DE ER Z; mai hudkteh Haren US ” vr neh IN N en en 1 =, u „Alex Agassiz. Hibrarg of the Museum OF COMPARATIVE ZOÖLOGY, AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS. Pounded by private subscription, In 1861. De Inn Deposited by ALEX. AGASSIZ. No. 73 dd. He. KL. 1881. Bl Moan. !o. 1281 I N \ We IND TRUST ANERAUN URLS SU HN. x FANaHEAIR ERLERNEN ERDE NAT, h h DANN N UROEHR I ala 2 A E = DEU ai Di N KERN \) Pate Tun EN RER, N Rn 21, r ITEEREN ER H FH Bu SER RR, KR AN h Y } alt Ua ” alu RN ai | ) Mi N U e0 I NN ARCHIV FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. FORTSETZUNG DES Von REIL, REIL v. AUTENRIETH, J. F. MECKEL, JOH. MÜLLER, REICHERT vw. DU BOIS-REYMOND HERAUSGEGEBENEN ARCHIVES. HERAUSGEGEBEN VON Dx. WILH. HIS uno Da. WILH. BRAUNE, PROFESSOREN DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT LEIPZIG, UND De. EMIL DU BOIS-REYMOND, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1880. SUPPLEMENT-BAND ZUR PHYSIOLOGISCHEN ABTHEILUNG,. LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COMP. 1880. ARCHIV FÜR | PHYSIOLOGISCHE ABTHEILUNG DES | ARCHIVES FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. UNTER MITWIRKUNG MEHRERER GELEHRTEN HERAUSGEGEBEN VON D=z. EMIL DU BOIS-REYMOND., - PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1880, SUPPLEMENT-BAND. MIT 42 ABBILDUNGEN IM TEXT. LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COMP. "1880, Druck von Metzger & Wittig in Leipzig. Inhalt. Seite ‚ Inmanuen Mvnkx, Zur Lehre vom Stoffwechsel des Pferdes. Nach Versuchen von | J. Tereg . ER ENE a ERES | 4 ImmAnveL Munk, Zur vergleichenden Chemie des Säugethierharns. . . . . . 22 | T. Rossntuar, Neue Studien über Athembewegungen. Erster Artikel. Die Wir- ) kung der elektrischen Vagusreizung auf die Athembewegungen. I. . . . 24 \P. Spio, Ueber die Gallenbildung beim Hunde - - - = 2 22.2.2202... GAETANO SALVIOLI, Eine neue Methode für die Untersuchung der Functionen des Donmdenms 02 10m re er 6) | ,W. v. ScHRÖDER, Ueber die Bildungsstätte der Harnsäure im Organismus. . . 113 | | J. Te. Cast, Der Zuckungsverlauf als Merkmal der Muskelartt. . . . ..... 147 B. v. Anker, Versuche über die physiologischen Wirkungen des deutschen, eng- N lischen und Duquesnel’schen (krystallinischen) Aconitins . . 2... 161 nn. Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft zu Berlin 1880—81: | ÜHRISTIANT, Grundzüge einer reinen Mechanik reizbarer organischer Systeme. . 183 WERNICKE, Die besonderen Verhältnisse der Projection, die nach H. Munk’s Thier- versuchen zu schliessen für die Sehsphären des Menschen gelten müssten 184 SEN KM Zur Lehre vom Stoffwechsel des Pferdes. Nach Versuchen von J. Tereg mitgetheilt von Dr. Immanuel Munk,' Assistenten am physiologischen Laboratorium der Kg]. Thierarzneischule zu Berlin. Im verflossenen Wintersemester hat sich Hr. Tereg auf dem physio- logischen Laboratorium der hiesigen Thierarzneischule mit Untersuchungen über den Stoffwechsel des Pferdes mit besonderer Berücksichtigung der Phenolbildung im normalen Zustande und pathologisch bei der als Kolik bezeichneten Fäcalstase der Pferde beschäftigt. | Als Ausgangspunkt der Untersuchung war von meinem Bruder Her- mann folgender Gedankengang gegeben: Schon in der Norm wird im Or- ganismus des Pferdes, höchst wahrscheinlich bei der Fäulniss in den tieferen Partien des Darmkanals, Phenol viel reichlicher gebildet, als beim Menschen, ‚wie schon daraus hervorgeht, dass nach den von mir zuerst ausgeführten Bestimmungen? im gleichen Volumen Pferdeharn etwa 1800 mal so viel ‚Phenol (nach Baumann an Schwefelsäure gebunden) ausgeschieden wird ‚als im Menschenharn. Weiter haben die Beobachtungen und Versuche von ‚E. Salkowski® dargethan, dass bei Darmverschluss, gleichviel ob beim ‚Menschen pathologisch entstanden (klinisch als Tleus bezeichnet) oder bei ‚Hunden und Kaninchen experimentell hervorgerufen, die Phenolproduetion in ausserordentlichem Grade zunimmt, und für die Fälle von Ileus und ! Hr. Tereg hat eine ausführliche, das Pathologische besonders berücksichtigende ‚Darstellung seiner Versuche im Archiv f. wissensch. u. prakt. Thierheilkunde, 1880, 8. 278 ff. gegeben; ich erlaube mir, die Ergebnisse, so weit sie allgemein physiologi- sches Interesse beanspruchen können, in den wesentlichen Zügen hier mitzutheilen. I. M. 2 Pflüger’s Archiv u. s. w.. 1876. Bd. XII, S. 142 fi. ® Verhandl. d. physiol. Gesellsch. z. Berlin, 1877/78, Nr. 2; — dies Archiv, 1877, 8. 477; — Virchow’s Archiv, 1878, Bd. LXXIII, S. 409. Archiv f. A. u. Ph. 1830. Suppl.-Band z. Physiol. Abthlg. 1 2 Imm. Munk: Peritonaealaffeetionen beim Menschen ist diese Erfahrung von L. Brieger! bestätigt worden. Es fragt sich nun, ob die nämlichen pathologischen Zu- stände auch beim Pferde eine so erhebliche Steigerung der Phenolbildung bedingen und wenn dies der Fall, ob vielleicht das so übermässig gebildete Phenol, wenn die aus der Oxydation des Schwefels der zerfallenden Albu- minate hervorgehende Schwefelsäure, über die der Organismus verfügt, zur Bindung jenes Ueberschusses an Phenol und zur Eliminirung desselben in Form der minder schädlichen Phenylschwefelsäure nicht ausreicht, toxische Wirkungen zu entfalten im Stande ist. Der Gedanke an das Vorhanden- sein einer toxisch wirkenden Substanz liegt um so näher, als nicht selten bei Darmverschluss der Pferde der Tod unter den Erscheinungen allge- meiner Paralyse schon innerhalb 24 Stunden eintritt und als nach münd- licher Mittheilung des Hrn. Prof. Dr. Schütz in etwa 40 Proc. sämmt- licher durch Kolik herbeigeführten Todesfälle bei der Obduction keine oder nur so geringe anatomische Veränderungen gefunden werden, dass auf diese die Todesursache unmöglich zurückzuführen ist. Für die Inangriffnahme der Untersuchung aber fehlte es an jeder Be- stimmung über die bei der Durchschnittsfütterung mit Hafer und Heu vom Pferde pro Tag ausgeschiedenen Phenolmengen. Ja es fehlt sogar über- haupt an gesicherten Feststellungen derjenigen Harnmenge, welche von einem gesunden Pferd innerhalb 24 Stunden ausgeschieden wird, so dass man in den Handbüchern den weitesten Schwankungen begegnet. Es stellte sich ferner bei genauerer Durchsicht der physiologischen Literatur und der von den Landwirthschaftlichen Versuchsstationen veröffentlichten Berichte heraus, dass, während insbesondere von letzteren eine grosse Reihe exacter Untersuchungen sich mit der Frage über die Ausnutzung der Futtermittel im Darm und die daraus sich ergebenden Folgerungen für die rationelle Pferdefütterung und Viehzucht überhaupt sich beschäftigt hat, die andere Seite der Frage, der Verbleib und die Schicksale des zur Resorption ge- langten Antheils der Futterstoffe einer eingehenderen Untersuchung nicht unterzogen worden ist. Um daher für die Untersuchungen bei den patho- logischen Fällen eine Grundlage zu gewinnen, war es zunächst erforderlich, die täglichen Ausscheidungen durch den Harn gesunder Pferde, die in gleichförmiger Weise gefüttert wurden, zu ermitteln. Das Ziel der Unter- suchung ursprünglich nur auf die Bildung und Ausscheidung von Phenol bei der Kolik gerichtet, erweiterte sich so mehr und mehr, es wurde weiter- hin auch die Ausscheidung an Schwefelsäure, Harnstoff, Chloriden, In- dican u. s. w. in das Bereich der Untersuchung gezogen, sodass diese zur Lehre von dem Stoffwechsel des Pferdes im gesunden Zustande und bei dem als Kolik bezeichneten Krankheitsbilde einen Beitrag zu liefern vermag. 1 Zeitschr. f. physiol. Chemie. Bd. II, S. 241. ZUR LEHRE VOM STOFFWECHSEL DES PFERDES. B) Da es in erster Linie darauf ankam, das gesammte tägliche Harn- volumen ohne Verlust zu gewinnen und die sonst üblichen Harnsammel- apparate diese Garantie nicht boten, so wurden Auffangevorrichtungen construirt, welche sich uns nicht nur bei gesunden, sondern auch bei tobsüchtigen kolikkranken Pferden durchaus bewährt haben.! Die Versuchsobjecte waren Anatomiepferde und innerlich gesunde, nur an geringfügigen äusseren Schäden leidende Pferde der Veterinärklinik; auch wurde zu den Fütterungsversuchen ein kräftiges Kutschpferd der An- stalt benutzt. Die Durchführung der Untersuchungen wurde durch das liberale Entgegenkommen des Directors der Thierarzneischule, Hrn. Geh.- Rath Professor Roloff, ermöglicht, wofür demselben aufrichtiger Dank gebührt. Das verabreichte Durchschnittsfutter bestand aus 4.5*e"m Hafer und 2.5:erm Heu. Diese Tagesration wurde in drei Portionen verabreicht, eleich- zeitig mit gemessenen Mengen Tränkwasser, von dem je nach Bedürfniss des Individuums 6—1S Liter aufgenommen wurden. Da am Ende des Versuchstages die Blase noch Harn enthalten konnte, wurde der Katheter applicirt und der so gewonnene Rest zu der übrigen Tagesmenge hinzu- oefüst. Bei den Herbivoren ist infolge der grossen Menge aufgenommenen Futters, der schwereren Verdaulichkeit desselben und der beträchtlichen Länge des Darmkanals nach 24 Stunden das Futter erst bis zum Blind- N ! Der Apparat (s. die Figg. 1—4) besteht aus einer Vorlage oder einem. Anlage- | rungsstück, das für Stuten und Wallache verschieden ist, und dem damit zu ver- ' bindenden Sammelgefäss. Für Wallachen ist die Vorlage (Fig. 1) aus einem helmartigen Stück Leder gebildet, an dessen breiter Krämpe Schnallen sitzen zur Befestigung von ‚ Riemen, welche theils zum Hinterzeuge, theils zum Brustgurt, theils zum Halsgurt des ‚ Pferdes gehen (Fig. 3) und dadurch der Vorlage eine absolut gesicherte Lage gegen ‚ die Bauchdecken geben. An der tiefsten Stelle der Vorlage ist ein kurzes Metallrohr ' mit äusserem Gewinde festgenietet (Fig. 1a). Auf dieses kann ein kurzer Metalleylinder (Fig. 2@) mittels eines Schraubenringes (b) aufgeschraubt werden; über einen hervor- ‚ springenden Ring (c) am unteren Ende des Cylinders wird das Sammelgefäss (d), ein Gummiballon von 5—6 Liter Inhalt, aufgebunden. Vermöge dieser Construction kann man das Sammelgefäss abschrauben, ohne die Vorlage entfernen zu müssen. Die Be- festigung des ganzen Apparates ergiebt sich aus Fig. 3. Für Stuten besteht die Vorlage (Fig. 4) aus einem ovalen Blechtrichter, der unten ' ebenfalls in ein kurzes Metallrohr mit äusserem Gewinde übergeht. Ueber dem Trichter ‚ und mit dessen hinterem Rand durch ein dichtes Charnier beweglich verbunden, be- , findet sich ein leicht gekrümmter Blechdeckel (ce), der vorn ein Polster (B,) hat, in glei- | cher Weise wie der Trichter das Polster b; b’ wird mittels der Befestigungsriemen gegen | das Perineum, b gegen das Schambein fest angedrückt erhalten. Der Abschluss der ‚ seitlichen Zwischenräume zwischen dem Deckel (c) und dem übrigen freien Rande des Trichters ist durch angenietete keilförmige Lederstücke (d) hergestellt. Durch den \ Deckel wird das Hineinfallen der Faeces in den Triehter verhindert. 1* en D . Inm. MuUnk r ZUR LEHRE VOM STOFFWECHSEL DES PFERDES. 5 darm vorgerückt, wie dies Ellenberger! in einer sorgfältigen, kurz vorher hier angestellten Versuchsreihe für das Pferd nachgewiesen hat. Es sei gleich hier erwähnt, worauf wir noch später zurückkommen werden, dass in dem so ausserordentlich entwickelten, über 0-8” (2!/, Fuss) langen Blinddarm der Pferde, in welchem bis zu 30*erm Inhalt, im Durchschnitt dreimal so viel als im Magen gefunden wird, zu den für Unterhaltung von Gährungsprocessen sehr geeigneten chemischen Momenten: (grosser 'Wasserreichthum, alkalische Reaction, Anwesenheit der Fermente des Pankreas u. s. w.) noch das mechanische Moment hinzukommt, dass die darin enthaltenen Massen lange Zeit stagniren, ehe sie aus dem Blindsack des Coecum wieder in das Colon gelangen und weiter nach abwärts fort- bewegt werden. Bei diesem langen Verweilen der Futtermittel im Darm und der ganz allmählichen Auslaugung der darin enthaltenen Nährstoffe kann begreiflicher Weise die Wirkung des eingeführten Futters auf die Zersetzungsprocesse beim Pferde nicht, wie beim Hunde, schon innerhalb 24 Stunden abgelaufen sein. Ueberhaupt erfolgt die Resorption im Darm wohl wegen der grossen Menge unverdaulichen oder schwer verdaulichen Materials nicht so gleichmässig, wie man dies bei den Carnivoren und meist auch den Omnivoren sieht; selbst bei derselben Fütterungsweise schwanken daher die Werthe für die durch den Harn ausgeschiedenen Stoffe zuweilen ganz erheblich und beim Wechseln des Fütterungsmodus manchmal noch innerhalb weiter Grenzen, um sich dann auf eine gewisse Uonstanz ein- zustellen. Deshalb empfahl es sich für jede einzelne Fütterung mindestens drei Tage zu wählen und die Durchschnittswerthe von je drei Tagen als Mittel der täglichen Ausscheidungen anzusehen. Nachdem die Gesammtmenge des Tagesharns und sein specifisches Gewicht festgestellt, wurden 100°” davon mit Schwefelsäure destillirt, so lange als Proben des Destillats mit Bromwasser noch Trübung gaben, dann das Destillat mit Bromwasser bis zur bleibenden leichten Gelbfärbung ver- setzt, nach 12—24 Stunden der krystallinische Niederschlag auf ein Falten- filter von dichtem Papier gebracht, das ausgebreitete Filter über Schwefelsäure getrocknet; die trockenen Krystalle, welche sich in zusammenhängenden, feinen gelblichen Blättehen leicht abheben liessen,? zwischen Uhrgläsern gewogen. Für Stoffwechselversuche genügt es in der Regel, die Gesammtschwefel- saure festzustellen; indess wurde, als möglicher Weise von Werth, sowohl die präformirte (der Salze) als die gebundene (an Körper der aromatischen I Archiv f. wissensch. u. prakt. Thierheilk. 1879. Bd. V, 8. 393—453. ?” Bei starkem Uebersättigen mit Bromwasser entsteht eine Verbindung von braun- gelber Farbe, welche schlecht krystallisirt, sehr zähe, klebrig und vom Filter schwer zu entfernen ist. Benedikt hat diese Verbindung neuerdings (Ber. d. deutsch. chem. Gesellsch., 1879, Bd. XII, S. 1005) als Tribromphenolbrom C, H, Br, (O Br) erkannt. 6 Ivm. Munk: Reihe: Phenol, Kresol, Indoxyl u. s. w.) gesondert bestimmt und zwar anfangs nach dem Verfahren von Baumann, bei welchem man die prä- formirte im mit Essigsäure versetzten Harn mit Chlorbaryum ausfällt und im Filtrat nach Kochen mit Salzsäure die nunmehr entstehende Fällung der gebundenen Schwefelsäure erhält. Indessen erfordert das Filtriren des mit Essigsäure und BaQl, versetzten Harns, wie wohl Jeder, der sich damit beschäftigt hat, zur Genüge weiss, viel Zeit und Geduld; einmal schreitet die Filtration des sehr zähen Pferdeharns sehr langsam vor — oft braucht man für das Filtriren und Auswaschen von nur 25°” einen Tag —, ander- seits geht oft ein Theil des Niederschlags beharrlich durch das Filter und es bedarf aller Sorgfalt, um. das Filtrat klar zu bekommen. Eine wesent- liche Erleichterung, einen Gewinn an Zeit und Mühe hat uns eine schon vor ihrer kürzlichen Publication durch mündliche Mittheilung uns bekannt gewordene Modification von E. Salkowski! verschafft. Dieser Forscher ermittelt in gesonderten Harnportionen einmal den Gehalt an Gesammt- schwefelsäure nach dem älteren Verfahren — Erhitzen des Harns nach HOl- und BaCl,-Zusatz — und dann nach Entfernung der präformirten Schwefelsäure mit Hilfe einer der Liebig’schen ähnlichen Barytmischung (2 Th. kaltgesättigte Aetzbarytlösung, 1 Th. BaQl,-Lösung) im Filtrate die gebundene Schwefelsäure durch Erhitzen mit HCl zum Sieden. Die Gewichts- differenz beider Niederschläge von schwefelsaurem Baryt ergiebt den Gehalt an präformirter (a-) Schwefelsäure. Die Bestimmung des Harnstoffes, der: sich im Pferdeharn zu 3—5 Proc. befindet, geschah durch Titriren nach Liebig’s Verfahren mit einer Cor- rectur für den Cl-Gehalt des Harns, der im Durchschnitt nur 0-5 Proc. NaCl beträgt. Im Allgemeinen genügt es zum Zweck der für die Titrirung nothwendigen Ausfällung der Carbonate, Sulfate und Phosphate auf 1 Vol. Harn 1—1!/, Vol. Barytmischung hinzuzusetzen, doch kommen auch sehr schwere Harne vom specifischen Gewicht 1050 und darüber vor, bei welchen man auf 1 Vol. Harn 2 Vol. Barytmischung geben muss. Im Uebrigen | verläuft die Titrirung wie beim Menschen- und Hundeharn. Fermer hat sich durch Controlanalysen herausgestellt, dass für die Bestimmung des Stick- stoffes im Pferdeharn die Liebig’sche Harnstofftitrirung benutzt werden kann, da derausdemdurchdieTitrirung ermittelten Harnstoffgehalt be- | rechnete Stickstoff annähernd dem Gesammtstickstoff? auch im Pferdeharn entspricht. Wir kommen hierauf an anderer Stelle zurück. Die Versuchsergebnisse an acht gesunden Pferden und zwar die Mittel- werthe aus je drei Tagen (bei Object III Mittel aus fünf Tagen, bei V Mittel aus zwei Tagen) gruppiren sich folgendermaassen: ! Virchow’s Archiv u.s. w. 1880. Bd. LXXIX, S. 551. ” Also dem Stickstoffe des Harnstoffs und der Hippursäure. ZUR LEHRE VOM STOFFWECHSEL DES PFERDES. “uOpIOM UL] UOUUHN Puogadyme SISSywfoset SB YIJoyy AP Tag pun usFundurpeg UOSSIM9F 109un HSTOMSZUNIIINN T TOUOITLUOMASLOSENE 19q SIE UIIONOM UT AM 9IM “IOA pundn Aoyamuge UT Sumpfrqpousyg 2SULles 9Ip Any AOIq YSo1L IydToppıa uoA spe JousyT UOA "auto Top SNE AImesppoMmydg-q Zunplogassny UOSULIIS AOUTOS yYomsnzag TTOMos AreJ “pıorg SOFıypeıy sopunsad suasugn um “AT AO ı | | | 0:31:1 1819-98 | 906-087, 720°8 | 898-7 | 1-21 660-9 |S2T-01088-011966-3 | TE-OT| 907 | " RluyOSHamd — | 899-988 889-887| 7220-99 | 0668-61 | ,— |SIE-0780F-18480-28| 96-82 67-78! 0455 ' ° ' "wwumg 8-C1:1| L69°7G | IST ’2ULl RE 0367 |0°8:T 208-7 1189-8 |e9-6 | 29-8 | ge°9 | 0eE 0° | 'TIIA = © = E77 > 1°8:1,90L°7 ,066°6 |892 IT| LIE | 88°9 | 066 0° | DA s-IT:T| 018°89 | TEH°SEL 128°98 | 839-4 |G-T:1,908°9 |CSF-OTSSO-EL. 28-3 | EE*SL| ORG L IA 9°OT:T| 182°69 | TEG-6FL 062°18 | 899°9 | L-E:T 628-7 Z12'FLEH9°9T SL°@ | O-FL| 027 9 A I Sa 2 7 6°7-11G08°8 |SIL’91784°G | 82°G |88°8 | 068 G "AI G'8l:1 0.88 | 66%:I8 | S00°8T | S28'& |8°0:11966°F |0T8°E |869°6 | cha | 0°ST| 007 06 | TUI = = see z 2 Er Necsanenocnı ve 2ocomkuoe 0a Fu == = = Zen G°-1:11089°8 |088°4 0016 | 0°E | 0°9 | 008 0571 en nen | ’osma SMESPPÄDS | srouogd | -regep | Sregıp Punsogy ! ni N & +-8 ng i -q -g jWOILS| ur ur ur ‘ye N'S e:q 9ugp9A10q dus | Aossem |IUPIM9S| ALyRL _UB 9SUOULJWMULBSIH) R uw 9SUOTWNLLULESOL) -wp] | NUR], | -odıoy NOH wısy G°Z “LOCH way G-p :uoe oyoseL 8 Imm. Munk: Es ergiebt sich somit als Mittel von 25 Beobachtungstagen das Resultat, dass ein Pferd von 400kem bei täglicher Ration von 4.5ksrm Hafer und 2.5ksm Heu und etwa 10 Liter Tränk- wasser mit 3 Liter entleertem Harn ca. 1208m Harnstoff, 2252 Kochsalz, 158% Schwefelsäure und 10.98® Tribromphenol aus- scheidet. 10.98" Tribromphenol entsprechen 3#"® Phenol, es beträgt also die tägliche Ausscheidung an phenolbildender Substanz, auf Phenol berechnet, rund 38m, Von den 15.28m Gesammtschwefel- säure kommen 10.28” auf die präformirte, 53m auf die gebundene Schwefel- säure, das Verhältniss der b- zur a-Schwefelsäure beträgt rund 1:2. Harnstoff findet sich im Harn durchschnittlich zu 4 Proc. 1208” Harn- stoff entsprechen 56-45" N, 15srm Schwefelsäure enthalten 4-85" S, folg- lich verhalten sich Schwefel und Stickstoff des zerfallenen Ei- weiss wie 1:12. Um zu übersehen, wie viel Eiweiss mit dem Futter eingeführt worden ist, sei die Zusammensetzung von Hafer und Heu, sowie von Roggen und Erbsen, auf welche wir bei der später zu berichtenden aussergewöhnlichen Fütterungsweise zurückkommen werden, als Mittel der besten Analysen gegeben: In 100 Theilen Hafer. Wiesenheu. | Roggen. Erbsen. Wasser . 13.5 13:0 14-1 14.5 Biweiss sr. 2008 1nloo) 9-5 10:9 22-4 Fett . re 5-8 Del 2 2-0 Kohlehydrate . . . Hs 40.9 67-2 53-5 Cellulose : 8-1 26.7 3.8 5-1 Asche 32 6-8 19 2.9 4.5kerm Hafer und 2.5ksrm Heu enthalten demnach zusammen ca. 77Osm Eiweiss mit 123.7sm N.! Es wird also die Hälfte von dem eingeführten N des Eiweiss durch den Harn ausgeschieden. Bei Object IL, II und III bot sich, da sie unmittelbar nach Beendigung der Versuchsreihe getödtet wurden, die erwünschte Gelegenheit, den Inhalt der einzelnen Darmabschnitte frisch auf etwa vorhandenes Phenol zu prüfen, ebenso das aus der Jugularvene kurz vor der Tödtung durch Aderlass gewon- nene Blut. Es wurde der Inhalt des Dünndarms, Blinddarms, der oberen und unteren Grimmdarmlage — der Inhalt des Blind- und Grimmdarms reagirt ausnahmslos alkalisch — gesondert aufgefangen, die absolute Menge ! Eiweiss enthält im Mittel 16 Proc. N. ZUR LEHRE VOM STOFFWECHSEL DES PFERDES. 9 ‚nach gehörigem Umrühren bestimmt und von jedem Abschnitt '/,—1 Liter zur Prüfung auf Phenol nach Zusatz von Schwefelsäure destillirt, Aber weder in einer dieser Proben, noch im Blute, dessen alkoholischer Extract nach Verdunsten des Alkohols in Wasser gelöst und mit Säure destillirt wurde, war eine Spur von Phenol zu finden. Ob in den Faeces — aus 50kerm menschlicher Faeces hat Brieger im Ganzen 71”srm Phenol er- halten — sich Phenol in Spuren findet, wurde als für die vorliegende Frage ohne Bedeutung bei Seite gelassen. Die Thatsache, dass das Phenol weder an seiner Bildungsstätte, im Darmkanal, aus welchem resorbirt es, wie aus obigen Bestimmungen hervorgeht, in nicht unerheblicher Menge mit dem Harn ausgeschieden wird, noch im Blute nachweisbar ist, führt zu dem Schlusse, dass das gebildete Phenol, in der Norm wenigstens, im Darm- rohr sich nicht anhäuft, sondern in dem Maasse, als es gebildet wird, auch gleich resorbirt und aus dem Blute durch die Nieren eliminirt wird. Wenden wir uns jetzt zu den Untersuchungen an kolikkranken Pferden. Unter „Kolik“ fasst man den Symptomcomplex zusammen, der sich bei behinderter Fortbewegung der Inhaltsmassen des Darmes, also bei aus irgend welchem Grunde (Volvulus, einfache Fäcalstase, Compression durch Tumoren u. s. w.) herbeigeführtem Darmverschluss sich einstellt und in vielen Punkten dem in der Menschenpathologie als Ileus bezeichneten Krank- heitsbilde ähnelt. Die Untersuchungen an kolikkranken Pferden können von vornherein nicht solche Schärfe für sich in Anspruch nehmen, wie die " Fütterungsversuche an gesunden Thieren, sind doch die Vorbedingungen für den quantitativen Stoffwechselversuch hier an sich ungünstigere. Die Fresslust aller kolikkranken Thiere, mit Ausnahme der bereits ins Recon- valescenzstadium eingetretenen, ist unterdrückt, die Futteraufnahme also meist unterbrochen. Doch sind wiederum diese Thiere im Hungerzustande befindlichen nicht gleichzustellen, denn, da die Kolik zumeist erst kurze ‚Zeit bestand und Futteraufnahme bis zum Eintritt derselben stattgefunden hatte, so fanden sich im Darmrohr Futtermassen angehäuft, um so reich- ‚licher, als von denselben durch Defäcation, wie sonst unter normalen Ver- ‚hältnissen, hier nichts entfernt werden konnte. Man findet daher bei an 'Kolik verendeten Thieren im Darm eine Inhaltsmasse, die 3OFsm und ‚ darüber, bis über 40%erm, beträgt. Es war daher zu asykıiem, dass, wenn ‚schon beim Menschen, and und Kaninchen ungeachtet der verhältnissmässig | ‚ geringeren Füllung ihres Darmkanals sich bei Darmverschluss so erhebliche ‚ Phenolmengen bilden, beim Pferde Dank der Gegenwart so reichlichen, gäh- | ‚ zungsfähigen Materials die Fäulniss um so rapider ablaufen und zu be- we — ! Baumann hat erst aus 4 Liter frischen Pferdebluts Spuren von Phenol alten 10 Imm. Munk: trächtlicher Zunahme der schon in der Norm erheblichen Bildung von Phenol führen würde. Im Ganzen kamen acht kolikkranke Pferde zur Be- obachtung, von denen drei genasen, während fünf zu Grunde gingen und von diesen eins schon vor Ablauf von 24 Stunden nach der Einstellung in’s Spital. Es konnten daher nur von einigen die Harnmengen eines oder mehrerer Tage untersucht werden und insofern ergiebt sich hier gegenüber den Fütterungsversuchen manche Lücke. Indessen geht aus den Beobach- tungen so viel unzweifelhaft hervor, dass der Phenolgehalt des Harns bei Fäcalstase der Pferde weit unter der von gesunden Thieren durchschnittlich pro- dueirten Menge liest. Auch bei den Thieren, von welchen nur einzelne Harn- portionen zu erlangen waren, enthielten diese procentisch eine weit unter dem Mittel liegende Phenolmenge.! Einige Beobachtungen, welche an dem Harnquantum je eines Tages angestellt werden konnten, seien hier angeführt. nn Re ii Gesammimenge am 1 Gesammtmenge an in Ian 2% | a a—H, 80, b—H, ni NaCl Ü 1 2 = ne | XII.) 2.04 |sauer aaa | Ss a een XIV. | 4-25 |sauer | 5-185 | 9-653 | 4-712 | 1:2 | — 1191-059 XV. | 1:06 |sauer | 0:820 | —? || XIV. | 241 neutral | 2.649 |10-068 | 1:707 | 1:6-2 13-88 | 109-036 Das Maximum des an einem Tage von einem kolikkranken Pferde ausgeschiedenen Phenol erreicht erst die Hälfte der- jenigen Menge, welche gesunde Pferde bei Durchschnittsfutter | Fällen, welche tödtlich verlaufen sind. Auch der Darminhalt der liefern. Die niedrigsten Werthe finden sich gerade in den verendeten Thiere zeigte in keinem Falle die geringsten Spuren von Phenol.* Dagegen erwies sich inallen fünf Fällen, welche zum Tode ge- führt haben, der Blinddarm- und Grimmdarminhalt und mit einer einzigen Ausnahme auch der Dünndarminhalt von saurer ! Nur in einem Falle, wo die Kolik nach nur 24stündigem Bestehen unter Ein- tritt von Kothentleerung in Besserung überging, enthielten zwei Harnportionen erheb- lich mehr Phenol, als in der Norm, ° Da Natr. sulfur. zur Medication gegeben wurde, ist die Bestimmung der Schwefel- säure ohne Bedeutung. ® An Darmverschlingung zu Grunde gegangen. * Dagegen fand sich einmal in 10 Liter foetider Peritonaealflüssigkeit im Ganzen 76mgrm Phenol. Eine Erklärung hierfür ist um so schwerer zu geben, als auch in diesem Falle im Darminhalt keine Spur von Phenol nachzuweisen war. ZUR LEHRE VOM STOFFWECHSEL DES PFERDES. al Reaction. Es befindet sich diese Erfahrung in Uebereinstimmung mit von Anderen gelegentlich gemachten, aber weder als durchgreifend für die Kolik erkannten, noch in ihrer Bedeutung genügend gewürdigten Beobach- tungen. So ist Ellenberger! bei der Section von 20 Pferden nur auf zwei Fälle gestossen, bei denen der Inhalt sämmtlicher Darmabschnitte sauer reagirte und zwar handelte es sich das eine Mal um eine Drehung des Colon um die Längsaxe (Volvulus), das andere Mal um eine einfache Fäcalstase. Ebenso wurde von Janson? bei der Section von 24 anderen Pferden der Inhalt des Blinddarms stets alkalisch gefunden, nur einmal bei einem Falle von Axendrehung des Colon sauer. Nicht minder auf- fallend ist es, dass die Harne sämmtlicher kolikkranken Pferde, mit Ausnahme eines Reconvalescenten, saure Reaction zeigen. Man konnte meinen, die saure Reaction des Harns in diesen Fällen rühre daher, dass infolge der unterbrochenen Futteraufnahme das Pferd von seinem eigenen Leibe zehrte, also gewissermaassen in einen, sauren Harn ent- leerenden Carnivoren verwandelt war. Indessen kann diese Deutung allein nicht zutreffen, weil auch in mehr chronisch verlaufenden Fällen, bei welchen Futter, wenn auch weniger als in der Norm aufgenommen wurde, die Reaction des Harns sauer blieb. Woher rührt nun die abnorme Säurebildung, die fast über den ganzen Dünn-, Blind- und Grimmdarm sich erstreckt? Betrachten wir obige Tabelle der pflanzlichen Futtermittel, so fällt vor Allem der reiche Gehalt derselben an Kohlehydraten auf. So enthält der Hafer an Kohlehydraten fast 58 Proc., etwa doppelt so viel als an übrigen festen Bestandtheilen (Eiweiss, Fett, Cellulose, Salze) zusammengenommen, Wiesenheu etwa 41 Proc., also ebenso viel Kohlehydrate, als die übrigen festen Stoffe betragen. Aus Kohlehydraten entstehen bekanntlich bei der Fäulniss? vorzugsweise Ameisensäure, Essig- säure, ferner Propionsäure, Buttersäure, Butteressigsäure, Capronsäure und höher constituirte Fettsäuren. Ein Theil dieser Säuren bleibt in faulenden Flüssigkeiten nur vorübergehend bestehen, so zerfällt Ameisensäure in CO, und H,O, Essigsäure in CO, und CH,;* die Spaltung der Essigsäure er- folgt sehr langsam, während die Zerlegung der Ameisensäure sehr schnell verläuft. Lange Zeit erhalten sich die höher constituirten Fettsäuren (Butter- säure, Capronsäure u. s. w.) unzersetzt. EN22 028. 439. ” 8. bei Ellenberger, A. a. O. 8. 440. ® Vgl. Hoppe-Seyler, Physiol. Chemie, Bd. 1, S. 125 und Zeitschr. f. physiol., Chemie, 1879. Bd. III, S. 351. * Die in den Darmgasen der Herbivoren fast stets nachweisbaren Kohlenwasser- stoffe sind wohl grossentheils auf Spaltung der bei der fauligen Gährung der Kohle- hydrate gebildeten Essigsäure zurückzuführen. 12 Imm. Munk: Die bei den an Kolik verendeten Thieren gemachte Beobachtung ab- normer Säurebildung im Bereich fast des ganzen Darmtractus lässt die Ver- muthung rege werden, dass die verminderte Phenolbildung, welche als Ursache der geringeren Phenolausscheidung anzusehen ist, auch mit der nachgewiesenen übermässigen Säurebildung bei Darmverschluss in ursäch- lichem Zusammenhang steht. Kühne! hat bereits gezeigt, dass es genügt, dem wässerigen Pankreasauszuge oder einer Trypsin enthaltenden wässerigen Lösung !/, Proc. Essigsäure hinzuzufügen, um die Eiweissspaltung nur bis zur Bildung von Peptonen und Amidosäuren (Leuein, Tyrosin u. A.) fort- schreiten zu lassen; Fäulnissproducte wie Indol entstehen dann niemals.? Ob Phenol bei sauerer Reaction des Fäulnissgemisches entsteht, darüber fehlt es bislang an Beobachtungen. Liesse sich zeigen, dass bei sauerer Reaction der Fäulnissflüssiekeit auch kein Phenol aus Eiweiss sich bildet, so wäre die Ursache der Ausnahmestellung des Pferdes bei der Stagnation des Darminhalts gegenüber Mensch und Hund verständlich, denn unter den aus Kohlehydraten, an welchen nach den oben angeführten Analysen die Futtermittel so ungemein reich sind, bei deren fauliger Gährung her- vorgehenden Säuren finden sich Essigsäure und andere organische Säuren. Giebt auch die Grösse der Phenolausscheidung durch den Harn kein directes Maass für die Grösse der Phenolbildung ab, weil nach den Ver- suchen von Tauber, Schaffer und A. Auerbach, sowie von de Jonge ein Theil des eingeführten Phenols im Körper des Hundes und Menschen zersetzt, oxydirt wird, so steht doch höchst wahrscheinlich die Menge des zersetzten Phenols zu der des aus dem Darm resorbirten in einem bestimmten Verhältniss, sodass die Menge des Phenols im Harn als relatives Maass für die Grösse der Phenolbildung im Darm angesehen werden darf. Wird aber bei der Kolik der Pferde, wie aus der verringerten Ausscheidung von Phenol durch den Harn zu schliessen, sogar noch weniger Phenol als in der Norm gebildet, so ist eine Beziehung zwischen der Phenolbildung und dem rasch eintretenden Tode der Koliker in der Weise, wie sie Eingangs auf Grund der erwarteten abnorm hohen Phenolbildung vermuthet worden ist, von der Hand zu weisen. Dagegen wissen wir, dass die Säuren deletäre Wirkungen entfalten können und zwar die Mineralsäuren dadurch, dass sie dem Körpern Alkalien BE Verhandl. d. naturh. mediein. Vereins z. Heidelberg. 1876. N. F. Bd. 1, Hf£t. 3. ® Es ist bemerkenswerth, dass in keinem der beobachteten Fälle von Darmver- schluss der Indicangehalt des Harns eine Steigerung erfahren hat, wie man dies in Fällen vom Ileus beim Menschen und von künstlichem Darmverschluss beim Hund und Kaninchen in so exquisiter Weise nach Jaffe’s Fund beobachtet. Eher war in vielen Fällen eine Verringerung der Indicanausscheidung zu constatiren. Da wir in den meisten Fällen den Indicangehalt colorimetrisch theils geschätzt, theils nach Sal- kowski’s Methode bestimmt haben, können wir scharfe Zahlenbelege hierfür nicht geben. /UuR LEHRE VOM STOFFWECHSEL DES PFERDES. 1183 (bei den Herbivoren fixe Alkalien, bei den Carnivoren Ammoniak) entziehen, wie dies seit den Untersuchungen von Salkowski, Gaethgens und Walter genügend bekannt ist. Von den organischen Säuren ist bisher ermittelt, dass einige im Organismus oxydirt werden (Bernsteinsäure), andere ohne Alkalientziehung unverändert den Körper durchsetzen und mit dem Harn austreten (Hippursäure), noch andere neben der Alkalientziehung eine specifische Nebenwirkung entfalten (Salicylsäure). Welches Schicksal nun die im Darm bei der Kolik aus den stagnirenden Kohlehydraten der Futter- massen in so reichem Maasse gebildeten Säuren theilen, ob sie deletär wirken können und an dem häufig so rapiden ungünstigen Ablauf des Krankheitsprocesses Schuld tragen, dies zu ermitteln, wäre Sache speciell hierauf gerichteter Versuche, deren Ausführung für den nächsten Winter geplant ist. Ebenso beabsichtigen wir bei den in Zukunft sich bietenden Fällen an Kolik verendeter Thiere die Natur dieser im Darmcanal ge- bildeten Säuren festzustellen. Es dürfte sich hierbei auch ermitteln lassen, ob und in wie weit etwa die nach den neuesten Untersuchungen von E. u. H. Salkowski bei der Eiweissfäulniss auftretenden Säuren, die Phenyl- propionsäure, die Phenylessigsäure u. s. w. bei jener abnormen Säurebildung im Darm der Koliker betheiligt sind. Aus Mangel an Material haben wir inzwischen den indirecten Wee ein- geschlagen und die Untersuchung nach der anderen Seite fortgeführt. War die Vermuthung, welche die erwähnten Beobachtungen und die Untersuchung der kolikkranken Pferde zum höchsten Grade der Wahr- scheinlichkeit erhob, richtig, dass nämlich die faulige Gährung der Kohle- hydrate, welche in den Futtermitteln 2!/,—6mal so reichlich vertreten sind, als die Eiweisskörper, infolge der dadurch bedingten starken Säurebildung die Entstehung des Phenols aus den Eiweisskörpern bei der Darmfäulniss hemmt oder wenigstens ihrem Umfange nach beschränkt, so musste auch bei der fauligen Gährung der Futtermittel ausserhalb des Organismus die Phenolbildung aufgehoben oder wenigstens verringert werden. Allein diese Deduetion würde selbstverständlich nur dann zutreffen, wenn bei der künst- lichen Fäulniss der pflanzlichen Eiweisskörper Phenol überhaupt erhalten würde; hierfür ist aber bisher der positive Nachweis nicht geliefert.‘ Es lag also für uns ein doppelter Anlass vor, die Fäulnissversuche mit pflanzlichen Nahrungsmitteln wieder aufzunehmen. Geprüft wurden nach dieser Richtung Heu, Hafer, Erbsen und Roggen. Es wurde stets 1003” Jufttrockener Substanz im zermahlenen oder zerriebenen Zustande mit 2 Liter Wasser, 50° m Schlamm? und 208® Natriumcarbonat in emem ! Baumann hat aus Heu, Hafer und Gras bei der Fäulniss ausserhalb des Kör- pers kein Phenol erhalten. Zeitschr. f. physiol. Chemie. 1877. Bd. I, S. 60. ? Die kräftige fäulnisserregende Wirkung des Schlammes ist zuerst von Popoff 14 Imm. Munk: grossen Kolben bei einer auf 40° C. regulirten Temperatur digerirt. Es zeigte sich nun ungeachtet des nicht unbeträchtlichen Zusatzes von Alkali bei Erbsen, Roggen und Hafer meist schon nach 24 Stunden saure Reaction | offenbar infolge der starken Säurebildung, welcher die in jenen Futter- | stoffen so reichlichen Kohlehydrate unterliegen. In den ersten Versuchen, | wo auf die Reaction des Fäulnissgemisches nicht genügend geachtet wurde, | war das Resultat bezüglich der Bildung von Phenol stets negativ. Als aber | weiterhin in der Fäulnissflüssigkeit jeden Tag oder einen Tag um den an- | deren die bei der Gährung entstandene Säure durch entsprechenden Zusatz | einer 20 procentigen Lösung von Natriumcarbonat neutralisirt bez. schwach alkalisch gemacht wurde, war stets Bildung von Phenol, wenn auch erst nach länger bestehender Fäulniss nachzuweisen und zwar wurden bei Erbsen die ersten Spuren am 5. Tage, wägbare Mengen am 7. Tage, bei Hafer Spuren am 14. Tage, bei Roggen Spuren am 10., ein wägbarer Nieder- schlag am 12. Tage, bei Wiesenheu ein krystallinischer Niederschlag am 11. Tage zuerst erhalten. Im Wesentlichen war bei diesen Versuchen nur | beabsichtigt zu ermitteln, ob bei der Fäulniss von pflanzlichem Eiweiss wirklich kein Phenol gebildet wird. Erbsen, Hafer, Roggen und Heu bilden nach den vorliegenden Versuchen, wenn nur für stete Alkalescenz des Fäul- nissgemisches gesorgt wird, sicher Phenol; denn die im sauern Destillate auf Zusatz von Bromwasser entstehende Fällung, die charakteristische Form der Krystalle (feine seidenglänzende Nadeln) ist nur auf Tribromphenol zu beziehen. Ob es sich hierbei speciell um Phenol oder Kresol (Parakresol) handelt, welch’ letzteres nach Baumann und Brieger! bei der Fäulniss neben Phenol entsteht und auf Zusatz von Bromwasser unter Entbindung von 00, ebenfalls als Tribromphenol ausgefällt wird, bleibe dahingestellt, ist indess für die uns beschäftigende Frage, ob Phenol bei der Fäulniss des pflanzlichen Eiweiss entsteht, auch irrelevant. Erscheint das bei der Fäul- niss von Cerealien und Heu gebildete Phenol an und für sich sehr spärlich, so gewinnt doch das Factum eine grössere Bedeutung, wenn man erwägt, dass das täglich von einem Pferde aufgenommene Futterquantum um das 7O0fache diejenige Menge übersteigt, welche zu den Fäulnissversuchen ver- | wendet worden ist. Hierzu kommt noch, dass im Darm, wo continuirlich Pankreassecret und Galle zuströmen, welche die sauren Gährungsproducte neutralisiren, wo ferner eine dauernde Fortbewegung und Durcheinander- mischung des gährenden Inhalts stattfindet, die Fäulniss rapider und in grösserem Umfange abläuft, als im Glaskolben, wo jene begünstigenden Momente fehlen. in Hoppe-Seyler’s Laboratorium erprobt worden. Pflüger’s Archiv u.s. w. 1875. Bd.X, S. 113 ff. ! Zeitschr. f. physiol. Chemie. Bd. III, S. 149. Zur LEHRE VOM STOFFWECHSEL DES PFERDES. 15 Durch den allmählichen Zusatz von Sodalösung zum Neutralisiren bez. ‚ Alkalisiren des Fäulnissgemisches gewann man gleichzeitig einen Maassstab ‚für die im Verlaufe der Fäulniss gebildeten Säuremengen. Am grössten erwies sich die Säurebildung bei Hafer, dann folgen Roggen, Heu und Erbsen. ‚Die von je 1008 lufttrockenen Materials gebildeten Säuremengen, in üb- licher Weise auf Schwefelsäure umgerechnet, belaufen sich beim Hafer auf etwa 388m, beim Roggen auf 298”, beim Heu auf 185” und bei den Erbsen auf 15sm H,SO,. Bleiben nun auch die thatsächlich gebildeten Säuremengen hinter den angeführten Werthen etwas zurück, weil zur Herbei- führung schwach alkalischer Reaction Natriumcarbonat zuletzt im Ueber- ‚schuss vorhanden war, so geht doch so viel mit Sicherheit hervor, dass die bei fauliger Gährung von Hafer, Heu, Erbsen und Roggen entstehenden Säurequantitäten recht erhebliche sind. Das Ergebniss der künstlichen Fäulnissversuche liess es wünschenswerth ‚erscheinen, die Fütterungsreihen mit besonderer Berücksichtigung der Phe- nolbildung auf aussergewöhnliche Fütterungsweise auszudehnen und zwar bei Darreichung von Erbsen und Roggen. Es lag diese aussergewöhn- liche Fütterungsweise unserem Versuchsplane um so näher, als unter den | Futtermitteln, welche zuweilen neben Hafer oder statt des Hafers gegeben ‚werden, gerade Erbsen und Roggen in dem wohl nicht ganz unverdienten Rufe stehen, Colik zu erzeugen. Hierzu wurden die schon in der ersten 'Versuchsreihe benutzten Objecte VII und VIII verwandt. Objeet VII er- 'hielt, nachdem drei Tage hindurch bei Fütterung mit Hafer und Heu die 'Ausscheidungsgrösse der uns interessirenden Stoffe festgestellt war, statt des Hafers 4-5*em Roggen; VII zunächst drei Tage hindurch 3*sm Hafer und 1.5kem Erbsen; an den folgenden Tagen wurde mit der Erbsenration auf ‚Kosten des Hafers so angestiegen, dass am dritten Tage 4.5ksım Hrbsen allein (ohne Hafer) zur Verfütterung kamen; daneben wurde wie sonst ‚2.5ksım Heu gegeben. Alsdann erhielt dasselbe Pferd an drei ferneren Tagen nur 7%stm Heu, endlich 7kerm Erbsen allein, darauf wurde wieder zu ausschliesslicher Verfütterung von 7*sm Heu zurückgekehrt und endlich ‚drei Tage hindurch nur 7 sm Roggen (ohne Heu) verfüttert. Um Indigestion ‚zu vermeiden, wurde jede Ration Erbsen und Roggen mindestens zwei Stun- den vor der Verfütterung, mit der gleichen Gewichtsmenge lauwarmen ‚Wassers übergossen, der Quellung überlassen. Es ergab sich zunächst, dass ‚bei eingreifender Aenderung in der Fütterungsweise die Ausscheidungen innerhalb weiter Grenzen schwanken, bis sich der Organismus dem Futter accommodirt und auf eine bestimmte Höhe in seinen Zersetzungen und Aus- ‚scheidungen einstellt. Auch hier seien die Durchschnittswerthe der Aus- ‚scheidungen pro Tag in übersichtlicher Zusammenstellung angeordnet. | Eu =: 2 ä ln en: Gesammtmenge von 2 3 a: Gesammtmenge von eu ED wasser. menge. a Sa B- EEE ee | Tribrom-| °° b- ER 3 Be + | henol. ; =; EB 2| NaCl Ü N in Kilogramm. in Liter. En m u >. = - NR Dee 628 ae lle7008 9299047025 21 — — — — — 12:5| — |4-5 10-67 | 2-23 \15-321| 5-881| 5-075) 1:1°2 — — —_ — E VI 4252225 7,623 9267 792623) 3.0637 4.902 1:2-0.| 4:225 Y — 1|117°121.54:657 si Ze 2 ,270.2001993122283 | 520897.3:.3833 22708 121.28 1.29882117.234221211.0:27022 1601 = ; = 3:0/2:5|1:5| — |11-00| 2-58 110-990.11-931| 3-160| 1:3-9 | 4934 | — 135.300 |58-473 0-712:5|3.8| — |13-33| 4-30 111-386) 6:107\ 5:175 | 1:1°2 | 3:684 |34-24 | 184:990 |86:35 | — 4.092,14-401.15:466 7978 1:1:9 | 7:655 |34-593| 192-649 89-903 — 4.7 2-3| — |15:0 | 2:59 115-524 6624) 5:893| 1:0-9 | 3:761 |10-218| 151-548 161.389 | 1 Der mit Wasser zur Quellung angestellte Roggen bot schwach saure Reaction dar. 16 /uR LEHRE VQM STOFFWECHSEL DES PFERDES. 17 Wir ersehen zunächst, dass, während beim Ersatz des Hafers und Heus durch die gleiche Menge Roggen die Harnstoff- bez. N-Ausscheidung keine wesentliche Veränderung zeigt, bei Verfütterung von Erbsen die N-Aus- scheidung ansteigt und zwar um so höher, je mehr von den Erbsen statt des Hafers gegeben wird. Es ist dies auch verständlich, enthalten doch die Erbsen (vergl. die Analysen der Futtermittel S. 8) fast noch einmal so viel Eiweiss als Hafer und Roggen. Dass bei ausschliesslicher Heufütterung die N-Ausscheidung einen so hohen Werth erreicht, ist ohne Weiteres nicht ver- ständlich, man müsste denn annehmen, dass die Eiweissstoffe des Heus aus noch zu eruirender Ursache in grösserem Umfange der Resorption und weiterhin der Zersetzung im Körper des Pferdes anheimfallen, als aequivalente Mengen jener Futtermittel. Bezüglich der Phenolausscheidung ergiebt sich im Allgemeinen, dass in dem Maasse, als bei gleicher Gewichtsmenge der täglichen Futterration der Proteingehalt derselben wächst, auch annähernd proportional die Menge des ausgeschiedenen Phenols ansteigt. Hierfür bieten insbesondere die höheren Werthe für die Gesammtmenge von Tribromphenol an den Tagen, wo Erbsen verfüttert wurden, einen Beleg. Die höchsten Werthe erreicht die Phenol- ausscheidung bei Verfütterung von 1 Th. Erbsen und 2 Th. Hafer. Aus den in der Tabelle angeführten Werthen für Tribromphenol berechnet, sruppirt sich die Phenolausscheidung im Durchschnitt, wie folgt: sei later. value Da ee eliten Pnoeoen und Heu... „nu... "us 0Ardr,, a „ Koggen allein . : 20% 5; „ wenig Erbsen, viel Hafer ind Heu. 3-1, > „ viel Erbsen, wenig Hafer und Heu. . . . 3-3, 5 le ihelirbsen, 2 Th. Hafer .....%: 25.0044. 1 „. len. allein Abe ee er In gleicher Weise, wie bei ausschliesslicher Heufütterung die N-Aus- scheidung eine sehr hohe ist, finden wir daneben auch die Ausscheidung an Phenol erheblich ansteigen. Ob dies darauf beruht, dass bei Heufütterung die Eiweissfäulniss im Darm in grösserem Umfange Platz greift oder aber die im Wiesenheu präformirten aromatischen Stoffe: Cumarin u. A. eben- falls unter Abspaltung von phenolartigen Körpern im Darm zerlegt werden, müssen weitere Untersuchungen entscheiden.! " Dass gerade die Fütterung mit Wiesenheu die Phenolbildung sehr erheblich beeinflusst, dafür sprechen auch neuerdings von mir gemachte Beobachtungen an einer milchenden Ziege (von 22-5 kgrm), Diese erhielt täglich 850grm Wiesenheu und als Bei- futter 300g8rm Kleie und 150grm Maisschrot. Mit dem Heu wurde allmählich bis auf 400grm heruntergegangen und es zeigte sich nun, dass in dem Maasse, als die ver- fütterte Heumenge abnahm, auch die Phenolausscheidung durch den Harn erheblich sank. Archiv f. A.u. Ph. 1880. Suppl.-Band z. Physiol. Abthlg. D) [4 18 Imm. Munk: Der Erfahrung, dass mit steigendem Eiweissgehalt der Futtermittel ' auch die Phenolausscheidung anwächst, scheint allerdings zu widersprechen das Resultat, welches Obj. VIII bei ausschliesslicher Roggenfütterung lieferte. | Erwägen wir aber, dass mit den 7ksm Roggen bei einem Gehalt desselben | an Kohlehydraten von 67.2 Proc. die ausserordentlich grosse Menge von | 4.7kerm Kohlehydraten zur Einfuhr gelangt ist, dass ferner das Futter schon | nach längerem Quellen mit Wasser sauer reagirte, so können wir uns vor- | stellen, dass, wenn die schon zuvor eingeleitete Säurebildung des Futters | weiterhin im Darm durch die faulige Gährung der Kohlehydrate einen ra- | piden Fortgang nimmt, solch’ grosse Mengen von Säuren im Darmrohr auf- | treten, dass infolge davon, gleichwie in unseren missglückten künstlichen | Fäulnissversuchen, die Phenolbildung wenn nicht aufgehoben, so doch in ! ihrem Umfange beschränkt worden ist, daher denn auch die Phenolaus- ' scheidung durch den Harn, entsprechend der geringeren Phenolbildung im | Darm, nur etwa zwei Drittel des Werthes erreicht, den sie sonst ceteris | paribus behauptet. Dass diese Deutung wohl begründet ist, dafür spricht | der Umstand, dass der Blinddarm dieses Thieres, welches unmittelbar nach | der Roggenfütterung getödtet ward, saure Reaction darbot, was bei sonst | gesunden Pferden nie der Fall ist. Es spricht ferner dafür die Reaction des Harns, welche an den drei Tagen ausschliesslicher Roggenfütterung durchweg | sauer war. Bei aussergewöhnlicher Fütterungsweise, insbesondere bei aus- schliesslicher Verabreichung von Roggen, der sechsmal so viel Kohlehydrate als Eiweiss enthält, stossen wir bei sonst gesunden | Thieren auf Verhältnisse, welche durchweg den bei der Colik gefundenen entsprechen: Verringerte Bildung von Phenol, ab- norme Säurebildung im Darm, besonders im Blinddarm, Aus- scheidung von saurem Harn. | Es dürfte eine vielleicht dankbare therapeutische Aufgabe sein, zu ver- suchen, ob nicht durch Einführung grosser Gaben von kohlensauren Al- kalien jene abnorme Säurebildung im Darme paralysirt oder wenigstens ihrer In- und Extensität nach beschränkt werden kann. Boten auch die vorstehenden Beobachtungen der Vermuthung, als würde bei den an Colik verendeten Thieren der Tod gewissermaassen als Folge der Selbstvergiftung durch das im Darm übermässig gebildete und von dort aus in’s Blut resorbirte Phenol herbeigeführt, keine Stütze, so war es doch von Interesse zu ermitteln, in welcher Gabe das Phenol bei Pferden toxisch, und in welcher Dose es lethal wirkt. Da an Pferden zur Zeit leider aus ZUR LEHRE VOM STOFFWECHSEL DES PFERDES. 19 äusseren Gründen die Versuche nicht angestellt werden konnten, so wurde an leichter zu beschaffenden Material, an Hunden, die Dosis toxica und lethalis zu ermitteln gesucht. Für das Kaninchen ist dies von E. Sal- kowski! geschehen. Für den Hund liegen Ermittelungen nach dieser Rich- tung hin nicht vor; die in neuerer Zeit nach Hoppe-Seyler’s? Vorgang angestellten Vergiftungen durch Aufpinseln von Phenol auf die Haut er- möglichen die Feststellung der vom Körper aufgenommenen Dosis nicht. In unseren Versuchen wurde Hunden von 11—17*em, die seit wenigstens 18 Stunden hungerten, mittels der Schlundsonde eine I procentige Phenol- lösung in den Magen eingeführt, also das Phenol in solcher Verdünnung, dass von einer lokal ätzenden Wirkung nicht die Rede sein kann. Es hat sich dabei ergeben, dass 0.068””% pro Kilo Hund ganz unschädlich ist; es treten danach nicht die mindesten Erscheinungen auf. Die dreifache Menge aber, 0-15s® pro Kilo Hund ruft schon wenige Minuten nach der Ein- führung heftige Intoxicationserscheinungen hervor: zuerst fibrilläre Zuckungen in den Gesichts- und Rumpfmuskeln, nach 10 Minuten Un- fähigkeit sich auf den Beinen zu erhalten, dann treten klonische Krämpfe auf in den Kiefer- und Extremitätenmuskeln (Beiss- und Laufbewegungen), daneben Nystagmus; die klonischen Krämpfe ergreifen auch die Rumpf- muskeln, die Athmung wird krampfhaft. Nach ferneren 10 Minuten er- reichen die Krämpfe den Höhepunkt. 30 Minuten nach Einspritzung des Phenol werden die Krämpfe schwächer und lassen allmählich nach; kaum '/, Stunde nachher. macht der Hund Versuche sich aufzurichten und nach weiteren 15 Minuten läuft er bereits, wenn auch schwankend, umher. In den nächsten 24 Stunden nach Einführung von 3stn Phenol entleerte der (17 Kilo schwere) Hund mit 270°m Harn im Ganzen 8.115s’m Tribromphenol = 2.3058” Phenol. Da der Harn eines hungernden Hundes keine Spur von Phenol enthält, so ist die ganze Menge auf Ausscheidung des einge- führten Phenols zu beziehen. Es sind demnach im Körper des Hundes von den 38m Phenol verschwunden 0.695: m —= 23.2 Proc. An a-Schwefelsäure fand sich im 24 stündigen Harn 0.218”, an b-Schwefelsäure: 0.8016, also letztere fast 4mal so reichlich als a-Schwefelsäure. Die so grosse Menge ‚b-Schwefelsäure ist zur Bindung des Phenols erforderlich, welches als Phenol- ‚ätherschwefelsäure nach Baumann’s Fund mit dem Harn heraustritt. 2.3058 Phenol binden indess viel mehr Schwefelsäure, als von b-Schwefel- 'säure vorhanden ist; es muss also über 15m Phenol sich in anderweitiger | Bindung vorfinden. Die nach 0. 18e'® pro Kilo Thier auftretenden Intoxieationserscheinungen | | | ı Pflüger’s Archiv u.s.w. 1872. Bd. V, $: 346. ” Fbenda, S. 470. | 2* | A | | | 20 Imm. Munk: gehen nach Ablauf von 1—2 Stunden vollständig vorüber; ja selbst nach Einführung von 0.27 und 0-32sm pro Kilo Hund kann, wenngleich erst nach mehreren Stunden, völlige Wiederherstellung eintreten, selbst für den ungünstigen Fall des Hungerzustandes, wo infolge des ver- ringerten Eiweisszerfalles auch die aus der Oxydation des Schwefels vom zersetzten Eiweiss hervorgehenden und zur Bindung bez. zum Unschädlich- machen des Phenols verfügbaren Schwefelsäure-Mengen nur geringe sind. Dagegen führt 0-47 oder rund 0-58” pro Kilo Hund sicher den Tod herbei, und dass diese Gabe so ziemlich die untere Grenze der lethalen Dosis bildet, ergiebt sich daraus, dass selbst bei dieser Gabe der Tod des Hundes erst innerhalb 13 Stunden nach der Einführung des Phenols unter | heftigen klonischen Krämpfen, von denen schliesslich auch die Respirations- muskeln ergriffen werden, und terminalen Lungenödem eintritt. In einem solchen Falle fand sich von 68m eingegebenem Phenol (Hund von 11 Kilo) im Blute 0-11, in der Leber 0-214, in den Muskeln 0375, im Magen- und Darminhalt 0.867, endlich im entleerten Harn 0-703®=, in Summa also 2-2698”m Phenol wieder. Sind auch diese Werthe wegen der unver- meidlichen Verluste in Wirklichkeit etwas höher anzusetzen, sodass die im Körper noch vorhandene der mit dem Harn ausgeschiedenen Phenol- menge auf rund 38” zu veranschlagen sein dürfte, so würden doch noch 3srm Phenol oder 50 Proc. der eingeführten Menge im Organismus ver- schwunden d. h. oxydirt sein. Doch wurde nach dieser Richtung der Gegen- stand nicht weiter verfolgt. Es sei erwähnt — und dies spricht vielleicht dafür, dass zwischen Car- nivoren (Hund) und Herbivoren (Kaninchen) in Bezug auf die Resistenz gegen Phenol kein wesentlicher Unterschied besteht —, dass Salkowski für das Kaninchen die Dosis lethalis ziemlich gleich hoch, nämlich über 0-3sm und unter 0-68m gelegen, im Mittel also zu 0.458" pro Kilo Thier gefunden hat. Nimmt man nun an, dass das Pferd annähernd dieselbe Resistenz gegen Phenol besitzt, wie Hund und Kaninchen, ist doch nach den Ver- suchen von Feser! die Resistenz des Pferdes gegen einen dem Phenol ver- wandten Körper, die Salicylsäure sogar noch grösser als die von Hund und Kaninchen, so würden zur Vergiftung eines 400 Kilo schweren Pferdes 190—200:8”® Phenol erforderlich sein. Jedenfalls wird man wohl annehmen dürfen, dass 50—808”% Phenol (0: 12—0 28m pro Kilo Pferd) pro die beim Pferde kaum toxisch wirken. Es wird diese Annahme gestützt durch Ver- suche von Gerlach,? der Pferden sechs Wochen hindurch täglich 1008” ı Archiv f. wissensch. und pract. Thierheilkunde, 1875. Bd. I, S. 156. ? Jahresberichte der hannöverschen Thierarzneischule. 1868. 8. 131. Zur LEHRE VOM STOFFWECHSEL DES PFERDES.' 21 rohe Carbolsäure in Pillen eingegeben, ohne dass je Intoxicationserschei- nungen danach eingetreten wären. Angenommen, die von Gerlach ver- fütterte rohe Carbolsäure hätte den niedrigsten Gehalt an Phenol gehabt, der noch über 60 Proc. beträgt, so würde selbst bei dieser ungünstigen Berechnung eine tägliche Gabe von 6058" Phenol vom Pferde durch Wochen hindurch ohne Schaden vertragen werden. Demnach scheint selbst lange fortgesetzter Gebrauch mässiger Gaben (0-158” pro Kilo Pferd) cumulative Wirkung nicht hervorzurufen. Die genauere Feststellung der Dosis toxica und lethalis des Phenols beim Pferde soll demnächst experimentell in An- sriff genommen werden. Zur vergleichenden Chemie des Säugethierharns. Von Dr. Immanuel Munk, Assistenten am physiologischen Laboratorium der Kgl. Thierarzneischule zu Berlin. Vom Menschen-, Hunde- und Kaninchenharn abgesehen, sind unsere Kenntnisse von der quantitativen Zusammensetzung des Harns der übrigen Säugethiere, soweit solche überhaupt vorhanden, nur äusserst dürftig. Es erscheint daher von Interesse, auch die quantitativen Verhältnisse des Harns der Pferde und der Wiederkäuer näher zu ermitteln, um so mehr als die so gewonnenen Daten auf die Zersetzungsvorgänge im Körper dieser Thiere ein Licht zu werfen geeignet sind. Für das Pferd ist die Grösse der hauptsächlich in Frage kommenden Ausscheidungen durch den Harn unter bestimmten Fütterungsbedingungen von J. Tereg festgestellt worden.! Ueber den Rinderharn werden einige hierauf bezügliche Erfahrungen nach- stehend mitgetheilt werden. Zugleich bin ich in der Lage, vom Affen- harn, der, soweit mir bekannt, bisher noch nicht Gegenstand eingehender Untersuchung gewesen ist, Einiges berichten zu können, sowie endlich zur quantitativen Bestimmung des Phenols im Menschenharn einen analytischen Beitrag zu liefern. Der Affenharn, den ich an einer Reihe von Tagen in wechselnden Mengen von 100 bis über 300m gewinnen konnte, stammte von einem grossen, fast 6 Kilo schweren Pavian, der, nachdem er eine Exstirpation der Hirnrinde im Bereiche der Convexität beider Stirnlappen durchgemacht hatte, sich vollständig wohl, bei regem Appetit befand und auch noch zur Zeit, 10 Monate nach überstandener Operation sich durchaus munter befindet. Derselbe erhielt täglich in drei Rationen im Ganzen 750° ® Milch, 200 bis 2508m Reis und etwa 1008m Weissbrod, ab und zu auch einige Mohr- rüben. Er hatte die Gewohnheit auf der Sprosse, die in fast halber Höhe ! Mitgetheilt von mir in diesem Heft, S, 1—21, ZUR VERGLEICHENDEN ÜHEMIE DES SÄUGETHIERHARNS. 23 des Käfigs angebracht war, zu sitzen und zwar hart am Ende der Sprosse, mit der einen Seite der Seitenwand des Käfigs anliegend und von dort aus den Harn im Strahle zu entleeren. Da dies in der Regel nicht lange nach jeder Mahlzeit geschah, so brauchte man nur nach Entfernung des Futter- trogs auf den Boden des Käfigs reine Gefässe zu stellen, um so erhebliche Mengen reinen Harns, bis fast 400°” zu gewinnen. Der Affenharn ist klar, frisch entleert von neutraler bis schwach alkalischer Reaction, von einem mehr weniger gesättigten Gelb; sein specifisches Gewicht schwankt zwischen 1007 und 1012. Nachdem qualitativ das Vorkommen von Harnstoff, Harn- säure, von Chloriden, Sulfaten und Phosphaten u. s. w. genügend constatirt worden war, wurde an verschiedenen Tagen der Harnstoff nach Liebig, ab und zu der Gesammtstickstofl direet nach Seegen, ferner die freie und gebundene Schwefelsäure zuerst nach dem Verfahren von Baumann, später nach der viel schneller durchführbaren und scharfen Methode von E. Sal- kowski,! sowie der Gehalt an Phenolschwefelsäure durch Destillation des Harns mit Schwefelsäure und Ausfällung des Destillates mit Bromwasser, endlich der Chlorgehalt durch Titriren mit Silberlösung bestimmt. Zur Liebig’schen und Chlortitrirung wurde je 10°”, zur Gesammt-N-Bestim- mung je 5° m, für die freie und gebundene Schwefelsäure je 50°" und für die Phenolbestimmung je 100--200° m" verwendet. Die Ergebnisse sind in procentischer Berechnung in nachstehender Tabelle zusammengefasst. In 100m Affenharn sind enthalten: Ss3 + S 5 2 2 « |Tribrom- =: U NausÜU. 5 8 = S:N | NaCl I 2 pheno!l. 17) E S "DO S 15, 1.0 0/0) ee Rn — 10:166) 0-080| — — 0:004 II. 11-0065/0-801 |0-374 | DA Em 1009 |. — | = 10.36 10:0145 IV. 1-01051:765 |0-824 | 0-836 | 0-218 | 0-041 1:22-9\0-4 |, — V. 11-011 |1:349 |0-6295| 0-637 | 0-276|0-039 1:14-6|0-295 — VI. 11-012 11-962 |0-916 | — une 27722 2022560-009 VI. 1:008 11-28960-602 | 0-604|0-194 0-031 1:19-4. 0-28 0-0175 | | | Obwohl es niemals möglich gewesen ist, die gesammte Tagesmenge des Harns aufzufangen, so dürfen doch die Ergebnisse der Bestimmungen ein- zelner Harnportionen schon deshalb als verwerthbar gelten, weil, wie an- 1! Virchow’s Archiv u.s.w. 1880. Bd. LXXIX, S. 551. 24 Imm. Munk:. geführt, der Affe sich in durchaus gleichförmiger Ernährung befand. Im Allgemeinen zeigt sich dem entsprechend auch ein ziemlich gleichmässiges Verhalten der einzelnen, wesentlichen Harnbestandtheile zu einander in den verschiedenen untersuchten Tagesportionen. Der Harnstoffgehalt schwankt, je nach der Concentration des Harns, zwischen 0-8 und 1-96 Proc., er beträgt im Mittel von fünf Bestimmungen 1-63 Proc. Und dass neben dem Harnstoff andere N-haltige Substanzen sich im Affenharn nur in ver- schwindend geringer Menge finden, ergiebt sich daraus, dass die aus dem Harnstoff berechneten Stickstoffwerthe ausserordentlich nahe kommen, ja fast übereinstimmen mit denjenigen, welche man bei der direeten Bestimmung des Stickstoffs im Harn erhält; die-grösste Differenz zwischen beiden Werthen beträgt noch nicht 1!/, Proc. Es reiht sich also in dieser Hinsicht der Affenharn dem des Menschen und Hundes an. Der Gehalt an Chlor beträgt 0-25—0:'41 Proc., im Mittel 0-3 Proe. An präformirter oder freier (a-) Schwefelsäure fand sich 0-07— 0: 116 Proe.;! im Mittel 0-093 Proe., an gebundener, b-Schwefelsäure 0:013—0 017 Proc., das Verhältniss von d-:a-Schwefelsäure schwankt also nur zwischen 1:5-3 und 1:7 und beträgt im Durchschnitt 1:6. Das für die Schätzung der Grösse des Eiweisszerfalls wichtige Verhältniss des ausgeschiedenen Schwefels zum Stickstoff stellt sich auf 1:14-6 bis 1:22-9. Bei gleichmässiger Er- nährung sehen wir keine sehr erheblichen Schwankungen in der Zusam- mensetzung der einzelnen Harnportionen, insbesondere zeigt sich der Gehalt an gebundener Schwefelsäure constant, wie dies neuerdings Sal- kowski auch für den annähernd im N-Gleichgewicht befindlichen Hund gezeigt hat. In Rücksicht auf seinen Harnstoff- und Schwefelgehalt nähert sich der Affenharn dem des Menschen, während er dagegen hinsichtlich seines Chlor- gehalts weit hinter dem Menschenharn zurücksteht, in welchem Kochsalz sich im Durchschnitt zu 1 Proc. findet. Die weit geringere Grösse der Chlorausscheidung durch den Harn des Affen erklärt sich daraus, dass die verfütterte Nahrung: Milch, Reis, Weissbrod an Chlor. verhältnissmässig arın ist; Kuhmilch enthält in 0:5 Proc. Salze etwa 0:09 Proc. Chlor, Reis bei ebenfalls 0-5 Proc. Asche, sogar nur 0015 Proc. Chlor. _ Was die Grösse der täglichen Harnmenge betrifft, so möchte ich die- selbe nach den zu verschiedenen Zeiten gesammelten Portionen auf 300 bis 400° m schätzen, gegenüber einer Wasseraufnahme von rund 700m .2 ! Aus den Werthen für Ba SO, die Schwefelsäure durch Multiplication mit dem Reductionsfactor 0-416 berechnet. 2 750cem Milch enthalten 650grm Wasser, 200g8rm Reis etwa 20s5rm Wasser und 100grm Weissbrod eirca 40grm Wasser. ZUR VERGLEICHENDEN ÜHEMIE DES SÄUGETHIERHARNS. 25 Da die Producte der Darmfäulniss, das Phenol und Indol, in neuerer Zeit erhöhtes Interesse gewonnen haben, so sind auch quantitative Bestim- mungen des Gehalts an phenolbildender Substanz (Phenol bez. Kresol an Schwefelsäure gebunden) im Affenharn ausgeführt worden. Es wurden zu wiederholten Malen 100—200°°® Affenharn nach Zusatz von Schwefelsäure destillirt; Bromwasser erzeugte im Destillate kaum mehr als eine leicht wolkige Trübung, auch nach 24stündigem Absetzen war die Menge des Tribromphenol unwägbar; erst bei Destillation von 500°" Harn gelang es, auem Tribromphenol zu erhalten. Da indess die Menge der gebundenen Schwefelsäure, wie schon erwähnt, sich als nicht unbeträchtlich erwies und der Gehalt an indigobildender Substanz, worauf wir noch zurückkommen, sich als unerheblich herausstellte, so war diese minimale Phenolausscheidung nicht recht verständlich. Da nun Tribromphenol selbst in Bromwasser nicht sanz unlöslich ist,! so schien es von Interesse nachzusehen, ab nicht die ‚allzu grosse Verdünnung, in der sich die phenolbildende Substanz im Affen- ' harn befindet, für die Bestimmung des Phenols durch einfache Destillation des angesäuerten Harns einer Fehlerquelle bedinge. Zu dem Zwecke wurde von 400° m oesammelten Affenharns, der in der Tabelle unter Nr. I auf- . geführt ist, 200°® nach Zusatz von Schwefelsäure direct destillirt, 200m aber erst, nachdem sie bei alkalischer Reaction — zur Verhütung der Zer- setzung der Phenylschwefelsäure und der Verdunstung des abgespaltenen ' Phenols — auf dem Wasserbade bis auf etwa 40° m eingedampft worden waren. Das Destillat der ersten 200° m Harn gab auf Bromwasserzusatz ‚nur eine Trübung, aus der sich allmählich ein unwägbarer krystallinischer ‚ Niederschlag absetzte. Die auf ein Fünftel ihres Volumens eingedampfte ‚und dann erst unter Zusatz von Schwefelsäure destillirte gleiche Menge , Harns dagegen Se” Tribromphenol. Hiermit war dargethan — und weiter ‚ anzuführende Controlanalysen erheben diese Thatsache über allen Zweifel — ‚ dass bei geringem Gehalt an phenolbildender Substanz es geboten ist, das ‚ Phenol gleichsam in grössere Concentration zu bringen, weil Tribromphenol ‚in grossen Mengen von Bromwasser nicht unlöslich ist. Infolge dieser Er- ‚ fahrung sind alle ferneren Bestimmungen im Affenharn in der Weise aus- ‚ geführt worden, dass 100—200°" Harn unter Zusatz von Sodalösung auf ‚ eim Fünftel ihres Volumens eingedampft und erst dann mit Schwefelsäure ‚in Ueberschuss versetzt und destillirt wurden, sodass das gesammte Destillat ‚ kaum 20 bez. 40m enthielt. Ich komme auf diesen Punkt noch zurück. Was den Indicangehalt des Affenharns anlangt, so sind darüber nur approximative Angaben möglich. In der Regel wurden nach Jaffe’s Ver- ‚fahren 10°® Harn mit 10° m conc. Salzsäure versetzt und zu der Mischung “1 Th. Tribromphenol soll sich in 14000 Th. Bromwasser lösen. 2b Imm. Munxk: dann vorsichtig und tropfenweise gesättigte Chlorkalklösung hinzugefügt. Meist genügte ein Tropfen, um das überhaupt mögliche, intensivste Blau hervorzurufen, nicht- selten erweist sich ein Tropfen schon zu viel. Meist wurden dann noch 10°m Chloroform hinzugefügt und durch Umschütteln die Blaufärbung in diesen übergeführt. Im Allgemeinen erhält man bei diesen Proben ein leichtes Blau, etwa so wie beim Menschenharn; nur zu- j weilen giebt sich ein grösserer Gehalt kund durch tiefere Blaufärbung, ein | ander Mal ist die Bläuung des Chloroforms eben angedeutet oder nur | auf einem weissen Hintergrund sichtbar. Nur so viel lässt sich sagen, dass der Indicangehalt dem Phenolgehalt nicht parallel geht. Die stärkste ] Indicanreaction ergab Harn I und VI; dagegen lieferte Harn VII, der den höchsten, beobachteten Phenolgehalt aufwies, nur eine sehr schwache In- | dicanreaction; auch die von III stand an Stärke erheblich derjenigen von I, } der nur den dritten Theil an Phenol enthielt, nach. | Fassen wir alle gewonnenen Daten zusammen, so folgt daraus, dass der Harn des Affen — von der Reaction und dem Chlorgehalt abgesehen — dem des Menschen am nächsten kommt. Dass die Reaction des Affenharns } stets neutral bis alkalisch gefunden worden ist, hat nichts Auffallendes, finden | wir doch im Allgemeinen saure Reaction nur bei den Fleischfressern und unter den Omnivoren bei dem neben Vegetabilien reichlich Fleisch zuführen- ] den Menschen; zudem enthält sowohl die Milch wie der Reis, womit der } Affe gefüttert wurde, alkalisch reagirende Salze. | Ab und zu wurde im Affenharn auf Zusatz von Essigsäure und con- # centrirte Salzlösung beim Kochen eine leichte Opalescenz erhalten, zum f Zeichen der Anwesenheit von Spuren von Eiweiss. Zucker wurde niemals f darin gefunden. Selbst stark alkalischer Harn vom Affen braust beim Zu- } satz von Säuren nicht auf. 1 Die beim Affenharn gemachten analytischen Erfahrungen liessen erneute quantitative Bestimmungen des Phenolgehalts im Menschenharn, in dem die phenolbildende Substanz (Phenol und Kresol an Schwefelsäure ge- bunden) gleichfalls nur in geringen Mengen vorkommt, dringend wünschens- 'werth erscheinen. Bereits vor fünf Jahren zuerst von mir ausgeführte Be- stimmungen! hatten für den Menschenharn bei vorwiegend animalischer Diät eine tägliche Ausscheidung von 6”sm Tribromphenol ergeben, die bei gemischter Kost zunahm und bei vorwiegend vegetabilischer Nahrung in maximo bis auf das Achtfache stieg, nämlich auf 49”s"m Tribromphenol, ! Pflüger’s Archiv u.s. w. Bd. XI, S. 142 ff. ZUR VERGLEICHENDEN ÜHEMIE DES SÄUGETHIERHARNS. Zr Gleich die ersten Bestimmungen mit zu verschiedenen Tageszeiten entleerten Harnportionen ergaben für den Menschenharn ein den obigen Erfahrungen durchaus analoges Resultat. Während 200°® eines sauern Harns (spec. Gew. = 1010), direct mit Schwefelsäure destillirt, nur eine Spur von Trü- bung mit Bromwasser, keinen wägbaren Niederschlag gaben, wurde aus 200°°® desselben Harns, nachdem er unter Zusatz von Sodalösung auf circa 40: m eingedampft war, bei Destillation mit Säure 5-5"erm Tribromphenol erhalten. Ein anderer Harn (spec. Gew. = 1027) gab direct destillirt aus 200m: 1.9 mm Tribromphenol nach vorgängiger Einengung auf !/, Volumen: 17.5»sm Tribromphenol, endlich ein dritter vom spec. Gew. = 1015 in 200° mit Bromwasser nur eine unwägbare Fällung, nach vorgängiger Con- centration auf den fünften Theil 14"s® Tribromphenol. Es sei erwähnt, dass in allen Fällen die Destillation so lange fortgesetzt wurde, bis durch die nun in starke Concentration gebrachte Schwefelsäure Zersetzung des Harnrückstands unter lebhafter Entwicklung von Kohlensäure und empy- reumatischen Dämpfen eintrat. Es wurde alsdann, um die tägliche Gesammtausscheidung festzustellen, der Harn von je 24 Stunden gesammelt, im Ganzen an sechs Tagen und 200°” des auf ein rundes Volumen gebrachten Tagesharns einmal direct mit Säure destillirt, fernere 200°” erst, nachdem sie zuvor bei alkalischer "Reaction auf etwa '/, Volumen eingedampft waren. Dieser Grad der Ein- engung erwies sich nach verschiedenen Versuchen als durchaus genügend. Die ‚ Kost war eine vorwiegend animalische: Fleisch, Eier, Milch, doch wurde ‚ daneben auch Brod und etwas Gemüse eingeführt. Da ich die Ausscheidungs- grösse des Harns an mir selbst gewissenhaft festgestellt habe, ist jede Täu- ‚schung hierbei ausgeschlossen. Die Resultate sind in nachstehender Tabelle | | zusammengefasst: 200ecm Harn enthalten Gesammtmenge | 24stündiges 3 R E | Wallmean Speeifisches Tribromphenol. an Tribromphenol | in Cubikem. Gewicht. a) direct. ee nach a). | nach b). 1 1200 1:025 | unwägbar | 00095 _ 0057 | II 1190 1.024 0.002 0022 0.012 0-131 IH. 1100 1-.022 0-0015 00115 0-0083 0063 ) IV. 1400 1:0205 | 0-0015 00255 0-0105 0-1785 1 Ov 1000 1-027 0-001 0-0125 0005 00625 'WL| 1400 | 1-018 | unwäebar | 0-011 en 0077 ı Die Resultate sprechen deutlich für sich: Bei directer Destillation wurden 9—1l2merm Tribromphenol erhalten, also durchaus entsprechend meinen 28 Imm. Munk: früheren Angaben, wonach man den Phenolgehalt des menschlichen Harns | bei der üblichen Methode, Destillation mit Schwefelsäure und Versetzen des | Destillates mit Bromwasser, bis eben eine leichte Gelbfärbung, welche auch bleibt,! eintritt, nur minimal findet. Engt man jedoch vor der Destillation den Harn bei alkalischer Reaction stark ein, so erhält man mindestens | die Ifache Menge, zuweilen wie in IV sogar die 17fache Menge. Man ! kann also, einen geringen Phenolgehalt vorausgesetzt, bei directer Destillation | die 9—17fache Menge einfach übersehen. Es wird nach Vorstehendem | die Gesammtausscheidung an Phenol durch den Harn des Menschen bei ' gemischter Kost, in der aber animalische Nahrung vorherrscht, auf 60 bis | 180”sm Tribromphenol entsprechend 17—51 "sm Phenol anzusetzen sein. Im Mittel von sechs Bestimmungen wird ausgeschieden per Tag 0:095 sm | Tribromphenol = 0-027sm Phenol. Nach mir hat L. Brieger” Phenol- bestimmungen im Menschenharn ausgeführt und bei seinen Versuchsindi- viduen, welche mit gemischter Spitalkost ernährt wurden, 13—99 "sm Tri- bromphenol, also erheblich mehr als ich früher, gefunden; da Brieger indess gleich wie ich in meinen früheren Analysen den Harn direct mit Schwefelsäure destillirt hat, so bedürfen auch seine Bestimmungen nunmehr einer Correctur. Ich brauche wohl nicht erst zu bemerken, dass die vorgängige Ein- engung des Harns die Phenolbestimmung eher vereinfacht, insofern sie eine ' erhebliche Zeitersparniss beim Abfiltriren des mit Bromwasser ausgefällten Destillates setzt, welch’ letzteres nur den fünften Theil des sonstigen Vo- | lumens beträst. Die von mir nach meinen früheren Bestimmungen gemachte Angabe, dass der Pferdeharn im Durchschnitt 1800 mal mehr Phenol enthält als der Menschenharn, ist nunmehr dahin zu berichtigen, dass, da die tägliche Ausscheidung eines Pferdes nach den von mir mitgetheilten Untersuchungen von Tereg mit 3 Liter Harn durchschnittlich 10-9s® Tribromphenol, die des | Menschen 0-095g "m Tribromphenol beträgt, das Pferd etwa 115 mal so viel Phenol mit dem Tagesharn entleert, als der Mensch, und dass in der gleichen Menge (1 Liter) Pferdeharn fast 60mal so viel Phenol enthalten ist, ! Setzt man Bromwasser in grossem Ueberschuss bis zur Gelbbraun- oder gar Braunfärbung des Destillats hinzu, so erhält man nicht die feinen seidenglänzenden Nadeln des Tibromphenols, die sich nach dem Trocknen ohne Verlust vom Filter ent- fernen lassen, sondern eine klebrige tiefgelbe Masse, die sich schwer von der Wand des Glases ablöst, dem Filter auch nach dem Trocknen noch anhaftet, und sich kaum ohne Verlust abheben lässt. Man hat dann nicht Tribromphenol, sondern, wie Bene- dikt (Ber. d. deutschen chem. Gesellsch, 1879, Bd. XII, S. 1105) gefunden hat, Tri- bromphenolbrom C, H, Br, (0 Br). ? Zeitschr. f. physiol. Chemie. 1878. Bd. I, 8. 241 ff. ZUR VERGLEICHENDEN ÜHEMIE DES SÄUGETHIERHARNS. 29 als im Menschenharn. An Indigo enthält der Pferdeharn nach Jaffe’s! Be- stimmungen im Durchschnitt nur 23 mal mehr als der Menschenharn. Es liest auf der Hand, dass die Erfahrung, wonach bei sehr geringen Mengen phenolbildender Substanz dieselben der Ausfällung durch Bromwasser ‚sich grossentheils entziehen, besondere Beachtung verdient für Versuche, bei denen der Verbleib kleiner, innerlich eingenommener Mengen von Benzol, Phenol, Kresol oder ähnlichen in den Harn übergehenden und aus dem ' Destillate durch Bromwasser ausgefällten Substanzen ermittelt werden soll. "Es erscheinen in dieser Hinsicht die Versuche von de Jonge? über die Ausscheidung kleiner Gaben innerlich eingeführten Phenols und Kresols einer Wiederholung mit den Cautelen, dass der Harn vor der Destillation auf !/, Vol. eingedampft wird, dringend bedürftig. Auch schien es nunmehr angezeigt, den Harn des Hundes, der bei Fleischfütterung und beim Hungern kaum je Spuren von Phenol zeigt, auf etwaigen Phenolgehalt nach vorgängiger Concentration auf den vierten bis fünften Theil seines Volumens zu prüfen. Ich hatte schon früher bei Hunden, ‚die sich bei Fütterung mit Fleisch und Speck oder Fleisch allein im N-Gleichgewicht befanden, wiederholt fast das ganze Harnvolumen von 24 Stunden mit Säure destillirt, aber im Destillate nie eine Spur von Trü- ‚ bung auf Zusatz von Bromwasser erhalten. Es wurde nunmehr eine Hün- din von 11-.5'*sm durch Fütterung mit 800®°% Fleisch annähernd in N-Gleichgewicht gebracht und von dem Tagesvolumen, das zwischen 300 ‚und 412 °® schwankte, die Hälfte direct mit Schwefelsäure destillirt, die andere Hälfte aber erst nach vorgängiger Concentration bei alkalischer Reaction, ‚ indessen erzeugte Bromwasser auch im Destillate des zuvor eingeengten Harns ‚micht die geringste Spur von Trübung, sodass hiernach wohl der Schluss gesichert ist, der Hundeharn enthalte bei Fleischfütterung keine phenol- ‚ bildende Substanz. Ist auch daraus allein noch nicht der weitere Schluss ‚zu ziehen, dass im Darm des Hundes Phenol nicht gebildet wird, weil, wie ‚aus Versuchen von Tauber, Schaffer und A. Auerbach hervorgeht, ‚selbst von direct in den Körper eingeführten kleinen Phenolgaben ein ge- wisser nicht unbeträchtlicher Theil zersetzt wird, sodass nur ein Bruch- ‚theil vom eingeführten Phenol im Harn wiedererscheint, so ist doch aus ‚ der Abwesenheit der Phenolschwefelsäure im Harn des Hundes bei reiner Fleischfütterung zu schliessen, dass, wenn überhaupt bei Fleischnahrung Phenol gebildet wird, dieser Vorgang jedenfalls nur in Spuren statt- ‚finden kann, oder mit anderen Worten, dass im Darm der Carnivoren bei | ı Archiv f. d. gesammte Physiologie. 1870. Bd. III, S. 448 ff. ? Zeitschr. f. physiol. Chemie. 1879. Bd. III, S. 180. ° Baumann hat zuweilen Spuren von Phenol gefunden, die indess E.Salkowski ) (Virchow’s Archiv, 1878, Bd. LXXIIL $. 442) vermisst hat. | 30 Imm. Munxk: reiner Fleischfütterung die Fäulniss der Eiweisskörper wohl kaum zur Bil- ' dung von Phenol führt. Welches die untere Grenze des Phenolgehalts ist, die, wenn die Phenol- bestimmung richtig sein soll, vorgängiges Einengen des Harns erfordert, ver- mag ich ganz scharf noch nicht anzugeben. Bei einer Concentration, wie | solche die phenolbildende Substanz im Pferdeharn hat, ist Einengen des Harns sogar schädlich, weil aus der eingeengten und angesäuerten Flüssig- keit eher alles Wasser hinüber destillirt, als das Phenol, so dass zu einer Zeit, wo durch die concentrirte Säure der Harnrückstand in Zersetzung unter Ausstossung saurer Dämpfe übergeht, er noch Phenol enthält, das nur durch erneutes Destilliren nach Zusatz von Wasser ausgetrieben werden kann. Im Mittel enthält nun der Pferdeharn 0-3 Proc. Tribromphenol | — 01 Proc. Phenol. Ein dünner Pferdeharn vom spec. Gew. 1016 lieferte nach vorgängiger Einengung kaum mehr Tribromphenol als bei directer Destillation und zwar im ersten Falle 0-092, im zweiten 0.088 Proc. Tri- | bromphenol, sodass also die untere Grenze, bei welcher Einengen des Harns noch nicht erforderlich, etwa bei einem Gehalt von 0-025 Proc. Phenol liegen dürfte. Es wird sich also empfehlen, überall da, wo man Phenol nur in Spuren resp. in sehr geringen Mengen vermuthet, so in Darminhalt, ' Faeces, Blut, serösen Transsudaten oder eitrigen Exsudaten den wässrigen Auszug (beim Blut die wässrige Lösung des zur Trockene gebrachten, alko- holischen Extraetes) unter Zusatz von einigen Tropfen Sodalösung aufein kleines Volumen einzuengen und erst dann durch Destil- lation mit Säuren auf Phenol zu prüfen. Der Rinderharn, den ich zu untersuchen Gelegenheit hatte, stammte von milchenden Kühen der hiesigen Thierarzneischule und zwar wurde nur von Kühen, deren Milch zuvor mehrere Tage hindurch auf ihre Menge und ihren Gehalt genauer untersucht war, Harn entnommen. Es waren dies ' drei Kühe, deren täglicher Milchertrag zwischen 91/, und 14 Liter schwankte mit einem Gehalt an festen Stoffen von 12-.9—13-6 Proc. Die Kühe er- hielten reichlich Wiesenheu und daneben ein eiweissreiches Beifutter in Ge- stalt von Kleien, weil erfahrungsgemäss reichliche Eiweisszufuhr sowohl die Grösse des Milchertrages, als den Gehalt der Milch an festen Stoffen steigert, und ferner reichlich Tränkwasser. Die täglichen absoluten Harnmengen festzustellen, ist bisher nicht möglich gewesen; um eine Vorstellung von ihrer Grösse zu erhalten, sei angeführt, dass von einer der Kühe tagsüber 1 | ' | } | { | | ZUR VERGLEICHENDEN ÜHEMIE DES SÄUGETHIERHARNS. sl | | (zwischen 6 Uhr früh und 7 Uhr Abends) 14 Liter aufgefangen werden konnten, sodass die 24stündige Harnmenge sich mindestens auf 25 Liter belaufen mag. Voit,! der die Zersetzungsvorgänge im Körper einer mil- ':henden Kuh genauer verfolgt hat, fand bei einem täglichen Milchquantum ) von 9-6 Liter eine Harnausscheidung von 22 Liter. Vermuthlich wird bei | ınseren Kühen das tägliche Harnvolumen mehr als 25 Liter betragen, weil | ler Harn, worauf ich gleich eingehen werde, nur ein sehr geringes spec. Ge- vicht besass. Der concentrirteste Harn, der gewonnen wurde, hatte ein spec. ewicht von 1-013, der dünnste ein solches von 1:006. Er war stets hell- relb mit einem deutlichen Stich in’s Grün, klar und durchsichtig, von alka- ‚ischer, selten neutraler Reaction. Es wurde im Harn der Gesammtstickstoff ‚nach Seegen, die a- und b-Schwefelsäure, ferner der Phenolgehalt bestimmt md zwar wurden zur Bestimmung der Schwefelsäuren nach Salkowski’s Mo- ifieation je 100m Harn, zu der des Phenol 200—500 “m nach vorgängiger ‚ limengung verwendete. Der Indicangehalt wurde nach Jaff&’s Probe geschätzt. Die so gewonnenen Resultate, auf 100°°® Harn berechnet, gebe ich in ıbellarischer Anordnung. Spec N nach Aal Tribrom Gewicht. | Seegen. en aa N phenol. I 11-010 — 0-015 0036 a We 0-015 | 221-0075 — 0-015 0-041 — — 0-0105 a. | 1:007 02027 7.02.0177 02056 | 02010711220 0003 \v. 1:008 02196 | :0-032 | 0-068) 0-0137 1:15 0002 ı V. | 1-006 0:077 |, 0-011 | 0-028 | 0-0053 |1:15:4| 0:006 ‚VI 1013 0-047 | 0-047 | 0:091 | 0-019 |1:16-2|.0-0125 " Die bemerkenswertheste Eigenthümlichkeit des Kuhharns esteht also darin, dass in allen untersuchten Fällen die Menge ‚ergefundenen b-Schwefelsäure die der a-Schwefelsäure um min- 'sstens das Doppelte, im Mittel von 6 Bestimmungen um das 2!/,fache bertrifft. Einen so hohen, relativen Gehalt der b-Schwefelsäure gegen- ‚ber der a-Schwefelsäure zeigt mit ähnlicher Constanz keine Thierspecies. m Mittel von 25 Bestimmungen im 24stündigen Harn des Pferdes bei dem- ‚Iben Fütterungsmodus hat Tereg? die b-Schwefelsäure nur die Hälfte von 1 Zeitschr. f. Biologie. 1869. 8. 119. ® Dies Heft, 8. 17. 32 Imm. Müunxk: | der Menge der präformirten Schwefelsäure betragen sehen." Es nimmt in! Rücksicht auf diese constante Mehrausscheidung von gebundener Schwefelsäure gegenüber der freien Schwefelsäure der Kuhharn eine Ausnahmestellung ein. Da der Indicangehalt nur gering ist — beim Versetzen von 10m Harn mit 10m concentrirter Salzsäure und 1 Tropfen’ Chlorkalklösung erhält man nur eine schwachblaue, häufig eine röthliche , bis schwach violette, niemals eine starkblaue Färbung — und ferner die zur! Bindung des Phenols, wovon gleich die Rede sein soll, erforderliche Schwefel- säure nur etwa den 5.—8. Theil der überhaupt verfügbaren b-Schwefelsäure beträgt, so müssen nothwendiger Weise im Kuhharn ausser Indoxyl und Phenol (Kresol) noch andere Substanzen an der Bindung der b-Schwefelsäure‘ betheiligt sein. Der N-Gehalt schwankte, je nach der Concentration, zwischen 0:08 und 0-31 Proc.; es liegt auf der Hand, dass bei dieser Verdünnung, in der sich der Harnstoff im Kuhharn befindet, die Liebig’sche Titrirung durch-' aus unzulässig ist. Das Verhältniss des Schwefels zum Stickstoff im Harn schwankte nur zwischen 1:15-:4 bis 1:20 und beträgt im Mittel 1:16-7, entfernt sich also nicht weit von demjenigen Verhältniss, in welchem sich‘ Schwefel und Stickstoff im Eiweiss vorfindet. Der Phenolgehalt des Harns betrug 3— 13 "8'® Tribromphenol = 1— 4 "era Procent Phenol; er ist also, auf das gleiche Volumen (1 Liter) berechnet, im dünnen Kuhharn nicht viel höher, als im Menschenharn. Doch ist hier- bei zu berücksichtigen, dass die tägliche Gesammtausscheidung, da das! Tagesvolumen des dünnen Kuhharns sehr gross, auf mindestens 25 Liter’ zu veranschlagen ist, 0-25—1"” Phenol beträgt. Indessen selbst die höchste‘ Gesammtausscheidung bleibt um zwei Drittheile hinter der des Pferdes, welche rund 3°"® Phenol pro die beträgt, zurück. Es dürfte die verringerte: Phenolbildung des Rindes gegenüber dem Pferde mit den eigenthümlichen morphologischen Differenzen in dem Verdauungsschlauche dieser Thierklassen zusammenhängen. Bei dem Pferde, das nur einen kleinen einfachen Magen‘ mit einer Capacität von höchstens 16 Liter besitzt, passirt das Futter schnell den Magen und Dünndarm, um in dem ausserordentlich entwickelten und mit einem mächtigen Anhang, dem Blinddarm (dessen Capacität allem’ 30 Liter beträgt), noch versehenen Dickdarm, der für sich an 100 Liter‘ Inhalt fasst, zu stagniren und hier begünstigt durch den schon früher hin- zugetretenen pankreatischen Saft der in- und extensivsten Fäulniss zu unter-' ! Bei Untersuchung einzelner Harnportionen findet man ab und zu auch beim Pferdeharn die Menge der b-Schwefelsäure 1'/, bis 2mal grösser als die der a-Schwefel- säure, wie dies Baumann und Herter gesehen haben, doch trifft dies für das ge- sammte 24stündige Harnvolumen, bei gesunden Pferden wenigstens, nur selten zu (vgl. 8. I). /UR VERGLEICHENDEN ÜHEMIE DES SÄUGETHIERHARNS. 33 liegen. Bei den Wiederkäuern umgekehrt stagnirt das Futter am längsten in den Vormägen, insbesondere dem mächtigen Pansen und wenn auch hier schon Macerations- und Gährungsprocesse stattfinden, so schreitet doch die etwa eingeleitete Fäulniss der Eiweissstoffe, soweit wenigstens die bisherigen Beobachtungen reichen, nicht bis zur Bildung aromatischer Substanzen vor. Dagegen ist der übrige Darm bei Wiederkäuern verhältnissmässig kurz — so beträgt die Öapacität der vier Mägen des Rindes circa 200 Liter, die des übrigen Darmes nur etwa 80 Liter — daher stagniren auch die Futter- massen im Darm des Rindes kürzere Zeit als im Darm des Pferdes und dem entsprechend spielt sich bei den Wiederkäuern die Darmfäulniss weder in solcher Ausdehnung noch in solcher Stärke wie beim Pferde ab. So be- greift es sich, dass die‘ erst: bei länger dauernder Fäulniss entstehenden aromatischen Substanzen, Phenol und Indol beim Rinde, und wahrscheinlich bei den Wiederkäuern überhaupt, weniger reichlich gebildet werden als beim ‚Pferde. Archiv f£. A.u. Ph, 1880. Suppl.-Band z. Physiol. Abthlg. 3 Neue Studien über Athembewegungen. Von I. Rosenthal. Erster Artikel. Die Wirkung der elektrischen Vagusreizung auf die Athem- bewegungen. I], Es sind jetzt gerade zwanzig Jahre her, dass ich die Frage, ob die | Reizung des centralen Vagusendes am Halse Stillstand der Athmung im | Zustand der Inspiration oder der Exspiration zur Folge habe, einer ein- gehenden Untersuchung unterwarf. Im Herbst des Jahres 1860 machte ich auf der Versammlung deutscher Naturforscher zu Königsberg Mitthei- lung von dem Ergebniss dieser Untersuchungen. Ich war stets im Stande gewesen, bei vorsichtiger Reizung des Nerven und genauer Beobachtung des Zwerchfells einen Stillstand desselben im contrahirten Zustande zu sehen, wie es Traube angegeben hatte. Und da ich zugleich gefunden hatte, dass die Reizung im N. laryngeus sup. verlaufender Nervenfasern einen entgegengesetzten Einfluss auf das Zwerchfell hat, so stellte ich die Vermuthung auf, einige der früheren abweichenden Beobachtungen seien durch die Annahme einer gleichzeitigen Erregung jener Laryngeusfasern (durch Stromschleifen oder unipolare Abgleichung) zu erklären. Obgleich nach der ausführlicheren Mittheilung meiner Untersuchungen in meiner Schrift: Die Athembewegungen und ihre Beziehungen zum Nervus vagus, Berlin 1862, die Mehrzahl der Physiologen die Ergebnisse derselben anerkannte, so hat es doch auch nicht an Widersprüchen gefehlt. Einer- seits wurde behauptet,! dass auch im N. laryngeus inferior Fasern ent- ! Burkart in Pflüger’s Archiv u.s.w. Bd.Il S. 107. NEUE STUDIEN ÜBER ÄTHEMBEWEGUNGEN. 335) halten seien, welche eben so wie die von mir im Laryngeus superior auf- sefundenen „exspiratorisch“ wirken; da aber diese Fasern, um zur Med. oblongata zu gelangen, durch den Stamm des Vagus am Halse hindurch- verlaufen müssen, so wäre danach die Möglichkeit, auch durch Reizung dieses letzteren „Exspirationsstellung“ des Zwerchfells zu erhalten, nicht mehr zu leugnen. Auf der anderen Seite waren Hering und Breuer! durch ihre Versuche zu der Ansicht gelangt, dass auch in den Lungen- fasern des Vagus „inspirationshemmende“ Nerven vorhanden seien. Ueber diese Punkte habe ich mich theilweise schon an einem anderen Orte? ausgesprochen. Inzwischen sind jedoch über die Frage, was eigent- lich bei Reizung des Halsvasus beobachtet wird, immer wieder von Neuem abweichende Angaben gemacht worden. Es handelt sich hierbei zu- nächst gar nicht um theoretische Streitfragen, sondern einfach um That- fragen, und es kann wirklich nur im höchsten Grade befremden, dass diese heute noch in der nämlichen Weise verschiedenartig beantwortet werden wie vor zwanzig Jahren, als ich zuerst in die Discussion der Frage eingriff. Es scheint mir daher nothwendig, diese Thatfrage völlig sicher zu stellen, ehe man sich auf Weiteres einlassen kann. Ich werde deshalb zunächst in diesem ersten Artikel der „neuen Studien“ mich auf diese eine Frage be- schränken. Ich verzichte auch darauf, die Angaben der einzelner Forscher referirend zusammenzustellen, da sie unter einander wenig übereinstimmen. Ich werde vielmehr Gelegenheit nehmen, im weiteren Verlaufe der Unter- suchung da, wo es sich darum handelt, Uebereinstimmung oder Wider- spruch solchen Angaben gegenüber zu begründen, diese einzeln zu eitiren und zu besprechen. Ich habe meine früheren Untersuchungen fast ausschliesslich auf zwei Beobachtunssreihen gestützt: auf die Erscheinungen, welche man sieht nach Durchschneidung beider Vaei am Halse, und auf diejenigen, welche auf- treten bei elektrischer Reizung des oberen (centralen) Endes des durch- schnittenen Nerven. Gegenüber der Anwendung anderer Versuchsmethoden von Seiten einiger jüngerer Forscher werde ich auch jetzt diese beiden Untersuchungsarten wieder verwerthen, auf die Gefahr hin, von jenen als hinter den Fortschritten der neuesten physiologischen Technik zurückgeblie- bener Laudator temporis acti über die Achsel angesehen zu werden. Denn ich habe mich wirklich noch nicht davon überzeugen können, weder dass diese Methoden so ungeeignet seien, uns werthvolle Aufschlüsse zu geben, noch dass die anderen statt ihrer in Anwendung gezogenen ganz unzweifel- \ Sitzungsber. der Wiener Akademie. Mathem.-naturw. Classe. II. Abtheilung. Bd. LVII. 8. 672. ” Bemerkungen über die Thätigkeit der automatischen Nervencentra, insbesondere über die Athembewegungen. Erlangen 1875. 3* 36 I. ROSENTHAL: hafte, eindeutige Ergebnisse liefern. Eine andere eben so sichere Methode | der Reizung, wie sie uns der elektrische Strom bei richtiger Anwendungs- 1 weise liefert, kennen wir bis jetzt noch nicht, und um die Frage, was bei # dieser Reizung eintritt, handelt es sich in diesem ersten Artikel, wie schon gesagt, ganz allen. Die anderen Methoden, ihre Erfolge, und was aus ihnen abgeleitet werden kann, sollen später erörtert werden. Auch über das, was eigentlich beobachtet werden soll, muss ich auf meine früheren ausführlichen Auseinandersetzungen zurückverweisen. Die | Athembewegungen sind complicirte Vorgänge, man muss genau wissen, was man von ihnen untersuchen will. Steht die Athmung bei Vagusreizung still, wie es oft, aber durchaus nicht immer der Fall ist, so ist die Be- zeichnung „Inspiration“ doch nur zutreffend, wenn dabei ein oder mehrere inspiratorisch wirkende Muskeln in tetanischer Contraction nachweislich ver- harren; die Bezeichnung ‚Exspiration“ aber wird passen, wenn entweder gar keine Muskelthätiskeit vorhanden ist, oder nur solche, welche den Thorax verengert. Ich habe aber nachgewiesen, dass von den früheren Bearbei- tern der Frage Manche den Ausdruck „Exspiration“ auch dann gebraucht haben, wenn nachweislich eine freilich geringe Contraction des Zwerchfells vorhanden war. Auch die neueren Bearbeiter haben durchaus nicht immer solche Beobachtungsmethoden angewandt, dass immer unzweifelhaft aus ihnen abgeleitet werden kann, was dabei wirklich vorhanden gewesen ist. Je mehr die verwickelten Erscheinungen in ihre einfachen Elemente zerlegt und diese einzeln geprüft werden, desto eher können wir dazu gelangen, Klar- heit und Sicherheit über die Thatsachen zu gewinnen. Man kann sich bei diesen Untersuchungen vorsetzen, das Verhalten einzelner Athemmuskeln, insbesondere des wichtigsten unter ihnen, des Zwerchfells, zu studiren, oder die Gesammtheit derselben in ihrer Wirkung auf die Vergrösserung und Verringerung des Thoraxraumes in’s Auge fassen. Die Schwierigkeiten des ersteren Weges, obgleich von mir ausführlich dar- gestellt, sind von Manchen, die meinen Angaben wiedersprechen, nicht hin- länglich gewürdigt worden; aber auch der andere Weg, obgleich in vieler Hinsicht leichter, kann nur zu einem sicheren Endziel führen, wenn man ihn genau erforscht und sicherstellt, was auf ihm wirklich zu erreichen ist. Unter den vielen Mitteln, den Zustand des Thorax in jedem Zeitmoment richtig zu erkennen, das heisst festzustellen, ob und in welcher Richtung er von der Mittelstellung abweicht, also derjenigen, wo nur die elastischen Kräfte des Thorax und gar keine Muskelwirkung im Spiele sind — unter den vielen zu diesem Zweck angewandten oder möglichen Mitteln halte ich die Anwendung der Oesophaguscanüle für eines der besten. Mit ihr können wir, ohne in dem Zustande des Athmungsapparates selbst irgend etwas zu ändern, die Schwankungen des intrathoracalen Drucks mit aller Genauig- NEUE STUDIEN ÜBER ATHEMBEWEGUNGEN. Su keit messen und reeistriren, die absolute Grösse dieses Drucks, bei Beob- achtung gewisser, gleich zu erörternder Vorsichtsmaassregeln gleichfalls genau bestimmen. Gegenüber der Druckmessung in der Trachea empfiehlt sich dieses Verfahren durch viele Vorzüge. Vor Anwendung der Oesophaguscanüle ist es nothwendig, eine nach oben, gegen den Rachenraum hin, geschlossene Trachealcanüle einzulegen, um das Einfliessen der Mundflüssiskeiten in die Trachea zu verhüten. Das Einbinden einer Canüle in den oberen ÖOesophagusabschnitt, welche den Mundflüssigkeiten freien Abfluss gestattete, würde vielleicht den Zweck auch erfüllen, doch habe ich es nicht versucht. Ich unterbinde vielmehr den Oesophagus hoch oben am Halse, eröffne ihn unterhalb der Unterbindung, schiebe ein passend gekrümmtes Rohr so ein, dass seine Mündung inner- halb des Thoraxraumes im Mediastinum posticum liegt, und sichere seine Lage durch Umschnürung des Oesophagus über dem Rohr. Sodann ver- binde ich das äussere Ende des Rohrs unter Einschaltung eines T-Rohres durch einen Gummischlauch mit einer Marey’schen Schreibkapsel. Der freie Schenkel des T-Rohrs ist mit einem Hahn versehen; wenn man diesen schliesst, werden die intrathoracalen Druckschwankungen auf die elastische Membran und den Schreibhebel der Marey’schen Kapsel übertragen und können auf der rotirenden Tremmel des Kymographions aufgeschrieben werden. Es kommt nun darauf an, in welcher respiratorischen Phase dieser Hahnschluss erfolet. Gelingt es, ihn zu schliessen, während der Thorax sich genau in seiner Gleichgewichtslage befindet, dann sind die Ausschläge des Schreibhebels genaue Angaben des in jedem Augenblicke im Thorax herrschenden Druckes. Aufwärtsbewegungen zeigen positive, Abwärtsbewe- sungen negative Drucke an. Wird der Hahn aber z. B. auf der Höhe der Inspiration geschlossen, dann sieht man am Hebel nur Bewegungen nach oben. Mit anderen Worten, die Druckschwankungen, welche der Apparat aufzeichnet, sind auf einen Werth zu beziehen, welcher dem im Augenblick des Hahnschlusses im Thorax gerade herrschenden entspricht. Ist dieser gerade Null, dann sind die aufgezeichneten Ordinaten den wirklichen Drucken proportional, anderenfalls entspricht die Ruhelage des Hebels schon einem bestimmten (positiven oder negativen) Ordinatenwerthe, nämlich dem Drucke, welcher im Moment des Hahnschlusses im Thorax bestand. Es mag vielleicht überflüssig erscheinen, hier anzumerken, dass dieses Verhältniss ganz in der gleichen Weise auch für alle anderen, zur Messung des intrathoracalen Druckes in Anwendung gezogenen Methoden gilt, z. B. auch für den Aöroplethysmographen von Gad,! welcher freilich nicht Druck- sondern Volumschwankungen aufzeichnet, oder für die üblichen Verfahrungs- ! Dies Archiv. 1879. S. 181. 38 I. RosEnTHAL: weisen zur Aufzeichnung des Seitendrucks in der Trachea bei vollkommnem Luftabschluss. In allen diesen Fällen ist die Abscissenaxe, um welche die’ Schwankungen der gewonnenen Curven erfolgen, bestimmt durch den im Moment der Verbindung zwischen Thorax und Registrirapparat gerade be- stehenden Druck (bezw. Volum) und um die wahre Nulllage der Abscisse # zu finden, bedarf es einer besonderen Bestimmunge derselben. Eine eigenthümliche Art, die Druckschwankungen mittels der Oeso- phaguscanüle aufzuzeichnen, besteht darin, dass man den Hahn des T-Rohrs | nnr unvollkommen schliesst, so dass die Communication mit der freien Atmo- sphäre durch eine enge Oeffnung bestehen bleibt. Man sieht dann bei Beeinn der Inspirationen einen negativen, bei Beginn der Exspiration einen 4 positiven Ausschlag, deren Höhe von der Geschwindigkeit, mit welcher die Druckschwankung im Thorax eintritt, und von der Weite der Communi- cationsöffnung abhängt. Von einer Messung der Druckschwankungen kann | hier keine Rede sein, aber man erhält unter Umständen doch sehr be- lehrende Aufschlüsse über den Gang der Athembewegungen, und wir werden / deshalb von diesem Verfahren gelegentlich Gebrauch machen. Es entspricht | dieses Verfahren dem auch für die Registrirung des Seitendrucks in der Trachea zuweilen angewandten. Im letzteren wird dadurch angezeigt, wann der Druck in der Trachea in der einen oder anderen Richtung vom Atmo- sphärendruck abweicht, in unserem Falle, wann durch eine Bewegung des Thorax der intrathoracale Druck eine Vergrösserung oder eine Verringerung erfährt. Bei regelmässigem Wechsel kurzer in- und exspiratorischer Be- wegungen sind diese Druckveränderungen in beiden Fällen mit den be- treffenden Athembewegungen synchron und können als Anzeichen für die- selben gelten. Bei langanhaltenden Ruhestellungen des Thorax aber, oder | bei langsamer Bewegung der Thoraxwandungen in der einen oder anderen Richtung kehrt der Druck immer, welches auch die Stellung des Thorax sein möge, zum Nullwerthe zurück, nur der erste Ausschlag hat dann als Indieator für den Anfang der Bewegung eine Bedeutung. Welche Vorsichtsmaassregeln nöthig sind, um den jeweiligen Stand des Zwerchfells richtig zu beurtheilen, darüber habe ich mich schon früher aus- führlich ausgesprochen, und es wären wohl manche Irrungen vermieden worden, wenn diese Auseinandersetzungen immer genügend beobachtet wor- den wären. Ich habe damals auch eine Vorrichtung beschrieben, mit welcher ich die Zwerchfellsbewegungen graphisch aufzeichnen liess. Diese Vorrichtung, welcher ich den Namen Phrenograph gegeben habe, hat wegen ihrer Complieirtheit keinen Eingang in die physiologischen Laboratorien ge- funden. Mit den seitdem durch den Vorgang Marey’s so sehr vervoll- kommneten graphischen Methoden kann man jedoch denselben Zweck auf sehr viel einfachere Weise erreichen, und dieses vereinfachten Phre- NEUE STUDIEN ÜBER ATHEMBEWEGUNGEN. 39 nographen bediene ich mich jetzt mit grossem Vortheil. Von dem älteren Apparat ist nichts übrig geblieben als der Zwerchfellshebel, welcher mit seiner nach der Form der unteren Zwerchfellsfläche modellirten Krümmung zwischen Zwerchfell und Leber eingelegt wird. Seine Drehungsachse be- findet sich in einem flachen Ringe, welcher durch eine geeignete Klammer gehalten wird. Der äussere, vertical aus der Bauchwand hervorragende Hebelarn lehnt gegen die elastische Membran einer Marey’schen Luft- kapsel und diese überträgt die Bewegungen auf eine zweite, mit Schreib- hebel versehene, welche sie auf dem Kymographion registrirt. Man kann auf solche Weise die Zwerchfellbewegungen gleichzeitig mit den Druck- schwankungen des Thorax in Paralleleurven aufzeichnen lassen, was für manche Versuche sehr lehrreich ist. Wenden wir uns nun nach diesen Vorbemerkungen zu der Besprechung der Versuchsergebnisse, so ergiebt sich aus zahlreichen älteren und neueren, immer und immer wieder von mir wiederholten und mit allen möglichen Fig. 1. Intrathoracale Druckschwankungen, durch die Oesophaguscanüle aufgezeichnet. Beide Vagi sind durchschnitten, der rechte wird gereizt beim Zeichen x, die Reizung hört auf beim Zeichen |. Vorsichtsmaasregeln angestellten Versuchen, dass die normale Wirkung der Reizung des centralen Vagusstumpfes stets eine inspira- torische ist, aber in dem Sinne, welchen ich schon früher her- vorhob, dass die Inspirationen, wenn sie zahlreicher werden, sich zugleich verflachen, und dass, wenn es zum Athmungs- stillstand kommt, dieser mit einer meistens nur geringen An- spannung inspiratorischer Muskeln zu Stande kommt. Zur Begründung dieses Satzes gebe ich hier einige Ausschnitte aus den Curven, welche so gewählt sind, dass sie verschiedene Fälle erläutern. Ich beginne mit den Fällen, wo beide Vagi am Halse durchschnitten sind, und 40 I. RosENTHAL: der eine von ihnen gereizt wird. Fig. 1 zeigt den Erfolg schwacher Reizung.! Wir sehen hier zunächst sehr erhebliche Ausschläge des Schreibhebels als Ausdruck der seltenen aber tiefen Inspirationen, wie sie nach doppel- seitiger Vagusdurchschneidung vorzukommen pflegen. Bei der allzugrossen Empfindlichkeit, welche der Apparat in diesem Versuche hatte, macht sich jedoch die dem Hebel ertheilte beträchtliche Geschwindiekeit geltend, so dass wir die Curve durchaus nicht als getreuen Ausdruck des zeitlichen Ver- laufs der Druckschwankungen ansehen können. Was wir aus ihr schliessen dürfen, ist Folgendes: Mit dem Beginn der Reizung wird die Athemfrequenz erheblich vermehrt und zwar vorwiegend durch die Verkürzuug der ex- spiratorischen Phase (bez. der Athempause). Dabei erfoleen die respirato- rischen Druckschwankungen innerhalb engerer Grenzen, indem der Druck | bei der Inspiration nicht so tief sinkt und bei der Exspiration nicht so Fig. 2. (Ebenso wie Fig. 1.) hoch steigt, wie vorher. Nach Aufhebung der Reizung nimmt die Athem- frequenz wieder ab, ohne jedoch sofort zu der Zahl zurückzukehren, welche vor der Reizung bestand. Dabei zeigt sich nun aber zugleich, dass die Druckschwankungen nicht von derselben Abseisse ausgehen, sondern von einer ' etwas höher liegenden als vor der Reizung. Inu dem in Fig. 1 dargestellten Fall war die Abscissenaxe sehr nahe dem oberen Papierrande. Es wurde deshalb bei dem Zeichen » die Schreibtrommel angehalten und erst nach einigen Secun- den wieder in Bewegung gesetzt, worauf dann die folgenden Druckeurven den allmählichen Rückgang zu der vor der Reizung bestandenen Form zeigen. Ganz das nämliche sehen wir an Fig. 2; auch hier wächst mit dem Beginne der Vagusreizung (beim Zeichen X) die Zahl der Respirationen, wobei jede In- spiration an Intensität abnimmt; nach der Reizung steigt abermals die ' Die beigegebenen Originaleurven sind in den Holzschnitten nicht getreu wieder- gegeben, sondern im verkleinerten Maassstabe, etwa im Verhältniss von °/, der natür- lichen Grösse. Leider sind bei dieser Umzeichnung einige Einzelnheiten der Curven ganz verloren gegangen. NEUE STUDIEN ÜBER ATHEMBEWEGUNGEN. 41 Abseisse, von welcher die Inspirationen ausgehen, etwas höher als sie vor der Reizung war und kehrt erst später zu der früheren Lage zurück. Vergleichen wir die Form der Curven während der Reizung mit der- jenigen, welche ohne Reizung aufgezeichnet wird, so zeigt sich vor allen Dingen, dass der Druck im Thorax stets unter dem Nullwerthe verharrt. Der vorher erwähnte Hahn des mit der Oesophaguscanüle verbundenen Rohrs war geschlossen worden während der Athempause, welche ja nach Durchschneidung beider Vagi sehr deutlich ausgeprägt ist. Nehmen wir an, dass diese ohne active Muskelcontraction zu Stande gekommen sei, also der rein durch elastische Kräfte bedingten Gleichgewichtslage des Thorax entspreche, so würde jede Abweichung unserer Öurve nach abwärts einer activen Wirkung inspiratorischer Muskeln entsprechen. Wir müssten also sagen, dass während der Vagusreizung die inspiratorischen Muskeln (Zwerch- fell allein oder mit anderen) niemals vollkommen erschlafft seien, sondern nur periodische Schwankungen ihrer Contractionsstärke erlitten haben. Nun wissen wir aber aus früheren Untersuchungen, dass oft nach Durch- schneidung beider Vagi die Exspiration mit Betheiligung activer exspira- torischer Muskelkräfte vor sich geht; besonders ziehen sich die Bauch- muskeln stark zusammen und verengern den Thorax unmittelbar vor dem Besinne einer Zwerchfellcontraction. In unseren Curven äussert sich diese active Exspiration durch das schwache Ansteigen der Curve während der Zwerchfellspausen unmittelbar vor dem Einsetzen der starken Zwerchfell- contraction.! Aber eine Andeutung dieses Verhaltens findet sich auch wäh- rend der Vagusreizung. Wir sehen uns also ausser Stande, zu entscheiden, ob die Vagusreizung nur auf die exspiratorisch wirkenden Kräfte oder auch auf die inspiratorisch wirkenden eingewirkt habe, um diesen Unterschied im Typus der Athmung zu bewirken. Indem wir die weitere Erörterung dieser Frage einer späteren Untersuchung vorbehalten, können wir hier nur die Thatsache constatiren, dass durch die Vagusreizung neben der Ver- mehrung der Athemfrequenz und der Verringerung in der Tiefe der ein- zelnen Athemzüge auch das gesammte Niveau, um welches herum die Athemschwankungen erfolgen, tiefer gelegt, d. h. dass die Form des Thorax im Sinne einer stetigen Erweiterung verändert wird.? Das ist nun ja, wie ich schon früher hervorgehoben habe, bei jeder Vagusreizung der Fall und bietet den naturgemässen Uebergang zu dem bei stärkerer Vagusreizung eintretenden Stillstand, welcher niemals in einer " Die kleinen Ausbiegungen an diesen fast horizontal verlaufenden Curventheilen rühren von der Herzbewegung her; dieselben sind auch an den folgenden Curven zu bemerken. ° Aehnliche Erscheinungen hat neuerdings Gad als „reine Ausfallserscheinungen“ beschrieben. (Dies Archiv. 1880. 8.177.) Ich komme auf diesen Punkt noch zurück. 42 I. RosENTHAL: „Exspirations-“, sondern stets in einer „Inspirations“-Stellung eintritt. Wir können diese Vorgänge sehr gut an den in Fig. 3 und 4 dargestellten Beispielen wahrnehmen, wo die Wirkung verschiedener Reizstärken, welche nur Beschleunigung oder vollkommenen Stillstand der Respiration bewirken, dargestellt sind. Die Empfindlichkeit des registrirenden Hebels wurde in diesen Uurven beträchtlich geringer als in den vorhergehenden genommen; dadurch wurden Eigenschwingungen ganz vermieden und die Curven können als ein ziemlich getreuer Ausdruck der wirklich in jedem Augenblick vor- Bei DO Fig. 3 und 4. Beschleunigte Athmung und Athmungsstillstand bei Reizung eines Vagus, nach Durch- schneidung beider. Die den Curven beigeschriebenen Zahlen geben den Rollenabstand der Inductionsrollen an. handenen Druckwerthe angesehen werden. Die bei den Curven ange- schriebenen Zahlen geben die Abstände der beiden Rollen des Inductoriums in Millimetern an. Es war ein du Bois-Reymond’sches Schlittenindue- torium gewöhnlicher Grösse; die secundäre Rolle von 65”® Länge hat 5055 Windungen feimen Drahts; die Höhlung der primären Spinale war mit dünnen Eisendrähten ausgefüllt. Zum Betrieb diente entweder eine No&’sche Sternsäule oder (im einem Theil der Versuche) ein Grenet’sches Tauchelement, welches letztere erheblich stärker wirkt. als das erstere. NEUE STUDIEN ÜBER ATHEMBEWEGUNGEN. 43 Auf alle Fälle waren die von mir angewandten Reizstärken sehr gering im Vergleich zu denen, die von Manchen benutzt worden sind, welche dieselben Fragen untersuchten. Ich muss dies hervorheben, weil es nicht unwichtig ist, wie wir später noch sehen werden. Wenn ich bei einem Rollenabstand von 300”"m schon deutliche Wirkung der Nerven- reizung beobachtete, bei 150 bis 200m schon vollkommenen Stillstand der Athmung (Reizstärken, welche vollkommen übereinstimmen mit denen, welche ich in meinem Buche angegeben habe), so müssen andere Forscher, wenn sie meine Angaben controliren wollen, doch zunächst auch die Wirkung ähnlicher Reizstärken versuchen und nicht ohne Weiteres ihre mit fünf- oder zehnmal stärkeren Reizungen angestellten Versuche den meinen ent- segenhalten. Ich werde auch auf diesen Punkt an einer späteren Stelle noch zurückkommen müssen, betone aber hier die Thatsache, um weiteren Missverständnissen vorzubeugen. Was wir nun an allen diesen Curven (Nr. 3 und 4) übereinstimmend sehen, ist die Abnahme der Elongationen der Druckschwankungscurven mit Tieferlegung des exspiratorischen Druckmaximums, sobald die Vagus- reizung nicht zum Stillstand führt, sondern nur die Athemfrequenz steigert. Um dies recht deutlich hervorzuheben, habe ich an einzelnen Curven die oberen und unteren Kuppen der ohne Reizung aufgezeichneten Druck- schwankungen durch gerade Linien mittels des Lineals verbunden. Dadurch sieht man sehr deutlich, wie der intrathoracale Druck während der Vagus- reizung nicht so tief sinkt, aber auch niemals so hoch steigt wie ohne Reizung. Die Mittellage, um welche die Schwankungen erfolgen, liegt dabei stets etwas höher als bei den selteneren Bewegungen ohne Reizung. Bei der schwächsten Reizung (300”" Rollenabstand, Fig. 4) ist die Abweichung am geringsten, bei der stärksten Reizung, welche noch keinen Stillstand ergiebt (235””® Rollenabstand, Fig. 3) ist die Abweichung sowohl vom Druckminimum wie vom Druckmaximum am grössten. Tritt endlich Still- stand der Respiration ein, so ist der Druck im Thorax stets unter Null. Es müssen also offenbar inspiratorische Kräfte hier thätig sein, aber der Druck bleibt doch immer höher, als er bei den einzelnen Respirationen, welche ohne Reizung erfolgen, auf der Höhe der Inspiration ist. Es kann demnach wohl keinem Zweifel unterliegen, dass durch die Vagusreizung kein „exspiratorischer“ Effect ausgelöst wird, aber es kann fraglich erscheinen, ob die inspiratorischen Kräfte durch ihn vermehrt werden. Nun habe ich ja schon früher darauf hingewiesen, wie man aus den Unterschieden in der Art der Athembewegungen vor und nach der Vagusdurchschneidung nicht schliessen kann, dass die Vagi einen unmittel- baren Einfluss auf die Grösse der von dem Athmungscentrum geleisteten Arbeitsmenge ausüben. Ich habe freilich, da mir eine directe Messung 44 | ].-RosENTHAL: dieser Arbeitsleistung unmöglich war, eine recht unvollkommene Schätzung | derselben mit Hilfe dessen, was ich die „Athmungsgrösse“ genannt habe, | nämlich der Menge der in der Zeiteinheit geathmeten Luft, vorgenommen. So roh diese Schätzung auch war, so sprachen die Ergebnisse der Versuche # doch für meine Vermuthung, dass der Einfluss der Vagusreizung mehr in der Art, wie die Arbeit des Athemcentrums auftritt, als in der Grösse dieser 4 Arbeit selbst zum Ausdruck komme. Immerhin aber musste es als ein 4 Mangel empfunden werden, dass wir kein sicheres Maass für die Arbeits- # leistung des Athemeentrums besassen. Es entsteht nun die Frage, ob als # solches die von uns jetzt registrirten Druckschwankungen im Thorax be- # nutzt werden können. Nehmen wir an, die Athemarbeit geschehe nur durch einen einzigen Muskel, sagen wir das Zwerchfell. Indem dieses sich zusammenzieht, muss es die Elasticität der Lunge überwinden. Wenn dem Zwerchfell von dem | Athemcentrum aus ein gewisser Bewegungsimpuls zugeführt wird, welcher in den Muskelfasern eine gewisse Energie hervorruft, so werden diese sich | soweit zusammenziehen, dass ihre Energie den elastischen Kräften der Lunge, | welche sie zu verlängern streben, das Gleichgewicht hält. Die elastische Kraft der Lunge muss aber gemessen werden können durch den negativen ! Druck im Thorax, folglich können wir diesen als Maass der Energie der ' Zwerchfellcontractionen und somit indirect der Thätiekeit des Athemcentrums | ansehen. Die Sache wird nicht geändert, wenn neben dem Zwerchfell noch an- dere inspiratorische Muskeln in Erregung gesetzt werden. Denn die Ver- änderung des intrathoracalen Druckes wird eben dann der Summe der Energien dieser Muskeln proportional sein müssen. Ebensowenig kann es der in Rede stehenden Messungsmethode Eintrag thun, wenn diese Muskeln einige Zeit in tetanischer Contraction verharren, so dass sich ein Gleich- gewichtszustand zwischen ihrer Energie und der Elastieität des Lungen- gewebes herstellt; denn die Gesammtleistung der Muskeln wird in diesem Falle gemessen werden können durch das Product ihrer Energie in die Zeit, während welcher sie wirkt. In der nämlichen Weise würde sich die Rech- nung stellen, wenn ein oder mehrere Exspirationsmuskeln den Thorax aus seiner Ruhelage in eine mit Volumsverkleinerung verbundene Lage brächten, so dass in dem Thoracalraum ein positiver Druck entstände (den Druck bei dem Ruhezustand des Thorax gleich Null angenommen). Denn dieser po- sitive Druck müsste stets proportional sein der Summe der Widerstände, welche die Verkleinerung des Brustvolumens findet (Torsion der Rippen- knorpel u. s. w.) und welcher die Energie der Exspirationsmuskeln das Gleich- gewicht hält. Wirken also Inspirations- und Exspirationsmuskeln abwechselnd, so bleibt das Verhältniss dasselbe; die Gesammtarbeit der Respirationsmuskeln NEUE STUDIEN ÜBER ATHEMBEWEGUNGEN. 45 wird proportional sein der Differenz zwischen höchstem und niederstem Druck. Nur wenn etwa exspiratorische und inspiratorische Muskeln gleichzeitig in Thätigkeit treten, würde unsere Messung unrichtige Werthe geben, da sie nicht der Gesammtarbeit, sondern nur der Differenz der von beiden Muskel- gruppen geleisteten Arbeitsmengen proportional sein würde. Ob dieser Fall der gleichzeitigen Wirkung in- und exspiratorischer Muskeln vorkommt, werden wir an einer späteren Stelle zu untersuchen haben. Hier will ich nur soviel bemerken, dass er bei der mässigen Vagus- reizung, von welcher jetzt allein die Rede ist, nicht vorkommt. Aus diesem Grunde glaube ich an die Stelle der von mir früher benutzten Ath- mungssrösse mit grösserer Sicherheit die intrathoracalen Druckschwankungen als Maass der Arbeitsleistung des respiratorischen Apparats setzen zu können. Ich habe deshalb Ausmessungen der Curven verglichen, indem ich die In- tegration derselben vornahm für gleiche Zeitdauer der seltenen und tiefen Athemzüge, wie sie ohne Reizung stattfinden und der häufigeren und flacheren Athemzüge, wie sie bei schwacher Reizung eines Vagus auftreten.‘ Die ‚gewonnenen Werthe fielen so gleich aus, wie man es bei der Ungenauigkeit des Verfahrens kaum erwarten konnte. Ich sehe deshalb in diesen neuen Versuchen eine Bestätigung des Satzes, welchen ich in meinen Athembe- wegungen S. 241 ausgesprochen. habe: Die Thätigkeit der Medulla oblongata wird nur bestimmt durch den Sauerstoffgehalt des "Blutes. Die Erregung der Vagi vermag diese Thätigkeit nicht ‚zu vergrössern, sie bewirkt nur eine anderweitige Vertheilung ‚der in’s Spiel gesetzten Muskelwirkungen, derzufolge die Athem- ‚bewegungen häufiger, dafür aber schwächer werden. Die 'äusserste Grenze dieser Einwirkung hat eine stetige Contraction ‚von Muskeln zur Folge, deren Stärke und Dauer bedingt ist von der Grösse der vorhandenen Reizung.“ Ä Was diesen letzteren Punkt anlangt, so ist wohl zu beachten, dass die ı Grösse der vorhandenen Reizung (welche ja von dem Sauerstoffgehalt des ‚ Blutes abhängt) nicht constant bleiben kann, wenn es zum Athmungsstill- ‚stande kommt. Die Zahl und Tiefe der Athemzüge hat ja freilich auch einen ‚Einfluss auf die Lüftung des Blutes, aber der Gasgehalt desselben kann doch, ‚ wenn von seltenen und tiefen zu zahlreichen und flachen Athemzügen über- gegangen wird, annähernd gleich bleiben. Sobald aber der Athmungs- ‚apparat sanz zum Stillstande kommt, so muss, welches auch seine Stellung | sein möge, eine stetige Abnahme des Sauerstoffes im Blute eintreten und ‚die Reizung der Medulla muss stetig wachsen. Dem entsprechend sehen ee ! Die Integration geschah nach der Methode von Volkmann. Die Curven ‚ wurden auf feinem Postpapier durchgepaust, ausgeschnitten und gewogen. | | | | 46 IE ROSENTHAL E wir auch, dass in allen Fällen, wo es zum Stillstand bei Vagusreizung # kommt, die Curve nicht horizontal verläuft, sondern sich langsam senkt, was offenbar einer allmählich wachsenden Arbeitsleistung entspricht. Wir # werden demgemäss auch hier keine Gleichheit der Gesammtleistung mit # der vorher in einzelnen Athemzügen ausgeführten erwarten dürfen, weil 4 eben der eine Factor, von welchem die Arbeitsleistung des Athmungscentrums abhängt, nämlich der Sauerstoffgehalt des Blutes, nicht unverändert geblieben | ist. Diese Leistung muss wachsen, ohne ‘dass wir daraus schliessen dürfen, die Vagusreizung habe unmittelbar eine Steigerung der Thätiekeit des Ath- mungscentrums zur Folge gehabt. Alles was wir aus den Erfolgen der # Vagusreizung schliessen dürfen, ist nur, dass sie auf irgend eine Weise die Abgleichuug der im Athmungscentrum entstehenden Erregungen erleichtert, ohne sie quantitativ zu verändern. Fehlt dieser erleichternde Einfluss, wie es eben nach Durchschneidung | beider Vagi der Fall ist, dann kommt es zu seltenen aber tiefen Inspirationen, | welche bei dem immer mehr wachsenden Widerstande der elastischen Lungen den Thorax anfangs mit grosser, dann mit immer mehr abnehmender Ge- schwindigkeit ausdehnen. Die Curve des intrathoracalen Druckes hat des- halb einen nach oben (der Abseissenaxe zugewendet) concaven Verlauf. Ist der in einer Inspiration ausgegebene Erregungsantrieb erschöpft, so kehrt der Thorax zunächst nur durch seine elastischen Kräfte in seine Ruhestellung zurück, zuweilen wird er noch um ein geringes durch Contraction exspirato- rischer Muskeln verengt und manchmal liegt zwischen dieser Verengerung und dem Nachlass der Inspiration eine merkliche Athempause, wo der Thorax für kurze Zeit in Ruhestellung verharrt, während sich an die active Exspiration die nachfolgende Inspiration unmittelbar anschliesst. Tritt nun die Vagusreizung ein, so werden die Inspirationen schwächer und häufiger, die Athempause verschwindet ganz und mit ihr die active Exspiration. Es scheint aber, als wenn bei der häufigeren Athmung der Thorax überhaupt gar nicht vollkommen in seine Ruhestellung kommt; die neue Inspiration beginnt eben schon, ehe noch die Thoraxwandungen, in’s Besondere das /werchfell, ganz mit den elastischen Lungen sich in’s Gleichgewicht gesetzt haben. Auf diese Weise erklärt es sich, dass die Exspiration nicht zu einer vollkommenen Erschlaffung ‚des Thorax führt, ohne dass man daraus auf eine stetige active Contraction inspiratorischer Muskeln schliessen darf. Wenn man in der früher beschriebenen Weise mit nicht ganz ge- schlossenem Seitenhahn der Oesophaguscanüle arbeitet, so erhält man Bilder, wie sie Fig. 5 und 6 zeigen. Statt der wirklichen Druckeurve werden nur die plötzlich erfolgenden Wechsel in den Druckschwankungen durch Aus- schläge des Hebels markirt, während langsamere Druckveränderungen entweder ganz verloren gehen oder sich nur durch kleine Ausbiesungen NEUE STUDIEN ÜBER ATHEMBEWEGUNGEN. 47 ‚ der Curve darstellen. Vergleicht man die so gewonnenen Curven mit sol- ‚ chen, welche bei geschlossenem Hahn unmittelbar vorher oder nachher ge- zeichnet worden sind, so überzeugt man sich, dass der nach unten vor- ‚'springende Zahn der Curve, welcher aus einem fast verticalen Strich nach ‚abwärts und einem geknickten Strich nach aufwärts besteht, der activen | inspiratorischen Erweiterung des Thorax angehört. Indem diese Erweiterung mit allmählich abnehmender Geschwindiekeit erfolgt, hat die Luft Zeit, ‘schon während der Inspiration durch die Hahnöffnung einzudringen ; der ‚ imtrathoracale Druck kehrt trotz fortschreitender Thoraxerweiterung auf Null zurück. Erschlafftt nun das Zwerchfell, so bekommen wir einen positiven Ausschlag, aber der Druck kehrt bald wieder auf Null zurück und der Hebel zeichnet einen langen horizontalen Strich, eine scheinbar vollkommen | ig EISEN AI \ \ / \ A Na Y 7 / Fig. 5 und 6. ‚Druckschwankungen im Thoraxraum bei unvollkommenem Abschluss der Oesophagus- canüle. Bei Fig. 6 war der Hahn weiter geöffnet als bei Fig. 5. /naetive Athempause, in der jedoch geringe Contractionen exspiratorischer Muskeln vorkommen können, welche sich hier nicht ausprägen, weil sie aur langsame Druckschwankungen bewirken. Reizen wir nun den Vagus, so fallen die Ausschläge des Hebels kleiner aus, weil die Energie der respi- ‚tatorischen Bewegungen geringer wird, und der Theil der Curve, welcher ‚ler Höhe der Exspiration entspricht, fällt ganz oder doch fast ganz fort, weil eben, während das Zwerchfell noch im Rückgange von seiner Con- iraction ist, schon eine neue Zwerchfellscontraction beginnt. | Ich habe früher angenommen, dass die normale Vagusreizung, welche ‚während des ganzen Lebens besteht, durch mechanische Zerrung der Vagus- andisungen in der Lunge zu Stande komme, so dass jede Inspiration, so ‚lange beide, oder wenigstens ein Vagus intact ist, auf den Ablauf der fol- ‚zenden einen Einfluss ausübt und ihren Charakter bestimmt. Diese An- ‚schauung stimmt ja auch mit der später von Hering und Breuer ent- \ | | | ) | j | \ 48 I. ROSENTHAL: wickelten, welche diesen Einfluss nur noch weiter zergliedern wollen. Um dieselbe zu prüfen, habe ich den Vagus durch kurzdauernde elektrische Reize erregt. Lässt man solche in Intervallen, wie sie etwa der Zahl der Respirationen entsprechen, auf einander folgen, so ergeben sie ganz dasselbe wie dauernde Reizung. Es besteht also gar keine Schwierigkeit, sich den normalen Einfluss des Vagus auf das Athmungscentrum als aus einer An- zahl solcher Reize zusammengesetzt zu denken. Man kann aber auch die Wirkung eines solchen einzelnen kurzdauernden Reizes für sich allein be- obachten, wie dies Fig. 7 zeigt. Man sieht hier, dass jedes Mal die folgende, zuweilen auch die zwei folgenden Respirationen in ihrer Form geändert sind, und zwar in demselben Sinne, wie es bei dauernder Reizung geschieht. Die Inspiration wird schwächer, aber die Exspiration wird zugleich kürzer, weil die nächstfolgende Inspiration früher einsetzt. Die Unterschiede der einzelnen Reizerfolge können nicht weiter auffällie erscheinen, weil einer- Ar A ia rm AINIINANMINV. WMANIMAV WAVVWMAUVGN Fig. : Wirkungen einzelner, kurzdauernder Vagusreizungen. Jedes Mal bei dem Zeichen x wurde der eine Vagus auf sehr kurze Zeit elektrisch gereizt. seits die Dauer der einzelnen Reizungen, andererseits die Phasen, in denen sie eintraten, zufälligen Schwankungen unterworfen waren. In einem spä- teren Artikel werde ich ein Verfahren beschreiben, diese Art der Unter- suchung genauer durchzuführen. Indem ich die weiteren Erörterungen auf die folgenden Artikel ver- schiebe, gebe ich zum Schluss noch zwei Curvenbeispiele, von welchen das eine das Verhältniss der Zwerchfelleontractionen zu den Druckschwankungen im Thorax darstellt (Fig. 8), das andere bestimmt ist, zu zeigen, dass auch bei Reizung eines Vagus, während der andere unversehrt ist, der Athmungs- stillstand in derselben Weise sich einstellt, wie nach Durchschneidung beider Vagı (s. Fig. 9). Die Zwerchfellbewegungen in Fig. 8 sind nicht getreu dargestellt, d. h. die Ordinaten der Curve sind nicht genau proportional den Elongationen des Zwerchfells. Der Uebersichtlichkeit der Curven wegen wurde die Em- a NEUE STUDIEN ÜBER ATHEMBEWEGUNGEN. 49 ' pfindlichkeit des Phrenographen so weit vermindert, dass die Exeursionen ' ganz klein ausfielen. Wir sehen jedoch, dass der Sinn der Zwerchfells- ‚ bewegungen und der intrathoracalen Druckschwankungen stets zusammen- ' fällt. Wenn das Zwerchfell nach abwärts geht (was in unserer Curve durch ) ein Aufwärtssteigen des Schreibhebels ausgedrückt wird), sinkt der intra- ' thoracale Druck und umgekehrt. Wir sind also berechtigt, anzunehmen, ) das andere Athmungsmuskeln, welche ausser dem Zwerchfell noch an den | Bewegungen theilnehmen, niemals, weder nach Durchschneidung der Vagi, Fig. 8. Intrathoracaler Druck und Zwerchfellbewegungen sind gleichzeitig untereinander auf- gezeichnet worden. Während der Vagusreizung hat das Zwerchfell in einer mittleren Lage kleine Bewegungen ausgeführt und der intrathoracale Druck zeigt kleinere Schwankungen um eine mittlere Lage. x Ammann. 17. 200: DENN a no 200 22° Fig. 9. Athmungsstillstand bei Vagusreizung. Der andere Vagus ist unversehrt. ‚noch bei der Reizung, die druckvermindernde Wirkung des Zwerchfells ‚ umkehren, von abnormen Fällen, deren bisweiliges Vorkommen ich nicht gänzlich läugnen will, natürlich abgesehen. Wir können also jedes Mal von einer Zwerchfellscontraction sprechen, wenn der intrathoracale Druck vermindert wird, und umgekehrt. Das Zwerchfell ist eben der Hauptrespi- ‚ rationsmuskel, es bestimmt die Form des Thorax und damit den intra- ‚ thoracalen Druck, und die anderen respiratorischen Muskeln arbeiten in der Regel in Uebereinstimmung mit ihm. j | Archiy f. A. u. Ph. 1380. Suppl.-Band z. Physiol. Abthlg. 4 Ueber die Gallenbildung beim Hunde. Von Dr. P. Spiro. Aus dem physiologischen Institut zu Leipzig. Was uns Alles zu wissen nöthig wäre, um die Abhängigkeit der Gallen- absonderung von der Nahrung erschöpfend darzustellen, lässt sich unschwer ' aufzählen; anders aber verhält es sich mit der Möglichkeit, den ausge- sprochenen Forderungen zu genügen. Allerdings die erste Bedingung jeder ' weiteren Untersuchung ist uns nach dem Vorgang von Th. Schwann durch die Bemühungen von H. Nasse! und Fr. Arnold? erfüllt, denn wir sind gegenwärtig befähigt, die Galle in dem Maasse, wie sie entsteht, wochenlang in ununterbrochener Folge aufzufangen, das zweite Erforderniss dagegen, die rasche und vollständige Analyse der gewonnenen Flüssigkeit steht noch im weiten Felde. — Unter diesen Umständen muss der Wunsch, dem letzten Ziele näher zu kommen, sich vorläufig damit begnügen, nur einen oder einige der Gallenbestandtheile in den Kreis der Untersuchung zu ziehen. Bei der zu treffenden Wahl tritt der Schwefel in den Vorder- grund, weil aus seiner Menge auf einen der wichtigsten Gallenstoffe — auf die Taurocholsäure — zu schliessen ist. Nächstdem erscheint es vor- ' theilhaft, den Stickstoffgehalt der Galle zu berücksichtigen. Wenn auch sein Auftreten nicht in gleicher Weise wie das des Schwefels an nur ein Molecül geknüpft ist, so durfte man doch zum Mindesten hoffen, durch die aus der Bestimmung des Stickstoffs gewonnenen Erfahrungen neue Ge- sichtspunkte zu schöpfen, von welchen aus dem Chemiker Fragen zu stellen 1 Nasse, Commentatio de bilis quotidie a cane secreta copia et indole. Pro- gramm der Universität Marburg. 1851. ? Fr. Arnold, Zur Physiologie der Galle. Mannheim 1851. — Derselbe, Physiologische Anstalt der Universität Heidelberg. 1858. P. SpiRO: ÜBER DIE GALLENBILDUNG BEIM HUNDE. 51 wären, die ihn zur Vervollständigung der Gallenanalyse bewegen könnten. In Folge-dieser Gründe bin ich einer Anregung nachgekommen, die mir Hr. Professor ©. Ludwig zu Theil werden liess. Indem ich mir vorbehalte, in einem Anhange zu dieser Abhandlung die Methoden genauer zu beschreiben und zu begründen, welche bei den Versuchen angewendet wurden, werde ich vorerst die Grundsätze entwickeln, welche für ihre Anwendung maassgebend waren. Nachdem die Wunde vernarbt war, welche zur Verödung des Gallen- ganges und zur Bildung der Blasenfistel nöthig gewesen, wurde mit dem Sammeln der Galle zu analytischen Zwecken begonnen, und hiermit ohne ‚ jegliche Unterbrechung während der ganzen Versuchsdauer fortgefahren. Durch eigene und fremde Erfahrungen belehrt wurde dem ungehinderten Abfluss der Galle die grösste Sorgfalt zugewendet. Aus dem Blasenschleim und dem Wundsecret bilden sich häufig Pfröpfe, welche innerhalb des ver- engsten Fistelganges sehr leicht zu Verstopfungen führen. Ereignet sich dieses auch nur zeitweilig, so tritt aus bekannten Gründen die Galle als- bald in die Lymphgefässe und von da in das Blut über. In Folge hier- von färbt sich der Harn, und was für den Versuch bedenklicher, es ver- mindert sich die Fresslust des Thieres und es decken sich nicht mehr die ‚ Mengen der entstandenen und .der aufgefangenen Galle. Auf einen voll- | ü ‚ständigen Abfluss der letzteren kann nur dann mit Sicherheit gerechnet werden, wenn dauernd in den Fistelgang eine silberne Röhre befestigt ist, ‚ welche einerseits bis in die Blase hinein und andererseits über die Bauch- wand hervorragt. Diese Forderung lässt sich durch das später zu beschrei- bende Verfahren sicher und ohne Störung für die Gesundheit des Thieres erreichen. Die aus dem eingelegten Röhrchen abfliessende Galle trat in einen geräumigen von weichem Kautschuk gefertigten Beutel über, aus welchem ‚ sie in 24 Stunden mindestens dreimal, öfter aber auch alle Stunden ent- N | leert und gemessen wurde. Zur Anwendung dieses Verfahrens eignen sich ‚ nur geduldige Thiere. An der in je 24 Stunden aufgefangenen Galle wurde bestimmt: das ‚ Gesammtvolumen und in einem abgemessenen Bruchtheil der ganzen Menge oder in den verschiedenen Portionen derselben der trockene Rückstand (feste Galle) und jedes Mal der Schwefelgehalt desselben. Ausserdem wurde ' aus sämmtlichen zu einer Fütterungsreihe gehörenden Gallenmengen ein Gemisch hergestellt, in welchem die täglich aufgefangenen Quantitäten ihrem Grössenverhältnisse nach vertreten waren. In ihm wurde der Stick- stoff bestimmt, so dass die Menge desselben bekannt war, welche durch die Galle während eines bestimmten Abschnittes der Beobachtungsdauer abge- schieden worden. Oefter wurde auch die mittlere tägliche Stickstoffmenge 4* 52 P. Spriro: bestimmt; dieses täglich zu thun, dürfte die Kräfte eines einzigen Beob- achters übersteigen. So lange uns die gesetzmässigen Beziehungen unbekannt sind, welche zwischen der Art und Menge einer Nahrung zu dem Verlauf und dem Umfang einer Absonderung bestehen, wird es nothwendig bleiben, die ge- sammte Menge der abgesonderten Galle und nicht bloss Bruchtheile der- selben aufzusammeln. Alle Gründe, welche bei den entsprechenden Ver- suchen über die Absonderung des Harns für das Gewinnen der gesammten Abscheidung gelten, finden auch auf unseren Fall volle Anwendung. Hier- nach würde ich nicht bloss für mein Verfahren, sondern auch dafür auf Billisung rechnen dürfen, wenn ich zur Vergleichung mit den meinen nur die fremden Erfahrungen herbeiziehe, bei welchen die Galle dauernd auf- gefangen ward. Ausser der Galle wurden auch der Koth und der Harn gesammelt, gemessen, bez. gewogen und ihr Gehalt an Schwefel und Stickstoff bestimmt. Der erstere selbstverständlich deswegen, um die Menge des aus der Nah- rung resorbirten Schwefels und Stickstoffes zu erfahren. Die Auswerthung der beiden genannten Stoffe im Harn wurde vorgenommen, theils um das, was durch ihn und die Galle ausgeschieden war, vergleichen zu können, theils auch um zu prüfen, in wie weit die tägliche Ausscheidung an Schwefel und Stickstoff dem mit der Nahrung aufgenommenen entsprach. Rücksichtlich der Fütterung, welche dem Thiere zu Theil wurde, zer- fielen die Versuchsthiere in solche, in welchen ihm die feste Nahrung ganz entzogen war, in andere, in denen ihm Blut transfudirt ward und endlich in solche, in denen es feste Speisen empfing. Die letzteren bestanden aus rohem magerem Pferdefleisch und aus Kohlehydraten. Beides, Fleisch und Kohlehydrate wurden ihm entweder jedes für sich allein oder im Gemenge vom bekannten Gewicht gegeben. Von dem Fleische, welches zum Futter dienen sollte, wurde sogleich so viel gekauft, dass dasselbe für viele Tage hindurch ausreichte. Die ge- sammte Menge desselben wurde fein gehackt, auf das Innigste gemengt und in eine grössere Zahl abgewogener Portionen vertheilt. Jede derselben wurde in ein mit einem Glasstopfen verschlossenes Präparatenglas gebracht und sämmtliche Gläser in der Eiskiste vergraben, so dass die Temperatur in ihrem Inneren stets auf’ 0° erhalten blieb. Bei dieser Behandlung hielt sich das Fleisch während der Dauer von 25 Tagen, d. h. so lange als eg aufbewahrt wurde, vollkommen unverändert. Vor dem Einsetzen in die Gläser waren dem Fleischbrei mehrere Proben entnommen und in diesen der Schwefel bestimmt worden. In Folge dieser Behandlung des Fleisches konnte mit Sicherheit darauf gerechnet werden, dass das Thier stets eine Nahrung von gleicher qualitativer Zusammensetzung erhielt. | ÜBER DIE GALLENBILDUNG BEIM HUNDE. 53 Als zu der Fütterung mit Kohlehydraten geschritten werden sollte, setzte ich dem Hunde anfänglich einen zuckerhaltigen Stärkebrei vor; von diesem wurde zwar eine merkliche Menge verzehrt, alsbald aber ein Theil wieder ausgebrochen; besser wurde der Stärkebrei vertragen, wenn dem- selben gleichzeitig etwa das doppelte seines Gewichtes von Fleisch beige- mengt wurde. Immerhin erwies sich das Amylum in dieser Form als un- zweckmässig, deshalb liess ich später von einer geschickten Köchin Kuchen backen, deren jeder aus dem Weissen zweier Hühnereier, 60°” Zucker und 40®® Stärke bestand. Diese Kuchen, welche vom Thiere begierig verzehrt wurden, enthielten also etwas an Stickstoff und Schwefel. Um die Menge dieser letzteren schätzen zu können, wurde sie des Ver- gleichs wegen aus dem Weissen einiger anderer Eier bestimmt, welche mit dem zum Kuchen benutzten annäheınd gleich gross waren. — Mit Zusatz von Fett zur Nahrung habe ich keine Versuche angestellt. Zum Saufen wurde destillirtes Wasser in der Regel zweimal des Tages verabreicht, Mittags und Abends. In diesem wurde zu zwei verschiedenen Zeiten und zwar Wochen hindurch je 28” essigsaures Natron täglich auf- gelösst; anfänglich wurde die Lösung mit Begierde gesoffen, später ver- schmäht und ihr destillirtes Wasser vorgezogen, dann aber von Neuem gern genommen. Man könnte daran denken, dass der Verlust an gallen- saurem Natron das Bedürfniss nach einem organischen Natronsalz ge- weckt habe. Unter den verschiedenen Hunden, denen ich Gallenfisteln angelegt habe, nimmt einer seiner grossen Brauchbarkeit wegen den ersten Rang ein. Er wurde am 12. November 1877 operirt und am 17. December, nachdem alle Störungen der Operation ausgeglichen waren, 6 Tage hindurch mit 5008” Fleisch gefüttert und zu dem Versuche abgerichtet. Die Nacht und ein Theil der Morgenstunden befand er sich in dem schon früher be- schriebenen Kasten! zum Sammeln von Koth und Harn, den Tag über hielt er sich in meiner Nähe auf. Regelmässig wurde er um 12 Uhr ge- wogen und dann gefüttert. Der Gallenbeutel wurde meist dreimal in 24 Stunden und zuweilen auch öfter entleert. Folgendes war der Verlauf der Fütterung: =17.—-22/12. 77. 5008“ Fleisch täglich. 23.—24/12. Amylumkleister mit Zucker. Erbrechen. 25.—30/12. Im Mittel 188°” Fleisch und 748°” Kohlehydrat, die auf- genommene Fleischmenge schwankte von einem Tag zum anderen zwischen 200 und 146°”, die des Kohlehydrats zwischen 82 und 4Teım, 1 Arbeiten aus dem physiologischen Institut zu Leipzig. 1875. S. 292. 54 P. Spiro: 31/12. 77. Von den vorgesetzten 500°” Fleisch nimmt das Thier nur ls 1/1. 78. Das ursprünglich eingeheilte Röhrchen fällt aus. 26/1. Es wird ein neues Röhrchen eingelegt und die dadurch ver- ursachte Störung abgewartet; das täglich aufgenommene Wasser wird von nun an mit 28% essigsaurem Natron versetzt. 7.—11/l. Von den 5008” vorgesetzten Fleisches nimmt der Hund nur einen Theil. Die aufgenommene Menge wechselt zwischen 300 und 480. 87, 12.—17/1. Die 5003"® vorgesetzten Fleisches werden regelmässig verzehrt. 18.—23/1. 500°” Fleisch und 100®°% Stärkemehl-Zuckerkuchen. 24.— 28/1. 5008"” Fleisch. 29/1.—3/2. 200°” Stärkemehl-Zuckerkuchen. 4.—6/2. 500®"® Fleisch. 7.—10/2. An den ersten drei Tagen je 1000®"® Fleisch, der Hund frisst die grössere Portion um 12 Uhr, der kleinere Rest wird im Verlaufe der folgenden halben Stunde verzehrt. Am vierten Tage frisst er nur 7972”%, auch zieht er vom 10/2. an das destillirte Wasser als Getränk der bis dahin verabreichten Lösung vom essig- saurem Natron vor. 11.—13/2. 500°” Fleisch. 14/2. Das Gallenröhrchen fällt aus und wird durch ein neues ersetzt. 15.—19/2. 250°” Fleisch. 20.—23/2. 1258” Fleisch. 24.—28/2. Ohne Nahrung; als Getränk wird wieder die Lösung von essig- saurem Natron vorgezogen. 1/3. Es werden dem Hunde um 12 Uhr 200°“ defibrinirtes Hundeblut in die V. jugularis eingespritzt. Das Thier verendete in Folge einer Zerreissung von Unterleibsgefässen, aus der Bauchhöhle können 145°” Blut gesammelt werden. Die Leichen- untersuchung ergab ferner: Blutergüsse in der Leber, im Bauchfell u. s. w. Das Fettgewebe der Haut, der Nierenkapsel und anderer Orte war reich- lich entwickelt. Magen und Darmkanal enthielten blutige Flüssigkeiten, aber keinen Koth. Der künstliche Gallengang hatte eine Länge von 3%; das Röhrchen ragte bis in die Höhle der Gallenblase; diese selbst war zu- sammengefallen und der Rest des Gallenganges verengt. Einer der Fäden, welche zur Abschnürung des Gallenganges gedient hatten, lag im blinden Ende des mit der Gallenblase zusammenhängenden Gangrestes, der andere in dem blinden Ende des mit dem Zwölffingerdam in Verbindung geblie- benen Abschnittes des Gallenganges. Die zwei blinden Enden des letzteren waren durch eine starke Narbe aus Bindegewebe von einander getrennt. ÜBER DIE GALLENBILDUNG BEIM HUNDE. 55 Die Erfahrungen, welche aus dem Sammeln und der Analyse der Galle erwachsen sind, werde ich in den folgenden Mittheilungen der Art ordnen, dass zuerst von dem procentischen Gehalt der trockenen Galle an Schwefel und Stickstoff und darauf von den Variationen der täglich abgesonderten Menge beider Stoffe gehandelt wird. 1. Ueber den Procentgehalt an Schwefel, welcher im trockenen Rückstand der Galle angetroffen wurde, giebt die folgende Zahlenreihe Aufschluss, für deren Verständniss durch die Ueber- schriften über die einzelnen Stäbe genügend gesorgt sein wird. Datum. Ben Futter. 17.—22/12. Im Mittel pro Tag 2 25.— 30/12. Im Mittel pro Tag Hl... 13/1. . 14/1... 15/1. . 86... 17/1. Im Mittel pro Tag 18/1... 19/1... 20/1... pro Tag 24/1... w25/1.. 26/1... pro Tag Tu. 28/1. Tm Mittel ° .'500 Fleisch . 188.3 Fleisch und 74.2 Kohlehydrat .500 Fleisch. = ” ” ® j ie | .477 Fleisch und 100 Kohlehydrate . .!500 Fleisch und 100 Kohlehydrate . es . Desgleichen . 221. — 25/1. Im Nittel | . Desgleichen . ..500 Fleisch . Täglich an trockener Galle. Schwefel | darin. Schwefel- ‚ procente. wo DDyDDMD 19 .92 76 .64 -85 96 -41 16 69 «85 .S7 -09 -18 -08 97 89 .94 76 56 P. SpiRo; Täglichan| _. Datum. | Futter. trockener | ® dnsenl | Senn | Galle © darin. procente. | grm grm grm De ..200 Kohlehydrate 2.199 | 0.067 | 3.05 / Do ar, 5 2.705. 0.07.10 700856 tee h 2.448 , 0.069 | 2.2 a2 0.0. ..,.500° Rlesch 4.252. | 0.1030 9259 5/2 le h ı 4.814 20.1412 0.209: 6/2. 5 : ı 2.211 | 0.126» 920mm 1/2. 10004 5, 51320-159222 22909 8/2. x s 5.268 | 0.155 | 2.94 9/2. ae R 6.177 | 0.190.73208 10/2. aa | 6.078 | 0:196 | 3.22 in 2%, 800. 5 | 5:748| 0.108) 23210 122. a S 4-995 | 0-150:| 3.00 139 I 4 4.612.) 02156200893 9 12508 29.7322 0.0812, 00297 162.. Be h | 2.320 | 0.066 | 2.84 12. 5 5 3.191 | 0.098 | 3.07 18/2. es E 4.349 | 0.1232 9282 192. > 42152 || .0-12820 3208 202 Ba 3.508 | 0.100 | 2.85 219 2 n 3.243 | 0.097 | 2.99 22/2 5 3.267 | 0.099 | 3.03 2312. 5 % 2.998 | 0-061 | 2.04 24/2 Ohne Nahrung . 2.409 | 0-071 | 2.94 ° 25/2... & 2.179, 0-04 es a nen 5 2.159. | 0.0567 22260 27. u. 28/2. Im Mittel |” | pol |, „2.22. 9.108).:0-.0650 0.03 Ordnen wir die Procentwerthe der festen Galle an Schwefel nach ihrer Grösse und der Häufigkeit ihrer Vorkommniss, so finden wir: 1 Fall mit 3-41 Proc. 1, „ 322 „ 3 Fälle zwischen 3-19 bis 3-16 Proc. 1052, ” 3.10 „ 3-00 ,„ 11 ” ” 2.337, 22907, 9 ” „ 2.89 „ 2.82 „ ÜBER DIE GALLENBILDUNG BEIM HUNDE. 57 2 Fälle mit 2.76 Proc. 8 ,„ zwischen 2.69 und 260 Proc. De bei 2.55 Proc., nämlich 2.56 und 2.54 Proc. eNallı mit 2.04 1 ” ” 1.88 ” Unter 44 Beobachtungen sind demnach 30 enthalten, in welchen sich der S-Gehalt zwischen 3-10 und 2-82 Proc. bewegt; wollte man die Zahlen, welche unterhalb 2-60 und die welche oberhalb 3-20 liegen, als ausser der Reihe fallend, unbeachtet lassen, so würden 80 Procent aller Bestimmungen nur um 0-3 Procent Schwefel von einander abweichen, und von diesen wären die übrigen 20 Proc, der Beobachtungen nur um + 0:1 Proc. ver- schieden. Danach bieten die procentischen Schwefelmengen der festen Galle, die zu sehr verschiedenen Zeiten und bei sehr wechselvoller Nahrung ausge- schieden wurde, eine solche Uebereinstimmung, dass man in Anbetracht der zahlreichen Zufälliekeiten, die bei anstrengenden und andauernden ana- lytischen Arbeiten nicht ausbleiben, zu der Meinung kommen könnte, es besitze die feste Galle einen stets unveränderlichen Schwefelgehalt. Zur Zeit muss ich jedoch Anstand nehmen, diesen Ausspruch festzuhalten, weil ich mir bei der Bestimmung der selbst beträchtlich aus der Reihe fallenden Procentwerthe keines Versehens bewusst bin, und nicht minder deshalb, weil ein unveränderlicher Schwefelgehalt des Rückstandes mit dem, was ' wir sonst von der Zusammensetzung und der Entstehung der Galle wissen, schwer vereinbar wäre. Sie stellt ein Gemenge aus mineralischen und or- ganischen Stoffen in solchen Verhältnissen dar, dass wir nicht einmal an einen gemeinsamen Ursprung der verbrennlichen Bestandtheile aus nur ' einem Mutterstoff denken können; zudem entsteht nach allgemeingiltiger _ Annahme ein Antheil der Galle in den Leberzellen, ein anderer in den Drüsen der Ausführungsgänge; wie sollte unter diesen Umständen die Un- veränderlichkeit des Schwefelgehaltes denkbar sein? Wie nun auch in der Zukunft die eben aufgeworfene Frage entschieden werden möge, gegenwärtig lässt sich schon mit voller Sicherheit behaupten, dass der Procentgehalt der festen Galle an Schwefel ausser aller Beziehung ' zu der Art und Menge der gereichten Nahrung steht. Dieses ergiebt sich ‚ aus einer Zusammenstellung der Mittelwerthe des Schwefelgehaltes in den verschiedenen Fütterungsperioden. Sie betrugen: Bei reiner Fleischnahrung.' Für 125%" Fleisch = 2-95 Proc. „ 250 „ ” = 2% „ „ 00 ,, 2) = 3:02 ,„ „ 1000 „, » = 3.01 „ 58 P. Spiro: Nahrung gemischt aus Fleisch und Kohlehydraten. Für 5008” Fleisch und 100®'® Kohlehydrat = 3:02 Proc. „ 188 , ” ” 74 „ » = 2.9 ” Nahrung ohne Fleisch. Für 2008” Kohlehydrate. . . = 2.75 Proc. Entziehung aller Nahrung. 269 I Da das aus den Tagen mit einer Nahrung aus nahezu reinen Kohlen- hydraten und das aus der Fasienzeit gebildete Mittel um einige Zehntel | eines Procentes gegen das zurücksteht, welches sich aus den Tagen mit Fleischnahrung berechnet, so könnte man auf eine grössere Wirksamkeit | der letzteren für die Bildung des schwefelhaltigen Bestandtheils schliessen. | Hierzu entfällt jedoch die Berechtigung beim Zurückgehen auf die Einzel- werthe, aus denen die obigen Mittelzahlen berechnet sind. Unter diesen | kommen und zwar in der Fastenzeit wie auch in den Tagen mit Kohle- hydraten Beträge von über 3 Procent vor. Weil der Schwefel, welcher in der Galle vorkommt, so gut wie aus- schliesslich der Taurocholsäure angehört, so wird man aus der des ersteren | die ihm entsprechende Menge der letzteren berechnen können; eine solche Rechnung ist für das Mittel des Gallenschwefels aus den verschiedenen | Perioden gleichen Futters durchgeführt. In der nachstehenden Tabelle, die das erlangte Resultat aufweist, ist im Interesse einer späteren Betrachtung auch das Gewicht an Stickstoff aufgenenommen, welches der berechneten Taurocholsäure zukommt. | Darin Ä Nahrung. | Täglich feste Galle. Taurochol- Diese ne enthält N. Reine Fleischnahrung. 125 | 3.254 1.45 0.039 250 | 9.349 1.59 0.043 300 4.482 2.30 0.059 ” 4.811 2.30 0.059 " 5.133 2.50 0.068 „ 4.426 2.09 0.057 » 5.118 2.51 0.068 1000 9.664 2.67 0.073 j ÜBER DIE GALLENBILDUNG BEIM HUNDE. Nahrung. Täglich feste Galle. grm | grm Aus Fleisch u. Kohle- hydrat. | 500 Fl. und 100 Khyd. | 4.890 BB u TA, 2.811 Ohne Fleisch. 200 Kohlehydrat. 2.697 Fasten. 2.193 59 Darin Di ies a enthält N. 22T, 0.062 1.52 0.045 1.18 0:032 0-95 0.026 2. Ueber den Procentgehalt der festen Galle an Stickstoff liest nach den schon vorhin mitgetheilten Bemerkungen keine ähnlich grosse Zahl von Bestimmungen, wie über den Schwefelgehalt vor. Regel der Stickstoff für je eine Reihe mit gleichartiger Fütterung aus einem Gemisch von Gallenantheilen aller einzelnen Tage ausgewerthet wurde, so lege ich hier nur die letzteren Zahlen vor. ' tägliche Menge bez. den mittleren Gehalt an Stickstoff, den die während ' gleichartiger Fütterung gebildete feste Galle darbot. Da in der Sie repräsentiren die mittlere Datum. autor Trockene | Stickstoff | Stickstoff- Galle. darin. ‚ Procente. grm grm grm 20939, . .\125 Fleisch 3.254 | 0.292 | 8.97 ih 19/2. . 250° 5 3.345 | 0.321 | 9-60 Bi 22/12.. 500% 4.482 | 0.338 | 1.54 Me 17/1... See n 4.811 ı 0.348 | 423 a8... .,500 Fleisch. 5.133 | 0.398 21.05 2... a x 4.426 0.402 9.47 ai 13/2... eh; 5.118 | 0.398 | 7.67 102... 949, 20.1 .5.664 | 0.604 | 10.66 8. —23/1. . .,496 Fleisch und 100 | | | Kohlehydrat . 4.890 0.405 8.28 ar 3012.. .188 Fleisch und 74 | | Kohlehydrat . .| 2.811 | 0.294 | 10-45 ai 32.. ., 200 ee Be | 7.94 24.—28/2. . . Fastentage . ‚2.193, 0.195, 3.39 60 P. SPIRo:, Weil nun der Stickstoff, welcher im Gallenrückstand vorkommt, zum | Theil der Taurocholsäure angehört, so wird man an den vorgelegten Zahlen noch eine Umformung vorzunehmen haben, wenn man das Verhaltniss er- ' kennen will, in welchen der Stickstoff zu dem schwefelfreien Antheil der- Galle steht. Zu diesem Ende muss von dem Gewichte der festen Galle dasjenige des taurocholsauren Natrons abgezogen werden, welches in ihm ! enthalten, und von dem N der festen Galle derjenige, welcher der Tauro- ' cholsäure angehört. Erst nach Ausführung dieser Operation erhält man einen Nachweis über den N-Gehalt der schwefelfreien festen Galle. Das | Ergebniss der Rechnung weist folgende Tabelle nach, deren Inhalt durch | die über die Stäbe gesetzten Aufschriften verständlich sein wird. | Trockene | t a ol: Stickstoff es ee ee Galle, ‚saures Natron. desselben. en u diesem Reste. | Stickstoff. grm grm grm grm grm Proc. 3.254 1.491 0.039 1.763 0.253 14.69 3.945 1.655 0.043 1.687 0.278 16.47 4.482 2.398 0.059 2.083 0.279 13.39 4.811 2.398 0.059 2.415 0.289 11.97 9.183 2.607 0.068 | 2.526 0.330 13.00 4.426 2.179 0.057 DAT 0.345 15-35 5.118 2.617 0.068 2.501 0.330 19.19 9.664 2.909 0.076 2.759 0.528 19.16 4.890 2.367 0.078 2.529 0.327 12.96 2.811 1.377 0.036 1.434 0.258 18.00 2.697 1.231 0.052 1.426 0.197 13.80 2.193 0.991 0.026 1.202 0.169 14.06 _ Bemerkenswerth erscheinen diese Zahlen in mehrfacher Hinsicht: zu- nächst deshalb, weil sie zeigen, dass der Procentgehalt der festen Galle an Stickstoff um 6 Einheiten schwankte, während dessen der entsprechende Werth des Schwefels nur um geringe Bruchtheile einer Einheit verändert war. Aus dieser Erscheinung könnte man folgern wollen, dass es bei der Gallenbildung weit mehr darauf ankäme, zwischen dem Gewicht des schwefelhaltigen und des schwefelfreien Rückstandes stets ein annähernd gleiches Verhältniss her- zustellen, als darauf dem letzteren Antheil eine bestimmte Zusammensetzung zu sichern. Wie deutlich nun auch die mitgetheilten Zahlen für diese Vor- stellung zu sprechen scheinen, so wird man doch nicht eher für sie ein- zutreten geneigt sein, so lange sie nicht weitere thatsächliche Unterlagen für sich beibringen kann. ÜBER DIE GALLENBILDUNG BEIM HUNDE. 61 Die Veränderungen, welche im Stickstoffgehalt des schwefelfreien Gallen- rückstandes auftreten, stehen unerwarteter Weise in keiner Beziehung zur Art und Menge der Nahrung; so wechselt derselbe z. B. bei einem Futter aus 5002" Fleisch zwischen 11-97 und 15-35 Proc. und wenn er auch bei dem Fleischgenuss aus nahezu 1000®” auf 16.16 Procent steigt, so erreicht er doch bei dem Genuss von 1888” Fleisch und 74°“ Kohlehydrat die annähernd gleiche Höhe von 18 Proc. Die Bedingungen, welche die Menge des in der Galle erscheinenden Stickstoffes regeln, bleiben also noch zu entdecken. Hieran schliesst sich denn die Frage, welchem Bestandtheil der hohe Stickstoffgehalt des schwefelfreien Rückstandes der Galle zuzuschreiben sei. Jedenfalls muss dieser zu den stickstoffreichsten Molecülen gehören, weil in dem schwefelfreien Antheil der festen Galle auch noch die Minerale und die relativ stickstoffarmen Farbstoffe und ausserdem noch stickstofffreie or- ganische Verbindungen enthalten sind. Nun hat man allerdings in der Galle Harnstoff gefunden, aber es scheint doch nicht als ob dieser in einer so grossen Menge dort vorhanden sei um den Bedarf an N zu decken, welcher nach meinen Beobachtungen darin verlangt würde. Es bleibt also auch nach dieser Richtung hin eine Lücke auszufüllen. 3. Wassergehalt der Galle. Da es nicht in meinem Plane lag, die Bedingungen aufzusuchen, von welchen der Wassergehalt der Galle abhängt, so werden meine gelegentlich gesammelten Beobachtungen für diese Frage kein grosses Gewicht beanspruchen ' dürfen. Jedoch glaube ich den Schluss ziehen zu dürfen, dass eine von _ verschiedenen Seiten geltend gemachte Annahme keineswegs auf alle Indi- viduen anwendbar ist. So fand sich unter anderen keine Bestätigung da- für, dass der procentische Wassergehalt der Galle bei einer Nahrung aus Kohlehydraten grösser als bei einer solchen aus Fleisch sei. — Eben so _ wenig: fanden frühere Erfahrungen von Schmidt, Nasse und Anderen eine Bestätigung, wonach mit dem Zusatz von Wasser zu der festen Nahrung auch ‚der Wassergehalt der Galle ansteigen soll. — Endlich besteht auch zwischen meinen und den Beobachtungen von Arnold insofern ein Wider- ' spruch, als bei ihm während des Hungers eine wasserreiche, bei mir da- gegen eine ungewöhnlich wasserarme Galle abgeschieden wurde. Im Uebrigen fällt der Mittelwerth des, Wassergehaltes in die Grenzen, welche für die aus dem Fistelgang ausfliessende Galle von allen früheren Beobachtern gefunden ist. Zum Beleg des eben Ausgesprochenen werden die folgenden Zahlen genügen. 02 P. SPpIRo: R Wasser Tägliche Trockene | Procentischer Bee a ne aufgenommen. Galle, Galle. Rückstand. grm | com ccm grm Proe. Ohne feste Nahrung. .. 80 Idee 22195 7.88 200 Kohlehydrat . . .ı 325 48.5 2.657 5-71 125. Bleisch ser 28: 262 67:0 3:254 4.88 188 Fleisch u. 74 Kohle- | hydrat 20. 496 66-3 2.811 4.24 250=Bleischn 02 20. 370 30.2 3.345 4.09 500 Fleisch u. 100 Kohle- hydrat 2 002 020.2 2 748 96-6 4.890 5-17 500-Bleisch. . .. . 705 96-1 4.482 4-67 55 Re Talıl 97.7 4.811 5:08 N 787 | 103-5 5.183 4.89 s a ae Eee 542 105.2 4.426 4-23 = DE EEE ER 132 114.9 5.118 4.26 JA ee | 1516 | 132.0 5.664 4.20 Ich gehe nun zur Aufzählung der Thatsachen über, welche sich auf die absolute Menge der in je 24 Stunden abgeschiedenen Gallenstoffe beziehen. In den Mittheilungen, welche über die tägliche Ausscheidung der Galle ‘ vorliegen, begegnet man häufig einer Ausrechnung aller oder einzelner ihrer Bestandtheile auf das Kilo des Thieres. Hiernach sollte man einen Einfluss des Körpergewichtes auf die Absonderungsgrösse erwarten; ein solcher be- steht jedoch nicht. Wäre er vorhanden, so müsste bei sonst gleichen Lebens- bedingungen die ausgeschiedene Gallenmenge in irgend welchem Verhältniss mit dem Körpergewicht wachsen. Wie wenig dies der Fall ist, zeigte schon Ritter! In einer seiner Beobachtungen, bei welcher der Hund täglich 2500®’® Fleisch erhielt, schwankte in 7 Tagen die tägliche Gallenmenge von 259. 82% zu 278.48” zu 253. 5e0 zu 214 - 889 zu 261 38° zu 268.085 zu 252.98m während das Körpergewicht in stetigem Wachsthum von 12:82* zu 14.10*% emporstiee. Was diese Beobachtungen für die flüssige, zeigen die meinigen für die trockene Galle. In den 23 Beobachtungstagen lagen die äussersten Grenzen für das Körpergewicht des Hundes bei 8:13 und 8.96% Bei dem ersteren Gewicht wurden 5-081 und bei dem letz- teren 5.118 sm trockene Galle ausgeschieden. In den übrigen Beobach- \ Einige Versuche über die Abhängigkeit der Galle von der Nahrung. Disser- tation. Marburg 1862. ÜBER DIE GALLENBILDUNG BEIM HUNDE. 63 tungstagen fanden sich bei steigendem Körpergewicht abnehmende Mengen trockener Galle und bei sinkendem Körpergewicht kam das umgekehrte vor. Unter dieser Bewandtniss gewährt eine Berechnung der abgeschiedenen Gallenstoffe auf das Körpergewicht keinen Einblick in die Variationen der Absonderung. Wegen der wechselnden Zusammensetzung der festen Galle aus nicht bestimmten und oft auch nicht einmal bestimmbaren Bestandtheilen unter- lasse ich es, die Aenderungen des täglichen trockenen Rückstandes zu be- schreiben, statt dessen werde ich sogleich zu den ausgewertheten Stoffen übergehen. 4. Die tägliche Schwefelmenge der Galle in ihrer Abhängiekeit von der Art und Menge der Nahrung. Für den Vergleich des täglich aufgenommenen mit dem durch die Galle abgeschiedenen Schwefel kommen selbstverständlich als Einnahme nur die Mengen dieses letzteren Stoffes in Betracht, welche von dem in der Nahrung enthaltenen, nach Abzug des mit dem Kothe entleerten übrig bleiben. Statt dieses von der Darmwand aufgesaugten würde man als Unterlage für die Vergleichung mit noch besserem Rechte die Schwefel- mengen herbeizuziehen haben, welche durch den Umsatz innerhalb des Ge- sammtkörpers in einen zur Ausscheidung befähigten Zustand gebracht wurden. Seine Menge ergiebt sich aus einer Addition des mit dem Harn und der Galle entleerten Gewichtes an Schwefel. Im Gegensatz zum aufgesaugten werde ich ihn den umgesetzten Schwefel nennen. | Die Folgen, welche aus den mit der Nahrung verspeisten schwefel- haltigen Verbindungen für die mit der Galle ausgeschiedenen hervorgingen, erwiesen sich öfter an dem Tage, an welchem eine neue Fütterungsweise begann, verschieden von denen, die in den hierauf folgenden eintraten. Wir ' würden hiernach die Tage des Uebergangs von denjenigen der eingetretenen "Anpassung an das Futter zu unterscheiden haben. Da jedoch der Unter- ‚schied, welcher sich hierin geltend macht, in der Regel nur gering ist, so ‚werde ich erst später auf ihn zurückkommen. Unter Vernachlässigung des- ‚selben sollen zunächst alle zu einer Fütterungsart gehörigen Tage zusammen- ‚ gefasst und aus der von ihnen gelieferten Gesammtausscheidung an Gallen- | schwefel ein mittlerer Tageswerth gezogen werden. In der folgenden Tabelle werden die Aenderungen dieser Mittel angegeben, welche eintreten, wenn die Menge der verfütterten Eiweissstoffe, beziehungsweise ihr Umsatz inner- ‚halb des Organismus wechselt. ’ 1 m m 64 P. SpIRo: . Summen Futter. S. aus der Nah- des Harns und | Gallenschwefel. rung aufgesaugt. Gallenschwefels. grm grm grm grm Ohne Nahrung . 0.0 0.234 0.059 200 Kohlenhydrat . 0.186 0.283 0.073 125 Fleisch ee 0.272 0.452 0.089 188 , u. 74 Kohlenhydr. 0.388 0.547 0.082 250 3 0.543 0.605 0.099 MD veaga 1121188 0.155 , „ 0.989 0.979 0.143 „ „ a 1-033 1-053 0.143 is „ u. 100 Kohlenhydr. 1:-071 0-918 0.141 500 5 1.102 | 1.233 0.156 „ „ 1:.128 0.978 0.130 949 2 2.026 1.973 0.173 Aus einer Vergleichung der Zahlen, durch welche die aus der Eiweiss- nahrung aufgesogenen Schwefelmengen ausgedrückt werden, mit denjenigen, welche die durch die Galle ausgeschiedenen Gewichte des Schwefels angeben, | erfahren wir: | Dass beim Uebergang aus den Tagen mit vollständiger Entziehung der festen Nahrung zu denjenigen, in welche die letztere aufgenommen wurde, keine dem aufgenommenen Schwefel auch nur entfernt entsprechende Stei- gerung in der Ausscheidung desselben durch die Galle stattfand. Als die Schwefelmenge der Nahrung von 0.0®°” auf 0.186 sr” aufstieg, mehrte sich der tägliche Gallenschwefel von 0-059 zu 0-073erm, also nur um 14 mem; -letzterer blieb also um mehr als das Zehnfache hinter dem eingeführten zurück. Eine andere Eigenthümlichkeit kommt zum Vorschein, wenn wir die Unterschiede verfolgen, welche in den Tagen mit Fütterung einerseits zwischen den mit der Nahrung aufgenommenen und andererseits zwischen den mit der Galle abgeschiedenen Schwefelmengen hervortreten. Eine Vergleichung dieser Art soll zunächst für die Zeiten vorgenommen werden, in welchen nur Fleisch oder gar keine feste Nahrung gegeben wurde. ÜBER DIE GALLENBILDUNG BEIM HuNDe. 65 | Unterschiede | Unterschiede Nahrung. ı Darin S. des Nahrungs- S der Galle. | des Gallen- | schwefels. | | schwefels. Emm nn gm Eu RG een... 0-0 I ne 0.059 0.050 wielleisch . . . . Voarze| 0.971 0.089 1 250 5 NN. 0.543 | 0.099 DE ...601:007 as 01 949 > cn 2.026 | | 0-173 | # Aus Gründen der Analogie war allerdings die Vermuthung berechtigt, dass die Absonderung des Gallenschwefels nicht in demseiben Verhältniss wie das Gewicht des genossenen Fleisches wachsen werde, dass aber die in den vorstehenden Zahlen ausgedrückte Abhängigkeit bestehen werde, ist allerdings unerwartet. Während das Gewicht an Schwefel, welchen das Thier mit dem genossenen Fleische empfing, bei jedem Fütterungswechsel und zwar in dem Verhältniss von 1:2:4:8 zunahm, hatte sich der Zu- wachs an Schwefel, den die täglich ausgeschiedene Galle aufwies, abwechselnd - vermehrt und vermindert. Würde man von dem Wechsel, in welchen das Thier aus dem Hunger in den Genuss der ersten Gewichtseinheit an Fleisch —= 1255m eintrat, absehen dürfen, und nur die Zeiten in Betracht nehmen wollen, in welchen die Nahrung von 125 s’” bis 950 em Fleisch täglich auf- stieg, so würden es die vorgelegten Zahlen gestatten, einen Untersched zwischen der Wirkung einer Gewichtseinheit an Fleisch aufzustellen, je nachdem die Summe des genossenen gerade ausreichte, um das Körper- sewicht des Thieres auf unveränderter Höhe zu erhalten, oder ob sie eine - grössere oder geringere gewesen. Da der Zuwachs an täglichem Gallen- schwefel, welchen die Gewichtseinheit des genossenen Fleisches hervorzubringen vermochte, sich bei einer zureichenden Nahrung am grössten erwies, so könnte man, um dieses zu erklären, annehmen, dass die Leber von dem zersetzbaren Stoffe, welcher täglich im Organismus kreist, für sich einen um so geringeren Bruchtheil beanspruchen könne, je weiter die Grösse des zersetzbaren Vorraths von der zur Erhaltung des Gleichgewichts nöthigen Mense entfernt sei, dass aber, wenn der zersetzbare Stoff über das letztere Maass hinausgestiegen sei, die Leber wegen der Grenzen, die ihrer Leistungs- fähiokeit gesteckt sind, wiederum einen um so geringeren Bruchtheil dieses Ueberschusses zur Bildung von Taurocholsäure verwenden könne, je grösser derselbe geworden. In den Rahmen dieser Hypothese passt allerdings das rasche Ansteigen der Taurocholsäure nicht, welches sich beim Uebergang aus dem Archiv f. A. u. Ph, 1830. Suppl.-Band z. Physio]. Abthlg. 5 66 P. SPIRO: Hunger in eine unzureichende Nahrung bemerklich macht, um auch diesen Fall erklärlich zu finden, müsste die Hypothese eine Erweiterung erfahren. Ob nun auch der Gesichtspunkt, aus dem eine Ordnung der 'That- sachen versucht ward, richtig oder falsch genommen wurde, die letzteren selbst verdienen eine erneute Prüfung, weil sie die Leistungsfähigkeit der Leber eigenthümlich beleuchten. Regen nun, ähnlich dem Fleische, auch die Kohlehydrate die Bildung der 'Taurocholsäure an oder hemmen sie dieselbe nach Analogie ihrer Wir- kung auf die Erzeugung von Harnstoff? Zur Entscheidung hierüber sind aus der oben vorgelegten Tabelle zwei Fütterungsreihen herbeizuziehen, die eine täglich mit 188°” Fleisch und 74°" Kohlehydrat und die andere mit 500sm Fleisch und 1008” Kohlehydrat. Vergleichen wir die erstere mit der Reihe, in welcher nur 125 s"® Fleisch und die zweite mit derjenigen, in welcher nur 500 8” Fleisch verabreicht wurden, so sehen wir beidesmal, durch einen Zusatz von Kohlehydrat zum Fleisch die Ausscheidung des Gallen- schwefels sicherlich nicht vermehrt, eher vermindert, denn obwohl das Thier in dem mittleren Tage mit gemischtem Futter mehr Schwefel empfing, als bei reiner Fleischnahrung, so ist doch in dem ersteren stets etwas weniger Tau- rocholsäure als in dem letzteren ausgeschieden worden. Aber der Unter- schied ist zu gering und die Zahl der Beobachtungen zu klein, um dem Schlusse: „die Kohlehydrate behindern die Bildung von Taurocholsäure“ einen genügenden Hintergrund zu verschaffen. Daran aber können wir festhalten, dass durch den Genuss von Kohlehydraten der Bildung von Tau- rocholsäure kein ähnlicher Vorschub geleistet werde wie durch den des Fleisches. Es würde jetzt noch die Abhängigkeit zu erörtern sein, in welcher die Bildung der Taurocholsäure von dem gesammten Betrage der Umsetzung an BEiweissstoffen steht. Den Umfang dieser Zersetzung, namentlich soweit sie den Schwefel betrifft, erschliessen wir bekanntlich aus der Summe des täglich mit der Galle und dem Harne entleerten Schwefels. Aus der oben mitgetheilten Zusammenstellung S. 64 hatten wir aber ersehen, dass die Menge des mit der Galle austretenden in der Regel nur einen mässigen Bruchtheil der gesammten Ausscheidung an Schwefel ausmacht. Also können wir, ohne uns von dem oben gesteckten Ziele zu entfernen, auch das Ver- hältniss in Betracht ziehen, in welchem sich die täglich abgeschiedenen Ge- wichte unseres Stoffes durch Harn und Galle zu einander befinden. Diese Behandlungsweise unseres Gegenstandes gewährt sogar noch besondere Vor- theile. Als Unterlage der weiteren Erörterung soll die folgende Tabelle dienen. ÜBER DIE GALLENBILDUNG BEIM HuNDe. 67 Hieraus | Tägliche | Tägliche Gallen. täglich an | Ausscheidung | Ausscheidung | Sehweliel ın Nahrung. I auf-) an S durch | an 8 a I ‘> genommen. den Harn. | die Galle. | schwefels. grm | grm grm | grm Pine Nahrung . . .| 0.0 0.175 ROSE N er 200 Kohlehydrat. . .. 0:186 0-210 02073. 7.793428 eoemlesch - . . .| 0272 02863 a 0.089 215 188 ,„ u. 74 Kohle- | | hydrat. 0388 0.465 | 0:082 176 250 Fleisch a 0-543 0550652 10.02.0997 0.2.1925 Be 0. 20-884 a0 0.1550 lo Me, 0-989 0.836, 0a in h | 10383 0-910 0.143 0 15:7 y „ u. 100 Kohle- . | hydrat . | leo Gaza Weizalı 18-2 Fleisch » . ...| 1.102 Vo | Oase, |, ach u rn) 88) io | 158 Ban 7.1206) 180 ı 018 | %6 | | Aus einer Vergleichung der in den 2. 3. und 4. Stabe dieser Tabelle eingetragenen Zahlen wird ersichtlich, dass sich der mit dem Harne ent- leerte Schwefel weit genauer, als es mit dem der Galle der Fall, an den aus der Nahrung aufgenommenen Schwefel anschmiegt. Diesem Verhalten zu Folge fallen die Quotienten, welche im 5. Stabe der Tabelle stehen, um so kleiner aus, je grösser die genossene Fleischmenge gewesen. Oder in Worten ausgedrückt: Der durch die Galle ausgeführte Schwefel stellt einen um so kleineren Bruchtheil des mit dem Harne abgegangenen dar, je reicher die Nahrung an Eiweisstoffen war. Durch meine Beobachtungen, welche grosse Unterschiede der Nahrung ‚ und Harnabscheidung umspannen, erhält eine schon vor mir von Kunkel ‚ ausgesprochene Ansicht eine weitere Bestätigung und Begründung. Zur Vergleichung mit den meinen schreibe ich die von Kunkel gesammelten Erfahrungen hierher. | Tägliche | Tägliche Gallenschwefel . Dhweiel ' Ausscheidung an $ | Ausscheidung an $ in Procenten in der Nahrung. | durch den Harn. | durch die Galle. | des Harnschwefels. grm | En | grm 1-00 0:550 | 0:223 | 40:54 1:529 | 0.612 | 0183 29-90 5 68 P. Spiro: Schwefel. Tägliche Tägliche Gallenschwefel : Ausscheidung an S | Ausscheidung an S in Procenten in der Nahrung. durch den Harn. | durch die Galle. | des Harnschwefels. a 1.796 | 0-878 0220 25-05 1'346 0.915 | 0.099 10.84 1.836 | 0.941 0-170 18:05 vom | 1-078 | 0.231 21-40 1.036 1.080 0.208 19-25 Deutet auch das Missverhältniss, in welchem sich die Schwefelmengen der Nahrung und des Harns befinden, darauf hin, dass sich die Ernährung des von Kunkel benutzten Thieres in einem sehr unregelmässigen Zustand befunden habe, so lassen doch die Quotienten aus dem Harn in den Gallen- schwefel das Bestehen der oben ausgesprochenen Regel nicht verkennen. Der chemische Process, welchem die Taurocholsäure ihre Entstehung verdankt, bewahrt sich demnach einen hohen Grad von Unabhängigkeit gegenüber denjenigen, welche zur Bildung von schwefelhaltigen Producten führen, die ihren Ausweg durch die Niere finden. Dieses Verhalten ist für dk Antheil, welchen die Leber an dem Umsatz überhaupt IE, ge- wiss nicht ohne Bedeutung. 5. Ueber die Geschwindigkeit, mit welcher sich die Bildung der Taurocholsäure den Aenderungen im Schwefelgehalt der Nah- rung anpasst. Gemäss dem Schatze von Erfahrungen, welche wir über die Accommo- dation des Harnstöffes an das veränderliche Eiweissfutter besitzen, kann man erwarten, dass auch die Ausscheidung der Taurocholsäure nicht Tag für Tag dem Wechsel der Nahrung folgt; voraussichtlich wird auch hier der Zustand des Körpers, welcher durch die früher aufgenommene Menge von Eiweisstoffen herbeigeführt wurde, noch einige Zeit hindurch in eine neue Fütterungsweise hineinwirken. Bei meinen Beobachtungen fanden sich in der That Andeutungen dafür, die jedoch der geringen Gewichtsmengen wegen, um die es sich beim Schwefel handelt, nicht gleich laut wie im analogen Fall bei dem Harnstoff sprechen. Als Belege werde ich den auf 8.55 und 56 vorgelegten Beobachtungen eine Zahl von Beispielen entnehmen. Um die Nachwirkung aufzudecken, welche eine Fütterungsreihe hinterlässt, werde ich die Mengen an Gallenschwefel angeben, welche am Ende einer mehrere Tage umfassenden gleichartigen ÜBER DIE GALLENBIEDUNG BEIM HuNDe. 69 Fütterung abgeschieden waren, darauf die, welche dem ersten Tage mit der neuen Nahrung zukommen. Sonach wird jede Reihe gleichartiger Fütterung durch zwei Zahlen abgegrenzt, eine, welche die am ersten, und eine andere, welche die am letzten Tage ausgegebene Schwefelmenge anzeigt. Selbst- verständlich schliesst sich jedesmal der Zeit nach das Ende der einen an den Beginn der anderen Fütterungsreihen an: grm grm 1. Beim Genusse von 500 Fleisch erschienen am 1. Tag 0-143 S und am 6. Tag 0.147 3 m Fleisch u. | 2 a N » 1100 Kohle- BR OT OO AN | hydrat Bu .; 25 „ 500 Fleisch " OT ee DNA: 4. 55 pn » 200 Kohlehydr. 7 0092060009 DE ns 55 „ 500 Fleisch ” a Wr a ME (De 5 „ 1000 x E2 lan VO 5 an EN Da \;, er On 5 AN len ORION ee — St; 55 500 vs 5 an MORE, 5 m ee KWSHEND 9 5 35 250 > u lan WO am 2 0066 „, und in derselben Reihe „ 5. „ 0.128, 103: ;, & 12 x am 1. Tag 0-100 S und „ 4 0061 .. 11. Bei Entziehung der Nahrung R a DL a 0-065 „. Unter den mitgetheilten Reihen bieten 1, 2, und 3 eine beachtenswerthe Erscheinung. Zwischen zwei Fütterungen mit 500°” reinen Fleisches ist ist eine solche eingeschoben, in welcher zu derselben Menge dieses Stoffes noch 100 8% Kohlehydrate zugefügt worden. In Folge dieses Zusatzes war die Zerlesung der Eiweissstoffe beschränkt worden, was sich in einer Vermin- derung des mit dem Harne ausgeschiedenen Schwefels aufzeigte. Mit dem Eintritt in das gemischte Futter sehen wir auch ein kleines Absinken im täglichen Gallenschwefel eintreten, das sich aber am 6. Tage derselben Fütterung wieder ausgeglichen hatte. Mit der Rückkehr zu der reinen Fleischnahrung sehen wir nun die Menge des Gallenschwefels nicht unbe- trächtlich über den vor dem Genuss der gemischten Nahrung festgehaltenen Werth steigen. Die Reihen 4, 5, 6, 7, 8, 10, 11 verhalten sich erwarteter Maassen. Folgte die an Schwefel ärmere Nahrung auf eine daran reichere, so übertraf die im ersten Tage abgeschiedene Schwefelmenge diejenige des letzten Tages; im umgekehrten Falle der Fütterungsfolge änderte sich auch die Schwefelausscheidung durch die Galle in umgekehrter Folge. Eıne Aus- nahme von dieser Regel bietet die Reihe 9, welche uns zeigt, dass der von dem Futter ausgehende Antrieb durch andere uns vorerst noch unbekannte Einflüsse gestört werden kann, I 70 P. Spıro: 6. Ueber die Schwefelabscheidung der Galle nach der Trans- fusion von Blut. Der Versuch, welcher an dem Hunde missglückt war, von dem die bisher mitgetheilten Zahlen stammen, gelang mir an einem anderen, welcher die Transfusion. von frischem defibrinirtem Hundeblut drei Tage hindurch ertrug und jenseit dieser Zeit noch Tage lang sich einer guten Gesundheit erfreute. Leider gab ich dem Thiere einige Tage hindurch käufliches Casein als Nahrung in der Hoffnung, hierdurch den Schwefelgehalt des Futters beständig und leicht bestimmbar zu machen, eine Absicht, die jedoch an dem Widerwillen des Thieres gegen diese Speise scheiterte. Da der Hund auch hinter dem Casein her die beste Braunschweiger Wurst verschmähte, mageres Pferdefleisch dagegen annahm, so glaube ich, dass der reichliche (Gehalt an Fett des käuflichen Caseins wie der Braunschweiger Wurst die Abneigung gegen beide veranlasst hat. Weil ich meine Hoffnung auf das Uasein gesetzt hatte, so habe ich unterlassen, den Schwefelgehalt des Fleisches zu bestimmen; da jedoch das Fleisch von einer ganz ähnlichen Beschaffen- heit war wie das dem anderen Hunde verfütterte, so darf ich wohl als Schätzungswerth auch ihm denselben Schwefelgehalt ertheilen. 2 | S | S Körper- Dalunt: Hunter im Futter. | in der Galle. gewicht. grm grm kgrm. 12/7. 110008” Fleisch . 2.210 0°205 11.76 13/0..900, ar. 1:105 0.222 11.64 14/7. | 200 „ Casein . 1'350 0256 11:60 150 99, ,, 0.398 0.219 11-55 LO 18, = 0.122 0.180 . 11.200 Lund... 10) a de 0068 0116 1120 18/7. 30, und 125 „ Wurst . 0.839 0.0427) 19/7. | Ohne Nahrung . “..2.02000 0087 10-80 20/7. a 5 ee 5 0097 10-77 21/7. s; 5 SEIN: 5 0:096- 10.67 22/7. 2 „ DR ER N 0113 10:36 23/7. | 200°” Blut transfundirt . ? 0081 10:30 ZA TER NE 5 02291 0.073 10-21 2, 5 0236 0090 10:07 26/7. | Ohne Nahrung. . 0.000 0082 2 ZU. 5 E SR 5 0.094 ? 28/7. | 1008"”% Casein und ; 1002 \Murst 0.500? | 0.054? 7 29/7. | 200 „ Wurst . 0.3804 | 0.080 LO) 30/7. | 300 „ Fleisch . 0.663 0.118 10-29 Sl | U0D ee gl 0-135 10-60 18.900 ee enletloc wel OR lloe) 10:57 ÜBER DIE GALLENBILDUNG BEIM HUNDE. 71 Mit voller Deutlichkeit spricht es dieser Versuch aus, dass eine Ver- mehrung der Blutmenge, wie sie mit Hülfe der Transfusion erzeugt wird, ohne allen Einfluss auf die Abscheidung der schwefelhaltigen Gallenbestand- theile bleibt, denn der Mittelwerth an Schwefel, der in den drei aufeinanderfol- senden Tagen mit Transfusion vorhanden, hält sich durchaus auf derselben Höhe, auf der er in den vorhergegangenen und nachfolgenden Hungertagen stand. Den von mir vezogenen Schluss halte ich für um so bindender, als von demselben Tage an, an welchem das Thier wieder Fleisch nahm, der Gallenschwefel auch sogleich wieder emporstieg. Für den Einfluss, welchen die Einverleibung der Eiweisstoffe auf die Bildung der Taurocholsäure übt, ist die Art, wie jene geschieht, demnach nicht gleichgiltig.. In dem gleichen Falle befindet sich bekanntlich der ' Harnstoff, für dessen Herstellung nach den Beobachtungen von Tschirjew und Forster das verdaute Eiweiss rascher und auch mehr als das trans- fundirte wirkt. 7. Die tägliche Ausscheidung an Stickstoff durch die Galle. Da für den in der Taurocholsäure gebundenen Stickstoff selbstverständ- lich Alles, was über diese gesagt wurde, eilt, so wird nur der im schwefel- freien Rückstand enthaltene noch zu besprechen sein. Die Aenderungen, die sich in der Ausscheidung dieses Antheils darboten, liegen in der fol- senden Zahlenreihe vor. Re | 5 Gosammter Stickstoft der Futter. Stiekstoff Stickstoff \ Fe ee Stickstoff ‚schwefelfreien | der Galle. | Galle. | grm Beeren ng Beshunter . .):00 3120| 0.195 | 0-16 200 Kohlehydrat . .|; 0770 3-250 oo 0210 Psklesch - . . .| 3:864 | 5:626 0-292 | 0.253 188 ,„. und | | | 74 Kohlehydrat . .| 5:690 | 6712 0-294 0-258 Bleisch . . . ., 7.740 | 8523 0-321 0-278 300 ,, ı 15-182 14-718 0:398 0-330 E N ' 15-648 13-807 0338 0.279 A | 16.026 | 13-508 | 0-402 0-345 m, und | | | 100 Kohlehydrat . ., 16-840 13-520 | 0.405 0-327 Ag leisch . . . .| 29-721 | 27-499 | 0-604 | 0-528 72 P. SPIRo: Erinnert man sich des Verhältnisses, welches die tägliche Aufnahme und Ausscheidung des Schwefels zueinander darbot, so kann man die Aehn- lichkeit nicht verkennen, welche die Beziehungen zwischen Stickstoffmengen aufzeigen, die mit der Nahrung ein und durch die Galle ausgeführt werden. Denn mit seiner Aufnahme wächst auch das Gewicht des Stickstoffs, der in die Galle übertritt, doch keinesweges im geraden Verhältniss.. Und des- halb besteht auch zwischen dem mit dem Harne und der Galle ausge- schiedenen Stickstoff eine ähnliche Beziehung, wie sie für Schwefel galt, wobei man natürlich von dem absoluten Werthe der Verhältniss-Zahlen abzusehen hat. Dem relativ grösseren Schwefelgehalt der Galle gemäss fallen die procentischen Werthe, welche der Stickstoff der Galle von dem des Harnes ausmacht, kleiner aus; sie schwanken in der ganzen Versuchs- reihe, den des Harns = 100 gesetzt, zwischen 6-5 und 2.2. Beim Hunger und einer nahezu nur aus Kohlehydrat bestehenden Nahrung beträgt der N der Galle in Procenten des Harnstickstoffs aus- gedrückt 6-3 und 6-5 Proc. — bei 1253” Fleisch = 5.2 Proc. — bei 2508= Fleisch = 3:7 Proc. — bei 5008” Fleisch = 3-0 Proc. und end- lich bei 949sm Fleisch = 2:2 Proc. — Je höher also in Folge der durch die Nahrung gegebenen Veranlassung die N-Menge anstieg, welche mit dem Harn ausgeschieden ward, um so mehr blieb das Wachsthum des Gallenstickstoffs zurück. Verhalten sich aber die Regeln, welche für die Ausscheidung des Gallen- stickstoffs gelten, ähnlich denen des Schwefels, so wird auch zwischen dem Verhältniss, in welchem die beiden Elemente zu einander stehen, eine grosse von der Fütterungsart nur wenig getrübte Beständigkeit sichtbar sein müssen. Dieses bestätigt die folgende Zahlenreihe Wird der Stickstoff gleich 1 ge- nommen, so ergeben sich für den Schwefel x ei aeg & = E ı5 8 Er S 5 & : r e 2 & a 2 | saalseallveı ed see ee I = 2 Ze [7] | a a 7) 71 7) © © 177} ven =! {«5) ee! .— Zi .- I .- .— Ja! .- = u | © © © ® ® [&} | 3) A| © E 275 — -— — — — — Bo —_ = hd EM je je Fr ee je 5 EM Fi en a ee Bo | = gear ae ® &n Eon &r, ön &0 &n En &n Er &n 5 =) DD | Do & =) =) S =) © SONS en) =>) al a > Ne) IS) & &) {em} ==>) &:. © X oO | a Be - ara Ne) Ne) Ne} Ne) nm fer) 0-30 0-35 0:30 0-28 0-31)0-42 0-41 0-39 0 32 a 0-35 Von der Unabhäneiskeit, welche sich die Bildung der Galle gegenüber den Zersetzungen bewahrt, die ihre Producte in den Harn liefern, legt also | ÜBER DIE GALLENBILDUNG BEIM HUNDE. 13 auch der Stickstoff sein Zeugniss ab. Gleiches gilt, funden, für den Gallenfarbstoff insofern, wie Vossius! aufge- als auch dieser nur in mässigen Grenzen die Schwankungen begleitet, welche in der Ernährung des Thieres stattfanden. Bei der Gleichmässiekeit, welche in der Energie der Gallenbildung zu Tage tritt, kann eine oft ausgesprochene Hypothese, wonach die wesentlichsten Umsatzproducte der Eiweissstoffe — Harnstoff und Harnsäure — in der Leber entstehen sollen, zum mindesten nicht an Wahrscheinlichkeit gewinnen. Jedenfalls wäre es ausserordentlich auffallend, wenn im Bereiche desselben Organs zwei durch den Wechsel ihrer Intensität so sehr verschiedene chemische Processe neben einander abliefen, ohne sich gegenseitig in ihrem Umfang zu beeinflussen. 8. Die mit der Tageszeit veränderliche Absonderungs- geschwindigkeit der Galle. Am einfachsten gestaltet sich der tägliche Verlauf der Ausscheidung bei vollständiger Entziehung der Nahrung. Entsprechend den Thatsachen, dass die Bildung der Galle niemals still steht, und dass während der Hungertage die Gesammtmenge der Abscheidung nur gering ist, wird auch der absolute Werth, innerhalb dessen sich die Schwankungen bewegen, ein nur geringer sein können. In einer 5 Tage umfassenden Hungerperiode, die auf eine unzureichende Ernährung mit Fleisch folgte, nahm die täg- lich ausgeschiedene Galle von 38-5 m auf 20-0° m ab, ein Betrag, welcher in jedem der beiden letzten Hungertage ausgeschieden wurde. An den Hungertagen wurde die Galle 3mal täglich gesondert aufgefangen. Es er- gab sich als Stundenmittel: cem ccm ccm ngertag. Mittag 12h bis 6h30’= 1-8, von 6h80’ bis Morgens 8Sh45’=1-5 u. von da bis 12h = > ” Bl En As er, En => 225.040, 18277 ,,624077, 5 > 2220849, 1009 7, U AD 5 ss 120165 — 10-8, 6 5, Ei b> 1-6 1-4 8 ee nlor| ee erlernt 1-0 =1: 2 Er) E23) „ 12 = 9 10 =0-.83 ee Das Absinken der Absonderungsgeschwindigkeit, welches sich in dieser denn es wurde in den Nach- Periode einstellt, ist demnach kein stetiges, ‚ mittagsstunden mehr als in der Nacht und in den darauf folgenden Morgen- ‚stunden wiederum etwas mehr ausgeschieden. noch genaueren Ausdruck, wenn, wie es am ersten Hungertage geschah, Dieser Verlauf gewinnt einen " Bestimmungen des Gallenfarbstoffes in der | Giessen 1879, Galle. Inaugural-Dissertation. 74 P. Spigo: die Galle mit Ausnahme der Nacht von Stunde zu Stunde aufgefangen wird. Nach den Ergebnissen einer solchen Beobachtung ist die folgende Curve construirt — Fig. 1. ao DD Enozale 24. Februar. 1. Hungertag. 113eem Wasser zwischen der 1. bis 3. Stunde. Die Ordinaten der Curve geben die abgeschiedenen Mengen der Galle in Cubikem,, die Abseisse die fortlaufende Zeit in Stunden wieder. Sehr ähnlich, wie in den Hungertagen, verhält sich die Gallenbildung, bei der Darreichung eines Futters, das ganz vorzugsweise aus Kohlehydraten EM besteht. Bei einer Periode von 6 Tagen, in denen auf eine genügende 2 Fleischnahrung 2008" Amylum und Zucker gemengt mit etwas Hühner- | eiweiss oegeben wurden, fiel die täeliche Gallenmenge unter mehrfachen ° Schwankungen von 53 auf 30m ab. — Die Stundenmittel des Nach- mittags, der Nacht und des Vormittags ergeben: ecem ecem .CHO-Tag. Mittag 12h bis 6h 30'= 3-3, von 6h 30’ bis Morgens Sh 45'= 1.9, von da bis 12h = Im 5, BO EAN E 8.45. =2+1 h 12 = Da 8 AH — 2A SA = 97301258 12 = 12928, 45, lu, 28, AD: 5 lo en = ann ADS— 2A > 10 — =2»1 12 = ar alla U es Se u Wle 2 ae 12 = In dieser Periode wurde zweimal am ersten und am sechsten CH,O-Tag mit Ausschluss der Nacht die Galle stündlich aufgefangen. Das Ergebniss der Beobachtungen ist in den Curven 2 und 3 wiedergegeben. Beidemale folet bis zwei Stunden nach der Aufnahme des Futters, die um 12 Uhr geschah, eine Steigerung der Gallenabsonderung; dieselbe hielt an dem ersten Tage des CH,OÖ-Futters länger an als im sechsten Tage (Figg. 2 und 3, siehe folgende Seite). Von den Versuchstagen mit reiner Fleischnahrung verdienen diejenigen, in welchen 5008"® Fleisch gereicht wurden vorzugsweise Beachtung, weil sich diese Fütterung über 27 Tage erstreckt. In dieser Zeit wurden im I [7 ÜBER DIE GALLENBILDUNG BEIM Hunde. Eig. 2. 29. Januar. 2005rm Kohlehydrat, nachdem am vorigen Tage 5008 Fleisch gegeben waren. 10cm Wasser in der 3., 225eem Wasser in der 7. Stunde. Bios 3. 3. Februar. 6. Tag mit Nahrung aus Kohlehydrat. 370srm Wasser in der 6. Stunde. "Mittel täglich 104° m Galle aufgefangen. Das niedrigste Maass mit S1e m ‚erschien, nachdem 11 Tage hindurch nur 500=® Fleisch verabreicht waren, ‚das höchste mit 129° m Galle, nachdem mehrere Tage eine Kost aus 1000 ‚bis 797 sm Fleisch vorausgegangen war. Die Vertheilung der Abscheidung ‚auf die Tageszeiten war im Mittel: Nachmittags 4-9 m, Nachts 4-3”, Vormittags 3-6 m, | Das Absinken der Abscheidung, welches sich in diesen Zahlen vom Ende ‚der einen bis zum Eintritt des folgenden Nahrungstages ausdrückt, erfolgte ‚jedoch keineswegs stetig; dieses ist aus den Beobachtungen zu erkennen, ‚in welchen die Galle stündlich gesammelt wurde. Eine solche ist in Curve 4 versinnlicht. | Die Steigerung der Absonderungsgeschwindigkeit, welche eine Stunde ‚nach dem Genusse der Nahrung beginnt, schreitet meist regelmässig bis zu ‚3 und 6 Stunden hin fort; danach erfolgt unter mannigfaltigen Schwankungen ‚das Absinken. — Wie sieh der Verlauf der. Absonderung in den Nacht- \ 76 P. SPIRoO: stunden gestaltet bin ich nicht in der Lage anzugeben, da die in der 10. bis 19. Stunde ausgeschiedene Galle insgesammt am Ende dieses Termins aufgefangen wurde. Wahrscheinlich ist es jedoch, dass in einzelnen Nacht- stunden sehr wenig abgesondert wird, da es zuweilen vorkommt, dass in einer der Morgenstunden die abgeschiedene Gallenmenge das Mittel aus den Nachtstunden übertrifft, trotzdem dass am Abend als das Aufsammeln unter- brochen wurde, die Galle noch mit einer das Nachtmittel beträchtlich über- ragenden Geschwindiekeit abfloss.. Wird die reine Fleischkost beibehalten Fig. 4. oO 26. Januar. 500grm Fleisch, nach diesem 100cem Wasser; in der 2. und 3. Stunde ausserdem noch 302eem Wasser. aber statt 500 nur die Hälfte oder ein Viertel dieses Gewichtes verfüttert, so wird die Absonderung der Galle herabgesetzt, aber die Vertheilung der abgeschiedenen Mengen über. Nachmittags-, Nachts- und Vormittagsstunden erfolgt nach der für 5008'm Fleisch angegebenen Regel. Es ergeben sich im Mittel: Für 5 Tage mit 250sm Fleisch in 24 Stunden 80° m Galle. — Hiervon kamen auf je eine Stunde des Nachmittags 4-0°m des Nachts 3. 1°" und des Vormittags 2.9, ÜBER DIE GALLENBILDUNG BEIM HUNDE. u Für 4 Tage mit 125: Fleisch in 24 Stunden 67m Galle. — Hiervon kamen auf je eine Stunde des Nachmittags 3.7sm des Nachts 2.3eem und des Vormittags 2.2 m, Wesentlich anders verlief die Absonderung, wenn reines Fleischfutter über 500s’= hinaus stieg. — In einer Reihe von 4 Tagen, in welchen je dreimal 1000 und einmal 797sm Fleisch aufgenommen wurden, flossen für Fig. 5. 9. Februar. 1000srm Fleisch, 508gm Wasser in der 3. Stunde, 220cem Wasser in der 6. Stunde, 132cem Wasser in der 8. Stunde, 40cem Wasser in der 10. Stunde, 273 cem Wasser während der Nacht. Also im Ganzen T15ecem Wasser in 24 Stunden. ' je einen Tag 136° m Galle ab und von diesen in je einer Stunde: | des Nachmittags 5. 1°”, der Nacht 5. 8°" und des Vormittags 6.2 m, Ungeachtet des niedrigsten Mittelwerthes, welcher sich aus den 8 bis J Stunden berechnet, die unmittelbar auf die Fütterung folgen, ist doch in dieser Periode die Gallenabsonderung zeitweise ungemein beschleunigt, dafür aber in anderen Abschnitten derselben sehr verlangsamt. Ein deut- liches Bild von den grossen Schwankungen des Gallenflusses in der Nach- 18 P. SPIRo: tischperiode gewährt die Curve 5, die nach einer Beobachtung construirt ist, in welcher der Kautschuckbeutel stündlich entleert wurde, in der 1. bis 10. und der 20. bis 24. Stunden nach der Fütterung, während ihm die von der 10. bis 20. Stunde entleerte Galle gemeinsam abgenommen ward. & Fig. 6. Die ausgezogene Curve ist nach der Beobachtung eines Tages, 9. Februar, construirt, in welchem das Thier 1000grm Fleisch und Tı5cem Wasser genommen, die punktirte dagegen bezieht sich auf einen Tag, 26. Januar, in welchem nur 500g”m Fleisch und 4025r7m Wasser gereicht wurden. Dieselben Unregelmässigkeiten, welche hier nach dem (Genuss von 1000 ®® Fleisch sichtbar wurden, habe ich auch an dem Tage in der gleich- namigen Zeit beobachtet, in welcher das Thier nur 797 8”® Fleisch aufnahm. Um den Unterschied hervorzuheben, der sich zwischen dieser und der nur auf 500 8m gestiegenen Fieischmenge in der Gallenabsonderung einstellt, ist neben die Curve 1 der Fig. 6 noch eine andere 2 gezeichnet, die sich auf einen der Tage mit 5008” Fleisch bezieht. Eine eigenartige von der bisher geschilderten abweichende Vertheilung | übt der Zusatz von Kohlehydraten zur Fleischnahrung. Ich sage auf die ÜBER DIE GALLENBILDUNG BEIM HUNDE. 79 Vertheilung, da die tägliche Menge von Galle durch den Zusatz von Kohle- hydraten nur wenig oder gar nicht geändert wird. Es ergaben sich bei einem Futter von 200 bis 187 em Fleisch und 82 bis 77s'm Amylum für den Tag im Mittel 69° Galle und diese ver- theilt sich für die Stunde: des Nachmittags 12°“, der Nacht 3-3 m und Vormittags 3-8", Und in einer anderen Reihe, in welcher 500 sm Fleisch mit 100 s"" Amylum verabfolgt wurden, wurde im Mittel täglich gesammelt 9-9 cm Galle. Diese vertheilt sich derart, dass auf je eine Stunde des Nachmittags 3 4°”, der Nacht 4:5 °® und des Vormittags 3. 8m kommen. Der Zusatz von Kohlehydraten zum Fleisch verzögert sonach ganz all- gemein den Zeitpunkt, in welchem das Ansteigen der Absonderungsgeschwin- 16 .2ZZ2 28 19 20.21.22 23 23. Januar. 500grm Fleisch und 100grm Kohlehydrat. Mit dem Futter 56cm Wasser und in der 7. Stunde 237eem Wasser. digkeit nach der Fütterung beginnt. Ueber diese Wirkung des Zusatzes von Kohlehydraten kann darum kein Zweifel bestehen, weil das Anwachsen der Absonderung stets weiter hinausgeschoben wird, als bei alleiniger Fleisch- fütterung. Denn obwohl in diesem letzteren Falle die Vermehrung der Gallenbildung sich bis zur fünften Stunde nach der Mahlzeit verzögern kann, so beeinnt sie doch nach der Fütterung mit Fleisch und Kohlehydraten ' günstigen Falls erst in der siebenten bis achten. Ein Beispiel für den s0 P. SpIRo: Verlauf giebt die Curve 7. — Aus der Vereleichung mit der Beob- achtung bei reinem Fleischfutter lässt sich erkennen, dass die Dauer der grösseren Absonderungsgeschwindigkeit in beiden Beobachtungstagen an- nähernd gleich ist. Wo das Ansteigen später beginnt, da tritt auch das Absinken später auf. An Bestimmungen dieser und ähnlicher Art nahm man von jeher darum ein Interesse, weil man durch sie einen Aufschluss über die Be- ziehungen zwischen den Leistungen der Leber und denen der übrigen Unter- leibseingeweide zu gewinnen hoffte. Solche sind unverkennbar vorhanden, sodass uns nur zu fragen übrig bleibt, ob die Reizungen der Nerven und die Aenderungen des Blutstroms innerhalb der Darmwand, welche der Nah- rungsaufnahme folgen, die Belebung des gallenbildenden Vorganges ver- ursachen oder ob der Grund für die letztere in einer veränderten Zusammen- setzung des Blutes zu sichern sei. Bei den unzureichenden chemischen Hülfsmitteln der Gegenwart sind wir zur Entscheidung dieser Frage allein auf die Kennzeichen hingewiesen, welche wir aus den zeitlichen Veränderungen der AbSonderungsgeschwindigkeit gewinnen. Soweit die Befähigung derselben zur Herstellung eines Beweises aus- reicht, sprechen die veränderlichen Absonderungsgeschwindiekeiten dafür, dass die Anregung, welche die Gallenbildung durch die Verdauung erfährt, wesentlich von der Aufnahme verdauter Stoffe in das Blut abhängig ist. Nur mit dieser Annahme ist es zu vereinbaren, dass zwischen dem Eintritt der Speisen in den Magen und der Steigerung der Gallenabsonde- rung nie weniger als eine Stunde verstreicht. Und noch mehr: war eine reichliche Fleischportion verzehrt worden, so blieb die anfänglich stark em- porgetriebene Gallenabsonderung nicht auf der erreichten Höhe dauernd stehen, sondern sie sank alsbald wieder bedeutend ab, um unter beträcht- lichen Schwankungen auf und nieder zu steigen. Der späte Eintritt der vermehrten Gallenabsonderung nach einem mässigen Fleischgenuss, be- sonders die bedeutenden Schwankungen der ersteren nach einer reich- lichen Mahlzeit der letzteren bleiben unverständlich, wenn man die Reizung der Nerven und die Erweiterung der Blutgefässe in der Magen und Darm- wand für die veränderte Bildungsgeschwindiekeit der Galle verantwortlich machen will, da diese beiden Aenderungen doch gleichzeitig mit der Aul- nahme des Futters sich geltend machen, und nach Allen was wir wissen, wenn sie einmal eingetreten sind, während der Verdauung viele Stunden hindurch ohne solche Aenderungen fortbestehen, aus denen sich jene auf- fallenden Unterschiede in der Absonderungsgeschwindigkeit der Galle er- klären liessen, welche thatsächlich nach einer reichlichen Mahlzeit aus Fleisch beobachtet wurden. Fur eine indirecte Beziehung zwischen dem Verdauungsacte und der gesteigerten Gallenbildung spricht ferner die zeit- ÜBER DIE GALLENBILDUNG BEIM HUNDE. s1 liche Uebereinstimmung des Beginns dieser letzteren mit dem Eintritt der - vermehrten Ausscheidung von Harnstoff. Bei dem Verfolgen der zeitlichen Abhängigkeit der Harnstoffentleerung von der Verdauung hat Panum ge- funden, dass etwa eine Stunde nach der Einführung von reiner Fleisch- kost die Harnstoffabscheidung zunimmt, zu dem nämlichen Termin, an welchem auch die Gallenbildung zu steigen beginnt. — Dafür, dass das Wachsthum der Gallenabsonderung, wo es eintritt, auf einer Wirkung der Blutmischung ruht, spricht weiterhin das Fehlen ihrer Steigerung nach dem Genuss einer Nahrung aus reinem Kohlehydrat. Bei der letzteren Fütterungsart verlief die Gallenabsonderung ähnlich wie beim Hungern, so dass trotz der eingeleiteten Verdauung und aller hieraus hervortreten- den Folgen für den Blutstrom keine Wirkung derselben auf die gallenbildenden Werkzeuge zu beobachten war. — Es scheint sogar als ob die Kohlehydrate die Wirkung des Fleisches auf die Gallenbildung hinausschieben könnten, wie aus der Verzögerung zu schliessen ist, welche das Ansteigen der Ab- sonderungsgeschwindigkeit erfährt, wenn neben dem Fleische auch Kohlehydrate verfüttert werden. Dass diese Verzögerung nicht auf einem späteren Ein- tritt der Fleischverdauung ruht, geht aus den Beobachtungen Panum’s hervor, die für den Harn das gerade umgekehrte Verhalten wie für die Galle aufdeckten. Nach einem Zusatze von Brod zum Fleisch sah er die Harnstoffabsonderung früher als nach reinem Fleisch ansteigen. Könnte man sich vorstellen, dass die Leber nicht gleichzeitig der Darstellung von Glykogen und von Taurocholsäure obzuliegen vermöge, so würde man die _ Verzögerung der erhöhten Absonderungsgeschwindigkeit von Galle bei einer gemischten Nahrung auf den Vorrang schieben können, welchen die Stärke ' und der Zucker als Mutterstoffe des Glykogens der Zeit nach vor dem Ei- weiss und seiner Umformung in Taurocholsäure besässen. Wenn endlich beim Wechsel des Futters die vorausgegangene Art und Menge der Nahrung sich noch ein bis zwei Tage hindurch in die Füt- ‚terungsperiode hinein geltend macht, wenn sich somit die Ausscheidung der Taurocholsäure in dieser Beziehung ähnlich verhält wie die des Harnstoffs, 80 wird man den Grund für die gesteigerte Absonderungsgeschwindigkeit der Galle nieht in einer unmittelbaren Einwirkung der Darmwand bez. ihrer Gefässe und Nerven auf die Thätigkeit der Leber suchen können. 9. Ueber den Einfluss, welchen die Entfernung der Galle aus dem thierischen Ko auf die Bindungsweise des Schwefels im Harne übt. Im Harn des Hundes erscheint bekanntlich der Schwefel nur zum Theil als Schwefelsäure, ein anderer Theil ist in weniger oxydirtem Zustande Archiv f. A, u. Ph. 1880. Supp],-Band z. Physiol. Abth. 6 | 82 P. Spiro: vorhanden, aus dem er erst nach dem Verpuffen mit Salpeter in Schwetel- saure übergeführt werden kann. Die Frage, ob das Verhältniss zwischen. den Schwefelmensen verschiedener Bindungsart sich im Harne ändere, je nachdem die Galle in den Darm oder durch die Fistel nach Aussen ab- fliesse, glaubte Kunkel, gestützt auf einige wenige Beobachtungen dahin beantworten zu dürfen, dass durch den Zutritt der Galle zum Darm der in weniger oxydirtem Zustande vorhandene Schwefel vermehrt werde im Gegensatz zu dem Falle, in welchem die Galle durch eine Fistel nach aussen strömt. Kunkel giebt an, dass die Menge der vorgebildeten Schwefelsäure im Verhältniss von 64 bis 70 Procent zu der Menge des gesammten Harn- schwefels stehe, wenn ‘die Galle in den Darm gelangt, während bei der Ableitung der Galle nach aussen der in der vorgebildeten Schwefelsäure enthaltene Schwefel 80 Procent von der Gesammtheit des im Harn ent- haltenen ausmache. Durch die Entfernung der Galle aus dem thierischen Organismus würden demnach die in weniger oxydirtem Zustande vorhan- denen Schwefelmengen merklich vermindert werden. Um einen Beitrag zur Entscheidung dieser Frage zu liefern, habe ich eine grössere Reihe von Bestimmungen an den Harnen unternommen, welche ich in meiner grossen Versuchsreihe gesammelt habe. “Diese führten zu folgenden Ergebnissen. | Gesammelte | Hiervon als Be | = ‚Harnschwefels an dem Futter. ı Sehwefelmenge | Schwefelsäure | .„ der Schwefelsäure des Harns. | Sun | gebundenen Antheil. a grm 2 ; 2 r grm ER grm Proc. 949 Fleisch 1:800 1059 59 500 5 1:077 0683 64 " { 1'028 0664 6 N, 0-975 0.65 | 66 u 0-910 0-580 65 ae 0.848 0.426 50 ee 0836 0639 76 ” ” und 100 Kohlehydrate . . 0800 0549 69 489 Fleisch und 100 Kohlehydrate . . 0:733 0.479 65 250 N 31108506 0.356 70 ÜBER DIE GALLENBILDUNG BEIM HUxDe. 83 ; Procentgehalt des Gesammelte Hiervon als \ I Harnschwefels an dem Futter. Schwefelmenge | Schwefelsäure |. z BR: a hd in der Schwefelsäure en Seen, gebundenen Antheil. grm grm Sr Doro za 188 Fleisch und 74 Kohlehydrate . 0.465 0.329 71 200 Kohlehydrate . 0.221 078 | s1 5 5 0187 Deal 68 Nach diesen Ergebnissen schwankt der in der Schwefelsäure enthaltene Antheil des Harnschwefels in noch weiteren Grenzen als sie von Kunkel sefunden wurden, trotzdem dass die Galle ununterbrochen aus der Fistel hervorströmte, und die Nahrung unverändert blieb. Wir werden deshalb kaum geneigt sein, die Ursachen der Veränderlichkeit auf den Wechsel der Nah- rung oder auf die An- und Abwesenheit der Galle im Darmeanal zu schieben. Durch die Beobachtungen von Baumann sind wir davon unterrichtet, dass im Harn die Schwefelsäure theils in den Sulfaten theils als Aetherschwefel- säure vorkommt. Es schien mir der Mühe werth, zu prüfen ob sich das von Baumann am normalen Thiere gefundene Verhältniss der beiden Säurearten ändere, wenn eine Gallenfistel besteht. Hierüber habe ich zwei Beobach- tungen angestellt, in der ersten war das Thier mit 500°" Fleisch gefüttert, in der zweiten mit 200srm Kohlehydrat. la. Durch Fällung aus dem essigsauren Harn 0: 285 Proc. Schwefelsäure. b. Durch Fällung aus dem salzsauren Filtrat 0.0137 Proc. Schwe- felsäure. 2a. Durch Fällung aus dem essigsauren Harn 0.245 Proc. Schwefelsäure. b. Durch Fällung aus dem salzsauren Filtrat 0.0165 Proc. Schwe- felsäure. Diese Zahlen entsprechen denjenigen, welche Baumann für den nor- malen Hund gefunden hat. Darum liegt keine Veranlassung vor, der Ent- fernung der Galle aus dem thierischen Körper einen Einfluss auf die Bil- dung der Aetherschwefelsäure zuzuschreiben, eine Vorstellung, die sich im Hinblick darauf hätten bilden können, dass nach früheren Angaben durch die Abwesenheit der Galle die Fäulniss im Darmcanal begünstigt wird. 84 P. SpiRo: Nachweis über die Beobachtungsmittel. a. Anlegung und Ueberwachung der Gallenfistel. Die Anlegung der Fistel geschah in der gewöhnlichen Weise. Durch eine OÖeffnung der Bauchwand in der Linea alba wurde der Gallengang herausgezogen, doppelt unterbunden und ein möglichst langes Stück davon ausgeschnitten. An einigen Hunden wurde das Ende des an der Blase ge- blieberen Abschnittes vor der Unterbindung umgeschlagen. Dann wurde die Gallenblase vorsichtig und langsam in die Wunde gezogen, eingeschnitten, die Galle herausgelassen, und eine Canüle, die an ihrem inneren Ende eine tellerartige Verbreiterung trug, in die Gallenblase eingebunden. Diese Canüle, die an der Bauchwand nicht befestigt war, fiel in der Regel nach ein Paar Wochen heraus. Jetzt wurde sie durch eine andere durchweg cylindrische ersetzt, die an der Bauchwand auf folgende Weise befestigt war. Eine schmale, in ihrer Mitte durchlöcherte Platte aus steifem Silber ward über die Canüle gesteckt und einige Millimeter unterhalb ihres freien Endes schräg angelöthet, sodass die Platte, wenn die Canüle im den Fistelgang eingeschoben ist, glatt an der Bauchwand anzuliegen kommt. ‚Die beiden Hälften der Platte, die Flügel der Canüle, die entsprechend der Rundung des Bauches gebogen waren, wurden an die Bauchwand mittels zweier dünner Drähte aus möglichst reinem Silber angeheftet, die beiderseits neben der Fistelöffnung durch die Haut durchgezogen waren. Aus diesen sehr weichen Drähten wurden zwei flache Ringe gebildet, in welche die Flügel der Canüle eingesteckt werden. Bei dieser Einrichtung wurde die Canüle in dem Fistelgang festgehalten und ihr doch erlaubt sich dem steten Spiele von Bewegungen anzupassen, dem die Bauchwand durch die Athmung und die ungleiche Füllung der Eingeweide ausgesetzt ist. Dafür dass neben dem Röhrchen keine Galle ausfliesst, sorgt die Schwellung der Granulationen, welche den Fistelgang auszufüllen streben. So lange die Hautbrücken, unter welcher die Drähte durchgezogen sind, unversehrt bleiben, ist wie schon ge- sagt, der Canüle eine durchaus feste Stellung gewahrt. Der stetigen Be- wegungen wegen schneiden aber die Hautbrücken allmählich durch; sobald dieses geschehen, müssen die herausgefallenen Drähte durch neue ersetzt werden; da sie leicht mit einer dünnen Nadel, wie sie zum Stechen der Öhrlöcher dient, durch die Haut geführt werden können, so lässt sich diese Operation ohne Verlust eines Tropfens von Blut ausführen. Selbstverständ- lich vermeidet man mit Hilfe des Carbols die Eiterung in den Wundcanälen und fördert mit aller Sorgfalt die Heilung der durchgeschnittenen Haut- brücken. Nach meinen Erfahrungen kann ich diese Befestigungsweise der Canüle auch als eine das Thier wenig belästigende empfehlen. ÜBER DIE GALLENBILDUNG BEIM HUNDE. 85 Das Canülenstück, welches sich von den Flügeln aus nach innen er- streckt, muss mit einem Ende noch in die Gallenblase hineinragen; die hierzu nöthige Länge ist durch vorsichtiges Sondiren der Fistel leicht zu bestimmen. Ueberschreitet die Canülenöffnung nicht die Grenze zwischen der Blase und dem Fistelgang, so tritt sehr bald eine Verengung der letz- teren ein, was zur Gelbsucht mit allen ihren Folgen führt. Für die Geschwindigkeit, mit der dieses geschehen kann, diene folgendes Beispiel. — Bei einem Gallenfistelhund fiel die Canüle des Hundes heraus, sodass er die Nacht über ohne solche blieb; den anderen Morgen wurde beim Sondiren schon eine merkliche Verengerung der Fistel am Uebergange der Blase in den künstlichen Gang constatirt; in zwei Tagen war die Strietur so weit vorgeschritten, dass nur die Einführung eines bedeutend engeren Röhrchens möglich war. Was die Weite der Canüle betrifft, so hat sich eine solche von 5%” Durchmesser am besten bewährt. Den Beweis dafür, dass die Canüle während der Beobachtungsdauer stets richtig gelegen, erbringt, neben dem regelmässigen Abiluss während des Lebens, die Untersuchung nach dem Tode. Findet sich hierbei, dass die Canüle bis in die Lichtung der Gallenblase hineinreicht, so ist ihr Um- fang und nicht minder der Antheil des Duet. choledochus, welcher mit der Blase in Verbindung steht verkleinert. Die Fäden, mit welchen beiderseits der Ductus abgeschnürt wurde, liegen in den Höhlen desselben, eine Ver- bindung der aus der Durchschneidung des Ductus hervorgegangenen Enden desselben hat nicht stattgefunden, sie sind durch eine starke Bindegewebs- narbe von einander getrennt. Wesentlich anders stellt sich der Befund, wenn sich der Fistelgang während des Lebens verenet, wenn auch nicht ganz verschlossen hat; dann ist die Blase, vor allem aber der mit ihr in Verbindung gebliebene Stumpf des Ductus nicht unbedeutend erweitert, und gegen das Duodenum hin vorgedrängt, sodass er sich gegen das in seiner ursprünglichen Lage festgehaltene Darmende des Gallenganges anlegt. Ist diese offenbar in Folge der Gallenstauung eingetretene Umformung der Gangreste einmal eingetreten, so bedarf es ersichtlich nur noch eines kleinen Schrittes weiter, um die durch den operativen Eingriff bewirkte Unter- brechung der natürlichen Wegsamkeit wieder herzustellen. Allerdings habe ich in meinen Beobachtungen, selbst wenn sich die Gallenfistel so bedeutend verengt hatte, dass der Hund der Gelbsucht verfiel, keinmal eine deutliche ‚Wiederherstellung des Ganges gesehen, doch aber habe ich aus einer meiner Beobachtungen, in welcher das zu dem Darm strebende Gangstück mit seinem freien Ende auf dem stark aufgetriebenen Blindsack des Gangrestes aufgelöthet lag, der aus der Blase hervorging, die Ueberzeugung gewonnen, dass die Verschmelzung der beiden durchschnittenen Enden nahe bevorstand. Wird die Wiederherstellung des Ganges auf die angedeutete Weise bewirkt, s6 P. Spiro: so erscheint dieselbe durchaus nicht so räthselhaft und wunderbar, wie sie öfter in der Literatur hingestellt wird, unter Bezugnahme auf einen von A. Kölliker und H. Müller! genauer beschriebenen und einen anderen von Ritter? erwähnten Fall. b. Das Sammeln und Üonserviren der Excrete. Das Auffangen der Galle geschah mit Hilfe eines birnförmigen Kaut- schuckbeutels, dessen Lichtung, ohne eine bemerkliche Spannung zu besitzen, 150°” fassen konnte. Sein Stiel war auf das aus der Wunde hervorstehende Ende der Canüle aufgebunden. Da dieser Ballon aus so dünnem Kautschuck hergestellt war, dass im leeren Zustand desselben seine Wände von selbst zusammenfielen, so bewirkte die Einbindung des zusammengelegten Beutels keine Ansaugung der Galle aus der Blase. Diese Kautschuckbeutel wurden wenigstens dreimal am Tage gewechselt. Um den Harn und die Faeces zu sammeln diente folgende Einrichtung. In einem tischähnlichen Gestell wurde ein trichterförmiger Thontrog mit glattglasirten Wänden circa 1 Meter lang und ®/, Meter breit befestigt. Dieser Thontrichter war mit einem starken engmaschigen Eisendrahteitter bedeckt, welches mit gebackenem Asphaltlack überzogen war. Oberhalb des Gitters schloss sich an den breiten Rand des Trichters eine vierseitige Röhre aus Eisenblech an, die ebenfalls sehr sorgfältig mit Asphaltlack überzogen war. Innerhalb desselben stand der Hund. Um diesem das Entweichen unmöglich zu machen, war die obere Oeffnung der Blechröhre mit einem Gitter bsdeckt. Das Emporheben des Kastens und damit das Einsetzen und Herausnehmen des Hundes war leicht möglich, weil der erstere durch einen von der Zimmerdecke herabgehenden Strick, mittels Rolle und Kurbel leicht gehoben und gesenkt werden konnte. Diese Einrichtung erlaubte es, den Harn gesondert von der Faeces zu sammeln, indem der Harn durch das Drahtgitter in den Trichter und durch eine am Boden desselben angebrachte Oeffnung in einen graduirten Cylinder abfloss, während die Faecees auf dem Gitter liegen blieben. Der thönerne Trichter wurde am Ende jedes Ver- suchstages mit destillirtem Wasser abgespült und zwar wurde zu diesem Zwecke so viel Wasser verwendet als das Volumen des Harns betragen hatte, oder es wurden die Wände des Trichters, wenn möglich, auch täglich nach Ablassung des Urins mit der gleichen Quantität Wasser abgespült. Letzteres geschah in der Regel während derjenigen Versuchsreihen, wo der Hund ver- hältnissmässig wenig Harn lieferte. ! Verhandlungen der Würzburger physikalischen u. medicinischen Gesellschaft. 1854. Bd. V. 8. 222. 2 Ritter, a. a. O.,'S. 12. ÜBER DIE GALLENBILDUNG BEIM HuxDe. 87 Da es unmöglich war die täglich aufgefangenen Excrete auch sogleich zu analysiren so ergab sich die Nothwendigkeit, nach Mitteln zu suchen, durch welche die verschiedenen Ausscheidungsflüssiekeiten bis zu dem Zeit- punkte hin vor Zersetzung geschützt wurden, an welchem sie zu weiterer Behandlung kamen. Zu dem Ende versetzte ich die einzelnen Gallen- portionen mit etwas Thymol und den Harn mit Salieylsäure. Das erste Mittel hat sich sehr gut bewährt, indem nach acht Monaten noch keine Spur von Fäulniss zu beobachten war. Der Zusatz von Salicyl- saure zum Harn lieferte keine ähnlich glänzenden Resultate, denn es hatte sich in einigen Portionen Gährung eingestellt. c. Verfahren zur Bestimmung des Schwefels und des Stickstoffes. Zur Auswerthung des Schwefelgehaltes in der Galle dienten in der Regel 50° ® derselben. Nur da, wo die Tagesquantität der Galle gering war, verarbeitete ich 30 bez. 20m. Nachdem die Galle in einer Silber- schaale mit Aetzkalı und Salpeter geschmolzen, wurde der Kuchen in Wasser aufgenommen, mit Salzsäure übersättigt und mit Chlorbaryum heiss gefällt. Der Niederschlag wurde auf einem Filter mit bestimmtem Aschegehalt gut ausgewaschen, getrocknet und ein möglichst grosser Theil desselben in einen Porzellantiegel gebracht. Der Filter mit dem Rest des Niederschlages wurde verbrannt und gewogen. Der im Porzellantiegel enthaltene Theil des Niederschlages wurde nach der Wägung mit ein Paar Tropfen concen- trirter Schwefelsäure übergossen und sodann auf einem kleinen Filter aus schwedischem Papier mit Wasser gut ausgewaschen. Dieses so gereinigte Baryumsulfat wurde wieder gewogen; der Unterschied im Gewicht zeigte die Quantität der Beimengungen an. Nach diesem Unterschied wurde dann die Quantität des Baryumsulphats in derjenigen Portion berechnet, die mit der Asche des grösseren! Filters gewogen war. — Auf die nämliche Weise verfuhr ich bei den Bestimmungen des S im Harn, ausser in den Fällen wo es darauf ankam, die verschiedenen Bindungsformen des Schwe- fels im Harn zu untersuchen, wovon weiter unten die Rede sein wird. Für die Schwefelbestimmungen im Fleisch, welches als Futter diente, nahm ich einen aliquoten Theil des gut durchmischten frischen Fleisches; der Gang der Analyse selbst war der nämliche, wie bei der Galle und dem Harn. Da ich die Analysen des Kothes nicht jeden Versuchstag vornahm, sondern einmal in der ganzen während einer Versuchsperiode gesammelten Quantität, so wurde die Schwefelbestimmung an dem trockenen Rückstand gemacht. Beim Trocknen des Kothes von zwei Versuchsperioden (vom 25./12. bis 30./12. und 7./1. bis 11./1.) liess sich der Koth nur nach vorherigen Extraction durch Aether gut pulverisiren. — Die Menge des Schwefels in einem Hühner- 88 P. Spiro: eiweiss bestimmte ich durch eine Analyse von 5 Eeiern zu 0:0555 3°“, Für die Stickstoffbestimmungen wurde eine gemessene Quantität der Galle auf dem Wasserbade und der Rückstand vor dem Wägen noch im Luftbad bei 110° getrocknet. Der Stickstoff wurde sodann mittels Verbrennung mit Natronkalk nach der von Makris im Laboratorium von Hoppe-Seyler geänderten Methode von Varrentrapp und Will bestimmt. ! Als Indicator der Endreaction bei dem Titriren diente Rosolsäure. — Im Harn wurde der Stickstoff nach der Seegen-Voit’schen Methode durch Glühen mit Natronkalk in einem Kölbchen bestimmt. Im Koth wurde der N in derselben Weise bestimmt. Für die Berechnung der Quantität des Stickstoffes im Pferdefleisch gebrauchte ich die Mittelzahl von Voit (3-4°/,). Die Menge des N im Hühnereiweiss wurde mittels der von Lehmann ge- gebenen Quantität des Albumins an N zu 16°/, gesetzt, so entsprechen 0-438 sm N einem Hühnereiweiss. In dem während einiger Versuchsperioden auf- gefangenen Harn sollte ausser der Gesammtbestimmung des S noch die Quantität der darin enthaltenen präformirten Schwefelsäure durch directes Fällen als schwefelsaures Baryum bestimmt werden. Zu dem Ende wurden 30 bis 50 «m Harn mit Salzsäure versetzt, eine Zeit lang erwärmt, stehen ge- lassen, von einem etwa sich gebildeten Niederschlag abfiltrirt und warm mit Chlorbaryum gefällt. Der Niederschlag wurde auf dieselbe Weise wie bei den Gesammtbestimmungen des S behandelt. Bei dem vorhin beschriebenen Verfahren zur Auswerthung der H,SO, im Harn wird ausser der gewöhnlichen auch die in gepaarter Verbindung enthaltene mit bestimmt, weil die letzteren, wie Baumann? zeigte, durch Erwärmen des mit HCl versetzten Harnes gespalten werden. Da die Menge der H,SO,, welche in der genannten Bindung im Harne erscheint, sehr gering ist, so ist es nicht zu erwarten, dass dieser Fehler einen er- heblichen Einfluss auf das wie oben gewonnene Resultat üben wird. Den- noch habe ich, um eine Idee von diesem Fehler zu bekommen, in zwei Harnen von verschiedenen Versuchsperioden neben der Quantität der prä- formirten H,SO,, die Quantität der in gepaarter Bindung erscheinenden nach der Methode von Baumann bestimmt, besonders noch deshalb, weil es nicht ohne Interesse ist zu erfahren, ob überhaupt im Harn von Gallen- fistelhunden der auf diese Weise gebundene vorkommt. In dieser Absicht wurden 50 “= Harn mit Essigsäure, einem gleichen Volumen Wasser und Chlorbaryum im Ueberschuss versetzt und auf dem Wasserbade erwärmt bis sich der Niederschlag klar gesetzt hat. Der ab- ! Makris, Ueber die Stiekstoffs- Bestimmungsmethode nach Will und Varren- trapp. Liebig’s Annalen. Bd. CLXXXIV. S. 371. ®° Baumann, Ueber die Bestimmung der Schwefelsäure im Ham. Zeitschrift für physiologische Chemie. Bd. I. S. 70 ff. ÜBER DIE GALLENBILDUNG BEIM Hunde. 89 filtrirte Niederschlag wurde erst mit Wasser, dann mit warmer verdünnter Salzsäure und dann wieder mit Wasser ausgewaschen. Nachdem er weiter nach der ‘im Anfang beschriebenen Methode behandelt wurde, ergab sein Gewicht die Menge der in Form von Salzen im Harn enthaltenen Schwefel- säure. Das mit den Waschwassern vereinigte Filtrat wurde noch mit etwas verdünnter Salzsäure versetzt und erwärmt bis der schnell entstandene Niederschlag sich klar abgesetzt hat. Dieser Niederschlag wurde erst mit heissem Alkohol von harzigen Substanzen, die an ihm haften, ausgewaschen, zuletzt mit heissem Wasser. Das Gewicht dieses Niederschlages vom schwefel- saurem Baryt ergab die Menge der in dem Harn enthaltenen gepaarten Schwefelsäure. d. Die Ernährung der Thiere. Will man die Abhängigkeit der Gallenbildung von der Ernährungsweise des Thieres hervortreten lassen, so wird man ein nach Art und Menge be- stimmtes Futter längere Zeit hindurch reichen müssen, bis sich entweder das Körpergewicht auf gleicher Höhe erhält oder aber bis die sichtbaren Nachwirkungen einer vorausgegangenen Speisung verwischt sind. Aus diesem Grunde zerfällt die gesammte Dauer meiner grösseren Versuchsreihe in Perioden von je 6 Tagen. Abweichungen von dieser Regel traten nur em, wenn dieses der Zustand des Thieres erforderte. — Die Möglichkeit diesen Plan durchzuführen hat die Bereitwilliekeit des Hundes zur Voraus- setzung, das gebotene Futter auch anzunehmen. Sie zu erzeugen ist mir nach Ausmittelung einer Reihe Vorsichtsmaassregeln gelungen, seit deren Anwendung ich nicht mehr in die Klage anderer Beobachter, „dass die Thiere sich der vorgeschriebenen Diät nicht zu fügen pflegten,“ einzustimmen nöthig hatte. Die erste Regel bezieht sich auf die sorgsamste Entfernung der Galle durch die Fistelöffnung. Wird dieses versäumt, treten in Folge dessen Erscheinungen von Gelbsucht auf, so ist es um die Fressbegier geschehen, gleichgiltig, welches Futter man auch reichen mag. Durch diese Erfahrung gewinnen wir den wichtigen Aufschluss, dass die schädlichen Folgen für den Appetit nur aus dem Zutritt der Galle zum Blut, nicht aber davon herrühren, dass die letztere aus dem Darme ferngehalten wird. Die zweite dem Gallenfistelhund zuzuwendende Sorgfalt muss sich auf die Auswahl der Nahrung erstrecken. Mageres Pferdefleisch im rohen Zu- Stande nimmt der Fistelhund jeder Zeit in einer Menge, welche genügt, um ihm einen guten Ernährungszustand zu bewahren. Nur dann, wenn man wenn man bedeutend über das Maass hinausgeht, welches für die Erhaltung eines mittleren Körpergewichts genüst, veschmäht er bald den Ueberschuss 90 P. Spıro: und begnügt sich mit einer mässigeren Nahrung. — Auch Kohlehydrate, namentlich Zucker und gebackenes Amylum nehmen die Thiere bereitwillig; mit gekochtem Amylum habe ich weniger günstige Erfahrungen insofern | aufzuweisen, als dieses Nahrungsmittel nur in einer Mischung mit Fleisch genommen wurde. — Gegen jede Nahrung dagegen, welche einen reichlichen Antheil an Fett enthält, entwickelt sich rasch eine Abneigung. Wird eine solche Speise, z. B. Wurst, der Rückstand abgerahmter Milch, sogen. Casein, auch zum ersten Mal gern angenommen, so geschieht dieses doch schon am zweiten Tage mit weit geringerem Appetit; an dem späteren dagegen wird das fettreiche Futter ganz verschmäht, so dass der Hund, wird ihm kein anderes Fressen verabreicht, den Hunger vorzieht. Sollten sich diese Erfahrungen bestätigen, welche an drei Fistelhunden von sehr verschiedener körperlicher Beschaffenheit gemacht wurden, so würde man, um den Einfluss eines Fettzusatzes auf die Gallenbildung zu erkennen, allerdings eine andere als die von mir gewählte Futterfolge an- wenden müssen. Von den beiden folgenden Tabellen giebt I die analytischen Belege für die in der grösseren Versuchsreihe mit der Nahrung aufgenommenen und die mit Galle und Harn ausgeschiedenen Schwefel- und Stickstoffmengen. Tabelle II verzeichnet den unter verschiedenen Bindungsformen mit dem Harn entleerten Schwefel. 91 ÜBER DIE GALLENBILDUNG BEIM HUNDE. 760-8 |2168-0 | 2181-0 | 169-8 |9-5% == aH8-0 |F-CaF |! — 1680-0 848-8 |6218-TT |602-0| 408 — [7.678 ‘Sep, oad Ze ISO-IE I ISIFOE FLIEHEN E98 86L-1 LSIS 918-8 | LFL-O L9L- 19 8685-66 | 994-8 | 85Cl = ıÄFrL1| "IL SAL 060-8 = ER I — = 048 == == SE el =E 007 =, Nosale se an 076-1 |€-82 Se Fee OL8 = Ze We == GEL = 008 “OL 80-8 > = Ze ENG]: ar = 168 = == FE gl IE 008 "6 OLL-S — = =, 09 = TE GLy = FE SE = es or4 BB 088 8 086-4 == es = GL — 7 09 == = — = = G98 = 087 L 040-8 = = el — = = — — = = == 004 zZ 008 ) 051-8 == == ae = = — — = = 009 a 185 G 098-4 | OrG Te Se er —e == 0696 Se 057 12 086-1 == TE. = =, == ES 669 Ge — — ar IE LP =uE 095 @ 081-8 TE = Ei G86 Fr 35 008 == OLL 6 086-8 == 27, == 835 = = == Ir FE G88 081 I aenurf 018-8 | 683-0 | 910-0 | C6H-5 |G-6G |F85-4 |6HE-0 G08 FE 198:0, 886 = sIL ä "18 879-8 1766-0 ,280:0| IIS-3 |8-99 |81L-9 |497-0 |8-188 — 1930-0 |190-4 | 807-9 rıIr-0o| CHE |5-FL [86-881 Se] 014 = 899-1 |F6r-0| 198-91 868 1218-0F 361-5 |9-9588| 883-F | LGL-0 |T99-88| 089-885 | L6H-G | 6906 Hr OSI]| 08 SIq "CZ 084-8 ee == 3== See SL Kor = ur = = = BIKE 97 005 "08 059-8 0.89 | — = co — = — — | — | 907 IF 9PL "63 089-8 = 33 5 G-oL =: Z G68 == — == = — 958 LL Ss61 "85 001-8 = = == 0L FE =: 24 > — — == = 198 sl 661 LG 0018 Ze — = G-19 = == GEH == = — = = 188 8 L81 95 081-8 = Fe = G-99 ER = 098 — = == == 2928 0L 005 er 881-8 | 961-0 610-0 | 001-3 |8-4F7 |F84-G |16F-0 098 065-9 607-0 | 898 19-68 GsI ‚Se, o1d = 668-0 | LEL-O| 6686°C |G-16 [LIT-IL 178-0 051 | 084-231 |818-0| 9514 61.1 08 | 75 SIq "EG G9L-8 = 72 ==, 2,69% ze = re — — 88 OLI ‘73 001-8 == FE 3: en 7 al Ger SZ 607 16 005 '$3 LIL-S 1888-0 |87T-0 | SSF-T |T-96 |LOS-ET 016:0 04 — 820-0 891-9 | 000-L1 |001-T| 608 = 008 | Sep road 069-8 |080-8 |648-0 | F68-95 | G-918 178-758 847-4 6LI8| SIT-8 | G8F-0 |6TO-FL| 000-201 | 089-9 | 6681 = 0008| "ss SIQ "LI wasy unıd und und wı9 ud was wood wAd und wıd una wg wu09 und was "I9qUIII9(T 02) a Serze a u < a u = u u Eee ee | a3 aa ee en OS > = 5 = Ss &> 5 = > |©8 S 5 ® S0| 5 | -Sensmonsto -odioy| ” > Eee = ER > = 22 = |Re® 2: >> IUDLEN Ole) "ureH "UgoM "SUNIgBN Tr aıraamTr ‚renıgog oLL-8 | — [820-0 | 909-3 |9-69 Ma >= — == Fe — | 00 "IE 00L-8 | — [890-0 | «87-2 |8S-9 & e18-0) INT — — — — | | "08 08L-8 | — |660-0| SEr-E gg | == — = ee og | — "63 069-8 868-0 | SCL-0O | EEL-F |9-E0L ISTL-FT L00-L | 319 | T6L-6 | 9TT-0 |OTS-61) 000-LL | 000-L| 2EH = 008 Se], o1d — 066-T |22LL-0 a 9.L1g| — |GE0-4 | 0908) —. | 624-0 |eaG-96| 000-G8 |000-G | 80OIg | — 0082| '85 SI 'FZ 0F4-8 5 i : L-LOT 168 = 200% = 0 ‘83 a EUTIN so 08G - — os 12 G9G-8 178-0 |SCL-O | C98-T | T-COL 219 = — AN =: 008 "92 Be (tal Ina nl | = = | = | = ZI = Im sIL-Ss |c0F-0 | IFL-O| 068-F |L-96 108G-E1 |LLL-O | 1sG g\870-0| 16-8 |OFL-LI |6IL-TL| 98€ 001, 96r Se] o1d — 187-8 |978-0| FrE-63 |F-086 Icog-ıs [899-7 | LZTE| 668-4 | 883-0 [1108-84] OFF-90L | CTL-9 | sIEez | 009 | 2268 '€z SIq 'ST OFL-8 F-F8 809 - = —. 858 001 004 "83 0F6-8 |IEF-I 347-0 an 601 1909- IF au.) 05%, = Ei — _ el 001 | 008 12 5 cI8-8 \ all 14F _ =. 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Aus dem physiologischen Institut zu Leipzig. Unzweifelhaft ist ein grosser Theil der Aufschlüsse, welche uns über die Ursachen der Herzbewegungen zu Theil geworden sind, nur dem Um- stande zu verdanken, dass das Werkzeug, von welchem sie ausgehen, los- "gelöst aus seinem natürlichen Zusammenhange lange Zeit in seinen Lebens- eigenschaften erhalten und der Grad seiner Leistungsfähigkeit mit Sicher- ‚heit gemessen werden kann. Bei der Aehnlichkeit, welche in so vielen "Stücken zwischen den Bewegungen des Herzens und denen des Dünndarms ‚ besteht, lässt sich voraus sehen, dass es unserer Einsicht in den contrac- ‚ülen Apparat des Dünndarmes sehr zu gute kommen würde, wenn es gelänge, auch nur diesen Theil des letzteren Organs wenigstens auf Stunden hin lebendig zu erhalten und die von ihm ausgehenden Wirkungen zu messen; um wie viel mehr würden wir gewinnen, wenn sich dasselbe für die Schleimhaut des Dünndarms verwirklichen liesse. Die Vortheile dieses Weges liesen auf der Hand, darum ist es nicht zum Verwundern, wenn sehon früher und namentlich auch im hiesigen Institute der Versuch ge- macht wurde, den ausgeschnittenen Dünndarm lebendig zu erhalten. Es ‚ scheint jedoch, als ob die Bemühungen nicht zum gewünschten Ergebniss seführt hätten, wenigstens ist uns von ihren Resultaten keine Kenntniss ‚zu Theil geworden. Nach den manigfachen Fortschritten der Technik, die sich die Erhal- ‚tung des überlebenden Zustandes der Organe zur Aufgabe stellt, erschien es mir nicht gewagt, von Neuem die Lösung des Problems zu versuchen, | | 96 GAETANO SALVIOLI: um so weniger, weil mir Hr. Professor C. Ludwig versprach, mich mit Rath zu unterstützen. Meinen Bestrebungen ist denn auch nicht aller Erfolg versagt geblieben. Der Grund, weshalb es mir gelungen ist, den ausgeschnittenen Darm, namentlich aber dessen Muskelhaut, viele Stunden hindurch lebendig zu erhalten, glaube ich wesentlich zwei Umständen zuschreiben zu dürfen. Zunächst der besonderen Mischung, die ich dem durch die Gefässe zu lei- tenden Blute gegeben, und nächstdem der Vorbereitung des verwendeten Darmstückes; denn ich habe, wie aus dem letzteren Worte hervorgeht, nicht den ganzen Dünndarm, sondern nur einen sehr beschränkten Ab- schnitt desselben lebendig zu erhalten gesucht. Nachdem mir dieses ge- lungen, musste auf die Messung der Lebensäusserung Bedacht genommen werden, namentlich auf die Bewegungen des ganzen Rohres, auf die Aen- derungen der Widerstände in den Blutgefässen und auf die aufsaugende Fähigkeit der Schleimhaut. Alle diese Erfordernisse wurden folgender- maassen in das Werk gesetzt: Wenn ich, wie schon erwähnt, statt des gesammten Dünndarms nur einen Abschnitt des Jejunums von ein bis anderthalb Decimeter Länge in | Anwendung zog, so geschah dieses zunächst darum, weil es mir nur darauf | ankam, den Eigenschaften näher zu treten, welche allen Theilen des Dünn- | darms gemeinsam sind. Und da dieser in seinem Verlaufe einen nahezu gleichartigen Bau zeigt, so konnte man sich bei der Wahl des Abschnittes von anderweiten Rücksichten bestimmen lassen. Die Vortheile, welche durch die Beschränkung auf ein kurzes Darmstück erreicht werden, sind mehr- fache: Die Strömung des Blutes erfolgte durch alle Abschnitte sehr gleich- mässig; der zur Erhaltung der Beweglichkeit nöthige Temperaturgrad lässt sich mit Sicherheit überall hervorbringen; das Object lässt sich gut aus- breiten und in der einmal empfangenen Lage der Art befestigen, wie es zum Aufschreiben der ausgeführten Bewegungen nothwendig ist; endlich die Höhlung des Darmes kann nach Belieben mit Flüssigkeit erfüllt und wieder entleert werden. An Vorbereitungen erforderte der Versuch die folgenden Maassnahmen. Nach dem letzten Athemzug des durch Verblutung getödteten Thieres — Kaninchen oder Hund — wurde die Unterleibshöhle eröffnet und unter sorgfältiger Erhaltung des zugehörigen Mesenteriums das ausgewählte Stück des Jejunums abgetrennt. Unmittelbar darauf wurde ein entspre- chend grosser Lappen aus den Bauchdecken herausgeschnitten, nach Ent- fernung des Fells auf einer starken Korkplatte, das Peritoneum nach oben ausgebreitet und festgesteckt. Auf dieser glatten für die freie Beweglich- keit des Darms vortheilhaften Fläche wurde das letztere entfaltet und eben- falls mit Nadeln befestigt. War dieses geschehen, so suchte man den Ast } METHODE FÜR DIE UNTERSUCHUNG DER FUNCTIONEN DES DÜNNDARMS. 97 der A. mesenterica sup. und den der zugehörigen Vene auf, welche sich in der herausgenommenen Darmschlinge verzweigten, versah beide mit Glascanülen und trug sogleich Sorge dafür, die grösseren collateralen Blut- gefässe zu unterbinden. Blutungen aus kleineren Aestchen wurden erst später nach der Einleitung des künstlichen Stromes gestillt. Den Druck, unter welchem das schon vorher bereit gestellte Blut in die Gefässe einströmen sollte, lieferte eine etwa 10 Liter haltende Mariotte- sche Flasche, welche an einem Seil hing, das über eine in der Zimmer- decke eingeschraubte Rolle lief; so konnte die Höhe des Druckes nach Be- lieben gewählt und festgehalten werden. Das Wasser, welches sich aus ihr durch einen mit einem Hahn versehenen Kautschukschlauch ergoss, floss in die eine Mündung einer Woulf’schen lufthaltigen Flasche über, aus der zweiten Mündung dieser letzteren erstreckte sich ein Gummirohr, das auf dem Hals der mit der Blutmischung gefüllten Flasche aufgebunden war. Diese selbst war über ihrem Boden tubulirt, so dass sich ihr flüssiger Inhalt unter dem Drucke der überstehenden Luft gegen die Darmarterie hinbewegen musste. Weil es nothwendig war, über ein grösseres Volumen gleichmässig gemischter Flüssigkeit während der Dauer von mehreren Stunden zu ge- bieten und doch zu befürchten stand, dass sich die Blutscheiben, wäre nicht öfter umgeschüttelt worden, zu Boden senkten, noch mehr aber, weil die Erfahrung gelehrt hatte, dass durch den mehrstündigen Aufenthalt in einer Temperatur von nahezu 40°C. eine Zersetzung bewirkt wurde, so ergab sich die Nothwendigkeit, zwischen die Arterie und das grosse bluthaltende Glasgefäss eine Glaskugel einzuschalten, auf deren Beschreibung ich sogleich zurückkomme. Die Blutmischung, welche ans der Vene hervorkam, floss durch einen Kautschuckschlauch in ein gebogenes Glasröhrchen ab, dessen freie Mündung ausserhalb des Blechkastens hervorragte, in welehem der Darm und das zufliessende Blut warm gehalten wurden. Die Masse, welche aus diesem Röhrchen hervortropfte, wurde, wenn es sich nur um die Bestimmung der mittleren Geschwindigkeit während Minuten langer Zeiträume handelte, in einem graduirten Messrohr aufgefangen. Sollte dagegen auch die in Secun- den oder deren Bruchtheilen veränderliche Geschwindigkeit bestimmt werden, so liess ich die Tropfen auf ein sehr dünnes Glasplättchen fallen, welches an dem einen Ende eines leichten doppelarmisen Hebels befestigt war. Dureh das entgegengesetzte Ende dieses Hebels wurde, wenn das Glas- plättchen durch den fallenden Tropfen sich herabbewegte, der Strom eines Grove’schen Elements geschlossen und dadurch ein kleines Hufeisen mag- netisirt an dessen Anker eine Schreibfeder befestigt war, demnach schrieb Archiv f. A, u. Ph. 1880. Suppl.-Band z. Physiol. Abthle. U 98 GAETANO SALVIOLT: sich bei jedem fallenden Tropfen eine Marke auf dem berusten Papierüber- zuge eines rotirenden Cylinders auf. Die Höhe des Druckes darf nicht über 100””" Hg hinausgehen, vor- ausgesetzt, dass man Oedem und Bluterguss in und aus der Schleimhaut vermeiden will. Unter Anwendung des Darmes von Kaninchen bediente ich mich in der Regel eines Druckes, der nicht über 60”"® He, bei dem des Hundes eines solchen, der nicht über 75"m Hg hinauseing. Nach vielfachen Bemühungen die Flüssigkeit zu finden, durch welche der lebendige Zustand des Darms am besten und dauerhaftesten erhalten werde, bin ich bei einer Mischung stehen geblieben, die aus 30 Theilen frischen Kalbsblutes und 70 Theilen einer Kochsalzlösung von 0,75 Proc. bestand. Eine reine Kochsalzlösung von dem ebengenannten oder einem ähnlichen Procentgehalt erweisst sich hier eben so ungenügend wie die von Gaule empfohlene Mischung aus Pepton, Natronhydrat und Kochsalz, welche am Froschherzen so vorzügliche Dienste leistet; gleiches gilt von reinem Blutserum. Unvermischtes Blut liefert nur kurze Zeit hindurch das gewünschte Ergebniss, mit der Dauer des Stromes verstopfen sich die Capillaren. Wenn ich nun auch trotz vielfacher Versuche die Frage nach der besten Flüssigkeit noch nicht für abgeschlossen halte, so kann ich doch für den Darm des Hundes und des Kaninchens die oben erwähnte Mischung empfehlen, da sie mindestens für die Dauer von 4 bis 5 Stunden das Prä- parat namentlich aber dessen Muskelhaut lebendig erhält. Sollte die Durchleitung des reinen mit NaCl-Lösung verdünnten Blutes — wir wollen dasselbe apnoisches nennen — mit derjenigen einer anders zusammengesetzten Flüssigkeit wechseln, so wurden von vorne herein in die Stromleitung zwei Flaschen eingeschaltet, von denen die eine mit apnoischem Blut, die andere mit der abweichend zusammengesetzten Flüssigkeit gefüllt war, sodass durch die Umdrehung zweier Hähne der Stromwechsel nach Belieben erfolgen konnte. Zur Erhöhung der Reizbarkeit des Darmes dient bekanntlich eine Tem- peratur, welche sich in der Nähe von 40° C. hält. Meinen Präparaten wurde sie dadurch gesichert, dass die mit der Blutmischung gefüllten Fläschehen sammt der von ihnen bis zur Arterie hinführenden Röhren- leitung in einem Wasserbad standen, dessen Wärmegrad durch einen Tem- peraturregulator gleichmässig hoch gehalten wurde. In dem das warme Wasser umschliessenden Kasten lag noch das Darmstück selbstverständlich auf einer Unterlage die über das Wasser hervorragte. Der Luftraum in dem sich das Präparat befand, hielt sich fortwährend auf einer Temperatur, welche um 38° C. schwankte, weil der Deckel durch einen Kasten aus Spiegelelas abgeschlossen werden konnte. Als vortheilhaft erwies es sich im Laufe der Versuche den Darm öfter mit einer halbprocentigen Kochsalz- METHODE FÜR DIE UNTERSUCHUNG DER FUNCTIONEN DES DÜNNDARMS. 99 lösung von 40° C. abzuspülen, theils um kleine Verunreinigungen mancherlei Art von ihm zu entfernen, theils um seine Oberfläche in einem unveränder- lichen Feuchtigkeitsgrade zu erhalten. Je nach der Absicht, in welcher man die Beobachtung anstellt, hat man das Darmstück noch auf besondere Weise vorzubereiten. Kommt es darauf an die Bewegungen der Muskelhaut zu studiren, so muss man eine der beiden Mündungen des Darmrohres offen lassen, damit sich der ursprüng- lich vorhandene oder ein durch Exsudation erzeugter Inhalt entleeren kann. Versäumt man diese Maassregel, so werden dadurch, dass der Inhalt sich in dem Darmrohr hin und her schiebt, Veranlassungen zu Bewegungen ge- geben, die ohne dieses fehlten. Soll dagegen die Befähigung der Schleim- haut zur Resorption einer in die Darmhöhle gefüllten Flüssigkeit geprüft werden, so muss der ursprüngliche Inhalt zunächst mittels einer 0-5 pro- centigen Kochsalzlösung ausgespült werden. Ist, nachdem dieses geschehen, die Flüssigkeit eingefüllt, welche den zu resorbirenden Stoff enthält, so müssen selbstverständlich die beiden Mündungen des Darmrohrs zugebunden werden. Bei der Füllung des Darms ist darauf zu achten, dass die Wand nicht ge- spannt wird, es dürfen im Gegentheil die sich gegenüberliegenden Flächen der Schleimhaut nicht allzuweit von einander entfernt sein, sodass der Querschnitt der Höhle eine elliptische Form behält. Zur graphischen Darstellung der von der Muskelhaut ausgeführten Con- tractionen eignet sich nach meinen Erfahrungen einzig und allein ein leichtes, aus einem feinen Grashalm verfertigtes Hebelchen,! dass mit dem einen Ende auf dem Darm aufruht und mit seinem anderen die empfangenen Bewegungen auf dem berussten Papierüberzug eines rotirenden Oylinders aufschreibt. Damit auch die geringsten Aenderungen in der Gestalt des Darmes noch sichtbar gemacht werden, empfiehlt es sich dem schreibenden Hebelarm die mehrfache Länge von dem die Oberfläche des Darmes be- tastenden zu ertheilen. Bei dieser Gestalt des Hebels wird der kürzere Arm mit der Oberfläche des Darmes nur dann in Berührung bleiben, wenn sein freies Ende mit einem kleinen Gewichtchen, z. B. mit einem Siegellacktröpfehen, beschwert ist. Dass ein so leichtes Hebelchen als ein die Bewegung auslösender Reiz wirke, ist nicht zu befürchten, denn es schreibt, insofern keine anderen Veranlassungen zur Contraction vorliegen, der lange Hebelarm auf dem Cylinder eine gerade Linie. Soll das Hebelchen, welches mit dem einen Ende auf dem Darme aufruht, mit dem anderen an den rotirenden Cylinder heranreichen, so muss natürlich die Wand des Kastens, in dessen Hohlraum das Präparat gelegen ist, durchbrochen sein. ! Mit einem anderen, als dem hier geschilderten Verfahren lässt Engelmann die Darmbewegung aufschreiben. Siehe Pflüger’s Archiv u. s. w. Bd. IV. S. 38. TEE 100 GAETANO SALVIOLT: Dieserhalb war ein etwa 1°® breiter Schlitz in der vorderen Wand des Blechkastens ausgeschnitten, dessen Länge etwa 20°® betrug. Bei dieser Längenausdehnung des Spaltes war es gestattet gleichzeitig auf verschiedene Orte des Darmes je ein Hebelchen aufzulegen, oder die Lagerung eines einzelnen beliebig zu wählen. Die Achse des Hebels, welche aus einem Stücke einer Insectennadel bestand, spielte in einem entsprechend weiten Röhrchen, sodass die Be- wegung nur nach einer Richtung hin erfolgen konnte. Da aber die Dicke der verschiedenen Präparate ungleich war, so musste sich der Achsenträger auf und abschieben lassen, entsprechend der Höhe, welchen das auf dem Darm aufruhende Hebelende forderte, um dem Halme während der Ruhe des Darmes eine horizontale Lage zu ertheilen. Den an der Con- traction des Darmes betheiligten Faserungen entsprechend wird ein be- stimmtes Stück der Oberfläche entweder senkrecht oder parallel der Längen- ausdehnung des Darmrohres bewegt. Um jede der beiden Verschiebungen gesondert zur Anschauung zu bringen, musste die Achse des Hebelchens um einen rechten Winkel drehbar gemacht werden, und ein gleiches galt für die Lage der berussten Cylinderfläche. Beides zu vollführen war den von mir gewählten Einrichtungen leicht möglich. — Um einen Ausgangspunkt zu gewinnen von dem aus die Grösse der aufgeschriebenen Exeursionen zu messen waren, wurde an dem Achsenträger des Hebelchens noch ein geradliniges Stäbchen befestigt, welches auf die Papierfläche eine Abseisse schrieb. — Dadurch, dass zu Gunsten des Hebelchens in die Wand des erwärmenden Kastens, und zwar in der Nähe des Darmes, ein Spalt ein- geschnitten war, drohte der Erhaltung einer gleichmässigen Temperatur ein nicht zu vernachlässigender Schaden infolge des ermöglichten Luftzuges. Derselbe war auf ein sehr geringes Maass beschränkt, wenn, wie es in unserem Apparate der Fall, die Achse des Hebels in der Ebene des Schlitzes lag. Zudem konnten die Abschnitte des engen Spaltes, welche für die Bewegung des Hebels ausser Betracht kamen, durch vorgesetzte Schieber verschlossen werden. In der That zeigte ein neben das Darmstück gelegtes Thermometer, dass sich während der Dauer des Versuches die Temperatur auf der gewünschten Höhe hielt. METHODE FÜR DIE UNTERSUCHUNG DER FUNCTIONEN DES DÜNNDARMS. 101 DI Erklärung der Figuren I und 2. Der in seinen wesentlichen Zügen ge- schilderte Apparat ist so einfach, dass es nur eines Blickes auf Fig. 1 und 2 bedarf, um zum Verständniss desselben zu gelan- gen. — Fig. 1 beginnt mit den Leitungen, welche die comprimirte Luft aus der W oulf’- schen Flasche herzubringen. — Der voraus- gehende Druckapparat war derselbe, wel- chen Mosso in den Arbeiten des physiol. Institutes zu Leipzig, Jahrgang 1874, abge- bildet hat. In der hier vorliegenden Zeich- nung bedeutet aa cc den ganzen Wärme- kasten, aa bb entspricht dem in denselben eingesetzten Luftbad. Im Raum Dbdce stehen die beiden kleinen bluthaltigen und die grössere mit NaCl-Lösung gefüllte Flaschen. In dem Luftraume a« bb liegt auf der Korkplatte die Darmschlinge, zu ihr füh- ren aus den kleinen Blutflaschen die Röhren d.d, welche nach ihrer Vereinigung in die Arterie ausmünden. Je nach der Drehung der in die Leitung eingeschalteten Hähne, kann sich der Inhalt des einen oder anderen ent- leeren. Aus den Gefässen des Darms geht die Röhre e hervor, bestimmt, das venöse Blut abzuführen. Das Hebelchen, welches die Bewegungen des Darmrohrs auf das Papier des Cylinders übertragen soll, er- streckt sich zwischen ög?; bei g ragt die Schraube des Achsenträgers hervor. Von h nach {läuft das an den Wärmkasten be- festigte Stäbchen, welches unterhalb der vom Darm gezeichneten Curve eine Gerade auf das Papier schreibt. Fig. 2 stellt das Winkelstück dar, in welchem die Achse des Schreibhebels steckt, dasselbe ist durch a perspectivisch, durch 5 im Durchschnitt wiedergegeben. 102 (FAETANO SALVIOLT: Bevor ich zur Beschreibung der erlangten Resultate komme, darf ich es nicht unterlassen zu bemerken, dass die Eigenschaften des Präparates sich mit der Dauer des Versuches ändern, trotzdem dass alle willkürlich beherrschbaren Bedingungen desselben möglichst gleich erhalten bleiben. Im Verlaufe des Ueberlebens verlieren Einflüsse ihre Wirkung, die sie im Beginne desselben besassen, mit einem Worte das Präparat stirbt allmäh- lich ab. Glücklicher Weise geschehen die Veränderungen sehr langsam, sodass man bei sorgfältiger Wahrung der beschriebenen Vorsichtsmaass- regeln 4 bis 5 Stunden hindurch keine merklichen Abweichungen in den Ergebnissen des Versuches zu befürchten hat. Meine gesammten Mit- theilungen gründen sich auf die Erfahrungen in dieser ersten Periode. Von den an dem überlebenden Dünndarme beobachteten Erscheinungen treten die Bewegungen der Muskelhaut und die Veränderungen in den Vordergrund, welche die Geschwindigkeiten des Blutstromes aufzeigt; beide stehen in einer so nahen Beziehung zu einander, dass sie sich in der Be- schreibung nicht gut von einander trennen lassen. Da die Bewegungen, welche der Darm nach der Länge und der Quere erfährt, häufig ganz un- abhängig von einander verlaufen, so ist die Bemerkung nicht überflüssig, dass im Folgenden nur von den Contractionen der Kreismuskeln die Rede ist. Sämmtliche an dem ausgeschnittenen Darmstück vorhandenen Muskel- ringe vollführen ihre Zusammenziehung nicht gleichzeitig; wollte man des- halb mit meiner Methode ein vollständiges Bild von der Bewegung der Darmschlinge gewinnen, so würde man eine grössere Zahl von Hebelchen aufzulegen haben. Statt dessen habe ich mich nur eines bedient, den Fall natürlich ausgenommen, in welchen es sich um die Einsicht in die Fort- pflanzung einer Bewegung handelte, welche von einem beschränkten Ab- schnitt eingeleitet worden war. Für das Verfahren, die Aufzeichnung der Bewegungen auf nur einen Abschnitt zu beschränken, lässt sich dieselbe Rechtfertigung vorbringen, welche wir für die Anwendung eines kleinen Abschnittes von dem gesammten Darme gelten liessen; es kehren unter denselben Bedingungen an allen Stellen des ausgeschnittenen Stückes die- selben Bewegungen wieder, so dass, was für einen (Querschnitt gilt, auch für die übrigen Geltung besitzt. 1. Fliesst durch das frische Darmstück apnoisches Blut in einem mässig raschen Strome und unter einem Druck, welcher kein Oedem erzeugt, so schweigen alle Bewegungen, oder es zeichnet die Feder auf dem berussten - Papier statt der geraden Linie eine sanft geschwungene Curve zum Beweise dafür, dass trotz des Anscheins einer für das blosse Auge vorhandenen Ruhe schon kleinste Bewegungen vorhanden sind. Wird der Strom unterbrochen, so beginnt nach einiger Zeit der Darm sich sichtbar, wenn auch noch leise zu bewegen, ein Vorgang, der sich mit der fortschreitenden Zeit stärker ı METHODE FÜR DIE UNTERSUCHUNG DER FUNCTIONEN DES DÜNNDARMS. 103 und stärker ausbilde. Anfangs wechseln noch niedrigere mit höheren Zuckungen, allmählich aber treten nur die letzteren auf. Jede ein- zelne dieser Contractionen nimmt eine annähernd gleiche Zeitdauer in Anspruch und verläuft auch in ähnlicher Weise. Die gesammte Dauer einer Zuckung schwankt beim Hund und beim Kaninchen zwischen 8 und 10 Secunden. Die grössere Hälfte dieser Zeit nimmt der Uebergang aus der verlängerten in die verkürzte Form ein. Rascher kehrt die contrahirte in die verkürzte Gestalt zurück. Diese durchaus typischen Bewegungen wollen wir mit dem Namen anämische Zuckungen belegen. Lässt man, nachdem sich die anämischen Zuckungen in voller Stärke entwickelt haben, den Blutstrom von Neuem zufliessen, so kehrt alsbald auch die frühere Ruhe wieder. An demselben Präparate gelingt es dann die Bewegung nach Belieben zum Erscheinen und zum Verschwinden zu bringen, je nachdem man den Blutstrom stopft oder ihn fliessen lässt, beides selbstverständlich unter Innehaltung der hierzu nothwendigen Zeiten. Kehrt der Blutstrom nach minutenlanger Unterbrechung wieder, so fliesst er Anfangs, aber nur für kurze Zeit, rascher als vor dieser, was unter ähn- lichen Umständen schon Mosso beobachtet hat. Die Befähigung, den anämischen Zuckungen ein Ende zu machen, kommt nicht bloss dem apnoischen, sie kommt auch dem an Sauerstoff freien Blute zu, ja es nehmen daran auch das Blutserum und selbst eine Kochsalzlösung von 0:75 Proc. Antheil. Doch trotz der scheinbaren Aehnlichkeit, welche die eben genannten Flüssigkeiten mit dem apnoischen Blute darbieten, zeigen sich in ihren Wirkungen auch Unterschiede. — Unterbricht man den Strom des sauer- stofffreien Blutes nachdem er die Darmbewegungen beruhigt hat, so kehren die letzteren rascher und auch kräftiger wieder, wie dieses unter ähnlichen Bedingungen bei Anwendung des apnoischen Blutes geschehen war. — Das Serum aber und in noch höherem Grade die Kochsalzlösung führen die Muskelhaut in nicht allzulanger Zeit dem Tode entgegen, aus welchem er dann auch durch die Zuführung von apnoischem Blute nicht wieder zu er- wecken ist. Zu den anämischen Zuckungen dürften auch diejenigen zu zählen sein, welche regelmässige zum Vorschein kommen, wenn Stunden hindurch unter unverändertem Drucke das apnoische Blut zugeleitet wird. Geschieht dieses, so mindert sich die Geschwindigkeit des Stromes in steigendem Maasse und damit beginnt eine Reihe von Zuckungen, welche in ihrer Form und in der Zeit ihrer Wiederkehr mit den anämischen durchweg übereinstimmen. Sie lassen sich beruhigen, wenn man den Druck, unter welchem der Blutstrom - fliesst, erhöht und in Folge hiervon die Anfangsgeschwindigkeit des letz- teren wieder herstellt. 104 GAETANO SALVIOLI: Die Figur 3 giebt einige Autogramme vom Darm des Hundes (D) und des Kaninchens (4BC) wieder. A lieferte der vom apnoischen Blute durchströmte Darm, B stellt die anämischen Zuckungen nach Unter- brechung und C die gleichen während des durch lange Dauer geschwächten Stromes dar. D giebt die anämischen Zuckungen des Hundedarms. Gelegentlich dieser Wiedergabe natürlicher Aufzeichnungen, mag eine Bemerkung über die Stellung am Orte sein, welchen das Ende des schrei- benden Hebelarmes während der Ruhe des Darms einnimmt, je nachdem der letztere bluthaltig oder blutleer ist. Jedes Mal, wenn der Strom stockt, senkt sich, und wenn er wieder begonnen hat, hebt sich das den Darm be- Kaninchen A Iron 3S 1orınal Sr ee ee en Bea en ee Na nn Winsen Kaninchen B anacmisch \Secr Fe TepBeti] Ep EB LE Es ehe 2 pE3 ER ER AT ei) BR Jeep ER 1A BEE] TEE RER RIESE PR EB TRRRTERR [E -RNT BLM VER BET RR ET Kaninchen. € lange Versuchsdauer, lang SAMET SELOM. XL A LEBEN BE TREETZENT RESTE EST ES VE TEEN EN BRATEN EEE NETTE We Sn na ee ohne nn u D lange Versuchsdauer Scene Eee | ai ET l ER SES EE E N — rührende Hebelende. Die ganze Schwellung, welche der Darm durch den Eintritt des Blutes erfährt, macht sich also in der Zeichnung deulich geltend. Aus einem Vergleiche der Erfahrungen am überlebenden mit den- jenigen des lebendigen Darmes ergiebt sich eine grosse Aehnlichkeit zwischen beiden. Auch am lebenden Thiere ruft die Absperrung des arteriellen Blutes Bewegungen hervor, wie es seit M. Schiff von vielen Beobachtern gesehen wurde. Ob diese Bewegungen den Charakter der von mir be- obachteten aufzeigen, lässt sich bei dem Mangel einer graphischen Dar- stellung der ersteren allerdings nicht beweisen, doch ist es dem Anschein nach wahrscheinlich. Die Beobachtungen am überlebenden Darm haben nicht allen darum ein Uebergewicht, weil sie eine genauere Darstellung der Zuckungen er- METHODE FÜR DIE UNTERSUCHUNG DER FUNCTIONEN DES DÜNNDARMS. 105 möglichen; einen noch höheren Werth gewinnen sie durch die Aufschlüsse, die sie uns über die Entstehung der Reize gewähren, welche die anämischen Zuckungen veranlassen. Erwägt man, dass sich dieselben nicht bloss durch apnoisches Blut entsprechend dem arteriellen im lebendigen Thiere be- ruhigen lassen, dass dieses in meinem Versuche auch durch eine ganze Reihe von indifferenten Flüssigkeiten gelang, so wird man sich der Ueber- zeugung nicht erwehren können: es bilde sich während der Blutleere des Darmes ein Stoff, der den Anreiz zur Bewegung gebe und es werde, wenn derselbe durch das Ausspülen mit einer indifferenten Flüssigkeit entfernt sei, die Ruhe wieder hergestellt. Weniger sicher als das Entstehen eines reizenden Stoffes lässt sich etwas über den Ort, an dem er sich bildet, aus- sagen. Denn ausser den Muskeln enthält das ausgeschnittene Darmstück auch reichlich nervöse Geflechte. Beide Formbestandtheile wird man mit gleichem Rechte als Sitze des Reizes verantwortlich machen können. Ausser der eben jdargelegten, lassen sich zwischen dem lebendigen Wig.h Kaninchen ‚ und überlebenden Darme noch zahlreiche andere Analogien auffinden. Durch die Beobachtungen von Basch und 8. Mayer ist bekannt, dass der Darm reizbarer wird und in Zuckungen verfällt, wenn man die Athmung unter- ' 'brieht, so dass durch seine Gefässe Erstickungsblut fliesst. Um mein ap- noisches Blut in einem Punkte wenigstens dem während der Erstickung ' fliessenden ähnlich zu machen, habe ich demselben Kohlensäure hinzugesetzt. ‚ Ist dieses nur in geringem Grade geschehen, so verlangsamt sich der Blut- strom und es erscheinen in der Darmwand Zuckungen, beides jedoch nur in geringem Umfange. Wenn dagegen das Blut reichlicher mit Kohlen- Säure gespeist war, so nahm der Darm an Umfang zu und er vollführte ‚ kräftige Zuckungen, deren zeitlicher Ablauf und deren Folge ganz wesent- lich von den anämischen Zuckungen unterschieden waren. In Fig. 4 ist eine der Linien wiedergegeben, welche während der Durchleitung eines an Kohlensäure reichen Blutes vom Darme des Kaninchens niedergeschrieben ist. Der Anfang der Curve ist noch unter dem Einflusse des apnoischen Blutes geschrieben. Nach dem Einströmen des kohlensäurereichen Blutes sinkt die vom Darm gezeichnete Linie unter die von der Abscissenfeder gezogene Grade herab, zum Beweise dafür, dass sich der Darm ausdehnte. Ebenso wie im vorigen ist man auch in diesem Falle ausser Stande, 106 (FAETANO SALVIOLI: die Bewegungen, welche der Darm in Gegenwart des Erstickungsblutes aus- führt, mit denen des überlebenden zu vergleichen, was um so mehr zu be- dauern, als es jedenfalls für die Charakteristik der Bewegung von Belang wäre, wenn sich die Contractionen des lebendigen Darmes von einander unter- schieden, je nachdem die Gefässe des letzteren leer oder mit Erstickungs- blut gefüllt wären. Das Blut, welches reich an Kohlensäure ist, darf nicht lange durch den Darm gehen, wenn die Muskeln des letzteren ihre Reiz- barkeit bewahren sollen. { Während ich mit meiner Versuchsreihe beschäftigt war, wurde im hiesigen Laboratorium häufig Pepton in die Venen von Hunden gespritzt; war die hierzu benutzte Dosis etwas gross ausgefallen, so dass vermuthlieh auf 100°® Blut 1/,®” reinen Peptons kam, so trat in der Regel blutiger Durchfall ein und nach dem Tode des Thieres fand man die Schleimhaut geschwellt und von Blutergüssen durchsetzt. Erscheinungen, dem beschrie- 5 SE A IV Nm Annois. Blut. Leptonha Zuges Blut BEE EN Apnois Blıt benen sehr ähnlich, lassen sich auch am überlebenden Darme hervorbringen; sie sind, wie ich von vornherein bemerke, dem Pepton als solchen eigen, denn das, was ich beschreiben werde, tritt ebensowohl ein wenn das Pepton im Gemenge mit Blut oder auch in einem solchen mit Kochsalzlösung von 0-75 Proc. durch die Darmgefässe geleitet wird. Ein Zusatz von Pepton zu einer Blutmischung bis zu 0-1 Proc. ruft keine merklichen Bewegungen hervor, doch schien es mir, als ob sich das mit diesem Gehalt an Pepton versehene Blut besser als anderes eigene um den Darm reizbar zu erhalten. — Steigt man mit dem Peptonzusatz bis 0:3 Proc., so ändert sich zwar das Verhalten des Blutstromes und der Muskelhaut, deutlich aber tritt die Wirkung des Peptons erst hervor, wenn der Gehalt der durchgeleiteten Flüssigkeit an Pepton 0-5 Proc. beträgt. Gelangt diese Mischung in die Gefässe, so verfällt die Muskelhaut zuerst in eine starke Contraction, die sich aber bald löst, um eine Reihe von grösseren und kleineren Zuckungen Platz zu machen, welche in unregel- mässiger Folge hintereinander gehen. Gleichzeitig mit diesen Bewegungen der Muskelhaut gehen Aenderungen in der Geschwindigkeit des Blutstromes einher; die Gefässe füllen sich stärker, was sich in dem Anschwellen des gesammten Darmes ausdrückt und alsbald nimmt auch die Geschwindigkeit METHODE FÜR DIE UNTERSUCHUNG DER FUNCTIONEN DES DÜNNDARMS. 107 zu, mit welcher das Blut aus der Vene abfliesst. Folgt auf peptonhaltiges ein unvermischtes apnoisches Blut, so kehrt die Ruhe oder der vorher vor- handene Zustand der Beweguug der Muskelhaut und die frühere Geschwin- digkeit des Blutstroms zurück. Ein Bild der Erscheinung, welche die Darm- bewegungen des Hundes bieten, giebt Fig. 5. Durch Fig. 6 sind die Aenderungen der Geschwindigkeit dargestellt, welche der Blutstrom erfährt; die graden Linien messen die in je 10 Se- cunden ausgeflossenen Blutmengen; 1°” desselben bedeutet 1°” an Blut. In gleicher Weise wie am lebendigen Darme entstehen auch im über- lebenden Extravasate von Blut, wenn der Zusatz an Pepton mehr als 0-5 Proc. beträgt oder die Durchleitung bei geringerem Gehalt längere Zeit fort- gesetzt wird. Aus den Mittheilungen geht hervor, dass die Darmbewegungen nicht allein während einer Verminderung, dass sie auch während einer Beschleu- : Fi8.6. Apnoisches Peptonblit. Apnotsches Blut Peptonblut blut. 4min.. IOmen.. JMUL. | | | | ‚m | ILLITMIMMETIN | | nigung des Blutstromes auftreten können. Wenn man auch annehmen wollte, dass der grösste Antheil der Blutmenge, welcher während der Anwesenheit "des Peptons mehr abfliesst, als ohne dasselbe, auf Rechnung einer Erweite- "rung zu schieben sei, welche die Gefässe der Schleimhaut betroffen hat, so ‚liest doch kein Grund vor, der uns zu der Behauptung veranlassen könnte, ' dass durch das Pepton die Gefässe der Muskelhaut verengt würden. | Unter den Giften, welche einen Einfluss auf die Bewegungen des ' Darmes üben, spielt das Nicotin eine hervorragende Rolle. Es wirkt zu- | gleich auf die Ringmuskeln der kleinen Darmarterien erregend und später ‚lähmend, wie uns dieses durch die Beobachtungen von Bernard, Sur- 'minsky, Basch, Oser, Truhart, O. Nasse u. A. bekannt ist. Deshalb liess sich auch erwarten, dass der überlebende Darm im gleichen Sinne auf ‚einen Zusatz unseres Giftes reagiren werde. In der That ist schon eine ‚ Dosis von 4”®’®, welehe 100 °® Blut zugesetzt wird, im Stande, den Darm ‚des Kaninchens in lebhafte Bewegung zu versetzen und die Geschwindie- ‚keit des Blutstromes herabzudrücken. Etwas grössere Dosis als die vorhin | genannte führen einen starken Tetanus in der Ringfaserhaut des gesammten | | | | | | | al: Hund. ’ ll 1 \ H 108 (FAETANO SALVIOLT: Darmes und in derjenigen seiner Blutgefässe herbei. Unter der Contraetion der ersteren verlängert sich das Darmstück bedeutend und durch den Krampf der letzteren kann es zu einem vollständigen Stillstand des Blutes kommen. Löst sich der Tetanus der Ringfasern der Muskelhaut, so verfällt diese im sehr kräftige rasch aufeinanderfolgendene Zuckungen. Es verdient bemerkt zu werden, dass die geschilderten Erscheinungen beim Kaninchen schon durch weit kleinere Dosen des Giftes hervortreten als sie der Darm des Hundes bedarf. | Fiß,7. ABEND SAB: NB. EB NER) A.B. Sr oe nn Bes \ EEE | | apn.R. Nteotin..B. apn..B. Mleotin.:B. 1-00 m Blut enthielt 6wsr Nicotin. Stromdruck stets 50mm Hg. Die senkrechten Linien messen die in je 20 Sec. ausgeflossenen Blutmengen. 1m = Icem, Wäscht man das nicotinhaltige Blut durch reines apnoisches aus den Gefässen aus, so kehren die Ringmuskeln der Arterien früher in den Ruhe- stand zurück, als diejenigen der Muskelhaut des Darmes. Vielleicht lässt sich dieser Unterschied darauf zurückführen, dass das eingedrungene Nicotin leichter aus den Muskeln der Blutgefässe als aus denen der Darmwand aus- gewaschen werden kann. Eine Darstellung der Bewegungen, welche vor, während und nach der Nicotinvergiftung in der Muskelhaut des Kaninchen- darms auftreten, giebt Fig. 7. AB bedeutet apnoisches, MB nicotinhaltiges Blut. — Figur 8 versinnlicht die Aenderungen an der Ausflussgeschwindig- keit des Blutes unter denselben Bedingungen. METHODE FÜR DIE UNTERSUCHUNG DER FUNCTIONEN DES DÜNNDARMS. 109 Einige wenige Versuche die ich mit Atropin am Darme des Hundes angestellt habe, führten ebenfalls zu Ergebnissen, wie sie sich nach den Angaben in den Lehrbüchern der Toxikologie erwarten liessen; die Gefässe wurden stark erweitert, die Muskelhaut des Darmes blieb in Ruhe. Auch das Opium veranlasst an dem überlebenden Darme Erscheinungen ähnlich denen, welche man beim lebenden Hunde nach Einspritzung von Fig.9. Er yrerse NT apmoisches Blut. Opiumblut. Vom Darm des Hundes gezeichnet. Fig.10. IN apnoisch. Blut. Opiumblut. apnoisches Blut. Nicotinblut. * Opiumblut. Abwechselnd apnoisches Blut, Blut mit 1 Proc. Opiumtinctur und nicotinhaltiges Blut 0-5 Proc. Die Bedeutung der senkrechten Striche wie früher 1 em = 1cem, Druck stets 90 mm, Tinet. thebaica in die Venen beobachtet. Wird das Arzneimittel in einer Menge den Venen einverleibt, welche zur Betäubung führt, so entleeren die Thiere plötzlich ihren Koth und man findet nach dem Tode die Darm- schleimhaut stark geröthet. Diesem Befund entsprechen auch die in dem überlebenden Darme hervortretenden Erscheinungen, vorausgesetzt, dass 110 (FAETANO SALVIOLI: man zu 100 Theilen des durchgeleiteten Blutes 0-04 bis 0.103% der Opiumtinetur hinzusetzt. Beobachtet man an dem mit dieser Mischung gespeisten Darme den Blutstrom mit Hülfe des Tropfenzählers, so sieht man, dass mit dem Eintritte des vergifteten Blutes sich der Strom ver- mindert; aber die hierdurch angezeigte Verengung der Gefässe ist von sehr vorübergehender Dauer. Alsbald schlägt der Zustand in das Gegentheil um und es strömen 5 bis 7 Mal so grosse Mengen aus der Vene als vorher. Währenddess schreibt das Hebelchen eine gerade Linie zum Beweis, dass alle Zuckungen des Darmes, welche vorher bestanden, verschwunden sind. An ihre Stelle scheint jedoch keine Erschlaffung, sondern eine mässige Con- traction der Ringmuskeln getreten zu sein, denn die vom Darme geschrie- bene Linie erhebt sich stärker über die Abseisse. Am Darme mit erschlafften Muskeln hätte man das Gegentheil erwarten sollen, weil seine Wandungen durch den starken Blutgehalt geschwellt sind. Strömt hinter einem mit Nicotin vergifteten Blute auch nur schwach opiumhaltiges, so beruhigen sich die durch das erste Gift hervorgerufenen Bewegungen des Darmes sehr rasch. Je nach dem Gehalt den das Blut an Opium besass, äussern sich die Wirkungen des reinen apnoischen, das zur Verdrängung des vor- hergehenden angewendet war, verschieden. War die Gabe des Opiums klein, so kehren Blutstrom und Zuckungen des Darmes sehr rasch zu dem früheren Verhalten zurück. Nach einer grossen Gabe unseres Giftes erzeugt das reine Blut zwar bald die normale Geschwindigkeit des Stromes, aber die früher bestandenen Zuckungen der Muskelhaut bleiben noch lange aus. Wie wir das Verhalten von Gefäss- und Darmmuskeln nach der Nieotin- vergiftung aus der ungleichen Geschwindigkeit ableiten, mit welcher das Auswaschen des Giftes aus den verschiedenen Formbestandtheilen erfolgt, so können wir dieselbe Erklärung auch jetzt anwenden. (Figg. 9 und 10.) 2. Ueber die “Fortpflanzung der Bewegungen, welche von einem be- schränkten Orte des Darmes ausgehen. — Der Grund, weshalb ein Weiter- schreiten der durch einen beschränkten Reiz erzeugten Contractionen statt- findet, wird entweder gefunden in dem Dazwischentreten eines nervösen Apparates, oder in einer von Faser zu Faser fortschreitenden Erregung der Muskelmasse. Für diese letztere Meinung hat sich bekanntlich W. Engel- mann auf Grund zahlreicher Beobachtungen ausgesprochen. Um am über- lebenden Darmstück zu einem Urtheil zu gelangen, legte ich in einem Abstande von etwa 5°“ zwei Hebel auf dasselbe und liess die Bewegungen beider aufzeichnen. An der Stelle, wo einer der beiden Hebel lag, brachte ich eine beschränkte Reizung an, durch ein Arzneimittel oder auch durch das Einschlagen von Inductionsfunken, welche kürzere und längere Zeit auf die Aussen- oder Innenfläche des Darmes geleitet wurden. Welchen Reiz ich aber auch angewandt hatte, immer kam dieselbe Erscheinung zu METHODE FÜR DIE UNTERSUCHUNG DER FUNCTIONEN DES DÜNNDARMS. 111 Stande An dem zunächst betroffenen Ort gerieth der Muskel in Tetanus, welcher nach Entfernung des Reizes oder auch noch während seiner Dauer allmählich wieder verschwand. Von einer Fortpflanzung desselben auf den Ort des zweiten Hebelchens war jedoch keine Rede. War der Umfang, an welchem dasselbe lag, vorher ruhig gewesen, so blieb er es auch jetzt. Hatte er dagegen die regelmässigen Zuckungen ausgeführt, so setzte er dieselben ungestört fort. Von dem ersten auf den zweiten Hebel war nur dann eine Einwirkung zu bemerken, wenn der Darm mit einer gewissen Menge von Inhalt ver- sehen war und dieser vom tetanisch zusammengezogenen Stück gegen das zweite hinbewegt wurde. Aus diesen ausnahmslos beobachteten Verhalten darf zum mindesten zu schliessen sein, dass sich an einem mit voller Reiz- barkeit der Muskeln begabten Darmstück die an einem Orte erzeugte Be- wegung nicht fortzupflanzen braucht. Zu Gunsten der von W. Engel- mann vertretenen Anschauung scheinen meine Erfahrungen mindestens nicht verwendbar zu sein. Zwei Schreibhebel 3m von einander entfernt. Die untere Curve gehört dem Orte an, welcher durch Inductionsströme gereizt wurde. Die Reizung begann bei A und dauerte bis zum Schluss der Beobachtung. 3. Ueber die Aufsaugung flüssiger Stoffe durch den überlebenden Darm, habe ich nur einige wenige Beobachtungen angestellt, weil ich aus der Betrachtung der Schleimhaut die Ueberzeugung gewonnen, dass sich dieselbe bei längerer Dauer des künstlichen Blutstromes wesentlich ändert. In der Regel röthet sich dieselbe, oft wird sie von Oedem geschwellt und ihr Epithel abgestossen. Immerhin ist auch gegenwärtig der Resorptions- versuch nicht ganz hoffnungslos. Setzt man dem Inhalte des Darmes eine kleine Menge von Nicotin zu, so bewirkt dieses dasselbe was man auch nach der Durchleitung nicotin- haltigen Blutes beobachtet; 20 bis 30 Secunden nach der Einführung des Giftes geräth der Darm in eine tetanische Contraction, welche später in krampfhafte Bewegungen übergeht. Gleicher Weise zeigt auch der Blut- strom die uns schon von den früheren Niecotinvergiftungen her bekannten Risenschaften, ja es treten dieselben in erhöhtem Maasse ein, indem der 112 GAETANO SALVIOLI: UNTERSUCHUNG DER FUNCTIONEN DES DÜNNDARMS. Ausfluss aus der Vene häufig vollkommen stockt. Nach diesen Erfolgen darf an dem Uebergange des Giftes in das Blut kaum gezweifelt werden. Auch das Pepton, welches in die Darmhöhle gebracht wird, verschwindet aus derselben. Nachdem ich ein Darmstück sorgfältig mit 0-5 Proc. Koch- salzlösung ausgewaschen hatte, brachte ich in dasselbe 10°® Flüssigkeit, welche einen Gramm Pepton gelöst enthielt, und verschloss beiderseits die Mündungen des Darmrohres. Durch die Gefässe dieses Stückes leitete ich während 4 Stunden das apnoische Blut, welches in jener Zeit, wie mir schien, rascher als gewöhnlich abfloss; auch vollführte der Darm sehr leb- hafte Zuckungen. Konnte man schon hieraus auf eine Resorption des Peptons schliessen, so wurde diese Annahme noch weiter bestätigt durch die Untersuchung des Darminhalts. Dieser hatte sich während der Dauer des Versuches sichtlich vermehrt. Als er nach Beendigung des letzteren herausgenommen, und mit dem Spülwasser vereinigt war, durch welches der Darm gereinigt worden, fand man zwar eine merkliche Menge, etwa ein halbes Gramm gerinnbaren Eiweisses in demselben, aber nur Spuren von Pepton, sodass erst in der eingedickten Flüssigkeit die Biuretreaction gelang. Dieser Versuch verdiente als ein Kennzeichen für das Bestehen einer lebendigen Aufsaugung kaum der Erwähnung, hätte sich nicht die Eigenthümlichkeit in ihm geltend gemacht, dass das aus der Vene ge- sammelte Blut keine Spur von dem Pepton enthielt, welches aus der Darm- höhle verschwunden war. Die Abwesenheit dieses Stoffes war um so auf- fallender als es mir stets gelungen war, das Pepton in dem Blute, welches aus der Vene geflossen, wiederzufinden, wenn dasselbe der in die Arterie eingeführten Mischung beigefügt war. Als eine Eigenthümlichkeit des in diesem Versuche stattgefundenen Vorganges muss also die Umformung des Peptons gelten, welche dem Anscheine nach nur beim Durchgange unseres Körpers durch die Darmschleimhaut stattgefunden hat. Durch die mitgetheilten Erfahrungen war, wie ich hoffe, der neuen Methode bezeugt, dass sie zu den Hülfsmitteln zählt, welche uns über die Lebenseigenschaften des Darmes aufzuklären vermögen. Wenn diesmal meine Bemühungen vorzugsweise darauf gerichtet waren, die Brauchbarkeit der Methode dadurch zu erweisen, dass die Uebereinstimmung dargelegt | wurde, welche zwischen den Aeusserungen des lebenden und des überleben- den Darmes besteht, so wird von nun an die Aufgabe zu stellen sein, mit ihr den Kreis unserer Einsicht zu erweitern. Hierzu bietet die beschriebene Methode reichlich Gelegenheit wegen der mannigfaltigen Aenderung, welche sich an den Bedingungen des Versuches anbringen, und wegen der Sicher- heit mit der sich die letzteren beherrschen lassen. Ueber die Bildungsstätte der Harnsäure im Organismus. Von W. v. Schröder. Aus dem physiologischen Institut zu Leipzig. Durch die Arbeiten von v. Knieriem! ist der Beweis geliefert worden, dass Glycocoll, Leucin, Asparagin und Asparaginsäure im Organismus des Vogels eine Umwandlung in Harnsäure erleiden. Ich erbrachte den Nach- weis, dass Ammoniak, wenn es an Kohlensäure oder Säuren, die im Kreis- lauf zu Kohlensäure und Wasser verbrennen, gebunden ist, ebenfalls zum grössten Theil als Harnsäure vom Huhn ausgeschieden wird. Es wurde hierdurch die Ansicht von Knieriem widerlegt, der es als einen charakte- ristischen Unterschied des Stoffwechsels des Vogels und des Säugers be- zeichnet hatte, dass bei letzterem das Ammoniak in Harnstoff überginge, beim Vogel dagegen unverändert wieder austräte. Man konnte somit sich _ die Anschauung bilden, dass der Unterschied der Umsetzung der Eiweiss- körper beim Säuser und beim Voeel erst in den letzten Processen sich Oo geltend macht. Bei beiden Thierklassen werden dieser Annahme zufolge aus dem Eiweiss zuerst mehr weniger complieirte stickstoffhaltige Zersetzungs- producte, Amidosäuren u. s. w. gebildet, deren Stickstoff schliesslich die Form des Ammoniaks annimmt. Das Ammoniak geht beim Säuger in Harnstoff, beim Vogel in Harnsäure über. Die Art des Umsatzes der Albuminate können wir beim Säuger und Vogel bis zur Bildung des Ammoniaks als gleich ansehen. Erst der letzte Act, die weitere Umwandlung des Ammo- niaks, setzt den fundamentalen Unterschied im Stoffwechsel beider Thier- Glassen. 1 Zeitschr. f. Biologie. Bd. XII, S. 36. ? Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. Il, 8. 228. Archiv f. A. u. Ph, 1880. Suppl.-Band z. Physiol. Abthlg. { Ss 114 W. v. SCHRÖDER: Diese Anschauung gilt natürlich nur für die Hauptmasse des im Kreis- lauf umgesetzten Eiweisses. Eine Einsicht, ob nicht auch aus Eiweiss direct Harnstoff und Harnsäure gebildet werden, so wie über Grösse und Folge der einzelnen Zwischenglieder besitzen wir nicht. Zur Zeit ist die obige Annahme die einfachste Erklärung der beobachteten Thatsachen. Ausserhalb des Organismus können wir durch chemische Kräfte das Eiweiss in ähnlicher Weise zerlegen, seinen Stickestoff in die Form der Amidosäuren und des Ammoniaks überführen und aus kohlensaurem Am- mon durch Wasserentziehung Harnstoff darstellen. Wir sind so im Stande, von demselben Anfangesproduct, mit dem der Organismus seine Arbeit be- ginnt, zu demselben Endproduct zu gelangen, wenn auch auf ganz anderem Wege und unter Bedingungen, wie sie im Organismus nie vorhanden sein können. Doch müssen wir immerhin annehmen, dass beide Wege, der eine im Kreislauf des Thieres, der andere in der Retorte des Chemikers, da sie beide von demselben Anfangsglied zu demselben Endglied führen, in Bezug auf die thätigen Kräfte Gemeinsames haben müssen. Für den Stoffwechsel des Vogels liegt die Sache anders. Die Um- wandlung des kohlensauren Ammons in Harmsäure können wir mit chemi- schen Kräften nicht leisten. Es ist uns die Art und Weise dieses Ueber- ganges noch völlig räthselhaft und derselbe der complieirteste von den bis jetzt bekannten synthetischen Processen, die sich im Thiere abspielen. Um Einsicht in den Chemismus dieser Umwandlung zu gewinnen, erschien es nothwendig, zuerst den Ort im Thierkörper zu bestimmen, an welchem die- selbe vor sich geht. Wo bildet sich die Harnsäure im Organismus des Vogels? In den Nieren, wie Zalesky behauptet, in der Leber, wie Meissner annahm, oder unabhängig von den Nieren, wie Pawlinoff neuerdings nachgewiesen haben will? Eine kritische Durchsicht des vorliegenden Materials zeigt, dass für keine dieser Anschauungen ein überzeugender Beweis geliefert worden ist. Ich habe daher zuerst die Frage, ob die Niere des Huhns an der Bildung der Harnsäure betheiligt ist oder nicht, endgültig zu ent- scheiden versucht. Zur Geschichte dieser Frage Folgendes: Die erste und gründlichste Untersuchung dieser Frage ist von Za- lesky! unternommen worden. Zalesky kommt zu dem Resultat, dass „die Nieren active, secerni- rende Organe seien, welche selbständige die Harnsäure produeiren und zwar nicht im Anfang, sondern im weiteren Verlauf der Harnkanälchen.“ \ Untersuchungen über den uräm. Process und die Function der Nieren. 1865. ÜBER DIE BILDUNGSSTÄTTE DER HARNSÄURE IM ÖRGANIsMmUS. 115 ® Zu dieser Ansicht bewogen ihn folgende Gründe: 1) Die Unmöglichkeit im Blut von Vögeln und Schlangen Harnsäure nachweisen zu können. 2) Die Art, wie die Harnsäure enthaltenden Ablagerungen beim Huhn nach Unterbindung der Ureteren auftreten. Er sah sie zuerst in der Niere, dann im Iymphatischen System, später erst im Blut und den übrigen flüssigen und festen Geweben erscheinen. Die Niere schien ihm das Centrum zu sein, von dem die Ablagerungen ihren Ursprung nahmen. 3) Die ausserordentlich verschiedenen Harnsäuremengen, die von nephro- tomirten Schlangen und solchen, denen die Ureteren unterbunden waren, produeirt wurden. Nach Entfernung der Nieren zeigte die Section ein normales Verhalten aller Organe, nur an der Stelle, wo sich die Nieren befunden hatten, waren unbedeutende Ablagerungen harnsaurer Salze wahr- nehmbar. Aus dem ganzen Thier liessen sich nur wenige Millieramme Harnsäure gewinnen. Nach Unterbindung der Ureteren fanden sich massen- hafte Ablagerungen von harnsauren Salzen. Sie waren so stark, dass die Oberfläche aller Organe weiss gefärbt erschien. Am -beträchtlichsten waren sie auf den Nieren und deren Umgebung. Je weiter von den Nieren ent- fernt, um so mehr verringerten sie sich, so dass auch hier die Nieren als Centrum angesehen werden konnten, von dem aus sich die harnsauren Salze verbreitet hatten. Das erste dieser Argumente wurde unzulässig als es Meissner gelang, in 300°® Blut von 10 Hühnern, ein anderes Mal in 475°” Blut von 18 Hühnern Harnsäure mit Sicherheit qualitativ nachzuweisen, ja in 550°" Blut von 18 Hühnern, die längere Zeit mit Fleisch ernährt worden waren, ihre Quantität auf 0-0172”® anzugeben. Die Verbreitung der Ablagerungen von der Niere als Centrum aus ist ein wenig überzeugender Grund, denn es ist nicht statthaft von dem Ort der Ablagerung auf den Ort der Bildung zu schliessen. Auch wenn die Bildungsstätte der Harnsäure sich in anderen Theilen des Organismus be- fand, musste ja doch erwartet werden, dass sie zuerst und am massen- haftesten in dem Organ sich anhäufte, das in normalem Zustande ihre Aus- scheidung zu besorgen hatte. Das letzte Argument, das auf einer grösseren Reihe chemischer Be- stimmungen ruht, wäre wohl das beste, wenn wir berechtigt wären, aus dem Verhalten der Schlangen auf das der Vögel zu schliessen. Die Phy- siologie hat uns in den letzten Jahren mit einer Reihe von chemischen Processen bekannt gemacht, die selbst bei Thierclassen, die einander näher wie Vögel und Schlangen stehen, andersartig ablaufen. Ich erinnere nur an das verschiedene Verhalten des Hundes und des Kaninchens bei Ein- führung anorganischer Säuren, ferner an die Unfähigkeit des Hundes an s*+ 116 W. v. SCHRÖDER: anderem Orte wie in der Niere die Synthese der Hippursäure zu vollziehen, während Kaninchen auch unabhängig von den Nieren Hippursäure zu bilden im Stande sind, und anderes mehr. Meissner! war der Erste, der gegen Zalesky auftrat. Er wies die erwähnte Anwesenheit von Harnsäure im Hühnerblut nach. Der Fehler, den Zalesky begangen, hatte in der Anwendung zu kleiner Blutmengen gelegen. Meissner untersuchte eine Anzahl von Organen des Huhns, Muskeln, Lunge und Leber auf ihren Gehalt an Harnsäure. Es fand sich die Harnsäure stets in beträchtlichster Quantität m der Leber. In 500." Leber waren 0-31”, in 2988” Leber 0.14®”% Harnsäure enthalten. In den anderen Organen konnte er nur die geringsten Spuren von Harnsäure auffinden. Ohne die Möglichkeit zu negiren, dass andere Organe, Milz, Nervensubstanz u. s. w. auch einen Beitrag zur Harnsäure des Harnes liefern, hält er sich auf Grund dieser Befunde zu dem Schlusse berechtigt, dass im normalen Zustande die Leber des Huhns die bei weitem haupt- sächlichste Bildungsstätte und Quelle der Harnsäure sei, welche von da durch das Blut den Nieren zugeführt wird. Die Beobachtungen Meissner’s sind interessant und wichtig. Doch ist weder von ihm noch von Anderen versucht worden, die Hypothese ex- perimentell zu prüfen, und muss ihre Richtiekeit vorläufig dahingestellt bleiben. Weiter unten werde ich darauf zurückkommen. Pawlinoff? hat einen Versuch gemacht, die Frage, ob die Niere des Vogels bei der Bildung der Harnsäure betheilist ist, zu beantworten. Er glaubt aus den erhaltenen Resultaten den Schluss ziehen zu dürfen, dass die vom Organismus gebildete Harnsäure nicht von den Nieren producirt, sondern nur durch dieselben aus dem ihnen zugeführten Blute ausgeschie- den wird. Er wiederholte die Versuche, Harnsäure im normalen Blute von Hühnern aufzufinden. In 670m und 1370°® Hühnerblut misslang ihm der Nachweis. Nur in 420°® Blut von Hühnern, die eine Woche lang Fleisch gefressen hatten, konnte er Harnsäure in äusserst geringer Menge auffinden. Als er zur Controle der Methode Versuche anstellte, misslang ihm selbst der qualitative Nachweis von Harnsäure in 500°“ Hundeblut, denen er 0.688” Harnsäure zugesetzt hatte und beschuldigt er Meissner’s Methode Ursache dieses negativen Befundes gewesen zu sein. Die damals schon bekannte Methode von Salkowsky, bei deren Anwendung es gelingt, schon im Blute eines Huhns Harnsäure nachzuweisen, hat er nicht benutzt. Pawlinoff will durch Umstechung der Nierengefässe der Taube die Niere aus dem Kreislauf ausgeschaltet und dieselben Ablagerungen wie Zeitschrift für rationelle Mediein. Bd. XXXI, 8. 144. ®? Virchow’s Archiv u.s. w. Bd. LXII, S. 57. ÜBER DIE BILDUNGSSTÄTTE DER HARNSÄURE IM ÖRGANISMUS. 117 nach Unterbindung der Ureteren beobachtet haben. Er führte diese Ope- ration in der Weise aus, dass er eine an der Spitze mit einem Oehr ver- sehene Nadel von der Bückenfläche aus oberhalb der Niere durch den Knochen führte, sie dann parallel der Wirbelsäule dirigirend, die Niere umeing, sie unterhalb der Niere durch den Knochen wieder herausstiess, den Faden mit einer Pincette fasste, und die Nadel auf demselben Wege wieder zurück zog. Auf der anderen Seite verfuhr er ebenso. Die stark zugeschnürten Fäden sollten die Nierengefässe verschlossen haben. Jeder, der die Anatomie der Vogelniere kennt, wird mit Recht in Zweifel ziehen, ob auf diese Weise der verlangte Zustand wirklich hervor- sebracht worden. Abgesehen von der Gefahr, durch die Schlinge den Ureter zu comprimiren und statt Gefässverschluss Ureterencompression zu erzielen, ist es bei der Kleinheit und tiefen Lage der Arterien, welche - aus der Aorta entspringend den vorderen Nierenlappen speisen, kaum wahr- scheinlich, dass diese Zuflüsse durch die Schlinge abgesperrt wurden. Es konnten sich auch collaterale Bahnen entwickelt und das Resultat illusorisch gemacht haben. Einen Beweis des wirklich gelungenen Ausschlusses der Niere lässt Pawlinoff vermissen. Ich hätte mich sicherlich durch Wieder- holung der Versuche von der Genauigkeit der Beobachtungen überzeugt, dem stand aber die Thatsache entgegen, dass Pawlinoff selbst, der diese Operationsweise angegeben und doch wohl Uebung besitzen musste in ihrer Ausführung, dieselbe nur in 2 von 90 Fällen geglückt war. Zur Wie- derholung der Experimente war diese Sachlage wenig ermunternd. Das Wesentlichste, was gegen die harnsäurebildende Function der Vogelniere vorgebracht ist, lässt sich in zwei Punkten zusammenfassen : 1) Im normalen Blut, so wie in der Leber des Vogels ist Harnsäure nachgewiesen. Dieselbe kann also nicht erst von der Niere gebildet werden. Es scheint mir, dass wir nicht berechtigt sind, aus der sicher nach- gewiesenen Anwesenheit der Harnsäure im Vogelblut zu schliessen, diese Harnsäure könne nicht von den Nieren gebildet sein. Meissner! beurtheilt den Werth seines Befundes sehr richtig, wenn er sagt: „gesetzt man wüsste von anderer Seite her, dass in den Nieren des Vogels Harnsäure entsteht, so würde man einen gewissen Harnsäuregehalt des Blutes mit der Annahme erklären können, dass von der in der Niere entstanden gedachten Harn- säure durch Resorption etwas in’s Blut gelänge“. Es schützt uns nichts gegen die Möglichkeit, dass die Harnsäure dennoch in der Niere beim Con- “tact des Blutes mit dem Nierengewebe gebildet wird, und ein chemisches Gleichgewicht derart entsteht, dass ein Theil der Harnsäure in die Harm- eanälchen eintritt, ein anderer Theil aber im Venenstrom dem Körperblut 770.8. 149. 118 W. v. SCHRÖDER: zugeführt wird. Für den Harnsäuregehalt der Leber gilt das Gleiche, wie für das Blut. 2) Das Resultat der zwei Versuche Pawlinoff’s, in denen er dieselben Ablagerungen harnsaurer Salze gesehen haben will, wie nach Unterbindung der Ureteren. Diese zwei Beobachtungen ohne Sicherheit des wirklich gelungenen Ausschlusses der Nieren aus dem Kreislauf, nach einer Methode ausgeführt, welche die Controle so gut wie ganz ausschliesst, überzeugen ebenfalls sehr wenig. Dies der Stand der Frage. Versuche, die Nieren des Huhns durch Exstirpation aus dem Kreislauf auszuschalten. Ich begann meine Untersuchung damit zu prüfen, ob die Nephrotomie am Huhn ausführbar sei. Die Exstirpation der Vogelniere ist mit dem Fortbestehen des Lebens des Thieres bisher für unvereinbar gehalten worden. Die Lage der Nieren, die unmittelbare Nähe grosser Arterien- und Venen- stämme scheinen diese Anschauung zu rechtfertigen. Die Nieren liegen beim Huhn zu beiden Seiten der Wirbelsäule und erstrecken sich, in der Kreuzbeinhöhle beginnend, so weit nach oben, dass die Spitze des vorderen Lappens an die letzte Rippe stösst, wo sie beim Hahn von der Bauchseite her durch die Hoden überlagert wird. Dorsal sind sie ihrer ganzen Länge nach vom Darmbein gedeckt. Beide Nieren liegen der Wirbelsäule eng an und nehmen die Bauchaorta zwischen sich. Jede Niere zerfällt in drei Lappen, von denen der mittlere der kleinste, der hintere in der Regel der stärkste ist. Jeder Nierenlappen hat seine eigene Arterie. Die vorderen Lappen erhalten mit grosser Constanz ihre Arterien aus der Aorta. In der Höhe des mittleren Lappen treten von der Aorta die beiden Arteriae iliacae ab, die jedoch die Niere durchbohren, ohne Zweige in sie zu senden. Am unteren Rande des mittleren Lappen spaltet sich die Aorta in die beiden Arteriae ischiadicae und in die Sacralis media. Letztere ver- läuft auf der Wirbelsäule Die ersteren liegen in der Trennungsfurche zwischen mittlerem und hinterem Nierenlappen und geben die Arterien für den mittleren und hinteren Lappen ab. In der Höhe des vorderen Nierenlappen spaltet sich die Vena cava in die beiden Venae iliacae communes, die in der Trennungsfurche zwischen mittlerem und vorderem Lappen liegen. Die Vena iliaca communis theilt ÜBER DIE BILDUNGSSTÄTTE DER HARNSÄURE IM ÖRGANISMUS. 119 sich am äusseren Rande der Trennungsfurche in die Vena cruralis und hypogastrica, welche letztere die Niere in grossem Bogen durchbohrt, dessen Convexität am hinteren Rande des hinteren Lappens liegt, wo sie mit der anderseitigen zum Theil zusammenfliesst. Die Vene des vorderen Nierenlappens tritt direet in die Vena iliaca communis ein. Aus dem mittleren und hinteren Lappen fliesst das venöse Blut theils durch die Vena renalis magna, die ventral an der Niere liegt und in die Vena iliaca communis mündet, theils ergiessen sich eine Unzahl kleinster Venen, aus den beiden hinteren Lappen kommend, in die Vena hypogastrica, während sie den Bogen durch die Niere beschreibt. Bei derartiger Lage der Nierengefässe erschien eine Unterbindung der- selben kaum ausführbar. Die Gefässe sind zu klein und zu schwer er- reichbar. Ich habe zuerst Versuche gemacht, die Nieren zu exstirpiren. Vom Bauche aus kann man des Brustbeins wegen nicht zur Niere ge- langen, es blieb also der Weg vom Rücken aus zu versuchen. Auf fol- gende Weise ist mir die Ausführung dieser Operation gelungen. Operationsmethode. Das Thier — ich habe nur Hähne benutzt — wird in einem hierzu construirten Gestell in der Bauchlage sicher fixirt. Nachdem die Federn von dem ÖOperationsfeld entfernt sind, trennt man die Haut in der Mittel- linie durch einen Längsschnitt, der sich von der Stelle, wo die Darmbein- schaufeln verschmelzen, etwa 3°” nach oben hin erstreckt. Um Blutungen des Knochens zu vermeiden, hebt man zweckmässig eine Hautfalte empor und spaltet sie mit der Scheere. Dann schiebt man die Muskelmassen, die auf der oberen Fläche des Darmbeins liegen, mit dem Schabeisen so weit zurück, dass die Spalte zwischen letzter Rippe und oberem Rande des Darmbeins frei liegt. Mit Pincette oder Schaber dringt man unter die dünne Knochenplatte ein, knickt den Rand derselben um und bricht ein Stück heraus, welches genügt, um das vordere Ende des vorderen Nieren- lappens, der unmittelbar dahinter liegt, zu Gesicht zu bekommen. Ist auf diese Weise die Bauchhöhle beiderseits eröffnet worden, so führt man eine starke, stumpfe, am Ende mit einem Oehr versehene Nadel von circa 1.9°® Krümmungsradius auf der einen Seite ein, umgreift die grossen Gefässe und führt sie jenseits der Wirbelsäule durch die anderseitige Oeffnung wieder heraus, zieht einen starken Faden in das Oehr und führt sie wieder zurück. Der Faden, der die Aorta und Vena cava umgreift, wird stark zugebunden, wodurch diese Gefässe an die Wirbelsäule angeschnürt werden, 120 W. v. SCHRÖDER: Ist dies geschehen, so setzt man die erste Knochenwunde in Form einer 6— 7m preiten Spalte in sagittaler Richtung nach hinten fort mit der Vorsicht, eirca 15°” von der Mittellinie entfernt” zu bleiben. Man bedient sich am zweckmässigsten hierbei einer Scheere, die man auf einem dünnen, breiten Schaber führt, mit der man zuerst unter die zu entfernende Knochen- platte gedrungen ist. Die Spalte muss bis zum untersten Ende der Niere fortgesetzt werden und legt beiderseits den äusseren Rand der Niere frei. Durch diese Operation hat den vordere Theil des Darmbeins mit der Ge- lenkpfanne seinen Halt verloren und lässt sich mittels eines Hakens nach aussen ziehen. Liest so die Niere hinreichend frei, so kann man mit der Exstirpation beginnen, von hinten nach vorne vorschreitend. Der Brüchig- keit der Nierensubstanz wegen kann man sie nur stückweise entfernen. Es geht dies am besten mit Hülfe eines kleinen Hornlöffels und einer Pincette von statten. Gar zu leicht entgeht einem das äusserste Stück des Mittel- lappens. Man erhält dies erst zu (resicht, wenn man nach vollendeter Ent- fernung des hinteren Lappens den Ureter mit der Pincette fast und stark in die Mittellinie zieht. Alle blutenden Gefässe müssen mit grosser Sorg- falt unterbunden werden. Um kleine Blutungen, insbesondere Knochen- blutungen, zu stillen, hat sich mir mit Eisenchlorid getränkte Watte ausser- ordentlich praktisch erwiesen. Die ersten Versuche, die ich anstellte, und in denen die Operation nicht mit dem Verschluss der Aorta und Vena cava oberhalb der Niere begann, missglückten. Es war unmöglich, die Nieren zu entfernen, ohne eine der umliegenden grossen Venen zu ‘verletzen. Man hörte in den meisten Fällen wie die Vene Luft einsog, worauf sofortiger Tod des Thieres eintrat. Erst nachdem die Operation mit dem Verschluss der Aorta und Vena cava begann, konnte sie mit Erfolg ausgeführt werden. Ueber den Nachweis der Harnsäure Folgendes: War ich im Stande, bei Anwendung einer Methode, die bei normalen Verhältnissen in den Organen eines Huhnes keine Harnsäure auffinden lässt, bei dem die Operation überstehenden Thier mit voller Sicherheit welche nachzuweisen, so musste eine bedeutende Zunahme des normalen Harnsäuregehaltes stattgefunden haben. Im dieser Ueberlegung habe ich mich der gewöhnlichen Methode, die Harnsäure zu bestimmen, bedient. Die möglichst zerkleinerten Organe werden mit viel Wasser auf freiem Feuer zum Aufkochen erhitzt und heiss durch Leinwand colirt. Das Filtrat wird auf dem Wasserbad zur Trockne gebracht, der Rückstand mit heissem Wasser aufgenommen, heiss filtrirt und auf ein 'kleines Volum eingeengt, bei der Darstellung der Harnsäure aus Herz und Lungen auf circa 10”. Diese werden noch heiss sehr stark mit Eisessig übersättiet und 48 Stun- «den am kühlen Ort stehen gelassen. Ich habe mich überzeugt, dass wenn ÜBER Dis BILDUNGSSTÄTTE DER HARNSÄURE IM ÖRGANISMUS. 121 man derart verfährt, in den Filtraten der Harnsäurefällungen sich nur un- wägbare Spuren von Harnsäure nach der Methode von Salkowsky auf- finden lassen. Ich nahm daher Abstand von der Benutzung dieser Methode, da der Schluss, den ich aus meinen Versuchen ziehen konnte, durch An- wendung derselben sich nicht geändert hätte. Mikroskopisch erwiesen sich die gewogenen Harnsäuremengen aus reinen Krystallen bestehend, die mit- unter eine leicht gelbliche Färbung besassen. Versuch 1. Es wird an einem Hahn von 776 8” Körpergewicht die Nephrotomie ausgeführt. Ich wählte für meine Versuche junge Thiere, weil die Ent- fernung der Knochen bei denselben leichter ausführbar ist, die Hoden noch klein sind und das Anlegen der Ligatur um Aorta und Vena cava nicht - hindern. Die Operation war um ®?/,1 Uhr beendet. Abgesehen von der ein- getretenen Lähmung der unteren Extremitäten befand sich das Thier. wohl. Um ?/,10 Uhr Abends ist es noch verhältnissmässig munter, fühlt sich aber etwas kühl an. Um 10 Uhr Abends starb es. Die Section wird am anderen Tage, nachdem das Thier die Nacht über auf Eis gelegen hatte, vorgenommen. In allen Fällen, wo es nicht ausdrücklich bemerkt ist, wurde die Section immer erst vorgenommen, nachdem das Thier die Nacht über im Eiskasten gelegen hatte. Es zeigt sich, dass die beiden vorderen und hinteren Nierenlappen vollständig ent- fernt sind. Von den beiden Mittellappen war beiderseits das äussere Läppchen erhalten. Es sind dies die Läppchen, die man erst zu Gesicht bekommt, wenn man den Ureter stark in die Mittellinie zieht. Da jedoch beide von Ligaturen umschnürt waren, durfte man annehmen, dass eine Cireulation des Blutes in ihnen nicht mehı stattgefunden haben konnte. Die Baucheingeweide waren normal, ebenso die Lungen. Nur das -Pericardium hatte eine weisslichere Farbe wie gewöhnlich. In der Peri- cardialllüssigkeit schwimmen einige weisse Fetzen. Einer davon untersucht, sieht die charakteristischen Harnsäurereactionen. In diesem wie in allen folgenden Fällen habe ich nur Herz und Lungen nebst eingeschlossenem Blut auf ihren Harnsäuregehalt untersucht. Herz und Lungen wogen ... 10-18” DarinSklarnsaure 2... .022.2..0.025022 0.25%, Lebensdauer des Thieres . . . 9!/, Stunden. 122 W. v. SCHRÖDER: Versuch 2. Einem Hahne von 1067 ®'” Körpergewicht werden die Nieren exstirpirt. Die Operation ist um 11 Uhr beendet. Der Tod tritt ohne vorhergegangenes Koma um 5 Uhr ein. Die Section zeigt, dass die Ligatur nicht richtig angelegt worden war. Es befand sich nur die Aorta in derselben, die V. cava war ihr ent- gangen. Die Nieren sind vollständig entfernt bis auf das äussere Läppchen des linken Mittellappens. Dieses hängt noch am Ureter, ist aber von einer Ligatur umschnürt. Die mikroskopische Untersuchung desselben zeigt, dass die Harncanälchen vollkommen leer sind. Leber, Lungen, Milz sind normal, ebenso der Verdauungscanal. Nur auf den serösen Häuten sieht man einzelne kleine weisse Fetzen. In der Pericardialflüssigkeit schwimmt ein grosser weisser Fetzen von etwa 4”” Durchmesser Herz und Lungen wogen . . . 17.58” Darin Harnsaure .22.2...2,..:08322 031627 Lebensdauer des Thieres . . . 6 Stunden. Versuch 3. Einem Hahn von 952 ®°” Körpergewicht werden die Nieren exstirpirt. Die Operation ist um 12 Uhr beendet. Um 4!/, Uhr lebte das Thier noch. Als ich um 6 Uhr nach demselben sah, war es bereits todtenstarr. Es ist also vermuthlich nach 5stündiger Lebensdauer verendet. Die Section zeigt die vollständige Entfernung beider Nieren. Bauch- und Brustorgane sind völlig normal, nur in der Pericardialflüssigkeit schwimmen einige weisse Fetzen. Herz und Lungen wogen . . . 15.83 Darin Harnsaure . 2 2 0.0022 0-103% Lebensdauer des Thieres . . . 5 Stunden. Versuch 4. Die Thiere, welche zu den Versuchen 1—3 gedient hatten, waren mit Gerste gefüttert worden. Der Kropf war in allen Fällen sehr stark mit Gerste gefüllt gewesen. Ich glaubte die Lebensdauer der Thiere würde eine längere sein, wenn sie vor der Operation weniger reichlich gefressen hätten. Ich gab einem Hahn, der bisher Gerste gefressen und 12703” wog, um 8 Uhr morgens 20®”® Fleisch. Die Operation war um 11 Uhr beendet. Der Erfolg rechtfertigte meine Vermuthung nicht. Das Thier fühlte sich schon um 3 Uhr kühl an, wurde dann allmählich schwächer und starb um 4 Uhr, ÜBER DIE BILDUNGSSTÄTTE DER HARNSÄURE IM OÖRGANISMUS. 123 Die Section zeigte die vollständige Entfernung beider Nieren. Es ist alles völlig normal, nur schwimmen in der Pericardialflüssigkeit einige kleine weisse Fetzen. In den grossen Venenstämmen sind weisse Fetzen zu sehen, die sich scharf von dem rothen Blutcoagulum abheben. Herz und Lungen wogen . . 23.6” Marne klarnsauren. 020... 0.012327 0.0542, Lebensdauer des Thieres. . . 5 Stunden. Trotz des Blutverlustes, der bei der ausserordentlich schwierigen Ope- ration nicht vermieden werden konnte, und der kurzen Lebensdauer hatten die Thiere beträchtliche Mengen von Harnsäure produeirt. Die erwähnten, in der Pericardialflüssigkeit schwimmenden Fetzen waren in allen Fällen wahrgenommen. Sie enthielten sehr reichlich Harnsäure. Setzte man zu einem Fetzen auf dem ÖObjectträger Essigsäure, so bedeckte sich bald das ganze Gesichtsfeld mit den charakteristischen Harnsäurekrystallen. Sie gaben die Murexidreaction. Aus diesen Versuchen lässt sich mit voller Sicherheit der Schluss ziehen, dass beim Huhn auch unabhängig von den Nieren Harn- säure in erheblicher Menge gebildet wird. Die grosse Schwierigkeit die Nierenexstirpation am Huhn auszuführen, forderte dazu auf, ein Verfahren ausfindig zu machen, bei dessen Benutzung der Ausschluss der Niere aus dem Kreislauf auch ohne eine so gefahrvolle und schwierige Operation zu erreichen war. Dass die Bildung der Harn- säure unabhängig von den Nieren erfolgt, war zwar erwiesen, aber eine Reihe ähnlicher und daran sich knüpfender Fragen konnte nur untersucht werden, wenn eine Methode gefunden, die leichter und sicherer denselben Effect, Ausschluss der Nieren, leistete und erschien deren: Auffindung von Wichtigkeit. Ausschaltung der Nieren durch Verschluss der Aorta und Vena cava. Es lag die Frage nah, ob nicht schon die Umschnürung der Aorta und Vena cava oberhalb der Nieren jede Circulation in denselben zum Stillstand brachte. Diese Operation ist leicht, sicher und fast unblutig. Es war zu entscheiden, ob die Furcht, dass durch Ausbildung collateraler Bahnen der Ausschluss auf diese Weise unmöglich, begründet ist oder nicht. Diese Frage liess sich offenbar in folgender Weise beantworten. Haben wir 124 W. v. SCHRÖDER: eine Substanz, die in den Kreislauf eingeführt, sicher in die Nieren über- tritt und leicht dort nachgewiesen werden kann, so hat man nur die Ligatur um Aorta und V.cava zu legen, die betreffende Substanz zu injieiren, um aus ihrem Vorhandensein oder Fehlen in der Niere auf Fortdauer oder Stillstand der Cireulation in derselben schliessen zu dürfen. Eine Substanz, die meinen Anforderungen völlig entsprach, war das Indigcarmin, das sich mikroskopisch leicht in der Niere nachweisen lässt. Um die Schnelligkeit des Uebertrittes des Indigcarmins in das Nieren- sewebe beurtheilen zu können, stellte ich zwei Versuche an. Versuch 5. Einem Hahn werden 20°” kaltgesättigter Indigcarminlösung in die V. jugularis injieirt. Schon während der Injection färbte sich die Haut am Kopf, die Mundhöhle u. s. w. prachtvoll blau. Nach 5 Minuten wird er durch Verbluten getödtet, die Niere schnell herausgenommen und zur Fixirung des Indigcarmins in 10°/, Kochsalzlösung gelegt. Die Niere ist dunkel- blau und zeigen mikroskopische Schnitte, dass die Harncanälchen reich- lichst mit Indigcarmin erfüllt sind. Versuch 6. Einem Hahn werden 15 °” Indigcarminlösung in die V. jugularis imjieirt und derselbe möglichst schnell durch Verbluten getödtet. Das Blut sah bräunlich aus und gab ein an der Luft sich bläuendes Serum. Die Niere, | die möglichst schnell herausgenommen, sah dunkelblau aus und waren die | Harneanälchen reichlichst von Indigcarmin erfüllt. Es hatte also auch in dieser kurzen Zeit das Indigcarmin den ganzen Kreislauf passirt und war in grosser Menge in der Niere ausgeschieden worden. Versuch 7. Einem Hahne wird die Ligatur um Aorta und V. cava gelegt und. ihm °/, Stunden nach Beendigung der Operation 15 °® Indiscarminlösung in die V. jugularis injieirt. Nach 5 Minuten wird er durch Verbluten ge- tödtet. Alles Bindegewebe war prachtvoll blau. Der Darm und die Leber waren dunkelblau gefärbt. Die Haut der Beine war bläulich, ebenso ein- zelne Beinmuskeln, jedoch an beiden Beinen nicht in gleicher Stärke. Die Niere, die ganz ungefärbt ist, wird schnell herausgenommen. Die auf der Niere liegenden Venen sind blau, die Arterien zeigen kaum merkliche Bläuung. Die Hoden sind ungefärbt. Es werden von der Niere alle Lappen mikroskopisch untersucht. Das Nierengewebe zeigt sich immer ungefärbt, ÜBER DIE BIEDUNGSSTÄTTE DER HARNSÄURE IM ÖRGANISMUS. 195 nur da, wo der Schnitt Venen getroffen, sieht man eine schwache Bläuung um das Lumen derselben herum. Versuch 8. Es wird einem Hahn die Ligatur angelegt und ihm nach 2!/, Stunden 15 = Indigcarminlösung in die V. jugularis injieirt. Er wird nach 5 Minuten verblutet. Einzelne Beinmuskeln sind schwach gebläut, andere gar nicht, die Beuger im Allgemeinen stärker wie die Strecker. Der Darm ist dunkel- blau, ebenso die Leber. Die Niere ist fast ungefärbt, nur der hintere Theil der beiden Hinterlappen sieht etwas gebläut aus. Die auf der Niere liegenden Venen, die Iliaca communis und Renalis magna sind gebläut. Alle 6 Lappen werden mikroskopisch untersucht. Die beiden hinteren Lappen zeigen farblose @lomeruli und Harncanälchen, nur wo der Schnitt Venenstämmchen getroffen, sieht man um ihr Lumen herum und von da aus in’s umliegende Bindegewebe sich verbreitende ganz schwache diffuse Bläuung. Die beiden Mittellappen zeigen nur am äusseren Rande ganz schwache Bläuung um die Venen herum, das Innere derselben ist ganz farblos. Die beiden vorderen Lappen verhalten sich so wie die mittleren, nur ist die Randbläuung noch schwächer. In allen Lappen sind die Harncanälchen ganz ungefärbt. Versuch 9. Einem Hahn wird die Ligatur angelegt. Nach 5!/, Stunden werden ihm 15° ® Indigcarminlösung injieirt. 5 Minuten nach Schluss der In- jeetion wird das Thier durch Verbluten getödtet. Das Blut war missfarben bräunlich und gab ein an der Luft sich hläuendes Serum. Darm und Leber sind dunkelblau. Die beiden vorderen Lappen der Niere sind völlig normal gefärbt. Die mittleren und der linke hintere haben eine grünlich blaue, der rechte hin- tere eine stärker blaue Färbung. Die auf der Niere liegenden Venen ver- halten sich wie im vorigen Versuch. Die beiden vorderen Lappen zeigen sich bei der mikroskopischen Unter- suchung ganz frei von jeder Bläuung. Die mittleren und der linke hintere Lappen zeigen nur in den Rand- partien um die Venenstämmchen herum leichte diffuse Bläuung. Der bei weitem am stärksten gebläute rechte hintere Lappen lässt - deutlich wahrnehmen, dass das Indiscarmin nur von der Vene aus fort- - gewandert ist. Man sieht viele Harncanälchen von blauen Rändern um- geben, im Inneren aber sind sie ganz ungefärbt. 126 W. v. SCHRÖDER: Aus diesen Versuchen geht hervor, dass der Verschluss der Aorta und Vena cava oberhalb der Niere jeden arteriellen Zufluss zur Niere hemmt und der Strom in derselben aufhört. Selbst nachdem der Verschluss 5'/, Stunden gedauert hatte, waren collaterale Bahnen nicht zur Entwickelung gekommen. Die schwachen Bläuungen, die einzelne Beinmuskeln aufwiesen, kommen wohl zu Stande, indem das Indigearmin durch die arteriellen Bahnen des Rückenmarks aus dem ober- halb der Ligatur befindlichen Stromgebiet in die unteren Extremitäten ge- langt. Hier tritt es in die Venen über und gelanet in die in und auf der Niere verlaufenden Venen, aus denen es in’s Bindegewebe des Nieren- gewebes diffundirt und die beobachteten schwachen diffusen Bläuungen um die Lumina der Venenstämmchen verursacht. Da bei den Nierenexstirpationen stets Blutverluste stattgefunden, er- wartete ich, dass die Lebensdauer der Thiere, falls ihnen durch Anlesung der Ligatur die Niere ausgeschaltet würde, eine bedeutend längere sein würde und dadurch ein viel prägnanteres Bild der unabhängig von den Nieren erfolgenden Bildung der Harnsäure gewonnen werden könnte. Ich hoffte ferner durch Einführung von kohlensaurem Ammon bedeutend grössere Mengen von Harnsäure in den Organen aufzufinden. Versuch 10. Einem Hahn von 1030 ®”® Körpergewicht wurde um 1/,12 Uhr die Ligatur angelegt. Das Thier hatte Gerste gefressen. Der Tod tritt um 10 Uhr ein. Der Sectionsbefund war der gleiche wie nach Exstirpation der Nieren. Es ist alles normal, nur schwimmen in der Pericardialflüssigkeit einige weisse Fetzen. Herz und Lungen wogen . . . 20.48m Darin Harnsaute 2 2.22.2.02050282 10-149, Eebensdauer 2.22.2210, Stunden Versuch 11. Einem Hahn von 11008” Körpergewicht, der mit Fleisch gefüttert war, wurde um !/,11 Uhr die Ligatur angelegt. Er stirbt um 6 Uhr nachmittags. Die Nieren waren auffallend dunkel gefärbt, die Ureteren leer. Auf dem Peritoneum und Mesenterium liegen einige kleine weisse Fetzen, die | ÜBER DIE BIEDUNGSSTÄTTE DER HARNSÄURE IM ÖRGANISMUS. 127 reichlich Harnsäure enthalten. In der Pericardialflüssigkeit schwimmen mehrere weisse Fetzen. Herz und Lungen wogen . . . 22-68" MaungHarnsäurers 22. .00..1:0.042222 0,18) Lebensdauer des Thieres . . . 6!/, Stunden. Versuch 12. Einem Hahn von 1360®”® Körpergewicht wird um 10!/, Uhr die Ligatur angelegt. Eine Viertelstunde vor der Operation waren ihm 0691 &* kohlensaures Ammon in einer Papierhülse in den Kropf geschoben. Der Tod tritt um !/,9 Uhr Abends ein. Die Section zeigt im Kropfe des Thieres einen grösseren und mehrere kleinere stecknadelkopfgrosse hämorrhagische Infarcte. Der Darm ist sehr blutreich und stellenweise geröthet. Leber, Lunge und Milz sind normal. Auf dem Mesenterium liegen einige kleine weisse Fetzen und schwimmen ebensolche in der Pericardialflüssigkeit. Diesmal fanden sich auch im Bindegewebe, das den langen Halsmuskeln aufliest, kleine weisse Fetzen. Die mikroskopische Untersuchung dieser Membranen zeigt, dass die Blut- capillaren ganz erfüllt sind von kugligen Ablagerungen, die auf Essigsäure- zusatz in Harnsäure-Krystalle sich verwandeln. Das Bindegewebe und dessen Kerne, sowie die Lymphgefässe sind völlig frei von Ablagerungen, ebenso alle anderen Membranen. Herz und Lungen wogen . . 29-18" Warn klamnsaure .. . . ... 02062827 0:22, Lebensdauer des Thieres. . . 10!/, Stunden. Versuch 13. Einem Hahn von 1483 8"® Körpergewicht wird um 1/,12 Uhr die Ligatur angelest. Um 12 Uhr wurden ihm 07892" kohlensaures Ammon in den Kropf gebracht.. Der Tod tritt um 8!/, Uhr ein. Die Section zeigt, dass die Ligatur nur um die Aorta gelegt war. Die Vena cava war frei geblieben. Die hinteren und mittleren Lappen der Niere sind dunkelbraun, die vorderen viel weniger. In der Peritonzsal- höhle findet sich ein kleines Blutgerinnsel. Leber, Lunge, Milz sind nor- mal. Auf dem Peritonsum und Mesenterium sieht man kleine weisse Fetzen, ebenso auf dem Pericardium und in der Pericardialflüssigkeit. Hielt man das Mesenterium gegen das Licht, so sah man ein zierliches weisses Netz, das mikroskopisch sich als ein Bluteapillarsystem erwiess, das von Ablage- rungen erfüllt ist. Die oberflächlichen wie tiefen Bindegewebsmembranen 125 des Halses zeigen dieselbe Erscheinung. W. v. SCHRÖDER: Im Grunde des Kropfes findet sich ein hämorrhagischer Infaret von circa 5”" Durchmesser, ausschliesslich im der Schleimhaut gelegen. Die Haut des Kropfes zeigt vorherrschend in der Adventitia massenhafte Ablagerungen in den Bluteapillaren, weniger in der Muscularis und Schleimhaut. Ablagerungen erfüllt, wie die Venen. Herz und Lungen wogen . Darin Harnsäure Lebensdauer des Thieres Die Arterien sind viel stärker von . 28.8 em 0.0515 em — 0.180), 8?/, Stunden. Versuch 14. Einem Hahn von 1780 8” Körpergewicht wird um 11 Uhr die Ligatur angelegt. Nach beendeter Operation werden ihm 0.919” Harnstoff in den Kropf gebracht, um 1 Uhr weitere 0.98%. Er starb um ?/,7 Uhr. Die Section zeigt ein normales Verhalten aller Organe, nur in der Pericardialflüssigkeit schwimmen kleine weisse Fetzen. Herz und Lungen wogen . 2 Darin Harnsäure 0.0400 27 0,13% Lebensdauer des Thieres . 7°/, Stunden. Diese Experimente bestätigten das bei Nierenexstirpationen gewonnene Resultat. Die Lebensdauer war zwar eine längere, wie nach Exstirpation der Nieren, hatte aber nicht in dem Grade, wie ich erwartet, zugenommen. Sie betrug nach Ausführung der Nephrotomie- im Mittel der 4 Versuche 6!/, Stunden, nach Anlegung der Ligatur im Mittel der 5 Versuche 8?/, Stun- den. Sie wies also eine Zunahme von 2!/, Stunden auf. Von Interesse ist das Auftreten der Ablagerungen in den Blutcapillaren, welches in Versuch 12 und 13 nach Einführung von kohlensaurem Ammon beobachtet wurde. Der Uebersicht wegen stelle ich die Versuche tabellarisch zusammen. a) Exstirpationen. Körper- Lebens- | Herz und Darin = Versuch.) gewicht dauer Lungen | Harnsäure Bemerkungen. NS ; S Procenten. in Gramm. in Stunden.| wogen |in Gramm. ll 776 9 10-1 0.0250 0-25 — 2 1067 6 17.5 00-0288 0-16 — 952 5 15.8 0.0170 0-10 — 1270 5 23-6 0.0128 0-05 —— ÜBER DIE BILDUNGSSTÄTTE DER HARNSÄURE IM OÖRGANISMUS. 129 b) Verschluss der Aorta und V. cava. | Körper- | Lebens- | Herz und | Darin N, Versuch. gewicht | dauer Lungen | Harnsäure | Bemerkungen. 5 If | Procenten. ‚in Gramm. \in Stunden. wogen |in Gramm. | | | | | | | 10 1030 104, 20.4 0.0302 0.14 — 00 | 61, 22.6...0.0422.) 0.18: | u 0 — 1% 1360 10%/, | 29.1 0:0628 0.22 0.691 kohlensaures Ammon eingeführt, 1 | 0.789 kohlen be ae | Ele ers 0.0515 0.18 | Ammon sinseführt. | | 1-819 Harnstoff 12 I78s0 | 2%, | 29.9 | 0.0400 | 0.13 eingeführt, 2 Zur Controle der Reinheit der gewogenen Harnsäuremengen habe ich zwei Stickstofibestimmungen nach Will-Varentrapp’s Methode an ihnen gemacht. Der gebildete Salmiak wurde mit einer Lösung von salpeter- saurem Silber titrirt und das Ammoniak aus dem Chlorsilber berechnet. 1 @ der Silberlösung entsprach . . 0. 00WBSN a) 0.0519 Harnsäure verbrauchten 12. 9 com Si lberfosund — 10-0L08.N b) 0-0548 Harnsäure verbrauchten 12-8 m Silberlösung = 00176 N Hs’enthielt die Harnsäure also . .... . . nach a) = 32.449), N | nach b) = 32:28°%/, N Harnsäure enthält 33-33°/, N. Berücksichtigt man die kleinen Mengen, mit denen die Analyse angestellt onlam musste, so war eine grössere Ueber- einstimmung nicht zu erwarten. Folgender Versuch, den ich zu anderem Zwecke angestellt, gab zu einer neuen Fragestellung Veranlassung. Versuch 15. Einem Hahn wird um 11 Uhr die Ligatur angelegt und werden ihm unmittelbar nach beendeter Operation 0.6°"” kohlensaures Ammon in den - Kropf gebracht. Das Thier starb schon nach 5!/, Stunden. Die Section zeigte, dass die Ligatur nur um die Aorta gelegt war, die Vena cava war ihr entgangen. Es war die Nadel diesmal nicht richtig geführt worden, denn es findet sich in der Peritonaealhöhle ein ziemlich be- deutendes Blutgerinnsel. Dieser Blutverlust wär wohl die Ursache des Archiv f.A.u. Ph, 1880. Suppl.-Band z. Physio]. Abthlg. 9 130 W. v. SCHRÖDER: raschen Todes gewesen. Die Baucheingeweide und Brustorgane zeigten normales Verhalten, nur in der Pericardialflüssigkeit schwammen einige weisse Fetzen. Der Kropf zeigte am Eingange einen hämorrhagischen In- farct. Die Blutcapillaren der Kropfhaut sind ganz erfüllt von Ablagerungen, während an keiner anderen Stelle des Körpers die gleiche Erscheinung zu beobachten war. Dieser Versuch brachte mich auf den Gedanken, dass vielleicht die Einführung der grossen Menge kohlensauren Ammons in den Kropf Ursache der in den Blutcapillaren angetroffenen Ablagerung gewesen war. Man konnte sich vorstellen, dass, wenn das Blut bereits einen gewissen Grad von Sättigung mit Harnsäure erlangt hatte, das massenhaft nachdrängende kohlensaure Ammon gleich nach seinem Eintritt in die Kropfhaut in Harn- säure überging und durch die Menge der letzteren die Capillaren verstopft wurden. Man musste, die Richtiskeit dieser Vermuthung vorausgesetzt, er- warten, dass mit einem Wechsel der Einführungsstelle des kohlensauren Ammons auch die Stellen, wo die Ablagerungen in den Capillaren auftraten, sich änderten. Versuch 16. Einem Hahn wird um !/,12 Uhr die Ligatur angelegt. Ich wartete 4 Stun- den, damit innerhalb dieser Zeit der Harnsäuregehalt des Blutes hinreichend zunähme. Um 1/,4 Uhr brachte ich dem Thiere 0-4” kohlensaures Ammon in einer Papierhülse in die Peritonaealhöhle von der Stelle aus, wo zur Anlegung der Ligatur die Bauchhöhle bereits eröffnet war. Um 6 Uhr starb das Thier. Die Section gab ein sehr merkwürdiges Bild. Die Hülse lag leer an- geklebt durch Blutgerinnsel an Mesenterialfalten und Darmschlingen. In der Hülse finden sich einige Blutgerinnsel. Die Darmtheile in unmittelbarer Nähe der Hülse, das obere und untere Stück des Dünndarms und der Blinddarm, letzterer von Gas stark aufgetrieben, zeigten eine tiefblaue Farbe und Blutextravasate. Die auf dem oberen Stück des Dünndarms gelegene Arterie von der Dicke einer Schweinsborste ist schneeweiss, ganz von Ab- lagerungen erfüllt. Sie lässt sich durch die weisse Farbe leicht in ihren Verzweigungen verfolgen. In den Winkelpunkten des arteriellen Maschen- netzes zeigen sich Auftreibungen. Die Venen desselben Gebietes sind stark mit Blut gefüllt. Ein ähnliches Bild wie der obere zeigt der untere Theil des Dünndarms, sowie der Blinddarm. Auch hier finden sich die Capillaren von Ablagerungen erfüllt. Die Hülse war in die rechte Seite der Peritonaealhöhle geworfen worden und finden sich hier verstreut weisse Fetzen. Auf der linken Seite lassen sich weder Fetzen noch Ablagerungen in den Capillaren beobachten. Auf ÜBER DIE BILDUNGSSTÄTTE DER HARNSÄURE Im ÖRGANIsMmUS. 131 dem Pericardium liest ein weisser Fetzen von der Grösse eines halben Stecknadelkopfes, und schwimmen in der Pericardialflüssigkeit einige grössere. Die Kropfhaut ist ganz frei von Ablagerungen. Das Experiment schien im Resultat die Vermuthung zu bestätigen. In den Capillaren der Kropfhaut waren die Ablagerungen nicht aufgetreten, wohl aber an den Darmgefässen, die in unmittelbarer Nähe des kohlen- sauren Ammons sich befanden. Die Einführung so grosser Mengen kohlen- sauren Ammons bringst in der Umgegend der Einführungsstelle starke Ent- zündungen, hämorrhagische Infarete u. s. w. hervor. Es musste geprüft werden, ob die beobachtete Erscheinung nicht so zu erklären war, dass nicht die Bedingungen der Bildung der Harnsäure, sondern die Bedingungen für die Ausscheidung derselben durch das kohlensaure Ammon und seine toxische Wirkung besonders günstig geworden waren. Ich musste bei einem Thiere, dem die Ligatur angelegt war, durch Einführung einer anderen Substanz ähnliche Entzündungserscheinungen hervorrufen und beobachten, ob auch jetzt die Ablagerungen vorherrschend im erkrankten Gebiete sich fänden. Versuch 17. Einem Hahn wird um 3/,1 Uhr die Ligatur angelest. Um !/,6 Uhr wurden ihm 1.72% C]INa in einer Papierhülse in die Peritonaealhöhle ge- bracht. Um !/,12 Uhr Abends lebte das Thier noch, war ganz munter und starb erst in der Nacht, so dass der Eintritt des Todes nicht notirt wurde Es hätte sicher mehr wie 11 Stunden gelebt. Es ist dies die längste Lebensdauer, die ich an meinen Versuchsthieren beobachtet habe. Die Section zeigte, dass die beiden Darmschlingen, an denen die Hülse gelesen hatte, stark entzündet und blau waren. In der Nähe der Hülse finden sich massenhaft kleine weisse Fetzen. Die in der Nähe der Hülse befindlichen auf dem Darm verlaufenden kleinsten Arterien waren weisslich, von Ablagerungen erfüllt, ebenso die Capillaren des grossen Netzes und des Mesenteriums. In der Peritonaealhöhle fand sich sehr viel Flüssigkeit. Die Oberfläche der Pleura pulmonalis zeigt ein zierliches weisses Maschennetz, von Ablagerungen ganz erfüllte Blutcapillaren. Eine Ver- schiedenheit des Verhaltens der rechten und linken Seite der Peritonaeal- höhle liess sich nicht constatiren. Versuch 18. Einem Hahn wird um !/,1 Uhr die Ligatur angelegt. Um 4 Uhr werden ihm 28% C]INa in die rechte Seite der Peritonaealhöhle gebracht. Um 1!/,6 Uhr starb er. Die Section zeigt auf der rechten Seite der Peritonaealhöhle ein ziem- 9* 132 W. v. SCHRÖDER: lich umfangreiches Gerinnsel, das hell arteriell aussieht. Das Gerinnsel ıst aussen mit weissen Fetzen bedeckt, zeigt aufgeschnitten einen geschichteten Bau und ist im Inneren viel dunkler gefärbt. Es finden sich weisse Fetzen meist zwischen den Schichten, aber auch in diesen selbst. Die Hülse findet sich in einer Seite des Gerinnsels und sind um sie herum die weissen Fetzen kaum. zahlreicher. Darm, Leber, Milz und Mesenterium sind normal. Nur in den serösen Häuten unter dem Brustbein finden sich spärliche weisse Fetzen, und schwimmen einige in der Pericardialflüssigkeit. Der pathologische Zustand, der durch die Einwirkung des kohlensauren Ammons auf die Gewebe herbeigeführt war, muss wohl, wie Versuch 17 lehrt, wo Kochsalz die ähnlichen Ablagerungen in den umliegenden Capillar- sebieten hervorbrachte, die Ursache des gleichen Befundes in dem von dem kohlensauren Ammon afficirten Gebiete gewesen sein. Beim Kochsalzver- such war zwar eine Beschränkung der Ablagerungen auf die Einführungs- stelle nicht in dem Grade vorhanden, wie bei dem mit kohlensaurem Am- mon, doch kann das an ihrer verschieden toxischen Wirkung auf die Ge- webe liegen. Trotz ihres negativen Resultates habe ich diese Versuche mit- getheilt, weil sie vielleicht bei Forschungen über pathologische Harnsäure- ausscheidungen einen Fingerzeig geben könnten. Wie oben bereits bemerkt, wurden alle Sectionen an den Thieren vor- genommen, nachdem sie die Nacht über auf Eis gelegen hatten. Es war zu untersuchen, ob die Harnsäure enthaltenden Fetzen sich schon während des Lebens ausschieden, oder ob dies eine postmortale Erscheinung war. Versuch 19. Einem Hahn wird um °/,S Uhr die Ligatur angelegt. Um 3 Uhr ist das Thier matt. Da sein Zustand sich schnell verschlimmert, wird es durch Strangulation getödtet und schnell geöffnet. I Das Herz, besonders dessen Vorhöfe, schlagen noch. Es ist dasselbe völlig normal. Der Herzbeutel enthält fast gar keine Pericardialflüssigkeit. Die Bauchhöhle zeigt sich ebenfalls ganz normal. Es wird das Thier mit einem feuchten Tuche bedeckt auf Eis gelegt und am anderen Tag um 11 Uhr wieder untersucht. Jetzt bot sich dasselbe Bild dar, wie ich es meist bei meinen Sectionen gesehen. In der Pericardialflüssigkeit, die reich- licher geworden war, schwimmen kleine weisse Fetzen, die reichlichen Harn- säuregehalt besitzen. Auch auf Peritonaeum und Mesenterium lassen sich dieselben zahlreich wahrnehmen. mn mm ——nn nnd mm una ng nme Blaue ee ee ee ne ÜBER DIE BILDUNGSSTÄTTE DER HARNSÄURE IM ÖRGANISMUS. 133 Aus diesem Versuch ergiebt sich, dass das Auftreten der oft erwähnten Harnsäure enthaltenden Fetzen ein postmortales Phänomen ist. Dies wird auch vom nächsten Versuch bestätigt, der zudem die Ab- scheidung der letzteren aus dem Blute demonstrirt. Versuch 20. Einem Hahn wird um 11 Uhr die Ligatur angelegt und ihm eine Hülse mit kohlensaurem Ammon in die Peritonaealhöhle gebracht. Um 3/,5 Uhr wird er verblutet. Die sofort vorgenommene Section zeigt normales Verhalten aller Or- gane, nur in der Peritonaealhöhle liegt ein sehr kleiner weisser Fetzen auf einem Blutgerinnsel. Das Blut wird centrifugirt. Es scheidet sich das Serum klar ab. Thier und Blut werden auf Eis gestellt. Anderen Tages finden sich in der Bauchhöhle zahlreiche Fetzen. Das Serum des Blutes ist getrübt. Es hat sich an, der Grenze von Körperchen und Serum eine weisse Schicht gebildet, die reichlichst Harnsäure enthält. Zalesky’s Befunde, wie er sie nach verschieden lange dauerndem Ureterenverschluss wahrnahm, beziehen sich stets auf Sectionen, die gleich nach dem Tode des Thieres ausgeführt wurden. Er hat sich überzeugt, dass die Ablagerungen schon während des Lebens eintraten. Ob in den Fällen, wo ich die Blutcapillaren von Ablagerungen ganz erfüllt antraf diese Erscheinung noch während des Lebens eintrat, kann ich nicht an- geben. Speciell darauf gerichtete Versuche müssten aufklären, ob die von mir beobachtete Erfüllung der Blutcapillaren mit Ablagerungen, ihr Fehlen in den Lymphgefässen, während Zalesky sie in letzteren immer zuerst antraf, durch die Verschiedenheit der Zeit, zu der wir die Section unserer Thiere vornahmen, durch die verschiedene Wirkung der Ureterenunter- bindung und des Verschlusses der Aorta und Vena cava oder andere Mo- mente bedingt sind. Ich bin allerdings den von Zalesky gegebenen Ab- bildungen zu Folge geneigt zu glauben, dass Verwechselungen von Blut- capillaren mit Lymphgefässen statt gefunden haben, wenn auch nicht in allen Fällen. 134 W. v. SCHRÖDER: Versuche an Schlangen. Wie steht nun die Frage nach dem Ort der Harnsäurebildung bei Schlangen? Pawlinoff dehnt seine Annahme der filtrirenden Wirkung der Nieren auch auf die der Schlangen aus. Den gründlichen Untersuchungen Zalesky’s stellt er zwei oberflächliche Versuche entgegen, die, wenn sie etwas beweisen, so für Zalesky’s Ansicht sprechen. Zalesky beobachtete an Schlangen, die in Folge von Ureterenunter- bindung zu Grunde gegangen waren, stets sehr reichliche Ablagerung von harnsauren Salzen. Dieselbe trat nicht nur an beschränkten Stellen des Körpers auf, sondern fand sich auch im Inneren der Organe und Gewebe verbreitet. Die Ablagerung war so stark, dass die Oberfläche aller Organe in gleichem (Grade intensiv weiss gefärbt war. Im Inneren der Organe war sie nicht so beträchtlich, wie an der Oberfläche, sondern es fanden sich hier amorphe weisse Körner, wodurch einzelne Organe, wie z. B. Leber und Milz ein marmorirtes Aussehen erhielten. Die mikroskopische Untersuchung: zeigte die körnigen Massen als im Bindegewebe befindlich. Leberzellen und Lungenbläschen waren frei davon. Der Oesophagus und Magen waren stellenweise massenhaft belegt mit Ablagerungen, die auch in den Därmen anzutreffen waren. Die Gallenblase war immer stark durch Galle ausge- dehnt. Es fanden sich in ihr weisse körnige Massen, die reichlich Harn- säure enthielten. Im Parenchym der Milz beobachtete er massenhafte körnige Ablagerung, während die Oberfläche nur sehr wenige von derselben bedeckt war. Ebenso traten die Incrustationen auch am Herzen auf und zwar nicht nur am Pericardium, sondern auch im Parenchym und in den Herzkam- mern. Bei weitem am stärksten war die Ablagerung in und auf den Nieren. Mit der Entfernung von den Nieren verringerte sie sich der Art, dass die Nieren als Centrum, von dem dieselben ausgingen, erschienen. Die Harn- canälchen waren vollständig, von Ablagerungen verstopft, die Malpighi- schen Körperchen, sowie die Anfänge der Harncanälchen aber frei davon. Die Ureteren waren stark ausgedehnt durch eine breiige amorphe körnige Masse. Auch in den Gelenken fanden sich constant Ablagerungen. Nur in der Musculatur war weder makroskopisch noch mikroskopisch eine Spur von Ablagerung zu finden. Durch die chemische Analyse aber liess sich Harnsäure in derselben nachweisen. Zalesky bestimmte die Gesammtmenge von Harnsäure, welche von den Schlangen, denen die Ureteren unterbunden waren, bis zu ihrem Lebensende, das durchschnittlich auf den dreissigsten Tag fiel, produeirt worden war: ÜBER DIE BILDUNGSSTÄTTE DER HARNSÄURE IM OrGANIsMmuUS. 135: 2 Schlangen, die 183 &”®% wogen, enthielten 0.306 ®® Harnsäure, 1Schlange, „ 96 „ wog, enthielt 0.233 ,, 5 2 Schlangen, „ 162 „ wogen, enthielten 0.297 „, 5; 1 Schlange, „ 74 , wog, enthielt 0.208 „ . 3 Schlangen, „ 263 „ wogen, enthielten 0.524 „ ei i2Schlangse, „ 82, wog, enthielt 0.190 , x 10 Schlangen, die 860 8"" wogen, enthielten 1.758" Harnsäure. Ganz anders war der Anblick, den die Section nephrotomirter Schlangen bot. Hier fand sich beim Abziehen der Haut nur an der Stelle der früheren Wunde und Naht eine ganz geringe körnige, amorphe Ablagerung. In der Bauchhöhle fanden sich ganz dieselben Ablagerungen an der Stelle, wo die Nieren gelesen, und nur sehr wenig in den umgebenden Geweben. Alle anderen Organe waren frei von jeder Ablagerung, und liess sich in ihnen chemisch auch keine Harnsäure nachweisen. Zalesky be- stimmte die Menge der Harnsäure, die von den nephrotomirten Thieren bis zu dem Lebensende, das am 14. bis 15. Tag eintrat, produeirt wor- den war: 1 Schlange, die 958” wog, lieferte 0.0098” Harnsäure, 3 Schlangen, „ 276 ,„ wogen, lieferten 0-O11 „ 5 3 „ ” 229 „ ” „ 0.014 „ „ 2 ”„ „ 150 „ „ ” 0.006 ” ” 1 Schlange, „ 84 „ wog, lieferte 0.009 „ ;. 10 Schlangen, die 834 8"” wogen, lieferten 0.049 8"” Harnsäure. . Es produeirte also eine Schlange, die an Ureterenunterbindung ver- endet, in 15 Tagen 0.085 °”” Harnsäure, eine nephrotomirte hingegen in gleicher Zeit nur 0.0049 3”, also 1Smal weniger. Von dieser geringen Menge Harnsäure glaubt Zalesky, dass sie sich schon vor der Operation in der Cloake befunden. Man muss zugestehen, dass Zalesky auf Grund dieser Befunde voll- ständig berechtigt war, zu schliessen, die Niere der Schlange producire die ‘ Harnsäure. Nachdem ich mich überzeugt, dass beim Vogel die Niere nicht die Bildungsstätte der Harnsäure ist, hätte also, die Richtigkeit der Beob- achtungen Zalesky’s vorausgesetzt, ein fundamentaler Unterschied zwi- schen dem Stoffwechsel des Vogels und dem der Schlange statuirt werden müssen. Da dies mir nicht wahrscheinlich schien, habe ich die Unter- suchung Zalesky’s einer Nachprüfung unterzogen, ohne dass ich bei dem Beginn meiner Versuche einen triftigen Einwand gegen die Resultate Za- lesky’s machen konnte, man hätte denn sich vorstellen müssen, dass der 136 W. v. SCHRÖDER: Kaltblüter nach Nephrotomie vielleicht ebenso, wie wir es von ihm im Winterschlafe wissen, seinen Stoffwechsel auf ein Minimum zu redueiren im Stande ist, in welchem Falle Einführung von kohlensaurem Ammon möglicher Weise Klarheit schaffen konnte. Zalesky führte die Nephrotomie in der Weise aus, dass er oberhalb der Cloake etwa einen !/,” von ihr entfernt, längs der Mittellinie einen Schnitt von unten nach oben führte, Haut und Peritonaeum durchschnitt. Der Schnitt muss, entsprechend der Länge der Schlangenniere, sehr lang sein. Nachdem er die Eingeweide fortgeschoben, öffnete er das hintere Blatt des Peritoneums, hinter welchem unmittelbar zu beiden Seiten der Wirbelsäule die Nieren liegen. Die rechte Niere liest und endet höher wie die linke. Die Nieren isolirte er vom umgebenden Gewebe, leste an beiden Enden Ligaturen an und exstirpirte sie. Schon die Injectionspräparate, die ich behufs Studium der Gefässtopo- graphie der Schlangenniere anfertigte, machten mich auf eine eventuelle Fehlerquelle der Versuche Zalesky’s aufmerksam. Die Schlangenniere — ich habe stets Coluber natrix. benutzt — hat mehrere Arterien, gewöhnlich 5, doch scheint die Zahl zu wechseln. Sie treten aus der Aorta in verschiedener Höhe ab, um sich in die Niere zu begeben. Die grossen, an beiden Enden der Nieren befindlichen Gefässe sind die Nierenvenen. Nur diese hatte Zalesky unterbunden. Die Nieren- arterien waren von ihm zerschnitten worden. Man musste befürchten, dass bei derartiger Operationsweise das Thier einen Theil seines Blutes in die Bauchhöhle hinein verloren hatte, und mit dem Rest nicht mehr im Stande gewesen war, mehr wie minimale Quantitäten Harnsäure zu produciren. Es musste also das Hauptaugenmerk darauf gerichtet werden, die Operation möglichst unblutig auszuführen. Ich benutzte folgende Operationsmethode. Nachdem ich die Niere, in gleicher Weise wie Zalesky verfahrend, freigelegt hatte, leste ich um die Gefässe an beiden Enden die Ligatur an. Die Niere wurde sodann gehoben, sodass die arteriellen Zuflüsse leicht zu erkennen waren. Dieselben wurden einzeln oder mehrere gemeinsam durch Umstechen mit der Nadel mit Ligaturen, von denen meist 4—6 er- forderlich waren, verschlossen, die Niere exstirpirt und die Wunde mit Knopfnaht zugenäht. Alle Operationen wurden antiseptisch ausgeführt. Zalesky sagt, „er brachte die operirten Thiere in Verhältnisse, die ihrem Normalleben möglichst entsprechen“. Das gerade, worauf es ankommt, lässt sich aus dieser Angabe nicht ersehen, bei welcher Temperatur er die ÜBER DIE BILDUNGSSTÄTTE DER HARNSÄURE IM OÖRGANISsMUS. 137 Thiere aufbewahrte. Der langen Lebensdauer wegen, die er beobachtete, elaube ich annehmen zu dürfen, dass er sie am kühlen Ort gehalten. Ich entschied mich für Zimmertemperatur. Spallanzani, Treviranus und Marchand haben gezeigt, dass die von Fröschen producirte CO,-Menge bis zu gewissem Grade der Temperatur proportional wächst. So fand Marchand, dass die von 6 Fröschen in gleicher Zeit produeirte CO, bei 2—3° 102 vn, bei 6—79 327 "Em, bei 12—14° 306 "2% betrug. Ein weiteres Steigen der Temperatur hatte Abnahme der gebildeten CO,-Menge zur Folge. — Ich hielt meine Thiere im Laboratorium und hoffte so auf einen möglichst gesteigerten Stoffumsatz. Versuch 21. Am 26. Mai 5 Uhr wurden einer grossen frischgefangenen Ringel- natter die Nieren exstirpirt. Bei Entfernung der linken Niere fand etwas Blutverlust statt. Nach der Operation ist das Thier matt und reagirt gar nicht, hat sich jedoch am anderen Morgen bereits wieder erholt, zischt, wenn gereizt und verhält sich normal. Am 3. Tage hatte das Thier einen Frosch ausgespieen, der bis auf die hinteren Extremitäten völlig verdaut war. Das Befinden blieb ungeändert, bis ich am 1. Juni Morgens das Thier komatös fand. Es stirbt um 3 Uhr. Die Section zeigt einige Blutextravasate in der Peritonaealhöhle An der Stelle, wo die Nieren gelegen hatten, fanden sich sehr viele weisse körnige Ablagerungen, ebenso auf der Innenseite der Haut in derselben Körperregion. Alle serösen Membranen sind äusserst trübe, Peritonaeum und Mesenterium reichlich von weissen Körnern bedeckt. Die mikrosko- pische Untersuchung des Peritonaeums, Mesenteriums und der Serosa des Darms zeigt die Blutcapillaren vollständig von Ablagerungen erfüllt, die auf Zusatz von Essigsäure in die charakteristischen Harnsäurekrystalle sich verwandeln. Die Leber war von weissen Körnern bedeckt, die sich scharf vom dunkeln Grunde abhoben. Schnitte durch die Leber zeigen, dass das ganze Parenchym von denselben durchsetzt war, ohne dass man eine bestimmte Anordnung derselben zu den morphologischen Elementen der Leber wahr- nehmen konnte. Der Grösse der Körner wegen war dieses nicht möglich. Durch Krystallform und Murexidreaction wurde der reiche Gehalt dieser Körner an Harnsäure sichergestellt. Lungen und Herz, sowie die Musculatur verhalten sich normal. Weisse Abscheidungen aus dem Blute liessen sich nicht wahrnehmen. 138 W. v. SCHRÖDER: Zalesky hatte also doch Unrecht. Das reichliche Auftreten von Harnsäure in den serösen Membranen und in der Leber liess eine quan- titative Bestimmung der gesammten vom Thier producirten Harnsäuremengen interesselos erscheinen. Dadurch, dass in Organen, wie die Leber, in der für gewöhnlich keine Harnsäure nachweisbar, nach Nephrotomie sich die- selbe leicht und sicher auffinden liess, war ersichtlich, dass eine bedeu- tende Zunahme der Harnsäure im operirten Thiere stattgefunden haben musste. Versuch 22. Am 27. Mai 5 Uhr wurden einer kleinen frischgefangenen weiblichen Ringelnatter die Nieren exstirpirt. Die Operation verläuft fast unblutig. Nach derselben ist das Thier munter und bewegt sich lebhaft. Sein Be- finden bleibt gut bis zum 5. Juni, wo es Abends 7 Uhr unter Convulsionen verendet. Lebensdauer 9 Tage. Die Section, die vorgenommen wird, nachdem das Thier 36 Stunden auf Eis gelegen, zeigt sehr reichliche Ablagerungen in der unteren Körperhälfte. Längs der ganzen Ausdehnung des Operationsschnittes ist die Haut von innen belegt mit weissen Körnern. Ihr Vorkommen an der Innenseite der Haut hört fast genau am Ende der Naht auf. Alle in diesem Bereich befindlichen serösen Membranen, sowie die Stellen, wo die Nieren gelegen, sind wie im- prägnirt von amorphen körnigen Ablagerungen. Dieselben lassen sich im ganzen Verlaufe des Mesenteriums verfolgen. Die den Eierstock umgebenden Membranen boten dasselbe Bild dar. Die serösen Membranen der oberen Körperhälfte verhielten sich normal. Das Blut im Herzen und den Gefässen war trotz der langen Zeit, die nach dem Tode verstrichen war, noch nicht geronnen. Ich suchte so viel wie möglich zu gewinnen. Die Menge betrug 0-8”. Aus dieser kleinen Quantität gelang es mir Harnsäurekrystalle darzustellen und mit ihnen die Murexidreaction zu erhalten. — Die Leber bot ein ähnliches Bild, wie im vorigen Versuch, dar. Sie war auf der Oberfläche von weissen Kör- nern bedeckt, die sich auch im Parenchym vorfanden. Die Gallenblase war prall mit dunkelgrüner Galle gefärbt. Im Grunde derselben finden sich körnige Massen, aus denen Harnsäurekrystalle auf Essigsäurezusatz entstehen. In der Lunge finden sich spärliche oberflächlich liegende, aber relativ grosse weisse Körnchen. Sie liessen sich leicht mit der Präparirnadel isoliren. Ihr reichlicher Gehalt an Harnsäure wurde constatirt. Von allen Organen waren in der Milz bei weitem die reichlichsten Ablagerungen vorhanden. Aus den körnigen Ablagerungen, welche das ganze ÜBER DIE BILDUNGSSTÄTTE DER HARNSÄURE IM ÖRGANISMUS. 139 Parenchym derselben durchsetzten, scheiden sich neben den gewöhnlichen Harnsäurekrystallen viel sechsseitige Tafeln aus, die genau der Krystallform des Cystins glichen. Ich überzeugte mich davon, dass es nicht Cystin war, indem ich die Krystalle mit Ammoniak digerirte und das Filtrat eintrocknen liess. Es hätten sich jetzt, falls Cystin vorhanden, sechsseitige Tafeln vor- finden müssen, was nicht der Fall war. Die Tafeln waren unlöslich in Ammoniak, gingen aus Natronlauge unkrystallisirt in die Formen der Harn- saure über und gaben die Murexidreaction. Nur aus der Milz habe ich Harnsäure in sechsseitigen Tafeln krystallisirend gewinnen können. Oesophagus, Mundhöhle u. s. w. waren normal. Sehr auffallend ist die Art dieser Ablagerungen, ihr Bestehen aus rund- lichen amorphen Körnern, die in der Lunge und Leber oft die Grösse eines halben Stecknadelkopfes erreichten. An der Innenseite der Haut waren diese Körner viel kleiner und gingen unmittelbar am Hautschnitt in ein gleichmässiges weisses Stratum über. Die Grösse der Körner ist die Ur- sache, dass sich eine Beziehung derselben zu morphologischen Elementen nicht angeben liess. Unter dem Mikroskop betrachtet überlagerte ein solches Körnehen die verschiedenartigsten Gewebe Wenn Zalesky dieselben im Bindegewebe der Organe gesehen haben will, so kann ich dessen Angabe nicht bestätigen. Ob diese Ablagerungen, die Zalesky als harnsaure Salze bezeichnet, wirklich solche sind, scheint mir zweifelhaft. Ich glaube eher, dass sie in derselben Weise zusammengesetzt sind, wie es Meissner für die Harnkügelchen im Harn der Vögel wahrscheinlich gemacht hat, dass sie nämlich aus einem eiweissartigen Gerüst bestehen, in welches die Harn- säure eingebettet und durch welches sie an der Krystallisation verhindert wird. Doch habe ich nicht hinreichend Material gehabt, um dies sicher stellen zu können. Ich kam durch die Resultate dieser Versuche zur Meinung, dass wesentlich die von mir geübte Art der Operation, bei welcher Blutverlust fast ganz vermieden war, die Ursache davon gewesen, dass ich zu dem ent- gegengesetzten Resultate, wie Zalesky, gekommen war. Doch schon die nächsten Versuche lehrten die Unrichtigkeit dieser Anschauung. | Versuch 23. Am 8. Juni 12 Uhr werden einer kleinen weiblichen Ringelnatter die Nieren exstirpirt. Am 13. Juni Mittags fand ich sie todt. Lebensdauer 5 Tage. Die Section zeigte hier genau das gleiche Bild, wie Zalesky es an den von ihm nephrotomirten Thieren gesehen hatte. Nur an der Operations- 140 W. v. SCHRÖDER: stelle und da, wo die Nieren gelegen hatten, fanden sich äusserst geringe körnige Ablagerungen. Die serösen Membranen, Lunge, Leber, Milz, alles verhielt sich völlig normal und war frei von jeder Ablagerung. Versuch 24. Einer kleinen weiblichen Ringelnatter werden am 9. Juni um 1 Uhr die Nieren exstirpirt. Sie wird am 14. Juni Morgens todt vorgefunden. Lebensdauer 41/,—5 Tage. Die Section gab genau das gleiche Bild, wie ich es in Versuch 23 gesehen. Weder makroskopisch, noch mikroskopisch und chemisch liess sich ausser an den die ÖOperationswunde unmittelbar umgebenden Stellen Harnsäure nachweisen. Was war der Grund dieses negativen Befundes? Die Operation war in beiden Fällen tadellos ausgeführt worden, denn es fanden sich bei der Section gar keine Blutextravasate. Ich hatte die Thiere an demselben Ort, bei derselben Temperatur aufbewahrt, wie die früheren. Die etwas kürzere Lebensdauer konnte doch kaum der Grund sein, denn das Thier des Ver- suchs 21 hatte auch nur 6 Tage gelebt. Es musste das Augenmerk auf den Ernährungszustand gerichtet werden, in dem sich die Thiere bei Aus- führung der Operation befanden. Es liess sich in dieser Beziehung ein Unterschied zwischen den Thieren, die zu den Versuchen 21 und 22, und denen, die zu den beiden letzten gedient hatten, constatiren. In Versuch 21 hatte das Thier sich jedenfalls in voller Verdauung befunden, was daraus hervorging, dass es am 3. Tage nach der Operation einen halbverdauten Frosch ausgespien. Auch in Versuch 22 liessen sich im Magen und Darm- kanal Speisereste auffinden. In den Versuchen 23 und 24 hingegen war der ganze Verdauungscanal völlig leer. Zudem war mir an den Thieren der beiden letzten Versuche aufgefallen, dass ihre Augen sehr trüb, wie er- blindet ausgesehen, worauf ich weiter kein Gewicht gelest hatte. Nachdem ich mich über das Leben der Ringelnattern hinreichend in- struirt, wurde mir der Grund meiner Fehlversuche verständlich. Die Ringel- natter nimmt, wie die meisten Schlangen, ihre Nahrung in grösseren Inter- vallen, die oft einige Wochen betragen, auf. Sie häutet sich mehrmals im Sommer. Die letzte Zeit vor der Häutung scheint sie leicht zu erkranken, nimmt keine Nahrung zu sich, magert ab und befindet sich im schlechtesten Ernährungszustande Man erkennt dies Herannahen der Häutung an der zunehmenden Trübung der Augen, denn auch das Epithel der Cornea wird mit der Haut zusammen abgestossen. Möglich, dass die Trübung des Auges das Thier vor der Häutung am Ergreifen der Beute verhindert und es ÜBER DIE BILDUNGSSTÄTTE DER HARNSÄURE IM ÖORGANISMUS. 141 zum Hungerzustande zwingt. Werthvolle . Notizen über das Leben der Ringelnattern verdanke ich Hrn. A. Franke, Besitzer eines grossen Aqua- riums in Stötteritz bei Leipzig, dessen Hülfe mir zugleich ermöglichte, Thiere von bekanntem Ernährungszustande zur Operation zu benutzen. Versuch 25. Einer weiblichen, in gutem Ernährungszustande befindlichen Ringel- natter werden die Nieren exstirpirt. Lebensdauer 6 Tage. Die Section zeigt grossen Fettreichthum des Thieres. An der Operations- stelle ist sehr reichliche Ablagerung von weissen, körnigen Massen vorhanden, besonders an der Innenseite der Haut. Auch die Aussenseite des Dick- darms ist stark von Ablagerungen bedeckt. Nach oben hin lassen sich die- selben in den serösen Membranen verfolgen, besonders in denen des Eier- stockes, der viel weitentwickelte Eier aufweist. Bei zunehmender Entfernung von der Operationsstelle nehmen die Ablagerungen an Menge ah. Die Leber zeigt dasselbe Bild, wie in Versuch 21 und 22. Es finden sich auf der Oberfläche und im Inneren weisse Körnchen. _ Die Lunge weist sehr vereinzelte Körnchen auf. Die Milz verhält sich wie in Versuch 22. Aus dem Herzen und den grosseu Gefässen gewann ich 0-52 €” Blut. Harnsäurekrystalle hieraus darzustellen, gelang mir nicht, wohl aber erhielt ich eine sichere Murexidreaction. Im Magen und Darm finden sich Speisereste. Versuch 26. Einer männlichen Schlange, die am 17. Juni einen Frosch verschlungen, werden am 21. Juni um 1 Uhr die Nieren exstirpirt. Der Darm war stark geröthet. Nach der Operation stellen sich Krämpfe ein, die nur für kurze Zeit sistirten. Am 23. Juni Morgens fand ich das Thier todt vor. Lebensdauer circa 1!/, Tage. Die Section zeigt Ablagerungen, aber nur in der Umgebung der Wunde. Alles übrige ist völlig normal. Ich habe wiederholt Schlangen schon 1—2 Tage nach der Operation verloren, besonders weibliche bei denen die Wiedereinlagerung des Eier- stockes oft viel Schwierigkeiten machte und Verletzung zur Folge hatte. Niemals habe ich bei Thieren von so kurzer Lebensdauer Ablagerungen an der Operationsstelle beobachtet. Ich schreibe daher das Auftreten derselben schon nach 1'/, tägiger Lebensdauer dem Umstande zu, dass das Thier sich in voller Verdauung befand. Die Forderung, in voller Verdauung befindliche Thiere zur Operation 142 W. v. SCHRÖDER: zu benutzen, hat das Missliche, dass bei derartigem Zustande alle Ver- letzungen der Peritonaealhöhle doppelt gefährlich sind. Versuch 27. Einer männlichen Schlange, die am 17. Juni einen Frosch verschlungen hatte, wurden am 21. Juni die Nieren exstirpirt. Sie überstand die Ope- ration sehr gut und starb am 29. Juni um 12 Uhr. Lebensdauer 7?/, Tage. Die Section zeigte einen Reichthum von Ablagerungen, wie er alle anderen Fälle übertraf. Am stärksten waren dieselben wie immer in der Nähe des Öperationsschnittes. Unmittelbar an demselben bildeten sie an der Innenseite der Haut eine dicke weisse Kruste. Die grossen Gefässe der Bauchhöhle waren wie eingescheidet von weissen Körnern. Lunge, Leber, Milz zeigten reichlichst Ablagerungen, doch wurden erstere von der letzteren. in Bezug auf Fülle derselben weit übertroffen. Die Beobachtungen, die ich in Bezug auf die Neigung der Harnsäure in entzündeten Gewebspartien niederzufallen, am Huhn gemacht, wo will- kürlich die Ablagerungen in der Kropfhaut oder der Peritonaealhöhle her- vorgerufen werden konnten, machen uns den Befund des ersten und stärksten Auftretens derselben an den von der Operation betroffenen Stellen ver- ständlich. Sie stehen nicht mit der Lage der Niere in einem Zusammen- | hange, sondern verdanken nur dem pathologischen Process ihre Entstehung. ” Aus den Versuchen 23 und 24, sowie den Erfahrungen Zalesky’s scheint mir hervorzugehen, dass die nephrotominirten Schlangen, wenn ich mich so ausdrücken darf, nicht an Urämie zu Grunde gehen. Versteht man unter Urämie diejenige Krankheit, welche durch das Unvermögen die Zersetzungsproducte aus dem Körper zu entfernen hervorgerufen wird, und berücksichtigt man, dass die Grösse des Eiweisszerfalles an der Menge der gebildeten Harnsäure gemessen werden kann, so war in den Versuchen 23 und 24 und bei den nephrotomirten Thieren Zalesky’s der Tod wohl kaum durch Urämie erfolst. Denn die Menge des zersetzten Eiweisses war in diesen Fällen eine sehr geringe. Welch ungeheure Menge von Zersetzungs- producten die Schlangen vertragen können, zeigen am besten die Versuche Zalesky’s, in denen er Schlangen die Ureteren unterbunden hatte. Ich glaube daher, dass die nephrotomirten Schlangen aus irgend welchen an- deren, durch die Operation hervorgerufenen Störungen ihres Stoffwechsels zu Grunde gehen, dass aber die Eiweissmasse, welche bis zu dem Eintritt des Todes zerfällt, nur vom Ernährungszustande des Thieres abhängig ist. 5% ÜBER DIE BILDUNGSSTÄTTE DER HARNSÄURE IM ÖRGANISMUS. 143 Worin der Grund zu suchen, aus dem Zalesky bei den von ihm aus- geführten Nephrotomien stets so geringe Mengen von Harnsäure vorfand, dieselbe niemals in Leber, Lunge oder Milz beobachten konnte, vermag ich nicht anzugeben. Es kann dies durch seine Öperationsmethode, durch die Art und Weise, wie er die operirten Thiere aufbewahrte, durch deren schlechten Ernährungszustand, oder durch das Zusammenwirken mehrerer von diesen Umständen verursacht worden sein. Nachdem ich in den vorstehenden Versuchen den Beweis geliefert habe, dass sowohl beim Vogel wie der Schlange die Nieren nicht die Bildungsstätte der Harnsäure sind, erscheint es zweckmässig mit wenigen Worten der über Thiere anderer Classen vorliegenden Beobach- tungen in Bezug auf physiologisches und pathologisches Vorkommen der Harnsäure zu gedenken, um in Ueberlesung zu ziehen, ob sie gut mit der Annahme übereinstimmen, dass auch bei Thieren anderer Ulassen die Harnsäure nicht von der Niere produecirt wird. Wenn ich oben bemerkte, der Nachweis von Harnsäure in den Geweben lasse eine harnsäure- bildende Function der Nieren nicht negiren, so hat dieser Einwand an Ge- wicht verloren, seit wir wissen, dass die in den Geweben des Vogels be- obachtete Harnsäure nicht aus den Nieren stammt. Wir werden daher den Nachweis von Harnsäure in den Geweben der Thiere anderer Classen anders beurtheilen, wie früher möglich, bei der Ueberlegung der Frage nach der Abstammung derselben. Harnsäure ist nachgewiesen in der Leber des Ochsen von Cloetta,! in der Leber des Menschen von Scheerer,” in der Leber des Pferdes, Hundes, Schweines, Menschen von Stockvis,’ in der Lunge des Ochsen von Gloetta* und Grübler,? in der Lunge von Schwein und Kalb von Meissner‘ und in anderen Organen. Bei Wirbellosen liest über das Vorkommen von Harnsäure in Geweben, die sicher nicht zu Excretionsorganen gehören, nur eine Beobachtung vor. Krukenberg”’ fand bei Lampyris splendidula kaum ein Gewebe frei von Harnsäure. In dem Leuchtorgane, dem Darm, dem Fettkörper, den Muskeln, in den noch nicht ausgetragenen Eiern, ja selbst in dem violetten ! Annalen d. Chem. u. Pharm. Bd. XCIX. S. 304. 2 Archiv f. path. Anat. Bd. X. S. 230, ® Archiv f. d. holländ. Beiträge z. Natur- u. Heilkunde. Bd. Il. S. 260. a0 8. 291. Arbeiten aus d. physiol. Anstalt zu Leipzig. 1876. 8. 51. Zeitschr. für ration. Med. Bd. XXXL S. 157. Vergl. Physiol. Studien an den Küsten der Adria. II. Abthlg. S. 29. ES rer} U Pr 144 W. v. SCHRÖDER: Fleck, welcher unterhalb des Kopfes und Thoracaltheiles durch seine Fär- bung hervorsticht, konnte er Harnsäure durch die Murexidreaction regel- mässig nachweisen. Machen diese Beobachtungen es wahrscheinlich, dass auch bei Thieren anderer Klassen die Niere nicht die Bildungsstätte der Harnsäure, so stützen die pathologischen am Menschen gesammelten Erfahrungen diese Annahme. Wäre beim Menschen :die Niere der ausschliessliiche Ort der Harnsäure- bildung, so wäre zu erwarten, dass Aenderungen der ausgeschiedenen Harn- säuremengen vorwiegend bei Krankheiten dieses Organs sich einfinden. Dies ist nicht der Fall. Die geringe Abnahme der Harnsäure im Harn bei Morbus Brighti, die Frerichs?! beobachtet, sowie ihr gänzliches Verschwinden bei Nephritis tubulosa und granulosa, und der amyloiden Degeneration der Nieren, das Dickinson ? erwähnt, sind wohl richtiger durch den vermin- derten Umsatz des Eiweisses zu erklären. Beachtenswerth sind ferner die ausserordentlichen Mengen von Harnsäure, welche sich bei Gicht in den Gelenken und deren Umgegend abgelagert finden. Bartels? fand in den mehr weniger difform gewordenen Gelenken eines Siechen Concremente bis zu Wallnussgrösse, die wesentlich aus harnsauren Salzen bestanden. Der Harn des Kranken enthielt meist ausserordentlich wenig Harnsäure, be- sonders während der Anfälle. Schröder v. d. Kolk' sah bei einem Kranken mit Knotengicht an den stark afficirten Händen nicht nur die Sehnen der Fingerbeuger und -strecker, sowie die Bänder sehr stark mit harnsaurem Kalk besetzt, sondern denselben auch unter der Haut selbst in dicken Knoten aufgehäuft, sodass einige Fingernerven ganz von harnsaurem Kalk durchdrungen und umgeben waren. Wo die Haut am stärksten von harn- saurem Kalk durchdrungen war, waren auch die Hautvenen und Capillaren von innen reichlich mit harnsaurem Kalk besetzt. — Es ist wenig wahr- scheinlich, dass diese Harnsäure aus der Niere stammte. Durch die Berücksichtigung dieser und ähnlicher Beobachtungen, die in gleichem Sinne zu deuten, drängt sich uns die Anschauung auf, dass der Satz, welcher der Niere die harnsäurebildende Function abspricht und der für die Classen der Vögel und Reptilien bewiesen ist, auch für andere Thierclassen Geltung haben wird. So lange keine entgegenstehenden That- sachen bekannt geworden, können wir demnach den Satz in allgemeinerer ! Die Bright’sche Nierenhrankheit. 1851. 8. 173. ” Pathology and treatment of Albuminuria. 1868. S. 141 u. 196. 3 Deutsches Arch. f. klin. Medieim. Bd. ], 8.1. * Wagner, Allgem. Pathol. 8. 187. 1 ÜBER DIE BILDUNGSSTÄTTE DER HARNSÄURE IM OÖRGANISMUS. 145 Form acceptiren, ohne seinen theilweise hypothetischen Charakter zu ver- gessen. — Es erübrigt noch, die Stellung anderer Organe, insbesondere der Leber und Milz zur Bildung der Harnsäure zu besprechen. Meissner war es, der aus oben angegebenen Gründen, die Hauptbildungsstätte der Harn- säure beim Vogel in die Leber verlegte. Alle meine Bemühungen, diese Hypothese einer experimentellen Prüfung zu unterziehen, sind resultatlos ge- blieben. Ich versuchte beim Huhn in ähnlicher Weise, wie sie bei der Nierenausschaltung zum Ziel geführt hatte, den Kreislauf in der Leber zum Stillstand zu bringen. Es musste eine Ligatur um die Aorta oberhalb des Abganges der Arteria coeliaca angelegt werden. Ich verfuhr hierbei in der Weise, dass ich mit möglichster Schonung der Lungen die Aorta vom Rücken aus mit der krummen Nadel umgriff und an die Wirbelsäule an- schnürte. Das Leben des Thieres liess sich jedoch kaum länger wie eine Stunde erhalten. Es ist ausserordentlich schwierig, die Operation ohne Ver- letzung der Lungen auszuführen. Ob die Lungenblutung oder die Reduction des Kreislaufes auf Kopf und obere Extremitäten Ursache des schnellen Todes gewesen, blebt dahingestellt. Eine Zunahme der Harnsäure in den Ge- weben der operirten Thiere konnte ich nicht constatiren. Dieses nega- tive Resultat beweist natürlich weder etwas für noch gegen die behaup- tete harnsäurebildende Function der Leber. Bei Schlangen liegen die anatomischen Verhältnisse für die Operation noch ungünstiger, was einige Fehlversuche bald lehrten. Ich hätte jetzt eine andere ÖOperations- methode ausfindig machen müssen, um die Leber aus dem Kreislauf aus- zuschalten. Falls beim Huhn die Lungenverletzung die Ursache des raschen Todes gewesen war, konnte man auf eine längere Lebensdauer rechnen, wenn man die Aorta dadurch verschloss, dass man von der Schenkelarterie aus ein Gummiröhrchen in die Aorta schob und dasselbe oberhalb des Ab- sangs der Arteria coeliaca aufblies. Auch Embolisiren der Leber von der Vena portae aus hätte vielleicht den betreffienden Zweck erreichen lassen. Ich habe diese Versuche, die ebenso schwierig für den Experimentator wie schmerzvoll für das Thier, unterlassen, weil sie mir zu aussichtslos erschienen. Von den Thieren anderer Klassen ist nur der Mensch in Bezug auf etwaige Beziehnungen einzelner Organe zur Bildung der Harnsäure unter- sucht worden und auf Grund von Beobachtungen, die an demselben ge- macht, von Ranke die Milz als Ort der Harnsäurebildung bezeichnet worden. Virchow hatte schon früher darauf aufmerksam gemacht, dass bei Leu- kämie die Harnsäureausscheidung bedeutend vermehrt sei gegenüber der normalen. Ist es auch als gesicherte klinische Thatsache anzusehen, dass bei Leukämie bedeutend mehr Harnsäure, wie gewöhnlich, im Harn sich findet, so stehen doch der Annahme, die Bildung derselben in der Milz zu Archiv f. A.u. Ph. 1880. Suppl.-Band z. Physiol. Abthlg. 10 146 W. v. SCHRÖDER: BILDUNGSSTÄTTE DER HARNSÄURE. suchen, gewichtige Bedenken entgegen. Wäre diese Hypothese richtig, so müssten diese Mengen ausgeschiedener Harnsäure bei Milztumoren Zunahme zeigen, was nicht der Fall ist. So bemerkt Bartels:' „Meine eigenen Be- obachtungen über die Zusammensetzung des Harns Leukämischer stimmen freilich mit denen Ranke’s überein, allein meine Beobachtungen über die Mengenverhältnisse, in denen die Harnsäure von Typhuskranken mit ganz ungewöhnlich grossen Milztumoren ausgeschieden wurde, sowohl zur Zeit der wachsenden Anschwellung, als auch zur Zeit der Abschwellung an- gestellt, dienen den Argumenten von Ranke nicht zur Stütze.“ — „Auch chronische Milztumoren geben keinesweges constant Veranlassung zu reich- licherer Harnsäureausscheidung. Die von verschiedenen Beobachtern und auch von mir wahrgenommene excessive Steigerung der Harnsäureausschei- dung bei einzelnen Fällen von lienaler Leukämie bedarf also einer anderen Deutung, als ihr Ranke zu geben versucht hat.“ Mosler’s? Erfahrungen stimmen mit denen von Bartels überein. Auch ihm gelang es, in Fällen von einfacher Milzhypertrophie nicht, eine Zunahme der ausgeschiedenen Harnsäuremengen zu constatiren. Es geht aus all diesen Beobachtungen hervor, dass weder physiologische noch pathologische Erfahrungen vorhanden, welche uns die Bildung der Harnsäure als ausschliesslich in einem Organe erfolgend vermuthen lassen könnten. Auf vivisectorischem Wege die Richtigkeit dieses Satzes für den Vogel zu beweisen, habe ich unterlassen, weil, wie oben bemerkt, die Ver- suche ausserordentlich schwierig, ferner aber ein Weg vorhanden ist, der voraussichtlich besser zum Ziele führen wird. Gelingt es bei Durchblutung etwa der unteren Extremitäten eines Vogels eine Zunahme der Harnsäure nachzuweisen, so ist die Unabhängigkeit der Bildung der Harnsäure von der Leber, Milz u. s. w. bewiesen. Sobald es mir die Verhältnisse gestatten, gedenke ich derartige Versuche in Angriff zu nehmen. Na 0: ” Ziemssen, Handbuch d. spec. Pathol. u. Therap. Bd. I. 2. Hälfte. S. 43. Der Zuckungsverlauf als Merkmal der Muskelart. Von J. Th. Cash. Aus dem physiologischen Institut zu Berlin. Bevor die graphischen Methoden das Studium des Zuckungsverlaufes am quergestreiften Muskel ermöglichten, versuchten die Physiologen auf mittelbarem Wege die Dauer einer einfachen Muskelzusammenziehung zu bestimmen. Haller! berechnete aus der Frequenz der Schritte im Schnell- lauf die Zeit der kürzesten Contraction des Musculus rectus beim Men- schen auf !/,,, Sec., beinn Hunde auf !/,.0 Sec.; die Dauer einer Contraction des Musculus styloglossus beim schnellsten Sprechen auf !/,,, Sec.; bei Tauben eine Bewegung der Flügelmuskeln auf weniger als !/.,, See. Valentin? erschloss aus der Beobachtung geübter Clavierspieler die Dauer einer Beu- gung oder Streckung des Zeigefingers als !/, bis!/, Sec.; die Dauer einer Contraction der Beinmuskeln beim Sturmschritte etwa !/,, Sec.; beim Schnell- läufer etwa !/,, Sec.; aus der Höhe des Tones, welchen eine gejagte Stuben- fliege durch ihre Flügelschläge hervorbrachte, berechnete er als Dauer einer einzelnen Zusammenziehung ungefähr '/syno Dec. Eduard Weber? beurtheilte nach dem unmittelbaren Anblick die Geschwindigkeit der Zusammenziehung von Muskeln, welche durch den magneto-galvanischen Rotationsapparat für ganz kurze Zeit in tetanische Contractionen versetzt wurden. Er zeigte „den innigen Zusammenhang der animalischen und organischen Bewegungsweise und Form der Muskeln“. Aber auch innerhalb der Reihe organischer Muskeln beobachtete er grosse Differenzen in der Contractionsdauer. „Die langsamste Bewegung zeigten die Harnleiter und die Gallenblase, bei denen erst durch länger dauernde ! Klementa physiologiae. 1162. Bd. IV. 8. 481. ® Lehrbuch der Physiologie des Menschen. 1844. Bd. II. 8. 165. 3 Handwörterbuch der Physiologie von Rudolph Wagner. 1846. Bd. II. Abthl. II. 8. 39. 10* 148 Jen CAsHe Einwirkung des Stromes sichtbare Zusammenziehung bewirkt werden konnte. „Mit grösserer Geschwindigkeit folgen am Blinddarme (des Kaninchens) und am Magen die Bewegungen“. „Noch lebendiger bei der Iris (insofern sie organische Muskelfasern besitzt) und bei der Harnblase“; „Ungleich rascher sind die Bewegungen der Samenleiter und vor allem der Speiseröhre, auch wenn sie organische Muskeln besitzt.“ „Das Herz endlich hat unter allen organischen Muskeln die lebhaftesten und energischsten Bewegungen, welche daher auch am Geschwindesten dem Reize auf dem Fusse folgen, so dass sie gewissermaassen den Uebergang zu den raschen und kraftvollen Bewe- gungen der animalischen Muskeln machen, so wie seine Muskelfasern den Uebergang zu der Form der animalischen Muskelfasern bilden“. Diejenigen Gebilde auch des vegetativen Systemes, welche aus quer- gestreifter Muskelsubstanz bestehen, sah Weber sich in ähnlich schneller Weise contrahiren, wie quergestreifte Gliedermuskeln. Dies beobachtete er am Darmcanale von Tinca chrysitis, an der Speiseröhre von Hunden, an der Iris von Vögeln. Zeitmaasse hat Weber hierüber nicht gegeben. Nachdem Helmholtz die Dauer der einfachen Muskelcontraction messen gelehrt hatte, sind vergleichende Untersuchungen über den Zuckungs- verlauf verschiedener Muskeln in ausgiebiger Weise nicht angestellt worden. Nur Marey'! hat einige Bestimmungen der Zuckungsdauer quergestreifter Muskeln verschiedener Thiere mitgetheilt, denen zufolge die Flügelmuskeln der Taube kürzere Zuckungsdauer haben, als die Kaninchenmuskeln; diese sich schneller contrahiren als die quergestreiften Muskeln des Frosches. Aber auch bei den Fröschen fand er den M. hyoglossus träger, wie den M. gastroknemius; die Schildkrötenmuskeln erwiesen sich als noch weniger beweglich. Fick? hatte die auffallend langsame Zusammenziehung (10 Sec. Dauer der Contraction bis zum Maximum) des Schliessmuskels von Anodonta kennen gelehrt; Ranvier die Verschiedenheit der Zuckungsdauer rother und weisser Muskeln der Kaninchen und der Rochen. Nach dem Allem blieb es fraglich, ob die functionelle Weber’sche Ein- theilung in organische und animalische Muskeln noch aufrecht zu erhalten sei. Zur Beantwortung dieser Frage unternahm ich es, auf Vorschlag des Hrn. Professor H. Kronecker, unter dessen Leitung den Zuckungsverlauf quergestreifter Gliedermuskeln mit demjenigen der Herzpulse zu vergleichen. Als passende Versuchsobjecte dienten Frösche (Rana esculenta), Schildkröten (Testudo europaea?) und Kaninchen. ! Marey, Du Mouvement dans les fonctions de la vie. 1868. ” A. Fick, Beiträge z. vergleichenden Physiologie d. irritabelen Substanzen. 1863. ° L. H. Bojanus, Anatome testudinis europaeae. \Vilnae 1849. DER ZUCKUNGSVERLAUF ALS MERKMAL DER MUSKELART. 149 Die Bewegung des isolirten Froschherzventrikels ist, seitdem Ludwig auch hierfür seine graphische Methode verwerthet hat, wiederholt unter den verschiedensten Bedingungen genau registrirt worden. Mit der Temperatur wächst die Geschwindigkeit der Herzbewegung der Art, dass die Dauer einer Contraction von 6-0” (bei 0% bis 0-5” (bei 30°) sinkt. Bei mittlerer (Zimmer-) Temperatur dauert eine Systole und eine Diastole etwa 1” bis 1-5”. Eine Zuckung des Gastroknemius währt unter normalen Verhältnissen nach den Bestimmungen von Helmholtz etwa 0-1”. Die mittleren Werthe der Contractionsdauer verschiedener Skeletmus- keln des Frosches, wie ich sie aus einer grösseren Anzahl vergleichender Versuche gewonnen habe, sind in folgende Tabelle zusammenzufassen : je Musculuschyoglossus? . 2. .......2.7..0-205 0.32 { 2. u; zectus abdominis 0... 0-.1.0% 3. 5; gastroknemius . . . 0.120” 4 5 semimembranosus und sun 0.108” 5 A triceps ,femoris,, 2.2.0.1... 0.1047 Bei den Schildkröten dauert ein Herzpuls etwa 2-5” bis 3.2”. — Ueber die Zuckungsdauer verschiedener Skeletmuskeln gewährt die folgende Tabelle eine Uebersicht. Dauer einer Zuckung von: Musculus pectoralis major 1 1.8" 2 „» . gluteus (alter). 1.6" 3 5 palmaris 1.0” 4 h gracilis . 1.0” 5 „ biceps brachii . 0.9” 6. " splenius capitis 0.9” Ü 5% triceps brachii. 0.8” 8 5, retrahens capitis et colli 0.75” 9. 5 extensor communis digit. . 0.75” 10. E semimembranosus et adductor. 0.6” 11 5 omohyoideus 0.55” 1 E. du Bois-Reymond, Gesammelte Abhandlungen, Bd. Il, S. 193, Anm., hat den Namen M. gracilis eingeführt, anstatt des früher (Cuvier, E. du Bois-Rey- mond, Heidenhain, Wundt u. A.) gebrauchten Namens Adductor magnus, so wie anstatt des von Ecker (Anatomie des Frosches) vorgeschlagenen langen Namens Rectus internus major. 150 J. Ta. Casa: Der Herzpuls am Kaninchen lässt sich auf 0.33” Dauer schätzen, während die Skeletmuskeln folgende Werthe der Dauer bei maximalen Zuckungen ergeben hatten: Museulus soleus (roth) etwa . . . . 2.2.1.0” is gastroknemius medialis (weiss). . . 0.25” Hier ist also eine volle Herzaction kürzer als eine einfache Zuckung des rothen Muskels. Bei allen diesen Bestimmungen ist die Zeit der sehr wechselnden nach- träglichen Erschlaffung nicht mit eingerechnet, weil für diese gar keine feste Grenze zu finden ist. Die Muskelcurve sinkt oft asymptotisch der Ruhelinie entgegen, so dass man die Contractionsdauer manches Schildkrötenmuskels auf 6 bis8”, unter Umständen auch mehr veranschlagen könnte. Auch bean- spruchen die gegebenen Zahlen selbst als Mittelwerthe keine absolute Gültig- keit. Es wechselt die Zuckungsdauer nicht nur mit der Temperatur, mit der Art der Belastung oder Spannung und mit der Ermüdung, sondern es haben zumal die Jahreszeiten den grössten Einfluss, wie auf die Erregbarkeit und auf die Leistungsfähigkeit, so auch auf die Beweglichkeit. ! Muskeln, welche im März kräftigen, Tage lang im Zimmer bewahrten Fröschen entnommen wurden, gaben Zuckungscurven von ähnlicher Länge, wie im Sommer Schildkrötenmuskeln. Folgende Mittelwerthe mögen als Beispiele genügen. Dauer einer Zuckung von Froschmuskeln im März: Musculus hyoglossus.. . . 002 2..202.0:872 bis 120% ar Sastroknemius. . a. 2.000, 0-40 ea & semimembranosus und gracilis . 0-3” „ 0.36” 5 tricsps femoris 0.00.0020 00252 5 001 Wenn demgemäss die Werthe keine absolute Gültigkeit haben, so bleiben doch die Verhältnisse in der Zuckungsdauer verschiedener Mus- keln im Allgemeinen gleich. Charakteristischer noch als die Dauer ist die Art des Verlaufs der Muskelzuckungscurve. Viele Curven haben so prägnante Formen, dass sie gewissermaassen zum Signalement der Muskelspecies dienen können, die sie erzeugt haben. Beschreibung vermag hiervon keine Vorstellung zu geben, ein Paar Abbildungen werden dies besser erläutern. ' Vgl. E. du Bois-Reymond, Untersuchungen über thierische Elektricitat. Bd. II. 8. 164. — H. Kronecker, Ueber die Ermüdung und Erholung querge- streifter Muskeln. Arbeiten aus der physiol. Anstalt zu Leipzig. 1871. 8. 208. DER ZUCKUNGSVERLAUF ALS MERKMAL DER MUSKELART. 151 Unter den Froschmuskeln ist von jeher der Gastroknemius von den Untersuchern bevorzugt worden, wegen der Bequemlichkeit, ihn zu isoliren, wegen der Länge seines Nerven und wegen der Intensität seiner Wirkung. Es ist aber die Analyse ebenso seines mechanischen wie seines elektrischen Verhaltens wegen seines complieirten Baues besonders schwierig. Daher werden wir auch nicht erwarten dürfen, dass seine Zuckungscurve mit der- jenigen der regelmässig gefaserten Muskeln vergleichbar ist, „da die ein- zelnen Gastroknemiusbündel vermöge ihrer verschiedenen Länge, durch ein der Achillessehne angehängtes Gewicht verschieden gedehnt werden, und sich bei der Verkürzung verschieden an dessen Hebung betheiligen“.! Dessenungeachtet ist es gerade der Gastroknemius, welcher zuerst den Ver- suchen von Helmholtz über den Verlauf der einfachen Zuckung dienen durfte und ebenso noch heutigen Tages für diesen Zweck bevorzugt ge- blieben ist. Es diente mir das Federmyographion von du Bois-Reymond als registrirender Apparat, dessen Vorzug bequemer Handhabung mich darüber fortsehen liess, dass die Schreibtafel sich mit schnell abnehmender Ge- schwindigkeit bewegt, wenn sie nicht so grossen Anfangsimpuls erhält, dass die Reibung einflusslos wird. Dann genügt aber die Länge der Tafel nicht mehr, um eine ganze Zuckungscurve aufzunehmen. Die Stimmgabel zeichnete !/,, See. Der Schreibhebel für sich belastete den Muskel mit einem Gewichte von weniger als 10°”, zu welchem nach Bedürfniss andere Gewichte gefügt wurden. Die Gewichte dehnten den nicht unterstützten Muskel, wirkten also als „Belastung“ im Helmholtz’schen Sinne Die hier abgebildeten Curven sind nach den von den berussten Glasplatten genommenen photographischen Copien facsimilirt. Die elastischen Endschwankungen der Zuckungscurve sind der Ein- fachheit halber weggelassen. Die Muskeln wurden unmittelbar oder von ihrem Nerven aus durch intensive Inductionsströme eines grossen Schlitteninductoriums zu maximalen Zuckungen veranlasst. Die maximale Höhe der Zuckungscurve nimmt natürlich um so mehr ab, mit je grösseren Lasten der Muskel sich con- trahirt. Eben so wird die Zuckungscurve mit wachsenden Lasten kürzer. Die umstehende Abbildung (Fig. 1) lässt aber erkennen, dass der Cha- rakter des Gesammtverlaufes mit dem Wechsel der Muskelbelastung nicht wesentlich geändert wird. Ausser dem Gastroknemius ist die Muskelgruppe des Semimembranosus * E. du Bois-Reymond, Ueber das Gesetz des Muskelstromes mit besonderer Berücksichtigung des M. gastroknemius. Dies Archiv. 1863. 8. 534; — Gesammelte Abhandlungen. Bd. II. 8. 78. 152 | IH. VASE: und Gracilis! zum Studium der elektrischen wie der mechanischen Eigen- schaften des ruhenden und thätigen Muskels verwendet worden. Dieser m m ı2 15: 12.15.1612 181920 Fig. 1. Curven maximaler Zuckungen des mit 20srm \ belasteten durch Oeffnungsinductions- > 20 > el schläge gereizten Gastroknemius vom »9 Er) er Er) ER) 50 ER Frosch. Eine ganze Wellenlänge der untersten, zeitmarkirenden Linie entspricht 43 - Muskelcomplex empfahl sich wegen seiner relativ regulären Structur,? wegen seines gut fixirbaren Ursprungs und seiner leichten Isolation. Den Einfluss der Belastung auf die Zuckungseurve dieser Muskelgruppe veranschaulicht die Figur 2. ‚uSemimemb.u Gracilis. ee IN 260,7, 20290270777 22,.:28,,26%.15°:10227.°28 19.:20- \ Fig. .2. Semimembranosus-Gracilis vom Frosche, mit 20srm und mit 30grm belastet, werden durch direete Reizung mittels eines Inductionsschlages zu maximaler Zuckung gebracht. Eine ganze Wellenlänge der zeitmarkirenden Iiinie entspricht "43 - Demnächst interessirte mich der Muskelcomplex des Triceps femoris, welchen Kronecker* bei seinen Untersuchungen nützlich gefunden hatte, ! Die gesonderte Zurichtung des Graeilis, dieses regelmässigsten der Oberschenkel- muskeln des Frosches mit seinem Nerven ist nach der Vorschrift von E. du Bois- veymond (dies Archiv, 1873, S. 521) auszuführen, aber, wie dieser selber angicbt, „leider sehr umständlich“. ° E. du Bois-Reymond, Untersuchungen über thierische Elektricität. Bd. 1. S. 705, 710, — Heidenhain, Physiol. Studien. 1856. 8. 37. ® Wundt, Die Lehre von der Muskelbewegung. 1858. 8. 35. * Arbeiten aus der physiol. Anstalt zu Leipzig. 1871. 8. 190. DER ZUCKUNGSVERLAUF ALS MERKMAL DER MUSKELART. 155 obwohl E. du Bois-keymond seinen unregelmässigen, „sonderbaren Bau“ nachwies.! Von dieser Muskelgruppe giebt Fig. 3. drei Curven. Auch hier zeigt sich ausser der durch grössere Belastung bedingten Er- niedrigung und Verkürzung kein wesentlicher Unterschied im Verlaufe. Der M. hyoglossus vom Frosche, welcher Eduard Weber zu seinen Versuchen über die Blastieität und den Contractionszustand quergestreifter Iriceps fem. Zu A 0) 4 22 [72 7 8 95.2.2072 22 13 12 15 16 Fig. 3. / 1 e 7uek a Jes 1 grm Maximale Zuckungscurven des mit 20 | belasteten Trieeps femoris Er} 9 EL) Er) 40 Er) vom Frosch. 908 rn Eine ganze Wellenlänge der zeitmarkirenden Linie entspricht 143 - Muskeln ? gedient hat, beansprucht ebenfalls unsere besondere Beachtung des- halb, weil seine Zuckungsdauer die grösste von den bisher untersuchten Skeletmuskeln des Frosches ist. Wir finden, dass dieser sehr dünne Muskel, wie zu erwarten, nur kleine Lasten in ausgiebiger Weise heben kann. Mit Hyoglossus = Be I 210 U 22 23 14.1516 17 1819 20 21 22 232425° 100 Fig. 4. M. hyoglossus vom Frosche maximal zuckend mit 10grm > er} Er » ” £>) Li 15 23 belastet. 39 » ” Er} > LE) » 20 Er) dem unbeschwerten Schreibhebel (10®=) verkürzt er sich recht beträcht- lich; ein Uebergewicht von 55’® erniedrigt schon sehr seine Maximal- ! E. du Bois-Reymond, „Ueber facettenförmige Endigung der Muskelbündel“. Monatsber. d. Akad. d. Wiss. zu Berlin 1872. 8. 809; — Ges. Abhandl. Bd.ll. 8. 54 u. ff. °” Muskelbewegung. Rud. Wagner’s Handwörterbuch der Physiologie. 1847. Bd. III. Abthlg. II. S. 68 154 J. Ta. Casa: erhebung; 108” Uebergewicht lassen nur noch geringe Contractionen zu, und dem entsprechend wird die Zuckungseurve erheblich abgekürzt. Die vorstehende Abbildung (Fig. 4) lässt erkennen, dass bei sehr kleiner Belastung (108”®) der Zeichenstift nur unvollkommen zur Ruhelage zurück- kehrt. Es genügen die Reibungswiderstände an der Glasplatte zusammen mit der Zähigkeit des sich verlängernden Muskels, um den fallenden Hebel aufzuhalten. Relativ sehr grosse Last erniedrigt die Zuckungscurve nicht nur, sondern kürzt sie auch bedeutend. Wenn wir nun die Zuckungscurven der verschiedenen Froschmuskeln, welche nach Verhältniss ihres Querschnittes belastet worden waren, mit einander vergleichen, so finden wir leicht erkennbare Unterschiede im Zuckungsverlaufe. Die nächste Figur (5) emimemb.u.Gracılıs. ar Fig. 5. Je eine maximale Zuckungscurve vom Semimembranosus-Gracilis, vom Triceps femoris, und vom Gastroknemius desselben Frosches, während diese Muskeln (natürlich nach ein- ander) an den unbelasteten Hebel (10srm) des Federmyographions gehängt waren. zeigt, wie ganz anders der Gastroknemius sich verkürzt, als der Triceps und die Semimembranosus-Gracilis-Gruppe. Diese letzteren beiden Muskel- complexe verhalten sich bezüglich ihrer Zuckungscurven sehr ähnlich. Das Maximum ihrer‘ Verkürzung erreichen sie bald nach der Hälfte der Zeit- dauer ihres gesammten Zuckungsverlaufes, während der Gastroknemius zwei Drittheile seiner gesammten Zuckungszeit zur Verkürzung braucht und nur ein Dritttheil zur Verlängerung. Die umstehende Figur (6) illustrirt das Verhältniss der trägsten Mus- keln des Rumpfes: des Rectus abdominis und des Hyoglossus zu dem be- weglichen Gastroknemius und dem flinken Triceps. Es ist hieraus ersicht- lich, dass nicht etwa, wie bei verschiedener Belastungsart oder bei Ermü- dung, die Verlängerung der Curve wesentlich abhängt von dem Verlaufe des absteigenden Theiles, sondern dass das Stadium der steigenden Energie in sehr auffallender Weise wechselt, so dass das Zuckungsmaxi- mum des M. hyoglossus zu einer Zeit, wo der Triceps fast wieder zur Ruhe gelangt ist, erreicht wird; dass der Rectus abdominis trotz seines anfänglich mit dem Hyoglossus übereinstimmenden Verlaufes lange vor A DER ZUCKUNGSVERLAUF ALS MERKMAL DER MUSKELART. 155 dem ersteren sein Maximum gewinnt und abfällt; während der Gastro- knemius, ungeachtet seines sehr flach ansteigenden Verlaufes, doch, vermöge seines steilen Abfalles, weit vor der Rectus-abdominis-Curve seine Zuckungs- curve abschliesst. Der Triceps femoris mit seinem steilen Anstieg und noch steileren Abfall steht allen voran, wie wir oben gesehen, rivalisirend mit der Semimembranosus-Graeilis-Gruppe. "Bei Betrachtung der Schildkrötenmuskeln von gleichen Gesichtspunkten, von denen wir die Froschmuskeln angesehen haben, finden wir ähnliches Verhalten. Auch hier beeinflusst die Belastung vorwiegend die Höhe, und nur hiermit zusammenhängend die Dauer der Zuckung. Aber die hierdurch gesetzten Unterschiede verdecken auch da nicht diejenigen charakteristischen Differenzen, welche die Zuckungscurven verschiedener Muskelarten desselben Thieres kennzeichnen. Da selbst die beweglichsten Schildkrötenmuskeln sich langsamer contrahiren, als die trägsten Froschmuskeln, so war das Federmyographion nicht geeignet, den Zuckungsverlauf derselben zu regi- 8 9 m U, 12.19 14 15 16 12 18 192021222322 Fig. 6. Je eine maximale Zuckungscurve vom Hyoglossus, vom Rectus abdominis, vom Gastro- knemius, vom Triceps des Frosches. striren. Es diente hierzu das Oylinderkymographion, welches auf mässig schnellen Gang eingestellt war. Zur Controle der Umdrehungsgeschwin- digkeit diente meist ein Secundenmarkirer. Bei grösserer Umdrehungs- geschwindigkeit habe ich mich zuletzt eines neuen Chronographen bedient, welchen Hr. H. Kronecker in der Berliner physikalischen Gesellschaft im November 1879 demonstrirt hat. Dieser Zeitschreiber besteht im Wesent- lichen aus einer durchschlagenden Zungenpfeife, welche auf den Ton von 100 ganzen Schwingungen (zwischen G und Gis) abgestimmt, durch ein Wassersauggebläse! in Schwingung gehalten wird. Es genügt ein schwa- cher Luftstrom, den Ton continuirlich zu erhalten, seitdem auf den Rath des Hrn. Helmholtz ein auf den gleichen Ton abgestimmter Kugel- resonator in die Saugleitung eingeschaltet worden ist. Eine am freien Zungenende angeklebte Borste, oder, wie es Hr. Dr. Grunmach vor- ! Hr. Dr. Emil Grunmach bedient sich mit Vortheil eines Spirometers als saugenden Motors. Verhandl. d. Berliner physiol. Gesellschaft. 30. Juli 1880, 156 J. Ta. Case: theilhaft gefunden hat, ein feingeschabtes Federkielstückchen, schreibt mit sehr geringer Reibung auf der berussten Glanzpapierfläche. Um eine genaue und feine Zeichnung zu erhalten, muss die Entfernung der Federspitze von der Papierfläche genau gleichmässig gehalten werden, auch für den Fall, dass das Papier, (wie immer an der Klebstelle) verdickt ist. Dies wird leicht ermöglicht durch ein Stützrädchen, welches einer analogen Vorrich- tung von Hensen! nachgebildet ist. Damit die Amplituden der Schwin- gungen nicht zu gross werden uud dadurch die Ablesung undeutlich machen, ist nachträglich das schreibende Federkielendehen als Doppelhebel in eine kleine Gabel über das Rädchen gehängt worden. Den langen Arm be- wegt die schwingende Zunge, der kurze Arm schreibt. Die so erhaltenen Zungenpfeifeneurven sind den Stimmgabeleurven ganz ähnlich und erfordern nur einfache Vorrichtungen, während zur Re- Fig. 7. Maximale} Zuckungscurven des direet gereizten M. omohyoideus der Landschild- kröte, während er mit dem Hebel (10srm, 30grm, 50grm) belastet war. Die Punkte markiren !/,", die Striche ganze Secunden. sistrirung der Vibrationen einer elektrischen Stimmgabel ein kostspieliger Marcel Deprez’scher Elektromagnet erforderlich ist. Selbstverständlich kann man erforderlichen Falls Zungenpfeifen mit grösserer oder geringerer Vibrationsfreqguenz anwenden. Die vorstehende Figur (7) zeigt drei vom M. omohyoideus einer grossen griechischen Landschildkröte auf den berussten Cylindermantel des Kymo- graphion verzeichnete Curven maximaler Zuckungen, welche auf directe maximale Reizung des mit verschiedenen- Gewichten belasteten Muskels ausgeführt wurden. Dieser dünne, lange, parallelfaserige Muskel vermag nur kleine Gewichte, aber diese hoch zu heben. Der sehr starke, fächerförmig gebildete M. pectoralis major überwindet ! Adolf Klünder, Ueber die Genauigkeit der Stimme. Ein Beitrag zur Physio- logie des Kehlkopfs. Dies Archiv. 1879. 8. 121, DER ZUCKUNGSVERLAUF ALS MERKMAL DER MUSKELART. 157 grosse Gewichte. Aus Fig. 8 ist ersichtlich, dass Steigerung der Belastung von 20—120®® die Hubhöhe nicht sehr bedeutend ändert. Nur die Aus- dehnung des Muskels erfolgt langsamer bei grosser Belastung, ähnlich wie dies, Marey! vom Froschgastroknemius erwähnt, wenn dieser durch eine unüberwindliche Hemmung an der maximalen Verkürzung verhindert wird. ' Pect. May: Fig. & M. pectoralis major der Landschildkröte mit 20srm ER PR) » » » » 80 55 belastet. a] Er » E}) Ei) +} Die Punkte markiren !/,”, die Striche also ganze Secunden. In Bau und Wirkung ähnlich dem Omohyoideus ist der Semimembra- nosus ; dem Pectoralis major vergleichbar ist der M. oluteus. Die folgende Zusammenstellung in Figur 9 zeigt, wie formenreich die Zuckungscurven verschiedener quergestreifter Muskeln desselben Thieres sein können. Am Fig. 9. Maximale Zuckungscurven des M. pectoralis major, des M. omohyoideus, des M. gracilis, des M. palmaris der Schildkröte mit 30srm belastet. schnellsten verkürzt sich der Omohyoideus, entsprechend seiner Bestim- mung, den Kopf bei nahender Gefahr schnell unter den schützenden Panzer zu ziehen. Schnell löst sich auch die Contraction und gelangt auf niederen ! Du Mowvement dans les fonctions de la vie. 1868. p. 363. 158 J. Ta. Case: Grad. Der Pectoralis major, so kraftvoll zur Fortbewegung des schweren Thieres bestimmt, beginnt mit energischem Anhub und bleibt ziemlich lange auf der Höhe der Zusammenziehung. Der schwächliche Unterschenkel- beuger, der Gracilis, eontrahirt sich weniger schnell und dehnt sich weniger langsam aus. Der kurze starke M. palmaris, zum Wegstemmen geeignet, ist sehr träge in der Zusammenziehung und sehr dauerhaft in seiner Wirkung. Die nächste Curvengruppe der Figur 10 ist bestimmt, eine Reihe anderer Schildkrötenmuskeln bezüglich ihres Zuckungsverlaufes vergleichen zu lassen. Der Semimembranosus kommt mit seiner Zuckungseurve dem Omohyoideus nahe. Der Gluteus ist einigermaassen ähnlich dem Peetoralis Major. Der Biceps brachii lässt sich dem Gracilis an die Seite stellen. Der Triceps brachii vertritt wieder einen ganz eigenen Typus, welchem Fig. 10. Maximale Zuckungscurven dss M. gluteus, des M. semimembranosus, des M. biceps brachii, des M. triceps brachii von der Schildkröte. etwa der Musculus Latissimus dorsi nahe käme, von dem ich wegen zu geringer Erfahrung hier keine besonderen Curven mitgetheilt habe. Diese ' kurze Zusammenstellung macht keinesweges auf Vollständigkeit Anspruch, sie will nur einige Proben geben von der Verschiedenheit, welche die quer- gestreiften Schildkrötenmuskeln in den einfachsten Bewegungen bieten. Schliesslich bleibt von den Thieren, deren Muskelzuckungsdauer in der Eingangstabelle erwähnt worden ist, das Kaninchen übrig, dessen rothe und weisse Muskeln in ihrer functionellen Verschiedenheit ja in neuerer Zeit wiederholt geprüft worden sind. H. Kronecker und W. Stirling haben in der Arbeit: Die Genesis des Tetanus! die einfachen Zuckungscurven des weissen und rothen Kaninchen- muskels verglichen. Es erübrigt hier, den Einfluss der verschiedenen Be- lastung zu erörtern. Die Zusammenstellung der Fig. 11 und Fig. 12 dürfte hierüber genügenden Aufschluss geben, um zu zeigen, dass selbst: durch ! Dies Archiv. 1878. S. 11, Fig. 10. DER ZUCKUNGSVERLAUF ALS MERKMAL DER MUSKELART. 159 grosse Gewichte der Charakter des zuckenden weissen, wie des rothen Muskels, nicht verwischt werden kann. Bezüglich der Zuckungscurve des weissen Muskels stellt sich aber als überraschendes Resultat heraus, dass nicht zu den kleinsten Belastungen die grössten Zuckungswerthe gehören, sondern dass die Last von 100 #” höher gehoben wird, als von 508”, welche nur gleich hoch gefördert wird Fig. 11. (Weisser) Gastroknemius medialis vom Kaninchen mit 50srm » »» > »> 06 5,1005) belastet, maximal Er) 9 Er) ” s3 PR) 300 3 zuckend. Er] ” EI or) ” Fr 500 er wie Gewichte von 300®'®. Erst eine Last von 500°” deprimirt merklich das Zuckungsmaximum. Dies eigenthümliche Verhältniss, welches an Be- obachtungen erinnert, die Fick! an Muschel-Schliessmuskeln, Heiden- hain? an Froschmuskeln gemacht haben, entsteht dadurch, dass bei einer gewissen Dehnung Muskelbündel in Wirksamkeit treten, welche bei minderem Gewichte schlaff bleiben und dass somit ein Theil der Last, welche vorher als ‚Soleus roth. Fig. 12. (Rother) M. Soleus vom Kaninchen mit 50grm ” » ” ” 53 „ 100 „ , belastet, maximal zuckend. er} 39 Ei} er E£} Er) 200 3 | Ueberlastung wirkte, eine Belastung wurde. Für diesen Fall hat ja Kronecker auch bei Froschmuskeln beobachtet, dass eine Belastung von tieferem Punkte sogar absolut höher gehoben werde, als gleiche I Beiträge zur vergleichenden Physiologie der irritabelen Substanzen. Braun- schweig 1863. $. 58. ® Mechanische Leitung, Wärmeentwickelung und Stoffumsatz bei der Muskel- thätigkeit. Leipzig 1864. 8. 114 ff, 160 J. Ta. Casa: ZUCKUNGSVERLAUF VERSCHIEDENER MUSKELN. ' Ueberlastung.! Der dünne rothe M. soleus wird schon von geringer Vermehrung seiner Belastung in seiner Contraction sehr gehindert. Aber auch hier wird der Charakter der Zuckung nicht unkenntlich gemacht, wie die vorstehende Figur (12) lehrt. Schliesslich würden vermuthlich auch Bestimmungen der Zuckungscurven verschiedener weisser Kaninchenmuskeln Unterschiede im Contractions- verlaufe dieser ergeben, und ebenso würden wohl nicht alle rothe Muskeln gleiche Zuckungsform zeigen. Ein genauer Vergleich dieser Verhältnisse mit dem Bau und der Anordnung der Muskelbündel würde gewiss wich- tige Aufschlüsse geben über den Zusammenhang zwischen Function und Structur. Ich sehe wohl ein, dass die Fundamente, auf welchem ein so grosses Gebäude wie die topographische Myophysik errichtet werden könnte, fester und umfangreicher sein müssten, als mir im meiner kurzen Arbeits- zeit zu legen möglich gewesen ist, ich hoffe aber, dass auch diese Skizze einige feste Grundsteine zusammengetragen hat. \ Arbeiten aus der physiol. Anstalt zu Leipzig. 1871. 8. 249. Versuche über die physiologischen Wirkungen des deutschen, englischen und Duquesnel’schen (krystal- linischen) Aconitins. Von B. von Anrep. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Erlangen.) Trotzdem dass die giftige Wirkung des Sturmhuts schon den Alten be- kannt war und die wirksame Base, das Aconitin, schon längst (im Jahre 1833) dargestellt wurde, gehört das Aconitin nicht zu den uns am besten be- kannten Giften. Das sogenannte deutsche Aconitin ist zwar am besten geprüft worden, jedoch bestehen auch über dieses noch so manche Wider- sprüche in den Angaben der Autoren, dass eine weitere Prüfung desselben nicht überflüssig scheint und die Vermuthung auftaucht, dass die von ver- schiedenen Forschern benutzten Aconitinpräparate nicht immer die gleichen waren. Das englische und das krystallinische Aconitin sind uns noch weniger bekannt und das letztere ist noch so gut wie gar nicht unter- sucht worden. Meine Absicht war, diese drei Aconitinarten auf ihre toxikologische Wirkung zu prüfen, indem ich hauptsächlich meine Aufmerksamkeit auf die Wirkung des krystallinischen Aconitins, als eines chemisch reinen und uns am wenigsten bekannten Präparates, richtete. Alle drei Aconitinarten bezog ich aus der chemischen Fabrik des Hrn. Th. Schuchardt in Görlitz. Ich löste das Aconitin in destillirttem Wasser unter Zusatz möglichst geringer Mengen von Salz- oder Salpetersäure. Alle Lösungen waren von neutraler oder schwach saurer Reaction und wurden alle vierzehn Tage frisch bereitet. Archiv f. A. u. Ph. 1830. Suppl.-Band z. Physiol. Abthlg. il 162 B. v. AnkReEp: I. Versuche an Fröschen. A. Das deutsche und das englische Aconitin. Allgemeine Vergiftungserscheinungen. Die allgemeinen Vereiftungserscheinungen der beiden Arten des Aconitins sind sehr ähnlich und bieten mehr quantitative als qualitative Verschieden- heiten. Auch sind alle Autoren, welche mit deutschem Aconitin an Fröschen experimentirten, in den wesentlichsten Punkten in Uebereinstimmung und nur über die Dosirung sind die Angaben sehr verschieden. Böhm und Wartmann, Giulini fanden schon die Gabe von 0°0005°% als eine vollständig lähmende; Achscharumow eine solche von 0-001°%; van Praag eine noch grössere. Schon bald nach der Vergiftung sollen Symptome allgemeiner Schwäche, Athembeschwerden, zuweilen Schmerzäusserungen, Pupillenerweiterung eintreten, weiter flimmernde Muskelzuckungen, später auch klonische Krämpfe, nach Einigen auch Tetanus (van Praag); dann hört das Athmen auf und bald darauf folet auch die allgemeine Lähmung nach. Das Bild der Vergiftung bietet nur wenig Charakteristisches. Nach meinen Versuchen habe ich nur wenig hinzuzufügen. Die beiden Arten des Aconitins haben fast dieselbe Wirkung. Gaben von 0-.01°®” und mehr tödten die Frösche in wenigen Minuten. Nach kurz dauernder allgemeiner Erregung, welche stärker wird und etwas länger dauert nach dem englischen Aconitin, tritt eine Betäubung ein, der Frosch bleibt unbeweglich auf seinem Platz, mit gesunkenem Kopfe und geschlossenen Augen ruhig sitzen. Auf äussere heize reagirt er noch prompt und lebhaft. Man bemerkt eine abnorm grosse Hautsecretion. - Nach 5—6 Minuten hört die Athmung auf, und es zeigt sich eine sich rasch ent- wickelnde allgemeine Schwäche, Verlust des Vermögens das Gleichgewicht zu bewahren und coordinirte Bewegungen auszuführen. Der Frosch macht zwar öfters Bewegungen bald mit den vorderen, bald mit den hinteren Ex- tremitäten, diese Bewegungen sind aber ganz zwecklos und uncoordinirt. Auch äussere Reize sind nicht mehr im Stande Fluchtbewegungen hervor- zurufen, die Reflexe sind geschwächt, nur ziemlich starke Inductionsströme können noch Reflexe hervorrufen. Es treten ferner nur kurz dauernde flimmernde Muskelzuckungen ein. In der Regel erfolet die allgemeine Lähmung schon 15—18 Minuten nach der Vergiftung. Kurz vor dem Tode beobachtet man, aber nicht in allen Fällen, öfter bei Rana temporaria und bei Anwendung des englischen Aconitins, Streckkrämpfe, oder kurz- dauernden Tetanus. Bei der Section fand ich das Herz stets im diasto- lischen Stillstande (den Ventrikel wie auch die Vorhöfe); die Vorhöfe und die grossen Venen mässig mit Blut gefüllt, den Ventrikel und die Aorten VERSUCHE ÜBER DIE PHYSIOLOGISCHEN WIRKUNGEN DES ACOoNITInSs. 169 blutleer, die Darmgefässe dagegen sehr stark mit Blut gefüllt. Das Herz ist auch durch stärkste elektrische Ströme nicht erregbar. Die Gaben von 5 hinab zu 0-5”E"” beeinflussen die Frösche in der- selben Weise. Sie bewirksen nur eine länger dauernde Erregung, auch zu- weilen Schmerzäusserungen, Quaken, eine grössere und dauerndere Haut- secretion;! die allgemeine Schwäche, Lähmung und Tod treten später, aber doch immer im Laufe einer oder zweier Stunden nach der Vergiftung ein. Die fliimmernden Zuckungen fehlen nur sehr selten, die Krämpfe (klonische) dagegen sind nicht constant, oft sind sie durch äussere Reize hervorzurufen, und zwar auch im Stadium der schon eingetretenen allgemeinen Lähmung. Die betäubende Wirkung des Aconitins bei Fröschen ist ausser Zweifel. Nach den ersten Erregunesäusserungen fällt der Frosch wie leblos auf den Bauch mit geschlossenen Augen und oft reagirt er sogar auf ziemlich starke Reize nicht, plötzlich erwacht er, macht mit ganz ungewöhnlicher Schnellig- keit und Stärke einige Sprünge und fällt wieder betäubt nieder. Dasselbe wiederholt sich mehrmals, bis die allgemeine Schwäche und beginnende Lähmung alle coordinirten Bewegungen verhindert. In einigen Fällen sah ich bedeutende Harnentleerung. - Gaben von 0-1 und 0-05"82'® des deutschen Aconitins sind ebenfalls tödtlich, obwohl der Tod erst nach mehreren Stunden oder sogar erst nach ein oder zwei Tagen eintritt. Die allgemeinen Erscheinungen sind in allen Punkten dieselben wie bei grösseren Gaben, nur sind alle Symptome der Vergiftung, wie die Erregung, die Hautsecretion, dann Schwäche und allge- gemeine Lähmung von längerer Dauer. Wenn bei grösseren Gaben die verschiedenen Stadien der Vergiftung einander sehr rasch folgen und zum Tode führen, so dauert jedes Stadium hier eine viel längere Zeit. Die all- gemeine Lähmung mit nur sehr schwachen Reflexäusserungen währt sogar Tage lang, bis endlich Tod eintritt. Selbst noch kleinere Gaben rufen sehr schwere Vergiftungssymptome hervor. Gaben von 0-025”8&'” Jähmen den Frosch im Laufe von 3—) Stunden und auf eine Zeit, welche zwischen 1—4 Tagen schwankt, wäh- rend welcher die Reflexe herabgesetzt sind, und nur seltene mühsame Athemzüge verrathen noch das Leben des Thieres. Der Frosch macht bei jeder Einathmung sein Maul weit auf, hebt den Kopf in die Höhe, streckt seine vorderen Extremitäten aus und macht eine tiefe langsame Inspiration. Fast bei allen Fröschen entstand ein bedeutender Hydrops. Nicht nur die Lymphsäcke sind stark angefüllt, sondern auch die Zunge ist stark oedematös geschwollen und ebenso findet man in der Bauchhöhle und in dem Herz- beutel grosse Flüssigkeitsmengen. Weiter ist zu bemerken, dass fast alle ! Vorzüglich bei dem englischen Aconitin. 11* 164 B. v. Ankep: Frösche ihre Hautfarbe verändern. ‘Die grünen Frösche werden am Ende des ersten Tages (oft schon nach einigen Stunden) bedeutend dunkler, oft ganz schwarz; die hellgelben Rana temporaria zeigen diese Erscheinung noch deutlicher, ihre Farbe dunkelt von gelb bis schliesslich fast zu schwarz. Nur einige Ausnahmen kamen in dieser Beziehung vor. Uebrigens tritt dieses Dunkelwerden der Haut erst ein, wenn die starke Hautsecretion vor- über ist. Die Haut ist dann trockener als im normalen Zustande. Die Harmblase ist stark mit Harn angefüllt; sie kann offenbar ihren Inhalt nicht ausleeren, weil sie paralysirt ist, was ich aus dem Umstande ersehe, dass man alle 3—4 Stunden nach einem Druck auf die Harnblase grosse Mengen Harns ausfliessen sieht, was bekanntlich bei normalen Fröschen nicht der Fall ist. Der Hydrops dauert noch lange Zeit an, auch wenn die Erholung schon begonnen hat. Diese erfolgt nur sehr langsam, zuerst werden die Athemzüge leichter, frequenter und regelmässiger; von’Zeit zu Zeit macht der Frosch schwache willkürliche Bewegungen, die Haut beginnt wieder ihre frühere Farbe anzunehmen, was, einmal begonnen, bald erreicht ist, hierbei wird die Haut wieder feucht, der Hydrops nimmt allmählich ab, Tag um Tag wird der Frosch munterer, kräftiger. Erst nach mehreren verunglückten Versuchen gelingt es dem Thiere, coordinirte Bewegungen auszuführen; die Muskelschwäche und der Hydıops sind erst nach 6—9 Tagen völlig gewichen, womit denn endlich der Frosch vollständig genesen ist. Uebrigens scheint die Individualität einen grossen Einfluss auszuüben, einige Frösche erholten sich viel schneller, die anderen nach einer längeren- Zeit. Die Rana temporaria zeigt eine grössere Empfindlichkeit gegen beide Aconitinarten. Alle Symptome der Vergiftung werden intensiver und treten schneller auf, aber nach nicht tödtlichen Gaben erholt sich die R. temporaria schneller als die R. esculenta. Das englische Aconitin wirkt schwächer, als das deutsche. Die mini- malen tödtlichen Gaben des letzteren sind 0-00005°°% (zuweilen noch kleinere). Ersteres in gleichen Gaben genommen dagegen wirkt nicht tödtlich,, ja sogar nach Gaben von 0:0002®'” erholten sich zuweilen die Frösche, was bei dem deutschen Aconitin nie der Fall war. Einfluss auf die Herzbeweguns. Die Wirkung des Aconitins auf das Herz der Frösche ist nach allen Autoren hauptsächlich eine lähmende. Nach Achscharumow tritt sehr rasch nach der Vereiftung ein diastolischer Stillstand des Herzens ein. Es folgt zuerst eine Verlangsamung, dann Beschleunigung, wieder Verlang- samung bis endlich die Herzthätiekeit allmählich erlischt. Die Lähmung des Herzens bei grossen Gaben (003) tritt vor der Erscheinung der allge- VERSUCHE ÜBER DIE PHYSIOLOGISCHEN WIRKUNGEN DES ACoNITINs. 165 meinen Paralyse ein. Auch die ausgeschnittenen Herzen werden durch Aconitin bald zum Stillstand gebracht. Der Verfasser schliesst, dass das Aconitin auf die motorischen Herzganglien direct wirkt. Nach Giulini werden erst die Ganglien des Vagus, dann die excitomotorischen und dann auch der Muskel selbst affieirt. Lewin sah ebenfalls, dass die Einwir- kung des Aconitins auf das Herz in Dosen von 0-:015—0-0253”” eine die Frequenz der Contractionen continuirlich herabsetzende war. Dieser Ver- langsamung folgte in einigen Versuchen eine sehr kurze Zeit andauernde Erhöhung der Pulsfrequenz,, die bald in eine unregelmässige Herzaction oder in Stillstand überging. Zu Ende fast aller Versuche trat Arhythmie der Herzcontractionen auf. Elektrische Reize brachten das stillstehende Herz in einigen Fällen zur Contraction, in anderen nicht. Am genauesten wurde die Herzwirkung des Aconitins von Böhm unter- sucht. Er fand, dass die Erscheinungen der Aconitinvergiftung am Herzen drei Stadien erkennen lassen: 1) ein Stadium der Beschleunigung der Herz- schläge; 2) ein Stadium der Herzkrämpfe; 3) ein Stadium des Herzstill- standes. Die herzbeschleunigende Wirkung erklärt Böhm als eine directe Reizung der excitomotorischen Centra, die Erklärung des zweiten Stadiums der Herzkrämpfe beruht auf einer Hypothese, indem Böhm annimmt, dass die Rhythmik der Herzthätigkeit in Folge einer Lähmung der hemmenden Herzapparate durch Aconitin aufgehoben wird. Die Bewegungsimpulse werden nicht durch hinreichend starke Widerstände zurückgehalten und die gereizten motorischen Centren lösen unmittelbar jene unordentlichen Bewe- sungen aus. Es entsteht in diesem Falle kein Herztetanus, weil die Er- regung der motorischen Centren, welche in mehreren Stellen des Herzens zerstreut liegen, nicht mit einer bestimmten Gleichzeitigkeit erfolgen, son- dern die verschiedenen Herztheile nach einander ohne jede Coordination sich contrahiren. Das dritte Stadium, das des diastolischen Herzstillstandes, ist Folge einer Ermüdung. Die Vorhöfe contrahiren sich noch längere Zeit nach dem Ventrikelstillstande. Das Herz ist oft mehrere Stunden, nach- dem seine Thätigkeit aufgehört hat, noch reizbar. Meine eigenen Versuche zeigten mir, dass auch in Bezug auf die Herz- thätigkeit diese zwei Aconitinarten nicht in derselben Stärke wirken, ob- wohl beide qualitativ das Herz genau in derselben Weise beeinflussen. Grosse Gaben von 0-001 bis 0-005®”” lähmen das Herz in einer Zeitdauer von 30 Minuten bis 1 Stunde. Die Frequenz der Herzeontractionen nimmt schon sehr bald nach der Vergiftung ab (nach 8S—15 Minuten) und vermindert sich continuirlich. Zuerst wird der Ventrikel sehr stark mit Blut gefüllt, die Contractionen werden für eine kurze Zeit unregelmässig, folgen sehr prompt eine nach der anderen, die Diastolen werden unvoll- kommen, dann aber wird der Ventrikel blass, sehr.blutarm, auch wird er 166 B. v. AnREP: früher gelähmt, als die Vorhöfe, der Zeitunterschied ist jedoch nicht sehr gross, gewöhnlich erlöschen einige Minuten (10-30) nach dem diastolischen Ventrikelstillstande die Vorhofscontractionen. Schon unmittelbar nach dem Stillstande reagirt das Herz auf elektrische Reizung nicht im Geringsten, und zwar wurde in allen meinen Versuchen nach diesen Gaben ohne Aus- nahme die Reizbarkeit des Herzmuskels vernichtet. Mittlere Gaben, von 0:00005 bis 0-0003®'®, beeinflussen die Herz- thätigkeit nicht so rasch wie die grossen. Erst nach Verlauf von 20—21 Minuten, während dem die Herzthätiekeit unverändert bleibt, folgt eine Beschleunigung der Contractionen um 3—5 Schläge in 15 Secunden. Diese Beschleunigung ist, je nach den Gaben, verschieden und zwar um so kürzer und um so geringer, je grösser die Gabe ist. Nach der Beschleunigung folgt eine allmählich zunehmende Verlangsamung des Pulses bis zum Herz- stillstande; bei den kleineren dagegen folgt nach der ersten Beschleunigung eine nur kurzdauernde Abnahme in der Pulsfrequenz, während welcher die Herzthätiekeit auch unregelmässig und deutlich schwächer wird; dann kommt wieder eine Beschleunigung, welche in der Regel immer kürzer anhält als die erstere. Dasselbe wiederholt sich zwei- bis dreimal, bis endlich die zum _ Herztode führende continuirlich sich steigernde Herzschwäche sich ent- wickelt. Ich konnte, wenn auch nicht sehr constant, das von Böhm be- schriebene Krampfstadium bei diesen Gaben wahrnehmen. Die Herzkrämpfe entstehen während der beschleunigten Herzthätigkeit, oft aber auch vor der Beschleunigung, und wiederholen sich zwei-, dreimal, indem sie mit jedem Ausbruch immer schwächer werden. Während der Pausen zwischen zwei Krampfausbrüchen contrahirt sich das Herz kräftig und in regel- mässigen Rhythmus. Nach Aufhören der Herzthätigkeit fand ich in einigen Fällen das Herz reizbar. Die kleinen Gaben, von 000002 bis 0:00004®'% für das deutsche und die etwas grösseren für das englische Aconitin, rufen eine noch grössere und viel länger dauernde Beschleunigung in der Herzthätigkeit hervor. Die Pulsfrequenz wird zum Doppelten der Normalzahl gesteigert und zwar für die Dauer von einer, sogar von über zwei Stunden; wenn auch von Zeit zu Zeit eine Pulsretardation eintritt, so ist die letztere nur vorübergehend. Nach der erhöhten Thätigkeit kehrt die Frequenz des Herzschlages zu ihrer früheren Norm zurück, nur selten sinkt sie unter die Norm. Sogar nach 24 Stunden fand ich die Herzthätigkeit nicht beträchtlich, nur um einige Pulsschläge, vermindert. Bei solchen kleinen Gaben traten keine Herz- krämpfe ein. Bei faradischer Reizung fand ich die N. vagi nach grossen Gaben bald vollständig gelähmt; nach mittleren Gaben tritt die Lähmung später ein; nach ganz kleinen Dosen fand ich die Vagi in einigen Fällen gelähmt, in VERSUCHE ÜBER DIE PHYSIOLOGISCHEN WIRKUNGEN DES ACONITINS. 167 anderen dagegen noch reizbar, obwohl ich keinen Stillstand des Herzens erzielen konnte, so verlangsamte sich die Frequenz doch um mehrere Schläge. Wie dieser letztere Umstand, dass trotz der grossen Pulsbeschleunigung bei ganz kleinen Aconitingaben die Nn. vagı nicht gelähmt sind, so lässt auch die Grösse der Beschleunigung selbst mich vermuthen, dass die durch Aconitin hervorgebrachte Pulsbeschleunigung nicht etwa auf einer Lähmung der hemmenden Apparate beruhe. Denn, wie bekannt, ist der Vagustonus bei Fröschen nur gering, seine Beseitigung kann demnach eine Pulsbeschleunigung um höchstens einige Schläge in der Minute zur Folge haben, nicht aber, wie bei unseren Versuchen, bis zum Doppelten der nor- malen Zahl; weiter fand ich, dass auch nach Atropinisirung, welche bei den Fröschen eine ganz unbedeutende oder gar keine Pulsbeschleunigung verursachte, durch Vergiftung mit kleinen Aconitingaben eine sehr erheb- liche Pulsfrequenz-Steigerung verursacht wird, ein Umstand, der uns sicher- lich erlaubt, zu behaupten, dass die motorischen Herzganglien selber durch Aconitin in hohem Grade gereizt werden. Wir haben gesehen, dass nach eingetretenem Herzstillstande der Herz- muskel in den meisten Fällen unreizbar ist. Sollte dies dafür sprechen, dass die Muskelsubstanz selber durch Aconitin endlich gelähmt wird? Die Versuche zeigten aber, dass die Reizbarkeit der quergestreiften Muskeln durch keine Aconitingabe aufgehoben wird. Entweder müssen wir zugeben, dass der Herzmuskel ein anderes Verhalten zu dem Aconitin besitzt als alle anderen quergestreiften Muskeln, oder es muss die Unerregbarkeit des Herzens auf die Schädigung anderer Apparate zurückgeführt werden. Es ist uns noch so: wenig über die directe Reizbarkeit des Herzmuskels be- kannt, dass wir nicht einmal sicher wissen, ob eine Contraction der Her- zens nach gänzlicher Ausschaltung aller seiner Nervenapparate noch mög- lich ist. Wenn diese Frage definitiv verneint werden sollte, so müsste in unserem Falle der Grund der Nichtreizbarkeit wohl in der Lähmung aller Herz-Nervenapparate liegen.! Wir haben ferner gesehen, dass nach gewissen Aconitingaben noch zwei bemerkenswerthe Erscheinungen in der Herzthätigkeit eintreten, das sind Herzkrämpfe und Periodieität in der Stärke der Herzeontractionen und in der Zahl der Pulsschläge. Die Herzkrämpfe, so nennt Böhm ein Sta- dium höchst unregelmässiger Herzcontractionen, in dem „sich der Herz- muskel vergebens bemüht, seinen Inhalt auszutreiben — er schleudert ihm ! Man könnte freilich auch die Lähmung des Herzmuskels als Folge der innigeren Berührung desselben mit dem Gift ansehen, wie sie durch den Mangel des Sarkolemma’s und das leichtere Eindringen des Giftes in die Herzmuskelsubstanz zu Stande kommen könnte, welche ja direct (ohne Capillarwände) vom Blut umspült wird. 168 B. v. AnREP: gleichsam von einer Ecke des Herzens in die andere — und so wälzt sich auf kleine Strecken beschränkte Diastole in wurmförmigen Bewegungen über das ganze Herz hin... .“, treten nach grossen und nach mittleren Gaben ein, nach den ersteren sind sie kurzdauernd und gehen in eine Schwäche der Herzeontractionen über, welche bald einer Lähmung Platz macht; nach den zweiten sind die Krämpfe viel deutlicher und wieder- holen sich mehrmals. Die Herzcontractionen zwischen den Krampfaus- brüchen sind ganz regelmässig, stark und oft beschleunigt. Die Erklärung, welche Böhm für die Erscheinung giebt, kann ich nicht als eine richtige ansehen. Wenn das Zustandekommen der Krämpfe dadurch zu erklären wäre, dass die Rhythmik der Contraetionen in Folge einer Lähmung der hem- menden Herzorgane durch das Aconitin aufgehoben ist und die Bewegungs- impulse der gereizten excitomotorischen Centren keinen Widerstand mehr finden und also nicht mehr eine gewisse „Spannkraft“ zu erlangen brauchen, um eine Contraction zu bewirken, so müssten die Herzkrämpfe so lange dauern, als die hemmenden Organe gelähmt sind und in den motorischen Herzcentren noch eine Erregung zu Stande kommt. Dann könnte bei fort- schreitender Vergiftung auf das Stadium der sogenannten Herzkrämpfe nur noch ein Schwächerwerden, bez. Aufhören der rhythmuslosen Bewegungen statt haben, nicht aber ein Wiederauftreten scheinbar normaler Herzcon- tractionen. Meine Versuche zeigen aber entschieden ein anderes Verhalten. Nach einem „Krampfausbruch“ folgen einige Minuten dauernde, ganz regel- mässige, echt rhythmische, beschleunigte und kräftige Herzeontraetionen, dann kommen noch einmal Krämpfe, dann wieder rhythmische Contrastio- nen und in ‚dieser Weise mehrere Male, bis endlich eine zum Herztod führende Lähmung sich entwickelt. Das Krampfstadium entsteht auch lange vor der Lähmung der hemmenden Apparate, nämlich bei so kleinen Aconitingaben, welche erst im spätesten Verlauf der Vergiftung die hem- menden Organe lähmen. Dies haben mir meine Versuche mehrmals ge- zeigt: es gelang durch Nicotin einen Herzstillstand während der Herzkrämpfe hervorzurufen; das Gleiche sehen wir übrigens in den von Böhm ange- führten Versuchsprotokollen, z. B. im Versuch G,!, wo nach zweimaligen Herzkrämpfen das Herz nach Injeetion von Muscarin zum Stillstande ge- bracht wurde, welches wiederum durch Daturin beseitigt wurde. Das be- weist, dass die hemmenden Organe des Herzens während des Krampf- stadiums durchaus nicht gelähmt sind. Die Krämpfe, wie schon erwähnt, wiederholen sich mehrmals, so zwar, dass jeder neue Krampfausbruch von minderer Stärke und Dauer ist, und wenn einmal das Krampfstadium vor- VERSUCHE ÜBER DIE PHYSIOLOGISCHEN WIRKUNGEN DES Aconıtıns. 169 über ist, folgt, wie bereits angedeutet, ein Stadium rhythmischer Herzthätig- keit, welches dadurch bemerkenswerth ist, dass periodisch Beschleunigung mit relativer Verlangsamung der Pulsfrequenz abwechseln. Um diese Er- scheinungen übersichtlicher zu zeigen, führe ich hier einen Versuch an. Ein Frosch wird auf einem Froschbrett aufgespannt und gefenstert. | | Zahl der | Zahl der | B Con- | Tempe- SE sr >. .Gon- 2) Tempe- £ Zeit. tractionen| yatır. Bemerkungen. | Zeit. | }.„ctionen BIN | Bemerkungen. ne az 10645’ | 10, 10,9 |17-8°C. 11202 LET ETC — 55 | Es werden 0-03 u r | il | — — Milligramm deut-| — 45 16,15,16| 17:5°C. 11 01 10,10, 10 ea ar a2,d1,ıt) | 03 110,12, 13 | — 50 | 10,10 | — 10 |14,15, 15 — 55 |14,15, 15] | — 12 | Krämpfe |17-7°C. 258 115, 1514 — 15 | 16, 17,16 12 — 116, 15,15 — 20 | Krämpfe — 05 | 10, 9,9 Starke, aber un- e regelmässige Con- — 22 | 17, 17,17 Starke Contraetio-] — 07 8,8 tractionen. — 24 | 16, 17,17 Ber — 102 7,3,9 7, 17°59C. — 30 16, 16 — ea nee Ehythmische und | — 15 |14,13,12 \Die Contractionen ganz regelmässige 3 werden bedeutend — a Contractionen. — 20 6,9, 8 schwächer. U. S. W. Ich suchte den etwaigen Einfluss der herzhemmenden Apparate auf die Herzkrämpfe und die Periodieität in der Herzthätigkeit zu ermitteln. Um das Herz von allen extracardialen Nerveneinflüssen zu befreien, machte ich Versuche an ausgeschnittenen Herzen, nachdem ich vorher den Frosch mit Aconitin vergiftet hatte, und nach eingetretener Herzeinwirkung des Giftes (Beschleunigung des Pulses) schnitt ich das Herz vorsichtig aus und beobachtete unter bekannten Vorsichtsmaassregeln (Feuchtigkeit, con- stante Temperatur u. s. w.) die Herzcontractionen. Die in dieser Weise. angestellten Versuche zeigten mir dieselben Erscheinungen wie sie sich an nicht ausgeschnittenen Herzen erkennen lassen. Hiernach war jeder centrale Einfluss auszuschliessen. Werden ferner die hemmenden Centren des Her- zens mit Atropin gelähmt, so treten Krämpfe und Periodieität nach Aco- nitinversiftung wie an nicht atropinisirten Thieren ein. Die hemmenden intracardialen Apparate, deren Existenz ja überhaupt nur eine hypothetische ist, wenigstens soweit ihnen selbständige, centrale Eigenschaften zugeschrieben werden, sind demnach bei diesen beiden Erscheinungen der Aconitinver- giftung nicht nothwendig betheiligt. So viel steht jedenfalls fest, dass die 170 B. v. AnREBP: ursächlichen Vorgänge erstens ausschliesslich im Herzen selber stattfinden, und dass hier die Vagusendigungen nicht betheiligt sind. Es bleiben also zur Erklärung dieser Erscheinungen nur die motorischen Centren und der Herzmuskel. Dass die Ursache der Herzkrämpfe nicht in den Muskeln liegt, beweist der Versuch: die Krämpfe verschwinden augenblicklich bei der elektrischen Reizung des Vaguscentrums im verlängerten Mark. Nach solcher Reizung folgt kurzdauernder Herzstillstand, dann langsame rhyth- mische Contractionen; wird mit der Reizung aufgehört, so entstehen eine Zeit später erst stark beschleunigte Contraetionen, dann rhythmische Systolen einzelner Theile des Ventrikels, die sogenannten Herzkrämpfe. Es ist evi- dent, wenn der Herzmuskel die Krämpfe selber verursachte, so könnte auch die Reizung der Vagi keinen Einfluss auf dieselben haben. Es bleibt also nur die zweite Mäglichkeit: die Herzkrämpfe entstehen durch Vorgänge in den motorischen Herzganglien. Sind die Krämpfe vielleicht als eine hochgradige Reizung der motorischen Herzganglien aufzufassen, während welcher die Diastolen nicht völlig zu Stande kommen können, und die Pausen zwischen zwei Krampfausbrüchen als eine gewisse Ermüdung der motorischen Centren anzusehen? Es verlohnt sich, darauf aufmerksam zu machen, dass wir viele von Centralnervensystem abhängigen anfallsweise auftretenden Krampfanfällen gegenüber, bezüglich einer Erklärung, in keiner besseren Lage sind als in unserem Falle. Und hier wie dort wird man sich vorläufig mit Vorstellungen begnügen müssen, dass etwa nach einer srösseren gewaltsamen Entladung entweder der Vorrath an Spannkräften vorläufig erschöpft und erst eine Neuansammlung von Spannkräften all- mählich statt haben muss, bevor die Schwelle einer neuen Entladung über’ schritten werden kann, oder, was wohl wahrscheinlicher ist, dass nebenbei auch noch Schlacken aus den chemischen Vorgängen, welche das Substrat der Erregung darstellten, beseitigt werden müssen, bevor neue Erregungen zu Stande kommen können. Einfluss auf das Rückenmark und die sensiblen und motorischen Nerven. Die Reflexversuche an Fröschen zeigten geringere Abweichungen von der Norm, als man bis jetzt gewöhnlich glaubte. Die Reflexe auf Reizungen durch Säure erlöschen zwar bald, sogar nach kleinen Gaben (zuvor tritt übrigens unbedeutende, kurzdauernde, aber constante Erhöhung derselben ein), auf elektrische Reize dagegen bleiben die Reflexe noch lange Zeit, selbst nach grossen Gaben, erhalten, wenn auch bedeutend geschwächt. Bei elek- trischen Reizungen der sensiblen Nerven der Haut (bei allen Reflexversuchen wurden Frösche mit abgetrenntem Grosshirn benutzt) zeigt sich nach grossen VERSUCHE ÜBER DIE PHYSIOLOGISCHEN WIRKUNGEN DES Aconıtmıns. 171 Gaben beider Aconitinarten eine bald eintretende Herabsetzung der Reflexe bis zum vollständigen Erlöschen, dieses Erlöschen aber tritt erst spät, mehrere Stunden nach dem Herzstillstande ein und muss wohl auf die Unterbrechung der Circulation bezogen werden. Wie bereits angedeutet, zeigt sich nach mittleren und kleinen Gaben zunächst eine kleine Erhöhung der Reflex- thätigkeit, welche bei ersteren nur kurz, bei letzteren längere Zeit (10—25’) dauert, hierauf wird die Reflexerregbarkeit vermindert, wenn auch nicht be- deutend. Die Veränderung des nöthigen Rollenabstandes am du Bois-Rey- mond’schen Schlittenapparate war z.B. von 450—500 "" um 50— 150 "", Ohne sich weiter zu vermindern bleibt sie mehrere Stunden constant. Die Reizung der sensiblen Nervenstämme ergab dasselbe Verhalten wie die Reizung der sensiblen Nervenendigungen. Nach grossen Gaben tritt eine Herabsetzung in der Erregbarkeit ein, welche unverändert eine gewisse Zeit fortdauert, um dann rasch einem vollständigen Erlöschen derselben Platz zu machen. Nach kleinen Gaben tritt eine bedeutende Verminderung der Erregbarkeit erst später ein. Es geht daraus hervor, dass die sensiblen Nerven (ihre Endigungen und das Leitungsvermögen des Rückenmarkes) durch kleine Aconitingaben, welche Athemstillstand und in späteren Stadien der Vergiftung auch Herzstillstand hervorrufen, jedenfalls nicht stark affieiırt werden. Auch sind die Reizerscheinungen des Rückenmarkes bei der Ver- giftung nicht wesentliche. Ausnahmslos treten übrigens flimmernde Muskel- zuckungen auf, nur zuweilen klonische Krämpfe und diese gewöhnlich erst in den späteren. Stadien der Vergiftung nach dem vollständigen Verlust aller Bewegung. Nur in einigen Fällen sah ich ziemlich starke Streck- krämpfe (englisches Aconitin), welche noch seltener tetanische waren. Ge- wöhnlich sind diese Krämpfe nur schwach, am öftesten in den Bauchmuskeln und in den hinteren Extremitäten. Oft kann ein Krampfaushruch durch äussere heize hervorgerufen werden. Die flimmernden Muskelzuckungen fehlen, wie gesagt, nie, in der Regel sind sie stark und anhaltend, auch wiederholen sie sich mehrmals während der Vergiftung. Die Krämpfe kommen selbst dann zu Stande, allerdings viel schwächer, wenn man den Fröschen das Rückenmark vom verlängerten Mark abgetrennt hat; sie sind demnach auch eine Folge der Reizung des Rückenmarks selbst. Gegen Giulini fand ich, dass die fibrillären Zuckungen nicht auf Reizung der intramusculären Nervenendigungen beruhen, da ich sie in den Muskelgruppen, deren motorischer Nervenstamm durchschnitten war, nie beobachten konnte. Sie sind demnach wohl centralen Ursprungs. Die motorischen Nerven werden noch weit weniger angegriffen als die sensiblen. Bei keiner Vergiftung konnte ich eine vom Aconitin abhängende Lähmung derselben wahrnehmen, wie es Achscharumow, Weyland und Lewin beschreiben. Ich stimme mit Böhm und Wartmann und Giu- 172 B. v. AnREP: lini überein und schliesse eine Lähmung dieser Nervenpartien durch diese Aconitinarten aus. In der Beschreibung der allgemeinen Wirkung des Aconitins haben wir gesehen, dass der Frosch sehr bald nach grossen Gaben scheinbar voll- ständig gelähmt wird. Das Athmen hat aufgehört, vollständiger Verlust des Gleichgewichthaltens, keine Spur von Bewegungen; der Frosch liegt in Prostation mit ganz erschlafften Extremitäten und dennoch ist sein Reflex- vermögen nur wenig affieirt (bei kleinen Gaben) und die Nervenendigungen sind fast gar nicht angegriffen. Demnach kann das Aconitin auch nicht das gesammte Rückenmark gelähmt haben. Die Frösche zeigen ganz deutlich eine Art von Betäubung, welche auch schon vor eingetretener Lähmung sich mit periodischer. Remission geltend macht. In Anbetracht dessen, dass die Reflexerregbarkeit des Rückenmarks und die Function der motorischen Nerven erhalten geblieben sind, ist der Verlust der willkürlichen Bewegungen, des Gleichgewichts und der Coordination zweifellos ausschliesslich auf eine Affection des Gross- und Mittelhirns zu beziehen. Die Athmuns. Zu den wesentlichsten Erscheinungen der Aconitinvergiftung gehört der Einfluss auf das Athmen. Alle wirksamen Gaben rufen schon bald nach ihrer Anwendung Erscheinungen der stärksten Dyspnoe hervor. Nach den grossen Gaben folgt fast unmittelbar nach der Vergiftung eine rasch zu- nehmende Verlangsamung des Athmens, die schon nach einigen Minuten zum Stillstande desselben führt. Mittlere Gaben bewirken eine nur kurz dauernde Beschleunigung des Athmens, welches auch oberflächlicher wird, auf diese Beschleunigung folgt eine Verlangsamung mit allen Zeichen von grossen Beschwerden. Die Thätiekeit der Bauchmuskeln, welche sich jetzt stärker als sonst an der Athmung betheiligen, wird bis zu krampfartigen Contractionen gesteigert. Kurz vor dem Erlöschen des Athmens macht der Frosch einige tiefe, krampfhafte Einathmungen mit weit geöffnetem Maul6 und ausgestreckten vorderen Extremitäten. Der Stillstand tritt, je nach der Gabe, nach 20-40 Minuten ein. Die ganz kleinen Gaben beschleunigen in erster Linie sehr stark die Athemfrequenz, dann aber tritt auch hier dauernder Stillstand des Athmens ein, und im Stadium der Erholung Tage lang dauernde starke dyspnoische Erscheinungen, welche so charakteristisch sind, wie man es gewöhnlich nur bei Warmblütern beobachtet. Da alle Beobachtungen übereinstimmend zeigten, dass selbst bei grossen Gaben die Muskeln nicht gelähmt werden und da die Lähmung des Rücken- marks, der sensiblen und motorischen Nerven erst in den spätesten Stadien der Vergiftung (die motorischen Nerven erst nach dem Herzstillstande) ein- VERSUCHE ÜBER DIE PHYSIOLOGISCHEN WIRKUNGEN DES AconItms. 173 treten, so müssen die schon in den früheren Stadien auftretenden Störungen in der Athmung auf eine directe Beeinflussung des Athmungescentrums durch das Aconitin bezogen werden. Es geht ferner aus dem Gesagten hervor, dass die Affinität des Athmungscentrums zu dem Aconitin die aller- grösste ist, noch grösser als die des Herzens. Schon ganz kleme Gaben bewirken stets in sehr kurzer Zeit, ehe noch die Herzthätiekeit wesentliche Störungen zeigt, Athembeschwerden mit nachfolgendem Athemstillstande, auf diese Athmungslähmung folgt auch erst die Prostration des Frosches. Auf die Pupille haben die beiden Aconitinarten keine constante Wirkung, in den meisten Fällen hat eine Pupillenerweiterung statt. Als weitere Wirkung des Aconitins ist zu erwähnen sein stark erregender Einfluss auf die Hautsecretion, welcher im höheren Grade dem englischen Aconitin eigen ist. Die abgesonderte Flüssiekeit reagirte alkalisch. Wenn wir jetzt die Wirkungen dieser beiden Aconitinarten zusammen- fassen, so ersehen wir foleendes. Das Aconitin, das deutsche wie das eng- lische, gehören zu den am stärksten wirkenden Froschgeiften und zwar ist ersteres das giftigere. Alle wirksamen Gaben rufen qualitativ dieselben Er- scheinungen in folgender Reihe und Folge hervor: Allgemeine Erregungs- erscheinungen (nach den grösseren Gaben nur kurz dauernd), Betäubung, Dyspnoe, Verlangssamung und Schwäche der Herzthätiekeit, Athemstillstand, allgemeine Prostration, klonische Krämpfe und fibrilläre Muskelzuckungen, diastolischen Herzstilltand.. Am stärksten wird das Athemcentrum ange- griffen, dann das Grosshirn, das verlängerte Mark, das Herz, das Rücken- mark, die sensiblen Nerven (am wenigsten und am spätesten die motorischen Nerven (vielmehr als Folge der Cireulationsunterbrechung), gar nicht jedoch die Musculatur. Die grossen Gaben lähmen von Anfang an die motorischen Herzeentren, die mittleren erregen sie zuerst und lähmen sie dann; die allerkleinsten Gaben wirken nur erregend. Die allgemeinen Krämpfe hängen von der Reizung des Rückenmarks und hauptsächlich von der Reizung des verlängerten Marks ab, die stets auftretenden fibrillären Muskelzuckungen haben. einen centralen Ursprung. Zu den spätesten Wirkungen des Aco- nitins gehören die Lähmungen der Harnblase, und vielleicht ist eine ver- mehrte Harnproductioa anzunehmen. Als sicher tödtliche Gaben für die Rana esculenta wie für die Rana temporaria sind vom deutschen Aconitin 0:00005 (/,, "z”) und vom englischen 0.0002 (!/, "s"m) zu bestimmen. Wenn nach kleineren Gaben eine Erholung stattfindet, so tritt sie erst am Ende der ersten oder am Anfange der zweiten Woche ein. 174 B. v. AnREP: B. Das krystallinische Aconitin. Das krystallinische Aconitin wurde von Duquesnel im Jahre 1873 in folgender Weise dargestellt. Das pulverisirte Aconitum napellus wird durch eine Mischung von Alkohol mit 0-01 Theil Acidi tartariei extrahitt, das Extraet bei einer Temperatur, welche nicht höher als 60° sein darf, abdestillirt, dann in Wasser gelöst und mit Aether ausgeschüttelt; weiter wird die wässerige Lösung nach Neutralisirung nochmals mit Aether aus- geschüttelt. Die Krystalle sind farblos, rhomboidaler und hexagonaler Form. Duquesnel giebt für sein Aconitin die moleculare Formel, welche von Hermann auf neues Atomgewicht berechnet ist: C,,H,,NO,,. Das krystal- linische Aconitin ist leicht in Alkohol, Aether, Chloroform löslich; in Wasser und Glycerin unlöslich; hat eine alkalische Reaction. Mit Säuren bildet es krystallinische lösliche Salze. Die physiologische Wirkung wurde von Grehant und Duquesnel geprüft. Die Verfasser sahen eine curaraartige Wirkung kleiner Aconitin- gaben. Nach 0-001 8” bei künstlicher Athmung wurden die Nn. ischiadiei beim Kaninchen vollständig gelähmt, während die Muskeln selbst reizbar blieben. Dasselbe beobachtete man auch bei Fröschen nach einer Gabe von /, "zu. So viel ich weiss ist das alles, was über die Wirkung des Du- quesnmel’schen Aconitins bekannt ist. Eigene Versuche an Fröschen. Allgemeine Vergiftungserscheinungen. Die allgemeinen Wir- kungen des krystallinischen Aconitins sind im Wesentlichen denen gleich, welche bei dem deutschen und englischen Aconitin beschrieben sind. Es besitzt eine noch giftigere Wirkung als die beiden anderen Aconitinarten. Schon Gaben von 000002 em sind oft und Gaben von 000003 8m immer tödtlich. Alle Gaben, grosse wie kleine, rufen qualitativ dieselbe Reihe der Vereiftungssymptome hervor, während nur die Intensität und Dauer der einzelnen Symptome, je nach der Gabe verschieden sind. Es tritt. gleich nach der subeutanen Anwendung dauernde und starke Schmerzäusserung, Quaken, Wischbewegungen an der Stelle der Injection, lebhaftes Hüpfen auf, dann wird die Secretion der Haut in hohem Maasse erhöht; nach einer Zeit allgemeiner Erregung, welche nach kleinen Gaben länger dauert, tritt sich mehrmals wiederholende, vorübergehende Betäubung ein. Es entwickelt sich bald Muskelschwäche, dann eine dauernde allgemeine Lähmung. Das Ath- men wird stets erst für eine kurze Zeit beschleunigt, dann stark verlangsamt und schliesslich gänzlich aufgehoben. Krämpfe und flimmernde Muskel- zuckungen fehlen nie und treten wie in den ersten Stadien der Vergiftung, so auch später in der Zeit der Prostration auf. Schon Gaben von 0.012 mem VERSUCHE ÜBER DIE PHYSIOLOGISCHEN WIRKUNGEN DES Aconıtmıms. 175 rufen schwere und lange dauernde Vergiftungen hervor. Nach solchen Gaben sind Hydrops und Verdunkelung der Hautfarbe fast immer die Folgen der Vergiftung; Muskelschwäche und Unfähigkeit, coordinirte Be- wegungen auszuüben, bleiben mehrere Tage lang fortbestehen. Einfluss auf das Herz. Das Herz verhält sich zum krystallinischen Aconitin anders als zu dem deutschen und englischen. Diese beiden Aco- nitinarten üben, wie wir sahen, in gewissen Gaben auf die motorischen Herzcentren stark erregende Wirkung, rufen Beschleunigung der Contrac- tionen, Herzkrämpfe u.s.w. hervor. Das krystallinische Aconitin dagegen bewirkt nichts Aehnliches, es besitzt eine das Herz lähmende Wirkung und verursacht bei kleinen Gaben eine Pulsbeschleunigung oder Herzkrämpfe. Die Puls- zahl vermindert sich, so auch die Stärke der Contractionen, je nach der Gabe, mehr oder weniger, oder sie bleibt nach ganz kleinen Gaben (0-01 em) Stunden lang unbeeinflusst. Die endliche Wirkung des Aconitins auf das Herz documentirt sich als diastolischer Herzstillstand und Lähmung des Herzens (nur sehr selten und nur nach kleinen Gaben konnte ich das still- stehende Herz durch äussere Reize zur Contraction bringen), auch erlöschen die Vorhofscontractionen beinahe zu gleicher Zeit mit denen des Ventrikels (der Unterschied beträgt nur wenige Minuten. Die Nn. vagi scheinen immer nur zuletzt gelähmt zu sein. Einfluss auf das Rückenmark, die sensiblen und motorischen Nerven. Das krystallinische Aconitin beeinflusst das gesammte Nerven- system viel energischer, und unterscheidet sich von dem deutschen und englischen dadurch, dass es nicht nur das Rückenmark und die sensiblen Nerven, sondern auch die motorischen Nerven beeinflusst. Die Reflexereg- barkeit wird bald vermindert; die Reizung durch Säuren bleibt schon kurze Zeit nach der Vergiftung erfolglos; elektrische Reize sind viel längere Zeit im Stande Reflexe zu vermitteln, jedoch auch hier tritt ein vollständiges Aufhören der Reflexe nach grossen wie nach kleinen Gaben des krystalli- nischen Aconitins früher ein, als nach denselben Gabengrössen des deutschen oder englischen Aconitins. Das krystallinische Aconitin hat ausserdem auch in der That, wie es Grehant und Duquesnel hervorgehoben haben, eine curaraähnliche Wirkung. Die motorischen Nerven werden durch grosse Gaben gelähmt, durch mittlere bedeutend im ihrer Reizbarkeit geschwächt. Dass es sich um eine periphere Wirkung handelt, beweisen die Versuche mit einseitiger Unterbindung der Art. iliaca comm. Dennoch ist diese curara- artige Wirkung eine geringe und nur grösseren Gaben eigen. Das Er- löschen der Reflexthätigkeit kann auch nicht auf die Lähmung der moto- rischen Endtheile bezogen werden, da die motorischen Nerven erst später, nachdem die Reflexe aufgehört haben, gelähmt oder bedeutend herabgesetzt werden und da die kleinen Gaben, welche eine allgemeine Lähmung, Ath- 176 B. v. AnREP: mungstillstand u. s. w.:zur Folge haben, die motorischen Nerven unbeeinflusst lassen. Am besten ist die euraraartige Wirkung des krystallinischen Aconitins bei directer Application des Giftes auf die Nervenstämme oder ihre En- digungen zu beobachten. Taucht man einen Nerven (Ischiadieus) in eine 0-05°/, Aconitinlösung ein, so bleibt er Stunden lang reizbar, dagegen ein in dieselbe Lösung eingetauchter Muskel wird schon am Ende der ersten halben Stunde indirect kaum reizbar und nach 45 Minuten gar nicht. Bei directer Reizung des Muskels folgen Zuckungen von scheinbar normaler Stärke. Die Krämpfe und stets eintretende flimmernde Muskelzuckungen sind auch hier Folgen der Reizung des ganzen Rückenmarks und treten so gut bei intacten Fröschen auf wie bei denen, deren Rückenmark auf ver- schiedenen Höhen durchschnitten ist, im letzten Falle waren die Krämpfe allerdings nur schwach. Nach Durchschneidung eines motorischen Nerven entstehen flimmernde Zuckungen in den entsprechenden Muskeln nicht. Auch hier ist zu bemerken, dass die Krämpfe in dem ersten Stadium der Vergiftung von klonischem Charakter und nur schwach sind; dagegen waren sie im späteren Stadium nach aufgetretener Lähmung, beim vollständig prosternirten Frosch am stärksten. Durch die äusseren Reize gelingt es einen Krampfausbruch hervorzurufen und zwar von tetanischer Natur. Der tetanische Zustand dauert nur eine ganz kurze Zeit und hat starke fibrilläre Muskelzuckungen im Gefolge. Da nach dem krystallimischen Aconitin über- haupt die Lähmungserscheinungen sehr bald eintreten, also auch die Lähmung des kückenmarks, so sind auch diese reflectorischen Krämpfe nur während einer ganz kurzen Zeit nachweisbar; auch eelingt es nicht rasch nach einander Krämpfe hervorzurufen; nach jedem Streckkrampf oder Tetanus braucht der Frosch 2—3 Minuten Erholungszeit, um von Neuem mit einem Krampf auf einen neuen Reiz zu antworten. Auch beim deutschen und englischen Aconitin haben wir in einigen Fällen Reflextetanus gesehen, jedoch waren es mehr Ausnahmen als eine constante Erscheinung, beim krystallinischen Aconitin sind alle Krämpfe intensiver, auch entstehen die refleetorischen Krämpfe fast ausnahmslos. Das Athmen wird in derselben Weise beeinflusst, wie durch das- deutsche und englische Aconitin. Die Pupille erweitert sich in den meisten Fällen. Die Hautfarbe veränderte sich fast bei allen Versuchen — sie wird bedeutend dunkler oder schwarz. Die Hautsecretion wird im hohen Grade erhöht, der Frosch „schwitzt“ noch eine Zeit nach der eintretenden allgemeinen Lähmung. Die Harnsecretion ist entschieden vermehrt. Das Körpergewicht zeigt schon bei acuter Vergiftung bedeu- tende Abnahme, in einigen Fällen betrug der Verlust bis auf 4, 5-58", Dieser Verlust fällt theilweise und hauptsächlich auf die erhöhte Haut- secretion, theilweise auf die vermehrte Harnausscheidung. VERSUCHE ÜBER DIE PHYSIOLOGISCHEN WIRKUNGEN DES Aconımıns. 177 Aus allen diesen Versuchen sehen wir, dass diese drei Aconitinarten in ihren physiologischen Wirkungen sehr viel Aehnliches haben. Jedoch bietet das krystallinische Aconitin ausser einer stärkeren Wirkung auch einige qualitative Unterschiede. Das deutsche und das englische Aconitin haben in gewissen Gaben eine auf die motorischen Herzganglien stark er- regende Wirkung, welche sich als Pulsbeschleunigung, Herzkrämpfe er- kennen lässt, das krystallinische Aconitin dagegen hat auf das Herz nur nur eine lJähmende Wirkung. Die beiden ersten Aconitinarten beeinflussen direct die motorischen Nerven nicht, dem krystallinischen Aconitin (grosse Gaben) ist eine lähmende Wirkung auf die Peripherie der motorischen Nerven zuzuschreiben. Diese Verschiedenheiten in der Wirkung des krystal- linischen Aconitins können theilweise durch seine siftigere Eigenschaft, theilweise aber nur dadurch erklärt werden, dass das deutsche und eng- lische Aconitin noch eine Beimischung von anderen uns unbekannten wir- kenden Substanzen haben. Il. Versuche an Warmpblütern. Die allgemeine Wirkunse. C. Schroff sah bei Kaninchen nach Gaben von 0-1— 0:28 Aconitin nur unbedeutende Vergiftungserscheinungen eintreten. Verminderung der Respiration und des Pulses, Salivation, Erweiterung der Pupille. Nach 1!/, Stunden sind alle diese Erscheinungen vorbei. Nach einer Gabe von 0-88 vermehrte sich die Pulsfrequenz, nach 25° treten zuckende Be- wegungen des ganzen Körpers, dann Convulsionen, welche sich mehrmals wiederholen, reichliches Uriniren, allgemeine aber vorübergehende Schwäche. Erst nach 24 Stunden erfolgte der Tod. Die Section ergab, dass Magen und Dünndarm stark injieirt, Hirnhäute und Hirn blutreich, das Blut voll- kommen flüssig und bräunlichroth wurden. Van Praag bezeichnet als wirksame Gaben erst Mengen von 0-5 2” (ungelöst in den Magen eingeführt). Die Respiration wird mehr oder weniger retardirt, der Herzschlag unregel- mässig. Das Muskelsystem wird stark angegriffen, es tritt eine Erschlaffung, Kraftlosiskeit und Trägheit, sogar Lähmung ein. Zuckungen und Krampf- bewegungen werden nur als Schlusssymptome in den tödtlichen Fällen wahrgenommen. Das Hirn wird durch Aconitin deutlich affieirt: Schwinden des Bewusstseins und Indolenz sind sehr leicht zu erkennen. Die Pupille wird erweitert; Harnausscheidung bleibt unbeeinflusst, Speichelsecretion wurde in einigen Fällen bedeutend vermehrt. Als Hauptsymptom zeigte sich schnell eintretende Adynamie mit bald folgender Lähmung und Verlust der Reactions- Archiv f. A.u. Ph. 1880. Suppl.-Band z. Physiol. Abthle. 12 178 B. v. Anker: fähigkeit — vollkommene Anästhesie. Das Herz behielt seine „Reactions- fähigkeit‘ ebensolange als dies nach Ausscheiden des Herzens wahrgenommen zu werden pflegt. Achscharumow sah Kaninchen schon nach Gaben von 0-05 8" sterben. Als Vergiftungserscheinungen beschreibt er folgende: verlangsamte, dann unregelmässige, dyspnoische Respiration, Salivation, Er- weiterung der Pupille, Herabsetzung der Temperatur, paralytische Erschei- nungen. Trotz künstlicher Respiration tritt doch der Tod ein als Folge der Herzlähmung. Das Gift wirkt 10mal so stark subcutan angewendet als vom Magen aus, bei letzterer Application trat häufig Erbrechen auf. Böhm und Wartmann bezeichnen als tödtliche Gabe schon 0-01 em, Der Tod folgt gewöhnlich nach dieser Gabe nach 1 oder nach 1'/, Stunden. Es treten intensive Kaubewegungen, Speichelsecretion ein, das Athmen wird langsamer, zugleich aber intensiver, von krampfartigem Charakter; fibrilläre Zuckungen und vorübergehende klonische Krämpfe; Erweiterung der Pupille, Lähmung der Extremitäten; jedoch auf äussere Reize prompte Reflexe. Der Tod tritt ohne heftige Convulsionen ein. Zuweilen während des Versuchs grosse Mengen von Urin- und Kothentleerung. Giulini beschreibt im Allgeineinen dieselben Erscheinungen. Nach seinen Versuchen waren schon Gaben von 0-0045 8m tödtlich wirkende und eine Gabe von 0-01 8m tödt- lich im Laufe von 5—10 Minuten. Der rasche Tod kann nur Folge einer Herzlähmung sein, deren Folge auch die Dyspnoe ist, welche durch künst- liche Athmung nicht aufgehoben werden konnte. Die künstliche Respiration bleibt auf das Leben vergifteter Thiere ohne Einfluss. Lewin dagegen fand, dass das Aconitin zu denjenigen Giften gehört, deren tödtliche Wirkung sich durch eine lange Zeit dauernde künstliche Athmung hinausschie- ben lässt. Eigene Versuche. Eine grosse Zahl von Versuchen zeigte mir, dass, was die allgemeinen Vergiftungserschemungen betrifft, alle drei Aconitinarten ganz gleich wirken und dass ferner die Vereiftungssymptome nach kleinen und nach grossen Gaben keine qualitative Verschiedenheit darbieten. Wie für Frösche, so auch für Warmblüter fand ich die tödtliche Gabe dieser Gifte viel kleiner, wie die bisherigen Beobachter. Das krystallinische Aconitin übertrifft auch bei Warmblütern in seiner Giftiekeit die beiden anderen Aconitinarten. Für Kaninchen ist ein Viertelmilligramm, für mittelgrosse Hunde ein halbes Milligramm sicher in einer kurzen (20—-40°) tödtlich. Diesen Gaben des krystallinischen Aconitins entsprechen für die Kanichen 0-5 "sm des deut- schen, 0-75-—-10 sm des englischen Aconitins. Ich habe aber auch Fälle gesehen, wo noch kleinere Menge dieses Giftes schon letal wirken. Es ist zu bemerken, dass, wenn eine Aconitingabe zum Tode führt, dieser sehr VERSUCHE ÜBER DIE PHYSIOLOGISCHEN WIRKUNGEN DES ACconITmıIns. 179 rasch eintritt, gewöhnlich im Laufe von 15--20 Minuten und am spätesten am Ende der ersten Stunde. Was die allgemeinen Vergiftungserscheinungen betrifft, so sind sie bei allen wirksamen Gaben folgende Ummittelbar nach der subcutanen Einspritzung des Aconitins bleibt das Thier einige Minuten ganz ruhig, dann folgen gewöhnlich Schmerzäusserungen (vorzüglich nach dem krystallinischen Aconitin), Unruhe, das Kaninchen fängt an zu laufen und zu springen, von Zeit zu Zeit scheint das Thier wie betäubt zu sein, senkt den Kopf zu Boden, schliesst oft die Augen, dann wie plötzlich er- wacht zeigt es wieder grosse Unruhe. Die Ohrgefässe werden vorübergehend eng, bald wird das Athmen beschleunigt und immer oberflächlicher, dann wird es selten, tief, dyspnoisch, zu gleicher Zeit, oder etwas früher, werden die Ohrgefässe weit, die Ohren heiss. Die Dyspnoe wird immer heftiger, - es treten intensive Kaubewegungen, sehr oft Speichelfluss und auch Harn- entleerung ein; es entwickelt sich eine bedeutende Muskelschwäche. Die Dyspnoe wird immer stärker und hat etwas Eigenthümliches an sich. Die Inspiration hat einen seufzenden Charakter, die Exspiration gleicht einem Hustenausbruch. Das Thier liegt auf dem Boden, von Zeit zu Zeit zuckt und zittert es, es entstehen auch bald schwache bald starke klonische und tonische Krämpfe. In diesem Stadium ist die Sensibilität sehr stark ver- mindert, fast verschwunden, die Pupille erweitert sich, auch tritt schon bald die Athmungslähmung ein; es folgen allgemeine Erstickungskrämpfe, Opisthotonus, und je nach der Gabe ist das Thier nach 12—50 Minuten todt. Die Erstickungskrämpfe sind nur bei kleinen Gaben deutlich aus- gesprochen und stark, bei grösseren sind sie nur sehr schwach und können auch ganz und gar fehlen, indem das Thier unter vollständiger Lähmung stirbt. Bei nicht tödtlichen Gaben treten die Lähmungserscheinungen nicht ein, die Dyspnoe aber ist noch immer sehr intensiv. Nach einer halben Stunde verschwinden die Vergiftungserscheinungen und nach 2—4 Stunden ist das Thier wieder so munter wie zuvor. Bei Hunden treten nicht selten Erbrechen auch nach subcutaner Anwendung, bei Kaninchen Bewegungen ein, welche den Brechbewegungen sehr ähnlich sind. Die Sectionen, welche gleich nach dem Tode gemacht wurden, zeigten dass das Herz meistens nicht in einer vollständigen Lähmung ist. Die Vorhöfe pulsiren gewöhnlich noch kräftig und nicht in einer besonders ver- minderten Frequenz fort, die Ventrikel sind blutarm, der linke Ventrikel fast blutleer, gewöhnlich im diastolischen Stillstande, zuweilen aber fand ich die Ventrikel sich noch contrahirend, in einigen Fällen sogar (nach kleinen Gaben) waren die Ventrikelcontractionen einige Secunden lang von bedeu- tender Kraft. Nach dem Herzstillstande sieht man an Vorhöfen und an Ventrikeln lange dauernde (12—20') fibrilläre Zuckungen. Elektrische Reize direct auf das Herz applieirt riefen nur in ausnahmsweise seltenen Fällen 10 180 B. v. AnREP: Contractionen hervor. Die Lungen sind normal oder unbedeutend hyperä- misch. Die Schleimhaut des Magens und der Därme zeigt keine Verände- rungen. Alle Bauchgefässe (Darmgefässe bis zu den feinsten) ausserordent- lich stark mit Blut gefüllt. Die Leber, die Milz und die Nieren sind blut- reich. Das Blut ist venös, an der Luft nimmt es wieder die arterielle Farbe an. Die Harnblase ist in durchaus verschiedenem Maasse gefüllt. Die Muskeln, die N. ischiadiei und phreniei fand ich stets reizbar (auch nach Vergiftungen durch krystallinisches Aconitin). Ich bin jetzt nicht in der Lage ausführlich von den Wirkungen der Aconitinarten auf die einzelnen Organe der Warmblüter Rechenschaft zu geben. Durch äussere Verhältnisse bin ich gezwungen die weiteren Ver- suche an Warmblütern abzubrechen. Jetzt theile ich vorläufig, ohne in eine Discussion der früheren Literaturangaben einzugehen, das Wenige mit, was mir gelungen ist festzustellen. Die Wirkung dieser drei Aconitinarten auf das Herz der Warmblüter ist hauptsächlich eine lähmende. Bei gewissen Gaben lässt sich eine reizende Wirkung auf die Herzvagusperipherie constatiren. Die Nn. vagi werden stets erst spät durch das Aconitin gelähmt. Das Aconitin greift das vasomotorische Centrum an, mdem es erst eine reizende, dann eine ausgesprochene schwächende (keine vollständige Lähmung) Wirkung auf dasselbe hat. Auf das sogenannte Krampfeentrum scheint nach meinen Versuchen das Aconitin eine direct reizende Wirkung zu haben, welche aber jeden- falls wesentlich unterstützt wird durch das schnelle Sinken des Blutdruckes. Ebenso muss der erste Eintritt der Dyspnoe auf dieses schnelle Sinken des Blutdruckes bezogen werden, da durch künstliche Steigerung des Druckes bis zur normalen Höhe (Bauchaortacompression) die Dyspnoe vorläufig be- seitigt werden kann, weil aber später die küntliche Blutdruck-Erhöhung sie nicht mehr beseitigt und eine Aenderung der Gasverhältnisse des ‚Blutes weder bewiesen noch wahrscheinlich ist, so muss für dieses Stadium eine direete reizende Wirkung auf das Athmungscentrum zugestanden werden, was auch mit den Versuchen an Fröschen in Ucbereinstimmung ist. Die künstliche Respiration hat entschieden einen günstigen Einfluss bei Vereiftungen mit kleinen Gaben, indem im Falle der künstlichen Re- spiration der Eintritt des Todes verschoben werden kann. Die Muskelschwäche und die Lähmungserscheinungen lassen sich mit Wahrscheinlichkeit auf die Anämie des Hirns und Rückenmarkes zurück- führen. | Die Pupillenerweiterung bei innerlicher Anwendung ist zum grössten VERSUCHE ÜBER DIE PHYSIOLOGISCHEN WIRKUNGEN DES Aconttins. 181 Theil wahrscheinlich eine dyspnoische. Das krystallinische Aconitin ruft bei örtlicher Anwendung intensive Reizerscheinungen an der Conjunctiva, Thränenfluss und Pupillenverengung hervor. Möglicherweise ist die Pupillen- verensung durch die heftige sensible Reizung bedingt. Der nächste Grund des Todes ist in den meisten Fällen die Herz- lähmung, es giebt aber Fälle, wo der Herzlähmung die Athmungslähmung vorausgeht und dies ist der Fall bei den kleineren Gaben. Die therapeutische Anwendung des Aconitins ist schon heutzutage nur sehr gering, alle bisherigen Untersuchungen geben auch keine Indication zu seiner Anwendung. Nach den bis jetzt gemachten Beobachtungen schien das Aconitin nicht in so hohem Grade giftig zu sein, wie ich es gefunden habe; diese abweichenden Angaben beruhen zweifelsohne auf Verschieden- - heit der Präparate. Im Besonderen ist man nicht im Stande, eine sichere Dosirung aufzustellen, denn man überzeugt sich, dass dieselben Aconitin- arten, sogar aus denselben Fabriken bezogen, an Giftigkeit sehr veränder- lieh sind, daher ist auch die therapeutische Verwerthung des Aconitins höchst bedenklich. Wenn bis jetzt nur wenig medicinale Vergiftungsfälle mit Aconitin bekannt sind, so kommt es offenbar nur daher, dass das Aco- nitin am meisten äusserlich gebraucht, oder durch den Magen einverleibt wird. Durch die Haut wird das Aconitin nicht resorbirt, vom Magen aus wirkt es zehnmal schwächer als bei subeutaner Anwendung (Achscharu- mow), und doch berichtet Pereira, dass !/,, Gran Aconitin, innerlich ge- reicht, einmal das Leben einer alten Dame in Gefahr brachte. Ich schliesse, indem ich nochmal wiederhole, dass bis jetzt kaum eine giftigere Substanz als das Aconitin bekannt ist. Ich spreche hier Hrn. Professor Rosenthal meinen besten Dank aus für die freundliche Ueberlassung aller Mittel seines Loboratoriums während der ganzen Zeit meiner Studien in Erlangen. 182 B.v. ANREP: VERSUCHE ÜBER D. RHYSIOLOG. WIRKUNGEN D. ACONITINS. Die eitirten Autoren. C. Schroff, Einiges über Aconitin in pharmakognostischer, toxikologischer und phar- makologischer Hinsicht. Prager Vierteljahrsehr. XI. Bd. II. L. van Praag, Aconitin. Toxikologisch-pharmakodynamische Studien. Virchow’s Archiv u.s.w. 1854. Bd. VII. S. 438. D. Achscharumow, Untersuchungen über die toxikologischen Eigenschaften des Aco- nitins. Dies Archiv. 1865. 8. 255. Weyland, Vergleichende Untersuchungen über Veratrin, Sabadillin, Delphinin, Emetin, Aconitin, Sanguinarin und Chlorkalium. Eckhard’s Beiträge zur Anatomie und Physiologie. Bd. V. 8. 29. R. Böhm, Studien über Herzgifte. Würzburg 1871. 8. 18. R. Böhm und Wartmann, Untersuchungen über die physiologischen Wirkungen des deutschen Aconitins. Verhandlungen der physiolog.-mediein. Gesellsch. in Würz- burg. 1872. N. F. Bd. III. S. 62. Lewin, Experimentelle Untersuchungen über die Wirkung des Aconitins auf das Herz. Dissertation. Berlin 1875. P. Giulini, Experimentelle Untersuchungen über die Wirkung des Aconitins u. s. W. Dissertation. Erlangen 1876. Duquesnel, De lY’aconitine crystallisee. Comptes rendus ete. 1872. p. 207. Grehant et Duquesnel, Sur V’action physiologique de l’aconitine erystallisee. Comptes rendus ete 1873. p. 209. | Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft zu Berlin. Jahrgang 1880—81. II. Sitzung am 29. October 1880.' 1. Hr. CHrıstıanı machte eine ausführliche Mittheilung über: „Grund- züge einer reinen Mechanik reizbarer organischer Systeme, em Gebiet, welches er als Excurs bei der literarischen Abfassung seiner ‚„experimen- tellen Untersuchungen über das Athmungscentrum und die centripetalen Athem- nerven‘ besonders bearbeitete. Hier soll nur ein Ueberblick über den Inhalt des Vortrages gegeben werden. Der Vortragende entwickelte zunächst die Gesichtspunkte, unter welchen der Begriff eines conservativen mechanischen Systemes auf ein reizbares or- ganisches System übertragen werden könne, und ging darauf zur Frage über, was man unter Ruhe und Thätigkeit eines organischen Systemes verstehen müsse. Als „Normalzustand“ eines organischen Systemes, wo nur „die integrirenden Reize des Systemes“ wirken, wurde die Ruhe des Systemes „im dyna- mischen Gleichgewichte seiner Energie“ hingestellt. Von dem Grade der Labilität dieses Gleichgewichtes denkt sich der Vortragende die Erregbarkeit abhängig. Das System wird thätig, wenn es erregt wird. Erregung ist Aen- derung der Energie mit der Zeit und der relative Werth der Erregung, das Ver- hältniss der Abnahme oder Zunahme der Energie zum vorhandenen Vorrath, ist das natürliche, theoretisch-mechanische Maass für dieselbe. Das Maass der Er- regung für einen endlichen Zeitraum findet sich danach als gegeben durch den Logarithmus des Verhältnisses aus End- und Anfangswerth der Energie. Berück- sichtigt man auch die zweite Aenderung der Energie nach der Zeit, die Ermüdung und Erholung bei der Thätigkeit, so hat man, wie der Sprachgebrauch lehrt, dem bisherigen praktischen Bedürfniss in der Theorie Genüge gethan: eine Diffe- rentialgleichung zweiter Ordnung stellt somit die Bewegung der Energie der Zeit nach vorläufig hinreichend genau dar. Eine Function der Zeit, die diese Differential- gleichung homogen macht, und deren Zeitintegral das Maass der Erregung ist, hat der Vortragende „die psychomechanische Function“ genannt. Sie gestattet das Maass der Erregung durch ihre eigenen Grenzwerthe und durch die Ermüdung zu geben. Sie enthält auch, so kann man sagen, die Ursache der Bewegung der Energie des Systemes, muss also eine Function des äusseren ! Ausgegeben am 19. November 1880. 184 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Reizes sein, welcher auf das System erregend wirkt. Die analytische Verfolgung dieser Betrachtung führt zu zwei allgemeingültigen Gleichungspaaren. Das eine derselben ist das Maass der Erregung eines psychomotorischen Cen- trums oder eines Systemes, welches Energie centrifugal aussendet, das andere giebt das Maass der Erregung eines psychosensoriellen oder psychosensiblen Centrums oder eines Systemes, welchem Energie centripetal zuströmt. Als eine ganz specielle Form des letzteren Paares und der zugehörigen Differentialgleichung stellen sich zunächst die be- kannten psychophysischen Gesetze heraus. Ferner führt die denkbar ein- fachste und dabei doch sehr allgemeingehaltene Beziehung zwischen äusserem Reiz (NR) und Energie des Systemes (2): (NR -+ c2)+® BE — const unter Anderem zur aprioristischen Erkenntniss, dass 1) der Inductions-Oefinungsschlag stärker erregend wirke, als der Schlies- sungsschlag, 2) dass ein constanter Strom ein unbestimmtes Maass der Erregung lieferte, so lange die Kette geschlossen ist, dass dagegen beim Oeffnen und Schliessen der Kette ein von der Geschwindigkeit des Schliessens und Oeffnens abhängiges bestimmtes Maass der Erregung vorhanden sei. Die Theorie steht somit im befriedigenden Einklange mit den bekannten Thatsachen. { Eine gewisse Beschränkung erfahren die vorerwähnten Gleichungen und Be- trachtungen namentlich für die centrifugalen Innervationsvorgänge insofern, als gerade bei letzteren Krregungen veranlasst werden, welche zu den sogenannten Auslösungsvorgängen zu rechnen sind. Hier treten Modificationen der Differential- gleichungen auf, welche gestatten den Innervationsstrom bezüglich seiner Ent- ladungsform mit den Entladungen einer Leydener Flasche zu vergleichen. Auch die sogen. automatisch-rhythmischen Centren bedürfen einer besonderen Betrachtungsweise. 2. Hr. WeRNIcKE bespricht: „Die besonderen Verhältnisse der. Projection, die nach Munk’s Thierversuchen zu schliessen für die Sehsphären des Menschen gelten müssten.“ Wie die klinischen Erfahrungen der Hemiopie beweisen, zerfällt das Ge- sichtsfeld jedes Auges in eine grössere äussere und eine kleinere innere Hälfte, die getrennt sind durch eine durch den Fixationspunkt gehende Senkrechte. Je die links oder rechtsgelegenen Hälften der beiden Gesichtsfelder sind einer He- misphäre zugeordnet. Es folgt daraus, da der Fixationspunkt dem Centrum der Macula lutea entspricht, dass auch jede Retina aus zwei durch einen verticalen Meridian, der das Centrum der Macula lutea trifft, getrennten ungleich grossen Hälften besteht, einer grösseren medialen und einer kleineren lateralen. Je die linken Hälften müssen auf dem linken Ocecipitallappen, je die rechten auf dem rechten Oceipitallappen projieirt sein. In Berücksichtigung der mattenartigen Durchflechtung der sich kreuzenden Fascikel der Tractus optiei entsteht dann die in dem beigegebenen Schema ersichtliche Modification der von Munk für den Hund gefundenen Projection. Während beim Hunde der Theil der Retina, welcher zum Fixiren benützt wird, die Macula lutea nur an der gekreuzten Hirnrinde vertreten ist, ist beim Menschen diese Stelle mit beiden Hinterhaupts- PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — ÜHRISTIANI. — WERNICKE. 185 lappen verknüpft; ihr Centrum muss einem imaginären Mittelpunkt derjenigen Gehirnpartie entsprechen, welche der Stelle des deutlichsten Sehens zugeordnet ist, es giebt also einen Fixationspunkt nicht nur auf der Netzhaut, sondern auch auf der Sehsphäre der Rinde; in Folge dessen wird jedes nicht zu kleine Bild, das an dieser Stelle der Netzhaut entworfen wird, beim binoculären Sehen in zwei Hälften gesehen, und zwar seine linke Hälfte von der linken, seine rechte Hälfte von der rechten Hemisphäre. Es sei auf jedem Auge e das zu präsumirende Centrum der Macula lutea, a5 und a, 5, das Bild eines fixirten Objectes, so wird seine linke Hälfte von dem linken Auge wc nach &y, von dem rechten Auge a, c nach «@, y projieirt; seime rechte Hälfte gelangt vom linken Auge cd nach y/, von dem rechten Auge cd, nach y ß,. Dass das Object doch einfach gesehen wird, muss man regelmässig angeordneten Asso- ciationssystemen, ohne Zweifel den in den Oceipitallappen ausstrahlenden Fasern des Balkens, zuschreiben. Man achte auf die eigenthümliche Projeetion aller excentrisch gesehenen Objecte. Jeder Punkt des Bildes gelangt hier zweimal in dieselbe Hemi- sphäre, zu beiden Seiten des Fixationspunktes der Sehsphäre und vermuthlich in ungefähr gleichem Abstande von diesem. Es entstehe z. B. auf den beiden linken Retinahälften das Bild eines Punktes an der Stelle « und x,, so gelangen diese an die Stellen x und x, der linken Sehsphäre, wie wir vorläufig an- nehmen können so, dass die Entfernung «7 =7®, ist. Be- wegt sich das Bild nach dem Fixationspunkte e der Retina, so nähert es sich von beiden Seiten dem Fixationspunkte der Rinde y, bewegt es sich in um- sekehrter Richtung nach der Netzhautperipherie, so entfernt es sich auch auf der Rinde von weg nach peripherischer ge- legenen Partien der Sehsphäre. Die Lage identischer Punkte der Netzhaut wird also auf der Rinde durch ihre Entfernung von dem imaginären Fixationspunkte 7 bestimmt. Dass sie einfach gesehen werden, muss auf einer angeborenen oder erworbenen Association der einander correspondirenden Rinden- stellen beruhen. Wird, etwa durch Augenmuskellähmungen, die Lage des Bild- punktes auf der Retina einseitig verändert, d. h. werden nicht identische Punkte der Retina getroffen, so wird das Bild auch in der Sehsphäre der Rinde nicht an correspondirende Punkte gelangen und doppelt gesehen werden müssen. Nach diesen Erörterungen hat noch die Frage des monoculären Sehens ihr eigenes Interesse. Es werde das Netzhautbild a5 nur auf dem linken Auge 186 VERHANDLUNGEN D. BERLINER PHYSIOL. GESELLSCHAFT. — WERNICKE. | entworfen, das andere ausgeschlossen. So gelangt von ac das Bild &y in die linke Hemisphäre, von cd das Bild y/ in die rechte. Der Gegenstand wird einfach und vollständig gesehen. Aber die Verschiedenheit des Bildes ad auf der linken Netzhaut von dem Bilde a, 5, auf der rechten Netzhaut, auf welcher das stereoskopische Sehen beruht, kommt auch auf der Hirnrinde nicht zum Aus- druck, da jede Hirnrinde nur ein Bild, nicht wie gewöhnlich zwei besitzt. Wir begreifen nun, welchen Zweck es hat, dass von jedem excentrischen Punkte zwei Bilder in je eine Hemisphäre gelangen: es müssen die geringen Verschieden- heiten der Distanz &y von der ya, und #y von der y/, sein, welche das stereoskopische Sehen ermöglichen. Zum stereoskopischen Sehen sind bekannt- lich beide Augen erforderlich. 1a DABEI AR ee ES a ON Rn OHNE. 2) Ras Fast iM N = SG j, LS } A | hr \ | ü AN \ UT. Malz AU Kr 2 A SH Acme ‚Beokbinding Co., Inc. 300 Summer Sireet Boston, Mass 22” 10 INMILHUNMDUNUUN 2044 093 332 7 A Are ae 0217 £) 2 E H 2 Be NR, KERN N \ WR * wire BAER ET RR Nenner) RRRIEUNNEE INH EN RO IE PAIN A RANG x sn Ki St h U ETAG, MaRuac ee) 11 NE HER ELSE EI KUREN Ze IR RITD KNIE DE , \ ih SEROR SARA IRONIER SARA or Kihnnen ey i, Dim N Yu, Hk EN ENBEACR \®, ARENUN ya N 1 u were et 1% Y Uhr tn NN