt werden. Der linke Hoden sass liier nämlich weiter nach vorne als der rechte. Für gewöhnlich findet das umgekehrte Verhältniss statt. Stollio vulgaris. Die Hoden liegen hier in beiden Fällen in genau gleicher Höhe. Die sonstigen Verhältnisse des Urogenitalsystems wurden hier ähnlich denjenigen von Lacerta viridis gefunden. Wie dort ist auch hier hei beiden Exemplaren eine Tubenfalte des Bauchfells vorhanden — und zwar in noch etwas grösserer Breitenausdehnung. Der freie Rand derselben ist auch hier von einem feinen Muskelband eingenommen. Bei einem Exemplar, das wir als A bezeichnen wollen, verläuft an der innern Seite dieses Muskels, von ihm durch einen schmalen Zwischenraum getrennt, eine als weisslicher Streifen erscheinende 1/2 mm breite Tube (s. Fig. 7), die an einzelnen Stellen schwache Querfalten zeigt und sich dadurch, dass ihr etwa 0,4 mm weites Lumen mit einem cubischen Epithel (s. Fig. 5) ausgekleidet ist, auf das un- zweifelhafteste als solche charakterisirt. Während sie vorne in einen sich in die Leibeshöhle öffnenden Trichter übergeht, dessen 9 mm breite freie Ränder mit blossem Auge sichtbar sind, lässt sie sich nach hinten bis zur Cloake verfolgen. Ob sie in dieselbe einmündet, konnte nicht genau constatirt werden, da bei der Fräparation die vordere Cloakenwand entfernt worden war. Es ist jedoch als wahr- scheinlich anzunehmen, da die Tube an der Stelle, wo sie abge- schnitten war, noch mit einem Lumen versehen war. Ihre Wandung besteht grösstentheils aus glatten Muskelfasern, die eine grosse An- zahl kleinere Gefässe in sich einschliessen. Bei dem Exemplar B war in der Tubenfalte keine wirkliche Tube vorhanden. Als Rudiment einer solchen darf wohl eine schwache Epithellage gedeutet werden, die sich auf der linken Seite an der- jenigen Stelle befindet, wo der Trichter zu sitzen pflegt. Rechts fehlte ein solches Rudiment. Ob nun die bei A, oder die bei B ge- fundenen Verhältnisse die Regel bei StelUo vulgaris ausmachen, lässt sich natürlich nur an einer grösseren Zahl von Individuen constatiren. Vielleicht waltet hier eine ebensogrosse Mannichfaltigkeit in der Ausbildung des MüUerschen Gänge ob wie bei Lacerta viridis. Chainaeleo Yiilgaris. Unter den vier mir zu Gebote stehenden Exemplaren dieser Species war nur ein Männchen. Da beide Geschlechter gemeinsame charakteristische Abweichungen ihres Urogenitalsystems besitzen, so sollen an dieser Stelle einige Bemerkungen darüber eingeschaltet werden. Im Gegensatz zu dem stark pigmentirten, daher dunkel- braun oder schwarz erscheinenden Bauchfell der meisten Saurier ent- hält dasselbe bei Chamäleon kein Pigment und erscheint daher weiss. Eine Ausnahme machen jedoch die den Darm und die Geschlechts- drüsen überziehenden Peritonealblätter, die hier — und zwar wieder- um im Gegensatz zu den meisten übrigen Arten, wo sie wenig oder von Ferdinand Schoof. 67 kein Pigment führen — ausserordentlich stark pigraentirt sind. Die Hoden des Männchens sind sogar vollständig schwarz (s. Fig. 4). Charakteristisch für beide Geschlechter von Chamaeleo vulgaris ist ferner die Gestalt und Grösse der Nieren, sowie deren Lagebe- ziehungen zu der Bauchhöhle und den Geschlechtsdrüsen. Während bei der Mehrzahl der Saurier die Nieren eine ge- drungene, kurz keilförmige Gestalt haben und vollständig in der Beckenhöhle liegen, sind sie bei Chamaeleo vulgaris mehr bandförmig in die Länge gezogen und ragen daher mit ihrem vorderen Ende weit in die Bauchhöhle hinein. Zur Erläuterung dieses Verhaltens seien hier einige vergleichende Zahlen angegeben. Die Lauge der Nieren betrug bei Chamaeleo ungefähr 30 mm, diejenige des Körpers vom Kopf bis zur Schwanzwurzel 120 mm; das Verhältniss ist also 1 : 4, während es z. B. bei Uromastix 1 : 6 ist. Die Breite der Nieren (beide zusammen gemessen) beträgt dort ungefähr lOV-iUim, das Verhältnis von Länge zur Breite ist also 3 : 1, wähi-end es beim Domschwanz 27 : 21 oder 4 : 3 ist. Zu erwähnen ist noch, dass die Nieren des Chamäleons in ihrer hintern Hälfte eine plötzliche Einschnürung von den Seiten her er- faliren und zwar an der Stelle, wo von den auf ihrer ventralen Fläche verlaufenden Gefässen und Nerven eine Anzahl Aeste nach den hintern Extremitäten ausstrahlen. Besonders auffallend ist beim Chamäleon die Lage der Geschlechts- drüsen. Diese liegen nämlich mit ihrer hintern Hälfte auf dem proximalen Rande der Nieren, eine Lagebeziehung, die durch die weite Erstreckung der letzteren in die Bauchhöhle hinein hervorge- bracht wird, und die schon an die Vögel erinnert, wo ja die Ge- schlechtsdrüse vollständig der vorderen Nierenhälfte aufliegt, (s. Fg. 4.) Was nun die Verhältnisse des Urogenitalsystems speciell beim Männchen betrifft, so wurde die vollständig schwarze Farbe der Hoden schon erwähnt. Auch der Darm ist schwarz, während Nebenhoden und Samenleiter nur schwach pigmentirt sind. Auch hier wurde eine schmale Peritonealfalte constatirt, die sich vorne an der lateralen Seite des Nebenhodens ansetzt, ihrer ganzen Länge nach mit dem vas deferens verbunden ist und mit diesem nach hinten zieht, um kurz vor der Cloake zu endigen, (s. Fig. 4.) Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass sie homolog ist der bei Stellio vulgaris und Lacerfa viridis gefundenen Tubenfalte; es macht sich nur ein Unterschied in der Lage bemerkbar: sie erstreckt sich hier nicht lateral, sondern ventral vom Samenleiter und geht nach vorne nicht über den Nebenhoden hinaus (s. Fig. 4). Von einem Tubenkanal wurde nichts gefunden, wenngleich sich am freien Rande der Falte ein ffeines Muskelband hinzog. 68 Zur Kenntniss des ürogenitalsystems der Saurier n. Reste der Urniere beim Weibchen. A. Historische üebersiclit. Bei den älteren Autoren, die sicli mit dem Bau oder der Ent- wickelung des Urogenitalsystems der Reptilien beschäftigten, wie von Siebold und Stannius^, Ecker-), Nagel =^), Rathke^), Martin St, Ange^) und Lereboullet ''), finden sich keine Angaben über Reste der Urniere bei ausgewachsenen Reptilien. Sie wurden zuerst von Leydig in einer im Jahre 1853 erschienenen Arbeit ') bei Sauriern erwähnt und später in der schon citirten Monographie über die deutschen Saurier bei Lacerta agilis und Anguis fragüis näher be- schrieben '^). Er sah bei Lacerta agilis lateral vom Ovarium zwei hintereinander liegende, mit blossem Auge erkennbare Reste der Urniere, einen vorderen von goldgelber Farbe, der aus gewundenen, z. Th. fettig degenerirten Kanälen bestand, und einen weiter hinten gelegenen, der dem blossen Auge grau erschien. Auch Waldeyer •') beschreibt diese beiden Gebilde als Urnieren- reste. Braun ^^) hat jedoch durch die Entwickelangsgeschichte nach- gewiesen, dass der vordere „goldgelbe" Körper mit der Urniere nichts zu thun hat, vielmehr als Nebenniere bezeichnet werden muss, als welche sie schon früher von den erwähnten älteren Autoren be- schrieben worden war. Der weiter hinten gelegene Körper wird auch von Braun als Urnierenrest angesehen. Er fand mehrere hinter- einander gelegene 0,5 — 1 mm grosse langgestreckte Körperchen, neben denen mitunter eine grosse Zahl von mikroskopisch kleinen Resten der Segmentalorgane in Form von rundlichen, mit einem Platten- epithel ausgekleideten Cysten vorhanden waren. Noch stärkere Rudimente einer Urniere werden von Leydig '^) von Anguis fr agilis erwähnt. Er beschreibt hier wieder den „gold- gelben" Körper und einen, vorne zu einen Cyste erweiterten, in gleicher Höhe mit dem „goldgelben" Körper beginnenden Kanal, an dessen oberem Ende noch Reste von gewundenen Kanälchen, ja selbst *) Lehrbuch der vergl. Anatomie. Bd. II. 2) Der feinere Bau der Nebennieren. 1846. 3) Ueb. d. Structur d. Nebennieren. J. Müllers Arch. f. Anat. u. Physiol. 1836. p. 365. '') Entwickelungsgeschichte der Natter. Königsberg i. Pr. 1839. 4. ^) L'appareil reproducteur dans les cinq classes d'animaux vertebres. Mem. de l'Inst. d. France. Savants Etrangers 1856. 8) Anatomie des organes genitaux des animaux vertebres. Nov. Act. Leopold. Carol. 1851 und Rech, sur l'enveloppement du Lezard. Ann. d. sc. nat. 1862. ^) Anatomisch-histolog. Unters, über Fische und Reptilien. 1853. 8) a. a. 0. S. 133. s) Eierstock und Ei. 1870. S. 143. 1") Urogenitalsystem d. Reptilien. S. 175 u. f. »') Deutsche Saurier. S. 149. Dazu Tfl. IX, Fig. 112, 1-2. von Ferdinand Schoof. 69 von Malpighi'sclien Gefässknäueln vorhanden waren, wodurcli ihr Charakter als rudimentäre Uruiere auf das unzAveifelhafteste doku- mentirt war. Der erwähnte Kanal Hess sich weit nach hinten ver- folgen, und Leydig spricht die Vermuthung aus, dass er hinten in den Harnleiter einmünde. Braun, der ihn ebenfalls beschreibt, konnte ihn ganz hinten jedoch weder bei Durchmusterung des Bauchfells mit ISOfacher Vergi'össerung, noch auf Querschnitten verfolgen. Weitere Reste der Urniere wurden von letzterem Autor (a. a. 0.) bei verschiedenen Schlangen {Tropidonohis natrix, üoronella laevis, Callopeltis Äesculapii, Zamenis sp.? und Felias herus) gefanden, wo er einen langen, in der Höhe des Ovariums blind beginnenden und weit nach hinten verlaufenden Kanal sah, der sich durch seine weisse Farbe schon für das blosse Auge auf dem durchsichtigen Peritoneum abhob. Ein Stück des Bauchfells eines ausgewachsenen Exemplars von Coronella laevis ist mit dem geschlängelten Wolff sehen Gang auf Tafel VIII, Fig. 5. (a. a. 0.) abgezeichnet worden. Braun konnte diesen Gang auf Querschnitten nach hinten bis zum Eintritt des Harn- leiters in die Cloake verfolgen und hält es für wahrscheinlich, dass er mit diesem gemeinschaftlich einmündet, obgleich er es nicht als unzweifelhaft hinstellen kann. Die innere Auskleidung dieses Kanals, in welchen noch verschiedene kleinere einmündeten, bestand aus einem einschichtigen Pflasterepithel, wähi-end die äussere Umhüllung sich aus Bindegewebe und glatten Muskelfasern zusammensetzte. Als letzten Fall eines rudimentären Wolf sehen Ganges bei Rep- tilien erwähnt der ebengenannte Autor bei Flati/dactylus facetamis einen 1 mm langen, vorne blind beginnenden Kanal, der kurz vor der Einmündung des Harnleiters seitlich in diesen eintritt. Er hält diesen für einen mu' in seinem hintern Theil erhaltenen Wolff'schen Gang. Bei Schildkröten wm'den von van Wyhei) Reste der Urniere gefunden. Dieser sah bei einem 16 — 18 cm. langen weiblichen Exem- plar von JEmys europaea unmittelbar neben dem Harnleiter einen Kanal, dessen Lage mit der des vas deferens beim Männchen über- einstimmte. Während er sich nach oben bis kurz unterhalb des un- tern Nierenrandes verfolgen liess, schien er sich nach hinten in der Wandung des Eileiters zu verlieren. C. K. Hoff mann-), der diese Verhältnisse auch verfolgte und Querschnitte durch den Wolflfschen Gang, den Harnleiter und einen Theil des Eileiters abzeichnet, giebt von ersterem an, dass er hinten ganz in der muskulösen Wandung des Eileiters liegt und mit diesem gemeinschaftlich in die Cloake ein- zumünden scheint. Der Wolff'sche Gang ist (nach ihm) von einem 0,0325 mm hohen Cylinderepithel ausgekleidet, dessen Zellen oben alle offen, also wahre Becherzellen zu sein scheinen. Derselbe Autor zeichnet dann noch auf Tafel LXV a. a. 0. das Urogenitalsystem eines weiblichen Trionix chinensis ab, bei welchem auch ein rudinentäres vas deferens zu erkennen ist. Ich vermisse jedoch im Text jegliche Angabe darüber. •) a. a. 0. 2) a. a. 0. 70 Zur Kenntniss des Urogenitalsystems der Saurier B. Eigene Beobachtungen.. Nach Resten der Urniere wurde in der Weise gesucht, dass durch das Ovarium und die angrenzenden Theile des Bauchfells Quer- schnittserien gelegt wurden. Lacerta viridis. Bei dieser Species findet sich ein kleiner Rest der Urniere in Form eines vorn und hinten blind geschlossenen 1 mm langen Kanals, in dessen hinteren Theil zwei bis drei kleinere, neben ihm verlaufende Gänge einmünden. Der erstere beginnt vorne in gleicher Höhe mit der Nebenniere, etwas vor dem Ovarium, und erreicht in seiner vor- deren Hälfte eine ziemlich beträchtliche Weite. Hier misst sein Lumen 0,2 mm im Durchmesser, während sein Epithel eine Dicke von 0,008 mm besitzt; hinten ist er bedeutend enger, während das Epithel stärker wird. Die äussere Hülle dieses rudimentären Wolif'- schen Ganges wird wie gewöhnlich von mit Bindegewebsfibrillen un- termischten glatten Muskelfasern gebildet. Acaiithodactyliis linco-maculatus. Die beiden mir von dieser Eidechse zur Verfügung stehenden Exemplare messen vom Kopf bis zur Schwanzwurzel nur G cm, be- sitzen jedoch Corpora lutea, sind mithin ausgewachsene Thiere. Reste der Urniere finden sich bei ihnen in ebenso spärlicher Weise wie bei der vorigen Gattung. Auch liegt an der lateralen Seite der Neben- niere ein Complex von drei bis vier mit einem cubischen Epithel ausgekleideten Kanälen, von denen der grösste ein Lumen von 0,(J4 mm Durchmesser besitzt. Sie erstrecken sich nur auf eine Länge von '/2 mm neben dem vordersten Theil der Nebenniere, die mit ihrem grössten Theil über das Ovarium nach vorne hinausragt. Groiigylus ocellatus. Von den drei weiblichen Exemplaren dieser Species zeichnet sich eins durch die weite Erhaltung seiner embryonalen Ovarialfalte sowohl nach vorn als besonders auch nach hinten aus (s. Fig. 6). Dieses wurde nebst einem zweiten auf Urniereureste untersucht. Es fanden sich solche, ähnlich wie bei den eben erwähnten Arten, in Gestalt von vier bis fünf sehr engen Kanälen mit oft kaum wahr- nehmbarem Lumen, die lateral von der kurzen Nebenniere liegen, etwas weiter vorne als diese beginnen und nach Verlauf von unge- fähr Vli mm zugleich mit ihr endigen Der grössere Theil dieser rudimentären Urniere liegt vor dem Ovarium neben der Keimfalte, das hintere Ende befindet sich in gleicher Höhe mit den ersten Folhkeln. Von hier ab ist von den Urnierenkanälen nur noch ein einziger, der WolfF'sche Gang, zu erkennen, der sich noch bis hinter das distale Ende des Ovariums, bei einem Exemplar sogar bis zur Niere verfolgen lässt. In gleicher Höhe mit der Urniere liegen in der Basis der Ova- von Ferdinand Schoof. 71 rialfalte und des vorderen Theils des Ovariums zwei, stellenweise auch drei grössere Gänge von rundem Quersclinitt, die an ihrer weitesten Stelle ein Lumen von 0,04 mm im Durchmesser erreichen und mit einem 0,012 mm dicken cubischen Epithel ausgekleidet sind. Diese Kanäle endigen hinten in gleicher Höhe mit den Urnierenkanälen und stehen mit diesen an verschiedenen Stellen in Verbindung durch schräg verlaufende Kanäle, die sich in dem bindegewebigen Ligament hinziehen, durch welches das Ovarium mit der Nebenniere verbunden ist. Eine Deutung dieser im Ovarium befindlichen und mit der Ur- niere in Verbindung stehenden Gänge könnte nur die Entwicklungs- geschichte geben. Es liegt nahe, in ihnen Reste jener Segmental- stränge zu erblicken, die nach Braun im Embryonalzustand von den Segmentalorganen aus in die Keimdrüse hiueinwuchern, bei der männ- lichen Eidechse sich in die Hodenkanälchen umwandeln, beim Weib- chen jedoch allmählich degeneriren. Wäre die Deutung als Segmen- talstränge richtig, so würden wir ein von dem bei Lacerta agilis sehr abweichendes Verhalten vor uns haben, da dort die Degeneration in der weiblichen Keimdi'üse schon in sehr früher Zeit eintritt. Solche erhaltene Stränge würden als Parovarium zu bezeichnen sein. Uromastix acantliiiiiirus. Hatten wir bei den bisher besprochenen Lacertiliern immer nur schwache Reste einer Urniere angetroffen, so finden wir eine solche bei Uromastix, wenn auch bedeutend zurückgebildet, so doch noch in ihren Hauptzügen erhalten. Es sind secernirende ür- nierenkanälchen vorhanden, rudimentäre Glomeruli und ein das Sekret der ersteren aufnehmender Wolffscher Gang, der in den Harnleiter und durch diesen in die Cloake einmündet, also ein noch funktionirendes Urnierensystem. Schon mit blossem Auge sieht man bei ausgebreitetem Bauchfell zwischen dem Eileiter und der Neben- niere beiderseits einen von vorne nach hinten verlaufenden, durch seine weisse Farbe vom dunklen Peritoneum sich abhebenden Kanal, der sich durch seine vielfachen Schlängelungen von den zahlreichen, mehr gestreckt verlaufenden Blutgefässen gut unterscheidet (s. Fig. 1). Bei der Betrachtung mit der Lupe ergiebt sich, dass er mehrere Millimeter vor den Ovarien zwischen zwei von vorne nach hinten zie- henden Blutgefässen beginnt, sich dann etwas der Mittellinie zuneigt, um an der lateralen Seite der Nebenniere, stellenweise ihr diclit anliegend, nach hinten zu verlaufen; hinter dem distalen Ende der letzteren neigt er sich allmählich der Mittellinie zu und geht lateral der Vena cava inferior weiter nach hinten. Man sieht, wie er auf der ventralen Seite der Niere in der Richtung auf die Cloake zu verläuft. Ob er in dieselbe einmündet, kann natürlich auf diese Weise nicht constatirt werden. Um zu ermitteln, ob man es hier mit dem in toto erhaltenen Wolff 'sehen Gang zu thun Labe, wurde dasjenige Stück des Bauchfells, in welchem das proximale Ende des Kanals sichtbar war, bis zum Ovarium herauspräparirt, gefärbt, auf- gehellt, in Canadabalsam eingeschlossen und mit SOfacher Vergrös- serung durchgesucht. Es stellte sich heraus, dass der betreffende 72 Zur Kenntniss des Urogenitalsystems der Saurier Kanal in der That der Wolff'sche Gang sei. Er konnte mit ver- schiedenen in ihn einmündenden Nebenkanälen meistens ganz gut in dem durchsichtigen Bauchfell verfolgt werden, das in seiner Um- gebung wenig Pigmentzellen enthält. Die zahlreichen, im Perito- neum verlaufenden Blutgefässe unterscheiden sich von ihm leicht durch die starke Ringmuskelschicht mit ihren senkrecht zur Gefäss- achse liegenden langen Kernen, ihre stärkere Färbung, sowie durch die in ihrem Innern erkennbaren Blutkörperchen, während die Wolf- schen Kanäle zu äusserst von einer bindegewebigen Hülle und innen von einem polyedrischeu Epithel mit runden Kernen bekleidet sind. Der Wolff'sche Gang beginnt vorne blind und verläuft in einer Dicke von 0,06 — 0,1 mm nach hinten. Begleitet wird er, wie es in Fig. 2 veranschaulicht wird, von mehreren, dicht neben ihm verlaufenden Kanälen, die stellenweise bauchig erweitert sind und entweder mit einem blinden kolbenförmigen Ende neben ihm beginnen oder auch aus ihm entspringen und in beiden Fällen weiter hinten in ihn ein- münden, wobei sie sich vielfach winden und Schleifen bilden. Am hinteren Ende des Präparats sehen wir neben dem Wolff sehen Gang noch drei Nebenkanäle verlaufen. Der weitere Verbleib derselben wurde auf Querschnitten durch das Ovarium und die Nebenniere ver- folgt. Dabei ergab sich, dass diese am unteren Rande der Figur 2 noch sichtbaren Gänge sich in ihrem weiteren Verlauf nach hinten allmählich von dem Wolflf'schen Gang entfernen und medialwärts der Nebenniere zuziehen, während jener 1 — 2 mm lateral von der letz- teren verläuft. Indem noch mehrere Nebenkanäle, die theils aus dem Wolff 'sehen Gang entspringen, theüs in seiner Nähe blind beginnen, sich der Nebenniere zuwenden, wobei sich oft zwei zu einem einzigen unter Erweiterung ihres Lumens vereinigen, erhalten wir schliesslich einen Complex von vier bis fünf theils grösseren, theils kleineren Kanälen, die neben und über einander verlaufend sich auf eine Strecke von ^j^ mm der ventralen Seite der Nebenniere dicht anlegen. Stellenweise verschmelzen diese Kanäle zu einem oder zwei weiten Gängen mit gefalteten Wandungen. An zwei verschiedenen J/5 mm von einander entfernten Stellen sieht man in diesen Gängen rudimen- täre Glomeruli mit ab- und zuführenden Blutgefässen auftreten (s. Fig. 3). Der erwähnte Kanalcomplex löst sich nach hinten in eine grössere Anzahl divergirender Gänge mit engerem Lumen auf, die unter gemeinsamer Entfernung von der Nebenniere in lateraler Richtung dem Wolff 'sehen Gang zustreben, um zum grössten Theil unter sehr spitzem Winkel nacheinander in diesen einzumünden. Ein kleinerer Theil derselben setzt sich jedoch unter sehr stumpfem, fast rechtem Winkel mit ihm in Verbindung. Ausser den bis jetzt erwähnten münden noch eine ganze Anzahl kleinere Kanäle in den Wolff'schen Gang ein, die alle an seiner me- dialen Seite dicht neben ihm blind beginnen. Die ersten Uniieren- kanälchen beginnen ungefähr 1 cm vor dem vordersten Ende der Nebenniere, die letzten münden einige Millimeter hinter dem distalen Ende derselben in den Wolf 'sehen Gang ein, so dass sich die ganze Urniere auf eine Länge von reichlich 3 cm erstreckt. von Ferdinand Schoof. 73 Die Dimensionen der Urnierenkanäle sind ausserordentlich schwan- kend. Am weitesten sind sie auf* der Strecke, wo sie dicht neben der Nebenniere verlaufen. Hier misst z. B. das Lumen des grössten Ganges, in welchem sich die beiden Glomeruli befinden, und der einen langgestreckten Querschnitt besitzt, 0,2 mm in der Länge und 0,056 mm in der Breite. Die Glomeruli haben einen Durchmesser von 0,028 mm. In den meisten Fällen sind die Kanäle jedoch bedeutend enger; selten geht der Durchmesser ilires Lumens über 0,025 mm hinaus. Einzelne von ihnen werden stellenweise so eng, dass eine Oeffnung in ihnen kaum mehr wahrnehmbar ist. Der Wolff 'sehe Gang wechselt in sei- nen Dimensionen ebenfalls sehr, nimmt jedoch im Allgemeinen in seinem Verlauf nach hinten an Dicke zu, was ja seiner Funktion als Abführungskanal des in den Urnierenkanälchen abgeschiedenen Sekrets durchaus entspricht. Wie schon oben erwähnt, liegt er hinten auf der Ventralfläche der Niere, wo er anfangs einen Durchmesser von 0,056 mm, später einen solchen von 0,09 mm besitzt, inclusive seines 0,018 mm dicken Epithels, das immer melu' cylinderförmig wird. Auf der hinteren Hälfte der Niere verläuft er, von einer dicken Ringmuskelschicht umgeben, zwischen Eileiter und Harnleiter ventral von diesen und tritt mit beiden gemeinsam in die Cloaken- wand ein, bis er schliesslich kurz vor der Einmündung des Ureters in die Cloake in diesen mit einem scharfen, dorsal gerichteten Bogen eintritt und zwar unter starker Verengerung seines Lumens. Das ganze hier beschriebene Urnierenbild stellt sich als das eines Baumes dar, dessen Stamm vom WoLff'schen Gang repräsentirt wird und der nur an einer Seite ihm fast parallel verlaufende Zweige trägt. Um das Bild zu vervollständigen, müsste man sich letztere in der Mitte bauchig erweitert und mit einander communicirend denken; ausserdem würden einige von ihnen an ihrer Spitze mit dem Stamm in sekundäre Verbindung getreten sein. Da sowohl an einzelnen Stellen der Urnierenkanälchen, wie auch besonders im hintern Theil des WolfFschen Ganges Sekret in Gestalt von glänzenden Scheiben wahrgenommen wurde und ausserdem sich noch rudimentäre GlomeruU fanden, so darf man wohl mit Recht den Schluss daraus ziehen, dass Uromastix acauthinnrus noch im er- wachsenen Zustande eine functionirende, wenn auch rück- gebildete Urniere besitzt. Chamaeleo vulgaris. Eine noch stärkere Entwicklung der Urniere als bei der vorigen Art finden wir bei Chamaeleo vulgaris. Während die Urniere bei Uromastix aus zahlreichen, von einander getrennten, nur stellenweise mit einander commanicirenden Kanälen von ziemlich gestrecktem Verlauf bestand, bildet sie hier noch eine compakte Masse, die einen Complex von vielen, dicht nebeneinander verlaufenden und in einander übergehenden Kanälen darstellt. Die ganze Urniere besitzt die Gestalt eines spindelförmigen Körpers, der dicht an der äussern Seite der Nebenniere liegt und dessen Dickendimensionen zwischen 0,32 und 0,55 mm schwanken. Die Länge desselben beträgt 372-4 mm. 74 Zur Kenntniss des Urogenitalsystems der Saurier Die zahlreichen Urnierenkanälchen sind grösstentheils nur mit einem engen, aber stets deutlich wahrnehmbaren Lumen versehen. Einzelne jedoch zeichnen sich durch ihre grössere Weite aus; ihr Lumen erreicht einen Durchmesser von 0,072 mm. In verschiedenen Ur- nierenkanälchen wurden kleine Körnchen von Sekret gefunden. Vom hintern Theil der Urniere sondert sich ein Kanal als Wolff'scher Gang ab, der etwas lateral ausbiegt. Wie bei Uromastix tritt dieser auf die ventrale Fläche der Nieren über. Kurz vor derselben besitzt er ein Lumen von 0,02 mm Durchmesser und ein Cylinderepithel von 0,013 mm Dicke, dessen grosse längliche Kerne radiär gestellt sind. Nach aussen wird er von einer aus glatten Ringmuskeln bestehenden, mit Bindgewebe gemischten Hülle umgeben. Zum weiteren Verfolg des Wolfl'schen Ganges wurden durch beide Nierenhälften Querschnitte gelegt. Es zeigte sich, dass die beiden Wolff 'sehen Gänge, von je einer dicken, nach hinten immer stärker werdenden Muskelschicht umgeben, dicht neben einander zwischen den beiden runden Harnleitern, die in eine ventrale Rinne der Nieren eingesenkt sind, verlaufen. Die beiden Ureteren, die ebenfalls von einer dicken Ringmuskelschicht umgeben sind, heben sich schliesslich aus den Nieren heraus, verlaufen wie die Wolf 'sehen Gänge eine Zeit lang fast frei und treten mit diesen zu gleicher Zeit in die Cloakenwand ein. Die Wolff'schen Gänge winden sich in ihrem hintern Verlauf wiederholt, sodass man auf einem Querschnitt oft zwei Durchschnitte für jeden sieht. Genau da, wo schliesslich die Harn- leiter mit langgestreckter Oetfnung in die Cloake eintreten, münden auch die Wolff'schen Gänge aus, sodass man im Zweifel ist, ob man ihre Ausmündung als selbständig oder noch in den Harnleiter erfolgend bezeichnen soll. Diese beschriebene Urniere von Chamaeleo vulgaris func- tionirt auch noch, ähnlich der von Uromastix, da an den ver- schiedensten Stellen, in den Urnierenkanälchen sowohl Avie auch besonders im hintern Theil der Wolf'schen Gänge Sekret angetroffen wurde. Glomeruli wurden allerdings nicht constatirt. Von besonderer Wichtigkeit beim Chamäleon ist, dass im Ovarium ähnhche Kanäle gefunden wurden wie sie von Gongylus ocellatus beschrieben worden sind. Auch hier treten sie nur im vorderen Ende des Ovariums und in der Ovarialfalte im bindegewebigen Stroma auf. Mit einem ähnlichen Epithel ausgestattet wie die eigentlichen Urnierenkanälchen, dessen Kerne sich jedoch nicht so stark färben, wie bei diesen, zeichnen sie sich jedoch vor denselben durch ein bedeutend weiteres Lumen aus. Dasselbe misst zwischen 0,015 bis 0,09 mm. Mit der eigentlichen Urniere stehen sie in Verbindung durch querziehende Gänge, die durch das Mesovarium hindurch gehen und auf der breiten ventralen Fläche der Nebenniere nach deren lateralen Seite verlaufen, wo ja die Urniere liegt. Oft kann man auf einem einzigen Schnitt, stets jedoch durch Combination mehrerer die Verbindung constatiren. Die im Stroma des Ovariums liegenden Kanäle treten bei einem Exemplar in besonderer Weise auf. Sie liegen hier nicht nur an der Basis, sondern durchsetzen den ganzen von Ferdinand Schoof. 75 centralen Theil der Geschlechtsdrüse und zeichnen sich ausserdem durch ihre grosse Weite — sie messen 0,1 — 0,2 mm im Durchmesser — sowie durch die vielfach bemerkbaren dicken Öekretballen aus, mit denen sie stellenweise ganz angefüllt sind. Einzelne von diesen Gängen scheinen mir nicht mit der Urniere in Verbindung zu stehen, sondern vorne und hinten bhnd geschlossen zu sein und Cysten zu bilden. Die innere Auskleidung besteht bei allen aus einem Epithel, das bei den kleineren Gängen mehr cylindrisch, bei den grösseren mehr cubisch ist. Wie die analogen Gebilde bei Gongylus ocellatus sind sie wohl auch als Parovarium zu bezeichnen. Ausser den erwähnten Gängen finden sich im Ovarium des zuletzt erwähnten Exemplars von Chamaeleo noch eine Anzahl grösserer, aber langgezogener Räume, die die Follikel meist halb- kreisförmig von innen umgeben und sich von vorne bis hinten durch das ganze Ovarium erstrecken. Der Lage nach würde man sie für Lymphräume halten, wie sie in allen Ovarien von Sauriern vorkommen, wenn nicht die Thatsache, dass sie mit einem cubischen Epithel ausgekleidet sind, vielleicht dagegen spräche. Das Epithel unter- scheidet sich von demjenigen der oben erwähnten cylindrischen Gänge des Parovariums dadurch, dass sein Protoplasma Quellungserschemungen zeigt, aus welchem Grunde sie nicht auch als Reste der Segmentalstränge gedeutet werden dürfen, da solche Erscheinungen beim Parovarium nie gefunden wurden. Für ihre Auffassung als Lymphräume spricht die Thatsache, dass sie an einigen Stellen direct in solche Räume übergehen, die nur mit einem Endothel ausgekleidet sind und dass die in einem andern Ovarium von Chamäleon an derselben Stelle befindlichen Bildungen überall nur mit einem Endothel versehen sind. Ein Zusammenhang dieser Räume mit den Kanälen des Parovariums wurde nicht constatirt. m. Ovarium und Nebenniere. Im Anschluss an obige Untersuchungen sollen noch einige Be- obachtungen über die Beschaffenheit und die Lage der Ovarien, ins- besondere der Ureierlager, sowie über die Nebennieren gemacht wer- den. Dieselben machen jedoch auf Vollständigkeit keinen Anspruch, da sie nur gelegentlich und an älteren Exemplaren gemacht wurden. Ueberall wurden die von Leydig und Braun angegebenen zweierlei Theüe des Ovariums gefunden, einmal an der Basis und im Innern das bindegewebige Stroma, welches zahlreiche Blutgefässe und grosse, mit einem Endothel ausgekleidete Lymphräume umschliesst, und zweitens das zu beiden Seiten an der Peripherie gelegene Keimlager, von dem aus die Follikel ausstrahlen. Das Ganze ist vom Epithel des Bauchfells überzogen, Lacerta viridis. Bei dieser Species wurde kein eigentliches Ureierlager gefunden; es war jedoch eine dessen Stelle vertretende Epithelverdickung zu 76 Zur Kenntuiss des Urogenitalsystems der Saurier beiden Seiten an der Basis des Ovariums vorhanden, in welcher aber keine Ureier constatirt wiu'den. Vielleicht ist dies darauf zurückzu- führen, dass die Thiere erst im Spätherbst getödtet wurden und längere Zeit vorher in Gefangenschaft gehalten worden waren; wie ja auch Waldeyer bei Lacerta agilis keine Follikelbildung vom Epithel aus sah. Die Nebenniere, die ungefähr dieselbe Länge besitzt wie das Ovarium und von diesem durch die vena renalis revehcns getrennt ist, besteht fast ausschliesslich aus Rührensubstanz, wogegen die goldgel- ben Zellen sehr zurücktreten. Acaiitliodactyhis liiieo-maciilatiis. Das Ovarium dieser Species zeichnet sich aus durch das Zurück- treten des sonst den ganzen centralen Theil einnehmenden binde- gewebigen Stromas. Der von den Follikeln im Innern noch frei ge- lassene Raum wird von einem einzigen grossen Lymphraum einge- nommen. Die Ureierlager finden sich nur im mittleren Theil des Ovariums zu beiden Seiten des Mesovariums als zwei Peritonealverdickungen, die aus einer grossen Anzahl Kerne bestehen, zwischen denen ein- zelne Ureier liegen. Von den Keimlagern strahlen nun die Follikel der Grösse nach in entgegengesetzter Richtung aus, so dass ein ähn- liches Bild entsteht, wie es Braun von Lacerta agilis auf Tafel VIII, Fig. 6 a. a. 0. abgebildet hat. Die Nebennieren sind bei Acanthodactylus ziemhch kurz, ge- drungen; bei einem Exemplar haben sie sogar eine vollständig bohnen- förmige Gestalt und liegen aussen oberhalb der Ovarien, von diesen dm'ch die vena renalis revehens getrennt. Die zweierlei Substanzen der Nebenniere sind scharf zu erkennen. Die Hauptmasse besteht aus Röhrensubstanz und erscheint dem blossen Auge weisslich-grau ; diese wird an ihrer medialen Circumferenz von den goldgelben Zellen halbkreisförmig umgeben, und letztere Substanz zieht sich dann allein als schmaler, dem blossen Auge goldig erscheinender Faden über die erster e nach hinten hinaus, in gleicher Höhe mit dem hinteren Theil des Ovariums endigend. Croiigyliis ocellatus. Das Ovarium ist bei dieser Species ähnlich gebaut wie bei Acan- thodactylus; auch hier ist ein einziger grosser Lymphraum vorhanden, und das bindegewebige Stroma tritt mehr in den Hintergrund. Das doppelte Ureierlager, das auch hier auf den mittleren Theil des Ova- riums beschränkt ist, sitzt bei dieser Art mehr an den Seiten und nicht so tief an der Basis desselben. Die Nebenniere liegt nicht wie gewöhnlich lateral von der vena renalis revehens, sondern medial von derselben. Das Mesovarium setzt sich an ihre breite ventrale Fläche und nicht, wie bei den meisten übrigen Sauriern an die mediale schmale Seite an. Wie alle von Ferdinand Schoof. 77 besprochenen Nebennieren, bildet sie einen dorso-ventral plattgedrück- ten Körper, der sich nach vorne und hinten verjüngt. Sie setzt sich vorwiegend ans Röhrensubstanz zusammen. Uroiuastix acantliiiiurus. Die Ovarien dieser Species besitzen eine beträchtliche Anzahl Follikel und ebenfalls ziemlich viele Corpora lutea^ ein Beweis, dass die untersuchten Exemplare schon ziemlich alt waren. Die zu beiden Seiten an der Basis des Ovariums liegenden Ur- eierlager sind hier in mehrere hintereinander, auf ungleicher Höhe liegende Partien aufgelöst. Man kann hier die Follikelbildung in ihren verschiedenen Stadien gut constatiren. Wir sehen zwischen zahbeichen Kernen einzelne Ureier liegen, um die herum eine An- zahl der ersteren radiär angelagert sind; wir sehen auch solche Sta- dien, wo um diese radiär gestellten Kerne herum schon Protoplasma abgeschieden ist und dieselben durch eine feine Membran nach aussen von den übrigen Kernen und nach innen von dem Urei getrennt sind, wo also schon ein kleiner Follikel fertig ist. Es finden sich ganz ähnHche Bilder wie die von Braun in Fig. 13, Tafel VI a.a.O. abgebildeten. Die Nebennieren erreichen bei Uromastix beträchtliche Dimen- sionen (s. Fig. 1); sie beginnen vorne stumpf, verbreitern sich dann etwas, um sich nach hinten zu allmählich zu verjüngern. Die medial von ihnen liegende Vena renalis revehens war bei dem abgebildeten Exemplar mit Blut gefüllt und hat daher ein pralles Aussehen. Die Hauptmasse besteht auch hier aus Röhrensubstanz; die braunen oder goldgelben Zellen treten nur im mittleren Theil der Nebenniere an der medialen Circumferenz derselben als halbkreisfönniger Kranz und als einzelne Zellgruppen in der Mitte auf. Chamaeleo Yulgaris. Wie schon früher erwähnt, sind bei dieser Species die Geschlechts- drüsen stark pigmentirt. Während nun die Hoden vollständig schwarz aussehen, sind die Ovarien nur von vielen schwarzen Pigmentflecken besetzt und sehen daher gescheckt aus. Mit ihrer hinteren Hälfte ragen sie in den zwischen den beiden Nierenhälften befindlichen Zwischen- raum hinein und zwar wie gewöhnlich der rechte etwas weiter als der linke. Die im Stroma des Ovariums gelegenen, mit einem Epi- thel ausgekleideten Räume wurden schon beschrieben. Das Ureier- lager ist auch hier doppelt vorhanden; während dasselbe aber bei den bis jetzt besprochenen Eidechsen nur auf einen Theil des Ova- riums beschränkt war, erstreckt es sich hier über die ganze Länge desselben. Die beiden Ureierlager vereinigen sich vorne und hinten mit- einander und bilden so einen das Ovarium von vorne nach hinten umziehenden ringförmigen Wulst, von dem aus die Follikel der Grösse nach in sehr regelmässiger Weise ausstrahlen, wobei sich die von verschiedenen Seiten kommenden grössten Follikel auf der ven- tralen Fläche des Ovariums berühren. 78 Zur Kenntniss des TJrogenitalsystems der Saurier. Bemerkenswerth ist, dass die Ureierlager sich beim Chamäleon nach aussen vom Ovarium als ün Querschnitt oval erscheinende Wülste abheben, während bei den übrigen Arten dieselben als nach innen in das Stroma vorragende Verdickungen auftreten. Sie sind zusammengesetzt aus einer grossen Anzahl dicht zusammengedrängter kleinerer vmd grösserer Ureier mit dazwischen eingestreuten Kernen; man kann hier auf verschiedenen Schnitten noch besser als bei Uro- niastix alle möglichen Stadien der FoUikelbildung beachten. Interessant ist bei Chamaeleo vulgaris der Bau und der Verlaut der Nebenniere. Dieselbe beginnt vorne in zwei getrennten Theilen, Umgürtungen je einer kleinen Arterie. Der lateral gelegene Zipfel vergrössert sich im Verlauf nach hinten; während er anfangs noch ausschliesslich aus braunen Zellen besteht, treten allmählich auch die Markzellen auf, bis wir schliesslich eine, die Arterie nicht mehr* um- gürtende, sondern neben derselben verlaufende Nebenniere erhalten, die ilirer Hauptmasse nach aus Röhren- oder Marksubstanz besteht, und die von einem Ivreis von goldgelben Zellen umgeben wird. Der zweite Zipfel zieht noch immer als ein Kranz von braunen Zellen um eine Arterie dicht an der dorsalen Seite der eigentlichen Neben- niere — zugleich medial von ihr — nach hinten. Dicht daneben liegen Zellen des Sympathicus, wie überhaupt im Umkreis der Ne- bennieren stets Ganglienzellen sichtbar sind. Im weiteren Verlauf nach hinten legt sich dann die Nebenniere auf die ventrale Fläche der Niere und verläuft dicht an der lateralen Seite der Vena renalis reveJiens^ wobei die Röhrensubstanz allmählich wieder verschwindet. Die goldgelben Zellen legen sich dann als Kranz um die eben er- wähnte Vene herum und begleiten diese nebst einigen Ganglienzellen, die in einer ventralen Rinne der Niere verläuft, noch weit nach hin- ten, bis sie schliesshch verschwinden. Der kleinere Theil der Neben- niere bleibt in seinem ganzen Verlauf in Beziehung zur Arterie und verläuft mit dieser im hinteren Theil zwischen Nebenniere und Niere, aber stets selbständig, bis auch er allmählich aufhört. Diese Be- ziehung der Nebenniere zur Wandung der Gefässe — hauptsächlich der Vena renalis revehens — ist insofern charakteristisch für das Chamäleon, als es die braune Substanz ist, die diese Beziehung ein- geht; es wäre interessant, die Entwickelungsgeschichte der Neben- niere sowohl wie der Urniere und des Ovariums von Chamaeleo vul- garis zu verfolgen. Zum Schluss sollen die in dieser Arbeit gewonnenen Resultate nebst den in der Einleitung erwähnten, von anderen Autoreu her bekannten Thatsachen, die auf dieses Thema Bezug haben, noch kurz tabellarisch zusammengestellt werden. Species Tube beim Männchen Urniere und Wolff'- scher Gang beim Weibchen Ureier- lager Lacerta agüis Tubenreste in Form eines zu einem Knäuel aufgewunde- nen mit Epithel aus- gekleideten Kanals (Leydig) Urnierenreste in Form weniger Cysten und Kanäle (Leydig) doppelt Lacerta viridis Tabe seiton ganz er- halten, meist in ein- zelnen Stücken vor- handen Urnierenreste in Formeinesbeiderseits abgeschlossenen Kanals mit einigen Nebenkanälen doppelt Acanthodactylus lineo-mucalatus Gongylus oeellaius Agamu armata und inermis Einige kurze Kanäl- chen erhalten Keine Tube, keine Tubenfalte Einige Umieren- kanälchen mit Woltf- schen Gang, der in einem Fall bis zur Niere reicht, ausser- dem Parovarium Keine Tube, keine Tubenfalte Stellio vulgaris Vrornastix acantlii- iiuriis Chamaeleo vulgaris Anguis fragilis Vollständige Tube resp. Tubentalte mit Ligament und Rudi- ment eines Trichters Keine Tube und Tubenfalte Platydactylus fuce- tanus Keine Tube aber Tubenfalte mit Ligament Wie bei Lac. agilis (Leydig) Urniere baumförmig; rudimentäre glotne- ruli. Wolft'sche Gang in toto erhalten ; Par- Urniere mehr com- pakt. Wolif scher Gang in toto erhalten. Parovarium WoliFscher Gang zum Theil erhalten Wolff'scher Gang im hintern Theil er- halten (Braun) doppelt einfach (Braun) Tafel - Erklärung. Figur 1. Rechte Hälfte des Urogenitalsystems von Ui'omastix acanthitnirus. Vergrösserung 2 : 1 tb. Tube. lig. Ligament. Tr. Trichter. wg. Wolffscher Gang. nn. Nebenniere. V. r. veiui 7'enalis abdiiccns. ov. Ovarium. L. Leber Figur. 2, , Vorderer Theil der ürniere von Uromastix ucanthinurus. Vergrösserung 30 : 1. n. k. Ürnierenkanälchen. wg. Wolf'scher Gang Figur 3. Querschnitt durch den mittleren Theil der Urniere vom Uromastix acan- tJiinurus Vergrösserung 168 : 1. uk. Urnierenkanäle. gl. glomeruli bl. Blutgefäss. ep. Epithel. Figur 4. Urogenitalsystem von Chamaelco vul- garis 5 Natürliche Grösse. N. Niere. T. Hoden. N. H. Nebenhoden. V. df vas defcrcns. nn. Nebenniere. lg. Ligament. cl. Cloake. Figur 5. Querschnitt durch die Tube und Tubenfalte von StelUo vulgaris Vergrösserung 70 : 1. tb. Tube. lg. Ligament. B. Bauchfell. gf. Gelasse. ep. Epithel. Figur 6. Rechte Hälfte des Urogenital Systems von Gongylus occllatus. Natürliche Grösse. ov. Ovarium. tb. Tube. Tr. Trichter. V. r. venu renalis ahilucens. gf. Genitalfalte. r. Rectum. H. Harnblase. cl. Cloake. Figur 7. Linke Hälfte des Urogenitalsystems von Stcllio vulgaris $ Natürliche Grösse. T. Hoden. tb. Tube. lg. Ligament. Tr. Trichter. N. Niere. nn. Nebenniere. nh. Nebenhoden. V. df. vas (Icfercns. pp. Papillen desselben cl. Cloake. Bruchstücke einer Iiifiisorienfauna der Kieler Bucht. Von K. Möbius. Hierzu Tafel IV— X. N= ach der Vollendung der Schrift über die , Fische der Ostsee" im Jahre 18b2 nahm ich mir vor, alle Zeit, welche mir amtliche Verpflichtungen übrig Hessen, an die Untersuchung der Protozoen der Kieler Bucht zu wenden. Zunächst bemühte ich mich, alle mir im Ostseewasser zu Gesicht kommenden Arten von Infusorien und Rhizopodeu zu bestimmen, um nach der Kenntnis ihrer morpholo- gischen Eigenschaften den feineren Bau, die Fortpflanzung und Lebensweise möglichst genau feststellen zu können. Im Frähjahr 1887 nach Berlin berufen, musste ich diese anzie- henden Studien abbrechen. Ihre Ergebnisse sind daher sehr ungleich- massig. Manche Arten konnte ich schon eingehender untersuchen; von vielen weiss ich nicht viel mehr zu sagen, als dass sie die Kieler Bucht bewohnen. Trotz dieser Mangelhaftigkeit glaube ich meine Aufzeichnungen veröffentlichen zu dürfen, denn sie enthalten einiges Neue über die Natur verschiedener Arten und können andern Zoologen die Bearbeitung einer vollständigen Protozoenfauna der Ostsee erleichtern. Hypotricha. Euplotes harpa stein Taf. IV— V. Fr. Stein, Der Organismus der Infusionsthiere I, 1859, S, 137. Taf. IV, F. 12. 13. Der Umriss des Körpers ist oval. Fig. 1, 2. Der Rücken ist stärker gewölbt als der Bauch, Fig. 3, 4. Grosse Individuen sind 0,067 mm lang, 0,032 mm breit und 0,021 mm hoch. Die Cuticulardecke des Rückens, das Rückenschild, hat sechs scharfe Riefen, welche gegen die rechte Seite geneigt sind Arch, f. Natiirgesch. .Tahrg. 1888. Bd. I. H. 1. 6 82 K. Möbiua. und daher im optischen Querschnitt wie 6 Sägezähne aussehen. Fig. 4. So sieht man sie wirklich, wenn lebende Individuen eine solche Stellung einnehmen, dass die Längsaxe ihres Körpers mit der Axe des Mikroskops zusammenfällt. Stein zählte 8 Längsrippen, offenbar deshalb, weil er die Grenz- linien des linken und rechten Seitenrandes mit zu den Längsrippen rechnete. Ein Blick auf die angeführte Figur wird dies verständlich machen. Vorn an der rechten Seite läuft das Rückenschild in einen dreieckigen Dorn aus. Fig. 1. Die Cuticulardecke des Bauches, das Bauchschild, ist nicht so breit wie das Rückenschild. Fig 2. Es hat zwei Längs- riefen, die etwas weiter von einander abstehen als die Längsriefen des Rückenschildes. Stein zeichnet in seiner Fig. 12 drei Riefen, indem er die Grenzlinie an der linken Seite als Riefe darstellt. Hinten hat das Bauchschild noch vier kürzere schwächere Riefen , zwei zwischen den beiden Hauptriefen und je eine neben denselben. An der rechten Yorderecke hat das Bauchschild einen dreieckigen Zahn, der stumpfer ist und weiter zurückliegt, als der Zahn an der Vorderecke des Rückenschildes. Auf dem Bauche stehen in der Nähe des Vorderrandes 5 dicke Pinselwimpern, Fig. 2 u, 5; in der Nähe des Hinterrandes eben- falls fünf. Zwischen der rechten äusseren Grenzlinie des Bauchschildes und der rechten grossen Bauchriefe stehen zwei Pinselwimpern, und je eine solche dicht neben den grossen Bauchriefen vorwärts von dem Munde. Hinter dem Bauchschüde entspringen an der Bauchseite drei dünne einfache Wimpern: eine nahe dem Hinterrande und zwei an der linken Seite an dem Mundwimperbogen. Fig. 2. Die Pinselwimpern dienen zum Gehen und wahrscheinlich auch zum Tasten. Die beiden seithchen dünnen Randwimpern verursachen durch kräftige Schläge nach hinten mundwärts gehende Strömungen. Die einzelne hintere dünne Wimper scheint nur zum Tasten zu dienen. Der Mundwimperbogen (das Peristom) geht von dem Zahn der rechten Vorderecke des Rückenschildes bis an den Mund. Fig. 2. Dieser liegt in der Mitte der hnken iSeite oder etwas dahinter. Der Wimperbogen besteht aus ungefähr vierzig Wimperkämmchen oder Pektinellen, welche ungefähr doppelt so lang sind 'vvie der Abstand der Rückenriefen von einander. Ihre Basen laufen parallel und stossen rechtwinklich auf die Randhnie des Wimperbogens. Die Wimpern der einzelnen Kämmchen sind nicht zu einem „Wimperplättchen" oder einer „Membran eile" (Sterki) vereinigt. Die ganze Kämmchenreihe der gesunden Tierchen sieht daher einer Bürste ähnlich. Tödtet man diese durch Osmiumsäuredämpfe, so erkennt man schärfer, als am lebenden Tier, dass die ganze Bürste aus Querreihen von feinen Wimpern besteht; man löst dadurch nicht etwa ein Häutchen, eine „Membranelle", erst in Fasern auf, bei Eu- plotes harpa jedenfalls nicht. Die Mitteilungen anderer Forscher über die „ Membranellen " anderer Infusorienarten will ich hier- mit nicht beurteilen. Wer sich über diese Organula eingehend be- lehren will, lese in Bütschlis Protozoa S. 1333 — 1341, Bruchstücke einer Infusorienfauna der Kieler Bucht. 83 Die Wimperkämmchen werden willkürlich in Bewegung gesetzt Sie befördern Nährstoffe in die Mundbucht, in welcher eine halbmond- förmige Klappe liegt, die sich oft hebt und senkt. Die Nahrung besteht nus kleineren Infusorien und mikroskopischen Pflanzen. Ge- rathen kleine Infusorien in die Fangströmung, so werden sie in der Mundbucht gewöhnlich um ihre Längsaxe gewälzt, ehe sie das Binnen- plasma aufnimmt. Die aufgenommene Nahrung wird zuerst nach rechts, dann nach vorn und endlich hinterwärts bewegt. Die kontraktile Vakuole liegt meistens rechts von der Mundbucht. Der Nucleus ist meistens zweischenklich wurstförmig und sehr oft länger als der Mundwimpersaum. An dem längeren Schenkel habe ich häufig einen Fortsatz gefunden, welcher die Mund- bucht umfasst. Taf. V Fig. 30-321). Behandelt man Euploten nach einander mit Osmiumsäuredampf, Flemmingscher Lösung und Safranin, so wird die Chromatinsubstanz des Kernes sichtbar als spongiöses Gerüst, Fig. 33 — 35, als eine Masse von Körnern, die durch feine Stränge verbunden sind, Fig. 30, oder als ein Gemenge von Körnern und Strängen , die nicht selten spiralig verlaufen. Fig. 31, 32. Unter den zahlreichen mit Safranin behandelten Exemplaren habe ich auch öfter einen oder zwei Nebenkerne bei dem Hauptkerne gefunden, die gewöhnlich intensiver roth waren als dieser, Fig. 34 35. Ich habe zwei Arten der Fortpflanzung beobachtet: Quer- teilung und eine eigentümliche Sprossung nach Einkapselung. Die Quer teil ung wird eingeleitet durch die Bildung einer Reihe Wimpern einwärts (also rechts) von dem hintern Ende des Mundwimperbogens. Anfangs ist die Wimperreihe kurz und die Wimpern sind sehr klein und schwer erkennbar, Taf. IV, Fig 23; sie bewegen sich bisweilen, werden allmählich grösser und zahlreicher und bilden eine sigmaförmige Reihe Taf. IV, Fig. 24 W. Während dessen hat sich der ganze Körper des Individuums etwas verlängert und mitten zwischen dem vordem und hinteren Pol eingeschnürt. Taf. V, Fig. 25. Indem die Einschnürung tiefer geht, rückt die neue sigmaförmige Wimperreihe von dem vorderen Teilsprössling ganz auf den hinteren und bildet sich zu dessen Mundwimperbogen aus. Fig. 26. Der alte Mundwinkelbogen des Muttertieres verbleibt dem Vordersprössling und reicht bis an dessen Hinterende, Fig 26 — 29. An diesem entstehen neue hintere Geh-, Tast- und Schlag wimpern und am Vorderende des Hinter sprösslings neue vordere Gehwimpern. Der Nucleus beteiligt sich an der Querteilung in der Art, dass er sich streckt, in der Mitte verdünnt und endlich in zwei Nuclei sondert, welche nur noch durch einen dünnen Faden zusammenhängen, sobald der Mundwimperbogen des Hintersprösslings ausgebildet ist. Das Chromatin des sich theilenden Kernes besteht aus körnigen Fäden. ^) A. Gruber beobachtete bei einer nicht näher bestimmten Euplotes- Art einen Nuceus von ähnlicher Form. Zeitschr. f. w. Zool. 40, HS4, T. 9, F. 23 E 6* 84 K. Möbius. Fig. 27, 28.^) Wenn die Querteilung diese Stufe erreicht hat, schlagen die Wimperkämme beider Sprösslinge gleichsinnig und fast gleich stark. Beide laufen dann bisweilen plötzlich in gleicher Rich- tung fort. Am 25. Februar 1882 verfolgte ich eine solche Querteilung von 12 Uhr mittags bis 2 Uhr 30 Minuten. Sie dauerte also 2^/2 Stunde. Fr. Stein bildet Taf. 4, Fig. 12 den Anfang des Mundwimper- bogens des Hintersprösslings ab, ohne dessen Bedeutung für die Fortpflanzung zu kennen. Denn er sagt S. 137 nur folgendes darüber: „Unter dem Peristom sitzt eine Reihe dicht hinter einander stehender, äusserst zarter und kurzer Wimpern, welche dem Innenrande einge- fügt und quer nach aussen gerichtet sind. Ich sah diese präoralen Wimpern, wovon sich bei Euplotes patella keine Spur findet, sehr deutlich langsam auf- und niederschwiugen." V. Sterki nennt die- selben Wimpern par orale, kennt aber ihre Bedeutung ebenfalls nicht (Zeitsch. f. wiss. Zool. Bd. 31, 1878, S. 38). - Auf die zweite Art der Fortpflanzung, die Erzeugung eines Knospe nsprösslings bereitet sich das Harfentierchen dadurch vor, dass es langsamer kriecht, das Vorder- und Hinterende gegen die Bauchseite krümmt wie eine Kugelassel und sich durch das Schlagen der Wimperkämmchen ins Rollen bringt. Darauf krümmen sich die Bauchwimpern. Die Wimperkämmchen hören auf zu schlagen. Die kontraktile Vakuole verkleinert und vergrössert sich lebhafter als gewöhnlich, Taf. IV, Fig. 6. Eine zarte Cyste umgiebt den kugelförmigen Körper. Der Pektinellenbogen wird undeutlich. In dem Ektoplasma treten Körnchen auf, welche das Licht stark brechen. Die kontraktile Vakuole vergrössert sich auffallend, theilt sich in kleinere Vakuolen, die ihre Form und Grösse fortwährend verändern und das zwischen ihnen befindliche Plasma verschieben. Taf. IV, Fig. 7 — 11. Man empfängt den Eindruck, als würden die Plasmateile des ganzen Körpers durch einander geknetet. Indessen dreht sich dieser innerhalb der Cyste langsam herum durch kaum bemerkliche Bewegungen der Pektinellen. Nun tritt gegenüber dem Pektinellenbogen eine warzenförmige Erhöhung auf, welche veränder- liche Vakuolen einschliesst, Fig. 12; sie wird breiter und höher, schnürt sich von dem Mutterkörper ab, treibt zarte Gehwimpern aus, verlängert sich, nimmt die Gestalt eines erwachsenen Harfentierchens an, löst sich endlich als durchscheinend zarter Sprössling von dem Muttertiere los und geht fort. Fig. 13—22. Diese Art der Fort- pflanzung ist mehrere male unter meinen Augen im hängenden Tropfen der feuchten Kammer abgelaufen. Am 18. Februar 1882 nahm eine solche um 11 Uhr Vormittags ihren Anfang und war um 1 Uhr 50 Minuten beendigt. Während sie geschieht, unter- liegt auch der Kern bedeutenden Umbildungen; er verlängert sich, er nimmt neue Biegungen an, er spaltet sich, schnürt sich an vielen '') A. Gruber beboachtete eine ähnliche direkte Kernteilung bei einer nicht näher bestimmten Euplotes-Art. Zeitschr. f. w. Zool, 40. 1884, T. 8 F. 20 a, b. Bruchstücke einer Infusorienfauna der Kieler Bucht. 85 Stellen ein und zerfällt dann in viele Theile. Nach Behandlung en- cystirter Thiere mit Safranin erscheinen ausser stärker geröteten Kern- theilen auch noch schwachrote BaUen, welche aus sehr kleinen roten Kömchen zusammengesetzt sind. Fig. 36 — 40. Das verschiedene Verhalten des Kernes bei der Quertei- lung und bei der Knospung erkläre ich mir in folgender Weise. Bei der Querteilung werden alle ausgebildeten äussern Organula er- halten. Sie verteilen sich blos auf die zwei Teilsprösslinge und jeder von diesen ergänzt die abgegebenen Organula durch Neubil- dungen, durch eine Art Regeneration, auf welche der Nucleus von der Stelle aus, welche er in dem ausgebildeten Tiere einnimmt, am besten regenerirend einwirken kann. Bei der Knospung dagegen wird der ganze Körper des Sprösslings aus der Substanz des Mutter- tieres neu angelegt. Dazu ist eine innigere gegenseitige Berührung der Kemsubstanz und des Körperplasmas nötig. Bei der Knospung scheinen die Gehwimpern des Muttertieres zu schwinden; die Pektinellen bleiben. Mehreremale habe ich Individuen, die sich conjugirt hatten, mit Osmiumsäuredämpfen getödtet und dann bis zur Färbung ihrer Kerne weiter behandelt In den Figuren 41 — 43 sind drei conjugirte Paare abgebildet. Die Peristome sind gegeneinander gekehrt. In beiden Individuen bilden sich die Kerne symmetrisch gleichförmig um. Die chromatische Substanz derselben rückt in jedem Kerne in den Vorder- und Hinterteil des Körpers. Wie sich conjugirte Individuen verhalten, wenn die Kernteilung vollendet ist, habe ich nicht ver- folgen können. üeber die Lebensdauer des Harfentierchens kann ich folgende Beobachtungen mitteilen. Am 30. Januar 1882 brachte ich fünf Individuen in einem Glastropfen, der am Deckgläschen hing, in die feuchte Kammer. Am 1. Februar hatte sich ein Individuum einge- kapselt, die übrigen vier bewegten sich frei. Vom 2. bis 6. Febr. liefen alle fünf umher. Am 6. Febr. hatte sich ein Individuum ge- kugelt; seine Wimpern waren ruhig. Vom 7. bis 17. Febr. krochen wieder alle fünf. Am 18. Febr. war ein Individuum todt, am 21. Februar auch die übrigen vier. In einer andern feuchten Kammer lebte ein einzelnes Individuum vom 10. bis 21. Februar. Am 7. Febr. 1882 versetzte ich zwei In- dividuen, welche ihre Bauchseiten aneinander gelegt hatten und ein einzelnes Individuum in die feuchte Kammer. Am 8. Febr. fand ich 3 einzelne kriechende Individuen; am 9 Febr. waren 5 Individuuen im Tropfen, am 18ten 7 Individuen. So viele sah ich bis zum 7. März. Vom 8. bis 25. März fand ich nur 6; am 27. März 5; vom 28. März bis 1. April nur 4. Am 4. April bewegten sich nur noch 3 Indivi- duen; eins lag ruhig und war vielleicht todt. Drei lebende fand ich bis zum 7. April; am 9. April nur noch ein kriechendes und ein regungsloses. Am 10. April konnte ich nur noch zwei todte Euploten finden. Nimmt man an, dass nach dem 18. Februar keine Vermehrung mehr stattfand, so erreichten die zuletzt sterbenden Individuen ein 86 K. Möbius. Alter von 50 Tagen. Andere abgesonderte Individuen lebten nach dem Mitgeteilten unter meinen Augen nur 22 oder nur 11 Tage. Die Lebensverhältnisse waren in den feuchten Kammern gewiss un- günstiger als im Freien, denn in dem hängenden Tropfen fehlten andere Tiere und Pflanzen. Zur Erhaltung des Gaswechsels be- fanden sich an der Peripherie des Grundes der feuchten Kammer einige lebende Individuen von Spirulina versicolor in Seewasser. Stein entdeckte Euplotes harpa in der Ostsee bei Wismar, wo sie, wie er sagt , nicht häufig vorkommt". Im Kieler Hafen ist dieses Infusionstier in jeder Jahreszeit anzutreffen. Es vermehrte sich stark in Schüsseln, in die ich im Januar oder Februar schwarze Grundmassen mit Beggiatoen aus dem Bootshafen oder vom Bollwerk des Hafens brachte, mit Seewasser bedeckte und bei 5 — 10° C einige Tage stehen Hess. Im Februar 1887 Hess ich von Hafenpfählen muddige Ueberzüge ablösen, welche hauptsächlich aus jungen Mies- muscheln und Gesellschaften von Polydora ciliata bestanden und in flachen Schüsseln mit Seewasser übergiessen. Nachdem darin Fäul- niss eingetreten war, wimmelte das Wasser von Euplotes harpa und Uronema marinum. In den Ostsee-Aquarien des zoologischen Instituts in Kiel war diese Euplotes-Art in jeder Jahreszeit verbanden. Styloplotes Stein api)en(liculatus (Ehbg.) Ehrenberg, Inf. S. 373, T. 42, III. (Stylonichia app.) (Ostsee bei Wismar). Claparede st Lachmann, Inf. et. Rhiz. S. 176, T. 7, 4 — 5. (Norwegische Küste.) Stein, Infus. I., 130. T. 3, 22—29. (Ostsee bei Wismar.) S. Kent, Infus. IL, 800. (Jersey.) Fabre-Domergue, Journ. de l'Anat. et de la Physiol. XXL, 1885, p. 564. T. 28, F. 9. (Concarneau.) Im Kieler Hafen und in Ostseeaquarien. Aspidisca lyiicaster (O. F. Müll). 0. F. Müller, Zool. danica L, 9, T. IX. F. 3. (Trichoda lyncaster.) Stein, Org. d. Inf. L, 122, T. HL, F. 1-3. Auf Glasplatten in Ostseeaquarien. 0,028 mm 1., 0,019 mm br., wasserhell. Oxytricha rubra Ehbg. Ehrenberg, Inf. 364. T. 40, F. 9. (gefunden bei Gothenburg und Kopen- hagen). — Fresenius, Zoolog. Gart. VL, 1865, 127, F. 34—35. (In Nordsee- aquarien). — Cohn, Zeitschr. f. wiss. Zool. XVI., 1866, 291, T, 15, F. 41 -42 (In Nordseeaquar.) S. Kent, Inf. IL, 777. — (Holosticha rubra). Bauch flach, Rücken gewölbt. Taf. VI. Fig. 1, 2. Im Ekto- sark meist fünf Reihen grösserer gelber Flecke, zwischen denen kleinere gelbe Körnchen liegen. An der Bauchseite drei Längsreihen Cilien; am Hinterende des Bauches fünf längere Analwimpern. Bruchstücke einer Infusorienfauna der Kieler Bucht. 87 40 — 50 orale Pektinellen nmsäumen den vordem Körperpol und biegen links an die Bauchseite. Rechts von den Bauchpektinellen ist eine zarte undulirende Membran. Der After liegt vor dem Hinter- ende Imks. Oxytrinha rubra verzehrt gern Spirulina versicolor, zwi- schen deren flockig-häutigen Massen in Ostseeaquarien ich sie häufig angetrofi'en habe. Ihr Nucleus ist kugelförmig. Fig. 1. Sie ver- mehrt sich durch Quertheilung. Nachdem sich die oralen Pekti- nellen des HintersprössHngs angelegt haben, entsteht in der Mitte des Körpers eine Einschnürung, Fig. 3, welche bis zur Trennung beider Sprösslinge zunimmt. Wenn sich Oxytricha rubra durch die dichten SpiruHnamassen windet, biegt und streckt sich ihr Körper nicht selten so stark, dass er in Stücke zerreisst, die dann mittelst ihrer Wimpern selbstständig weiter kriechen. Keine Abbildung früherer Beschreiber stellt die roten Flecke richtig dar. Diese sind nicht kugelig scharf abgegrenzt, sondern bestehen nur aus kugelförmigen Anhäufungen gelbrother Körnchen. Stichotricha gracilis sp. n., St. saginata sp. n., St. horrida sp. n. Von dieser Gattung habe ich drei verschiedene Formen in der Kieler Bucht gefunden Die eine, Taf. VI. Fig. 4, bat einen spindelförmigen Hinterkörper, an dessen Bauchseite zwei schräge Reihen schmaler Pektinellen verlaufen. Am Hinterende entspringen an der Bauchseite (i — 7 grössere Ciüen. Die orale Vorderhälfte des Körpers ist schlank halsförmig und trägt links an der Bauchseite eine ziemlich gerade Reihe oraler Pektin eilen, die etwas länger sind als der Querdurchmesser des Halses. Sie mag St. gracilis sp. n. heissen. Die zweite Form, Fig. 5, ist grösser als St. gracilis; die orale Körperhälfte ist nur wenig schmäler als die hintere. Die Länge der oralen Pektinellen ist kürzer als der Halsdurchmesser. An der Bauchseite sind vier schräge Reihen schmaler Pektinellen: eine Reihe vor den oralen Pektinellen, drei Reihen dahinter. Am Hinterende des Bauches stehen sechs Cüien, die nicht so lang sind, wie Hintercihen bei St. gracilis. Diese plumpere St. mag St. saginata heissen. Die dritte Form, Fig. 6, ist vorn dicker als hinten. Ihre oralen Pektin eilen sind auffallend lang, beinahe ein Drittel so lang wie der ganze Körper. An der Bauchseite sah ich nur eine Längsreihe von Pektinellen, deren Länge die Grösse des Querdurchmessers des Körpers erreicht. Von dieser habe ich nur eine unvollkommene Um- risszeichnung entworfen. Sie mag St. horrida heissen. Fr. Stein bemerkt in der 2. Abteilung seiner „Infus ions- thiere", 1867, S. 150, dass er bei Wismar in der Ostsee eine der Stichotricha secunda Perty nahe verwandte Art gefunden habe, die er Stichotricha marina nennen wolle. „Sie hat", sagt er, „ganz die Gestalt der St. secunda, erreicht aber noch eine bedeutendere Grösse und unterscheidet sich besonders dadurch, dass die vordere Bauch- 88 K. Möbius. wimperreihe vom rechten Seitenrande des Halses nm- bis zum Mund- winkel verläuft und aus viel zarteren Wimpern besteht, wie die beiden anderen Bauch wimperreihen, und dass jede der letzteren aus einer beson- deren nach hinten zu tief und schräg eingeschnittenen Furche entspringt, in welche die Wimpern eingeschlagen werden können". Vergleiche meiner drei Stich otricha-Bilder mit dieser Bemerkung Steins und mit seinen Abbildungen der Stichostricha secunda Perty T. X., F. 9 — 13 der ersten Abteilung seines Werkes über Infusionstiere, nötigen mich, anzunehmen, dass keine mit der leider sehr ungenügend be- schriebenen St. marina identisch sein kann. Die „Furchen, in welche die Wimpern eingeschlagen werden können", sind nichts anderes als die Reihe der dicht beisammen liegen- genden Pektinellenbasen. Sie können nicht als Speciesmerkmal dienen, da sie auch andern Stichotricha-Species zukommen. Epicliiites aiiriciilaris ciap. Lachm. Claparede et Lachmann, Inf. et Rhiz. p. 148, T. V., F. 5 — 6. — Stein, Org. d. Inf. II., 160. An Glasplatten im Kieler Hafen im April 1883 und 84. Nor- wegische Küste, Ostsee bei Wismar. Dysteria lanceolata ciap. Lachm. Claparede et Lachmann, Inf. et Rhiz. 285, T. 15, F. 8—13. Der Körpers ist eirund; und seitlich zusammengedrückt; die linke Körperseite ist höher als die rechte, der hintere Pol spitzer als der vordere. Die Bauchseite ist schmal und schräg nach rechts ge- wendet. Die Länge beträgt 0,091 mm, die Höhe 0,047 mm. An der Bauchseite stehen Wimpern in schrägen Reihen. Tai VI. Fig. 7. Vor dem Hinterende der Bauchseite steht ein stilet- förmiger Schwanzgriffel auf emer warzenförmigen Erhöhung. Fig. 7 — 9. Er macht Bewegungen in der Medianebene des Körpers und schiebt diesen dadurch vorwärts. Der Schlund ist griffeiförmig, fast doppelt so lang wie der Schwanzgriffel. Die Schlundöffnung ist etwas trichterförmig erweitert. In ihrer Nähe, nach dem Rücken zu ist eine kurze Reihe oraler Wimpern, deren Feld vorn eine gebogene Linie abgrenzt. Fig. 8. Der Kern ist eirund, seitlich zusammengedrückt. Der Nucleo- lus und die äussere Kernschicht bestehen aus runden Körnchen. Fig. 8. Bei der Fortpflanzung durch Querteilung treten in der Nähe der Bauchseite, dem vordem Körperpole etwas näher als dem hintern, Querfurchen auf, welche sich entgegenwachsen, Fig. 8. Dieses schöne Infusionstier fand ich März und April 1884 zwi- schen mikroskopischen Algen auf Glasplatten, die einige Zeit im Hafen gewesen waren. Claparede und Lachmann entdeckten es an der Norwegischen Küste. Bruchstücke einer Infusorienfauna der Kieler Bucht. 89 Heterotricha. Cliilodoii crebricostatus n. sp. Schiefeiförmig; Rücken stark gewölbt, Bauch weniger gewölbt. Grössere Individuen sind 0,057 bis 0,076 mm lang, 0,038 bis 0,057 mm breit. Auf dem Bauche 30-36 parallele Reihen Wimpern, deren Entfernung von einander 0,0014—0,0016 nun beträgt. Auf der rechten Seite des Bauches biegen die Wimperreihen vom dem Rande parallel nach links um und laufen am linken Rande aus. Taf. VI Fig. 11. Dieses Vorderfeld der Bauch wimpern wird nach hinten gegen den Mund begrenzt durch eine Spirallinie sehr kleiner adoraler Wim- pern, welche bis zur linken Seite des Mundes verlaufen. Diese ado- rale Wimperspirale bildet auch die Grenze der übrigen Wimperreihen des Bauches. Die Wimpern des Vorderfeldes sind etwas länger als die der andern Körperteile. Die Reuse ist nach innen füllhornartig gebogen und verengt. Fig. 10 und 12. Sie besteht aus 16 Stäbchen, welche etwas spiral um die Reusenaxe gebogen sind. In radialer Richtung haben diese eine grössere Ausdehnung als in tangentialer. Ihr orales Ende ist schwach konkav und fällt nach aussen ab. Taf VII Fig. 4. Die Reusenstäbchen von Chilodon cucullulus 0. F. MüU. sind am aboralen Ende abgerundet. Taf. VII Fig. 5. In der Nähe der Reuse habe ich zwei kontraktile Vacuolen gesehen. Taf. VI Fig. 10. Als Nahrung werden gern Diatomeen aufgenommen. Nucleus eirund. Unter seiner dünnhäutigen Grenzschicht liegen grössere und kleinere Körperchen, welche das Licht stärker brechen, als die den Nucleolus umgebende Hauptmasse. Fig. 11. Chilodon crebricostatus gleitet meistens langsam auf der Bauch- fläche vor- und rückwärts. Zweimal habe ich anein anderhaftende kleine Inviduen angetroffen, welche ihre Reusenmündungen gegen einander gekehrt hatten. Taf. VII Fig. 1. Wahrscheinlich waren es Paare im Konjugationszustande. Chilodon crebricostatus fand ich im März und April 1884 an Glasplatten, welche einige Monate im Kieler Hafen gewesen waren und dichte Rasen von Diatomeen trugen. Ich lasse nun noch Angaben über die Unterschiede zwischen Chilodon crebricostatus und Ch. cucullulus, sowie einige Ergän- zungen zu Steins Beschreibung von Ch. cucullulus folgen. Ch. crebricostatus ist breiter und vorn mehr abgestumpft als Ch. cucullulus. Er hat 2 — 3 mal so viel Reihen Bauchwimpern wie Ch. cucullulus, bei welchem ich ebenso wie Ehrenberg ') nur 12 — 16 Reihen fand, deren Entfernung von einander über 0,004 mm beträgt. Hätte F. Stein Ch. cucullulus getödtet, so würde er ebenso gut wie Kenf-) ^) Infusionsthierchen S. 337. *) Manual of Infus. II., 747. 90 K. Möbius. und ich erkannt haben, dass die Streifung des Bauches durch die Reihenstellung der Wimpern hervorgerufen wird. Die Reuse beider Species ist füllhornartig gebogen. Die Stäbchen sind bei Ch. crebricostatus aber schmäler als bei Ch. cucullulus und oben nicht abgerundet, sondern schräg abgeschnitten. Taf. VI Fig. 4, 5. Die adoralen Wimpern, welche Stein bei Ch. cucullulus zuerst sah, sind am Grunde verschmolzen, bilden also eine lange Pektinelle. Porpostoma g. n.i) notatum sp. n. Spangenmündchen, Körper lang spindelförmig, vorn und hinten abgerundet. Gleich lange Bewegungswimpern stehen in dichten Längslinien. Taf VIT Fig. 6, 7, Das Peris tomfei d ist etwas eingesenkt und trägt Pekti- nellen; es entspringt am vordem Pol, läuft an der linken Bauchseite hin und wendet sich in der Mitte nach rechts zum Munde, an welchem zwei sichelförmige bewegbare Läng slippen liegen. Fig. 6. Der Schlund ist trichterförmig, nach der linken Seite gebogen. Links neben dem Schlünde liegt im Ektosark ein schwarzer Fleck, nach aussen zu schwach konkav, nach innen konisch. Er ist umgeben von strahlig angeordneten Stäbchen, welche das Licht stark brechen. Fig. 6 a, b. Im Hinterende befindet sich eine kontraktile Vakuole, die sich in der Regel nach Zwischenzeiten von 3—4 Mi- nuten zusammenzieht. Der Nukleus ist schnurförmig und meistens spiralig gewunden. Fig. 6. DasEktoplasma besteht aus einer dünnen körnchenfreien Schicht. In dem Endoplasma liegen viele kleinere und grössere Körnchen und zahlreiche blasenförmige Vakuolen. Das Tier schwimmt sehr schnell vorwärts in der Richtung seiner Längsaxe. Die Körpercilien können ruhen , während die oralen Pekti- nellen sich bewegen und umgekehrt. Am 22. und 24. März ISöt! beobachtete ich Querteilung. Der hintere Teilsprössling hatte bei der Abtrennung keinen Mund, keine Wimperkämmchen und keinen schwarzen Fleck. Ich konnte an ihm die Bildung einer Furche und darin auftretender Wimperkämmchen verfolgen, mehr leider nicht. Fig. 7a. Um zu untersuchen, ob der konische schwarze Fleck mit den ihn umgebenden hellen Stäbchen ein lichtempfindliches Organulum sei, brachte ich zwei Individuen in einem hängenden Tropfen in die feuchte Kammer, überdeckte die Hälfte des Tropfens mit Stanniol und führte nur von oben her Licht zu. Dann sah ich, dass beide In- dividuen wiederholt auf K' — 20 Sekunden in den dunkeln Theil des Tropfens schwammen und darauf wieder ebensolange oder auch länger in dem beleuchteten Theile verweilten. Dunkelscheu zeigten sie also nicht. Hiemach lässt sich über die Funktion des konischen schwarzen Fleckes und der ihn umgebenden hellen Stäbchen nichts Bestimmtes aussagen. ^) 710^717] Spange. Bruchstücke einer Infusorienfauna der Kieler Bucht. 91 Das hier beschriebene Infusorium gehört zur Familie der Spiro- stomea, Stein und in dieser zur derjenigen Gruppe, welche keine undulirende Membran besitzt. Von der Gattung Spirostoma unter- scheidet es sich durch geringere Körperlänge und durch zwei lippen- artige Verdickungen am Munde. Ich habe das Thier im Februar und März 18>>t5 zwischen Oscilla- torien eines grösseren Aquariums gefunden, welches mit Wasser aus dem Kieler Hafen gefüllt war. Coiidylostoma patens (Müu.) 0. F. Müller, Anirn. Infus. 1786, p. 181, T. 26, F. 1—2. (Trichoda pa- tens). — Ehrenberg, Abhdl. d. Berlin. Ak. a. d. J. 1833, S. 278 (1833 bei Wismar beob,). — Dujardin, Infus. 576, T. 12, 2a- c. — Fresenius, Zool. Gart. VI., 1865, 125, Fig. 30-33. — Cohn, Zeitschr. wiss. Zool. XVI., 1866. •-^79. — Claparede et Lachmann, Inf. et Rhiz. 244, T. 12, F. 3. — Quen- nerstedt, Acta üniv. Lund. IV., 24, T, 12, F. 2. — Gourrelet et Roeser, Protoz. Marseille. Arch. zool, exp. IV., 1886, 484. T. 30, F. 9—12, T. 31, F. 1—2. Dieses schöne grosse Infusorium fand ich häufig zwischen Spi- rulina versicolor, welche im Kieler Hafen im flachen Wasser den Grund bedeckte; mit dieser Alge in Ostseeaquarien versetzt, erhielt es sich auch in diesen längere Zeit. Es ist so viel beschrieben worden, dass ich aus meinen Beobachtungen nur Einiges mitteilen will. Die Körperwimpern stehen in Längsreihen. Auf der dem Auge zugekehrten Seite zählte ich mehrere male 12 Reihen. Die oralen Pektinellen bestehen aus feinen Wimpern, welche bis an den Grund der Pektinelle erkennbar sind. Die undulirende Mem- bran an der rechten Seite des Mundfeldes habe ich in einigen Fällen durch Cilien ersetzt gefunden. Der Kern ist lang perlschnurförmig und liegt gewöhnlich rechts. Bei einem mit essigsaurem Karmin behandelten Exemplar war er in viele Stücke zerfallen. Als aufgenommene Nahrung habe ich oft Spirulina versicolor im Endosark gesehen, zuweilen Fäden von halber Länge des Condy- lostomaleibes. Steiitor auricula Kent Sav. Kent. Infus. IL, 595. T. 30, F. 5 6. — Daday, Infusorienfauna von Neapel, Mitth. aus d. zoolog. Stat. v. Neapel VI., 1886, 492. T. 25. F. 9-11. — Grub er, Enum. dei Protozoi racolti nel Porto di Genova, Ann. Mus. Civ. Stör. nat. Genova V., 1888, 548. An Glasplatten im Kieler Hafen und in Ostseeaquarien. Besitzt ausgezeichnet entwickelte orale Pektinellen. Folliculina ampulla (O. F. müII.) 0. F. Müller, Animalc. infus. 1786, 283. T. XL., Fig. 4—7.— Claparede et Lachmann, Infus, et Rhizop. 1858, p. 221. — Stein, Org. d. Infus. 11. 92 K. Möbius. 1867, S. 272. — K, Möbius, Das Flaschenthierchcn, FoUiculina ampulla. Abhandl. aus d. Gebiete der Naturwiss. herausgeg. v. d. Naturwiss. Verein in Hamburg. Bd. X, 1887. In der Kieler Bucht in den Regionen des lebenden und todten Seegrases. Bei Wismar von Stein gefunden. In der Nordsee und im Mittelmeere. Chaetospira maritima Str. Wright Strethill Wright, Observ. on Brit. Protozoa. Quart. Journ. micr. sc. II, 1862, 220. Der Körper ist keulenförmig. Taf. VII, Fig. 8—10. Der Pektinellenträger ist rechts gewunden. Die Wimpern der lebenden Pektinellen sind deutlich von einander getrennt. An dem ausgestreckten Pektinellenträger stehen sie gespreizt wie die Borsten einer Flaschenbürste. Fig. 9. Der Schlund ist ungefähr ebenso lang wie der PektineUenträger. Fig. 8. Die Hülse ist keulenförmig. Der Durchmesser ihrer Öffnung be- trägt 0,015 mm, der Durchmesser ihres Bauches 0,025 mm. Sie besteht aus wasserheller chitinöser Masse und ist zuweilen mit aufliegenden Schleimteilchen und Fremdkörpern bedeckt. Fig. 9. Im Hinterkörper fand ich stark lichtbrechende Kügelchen. Fig. 8. Das Tierchen lässt sich mit Karmin füttern. Zuweilen wird der vorgestreckte Pektinellenträger kniefÖrmig abwärts gebogen, Fig. 10. Dieses schöne Intusorium habe ich im Oktober an Glasplatten gefunden, welche in dem Kieler Hafen oder in Ostseeaquarien ge- wesen waren. Str. Wright sagt von dieser von ihm aufgestellten Chaetospira- Species nur das: ,Ch. maritima approaches in character, as to the number of spires in its rotatory organ, to Ch. MüUeri, while it inhabits a tube of colline like that of Ch. mucicola. Found at low water. Largo" (Schottland). Obgleich diese von keiner Abbildung unterstützte Beschreibung nicht genügt, um sicher zu entscheiden, ob die Kieler Chaetospira- Form mit der schottischen übereinstimmt, so glaube ich sie doch maritima nennen zu dürfen, weil ihre Eigenschaften nicht im Wider- spruch mit den wenigen von Str. Wright angegebenen Merkmalen stehen. Codoiiella campaiiiila (Khrbg.) Ehrenberg, Mon. Ber. d. Berlin, Ak. 1840, 21 (Tintinnus campanula). - Claparede et Lachmann, Inf. Rhiz. 207, T. 8. F. 9. — Fol., Farn, der Tinn Rec. zool. suisse I, 1884, 58, T. 8, F. 5. — Geza Entz, Mitth. a. d. zool. Stat. Neap. VI, 1885, 205, T. 14, F. 15. — Möbius, 5. Bericht d. Kommiss. z. wiss. ünt. d. d. Meere, Berlin 1887, 119, T. 8, F. 32. Im Plankton Hensens aus der Kieler Bucht. Bruchstücke einer Infus urienfauna der Kieler Bucht, 93 Codoiiella orthoceras Haeck. Haeckel, Jena. Zeitschr. f. Med. u. Naturwiss. VII, 1873, 566, T. 28, F. 10 u. 12. — Geza Entz, Mitth. a. d. zool. Stat. Neap. VI, 1885, 412, T. 24, F. 25 (C. umiger). — Möbius, 5. Ber. d. Komm. z. wiss. Unt. d. deutschen Meere? 1887, 120, T. 8. F. 33. Kieler Bucht. Tintiniius sulbulatus Ehbg. Ehrenberg, Inf. 294, T. 30, F. 3. — Clap. et Lachm. Inf. Rhiz. 205, T. 8. F. 15. — Möbius, 5. Ber. d. Komm. z. wiss. Unt. d. deutsch. Meere, 1887, 120, T. 8. F. 32. In der Kieler Bucht häufig, besonders im Herbst. Tintiniius inquilinus o. F. Müll. 0. F. Müller, Zoologia danica, I, 1788, 8, T. 9, F. 2. (Trichoda inquilinus). Ehrenberg, Int. 294. — Clapar. et Lachm., Inf Rhiz. 196, T. 8, F. 2. — Möbius, f). Ber. d. Komm. z. wiss. Unt. d. deutsch. Meere, 1887, 120, T. 8, F. 36. Kieler Bucht. Ehrenberg erhielt diese Form durch Michaelis aus dem Kieler Hafen lö30 und 1832. Tintiniius fistularis Mob. Möbius, 5. Ber. d. Komm. z. wiss. Unt. d. deutsch. Meere, 1887, 120 T. 8. F. 120. Kieler Bucht im Plankton von Hensen. Tintiniius acuminatus Ciap. Lachm. Claparede et Lachmann, Inf Rhiz. 1858, 199, T. 8, F. 4. — Geza Entz, Mitth. a. d. zool. Stat. Neap. VI, 1885, 201. —Möbius, 5. Ber. d. Kommisa. z. wiss. Unt. d. deutsch. Meere. 1887, 120, T. 8, F. 37. Kieler Bucht. Tintinnus denticulatus Ehbg. Ehrenberg, Mon. Ber. d. Berl. Ak. 1840, 201. — Clap. Lachm., Inf. Rhiz. 201, T. 8, F. 1 u. 1 A. — Möbius, 5. Ber. der Komm. z. wisa. Unt. d. deutsch. Meere, 120, T. 8, F. 39. Kieler Bucht, besonders im Herbst. Tintinnus serratus Mob. Möbius, 5. Ber. d. Komm. z. wiss. Unt. d. deutsch. Meere, 120, T. 8, F. 40. Im Plankton durch Hensen im Herbst, 94 K. Möbius. Peritriclia. Strombidium sulcatum Clap. et Lachm. Claparede et Lachmann, Infus, et Rliiz. 371, T. 13, G. (Norweg. Küste, Bergen.) — Bütschli, Einige8 über Infusorien, Archiv f. niü^rosli. Auat. IX, 1873. 671. Von Bütsclili in der Kieler BucM gefunden. Rhal)dostyla eommensalis n. sp. Im Januar 1882 fand ich auf der Cuticula des Körpers von Capitella capitata und auf den Girren von Terebellides Strömii, Chätopoden, welche die INludregion der Kieler Bucht bewohnen, diese kurz gestielte Vorticelline. Ich ordne sie der von S. Kent (Inf. II, 664) aufgestellten Gattung Rhabdostyla unter und nenne sie eommensalis. Ihr Körper ist länglich tonnenförraig,, ungefähr doppelt so lang wie breit, und zart quergestreift. Taf VII, Fig. 11, 12. Das untere Ende ist etwas dunkler und hat einen körnigen Inhalt, der deutlicher sichtbar wird, wenn man die Thiere mit Reagentieii behandelt. Der orale Wimpersaum ist rechts gewunden. Im Schlünde sind kurze Wimpern und eine lange schlagende Wimper. Im Cen- trum des Wimperpolsters ist eine warzenförmige Erhöhung. Der Kern ist hufeisenförmig. Fig. 12. Die kontraktile Vakuole liegt in der Nähe des Schlundes. Der Fuss ist höchstens IV2 i^ial so lang wie breit. Er setzt sich mit etwas verbreiterter Basis an seinen lebendigen Träger an. Ausser einzelnen Individuen habe ich auch Paare gefunden, die unzweifelhaft durch Theilung eines einfachen Individuums entstanden waren. Fig. 12. Herr Dr. Hamann in Göttingen fand bei seinen Untersuchun- gen junger Seesterne aus der Kieler Bucht auf deren Haut kurz- gestielte Vorteilinen. Er hatte die Güte, mir Schnittpräparate mit solchen zuzuschicken. Ich kann nach der Beschaffenheit derselben leider nicht entscheiden, ob sie zur Species Rhabdostyla eommensalis gehören. Yorticella mariiia Gieeü. R. Greeff, Untersuch, über denßauu. die Naturgeschichte der Vorticellen. Archiv f. Naturgesch. 1870, I, p. -52 T. 4 u. 5. (Bei Ostende in AusternparkenV S. Kent, Infus, ü, 685 (Englische Küsten, Jersey). Diese Vorticelle habe ich oft auf Glasplatten, die im Kieler Hafen und in Ostseeaquarien gewesen waren, gefunden. Die Cuticula ist fein quergestreift, das Ektosark feinkörnig. Am 5. April 1883 Vormittags 11 Uhr 45 Min. traf ich ein Individuum an, welches sich im Teilungszustande befand. Die beiden Teil- sprösslinge waren schon so weit ausgebildet , dass eine deutliche Furche sie schied. Um 1 Uhr 15 Min. hing der zur Ablösung be- stimmte Spsössling nur noch an einem feinen kurzen Fädchen. Bruchstücke einer Infusorienfauna der Kieler Bucht. 95 Der Schwimm- Wimpergürtel entsteht ohne vorherige Furchen- bildung. Vorticella striata Duj. Duj ardin, Infus. 1841. Explication des Planches p. 11. ^Vorticella, grossie 325 fois (Dans l'eau de mer ä Cette) Elle n'est pas d6crite dans le texte." S. Kent, Inf. II, 684, T. 34, F. 15—19. Küste von Jersey.' Ich halte eine kleine Vorticella, die ich au Glasplatten ange- setzt fand, für V. striata Duj. Taf. VII, F. 13.. Der Körper ist birnförmig, etwas länger als breit vmd deutlich quergestreift. Der Stiel ist bis dreimal so lang wie der Körper. Spiralige Kontraktionen desselben habe ich niemals beobachtet. Zootlianmiiim Cieiikowskli Wrzk. Wrzesniowski, Zeitsch. f. wiss. Zool. Bd. 29, 1877, S. 278. T. 19, F. 16, 17. Die meisten Zoide dieses Glockenbäumchens sind glockenförmig, fast doppelt so lang wie breit. Taf. VIII, Fig. 2. Einzelne grössere Zoide sind kürzer, mehr kugelförmig. Das Wimperkissen ist konvex, wenn die Wimpern entfaltet sind und schwingen. Das Peristom ist Hnks gewunden und besteht aus IV5 Umgang sehr feiner Wimpern, die in einer Doppelreihe stehen, was Wrzesniowski richtig gezeichnet hat. Wenn sich die äussere Reihe umbiegt und schwingt, steht die innere Reihe gewöhnlich noch einen Augenblick ruhig aufrecht, schwingt dann aber auch. Die Mundhöhle ist trichterförmig, der Schlund spindelförmig erweitert. Die Mundhöhle enthält zwei gegenüberstehende Reihen Wimpern und vorn eine lange nach rechts herausragende dicke Wim- per, welche bei starker Yergrösserung durch Öltauchlinsen in sehr feine Wimpern aufgelöst wird. Die Cuticula ist sehr dünn, das Ektoplasma sehr fein quer- gestreift. Taf VIII, Fig. 2 d. Die kontraktile Vakuole ist nahe unter dem Peristom und kann sich sehr ausdehnen. Fig. 2 b. Der Nucleus ist hufeisenförmig und liegt gewöhnlich wagerecht unter- halb der Mundhöhle, Fig. 2 c d. Der untere Teil des Stammes grösserer Stöckchen ist fein längsgestreift und enthält keinen Muskel. Fig. 2 £ Seine Ansatz- fläche ist kreisrund. Etwas oberhalb dieser ist er gewöhnhch ein- geschnürt und darüber bauchig. Fig. 2 g. Der sich anschliessende muskelhaltige Stammteil ist etwas dicker, und nicht gestreift. Die Aeste und die Zweige, welche die Individuen tragen, haben ungefahi* die Dicke des muskellosen Stammgrundes, sind glatt und erscheinen nur dann quergeringelt, wenn sie durch ihre Muskeln gebogen und verkürzt werden. Grosse Glockenbäumchen en-eichen 2 mm Länge. Ihre Zweige breiten sich dichotom hauptsächlich in einer wagerechten nach unten 96 K. Möbius, schwach konkaven Ebene aus. Fig. 1. So sitzen sie an Glasplatten, die im Kieler Hafen am Pfahlwerk befestigt waren und ebenso an den Wänden der Aquarien. Auf Glasplatten siedeln sie sich dicht nebeneinander an. Fig. 1. Eine am 7. Febr. 1884 in den Hafen gebrachte Glasplatte von 5 cm Breite und 10 cm Länge wurde am 20. April 1884 untersucht. Sie war auf der Oberseite mit einem sehr dicken Diatomeenfilz bedeckt, den nur wenige Zoothamnien überragten; auf der gegen den Meeresboden gekehrten Seite war eine dünnere Lage von Diatomeen, die haupt- sächlich aus Schizonemen bestand. Über diese ragten zahlreiche Glockenbäumchen empor wie Primeln auf moorigen Wiesen im Früh- jahr über den niedrigen Grasrasen. Ich zählte unter einer Brückeschen Lupe auf dem ersten Quadratcentimeter 36 Bäumchen, auf dem zweiten 25, auf dem dritten 8, auf dem vierten 13, auf dem fünften 23, auf dem sechsten 30; zusammen 135, im Durchschnitt 22 Bäumchen auf 1 qcm. Der mit Zoothamnien besetzte Teil der Platte war 50 qcm gross. Sie trug also im ganzen 1100 Bäumchen. Auf einer anderen, ebenfalls am 7. Februar 1884 in den Hafen gebrachten Glasplatte zählte ich am 25. April 1884 auf der mit vielen Zoothamnien be- setzten 23 qcm grossen Unterseite auf 5 qcm je 37, 25, 31, 19, 9 = 121 Bäumchen, auf 1 qcm durchschnittlich 24, auf 23 qcm kamen also 552 Bäumchen. Da die Mehrzahl der grossen Bäumchen aus ungefähr 100 Individuen bestanden, so trug die 23 qcm grosse Fläche über 500000, die 50 qcm grosse Fläehe gegen 110000 Individuen. Die Bäumchen verkürzen sich zuweilen spontan. Jede Berührung veranlasst sie, sich plötzhch zu einem kleinen Ballen zusammen- zuziehen, aus dem sich die Zweige mit den Zoiden nur langsam wieder vöUig erheben und iu einer konkaven Fläche ausbreiten, um nach voller Entfaltung die Peristomwimpern wieder in schnelle Schwin- gningen zu versetzen. Der Stamm des Muskels entspringt häufig mit schräger fase- riger Ansatzfläche an der obern Grenze des muskellosen Stammteiles. Er teilt sich dichotom wie seine Scheide. Seine jüngsten Zweige setzen sich etwas ausgebreitet an die Basis der Zoide. Der Muskel besteht in seiner ganzen Ausdehnung aus feinen Längsfasern, welche häufig etwas spiralgedrehet verlaufen. In einem mit Safranin behandelten Präparat sah ich an den kontrahirten Muskeln dunkle Querstreifen mit einer helleren Zwischenscheibe, Taf. VIII Fig. 3. Die entfalteten Individuen nehmen gern Karmm- oder Indigo- körnchen als Nahrung auf und sammeln sie im Grunde der Mund- höble zu spindelförmigen Massen an, Fig. 2 a b c, welche in dem ver- dauenden Endoplasma zu Kugeln von geringerem Volumen umgeformt werden. Die mikrometrischen Messungen, welche ich vornahm, lieferten folgende Ergebnisse: Die Zoide sind 0,057 — 0,67 mm lang. Der Grössenunterschied zwischen Mikro- und Makrozoiden ist nicht sehr auffallend. Der Durchmesser der adoralen Spirale beträgt 0,038 mm, die Dicke des muskelhaltigen Stammes 0,015 mm, die Dicke der End- zweige 0,0095 mm, die Dicke des Stammmuskels 0,0038—0,0047 mm. Bruchstücke einer Infusorienfauna der Kieler Bucht. 97 Die Fortpflanzuno; geschieht nach meinen Beobachtungen durcli Längsteilung der Mikrozooide und durch Makrozooide, welche einen Wimpergürtel bekommen und sich dann ablösen. Diese ab- gelösten Individuen sind die ]\Iuttertiere eines Bäumchens, das sich durch Teilung des Muttertieres und der aus diesem entsprungenen Tochterindividuen entwickelt. Die Bildung eines Wimpergürtels und die darauf folgende Ab- lösung der Makrozooide scheint durch Zunahme des Salzgehaltes begünstigt zu werden. Denn wiederholt sah ich ihn bei einzelnen Individuen entstehen, nachdem ich Glockenbäumchen mehrere Stunden auf Objektträgern gehalten hatte, auf welchen ich das abgedunstete Wasser durch Seewasser ersetzte. Doch sind es dann auch immer nur einzelne Zooide, welche ihr Peristom einziehen und einen Wimper- gürtel erhalten. Ehe dieser erscheint, entsteht etwas hinter der Glitte des Körpers eine tiefe Furche, indem der Hinterrand des Vorderkörpers über das vordere Ende des Hinterkörpers ringförmig hinwegragt. Taf VIII, Fig. 4. Im Grunde dieser Furche erhebt sich eine undulirende Plasma- leiste. Während sich diese vergi-össert und in feine Wimpern teilt, nimmt die Tiefe der Furche ab; nach und nach wird sie flacher, Fig. 5, bis zuletzt der Wimpergürtel ganz frei liegt, Fig. 6. Am 28. März 1884 Vormittags 10 Uhr 30 Minuten sah ich bei einem Individuum die erste Anlage einer Furche, Fig. 4; um 12 Uhr 30 Mnuten hatte sie ihre volle Tiefe erreicht, Fig. 5, um 1 Uhr 40 Minuten war der freie Wimpergürtel völlig ausgebildet, Fig. 6. Unterdessen hatte sich auch der Muskel vom Hinterende abgelöst, am Ende abgerundet und in der Scheide etwas zurückgezogen, Fig. 6. Um 1 Uhr 50 Minuten trennte sich das Individuum unter lebhaftem Schwingen der Gürtel- wimpern von dem Bäumchen, schwamm fort und Hess den oben abgerundeten Stiel zurück. Fig. 7. Wie lange ein solches Individuum frei schwimmt und wie sich der Wimpergürtel zurückbildet, habe ich nicht gesehen, wiederholt aber Indinduen beobachtet, welche auf. einem kurzen Stile standen und in diesen hinein den Anfang des Stammmuskels wachsen Hessen. Taf VIII, Fig. 8, 9. In der Regel wächst der Muskel bis an die An- satzfläche des jungen Stämmchens hinunter, Fig. 10 — 13, und erstreckt sich bis dahin, bis die dritte Zweiggeneration entstanden ist; dann erst bildet sich der zweiglose untere Teil des Stammes aus. Fig. 14. Ich habe jedoch auch junge Bäumchen gefunden, welche schon nach der ersten ZweigbilJung ein muskelfreies unteres Stammende ge- trieben hatten. Während der Längsteilung ist das Peristom zurückgezogen. In der Regel läuft sie ab in zwei Stunden. In den Figuren 10 — 14 ist die Folge der Dichotomien dargestellt. Die Ziffer 1 bezeichnet den einfachen Stiel des Muttertiers der Stammgeneration; der Bruch V2 die zweite oder Halbblut -Generation, V4) Vs die folgenden Ge- nerationen. Aus den V,s"Grenerationen gehen Zooide der fünften Vie" Generation hervor u. s. w. , bis die grossen Bäumchen mit gegen Arck f. Naturgesch. Jalu-g. 1888. Bd. I. H. 1. 7 98 K. Möbius. hundert Zooiden ausgebildet sind. Eine neue Generation entstellt immer zuerst aus demjenigen Teilungs-Zooid, welches einen längeren Stiel gebildet hat, als seine Schwester, am Ende des Bäumchens und nachher erst auch alternirend aus den tiefer sitzenden Zooiden. Bei Zoothamnium alternans haben Claparede und Lachmann dieselbe Bildung der Bäumchen beobachtet, i) Die 8. Generation (Vi2s), ist wahrscheinlich die letzte; denn 40 Individuen der 7. Generation und 60 der 8. Generation geben schon ein Bäumchen von 100 Individuen. Im Kieler Hafen tritt Zoothamnium cienkowskii an Pflanzen und am Pfahlwerk sehr häufig auf. Es lässt sich leicht in Aquarien versetzen und pflanzt sich darin fort. Wrzesniowski fand an der Ostküste Rügens auf angespülten Elorideen nur kleine Bäumchen. Er zeichnet die muskelhaltigen Aeste quergeringelt, wie sie nur bei Kontraktionen erscheinen und die innere Wimperreihe des Peristoms etwas länger, als ich sie bei Kieler Individuen gesehen habe. Sonst stimmen die bei Kiel lebenden Zoothamnien in allen Teilen mit Wrzesniowski's Beschreibung und Abbildung überein. Cotlmi'iiia maritima Ehrbg. Ehrenberg, Inf. 298, T. 30, F. 8. (Wismar). Der ausgestreckte Körper ist cylindrisch bis kegelförmig, das untere festsitzende Ende abgestumpft, Taf. VII, Fig. 14, 15. Der Peristomwulst hat einen etwas grösseren Durchmesser als das unter- liegende Körperende, Das Ektoplasma ist dicht quergestreift. Die kontraktile Vacuole liegt in der Nähe des Schlundes, der Kern in der Mitte des Körpers. Taf VII Fig. 14. Von dem Kerne habe ich verschiedene Formen beobachtet, welche in den Figuren 16 — 19 im Umriss dargestellt sind. Die Hülse ist dünn, wasserhell, meistens doppelt so lang wie breit, eiförmig, selten cylindrisch, unten abgerundet und durch einen kurzen Stiel befestigt, der V4 bis höchstens V2 so lang ist wie der Durch- messer der Mündung. Zuweilen fand ich in einer Hülse zwei, offenbar durch Längsteilung eines Muttertieres entstandene Individuen. Vielleicht ist Cothurnia striata von Gourret et Roeser (Protoz. Marseille. Archiv de Zool. exp. IV, 1886, 505, T. 33, T. 6) die Ehren- bergsche C. maritima. Im Kieler Hafen und in Ostseeaquarien auf Glasplatten. Holotricha. Prorodon marinus ciap. Lachm. E. Claparede et J. Lachmanu, Etndes siu" les Infusoires et les Rhizo- podes, 1858, p. 322, PI. 18, F. 5. Walzenförmig, an beiden Polen abgerundet, während der Schwimm- bewegung bald vorn, bald hinten etwas spitzer. Taf. X Fig. 1. ') Infus, et Rhizop., p. 103. Bruchstücke einer Infusorienfauiia der Kieler Bucht. 99 Grosse Individuen sind 0,19 — 0,'22 mm lang und 0,08 mm breit. Schwimmt sich um die Längsachse drehend. Meistens geht der Mundpol voran, bisweilen der Gegenmundpol. Wenn das Tierchen bei Wendungen auf einen Gegenstand stösst, so krümmt es den Körper nur wenig. Der ganze Körper ist mit gleich langen und gleich dünnen Wimpern in dichten Längslinien besetzt. Taf. X Fig. 2. Bei einigen Individuen sah ich am aboralen Pol eine einzelne längere Wimper. Unter einer dünnen Cuticula liegt eine Endosark schiebt, ' welche längsgestreift und sehr fein quergestreift ist, Fig. 4; dann folgt eine Schicht, welche stark lichtbrechende Krystalloide enthält, Fig. 5 a, b. In dem Endosark fand ich oft dunkle Körner. Die Mundöffnung liegt am vorderen Pol. Der Schlund ist trichterförmig und ungefähr Vg so lang wie der Körper. Er wird oft so verengt, dass er nicht mehr deutlich sichtbar ist. Be- ständige Längswülste, wie bei andern Prorodonarten vorkommen, hat er nicht, aber er ist deutlich von einer Cuticula ausgekleidet, welche vorübergehende Längswülste bildet. Karmin und Indigo haben meine Individuen niemals angenommen. Der Nucleus ist meistens kugel- oder eiförmig und liegt bald in der Mitte des Körpers, bald weiter nach vorn oder weiter nach hinten. Er erscheint als grosser lichter Fleck und wird durch essig- saures Karmin deutlich roth gefärbt. Fig. 1, 2. Die kontractile Vakuole liegt im aboralen Pol, zieht sich langsam zusammen und dehnt sich langsam aus. Sie ist nicht immer kugelrund, sondern oft querverlängert, zerfällt auch zuweilen in mehrere kleinere Vakuolen, Fig. 1, 2. Wiederholt habe ich Encystirung beobachtet. Kriechende Thiere kugeln sich, die Wimpern schlagen langsamer, hören endlich ganz auf zu schwingen, legen sich schräg auf einander, einen Saum um den Körper bildend. Dann wird eine sehr dünnhäutige farblose Cyste ausgeschieden. Ein Individuum, welches ich am 1. April 1882 Vormittags 10 Uhr .30 Minuten in einer Cyste ruhend fand, hob an demselben Tage Nachmittags 3 Uhr 20 Minuten seine Wimpern lang- sam in die Höhe, drehte sich erst langsam, dann schneller innerhalb derselben herum, durchbrach sie und kroch quersackförmig ein- geschnürt, gleich einem zähen körnigen Brei, langsam aus der Oefi'nung hervor. Sobald es die Cyste ganz verlassen hatte, nahm es Walzenform an und schwamm, sich um seine Längsaxe drehend, schnell fort. In einigen Cysten habe ich zwei Individuen gefunden, welche wahrscheinlich durch Teilung eines Mutterindividuums entstanden waren. Fig. 3. Zahlreiche Individuen, welche ich eingekapselt antraf oder welche sich unter meinen Augen einkapselten, wälzten sich, nachdem sie ein oder mehrere Stunden geruhet hatten, in der Cyste herum und verliessen sie, ohne sich geteilt zu haben. Während der Ruhe arbeitet 100 K. Möbius. die kontraktile Vakuole selir langsam fort. Die eingekapselten In- dividuen haben nicht selten eine tiefe Querfalte, welche wie eine Furchungsspalte aussieht. Im Kieler Hafen bei dem Fischerlegger und im Bootshafen lagen Anfang Januar 1882 am Grunde weisse jMassen, welche haupt- sächlich aus Beggiatoa alba Vauch., Var. marina Cohn bestanden, i) Der schwarze, stark nach Schwefelwasserstoff riechende Grund, worauf diese Beggiatoa wucherte, wurde in Schüsseln gebracht und in dem Aquarienraum gehalten, meistens bei 5^0. Im März fand ich in diesen viele Individuen von Prorodon marinus zusammen mit Mon- hystera socialis Bütschli. Claparede et Lachmann fanden Prorodon marinus zuerst bei Bergen an der Küste Norwegens im Seewasser. Obgleich ihre Be- schreibung nur kurz ist, so bin ich doch überzeugt, dass ihr Pro- rodon marinus mit den hier genauer beschriebenen Individuen über- einstimmt. Ihr Bild stellt ein durch das Deckglas flach gedrücktes Individuum dar. ColepS fuSUS Clap. Lachrn. Claparede et Laclimann, Inf. et Rliiz., 366, T. XII, F. 7— 8 (Nor- weg. Küste). Am 30. Sept. 1884 im Kieler Hafen an der Oberfläche gefunden. Metacystis truncata Colm Cohn, Zeitschr. f. wiss. Zool. XVI., 1866, 265. Taf. 15, Fig. 39-40. — Gourret et Roeser, Protozoair. du Vieux-port de Marseille. Arch. Zool exper. IV, 1886, 464, T. 28, F. 11—13 (schlechte Abb.). Der Körper ist cylindrisch, vorn und hinten abgerundet, quer- geringelt, Taf. VIII, Fig. 15 — 17. Bei vielen Individuen ist hinten ein wasserheUer abgerundeter Anhang, und in diesem oft noch eine kleine deutlich abgegrenzte halbkugelförmige Masse. Der ganze Körper trägt hinter einander stehende Gürtel sehr zarter Wimpern. Vorn sind zwei Kreise oraler Wimpern, von denen die äussern grösser sind, als die Innern. Fig. 17. Oft schwingen nur die Innern, während sich die äussern still halten. Der Schlund ist trichterförmig, Fig. 15, der Kern kugelförmig, Fig. 15, 16. Metacystis truncata vermehrt sich durch Querteilung, Fig. 16. Im Kieler Hafen und in den Ostsee -Aquarien des zoologischen Instituts; besonders häufig an der Unterseite von Glasplatten, welche durch Korke an der Oberfläche des Aquarienwassers schwimmend erhalten wurden. ') Diese Beggiatoa des Kieler Hafens ist beschrieben und abgebildet von A. Engler, Über die Pilzvegetation des weissen und todten Grundes der Kieler Bucht. In: Vierter Bericht d. Commiss. z. wiss. Unt. d. d. Meere f. 1877—81, Berlin 1884, S. 187. Bruchstücke einer Infusorienfauna der Kieler Bucht. 101 Trachelocerca phoenicopterus Cohn Cohn, Neue Infusorien im Seeaquarium. Zeitschr. f. w. Zool. XVI. 1866, S. 262, T. XrV, F. 1—3 (In Nordseeaquarien). — GourretetRoeser, Protoz. de Marseille. Archiv, de Zool. exper. IV, 1886, 466, T. 28, F. 14, 15. Im Kieler Hafen und in Ostseeaquarien. Lacrymaria lagenula ciap. Lachm. Claparede et Lachniann, Inf. et Rhiz., 1858, 302, T. 18, F. 7. — Quennerstedt, Acta Universitatis Lnndensis 1865 — 69, II, S. 10. T. 1, F. 5, 6. Lacrym. versatilis = Trichoda ver.satilis Müll. Lacrymaria lagenula ist ein Infusionstier, das seine Körperform lebhaft verändert. Ausgedehnt ist es lang spindelförmig. Den Vorder- körper krümmt es bald nach rechts, bald nach links. Oft zieht es sich zur Eiform zusammen, Taf. VIII, Fig. 18. Am Vorderkörper ist ein kleiner abgegrenzter oraler Teil mit Mundöffnung und Schlund, der vollständig in den zusammengezogenen Körper eingesenkt werden kann. Auf dem Körper stehen gleichförmige Wimpern in schrägen Reihen. Nur die untere Abteilung des oralen Vorderendes ist mit längeren Wimpern in dichten schrägen Reihen besetzt, Taf. VIII, Fig. 19. Der Kern ist hufeisenförmig und liegt in der Mitte des Körpers, Fig. 18. Eine kontraktile Vakuole liegt in der Nähe des Hinterendes, aus dem ich Fäces austreten sah, Fig. 18. Ich habe Individuen angetroffen, die hinter der Mitte des Körpers tief gefurcht waren. Ob sie im Begriff waren, sich quer zu teilen, konnte ich nicht feststellen. Auch Individuen, die in einer sehr dünnen Cyste einige Zeit ruhig lagen, dann sich darin drehten, habe ich beobachtet, ohne entscheiden zu können, ob sie sich darin zur Fortpflanzung vorbereiteten. Lacrymaria lagenula habe ich im Januar, April und Mai in Ostseewasser beobachtet. Claparede und Lachmann fanden dieses Infusorium an der Norwegischen Küste. Pleuronema marinum Duj. Dujardin, lufusoires, 1841, p. 475, T. 14, F. 3. — Sav. Kent, Infus, p. 443. — Fabre-Domergue, Note sur les Infus, cilies de la Baie de Concarneau. Journ. de l'Anat. et Physiol. 1885, p. .558, T. 19, F. 4—5. Dieses Infusorium fand ich im April 1883 auf Glasplatten, welche einige Zeit im Kieler Hafen gewesen waren, zwischen Diatomeen. Es ist fast eiförmig, an der recliten Seite und am Bauche jedoch weniger gewölbt als an der linken und Rückenseite, Taf. X, Fig. 7, 8. Der Mund liegt in einer Konkavität an der Bauchseite ungefähr V.3 des Querdurchmessers von der rechten Seite. Die ]M und höhle ist eine taschenförmige Vertiefung. Vor derselben ist ein dünn- häutiger Fang sack, ungefähr -/.? so lang wie die Bauchseite, mit einer schrägen Öffnung. Er besteht aus einer hyalinen kontraktilen 102 K. Möbius. Haut. Fig. 7, 8. In der vordem Körperhälfte liegt ein kugel- förmiger Nucleus mit einem runden Nucleolus, Fig. 7. In der Nähe des Hinterendes ist eine kontraktile Vakuole, Fig. 7, 8. Die Cilien stehen sowol auf der Bauch- wie auf Rückenseite in je ungefähr 12 Längsreihen. Die meisten sind ungefähr Vs so lang wie der Querdurchmesser des Körpers ; am hintern Pole stehen längere Wimpern. Die Länge des Körpers beträgt 0,OGmm, die Breite 0,038 mm. Die Wimperreihen sind 0,0029 mm von einander entfernt. Dujardin fand Pleuronema marinum am 28. März 1840 in Seewasser aus dem Mittelmeere, welches vierzehn Tage vorher ge- schöpft worden war. Fahre - Domergue zwischen Algen an der französischen Westküste. Cyclidium (Pleuronema) citrullus Cohn F. Colin, Neue Infus, im Seeaquarium Zeitschr. f. wiss. Zool. XVI, 1866, 276, Taf, XV, Fig. 54. Der Körper ist fast eiförmig, an der Bauchseite etwas abgeflacht, Taf. X. Fig. 9. Seine Wimpern stehen auf kleinen Papillen in Längs- reihen, Fig. 10, und sind ungefähr V3 so lang wie die Längsaxe des Körpers, Fig. 9. Sie sind sehr fein und werden ruhig gehalten, wenn Nahrung eingezogen -wird. Am stumpfen Pol ist eine Wimper, welche ungefähr die doppelte Länge der übrigen hat. Der Mund liegt an der Bauchseite in einer Vertiefung, Fig. 9. Neben dem Munde steht eine lange Geissei, deren Ende gegen den spitzen Körperpol gebogen ist. Sie macht während der Nahrungsaufnahme zuweilen Bewegungen. Den Nahrungsstrom gegen den Mund ver- ursachen sehr feine Wimpern, welche hinter der gebogenen Geissei dem stumpfen Pol näher liegen. Der Kern ist biscuitförmig und liegt in der Nähe des spitzeren Pols, Fig. 9. In der Nähe des spumpfen Körperpols Hegt eine kontraktile Vakuole, welche sich kräftig zusammenzieht. Cyclidium citrullus liegt meistens ruhig oder macht nur lang- same Drehungen bei langsamen Bewegungen der Mundgeissel. Plötzlich schiesst es fort und hält sich dann wieder ruhig. Fortpflanzung durch Querteilung habe ich oft beobachtet, Fig. 11. Im Kieler Hafen zwischen Beggiatoen auf sogenanntem todten Grvmde. Cohn fand es in Nordseewasser von Helgoland, welches ihm 1864 aus dem Aquarium des zoologischen Gartens zu Hamburg nach Breslau geschickt worden war. Uronema marinum Dnj. Dujardin, Infus. 1841, p. 392, T. VII, F. 13. — S. Kent, Infus. U, 546. T. 27, F. 60—61. — GourretetRoeser, Protoz. de Marseille. Arch. d. Zool. exp6r. IV, 1886, p. 479. T. 29, F. 11—12; T. 30, F. 1. Körper verlängert eiförmig, an der Mundseite etwas schmäler, als an der Rückenseite; 0,022 — 0,026 mm lang, 0,007 — 0,01 mm Bruchstücke einer Infusorieufauna der Kieler Bucht. 103 breit, Taf. X, Fig. 12, 14. Die Beweguugswimpern stehen in Längsreihen, Taf. X, Fig. 12, 13, 15, 16. Bei ruhig liegenden In- dividuen konnte ich auf der nach oben gekehrten Seite in der Regel sechs Reihen unterscheiden. Die Entfernung derselben von ein- ander beträgt 0,001 mm. Auf dem hintern stumpferen Körperpol steht eine nicht schwingende, lange Cilie, die fast halb so lang wie der Körper ist. An der Mundseite ist ein äusserst zartes halbmondförmiges Häutchen, welches bei grossen Individuen vom Vorderende bis über die Mitte des Körpers nach hinten reicht. Es macht sehr schnelle, klappende Bewegungen, besonders bei der Aufnahme von Nahrung. Der Mund liegt etwas vor der Mitte der Bauchseite. Der Schlund ist kurz und eistreckt sich schräg nach oben und hinten. In der Nähe des Hinterendes ist eine kontraktile Vakuole. In manchen Individuen beobachtete ich vor dieser noch eine zweite. Der Nukleus ist kugelförmig. Um ihn herum liegen oft Kügelchen, welche das Licht stärker brechen, als der Kern und in essigsaurem Karmin nicht rot werden, wie dieser, wohl aber durch Safranin. Uronema marinum macht nach Ruhepausen plötzliche Dreh- bewegungen. Enthält die Wasserschicht, worin Uronemen schwimmen, eine Luftblase, so versammeln sie sich an deren Peripherie, der Luft ihren vorderen Pol zukehrend; hieraus ist zu schliessen, dass sie sauerstoffbediirftig sind. Uronema marinum pflanzt sich fort durch Quer t eilung. Der Körper streckt sich und schnürt sich in der Mitte zwischen dem vordem und hintern Pole ein. Die Mundklappe des Muttertieres schwindet; es treten kleine Mundklappen an den Teilsprösslingen auf, Fig. 15 — 19. Der Hintersprössling behält die kontraktile Vakuole und die Tastcilie des Muttertieres. Im Hinterteil des Vorderspröss- lings entsteht eine neue Vakuole und am Hinterende nach der Trennung eine neue starre Cilie. Bei der Querteilung verlängert sich der Kern, schnürt sich ein und zerlegt sich in zwei Kerne. Fig. 15. Am 29. Dec. 1883 verfolgte ich die Querteilung, welche in den Figuren 15 — 20 dargestellt ist. Sie dauerte von 10 Uhr 45 Minuten bis 11 Uhr 8 Minuten Vormittags. Kurz vor ihrer Trennung hingen die Teilsprösslinge durch einen dünnen Faden zusammen, Fig. 19, welcher erst dann zerriss, als sie ihn bis zu halber Länge ihres Körpers ausgezogen hatten. Im Kieler Hafen und in den Ostseeaquarien des zoologischen Instituts zu Kiel kommt Uronema marinum in allen Monaten vor. Es entwickelt sich sehr reichlich zwischen stickstoffhaltigen Sub- stanzen, welche in Fäulnis übergehen, z. B. in Gefässen, worin ab- gestorbene Miesmuscheln liegen und an unverdauten Fleischresten, welche Aktinien ausstossen. Gourret et Roeser halten Uronema marinum Duj. für identisch mit Cyclidium glaucoma Müllers und Ehrenbergs (Infus. 245, T. 22, F. 1). AUein Cyclidium glaucoma hat keine starre Schwanzcilie und wurde bisher nur im süssen Wasser gefunden. 104 K. Mübius. Dujardin beschreibt dieses Tier kurz in: Infus. 1841, p. 392. Seine Abbildung PI. VII, Fig. 13 ist unvollkommen, aber im Wesent- lichen richtig. Er fand Uronema marinum in Seewasser aus dem Mittelmeere, welches im März drei Tage lang mit Corallinen ge- standen hatte und faul geworden war. Hoplitoplirya fastigata sp. n. Im März 1883 machte mich der damalige Assistent am zoo- logischen Institut in Kiel, Herr Dr. H. Blanc, jetzt Professor an der Universität in Lausanne, auf diesen mikroskopischen Parasiten auf- merksam, den er im Darm eines Oligochäten gefunden hatte, der unter Steinen am Strande der Kieler Bucht lebt und von Dr. Michaelsen unter dem Namen Enchytraeus möbii beschrieben worden ist.i) Hoplitophrya fastigata erreicht eine Länge von 0,7 nun und eine Breite von 0,017 — 30 mm. Ihr Querschnitt ist nicht kreis- rund, sondern schmal elliptisch, Taf. IX, Fig. 12. An dem etwas dickeren Ende ist sie schräg abgestumpft, Taf. IX, Fig. 9, 10, 11. Da sie dieses gewöhnlich voran bewegt, so ist es als das Vorderende anzusehen. Bisweilen schwimmt sie rückwärts. Die Schwimm- bewegungen in der Pachtung der Längsaxe sind sehr schnell. Findet sie Widerstände, so biegt oder knickt sich der Körper, streckt sich aber bald wieder. Um das Verhalten des unverletzten lebenden Tieres kennen zu lernen, darf man es nicht in See- oder Süsswasser bringen. In diesem vergrössern sich schnell die kontraktilen Vakuolen und stehen dann still, selbst wenn die Wimpern noch kurze Zeit schwingen. Versetzte ich die Individuen in die wässerige Feuchtigkeit aus Rinderaugen, so konnte ich die lebhaften Kontraktionen der zahlreichen kon- traktilen Vakuolen im Ektosark und die Schwingungen der Wimpern lange beobachten. Das Endosark enthält stark licht- brechende Körnchen und oft auch zahlreiche Vakuolen, Fig. 11. Die Wimpern stehen in dichten Längsreihen, Fig. 10. Behandelt man Exemplare, die durch Dämpfe von Osmiumsäure getötet wurden, mit verdünnten Lösungen von Pikrinsäure und nachher mit Safranin, so färbt sich nicht blos der Nukleus, sondern auch noch eine dünne Rute im Innern des Körpers rot, was zuerst Herr Dr. Blnnc bemerkte und mir zeigte. Bei Tieren, welche durch Osmiumsäuredämpfe getötet waren, sah ich dann beide auch ohne Anwendung von Safranin. Fig. 10, 11. Der Nucleus ist ein Strang, der meistens in seiner ganzen Länge gleiche Dicke hat, Fig. 9 — 11. Manchmal habe ich ihn aul kurze Strecken verdickt und an einem Ende verdünnt gefunden, be- sonders nach Vermehrungsteilungen. Meistens verläuft er parallel ') Untersuchungen über Enchytraeus möbii und andere Enchyträiden. Inauo". Diss. Kiel 1886, Bruchstücke einer InfusorienfaHna der Kieler Bucht. 105 der Längsaxe des Körpers. Einigemale fand ich ihn schleifenförmig gebogen, Fig. 10. Die dünne Rnte erstreckt sich von dem schräg abgestumpften Vorderende bis gegen das hinterste Fünftel des Körpers. Vorn ist sie abgerundet oder umgebogen und dadurch zweischenklig, Fig. 9. Ihre Dicke wächst bis zum zweiten Drittel des Körpers, dann nimmt sie ab und läuft nach hinten allmählich in eine feine peitschenartige Spitze aus. Sie bewahrt ihre Form, wenn man den Körper zerreisst und sie frei legt, Fig. 9. Vielleicht ist sie ein Organulum, welches den langen Körper durch seine Elastizität wieder streckt, wenn ihn äussere Widerstände stark gebogen oder geknickt hatten. Hoplitophrya fastigata vermehrt sich durch Abschnürung hinterer Teile des Körpers. In mehreren Individuen, die einen Sprössling an ihrem Hinterende hatten, lief die Rute ebenso peitschenförmig aus, wie in Individuen, die keine Sprossungserscheinungen zeigten. In einem Individuum, an welchem ein bald ablösbarer Sprössling hing und das sich weiter nach vorn einschnürte, um einen neuen Spröss- ling zu bilden, war das spitze Ende der Rute vor der Einschnürung nach vorn umgebogen, Fig. 11. Aus dieser Thatsache ist zu schliessen, dass sich bei der Sprossbildung die Rute nicht teilt, sondern in den Teilsprösslingen neu entsteht. Cilio-Flagellata. Trichouema gracile n. sp. Am 25. Juni 1883 fand ich in einem mit Wasser aus dem Kieler Hafen gefüllten Aquarium, worin sich Flocken einer Ectocarpus-Art und viele Exemplare des freilebenden Nematoden Monhystera socialis befanden, eine grosse Menge dieses Triehonema. In einem unter das Mikroskop gebrachten Tropfen krochen Hunderte lebhaft herum. Vierundzwanzig Stunden vorher hatte ich nicht ein Individuum des- selben in den Ektokarpusflocken bemerkt, und vierundzwanzig Stunden später waren die meisten tot. Der Körper ist spindelförmig und farblos, zart höckerig und ganz mit Wimpern bedeckt, Taf X, Fig. 21 — 23. An einem Pol ist eine Geis sei von V2 bis Vs Körperlänge. Beim Kriechen geht meistens der geisselfreie Pol voran, doch kann auch der Geisseipol vorangehen. An dem geisselfreien Pol sind die Wimpern etwas länger als sonst am Körper. Die Geissei macht langsame Biegungen. Im Plasma sind zahlreiche dunkle Körnchen, ungefähr in der Mitte des Körpers ist ein runder Kern und nahe dem Geisseipol eine kleine kontraktile Vakuole, die sich plötzlich verkleinert, Fig. 22, 23. Der Körper macht schwach schlängelnde Biegungen, zuweilen krümmt er sich auch stark, um sich in entgegengesetzter Richtung fortzubewegen, Fig. 22. 106 K.. Möbius. Unterschiede zwischen : Trichonema hirsutumFromental und Trichonema gracile möb. Birnförmig bis oval, Geisseipol spitz, Anti-Geisselpol abgerundet. Geissei doppelt so lang wie der Körper: Spindelförmig , beide Köii)erpole spitz. Geissei '/j bis -j^ so lang wie der Körper. Choano - Flagellata. Salpingoeca procera n. sp. Hülse konisch- cylindrisch, viermal so lang wie breit; ihre Mündung etwas enger als die Mitte, Taf. X, Fig. 24, 25. Stiel bis IV2 so lang wie die Hülse. Der Körper des Tieres ist halb bis zwei Drittel so lang wie die Hülse, mit dem Grunde derselben durch einen Stiel von Körperlänge verbunden. Die Geissei rollt sich spiralig zusammen, wenn sie sich zurückzieht, wie bei Dinobryon sertularia Ehrbg. und Epipyxis utriculus Ehrbg. nach Stein's Ab- bildungen (Organism. der Infus. HI, 1. 1878. T. 12). Auf Glasplatten in Ostsee- Aquarien im Febr. und März 1884 gefunden. Salpingoeca procera ist der S. teres Kent (Infus. I, 353) ähnlich, unterscheidet sich aber von dieser Art, deren Hülsenrand auswärts gebogen ist, durch den cylindrischen Mündungsrand. Desmarella nioniliforniis Kent S. Kent, Infus. I, 341, T. 2, F. 30. Körper eiförmig, ungestielt; Kragen ungefähr so lang wie der Körper; Geissei doppelt so lang. Mehrere seitlich zusammenhängende Individuen, Taf. X, Fig. 26. Ich habe sie im März 1883 an Glasplatten gefanden, die im Ostsee-Aquarium aufgehängt waren. Kent fand sie in einem See- aquarium in London und dann auch im Meere bei Jersey. Codosiga pyi^iformis Kent S. Kent, Infus. I, 339, T. 2, F. 14. Körper lang birnförmig, Taf X, 27, 28. Kragen V2 bis V3 so lang wie der Körper; Geissei bis doppelt so lang. Eine kontratile Vakuole im Hinterende des Körpers. Ich habe nur Stöckchen mit 4 Individuen angetroffen, welche sich schräg aufgerichtet auf dem gemeinschafthchen Stiele halten. Dieser ist gewöhnlich dreimal so lang wie der Körper der Individuen. Auf Glasplatten in Ostseeaquarien. Kent fand diese Species auf Hydroiden und Bryozoen bei Brighton. Monosiga simiosa n. sp. Körper zwei bis 3 mal so lang wie breit, im ausgedehnten Zustande in der Mitte etwas verengt, auf einem kurzen Stielchen Bruchstücke einer Infusorienfauna der Kieler Bucht. 107 sitzend, Taf. X, Fig. 29. Kragen ein halb bis zwei drittel so lang wie der Körper. Gesellig an Glasplatten und Algen in Ostseeaquarien. Flagellata. OxyrrMs marina Duj. Duj ardin, Zophyt. Infusoires, p. 345 — 347. T. 5, 4 (irrthümlich mit 4 Geissein). — Fresenius, Infus, des Seeaquar., Zoolog. Garten 6. Jahrg 1865, p. 83. Fig. 10. (Glyphidiura marinum). — F. Cohn, Zeitschr. f. w. Zool. Bd. 16, 1866. (Glyphidium marinum). S. Kent, Man. of Infus. I, 427. T. 24, F. 53—61. (Gefund. bei St. Heliers, Jersey). — F. Blochmann, Zeitschr. wiss. Zool. Bd. 40, 1884, S. 46, T. 2, F. 14—21 (beste Abb.). Gourret et Roeser, Protoz. de Marseille. Arch. zoolog. exper. IV, 1886 p. 523. T. 34, F. 11—19. Ich fand dieses Infusor im Jan. 1882 im Wasser aus dem Kieler Hafen, worin Capitella capitata gehalten wurde, dann im Mai 1882 und im Dec. 1883 in einem Ostseeaquarium in Scharen, die wolkige Züge bildeten. Die Blochmann'schen Abbildungen stellen Oxyrrhis marina so gut dar, dass die meinigen ungedruckt bleiben können. Ich habe im Binnenplasma ebenfalls Fettkügelchen, ausserdem Faden- algen und Beggiatoen gefimden und eine ähnliche Excretionshöhle gezeichnet wie Blochmann in seiner Fig. 16, und auch wie dieser, Querteilungen mit Neubildung der Geissein am Hintersprössling beobachtet. Urceolus ovatus sp. n. Körper eiförmig, während des Schwimmens mit einem kurzen Halse versehen, der eine trichterförmige Vertiefung hat, in der die Geissei befestigt ist und der Mund Hegt, Taf. IX Fig. 1, 2, 3. Die Cuticula ist glatt. Im Vorderteil des Körpers eine kontraktile Vakuole. Beim Kriechen, Fig. 2, legt sich der Trichterrand an die Unter- lage. Während der Ruhe zieht sich der Vorderkörper spitz über den Trichter ganz hinweg und verdeckt ihn, Fig. 3. Ich fand das gezeichnete Individuum mit diatomeenhaltigem Schleime bedeckt. Stein hat ein Individuum seines Phialonema (Urceolus) cyclostomum mit anhängenden Sandkörnern gezeichnet. Mereschkowsky (Ann. nat. bist. VII, 1881, p. 219, T. XII, F. 13) erklärt, dass sein 1877 aufgestellter Gattungsbegriff mit dem von Stein (Infus. III, 1. Hälfte, T. 23, F. 42—48) unter dem Namen Phialonema 1878 eingeführten übereinstimmt. Die von Mereschkowsky im Weissen Meere gefundene Art, 108 K. Möbius. U. Alenizini, hat wie die Kieler eine glatte Cuticula, aber keinen nach aussen gewendeten Trichterrand, wie diese. Die Kieler Form fand ich an einer Glasplatte, welche in einem Ostsee- Aquarium gehangen hatte. Anisonema nmlticostatum sp, n. Umfang eirund; Rückenseite mehr gewölbt als die Bauchseite, Taf. IX, Fig. 4 — 8. Jede Seite mit zwei Paar symmetrisch nach den Seiten gebogenen Längsriefen ; an der rechten und linken Seite je eine Riefe, Fig. 6. Am Vorderrande ist eine seichte, etwas nach links liegende Islundbucht, in welcher eine Geissei entspringt. Diese ist ein bis anderthalb mal so lang wie der Körper und bewegt diesen durch wellenförmige und spirale Biegungen vorwärts. Hinter dieser Schwimmgeissel ist rechts an der Bauchseite eine dickere Schlepp- geissel von drei- bis vierfacher Korperlänge befestigt, um deren kurze angewachsene Basis eine Einfassungslinie herumläuft, Taf. IX, Fig. 4. Beim Schwimmen wird sie gewöhnlich gerade nachgezogen. Zuweilen biegt sie sich aber selbständig rechtwinkelig vom Körper ab und giebt diesem dadurch eine andere Richtung; sie arbeitet also wie ein Steuer, Hinter der Mundbucht liegt die rundliche Mündung eines röhrigen Schlundes, Fig. 4, M, in welchem ich Diatomeen gesehen habe. Das Schlundrohr erscheint doppelt konturirt, hat also wohl eine eigene Wand. Im Vordertheil des Körpers befindet sich eine kontrak- tile Vakuole, im Hintertheil ein kugel- oder eiförmiger Nucleus mit kleinem Nucleolus, der durch essigsaures Karmin intensiver gerötet wird, als der Nucleus. Fig. 4, N. Nach Zusatz von Jodlösung erschienen in dem braungefärbten Körperplasma blaue Körnchen von verschiedener Grösse, welche hiernach als Amylum anzu- sprechen sind. Bei der Vermehrung durch Längsteilung bildet sich eine neue Schwimmgeissel und eine neue Schleppgeissel neben den älteren Geissein, Fig. 7, wie bei Anisonema grande Ehrbg. nach Stein (Infus. T. 24, F. 11) Anisonema nmlticostatum habe ich in allen Jahreszeiten in Ostseeaquarien gefunden. Von Anisonema sulcatum Duj. (Infus. 345, PI. V, F. 28) ist A. multicostatum unterschieden durch die erhabenen Riefen der Cuticula; von A. quadricostatum Mereschkowsky (Ann. nat. bist. VII, 1881, p. 218, Taf. XII, F. 12) durch Riefen an der Bauchseite und durch die symmetrische Biegung der Riefenpaare des Rückens. Bei A. quadricostatum laufen die Rückenriefen parallel und sind etwas wellenförmig gebogen. Die Bilder dieser beiden früher be- schriebenen Arten sind übrigens sehr unvollkommen. Bruchstücke einer Infusorienfauna der Kieler Bucht. 109 Diplomastix dalilii sp. n. Diplomastix Sav. Kent, Infus. I, 431. Spindelförmig, 0,0114 mm lang, 0,002—0,003 mm breit, Taf. X, Fig. 30 a — d. Biegt sich halbmondförmig. An beiden Polen eine Geissei, jede bis doppelt so lang wie der Körper. Farblos, feinkörnig, oft mit einer Vakuole (ohne Kontraktionen). Oft legen sich zwei Individuen an einander. Am 31. März 1887 fand Herr Dr. Dahl, Assistent am zoologischen Institut in Kiel, in dem speiseleeren Magen eines männlichen Cyc- lopterus lumpus aus dem Kieler Hafen eine weisse käsige Masse, die hauptsächlich aus Individuen dieses Flagellaten bestand. S u c t 0 r i a. Podophrya limbata Maupas E. Maupas, Contribution ä, l'etude des Acinetieus. Archives de Zoologie exper. IX, 1881, p. 306, T. XX, F. 7—9. Kugel- bis birnförmig. Am spitzeren Pol ein Stiel, der an beiden Enden etwas verbreitert ist uud zwei- bis dreifach so lang wird wie der Durchmesser des Körpers, Taf. IX, Fig. 13, 14. Die Körpermasse ist meistens wasserhell durchscheinend. Die Kutikula ist strukturlos. Ihre doppelte Kontur wird auf Zusatz von Essig- säure sehr deutlich. Die Weichmasse ist feinkörnig und enthält oft viele grössere kugelförmige Körper, Fig. 14. Im Ektosark liegt eine kontraktile Vakuole: welche sich sehr träge zusammenzieht, Taf. IX, Fig. 14, kv. Im Innern des Endosarks ein kugel- oder eiförmiger Kern, Fig. 14, mit einem kleinen anliegenden Neben- kern, der durch essigsaures Karmin schwächer gerötet wird als der Kern. Bei vielen Individuen ist die Kutikula bedeckt mit einer fein- körnigen Masse, Fig. 13, welche Maupas mit der extrakapsulären Sarkode der Radiolarien vergleicht. Dieser fand sie bei den von ihm untersuchten Individuen (auf Polypenstöcken bei Roskofi") jedoch nicht feinkörnig, sondern hyalin. Die Zahl der Saugröhren beträgt 10 — 30. Sie dehnen sich bis zu doppelter Grösse des Körperdurch- durchmessers aus. Bei schnellen Verkürzungen nehmen sie Spiral- windungen an, Fig. 14. Am 22. Juni 1883 1^^ Nachmittags sah ich, wie ein grösseres Individuum eine freischwimmende Vorticelle festhielt, an ihren Körper zog und bis 3^'^ so weit aussog, dass fast nur noch deren Kutikula übrig war. In Ostseeaquarien, worin Spirulina versicolor wuchs, im Juni, Juli und December gefunden. 110 K. Möbius. Acineta tuberosa Ehrbg. Ehrenberg, Infusionsthiere 241, T. 20, F. 9. (Auf Algen aus der Ostsee bei Wismar.) — F. Stein, Die Infusionsthiere auf ihre Entwicklungsgesch. untersucht 1854, S. 220, T. 3, F. 46 — 49. (Auf Gammarus und Sphaeroma bei Stralsund.) — Claparede et Lachmann, Infus, et Rhizop. 388. (Westküste Norwegens.) — Fr aipont, Acinetiens de la cote d'Ostende, 1878, p. 49, T. 3. — S. Kent, Infus. II, 829, T. 48, F. 25 — 28, T. 48A, F. 7. (Britische Küste, Kanalinseln.) — Bei Kiel habe ich diese Species häufig auf Cordylophora lacustris Alm. in der Schwentiiiemündung gefunden. Am besten beschrieben und abgebildet hat sie Fraipont. Acineta crenata Fraip. J. Fraipont, Recherch. sur les .Acinetiens de la cote d'Ostende. Bruxelles 1878, p.89, T. 6, F. 1—11. Langeiförmig, Saugröhrenpol abgerundet, Stielpol becherförmig, Kutikula des becherförmigen Teiles und des Stiels aussen zart quer- geringelt, innen glatt, Taf IX, Fig. 15. Saugröhren zart quer- geringelt, ohne kugelförmige Enden. Im becherförmigen Teil ein eirunder Nucleus und vor diesem eine kugelförmige Vakuole. Die Weichmasse bestand in den beiden Individuen, die ich am 17. Mai 1871 auf einem Halacarus aus dem Kieler Hafen fand, aus runden Körnern, welche zu Ballen vereinigt waren. Acineta contorta Gourr. et Roes. P. Gourret et P. Roeser, Les Protozoaires du Vieux-Port de Marseille. Arch. de Zool. exper. 1886, p. 530, PI. 35, F. 1. Körper im ausgestreckten Zustande langeiförmig, quergefurcht und daher mit lappigen Vorspriingen an den Seiten, Taf IX, Fig. 16, 17. 12 — 16 Tentakel. Tentakeltragender Teil zurückziehbar. Als Herr Julien Fraipont im Herbst 1880 im zoologischen Institut in Kiel arbeitete, fand er diese Acineta auf Bryozoen aus der Kieler Bucht und erkannte sie als unbeschriebene Form. Die Figur 17 verdanke ich ihm. Im April 1884 fand ich das Fig. 16 abgebildete Individuum auf einer Glasplatte, welche ich im Hafen ausgesetzt hatte. Cystoflagellata. Noctiluca miliaris Suriray Suriray, Recherch. s, la cause ord. de la phosphorence marine et descript. du Noctiluca miliaris. Guerin Mag. de Zool. VI, 1836. — Quatrefages, Ann. sc. nat. 1850 XIV. — Huxley, On the struct. of Noctiluca mil., Quart. Jouru. micr. sc. ni, 1854-55, p. 49. — Cienkowsky, Arch. f. mik. Anat. VII, 1871, p. 131, T. 14—15. Das. IX, 1873, p.47, T. 3— 5. — Vignal, Archiv, de Pbys. Bruchstücke einer Inftisorienfauna der Kieler Bucht, Hl norm, et pathol. V, 1S78, 415, T. 18—19. - Robin, Journ. Anat. et Phy.s. 1878, p. 563, T. 35—41. — G. Pouchet, Journ. Anat. et Phys. 1883, 397, T. 19— 22. — Stein, Organism. der Infus. III, 2, 1883, T. 25. — G. Pouchet, Journ. Anat. et Phys XXI, 1885, p. 28, T. 2-4. Noctiluca miliaris habe ich im September, Oktober und November bei starkem Seeleuchten öfter im Kieler Hafen gefunden. Sehr zahlreich erschien sie im Hafen mit der Sturmfluth im November 1872. Nördlich von der Kieler Bucht nach Als en hin tritt sie jeden Herbst sehr häufig auf Bringt man die gefangenen Individuen in Glashäfen oder Aquarien, so pflegen sie an der Oberfläche eine Schicht zu bilden, die im Ganzen eine durchscheinend weissliche Farbe hat. Rötliche Noktiluken habe* ich weder in der Ostsee noch in der Nordsee gefunden. Dinoflagellata.^) Ceratium tripos (O. F. Müll.) O.F.Müller, Animalc. infus. 1786, 136, T. 19, F. 22 (Cercaria tripos).— Ehrenberg, Infusionsth. 255, T. 22, F. 18 (Peridinium tripos). — Claparede et Lachmann, Inf. et Rhiz. 396 (Norweg. Küste). — Bütschli, Bemerk, über gew. Organisationsverh. der sog. Cilioflagellaten. Morphol. Jahrb. X, 1885, S. 512. — R. S. Bergh, Organism. d. Cilioflagellaten. Morphol. Jahrb. VII, 1881, 204. — Derselbe, Ueber den Theiluugsvorgang bei den Dinoflagellaten. Zool. Jahrb. II, 73. — F. Schutt, Ueber die Sporenbildung mariner Peridineen. Berichte d. deutsch, bot. Geselisch. 1887, V, 364. Ceratium fusus (Ehrbg.) Ehrenberg, Inf. 256 (Peridinium fusus). — Claparöde et Lachmann, Inf. et Rhiz. 400 (Norweg. Küste), — Bergh, Morphol, Jahrb. VII, 1881, 208. Ceratium furca Ehrbg. Ehrenberg, Infus. 256. T. 22, F. 21. (Von Kiel als leuchtendes Infusorium erhalten durch Dr. Michaelis am 24. Nov. 1832). — Claparede et Lachmann, Inf. et Rhiz. 399, T, 19, Fig. 5 (Norweg. Küste). Stein, Org. d. Inf. III, 2, 1883. T. 15, Fig. 7-15 (Ost- und Nordsee, Atl. Meer, Mittelmeer, Südsee). Protoceratium aceros r. s. Bergh R, S. Bergh, Cüioflag. 242, T. 14, F. 36. •) Die angeführten Dinoflagellaten habe ich am häufigsten im Spätsommer und Herbst in der Kieler Bucht gefunden. Ueber das massenhafte Erscheinen derselben findet man Näheres in der Schrift von V. Hensen: Ueber die Be- stimmung des Plankton oder des im Meere treibenden Materials au Pflanzen und Thieren. In: Fünft. Bericht d. Kommiss. z. wiss. Unters, d. deutscheu Meere f. d. J. 1882—1886. Berlin 1887, S. 71—78. 112 K. MöWiis. Dinopliysis laeyis ciap Lachm. Claparede et Lachmann, luf. et Rhiz. 409, T. 20, F. 14. — Bergh, Cilioflag. 224, T. 15, F. 55. — Dinopliysis acuta Ehbrg. Ehrenberg, Ablidl. d. Berlin. Ak. a. d. J. 1839. S. 124, 174 (Erklär, d. Abb.) T. 4, F. 14. - Claparede et Lachmann, Inf. et Rhiz. 40ß. — Bergh, Cilioflag. 1881, 218. F. 49—52. ProtoperidiniuiA pellucidum r. s. Bergh R. S. Bergh, Cilioflagell. Morphol. Jahrb. Vn, 1881, 227, T. 15, F. 46—48. Prorocentrum micans Ehrbg. Ehrenberg, Abhdl. d. Berl. Ak. 1833, 307. 1834, 537. T. 2, F. 6. — Dors. Infus. 44, T. 2, Fig. 23. — Claparede et Lachmann, Inf. et Rhiz. 412. T. 20, F. 6—8. — Bergh, Ciliofl. 260, F. 56—59. Peritlinium divergens Ehrbg. Ehreuberg, Monats ber. d. Berlin. Ak. 1840, S. 197. Claparede et Lachmann, Inf. Rhiz 401. Bergh, Cilioflag. 234, T. 15, F. 39—45. Ooniodoma acumiuatum Ehrbg. Ehrenberg, Abhdl. d. Berlin. Ak. 1834, S. 541, 575, T. 2. F. 5. Ders. Infus. 254. T. 22, F. 16. Stein, Inf. ni, 2. 1883. T. 7, F. 1—16. Polykrikos Scliwartzi Bütschli Bütschli, Einiges über Infusorien. Archiv f. mikro.sk. Anat. IX, 1873, T. 16, F. 22. — Von Bütschli in der Kieler Bucht in brakischem Wasser gefunden, sonst bei Arendal. Bruchstücke einer Infusorienfauna der Kieler Bucht. 113 Erklärung der Abbildungen. Tafel IV, Euplotes harpa. 1. Ausgebildetes Individuum von der Rückenseite, ^-^2. 2. Ausgebildetes Individuum von der Bauchseite, ?^". Die Pfeile geben die Richtung an, in welcher sich die Nahrungsballen fortbew^egen. 0. Ein laufendes Individuum von der Seite gesehen. 4. Optischer Querschnitt von Euplotes harpa. 5. Die vier vordersten Pinselwimpern, ^. 6—22. Die Entwicklung eines Knospensprösslings, verfolgt am 18. Febr. 1882 von 11 Uhr Vormittags bis 1 Uhr 50 Minuten Nachmittags, ^ (S. 84.) 23. Bruchseite eines Euplotes harpa, welcher sich zur Querteilung verbreitet. Bei w die erste Anlage der oralen Pektinellen des Hintersprösslings, 5^. 24. Weiter entwickelte orale Pektinellenreihe iv eines Hintersprösslings. Tafel V, Euplotes harpa, 25. Beginn der Furche zur Querteilung eines verlängerten Individuums, iv die orale Pektinellenreihe des Hintersprösslings, 5M. 26. Fast vollendete Querteilung. 27. Fast vollendete Querteilung. Kern, im Zustande direkter Teilung, durch Safranin gefärbt, -^'. 28. Noch weiter fortgeschrittene Querteilung. Die Kernhälften sind nur noch durch einen dünnen Strang verbunden. 29. Die Teilungssprösslinge sind im Begriff, sich zu trennen. 30 — 33. Kerne ausgebildeter Individuen von Euplotes harpa, mit Safranin ge- färbt (S. 83). 34 — 35. Kerne und Nebenkerne, durch Safranin gefärbt. 36 — 40. Kerne encystirter Individuen, welche sich zur Erzeugnng eines Knospen- sprösslings vorbereiten (S. 84). 41—43. Kerne conjugirter Euploten (S. 85). Tafel Tl. 1. Oxytricha rubra von der Bauchseite, ^. Neben der oralen Pektinellen- reihe die undulirende Membran. Aus dem After tritt ein Faden von Spiru- lina versicolor hervor (S. 86). 2. Profilbild von Orytricha rubra. 3. Querteilungszustand von Oxytricha rubra 4. Stichotricha gracilis (S. 87). 5. Stichotricha saginata (S. 87). Aich. f. Naturgescb. Jahrg. 1888. Bd. I. H. 1. 8 ]^j^4 K. Möbius. 6. Stichotricha horrida (S. 87). 7. Dysteria lanceolata, ^, schräg von der rechten Seite (S. 88). 8. Dysteria lanceolata, Querteilung, ^. 9. Schwanzgriffel von Dysteria lanceolata. 10. Chilodon crebricostatus von der Rückenseite (S. 89). 11. Chilodon crebricostatus von der Bauchseite, ^^. 12. Eeuse von Chilodon crebricostatus, ^. Tafel TU. 1. Chilodon crebricostatus, ein Paar jonjugirt. 2. Chilodon cucullulus, Bauchseite, ^ (S. 89). 3. Kern von Chilodon cucullulus. 4. Reusenstäbchen des Chilodon crebricostatus. 5. Reusenstäbchen des Chilodon cucullulus. 6. Propostoma uotatum von der rechten Seite, ^^ (S. 90). 6 ab. Der schwarze Fleck mit den ihn umlagernden Stäbchen, ?^. 7. Porpostoma notatum von der Rückenseite, i^. 7 a. Ein junges Porpostoma notatum. 8. Chaetospira maritima, ^ (S. 92). 9. Chaetospira maritima. Die Hülse mit Fremdkörpern belegt. 10. Chaetospira maritima. Der Pektinellenträger ist abwärts gebogen. 11. Rhabdostyla commensalis, ^ (S. 94). 12. Ein Theilung.spaar von Rhabdostyla commensalis. 13. Vorticella striata, ^^ (S. 95). 14—15. Chothurnia maritima, ^^ (S.98). 16 — 19. Verschiedene Kernformeu von Cothurnia maritima. Tafel Yni. 1 — 14. Zoothamnium Cienkowskii (S. 95—98). 1. Profil einer Glasplatte, an welcher grosse Bäumchen sitzen, i. 2. Ein Stöckchen, ^^. a, b, c, d Zooide. e) Muskelhaltiger Stammteil. f) Unterster muskelloser Stammteil. g) Fuss des Stammes, oberhalb desselben eine Anschwellung. 3. Querscheiben eines Muskelstranges, mit Safranin behandelt (S. 96). 4 — 6. Zooide, welche sich zur Ablösung vorbereiten. 4. Anfang des Flininiergürtels in einer vorher entstandenen tiefen Furche. 5. Die Flimmern sind grösser geworden. 6. Die Furche ist geschwunden; die Basis des Flimmergürtels liegt frei; der Stielmuskel hat sich von dem Zooid abgelöst und zurückgezogen. 7. Freies abgerundetes Ende eines Stieles, welchen das Zooid verlassen hat. 8. Mutterzooid eines Stöckchens mit dem Anfange des Stammniuskels. 9. Mutterzooid eines Stöckchens mit weiter abwärts gewachsenem Stammmuskel. 10. Erste Stufe der Stockbildung: Das Stämmchen (l) trägt das erste Paar Teilungssprösslinge (V2 + 72)- 11—14. Stöckchen mit weiteren Teilungssprösslingen. 11. Die Teilung geht bis zur dritten Generation (V4 + \U)- Bruchstücke einer Infnsorienfauna der Kieler Bucht. 115 12, 13. Die Teilung geht bis zur vierten Generation (Vg + Vg). 13a. Fussplatte eines Stämmchens, dessen Muskel bis zur Ansatzfläche hinabreicht. 14. Die Teilung ist bis zur fünften Generation fortgeschritten ('/je + Vie)- 15—17. Metacystis truncata (S. 100). 15. Vorn der trichterförmige Schlund. 16. Querteilungszustand. 17. Die Wimpergürtel des Körpers und die zwei Kreise der oralen Wimpern. 18. Lacrymaria lagenula, ^ (S. 101). Der Körper hat sich verkürzt, der Mund- kegel ist eingesenkt. In der Mitte ein gebogener Nukleus, hinten eine kontraktile Vakuole. Aus dem After treten Fäces. 19. Vorderteil von Lacrymaria lagenula. Der Mundkegel ist vorgeschoben Seine Wimpern stehen in schrägen Reihen. Tafel IX. 1. Urceolus ovatus, 220^ schwimmend (S. 107). 2. Urceolus ovatus, sich mittelst des Trichters ansaugend. 3. Urceolus ovatus, angesogen, ruhend. 4 — 8. Anisonema raulticostatum (S. 108). 4. Anisonema multicostatum, von der Bauchseite, cv Kontraktile Vakuole. N Nukleus. 5. Mund M und Schlundrohr S, stark vergrössert. 6. Optischer Querschnitt zur Veranschaulichung der Riefen. 7. Längsteilungszustand. 8. Profilansicht. 9—12. Hoplitophrya fastigata (S. 104). 9. Abgerissenes Vorderstück einer Hoplitophrya fastigata, ~5 Der Kern und die Rute ragen nach hinten frei heraus. 10. Eine ausgebildete Hoplitophi-ya fastigata, 2|o. Im Ektoplasma viele kon- traktile Vakuolen. Im Innern der lange gebogene Nukleus und die Streckrute. 11. Teiluugszustand einer sehr langen Hoplitophrya fastigata, ifs. Ein kleiner Teilsprössling am Hinterende ist der Ablösung nahe. 12. Umriss des Querschnittes einer Hoplitophrya fastigata. 13. Podophrya limbata, ~, mit feinkörniger Masse bedeckt (S. 109). 14. Podophrya limbata, ^, mit Kern und kontraktiler Vakuole, welche bei kv in verschiedenen Grössen dargestellt ist. Mehrere Saugröhren sind spiral gevmnden. 15. Acineta crenata, ^, mit Kern, kontraktiler Vakuole, Plasmaballen und zartgeringelten Saugröhren (S. 110). 16. Acineta contorta, ^ (S. 110). 17. Acineta contorta (gez. v. Herrn Fraipont 1880). Tafel X. 1 — 6. Prorodon marinus (S. 98). 1. Prorodon marinus, ^, gestreckt, schwimmend. Vorn Mund und Schlund, rechts der Nukleus, hinten die kontraktile Vakuole. 2. Prorodon marinus eiförmig verkürzt. Der Schlund hat Längsfalten. 3. Zwei Teilsprösslinge in einer Cyste, ?p. 8* 116 K. Möbius : Bruchstücke einer Infusorienfaima der Kieler Bucht. 4. Streifiges Ektosark von Prorodon marinus, ^. 5. Krystallkörperchen im Ektoplasma, ®J°. 6. Nukleus mit Nukleolus. 7. Pleuronenia marinum von der rechten Seite, ^ (S. 101). Bauchwärts von dem Munde eine sackförmige Membran, deren Querschnitt 7 a darstellt. 8. Pleuronema marinum von der linken Seite. 9-11. Cyclidium citrullus (S. 102). 9. Cyclidium citrullus, ^, von der rechten Seite. Vorn der Nukleus, hinten die konti'aktile Vakuole; zwischen beiden Nahrungsballen. 10. Cyclidium citrullus von hinten gesehen, '^. 11. Cyclidium citrullus sich quer teilend, ^. 12 — 20. Uronema marinum (S. 102). 12. Uronema marinum von der linken Seite, ^. In der Mitte der Nukleus, vorn und hinten eine Vakuole. 13. Uronema marinum, von hinten gesehen. 14. Protilansicht. 15. Querteilungsstadium. 16 — 20. Querteilungsstadien, beobachtet und gezeichnet von 10" bis IP Vor- mittags. 21—23. Trichonema gracile, ^, in verschiedenen Bewegungszuständen (S. 105). 24. Salpingoeca procera, ^, mit spiral zurückgezogener Geissei (S. lOß). 25. Salpingoeca procera mit entfaltetem Kragen und gestreckter Geissei, ^^. 26. Desmarella moniliformis, «|^ (S. 106). 27. Codosiga pyriforniis, ^p, von der Seite (S. 106). 28. Codosiga pyriformis, 4|5, von unten gesehen. 29. Monosiga sinuosa (S. 106). 30. Diplomastix dahlii in verschiedenen Bewegungszuständen (S. 109). Bericlitigung der Syiionymie von Otaria Philippü Peters, welche Herr Burmeister in der Description pliysique de la Republique Argentine gegeben hat. Von Dr. R. A. PMlippl. Jrlerr Burmeister hat in der ,,Deuxieme Serie Mammiferes" des genannten Werkes an zwei Stellen der Utaria Philippü Peters Synonyme gegeben, welche dieser Art keineswegs zukommen. Seite 61 giebt er dieser Robbe ohne? als Synonym die Otaria ursina Gay (Historia fisica i politica de Chile Zoologia I, p. 78). Er hat sich offenbar nicht die Mühe gegeben, diesen Artikel zu lesen, sonst würde er gefunden haben: 1. Dass die Worte ,,vellere pilis erectis^^ und ferner: ,, Körper 4 bis 6 Fuss lang" u. s. w. auf Otaria Philippü wie die Faust aufs Auge passen. 2. Dass die Beschreibung die der arktischen Bärenrobbe, und nicht die irgend einer chilenischen Art ist, wie sie auch als Otaria ursina Desm. bezeichnet ist. 3. Dass Gay ausdrücklich sagt: ,, obgleich mehrere Schriftsteller sagen, dass sie (die Otaria ursina) sich in der Magellansstrasse und in verschiedenen benachbarten Gegenden findet, so glauben wir dennoch, dass sie dieselbe mit irgend einer anderen Art verwechselt haben, denn die Phoca ursina gehört den arktischen Meeren an." Man fragt sich erstaunt, wie es möglich ist, von einer Otaria ursina Gay zu sprechen, und diese ohne alles Bedenken als Synonym von 0. Philippü zu geben. Seite 64 sagt Herr Burmeister wörtlich Folgendes: ,,Ich zog nun Gays Fauna chilensis zu Rathe, und fand, dass derselbe die Species von Juan Fernandez zu Otaria ursina bringt" .... (folgert dies Burmeister vielleicht aus den aufrecht stehenden Haaren des Pelzes und der geringen Grösse, ist für ihn vielleicht Juan Fer- nandez eine der Magellansstrasse ,, benachbarte Gegend"? oder woher sonst?) .... und dass ,, mithin Otaria Philippü nicht mit Otaria falklandica vereint werdgn kann". Dies thut Burraeister aber auf derselben Seite, ohne es zu merken. 118 Dr. R. A. Philipp! : Berichtig, d. Syuonymie v. Otaria Philippii Peters. Er konnte es nämlich gar nicht begreifen, dass die 0. Philippii nicht schon längst vorher beschrieben gewesen sei, ehe Peters sie unter obigem Namen beschrieb, und fand denn auch, es sei die PJwca a>/.? Vena cava superior dextra et smistra. c. i. : Vena cava inferior. cor. : Vena corouaria. Die geographische Yerbreitung der Neuroptera und Pseudoneuroptera der Antillen, nebst einer Übersicht über die von Herrn Coiisui Krug auf Portoriko gesammelten Arten. Von H. J. Kolbe. Hierzu Tafel Xin. L ihrer Lage gemäss sind die Thiere der Antillen theils mit denen Südamerikas, theils mit denen Nordamerikas verwandt. Es ist aber anscheinend ein geologisches Problem, dass erstens trotz der Nähe des nordamerikanischen Festlands viele südamerikanische Formen (z. B. grosse Libellen: Gynacantha und Aphylla) nordwärts nicht über Cuba hinaus verbreitet sind; — und zweitens, dass eine nähere Verwandtschaft zwischen der Fauna der Antillen und derjenigen Südamerikas, als zwischen jener und der centralamerikanischen Fauna besteht. Die Odonaten oder Libelluliden sind durch Hagen, Mac Lachlan und de Selys Longchamps ausgezeichnet bearbeitet, so dass die Kenntniss der Gattungen und Arten dieser merkwürdigen Insekten einen hohen Grad von Vollkommenheit erreicht hat, zumal diese auch viel gesammelt wurden und werden. Die Zahl der die Antillen bewohnenden Odonotenarten ist für eine Inselfauna eine verhältnissmässig grosse, da ja Inselfaunen gewöhnlich ärmer sind, als Festlandsfaunen von demselben Umfange des Areals. Dies ist bei Grossbritannien, bei Kreta und Neu-See- land der Fall. Die Erklärung dieser Thatsache, dass auf dem zusammenhängenden Festlande ein Austausch oder eine leichtere Ausbreitung der Arten die einzelnen Faunengebiete verdichten, während die Inseln bezüglich der meisten Thiere darin im Nachteil sind und artenärmer bleiben, ist einleuchtend. In der That zeigt denn ein näherer Einblick in die Odonatenfauua der Antillen auch, dass von den sechs über alle Erdtheile und speziell über Amerika verbreiteten Familien nur vier hier vertreten sind; darin giebt sich Arch. f. Naturgescli. Jahrg. 1888. Bd. I. H. 2. 10** J54 H. .T. Kolbe: Die geographische Verbreitung allerdings der insulare Charakter der Antillenfauna recht deutlich kund. Es fehlen die Corduliidae und Calopterygidae in der Fauna der Antillen (Tafel 13, Karte VII). Hagen führt zwar in der Abhandlung „The Odonat-fauna of the Island of Cuba" in den Proceed. Boston Sog. Nat. Hist., Vol. XI, 1867, S. 291 unter der Rubrik ,,Cordulina" Tetragoneuria balteata Hg., eine anscheinend unbeschriebene Art, auf, welche aber weder in de Selys-Longchamps' „Synopsis des Cordulines" 1871 und in den Nachträgen dazu (1874, 1878), noch selbst in Hagen's „Sy- nopsis of the Odonata of America" 1875 sich wiederfindet. Bei der Betrachtung der Antillenfauna unterscheidet man (aber Aäelleicht nicht mit Recht) die grossen von den kleinen Antillen; es enthalten nämlich die kleinen Antillen (auch aus anderen Tliier- gruppen) z. Th. vereinzelte, den grossen Antillen fehlende süd- amerikanische Formen. — Von Cordnliiden sind aus Nord- und Centralamerika zusammen 8 Genera und 30 Spezies, aus Südamerika 4 Genera und 11 Spezies bekannt. Eine Gattung, Somatochlora, ist Nord- und Südamerika gemeinschaftlich. Die Calopterygiden sind in Nord- und Centralamerika in 3 Gattungen mit 21 Arten, in Südamerika in 8 Gattungen mit 67 Arten vertreten. Da die meisten Arten dieser beiden Familien den intertropicalen Gürtel Amerikas bewohnen, so ist ihr Fehlen auf den Antillen auf- fallend. Nur von einer der südlichen Antillen (Martinique) ist die über Brasihen, Surinam, Venezuela, Columbien und Mexico ver- breitete Hdaerina crueniata Ramb. de Selys (No. 1, S. 40) angegeben; indess scheint das Vorkommen auf den Antillen nach de Selys- Longchamps (No. 13, S. 196 und No. 2, S. 129—130) zweifelhaft zu sein. Wenn Angehörige der Corduliiden und Calopt&rygiden den Antillen, zumal den grossen Antillen, wirklich fehlen, so ist der Schluss berechtigt, dass diese Familien zu der Zeit noch nicht so weit verbreitet waren, als die vier anderen Odonatenfamilien, die Libelluliden, Gomphiden, Aeschniden und Agrioniden bereits domi- nirten. Die genüge Zahl von 11 Spezies der Corduliiden in Süd- amerika gegenüber den 38 Arten in Nordamerika (einschliesslich Centraiamerika) verträgt sich mit dem Anschluss der Antillen in Südamerika. Von den nordamerikanischen Gattungen der Calopterygiden und Corduliiden sind Calopteryx, sowie Macromia, Ejjophthalmia und Covdnlia in Amerika rein nearktisch; sie gehören aber zugleich dem Verbände der Osthemisphäre an. Hingegen sind die südameri- kanischen Gattungen Thore, Cora (auch 1 Spezies in Mexiko), Lais, Heliocharis, Dicterias, Amphipteryx und Chcdcopteryx, sowie Neocor- dalia, Gomphomacroinia und Aeschnosoma auf die neotropische Region beschränkt. Von den Corduliiden ist nur Somatoc/dora der Ost- hemisphäre und zugleich Nord- und Südamerika gemeinsam. Nord- der Neuroptera und Pseudoneuroptera der Antillen. 155 amerika eigenthümlich sind die Corduliiden Didymops^ Nenrocordnlia, Tetragoneura und Epicordulia. Dass Nordamerika sich an die Ost- hemisphäre anschliesst, während Südamerika mehr für sich besteht, zeigen auch andere Thierklassen. So fehlen in Südamerika von Säuge- thieren die Insectivora, die in Nordamerika gut repräsentirt sind. Indess hat Südamerika Beziehungen zu südlichen und tropischen Ländern der Osthemisphäre. Die genannte Gattung Amphipteryx (Calopt.) hat de Sely s-Longchamps in 3 gleichwerthige Unter- gattungen mit je einer Art aufgelöst, von denen Tetraneara Malacca, Amphipteryx s. str. Columbien und Dipldehia Neuholland bewohnt. HidiochariH und Dicterias sind Südamerika ganz eigenthümlich, ge- hören aber zu der Abtheilung (Legion) Euphaca, die grösstentheils der orientalischen Region und nur in zwei Arten der südlichen paläarktischen Region (Epallage) angehören. Nesocordulia Mada- gaskars ist nach de Selys-Longchamps in seinen Charakteren fast identisch mit Neocordalla Brasiliens. Es scheint, dass die Be- ziehungen der Antillen zu Madagaskar, welche Wallace auf Grund der Centetiden ihnen unterschob, Dobson aber auf geologischer Grundlage verwarf, nicht existieren. Denn Anklänge Südamerikas an südliche Gegenden der Osthemisphäre reichen meistens nicht bis zu den Antillen und bis Nordamerika, während sehr viele Gattungen Südamerikas (oft einschliesslich Centralamerikas) sonst nirgends als nur noch auf den Antillen vorkommen. Die Gattung Fletnerina, diejenige, welche unter den Calopterygiden Amerikas dominirt, ist in 36 Arten von Massachusetts bis Paraguay verbreitet. 7vö/.s\ als Untergattung von Hetaerina, kommt mit 14 Arten noch hinzu. Diese grosse Gattung ist wegen des fehlenden oder nur schwach ausgebildeten Pterostigma zunächst mit der auch Nord- amerika bewohnenden Gattung Calopteryx verwandt und steht den übrigen an Zahl geringeren Calopterygiden Südamerikas gegenüber, welche ihre Verwandten mit wenigen Ausnahmen in den Tropen und auf der Südhälfte der Osthemisphäre haben; so dass die grosse Mehrzahl der Calopterygiden Südamerikas, gleichAvie die der Cordu- liiden auf die Nordhemisphäre hinweist. Die Fauna der Antillen nimmt jedoch aus irgend einem Grunde keinen Theil an den zoogeographischen Beziehungen dieser beiden Odonatenfamilien . Unter den Agrioniden giebt es eine eigenthümliche kleine Gruppe, nämlich die Pscudostig mattna, welche die längsten Formen der Odonaten übei-haupt enthält, obgleich die Familie, zu der sie ge- hören, sonst die kleinsten Odonaten aufweist (Agrion). Arten dieser Gruppe scheinen auf den Antillen nicht vorzukommen, obgleich ihre Verbreitung von Südbrasilien bis Veracruz in jMexiko (Megaloprep>is) reicht (Tafel 13, Karte VII); sie sind von den übrigen Agrioniden durch das unausgebildete Pterostigma aller Flügel ausgezeichnet. Auch die Agrionideugruppe Podagrionina^ welche von Buenos- Ayres bis Mexiko vorkonnnt, ist auf den Antillen nicht constatirt (Karte VII). Es liegt der beachtenswerthe Fall vor, dass aUe diejenigen 15G H. J. Kolbe: Die geographische Verbreitung Odonaten den Antillen fremd sind, bei denen das Pterostigma nicht ausgebildet ist oder fehlt; das sind die eben genannten Pseudo- stigniatinen und mehrere Gattungen der Calopterygiden {Calopteryx, Neurohasis, I'liaon, Veatalis und Iletaerina). Diese Eigenthümlichkeit scheint anzudeuten, dass die niedrigst organisirten Typen der Odo- naten den Antillen fremd sind. Die Abwesenheit auf niedrigster Stufe stehender Gattungen wird auch durch das Fehlen von Argia angezeigt. De Selys-L ongchamps führt bereits 1865 von dieser Gattung 40 amerikanische Arten auf, von denen 27 in Südamerika und 19 im wärmeren und temperirten Nordamerika leben; keine Art ist auf den Antillen bemerkt. Nun sind bei Argia, welche zu der Gruppe der Agrionina gehören, die Beine mit langen Cilien versehen, wie bei Padagiion, Plafi/cnemis und Froioneura. Diese 3 Gattungen besitzen aber (Fig. VIII 1 und 2) nebst den Pseudostigmaten eine regelmässig geformte Areola quadrilateralis im Vorderflügel, die bei Agrion (Fig. VIII 3) und Lestes sehr unregelmässig bis fast drei- eckig ist. Die regelmässige Form dieser Areola fasse ich als die niedere Stufe der Areolenform auf, weil sie sich von den übrigen Areolen des Adernetzes nicht differenzirt hat; während die unregel- mässige Form der Areola den Charakter neuerer Bildung an sich trägt. Die sich von den übrigen Flügelfeldchen merklich abhebende unregelmässige Areola ist w^ohl nur der Verschiedenheit wegen von den Morphologen besonders benannt worden. Da bei den wegen der regelmässigen Form der genannten Areola als auf tieferer Stufe stehend zu betrachtenden Gattungen Protoneura etc. auch die langen Cilien an den Beinen vorherrschen, so neigt Argia auch wegen dieser langen Cilien zu den niederen Formen hin. Das Fehlen von Argia auf den Antillen congruirt daher mit dem Fehlen der gleichfalls niederen Typen der Pseudostigmatina, Podagrionina und Calopterygidae. Was nun von Agrioniden auf den Antillen vorkommt, sind 3 Gattungen mit 4 Arten der Gruppe Protoneurina, G Gattungen mit 12 Arten der Agrionina und 1 Gattung mit 3 Arten der Lestina. Die Protoneurina sind nur dem tropischen Amerika nebst den Antillen eigen. Sclater (No. 3, S. 52) sagt von der Vertebraten-Fauna der Antillen, dass sie Überreste einer alten und primitiven Fauna ent- halte {Solenodon, Duduf^ und StarHoena;<). Das einzige endemische Genus oder Subgenus der Odonaten, Microneura mit 1 Spezies auf Cubn., gehört als nahe Verwandte von Protoneura nach obiger An- führung zu den niedrigst organisirten Formen der Odonaten. Eine Bevorzugung vor den übrigen Abtheilungen der Ordnung verdienen in der Zoogeographie die Agrioniden, weil sie neben den Calopterygiden die niedrigsten Stufen der Odonaten repräsentiren. Das ist daraus zu schliessen, dass die Fazettenaugen auf der Stirn noch weit getrennt, die Vorder- und Hinterflügel von einander nicht verschieden sind und die Tracheenkiemen der Larven sich an der Aussenseite des Körpers befinden. Die getrennten Augen haben die der Neuroptera uud Pseiuloueuroptera der Antillen. 157 Agrioniden nur mit den Calopterygiden und Gompliiden gemein; in der Gleichheit der Nervatur der Vorder- und Hinterfiügel nähern sich ihnen nur die Calopterygiden; und äussere Tracheenkieraen finden sich ausserdem gleichfalls nur noch bei den Larven dieser Familie. Es ist schon im Anfange dieser Abhandlung darauf hingeAviesen, dass die Fauna der Antillen zahlreiche südamerikanische Elemente enthält. Das ist angesichts des Klimas und der geographischen Lage nicht auffallend. Aber dass diese Elemente (unter den Odo- naten Neonetira, Protonenra, Ceratnra, Leptohasis, Gynacantha, Aphylla etc. Karte 11, IV) bis Cuba einschliesslich verbreitet sind, während sie dem verhältnissmässig sehr nahen Continente Nordamerika fehlen, spricht dafür, dass die Trennung zwischen den Antillen und Nord- amerika, wenn ein Zusammenhang überhaupt bestand, älter ist als zwischen ihnen und Südamerika. Das Vorkommen nordamerikanischer Gattungen auf den Antillen (z. B. Enallagma) kann dahin gedeutet werden, dass vor der Verbindung mit Südamerika ein Zusammen- hang mit Nordamerika bestanden hat. Es ist deshalb beachteuswerth, dass Enallagma zu der niedrigsten Stufe der Odonaten, den Agrio- niden, gehört. Von dieser für die nördliche gemässigte und kältere Zone charakteristischen Artengruppe leben auf den Antillen 5, in Nordamerika 13, in Mexiko 4 und in der Kordillere von Merida und Bogota 1 Spezies, welche eine Lokalform der nord- und central- amerikanischen Enallagma civile Hg. ist und streng genommen nicht der neotropischen Region angehört, sondern gleich anderen Thier- formen ein alpiner Ausläufer der nearktischen Region ist (Tafel 13, Karte 1). Wallace rechnet zu dieser Region bereits die von Norden her in Mexiko hineinragende Kordillerenfauna (Verbr. d. Th. S. 08), Es scheint, dass manche Insekten sich von Nordamerika die Kor- dilleren entlang sich bis Süden, sogar bis Chile verbreitet haben {Colias, Carabidae, Meloe). Die mexikanischen Arten von Enallagma bewohnen das hoch- gelegene Land oder sind im nördlichen Mexiko einheimisch; 2 von ihnen leben auch in Nordamerika, 1 auf den Antillen und 1 ist endemisch. Aehnlich findet sich das nordamerikanische yl/«o?>hippi(/er in grosser Anzahl auf dem Meere an der West- küste Afrikas fern vom Continent beobachtet wurde. Und dass nicht nur Lihelhdn qiiadriinavulala in grossen Schwärmen wandert, be- weist die Mittlieilung von Mundt (No. 5) über eine enorme Wan- derung der Aeschna hcros F. im Staate Illinois am 13. August 1881, die einen südAvestlichen Curs nahm. Die Annahme der Verbreitung durch Wanderungen über das Meer von Florida nach Cuba findet auf En• brevis AV^alk. . Eutermes iiiorio Latr. . . » debilis Heer . . rippertii Ramb. . » lividus Burni. » tenuis Hg. » Simplex .... 2. Embiidae. * üligütonia cubana Hg. . . 3. Psooidae. Psocus veiiosus Burm. . . "^ » mobilis Hg IV. Neiiroptera. 1. Sialidae. * Sialis bifasciata Hü' 2. Megaloptera. 1. H eme r 0 b i i d a e. * Micromns cubanus Hg. . . . Chi'ysopa cubana Hg. » conformis Wlk. . * » krugii Kolbe . . * » transversa Wlk. * •• collaris Schneid. * » thoracica Wlk. . » externa Hg. . . * Protochrysopa insularis Wlk. 2. Ascalaphidae. Ulula hyalina Latr. . . . * » avnnculus Hg. limbata Burm . , microcephala Eamb. Cuba. Porto- riko. Nord- amerika Central- Süd- amerika, amerika. — I 1 der Neiu'optera und Pseudoueuroptera der Antillen. 167 Arten der A n t i 1 1 p ii. Cuba. Porto- riko. Nord- amerika. Central- amerika. Süd- amerika. *Ulula ampla M'Laclil * » macleayana Guild » quadripunctata Burm * Haplogleuius microcerus Ramb. . . . Cordulecerus villosus Palis. de Beauv. . 3. Myrmeleontidae. Acauthaclisis fallax Earab *MyrmeIeon insertus Hg * » leachii Guild * » bistictus Hg * » indiges Wlk V. Triclioptera. 1. Sericostomatidae. * Helicopsyche minima Bremi * » umbouata Hg *Notidobia lutea Hg 2. Leptoceridae. * Auisocentropus aeneus Hg Setodes Candida Hg 3. Hydropsychidae. * Curgia braconoides Wlk * Macronema chalybeum Hg 4. Rhyacophilidae. * Chimarrlia pulchra Hg * » albomaculata Kolbe .... 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 Die mit * versehenen Arten .sind nur auf den Antillen gefunden. Von Herrn Consul Krug auf Portoriko gesammelte Pseudo- Neuropteren und Neuropteren (in der zoologischen Sammlung des Museums für Naturkunde zu Berlin befindlich). 1. Pantala ßavescens F. 2. Tramea abdominalis Ramb. 3. JAhella mnhrata L. Zu den von Hagen (Stettiner Entom. Zeitung 1868 S. 274—279) beschriebenen Varitäten dieser im ganzen wärmeren Süd-Amerika, Central-Amerika und auf den Antillen gemeinen Art kommt hier eine weitere von Portoriko hinzu, welche in einem weiblichen Stücke vorliegt. Das Pterostigma dieser Varietät ist in der Aussenhälfte gelbweiss, in der inneren Hälfte braun. Gewöhnlich ist es ganz braun oder ganz gelb. Hagen erwähnt ein Stück, bei dem die IßS H. J. Külbe: Die geographische Verbreitung Spitze des braunen Pterostigma gelb, und ein anderes Stück von Cuba, bei dem das schwarzbraune Pterostigma im äusseren Drittel gelbbraun ist. 4. Orfheniis discolor Bunn. 5. Lepfhemis vesiculosa F. 6. Dythemis riifinenns Burm. 7. Dythemis dicrota Hg. 8. Macrothemis celeno Selys. 9. Diplax ombtisfa Hg. 10. Diptax portoricana n. ?. Diese Art halte ich für unbeschrieben. Sie liegt in einem weibliclien Stücke vor. Dasselbe ist klein, zart gebaut, noch kleiner als die vorige Art, deutUch verschieden von der noch kleineren D. mmiiscvla, welche nach Rambur (Neuropt. S. 115, 118 part.) Hagen in seiner Synopsis der Neuroptera Nord- Amerikas (S. 183) beschreibt. Der Körper ist gelb, etwas fuchsfarbig, die Augen röthlichgelb, das Gesicht etwas heller; der Rücken des Thorax beiderseits mit einem dunklen Längsstrich versehen. Die Nähte des Abdomens sind dunkel, 1. und 2. Segment an den Seiten mit einer braunen Längs- linie, 3. bis 5. seitlich von dem Hinterrande mit einer mehr oder Aveniger dreieckigen Makel, G. und 7. mit einer schwachen dunklen Längslinie an den §eiten versehen. Die Appendices sind gelbbraun. Die Basis der glashellen Flügel ist sehr schwach, die der vorderen Flügel kaum gelblich. Das Pterostigma ist gelb. Die Beine sind braun, die Schienen dunkler, die Analklappe steht etwas vor und ist abgerundet. Antecubitalnerven sind, im Vorderflügel 9 bis 10, im Hinterflügel (i, Postcubitalnerven in jenen 6, in diesen 6 bis 7. Die Länge des Körpers beträgt 24 ^4 mm, die Flügelspannung 43 mm. 11. Perilhemh domiiia Drury. 12. Gynaccmtha trifida Ramb. 13. Gynaccuii'ha nervosa Ramb. Er. Es liegt ein weibliches Exemplar von dieser Art vor. Nach der Form der Stirn, der Bildung des 7-Zeichens auf derselben und der Färbung der Beine gehört dasselbe zu der Art, welche Erichs on als nervosa Ram. aus Guyana beschrieben hat und welches sich in einem c^-Stücke im hiesigen Museum befindet. Auch passt die Be- schreibung, welche Rambur von dem $ entwhft, genau auf das vorliegende $ aus Porto riko. Ebenso stimmt die Rambur'sche An- gabe, dass die Appendices superiores des $ in der basalen Hälfte sehr schmal seien, auf das von Erichs on charakterisirte Exemplar. Bei der nahe verwandten rohusia Er. sind die Appendices länger und in der Basalhälfte breiter. Betrefts des Stirnflecks schreibt Rambur 1. c. : ,, front ayant ä la partie superieure une tache peu marquee, un peu en forme de 7, dont le sommet est elargi." Dieser Fleck hat bei der Erichson'schen nervosa deutlich die Form eines T\ aber bei robusta ist der Stirnfleck verwaschen, und die der Neuroptcra und Pseudoiieixroptera der Antillen. 169 Formeines T nicht zu erkennen. Rambur giebt bei nervosa ferner an, dass das Abdomen hinter der Basis etwas eingeschnürt sei; das passt auch auf Erichson's nervosa. Bei robust a ist das Abdomen an der Basis nicht eingeschnürt. Es ist wohl kein Zweifel, dass die Erichson'sche nervosa mit der Rambur'schen nervosa identisch ist; und in dem Falle ist auch das vorliegende Weibchen von Portoriko zu derselben Art zu stellen. Ausser den angeführten Unterschieden sind noch folgende an- zumerken. Bei nervosa springt die Stirn weniger spitz vor als bei rohusta. Die bei dem ? an der Unterseite zwischen dem 2. und 3. Segment liegende hintere Klappe des Copulationsorgans ist bei nervosa glatt, bei rohusta mit einem mittleren Längskiel versehen. Es finden sich noch einige relative Unterschiede in der Form der äusseren Copulationsorgane am 2. Segmente. Die Schenkel der Vorder- beine sind bei rohusta dunkelbraun, bei nervosa, wie die übrigen Beine, hellbraun. Gynacantlia rohusta Er. und gracilis Burm., welche beide von Hagen 1875 in der Synopsis of tlie Odonata of America S. 41 mit nervosa zu einer einzigen Art vereinigt sind, dürften von dieser Art und von einander verschieden sein. Wahrscheinlich hat Hagen diese Arten nicht vor sich gehabt. In der hiesigen Königlichen Sammlung befinden sich alle drei Arten und jede in beiden Geschlechtern. Gjjnacantha gracilis Burm. weicht von nervosa noch mehr ab als rohusta. Es befinden sich 1 ^ und 2 $$ in der hiesigen König- lichen Sammlung. Das 1. und 2. Segment sind in beiden Ge- schlechtern stark aufgeblasen, das 3. Segment ist beim S seitlich sehr compress, auch beim $ eingeschnürt, aber schwächer als beim S. Die von Burmeister im Handbuch der Entomologie IL S. 837 an- gegebene Färbung des Abdomens passt genau auf unsere Stücke. Die Segmente des Abdomens sind in der vorderen Hälfte hell, in der hinteren schwarzbraun. Die Appendices superiores des «^ sind, wie auch Burmeister angiebt, dolchförmig zugespitzt ; der schmale Basaltheil viel kürzer als der verbreiterte. Die Exemplare der Königlichen Sammlung sind aus Rio und Surinam. Die drei Arten sind in Folgendem unterschieden: a) (jijnacantlui nervosa Ramb. Mus. Berol. (Fig. X. 1.) Appen- dices anales superiores des S in der basalen Hälfte sehr schmal, fast parallelseitig, dann fast plötzlich verbreitert; der verbreiterte Theil an der Aussenseite gegen die Spitze hin krummlinig. Appendix analis inferior des c^ fast 4 mal länger als an der Basis breit, gegen die Spitze sehr verjüngt, am Ende abgestutzt. Hintere Klappe des Copulationsorgans des 3 zwischen dem 2. und 3. Segment) glatt, convex. 3. Segment des Abdomens beim c^ und $ nicht eingeschnürt. • Färbung des Abdomens cinfiich braun an getrockneten Stücken. Postscutellum des Metanotum mit geraden Seiten. 170 H. J. Külbe: Zur geographischen Verbreitung Länge des Körpers ^ 72 — 78, $ 70 mm; Hügelspannung a. Auch aus der Provinz St. Chatharina in Südbrasilien befindet sich in der Königlichen Sammlung eine zu Protochrysopu gehörige Spezies, welche Fruhstorfer gesammelt hat. 2. Asealaphidae. 1. Ulida hyalina Latr. Von Latreille in Humbold's Recueil II. S. 118, T. XL., F. 7 als Ascalap/ms hijuliniis beschrieben. Die Art bewohnt die südlichen Vereinigten Staaten Nordamerikas, Mexiko und Westindien. 3. Myrmeleontidae. 1 . A canthacb'sis fallax Ramb. Bis Brasilien verbreitet. 2. Myrrneleon inserfus Hg. Auf die Antillen (Cuba, St. Domingo, Port au Prince und Portoriko) beschränkt. B. Sialidae. Keine Spezies. YI. Pauorpatae. Keine Spezies. YII. Ti'iclioptera. 1. Set ödes Candida Hg. (Neur. North Americ. S. 280.) Das einzige trockne Exemplar scheint von nordamerikanischen, in der Königlichen Sammlung befindlichen Stücken der Art nicht verschieden zu sein. Der Körper ist gelblich, die Behaarung schnee- weiss; auch die Flügel sind weiss behaart. Die Behaarung des Pterostigma ist dichter, einzelne zerstreute Haare stehen wirr durch- einander. Sehr vereinzelte Borsten finden sich überall auf den Flügeln. Die Apicaladern sind mit einigen braunen Flecken versehen. der Neuroptera nud Pseudoueuroptera der Antillen. 175 Die Art kommt in Nordamerika in Florida, Georgien, Carolina, Pennsylvanien und Ohio vor und ist durch Herrn Consul Krug zum ersten Male auf den Antillen nachgewiesen. 2. Chimarrha alhomandata sp. n. Diese noch unbeschriebene Art scheint der auf Cuba lebenden Ch. pvlchra Hg. (Neur. North Am. S. 298) ähnlich zu sein. Sie ist aber sicher verschieden, weil nach Hagen die cubanische Art braun- schwarze Antennen, Palpen und Beine, deren hintere Schenkel gelb sind, besitzt. Auch durch den breiten goldfarbigen Längsstreifen der Vordertlügel weicht sie von der neuen Art ab, welche folgender- massen characterisirt ist. Die Thoraxsegmente, Beine, Kopf, Mundtheile und Antennen sind scherbengelb ; Kopf und Rückenseite der Thoraxsegmente gold- gelb behaart. Abdomen gelblichbraun. Flügel rauchbraun, die vorderen mit je 7 silberweissen Flecken, von denen 4 in der Basal- hälfte befindliche längsgerichtet, die 3 übrigen, die Mitte und die Spitze des Flügels einnehmenden rundlich und quer gestellt sind. Die quere discoidale Makel erscheint bei einem Exemplar auf dem linken Flügel aus 2 runden Flecken zusammengesetzt. Die bezeich- neten Flecken sind aus silberweissen Härchen gebildet; die übrige Behaarung der Flügel ist dunkelbraun, aber die Fransen rings um den Apicaltheil aller vier Flügel weisslich, am Hinterrande wieder gänzlich dunkelbraun. Geschlechtsunterschiede sind an den beiden getrockneten Stücken nicht zu erkennen. Länge des einen Stückes vom Kopfe bis zur Flügelspitze TVs) Flügelspannung des anderen Stückes liV2 ^^'^• Litteratur. No. 1. de Selys Longchamps, Ed., Synopsis des Calopterygines in: Bulletin de l'Acad. d. Sc. de Bruxelles, 1853; mit 4 Nachträgen: 1859, 1869, 1873 und 1879 ebenda. No. 2. Derselbe, Monographie des Calopterygines. Bruxelles 18ö4. No. 3. Sclater, P. L., Ueber den gegenwärtigen Stand unserer Kenntniss der geographischen Zoologie. Deutsch von A. B. Meyer, Er- langen 1876. No. 4. Mathew, C, F., [Ueber das Vorkommen von Anax ephippiger] in: Entom. Monthl. Mag. Vol. 18. 1882. S. 2.58. No. 5. Mundt, A. H., [Migration von Aeschna herosF.] in: Canadian Entomol. 14. Bd. 1882. S. 56— .57. No. 6. Seitz, Adalbert, Thierlebeninder Wüste; in: Gaea, 1888. S. 513— 520. No. 7. Hörn und Schwarz, (Kurze Bemerkungen zur faunistischen Zuge- hörigkeit von Florida). Eutomologica Americ. Vol. IV. 1888. S. 40. 176 H. J. Kolbe: Die geogTaphische Verbreitung No. 8. Mohr, Karl, Bericht über die Ansstellung floridanischer Produkte auf der Weltausstellung in New- Orleans; in: „Pharmazeut. Rundschau". New -York 1885. No. 6. No. 9. Hagen, H., Die Neuropteren der Insel Cuba: in: Stettiner Entom. Zeitung. 1867. S. 215— 232; 1868. S. 274— 286. No. 10. Hagen, H., Revision der von H. Scudder beschriebenen Odonaten; in: Stettiner Entom. Zeitung. 1867. S. 96—100. No. 11. Hagen, H., The Odonat-fauna of the Island of Cuba; in: Proceed. Boston Sog. Nat. Hist. Vol. XI. 1867. S. 289—294. No. 12. Hagen, H. A. , Synopsis of the Odouata of America; in: Proceed Boston Soc. Nat. Hist. Vol. XVIII. 1875. No. 13. Sagra, Ramon de la, Historia fisica, . politica y natural de la Isla de Cuba. n. Parte: Historia natural. Tom. VII. Crustaceos, Aragnides e Insectos. Pai'is 1856. (Neuroptera von de Selys Longchamps.) No. 14. Scudder, S., Notes upon some Odonata from the Isle of Pines; in: Proceed. Boston Soc. Nat. Hist. X. S. 187-198; XI. S. 298-300. No. 15. Le Conte, John L., The Coleoptera of Florida. Remarks ou Geo- graphical Distribution. (Proceed. American Philos. Soc. XVII. 1878. S. 470—471.) Ne. 16. Hülst, Geo. D., The Faunal Limits of the United States. (Entomologica Americ. Vol. IV. 1888. S. 70.) No. 17. de Selys Longchamps, Revision du Synopsis des Agrionines. I. part. (Mem. couronn. Acad. roy. de Belgique. T. 38.) No. 18. Derselbe, Synopsis des Agriones. Lestes u. Agrion. (Bull. Acad roy. de Belgique. 1862, 1865, 1876, 1877.) No. 19. Derselbe, Synopsis des Gomphiues. (ibid. 1854.) Nachträge dazu: 18.59, 1869, 1873 u. 1878, ebenda. No. 20. Derselbe. Synopsis des Corduliues. (ibid. 1871.) Nachträge dazu: 1874 u. 1878, ebenda. No. 21. Uhler, R. R., Ueber die Odonaten von Haiti; in Proceed. Boston Soc. Nat. Hist. Vol. XL S. 295, 298. No. 22. de Selys Longchamps, Notes on Mr. S. H. Scudders „Odonata of the Isle of Pines" ; in : Proceed. Boston Soc. Nat. Hist. Vol. XV. 1873 S. 373—377. No. 23. Poey, Ph., Memorias sobre la Historia natural de la Isla de Cuba. Habanna 1851. 8. — Neuroptera von de Selys Longchamps. S. 435 bis 473. No. 24. Rambur, P., Histoire naturelle des Neuropteres. Paris 1842. 8". (Suites ä Buffon.) No. 25. Sloane, H., A voyage to the islands Madeira, Barbados, Nieves, St. Cristopher's and Jamaica, with the natural history etc. of insects. London 1707—1725. fol. 2 vol. No. 26. Hagen, Synopsis of the Neuroptera of North America. Washington 1861. der Neuroptera und Pseudoiieiiroptera der Antillen. 177 Erläuterung zu Tafel XIII. I. Nordamerikanische Elemente in der Fauna der Antillen: Enallagma 5 Arten, von denen 2 auch auf dem Continente und 3 endemisch; 17 amerikanische Arten. Anomalagrlon (hastatum Say). Pantala {hynicnaea Say). Mesotliemis {simplicicollis Say). Ausserdem : Tramea, 4 nur die südlichsten Gebiete der Vereinigten Staaten ]Sord- Amerikas berührende identische Arten (siehe Karte V). Aeschna ingens Ramb., Anax junius'DvvLrj imä Libellula auripennis Burm. (siehe Karte III). II. Südamerikanische, auf den Antillen vertretene Gattungen: Tholymis, Macrothemis, Lepthemis, Gynacantha, Aphylla, Leptobasis, Protoneura, von denen Lepthemis und Gynacantlta auch Central-Araerika bevi^ohnen. III. Nord- und südamerikanische Arten derselben Gattung auf den Antillen: Aeschna ingens Bamb., Anax junius Dniry und Libellula auripennis Burm. auf den Antillen und in Nord - Amerika ; — Aeschna virens Hg.. Anax amazili Hg. und Ubelhila umbrata Hg. auf den Antillen, in Süd-Amerika und in Central-Amerika. Jene 3 nordamerikanischen Arten der Antillen kommen nicht in Central-Amerika vor. lY. Die Gattungen Lestes, Eryfhragrion und Biplax sind von Nord- bis Süd- Amerika verbreitet; al)er alle auf den Antillen lebenden Arten dieser Gattungen, nämlich Lestes forficula Ramb., i. spumaria Hg. Selys und L. tenuata Ramb. ; Erythragrion dominicanum Selys und E. vulneratum Hg.; Diplax odiracea Burm., D. credula Hg. und D. abjecta Ramb., haben südamerikanischen Typus und sind theils selbst in Süd-Amerika vor- banden (siehe die Tabelle S. 165) oder daselbst durch nahe verwandte Arten vertreten. Y. Die den Antillen und dem Continent gemeinsamen Arten der Gattung Tramea. T. onusta Hg. und balteata Hg. werden ausserhalb der Antillen in Texas, jene Art auch in Nord-Mexiko gefunden. Tr. insularis Hg. und abdominalis Ramb. bewohnen ausser den Antillen nur noch die Key West- Inseln bei Florida, auf denen sich auch onusta und balteata finden. T. abdo- minalis ist auch auf der Nantucket- Insel bei Massachusetts beobachtet. T. marcella ist eine tropische Art, die ausser auf den Antillen im nörd- lichen Süd-Amerika, Brasilien und Mexiko einheimisch ist. YI. Verbreitung der 4 die Antillen bewohnenden Arten Orthemis discolor, Perithemis domitia, Pantala flavescens und Ischnura ramburii, welche über das südöstliche Nord-Amerika, Central-Amerika und zumeist über fast ganz Süd-Amerika verbreitet sind. Diese Arten sind auf der pacifischen Seite Nord-Amerikas und in Chile, mit Ausnahme der Orthemis discolor unbekannt. Ausgeschlossen von Chile und Californien sind auch die in Süd-Amerika bis in die Breite von Chile vorkommenden und nordwärts bis Nord-Mexiko verbreiteten Gattungen GynacantJia und I^epthemis (siehe Karte II). YII. Uebersicht der Verbreitung der Gruppen Corduliidae, Calopterygidae, Pseudostigmatina und Podagrionina über Amerika. Keine Art dieser Gruppen ist auf den grossen Antillen gefunden, nur auf den kleinen Antillen eine Art der Calopterygiden. Arch. f. Naturgesch. Jalng. 1888 . Bd. I. H. 2. 12 178 H. J. Kolbe: Die geographische Verbreitung der Neuroptera etc. Vm. Basale Hälfte des Vordei'flügels von 1. Neoneura earnatica. 2. P>-otoneura capillaris uud 3. Ischnura rambiirii. Es soll die verschiedene Form der Areola quadrilateralis (a in allen 3 Figuren) zur Anschauung gebracht werden. Bei Neoneura und Protoneura (Gruppe Protoneurina) ist diese Areola den ürigen gewöhnlichen Areolis des Flügels gleich oder ähnlich, bei Ischnura (Gruppe Agrionina) besitzt sie durch Diiferenzirung eine ab- weichende Form. Agrioniden mit nicht differenzirter Areola quadrilateralis, nämlich die Angehörigen der Gruppen Pseudostigmatina, Podagrionina und Protoneurina kommen nicht mehr in Nord -Amerika nördlich von Mexiko vor. Die Antillen haben das mit Nord -Amerika gemeinsam, dass ai;ch ihnen die beiden ersten Gruppen fehlen, während die letzte Gruppe durch 4 Arten vertreten ist. Agrioniden mit nicht differenzirter Areola quadri- lateralis gehören den tropischen Breiten des Continents Amerika an, woran die Antillen nur sehr geringfügig theilnehmen. Agrioniden mit differenzirter Areola sind über ganz Amerika verbreitet. IX. Basale Hälfte des Vorderflügels von l.Protochrysopa insularis und 2. Chrysopa krugii. Bei Chrysopa hat die Areola cubitalis (x) ein von den übrigen Areolen durch seine verschiedene Fonn und Lage abweichendes Aussehen, so dass die Morphologen diese Areola durch eine besondere Benennung vor den übrigen Areolen auszuzeichnen sich veranlasst gesehen haben. Bei Protochrysopa hat diese Areola vor den übrigen Areolen nichts voraus; es scheint, dass ihre unteren Begrenzuugsaderu (b-i-a) zusammen als eine verkürzte Zweigader (ramus) der darüber liegenden Längsader (cubitus anticus) anzusehen sind, welche die Querader c trifft. Die durch nicht differenzirte Areola cubitalis ausgezeichneten Chrysopiden [Protochrysopa) gehören den Antillen und Südamerika an, die mit differenzirter Areola begabten sind über Nord- und Süd-Amerika verbreitet. Das ist eine Analogie zu den Agrioniden (siehe VIII). X. Zehntes Abdominalsegment (a) mit den paarigen Appendioes superiores (cerci) b und dem unpaarigen Appendix inferior c von L Gynacantha nervosa Rbr., 2, G. robusta Er. und 3. G. gracilis Burm. XI. Cerci anales des Enallagma krugii. Zur Kenntniss der Azorenfauna. Von Dr. H. Slmroth. Mit Beiträgen von Prof. Dr. von Martens, Dr. F. Hilgendorf und S. Clessin. Hierzu Tafel XIV und XV. s. >eit ich vor zwei Jahren, unterstützt durch die Munificenz der Königlich Preussischen Academie der Wissenschaften zu Berhn, der ich auch an dieser Stelle meinen ehrerbietigen Dank sage, die Azoren besuchte und nach Möglichkeit, ausser den Nacktschnecken, der gesammten Fauna mein Augenmerk zuwandte, so weit ein immer- hin flüchtiger Aufenthalt von zwei Monaten derartige Studien er- möglichte, haben zwei Zoologen, J. de Guerne und Barrois, ebenfalls sich auf den Inseln aufgehalten und mit Intensität der Erforschung der niederen Thierwelt obgelegen, worüber ja bereits eine Anzahl Publicationen den Fachgenossen vorliegen. Trotzdem dürfte jeder Beitrag noch einiges Interesse bieten, theils indem er die Art und Weise der Ausbreitung nach entlegenen Inseln, das Vordringen immer neuer Arten über die alten Wohnplätze hinaus verstehen hilft, theils indem er etwaige Umwandlungen oder den Weg zeigt, den alte Einwanderer in der Abgeschlossenheit der oceanischen Eilande ein- geschlagen haben bei ihrer Weiterentwickelung. Die Arbeiten von Drouet') und Morelet^) und die spätere von Godman^) bilden die werthvoUe Grundlage, auf der weiter zu bauen ist. Vorzüglich aber wurden meine Bestrebungen unterstützt durch das naturhistorische Museum, welches durch des Herrn Baräo, jetzt Conte Jacintho de Fontebella pecuniäre Opferwilligkeit und durch des Herrn Dr. Carlos Machado wissenschaftliche Begeisterung in der Hauptstadt von S. Miguel, Ponta Delgada, geschaffen worden ist. Da der Letzt- genannte zunächst seine Hauptaufgabe darin fand, die Thierwelt der ') Drouet. Elements de la faune agordenne. Paris 1861. '') Morelet. Histoire naturelle des A§ores. Paris 1860. ') Godman. Natui-al history of the Azores. London 1870. Aich. f. Naturgesch. Jahrg. 1888. Bd. I. H. 3. 12 * 180 Dr- H. Simroth: Insel zusammenzubringen und durch die geschickte Hand des Herrn Vasconsellos wohl praepariert aufzustellen, so blieb mir nur übrig, den noch fehlenden Catalog aller Azorenvorkommnisse aufzunehmen und durch eigne Beobachtungen zu ergänzen. Die Bestimmungen, welche von Herrn Machado stammen, können wohl durchweg als zuverlässig gelten; denn er hat keine Mühe gescheut, durch biblio- thekarische Mittel und Austausch mit fremden Museen die höchste Genauigkeit zu erreichen. Die Veröffentlichung des Museumsbe- standes erscheint um so nothwendiger, als die beständig hohe Feuch- tigkeit des Ozeanklima's leider sehr energisch an der Zerstörung der werthvoUen Sammlung arbeitet, so dass z. B. einzelne ältere Gäste kaum regelrecht gehalten und wieder erneuert werden dürften. Meinem Freunde Herrn Francisco Affonso Chaves in Ponta Del- gada und manchem anderen Azoreaner verdanke ich allerlei Notizen. Die Determination der von mir heimgebrachten Fische hat Herr Dr. Hilgendorf, die der Seeconchylien und Echinodermen Herr Professor von Martens, die der SüsswassermoUusken Herr Clessin zu übernehmen die Güte gehabt. Allen den genannten Herren mein bester Dankl I. Die Yertebraten. Bekanntlich sollen l)ei der Entdeckung mindestens zwei Wirbel- thierklassen , die Reptilien und Amphibien, gänzlich auf den ent- fernten Inseln gefehlt haben; zwei andere, die Säuger und Fische, sind höchstens durch je eine Art vertreten gewesen, wobei aber sowohl die entsprechende Fledermaus als der Aal noch Zweifel an der vorherigen Existenz offen lassen; denn es bleibt fraglich, ob der Vespertilio Leisler! vermöge seiner Flugfertigkeit so weit verschlagen, ja es ist viel wahrscheinhcher, dass auch er durch Gelegenheits- transport mit den Schiffen der Flamländer nach den Eilanden ge- langt sei; über den Aal ist am wenigsten Bestimmtes auszumachen, da eine doppelte Möglichkeit der Einwanderung vorzuliegen scheint (s. u.). Nur die Klasse der Vögel, deren einer den Inseln den Namen gab, ist naturgemäss zahlreicher vertreten, und das Museum zu Ponta Delgada birgt noch eine weit grössere Zahl, als bisher namentlich durch die Bemühungen Godman's bekannt geworden ist, so dass sich die Liste der Verschlagenen erfreulich bereichert. Selbstverständlich ändert sich das Verhältniss aller Klassen er- heblich, wenn man, wie in Folgendem, die Seethiere dazu nimmt. Die bisher von den Azoren meines Wissens noch nicht aufgeführten Arten sind in der nachstehenden Liste durch einen Stern bezeichnet, sie alle entstammen der Hauptinsel S. Miguel. A. Mammalia. Vesperugo Leisler! Keys, et Blas. (Kühl.) I. S. 103. 11.44. III. S. 17. Azorenmuseum. Nach Morelet (I.) zweifellos durch die flämische Besiedelung im fünfeehnten Jahrhundert eingeführt. Zur Kenntniss der Azorenfauna. 181 Putorius foetidus Gray. Mustela furo. I. S. 106. IL S. 50. III. S. 16. Azorenmuseum. — S. Miguel. S. Jorge. Nach den Angaben von Drouet und Godman ist das Frettchen früher importiert, wie überall, zum Zwecke der Kaninchenjagd. Inzwischen ist es hie und da verwildert, namentlich auf S. Miguel in den Bergen von Furnas, wo es sich aber hauptsächlich von Kaninchen nährt, natürlich ohne enge Beschränkung, wie es denn die Sturmtauchercolonien von S. Miguel vertrieben hat (s. Bolle, Andeutungen azorischer Ornithologie. Cabanis, Journ. f. Ornith. 8. 1880. S. 337). Im Museum von Ponta Delgada sah ich ein jugend- liches Exemplar, das indessen mehr dem Iltis gHch. Auf genauere nachträgliche Erkundigung hatte Herr Chaves die Freundlichkeit, mir eine Farbenskizze und zwei Pelzproben von der verwilderten Form zu übersenden. Letztere haben die gelbe Grundwolle und die dunkeln Grannen des gemeinen Iltis, und die Abbildung (auch mit dunkeln Augen) bestätigt, dass die Varietät bei der Verwilde- rung völlig in die Stammart zurückgeschlagen ist. Ueber die Dauer und den allmählichen oder plötzlichen Vollzug des Rück- schlags wird sich leider kaum noch etwas ermitteln lassen, denn es scheint, dass keine Zwischenformen mehr auftreten; höchstens darf ich bemerken, dass die eine Pelzprobe ein klein wenig heller gefärbt ist als die andere. Putorius vulgaris Rieh. L S. 106. ILS. 50. IILS. 17. Azorenmuseum. — S. MigueL Terceira. Fayal. Das kleine Wiesel ist zweifellos durch Schiffe im Gefolge der Ratten eingeschleppt. Ueber Hund und Katze, die reine Hausthiere bleiben, ist nichts besonderes zu bemerken. Die Racen des ersteren s. I. Seehunde sollen früher an den Azoren häufig gewesen sein (L), jetzt aber gehören sie zu den grössten Seltenheiten. Ueber die Art ist nichts bekannt. Mus rattus L. \ L S. 107. IL S. 50 IIL S. 17. Mus decumanus Pall. j Azorenmuseum. Die Wanderratte hat auf den Azoren den üblichen Kampf gegen die Hausratte geführt und zwar mit grossem Erfolge, denn in noch nicht ganz fünfzig Jahren hat sie die letztere fast ganz in die Landhäuser gedrängt (IL). Jetzt herrscht sie in den hohlen Wänden der Gebäude und in den Speichern in der Art, dass sie die Einwohner zwang, die Architektur ihrer Scheuern danach einzu- richten. Die Maisböden ruhen meist auf Säulen, die von einer breiteren Steinplatte gedeckt werden; und zum Trocknen und Nach- reifen werden die Maiskolben an hohen pyramidenförmigen Holz- gerüsten, einer charakteristischen Staffage der Herbstlandschaft, aufgehängt und dergl. Man erzählte mir Fälle, wo die Hunde in einem Speicher, als man ein Brett aufhob, einmal sechzig, ein ander- mal hundert auf einmal erbissen. — Die Hausratte baut nicht selten 132 ^^- H. Simroth: in den Orangengärten ein Nest auf den Bäumen, meistens den als Einfassung gepflanzten Pittosporum, wie es auch anderwärts vor- kommen soll. Ob aber diese auch von Walker (The Azores. Lon- don 1886) erwähnte Gewohnheit erst, wie es heisst, in folge des Drängens der Wanderratte sich gebildet hat, muss ich leider dahin- gestellt sein lassen. Die historische Untersuchung dürfte kaum noch auf Erfolg rechnen können. Mus musculus. I. III. Azorenmuseum. Häufig albin. Drouet bemerkt, dass er die Hausmaus auf Flores weit von den Gebäuden auf den Bergen getroffen hat. Warum nicht bei uns? Weil andere Nager ihr eine unüberwindliche Concurrenz machen? oder aus klimatischen Gründen? Lepus cuniculus. Das Kaninchen ist z. T. , namentlich auf den Bergen, sehr häufig geworden, wenn auch nicht zur Landplage, wie auf Porto Santo (Darwin. Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication). Ob es aber derartige Umbildungen erfahren hat, wie sie Darwin an den dortigen Exemplaren heraus- fand, ist zu bezweifeln. Es gleicht wohl der gemeinen wilden Form. Doch machte man mich darauf aufmerksam, dass zwei verschiedene Färbungen vorkommen, die eine ein wenig heller als die andere, beide jedoch schwerlich aus der gewöhnlichen Farbenscala heraus- tretend (s. die Bälge im Berliner und Frankfurter Museum). Irmner- hin möchte eine genauere Untersuchung lohnend sein. Sus scrofa. I. Schwärzliche Race. Bos taurus. Hauptsächlich die grosse, langhörnige, schöne Race von Portugal. Auf den Westinseln Corvo und Flores aber noch das zierliche Zwergrind, das u. a. auch in Algarve vorkommen und von dort aus eingeführt worden sein soll. In Algarve sah ich's bei allerdings schneller Durchreise nicht, so wenig es von Maltzan in seiner Reisebeschreibung erwähnt. Es muss zum mindesten wohl selten geworden sein. Der ersteren Race jedenfalls am nächsten steht das halbwilde Terceirarind , das nach Walker (1. c.) während der spanischen Periode zum Zwecke des Stiergefechts von den Bänken des Guadalquivir importirt wurde, wie denn nach der ersten Be- siedelung auf S. Maria die Rinder wirklich verwilderten. Das Ter- ceirarind zeichnet sich durch seine Wildheit aus, die auf dem Hoch- lande dem Wanderer gefährlich werden kann. Und wie Walker erzählt, führen die Bullen während der Brunstzeit erbitterte Kämpfe auf, wobei die Kühe als Zuschauer einen Kreis schhessen (ähnlich also wie die Büfiel Nordamerikas). Ovis aries. I. Drouet vermuthet, dass die kleinen Schafe mit ziemlich grober Wolle (ebenso oft schwarz als weiss) als besondere Race gelten dürfen. CaprahircusL. I. Drouet hat bereits auf die Besonder- heiten der Ziege von S. Miguel aufmerksam gemacht. Die antilopen- artigen Hörner werden beim Book oft sehr stattlich. Uebrigens ist das Fell nicht bloss, wie jener angiebt, schwarz, sondern noch öfter dunkelbraun, aber auch hell gelb- und rehbraun. Weiss fehlt. Ob Zur Kenntniss der Azorenfauna. 183 die Race wirklich, wie Sr. Machado meint, in der Degeneration be- griffen ist und die Hörner nicht mehr die Länge erreichen wie früher, lasse ich dahingestellt; die Thiere, deren Felle mir Herr Baron de Fontebella verehrte, haben sie wohl lang genug. Equus caballus L. Nach Walker (1. c.) halten sich die öfter von begüterten Grundbesitzern eingeführten edlen, meist englischen Pferde nicht auf die Dauer, indem sie entweder unpassender Be- handlung, oder dem Klima erliegen. Hiernach wird der Schluss erlaubt sein, dass die eingeführten Pferde aus allmcählicher Accli- matisation hervorgegangen und schon sehr lange auf den Inseln hei- misch sind. Da ist denn die Kleinheit mancher Bauernpferde sehr bemerkenswerth ; ich sah solche, die hinter stattlichen Eseln merklich zurückblieben. Andere freilich sind noch gross. Aber es scheint doch, als wenn unter dem insularen Einflüsse, wie auf Corsika, den Shetlandinseln etc. sich eine kleine Race herauszubilden im Begriffe wäre; nach Drouet (I.) sollen die kleinsten und kümmerlichsten auf Flores zu finden sein, wohin ich nicht kam. Möchte sich jemand zu einer genaueren mehr statistischen Behandlung der Frage an- regen lassen I Uebrigens haben die kleinen Thiere, wie die grossen, die Proportionen eines starkknochigen, scharfrückigen Bauernschlages und nicht die gedrungene Form etwa der Shetländer. Equus asinus L. Der Esel ist auf den felsigen Inseln natur- gemäss das wichtigste Lastthier, oft sehr stattlich, von der spani- schen Race, verschieden gefärbt und hauptsächlich auf Terceira ge- züchtet, Was mir bald an ihm auffiel, war der hohe Prozentsatz der grauen und graubraunen Exemplare, die über, auf und unter dem Fussgelenk, namentlich an den Vorderextremitäten an der Vorderseite, dunkle Querbänder tragen i), — jenes Merkmal, das auf die Zebraähnlichkeit des ürpferdes, spezieller auf die Abstammung von dem E. taeniopus, hinweist. Von Zahnwalen giebt Drouet an (I. S. 111): Delphinus delphis L. — Pernettyi Desm. — froenatus Dussum. Phocaena communis Cuv. Phy seter macrocephalus L. ; dazu Walker (1. c). Hyperoodon ohne Bezeichnung der Species. Von Bartenwalen wird Balaenamysticetus von Drouet mit einem Fragezeichen angeführt. Die Hauptjagd der namentlich amerikanischen Waler gilt jeden- falls dem Potwal. Auf Fayal in Herta sind die wichtigsten Depots, von wo die Ausbeute durch andere Schiffe abgeholt wird. Drouet schätzt die Anzahl der jährlich erlegten Thiere auf 150. — Walker ') Anm. In Lissabon sah ich einen Maulthierfiichs, der die braimen Streifen in ganz ausgesprochenem Maasse besass, gemäss der Angabe, wonach bei Bastarden verwischte Merkmale der Vorfahren wieder stärker hervortreten. 184 Dr. H. Simroth: beschreibt die wüste Metzelei, die erbitterte Fischer an den in Buchten zusammengetriebenen Delphinen, den Räubern ihrer Fische, in gi'ossem Massstabe vollziehen. B. Aves. Die Avifauna namentlich von S. Miguel wird durch das Museum in Ponta Delgada wesentlich vermehrt, wobei es meist zweifelhaft bleibt, welche von den neu zu Godman's umfassenden Catalog hinzu- kommenden erst in den letzten Jahren nach den Inseln verschlagen wurden, welche als regelrechte Gäste, welche als einsam verirrte Wanderer zufällig dem Rohre des Jägers zur Beute fielen. Alle bis auf die Seevögel und den einen autochthonen, d. h. aus einem früheren Einwanderer herausgebildeten, sind mehr oder weniger durch Zufall, d. h. wohl durchweg durch Stürme aus der gewohnten Bahn abgelenkt, nach den Inseln gekommen. Aber mir war es unmöglich auszumachen, wie es Godman festzustellen suchte, welche von den noch hinzutretenden Arten etwa sich sesshaft gemacht haben und brüten. Godman hat nur die Vögel aufzählen wollen, die er selbst sah, immerhin einen nach Hörensagen ; die Angaben der Vorgänger, zumal Drouet's, hat er, soweit sie darüber hinausgehn, vernach- lässigt. Verdienen sie keinen Glauben? Zur Vervollständigung habe ich sie unbedenklich wieder aufgenommen und das fragliche als solches bezeichnet. Das zahme Geflügel habe ich allerdings nach Godman's Vorgange weggelassen. O. Coccygomorphae. 1. Cuculus canorus L., portug. Cuco; Azorenmuseum. — Der Kukuk verfliegt sich häufig nach den Inseln (Chaves), bis jetzt allerdings nur von der Ostgruppe bekannt. 2. Upupa epops L. Azorenmus. III. S. 30. Oestliche und Centralgruppe (III.) O. Pici. 3. Dendrocopus major Koch. I. S. 120. IL S. 184. Azorenmus., nistet nach Drouet, -wie- wohl er selten ist, lebt von Insekten und Sämereien (L). 4. Dendrocopus minor Koch. III. S. 30. Azorenmus. Centralgruppe IL ('?III.). Godman vermuthet, dass nur der kleine Buntspecht auf den Azoren haust und dass Morelet's und Drouet's Angabe von der An- wesenheit des grossen auf Irrthum beruhe. Die Exemplare im Museum bestätigen beide Arten. Allerdings wurde mir versichert, dass sie nur auf den Ostgebirgen von S. Miguel (dem geologisch ältesten Theile der Insel '? \) vorkommen und wie es scheint, selten genug. *) Härtung. Die Azoren in ihrer äusseren Erscheinimg und nach ihrer geognostischen Natur geschildert. Zur Kenntniss der Azorenfaima. 185 O. Passeres. 5. Plectrophanes nivalis Meyer. III. S. 26. Azorenmuseura. Nach Godman kam im Winter 1864/65 ein erschöpfter Flug nach Corvo. Dann wurde ihm der Balg eines auf Fayal erlegten Exemplares gesandt. Das Thier im Museum stammt zweifellos von S. Miguel. Also wird die Schneeammer, wie es scheint, nicht eben selten nach allen drei Azorengruppen verschlagen. 6. Pyrrhula murina Godman. I. S. 115 und IL S. 84 (Pyrrhula coccinea). III. S. 28. Azoren- museum. Die Thatsache, dass das Männchen des Azorengimpels die aus- zeichnenden secundären Geschlechtscharaktere, die Schmuckfarben, nicht oder doch längst nicht in dem Masse besitzt, als unser ge- meiner Dompfaff, ist so auffällig, dass die Beschreibung zuerst Barboza du Bocage's Zweifel an der richtigen Bestimmung des Geschlechts erwecken musste (s. III.). Der Zweifel hat sich nach den ausführ- lichen Untersuchungen Godman's als unberechtigt herausgestellt. Nach ihm lebt der Vogel nur auf dem gebirgigen Theile von S. Miguel, nach Morelet nur auf dem östlichen Theile, und das letztere be- stätigen meine Erkundigungen. Godman nimmt an, dass er auf der Insel nistet, wiewohl er über den Nestbau nichts erfahren konnte. Morelet glaubt, dass er nur zu bestimmter Jahreszeit, dann aber regelmässig die Insel besuche. Die Annahme wird kaum durch eine Parallele gestützt und hat wohl nichts für sich. Denn wie soll ein Vogel, der bei uns vom Oktober bis März umherstreift, die übrige Zeit Standvogel ist, im April zur ersten und im Mai zur zweiten Brut schreitet, zur Zeit der Maisernte, wo er in Furnas so häufig als schädlich wird, über das Meer fliegen? Wenn die grössere Varietät P. coccinea auf dem Festlande von Zeit zu Zeit auftritt, so ist das immerhin ein ganz anderes Verhalten. Die besondere Zeichnung macht den Azorenvogel zu einer Inselspecies, ausschlaggebend ist aber wohl Godman's Versicherung, dass er neun Vögel ,,just prior to the breading-season" auf ihre Genitalien untersucht habe. Gerade bei Strichvögeln, als welche die Gimpel doch gelten, ist nur an passive Wanderung durch Stürme zu denken und zwar daran, dass das Verschlagen selten genug vorkommt. Hierin aber wird der Hauptgrund für die Ausbildung einer besonderen Art oder Race zu suchen sein, da das alte Blut nur selten durch neuen Zuzug wieder aufgefrischt wird. Man könnte noch dazu neigen, lange Zeiträume für die Umbildung in Anspruch su nehmen oder gar an die Ein- wanderung zu einer Periode zu denken, als die Geschlechtsdifferenzen bei unserem gemeinen Gimpel noch nicht die gegenwärtige Stärke erreicht hatten. Die Geologie, die darauf hinweist, dass S. Miguel mit seinen beiden Endgebirgen und dem niedrigen Landrücken da- zwischen ursprünglich aus zwei Inseln bestand, von denen die öst- liche die ältere war, würde eine derartige Speculation unterstützen. 186 Dr. H. Simroth: 7. Serinus canarius Koch. I. S. 116 und IL S. 84 (Fringilla serinus). III. S. 29. Azoren- museum. Gelegentlich wurden uns wilde Canarienvögel gebraten vorgesetzt, denn sie gelten für arge Schädlinge, die etwa unsere Sperlinge vertreten. Sie sowohl, wie die gelben domesticierten häufig im Käfige. 8. Fringilla carduelis L., portug. Pintasilgo. Azorenmuseum. — Ostgruppe. Der Stieglitz wird von meinen Vorgängern meines Wissens noch nicht erwähnt. Bei seiner Häufigkeit in Portugal ( — Ende Oktober sah ich sie massenhaft bei Porto mit Leimruthen für das Bauer fangen — ) und auf den anderen atlantischen Inseln hat sein Ver- schlagen nichts auftalliges, und Sr. Chaves schreibt mir, dass er sich jetzt bereits häufig findet und indigen zu werden beginnt, wohl als der jüngste Ansiedler. 9. FringiUa tintillon Webb und Berth. I. S. 114 (FringiUa canariensis var. Moreleti), IL S. 84 (Fr. Mo- releti Pucheran), III. S. 2G. Azorenmus. Wohl auf allen Gruppen, sicher auf den Ost- und Centralinseln, von Darwin auf Terceira beobachtet (s. Bolle. Andeutungen azorischer Ornithologie. Gab. Journ. für Ornith. 8. 1860. S. 348—357). Die Confusion, welche das vereinzelte von Morelet heimgebrachte Exemplar des tintilhao hervorgerufen hat, das Pucheran als Fr. Mo- releti beschrieb, wurde durch die Debatte und die Anstrengungen, den Knoten zu lösen, schliesslich die Veranlassung zu Godman's ge- nauen Untersuchungen, welche ihn dazu führen, auf den atlantischen Inseln, den Kanarien, Madeira und den Azoren mit Barboza du Bocage nur einen einzigen Finken gelten zu lassen. Von diesem aber wird eine erhebliche Varietätenbildung festgestellt, welche die aus ver- einzelten Exemplaren abgeleiteten Unterschiede durchaus überbrückt. 10. Passer petronia L. I. S. 119. Ostgruppe. Nach Drouet kommt der Steinsperling auf S. Miguel vor, ziem- lich selten zwar und vielleicht nur vorübergehend. Da er auf Madeira und den Canarien nistet, liegt wohl kein Grund zu Zweifeln vor. 11. Hirundo rustica L. Von Godman nicht gesehen, nach Morelet nur gelegentlich ver- schlagen, wofür auch Bolle eintritt (1. c), erlangte die Rauchschwalbe trotz solcher Vereinzelung grosse Bedeutung, da mit ihrer Ankunft auf Pico nach J. de Guerne gleichzeitig die Phylloxera erschien (J. de Guerne. La faune des eaux douces des Agores et le trans- port des animaux ä grande distance par l'intermediaire des oiseaux. Compt. rend. de la soc. de biol. Oct. 1878). 12. Motacilla sulfurea Bechst. I. S. 120. IL S. 84 (Mot. boarula Gmel.). III. S. 25. Azoren- museum. Auf allen Inseln gemein (III.). Zur Kenntniss der Azorenfauna. 187 Motacilla spec? Nach Drouet kommt noch eine zweite Bachstelze vor, die er sich aber nicht hat verschaffen können. 13. Regulus cristatus Koch. I. S. 119. IL S. 84. III. S. 25. Azorenmuseum. Alle drei Gruppen. 14. Sylvia atricapüla L. I. S. 119. IL S. 84. III. S. 24. Azorenmuseum. AUe drei Inselgruppen. Der Plattmöneh, die einzige Grasmücke und der geschätzteste Sänger der Inseln, ist beliebter Käfigvogel. Von besonderem Interesse bleibt der gelegentlich stärkere Melanismus des Männchens, welcher die Aufstellung der Sylvia Heinekeni Jardine, der Schleiergrasmücke, veranlasst hat, die, nach dem Glauben des gemeinen Volks, als ,, fünfter im Nest", nur auf den Azoren und Madeira sich findet. Brehm (gefangene Vögel. I. 2. Bd. S. 138) hält noch 1876 an der Art fest, mit der Angabe, dass das Weibchen unbekannt. Godman behandelt den Vogel, nachdem früher Heineken die gleiche Ver- muthung geäussert, 1870 bereits als einfache Varietät und weist auf deren Schwankungen hin; das Schwarz soll gelegentlich die ganze Unterseite bedecken. Ausführlich ist neuerdings Hartwig der Frage näher getreten (Zool. Garten. XXVIII. 1887. S. 279—282), indem er auf Madeira eine Serie auf ihre Abweichungen und ihre Be- ziehungen zur gemeinen Form prüfte. Er kommt zu dem bestimmten Schluss, dass wir's mit einer localen, ziemlich selten erzeugten Abart zu thun haben. Ebenso naturgemäss auf den Azoren. Hier scheint aber die Variabilität noch weiter zu gehen. Im Museum von Ponta Delgada stehen drei Thiere, die nach meinen kurzen Aufzeichnungen Eigenthümlichkeiten bieten. Zunächst ein rostgraues, dessen schwarze Scheitelplatte sich über den Nacken ausdehnt, d. h. die Curruca Heinekeni, — ein zweites mit weisser Kopfplatte, — und das dritte hell aschgrau, fein über die Flügel gewellt, Kop/ einfarbig dunkel- grau. Ohne direkten Vergleich mit einem festländischen Vogel oder einer Abbildung kann ich nicht sagen, ob der Umfang der weissen oder dunkelgrauen Platte genau der normale. Auch kommt auf den Umfang viel weniger an, als eben auf die Färbung, welche beweisen dürfte, dass die Neigung der Kopfhaube zum Variiren auf den Azoren noch weit stärker ist, als auf Sladeira.^) 15. Erythacus rubecula L. I. S. 120. III. S. 83. Azorenmuseum. Mittel- und Ostgruppe. Verwunderlicherweise ist das Rothkehlchen von der Regierung als ,, schädlicher" Vogel auf den Index gesetzt mit der Amsel, dem ') Anm. Vielleicht ist auf einen ähnlichen Vogel, wie den hieran zweiter Stelle beschriebenen die Schlussbemerkung zu beziehen , welche Naumann (Deutschland's Vögel. Bd. II., S. 495) betr. der Mönchsgrasmücke macht : Spiel- arten von dieser Art sind nicht bekannt, wenn nicht vielleicht Bechstein's weiss- stirnige Grasmücke, Sylvia albürons, hierher zu zählen ist." 188 Dr. H. Simroth: wilden Canarienvogel, dem Gimpel und der Fringilla tintillon; für 12 Stück wird eine Prämie von einem Vintem (TV, Pf.) gezahlt. Ob wirklich das Rothkehlchen dem Weine schädlich wird? Nach Nau- mann (Naturgesch. der Vögel Deutschlands) frisst es wohl Beeren von der Grösse der Heidel-, Johannes-, Hollunderbeeren, die Samen des Evonymus (Rothkehlchensbrot) nimmt es aus den aufgesprun- genen Kapseln. Schliesslich greift es auch zu den Vogelbeeren, den Früchten der Ebresche, doch wird es ihm schwer, solche, als für den Schnabel zu gross, hinunterzuwürgen ; 5 füllen schon den Kropf. Soll da die Weinbeere hindurch? Anpicken der Früchte scheint durchaus nicht seine Mode. 16. Saxicola oenanthe Bechst. III. S. 25. Azorenmuseum. Godman fand den Steinschmätzer nur auf der Westgruppe, dort aber brütend. Durch das Museum von Ponta Delgada wird er auch auf S. Miguel constatiert, ist also wahrscheinlich auf allen Inseln heimisch. 17. Turdus viscivorus. L. Ein Exemplar im Azorenmuseum. -^ Sonst nicht angegeben. 18. Turdus merula L. I. S. 119. IL S. 84. III. S. 23. Azorenmuseum. Auf allen Gruppen. Der ,,melro" ist sehr häufig, wohl dichter als irgendwo, geradezu charakteristisch für die Landschaft, jedenfalls begünstigt durch die Beeren des Buschwaldes (Bolle 1. c). Partieller Albinismus scheint sehr oft vorzukommen, totalen erwähnt Bolle (1. c). Im Museum ein Exemplar mit weissem Hinterkopf, rings herum weiss gesprenkelt, links am Oberschenkel imd die linken äusseren Steuerfedern des Schwanzes weiss. Ich selbst sah ein weissschwänziges Thier fliegen. Im Schenkel soll häufig ein Schmarotzer sitzen. Als ich ein frisch erlegtes Exemplar darauf untersuchte (ohne Erfolg), fiel mir die aus- nehmend dichte Befiederung auf; — ist sie eine Folge des feuchten Klima's, wie der dichte Pelz vieler Sänger in den Urwäldern von Madagascar und unter ähnlichen Bedingungen anderswo? Turdus iliacus L. Bolle meint, dass die von Capitain Boid erwähnte Drossel die in den Weinländern weit umherschweifende Weindrossel sein dürfte. Genaueres ist natürlich nicht festzustellen. Die Misteldrossel würde wohl nicht schlechthin als Drossel aufgeführt sein, daher noch an eine andere zu denken bleibt. 10. Oriolus galbula L. III. S. 23. Azorenmuseum. Godman konnte den Pirol nur nach einigen Resten auf Flores constatieren. Auf S. Miguel scheint er keine Seltenheit zu sein, da er im Volksmunde onomatopoetisch „papa figo" heisst, unserem ,, Vogel Bülow" entsprechend. 20. Sturnus vulgaris L. I. S. 119. IL S. 84. III. S. 30. Azorenmuseum. Zur Kenntniss der Azorenfauna. 189 Auf allen Inseln häufig. 21. Cornus corax L. I. S. 119. Nach Drouet kommt der Kolkrabe auf den Azoren vorüber- gehend vor, namentlich auf der Westgruppe. Gleichwohl bleibt's zweifelhaft, ob Corvo ihm den Namen verdankt. O. Raptatores. 22. Strix flammea L. I. S. 119. IL 84. III. 22. 23. Otus vulgaris Fleur. III. S. 22. Azorenmuseum. Beide Eulen nach Godman nur auf der Ost- und Centralgruppe. 24. Buteo vulgaris Bechst. I. S. 114. IL S. 84. III. S. 21. Azorenmuseum. Nach Godman fehlt der Mcäusebussard , der wahrscheinlich aus Verwechslung den Inseln den Namen gab, der Westgruppe, so häufig er auf den andern ist. Dass er auf Khppen und Felsen horstet, ist durch meine Vorgänger hinreichend festgestellt. Weniger sicher scheint mir zu sein, wovon er sich nährt. Nach Drouet fallen ihm hauptsächlich Vögel und Fische zur Beute, nach Godman die Nager, junge Kaninchen, Ratten und Mäuse. Bei der besonderen Sorgfalt, die Godman gerade der Vogelwelt zuwandte, ist wohl auf seine An- gabe das meiste Gewicht zu legen. Naumann, der ausführliche Be- obachter, führt wohl Fische, Eidechsen, Schlangen auf des Bussards Speisekarte auf, aber durchaus keine Fische (1. c), entsprechend Brehm (Thierleben). Auch muss man bedenken, dass vermuthlich zur Zeit der Entdeckung der Azoren durch die Portugiesen alle Amphibien und Reptilien und vor allem die Süsswasserfische durch- aus fehlten (jetzt fi-eilich liegen verhungerte Goldfische genug am Rande der Kraterseen). Man müsste also schliessen, dass der Bus- sard, ganz gegen seine sonstige Gewohnheit, auf Seefische stosse worüber ich nichts gehört habe. Jedenfalls muss früher der Vogel, — und das ist wohl Drouet's Meinung — , zur Zeit der Entdeckung, als die Azoren angeblich aller Landsäugethiere entbehrten, bei Fisch- und Vogelnahrung vortrefilich gediehen sein, wenn man nicht an- nehmen will, (was -s^elleicht nicht ganz von der Hand zu weisen), dass doch schon durch viel früheren Besuch von Seefahrern Ratten oder Mäuse eingewandert seien und nach ihnen der Bussard. Mehr- fache Sage weist ja auf solche Besuche, sei es von Phöniciern, sei es von Arabern, hin. 25. Tinnunculus alaudarius Gray. IIL S. 21. Godman erhielt ein verflogenes Exemplar von S. Miguel. Sonst fehlt der auf Madeira gemeine Thurmfalke den Inseln. 190 I^i'- H. Simroth: O. Columbinae. 26. Palumbus torquatus Kaup. I. S. 122. IL S. 84 (Columba trocaz). III. S. 30 (Columba palumbus). Ost- und Mittelgruppe. Godman hat die Missverständnisse seiner Vorgänger aufgeklärt und gezeigt, dass es die Ringeltaube ist, welche in den Azoren- hainen, namentlich der Myrica faya, nistet. 27. Columba livia L. I. S. 120. IL S. 84. III. S. 31. Dazu I. S. 121. Col. turricola Bonap. Auf allen Inseln gemein, auf den Klippen der Küste nistend. Beliebtes Federwild, das oft auf den Tisch kommt, ursprünglich massenhaft vorhanden und so wenig scheu, dass sie sich den Colo- nisten auf Kopf und Hände setzten. Godman giebt an, seine Exem- plare seien so dunkel, dass die Binde auf den Flügeln nicht mehr hervorträte; auch habe er einige weisse bemerkt. Damit wären die eigentlichen Charaktere der Felsentaube (s. Darwin, origin of species, p. 18) bedenklich verwdscht; mit anderen Worten, auf S. Miguel sagte man mir, dass durch Zuzug verwildernder Haustauben die Reinheit beeinträchtigt wäre. Nur im Nordosten der Insel sollen noch unvermischte Felsentauben zu finden sein; wobei es allerdings fraglich bleibt, ob sie normal schieferblau oder gedunkelt sind. — Von der Vorliebe der Felsentaube für vulkanisch erhitzte Orte, wie sie Bolle, u. a. auf Hartung's Erfahrung in der Höhle von Graciosa sich stützend, hervorhebt, habe ich nichts gehört. 28. Turtur auritus Bp. L S. 123. IL S. 84. Nach Drouet findet sich die Turteltaube auf S. Miguel zahm und wild, letzteres allerdings selten; sie soll bereits von einem alten Capitao donatorio eingeführt sein (Bolle), O. Gallinacei. 29. Caccabis rufa Gray. I. S. 123. IL S. 84 (Perdix rubra). III. 31. Azorenmuseum. Hauptsächlich auf S. Maria, doch auch auf S. Miguel und Terceira. Ursprünglich gleichfalls künstlich eingeführt, vermehrte sich das Rothhuhn auf S. Maria ganz ausserordentlich, während der Bestand jetzt wieder zurückgeht, infolge des starken Abschusses. 30. Coturnix communis Bonn. I. S. 124. IL S. 84 (Perdix coturnix). III. S. 32. Azorenmuseum. Auf allen Inseln, sehr häufig. Der Schlag begleitet den Wanderer unausgesetzt, wenn er beim Aufstieg die Gartenzone am Strande hinter sich hat, durch den Gürtel von Culturland, der in den Hochtriften und dem Gestrüpp der Höhen, d. h. in der indigenen Flora, seine Begrenzung findet. Man versicherte mir wiederholt, dass weisse Exemplare keine Selten- Zur Kenntniss der Azorenfauna. 191 heit seien. Nach Morelet (IL S. 51) ist die Wachtel vom November bis März häufig, das heisst auf dem Zuge. Ich fand sie Mitte August gemein. Sie ist zweifellos Standvogel. 0. Grallae. 31. Scolopax rusticola L. I. S. 125. II. S. 84. III. S. 35. AUe drei Gruppen, besonders häufig auf S. Jorge, Pico und Flores. 32. Gallinago media Gray. I. S. 125. IL S. 84 (Scolopax gallinago L.). III. S. 38. Azoren- museum. Alle drei Gruppen. Godman versieht sich wohl, wenn er meint, die Becassine führe auf den Azoren den Vulgärnamen „Maganico real" (s. u.). Drouet nennt sie ,,Narceja," und Chaves gab mir dasselbe an. 33. Tringa canuta L. * Azorenmuseum. 34. Arquatella maritima Gray. III. S. 35 (Tringa maritima Briinnich). Westgruppe, wahrscheinlich auf Flores brütend. 35. Calidris arenaria Illig. * Azorenmuseum, also vorläufig nur auf S. Miguel. 36. Pelidna Temminckii Leisl. * Azorenmuseum. Auch dieser Strandläufer bisher nur auf S. Miguel constatiert. 37. Totanus fuscus Mey. und Wolf I. S. 125. IL S. 84 (Limosa fusca Briss). S. Miguel. Um die Seen. Selten. 38. Limosa aegocephala L. * Azorenmuseum. Bis jetzt ebenso beschränkt. 39. Macrorhamphus griseus Leach. * Azorenmuseum, also bisher ebenso beschränkt. 40. Numenius arquatus L. und 41. Numenius phaeopus L. III. S. 34. Alle drei Gruppen. Beide heissen im Volksmunde ,,Ma9anico real". 42. Strepsilas interpres Illig. III. S. 33. Azorenmuseum. Alle drei Gruppen. 43. Oedicnemus crepitans Temm. * Azorenmuseum, also bisher nur S. Miguel. 44. Pluvialis varius Schlegel und * 45. Pluviahs apricarius Bon. * Azorenmuseum, beide bisher nur dort constatiert. 46. Vanellus cristatus Meyer. III. S. 32. Azorenmuseum. Godman sah nur ein auf Terceira erlegtes Exemplar. Jetzt 192 Dr. H. Simroth: kommt S. Miguel dazu. Der Kiebitz scheint sict häufiger nach den Azoren zu verfliegen. 47. Aegiahtes hiaticula Blas, und Keys. Azorenmuseum. — Auch der Halsbandregenpfeifer, bisher nur auf S. Miguel erlegt. 48. Aegialites cantiana Boie. III. S. 32. Ost- und Mittelgruppe. 49. Crex pratensis Bechst. III. S. 36. Azorenmuseum. Von Godman auf der Mittelgruppe, jetzt auf S. Miguel con- statiert. Trotz der kurzen Flügel selbst bis nach den Bermudas verschlagen (III.). 50. Porphyrie caesius Temm. Azorennmseum. Ueber das Vorkommen des Sultanshuhn habe ich leider keine Erkundigungen eingezogen. 51. Gallinula chloropus Lath. L S. 125. III. S. 36. Azorenmuseum. 52. Fulica atra L. III. S 36. Azorenmuseum. Die beiden Wasserhühner sollen nach Godman bloss auf der Lagoa de Fogo vorkommen, daher er sie für importiert hält. Zahl- reich dürften sie auch dort nicht sein, ich wenigstens sah bei einem allerdings nur kurzen Besuche des höchst einsamen Kratersees nur ein Paar Möwen. Wer aber darauf verfallen sein sollte, sie nach diesem abgelegenen Wasserbecken zu transportieren, ohne dass es, was bei der Kleinheit der Inseln kaum zu umgehen, jeder Gebildete wüsste, bleibt mir räthselhaft. 53. Ardea ciiferea L. I. S. 125. III. S. 33. Azorenmuseum. Ost- und Mittelgruppe. Der Fischreiher ist der einzige auf den Insehi brütende Reiher. 54. Ardea purpurea L. I. S. 125. II. S. 84. III. S. 33. Nach Godman auf der Mittel-, nach Drouet auch auf der Ostgruppe. 55. Ardea alba L. III. S. 34. aiittelgruppe. 56. Ardea garzetta L. III. S. 34. Mittelgruppe. 57. Ardea egretta Gmel. III. S. 34. Mittelgruppe. Die letztgenannten vier Reiherarten dürften nicht zu häufig aufliegen, da sie sonst kaum dem Museum in Ponta Delgada fehlen würden. Zur Kenntniss der Azorenfauna. 193 58. Ardea comata L. * (Buphus comatus Brehm.) Azorenmuseum. — Ostgruppe. 59. Ardea stellaris L. (Botaurus stellaris Steph.) III. S. 34. Azorenmuseum. Ost- und Mittelgruppe. 60. Ardea minuta L. III. S. 34. Azorenmuseum. Ost- und Mittelgruppe. 61. Ardea gularis L. * (Demiegretta gularis Bosc.) Azorenmuseum, also bisher nur S. Miguel. 62. Ardea nycticorax L. (Nycticorax griseus Strickl.) Azorenmuseum. 63. Ciconia alba L. Den Storch, jedenfalls den weissen ^ finde ich nur bei Morelet (IL S. 53) als Passanten erwähnt. 64. Platalea leucorodia L. m. S. 34. Gelegentlich auf S. Miguel. 65. Anas bosehas L. I. S. 128. III. S. 36. Azorenmuseum. Alle drei Gruppen. Die Stockente brütet nach Godman auf Flores. 66. Anas crecca L. (Querquedula crecca). . I. S. 128. III. S. 36. Azorenmuseum. Alle drei Gruppen. Auch die Krickente brütet nach Godman auf Flores. 67. Anas Penelope L. * Azorenmuseum. 68. Anas americana L. * Azorenmuseum. 69. Fulix ferina L. * Azorenmuseum. 70. Fulix clangula L. * Azorenmuseum. 71. Harelda glacialis Leach. * Azorenmuseum. Die beiden Pfeifenten, die Tafel-, Schellen- und Eisente sind bisher nur von S. Miguel bekannt, doch entspricht das Godman's Bemerkung, wonach im Winter noch verschiedene Entenarten auf den Kraterseen einfallen sollen; ähnlich Bolle 1. c. S. 355. 72. Oedemia nigra Gray. I. S. 128. IL S. 84 (Anas nigra L.). III, S. 36. Alle drei Gruppen. Alch. f. Natuigesch. Jahrg. 1888. Bd 1. H. 3. 13 194 Dr. H. Simroth: 73. Mergus serrator L. Azorenmuseum, also bisher nur S. Miguel. 74. Phalacrocorax carbo Dumont. Azorenmuseum. 75. Tachypetes aquila Vieill. (Fregata marina). Azorenmuseum. 7G. ThalassiJroma Bulweri Bonap. L S. 127. IL S. 84. Bewohnt Flores und Corvo, nach Drouet; selten. 77. Thalassidroma Wilsoni Bonap. (Oceanites Wilsoni Blas, und Keys.) III. S. 40. Folgt gesellschaftlich den amerikanischen Schiffen bis zu den Untiefen der Azoren (Bolle), wenigstens bis in Sicht von Flores. Ob diese Art mit der vorigen zu vereinigen, bleibe dahinge- stellt, zumal von Godman die erstere, von Drouet die andere als ,,aLma de mestre" bezeichnet wird. 78. Puffinus anglorum Temm. III. S. 39. Brütet in Klippenhöhlen. 79. Puffinus cinereus Gmel. (major Fab.). (Procellaria puffinus). I. S. 127. III. S. 39. Azorenmuseum. Brütet auf allen Inseln am häufigsten, nach Drouet allerdings nur auf der Ostgruppe und ist nach ihm wenig gemein. 80. Puffinus obscurus Gmel. III. S. 39. Godman, der den Vogel nicht sah, schloss aus der Beschreibung auf die Art. Brütet auf Flores. Schlegel (Museum d'histoire naturelle des Pays-bas) bezweifelt ihr Vorkommen an den europäischen Küsten des Atlantics, sie ist zum mindesten mehr amerikanisch. Ueber die grossartige Ausnutzung der Sturmtaucher zur Oel- und I'edergewinnung und als Nahrungsmittel s. Bolle (1. c. S. 356). 81. Larus argentatus Brünnich. I. S. 126. IL S. 84. III. S. 39. Alle Inseln. 82. Larus marinus L. Azorenmuseum. 83. Larus fuscus L. Azorenmuseum. 84. Larus ridibundus L. Azorenmuseum . 85. Eissa tridactyla Bp. I. S. 126. IL S. 84. III. S. 38. Azorenmuseum. Alle drei Gruppen. 86. Sterna hirundo L. I. S. 126. IL S. 84. III. S. 37. Azorenmuseum. Zur Kenntniss der Azorenfauna. 195 Alle drei Gruppen. 87. Sterna Dougalli Lath. III. S. 38. Alle drei Gruppen, bestimmt wenigstens die westliche und mittlere. Sehr dichte Seeschwalbencolonie auf einem Inselchen bei Villa do Porto auf S. Maria (Bolle). 88. Colymbus glacialis L. I. S. 127. II. S. 84 (ohne Artangabe). Bei Flores. 89. Podiceps nigricollis Br. (P. auritus L.). I. S. 127. Azorenmuseum. Nach Drouet früher auf S. Miguel häufig, jetzt selten, merk- würdigerweise unter dem Zusätze ,,dans les rochers". 90. Podiceps rubricollis Gmel. * (P. grisegena Gray). Azorenmuseum. 91. Alca torda L. * Azorenmuseum. 92. Mergulus alle Vieill. III. S. 36. Azorenmuseum. Mittel- und Ostgruppe. Erklärung der Zeichen in der Liste C8 ."2 < a a CS o 'S 3 O S a 1 'S o Z ? o j, 3 Azoren Die Fragezeichen bei den Azoren betreffen nur das Brüten. .... brütende V^ögel. . . Passanten. pH P. 2 o P< P, P. a 1 1 1-1 o * Cuculus canorus . Upupa epops . . . Dendrocopus major minor Plectrophanes nivalis Pyrrhula murina . Serinus eanarius , * Fringilla carduelis „ tintillon Passer petronia Hirundo rustica Motacilla sulfurea . Reffulus cristatus . Sylvia atricapilla . Erythacus rubecula Saxicola oenanthe . * Turdus viscivorus . ,, merula . . '?. .. Oriolus galbula . . Sturnus vulgaris . Covviis corax . . Strix flauimea . . ? 8 ? Otus vulgaris . . 13* 196 Dr. H. Simroth: ErkläruDg der Zeichen in der Liste. Die Fragezeichen bei den Azoren betreffen nur das Brüten. .... brütende Vögel. . . Passanten. Azoren Buteo vulgaris . . . Tinminculus alaudarius Palumbus torquatus Columba livia . . Turtur auritus . . Caccabis rufa . . Coturnix communis Scolopax rusticola . Gallinago media . * Tringa canuta . . Arquatella maritima * Calidris arenaria . *Pelidna Temmiuckii Totanus fuscus . . * Limosa aegocephala * Macrorbamphus griseus Numenius arquatus „ pbaeopus Strepsilas interpres * Oedicnemus crepitans * Vanellus cristatus * Pluvialis varius „ apricarius * Aegialites hiaticula „ cantiana Crex pratensis . . * Porphyi'io caesius . Gallinula chloropus Fulica atra . . . Ardea cinerea . . „ purpure a „ alba . . . „ garzetta „ egretta . . * „ comata . . „ stellaris . . „ minuta . * „ gularis . . * n3^cticorax . . Ciconia alba . . . Platalea leucorodia Anas boschas . . „ crecca . . . * „ Penelope . . * „ americana . * Fulix ferina . . . * „ clangula . . *Harelda glacialis . Oedemia nigra . . * Mergus serrator * Phalacrocorax carbo Zur Kenntniss der Azorenfauna. 197 Erklärung der Zeichen in der Liste. a c es im a s S 1 i 'S o ia TS a a o. = 2 1 s 'S ® Azoren Die Fragezeichen bei den Azoren betreffen nur das Brüten. .... brütende Vögel. .. Passanten. s o P< 3 "3 o P( Pl S (D 13 O * Tachypetes aquila . Procellai'ia Bulweri ,, oceanica Puffinus auglorum ,, cinereus . obscurus . Larus argentatus . * „ marinus . . * „ fuscus . . * ,, ridibundus ?. „ tridactyhis . Sterna hiiundo .... Dougalli . Colymbus glacialis Podiceps auritus . * „ rubricollis *Alca torda . . . Mergulus alle . . .... .... Durch das Museum in Ponta Delgada ist die Avifauna der Azoren ganz stattlich geworden und erreicht fast die Liste der durch Harcourt (Notice on the Birds of Madeira. Proc. Zool. Soc. Lon- don 1851. S. 141 — 146, und — Notes on the Ornithologie of Madeira. Ann. and mag. 1855. S. 4.30 — 4.38) für Madeira constatierten Arten. Es fragt sich, ob die Zahl der Azorenbewohner in der Ab- oder Zunahme begriffen ist. Vom Distelfink kann kürzliche Einwanderung und Ansiedelung wahrscheinlich gemacht werden; es ist anzunehmen, dass noch mancher Verschlagene sich's heimisch machen wird. Da- gegen ist aus historischer Zeit, die freilich äusserst kurz ist, von keinem Vogel Vertreibung oder Verschwinden berichtet (von ver- wildertem Hausgeflügel, Perlhuhn u. dergl. abgesehen); im Gegen- theil, was die früheren Untersucher selten und fraglich finden, be- stätigen die späteren, und von manchem Vogel kennen wir seine künstliche Acclimatisation, so dass das Vogelleben trotz der Boden- cultur, die auf den meisten Inseln bereits die grösstmögliche Höhe erreicht, wo nicht überschritten hat, eher im Aufblühen als im Rückgange begriffen sein dürfte. Anders soll das Urtheil werden, wenn man die ursprüngliche Vogelwelt zur Zeit der ersten Ansiedler in Betracht zieht (s. Bolle); zum mindesten soll die Individuenzahl enorm gewesen sein, wie denn die Tauben sich den Colonisten auf Kopf, Schultern und Hände setzten und um so zahlreicher kamen, je mehr gefangen wurden; und wenn der Mangel eines Species- verzeichnisses in der Natur der Sache liegt, so wird doch von Cor- deyro, der 1717 schrieb und sich auf den älteren Fructuoso stützte, 198 Dr. H. Simroth: wenigstens die frühere Existenz noch dreier anderen Tagraubvögel (Falken, Sperber, Milane — falcÖes, gavioes, milhafres) ausser dem Bussard behauptet, und der Schluss auf ein allgemein reiches Vogel- leben ergiebt sich von selbst. Die Thatsache fiele um so mehr in's Gewicht, als die Inseln ihren Namen einem Raubvogel verdanken. Ganz abgesehen von der Indiscutierbarkeit einer so unsichern Sache, ganz abgesehn davon, dass die Erzählung von früher auf Terceira hausenden edlen Falken ganz unverdächtig klingt, es kann sich doch wohl mehr um vereinzelte Thiere gehandelt haben; man braucht sich nur der Unklarheit zu erinnern, in welcher bei uns der Laie jedem ,,Stossvogel" gegenüber schwebt, und die Wichtigkeit hinzu- zunehmen, die auf den einsamen und an grösseren Thieren und Naturobjekten armen Inseln jeder fremdartigen Erscheinung beigelegt wird ( — ich verweise auf Arruda Turtado : Materiaes para o estudo antlu'opologico dos povos agorianos. Ponta Delgada 1884), dann schrumpft leicht die Constatierung einer Art auf ein einzelnes Indi- viduum zusammen. Pur den Bussard als den ursprünglichen Insel- beherrscher und ,,Agor" möchte ich aber noch seine Gewohnheit geltend machen, auf den Klippen zu horsten, trotzdem es früher noch weniger an vereinzelten und gedrängten Bäumen gefehlt hat als jetzt. Eine derartige Gewohnheit wird aber nicht über Nacht ge- wonnen, sie giebt dem Vogel eine alte Heimathberechtigung, wie sie kein anderer Raubvogel aufweisen kann. Und so, meine ich, dürfen wir uns auf die Gegenwart und ihre Früchte beschränken, ohne das unangenehme Gefühl, in ihr nur Bruchstücke einer reicheren Ver- gangenheit erblicken zu müssen. Trotz der ausgiebigen freiwilligen und unfreiwilligen Wande- rungen der Vögel bleibt das Vorkommen auf oceanischen Inseln, die wie die Azoren, nach allen Seiten unvermittelt im Meere liegen, von besonderem Interesse. Und dieses müsste sich wesentlich erhöhen, wenn es gelänge, von den verschiedenen Einwanderern genau ihre Herkunft und Ankunftszeit zu bestimmen und mit den meteoro- logischen Daten, vor allem den zu den verschiedenen Jahreszeiten vorherrschenden Windi'ichtungen in Verbindung zu bringen. Von der Lösung dieser Aufgabe sind wir leider weit entfernt. Nur ein paar Andeutungen können gemacht werden. Nach der obigen Liste haben wir jetzt zum ersten Male Vögel auf den Azoren gefunden, die, von den auf das Meer angewiesenen typischen Küsten- und Inselbewohnern abgesehen, zweifellos aus Nordamerika stammen; Mittel- und Südamerika haben keinen geliefert; die arktischen circum- polaren entziehen ihre Provenienz der Controle; betr. Afrika habe ich nur da genauer angeben zu sollen geglaubt, wo es sich um das ausschliessliche Vorkommen jenseits der Sahara, um die aethiopische Region handelt, auch die Mittelmeerländer meinte ich besonders nehmen zu sollen. A. Als Vögel, die durch Nordwinde aus höheren Breiten Zur Kenutniss der Azorenfauua. 199 nach den Azoren verschlagen sind, ergeben sich sechs bis neun, nämlich Plectrophanes nivalis, Tringa canuta, Harelda glacialis, Oedemia nigra, Colymbus glacialis, Mergulus alle, weniger ausgesprochen vielleicht Pluvialis varius, Fulix clangula, Alca torda. Kaum einer von ihnen hat sich, wie es scheint, häushch nieder- gelassen; fast alle sind auf der Ostgruppe beobachtet, nur Colymbus nicht, was um so weniger in's Gewicht fällt, als er selbst von Ma- deira angeführt wird. Das Vorwiegen dieser Gruppe erklärt sich natürich aus dem Uebergewicht, welches ihr das Museum von S. Miguel verschafft hat. B. Vom afrikanischen Festlande stammt nur Ardea gularis, wahrscheinlich nicht sesshaft auf der Ostgruppe. C. Die Mittelmeerländer haben das in Portugal gemeine Sultanshuhn (?), die Ardea alba und garzetta geliefert. Keine Art scheint auf den Inseln zu nisten. D. Aus Nordamerika stammen die amerikanische Pfeifentc und Grauschnepfe. Da sie auf S. Miguel erbeutet wurden, sind sie erst recht auf den westlichen Inseln zu vermuthen. Zu brüten scheinen sie nicht, da sie sonst meinen Vorgängern wohl zu Gesicht gekommen wären. E. Mit den übrigen atlantischen Inseln, den Canaren und Madeira haben die Azoren bekanntlich die Fringilla tintillon und den Canarienvogel gemein, als spezifische Erzeugnisse, selbstver- ständlich nur kleine Binnenlandvögel. Auch ist dahin die Varietät der Sylvia atricapilla, die Schleiergrasmücke, zu rechnen. — Ver- gleicht man die weiter verbreiteten, die auf den Inseln brüten, dann sind den Azoren und Madeira 6 See- und 13 Binnenland- bez. Strand- vögel, — den Azoren und Canaren dieselben 13 Binnenlandvögel, wozu noch der grosse Buntspecht kommt, und ebenfalls 6 Seevögel gemeinschafthch , alle mit Ausnahme der beiden genannten euro- päisch. Das Gros aber der brütenden Binnenlandvögel, 29 von 34, ist europäisch. Da Madeira 23 brütende Binnenlandvögel hat, so sind ihm 10 besonders eigen, und zwar th. europäische, th. eigne, th. südlichere. Ich habe seinerzeit auf die auffallende Thatsache hingewiesen (Globus Bd. LH. S. 300 ff.), dass Terceira, also die Mittelgruppe der Azoren, zwar stärkere Niederscliläge, aber heitereren Himmel und weniger Regenwahrscheinlichkeit, also mehr continentales Klima hat als S. Miguel oder die Ostgruppe. Die Erklärung war in einer ziemlich beträchtlichen Differenz der Windrichtungen zu suchen 200 Dl*- JH. Simroth: (1. c. S. 315 u. 316). Die Azoren als die Wetterscheide im Ent- stehungsgebiet des Nordostpassates, natürlich mit nördlicher und südlicher Saisonverschiebung, sind gerade in Bezug auf diesen Faktor schwer zu beurtheilen. Im Allgemeinen herrschen wohl die Süd- und Westwinde vor, und man sollte dem entsprechend, trotz der grösseren Entfernung, wohl die central- und südamerikanische Avi- fauna auf den Inseln vertreten finden. ^) Auf Pico und Fayal Hess sich aus der Beständigkeit der Wolkendecke und noch mehr der bestimmten Südwest -Nordostrichtung der kammartigen Grasbüschel die Höhe der Berührungszone zwischen Passat und Gegenpassat auf 900 — 1000 m feststellen; man sollte also daraus wohl die Möglichkeit herleiten, dass Südamerikaner mit der oberen Luftströmung ankämen. Doch ist da zu bedenken, dass jene Berührungsebne schon am Pic von Teneriffa doppelt so hoch liegt, dass wir es also auf den Azoren bereits mit einer starken Senkung der oberen Strömung zu thun haben. Es konnten also Avohl vorwiegend nur solche Vögel von Südwest ankommen, die sich in sehr bedeutende Höhen erhoben hätten ; das sind aber höchstens die besten Flieger, denen der Wind nichts anhat. — Im Uebrigen kommen auf die Richtungen des Windes von Nord bis Ost auf S. Miguel mehr als 500 Antheile bei einer Jahressumme von 1415 noch dazu in Ponta Delgada, das, am Süd- rande des Gebirges gelegen, gegen Nord- und Nordostwinde ziemlich geschützt ist. So erklärt sich das Vorwiegen der europäischen, zumal nordeuropäischen und arktischen Vögel, wenn man die grössere Nähe dazu nimmt, von selbst. Die Windrichtungen aus WNW, NW und NNW betragen in Ponta Delgada 218 : 1415, in Angra do Heroismo auf Terceira 255:1288, also nicht mehr als etwa Vr und V5 der Jahressumme, so dass bei der grösseren Entfernung Nordamerika's kaum eine bedeutendere Anzahl von dort stammender Vögel zu er- warten ist. Ich wage nicht, weiter über diese Andeutungen hinaus- zugehen und in eine genauere Berechnung einzutreten. Der Faktoren sind zu viele, als dass die Calculation Halt haben könnte. Endlich noch eine Bemerkung. Auch wenn man die Pyrrhula murina, den autochthonen Vogel von S. Miguel, bei Seite lässt, so fäUt es auf, dass der Vogelorganismus auf den Azoren zur Variation neigt. Ob meine vereinzelte Beobachtung des besonders dichten Gefieders bei der Amsel sich durch genauere Vergleiche bestätigen wird, bleibt abzuwarten. Es würde, wie ich angab, nahe liegen, die Feuchtigkeit des Ozeanklima's dafür verantwortlich zu machen. Beim Plattmönch treten ausser der maderensischen noch weitere Abweichungen auf, die weisse Scheitelplatte u. dergi. ; überhaupt ist ^) Mit den Westwinden verbreitet sich allerdings ein amerikanischer Ein- wanderer, der schöne Tagfalter Danais archippus, bei meiner Anwesenheit der lebhafteste Schmuck Fayal's. Drouet und Morelet fanden üin noch nicht, Godman trieb nur zwei Exemplare auf, die 1804 auf Fayal und Flores erbeutet waren; jetzt war er auf Fayal die gewöhnlichste Erscheinung, und vereinzelte Falter flogen bereits auf S. IVIiguel. Die Etappen sind gut zu verfolgen. (8. Globus LH. S. 314.) Zur Kenntniss der Azorenfauna. 201 Neigung zu Albinismus häufig, bei der Amsel, bei der Wachtel. Die Felsentaube ist dunkler als sonst, die Fringilla tintillou variiert in ziemlich weiten Grenzen. Voraussichtlich würde genaueres Studium mehr ergeben. Immerhin ist das wenige bei der geringen Zahl der Ansässigen nicht ganz unbedeutend. Worin liegt die Ursache? Sie kann wohl eine doppelte sein. Zunächst möchte man geneigt sein, der veränderten Zusammensetzung der Gesammtfauna und der Iso- lierung auf den Eilanden das Hauptgewicht beizulegen. Die ge- ringere Anzahl der Paare und der Wegfall des Zuges, also das dauernde Zusammenleben, könnte die Züchtung der secundären Ge- schlechtscharaktere vermindern, da die Auswahl einfacher ; der Mangel oder die Reduction der Feinde dürfte es zufälligen Abweichungen, namentlich den auffälligen weissen Thieren erlauben, unbehelligt sich breit zu machen. Indess bleibt es fraglich, ob in diesen Faktoren der Hauptgrund liegt und ob nicht der beständige Aufenthalt in dem veränderten Klima den Anstoss zur Variation giebt. Godman's Bemerkung, dass die Füsse und Schnäbel der Azorenvögel häufig stärker seien als die der Brüder auf dem Continent, möchte wohl dieser Annahme, welche die Variabilität in klimatischen Einflüssen begründet, das Wort reden. Das Urtheil muss natürlich zurück- haltend sein und sich begnügen, auf die Bedeutung der insularen Abaenderung im Allgemeinen hinzuweisen, ohne noch den Begriff sichtend zerpflücken zu können. C. Reptilien. Ursprünglich fehlten alle Landreptihen den oceanischen Inseln. Dass Seeschildkröten herankommen, ist sicher; Drouet giebt Chelonia midas an; von den anderen Arten des atlantischen Üceans ist es meines Wissens nicht bekannt, dass sie an den Azoren gefangen seien; auf dem Markte sah ich keine. Dagegen hat die Eidechse einiges Interesse. Lacerta Dugesi M. Edw. I. S. 129. n. S. 54. III. S. 43. Walker, I.e. S. 207. Böttger (Verzeichniss der von Hrn. Dr. Heinr. Simroth aus Portugal und den Azoren mitgebrachten Reptilien und Batrachier. Sitzsber. der Ak. der Wiss. zu Berlin. 1887. XII.) S. 194. Graziosa. Terceira. S. Miguel. Diese nach Böttger nur noch auf Madeira bestimmt vorhandene Eidechse ward zuerst auf Graciosa gefunden, und zwar bei dem kleinen Hafenorte Santa Cruz. Bisher war dies der einzige Fundort. Böttger versieht sich wohl, wenn er für Graciosa Metschnikoff als Autorität angiebt und ausserdem Santa Maria hinzufügt nach Morelet. Dieser erwähnt nur Drouet's Fund (1. c), ebenso Godman. Walker hat das Thierchen an der alten Stelle wieder gefangen (1. c). Drouet hält die Echse für eine neue Einführung. Ich selbst' landete nicht auf Graciosa. Wohl aber fiel mir an den hohen Uferbauten des schönen Hafens von Angra do Heroismo auf Terceira sehr bald das reichliche Vorkommen des Thierchens auf; und ich darf wohl be- 202 Dr. H. Simroth: haupten, dass es in der Umgebung ausserhalb der Stadt noch fehlt. Der heisse sonnige Monte Brasil, der auf der einen Seite den Hafen flankirt und bei seinen steilen, nur mit Gestrüpp bestandenen Ab- hängen wie geschaffen für die Echsen erscheint, entbehrt sie noch, so gut wie die Anhöhen im Hintergrunde der Stadt und das alte spanische Fort, das dem Monte Brasil gegenüberliegt als Ostum- grenzung des Hafens. Aehnlich ist es auf S. Miguel. Auch hier ist das Thierchen bis jetzt fiast auf das Fort S. Braz, das den Hafen von Ponta Delgada deckt, beschränkt; doch beginnt es sich all- mählich ein wenig, aber nur erst in die nächste Umgebung auszu- breiten, nach Dr. Machado's Versicherung. Mir scheinen diese That- sachen nicht unwichtig, denn sie zeigen die grosse Stabilität der sonst so munteren Echse. Ich darf entschieden vermuthen, dass die Ausbreitung, sei es von Madeira, sei es von Graciosa aus, erst in den letzten Jahren oder höchstens Jahrzehnten vor sich gegangen ist; sonst hätte das Thierchen von Godman oder Walker, der es doch auf Graciosa fing, gesehen werden müssen; denn für die Azoren- fauna ist es stattlich genug, und bei der melancholischen Stille namentlich der höheren Partieen fällt ein Laut wie das Rascheln einer Eidechse sofort auf Zweifellos wird die Echse durch Schiffe verschleppt, aber sie hält sich für geraume Zeit streng an den Hafen, und es mag lange dauern, ehe sie sich eine ganze Insel erobert, so recht im Gegensatz zu dem Fisch und Frosch des süssen Wassers oder zu den Vögeln, selbst die Säuger übertreffen die Echsen hier an Verbreitungsenergie um ein Beträchtliches. ? Lacerta viridis? Walker (1. c. ) behauptet auf Graciosa noch eine zweite Echse gefangen zu haben, die bestimmt viridis gewesen sein soll. So wenig auffälliges die Verschleppung einer in Süd- europa so verbreiteten Art an und für sich haben könnte, bleibt doch weitere Bestätigung durchaus abzuwarten, zumal Walker mehr vom geographischen und touristischen Standpunkte aus schreibt. Zum mindesten wäre es befremdlich, dass die zweite Art an dem- selben Orte zuerst auftauchen sollte, wo die erste anlandete, wie- wohl vielleicht dafür sich in irgendwelchen Handelsbeziehungen die Erklärung finden liesse. D. Amphibien. Rana esculenta L. Auf allen Gruppen, aber wohl nicht auf allen Inseln. Ganz gemein in jedem Tümpel und Kratersee von S. Miguel, kommt der Wasserfrosch nach Godman auf einigen Inseln der Centralgruppe vor und ist im Westen auf Flores wohl vorhanden, aber weniger zahlreich. Warum? Ursprünglich fehlten die Amphibien. Um 1820 führte der Vicomte von Praya den Frosch auf S. Miguel ein, und der beeilte sich, seinen Platz in der Schöpfung voll und ganz aus- zufüllen. Woher er geholt und in welcher Anzahl, darüber schweigen die Akten. Die Untersuchung, die Herr Wolterstorff den von mir mitgebrachten Exemplaren angedeihen Hess, scheint Licht hinein- Zur Kenntniss der Azorenfauna. 203 zubringen oder vielleicht den einmaligen Import zweifelhaft zu machen. Danach kommen nämlich, brieflicher Mittheüung zufolge, auf S. Miguel zwei Varietäten vor, die eine mit sehr grossen Augen, die besonders im nördlichen Spanien lebt; die andere mit kleinen Augen, nament- lich in Nordafrika heimische gehört wohl zur Unterart esculenta Latastei Cam., deren Verbreitungsgrenzen noch nicht hinlänglich bekannt. Da zu dieser Form auch meine portugiesische Ausbeute (von Porto, Cintra und Madeira) zu rechnen, so würde daraus ein Zu- sammenfallen oder doch ein Verschwimmen mit der var. Perezi Seoane (var. hispanica Micha.?), zu der Böttger meine portugiesischen Thiere rechnet, zu folgen scheinen. Immerhin ist es unwahrschein- lich, dass bei der ersten Einführung, doch wohl auf Bestellung von einer Localität aus. gleich beide Varietäten zufällig zusammen- gekommen seien. — Zu der zweiten Varietät stellt Wolterstorff auch die Larven und jungen Fröschchen, die ich am und im Kratersee von Sete cidades in sehr verschiedener Grösse fing. Was ich über die stark wechselnde Entwickelung aufzeichnete (bald ganz kleine ausgebildete Thiere, bald sehr grosse Quappen-Neotenie), hat Böttger bereits veröffentlicht. Ich dachte an das feuchte Klima, welches die grossen Quappen oder verwandelten Frösche noch mit langem Schwänze auf's Land zu gehen einladet; und nach Sr. Maria Rapozo's Mittheilung sollen sich sogar bisweilen, wenn auch selten, ganz grosse noch geschwänzte Frösche finden, was ich ohne Augenschein dahingestellt sein lassen muss; eine gegliederte Schwanzwirbelsäule scheint mit dem Springen kaum verträglich. Andere wollen den Mangel animalischer Nahrung für die Verzögerung der Metamorphose ver- antwortlich machen. Trotzdem dass J. de Guerne's Studien der Süss- wasserfauna eine ganze Reihe niederer Thiere in den Seebecken nach- gewiesen haben, glaube ich an der Thatsache festhalten zu müssen, dass im Grossen und Ganzen die Kraterseen mit ihrem UntergTund öder vulkanischer Aschen und ihrem spärlichen Pflanzenwuchs eine relativ sehr geringe Individuenzahl beherbergen, gegenüber einem hohen Kaulquappenbestande , so dass die animalische Nahrung für die Quappen kümmerlich bleibt. Merkwürdig ist, dass sich nach Morelet (IL S. 54) eine von Nordamerika eingeführte Kröte (Sp. ?) auf Fayal nicht hat halten können. Die Bedingungen scheinen doch in hohem Maasse ihrem Gedeihen günstig. Betreffs der Meeres-Fische, -Mollusken und Echinodermen, von welchen Herr Dr. Hilgendorf und Herr Professor von Härtens gütigst die nachstehenden Listen aufgestellt haben, sind einige Bemerkungen über die Fundorte voranzuschicken. Bekanntlich bieten die Lava- klippen, welche die Steilränder der Azoren fast überall umgürten, nur wenige geeignete Punkte, um mit dem Dredgenetz zu arbeiten. Die von dem Meere durch Auslaugen karstartig zerfressenen Felsen gestatten schlechterdings keinen Versuch. Auch ein Balkenkreuz mit Quasten, dessen Anwendung ich erwog, musste bald wieder auf- 204 Dr. H. Simroth: gegeben werden, angesichts einiger unliebsamen Erfahrungen mit einer am Ende des Netzes zum sicheren Auffinden befestigten schwim- menden Boie, die durch Strudelbewegungen der starken Brandung gelegentlich hinabgezogen wurde; es gelang uns trotz vieler An- strengungen nicht, sie wieder zu lösen. Wir mussten den starken Strick durchschneiden, um selbst freizukommen. So ist man betr. der Strandfauna einzig und allein auf die Ebbe angewiesen; und deren besonders niedriger Stand, den ich zweimal ausbeuten konnte, zeigte zumal nach einem Sturme, dass gerade in den Felsenspalten ein reiches und eigenartiges Thierleben haust, zwischen Ulven, Fucoi- deen und zahlreichen Corallinen. Nur ]nit dem Taucherapparat würde man hier vermuthlich eine genügende Ausbeute erhalten. Ganz anders natürlich die wenigen Stellen mit sandigem Grunde, die immer, auch nach der freien See zu, sehr beschränkt sind wegen des bald eintretenden Steilabfalles — , der Hafen der Hauptstadt, eine kleinere Stelle an der Punta Delgada, nahe dabei, auf der anderen Seite die hübsche Bai von Rosto de Cäo, einige Stunden weiter die Praya von Villa Franca. Ich dredgete an den ersten drei Localitäten. Die vorwiegend kleinen Conchylien wurden haupt- sächlich im Sande der letzten beiden Orte sowie zwischen den Klippen gesammelt. Naturgemäss nehmen Fauna und Flora auf dem hell- grauen Sandgrunde eine grosse Eintönigkeit an, zu dem Grau des Sandes, der aus kleinen, meist noch scharfkantigen und die Krystall- form wahrenden Partikelchen trachytischer Lava besteht, passt das der Hydroiden und Bryozoen, und zierliche Florideen färben die graue Wiese mit einem rosarothen Tone. So geht es von wenigen Faden, fast von der Oberfläche, bis zu der Tiefe, in die ich das Netz hinabliess (40 — 50 Faden), ziemlich gleichmässig fort. Und zwischen diesen beiden Farben bewegt sich die Thierwelt, die Spa- tangen, Seesterne, Ophiuren, Ervilien, Venus, die oft massenhaft angehäuften Ditrypa und die übrigen Würmer, die Krebse, Krabben und Amphipoden, und Actinien; dabei steckt der Sand voller An- nelidenröhren, deren aufgefaserte, von demselben Saud aufgebaute Vorderenden das Netz stets massenhaft herauf befördert , wohl von Sabellen. Mannichfaltigkeit nach Umfang und Farbe gehört den unzugänglichen Klippen. Höchstens kann man auf dem Sandgrunde hier und da eine locale Sonderuug der charakteristischen, farben- monotonen Elemente bemerken; denn nach dem einen Zug, der etwa eine Viertelstunde mit langsamer Bewegung des Bootes geführt wurde, enthält das Netz einige tausend Ditrypa mit Ervilien, nach einem zweiten Florideen, nach einem dritten Sabellenröhren in Un- masse; es macht sich eine enorme Anhäufung zu einer Form be- merkbar, die den Eindruck der Monotonie nur zu erhöhen ge- eignet ist. Zur Kenntniss der Azorenfauna. 205 II. Die Fisclie der Azoren. Bearbeitet von Herrn Dr. F. Hilgeudorf. Vorbemerkung des Herrn Dr. Simroth. Die Fischfauna der Azoren ist zweifellos noch sehr unvollkommen bekannt. Der Grund liegt hauptsächlich in der Indolenz der Fischer, die jedes Thier, das nicht zur gewohnten Speisekarte gehört, gleich wieder in's Meer werfen oder als Köder zerstückeln. Ich nahm hauptsäch- lich mit, was ich von seltneren auffallenden Sachen auf dem Fisch- markte fand, wo ich womöglich gleich Morgens, zwischen 7 und 9 Uhr, die vom nächtlichen Fange zurückkehrenden Flottillen erwartete. Sodann aber scheint die üferzone mit dem reichen lOippenleben noch manches zu bergen, was für die Fischer überhaupt nicht existiert. Man erhält diese Sachen von Jungen, die ihre Zeit mit Angeln ausfüllen. Künftigen Besuchern ist dringend zu empfehlen, dass sie gleich vom ersten Tage an mit einigen Fischern sich ver- ständigen, ihnen täglich alle Formen, die ihnen vorkommen, zu bringen. Freilich muss man dann auch das Gewöhidichste um billigen Preis kaufen, damit einem das Seltnere nicht entgehe. Ebenso müsste man einige Knaben zum regelrechten Angeln anhalten. Sonst wird man stets auf den blossen Zufall angewiesen sein. Srth. Ueber die von Herrn Dr. Simroth gesammelten Azorenfische habe ich bereits in den Sitzungsberichten der Gesellschaft natur- forschender Freunde zu BerHn, Jahrg. 1888, S. 79 (15. Mai) einige kurze Bemerkungen veröffenthcht , die nun hier vervollständigt werden sollen. Unter den 25 mir zur Untersuchung übergebenen Arten ver- dienen 10 hervorgehoben zu werden, weil sie eine Bereicherung unserer Kenntniss der Azorenfauna darstellen, wenigstens weder in der Liste H. Drouet's (Elements de la Faune agoreenne 1861, S. 131 ff. ^) verzeichnet, noch in dem einheimischen Museum zu Ponta Delgada (S. Miguel), dessen Azorenfische Herr Simroth notirte, vertreten sind: Serranus atricauda, Caranx georgianus, Gobius pa- ganellus, Salarias symplocos, Mugil chelo, Lepadogaster bimaculatus, Heliases chromis, Glyphidodon luridus, Centrolabrus trutta, Creni- labrus melops. Hiervon sind wiederum Caranx georgianus wegen seiner Verbreitung und Salarias symplocos als unbeschriebene Art bemerkenswerth . 2) Nach den drei Quellen: Herrn Simroth's Sammlung, Drouet's Liste und den Bestimmungen im Museum zu Ponta Delgada, ist die *) Eine Zusammenstellung einheimischer Fischnamen (alphabetisch), ebd., S. 220— 222. '') Die Liste afrikanischer Fische von Guimaräes (1884, nicht 1886), welche ich in der vorläufigen Publikation erwähnte, enthält kerne Fische von den Azoren, ebensowenig die frühere Liste (1882) u die von Brito Capello (1870 bis 1873). 206 Dr- H. Simroth: hier folgende Aufzählung entworfen. Der Charakter der Fauna ist wesentlich der der mittelmeerischen, einzelne den Azoren eigenthüm- liche Arten, wie Serranus atricauda, Salarias symplocos, bedeuten eine tropische Beimischung; americanische Elemente fehlen gänzlich. Die von Simroth gesammelten Arten sind mit gesperrrten Lettern gedruckt. 1. Anthias sacer Bl. i) Drouet, p. 131, 222 (als Serranus anthias), und im Museum von Ponta Delgada. 2. Serranus (subg. Pseudoserranus Klz.) atricauda Günther Ann. Mg. 1874, XIIL, p. 230. Es ist nicht ein dunkles Wangenband vorhanden (Gth.), sondern bis drei, sie sind bläulich, schwarzge- säumt. Auch Gth. 's Expl. stammte von den Azoren. — Simr. 4 Expl. 17V2 — 27 cm lang. — Viell. ist eine der folgenden Serr.-Species mit dieser verwechselt worden. 3. Serranus scriba (L.), bei Drouet, p. 131. 4. Serranus cabrilla (L.), im Museum Ponta Delgada. 5. Serranus gigas (Brunn.), im Museum Ponta Delgada. 6. Polyprium cernium C. V., Drouet, p. 131 und Mus. P. Delg. 7. Apogon imberbis (L.), Museum Ponta Delgada. 8. Cantharus lineatus (Mont.). 9. Box vulgaris C.V., 5 Exempl., I5V2 — 18 ctm 1.; auch bei Drouet, p. 132 u. im Mus. P. Delg.-') 10. Box salpa (L.), 1 junges Expl., 10 ctm 1.; auch bei Drouet, p. 132 u. im Mus. P. Delg. — Lin. lat. 71 (bis zur Biegestelle der Caud.), L. tr. 7/17 (Gth. Cat. 5/14). 11. Sargus vulgaris Geoffr., Mus. P. Delg. 12. Sargus rondeletii C. V., 2 Exempl., 6,2 u. 26 ctm. 1., auch bei Drouet, p. 132 u. im Mus. P. Delg. 13. Pagrus vulgaris C. V., im Mus. P. Delg. 14. Pagellus centrodontus (de la Roche). Der Schulterfleck nur schwach sichtbar, bei den jungen fehlend. 4 ältere Expl., 20 bis 22V2 ctm 1., 2 junge Expl. 7V2— 8V4 ctm. Auch im Mus. P. Delg. 15. Pagellus bogaaveo (Brunn.), bei Drouet, p. 132 u. im Mus. P. Delg. 16. Pagellus acarne (C), bei Drouet, p. 132 u. im Mus. P. Delg. 17. Chrysophrys aurata (L.), bei Drouet, p. 132. 18. Mullus barbatus L., bei Drouet, p. 131. *) Wenn man den Gleichklaug des Doppelnamen nicht scheut, würde nach der Priorität die Bezeiclmung Anthias anthias (L.) geboten sein. Ich habe hier wie in späteren ähnüchen Fällen dem bisher übüchen Namen den Vorzug gegeben. ^) Box vulgaris, „Boga," wird ausserordentlich häufig von einer Fischassel bewohnt, so dass aus dem Maule gewiss der meisten zu eüiem Haufen auf- geschichteten Brassen der grosse Kruster hervorsieht. Das Volk soll die Exem- plare mit dem Wurme verabscheuen. Simroth. Zur Kenntniss der Azorenfauna. 207 19 Scorpaena scrofa L. wii'd von Drouet p. 131 aufge- führt und ist auch im Mus. P. Delg. aufgestellt. — Herr Simroth sammelte 2 Exemplare, 1474 bezw. 11 ctm 1., die ich mit Zweifel hierher stelle. D. 11, 1/9 (10?), A. 3/5, L. 1. 53 + 3 (tub. 27), der Kopf ist oben mit kleinen Pusteln bedeckt wie bei ustulata Lowe, auf dem Operculum und der Wange stehen kleine Schuppen, die ich auch bei einem trocknen Exemplar von den Canarischen Inseln (M. B. 12456) sehe. Der bei scrofa und ustulata deutliche Fleck in der D.I. fehlt. Die Grube auf dem Hinterkopfe fehlt, so dass man an die Gattung Sebastes denken sollte. Der S. dactylopterus ist indessen durch seine Flossenformel D. 11, Vi« und durch sein schwarzes Maul von der Berücksichtigung ausgeschlossen. Das oben erwähnte Expl. von den Canar. Inseln besitzt die Kopfgrube sehr deutlich. Auch am Praeorbitale finden Abweichungen zwischen diesem und den Simroth'schen Fischen statt, welche letztere am Unterrand einen längeren Vorder- und dafür keinen Mittelstachel tragen. Eine dunkle Binde durch die Analis, welche bis in die weiche D. hinaufzieht, haben die Azoren- und Canaren- Exemplare gemein. Sc. porcus ist durch seine grob gerieften Schuppen sicher unterschieden. 20. Beryx decadactylus C.V., im Mus. P. Delg. 21. Beryx splendens Lowe, im Mus. P. Delg. 22. Hoplostethus mediterraneus C.V., im Mus. P. Delg. 23. Lepidopuscaudatus (Euphr.), imMus. P.Delg., fast 2 Met. lang. 24. Trachurus trachurus (L.), 3 Exempl., I3V2 — I6V2 ctm lang, von Simroth gesammelt. Auch bei Drouet, p, 132. 25. Caranx hippos (L.), im Mus. P. Delg. unter der synonymen Bezeichnung ,, Trachurus fallax." 26. Caranx spec, im Mus. P. Delg. 27. Caranx georgianus C.V. 2 Exemplare, 21 bezw. 26 ctm lang, von Simroth gesammelt. — D. 8^/25 — 26» A. 2,V2i — 22» L. 1. 26 — 24 (die zweiten Zahlen gehören dem kleinen Expl. an), Zähne oben in doppelter Reihe, die äussere mit grösseren Zähnen, unten nur vorn doppelt, an der Zunge in mehrfacher, an dem Vomer und Palatinum in einfacher Reihe. C. georgianus ist nur aus dem Meere Australiens bekannt. Im atlantischen Ocean kommt der nahe verwandte C. dentex (Bl. Sehn.) mit zahnlosem Gaumen vor. 28. Caranx spec, 1 sehr junges Exemplar (3 ctm 1.), von Simroth gesammelt, kann nach seiner Flossenformel zu keiner der genannten Arten gehören: D. 6,V2ii, A. 2,725- Ibm fehlen noch Schuppen und Seitenschilder; das Praeoperculum mit Dornen und Maxilla unter die Pupille verlängert. Die Körperformen stimmen etwa zu georgianus. 29. Seriola dumerilii (Risso), im Mus. P. Delg. 30. Naucrates ductor (L.) und dessen Jugendzustand. 30a. Nauclerus compressus C. V., mi Mus. P. Delg. 208 Dr. H. Simroth: 31. Lichiaglauca (L.), 2 Expl., 28 u. 36 ctm 1., von Simroth gesammelt. Die Pectoralis der linken Seite bei einem Exempl. mit schwarzem Fleck. Auch im Mus. P. Delg. 32. Temnodon saltator (L.), selten; im Mus. P. Delg. 33. Capros aper (L.), im Mus. P. Delg. 34. Zeus faber L., bei Drouet, p. 134 und im Mus. P. Delg. 35. Centrolophus pompilus L., im Mus. P. Delg. 36. Coryphaena equisetis (L.), bei Drouet, p. 133 und im Mus. P. Delgada. 37. Coryphaena azorica C.V. , bei Drouet, p. 133 (nach C. V.), nach Günther = pelagica L, , welche nach Lütken wieder = hip- purus L. Coryphaena. In Simroth's Sammlung finden sich 2 sehr junge Exemplare, 8 und 14 mm lang, welche dieser Gattung zugehören. 38. Brama raii (BL), im Mus. P. Delg. 39. Taractes asper Lowe, im Mus. P. Delg. 40. Scomber scomber L., bei Drouet p. 132 u. im Mus. P. Delg. 41. Scomber colias L. Gm., bei Drouet p. 132. 42. Scomber pneumatophorus de la Roche, unter diesem Namen im Mus. P. Delg., wird neuerdings mit Sc. colias vereinigt. 43. Thynnus thynnus (L.), bei Drouet p. 132. 44. Thynnus pelamys (L.), bei Drouet p. 132 und im Mus. P. Delg. 45. Pelamys sarda (Bl.), im Mus. P. Delg. 46. Echeneis remora L., im Mus. P. Delg. 47. Trachinus vipera C. V., im Mus, P. Delg. 48. Lophius piscatorius L., im Mus. P. Delg., über 1 Meterlang. 49. Trigla cuculus L. Unter dem Synonym Tr. pini. im Mus. P. Delgada. 50. Trigla lineata L. Gm., im Mus. P. Delg. 51. Gobius niger L., bei Drouet, p. 134. 52. Gobius paganellus L. In Simroth's Sanmilung sind 3 Exemplare von 46, 64 und 83 mm Länge vorhanden. D. 6,Vi3 — 14, A' Vii — 12, L- 1- 51 + 2, Ltr. zw. D. II. u. A. 18. Die Abbildung bei Day (Fishes Brit. and Ir., Taf. 42, Fig. 2) giebt die V. der P. gegenüber viel kürzer an; die V. endet bei S.'s Exemplaren erst dicht vor dem letzten Drittel der P. Die Punktirung der D. und C. sehr deuthch, der P. undeutlicher. 53. Blennius sanguinolentus Pall. In Simroth's Sammlung 1 o und 5p. Auch bei Drouet, p. 134, als Bl. palmicornis. Zur Kenutniss der Azorenfauiia. 209 54. Salarias symplocos, Hilgendorf, Sitzb. Ges. natf. Fr. Berlin, 1888, S. 79. (Figur A. auf Tafel XIV.). D. 13/16, A. 2/17, der letzte ungegliederte St. der D. und die beiden ersten kleinen der A. versteckt. Durch die zu einer gemeinsamen, quergestellten Haut- platte verwachsenen beiderseitigen Orbitaltentakeln von allen andern Species unterschieden. Die eine Querreihe bildenden Vomerzähne (vier) sind nur noch bei einer Art vorhanden (vomerinus). Die Dorsalis ist eingeschnitten (die Verbindungshaut steigt nur bis zu Vs an dem 1. Strahle der D. IL aufwärts), kein medianer Haut- kamm auf dem Hinterkopf, dafür aber eine Reihe von 6 faden- förmigen Tentakeln. Körperhöhe, gleich Kopflänge, 5 mal in der Totallänge enthalten. Nasententakel (am vorderen Loch) aus ca. 8 Fädchen gebildet (s. Abb. in doppelter Grösse) , wovon einige ge- trennt am Ünterrande des Nasenlochs stehen. Der gemeinsame Ten- takel der beiden Augen sitzt ein wenig hinter der Augenhöhle, und ist länger als deren Durchmesser, die beiden Seitenkanten des Ten- takels sind mit Fädchen besetzt (s. Abb. in dopp. Grösse), seine hintere Fläche ist ausgehöhlt, die vordere dagegen gewölbt; die 6 medianen Occipitaltentakeln sind halb so lang als der Augendurch- messer. Sonst sind keine Tentakeln sichtbar. Der hinten im Unterkiefer stehende Fangzahn ist sehr kräftig. Die Vomerzähne halbkugiig und ziemlich gross, weit von einanderstehend (s. Abb. in dopp. Grösse). Die Strahlen der D. L und H. etwa gleich lang'), über halbe Körperhöhe messend; D. H. nicht mit der C. verbunden; an der V. nur 2 Strahlen zu erkennen. Kopfprofil in einem Winkel von llO*^ geknickt. — Braun; sieben dunkle Querbänder zwischen Kopf und Caudalis; eine Längsreihe von 12 — 20 perlmutterweissen Punkten in der untern Körperhälfte, darunter eine unvollkommne zweite Reihe, Kiemenhaut weissgetupft mit dunkler, unvollkommner Querbinde, Nacken mit dunklen Punkten, ein bis zwei Längsreihen solcher in der D. H. ; D. L schwärzlich, A. mit dunklem Saum. 1 Exemplar, 78 mm lang, K. zool. Samml. Berlin, No. 12754. Der Sal. vomerinus-) stimmt nicht nur durch den Besitz der Vomerzähne, sondern auch in der Flossenformel (aber V. 4) und Körperform ziemlich überein, überdies gehört er auch zu den atlanti- schen Arten, er hat aber nur einen kleinen Orbitaltentakel jeder- seits und der Tentakel im Nacken ist paarig. Es sind jetzt 7 atlan- tische Species bekannt, ausser den 2 genannten, nämlich noch S. atlanticus, nigricans, margaritaceus (Poey 1858j, decoratus (Poey 1868), doliatus (Sauvage 1880). 55. Sphyraena vulgaris C.V. , bei Drouet p. 131 und im Mus. P. Delgada. 56. Mugil chelo C. In Simroth's Sammlung 6 Exemplare, ') Die Fig. giebt sie im hintern Theil der D. I. etwas zu niedrig an. ^) S. vomerinus C.V. wird von Jordan als syn. zu textilis Q. G. aufge- führt, Proc. U. S. National Mus. IX., 599. Arch. f. Naturgesch. Jahrg. 1888. Bd. I. H. 3. 14 210 Dr. H. Simroth: 5 — 14 ctm 1. Das unbedeckte mediane Kelilfeld ist bei den S.'scben Exemplaren breiter, als es bei Bonaparte (Fnuna italica) gezeichnet ist; Day's Fig. (Fish. Brit. Ir.) ist schon ähnlicher. Ein Exemplar von 9 ctm besitzt schon Andeutungen der Lippenpapillen. — Auch bei Drouet p. 134. 57. Mugil labeo C, bei Drouet p. 134. 58. Centriscus scolopax L., im Mus. P. Delg. 59. Centriscus gracilis Lowe, im Mus. P. Delg. 60. Lepadogaster bimaculatus (Penn.). Von Simroth wurde ein 15 mm langes Exemplar pelagisch gefischt. 61. Glyphisodon luridus (Brouss.), 2 Exempl., 13 u. 15 ctm 1. in Simroth's Sammlung. 62. Heliases chromis (L.); 10 Exemplare von Simroth ge- sammelt, 12 — 14 ctm lang. 63. Labrus merula L., im Mus. P. Delg. 64. Labrus mixtus L., im Mus. P. Delg. 65. Crenilabrus melops (L.), 2 Exempl. in Simroth's Samm- lung. 18 u. 19 ctm 1.. D. 17/9; Wangenschuppen in 4 — 5 Reihen. Fleck auf der P.-Basis und der oberen Caudalwurzel deutlich, Fleck hinter dem Auge schwach; Querbinden bei dem kleinen Exemplar gut ausgeprägt, C. und weiche D. und A. mit kleinen, hell um- ränderten Punktflecken. 66. Acantholabrus palloni (Risse), im Mus. P. Delg. 67. Centrolabrus trutta Lowe. Simroth sammelte 4 Expl., 16— 19Vo ctm 1. — D. 18/8—9, A. 6/8; L. tr. 4V2/I2V2. Die Färbung ist bei allen 4 Exemplaren übereinstimmend: ein Caudalfleck unter der L. 1., längs der (vordem) L. 1. ein unvollständiges dunkles Band, ein eben solches darüber und darunter und 6 — 8 unregelmässige Querbinden. Statt des Postocularflecks drei wellige Längslinien. Die einzelnen Schuppen meist mit dunklem Centrum. In der weichen D. und A. und in der C. blass bläuliche Flecken, durch gelbe Streifen getrennt; Stirn und Schnauze dunkel. — Ein Exemplar von den Canarischen Inseln im Berliner Museum ist in der Färbung ziemlich ähnlich, besitzt aber D. 16/9, A. 5/8, L, tr. 3V2/ , die normalen Zahlen sollen sein 17/8, 5/8, 3V2- — Acanthol. romerus Val., den Drouet p. 135 aufführt, ist nach Gth. wohl syn. hierzu. 68. Cossyphus scrofa C.V., im Mus. P. Delg. 69. Novacula cultrata (L.), im Mus. P. Delg. 70. Julis pavo (Hassq.). In Simroth's Sammlung 2 Exempl., IOV2 u. I3V2 ctm 1. Kopf kürzer als Körperhöhe. Auch im Mus. P. Delg. und bei Drouet, p. 135. 71. Coris Julis (L.). Simroth sammelte 4 Expl. von 14 — 21ctm. Länge. Das grösste Expl. (Männchen), mit deutlich verlängerten Zur Kenntniss der Azoreufauna. 211 ersten D.- Stacheln und grossem schwarzem Fleck dazwischen, hat seitlich ein dunkles Feld, das von der zurückgelegten Brustflosse bedeckt wird, und den dunklen Hinterleib ohne helle Längsbinde, dagegen ein unvollkomnmes helles Querband hinter der P.-Spitze (ähnlich ayg-ula); über die Wurzel der P. eine braune Binde, die weiche D. und die C. ziemlich dunkel, A. etwas heller. Die Stirn ist in der Quere stark convex, der Krümmung nach gemessen 2 Augen- durchmesser breit. — Das kleinste Exemplar ist ein Weibchen; es besitzt eine helle Seitenbinde, die vom Mundwinkel bis zur C. zieht; fast die ganze obere Hälfte des Leibes ist dunkel. Ein schwacher Fleck im Anfang der D., ein deutlicher Postocularstreif Alle Flossen hell. — Vom Mus. P. Delg. notirte Simroth Coris julis und C. gio- fredi (Risso), welch letztere jetzt als das Männchen zu julis gilt. Auch Drouet, p. 134, erwähnt eine zu dieser Species gerechnete Form: Julis speciosa Risso. 72. Scarus cretensis (L.), im Mus. P. Delg. 73. Phycis mediterraneus Delaroche, im Mus. P. Delg. 74. Motella tricirrata (Bl.). In Simroth's Sammlung 1 Expl., 11 ctm. 1. Im Mus. P. Delg. und in Drouet's Liste, p. 136, ebenfalls vertreten (als M. vulgaris). 75. Motella maculata (Risso), im Mus. P. Delg. Drouet, p. 136, spricht ausserdem im Allgemeinen von mehreren Species des (jenus Gadus oder verwandter Genera. 76. Macrurus coelorhynchus (Risso), im Mus. P. Delg. 77. Malacocephalus laevis (Lowe), im Mus. P. Delg. 78. Rhomboidichthys mancus (Brouss.), im Mus. P, Delg. 79. Aulopus filamentosus (BL), im Mus. P. Delg. 80. Carassius auratus (L.), im Mus. P. Delg., bei Drouet, p. 135, und bei de Guerne, Campagne scient. du Yacht Hirondelle, 3. Annee, Paris 1888. 81. Belone vulgaris Flem. In Simroth's Samml. 3 Exph, wovon eins ohne und 2 mit Zähnen am Gaumen. Es spricht diese Variabilität für die neuerdings gewünschte Vereinigung der B. acus (ohne Z.) mit der vulg. (mit Z.). — Auch im Mus. P. Delg. 82. Belone caudimaculata C. Diese indopacifische Art wäre nach der Bestimmung im Mus. P. Delg. auch bei den Azoren vor- handen. 83. Exocoetus lineatus C.V., im Mus. P. Delg. 84. Salmo fario L., im Mus. P. Delg. (Vergl. die Note bei Anguilla.) 14* 212 Dr. H. Simroth: 85. Clupea pilchardus Walb., im Mus. P. Delg. 86. Anguilla vulgaris Turt. In Simroth's Sammlung 2 Expl. (46 u. 65 ctm 1.). Bei dem grössern Exempl. beträgt der Abstand des D. -Anfangs vom A.-Anfang 9 ctm, also etwa 14% der Leibes- länge (beim amerikanischen Flussaal ca. 10, beim europäischen 13V2 bis 15 7o, nach Meek, Bull. Fish. Comm. IV. p. 111, 1884), auch der Aal schliesst sich mithin der östlichen Fauna an. Gegen die Be- stimmung als A. latirostris würde nach Gthr. Catal. sprechen, dass die Kopilänge der Az.-Expl. gleich dem Abstand des D.- u. A.-An- fangs oder wenig kleiner (statt grösser) ist. — Auch im Mus. P. Delg. Bei Drouet, p. 136, als A. canariensis. i) 87. Conger vulgaris C. , bei Drouet (als Mur. conger), p. 138. Ob mit macrops verwechselt? 88. Conger macrops Gth., im Mus. P. Delg. 89. Muraena helena L. Von Simroth 1 Expl., 67 ctm 1. ge- sammelt. — Auch bei Drouet p. 138 und im Mus. P. Delg. 90. Muraena anatina Lowe, im Mus. Ponta Delg. 91. Muraena grisea Cuv. (sicl), bei Drouet p. 138. 92. Muraena unicolor (De la Roche), im Mus. P. Delg. 93. Syngnathus acus L., im Mus. P. Delg. 94. Syngnathus rubescensRisso, i. Mus. P. Delg. (nach Gth. = acus.) 95. Nerophis papacinus Risso, im Mus. P. Delg. 96. Hippocampus ramulosus Leach, im Mus. P. Delg. 97. Hippocampus brevirostris C. , bei Drouet p. 138 (nach Gth. = antiquoruni Leach). 98. Balistes capriscus Gm., im Mus. P. Delg. ') Ueber den Aal der Azoren ist genug geschrieben worden, er verdient wohl die Wichtigkeit nicht. Räthselhaft bleibt es, wie er nach den Azoren gelangte, ob durch künstliche Einführung oder durch eigne Wanderung durch das Meer oder durch ein noch unbekanntes Transportmittel. Die Ansicht, dass er die Lagoa von Furnas, in der er hauptsächlich haust, auch ihre Zu- und Abflussbäche bevölkernd, nicht zum Laichen verlassen könnte, wegen der Steil- heit der Abstürze, ist durchaus nicht haltbar. Herr Ernesto de Conto, dem ich ein Paar Exemplare verdanke, versicherte mir, dass er regelrecht bei dem Ab- stieg zum Meere gefangen werde. Kürzlich war ein Exemplar von 1,2 Mtr. Länge und 2,75 Kilogr. Grewicht im Kratersee von Seti Cidades , der keinen sichtbaren Abfluss hat, erbeutet worden. Es stammte aber von einer Anzahl kleiner Thiere her, die vor 7 oder 8 Jahren eingesetzt waren. Junge wurden indess nicht be- obachtet, trotz dem starken Thiere, das jedenfalls weiblich war. Somit kann wohl diese Frage als erledigt betrachtet werden. — In den letztgenannten See hat man vor einigen Jahren auch Salmoniden (Lachsforellen?) eingesetzt, die vortrefflich gedeihen, wohl hauptsächlich von Goldfischen und Kaulquappen sich nährend. Doch trieb gerade, als wir den See befuhren, ein armlanges Exemplar todt auf dem Spiegel, das vom Besitzer sogleich bemerkt \vurde. Auffallend war es, wie sich die Thiere um einen kleinen Bach drängten, der als Wasser- fall vom Kraterrand herabstürzte. Suchten sie Kühle oder Nahrung? Was wird aus der Fortpflanzung, da es an regelmässigen Zuflüssen fast ganz und am Abfluss völlig fehlt? Simroth. Zur Kenntiss der Azorenfauna. 213 99. Tetrodon spengleri BL, im Mus. P. Delg. 100. Orthagoriscus mola (L.), im Mus. P. Delg. 101. Carcharias glaucus (L.), im Mus. P. Delg. 102. Galeus canis (Bp.), im J\Ius. P. Delgada. 103. Sphyrna zygaena (L.), im Mus. P. Delg. 104. Lamna spallanzanii (Bp.), im Mus. P. Delg. 105. Centrophorus squamosus (Gm.), im Mus. P. Delg., selten. 106. Torpedo hebetans Lowe, im Mus. P. Delg. 107. Raja clavata L., im Mus. P. Delg. 108. Raja maderensis Lowe, im Mus. P. Delg. 109. Trygon pastinaca (L.), im Mus. P. Delg. 110. Myliobatis aquila (L.), im Mus. P. Delg. III. Meeres -Conchylien der Azoren. Die Bestimmungen stammen, mit Ausnahme der Gymnobran- chier, von Herrn Prof. von Martens, sonst habe ich zu diesem Theile fast nur die biologischen Bemerkungen betr. der Patellen beige- tragen. Die mit einem * versehenen Arten sind nicht im Mittelmeer wohnhaft. Alle Fundorte auf S. Miguel, mit Ausnahme von Angra auf Terceira. Eine kleine Collection, die ich bei Velas auf L Jorge und bei Horta auf Fayal machte, ist durch irgend welchen Zufall ab- handen gekommen, darunter Pinna rudis, Argonauta argo u. a. Die einzelnen Fundorte werden kaum viel Bedeutung haben, bei der grossen Gleichförmigkeit der Küste, von den Sandstellen abgesehen. Immerhin können sie hier und da späteres Auffinden unterstützen. Vorderkiemer. Mangelia nebula Mont. 2 St. Rosto de Cäo. Murex erinaceus L. var. minor, M. toroso similis. Ponta Delgada, Grund der Hafeneinfahrt. Coralliophila Meyendorffi Calc. 11 mm lang. Purpura haemastoma L., häufig, namentlich Rosto de Cao und Angra, junge Exemplare am Grunde der Hafeneinfahrt. Pisania corallina Scacchi, lebhaft carminroth gefärbt. Ponta Delgada, Grund der Hafeneinfahrt. Nassa incrassata Müll. N. Deshayesii Drouet, sowie dessen asperula und ascanias, dürften alle zu dieser Art gehören. — costulata Ren. = variabilis Phil., var. Reeve eonch, ic. fig. 134, blassgelb, mit dunklem Nahtband. Angra. Columbella rustica L., mehrerlei Varietäten, häufig. 214 r>r. H. Simroth. a) var. azorica Drouet, moU. Azor, pl. 1, fig. 5., braunscheckig, b) braunscheckig, mit braunen Flecken zwischen den Zähnen des Aussenrandes. Ponta Delgada, Rosto de Cao und Villafranca, auch am Grunde der Hafeneinfahrt, c) mit drei Fleckenbinden, unteres Drittel der letzten Windung fast einfarbig gelbroth ; keine braunen Flecken am Aussenrand. Länge des Gewindes variabel. Am Grunde der Hafeneinfahrt, d) deutlich spiral gefurcht wie C. striata Duclos von den kana- rischen und capverdischen Inseln, aber ohne braune Flecke zwischen den Zähnen des Aussenrandes. Rosto de Cäo. Mitra corniculum L. * Olivella mutica Say, westindisch, ein abgeriebenes Stück. Tritonium corrugatum Lam. , anscheinend erwachsen und doch nur 4 cm lang. Grund der Hafeneinfahrt. — cutaceum L. juv. Ebenda. — nodiferum Lam. Cypraea pulex Soland. Natica Dülwyni Payr. Villafranca. * Narica sp. '?, schlecht erhalten. Coriocella perspicua L. Cerithium scabrum Olivi, zahlreich, aber kaum bis 8 mm lang, am Grunde der Hafeneinfahrt. Triforis perversa L., nur einzeln. * Litorina striata King, zahlreich, auch bei Angra. — neritoides L,, schwarz, ziemlich zahlreich, auch bei Angra. Rissoa crenulata Mich, (cancelkita Jeffr.), Grund der Hafeneinfahrt und Angra. — reticulata Mont., Jeffr. = beanii Hanl., ebenso. Hydrobia cingillus Mont. S. Miguel und Angra. Vermetus sp. auf Patella, Villafranca. Scalaria pseudoscalaris Brocchi. Villafranca. — clathratula Just. * Janthina balteata Rv., zahlreich. Phasianella pulla L. var., an der Naht weisse und dunkle Flecken, die mehr oder weniger tief herabreichen, an der Basis kleine weisse Flecken, keine Zickzackzeichnung, während eine solche bei den südenglischen und westfranzösischen (pulchella Reev.) Regel ist. Ponta Delgada, in der Brandung. Angra. Trochus dubius Phil. Ponta Delgada, Brandung. — striatus L. Spitze fast immer roth. Das grösste Stück mit ab- gerundeter Kante und schwächerer Sculptur. Ponta Delgada und Angra. — magus L. , oft mit grossen schwarzen Flecken, die um Vi eines Umgangs von einander abstehen und somit ein Kreuz bilden. Ponta Delgada und Villafranca. * Haliotis coccinea Reeve Fig. 22, oben nur spiral gestreift, ohne Höcker, scharlachroth oder orangefarbig, gelblich weiss marmoriert. Bis 45 mm lang, Länge zur Breite wie 7:4. — Diese Art ist Zur Kenntniss der Azorenfaima. 215 sonst noch von Madeira, Teneriffa und den capverdischen Inseln bekannt. Acmaea virginea Müll. Villafranca. Patella aspera Lam. Mehrere Varietäten. a) typische Form, = P. Lowei Orb. in Webb und Berthelot Cana- ries, moll. pl. 7, fig. 9, 10, P. Baudoni Drouet Moll. mar. des Agores pl. 2 fig. 8, 9. Rippen zahlreich, ungleich stark, dicht gedrängt, schuppig und kantig, daher der Rand ungleichmässig gezähnelt. Innen- fläche in der Mitte mit starker weisser Ablagerung, im Um- kreis der Anheftungsstellen des Mantels oft verwaschen gelblich, im Uebrigen blass violett blau, theils gleichmässig, so namentlich bei älteren Stücken, theils mit dunkleren violetten oder röthlichen Strahlen; bei manchen jüngeren Exemplaren treten diese Strahlen bedeutend dunkler und scharf begrenzt hervor und ist das INIittelfeld ganz orangefarbig, ähnlich wie wie bei P. tarentina. Rand der Innenseite weiss oder hell- braun. Die Farbe der Aussenseite ist meist ganz unansehnlich weissgrau, indem die Schale hier abgerieben oder mit Algen überwachsen zu sein pflegt; seltener und hauptsächhch bei jüngeren Stücken zeigen sich dunkelbraune mehr oder weniger ausgeprägte Strahlen auch auf der Aussenseite. Die Mass- verhältnisse ziemlich verschieden: mm lang, mm breit, mm hoch, Grösstes Exemplar 75 61 20 Höchstes „ 64 55 37 ZiemHch grosses Expl. 70 61,5 18 Mittlere Exemplare 52—53 41—42,5 15,5 Auch die von Drouet als P. spectabibs Dkr. bezeichnete Form dürfte hierhergehören. b) P. Moreleti Drouet (1. c. pl. 2, fig. 10, 11. Webb und Berthel. can. moll. pl. 7, fig. 6 — 8). Vgl. P. scutellaris Blainv. Hier vereinigen sich mehrere Rippen zu einer zusammen- gesetzten, die eben damit höher und breiter wird und am Rande stärker vorspringt. Bei manchen Stücken ist die Fär- bung noch wie bei der vorigen, aussen mit dunkelbraunen Strahlen, innen blass röthlich-violett, in der Mitte weiss, und die Rauhigkeit der Rippen dieselbe; bei anderen Stücken werden aber die Rippen mehr glatt, die Farbe aussen mehr gleichmässig dunkelbraun, innen dunkler blau -violett; solche Exemplare müsste man, wenn man sie allein, ohne die Ueber- gangsformen vor sich hat, einfach P. scutellaris nennen. mm lang, mm breit, mm hoch. GrössereExempl. 35 32 8 Wirbel in 2/5 der Länge. Kleinere „ 25 19 5,5 „ „ Vs „ „ P. Gomezi Drouet a. a. 0. könnte auf älteren Exemplaren dieser Form beruhen. 216 Dr. H. Simroth: * c) var. Simrothi v. Martens. Gesammtgestalt schmäler, oval, flach. Rippen schwächer, mehr abgerundet als scharfkantig, entweder fast glatt oder in Absätzen mit deutlichen Schuppen besetzt. Rand nur wenig gekerbt. Farbe der Aussen seite ziemlich gleichmässig dunkel röthlichbraun, Innenseite auch ziemlich dunkel, trüb-violett, bald mehr röthlich, bald mehr dunkelblau, das Mittelfeld bläu- lich weiss oder graublau, zuweilen auch mit Gelb gemischt; selten ausgeprägte dunkle Strahlen an der Innenseite. Der Rand ist oft etwas horizontal ausgebreitet, der Unterlage sich anschmiegend. mm lang, mm breit, mm hoch. Grösseres Exemplar 41 30 14 ) ^,t. i , • <,, ■, Mittleres „ 37 29 12 ^^"'^^l "^ "'^ ^^' lüeineres „ 32 24 10 ) ^'^"S®' Diese Varietät nähert sich der P. coerulea L. des Mittel- meeres, verdient aber doch wohl einen eignen Namen, d) var. accedens ad lusitanicam Gm. Gesammtgestalt höher und breiter, mehr stumpf gewölbt. Rippen und Rand ähnlich wie bei der vorigen. Färbung aussen und innen breite dunkle scharf abgesetzte Strahlen auf hellem Grunde ; Mittelfeld der Innenseite bleigrau, selten gelblich oder röthlich. Nur kleinere Exemplare, 25 mm lang, 21 mm breit, 11 mm hoch ; Wirbel in V5 der Länge. P. nigrosquamosa Dkr. bei Drouet ist vielleicht dieselbe, aber ohne Strahlen. Diese vier Hauptformen lassen sich hervorheben, aber bei vielen Stücken bleibt es zweifelhaft, ob man sie zu der einen oder anderen rechnen soll, wie es übrigens auch bei Mittel- meer-Patellen wenigstens betr. P. caerulea, tarentina und aspera vorkommt, während P. lusitanica sich besser unter- scheiden lässt. Fundorte für PateUa aspera im Allgemeinen : Ponta Delgada, Villafranca und Rosto de Cao, an allen diesen drei die erst- beschriebene P^orm die häufigste, b) und d) die wenigst zahl- reiche, c) in der Mitte. Bei Angra wurde nur die erste Form, die typische P. Lowei gesammelt. — — Die Langsamkeit der Patellen ist, wie bekannt, selbst unter den Schnecken auifällig; gleichwohl gelten sie nicht für bewegungslos^), sondern man hat an ihnen selbst einen gewissen Ortssinn entdeckt, der sie nach gelegentlicher Wanderung auf den Preisen stets wieder an die vorher von ihnen eingenommene Stelle zurückführt. Von den Patellen der Azoren glaube ich, soweit ich sie näher darauf ansah, ') Anm. Fischer (s. Manuel de Conchyliologie) sah bloss die jungen kriechen, die alten nimmer; Woodward dagegen beobachtete in den Felsen- spalten an der Küste von Northumberland die Spuren, die sie auf dem Kalk- algenüberzug beim Umherkriechen während der Ebbe zurückgelassen hatten. Zur Kenntniss der Azorenfaima. 217 beweisen zu können, dass sie wirklich und dauernd sesshaft sind, womit eine erstaunliche Trägheit ihrer Musculatur zusammenhängt. Schon die Unregelmässigkeit der mannichfach gezackten und aus- geschweiften Umrisse der Schalen, die sich genau den Rauhigkeiten der so sehr zerfressenen und dadurch zu einem Kriterium treifhch geeigneten Lavaunterlage anpassen, spricht für die Sesshaftigkeit ; es sollte den Thieren in der That schwer werden, ihr holpriges Bett, nachdem sie es einmal verlassen, wieder genau in der alten Weise auszufüllen. Genauer wurde der Beweis, als ich einen Stein mit einer Patelle mit nach Hause nahm. Nach 24 Stunden sass das Thier noch fest und kräftig an seinem Fleck, mit der unregel- mässigen Schale den Unregelmässigkeiten des Steines genau ange- passt; röthliche, also lebende Corallinen waren rings herangewachsen und bildeten einen Wall um den Schalenrand (Taf. L, Fig. 1), so dass eine vertiefte Matrize entstanden war. Noch mehr. Das noch lebende Thier wird abgenommen, und es zeigt sich, dass der Fuss mit seiner Saugplatte, der Sohle, uneben ist; die Unebenheiten ent- sprechen denen der Coralline, die ausserhalb des Thieres mehr oder weniger glatt, an den Berührungsstellen mit der Sohle rauh und zackig ist. Die Unebenheiten bleiben an dem auf den Rücken ge- legten Thiere an der Sohle, die ihren Rand wallartig nach unten umkrämpelte, noch lange genau erhalten, so demonstrierend, dass die Musculatur während des Wachsthums sich ganz nach der Unter- lage gebildet hat, da doch der freie Sohlenrand beweglicher bleibt. Dieses Verhältniss wird indess noch merkwürdiger. Der Stein hat ungefähr in der Mitte der Matrize, etwas excentrisch, eine stärkere Vertiefung, die ebenfalls zum Theil von der Coralline überzogen ist (s. Fig. 1). Die Coralline ist aber hier glatt geblieben, ein be- stimmter Hinweis darauf, dass die Sohle an dieser Stelle die Unter- lage nicht berührte, sondern eine Lücke Hess, wie denn auch die entsprechende Stelle des Fusses am losgelösten Thiere glatt erscheint. Woher es kommt, dass die Coralline an der Contactstelle mit der Sohle uneben wird, weiss ich nicht zu sagen, wahrscheinlich rührt es von der Saugkraft der Muskulatur her, die ja so stark ist, dass man häufig leichter das Thier zerreisst, als mit der Sohle von der Unterlage ablöst. Im Uebrigen ist der Hergang leicht zu verstehen. Die junge Patelle siedelt sich an einem Punkte des Felsens an und wächst horizontal, resp. in der Ebne des Schalenrandes oder der Sohle weiter. Stösst sie bei der Ausbreitung auf ein Hinderniss, namentlich auf einen Gesteinsvorsprung, so wird dadurch nicht die Wachsthumsrichtung beeinflusst, sondern das Hinderniss führt einen Defect des Thieres und der Schale herbei, der Rand erhält einen Ausschnitt. Hat der Stein statt des Vorsprunges eine Vertiefung, dann wächst die Schnecke ebenso in ihrer Richtung weiter, bis das Loch überbrückt ist. So wird man kaum zweifeln dürfen, dass die Patella zeitlebens an der einmal gewählten Stelle festbleibt, zumal ja zu keiner Zeit des Jahres der Wasserspiegel sich so weit er- niedrigt, dass nicht nach kurzer Frist die Brandung und ihr Gischt 218 Dr- H. Simroth: den ganzen Ufersaum, den die Strandfauna bewohnt, erreichte. Ein sehr eingehendes Detaüstudium freilich würde die Frage erfordern, ob wirklich in der Sohle in solchem Falle, wie Figur 1 ihn dar- stellt, die Musculatur der die Unterlage nicht erreichenden Sohlen- fläclie vollkommen ausser Funktion tritt und welche Veränderungen sie eventuell erleidet, wie denn schon die alleinige Anwendung der Saugkraft eine besondere Ausbildung der ihr dienenden Muskel- fasern und eine Vernachlässigung der übrigen erwarten lässt. Wie im Vorstehenden schon angedeutet, bin ich der Meinung, dass manche von den vielen Formverschiedenheiten der Azoren- patellen auf Kosten der Localität zu setzen sind, an der sie sich zufällig niederliessen ; zum mindesten dürfte die Schwankung des Wirbels von V3 bis -/ö der Länge auf grössere oder geringere ein- seitige Wachsthumshindernisse durch Felsenzacken zurückzuführen sein; ebenso möchte ich die grössere Höhe vieler Exemplare ein- zwängenden Umgebungen zur Last legen, in denen für die Be- schränkung der seitlichen Ausbreitung durch die verticale Ersatz geschafft wird; manche unregelmässig bucklige Schalen deuten ohne weiteres auf den Einfluss äusserer Wachsthumswiderstände. Und gerade die verfliessenden Uebergänge zwischen den von Herrn von Martens unterschiedenen vier Hauptformen erscheinen mir als ebenso viele Hinweise auf die hohe Anpassungsfähigkeit der Patella aspera an die Umgebung; die Gestalt wird von der Unterlage bedingt und gemodelt ; was aber die Farbe, die Stärke und die Zahl und Rauhig- keit der Rippen beeinflusst, ob die Ansiedelung mitten in der Bran- dung oder in etwas tieferem Wasser, in geschützten Spalten, ob die Art und Menge der Nahrung mitspricht, das zu entscheiden muss künftigen Untersuchern vorbehalten bleiben. ^) Acanthochaetes discrepans Brown. Ponta Delgada. Hinterkiemer. A. Pleurobranchier. Aplysia punctata Cuv. var. unicolor, gleichmässig graubraun, unten schwärzlich. 1 Stück von Ponta Delgada, nach stürmischem Wetter in kleinem Lavabecken am Strande, jedenfalls Khppenbewohner. ') Anm. Im Ganzen bilden meine Beobachtungen eine Ergänzung zu den Angaben von Sauvage (note sur quelques points de Thistoü-e naturelle du Patella vulgaris. Journ. de Conchyl. 1873. 118—122). Auch er sah vorwiegend junge und mittlere kriechen, während die sehr grossen festsassen. Sein Versuch, die losgelösten Thiere zu benutzen, beweist wenigstens, dass in den meisten Fällen bei der gemeinen Patella die Locoraotionsfähigkeit erhalten geblieben ist, worüber ich keine Experimente gemacht habe. Die stärkere Brandung und die rauhe Zerrissenheit der Azorenklippeu dürfte das Wandern viel früher auf- heben, wie denn das abgebildete mittelgrosse Exemplar einfach einen Tag lang ausserhalb des "Wassers an Ort und Stelle verharrte. Erwünscht wäre es jeden- falls, den Einfluss der Wasserbewegung auf die Schalenfo''m, den Bouchard Chantereaux untersuchte, auch an den so sehr starkem Wechsel unterworfenen Inselschnecken zu prüfen. Zur Kenntniss der Azorenfauna 219 B. Gymnobranchier. Doto floridicola (nova species? nova forma?) Taf. IL Wohl eine der reizendsten Farbenanpassungen, die es giebt. Ich fischte nur ein Exemplar am 2. September 1886 in der Bai von Rosto de Cäo auf dem geschilderten Sandgrunde mit Florideenwiesen, zwischen 33 m und 80 m; eine genaue Angabe ist mir unmöglich, weil ich von mehrfachen Zügen in diesen verschiedenen Tiefen die Florideen in ein grosses Glas zusammenwarf und hinterher auf ihre Thiergesellschaft untersuchte. Mein weiteres Fahnden auf das zier- liche Geschöpf war leider umsonst. Während die gleichfalls mit lebhaftem Roth geschmückte Rhodope auf den Ulven am Strande sich aufhält, wo ich ihr vergeblich nach- stellte, trat bei der wahrhaft glänzend gefärbten Doto die Abhängig- keit von dem Colorit des Rothtangs auf den ersten Blick hervor, und ich bedaure, in der Skizze nicht gleich die Vergesellschaftung von Alge und Schnecke festgehalten zu haben, da dann der Werth des leuchtenden Carmins als Schutzfarbe unmittelbar in die Augen springen müsste; und wenn ich auch nur ein Exemplar erbeutete, so zweifle ich doch nicht, theils wegen der auffälligen Harmonie der Färbung, theils wegen der gleichmässigen Monotonie der Horideen- wiesen, dass Schnecke und Alge beständig zusammengehören. Die scharfe Zeichnung mit dem blendenden Colorit, sowie die Anzahl der Rücken anhänge veranlassen mich, die Form von den Azoren nach der üblichen Methode unter besonderem Namen festzuhalten, wenn ich auch eine gewisse Unsicherheit zugeben muss, die aus der Form- und Farbenunbeständigkeit gerade dieser Wesen erwächst (s. u.). Bei D. coronata, die nach ihrem gelegentlichen Purpur in Frage kommen könnte, schwanken die Anhangspaare zwischen 5 und 7 (s. Alder und Hancock, Monogr. of brit. Meditr. Mollusca), bei D. Pau- linae, die noch am nächsten kommt (Trinchese. Aeolididae. Parte IL Taf LVIIL), sind doch mit dem unscheinbaren letzten Paare auch 5 vorhanden, auch ist die Papillenbekleidung eine ganz verschiedene; Bergh's Doto pygmaea aus dem Sargassomeer, an die man bei der geographischen Nachbarschaft zunächst denken könnte (Bergh, Bei- träge zur Kenntniss dor Mollusken des Sargassomeers. Verhdlgen der zooh bot. Ges. in Wien. XXI. 1876) hat einen schwarz pig- mentierten Nacken, auch fehlen den Anhängen auf der Innenseite unten die Tuberkeln. Hesse's Arten von der französischen Küste (Journ, de Conchyliologie XXI. 1873) passen sämmtlich gar nicht zu unserm Thier. Die einzige atlantische Art, deren Beschreibung ich nicht kenne, die D. crassicornis Sars, deutet durch die Species- bezeichnung andere Umrisse an, auch erwähnt Trinchese, dass alle bisherigen Abbildungen Eleganz und Colorit der Doto's nicht ge- nügend zur Anschauung brächten. Und wenn auch meine Skizzen bedauerlicher Weise die zarten Formen nicht zur richtigen Dar- stellung bringen, die Färbung übertrifft selbst alles von Trinchese so meisterhaft wiedergegebene. 220 Dr- H. Simroth: Die Schnecke inisst im Leben zwischen 3,5 und 4 mm. Das Velum hübsch ausgerandet ; die Fühlerscheiden rings fortlaufend geschlossen. 4 Paar Rückenanhänge, wovon das zweite das längste. Die Papillen rings mit Tuberkeln besetzt, die ersten beiden Paare mit je 4, das dritte mit je 3 Reihen; die Endwarze am grössten. Das letzte Paar hat statt der längeren Tuberkel nur zwei Paar kolbige Auswüchse. Wo die Anhänge aus dem Rücken heraustreten, ist noch jedesmal eine schwer sichtbare Anschwellung, die in der Figur vielleicht zu stark warzenartig hervortritt, was ich nach Vergleichung mit den eng- lischen und italienischen Abbildungen dahingestellt sein lassen muss. Rechts vorn ein starker Zapfen (Fig. 3 und 4), den ich als Anal- papille deute. Die Färbung ist ein diffuses Gelb, das namentlich an den Sohlen- rändern und den Seiten des Körpers intensiv wird. Hieraus hebt sich ein leuchtendes subepitheliales Carminroth ab, eine dicht ge- schlossene Zeichnung, etwas gefenstert und dadurch die Zusammen- setzung aus Sternzellen andeutend. Es schmückt das ganze Velum und das Mittelfeld des Rückens, den Fuss der Anhänge etwas um- greifend und hinten in eine zugespitzte Verlängerung ausgezogen, die wiederum mehrere Paare seitlicher Aussackungen trägt (Fig. 2). Ausserdem läuft noch an jeder Seite des Körpers ausserhalb der Papillen eine rothe Laterallinie entlang, die vorn sich mit dem Carmin des Segels vereinigt und ähnlich wie die Rückenzeichnung den äusseren Fuss der Anhänge umfasst. Die Analpapille ist mit grellstem Roth gezeichnet. Das subepitheliale Pigment der Tuberkeln an den Anhängen ist nicht weniger scharf und lebhaft, doch mehr purpurn, also mit einem Stich in's Blaue, was in den Abbildungen nicht genügend berücksichtigt ist. Namentlich die Endwarze mit einem scharfen Pigmentknopf. Das letzte Anhangspaar wird ganz und gar von subepithelialem Purpur austapeziert. Das gelbe Pigment gehört dem Epithel au, wie man namentlich an den Fühlern erkennt. In diesen tritt eine dunkle Form kleiner (jedenfalls ein- zelliger Drüsen scharf hervor (Fig. 6 und 7), schwärzliche Punkte, namentlich an der Aussenseite der oberen Hälfte gehäuft (Fig. 6); gelegentlich zogen sie sich aus und traten über die Oberfläche hervor (Fig. 7), was ich als Secretentleerung auffassen zu sollen glaube. Das Auge (Fig. 5) mit unregelmässigem Pigmentbecher und kugliger Linse, im Leben fast ganz unter dem Roth versteckt. Im Ohr (Fig. 8) eine Anzahl Otolithen, aus denen rechts wie links einer durch grösseren Umfang hervorstach. Ist es der ursprüng- liche einzige? Bei der sehr wechselnden Füllung der Gymnobranchier- ohren mag's erwähnt werden. In Glyceringelatine ist die Färbung gänzlich verloren gegangen, die Radula scheint schwach durch; doch unterliess ich die anato- mische Analyse des einzelnen Thierchens. Die scharfe Rothfärbung der Papillen, die gerade die vorliegende Art von aUen übrigen auszeichnet, in der Weise, dass das ganze Zur Kenntniss der Azorenfauna. 221 Innere grell bunt ist gegen ein helles Epithel, sie legt den Gedanken an eine besondere, interessante Schutzzeichnung sehr nahe, worauf mich zuerst Herr Schniidtlein aufmerksam machte. Gerade so mit grell rothem Inhalte und hellen Zellwänden erscheinen die Blasen- früchte oderCystocarpien der Florideen, deren regelmässige Zelltheilung das Bild einer Rückenquaste unserer Schnecke nach Farbe, Form und Umfang wiedergiebt (s. z. B. Leunis- Frank I. S. 405. Calli- thamnion). Und so zweifle ich nicht, dass der Leib der Doto floridicola den Thallus von Rothalgen, etwa Laurentia, und dass der Rückenbesatz deren Sporangien nachahmt. Ich mag den Verdacht nicht unterdrücken, dass wir's mit einem noch nicht erwachsenen Exemplar zu thun haben; vielmehr scheint mir das eigenthümlich geformte Rückenende der Carminzeichnung auf künftige Vermehrung der Papillenpaare zu deuten; — sollten nicht die seitlichen Auszackungen des subepithelialen Farbstoffes bereits Papillenanlagen sein, die später hervorknospen? Wenn dies der Fall ist, dann ergiebt sich daraus, wie wenig man im Allge- meinen bei Spiritusexemplaren, denen gerade die zarten bunten Pigmente fehlen, auf die Zahl der Rückenanhänge geben kann. Selbst das werth volle Kriterium entwickelter Geschlechtsorgane scheint bei so vermehrungslustigen Wesen kaum ausreichend, zumal Meyer und Moebius (Fauna der Kieler Bucht. I.) ausdrücklich die Fortpflanzung auf verschiedenen Altersstufen betonen. Spurilla sargassicola Bergh. (1. c.) Drei Exemplare einer Aeolidide aus seichterem Wasser bei Ponta Delgada, 1 bis 1,7 cm lang, die ich nur auf obige Art beziehen kann. Die Färbung wies mich zuerst auf Aeolis punctata Alder und Han- cock, namentlich in den Abbildungen Trinchese's von Facelina punc- tata; genaue Einsicht ergiebt die obige x\rt. Das Relief des Körpers passt durchaus, die Färbung ist etwas eigenartig. Die vorderen oder Mundtentakel lang und schlank, die hinteren oder Rhinophorien mit schraubig gestellten Blättern, kleineren und grösseren abwechselnd. Alle Fühler sind sehr beweglich, aber die vorderen tasten mehr, wie bei einer Physa etwa, während die Riechfühler fortwährend vibrieren und zucken, ungefähr wie die langen Vorderbeine mancher Mücken. Auf dem Rücken jederseits 7 Doppelreihen von je 2 mal 5 oder 6 Pa- pillen; vorn mögen es mehr sein, die enggedrängte Stellung und der unregelmässige Verlust einiger erschwert die Zählung. Die Sohle ist hell, in der Mitte weisslich, seitlich weiss. Nach dem Rücken zu wird das Thier hell bräunlich, ebenso die 4 Fühler. Die Papillen dunkelbraun mit weissen Endknöpfchen. Das Hellbraun des Rückens besteht aus langen verästelten Schläuchen, die auch auf die vorderen Fühler übergehen, weniger auf die Rhinophorien. Zwischen den Schläuchen ist der Körper hell, so dass er ganz fein braun und weiss gebändert wird, wie eine Nemertine, die nicht selten in der Nähe lebte. Im Alcohol ganz weiss. Der Schlundring mit den grossen Ganglien für die Riechfühler, 222 Dr. H. Siraroth: ganz wie Bergti beschreibt. Die Augen länglich birnenförmig, das eine mit ganzrancligem Pigmentbecher, der bei dem anderen vorn einen tiefen schmalen Ausschnitt hat, wie ähnhche Formen von Trinchese dargestellt sind. Cornea einschichtig, concentrisch zur Linse. Diese reichlich so gross, wie bei Doto floridicola. Nach den Ohrkapseln suchte ich vergebens. — Die Radulaplatten ein klein wenig abweichend, etwas feiner gezähnelt; denn wenn Bergh als höchste Zahl auf einer Seite vom Mittelzahn 28 Zahnspitzen fand und die strenge Symmetrie beider Seiten hervorhebt, so fand ich an der breitesten Platte die Formel 31 + 1 + 29. Ein zweites Exemplar ging allerdings nicht über 28 hinaus. Auch die Zähnchen des Kieferfortsatzes, welche nach Meyer und Möbius die Zahnplatten zwischen sich nehmen, waren etwas feiner, vorn unregelmässiger, einige ausgebrochen. Man könnte auf die Abweichungen der Zeichnung und die feinere Bewaffnung eine Varietät gründen, ohne damit einen Vortheil zu gewinnen, daher ich's unterlasse. Interessant bleibt es immerhin, die mit dem Sargassum frei flottierenden Thiere hier als Küstenbewohner der Inseln zu finden. Dasselbe gilt von Scyllaea pelagica, von der ich ein Exemplar an festgewachsenem Fucus erbeutete. Glaucus atlanticus, im Museum von Ponta Delgada. Von Pteropoden fischte ich einige, die nicht näher bestimmt wurden, ein Pneumonoderma u. a. Bivalven. Ostrea spec. Verschiedene Fragmente. Solche fand ich theils bei Angra do Heroismo an Schiffs- trümmern, theils am Strande von Rosto de Cäo; namentlich aber dredgete ich eine kleine einzelne Schale, die an Ostrea crista galli oder Plicatula cristata erinnerte, an der Punta Delgada, immer- hin Beweise genug für das Vorkommen von Austern, wenn auch kümmerlicher, an den Azoren, die letztgenannte, eine kleine halbe Schale mit wenigen tiefen Zacken, würde ein westindisches Element (vgl. 0. frons Chemn.) darstellen. * Pecten corallinoides Orb. Webb et Berthelot Canaries, moll. pl. 7, fig. 20 — 22. Fragment. Rosto de Cäo. — Philippii Recluz (gibbus Philippi, von L.). Fragment. — pusio L. (multistriatus Poli.), in der Farbe variabel, bloss orange oder scharlachroth oder \dolett, letztere beide oft mit weissen Flecken; gi-össere Exemplare, von 15 mm Länge an, öfters am Rande unregelmässig gestaltet, kleinere nicht. * — islandicus L. Nur eine halbe Schale. Rosto de Cao. Ist mehr nordisch; an den englischen Küsten wie im Golf von Neapel bis jetzt nur subfossil gefunden. Lima hians Sow. Rosto de Cao, Villafranca, Grund der Hafeneinfahrt. Mytilus Fragmente. Zur Kenntniss der Azorenfauna. 223 Area tetragona Poli. Cardita calyculata L. Rosto de Cäo und Angra. Chama sp. Ein stark abgeriebenes Stück. Cardium papillosum Poli; bunt, dunkelbraun gefleckt, einige Stücke innen mit amaranthrothen Flecken oder mit zwei Strahlen. Rosto de Cäo, Villaft-anca, Grund der Hafeneinfahrt- * Ervilia castanea Mont. Ivlein, nicht über 9 mm lang, die meisten Stücke kaum 4 mm; entweder schwärzlich braun violett oder weiss- lich mit breiten braunen, seltner scharlachrothen Streifen ; aussen und innen dieselbe Färbung. Zahlreich in der Bai von Rosto de Cäo mit Ditrypa subulata Desh. zusammen auf Sandgrund. Cytherea chione L., kleine Stücke. Ponta Delgada, Rosto de Cäo, Villafranca. Venus casina L., stark gewölbt, mit dicht gestellten Rippen und ein- zelnen röthlichen Flecken, 25 mm lang, 23mm hoch und 16mm dick, häufig angebolii't, wohl von Purpura. Ponta Delgada. Teilina incarnata L. , Hanl. (depressa Gmel. , squalida Pult. Jeffr.), bald blass röthlichgelb , innen lebhafter gefärbt, bald einfarbig weiss. Rosto de CTio und Villafranca. Nach Mac Andrew (Report of the British Association 1856) und Drouet (Moll, marins des lies Agores 1858) würden noch femer auf den Azoren vorkommen: Argonauta argo. Octopus vulgaris.^) * Onychoteuthis cardioptera (pelagisch). Loligo vulgaris. Sepia officinalis. -) Spirula Peronii (pelagisch). Carinaria fragilis (pelagisch). * Janthina exigua (pelagisch). ? Murex imbricatus. * Purpura lapillus. Pisania maculosa. Nassa reticulata L, nur nach Adanson, zweifelhaft. * Mitra zebrina Orb. Tritonium scrobiculator. * — tuberosum Lam. (westindisch). *) Anm. Sehr häufig auf dem Markte, lebend zwischen den Klippen. In Angra sah ich ein sehr statthches Exemplar, das aus dem Kahne eines Fischers weder entmch, von dessen jungem Sohne diu-ch Tauchen sogleich wieder eingeholt und vom Vater durch einen geschickten Stich in's Nervencentrum der Coordination seiner Bewegungen beraubt wurde, worauf es am Boden des Kahnes sich in vergeblichen Fluchtversuchen erschöpfte. ^) Anm. Von der Sepia sah ich weder auf dem Markte jemals ein Exem- plar, noch traf ich irgendwo am Strande den Schulp, noch ist er im Museum von Ponta Delgada vertreten, daher ich das Vorkommen bezweifle. Zum min- desten müsste die Sepia auffallend selten sein. 224 Dr. H. Siniroth: Cassis sulcosa. Cypraea lurida. — europaea. * — producta. Cerithiopsis tubercularis ? * Cerithium zebra (westindisch). Fossarus Adansoni. Rissoa calathus. — cimex (granulata Phil.). * — canariensis Orb. Turbo rugosus. Trochus zizyphinus. ■ — Laugieri. * — Bertheloti Orb. Solarium luteum Lam. Haliotis tuberculuta. Chemnitzia elegantissima. JEulima distorta. — sp. Bulla striata. Hierbei sind diejenigen Arten nicht mitangeführt, welche artlich den von mir gefundenen so nahe stehen, dass die Differenz vielleicht mehr in dem Bestimmenden, als in den Objekten selbst liegt. Ich füge aus dem Museum von Ponta Delgada noch zwei Arten hinzu, um die Liste nach Möglichkeit zu vervollständigen. Scrobicularia compressa Blv. Placunanomia patellifornds. Daneben fand sich ebendaselbst eine deformirte Schale, die Herr Dr. Machado geneigt war, auf Spondylus zu beziehen. Endlich nach mündlicher Angabe von Arruda Furtado eine Minutie: Skenea planorbis, am Hafendamm von Ponta Delgada. Nichts kann an den Meeresconchylien der Azoren mehr auf- fallen, als ihr durchschnittlich geringer Umfang gegenüber den jetzigen Bewohnern der portugiesischen Küste so gut als im Vergleich mit den tertiären Vorläufern, die in den Kalkablagerungen von S. Maria erhalten sind. An der Guadianamündung kann man in einer Stunde einen grösseren Schalenhaufen zusammenbringen, als auf den Azoren in acht Tagen. Unter der lebenden Azorenfauna stehen Pinna rudis und Tritonium nodiferum als Riesen da, unter den spärlichen fossilen dagegen bleiben Pecten und Dolium hinter den grössten ihres Ge- schlechtes kaum zurück, während der jetzige Pecten islandicus, von dem ich eine einzige massige Schale auftrieb, unter seinen zwerg- haften Artgenossen bereits stark hervorragt. Mein Freund Zervas in Ponta Delgada, der sich für die Geologie der Azoren besonders interessierte, wollte die Erklärung in einer grösseren ruhigen Bucht finden, die von jener Insel gebildet worden wäre. Näher liegt es wohl, an jene Theorieen zu denken, welche zum mindesten für die Zur Kenntniss der Azorenfauna. 225 nördlichen Theile des atlantischen Oceans in nicht weit zurück- liegender geologischer Zeit gewaltige Niveauschwankungen in Anspruch nehmen, wodurch die Azoren einer Küste ganz anders genähert oder selbst in die Uferlinie gerückt wurden. Allerdings will ich darauf hinweisen, dass die recente Landfauna der Inseln, zum wenigsten die Plutonia, auf eine längere Isolierung deutet. Es folgt hier die von Herrn von Martens aufgestellte Liste einiger Conchylien, die ich gelegentlich an der portugiesischen Küste auflas, bei einem einstündigen Aufenthalte auf dem Granitstrand von Porto und einem kaum längeren in den Dünen an der Guadianamündung. An dieser Stelle wäre es ein leichtes gewesen, binnen kürzester Frist Wagenladungen grosser Schalen zusammenzulesen; mir gelang es nur mit der freundlichen Unterstützung des in Villa real de San Antonio ansässigen Mr. Clark, auf flüchtiger Durchreise die kleine CoUection zu erhaschen. So sehr fragmentarisch aber auch die Liste ist, so reicht schon ein Vergleich derselben mit den Azoren Vor- kommnissen hin, die ausserordentliche Uebereinstimmung dieser Insel- fauna, die noch dazu westindische Bestandtheile enthält, mit der mediterranen zu kennzeichnen. Denn das Verhältniss der Arten, die im Mittelmeere nicht vorkommen, zu den mit diesem gemeinsamen ist, wenn man die wenigen Gymnobranchier bei Seite lässt, grösser fast an der Schwelle des Mittelmeeres, an der Guadianamündung (3 oder 4:18) als an den entfernten Inseln (17 : 92). Meeres -Mollusken von Portugal. Mattosinho bei Porto. Villa real de S. Antonio (Guadianamündung). Murex erinaceus L Purpura lapillus L Nassa reticulata L „ incrassata Müll Turritella communis * Litorina radis var. nigrolineata Mont. „ nei'itoides L * Trochus cinerarius L * Patella viilgata L * Ostrea angulata Lam. ') „ edulis L + + + + ') Anm. Ueber diese Austern, ihr Vorkommen in mehr süssem oder brakischem Wasser, hat Herr von Martens bereits genauer berichtet, Sitzgsber. der Ges. natf. Freunde zu Berlin. 15. Febr. 1887 Vielleicht ist es erlaubt, einen etwas verwegenen Gedanken hier auszusprechen. An der Guadiana- mündung fiel es bei einem Spaziergange den Strom aufwärts und dann am Strande davor sofort auf, ■wie die rundlichen Schalen dem freien Meere, die länglichen (0. angulata) dem Fluss angehörten. Ebenso sind die Austern aus dem Tejo bei Lissabon durchaus gestreckt. In Anbetracht der Resultate an Unionidenschalen, welche die Form durchaus vom Medium abhängig erscheinen lassen, liegt es nahe, das Princip auf die Austern zu Übertragen und die Ursache für die Schalenstreckung in der Strömung zu suchen. Bei der ausserordentlichen Tragweite, die sich daraus für geologische Ver- hältnisse ergeben würde, ist natürlich die grösste Vorsicht für die Argumentation geboten. Arch. f. Naturgesch. Jahrg. 1888. Bd. I. H. 3. 16 226 Dr. H. Simro th: • Mattosinho hei Porto. Villa real de S. Antonio Guadianamlindung. * Pecten maximus L. 1 verschiedenen Landmolh Pulmona + Mytilus edulis L. . . . Pectimculus sp Cardium aculeatum L. . + .... + „ tuberciilatum L. „ eclule L + Venus gallina L. . . . Tapes decussata L. . . (aus Küchenresten aufgelesen ar Stellen). Mactra stultorum L. . . inflata Bronn Algarve, gross + stark gewölbt. * „ solida L. . . . Lutraria elliptica Lam. . * Donax anatinus Lara. Solen marginatus Pult. . Solecurtus strigilatus L. Panopaea glycymeris Born isken. teu. + + Nach Morelet's trefflicher monographischer Bearbeitung der Schalen habe ich an dieser Stelle wenig hinzuzufügen ; die genauere Bearbeitung der Nacktschnecken und Vitrinen wird in den Akten der Leop. Car. Academie veröffentlicht werden, daher ich hier nur eine kurze Revision der Arten gebe. Morelet hat 7 Arten von Vitrinen unterschieden. Nach der Anatomie darf ich nur eine einzige anerkennen, die noch dazu mit verschiedenen Formen von Madeira und den Canaren zusammenfällt, daher ich nicht umhin kann, sie alle in eine einzige Species zu- sammenzuziehen. Es bleibt natürlich jedem unbenommen, den Art- begriff anders zu fassen und nach wie vor auf die Schale zu stützen. Doch muss darauf hingewiesen werden, dass das feuchte Klima gerade die Mantelcharaktere variabel macht; das Gehäuse wird sehr dünn, und die Mantellappen vermögen es, je nach der Sättigung der Luft mit Wasserdampf, in sehr verschiedenem Grade, bisweilen vollständig, zu bedecken. Die Plutonia atlantica findet sich nicht nur auf S. Miguel, sondern zum mindesten auch in und an der Caldeira von Fayal. Sie gehört zweifellos zur autochthonen Fauna und ist nichts anderes, als die durch die Feuchtigkeit in eine Nacktschnecke verwandelte Azorenvitrine mit Testacellengebiss etc. Interessant ist die parallele Coloritschwankung von Weiss durch Rothbraun bis Schwärzlich bei beiden Gattungen. Limax maximus (cinereus) und Agriolimax agrestis, letzterer in den Caldeiren auf Bimsteinboden sehr kümmerlich, dürfen als ein- geführt gelten, mit Sicherheit der erstere; dagegen sind die Zur Kenntniss der Azürenfauna. 227 Arionen, Arion minimus (fuscus) und eine kleinere Inselvarietät des portugiesischen lusitanicus, indigen, der erstere mit sehr grossem Verbreitungsgebiete. Nach den Resultaten über die Variabilität des Integumentes wollte ich den Versuch machen, die verschiedenen reichen Bulimus- Arten Morelet's auf ihre innere Organisation zu prüfen, doch stellte sich bald die noch unvollkommene Entwicklung der Genitalorgane gleich bei der grössten Art heraus, die ich vornahm, beim pruninus nämlich, so dass ich wieder davon zurückkam. Bemerkenswerth ist selbst bei dieser Art mit dem stark verdickten kalkigen Mundsaum die Zartheit des übrigen Gehäuses, wie denn die Schale sämmtlicher Landmollusken unter der Einwirkung der ozeanischen Feuchtigkeit relativ dünn zu sein scheint. Man könnte ja wohl versucht sein, die Zartheit auf Kalkmangel zurückzuführen, und zweifellos trifft man auf den Bergen, wo die indigenen Charakterschnecken zwischen Moos, namentlich Sphagnum, FelsgeröUen, Gras und Haide, also anscheinend allein auf dem ihnen unholdesten Boden zu leben ge- zwungen sind, unverhältnissmässig viele leere Gehäuse, die von innen angefressen und zernagt sind, und ich sah wiederholt, dass andere Schnecken, meist Gattungsgenossen die Kalkgierigen waren, — immer- hin möchte ich in dem Klima den Hauptgrund für die geringe Ver- kalkung erblicken. Aiiriculaceen. Pedipes afer mag ein Paar eingehendere Worte erhalten! Ich hatte eins oder einige wenige leere Gehäuse an den vereinzelten oben genannten sandigen Strandstellen aufgetrieben. Drouet führt das Thier nur von Pico auf. Nach diesem allen musste die Schnecke recht selten sein. Da trafen wir auf einmal, Sr. Chaves und ich, ganze Heerden an der Punta Ferraria, unter Verhältnissen, welche auf diesen nördlichsten Vorschub der sonst südlicheren Gattung .ein helles Licht warfen. Die genannte Localität ist eine basaltische Lavabank, an der Westspitze von S. Miguel ^), durch das Meer wild zerrissen und durch einige Thermen, die in der Fluthzone, meist noch unterhalb des Seespiegels, entspringen und als Heilquellen gegen rheumatische Leiden der ärmeren Bevölkerung benutzt werden, aus- gezeichnet. Sie sprudeln in engen, ziemlich schwer zugänglichen, überwölbten Felsenspalten hervor. An diesem Felsen hausten zahl- reiche Pedipes zusammen mit Litorinen und Balanen. Chaves be- stimmte die Wassertemperatur, wo Thermen und Seewasser sich mischten, an einer Stelle auf 36 bis 40*^, an einer anderen über 50" Celsius; die Luftwärme betrug an der einen 27*^, an der anderen vielleicht noch mehr, kurz die tropischen Verhältnisse der afri- canischen Küste waren hergestellt und sicherten den Thierchen ein fröhliches Gedeihen. •) Anm. S. AbbUdimg Globus LU. S. 248. 15* 228 Dl'- H. Simroth: Ich Hess die sehr munteren Schneeken sogleich am Glase kriechen, um die merkwürdige Bewegung der quergetheilten Sohle zu studieren. Drouet giebt mit Recht an, dass die Quertheilung durch die starke Spindellamelle verursacht ist, und ich füge hinzu, dass der Hinter- rand der Vorderhälfte, wie man an Spiritusexemplaren sieht, ge- legentlich noch einen schrägen kleineren Einschnitt hat, jedenfalls Folge einer der kleineren Spindelfalten (Taf I. , Fig. 3). Somit er- scheint die Theilung morphologisch von sehr untergeordneter Be- deutung, in der That konmit ihr auch nicht der physiologische Wertli zu, wie der Längstheilung der Cyclostomasohle, immerhin etwas mehr als man nach der rein zufälligen Halbierung erwarten sollte. Die Schnecke benimmt sich beim Kriechen auffallend lebendig und unruhig, die in der Mitte zusammenhängenden Mundlappen oder Lippentaster, eine Art Velum, breiten sich aus und ziehen sich wieder zusammen, scheinbar als integrierende Bestandtheile der Sohle an der Locomotion sich betheiligend (Fig. 2), aber auch wohl nur scheinbar. Denn wenn sie auch bei grösster Extension die Ausdehnung der Sohle selbst erreichen, so sieht man doch unter ihnen die Radula hervortreten und die Glaswand abschaben, wie bei Limnaeiden etwa (e), es ist dasselbe Spiel des Tastens wie bei diesen. Noch mehr als in den Lippenfühlern wirkt die Blutschwellung bei der Sohle selbst mit, bald die vordere, bald die hintere Hälfte am stärksten auftreibend, wo denn diese besonders deutlich als unab- hängige Abschnitte hervortreten (b und c), namentlich schwankt die Vorderhälfte in ihrem grössten und kleinsten Umfange und beweist schon dadurch, dass ihr bei der Locomotion die Hauptaufgabe zu- fällt, gerade wie bei gewöhnlichen Schnecken, Paludinen etwa. So sieht man ein ununterbrochenes Anschwellen der drei Theile, Sohlenhälften und Lippentaster, das von hinten nach vorn fortschreitet, wie die Wellen in der Pulmonatensohle, jeder Theil scheint nach Schnecken- art zugieiten, indem leise unregelmässig verschwommene Schatten über die Fläche nach vorn liuschen, aber mehr abwechselnd, als gleichmässig , kein Theil wird von der Unterlage losgelöst, wie bei Cyclostoma. Das Thier kann auch bloss mit der Vorder- hälfte gleiten, wenn eben nur diese dem Glase anliegt, gerade wie eine Helix. Dann setzt wohl das Vorderende der hinteren Hälfte ein und überträgt seine Bewegung auf die vordere. Allerdings kommt durch die starke und unruhige Betheiligung der Blutschwellung eine Art von Schreiten insofern zu stände, als die stossweise hervor- gerufene Blutwelle das Hinterende in Pausen von P/s bis V2 Secunde nachrücken lässt, so dass der, welcher nur oberflächlich auf dieses Ende sieht, wirkliche Schritte wahrzunehmen glaubt; es wechseln gleichmässiges Gleiten, und eine Folge von Gleiten und Schreiten miteinander ab. Auf keinen Fall kann. die geläufige Ansicht aufrecht erhalten werden, als benutze die Schnecke ihre Sohlen- hälften als wirkliche Füsse oder wie der Blutegel seine Saugnäpfe, d. h. um durch abwechselndes Befestigen und Lösen, Strecken des Vorderendes und Nachziehen des hinteren, schrittweise vorwärts zu Zur Keuntniss der Azorenfauna. 229 kommen. Die Bewegung tritt vielmehr nicht aus dem Rahmen der sonstigen Schneckenlocomotion heraus, d. h. sie ist ein Gleiten an der Unterlage, (nach meiner Ansicht durch extensile Längsmuskeln, worauf als theoretische Stütze nichts ankommt); das Gleiten scheint beeinträchtigt durch die Quertheilung der Sohle als eine Folge starker Spindellamellen, und diese Beeinträchtigung dürfte zu einer besonderen Ausbildung und Zuhilfenahme der Blutschwellung geführt haben, um dadurch das Vorderende möglichst zu erweitern und vor- wärts zu bringen. Die Unregelmässigkeiten dieser Blutschwellung täuschen häufig eine Art Schreiten vor. Die Schwellung wird am deutlichsten, wenn die Thiere nach längerer Ruhe zu kriechen be- ginnen. Dann wird die Vorderhälfte abwechselnd erweitert und wieder verschmälert, in letzterem Zustande dicht weiss, in ersterem trans- parenter, so direkt auf die Verschiedenheit der Füllung, die erst in Gang gesetzt wird, hinweisend. Bekanntlich sind die Sclmeckchen gänzlich weiss und nur die schlanken Fühler von der Spitze her schwarz. Bei einem kriechenden Exemplar (Fig. 2a) bemerkte ich schon, dass der rechte Tentakel gespalten war, gewissermassen eine Nebenspitze hatte; und nachher fand ich unter dem Sph'itusraaterial genau dieselbe Bildung. Unter dem Mikroskop war zwischen der längeren und der kürzeren Spitze durchaus kein Unterschied zu bemerken. Da die Thiere doch, wenigstens nach der Analogie mit allen Verwandten, Zwitter sind, so ist es schwer, der Bildung eine Bedeutung beizulegen. — Uebrigens haben die conservierten Thiere die Lippenfühler noch kleiner, als eine Limmaea unter gleichen Umständen, was die Schwellbarkeit noch mehr veranschauhcht. Ich wandte die anatomische Mühe hauptsächlich dem Nervensystem zu, um zu sehn, wie sich die Pedal- ganghen und ihre Nerven zu der Sohlentheilung stellen. Der Schlund- ring (Fig. 5) entspricht zwar im Allgemeinen dem der Auriculiden (s. Ihering, vergl. Anatomie des Nervensystems und Phylogenie der Mollusken. Tai IV. Fig. 15. Auricula Judae und Text), aber doch mit stärkerer Annäherung an die Limnaeiden. Die Cerebralganglien haben die lange Commissur zwischen sich, jedoch die Visceralkette ist durch viel kürzere Connective mit den Commissuralganglien ver- knüpft als bei jener Auricula, ja das linke Parietal- oder Mantel- ganglion hat sich geradezu mit dem linken Comnnssuralknoten ver- einigt. Die Nerven sind dieselben, aus jedem Pallial- oder Parietal- ganglion zwei, aus dem mittleren (Ganglion impair) nur einer, wobei zartere übersehn sein mögen. Zwischen den Pedalganglien konnte ich nur die vordere Hauptcommissur erkennen, nicht die schwächere dahinter (Ihering's Subcerebralcommissur), Was aber das Wichtigste, die Pedalgangiien liegen gerade über der Querfurche der Sohle, so dass ihre Nervenausstralilungen gar keine Aenderung erlitten haben, die vorderen gehn zur vorderen, die hinteren zur hinteren Sohlen- hälfte, genau als wenn die Sohle ein Ganzes bilden würde. So erfährt also auch hierdurch die Quertheilung der Sohle keine morphologische 230 Dr. H. Simroth: Unterstützung, und das physiologische Resultat wird durch das ana- tomische gehalten. Vom Verdauungscanal nur wenige Worte (Fig. 6). Die Radula hat ganz das Schema, das Fischer (Manuell de Conchyliologie S. 496) für die Auriculiden abbildet. Die Zähne sind aber so zahlreich und so fein, dass nicht einmal eine gewöhnliche Wasserimmersion (Har- nack Obj. 9) die Formen genau aufzulösen gestattet, ich glaubte zuerst quergestreifte Muskelfasern zwischen dem übrigen Gewebe zu erblicken. Auf einen kurzen Schlund folgt ein weiter, nach hinten zugespitzter Vormagen, mit sehr regelmässigen drüsigen Längswülsten ; dann ein Stück Darm, darauf der Kau- oder Muskelmagen. Sein sehr kräftiger Muskelbelag besteht lediglich aus gut geordneten Ringfasern. Vor und nach ihm hat der Darm eine massige An- schwellung. Im Uebrigen die vier normalen Windungen. Wirft man Pedipes afer in Süsswasser, dann ziehen sie sich bald schnell, bald langsamer in das Haus zurück, zum Theil erst in einer halben oder ganzen Minute. Eins nur von 6 Exemplaren stiess dabei ein Paar kleine Luftblasen aus. Die Thiere blieben zurück- gezogen. — Die Auriculen der Azoren leben unter ähnlichen Verhältnissen wie Pedipes, so dass man sie ebenso gut als See- wie als Land- thiere betrachten kann; ich fand die leeren Schalen zwischen den Uferklippen auf Fayal. In der Nachbarschaft aber des Fundortes von Pedipes zeigte mir Sr. Chaves einen Steinwall, unter dem sie sich halten. Er erstreckte sich an dem vom Meere um wenigstens 100 Schritt entfernten, durch die horizontale Lavabank getrennten Abhänge hinauf. Wir fanden die Thiere nicht, weil sie sich an dieser trockensten Stelle von S. Miguel während der wärmsten Monate zu tief verkrochen hatten. Sicher ist aber, dass sie hier an OertHch- keiten hausen, die kaum zur Zeit der heftigsten Winterstürme ein wenig und sehr zertheiltes Spritzwasser erhalten. SüsswassermoUusken. Die Armuth der Azorengewässer an Mollusken ist so gross, dass Morelet sie gänzlich vermisste. Bei der Anwesenheit des Talisman wurde in Furnas die Physa acuta gefunden, — nach dem jetzigen Stande handelt sich's um zwei Arten. Physa acuta Drap. (s. Simroth. Globus LII. S. 236. — J. de Guerne. Comptes rend. 24. Oct. 87 und le Naturaliste 1887). Auf S. Miguel in den Seen des Hochthaies von Furnas so gut, wie in kleinen Teichen in den Gärten der am Strande gelegenen Hauptstadt. Betr. junger Exemplare aus der Umgebung von Ponta Delgada schreibt mir Herr Clessin, der so freundlich war, die Unter- suchung zu übernehmen: ,, Die Physa ist jedenfalls unausgewachsen, da sie nur 4 Umgänge hat; Physa acuta ist es jedenfalls nicht, die spitzeren Wirbel hat. Ich bin trotzdem in Zweifel, ob sie als n. sp. Zur Kenntiss der Azorenfauna. 231 zu beschreiben ist, eben weil nur unvollendete Exemplare vorliegen." Mag die Sache der Zukunft überlassen bleiben I Pisidium fossarinum Clessin. Die Ehre, die erste Süsswassermuschel auf den Azoren gefunden zu haben, gebührt dem im vorigen Sommer viel zu früh verstorbenen Azoreaner Arruda Furtado, von welchem ich Anfang August 1886 in Lissabon Exemplare aus den Quellen von S. Miguel erhielt. Ich fand das Thierchen dann vereinzelt in der Umgegend von Ponta Delgada auf Furtado dachte an eine Varietät von Pis. pulchellum; Herr Clessin, der doch ganz ge^\dss hier als Autorität ersten Ranges gelten muss, hat die Muschel als Pisidium fossarinum bestimmt. Fraglich bleibt es wohl, ob damit eine andere Ai"t zu vereinigen ist, welche von J. de Guerne als Pisidium Dabreyi n. sp. beschrieben wurde. Er fand sie in der Caldeira von Fayal. Wir meldeten die Muschelfunde ungefähr gleichzeitig (11. cc). Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass der abgelegene tief versteckte Kratersee der Mittelgruppe eine besondere Form erzeugt habe, Echinodermen. Asterias glacialis L. gross. Ophidiaster sp. (im Museum von Ponta Delgada als Ophidiaster ophidianus Lam. aufgeführt). Asteriscus sp. Ein kleineres Exemplar von Ponta Delgada, nach meiner Erinnerung. Ob gibbosus, bleibe dahingestellt. Astropecten pentacanthus Phil., z. T. junge, mit noch vorragendem Mittelstück der Scheibe, zahlreich. Ophioglypha affinis Lym. * Amphiura Sarsii Ljungm., bis jetzt nur von den Azoren bekannt. Ophiactis sp.? Arbacia pustulosa (Leske). Sphaerechinus granularis (Lam.). Toxopneustes lividus (Lam.). Echinocyamus pusillus (Müll.). Ein Spatangide. Von Holothurien ist mir nur eine Art vorgekommen, und zwar nur ein Exemplar, das der Sturm von den Felsen gerissen und zwischen die Klippen geworfen hatte, an der Rhede von Velas (S. Jorge). Soviel ich oberflächlich beurtheilen konnte, steht dieselbe Art, nicht determinirt, im Museum von Ponta Delgada. Zwischen den Bryozoen und Hydroiden an der Punta Delgada fing ich ein Paar kleinere Antedon. Ebenda endliph fand sich eine ganz junge Euryalide, von etwa 0,5 cm. grösster Armdistanz. Der Ophidiaster ist zweifellos die Asterias laevigata Drouet's. Von den Asteriden und Echiniden leben nur ein Paar auf dem oben beschriebenen Sandgrunde, und zwar, wie es scheint, aus- 232 1^1'- H. Simroth: schliesslich, selbstverständlich der Spatangus, den der Eisenrahmen des Netzes leider stets zertrümmerte, vielleicht der Echinooyamus, und bestimmt der Astropecten. Der letztere hat durchweg eine rosa-graue Färbung, so dass sich alle ausgezeichnet dem eintönigen Colorit jener Florideen-, Plumularien- und Bryozoenwiesen anpassen. Die lebhaft bunten Formen dagegen, der gelbe Asterias glacialis mit den tief indigoblauen Kiemen (Complementärfarbel), der orangerothe Ophidiaster, die braunen und violetten regulären Seeigel verlassen niemals die Klippenregion. Ueber die letzteren mag eine biologische Bemerkung gemacht werden. Es dürfte wenige Küsten geben, an denen die Seeigel ihr Bohrgeschäft so regelrecht und vielleicht ausnahmslos betreiben, als die der Azoren. Innerhalb der Brandung bemerkt man an vielen Stellen, schon auf weithin, eine gelbgraue Zone, die scharf von den schwarzen Felsen absticht und auf grosse Strecken das Ufer umgürtet. Sie rührt lediglich von einem Baianus her, der in Unmassen die Klippen überzieht. Inner- und unterhalb dieses Gürtels hausen die Igel, und so viel ich mich entsinne, ausnahmslos in halbkugligen, selten viel tieferen, häufig flacheren Löchern, die sie sich mit den Zähnen unter Beihilfe der unteren Stacheln in's Gestein gebohrt haben. Wenn an der Westküste von Frankreich an einzelnen Localitäten die Thiere bei niedriger Ebbe, je nach der Jahreszeit, ihre Wohnplätze verlassen und sich weiter in's Meer zurückziehen, um später wiederzukehren und sich von neuem passende von früheren Einwohnern gebohrte Löcher auszusuchen, so dürfte ein solcher Wechsel an den Azoren kaum Platz greifen. Im all- gemeinen liegt, wie angedeutet, die Zone so tief, dass bei niedrigster Ebbe die Thiere nur zeitweilig sich ausserhalb des Wassers befinden, aber doch von der sich überstürzenden hoch aufbäumenden Bran- dungswelle noch regelmässig getroffen werden. Andere, im höchsten Niveau und leichter zugänglich, halten sich in den kleinen Tümpeln, die auf den vorgeschobenen klippigen Lavaströmen in Vertiefungen zurückbleiben und von jeder höheren FluthweUe ^vieder gefüUt werden, also bei dem feuchten ozeanischen Klima kaum jemals aus- trocknen, so lange nicht weiteres Zerfressen des Gesteins dem Wasser einen Ausweg öffnet. Man wird im Allgemeinen wenigstens danach annehmen dürfen, dass die Thiere zu aktivem (und passivem) Orts- wechsel sehr wenig geneigt sind. Die Gewohnheit des Bohrens, die ja von denselben Arten nicht an allen Küsten geübt wird, hängt zweifellos mit der starken Brandung zusammen, gegen deren Gewalt das Versenken in Löcher einen guten Schutz giebt. Da aber diese Brandung Jahr aus Jahr ein dieselbe bleibt, wird auch derselbe Schutz gleichmässig nöthig, also das Echinoderm möglichst stabil sein. (S. die inzwischen erfolgte ausführliche Be- arbeitung meines Materiales von Dr. John.) Da fiel es denn sehr auf, dass eine grosse Menge der Seeigel, wiewohl lange nicht alle, ihren Rücken mit Muschelschalen, die sie mit den Saugfüsschen festhielten, bedeckten, wie wir solches durch Zur Kenntniss der Azorenfaiina. 233 Dohrn von Toxopneiistes lividus u. a. kennen gelernt haben (Zsclirft. f. w. Z. XXV. S. 470 ff.). Mit Vorliebe wurden PateUen verwendet, und die Schnecke wurde so gehalten, dass sie die Oeffnung der Höhle annähernd verdeckte und nur rings einen Spalt freiliess. Durch das Neapeler' Aquarium hauptsächlich ist auf die Bedeutung der- artiger Bedeckungen theils mit lebenden, theils mit todten Thieren (Dromia, Stenorhynchus etc.) hingewiesen worden; es sind Jagd- masken, unter deren Schutz die Beute sich bequemer beschleichen lässt. Und gerade vom Toxopneustes lividus hat Dohrn eine er- staunliche Raubgier constaticrt. Wie hat man aber die gleiche Be- deckung der in ihren Felsenlöchern festhockenden Thiere zu ver- stehen? Ich glaube nicht, dass man die gleiche Begründung ver- suchen darf; man wird alle Mimicry ausschliessen müssen. Mir schien es, als wenn gerade die eigenthümliche Haltung der Patellen- schale sehr wohl den Zweck haben könnte, ein Schutzdach gegen die Wellen abzugeben, vielleicht mit der Nebenaufgabe, das, was von organischen Partikeln durch die anstüi-mende Brandung in die Höhle geworfen wird, durch die zurückweichende nicht wieder ent- reissen zu lassen, sondern nach Möglichkeit unter dem Schirm fest- zuhalten, bis es das Thier ergreift. Ohne den Werth dieser Hypo- these überschätzen zu wollen, scheint mir's doch, dass entweder die Dohrn'sche Auffassung der Mimicry nicht Stich hält, oder dass die- selbe Gewohnheit aus ganz verschiedener Absicht erworben sein kaim, oder, das plausibelste, dass wir den wahren Grund der eigen- thündichen Sitte nicht kennen, — unser alter ,,embarras de richesse" organischer Natur gegenüber. Im Anschluss an die Seeigel eine andere Mimicry! Semper hat uns mit einem Wurm bekannt gemacht, der zwischen den Aesten eines Korallenstockes haust und mit seinen Kopfcirren nach Form und Farbe auf's täuschendste die entfalteten Polypenindividuen nach- ahmt (darauf, wie Semper die Erscheinung deutet, kommt hier nichts an). In dem Falle von den Azoren ist das Cölenterat der nach- äffende Theil, und der nachgeahmte ein bohrender Echinid, welcher, vermag ich bei der Farbenverschiedenheit namentlich des Sphaere- chinus brevispinosus nicht mehr auszumachen. Vermuthlich ist es aber dieser. Das Cölenterat ist eine Actinie. Von dem eintönigen Sandgrunde brachte das Netz immer nur kleine weissgraue Formen herauf; anders an den Klippen, wo wiederum die grossen und bunten Arten sich ansiedeln. Mit einiger Sicherheit constatierte ich nach der orangerothen Farbe und den blauen Randtentakeln die verbreitete Actinia equina. Ausserdem war eine andere grosse Species ebenso häufig als schwer aufzufinden. Sie sass stets in einer engen Felsen- spalte, die sie ganz ausfüllte, so dass nur der Tentakelkranz heraus- schaute. Ich fand sie nur in flachen Tümpeln zwischen weissen, abgestorbenen Corallinen, Sertularien, Bryozoen und namentlich Seeigeln, und entdeckte sie in dem klaren Wasser bei höchstens Armtiefe nur nach langem aufmerksamen Hinschauen. Es war schwer, sie den Freunden deutlich zu machen, so sehr glich sie mit ihren 234 Dr. H. Simroth: Ziir Kenntniss der Azorentauna. gleichmässig starren Fühlern dem Echinid. Bei der geringsten Be- rührung verschwand sie in ihrer Spalte. Trotz Hammer iind Meissel und vieler Mühe gelang es nur, Bruchstücke herauszubekommen. Die Seitenwand aussen grau, das Innere schön rosa. Nach Ver- gleichung mit den Abbildungen von Andres (Fauna und Flora des Golfs von Neapel 0. 1) dürften die Gattungen Anemonia, Bunodes, Heliactis, Aiptasia und Ilianthus in Frage kommen. Was bedeutet diese auffallende Mimicry bei der ausserordentlich geschützten Lage des Thieres? An ein weiteres Schutzmittel durch die Aehnlichkeit ist kaum zu denken, und doch war die Erscheinung so auffallend, dass es schwer ist, gar keinen Zusammenhang zu vermuthen. Mir ist es unmöglich, eine plausible Annahme zu finden. Erklärung der Abbildungen. Tafel I. Fig. A. Salarias symplocos Hilgd. in nat. Gr., daneben Gaumendach mit 4 Vomer- zähnen (f), ferner Nasen- und Augententakel (f). Fig. 1. Querschnitt durch eine Patelle, die auf den Felsen festsitzt, halbschematisch. a. Patella. b. Coralline. c. Lava. Fig. 2, Pedipes afer, am Glase kriechend, massig vergr. Fig. 3 und 4. Sohlen zweier in Alkohol conservierter Pedipes afer. Fig. 5. Schlundring desselben. Fig. 6. Verdammgscaual desselben. Tafel IL Doto floridicola (nat. Länge 4 mm). Fig. L Thier von hinten. Fig. 2. Die Schnecke von oben. Fig. 3. Vorderende von unten. Fig. 4. Vorderende von der Seite. Fig. 5. Auge. Fig. 6. Rechter Riechfühler. Fig. 7. Dessen Ende mit sich entleerenden Drüsen. Fig. 8. Otholithen aus einer Otocyste. Gohlis bei Leipzig, August 1888. :Nachtrag:. „Ratten auf Bäumen" s. Zoolog. Garten XXII. 1881. S. 257. Helmiuthologisches. Von Dr. von Linstow in Göttingen. Hierzu Tafel XVI. D, Pseudalius minor Kuhn. Fig. 1—8. 'as Genus Psevdaliu.s ist, was den inneren Bau betrifft, noch unvollkommen bekannt, und ich danke es der Güte des Herrn Ge- heimrath Professor Dr. Ehlers, dass ich in der Lage war, die Anatomie von Pseudalius minor genauer zu studiren. Dujardin i) giebt die Gattungsmerkmale mit den Worten: „Bouche nue, male ä queue en pointe ou bilobee, et ä deux spicules Courts, foliaces et contournes; femelle a queue en pointe, courte, un peu recourbee, vulve situee pres de l'anus, ä l'extremite d'un tube conique saillant; oviducte tres-vaste, rempli d'embryons dejä eclos; oeufs gi'ands. Mol in 2) nennt das Genus Prosthecosaäer und beschreibt es mit den Worten: „Os orbiculare, apertura vulvae supra caudae apicem, Uterus unicornis." Schneider 3) rechnet die Arten dieses Genus zu den Holo- myariern mit After und 2 gleichen Spicula, mit Seitenfeldern und Hauptmedianlinien; Ps. inflexus hat auch secundäre Medianlinien'^). Die Gattungsdiagnose Diesing's^) ist ganz werthlos. Die zu Pneiulaluis gehörigen Arten sind grosse, derbe Nema- toden, welche in der Regel in luftführenden Organen bei Säuge- thieren des Meeres und des Landes wohnen, wie ja kürzlich eine Art in den Bronchien des Schafs gefunden wurde. Der Mund führt kleine Papillen, das männliche Schwanzende zeigt eine von Rippen gestützte Bursa, bei Ps. minor ist das weibliche Schwanzende ab- gerundet; hier besteht ein doppelter Uterus, an den sich zwei sehr ') Histoire des Helmiuthes pag. 134—135. ") II sottordine degli Acrofalli pag. 594—598. ^) Monogr. d. Nematoden pag. 172 — 173. *) ibid. tab. XVI, fig. 13. *) Systema helminthum II, pag. 322. 236 ^^'- von Linstow: lange Ovarien setzen; die Spicula sind gleich und kurz und breit; ungemein massig ist die in 4 Längsstränge getlieilte Muskulatur, die nur in der Rücken- und Bauchlinie ganz unterbrochen ist; in der Seitenlinie ist die Muskelmasse eine verdünnte ; hier liegt jeder- seits ein Drüsenstrang und nach innen davon findet sich ein eigen- thümliches, aus feinen Fasern bestehendes Peritoneum. Beim Weib- chen liegt die Vulva dicht vor dem Anus. Uterus und Ovarium sind durch eine kurze, enge Tuba geschieden. rsendalim minor Kuhn ') ist gefunden in den Bronchien, dem Cavum tympani, der Höhlung unter den Augen, dem Herzen und den Venen von Phocaena conuiunds. Die Cuticula zeigt, ähnlich wie bei Mermis, zwei in einem spitzen Winkel sich kreuzende, sehr feine schräge Linien -Systeme und ausserdem feine, transversale Querringel, während die Cutis regelmässige, Ofivi mm entfernte Längslinien erkennen lässt, die in den Seitenlinien verdickt ist (Fig. 1, d). Die Muskulatur ist sehr massig, und in 4 symmetrischen Längs- wülsten angeordnet; in der Bauch- und Rückenlijiie ist sie durch eine im Querschnitt keilförmige Leiste (Fig. 1, f) unterbrochen, in der an der Basis jederseits eine Reihe von mit Kernkörperchen ver- sehenen Kernen steht. Die Muskulatur lässt eine im Querschnitt kreuzförmige Leibeshöhle frei, welche an ded Seiten durch eine ki eiförmige Längsleiste (B^ig. 1, c) begrenzt ist, die aber nicht, wie in der Bauch- und Rückenleiste, die Spitze, sondern die Basis nach innen kehrt und nicht an die Cutis grenzt, sondern von dieser durch eine Muskelschicht getrennt wird. Die Muskeln bestehen aus Fibrillär- und Marksubstanz ; erstere ist aus dünnen, scheibenförmigen Tafeln zusammengesetzt, die mit der Kante auf der Innenseite der Cutis wurzeln; nach innen zu scheinen mehrere solcher Tafeln zu verschmelzen und die nach der Mittelaxe des Körpers zu immer dünner werdenden Stränge bilden nun die Grenze der blasigen Marksubstanz. Die Muskelfibrillen zeigen auf Querschnitten eine regelmässige Schrägstrich elung. Die seitlich gelegenen Leisten (Fig. 4, c) bestehen aus einem Geflecht sehr feiner, gleichmässig starker Fasern, die hyalin sind und eine Breite von etwa 0,0008 mm zeigen; von hier strahlen eben- solche Fasern rings an die Lmenwand der Muskelmasse aus, welche die Leibeshöhle begrenzt, und umspinnen die in letzterer liegenden Organe, den Oesophagus, den Darm und die Geschlechtsorgane, sie mit den Muskeln verbindend und in ihrer Lage erhaltend, so dass sie als ein in Fasern aufgelöstes Peritoneum anzusehen sind; das Gebilde ist ein ganz eigenartiges und mir von keinem anderen Nematoden bekannt. ') Pseudalius ininor Die sing, Syst. heim. II, pag. 32.3— 324; Raspail, Annales des sc. dobservat. II, 1830, pag. 244, pl. VII, fig. 1—3; pl. VIII, fig. 1—5, 9—11; Molin, 1. c. pag. 600—601, tab. VIII, fig. 10—12; Duj ardin, Ps. filum. I.e. pag. 135; Schneider, I.e. pag. 174 — 175, tab. XII, fig. 6— 7; V. Linstow, Archiv für Natiirgesch. 1880, pag. 48, tab. HI, fig. 13—14. Helminthologisches. 237 Zwischen den Muskeln und der Peritonnalleiste liegt ein Drüsen- strang (Fig. 1, e), der, wie man auf Flächenbildern erkennt (Fig. 5), aus langgestreckten, gekernten Drüsenschläuchen besteht; der Kern enthält in der Regel ein grosses und mehrere kleine Kernkörperchen, deren Ausgänge alle in der Seitenlinie liegen; die Bauch- und Rückenleiste zeigt dieselben Drüsen, die hier aber weniger ent- wickelt sind. Die Mundöffnung ist von einer kreisförmigen Chitinscheibe umgeben, die einen äusseren Durchmesser von 0,6-2 mm hat (Fig. 7) ; man sieht vom Scheitel her in den Mundbecher hinein, in dessen Grunde man die dreieckige Oeffhung des Oesophagus bemerkt. Der Mundbecher ist flach, 0,036 mm breit und 0,0066 mm tief, am Rande stehen 6 kleinere und etwas dahinter 4 grössere Papillen im Kreise. Der Oesophagus ist nach Hinten etwas angeschwollen; der Darm ist dünner als ersterer, an dem Uebergang zwischen beiden misst ersterer beim Männchen ^, letzterer ^ der Körperbreite; der Nervenring liegt 0,13 mm vom Kopfende entfernt; die Länge des Oesophagus beträgt beim Männchen ^ , beim Weibchen nur ^ der Gesammtlänge, er ist also sehr kurz. Der Darm zeigt auf Querschnitten bald ein gradliniges, schlitz- förmiges, bald ein drei-, bald ein vierseitiges- Lumen; die Grund- substanz ist drüsig, aussen zeigt er eine feine, innen eine derbe, das Lumen auskleidende Schicht (Fig. 1, a); am Anus liegen grosse Drüsenmassen (Fig. 4, h). Der Körper des Männchen ist nach beiden Seiten hin, be- sonders aber nach dem Schwanzende zu, stark verdünnt; er ist 15,3 mm lang und 0,28 mm breit. Das Schwanzende zeigt eine von 3 Rippen gestützte, kreisfönnige Bursa; jede der 3 Rippen endet in 3 rundliche Endlappen mit Papillen; die der Mittelrippe sind sehr wenig entwickelt und oft nicht erkennbar. Vor und hinter der Cloakenmündung steht ausserdem jederseits eine kleine, gestielte Papille (Fig. 2, f). Die beiden mit der Endspitze verbundenen Girren (Fig. 2, a) sind im seitlichen Bilde höhnen- oder nierenförmig und laufen nach vorn in eine Spitze aus. Die beiden mächtigen Girren sind so breit, dass sie nur dann aus der Cloakenmündung vorge- drängt und in die Vulva des Weibchens eingeführt werden können, wenn beide sehr dehnbar sind, was wenigstens für die männliche Cloake zutrifft, da man sie mitunter vorgestülpt hndet. An ihrer Rückenseite liegt ein fast gerades, stäbchenförmiges Gebilde, das von den Girren in der Regel verdeckt wird. Die Breite der Cloaken- öffnung beträgt 0,036 mm und die der Girren 0,12 mm. Am männ- lichen Schwanzende findet sich eine starke Schicht Cirrusmuskeln (Fig. 2, d), die schräg von der Dorsal- und Kopfseite nach der Ven- tral- und Schwan^seite verlaufen, und zwar innerhalb der Längs- muskulatur der Körperwand; in der Gegend der nach der Kopfseite zu liegenden Spitze der Girren erreichen die Cirrusmuskeln die 238 ^^- von Linstow: Rückenlinie nicht; ausserdem setzen sich mächtige Retractoren an die Girren, welche sie nach der Kopfseite ziehen (Fig. 2, c). Die Länge des Weibchens beträgt durchschnittlich 27, die Breite 0,66 mm. Der Anus (Fig. 3, a) steht terminal; 0,05 mm nach der RückenHnie zu bemerkt man eine kleine Papille ^) (Fig. 4, i). Dicht vor dem Anus findet man die Vulva (Fig. 2, b), in deren Nähe links und rechts 2 kleine, griffeiförmige Erhabenheiten stehen (Fig.2,c). Die Vulva ist zunächst eng und wird umgeben von einer mächtigen, eiförmigen Muskelmasse (Fig. 3, d), deren Fasern in schrauben- förmigen Windungen verlaufen; sie ist von vierseitigem Querschnitt (Fig. 6, b); von den 4 Winkeln, welche die Seiten mit einander bilden, sind 3 spitze und einer ein ausserstumpfer; unter den starken Muskeln liegt eine Drüsenschicht. Beim Austritt aus dem eiförmigen Körper wird die Vulva von grossen, gekernten Drüsen umgeben (Fig. 3, e) ; dann erweitert sie sich und wird zu dem muskulösen, 1^ der Gesammtlänge einnehmenden Abschnitt (Fig. 3, g); weiter nach vorn theilt sich die Geschlechtsröhre in 2 gesonderte Aeste, welche die dünnwandigen, drüsigen Uteri darstellen (Fig. 3, h). Sie füllen fast die ganze Breite des Leibesraumes aus und nehmen H der ganzen Körperlänge ein; in einer Entfernung von 2,7 mm vom Kopfende, wo an dem vordersten Theil die Wandung plötzlich stark muskulös wird, verenget sich das Lumen sehr und der Uterus geht in eine 0,72 mm lange und 0,048 mm breite Tuba über (Fig. 8, a) die sich in das Ovarium fortsetzt, dessen Anfangstheil an einer kurzen Strecke muskulöse Wandung hat; dann wird letzteres dünn- wandiger und drüsig; zuerst ist das Ovarium 0/204 mm, am äussersten Ende nur 0,06 mm breit. Die sehr dünnhäutigen Eier sind 0,072 mm lang und 0,033 mm breit; die Embryonen (Fig. 8) messen 0,19 mm in der Länge und 0,oi mm in der Breite; sie lassen innere Organe nicht erkennen, mit Ausnahme einer Andeutung des Oesophagus; der Leibesinhalt ist grob gekörnelt mit Ausnahme des Kopfendes. Die beiden folgenden Arten hatte Herr Dr. A. Lutz die Güte, mir aus Brasilien zuzuschicken. Physaloptera praeputialis n. sp. Fig. 9—10. Die Art ist in Felis catns gefunden; ich erhielt eine grosse Anzahl von Exemplaren, unter denen sich nur ein einziges Männchen befand. Die Cuticula ist ziemlich regelmässig in Abständen von 0,18 mm und dann wiederum viel feiner und dichter in Abständen von 0,0016 mm quergeringelt. Das Männchen ist 21 mm lang und 1,5 mm breit. Beide Ge- schlechter haben am Schwanzende eine Aermel- oder Präputium- artige Duphcatur der Cutis, und muss, wenigstens beim Männchen, ') V. Linstow, 1. c, tab. III, Fig. 14. Helminthologisches. 239 der Körper aus dem Präputium hervorgestülpt werden können, da sonst eine Begattung unmöglich wäre. Neben der Cloake stehen jederseits 4 langgestielte Papillen (Fig. 10), unmittelbar vor der- selben finden sich 3 und dicht dahinter 2 ungestielte, ferner dicht vor dem Schwanzende 3 und etwas davor noch 2. Die Zahl und Anordnung dieser 10 ungestielten Papillen kann möglicherweise etwas anders gefunden werden, da mir zur Untersuchung nur ein Exemplar zur Verfügung stand, dessen Untersuchung schwierig war. In der Bauchlinie zieht sich am Schwanzende ein breiter Streif herab, welcher aus runden, 0,019 mm grossen Feldern gebildet wird, welche 2 concentrische Ringe zeigen. Die Entfernung von der Schwanzspitze bis zur Cloake beträgt 2,9 mm. Das Weibchen ist durchschnittlich 30 mm lang und 2 mm breit. Der Oesophagus misst 4 mm und die Vulva liegi 8 mm vom Kopf- ende. Nur die äusserste Schwanzspitze, welche kegelförmig mit abgerundetem Ende ist, sieht aus der Präputium -artigen Cutis- Duplicatur heraus; der Anus liegt 0,72 mm vom Schwanzende. In der Gegend der Vulva liegt ein brauner, ablösbarer Chitinring der Cuticula fest an; er deckt die Geschlechtsöffnung, und an dieser Stelle fehlt die grobe, weitläuftige Querringelung der Cuticula. Die dickschaligen Eier sind 0,055 mm lang und 0^033 mm breit. Von den beiden Kopflippen hat jede einen stumpfen, abgerundeten Aussen- und 3 spitzere Innenzähne von gleicher Höhe und etwa derselben Breite wie ersterer (Fig. 9). In Raubthieren sind bis jetzt gefunden: Physaloptera tevdentata Molin ^), Pli. anomala Molin ^), Ph. digitata Schneider 3), Ph. maxillaris Molin*), und Pli. semilanceolata Molin^). Von diesen Arten unterscheidet sich die hier beschriebene Art durch die 3 letzten Papillen am männlichen Schwanzende, da die übrigen angeführten Arten hier nur 2 haben, und besonders durch die merkwürdige Präputium-Bildung sowie durch den sonder- baren Chitinring des Weibchens. Tricliocejyhahts campanula n. sp. f = Trichocephalus Felis Diesing. Fig. 11. aus Felis catus domesticns in Brasilien. An der Bauchseite verläuft ein Stachelband von f Körperdurch- messer; am Oesophagustheil ist der Körpercontour sägeförmig. Die Längenmasse des Männchens bin ich nicht im Stande an- *) Mol in, Una moiiographia del genere Physaloptera , Sitzungsber. des naturw. Cl. Wien 1860, Bd. XXXIX, No. 5, pag. 651; v. Dräsche, Revis. d. Nematoden etc., Verhandl. d. k. k. zoolog.-bot. Gesellsch. "Wien 1882, pag. 127. 2) Molin, I.e. pag. 650; v. Dräsche, I.e. pag. 128, ^) Schneider, Monogr. d. Nematoden pag, 127. *) Molin, I.e. pag. 645. ^) Molin, I.e. pag. 659; v. Dräsche, I.e. pag. 127. 240 ^^- ^*^^ Linstow: zugeben, da das einzige vorhandene Exemplar am Vorderende defect war, das unvollständige Oesophagus-Ende war 0,1 1 mm breit, das am Ende spiralig aufgerollte Hinterleibsende 0,36 mm; die Gesammt- länge betrug 14 mm. Am Hinterende stehen 2 Papillen; die weit vorgestülpte Cirrusscheide ist mit kleinen, kegelförmigen Erhaben- heiten besetzt und am Ende glockenförmig erweitert. Das Weibchen ist 31,5 mm lang; der Oesophagus-Theil ist 0,12, der Hinterleib 0,48 mm breit; der Oesophagus nimmt | des ganzen Körpers ein und der Darm beginnt etwas vor der Vulva, die von 2 wenig prominenten Längslippen eingefasst ist. Die Cuticula ist in Abständen von 0,0066 mm quergeringelt. Die Eier sind 0,072 mm lang und 0,036 mm breit. In Raubthieren sind die zum Genus Trichocephalns gehörigen Arten Tr. depressiusculus, Tr. serraius und Tr. felis gefunden. Tr. depressinscidus Rud. ^) ist ausgezeichnet durch eine nur an der Basis bedornte Cirrusscheide; die Eier sind 0,083—0,086 mm lang; Tn serratus v. Linstow^) hat einen Oesophagus, der | der Körper- länge einnimmt, das Bauchband ist f des Körperdurchmessers breit, die Cirrusscheide ist ohne glockenförmige Erweiterung, die Eier sind 0,056 mm. lang; l^. felis Diesing^) aus Felis tigrina in Brasilien ist unbeschrieben, und ist es nicht unmöglich, dass Diesing dieselbe Art wie die hier besprochene vor sich gehabt hat. Ecliinorhynchus Dipsadis n. sp. Fig. 12. Herr Dr. H. Lenz, Director des naturwissenschaftlichen Museums in Lübeck, hatte die Güte, mir eine grosse Baumschlange Dipsas Blaudlngii aus Kamerun, zur Untersuchung zu schicken, in deren Darmwand ich 15 Exemplare einer kleinen Echiuorhynchen- Larve eingekapselt fand. Die elliptischen sehr dünnwandigen Cysten sind durchschnittlich 1,14 mm lang und 0,72 mm breit; das Thier selber hat eine Länge von 1,82 mm und eine Breite von 0,6 mm. Das Rostellum ist mit Haken sehr dicht besetzt; vorn steht eine grössere Sorte (Fig. 12, a) von 0,088 mm Länge, die einfach gebogen sind und 12 — 14 Querreihen von je 10 Stück bilden, während die hinteren 0,072 mm messen, dornförinig von Gestalt sind (Fig. 12, b) und 20 Querreihen von je 12— 16 Haken zeigen; diese Zahlen konnten nur annäherungsweise bestimmt werden, da die invaginirten Rüssel sich nicht vorstülpen lassen. Eingekapselte Echinorhychen - Larven sind schon in zahlreichen Schlangen gefunden, als Eck. oligacanihoides Rud. mit 4 — 5 Haken- reihen in Pldlodryas Olfersii, Boa constrictor , Coluber Lichtensteinii, •) Schneider, I.e. pag. 172, tab. XIII, Fig. 4. ^) V. Linstow, Wiirttemb. natiinv. Jahresh. 1879, pag. 334 — 335, ^) Diesing, Systenia helminthum II, pag. 295. Helminthologisches. 241 DryopMlas Notieren, Bothrops Jararacca, B. Neuwiedii, Elaps coral- inus, Erythrophis venustissimus, Ophis Merremii, 0. coeruleus, Hydros- copus plufinbeus, Psendophis cinerascens; Eck. cinctus Rud. mit 140 Hakenreihen, deren Haken alle gleich sind, aus Vipera Redii und Hierophis viridißavus; Ech ohligacanthxis Rud. mit 13 Hakenreihen aus Elaphis quadrilineata; E. heier orhynclms Parona aus Coluber viri- diflavns; Eck. specJ Wedl. aus Naja haje, Ech. specJ Wedl. eben- falls aus Naje haje und Ech. spec? Wedl. aus Cerastes aegyptiacus, ferner Ech. megacephalus Westrumb mit einem in der Mitte ver- dickten Rostellum und sehr zahlreichen Haken aus Pantherophis Zeae. Die dazugehörigen geschlechtsreifen Formen werden wahr- scheinlich in Raubvögeln zu suchen sein. Cercaria terricold n. sp. Fig. 13. Diese und die hierunter beschriebene Cercarie hatte Herr Pro- fessor Dr. Braun in Rostock die Freundlichkeit, mir zuzusenden. In sehr grossen, bis 2,6 mm langen und 0,3 mm breiten Keim- schläuchen in der Leber von Helia; ?vermiculata aus Algier leben geschwänzte Cercarien von 0,43 mm Länge und 0,16 mm Breite; ihre Cuticula ist unbedornt, ihr Mundsaugnapf misst 0,052 mm ; der längs- ovale Bauchsaugnapf ist 0,052 mm breit, der Schwanz misst 0,31 mm. Am Mundsaugnapf steht ein Stachel von 0,019 mm Länge, der an der Basis etwas verdickt ist. Der Darmtract ist nicht sichtbar, aber ein in der Körperaxe gelegener Stamm des Excretionsapparates verläuft vom Hinterrande des Bauchsaugnapfes bis fast ans Körperende. Cercaria terrestris n sp. Fig. 14. aus der Leber von Helix Uns, in Griechenland gefunden, entsteht in langen Keimschläuchen von 2,64 mm Länge und 0,3 mm Breite; die Cercarien haben eine Länge von 0,44 und eine Breite von 0,13 mm; der Schwanz misst 0,21 mm und ist am Ende abgerundet; die Cuti- cula ist unbedornt; der Mundsaugnapf misst 0,072 mm; der Bauch- saugnapf 0,066 mm, bei anderen Exemplaren betrugen die Masse 0,062 und 0,056 mm, so dass ihr Verhältniss sich wie 11 : 10 stellt. Ein Darmtract ist auch hier nicht sichtbar, wohl aber der Mittel- stamm eines Excretionsgefässsystems , der vom Bauchsaugnapf bis zum Ansatz des Ruderschwanzes verläuft. Die Anzahl der in Land-Mollusken gefundenen Cercarien ver- grössert sich mehr und mehr; als Wirthe sind jetzt bekannt Limax agrestis und cinereus, Arion eynpiricorum , Arionta ai'hustorum, Helix albolabris, maculosa, carthusiana, carthusianella , 7iemo7'alis, arborea, alternata, aspersa, Helicodonta pomatia, Vitrina cellaria, Zebrina detrita. Arch. f. Naturgesch. Jahrg. 1888. Bd. I. H. 3. 16 242 I^^'- ^on Linstow. Bothriocephalus rugosus Rud. Fig. 15 — 26. Die Exemplare, welche mir zur Untersuchung dienten, ver- danke ich der Freundlichkeit des Herrn Geheimrath Prof. Dr. Ehlers, und studirte ich den Bau dieser Species eingehend, weil die Ana- tomie der Bothriocephalen mit randständigen Geschlechtsöftnungen so gut wie unbekannt und von Bothriocephalus latus ganz und gar verschieden ist. Gefunden ist Bothrioceplialus rugosus in den Append. pylor. von Gaclus aegleßmis, G. inorrhua, Merlangus carhonarius, M. pollackius, Me.rhuyius vulgaris, Lota vulgaris, L. molva und Motella mustela. Beschrieben ist die Art sehr unvollkoimnen von Rudolph i und Diesing'); etwas genauer von Olsson^), welcher als Diagnose angiebt : Apertura genitalium irregulariter alternae marginalis. D uj ardin 's^) Dibothrium rugosum gehört nicht hierher, da die Eier seiner Art viel grösser sind, nämlich 0,08 — 0,1 1 mm lang und 0,051 — 0,057 mm breit. Die Embryonalentwicklung hat Schauins- land ^) beschrieben. Die Länge beträgt bis zu 380 mm; die Proglottiden sind da, wo die Entwicklung der männlichen Geschlechtsorgane beginnt, 0,41 mm dick, an dem Hinterrande des Gliedes 0,5 mm, 1,4 mm breit und 0,54 mm lang; in dem sogenannten Halstheil, wo sich nur die Anlagen zu den Geschlechtsorganen finden, beträgt die Länge nur 0,09 — 0,15 mm, die Breite 0,9 — 1,02 mm und die Dicke 0,6 mm; letztere ist also etwas beträchtlicher als weiter hinten, während die Proglottiden, welche reife Eier enthalten, nur 0,8 mm breit und 0,36 mm lang sind, selten 1,8 mm breit und 0,48 mm dick. Der Scolex (Fig. 15, 16, 17) ist etwas verdickt; am Scheitel (Fig. 16) steht eine sechseckige Oeffnung, welche in die beiden ovalen Sauggruben führt, durch Muskelcontraction aber auch von letzteren abgeschlossen werden kann. Die Gruben sind 0,95 mm lang und 0,36 mm breit und sind flächenständig ; die grösste Breite des Scolex beträgt 0,54 mm, die grösste Dicke 0,36 mm; am geringsten ist sie in der Mitte, wo sie nur 0,20 mm beträgt. Ln Proglottidenkörper muss man eine Rinden- und eine Parenchymschicht unterscheiden; die erstere besteht wieder aus einer Cuticula (Fig. 21, a, b) und einer darunter liegenden subcuticularen Rindenmuskelschicht (Fig. 21, c); die Parenchymschicht enthält die Parenchymzellen, die Parenchym- muskeln, die Geschlechtsorgane, das Nerven- und das Gefässsystem. Die Rindenschicht ist mindestens 0,79 mm dick; die Cuticula, aussen von einer feinen, structurlosen Membran begrenzt (Fig. 21, a), ist gestützt von radiär gestellten Stäbchen (Fig. 21, b), und zeigt ') Diesing, I.e. I, pag. 591— 592. ») Lund's Univers. Arsskrift t.IV, 1868, pag. 10— 11, tab.lll, Fig. 65. 3) I.e. pag 617. *) EmbryoualentwickluMg pag. 8— 18, tab, I, Fig. 1 — 28. Helminthologisches. 243 sehr feine, circulär verlaufende Fibrillen. Die Membran misst 0,0033 mm, die Cuticula 0,049 mm. Die Muskeln der Subcuticularscbicht (Fig. 21, c) sind im Gegen- satz zu den mächtigen Parenchymmuskeln sehr schwach entwickelt. Man unterscheidet Ring- und Längsmuskeln, die durchschnittlich 0,0016 mm breit sind, während die circulären Fibrillen der Cuticula nur 0,0006 mm messen. Im hinteren Abschnitt des Proglottiden- körpers liegen in der Rindenschicht, und zwar in der subcuticularen Hälfte, sehr zahlreiche Kerne (Fig. 20, d, Fig. 24). In dem vorderen Theil des Körpers, wo noch keine Geschlechtsorgane entwickelt sind, findet man dicht gedrängt Parenchym-ZeUen, welche bald einen, bald zwei, bald zahlreiche, glänzende Kerne enthalten (Fig. 21, d); ihre Grösse beträgt durchschnittlich 0,09 — 0,019 mm, die der Kerne 0,0049 — 0,0098 mm, die der Kernkörperchen 0,0049 mm; die Zahl der Kerne kann bis zu 12 steigen. Bei den reiferen Proglottiden ver- schwinden die Zellen und sieht man statt ihrer transversal gestellte, längliche Kerne, welche, wie bereits angegeben, die Subcuticular- schicht dicht durchsetzen; hier unterscheidet man alsdann 2 Faser- systeme, von denen das eine der Oberfläche parallel, das andere senkrecht auf dieselbe verläuft (Fig. 20). Von den Parenchymmuskeln sind die Längsmuskeln am stärksten entwickelt; sie haben eine Dicke von 0,0033 — 0,006 mm und lassen den mittleren Körpertheil, in welchem sich die Geschlechtsorgane entwickeln, frei (Fig. 20) ; die Ring-muskeln werden mehr nach innen zu transversalen (Fig. 21), und diese wie auch die Transversal- muskehi (Fig. 22) haben eine Breite von 0,ooi mm; dieselbe Breite haben die dorsoventralen. Die Muskiüatur im Scolex ist schwach entwickelt, ebenso ist sie in den letzten, geschlechtsreifen Gliedern wenig mächtig. Das Nervensystem besteht aus 2 durch eine starke Quer- commissur (Fig. 17, b) verbundenen Ganglien, von denen 2 starke, von einer auffallenden Hülle umgebene Längsnerven (Fig. 19, d; Fig. 18, c) den ganzen Progiottidenkörper durchziehen; mit der Scheide haben sie einen Querdurchmesser von 0,056 mm. Ausserhalb der Nervenstämme verlaufen 10 Gefässstämme (Fig. 18, d), die 0,016 mm breit sind; dicht hinter dem Scolex, im sogenannten Halstheil, verlaufen sie nach innen von den Nerven (Fig. 19, e), um im Scolex selber zu einem einzigen Gefäss zu ver- schmelzen (Fig. 17, a). Bei Bothriocephalus latus liegen im Scolex 2 grössere Gefässe nach innen von den Nervenstämmen, unter der Subcuticula aber 33 kleinere Gefässe nach Moniez^); bei Ligula ist die Gefässan- ordnung ähnlich wie die bei Bothr. rugosus gefundene, doch liegt ausser den peripheren Gefässen dort noch eins an der Innenseite der Nerven^). •) Moniez, Memoires sur les Cestodes, Paris 1881, pl. VI, Fig. 12. 2) ibid. pl. VI, Fig. 11. 16* 244 I^i"- '^011 Linstow: Die männlichen Organe entstehen, wie meistens bei den Platt- würmern, früher als die weiblichen; die Hoden liegen unmittelbar unter der Parenchymzellenschicht und bilden auf Querschnitten einen vollkommenen Ring (Fig. 18, f); in jungen Proglottiden bilden sie die Grenze der Mittelschicht (Fig. 20, b), die Anlage der weiblichen Organe zwischen sich nehmend; mit Lithion-Picro-Carmin färben sie sich braunroth und zeigen Mutter-, Tochter- und Enkelzellen; etwa 100 mm vom Kopfende entfernt bemerkt man die randständigen, einseitigen Girren an der Grenze zwischen dem mittleren und hinteren Drittel des Proglottiden-Randes. In reifen Proglottiden liegen die Hoden (Fig. 25, c) etwa an der Grenze zwischen dem 1. und 2. Viertel der Parenchymschicht ; der Same sammelt sich in einem Vas deferens, das am Ende vielfach aufgerollt von einem grossen, spindelförmigen, derben Cirrusbeutel umschlossen wird (Fig. 24, a); der Querschnitt des letzteren (Fig. 25, a) misst 0,ii nun. Die Länge des Cirrus- beutels beträgt 0,42 mm, die Breite entspricht dem Querschnitt, und der Cirrus mündet unmittelbar hinter der weiblichen Geschlechts- öffnung am Proglottidenrande in eine flache, trichterförmige Grube (Fig. 24). Die weiblichen Geschlechtsorgane liegen in der mittleren Körper- schicht, von den Hoden rings umgeben ; die Dotterstöcke bilden nach innen von den letzteren auf Querschnitten einen Ring (Fig. 18, e); die erste Anlage der weiblichen Organe bemerkt man, von denen der Hoden umgeben, in der Körperachse (Fig. 20, a) in der Paren- chymschicht, welche ohne Längsmuskeln ist. Die entwickelten Dotter- stücke sind traubig (Fig. 22, b); die Dottermassen sammeln sich in 2 bogigen Gängen (Fig. 22, d), um in den 0,14 mm breiten und 0,i2mm langen Eierstock (Fig. 22, c) zu münden. Die Dotterstöcke färben sich mit Lithion-Picro-Carmin hochroth und haben anfangs eine dicke, hygaline Wandung. Der Uterus ist von einer dicken, drüsigen Wandung umgeben, wenn er ausgebildet wird; später ist er dünn und membranös; er liegt stets im vordersten Theil der Proglottide (Fig. 22, a) und auf Querschnitten genau in der Mitte (Fig. 18, g). Die in den Eierstock führende Vagina ist 0,oi6 — 0,026 mm breit und ihre Aussenwand hat einen Zellenbelag. Der Uterus ist kugel- förmig und etwa 0,14 mm gross, während die Trauben der Dotter- stöcke ungefähr 0,06 mm messen. Da, wo das Ovarium in den Uterus führt, liegt eine strahlenförmig gebaute Schalendrüse (Fig. 22, e). Die ersten Anlagen der Dottertrauben gleichen Riesenzellen mit sehr dicht gedrängten Kernen. Die elliptischen Eier sind 0,059 mm lang und 0,04.3 mm breit; an den beiden Polen bemerkt man eine kleine Grube (Fig. 26); die Embryonalhäkchen sind gerade gestreckt und 0,0077 mm lang. Aus vorstehender Schilderung ergiebt sich, wie Bothr. nigosus seinem Bau nach von Bothr. latus ganz und gar verschieden ist und mehr an die Vogeltänien erinnert. Die Subcuticularscliicht be- Helminthologisches. 245 steht bei Bothr. latus aus Spindelzellen ^), die bei B. r. ganz fehlen ; die Grenze zwischen den einzelnen Proglottiden ist hier noch viel unklarer als bei B. latus, so dass kein Gedanke daran sein kann, die Proglottiden als Thierindividuen aufzufassen; eine Oefftiung des Uterus nach aussen fehlt, und die Anordnung der Geschlechtsorgane ist gänzlich verschieden von der durch die Arbeiten von Leuckart, Sommer und Landois und Moniez genau bekannten von Bothr. latus. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1—8. Pseudalius minor. Fig. 1. Querschnitt durch den Körper, a) Darm, h) Leibeshöhle mit Perritoneal- fasern, c) Perritonealleiste, d) seitliche Verdickung der Cutis, e) Drüsen- strang, f) Bauchleiste, g) Muskeln. Fig. 2. Schwanzende des Männchens von der Bauchseite, a) Cirrus, b) Darm, c) Retractor des Cirrus, d) seitlicher Cirrusmuskel, e) Cloake, f) Papillen. Fig. 3. Schwänzende des Weibchens, a) Anus, b) Vulva, c) kleiner Kegel neben derselben, d) Muskelmasse, e) Drüsen, f) Darm, g) weiter Theil der Scheide, h) Beginn des Uterus. Fig. 4. Weibliches Schwanzende von der Seite, a) Anus, b) Vulva, c) kleiner Kegel, d) Muskelmasse, e) Drüsen, f) weiter Theil der Scheide, g) Darm. Fig. 5. Drüsenstrang von der Fläche gesehen. Fig. 6. Querschnitt des hintersten Schwanzendes des Weibchens, a) Darm, b) Muskelmasse und Scheide. Fig. 7. Kopfende vom Scheitel aus gesehen, a) Oesophaguslumen. Fig. 8. Embryo. Fig. 8 a. Verbindung von Uteras (a) und Ovarium (b) durch die Tube (c), d, d muskulöse Wandungen. Fig. 9. Lippenpapillen von Physaloptera praeputialis. Fig. 10. Männliches Schwanzende derselben Art von der Bauchfläche, a) Cloaken- Oeffnung , b) Schwanzende , c) Präputium ; letzteres ist in der Zeichnung diu'chsichtig gehalten, was es in Wirklichkeit nicht ist. Fig. 11. Männliches Hinterleibsende von Trichocephalus campanula. a) Körper, b) Cirrusscheide, c) Cirrus. Fig. 12. Haken des Rostellum von Echinorhynchus Dipsadis. a) vordere, b) hintere Ordnung. Fig. 13. Cerearia terricola. a) Bohrstachel. Fig. 14. Cerearia terrestris. a) Bohrstachel. Fig. 15 — 26. Bothriocephalus rug'osus. Fig. 15. Scolex von der Eücken- oder Bauchfläche. Fig. 16. Scolex von der Scheitelfläche. Fig. 17. Querschnitt durch den Scolex. a) Gefässstamra, b) Nervencommissur. ') F. Schmidt. Beitr. zur Entwicklung der Geschlechtsorgane einiger Cestoden. Leipzig 1887. 246 Dr. von Linstow: Helminthologisches. Fig. 18. Q,iiei'schnitt durch eine Proglottide. a) Cuticula, b) Subcuticula, c) Nerv, d) Gefäss, e) Dottertraube, f) Hodentraube, g) Ei im Ovarium. Fig. 19. Querschnitt durch den Halstheil. a) äussere Hülle der Cuticula, b) Cuticula, c) subcuticulare Eing- und Längsmuskeln, d) Nerv, e) Gefäss. Fig. 20. Frontalschnitt (Längsschnitt von der Rücken- nach der Bauchfläche) durch junge Proglottiden. a) Anlage der weiblichen Geschlechtsdrüsen, b) Anlage der Hoden, c) Längsinuskeln, d) Kerne der Rindenschicht. Fig. 21. Querschnitt durch einen Proglottidenraud, stark vergrössert. a) äussere Membran, b) Cuticula, c) Subcuticiüa mit Muskeln, d) Parenchymkerne. Fig. 22. Flächenschnitt (Längsschnitt von einem Seitenrand zum andern) durch eine Proglottide. a) Uterus, b) Dottertraube, c) Ovarium, d) Dottergang, e) Schalendrüse, f) Vagina. Fig. 23. Aussenrand des Proglottiden. a) Cirrns. Fig. 24. Flächenschnitt durch den Rand einer Proglottide. a) Cirrusbeutel, b) Vagiija. Fig. 25. Frontalschnitt, dem Proglottidenrande nahe, a) Querschnitt durch den Cirrusbeutel, b) durch die Vagina, c) Hodentraube. Fig. 26. Ein Ei mit Embryo und Embryonalhäkchen. Helmiuthologisches. Von G. Brandes. Hierzu Tafel XVII. L ^m Rectum von Tringa alpina fand ich April 1888 in grosser Menge ein sehr kleines Distomum (0,3 — 0,4 mm lang), das ich nirgends beschrieben fand und Distomum claviforme nennen möchte, da es in seiner Gestalt an eine Keule erinnert. Wenn unser Wurm auch nicht gerade durch eine Einschnürung in 2 Abschnitte geteilt ist, so kann man doch einen längeren flachen Vorderteil und einen kürzeren kuglig angeschwollenen Hinterteil unterscheiden. Der letztere beherbergt den Genitalapparat: das Ovarium und die beiden Hoden liegen an der oberen Grenze, der übrige Raum wird durch die stark mit Eier gefüllten Uterus- schlingen sehr undurchsichtig gemacht. In dieses Dunkel, das allerdings kaum besonders Überraschendes darbieten dürfte, hätte ich gern etwas mehr Licht gebracht, aber leider war mein bezügliches Material aus mir unerklärlichen Gründen in eine Verfassung gekommen, die eine Behandlung mit dem Mikro- tom nicht mehr zuliess. Der Bauchsaugnapf liegt in einer Höhe mit den Genitaldrüsen. Den vorderen Teil, der doppelt so lang ist, als der hintere, durchsetzt seiner ganzen Länge nach der unpaare Abschnitt des Darmtractus, der in seiner vorderen Partie eine eigentümliche Er- weiterung aufweist, hinten etwas anschwillt und sich dann in zwei kurze bauchige Darmschenkel spaltet, die fast unter rechtem Winkel gegen die Seitenwände des Tieres verlaufen. Dies ist alles, was ich über die Anatomie von Distomum clavi- forme mitzuteilen im Stande bin; es ist nur wenig, aber es genügt meines Erachtens dennoch, um die Zusammengehörigkeit dieser Form mit einer früher beschriebenen Trematodeidarve erschliessen zu können. Zufällig nänüich fand ich im fünften Bande des Microscopical Journal (Jahrgang 1865) auf Tafel VHI mehrere Abbildungen einer in Carcinus moenas eingekapselten Trematodenlarve, die mich sofort aufs lebhafteste an meinen Fund aus Tringa alpina erinnerten. M'Intosh, der die Larve als einen Embryo im Ei beschreibt, spricht die Vermutung aus, derselbe möchte vielleicht in dem Magen von 248 ^- Brandes: Cottus, Gadus oder Lophius zum geschlechtsreifen Tiere heran- wachsen. Bei einem Vergleiche beider Bilder sehen wir, dass nicht nur die Form der Larve und des ausgewachsenen Tieres dieselbe ist, sondern wir finden auch bei beiden den typisch gebauten Darm mit der eigentümlichen Erweiterung im vorderen Teile, ebenso stimmt die Lage des Bauchsaugnapfes und der Geschlechtsorgane überein. M'Intosh's Gruppen von ,, grossen zusammengesetzten" Zellen halte ich für die Kalkkörperchen des Excretionssystems. Hoffentlich wird Jemand, der das Glück hat, an der Küste zu wohnen, in nicht allzulanger Zeit durch einen entsprechenden Fütterungsversuch den bündigen Beweis für die Zusammengehörig- keit beider Formen erbringen. Eine andere neue, ausserordentlich interessante Distomenform fand ich Anfang Juli d. J. im Dünndarm des so gründlich durch- forschten Wasserfrosches i). Und zwar war es nicht etwa eine kleine Form, die man hätte übersehen können, sondern es war im Gegen- teil eine auffallend grosse Form. Schon von aussen sah man kurz hinter dem Magen eine starke Auftreibung des Darmes, die etwa 10 birnförmige Distomen von 2,5 mm Länge beherbergte, welche tief in der Schleimhaut versenkt waren. Anfangs meinte ich Amphi- stomen vor mir zu haben, jedenfalls hielt ich den kleineren Saug- napf für den Mundsaugiiapf und somit das spitze Ende für den vorderen Körperteil. Als ich aber eine Schnittserie von dem Tiere anfertigte, wurde ich bald eines besseren belehrt. Der sehr grosse Mundsaugnapf liegt nicht am vorderen Körper- pol, sondern ventralwärts an der Stelle der stärksten Ausladung des mächtig geschwollenen Vorderkörpers. Auf den bedeutend kleineren Pharynx folgt ein kurzer Oesophagus, der sich in zwei sackartige Darmschenkel fortsetzt. Der verhältnismässig gering entwickelte Bauchsaugnapf ist dem hinteren Körperpole sehr genähert. Zwischen den beiden Saugiiäpfen finden wir nun den ganzen Genitalapparat; während sonst nur der Genitalporus vor dem Bauchsaugnapfe liegt, haben wir hier auch die Genitaldrüsen, die Schalendrüse und die Vesicula seminalis vor demselben. Das Ovarium liegt ziemlich nahe der hinteren Körperwand in der Höhe der Darmschenkel, der Ovi- duct zieht von ihm in starken Windungen nach unten und durch- setzt als Uterus mit meist sehr weitem Lumen den ganzen Körper. Seine Mündung befindet sich in gleicher Entfernung von dem Ovarium und dem Bauchsaugnapfe an der Seite des Tieres. Die kleinen Dotterstöcke liegen seitlich vor dem Mundsaugnapfe, die Dotter- gänge durchlaufen den Körper fast der ganzen Länge nach und treten nur wenig über dem Bauchsaugnapfe zu dem unpaaren Dotter- gange zusammen, der sich hier mit dem Uterus vereinigt. Oberhalb dieser Stelle findet man auch die stark entwickelte Schalendrüse. Die beiden Hoden liegen seitlich vor dem Ovarium, ') Im Laufe des Jahres ist diese Form noch mehrmals in Fröschen aus der Umgegend von Leipzig gefunden. Helminthologisches. 249 ihre Ausführungsgänge vereinigen sich in der Samenhlase, die in einen muskulösen Penis übergeht und neben der weibhchen Genital- öffnung ausmündet. Die sehr zahlreichen Eier sind klein und lang gestreckt. Der Porus excretorius befindet sich am hinteren Körper- pole. Die Cuticula ist von ziemlich ansehnlichen Stacheln durch- setzt, nur der vordere breite Körperpol ist frei von ihnen. Als Name für diesen eigentünüich gebauten Helminthen schlägt mir mein hochverehrter Lehrer, Herr Geheimrat Leuckart, Distomum turgidum vor. Im Anschluss an diese beiden neuen Formen möchte ich noch ein Distomum Dujardin's wieder in's Leben zurückrufen, das v. Beneden ungerechtfertigter Weise in das Reich der Schatten gewiesen hat. Es ist dies das Distomum heteroporum Duj. aus Vespertilio pipistrellus , das ich Ende August d. J. aus dem Darme der ge- nannten Fledermaus, die hier in Leipzig gefangen wurde, erhielt. Dujardini) giebt von diesem Parasiten eine recht gute Be- schreibung: er erwähnt den langen dünnen Oesophagus, die kurzen Darmschenkel und vor allem den auffallend grossen Bauchsaugnapf Allerdings spricht er am Schlüsse seiner Diagnose anmerkungsweise von gleichzeitig vorkommenden kleineren Exemplaren von der Form einer Urne, deren Bauchsaugnapf noch unentwickelt ist, die aber schon reife Eier aufv^^eisen. Dass Duj ardin diese kleinere Form auch für Distomum heteroporum gehalten hat, sagt er nicht; man muss allerdings schliessen, dass er mindestens eine derartige Vermutung gehegt hat. Aus diesem einzigen Versehen Dujardin's glaubt nun v. Beneden ^) folgende Schlüsse ziehen zu dürfen: 1. hat Dujardin unter dem Distomum heteroporum n. sp. das schon bekannte Distomum chilostomum Mehl, beschrieben, 2. hat er die drei bei Fledermäusen vorkommenden Arten (Dist. ascidia, lima und chilostomum) zusammengeworfen, 3. hat er den Bauchsaugnapf bei der kleineren Form übersehen und endlich 4. hat er die kleinere Form für ein jugendliches Stadium von Distomum heteroporum gehalten, es ist aber eine neue Species: Distomum Ascidia. Vorweg will ich bemerken, dass der Name Ascidia schon von Rudolphi an ein Distomum aus Sparus boops vergeben ist, ich möchte daher den Namen Distomum lagena für die Species v. Be- neden's in Vorschlag bringen, weil das Tier in manchen Contractions- zuständen in typischer Weise die Form einer Flasche nachahmt. ^) ') Dujardin, Histoire des Helminthes, p. 402. ') V. Beneden, Les parasites des Chauves-Souris de Belgique (Mem. de l'Acad. de Belg. XL. 1873). ^) V. Linstow behandelt neuerdings in seinen helminthologischen Unter- suchungen (Zool. Jahrbücher III. Abth. f. Syst.) Distomum Lagena (Ascidia) und macht auf den wahrscheinlichen Zwischenwirt, Chironomus plumosus, aufmerksam. 250 G. Brandes: Und nun zu den Einwänden v. Beneden'sl No. 4 muss ich, wie schon oben gesagt, unterschreiben, wenig- stens was die Deutung des Gesehenen angeht, muss aber nochmals constatieren, dass Dujardin sich wohl hütet, die kleineren Individuen direct als Jugendformen des Distomum heteroporum hinzustellen; es klingt diese Vermutung nur leise hindurch, und die vorsichtige Fassung seiner Anmerkung hätte ihm jederzeit einen ehrenvollen Rückzug gestattet. In No. 8 behauptet v. Beneden, Dujardin habe den Bauchsaug- napf von Distomum lagena (Ascidia) übersehen. Dies wäre allenfalls möglich, muss aber nicht unumgänglich aus Dujardin's Worten herausgelesen werden. Ich bin vielmehr der Überzeugung, dass ein so vorzüglicher Beobachter wie Dujardin den Bauclisaugnapf sicher gesehen hat und dass er nur hat sagen wollen, der Bauclisaugnapf sei nicht so gross und nicht so entwickelt, wie bei der beschriebenen Hauj)tform. Sehr bestimmt glaube ich mich aber gegen den 2. Satz v. Be- neden's wenden zu können, der Dujardin vorwirft, die drei Formen, Dist. lagena (Ascidia), lima und chilostomum, bei der Aufstellung seiner Species, Dist. heteroporum, unter einen Hut gebracht zu haben. Von den charakteristischen Eigentümlichkeiten der Formen lima und chilostomum erwähnt Dujardin in seiner Diagnose durchaus nichts, also ist auch nicht der geringste Grund zu einer derartigen Annahme vorhanden; die Beschreibung von Dist. heteroporum ist vielmehr, wie schon oben bemerkt, verhältnismässig sehr klar, wie das ein Jeder bei einem nur oberflächlichen Vergleich derselben mit meiner beigegebenen Zeichnung zu bestätigen im Stande sein wird. Hiermit würde dann auch die erste Behauptung v. Beneden's, Dist. heteroporum sei identisch mit Dist. chilostomum hinfällig sein, wie man das auch sofort ersehen kann aus einem Vergleiche der Diagnose Dujardin's mit der Abbildung v. Beneden's^), denn auf letzterer entspringen die Darmschenkel direct aus dem Pharynx, haben Bauch- und Mundsaugnapf dieselbe geringe Grösse, liegen die Hoden vor oder doch mindestens neben dem Bauchsaugnapfe etc. — alles Momente, die den Angaben Dujardin's direct widersprechen. Van Beneden schliesst den allgemeinen Teil auf Seite 25 mit der Bemerkung, er sei von dem Vorkommen noch anderer Distomen bei den Fledermäusen überzeugt, so habe er unter andern noch ein Distomum mit sehr grossem Bauchsaugnapfe in Vespertilio pipi- strellus gefunden. — Auf die Vermutung, dass diese Form mit Dist. heteroporum Duj. identisch sein könne, scheint v. Beneden nicht gekommen zu seini Leipzig, Zoologisches Institut, 2. September 1888. ») V. Beneden, a. a. 0. PI. 6. Fig. 8. Helminthologisches. 251 Erklärung der Tafel XVII. Fig. 1. Distomiim claviforme n. sp. Fig. 2. Distomum turgicUim n. sp. ms, Mundsaugnapf, od, Oviduct, ph, Pharynx, u, Uterus, oe, Oesophagus, s, Schalendrüse, i, Darmschenkel, t, Hoden, bs, Bauchsaugnapf, v, Vesicula seminalis, d, Dotterstöcke, p, Penis, ov, Ovarium, g, Genitalporus, e, Excretionsporus. Fig. 3. Medianschnitt von Distomum turgidum, dieselbe Bezeichnung wie bei Fig. 2. 1, Mündung des Laurerschen Canals. Fig. 4. Distomum heteroporum Duj. dieselbe Bezeichnung wie bei Fig. 2. r, ßeceptaculum seminis. 252 August Wendt: Über den Bau von Ounda ulvae (Planaria ulvae Oersted). Von Aug-ust W^endt. (Aus dem zool. Institut der Universität Rostock.) Mit Tafel XVni und XrX. Di 'ie Untersuchungen, über die ich in vorliegender Arbeit be- richten werde, und die den anatomischen Bau der an der Warnovy- mündung häufig gefundenen Gunda ulvae betreffen, wurden im Sommer dieses Jahres im zoologischen Institut der Universität Rostock unter gütiger Anleitung des Herrn Professor Dr. M. Braun von mir angestellt. Als Einleitung möchte ich das bisher über diese Planarie Be- kannte vorausschicken. A. S. Oersted^) beschreibt die von ihm Planaria ulvae ge- nannte Gunda folgendermassen : ,, Corpore "2^/^'", V4'" lato, supra convexiusculo fusco- grisescente subtus piano albescente, anterionem partem versus angustiore, postice truncato; auch diese Art variirt sehr an Farbe und wird mitunter blassgrau. Mitten auf dem Rücken wird sie etwas heller und längs der Seiten finden sich hellere Flecken," Diesing-) giebt folgende Beschreibung von dieser Planarie: „Corpus depressum, antice angustatura, postice truncatum, supra convexiusculum fusco griseum, subtus planum albescens. Longit. 2V2'"; latit. 3/4'"." Da die von Oersted und Diesing gegebenen Beschreibungen zu der bei Warnemünde gefundenen Planarie genau passen, war es leicht festzustellen, dass sie die Planaria ulvae Oersteds sei, umso- mehr als die bei Oersted sich findende vortreffliche Abbildung^) jeden Zweifel beseitigen muss. ') A. S. Oersted: Entwurf einer systematischen Eintheihuig und speciellen Beschreibung der Plattwürmer. Kopenhagen 1844. S. 53. ^) Diesing: Systema Helminthum. Bd. I. S. 205. ^) A. S. Oersted: loc, citat. Tab. I. 6. über den Bau von Gunda ulvae. 253 Als ich meine Arbeit fast vollendet hatte, kam mir Isao Ijimas Abhandlung: „Über einige Trikladen Europas" zu Händen und ich sah mich veranlasst, auf die zahlreichen Notizen, die er auch von unserer Planarie giebt, einzugehen und auf dieselben in vorliegender Arbeit Rücksicht zu nehmen. Seine Angaben über den Bau dieses Thieres werde ich an den betreffenden Stellen citiren; hier möchte ich nur bemerken, dass er den Vorschlag macht, den für die in Eede stehende Planarie bisher gebräuchlichen, von Oersted ge- gebenen Namen: „Planaria ulvae" mit ,,Gunda ulvae" zu vertauschen; mit anderen Worten, diese Planarie in die Gattung „Gunda" ein- zureihen. Nach Vergleichung mit Gunda segmentata, der am ge- nauesten von allen Vertretern der Gattung Gunda bekannten, und andrerseits mit einigen andern, namentlich Süsswassertrikladen, bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass die bezeichnete Einreihung wohl zulässig ist und ich bin daher Ijimas Beispiele gefolgt und gebrauche für die bisherige Planaria ulvae die Bezeichnung Gunda ulvae. Genauer auf die Gründe einzugehen, ist mir erst möglich, nachdem ich den anatomischen Bau dieses Thieres, besonders des Geschlechtsapparates beschrieben habe, da sich darauf hauptsächlich diese Einreihung stützt. Ich fühle mich veranlasst, hier noch eine Angabe Diesings^) zurückzuweisen. In seinen Beschreibungen von Gunda ulvae stellt er es nämlich als wahrscheinlich hin, dass dieselbe identisch sei mit Fasciol oder Planaria HttoraUs 0. F. Müller. Da ich mir nun Müllers Beschreibung dieser Planarie nicht verschaffen konnte, möchte ich hier Van Benedens 2) Schilderung derselben wiedergeben, um zu zeigen, dass Planaria littoralis ein von Gunda ulvae ganz verschiedenes Thier sei: „Ce ver est long de dix miUimetres et large d'un ä deux miUimetres selon les contractions du corps. Lorsqu'il est etale sa tete s'elargit et devient triangulaire. II se ramasse comme une sangsue, quand il est inquiete et devient ovale. Les deux yeux sont fort distincts; on voit un cercle blanc autour d'eux. Ils sont assez rapproches. La surface du corps est d'un jaune d'ocre legerement marbre. Le dessous est blanc. On voit les ramifications du tube digestif faiblement accusees ä travers l'epaisseur de la peau. En carriere, on aper^oit un espace pale entre les deux branches principales du canal digestif. Nous ne croyons pas que la Planaria Ulvae Oersted soit son synonyme, puisque la tete de ceUe-ci est tout autrement conformee." Auch ein Vergleich der Fig. 2, in der ich Van Benedens Ab- •) Diesing: Revision der Turbellarien. (Sitzungsberichte der kaiserl. Aka- demie der Wissenschaften zu "Wien. 1861.) Diesing: Syst. Helminth. S. 205, ^) Van Beneden: Recherches sur la Faune littorale de Belgique. (Tome 32 des Memoirs de l'Acaderaie Royale des Sciences). 254 August Wendt: bildung von der Planaria littoralis möglichst getreu wiederzugeben versucht habe, mit Fig. 1, der Darstellung der Gimda ulvae, wird sofort zu der Überzeugung führen, dass von der Übereinstimmung dieser beiden Thiere nicht die Rede sein kann. Oeographisclie Terbreitiing. Es liegen eine Reihe von Angaben vor, die mich veranlassen, als Verbreitungsgebiet von Gunda ulvae die ganze Ostsee zu be- zeichnen. Die Angaben, auf die ich Bezug nehme, sind folgende: A. S. Oersted ^) sagt: „Sie ist sehr allgemein überall im Sunde in der Nähe der Küsten, vornehmlich auf den Ulven." Als Fundort wird von Diesing^) angegeben: ,,in sinu Codano, praesertim ad Ulvas." K. Möbius'^) fand Planaria ulvae auf folgenden Stellen: 13 Seemeilen ONO von Darserort auf grobem Sand und rothen Algen, bei Hiddensö auf feinem Sand, Steinen, Seegras und rothen Algen, bei Rönnestein auf Steinen und rothen Algen, im Süden von Bornholm, an der Stolper Bank, im ganzen Oeresund. Gunda (Planaria) ulvae wurde ferner in grosser Menge von H. Lenzl^) in der Travemünder Bucht, im Hafen und auf den flachen Stellen des Binnenwassers gefunden. Im inneren Theile der Bucht von Wismar fand Herr Professor Dr. M. Braun"') einige Exemplare dieser Planarien zwischen Algen. Ijima*^) sammelte die zu seinen Untersuchungen verwendeten Exemplare am grobsteinigen Ufer von Klanpenborg, unweit Kopen- hagen. Im August 1881 fand Herr Prof. Dr. Braun '^) dieselbe im west- lichen Theil des finnischen Meerbusens in der Strandzone zwischen Tang und Algen. ') loc. citat. S. 53. ^) Diesing: Systema Helminthum. Bd. I. S. 205. ^) K. Möbius: Faunistische Untersuchungen der wirbellosen Thiere der Ostsee. (Jahresberichte der Kommission zur Erforschung deutscher Meere. Jahr- gang I. 1872.) *) H. Lenz: Wirbellose Thiere der Travemünder Bucht. (Jahresberichte der Kommisson etc. wie oben. Anhang zu den Jahrgängen 1874. 1875. 1876.) ^) Prof. Dr. M. Braun : Faunistische Untersuchungen in der Bucht von Wismar. (Archiv für Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg. Jahrg. 42. 1888. S. 15). «) Ijima: Über einige Trikladen Europas. S.341. Journ. Sc. Coli. Japan Bd. I: ') Prof. Dr. M. Braun: Physikalische und biologische Untersuchungen im westlichen Theile des finnischen Meerbusens. Dorpat 1884. über den Bau von Gunda ulvae. 255 ülianin's ^) Angabe, diese Planarie aiicli in der Bucht von Se- bastopol gefunden zu haben, wird schon von Ijima^) widerlegt; mir liegt die Originalarbeit nicht vor. Wenn wir von Diesings diesbezüglicher Bemerkung absehen, haben wir keinerlei Nachricht über das Vorkommen dieses Thieres in der Nordsee oder in anderen Meeren. Die zu meinen Untersuchungen gebrauchten Thiere wurden alle bei Warnemünde gesammelt. Hier nämlich ist ein Durchstich ge- macht, um die Warnow direkt mit der See zu verbinden, der „Strom" genannt. An den Pfählen, mit denen der Strom eingefasst ist, finden sich massenhaft Muscheln (Mytilus) und auf und zwischen diesen Pfahlmuscheln sind die Planarien in grosser Anzahl zu finden. Ihre braunen Kokons heften sie in ganzen Gruppen an die Innenfläche der Schalen abgestorbener Muscheln. Auch weiter hinaus, am Strande, fand ich einige Exemplare von Gunda ulvae. Fassen wir alles zusammen, so können wir sagen: Die Gunda ulvae kommt in der ganzen Ostsee vor, am häufigsten findet sie sich in der Nähe der Küsten, in Buchten und Flussmündungen auf allen möglichen Gegenständen. Aeussere Kennzeichen. Die Gunda ulvae, eine schlanke Planarie, die im ausgewachsenen Zustande 3 — 4 mm lang und V4 mm breit ist, zeigt wie viele andere Vertreter dieser Art rechts und links am sog. Kopfe eine Einbuchtung des Körperrandes. Das Hinterende des Körpers ist stumpf abgerundet und die Einkerbungen, die Ijima erwähnt, sind keine regelmässigen Erscheinungen, sondern bei langsamer Fortbewegung des Thieres durch das Haftenbleiben einer der unten näher zu beschreibenden Klebzellen verursacht. Am Kopfe fallen sofort die äusserst beweg- lichen Aurikularfortsätze auf, die das Thier augenscheinlich als Tastorgane benutzt. Die beiden schwarzen Augenpunkte liegen an der schmälsten Stelle des Körpers in ziemlicher Entfernung vom vorderen Körperrand. Die Farbe dieser Planarie variirt vom dunkelgrau und braun bis zum schwarz, auf der Ventralseite ist sie bedeutend heller, zu- weilen ganz hellgrau. Jederseits und in der Mitte des vorderen Körperrandes nehmen drei dunkle Pigmentstreifen ihren Ursprung (s, Fig. 1) und ziehen konvergü-end gegen die Augengegend, ohne sich jedoch mit einander zu verbinden. Der mittlere dieser Streifen verläuft gerade nach hinten bis zur Wurzel des Pharynx, wo er endigt, die seitlichen gehen in die laterale Pigmentirung der Dorsal- seite über. ') Ulianin ün Bericht des Vereins der Freunde der Naturwissenschaft zu Moskau 1870 (Russ,). ^) Ijima, Über einige Trikladen Europas. S. 342. 256 August Wendt; Längs des Rückens in der Medianlinie verläuft ein heller, etwa Ve mm breiter heller Streif, der dem Pharynx entspricht und ferner zeigen sich an den Seitentheilen des Rückens helle Punkte, welche die an diesen Stellen im Innern des Körpers gelegenen Hoden andeuten. Bei jungen Thieren gestalten sich diese Verhältnisse dadurch etwas anders, dass die Pigmentirung noch nicht so weit vorgeschritten ist; man sieht aus diesem Grunde bei ihnen mehr von den inneren Organen, wie an älteren Individuen, so z. B. das Centralnervensystem und eine Anzahl von Darmzweigen, während andrerseits die noch nicht zur Entwicklung gelangten Hoden das Fehlen jener weissen Pünktchen auf den Seitentheüen des Rückens bedingen. Im Wasser erscheinen junge Thiere gleichmässig weiss, ältere grau. Die gewöhnliche Art des Kriechens erinnert an die Fortbewegungs- weise eines Blutegel, wie Ijima, der nur diese Kriechbewegung sah, angiebt und wie van Beneden ^) es der Planaria littoraHs zuschreibt, doch findet sich auch die gleitende Kriechbewegung, wie sie anderen Planarien zukommt. Beim Schwimmen hegt das Thier mit der ge- wölbten Dorsalfläche auf dem Wasser und treibt sich jedenfalls durch die Bewegung der Cilien weiter. Behandlungsmetliode. Die frisch gefangenen Exemplare wurden mit siedendem Quecksilberchlorid getödtet, dann in Alkohol gehärtet, schliesslich in Weigertschem Pikrokarmin, das sich als hierzu am besten sich eignend erwies, gefärbt und mittelst des Mikrotoms geschnitten, und zwar sind sowohl Quer- als auch Längs- und Frontalschnittserien angefertigt worden und zu den folgenden Untersuchungen benutzt. Das Körperepitliel. Wie alle bis jetzt beschriebenen Turbellarien ist auch Gunda ulvae mit einem dichten Saum von Cilien versehen, die am lebenden Thier stets eine lebhafte Bewegung zeigen, an den Präparaten gut sichtbar erhalten sind. Die Länge der einzelnen Cilien und die Dichtigkeit des Cilienbesatzes ist hier im Gegensatz zu andern Pla- narien sehr konstant; es fehlen sogar die sonst meistens vorhandenen, als der Sinnesfunktion dienend betrachteten Büschel längerer CiUen an den Aurikularfortsätzen, wie sie z. B. Ijima-) von den Süsswasser- trikladen, J. v. Kennel an Planaria lugubris beschreiben. Die Epidermis wird gebildet von einer einfachen Lage ziemlich hoher, polyganaler Zellen, die mit feinkörnigem, in Pikrokarmin tief- roth gefärbten Protoplasma und einem grossen Kern versehen sind, ') Van Beneden (loc. cit.). ■-') Isao Ijima: Untersuchungen über den Bau und die Entwicklungs; geschichte der Süsswasser - Dendrocoelen (Trikladen). Zeitschrift für wissen- schaftliche Zoologie. Bd. 40. Leipzig 1884. S. 366.) über den Bau von Gnnda ulvae. 257 der oft, besonders in der Gegend der Aurikularfortsätze, die ganze Breite der Epithelzelle einnimmt. Auf sämmtlichen Präparaten konnte ich die Zellgrenzen deutlich wahrnehmen. In diesen Epithelzellen liegen die wohl an allen Turbellarien nachgewiesenen, auch hier bei Gunda ulvae äusserst zahlreichen sogenannten Rhabditen oder Stäbchen, die hier Spindelform mit zugespitzten Enden haben und deren Querschnitt stets rund ist. Auch hier lassen diese in Pikrokarmin braungelb gefärbten, als stark liclitbrechend sich erweisenden Gebilde keine Strukturverhält- nisse erkennen. Während J. v. Kennel ') an den Landplanarien zwei Arten Rhabditen nachweist, grosse, 0,02 mm lange, eiförmige, ellip- tische oder auch spindelförmige Körperchen und fadenförmige, fein zugespitzte, gewöhnlich an einem oder beiden Enden umgebogene, die nur auf feinen Schnitten oder nach Isolirung zu bemerken sind, gelang es mir nicht, derartige Differenzirungen bei Gunda ulvae aufzufinden. Ich sah allerdings, dass die Stäbchen in Bezug auf ihre Grösse beträchtlichen Schwankungen unterworfen waren; stets aber war die Form konstant. Über die physiologische Bedeutung dieser eigenthümlichen Organe sind, wie bekannt, die verschiedensten und widersprechendsten An- sichten aufgestellt worden, die sich zum grössten Theil auf die Annahme stützen, die Stäbchen würden von dem Thier, ausser wenn es einem übermässig starken Drucke ausgesetzt werde, nicht nach aussen entleert. Soviel ich weiss, ist Anton Schneider-) der einzige, der die Ausstossung dieser Organe beobachtet zu haben angiebt; er hält dieselben für Reizmittel bei der Begattung und weist die doch eigentlich viel näher liegende Annahme, dass sie als Waffen dienen, damit zurück, dass er bei Untersuchung von Daphnien, die soeben eine Turbellarie im Kampf bewältigt hatten, keine Stäbchen vorfand. Während Max Schnitze ^) auf Grund der Annahme, die Rhabditen würden nicht ausgestossen, sie für Endorgane des Nervensystems erklärt, die ein feineres Tastvermögen der Haut beförderten, hält sie Ijima^) aus gleichem Grunde für Stützorgane des Körperepithels, die dazu dienen, die Festigkeit und Widerstandsfähigkeit der Haut zu erhöhen. Zu Studien dieser Art eignet sich nun aber Gunda ulvae, die auf den leisesten Reiz hin eine Menge Stäbchen mit ziemlicher Heftigkeit entleert, ganz besonders. Man wird es daher erklärlich finden, dass ich diese Gebilde weder für Endorgane der Sinnesnerven, noch für Stützorgane, sondern einzig und allein für Waflen halte, ') J. V. Kennel: Die in Deutschland gefundenen Landplanarien. Rlij'ncho- demus terrestris und Geodesmus bilineatus Metschn. (Arbeit d. zool. Instit. zu Würzburg. Bd. V. 1879.) ^) A.Schneider: Untersuchungen über Plathelminthen. Glossen 1873. S. 21. ^) Max Schnitze: Beiträge zur Naturgeschichte der Turbellarien. Greifs- wald 1851. *) Isao Ijima: Untersuchungen über den Bau etc. s. o. S. 373. Aich. f. Natnrgesch. Jahrg. 1888. Bd. I. H. 3. 17 258 August "Wen dt: die das Tliier, wenn es gereizt wird, seinem Angreifer entgegenschnellt. Auch die Annahme, dass die Rhabditen bei der Begattung eine Rolle spielen, ist mir unwahrscheinlich, da gerade in der Gegend um die GeschlechtsötFnung herum dieselben ganz fehlen. Inbetreff der Entstehungsweise der Rhabditen bin ich zu keinem sichern Resultate gekommen. Da die starke Pigmentablagerung im Parenchym der Dorsalseite derartige Beobachtungen hindert, kann ich nicht sagen, ob auch hier, wie Ijima es von den Süsswasserplanarien angiebt, die Stäbchen innerhalb besonderer Bildungszellen entstehen ; auf der Ventralseite habe ich nie etwas davon gesehen. J. v. Kennel i) hält diese Organe für verdichteten Schleim, der zum Fangen kleiner Thiere dienen soll. Besonders modificirt erscheinen die Epithekellen in den auch von Lang") an Gunda segmentata nachgewiesenen Klebzellen, die zur Anheftung des Thieres an die Unterlage dienen; dieselben bewirken, dass es oft nicht geringe Schwierigkeiten kostet, eine Gunda selbst von glatten Gegenständen, wie z. B. Glas abzuheben. Kriecht ein solches Tili er langsam auf einem Objektträger umher, so kann man beobachten, dass oft die Körperperipherie, namentlich der hintere Körperrand in einzelne Spitzen ausgezogen ist, die sich langsam lösen. Dabei sieht man, dass es eine Klebzelle ist, die dies Haften- bleiben bewirkt. Bei Gunda ulvae bilden wie bei Gunda segmentata die Kleb- zellen an der Bauchseite, beinahe dicht am Körperrande eine Zone, die den Körper rings umsäumt und die am vorderen und hinteren Ende eine Verbreitung insofern erfährt, als hier die Zellen zu ganzen Gruppen zusammentreten. Unmittelbar bis an den Körperrand erstreckt sich diese vordere und hintere Erweiterung nicht, sondern dieselbe endet stumpf bogenförmig in einiger Entfernung von dem Rande. Die Klebzellen unterscheiden sich von den übrigen EpithelzeUen schon durch ihre Grösse, sie sind bucklig aufgetrieben, entbehren der Stäbchen und Cilien und haben an ihrer freien Oberfläche (s. Fig. 4) einen Kranz von regelmässig angeordneten, kurzen, steifen Borsten, während die an Gunda segmentata beschriebenen derartigen Zellen zwar im übrigen gleich gebildet sind, statt der Borsten aber papillöse Fortsätze tragen. Im Bereich dieser Klebzellen münden eine Menge grosszelliger Drüsen, die im Parenchym unterhalb der Muskulatur gelegen sind, nach aussen aus. Das Sekret derselben ist, wie man oft auf Glas, auf dem das Thier sich fortbewegt hat, beobachten kann, durchsichtig, klebrig und fadenziehend. Ijima 3) vermuthet die Existenz dieser Zellen bei Gunda ulvae. ') Sitzungsberichte der Naturforscher - Gesellschaft bei der Universität Dorpat. Bd. Vin, 2tes Heft, 1887. Dorpat 1888. ^) Arnold Laug : Der Bau von G-unda segmentata und die Verwandtschaft der Plathehninthen mit Coelenterateu und Hirudineen. (Mittheilungeu aus der zool. Station zu Neapel. B. in. Leipzig 1882. S. 192.) ^) Ijima, Über einige Trikladen Europas. über den Bau von Guntla ulvae. 259 Noch eine andere Modifikation, von der ich nirgend in der Literatur etwas angegeben finde, miiss ich hier erwähnen. Regel- mässig zeigen sich nämhch um die Geschlechts- und Mundöffnung herum eine Reihe von Fortsätzen verschiedenster Form, die zuweilen eine nicht ganz unbeträchtliche Grösse erreichen und die sich als vom Protoplasma der Epithelzellen in der Nachbarschaft der beiden Offnungen ausgehend zeigen (s. Fig. 5), weshalb ich für dieselben auch die Bezeichnung Protoplasmafortsätze gebrauchen möchte. Ich nehme an, dass die betreffenden Epithelzellen bis zum gewissen Grade die Fähigkeit haben, amöboide Bewegungen auszuführen und damit vielleicht ebenfalls eine Art Anheftung für die Mundöffnung an die Nahrung, für die Geschlechtsöffnung bei der Begattung an ein anderes Exemplar zu vermitteln. HautmuskelscWaucli. Die Epithelzellen sitzen einer sehr zarten, hyalinen Basal- membran auf, die stets an den unter ihr gelegenen Muskelschichten haftet und schwer von denselben zu trennen ist. Ijima') schreibt der Gunda ulvae eine äussere Ringsfaser- und eine innere Längs- faserschicht, und zwischen diesen eine aus sich kreuzenden Fasern bestehende Schicht zu; auch nimmt er an, dass die äusseren Rings- fasern nicht ganz parallel, sondern etwas schräg verliefen, so dass sie sich oftmals kreuzten. Die letztere Beobachtung scheint mir nicht richtig zu sein; die Anordnung der einzelnen, übrigens sehr zarten Fasern ist eine ganz regelmässige, die Fasern verlaufen genau parallel. Eine zweite, aus äusserst feinen Fasern bestehende Längsmuskelschicht beschreibt er garnicht; allerdings kommt dieselbe sehr um'egelmässig vor, auf gut geführten Flächenschnitten aber ist sie immer sichtbar. Die dritte, aus sich kreuzenden, schräg verlaufenden Fasern bestehende Schicht übertrifft die beiden vorigen an Stärke ganz bedeutend (s. Fig. 6) und bildet ein dichtes Netzwerk, in dessen Maschen zahlreiche Bindegewebskerne liegen. Noch mehr ist dies der Fall bei der innersten Schicht, die aus starken, vielfach mit einander anastomosirenden Fasern besteht, an denen meist eine Zusammensetzung aus Fibx'illen deutlich er- kennbar ist. Die beiden letzten Schichten wechseln ganz bedeutend inbetreff ihrer Stärke, so ist die Ventralmuskulatur immer stärker als die dorsale und selbst auf der Ventralseite finden sich Stellen, die eine dünnere Muskelschicht erkennen lassen. Parencliym, Drüsen, Pigment. Nach V. Graff besteht das Parenchym bei allen Turbellarien aus Bindegewebsbalken , Bindegewebszellen und Sagittalmuskelfasern ; ') loc. citat. S. 344. 17* 260 August Wendt: dagegen nimmt Ijima^) an, dass nur Sagittalmuskelfasern und ver- ästelte Zellen vorhanden seien. Hier bei Gunda ulvae bilden die Bindegewebsfasern ein ziemlich dichtes Netzwerk, in dessen Maschen die Kerne von nicht gefärbten Bindegewebszellen zahlreich liegen. Das Bindegewebe ist sowohl von dorsoventral verlaufenden, als auch von kleinen, nach allen Richtungen hin sich erstreckenden Muskel- fasern durchsetzt. Schleimdrüsen nennen wir die überall im Parenchym unter der Hautmuskulatur zahlreich vorhandenen ziemlich grossen, dunkel- roth gefärbten Drüsenzellen, deren Ausführungsgänge im Bereich der oben beschriebenen Klebzellen ausmünden und die das zur Anheftung des Thieres an die Unterlage dienende Sekret liefern. Besonders zahlreich sind diese Schleimdrüsen am vorderen und hinteren Körper- ende, wo ja auch die Klebzellen zu ganzen Gruppen vereinigt sind. Speicheldrüsen werden die in dem Bindegewebe an der Wurzel des Pharynx gelegenen Drüsenzellen genannt, deren Aus- fiihrungsgänge in der bindegewebigen Zone des Pharynx nach hinten verlaufen bis sie an dem freien Ende desselben, der sogenannten Lippe nach aussen ausmünden. Die Pigmentablagerung ist bei Gunda ulvae am stärksten auf der Dorsalseite vorhanden. Sie ist hier so bedeutend, dass sie die Beobachtung innerer Organe am lebenden Thier zur ünmögüchkeit macht und sell3St an Präparaten oft der Untersuchung einzelner Verhältnisse, wie z. B. der Bildung der Rhabditen innerhalb be- sonderer Zellen, grosse Schwierigkeiten entgegensetzt. Von den charakteristischen drei Pigmentstreifen, die vom vorderen Körperrande entspringend nach der Augengegend zu konvergiren, habe ich schon oben gesprochen. An der Bauchseite ist die Pigmentirung stets schwächer, ebenso bei jungen Thieren. Yerdauungstraktus. Da der Apparat der Nahrungsaufnahme in allen wesentlichen Punkten mit dem anderer Trikladen übereinstimmt, kann ich mich darauf beschränken, die Verhältnisse, die derselbe bei Gunda ulvae zeigt, in Kürze hier anzugeben. Die Mundöffnung, die auch hier auf der Ventralseite in der Medianlinie, etwa ^/4 Körperlänge vom hinteren Körperrande entfernt liegt, ist mit zwei Muskelschichten versehen, einer Ringsfaserschicht, die als Sphincter dient, und einer radiär nach allen Seiten aus- stralilenden, die die Erweiterung des Mundes bewirkt. Die Fasern dieser letzteren Schicht durchsetzen die Ringsmuskulatur und inse- riren sich direkt an die Basen der die Mundöffnung umgebenden Epithelzellen. Um den Porus herum zeigt die Ventralfläche eine kleine Einbuchtung, an deren Grunde die oben beschriebenen, mit Protoplasmafortsätzen versehenen Epithelzellen liegen (s. Fig. 5). ') Ijima, loc. citat. über den Bau von Gunda ulvae. 261 Die Pharyngealtasche hat, wie bei Gimda segmentata eine bedeutende Länge und ist mit einem niedrigen Plattenepithel, das grosse, deutliche Kerne zeigt, ausgekleidet, besitzt jedoch keine eigene Muskulatur. Auch die Anordnung der Schichten des Pharynx ist dieselbe, wie bei anderen Trikladen (s. Fig. 7). Am weitesten nach aussen liegt eine Cutikula, die keine Strukturverhältnisse mehr zeigt, für deren Entstehung aus verschmolzenen Epithelzellen aber die darunter liegende haarscharfe hyaline Basalmembran spricht ; diese Cutikula ist dicht mit Cilien besetzt. Von den darauf folgenden Muskelschichten besteht die erste aus einer einfachen Lage dicht gedrängter, auf dem Querschnitt länglich runder längs verlaufender Muskelfasern, die zweite aus einer weit stärkeren Schicht Ringsfasern. Zmschen dieser äusseren und der inneren Muskulatur liegt eine breite bindegewebige Zone, in der die zahlreichen Ausfiihrungsgänge der Speicheldrüsen verlaufen und in der nahe der Lippe die den Rüssel versorgenden Nerven grosse Plexus bilden. Die Bindegewebskerne liegen alle in der Nähe entweder der äusseren oder der inneren Muskulatur. Diese letztere besteht wiederum aus einer Längsfaserschicht, die eine ein- fache Lage bildet und der ziemlich mächtigen Ringsmuskulatur, die eine Menge Bindegewebskerne enthält, also von Bindegewebe durchsetzt ist. Das Lumen des Rüssels wird von einem Epithel aus- gekleidet, das auf den ersten Blick wie eine homogene Membran erscheint, bei genauerer Besichtigung aber die Zellgrenzen, allerdings jedoch keine Kerne erkennen lässt. Alle diese Schichten durchsetzen eine grosse Anzahl radiär verlaufender, regelmässig angeordneter Muskelfasern, die vom inneren bis zum äusseren Epithel deutlich zu verfolgen, sind. Der Darm, der wie bei allen diesen Thieren dreitheilig ist, bildet nicht nur primäre, sondern auch sekundäre Verzweigungen und unterscheidet sich dadurch hauptsäcldich von dem der Gunda segmentata, bei der die sekundären Zweige fehlen, obwohl er sonst in allem, selbst in der Zahl der primären Verzweigungen damit über- einstimmt. Das Epithel des Darmes, das genau wie bei anderen Planarien beschaffen ist, kann ich zu beschreiben unterlassen, nur auf etwas möchte ich aufinerksam machen: Zwischen zwei Epithelzellen liegen oft lebhaft gefärbte, birnförmige Körper, die mit runden hellen Bläschen angefüllt sind. Bei Beschreibung der Planaria polychroa erwähnt Ijima^) ebenfalls solche Bildungen, er hält sie für alte Zu- stände der nach der Aussenfläche des Darms geschobenen Zellen, welche jetzt die aufgenommene Nahrung zu verflüssigen im Begrift' sind. über die intracelluläre Verdauung sehe man Metschnikoffs und Graffs Angaben. 1) Ijima: Untersuchungen über den Bau etc. von Süsswassertrikladen, s.o. S. 393. 262 August Wendt: Exkretionsorgaue. Die Schwierigkeiten, die sich auch bei andern Meerestrikladen der Erforschung dieser Verhältnisse entgegenstellen und die ver- ursachten, dass man erst in neuerer Zeit die Existenz eines Exkretions- apparates nachweisen konnte, v.-erden bei Gunda ulvae noch dadurch vermehrt, dass die starke Pigmentablagerung im Parenchym, nament- lich an der Dorsalseite, die Beobachtungen am lebenden Thier hindert. Ich musste mich daher darauf beschränken, Untersuchungen über diesen Punkt an jungen Tbieren, bei denen bekanntlich noch nicht soviel Pigment vorhanden ist, anzustellen. Wenn ich dieselben in ein wenig Wasser auf einen Objektträger brachte und nun durch Auflegen des Deckglases einen Druck auf das Thier ausübte, so traten nach einiger Zeit einzelne Theile des Exkretionsapparates hervor, durch deren Zusammenstellung ich versuchte, mir ein Bild über die bei Gunda ulvae herrschenden derartigen Verhältnisse zu machen. Man sieht zahlreiche, über den ganzen Körper zerstreute Gruppen von hellen runden Bläschen, in deren Mitte immer eine sog. Wimperflamme eine lebhafte Bewegung zeigt. Mit diesen Wimpertrichtern stehen die, namentlich im Kopftheil ausserordentlich zahlreichen Kapillaren in Verbindung, die oft eine Flimmerung zeigen und die, zu grösseren Stämmen vereinigt, schliesslich in die Haupt- stämme einmünden. Von letzteren scheinen nur zwei Paare vorhanden zu sein, welche dorsal- und ventralwärts von der Pharyngealtasche, wo sie besonders deutlich sind, einen vielfach geschlängelten Verlauf zeigen, auch zahlreiche Anastomosen unter einander eingehen. Sie scheinen mittelst kurzer Röhrchen nach aussen auszumünden. Ob sie am hinteren Körperende blind endigen oder wie weit sie sich nach vorne erstrecken, konnte ich nicht beobachten. Die Creschleclitsorgaiie. A. Übersicht. Inbetreff der Endorgane des Geschlechtsapparates zeigen Gunda ulvae und Gunda segmentata grosse Übereinstimmung, die Anordnung der Hoden und der Dotterstöcke ist eine ganz andere. Während nämlich bei Gunda segmentata diese Organe streng segmental an- geordnet sind, so dass jedes Septum mit einem einzigen Hoden resp. Dotterstock versehen ist und auch diese immer dieselbe Lage inne- haben, so wechselt bei Gunda ulvae sowohl die Anzahl, die ein Septum enthält, als auch die Lage; sie liegen ganz beliebig bald mehr ventral-, bald dorsalwärts. Die auch hier im vorderen Körpertlieil in einiger Entfernung hinter dem Gehirn gelegenen Ovarien stehen direkt mit den Ovi- dukten in Verbindung, die, zunächst nach hinten unmittelbar über den grossen Körpernervenstämmen verlaufend, in der Gegend, wo der Uterus liegt, plötzlich medianwärts rechtwinklig umbiegen und sich in der Medianlinie vereinigen (s. Fig. 0). Von diesemVereinigungspunkt geht über den Bau von Gnnda ulvae. 263 der iinpaaro Ovidukt iiacli vorne und oben und mündet in einen kleinen, von dem Uterusgang gebildeten Sinus ein, der nicht weit vor dem Uterus gelegen ist. Dieser letztere steht durch den Uterus- gang direkt mit dem Genitalantrum und durch den Geschlechtsporus mit der Aussenwelt in Verbindung. Von oben her steht mit dem Genitalantrum die Penisscheide in Verbindung, in der der Penis liegt und zwar ist derselbe im Gegensatz zu Gunda segmentata, bei der er schräge nach hinten gerichtet ist, vertikal mit der Spitze nach unten gestellt. Oben münden in den Hohlraum desselben die Vasa deferentia ein. In den unpaaren Ovidukt entsenden die Schalen- drüsen (s. Fig. 9) ihren Ausfuhrungsgang. B. Männliche Geschlechtsorgane. Die in den Septen zwischen den Darmverzweigungen gelegenen Hoden zeigen durchaus nicht die streng segmentale, regelmässige Anordnung, wie sie Lang an Gunda segmentata nachweist, selbst die Zahl ist äusserst wechselnd. Während nämlich ein einzelnes Septum bei der letzteren regelmässig nur einen Hoden enthält, finden sich hier bei Gunda ulvae ein , zwei bis vier in demselben Septum , von denen einige mehr der Dorsal-, andere der Ventralseite genähert liegen. Die Gesammtzahl derselben beträgt etwa 60 — 70. Ijimas Angabe (loc. cit. S. 348), dass die Hoden bei Gunda ulvae in einer Lage an der dorsalen Seite des Körpers gelegen seien, ist demnach nicht richtig. Die Wandung der Hoden wird gebildet von den einer feinen strukturlosen Membran aufsitzenden Spermatoblasten, kleinen, poly- gonalen, in Pikrokarnim tiefroth gefärbten Zellen, deren verhältniss- mässig grosse Kerne eine ziemliche Anzahl von Kernkörperchen auf- weisen. Bei jungen, 2ioch nicht geschlechtsreifen Thieren, bei denen noch keine Spermatozoenoitwicklung stattfindet, sind die Verhältnisse insofern anders, als der Hoden selbst einen soliden Zellhaufen bildet, die Spermatoblasten noch nicht mit Kernkörperchen versehen sind. Immer geht die Verwandlung der Spermatoblasten in Spermatozoen bei beginnender Geschlechtsreife von der Mitte der Hoden aus vor sich und schreitet gegen die Wandung fort. Während von andern Planarien ein Zusammenfallen der Wandungen des Hodens nach beendigter Spermatozoenentwicklung nachgewiesen wird, konnte ich hier bei Gunda ulvae diesen Vorgang nicht beobachten; die Hoden hatten immer noch ihre volle Ausdehnung und die Wand war stets noch von mindestens einer Lage Spermatoblasten bedeckt. Die Bildung der Samenf^iden geht nun in folgender Weise vor sich: Während sich eine Zelle aus der Verbindung mit den übrigen lostrennt und in das Lumen des Hodens eintritt, beginnt der Kern derselben zu zerfallen, und zwar scheint er mir in soviele Kernstücke sich zu theilen, wie Kernkörperchen in ihm vorhanden waren. Die Kernstücke treten nun an die Peripherie der durch Substanzaufnahme 264 August Wendt: rasch sich verf>;rössernden Zelle und zwar so, dass bei der nun ein- geleiteten Theilung des Spermatoblasts in radiäre Streifen je ein Kernstück am Ende eines solchen Streifens gelegen ist. Vorläufig bleiben nun diese Streifen, die zukünftigen Spermatozoen , noch in Verbindung mit einander, sie ordnen sich zu sternförmigen Figuren an (s. Fig. 10), wobei immer das Kernstück an dem freien Ende des Streifens liegt. Erst nachdem die nun in die Länge wachsenden, dafür aber an Breite abnehmenden Streifen fast fadenförmig ge- worden sind, lösen sie sieh aus ihrer Verbindung und ordnen sich im Hohlraum des Hodens derart, dass die zum Spermatozoenkopf gewordenen früheren Kernstücke gegen die Wandung gerichtet sind. Ob später der Kopf verloren geht, kann ich nicht bestimmt feststellen, es scheint mir aber der Fall zu sein. Es hat auf diese Weise die Zelle ihren ganzen Inhalt ohne Hinterlassung eines Rückstandes zur Bildung der Spermatozoen hergegeben. Die Vasa efferentia, die von der ventralwärts verlängerten Umhüllungsmembran der Hoden gebildet werden, und die vielfache Anastomosen mit einander eingehen, so dass die Hoden verschiedener Septen mit einander in Verbindung stehen, konnte ich hier bei Gunda ulvae niemals bis zur Einmündung in die Vasa deferentia verfolgen, wie es Lang^) bei Gunda segmentata gelang. Vielleicht entzieht sich der weitere Verlauf der Vasa efferentia, die, wenn nicht Sper- matozoen in ihnen enthalten sind, sich wahrscheinlich zusammenlegen, wegen ihrer Zartheit unserer Beobachtung. Dass eine direkte Ver- bindung auch bei diesem Thiere zwischen Hoden und Vasa deferentia vorhanden ist, nehme ich bestimmt an; Ijima-) freilich, der bei Süss- wassertrikladen ebenfalls eine Verbindung nicht auffinden konnte, glaubt, die Spermatozoen gelangten durch die Lücken des Paren- chyms hindurch in die Samenleiter. Die Vasa deferentia nehmen ihren Ursprung ungefähr in der Gegend der Mitte der Pharyngealtasche und verlaufen lateralwärts von derselben zunächst nach hinten ; in der Gegend der Mundöfifnung biegen sie median- und dorsalwärts um und münden schliesslich, nachdem sie vielfache Windungen gebildet, in das obere Ende des Penishohlraums ein. Das ziemlich grosse, bei allen untersuchten Thieren dicht mit Spermatozoen angefüllte Lumen der Samenleiter wird von einer einfachen Lage platter, mit deutlichem Kern ver- sehener Epithelzellen ausgekleidet; eine Muskulatur oder Basal- membran konnte ich nicht auffinden. Ijima^) giebt weder über Vasa efferentia von Gunda ulvae noch über Vasa deferentia Notizen. Über den Penis bei Gunda ulvae beschränkt sich Ijimas ^) Angabe auf folgende Worte: ') Lang, loc. citat. S. 201. ^) Ijima, Süsswassertrikladen. '^) loc. cit. *) loc. cit. S. 347. über den Bau von Gunda ulvae. 265 „Der zapfenförmige Penis von Gunda ulvae ist von oben nach unten gerichtet." Der Penis, ein konischer Zapfen, der, wie bei anderen Planarien durchbohrt, und der wie der Pharynx von einer besonderen Scheide umgeben ist, ist bei Gunda ulvae vertikal gestellt, so dass die Spitze nach unten, die Basis aber nach oben gerichtet ist (s. Fig. 9). Die freie, in die Penisscheide hineinragende Fläche desselben ist mit einem flachen Plattenepithel, das ziemlich grosse Kerne zeigt, be- deckt; der Hohlraum, der nicht überall gleich weit ist, sondern dicht vor seiner Ausmündung in die Penisscheide einen Sinus bildet, ist mit Cylinderepithel ausgekleidet. Von den Muskelschichten, die als im Penis anderer Planarien vorkommend beschrieben werden, findet sich hier nur eine einzige, eine die Epithelzellen des Lumens unmittelbar umgebende Rings- faserschicht, die aber auch ziemlich unregelmässig und schwach aus- gebildet ist. Der Raum zwischen dieser Muskulatur und dem äussern Epithel wird von einem mit zahlreichen Muskelfasern durchsetzten, anscheinend elastischem Bindegewebe eingenommen, dessen grosse Kerne meist peripher angeordnet sind. Penisdrüsen scheinen nicht vorhanden zu sein. Die, die konische Gestalt des Penis wiederholende, nach unten durch einen engen Kanal mit dem eigentlichen Genitalantrum in Verbindung stehende Penisscheide ist mit einem Cylinderepithel, das eine ganz eigenthümliche Beschaffenheit zeigt, ausgekleidet : hier bilden nämlich die freien, in den Sinus hineinragenden Endenflächen der Zellen keine Ebene, sondern dadurch, dass die auch durch ihre Kleinheit sich von den übrigen Cylinderzellen des Körpers unterscheidenden Zellen eine verschiedene Höhe haben, stellenweise sogar zwei derselben über einander stehen, kommt ein eigenthüm- liches, höckriges Aussehen der Innenfläche der Penisscheide zu Stande. Eine eigene Muskulatur und Drüsen habe ich nicht ge- funden (s. Fig. 9). C. Die weiblichen Geschlechtsorgane. Von den Ovarien ^j sagt Ijima, sie seien wie bei Gunda seg- mentata ausserhalb der Längsnervenstämme gelegen. Diese Angabe bedarf einer Ergänzung: Die, wie bei allen andern Planarien paarig vorhandenen Ovarien liegen nicht weit hinter dem Centralnerven- system über und lateralwärts von den Seitennerven. Den Inhalt dieser, eine länglich runde Form zeigenden, von einer zarten Mem- brana propria umschlossenen Eierstöcke bildet eine wechselnde Anzahl grosser polygonaler, in Pikrokarmin blassroth gefärbter, mit einem grossen Kern und Kernkörperchen versehener Eizellen, die sich nicht unmittelbar berühren, sondern durch einen kleinen Zwischenraum von einander getrennt sind. In diesen Lücken sieht man eine grössere Anzahl Kerne, die anscheinend Bindegewebskerne Ijima, loc. cit. S. 348. 266 August Weuclt: sind und vermutlien lassen, dass die Eizellen in einer besonderen, das ganze Ovarium durchsetzenden, aus Bindegewebe bestehenden Geriistsubstanz eingebettet liegen, wie solche auch von andern Pla- narien, namentlich Süsswassertrikladen nachgewiesen ist. Auch in Bezug auf ihre Grösse unterscheiden sich die Zellen eines Ovariums; die grösseren sind immer in der Mitte, die kleineren meist peripher gelegen, so dass man annehmen muss, dass auch hier wie bei den Hoden die Entwicklung von der Mitte ausgeht und gegen die Wandung fortschreitet. Der Umstand, dass die in der Entwicklung schon weiter fortgeschrittenen Eizellen den jungen Dotterzellen (s. Fig. 11) sehr ähnlich sehen, hat wohl Hallezi) zu folgender Angabe verleitet: ,,Chez les Dendrocoeles ils (les ovaires) sont ordinairement tres nombreux et dissemines au milieu du tissu conjonctif comme les testicules", die nicht weiter widerlegt zu werden braucht. Die Ovidukte. Ijima-) beschränkt sich darauf, zu sagen, dass ,,der durch das Zusammentreifen beider Ovidukte gebildete unpaare Gang von Gunda ulvae in den Uterusgang einmündet, gerade wie es sich bei Gunda segmentata verhält," Die Art des Verlaufes der Ovidukte bei Gunda ulvae über und etwas nach aussen von den Seitennerven erleichtert die Auffindung dieser sonst nur winzigen Organe sehr. Deutlich zeigt sich überall in dem nur kleinen Lumen, dass die dasselbe umgebenden cylinder- förmigen Epithelzellen dicht mit Flimmerhaaren besetzt sind; eine Basalmembran und Muskulatur scheinen zu fehlen. Auf Längs- schnitten, die so geführt sind, dass bei ihnen eine längere Strecke des Ovidukts sichtbar ist, sieht man, dass derselbe nicht gerade nach hinten verläuft, sondern dass er wiederholt, meist an Stellen, die ehieni Septura eiitsj^reehen, eine Biegung mit dorsalwärts gerich- teter Convexität bildet, die mit der UmhüllungS)nembran der Dotter- stöcke in Verbindung stehen; bei Beschreibung der Dotterstöcke muss ich dieser Verhältnisse noch Erwähnung thun. Nach vorne geht das Lumen des Eileiters direkt in das des Ovariums über, indem die obere Wand des ersteren sich in die hintere, die untere aber in die vordere AVandung des Eierstocks fortsetzt; der Eileiter umfasst daher die untere hintere Seite des Ovariums (s. Fig. 11). Wie schon gesagt, vereinigen sich unterhalb des Uterus die beiden Ovidukte und bilden den nach vorne und oben aufsteigenden, in einen vom Uterusgang gebildeten kleinen Sinus einmündenden unpaaren Gang, den ich als unpaaren Ovidukt bezeichnen möchte. In ihn münden die noch näher zu beschreibenden ,, Schalendrüsen" ein. Der sog. Uterus ist ein blasenförmiges, drüsiges Organ, dessen Hohlraum bei jungen Thieren (s. Fig. 9) von einer einfachen Lage grosser, polygonaler, mit ziemlich grossem, wandständigen Kern ver- sehener Zellen gebildet wird, die einer anscheinend strukturlosen •) Hallez: Contributions ^ riiistoire naturelle des Turbellaries (Travaux de rinstitut Zoologique de Lüle. Bd. 2. Lille 1879. pag. 58). 2) loc. citat. S. 348. über den Bau von Gunda ulvae. 267 Membran aufsitzen. Bei geselilechtsreifen Exemplaren ist der Hohl- raum mit einer dichten Masse körnigen, stark lichtbrechenden Se- kretes, zwischen dem sich viele Spermatozoen linden, angefüllt und die Epithelzellen sind bedeutend kleiner geworden, thcilweise sogar auf ein Minimum reducirt. Oft sieht man noch im Innern der Epithelzellen das Sekret, ein Beweis dafür, dass dasselbe von ihnen gebildet und dann in das Lumen des Uterus entleert wird. In dem dies Organ umgel)enden Bindegewebe liegen ebenfalls eine Menge einzelliger Drüsen, deren Ausführungsgänge in den Uterus einmünden. Über die physiologische Bedeutung dieser Bildungen etwas zu sagen, ist sehr schwer. Wenn man auch annimmt, dass J. v. Kenneis i) Ansicht, der Uterus der Süsswassertrikladen sei ein Receptaculum seminis, richtig ist, welchen Zweck hätten dann die umliegenden kleinen Drüsen und das so massenhaft abgesonderte Sekret der Epithelzellen? Letzteres scheint mir eine eiweissartige Substanz zu sein, die mit zur Bildung des Eies verwandt Avird; über die Be- deutung der kleinen Drüsen habe ich nicht einmal Vermuthungen. Eine eigene Muskulatur des Uterus konnte ich nicht auffinden, sie scheint nicht vorhanden zu sein. Der Uterusgang, der den Uterus direkt mit dem Genitalantrum verbindet, ist ein dünnes Rohr, bestehend aus einer einfachen Lage Cylinderzellen mit deutlich sichtbarem Kern, die auf der dem Lumen zugekehrten Seite dicht mit Flimmerhaaren besetzt sind. Er verlässt den Uterus an dessen vorderer Seite etwas unterhalb der Mitte und verläuft, indem er den unpaaren Ovidukt aufnimmt, in der Median- ebene nach vorne und ventralwärts bis er in die hintere Seite des G enitalantrums einmündet. Das Genitalantrum möchte ich hier bei den Aveiblichen Ge- schlechtsorganen anführen, weil mir dasselbe seinem Epithel nach, das ebenfalls wie das des Uterusganges ein mit Flimmerhaaren be- setztes Cylinderepithel ist, nur eine Erweiterung des den Uterus mit der Aussenwelt verbindenden Ganges zu sein scheint (s. Fig. 9). Das Antrum bildet eine kleine, fast kugelförmige Hölüung, die nach oben durch einen engen Kanal mit der Penisscheide, nach hinten durch den Uterusgang mit dem Uterus in Verbindung steht, nach unten aber durch den Geschlechtsporus ausmündet. Der letztere zeigt fast genau dieselbe Bildung wie die j\Iund- öffnung: Auch hier finden sich die Protoplasmafortsätze, dieselbe Anordnung der Muskelschichten , die nur ein wenig schwächer zu sein scheinen wie die der INIundöffnung, auch hier findet sich eine Einbuchtung der Ventralfläche. Die Dotterstöcke, die vom Gehirn an bis zum hinteren Körperende vorkommen, zeigen ebenso wenig wie die Hoden eine segmentale, regelmässige Anordnung, es finden sich oft 4 — 5, zu- weilen aber auch nur 2 in demselben Septum (s. Fig. 8). Während ^) J. V. Kenne! : Sitzungsberichte der Naturforscher - Gesellschaft bei der Universität Dorpat. Bd. 8. Heft 2. 1887. Dorpat 1888. pag. 333. 268 August Wendt: bei jungen Exemplaren die Dotterstöcke kaum sichtbare, vielfach mit einander anastomosirende Schläuche sind, die nur kleine Zellen ent- halten, nehmen bei geschlechtsreifen Thieren dieselben den grössten Theil der Septen ein. Wir sehen innerhalb der sehr feinen Mem- brana propria eine grosse Anzahl von polygonalen Zellen, die den Eizellen täuschend ähnlich sehen. Bei fortschreitender Entwicklung bilden sich zuerst die am meisten ventralwärts gelegenen Zellen um: im Protoplasma treten helle, weisse Pünktchen auf, die sich allmählich in stark lichtbrechende, in Pikrokarmin tiefroth gefärbte, kugel- förmige Bläschen verwandeln und so zahlreich werden, dass sie den ganzen Inhalt der Zelle ausmachen. Auch der anfangs noch deutlich sichtbare, grosse Kern geht bei dieser Umwandlung verloren. In diesem Zustande werden die Dotterzellen, deren J\lembran ebenfalls zuweilen verloren geht durch die ventralwärts verlängerte Membrana propria des Dotterstocks zum Ovidukt befördert, um den herum meist eine grosse Menge dieses Sekretes gelagert ist. Obwohl ich nur in wenigen Fällen einen direkten Zusammenhang des Ausführungsganges der Dotterstöcke mit dem Ovidukt, und dann immer an der Spitze einer Biegung desselben konstatiren konnte, zweifle ich doch nicht daran, dass dieser Zusammenhang überall vorhanden ist, dass er sich nur wegen der Feinheit der fast garnicht gefärbten Membran, die ihn bildet, in vielen Fällen unserer Beobachtung entzieht (s. Fig. 15). Niemals konnte ich Dottermasse im Ovidukt auffinden; es würde sich dies aber sehr wohl durch die rasch vor sich gehende Bildung des Eies, wie sie auch Kennel von den Landplanarien annimmt, erklären lassen. Ijima^) sagt von den Dotterstöcken bei Gunda ulvae nur, sie seien in den Septen und unterhalb des Darmes strangartig angeordnet. Die Schalen drüsen. So möchte ich die in dem Septum, das die Pharyngealtasche mit dem hinteren Körperende verbindet, ge- legenen Drüsen bezeichnen, über deren Vorhandensein bei andern Planarien ich nirgend in der Literatur etwas angegeben finde. Wahr- scheinlich fehlen sie andern Arten nicht, sind jedoch wegen ihrer Ahidichkeit mit den Dotterstöcken für solche gehalten worden. Bei näherer Betrachtung unterscheiden sie sich aber doch wesentlich von denselben. Die Hauptmasse dieser Drüsen (s. Fig. 9) hat einen ge- meinsamen Ausführungsgang, der, weit deutlicher als die Ausführungs- gänge der Dotterstöcke, auf Sagittalschnitten bis zu seiner Einmündung in die untere Seite des unpaaren Ovidukts, gleich hinter dessen Ent- stehung aus den beiden Eileitern zu verfolgen ist. Zu dem Vorschlag, diese Drüsen als Schalendrüsen zu bezeichnen, veranlasst mich die eigenthümliche, goldgelbe bis braune Färbung des Zellprotoplasmas, die vermuthen lässt, dass hier die Bildungsstätte des zur Bildung der Eischale erforderlichen Materiales sich findet. Die einzelnen Drüsenzellen sind birnförmig, mit grossem deutlichen Kern versehen. 0 loc. cit. S. 348. über den Bau von Gunda ulvae. 269 Auch in den nächst liegenden Septen finden sich eine Anzahl in Gestalt und Farbe diesen ganz ähnlicher, aber nicht zu grösseren Massen zusammentretender Zellen, deren Ausführungsgänge sich mit dem der Hauptmasse vereinigen. Das Nervensystem. Das Nervensystem von Gunda ulvae ist in Ijimas Arbeit ,,Über einige Trikladen Europas" so ausführlich behandelt und zeigt andrer- seits so grosse Übereinstimmungen mit dem der Gunda segmentata, wie Lang es schildert, dass über diesen Punkt nicht viel zu sagen ist. Zudem sind wir über die Funktionen des Gehirns bei Turbel- larien noch so sehr im Unklaren, dass man wohl niemals mit Sicher- heit einen Theil desselben als einer gewissen Funktion dienend be- zeichnen kann und daher die Unterscheidungen in sensorielle und motorische Gehirnpartien meist nur auf Vermuthungen beruhen. Es ist zum Beispiel nicht zu konstatiren, ob die relativ grossen Körpernervenstämme nur centrifugal leiten und daher der Gehirn- theil, aus dem sie entspringen, motorischen Zwecken dient, oder ob in ihnen auch centripetale Leitungen vorhanden sind; ist man doch bei viel höher stehenden Thieren noch über solche Verhältnisse im Unklaren. Das Gehirn wird gebildet von einem Haufen nervöser Elemente, die an der Vereinigungsstelle der grossen Körpernervenstämme im vorderen Körpertheil gelegen sind, und die nur wenig Struktur- verhältnisse erkennen lassen; zum grössten Theil scheinen sie aus Punktsubstanz zu bestehen. Das ganze Gehirn weist einen dichten Belag von Ganglienzellen auf, die meist uni-, selten bipolar, niemals multipolar sind und die so feine Fortsätze ausschicken, dass es unmöglich ist, dieselben in ihrem Verlaufe zu verfolgen. Von zwei besonders grossen Gruppen glaubt Ijima^) die Fortsätze aufgefunden zu haben, die erste Gruppe liegt auf der vorderen, oberen Seite des Gehirns und ihre Fasern gehen schräge nach hinten und unten, um sich mit den unteren Fasern der grossen Körpernervenstämme zu verbinden; die zweite Gruppe liegt auf der hinteren, oberen Seite des Centralnervensystems und ihre Fortsätze gehen in die vorderen Sinnesnerven über. Ich konnte nur das Vorhandensein der Fortsätze der ersten Gruppe und ihre theilweise Verbindung mit Fasern, die den Längsnerven entstammen, beobachten; die Fasern der zweiten Gruppe habe ich nicht verfolgen können. Ebensowenig bin ich mir über die Anordnung der Quer- commissuren, wie sie Lang-) von den Meerestrikladen angiebt, ganz klar geworden; ich kann darüber nur sagen, dass allerdings die *) Ijima, loc. citat. '') Lang: Untersuchung zur vergleichenden Anatomie und Histologie des Nervensystems der Plathelmiuthen (Mittheilungen aus der zoologischen Station zu Neapel. Bd. 3. Leipzig 1882. S. 69). 270 August Wendt: Nerven, die wir als der Sinnesfunktion dienend betrachten, mehr dorsalwärts aus dem Gehirn austreten, die wahrscheinlich motorischen Nerven aus dem ventralen Theile entspringen , und dass in Wirklich- keit Querfaserzüge vorhanden sind, die für eine solche Eintheilung sprechen. Die beiden Substanzinseln, die schräg von hinten und unten nach vorne und oben aufsteigen, bestehen zum grossen Tlieil aus Ganglienzellen, doch finden sich auch, wie eine Menge von Kernen vermuthen lässt, bindegewebige Elemente in ihnen. Lang^) Aveist auch, wenigstens bei Gunda segmentata Dorsoventralmuskelfasern in ihnen nach. Wie Ijima auch angiebt, werden diese Substanzinseln nach aussen von einem schmalen Streif des Gehirnlappens umfasst, dessen Sub- stanz zur Bildung der Augennerven beiträgt. Über die Sinnesnerven sind Ijimas Beobachtungen richtig. Er weist nach, dass hier bei Gunda ulvae nur 3 Paare vorhanden sind, während Lang von Gunda segmentata vier beschreibt ; ausserdem besteht der Unterschied, dass bei Gunda segmentata der Augennerv stärker wie die übrigen entwickelt ist, während derselbe bei unserer Planarie so fein ist, dass ich ihn nur mit Mühe auffinden konnte. Die beiden ersten Paare von Sinnesnerven verästeln sich, ehe sie an die Haut gehen und dienen wahrscheinlich der Gefühlsthätigkeit ; der Augennerv dagegen theilt sich erst bei seinem Eintritt ins Auge und steht jedenfalls mit den stark lichtbrechenden Elementen im Innern desselben in Verbindung. In die Aurikularfortsätze und überhaupt an den vorderen Körperrand treten besonders viele Nervenzweige und verursachen vermuthlich eine erhöhte Gefühlsthätigkeit dieser Regionen, was mit der Thatsache im Einklang stände, dass bei der Fortbewegung das Thier mit den Aurikularfortsätzen lebhafte Be- wegungen ausführt, sie also vielleicht als Tastorgane benutzt, ein besonders hierzu eingerichtetes Organ habe ich nicht aufgefunden. Die Augen liegen etwas vor dem Centralnervensystem, jeder- seits gleich weit von der Medianlinie entfernt, unter der Haut im Parenchym und bestehen aus einem lateralwärts oflenen Pigment- becher von Kugelgestalt, in dessen Innern ich drei linsenartige, stark lichtbrechende Körper unterscheiden konnte. Über den ge- naueren Bau des Auges konnte ich wegen der Kleinheit der hier in Betracht kommenden Elemente nichts sicheres in Erfahrung bringen. Von den Körper nerven verläuft das hintere Paar parellel dem Körperrande dicht über der ventralen Muskulatur und vereinigt sich am hinteren Körperrande, wie es ja von allen Planarien bekannt ist. Unmittelbar unter dem Gehirn biegen diese Nerven nach oben um und treten in das Centralnervensystem ein, während der untere Theil derselben sich nach vorne fortsetzt und direkt in die vorderen Körper- nervenstämme übergeht, die, ebenfalls parallel dem Körperrande ver- ') loc. cit. S. 70. über deu Bau vou Giiuda ulvae. 271 laufend, sich in der vorderen Körperregion vereinigen. Eine grosse Anzahl von Querkommissiiren verbindet namentlich die hinteren Körpernervenstämme mit einander; auch laterahvärts gehen von ihnen Nervenzweige ab, die unmittelbar am seitlichen Körperrande durch den sogenannten Randnerv mit einander in Verbindung stehen, der nun wieder eine Anzahl Zweige an die dorsale Fläche schickt. Jedenfalls werden von diesen Zweigen die dorsalen paarigen Nerven- stämme gebildet, die Ijima ebenfalls anführt, und nicht, wie er es glaubt, von den nach oben umgeschlagenen vorderen Körpernerven. Innerhalb der grossen Nervenstämme sind zahlreiche Ganglien- zellen, und zwar meist bipolare gelegen, auch finden sich in ihnen, namentlich in der Nähe des Gehirns bindegewebige Elemente. Auf Querschnitten erkennt man die Zusammensetzung dieser Nerven aus einzelnen Fasern; ein schwarzer Punkt, der regelmässig auf dem Querschnitt einer solchen Nervenfaser sichtbar ist, lässt mich ver- muthen, dass auch hier ein Axency linder vorhanden ist; genaueres darüber kann ich nicht sagen. Welche Theile des Nervensystems die Innervirung des Rüssels besorgen, kann ich nicht angeben; ich konnte die Rüsselnerven nicht weiter zurück verfolgen. Gründe für die neue Bezeiclnumg. Betrachten wir nun die Gründe, die uns veranlassen anstatt der bisherigen Bezeichnung Planaria ulvae Oersted den Namen Gunda ulvae für dies Thier zu wählen, so leuchtet ein, dass es vor allen Dingen die Ubereinstimnmng der Endorgane des Geschlechtsapparates mit denen von Gunda segmentata ist, die eine Einreihung in die Gattung Gunda rechtfertigt. Der Verlauf der Ovidukte, ihre Ver- einigung, der in den Uterusgang einmündende unpaare Ovidukt, der beiden Thieren gemeinsam ist, sind es vor allen Dingen, die hier in Betracht kommen. Während bei den meisten Süsswasserplanarien der Uterus zwischen Pharyngealtasche und dem Penis liegt, zeigt hier bei der Gattung Gunda sich immer die Anordnung, dass zunächst der Pharynxhöhle der Penis und weiter nach hinten erst der Uterus gelegen ist. Auch das Centralnervensystem weist, wie ein Vergleich ergeben wird, die nahe Verwandtschaft dieses Thieres mit Gunda segmentata nach. Andererseits ist es hauptsächlich die Anordnung der Hoden und Dotterstöcke, die einer solchen Einreihung widersprechen würde; es ist bei Gunda ulvae durchaus nichts von der streng segmentalen, regelmässigen Anordnung derselben, wie sie doch Gunda segmentata zeigt, vorhanden. Eine endgültige Entscheidung in dieser An- gelegenheit ist nach meiner Meinung erst zu treffen, w^enn mehr Seeplanarien beschrieben sind, so dass man auch nach anderer Seite hin die Gunda ulvae vergleichen könnte, bis jetzt ist es nur möglich, Süsswasserplanarien zum Vergleich heranzuziehen und da zeigt sich 272 August Wendt: allerdings, dass unser Thier weit mehr zur Gattung Gunda als zu diesen Verwandtschaft besitzt. Es sei mir daher erlaubt, die von Ijima gegebene neue Benennung zu gebrauchen; vielleicht zeigt es sich mit der Zeit, wenn mehr Meerestrikladen beschrieben und zur Betrachtung herangezogen werden, dass diese Bezeichnung nicht richtig ist, dass vielleicht Gunda ulvae einer ganz neu aufzustellenden Gattung ihrem Bau nach angehört, vorläufig halte ich die Einreibung in die Gattung Gunda für angebracht und unumgänglich. Es würden demnach nunmehr folgende vier Vertreter der Gattung ,, Gunda" vorhanden sein: Gunda lobata, 0. Schmidt. Gunda plebeia Lang. Haga plebeia 0. Schmidt. Gunda segmentata. Lang. Gunda ulvae = Planaria ulvae Oersted. über den Bau von Gunda ulvae, 273 Erklärung der Abbildungen. Tafel XTI und XTU. Fig. 1. Gunda ulvae, in nicht ausgestrecktem Zustande gezeichnet. Fig. 2. Abbildung der Planaria littoralis, wie van Beneden sie in seinen „Recherches sur la Faune littorale de Belgique" von diesem Thier giebt. Fig. 3. Epithel, Basalmeml)ran und Schichten der Hautmuskulatur, von einem Längsschnitt, Vergröss. 1020. Fig. 4. Klebzellen, von einem Längsschnitt durch die vordere Körper- region. Vergröss. 1020. Fig. 5. Protoplasmafortsätze. Durch die Gegend der Mundöffuung ge- führter Längsschnitt. Vergröss. 1020. Fig. 6. Anordnung der Hautmuskelschichten. Schematisirte Zeichnung nach einem der Ventralfläche genäherten, etwas schräg geführten Frontalschnitt. Fig. 7. Querschnitt durch den Pharynx, nahe der Wurzel desselben. Vergröss. 410. Fig. 8. Anordnung der Hoden und Dotterstöcke innerhalb der SeptenJ Querschnitt. Fig. 9. Combinirte Zeichnung von den Geschlechtsorganen, aus einer Längsschnittserie, etwas schematisirt. Fig. 10. Durchschnitt durch einen Hoden mit verschiedenen Entwicklungs- stadien der Spermatozoen. Fig. 11. Linkes Ovarium, von einem Längsschnitt, die Einmündung des Ovidukts sichtbar. Fig. 12. Uterus eines geschlechtsreifen Thieres, von einem Längsschnitt. Fig. 13. Junge Dotterzellen. Vergröss. 320. Fig. 14. Dotterstock eines geschlechtsreifen Thieres ; Vergröss. 320. Fig. 15. Einmündung eines Dotterstocks in den Ovidukt. Abkürzungen, für alle P'iguren gültig, alphabetisch geordnet: ag = antrum genitale. alm = äussere Längsmuskulatur. arm = äussere Ringsmuskulatur. aur = Aurikularfortsätze. bg = Bindegewebe. bgk = Bindegewebskerne. bm = Basalmembran. ci = Cilien. cps = Centralkanal des Penis. da = Darm. da' = primäre Darmverzweigung. da'' = sekundäre " daep = Darmepithel. Arch. f. Naturgesch. Jahrg. 1888. Bd.I. H. 3. 18 274 August Wendt: Über den Bau von Guuda ulvae. dk = Dotteikügelchen. dm = Einmündung der Dotterstöcke in den Ovidukt. dra = Drüsenausführungsgang. drz = Drüsenzelle. dz = Dotterzelle. ep = Epithel. epz = Epithelzelle. hd = Hoden. ilm = Innere Längsmuskulatur. irm =: Innere Ringsrauskulatur. k = Kern. klz = Klebzelle. krm = aus gekreuzten Fasern bestehende Muskelschicht. Im = Längsmuskulatur. mp = Membrana propria. 0 = Ociilus. og = Ostium genitale. 00 =: Ostium oris. ov = Ovarium. ovd = Ovidukt. ovd' = unpaarer Ovidukt. 001 = Eizelle, pg = Pigment. ph = Pharynx. pht = Pbaryngealtasche. ppf = Protoplasmafortsätze. ps = Penis. pss = Penisscheide. rh = Rhabditen. rm = Ringsmuskulatur. rdm = Radiärfasern. schdr = Schalendrüsen. spm = Spermatozoen. spmk = Spermakern. spmz = Spermatohlast. ut = Uterus. utdr = periphere Drüsen des Uterus. utep = Uterusepithel. utg =: Uterusgang, uts = Uterussekret. vd = Vas deferens. ve = Vas efferens. Internationaler zoologischer Congress. LJie Societe zoologique de France hat einleitende Schritte gethan, um einen internationalen zoologischen Congress, der Yom 5. bis 10. August 1889 in Paris tagen soll, ins Leben zu rufen. Eine aus französischen Gelehrten zusammengesetzte ,,Commission d'organisation" und ein ,,Comite de Patronage" von Zoologen andrer Länder sind bereits gebildet. Zu letzterem gehören von deutschen Forschern: Carus, Chun, Eimer, Greeff, Kölliker, Leuckart, Meyer, Möbius, F. E. Schulze, Semper, Weismann, Wiedersheim, Namen, denen in der endgültigen Liste sich wohl noch weitere anreihen werden. Die Organisations-Commission bringt folgende Fragen für eine Discussion auf dem Congresse in Vorschlag. L Regeln für die Nomenclatur der organisirten Wesen und Ein- führung einer wissenschaftlichen internationalen Sprache. (Be- richterstatter: R. Blanchard.) 2. Feststellung derjenigen Erdstriche, deren Fauna ungenügend bekannt ist, und deren Erforschung angezeigt erscheint ; Unter- suchungs-, Päparations- und Conservirungsmethoden. (Bericht- erstatter: P. Fischer.) 3. Nutzen der Embryologie für die Classification. (Berichterstatter : E. Perrier.) 4. Zusammenhang der lebenden mit den fossilen Faunen. (Bericht- erstatter: Filhol.) Etwaige Vorschläge für weitere Themata werden baldigst erbeten. 18* 276 Internationaler zoologischer Congress. Einzeichnungen zur Theilnahme am Congress nimmt der Schatz- meister, Herr C. Schliimberger, 21 rue du Cherche-Midi, Paris, entgegen (30 frcs. für die „membres donateurs", 15 frcs. für die „membres titulaires"). — Sonstige Correspondenz ist an Herrn Dr. Raph. Blanchard, den Secretär der Org.-Comm., 32 Rue du Luxembourg, Paris, zu richten. Als Präsident fungii't Prof. A. Milne- Edwards. Dem Wunsche des Comite, seinen Mittheilungen über den bevor- stehenden Congress möglichst weite Verbreitung zu geben, kommen wir hierdurch auf das bereitwilligste nach. ^te'- Berlin, d. 31. März 1889. Dr. F. Hilgendorf. Kroll's Buchdruckerei in Berlin S., Sebastianstrasse 76. Archiv f. Xatxiryesch. 1888 Taf.I. 5 \ WV I ^. *^ ^.^ ') f? '^ 'S;.. 4^^-:0 g _ o #^-,. ! "'11; ^ /^ //. 7i:/]-t 5^e^. Fi'ccsi' , M('ml)iviiii|i(iivi iiildsa Y/.A.Map% Wx Archiv f. NaturcjescK. 1888 Taf.n. 'V. Fh&as& ge/x,. W.A.Mei/tL lUl-i. Freesc, Ostsee Rrvozoen rVi'chiv r. XatiJi'yesch. lllcVA ■\ I. Tr Taf.in. m - "'' \ i':- Äajtor del. ll, 1 FSchoof.UroqenitalsYStem der Saurier YiAJ&ynliäi. An-Kw f. Natiii-yescli . 1H8H . 'M.W. Mötius , R-otozoen der Kieler BiicKt . Archiv f. Xahjrgesch. 188«. 23. ;^..', 'M-.V, ^9. 37. 39^ ^3. ilCif] m Mt ^ Mütius , H'otozoeii .ler Kieler Buclit Archiv r.iN'aüircji'scli. luoo . 7. "Ui^v . i •,^. m^ \ («■^ 4- I^-Yi. % m % %:, mV >\' il\ "K [^ ^) vf^s'i 1 y V -4^r Tal. VIU E #'^ S>^ «''>),.;■/. MöHuf? , Protozoen d.,- Kieler BucKt . Airluv f: Naturil^^'sc-li. l«l^8 ( . 'i'af. LX TV A Meyn- luh Mötius , Protozoen a» Ivielcr Biiclit ArcKiv £ Naii ir^-e s cl l .1888. Tai- X ■■~^ '!) 1) ^S#'' A uJ^r' del ■^' ;^-^i vi: A. f.läJji'- U/A. Möbius, ftotozoeti j« Isieier Biirli Archiv r .\"alni'(n\sch \IV(W / T.irxi WjiMpyn.LUA C»ascti,H(M"z d \o()el II Heptilien Archiv r X.iUtcjjcbcii iO(>() / Taf XII .4'sch. 188 AuAX)r WAMeyruluk^. Brandes, Dislominn clavironno njturcjidum (,.;e-3,)u.]iolerop (4). Arcilix (. .\;ilur;)(>scli. IHllH rh 'l'.il'XVI / i>K hm h ab \\'lMl(l I r,|lll(! ;i lllv.ic An lii\- I. N.iliinicscli li^f]}! Tu r. XIX. rhär \\\\ ikIi ('• uikI.i iiI\;i(' MBL WHOl LIBRARY ö b UH laö