sera er hr RT: 2 ER ar EU T BL RER $ nr, i ET DIR I RUE y er EHE s P) ö ar Ar era a ee Nur d Ah » 4 „ a 7 Zu SEE ”% r Pi RN n 0 2 Ah EEE UEFA Kerr De Le SI HR er? yon 1a ri en N Ar ZRR Ay, Krater Ey Bhe # f seh K% BAT RRRUA RR 2A MÄlih ( Vibrarn of the Museum OF COMPARATIVE ZOÖLOGY, AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS, FHounded bp private subscription, in 1861. UNINIIINIUNR Deposited by ALEX. AGASSIZ. No. 738°. v Mr NE / ER Ya De hg EI N A a mal, RAR E FM: Eh Wabet ER ee Da BED RIREN degn AI HNW nd HOLEN Re BURTEITER. a 473 #200 ER R "2 KR SR REDNER TE BT ARE HER ; N i 2 & u aaa FR es hi nr BR IE 2 anTan BLENDE BE 1 > = i | 4 3 / aaa Nnd6ss- rt b ESWz ALERT DaB x ARCHIV FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. FORTSETZUNG DES von REIL, REIL v. AUTENRIETH, J. F. MECKEL, JOH. MÜLLER, REICHERT vw. DU BOIS-REYMOND HERAUSGEGEBENEN ARCHIVES. HERAUSGEGEBEN VON Dr. WILH. HIS uno Dx:. WILH. SEINE PROFESSOREN DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITAT LEIPZIG, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1885. PHYSIOLOGISCHE ABTHEILUNG. LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & CONP. 1885. ARCHIV FÜR BEI YSIOLOGIE. PHYSIOLOGISCHE ABTHEILUNG DES ARCHIVES FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. UNTER MITWIRKUNG MEHRERER GELEHRTEN HERAUSGEGEBEN VON D=. EMIL DU BOIS-REYMOND, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1885. “MIT ABBILDUNGEN IM TEXT UND 4A TAFELN. LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COME. 41885, Inhalt. N. Zeeuinsk1, Experimentelle Untersuchungen über die Irisbewegung. (Hierzu Taf.1.) Max RUBNER, Versuche über den Einfluss der Temperatur auf die Respiration des ruhenden Muskels . : J. v. Krıes, Untersuchungen zur shcon ds Auerzesteefften Meupels J. v. Krıes und BRAUNEcK, Ueber einen Fundamentalsatz aus der Theorie der Gesichtsempfindungen . = J. v. Krızs, Notiz über das ano ; ; E. pu Boıs-ReymonD, Lebende Zitterrochen in Bess ; C. Binz, Das Verhalten der Lymphkörperchen zum Chinin R. NıkoraA1pes, Ueber die mikroskopischen Erscheinungen bei der Contrackion abs quergestreiften Muskels : ERNST von FLEiscHL, Zur Beurtheilung der ogonehnten Doaesalen Eenaahrn Stricker’s k : : : K. Härıst£v, Zur Kenntniss ds eneiblen Ne erven and dar ee ea Rückenmarkes C. Horzmann, Ueber das an, der ln kgerinnung 4 G. SANDMANN, Ueber die Vertheilung der motorischen Nemmonendapparata i in an quergestreiften Muskeln der Wirbelthiere. (Hierzu Taf. II.) Benno Bacınsky, Zur Physiologie der Bogengänge . Hans Aronson, Ueber Apnoe bei Kaltblütern und as ebezenen Sanrethieen, Orro MoszeEıck, Ueber den Einfluss der Temperatur auf die Absorptionsfähigkeit derfhierkohle ,.. ... de Mrs O. LANGENDORFF, Ueber ekdriache ne des Herzens . : MAURICE MENDELSSOHN, Ueber die Irritabilität des Rückenmarkes , A. L. Rawa, Ueber das Zusammenwachsen der Nerven verschiedener Bean mungen und verschiedener Functionen. (Hierzu Taf. III.) F. Mieschrr-Rüsch, Bemerkungen zur Lehre von den Athembewegungen . MaAurıcE MENDELSSOHN, Ueber den axialen Nervenstrom I. Rosentuar, Apparat zur künstlichen Athmung Warren P. LomsarpD, Die räumliche und zeitliche Aufeinandenfolze naildetanisch N contrahmten Muskeln ..... . wenn a la 146 150 157 167 210 240 253 267 275 284 288 296 355 381 400 408 vI INHALT. Seite ERNnsT von Freiıschr, Studien über den Elektrotonus. Erster Theil . . . . „ 490 MAx von Frey und MAx GRUBER, Untersuchungen über den Stoffwechsel isolirter Organen (Hierzusfat. IV), 2. A : EH Max von Frey, Versuche über den Stoffwechsel des Muskels a ee a 45 Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft zu Berlin 1884-85. Arraur König, Ueber Farbensehen und Farbenblindheit . . . . 2 ER Hans VırcHhow, Ueber den Bau der Zonula und des Petit’schen Kanals 00,464 KosseL, Ueber eine neue Base aus dem Thierkörper . . . » 2.2.2.2... 465 En. Aronsonn, Ein Wärmecentrum im Grosshin . . . . 466 von Monakow, Einiges über die Ursprungscentren des N. opbiens and Aber die Verbindungen derselben mit der Sehsphäre . . . 2 UHTHorr a) Ueber das Verhältniss der Sehschärfe zur Boleuchtunesinonntan 331 b) Demonstration einer neuen Vorrichtung zur Bestimmung des Winkels a bez. y zwischen Gesichtslinien und der senkrecht durch den Anlermuhane, gehenden Linie . . . . 334 BuscH, Demonstration von zwei noehenntee en an denen ee wen thumsexperimente ausgeführt sind . . . . N GOLDSCHEIDER, Ueber Wärme-, Kälte-, und Druckpünte EN A EN AREA Ewa», Ueber das Vorkommen der Milchsäure im Mageninhalt EI E46 A. KosseL, Ueber das Nuclein im Dotter’des Hühnereies . . . . . .... 346 Raupnirz, Ueber das thermische Centrum der Grosshirmindee . . . . . . 346 BrAscHko, Zur Lehre von den Druckempfindungen . . . DE Re EEG HÖöLTZEE, Experimentelle Untersuchungen über intraocularen hun „ SAMESIREE 350 Hans VIRcHow, Ueber Glaskörpergefässe von Cyprinoiden . . . 2 2.......853 Hans VırcHow, Ueber Glaskörperzelln . . . . .,. . #205 HöLTzee, Experimentelle Untersuchungen über den Inbraoenlaren De EIER I5BE WALDEYER, Ueber die Ergebnisse einer ausgeführten Untersuchung desHrn. FıscHELıs betreffend die Entwickelung der Schilddrüse. ®. . Nr Nr 56 EULENBURG, Ueber das Wärmecentrum im Grosshirn . . . AN EEUEH ER G. Sauomon, Ueber einen neuen Bestandtheil des menschlichen rare EA FAFTO Hans VırcHow, Ueber den ciliaren Muskel des Frosches . . . . . Ben Sfr Hans VırcHnow, Ueber die verschiedenen Formen des Ligamentum pekieaten! iridis 571 Caristıanı, Ueber Wärmecentren im Gehirne . . . RE“ Bıoxp1, Ueber die Ergebnisse seiner Untersuchungen beheona die Soon 572 Brascuko, Ueber Intercellularbrücken zwischen Cutis und Epidermis . . . . 55 Experimentelle Untersuchungen über die Irisbewegung. Von Dr. med. N. Zeglinski. (Aus dem Laboratorium von Prof. Joh. Dogiel zu Kasan.) (Hierzu Taf. I.) Die Existenz des bei Säugethieren aus glatten Fasern bestehenden M. sphincter pupillae haben Krohn,! Lauth, Schwann und Valentin? sicher gestellt. Dass dieser Muskel bei Vögeln quergestreift ist, wies Treviranus? nach. Physiologische Untersuchungen fangen mit Herbert Mayo‘ an. Sie constatiren (Budge,° Picard),® dass der M. sphincter pupillae vom N. oculomotorius aus innervirt wird: die Reizung des letzteren hat eine Ver- enserung der Pupille zur Folge. Adamük,” Hensen und Völkers® zeisten, dass die pupillenverengernden Oculomotoriusfasern ihr Centrum im vorderen Ende des Oculomotoriuskernes haben. 1 Dies Archiv. 1837. 8. 357. ? Repertorium. 1837. 8. 248. 3 Vermischte Schriften. 1820. Bd. III. 8. 167. * Anatomical and physiol. Commentaries. London 1823. — Journ. de physiol. exwper. II. p. 349. > Ueber die Bewegung der Iris. 1855. 6 Compt. Rend. Mai 1878. ” Centralblatt für die medieinischen Wissenschaften. 1870. Nr. 12. S. 177—180. ° Experimentaluntersuchungen über die Mechanik der Accommodation. Kiel 1868. — Archiv für Ophthalmologie. Bd. XXIV. 1. — Pflüger’s Archiw. Bd. XXXI. 8.309. Archiv f. A. u. Ph. 1885. Physiol. Abthlg. 1 2 N. ZEGLINSKI: In Bezug auf die Ursache der Erweiterung der Pupille gehen dagegen die Meinungen auseinander. Einige (Budge,! Brücke,? Kölliker,? J. Dogiel*) behaupten, dass der M. dilatator pupillae in einzelnen Bün- deln vom Ciliarrand der Iris zum Pupillarrand derselben verläuft, wo diese Bündel arcadenförmig in einander übergehen. Andere (Henle,?’ Merkel,® Hüttenbrenner,’ Faber,® Jerofejew°) lassen den M. dilatator pupillae membranartig zwischen dem Stroma und der Pigmentschicht der Iris, vom Ciliarrand zum Pupillarrand verlaufen. Nach Grünhagen,!? Hampeln,!! theilweise auch Michel!?”und Alt’? soll dieser Pupillenerweiterer nichts weiter als eine elastische Membran sein. Eine vermittelnde Stellung nimmt Luschka' ein. Der Dilatator besteht seiner Meinung nach aus einzelnen Bündeln, welche trotzdem zusammen eine eigene Muskelhaut ausmachen. Nach der Endeckung der Vasomotoren im Halssympathicus durch Cl. Bernard,!? wollten einige Autoren (Grünhagen,!° Salkowski,!” Surminski!® u. s. w.) den Einfluss des Sympathicus auf die Irisbewegung durch seine Wirkung auf die Irisgefässe erklären. Andere (Stellwag von Carion,!? Luschka° u.s. w.) nehmen eine Wirkung des Sympathicus zugleich auf den Dilatator und die Gefässe der Iris an. Auch der Trige- minus soll einen Antheil an der Irisbewegung haben; denn Magendie bemerkte nach intracranieller Durchschneidung dieses Nerven Pupillen- I A.a. 0. ® Anatomische Beschreibung des menschlichen Augapfels. Berlin 1847. ® Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. 1849. 8.51. * Archiv für mikroskopische Anatomie. 1870. Bd. VI. 8. 89—99. ° Handbuch der systematischen Anatomie des Menschen. 1866. II. S. 634—635. 6 Zeitschrift für rationelle Medicin. Bd. XXXIL S. 403; — Bd. XXXIV; — Die Musculatur der menschlichen Iris. Rostock 1873. ?” Sitzungsberichte der Wiener Akademie. 1868. Bd. LVI. S. 515. ° Der Bau der Iris des Menschen und der Wirbelthiere. Leipzig 1876. ° Die intraocularen Muskeln. Dissertation. Petersburg 1880. (In russ. Sprache). 10 Zeitschrift für rationelle Mediein. Bd. XXXVI1. 1! Ein Beitrag zur Anatomie der Iris. Dissertation. Dorpat 1869. 12 Die histologische Structur der Irisstroma. Erlangen 1875. ı® Comp. der normalen und pathologischen Histologie des Auges. 1878. 1! Anatomie des menschlichen Kopfes. 1867. S. 416. 15 Oompt. rend. 1852. t. 33. p. 472. 16 Zeitschrift für rationelle Mediein. Bd. XXVII. 17 Ebenda. Bd. XXIX. 18 Ebenda. Bd. XXXVI. — Pflüger’s Archiv. Bd. III. S. 440. 1% Der intraoculare Druck und die Innervationsverhältnisse der Iris. Wien 1868. AUASEROR ”1 Journal de physiologie. 1824. t. IV. p. 176. EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE IRISBEWEGUNG. 3 verengerung. Dieser Effect soll aber nach A. Bernard, Budge, Grün- hagen und Rogow! von der Reizung der pupillenverengernden Trigeminus- fasern herrühren. Andere erklären dieses Resultat der Trigeminusdurch- schneidnng durch refleetorische Erregung des Oculomotorius (Müller, ? Gräfe?), oder nehmen an, dass im Trigeminus ausser den pupillenerwei- ternden Sympathieusfasern noch solche vom Ganglion Gasseri (Guttmann * Oehl),° oder vom verlängerten Mark (Coloman Balogh)® aus verlaufen. Für letztere Erklärung scheinen die Versuche von Vulpian,?” Argyropu- lus,° und Ott? zu sprechen. Obwohl die meisten Untersucher (Müller,!? Grünhagen,!! Hütten- brenner,!? J. Dogiel,!® Leuckart,!* Rumschewitsch,!° Faber‘) das Vorhandensein quergestreifter, radialer Muskelfasern in der Iris von Vögeln hervorheben, dienten letztere doch selten als Versuchsobjeete. Aus kurzen Andeutungen einiger Forscher (Budge,!’ Vulpian!®) ersieht man, dass bei Vögeln, im Gegensatz zu den Säugethieren, der Sympathicus keinen Einfluss auf die Irisbewegung hat. Dagegen behauptet Hirschmann, !? dass er. eine deutliche Erweiterung der Pupille auf Reizung des Hals- sympathicus bei Tauben und Hühnern eintreten sah. Trautvetter?® giebt an, dass auf Reizung der Carotis interna und der Vena jugularis die Pupille sich nach vorhergehender Verengerung erweitert. Grünhagen’°! erhielt 1 Zeitschrift für rationelle Medicin. Bd. XXIX. 8.1 u. 283. ” Handbuch der Physiologie des Menschen. 1840. Bd.II. S. 583. ® Gräfe’s Archiv. 1863. * COentralblatt für die medieinischen Wissenschaften. 1864. S. 598. ° Annales d’oculistique. 1864. © Moleschott’s Untersuchungen. 1863. Bd. VIII. S. 423. ” Archives de physiologie normale et pathologique. Janvier 1874. — Compt. rend. t. LXXXVI1. p. 1436. ° Jahresbericht von Hoffmann und Schwalbe. 1878. S. 110. ° Ebenda. 1882. Bd. XI. Abth.II. 8.34. 10 Archiv für Ophthalmologie. 1857. Bd. II. 8. 26. 11 Archiv für pathologische Anatomie. 1864. Bd. XXX. S. 485. 12.3.42:.0. SAL.a. 0. 12 Handbuch der gesammten Augenheilkunde von Graefe u. Saemisch. Bd. I. 5239. 15 Intraoculare Muskeln der Vögel. Notizen der Kiewschen Gesellschaft für Natur- wissenschaft. 1876. Bd. IV. (In russ. Sprache). N asO. IeN.2a.0. 18 Decons sur la physiologie. 1866. p. 879. 19 Dies Archiv. 1863. ”0 Archiv für Ophthalmologie. Bd.1Il. 1. 8. 141. 21 Pflüger’s Archiv. 1870. Bd. III. 1* 4 N. ZEGLINSKI: Erweiterung der Pupille durch Rückenmarksreizung. Es existiren auch einige Angaben über den Einfluss des Trigeminus auf die Irisbewegung bei den Vögeln (Schiff, A. Bernard, Trautvetter). Schiff! durch- schnitt den Trigeminus bei Tauben mittels einer in die Schädelhöhle ein- geführten Staarnadel, ohne das Gehirn blosszulegen. Der Versuch gelang selten, weil die meisten Thiere infolge der Blutung in’s Gehirn zu Grunde gingen. Eine Pupillenverengerung konnte er nie bemerken. Bei meinen Untersuchungen habe ich auf Vorschlag des Hınm. Prof. J. Dogiel mir zur Aufgabe gestellt: 1. Die Innervation der Iris bei den Vögeln und den etwaigen Unterschied von den Säugethieren in dieser Be- ziehung zu untersuchen. 2. Den Einfluss des Sympathicus auf die Iris- bewegung bei den Vögeln festzustellen. 3. Im Falle, dass der Sympathieus bei den Vögeln zur Pupillenerweiterung nicht dient, musste nach solchen Nerven gesucht werden. 4. Sollte sich ein Unterschied in der Innervation der Iris bei den Vögeln und den Säugethieren ergeben, so wäre wünschens- werth die Wirkung einiger Arzneimittel auf die Irisbewegung bei den Vögeln zu prüfen. 5. Die Ursache der Pupillenverengerung nach intracranieller Trigeminusdurchschneidung aufzuklären. 1. Anatomisches. Die Ciliarnerven der Vögel. Die erste Figur der beigelegten Tafel zeigt den Kopf einer Taube. Die äussere Orbitalwand nebst Muskeln und Gefässen, sowie die seitliche Schädeldecke sind entfernt; das Auge zum Schnabel hingezogen. Vom Ganglion Gasseri (a) geht nach oben und vorwärts der R. ophthalmieus (b) ab. Er tritt durch die Schädel- basis in die Augenhöhle, ist hier zuerst bedeckt vom M. rectus externus, zieht dann schief nach oben und begiebt sich unter den M. rectus superior. Ausserdem sieht man auf der Zeichnung N. abducens (k) und weiter nach innen den N. trochlearis (h). Der Oculomotorius tritt durch eine beson- dere Oefinung in die Orbita, nach innen und unten vom R. ophthalmicus und theilt sich alsbald in: a) Ramus superior zum M. rectus superior; b) R. inferior (g) zum M. rectus internus, M. rect. inf. und M. obliquus inf.; c) kurzen R. ciliaris, der sich zugleich zum Ciliarganglion (e) verdickt und dann zum Auge die Ciliarnerven abgiebt, welche die Sklera nicht weit vom Opticus durchsetzen. Zum Ganglion ciliare oder zu den Ciliar- nerven geht ein Zweig vom R. ophthalmieus nervi trigemini, (Fig. I, f) ' Giornale di sc. nat. ed econ. Palermo 1868. Bd.IV. p. 40. EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE IRISBEWEGUNG. 5 kurz nach dessen Eintritt in die Orbita, ab. Dieser stets einfache Zweig besteht aus doppelteontourirten Nervenfasern. Soweit meine Beobachtungen reichen, tritt dieser Zweig bei Tauben stets zum Ciliarsanglion, aus welchem also ein Bündel gemischter Nerven hervorgeht (Fig. II). Beim Huhn gesellt sich der R. eiliaris nervi trigemini zu den Ciliarnerven, nach deren Austritt aus dem Ciliarganglion (Fig. III, d), zuweilen trennt er sich aber wieder von den Ciliarnerven und geht für sich, neben ihnen, in’s Auge. Nachdem die Ciliarnervenbündel die Sklera durchsetzt haben, gehen die zwischen ihr und der Chorioidea, in der Gegend des äusseren, unteren Augapfelviertels zum Ciliarrand der Iris, wo sie einen circulären Plexus bilden (Fig. II). Von diesem gehen an zwei Stellen mehr dünne Nervenfäden ab, welche den Irisrand umkreisen (die Fig. II zeigt nur einen und zwar den oberen Nervenfaden). i Wie wir also sehen, nimmt der Sympathieus bei Vögeln keinen Antheil an der Bildung des Ciliarganglions und der Ciliarnerven, was auch Budge "schon hervorgehoben hat. Zur besseren Uebersicht über den Verlauf des Kopfsympathicus bei Vögeln weisen wir auf Weber’s! Monographie hin: „Ganglion cervicale supremum in fovea partis posterioris eranii juxta pro- cessum mastoideum positum, a tribus nervis cerebralibus e cranio hoc loco exeuntibus vel tegitur vel circumdatur. Margo anterior nimirum a nervo glossopharvngeo, margo posterior a nervo vago, medium ganglion a nervo faciali tegitur. Ganglion hoc admodum parvum, quod nune ovale, nune magis triquetrum reperitur, tam arete cum nervo glossopharyngeo, inter ramos superiores ascendente, conjunetum est, ut haud raro cum eo omnino coalescere videatur. Nervus vagus non tantum commereium cum nervo sympathico habens facilius ab hoc ganglio dissolvitur. Quatuor rami ejus, quorum duo superiores in capite ascendunt, duo inferiores in collo descendunt, ubique fere arteriarum viam persequuntur. 1) Ramus primus per canalem Fallopii in posteriore pariete tympani cum nervo faciali ascendens ad articulationem superiorem ossis quadrati perducitur. Qua in via cum nervo faciali, quocum nonnunguam paene coalescere videtur, stapedem, in vestibulum intrantem, transcendit. In cavitate artieulari ossis quadrati in duos plerumque ramos dividitur, qui arteriam eireumtegentes ramis communicantibus conjunguntur. Duo rami hujus plexus cum ramo seeundo quinti paris ita conjunguntur, ut cum hoc neryvo, quem aliguamdiu comitati erant, in acutissimo angulo confluant. Alius ramus tenuissimus cum arteria ad glandulam lacrimalem, in angulo posteriore orbitae ad bulbum oculi affixam, transit. 2) Ramus secundus in canalem caroticum intrans cum ramo nervi facialis per exiguum canalem ad canalem caroticum * Anatomia comparata nervi sympathiei. 1817. p. 25. 6 N. ZEGLINSLI: descendente, adque cum ramo ganglii glossopharyngei conjungitur. Canales carotiei incurvi sunt, et sigmoidei atque in medio cranio in unum canalem ampliorem confluunt, qui in sella tureica patens infundibulum reeipit, -glandulamque pituitariam continet. Glandula pituitaria duabus partibus constat, altera posteriore candicante et triangulari, altera anteriore ovali rubella et majore. Inter utramque partem, ad cujus latera carotides ascendunt, infundibulum se insinuat. Quamvis vix dubites, nervum sym- pathicum, in eodem canali cum glandula putuitarla inclusum, ramorum communicatiine cum hoc organo ganglio simillimo cohaerere; nullum tamen clarum commercium apparuit. Nervus enim sympathicus cum ad eum locum pervenit, ubi canalis caroticus sursum vergens in eo est, ut cum canali oppositi lateris confluat, e eranio per idem foramen in basi eranii exit, per quod tuba Eustachii in faueibus aperitur, ibique in duos ramos dividitur, quorum alter a) externus sub parte posteriore ossis omoidei eircumflexus arterias sequens in pariete interno orbitae ascendit. Arteria, quam comitatur, in duos ramos dividitur, quoram alter, ad nasum pergens tenuissimum nervum comitem aceipit, alter, glandulae lacrimali Harderianae destinatus, continuationem nervi secum ducit. @uae quidem in superficie interna, convexa, procedens, nonnullis ramis ad glandulam lacrimalem in angulo posteriore orbitae ad bulbum oculi afflixam sparsis, cum ramo primo nervi trigemini ad natum exeunte sub acuto angulo et sine omni intu- mescentia conjungitur. b) internus ramus in margine interno articuli, quo os omoideum cum osse frontali cohaeret, ad nasum vertitur, ad quem per parvam foramen inter os omoideum et palatinum transiens multos in ramos, cellulis labyrinthi destinatos, dissolvitur...... 3) Tertius ramus ganglii cervicalis supremi ex inferiore extremitate ganglii exiens ad caro- tidem descendit. Nonnunquam in duos ramos dividitur, qui cursum arteriarum sequentes in collo descendunt.... 4) Ramus quartus ganglü cervicalis supremi, per quem ganglion cervicale supremum cum caeteris gangliis cervicalibus cohaeret, introrsum vertitur, tegiturque a nervo vago, qui, ut nervus noster in conspectum prodeat, discindendus et reclinan- dus est. Pars cervicalis. Hiec ramus in eo loco ubi nervus vagus per foramen suum e cranio exiit, inter nervum vagum et cranium retrorsum et deorsum ad vertebram colli secundam fertur, ibique cum nervo cervicali inter secundam et tertiam vertebram prodeunte per parvum ganglion triangulare conjungitur. Deinde in canalem vertebralem intrans, et ad venam verte- bralem adnexus usque ad finem hujus canaliıs descendit. In eo ansere, quem delineavi, pars cervicalis nervi sympathici a ganglio cervicali supremo edita, in rima vertebrae colli primae ad vertebram colli secundam descen- debat, ibique inter vertebram primam et secundam in canalem vertebralem EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE IRISBEWEGUNG. 7 intrabat. Inter singulas vertebras nervis cervicalibus obviam veniens sanglia parva triangularia componit, quorum conjunctionem cum nervis cervicalibus jam accuratius explicabimus. Ut in mammalibus, ita in avibus etiam nervi spinales radiecibus anterioribus et posterioribus oriuntur, quae per foramina vertebralia exeuntes intumescunt, et ganglia spinalia compo- nunt. Num hoc ganglion solis radieibus posterioribus proprium sit, an ad omnes radices pertineat, id in avibus vix discerni potest. A ganglio hoc spinali pleramgue duo nervi emittuntur. Alter, posterior, tenuissimus est, ad musculos posteriores colli convertitur, ideogue cum ramo posteriore nervorum spinalium mammalium comparandus est. Alter, anterior, tam erassus est, ut facile pro toto nervo spinali habere possit. Qui quidem dum transversorius per canalem vertebralem exit, nervo sympathico, ad perpendiculum in illo canali descendenti, obviam venit, atque composito parvo ganglio trianeulari, cujus apex sursum spectat, basis in nervo cervi- cali incumbit, ad cutem colli pergit. Apparet, has conjunctiones nervi sympathici et nervorum spinalium crucis formam habere, cujus in media parte parvum ganglion positum est .... Singula ganglia usque ad finem canalis vertebralis, simplici tantum ramo communicante conjunguntur.... Numerus gangliorum a numero vertebrarum pendet, qui in omnibus avibus per magnus est .... Postauam nervus sympathicus in antepenultima vertebra colli e canali spinali prodiit, gangliorum forma non minus quam ramorum communicantium numeros commutator. Duo nimirum ultimi nervi cervicales cum thoracico primo et parvo ramo nervi cervicalis ante- penultimi plexum brachialem eomponunt.....“ Praeparirmethode. Ein verticaler, leicht bogenförmiger Schnitt wird längs des hinteren, äusseren Orbitalrandes bis zum arcus zygomaticus geführt. Auf diesen Schnitt trifft ein horizontaler, längs des arcus zygo- maticus verlaufender, vom Schnabel bis zum Ohr reichender Schnitt. Hierauf durchschneidet man die fascia tarsoorbitalis, an der hinteren Hälfte des Auges, vertical, parallel dem Schläfenbein und horizontal, längs des oberen Masseterrandes. Der Masseter bildet die unterste Augen- höhlenwand bei den Vögeln, entsprechend dem proc. orbitalis des Ober- kiefers der Säugethiere. Jetzt wird der Masseter an seinem Ursprung vom proc. zygomaticus ossis frontis durchschnitten, die Temporalregion durch Entfernung des Schläfenmuskels freigelegt und mittels einer Knochen- zange der Jochfortsalz und der Theil des Stirnbeins, der den äusseren Orbitalrand bildet, entfernt. Es wird hierbei das Rete mirabile orbitae sichtbar, welches im hinteren Winkel der Orbitae, nach aussen vom Aug- apfel liegt, vom Ram. ophthalmicus der Carotis interna gebildet wird und den Augapfel, Schnabel und die Stirn mit Arterien versorgt. Der ham. ophthalmicus der Carotis interna geht zwischen dem Temporalknochen und 8 N. ZEGLINSKI: dem Quadratbein hindurch, verläuft auf dem M. pterygoideus int. seu . orbito-maxillaris und bedeckt vom M. sphenomaxillaris, der ihn von der Augenhöhle trennt. Mit dem Ram. ophthalmieus haben gleichen Verlauf der 2. und 3. Trigeminuszweig. Das Rete mirabile liegt auf der Tenon’schen Kapsel und kann mit einer Pincette zusammen mit dieser vom Bulbus abgehoben werden. Eine kleine Arterie geht vom hete. mirabile nach hinten und oben zum Bulbus, schlägt sich um den M. sphenomaxillaris und dringt nach kurzem Verlauf auf demselben zwischen den M. rect. ext. und M. rect. sup. hindurch in den Augapfel. Wie man weiter zu verfahren hat, hängt vom Zweck der Prae- paration ab: 1.Praeparaton desOrbitaltheils vom Ram. ophthalmicus nervi trigemini. Wird das Rete mirabile orbitae nach vorn und unten gezerrt, der Augsapfel zum Schnabel gezogen, so sieht man den Nerven als einen weissen Strang zwischen den Ursprüngen von M. rect. ext. und M. rect. sup. von unten nach oben und vorn verlaufen. Ueber und nach aussen vom Nerv liest der untere Theil des Stirnbeins, unter ihm sieht man den M. sphenoidalis und vor ihm den Bulbus. Mit einem stumpfen Haken wird der Nerv unter dem M. rect. ext. etwas hervorgezogen, so dass man ihn vor der Abgabe seinerseits des Ram. ciliaris mit einer Pincette erfassen kann. 2. Praeparation der Ciliarnerven. Dieses ist viel schwieriger Am besten ist das Rete mirabile orbitae zwischen zwei Ligaturen zu fassen und durchzuschneiden, worauf man den Bulbus mehr nach vorn ziehen kann. Hierauf wird die Tenon’sche Kapsel nebst der Anheftung des M. rect. ext. am Bulbus durchschnitten und der Augapfel nach aussen gedrängt, worauf man das fetthaltige Bindegewebe vom ärsseren, unteren Viertel des Augapfels entfernt. Zieht man jetzt den Bulbus nach vorn, so erblickt man die Ciliarnerven. Da dieselben von Gefässen begleitet werden, so ist ihre Praeparation und Durchschneidung mit heftiger Blutung verbunden, :wodurch die Operation sehr umständlich wird. 2. Physiologisches. 1. Versuchsreihe. Beobachtungen über die Irisbewegung bei den Vögeln auf Reizung und Durchschneidung des Oculomotorius und der Ciliarnerven. Versuch 1. Huhn. Die Praeparation der Ciliarnerven, wie ange- geben. Letztere liegen hier in einem Bündel, das in eine Ligatur gefasst en ee EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE IRISBEWEGUNG. 9 “und durchschnitten wurde. Es erfolgte eine starke Pupillenerweiterung. Die Reizung des peripheren Stumpfes des Ciliarnervenbündels ist von einer sofortigen, starken Pupillenverengerung begleitet. Die Isolation der Ciliar- nerven ausserhalb des Bulbus gelingt bei Vögeln nicht; entfernt man jedoch ein Stück aus der Sklera an der nöthigen Stelle, so kann man hier fast jeden der 5 parallel neben einander verlaufenden Nerven isoliren und reizen. Bei solchen Versuchen erhielt ich trotz gegentheiliger Angaben von Hensen und Völkers immer vollkommene Pupillenverengerung. Gleiches Resultat erhielt Francois-Franck bei Säugethieren. Bei Vögeln erfolgt Pupillenverengerung, an welchem Ort des Bulbus man auch die Elektroden anlegen mag, am leichtesten jedoch, wenn die- selben das äussere untere Viertel des Augapfels berühren. Versuch 2. Taube. Das Schädeldach wurde entfernt, die Riech- kolben schnell durschnitten, das Gehirn etwas emporgehoben, bis die N. optiei durchschnitten werden konnten, worauf man es noch mehr emporheben kann, so dass die N. oculomotorii sichtbar und angespannt werden. Lest man die Elektroden an den peripheren Stumpf der durch- schnittenen Oculomotorien, so erfolgt gleich starke Pupillenverengerung an der entsprechenden Seite. Versuch 3. Huhn. Das Ciliarnervenbündel des linken Auges auf die angegebene Art durchschnitten. Hierauf betrug der Durchmesser der linken Pupille 6“, der rechten 4m. Versuch 4. Huhn. Die Ciliarnerven des rechten Auges durch- schnitten. Der Durchmesser der Pupille rechts 6m, Jinks 3"m, Die Pupille der gesunden Seite ist im 4. Versuche kleiner, weil der Tag heller war. In beiden letzten Versuchen konnten weder grelles Licht noch andere, gewöhnlich die Pupille verengernden Einflüsse an der operir- ten Seite eine Pupillenverengerung herbeiführen (so z. B. Reizung der sen- siblen Trigeminuszweige). Direete Reizung des M. sphineter pupillae, durch Anlegung der Elek- troden an die Cornea hatte jedoch eine starke Pupillenverengerung zur Folge Die intracranielle Durchschneidung des Oculomotorius hat gleichen Effect mit der Durchschneidung der Ciliarnerven, ausserdem sieht man im ersteren Falle noch eine Augenverdrehung nach aussen. Niemals sah ich auf intracranielle Oculomotoriusreizung bei Vögeln eine Pupillenerweiterung, wie es bei Säugethieren zuweilen vorkommt, erfolgen. Lest man die Elektroden an das Gehirn oder an den Schädel, so dass die Oculomotoren von den Stromschleifen erreicht werden können, so erzielt 10 N. ZEGLINSKT: man eine Pupillenverengerung. Dieser Umstand, auf welchen wir später = zurückkommen werden, verdient Berücksichtigung bei der Erklärung der Pupillenverengerung in Folge der Trigeminusreizung, wenn dieser Nerv in seiner Lage und nicht isolirt von den Knochen der Schädelbasis gereizt wird. Die angeführten Versuche beweisen, dass die pupillenverengernden Nerven bei den Vögeln im Oculomotoriusstamm, durch das Ciliarganglion und die Ciliarnerven zum Ciliargeflecht und von hier aus zur Iris verlaufen. 2. Versuchsreihe. Beobachtungen über die Irisbewegung bei den Vögeln auf Reizung und Durchschneidung des Halssympathicus. Versuch 1. Huhn. Ein Schnitt durch die Haut und den subcutanen Muskel. Indem man die Trachea und den Oesophagus auseinander schiebt und die Muskeln zwischen den Querfortsätzen benachbarter Halswirbel schichtweise durchschneidet, stösst man endlich auf die Arteria vertebralis und Vena vertebralis, welche mit dem Sympathicus eine gemeinsame Scheide besitzen. Diese Gebilde liegen also bei den Vögeln in dem Querfortsatzcanal des Halswirbels. Im vorliegenden Versuch wurde der Sympathicus von der Vene isolirt, dicht am unteren Nervenknoten in eine Ligatur gefasst und durchschnitten. An der Pupille war keine Veränderung zu bemerken. Elektrische Reizung des oberen Stumpfes blieb in Bezug auf die Pupille ebenfalls resultatlos.. Kamen die Elektroden zufällig während des Versuches mit dem umgebenden Gewebe, Rückenmarksnerven, in Berührung, so trat zugleich mit Schmerzäusserung und Unruhe des Thieres eine in kurzer Zeit wechselnde Weite der Pupille ein. Nach dem Versuch wurde die Wunde vernäht, um etwaige nachherige Pupillenyeränderung an der operirten Seite nicht zu übersehen, jedoch es wurde eine solche in den nächstfolgenden Tagen nicht bemerkbar. Versuch 2. Taube. Auf die im ersten Versuche beschriebene Art wurde der Sympathieus am vierten, dann dritten und hierauf am zweiten Halswirbel aufgesucht, in Ligatur gefasst und dicht am unteren Knoten durchschnitten. Die elektrische Reizung des oberen Stumpfes blieb in Bezug auf die Pupille stets resultatlos. Die Wunden wurden vernäht. In den nächstfolgenden Tagen liess sich kein Unterschied in der Pupillenweite beider Augen dieser Taube wahrnehmen. Eine Blutung aus der Vertebralarterie, an welcher die Tauben Vul- pian’s zu Grunde gingen, vermeidet man dadurch, dass man den isolirten Sympathicus durchschneidet. Weder Durchschneidung noch elektrische Reizung des oberen Stumpfes des Halssympathicus hatte also bei Tauben, Hühnern (und noch bei einem Habicht und einer Eule) eine Veränderung der Pupillenweite zur Folge. EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE IRISBEWEGUNG. 11 Dass Trautvetter nach Reizung der Carotis interna zuerst Verengerung und dann Erweiterung der Pupille auftreten sah, erklärt sich durch den im vierten Versuche angegebenen Umstand, nämlich durch die Reizung von Spinalnerven. Auf Grund meiner Versuche glaube ich behaupten zu können, dass im Halssympathicus der Vögel keine, die Irisbewegung beein- flussenden Nervenfasern vorhanden sind. 3. Versuchsreihe. Beobachtungen über die Irisbewegung bei den Vögeln auf Reizung und Durchschneidung des Halsmarks. Versuch 1. Huhn. Tracheotomie und künstliche Athmung. Das Rückenmark in der Gegend des letzten Halswirbels freigelegt und durch- schnitten. Die Weite der Pupille blieb unverändert. Bei lange andauern- der Operation werden die Pupillen überhaupt weit bei den Vögeln, wahr- scheinlich in Folge des Schmerzes. Durch schwache Eserinlösung wurde die Pupille künstlich verenst. Die hierauf folgende Reizung des centralen Rückenmarksendes hatte deutliche Pupillenerweiterung zur Folge. Versuch 2. Huhn. Tracheotomie behufs künstlicher Athmung und Blosslegung des Rückenmarkes an der Grenze zwischen Hals- und Brustmark. Berührung des Rückenmarkes mit einem Glasstabe hatte deutliche Pupillen- erweiterung zur Folge. Versuch 3. Ende. Tracheotomie behufs künstlicher Athmung. Das Rückenmark wie im zweiten Versuche blossgelegt und durchschnitten. Auf elektrische Reizung des centralen Endes des Rückenmarkes erfolgte deutliche Pupillenerweiterung. Aus diesen Versuchen geht hervor, dass die Pupillenerweiterung, welche Grünhagen auf Reizung des Rückenmarkes eintreten sah, durchaus nicht beweist, dass der Sympathicus pupillenerweiternde Fasern enthält. Von den Säugethieren unterscheiden sich die Vögel dadurch, dass bei letzteren nur auf Reizung des centralen Rückenmarksendes die Pupille sich erweitert. Diese Erweiterung ist als Reflexwirkung anzusehen, wie folgender Versuch lehrt. - Versuch 4. Taube. Künstliche Athmung. Beide Tibialnerven frei- praeparirt. Nach subeutaner Curareeinspritzung waren die Pupillen etwas weiter geworden. Reizung der centralen Tibialstümpfe hatte jedoch deut- liche Pupillenerweiterung zur Folge. Die beiden letzten Versuchsreihen zeigten uns also, dass der Sympa- thicus keine Fasern enthält, welche die Pupillenweite beeinflussen und dass die Reizung sensibler Spinalnerven oder des centralen Rückenmarksstumpfes eine Erweiterung der Pupille zur Folge hat. 12 N. ZEGLINSKI: 4. Versuchsreihe. Dä der Trigeminus bei den Vögeln an der Bil- dung der Ciliarnerven theilnimmt, Versuche aber lehren, dass bei Säuge- thieren fast alle pupillenerweiternden Nerven durch das Ganglion Gasseri und von hier durch den Ramus ophthalmieus zum Auge gelangen, so musste man schon a priori annehmen, dass auch bei den Vögeln diese Nerven durch den Ramus ophthalmicus gehen. Es war also nöthig, sich hierüber experimentell Gewissheit zu verschaffen. Die Schiff’sche Methode der intracraniellen Trigeminusdurchschnei- dung gab, wie er selbst angiebt, keine befriedigenden Resultate. Bei meinen Versuchen verfuhr ich folgendermaassen. Ueber dem Ohr entfernt man die seitliche Schädelwand, wodurch das Corpus bigeminum freigelegt wird. Ohne Beschädigung der Dura wird das Corpus bigeminum etwas vom Schädelgrund emporgehoben und unter dasselbe kleine Schwammstückchen geschoben. Hierauf fasst man den Schädelgrund in die Branchen einer Knochenscheere, so dass die eine Schneide der Scheere so tief als möglich in den Gehörgang, die andere zwischen die Schädelbasis und das Corpus bigeminum kommt, und durchtrennt mit einem Schlage Alles, was in der Scheere liest, folglich auch den Trigeminus. Hält man beim letzten Ope- rationsact die Scheere perpendiculär zur Schädelwand, so durchtrennt man das Ganglion Gasser. Die Blutung aus dem Ramus ophthalmieus art. carot. int. kann bei Tauben schneller als bei grossen Vögeln gestillt werden, obgleich sie auch bei letzteren nicht tödtlich wird. Bei Tauben lässt diese Methode der intracraniellen Trigeminusdurchschneidung wenig zu wünschen übrig. Die Operation geht in einigen Minuten vor sich, der Trigeminus wird vollständig durchschnitten und das Versuchsthier leidet nicht besonders darunter, weil es schon nach 24 Stunden fliegen und so- gar in der Freiheit weiter fortleben kann. Weniger gute Resultate erhält man schon bei Hühnern, weil bei ihnen das verlängerte Mark sehr leicht hierbei verletzt wird. Bei Eulen ist die Blutung stark obwohl nicht tödtlich. Versuch 1. Taube. Eröffnung der Schädelhöhle über dem rechten Ohr und Durchtrennung des Trigeminus. Die Pupille wurde hierauf etwas kleiner, kehrte jedoch bald zur Norm zurück. Die Reaction der Pupille auf Licht ist vorhanden. Die am anderen Tage vorgenommene Section zeigte, dass der Trigeminus oder vielmehr das Ganglion Gasseri vollständig durchschnitten war. Versuch 2. Taube. Intracranielle Trigeminusdurchschneidung. Beim Durchschneiden erweiterte sich die Pupille, wurde nach einer halben Stunde aber wieder normal. Die Section wies vollkommene Durchtrennung des Ganglion Gasseri nach. EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE IRISBEWEGUNG. 13 Versuch: Huhn. Intracranielle Trigeminusdurchschneidung. Während derselben schrie das Thier, obwohl chloroformirt, auf. Sogleich verkleinerte sich die Pupille bis zur Grösse eines Stecknadelkopfes und verharrte dabei ca. eine halbe Stunde. Wechsel der Beleuchtung hatte während dieser Zeit keinen Einfluss auf die Pupille. Es erschien mir, als ob das operirte Auge hierbei tiefer in der Orbita läge. Die Section ergab vollständige Durch- trennung des Ganglion Gasseri. Versuch 4. Huhn. Intracranielle Trigeminusdurchschneidung. Beide Pupillen darauf eng. Leichte Berührung der Augenlider verstärkte die Pupillenverengerung und zwar viel bedeutender als im normalen Zustande. Die Section ergab, dass nur die äussere Hälfte des Ramus ophthalmieus n. trigemini durchschnitten war. Versuch 5. Ente. Intracranielle Trigeminusdurchschneidung, bestä- tigt durch nachherige Section. Die Pupille an der operirten Seite sogleich stecknadelkopfgross. Diese Verengerung hielt über eine Stunde an und noch am anderen Tage war die Pupille an der operirten Seite enger als an der gesunden; die Cornea leicht getrübt, die Augenlider durch Eiter verklebt. Versuch 6. Ente. Der Ramus ophthalmieus n. trigemini dicht bei seinem Eintritt in die Orbita durchschnitten. Die Pupille an der ope- rirten Seite erweitert. Am andereren Tage die Cornea stark getrübt, die Augenlider mit Eiter verklebt. Da die Ente aus einer dunkeln Kammer herausgeholt wurde, so verengte sich die Pupille an der gesunden Seite. Bald jedoch wurde sie wieder weit und jetzt erschien im Vergleich zu ihr die Pupille an der operirten Seite enger. Dain diesem Versuch der Ramus ophthalmieus vor Abgabe irgend eines Zweiges durchschnitten wurde, so kann dieser Versuch den mit intracranieller Durchschneidung dieser Nerven zur Seite gestellt werden. Versuch 7. Huhn. Die Schädelhöhle über dem rechten Ohr eröffnet. Ein scharfes Scalpell wurde darauf flach unter das Corpus bigeminum ge- führt, die Schneide nach unten gedreht und durch einen leichten Druck das Ganglion Gasseri durchtrennt. Die Pupille erweiterte sich sogleich, wurde unbeweglich und reagirte nicht mehr auf Lichtwechsel. Die Section ergab, dass zugleich mit dem Trigeminus der rechte Oculomotorius durch- schnitten war. Ich wich in diesem Falle von der gewöhnlichen Operations- weise ab, um eine Blutung aus der Carotis interna zu verhüten. Diese und noch viele andere in dieser Richtung von mir gemachten Versuche zeigen, dass das Resultat der Trigeminusdurchschneidung bei 14 N. ZEGLINSKT: Vögeln kein constantes ist. Den Vögeln gehen pupillenverengernde Fasern im Trigeminus ab, während solche bei Säugethieren von Budge, (l. Bernard, Grünhagen und Rogow vorausgesetzt werden, da diese For- scher nach Durchschneidung des Oculomotorius und Trigeminus Pupillen- verengerung auftreten sahen. Bei Vögeln hat die gleichzeitige Durchschnei- dung des Trigeminus und des Oculomotorius (Versuch 7) Pupillenerweiterung zur Folge. Durchschneidet man den Trigeminus allein, so erfolgt starke Pupillenverengerung (Versuch 3), welche mehr als eine halbe Stunde an- hält. Diese Pupillenverengerung kommt nur bei dem intacten Oculomotorius zu Stande (Versuch 3 und 7), was darauf hinweist, dass dieser Effect das Resultat einer reflectorischen Reizung des Oculomotorius, vom centralen Trigeminusende aus, ist. Diese Voraussetzung wurde zur Gewissheit, als wir auf elektrische oder mechanische Reizung des centralen Trigeminus- stumpfes, nachdem die Pupille sich schon wieder erweitert hatte, eine starke und schnelle Pupillenverengerung eintreten sahen. Zweitens hat die Rei- zung des intacten Trigeminus oder seines Ramus ophthalmieus in der Schädelhöhle oder in der Orbita eine Pupillenverengerung zur Folge. Drittens sah ich stets eine starke Verengerung der Pupille, wenn ich während der Operation unverletzte oder centrale Enden der Trigeminuszweige am Auge berührte. Viertens verengt sich die Pupille, wenn man die Cornea be- rührt oder das Augenlid mit der Pincette fasst. Eine gelungene Trige- minusdurchschneidung erkennt man daran, dass die Pupille auf Berührung‘ der Cornea nicht kleiner wird. Auf Grund des vierten Versuches kann man die Annahme pupillen- erweiternder Nervenfasern im Trigeminus zurückweisen: der Ramus ophthal- micus war nur theilweise durchschnitten und doch trat Verengerung der Pupille an beiden Augen auf. Die Reizung des Trigeminus war hierbei eine starke. Die Pupille wurde noch kleiner, als man darauf noch das. Trigeminusgebiet reizte. Im Allgemeinen sah ich, dass in Bezug hierauf die Empfindlichkeit der Vögel mit der Grösse wächst. Bei Tauben, wo die Schädelknochen porös und schwach sind, geschieht die Durchschneidung des Trigeminus viel leichter und schmerzloser, als bei den Hühnern und Enten, wo die Knochen viel compacter sind und eine grössere Kraft zu ihrer Durchtrennung, folglich auch stärkere Insultation beanspruchen. Doch kann man bei der Durchschneidung des Trigeminus die Reizung des peri- pheren Stumpfes auch nicht unberücksichtigt lassen. Es kann möglich sein, dass die Pupille sowohl auf die Reizung des centralen wie des peripheren Trigeminusstumpfes reagirt: beide Factoren können aber auch entgegen- gesetzte Wirkungen haben. Für letztere Voraussetzung spricht der Um- stand, dass nach Trigeminusdurchtrennung bald Verengerung, bald Erwei- terung, bald gar keine Veränderung (Interferenz) der Pupille constatirbar- EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE IRISBEWEGUNG. 15 ist. Die starke Entwickelung des M. sphincter pupillae bei den Vögeln macht es erklärlich, warum nach alleiniger Trigeminusdurchschneidung die Pupillenverengerung vorherrscht. Zur endgültigen Entscheidung dieser Frage sind Versuche mit directer Reizung des Trigeminus erforderlich. 5. Versuchsreihe. Beobachtungen über die Irisbewesung bei den Vögeln auf Reizung des centralen Rückenmarksendes nach vorhergegangener Trigeminusdurchschneidung. Aus der dritten Versuchsreihe sahen wir, dass die Reizung des cen- tralen Endes vom durchschnittenen Rückenmark oder irgend eines sensiblen Spinalnerven Pupillenerweiterung herbeiführt. Ausserdem sieht man bei Erstickung von Vögeln ebenso wie bei Säugethieren zuerst Verengerung _ und dann Erweiterung der Pupille. Durchschneiden wir nun den Trige- _ minus (oder seinen Ramus ophthalmieus), so muss die darauf folgende Rei- zung des centralen Rückenmarksendes oder irgend eines sensiblen Spinal- _ nerven keine Erweiterung der Pupille an der operirten Seite‘ geben, wenn _ die pupillenerweiternden Nervenfasern durch den Trigeminus zur Iris ge- _ langen. Zu Versuchen dieser Art sind nur grössere Vögel tauglich (Enten), da Tauben alsbald eingehen, sobald man bei ihnen den elektrischen Strom ' durch das Rückenmark leitet. Um eine Blutung zu vermeiden ist der ‚ intracraniellen Trigeminusdurchtrennung die intraorbitale des Ramus oph- thalmicus, vor der Abgabe des Ciliarnervenzweiges, vorzuziehen. Versuch 1. Ente. Durchschneidung des Ramus ophthalmieus nervi ‚ trigemini dicht an seinem Eintritt in die Orbit. Am anderen Tage war ‚ die Pupille an der operirten Seite kaum merklich enger. Künstliche Ath- , mung. Das Rückenmark in der Höhe der beiden letzten Halswirbel frei- ‚ gelest und sorgfältig durchschnitten. Da es schon etwas dunkel wurde, so | waren beide Pupillen sehr weit. Als hierauf das centrale Rückenmarksende , gereizt wurde, erweiterte sich die Pupille des unversehrten Auges ein wenig ‚ während die der operirten Seite unverändert blieb. Bei stärkerem Strom ‚ war die Pupillenerweiterung des gesunden Auges noch merklicher. Die , Ente ging bald ein. | Versuch 2. Taube. Intracranielle Durchtrennung des rechten Trige- minus, durch spätere Section bestätigt. Die beiden Tibialnerven ausprae- | parirt. Künstliche Athmung. Subcutan Curare, worauf die Pupillen weiter ı wurden, jedoch rechts weniger als links. Elektrische Reizung der centralen ' Stümpfe der Tibialnerven hatte eine Erweiterung der linken Pupille zur Folge, während die rechte unverändert blieb. Versuch 3. Taube. Intracranielle Durchtrennung des linken Trige- minus, durch Section bestätigt. Erstickung. Zugleich mit den Krämpfen 16 N. ZEGLINSKI: zeigte sich eine Verengerung der rechten Pupille, welche nach einiger Zeit einer Erweiterung Platz machte, auf welche wieder eine Verengerung folgte. Schliesslich blieb nur Eweiterung vorhanden, welche mehr und mehr zu- nahm. Die linke Pupille blieb die ganze Zeit über eng, bis sie endlich nach dem Tode der Taube sich erweiterte. Diese Versuche erlauben den Schluss, dass alle pupillenerweiternden Nervenfasern bei Vögeln, welcher auch ihr Ursprung sei, durch den Kamus ophthalmicus nervi trigemini in’s Auge gelangen. 6. Versuchsreihe. Beobachtungen über die Irisbewegung bei den Vögeln auf Trigeminusreizung. Die Reizung des Trigeminus in der Schädelhöhle mittels des Inductions- stromes kann auf zweierlei Art vor sich gehen. 1. Die Schädelhöhle wird mittels einer Knochenscheere eröffnet, eine Hemisphaere und das Corpus bigeminum entfernt, der Trigeminus durch- trennt, entweder wie vorher angegeben, oder mit einem starken Scalpell. Bei letzterer Methode weiss man nicht gewiss, ob der im Knochen einge- schlossene Trigeminus ganz durchschnitten ist, oder nicht. Aber auch die frühere Methode wird der Blutung wegen, die bei geöffneter Schädelhöhle schwerer zu stillen ist, misslich: die Operation muss schnell beendet werden, bevor das Versuchsobject eingeht. Hierauf wird der periphere Trigeminus- stumpf elektrisch gereizt. Versuch 1. Ente. Einen Tag vorher war bei der Trigeminusdurch- schneidung das Gehirn mit der Pincette verletzt worden, worauf sich die Pupillen erweiterten. Künstliche Athmung. An der gesunden Seite wurde die Schädelhöhle eröffnet, die Grosshirnhemisphaere und das Corpus bigemi- num entfernt, der Trigeminus mit der Knochenscheere, deren eine Branche in den Gehörgang geführt wurde, durchschnitten. Nachdem die Blutung gestillt war, kamen die Elektroden an das periphere, nicht vollkommen iso- lirte Trigeminusende. Eine deutliche Erweiterung der Pupille konnte nicht notirt werden; das Auge drängte sich hervor und schwoll an. Dasselbe Resultat erhielt ich bei der Reizung des Ramus ophthalmicus in der Orbita. — Diese Operationsweise hat viele Nachtheile. Erstens tritt eine schwer stillbare Blutung auf, die für sich eine Pupillenerweiterung zur Folge hat, so dass eine etwaige Erweiterung in Folge der Trigeminusreizung schwerer bemerkbar wird. Zweitens ist der in der Schädelbasis eingeschlossene Trigeminus bei den Vögeln gar nicht isolirbar. Da der Oculomotorius da- neben liest, so kann er bei der Trigeminusreizung leicht mitgereizt werden, wodurch das Resultat zweideutig wird: es tritt sogar bei stärkeren Strömen Pupillenverengerung ein. Drittens ist das Ganglion Gasseri bei den Vögeln EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE IRISBEWEGUNG. 17 nicht besonders gross und halb in Knochen vergraben. Das hier sich an- sammelnde Blut erlaubt leicht einen Uebergang des Reizes auf den Oculo- motorius. Schwache Ströme können nicht zur Anwendung kommen, weil die Pupillen schon weit sind. Durch die Operation und die dabei unver- meidliche Quetschung des Ganglion Gasseri verliert letzteres theils seine Erregbarkeit. Starke Ströme erreichen aber den Oculomotorius, worauf ich schon hingewiesen habe. 2. Entsprechend der Lage des Corpus bigeminum wird die seitliche Schädelwand entfernt, wobei eine Verwundung des starken Ramus ophthal- micus der Carotis interna zu vermeiden ist. Das Corpus bigeminum wird etwas gehoben und unter dasselbe Schwammstückchen gelest. Um sich mehr Raum zu verschaffen, kann man die harte Gehirnhaut eröffnen und das Corpus bigseminum theilweise entfernen. Nach Reinigung des Operations- teldes sieht man das Ganglion Gasseri. Seine Berührung mit einer Pincette ist vom Schrei und Pupillenverengerung des Versuchsthieres begleitet. Man durchschneidet das Ganglion Gasseri nach der angegebenen Methode mit der Knochenscheere. Es tritt eine starke Blutung auf, welche in einer halben Stunde gestillt werden kann. Die Pupille ist während dieser ganzen Zeit verengt. Die schwierigste Aufgabe besteht in der Entfernung der Schwämmchen aus der Wunde, ohne dass die Blutung sich erneuert, und im Aufsuchen des peripheren Trigeminusstumpfes zur isolirten Reizung. Da das Operationsfeld einen langen, engen Spalt darstellt, so ist der in der Tiefe desselben liegende Nerv schwer zu bemerken und von der Umgebung zu unterscheiden. Die Operation zieht sich hierdurch sehr in die Länge. Diese Methode hat das Gute für sich, dass während der ganzen Zeit die Pupillen eng bleiben. Als Versuchsobjecte dienten hierzu hauptsächlich Enten. Versuch 1. Ente. Das Ganglion Gasseri nach der zweiten Methode durchschnitten. Die Reinigung der Wunde gelang vollkommen. Kam während dieser Procedur die Pincette mit dem peripheren Trigeminusstumpf in Berührung, so wurde das Auge hervorgedrängt und die Pupille stark _ erweitert. Da die Operation sich bis zum Abend hinzog, so mussten die Versuche bei Lampenlicht vorgenommen werden. Bei entsprechender Be- _ leuchtung des Operationsfeldes sah man deutlich das durchschnittene Gang- lion Gasseri und die von demselben abgehenden Aeste. Ein Druck mit einer spitzen Pincette an der Ursprungsstelle des ersten Trigeminusastes der peripheren Ganglionhälfte hatte augenblicklich starke Erweiterung der Pupille zur Folge. Mit Aufhören des Reizes stellte sich wieder Verenge- rung der Pupille ein. Der Versuch konnte mehrere Male wiederholt werden. Die Reizung des Ganglion Gasseri mittels des Induetionsstromes gab un- Archiv f. A.u. Ph. 1885. Physiol, Abthlg. 2 18 N. ZEGLINSKT: bestimmte Resultate: bald trat Verengerung, bald Erweiterung der Pu- pille auf. Versuch 2. Ente. Die seitliche Schädelwand entfernt, ebenso in kleinen Partikeln das Corpus bigeminum und ein Theil der Grosshirn- hemisphaere. Die freigelegte Gehirnfläche trocknete bald ein und somit hörte auch die Blutung daraus auf. Nachdem der Trigeminus durch- schnitten und die Blutung gestillt war, schritt man zur Reizung. Die Elektroden waren in ein Glasrohr eingelöthet, so dass die Enden nur daraus hervorsahen. Sie wurden an den peripheren Theil des Ganglion Gasseri gelegt und ein schwacher Strom durchgeleitet. Es trat eine deutliche und bedeutende Pupillenerweiterung auf. Da die Blutung sich erneuerte, so konnte der Versuch nicht wiederholt werden. Bald stellte sich Asphyxie mit ihren weiten Pupillen und schliesslich der Tod des Versuchsthieres ein. Versuch 3. Taube. Entfernung der seitlichen Schädelwand und Durchtrennung des Trigeminus nach der üblichen Methode. Stillung der Blutung und Entfernung des Corpus bigeminum in kleinen Stücken. Nach- dem das Öperationsfeld gereinigt war, konnte man bei entsprechender Be- leuchtung leicht den durch den Knochen hindurch schimmernden Ramus ophthalmieus nervi trigemini sehen. Eine in diesen Trigeminusast ein- gedrückte Nadel hatte eine starke Pupillenerweiterung zur Folge. Da die Blutung sich wieder erneuerte, so war es nicht möglich, den Versuch zu wiederholen. . Versuch 4. Taube. Die Versuchsanordnung wie vorher. Auch hier selang es mir nur einmal, die Nadel in den Ramus ophthalmieus nervi trigemini zu führen, worauf eine starke Pupillenerweiterung auftrat. Die meisten in dieser Richtung vorgenommenen Versuche misslangen; denn bei vorsichtiger und langsamer Operation gingen die Thiere ob der langen Dauer zu Grunde; operirte man dagegen schnell, so erlaubte die immerwährend sich erneuernde Blutung keine Orientirung im Operations- feld. Kam ich zum Versuch, so erhielt ich nur auf mechanische Reizung Pupillenerweiterung. Mit Ausnahme des zweiten Versuches gab die Rei- zung mittels des Inductionsstromes ein unbestimmtes Resultat. Da ein günstiger Ausgang bei diesen Versuchen mehr vom Zufall ab- hängt, so konnten sie mich persönlich wohl überzeugen, dass die Trigeminus- reizung Pupillenerweiterung herbeiführt, zur Demonstration taugen sie jedoch nicht. Ich war deshalb gezwungen, ein mehr geeignetes Verfahren aus- findig zu machen. Schon im anatomischen Theil dieser Arbeit habe ich die Methode zum Aufsuchen des Ramus ophthalmicus nervi trigemini in der Orbita, vor dem EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE IRISBEWEGUNG. 19 Abgange des Ciliarnervenzweiges von ihm, beschrieben. Misslich ist nur der Umstand, dass das Operationsfeld eine tiefe von der concaven äusseren Orbitalwand und convexen Bulbusfläche begrenzte Spalte darstellt. Im Nachfolgenden durchschnitt ich wie gewöhnlich das Ganglion Gasseri, suchte darauf den Ramus ophthalmicus in der Orbita auf, fasste ihn mit einer Pincette und reizte ihn durch einen mehr oder weniger starken Druck. Versuch 1. Taube. Intracranielle Trigeminusdurchschneidung. Prae- paration des Ramus ophthalmicus in der Orbita und Erfassen desselben mit der Pincette bei seinem Eintritt in die Orbita. Starke Pupillenerwei- terung. Die Pincette entfernt. Nach einiger Zeit wurde die Pupille wieder enger. Am zweiten und dritten Tage noch war die Pupille an der ope- rirten Seite enger als an der gesunden. Die Section ergab, dass das Gang- lion Gasseri vollkommen durchschnitten, in dem Ramus ophthalmicus eine Einkerbung, der Oculomotorius, das Ciliarganglion und der Ciliarzweig des Ramus ophthalmieus aber intact waren. Versuch 2. Taube. Intracranielle Trigeminusdurchschneidung. Der Ramus ophthalmicus wurde in der Orbita in eine Pincette gefasst und stark gedrückt. Es erfolgte eine starke Pupillenerweiterung. Nach einiger Zeit wurde die Pupille wieder kleiner, darauf aber wieder weiter und ver- blieb in dieser Lage bis zum anderen Tage. Versuch 3. Taube. Die Schädelhöhle eröffnet, die Grosshirnhemi- sphaere und das Corpus bigeminum entfernt, das Ganglion Gasseri mittels _ der Knochenscheere durchschnitten. Die intracranielle elektrische Reizung des Ramus ophthalmicus blieb resultatlos auf die Pupille, ebenso eine solche desselben Nerven in der Orbita. Erfasste man aber den Ramus ophthalmicus in der Orbita mit der Pincette, so erfolgte eine starke Pupillenerweiterung. Versuch 4. Taube. Nach der intracraniellen Trigeminusdurchschnei- dung wurde der Ramus ophthalmicus in der Orbita in eine Klammerpincette gefasst. Es erfolgte eine starke Pupillenerweiterung. Die Pincette fiel vom Nerven ab, wobei sie ein Stück vom letzteren mitnahm. Die Taube wurde getödtet. Die Section ergab, dass das Ganglion Gasseri durchnitten, vom Ramus ophthalmicus ein Stück nebst seinem Ciliarzweig ausgerissen; der Oeulomotorius, das Ciliarganglion, der Ramus ciliaris nervi oculomotorii aber intact waren. Versuch 5. Huhn. Das Ganglion Gasseri durchschnitten. Sobald der Ramus ophthalmicus in der Orbita mit der Pincette erfasst wurde, trat _ eine deutliche Erweiterung der Pupille auf. Als hierauf durch einige | Tropfen einer schwachen Nicotinlösung eine Pupillenverengerung herbei- 20 N. ZEGLINSKT: geführt war, wurde der Ramus ophthalmicus wieder mit der Pincette ge- fasst, worauf die Pupille sich wieder erweiterte. Der Versuch konnte meh- rere Male wiederholt werden. Versuch 6. Taube. Intracranielle Trigeminusdurchschneidung. Als der Ramus ophthalmicus mit der Pincette erfasst wurde, erweiterte sich die Pupille. Entfernte man die Pincette, so wurde die Pupille sogleich enger. Eine Berührung des in der Pincette gewesenen Theiles des Ramus ophthal- micus mittels einer stumpfen Nadel hatte Pupillenerweiterung zur Folge. Sobald die Nadel entfernt wurde, verengte sich die Pupille wieder. Dieser Versuch mit der Nadel liess sich wiederholen. Die Section ergab, dass das Ganglion Gasseri durchschnitten, der Ramus ophthalmicus vor dem Ab- sange des Ciliarzweiges von ihm zerdrückt, der Oculomotorius, das Ciliar- ganglion und die Ciliarnerven aber intact waren. Diese Versuche ergaben also, dass die mechanische Reizung des Ramus ophthalmieus an der angegebenen Stelle eine Pupillenerweiterung zur Folge hat. Besonders beweisend in dieser Hinsicht ist der 6. Versuch. Da die Kraft (oder der Druck), mit welcher der Nerv erfasst wird, sich nicht ge- nau bemessen lässt, so wird es erklärlich, warum wir nicht immer ähn- liche Resultate erhielten. War der Nerv vollkommen zerdrückt, so erfolgte keine Verengerung der Pupille nach dem Entfernen der Pincette. Die mechanische Reizung hat trotzdem ihre Vorzüge vor .der elektrischen, wie der dritte Versuch zeigt, in welchem die letztere keinen Effect, die erstere aber wohl einen hatte. Auf Grund dieser Versuche können wir also als bewiesen betrachten, dass die pupillenerweiternden Nervenfasern bei Vögeln durch den Ramus ophthalmiecus n. trigemini zum Auge ' gehen. 7. Versuchsreihe. Ueber die Wirkung einiger Arzneikörper auf die Irisbewegung bei den Vögeln. | 1. Atropin. Die Wirkung des Atropins auf die Pupillenweite bei den Säugethieren hat man verschieden erklärt. Nach E. H. Weber lähmt Belladonna den Oculomotorius und reizt den Sympathieus. 1853 behauptete de Ruiter, dass das Atropin den Oculomotorius zuerst schwächt und dann lähmt, und die Function des Sympathicus wahrscheinlich erhöht. Nach Grünhagen! paralysirt das Atropin den Oculomotorius ganz, den M. sphincter pupillae aber nicht ganz. Hirschmann? nimmt gleichfalls Zeitschrift für rationelle Medicin. Bd. 28. ® Dies Archiv. 1863. EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE IRISBEWEGUNG. 21 Paralyse des Oculomotorius durch das Atropin an, giebt aber keine Reizung des Sympathicus zu, weil 1) die Reizung des Sympathicus die Pupille noch mehr erweitert (im Widerspruch zu de Ruiter) und weil 2) Zelenski zeigte, dass die Pupille eines atropinisirten Auges beim Tode durch Curarevergif- tung noch weiter wird. Bernstein und Dogiel! fanden, dass 1) die Reizung des Oculomotorius im atropinisirten Auge von keiner Pupillenver- engerung begleitet ist, dagegen 2) direete Reizung des M. sphincter pupillae auch im atropinisirten Auge eine Pupillenverengerung herbeiführt, und schliessen daraus, dass das Atropin die periphere Endverzweigung des Ocu- lomotorius lähmt, ohne die Muskelelemente des Sphineters anzugreifen. In einer neueren Untersuchung behauptet Grünhagen,? dass die Atropin- wirkung auf die Pupille duch Lähmung des M. sphincter pupillae zu er- klären sei. Bezold und Bloebaum° sehen in der Atropinwirkung eine Lähmung der Oculomotoriusendigung und Herabsetzung der Reizbarkeit des M. sphineter pupillae. Sie setzen zwischen beide ein verbindendes Glied: Ganglienzellen — in der Iris voraus. Auf diese soll das Atropin zuerst wirken. Grünhagen * wendete hierauf ein, dass solche Gebilde noch nicht in der Iris entdeckt worden seien. Schiff? will in der Atropinwirkung nur eine Lähmung des Oculomotorius sehen, da die Pupille sich nach Durchschneidung dieses Nerven ebenso viel erweitert als durch Atropin. Argyll Robertson ® wies darauf hin, dass bei spinaler Pupillenverengerung, wo die erweiternden Nervenfasern gelähmt sind, das Atropin eine mittlere Pupillenerweiterung herbeiführt, folglich durch Paralyse des Oculomotorius wirkt. Meuriot” sieht die Lähmung der Oculomotoriusendigung und Schwächung des M. sphincter pupillae durch Atropin als bewiesen an, lässt dabei aber als sehr wahrscheinlich eine Erregung der Sympathicusendigung zu, weil nach Durchschneidung (Budge, Cl. Börnard) und Paralyse (Ruete, Donders) des Oculomotorius das Atropin die Pupille noch weiter macht. Hierfür spricht noch der Umstand, dass nach einseitiger Durch- schneidung des Sympathicus oder Ausreissen des Ganglion cervicale supre- mum die Pupillenerweiterung durch Atropin geringer ist, als auf der ge- sunden Seite. Moriggia® fand bei Kaninchen, dass die durch Atropin ad maximum ! Zur Lehre der Irisbewegung. Sonder-Abdruck aus den Verhandlungen des naturhistorisch-medieinischen Vereins zu Heidelberg. 1866. * Zeitschrift für rationelle Mediein. Bd. XXIX. S. 275—284. ® Untersuchungen aus dem physiologischen Laboratorium zu Würzburg I. 1867. * Berliner klinische Wochenschrift. 1867. Nr. 7. 5>A.a.0. 8.40. ® Lancet. Bd.I. p. 211—212. ” De la methode physiologigue en therapeutigue et de ses applie. ete. Paris 1868. ® Reale Academia dei Lincei. Estratto dal vol.IV. Serie 3. 22 N. ZEGLINSKI: erweiterte Pupille nach Exstirpation des Ganglion supremum n. sympathici kleiner wird. Reizung des Halssympathicus verstärkt die Erweiterung der atropinisirten Pupille; der Sympathicus ist also noch für stärkere Reize zugänglich. Ausserdem weist er darauf hin, dass die Erweiterung der Pu- pille nach Oculomotoriusdurchschneidung durch Atropin oder Reizung des Sympathieus noch verstärkt werden kann. Stellwag von Carion! nimmt ausser der Oculomotoriuslähmung eine Reizung der Sympathicusfasern, welche im Dilatator und in der Gefässmusculatur der Iris enden, an. Die Untersuchungen von Rossbach und Froehlich? ergaben, dass nach minimalen Atropindosen eine Pupillenverengerung in Folge von Rei- zung der Oculomotoriusendigung auftritt. Schon etwas grössere Dosen er- weitern die Pupille, wenn auch hier eine kurz andauernde Verengerung bemerkbar ist. Nimmt man noch grössere Dosen, so reizen diese auch die dilatatorischen Fasern und lähmen sie schliesslich. Somit erhält man nur bei mittelgrossen eine maximale Dilatation; sehr grosse Atropindosen geben nur eine mittelmässige Pupillenerweiterung. Die Pupillenverengerung nach kleinsten Atropindosen vertheidist Rossbach® später gegen Krenchel.* Mit der Erklärung der Irisbewegungen unter dem Einfluss der Arznei- mittel ist die Frage nach den Factoren dieser Bewegungen innig verbunden. Grünhagen giebt nur die Existenz des Sphincters zu. Die Erwei- terung erklärt er durch elastische Elemente der Iris, auf welche der Trige- minus einen besonderen Einfluss ausüben soll. Seine Erklärung der Iris- bewegung fand wenig Beifall. Nach Stellwag von Carion kann der M. dilatator pupillae nicht allein die Pupille erweitern, denn sonst müsste die Iris einen dicken Wulst um die erweiterte Pupille bilden. Da nun die Dicke der Iris während ihrer Verkleinerung nieht merklich zunimmt, so muss man zugeben, dass die Gefässe während der Erweiterung der Pupille sich zusammenziehen, während der Verkleinerung aber erschlaffen. Die Mydriatica wirken nach Stellwag von Carion direct oder indireet auf die Gefässmusculatur, sie erregend, während Myotica sie im Gegentheil lähmen. Was die Wirkung des Atropins auf die Gefässe anbetrifft, so existiren hier verschiedene Meinungen. Nach Brown-Söquard ruft Atropin Contraction, nach Schiff jedoch Erweiterung der Arterien hervor. Wegner fand, dass Atropin, unter die Ohrhaut eines Kaninchens gebracht, Erweiterung der Blut- gefässe mit Temperaturerhöhung herbeiführt. Ebenso bemerkte er Gefäss- = 2 (08 °” Verhandlungen der Würzburger physiologisch-medieinischen Gesellschaft. N.F. Bd. V. 8. 1-79. ® Pflüger’s Archiv. 1875. Bd.X. $S. 383—46& * Archiv für Ophthalmologie. Bd. XX. 1. 8. 135—150. EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE IRISBEWEGUNG. 23 erweiterung der Iris nach Atropineinträufelung in’s Auge. Bezold sieht im Atropin ein Mittel, welches alle glatten Muskeln, folglich auch die Gefässmuscu- latur Jähınt. Meuriot sah nach Atropinapplication Contraction der Arterien und Beschleunigung des Blutstromes in der Interdigitalmembran der Frösche und im Mesenterium der Ratte. Dasselbe erhielt Fraser und er glaubt, dass das Atropin Contraction des Dilatators und der Gefässmusculatur be- wirkt. Wir erhalten also fünf Gruppen von Erklärungen über Atropinwirkung auf die Irisbewegung: 1. Das Atropin lähmt die periphere Endverzweigung des Oculomotorius (Hirschmann, Bernstein und J. Dogiel, Schiff, Argyll Robert- son u. s. w.). i 2. Ausser der Lähmung der Oculomotoriusendigung durch Atropin besteht noch eine Parese des Sphineters (Budge, Grünhagen, Bezold und Bloebaum). 3. Das Atropin lähmt die Endverzweigung des Oculomotorius und reizt die des Sympathicus (Weber, Biffi, Cramer, Ruiter, Meuriot, Fraser, Schöler, Moriggia). 4. Das Atropin versetzt sowohl den Oculomotorius wie den Sympathi- cus zuerst in einen Reizzustand mit darauf folgender Paralyse (Rossbach und Froehlich). 5. Die Pupille erweitert sich in Folge der Atropinwirkung auf die glatte Gefässmusculatur der Iris (Fraser, Stellwag von Carion, Meuriot). Schon Kieser! wies darauf hin, dass das Atropin bei Vögeln die Pupille nicht erweitert. Diese Angabe bestätigte Budge und Meuriot. Donders ist damit nicht einverstanden. Bei Tauben sah ich nie eine Er- weiterung der Pupille nach Atropinapplication. Dieser Umstand spricht gegen die Theorie, welche in der Atropinwirkung auf die Gefässe die Ur- sache der Pupillenerweiterung durch dieses Mittel sehen, da die Irisgefässe der Vögel von solchen der Säugethiere nicht abweichen. Da auch ein Unterschied in der Wirkung des Atropins auf die Musculatur nach den Versuchen von Bernstein und Dogiel nicht annehmbar ist, so muss man den Grund der verschiedenen Wirkung des Atropins theils darin suchen, dass der Sympathicus bei Vögeln nicht auf die Pupille wirkt und dass der Oeulomotorius bei diesen Thieren nicht in glatten, sondern in quergestreiften Muskeln endigt. Diese Erklärung wird um so wahrscheinlicher, wenn wir erwägen, dass Curare die Pupille bei den Vögeln erweitert. Es hat also " Himly in Schmidt’s ophthalmologischer Bibliothek. Bd. II, 3. S. 110. 24 N. ZEGLINSKI: jene Theorie der Atropinwirkung auf die Pupille bei den Säugethieren am meisten für sich, welche eine Lähmung der Endverzweigung des Oeculo- motorius und eine Reizung des Sympathicus durch dieses Mittel annimmt. 2. Curare. Bei Vögeln bewirkt das Curare Pupillenerweiterung. Auch bei Säugethieren erweitert das Curare die Pupille, jedoch indirect, durch CO,-Anhäufung im Blute (Schiff),! da bei künstlicher Athmung diese Er- scheinung nicht beobachtet wird. Starke Gaben von Curare führen zuletzt auch Paralyse des Oculomotorius herbei, nur später als bei allen anderen motorischen Nerven des Organismus (Gianuzzi,” Rogow). Drei Tropfen einer Curarelösung (0-008 Curare auf 1m Agqu. dest.) rufen bei Vögeln in zehn Minuten Erweiterung der Pupille hervor, bei innerlicher Anwen- dung tritt diese Wirkung des Curare viel später auf, obgleich sie vor der Lähmung der motorischen Rumpfnerven bemerkbar wird. Im letzteren Falle tritt vor der endgültigen Lähmung des Oculomotorius eine krampf- hafte Pupillenverengerung auf. Versuch 1. Taube. Drei Tropfen Curarelösung (in allen Versuchen in der angegebenen Concentration) in’s rechte Auge. Nach zehn Minuten Erweiterung der Pupille und Verlust der Reaction auf Lichtwechsel. Intracranielle Oculomotoriusreizung hat rechts keine Verengerung der Pu- _ pille zur Folge, wohl aber links. In’s rechte Auge Nicotinlösung (4 Tropfen von 0-1 Procent). Nach zehn Minuten hatte sich die Pupille um ca. I wm verkleinert. Versuch 2. Taube. Vier Tropfen Curarelösung in’s rechte Auge. Nach zehn Minuten Pupillenerweiterung mit Verlust der Reaction auf Licht- wechsel. Reizung der Ciliarnerven am Bulbus blieb resultatlos. Zwei Tropfen einer Eserinlösung (1:300) machte die Pupille kleiner, ebenso stellte sich Reactionsfähigkeit auf Lichtwechsel und Elektrieität ein. Versuch 3. Taube. Künstliche Athmung. Curarelösung subeutan. Die Pupille wurde etwas weiter. Elektroden an den Bulbus, in der Nähe der Ciliarnerven, applieirt, hatte starke Pupillenverengerung zur Folge. Noch einige Tropfen Curarelösung subcutan. Die Pupillen wurden schnell eng und darauf sehr weit. Elektrische Reizung des Bulbus blieb jetzt re- sultatlos, wohl aber trat Pupillenverengerung auf bei elektrischer Reizung des Sphinkters selbst. Mit Aufhören der Reizung wurde die Pupille wieder weit. Nicotinlösung (1:1000) rief eine deutliche Pupillenverengerung herbei. ı Pflüger’s Archw. 1871. 8. 229. ° Centralblatt für die medieinischen Wissenschaften. 1864. 8.321. EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE IRISBEWEGUNG. 25 Diese Versuche erlauben den Schluss, dass die Curarewirkung auf die Irisbewegung bei den Vögeln in der Lähmung der Endverzweigung des Oculomotorius besteht, ebenso wie Atropin die Oculomotoriusendigung im glatten Muskelfasern bei Säugethieren lähmt. 3. Eserin. Die myotische Wirkung der Calabarbohne entdeckte 1862 _ Fraser.! Rosenthal? erklärt die Calabarwirkung durch Sympathicus- lähmung und wahrscheinliche Oculomotoriusreizung, weil die Sympathieus- reizung mehr keine Pupillenerweiterung giebt und Calabar nach Atropin- vergiftung nur eine mittlere Pupillenstellung herbeiführt. NachGrünhagen ist nur Oculomotoriusreizung durch Calabar annehmbar; der Sympathicus soll intact bleiben, da seine Reizung noch Pupillenerweiterung giebt. Donders® weist darauf hin, dass. alleinige Lähmung des Sympathicus nicht hinreicht die starke Pupillenverengerung und Verstärkung der Re- fraction zu erklären, folglich eine Contraction der durch Ciliarnerven ver- sehenen Augenmuskeln zugegeben werden muss. Er lässt eine Sympathiecus- | schwächung durch Calabar zu; denn während die Accommodation nach mitt- leren Eserindosen um die Hälfte verstärkt ist, ist die Pupille schon kleiner | als bei starker Beleuchtung und starker Accommodation. Für die Dilatator- schwächung spricht noch der Umstand, dass die Pupillenverengerung einige Tage im höheren Grade anhält als der Accommodationskrampf. Aehnlich hat sich schon Robertson ausgesprochen. Bernstein und Dogiel be- stätigen die Versuche von Rosenthal und nehmen eine ausschliessliche Lähmung der Sympathicusendigung an. Die Muskelfasern des Dilatators reagiren auf Elektrieität, werden also nicht angegriffen, denn man erhält hierbei an Augen mit Calabar vergifteter Thiere ebensolche Erweiterung der Pupille als bei unvergifteten Thieren. Dieser Meinung schliesst sich auch Laschkewitsch* an. Nach Rogow jedoch bewirkt das Calabar , nur eine Reizung des Oculomotorius und keine Sympathicuslähmung, da die Reizung des letzteren bei Kaninchen Erweiterung der durch Calabar ‚ verengten Pupille hervorruft. Schiff sieht in der Calabarwirkung eine centrale Oculomotoriusreizung, denn beim durchschnittenen Oculomotorius tritt durch dieses Mittel keine Pupillenverengerung hervor und wird solche durch Oculomotoriussection aufgehoben. Eine zeitweilige Paralyse des Sym- pathicus giebt er nur für grosse Dosen zu. Rossbach und Froehlich geben an, dass Eserin in kleinsten Dosen (Mer.) eine Pupillenverengerung durch Reizung der Oculomotoriusendisurg herbeiführt. Grosse Dosen (0-01) ! Transactions of the Royal Society of Edinburg. vol. XXIV. ” Dies Archiv. 1863. Na). * Archiv für pathologische Anatomie. Bd. XXXV. 26 N. ZEGLINSKT: lähmen den Oculomotorius und erweitern die Pupille. Krenchel konnte das nicht bestätigen. Leblanc! weist darauf hin, dass Eserin die Pupille verenst, wenn der Oculomotorius durch Atropin oder andere Einflüsse para- lysirt ist, weshalb er directe Wirkung des Mittels auf den M. sphincter pupillae annimmt. Er konnte durch Eserin an ausgeschnittenen Augen Pupillenverengerung bewirken. Schömann ? behauptet jedoch, dass die Eserinwirkung nicht durch Affection des Sphinkters erklärt werden kann, weil durch Atropin vollkommen auf Lichtwechsel reactionslos gewordene Pupillen auf Eserin ebenfalls nicht mehr reagiren. Diese Angabe bestreitet Harnack.? Auch Weber giebt an, dass ein Tropfen einer Iprocentigen Eserinlösung in 20 Minuten die durch Atropin ad maximum erweiterte Pupille verengt. Alles das spricht für einen Antagonismus zwischen Atropin und Eserin. Letzteres reizt in mittleren Dosen die pupillenverengernden Fasern des Oeculomotorius und lähmt die pupillenerweiternden Fasern des Sympathicus. Gleicher Antagonismus herrscht zwischen Atropin und Eserin in Bezug auf Accommodation und intraoculären Druck, wie Weber und Adamük angeben. - Nach Bezold und Götz soll das Eserin ein heftiges Reizmittel für die Nervenendigung in glatter Museulatur sein, folglich auch Gefässcontrac- tion herbeiführen. Den hierdurch entstehenden Widerspruch zwischen der Wirkung des Eserins auf Gefässe und die Irisbewegung sucht Fraser da- durch zu heben, dass er angiebt, die glatten Muskeln würden durch directe Application des Eserin gelähmt, was bei der Wirkung dieses Mittels durch das Blut nicht bemerkbar wird. Dieses Verhalten sei leicht am Darm, Herzen und an kleinen Gefässen zu constatiren, in der Iris aber ruft locale Anwendung des Eserins zugleich mit der Pupillenverengerung Hyperämie hervor. Folglich soll durch Eserin der Dilatator und die Gefässmusculatur gelähmt werden. Hiergegen spricht ein directer Versuch von Donders und Hamer, welche fanden, dass die durch Eserin verengte Pupille sich auf Reizung des Sympathicus kaum bemerkbar erweitert, während die Gefäss- contraction aber noch eintritt. Alle besprochenen Ansichten über die Eserin- wirkung lassen sich folgendermaassen gruppiren: 1. Das Eserin ruft durch Lähmung der Sympathieusendigung Pupillen- verengerung hervor (Rosenthal, Bernstein und Dogiel, Lasch- kewitsch). 1 Essai sur les modifications de la pupille ete. Paris 1875. ” Jahresbericht von Hofmann und Schwalbe. 1880. Abth. 3. 8. 138. ® Archiv für experimentelle Pathologie. Bd. Il. 8. 307. * Archiv für Ophthalmologie. Bd. XXII. 2. 8. 231. EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE IRISBEWEGUNG. 27 2. Das Eserin reizt die periphere Oculomotoriusendigung (Robertson, Gräfe, Grünhagen, Rogow, Rossbach und Froehlich) oder dessen centrales Ende (Schiff). 3. Das Eserin reizt die periphere Oculomotoriusendigung und lähmt den Sympathieus (Donders, Schöler, Schömann). 4. Das Eserin wirkt auf den M. sphincter pupillae (Leblanc). 5. Ausser der Reizung des Oculomotorius und Lähmung des Sym- pathicus wird die Gefässmusculatur der Iris gelähmt (Fraser, Stellwag von Öarion). Im Widerspruch zur Behauptuug von Rottmann! sah ich, dass Eserin bei Vögeln (Huhn, Taube, Ente) starke Pupillenverengerung herbei- führte. Versuch 1. Taube. Intracranielle Durchschneidung des Ganglion Gasseri; der Ram. ophthalmicus in der Orbita aufgesucht. Zwei Tropfen Eserinlösung (1:300) hatten Pupillenverengerung zur Folge. Auf mecha- nische Reizung des Ram. ophthalmieus wurde die Pupille weiter, verklei- nerte sich aber, als auf’s Neue ein Tropfen der Eserinlösung in’s Auge kam. Hierauf erfolgte schon auf neue Reizung des Ram. ophthalmicus keine Pupillenerweiterung mehr. Versuch 2. Taube. In’s rechte Auge kamen vier Tropfen Curare- lösung. Nach 10 Minuten erfolgte Pupillenerweiterung; die Reactionsfähig- keit auf Lichtwechsel war verloren, ebenso blieb Reizung der Ciliarnerven resultatlos. Auf Eserinapplication stellte sich in 10 Minuten Pupillen- verengerung, Reactionsfähiekeit auf Lichtwechsel und Reizung der Ciliar- nerven ein. Versuch 3. Huhn. Die Ciliarnerven an ihrer Eintrittsstelle in den rechten Bulbus durchschnitten. Der Durchmesser der rechten Pupille hierauf 6um, der der linken 3=®,. Auf Eserinapplication (1:300) keine Veränderung der Pupillenweite im rechten Auge. Auch am anderen Tage blieb Eserin (1:100) wirkungslos auf diese Pupille. Das Huhn ging ein. Versuch 4. Taube. Künstliche Athmung. Curare subcutan. Die Pupillen zeigten die gewöhnliche Curarewirkung, d. h. Erweiterung, krampfhafte Ver- engerung und schliesslich Erweiterung, nach welcher schon electrische Reizung der Ciliarnerven keine Verengerung herbeiführte. Die Taube ging ein. Hierauf in das eine Auge Nieotin (1:100), in das andere Eserin (1:300). In 15 Min. hatte das Nicotin die Pupille verengt, während das Eserin wirkungslos blieb. ! Jahresbericht von Hofmann und Schwalbe. 1875. Abth.3. 8. 78. 28 N. ZEGLINSKI: Der erste Versuch zeigt, dass die Pupillenverengerung nicht durch Lähmung der pupillenerweiternden Trigeminusfasern bedingt ist. Ob diese Fasern später gelähmt werden, lässt sich bei Vögeln nicht entscheiden. Obwohl bei stärkerer Eserinwirkung die Reizung des Ram. ophthalmicus keine Pupillenerweiterung mehr hervorruft, so kann man hier doch noch zwei Erklärungen zulassen: 1) Paralyse der pupillenerweiternden Trigeminus- fasern, oder 2) zu starkes Uebergewicht des Sphinkters bei den Vögeln, weshalb die Dilatatorwirkung maskirt wird. Der dritte und vierte Versuch sprechen gegen die Annahme einer Reizung des Sphinkters. Im dritten Versuch waren die Ciliarnerven durchschnitten, im vierten alle Nerven gelähmt, während die Muskelfasern des Sphinkters in beiden Versuchen nicht angegriffen waren, da Nicotin im vierten Versuch Pupillen- verengerung herbeiführte. Somit können wir für Vögel mit Bestimmtheit angeben, dass das Eserin die periphere Oculomotoriusendigung reizt. Die Versuche aber lassen keine Entscheidung darüber zu, ob das Eserin die Endverzweigung des Sympathicus lähmt und die glatte Museulatur der Iris bei den Säuge- thieren reizt. 4) Nicotin. Hirschmann und Rosenthal (a. a. O0.) erklären die Pupillenverengerung nach Nicotin nicht durch Oculomotoriuserregung, son- dern durch Lähmung des Sympathicus; denn innerlich verabreicht zeigt das Nicotin ‘keinen Einfluss auf die Pupille bei dem Auge mit durch- schnittenem Trigeminus; auch Sympathieusreizung hat bei nicotinvergifteten Kaninchen und Hühnern keine Pupillenerweiterung zur Folge. Bernstein und Dogiel bestätigten diese Angabe Hirschmann’s und zeigten ausser- dem, dass die unmittelbare elektrische Irisreizung hierbei eine Erweiterung der Pupille zur Folge hat, folelich nicht die radialen Muskelfasern,sondern die Endverzweigungen des Sympathicus gelähmt sind. Grünhagen! kann nicht zugeben, dass der Sympathicus durch Nicotin gelähmt wird, weil er nach Pupillenerweiterung auf Sympathicusreizung sah und ausserdem an ausgeschnittenen Kaninchenaugen, mehrere Stunden nach dem Tode, durch Nicotin Pupillenverengerung hervorrief. Dass die Sympathicusreizung zuweilen keine Erweiterung der Pupille zur Folge hat, ist nach Grünhagen der starken Oculomotoriusreizung zuzuschreiben, welche die Dilatatorwirkung maskirt, In einer anderen Arbeit schreibt Grünhagen ? dem Nicotin er- regende Eigenschaften auf den Sympathicus zu. Rogow fand im Wider- \ Archiv für pathologische Anatomie. 1864. Bd. XXX. ®” Zeitschrift für rationelle Mediein. Bd. XXV. EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE IRISBEWEGUNG. 29 spruch zu Hirschmann, dass das Nicotin die Pupille auch nach Trige- minusdurchschneidung verengf. Obgleich er zugiebt, dass die innerliche An- wendung von Nicotin die Sympathieuswirkung auf die Iris aufhebt, so sucht er die Nieotinwirkung doch durch Reizungszustand des Sphinkters oder des Trigeminus zu erklären. Rosenthal und Krocker! nehmen an, dass Nicotin den Sympathicus lähmt und den Oculomotorius reizt. Grünhagen hat sich ihnen angeschlossen. Surminski? wies darauf hin, dass das Nicotin den Sympathicus zuerst reizt und dann lähmt. Corso? endlich kam bei seinen Versuchen zum Schluss, dass das Nicotin auf alle Nerven der Iris, jedoch mit verschiedener Stärke, einwirkt. Gelangt das Nicotin in’s Blut (eurarisirter oder chloroformirter Hunde), so erfolgt Pupillenerwei- terung in Folge Sympathieusreizung, kommt das Nicotin aber direct in’s Auge, so greift es die Trigeminusverzweigung an und bewirkt Pupillen- verengerung. Bezüglich der Nicotinwirkung auf die Gefässe fanden Basch und Oser* Contractionen derselben. Das harmonirt mit den früheren Be- obachtungen von Nasse,° dass Nicotin glatte Muskeln zur Contraction anregt. Nach meinen Untersuchungen ist bei Vögeln Nicotin zu den stärksten Myotieis zu rechnen und es ist ganz unerklärlich, wie Rollmann® be- haupten konnte, dass das Nicotin auf das Vogelauge nicht wirkt. Bei Vögeln ist die Wirkung des Nicotins sogar viel schärfer ausgeprägt als bei den Säugethieren. Eine Nicotinlösung, welche auf das ausgeschnittene Auge eines Hundes keine Wirkung äussert, ruft eine deutliche Pupillen- verengerung an ausgeschnittenen Tauben- und Entenaugen hervor. Pupillen- erweiterung konnte ich mit Nicotin bei Vögeln nie erzielen. Versuch 1. Huhn. Intracranielle Durchschneidung des Ganglion Gasser. Der Ramus ophthalmieus in der Orbita auspraeparirt. An- ‚ fassen desselben gab eine starke Pupillenerweiterung. 1 Tropfen Nicotin- lösung (1:1000) in’s Auge. Nach 5 Minuten Pupillenverengerung. Anfassen , des Ramus ophthalmieus mittels der Pincette hatte wieder Erweiterung der | Pupille zur Folge. Dieser Versuch konnte mehrmals wiederholt werden. Versuch 2. Taube. Durchtrennung des Ganglion Gasser. Der Ramus ophthalmicus freigelegt. Nicotinlösung (1:1000) hatte m 5 Min. ! Ueber die Wirkung des Nicotins auf den thierischen Organismus. Dissertation. ‘ Berlin 1868. ?A.2.0. ® Jahresbericht von Hofmann und Schwalbe. 1878. Abth. 3. 8. 116. * Wiener medieinischen Jahrbücher. 1872. S. 367. ° Beiträge zur Physiologie der Darmbewegung. 1866. 6 Jahresbericht von Hofmann und Schwalbe. 1875. Abth. 3. 8.78. 30 N. ZEGLINSKI: den Durchmesser ‘der Pupille um 1" verkleinert. Anfassen des Ramus ophthalmieus mittels der Pincette machte die Pupille weiter. Wieder Nieotin mit neuer Pupillenverengerung. Danach gab die mechanische Reizung des Ramus opthalmicus schon kein Resultat mehr. In das andere Auge der- selben Taube brachte ich Curare, worauf die Pupille sich erweiterte. Niecotin brachte neue Pupillenverengerung hervor. Neue Curaredosis hatte wieder eine Erweiterung der Pupille zur Folge. Durch Nicotin abermalige Ver- engerung der Pupille.. So konnte der Versuch noch mehrere Male wieder- holt werden. Versuch 3. Taube. Die Taube wurde getödtet, die Schädelhöhle eröffnet und der Oculomotorius auspräparirt. Nach einiger Zeit gab weder Reizung des Oculomotorius noch der Ciliarnerven eine Papillenverengerung. Auf einen Tropfen Nicotinlösung erschien die Pupille stecknadelkopfgross. Versuch 4. Taube. Künstliche Athmung. Subcutan Curare, worauf die Pupille sich etwas erweiterte. Berührte man mit den Elektroden die Bulbusstelle, an welcher die Ciliarnerven verlaufen, so erfolgt Pupillen- verkleinerung. Neue Curaredosen hatten eine krampfhafte Verengerung mit darauf folgender starker Erweiterung der Pupille zur Folge. Die Taube ging ein. Die Ciliarnervenreizung blieb resultatlos, wohl aber erfolete Pu- pillenverengerung auf Berührung der Cornea mit den Elektroden. Nicotin rief schnelle und starke Pupillenverengerung hervor, während Eserin auf das andere Auge wirkungslos blieb. Versuch 5. Taube. Trigeminusdurchschneidung rechts. In die Rachen- höhle einige Tropfen Nieotinlösung gespritzt. Beide Pupillen werden sehr bald klein und elliptisch und verbleiben die ganze Zeit über in dieser Stellung. Nach einiger Zeit wurde mittels einer stumpfen Nadel eine Stich in die rechte Hälfte des verlängerten Markes gemacht, ohne dass die Pupillen in ihrer Weite eine Veränderung gezeigt hätten. Tod des Versuchsobjectes. Vor demselben keine asphyktische Pupillenerweiterung. Die Section zeigte, dass der Trigeminus vor dem G. Gasseri durchschnitten war und über der rechten Hälfte der Medulla oblongata in der harten Hirnhaut eine Oeffnung sich befand. Die zwei ersten Versuche zeigen, dass das Nieotin die Pupillenverenge- rung durch Reizung des pupillenverengernden Nerven und nicht durch Lähmung der Erweiterer zu Stande bringt; denn die Reizung des Ramus ophthalmieus hatte eine deutliche Erweiterung der Pupille zur Folge. Be- weisend in diesem Sinne ist auch der 5. Versuch, in welchem trotz durch- schnittenem Trigeminus beide Pupillen durch innerliche Verabreichung des Niecotin verengt worden. en Me Een ne Mn. _ = Guns EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE IRISBEWEGUNG. 31 Der Antagonismus zwischen Nicotin und Curare (Versuch 2) beweist ferner, dass das Nicotin die Endverzweigung des Oculomotorius reizt. Ausser- dem wird auch der Sphincter selbst: gereizt, wie Versuch 3 und 4 lehren. Im 4. Versuch blieb Eserin wirkungslos auf das mit Curare vergiftete ‚ Auge, während Nicotin eine Pupillenverengerung herbeiführte. Die äusserst heftige locale Wirkung des Nicotins hat durch die Reizung der sen- sibeln Trigeminusfasern ebenfalls Pupillenverengerung zur Folge. Ob die Erweiterer durch Nicotin schliesslich gelähmt werden, ist schwer zu be- | urtheilen, obwohl wahrscheinlich. Im letzten Versuch rief die mechanische , Reizung der Medulla oblongata keine Pupillenerweiterung hervor. Entweder konnten die Erweiterer nicht gegen die im gereizten Zustande befindlichen Verengerer aufkommen, oder die pupillenerweiternden Fasern waren gelähmt. Es bleibt uns jetzt noch übrig den von verschiedenen Forschern ver- ‚ schieden aufgefassten Mechanismus der Irisbewegung zu betrachten. Nach der Mehrzahl der Forscher existiren in der Iris zwei Muskeln: M. sphineter pupillae und M. dilatator pupillae. Ersterer wird bei Säuge- thieren und Vögeln vom Oculomotorius innervirt. Der Dilatator erhält , seine Nerven bei den Säugethieren vom Sympathieus, bei den Vögeln vom Trigeminus. Diese Theorie hat also anatomische Grundlage. Eine zweite Ansicht über die Irisbewegsung wird besonders von Grün- hagen und seinen Schülern vertreten. Nach Grünhagen besitzen Säuge- thiere und der Mensch keinen Dilatator. Der Pupillenverengerung steht der Sphinkter, vom Oculomotorius innervirt, vor. die Erweiterung kommt ‚ dureh die Elastieität der Iris zu Stande. Die Pupillenerweiterung auf Reizung des Halssympathicus hängt mit der Innervation der Gefässmuscu- latur der Iris durch den Sympathicus zusammen. | Edgren! zu Upsala behauptet, dass Frösche zwar einen Sphinkter, ‚jedoch keinen Dilatator der Pupille besässen. Die Erweiterung soll durch ‚elastische Kräfte der Iris zu Stande kommen. Der Umstand, dass directe ‚elektrische Reizung der Iris Pupill@nerweiterung herbeiführt, wird durch ‚die Contraction der Gefässmuseulatur erklärt. Die endunc dass in ‚solchem Falle bei Leichen die Pupille ja stets ad maximum erweitert sein müsste, was jedoch nicht immer zutrifft, versucht Grünhagen dadurch zu entkräften, dass er auf einige Säugethiere (Hund, Katze) hinweist, bei wel- chen die Pupille nach dem Tode ad maximum erweitert sein soll. Die nach dem Tode auftretende Pupillenverengerung bei Kaninchen wird als eine Reizungserscheinung aufgefasst, welche durch besondere Behandlung ‚des exstirpirten Auges vermieden onen kann, wie Schur,? ein Schüler Grünhagen’ s, angiebt. 1 Jahresbericht von Hofmann und Schwalbe. 1878. Abth. 3. 8. 116. * Zeitschrift für rationelle Medicin. Bd. XXXI. S. 372. 32 N. ZEGLINSKI: Doch schon Winslow, Whytt, Fontana, Morgagni, Hesselbach Rudolphi, Brown-Sequard, Duval, Rochard und Petit, wie Budge! anführt, und er selbst haben beobachtet, dass die Pupillen erkalteter Leichen enger sind, als sie während des Lebens im Schatten waren. Ausserdem hat Merkel? nachgewiesen, dass die der Vorderfläche der Iris näher und concentrisch verlaufenden Bindegewebszüge viel stärker sind, als die an der hinteren Irisfläche radial verlaufenden, folglich müssten erstere ein Ueber- gewicht über letztere besitzen, wenn nur elastische Kräfte wirksam sind. Das Ungenügende dieser Erklärung liess Grünhagen zur Hypothese einer besonderen Wirkung des Trigeminus auf die Elastieität der Iris greifen, wovon er jedoch später zurückkam. Eine dritte Ansicht über die Irisbewegung vertheidigt Rembold.? Nach ihm ist die Pupillenweite die Resultante zweier Kräfte: 1) des M. sphincter pupillae, der reflectorisch durch das Licht vom Opticus auf den Oculo- motorius in Erregung versetzt wird und 2) der Gefässcontraction, welche ihrerseits vom jeweiligen Blutdruck abhängig ist. Einen besonderen Dilatator der Pupille anzunehmen ist nach Rembold überflüssig, obwohl er die Existenz radialer Muskelfasern in der Iris nicht bezweifelt. Diese werden mit den Gefässen aus gleicher Quelle innervirt und unterstützen die letzteren. Rembold findet, dass seine Theorie im Widerspruch mit den Untersuchungen von Foä* steht. Letzterer fand, dass die Reizung der Hinterstränge des Rückenmarkes, nicht jedoch der Seiten- oder Vorderstränge oder der vorderen und seitlichen Partien der grauen Substanz (in der Höhe der letzten Halswirbel) von einer reflecto- rischen Pupillenerweiterung begleitet war. Wenn der Strom jedoch in die Nähe der Hinterstränge kam, so sah man eine vorübergehende Pupillen- erweiterung, während der Blutdruck von 120 auf 180m anwuchs. Diesen Widerspruch sucht Rembold dadurch zu heben, dass er annimmt, die Reizung die Seitenstränge gäbe deshalb keine Pupillenerweiterung, weil diese in der Höhe der ersten Brustwirbel ausschliesslich für die Hinter- extremitäten und die Bauchhöhle Vasomotoren entsenden, werden jedoch die Hinterstränge von den Stromschleifen erreicht, so contrahiren sich auch die Gefässe der übrigen Körpertheile und es tritt Pupillenerweiterung auf. Die Versuche von Foä hat Horwitz® an Katzen und Kaninchen wieder- holt und gefunden, dass die Reizung der vollkommen von den Hintersträngen abgesonderten Vorderstränge des Rückenmarkes von deutlicher Pupillen- A.20. ; * Zeitschrift für rationelle Mediein. Bd. XXXI. 8.136. 139. 142. ® Ueber Pupillarbewegung. Dissertation. Tübingen 1878. * La pupille consideree comme esthesiometre. Paris 1875. ° Jahresbericht von Hofmann und Sehwalbe. 1877. Abth.3. 8. 110. EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE IRISBEWEGUNG. 33 erweiterung begleitet war. Gegen diese Theorie von Rembold sprechen auch die Versuche von Francois Franck." Bei Sympathicusreizung decken sich die Erhöhung des Blutdrucks im peripheren Abschnitt der Carotis in- terna und die Erweiterung der Pupille durchaus nicht. Ausserdem fanden Bessau? und Grünhagen, dass Pupillenerweiterung ohne Blutdrucks- erhöhung durch elektrische Reizung der Grosshirnoberfläche zu erzielen ist. Schon früher hat Nawalichin? gezeigt, dass die Unterbindung der Aorta unter dem Diaphragma, also starke Erhöhung des Blutdruckes im Vorder- theile keine ausgeprägte Pupillenveränderung zur Folge hat. Vermehrung der Blutmenge im Gefässsystem durch Transfusion defibrinirten Blutes ist ‚sogar von Pupillenverengerung begleitet. Diejenigen Forscher, welche die Irisbewegung zweien, von ihnen nach- gewiesenen Muskeln zuschreiben, haben hierfür ausser anatomischen noch _ directe, physiologische Beweise vorgebracht: j’ Heft IV. 1. Bernstein und Dogiel* sahen Pupillenerweiterung, wenn sie _ Elektroden an entgegengesetzte Punkte des Limbus corneae eines eben setödteten Thieres oder eines ausgeschnittenen Auges legten. Die Appli- cation doppelter Elektroden ist von Pupillenverengerung begleitet. Diese Beobachtung ist von Engelhardt ° an lebenden Individuen bestätigt worden. Ausserdem erhielt er durch schwache elektrische Reizung der Radialfasern eine verlängerte, elliptische Pupille. Letzterer Umstand spricht wider Grün- ‚hagen,® der behauptete, dass die Ciliarnervenverästelung eine isolirte Reizung ‚ der Muskeln gar nicht zulasse, und dass bei Kaninchen die Pupille sich hierbei erweitert, weil bei diesem Thiere der Sympathicus kräftiger sei, als der Oculomotorius. Engeihardt hat noch folgenden Versuch gemacht: die Pupille durch Extr. calabar. stark verengt. Reizung des oberen Stumpfes des Halssympathicus giebt keine Erweiterung; eine solche trat aber ein, sobald die Elektroden an den Limbus corneae gebracht wurden. Dieser Ver- ‚, such stellt ausser Zweifel, dass hierbei nicht durch Gefässcontraetion die ‚ Pupille erweitert wird, denn sonst müsste Sympathicusreizung gleiche Wirkung ‚ haben, da sich die Gefässe der mit Calabarextract behandelten Iris ja durch ‚ Sympathicusreizung contrahiren, wie Donders und Hamer es gezeigt haben. ! Travaux du Laboratoire de M. Marey. Anndes 1878—-79. ® Jahresbericht von Hofmann und Schwalbe. 1878. Abth.3. 8. 99. ® Arbeiten aus dem physiologischen Laboratorium der Universität zu Kasan. Bd.I. 1869. eNaa0. ® Untersuchungen aus dem physiologischen Laboratorium in Würzburg. 1869. 6 Pflüger’s Archiv. 1870. Bd. II. Archiv f. A. u. Ph. 1885. Physiol. Abthlg. 3 34 N. ZEGLINSKI: 2. Francois Franck brachte Beweise bei, dass die Vasomotoren und die Erweiterer der Pupille im Halssympathicus vereint, über dem Ganglion cervicale supremum auseinandergehen: die Vasomotoren begleiten die Carotis, die Erweiterer der Pupille gehen unabhängig vom (arotisgeflecht zum G. Gasseri. Schon Cl. Bernard hatte auf den isolirten Verlauf dieser beiden Fasergruppen an verschiedenen Stellen des Rückenmarks hingewiesen. 3. Bei der Reizung einzelner Ciliarnerven fand Francois Franck! keine Veränderung in der Blutcirculation, weder während der Verengerung noch während der Erweiterung der Pupille Die Circulation beobachtete er 1) durch das Ophthalmoskop in den Gefässen der Retina und 2) durch ein Manometer, welches den intraocularen Druck anzeigte. 4. Arlt jun.? zeigte, dass bei der Reizung des Halssympathicus die Pupillenerweiterung nicht mit der Gefässcontraction des Ohres zusammen- fällt. Die Pupille erweitert sich früher ad maximum, als die Gefässe des Öhres sich zusammenziehen und erstere war schon zur Norm zurückgekehrt als letztere noch ad maximum contrahirt waren. Da nun kein Grund vor- liest anzunehmen, dass die Gefässe der Iris sich anders verhalten als die Gefässe anderer Körpertheile eines Sympathicusgebiets, so wird wohl die Pupillenerweiterung nicht durch Gefässcontraction zu erklären sein. Grün- hagen oiebt allerdings an, dass die Gefässcontraction sich nach 0-84 Sec., die Pupillenerweiterung aber nach 0.78 Sec. nach der Sympathieusreizung einstellt. Die graphische Methode zeigte ihm, dass von der Reizung des Sympathicus bis zur Gefässcontraction nur 0-6-Sec. vergehen. Doch Fran- cois Franck wiederholte diese Versuche und fand: 1) dass die Pupille sich bei der Sympathieusreizung vor dem Beginn der Gefässcontraction er- weitert; 2) dass das Maximum der Pupillenerweiterung vor dem Maximum der Gefässcontraction erreicht wird; 3) dass die Pupillenerweiterung nicht so lange anhält wie die Gefässcontraction, denn sie fängt an sich zusammen- zuziehen, während die Gefässcontraction noch anhält; 5) dass die Pupille schon eng geworden ist, bevor die Gefässerweiterung sich eingestellt hat. Das Manometer verband Francois Franck mit dem peripheren Ende der Carot. int. Die Resultate von Grünhagen erklärt er durch den Gebrauch starker Ströme, wobei man nicht schnell genug die Pupillenerweiterung con- statiren kann. Ausserdem konnten Klein und Svethin® an Katzen und Kaninchen weder auf Reizung des sorgfältig isolirten Sympathieus unter- halb des Ganglion cervicale supremum, noch auf Extraction dieses Gang- lions eine Lumenveränderung der Retinalgefässe bemerken. 2 A 860% ? Archiv für Ophthalmologie. Bd. XV. 1. 8. 294—317. 3 Jahresbericht von Hofmann und Schwalbe. 1878. Abth. 3. S. 104. EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE IRISBEWEGUNG. 35 5) Da man Irisbewegung an verbluteten Thieren hervorrufen kann, so wird der Einfluss der Blutgefässe auf diesen Process sehr unwahrscheinlich. Durchsehneidet man einem Thier den Halssympathicus und lässt es darauf - verbluten, so erweitert sich die Pupille auf der genannten Seite. Oeffnet man bei einem verbluteten Thiere die Schädelhöhle und durchschneidet den Oculomotorius, so erweitert sich die schon weite Pupille nicht noch mehr. Durchschneidet man aber den Oculomotorius verbluteter Thiere nach vor- hergegangener Sympathicusdurchschneidung, so erweitert sich die Pupille. Reizung des Oculomotorius hat Pupillenverengerung zur Folge. Moriggia! beobachtete, dass die durch Atropin ad maximum er- weiterte Pupille beim Kaninchen sich in einigen Secunden verengt, wenn das Thier durch Eröffnung des Herzens getödtet wird. Die ‚Verengerung dauert 15 Minuten an und geht dann in Erweiterung über. Nach Moriggia _ sprieht auch dieser Umstand gegen die Gefässtheorie der Irisbewegung. 6) Hippel und Grünhagen” behaupten, dass bei Katzen die Sym- pathiceusreizung anfangs eine Erhöhung und dann eine Erniedrigung des _ intraocularen Druckes zur Folge hat. Dieses Resultat erklärten sie durch _ Contraction des Orbitalmuskels und der Gefässe des Auges. Eine Erhöhung des intraoeularen Druckes auf Sympathicusreizung sah auch Francois Franck. Als er jedoch bei Hunden die Ciliarnerven reizte, welche beim Hunde Pupillenerweiterung erzeugen, so erfolgte letztere ohne Veränderung. des intraoeularen Druckes. Die intracraniale Reizung des Oculomotorius zeigt gleichzeitig mit der Pupillenverengerung eine deut- liche Zunahme des intraocularen Druckzs, was jedoch durch den Druck der den Bulbus bewegenden Muskeln, welche der Oculomotorius innervirt, zu erklären ist. Reizt man die Ciliarnerven, welche Pupillenverengerung bewirken, so erfolgt diese ohne Veränderung des intraocularen Druckes. 7) Nach Grünhagen soll die Existenz eines quergestreiften Dilatators | der Pupille bei den Vögeln nicht für das Vorkommen eines solchen bei ‚ den Säugethieren sprechen, . weil 1) die Radialfasern in der Vogeliris eine Pupillenverengerung bewirken können; 2) die Pupillenerweiterung auf Sym- pathieusreizung bei den Vögeln der allmählichen Entstehung halber mehr der der Säugethiere gleicht, während bei quergestreifter Musculatur eine viel schnellere Bewegung erfolgen müsste. Hieraus schliesst Grünhagen, dass die Radialfasern bei Vögeln auch zur Verengerung der Pupille dienen, die Erweiterung derselben aber durch Gefässcontraction zu Stande kommt. Der Sympathicus wurde von Grünhagen durch Einführen zweier Nadeln 1 Reale Accademia dei Lincei. Estratto dal Vol. IV. Serie 3. ° Archiv für Ophthalmologie. Bd. XIV, XV, XVI. 3# .36 N. ZEGLINSKIT: in das Halsmark curarisirter Tauben und Durchleiten des elektrischen Stromes durch dieselben gereizt. Erwägt man aber 1) dass die Reizung des Sympathicus bei den Vögeln keine Pupillenerweiterung zur Folge hat und 2) dass in Grünhagen’s Versuchen die Pupillenerweiterung das Re- sultat der reflectorischen Erregung des pupillenerweiternden Centrums im verlängerten Marke war, so beweist sein Versuch nicht die von ihm ver- tretene Meinung. 8) Bei den Vögeln hat der Sympathicus keinen Einfluss auf die Iris- bewegung. Dieser Umstand spricht gewiss für die Unabhängigkeit der Iris- bewegung vom Lumenwechsel der Gefässe derselben, da auch letztere bei den Vögeln vom Sympathicus versorgt werden; denn Vulpian sah nach Durchschneidung eines Sympathicuszweiges oberhalb des G. supremum cer- vicale, an der entsprechenden Seite der Maulhöhle und Conjunctiva eine stärkere Gefässfüllung, ohne dass die Weite der Pupille sich verändert hätte. Somit muss die Ansicht, welche die Theilnahme der Blutgefässe bei der Irisbewegung voraussetzt, als vollkommen unbewiesen bezeichnet werden, ja wir haben vorläufig sogar kein Recht, darüber weder bei Vögeln noch bei den Säugethieren und Menschen zu sprechen. Zieht man dagegen in Betracht, dass bei den Säugethieren ein M. sphincter pupillae zweifellos vorhanden ist, die meisten Forscher auch die Existenz eines M. dilatator pupillae zugeben, bei Vögeln aber der Sphincter sowohl als auch der Dilatator sehr leicht demonstrirbar sind, berücksichtigt man ausserdem, dass es mir gelungen ist bei den Vögeln einen besonderen Nerven (Ramus ciliaris n. trigemini), der die Erweiterung der Pupille bewirkt, nach- zuweisen und dass der Sympathicus bei den Vögeln auf die Pupillenweite einflusslos ist: so kann nur die Theorie der Irisbewegung, welche diese durch die Thätigkeit zweier gesonderten Muskeln zu Stande kommen lässt, als die einzig richtige bezeichnet werden. EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE IRISBEwEGUNG. 37 Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Ciliarnerven der Taube. a. Ganglion Gasseri. 5b. Ramus primus nervi trigemini. c. Ramus tertius nervitrigemini. d. Ramus secundus nervi trigemini. e. Gang- lion eiliare. ‚f. Ramus ciliaris nervi trigemini. g. Ramus inferior nervi oculomotorii. Ah. N. trochlearis. :. Nn. ciliares. %. N. abducens, abgerissen und nach unten gezogen. Fig. 2. Ciliarnerven der Taube. Fig. 3. Ciliarnerven des Huhns. a. Ganglion Gasseri. b. Zweiter 'Trigeminus- ast. c. Erster Trigeminusast. d. Ramus ciliaris des ersten Trigeminusastes. e. N. oculomotorius. f. Ganglion ciliare. g. Ramus inferior n. oculomotorii. 7%. Nn. ciliares. Fig.4. Ciliarnerven der Taube (halbschematisch). a. Ganglion Gasseri. b. Erster Trigeminusast. c. Ramus ciliaris des ersten Trigeminusastes. d. Ramus ciliaris n. oeulomotorii. e. Ganglion ciliare. f. Nn. ciliares. g. N. opticus. Fig. 5. Ciliarnerven der Taube (vergrössert). a. Erster Trigeminusast. d. Ramus eiliaris des ersten Trigeminusastes. c. Ganglion eiliare. d. N. oculomotorius. e. Nn. eiliares. Versuche über den Einfluss der Temperatur auf die Respiration des ruhenden Muskels. Von Dr. Max Rubner. (Aus dem physiologischen Institut zu Leipzig.) 1. Einleitung. Zu den schwierigsten und verwickeltsten Untersuchungen gehört das Studium der Respiration der einzelnen Organe und trotz der ernstesten Bemühungen hält es schwer in diesem Zweige der Biologie fortzuschreiten. Ueberdies eignen sich nur wenige Organe für eine directe Untersuchung. Aus naheliegenden Gründen hat am häufigsten noch der Muskel als Ver- suchsobject gedient. Die einfachsten und ursprünglichsten Methoden haben G.Liebig,! Valentin,? und Matteucci° geübt, indem sie herausgeschnittene Froschmuskeln in einen abgegrenzten Luftraum brachten und auf mehr oder minder zuverlässige Weise die Aenderung des Gasgehaltes untersuchten. Es zeigte sich, dass der Muskel auch ohne in Contact mit dem Körper zu sein, eine Respiration habe; dieses war allerdings nicht sehr auffallend, da man ja die vorzüglichsten Lebenseigenschaften nach dem Ausschneiden des Muskels persistiren sah und den engen Connex zwischen Lebenseigen- schaften und Chemismus zu würdigen gelernt hatte. Aber eine auffallende 1 Dies Archiv. 1850. S. 393 ff. ? Archiv für physiologische Heilkunde. Bd. XIV. 8. 431 ft. ® Annales de Chimie et de Physique. 1856. t. XLVII. p. 129 et suiv. 0 2) rn u u 2 a N M. RUBNER: EINFLUSS D. TEMPER. AUF D. RESPIR. D. RUHENDEN MUSKELS. 39 Neuerung brachten die Versuche doch — die Thatsache nämlich, dass auch in O-freien Räumen die Muskeln zu leben vermochten, indem sie CO, aus- hauchten. War nun auch in grossen Zügen durch die genannten Autoren das Richtige getroffen, so war es doch zweifellos ein Verdienst Hermann’s,! dass er diese mit einfachen Mitteln am Froschmuskel.. gefundenen Thatsachen mit Hülfe der durch Bunsen verbesserten Gasanalyse auf’s Neue prüfte und durch varjrte Versuchsanordnung wirklich sicher stellte. In den älteren Versuchen war namentlich gar keine Rücksicht darauf genommen, dass die ausgeschnittenen Muskeln neben Lebensprocessen auch Fäulnissprocesse zeigen mussten. Hermann? hat auf letztere sein besonderes Augenmerk gerichtet und hielt nur die CO,-Production der ausgeschnittenen Muskeln für erwiesen; die beobachtete Zehrung von O bezog er aber nicht auf: Lebensprocesse. Wenn man nun die Eigenschaften, welche der ausgeschnit- tene Muskel zeigt, auf die Verhältnisse am lebenden Organismus übertragen darf, so war man also zu der Anschauung gekommen, dass der O nicht die unmittelbare Ursache für die Verbrennung war; dass aber der O doch für die normale, andauernde Functionirung des Muskels unersetzbar ist, war indess schon durch andere Versuche dargethan. Die Untersuchungen von Lud- wig® und Sczelkow hatten ergeben, dass von den Muskeln der Warmblüter, wenn sie im Zusammenhang mit den übrigen Organen untersucht werden, nicht allein CO, ausgehaucht, sondern auch O aufgenommen wird. Der Muskel ist also nicht absolut unabhängig von der O-Zufuhr; dagegen sind Q-Aufnahme und CO,-Abspaltung zeitlich trennbar. Indem nun Hermann auch noch die Beobachtungen über die Bethei- ligung des Myosins an der Muskelcontraction, sowie die damaligen Kennt- nisse über die Milchsäurebildung combinirte, meinte er annehmen zu dürfen, dass bei der Thätigkeit des Muskels zunächst eine complicirte Substanz zerlegt werde, die neben Myosin Milchsäure und CO, liefere, aber durch Synthese der festen Zerfallsproducte mit ernährenden Molekülen und O aufs Neue regenerirt werden könne.* Es wird später Gelegenheit sein auf diese Hypothese zurückzukommen. Ludwig und Sezelkow haben die alten Untersuchungsmethoden ver- lassen und den Muskel in seiner natürlichen Lage untersucht. Sie verfuhren so, dass sie den Gasgehalt des zu- und des abströmenden Blutes prüften. Sie 1 Untersuchungen über den Stoffwechsel der Muskeln, ausgehend vom Gaswechsel derselben. Berlin 1867, ” A.a.0. 8. 38—39 und 8. 66. 3 Sitzungsberichte der Kais. Akademie der Wissenschaften zu Wien. Mathe- matisch-naturwissenschaftliche Classe. 1862. Bd. XLV, II. S. 190 ff. FNZAS0S769 17. 40 MıaAx RuBneER: fanden bei normalen Muskeln auch im Ruhezustande eine O-Zehrung und CO,-Bildung; bei Durchschneidung der Nerven war die Qualität des Che- mismus nicht geändert. Die Thätigkeit steigert sowohl O-Aufnahme als CO,-Bildung; beide nicht in gleichem Grade; denn der respiratorische Quotient aller bei ruhenden Muskeln angestellten Versuche war! 0°797, bei der Thätigkeit aber 0986, d.h. die CO,-Ausscheidung nimmt rascher zu als die O-Aufnahme. Ein Mangel dieser Methodik war, dass nur qualitative Versuche sich ausführen liessen, indem die Blutgeschwindigkeit und die Menge der durch- spülten Muskelsubstanz unbekannt war. Diesem Uebelstande aber hatten Ludwig’s Bemühungen alsbald abgeholfen, indem er zeigte, dass ein aus dem Körper herausgeschnittener Warmblütermuskel bei Durchspülung mit defibrinirtem Blut sich bis an 20 Stunden am Leben erhalten lasse. Es waren somit alle Bedingungen gegeben, um den Chemismus der Athmung des Muskels näher zu verfolgen. Wie fruchtbar diese neue Methode werden konnte, haben Ludwig und C. Schmidt gezeigt, indem sie die wesent- lichsten Beziehungen der Muskelerregbarkeit, der Leistungsfähigkeit und der Ermüdung verfolgten. Auch über die näheren Beziehungen des O zu den Erscheinungen der Ermüdung sind Aufschlüsse erhalten worden. Man wendet aber häufig gegen die bisherigen Untersuchungsmethoden der Or- gane, die wir skizzirt haben, ein, die aus den Versuchen sich ergebenden Schlüsse hätten keine Beweiskraft für den Ablauf der Processe im Organis- mus selbst, weil die Versuchsbedingungen viel zu verschieden von den nor- malen Lebensbedingungen wären. Es liegt etwas Wahres in diesem Einwande; dass die Versuchs- bedingungen vielfach anders sind, als die Lebensbedingungen im Körper, ist richtig. Aber das will man ja eben; nur durch Variation der Bedin- gungen und der Untersuchung des Erfolges der Variirungen können wir nähere Kenntnisse von den Lebensprocessen der Organe erhalten. Man wird sich freilich vor einer blinden Uebertragung aller Resultate auf die Verhältnisse im Körper selbst hüten müssen. Die Fragen, welche wir über den Lebensvorgang im Muskel zu stellen haben, sind keineswegs schon alle beantwortet, so ist z. B. der Einfluss hoher und niedriger Temperatur auf den ausgeschnittenen Muskel noch nicht festgestellt, wenn wir zunächst von der kurzen Notiz Hermann’s,? ‚dass die CO,-Bildung bei 40 bis 50° schneller erfolgte, als 20 bis 30% ab- sehen. Die Frage der Abhängigkeit der Respiration von der Temperatur des Muskels hat ein ganz ausserordentliches theoretisches Interesse und ich ı A.a.0. 8.199. BONO SS 1LO: EINFLUSS D. TEMPERATUR AUF D. RESPIRATION D. RUHENDEN MUSKELS. 41 bin daher gerne der Aufforderung meines verehrten Lehrers, Prof. C. Lud- ' wig, nachgekommen, diese Frage aufzunehmen. Es sind aber durch die ' später mitzutheilenden Versuche keineswegs alle Einwirkungen der Tempe- | ratur auf die Respiration gelöst worden, . aber in allgemeinen Zügen lässt ' sich doch die Beziehung beider kennzeichnen. | Die Methodik, nach welcher bei derartigen Versuchen zu verfahren ‚ ist, haben zwar schon Ludwig und C. Schmidt! bekannt gemacht; es ' wäre daher denkbar gewesen, die gestellte Aufgabe mit den gleichen Hülfs- mitteln zu lösen. 2. Methodik. Ludwig und C. Schmidt haben zuerst den Biceps fem. des Hundes ' zu ihren Versuchen benutzt. Wie es aber in der Natur der Sache lag, war stets eine mühsame und zeitraubende Praeparation nöthie, indem der Muskel ganz aus seiner natürlichen Umgebung geschält werden musste, und ‚ es waren viele Unterbindungen zu machen, ehe eine tadellose Durchspülung ' des Muskels zu erreichen war, d..h. ehe jegliche Nebenblutung aus den Ge- fässen stillstand. Die ersten Bemühungen meinerseits zielten dahin ab, ' ein anderes leichter herzustellendes Praeparat zu den Durchblutungen zu ‚ erhalten, das wo möglich aber auch dem Biceps gegenüber den Vortheil |, einer grösseren Muskelmasse bieten sollte. Injectionsversuche mit Berliner Blau zeigten, dass diesen Bedingungen | das ganze unversehrte Hinterbein eines Hundes genügte, wenn man dabei ‚ in bestimmter Weise verfährt. Im Allgemeinen war die Praeparations- ‚ methode folgende: bei einem durch Verblutung getödteten Thiere wird rasch | die A. iliac, comm. durch eine vorläufige Ligatur geschlossen; sodann die Bauchdecken etwa in der Mitte zwischen Nabel und Symphys. oss. pub. senkrecht zu dem Eröffnungsschnitt der Bauchhöhle durchtrennt, das Rück- ‚grat durchgesägt. Alsdann setzt man in thunlichster Eile eine starke Ca- | nüle in die A.iliaca ein, unterbindet die an die Bauchwand gehenden arteriellen , Zweige; der Penis? wird durch einen stärken Messingdraht so weit als ‚ möglich an seiner Wurzel abgebunden. Unterhalb des Kniees wird gleich- ‚ falls dureh kräftige Drähte die Abbindung vollzogen. Unter diesen Ver- ' hältnissen wird, wie man sich durch Injectionen überzeugen kann, nur der ' Oberschenkel mit Blut versorgt. Alles rückfliessende Blut strömt durch ' die Vena cruralis ab, in welche man eine, der arteriellen Canüle ähnliche, Du. 0) ® Es wurden bis auf einen Fall nur männliche Hunde verwendet. 42 MAx RuUBNER: mit starkem Glashalse einsetzt. Allerdings kann man bemerken, dass dann und. wann durch Venen des Rückenmarkcanales ein geringer Blutaustritt vorkommt. Um dieser Blutung vorzubeugen, wurde in den Rückenmark- canal ein Korkpfropfen eingetrieben. Nun lest man die Bauchwand gegen die Wirbelsäule hin zusammen, und Wirbelsäule wie Haut werden dann zu einem Stumpf zusammen gebunden, aus welchem nur die beiden Canülen herausragen. Freilich ist im Vergleich zu dem ursprünglichen Praeparate Ludwig’s das neue in gewissem Sinne mangelhaft, indem nicht allein Muskelsubstanz, sondern auch Knochen und Haut durchspült werden. Das sind aber keine wesentlichen Bedenken; denn ein reger Stoffverbrauch in Knochen und Haut ist wohl nicht zu befürchten, da von ersteren ihr geringer Blutgehalt bekannt, letztere aber, namentlich bei niederen Bluttemperaturen, wegen der Contraction der Gefässe nahezu blutleer bleibt. Bei der Herstellung des Praeparates muss mit thunlichster Eile ver- fahren werden, damit das in den Gefässen befindliche gerinnungsfähige Blut durch defibrinirtes ersetzt werde, weil sonst Verstopfungen von Gefäss- bezirken vorkommen können. Als Durchströmungsflüssigkeit war in den früheren Versuchen stets das unveränderte Blut benutzt worden und zwar das Blut desselben Thieres oder derselben Thierart, von welcher der Muskel stammte. Es kommen aber dabei manchmal Verlegungen des Stromweges vor, weshalb eine ge- wisse Verdünnung des verwendeten Blutes von Vortheil sein kann. Die Beschaffung einer reichlichen Menge Hundeblutes bietet oft die allergrössten Schwierigkeiten. Es scheint daher unzweifelhaft ein Vortheil zu sein, wenn man das Blut einer fremden Thierart, z. B. das leicht zu beschaffende Kalbsblut verwenden könnte. Die Zulässigkeit einer derartigen Verwendung kann aber nicht von vornherein als selbstverständlich gelten. Ausgeschnittene Kaninchenmuskeln sterben, wenn sie mit Hundeblut durchströmt werden, rasch ab, indessen sie bei Durchströmung mit Kaninchenblut lange Zeit hindurch am Leben bleiben. Ich habe daher Vorversuche über die Durchspülung von Hundemuskeln mit Kalbsblut angestellt. Als Verdünnungsmittel für das Blut wurde Koch- salzlösung gewählt und zwar erwiesen sich Mischungen von 0-6 Procent C1Na-Lösung mit Blut am günstiesten; in einigen Fällen wurde auch eine Salzlösung verwendet, welche neben 0-6 Proc. Cl Na noch 0-1 Proc. PO, Na,H enthielt. Derartige Salzlösungen zeigen, wenn auf einen Theil Blut drei Theile der ersteren zugesetzt werden, kaum eine Auflösung von Blutkörper- chen. Zu den Durchspülungen wurden, wenn man von den Vorversuchen absieht, Mischungen verwendet, welche auf einen Theil Blut höchstens einen Theil Salzlösung enthielten. EINFLUSS D. TEMPERATUR AUF D. RESPIRATION D. RUHENDEN MUskELus. 43 Versuch vom 2. Juni 1880. Ein Hund von 6 Kilo wurde verblutet, das Blut aufgefangen, de- fibrinirt und colirt. Durch den Herzstich wurde der Hund getödtet, die unteren Extremitäten abgetrennt, und in der bereits erwähnten Weise das Praeparat hergestellt. Nun wird rasch mit dem defibrinirten Blute das in den Gefässen noch rückständige fibrinhaltige ausgewaschen, bis das abfliessende Blut seine Fähigkeit zu coaguliren völlig verloren hat. Dann wurde begonnen, aus einer Druckflasche eine Kalbsblut-Salzmischung (ein Theil Blut : drei Theilen 0-6 procentiger CINa) durch den Muskel zu leiten. Um 3" 45° begann die Durchleitung, zu dieser Zeit war die mini- malste Reizbarkeit des Muskels ausgedrückt in Mm. Rollenabstand des du Bois’schen Schlittens = 115. Um 5% 15° war der nicht durchspülte Schenkel schon völlig un- empfindlich für Reize; für den durchspülten wurde die Reizbarkeit gefunden _— 115mm Rollenabstand. Um 5} 42° war sie = 120m Rollenabstand. ” Gy 7B8 B LlS ) a alles „ | Das Kalbsblut hatte also den Hundemuskel an 2°/, Stunden bei gleicher Reizbarkeit erhalten. Dass aber das Hundeblut doch für den Hundemuskel eine geeignetere Durchspülungsflüssigkeit ist, zeigt der folgende Versuch. Versuch vom 6. Juni 1880. _ Das Praeparat enstammte einem 7 Kilo schweren Windspiel; die Durch- spülungsflüssigkeit bestand aus 320 «m Kalbsblut und 680 Cm Salzlösung (0-6 Procent C1Na; 0-2 Procent PO,Na,H). Die Reizbarkeit des Muskels verhielt sich folgendermaassen: 12% war sie — 163mm Rollenabstand. IR „ ze O2 „ 127502, me ls 5 2. ER, 150» m „ DD len s Zwischen 2 und 3 Uhr nahm dann die Reizbarkeit ziemlich rasch ab. Es wurde durchspült bis sie völlig erloschen war, dann an Stelle des Kalbs- blutes Hundeblut durchgeleitet, das in Kürze die Erregbarkeit wieder her- stellte, so dass nach 4 Uhr wiederum kräftige Zuckungen erhalten wurden. Man erkennt also, dass es im Allgemeinen wünschenswerth ist, für die Muskeln des Hundes Hundeblut zu verwenden. 44 MıAx RuBner: Aus der Fähigkeit des Muskels, lange Zeit hindurch bei Durchspülung mit arteriellem Blute seine Reizbarkeit ungeschwächt zu erhalten, konnte man wohl schliessen, dass auch der Chemismus der Muskeln qualitativ wie quantitativ derselbe geblieben sei. Diese Vermuthung zu bestätigen, dienten folgende Versuche: Das Praeparat wurde mit verdünntem Kalbsblut durchblutet (1 Blut: 1 Salzlösung 0:7 Proc. CINa 0-1 Proc. PO,Na,H), welches etwa auf Zimmertemperatur abgekühlt war. Nachdem die. Durchblutung 122 Minuten gewährt hatte, wurde in der von Ludwig und Schmidt angegebenen Weise eine Blutprobe über Hg aufgefangen, die Blutrecipienten gefüllt und auf Eis gelegt. Ebenso ist um die 487. Minute und um die 577. Minute je eine Blutprobe entnommen worden. Es war beabsichtigt gewesen, die Stromgeschwindigkeit völlig gleich zu erhalten, doch sind durch unvorher- gesehene Zwischenfälle Differenzen in der Blutgeschwindigkeit aufgetreten. Die untenstehende Tabelle enthält die näheren Angaben. Versuch vom 15. Juni 1880. Mittlere Geschwindig- | j einer Minute CO, | Reizbarkeit. Zeit in Minuten von keit während des : : ; | : ı in Cubikeentimetern Abstand der Rol- Beginn des Versuches.) Auffangens des Blutes ei 0°u. 1m Hg-Druck.| len in Millimtr. in Cubikeentimetern. | 122 5.6 es 487 445 ee 577 4-5 0:26 55 Die Geschwindigkeitswerthe beziehen sich auf die Zeit der Blutprobe- entnahme. Im Allgemeinen ist auch in der Zwischenzeit die Geschwindigkeit möglichst gleich gehalten worden; nur vor der Entnahme der Probe II war die Blutgeschwindigkeit um ein Wesentliches höher als während der Probe- entnahme. Die Proben, sowie eine arterielle Probe sind mit Hülfe der‘ Ludwig’schen Gaspumpe entgast und die erhaltenen Gase nach den von Bunsen gegebenen Regeln analysirt worden. Die analysirten Gasproben geben über. die Respiration des Muskels während sechs Stunden Aufschluss. Es ist auch die Reizbarkeit des Muskels geprüft worden. Da bekanntlich diese nicht an allen Stellen eines Muskels dieselbe ist, so muss man die Elektroden stets an der gleichen Stelle an- setzen. Es wurde vorgezogen die Elektroden an bestimmten Stellen zu befestigen. Zu diesem Zwecke wurden an den zwei Seiten des Schenkels Hautschnitte gemacht, die Cutis etwas abgezogen und in die auf diese Weise erzeugten Taschen die Elektroden gebracht. Letztere bestanden aus EINFLUSS D. TEMPERATUR AUF D. RESPIRATION D. RUHENDEN MUSKELS. 45 etwa 3m Jangen 1!/,® breiten Platinblechen, welche mit Papier, das in verdünnte Kochsalzlösung getaucht war, umwickelt waren. Die Hautwunde wurde vernäht, und niemals sind an diesen Stellen Blutungen eingetreten. ! Man erkennt aus den mitgetheilten Werthen der Tabelle, dass die C0,-Ausscheidung des Schenkels durch lange Zeit hindurch constant ge- blieben ist, wenn schon sich ein allmähliches Absinken der Reizbarkeit bemerkbar macht, also ein Parallelgehen der CO,-Bildung mit der Reiz- barkeit nicht besteht. Das Absinken der CO,-Bildung bei Entnahme der zweiten Blutprobe, dürfte darauf zurück zu führen sein, dass in der Zwischen- zeit der 122. bis 487. Minute die Blutgeschwindigkeit etwas zu gross ge- worden war, so dass also in Probe II möglicherweise Blut gerathen ist, welches nicht mit einer Geschwindigkeit von 4-5 = pro Minute strömte, sondern schneller. Ein ähnliches Resultat wie in diesem Versuche für die CO, erhalten wurde ist für die O-Zehrung schon von Ludwig und O0. Schmidt angegeben, indem sie nur eine ganz allmähliche Abnahme der O-Zehrung im Muskel fanden, auch wenn die Versuche sehr lange währten. In einem zweiten Versuche ist auch Rücksicht auf die O-Zehrung ge- nommen worden, die Dauer desselben war aber wesentlich kürzer als die des ersten Versuches. Die Blutsalzmischung, welche zur Durchspülung diente enthielt auf 320 Theile Kalbsblut 680 Theile Salzmischung (0-6 Procent C1Na und 0.1 Procent PO, Na, H). Ueber die uns interessirenden. Ergebnisse des Versuches giebt die folgende Tabelle Aufschluss. Versuch vom 25. Juni 1880. ı O-Zehrung pro einer Minute in ‚Cem. bei 0° und Mittlere Ge | m einer Minute | Reizbarkeit. schwindigkeit | 0, bei 00 und | Abstand während des Auf- "2 _ a im Hg-Druck. | Rollen in Mm. Zeit in Minuten von Beginn des Versuches. fangens im Cem. im Hg-Druck. Be N 0.293 5 A: DE 0.319 12 167 ı 18 Daun 0) = Es sind drei Blutproben analysirt worden; die ungefähr der ersten, zweiten und dritten Stunde nach der Einleitung der Durchspülung ent- sprechen. Die Reizbarkeit ist innerhalb dieser Zeit völlig unverändert ge- ! Dies kann auch als ein Beweis für die oben aufgestellte Behauptung, die Haut werde nur unvollkommen durchblutet, angesehen werden. 46 Mıx RUBNER: blieben, die CO,-Production zeigte keine Zu- noch Abnahme, die O-Zehrung ist bis zur zweiten Stunde der Durchspülung nicht abgesunken.! In den beiden Versuchen lässt sich also ersehen, dass die mitgetheilte Methode der Herstellung des Praeparates und die Art der Durchspülung bei gleichbleibenden Bedingungen (Ruhe und Temperatur) genügen, um gleiche Ausscheidungsgrössen der Respirationsproduete zu erlangen. Die Beobachtungen über den Einfluss verschiedener Erwärmung auf die Respiration des Muskels machten eine Reihe neuer Einrichtungen nöthig, welche zuerst besprochen werden müssen. Das Muskelpraeparat befand sich in einem Zinkkasten mit doppelter Wandung. Durch Oeffnungen an der Seitenwand treten die blutzuführenden und abführenden Röhren ein. Zwei weitere Oeffnungen liessen die wohl isolirten Leitungsdrähte durchtreten, welche wie oben schon erwähnt in Platinelektroden endigten. Eine starke Glasplatte deckte den Raum in welchem der Muskel sich befand. Der Rand der Platte war in der Breite von 4 bis 5°” mit Watte beklebt, mit dieser lag sie auf dem Blechkasten auf. Die Glasplatte wurde für den Fall, dass der Muskel gerade nicht beobachtet wurde, mit einer Lage von Watte zugedeckt; die Doppelwandung des Kastens war entweder mit warmen Wasser gefüllt, das noch weiter durch einen unter dem Kasten befindlichen Bunsenbrenner auf seiner Temperatur gehalten werden konnte, oder sie wurde mit einer Salz-Eis- mischung gefüllt. Kaltes und heisses Wasser wurden stets vorräthig gehalten und zwar befanden sich die betreffenden Gefässe in etwa 3 bis 4 Meter Entfernung vom Praeparate aufgestellt, höher stehend als dieses. Von diesen Gefässen führten weite Kautschukschläuche bis zum Zinkkasten, so dass er also aufs schnellste mit heissem oder kaltem Wasser versehen werden konnte. Die Blutzuleitung geschah nicht mit der von Ludwig und Schmidt benutzten Druckflasche, sondern. die Einrichtung war etwas abgeändert worden. Es wurde zunächst Rücksicht darauf genommen, dass das Blut während der immerhin langen Versuchszeit keine Aenderung seines Gas- gehaltes erleide. Die Blutsalzmischung befand sich in einer dreifach tubu- lirten Woulff’schen Flasche. Letztere war in ein weiteres Gefäss mit Eis ‘ Der Versuch wurde unterbrochen, weil die Durchspülungsflüssigkeit nicht weiter reichte. Die durchspülte Muskelmasse wog: 404-Osrm Fleisch. Die Temperatur des abfliessenden Blutes war bei Probe I. 22-4—22-80C, Il. 22-8—23-.00C. II. 23-0—22-500. “. EInFLuss D. TEMPERATUR AUF D. RESPIRATION D. RUHENDEN MUSKELS. 47 versenkt und verblieb in dieser bis zu Ende des Versuches. Die Blut- salzmischung behielt sonach immer eine Temperatur, die nahe an O° lag. Der mittlere Tubulus der Flasche liess einen Messingstab durchtreten, welcher an seinem in der Flasche befindlichen Ende ein Messinskreuz trug, das als Mischer fungirte; es wurde durch Bewegen des Mischers dafür gesorgt, dass die Blutkörperchen sich nicht absenkten. Der eine seitliche Tubulus führte zu einer zweiten Woulff’schen Flasche, welche ihrerseits durch einem Kautschukschlauch mit einem auf beliebige Höhe einstellbaren Wassergefässe verbunden war. Das Wasser floss in die Woulff’sche Flasche, comprimirte hier die Luft, die dann auf die Blutsalzmischung der erst erwähnten Woulff’schen Flasche drückte. Der dritte Tubulus der Blutflasche hatte zwei Röhren. Die eine war mit einem unten nach Art der Gasleitungsröhren gebogenen Rohre ver- bunden, dessen Schnabel unter Quecksilber tauchte. Sie diente dazu, zu beliebigen Zeiten Blutproben zur Analyse wegnehmen zu können. Die andere Röhre diente zur Zuleitung des Blutes zu dem Muskel. Es konnte aber nicht daran gedacht werden etwa das auf O° abgekühlte Blut dem Muskel zuzuleiten und die Variation der Temperatur dadurch zu erzeugen, dass man die Muskelsubstanz von aussen erwärmt. Denn kein Moment ist serade für die Abkühlung oder Erwärmung des Muskels von solcher Be- deutung wie die Temperatur des circulirenden Blutes. Es wurde daher zwischen Blutflasche und Muskel ein eigener Apparat eingeschaltet, welcher das Blut auf eine bestimmte Temperatur zu bringen hatte. Ein Blecheylinder von 4 bis 5 Liter Inhalt hatte eine mehrfach durchbohrte Decke. Die eine Oefinung diente zur Füllung mit heissem oder kaltem Wasser, welche aus den beiden Reservoiren entnommen werden konnte, wie bei Füllung des Blechkastens, der das Praeparat enthielt, schon beschrieben wurde. Eine weite am Boden des Blecheylinders an- gebrachte Abflussöffnung erleichterte die Entleerung dieses Gefässes. Die Temperatur des Wassers konnte durch ein eingesenktes Thermometer ab- gelesen werden. Eine in der Wandung befindliche Oeffnung liess die Blutleitungsröhre eintreten und zunächst ' circulirte das Blut im einer mehrfach gewundenen engen Bleiröhre, welche schliesslich aufsteigend _ den Deckel des Blecheylinders durchbohrte. In der Mitte des Deckels war eine weitere Oeffnung und diese diente zur Aufnahme eines genau abgepassten Gläschens, dessen Hals von einem en durchbohrten Gummistopfen Mechleien war. Eine centrale _ Durehbohrung liess einen dünnen Metallstab durchtreten, der mit einem | | Mischer endigte; der Mischer wurde während eines ganzen Versuches durch eine automatische Einrichtung in Bewegung gehalten, so dass also auch an dieser Stelle ein Absenken der Blutkörperchen nicht eintreten konnte. 48 Max RUBNER: Zwei weitere Oeffnungen des Kautschukpfropfens hielten Glasröhrchen, deren eines nahe dem Boden, deren anderes aber nahe dem abschliessenden Gummi- ’ j pfropfen endigte; durch ersteres trat das Blut ein, durch letzteres trat es aus. Da man nun bei Beginn des Versuches das ganze Gläschen mit Blut zu füllen hatte, so war in dem Gummistopfen noch eine vierte Oeffnung angebracht und ein Glasröhrchen eingesetzt, das eben den Stopfen durch- | setzte. Während nun Blut einströmte konnte hier die Luft austreten. Ein ° Kautschukstück mit Klemme gab den nöthigen Abschluss. Das Ende des durch den Deckel des Blecheylinders durchtretenden Bleiröhrchens war mit der Glasröhre verbunden, die auf den Boden des zur weiteren Mischung und Erwärmung des Blutes dienenden Gläschens führte. Die Ableitungsröhre des Gläschens führte das Blut dem Muskel zu. Ehe es in die Canüle zur Arterie trat wurde seine Temperatur durch ein in einem T-Stück befestigtes Thermometer gemessen. In gleicher Weise war unmittetbar an die Canüle, welche in die Vene eingebunden war, ein T-Stück mit Thermometer zur Bestimmung der Temperatur des abfliessenden Blutes eingebunden. Das abströmende Blut floss in eine mit Quecksilber gefüllte Flasche, aus welcher durch eine Hebervorrichtung das Quecksilber abgelassen werden konnte. Damit nun nicht etwa Stauungen im Blutstrome vorkamen, war, ehe das Blut in die Blutflasche einfloss, ein kleines Manometer eingesetzt, so dass leicht eine Regelung des Blutstromes ausgeführt werden konnte. Wenn genügend Blut aufgefangen war, so wurde das Gefäss mit wind. PL et Quetschhähnen geschlossen und in demselben Momente dem abströmenden - Blute ein anderer Weg geöffnet, mdem der eine Schenkel eines bis jetzt ge- schlossenen T-Stückes aufgemacht wurde. Von der während einer Versuchs- periode entleerten Blutmenge wurden alsbald die Blutproben in die kleinen Reeipienten übergefüllt und in Eis verpackt. 3. Versuchsresultate. a) Versuch vom 2. December 1880 (Nr. VI). Ueber die Herrichtung des Praeparates braucht nichts weiter erwähnt zu werden, weil stets in gleicher schon mitgetheilter Weise verfahren wurde. Die durchspülte Muskelmasse betrug 291”; die Blutmischung bestand aus 2310 °® Hundeblut + 4000 Cm Salzlösung (0-7 Procent CINa; 0-1 Procent PO,Na,H). Die Einzelheiten, welche zu wissen von Interesse ist, giebt übersichtlich nebenstehende Tabelle. EINFLUSS D. TEMPERATUR AUF D. RESPIRATION D. RUHENDEN MosKEus. 49 Tabelle II. Versuch vom 2. December 1880. EN ecaden |ühgeiliesene Reizbarkeit Bemerk \ iessenden | abgeflossenen rkeit. emerkungen. Eauien. Blutes. Blutes in Cem. e F Bei einem Bündel St. 0—95 15-0—15-3 340 6:5—6-5 \ Blut zur Analyse. 95—159 14.0 300 6-5 Blut schwach venöser Färbung. 159— 220 |21-8— 25-5 400 8:.5—17.0 Blut zur Analyse. 2200273 25-3 200 8.7—6.7 Blut dunkel, 273—335 |22.4—14:0 390 5.3—5.0 Blut zur Analyse. 3835 — 974 12-2 190 Muskel nicht reizbar. | Blut schwach venöse Färbung. Anfangs nicht reizbar, 874—420 118-0— 26-8 170 sale bei Den RUE, Blut zur Analyse. 420— 446 25-1 150 5.9—4.0 Blut nn Schon die oberflächliche Betrachtung des aus dem Muskel abströmenden Blutes und die Vergleichung wit dem arteriellen Blute zeigt, dass beim Kühlhalten des Muskels nur wenig Sauerstoff verzehrt wurde; denn das venöse Blut war nur wenig dunkler als das arterielle; beim Erwärmen des Muskels floss es dagegen dunkel gefärbt ab. Die Reizbarkeit des Muskels war gleichfalls von der Temperatur beeinflusst. Sie sank bald nach dem Durchleiten kühlen Blutes bis 6-5"= Rollenabstand ab. Völlig zum Er- löschen zu bringen war sie nicht, obschon 2!/, Stunden kühles Blut durch- geleitet wurde. Beim Erwärmen stieg sie dann an, doch zeigte sich auch bei gleichbleibender Erwärmung die Tendenz zu sinken. Bei erneuter Ab- kühlung — die Temperatur war im Mittel 12-2° — war auch bei Anwen- dung der stärksten Reize keine Zuckung wahrzunehmen. Der Muskel war völlig unerresbar. Erneute Erwärmung stellte die Reizbarkeit wieder her. Von den Respirationsgasen wurde nur die CO,-Bestimmung ausgeführt; die Bestimmung der O-Zehrung missglückte. Die näheren Angaben enthält die Tabelle auf der folgenden Seite. Wohlzeigendie Werthe fürdieCO,-ProductionSchwankungen; dagegen lässt sich keine mit dem Wechsel der Temperatur zu- sammenfallende Gesetzmässigkeit entdecken. Die CO,-Bildung scheint unabhängig von der Temperatur zu sen. War nun auch die Bestimmungen des Sauerstoffs missglückt, so zeigte doch die Färbung des Archiv f.A.u. Ph, 1885. Physiol. Abthlg. 4 50 MAx RUBNER: Tabelle IV. Geschwindigkeit), CO, pro einer P P Temperatur des aus dem .. | m : Reizbarkeit gemessen am ke) abström. Blutes. NR ne, ae Rollenabstand. 14-0 4-7 0-248 6-5 25.3 4-1 0.154 8:7—6°7 12.2 4.9 0.188 0 25-1 4-7 0.202 5.9—4:0 Blutes, dass für den Sauerstoffverbrauch sicher eine Beeinflussung durch die Temperatur angenommen werden musste und zwar in dem Sinne, dass Steigen der Temperatur die O-Zehrung mehrt, Abkühlen sie mindert. Es war an diesem Versuche recht auffallend entgegengetreten, dass der Muskel nur schwierig auf eine beliebige Temperatur zu bringen ist. Das Hauptaugenmerk wurde daher zunächst darauf gerichtet, die Temperatur- intervalle noch grösser zu machen. . b) Versuch vom 10. December 1880 (Nr. VII). Das von einem grösseren Hunde hergestellte Praeparat hatte 517 sm Muskelmasse. Die Blutmischung bestand aus 1 Theil Hundeblut + 2 Theilen Salzmischung (0:7 Procent OlNa, 0.1 Procent PO, Na, H). Bei einer mitt- leren Temperatur von 10.4° war der Muskel unerregbar geworden; die Reizbarkeit kehrte mit der Erwärmung auf 31° wieder. Die erneute Tabelle V. Zeit in t° des ab- Menge des | en fliessenden | abgeflossenen Reizbarkeit. Bemerkungen. 2 Blutes. Blutes in Cem. 0—130 OEM, 530 Ohne Stäbe 13:0, 130—223 10.4 360 as nik an. Blut zur Analyse. 223—304 |23-.0—26-0 240 65:0 120m bei allen Stäben. 8304—356| 31-2 200 112 mit Stäben, Ende Blut zur Analyse. | ohne Stäbe bei 0 m, 396— 398 == 330 398 —432 9.5 205 Reizb. von Beginn = 0.| Blut zur Analyse. 452—472 — 340 a1—512| 28-2 250 | Meizb. kehrt nicht | But zur Analyse. EINFLUsSs D. TEMPERATUR AUF D. RESPIRATION D. RUHENDEN Mvskers. 51 Abkühlung liess sie wieder schwinden. Als nun auf die Durchspülung mit kühlem Blute nochmals Erwärmung auf 28.2° folgte, stellte sich trotzdem die Reizbarkeit nicht wieder ein. Hinsichtlich arterieller oder venöser Färbung des aus dem Muskel ab- fliessenden Blutes ist dasselbe zu sagen wie im vorigen Versuche. Bei Kälte nähert die Farbe des Venenblutes sich mehr der arteriellen Farbe. Es ist in diesem Versuche auch gelungen, Temperatur-Minima und -Maxima weiter auseinander zu legen. Ueber die Art der Muskelrespiration giebt foleende Tabelle Aufschluss. Tabelle VI. Temperatur » „. , CO,in Cem. | O-Verbrauch des aus dem en pro einer Min. pro einer Min. “» | Reizbarkeit gemessen Muskel ausfl. löiner Min bei0°und 1imbei O’und Im O0 am Rollenabstand. Blutes. p ? Druck. Druck. a 13-0 ohne Stäbe 10.4 3-8 0.185 0.076 2.43 erlischt aber alsbald. |Reizbar bei eingelegten Se 4.0 0.079 0.125 0-63 Stäben, später reizbar ohne Stäbe bei Omm, 9.5 6-0 0:297 0.084 3-51 0 28.2 6-2 0.132 05130 1801 Reizbarkeit kehrt nicht wieder. Die CO,-Ausscheidung weist in diesem Falle Schwankungen auf, welche mit dem Temperaturwechsel zusammenhängen. Es hat geradezu den An- schein, als ob bei hoher Temperatur weniger CO, gebildet worden wäre als bei niedriger Temperatur. Die Sauerstoffzehrung zeigt — wie wir aus der Färbung des Blutes schon vermuthen konnten — eine Steigerung durch die Wärme und ein Absinken bei der Abkühlung. Bildet man in üblicher Weise die respi- ratorischen Quotienten, so erkennt man, dass dieselben bei abnorm niedriger Temperatur des Muskels die auffallendsten Abweichungen von den unter normalen Verhältnissen erhaltenen bieten. Die Quotienten des von warmem Blute durchspülten ausgeschnittenen Muskels zeigen dagegen nichts Auf- fälliges. Es ist von grossem Interesse, dass auch der durch Kälte schein- todt gewordene Muskel doch noch eine sehr bestimmbare Sauerstoffzehrung _ besitzt. Letztere steht also in keinem directen Zusammenhange mit der ‚ Reizbarkeit. c) Versuch vom 9. Februar 1881 (Nr. VIIJ). Zu einem weiteren Versuche diente ein Praeparat mit 530 8% Muskel- ‚ masse. Die Durchspülungsflüssigkeit war ein Gemisch von 1 Theil Hunde- 1 4* 52 MıAx RUBNER: blut und 2 Theilen 0-6 procentiger Kochsalzlösung. Es gelang diesmal, noch grössere Temperaturdifferenzen zu erzielen, als in den beiden vorigen Versuchen. Leider konnte der Muskel aber nicht wieder bei Erwärmung untersucht werden, weil in dem Momente, als die zweite warme Blutprobe gesammelt werden sollte, Quecksilber in die Venen gerathen und somit dem Blute der Weg verlegt war. Tabelle VL. Zeit j t° des ab- Menge des Min Fe fliessenden | abgeflossenen Reizbarkeit. Bemerkungen. ne Blutes. Blutes. 0—81 32.0 360 5.2 — Ein Bündel Stäbe. 81—126 33.7 250 4.0 Blut zur Analyse. 126—271 — 520 Völlig unempfindlich. — 271-325 AD 250 # n Blut zur Analyse. Tabelle VII. Temperatur Cem. CO, Cem. O-Verbr. | Geschwindig- des aus dem keit in Cem. Muskel ausstr. pro einer Min.|pro einer Min.| CO, | Reizbarkeit gemessen. bei 0° und 1m/bei 00 und Im O0 ‚in Mm.Rollenabstand. Blutes. pro einer Min. Druck. Druck. 3a 5:60 | 0.342 0.207 1-65 5.2—4.0 7.2 4.63 0:19 0:042 14.56 0 Die Resultate stimmen in Allem mit den früheren überein. Zwar zeigt die CO, bei der Kälte ein gewisses Absinken, es lässt sich dies aber, wie später noch gezeigt werden wird, auch auf andere Weise erklären, ohne dass man CO,-Bildung mit der Temperatur in nähere Beziehung bringt. Die O-Zehrung ist bei der Abkühlung von 33.7 ° auf 72° ausserordent- lich abgesunken. Doch konnte man selbst bei dieser niedrigen Temperatur den Sauerstoffverbrauch durch den Unterschied zwischen arteriellem und venösem Blute constatiren. Die respiratorischen Quotienten zeigen das be- reits im vorigen Versuche bemerkte auffällige Verhältniss. d) Versuch vom 16. Februar 1881 (Nr. IX). Die verwendete Muskelmasse beträgt 453.3sm, Hundeblut und 0-6 procentige Kochsalzlösung wurden zu gleichen Theilen gemischt als Durch- spülungsflüssigkeit verwendet. Da die Herstellung des Praeparates sehr _ dung nicht an; sie ist vielmehr noch weiter abgesunken. _ den Anschein, als ob die wechselnde starke Abkühlung einen schädigenden EINFLUSS D. TEMPERATUR AUF D. RESPIRATION D. RUHENDEN MUSKELS. 53 rasch gelungen war, so konnte schon etwa eine Stunde nach dem Tode des Thieres mit dem Auffangen der ersten Blutprobe begonnen werden. Die Temperaturdifferenzen waren diesmal noch bedeutender. Es gelang einer- seits, die Muskelrespiration bei einer der normalen nahestehenden Temperatur zu untersuchen, andererseits war das Minimum = 6-4°C. Die Erwähnung der Wirkung der Erwärmung auf die Reizbarkeit kann füglich unterlassen werden. Tabelle IX. Zeit in t° des ab- Menge des i Minuten: m engen Reizbarkeit. Bemerkungen. 0—54 32.6 sol 5.5 ohne Stäbe. 54—99 39-5 315 1.2 —7'2 Blut zur Analyse. 99 —240 9.5 300 | Völlig unempfindl. | 240—282| 6.4 250 ss 55 ı Blut zur Analyse. 282—-357 39.0 283 3-5 ohne Stäbe. 41) 38.2 Sau N blut zur) Analyse. Die analytischen Ergebnisse stehen in vollem Einklang mit den früheren Befunden. Tabelle X. Temperatur Eier Cem. CO, |Cem. O-Verbr. BE ee des aus dem a nndig: in einer Min. | in einer Min. Co, an = a Muskel abfl. |" ziner Min, Dei 0° und Lmlbei 0° und Im) 0 | 1 Roman and Blates: pro einer Min. Druck. Dan Mm. Rollenabstand. 89-5 7.0 0501 0-415 oil 02 6-4 6-1 0-364 OSblae, 3 0 38.2 He 0185 0256 0.7 7-5 Die Kohlensäureausscheidung sinkt allerdings auch bei der Abkühlung des Muskels wie in dem vorigen Versuche. Die richtige Aufklärung für dieses Absinken der CO, giebt aber die darauf folgende Erwärmung des Muskels. Auch unter dem Einflusse der letzteren steigt die CO,-Bil- Es hat daher Einfluss auf den Muskel habe, wodurch ein allmähliches Absinken der CO,- Bildung herbeigeführt wird. Dieser schädigende Einfluss macht sich in gleicher Weise auf den Sauerstofiverbrauch geltend. Der Sauerstoffverbrauch erweist sich wiederum abhängig von dem Grade der Erwärmung. Doch wird man erkennen, dass der Sauerstoff- 54 Max RUBNER: verbrauch nach der starken Abkühlung auf 6-1° sich nicht mehr zur alten Höhe erhebt, obschon die Temperatur von 38-2° nur wenig von der Mittel- temperatur der erstmaligen Erwärmung 39.5° verschieden ist. Auch an der Reizbarkeit, welche bei der zweitmaligen Erwärmung die alte Höhe nicht erreicht, ist eine gewisse Schädigung unverkennbar. Im Uebrigen besteht auch zwischen diesem Versuche und den früheren eine befriedigende Uebereinstimmung. Man könnte nur gegen die Behauptung des schädigenden Einflusses der Temperatur anführen, dass von einer derartigen Einwirkung im Ver- such b nichts zu bemerken war. Nun ist aber in Versuch b der erst- maligen Erwärmung des Muskels schon eine Durchspülung mit kaltem Blute vorausgegangen; andererseits aber wird die schädigende Wirkung wesentlich von der Grösse der Temperaturdifferenz abhängen und diese war nirgends grösser als in dem Versuch d, nämlich: 33.1°, bei Versuch b aber nur rund 21°. e) Versuch vom 1. März 1881 (Nr. X). Die zu diesem Versuche verwendete Muskelmasse betrug 3748”; zur Durchspülung dienten 1700 °® Hundeblut + 2000 Cm 0.6 Procent ClNa- Lösung. Auch hier gelang es, schon eine Stunde nach dem Tode des Thieres die erste Blutprobe zu sammeln. Tabelle XI. ZU || nessendn „abe enen ne Bemerk : essenden | abgeflo n > gen. Minuten. Be e1zbarkel emerkungen 0—47 36.0 322 11-5 ohne Stäbe. 47—95 | 36-0 250 11.5—6-5 Blut zur Analyse. 95—252 9.8 586 Völlig unempfindl. 252— 310 8.6 250 “ n Blut zur Analyse. 310—384 33-5 590 5-0 mitallen Stäben. 5.0 mitallen Stäben. 384 — 437 34.3 250 ns Sana Blut zur Analyse. Der Versuch bietet, wie man nach den Zahlen der vorstehenden Tabelle schliessen kann, eine Bestätigung der früheren Resultate. Auch hier gelang es, den Muskel durch Kälte unempfindlich gegen die Reize zu machen und durch erneute Wärmezufuhr seine Reizbarkeit wieder herzu- stellen, wenn auch nicht in gleicher Höhe, wie sie früher bestand. Die Werthe für die Respiration des Muskels sind folgende: EINFLUSS D. TEMPERATUR AUF D. RESPIRATION D. RUHENDEN MUSKELS. 55 Tabelle XI. Temperatur | na... |, Cem. CO, |Cem. O-Verbr. ne des 18 dem ende in einer Min, in einer Min. | CO, a des N Muskel austl. Re En en bei 0° und 1m/bei 0° undimı O0 M = allenah Dec Bikes: pro einer Min. Druck Drccle m. Rollenabstand. 86°0 4-54 0.417 0.304 1.36 11-5—6°5 8.6 4-40 0.262 0.094 DES 0 84.3 4-70 0.228 0210 1:09 5-°0—4-5 Die Kohlensäureausscheidung sinkt während der Abkühlung des Muskels bedeutend ab; sie sinkt aber noch weiter auch während der darauf folgenden Erwärmung. Es ist das gleiche Verhalten wie im vorigen Versuche, nur weniger stark ausgeprägt. Die Sauerstoffzehrung fällt mit der Erniedrigung der Temperatur und steigt bei erneuter Erwärmung wieder an. Doch erreicht das zweitmalige Ansteigen nicht den Werth, welchen die Sauerstoffzehrung bei Beginn des Versuches darbot. Die Erklärung für diesen Vorgang bietet die schädigende Einwirkung bedeutender Temperaturdifferenzen. Wie das (resammtbild des Versuchs von den übrigen nicht abweicht, so stehen auch die respiratorischen Quotienten den früher erhaltenen nahe. Damit ist das Versuchsmaterial, über welches ich verfüge, abgeschlossen; die Frage der Wirkung der Temperatur ist zwar damit nicht erledigt, doch lassen sich, wie man sehen wird, gewisse Grundzüge für die Wirkung der- selben wohl feststellen. Ich werde daher nun, die Resultate der einzelnen Versuche zusammenfassend, Schlussfolgerungen zu ziehen unternehmen. Von grosser Wichtigkeit wäre es gewesen, die Grenze festzustellen, bei welcher überhaupt kein O mehr aufgenommen und keine CO, mehr ab- gegeben wird. Eine hierfür benöthigte Abkühlung erfordert aber eine ausserordentlich lange Durchspülung eines Muskels. 4. Betrachtung der Resultate. a) Die Sauerstoffzehrung. Das wichtigste Ergebniss der Untersuchungen ist der Nach- weis der Abhängigkeit der Sauerstoffzehrung des Muskels von der Temperatur desselben. In allen Fällen ist bei Abnahme der _ Temperatur auch der Sauerstoffeonsum abgesunken, bei darauf folgender 56 Max RUBNER: Wiedererwärmung auf’s Neue angestiegen. Dieses Ansteigen und Abfallen lässt zweifellos in jenen Versuchen, welche ähnliche Maxima und Minima der Temperatur zeigen, eine gleiche Abhängigkeit vom Temperaturintervall erkennen. Man muss aber wohl erwägen, dass diese Uebereinstimmung keine absolute sein kann (wie dies bei den einzelnen Versuchsreihen schon hervorgehoben wurde), weil die O-Zehrung im Verlaufe der Zeit der Durch- spülung absinkt. Dieses Absinken beruht offenbar auf einem schädigenden Einfluss abnorm niedriger Temperaturen, der schon für manche Lebens- erscheinungen erwiesen ist. Sonach ist die absolute Zahl für den O-Consum bei gleicher Temperatur etwas verschieden, je nachdem die O-Zehrung in der ersten, oder zweiten oder dritten Stunde der Durchspülung unter- sucht wird. Vergleicht man die einzelnen Temperaturintervalle und ihre Wirkung auf den Sauerstoffeonsum und führt die Werthe auf die Zunahme um 1°C. oder die Abnahme um 1° C. zurück, so erhält man folgende Zahlen. Tabelle XII. Ne der Wenn die t des Wenn die t des | Beobachtete | Beobachtete | Nede v = he Muskels um 1° Muskels um 1° Temperatur. Temperatur. Versuche fi an „.. steigt, steigt der) sinkt, sinkt der Maximum und Maximum und es NE ur SW (Q.Verbrauch um O-Verbrauch um| Minimum für | Minimum für kühl une: x Procent x Procent. |das Ansteigen. das Absinken. uns VI.a—b 3-09 1-55 10.4—31-231-2—9-5 VILb—e | VIL.c—d 2.92 3-10 9.5—28.233-.7—7-2 VIl.a—b VIoIL.b—e 3.78 2.27 6:4—38:239.5—6-4 IX.a—b X.b—c 4.80 2.54 8.6— 34:3 36 °0—8°6 X.a—b Die Schwankungen in den einzelnen Werthen sind nicht bedeutend, wenn man die Schwierigkeiten derartiger Versuche nur einigermaassen zu beurtheilen versteht. Abgesehen davon, dass die zu Versuchen verwendeten Muskeln schon individuell ein etwas abweichendes Verhalten zeigen konnten, ist weiteres zu bedenken — und dies wird unten noch zu besprechen sein, — dass innerhalb selbst ziemlich weiter Temperaturgrenzen die O- Zehrung des Muskels fast unabhängig von der Temperatur genannt werden kann. Erst bei Ueberschreitung einer gewissen Temperatur- ! Die einzelnen Perioden der Erwärmung und Abkühlung sind mit a, b, c, d be- zeichnet. EINFLUSS D. TEMPERATUR AUF D. RESPIRATION D. RUHENDEN MUSKELS. 57 schwelle beginnt der O-Verbraueh merkbar von der Temperatur beeinflusst zu werden. Vergleicht man also Temperaturdifferenzen, welche mit ihrem niedrigsten Temperaturwerth über oder unter die Temperaturschwelle fallen, so kann der für 1° berechnete Zuwachs des Sauerstoffeonsums nicht der gleiche sein. In der That entsprechen einer derartigen Erklärung die vorliegenden Zahlen, indem Maxima und Minima der Temperatur sehr verschiedene absolute Werthe aufweisen. Sonach muss man auch schliessen, dass für den Zu- wachs des O-Consums mit Zunahme der Temperatur bei meinen Versuchen keine allgemein giltige Constante angegeben werden kann. Tabelle XIV. Bezeich- 3 | Cem. CO, | O-Verbr. | Temperatur | Mittelwerth | Mittelwerth nung des | S \ineinerMin. in einer Min. : ür CO, Proc. für O-Consum: Versuchs. = pro ein Kilo. pro mittel. 0° 1m Druck.|0° im Druck. = | X.b 64 080 | 0.85 | VII. b 132 0:36 0.08 | 25 al ne re u Be N MI;,.e 9.5 0-57 0.16 ) VID. a| 10.4 0-35 0:15 Wen» om | — 22 0.64 0-19 VI: 14-0 0.85 0.23 Wied 29:1 0-72 — | MED 025-3 0-46 26.2 0.48 (0-25) Bande 28=2 0-25 0-25 IE. 31-2 0-15 0:24 BITTE a\.33-7 0.65 0:39 . 0:63 > Be 0 0 en x. a | 36-0 cl 0-81 ) ) Ne 38:2 0:41 | 0.56 | Da, Sa oe ee in 0.78 Einen leichteren Ueberblick über die besprochenen Verhältnisse ge- winnt man bei passender Combination aller Einzelversuche. Dazu ist eine 58 Max RUBNER: Umrechnung der letzteren Werthe aufabsolute Werthe nöthig; da in allen Ver- suchen die verwendete Muskelmasse bekannt war, ergeben sich keine weiteren Schwierigkeiten. Ich habe in folgender Tabelle die Angaben pro 1 Kilo Muskel, pro 1 Stunde Zeit und in Cem bei 0° und 760®m Druck eingetragen, weil die meisten Zahlen für Ergebnisse der Respiration auf die gleichen Einheiten zurück geführt worden sind. Tabelle XV. Temperatur mittel. | Tedmm pro Kilo und Sb. | 160mm pro Kilo und St 7-9 | 48.12 | 15-00 1952 | 50.52 | 15-00 2802 | 37-86 | 19.74 33.8 | 49.80 | 39.42 38.8 | 59.16 61-56 Man darf diese Zahlen nun nicht ohne weitere Kritik hinnehmen; da alle Muskeln mit der Zeit eine Abnahme ihrer Respirationsgrösse zeigen, so enthält die Rubrik der Sauerstoffzehrung Zahlen, welche von zwei Factoren abhängig sind. 1) von dem Einfluss der Temperatur; 2) von dem Einfluss der Schädigung durch vorhergehende Abkühlung. Die zweite Einwirkung liesse sich eliminiren, wenn für jedes Temperatur- intervall eine Reihe von Muskeln in verschiedenen Zuständen der Durch- spülung zur Beobachtung gekommen wären. Dies trifft in der That für manche Reihen zu, doch nicht für alle. Es stört aber diese Ungleichheit des Muskelzustandes nicht sehr, wie sich leicht zeigen lässt. In der ersten Gruppe von Zahlen, welche die Versuche zwischen 6.4 bis 9-5°C umfasst, sind nur solche enthalten, welche bereits längere Zeit durchspülte Muskeln betreffen. Man könnte nun vermuthen, die Be- stimmung der Sauerstoffzehrung sei zu niedrig ausgefallen. Wie nun die Zusammenstellung mit der folgenden Gruppe (10-4° bis 14.0) darthut, ist dies aber nicht der Fall; denn obschon die zweite Gruppe zwei Versuche enthält, welche gleich nach dem Abtrennen des Muskels vom Körper an- gestellt wurden, zur Bildung der Mittelzahl verwendet sind, erkennt man, dass die O-Zehrung doch nicht grösser ist als in der ersten Reihe. Für ° das Intervall 25°1 bis 282° steht leider nur ein Versuch aus einer späten Versuchszeit zur Verfügung. Hier dürfte wohl die Respirationsgrösse EINFLUSS D. TEMPERATUR AUF D. RESPIRATION D. RUHENDEN MUsKErs. 59 etwas zu klein ausgefallen sein, weil ausserdem noch die Zahl dem Muskel VII zugehört, welche eine auffallende kleine O-Zehrung hatte, da er schon früher zweimal dem schädigenden Eintlusse niederer Temperaturen ausgesetzt war. Die beiden anderen Gruppen geben zu keiner weiteren Fr- innerung Veranlassung. Man erkennt nun zweifellos, dass innerhalb weiter Temperaturgrenzen von 64° bis 14-0° mit aller Sicherheit die Sauerstoffzehrung des durch- bluteten Hundemuskels von der Temperatur unbeeinflusst bleibt. Betrachtet man 12-20 in Mittel als Temperaturschwelle für die Sauerstoffizehrung, so hätte man für das Temperaturintervall 12°2 bis 33-8° = 21.6° Differenz + 162.8 Procent Zuwachs = 7.5 Procent pro 1°C. Temperaturzuwachs und für 33-8 bis 388° = 5°Differenz + 56°1 Procent Zuwachs = 11-2 Procent pro 1°C. Die beiden Zahlen sind also ziemlich übereinstimmend; ob man schliessen könne, bei einer Körpertemperatur nahen Erwärmung nähme die O-Zehrung rascher zu als zwischen 12-2 bis 33-8°, lasse ich dahin gestellt. Berechnet man den mittleren Werth für die Steigerung von 122° bis 38:8, so hat man für das Intervall 26-6 + 310-4 Procent= 11-6Pro- cent pro 1°C. In allen Fällen konnte bei dem für Reize völlig unempfindlichen Muskel mit aller Sicherheit noch eine Sauer- stoffzehrung nachgewiesen werden. Sie lässt sich nicht allein chemisch darthun, sondern wird auch dem Auge bei Vergleichung des zufliessenden und des abströmenden Blutes bemerkbar. Die O-Zehrung des durch Kälte völlig unerresbar gewordenen Muskels ist nicht kleiner als man sie bei Thieren beobachtet hat, die bei abnorm niedrigen Temperaturen untersucht worden sind. Es muss selbstverständlich eine weitere Grenze geben, bei welcher jeg- liche Sauerstoffzehrung durch den Muskel aufgehoben wird. Die langsame Abkühlung des Muskels war die Ursache warum in meinen Versuchen diese Grenze nicht hat erreicht werden können. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Hermann! in der Deutung seiner Versuche mit dem Froschmuskel zu weit gegangen ist, wenn er alle Sauerstoffzehrung bei diesem auf Ur- sachen bezieht, „welche für die Lebensprocesse des Muskels keine Rolle spielen,“ wenn auch die Berechtigung zu einer derartigen Schlussfolgerung ziemlich naheliegend schien. b) Die Kohlensäurebildung. Wesentlich anders als für die O-Zehrung liegen die Ver- hältnisse für die Kohlensäurebildung. Wenden wir uns auch ! Siehe die Versuche Regnault’s, Baumert’s und Jolyet-Regnard’s. N22320.28,39. und“ 66; 60 Max RUBNER: wieder zunächst an die Betrachtung der einzelnen Versuche, so erkennen wir dass sämmtliche Reihen bei welchen die Temperatur variirt wurde (aus- genommen VI), gar keinen Einfluss der ersteren erkennen lassen, vielmehr findet man im Verlaufe einer Durchspülung ein mehr oder minder be- schleunigtes Absinken der CO,-Bildung, das vermuthlich auf einer Schädigung des Muskels durch die rasch variirte Temperatur zurückgeführt werden muss; dass letztere auch die O-Zehrung schädigt, wurde schon besprochen. Es ist nur in einem Versuche eine Einwirkung auf die CO,-Bildung vorhanden, es scheint als ob bei der Erwärmung in diesem Falle sogar weniger CO, gebildet worden sei als in der Kälte. Diese Einwirkung ist aber in den späteren Versuchen nicht mehr so kräftig hervorgetreten. Die CO,-Bildung ist also von wesentlich anderen Momenten abhängig als die O-Zehrung. Nahe der Körpertemperatur scheint allerdings eine gewisse Zunahme der ÖO,-Bildung bei Zunahme der Erwärmung einzutreten. Die etwas niedrige Zahl 0-48 in Tabelle XIV auf S. 57 beruht zweifellos darauf, dass sie die Mittelzahl von Einzelversuchen ist, welche mit einem durch den Wechsel der Temperatur bereits geschädigten Muskel ausgeführt worden sind. Die Steigerung der CO,-Production bei dem Ansteigen von 33-.8° auf 38°8 ist zwar nicht bedeutend, doch darf sie als sicher gestellt betrachtet werden. Die vorliegenden Thatsachen beweisen also, dass man durch Ein- wirkung abnorm niedriger Temperaturen, die Fähigkeit des Muskels Sauer- stoff zu zehren sowie seine heizbarkeit aufheben kann; die niedrige Temperatur vermag aber die Kohlensäurebildung nicht zu hemmen.! Die Processe der Kohlensäurebildung sind also nicht nur un- abhängig von der Anwesenheit des Sauerstoffes, wie aus anderen Beobach- tungen z. B. denen Hermann’s? und Minot’s? zu entnehmen war, sie sind auch in gewissen Grenzen beim Säugethiermuskel unabhängig von der Wärme. Man wird aber auch für die CO,-Bildung eine untere Grenze finden können, bei welcher dieselbe aufhört. Es wäre sehr interessant zu wissen, ob CO,-Bildung und jene ausser- ordentlich kleine O-Zehrung, welche die tief abgekühlten Muskeln zeigten, wirklich bei den nämlichen Temperaturen beginnen oder nicht? Die Temperatur bei welcher die O-Zehrung aber in die Zersetzung energisch eingreift, und jene Temperatur, bei welcher auch die CO, ein merkliches Steigen mit der Temperatur zeigt (nahe der Körpertemperatur), liegen weit ! Das Verhalten der CO,-Bildung zeigt nicht im Geringsten eine Aehnlichkeit mit einem Dissociationsprocess. *7A32.10. ® Ludwig’s Arbeiten. EINFLUSS D. TEMPERATUR AUF D. RESPIRATION D. RUHENDEN MUSKELS. 61: auseinander, indem erstere zwischen 12 bis 25°, letztere nahe der Körper- temperatur sich befindet. Es lassen sich also auch mit Hülfe der Einwirkung der Temperatur die zwei wichtigen Eigenschaften der Mukelsubstanz 1) unabhängig vom O-Verbrauch CO, zu bilden (niedere Temper.), 2) kräftige Oxydationswirkungen zu entfalten (bei hoher Tempe- ratur) darthun. Die Verschiedenheit der chemischen Processe drückt sich am deutlichsten aus, wenn man die respiratorischen Quotienten bei den verschiedenen Temperaturen betrachtet. Tabelle XVI. t m 0° C. des . 5 A Mittl th En. Blutes. Resp.-Quotient. Mittlerer Werth für t. AR an 6.4 3.11 } ) 7-2 4.56 | 8-6 2.78 la 3.28 9.5 3.51 10-4 2.48 ) J 28.2 oe 28.2 ro 31.2 Va } En Lese \ 33.8 | 1.18 34.3 1-09 36.0 1-36 | | 8 0 | | 38.2 .73 | | 39.5 1-10 [ 98 N En ) | Bei niederer Temperatur sind die Quotienten so hoch, dass sie niemals durch oxydative Spaltung irgend einer Substanz erklärt werden können; mit dem Steigen der Temperatur nähert sich der Quotient Werthen, welche auch bei unversehrten Thieren erhalten werden. ce) Allgemeine Betrachtungen über die Muskelrespiration. Das Ueberwiegen der CO,-Production über die O-Aufnahme ist von vielen anderen Autoren schon für den Froschmuskel angegeben worden, so von Liebig, Hermann; desgleichen ist auch in den Versuchen von 62 MAx RuUBNER: Ludwig und Scezelkow, von Ludwig und C. Schmidt und bei Minot für den Säugethiermuskel Aehnliches angegeben worden. Diese Ergebnisse sind durch Versuche, welche an ganzen Thieren angestellt wurden von Pflüger, Aubert, bei Warmblütern auch von Herter bestätigt worden. In all den aufgeführten Fällen hat es sich um das Ueberwiegen der CO,-Production nach Entziehung von OÖ oder bei ungenügender Ö-Zufuhr gehandelt. Hierzu kommt also noch die von mir constatirte Thatsache, dass eine bedeutende Abkühlung des Muskels wie eine O-Entziehung wirkt. Zuerst hat für diese Verhältnisse Hermann! eine richtige Vorstellung geweckt, indem er auf Analogien mit Gährungsvorgängen hinwies. Er nahm den Zerfall einer complieirten Substanz an, deren Zerfallsproducte Myosin, CO, und Milchsäure sein sollten; von dieser Substanz befindet sich in jedem ausgeschnittenen Muskel eine gewisse Menge, Wärme beschleunigt die Zersetzung der Substanz; sie wird durch Blutbestandtheile und OÖ wieder regenerirt. Dadurch ist nun der Lebensprocess wesentlich von einem Gährungsprocess verschieden, da bei den eigentlichen Gährungen die Auf- nahme von O gar nicht nöthig ist. Die fictive Muskelsubstanz kann also nur in dem Momente der Zerlegung mit manchen Gährungsprocessen in Parallele gestellt werden; beide haben gemeinsam: Freiwerden von Spannkraft ohne Aufnahme von 0. Mit Hermann’s Hypothese lassen sich viele Erscheinungen in guten Einklang bringen; aber die neueren Unter- suchungen über die Milchsäurebildung bei der Starre und beim Tetanus und die nähere Kenntniss des Myosins, die Beziehung des Myosins zur Gerüstsubstanz, haben nicht zur Befestigung der ersten beigetragen, indem sie die Analogien zwischen Starre und Contraction nicht vermehrten. Auch die von mir gefundenen Thatsachen stehen mit Hermann’s Hypothese nicht recht im Einklang; man versteht nicht, warum dann die CO,-Bildung gar nicht in irgend einem Zusammenhang mit der Erwärmung steht, während doch der Sauerstoff von gewissen Grenzen ab die bestimmteste Abhängigkeit von der Wärme zeigt. Soll man eine durch die Wärme hervorgerufene Neubildung der fic- tiven Substanz unter O-Aufnahme annehmen, wenn noch gar keine ver- mehrte Zersetzung derselben in der CO,-Bildung nachweisbar ist? Mir ist auch durch verschiedene andere Beobachtungen am normalen Thier nicht wahrscheinlich, dass jene Moleküle, welche ernährend wirken, in ein Eiweissmolekül als Bestandtheile eingetreten sein müssten, wie Hermann’s Hypothese fordert. Es lassen sich nun alle gefundenen Thatsachen in einfacher Weise erklären, ohne weit von diesen mit einer Hypothese auszuholen. Das ıA.a.0. 8. 65Fl. EINFLUSS D. TEMPERATUR AUF D. RESPIRATION D. RUHENDEN MUSKELS. 63 Parodoxe einer mit der Temperatur nicht variablen CO,-Aus- scheidung verschwindet, wenn man sich klar legt, dass die bei verschiedenen Temperaturen ausgeschiedenen CO,-Moleküle nieht gleichwerthig zu sein brauchen. Wie das gleichzeitige Ver- ‚ halten des Sauerstofls lehrt, sind die bei niederer Temperatur im Muskel auftretenden CO,-Moleküle eines auf einen Gährungsprocesse zurückzuführenden ı Ursprungs; wahrscheinlich ist es aber nicht bloss eine Substanz, welche ' zerlegt wird, sondern, es kommen vielmehr mannigfaltige Spaltungen vor; ‚ sie haben das Gemeinsame, dass kein 0! benöthigt wird. Beim Steigen der Temperatur nimmt die Zahl der durch einem Gährungsvorgang erzeugten CO,-Moleküle ab, die directe Oxydation des C wohl, auch die von H treten ein. Wenn nun wie anderweitige Schlussfolgerungen dargethan haben, das Wesentliche des Lebensvorganges nur in den Uebertragungen der Kraft ' auf die Zellen zu suchen, beziehungsweise danach zu bemessen ist, so ist ‚es begreiflich, dass die Ausscheidung von CO, bei einem Gährungsvorgange, ‚ welehe mit relativ unbedeutender Entwickelung von Kraft verläuft, schon ‚ durch oxydative Vorgänge geringer Ausdehnung vollkommen ersetzt werden kann. Der Unterschied wird selbst dann ein wesentlicher bleiben, wenn der Gährungsvorgang etwa nicht allein in Abspaltung von CO,, sondern ‚ auch in Abspaltung von H besteht, obschon in diesen Fällen durch Reduc- tion O-haltiger Verbindungen ausser der Spaltungswärme noch weiterer Wärmezuwachs auftreten kann. Wir nehmen also an, dass dem Muskel die zweifache Fähigkeit zukomme: 1) Gährungsvorgänge (in engstem Sinne) einzuleiten 2) Oxydative Spaltungen herbeizuführen. Wie weit letzter Vorgang durch die Zelle selbst eingeleitet wird, lässt ‚ sich nicht sagen; man könnte sich recht wohl auch denken, dass jederzeit ı der erste Hebel zur Zerlegung durch den Gährungsvorgang eingesetzt wird; ‚ ein weiterer Zerfall der Gruppe könnte dann in ähnlicher Weise stattfinden, wie Hoppe-Seyler manche Stoffe, bei deren Zerlegung H frei wird, durch den activirten O zerfallen lässt. Ob jemals im Säugethiermuskel ein Gäh- zungsvorgang ohne die Aufnahme jeder Spur Sauerstoff stattfindet, ist durch ı meine Versuche nicht bewiesen. 'd. Beziehungen der Muskelrespiration zur Respiration des Gesammt- körpers eines Thieres. Es ist von grossem Interesse, der vielfach angestrebten Frage über die Grösse der Respiration einiger Organe etwas näher zu treten; wir wollen ! Oder nur äusserst wenig. 64 Max RUBNER: versuchen, ob sich auf Grund der gemachten Experimente irgend etwas über die Grösse der Betheiligung der Muskeln an der Gesammtrespiration eines in Ruhe befindlichen Thieres aussagen lasse. Es sind vielfach Ver- suche gemacht worden diese Grösse zu bestimmen. Wenn man von denjenigen Verfahren absieht, welche wegen der un- zureichenden Methodik oder falschen Versuchsanordnung keine Bedeutung haben, so bleibt etwa zunächst das Bestreben J. Ranke’s, welcher aus der Blutvertheilung Schlüsse auf die Betheiligung am O-Verbrauch ziehen wollte. Ohne Kenntniss der Blutgeschwindigkeiten und des Gasgehalts des Blutes lässt sich aber Nichts beweisen. Ranke hat auch mit Hülfe eines kleinen Respirationsapparates die CO,-Ausscheidung des Frosches untersucht und das gleiche Thier dann nach der Amputation eines Beines wieder zu einem Respirationsversuch verwendet. Der Ausfall in der CO,-Produetion zeigte sodann die Betheiligung des Organes an der CO,-Bildung an. Er rechnet dabei so, dass er annimmt 11 Procent des Körpers beständen aus Drüsen, 89 Procent träfen auf den „Bewegungsapparat“. Unter letzterem sind nicht nur Muskeln, sondern offenbar auch Knochen-, Haut- und Bindegewebe gemeint. Nun finden sich für den Bewegungsapparat nur 60 Procent der gesammten CO,-Production; 40 Procent treffen auf die Drüsen. Man kann freilich vermuthen, dass die Versuche nicht ganz rein den Ausfall der CO,-Bildung, welcher durch die Muskeln erzeugt worden ist, zeigen; denn möglicherweise verhalten sich doch auch die Frösche nicht ganz indifferent gegen die Amputation eines Beines, und jeder bedingte Reizzustand hätte wohl auch den Abfall der CO,-Bildung zu klein er- scheinen lassen. Eine feinere Methode zur Bestimmung der Betheilisung des Muskels aus respiratorischen Gasaustausches ist offenbar die Curarisirung eines Thieres. Auch wenn man den Abfall der Körpertemperatur der vergifteten Thiere durch Einsenken in ein warmes Bad hintanhält, fällt die Sauerstoff- zehrung um 35°5 Procent ab, verglichen mit der Sauerstoflzehrung eines Thieres, welches schon elanae es unvergiftet war, in einem warmen Bade gehalten wurde. Das ist also eine ganz wesentliche Herabsetzung, bedingt durch den Ausfall aller jener Processe, welche im Säugethiermuskel durch Vermittelung der Nerven hervorgerufen werden. Eine genaue Bestimmung der Be- theiligung der Muskeln an der Respiration geben aber auch Versuche mit Curare nicht. Man muss vielmehr noch bedenken, dass auch die eurari- sirten Muskeln eine gewisse Grösse der Respiration zeigen. Es ist nun keinem Zweifel unterworfen, dass zwischen curarisirten Muskeln und solchen, deren Nerv durchschnitten ist, kein Unterschied in der Respirationsgrösse vorhanden ist. Da nun aber bei der Durchspülung des Hundemuskels bei D- _ EInFLUss D. TEMPERATUR AUF D. RESPIRATION D. RUHENDEN MUSKELS. 65 meinen Versuchen oflenbar jener Gaswechsel untersucht wurde, welchen auch vom Nerven getrennte Muskeln zeigen würden, so füllen diese Beobachtungen, . jene Lücken aus, welche die Versuche mit Curare gelassen haben. Meine Versuche haben zwar dieses Endziel nicht angestrebt; es ist aber doch von | einigem Interesse, etwas Näheres über die Betheiligung der Muskeln an der Respiration zu erfahren. Man kann etwa folgende Berechnung anstellen: Normale Kaninchen zehren wenn sie in ein Bad von 39°C versenkt | sind, nach Finkler und Örtmann 673.2 °m OÖ bei 0’ und 760" Druck. Da nun Kaninchen etwa 13 Procent Ballast im Darm haben, so trifft auf 1 Kilo ' darmreines Thier 773 Cm Q. Die complete Ourarisirung vermindert die Oxy- ‚ dation aul 436.2 Cm — 501 °® Opro1 Kilo darmreines Thier. Wie gross ist nun aber die O-Zehrung der in dem Thier befindlichen eurarisirten Muskeln? Aus meinen Versuchen muss, wie leicht einzusehen ist, jene Zahl ausgewählt werden, welche der Temperatur 39° am nächsten | liest; es muss ferner berücksichtigt werden, dass die Zahl nicht einem ‚ Muskel entlehnt sein darf, der vorher abgekühlt war, weil dadurch ja die , Lebenseigenschaften geschwächt worden sind. Diesen Bedingungen entspricht die bei 39-5° bestimmte O-Zehrung mit 78.6 OÖ pro 1 Kilo Muskel. Wenn nun 1 Kilo darmreines Thier 45 Procent Muskeln enthält, so 'zehrt die in einem Kilo Thier enthaltene Muskelmasse 35-4em Q, Da also 1 Kilo curarisirtes Thier 501°= O zehrt, aber 35.4 em auf O-Zehrung durch ‚ die Muskelsubstanz kommen, so verbleiben demnach 465.6°em, welche für | Drüsen, Knochen u. s. w. zu rechnen sind, d. i. rund 60 Procent; 40 Procent | entsprechen den unversehrten Muskeln. Aus diesen Zahlen kann man auch ‚ ableiten, dass 88 Procent der im Muskel ablaufenden Processe dem Nerven- ‚ einfluss unterstehen, 12 Procent dagegen nicht. i Man wird die Respirationsverhältnisse des künstlich durchbluteten Warmblütermuskels vielleicht auffallend finden, wenn man die Respiration unversehrter Thiere betrachtet, deren Temperatur stark erniedrigt ist, | z. B. winterschlafender Murmelthiere oder Kaltblüter mit niedriger Tempe- ‚ratur. Was die ersteren anlangt, so sind die in ihnen ablaufenden Processe ‚ganz andere als bei den warmblütigen Thieren, weil sie O aufzuspeichern ‚vermögen; wie bekannt zeigen sie auffallend niedrige respiratorische Quotienten. ‚Mit den Kaltblütern aber kann eine genaue Uebereinstimmung in allen Eigen- schaften nicht wohl erwartet werden. Im O-Verbrauch ist allerdings bei den niedrigsten Temperaturen kein - Unterschied zwischen dem abgekühlten Muskel und einem Kaltblüter. Da- ‚gegen zeist der Säugethiermuskel eine viel grössere CO,-Bildung, wie kalt gehaltene unversehrte Thiere. Bei fortschreitender Erwärmung verhalten ] Archiv f. A. u.Ph. 1885, Physiol. Abthlg. 5 66 M. RUBNER: EINFLUSS D. TEMPER. AUF D. RESPIR. D. RUHENDEN MUSKELS. sich aber letztere wesentlich anders als der Muskel; ihre O-Zehrung wächst rasch. Diese Verschiedenheit beruht zweifellos auf der Zunahme der Er- regbarkeit des Nervensystems der Kaltblüter bei Zunahme der Temperatur. Man könnte aber auch auf den Gedanken kommen Vergleiche mit den von Velten! angestellten Versuchen zu ziehen, welcher die Respirations- producte verschieden temperirter, curarisirter Kaninchen (bis 22°C herab) untersucht hat. Hier hinkt ein Vergleich erst recht, indem es sich da- bei zunächst um Thiere handelt, deren Muskelrespiration fast Null ist; ausserdem aber erstrecken sich seine Versuche nur bis 22°. Die Resultate stehen aber trotzdem nicht in Widerspruch mit den meinen, für das gleiche Temperaturintervall ausgeführten. Die respiratorischen Quotienten zeigen besonders bei den niederen Temperaturen häufig wie in meinen Fällen einen Werth, welcher über 1-0 liegt. Dies drückt sich allerdings in den Generaltabellen nicht so aus; man kann sich aber davon überzeugen, wenn man aus den Einzelnversuchen sich selbst die Quotienten berechnet. ı Pflüger’s Archiv. Bd. XXI. S. 361 ff. Untersuchungen zur Mechanik des quergestreiften Muskels. Zweite Abhandlung.! Von J. v. Kries. (Nach Versuchen ‚von Dr. med. Hochhaus). Aus dem physiologischen Institut zu Freiburg i. Br. Die Abhängigkeit der Muskelthätigkeit von den mechanischen Be- dinsungen, unter welchen der Muskel arbeitet, ist bis jetzt sehr wenig er- forscht. In früheren Untersuchungen? habe ich gezeigt, dass die Weber’sche (oder Fick’sche) Schematisirung zum Verständniss der Zuckungen, die ein Muskel bei gleichem Reize unter verschiedenen mechanischen Bedingungen ausführt, in keiner Weise ausreicht. Aus mehreren Versuchsmethoden er- gaben sich dort gewisse, jenem Schema gegenüberzustellende theoretische Vorstellungen; aber auch diese sind zu allgemein, als dass man sie ver- wenden könnte, um weitere Fragen dieses Gebietes mit quantitativen An- gaben zu beantworten, gerade wie auch die Fick’sche Vorstellung dies nur leisten könnte, wenn ein angebbares und allgemein gültiges Functional- verhältniss zwischen Dehnbarkeit und natürlicher Länge sich hätte auf- finden lassen. Es scheint mir deshalb von Wichtigkeit, zunächst ganz ohne theoretischen Ausblick eine Anzahl empirischer Regeln in diesem Gebiete zu gewinnen, welche vielleicht, wenn sie erst in einer gewissen Reichhaltigkeit vorhanden sind, eine mehr oder weniger vollständige Kennt- niss der einschlägigen Verhältnisse repräsentiren können. ! Vgl. dies Archiv. 1880. 8. 348. => A. 22027 8: 350% 5* 68 J. v. KRIEs: Ob es gelingt, solche Regeln zu finden, muss natürlich wesentlich von einem glücklichen Griff abhängen, der aus der grossen Mannichfaltigkeit der Variirungen gerade solche herausfindet, die einen Erfolg von übersehbarer Gleichartigkeit mit sich führen. Einige solcher Regeln sind in der eben citirten Arbeit schon enthalten, so z. B. der Satz, dass eine Zuckung um so grössere Höhe erreicht, je weniger Arbeit der Muskel im Verlauf der h Zuckung zu leisten hat. Ein besonders einfacher Fall ist auf meine Ver anlassung von Hrn. Dr. Hochhaus untersucht worden; es handelt sich dabei um das Verhältniss isotonischer’ Zuckungen, welche mit verschiedenen Belastungen ausgeführt werden. ‘ Bezeichnen wir die Hubhöhen für grosse oder kleine Gewichte (immer isotonische Zuckungen vorausgesetzt) mit 4r und A,, so ist der Quotient H eine Grösse, welche aus manchen Gründen eine gewisse Aufmerksam- keit zu verdienen scheint. h, Es ist bekannt, dass ein frischer Muskel, von maximalen oder nahezu ı maximalen Reizen getroffen, grosse und kleine Belastungen annähernd ! eleich hoch hebt, jener Quotient also annähernd gleich 1 ist. Bear kleinen und sehr kleinen Reizen muss zuvörderst ein gewisses Missver- - ständniss aufgeklärt werden, welches durch die bisherige Litteratur geht und! auf einer nicht ganz scharfen Fragestellung beruht. Schon vor mehr is 20 Jahren zeigte Hermann,? dass bei indirecten Reizungen derselbe” Reiz als Schwellenwerth gefunden werde, ob der Muskel stark oder schwach} belastet sei. Betrachtet man diesen Satz als streng gültig, so kann man! sagen: Es bewirkt dieselbe Reizstärke bei grossen und bei kleinen Be lastungen sehr kleine Zuckungen. Dieser Satz findet sich nun dort schon ı und später wiederholt? in der missverständlichen und nicht correcten ® Form ausgesprochen, dass bei minimalen Reizen die Hubhöhen für grosse” und kleine Lasten gleich (so gross nämlich, wie bei dem angewandten“ Apparat zur Unterbrechung eines metallischen Contactes erforderlich" war) würden. ! Isotonisch nenne ich mit Fick solche Zuckungen, bei welchen während de» ganzen Zuckungsverlaufes der auf den Muskel ausgeübte Zug merklich constant ist. Man erhält sie, wie bekannt, durch Benutzung eines sehr leichten Schreibhebels und Application des Gewichtes in sehr kleinem Abstand von der Axe. ” Hermann, Ueber das Verhältniss der Muskelleistungen zu der Stärke der Reize. Dies Archiv. 1861. ’ ° Kronecker, Ueber Ermüdung und Erholung der quergestreiften Muskeln.) Berichte der K. Süchsischen Gesellschaft der Wissenschaften. 18711. 8. 771. Tiegel. Ebenda. 1875. S. 26. Hermann, Handbuch der Physiologie. Bd.I. 8.72. UNTERSUCHUNGEN ZUR MECHANIK DES QUERGESTREIFTEN MUSKELS. 69 Indessen ergeben die Versuche doch thatsächlich nur, dass eine etwaige Differenz der bei grosser und bei kleiner Last erforderlichen Reizstärken ‘sehr klein ist, d. h. in die Fehlergrenzen fällt. Dass aber bei einem be- ‚stimmten Reiz die Hubhöhen wirklich gleich sind, ist nicht bewiesen, ‚und kann ohne Messung derselben auch nicht bewiesen werden. Das ‚Resultat der Hermann’schen Versuche scheint mir vielmehr dahin zu ‚formuliren, dass die Zuckungen, unabhängig von den Belastungen, bei ‘einer und derselben Reizstärke = 0 werden, oder m. a. W., dass der 'Schwellenwerth des Reizes von der Belastung unabhängig ist. Stellt man die ‚ Hubhöhe der beiden Belastungen in ihre Abhängigkeit von der Reizstärke durch ‚die beiden Curven a und 5 dar, so übersieht man leicht, dass die Iden- tität des Schwellenwerthes über das ‚ Verhältniss der Grösse sehr kleiner ‚ Zuekungen nichts involvirt. Man über- | | ‚sieht auch ferner, dass wenn man die ı Reizstärken sucht, welche bei grosser | und kleiner Lasteine gewisse Zuckungs- | grösse ergeben, man allerdings ganz Bel. ‚streng dieselben erst für die unend- lich kleinen Zuckungen erhalten sollte, dass aber, wenn man die Zuckung jäusserst klein (z. B. auf die zur Unterbrechung eines metallischen Contacts |nöthige Grösse) normirt, auch jene Differenz eine äusserst geringe sein muss, (und für unsere gegenwärtigen Hülfsmittel nicht nachweisbar sein wird. |Dies wäre nur dann anders, wenn sich die Zuckungshöhen mit abnehmender |Reizstärke asymptotisch der Null näherten, was aber nicht der Fall ist. | Es scheint, mit Rücksicht auf theoretische Ergebnisse, nicht überflüssig darauf aufmerksam zu machen, dass auch die von Hermann angegebene |Beziehung des erwähnten Satzes al die Weber’sche Theorie irrthümlich ist. ae: Zugrundelegung dieser ist die Zuckungsgrösse nämlich | !(i+ep) — U! (l-+a!p) 'wo 1 die natürliche Länge des ruhenden, Z! die des thätigen Muskels, & die Dehnbarkeit des ruhenden, &! die des ash Muskels ist. Bei abnehmen- dem Reiz nähert sich I ud !!, ebenso « und «!. Für die grossen Gewichte wird die Hubhöhe 5 r !(i+eP) — I! (l1+a!P). | Bei unendlich kleinen Zuckungen wird, mit Vernachlässigung der un- ‚endlich kleinen zweiter Ordnung für die Zuckungsgrösse zu setzen sein I—-NM + I! (a—e!) p. 70 Ja v. KRrıEs: Der Quotient der Zuckungen bei grosser und kleiner Last wird Dass dieses bei unendlich kleinem Werth des Zählers und Nenners = 1 werde, beruht auf: der weiteren ganz willkürlichen Annahme, dass der Il ER ‘E Werth (@—e«!) p viel schneller abnehme als 79% dass schliesslich das Verhältniss von Zähler und Nenner nur durch den (gleichen) Werth 2 — I bestimmt werde. ! In Wirklichkeit ist aber eine Angabe über den Grenzwerth, welchem dieser Quotient sich nähert, gar nicht zu machen, wenn das Functional-” verhältniss zwischen («—«!) und (£—[!), zwischen der Veränderung der natürlichen Länge und derjenigen der Dehnbarkeit nicht bekannt ist. Betrachtet man (—!!) als unabhängige Variable, («—e«!) als Function, so ergiebt die bekannte Regel der Differenzialrechnung für jenen Quotienten den Grenzwerth nn d(a— a!) Lan a9? da—a! welcher im Allgemeinen jeden beliebigen Werth haben kann. Wir müssen also zwei Sätze scharf von einander unterscheiden: der erste mag der Schwellen-Satz heissen; er sagt aus, dass der Schwellenwerthi} des Reizes von der Belastung unabhängig sei; dieser Satz ist das Resultat" der Hermann’schen Versuche. Der zweite dagegen sagt aus, dass bei minimalen Reizen das Verhältniss der Hubhöhe für grosse und kleine Lasten ı sich der Gleichheit annähere. Er ist experimentell nicht bewiesen, wohl aber! # seine Annahme durch eine laxe Formulirung des ersteren nahe gelegt. Ert folgt auch aus keiner Theorie, speciell nicht aus der Weber’schen in der! von Hermann und Fick angenommenen Form. Der Schwellensatz dagegen # kann nicht als eine besondere Bestätigung dieser Theorie angesehen werden; denn dass ein und derselbe Reiz, unabhängig von dem Spannungszustand | ı Hermann argumentirt einfach (S. 389), dass bei immer schwächerem Reize‘ der Unterschied der Dehnbarkeit des ruhenden und des thätigen Muskels immer geringer! werden muss; somit können bei minimalem Reiz die beiden Dehnungscurven als pa-' rallel betrachtet werden. Indem er aber hieraus folgert, dass die minimale Verkür- zung bei allen Belastungen gleich ist, übersieht er, dass in dem Maasse, als die Curven parallel werden, auch ihr Abstand abnimmt, dass sie als parallel erst bei unendlich | kleinem Abstand vorausgesetzt werden können, und dass somit über das Verhältniss® ihrer Abstände an verschiedenen Stellen (Zuckungshöhen bei verschiedenen Belastungen) nichts gefolgert werden kann. UNTERSUCHUNGEN ZUR MECHANIK DES QUERGESTREIFTEN MUSKELS. 71 _ des Muskels sich wirksam zu erweisen gerade noch im Stande oder gerade _ nicht mehr im Stande ist, das ist offenbar eine Thatsache, die in keiner _ direeten Beziehung dazu steht, wie während der Zuckungen sich die mecha- ' nischen Verhältnisse geltend machen. — | Die zur Beantwortung gestellte Frage war also die: Welches Verhältniss ‚ besteht zwischen (isotonischen) Zuckungen desselben Muskels, bei verschie- ‚ denen Belastungen, welches ist der Werth des Quotienten = und wie | ändert sieh dieser Werth zunächst bei Variirung der Reizstärke. Aus dem ı Bisherigen geht hervor, dass zur Beantwortung der Frage weder Versuchs- ‚ material noch theoretische Anhaltspunkte vorhanden sind. 1. Das Verhalten des curarisirten Muskels. | Da es für eine derartige Untersuchung selbstverständlich erstes Er- ‚ forderniss ist, über durchaus gleichmässige und von jeder Unregelmässigkeit \ freie Reizerfolge zu verfügen, so benutzten wir zuvörderst curarisirte Muskeln des Frosches. Von diesen erhält man bekanntlich ohne Schwie- riekeit bei direeter Reizung durch Inductionsschläge vollkommen gleich- ‚ mässige untermaximale Zuckungen, vorausgesetzt, dass die Inductions- , schläge unter Beobachtung gewisser Vorsichtsmaassregeln erzeugt werden. Die Versuche wurden theils am Gastrocnemius, theils am vereinigten ı Semimembranosus und Gracilis ausgeführt oder auch an einem der ‚letzteren allein. Es bedarf, um die Versuche correct zu gestalten, noch ‚ einer Hülfsvorrichtung. Die Absicht ist nämlich die, den stark und den schwach belasteten Muskel gleich stark zu reizen. Dies würde nicht ganz streng erreicht werden, wenn man ohne Weiteres denselben Inductions- | | schlag den schwächer oder stärker gespannten Muskel durchsetzen liesse. | Da nämlich bei stärkerer Belastung der Muskel (wenn auch nur wenig) ‚länger und dünner ist, so hat er in diesem Zustande auch einen grösseren Leitungswiderstand und der den Muskel durchsetzende Strom würde schwächer sein als der unter sonst gleichen Verhältnissen den entspannten Muskel | treffende. Dieser Fehler würde, wie man sieht, die bei grossen Belastungen gewonnenen Zuckungen zu klein machen. Er lässt sich in sehr einfacher | Weise corrigiren, indem man in den Reizungskreis ausser demjenigen Muskel, ı dessen Zuckungen beobachtet werden sollen, noch einen zweiten, möglichst | gleichen einschaltet, und die Spannungszustände der beiden Muskeln immer ‚ alterniren lässt. Sollten z. B. die Spannungen des zu beobachtenden Muskels ‚abwechselnd 10 und 60:e'® betragen, so würde der Hülfsmuskel jeweils mit ‚60 resp. 108m belastet. Auf diese Weise erhält man in dem secundären ‚Kreise in beiden Fällen sehr annähernd den gleichen Widerstand. Man 2 J. v. KRrIES: überzeugt sich leicht, indem man gelegentlich diese „Compensation“ fort- lässt, dass der Fehler, welcher durch sie corrigirt werden soll in der That merklich, aber innerhalb der angewandten Belastungswechsel nicht sehr erheblich ist, so dass eine nur annähernde Ausgleichung (eine ganz genaue ist natürlich so nicht zu erreichen), als genügend betrachtet werden kann. Es erübrigt noch zu sagen, dass zur Gewinnung isotonischer Zuckungen ein sehr leichter Schreibapparat verwandt und das Gewicht als Zug an der Axe angebracht wurden. Die Zuckungen wurden in achtfacher Vergrösserung auf die langsam rotirende Trommel eines Baltzar’schen Kymographions auf- geschrieben. Die Reize, in regelmässiger Folge durch ein Metronom aus- gelöst, liessen wir im Allgemeinen in Intervallen von 2 bis 3 Sec. aufein- ander folgen. Der (übrigens sehr geringe) Einfluss der Ermüdung wird eliminirt, indem man wenige (5—6) Zuckungen bei grosser Last vergleicht, mit dem Mittel aus dem, was unmittelbar vorher und unmittelbar nachher bei kleiner Last geleistet wurde. Hierbei ist nur zu beachten, dass die erste und in der Regel auch die zweite Zuckung nach dem Belastungswechsel, wegen der elastischen Nachwirkung, ausser Acht gelassen werden muss. Die Versuche dieser Art ergeben ein sehr einfaches Resultat, welches wir ganz ausnahmslos gültig fanden. Jederzeit ist die Hubhöhe für die ge- ringe Belastung grösser als für die stärkere und das Verhältniss dieser beiden Hubhöhen ist bei den schwächsten Reizen am meisten von der Gleichheit entfernt, um sich bei Verstärkung der Reize mehr der Gleichheit zu nähern. Der Quotient 4? hat also seinen grössten Werth bei den aller- schwächsten Reizen und nähert sich der Einheit bei der Verstärkung der Reize, Als Beispiel mag die folgende Tabelle dienen. Versuch vom 6. Mai 1883. a. b. Zuckung bei | Zuckung bei Q Zuckung bei | Zuckung bei 72grm in Mm. 12srm in Mm. n gr.Gew.inMm. kl.Gew.in Mm. Qu 0-4 2.0 5.0 0-5 BIO! 7-4 0-9 3-5 339 1-5 6-7 4.4 2-1 6-3 3.0 2-5 5.4 39 4-9 10-5 2.2 5-6 | 14-6 2-6 9-6 20-0 aa 9.7 | 25.0 2-5 16-0 29-2 1-8 15.0 | 29-8 110%) 21-0 38-0 1-8 16-5 31°2 1-8 12-0 26-1 2.2 18-0 33-1 1-8 5-7 15.0 2-6 13.4 29.3 2-1 IT 10-3 2-8 7-3 22-9 3-1 2-1 83 3-9 3°5 16-9 4-8 1lonl 7-0 6-4 21 13-2 6°2 1.2 1-8 6-5 0-5 4-0 &) 0-2 | 1.9 9-5 UNTERSUCHUNGEN ZUR MECHANIK DES QUERGESTREIFTEN MUSKELS. 73 Wie man sieht wird die Belastung 12sm bei den allerschwächsten Reizen, die noch messbare Zuckungen ergeben, 6 bis 8mal so hoch gehoben als die Belastung 728”; bei allmählicher Verstärkung der Reize geht das Verhältniss bis auf 1-8 herunter. Man kann, wie sich von selbst versteht, Zuckungen noch sehen, welche schon zu klein sind, um noch messbare Auf- zeichnungen zu geben; es lässt sich daher nicht mit Gewissheit sagen, ob unser Quotient noch höhere Werthe erreichen würde, wenn es gelänge, noch kleinere Zuckungen zu messen. Dagegen lässt sich soviel mit Sicherheit ermitteln, dass der Schwellensatz auch für den curarisirten Muskel zutreffend ist, d.h. der Schwellenwerth des Reizes für grosse und kleine Belastungen derselbe ist. Der Quotient erhält also niemals den Werth 0 oder ©. Es erschien hiernach von Interesse festzustellen, ob bei den schwächsten Reizen ein bestimmtes, allemal gleiches Verhältniss der Hubhöhen für eine grosse und eine kleine Belastung sich. herausstellt. Insbesondere könnte man denken, dass vielleicht eine sehr einfache Beziehung hier obwalten möchte, nämlich die Hubhöhe den Gewichten umgekehrt proportional, somit die Arbeitsleistung bei minimalen Reizen von den Belastungen unabhängig wäre. Indessen sprechen unsere Erfahrungen nicht dafür, dass dies genau zutrifft. So übertrifft z.B. in den oben angeführten Versuchen der Quotient der Hub- h®hen (7-4 bis 9.5) den Quotienten der Belastungen (6); doch bleibt hier zu berücksichtigen, dass gerade bei den kleinsten Zuckungen sehr kleine Fehler in den Messungen der Höhen den Quotienten schon erheblich beeinflussen können, noch mehr, dass ein vielleicht für das Muskelelement streng gültiger Satz mehr oder weniger dadurch verdeckt wird, dass der Reiz den stärker gespannten Muskel nothwendig in etwas anderer Vertheilung durchsetzt als den schwächer gespannten. In der Regel bleibt der äusserste, mit Sicherheit zu bestimmende Quotient der Hubhöhe hinter dem der Belastungen nur dann zurück, wenn man sehr starke Belastungen verwendet, wodurch es dann unmöglich wird, die allerschwächsten Reize zu benutzen. Wenn man sich mit einer rohen Annäherung begnügen will, kann man allerdings sagen, dass der obige Satz als richtig angesehen werden darf. Bei einer Ueber- sicht mehrerer Versuchsreihen findet sich bei Belastungsverhältniss 6 das grösste Hubhöhenverhältniss = 4-6, 5.6, 7-0; 8-0; 5-9; 5-3; 6-5; 7:0, 6-9. Der gefundene Satz lässt sich in einer dlanpn lan missrachen, in welcher er einem theoretischen Verständniss näher gerückt erscheint. Wir können nämlich zuvörderst sagen, dass bei minimalem Reiz die kleine Belastung stets höher gehoben wird, als die grosse und dass alsdann bei Verstärkung der Reize die Truman bei grosser Last in stärkerem Ver- hältnisse wachsen. Der letzte Theil des Satzes erscheint nicht ganz unver- ständlich, wenn man erwägt, dass der bei kleiner Last zuckende Muskel schon ziemlich geringe Längen erreicht. 74 J. v. KrRIES: 2. Einfluss der Ermüdung des Muskels und der Temperatur. Von grossem Interesse und leicht zu beantworten erschien die Frage, ob eine specifische Wirkung der Ermüdung des Muskels anzu- nehmen sei, dahin gehend, dass die Hebung grosser Lasten in stärkerem Maasse oder schon frühzeitiger beeinträchtigt werde als die Zusammen- ziehung bei geringer Belastung. Bekanntlich wird eine solche jetzt meist angenommen; indessen ist eine Berechtigung hierzu offenbar nur aus einer Vereleichung der Thätigkeitsmaasse des ermüdeten Muskels mit dem unter- maximal gereizten frischen Muskel herzuleiten, welche bisher nicht aus- geführt worden ist. Ein genauerer Vergleich war in der Weise auszuführen, dass zunächst am ganz frischen Muskel bei minimalem Reiz die Hubhöhen für eine grosse und eine kleine Last ermittelt wurden; sodann wurde, bei stets maximaler Reizung, der Muskel ermüdet, bis die Zuckungen auf die Grösse jener vom frischen Muskel erhaltenen Minimalzuckungen heruntergesangen waren und nun wiederum grosse und kleine Belastung verglichen. Zu einem genauen Vergleiche empfiehlt es sich natürlich, gleich von Anfang nicht bloss einen, sondern zwei oder drei Reizstärken zu verwenden und ebenso bei dem allmählichen Fortgange der Ermüdung mehrmals den Quotienten der Hubhöhen zu bestimmen. Verfährt man in dieser Weise, so überzeugt man sich, dass die Quotienten für den ermüdeten Muskel durchaus dieselben sind wie für den untermaximal gereizten frischen Muskel. Als Illustrirung dieses Verhältnisses diene die folgende Tabelle. Versuch vom 26. Juni 1883. Zuckung bei Zuckung bei or Zuckung bei | Zuckung bei | Q gr.G&ew.in Mm. kl.&ew.inMm. gr.Gew.inMm.|kl.Gew.inMm. u 0-4 26 | 6-5 21-3 41-7 1.8 0-55 3.8 6-9 11-2 30-0 2-6 1-6 8-6 5.3 US) 23.2 3-0 3.0 9-6 3-2 3.6 17-2 4-8 +2 17.0. 3.2 0.33 2-2 6*3 Er en > Ermüdet und maximal gereizt. 215-7 32-6 2-0 28: 16-4 5-8 18-3 36*5 1.09) 1.0 6-2 | 6-2 20.3 38-8 1-8 0-5 2.9 6-0 Auch dieses Gesetz stellt sich übrigens: nur als mit einer gewissen Annäherung giltig heraus, ein Verhalten, was nicht überraschen kann. Wiederum nämlich mischen sich für die untermaximalen Reize des frischen Muskels jedenfalls kleine Fehler störend ein, die daher rühren, dass nicht der ganze Muskel gleichmässig gereizt wird. Vielmehr wird unter diesen Umständen, wenn der Inductionsschlag den ganzen Muskel durchsetzt, nur eine mehr oder weniger kleine Partie in der Umgebung der Kathode in Erregung versetzt, unzweifelhaft aber im stark und schwach gespannten % Zn R- 2 UNTERSUCHUNGEN ZUR MECHANIK DES QUERGESTREIFTEN MUSKELS. 75 Muskel nicht ganz genau dieselben Elemente. Dass dieser Umstand von Einfluss ist, kann man daraus erkennen, dass bei frischem minimal ge- reiztem Muskel nicht selten einfache Umkehrung der Reizungsströme ge- nüst, um kleine, aber deutliche Veränderungen des Hubhöhen-Quotienten zu bewirken. Aehnliche Schwierigkeiten haften auch der Ermüdung des Muskels an. Auch mit maximalen Reizen und selbst bei regelmässigem Wechsel der Stromrichtung ermüdet man schwerlich den ganzen Muskel gleichmässig. Kleine Abweichungen von der vollen Uebereinstimmung können unter diesen Umständen nicht befremden, und es dürfte trotz der- selben gerechtfertigt sein zu sagen, dass eine besondere Wirkung der Er- müdung hinsichtlich der Hebung gerade grosser Lasten nicht besteht; es verhält sich vielmehr der ermüdete Muskel (direct gereizt) grossen und kleinen Lasten gegenüber ganz ebenso wie der frische, wenn er untermaximal gereizt wird. Dieser Satz ist für den ganzen Muskel annähernd, für das Muskelelement aller Wahrscheinlichkeit nach streng eiltie. Es darf hierbei wohl daran erinnert werden, dass, wie ich in der ersten dieser Abhandlungen gezeigt habe, auch in ihrem Verhalten bei plötzlichem Belastungswechsel der untermaximal tetanisirte frische und der (maximal tetanisirte) ermüdete Muskel eine wesentliche Uebereinstimmung zeigen. Demnach liegt vorläufig wenig- stens kein Hinderniss vor, anzunehmen, dass man es in beiden Fällen mit wesentlich demselben Zustande des Muskels zu thun habe, nämlich mit einem unvollständigen Uebergang aus dem ruhenden in den thätigen Zu- stand; unvollständig nicht sowohl in dem Sinne, als ob ein Theil des Muskels hieran participirte und ein anderer nicht, sondern vielmehr so, dass das einzelne Element von der ganzen Scala der Zustände zwischen Ruhe und voller Thätigkeit nur die ersten Stufen durchläuft. Ob sich das soeben für den curarisirten Muskel bezüglich der Ermüdung gefundene Resultat allgemein bewähren wird, bleibt zuvörderst abzuwarten. Wenn indessen dies der Fall sein sollte, so würde wohl hierdurch eine zwar hergebrachte und geläufig gewordene, aber doch eigentlich sehr räthsel- volle Annahme ihre Erledigung finden. Eine Anzahl von Versuchen wurde gemacht, um zu ermitteln, ob die Temperatur des Muskels auf den Hubhöhen-Quotienten von Einfluss wäre. Da der ganze Vorgang der Zuckung durch die mechanischen Verhältnisse beeinflusst wird, so erschien es leicht denkbar, dass der Einfluss einer grossen Belastung etwa für die sehr langsam verlaufende Zuckung des kalten Muskels sich anders darstelle als für die schnelle des erwärmten. Es zeigte sich indessen, dass diese Veränderung des Zuckungsverlaufs den Hubhöhen-Quotienten ebenso wenig beeinflusste als die analoge Veränderung, welche in den Versuchen über Ermüdung ja auch eingeschlossen ist. % 76 INS HRRIES: 3. Reizung vom Nerven aus. Die Lösung der gleichen Aufgabe für den vom Nerven aus gereizten Muskel (es wurde hier stets der Gastrocnemius benutzt) erweist sich insofern als schwie- riger, als es bei dieser Art der Reizung mehrerer Vorsichtsmaassregeln bedarf, um bei wiederholter Application desselben (nicht maximalen) Reizes immer gleiche Zuekungen zu erhalten. Es gelang dies indessen in sehr befriedigender Weise und bei Benutzung derselben Reizmethode (Inductionsschläge, Queck- silbercontact mit Spülung), wenn 1) das Praeparat mit Kochsalzlösung ausge- spült war und 2) der Hüftnerv nicht durchschnitten, sondern nur ein kleines Stückchen desselben an der unteren Hälfte des Oberschenkels freigemacht war, so dass sich Ludwig’sche Hartgummi-Elektroden bequem anlegen liessen. Es sind auf diese Weise die künstlichen Querschnitte in der Nähe der Reizstelle vermieden, welche offenbar die Gleichmässigkeit der Reizerfolge in hohem Grade beeinträchtigen. Die entfernt gelegenen Zerstörungen, welche bei der Ausbohrung des Rückenmarkes stattfinden, erwiesen sich nicht als schädlich, so dass keine Veranlassung vorlag, dasselbe zu erhalten und dafür etwa Chloralvergiftung einzuführen. Sodann ist grosse Aufmerksam- keit erforderlich, um zu verhüten, dass beim Wechseln der Belastung etwa Verschiebungen des Praeparates gegen die Elektroden eintreten. Wir er- reichten das mit Sicherheit erst dann, als wir sowohl den Stumpf der Tibia als auch das Femur mit Drahtschlingen völlig unbeweglich an das Brettchen fixirten, an welchem auch die Elektroden ihre Befestigung fanden. Bei tadelloser Herstellung der Versuchsbedingungen ist dann der Versuch im Vergleich zur direeten Muskelreizung insofern einfacher, als die Manipula- tion der Compensation hier fortfällt. Die Resultate stimmen qualitativ mit jenen überein. Auch hier zeigt sich, dass der Hubhöhen-Quotient mit abnehmender Reizstärke zunimmt. So betrug, um ein Beispiel anzuführen, bei einem Verhältniss der Belastung 6:1 das Verhältniss der Hubhöhe bei Maximalreizen 1:1-5, um mit abnehmender Reizstärke bis auf 4-0 und 4:3 zu steigen. Als ausführliche Illustration desselben Ver- haltens mögen die folgenden Tabellen dienen. Versuch vom 28. Juni 1883. Verhältniss der Belastungen 6:1. IR I. . Zuckung bei | Zuckung bei | Q Zuckung bei . Zuckung bei Q gr.Gew.in Mm. kl.Gew.in Mm. Ir gr.Gew.inMm. kl.Gew.in Mm. 0-5 1-6 3.2 1-0 2.2 2.2 1-5 3-1 2-1 1-5 3-1 2-0 2.4 4-5 1-8 33 4-4 103 4-0 6.2 1l05) 4-4 9.6 1-3 6-3 To 1.2 2.9 4-1 1.4 4-8 6-0 1-3 1.0 2-5 2-5 3.4 4-5 1.3 1.9 3.9 | 1-8 1.5 3-5 2-3 0-8 2-4 3 0-6 1.9 8'2 0-4 1.3 3-2 0-5 1.6 3.2 UNTERSUCHUNGEN ZUR MECHANIK DES QUERGESTREIFTEN MUSKELS. 77 III. IE 2.2 2171 EREHE BEER BEE BEE Zuckung bei | Zuckung bei Qu Zuckung bei Zuckung bei Qu gr.Gew.inMm.|kl.Gew.inMm. ? gr.Gew.inMm.'kl.Gew.inMm, £ 0-6 1-7 2-9 0-3 1.2 4 1-8 35 18) 0-5 aloe 3.4 2.4 4-3 1-8 1.0 2.5 2-5 3.7 4-9 1.4 2.4 Bor 1-5 1-5 3-7 2.4 1.0 2-5 2-5 0-9 2-6 2-9 0-7 2-1 3-0 0-2 1.0 5 0-5 1-8 3-6 0-3 1-3 4-3 Wir suchten endlich auch für die indirecte Reizung eine etwaige Veränderung dieses Abhängigkeitsverhältnisses durch die Ermüdung des Praeparats zu eruiren. Eine solche war im Allgemeinen ebenso wenig vorhanden wie bei der directen Muskelreizung. In einigen Fällen jedoch zeigte sich eine auffallende Erscheinung, über welche hier kurz berichtet werden mag, obwohl sie nicht constant, ja nicht einmal häufig ist und wir die Bedingungen ihres Auftretens nicht anzugeben vermögen. Nach der Einwirkung nämlich einer grossen Zahl von Reizen beobachteten wir einige Male, dass der Muskel bei grosser Belastung gleiche oder sogar grössere Hubhöhen ergab als bei kleinen. Da das Verhältniss beim frischen Prae- parate niemals vorkommt, so könnte man daran denken, hier der Ermüdung gerade den entgegengesetzten Einfluss wie den gewöhnlich angenommenen zuzuschreiben. Doch wird eine solche Erklärung schon wegen der grossen Flüchtigkeit und Inconstanz der Erscheinung nicht plausibel erscheinen. Näher liest es, daran zu denken, dass vielleicht kleine Aenderungen des mechanischen Zuges, denen ja auch die unteren Theile des Nerven ausgesetzt sind, unter besonderen Umständen in’s Spiel kommen können. Von diesem Standpunkt aus würde von einer gleich starken indireeten Reizung des Muskels üderhaupt nur mit einer gewissen Vorsicht gesprochen werden können, da man nicht sicher sein könnte, dass der gleiche dem Nerven applicirte Reiz auf die gespannten und nicht gespannten Muskelelemente mit gleicher Stärke übertragen wird. Diesen Schwierigkeiten der theore- tischen Deutung Rechnung zu tragen, wird die Aufgabe einer späteren Zeit sein. Für jetzt handelt es sich, wie schon eingangs gesagt, nur um die Gewinnung von empirischen Regeln bezüglich der mechanischen Leistung des Muskels unter verschiedenen Verhältnissen. Aus dem hier Mitgetheilten möchte ich zum Schlusse zwei Resultate hervorheben. Erstlich, dass bei dem direct und durch Momentanreize gereizten Muskels die Ermüdung keinen specifischen Einfluss auf die Fähigkeit, grosse und kleine Lasten zu heben, ausübt, vielmehr der ermüdete Muskel sich ebenso verhält wie 78 J. v. Krızs: der schwach gereizte frische. Zweitens möchte ich mit Bezug auf die älteren Untersuchungen von Fick und die neueren von Tigerstedt daran erinnern, dass bei Verstärkung der Reize die Hubhöhen bei grosser und kleiner Last nicht proportional wachsen. Hieraus geht, in Verbindung mit dem Schwellensatz, hervor, dass die von Fick und Tigerstedt gesuchte Curve, welche die Abhängigkeit der Hubhöhen von den Reizstärken darstellen soll, für grosse und kleine Lasten nicht dieselbe ist, dass sie also ohne Berücksichtigung der Belastungsgrösse nicht allgemein giltig ermittelt werden kann. | Ueber einen Fundamentalsatz aus der Theorie der Gesichtsempfindungen. Von J. v. Kries und Cand. med. Brauneck. Aus dem physiologischen Institut zu Freiburg i. B. Als Fundamentalsätze über die Erscheinungen der Farbenmischung kann man die drei Sätze bezeichnen, welche von Helmholtz! folgender- maassen formulirt sind: 1) Jede beliebig zusammengesetzte Mischfarbe muss gleich aussehen wie die Mischung einer bestimmten gesättigten Farbe mit Weiss. 2) Wenn von zwei zu vermischenden Lichtern das eine sich stetig ändert, so ändert sich auch das Aussehen der Mischung stetig. 3) Gleich aussehende Farben gemischt geben gleich aussehende Mischungen. Von diesen Sätzen ist der erste hinreichend erklärt durch die An- nahme einer in bestimmter Weise beschränkten Variabilität der Erregungs- zustände des Sehorgans, wie sie von den Componententheorien angenommen wird. Die beiden letzten Sätze erklären sich sehr einfach, wenn man in Bezug auf jede dieser Componenten eine vollkommen ungestörte Super- position der Wirkungen aller verschiedenen gleichzeitig einwirkenden Licht- arten annimmt. In der That sieht man leicht, dass wenn die Wirkungen aller einfachen Lichter auf jede Componente sich einfach zu einander addiren, der Gesammteffect zweier gemischter Lichter gleich sein muss, ‘ Helmholtz, Physiologische Optik. S. 283. 80 J. v. KRIES: sobald die Einzeleffecte ihrer Bestandtheile bezüglich gleich sind. Dass eine solche Superposition wirklich stattfindet, erschemt von vorneherein in hohem Grade wahrscheinlich, als absolut selbstverständlich darf es aber freilich nicht angesehen werden. Lässt man Licht verschiedener Wellenlängen durch einen absorbirenden Körper hindurchgehen, so nimmt man an, dass die Absorption jeder einzelnen Lichtart unabhängig von jeder anderen statt- finde. Die Erwärmung des betreffenden Körpers könnte also ausgedrückt werden als die Summe der Erwärmungen, welche jedes einzelne Licht her- vorbringt. Auch könnte man in Anlehnung an den obigen Satz sagen, dass gleich erwärmende Lichter zusammengemischt gleich erwärmende Mischungen geben. Obwohl, meines Wissens, directe experimentelle Be- stätigungen dieses Satzes (der Unabhängigkeit der Absorptions-Erscheinungen von einander) nicht vorliegen, so kann derselbe doch wohl als hinreichend bewährt gelten, sofern er einer unzählbaren Menge Untersuchungen zu Grunde gelegt worden ist und seine etwaige Unrichtigkeit sich unzweifel- haft (abgesehen etwa von vereinzelten Ausnahmen) bereits herausgestellt haben müsste. Weniger sicher erscheint von vorneherein der gleiche Satz bezüglich der chemischen Wirkungen des Lichts. Auch hierüber aber fehlen bis jetzt directe experimentelle Untersuchungen; erwägt man eine Reihe von Thatsachen, die in neuester Zeit bekannt geworden sind, so scheint die Sache keineswegs ganz einfach zu liegen. So ist es bekannt, dass die Wirkung des Lichts auf manche Stoffe sich verändert, wenn diesen andere, sogenannte Sensibilatoren, beigemengt werden. Ferner weiss man, dass in manchen Substanzen die Wirkung des violetten Lichtes durch bei- gemengtes rothes Licht beeinträchtigt werden kann. Imdessen liegen hierin keine eigentlichen Widersprüche gegen das Prineip der Superposition der Lichtwirkungen; denn dasselbe fordert ja keine Gleichartigkeit der Wirkung ‚sämmtlicher Wellenlängen. Vom Standpunkte der allgemeinen Mechanik wird man eine Superposition der Wirkungen sehr wahrscheinlich finden dürfen, ohne aber in Abrede stellen zu können, dass dieselbe durch secundäre Processe sofort verdeckt werden könnte. So erscheint das Prineip zum wenigsten nicht geeignet um die obigen Fundamentalsätze der Farben- mischung daraus abzuleiten. Die experimentelle Bestätigung derselben ent- behrt merkwürdiger Weise auch der wünschenswerthen Vollständigkeit; eine Thatsache die sich wohl daraus erklärt, dass man dieselbe bei ihrer grossen Einfachheit für selbstverständlich hielt. In jüngster Zeit sind nun einige Angaben gemacht worden,! welche den Fundamentalsätzen der Farben- mischung widersprechen, obwohl der Autor selbst nicht ausdrücklich darauf ‘ Albert, Ueber die Aenderung des Farbentons von Spectralfarben und Pig- menten bei abnehmender Lichtstärke. Wiedemann’s Annalen. Bd. XVI. FUNDAMENTALSATZ AUS DER THEORIE DER GESICHTSEMPFINDUNGEN. 81 hingewiesen hat. Es folgt nämlich aus jenen Sätzen ohne Weiteres, dass wenn zwei Lichter «a und 5 für unser Auge gleich erscheinen, diese Gleichheit auch weiter besteht, wenn wir zu a nochmals a, zu 5b noch- mals 5 hinzufügen, dass somit auch 2 a gleich erscheint mit 2 5. Das lässt sich beliebig fortsetzen und es folgt, dass allgemein, wenn zwei Licht- mischungen gleichen Empfindungseffect haben, auch ihre n fachen Inten- sitäten unter sich gleich erscheinen müssen, eine Beziehung auf welche ich schon früher aufmerksam gemacht habe.! Im Gegensatz hierzu findet sich nun bei Albert die Angabe, dass ein homogenes und ein aus Roth und Grün gemischtes Gelb, wenn sie bei mittlerer Lichtstärke einander gleich seien, bei herabgesetzter Lichtstärke sich verschieden verhalten. Während näm- lich das homogene Gelb bei Verminderung seiner Intensität allmählich röthlicher zu werden scheine, soll im gemischten Gelb vielmehr allmählich das Grün mehr und mehr überwiegen, so dass gerade die entgegengesetzte Ver- änderung des Farbentones an demselben bemerkbar würde. In ähnlicher Weise soll sich ein homogenes Blau von einem aus Grün und Violett ge- mischten unterscheiden. Die Ursache dieser auffallenden Erscheinung ist nach Albert darin zu erblicken, dass „einer Verringerung der Intensität “ verschiedenfarbigen Lichtes eine verschieden grosse Verminderung der Empfindungsstärke entspricht, in der Weise, dass dieselbe für Strahlen kleinerer Wellenlänge, gleichviel, welchem Theile des Spectrums sie an- _ gehören, langsamer abnimmt als für Strahlen grösserer Wellenlänge.“ . | Mit anderen Worten, wenn auf eine Componente das Quantum a des Lichtes Z, und 5 des Lichtes Z, gleiche Wirkung hat, so müsste jedesmal „I, «a von Z, stärker wirken als „1,5 Z,, wenn Z, von kürzerer Wellenlänge ist als Z,. Bei der grossen theoretischen Bedeutung der Frage ı erschien eine Prüfung der Albert’schen Angaben sehr wünschenswerth, | und das um so mehr als aus Albert’s Versuchen der betreffende That- | bestand doch nicht mit voller Sicherheit gefolgert werden kann. Es muss . nämlich als ein äusserst unsicheres Verfahren bezeichnet werden, die , scheinbaren Aenderungen des Farbentones, welche bei einer Variirung der , objeetiven Intensität eintreten, ohne Weiteres zu beurtheilen. Es erscheint denkbar, dass eine Menge von Nebenumständen hierauf influiren. Haben , wir ein Licht für sich in sonst ganz dunklem Gesichtsfelde und vermindern | die Intensität desselben, so mag die scheinbare Veränderung des Farben- ‚ tones eine andere sein als wenn gleichzeitig noch andere Lichter gesehen werden, und wieder mag es einen Unterschied machen ob diese ebenfalls gleichzeitig ihre Intensität verändern oder nicht. Bei den Versuchen, welche Albert anstellte, befand sich im Gesichtsfelde allemal das intensive und das Die Gesichtsempfindungen und ihre Analyse. 8.51. Archiv f A.u. Ph. 1835. Physiol, Abthlg. 6 82 | J. N. KrIEs: abgeschwächte Licht, behufs Vergleichung ihres Farbentones. Da nun nach dem oben Erörterten ein wesentliches und selbständiges Interesse der Giltigkeit des Superpositionsprincips zukommt, so lag esfür diesen Zweck näher und war viel sicherer hierzu einen directen Weg einzuschlagen. Dies hatte einfach so zu geschehen, dass im Spectralapparat Mischungsgleichungen (d. h. zwei helle Felder von objectiv verschiedenen für das Auge aber gleich erscheinenden Lichtern) eingestellt wurden und festgestellt ob dieselben noch giltig blieben bei gleichzeitiger Verminderung der Intensität sämmtlicher in die Mischung eingehender Lichter in gleichem Betrage. Es diente zu diesen Versuchen eine Einrichtung des Spectralapparates, welche in allen wesentlichen Stücken mit derjenigen übereinstimmte, welche ich früher beschrieben habe." Die Abweichungen von der damaligen An- ordnung sind ganz geringfügige und dienen nur der bequemeren Hand- habung des Apparates. Es genügt hier, daran zu erinnern, dass bei dem- selben zwei unmittelbar aneinanderstossende Felder erleuchtet werden können und zwar das eine mit einem homogenen Licht mit Hinzufügung beliebiger Mengen von unzerlegtem Weiss, das andere mit einer Mischung zweier ein- facher Lichter. Dabei geht sämmtliches Licht, welches in das Auge des Beobachters gelangt durch einen Ocularspalt von 4” Höhe und 0-8mm Breite. Die gleichmässige Variirung der sämmtlichen Lichtintensität lässt sich, da die verschiedenen Lichter aus verschiedenen Lichtquellen (Spalten) geliefert werden, nicht ohne Unbequemlichkeit durch eine gleichmässige Variirung sämmtlicher Spaltbreiten erreichen. Viel einfacher ist es und zugleich hinsichtlich der genauen Proportionalität viel sicherer, die Grösse des in’s Auge gelangenden Strahlenkegels zu variiren. Dies geschieht am einfachsten, indem vor den verticalen Ocularspalt, zwischen ihn und das beobachtende Auge ein horizontaler Spalt von variabler Breite gebracht wird. Indem dieser verengert wird, kann man die sämmtlichen in’s Auge kommenden Lichter genau proportional vermindern, vorausgesetzt, dass sie alle die ganze Höhe des Ocularspaltes ausfüllen. Ist diese Höhe % und die Breite des Horizontalspaltes d, so hat die Abschwächung im Verhältniss h:d stattgefunden. Die Versuche, welche in dieser Weise angestellt wurden, betrafen die Vergleichung von homogenem Gelb und Orange mit solchem, das aus Roth (C) und Gelblichgrün bis Grün (Z bis 5) zusammengesezt war; ferner Vergleichungen von homogenem Blau mit aus Grün und Violett ge- mischten, endlich Vergleichungen von gewöhnlichem unzerlegtem Weiss mit solchem das aus zwei Complementärfarben gemischt war. Es wurden dabei die Gleichheiten mit grösster Sorgfalt hergestellt und ev. die kleinen Sättieungs- ‘ M. v. Frey und J. v. Kries, Ueber die Mischung von Spectralfarben. Dies ! Archiv.: 1881. i FUNDAMENTALSATZ AUS DER THEORIE DER GESICHTSEMPFINDUNGEN. 83 differenzen durch minimale Weisszusätze zu der homogenen Farbe aus- geglichen. In allen Fällen zeigte sich, dass die Gleichheit der beiden Felder bei beliebigen Abschwächungen sämmtlicher Lichter vollkommen erhalten blieb. Dass für den letzteren Fall, Vergleichung von gewöhnlichem Weiss und solchem, das aus zwei Comple- mentärfarben gemischt ist, die Sache sich so herausstellen würde, liess sich übrigens schon aus einer Angabe von Helmholtz vermuthen. Dieser fand, dass wenn man aus zwei Lichtern Weiss gemischt hat, proportionale Ver- mehrung (oder Verminderung) beider die Mischung weiss bleiben lässt. Die proportionale Verminderung sämmtlicher Lichtintensitäten war bei unserer Methode auf die denkbar einfachste und correcteste Weise herbei- geführt. Es erschien nicht überflüssig zu prüfen, ob vielleicht die Differenz der Albert’schen Resultate durch die von ihm benutzte Verdunkelungs- methode, den Episkotister bedingt se. Auch diese liess sich an unserem Apparat leicht anbringen; es wurde einfach eine geschwärzte Scheibe mit schmalem Ausschnitt unmittelbar vor den Ocularspalt aufgestellt und in hinreichend schnelle Rotation versetzt. Auch in diesem Falle zeigte sich dasselbe Resultat und es ist Keinem von uns gelungen, auch bei den stärksten Graden der Verdunkelung einen Farbenunterschied zwischen den beiden Feldern zu entdecken. Es folet nun hieraus, dass in der That, wenn die physiologischen Wir- kungen zweier Lichter gleich sind, auch bei gleichmässiger Intensitäts- vermehrung oder -Verminderung beider die Effecte gleich bleiben, so wie _ man es anzunehmen geneigt war. Es ist vielleicht nicht überflüssig, noch ausdrücklich vor einer Ver- wechselung zu warnen. Nach dem eben Erörterten ist die Abhängigkeit der Erregungszustände einer bestimmten Componente von der objectiven Inten- sität des Lichtes dieselbe für jedes beliebige Licht. Etwas ganz anderes ist die Frage, ob diese Abhängigkeit auch für die verschiedenen Componenten eine und dieselbe sei. In der ursprünglichen Form der Helmholtz’schen Theorie wird das bekanntlich nicht angenommen; vielmehr soll mit der ‚ Intensitätszunahme des objectiven Lichtes die „Rothempfindung“ schneller wachsen als die Blauempfindung. Diese Annahmen werden durch die obigen Resultate gar nicht berührt. Was wir erörterten, ist die Gleich- artigkeit des Verhaltens einer Componente sämmtlichen Lichtarten gegen- über; hier dagegen handelt es sich um den Vergleich der verschiedenen Componenten untereinander. Selbstverständlich lag es nahe unsere Auf- merksamkeit auch auf die scheinbaren Veränderungen des Farbentones zu richten, welche bei der Intensitätsverminderung eintreten. Wir haben in- dessen weder bei diesen Versuchen noch bei anderen, in welchen eine licht- ı starke und eine lichtschwache Farbe unmittelbar nebeneinander gesehen 6* 84 J. v. KRIES: ZUR THEORIE DER GESICHTSEMPFINDUNGEN. wurden, die Ueberzeugung gewinnen können, dass sich diese Erscheinungen einer einfachen Regel einwurfsfrei unterordnen lassen. Wir fanden vielmehr, dass die Aufgabe eine lichtstarke und eine lichtschwache Farbe im Farben- ton gleich zu machen, sich meist gar nicht mit nur einiger Sicherheit lösen lässt. Hiernach erscheint es denn begreiflich, dass das Urtheil über die scheinbaren Veränderungen der Farbe bei Verdunkelung ein sehr variables und durch allerhand Nebenumstände beeinflussbares ist. Daher dürfte es kaum gelingen, die Erscheinungen nach dem einfachen Schema zu erklären, dass bei zunehmender Lichtintensität die Erregungszustände einer Compo- nente schneller oder langsamer als die einer anderen zunehmen. Notiz über das Federrheonom. Von J. v. Kries. Mit Bezug auf die Construction des Federrheonoms! theile ich mit, dass dasselbe von HH. Baltzar & Schmidt in Leipzig gegenwärtig in einer Form gearbeitet wird, welche von der a. a. OÖ. beschriebenen ein wenig abweicht. Der Apparat besitzt nämlich jetzt zwei feste und drei be- wegliche Elektroden, welche durch einfachste Handgriffe längs der Rinne ‚ verschoben werden können. Es ist hierdurch möglich, auch zwei lineare Schwankungen nach einander, jede von beliebiger Grösse und Steilheit, und in beliebigem Intervall, herzustellen. Ferner ist ein kleines Schwungrad angebracht, welches einerseits die Bewegung gleichförmiger macht, andererseits die Anwendung der gewöhn- lichen graphischen Verfahrungsweisen zur Geschwindiskeitsbestimmung ermöglicht. Endlich ist eine veränderte Einrichtung für den (S. 365) beschriebenen verschieblichen, als Differenzialrheotom functionirenden Contact getroffen. ‚ Der Preis des vollständigen Apparates stellt sich auf 180 Mark. Eine einfachere Form (mit nur einer beweglichen Elektrode und ohne den oben erwähnten Contact), welche für die meisten Zwecke ausreicht, kann ent- ‚ sprechend etwas wohlfeiler geliefert werden. ! Vgl. Ueber die Abhängigkeit der Erregungsvorgänge von dem zeitlichen Verlauf der zur Reizung dienenden Elektrieitätsbewegungen. Dies Archiv. 1884. 8. 344. Lebende Zitterrochen in Berlin. Von E. du Bois-Reymond.' $ 1. Einleitung. Unter den scheinbar günstigsten Bedingungen, unmittelbar an der Küste, gelang es früher nicht, Zitterrochen in der Gefangenschaft über einige Tage am Leben zu erhalten. Darauf gründete sich die von Faraday vor fünfundvierzig Jahren geäusserte Meinung, dass in ge- wisser Hinsicht der Zitteraal für Untersuchung der elektrischen Fische mehr als der Zitterroche sich eigne;? ein Ausspruch, dem ich mich noch viel später, indem ich zugleich den Zitterwels über den Zitteraal stellte, mit den Worten anschloss: „der Zitterroche kommt als Seebewohner nicht in Betracht“.3 Diese Sachlage hat sich jetzt sehr geändert. Nicht allein ist die Kunst, Seethiere zu halten, in den während der letzten Jahrzehnde entstandenen Aquarien so weit gediehen, dass es keine Schwierigkeit mehr hat, Zitterrochen so lange wie irgend nöthig lebend aufzubewahren, sondern diese Kunst erstreckt sich auch auf den Eisen- bahntransport, und ermöglicht es, die Bewohner des Weltmeers ungefährdet in’s Binnenland zu versetzen. Als ich obige Worte schrieb, im März 1877, ‘ Aus den sSifzungsberichten der Kgl. Preuss. Akademie der Wissenschaften vom 13. März (ausgegeben am 20. März) 1883. Bd.I. S. 181—242. — Die Sätze zwischen eckigen Klammern sind jetzt hinzugefügt. ” Notice of the character and direction of the electrie force of the Gymnotus (1838). In: Experimental Researches in Electrieity. Reprinted from the Philosophical Transactions ete. vol. II. 1844. p.2. No. 1752. ® E. du Bois-Reymond, Gesammelte Abhandlungen zur allgemeinen Muskel- und Nervenphysik. (In der Folge nur als „Gesammelte Abhandlungen u. s. w.“ an- geführt.) Leipzig 1877. Bd. Il. S. 611. E. pu Boıs-REyMoND: LEBENDE ZITTERRÖCHEN IN BERLIN. 87 verfügte schon Hr. Ranvier in Paris über lebende Zitterrochen aus Con- carneau am atlantischen Ocean.! Doch fehlten merkwürdigerweise auf der Ausstellung in den Elysaeischen Feldern, wie auch meines Wissens in München und in Wien, diese, wie George Wilson sie nannte,? ältesten aller elektrischen Maschinen; höchstens dass das Modell einer untersee- ischen Mine an ihr Vorbild, die Torpedo, erinnerte. Das Berliner Aquarium erhielt zuerst im Sommer 1881 Zitterrochen aus Triest. Der Director des Aquariums, Hr. Otto Hermes, der die reichen Hülfsmittel der Anstalt auf das Freigebigste und Liebenswürdigste jedem wissenschaftlichen Zwecke dienstbar macht, gestattete mir schon da- mals, einige Versuche anzustellen. Dabei beschränkte ich mich natürlich auf solche Maassnahmen, welche den zur Schau bestimmten Thieren nicht schaden konnten. Ich habe früher wiederholt auseinandergesetzt, weshalb unter diesen Umständen der Besitz lebender elektrischer Fische nicht so fruchtbringend ist, wie man sich vorzustellen pflegt.? Allein Hr. Dr. Hermes hat neuerlich die ausserordentliche Güte gehabt zu veranstalten, dass das physiologische Institut durch das Aquarium von Triest aus mit Zitterrochen versehen werde, an denen ich nach Belieben experimentiren, und die ich nach Gutdünken opfern darf. Es bedarf kaum der Bemerkung, eine wie günstige Aussicht sich damit der Lehre von den elektrischen Fischen, also mittelbar der allgemeinen Muskel- und Nervenphysik, eröffnet. Eine Tor- pedo zu freier Verfügung in einem deutschen physiologischen Laboratorium kann für den Fortschritt unseres Wissens möglicherweise mehr leisten, als (um in Shylok’s Weise zu reden) ein ganzer Meerbusen voll Zitterrochen da, wo man erst eine Bussole aufstellen muss, und wo wegen Eines zu Hause gelassenen oder auf der Reise zerbrochenen Apparates vielleicht der schönste Versuchsplan zu nichte wird. So habe ich denn schon im vorigen Sommer zwei, in diesem Winter drei Zitterrochen hier verarbeitet und daran mehrere Fragen beantwortet, die mir längst vorschwebten, wie auch die Erforschung der secundär-elektro- motorischen Wirkungen des elektrischen Organes begonnen.* Obwohl letz- tere Versuche nicht entfernt abgeschlossen sind, will ich die gewonnenen " Desons sur P Histologie du Systeme nerveux. Paris 1878. t. II. p. 88. ” The Edinburgh New Philosophical Journal. New Series. October 1857. p. 267. ® Monatsberichte der Akademie. 1858. 8. 94; — Gesammelte Abhandlungen u. s. w. A.a.0. 8.612; — Dies Archiv, 1877. 8.86. — Dr. Carl Sachs’ Untersuchungen am Zitteraal.... bearbeitet von E. du Bois-Reymondu.s. w. Leipzig. 1881. S. 82.115. (In der Folge im Gegensatz zu den „Untersuchungen über thierische Elektrieität“ mmer nur als Untersuchungen u. s. w.‘ schlechthin angeführt). * Ueber secundär-elektromotorische Erscheinungen an Muskeln, Nerven und elek- trischen Organen. Sifzungsberichte u. s. w. 5. April 1883. 8. 343—404.; — dies Archiv, 1884. 8. 1—62. e 88 E. pu Boıs-REYMmoxXD: Ergebnisse doch schon veröffentlichen, weil sie auch in ihrem jetzigen Zu- stand eine wichtige Ergänzung meiner vorjährigen Mittheilung über secundär- elektromotorische Erscheinungen bilden, und weil selbst das sehr geringe Maass der Vollendung, welches ich den entsprechenden Versuchen an Mus- keln und Nerven zu ertheilen vermochte, aus später erhellenden Gründen hier doch unerreichbar erscheint (s. unten S. 212). | Die Zitterrochen gehörten sämmtlich der Species T. marmorata an. Der kleinste war 25, der grösste 36 °® lang. Letzteres ist für einen europäl- schen Zitterrochen eine gute mittlere Grösse. $ 2. Allgemeine Bemerkungen über die Versuche am Zitterrochen. Die Ueberführung lebender Zitterrochen von Triest nach Berlin ist natürlich nicht bei jeder Witterung gleich gut-möglich. Nicht bloss Frost hindert sie, auch Sommerhitze wird leicht den Thieren verderblich. Daher die Zeit des Jahres, innerhalb deren der Transport mit Aussicht auf Erfolg unternommen werden kann, auf die Monate April, Mai, September und October sich beschränkt. Das physiologische Institut der Berliner Universität besitzt zwar sein eigenes, vollständig eingerichtetes Aquarium, doch zog ich vor, von dem Anerbieten des Hrn. Dr. Hermes Gebrauch zu machen, die Rochen, wenn wir ihrer nicht bedürfen, in den Becken des nur wenige Minuten vom Institut entfernten Berliner Aquariums zu beherbergen. Hier scheinen sie sich, einmal gut angelangt und in Ruhe gelassen, mindestens sechs Wochen lang gesund und hinlänglich bei Kräften zu erhalten. Nach dieser Frist starben einige Thiere, die ich aus Mangel an Musse nicht hatte rechtzeitig zu Versuchen verwenden können. Andere lebten mehrere Monate lang, im Winter bei einer Temperatur des Seewassers von nur etwa 12°C.! Nach Aussage des Wärters wühlen sich die Rochen, so lange sie gesund sind, in den Kies am Boden des Beckens ein und sind dann schwer vom Grunde zu unterscheiden.” Um andere darin befindliche Fische kümmern sie sich ı Vgl. meine Bemerkungen über die Temperatur, in der wechselwarme Thiere zu halten sind, in den Gesammelten Abhandlungenu.s. w. Bd.Il. S. 605.606 und in den Untersuchungen u. Ss. w. 8.77. ° Schon Reaumur und Walsh berichten, dass die Zitterrochen bei der Ebbe durch Schlagen mit den Brustflossen sich in den Sand wühlen, da es dann vorkommt, dass ‚Fischer nackten Fusses auf sie treten und hinstürzen (Untersuchungen u. Ss. W. 8. 132). — Hier sei ein mir von Ehrenberg erzähltes Torpedo-Abenteuer aufbewahrt, welches einen Begriff von der Gewalt des Zitterroechen im Rothen Meere (wahrschein- lich T. panthera) giebt. Er war mit seinem arabischen Diener auf einem Korallenriff weit und tief in die See hinausgewatet. Plötzlich schrie der Mann auf, ein Hai habe "g LEBENDE ZITTERROCHEN IN BERLIN. 89 nicht. Von den zerstückten Fischen, welche man als Futter in das Becken wirft, sah man sie bisher nichts fressen. In der Freiheit verschlingen die Zitterrocehen, wie Hr. Prof. Fritsch durch Untersuchung des Magen- inhaltes feststellte, unverhältnissmässig grosse Fische, welche sie wohl vorher durch elektrische Schläge lähmen.? Ihnen in der Gefangenschaft lebende kleine Seefische zu verschaffen, ist aber natürlich nicht leicht. An den Versuchstagen wurde der Fisch mit einem Kesser aus dem Becken des Aquariums in einen Zuber voll Seewasser von solcher Grösse gebracht, dass zwei Männer ihn bequem trugen. Mit dem Kesser wurde ‚, er auch aus dem Zuber in die gleich zu erwähnende Versuchswanne über- tragen. Das Fangen mit dem Kesser ging nicht ohne heftiges Sträuben ab, und unstreitig schlug der Fisch dabei wiederholt, wie die Zitterwelse nach Aussage des Froschweckers es zu thun pflegen.” Gelegentlich ver- suchte ich hier dasselbe zu beobachten; der Froschwecker blieb aber stumm, wohl wegen zu guter Nebenleitung durch das Seewasser (s. unten S. 191.203). Befand sich der Fisch einmal im Zuber oder in der Versuchswanne, so hielt er sich meist vollkommen ruhig, ohne andere sichtbare Bewegung als die an den Spritzlöchern. Wurde er nach einer längeren quälenden Versuchsreihe in den Zuber zurückgethan, so schwamm er manchmal wild ‚ umher, auch sah man ihn wohl bemüht, durch eigenthümliche undulirende Bewegungen seiner Körperscheibe die Wand des Zubers zu erklimmen. $ 3. Von der Ableitung von Zitterfisch-Schlägen in einen Versuchskreis. Versuchskreis nenne ich bei Zitterfisch-Versuchen nach früherer Uebereinkunft die irgendwie beschaffene, auch unterbrochene Leitung, in ‚ welche der Schlag des Fisches zur Prüfung irgend einer seiner Wirkungen abgeleitet wird.” Diese Ableitung so günstig wie möglich zu gestalten, ist bei diesen Versuchen natürlich eine der ersten Aufgaben. An dem aus dem ihm den Fuss abgebissen, strauchelte, und war nahe daran unterzugehen. Mit dem ‚ raschen Scharfblick des Naturforschers konnte Ehrenberg ihm sogleich beruhigend ‚ zurufen: „Fürchte nicht, es steigt kein Blut in die Höhe, du hast noch deinen Fuss, und hattest nur auf einen Raäd getreten.“ 1 Sitzungsberichte u.s.w. 1883. Bd. I. S.205;— Die elektrischen Fische im Lichte der ı Descendenzlehre. In Virchow’s und v. Holtzendorff’s Sammlung gemeinverstünd- ‚lieher wissenschaftlicher Vorträge. 1884. XVII. Serie. Heft 430|31. S. 34. — Auch die | Zitteraale sind nach Sachs sehr gefrässig ( Untersuchungen u. s. w. 8. 109. 110). ?” Gesammelte Ahhandlungen u.s.w. A.a.0. 8. 615. 617; — Untersuchungen u. s. w. E 142. 143. ® Gesammelte Abhandlungen u. s. w. ı II. 8.6125 — Untersuchungen u. 5. W. '8. 186, 90 E. pu Boıs-Reymoxp: Wasser genommenen Thier hat dies keine Schwierigkeit. Aber auch wenn man über das Leben der Thiere frei verfügt, wird man es nicht gern jedes einzelnen Versuches wegen nutzlos auf das Spiel setzen; ohnehin sind aus dem Wasser genommene Fische meist so unruhig, dass sich schlecht daran experimentirt. Es handelt sich also darum, obige Aufgabe auch an dem noch im Wasser befindlichen Thiere zu lösen. Faraday hat sich bei seinen Versuchen am Zitteraal zuerst eigener, ständiger Vorrichtungen zu diesem Zwecke bedient. Er setzte dem Fisch zwei aussen mit Kautschuk überzogene Sättel aus Kupferblech auf. Je weiter von einander die Sättel, um so stärker war der abgeleitete Strom- zweig. Wurden besonders kräftige Wirkungen erfordert, so legte Faraday auf den Boden des Troges Glasplatten, denen der Kautschukrand der Sättel sich anschloss, da dann die vom Sattel umfasste Strecke des Fisches fast so gut isolirt war wie an der Luft.! An Isolirung des Fisches zwischen den Sätteln scheint Faraday nicht gedacht zu haben, auch würde es kaum gelingen, dem lang- gestreckten, sich schlängelnden Fisch einen das ganze Thier einschliessenden Deckel auf- zusetzen. Bei der grossen Macht des Zitteraal- Schlages genügte übrigens Faraday’s Vor- richtung für fast alle Zwecke, nur der Ent- ladungsfunken war damit schwer zu erhalten.” Ich hatte daher auch Dr. Sachs keine andere Anordnung zur Ableitung des Schlages em- pfohlen, und Fig. 1 zeigt einen der von ihm angewandten Sättel, die sich von Faraday’s Sätteln nur in einem unwesent- lichen Punkt unterscheiden: statt aus mit Kautschuk aussen überzogenem Kupferblech bestehen sie, nach Art der von mir für die Zitterwelse ver- fertigten Ableitungsdeckel, aus innen mit Stanniol gefütterter Guttapercha. Man erkennt links den (lackirten) Stanniolstreif, der die Belegung mit dem ableitenden Drahte verbindet. ? An den kleinen und vergleichsweise schwachen Zitterwelsen konnte ich mich ‚nicht mit den, den Enden des Organes angelegten Sätteln be- gnügen, sondern ich musste darauf bedacht sein, den Fisch auch zwischen den Sätteln vom Wasser zu isoliren, was sich hier unschwer thun liess. !lL.c. p.5. No. 1758—1760. ® L.c. p.7. No.1767. Note 2; — Vgl. Untersuchungen u.s. w. S. 158. ® Der Holzschnitt ist den Untersuchungen u.s. w., S. 154. Fig. 43, entlehnt. | LEBENDE ZITTERROCHEN IN BERLIN. 91 So entstanden die Mumiensargdeckeln ähnlichen, an beiden Enden mit Stanniol gefütterten Ableitungsdeckel aus Guttapercha, wie man einen in Fig. 2 sieht,! und wie ich sie eigens für jeden Fisch über einem nach seinem Maasse geschnitzten Leisten herstellte. Beim Gebrauch der Deckel lag eine Spiegelplatte am Boden der Versuchswanne, und es war nur so viel Wasser darin, dass dessen (in der Figur der Deutlichkeit halber zu hoch gezeichneter) Spiegel aa’ den Rücken des auf der Platte ruhenden Fisches tangirte. Ich bewies, dass die den Fisch zwischen den Stanniol- belegen vom Wasser isolirende Guttapercha den Schlag im Versuchskreise mehr als verdoppelte. Die Isolation war so vollkommen, dass zuweilen der Froschwecker versagte, dessen Elektroden an zwei diametral entgegen- gesetzten Punkten des Umfanges der Versuchswanne eintauchten, und sie wäre-noch vollkommener gewesen, wenn ich auch die hintere Oefinung der Deckel mit einer die Schwanzflosse überwölbenden’Kappe verschlossen hätte. A— ar » —— 2 \ URERERIEEREEREREEEEDG Fig. 2. Bei Anfertigung dieser Deckel bot sich das Problem, den Belegen die ‚ Länge zu ertheilen, welche den stärksten Strom im Versuchskreise giebt. Bei grösserem Widerstand des Kreises fand ich einen längeren, bei kleinerem einen kürzeren Beleg vortheilhafter.2 So hatte ich es erwartet, und dass , dem so sein müsse, sieht man folgendermaassen ein. Die Fortsetzungen kA’, ss’ der Belege in Fig. 2 kann man als Enden ‚ des Versuchskreises auffassen, welche die Belege ableitend berühren. Nach ! Der Holzschnitt ist den Gesammelten Abhandlungen u. s. w., Bd. II. 8. 614. ‚ Fig. 42, entlehnt. 2 Gesammelte Abhandlungen u.s. w. Bd. Il. 8.636. 637. 92 E. pu Boıs-REYmoxD: dem Helmholtz’schen „Principe von der elektromotorischen Ober- fläche“! ist die Stärke des Stromes im Versuchskreise gleich dem Poten- tialunterschied der Punkte der Belege, welche seine Enden berühren, divi- dirt durch den Widerstand des Versuchskreises + dem des Organes, des Fisches, des umgebenden Wassers u. s. w. zwischen jenen Punkten. Die Belege stellen nämlich nicht bloss Ableitungen von den Enden des Organes vor, sondern, sofern sie längs dessen Seitenflächen sich erstrecken, auch vergleichsweise gute Schliessungen zwischen den Enden und den Seiten- flächen. Indem durch diese Schliessungen ein Theil des Schlages sich ab- gleicht, wird der Potentialunterschied der Enden herabgesetzt um so mehr, je kleiner der Abstand der Belege. Der Potentialunterschied der Enden des Versuchskreises wird also um so kleiner, je länger die Belege. Uebrigens wird er nicht ganz unabhängig sein von der Lage der Punkte auf den Belegen, welche die Enden des Versuchskreises ableitend berühren; denn da die Belege selber von den Enden des Organes nach ihren einander zu- gekehrten Rändern zu durchströmt sind, stuft sich in ihnen das Potential in derselben Richtung ab. Danach wird die aus constructiven Gründen an den Ableitungsdeckeln für den Zitterwels gewählte Anordnung, wobei die Enden des Versuchskreises beziehlich mit dem vorderen Rand des vor- deren und dem hinteren Rand des hinteren Beleges verschmelzen, auch theoretisch die richtigste sein. Doch ist in der Praxis der Unterschied schwerlich von Belang. Was den Widerstand des Organes, des Fisches u. s. w. zwischen: den ableitend berührten Punkten der Belege betrifft, so ist er nach den Helm- holtz’schen Gesetzen derselbe, welchen die leitende Masse einem Strom entgegensetzen würde, den eine im Versuchskreise wirksame elektromotorische Kraft hervorbrächte In Bezug auf solchen Strom aber stellen nach be- kannten Grundsätzen? die Belege isoälektrische Flächen dar. Jener Wider- stand wird also, um so grösser sein, je kürzer, um so kleiner, je länger die Belege, da deren Ausdehnung den Querschnitt des feuchten an der Grenze des metallischen Leiters bestimmt. Nennt man ?,, P, die Potentialunterschiede der Enden des Ver- suchskreises beziehlich bei langem und bei kurzem Belege, den entsprechen- den Widerstand zwischen den Belegen W,, W,, den grossen Widerstand im Versuchskreise R, den kleinen r, so bestehen erfahrungsmässig die Ungleichheiten To Pı Pı Pı Wa HR | mE Were Eee ! Poggendorff’s Annalen der Physik und Chemie. 1853. Bd. LXXXIX. S. 211f. ”G. 8. Ohm, Die galvanische Kette mathematisch bearbeitet. Berlin 1827. 8.128; — G. Kirchhoff in Poggendorff’s Annalen u. s. w. 1843. Bd. LXIV. S. 500. Anm. 2. LEBENDE ZITTERROCHEN IN BERLIN. y5 Dies setzt voraus, dass auch die Ungleichheiten ?, > P,, R>r erfüllt sind, und da, wie wir sahen, letzteres erwiesen ist, so ist das beobachtete Verhalten erklärt. Der durch den Versuchskreis sich ergiessende Strom setzt sich dabei in jedem Punkte der leitenden Masse zwischen den Belegen nach dem Parallelepiped der Kräfte zusammen mit dem Strom, welcher ohne den Versuchskreis in demselben Punkte stattfände.! Eine vollständige Theorie hätte hier noch die Induction und die mannigfachen Polarisationen zu berücksichtigen, doch kann dadurch an der Hauptsache kaum etwas geändert werden. $ 4. Von der Ableitung des Zitterrochen-Schlages in einen Versuchskreis. Bei der Bemühung, nach denselben Grundsätzen auch am Zitterrochen möglichst zweckmässige Ableitung des Schlages zu bewirken, stösst man auf Schwierigkeiten. Man müsste Rücken- und -Bauchfläche jedes Organes mit einem metallischen Beleg überziehen und diese Belege von ihren medialen Rändern ableiten, welche aus Gründen, auf die wir noch zurück- kommen, am Rücken die positivsten, am Bauche die negativsten Stellen sind (s. unten S. 101). Befindet sich der Fisch an der Luft, so steht solcher Ableitung nichts im Wege, und Boll, der seine Rochen ohne Wei- teres aufnagelte, hatte sich, nach dem Vorbild meiner Ableitungsdeckel am Zitterwelse, mit Stanniol gefütterte Guttaperchaplatten' verfertigt, die sich einerseits der Rücken-, andererseits der Bauchfläche eines Organes möglichst genau anschlossen.” Soll aber der Fisch im Wasser bleiben, so ist es keine leichte Aufgabe, der Bauchfläche der Organe Platten anzulegen. Noch grösser ist die Schwierigkeit, zugleich den übrigen Fisch zu isoliren, was die Leitungsgüte des Seewassers® hier doch gerade recht wünschenswerth macht.. An einem gegebenen Fisch liesse sich das Alles erreichen, wenn man den Fisch in der Versuchswanne auf eine seine Körperscheibe über- ragende Guttaperchaplatte lagerte, welche den Organen entsprechend mit zwei Belegen versehen wäre, deren mediale Ränder mit dem einen Ende des Versuchskreises sich verbänden; während dem Rücken’ des Fisches eine nach dessen Wölbung gebogene Guttaperchaplatte aufgesetzt würde, welche ! Vgl. Helmholtz, a. a. 0. 8. 219. — In den Gesammelten Abhandlungen gab ich (a. a. O.) von der verschiedenen Wirkung der langen und der kurzen Belege eine weniger durchdachte Erklärung, in welcher der nicht hinlänglich bestimmte Begriff einer „mittleren Spannung der Belege“ vorkam. An die Stelle dieser Erklärung hat die hier gegebene zu treten. ® Dies Archiv. 1873. 8. 18. 3 Vgl. Arthur Christiani, in den Untersuchungen u.s. w. 3. 411 ff. 94 E. pu Boıs-REYmoxp: zwei ebenso gelegene und abgeleitete Belege trüge, die Schwanzwurzel frei liesse und sonst überall am Umfang der Körperscheibe sich der unteren Platte anschlösse. Allein in der Ausführung stellt sich dieser theoretisch untadelhafte Plan als wenig tauglich heraus. Der Fisch bleibt auf der Sı IRDEL: N NS ) IN ————> 17 z 7 NS N ON unteren Platte nicht so liegen, wie er sollte; das Herstellen der oberen Platte ist bei ihrer Ausdehnung, doppelten Krümmung, geringen Wölbung sehr schwierig; sie wirft sich, so dass ihr windschiefer, welliger Rand sich der unteren Platte nur schlecht anschliesst; endlich da es sich nicht, wie LEBENDE ZITTERROCHEN IN BERLIN. 95 einst an meinen Zitterwelsen, darum handelt, an Einem am Leben zu erhaltenden Exemplar möglichst lange experimentiren zu können, so ist ein nur einem bestimmten Thier angepasster Apparat nicht einmal von grossem Nutzen. Ich blieb deshalb bei der weniger rationellen, aber viel einfacheren und schliesslich genügenden Anordnung stehen, die man in Fig. 3 sche- matisch abgebildet sieht. Als Versuchswanne dient ein flach cylindrischer Glashafen von 30° Durch- messer und 10 Tiefe. Auf seinem Boden liegt ein kreisrundes Zinkblech vom ungefähren Durchmesser der Körperscheibe, der Bauchschild »v°, welchem ein Streif vv’, angebogen ist, der hakenförmig über die Wand des Hafens heraushängt. Mit diesem Streif verbunden ist das eine Ende des Versuchskreises. In der Figur ist angenommen, dass dem menschlichen Körper ein Schlag ertheilt werden solle. Alsdann befinden sich im Ver- suchskreise zwei Handhaben, zu deren einer, Z,, der Draht v’ #4, führt. Den Bauchschild bedeckt ein gleich grosses mit Seewasser getränktes kreis- förmiges Stück Flanell ff‘, damit der Rand des dem Fisch aufzusetzenden Rückenschildes dd° nie den Bauchschild berühre, da dann der Erfolg im Versuchskreise so nichtig würde, wie inHumboldt’s und Gay-Lussae’s Schüsselversuch.” Auf dem Flanell liegt der Fisch, den die Figur in einem durch die Organe geführten Querschnitt zeigt. Der Rückenschild ist eine nach der Gestalt des Fisches gebogene Zinkplatte mit umgelegtem Rand, oberhalb lackirt, in der Mitte mit einem Holzgriff, durch welchen der ab- leitende Draht d’ 4, isolirt zur zweiten Handhabe läuft. Der der Median- ebene des Fisches entsprechende Durchmesser des Rückenschildes ist darauf roth bezeichnet, Ich habe für verschieden grosse Zitterrochen zwei verschiedene Rückenschilde, den einen von 22, den anderen von 18“ Durchmesser. Der Hafen enthält so viel Seewasser, dass dessen Spiegel den Rücken des Fisches tangirt. $ 5. Trägheit der Zitterrochen in der Berliner Gefangenschaft. Das Aufsetzen des Deckels genüste, um die Zitterwelse zum Schlagen zu veranlassen, und wenn sie nicht ermüdet waren, schlugen sie zwei bis dreimal hintereinander;? hielt man den Deckel über ihnen fest, noch öfter unter Zappeln bis zur Ermüdung. Die Zitterrochen dagegen liessen sich das Aufsetzen des Rückenschildes oft gefallen, ohne zu reagiren, auch gab I Gilbert’s Annalen der Physik. 1806. Bd. XXI. 8.8; — Untersuchungen über thierische Elektrieität. Bd. II. Abth. I. S. 15. 105; — Gesammelte Abhand- lungen u.s.w. Bd.Il. S. 635. ° Gesammelte Abhandlungen u.s. w. Bd. II. S. 617. 618. 96 E. pu Boıs-REeymonD: es kein sicheres Mittel, sie bei aufgesetztem Schilde zum Schlagen zu be- wegen. Sie liessen sich an der Rücken- wie an der Bauchfläche, soweit diese vom Umfange der Körperscheibe her zugänglich war, drücken, reiben, stechen, zwicken, ohne ihre Kraft zu äussern. Selbst dann erfolgte kein Schlag, als ich einer aus dem Wasser ragenden Hautstelle die mit der ganz aufgeschobenen secundären Rolle des Schlitteninductoriums verbundenen Duchenne’schen Pinsel anlegte, obschon der Gastroknemius im Frosch- wecker tetanisirt wurde. Da die Thiere, an denen ich dies erfuhr, bei weitem nicht so lange gefangen waren und gefastet hatten, wie meine Zitterwelse, so muss man wohl einen Unterschied in der Natur der Zitterrochen und Zitterwelse annehmen. Liest man aber Walsh’s, Humboldt’s, Matteucci’s, Hrn. Colladon’s Angaben über die Leistungen ihrer frischgefangenen Zitterrochen,! so scheint jener Unterschied in nichts bestehen zu können, als in rascherem Kraft- verlust der Zitterrochen, und in der That berichtet Boll in Ueberein- stimmung mit Matteucci, dass „die Energie der elektrischen Organe in der Gefangenschaft sehr schnell abnimmt.“ ? Je ungewisser es danach im einzelnen Versuche blieb, ob der Fisch geschlagen habe oder nicht, um so wünschenswerther war es hier, durch den Froschwecker Gewissheit darüber zu erhalten. Fig. 3 zeigt, wie ich ihn mit dem Fisch zu verbinden pflegte Man erkennt leicht das gewohnte Schema, den Gastroknemius G, die Glocke 7, den Hammer 4, den Schroteimer E. Die eine Ringelektrode v”’ der (im der Figur fortgelassenen) Reizungsröhre hing durch den Draht vo” v’ mit dem Bauchschilde zusammen, zur anderen), d”’, führte der Draht d” d” von einer kreisrunden 3m jm Durchmesser haltenden Zinkplatte d”, welche vom Rande des Hafens wage- recht hinabhängend in das Seewasser gerade eintauchte, und für den Frosch- wecker die Rolle des Rückenschildes übernahm. Bei Versuchen, wo kein Bauchschild gebraucht wurde, stand die Ringelelektrode v” mit einer ähn- lichen am Boden des Hafens befindlichen (in der Figur punktirten) Zink- platte v, in Verbindung. So zuverlässig wie am Zitterwelse schien der Froschwecker hier nicht zu arbeiten, woran zum Theil die im Vergleich zum Flusswasser soviel bessere Nebenschliessung durch das Seewasser Schuld war. Uebrigens kam es auch besonders an den im Frühjahr hergelangten ! Untersuchungen u.s. w. 8. 255. 266; — Matteucei, Tyaite des Phenomenes electro-physiologiques des Animaux. Paris 1844. p. 145. ° Dies Archiv. 1873. 8. 78. — Im Winter hatte sich Prof. Fritsch auch an; Mittelmeer über die Trägheit der frischgefangenen Zitterrochen zu beklagen. Sitzungs- berichte. 1882. Bd.I. S. 500; — dies Archiv, 1882, S. 410. er au De LEBENDE ZITTERROCHEN IN BERLIN. 97 Zitterrochen vor, dass sie reizbarer waren, und sogar wie die Zitterwelse, ! nach Aussage des Froschweckers, aus unbekanntem Grunde von selber schlugen. $ 6. Der Zitterrochen-Schlag am Menschen. Hat man mit nassen Händen die Handhaben ergriffen, und ein Ge- | hülfe reizt den Fisch mit Erfolg, so erhält man einen Schlag, der zwar nur in den Handgelenken fühlbar aus früher entwickelten Gründen”? doch ‚ eine bessere Vorstellung von dem Phaenomen giebt, als man bei unmittel- barem Anfassen des Thieres sich zu bilden vermag. Ich habe dergestalt in meiner Vorlesung mehreren Studenten, die einander durchfeuchtete Hände reichten, den Schlag ertheilt. Auffallend war die geringe Stärke der Zitterrochen-Schläge verglichen mit der, mir noch wohl gegenwärtigen, der Zitterwels-Schläge. Da indess bei meiner Art, die ersteren Schläge zu nehmen, deren Stärke unter dem Mangel seitlicher Isolirung, besonders bei der guten Leitung durch das Seewasser, sehr leiden musste, so kann ich diese Wahrnehmung nicht ohne ‚ Weiteres für eine Bestätigung von Hrn. Babuchin’s sonst ja theoretisch einleuchtender Angabe hinstellen, dass der Zitterwels-Schlag den Zitterrochen- Schlag übertrifft.” Der Einfluss der Leitungsgüte des Mittels auf die Stärke des Schlages hat sich deutlich gezeigt in Hrn. Dr. Hermes’ Erfahrung ‚ mit einem Zitterwelse, der jedesmal dass er (zu einem Heilzweck) in phy- siologische Chlornatriumlösung gebracht wurde, gerade wie in meinen Ver- suchen ein Gastroknemius vom Frosch,* darin scheinbar sein elektrisches ı Vermögen einbüsste.” Der verstorbene A. v. Bezold, der mir bei den ‚ Zitterwels-Versuchen half, schlug vor, zur Verstärkung des Schlages das ‚ Flusswasser in der Versuchswanne durch gelüftetes destillirtes Wasser zu ersetzen.e Da viele Fische aus der See in die Flüsse steigen, Narcine brasiliensis sogar aus dem Manzanares gefischt Humboldt in Cumana als ‚ Temblador oder Zitteraal gebracht wurde,” könnte man vermuthlich ohne grosse Gefahr einen Zitterrochen auf einige Zeit in Süsswasser versetzen. Ich hätte gern versucht, die dabei zu erwartende Verstärkung des Schlages ! Gesammelte Abhandlungen u.s. w. Bd. II. S. 408. ®2 Ebenda. Bd.1I. S. 619. ° Untersuchungen u.s. w. 8.411. * Gesammelte Abhandlungen u.s. w. Bd. II. S. 379, 5 Untersuchungen u. s. w. 8.409. 411. ° Gesammelte Abhandlungen u. 8. w. S. 613. 7 Untersuchungen u.s. w. 8.76. 282. 411. Archiv f, A. u. Ph, 1885, Physio). Abth. T b K 98 E. pu Boıs-ReyMmoxp: zu beobachten, wäre es wegen der Trägheit der Zitterrochen nicht über- haupt aussichtslos, vergleichende Versuchsreihen über die Stärke ihres‘ Schlages unter verschiedenen Umständen zu unternehmen. $ 7. Ueber die Stromvertheilung am Zitterrochen. | Beistehender Holzschnitt ist die getreue Nachbildung einer Figur von Cavendish, der bei seinem Bestreben, die Wirkungen des Zitterrochen-ı Schlages durch gemeine Elektrieität nachzuahmen, vor mehr als einemı RR ar GER Ss % Tag a N R ee . \ a n — I ER NA A \ \ Ve ee Ira \ Ne york N Say u 8 N / N See =) a N 4 ae % S A en Fig. 4. Jahrhundert zuerst zur Vorstellung von Stromeurven kam, und im Ver ständniss dieses äusseren Vorganges am Thier seiner Zeit so voraufeilter dass erst Faraday wieder denselben Standpunkt einnahm. Cavendisb versuchte seinen Zweck zu erreichen, indem er an einem ledernen, mil Seewasser getränkten Modell des Fisches die den Polflächen der Organe entsprechenden Stellen mit Zinnfolie überzog und durch isolirte Drähte mit einer Leidener Batterie verband.! Er machte so die Polflächen zu isoölektrischen Flächen; den Verlauf der Stromeurven im Thiere selben liess er unerwähnt, und er konnte auch davon keinen sicheren Begriff sieh bilden, da erst siebzig Jahre später durch mich gezeigt wurde, dass die Annahme isolirender Hüllen in den elektrischen Fischen physikalisch $ entbehrlich, wie anatomisch unstatthaft sei.? | N ! The Electrical Researches of the Honourable Henry Cavendish ete. Editel by J. Clerk Maxwell ete. Cambridge 1879. p. 194. ? Gesammelte Abhandlungen u.s. w. Bd. Il. 8. 678. N | | LEBENDE ZITTERROCHEN IN’ BERLIN. 99 | Nach beiden Richtungen können wir heute Cavendish’s Figur be- ' richtigen und ergänzen. | Schon 1831 gelangte Hr. Daniel Colladon aus Genf in La Rocheile ‚über die Vertheilung der Elektrieität an der Oberfläche des schlagenden ' Zitterrochen zu folgenden drei Sätzen: 1. „Alle Punkte des Rückens sind positiv gegen einen beliebigen Punkt ' des Bauches. Die Stromstärke nimmt ab in dem Maasse wie jene Punkte ‚ weiter vom Organ liegen; am Schwanz ist sie fast ganz Null.“ 2. „Zwei asymmetrische Punkte des Rückens, oder zwei solche Punkte ‚ des Bauches geben fast stets einen Strom am Galvanometer: der den Organen ‚ nähere Punkt ist am Rücken positiv, am Bauche negativ.“ 3. „Bei Berührung zweier symmetrischen Punkte des Rückens oder des ‚ Bauches erhält man keine Galvanometer-Ablenkung.“ Da Hr. Colladon der Erste war, welcher den elektrischen Zustand der Rücken- oder der Bauchfläche des Zitterrochen prüfte, nenne ich Ströme zwischen Punkten einer dieser Flächen Colladon’sche Ströme. Hrn. Colladon’s Versuche wurden erst 1836 bekannt. Matteuceci, der kurz zuvor das Dasein solcher Ströme geleugnet hatte, berichtete das ‚ Jahr darauf (ohne Hrn. Colladon zu erwähnen), dass die den Eintritts- stellen der Nerven entsprechenden Punkte des Organes am Rücken positiv, ‚am Bauche negativ gegen die übrigen seien; eine Angabe, welche mit der ' damals von ihm erfassten Irrlehre vom Ursprunge der Elektricität im Ge- ‚hirne der Zitterrochen zusammenhing.! Mir, der ich früh die seitdem durch Bilharz erkannte elektrische Platte vorgeahnt hatte,? lag eine andere Erklärung nahe. Je höher eine | Zitterrochen-Säule bei gleicher Plattenzahl in der Längeneinheit ist, um so | grösser muss ihre elektromotorische Kraft sein. - Die Säulen nehmen von ‚dem medialen Rande des Organes nach dem seitlichen um etwa 0-6 an Höhe ab (s. unten Fig. 5). Um ebensoviel kann die elektromotorische | l ‚Kraft der medialen Säulen grösser sein als die der seitlichen. Dies erklärt, meh man an dem in der Luft befindlichen schlagenden Rochen einen | * Die Litteratur und das Nähere hierüber findet sich in den Gesammelten Ab- ‚handlungen. Bd. II. S. 685 ff. — Ich bemerke erst jetzt, dass der Schlusssatz des $ VI ne 8. 690 daselbst in Bezug auf Matteucei’s viefach wechselnde Aussagen eine Un- genauigkeit enthält, an deren Berichtigung, die nicht ohne weitläufige Auseinander- ‚setzung möglich wäre, wohl Niemand mehr gelegen ist. | ° Vorläufiger Abriss einer Untersuchung über den sogenannten Froschstrom und liber die elektromotorischen Fische. Poggendorff’s Annalen u.s. w. 1843. Bd. LVII. 5.25. SS 64. 65; — Gesammelte Abhandlungen u. s. w. Bd. II. S. 668. 670; — Unter- suchungen u. Ss. w. S. 284. 285. mE | 4 100 E. pu Boıs-REyMmoxD: Strom zwischen medialen und seitlichen Punkten erhält, am Rücken von jenen zu diesen, umgekehrt am Bauch. Am eingetauchten Zitterrochen scheint diese Anordnung die zweckmässige Folge zu haben, dass in den von den höheren Säulen ausgehenden Stromeurven ungefähr dieselbe Strom- stärke zu Stande kommt, wie in den kürzeren, von den niedrigeren Säulen entspringenden Curven. Da Matteucci seine Meinung allmählich dahin änderte, dass er den Strom am Rücken von den diekeren zu den dünneren Stellen fliessen liess, auch zwischen Rücken und Bauch an den dickeren Stellen einen stärkeren Strom nachwies, als an den dünneren, so hat er sich wohl später (wenn auch ohne mich zu erwähnen), meiner Deutung im ‘Vorläufigen Abriss" angeschlossen. Doch blieb ich selber dabei nicht stehen. Wie ich später fand, ging diese Deutung noch nicht auf den Grund. Indem ich nämlich nach Art elektrischer Platten gruppirte Zinkplatin-Elemente plötzlich m Wasser versenkte, ahmte ich sehr unvollkommen, aber für den Zweck aus- reichend, den im Wasser sich ausbreitenden Schlag nach, und prüfte meine Schlüsse über dessen Vertheilung. Ich beschrieb diese Versuche schon früher ausführlich, und kann mich hier darauf beschränken, an deren Er- - gebniss zu erinnern. Eine Anordnung elektrischer Platten, welche einer durch zwei Quer schnitte begrenzten Scheibe aus dem einen Organ eines Zitterrochen ent- “sprach, in welcher also die Säulen von der einen Seite zur anderen an. Gliederzahl abnahmen, lieferte völlig regelmässig Ströme vor der positiven ı Front! von den höheren zu den niedrigeren, vor der negativen Front von‘ den letzteren zu den ersteren Säulen. Aus den Versuchen ergab sich aber, \ und liess sich auch theoretisch ableiten, dass selbst ohne Unterschied in j) ! b | -_ der Höhe der Säulen Colladon’sche Ströme entstehen. An einem elek- trischen Organe von überall gleicher Säulenhöhe, das sich allein in einer’ unbegrenzten Wassermasse befände, würden die mittleren Bezirke der Po-' flächen beziehlich am positiven und negativsten sein. Man stelle sich an) den Organen des Zitterrochen alle Säulen gleich hoch, die Organe nach der Medianebene verschoben, und dort miteinander verschmolzen vor. Dannı wird die-Mitte der Medianlinie am Rücken am positivsten, am Bauch amı negativsten sein. Denkt man sich dass die Organe wieder auseinander-" weichen, so werden an jedem Organe die positivsten und negativsten Stellen je nach dem Abstand der Organe eine mittlere Lage zwischen dem medialen) Rand und [der Mitte annehmen, welche letztere sie erst wieder erreichen,! # wenn die Organe unendlich weit von einander abstehen, d. h. wenn derem jedes wieder als allein vorhanden betrachtet werden kann. I Vgl. Untersuchungen über thierische Elektrieität u.s.w. Bd.I. S. 644 fl.; — Gesammelte Abhandlungen, u. s. w. Bd.Il. S. 688 ff. LEBENDE ZITTERROCHEN IN BERLIN. 101 So wird es klar, dass auch ohne die lateralwärts abnehmende Höhe der Säulen am Rücken und Bauch des Zitterrochen Ströme im beobach- teten Sinne vorhanden sein würden. Die Verjüngung des Organes nach der Seite hin wird jedoch zur Folge haben, einmal diese Ströme zu ver- ‚ stärken, zweitens, die Stellen grösster Positivität und Negativität an die medialen Ränder des Organes zu verlegen. In demselben Sinne scheinen noch Neigungsstrom-Spannungen, nach Art der von mir am schrägen Muskelquerschnitt erkannten,! wirken zu müssen. Aus dem Allen ergiebt sich nun aber noch eine andere Folgerung, um welche es mir hier vorzüglich zu thun ist. Wenn die medialen Ränder der Organe am Rücken die positivsten, am Bauch die negativsten Stellen sind, so sind sie also auch beziehlich positiver und negativer als die Median- line. Dann muss es am Rücken Ströme geben von jenen Rändern nach ' dieser Linie, am Bauche von dieser zu jenen. Hrn. Colladon’s zweiter Satz und Matteucci’s Angabe, dass die Stellen des Nerveneintrittes am | Rücken und Bauche beziehlich die positivsten und negativsten seien (s. oben S. 99), lassen sich so deuten, als hätten ihre Urheber solches Verhalten ' schon beobachtet. Doch ist unwahrscheinlich, dass ihre Mittel dazu reichten, ‚und dass sie etwas so Auffallendes nicht ausdrücklich erwähnt haben sollten. Wie dem auch sei, die Folge wird lehren, dass es sich verlohnte, unsere Schlüsse in diesem Punkt auf die Probe des Versuches zu stellen, und seit u er | ! | ! | | N ! | Y f | | j ' Jahrzehnden wartete ich auf die Gelegenheit.? Ein Zitterroche von 29°" Länge lag zuerst auf dem Bauch am Boden des Hafens, der nur so viel Seewasser enthielt, dass sein Rücken eben be- deckt war. Um die Schläge in den Versuchskreis abzuleiten, diente diesmal folgende Vorrichtung. Zweien in Korken eingeklemmten, verquickten Zink- ' platten von 10 Länge und 2-5 Breite konnte auf die von Nörrem- berg angegebene Art? jede Stellung und jeder nöthige Abstand ertheilt "werden. An die Platten waren balkenförmige,* gleich ‚breite, mit Zink- ‚ sulphatlösung getränkte Bäusche, und darüber solche mit Seewasser ge- tränkt, gebunden. Letztere ragten mit einem zugespitzten Theil über die ‚ Zinkbäusche fort, und berührten die abzuleitenden Punkte des Fisches | Von den al ltien führten Drähte zur Bussole, an der 5000 Windungen ‚sich in 30mm Abstand von dem eben aperiodischen leichten Magnetspiegel befanden. 5 Wenn der Fisch nicht schlug, wurde der Spiegel nur um I Gesammelte Abhandlungen u.s. w. Bd.1I. 8. 93—127. ? Ebenda. 8. 690. ? Ebenda. 8. 648. = Ebenda. Bd.l. 8.7. ° Es war Spiegel I aus meiner ersten Abhandlung „Ueber aperiodische Bewegung Ss Magnete.“ ZHbenda. Bd.I. S. 308. 309. 102 E. pu Boıs-REeymonp: wenige Scalentheile abgelenkt. Diese Ungleichartigkeiten wurden mittels des runden Compensators. aufgehoben. Der Froschwecker war in Verbin- dung mit zwei wagerechten Zinkplatten aufgestellt, deren eine auf dem Boden des Glashafens ruhte, die andere eben in’s Wasser tauchte (s. oben S. 96). Ich beobachtete an der Bussole, Hr. Prof. Fritsch, der im Be- handeln der Zitterrochen sehr geübt ist, handhabte den Fisch, und Hr. Prof. Christiani beaufsichtigte die übrigen Vorrichtungen. Wurde die eine Spitze auf den medialen, die andere auf den seitlichen Rand des einen Organes in der dessen Länge etwa hälftenden Querlinie ge- setzt, und der Fisch zum Schlagen gereizt, so erfolgte, während meist zu gleich der Froschwecker erklang, ein Ausschlag stets im Sinne (dureh die Bussole) von dem medialen nach dem seitlichen Rande zu. Die Grösse des Ausschlages war sehr ungleich. Beispielsweise betrug sie an zwei ver schiedenen Tagen rechts 135, links 100; „30 DOOF d. h. im letzten Falle verschwand die Scale aus dem Gesichtsfelde. Diese Unterschiede mochten zum Theil von verschiedenem Widerstande des Kreises herrühren, bedingt durch verschieden starkes Andrücken der Spitzbäusche, zum grössten Theile beruhten sie wohl auf grösserer oder geringerer An-- strengung des Fisches, und bei der aus der Ordnung fallenden Ablenkung ! über die Grenzen der Scale folgten sich vielleicht mehrere Schläge so dicht, - dass sie am Froschwecker verschmolzen. Blieb nun die eine Spitze auf dem medialen Rande stehen, und wurde die andere der Medianlinie aufgesetzt, so erfolgten Ausschläge stets in dert vorhergesehenen Richtung, nämlich von Rande des Organes zur Median-- linie, und zwar im Betrage von rechts links‘ 1% 30 2. 15 3. 20 4. 19x, also mit aller nur zu erwartenden Regelmässigkeit. Jetzt wurde der Fisch auf den Rücken gelegt. Seine heftigen An-ı strengungen, sich umzukehren, begleiteten, nach Aussage des Froschweckers,* zahlreiche Schläge. Als hier die Spitzen einerseits der Medianlinie, anderer-" seits den der medialen Grenze der Organe entsprechenden Kiemenöffnungen! aufgesetzt waren, erfolsten beim Schlagen rechts 160, links 70°° im richtigen Sinne, d. h. diesmal von der Medianlinie zum Rande ads Ürganes. rn er a LEBENDE ZITTERROCHEN IN BERLIN. 103 Der Schlag zwischen Rücken und Bauch warf jedesmal die Seale weit aus dem Gesichtsfelde, und bei diesen ersten Versuchen, wo so viel Anderes ' und Wichtigeres sich zur Beobachtung drängte, wurde die Stärke der Colladon’schen Ströme mit der des Schlages zwischen den Polflächen ' noch nicht verglichen. Dagegen unterliess ich nicht, um das Dasein der neuen Ströme vollends sicher zu stellen, den Schlag mehrmals auch von symmetrischen Punkten abzuleiten, erhielt aber ein abweichendes Ergebniss von dem, welches Hrn. Colladon’s dritter Satz (s. oben S. 99) erwarten liess, nämlich im Anschluss an die letzten Versuche zwischen zwei nach aussen von den Nasenlöchern gelegenen Punkten der Bauchfläche einen Ausschlag von 160°° von rechts nach links; an einem anderen Versuchstage zwischen den ‚ entsprechenden Punkten der Rückenfläche einen Ausschlag von 42°° von links nach rechts, und zwischen zwei symmetrischen Punkten der Körper- ' scheibe einige Centimeter hinter den Organen 29° in derselben Richtung. ‚ Als ich die linke Spitze stehen liess, und die andere auf den hinteren Um- fang der linken Brustflosse setzte, erfolgten 230° in der richtigen Richtung, d. h, von dem den Organen näheren Punkte zu dem davon enfernteren. Die Wirkungen zwischen symmetrischen Punkten beweisen zunächst nur, dass der Fisch nicht mit beiden Organen gleich stark schlug, und \ zwar gebrauchte er beidemal, in dem Versuch an der Bauchfläche und in ' dem an einem späteren Tag angestellten an der Rückenfläche, stärker das Iimke Organ. Dass Hr. Colladon solche Wirkungen nicht sah, kam viel- leicht davon, dass seine äusserst kräftigen Fische ihre beiden Organe gleich- mässiger innervirten. Vielleicht dass auch diese Wirkungen sich im All- gemeinen seinen Beobachtungmitteln entzogen; da dann die neuen von uns erkannten Ströme zwischen Medianlinie und medialem Rand der Organe ‚ Ihm vollends entgehen mussten. Die Wichtiekeit letzterer Ströme aber liest in Folgendem. Gegen meine Lehre von der relativen Immunität der Zitterfische für ihren eigenen ‚ Schlag wandte Hr. de Sanctis ein, dass er, die Hand im Leib eines an _ der Luft befindlichen Zitterrochen, nichts von dessen Schlägen empfand. Er schloss daraus, dass kein in Betracht kommender Theil des Schlages durch den Leib des Fisches gehe, ohne zu bedenken, dass dies bei dem Thier an der Luft der Fall sein könne, für das eingetauchte aber nicht zu Selten brauche. An der Luft muss der Strom, um durch den Leib zu gehen, seinen Weg längs der dünnen, vielleicht halbtrockenen Haut nehmen, und es ist nicht zu verwundern, wenn die Hand im Leibe des Fisches nicht viel davon verspürt.! Inzwischen ist es doch unter diesen Umständen ı Vgl. Untersuchungen u.s. w. S. 128. 104 E. pu Boıs-REeymonp: Boll am Zitterrochen nach meinem Vorgang am Zitterwelse. gelungen, mittels zweier bis auf die Spitzen isolirten Drähte den Schlag im Inneren des Fischleibes nachzuweisen. ! Dadurch wird der Beweis nicht entwerthet, der sich hier dafür ergiebt, dass der Zitterrochen-Schlag wirklich den Leib des Fisches durchdrinst, ja gerade in Hirn und Rückenmark und den grossen Nervenstämmen die grösste Dichte erlangt. Die Ströme, welche am Rücken von den medialen Y \ FRier. Rändern der Organe nach der Medianlinie, am Bauche von dieser zu jenen Rändern fliessen, nehmen nothwendig den Weg durch Hirn und Rücken- mark, und da dies die kürzeste Bahn zwischen den wirksamsten Theilen beider Organe ist, so giebt es am Zitterochen keine stärkeren Ströme. Vielmehr bestätigt sich hier wie am Zitterwelse meine Behauptung, dass der Leib des Zitterfisches für die Aufnahme des Schlages den eigenen I Vgl. Untersuchungen u. s. w. 8. 260. 261. IT Te LEBENDE ZITTERROCHEN IN BERLIN. 105 Organen sich günstiger angelegt findet, als der eines anderen, irgendwie genäherten Thieres.! Ein Blick auf Fig 5 macht dies deutlicher, welche nunmehr zeigt, wie wir, an der Hand der gewonnenen Ergebnisse, Cavendish’s Diagramm abzuändern haben. Der dargestellte Querschnitt ist, bis auf die nur sche- matisch angedeuteten Säulen, strenge nach der Natur gezeichnet. Man ‚sieht zunächst, dass die Stromcurven nicht bloss aus den sogenannten Pol- flächen ausstrahlen, sondern auch die Seitenflächen der Organe schneiden. ? Sie verlaufen dann sowohl nach innen wie nach aussen durch den Körper des Fisches, und füllen weiterhin den Raum aus. Aus den Polflächen aber brechen die Curven nicht, wie Cavendish sie zeichnete, in der Ver- längerung der Axe der Säulen hervor. Sondern die so gerichteten Curven setzen sich nach dem Prineip der Superposition der Ströme zusammen mit den Curven, welche von den dickeren zu den dünneren Theilen des Organes, und schon durch diese zur Bauchfläche streben. Daher die in der Figur sichtbare, lateralwärts geneigte Richtung der resultirenden Curven. Es kehrt hier ein Verhältniss wieder, mit dem ich schon einmal, in der „Experimentalkritik der Entladungshypothese“, zu rechnen hatte. Eine als elektrische Platte aufgefasste Nervenendplatte, welche also um so stärker elektromotorisch wirkt, je dicker sie ist, und welche von der Mitte nach dem Rande zu dünner wird, gleicht dem lateralwärts sich verjüngenden Zitterrochen-Organ; und auch dort müssten, wenn es wirklich Nerven- endplatten in diesem Sinne gäbe, die Stromcurven schräg aus der einen Fläche aus- und in die andere einstrahlen.” Denkt man sich aber einen sagittalen Schnitt durch das eine Zitterrochen-Organ gelest, so werden, da nach vorn und hinten zu keine mit der transversalen vergleichbare Ab- nahme der Säulenhöhe stattfindet, die Stromcurven in sagittaler Ebene zunächst in der Richtung der Säulen verlaufen. Das ganze System der Curven könnte nur durch ein Modell versinnlicht werden. In demselben Sinne, wie die grössere Höhe der medialen Säulen, muss auf die Richtung der Stromeurven am Rücken die in der Figur bemerk- bare Neigung der medialen Säulen nach aussen wirken, deren Axe parallel die Elektrieität getrieben wird, während am Bauche, wie es in der Figur angedeutet ist, die Neigung der Curven durch denselben Umstand ver- ringert wird. An dem von Hrn. Fritsch in dem oben S. 89 erwähnten Aufsatze genau abgebildeten. Querschnitt eines ganz jungen Zitterrochen ist ! Monatsberichte der Akademie. 1858. 8.107; — Gesammelte Abhandlungen u.s.w. Bd.II. S. 638. ? Gesammelte Abhandlungen u. s. w. Bd. II. 8.629. 682; — Untersuchungen u.s. w. 9.148. 3 Gesammelte Abhandlungen u.s. w. Bd. II. 8.708. Fig. 47. 106 E. vu Boıs-Reymoxp: die Schrägstellung der Säulen viel auffallender. Die Gegend über der Mitte des Fisches wird dadurch scheinbar von dichteren Stromeurven ent- blösst, und fortifieatorisch gesprochen vergleichsweise zu einem todten Winkel. Der teleologische Sinn dieser Einrichtung bleibt dunkel, da bei der Lieb- lingsstellung des Fisches, wenn er in den Boden eingewühlt ruht, seine Bauchfläche keines, seine Rückenfläche gerade des grössten Schutzes be- dürftig erscheint. 2 $ S. Ueber die Jodkalium-Elektrolyse durch den Zitterrochen- Schlag. Als ich, nach Faraday’s Vorgang am Zitteraale, mich der Jodkalium- Elektrolyse bediente, um auch damit die Richtung des Schlages am Zitter- welse zu bestimmen, stiess ich, wie schon mehrmals erzählt, auf die Er- schemung des secundären Jodfleckes, d. h. ich sah nicht allein unter der positiven, sondern auch unter der negativen Platinspitze einen Fleck ent- stehen. Ich begriff sofort, dass ich hier denselben Vorgang vor mir hatte, der mir früh entgegengetreten war, als ich das gleiche Mittel anwandte, umin verwickelten Induetionskreisen die Richtung des Stromes zu erkennen.! Bei der Zersetzung des -Jodkaliums polarisiren sich die Platinspitzen, und wenn, wie bei Inductions-, bei Zitterfisch-Versuchen, der Kreis nicht augen- blicklich wieder geöffnet wird, folgt dem primären Strom auf dem Fuss ein secundärer oder Polarisations-Strom in der umgekehrten Richtung und erzeugt einen Fleck an der erst negativen, nun positiven Spitze Durch die Wahrnehmung an den Zitterwelsen veranlasst, machte ich die Ent- stehung des secundären Jodfleckes überhaupt zum Gegenstand einer aus- führlichen Untersuchung, von deren Ergebnissen ich hier nur zwei in Er- innerung bringen will. Uebersteigt erstens die im primären Strom während der Zeiteinheit sich abgleichende Elektricitätsmenge eine gewisse Grenze, so erscheint kein secundärer Fleck mehr. Dagegen giebt es zweitens Um- stände, unter welchen der secundäre Fleck den primären übertrifft, so dass die Jodkalium-Elektrolyse zu einem völlig trügerischen Kennzeichen der ursprünglichen Stromrichtung wird. Dies ist der Fall, wenn man ausser den in die Jodkaliumlösung tauchenden Platinspitzen noch ein Platin- Elektrodenpaar, etwa in verdünnter Schwefelsäure, im Kreise hat. ? Die Möglichkeit verdiente Erwägung, ob nicht der doppelte Jodfleck auf Hin- und Hergehen des Fisch-Schlages beruhe, was wichtig gewesen wäre. Mittels des Froschunterbrechers überzeugte ich mich, dass nichts der Art I Umtersuchungen über thierische. Elektrieität. Bd. II. Abth.I. 1849. S. 400. ? Gesammelte Abhandlungen u.s. w. Bd.1Il. S. 648. 666. LEBENDE ZITTERROCHEN IN BERLIN. 107 stattinde. Der secundäre Fleck blieb aus, wenn der Kreis unmittelbar ‘nach dem Schlage oder gegen dessen Ende geöffnet wurde. Uebrigens gelang es auch am Zitterwels selber einigemal, den secundären Fleck da- durch zum stärkeren zu machen, dass die Ableitung vom Fisch mit Platin- elektroden geschah. Somit war die Abhängigkeit des secundären Fleckes von der Polarisation auch hier erwiesen, und in Bezug auf ihn blieb aın Zitterwelse kein Dunkel zurück. Unbegreiflich blieb nur, dass von den Beobachtern, welche am Zitter- rochen und Zitteraal unzähligemal vor mir Jodkalium-Elektrolyse vornahmen, keiner den secundären Fleck erwähnte; auch Faraday nicht, der gerade dieses Mittels sich bedient hatte, um die Vertheilung der Spannungen an seinem Fisch zu studiren. Vielleicht dass am Zitteraale der Schlag schon zu stark ist, um die Bildung des secundären Fleckes zu gestatten. Auf alle Fälle misslang auch Sachs, dem ich die Aufklärung dieses Punktes an’s Herz gelegt hatte, die Darstellung des secundären Fleckes am Zitteraale.! Höchst begierig war ich nun zu sehen, was unter meinen Händen der Erfolge am Zitterrochen sein würde. Da zum Versuche nichts gehört als der Jodkalium-Elektrolysator und der Froschwecker, konnte ich ihn durch Hrn. Dr. Hermes’ Güte schon im Sommer 1881 im Berliner Aquarium anstellen (s.. oben S. 182). Ich habe ihn seitdem oft wiederholt und aus- nahmslos den secundären Fleck, tief schwarz und im Augenblick des Ent- stehens scharf begrenzt, vor meinen Augen werden sehen, habe auch das- selbe mehreren Beobachtern gezeigt. Die dem Fisch angelegten Elektroden waren zuerst nur ein paar Zinkplatten, später die oben beschriebenen Bauch- und Rückenschilde. Es versteht sich, dass auf ihre Gleichartigkeit geachtet wurde; die Flecke entstanden immer nur, wenn zugleich der Froschwecker anschlug. Im Allgemeinen schienen mir beide Flecke nicht so stark wie am Zitterwelse. Ich versuchte auch, durch Anwendung von Platinelektroden den secundären Fleck zum grösseren zu machen. Dies gelang nicht, doch wurde er so noch deutlicher zum Vorschein gebracht. Dagegen gelang es leicht, der Bildung des secundären Fleckes mittels des Froschunterbrechers vorzubeugen. 308% Ueberlastung verzögerten die Oeflnung des Kreises genügend, um noch die Bildung des primären Fleckes in nicht merklich verminderter Grösse, ohne secundären Fleck, zu gestatten; schloss man eine Nebenleitung zum Froschunterbrecher, so war beim nächsten Schlage der secundäre Fleck wieder da. Was die Sache selber betrifft, ist somit auch am Zitterrochen Alles in Ordnung, und dunkel bleibt schliesslich immer wieder nur, wie der secun- I Untersuchungen u. s. w. 8.163 ff. 108 E. pu Boıs-Reymoxp: däre Fleck den früheren Beobachtern entgehen konnte, namentlich Mat- teucci, der ausser den Platinspitzen Platinelektroden zur Ableitung an- wandte, wodurch der secundäre Fleck, wenn auch nicht stets zum stärkeren, doch sicher verstärkt wird. Ich kann mir nicht denken, dass die Zitter- rochen-Schläge, durch welche John Davy und Matteucei Jodkalium zer- setzten, die kräftigen Schläge meiner Zitterwelse an Stärke dermaassen über- trafen, dass wegen zu grosser darin sich abgleichender Elektricitätsmenge der secundäre Fleck ausblieb (s. oben S. 106). Ebenso unwahrscheinlich ist bei der Empfindlichkeit des Jodkaliums die einzige andere hier noch offene Möglichkeit, deren ich am Schlusse der Abhandlung: „Ueber Jod- kalium-Elektrolyse u. s. w.‘“ schon gedachte, dass in jenen Versuchen, die an dem aus dem Wasser genommenen Zitterrochen angestellt wurden, der Widerstand des Kreises zu gross gewesen sei, in welchem die Polarisation sich abelich. Der Fisch blieb mit gut leitendem Seewasser benetzt; er ist in der Richtung des Stromes kurz und von grossem Querschnitt; seine Gewebe leiten vermuthlich besser als die des Zitterwelses:! so dass der Widerstand schwerlich grösser war, als in meinen Versuchen am Zitter- ! Nach Hrn. Leon Fredericg enthält das Blut von Octopus vulgaris und Astacus marinus etwa vier Mal mehr Salze als das von Säugern, und nach Boll hat für die Gewebe des Zitterrochen erst eine 2-5 procentige Chlornatriumlösung die „physiologische“ Concentration ( Untersuchungen u. s. w. 8.133). Danach leiten die Gewebe von See- thieren wahrscheinlich auch besser. Ich fand noch nicht Zeit, dies am Zitterrochen festzustellen. Jeder andere Seefisch aus dem Aquarium wird dazu ebenso taugen. Mit Rücksicht auf Boll’s Angabe hätte der Thon für die Zitterrochenversuche eigent- lich mit 2-5 procentiger Lösung, statt wie gewöhnlich mit 0-75 procentiger, angeknetet werden müssen. Doch beobachtete ich nichts, was als üble Folge dieser Versäumniss sich hätte deuten lassen. Den 118 Analysen von Fischfleisch, welche unlängst Hr. Atwater aus Middletown (Conn. U. S. A.) in den Berichten der Deutschen chemischen Gesellschaft veröffentlichte (Sechszehnter Jahrgang. Nr. 12. 23. Juli 1883. S. 1839 ff.), ist eine Ueberlegenheit der Seefische über die Süsswasserfische hinsichtlich der Asche ihrer Muskeln nicht sicher zu entnehmen, dagegen scheint die Zusammenstellung von Hın. J. König (Die menschlichen Nahrungs- und Genussmittel u.s. w. Berlin 1883. 2. Aufl. 8. 179. 180) dafür zu sprechen. Nach Hrn. Weyl liefert das Zitterrochen-Organ 1-55 Procent Asche, etwas mehr als das Muskelfleisch von Flussfischen nach diesen Bestimmungen (Monatsberichte der Akademie. 1881. 8.382). [Hr. Fredericg hatte die Güte mich darauf aufmerksam zu machen, dass nach seinen eigenen neueren Unter- suchungen das von ihm bei den Wirbellosen beobachtete Verhalten für die Fische nicht gilt. Das Blut der Seefische schmeckt nicht verschieden von dem der Süsswasserfische, und Haifischblut enthält nur 1-31 Procent an Salzen. Hr. Fredericgq sieht in dieser Unabhängigkeit des Salzgehaltes der Fische von dem des Mittels einen Fortschritt ihrer Organisation über die der von ihm untersuchten Wirbellosen, Astacus, Careinus, Octopus (Bulletins de ’ Academie royale de Belgique. 3 me Serie. t.IV. No. 8, Aoüt 1882.) Dem im Text hinsichtlich der Leitungsgüte der Gewebe des Zitterrochen ge- zogenen Schluss ist damit bis auf Weiteres der Boden entzogen.] “ LEBENDE ZITTERROCHEN IN BERLIN. 109 welse. Unter diesen Umständen kann ich den Verdacht nicht unterdrücken, dass der secundäre Fleck wohl gesehen, aber als unverständliche Störung beiseite gelassen wurde. Eine Andeutung derart findet sich bei Matteucci.! Um Andere in Stand zu setzen, meine Versuche in möglichst gleicher Art zu wiederholen, bilde ich schliesslich in Fig. 6 meinen seit langer Zeit bewährten Jodkalium-Elektrolysator ab, als eine meines Erachtens im elek- trischen Laboratorium unentbehrliche Vorrichtung, die so leicht zu be- schaffen, doch so selten angetroffen ‘wird. Die Beschreibung steht am Ein- gange der Abhandlung „Ueber Jodkalium-Elektrolyse u. s. w.“ Hier sei le ge 7 ge — I m Y U M — gl = m Fig. 6. nur noch bemerkt, dass die Spiegelglasplatte 150 "m lang und 75“ breit ist; das als senkrechter Ständer dienende Glasrohr ist 150m, das als wage- rechte Axe die Korke tragende, von der Axe des senkrechten Rohres aus gemessen, 125" Jang. Wie ich a. a. O. angab, beobachtet man den secundären Fleck am besten, indem man ihn durch die unter einem passen- den Winkel gegen den Horizont eingespannte Glasplatte hindurch von hinten entstehen sieht. Damit das Jodkaliumpapier die Flecke durchscheinen lasse, nimmt man feinstes Fliesspapier in einfacher Lage. $ 9. Vom Organstrom am Zitterrochen. Unter Organstrom verstehe ich, im Gegensatz zum Schlage, einen durch die Organe in der Regel im Sinne des Schlages dauernd erzeugten I Gesammelte Abhandlungen u.s. w. Bd.1I. S. 650. 110 E. pu Boıs-Reymoxp: Strom, unter Organstromkraft die solchem Strome zu Grunde liegende elektromotorische Kraft. Diese an den Muskeltonus erinnernde Art von Thätigkeit des Organes wurde zuerst von Zantedeschi am Zitterrochen bemerkt, wo sie später Matteucei bestätigte, Hr. Eckhard leugnete. Am Zitterwelse vermisste ich sie. Dagegen behauptet sie Hr. Ch. Robin sogar an dem unvollkommenen elektrischen Organ des gemeinen Rochen, und am Zitteraale bot sie sich Sachs ganz regelmässig dar. ! Ich liess mir angelegen sein, die Frage nach dem Dasein eines Organ- stromes am Zitterrochen wo möglich zu entscheiden. Zu meinen ersten Versuchen der Art diente ein 36°® langer Zitterrochen, der von Ende Mai ab etwa fünf Wochen im Berliner Aquarium gelebt hatte. Damit er vor dem Versuche möglichst wenig durch Schlagen sich ermüde, wurde er folgendermaassen getödtet. Hr. Prof. Fritsch setzte dem ruhig im Zuber liegenden Fisch ein aus einem Stahlrohre von 13 "m Durchmesser dazu verfertigtes scharfes Locheisen auf die Stelle der knorpeligen Schädelkapsel, wo er sicher war, die elektrischen Lappen des Gehirnes zu treffen, und stanzte diese Lappen mit einem einzigen Hammerschlage aus, der das Locheisen durch die Dieke des Fisches im den Boden des Zubers trieb. Zum Beweise der gelungenen Operation steckten die Lappen im Locheisen. Der Fisch zuckte noch ziemlich viel, schlug aber nicht mehr. Er wurde aus dem Wasser genommen und mittels eines durch den Rand der Brust- flosse gestossenen anatomischen Hakens mit seiner Körperscheibe in senk- rechter Ebene aufgehängt. So konnte man der Bauch- und der Rücken- fläche mit den oben $. 101 beschriebenen, wagerecht gestellten Bäuschen bequem beikommen. Stets wurden sie so angelegt, dass der eine in der Verlängerung des anderen lag. Die Bussole hatte dieselbe Empfindlichkeit wie in den Versuchen über die Golladon’schen Ströme. Mit grosser Regelmässigkeit gab sich ein Strom im Sinne des Schlages zu erkennen. Er war am stärksten, wenn die höchsten Säulen, am me- dialen Rande des Organes, zwischen den Bäuschen sich befanden, und ward schwächer in dem Maasse, wie die Bäusche dem dünneren seitlichen Rande des Organes sich näherten. Betrug er beispielsweise im -ersten Falle 15°, so sank er in der Mitte des Organes auf 9, am Rande auf 3° \ Gesammelte Abhandlungen u. s. w. Bd. II. S. 672. 718. 722. 723 Anm.; — Untersuchungen u.s.w. 8.169. — Wie ich kürzlich fand, schreibt schon Galvani in seinem fünften Brief an Spallanzani dem Zitterrochen eine dauernde elektrische Wirkung zu, welche sich ihm durch Zuckungen von Froschpraeparaten verrieth, die ‘er (in einem Falle an einem Seidenfaden aufgehängt) den Fisch mit den Füssen be- rühren liess (Memorie sulla Elettrieita animale...al celebre Abate Lazzaro Spal- lanzani ec. Bologna 1797. 4. p.75). Doch sind Galvani’s Angaben theils anderer Auslegung fähig, theils nicht recht verständlich. LEBENDE ZITTERROCHEN IN BERLIN. al Auch zwischen den Organen in der Medianebene und am Rand der Körperscheibe, wo kein Organ mehr liest, war er in derselben Rich- tung spurweise vorhanden, was in der Ordnung ist, da der dauernde Strom so gut wie der augenblickliche Schlag durch Haut und Leib des Fisches sich abgleicht, und auf diesem Wege Stromzweige in jede sich darbietende Nebenleitung sendet. Mit anderen Worten, die elektromotorische Oberfläche des nicht schlagenden Fisches unterscheidet sich von der des schlagenden, abgesehen von den kleineren Potentialunterschieden, wahrscheinlich nur durch die den Schlag begleitende Induetion. Mit der durch das Auslochen der elektrischen Lappen verursachten Wunde hatten die wahrgenommenen Wirkungen nichts zu schaffen. Es gab noch eine andere Art, den Organstrom zu erforschen. Im Hinblick auf künftige Versuche am Zitterrochen, hatte ich mich seit langer Zeit gesorgt, wie man wohl ein regelmässig begrenztes Bündel von Säulen erhalten könne, um daran zu experimentiren wie am Muskel oder am Zitterwelsorgan. Letzteres ist durch die äussere Haut und die innere Sehnenhaut von Natur so begrenzt, dass man daraus bequem mit der Scheere regelmässige Streife von gegebener Länge und Breite schneiden »kann. Dagegen Prismen aus dem Organ von todten Zitterrochen, die ich früher einmal aus Triest kommen liess, zu sanduhrähnlicher Gestalt zer- flossen.! Schon hatte ich mir allerlei Kunstgriffe ausgedacht, um dieser Schwierigkeit zu begegnen, nach Art von Trepankronen kreisende scharfe Locheisen, mit welchen ich ein cylindrisches Stück Organ ausschneiden, Rinnen aus Glas oder Kammmasse mit verschiebbaren Seitenwänden, in denen ich die Stücke einengen wollte. Als ich endlich im vorigen Sommer mich der Wirklichkeit gegenüber befand, zeigte es sich, dass dies Alles überflüssig war. Mit einem langen, breiten und geraden Messer, einem Schinkenmesser oder englischen Brodmesser, dessen Gebrauch am Zitter- rochen ich Hrn. Prof. Fritsch absah, schneidet man vom Organ eine 5—6”m dicke Scheibe, deren Dieke nur wenige Säulen umfasst, und legt sie mit der einen Schnittfläche auf starkes Kartenpapier, dem sie sich fest ansaugt. Von solcher Scheibe kann man dann mit der Scheere, am besten einer nicht sehr scharfen Scheere mit langen Blättern, wie eine Papier- scheere, vierseitig prismatische Stücke Organ abschneiden, die, an Rücken und Bauch durch ein quadratisches Stück Haut von 5—6 "® Seite begrenzt, aus einer mässigen Anzahl von Säulen bestehen. Man lagert ein solches Stück auf die bekannte dreieckige Glasplatte des allgemeinen Trägers,? und indem man den häutigen Grundflächen die Thonschilde der Zuleitungs- ! Gesammelte Abhandlungen u.s.w. Bd.U. 8. 721. ? Untersuchungen über thierische Elektrieität. Bd. I. 1848. 8.495. 496. 1112 E. pu Boıs-REeyYmonp: bäusche anlegt, welchen sie gut anhaften, und die Gefässe sanft auseinander- zieht, streckt man die Säulen zu ihrer vollen Länge gerade aus. In diesem Zustande stellt sich ein gelungenes Praeparat als ein sehr reinliches und zierliches Versuchsobject dar, dessen Länge sich natürlich ausser nach der Grösse des Fisches nach der Stelle des Organes richtet, der es entnommen wurde. Die längsten Säulen, über die ich verfügte, maassen etwa 29 wm, waren also kürzer als das Muskelpaar am Oberschenkel des Frosches. Die Säulenbündel erscheinen eher etwas dicker. Ich stellte mir zuerst vor, dass die das Praeparat begrenzenden Schnitte nicht zwischen, sondern durch die Säulen, bestenfalls ihrer Axe parallel, träfen, sodass die Seitenflächen dicht besetzt seien mit Fetzen elektrischer Platten, die theils nach oben, theils nach unten der Fläche und einander anklebten oder sich einrollten. Allein die aufmerksamste Betrachtung unter der Lupe in Flüssigkeit liess nichts von diesen Fetzen erkennen. Vielmehr scheinen die Säulen sich vor den Blättern der Scheere mit unversehrter fibröser Hülle von einander zu trennen. Es kommt freilich oft vor, dass von einer Säule nur der obere, untere oder mittlere Theil dem Bündel anhängt, meist aber kann man solche Verunreinigungen leicht entfernen. Uebrigens würden die vermutheten Fetzen von Platten wegen ihrer Verlagerung und Verletzung wohl nicht mehr merklich oder wenigstens nicht lange mehr elektromotorisch wirken, und nur als Neben- schliessung könnten sie in Betracht kommen. Solcher Säulenbündel werden wir uns zu den Versuchen über Polari- sation des Organes bedienen, welche, wie ich kaum zu sagen brauche, eine unserer vornehmsten Aufgaben sind. Diese Versuche nehmen hier folgende Gestalt an. Da die Säulenbündel nicht zucken, braucht man sie nicht wie Muskeln zu immobilisiren. Es genügt, die Zuleitungsgefässe, zwischen deren Thonschilden das Säulenbündel auf der dreieckigen Glasplatte ruht, zu Enden des polarisirenden Stromkreises zu machen, um den Säulen den Strom durch die Bauch- und Rückenfläche in sehr zweckgemässer Art zu- zuführen. Zur Aufnahme des Polarisationsstromes dient ein Paar unpolari- sirbarer Zuleitungsröhren, deren Thonspitzen dem Praeparate zwischen den den polarisirenden Strom zuführenden Thonschilden anliegen. Dabei zeigte sich im Bussolkreise ganz regelmässig der Organstrom, wie denn schon Matteucci angiebt, ihn an cubischen Stücken Organ von nur 2m Seite wahrgenommen zu haben.! Diese Art ihn zu beobachten, hat den Vortheil, dass der Verdacht auf einen elektromotorischen Unter- schied der pigmentirten Rücken- und der pigmentlosen Bauchhaut von \ Archives des Sciences physiques et naturelles. Nouvelle Periode. t. XV. 1862. p. 41. 42. er LEBENDE ZITTERROCHEN IN BERLIN. 113 selbst fortfällt. An Praeparaten von noch einigermaassen frischen Organen hatte der Organstrom stets die Richtung des Schlages. Leicht war zu zeigen, dass eine säulenartige Anordnung elektromotorischer Kräfte ihn erzeugte, denn er erschien in demselben Sinne, gleichviel wo die Thon- spitzen aufgesetzt wurden, und seine Stärke wuchs mit deren Abstand. Beispielsweise betrug sie zwischen der Mitte und dem der Rückenfläche nächsten Punkte der Seitenflächen, welchem noch sicher beizukommen war, + 13.5°° (wo das Pluszeichen bedeutet, dass die Wirkung im Sinne des Schlages stattfand); zwischen der Mitte und dem der Bauchfläche nächsten Punkte + 10°; zwischen den beiden äussersten Punkten aber + 23°: wegen des bedeutenden Widerstandes der Zuleitungsröhren nur etwas weniger als die Summe der Wirkungen beider Hälften. In einem anderen Falle waren die entsprechenden Zahlen + 5,+ 4, + 11° Schnitt die Verbin- dungslinie der Thonspitzen die Axe der. Säulen senkrecht, so erfolgte keine in Betracht kommende und regelmässige Wirkung. Ich habe bei diesen Versuchen die Organstromkraft sehr oft gemessen und sie zwischen 0-:005 und 0.013 Raoult gefunden, also meist erheblich kleiner, als die Nervenstromkraft bei Fröschen. Die Stromkraft an etwa 4m Jangen Stücken Zitteraal-Organ bestimmte Sachs zu 0-015 bis 0-030, also im Mittel zu 0-0225 Daniel. Die Länge meiner Säulenbündel, je nachdem sie vom medialen oder mehr vom seitlichen Rande des Organes. grösserer oder kleinerer Fische stammten, schwankte zwischen 29 und 12 um, ihre mittlere Länge betrug also 2°”, und ihre mittlere Kraft war (0005 + 0:013) /2 = 0.009 Raoult oder ungefähr 0.0085 Daniell.! Bei dop- pelter Länge wäre die Kraft 0-0170 und somit nur wenig kleiner gewesen, als die mittlere Kraft ebenso langer Stücke Zitteraal-Organ. Doch lässt sich dies Zusammentreffen noch weiter verfolgen. Rechnet man im Zitteraal-Organ auf das Millimeter im Mittel zehn Platten, so findet man für die einzelne Zitteraal-Platte die mittlere Organstromkraft zu (0-0000375 + 0.0000750) /2 = 0-00005625. Wegen einer an Sachs’ Zahlen allem Ermessen nach anzubringenden Correction erhöht sich dieser Werth auf 0-00006. Schreibt man dem Zitterrochen-Organ im Mittel 30 Platten auf das Millimeter zu, so giebt dies für die mittelhohen Säulen von (29 + 12) /2 = 20.5wm Höhe 615 Platten, von denen aber wohl nur 500 zwischen den ableitenden Thonspitzen lagen. Dividirt man mit 590 in die mittlere von uns beobachtete Organstromkraft von 0.0085 Da- ı Vgl. E. Kittler, Die elektromotorische Kraft des Daniell’schen Elementes. Sitzungsberichte der mathematisch - physikalischen Classe der k. b. Akademie der Wissenschaften zu München. Bd. XII. 1882. 8.501. 502; — auch in Wiedemann’s _ Annalen der Physik und Chemie. N.F. 1882. Bd. XVII. S. 893. Archiv f. A. u. Ph. 1885. Physiol. Abthlg. 114 E. pu Boıs-Reymonxp: niell, so findet man für die einzelne Zitterrochen-Platte einen mittleren Werth von 0-.0000117 Daniell. Dieser Werth ist 3-3 mal kleiner als der für die einzelne Zitteraal-Platte gefundene. Bei gleicher specifischer Kraft der Fische sollte er, wegen der etwa 8-5 mal grösseren Dicke der Zitteraal- Platten, etwa 8-5 mal kleiner sein.! Eine genauere Uebereinstimmung zweier unter solchen Umständen gewonnenen Zahlen ist nicht zu verlangen. Schon dass die Zahlen gleicher Ordnung sind, erscheint als überraschender Erfolge. Möglicherweise beruht dieser Erfolg ganz auf Zufall. Doch wird man es für eine seltene Fügung gelten lassen, dass ich aus denselhen Voraussetzungen, auf welche obige Rechnung sich gründet, auch zu jener merkwürdigen Folgerung gelangte, wonach die elektromotorische Kraft des ganzen Zitteraales zu der des ganzen Zitterrochen sich, wie der Zweck es erheischt, ungefähr so verhält, wie, nach Hrn. Christiani’s Bestimmung, der Widerstand von Süss- zu dem von Seewasser. ? Bis auf Weiteres dürfen wir schliessen, dass die elektromotorischeu Elemente beider Fische von ungefähr gleicher Kraft sind, und dass der Potentialunterschied der elektrischen Platten mit ihrer Dicke wächst. Was Matteucci’s Angabe betrifft, welcher die Organstromkraft des ganzen Zitterrochen zwischen der von einem und der von zwei Froschgastroknemien fand, so ist zu bedenken, dass die Stromkraft des unversehrten Gastrokne- mius durch Parelektronomie gleich Null, ja negativ wird, daher sie nicht als Maasseinheit dienen kann. In dem Maasse, wie das Organ abstirbt, sinkt die Organstromkraft, doch ist die Lebenszähigkeit des Organes bekanntlich gross.” Nach vier- undzwanzig, ja achtundvierzig Stunden kann man am kalt aufbewahrten Fisch noch Organstromkraft in Höhe von 0.003 bis 0.002 Raoult an- treffen. Die Erhaltung des Organstroms ist ein Merkmal der noch erhal- tenen Leistungsfähigkeit. Später sind die Praeparate nicht nur unwirksam, sondern nicht selten schwach verkehrt wirksam, wie dies vom Organstrom des ganzen Fisches schon Zantedeschi angab.* Am Zitteraale sah Sachs dasselbe, jedoch unter verdäehtigen Umständen.° Die verkehrten Wirkungen könnte man darauf deuten wollen, dass nach erloschenem Organstrome kleine Ungleichartigkeiten anderer Natur je nach ihrer Richtung bald noch einen Rest normalen Organstromes, bald verkehrten Organstrom vortäuschen. ı Untersuchungen u. s. w. 8.174. 175. 278—280. 286. 2 Ebenda. 8.414. 415. ; ® Sitzungsberichte u.s. w. 1882. Bd.I. S. 500; — dies Archiv, 1882, S. 410; — vgl. Untersuchungen u.s. w. $. 188. * Comptes rendus ete. 1842. t. XIV. p. 489. > Untersuchungen u. s. w. S. 258. | LEBENDE ZITTERROCHEN IN BERLIN. 115 Dazu scheint aber diese Stromumkehr zu regelmässig aufzutreten, und sie erinnert zu deutlich an die, welche beim Absterben zarterer Muskeln gleich- falls mit grosser Regelmässigkeit sich einstellt. ! Wie aber am absterbenden Zitterrochen-Organ die Organstromkraft sinkt und unregelmässig wird, so scheint dasselbe auch am ganzen lebenden Thiere der Fall zu sein, wenn es sich in schlechtem Ernährungszustande befindet. Als ich im Winter dieselben Prüfungen an einem gleichfalls durch Ausstanzen der elektrischen Lappen getödteten, 29 m langen Zitter- rochen vornahm, der etwa sieben Wochen im Aquarium gelebt hatte, fand ich dieselben Wirkungen nicht wieder, sondern ihrer Richtung und Grösse nach unbestimmte Ausschläge, welche auf geringen Hautungleichartigkeiten oder sonst irgend welchen Störungen beruhen mochten. Auch die Säulen- bündel aus diesem Fisch zeigten sich theils unwirksam, theils verkehrt wirksam; doch kam auch eins vor, welches ganz kräftigen Organstrom gab. An einem anderen, 26°” langen Zitterrochen, der noch länger gefangen gewesen war, stellte ich die Prüfung auf Organstrom am ganzen Fisch gar nicht erst an, fand aber dann seine Säulenbündel sehr regelmässig und zum Theil mit grosser Kraft wirksam. Aus der Schwächung der Organstromkraft an schlecht genährten Thieren würde sich erklären, dass ich an Streifen des Malopterurus-Organs auch mit dem Nervenmultiplicator keine fand. Was Hrn. Eckhard’s seiner eigenen Meinung nach verneinendes Ergebniss betrifft, so ist es bei etwas genauerer Betrachtung mit den unsrigen nicht so unvereinbar. Denn von den Versuchen am ganzen Fisch, dem nur Gehirn und Rücken- mark zerstört waren, um freiwillige Entladungen und Bewegungen zu ver- hüten, sagt Hr. Eckhard: „Die Nadel blieb nun allerdings selten in absoluter Ruhe, ihre Ausschläge waren aber stets sehr klein, oft allerdings so gerichtet, dass sie einem Strome entsprachen, wie er bei Reizung der Nerven in dem Organe entstehen würde. Eine dauernde Ablenkung dagegen kam nicht vor.“ Von Versuchen an Stücken Organ, welche von Bauch- und Rückenfläche abgeleitet wurden, heisst es: „Die Ausschläge hatten auch hier oft die oben bezeichnete Richtung, waren aber gar nicht zu vergleichen mit denen, welche viel kleinere Muskelmassen desselben Thieres lieferten.“ Die Organe und Organstücke schlugen noch bei Reizung der elektrischen Nerven.” Die Sache läuft also wohl darauf hinaus, dass Hr. Eckhard stärkere Ströme erwartete, als die in Wirklichkeit vorhandenen, welche an der Empfindlichkeitsgrenze seiner stromprüfenden Vorrichtungen lagen. Die Abwesenheit dauernder Ablenkungen erklärt sich daraus, dass Hr. Eck- hard die Ableitung noch mit Platin vornahm. 1 Untersuchungen über thierische Elektrieität u.s.w. Bd.II. Abth.I. 5.154. 283. 558. ? Beiträge zur Anatomie und Physiologie. Bd.I. 4. S. 159—162. s * 116 E. pu Boıs-REYMoxD: An den vom medialen Theile des Organes stammenden Säulenbündeln trifft es sich mitunter, dass Nervenzweige aus der Mitte ihrer Länge heraus- hängen, wie aus dem Hilus eines Muskels. Schneidet man am aufliegenden Praeparat ein Stück vom Nerven ab, so erfolgt eine Entladung, die günsti- genfalls die Scale aus dem Gesichtsfelde schleudert. Aehnliches beschrieb schon Matteucci, der sogar von stecknadelkopfgrossen Stückchen Organ, denen der Nerv des stromprüfenden Schenkels anlag, bei mechanischer Reizung noch Zuckung erhielt.! Vergeblich aber versuchte ich das Säulen- bündel durch Ammoniak zu reizen, was an Stücken Zitteraal-Organ Sachs so gut gelang.” Der Grund ist indess klar: auf die dort wirksame Art könnte man am Zitterrochen-Organ immer nur eine einzige der Länge nach angeschnittene Säule erregen. Der Organstrom ist an aufliegenden Praeparaten oft in langsamem Sinken begriffen. Matteucei sah ihn sich beim Zitterrochen, Hr. Robin beim gemeinen Rochen nach jedem Schlag etwas heben, und auch in Sachs’ Beobachtungen am Zitteraale zeigte sich Aehnliches.? In den wenigen Versuchen, in welchen die Erregung von Säulenbündeln durch mechanische Reizung der Nerven mir gelang, ging die schnell sinkende Ablenkung durch den Schlag in der That so stetig in die durch den ge- wöhnlichen Organstrom über, dass sie als vorübergehende Steigerung des letzteren sich darstellte. Sachs hat aber am Zitteraal ferner gezeigt, dass Tetanus des Organes den Strom schwächt.* Dies auch am Zitterrochen zu beobachten, hatte ich noch keine Gelegenheit. $ 10. Von den secundär-elektromotorischen Wirkungen des Zitterrochen-Organs. Ich ging an dies noch jungfräuliche Gebiet mit um so lebhafterer Begier, als, wie man sich erinnert, zwischen meinen denselben Gegenstand betreffenden Versuchsergebnissen am Zitterwelse, und denen von Sachs am Zitteraal, ein Widerspruch zu bestehen schien. Ich brannte zu er- fahren, welchen von beiden einander scheinbar zuwiderlaufenden Erfahrungen - die jetzt am Zitterrochen zu gewinnenden sich anschliessen würden. Die Vorrichtungen und Versuchsweisen, deren ich mich bediente, waren dieselben, welche zu meinen neueren Versuchen über secundär-elektromo- torische Erscheinungen an Muskeln und Nerven gedient hatten. Die Art, wie die Organpraeparate den polarisirenden Strömen ausgesetzt, und die ! Untersuchungen u. s. w. 8. 175. 176. ? Ebenda. 8.177. 178. ® Ebenda. 8.170. 173. * Ebenda. 8.174. 187. 220. un PETER: LEBENDE ZITTERROCHEN IN BERLIN. 11317 secundären Ströme abgeleitet wurden, ist soeben schon geschildet worden. Beim ersten Blick erscheint es als Vortheil, dass die Organpraeparate nicht wie Muskeln zucken. Allein wie bei den Nerven geht man dadurch der Controle für die erhaltene Leistungsfähigkeit verlustig, welche bei den Muskeln die Zuckung gewährt. Wenn ferner von den Schwierigkeiten, die ich hier erwartete, manche ausblieben, so liessen die auf die beschriebene Art hergerichteten Praeparate sich an Gleichmässigkeit doch nicht mit solchen von der Natur gegebenen Versuchsobjecten vergleichen, wie wir sie an den Nerven oder an bestimmten Muskeln besitzen. Während man ein Stück Ischiadnerv, oder einen und denselben Muskel, bei einiger Sorgfalt leicht von stets gleicher Grösse und Frische vergleichsweise unversehrt sich verschafft, ist es unmöglich, für gleiche Zahl der unversehrten Säulen in unserem Praeparate zu bürgen; in demselben Fische schwankt ihre Länge zwischen medialen und seitlichen Rändern des Organes; die Leistungs- fähigkeit kurz nacheinander von einem Organ geschnittener Praeparate fällt aus unbekannten Gründen sehr verschieden aus; und dazu kommt noch die veränderliche Nebenschliessung durch etwaige Reste zerschnittener Säulen, welche den unversehrten Säulen anhängen (s. oben S. 112). Dies sind die oben S. 88 angedeuteten Gründe, aus denen bei Polarisations- versuchen an den Zitterrochen-Säulen selbst der äusserst geringe Grad von Genauigkeit nicht erreichbar ist, womit ich schon an Muskeln und Nerven mich begnügen musste. Für die secundär-elektromotorischen Wirkungen des elektrischen Organes eine Tabelle mit doppeltem Eingange herzustellen, welche in ihrem einen Kopfe wachsende Stromdichten bei beiden Strom- richtungen, im anderen wachsende Schliessungszeiten enthielte, wie ich solche Tabellen für Muskeln und Nerven entwarf, wird nur allenfalls aus- führbar sein, wenn man, wie Boll in Viareggio, wochenlang täglich über fünf frischgefangene Zitterrochen verfügt,’ und wenn man überdies nicht viel Anderes vorhat. Im Folgenden wird es sich vorzüglich um die verschiedene secundär- elektromotorische Wirkung handeln, welche der Strom in Richtung des Fisch-Schlages, und in der entgegengesetzten erzeugt. Erstere Richtung bezeichnen wir nach der von mir im Zitteraal-Buch eingeführten Rede- weise als absolut positiv, letztere als absolut negativ.” Polarisation von Bauch zu Rücken ist also absolut positiv; und je nachdem sie einem absolut positiven oder negativen polarisirenden Strome folgt, relativ be- ziehlich positiv oder negativ. Um die polarisirenden Ströme in Bezug auf ihre Richtung noch bequemer zu unterscheiden, werde ich den dem Schlage 1 Dies Archiv. 1873. 8. 77. ENEROFES AI AITSE 118 E. pu Boıs-REymonp: gleichgerichteten den homodromen, den ihm entgegengesetzt gerichteten den heterodromen Strom nennen.? Der homodrome Strom wird durch einen aufsteigenden Pfeil (M), der heterodrome Strom durch einen ab- steigenden Pfeil () bezeichnet; Plus- und Minuszeichen dienen zur Unter- scheidung der relativ positiven und negativen Polarisation. Unter „beiden Strömen“ schlechthin verstehe ich den homodromen und den heterodromen Strom. Endlich wird es kürzehalber sich empfehlen, die Polarisation durch- den homodromen und die durch den heterodromen Strom, was auch ihre absolute Richtung sei, beziehlich homodrome und heterodrome Polarisation zu nennen. Das erste Ergebniss dieser Versuche ist nun in der That die nach verschiedenen Umständen bald relativ positive, bald relativ negative innere Polarisation des Organes nach Durchströmung in der Richtung der Säulen, ähnlich der Polarisation der Muskeln, Nerven, und des Zitterwels-Organes, und zwar sind die Bedingungen für das Hervortreten der beiden Polari- sationen im Allgemeinen dieselben wie dort. Bei längerer Schliessung wird unter allen Umständen die Polarisation relativ negativ; bei kurzer Schliessung besonders stärkerer Ströme kommt unter gewissen Bedingungen relativ positive Polarisation zum Vorschein. Unter gewissen anderen Be- dingungen, die sich nicht willkürlich herstellen lassen, erfolgt doppelsinnige Wirkung: erst negative, dann positive, zum Beweise, dass auch hier die negative Polarisation die flüchtigere ist. Bei gesunkener Leistungsfähigkeit bleibt zuletzt nur noch negative Polarisation übrig, doch dauert es lange bis die positive ganz vermisst wird. Man beobachtet alle diese Wirkungen im Allgemeinen in gleicher Stärke, welchem Theile der Säulen auch die in beständigem Abstande gehaltenen Thonspitzen anliegen; bei ausreichendem Widerstande des Bussolkreises, für welchen durch die ableitenden Thon- spitzen gesorgt ist, fallen sie um so grösser aus, je grösser dieser Abstand: mit Einem Wort, es handelt sich um säulenartige Anordnung elektromo- torischer Kräfte. Endlich bei querer Richtung des polarisirenden Stromes sowohl wie querer Stellung der ableitenden Thonspitzen erhält man nur schwache Erfolge in unbestimmter Richtung. Die Belege hierfür finden sich im Anhange. Die Beziehungen der Polarisation zur Richtung des polarisirenden Stromes sind in allen diesen Versuchen so ausgesprochen, dass man Näheres über die Erscheinung nicht aussagen kann, ohne sogleich auf diesen Punkt ein- zugehen. Meine Versuche hatten denn auch meist dieselbe Form, wie die ! Ein sprachgelehrter College, den ich wegen dieser Ausdrücke befragte, rieth zu „isodroinm“ und „anisodrom.“ Wegen der Aehnlichkeit mit „isotrop“ und „anisotrop“, welch» beim Beschreiben des Organes vorkommen, schienen mir aber die im Text ein- geführten Formen zweckmässiger. LEBENDE ZITTERROCHEN IN BERLIN. 119 an der oberen und unteren Hälfte des Muskelpaares, oder an den vorderen und hinteren Wurzeln der Spinalnerven,! d. h. der homodrome und der heterodrome Strom wurden in bestimmten Zeiträumen abwechselnd durch die Säulen gesandt. Je stärker der Strom und je länger die Schliessungs- zeit, um so länger musste die Versuchsperiode gewählt werden, um dem Praeparate Zeit zu gönnen, zu einem dem natürlichen Zustand einiger- maassen vergleichbaren zurückzukehren. ? Die Tabellen im Anhange bedürfen hiernach keiner Erläuterung mehr, die sich nicht aus der Abhandung „Ueber secundär-elektromotorische Er- scheinungen u. s. w.“ ergäbe. Die Zahlen in den wagerechten mit S be- zeichneten Reihen sind die Ausschläge durch den secundären, die in den mit 7 bezeichneten die Ausschläge durch den primären Strom. Wirft man einen Blick auf diese Reihen, beispielsweise auf Reihe 10, so sieht man, dass in dieser Reihe bis zum 13. Versuche der homodrome Strom (A) absolut und relativ positive Polarisation, der heterodrome Strom ()) absolut positive, relativ negative Polarisation erzeugt. Von hier ab werden die Polarisationen durch beide Ströme relativ negativ, die heterodrome bleibt absolut positiv, die homodrome wird auch absolut negativ, aber sie ist an- fänglich viel schwächer als die absolut positive, relativ negative durch den heterodromen Strom. Mit wachsender Erschöpfung des Praeparates schwindet. dieser Unterschied mehr und mehr. Alle Versuchsreihen mit abwechselnd gerichteten Stromstössen nehmen im Wesentlichen diesen Verlauf. Gleichviel ob man mit homodromem oder mit heterodromem Strom beginne, die Polarisationen durch beide Ströme werden früher oder später relativ negativ; um so früher, d. h. nach einer um so geringeren Anzahl von Wechseln, je länger die Schliessungszeit; wie denn bei einer gewissen Dauer dieser Zeit schon der erste homodrome Strom absolut und relativ negative Polarisation giebt. Dasselbe ist der Fall bei zu geringer Leistungsfähigkeit des Praeparates. Alsdann erhält man von vorn herein durch beide Ströme nur relativ negative Polarisation, aber die homodrome ist die merklich schwächere. Man trifft also dann sogleich den Zustand an, der, bei besserer Beschaffenheit des Praeparates, erst allmählich 1 Sützungsberichte u.s. w. 1883. Bd.I. S.363 ff. 383 ff.; — dies Archiv, 1884. S. 21 ff. S. 41 ff. ® Lange fortgesetzte Versuchsreihen dieser Art, wobei man bestimmte Zeiträume innezuhalten hat,- ermüden doppelt durch die Nöthwendigkeit, an der Uhr nachzu- sehen, ob die Zeit für einen neuen Versuch gekommen ist. Seit Jahren mit solchen Versuchen beschäftigt, liess ich mir endlich von den HH. Baltzar & Schmidt in Leipzig eine Versuchs-Weckeruhr bauen, welche, je nachdem bestimmte Scheiben ein- gesetzt werden, dem Beobachter alle 1, 11/,, 12, 2, 21/,, 31/,, 5 oder 10 Minuten durch einen Glockenschlag anzeigt, dass der Augenblick zum Versuche da ist, ihn aber noch vorher durch einen anderen Schlag zur Arbeit ruft. 120 E. vu Boıs-REymoxp: im Lauf einer längeren Versuchsreihe sich einstellt; „der negative Polari- sationsstrom erfolgt stets stärker im Sinne des Schlages.‘“ Wir sind unvermerkt zu einem wichtigen Ergebniss gelangt. Denn dies sind die Worte, in welche Sachs seine Versuche über homodrome und°heterodrome Polarisation am Zitteraal zusammenfasste,! und von wel- chen ich bisher annahm und wiederholt sagte, dass sie meinen Erfolgen am Zitterwelse widersprächen.? Indem ich jetzt am Zitterrochen fort- während dasselbe beobachtete, wie Sachs am Zitteraal, aber zugleich das Werden der Erscheinung, fielen mir die Schuppen von den Augen. Nicht nur besteht zwischen dem Sachs’schen Ergebniss, wie er es in obigen Worten formulirt hat, und dem unsrigen kein Widerspruch, sondern beide lassen sich leicht aus Einer sehr einfachen Annahme herleiten; und da derselben Annahme auch meine Ergebnisse am Zitterwelse sich fügen, kann man sagen, dass die secundär-elektromotorischen Erscheinungen bei allen drei elektrischen Fischen im Wesentlichen einerlei und, in gewissem Sinne, verstanden sind. Zu jener Annahme führt die Bemerkung, dass in keinem meiner Versuche am Zitterwels und Zitterrochen der heterodrome Strom jemals relativ positive Polarisation erzeugt hat. Auch doppelsinnige, zuerst relativ negative, dann positive Polarisation, kommt nur bei homo- dromem Strome vor. Denkt man sich, dass beide Ströme in gleichem Maasse relativ negativ polarisiren, dass aber der homodrome Strom sehr viel stärker als der heterodrome relativ positiv polarisirt, so dass die hetero- drome, relativ positive Polarisation stets durch die relativ negative verdeckt wird, so ist Alles klar, wie sich aus Fig. 7 ergiebt. Diese Figur ist unter ähnlichen, aber doch etwas anderen Voraus- setzungen entworfen, als die Figuren, welche auf Taf. II des Zitteraal- Buches Sachs’ Ergebnisse versinnlichen. Sie stellt abgekürzt den Vor- gang bei einer Versuchsreihe dar, in der, wie bei den Reihen im Anhange, die beiden Ströme abwechselnd durch ein Stück Organ gesandt werden. Die Abseissenaxen sind natürlich die Zeit. Die Ordinatenaxen in den ein- zelnen Abschnitten entsprechen dem Augenblick der Schliessung der Bussole nach Oeffnung des Säulenkreises. Absolut positive Polarisation ist ober- halb, absolut negative unterhalb der Abscissenaxe aufgetragen. Nach auf- steigendem Pfeil (A), also bei homodromem Strom, entspricht Verlauf der Curve oberhalb der Abscissenaxe absolut und relativ positiver, Verlauf unter- halb absolut und relativ negativer Polarisation. Nach absteigendem Pfeil (J), also bei heterodromem Strom, entspricht Verlauf der Curve oberhalb 1 Untersuchungen u. s. w. 8. 217. 218. ?” Ebenda; — Sitzungsberichte u.s. w. 1883. Bd. I. 8. 395; — dies Archiv. 1884. S. 52—53. LEBENDE ZITTERROCHEN IN BERLIN. 121 absolut positiver, relativ negativer, Verlauf unterhalb absolut negativer relativ positiver Polarisation. Der auf die Bussole wirkende, resultirende Polarisationsstrom ist in jedem Abschnitt durch den schraffirten Flächen- raum dargestellt, welchen die aus der algebraischen Summation der beiden Polarisationen resultirende Curve mit den Coordinatenaxen einschliesst. | | | | | Ba: » | ‘S IM “ rn [INN nununuunene m--- Fig. 7. Man sieht, dass, der Wirklichkeit entsprechend, zuerst beide Ströme absolut positive Polarisation geben, der homodrome Strom die stärkere (Abschn. I der Figur); dann kommt ein Zeitraum (Abschn. II), wo zwar noch beide Polarisationen absolut positiv sind, aber die heterodrome ist die stärkere; endlich einer (Abschn. III), wo die homodrome Polarisation absolut negativ, und auch so noch kleiner erscheint, als die heterodrome. Im weiteren Verfolg nähern sich beide Polarisationen der Gleichheit (Abschn. IV). Ich brauche kaum hervorzuheben, dass die im dritten Abschnitt dar- 122 E. bu Boıs-REYMOND: gestellte Erscheinungsweise es war, welche Sachs, mit Ausschluss der beiden ersten, zu sehen bekam, und mit den Worten beschrieb, die mir, durch ihren scheinbaren Widerspruch mit meinen eigenen Ergebnissen, so viel Kopfbrechens machten: „Die relativ negative Polarisation erfolet stets stärker im Sinne des Schlages.“ Doch bleibt hei Sachs noch Etwas dunkel. Ausser den so erklärten Polarisationsversuchen hat er noch andere an- gestellt, eben die, welche auf Taf. II des Zitteraal-Buches graphisch wieder- gegeben sind. Auch in diesen Versuchen war ausnahmslos die Polarisation durch beide Ströme zuerst relativ negatiw, dabei aber so stark, dass der Spiegel in den Aequator geworfen wurde, von wo zurückfallend er nach Sachs’ Beschreibung einige grosse Schwingungen um den Nullpunkt voll- z0g, die, wenn die Schliessungszeit eine gewisse Grösse überstieg, ihn zwei- mal über den Nullpunkt in den relativ possitiven Quadranten führten. Die erste dieser Ueberschreitungen erklärt sich aus den Gesetzen der ape- riodischen Bewegung gedämpfter Magnete. Da der Magnet aus einer den aperiodischen Bereich überragenden Höhe fiel, konnte er den Nullpunkt überschreiten, ! jedoch nur einmal; die zweite Ueberschreitung, in "welcher Sachs auch eine Schwingung erblickte, konnte nur auf Zeichenwechsel der resultirenden Polarisation beruhen, wofern der Spiegel sich richtig aperiodisch verhielt. Im Zitteraal-Buche gelang es mir, componirende Curven der beiden Polarisationen zu entwerfen, aus denen die von Sachs beobachteten resul- -tirenden Curven sich ziemlich ungezwungen herleiten liessen, dies aber unter der Voraussetzung, dass der heterodrome Strom ebenso gut wie der homodrome relativ positive Polarisation erzeugt. Diese Voraussetzung wider- spricht der Vorstellung, mittels welcher wir jetzt von einer ungleich zahl- reicheren und besser beglaubisten Reihe von Erfahrungen, mit Inbegrifi von Sachs’ eigenen, anders angestellten Versuchen, Rechenschaft gaben. Die einzigen Spuren heterodromer, relativ positiver Polarisation an den drei elektrischen Organen würden jene zweiten Ueberschreitungen der Abseissenaxe in einigen der Sachs’schen Versuche sein. Unter diesen Umständen bin ich geneigt zu glauben, dass letztere doch wirklich nur das waren, wofür Sachs selber sie hielt, nämlich Schwingungen. Seine Bussole stand nicht besonders sicher,? und vielleicht war sein Magnet nicht gut centrirt. Dann konnten sehr starke Stromstösse ihn in Pendelschwin- gungen versetzen, in deren Folge er den Nullpunkt noch einmal überschritt, Wie dem auch sei, die Voraussetzung, welche meinen Constructionen \ der Sachs’schen empirisch resultirenden Curven im Zitteraal-Buche zu | D I Gesammelte Abhandlungen u.s. w. Bd. I. S. 284. 324. 355 ff. ° Aus den Llanos. Schilderung einer naturwissenschaftlichen Reise nach Vene- - zuela. Leipzig 1879. 8.198; — Untersuchungen u. s. w. 8. 137. LEBENDE ZITTERROCHEN IN BERLIN. 123 Grunde lag, erscheint jetzt unhaltbar, und es kann für erwiesen gelten, dass in allen drei elektrischen Organen der homodrome Strom vielleicht ausschliesslich, jedenfalls bei weitem stärker, relativ positive Polarisation erzeugt. Ehe wir versuchen, hieraus einen Schluss zu ziehen, empfiehlt es sich, noch von anderen Thatsachen Kenntniss zu nehmen. $ 11. Von der relativen Stärke des homodromen und des hetero- dromen Stromes im elektrischen Organ. Schon in meinen Polarisationsversuchen am Zitterwels-Organ war mir die verschiedene Stärke des homodromen und des heterodromen Stromes sehr aufgefallen. „An frischen Streifen, an denen die positive Polarisation in der Richtung des Schlages in voller Kraft auftrat, war stets der ab- steigende“ — beim Zitterwels homodrome — „Strom bedeutend stärker als der aufsteigende“ — heterodrome — : „im Verhältniss von 100:112, 116, ja sogar 125. An gekochten und an absterbenden Streifen verschwand der Unterschied. Diese Wirkung schien auf nichts gedeutet werden zu können, als auf eine während der Dauer des primären Stromes stattfindende posi- tive Polarisation von grosser elektromotorischer Kraft, der von mehreren Grove’schen Elementen vergleichbar, die bei homodromem Strome sich zur Kraft der Grove’schen Säule hinzufügte. Streife des Organes auf die Schlagrichtung senkrecht, am Thier also quer geschnitten, gaben bei kurzer Einwirkung der dreissiggliederigen Säule schwächere, aber nach beiden Riehtungen gleich starke positive Polarisation, und die Stärke des polari- sirenden Stromes war in beiden Richtungen bis auf den Scalentheil die- selbe. “1 Soweit war ich 1857 gekommen. Wie bedeutungsvoll musste es mir jetzt erscheinen, als in fast jedem Versuch am Zitterrochen sich wieder jene Ueberlesenheit des homodromen Stromes offenbarte, und zwar in noch höherem Grade, als damals am Zitterwelse. Einen der merkwürdigsten Fälle bieten die Reihen 13 und 14, in welchen der homodrome Strom von dreissis Grove mehrmals über doppelt so stark erscheint, wie der hetero- drome. Um dies durch eine nur zum homodromen Strom hinzutretende positive Polarisation zu erklären, während der negativen Polarisation durch beide Ströme gleiche Stärke beigemessen wird, muss man der homodromen positiven Polarisation eine elektromotorischen Kraft von über fünfzehn Grove zuschreiben. In Reihe 20, bei fünfzig Grove im Kreise, verhält sich der heterodrome zum homodromen Strom anfangs fast wie 3:5; die positive 1 Gesammelte Abhandlungen u.s. w. Bd.II. 8.720. — Untersuchungen U. S- W. 8. 206. 218. 124 E. pu Boıs-Reymonxp: Polarisation musste die Stärke von zwanzig Grove erreicht haben. In Reihe 10 ist bei zwanzig Grove dasselbe Verhältniss wie 1:3; die secundär- elektromotorische Kraft kommt diesmal zwar nur etwa dreizehn Grove gleich, muss aber das doppelte der primären betragen haben. Bei querer Richtung des Stromes im Praeparate fehlt der Unterschied der beiden Ströme, ebenso an abgestorbenen oder durch Siedhitze getödteten Praeparaten (s. unten S. 129. 130 und Reihe 17 und 18 im Anhange); an aufliegenden Praeparaten, im Laufe einer Versuchsreihe, sieht man ihn schwinden in dem Maasse, wie das Praeparat abstirbt. Wir wissen leider noch nichts Gewisses von der elektromotorischen Kraft der Zitterfische, ausser dass sie sehr gross sein muss, wenn auch gerade am kleinsten beim Zitterrochen.” Auf alle Fälle wird man es auf den ersten Blick unglaublich finden, dass in unseren Organpraeparaten eine so hohe elektromotorische Kraft herrsche, und man wird nach einer an- deren Ursache für die verschiedene Stärke der beiden Ströme forschen. Ein Unterschied von Stromstärken kann nur auf zweierlei beruhen: auf ungleicher elektromotorischer Kraft, oder auf ungleichem Widerstande. Es wäre denkbar, dass im elektrischen Organe irreciproker Widerstand? stattfände, dass es im Sinne des Schlages besser als im anderen leite. Elektrolyte leiten nur, sofern sie zersetzt werden; nach einer wohl be- gründeten Lehre aber geht der Elektrolyse eine ähnliche Anordnung elek- tropositiver und -negativer Bestandtheile vorauf, wie wir sie zur Erklärung des Schlages und der positiven Polarisation voraussetzen. Wenn nun diese Anordnung leichter oder überhaupt nur in absolut positiver Richtung von statten ginge, würde es verständlich, warum das Organ den homodromen besser als den heterodromen Strom leite.e Die Abhängigkeit des hypothe- tischen irreciproken Widerstandes vom Lebenszustande würde sich daraus erklären, dass der ungleiche Widerstand in beiden Richtungen auf den vom Leben abhängigen elektrischen Eigenschaften der Organmolekeln be- ruhte. So sehen wir uns vor eine Aufgabe gestellt, welche im Gebiet des Galvanismus öfter wiederkehrt und meist ungelöst bleibt: zu entscheiden, ob ein beobachteter Unterschied der Stromstärken von einem solchen der elektromotorischen Kraft oder des Widerstandes herrührt. Eine Art, im vorliegenden Falle diese Frage zu beantworten, bestände darin, im primären Kreise einen so grossen Widerstand neben dem des Örganpraeparates einzuführen, dass letzterer dagegen verschwände. Wenn dann auch der Unterschied der beiden Ströme verschwände, während der ! Untersuchungen u.s. w. 8. 276. Anm. 2. 411. ° Vgl. Arthur Christiani, Beiträge zur Electricitätslehre. Ueber irreciproke Leitung electrischer Ströme u. s. w. Berlin 1876. LEBENDE ZITTERROCHEN IN BERLIN. 125 der Polarisationen bestehen bliebe, wäre der Ursprung des Unterschiedes aus verschiedenem Widerstande erwiesen. Ich habe einen Versuch der Art angestellt, in welchem ich ausser dem Praeparat ein 71m langes, im Lichten 2"® jm Durchmesser haltendes, zweimal rechtwinklig gebogenes Rohr voll physiologischer Kochsalzlösung als Widerstand einschaltete, dessen durch Thonpfröpfe verschlossene Enden in zwei Gefässe mit Zinklösung tauchten. Der Unterschied der Stromstärken in beiden Richtungen ver- schwand, leider aber fehlte wegen gesunkener Leistungsfähigkeit auch der der Polarisationsströme; es war in diesem Falle mit dem Organ zum Zweck dieser Entscheidung nichts mehr anzufangen, und ich konnte noch nicht den Versuch wiederholen. ! . Bei einer anderen Gelegenheit betrat ich, um mich dem vörgesteckten Ziele zu nähern, einen anderen Weg. Anstatt die Polarisation erst nach Oeffnung des primären Stromes zu beobachten, suchte ich mir ein Bild davon schon während seiner Dauer zu verschaffen, indem ich die ableiten- den Thonspitzen mit dem Bussolkreise zu einer Nebenleitung zum Praeparate machte. Die Säule bestand aus zwanzig Grove, die Bussolrolle (S5) von 5000 Windungen musste in grosse Entfernung vom Spiegel gebracht werden, um die Ablenkung in richtigen Schranken zu halten. Die Schliessungszeit betrug erst 0”.0764, später 17.024. Der Erfolg war überraschend. Wäh- rend nämlich der homodrome Strom an der Bussole (7) fast doppelt so stark erschien, wie der heterodrome, erschien an der Bussole (5) der vom homodromen Strom abgeleitete Zweig sehr viel schwächer als der dem heterodromen entlehnte (Reihe 25). Ersetzte ich das Praeparat durch ein (beiläufig viel schlechter leitendes) Phantom aus physiologischem Thon, so waren die Unterschiede verschwunden, zum Beweise, dass nicht etwa sonst irgendwo im Kreise irreciproker Widerstand herrschte. Damit scheint entschieden, dass der Unterschied auf irreciprokem ‚Widerstand beruhe. Denn man sieht nicht ein, wie bei gleichem Wider- stand im Praeparate der vom stärkeren Strom abgeleitete Zweig schwächer ausfallen könne, und man wird verleitet sich zu denken, dass dies nur von besserer Leitung des Praeparates für den homodromen Strom herrühre. Genauere Ueberlegung an der Hand einer schematischen Rechnung lehrt jedoch, dass die Anschauung hier nicht ausreicht, und dass wenigstens ! [Ich habe mich später durch die Rechnung überzeugt, dass auch in diesem Falle, wie in dem unmittelbar folgenden, die Anschauung irre führt, und dass auf dem hier versuchten Wege eine Entscheidung zwischen den beiden in Frage stehenden Mög- lichkeiten nicht zu erlangen ist. In einer zweiten, bald erscheinenden Abhandlung über lebende Zitterrochen in Berlin werde ich die Täuschung, in welche ich hier verfallen bin, ausführlich darlegen.] 126 E. pu Boıs-Reymoxp: unter den der Rechnung zu Grunde gelegten Annahmen die Sache sich anders verhält. Der Einfachheit halber nehmen wir an, dass jeder der beiden Ströme gleich starke relativ negative, aber nur der homodrome relativ positive Polarisation erzeugt. Wir setzen die elektromotorische Kraft beider Polari- sationen der Dichte des Säulenstromes im Praeparate proportional, dem wir den Querschnitt = 1, und auch die Länge = 1 zuschreiben. Vorläufig untersuchen wir nur, wie sich die Dinge bei ungleichem specifischen Wider- stande des Praeparates gestalten, indem wir die Verwickelung vermeiden, welche aus der sonst erwägenswerthen, aber schwer mathematisch einzu- kleidenden Annahme entspränge, dass der Unterschied der Widerstände in beiden Richtungen Function der Stromdichte sei. Uebrigens behandeln a - es 2 ; 07 N N Fig. 8. wir das Praeparat wie einen linearen Leiter, oder so, als lägen der Bauch- und Rückenfläche metallische unpolarisirbare Elektroden an, mit welchen die Enden des Säulen- und die des Bussolkreises verbunden wären. Siehe Fig. 8 A und B, welche die Dinge beziehlich für den homodromen und für den heterodromen Strom vorstellen. Man erkennt leicht den Säulen- kreis mit der Säule (>) und der Bussole (?), den abgeleiteten Stromzweig mit der Bussole (8). Die ausgezogenen Pfeile bedeuten die von der Säule, die gestrichelten die von der absolut positiven, die punktirten die von der relativ negativen Polarisation ausgehenden Stromantheile. Dass wir bei dieser ersten rohen Annäherung vom zeitlichen Verlaufe der Polarisation und von der Induction absehen, bedarf nicht der Erwähnung. ö Es sei #& die elektromotorische Kraft der Säule; ! der Widerstand des die Säule und die Bussole (P) enthaltenden Säulenkreises; / der Widerstand des die Bussole ($) enthaltenden Bussolkreises; | | LEBENDE ZITTERROCHEN IN BERLIN. 127 w, w, der Widerstand des Praeparates beziehlich bei homodromem und heterodromem Strom; K die Kirchhoff’sche Produetensumme w/-+ wi +21 bei homo- dromem, K, die entsprechende Summe bei heterodromem Strom. P sei die Constante, welche, mit der im Praeparat herrschenden Stromdichte multiplieirt, die elektromotorische Kraft der homo- dromen absolut und relative positiven Polarisation misst, 71 die entsprechende Constante für die relativ negative Polarisation. I sei die Stärke des homodromen, 7, die des heterodromen Stromes im Säulenkreise; ? und z, endlich seien die entsprechenden Stromstärken im nebenschliessen- den Bussolkreise. Im Säulenkreise herrscht zunächst wegen der elektromotorischen Kraft der Säule eine Stromstärke Z(w +%)/K. Zu dieser füst sich der Strom- antheil, den die Polarisationen durch den Säulenkreis schicken. Der Strom ‚ der Säule hat im Praeparat die Stärke E2/K. Die erregte Polarisation ıst (da wir den Querschnitt = 1 gesetzt haben) also (P—I/) Ei/K, und ‚ der dadurch im Säulenkreise erzeugte Stromzweig [((P—- ID) Ei/K]) x X/K). Da in diesem Kreise ? mit E gleich gerichtet ist, haben wir T=-Z,[lw+n)K + (P- MD] Ebenso ergiebt sich, da P im Bussolkreise # entgegenwirkt, 5 E i= —lwK — (P—- II)Al). ‚7, und, erhält man beziehlich aus I und i, indem man ?=0 setzt und 'w Kin w,, X, verwandelt. Danach ist E N 1 = [ku + %) K, - 02), . E ne 5 la + IT). „ Erfahrungsmässig ist ©<ö, 7> 1,, somit besteht die Ungleichheit | I—i>12-i, oder | Be DB ae Keira ıj..22..@ Die erste Frage ist nunmehr, ob unserer Vermuthung gemäss diese "Ungleichheit erfüllt werde durch w, > w bei P=0, was irreciprokem ES N | ) . u! H 128 E. pu Boıs-ReyMmonp: Widerstand im Praeparat ohne absolut positive Polarisation entspricht. Allerdings ist dies der Fall. Setzt man ?= 0 und macht man kürze- halber A +/1=u,Al= ß, so lässt sich die Ungleichheit schreiben (w) — w) |@-201m (#+ a(w, + o)) -- au |> 0. _ Dieser Bedingung genügt w, > w, so lange nicht die Grösse in der eckigen Klammer negativ wird. Letzteres kann nur so geschehen, dass die Con- stante ZZ der negativen Polarisation einen gewissen Werth überschreitet der uns vorläufig nicht interessirt. Nun fragt es sich aber umgekehrt, ob, dem anderen Theil unserer Vermuthung, und unserem bloss auf der Anschauung beruhenden Schlusse gemäss, die Ungleichheit sich nicht auch erfüllt finde, wenn w= w,, da- dagegen 7° von endlicher positiver Grösse sei. Da zeigt sich denn sogleich auf das Einfachste, dass die Ungleichheit (*) ebenso gut gilt, so lange > Ve d. h. sobald homodrome absolut und relativ positive Polarisation da ist, können auch ohne irreciproken Widerstand die Erscheinungen so sieh dar- stellen, wie wir sie wahrnahmen, und wir sind also zu keiner Entscheidung gelangt. Die Ueberlegenheit des homodromen Stromes kann sowohl auf positive Polarisation wie auf irreciproken Widerstand gedeutet werden. Natürlich steht noch die Vermuthung offen, dass beide Erklärungen zugleich in der Wirklichkeit begründet sind, ja sie sind es sicher, wenn irreciproker Widerstand im Spiel. ist, da an dem Dasein der positiven Pola- risation nicht zu zweifeln ist, während der irreciproke Widerstand eine neue, dem Organ zugeschriebene Eigenschaft wäre, deren Dasein neben der positiven Polarisation erst des Beweises bedarf. Bis dieser geliefert ist, wird man sich darin finden müssen, dass in einem Organpraeparat von kaum ‘der Grösse des bekannten Muskelpaares vom Frosch noch immer eine elektromotorische Kraft von zwanzig Grove steckt. Dies wird Einem leichter, wenn man sich erinnert, dass im schlagenden Organ des lebenden Fisches unstreitig eine noch viel grössere Kraft thätig war. Aber im Con- flict der Kraft des Organes mit einer bekannten Kraft wie der der Grove’schen Säule tritt Einem deutlicher als sonst das Staunenswerthe dieser Thatsache vor die Augen, zu der es nur Ein Seitenstück giebt, gegen dessen Wunder wir freilich abgestumpft sind, die mechanische Wirkung nämlich, deren die hier elektrisch wirksamen wenigen Gramm Wasser und organische Substanz fähig wären, wenn letztere, statt zum elektromotorischen Organ, zum Muskel sich entwickelt hätte. ! ı Vgl. Monatsberichte der Akademie. 1858. S. 99. l nn nn nn ne nn — LEBENDE ZITTERROCHEN IN BERLIN. 129 Was übrigens den zuletzt beschriebenen Versuchen, in welchen der Bussolkreis dem Praeparat während des polarisirenden Stromstosses als Nebenschliessung anlag, besonderes Interesse verleiht, ist der Umstand, dass Sachs am Zitteraal einen ähnlichen Versuch, soweit sich urtheilen lässt, mit demselben Erfolg angestellt hat. Er schloss den Strom seiner sieh- zehn Grove dauernd durch ein Stück Organ, und leitete mit den Thon- spitzen einen Zweig davon ab durch die Bussole, deren Empfindlichkeit passend vermindert war. „Als das Organ im Sinne des Schlages durch- strömt wurde, betrug die Ablenkung 80°°; bei der anderen Richtung 95°. Die Ablenkung hielt sich constant auf dieser Höhe.“ Sachs beobachtete also nur 2 und i,, zur Beobachtung von / und /, fehlten ihm die Mittel. Da er aber, wie nunmehr ich am Zitterrochen, © < i, fand, ist es wohl sehr wahrscheinlich, dass er auch 7 > I, gefunden hätte. $ 12. Abhängigkeit der secundär-elektromotorischen Wirkungen und der Leitungsgüte des Organes von dessen Lebenszustande. Es wurde schon mehrfach angedeutet, dass die Polarisirbarkeit des Organes auf das Engste an dessen Lebenszustand geknüpft ist. Methodische Versuche über diese Abhängigkeit stellte ich noch nicht an, und auch sie werden aus den oben S. 117 angegebenen Gründen schwer durchführbar sein. Das abgestorbene Organ zeigt nur noch schwache relativ negative Polarisation gleich stark in beiden Richtungen. Ebenso verhält sich ein in Wasser gesottenes ÖOrganpraeparat. Das Organ war nicht mehr frisch; bei mässiger Sommertemperatur der äusseren Luft hatte es 48 Stunden lang auf Eis gelegen. Auf Lakmuspapier reagirte es noch alkalisch bis neutral, nach plötzlichem Abbrühen und Sieden jedoch sauer bis zur Zwiebelröthe des Pigments. Es zeigte also in dieser Beziehung denselben Unterschied vom Muskel, wie das Zitterwels-Organ.” Die Säulen des gesottenen Stückes lösten sich bei leiser Berührung rein von einander ab. In diesem Zustand hatte das Praeparat jede Spur des Organstromes eingebüsst. Vor dem Sieden erzeugte 5’ lange Schliessung des Stromes von dreissig Grove so starke relativ negative Polarisation, dass die Scale aus dem Felde flog, nach dem Sieden erfolgte in beiden Richtungen nur noch eine Spur. Dabei fiel es sehr in die Augen, dass das Praeparat an Widerstand abgenommen hatte, ganz wie ich es am Muskel und dem ! Untersuchungen u.s. w. S. 218. 2 Dies Archiv. 1859. 8.846; — Gesammelte Abhandlungen u. s. w. Bd. II. 8. 17 ff. 646. 647; — Untersuchungen u. Ss. w. 8. 70 — 72. — Vgl. Hrn. Weyl’s ent- sprechende Erfahrungen in diesem Archiv. 1883. (Festschrift.) S. 112 ff. Archivf. A,u, Ph, 1885. Physiol. Abthlg. 9 130 E. vu Boıs-REymonxp: Pflanzengewebe fand,! und auch schon vom Zitterwels-Organ angab.? Die | Stromstärken vor und nach dem Sieden verhielten sich wie 100:133, es hatten sich aber Säulen beim Sieden losgelöst, so dass das Verhältniss un- streitig noch kleiner war. Ob das abgestorbene Organ besser leite als das frische, wie dies beim Muskel der Fall ist, konnte ich noch nicht ermitteln, doch ist es wegen der mit dem Absterben verbundenen Säuerung wohl sehr wahrscheinlich. $ 13. Erörterung der vorigen Ergebnisse. Wie unvollkommen die obigen Erfahrungen über die secundär-elek- tromotorischen Eıscheinungen der elektrischen Organe auch seien, sie be- gründen einen ansehnlichen Fortschritt in der Kenntniss dieser Organe. An die Stelle des beängstigenden Widerspruches zwischen den Sachs’schen Ergebnissen am Zitteraal und den meinigen am Zitterwelse trat die Ein- sicht, dass bei allen drei elektrischen Fischen die secundär-elektromotorischen Erscheinungen des Organes dieselben sind. Die Erscheinungen konnten beim Zitterrochen schon etwas mehr in’s Einzelne verfolgt werden, als beim Zitterwelse, vollends beim Zitteraal. Die blosse Thatsache, dass das Zitter- rochen-Organ, welches zu d.esen Versuchen kaum tauglich schien, sehr gut dazu sich eigne, ist von hohem Werth, und in Verbindung mit der Aus- sicht, im hiesigen Laboratorium fortgesetzt über lebende Zitterrochen zu ver- fügen, berechtigt sie zur Hoffnung, dass es vergönnt sein werde, das in der ersten Hast nur roh Skizzirte genauer auszuführen. Vielleicht wäre es rath- sam, bis zu diesem Zeitpunkt die Erörterung des bisherigen Gewinnes zu verschieben. Doch kann es nicht schaden, wenn die jetzt hier stattfindende Sachlage dargelegt, und für die demnächst zu unternehmenden Schritte die leitenden Gesichtspunkte bezeichnet werden. ı Vgl. Joh. Ranke, Tetanus. Eine physiologische Studie. 1865. 8.16. — Ge- sammelte Abhnndlungen u.s. w. Bd. 1. S. 95. 118. ? Sitzungsberichte u.s. w. 1883. Bd.I. S. 392. 398; — dies Archiv, 1884. S. 50. 55. 56. — Durch ein Versehen ist hier gesagt, dass der Widerstand eine Streifes Zitterwels-Organ durch das Sieden von 100 auf 42 herabgesetzt wurde. Wie oben im Texte muss es heissen, die Stromstärke sei durch das Sieden im Verhältniss von 42100, oder von 100 : 238 erhöht worden. Dass das Verhältniss der Stromstärken vor und nach dem Sieden in den Versuchen am Zitterwels kleiner war als in denen am Zitterrochen, rührte, abgesehen von dem im Text angegebenen Umstande, davon her, dass der Widerstand der damals zur Ableitung dienenden Zuleitungsgefässe mit Koch- salzlösung, Keilbäuschen und Eiweisshäutchen kleiner war als der der jetzt angewandten Zuleitungsröhren mit Thonspitzen. Eben deshalb aber näherte sich in den Versuchen am Zitterwelse jenes Verhältniss mehr dem wirklichen (reeiproken) Verhältniss der Widerstände des Praeparates. LEBENDE ZITTERROCHEN IN BERLIN. 131 Die in beiden Richtungen gleich starke relativ negative Polarisation, welche einfach mit Stromdichte und -Dauer bis zu einer gewissen Grenze wächst, wollen wir bis auf Weiteres als gewöhnliche innere Polarisation betrachten, obschon, wie bei Muskel und Nerv, ihre Abhängigkeit vom Lebenszustande, ihre Vernichtung durch Siedhitze einiges Bedenken erregt. Ungleich schwerer ist es jedenfalls, nach unseren neueren Erfahrungen, sich vom Wesen der absolut positiven Polarisation eine auch nur vorläufig befriedigende Vorstellung zu bilden. Daran kann kein Zweifel sein, dass sie im Gegensatz zur relativ negativen Polarisation gleichsam als der mehr physiologische Vorgang erscheint. Ihre Abhängigkeit vom Lebenszustand ist grösser; am absterbenden Organ schwindet sie zuerst. Es giebt nun aber zwei verschiedene Arten sie zu deuten. Die erste Art besteht darin, sie nebst dem Organstrom als Nachwirkung eines durch elektrische Reizung ausgelösten Schlages anzusehen, die zweite darin, sie als Folge einer durch den homodromen Strom unmittelbar bewirkten säulenartigen Anordnung der elektromotorischen Molekeln zu betrachten. Beim ersten Blick scheinen für die erste Auffassung sehr starke Gründe zu Sprechen. Da wir den Schlag selber durch säulenartige Anordnung elektromotorischer Molekeln erklären, kann man fragen, worin denn diese Anordnung und die durch den homodromen Strom unmittelbar erzeugte, der absolut positiven Polarisation entsprechende, sieh von einander unter- scheiden sollen, weshalb nicht letztere stets zu einem Schlag ausarte. Die zweite Annahme, wonach die absolut positive Polarisation durch den homo- dromen Strom unmittelbar bewirkt würde, nicht aber durch den hetero- dromen Strom, bürdet dem Organ eine neue und dunkle Eigenschaft mehr auf. Freilich scheint auch die erste Annahme Aehnliches mit sich zu bringen, sofern dabei nur der homodrome Strom den Schlag auslösen würde. Man kann aber dieselbe Reihe der Erscheinungen, welche Fig. 7 zu er- läutern bestimmt war, auch ableiten, wenn man den heterodromen Strom neben relativ negativer, absolut positiver Polarisation einen Schlag erzeugen lässt; er muss zwar viel schwächer bleiben als der durch den homodromen Strom erzeugte, aber hierfür bietet wenigstens das Gesetz der Zuckungen eine Analogie. Bei alledem bleiben bei der ersten Erklärung solche Bedenken zurück, dass ich nicht wage, ihr rückhaltslos zuzustimmen. Zunächst ist zu be- merken, dass sie auf der Voraussetzung fusst, die wir der Einfachheit halber oben machten, die aber doch unbewiesen ist, dass der heterodrome Strom unfähig sei, relativ positive Polarisation zu erzeugen. Gewiss ist nur, dass solche Polarisation noch nicht gesehen wurde, doch könnte sie, schwächer als die homodrome absolut und relativ positive, stets von der relativ nega- 9* 132 E. pu Boıs-REyMmoxD: tiven Polarisation verdeckt gewesen sein. Dies ist sogar die Vorstellung, die wir unserer Construction in Fig. 7 zu Grunde legten. Sodann ist es keinesweges so sicher, dass es nicht zwei Zustände geben könne, welche, obschon beide mit säulenartiger Anordnung der Molekeln verknüpft, und in ihrer äusseren Wirkung einerlei, im Inneren der elek- trischen Platten verschieden sind; deren einer dem Schlage, der andere der absolut positiven, homodromen Polarisation entspreche. Der Organstrom, die Nachwirkung des Schlages nach der ersten Annahme selber beweisen, dass nicht jede absolut positive Wirkung Schlag ist. Nun kommt es aber in Versuchsreihen an frischeren Praeparaten zu- weilen vor, dass zuerst eine ungemein starke Wirkung erfolgt, welche die Scale aus dem Gesichtsfelde schleudert, und in der man zweifellos die Nach- wirkung eines Schlages, wenn nicht dessen letzte Theile selber erkennt. Dies Phaenomen sieht ganz anders aus als die gewöhnliche absolut positive Polarisation, die man bei öfterer Wiederholung des Versuches am näm- lichen Praeparat unter denselben Umständen erhält, indem es keine der ur- sprünglichen Stärke proportionale Nachhaltigkeit zeigt. Einen ähnlichen zeitlichen Verlauf beobachtet man an der Nachwirkung der durch mittel- bare Reizung des Praeparates (Abschneiden heraushängender Nerven- stämmchen) ausgelösten Schläge Die Art, wie von hier ab die absolut positiven Ausschläge mit vollkommener Regelmässigkeit, der Natur der Stromstösse und der Leistungsfähigkeit des Praeparates entsprechend, tage- lang mit abnehmender Stärke, zuletzt nur noch spurweise erscheinen, macht gar nicht den Eindruck, als handele es sich um einen der Muskelzuckung verwandten Auslösungsvorgang. Hier ist der Ort, von einem bisher noch nicht ausdrücklich behandelten Punkte zu sprechen, der, obschon von grösster Wichtigkeit, in rein that- sächlicher Beziehung noch durchaus nicht hinlänglich aufgeklärt ist, das ist die Abhängigkeit der absolut positiven Polarisation von der Stromdichte, Während ich lange geglaubt hatte, dass es für die Erzeugung dieser Polarisation eine hohe Schwelle der Stromdichte gebe, fand ich zu spät an Praeparaten des letzten von mir geopferten Fisches, dass unter Um- ständen schon der Strom von Einem Grove starke absolut positive Polari- sation erzeuge; wobei aber die Besonderheit sich kund gab, die mich ver- muthlich früher getäuscht hatte, dass diese Wirkung rasch ein Ende nahm. Wurde jetzt die Zahl der Säulenglieder angemessen vermehrt, so erfolgten wieder die gewohnten Wirkungen (Reihe 1). Doch war es mir noch nicht möglich, mich in dem Gedränge schwankender Erscheinungen, von dem ich mich hier umgeben sah, sicher zurechtzufinden. Eine sehr sonderbare Art von Bewegung des Magnetspiegels kehrte von Zeit zu Zeit wieder, ohne dass es mir gelang, ihren Sinn zu durchschauen, geschweige sie willkürlich LEBENDE ZITTERROCHEN IN BERLIN. 133 hervorzurufen. Sie bestand darin, dass das Scalenbild nicht wie sonst vom Maximum der Ablenkung herabfiel, sondern gleichsam schnellend zurück- geworfen wurde, jedoch ohne den Nullpunkt zu überschreiten. Zu spät leuchtete mir eine Versuchsweise ein, mit deren Hülfe, so- bald ich wieder über Zitterrochen gebiete, die Entscheidung zwischen den beiden einander hier entgegengestellten Auffassungen der absolut positiven Polarisation gelingen zu müssen scheint. ®ie besteht darin, das Organ- praeparat, statt es einem einzelnen Stromstoss auszusetzen, mit Wechsel- strömen zu tetanisiren. Ich setzte dies schon in’s Werk, indem ich die Wippe, statt des Säulenkreises, den secundären Kreis des Inductoriums schliessen lies. Wäre die absolut positive Polarisation nichts als Nachwirkung des Schlages, so müsste sie nach kurzem Tetanisiren mit grösster Stärke auf- treten. Dies war aber nicht der Fall; auch bei sehr kräftiger Induction, mit der gewöhnlichen Einrichtung des Inductoriums, erfolgte nur schwache Polarisation in dem Sinne, als wären die Oeffnungsschläge allein vorhanden, nämlich absolut und relativ Polarisation bei homodromen, relativ negative, absolut positive Polarisation bei heterodromen Oeffnungsschlägen. Nach länger fortgetetztem Tetanus des Zitteraal-Organes fand Sachs dessen Strom, statt wie nach einem einzelnen Schlage verstärkt, vielmehr etwas geschwächt (s. oben S. 116). Doch ist nicht daran zu denken, daraus den Erfolg meines Versuches zu erklären. Leider konnte ich ihn bisher nur wenige- mal bei gesunkener Leistungsfähigkeit des Organes anstellen, so dass ich seinem Ergebniss noch nicht völlig traue. Noch eine Versuchsweise liest sehr nahe, welche unter gewissen Be- dinsungen hier zum Ziele führen könnte; man braucht nur zu beobachten, ob auch bei längerer Schliessungszeit der homodrome Strom seine Ueber- legenheit bewahrt. Ist dies der Fall, so kann die positive Polarisation nicht einerlei mit dem Schlage sein, denn dieser kann bei längerem Hin- durchgang eines beständigen Stromes durch das Organ doch nur im Augen- blick der Schliessung sich zum Säulenstrom hinzufügen. Ich habe nun in der That auch bei 1”, 5”, ja 20” Schliessungszeit jene Ueberlegenheit noch gesehen (Reihe 8, 15, 16, 25); allein die Versuche dieser Art werden erst dann beweiskräftig, wenn die Hypothese von einem irreciproken Widerstande des Organes völlig beseitigt ist. Wie man sieht, bleibt nichts übrig, als bis zu weiteren Erfahrungen, denen aber der Weg klar vorgezeichnet ist, sich in Geduld zu fassen. Die nächste Sendung Zitterrochen wird uns der Entscheidung der hier gestellten Frage wohl einen Schritt näher bringen. 134 E. pu Boıs-REeymoxp: $ 14. Ueber die elektromotorischen Wirkungen der elektrischen Nerven des Zitterrochen. Die einzigen Versuche über die elektromotorischen Wirkungen elek- trischer Nerven, welche es bisher gab, waren die von mir am Zitterwels angestellten. Der Nerv gab zwischen Längs- und Querschnitt keinen Strom in der Ruhe und keine negative Stromschwankung im Tetanus: dagegen gab er mit zwei Grove schwach aber sicher Elektrotonusströme.! Seine Leistungsfähigkeit war wohl schon ziemlich tief gesunken, doch wäre nicht zu verwundern, wenn auch der ganz frische Nerv Ruhestrom und negative Schwankung scheinbar versagte, da der Querschnitt der einzigen in der Axe des Nerven verlaufenden Faser zu dessen Gesammtquerschnitt sich verhält wie 1: 90—104.?2 Wegen der erstaunlichen Besonderheit im Baue des elektrischen Zitterwels-Nerven war es also als wäre noch nie ein elek- trischer Nerv elektromotorisch geprüft worden, und leider liess sich Sachs die Gelegenheit entgehen, am Zitteraale diese Lücke auszufüllen. ® Auch die italiänischen Elektrophysiologen benutzten den ihnen hier von Natur zustehenden Vorsprung nicht, und so blieb es seltsamerweise mir vorbehalten, über vierzig Jahre nach Entdeckung des Nervenstromes, im physiologischen Institut dieser nordischen Hauptstadt zuerst einen Zitter- rochen-Nerven in den Bussolkreis zu bringen. Dies geschah gleich das erste Mal, dass ich einen Zitterrochen tödten durfte, am 13. Juni 1883. Da man nicht wissen konnte, wie rasch die Nerven in der Sommerhitze absterben würden, bat ich Hrn. Prof. Christiani die Untersuchung vor- zunehmen, während ich selber mit den Polarisationsversuchen am Organ beschäftigt war. Hr. Prof. Fritsch hatte die Güte, die ihm so vertrauten Nerven zu praepariren. Die acht elektrischen Nerven eines grösseren Zitterrochen, jederseits vier, sind, wie ich es erwartet hatte,* ein vorzügliches Versuchsobject. Sie sind leicht in einer Länge von 8—4” unverzweigt darstellbar, und an mittelgrossen Thieren bis zu 2.5mm dick. Wenn sie nicht als elektrische Nerven sich von anderen Nerven unterscheiden, wird man an ihnen bisher unerreichbare* Aufschlüsse über die allgemeine Physik der Nerven erhalten können. 1. Ruhestrom der elektrischen Nerven des Zitterrochen. Kurz vor den Kraftmessungen an den elektrischen Nerven wurde die Kraft des N. ischiadicus vom Frosch an denselben Vorrichtungen gemessen, Te ammelte Abhandlungen u.s. w. Bd. Il. S. 645. Ebenda. Anm. — Durch einen Druckfehler steht hier 8950 statt 89-50. Untersuchungen u.S. w. 8.171. Sitzungsberichte u.s.w. 1883. Bd.1I. 8.387; — dies Archiv, 1884. S. 45. 1 2 3 4 Deren — aune ze LEBENDE ZITTERROCHEN IN BERLIN. 135 und sie lieferte die gewöhnlichen Werthe, 0-014 bis 0-022 Raoult. Die Stücke von elektrischen Nerven hatten gleiche Länge mit den Stücken Ischiadnerv, 12 bis 15%; ihre grössere Dicke liess bei gleicher speeifischer elektromotorischer Kraft grössere Leistung im Bussolkreis erwarten. Dies bestätigte sich nicht. Hr. Christiani erhielt von den elektrischen Nerven I nl II Il, 0.0054 0.0086 0.0054 0.0089. Die römischen Zahlen sind die Ordnungszahlen der elektrischen Nerven, II, ge- hörte einem anderen, am 27. Juni geopferten T’hier an. Die grösste von Hrn. Christiani gefundene Kraft ist über zweimal kleiner als die der Froschnerven, über dreimal kleiner als die der Vogelnerven und der Säuger- nerven mit Ausnahme der Pferdenerven, und über fünfmal kleiner als d’e der Hummernerven nach Hrn. Fredericq’s Bestimmungen. ! Dies auffallende Ergebniss forderte zu näherer Prüfung auf, welche ich im Laufe des Winters an zwei Zitterrochen vornahm. Vielleicht wegen der Kälte und des Hungers, unter denen die Thiere seit mehr als zwei Monaten litten, erhielt ich aber durchschnittlich noch kleinere Werthe als Hr. Christiani: das Mittel aus seinen vier Messungen ist 0.007075, aus meinen sechszehn nur 0-005925. Nur in Einem Falle, wo der Nerv be- sonders frisch war, fand ich höhere Werthe, und einmal stieg sogar die Kraft auf 0-01123, eine Grösse, wie man sie auch an schwächeren Frosch- nerven und an Krötennerven antrifft, die jedoch viel dünner sind.” Sofern meine Messungen die von Hrn. Christiani einfach bestätigen, würde ich. nicht weiter davon reden, allein ich stiess dabei auf ein Verhalten, welches mir wichtig genug erscheint, um es in folgender Tabelle vorzuführen. L und R bedeuten links und rechts. Alles Uebrige spricht für sich selbst. Wie man sieht, giebt sich in diesen Versuchen durchweg grössere Nesativität des peripherischen Querschnittes gegen den Aequator zu erkennen. Nachdem mir dies in den beiden ersten Versuchen aufgefallen war, leitete ich fortan das Stück Nerv mit den Thonschilden auch von beiden Quer- schnitten ab. Die letzte Spalte zeigt, wie genau die so erhaltene Kraft mit dem Unterschied der Kräfte zwischen Aequator und beiden Querschnitten stimmt. Um die Sicherheit der gefundenen Regel auf die Probe zu stellen, bat ich Hrn. Fritsch, das eine Ende der Nervenstücke mit einem Fäserchen bunter Flockseide zu bezeichnen, und mir das Stück zu reichen ohne mir zu sagen, welches Ende das centrale, welches das peripherische sei. Aus- 1 Dies Archiv. 1880. 8. 68. 71. ?2 Vgl. Wedenskii, Notiz zur Nervenphysiologie der Kröte. Ebenda. 1883. S. 310. 136 E. pu Boıs-REYMoND Elektromotorische Kraft der elektrischen Zitterrochen-Nerven in Raoult. } ] Zwischen Aequator und Zwischen a beiden Querschnitten | peripheri- J | en Se eo DER ‚Querschnitt Querschnitt], pachtet | berechnet 4B9|@6Gy]| © (4) 0-00529 000284 — —_ — Dritte v u 0:00658 0:00400 — — — en | 0:00724 0-00458 | +0:00160 |, +0-00265 | — 000105 ae 0-00366 | 0-00185 | +0-00194 | +0-00181| +0-00013 am nn XIE83. R 0:00699 ! 000489 | +0°00119 | +0-00210 | —0-00091 000680 0-00583 | +0.00105 +0-00097 | +0-00008 Vierte 0:01123 0:00970 | +0°00150 | +0.00153 | —0:00003 Torpedo, 0:00757 0-00577 | +0:00187 | +0:00180 | +0:00007 25em ]Jang, getödtet Trige- ß am 28.XIT. 83. | minus- | 0-00861 | 0-00301 | +0-00195 | +0-00060| -+0-00135 zweig. nahmslos gab ich dies auf den ersten Blick nach dem im Nerven von Quer- schnitt zu Querschnitt aufsteigenden Strome richtig an. Auch zwischen symmetrischen, den Querschnitten nahen Längsschnittspunkten liess sich der aufsteigende Strom nachweisen. Es wird von Interesse sein, ihm am unversehrten Nerven nachzuforschen. Das erste Mal, dass diese Thatsachen gesehen wurden, war der Zitter- roche auf die oben S. 110 angegebene Art durch Ausstanzen der elek- trischen Lappen getödtet worden, und da ich erst einige Zeit nachher zur Untersuchung der Nerven kam, war die Möglichkeit da, dass die geringere Negativität des centralen Querschnittes auf dem nach der Peripherie zu fortschreitenden Absterben der Nerven beruhe. Bei dem vierten Zitter- rochen, dessen Nerven die Zahlen in den drei letzten wagerechten Reihen der Tabelle lieferten, beugte ich diesem Verdacht dadurch vor, dass ich, statt den Fisch zu enthirnen, mit dem oben S. 111 erwähnten Messer einen Sagittalschnitt in einiger Entfernung von den Kiemen, und unmittel- bar darauf einen zweiten durch die Kiemen selber, der Schädelkapsel nahe, führte. Zwischen diesen beiden, fast gleichzeitigen Schnitten, lagen nun- mehr die Nervenstücke, deren beide .Querschnitte also gleich alt waren. Hier konnte von einem durch das Absterben bewirkten Unterschied nicht mehr die Rede sein, und doch war der elektromotorische Unterschied ebenso ausgesprochen wie gesetzmässig vorhanden. Auch zwischen den beiden Querschnitten eines aus dem Organ geschälten, vom Centrum so weit ent- LEBENDE ZITTERROCHEN IN BERLIN. 197% legenen Nervenzweiges, dass das örtliche Absterben ihn füglich noch nicht erreicht haben konnte, fand ich den aufsteigenden Strom. Schon vor Jahren (1867) bin ich am Froschischiadicus einer ähnlichen Regel nachgegangen, doch gelangte ich zu keiner Entscheidung; die Mehr- zahl meiner Versuche sprach dafür, dass hier der centrale Querschnitt der negativere, der Nerv von Querschnitt zu Querschnitt absteigend durch- ‚Hossen sei.' Es versteht sich, dass jetzt diese Untersuchung an ver- schiedenen Nerven, sowohl centripetal wie centrifugal thätigen und ge- mischten, wieder aufzunehmen ist. Es wird sich bald herausstellen, worum es sich handele: ob um eine Eigenthümlichkeit der elektrischen Nerven, ob um ein mit deren centrifugaler Function zusammenhängendes Grundgesetz, oder endlich ob um einen allen Nerven gemeinsamen und nur in Er- nährungsverhältnissen begründeten, mehr gleichgültigen Unterschied. Der Erfolg am gemischten Froschischiadicus scheint zu lehren, dass die Sache etwas mit der Function zu thun habe. Der letzte Versuch der Tabelle, an einem Trigeminuszweige, widerspricht dem nur scheinbar, sofern dieser Zweig, als secretorischer Nerv, auch als centrifugal thätig anzusehen sein möchte. Dagegen scheint dieser Versuch schon zu zeigen, dass die grössere Negativität des unteren Querschnittes nicht den elektrischen Nerven als solchen eigenthümlich sei, was auch wenig wahrscheinlich war. Es fragt sich nun noch, welche Bewandtniss es mit der geringen elek- tromotorischen Kraft der elektrischen Zitterrochen-Nerven habe. Der Ver- such am Trigeminuszweige scheint gleichfalls schon zu beweisen, dass ihnen diese Eigenthümlichkeit nicht wegen der elektrischen Function zukomme. Doch wäre es möglich, dass sie auf die elektrische Immunität der Zitter- rochen und auf die von Boll nachgewiesene hohe Reizschwelle ihrer Muskel- nerven? sich bezöge. Hier sind weitere Erfahrungen nöthig. Ein paar am Sehnerven des Karpfen und des Hechtes nebenher angestellte Versuche lieferten noch kein mittheilbares Ergebniss. 2. Negative Schwankung des Stromes der elektrischen Nerven des Zitter- rochen bei der Thätigkeit. Der oben in Hın. Christiani’s Versuchen mit II bezeichnete Nerv lag mit Längs- und Querschnitt auf und hielt den Faden auf 60°°. Mittels des runden Compensators wurde der Faden auf Null zurückgeführt. Als nun Hr. Christiani den Nerven mittels des Schlitteninductoriums tetani- sirte, erhielt er negative Schwankung im Betrage von 5°, also !/,, der ursprünglichen Stromstärke. In einem anderen Falle, wo der Nerv schon I Gesammelte Abhandlungen u.s.w. Bd. I. S.196.— Dies Archiv. 1880. 8.68. Anm. ° Untersuchungen u. s. w. 8. 265. 138 E. pu Boıs-REYMOND: zu Elektrotonusversuchen gedient hatte, betrug die compensirte Ablenkung 120, die Schwankung 90°, also volle ®/, der Stromstärke; nach Durch- schneiden und Wiederzusammenkleben des Nerven zwischen den beiden Elektrodenpaaren war jede Wirkung beim Tetanisiren verschwunden. Ich machte einen ähnlichen Versuch an dem in der Tabelle mit R. I bezeichneten Nerven, und erhielt, bei 52° Ablenkung, Helmholtz’scher Anordnung und . 100"m Rollenabstand 0, 50 „ „ „ ; 2, 25 ” 2 ” 0 negativen Ausschlages, also eine Schwankung von !/,,. Mit einem in See- wasser getränkten Wollfaden statt des Nerven blieb jede Wirkung aus. Soweit war Alles in Ordnung, aber sehr befremdlich ist, dass sowohl Hr. Christiani wie ich ausser der negativen Schwankung einen schnellen positiven Vorschlag, ich auch zweimal einen solchen Nachschlag (so zu sagen) erfolgen sahen. Diese positiven Zucke des Magnetspiegels können auf keinen Fehler der Versuchsanordnung (Stromschleifen, Fernwirkungen u. d. m.) geschoben werden, weil sie in einem Zeitabstand von einem halben Jahre zuerst von Hrn. Christiani, dann von mir an durchaus ver- schiedenen Vorrichtungen wahrgenommen wurden, und weil nach Durch- schneiden des Nerven oder mit einem feuchten Wollfaden nichts davon erschien. Ob hier etwas den elektrischen Nerven Eigenthümliches vorliege, müssen weitere Versuche entscheiden. Wie dem auch sei, über der Be- obachtung dieser unerwarteten Nebenwirkung und über dem Aufsuchen des vermeintlichen ihr zu Grunde liegenden Versuchsfehlers wurde eine Beobachtung versäumt, welche hier nachzuholen sein wird: nämlich die der Fortpflanzung der Schwankung nach beiden Richtungen in einem rein centrifugal wirkenden Nerven. Entsprechende Beobachtungen wurden bisher erst von mir an den Spinalnerven-Wurzeln vom Frosch gemacht. ! 3. Elektrotonusströme an den elektrischen Nerven des Zitterrochen. Auch bei Untersuchung der Elektrotonusströme an den elektrischen Nerven ist Prof. Christiani auf Unregelmässigkeiten gestossen, welche sich vorläufig keinem sicheren Gesetz unterordnen lassen, und der Auf- klärung durch weitere Versuche bedürfen. Ich habe am vierten Nerven der rechten Seite des am 13. December geopferten Fisches, bei 10" Länge der drei Strecken, mit einem bis fünf Grove im elektrotonisirenden Kreise, anelektrotonische und katelektrotonische Zuwachse regelmässig erfolgen sehen; I Untersuchungen über thierische Elek’vieität. Bd. II. Abth. I. S. 559. LEBENDE ZITTERROCHEN IN BERLIN. 139 erstere bis zu einer gewissen Grenze steigend und erst dann allmählich abnehmend, letztere sogleich sinkend. Nach Durchschneiden und Wieder- zusammenkleben des Nerven zwischen der erresten und der abgeleiteten Strecke blieben schwache zum Theil verkehrte Wirkungen übrig, welche auf die bei der Dicke des Nerven nicht ganz zu vermeidenden Stromschleifen zu deuten waren. Die absolute Grösse der beobachteten Zuwachse war so beträchtlich, dass 10000 Windungen erst in 50 ”® Entfernung vom Spiegel passende Ablenkungen gaben; über ihre verhältnissmässige Grösse liess sich aus Mangel an einem Vergleichspunkte nicht urtheilen. Auch hier wurde leider versäumt, den Elektrotonus abwechselnd in centripetaler und in centri- fugaler Richtung sich ausbreiten zu lassen. In Prof. Christiani’s viel zahlreicheren Versuchen war dies der Fall; aber die erwähnten Unregel- mässigkeiten stellten sich bei beiden Richtungen ein, und es bleibt wiederum nichts übrig, als sich bis zu neuen Versuchen zu gedulden. Die Versuche über Polarisation des elektrischen Nerven sind noch nicht weit genug gediehen, um etwas Sicheres darüber mittheilen zu können. Die elektromotorische Kraft der Muskeln zu messen fand ich noch nicht Zeit. Hoffentlich bringt das Frühjahr in einer neuen Sendung Zitterrochen die Gelegenheit, auch die hier angebahnten Untersuchungen gemächlicher und gründlicher, als es im ersten Anlauf möglich war, weiterzuführen, sowie zeitmessende Versuche anzustellen. Anhang. In den folgenden Tabellen, welche nur einen Theil meiner Versuchser- gebnisse enthalten, bedeutet die römische Zahl die Anzahl der Grove, SZ die 'Schliessungszeit, OS die Organstromkraft, Z die Länge der Säulen des Organ- praeparates, P (Periode) die Zeit zwischen je zwei aufeinanderfolgenden Ver- suchen. Das Zeichen || will sagen, dass der Versuch an demselben Praeparat unter den angegebenen neuen Bedingungen fortgesetzt wird. Die Ablenkungen an Bussole (8), mit Ausnahme der in Reihe 25, wo dies keinen Sinn gehabt hätte, sind auf die Ablenkung reducirt, welche bei gleicher Stromstärke 5000 Windungen in 30”m Abstand vom Magnetspiegel, sämmtliche Ablenkungen an Bussole (P) auf die, welche 50 Windungen in 20" Abstand hervorgebracht haben würden. Daher rühren die bei grösserer Stärke und Dauer der Ströme vorkommenden, weit über die Grenzen der Scale hinausgehenden grossen Zahlen (vergl. die Abhandlung über secundär-elektromotorische Erscheinungen u. s. W. Sitzungsberichte u. s. w. 1883. Bd. I. S. 356; — dies Archiv, 1884. S. 14). 500 + x steht, wie schon früher, für eine Ablenkung über die Grenzen der Scale hinaus, welche also nicht reducirt werden konnte; ein Strich in einem Felde zeigt an, dass aus irgend einem Grunde die Beobachtung verloren ging; wie denn auch O8, Z und P nicht überall verzeichnet sind. | 140 E. pu Boıs-Reymonxp: Die Ordnungszahlen der Zitterrochen (1., 2.,... Torp.) entsprechen der Reihenfolge der Tage, an denen sie geopfert wurden: 13. und 27. Juni, 13. und 28. December 1883, 2. Februar 1884. Ihre Längen in der- selben Reihenfolge waren 29, 36, 29, 25, 26°“. —- ‘Frisch’ bedeutet, dass der Versuch am gleichen Tage, 2.,.. Tag, dass er erst an diesem Tage nach dem der Tödtung angestellt wurde. Ile 5. Torp. — 2. Tag. — OS noch positiv. SZ 0" 0764 Am +10) -4443| 040 0 Py | 957-5 Isar a on 080, X Kanal ka oral | 8 ls y 75 | 79 y 69 Die Reihe zeigt, dass des homodrome Strom schon von Einem Grove ab- solut und relativ positive Polarisation zu erzeugen vermag, jedoch nur kurze Zeit lang, wonach ein stärkerer Strom noch wie gewöhnlich wirkt. Ip 2: i h Länger Wie Reihe 1. mit der Hand SZ 0.0764 Eee 1 —0: a +62, 0 lee y 75 |T5y8 Die Reihe scheint zu ee bei Be Schliessung eines schwachen Stromes die relativ negative Polarisation bald so zurücktritt, dass fast nur noch homodrome, absolut und relativ positive Polarisation übrig bleibt. 3. 3. Torp. — 2. Tag. — OS 0.0129. — 2"-P. SZ 07.0063 8 4+500| _3,0%+190 —1181 +160 | —179 Yp| lan 4:2 | 36 | 42 | 2-8 Die Reihe lehrt, dass unter Umständen schon fünf Grove die positive und negative Polarisation sehr schön hervortreten lassen. 4. 2. Torp. — Frisch. — L 23mm. _ 08 0-0145. — 2-P. SZ 0.0764 34 | » N | A v° | +39) -126 122,15, 70| +28 , PB |99.54 23 | 28 y24-5 | 28 y24-5 | 28 Der trotz der scheinbar günstigeren Bedingungen minder günstige Erfolg rührt schwerlich von der über zehnmal grösseren Länge der Schliessungszeit her, sondern von den bisher jeder Beherrschung spottenden Unregelmässigkeiten dieser Versuche. Bemerkenswerth ist die doppelsinnige Wirkung beim dritten homodromen Stromstoss. LEBENDE ZITTERROCHEN IN BERLIN. 141 5. 4. Torp. — Frisch. SZ 10.580 st -200 | -ı90 V u P 500 +x% 485 bis 471 Y Bei längerer Schliessungszeit erfolgt nur noch negative Polarisation. Der polarisirende Strom sinkt bei solcher Dauer, trotz der unpolarisirbaren Elektroden, um eine kleine Grösse. 6. 3. Torp. — 2. Tag. — 21/”,-P. SZ 0”.0032 SZ 1"-024 x$ |-32 +19, —544 +40 44439 | 34435 | —2 11379 | —94 f Pys-2 | 8-2 y6-6 | 8-2 46-6 6-6 6-6 11-5y6-6 || y 301 | 318 y aıs U In dieser Reihe mit anfänglich möglichst kleiner Schliessungszeit zeigt sich wieder wie in Reihe 2 das Zurücktreten der negativen Polarisation, welche sofort allein das Feld behauptet, sobald die Schliessungszeit eine gewisse Grenze überschreitet. Auffallend, und an Aehnliches bei Zuckungsversuchen erinnernd, ist das Wachsen der Wirkungen während der ersten vier Stromwechsel. % 2. Torp. — Frisch. —L 25%, — OS 0.0079. SZ 0.0764 x S4+38| —1404+55 —58A +45 | —424 +444—30 P |68-.9y 42-7 68-9Y58+8 | 62-4y57-3 | 62-4| 59 Bei über fast 24 mal längerer, obschon noch immer kurzer Schliessungszeit macht sich die negative Polarisation doch schon stärker geltend als in voriger Reihe. 3 8. 3. Torp. — Frisch. — 08 0.0133. — 3'-P. SZ 21"-.78 S| —424 A 260 | —398 j — 270 X» 564 589 548 | 573 bis bis bis bis y 515 564 y 484 548 Diese Reihe zeigt die rein negative Polarisation bei längerer Schliess- ungszeit, und das Sinken des polarisirenden Stromes um einen erheblichen Bruchtheil. ©), a, Ihm, 2 1a O8 DORKEE en 5 Sy VRR ES x | H 2 = —_Woße 80 EN 50\—3-5 xx, a 5 N es e N 65 | a 5 a Go BER Derselbe Erfolg wie bei zehn Grove und gleicher Schliessungszeit (Reihe 6): 142 E. vu Boıs-REymoxp: 10. 2. Torp. — Frisch. — L 29”, — 2/-P. SZ 0”.0764 | xx 54+250 | 454450 —454 +44 | —344 +34 | a — 52 P | 274 y 91 | 266 y 92 | 237 y 104 | 237 y 108 | 232 y 112 aa Nena SA +26 | 424 +23 | 371 —9 | en 33 P | 232 y 104 | 224y 125 | 208 y 125 | 195 y 125 | 195 y 185 a Ss A-ı16 | —304—18-5 | —284—20 | —314—21 | —304 —23 | —29 P | ı91y 129 | 191 yıaı | 191 y1aı | 183 y 145 | 170 Y 141 In dieser Reihe, deren dreissig Stromwechsel bei der 2’-Per. eine Stunde dauerten, spricht sich am Vollständigsten das in Fig. 7 graphisch versinnlichte Gesetz aus. Vom 15. Wechsel ab deckt sich die Erscheinungsweise der Polari- sationen mit der von Sachs am Zitteraal beschriebenen (s. oben S. 119 ff.). lo 2. Torp. — 2. Tag. — 08 0.0045. — 2'-P. SZ 0"-0764 Ss A+520| —1404 —65 | -—-95A +31 Xp ne l 12 | ni 17 | | SZ 21°.78 S A_1509 | —3554 1161 | — 6064 —9544 —632 P | 929 | 1161 | 1161 | 1393 | 1316 | 1548 bis bis bis bis bis bis 864 y1071 | 1079 y 1213 | 1218 | 1342 Die Versuche mit kurzer Schliessungszeit, welche nur eine Wiederholung der vorigen Reihe sind, dienen zum Beweise, dass das Praeparat noch leistungs- fähig war. Die Ablenkungen der Bussole (?) bei der längeren Schliessungszeit stimmen gut mit den in Reihe 8 mit nur zehn Grove bei gleicher Schliessungszeit erhaltenen. Ihre mit der Versuchsdauer wachsende Grösse rührt von Erwärmung des Praeparates her. Die Ablenkungen durch die negative Polarisation in dieser zweiten Hälfte der Reihe sind auffallend gross. 12. 1. Torp. — 2. Tag. — 0S 0.0059. — 21/,'-P. SZ 0".0629 xxx® | 584.499 —504 +50 | —404 +28 | —38A +12 | —34 AXXDp ,239 | 260 y 256 | 267 y 260 260 v 260 | 256 y 253 Fortan kehren im Wesentlichen dieselben Dinge wieder. 18: 2. Torp. — Frisch. — I 20mm — 05 0.0090. —2ZP: SZ 0.0764 ww S | 1284 +80 | —1344 +130 — 734 +49 AAAP, 134 |284y 146 | 262 yı51 | 268 TE RE a en LEBENDE ZITTERROCHEN IN BERLIN. 1215 14. Pr jorpe 22 Tası — I Ian 7080-0053. = 2P. 82 0".319 XXX S | —500- 2A +10) — 3254 +56 | —1154 — 10 | —1204—37 Py 370 | 790 y 376 | 766 y 370 | es4y 380 | 654 15% . 2. Torp. — Frisch. — L 149m, SZ 1.024 SZ 5.202 xy 8 A+150* | —500-24—145 | -500— A —190 | A—500—a | —500— AXXp | 1710 y 1012 | 13264 1012 |ioll| —- x 545 Hier bot sich die merkwürdige Erscheinung dar, dass die absolut und relativ positive Ablenkung („) sich ganz langsam entwickelte, offenbar durch das entsprechende Sinken negativer Polarisation, welches aber in diesem Falle nicht schnell genug geschah, um Gelegenheit zu doppelsinniger Ablenkung zu geben. 16. 1. Torp. — Frisch. — L 12mm, — 31/,-P. SZ 5"+202 zu A_2288 —3840 2247 —2105 XAX | 2836 y 3105 | 3461 y 2434 17. 1. Torp. — 3. Tag. — L 15mm, — 05? — 2'-P. SZ 0.0629 BEN AA gg 89 XXXp | 51314513 | 544 y 560 Das abgestorbene Organ giebt keine positive Polarisation mehr. 18. 1. Torp. — Frisch, aber abgebrüht. — 2!/,'-P. SZ 5.202 SA_30 | —21A —21 | -13 XXX P | 877349830 11204y — Durch die Siedhitze ist die negative Polarisation so gut wie vernichtet, dasesen der Widerstand des Praeparates vermindert, wenn auch wohl nicht im Verhältnisse wie es sich aus dem Vergleich mit Reihe 16 zu ergeben ‚scheint (s. oben S. 130). Ä 19. | 1. Torp. — Frisch, — L 27mm, _ 08 0-0083. — 24,-P. SZ 0.0629 ‚N A - A 1-20. [41 „A| 49 | L S EB sl +45 | 168] |y165 jrıı 180 +2 _135 | E | 548 y 390 | 465 | 407 457; 457, 394 | 390 „ 407 Die Reihe interessirt durch das Vorkommen doppelsinniger Wirkungen. 144 E. pu Bois-Reymoxp: 20. 1. Torp. — Frisch. — L 27mm, — 08 0.0105. — 21/,-P. SZ 0.0629 | L > Na ıge Be | 3224 +88 | 337 A +20 548 y 332 | 527 y 382 | 631 y 390 | 519 y 448 | 423 Nächst der gewaltigen positiven Anfangswirkung interessirt hier das Ver- hältniss zwischen homo- und heterodromer Stromstärke im primären Kreise (s. oben 8. 123. 124.). 21. Bei L und 21”.8 Schliessungszeit wurde die Scale durch die negative Polarisation in beiden Richtungen aus dem Felde geschleutert. Es verlohnte sich nicht hier noch grössere Zahlen als in Reihe 16 zu verzeichnen. 22, 5. Torp. — 2. Tag. — 08 0:0022. Polarisation bei quergerichtetem polarisirendem Strom. SZ 0:0764 SZ 1.024 S —85]— 20|— 10|+25|—60 || —35[—54| - 38[—42 IR >|< >|< >|< >|< P 652 | 665 | 669 | 665 | 677 — 1546515539]5560 Die grosse Stärke des polarisirenden Stromes rührt von der Kürze und dem grossen Querschnitt der ihm bei quergelagertem Praeparat dargebotenen Bahn her. In querer Richtung scheint (abgesehen von der unverständlichen Wirkung im 4. Versuch) keine positive, nur schwache negative Polarisation stattzufinden. 23. 5. Torp. — 2. Tag. — 0S 0.0030. Polarisation bei querer Ableitung. SZ 0" -0764 aa App | s | XXS | +190| -140 Quer 032 ET O0 B | 134 y 75 abgeleitet | 116 y 79 | 116 y 113 r und s bedeuten “roth’ und ‘schwarz’, die Farben der beiden Hälften der Scale, also die Seite, nach welcher der Spiegel abgelenkt wurde. Man sieht, dass bei querer Ableitung fast jede Wirkung ausbleibt. 24. 5. Torp. — Frisch. — Nachweis der säulenartigen Anordnung der elektromotorischen Kräfte im polarisirten Organpraeparat. > —n > vd, 2 v0.d, d, d; LEBENDE ZITTERROCHEN IN BERLIN. 145 VD stellt das als linearer Leiter schematisirte, von V zu D durch den Schlag, den Organstrom und den homodromen Strom durchflossene Praeparat vor. Beruhen die positive und negative homodrome und die negative hetero- drome Polarisation auf säulenartiger Anordnung elektromotorischer Kräfte, so muss in allen Fällen zwischen beliebigen zwei Punkten der Strecke VD die Polarisation in gleichem Sinne, bei gleichem Abstand der ableitenden Spitzen in gleicher, bei grösserem Abstand und hinreichendem ausserwesentlichen Wider- stande in grösserer Stärke erscheinen. V’D=L betrug 22%, o,o, 18m, v,d, 1.59%, 09, —=0d, M®, vd, ungefähr ebensoviel. Um die Angaben nicht zu verwirren ist die in jeder Theilstrecke beobachtete, stets positive Organ- stromkraft fortgelassen. A. Homodromer Strom, absolut und relativ positive Polarisation. SZ 0"-0764 SZ 00764 %,d, | vd, |v2d, |vod, Neues vd, v.d,| vı v5 d,d, (0,0, vod, xx S4+205 +20 4146| +6 A+500-+2 +148|+170|+31;+12) ? | +20 p| ırı | 163 | 159 |159| Praeparat | 213 | 180 | 167 | 159;168,|147| 134 B. Homodromer Strom, absolut und relativ negative Polarisation. SZ 1024 vd, |vıdı |0.d, | 00, | Od, |v,d, | vd, xx> —64 — 125 —160 — 117 — 121 —45 — 145 P, 1032 W032 Etar orale tor, C. Heterodromer Strom, relativ negative, absolut positive Polarisation. SZ 0.0764 SZ 17-024 i dd, %d, | 00, |0d, w.d, \v,d, lvnd,, vd, | Od, \v.d, XxX > |-10-105 —30|—45|—10 —47) Neues |_78 — 215 — 70) — 250 Pyu| 7 |75 | 79 | 79.| 75 | Praeparat |761 | 744 |757| 736 25. 5. Torp. — Frisch. Der Kreis der Bussole (S) bildet eine Nebenschliessung zum Praeparate (er Bios SA u. B. S. 126 ff.). SZ 0" »0764 Ss2 1.024 xx® 1'230 A 150 | 216 A 158 | 198 A 162 | 190, || | 255.4 245 | 255 4 255 Py14l | 269 y 145 | 239 y 146 | 228 y | 1162 | 12541179 | 1267 5000 Windungen in 21, in 36cm Abstand vom Spiegel der Bussole ($). Archiv f. A.u. Ph. 1885. Physiol, Abthlg. 10 Das Verhalten der Lymphkörperchen zum Chinin. Von (Aus dem pharmakologischen Institute zu Bonn.) Die contractilen farblosen Lymphkörperchen haben in Folge der Unter- suchungen des letzten Jahrzehntes eine erhöhte Bedeutung dadurch ge- wonnen, dass man die Organe, welche aus ihnen bestehen, als Brutstätten und Angrifispunkte schädlicher niedrigster Organismen kennen lernte. Aus diesem Grunde ist auch eine genaue Kenntniss ihres Verhaltens zu all’ den chemischen Dingen von Wichtigkeit, welche wir als Arzneistoffe bei infec- tiösen Krankheiten dem Organismus einverleiben. ° Im Jahre 1867 habe ich die erste Untersuchung darüber veröffent- licht! und sie in einer Reihe von Publicationen noch einige Zeit hindurch weiter geführt. Es folgten einige ungeschickte Wiederholungen meiner Versuche, aber eine grössere Zahl absoluter Bestätigungen derselben. In Folge der letzteren hoffte ich auf die Sache nicht mehr zurückkommen zu müssen, wurde aber leider eines anderen belehrt durch eine neueste Abhandlung von Hrn. Dogiel in Kasan.” Er sagt wörtlich Folgendes: „Erwägt man die Bedeutung der Bewegung und Formveränderung der Lymphkörperchen in der Physiologie und Pathologie, so wird man sich gewiss dafür interessiren, inwiefern diese Erscheinungen von verschiedenen Arzneimitteln und Giften beeinflusst werden können. Im dieser Hinsicht liegt die Angabe von Binz vor, dass Chinin die Bewegung der farblosen 1 Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. III. S. 383. ? Dies Archiv.” 1884. 8. 373, C. Binz: Das VERHALTEN DER LYMPHKÖRPERCHEN ZUM (CHının. 147 Blutkörperchen vollkommen vernichte. Wenn das auch nicht ganz zutrifft, so hat Binz hierdurch doch den Anlass zur weiteren Bearbeitung dieser Frage gegeben.“ Hr. Dogiel geht sodann auf die Versuche ein, welche sein Schüler Sehtschepotjew über denselben Gegenstand schon vor mehreren Jahren veröffentlicht hat, und aus denen ebenfalls eine Einschränkung der von mir behaupteten Resultate sich ergeben soll.! Auf die damaligen Ausführungen Dogiel’s, bez. seines Schülers, habe ich nichts erwidert, weil das Unrichtige in ihnen litterarisch und experi- mentell sich von Jedem mit beiden Händen greifen lässt, welcher der Sache nur einigermaassen gefolgt ist. Mittlerweile hat Dogiel eine zweite? und dritte? Arbeit von mir nachuntersucht; und da er ohne die geringste Ver- anlassung meinerseits auch jetzt wieder mir nachgeht wie mein Schatten, da ich ferner jene Angriffe auf meine Arbeiten zurückgewiesen habe, so möge es mir gestattet sein, das auch diesmal in kürzester Weise zu thun. Es soll nicht durch mein fortgesetztes Stillschweigen die Meinung entstehen, als stimmte ich meinem Kritiker im Stillen zu. Ich habe niemals behauptet, man könne durch Chinin in nicht tödt- licher innerer Dosis die Bewegung der farblosen Blutkörperchen vollkommen vernichten; ich habe in Bezug auf diesen Punkt nur behauptet, dass man durch Chinin, ohne die Thätigkeit des Herzens erkennbar zu schwächen, die Auswanderung der farblosen Blutkörperchen deutlich sichtbar ein- schränken könne und zwar durch Herabsetzung ihrer Lebensenergie® innerhalb des ungestörten Kreislaufes. Dafür liegt eine ganze Reihe Be- stätigungen vor, von denen ich nur die von G. Kerner? und von Appert aus Arnold’s pathologischem Institut in Heidelberg® hier eitire. Es ist also schon allein litterarisch unrichtig, wenn Dogiel sagt, meine Angaben seien nicht ganz zutreffend und ich hätte nur den Anstoss zur weiteren Bearbeitung dieser Frage gegeben. Nachdem mir persönlich fern stehende Beobachter meine Resultate in allen Theilen und ausführlich bestätigt haben, und nachdem es mir mit Leichtigkeit möglich war, wiederholt die Fehler- quellen der angeblichen Nichtbestätigungen nachzuweisen:?” muss ich alles, 1 Pflüger’s Archiv u.s. w. Bd. XIX. 8.53. 2 Ueber den Arsenik. Vgl. Archiv für experimentelle Pathologie und Pharma- kologie. 1881. Bd. XIV. 8.352. ® Ueber Ozon. Vgl. Berliner klinische Wochenschrift. 1884. Nr. 40. * Veber die Activität dieses Vorganges vgl. die neueste, schöne Arbeit: Lav- dowski, Archiv für pathologische Anatomie. 1884. Bd. XCVI. 8. 177. 5 Pflüger’s Archiv u.s.w. Bd.IH. 8.93. Bd.V. S.27. Bd. VII. 8.122. Ich mache besonders auf die Zeichnung auf Tafel II in Bd. III aufmerksam. 6 Virechow’s Archiv u.s. w. Bd. LXXI. 8. 364. "2. B. Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmakologie. Bd. VII. 8.273. 10* 148 C. Binz: was weiter Gegensätzliches noch gekommen ist, auf oberflächliches Lesen meiner Arbeiten und auf unkundiges, wenig sorgsames u. s. w. Experimen- tiren zurückführen. Dogiel giebt, ebenso wie bei seiner Einsprache in der Angelegenheit des Ozons, die Grundlage meiner Behauptungen vollkommen zu. Wenn er es vermag, im Wiederholen der weitergehenden, allerdings etwas schwierigen Ausführung sich genau an den von mir, Kerner und Arnold-Appert eingeschlagenen Weg zu halten,! so wird er auch die nämlichen Resultate sehen, wie wir. Wer sich überhaupt für die Feststellung des unerwartet grossen Ein- flusses des Chinins auf gewisse Protoplasmen interessirt, den verweise ich ausserdem auf Ch. Darwin’s? und C. Fr. W. Krukenberg’s? Beobach- tungen hierüber. Sie knüpfen an meine Untersuchungen an und erweitern das von mir Mitgetheilte. Während des Corrigirens dieser kleinen Abhandlung kam mir das neueste Heft von Pflüger’s Archiv, ausgegeben 30. Januar 1885, (Bd. 35) in die Hände. Es steht darin eine Arbeit von O0. Loew, „über den ver- schiedenen Resistenzgrad im Protoplasma.“ Auf S. 514 derselben heisst es: „Doch giebt es auch thierische Zellen, welche gegen sonst kräftig wirkende Alkaloide weniger empfindlich sind. Nach Engelmann zeigen die Lymphzellen von Fröschen, welche durch subeutane Einspritzung von srossen Dosen Chinin sulf. getödtet wurden, noch nach Stunden lebhafte Bewegungen.“ 0. Loew hat in dieser und in der folgenden Abhandlung nirgendwo sich an die Quellen dessen gewendet, was über Chinin und Protoplasma von meiner ersten Arbeit darüber an,° niedergelest ist. Zur Klarstellung der Sache selbst und der späteren Ansicht Engelmann’s über sie er- laube ich mir einen von ihm an mich gerichteten Brief hier wörtlich wieder- derzugeben: Utrecht, 21. Juni 1880. Sehr verehrter Herr College! „Gestatten Sie mir der Dissertation meines Schülers ten Bosch über Chin- amin, die ich heute an Sie absandte, einige Worte hinzuzufügen. Wie Sie — falls das Holländische Sie nicht abschreckt — aus der Arbeit ersehen werden, * Vgl. über diesen Punkt Scharrenbroich, Archiv für experimentelle Patho- logie und Pharmakologie. Bd. XII. 8. 33. ?” Insectivorous Plants. London 1875. p. 201—203. ® Vergleichend-physiologische Studien. Heidelberg 1880. Bd.1. 8.8. * Vgl. Handbuch der Physiologie. Bd.1I. S. 364. ° C. Binz, Ueber die Wirkung antiseptischer Stoffe auf Infusorien von Pflanzen- jJauche. Centralblatt für die medieinischen Wissenschaften. 1867. S. 308. DAS VERHALTEN DER LYMPHKÖRPERCHEN ZUM ÜHININ, 149 habe ich mit ten Bosch vergleichende Versuche über die Wirkung des Chin- amins und Chinins auf Elementarorganismen, speciell weisse Blutkörperchen, an- sestellt und dabei Gelegenheit gehabt, Ihre wichtigen Ergebnisse betrefis der ausserordentlich intensiven Wirkung des Chinins auf contractile Blutzellen zu bestätigen und die Ueberlegenheit dieses Stoffes auch gegenüber dem Chin- amin — das rücksichtlich anderer Wirkungen das Chinin weit hinter sich lässt — zu constatiren. Es freut mich, auf diese Weise eine kleine Differenz weg- räumen zu können, welche ich durch meine allzu skeptische Bemerkung in Hermann’s Handbuch (Art. Protoplasmabewegung) veranlasst habe. Geschieht Ihnen ein Dienst damit, so will ich gern an irgend einem Orte, der Ihnen pas- send erscheint, eine Notiz zur Erledigung dieser Differenz — etwa im Anschluss an Dr. Scharrenbroich’s Aufsatz „Einiges Alte vom Chinin“ — publiciren. Vielleicht genügt es aber, wenn im Jahresbericht, gelegentlich der Bespre- chung von ten Bosch’s Dissertation (die auch in den „Onderzoekingen“ unseres physiologischen Laboratoriums dieser Tage erscheint), die Sache erwähnt wird. Selbstverständlich wird zu einer etwaigen zweiten Auflage des ersten Bandes von Hermann’s Handbuch der das Chinin betreffende Passus abgeändert werden. Die Thatsache, auf welche sich meine skeptische Formulirung gründete, ist übri- sens unzweifelhaft, nur kann sie keinen begründeten Einwurf gegen Ihre An- gaben bilden.“ In ausgezeichneter Hochachtung mit collegialischem Gruss Ihr ganz ergebener Th. W. Engelmann. In der angezogenen Dissertation von ten Bosch heisst es S. 41 (in der genannten von Donders und Engelmann herausgegebenen Zetschrift 1880. V. 8. 286): „Het resultat van proef XIX is zoo sprekend mogelijk. Het blijkt dat de Chinine nog in een verdunning van 1:20000 duidelijk verlammend werkt, dus als vergif voor de witte bloedlichaampjes meer dan 6 maal sterker is dan Chinamine. De gevoeligheid der witte lichaampjes voor chinine schijnt dus volgens deze proef nog grooter dan zelfs de ontdekker dier werking, Binz, en zijne discipelen opgeven. Misschien is de omstandigheid van eenig gewicht, dat wij de chinine gebruikten in een. indifferente keukenzoutsolutie opgelost. Ook schijnen Binz en zijne volgelingen meer de snelle ontwikke- ling van hoogere graden van vergiftiging tot maatstaf te hebben genomen.“ Ich darf hoffen, dass das alles im Verbindung mit dem vorher Bei- gebrachten Hrn. Dogiel und auch Hrn. Loew genügen wird; und die Lymphkörperchen mögen, was ihr Verhältniss zum Chinin angeht, endlich einmal zur wohlverdienten Ruhe gelangen. Ueber die mikroskopischen Erscheinungen bei der Contraction des quergestreiften Muskels. Von Dr. R. Nikolaides, Docenten der Physiologie. (Aus dem physiologischen Laboratorium der Universität zu Athen.) Die bei der Contraction des quergestreiften Muskels stattfindenden histo- logischen Veränderungen sind nicht mit hinreichender Sicherheit erforscht, ja man ist heutzutage nicht einmal darüber einig, ob die Sarcous elements oder die isotrope Zwischensubstanz das wensentlich Contractile seien. Wäh- rend Merkel! behauptet, dass die Sarcous elements sich bei der Contraction des Muskels in ihren Dimensionen gar nicht verändern, dass vielmehr eine Umordnung der anisotropen und isotropen Substanz stattfindet, welche mit Verdünnung der isotropen Querstreifen verbunden ist, führen Brücke,? Nasse,? Engelmann? die Verkürzung des Muskels einzig und allein auf eine Verkürzung und entsprechende Verbreitung der anisotropen Substanz zu- rück. Der letztere Forscher nimmt während der erwähnten Veränderungen der anisotropen Substanz auch eine Quellung derselben auf Kosten der isotropen Substanz an. Die beiden Stadien Merkel’s, d.h. das Stadium der Auf- lösung und das der Umkehrung, die das Wesen der Muskelcontraction (nach Merkel) ausmachen, erklärt Engelmann bekanntlich nicht dadurch, ! Merkel, Archiv für mikroskopische Anotomie. 1872. Bd. VIII. 8.244, — 1881. Bd. XIX. S. 649. Ä ° Brücke, Stricker’s Handbuch der Lehre von den Geweben. S. 170; — Vor- lesungen über Physiologie. 3. Aufl. S. 484. ® Nasse, Archiv für die gesammte Physiologie. 1878. Bd. XVII. S. 332; —Zur Anatomie und Physiologie der quergestreiften Muskelsubstanz. Leipzig 1882. * Engelmann, Archiv für die gesammte Physiologie. 1873. Bd. VII. S. 33, 155; — 1875. Bd. XI, 8.432; — 1878. Bd. XVII. 8.1. R. NIKOLAIDES: ERSCHEIN. BEI DER ÜONTRACT. D. QUERGESTR. MUSKELSs. 151 dass die Querscheiben verschwinden, sondern dadurch, dass sie heller, die Nebenscheiben dunkler werden, so dass zu einer gewissen Zeit beide Schichten gleich hell erscheinen (Auflösungsstadium). Indem diese Veränderung der senannten Scheiben in gleichem Sinne fortschreitet, entsteht auf der Höhe der Contraction das Stadium der Umkehrung. Bei Untersuchung im polari- sirten Lichte sieht man, dass die Querstreifung vollkommen bestehen bleibt und dass die Substanzen keineswegs ihre Stelle vertauschen. Bei dieser Sachlage habe ich einige Studien an den Frosch- und Kaninchenmuskeln — bei denen am wenigsten gearbeitet ist — über die histologischen Veränderungen bei der Muskelcontraction gemacht. Die Re- sultate meiner Studien, die, wie mir scheint, Etwas zu der wichtigen Frage über das Wesen der Muskelcontraction beitragen, werde ich in Folgendem in Kürze mittheilen. Ich beginne mit einer Schilderung der anatomisch unterscheidbaren Theile im ruhenden Muskel und gehe sodann zu dem eontrahirten Muskel über, indem ich dabei die von Merkel für die im Muskel- elemente existirenden Streifen angenommenen Ausdrücke beibehalte. Der ruhende Muskel. Ohne eine gewisse Dehnung des Muskels kann man nur den dunklen und hellen Streifen d. h. die anisotrope und isotrope Substanz wahrnehmen. Wenn man aber den M. sartorius des Frosches z. B. etwas dehnt, den Deh- nungszustand fixirt und nachher aus dem so gedehnten Muskel Praeparate macht, so sieht man ausserdem in der Mitte des hellen Bandes dieZwischen- scheibe, die das Muskelelement begrenzt. Sie ist feinkömig und läuft durch die ganze Dicke der Fibrille hindurch. Bei gekreuzten Nicols sieht sie hell aus, sie ist also anisotrop. Von anderen Differenzirungen in der Zwischenscheibe habe ich mich nicht überzeugen können. Wohl weiss ich, dass Merkel in der Zwischenscheibe zwei Schlussplatten und eine verbin- dende Kittsubstanz unterscheidet. In der That ist nicht zu verkennen, dass man mitunter an den Grenzen der Zwischenscheibe nach oben und unten eine ganz scharfe Contour unterscheiden kann. Ist man aber be- rechtiet, diese Erscheinung als eine membranöse Begrenzung zu deuten? Bekommt man nicht bei vielen anderen Gebilden, bei welchen auf das Allersicherste bewiesen ist, dass sie keine Membran besitzen, eine ganz ähn- liche Erscheinung zu Gesicht? Erklärt sich nicht diese Erscheinung durch das verschiedene Lichtbrechungsvermögen? Die Zwischenscheibe also, die wenigstens in den Frosch- und Kaninchenmuskeln keine weiteren Schichten zeiet und die man bei einer gewissen Dehnüng des Muskels immer zu Ge- sicht bekommt, kann als einer der wesentlichsten Theile des Muskels be- trachtet werden. 92 R. NIKOLAIDES: Nicht so verhält es sich mit den Nebenscheiben. Diese Streifen bekommt man nicht immer zu Gesicht und es fragt sich, ob sie in den Fällen, in denen man sie sieht, als präexistirende Linien zwischen Zwischenscheibe und Querscheibe oder, wie Merkel meint, als von der Querscheibe ab- gerissene Theile aufzufassen sind. Zu bemerken ist, dass ich die Neben- scheiben nur bei sehr starker Dehnung des Muskels zu Gesicht bekommen habe. Es wäre denn wohl möglich, dass bei einer so starken Dehnung des Muskels ein Theil der Querscheibe sich abreisst und in der flüssigen iso- tropen Substanz suspendirt sich erhält. Zu dieser Ansicht neige ich aus folgenden Gründen, erstens, dass die Nebenscheiben nicht verschieden von der doppeltbrechenden Substanz der Querscheiben sind, und zweitens, dass mir unbegreiflich ist, dass in der flüssigen intropen Substanz weitere Diffe- rencirungen vorhanden sein könnten; denn dass die isotrope Substanz flüssig ist, das wissen wir schon längst aus directen Beobachtungen, nämlich aus den Beobachtungen Kühne’s,! der in der genannten Substanz eine lebende Nematode, den Myoryctes Weissmanni, schwimmen gesehen hatte, und aus den ähnlichen Beobachtungen Eberth’s.? Wie man die Nebenscheiben nur bei sehr starker Dehnung des Muskels zu Gesicht bekommt, so auch die Mittelscheibe. Letztere ist breiter als die Zwischenscheibe. Die Mittelscheibe habe ich niemals im Form einer dunklen und scharf begrenzten Linie, sondern immer in Form eines etwas helleren Bandes inmitten der Querscheibe ohne scharfe Grenzen zu den beiden ober- und unterhalb derselben liegenden Hälften der Querscheibe gesehen. Bei gekreuzten Nicols finde ich die Mittelscheibe fast ebenso hell wie die beiden Hälften der Querscheibe Es sind also beide anisotrop. Für mich sind die constantesten und wesentlichen Streifen des Muskelelementes die Zwischenscheibe und die Querscheibe. Von der Nebenscheibe und Mittel- scheibe dagegen, da ich die erstere nicht immer zu Gesicht bekommen und die zweite ohne scharfe Grenzen gesehen habe, kann ich nicht sagen, ob sie zu den wesentlichen Streifen des Muskels gehören oder nicht. Der eontrahirte Muskel. Um die mikroskopischen Erscheinungen bei der Contraction des Muskels zu studiren und um die Rolle zu eruiren, die jeder der genannten Streifen bei derselben spielt, machte ich zwei Versuchsreihen, und zwar bewirkte ich in der ersten Reihe durch den Inductionsstrom eine starke Contraction des ?® Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. 1863. Bd. XII. S. 530. ERSCHEINUNGEN BEI DER CONTRACTION DES QUERGESTR. MUSKELs. 153 Muskels, gewöhnlich des M. sartorius des Frosches, fixirte den Contractions- zustand des Muskels in den geeigneten Flüssigkeiten und machte die Prae- parate aus dem so fixirten Muskel. In der zweiten Reihe der Versuche reizte ich den Muskel, verhinderte aber das Zustandekommen der maximalen Con- traction. Von diesen beiden Versuchsreihen, und von den mikroskopischen Er- scheinungen, die die so behandelten Muskeln darbieten, wird in den fol- senden Zeilen die Rede sein. a. Maximal tetanisch contrahirter Muskel. Um den Muskel in diese maximal tetanische Contraction zu bringen und in diesem Zustande zu fixiren, benutzte ich zwei Methoden. Entweder praeparirte ich den Muskel frei, reizte ihn durch den Inductionsstrom eines Inductoriums von du Bois- Reymond und goss, während noch der Strom durch den Muskel lief, absoluten Alkohol auf ihn und fixirte so den Contractionszustand, oder ich benutzte die Ranvier’sche Methode,! d. h. ich tetanisirte und injieirte gleich- zeitig durch Einstich eine zweiprocentige Osmiumsäurelösung in den Muskel. Aus dem so gehärteten Muskel machte ich Praeparate in Terpenthinöl, die in Canadabalsam eingeschlossen wurden. Untersucht man nun diese Praeparate im gewöhnlichen Lichte, so sieht man nah an der Stelle der Zwischenscheibe einen feinen dunklen Streifen, die Contractionsscheibe Nasse’s? und zwischen je zwei solchen Streifen einen beträchtlich grösseren und etwas helleren Streifen. Der letztere Streifen ist etwas über das Niveau der Faser erhaben und wegen dieses Verhaltens desselben bekommt die ganze Faser ein wellenartiges Aussehen, wie es Fig. 4 sehr deutlich zeigt. Entsprechend den grösseren und dickeren Streifen ist das Sarkolemma stark vorgewölbt, wie es die Figg. 3 und 4 am deutlichsten versinnlichen. Die Vorwölbung des Sarkolemmas bei der stark contrahirten Faser ist meines Wissens bis jetzt nur von Engelmann beobachtet. Wegen dieser Vor- wölbung erscheint das Sarkolemma gekerbt. Die Einkerbung entspricht immer den feinen dunklen Streifen. Die letzteren können mitunter, besonders bei sehr stark contrahirten Muskeln, verdeckt werden, dann sieht die ganze Faser fast homogen aus. So erscheint die maximal contrahirte Muskelfaser im gewöhnlichen Lichte. Im polarisirten Lichte sehen die beiden oben genannten Streifen, d. h. der schmale dunkle und: der minder dunkle aber grössere Streifen hell aus, beide sind also anisotrop. Die grösseren Streifen des contrahirten Muskels entsprechen ganz gewiss den Querscheiben des ruhenden Muskels, * ! Ranvier, Traite d’histologie technique. p. 492. 707 Nase, a.a. 0. 8.73. 154 R. NIKOLAIDES: sie sind aber, wie mir scheint, weniger anisotrop als die Querscheiben des ruhenden Muskels. Weder im gewöhnlichen noch im polarisirten Lichte habe ich mit Be- stimmtheit in der Mitte des grösseren Streifens, d. h. der Querscheibe, einen Streifen erkennen können, der der Mittelscheibe des ruhenden Muskels ent- sprechen könnte. Im gewöhnlichen Lichte sieht die (Juerscheibe der con- trahirten Faser gleichmässig dunkel, im polarisirten Lichte gleichmässig hell aus. Ganz verschwunden sind auch die Nebenscheiben, dle ich ja, wie gesagt, auch im ruhenden Muskel nicht immer zu Gesicht bekommen habe. Fig. 4. Fig. 2. Fig. 1. Fig. 3. Die vier Figuren sind mit Leitz, Immersion 1/15 und Ocular Nr. 13, gezeichnet. Von den beigesetzten Buchstaben bedeutet Z—= Zwischenscheibe, @ = Querscheibe, m = Mittelscheibe, S = das von der Querscheibe stark vorgewölbte Sarkolemma. Fig. 1. Rana esculenta. Gedehnte Muskelfaser. Mit Ausnahme der Nebenscheiben sind alle anderen Scheiben des Muskelelementes sehr deutlich sichtbar. Fig. 2. Dasselbe. Die Mittelscheibe ist hier nicht sichtbar. Fig. 3. Contrahirte Muskelfaser, darin e die Contractionsscheibe (Nasse), s das stark vorgewölbte Sarkolemma. Fig. 4. Dasselbe im polarisirten Lichte. Entsprechend der Contractionsscheibe sieht man einen hellen Streifen, die Querscheibe ist etwas grau gezeichnet, um zu zeigen, dass sie im contrahirten Muskel weniger anisotrop als im ruhenden ist. Was nun den dunklen und schmalen Streifen, der an der Grenze der Querscheibe liegt, anbelangt, so sieht er, wie gesagt, hell aus im polarl- sirten Lichte, ist also anisotrop. Der Lage nach ist er gewiss die aller- dings etwas veränderte Zwischenscheibe des ruhenden Muskels. Die Ver- änderung besteht darin, dass sie etwas dieker ist und nicht mekr körnig, wie die Zwischenscheibe des ruhenden Muskels. Woher diese Veränderung herrührt, ist schwer zu eruiren. Merkel erklärt di® Verdickung der Zwischenscheibe bei der contrahirten Faser durch die Annahme einer Ueber- ERSCHEINUNGEN BEI DER ÜCONTRACTION DES QUERGESTR. MUSKELS. 155 wanderung von Substanz aus der Querscheibe, Nasse dagegen glaubt, dass es sich dabei um eine Ausscheidung aus der isotropen Substanz handelt. ‚Wenn ich nun die oben beschriebenen mikroskopischen Erscheinungen der contrahirten Faser mit denen: der ruhigen Faser vergleiche, so finde ich, dass die Zwischenscheibe, wenn auch etwas verändert, geblieben ist, ‚dass die Querscheibe viel dieker und breiter und dass sie bei der stark contrahirten Faser das Sarkolemma stark vorwölbt. Die isotrope Substanz ist dagegen vollständig verschwunden. Um nun zu erfahren, wie sich die Querscheibe und die isotrope Sub- stanz bei einem Muskel verhält, der gereizt ist, aber an seiner Con- traetion verhindert ist, habe ich eine zweite Reihe von Versuchen gemacht, von welchen gleich die Rede sein wird. b. Gereizter, aber an dem Zustandekommen seiner maxi- malen Contraction gehinderter Muskel. Bei einem eben getödteten kräftigen Frosche nahm ich fast alle Muskeln des Oberschenkels weg und liess nur den M. sartorius mit seinen Ansätzen intact. Ein Assistent fasste an der Wirbelsäule und am Unterschenkel das Froschpraeparat, während ich den Muskel reizte und gleichzeitig nach der Ranvier’schen Methode eine zweiprocentige Osmiumsäurelösung in den Muskel injicirte. Praeparate nun aus dem so behandelten Muskel zeigen, dass die Quer- scheibe sich etwas über das Niveau der Muskelfaser erhebt, also etwas convex ist und an ihrem Rande zeigt sich jetzt eine schwache Andeutung davon, dass sie das Sarkolemma etwas vorwölbt. Die isotrope Substanz ist aber jetzt sichtbar. Wenn ich nun diese Thatsachen, die die Muskelfaser in den beiden Versuchsreihen darbietet, zusammenfasste, so finde ich, dass die Querscheibe am activsten während der Contraction der Faser sich verhält. Sie wird, um ihre Erscheinungen zu wiederholen, bei der stark contrahirten Faser beträchtlich breiter, so dass sie an ihrem Rande das Sarkolemma stark vorwölbt, sie ist auch etwas über das Niveau der Faser erhaben. Alle diese Veränderungen der Querscheibe bei der Contraction des Muskels erinnern an die Erscheinungen, die eine Amöbe oder irgend ein contractiles Gebilde darbieten, wenn sie von dem elektrischen Strome getroffen werden, sie streben nämlich eine Kugelform anzunehmen. Die Vergleichung ist um so treffender, als Engelmann! die sehr wichtige Entdeckung gemacht hat, dass alle contractilen Gebilde ebenso wie die Querscheibe doppeltbrechend sind, oder doppeltbrechende Körper enthalten. Die isotrope Substanz, die bei der starken Contraction verschwindet, dringt jedenfalls in die anisotrope Substanz d.h. in die Querscheibe ein. Nur durch diese Annahme erklärt ! Engelmann, Archiv für die gesammte Physiologie. 1875. Bd. XI. 8.432. 156 R. NIKOLAIDES: ERSCHEIN. BEI DER ÜONTRACT. D. QUERGESTR. MUSKELS. sich die Verdiekung und nach den Seiten starke Vorwölbung des Sarko- lemma’s. Die Erscheinungen bei der Contraction zerfallen also für mich in zwei Acte. Zuerst wird die Querscheibe, die das wesentliche Element ist, breiter und kürzer und zugleich etwas convex. Wie gesagt, diese Erscheinung der (Querscheibe bei der Contraction erinnert an die Erscheinungen in Erregung versetzter contractiler Gebilde, die dann die Neigung haben, eine kugel- förmige Gestalt anzunehmen. Durch die Verkürzung der Querscheiben nähern sich sodann die letzteren und bei der starken Contraction während dieser Annäherung der Querscheiben der Muskelelemente drinst im zweiten Acte rein mechanisch die flüssige isotrope Substanz in die anisotrope ein und bewirkt dadurch deren Verdickung und die an ihrem Bande starke Vorwölbung des Sarkolemma’s.. Die Frage ist nur, welcher Umstand die rasche Rückkehr zum ursprünglichen Zustande bewirkt. Eine Antwort auf diese wichtige Frage lässt sich vor der Hand nicht geben. Dazu müssen wir alle contractilen Gebilde im Zusammenhang und gleichzeitig mit dem quergestreiften Muskel viel näher studiren, als es his jetzt geschehen ist. Was schliesslich die Zwischen- und Mittelscheibe anbelangt, so kommt ihnen bei der Contraction nur eine passive Rolle zu. Sie sind die festen Punkte, um denen die beschriebenen Erscheinungen vor sich gehen. Zur Beurtheilung der sogenannten Praevalenz-Hypothese Stricker’s. Brief an den Herausgeber von Prof. Ernst von Fleischl in Wien. Wien, 13. December 1884. — Vor ungefähr zwei Jahren hatten Sie die besondere Güte, einen Aufsatz von mir, „Das Zuckungsgesetz“ in Ihr Archiv aufzunehmen,! obwohl die ganze „nervenphysiologische‘“ Theorie, welche in meinem Beitrage bekämpft wurde, so von physikalischen und physiologischen Ungeheuerlichkeiten strotzt, und ein so unentwirrbares Gewebe von Widersprüchen ist, dass ich mich nicht hätte wundern dürfen, wenn Sie die ausführliche Widerlegung einer derartigen, vorübergehenden Störung der Arbeit ernsten Forschens als überflüssig bezeichnet, und aus diesem Grunde meine Kritik nicht aufgenommen hätten. Meine Kritik hat — wie kaum anders zu erwarten — den Erfinder der „Praevalenz-Hypothese‘“ durchaus nicht überzeugt; ich sage: dies sei nicht anders zu erwarten gewesen, weil eben die Kenntniss eines so mächtigen Wissens- sebietes, wie die Physik, nur von den Elementen an erstrebt, und durch die Lectüre einiger berichtender Blätter weder erworben noch ersetzt werden kann. Nun setzt aber der Erfinder und einzige Vertreter der „Praevalenz-Hypothese“ nicht etwa im Stillen seine Pflege dessen, was er für Nerven-Physik hält, fort, sondern er verbreitet seinen Widerspruch gegen das, was wir unter diesem _ Namen verstehen, sowie gegen unsere physikalischen Voraussetzungen und unsere Experimentirmethoden, dem Vernehmen nach, jährlich unter einer sehr beträcht- liehen Anzahl junger Leute, wozu ihm seine Stellung die Mittel, und seine 1 Dies Archiv. 1882. 8. 1-24. 158 ERNST v. FLEISCHL: Ueberzeugung den Muth giebt — so dass schon heute sehr viele Aerzte als wissenschaftliche Basis für die Verwendung der Elektrieität als Heilmittel eine solche Summe falscher Lehrsätze und falscher Vorstellungen haben, dass es viel- leicht der Mühe werth scheinen möchte, dagegen zu protestiren, dass die Phy- siologie hierfür im mindesten verantwortlich sei. Unter diesen Umständen musste ich mir die Frage vorlegen, ob es noth- wendig, oder auch nur erspriesslich sei, einem solchen Proteste die Gestalt einer ausführlichen Widerlegung zu geben, oder ob nicht die flüchtige Erwähnung des folgenden Punktes hinreiche, um die Physiologie und die Physiologen vor jedem billigen Richter der Pflicht zu entheben, sich mit der „Praevalenz-Hypothese“ und den einzelnen Blüthen, die sie treibt, irgend weiter zu beschäftigen. . “In der, der wissenschaftlichen Vertheidigung gegen die von mir geübte Kritik, gewidmeten Schrift,! sagt der Autor, der trotz meiner Warnung die ein- zelnen Ausdrücke der so reichen Nomenclatur der Elektrieität untereinander und mit dem Ausdrucke „Strom“ fortwährend verwechselt, ja sogar von der Span- nung eines Stromes spricht, mit welcher dieser in einen Leiter einbricht, und glaubt, diese Spannung sei an jedem Punkte des Leiters eine andere, näm- lich die, die dem Punkte zukommt, wenn der Strom schon besteht; welcher ferner auf die in der Kritik gegen ihn vorgeführten Argumente und Experimente mit den seichtesten Ausflüchten und einem ganz räthselhaften Gemenge von Gefällen, Spannungen, Strömen, negativen Spannungen, negativen Strömen und negativen Polen, die ausschliessliche Nervenreize sind, dann von Strömen, die mit positiven, und von Strömen, die mit negativen Spannungen in einen Leiter einbrechen, antwortet; und Versuche, deren Nachahmung ihm nicht gelingt, als nur wegen der Ungeschicklichkeit des Anderen, diesem gelingend betrachtet: dieser Autor sagt an einer Stelle seiner Schrift, die gegen die übliche Lehre von der Ver- theilung der Spannungen im Schliessungsbogen ankämpft: „So viel ich aus der Literatur entnehme, stellt man sich gemeinhin vor, dass der elektrische Strom durch den Leiter hindurch von einem Pol zum anderen geht, und man kann sich den Strom auch nicht anders vor- stellen. Wenn aber die Spannung je eines Stromes schon in der Mitte des Leiters Null würde, nimmer könnte er über die Mitte hinaus sich er- giessen. Wo einmal Spannung Null ist, dort kann nichts weiter strömen. Es scheint mir daher eine nothwendige Forderung zu sein, dass die Span- nung sowohl des negativen wie des positiven Stromes erst am gegenseitigen Pole, respective an der Elektrieitätsquelle Null werde.“ Wie er sich das Durchströmen der Elektrieität durch die Punkte, an denen nach ihm die Spannung Null herrscht, vorstellt, oder ob er — man muss auf Alles gefasst sein — glaubt, dass hier wirklich der Strom aufhört, und in der Elektrieitätsquelle selbst keiner fliesst — hierüber äussert sich leider der Autor nicht, sondern er versichert nur (in lückenlosem Anschlusse an obiges Citat): „Und wenn sich an diese Forderung Consequenzen knüpfen, die wir nicht ver- stehen, so ist sie darum nicht minder nothwendig.“ Solcher Sätze sind sehr viele in dieser Schrift, nur dass der Autor meistens Dinge, die er nicht versteht, nicht für „nothwendig“, sondern für überflüssig und falsch hält. 1 Stricker, Neuro-elektrische Studien. Wien 1883. BRIEF AN DEN HERAUSGEBER. 159 Dieser Sorte von Physik und Logik gegenüber wird wohl nur der Gedanke an die Gefahr, welche dem Ansehen einer Wissenschaft aus soleher Mitarbeiter- schaft erwächst, den nöthigen Ernst wiederherstellen — aber ich hoffe, Sie werden mir beipflichten, wenn ich meine, man dürfe diese Gefahr nicht noch vergrössern, durch irgend eine Form ausführlicher Berücksichtigung solcher Leistungen; sondern müsse im Gegentheile den Autor in seinen Bestrebungen, baldiger Vergessenheit anheimzufallen, auf jede Weise unterstützen. Genehmigen Sie u. s. w. Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft zu Berlin. Jahrgang 1883 —84. II. Sitzung am 14. November 1884." Hr. ARTHUR Könıe (a. G.) sprach „Ueber Farbensehen und Farben- blindheit. j Der Vortragende gab eine zusammenfassende Darstellung der bisher zum Theil von ihm allein, zum anderen Theil in Gemeinschaft mit Hrn. ©. Dieterieci ausgeführten Untersuchungen auf dem Gebiete der normalen und anormalen Farbenempfindungen. Hier soll nur ein kurzer Ueberblick über den Inhalt des Vortrages gegeben werden: Den Ausgangspunkt meiner physiologisch-optischen Untersuchungen bildete die Beschäftigung mit dem von Hrn. v. Helmholtz construirten Leukoskope. Das Princip, auf dem die Theorie dieses Instrumentes beruht, lässt sich in folgender Weise darstellen. Wenn man einen polarisirten Strahl weissen, d.h. alle Wellenlängen enthaltenden Lichtes durch eine Quarzplatte und darauf durch ein Nicol’sches Prisma gehen lässt, so erscheint er im Allgemeinen nicht mehr weiss, sondern farbig, und seine Farbe ist sowohl abhängig von der Dicke jener Quarzplatte als auch von dem Winkel, den die Polarisationsebene des ursprüng- lichen Strahles mit der Polarisationsebene des Nicol’schen Prisma’s bildet. Sind zwei solche Winkel um 90° verschieden, die Quarzplatten aber gleich dick, was z. B. der Fall ist, wenn zwei senkrecht zu einander polarisirte weisse Strahlen durch dieselbe Quarzplatte und darauf durch dasselbe Nicol’sche Prisma gehen, so erscheinen sie complementär gefärbt. Eine spectroskopische Zerlegung eines solchen Strahles liefert uns ein Spectrum, welches von dunklen Bändern durchzogen ist, die zwischen sich, all- mählich darin übergehend, Streifen von unverminderter Helligkeit einschliessen. Bei der spectroskopischen Zerlegung eines complementär gefärbten Strahles zeigt sich, dass hier im Spectrum die Intensitätsmaxima liegen, wo sich dort die Minima befinden, und umgekehrt. Die Zahl dieser dunklen Streifen wächst mit zunehmender Dicke der Quarzplatte und sie werden alle durch Drehen des Nicol’schen Prisma’s seitlich verschoben. ! Ausgegeben am 23. Januar 1855. VERHANDL. DER BERL. PHYSIOL. GESELLSCHAFT — ARTHUR König. 161 Ermöglicht man nun auch noch eine Aenderung des Intensitätsverhältnisses zwischen den beiden ursprünglichen senkrecht zu einander polarisirten Strahlen, so hat man drei Variable, über die man beliebig verfügen kann, und da das normale Farbensystem ein System dreifacher Mannigfaltigkeit ist, so sollte man glauben, jede beliebige Nuancirung der aus jenem optischen Systeme austre- tenden Strahlen nunmehr erzielen, u. a. auch den Fall realisiren zu können, dass beide austretende Strahlen weiss erscheinen und die gleiche Intensität besitzen, indem in dem einen Gelb und Blau, in dem anderen Roth, Grün und Violett ausgelöscht ist. Die Erfahrung hat nun aber gelehrt, dass dieses im Allgemeinen nicht möglich ist, d. h. dass eine noch unbekannte Beziehung zwischen den drei scheinbar unabhängigen Variablen bestehen muss. Nicht minder unerklärlich waren die Einstellungen, welche sogenannte „Bothblinde“ und „Grünblinde“ mit dem Leukoskop machten. Sie können nämlich bei jeder 2"M übersteigenden Quarzdicke und bei gleicher Intensität der zwei senkrecht zu einander polarisirten Lichtstrahlen dem Nicol’schen Prisma eine solche Stellung geben, dass ihnen die beiden austretenden Strahlen weiss er- scheinen und gleiche Intensität besitzen. Das eine zweifache Mannigfaltiskeit repräsentirende Farbensystem dieser Individuen musste theoretisch das Vor- handensein von zwei Variablen zur Einstellung auf Gleichheit erfordern. Die erwähnte Erfahrungsthatsache lehrt aber, dass hier nur eine Variable noth- wendig ist. Einstellungen von etwa 50 solcher farbenverwechselnden Individuen ergaben, dass man hier scharf zwei Gruppen unterscheiden konnte. Die Individuen der einen Gruppe machten solche Einstellungen, wo für uns das Roth unzweifelhaft heller war, als das damit für gleichfarbig erklärte Grün, die Individuen der anderen Gruppe erklärten ein dunkles Roth für gleichfarbig mit einem helleren Grün. Eine solche scharfe Trennung in zwei Klassen ist nun auf Grund anderer Untersuchungsmethoden vielfach behauptet, aber auch wiederum geleugnet worden. Hält man die Berechtigung zu einer solchen Trennung für erwiesen, so könnte man die erste Gruppe auf Grund der Young-Helmholtz’schen Farbentheorie für „rothblind“ die zweite für „grünblind“ erklären und bei ihnen das Fehlen der einen oder der anderen Grundempfindungen vermuthen. Es erschien mir nun in höchstem Grade wünschenswerth, an einem Theile der von mir mit dem Leukoskope untersuchten Personen auch andere Unter- suchungsmethoden anzuwenden und zu sehen, ob hier eine eventuelle Theilung in zwei Gruppen mit der oben erwähnten zusammenfallen würde. Proben mit Pigmentfarben oder farbigen Schatten waren natürlich hier- zu viel zu ungenau, und es blieb somit nur die Bestimmung der Spectrums- grenzen und des „neutralen Punktes im Spectrum“. Wenige Versuche lehrten mich, dass die erste Methode nicht in Betracht kommen konnte. Die An- gaben hängen so sehr von der Intensität der benutzten Lichtquelle, von dem Adaptationszustand der Netzhaut an die gerade vorhandene Intensität, von der Intelligenz des Untersuchten u. s. w. ab, dass auf diesem Wege sicherlich keine Resultate zu gewinnen waren, die man als die Grundlage zu weiteren Schluss- folgerungen verwenden durfte. Ich benutzte daher die zweite Methode, mit der es mir gelang unter Anwendung des von Maxwell zuerst vorgeschlagenen Verfahrens zur Herstellung eines homogen gefärbten Feldes sehr genaue Be- stimmungen über die Wellenlänge des „neutralen Punktes“ an 13 „Rothgrün- verwechslern“ zu machen. Unter dem „neutralen Punkte“ versteht man be- Archivf. A.u. Ph, 1885. Physiol. Abthlg. al 162 VERHANDLUNGEN DER BERLINER kanntlich denjenigen Punkt im Spectrum, der den untersuchten Individuen, je nach der Intensität grau bez. weiss erscheint. Die Genauigkeit der Messungen ermöglichte es mir auch die von Hrn. Preyer zuerst aufgefundene Abhängigkeit der Wellenlänge des „neutralen Punktes“ von der Intensität des Specetrums messend zu verfolgen. In der nachstehenden Tabelle gebe ich die Wellenlänge 2 (in Milliontel Millimeter) für den „neutralen Punkt“ von 13 „Rothgrünverwechslern“ bei einer für alle Untersuchten gleichen Intensität und füge zugleich den aus 3 Einzel- einstellungen sich ergebenden wahrscheinlichen Fehler hinzu. An HR DES 491°70 + 0-09 DDr aKe a A998 01022009 DL a a Nee AS 493-08 + 0-13 DE DIESE 49380 + 0-36 b)R, in 49592 + 0-36 De ee) Se get NO a) 5 Schw. | nr. Aa ee KO) OR None TE) Ar Mer 12) „ W. H. 499.71 ss 0-16 1) 50475 + 0-15 Hierin sind die Individuen nach zunehmender Wellenlänge ihres neutralen Punktes geordnet, und ich erwähne nun, dass 1), 3), &), 5), 9) und 10) „Roth- blinde“, die übrigen „Grünblinde“ waren. Es geht daraus hervor, dass eine scharfe Trennung dieser beiden Klassen aus der Lage des neu- tralen Punktes nicht zu folgern ist, vielmehr das Gegentheil. Eine Lösung dieses Widerspruches wird sich erst ergeben, wenn es gelungen sein wird, bei einer grossen Anzahl Rothgrünverwechsler beider Klassen die Intensitäts- curve für die Grundempfindungen (nach Young-Helmholtz’scher Theorie) genau zu bestimmen. Die überraschend grosse Sicherheit, welche sich in den eben besprochenen Versuchen bei der Einstellung auf den neutralen Punkt zeigten, veranlasste mich nun der Frage näher zu treten, ob die Sicherheit, mit der normale, d. h. mit einem trichromatischen Farbensystem begabte Augen die Gleich- farbigkeit zweier homogen gefärbter Felder zu beurtheilen im Stande sind, von derselben Grössenordnung sei. Ueber diesen Gegenstand lagen zwar schon einzelne Messungen von den Hm. Mandelstamm, Dobrowolsky, und Peirce vor, aber die Untersuchungs- methoden liessen doch Manches zu wünschen übrig. Daher unternahm ich es gemeinsam mit Hrn. C. Dieterici die vorliegende Frage einer nochmaligen genauen Prüfung zu unterziehen, in der (sich nachher auch bestätigenden) Hoffnung, dass wir beide, obgleich nach genau derselben Methode arbeitend, ! Mehrere Tage später als die erste Messung gemacht. “ PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — ARTHUR KÖNIG. 163 doch zu verschiedenen Resultaten gelangen würden, was dann einen Nachweis dafür gab, dass auch innerhalb der trichromatischen Farbensysteme nicht ge- ringe individuelle Verschiedenheiten vorhanden sind. Wir bestimmten die Empfindlichkeit gegen Wellenlängenunterschiede für zwei verschiedene Intensitäten durch den mittleren (aus 50 Einstellungen ge- wonnenen) Fehler einer Einstellung auf Nuancengleichheit zweier homogen sefärbten Felder. Die Resultate sind in folgender Tabelle angegeben, welche sowohl die Wellenlängen als auch die mittleren Fehler in Milliontel Millimeter angiebt. Mittlerer Fehler einer Einstellung für Wellenlänge | _ beide Intensitäten. £ | K D 640 128 182 63 | 15305 1-47 620 | 0-68 1-00 610 0:56 0-78 600 0-36 048 590 0.26 0-40 n 580 0°27 0-5 570 0.29 El 560 0.40 032 550 0.65 0-51 540 0.68 064 53 | 0-65 0-62 520 | 0-59 0-51 Für hohe Intensität. Für geringe Intensität. K D | K D 510 0-51 0-38 0-40 0°38 500 0-41 029 0:23 0.28 490 0.36 0-25 0-16 0.23 480 0.35 0-23 0:28 0-26 470 0-45 0.35 0.46 0-41 460 0-54 0-53 0.54 0.57 450 0.82 0-57 0.44 0-40 440 0:62 050 068 0.45 430 069 0.56 1:08 | 0.56 Die Ergebnisse lassen sich in Folgendem zusammenfassen. 1) Die Empfindlichkeit ist für eine grössere Wellenlänge als 510 Milliontel ' Millimeter unabhängig von der Intensität. | 2) Das Maximum der Empfindlichkeit im Gelben liegt für beide Beobachter an verschiedenen Stellen des Spectrums. 3) Die beiden anderen Maxima (im Blaugrünen und am Uebergang von Indigo in Violett) liegen bei derselben Intensität für beide Beobachter an der- ' selben Stelle. Ä | t 11* | .\ | 164 VERHANDLUNGEN DER BERLINER 4) Sie wandern aber (ebenso wie der ungefähr in der Gegend des ersten dieser beiden Maxima liegende neutrale Punkt der Rothgrünverwechsler) mit steigender Intensität nach dem violetten Ende des Speetrums hin. Hinsichtlich der Einzelheiten sowohl der im Vorstehenden erwähnten Unter- suchungsmethoden wie der erlangten Resultate verweise ich auf die speciellen Abhandlungen. Dieselben finden sich: Wiedemann’s Annalen. Bd. 17. S. 990.. 1882. Bd. 22. S. 567 u. 929. 1884. Gräfe’s Archw. Bd. 30. Abth. 2. S. 155 u. 171. 1884. Verhandlungen der physikalischen Gesellschaft zu Berlin. Jahrgang 1882. No. 2 u. 12. Jahrgang 1883. No. 4, 14 u. 16. Jahrgang 1884. DA ua Zeitschrift für Instrumentenkunde. Bd. 3. 8. 20. 1883. Hirschberg’s COentralblatt für praktische Augenheilkunde. Jahrgang 1884. Decemberheft. V. Sitzung am 16. Januar 1885. 1. Hr. Hans VırcHow sprach: „Ueber den Bau der Zonula und des _ Petit’schen Kanales. Der Glaskörper ist gegen den Petit’schen Raum durch eine Haut abge- schlossen. (Das Genauere über diese Bildung lässt sich am besten in Verbin- dung mit dem Glaskörper besprechen. Es handelt sich allerdings nicht um eine einfache Haut, sondern um ein eigenthümliches dichtes Gewebe, welches jedoch immerhin den Namen einer Haut zu tragen verdient). Der Petit’sche Raum ist mit Fasern, der sogenannten Zonula, erfüllt, und gegen die hintere Augenkammer nicht durch eine Haut abgeschlossen. Zwischen dieser Faser- masse und der Oberfläche des Glaskörpers ist ein Spalt, allerdings grössten- theils nur ideeller Natur, vorhanden. Die beiden sich widersprechenden in der Litteratur vorhandenen Anschauungen, nach deren einer der Petit’sche Raum von Fasern frei und die Zonula die vordere, durch eine Membran oder durch Fasern gebildete Wand dieses Kanales, nach deren anderer der Petit’sche Raum von Fasern durchsetzt ist, erklären sich aus der Verschiedenheit des Untersuchungs- verfahrens. Die erste Anschauung wird nämlich gewonnen, wenn man durch Entfernung der Iris und der Ciliarfortsätze die Zonula von vorn her frei legt und Luft oder Flüssigkeit hinter dieselbe treibt; die andere, wenn man radiäre Schnitte anfertigt. Im ersten Falle wird der hinter der Zonula gelegene Spalt ausgedehnt und bietet das zwar sehr sinnfällige aber auch sehr unnatürliche Bild eines weiten Kanales, im anderen Falle erhält man von dem Spalt gar keine oder doch nur eine sehr wenig auffallende Ansicht, erblickt dagegen die Fasermasse in ihrer ganzen Dicke. Das Verhältniss kann noch eindringlicher . vorgestellt werden, wenn man sich einen Augenblick auf den Standpunkt Hannover’s stellt: Dieser zeichnete von den Spitzen der Falten je eine Membran an die vordere und an die hintere Fläche der Linse, welche zwischen sich einen Raum fassten (den von der Fasermasse erfüllten Raum), welchen PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — Hans VırcHow. — Kossen. 165 Hannover für den Petit’schen Kanal nahm; ausserdem aber einen Spalt, der von der Glaskörperhaut hinten und von den Ciliarfortsätzen und der hinteren Wand des Petit’schen Raumes (im Sinne Hannover’s) vom begrenzt war. Den letzterwähnten Spalt nannte in der Folge Finkbeiner den Hannover’schen Kanal. Diese Anschauung hat insofern einen klärenden Werth, als in ihr zwei Räume vorhanden sind, von denen der eine mit dem Petit’schen Raume der Injectionen, der andere mit dem der radiären Schnitte annähernd identisch ist. Man kann sich leicht von dieser allerdings schematischen Hannover-Fink- beiner’schen Darstellung zu dem wahren Sachverhalt erheben, wenn man nur berücksichtigt, dass weder die Zonula gegen die hintere Augenkammer, noch der prävitreale resp. postzonale Spalt gegen die Zonula durch eine Membran abge- schlossen, und dass besonders an der hinteren Fläche die Begrenzung der Zonula keine scharfe ist, indem hier die Fasern lockerer liegen und dünner sind. Die dieksten Fasern findet man (wenigstens ist das bei der Ziege in ausgesprochenem Maasse der Fall) an der vorderen Seite, unmittelbar hinter den Falten in diehter Lage. Uebrigens muss ausdrücklich betont werden, dass zum Studium dieses Verhältnisses neben den radiären Schnitten auch Querschnitte durch die Zonula unerlässlich sind, denn auf den ersteren erscheinen diese Fasern unter dem Bilde eines homogenen Streifens, welcher ebensogut der Ausdruck einer quergeschnittenen Membran sein könnte, auf Querschnitten dagegen ist leicht festzustellen, dass es sich um Fasern handelt, die allerdings sehr dicht liegen, sich zum Theil berühren und gewiss auch mitunter verbunden sind. Die Fasern der Zonula werden sodann in der Nähe des Linsenaequators durch sehr reiche Theilung, die besonders beim Hunde überaus schön ist, ganz fein und ihre Anhäufung in demselben Maasse sehr dicht, so dass bei der Ziege unmittelbar an der Linse das Bild einer granulirten Substanz entsteht, in welcher die ein- zelnen Fasern nicht mehr zu erkennen sind. Die Fasern gehen nicht nur an die vordere und hintere Fläche der Linsenkapsel, sondern auch an den dazwischen- gelegenen Abschnitt, welcher dem Linsenaequator angehört, und heften sich hier unter zunehmenden Winkeln, in der Mitte rechtwinklig (Hund) an. Die Frage, ob die Fasern frei durch Flüssiskeit hindurchgespannt seien oder ob eine Kitt- substanz sie verbinde, konnte nicht sicher entschieden werden, indem die Bilder bald mehr für das eine, bald mehr für das andere sprachen. Verbindungen zwischen der Zenula und der Glaskörperoberfläche wurden in ausgesprochener, charakteristischer Form nur im Bereiche des Orbiculus ciliaris (Orang, Kanin- chen) gefunden. Hr. Kossen hielt den angekündigten Vortrag: „Ueber eine neue Base aus dem Thierkörper.“ Der Vortragende fand in thierischen Geweben (Pankreas, Milz) und in der Hefe einen neuen Körper von basischen Eigenschaften auf, welcher durch seine Eigenschaften und seine Zusammensetzung zeigt, dass er dem Hypoxanthin, Xanthin und Guanin nahe verwandt ist. Dieser Körper erhielt den Namen Adenin. Er hat die Zusammensetzung: C,H,N,. Das Adenin krystallisirt mit Krystallwasser aus der wässerigen und ammoniakalischen Lösung, die Kıy- stalle verwittern an der Luft. Es bildet gut krystallisirende Salze mit Salz- säure, Salpetersäure, Schwefelsäure, von denen das letztere analysirt wurde. Die Analysen führten zur Formel: (C, H, N,), H,SO, + 2H,0. Das Krystallwasser 166 VERHANDLUNGEN U. S. w. — KOSSEL. — ED. ARONSOHN. seht bei 110° fort. Die ammoniakalische Lösung giebt mit Silbernitrat einen voluminösen Niederschlag, der sich in heisser Salpetersäure löst und beim Er- kalten in krystallinischer Form wieder ausfällt. Mit Platinchlorid giebt das Adenin ein schwer lösliches, gut krystallisirendes Doppelsalz. Die Base ist in kaltem Wasser schwer, in heissem leicht löslich; beim Erkalten krystallisirt sie aus. Sie ist in starkem Ammoniak löslich, in ver- dünntem unlöslich und wird durch verdünnte Ammoniakflüssigkeit aus ihrer Lösung gefällt. Die wässerige Lösung reagirt neutral. In Natronlauge ist das Adenin leicht löslich. Das salzsaure und salpetersaure Salz lösen sich ebenfalls leicht ‚ das schwefelsaure ist schwerer löslich und kann deshalb zur Reinigung benutzt werden. ‘Beim langsamen Erhitzen bildet das Adenin ein krystallinisches Sublimat, welches durch ammoniakalische Silberlösung gallertig gefällt wird. Für die Darstellung wurde hauptsächlich der aus ammoniakalischer Lösung gewonnene Silberniederschlag benutzt, zur Trennung vom Hypoxanthin diente die Fällbar- keit durch verdünntes Ammoniak, zur Abscheidung des Guanins fractionirte Krystallisation aus salzsaurer Lösung. » Nachtrag zur Sitzung am 31. October v. J. Hr. Ep. ARoNsoHn, Cand. med., hielt den von ihm und Hrn. Cand. med. JJ. Sacus, angekündigten Vortrag: „Ein Wärmecentrum im Grosshirn“ (mit Demonstration). Verfassern ist es gelungen, durch eine grosse Anzahl von Versuchen an Kaninchen, Meerschweinchen und auch Hunden durch Einstich in das Gross- hirn an einer genau fixirten Stelle, jedesmal ein sofortiges Ansteigen der Körper- temperatur und zwar gleichzeitig und gleichmässig im Rectum, den Muskeln und der Haut bis auf 42° C. zu constatiren, ohne dass die Thiere vor Abkühlung geschützt wurden. Diese hohe Temperatur, verbunden mit geringer Steigerung der Respirationsfrequenz (bei unverändertem Respirationstypus) und Ver- minderung der Chloride im Harn, dauerte ohne anderweitige Störungen im Ge- sundheitszustande des Thieres zwei bis drei Tage lang an und kehrte dann zur Norm zurück, um bei erneutem Einstiche wiederum jene Höhe zu erreichen und fast dieselbe Zeit anzudauern. Die Einstichstelle liegt an der Vereinigungsstelle der Sutura sagittalis und coronaria, einige Millimeter rechts oder links vom Sinus longitudinalis. Der Einstich wird mit einer Nadel in senkrechter Richtung bis zur Basis eranii ge- macht und die Nadel dann sofort wieder herausgezogen. Nach dem Vortrag demonstrirten Verfasser erstens ein Kaninchen mit 41. 7°C., welches noch an demselben Tage, und zweitens ein Kaninchen, welches vor drei Wochen in Gegenwart des Hrn. Prof. Kronecker operirt worden war, welches damals zwei Stunden nach der Operation eine Temperatur von 42° C. zeigte und jetzt noch gesund und wohlbehalten erschien. 2 um /ur Kenntniss der sensiblen Nerven und der Reflex- apparate des Rückenmarkes. Von K. Hällsten in Helsingfors. Schon vor Jahren unternahm ich einige Untersuchungen über Muskel- reflexe, ursprünglich wegen einer Frage allgemeiner, principieller Art; später kehrte ich wiederholt zu demselben Gegenstande wegen einiger speciellen Fragen zurück. Die erste Detailfrage, über welche ich Klarheit zu er- langen wünschte, war die, ob die Erregbarkeit in einem sensiblen Nerven an verschiedenen Stellen verschieden ist. Die Untersuchungen wurden an einem Reflexpraeparate vom Frosch ausgeführt, welches aus den beiden Nn. ischiadici bestand, die einerseits mit dem Rückenmarke und andererseits mit wenigstens einem M. gastrocnemius in Verbindung standen. Etwas später kehrte ich zu demselben Praeparate zurück, um zu untersuchen ob sich sensible Nerven ebenso zum constanten Strome verhalten wie motorische; bei den hierhergehörenden Untersuchungen war es hauptsächlich auf zwei Umstände abgesehen, erstens ob sich elektrotonische Veränderungen der Er- regbarkeit ebensowohl in sensiblen Nerven wie in den motorischen auf- weisen lassen, und ferner ob Pflüger’s Zuckunosgesetz sich auch bei Reizung sensibler Nerven nachweisen lässt. Die Untersuchungsresultate in Bezug auf die Erresbarkeit an verschiedenen Stellen desselben sen- siblen Nerven und in Bezug auf die elektrotonischen Erregbarkeitsver- änderungen in sensiblen Nerven sind früher miteetheilt worden;! die Untersuchungen in Bezug auf Pflüger’s Zuckungsgesetz werden hier unten referirt werden. Später kehrte ich nochmals zu demselben Praeparate zurück wegen Untersuchungen über den Einfluss des Querschnittes auf die ! Dies Archiv. 1880. S. 112—114. 168 | ‚ K. Häunısımen: Erregbarkeit sensibler Nerven, sowie über die Dauer des Reflexes, und vor Allem über mögliche qualitative Verschiedenheiten in den Erregungen, welche verschiedene Reize in demselben Nerven hervorrufen. In Verbindung mit diesen Fragen galt es noch die anatomischen Bahnen zu untersuchen, welche in dem benutzten Praeparate die Reflexe vom N. ischiadicus auf der einen Seite zum M. gastroenemius auf der anderen vermitteln. In der Mehrzahl der hierhergehörenden Untersuchungen musste die Reflexfähigkeit des Rückenmarkes vermehrt werden, damit sich die Er- regung vom Nervenstamme durch die Reflexapparate des Rückenmarkes fortpflanze; zu diesem Zwecke wurden die Frösche, von denen die Praeparate bereitet wurden, mit Strychnin vergiftet, und zwar in den meisten Ver- suchen mit salpetersaurem, zuweilen auch mit essigsaurem Salze; die Ver- eiftung geschah vermittelst Einspritzung unter die Rückenhaut mit einer Pravaz’schen Spritze; übrigens wurde das Strychnin nur in kleinen Dosen angewendet, welche bei der Beschreibung der einzelnen Versuche näher angegeben sind. Zum ausschliesslichen Gebrauche von Strychnin bei diesen Untersuchungen, wurde ich durch unsere Kenntniss der Wirkung desselben auf diejenigen nervösen Apparate, welche die Reflexe vermitteln, veranlasst; schon vor Jahrzehnten hat nämlich Schiff! hervorgehoben, dass die Er- regbarkeit der motorischen und sensiblen Nerven nicht durch Strychnin- vergiftung verändert wird; dasselbe ist auch nach Eckhard? in späterer Zeit durch Meihuizen an motorischen und durch Bernstein an sensiblen Nerven nachgewiesen worden; und schliesslich hat Rosenthal? gefunden, dass das Strychnin auch die Fortpflanzungsgeschwindigkeit in den peri- pherischen Nerven unverändert lässt. Es sind also nur die Reflexapparate im Rückenmark, dem verlängertem Mark u. s. w., welche bei der Strychnin- vergiftung verändert werden, aber nicht die peripherischen Nerven. . Unter solchen Umständen scheinen Praeparate von strychnisirten Thieren zu Unter- suchungen von sensiblen Nerven durch Muskelreflexe geeignet zu sein. Das Praeparat, an welchem die Untersuchungen ausgeführt wurden, ward auf folgende Weise zubereitet: das Thier wurde geköpft; die vordere Brust- und Bauchwand nebst dem grössten Theil der Eingeweide wurden entfernt, und mit Hülfe einer Scheere und Pincette der Rest derselben, wie z. B. die Nieren, die Blase u. s. w., abgetrennt, so dass der Plexus ischiadieus beiderseits zum Vorschein kam; darauf wurde die Haut ab- gezogen, die Achillessehnen beiderseits freigemacht, die Unterschenkel mit 1 J. M. Schiff, Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Lahr 1858 — 1859. S. 195—196. ? C. Eckhard, in Hermann’s Handbuch der Physiologie. 1870. Bd. II. Abth. 2. 8. 40. °C. Eckhard, a.a. 0. 8. 42. SENSIBLE NERVEN UND REFLEXAPPARATE DES RÜCKENMARKS. 169 Ausnahme der beiden Mm. gastroenemii dicht unterhalb der Kniee ab- oeschnitten, und die Nervenstämme in ihrem Verlaufe am Femur heider- seits blossgelest. Dann wurde das eine Scheerenblatt zwischen die Pl. ischiadiei und das Os coceygis geschoben, und abwärts bis gegen das Ende des Os coceygis herabgeführt, wodurch das untere Ende dieses Knochens vollkommen frei wurde; schliesslich wurde das obere Ende desselben dicht unterhalb des letzten Wirbels abgeschnitten. Es blieb. übrig beide Nn. ischiadiei bei ihrem Austritt aus der Beckenhöhle freizumachen, und das eine Os femoris nebst den daran befestigten Muskeln dicht oberhalb des Kniegelenkes abzuschneiden; das andere wurde gewöhnlich dicht unterhalb des Caput. femoris abgeschnitten und von den daran befestigten Muskeln befreit, um das Praeparat auf gewöhnliche Weise im Myographion be- festigen zu können. Die Präeparation und das Aufstellen des Praeparates im Myosraphion erfordert, wenn Alles vorher genügend vorbereitet ist, 5 bis 6 Minuten. Bei Zubereitung von Reflexpraeparaten dieser Art ist noch eine Frage zu beantworten, — und zwar wie hoch die Wirbelsäule bez. das Rückenmark abzuschneiden ist; nach der Köpfung ist nämlich ein grösserer oder kleinerer Theil der Medulla oblongata im Praeparate zurückgeblieben, und durch Setschenow’s bekannte Untersuchungen wissen wir, dass dieselbe einen wesentlichen Einfluss auf die Reflexe ausübt; die Erregung derselben hindert „nämlich die Entstehung der Reflexe, und die sensiblen Nerven bilden einen der physiologischen Wege für die Erregung dieser Hemmungs- mechanismen“.! Unter solchen Verhältnissen muss die Medulla oblongata vom Praeparate entfernt werden. Dies wird nun durch Abschneiden der Wirbelsäule nebst dem Rückenmark in der Höhe des dritten Wirbels oder des vorderen Lymphherzens, ein wenig nach unten vom N. brachialis er- reicht; hierdurch ward das verlängerte Mark ganz und gar entfernt, während der Theil des Rückenmarkes, welcher — nach den übereinstimmenden Untersuchungen von Koschewnikoff sowie von Vanlair und Masius, von welchen Untersuchungen übrigens weiter unten Rede sein wird — die Reflexe nach den hinteren Extremitäten vermittelt, erhalten bleibt. — Um in dem Folgenden von einfacheren zu complicirteren Verhält- nissen fortzuschreiten, nehmen wir hier zunächst die Frage von den Muskel- reflexen bei Anwendung des constanten Stromes auf. In diesem Artikel beabsichtigen wir jedoch nicht nur die Reizung sensibler Nerven vermittelst des eonstanten Stromes, sondern zugleich solche Umstände so untersuchen, die für den Gebrauch des betreffenden Praeparates bei physiologischen ZpeSets chenow, Physiologische Studien über Hemmungsmechanismen. Berlin 1869. S. 35. 170 K. Hirısten: Untersuchungen hinsichtlich der sensiblen Nerven und der Muskelreflexe überhaupt von Bedeutung sind, hierher gehört z. B. die Aufgabe fest- zustellen wie lange das Reflexpraeparat sich unverändert erhält, wie oft die Reizungen wiederholt werden können, wie genau die Reflexzuckungen von den Veränderungen des angewandten Reizes beeinflusst werden u. s. w. Danach untersuchen wir die Bahnen, welche die Reflexe zum M. gastro- cnemius vermitteln, um womöglich auf diesem Wege die Untersuchungs- methode zu vereinfachen. 1. Reizung sensibler Nerven mittelst des constanten Stromes. Zu dieser Ueberschrift mag gleich hinzugefügt werden, dass es sich hier nur um Reizung mittelst einfachen Schliessens und Oeffnens des Stromes, nicht aber mittelst Summirens handelt. Ferner müssen wir hier die Untersuchungen in zwei Gruppen trennen, je nachdem sie sich auf Praeparate von nicht-strychninisirten oder von Fröschen beziehen, deren Reflexthätigkeit mittels geeigneter Mittel (Strychnin) vermehrt worden ist. A. Untersuchungen an Praeparaten von nicht strychninisirten Fröschen. Meines Wissens sind vom N. ischiadicus des Frosches vermittelst des constanten Stromes erzeugte Muskelreflexe nicht Gegenstand von Unter- suchungen gewesen seit dem Jahre 1868, wo Setschenow seine Abhand- lung über elektrische Reizung der sensiblen Rückenmarksnerven des Frosches veröffentlichte.” Bei seinen Untersuchungen wurde das Praeparat folgender- maassen hergestellt: dem Frosche wurde nach Abtragung der Hemisphaeren (durch einen Schnitt in die Thalami optici), oder nach Köpfung desselben gleich unterhalb der Rautengrube, eine von den Femoralarterien möglichst hoch unterbunden, hierauf der N. ischiadicus herauspraeparirt und in der Kniekehle durchschnitten, endlich der Oberschenkel, mit Beibehaltung eines Hautlappens zur Bedeckung der Wunde nebst dem zusammengerollten Nerven, möglichst hoch amputirt.“? Unter diesen Verhältnissen konnte Setschenow leicht Reflexzuckungen, unter anderen Stellen auch in der intacten hinteren Extremität hervorrufen, wenn er einen constanten Strom 1 J. Setschenow, Ueber die elektrische und chemische Reizung der sensiblen Rückenmarksnerven des Frosches. Graz 1868. 2 Ebenda. 8.6. SENSIBLE NERVEN UND REFLEXAPPARATE DES RÜCKENMARKS. 171 auf den blossgelegten Nerven einwirken liess." An dem Reflexpraeparate dagegen, um welches es sich hier handelt, bewirkt der constante Strom keine „Reflexzuckungen in der anderen Extremität; nur in einzelnen Fällen, von denen gleich unten die Rede sein wird, haben wir Ausnahmen von dieser Regel beobachtet. In diesen Untersuchungen wurden 6 bis 8 bis 12 Daniell’sche Elemente säulenartig angeordnet, und selbst noch stärkere Ströme benutzt; der Strom wurde mittelst unpolarisirbarer Elektroden dem Nervenstrom zugeleitet. Das Ergebniss war dasselbe auch wenn das verlängerte Mark nicht entfernt war. Die Verschiedenheit in diesen Resul- taten scheint nur darauf zu beruhen, dass die Bluteirculation in Setschenow’s Praeparat fortbesteht, während sie in dem hier benutzten Praeparate ganz aufgehoben ist; in der That hat man sich ja schon lange gedacht, dass auch die nervösen Centralapparate der Blutzufuhr für ihre normale Thätigkeit bedürfen (vgl. z. B. Hermann’s Physiologie vom Jahre 1870,?2 und Hermann’s Handbuch der Physiologie).” Dieser Umstand beweist, dass zum Gebrauche des hier vorliegenden Praeparates das Reflexvermögen des Rückenmarkes durch geeignete Mittel vermehrt werden muss. In dem hier benutzten Praeparate bewirkt der constante Strom also keine Muskelreflexe; aber von dieser Regel werden — wie schon oben er- wähnt wurde — bisweilen Ausnahmen wahrgenommen. Meine Aufmerk- samkeit wurde vor Jahren bei Studium des Elektrotonus in den sensiblen Nerven hierauf gerichtet; ich hielt die Frage damals nicht für einer näheren Untersuchung werth; und wenn ich später dieser Erscheinung nachgeforscht habe, ist es mir kaum gelungen dieselbe wiederzufinden. Von dieser Ver- suchsreihe habe ich zur Erinnerung aufgezeichnet, dass sich diese Reflex- zuckungen hauptsächlich beim Schliessen des Stromes zeigen, dass dieselben von geringer Grösse sind, und sich nur unbedeutend mit der Stärke des Stromes verändern. Ein Paar hierhergehörender Beobachtungen, die Versuche 1 und 2 unten, welche letztes Frühjahr gemacht wurden, stimmen nicht in allen Stücken mit diesen Resultaten überein, diese Beobachtungen wurden an zwei deutschen Fröschen (R. viridis) gemacht, von einer grossen Menge die einzigen zwei Exemplare, die den Winter über bis gegen Ende März in dem für dergleichen Versuchsthiere bestimmten Aufbewahrungszimmer des Laboratoriums am Leben blieben. In der Beschreibung der Versuche, hier und in dem Folgenden, be- zeichnen Dan. die Anzahl der angewendeten Daniell’schen Elemente, Pol. denjenigen Pol, welcher dem Rückgrat näher war, Schlz. Schliessungs- 1 J. Setschenow, 2.2.0. S.S8. ® L. Hermann, Grundriss der Physiologie. Berlin 1870. 8. 410—411. ®A.a.0. Bd.II. Th.1. S.134 und Bd. IV. Th. 2. S. 273. 172 K. HäuLısten: zuckung, Oeffnz. Oeffnungszuckung; die Grösse der Muskelzuckung ist in Millimetern angegeben, welche die Höhe des Hebelausschlages bezeichnen. Versuch 1. Die eine Electrode war unterhalb der Mitte des N. ischia- dieus angelegt, die andere in der Kniekehle; die Reizungen geschahen in Zwischenzeiten von einigen Secunden; ihre Reihenfolge deuten die einander folgenden horizontalen Linien an. Dana REN Bol eG Sch ars Veh EM NDTNegalnt URN: 0 a, wit 0 Dan DARNEHRIENT I AED starke 0 DIE EIERN positge a Pr schwaches zen: 0 Dr BIRRR RR ER 0 0 Es traten also ausschliesslich Schliessungszuckungen ein. Versuch 2. Die Anordnung und das Verfahren wie im vorhergehenden Versuch. Dana EP O3 BERS ch EEE einz: 1 neral 0 0 129.9 poste MER 0 0 DEE. AHimerab. en erg 0 5 10.2 0 ” Nach einer Ruhe von einigen Minuten. Bolae ra Schlzasger Pest (Veiinr- SENCDat ed posit. 3 . negat. 5) posit. ii ENe car) Posi 70) 7 0 0 S& So B [1 Gar! SG SEET JUEEL LEE Sol Nolan (04) . negat. posit. . negat. I SINSESTSESESES HB Wieder also beinahe ausschliesslich Schliessungszuckungen, unabhängig von der Richtung des Stromes; die Grösse der Zuckung aber recht variirend. Mehrere Versuche, welcheim letzten Frühjahr an einheimischen Fröschen (R. temporaria) angestellt wurden, sowohl an kürzlich eingefangenen als an solchen die den Winter über im Aufbewahrungszimmer des Laboratoriums zugebracht hatten, haben die fragliche Erscheinung nicht hervortreten lassen. Auf Grund dieser Beobachtungen glaube ich, das die wenigen SENSIBLE NERVEN UND REFLEXAPPARATE DES RÜCKENMARKS. 173 Ausnahmefälle, wo der constante Strom Reflexzuckung durch Schliessen oder Oeffnen in dem betreffenden Praeparate hervorruft, auf irgend einem krankhaften Zustande in den Reflexapparaten der Versuchsthiere beruht. B. Untersuchungen an Praeparaten von strychninisirten Fröschen. Die Reactionen, welche sensible Nerven in Praeparaten von strychnuini- sirtten Fröschen bei Reizung mit dem constantem Strome zeigen, sind schon früher von Pflüger untersucht worden, und die Ergebnisse seiner Untersuchungen sind in zwei Abhandlungen, von denen die eine im Jahre 1860,! die andere 1865 herausgegeben wurde, dargelegt worden; nur von der ersten dieser Abhandlungen habe ich Gelegenheit gehabt Ein- sicht zu nehmen. In dieser hebt Pflüger hervor, dass dasselbe Zuckungs- gesetz, welches er früher an motorischen Nerven nachgewiesen hat, auch für sensible Nerven gilt; die Untersuchungen wurden an R. esculenta nach vorhergehender Vergiftung mit Strychninnitrat in kleiner Dosis ausgeführt. Die Vergiftung geschah durch Bestreichen der blossgelegten Lunge mit einem Glasstabe, welcher in eine concentrirte Lösung des Salzes getaucht worden war; oder es wurde etwas von der Flüssigkeit in eine Wunde der Rücken- haut eingegossen. Die Untersuchung wurde übrigens an einem möglichst intacten Thiere ‘ausgeführt; nur der Oberschenkel wurde auf der einen Seite entfernt, so dass der Unterschenkel nur durch den N. ischiadicus mit dem Körper in Verbindung stand; eine Blutung wurde aber verhindert, so dass die Bluteireulation möglichst erhalten blieb. Der Strom schliesslich wirkte ' auf den blossgelesten N. ischiadieus mittelst Zinnelektroden ein.” Es war | also im Wesentlichen dieselbe Untersuchungsmethode, welche Setschenow ‚ später bei seinen oben erwähnten Untersuchungen anwendete. Es mag erwähnt werden, dass mir diese Arbeit von Pflüger erst bekannt wurde, nachdem ich mit den hier mitgetheilten Untersuchungen schon lange be- sonnen und Pflüger’s Zuckungsgesetze für sensible Nerven an dem oben . beschriebenen Reflexpraeparate- bestätigt hatte. Bei diesen und ähnlichen Untersuchungen an dem Reflexpraeparate, ‚ von dem hier die Rede ist, ist zunächst zu entscheiden mit welcher Dosis ‚ die Vergiftung am besten auszuführen ist und ferner, welches Vergiftungs- ‚ stadium das geeignetste ist zur Verfertigung des Praeparates oder zur Aus- ‚ führung der Versuche. In der oben erwähnten Arbeit Pflüger’s ist, wie ‚ bereits angedeutet wurde, die Quantität des angewendeten Giftes nicht näher ‚ angegeben; von anderen Autoren, welche Strychnin bei pharmakodynamischen .F. W. Pflüger, Disquisitiones de sensu electrico. Bonnae MDCCCLX. a S.6..7 und 8. 174 K. HÄLLsTEn: oder physiologischen Untersuchungen angewendet haben, giebt Meihuizen! die angewendete Quantität zu !/,, oder !/, "= an; nach Vergiftung mit diesen Quantitäten sah Meihuizen einige Minuten darnach die Vergiftungs- erscheinungen bei Berührung und leichter mechanischer Reizung hervor- treten. Wundt hat, um leichter Reflexe hervorzurufen, nur ?/,,, bis !/,, "em? Strychninnitrat angewendet; Rosenthal hat dagegen bei seinen, im ver- gangenen Jahre mitgetheilten Untersuchungen über denselben Gegenstand 1, bis !/,, "em? desselben Stoffes angewendet. Aus diesen Angaben erhält man also nur sehr geringen Anhalt zur Bestimmung über die Grösse der Dosis; zur näheren Feststellung desselben wurden daher zehn Frösche von ungefähr gleicher Grösse ausgewählt; es waren R. temporariae, die kurz zuvor hier gefangen worden waren, und die Versuche wurden im Monat Mai ausgeführt. Von diesen Thieren wurden zwei mit !/,, "2%, zwei andere mit Y/,, u. 8. w. mit Us /,, und !/, msm Strychninnitrat vergiftet; die Ver- siftung wurde — wie oben erwähnt — mittelst Einspritzung ausgeführt. An den zweien, welche mit !/,, "E'® vergiftet wurden, merkte man im Ver- lauf 1’/, Stunde kein anderes Vergiftungsphänomen, als dass die Extremi- täten des einen bei Reizung schwach zusammenzuckten; zu solcher Reizung wurde hier und in dem Folgenden nur ein Schlag mit der Hand auf den Tisch angewendet, auf welchem das Thier in einer gläsernen Schüssel be- wahrt wurde. Die Beobachtungen an diesen beiden Fröschen wurden nicht weiter auf die Dauer fortgesetzt; den folgenden Tag konnte nichts Abnormes an ihnen bemerkt werden. An den beiden wieder, welche mit !/, "E”” ver- giftet worden waren, wurde eine Stunde darnach keine andere Wirkung bemerkt, als dass der eine von ihnen auf den erwähnten Reiz hin mit den Extremitäten zuckte; aber nach einer Stunde und 5 Minuten bekam der- selbe einen gelinden Krampfanfall; und nach einer Stunde und 10 Minuten bekam auch der andere einen ähnlichen Anfall. Bei denen, welche mit 1/, vergiftet worden waren, zeigten sich die ersten Vergiftungsphänomene nach resp. 20 und 25 Minuten in der Form von Zuckungen in den Extre- mitäten bei Reizung, und 30 Minuten nach der Vergiftung waren beide im Zustande eines lange anhaltenden Krampfes.. Was die beiden Frösche anbelangt, welche mit !/,, ”E”” vergiftet worden waren, so zeigten sich bei dem Einen schon nach 4 Minuten Zeichen von Vergiftung in der Form ! 8. Meihuizen, Ueber den Einfluss einiger Substanzen auf die Reflexerregbarkeit des Rückenmarkes. Pflüger’s Archiv für die gesammte Physiologie. 1813. Bd. VII Sr2213. 2 W. Wundt, Uniersuchung zur Mechanik der Nerven und Nervencentra. Stuttgart 1876. Abth. 2. 8.9. 3 J. Rosenthal, Fortgesetzte Untersuchungen über Reflexe. Sizzungsberichte der physikalisch-medieinischen Societät zu Erlangen. Erlangen 1883. Heft 15. 8. 32. SENSIBLE NERVEN UND REFLEXAPPARATE DES RÜCKENMARKS. 175 von Spreizung der Zehen der hinteren Extremitäten, so dass die Schwimm- haut ausgespannt war, ferner Zuckung in den Extremitäten bei Reizung und kurz darnach der erste Krampfanfall; der andere Frosch hatte dagegen erst nach 12 Minuten einen ähnlichen Krampfanfall. Von den letzten schliesslich, welche mit !/, ”8"” vergiftet wurden, zeigte der Eine schon nach drei Minuten einen kurzen Krampfanfall, während der Andere bei Reizung noch nicht reagirte; 8 Minuten nach der Vergiftung jedoch wurden beide durch Reizung in anhaltenden Krampf versetzt. — Es sind also nicht ge- ringe Verschiedenheiten, welche Thiere von derselben Grösse und unter möglichst gleichen Verhältnissen zeigen, obgleich dieselben mit derselben Dosis vergiftet werden; es kann hinzugefügt werden, dass der Verlauf der Vergiftung auch nach der Jahreszeit variirt; im Winter ist eine grössere Dosis nothwendig als im Frühjahr, um die Vergiftungserscheinungen binnen derselben Zeit hervorzubringen; auch die Brunstzeit übt einigen Einfluss, insofern als die Vergiftungsphaenomene verzögert werden. Die Versuche zeigen zugleich — was übrigens schon zur Genüge bekannt ist — dass die Vereiftungsstadien, im Allgemeinen wenigstens, auf um so kürzere Zeit- räume zusammengedrängt werden, je grösser die angewendete Dosis ist. Unter diesen Verhältnissen scheint es in der Natur .der Sache zu liegen, dass für die hiesigen Zwecke die Dosis so gewählt werden muss, dass die die Ver- eiftung begleitenden Phaenomene successiv hervortreten; hierzu haben wir eine Zeit von 8 bis 10 bis 20 Minuten von dem Momente, wo die Vergiftung geschah bis zum ersten eintretenden Vergiftungsphaenomen nöthig gefunden. Das Hauptgewicht haben wir also nicht auf die Grösse per Dosis, sondern darauf gelegt, dass die Vergiftungssymptome successiv hervortreten; und diese successiven Vergiftungsphaenomene sind folgende: Zuckungen in den Extremitäten bei Reizung, danach Krampfanfall im ganzen Körper von kurzer Dauer, etwa einer Secunde, ferner ein mehrere Secunden anhaltender Krampfanfall, und schliesslich darauf folgende Ermattung, so dass das Thier nicht mehr bei Reizung reagirt. Es kann hinzugefügt werden, dass als erstes Vergiftungssymptom ohne vorhergehende Reizung oft Spreizung der Zehen der hinteren Extremitäten, so dass die Schwimm- haut ausgebreitet wird, hervortritt. In WUebereinstimmung mit diesen successiven Vergiftungserscheinungen reden wir im Folgenden von drei verschiedenen Stadien der Vergiftung; das früheste erstreckt sich bis zu dem Momente, wo Zuckungen in den Extremitäten hervorgerufen werden können; das zweite umfasst das Stadium des Krampfes, und das letzte das Stadium der Lähmung. Die successiven Vergiftungserscheinungen, welche also durch eine passende Dosis hervorgebracht werden können, lassen darauf schliessen, dass die Reflexapparate — die einzigen nervösen Theile, auf welche, wie oben her- 176 K. HÄLLsten: vorgehoben, das Strychnin einwirkt — gradweise gewisse Veränderungen durchlaufen; wir haben daher herauszufinden gesucht, ob die Muskelreflexe in den verschiedenen Stadien Verschiedenheiten zeigen, und vor Allem welches Stadium für die Anwendung des Praeparates zu physiologischen Untersuchungen sensibler Nerven das geeignetste ist. Zu diesem Zwecke wird anfangs der constante Strom von verschiedener Stärke und Richtung als Reagens und die entstehende Reflexzuckung, resp. die Zuckungsgrösse als Kriterium angewendet; es ist natürlich, dass die Untersuchung sich nur auf die beiden ersten Stadien bezieht; das letzte, das Stadium der Lähmung, ist ohne Interesse für die Untersuchungen, mit welchen wir es hier zu thun haben. Für Beantwortung dieser Fragen suchten wir festzustellen, wie lange Zeit das betreffende Reflexpraeparat sich ıınverändert erhält, mit anderen Worten, wie lange die Praeparate bei wiederholter Reizung mit demselben Reize auf dieselbe Art reagiren, oder — um es kurz zu sagen — wir untersuchen die Dauerhaftigkeit der Praeparate. Ebenso untersuchen wir die Fähigkeit der Praeparate je nach Veränderung des Reizes durch Zuckung von verschiedener Grösse zu reagiren; diese Eigenschaft des Prae- parates kann kurz als Empfindlichkeit desselben bezeichnet werden; man findet unmittelbar dass diese Frage von der Empfindlichkeit des Praeparates auch die Frage von dem sogenannten Zuckungsgesetz in sich einschliesst. — Durch Untersuchung der Dauerhaftigkeit und der Empfindlichkeit des Prae- parates in den verschiedenen Vergiftungsstadien suchen wir also die oben gestellten Fragen zu beantworten. Von diesen beiden Fragen wird uns zunächst die von der Dauerhaftigkeit des Praeparates als die einfachere be- schäftigen. a. Die Dauerhaftigkeit des Praeparates. Um die Dauerhaftigkeit des Praeparates zu untersuchen wurden mit demselben Reize Reflexzuckungen mehreremal nacheinander hervorgerufen; dadurch wird festgestellt wie lange Zeit die Reflexzuckungen dieselbe Grösse behalten. Bei Ausführung der Versuche wurde ein schwacher constanter Strom als Reiz angewendet, ferner wurde der negative Pol näher zum Rückgrat gestellt; und schliesslich durfte der Strom nur auf den unteren Theil des Nervenstammes einwirken. Es kann hinzugefügt werden, dass der zweite M. gastrocnemius in allen diesen Versuchen erhalten geblieben war. Der Strom wurde durch Quecksilberleitung vermittelst Hand ge- schlossen. Diese Anordnungen der Versuche fordern vielleicht eine nähere Erklärung; der negative Pol wurde aus dem Grunde näher zum Rückgrat gestellt, weil — wie die Versuche später zeigen werden — die ersten Reflexzuckungen, welche bei allmählich zunehmender Stromstärke hervor- gerufen werden, bei Schliessung des Stromes entstehen und also von der SENSIBLE NERVEN UND REFLEXAPPARATE DES RÜCKENMARKS. 177 Kathode ausgehen; durch diese Anordnung wird daher der Widerstand vermieden, welche die Anode sonst bei der Fortpflanzung der Erregung nach dem Rückenmark zu ausüben würde. Ferner wurden die Pole an das Ende des Nervenstammes, unterhalb der Mitte desselben gelegt, um die elektrotonisirende Wirkung des Stromes auf das Rückenmark, sowie auch den Einfluss etwaiger Nebenströme auf dasselbe zu vermeiden. Bei der Erhaltung des anderen M. gastroenemius kam es weniger auf den Ein- fluss eines Querschnittes auf die Erregbarkeit des Nerven an, sondern er diente nur dazu, durch seine Zuckungen anzudeuten, ob die Leitung in "Ordnung war, und zugleich erlaubte er ein Urtheil über die angewendete Stromstärke vermöge ihrer Wirkung auf den direct gereizten motorischen Nerven; die Erhaltung dieses Muskels ist also von Nutzen bei der Aus- führung der Versuche; bei der Beschreibung der einzelnen Versuche jedoch erwähnen wir sein Verhalten nur ausnahmsweise. In den Beschreibungen der Versuche kommt hier zu den schon oben angewendeten Bezeichnungen eine Columne mit der Ueberschrift „Zeit“ hinzu, und damit ist in Minuten oder Seeunden die Zeit seit der ersten Reizung gemeint. Des Verhaltens des Praeparates bei Oeffnung des Stromes werden wir nur dort besonders Erwähnung thun, wo Oeffnungszuckungen her- vortreten. Versuch 1. Vergiftung mit !/,„"®””; 10 Minuten danach zeigte sich Spreizung der Zehen und schwache Zuckung an den Extremitäten bei Reizung; in diesem Momente wurde das Praeparat verfertigt. Die Reizungen gaben Reflexzuckungen auf der anderen Seite von folgender Grösse: Dankeesıtae sosZeit: 2 282 2.Schlz, NEO ER RRUNE DOREEN RAN, NE WERE ALORNSSTNRST De 0, ” wo die Zeit in Minuten angegeben ist. Versuch 2. Die Dosis und das Verfahren sind dieselben wie im vorher- gehenden Versuche. Erst 24 Minuten nach der Vergiftung zeigte sich hier Zuckung der Extremitäten bei Reizung, und 46 Minuten nach der Vergiftung Krampfanfälle von kurzer Dauer im ganzen Körper; im letzt- genannten Momente wurde das Praeparat verfertist. Das Praeparat ver- hielt sich auf folgende Weise: Dann. u eilt ins. iSchlz. IE OR EHER NT TER N 2, N MOEN, Hr End Y ER: Archiv f, A, u. Ph. 1885. Physiol. Abtlilg. 12 178 K. HÄLLSTEN: Versuch 3. Vergiftung mit !/,„"2”®; 17 Minuten danach Spreizung der Zehen und Zuckung der Extremitäten, sogar Sprung bei Reizung; nach 20 Minuten tetanischer Anfall von einigen Secunden im ganzen Körper; jetzt wurde das Praeparat verfertigt. Die Untersuchung gab folgende Resultate: -Dan. Zeit Schlz. RT ae a Wo 5 5 6-8 „ ORTEN, A Or Es kann bemerkt werden, dass der angewendete Strom in diesen drei Versuchen in dem anderen Muskel Schliessungs- und schwache Oeffnungs- zuckung hervorbrachte. Versuch 4. !/,„”®""; das Praeparat wurde 50 Minuten nach der Ver- siftung verfertigt, nachdem mehrere Anfälle von allgemeinem Krampf wäh- rend mehrerer Secunden vorher gegangen waren. Bei Reizung mit !/, Dan. entstand keine Zuckung; mit 1 Dan. minimale Zuckung; beim Summiren aber brachte sowohl 1 als !/, Dan. Zuckung hervor. Das Summiren hier, sowie auch bisweilen in dem Folgenden wurde angewandt, um die Reizbarkeit in dem Praeparate zu prüfen; es wurde nur durch wiederholtes Schliessen und Oeffnen des Stromes in der Quecksilber- leitung mit der Hand zu Wege gebracht. Versuch 5. 30 Minuten nach der Vergiftung mit !/, bis !/, msn traten dieselben Erscheinungen auf wie in dem vorhergehenden Versuche; dann wurde das Praeparat verfertist. Hier brachten !/, und auch 1 Dan. keine Reflexzuckung hervor, eben so wenig wie das Summiren; der andere Muskel aber (auf der gereizten Seite) wurde in Zuckung versetzt. Von diesen Versuchen fällt Versuch 1 in das erste der Stadien, welche wir oben unterschieden haben, und zwar in das Ende desselben; die Ver- suche 2 und 3 gehören in das mittlere Stadium, und die Versuche 4 undd in das letzte, das Stadium der Erlahmung. Die. Versuche zeigen schon, dass die Dauerhaftigkeit auch in den beiden ersten Stadien nur einige, 5 bis 10 Minuten währt; und wir können hinzufügen, dass die längste Dauerhaftigkeit, die wir beobachtet haben, 16 Minuten währte; ausserdem erweist es sich, dass das Praeparat nach anhaltendem Krampfanfalle nicht mehr für Untersuchungen der sensiblen Nerven brauchbar ist. Mit dieser Voraussetzung, dass das Praeparat nur kurze Zeit angewen- det werden kann, ist es für dessen Anwendung bei physiologischen Unter- suchungen von Gewicht zu ermitteln, wie oft die Reizungen geschehen können, ohne dass die Grösse der Muskelzuckung verändert wird; zu diesem SENSIBLE NERVEN UND REFLEXAPPARATE DES RÜCKENMARKS. 179 Zwecke führen wir hier eine Anzahl ähnlicher Versuche, wie die vorher- gehenden, an, aber mit kürzerer Zwischenzeit zwischen den Reizungen. In einigen dieser Versuche ist zugleich die Veränderung getroffen, dass die unpolarisirbaren Elektroden festen Abstand von einander erhalten haben; schon die vorhergehenden Versuche deuten an, warum dies geschehen ist. Die Reflexzuckungen sind maximal oder beinahe maximal in den verschie- denen Versuchen; aber sie sind von verschiedener Grösse. Wie die Versuche hier ausgeführt wurden, kann dies auf zufälligen Umständen beruhen, z. B. darauf, dass die Entfernung zwischen den Polen und mithin der. Leitungswiderstand, sowie die Stromstärke, verschieden sind in den verschie- denen Versuchen; um daher bei den Versuchen die gleiche Stromstärke zu erhalten, und dieselbe Stelle des Nervenstammes zu reizen, haben wir Elektroden mit festem Abstande zwischen den Polen benutzt. Die- ) ses wurde durch folgendes Ver- /y fahren, das durch die Abbildung Jh in etwas verjüngtem Maassstabe a genauer verdeutlicht wird, er- I N En ? reicht. Auf einer Unterlage von Ri Yx fi Holz sind drei gleichhohe Holz- — oder Korkstücke, k, k, k, in der Figur, befestigt; diese Korkstücke haben eine solche Form und Lage, dass zwischen A, und k, und ebenso zwischen A, und k, Zwischenräume von pris- matischer Form entstehen; in diesen Zwischenräumen haben die Glas- röhren r r für die Zinklösung und die Zinkstreifen ihren Platz; die Glas- röhren sind winkelförmig gebogen und auf der Unterlage befestigt. Alle Korktheile und die Unterlage sind ferner mit Asphalt überzogen, um die- selben zu isoliren. Bei der Anwendung werden die beiden prismatischen Zwischenräume mit Thonteig gefüllt, die Glasröhren mit der Zinklösung u. s. w., auf dieselbe Art, wie bei der Anwendung der Elektroden du Bois- Reymond’s; schliesslich giebt man der Unterlage, auf welcher die Kork- fläche befestigt ist, eine horizontale Lage im Myographion, und der Nerv wird auf die obere Fläche der Korkstücke gelegt, so dass er mit dem Thon in den prismatischen Räumen in Berührung steht. Die Entfernung zwischen den hier benutzten Elektroden war 18”, und diejenigen Stellen der Thon- spitzen, auf welchen der Nerv lag, hatten eine Breite von 3.5 "m, Diese Anordnung ist recht bequem bei Reizungsversuchen mit constantem Strome, ‚2. B. bei der Aufweisung des Zuckungsgesetzes u. s. w.; sie giebt dabei mit derselben Batterie dieselbe Stromstärke, wenn dieselben Stellen vom N. ischiadicus in verschiedenen Praeparaten auf die Elektroden gelegt werden, vorausgesetzt, dass die Versuchsthiere, bez. N. ischiadiei von derselben Grösse 12* 180 K. Härıstex: sind. Diese Anordnung gestattet, kurz gesagt, die Zuckungen, welche ver- schiedene Praeparate in verschiedenen Vergiftungsstadien zeigen, mit einan- der zu vergleichen. Wir theilen hier zunächst einige Versuche von einer Minute Zwischen- zeit zwischen den Reizungen mit; die ersten Versuche 6, 7 und 8 sind an Frühlingsfröschen im Monat Mai mit denselben Elektroden und festem Ab- stande ausgeführt. Versuch 6. Vergiftung mit !/,,"E”®; das Praeparat wurde 5 Minuten darauf verfertigt, nachdem schwache, gerade eben merkbare Zuckungen in den Extremitäten hatten hervorgerufen werden können. Die Reizungen mit !/, Dan. gaben nach einander folgende Schliessungszuckungen: 11.6, 12-4, 12.6, 12-6, 12-0, 11°6, 129, 128, 12-7, 12-17, 19.6, 9.8, 7.8, 18 und minimale Zuckungen — alle in Millimetern. Der Versuch bezieht sich auf das früheste Vergiftungsstadium und zeigt — im Vergleich mit den folgenden Versuchen 7 und 8 — grosse maximale Werthe der Zuckungen. Ferner behielten die Zuckungen ungefähr dieselbe Grösse bei den 11 ersten Reizungen, oder während 10 Minuten; gegen das Ende des Versuches nahmen die Zuckungen langsam im Verlaufe von 3 bis 4 Minuten ab. In einem anderen ähnlichen Versuche — Vergiftung mit !/ "= und Praeparat nach 5 Minuten, doch ohne vorhergehende merkbare Vergiftungs- erscheinungen bei Reizung — erzeugten !/, und 1 Dan. keine Reflexzuckung; in diesem Falle war also die Vergiftung noch nicht so weit fortgeschritten, dass die Erregung durch die Reflexapparate des Rückenmarkes fortgepflanzt werden konnte. Versuch 7. 27 Minuten nach der Vergiftung mit !/, ,"E® wurde das Praeparat verfertigt; 6 Minuten nach der Vergiftung hatten sich bei Rei- zung schwache Zuckungen in den Extremitäten gezeigt; nach 19 Minuten zeigten sich bei erneuerter Reizung starke Zuckung in den Extremitäten und Spreizung der Zehen; nach 22 Minuten trat der erste Krampfanfall ein; 23, 24 und 25 Minuten nach der Vergiftung, bez. der zweite, dritte und vierte Krampfanfall, der letzte von längerer Zeitdauer, etwa einigen Secunden. Bei Reizung mit !/, Dan. entstanden nach einander Zuckungen von folgender Grösse: 8-4, 7.8, 9.2, 8.0, 8.7, 8.2, 7.9, 6.4, 2-3 und Omm, Der Versuch bezieht sich auf ein weit mehr fortgeschrittenes Ver- giftungsstadium als der vorhergehende; er zeigt geringere maximale Zuckung und Dauerhaftigkeit während 7 bis 8 Minuten; gegen Ende des Versuches fanden die Reflexzuckungen im Verlauf von 2 bis 3 Minuten statt. Versuch 8. Vergiftung mit !/ „"E””; das Praeparat wurde nach 50 Mi- nuten verfertigt, nachdem starke, einige Secunden dauernde Krampfanfälle erfolgt waren. Reizung mit !/, Dan. gab in diesem Falle keine Reflex- SENSIBLE NERVEN UND REFLEXAPPARATE DES RÜCKENMARKS. 181 zuckung; mit 1 Dan. wurden sowohl Schliessungs- als Oeffnungszuckungen in folgender Reihenfolge hervorgerufen: Schl. Oeffnz. Schlz. Oeffnz. 4.0 . . . . 2.3 0m 3° M n E e R 9.0 mm 3.8 1.16%, 3-6 or 3.5 VER, 2.7 .o Be ol 3-0 0 3-5 SEN) cn 3.9 Ole 3-9 , DB NG ” Der Versuch wurde also an einem Praeparate ausgeführt, welches dem letzten Stadium nahe steht; auch hier zeigten die Schliessungszuckungen nicht geringe Beständigkeit während einer Zeitdauer von 2 Minuten, aber sie hatten geringe maximale Grösse und hörten plötzlich auf; die Oeffnungs- zuckungen dagegen, welche in diesem Falle zum Vorschein kamen, weichen in der Grösse bedeutend von einander ab. In diesen drei Versuchen hat sich noch nicht Gelegenheit geboten darzulegen, dass die Reflexzuckungen wirklich maximale oder beinahe maximale waren; wird aber dies zunächst als richtig angenommen, so zeigen die Versuche, dass die maximalen Zuckungen im ersten Vergiftungs- stadium am grössten sind. Die Versuche zeigen ferner im Vergleich mit den früheren, dass Reizungen mit einer Minute Zwischenzeit keinen wesent- lichen Einfluss auf die Dauerhaftigkeit ausüben. Diese Verhältnisse vervollständigen wir noch durch folgende drei Ver- suche, die an Winterfröschen ausgeführt wurden, und von welchen der letzte — Versuch 2 — sich auf eine umgekehrte Lage der Pole bezieht; in allen drei war, wie vorher, die Zeit zwischen den Reizungen 1 Minute. Versuch 9, Winterfrosch. Vergiftung mit !/, „8%; das Praeparat wurde 8 Minuten darnach verfertigt, nachdem sich schwache Vergiftungserscheinungen gezeigt hatten. Bei der Reizung wurden du Bois-Reymond’s Elektroden angewendet. Reizung mit !/, Dan. gab keine Reflexzuckung; mit 1 Dan. wurden Schliessungszungen in folgender Weise hervorgebracht: 8°8, 8-8, 8.8:9, 3:0, 9.0, 9-0, 9-0, 3-0, 3-0, 9:0, 9.0, 8-6, 8-4, 0,0,022. Der a rch sah in’s Sat Weralimsssienken ung zeigt 13 Minuten lang Ausdauer. Versuch 10. Zu gleicher Zeit ausgeführt wie der vorhergehende, auch an einem Winterfrosche; !/,„"E®%; das Praeparat nach 22 Minuten ver- fertigt, nachdem mehrere Anfälle von starkem Krampf vorhergegangen waren. Die Anordnung war dieselbe wie im vorhergehenden Versuche. Mit !/, Dan. konnten keine Reflexzuckungen hervorgerufen werden; 1 Dan. 182 K. HÄLLsten: dagegen gab folgende Schliessungszuckungen: 5-2, 5:0, 5:0, 5-0, 4-1, 3-9, 2:8, 0-8mm, Das Praeparat gehört dem Krampfstadium an; es zeigt ge- ringe maximale Zuckung und Ausdauer nur während 3 bis 4 Minuten. In den vorhergehenden Versuchen war der negative Pol näher zur Wirbelsäule; ein Versuch mag andeuten, dass das Praeparat sich ebenso lange hält bei umgekehrter Anordnung der Pole. Versuch 11, Winterfrosch. !/,, "2%; Praeparat nach 19 Minuten, nach- dem -sich bei Reizung schwache Zeichen von Vergiftung gezeigt hatten; der positive Pol näher zur Wirbelsäule, sonst dieselbe Anordnung wie in den Versuchen 9 und 10. Mit 1 Dan. wurden bei Reizungen mit 1 Minute Zwischenzeit folgende Schliessungszuckungen hervorgerufen: 8.4, 8-3, 8-2, 8.3, 8°7, 9%8, 8.7, 8°2, 1:2, 4.5, 0-7 an Der Versuch bezieht Sich also auf das erste Versuchsstadium, und das Praeparat zeigt dieselbe Aus- dauer wie bei umgekehrter Anordnung der Pole. Da die Praeparate nur eine Dauerhaftigkeit von nur einigen 5 bis 10 Minuten und zuweilen von etwas längerer Zeit zeigen, so ist es für den Gebrauch derselben bei physiologischen Untersuchungen von Gewicht zu erforschen, ob die Reizungen noch öfter als einmal in der Minute ge- schehen können, ohne dass die Dauerhaftigkeit verändert wird. Um diese Frage zu beantworten, haben wir Versuche an Praeparaten von den beiden ersten Stadien mit kürzerer und kürzerer Zwischenzeit zwischen den Reizungen, und schliesslich mit einer Zwischenzeit von nur einigen Secunden angestellt. Diese Versuche haben gezeigt, dass ungefähr dieselbe Dauerhaftiekeit Praeparaten von den beiden Stadien zukommt; diese Ver- hältnisse deuten wir nur durch einen Versuch an, in welchem das Praeparat in der Mitte der beiden Stadien oder im Anfange des zweiten Stadiums verfertigt wurde. Versuch 12, Frühlingsfrosch. '/,.”®”®; 9 Minuten darauf, nach eben eingetretenem Krampfanfalle, wurde das Praeparat verfertigt. Bei Reizung mit !/, Dan., wobei der negative Pol dem Rückgrat näher war, und die Schliessungen in Zwischenzeiten von nur einigen Secunden geschahen, wurden folgende Schliessungszuckungen in der anderen Extremität erhalten: 11-2, 10-6, 11.8, 11.8, 120, 12.0,7120,124, 20,75 ae 11-8, 11-7, 11-4; und dann nach einer Minute Ruhe: 12-8, 5-4, 2-6. In Praeparaten von den beiden ersten Stadien können solcherweise mehrere Reizungen dicht nach einander geschehen, ohne dass die Zuckungs- grössen wesentlich verändert werden; als Gegensatz hierzu mag hier noch folgender Versuch an einem Praeparate von dem letzten Vergiftungsstadium oder vom Anfange des Lähmungsstadiums Platz finden: Versuch 13, Frühlingsfrosch. !/, "em; 38 Minuten danach, nachdem mehrere Krampfanfälle vorgegangen waren, wurde das Praeparat gemacht. SENSIBLE NERVEN UND REFLEXAPPARATE DES RÜCKENMARKS. 183 Die Anordnung wie im vorigen Versuch: mit !/, Dan., bei Reizungen dicht nacheinander, wurden folgende Reflexzuckungen erhalten: 7-8, 0, 0, 0. Praeparate aus dem letzten Stadium zeigen also bei Reizungen dicht nacheinander keine Dauerhaftigkeit. Es mag schliesslich bemerkt werden, dass in mehreren dieser Versuche eine besondere Untersuchung statt fand, um darzulegen, dass die Reizungen nicht von Nebenströmen herrührten. In den früheren Vergiftungsstadien also müssen Praeparate für physio- logische Zwecke bereitet werden; doch lassen es die vorhergehenden Ver- suche unentschieden von welchem Stadium — dem ersten oder zweiten ehe anhaltender Krampf eingetreten ist — das Praeparat am besten zu nehmen ist; in beiden Stadien scheint nämlich die Dauerhaftigkeit dieselbe zu sein, sogar bei schnell einander folgenden Reizungen. Die Dauerhaftigkeit, die solche Praeparate von früheren Stadien bei rasch wiederholter Reizung besitzen, hilft in wesentlichem Grade dem Uebelstande ab, dass die Dauerhaftigkeit im Ganzen nur einige Minuten währt; überhaupt bedarf es nämlich nur weniger Reizung um eine gewisse Eigenschaft oder Veränderung an einem Nerven zu untersuchen. Aus dem Vorhergehenden ergiebt sich aber zugleich, dass dasselbe Praeparat nicht für mehrere verschiedene Untersuchungen zu gebrauchen ist; die kath- und anelektrotonischen Erregbarkeitsveränderungen z. B. können nur in geringem Maasse an demselben Praeparate untersucht werden; diesem Uebelstand wird jedoch dadurch abgeholfen, dass die verschiedenen Fragen, die sich bei einer Reihe von Untersuchungen aufdrängen, an neuen Prae- paraten einzeln untersucht worden. Die Ursache der geringen Dauerhaftiskeit, welche diese Reflex- praeparate zeigen, kann der Einwirkung des Strychnins auf die Reflex- apparate des Rückenmarkes zugeschrieben werden; in der Mittheilung aber, die ich früher hinsichtlich der elektrotonischen Erregbarkeitsveränderungen in sensiblen Nerven! gemacht habe, ist hervorgehoben worden, dass sich dieselbe Eigenschaft der geringen Dauerhaftigkeit auch in ähnlichen Prae- paraten von nicht strychninisirten Fröschen findet; zur Untersuchung der verschiedenen Fälle, die hier zu beachten waren, war es nämlich nöthig verschiedene Praeparate anzuwenden. Es scheint daher als ob die geringe Dauerhaftigkeit nicht so sehr der Einwirkung des Strychnins zuzuschreiben sei, sondern vielmehr anderen Ursachen; unter solchen Verhältnissen wäre man vielleicht geneigt ihren Grund in dem oben angedeuteten, durch auf- gehobene Bluteirculation entstandenen, mangelnden Stoffumsatz in den Reflexapparaten des Rückenmarkes zu suchen. ı K. Hällsten, Elektrotonus in sensiblen Nerven. Dies Archiv. 1880. 8. 114. 184 K. HÄLLSTEN: b. Die Empfindlichkeit des Praeparates für Veränderungen in der Stromstärke. Zur Untersuchung der Empfindlichkeit des Praeparates übergehend, nehmen wir hier zunächst den einfacheren Fall vor, wo nur die Stärke des constanten Stromes verändert wird; nachher werden wir den all-. gemeineren Fall untersuchen, wo der Strom sowohl seiner Stärke als seiner Richtung nach verändert wird. Hinsichtlich des ersteren Falles ist zu untersuchen, wie genau die Grösse des minimalen Reizes oder richtiger die Grenzen desselben bestimmt werden können; ferner die Genauigkeit mit welcher sich die Grösse der Reflexzuckung verändert, je nachdem die Stärke des Reizes ab- oder zunimmt. —- Bei der Ausführung der Versuche ist dieselbe Methode anzuwenden, wie oben bei der Untersuchung über die Dauerhaftigkeit des Praeparates. Bei der Anwendung stärkerer Ströme modificiren wir die Stärke derselben, indem wir eine grössere oder kleinere Anzahl Elemente anwenden; bei geringeren Stromstärken dagegen, wie z. B. bei der Anwendung von !/, oder 1 Dan., ist die Stärke vermittelst eines Rheochordes zu modificiren; wir haben zu dem Zwecke einen neu- silbernen Rheochord nach Poggendorff’s Princip benutzt; hinsichtlich der Anwendbarkeit dieses Instrumentes mag nur erwähnt werden, dass das- selbe bei gleichartigen Untersuchungen motorischer Nerven seinem Zweck entsprochen hat. — Nach unseren oben gemachten Erfahrungen über die Dauerhaftigkeit des Praeparates führen wir die Reizungen nach einer Zwischenzeit von nur einigen Secunden aus; ferner stellen wir aus oben schon angegebener Ursache den negativen Pol näher zur Wirbelsäule. — In der Beschreibung der Versuche befindet sich eine neue Columne mit der Ueberschrift „Rheochord“; damit ist die Lage des Rheochordbügels in Centimetern oder Millimetern bei dem betreffenden Reizungsversuche ge- meint; die übrigen Bezeichnungen sind dieselben wie oben. — Es mag ferner bemerkt werden, dass wenn der negative Pol sich näher zur Wirbel- säule befindet, der Strom hier als absteigend zu betrachten ist im Ver- hältniss zum Muskel, an welchem die Reflexzuckungen beobachtet werden, und umgekehrt als aufsteigend, wenn der positive Pol der Wirbelsäule näher steht. Wird dieses festgehalten, so können die Resultate hinsichtlich des Eintretens der Zuckungen beim Reizen motorischer und sensibler Nerven unmittelbar mit einander verglichen werden. Versuch 1, Frühlingsfrosch. Die Vergiftung wurde anfangs mit !/, ms" an mehreren Fröschen ausgeführt und Praeparate von denselben wurden !/,, 2, 5 Minuten später verfertigt, als noch kein äusseres Zeichen von der Wirkung des Giftes zu bemerken war; in diesen Praeparaten konnte man jedoch keine Reflexzuckung mit dem constanten Strome hervorbringen. SENSIBLE NERVEN UND REFLEXAPPARATE DES RÜCKENMARKS. 185 Danach wurde !/,mstm angewendet, und das Praeparat 4 Minuten später verfertist ohne vorhergehende Zeichen von Vergiftung; bei den Reizungen wurden Elektroden mit festem Abstande angewendet; die Versuchsresultate waren folgende: ehe: . . ... Schlz.. Dan... ....:. Rh ._... .Schlz. 0... .: 0 Dr es 0 Ber 0 .: .,. 0 1 DR 1-0 often -. . .. 10-4 1 A 1-1 Des... 100 0 1 BU-M RE 3-5 a.) 10 0 1 WO 2er Ba Sen. ‚offen lose | offen 13-3 a u, 1.60 10-1 3 5 I RS) et. 40 4.6 5 2 N N! des rn 20 0 Der Versuch bezieht sich auf das früheste Vergiftungsstadium. Der minimale Reiz konnte hier bei Anwendung von 1 Daniell zwischen den Rheochordlängen 20 und 40%, oder genauer — in einem späteren Ver- suche — zwischen 30 und 35% begrenzt werden. . Ebenso liess sich mit 1 Dan. eine Zunahme in der Grösse der Reflexzuckungen zwischen den Rheochordlängen 30 und 70" aufweisen. Bei der letzteren Lage des Rheochordbügels jedoch erreichten die Reflexzuckungen ungefähr schon denselben maximalen Werth wie bei Reizung mittelst 7 oder 3 Dan. Ungefähr derselbe maximale Werth trat auch mit !/, Dan. bei offenem Rheochord hervor. Hier tritt also die Erscheinung ein, von welcher oben die Rede war, dass nämlich !/,;, Dan. maximale oder beinahe maximale Reflexzuckung giebt. Versuch 2, Frühlingsfrosch. !/, 2”; das Praeparat nach 10 Minuten verfertigt, als sich die ersten Vergiftungserscheinungen, schwache Zuckungen in den Extremitäten, bei Reizung einstellten. Bei den Reizversuchen wurden dieselben Elektroden wie in dem vorhergehenden Versuche benutzt; die Resultate waren folgende: BER rher =... 0. Schlz. Dan. ... Rh. .° . .' 'Schlz. Dr 2,20: ....20. 00 Da 202242... „minim. often 2.2 OA ee re 11-8 On Me N en a4 ale N AO 0 a (Aa 0 le: offen 14,400: 658 man, AB. 0, 40, 111-8 8 a I OR 186 K. HÄLLSTEN: Auch dieser Versuch bezieht sich auf das erste Vergiftungsstadium. Der minimale Reiz wurde hier durch die Rheochordlänge 42 “ mit ?/, Dan. bestimmt; aber schon bei der Lage-43 des Rheochordbügels entstand die- selbe Reflexzuckung wie bei 8 Dan.; die Zunahme der Reflexzuckung — bei Zunahme der Stromstärke — war also hier sehr gross, die Empfind- lichkeit klein. — Im letzten Theil des Versuches war der dort angewendete Strom — von 8 Dan. — ein starker Strom in absteigender Richtung, er brachte nämlich nur Schliessungszuckung hervor. Versuch 3. Frühlingsfrosch. Nach Vergiftung mit !/, "m wurden in mehreren Versuchen erst nach wiederholten und dauernden Krampfanfällen Praeparate verfertigt. In den meisten Fällen entstand keine Reflexzuckung bei Reizung mit constantem Strome; nur die folgenden zwei Fälle bildeten Ausnahmen; in einem Praeparate wurden nämlich mit !/,, 1 und 8 Dan. minimale Schliessungszuckungen hervorgerufen; dieser Fall muss, als auf der Grenze des letzten oder Erlahmungsstadiums stehend, angesehen werden. Der zweite Versuch, wobei dieselben Elektroden wie in .den Versuchen 1 und 2 angewendet wurden, fiel folgendermaassen aus: Dan. Rh. Schlz. Oefinz. Lie len. BOO EREA N) en 00 Ey‘ 0 u DE: 0 a 2 ORE 0 Tasten 130) Irre N) al DDR RAT) 0 la 2.0250 emimim: 0 ee te. 230, ee 0 k I a RO In 28 N) RO 1 offen 53 0) 1 RE 0 8 , et 44 Be ed 300 le a ROOT 0 ee ) 2. ir asolten. 2.0 2125 0) In diesem Versuche hat die maximale Reflexzuckung den Werth von nur 5 bis 6 "m; der minimale Reiz lag bei Anwendung von !/, Dan. zwischen den Rheochordlängen 20 und 30 ®; und das Zunehmen der Reflexzuckung war bedeutend, so dass schon bei geringer Verstärkung des Reizes maxi- male Zuckung auftrat. SENSIBLE NERVEN UND REFLEXAPPARATE DES RÜCKENMARKS. 187 Noch ein Versuch möge hier mitgetheilt werden. Versuch 4. Frühlingsfrosch. '/,,”®"””; das Praeparat wurde 8 Minuten darauf verfertigt, als noch keine Zuckung durch Reiz erzeugt werden konnte; Elektroden mit festem Abstande: Dame nschiz U uk a SE re ee | DIESEN El a Sri N 1-3 Das Praeparat betrifft das erste Vergiftungsstadium, wo die maximale Zuckung sich auf 1, kaum 2"m beschränkt. Diese Versuche zeigen, dass die Empfindlichkeit des Reflexpraeparates für die Veränderung in der Reizstärke eine sehr geringe ist; bei Versuchen die Grenzen des minimalen Reizes zu bestimmen, und sogar bei Versuchen einen untermaximalen Reiz aufzusuchen, erhält man nämlich maximale Zuckungen oder gar keine. Versuch 1 deutet jedoch an, dass im frühesten Vergiftungsstadium minimaler und untermaximaler Reiz in Erscheinung gebracht werden können; es ist, daher selbstverständlich, dass das Praeparat, falls man einen minimalen oder untermaximalen Reiz braucht, im ersten Vergiftungsstadium verfertigt wird; es mag jedoch hinzugefügt werden, dass solche Versuche nicht selten misslingen. Die Versuche 1, 2 und 3, welche mittelst denselben Elektroden mit festem Abstande ausgeführt sind, lassen die Eigenschaft hervortreten, von der schon oben an einigen Stellen die Rede gewesen ist, dass nämlich die maximale Grösse der Reflexzuckung allmählich abnimmt, je nachdem die Vereiftung fortschreitet; anfangs kann sie den Werth von 10, 12, sogar bis 15 = erreichen, später aber fällt sie. Was schliesslich die Zunahme der Reflexzuckung zu Anfang der Ver- eiftung betrifft, so zeigt es sich, dass dieselbe binnen sehr kurzer Zeit ge- schieht; untersucht man nämlich das früheste Vergiftungsstadium, so be- gegnet man meistens Fällen, deren maximale Zuckungen O0 oder 10, 12mm sind; ganz ausnahmsweise nur finden sich Praeparate, welche — wie in Versuch 4 — mit !/, und mehreren Dan. die maximale Reflexzuckung von 1 bis Zum, oder von ganz minimaler Grösse, was wir auch in einigen Fällen beobachtet haben, geben. c. Die Empfindlichkeit des Praeparates für veränderte Stärke und Richtung des Stromes, oder mit anderen Worten das Zuckungsgesetz. Die Anordnung der Versuche war dieselbe wie oben, nur mit dem Unterschiede, dass ein Stromwender in die Strombahn eingeschaltet war. 188 K. HÄLLSTEx: Ehe wir einige hierhergehörige Versuche auseinandersetzen, mag gleich das Resultat hier hervorgehoben werden; aus den Untersuchungen geht hervor, dass Pflüger’s Zuckungsgesetz für motorische Nerven auch an den sen- siblen aufgewiesen werden kann. Es ist bloss ein Umstand, der nicht selten nur mit Schwierigkeit an den Tag gelegt werden kann, nämlich die Reactionen der starken Ströme Pflüger’s, d. h. die Reflexzuckung beim Schliessen absteigenden (wenn in unserem Praeparate der negative Pol der Wirbelsäule näher ist) und ebenso beim Oeffnen des aufsteigenden Stromes (wenn hier der positive Pol der Wirbelsäule näher ist); zu letzterem Zwecke sind 8 bis 10 Dan. nöthig, aber nicht selten ist nicht einmal diese Anzahl hinreichend, um die betreffenden Phaenomene hervorzurufen. Folgende Ver- suche werden die Verhältnisse näher beleuchten: Versuch 1. !/,,"2’®; das Praeparat wurde 5 Minuten danach verfertigt ° ohne vorhergehende Zeichen der Vergiftung. Elektroden mit festem Ab- stande. Dan. Pol. Schlz. Oeffnz. De eomesablv 0. wel ) “ls positiv 02 0 1 negativ Ye) 0 1 positiv al) 0 3 negativ . 9.3 0 3 positiv . 9:6 0 6 negativ 3116 8.5 6 positiv we 8.6 6) negativ . 9.0 7.9 ) positiv . 4.9 9.0 1 negativ .6°5 0 1 positiv . 5.8 0 Der Versuch bezieht sich auf das früheste Vergiftungsstadium und zeigt Schliessungszuckungen oder die Reactionen für Pflüger’s schwache Ströme bei Reizung mit !/,, 1 oder 3 Dan.; bei Anwendung von 6 Dan. treten Reactionen von den mittelstarken Strömen Pflüger’s hervor, und in den Reizungsversuchen mit 8 Dan. kann man die Reactionen von Pflüger’s starken Strömen sehen, weil hier die Schliessungszuckung bei absteigendem und Oefinungszuckung bei aufsteigendem Strome überwiegend war. Uebrigens hat sich das Praeparat während der Versuche nicht wenig verändert, wie der Controlversuch — die beiden letzten Reizungen mit 1 Dan. — lehrt. SENSIBLE NERVEN UND REFLEXAPPARATE DES RÜCKENMARKS. 189 Versuch 2. Frühlingsfrosch. '/,.”"®””; das Praeparat wurde 14 Mi- nuten später nach eingetretenen Krampfanfällen bereitet. Dieselben Elek- troden als im vorigen Versuche. Dan. Pol. Schlz. Oeffnz. a necatiy „u. ..048.:9 0 Das. 2 positiv yoll 0 1 negativ . 9.1 0 1 positiv . 9.1 0 3 negativ lost 9.1 3 positiv . 9-41 9.1 5 negativ . 9.4 9.2 h) positiv Ve 9.1 8 negativ . 9.2 9.1 8 positiv . 9.2 9.2 uk negativ Sl 0 "le positiv BD 0. Der Versuch bezieht sich auf das mittlere Vergiftungsstadium und zeigt nur die Reactionen des schwachen und mittelstarken Stromes Pflü- ger’s, die letzteren sogar bei Reizung mit 8 Dan. Der letzte, der Control- versuch mit !/, Dan., zeigt kaum oder keine merkbare Veränderung des Praeparates während des Versuches. Versuch 3. Gleichzeitig mit dem vorigen und mit denselben Elektro- den ausgeführt. !/„”2””. Nach 8 Minuten Spreizung der Zehen und Zuckung beim Reizen; nach 9 Minuten Krampf von einigen Secunden, nach 10 Minuten anhaltender Tetanus, wo dann das Praeparat verfertigt wurde. Dan. Pol. Schlz. Oeffnz. fe) negativer. san 20 22 220,522 8 positiv 2 20 nr‘ 7 . negativ 0 5-1 7 positiv 0 4:9 6 negativ . 5-4 4.7 6 positiv 0 4.9 3 negativ . 4:9 4.5 3 positiv . 4.7 4.7 2 negativ 40) 4:6 2 positiv . 46 4.3 1 negativ 152 4-4 1 positiv . 45 0 190 K. HÄLLSTEN: Der Versuch bezieht sich auf das Ende des mittleren Stadiums und zeigt die Reactionen für mittelstarke Ströme, sowie für schwachen und starken Strom bei aufsteigender Richtung. Versuch 4. Wie der vorige ausgeführt. Das Praeparat wurde 18 Mi- nuten nach Vergiftung mit !/,, "S” verfertigt. Dan. Pol. Schlz. Oeffnz. 10m negative ed 3.0 10°. De eposiivees 2 gan Negallva er meareler ur 2 ) positiv. 2 mm. 2-5 8@ 0. Bnegatlve. BL 021.8 12 Sm 2... 7 positive. 2.0) a a te 6 negative. NR 92H 6 positiv 0 . minim. Der Versuch wurde nicht weiter fortgesetzt; er bezieht sich, wie der vorige, auf das Ende des mittleren Stadiums und zeigt die Reacetionen des starken Stromes in beiden Richtungen. Wir halten es hiermit für bewiesen, dass das Zuckungsgesetz Plüger’s auch bei Reizung sensibler Nerven an den Tag gelegt werden kann; wie aber schon erwähnt wurde, ist das Aufweisen der Reactionen für Pflüger’s starke Ströme nicht selten mit Schwierigkeit verbunden, so dass dieselben nicht mit 8 bis 10 Dan. hervortreten; dies zeigt schon Versuch 2, doch mögen noch einige weitere hierher bezügliche Versuche Platz finden. Versuch 5. Frühlingsfrosch. !/ "2%; das Praeparat nach 6 Minuten ° als sich die ersten Vereiftungserscheinungen bei Reizung zeigten Dan. Pol. Schlz. Oeffnz. 10,22. 2 negative = Bl 10,2. = t.n.,positiv, zer 3 210.47 Del: Versuch 6. Wie der vorige ausgeführt. 15 Minuten nach der Ver- giftung Zuckung in den Extremitäten bei Reizung; 22 Minuten nach der Vergiftung wurde das Praeparat verfertigt; allgemeiner Krampf war nicht vorhergegangen. Dan. Pol. Schlz. Oeffnz. SUR BREEONEDAUIVE A ENROFOTE Se IEE Sa re 5" DOSISIV an. a Tr ROSE. IE SENSIBLE NERVEN UND REFLEXAPPARATE DES RÜCKENMARKS. 191 Die Fortsetzungen dieser beiden Versuche sind fortgelassen; beide zeigen dass Ströme von 10, bez. 8 Dan. meist nur Reactionen für mittelstarke Ströme geben. Wird noch gefragt, in welchem Vergiftungsstadium das Zuckungsgesetz am leichtesten aufzuweisen ist, so lehren die Versuche, dass die Reactionen für schwache und mittelstarke Ströme in beiden Stadien leicht hervortreten, die für. starke Ströme dagegen nur dann und wann. Schliesslich mag hier noch in aller Kürze eine hierher gehörige Ver- suchsreihe, die schon vor längerer Zeit, im Herbst 1879, ausgeführt wurde, erwähnt werden. Die Vergiftung geschah in allen Versuchen mit !/,, ms und die Praeparate wurden nach !/,, 2... . 14, 15 Minuten verfertigt; bei den Versuchen wurden du Bois-Reymond’s Elektroden angewendet. Das Zuckungsgesetz wurde hierbei nach allen Richtungen aufgewiesen, die Reactionen aber für starke Ströme nur in den weiter fortgeschrittenen Ver- giftungsstadien, in den früheren Stadien dagegen wurden mit 8 Dan. — der höchsten Anzahl Elemente, die damals angewendet wurde — Reflex- zuckungen von ungefähr gleicher Grösse bei Schliessung und Oeffnung hervorgebracht. — Ferner führte der constante Strom Schliessungszuckung an Praeparaten herbei, die nur eine halbe Minute nach der Vergiftung verfertigt waren. — Es mag hinzugefügt werden, dass diese Versuche später nur aus dem Grunde wiederholt worden sind, weil eine Messung der Grösse der Zuckungen damals nicht geschah. Während dieser letzten Versuchsreihe wurden ferner Untersuchungen in Bezug auf Ritter’s Tetanus und Volta’s Alternativen ausgeführt, und es zeigte sich, dass beide mit Leichtigkeit an den Tag gelegt werden konnten. Bei dieser Versuchsreihe traten ferner öfters sogenannte doppelte Re- fiexe hervor, von denen jeder aus einem kleinen, vorläufigen, und einem grösseren, später auftretenden, sogenannten endgültigen sich zusammensetzte. Während des letzten Frühjahres dagegen habe ich nicht ein einziges Mal solche doppelte Reflexe gesehen, obgleich ich Versuche mit elektrischem und mechanischem Reiz an etwa zweihundert Reflexpraeparaten ausführte, Das Auftreten der doppelten Reflexe scheint daher auf einer besonderen Disposition der Versuchsthiere zu beruhen; in welchem Grade die Jahreszeit hierbei einen Einfluss hat, mag dahin gestellt sein. — Hinsichtlich dieser doppelten Reflexe mag noch erwähnt werden, dass die kleinere, vorläufige Reflexzuckung bisweilen ganz ausbleiben kann, so dass nur die grössere, endgültige hervortritt; diese spätere Reflexzuckung giebt sich in diesem Falle nur durch ihr spätes, lange nachdem die Reizung geschehen ist, stattfindendes Auftreten als zu einem doppelten Reflexe gehörend zu er- kennen. Noch kann hervorgehoben werden, dass sich doppelte Reflexe nie 192 K. HÄLıLsten: beim Schliessen“ des Stromes, sondern nur beim Oeffnen desselben gezeigt haben. Schliesslich mag hinzugefügt werden, dass die Reflexzuckungen bis- weilen vom Tetanus, der gewöhnlich von kurzer Dauer und geringer Grösse war, begleitet gewesen sind; bisweilen hat sich doch auch anhaltender Te- tanus während der ganzen Zeit, wo der Strom geschlossen blieb, gezeigt, d.h. der Zustand, welchen die Elektrotherapeuten, wenn derselbe sich in den motorischen Nerven zeigt, „Remak’s Galvanotonus“ nennen.! 2. Die Reflexbahnen in deren Abhängigkeit von den Spinalnerven. In Beziehung auf diejenigen Nervenbahnen, welche in dem betreffenden Praeparate die Reflexe zum M. gastroenemius vermitteln, haben wir es selbstverständlich mit zwei anatomischen Theilen zu thun, nämlich den Spinalnerven, welche am Reflex theilnehmen, und ferner dem Theil des Rückenmarkes, durch welchen die Leitung vermittelt wird. Was den letzteren Abschnitt anbelangt, so haben Koschewnikoff? sowie auch Vanlair und Blasius? gefunden, dass beim Frosch die Reflexe im Allgemeinen durch den Theil des Rückenmarkes vermittelt werden, welcher dem vierten oder fünften Wirbel entspricht, oder welcher sich von der Gegend des vierten bis sechsten Wirbels erstreckt. Die Spinalnerven wiederum, welche hier in Betracht kommen, sind der VII., VII. und IX., weil der N. ischiadicus bekanntlich nur von diesen aus beginnt. Untersuchungen über die Theil- nahme dieser Nerven an den Reflexen der hinteren Extremitäten sind schon früher zur Genüge gemacht worden; es sind ihrer mitgetheilt worden von Eckhard in seiner oft ceitirten Abhandlung vom Jahre 1848, und später von Sanders-Ezn? sowie auch von Koschewnikoff.* Die Aufgaben, welche sich diese Forscher gestellt hatten, waren doch anderer Art als ! Vgl. in dieser Hinsicht z. B. M. Benedikt, Zlektrotherapie. Wien 1868. Sale 2 A. Koschewnikoff, Ueber die Empfindungsnerven der hinteren Extremitäten beim Frosch. Dies Archiv. 1868. S. 331. ®> Nach Eckhard, in Hermann’s Handbuch der Physiologie. Bd. II. Theil 2. S. 57. 4 0. Eckhard, Ueber Reflexbewegungen der vier letzten Nervenpaare des Frosches. Zeitschrift für rationelle Mediein. 1848. Bd. VII. S. 281—310. 5 A. Sanders-Enz, Vorarbeit für die Erforschung des Reflexmechanismus im Lendenmark des Frosches. Arbeit aus dem physiologischen Institut zw Leipzig. 1867. S. 1—29. ° A.a.0. SENSIBLE NERVEN UND REFLEXAPPARATE DES RÜCKENMARKS. 193 diejenigen, um welche es sich hier handelt; dennoch geben uns Eckhard’s und auch Koschewnikoff’s Arbeiten einige Aufschlüsse hinsichtlich des sensiblen Nerven, welche für unseren Gegenstand von Bedeutung sind, und auf welche wir etwas später zurückkommen werden; was wiederum die motorischen Nerven betrifft, so hat Eckhard! gefunden, dass der IX. Spinal- nery die motorischen Nervenfasern für den M. gastroenemius enthält. Um zu erforschen, in welchen der genannten Spinalnerven die Nerven- fasern verlaufen, welche den Reflex zum M. gastrocnemius der anderen Seite vermitteln, haben wir hier dasselbe Verfahren angewandt, das bei sleichartigen Untersuchungen überhaupt üblich ist, nämlich Durchschneidung und Reizung. Der Schnitt wurde an den Spinalnerven oberhalb des Plexus ischiadieus, und die Reizung auf mechanischem Wege oder mittels des constanten Stromes ausgeführt. In beiden Fällen, welches Reizmittel auch angewendet wurde, sind die Praeparate von strychninisirten Fröschen ver- fertigt worden; an dem betreffenden Praeparate von frischem Frosche kann nämlich kein Muskelreflex vom Nervenstamme mittelst mechanischen Reizes und auch nicht durch Schliessen und Oeffnen des constanten Stromes hervorgerufen werden, wie dies bereits oben erwähnt wurde. Die Unter- suchungen mit mechanischem Reize haben sich nur auf die qualitative Seite der Frage bezogen; bei den Untersuchungen mit constantem Strome war es auch auf die Bestimmung der Grösse der Zuckung abgesehen, um z.B. die Dauerhaftigkeit der Praeparate zu erforschen. Bevor wir zu den Untersuchungen übergehen, mag bemerkt werden, dass wir hier keine Rücksicht genommen haben auf die ältere, unter anderen von Paschutin und Beresin vertretene Annahme besonderer motorischer Nervenfasern zur Vermittelung der Muskelcontractionen durch Einfluss des Willens und durch Reflex, sowie besonderer sensiblen Nervenfasern zur Vermittelung von Empfindungen und von Muskelreflexen; diese Ansichten dürften heutzutage aufgegeben sein. In Uebereinstimmung hiermit nennen wir in dem Folgenden ohne Weiteres den Spinalnerven oder die Nervenfasern, welche den betreffenden Reflex vermitteln, sensibel oder motorisch je nachdem dieselben die Erregung in centripetaler oder centrifugaler Richtung leiten. Die Untersuchungen mittelst des mechanischen Reizes wurden auf folgende Weise ausgeführt. Nachdem einer oder mehrere der betreffenden Spinalnerven mit der Scheere abgeschnitten, wurde der mechanische Reiz ganz einfach so applieirt, dass das abgeschnittene Ende dicht beim vorigen Schnitt nochmals abgeschnitten wurde. Durch Abschneiden des centralen Endes des Spinalnerven soll natürlich festgestellt werden, ob der betreffende Spinalnerv sensible Fasern enthält, welche bei Reizung den Reflex zum I A.a. O.- S. 304. Archiv f. A.u. Ph. 1885. Physiol. Abthlg. 13 194 K. HÄuıstenx: M. gastrocnemius vermitteln, durch Abschneiden des peripherischen Endes wiederum, ob er motorische Fasern für denselben Muskel enthält. Bei der Ausführung der bezüglichen Versuche wurde das Reflexpraeparat auf eine Glas- oder Porzellanscheibe ausgebreitet und danach die betreffenden Schnitte gemacht. Die Resultate, welche diese Untersuchungsmethode gegeben hat, sind nicht ganz übereinstimmend; der Deutlichkeit halber mögen darum hier zunächst die am häufigsten vorkommenden Fälle hervorgehoben werden, und später die Ausnahmen. Die Resultate können vorläufig in folgende Sätze zusammengefasst werden: 1° wie anzunehmen war, enthalten die drei betreffenden Spinalnerven, VII, VIII und IX, sensible Nervenfasern, welche bei Reizung Reflex im M. gastrocnemius hervorbringen — und zwar Reflexe sowohl auf der entgegengesetzten als auf derselben Seite; 2° nur die Spinal- nerven VIII und IX enthalten motorische Nervenfasern für den M. gastro- cnemius; und 3° von welchem der drei sensiblen Nervenfasern auch die Reizung ausgehen mag, der Reflex zum M. gastroenemius kann durch die motorischen Nervenfasern sowohl des VIII. als des IX. Spinalnerven vermittelt werden. Zur Beleuchtung dieser Sätze führen wir zunächst folgende zwei Versuche mit mechanischer Reizung an. Versuch 1. Einem Winterfrosch wurde !/ „"&’”®= Strychninnitrat ein- gespritzt; 7 Minuten darauf, als sich die ersten Vergiftungserscheinungen bei Reizung zeigten, wurde das Praeparat verfertigt, wobei beide M. gastro- cnemii erhalten blieben. Darnach wurde der VI., VII. und IX. Spinal- nery auf der rechten Seite abgeschnitten, sowie auch der VII. und VII. auf der linken. Als darauf nacheinander das centrale Ende des VII, VII. und IX. Spinalnerven auf der rechten Seite abgeschnitten wurde, erhielt man Reflexzuckung auf der anderen Seite; und als ebenso das centrale Ende des VI. und VIII. Spinalnerven auf der linken Seite abgeschnitten wurde, erhielt man Reflexe auf derselben Seite. — Als schliesslich der peripherische Theil des VIII. oder IX. Spinalnerven auf der rechten Seite oder des VIH. Spinalnerven auf der linken Seite dicht bei der Schnittstelle abgeschnitten wurde, brachte man Muskelzuckung auf derselben Seite hervor; dasselbe geschah auch beim wiederholten Abschneiden des IX. Spinal- nerven auf der linken Seite. Versuch 2. Vergiftung mit !/,,"2”®. Das Praeparat wurde 15 Mi. nuten später verfertigt; sonst dieselben Verhältnisse wie in dem vorher- gehenden Versuche. Es wurde hier der VII., VIII. und IX. Spinalnerv auf der linken Seite abgeschnitten, ebenso auch der VII. und IX. auf der rechten. Als darauf nacheinander das centrale Ende des VII, VIII oder IX. Spinalnerven auf der linken Seite abgeschnitten wurde, zeigten sich SENSIBLE NERVEN UND REFLEXAPPARATE DES RÜCKENMARKS. 195 Reflexe auf der entgegengesetzten Seite; und als ebenfalls das centrale Ende des VII. und des IX. Spinalnerven auf der rechten Seite abgeschnitten wurde, entstanden Reflexe auf derselben Seite. Schliesslich zeigten Durch- schnitte durch die peripherischen Theile des VIII. und IX. Spinalnerven, dass beide motorische Nervenfasern für den M. gastrocnemius enthielten. Die beiden Versuche mittelst des mechanischen Reizes beleuchten schon die oben aufgestellten Sätze; die weiter unten folgenden Versuche mit dem constanten Strome werden sie ebenfalls bewahrheiten; aber, wie schon oben angedeutet, es werden bisweilen Abweichungen oder Ausnahmen von diesen am Allgemeinsten vorkommenden Fällen hinsichtlich des Verlaufes der mo- torischen Nervenfasern beobachtet. Nicht selten führt nämlich auch der VII. Spinalnerv motorische Nervenfasern für den M. gastrocnemius; und dieses war besonders der Fall in den Versuchen 1 und 2 hier oben. Ebenso findet man bisweilen Praeparate, in welchen der IX. Spinalnerv keine mo- torischen Fasern für den M. gastroenemius enthält. Es ist auch noch hin- zuzufügen, dass solche Ausnahmen von der allgemeinen Regel sich auf die eine Seite des Praeparates beschränken, oder auf beiden Seiten vorkommen können. Uebrigens ist eine solche Veränderlichkeit oder Variabilität im Verlaufe der in den Spinalnerven zu einem gewissen Muskel verlaufenden motorischen Nervenfasern schon vor Jahrzehnten von Eckhard! beobachtet worden. Für die physiologischen Aufgaben, die hier behandelt werden, scheint diese Frage kein anderes Interesse zu haben, als dass ein miss- lungener Versuch auf solchen Ausnahmsverhältnissen beruhen kann; für das morphologische Problem hinsichtlich einer „Wanderung der Glied- maassen“ aber ist vielleicht diese Frage nicht ohne Interesse. Durch verschiedene Nervenbahnen also kann der M. gastroenemius in den Zustand von Reflexzuckung bei Reizung des N. ischiadicus der entgegen- gesetzten Seite versetzt werden; halten wir uns nur an die oben unter 1°, 2° und 3° charakterisirten Fälle, so kann die Zuckung auf sechs Wegen vermittelt werden; von jedem der sensiblen Spinalnerven VII, VIII und IX kann nämlich die Erregung zum M. gastrocnemius der anderen Seite durch den VIII. oder den IX. motorischen Spinalnerven fortgepflanzt werden; es geben mit anderen Worten die verschiedenen Fälle in Summa 3x2=6 Com- binationen. Bei Reizung des Nervenstammes — z. B. in der Nähe des ‘ Rückenmarkscanales — können also alle diese sechs Bahnen gleichzeitig in Thätigkeit versetzt werden. Die Anzahl der Reflexbahnen ist jedoch natür- licherweise mannigfach grösser, weil jeder Spinalnerv von einer grossen Menge Nervenfasern zusammengesetzt ist. Muskelreflexe bei Reizung von Nerven- stämmen sind also sehr zusammengesetzte Erscheinungen, selbst wenn man es, wie hier geschehen, so einrichtet, dass ein einziger Muskel in Reflex- zuckung versetzt wird. Nehmen wir nämlich vorläufig an, dass alle Nerven- or 196 K. Härıstex: bahnen, welche den Reflex vermitteln, vollständig von einander getrennt waren, so dass die Erregung nicht von der einen zur anderen übergehen könnte, so wäre die Reflexzuckung als Summe aller Contractionen, welche gleichzeitig in den verschiedenen Muskelfasern vor sich gehen, anzusehen; es kann jedoch keinem Zweifel unterliegen, dass die verschiedenen Nerven- bahnen, die hier den Reflex vermitteln, mit einander in den Reflexapparaten des Rückenmarkes zusammenlaufen; unter solchen Verhältnissen verstehen wir, dass die gleichzeitigen Erregungszustände in den Reflexapparaten auf einander einwirken können. Da sich also auch an den hier angewendeten einfachen Reflexpraeparaten die Erscheinungen sehr complicirt gestalten, so suchen wir die Verhältnisse dadurch zu vereinfachen, dass wir gewisse Nervenbahnen ausschliessen; dazu werden wir in der folgenden Unter- suchung übergehen, die doch zugleich und hauptsächlich den Zweck hat durch Reizung vermittelst des constanten Stromes die oben unter 1°, 2° und 3° aufgestellten Sätze festzustellen. Bei der Ausführung dieser Untersuchung ist noch ein Umstand von Bedeutung zu beachten, nämlich die Stelle des Nervenstammes, wo die Rei- zung geschieht. Der N. ischiadieus empfängt natürlich an verschiedenen Stellen die sensiblen Fasern, welche durch die bez. Spinalnerven in das Rückenmark eintreten; in Folge hiervon werden die Fasern, welche ober- halb der gereizten Stelle in den Nervenstamm eintreten, gar nicht gereizt. Allerdings fehlen uns noch genaue Angaben über die Stellen, wo die sensiblen Nerven in den Nervenstamm eintreten; aber vorläufig kann dieses nach den Resultaten beurtheilt werden, welche Eckhard und später Koschewnikoff hinsichtlich der peripheren Ausbreitung der sensiblen Nerven oder deren Anfänge in der Haut gewonnen haben. Eckhard! fasst die Resultate seiner Untersuchungen auf folgende Weise zusammen: „Die sensiblen Fa- sern des VII. Paares versehen die nach unten gekehrte Seite des Ober- schenkels und verbreiten sich mehr oder weniger weit in den über dem vorderen Kopf des Triceps liegenden und das Knie überziehenden Haut. In einigen wenigen Fällen fand ich sie noch über das Knie hinausgehend bis zu der die Rückenseite des Unterschenkels bedeckenden Haut. Die des VIII. versehen die vordere Gegend der Dorsalseite und die vordere Seite des Unterschenkels, ferner die Dorsalseite der beiden ersten Fusswurzel- knochen, des Mittelfusses und der Zehen und endlich noch die Schwimm- haut. Die des IX. versehen die hintere Partie der Dorsalseite des Ober- schenkels, dieselbe Stelle des Unterschenkels, namentlich die Haut, welche nach hinten das erste Fusswurzelgelenk überzieht, ferner die Volarseite der beiden ersten Fusswurzelknochen und des Mittelfusses, die Volarseite der IN 2208309: SENSIBLE NERVEN UND REFLEXAPPARATE DES RÜCKENMARKS. 197 Zehen und die Schwimmhaut.“ Zu diesen Resultaten haben die späteren Untersuchungen Koschewnikoff’s! allerdings noch einige kleinere, ver- vollständigende Zusätze zu machen gehabt, aber in der Hauptsache stimmen Koschewnikoff’s Resultate mit denjenigen Eckhard’s überein. Der für unseren Gegenstand wichtigste Zusatz ist, dass die sensiblen Nerven- fasern des VIII. Spinalnerven in der Haut nicht nur des Unterschenkels und des Fusses, sondern auch in derjenigen des Oberschenkels beginnen oder sich verzweigen; doch — fügt Koschewnikoff hinzu — sind die letzteren Fasern spärlich. — Hiermit versteht man, dass wenn ein Reiz das untere Ende des N. ischiadicus trifft, so werden die sensiblen Nerven- fasern, welche dem VII. Spinalnerven angehören, nur unbedeutend ge- troffen, weil sie grösstentheils oberhalb der gereizten Stelle in den Nerven- stamm eintreten; sensible Nervenfasern dagegen, die zum VII. oder IX. Spinalnerven gehören, werden immer vom Reiz getroffen, wo auch im Ver- laufe des Nervenstammes die Reizung geschieht. Dieses wird durch die folgenden Versuche bestätigt, in welchen der Strom mit dem negativen Pol näher zum Rückenmark auf das untere Ende des Nervenstammes wirkte. Hier beziehen sich die Versuche 3, 4, 5 und 6 auf die sensiblen Nerven und die Versuche 7, 8, 9 und 10 auf die motorischen. Versuch 3. Von den sensiblen Spinalnerven (oder mit anderen Worten von den Spinalnerven auf der gereizten Seite) war beim Schlusse des Ver- suchs nur der IX. erhalten (Frühlingsfrosch); die Vergiftungsdosis nicht genau beobachtet; das Praeparat verfertigt, als der erste Krampfanfall bei Reizung eintrat. Mit !/, Dan. wurden folgende Schliessungszuckungen erhalten: 0-8, 8-3, 7:1, 9:8, 8:-8m@m, Darauf wurde der VII. sensible Spinalnerv abgeschnitten; nun erfolgten mit !/, Dan. die Reflexzuckungen: 10.0, 8-4, 8.8; darnach wurde der VIII. sensible Spinalnerv abgeschnitten, wodurch eine Reflexzuckung von 7.2 =m ausgelöst ward; und mit dem vorigen Reize wurden nun folgende Schliessungszuckungen erhalten: 4°4, 2-4, 4-1, 2-0, 3:2, 24,49, 2-6, 4-1. — Versuch 4. Reflex vom VIII. sensiblen Spinalnerven: !/, bis !/, wer; das Praeparat 17 Minuten verfertigt, darauf als der erste Krampfanfall durch Reizung hervorgerufen wurde. Mit !/, Dan. erfolgte keine Reflexzuckung; mit 1 Dan. dagegen wurde folgende Schliessungszuckungen erhalten: 4-7, 4-9, 4.9. So wurde der VIII. sensible Spinalnerv abgeschnitten; danach ent- standen mit demselben Reize die Zuckungen: 4-5, 4.7; der IX. Spinalnerv wurde ebenfalls abgeschnitten; danach erfolgten mit 1 Dan. die Schliessungs- zuckungen: 3°8, 3°0, 1°9, 1°4, 1°0, 0. Versuch 5. Reflex vom VII. sensiblen Spinalnerven; !/, "®®%; das ı A. Koschewnikoff, a. 3.0. S. 328—330. 198 K. HÄLLster: Praeparat 35 Minuten darauf nach einigen vorhergegangenen Krampfanfällen verfertigt. Mit !/, Dan. wurden folgende Schliessungszuckungen erhalten: 8.5, 8.5, 8.4; darauf wurde der VIII. sensible Spinalnerv abgeschnitten, wodurch eine Reflexzuckung von 8.5 "in dem betreffenden Muskel entstand; danach erfolgten mit dem vorigen Reize die Zuckungen: 7.5, 7-5, 7-4, 7-2; dann wurde der IX. sensible Spinalnerv abgeschnitten; hierdurch eine Reflexzuckung von 7-5"; danach erfolgten keine Reflexzuckungen mehr mittelst des constanten Stromes; als aber danach der VII. sensible Spinal- nerv in der Nähe der Wirbelsäule abgeschnitten wurde, entstand wieder die Reflexzuckung. Versuch 6. Reflex vom VII. sensiblen Spinalnerven; die Vergiftung mit !/,=erm; das Praeparat wurde 28 Minuten darauf nach dem ersten Krampfanfalle gemacht. Bei Reizung erfolgten mit Dan. Schlz. Oeffnz. Een le ll ie 2 1DD, 9. en 2a, Es wurde der VIII. sensible Spinalnerv abgeschnitten; hierdurch eine Reflex- zuckung von 156"; darnach erfolgte mit !/, Dan. die Schliessungs- zuckungen: 15.7, 15:1. Nun wurde der IX. sensible Spinalnerv abge- schnitten, wodurch die Reflexzuckung 15°2"®= entstand; dann erfolgten mit dem vorigen Reize die Reflexzuekungen: 11°4, 10.2, 5-4, 3-2, 19, 1-6®=, Schliesslich, beim Abschneiden des VII. sensiblen Spinalnerven er- folgte eine Reflexzuckung von 11m, Bei diesen Versuchen — 3, 4,5 und 6 — wurden kürzlich gefangene Frühlingsfrösche angewendet; ferner wurden dieselben Elektroden mit festem Abstande benutzt, und die Reizungen erfolgten dicht nach einander in Zwischenzeiten von einigen Secunden. Die Versuche beleuchten den Satz 1° oben, insofern derselbe sich auf Muskelreflexe auf der entgegengesetzten Seite bezieht. Die Versuche 3 und 4 zeigen, dass der VIII. und IX. Spinalnerv auch bei Reizung vom peri- pherischen Ende des Nervenstammes Reflex auf der entgegengesetzten Seite geben, wie dass oben die erwähnten Untersuchungen Eckhard’s und Koschewnikoff’s erwarten lassen. Der Versuch 6 zeigt dasselbe in Bezug auf den VII. Spinalnerven; der Versuch 5 jedoch ist in dieser Hinsicht eine Abweichung; wiederholte ähnliche Versuche (wie 5 und 6) aber haben erwiesen, dass gerade Versuch 5 die allgemeiner vorkommenden Verhält- nissen zeigt, und der Versuch 6 eine Ausnahme bildet; die Erklärung dieses Verhältnisses ist die, dass sensible zum VIII. Spinalnerven gehörende Fasern oberhalb der gereizten Stelle in den Nervenstamm eintreten, wie die vorher angeführten Untersuchungen Eckhard’s und Koschewnikoff’s andeuten, SENSIBLE NERVEN UND REFLEXAPPARATE DES RÜCKENMARKS. 199 und wie dieses das Abschneiden des VII. Spinalnervs oberhalb des Plexus (Versuch 5) darthut. Zur Untersuchung der motorischen Bahnen, welche den Reflex vermitteln, wurden zunächst zwei der betreffenden Spinalnerven durchschnitten, nämlich der VII. und entweder der VIII. oder der IX. auf der gereizten, sowie auch der VI. auf der entgegengesetzten Seite; der Schnitt erfolgte wie oben nahe der Wirbelsäule. Im Verlaufe des Versuches wurde dann auf dieselbe Weise durch Abschneiden auch der eine der motorischen Spinalnerven entfernt. Versuch 7. Bei Schluss des Versuches wurde der Reflex durch die beiden IX. Spinalnerven vermittelt. Vergiftung mit !/, "2"; 33 Minuten später wurde das Praeparat nach einigen vorhergehenden Krampfanfällen gemacht. Vor dem Versuche wurden der VO. und der VIII. Spinalnerv auf der gereizten (der sensiblen) Seite und der VII. auf der entgegen- gesetzten (der motorischen) abgeschnitten. Mit '/;, Dan. erfolgten die Schliessungszuckungen: 93, 9-3, 9-1; es wurde der VIII. Spinalnerven auf der motorischen Seite abgeschnitten, wodurch eine Reflexzuckung von gmm erfolste; nun erfolgten mit dem vorigen Reize die Reflexzuckungen: 7:9, 7.9,7.9, 7.9, 7.9, 7.8, 7.7, danach folgten 99 Reizungen inner- halb 2 bis 3 Minuten, wobei die Reflexzuekungen constant, aber sehr wenig abnahmen; bei der 90. dieser 99 Reizungen war die Reflexzuckung aber von 7-7 auf 5-7 mm und bei der 99 auf 4-8 gesunken. Gegen Ende dieses Versuchs konnte man bemerken, dass die Contractionen langsamer vor sich singen; es liest auf der Hand, dass dies eine Folge der Ermüdung des Muskels war; es ist daher anzunehmen, dass die Abnahme des Umfanges der Muskelzuckung nur dieselbe Ursache hatte. Der Versuch zeigt, dass der Reflex von den beiden IX. Spinalnerven vermittelt werden kann. Bemerkenswerth ist ferner die Dauerhaftigkeit des Praeparates gegenüber so häufiger Reizung mit demselben Reize. Versuch 8. Bei Schluss des Versuches wurde der Reflex von den beiden VIII. Spinalnerven ermittelt; !/„"&"=, das Praeparat 26 Minuten danach nach einigen Krampfanfällen gemacht. Der VII. Spinalnerv auf der motorischen, sowie der VII. und IX. auf der sensiblen Seite wurden abge- schnitten. Bei Schliessung mit !/, Dan. entstanden die Reflexzuckungen: 10-0, 9:8, 9-8; es wurde der IX. Spinalnerv auf der motorischen Seite abgeschnitten, wodurch eine Reflexzuckung von 9-7 mm; danach entstanden mit dem vorigen Reize die Zuckungen: 9.5, 9.3, 9.3. Der Versuch zeigt, dass beide VIII. Spinalnerven den Reflex vermitteln 200 K. Hiuusterx: können; ferner übte hier die Elimination des IX. — so wie des VIII. im vorigen Versuche — keinen erheblichen Einfluss auf die Grösse des Reflexes. Versuch 9. Bei Schluss des Versuches wurde der Reflex durch den IX. sensiblen und den VIII. motorischen Spinalnerven vermittelt. !/, merm, das Praeparat 18 Minuten danach nach einem vorhergegangenen Krampf- anfalle gemacht. Am Praeparat wurde der VII. Spinalnerv auf der motorischen Seite, und der VI. und VII. auf der sensiblen Seite abgeschnitten. Mit !/, Dan. erfolgten folgende Schliessungszuckungen: 12-4, 12-3, 12:0. So wurde der IX. Spinalnerv auf der motorischen Seite abgeschnitten; nun erfolgten mit demselben Reize die Reflexzuckungen: 8-5, 8-2, 8-1, 8-1, 8-1, 8.1, 6-6, 8.1; und in darauf folgenden 11 Reizungen fiel die Reflex- zuckung ziemlich gleichmässig bis auf 4-5 mm, Der Reflex kann also durch den IX. sensiblen und VIII. motorischen Spinalnerven vermittelt werden. Versuch 10. Bei Schluss des Versuches war nur der VIII. sensible und IX. motorische Spinalnerv erhalten; ?/, oder !/, =&=; 9 Minuten darauf das Praeparat. Mit !/, Dan. erfolgten die Schliessungszuckungen: 7:6, 8.0, 8:-Omm; nun wurde der VIII. Spinalnerv auf der motorischen Seite abgeschnitten, wobei eine Reflexzuckung von 5-5”"m entstand; danach erfolgten mit dem vorigen Reize die Reflexzuckungen: 6.6, 7-5, 6-9, 6-7, 68, 6-8, 6°7, 6-2, 6°2, 6.2; und bei darauf folgenden 19 Reizungen im Verlaufe von 2 Minuten fiel die Reflexzuckung allmählich auf 4:2 um, Also auch der VIII. Spinalnerv auf der sensiblen, und der IX. auf der motorischen Seite können den Reflex vermitteln. Aehnliche Versuche in Bezug auf den VII. sensiblen Spinalnerven können aus schon genannter Ursache nur ausnahmsweise ein Resultat geben. — Ferner mag bemerkt werden, dass in den letzten vier Versuchen der VI. Spinalnerv keine motorischen Nervenfasern für den M. gastrocnemius enthielt. | Durch die Versuche 1, 2, 7, 8, 9 und 10 halten wir auch die beiden anderen, unter 2° und 3° angegebenen Sätze für bewiesen. — Ferner zeigten die Versuche 7, 8, 9 und 10 — bei welchen allen zwei von den Spinalnerven auf der gereizten Seite, vorher als die Reizungen geschahen, durchgeschnitten waren — eine bei diesen Untersuchungen über- haupt ungewöhnliche Dauerhaftigkeit; dieses Verhältniss scheint nicht einer zufälligen Disposition der Versuchsthiere zuzuschreiben zu sein, weil in derselben Zeit — im Monat Mai — auch Versuche an Praeparaten mit intacten Spinalnerven ausgeführt wurden, ohne dass eine solche Dauer- haftigkeit beobachtet wurde. Inwiefern dieses Verhältniss dem Umstande, dass gleichzeitige Erregungen in den Spinalnerven, mit den Reflexapparaten SENSIBLE NERVEN UND REFLEXAPPARATE DES RÜCKENMARKS, 201 des Rückenmarkes fortgepflanzt, aufeinander störend einwirken, zuzuschreiben sei, können wir hier nicht näher verfolgen. Schliesslich lehren diese anatomischen Verhältnisse, dass das in Frage stehende Reflexpraeparat vereinfacht oder mehr elementar gemacht werden kann, dadurch nämlich, dass zwei von den drei Spinalnerven, womit der N. ischiadicus anfängt, durchgeschnitten worden. Im Folgenden finden wir Anleitung, in gewissen Fällen zu besonderen Zwecken, durch dies Verfahren das Praeparat zu vereinfachen. 3. Die Erregbarkeit desselben Nerven an verschiedenen Stellen. In einer früheren Mittheilung in diesem Archiv, im Jahre 1876, wurden einige Untersuchungen angeführt, welche andeuteten, dass die Er- reebarkeit der sensiblen Nerven an verschiedenen Stellen verschieden ist und im Allgemeinen vom Rückenmark gegen die Peripherie abnimmt. Die Untersuchungen geschahen derart, dass in dem hier in Rede stehenden Praeparate des N. ischiadicus mit einem untermaximalen Reize von der- selben Stärke an verschiedenen Stellen gereizt wurde; hierbei wurden im M. gastrocenemius der anderen Seite Reflexzuckungen von ungleicher Grösse erhalten, je nachdem verschiedene Stellen gereizt wurden. Gegen die Deu- tung, dass dies auf ungleicher Erregbarkeit beruht, kann indessen der Ein- wand gemacht werden, dass weil der Nervenstamm in seinem oberen Theile mehr sensible Nervenfasern enthält, mehr Fasern und damit auch mehr Reflexapparate im Rückenmark erregt werden, je näher zum Rückenmark der Reiz wirkt. Es können nun freilich gegen diesen Einwand, wie auch in der erwähnten Mittheilung angedeutet wurde, mancherlei Umstände an- geführt werden; die im Vorhergehenden besprochenen Verhältnisse aber zeigen eine Möglichkeit an derartige Einwendungen wesentlich zu beseitigen. Dies geschieht dadurch, dass der VII. und IX. Spinalnerv im Praeparat auf der gereizten Seite durchschnitten werden, so dass der Reflex nur durch die sensiblen Nervenfasern vermittelt werden, welche dem VII. Spinalnerven angehören; wie im vorhergehenden Artikel genannt wurde, fangen nämlich diese Nervenfasern beinahe ausschliesslich im unteren Theile der Extremität an und treten also im Stamme des N. ischiadicus schon an dessen unteren Ende ein. Ein Reiz trifft daher sozusagen alle die sensiblen Nervenfasern, welche durch den VIII. Spinalnerven im Rückenmark eintreten, wenn der- selbe ein kleines Stück oberhalb des unteren Endes auf den Nervenstamm einwirkt. Durch Ausführung der Versuche unter derartig veränderten Verhält- nissen kann also der erwähnte Einwand wesentlich beseitigt werden; und 202 K. HÄLısten: dass ist auch die Veranlassung zur Wiederaufnahme, dieser Frage zu er- neuter Prüfung. Aber auch in anderer Beziehung können die Unter- suchungen vereinfacht werden; werden sie nämlich an Praeparaten von strychninisirten Fröschen ausgeführt, so können auch Reize von schwächerer Stärke angewandt werden. Wir machen also die Untersuchung an Praeparaten von strychnini- sirten Fröschen; in Uebereinstimmung mit den in Artikel 1 angeführten verfertigen wir das Praeparat bevor Krampfanfälle von längerer Dauer ein- getreten sind; und im Praeparate wurden der VII. und IX. Spinalnerv auf auf der Seite, wo die Reizung geschehen soll, durchschnitten. Als Reize werden elektrische Ströme in verschiedenen Formen angewandt; zur Leitung der Ströme wurden die für Untersuchungen dieser Art gewöhnlichen An- ordnungen getroffen; drei Paar kleine Quecksilbergefässe wurden nämlich in parallelen Reihen dicht beieinander gestellt; das mittlere Paar konnte nach Belieben mit der Batterie, bez. secundären Spirale eines Inductions- apparates in Verbindung gebracht werden; von den beiden übrigen Paaren wieder gingen die Leitungen zu den vier unpolarisirbaren Elektroden, auf denen der Nerv ruhte; die beiden letzteren (Quecksilbergefässe konnten ferner nach Belieben mittels zweier amalgamirter Kupferbügel mit den mittleren Quecksilbergefässen in Verbindung gesetzt werden, so dass die Reizung durch das eine oder andere Elektrodenpaar hervorgerufen werden konnte. Es möge hier erwähnt werden, dass bei fast allen weiter an- geführten Versuchen besondere Beobachtungen angestellt wurden, um zu- zusehen dass nicht Stromschleifen bez. unipolare Phaenomene einen Theil der gefundenen Resultate bedingten. Versuch 1. Als Reiz wurde ein constanter Strom mit dem negativen Pol näher zur Wirbelsäule, angewandt. Die Vergiftung geschah mit !/, =er® Strychninnitrat; 6 Minuten darauf treten bei Reizung Zuckungen in den Extremitäten auf, und nach 8 Minuten ein Krampfanfall von kurzer Dauer; dann wurde das Praeparat verfertigt. Die Länge des ganzen Nerven- stammes betrug 55 "=; ein Elektrodenpaar wurde anfangs ganz nahe an die Wirbelsäule gelegt, das andere 17=m vom M. gastrocnemius entfernt; die intrapolare Nervenstrecke wurde möglichst gleich für jedes Elektroden- paar gemacht, ungefähr 3"®, Zur Ausführung der Reizungsversuche wurde 1 Dan. nebst Rheochords angewandt. Bei einer Rheochordlänge von 13 m” wurde von beiden Stellen die gleiche Zuckung von etwa 9 wm hervorgerufen, und bei Verminderung der Reizstärke wurde von keinem der beiden Elek- trodenpaäre eine Zuckung erzielt. Das der Wirbelsäule nähere Elektroden- paar wurde daher mehr peripherisch zum Plex. ischiadicus,, 12mm vom untersten Wirbel, verlegt. Bei dieser Anordnung ergab sich: SENSIBLE NERVEN UND REFLEXAPPARATE DES RÜCKENMARKS. 203 Entferntere Stelle. Nähere Stelle. een. .eSchlz. . . Oefln. -. “Schlz. . .. :'Oeffn. 00.0 social RZ 0 RE 0 De a Bo Da) ON. 0 to a) Hier und im Folgenden ist mit der entfernteren Stelle das gereizte Nervenstück in der Nähe der Fossa poplitea bezeichnet, mit der näheren Stelle wieder die Reizungsstelle am Plexus; die Bezeichnungen Dan., Rh., Schlz. und Oeffnz. haben dieselbe Bedeutung wie oben. Am Praeparat war der M, gastrocnemius auf der gereizten Seite beibehalten, und gab bei Stromschliessung an der entfernteren Stelle eben merkbare, an der näheren Stelle deutliche Zuckung. Schliesslich wurde auch der VIII Spinalnerv auf der gereizten Seite durchschnitten und die Enden gegen einander ge- lest; als darauf der Versuch wiederholt wurde, erfolgte keine Zuckung. Versuch 2. Als Reizmittel wurde der constante Strom mit dem posi- tiven Pol näher zur Wirbelsäule angewandt; 1/, sm und 10 Minuten darauf, als der erste Krampfanfall eintrat, wurde das Praeparat gemacht. Hier hatte der Nervenstrom eine Länge von 46=m; die der Wirbelsäule nähere Reizstelle war 12 "m yom untersten Wirbel entfernt; die entferntere 10 mm vom Ende des Nerven. Bei Reizung mit 1 Dan., bei offenem Rheochord, wurde von beiden Stellen ungefähr dieselbe Zuckung, 10 "m erhalten; der Versuch wurde darauf in folgender Weise ausgeführt: Entferntere Stelle. Nähere Stelle. Ban a sschlz.. .. Oefin. ©... Schlz. ... ..Oefm. ana, ug 09 DE ESS IE EIER 0 ln . . 8a... 0 ULEB SL EURE 0 Hierauf wurde auch der VIII. sensible Spinalnerv durchschnitten, und die Enden miteinander in Berührung gebracht; bei jetzt vorgenommener Reizung von der zur Wirbelsäule näheren Stelle erfolgte keine Zuckung. Versuch 3. Die Reizung geschah mit constantem Strom; die Lage des Pols konnte mittels eines in die Strombahn eingeschalteten Strom- wenders verändert werden. 21 Minuten nach der Vergiftung mit 1/, bis 1/,merm werden Zuckungen in der Extremität hervorgerufen, und um 26 Minuten nach dem erten Krampfanfalle wurde das Praeparat verfertigt. In diesem Versuche wurde das nähere Elektrodenpaar 4—5"" vom untersten Wirbel applieirt, das entferntere an die Fossa poplitea; im Uebrigen dieselbe Anord- nung wie in den früheren Versuchen. Die Reizungsversuche geschahen in folgender Ordnung: 204 K. HÄLLSTEN: Entferntere Stelle. Nähere Stelle. Dan... aRh2 225Role..98Schlz.. 2 20efnz. 2 eschlz ee 1 2icm posit.. . 4:6 0r 5.5. 0 1 2, Y o. Del) 0: 61 0 1 2 3 5.6 0 1 2 negat 0 0. 8.0. 0 1 25 > 0 0% ch 0 1 ZERFURRT Bi Br le 0 ; 0 6-3 0 1 DR ER 0 Ä 0 6-7 0 Y Hier trat also die stärkere Zuckung von der näheren Stelle deutlich hervor, wenn der negative Pol näher zur Wirbelsäule war. Versuch 4. Induetionsströme werden als Reizmittel angewandt; !/,merm; 6 Minuten darauf die ersten Vergiftungserscheinungon; das Praeparat wurde 9 Minute nach der Vergiftung ohne vorhergegangenen Krampfanfall an- gefertigt. Die ganze Länge des Nervenstammes von 54", das eine Elek- trodenpaar am Plexus 12=m vom untersten Wirbel, das andere oberhalb der Fossa poplitea, 12”®® vom Ende des Nerven. Auch hier zeigten sich Schwierigkeiten einen minimalen oder untermaximalen Reiz zu finden; der Versuch wurde daher auf folgende Weise ausgeführt: bei Reizung an der entfernteren Stelle wurde die Lage der secundären Spirale aufgesucht, bei welcher eben keine Reflexzuckung auf der anderen Seite erfolgte (in dieser Lage wurde jedoch der M. gastrocnemius auf derselben Seite gereizt); der- selbe Reiz wurde dann auf die nähere Stelle applicirt, wodurch eine Re- flexzuckung von 8=% erhalten wurde. Nach einigen Wiederholungen der Versuche mit nahezu demselben Resultate, wurde auch der VIII. Spinalnerv abgeschnitten; bei jetzt erneuter Reizung wurde auf der anderen Seite keine Zuckung mehr hervorgerufen. Versuch 5. Als Reizmittel wurde ein Schliessungsinductionsschlag an- gewandt. 13 Minuten nach der Vergiftung mit !/, wem traten bei Reizung Zuckungen in den Extremitäten auf, nach 17 Minuten anhaltende Spreizung der Zehen; das Praeparat wurde 18 Minuten nach der Vergiftung ohne vorhergegangenen Krampfanfall angefertigt. Die Länge des ganzen Nerven betrug 55 wm; das nähere Elektrodenpaar befand sich auf dem Plexus, 15 ®® von der Wirbelsäule, das entferntere Ende in der Fossa poplitae 10 wm vom Ende des Nerven. Bei einer gewissen Lage der secundären Spirale wurde von der entfernteren Stelle keine Zuckung erhalten, von der näheren Stelle aber eine solche von 8"; und bei wiederholten Versuchen die bez. Zuckungen 0 und 8-2, sowie O0 und 8.2 ”=m, Hierauf wurde auch der VII. sensible Spinalnerv durchschnitten, um zuzusehen, dass die Zuckung nicht auf Stromschleifen oder unipolarer Reizung beruhe. SENSIBLE NERVEN UND REFLEXAPPARATE DES RÜCKENMARKS. 205 Versuch 6. Als Reizmittel ein Oefinungsinductionsschlag. Vergiftung mit 1/, »erm; das Praeparat wurde 8 Minuten darauf mit eingetretenem anhaltenden Krampfe verfertigt. Die ganze Länge des Nerven betrug 57 "m; das nähere Elektrodenpaar war 15 ”% vom untersten Wirbel, das entferntere nach oben von der Fossa poplitea, 12 == vom Ende des Nerven. Bei einer gewissen Lage der secundären Spirale wurde von der entfernteren Stelle keine Reflexzuckung auf der anderen Seite erhalten (wohl aber Zuckung auf derselben Seite), dagegen von der näheren Stelle eine Reflexzuckung von 6”=m; bei Wiederholung des Versuches wurden Zuckungen von resp. 0 und 6.5wm erhalten. Nach Durchschneidung des sensiblen VIII. Spinal- nerven und darauf folgender Reizung wurde keine Reflexzuckung erhalten. In allen diesen Versuchen war die Empfindlichkeit der Praeparate sehr gering; die Schwierigkeit in dieser Versuchsreihe einen minimalen oder untermaximalen Reiz zu finden, beruhte vielleicht auf der Jahreszeit; alle hier mitgetheilten Versuche wurden nämlich im Spätherbst (1884) aus- geführt. Im Uebrigen zeigen die Versuche, dass die Reflexzuckung verschiedene Grösse annimmt, je nachdem Reize von gleicher Stärke auf verschiedene Stellen des Nervenstammes applieirt werden. Die Erklärung hierfür ist, wie in der oben genannten Mittheilung hervorgehoben wurde, in einer un- gleichen Erregbarkeit an den verschiedenen: Stellen zu suchen; der erste Theil von Versuch 1 zeigt zugleich, dass die Erregbarkeit vom Rückenmark gegen den Plexus wächst; und die übrigen Versuche zeigen, dass sie vom Plexus zur Fossa poplitea abnimmt. Die Erregbarkeitscurve für sensible Fasern im N. ischiadieus scheint daher ungefähr den gleichen Verlauf zu haben, wie die der motorischen Fasern desselben Nervenstammes. — Selbst- verständlich, liest jedoch das Hauptgewicht in diesen und ähnlichen Ver- suchen nicht auf der Erregbarkeitscurve und ihrem Verlauf, sondern — wie in der oben erwähnten Mittheilung hervorgehoben — darauf, dass die hierher gehörigen Erscheinungen nicht vereinbar sind mit der bekannten Theorie von dem lawinenartigen Anschwellen der Erregung mit der durchlaufenen Wegstrecke. 4. Der Einfluss eines Querschnittes auf die Erregbarkeit der sensiblen Nerven. Jahrzehnte sind verflossen, seitdem Heidenhain fand, dass die Er- regbarkeit in einem motorischen Nerven in Folge eines Querschnittes erhöht wird, und dass diese Erhöhung um so grösser ist, je näher der untersuchten 206 K. HÄLLSTEN: Stelle der Schnitt gemacht wird. Hier untersuchen wir, wann dasselbe Ver- hältniss sich auch für die sensiblen Nerven nachweisen lässt. Unter- suchungen in dieser Beziehung dürften an dem oben beschriebenen Reflex- praeparate ausgeführt werden können. Anfangs benutzten wir zur Ausführung der Untersuchung Reflexprae- parate von frischen (nicht strychninisirten) Fröschen und als Reizmittel Inductionsströme. Bei diesem Verfahren stösst die Untersuchung jedoch auf grosse Schwierigkeiten, wozu verschiedene Umstände zusammenwirken, vor Allem aber die Nothwendigkeit bei diesem Verfahren relativ starke Reize anzuwenden, und ferner die Schwierigkeit hier untermaximale Reize zu finden oder mit anderen Worten die Eigenschaft der Muskelreflexe sehr schnell zu wachsen und den maximalen Werth zu erreichen, trotzdem die Reizstärke nur wenig erhöht wird. Zugleich — denke ich — hat hier ein anderer Umstand Einfluss; die Erhöhung der Erregbarkeit in Folge eines Querschnittes ist nämlich von geringer Grösse im Vergleich mit dem Wider- stande, welchen der Reflexapparat der Uebertragung der Erregung auf den motorischen Nerven entgegensetzt. Indessen scheint es, dass folgender Ver- such kaum in anderer Weise gedeutet werden kann, als dass auch unter diesen Verhältnissen eine Erhöhung der Erregbarkeit in Folge eines Quer- schnittes eintritt. - Versuch 1. Das Reflexpraeparat wurde von einem frischen, eben ge- fangenen Frühlingsfrosch verfertigt; der Nervenstamm hatte eine Länge von 56=m, und die Stelle befand sich 13" vom untersten Wirbel. Bei einer gewissen Lage der secundären Spirale wurden nach einander die Reflexzuckungen: 0, 7, 7:5 und 9.8” erzielt. Hierauf wurde der Nerven- stamm in der Fossa poplitea auf 14-5 "m Abstand von dem gereizten Nerven- strecke durchschnitten; bei jetzt vorgenommener Reizung mit demselben Reize erfolgten nach einander die Reflexzuckungen: 11-4, 13°3 und 13:0, — Bei jetzt vorgenommenen Versuchen die Reizstärke herabzusetzen, um darauf den Schnitt näher zur gereizten Stelle zu machen, ergeben sich die Zuekungen 0 oder 12 bis 13m, weshalb der Versuch abgebrochen werden musste. In dem vorigen Theil dieses Versuches kann man, wenn man will, das betreffende Heidenhain’sche Phaenomen sehen. Da die Untersuchungen jedoch auf diesem Wege auf Hindernisse stiessen, so wurde das Praeparat von stryehninisirten Thieren gemacht. Die folgenden Versuche 2, 3, 4 und 5 mögen die Resultate zeigen. Versuch 2. Eben gefangener Frühlingsfrosch; !/, "sw, das Praeparat wurde 10 Minuten darauf, als sich bei Reizung die ersten Vergiftungserschei- SENSIBLE NERVEN UND REFLEXAPPARATE DES RÜCKENMARKS. 207 nungen beobachten liessen, verfertigt. Als Reizmittel wurden Inductions- ströme angewandt; der Nervenstamm hatte eine Länge von 48m; der Abstand zwischen den unpolarisirbaren Elektroden betrug 4””, und der Abstand von der intrapolaren Nervenstrecke bis zum untersten Wirbel 1j5=m, Die Reizungen erfolgten in folgender Weise: Bei einer gewissen Lage der seeundären Spirale erfolgte eine Reflexzuckung von 0.6"; als darauf die secundäre Spirale der primären ein wenig genähert wurde, war die Zuekung 8-1; als sie wieder entfernt wurde 1-0, und schliesslich, als sie wieder der primären genähert wurde, 7.8=m, Bei dieser Lage der secundären Spirale wurde der Nervenstamm in der Fossa poplitea, 15 "" von der intrapolaren Strecke, durchschnitten; und bei der jetzt vorgenom- menen Reizung mit dem eben angewandten Reize war die Reflexzuckung 8-4, 8.4mm, Darauf wurde die Reizstärke vermindert, so dass die Reflex- zuckungen in zwei auf einander folgenden Versuchen 4 und 4.4” be_ trugen; hierauf wurde der Nervenstamm 2-5” von der näheren Elektrode durchschnitten; — es mag hinzugefügt werden, dass bei dieser, wie bei der vorhergehenden Durchschneidung des Nervenstammes eine Reflexzuckung von maximaler Grösse erfolgte; schliesslich wurde wieder mit dem zuletzt angewandten Reiz gereizt und als Resultat in vier dieht nach einander felgenden Versuchen die Reflexzuckungen: 8°6, 8-1, 7:8 und 7.3" er- halten. Der erste Theil des Versuches zeigt, dass auch in diesem Falle ein minimaler Reiz nur sehr wenig erhöht zu werden braucht, damit die Reflexzuekungen beträchtlich zunehmen, und ferner, dass ein Querschnitt in grösserer Entfernung (15"=) von der untersuchten Stelle nur geringe oder kaum merkbare Zunahme in der Grösse der Reflexzuckung hervorruft. Der letzte Theil wieder zeigt, dass bei Durchschneiden des Nervenstammes ganz in der Nähe (2.5”=m) der untersuchten Nervenstrecke die Reflex- zuckung von 4 auf 3 bis T®m zunahm; hier zeigte sich also das Heiden- hain’sche Phaenomen. Versuch 3. Ebenfalls am Frühlingsfrosch ausgeführt; !/, "stm; 13 Mi- nuten darauf, als bei Reizung schwacher Tetanus auftrat, wurde das Prae- parat verfertigt. Der Nervenstamm hatte eine Länge von 60=m und die Reizung geschah ungefähr in der Mitte desselben mit Inductionsstrümen. Anfangs zeiete sich auch hier die Schwierigkeit einen minimalen Reiz zu finden; bei einer gewissen Lage der secundären Spirale erfolgten nämlich Zuckungen von 6 bis 7m Höhe, und bei geringer Herabsetzung der Reiz- stärke wieder gar keine Zuckungen. Der Versuch wurde darauf folgender- maassen fortgesetzt: bei einer gewissen Lage der secundären Spirale erfolgten dieht nach einander die Reflexzuckungen: 3-5, O und O erhalten; hierauf wurde der Nervin 17:2 mm Abstand von der näheren Elektrode durchschnitten; 208 | K. Hiuuster: bei jetzt vorgenommener Reizung mit dem vorigen Reiz ergaben sich die Zuckungen: 9-8 und 5-5mm in zwei Versuchen. Nun wurde die Reiz- stärke etwas vermindert, so dass die Reflexzuckungen 46, 5.6 =m betrugen; hierauf wurde der Nerv dicht neben der Reizstelle durchschnitten und der Versuch mit dem vorigen Reize erneuert, wodurch Zuckungen von 10°6, 10:7 und 10.4 "m erfolgten. Auch in diesem Versuche tritt also der Einfluss des Querschnittes hervor, und um so deutlicher, je näher der untersuchten Stelle der Quer- schnitt angelegt wird; der erste Theil des Versuches deutet zugleich eine plötzlich eintretende, aber schnell vorübergehende Erhöhung der Erregbarkeit an, auch wenn der Querschnitt in weiterer Entfernung von der untersuchten Stelle ausgeführt wird. Versuch 4. !/,"s’®; 12 Minuten darauf, nachdem leichter Tetanus aufgetreten war, Verfertigung des Praeparates. Anordnung dieselbe wie im vorigen Versuche. Die geringste Reflexzuckung, welche erreicht wurde, be- trug 6.2 "m; bei Anwendung schwächerer Reize trat nämlich keine Reflex- zuckung ein. Hierauf wurde der Nervenstamm dicht neben der gereizten Stelle durchschnitten und bei Anwendung desselben Reizes erfolgten Reflex- zuckungen von 7'8, 7.0 und 7.9 m, Versuch 5. !/, "sm; das Praeparat wurde 21 Minuten darauf, als sich leichte Vergiftungserscheinungen zeigten, angefertigt. Die Länge des Nervenstammes betrug 59", die Reizungsstelle war S"= vom untersten Wirbel entfernt. Bei einer gewissen Lage der secundären Spirale ergaben sich in zwei Versuchen Reflexzuckungen von 1 und O”=m; hierauf wurde der Nervenstamm in der Fossa poplitea, auf 14”” Entfernung von dem näheren Pole, durchschnitten; hei darauf vorgenommener Reizung erfolgten nach einander die Zuckungen: 2-9, 4-8 und 5-3=m, Bei im Uebrigen gleicher Anordnung wurde jetzt der Nerv dicht an der gereizten Stelle durchschnitten, worauf mit dem ursprünglichen Reize die Reflexzuckungen 10-7 und 10.6” erfolgten. i Hiermit sehen wir es als bewiesen an, dass der Querschnitt auch in einem sensiblen Nerven eine Erhöhung der Erregbarkeit ebenso wie in einem motorischen zur Folge hat; es muss aber zugleich erwähnt werden, dass es uns nicht immer gelungen ist, das Phaenomen hervorzurufen. Die Ursache des Misslingens der Versuche scheint uns jedoch leicht verständ- lich; damit die Erscheinungen deutlich hervortreten, müssen die Unter- suchungen in dem Stadium der Vergiftung ausgeführt werden, wo die Reflexapparate des Rückenmarkes die Erregungen leicht durchgehen liessen. Dies tritt ein m dem Stadium, das wir oben das erste genannt haben SENSIBLE NERVEN UND REFLEXAPPARATE DES RÜCKENMARKS. 209 oder richtiger am Ende desselben; aber die Zeichen, welche uns das Ein- treten dieses Momentes andeuten, sind allzu unsicher und dieses Stadium hat nur geringe Dauer. Bisweilen wird daher das Praeparat' zu früh ge- macht, in anderen Fällen zu spät. Unter solchen Umständen scheint es, dass solchen Versuchen, welche unsichere Resultate geben, keine Bedeutung beizumessen ist, im Vergleich nämlich mit denen, welche positive Resultate seben. — Es mag hinzugefügt werden, dass alle obige Versuche im Frühling (1883) ausgeführt worden sind. Archiv f, A. u, Ph. 1885. Physiol. Abthlg. 14 Ueber das Wesen der Blutgerinnung. Von C. Holzmann, Prosector für Zootomie. (Aus dem pharmokologischen Laboratorium von Prof. Joh. Dogiel zu Kasan.) Die Untersuchungen von Hewson,! H. Nasse? und besonders Brücke? haben uns gezeigt, dass Abkühlung und Ruhe des Blutes als gerinnungs- verzögernde Momente aufzufassen sind. Mandl,* Brücke und Kühne’ brachten Beweise bei, dass das Blut auch beim Luftabschluss gerinnt. Wenn wir somit mit gutem Grund diese rein physikalischen Erklärungs- versuche der Blutgerinnung als unhaltbar unberücksichtigt lassen, können wir die in der Literatur vertretenen Ansichten über diesen Process zur leichteren Uebersicht wie folgt gruppiren: I. Das Fibrin ist ein normaler Blutbestandtheil des Blutes. 1. Es kommt darin gelöst vor. 2. Es gehört zu den geformten Blutbestandtheilen. Il. Das Fibrin praeexistirt nicht im Blute. Sein Auftreten ist gleich- bedeutend mit seinem Entstehen. 1. Es entsteht aus den ungeformten Eiweisskörpern des Blutes. ! Hewson, Experimental inquiry into the properties of the blood. London 1827. ? Nasse, Ueber das Blut. 1836 und Wagner’s Handwörterbuch der Physiologie. 1842. Bd.I. 8. 75. ® Virchow’s Archiv. 1859. Bd. XI. S. 81. * Wagner’s Handwörterbuch der Physiologie. Bd.I. 8.110. ° Kühne, Lehrbuch der physiologischen Chemie. C. HOoLZMANN: ÜBER DAS WESEN DER BLUTGERINNUNG. 211 2. Es entsteht aus den geformten Blutelementen, a) Das Fibrin liefern rothe Blutkörperchen. b) Das Fibrin entsteht aus den farblosen Blutkörperchen und einem ungeformten Eiweisskörper des Blutes. c) Das Fibrin bildet sich aus Hämatoblasten. Durch Senkung der’ rothen Blutkörperchen sieht man im langsam ge- rinnenden Blute oben eine farblose Plasmaschicht entstehen. Da letz- tere für sich ebenso gerinnt wie der Blutkörperchen enthaltende Theil, so hielt Hewson für erwiesen, dass das Fibrin im Blut gelöst vorhanden sei, und nur durch Berührung mit der Luft in den festen Zustand übergehe. Joh. Müller! verdünnte Froschblut mit einem gleichen Volumen Wasser oder Zuckerlösung und filtrirte es dann. Das Filtrat gab ein farbloses Gerinnsel. Hierin sah er den Beweiss, dass das Fibrin im Blut gelöst vorkommt. Nach Richardson? ist das Lösungsmittel des Fibrins im Blute das Ammoniak. Kann letzteres entweichen, so scheidet sich Fibrin in fester Form aus. Nach den Untersuchungen von Lister? und Kühne? über diesen Gegenstand ist es überflüssig auf diese Ansicht näher einzugehen. Bei Zimmermann lesen wir: „... dass sich im Plasma ein Contact- körper bildet, der in den Atomen des flüssigen Fibrins die Aenderung in ihrer Lagerung bewirkt, dass es diesen Zustand nicht mehr behaupten kann, sondern in den festen übergehen muss ...“ Für gelöstes Fibrin haben sich auch Matthieu und Urbain® ausgesprochen: „Nous pensons donc pouvoir maintenir nos conclusions anterieures: L’acide carbonique est la cause de la coagulation spontanee du sang et, pendant la vie, la fibrine dissoute dans le plasma n’est pas coagulee, parce que le gaz acide, de meme que l’oxygene est combine aux globules rouges.“ Schon nach Raspail’ kommt der CO, eine active Rolle bei der Blutgerinnung zu: die Kohlen- säure soll das freie Alkali des Blutes binden und das seines Lösungsmittels beraubte Fibrin in Folge dessen sich ausscheiden. Für diese Auffassung der Fibrinbildung hat in neuester Zeit Morochowetz°® plaidirt. Gegen- wärtig wird aber der hemmende Einfluss der CO, bei der Gerinnung! kaum wegzudiscutiren sein, wenn man auch nicht mit Scudamore° darin überein- ! Handbuch der Physiologie des Menschen. 1838. ® Zeitschrift für rationelle Mediein. 3. Reihe. Bd. V. Philosophical Transactions. 1859. p.536. A.2. 0. Zeitschrift für rationelle Medicin. 3. Reihe. Bd. III. 3. 304. Comptes.rendus. Juillet — Decembre 1875. p. 372. Nasse, Das Blut. 8.186. Wratsch. 1884. Nr. 19 u.20. (In russ. Sprache.) Ein Versuch über das Blut. 1826. 8. &5. 3 + > 6 7 S 6) 14 * 212 C. HoLzmans: stimmen kann, dass das Entweichen der CO, die Ursache der Blutgerin- nung ist. Weit einfacher dachten sich die Fibrinbildung jene Autoren, welche das Fibrin zu den geformten Blutbestandtheilen zählten: die Fibrinkügelchen (Addison!) oder Körnchen (Milne Edwards?) oder die Blutplättchen (Bizzozero°) treten in dem ausser Circulation gesetzten Blute aneinander und bilden die Fibrinfasern. Die Ansicht, dass das Fibrin als solches im Blute nicht vorhanden ist, entspricht schon mehr den gegenwärtigen Erfahrungen über die Blutgerinnung. Diese Ansicht ist durchaus nicht neu. Bei Nasse* lesen wir: „Nach Schultz ist der flüssige Faserstoff nicht als solcher, sondern als ein vom Eiweiss chemisch ungetrennter und dabei allein durch die Lebenskraft, nicht durch chemische Ursachen flüssig erhaltener Theil des Plasma im Körper vor- handen ...“ Brücke schreibt: „Fibrin, die Substanz, die durch Zer- setzung des Kalialbuminats erhalten wird, Casein und die schmelzende Gallerte, die unter der Einwirkung von Säuren aus dem Plasma oder Serum des Pferdes entstand, sind vielleicht eine Reihe von Substanzen, die noch näher mit einander zusammenhängen, als wir bisher geglaubt haben ... Wir haben kein Recht anzunehmen, es existire im Blute des lebenden Körpers eine besondere Substanz, welche den Namen lösliches Fibrin ver- dient, einen Namen, der nothwendig die Vorstellung erweckt, dass es eine Substanz sei, wesentlich verschieden von Albumin und dessen Verbindungen, und dass diese durch eine blosse Veränderung ihres Aggregatzustandes in geronnenes Fibrin verwandelt wird. Wir müssen anerkennen, dass ein Theil des Blutalbumins in die unlösliche Substanz, Fibrin, umgewandelt wird, welche in mehreren Punkten dem löslichen Albumin ähnlich ist, dass man aus dem gewöhnlichen Hühnereiweiss erhält, wenn man Lieberkühn’s festes Kalialbuminat zerlegt.“ Auch Denis‘® nahm an, dass im circulirenden Blute ein Eiweisskörper — Plasmin — sich vorfände. Das Plasmin zer- fällt in fibrine conerete und fibrine dissoute, sobald das Blut aus den Blut- gefässen tritt. Das Plasmin stellte er aus frisch aus den Gefässen geflossenem Blut durch Fällen mit grosser Menge NaCl dar. Lösst man den weiss- lichen, klebrigen Niederschlag m 10—20 Volumen Wasser, so gerinnt die Lösung sehr bald. Die Angaben von Le Canu und Denis, dass aus rothen Blutkörperchen ! Lond. med. Gaz. 1840. 10. Dec. :2 Joh. Müller, Handbuch der Physiologie des Menschen. 1838. S. 184. ® Bizzozero, Di un nuovo elemento morfologico del sangue ete. Milano 1883. RAD. :A.2.0. 6 Denis, Memoire sur le sang. Paris 1359. ÜBER DAS WESEN DER BLUTGERINNUNG. 213 durch Behandlung mit Salpeter sich Fibrin darstellen lasse, hat Virchow! eingehend geprüft und kommt zu_ dem Schluss, dass der aus den rothen Blut- körperchen erhaltene Eiweisskörper „nicht bloss die physikalischen, sondern auch, soweit die Untersuchungen reichen, die chemischen Eigenschaften des Faserstoffs theilt.“ Van der Horst und Heynsius? haben ebenfalls Fibrin aus rothen Blutkörperchen dargestellt. Heynsius versetzte Hühner- blut mit 100 Volumen Wasser und sah dabei zahlreiche Flocken entstehen, welche eine 2—3Cem dicke Schicht an der Oberfläche der Flüssigkeit bil- deten. Aufgelöst in NaCl-Lösung geben sie eine dickliche, klebrige Flüssigkeit. Zu demselben Zweck verdünnte Heynsius weiter defibrinirtes Blut mit 3 procentiger NaCl-Lösung und behandelte die sich unten absetzenden Blut- körperchen mit Wasser. „Ich liess nun ebenso wie Mayer das Blut durch eine gabelförmige Röhre in zwei Flaschen einströmen. Wenn ich das Fibrin augenblicklich abscheiden wollte, that ich grobe Schrotkörner in die Flasche, um den beim Schlagen fast unvermeidlichen Verlust zu umgehen. In der einen Flasche blieb das Blut unvermischt, in der anderen war eine gewisse Menge (auf 50° m Blut 5°em phosph. Natr.) einer Lösung von phosphor- saurem Natron, die 27 Procent PO, 2Na0HO enthielt.“ Im letzteren Falle erhielt Heynsius stets mehr Fibrin als aus unvermischtem Blut. Ferner vermerkt Heynsius folgenden Versuch: 67.3 Cem Blut + 10°em Lös. von phosphors. Natr. = 0-56 Procent Fibrin. aaa, + 10, Wasser — (MER. Dass rothe Blutkörperchen an der Fibrinbildung theilnehmen, will Heynsius durch folgenden Versuch beweisen. Er bestimmt die Fibrinmenge im Hunde- blut und erhält 0-43 Procent. Aus dem Serum desselben Blutes konnte er durch NaC] 0-48 Procent Globulin fällen, zusammen 0-91 Procent. Eine zweite Portion desselben Blutes wurde in 4 procentiger NaCl-Lösung auf- gefangen und, nachdem die rothen Blutkörperchen sich abgesetzt hatten, die Globulinmenge durch NaCl im Plasma bestimmt, wobei er 0.59 Procent erhielt. „Im Hühnerblut, sagt Heynsius, ist die Menge des Fibrins, welche man erhält, allein schon viel grösser, als die Menge der fibrinogenen Sub- stanz, welche man aus dem mit einer Salzlösung von 4 Procent verdünnten Plasma ausscheiden kann. Der Eiweisskörper.des Stroma’s (das Zooid) der Blutkörperchen trägt also gewiss zur Bildung des Fibrins bei.“ Heynsius fing ferner Pferdeblut in abgekühlter 1 procentiger NaCl-Lösung auf und stellte es darauf in Eiswasser. Die rothen Blutkörperchen setzten sich alsbald. Sie wurden hierauf in bis auf 0° abgekühltes Serum gebracht, sorgfältig mit letzterem vermischt und in ein warmes Zimmer gestellt. Sehr bald ! Virchow, Gesammelte Abhandlungen. 1856. ” Pflüger’s Archiv u.s.w. Bd. II u. II. 214 Ü. HoLZMmANnR: gerann die ganze Masse, wobei man 1’1 Fibrin erhielt. Die Elementar- analyse dieses Fibrins gab folgende Zahlen: C = 53-4; H = 7.4; N = 16-3; 8 = 1-2; O = 21:7. Heynsius ist der Ansicht, „dass die fibrino- gene Substanz in Verbindung mit anderen Stoffen im lebenden Protoplasma vorkommt und dass diese Verbindung nach dem Tode zerstört wird. Ist das Protoplasma hierbei mit einer Flüssigkeit in Berührung, so nimmt diese, je nach Umständen, einen grösseren oder geringeren Theil der fibrinogenen Substanz oder vielleicht deren Muttersubstanz auf. Der Rest gerinnt im Protoplasma.“ Auch G. Semmer! gelang es, aus rothen Blutkörperchen des Frosches durch Behandlung derselben mit 0-2 procentiger Natronlösung, Fibrin zu erhalten. Er nahm 2 Portionen Froschblut; eine gerann spontan und lie- ferte 0°886 Procent Fibrin, die zweite wurde mit 0.2 procentiger Natron- lösung behandelt und man erhielt 4780 Procent Fibrin. Durch Verdünnen des defibrinirten Froschblutes mit 4— 6fachem Volumen Aqua destillata erhielt G. Semmer ebenfalls ein sich zusammenziehendes Gerinnsel. Er kommt zu dem Schluss, dass „die fibrinogene Substanz nur aus dem Proto- plasma der Blutkörperchen stammen kann.“ Anzuführen ist noch folgende Stelle: „Wird eine wässrige Fibrinfermentlösung zu dem mit Wasser ver- dünnten, defibrinirten Blute hinzugefügt, so tritt die Ausscheidung eines Gerinnsels bedeutend rascher ein, als bei einfachem Wasserzusatz.“ Mante- gazza? versuchte zu beweisen, dass Mittel, welche rothe Blutkörperchen auflösen, in die Blutbahn gebracht, die Quantität des Fibrins vermehren. Zu diesem Zweck führte er Harnstoff in die Blutbahn eines Kaninchens und zählte hierauf die rothen Blutkörperchen, deren er 3875 000 pro Cubik- centimeter fand, während die Fibrinmenge 8-089 pro Mille betrug. Das Schwesterkaninchen hatte 5125000 rothe Blutkörperchen pro Cubikeenti- meter und man erhielt 2.625 pro Mille Fibrin. Die Fibrinbildung aus rothen Blutkörperchen hat Landois? unter dem Mikroskop verfolgt. „Bringt man ein Tröpfchen defibrinirten Kaninchenblutes in Froschserum, ohne um- zurühren, so erkennt man, dass die Zellen sich dicht aneinander lagern; sie werden klebrig an ihrer Oberfläche und beim Druck auf das Deck- gläschen erkennt man, dass nur mit einer gewissen Gewalt das Ankleben gelöst werden kann, wobei oft die sich berührenden Oberflächen der kugelig gewordenen Körperchen fadig ausgezogen werden. Die Zellen werden kugelig und lassen den Blutfarbstoff austreten. Die Entfärbung geht von der Peri- pherie zum Centrum, bis endlich nur Stroma nachbleibt. An der zähen ! Semmer, Ueber die Faserstoffbildung im Amphibien- und Vogelblut u. s. W. Inaug.-Diss. Dorpat 1874. ® Centralblatt für medicinische Wissenschaften. 1868. S. 292 > Centralblatt für medicinische Wissenschaften. 1874. 8. 419—422. ÜBER DAS WESEN DER BLUTGERINNUNG. 215 Stromasubstanz kann man anfänglich noch die Contouren der einzelnen Blutzellen erkennen, allein sobald eine Strömung entsteht, ziehen sich die verklebten Stroma zu zähweissen Fäden und Streifen unter gleichzeitigem Verschwinden der Zellcontouren aus. So kann man Schritt für Schritt die Bildung des Stromafibrins verfolgen.“ Bei seinen Untersuchungen über die Ursachen der Geldrollenbildung im Blute fand Joh. Dogiel! einen gewissen Zusammenhang zwischen dieser Erscheinung und der Fibrinbildung. Mittel, welche die Blutgerinnung be- schleunigen, thun dasselbe auch in Bezug auf die Geldrollenbildung und vice versa. Auf die Einwendung von Rollet, Weber und Suchard wieder- holte und erweiterte er seine Untersuchungen.” Er bemerkte, dass Zusatz von Blutserum eines Thieres zum defibrinirten Blut eines anderen Thieres (wenn beide verschiedenen Ordnungen des Thierreiches angehören) den rothen Blutkörperchen des letzteren die Fähigkeit Geldrollen zu bilden wieder ver- leiht. Sogar durch NaCl-Lösung stark veränderte Froschblutkörperchen treten auf Zusatz von Pferdeblutserum zu einzelnen Häufchen zusammen. Spre- centige NaCl-Lösung löst die Geldrollen auf. Fügt man hierauf jedoch Blut- serum eines anderen Thieres zu diesem Praeparat, so sieht man die rothen Blutkörperchen alsbald wieder zu Geldrollen zusammentreten. Ein solcher Versuch gelinst an einem und demselben Praeparat mehrere Male nach einander. Da Sprocentige NaCl-Lösung ein gutes Lösungsmittel für Fibri- nogen ist, so dienen diese Versuche zum Hinweis auf die Aehnlichkeit des Blutkörperchenstroma’s mit Fibrinogen. Im Stroma der rothen Blutkörperchen könnte das Material für Fibrin gegeben sein. Agentien, welche das Stroma ausscheiden, befördern die Geldrollenbildung und das Auftreten von Fäden, welche die noch vorhandenen geformten Blutelemente mit einander ver- binden. Schon früher hat Joh. Dogiel? bei seinen Studien über die Ozon- wirkung gesehen, dass Ozon, durch defibrinirtes Blut geleitet, die rothen Blutkörperchen bis zur vollkommenen Zerstörung verändert. Hiermit im Zusammenhang treten darin Flocken auf, welche, gewaschen, kaum von Fibrin zu unterscheiden sind. Dass aus rothen Blutkörperchen Fibrin sich darstellen lässt, ist nach dem Angeführten zwar nicht zu bestreiten, diese Thatsachen aber mit spon- taner Blutgerinnung in Zusammenhang zu bringen, bleibt jedoch ferneren Versuchen anheimgestellt. Dass Fibrin seine Entstehung den farblosen Blutkörperchen und einem ungeformten Eiweisskörper des Blutes verdankt, diese Ansicht findet ihren 1 Dies Archiv. 1879. S. 222. 2 Dies Archiv. 1883. 8. 357. ® Centralblatt für medicinische Wissenschaften. 1875 Nr. 30. S. 499. 216 (©. HoLZMAnNN: Vertreter m Alex. Schmidt! zu Dorpat. Er fand, dass Transsudate in seröse Höhlen spontan nicht, wohl aber auf Zusatz von Blut oder Blut- serum gerinnen. Gerinnung der Transsudate bewirkten ebenfalls: Wasser, in welchem die Cornea vom Kalbsauge gelegen hatte; Pulver der Cornea; Wasser, welches durch die Wandung von vorher gut ausgewaschenen Nabel- gefässen getrieben war, Speichel, Amniosflüssigkeit, Humor aqueus, Glas- körper und Linsenflüssigkeit. Als Alex. Schmidt darauf constatirte, dass aus stark mit Wasser verdünntem Blutserum durch CO, oder schwaches Ansäuern mit Essigsäure ein Globulin herausfällt, worauf dem Blutserum die gerinnungerregende Eigenschaft abgeht, während das Globulin diese Eigenschaft aber besitzt, nannte er letzteres: fibrinoplastische Substanz. Durch ähnliche Behandlung der Transsudate erhielt Alex. Schmidt eben- falls ein Globulin, welches aber von der fibrinoplastischen Substanz zu unterscheiden ist. Da die Transsudate nach dem Ausfallen dieses Körpers nicht mehr auf Serumzusatz gerinnen, so nannte ihn Alex. Schmidt: fibrinogene Substanz (Fibrinogen). Fibrinogen, in Blutserum aufgelöst, macht letzteres gerinnen. Alex. Schmidt überzeugte sich jedoch bald, das Ver- mischen der Lösungen von fibrinoplastischer Substanz und des Fibrinogens nicht immer Gerinnung der Mischung zur Folge hat. Weitere Unter- suchungen lehrten ihn, dass hierzu noch die Gegenwart von Fibrinferment nothwendig ist. Waren die Fibrinogeneratoren durch Alkali in Lösung gebracht, so ist noch, um Fibrin zu erhalten, ein Zusatz von neutralem Alkalisalz erforderlich. Die Gerinnungstheorie von Alex. Schmidt lautet also: unter der Einwirkung eines specifischen Fermentes, des Fibrinfermentes und bei Gegenwart geringer Mengen von neutralen Alkalisalzen treten zwei gelöste Eiweisskörper, das Fibrinogen und die fibrinoplastische Substanz, zu einem unlöslichen, dem Fibrin, zusammen. Das Fibrinogen praeexistirt nach Alex. Schmidt in den Körperflüssig- keiten. Die fibrinoplastische Substanz und das Fibrinferment entstehen beim Zerfall der ihren natürlichen Existenzbedingungen entzogenen farblosen Blut-, Chylus-, Lymph-, Eiterkörperchen (überhaupt der lymphoiden, Protoplasma ent- haltenden, organisirten Elemente). Um Fibrinferment zu erhalten, „coagulirt man Blutserum mit dem 15—20fachen Volumen starken Alkohols, filtrirt, um die Eiweissstoffe möglichst unlöslich zu machen, frühestens nach 4 Wochen und trocknet das Coagulum, welches das Ferment einschliesst, bei gewöhn- licher Temperatur; dann wird dasselbe fein pulverisirt, mit reichlichen Mengen 1 Dies Archiv. 1861. 8. 545 u. 675.; 1862. 8.428 u. 8.533, — Haematolo- gische Studien. Dorpat 1805; — Monatsberichte der königl. Preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. 1862. 8. 360 u. 705. — Pflüger’s Archiv u. s. w. Bd. V. S. 481; Bd. VI. 8.413; Bd. IX. 8.353; Bd. XI. 8.291 u. 515; Bd. XIII; — Lehre von den fermentativen Gerinnungserscheinungen. Dorpat 1876. ÜBER DAS WESEN DER BLUTGERINNUNG. DIT Wasser angerührt und nach etwa 5—10 Minuten filtrirt. Das Filtrat ent- hält Fibrinferment neben Spuren von Salzen und sehr geringen Mengen von unveränderter fibrinoplastischer Substanz. Die letztere wird nämlich durch den Alkohol zwar zusammen mit dem Albumin vollständig gefällt, aber nur theilweise coagulirt. Bei der Extraetion mit Wasser löst sich nun der uncoagulirt gebliebene Theil unter Mitwirkung der vom Coagulum ein- geschlossenen Alkalien und Salze wieder auf und geht in das Filtrat über; man beseitigt diese Verunreinigung durch Fällen mittelst CO,, Filtriren durch 2—-3fach zusammengelegtes Papier und Entfernung der im Filtrat enthaltenen überschüssigen Kohlensäure durch das Vacuum. Lässt man den Alkohol einige Male auf das Coagulum einwirken, so gehen so geringe Mengen dieser Substanz in das Wasserextract über, dass sie nicht mehr in Betracht kommen. Die wirksamsten Extracte liefert das sehr fermentreiche Rinderblutserum.“ Zur Darstellung der Fibrinogeneratoren hat Alex. Schmidt folgende vier Methoden angegeben. „1) Vorsichtige Mischung mit geringen Mengen von Alkohol bis zu eben beginnender Coagulirung des Albumins; der Niederschlag entsteht hierbei aber sehr langsam, etwa im Verlauf von 1—2 Tagen und die Fällung ist keine erschöpfende. 2) Verdünnung mit etwa 15 Theilen Wasser und Ansäuern mit CO, oder mit einer verdünnten fixen Säure (etwa 1.35 Cem Essigsäure von 25 Procent zu 10.0°m Rinderblutserum); diese Methode giebt nur für die fibrino- plastische Substanz eine erschöpfende Fällung. 3) Auflösung von Kochsalz in den Flüssigkeiten bis zur völligen Sättigung damit. Die durch Filtriren abgetrennten Niederschläge lösen sich in Wasser vermöge des von ihnen zurückgehaltenen Kochsalzes. 4) Neutralisiren der Flüssigkeiten und Ent- fernung ihrer alkalischen und neutralen Mineralbestandtheile durch 3 bis 10 stündige Dialyse dünner Schichten bei etwa !/,—1 stündlichem Wechsel des äusseren Wassers. Die ihrer Lösungsmittel auf diese Weise zum grössten Theil beraubten Substanzen scheiden sich schon im Dialysator aus; ver- vollständigt wird ihre Ausscheidung, indem man nach ihrer Entfernung aus dem Dialysator einen kurzdauernden Kohlensäurestrom durchleitet, wobei, je nach der Dauer der Dialyse, entweder gar keine oder eine sehr geringe Verdünnung mit Wasser erforderlich ist. Durch die beiden letzten Methoden kann man ein erschöpfende Fällung der in Rede stehenden Substanzen be- wirken. Wenn in einer plastischen Flüssigkeit (welche Fibringeneratoren und Fibrinferment enthält) kein neutrales Alkalisalz vorhanden ist, so entsteht kein Fibrin, sondern nur eine Vorstufe desselben, das sogenannte Zwischen- product. Geringer Zusatz von Kochsalz zu einer gesättigten, alkalischen Lösung dieses Zwischenproductes führt eine Umwandlung in Fibrin herbei. Nach dieser Theorie ist der Gerinnungsprocess ein sehr verwickelter. 218 ÜC. HoLzMmAnNN: Das Fibrinferment oder vielmehr seine Wirkung weicht von der gewöhn- lichen Vorstellung der Fermentwirkung bedeutend ab. Bei der Fermentation sahen wir bisher zusammengesetzte Körper in einfachere zerfallen, unlös- lichere in löslichere übergehen. Das Fibrinferment führt dagegen zwei lös- liche, für sich schon sehr complieirte Körper in einen weniger löslichen über. Nichtsdestoweniger wurde diese Vorstellung über die Blutgerinnung bald zur herrschenden. Niemand wird Alex. Schmidt das Verdienst absprechen können diese Frage in richtige Bahn eingelenkt, sie der wissenschaftlichen Bearbeitung zugänglich gemacht zu haben. Die Modification, welche die Gerinnungs- theorie von Alex. Schmidt erfahren muss, bringen nur bessere Unter- suchungsmethoden mit sich. O0. Hammarsten! gelang es nämlich in MgSO, ein Mittel zu finden, welches uns über die ganze Menge der fibrino- plastischen Substanz im Blutserum, oder irgend einer anderen Lösung Auf- schluss zu geben vermag. Jetzt war es ihm leicht nachzuweisen, dass keine der von Alex. Schmidt angegebenen Methoden eine erschöpfende Fällung der fibrinoplastischen Substanz giebt. So giebt Alex. Schmidt für fibrinoplastische Substanz im Pferdeblutserum 0.54 Procent, Hammar- sten jedoch 4.565 Procent an. Ferner wies Hammarsten fibrinoplastische Substanz in allen Flüssigkeiten nach, die nach Alex. Schmidt nur Fibrinogen _ enthalten sollten. Da er die von Alex. Schmidt der fibrinoplastischen Suhstanz zugeschriebene Rolle durch seine Versuche nicht bestätigt fand, so möchte er diese Substanz nach dem Beispiel Kühne’s Paraglobulin ge- nannt wissen. Er resumirt seine Versuche über diesen Gegenstand fol- sendermaassen: „1. Das Paraglobulin ist für die Gerinnung nicht absolut nothwendig. 2. Die von Alex. Schmidt angenommene Wechselbeziehung zwischen beiden Globulinen existirt nicht. 3. Das Paraglobulin geht nicht in den Faserstoff über.“ Von grösster Bedeutung für die fernere Bearbei- tung der Gerinnungsfrage ist die von Hammarsten empfohlene Methode zur Reindarstellung von Fibrinogen aus Blutplasma. Das Blut (vom Pferd) wird zu diesem Zwecke durch Salz (Mg SO,) oder Kälte flüssig erhalten, die Blutkörperchen durch Filtration vom Plasma getrennt, letzteres mit gleichem Volumen NaCl-Saturation versetzt, worauf das Fibrinogen ausfällt. Durch wiederholtes (2—3 maliges) Auflösen (in 8 procentiger Na Cl-Lösung) und Ausfällen mit NaCl-Saturation wird das Fibrin dann gereinigt und schliesslich in destillirtem Wasser aufgelöst (wobei das beim letzten Aus- fällen von Fibrinogen mit eingeschlossene Kochsalz zur Auflösung genügt). Eine solche Fibrinogenlösung zeigt auf Fibrinfermentzusatz eine typische ı Pflüger’s Archiv u.s.w. Bd. XIV. S. 211; Bd. XVIL S. 413; Bd. XVII. S. 38; Bd. XIX. 8.563; Bd. XXIL S. 431. ÜBER DAS WESEN DER BLUTGERINNUNG. 219 Gerinnung. Dem Vorwurf, dass seinem Fibrinogen Paraglobulin beigemischt sein könnte, begegnet Hammarsten mit einer Reihe von Versuchen. „Be- weisender ist folgender Versuch, in welchem wiederum von dem Blute 4 Volumen mit 1 Volumen Mg so, -Saturation vermischt wurden und in welchem auch als Endproduct ein = ganz paraglobulinfreier Fermentlösung schön gerinnendes Fibrinogen erhalten wurde. Das Mg SO,-Plasma enthielt nach der Mg SO-Methode bestimmt) in diesem Falle 2.485 Procent Glo- bulin. Die Menge des Fibrinogens (durch Erwärmen von dem Mg S0,- Plasma auf + 56°C. nach Fredericq bestimmt) war 0-239 Procent und die Menge des Paraglobulins in dem Plasma konnte also nicht mehr als 2.246 Procent betragen. Die Menge des Paraglobulins in dem entsprechen- den MgSO,-Serum war 2.814 Procent und dieses Serum enthielt also min- destens 0.568 Procent Paraglobulin mehr als das Mg SO,-Plasma. Das Ms-SO,-Serum gab nun mit gleichem Volumen NaÜl-Saturation versetzt erst nach 3 Stunden eine deutliche Fällung, und die Menge des Niederschlags, der zwei Tage später abfiltrirt wurde, war 0-076 Procent. Von den 0.568 Pro- cent Paraglobulin, welche das Me SO,-Serum mehr als das entsprechende MsSO,-Plasma enthielt, wurden also nur 0.076 Procent durch NaÜl- Saturation ausgefällt, und es ist also ganz unverständlich, wie in diesem Falle eine Verunreinigung mit Paraglobulin hätte stattfinden können.“ Hammarsten sieht die Gerinnung als einen fermentativen Process an, bei welchem das Fibrinogen eine derartige Spaltung erfährt, dass ein unlöslicher, stickstoffreicherer Stoff (Fibrin) sich auscheidet und ein stick- stoffärmerer in geringer Menge gebildeter Eiweisskörper in Lösung bleibt. Die Mittelwerthe seiner sehr sorgfältig ausgeführten Elementaranalysen lauten: C. H. N. S. 0. Mibrinosen . . . ..| 52°9 6:90 | 16.66 1’25 | 22.26 Biben. . . 52.68 6-83 | 16.91 N Lösl. aluhosproduct 52.84 6.92 | 16-25 1:03 | 22.96 Paraglobulin. . . . | 52.71 7.01 15-85 1-11 23.32 Trotz der scheinbaren Aehnlichkeit der Theorien von Hammarsten mit der von Denis geht doch Morochowetz! zu weit, wenn er beide für gleich erklärt, denn das Plasma von Denis kann man doch nicht mit dem Fibrinogen von Hammarsten identificiren. Die Ansicht, dass das Fibrin aus Haematoblasten entsteht, vertritt Hayem.? So lange diese zarten geformten Blutelemente intact bleiben, ist A220: ? Union medicale 1882. — Comptes rendus. 1877 et 1882; — Kecherches sur Vanat. norm. ete. Paris 1878; — LDecon sur les Modifications du sany. Paris 1882. 220 C. HoLZmAnnN: letzteres auch flüssig, mit der Verklebung und Zerstörung der Haemato- blasten soll auch die Gerinnung einhergehen. Zugleich behauptet Hayem, dass die farblosen Blutkörperchen keinen Antheill an der Blutgerinnung haben, da ihre Zahl mit der Gerinnung nicht abnimmt. „Une jugulaire externe (d’un cheval) "ayant 6t6 laissee suspendue verticalement dix-huit heures, on retire, en ponctionnant la veine au niveau de la couche plasma- tique, un liquide eitrin, clair, qui, examine immediatement au mieroscope, ne laisse voir que de tres rares globules blanes. Au bout d’environ une heure (temperature exterieure 17°C) la preparation contient un riche reseau filamenteux, et cependant les globules blancs ne sont ni detruits ni al- teres; autour de quelques uns d’entre eux, les filaments de fibrine sont plus serres, mais pareil fait se remarque souvent autour d’un corps etranger quelconque.“ In neuester Zeit hat Laker! die ersten Gerinnungserscheinungen des Säugethierblutes unter dem Mikroskop geprüft und gelangt zum Schluss, dass die erste Bildung des Fibrins vom Plasma und nicht von den körper- lichen Elementen des Blutes ausgeht. Breitet man einen Blutstropfen zwischen Object und Deckglas aus, so ist die primäre Fibrinmembran durchaus struc- turlos und die körperlichen Elemente hängen ihr nur an. Durch Zerrung, Verschiebung des Deckgläschens u. s. w., also durch rein zufällige Ein- flüsse entstehen Falten und Risse: das Fibrin erhält die seinem Namen ent- sprechende Form. Hierauf haben schon Nasse,? Anderson? und Virchow® hingewiesen. Bei Virchow lesen wir: „Eine grosse Reihe wiederholter Untersuchungen hat mir gezeigt, dass das Faserstoffgerinnsel zunächst eine durchaus gleichmässige structurlose Masse ist, an der nur durch Faltung der Oberfläche, durch Einreissen oder Aufrollen vom Rande her der An- schein von Fasern entsteht. Diese Versuche sind sowohl mit frischem Blut und frischen gerinnbaren hydropischen Flüssigkeiten angestellt, als auch mit Blut, welches in Salzlösungen geflossen war, um die Gerinnung zu hindern; sie sind ebenso unter dem Deckglase, als auf dem freien Object- glase wiederholt worden. Nach vollendeter Gerinnung hat man eine durch- aus gleichförmige und durchsichtige, zitternde Gallerte, in welcher die leichteren Zellen und Körnchen in verschiedenen Höhen schweben und deren Vorhandensein sich eben nur durch diese in einer bestimmten Lage sus- pendirten Körperchen erkennen lässt.... Es ist demnach zum Theil will- kürlich, ob man glatte, gefaltete oder gefaserte Gerinnsel haben will. Jede ! Wiener Sitzungsberichte. 1884. Bd. XC. Abth. II. ® Nasse, Das Blut. S.40; — Müller’s Archiv. 1841. ® Froriep’s Notiz. 1844. 8. 676. * Virchow, Gesammelte Abhandlungen. 1856. ÜBER DAS WESEN DER BLUTGERINNUNG. 221 Erschütterung, jede ungleichmässiche Bewegung, jedes Verschieben der ein- zelnen Theile des Gerinnsels zu einander bedingt eine Faltung, welche sich bei einer dieken Schicht auf die Oberfläche beschränkt, bei einer membran- artigen Ausbreitung durch die ganze Dicke derselben reicht. Die Falten sind bald sternförmig, bald netzartig, bald mehr parallel, stets aber als äusserst feine, glatte Linien erkennbar... .. Alle wirkliche Faserstoffgerinnung beginnt mit einem gallertartigen Stadium, in welchem die geronnene Masse gar keine körperlichen Theile, als die von dem Gerinnsel eingeschlossenen erkennen lässt.“ Diese kurze Uebersicht der Entwickelung und des gegenwärtigen Zu- standes der Gerinnungsfrage beweist zur Genüge, weshalb man sie für nichts weniger als abgeschlossen erklären kann, zugleich giebt sie uns den Plan zur weiteren Untersuchung. Einzuschalten ist hier, dass eine Charakteristik des Fibrins, welche diesen Eiweisskörper von den ihm ähnlichen stets zu unterscheiden erlaubt, zur Zeit fehlt. Das Pseudofibrin Brücke’s, das Stromafibrin Landois’, der aus den rothen Blutkörperchen erhaltene Eiweisskörper, der nach Virchow, Heynsius, Joh. Dogiel und G. Semmer von Fibrin nicht zu unterscheiden ist, bezeugen das Gesagte. Weiter wird der durch CO, in Globulinlösung erzeugte Niederschlag von Morochowetz Fibrin genannt. Ferner ist nach Hammersten und Fredericq die bei +56°C. sich aus einer Fibrinogenlösung ausscheidende Eiweisssubstanz gleichbedeutend mit Fibrin. Bei unseren gegenwärtigen Kenntnissen über das Fibrin können wir unmöglich ein endgültiges Urtheil hierüber uns erlauben. Uns erscheint es, dass wir vorläufig nur dann von Fibrin sprechen können, wenn es vor unseren Augen entsteht und gewiss wären mehr übereinstimmende Resultate über diesen Gegenstand verzeichnet, wenn man stets von der Forderung Virchow’s Notiz genommen hätte: „keinen Stoff als einen coa- gulablen zu bezeichnen, der nicht wenigstens die Möglichkeit einer Samm- lung seiner ausgeschiedenen, ungelöst gewordenen Theile besitzt, ohne dass diese Sammlung in einem blossen Niederschlage besteht oder in eigentlich krystallinischer Form erfolgt.“ Eine weitere Bearbeitung der Gerinnungsfrage musste also von der Darstellung eines Eiweisskörpers ausgehen, dessen Lösung spontan nicht, wohl aber durch gewisse Agentien gerinnt. Unter Gerinnung ist natür- lich zu verstehen, dass die Flüssigkeit die Consistenz einer Gelee an- nimmt, welche das Gefäss, worin die Gerinnung vor sich geht, umzukippen erlaubt, ohne dass etwas vom Inhalt verschüttet wird. Nach einiger Zeit muss sich das Gerinnsel zusammenziehen, der Gefässinhalt also in einen festeren und einen ganz flüssigen Theil zerfallen, kurz und gut, der ganze Gerinnungsprocess dem des Blutes unter gewöhnlichen Verhältnissen gleichen. 222 CG. HoLzmAnN: Mit Recht käme einem solchen Eiweisskörper die Bezeichnung „,‚Fibri- nogen“ zu. Hiernach könnte man zum Studium der Bedingungen, welche die Fibrinogenlösung gerinnen machen, übergehen. Von grösster Bedeutung wären ferner Aufschlüsse über die Abstammung des Fibrinogens und die Vorgänge en detail bei der Umwandlung dieses Körpers in Fibrin. Un- bedingt nothwendig sind auch noch Untersuchungen über das Fibrin selbst behufs seiner Erkennung und Unterscheidung von anderen ihm ähnlichen Eiweisssubstanzen. Wünschenswerth waren schliesslich mehr systematische Beobachtungen über die Gerinnung des Blutes unter dem Einfluss ver- schiedener Agentien; denn ohne solche ist das in der Litteratur vorhandene Material gar nicht zu sichten, folglich für unsere Erkenntniss unbrauchbar. Auf Vorschlag und unter Leitung von Prof. Joh. Dogiel habe ich in angegebener Richtung die Frage über die Ursache der Blutgerinnung zu bearbeiten angefangen. 1. Das Fibrinogen. Aus Pferdeblut erhielt ich wirklich nach den von Hammarsten em- pfohlenen Methoden ein Globulin, dessen wässrige Lösung (mit geringer Menge NaCi) spontan nicht gerann. Der Zusatz von einigen Tropfen de- fibrinirten Blutes oder Blutserums von irgend einem Thier genügte jedoch. um die ganze Lösung des Globulins in eine Gallerte.zu verwandeln; diese haftet an den Wänden des Gefässes, worin die Gerinnung stattfindet, so fest, dass letzteres umgekehrt werden kann, ohne dass der Inhalt heraus- fliesst oder fällt. Löst man die Gallerte vorsichtig von der Gefässwandung und schüttet sie heraus, so sieht man sie die Form des Gefässes beibehalten. Lässt man das Gefäss mit der Gallerte ruhig stehen, so erfolgt nach kür- zerer oder längerer Zeit eine Contraction des Gerinnsels: es löst sich von den Gefässwandungen los, indem sich farblose Flüssigkeit zwischen ihm und den letzteren ansammelt, in welcher es schliesslich schwimmt. Dieser Körper verdient also mit vollem Recht den von Virchow, Alex. Schmidt und Hammarsten vorgeschlagenen Namen Fibrinogen. War die Ge- rinnung der Fibrinogenlösung durch Blutserum herbeigeführt, so wird die durchsichtige Gallerte mit der Contraction zugleich undurchsichtiger. Mikro- skopisch ist das Gerinnungsproduct von Fibrin nicht zu unterscheiden. Man ersieht also, dass die Prüfung, ob eine Fibrinogenlösung zu ferneren Ver- suchen tauglich ist, durch Zusatz von Blut oder Blutserum vorgenommen werden kann: sie muss danach eine vollkommene Gerinnung, wie sie soeben ÜBER DAS WESEN DER BLUTGERINNUNG. 223 beschrieben wurde, geben. Zu Demonstrationsversuchen kann man sich ohne grosse Mühe Fibrinogenlösung folgendermaassen verschaffen. Drei Volumen Pferdeblut werden in einem Volumen 25 procentiger, auf 0°C. abgekühlter Ms SO,-Lösung unter vorsichtigem Umrühren aufgefangen und das Gemisch an einen kühlen oder vielmehr kalten Ort hingestellt. Nach circa 12 Stunden hat man im Gefäss zwei Schichten: eine obere eitronengelbe und eine un- tere Blutkörperchen enthaltende. Die obere (Magnesiumsulfatplasma) wird vorsichtig und nicht ganz, um Beimengung rother Blutkörperchen mög- lichst zu vermeiden, abgehoben und mit gleichem Volum abgekühlter NaCl- Saturation versetzt. Der lockere Niederschlag sammelt sich theils oben, theils unten an. Ist das Gefäss im Eiswasser, so ist das letztere häufiger der Fall. Die Flüssigkeit wird weg pipettirt oder vermittelst eines Hebers entfernt und durch halbgesättigte, abgekühlte NaCl-Lösung ersetzt. Letz- tere Procedur wiederholt man 4—5mal. Zum schneeweissen Fibrinogen kommt jetzt Aqua destillata, in welchem es sich mit Hülfe des eingeschlossenen Salzes löst. Fällt man jetzt nochmals mit NaCl-Saturation, sammelt den Niederschlag auf einem Filter und löst darauf im destillirten Wasser, so hat man eine Fibrinogenlösung von oben angegebenen Eigenschaften. Diese Fibrinogendarstellung weicht nicht wesentlich von der dritten Methode Hammarsten’s ab, nur fällt hierbei die höchst umständliche Filtration des Gesammtblutes fort, die ganze Procedur wird somit einfacher. Noch muss ich anführen, dass der Gesundheitszustand nicht ohne Einfluss auch auf das Fibrinogen bleibt. Bei einem Versuchspferd waren sehr tiefe Widerristfisteln vorhanden. Die gewöhnliche Darstellung des Fibrinogens gab ein Product, welches auf Zusatz von destillirtem Wasser gerann. Das MgSO,-Plasma war ganz milchig. Auch von sehr jungen Thieren ist das Plasma trüb und weisslich. Die Darstellung des Fibrinogens muss in solchen Fällen schnell vor sich gehen, das Material stark abgekühlt sein und bei der Reinigung des Fibrinogens sind Verluste nicht zu scheuen, d. h., wie Hammarsten auch angiebt, grössere Klümpehen und Zusammen- ballungen der Fibrinogenflocken werden vor dem Auflösen in Wasser entfernt. Bei den Versuchen über die Gerinnung des Fibrinogens auf Zusatz von Blutserum erwies es sich, dass verschiedene Fibrinogenjösungen auf Zusatz von Blutserum von verschiedenen Thieren nach verschieden langer Zeit gerinnen. Der Grund hiervon kann in der Fibrinogenlösung, aber auch im Blutserum oder wohl in beiden zugleich liegen. Soweit dem wechselnden, nicht ohne directen Versuch voraus zu bestimmenden Salzgehalt der Fibri- nogenlösung ein Einfluss zukommt, liegt die Ursache der verschiedenen Gerinnungsdauer in der Fibrinogenlösung. Bei mir ist folgender Versuch notirt: 224 C. HOLZMANnN: nu a N Quantität des [Nach welcher S mn tzte Zeit die Ge- = 5 2 Fibrinogen- Pferdeblut- ENoegdestn N g Anmerkung. > = I uB. en Cem. eintrat. | cm. em. R 1a 5 | — 5 | — | Zur Controle. 2 5 se 5 ‚20 Stunden | 5 5 | — — Die Gerinnung trat ein , nach Zusatz von 5 Cem | ‚ destillirten Wassers. Eine directe Bestimmung des NaÜl]-Gehalts der Fibrinogenlösung habe ich nicht vornehmen können. Dem Blutserum kommt ebenfalls ein Einfluss auf die Zeit, wann die Gerinnung eintritt, zu: | Quantität Quantität Welchem [Nach welcher Se der : Ben SuS na. des Blut- Thier das Zeit die 33 a |Fibrinogen- setums. | Bldkeerum | Gerinnung Bemerkungen. e- = a Cem. | angehörte. eintrat. | 1 Sn — == a2 mit Aqua destill. zur - Controle. 2 ö 2 Pferd Nach 19 Std. Das Fibrin war in allen 3 5) 5 Kaninchen | „ 4t 32 ne G h an. , Die Beobachtungen wer- 2 3 3 Frosch | „ 240° "gen bei 17—19°C. an- h) 5 5 Hunden 2 gestellt. Wenn wir uns erinnern, dass das Blutserum einer Thiergattung die rothen Blutkörperchen einer anderen auflöst (Landois, Joh. Dogiel) und zwar verschieden schnell, so gewinnt das Verhalten des Blutserums ver- schiedener Thiere zur Fibrinogenlösung aus dem Pferdeblute noch mehr an Interesse. Dogiel! sagt: „Diese Geldrollenbildung und Auflösung der rothen Blutkörperchen unter den angegebenen Umständen tritt um so schneller ein, je grösser die Differenz der Thiere, von denen das defibrinirte Blut bez. das Blutserum genommen ist (Kaninchen— Hund, Kaninchen— Frosch; Hund — Frosch).“ Ferner gehört hierher die Beobachtung von Nasse,? welcher ungeronnenes Blut einer Frauenleiche durch Zusatz von Schweineblut zum Gerinnen brachte. Die Wirkung des fremdartigen Blut- serums erstreckt sich also auch auf das Fibrinogen. Sollte das nicht auf die Abstammung des Fibrinogens aus den geformten Blutelementen (rothen) hinweisen? 7 z ı Dies Archiv. 1883. S. 362. ®2 Wagner’s Handwörterbuch der Physiologie. Bd.I. S. 116. ÜBER DAS WESEN DER BLUTGERINNUNG. 225 2. Das Fibrinferment. Das nach der früher angegebenen Methode von Alex. Schmidt be- reitete Fibrinferment machte die Fibrinogenlösung gerinnen. Nach Alex. Schmidt bildet sich das Fibrinferment beim Zerfall der ihrer natürlichen Existenzbedingungen entzogenen farblosen Blutkörperchen. Da letztere vor dem Zerfall abgestorben sein müssen, so zerfällt nicht das Blutkörperchen, sondern nur eine Proteinsubstanz. Nun haben sich M. Traube! und Liebig? schon lange dahin ausgesprochen, dass die Fermente beim Zerfall der Proteinsubstanzen entstehen. Seegen und Kratschmer? bestätigen die Meinung von Abeles,* dass das Leber- ferment ein postmortales Product ist. Wittich° meint: „Dass dieses Fer- ment nicht das Product des Zellenlebens im Drüsenparenchym selbst oder doch nicht allein sein kann, dass es vielmehr ein dem allgemeinen Stoff- wechsel seine Entstehung verdankender Körper sei.“ Lepine® fand in allen Körperorganen mit Ausnahme der Krystalllinse einen diastatischen Stoff. Krystalllmse, sich zersetzend, giebt ebenfalls zuckerbildendes Fer- ment. Nach Cl. Bernard’ giebt Haemoglobin beim Zersetzen ein diasta- tisches Ferment. Wenn Bauchspeicheldrüsen 2-——3 Tage bei genügendem Wasser und Zimmertemperatur stehen, liefern sie mehr Trypsin. Nikolski® erhielt Trypsin aus Fibrin, Eiter, gekochtem Eiweiss, wenn diese Körper sich unter gewissen Bedingungen zersetzten. Alles das führte mich zur experimentellen Prüfung, ob das Fibrinferment nur dem Blut eigenthümlich oder ein Zersetzungsproduct der Proteinsubstanzen. ist. Zu diesem Zweck liess ich Hühnereiweiss, für sich oder mit Wasser angerührt, in offenen, nur mit Fliesspapier bedeckten Gläsern bei 17—19° C. 8—30 Tage stehen. Von Zeit zu Zeit werden Portionen mit grosser Menge Alkohol gefällt, der Niederschlag getrocknet und mit reinem Glycerin ver- rieben. Nach einigen Tagen schüttete ich das Glycerin auf ein Filter und fing das Filtrat in Alkohol auf, weil hierdurch jeder Tropfen unter den Einfluss einer grösseren Menge Alkohols geräth, somit eine ergiebigere Fällung der von Glycerin gelösten Eiweissstoffe und des Ferments erzielt " Traube, Theorie der Fermentwirkungen. Berlin 1868. ” Annalen der Chemie nnd Pharmacie. Bd. CXIII. Hft. 1. °® Pflüger’s Archiv u. s. w. Bd. XIV. 1877. S. 593. * Medicinische Jahrbücher. 1876. Hft. 2. 5 Pflüger’s Archiv u.s. w. Bd. II. ° Berichte der königl. sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften. Oct. 1870. ” Bernard, Legons de Physiologie experimentale. 1856. T. Il. ° Zur Darstellung des Trypsin und seine praktische Anwendung. Protokoll des naturwissenschaftlichen Vereins zu Kasan. 1884- (In russ. Sprache.) Archiv f A.u. Ph. 1885. Physiol. Abthle. 15 226 C. HoLzmann: wird. Die von Nikolski beschriebene Vorrichtung zur Erlangung der Zer- setzungsproducte von Proteinsubstanzen erwies sich jedoch als viel einfacher und ergiebiger zur Gewinnung des mir nöthigen Materials. Ein finger- dickes, 30—40 ® langes Glasrohr wird an einem Ende zugelöthet und ca. 10°® vom zugeschmolzenen Ende etwas ausgezogen, folglich verenst. Vom freien Ende aus kommen auf diese verengte Stelle einige Glasscherben und darauf feingeschnittenes, gekochtes Hühnereiweiss. Hierauf wird das andere Ende auch verlöthet und das Rohr mit der kürzeren, leeren Abtheilung nach unten im Zimmer aufgestellt. Nach 3—4 Tagen fängt sich unten eine etwas trübe Flüssigkeit anzusammeln. Bei meinen Versuchen kam nun diese „Zersetzungsflüssigkeit aus gekochtem Hühnereiweiss direct zur Verwendung oder sie wurde erst mit Alkohol gefällt, der Niederschlag über Schwefelsäure getrocknet und mit Wasser extrahirt, filtrirt und das Filtrat angewendet. Die Glycerinextraete aus sich zersetzendem Hühnereiweiss gaben ein unbefriedigendes Resultat. In der Fibrinogenlösung, zu welcher ein solches Extract hinzugefügt wurde, bildete sich ein durch die ganze Flüssig- keit verbreiteter Flor, der sich spontan oder auf Bewegungen des Versuchs- gefässes (Reagensgläschens) zu einem Klumpen zusammenballte und bei mikroskopischer Untersuchung sich als aus Fasern bestehend erwiess. Diese Art der Gerinnung werde ich fernerhin als „wolkige Gerinnung“ bezeichnen. Mit den „Zersetzungsproducten aus gekochtem Hühnereiweiss‘ erhielt ich jedoch stets typische Gerinnung der Fibrinogenlösung. (Siehe die Tabelle auf S. 227.) Anzuführen ist, dass verschiedene Dauer der Zersetzung des gekochten Hühnereiweisses in der Glasröhre verschieden wirksame Producte in Bezug auf die Gerinnungserregung zu liefern scheint. Das Wasserextract aus dem Muskelniederschlag der Zersetzungsflüssigkeit vom 5., 7. und 9. Tage der Zersetzung gab „wolkige Gerinnung“, während das vom 11. Tage nach ° 9 Stunden und das vom 13. und 19. Tage nach 23 Stunden typische Ge- rinnung gaben. Bearbeitet man Hühnereiweisslösung nach der Methode zur Gerinnung von Fibrinferment aus dem Blutserum von Alex. Schmidt, so erhält man (in meinen Versuchen nach 30tägieer Einwirkung des Al- kohols) ebenfalls ein wirksames Product in dem Sinne, dass die Fibrinogen- lösung auf Zusatz des Wasserextractes daraus typische Gerinnung giebt. Sogar filtrirte Lösung nicht ganz frischen Hühnereiweisses gab typische Ge- rinnung nach 21 Stunden. Ferner sah ich typische Gerinnung der Fibrinogenlösung (10 Cm) auf Zusatz von Frauenmilch (3 Tropfen) aus dem 3. Lactationsmonat nach 1% 37, während dieselbe Fibrinogenlösung mit Hundeblutserum nach 2t 22° gerann. ÜBER DAS WESEN DER BLUTGERINNUNG. 227 „| Quantität j S a den | Was zur st a 8 3 Fibrinogen-| Fibrinogenlösung hin- Gerinnung Bemerkungen. = 3 ns: | zugefügt wurde. erfolgte. 1 5 5 Cem Aqua dest. — /ur Controle. 2:2 5 5 Cem Pferdeblutserum. Nach 1h 34 3 3 3 Com Zersetzungs- Nach 19 Std. | GekochtesHühnereiweiss kam flüssigkeitausgekoch- in das Rohr den 12. März; tem Hühnereiweiss. die Zersetzungsflüssigkeit wurde daraus am 15. April 1884 genommen. ri 5 5 Cem Aqua dest. — Zur Controle. II j 2| 3 3 Cem SerumvonSchild- Nach 1 h 30’ | krötenblut. 3 3 3 Cem Zersetzungs- Nach 3h 30° | GekochtesHühnereiweiss kam flüssigkeit aus gekoch- in das Rohr den 13. März; tem Hühnereiweiss. die Zersetzungsflüssigkeit wurde daraus am 23. Mai | 1884 genommen. 1 5 5Cem Aqua dest. — Zur Controle. II 2 5 5 Cem Hundeblutserum. Nach 2h 22° 3 5 ‚5Cem Wasserauszugaus Nach 2h 23° | GekochtesHühnereiweiss kam demdurch Alkohol er- in das Rohr den 4. Januar; zeusten Niederschlag die Zersetzungstlüssigkeit | in der Zersetzungs- wurde daraus am 17. Jan. | füssigkeitausgekoch- 1884 genommen und mit Al- tem Hühnereiweiss. kohol behandelt. Der über Schwefelsäure getrocknete Niederschlag wurdebis zum Versuch in sorgfältig ver- schlossenem Reagensgläs- chen aufbewahrt. Hiermit wäre also die Ansicht von Alex.. Schmidt über das Fibrin- ferment nicht nur bestätigt, sondern auch in dem von mir angegebenen Sinne erweitert. Warum Jakowicki,! Birk? u. A. im eben aus den Blut- gefässen entzogenen Blute das Ferment auffinden mussten, ist uns ebenfalls klar. Dass die Blutgerinnung den Anfang der Zersetzung anzeigt, haben Zimmermann,? Pflüger* und Paschutin 5 behauptet, folglich ist mir nur gelungen einer schon lange vorher ausgesprochenen Idee experimentelle Beweise beizubringen. Vor Kurzem haben A. Lea und Green Fibrinfermentlösungen fol- gendermaassen dargestellt. Sie liessen mit Wasser (10—15 Volumina) ver- " Zur physiologischen Wirkung der Bluttransfusion. Dissertation. Dorpat 1875. °” Das Fibrinferment im lebenden Organismus. Dissertation. Dorpat 1880, ® Zeitschrift für rationelle Medicin. 3. Reihe. Bd. II. $. 304. “ Pflüger’s Archiv u.s.w. Bd.X. S. 251. ° Vorlesungen über allgemeine Pathologie. Bd. II. 8.426. (In russ. Sprache.) ° Journal of physiology. Vol. IV. p. 380; — Centralblatt für die medicinischen Wissenschaften. 1884. Nr. 42. 8. 740, 152 228 C. HoLZmAnn: dünntes Blut gerinnen; das gut ausgewaschene Fibrin daraus extrahirten sie 2 Tage mit Sprocentiger NaCl-Lösung (auf dem Eise). Mit 10 fach verdünntem Pferdeblutplasma gab das Extract schnelle Gerinnung. Auch der Alkoholniederschlag aus diesem Wasserextracte gab einen fermentativ sehr wirksamen, aber an Eiweiss sehr armen wässrigen Auszug. Nur neben meinen Untersuchungen erhalten diese Versuche eine gewisse Bedeutung. Nach Mayer’s! Classification bildet das Fibrinferment mit dem Chy- mosin die Gruppe der albuminbildenden Enzyme. Weiter möchte ich hervorheben, dass die Ansichten von M. Traube und Liebig über die Entstehung der Fermente durchaus nicht als un- begründet zur Seite gestellt werden dürfen, vielmehr ist eine erneuerte Untersuchung über diesen Gegenstand dringend geboten. Aus der Versuchsreihe, inwiefern chemische Agentien die Gerinnung der Fibrinogenlösung unter dem Einfluss des Fibrinferments beeinflussen, kann ich nur Folgendes mittheilen. Sublimat (1:4000), Alkohol von 90 Procent (1:10), Kreosot (1:50), Salicylsäure (1:500), Carbolsäure (1:200), Jod (1:5000), Chin. muriat. (1:200), Thymol (1:2000) verhindern die Gerinnung der Fibrinogenlösung auf Zusatz von Blutserum oder der Zersetzungsflüssigkeit aus gekochtem Hühnereiweiss nicht. Geringer Alkalizusatz verhindert die Gerinnung eben- falls nicht, stärkerer aber bildet ein absolutes Hinderniss (in diesem Sinne wirkt auch Nicotin, 5 Tropfen auf Fibrinogenlösung und Pferdeblutserum 10 Cem 22). 3. Das Verhalten des Fibrinogens zu den Oxydationsmitteln. Nach Traube,? Hüfner,? Hoppe-Seyler u. A. steht die Ferment- wirkung im engsten Zusammenhang mit der Zerlegung des Wassers in Wasserstoff und Wasserrest 5» O= H+ HO). Ist Sauerstoff bei der Fermentation zugegen, so kommt ihm ebenfalls eine active Rolle bei diesem Processe zu: der freiwerdende H nämlich zerlest das Sauerstoffmolecül und es entstehen ein neuer Wasserrest nebst Sauerstoff in statu nascendi (0=0-+ H= HO+ O), einem der kräftigsten Oxydationsmittel, die wir zur Zeit kennen. ! Mayer, Die Lehre von den chemischen Fermenten. 1882. NEL: ” Chemisches Centralblatt. 1873. Bd. IV. S. 440 u. 459. * Pflüger’s Archiv u.s. w. Bd. XII und Physiologische Chemie. ÜBER DAS WESEN DER BLUTGERINNUNG. 229 Eine weitere Auseinandersetzung über das Verhältniss der Fermentation zur Oxydation wird hierdurch überflüssig. Folglich wäre gegen die Angaben von Hewson, Moscati, Beddoös, Schultz, Foureroy, Masendie, Schröder van der Kolk,Nasse,! Virchow ? und Joh. Dogiel,? dass die Fibrinbilduug als eine Oxydation der Eiweisskörper aufzufassen ist, a priori nichts weiter einzuwenden, als dass ein zwingender Beweis für diese Ansicht noch nicht beigebracht ist. Allerdings sprachen für eine Oxydation die Vor- lesungsversuche von Joh. Dogiel, bei welchen Ozon durch defibrinirtes Blut geleitet und hierbei eine weisse, faserige, klebrige Masse mit physi- kalischen und chemischen Eigenschaften des Fibrins erhalten wird. Eine typische Gerinnung des defibrinirten Blutes hat man durch Ozon oder Sauer- stoff noch nicht bewirkt. Leitet man Ozon durch eine Fibrinogenlösung, so entsteht darin ein flockiger Niederschlag. Gleicher Niederschlag erscheint wenn man zur Fibrinogenlösung (10 °®) einige Tropfen alten Terpentinöls giesst und nun Sauerstoff durchleitet. Auch destillirtes Wasser, durch welches Ozon eine halbe Stunde durchgeleitet war, brachte im gleichen Volumen. Fibrinogenlösung einen flockigen Niederschlag zu Stande. Offen- bar wirkt das Ozon zu stark ein. Ob man den Niederschlag für Fibrin ansehen kann, lasse ich dahingestellt sein, bis wir eine Charakteristik des Fibrins erhalten haben. 'Giesst man Fibrinogenlösung in ein Uhrschälchen und richtet es so ein, dass der Ozonstrom auf ihre Oberfläche auftrifft, so entsteht in ihr ein Niederschlag, der unregelmässig netzförmig erscheint (Hartn. Syst. 4, Oeul. 3). Da Hühnereiweisslösung bei gleicher Versuchs- anordnung letztere Reaction nicht zeigt, so kann man gewiss eine höhere Empfindlichkeit der Fibrinogenlösung in dieser Hinsicht annehmen. Kurz- dauernde Sauerstoffdurchleitung durch Fibrinogenlösung liess letztere bis zum Abend desselben Tages unverändert. Leitet man jedoch 1—3 Stunden Sauerstoff durch eine Fibrinogenlösung, so erfolgt gewöhnlich 24—36 Stun- den typische Gerinnung derselben. In einem Falle erschien nach 19 Stun- den an der Stelle, wo das Glasrohr vom Gasometer in der Fibrinogenlösung sich befand, eine ringförmige Trübung und erst nach 43 Stunden war voll- kommene Gerinnung eingetreten. Zur Controle leitete ich durch eine andere Portion derselben Fibrinogen- lösung CO, und 00. Das Resultat war negativ. Von CO, trat in der Fibrinogenlösung ein geringer flockiger Niederschlag auf, der hernach durch Sauerstoffleitung sich wieder löste, wonach die ganze Lösung typisch gerann. Die Voraussetzungen der älteren Forscher, dann von Virchow und " Wagner’s Handwörterbuch der Physiologie u. s. w. Bd.1. 8. 110—113. ENg3 0: ENT): 230 C. HOoLZMANR: Joh. Dogiel haben sich also vollkommen bestätigt, dass die Fibrinbildung als Oxydation eines Eiweisskörpers (Fibrinogen) aufgefasst werden kann. So wunderbar es auch klingen mag, erscheint es doch, als ob meine Untersuchungen folgende Stelle in der Nasse’schen Abhandlung über das Blut! commentiren: „Denn dass der Sauerstoff den grössten Einfluss auf die Gerinnung und die Erhärtung des geronnenen Faserstoffs ausübt ist oben nachgewiesen worden. Ganz gut verträgt sich mit dieser Ansicht noch eine andere, dass nämlich die Gerinnung des .Faserstoffs denjenigen Vor- sängen zugezählt werden müsse, die man nach Berzelius’ Ausdruck aus der Contactwirkung erklärt. Der Faserstoff ist derjenige Theil des im Blute vorhandenen Proteins, dessen Elemente in einer beständigen Umsetzung griffen sind. So lange der Faserstoff noch im Blute aufgelöst ist, kann diese Umsetzung nur schwach vor sich gehen: sie geht indessen schon hier vor sich, denn auch im lebenden Körper gerinnt schon bei der Bildung der Organe der Faserstoff in geringem Grade. Auf diese Umwandlung wirkt denn vor Allem der Sauerstoff ein, der dem Faserstofi einen 'Theil seines Kohlenstoffs entzieht und ihn dadurch sowohl in der Gestalt seiner anatomischen Elemente als in der geringen Löslichkeit und in der elemen- tären Zusammensetzung dem Hornstoffe ähnlicher macht. Daher denn, je grösser im Körper die Zersetzung ist, desto eher auch das Blut gerinnt, wie im Kindbettfieber, in der Pest, in den meisten bösartigen Fiebern, mit Ausnahme des höchsten Grades dieser Krankheiten, wo das Blut alle Ge- rinnbarkeit verloren hat. So ist es denn auch erklärlich, weshalb nach Schröder van der Kolk’s und E. Davy’s Beobachtung ein Stück ge- ronnenen Faserstoffs, in frisches Blut gelest, die Gerinnung desselben be- schleunist. Wenn diese Substanz die Neigung zur Umsetzung der Ele- mente dem Wasserstoffsuperoxyde mittheilt, so muss dies noch vielmehr bei den gleichartigen Stoffen der Fall sein, also gerade so wie in denjenigen Vorgängen, welche wir Gährung nennen. Auch der Eiter, dessen Bei- mischung zum kreisenden Blute durch die Beschleunigung der Gerinnung so gefährlich wirkt und dazu beiträgt in kurzer Zeit das Gerinnsel in Eiter zu verwandeln, wirkt wahrscheinlich nur durch den Contact, nicht chemish auf den Faserstoff. Selbst die Anwesenheit der Blutkörperchen befördert jenen Vorgang, denn die vom frischen Blute des Pferdes abgeschöpfte Faser- hautflüssigkeit sah ich später gerinneu, als die mit dem rothen Theile des Blutes in Verbindung gebliebene, doch könnte auch hier der sauerstoff- haltige Farbstoff wirksamer gewesen sein, als die aus Faserstoff bestehende Hülle derselben.“ ! Wagner’s Handwörterbuch der Physiologie u.s.w. Bd.]1. 8. 151. ÜBER DAS WESEN DER BLUTGERINNUNG. Dal 4. Die Blutgerinnung unter dem Einfluss verschiedener Arzneimittel. = Aus dieser Reihe meiner Versuche theile ich vorläufig nur die Resul- tate der Beobachtungen über die Blutgerinnung bei Hunden mit. Bei diesen Versuchen wurde das Blut aus der Carotis oder Vena jug. oder N. cruralis in früher calibrirte Gläschen aufgefangen und mittelst eines Chronometers die Zeit des Eintritts der verschiedenen Gerinnungs- phasen bestimmt. Nasse unterscheidet vier Gerinnungsphasen: 1) die Bil- dung eines Häutchens, 2) die Bildung einer Wandschicht (sackförmige Ge- rinnung), 3) die Bildung einer schwachen Gallerte, durch welche man den Finger führen kann ohne die ganze Masse in Bewegung zu setzen und 4) die Bildung eines festen Gerinnsels, das der Bewegung des hinein- sesteckten Fingers folet. Um Beobachtungen an kleineren Quantitäten Blut anstellen zu können und keine Fremdkörper dabei in dasselbe zu führen, nehme ich folgende Gerinnungsphasen an: 1) Die Bildung eines Häutchens, 2) die Bildung einer zusammenhängenden Gallerte, welche das Gefäss, in welchem die Gerinnung vor sich geht, umzukippen erlaubt, ohne dass etwas vom Inhalt verschüttet wird und 3) das Auftreten von Serum. Nach einer anderen Methode haben H. Vierordt! und später Hasebrock ? die Blut- gerinnung beobachtet. Man bringt einen Tropfen Blut in ein Capillarrohr und führt durch dasselbe ein weisses, gut gereinigtes Rosshaar. Bildet sich ein Gerinnsel, so haftet es am Haar und wird beim weiteren Fortschieben des letzteren aus dem Rohr entfernt. Schliesslich bleibt nur defibrinirtes Blut im Röhrchen zurück. Zu Gunsten dieser Methode spricht jedoch nur der Umstand, dass dabei so geringe Blutquantitäten nöthig sind, dass sie die Beobachtungen an sich selbst gestatten. A. Die Gerinnung des arteriellen Blutes vom Hunde. Es erwies sich, dass mit der Abnahme der Blutmenge im Organismus die Zeit abnimmt, welche das Blut braucht, um zu gerinnen. Entzieht man nach einander dem Versuchsobject 3 oder 4 Portionen Blut, so ist die erste noch flüssig, während die 3. und 4. schon feste Gallerte bilden. Diesen Umstand kann man bei Versuchen über den Einfluss verschiedener Agentien auf die Blutgerinnung nicht ignoriren, wenn man Fehlschlüsse vermeiden will. I Archiv für Heilkunde. Bd. XIX. S. 192. ® Zeitschrift für Biologie. Bd. XVIII. Hft. 1. 1882. 232 C. HoLzmans: Ohne zu versuchen die Erscheinung zu ’erklären, will ich vorläufig nur darauf hinweisen, dass bei der Abnahme der Blutmenge eine verstärkte Aufsaugung der Gewebsflüssigkeiten und auch vom Darminhalt stattfinden muss” Auch die Bildung von Ferment ist nicht zu vermeiden. Zur leichteren Uebersicht will ich hier ein Versuchsprotokoll mit- theilen:: | Die Blut- | .. ) Wann das | . | quantität, | nn m | Gefäss umge- Wann die | 05 CS Xehrt: werden | Ausschei- N \ die ] = . a a Häutchens | konnte, ohne ung Bemerkungen. V hs obachtung | Pemerbar | Inhalt des Serums 2 ni a In ı „wurde. Ber zu ver- begann. Cem. Secunden. 'schütten. Sec. Minuten. 1 | BE 160 510 | 33 | en ca. 2 |: 830 135 215 22 ahren. Körperge- = icht nach dem Versuch 3 30 | 6 145 18 197008. Das Blnk 4 30 | s0 170 20 wurde aus der Carotis 5 30 | so 1637 2. 2% a an, „Au a et, 60 175 18 fang des esuchs 1 47 7 | 30 | 63 176 16 Ende des Versuchs 3 h. 8 30 | 62 135 16 Ian 30 | 40 132 15 10 30 | 59 96 19 11 30 25 100 12 12 30 42 161 12 13 30 | 26 | 151 i2 14 20 | 22. | 106 14 15 20 | 38 | 100- 20 | — 70 17 16 20 Die schnellere Gerinnung der letzten Blutportionen ist schon vielerseits beobachtet worden. Sigwart! erklärte das durch Verminderung der Fibrin- menge, indem er behauptete, dass mit der Abnahme des Fibringehalts die Zeit, welche das Blut zum Gerinnen braucht, ebenfalls abnähme. Für eine solche Annahme scheinen die Versuche von Brücke zu sprechen. Er fand die Fibrinmenge in fünf nach einander erhaltenen Blutportionen eines Hundes: 0.224 Procent; 0-199 Procent; 0.177 Procent; 0-161 Procent; 0.068 Pro- cent; in einem anderen Falle: 0-290 Procent; 0.270 Procent; 0-244 Pro- cent; 0184 Procent. Die Menge des Fibrins bildet jedoch keine constante Grösse. Mayer 1 Archiv für Physiologie von Reil. B. XI. 8.8. i ÜBER DAS WESEN DER BLUTGERINNUNG. 233 wies nach, dass das Blut eines’und desselben Hundes, aus einem und dem- selben Gefäss, in einer und derselben Zeit (durch eine Gabelcanüle) erhalten, verschiedenen Fibringehalt zeigt. Die Angaben für die Fibrinmenge des Menschenblutes schwanken zwischen 0-75 Procent (Berzelius) und 4.298 Procent (Le Canu). Arterielles Blut eines erwachsenen Hundes gab nach meinen Untersuchungen im Mittel 0-37 Procent trockenes Fibrin. Die Bestimmung geschah nach der von Hoppe-Seyler angegebenen Methode. Geringe Schwankungen an Fibringehalt lassen folglich keine weit- tragenden Schlussfolgerungen zu. Ausserdem hat Nasse die Angaben Sig- wart’s speciell untersucht und nicht bestätigt. Er erhielt folgende Zahlen: 1.7 Procent Fibrin mit 13° 6” Gerinnungsdauer 2.4 ’ ” ” 14 ” 3.9 ” „ ” 11487 „ 5-1 ” ) 2) 13 ” Weiter weist Nasse darauf hin, dass bei verschiedenen Thieren mit dem grösseren Fibringehalt nicht immer langsamere Gerinnung zusammen- fällt: Fibrinmenge: Gerinnung erfolgt nach: 1. Kaninchen 5-0 Procent . . T 2. Ochs eV 3. Schaf 3-8 ee all, 2, 4. Schwein 3-6 5 ER: 5. Pferd 2) 5 RN la 6. Hund 1er ” ER —T Ich tödtete einen Hund durch drei Aderlässe und bestimmte bei jedem Aderlass die Fibrinmenge. Zwischen dem 1. und 2. und dem 2. und 3. Aderlass verstrichen je eine halbe Stunde. Die Fibrinmenge (trocken) betrug in der 1. Blutportion 0-398 Procent, in der 2. Portion 0-404 Pro- cent und in der 3. Portion 0-307 Procent. Folglich kann von einer erheblichen Abnahme des Fibrins mit dem zunehmenden Blutverlust keine Rede sein. B. Die Gerinnung des arteriellen Blutes vom Hunde bei der Erstiekung. Die Gerinnung des arteriellen Blutes bei Hunden wird bei der An- häufung von CO, in ihm verlangsamt. | 234 C. HOoLZMAnNKN: Die zur Be- Bde Nummer |obachtung ge- Häutchen- ; Een Ei) des langende Blut- bildung. | n Bemerkungen. Versuchs menge % \ Gallerte. En Oh | Secunden. | Secunden. er | | | Keine Athmung 17307 1 80 100 22002 | Luftathmung 2 30 70 180 | Keine Athmung 2 3 30 94 240 | | Keine Athmung 2' 4 30... 120100: 0.8 2ilana)) | | Luftathmung B) 30 26 110 | Keine Athmung ?' 6 30 | 25 132 | | | Luftathmung 7 30 a oe | | ; ı Keine Athmung 2 - 8 30 30 200 ı Gelber etwa 2 Jahre alter Hund. 9) 30 20 | 160 Körpergew.n.d. Vers. 11000grm, | Das Blut aus der Carotis dextra entzogen. Anfang der Versuche 1 h 30° | Ende der Versuche 3h | Auf die im Protokoll verwendete | Zeit wurde der gläserne Tracheo- tubus mittels eines Korkes ver- schlossen. Nach jedem Erstick- ungsversuch wurde so lange ge- wartet, bis das Thier wieder | ruhig athmeteund dann die Blut- gerinnung geprüft und unter der | | Rubrik Luftathmung vermerkt. Der gerinnungshemmende Einfluss der CO, ist so leicht zu beobachten, “ dass es unverständlich wird, wie Matthieu und Urbain und in neuester Zeit Morochowetz ihr eine beschleunigende Rolle bei der Blutgerinnung zuschreiben konnten. C. Die Gerinnung des venösen Blutes vom Hunde. { Zur Bestätigung seiner Annahme über die Rolle der CO, bei der Ge- rinnung giebt Morochowetz an, dass das venöse Blut schneller gerinnt als das arterielle. Unsere ersten Versuche in dieser Richtung schienen für diese Angaben zu sprechen. Erwägt man jedoch, dass 1) das Blut aus der Vene viel langsamer fliesst als aus der entsprechenden Arterie und es sich 2) (z.B. in der V. jug.) zwischen den einzelnen Versuchen schon ansammelt, so ist es klar, dass wir beide Blutarten nicht gleiche Zeit beobachten, wenn ÜBER DAS WESEN DER BLUTGERINNUNG. 235 wir mehr oder weniger bedeutende. Portionen zur Beobachtung nehmen und von dem Zeitpunkt an, wo die entsprechende Quantität schon erhalten ist, die Zeit berechnen (um 30 m Blut aus der Carotis zu erhalten, braucht man nur 5—6 Secunden, während dieselbe Portion aus der Vene, beson- ders bei 4. und weiteren Versuchen ca. 1’ und darüber fliesst. Nimmt man möglichst kleine Blutquantitäten zum Versuch, so fällt der Zeitunter- schied in der Beobachtung fort und man hat schon mehr Berechtigung, die erhaltenen Resultate zu vergleichen. Bei solcher Versuchsanordnung ergab es sich, dass das venöse Blut gewöhnlich langsamer als das arterielle ge- rinnt. Durch Erstickung verzögert man die Gerinnung des venösen Blutes noch mehr. Nummer | Häutchen- Plans der des bildung. ak Welche Blutart. Bemerkungen. Versuchs. | Secunden. Seeunden: I 1. 12) 230 Arterielles Blut bunter, nee En. Tann | örpergewicht nach dem Ver- 2 | 3) w) | Nano: 22 such 3215 grm Arterielles 3 90 120 Arterielles M Blut aus der Carotis dextra, I 4 100 160 Tenatas venöses aus der Vena jugul. „ sinistra. ; : Zu jedem Versuch wurde ein III 9 30 135 Arter ielles ,, Uhrschälchen mit Blut gefüllt. 6 s0 145 Venöses »„ Die Erstickungsversuche wie j beim Versuch B angeordnet. IV 7 80 120 Arterielles ,„ |Anfang der Versuche 12h 45' 1) 60 130 Venöses ° ,, |Ende der Versuche 2h. Y 1) 60 Yo | Wänterielles. ) 10 50 160 Venöses " 1 80 145 Venöses ” 2 90 160 s en Keine Athmung 1’ 3 140 230 B s | Keine Athmung 1’ 145 260 ” 2) D. Die Gerinnung des arteriellen Blutes vom Hunde bei Curare- und Chloralhydratvergiftung. Wie der Vergleich mit der ersten Tabelle lehrt, äussert sich die Curare- wirkung nur in grösseren Ziffern in Bezug auf die Zeit für die einzelnen Gerinnungsphasen. 236 C. HoLzZMAnn: = ä Blutmenge | Häutchen- Feste on = 3 3 in bildung | Gallerte. | Sorım Bemerkungen. = 3 Ccm Secunden. Secunden. innen 1 10 260. 1066 = Weisser Hund, einjährig, Körper- 5) N gewicht nach dem Versuch 2 10 120 620 30 471508rm, Das Blut aus der 3 10 110 548 Carotis dextra. 9Cem Curare- 4 20 76 14 — lösung (1 Cem — 0-008 Curare) 5 DIN) 63 396 en in die Cruralvene. Künstliche Athmung 30 Mal in der Min. : En nn En . Anfang der Versuche 10 h 55’ 0 Ende der Versuche 1h 5’ 6) 10 52 120 59 9 10 40 170 u 10 10 90 146 36 Chloralhydrat in Klystirform hatte dieselbe Wirkung. E. Die Gerinnung des arteriellen Blutes vom Hunde bei Chloroforminhalationen. Wie man aus nachfolgendem Protokoll ersieht, verzögert Chloroform ebenfalls die Blutgerinnune. $& 8 „3 |Blutmenge Häutchen- | Feste Amithewon 4 Ess zu jedem Sn an Gallerte Yon Bemerkungen 33 2 Versuch 5 5 “ | Serum. gen: Z 2 | in Cem. | Secunden. | Secunden. Minuten. 1 40 195 1490 29 7 andauernde Chloroforminhal. 2 20 50 320 47 . 8’ EL Er) 5) 25 199 625 51 rÜi Er) Er) 4 208 60 715 60 4’ 9 2 5 80 s0 670 — 5% ’ EL} 6 20 100 360 25 R Chloroforminhalation fortgesetzt 7 25 85 290 37 4 a 6) 20 92 300 28 5 2, Weisser, zweijähriger Hund. Körpergewicht nach dem Ver- such 7700 srm, Das Blut aus der Carotis dext. Chloroforminhalatiin in der Form, dass der winkelige, gläserne Tracheotubus in eine Chloroformflasche mit weitem Halse auf die verwendete Zeit gesteckt wurde. ; Anfang der Versuche 12h 21 Ende der Versuche 25 36' ÜBER DAS WESEN DER BLUTGERINNUNG. 237 F. Die Gerinnung des arteriellen Blutes vom Hunde unter dem Einfluss von Chininum muriaticum. Auch in diesem Falle erhielt ich grössere Zahlen wie gewöhnlich für die einzelnen Gerinnungsphasen. 5 & |Blutmenge | sutehen-| Feste | Auftreten 335 |zu jedem bildun Sala Ve Bemerkungen 3=2 Versuch 5. Serum. or = > | in Cem. | Secunden. | Secunden. | yinuten. 1 25 120 850 19 0-5grm Chin. muriat. in wäss- 92 20 50 295 9 riger Lösung (10 Cem) in die B\ 9 5 319 9 Cruralvene. d 1 Gelber, sechsmonatlicher Hund. n 20 30 255 13 Körpergewicht nach dem Ver- 5 20 67 420 A such 7500grm, Blut aus der Carotis dextra. Anfang der 6 20 s0 220 8 | Versuche 11h 33’; Ende 11h 27’ Bei Pflüger! lesen wir: „... ausgehend von der Idee, dass die Blut- coagulation durch Fermente bedingt ist, und das Chinin die Säurebildung im frischgelassenen Blut hemmt (Zuntz), bat ich vor einigen Wochen meinen ersten Assistenten Prof. Zuntz zuzusehen, ob Chininzusatz zu frisch ent- leertem Blute die Gerinnung behindere. Er stellte den Versuch wiederholt mit Kaninchenblut an, dass in der That °/, Stunden vollkommen flüssig blieb und dann erst gerann. . .“ G. Die Gerinnung des arteriellen Blutes vom Hunde unter dem Einfluss von Natr. carbonicum purum. Ein Welpe erhält 6 Tage, 3 Mal täglich, zu 100 em einer 4 procentigen Lösung von Natr. carbon. siccum. Am Versuchstag war der Harn von stark alkalischer Reaction. Die Blutgerinnung war auch in diesem Falle etwas verzögert. = © 3 | Auftreten | Se Häutchen- Feste a .as Blutmenge |. 0 ES 2 AR De bildung. Gallerte. Sam, eu Z un zen! u Secunden. | Secunden. | Minuten. | 1 20 115 630 18 Brauner Welpe. Körpergewicht 1 nach dem Versuch 2650 srm, : An n. in en 2 "Blut aus der Carotis dextra. / 2 Von hellerer Farbe als ge- 4 20 114 948 6) wöhnlich. 5 20 120 375 15 ‚Anfang der Versuche*) 11h 50". 6 20 Ende der Versuche 12h 57. 7 0 N er 5 | *) Anfang und Ende der g = Versuche zeigen in allen Ver- 20 so 415 15 suchen die Zeit an, wann die 9 20 45 157 16 erste und die letzte Blutportion entzogen wurde. 1 Pflüger’s Archiv u.s. w. 1875. Bd.X. S. 363. 238 C. HoLzMAnK: 5. Das Fibrin. Zur Zeit besitzen wir keine Charakteristik des Fibrins oder wenigstens keine allgemein anerkannte. Dass eine solche nothwendig ist, bedarf wohl kaum der Erwähnung. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass Fibrin unter allen Umständen eine faserige Structur besitzt. Die Elementaranalyse von Fibrin gleicht der der Eiweisskörper überhaupt (S. 214). Die Fähigkeit Wasserstofisuperoxyd zu zersetzen, theilt Fibrin mit so vielen anderen Proteinsubstanzen. Bei seiner Zersetzung liefert es ebenso, wie andere Eiweisskörper Trypsin, dia- statisches Ferment und Fibrinferment.. Die Fettmenge, die dem aus Blut erhaltenen Fibrin beigemengt ist, so wie die Menge der Aschenbestand- theile schwanken ebenfalls beträchtlich. In Bezug auf die Löslichkeit des Fibrins gehen die Ansichten gleichfalls auseinander. So wies Denis darauf hin, dass Fibrin in Salpeterwasser löslich sei. Scherer und auch Virchow änderten diese Angabe dahin ab, dass das Fibrin nur in kaustischen Al- kalien sich löse und in Buttersäure gelatinös würde und in zwölf Stunden sich auch theilweise löst. Auch ich habe eine Reihe von Versuchen über die Löslichkeit des Fibrins angestellt. Geprüft wurden von mir bis heute: NaCl, Me&SO,, KNO,, NaNO,, Na,HPO,, Na, sO,, (NH,),'CO}, Na, 00, NH2C HeR Na(OH), K(OH). Von jedem dieser Körper wurden 18 verschiedene Lö- sungen gemacht um zu erfahren, bei welcher Concentration das Fibrin am besten gelöst wird. Von jeder Lösung wurde stets eine bestimmte Menge (5 Cem) genommen; in diese kam stets die gleiche Quantität (0-5 °”) Fibrin. Damit keine Verdunstung der Flüssigkeit stattfinden konnte, waren die Probirröhrchen, in welchen der Versuch vor sich ging, mit Gummistöpseln verschlossen. Die Temperatur war während der Versuche 17—19°C. Das Fibrin wurde aus arteriellem Hundeblut durch Schlagen gewonnen, weiss gewaschen und zwischen Filtrirpapier ausgedrückt und in angegebenen Mengen abgewogen. Die Beobachtung erstreckte sich auf drei Tage. In meinen Versuchen war also die Concentration der Salzlösungen verschieden. Wirkliche Lösung der ganzen Fibrinmenge erfolgte in Na(OH) und K(OH) von 0-05 Procent an, in HCl bei 39 Procent und 0-1 Procent; am meisten lösten ferner 10 procentige NaCl-Lösung, 14 procentige Mg SO,- Lösung, 12 procentige K NO,-Lösung, 10 procentige Na NO,-Lösung, 5 pro- centige (NH,), CO,-Lösung. Die übrigen Salze und die soeben genannten in anderer Concentration veränderten zwar die Fibrinflocken mehr oder weniger, von einer wirklichen Lösung jedoch lässt sich dabei kaum sprechen. Die Lösungen in NaCl, M& SO, KNO,, NaNO, gaben beim Erhitzen einen flockigen Niederschlae. ÜBER DAS WESEN DER BLUTGERINNUNG. 239 Resume, 1. Aus dem Pferdeblut lässt sich ein Globulin, das Fibrinogen, dar- stellen, dessen Lösung bei gewöhnlicher Zimmertemperatur weder spontan noch auf Zusatz destillirten Wassers gerinnt. 2. Defibrinirtes Blut, Blutserum, Wasserextract aus den mit Alkohol sefällten Eiweisssubstanzen des Blutserums oder einer Hühnereiweisslösung, Zersetzungsflüssigkeit aus gekochtem Hühnereiweiss und andauernde Sauer- stoffdurchleitung bewirkten typische (S. 218) Gerinnung der Fibrinogenlösung bei gewöhnlicher Zimmertemperatur. 3. Das Fibrinferment ist nicht dem Blute eigenthümlich, sondern findet sich auch unter den Zersetzungsproducten von Eiweiss. Dafür, dass das Fibrin ein Oxydationsproduct des Fibrinogens ist, spricht direct die typische Gerinnung einer Fibrinogenlösung nach Sauerstoffdurch- leitung und indirect der Umstand, dass unter gewöhnlichen Verhältnissen bei diesem Process ein Ferment thätig ist. Jedenfalls sind bei der Bilut- gerinnung Fermentation und Oxydation nicht auseinanderzuhalten. 5. Beim schnellen Verbluten der Hunde (in 1!/,—3 Stunden) gerinnen die letzten Blutportionen schneller als die ersten, ohne dass erhebliche Schwankungen an Fibringehalt hierbei zu constatiren wären. 6. Venöses Blut gerinnt langsamer als arterielles. CO, - Anhäufung, Erstickung, verzögert die Blutgerinnung. Ebenfalls verzögernd auf die Blut- gerinnung wirken: Curare, Chloralhydrat, Chloroform, Chininum muriaticum und Natrum carbonicum purum. Ueber die Vertheilung der motorischen Nerven- endapparate in den quergestreiften Muskeln der Wirbelthiere. Von G. Sandmann, Cand. med. aus Bromberg. (Hierzu Taf, II.) Wenngleich schon seit Jahrzehnten die Endigung der motorischen Nerven in den quergestreiften Muskeln den Gegenstand eifrigster For- schung bildet und der Fortschritt der histologischen Färbungstechnik auch auf diesem Gebiet eine grössere Sicherheit der Arbeit gewährt, so ist die Lehre von den motorischen Nervenendorganen doch noch keineswegs als abgeschlossen zu betrachten. Der hier herrschende unsichere Stand der Dinge wird am besten dadurch charakterisirt, dass selbst über die ge- wissermaassen grob histologische Frage nach der Vertheilung der Ner- venendigungen eine Einigung noch nicht erzielt ist. W. Krause 'hehandelt diesen Punkt in einer ganzen Reihe von Ab- handlungen, deren Ergebnisse er später in seinem Hauptwerk: „Die moto- rischen Endplatten, Hannover 1869“ und dem „Handbuch der mikrosko- pischen Anatomie, Hannover 1876“ zusammengefasst hat. Nach ihm erhält jedes Muskelbündel sowohl pleiomerer Muskeln wie monomerer nur eine Nervenendigung. Der Verbreitungsbezirk umfasst etwa die mittleren zwei Drittel des monomeren Muskels, während in den pleiomeren, in denen jedes der höchstens 4°® langen Bündel etwa in seiner Mitte eine Nerven- endigung erhält, die Enden ca. 0-5—2 m weit entfernt sind. SANDMANN: VERTHEILUNG DER NERVENENDIGUNGEN. 241 Kühne,! Cohnheim,? Tschirjew® und Bremer fanden, dass eine längere Muskelfaser zwei und mehrere Nervenendigungen — abgesehen von den von letzteren beiden Autoren gesehenen atypischen Enddolden — er- halten kann. Den M. sartorius des Frosches sah Kühne nur auf wenige Millimeter von seinen Enden nervenfrei. Den aus diesen Angaben hervorgehenden Widerspruch und seine Con- sequenzen betont du Bois-Reymond,? indem er auf die Unzweckmässig- keit der Anordnung der Endapparate hinweist, welche, falls jede Faser mit nur einem derselben versehen ist, darin liegen würde, wenn sie doch über den ganzen Muskel zerstreut wären, statt in einer Ebene, am „Aequator“, zu liegen, ebenso wie dies im Gastroknemius z. B. der Fall ist. Zur Klärung dieses Punktes durch erneute Untersuchungen beizutragen, sah ich mich um so mehr veranlasst, als die medicinische Facultät der Friedrich-Wilhelms - Universität zu Berlin die Frage nach der Vertheilung der Nervenendigungen zum zweiten Male zum Gegenstand einer Preisauf- gabe gemacht hatte. Der mit einigen Abänderungen hier vorliegenden Arbeit, die ich der Facultät einzureichen die Ehre hatte, ist der Preis zuerkannt worden.® 1 Kühne, Ueber die peripherischen Endorgane der motorischen Nerven. Leipzig 1862. 40. 8.107. — Strieker’s Handbuch der Lehre von den Geweben des Menschen und der Thiere. Bd.]. 1871. 8.153. — Heidelberger Untersuchungen. Bd. II. ? Centralblatt für die medicinischen Wissenschaften. 1863. S. 865. ® Sur les terminaisons nerveuses, Comptes rendus. 1878. p. 606. * Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. XXl. S.22. 5 Gesammelte Abhandluugen zur allgemeinen Muskel- und. Nervenphysik. Bd. I. Leipzig 1877. 8.571. 731. % „Für den städtischen Preis hatte dieselbe Facultät folgende schon im vorigen Jahre für den Königlichen Preis gestellte und nicht gelöste Aufgabe wiederholt: „Lrotz den zahlreichen und genauen Untersuchungen der Histologen über die Art, wie die letzten Endigungen der motorischen Nerven mit den Primitiv- - Muskelbündeln sich verbinden, bleibt noch immer über diesen Punkt eine grosse Menge von Fragen unerledigt. Unter diesen erscheint von besonderer Wichtig- keit für die Physiologie die Frage nach der Vertheilung der letzten Nerven- endigungen an die Muskelbündel, in Betreff welcher die Meinungen so sehr aus- einandergehen, dass nach Kühne ein Muskelbündel an mehreren Stellen mit motorischen Nervenendigungen sich verbindet, während nach W. Krause jedes Muskelbündel nur eine einzige Nervenendigung erhält. Die Facultät wünscht, dass die auf diese Streitfragen bezüglichen Thatsachen möglichst vollständig ge- sammelt und kritisch beleuchtet werden, und dass die Art der Nervenvertheilung, insbesondere in den für die Muskelphysiologie wiehtigen monomeren Muskeln des Frosches (Semimembranosus, Sartorius, Cutaneus femoris, Gastrocnemius, Extensor cruris), wie auch in einem oder mehreren pleiomeren Muskeln warm- blütiger Thiere erschöpfend nnd sicher dargelegt werde. Den Bewerbungs- Archiv f. A. u. Ph. 1885. Physiol. Abthlg. 16 242 G. SANDMANN: Es schien auf der Hand zu liegen, dass ein so diametraler Gegensatz zwischen den Angaben zweier verdienter Autoren, wie W. Kühne und Krause, wenn man nicht auf der einen oder der anderen Seite einen groben Beobachtungsfehler annehmen will, nur auf die Mängel der an- gewandten Untersuchungsmethoden zurückgeführt werden kann. Diese zu vervollkommnen, habe ich deshalb als die erste Bedingung zur Lösung der gestellten Aufgabe betrachtet. Das wichtigste Hülfsmittel besteht unzweifelhaft in der vollkommenen Isolirung der Muskelbündel bei erhaltenen Nervenendigungen; denn der Unter- sucher ist niemals sicher, keines der feinen Gebilde, auf die es uns hier ankommt, zu übersehen, wenn er nicht den aus seinen Verbindungen völlig losgelösten Muskelfaden überblicken kann. Wer sich je der Danaidenarbeit, bindegewebsreiche Muskeln mit langen feinen Bündeln mechanisch mit Nadeln zu zerfasern, unterzogen hat, wird schriften sind. conservirte Praeparate als Beweisstücke und Prober der ange- wandten Methoden beizufügen.“ Auf diese Frage ist eine Bewerbungsschrift mit dem Wahlspruch: „Vita brevis, ars longa“ und mit einem Kästchen mikroskopischer Praeparate eingegangen. Der Verfasser dieser Arbeit hat sich zunächst ein neues und nach den eingereichten Proben sehr günstig wirkendes Verfahren zur Isolirung der Primitiv-Muskelbündel unter Er- haltung der Nervenendigungen verschafft. Der Gebrauch, den er von diesem Verfahren gemacht hat, um die Nervenendigungen genauer zu beschreiben, geht über die von der Faeultät gestellte Aufgabe hinaus, und gewisse vom Verfasser vertretene Anschauungen, welche zu Zweifeln veranlassen könnten, bleiben deshalb hier unberücksichtigt. Was die von der Facultät gewünschte Entscheidung zwischen den Angaben Kühne’s über mehrfache Nervenendigungen an demselben Primitiv-Muskelbündel und der entgegen- stehenden Behauptung eines anderen Forschers betrifft, wonach stets nur eine Nerven- endigung vorhanden sein sollte, so hat der Verfasser die Kühne’sche Ansicht an den längeren Primitiv-Muskelbündeln des Frosches durchaus bestätigt gefunden und seine Praeparate erheben dieselbe über jeden Zweifel. An den Muskelbündeln von Säuge- thieren hat er dagegen, einen einzigen Fall ausgenommen, nur eine Nervenendigung gesehen, und es wäre zu wünschen gewesen, dass er diesen auffallenden Widerspruch etwas tiefer verfolgt hätte. Inzwischen hat er seine Aufmerksamkeit nicht ohne Er- folg noch einem anderen Punkte zugewendet, welcher zwar auch über das von der Facultät gesteckte Ziel hinaus liegt, jedoch mit dem eigentlichen Gegenstande der Preis- frage so nahe zusammenhängt, dass seine sofortige Inangriffnahme und Erledigung nur dankenswerth erscheinen kann: der Frage nämlich, ob die mehrfachen Nervenendigungen an demselben Primitiv-Muskelbündel, da wo sie vorkommen, von demselben oder von verschiedenen Centren abhängen. Der Verfasser entscheidet sich für letztere Möglichkeit. Da er somit in der von der Facultät gewünschten Richtung nicht unwichtige Fort- schritte gemacht und die hauptsächlich gestellte Frage wenigstens an den Frosch- muskeln befriedigend beantwortet hat, so steht die Facultät nicht an, seiner Arbeit den Preis zu ertheilen.“ (Auszug aus den Urtheilen der vier Facultäten der Friedrich- Wilhelms-Universität zu Berlin über die Bewerbungsschriften, welche zur Lösung der im Jahre 1883 aufgestellten Preisaufgaben eingereicht worden sind, u. s. w.) [E.d. B.-R.] VERTHEILUNG DER NERVENENDIGUNGEN IN DEN MUSKELN. 243 es erklärlich finden, dass im Laufe der Zeit so ungemein zahlreiche Methoden entstanden sind, die diesen Zweck durch chemische Reagentien zu erreichen suchen. Die meisten derselben habe ich auf ihre Verwendbarkeit hin ge- prüft, sie jedoch für den vorliegenden Zweck mehr oder weniger unbrauchbar gefunden. | Den Vorzug vor allen diesen Methoden verdienen unzweifelhaft das Verfahren von Kühne (Schwefelsäure von O-’1® auf 1 Liter Aqua dest. und darauf folgendes Erwärmen) und das von Krause (Kochen nach Ein- wirkung von Oxalsäure). Trotz ihrer mannigfachen Vorzüge kann ich beiden jedoch nicht unbedingte Anerkennung zollen, da die letztere Methode nur schwer eine vollkommene Isolirung dickerer und bindegewebsreicherer Mus- keln gestattet, die erstere aber ausser diesem — von Kühne selbst schon angegebenen — Nachtheil noch den besitzt, dass sie zu fragile Praeparate liefert. Die schönsten Resultate verdanke ich der Anwendung der Lösung der schwefligen Säure! die ich in der Concentration, wie sie im Handel zu haben ist, und mit folgenden Kunstgriffen in Gebrauch zog. Die Methode, die ich einschlage und die an Sicherheit und Einfachheit nichts zu wünschen übrig lässt, ist folgende: Ich praeparire den zu unter- suchenden Muskel heraus, schneide ihn, falls er zu voluminös ist, seiner Faserung parallel in einzelne nicht zu dicke Streifen, thue ihn sodann in ein Reagensglas mit schwefliger Säure und lasse ihn wohl verkorkt je nach seiner Grösse, Dicke und seinem Reichthum an Bindegewebe 1—8 Tage stehen. Ohne dass das Praeparat verdirbt, kann es sogar noch länger auf- bewahrt bleiben. Hierauf wasche ich ihn tüchtig in destillirtem Wasser aus und koche ihn in einem ebenfalls mit destillirtem Wasser gefüllten Reagens- glase 3—4 Male über einer Spiritusflamme und zwar so, dass ich vor dem jedesmaligen Aufkochen ihn erkalten lasse oder das heisse Wasser durch kaltes ersetze. Es ist das letztere darum wichtig, weil dadurch das durch _ Säure und Siedehitze in Leim verwandelte Bindegewebe die Fähigkeit zu gelatiniren und festzukleben verliert. Wenige starke Schüttelschläge zerlegen den Muskel jetzt in elegan- tester Weise in seine Primitivbündel — ein Process, der sich um so leichter ! Schon Kühne sagt: „Noch zweckmässiger ist es, das intermusculäre Binde- gewebe durch 24 stündiges Einlegen in äusserst verdünnte schweflige Säure erst zur Quellung zu bringen und dann durch mehrstündiges Erwärmen etwa auf 40°C. in Leim überzuführen und zu lösen. Die isolation der Muskelfaser geschieht alsdann durch heftiges Schütteln mit Wasser im Probirröhrcehen.“ (Strieker’s Handbuch der Lehre von den Geweben u.s. w. A.a.0.) Ich habe Grund anzunehmen, dass das von mir geübte Verfahren das Kühne’sche noch an Zweckmässigkeit übertrifft. 19° 4 244 G. SANDMANN: vollzieht, je länger der Muskel der Säureeinwirkung ausgesetzt war, bez. je öfter er aufgekocht wurde. Manchmal bleiben auch zwei und mehrere Primitivbündel miteinander verbunden, die dann wünschenswerthe Situspraeparate ergeben. Die so in ihrer ganzen Länge isolirte Muskelfaser ist weich und biegsam und, fast durchsichtig, lässt sie die Querstreifung und die Muskelkerne in deutlichster Weise erkennen. Vor den nach anderen Methoden isolirten Fasern zeichnet sie sich auch dadurch vortheilhaft aus, dass sie Resistenz genug besitzt, um durch den Druck des Deckglases nicht abgeplattet zu werden, mit Leichtigkeit lässt sich durch Rotiren um die Axe der Faser jede beliebige Lage des Endapparates von der vollen Flächen- bis zur vollen Profilansicht herstellen. Die Nervenendigung wird, wie ich durch den Ver- sleich mit frischen Praeparaten, die ich in 0.6 procentiger Kochsalzlösung untersuchte, mich zu überzeugen Gelegenheit hatte, nicht tangirt. — Wie schon bemerkt, lassen sich auch äusserst bindegewebsreiche, feinfaserige Muskeln, bei denen die übrigen Methoden im Stich lassen, bei genügend langer Einwirkung der schwefligen Säure und des Kochens in ihre Bündel zerlegen. . Die moderne histologische Technik gebietet ferner über Hülfsmittel, die nur undeutlich und schattenhaft hervortretende Nervenendigune in mark- losen Fasern durch Färbung von der Muskelsubstanz zu differenziren. Bei meinen Arbeiten bediente ich mich der Pikrinsäure, des Silbernitrats und in ausgedehntester Weise des souveränen Reagens auf Nervenendisungen, des Goldchlorids. Seitdem Cohnheim durch die Einführung des Goldchlorids die Fär- bungstechnik um ein werthvolles, ja unentbehrliches Hülfsmittel bereichert hat, sind eine Unzahl von Modificationen seiner Methode angegeben worden, die jedoch, wie ich durch eine Reihe von Versuchen leider erfahren musste, ausser der grösseren Umständlichkeit vor dem ursprünglichen Cohnheim’- schen Verfahren nur wenig oder gar nichts voraus haben. Dem Haupt- mangel der Goldchloridfärbung, der launenhaften Inconstanz der Färbung, hilft keine der angegebenen Methoden ab. Während jedoch dem Untersucher, der sich mit histologischen Details . der Nervenendisung beschäftigt, schon das Fragment einer Muskelfaser genügt, vorausgesetzt, dass es mit einer gut reducirten Endieung versehen ist, konnte ich nur diejenigen Praeparate als gelungen betrachten, die in ihrer ganzen Länge isolirt und gut vergoldet waren. Diese Schwierigkeiten, die sich bei hindegewebsreichen Muskeln mit laneen, feinen Primitivbündeln überhaupt nicht oder nur mit äusserster Anstrengung überwinden lassen, überzeugten mich von der Unzulänglichkeit der bisherigen Vergoldungs- methoden für meine Zwecke. In Folge dessen versuchte ich, indem ich VERTHEILUNG DER NERVENENDIGUNGEN IN DEN MUSKELN. 245 mich über das von meinen Vorarbeitern gehegte Vorurtheil, dass nur frische Muskelfasern gut vergoldete Praeparate gäben, hinwegsetzte, die mit Hülfe der schwefligen Säure isolirten Muskelfasern der Ein-, wirkung des Goldchlorids zu unterwerfen. Der Versuch gelang. Welche Art der Vergoldung man wählt, ist, wie ich oben auseinander- gesetzt, durchaus gleichgiltig. Das Verfahren, dessen ich mich bediene und das ich durchaus em- pfehlen kann, ist folgendes: Die isolirten Fasern eines zu untersuchenden Muskels theile ich in mehrere beliebig grosse Portionen, indem ich sie mit der Flüssigkeit, in der sie suspendirt sind, in verschiedene Reagensgläser übergiesse, um sie für etwaige spätere Untersuchung aufzubewahren. In dasjenige Glas, das die zu vorgoldenden Fasern enthält, thue ich je nach der Quantität der darin enthaltenen Flüssigkeit auf etwa 10m Wasser 1—3 Tropfen einer einprocentigen wässrigen Goldchloridlösung. Haben die Fasern eine gelb- liche Färbung angenommen, was nach wenigen Minuten geschehen ist, so giesse ich die überschüssige Goldlösung ab, setze dafür eine gleich grosse Quan- tität destillirten Wassers zu, in welchem ich die Fasern auswasche, giesse auch dieses Wasser ab und setze dafür wiederum eine etwa ebenso grosse mit einem Tropfen Essigsäure angesäuerte Quantität Wasser zu. Der Säure- zusatz ist jedoch, wie ich mich neuerdings überzeugt habe, zum Gelingen der Praeparate nicht gerade nothwendie. Jetzt erhitze ich über einer Spiritusflamme bis zum Sieden. Nach wenigen Minuten schon ist in der höheren Temperatur die Reduction, die sonst 24 Stunden in Anspruch nimmt, vollendet. Die Fasern nehmen je nach der Dauer der Einwirkung und der Stärke der Goldlösung eine hell- rosa bis tiefblaue Färbung an, während die markhaltigen und marklosen Nerven sich dunkler als der Muskel bis zum tiefen Schwarz tingiren. Die Untersuchung und Einbettung geschieht in Glycerin und Wasser zu gleichen Theilen, wozu ein Tropfen Essigsäure gesetzt wird. Durch den Vergleich mit frischen Praeparaten, die durch Goldchlorid gefärbt waren, und mit den von anderen Autoren gegebenen Abbildungen habe ich mich überzeugt, dass das anscheinend stark eingreifende Verfahren Laesionen der Praeparate nicht herbeiführt. Welche Vortheile meine Vergoldungsmethode, die einfacher ausgeführt als beschrieben ist, vor den bisher angegebenen besitzt, brauche ich wohl kaum auseinanderzusetzen. Denn wenn durch dieselbe auch die unberechen- bare Willkür der Goldreduction nicht beseitigt ist, so gestattet sie doch mit leichter Mühe in wenigen Minuten eine unbegrenzte Anzahl von Prae- paraten der motorischen Nervenendigung herzustellen — ein Umstand, der es auch ermöglicht, den Schaden bei etwaigem Misslingen durch sofortige 246 G. SANDMANN: Anfertigung einer Anzahl neuer Praeparate aus den Reserveportionen wieder gut zu machen. Ich möchte endlich darauf hinweisen, welche Vortheile diese Methode für die Untersuchung der schwer zu zerfasernden Muskeln *der Säugethiere gewährt, insbesondere wo es darauf ankommt, einen Muskel auf etwaige pathologische Veränderungen seiner nervösen Endelemente, wie Degenerationen und dergl., zu durchsuchen. Auf ihre Brauchbarkeit auch nach dieser Richtung hin habe ich, wie ich weiter unten berichte, die Methode zu erproben Gelegenheit gehabt. Mit ihrer Hülfe nun habe ich die Frage nach der Vertheilung der motorischen Nervenendigungen in Angriff genommen. Andere, noch nicht zum Abschluss gelangte® Untersuchungen in Bezug auf histologische Details der Endplatten, zu denen mich diese Methoden führten, behalte ich mir für eine spätere Veröffentlichung vor. Vornehmlich waren es die für den Physiologen wichtigen monomeren Muskeln des Frosches, sowie einzelne pleiomere Muskeln warmblütiger Thiere, die ich entsprechend den Forderungen der Preisaufgabe in den Kreis meiner Betrachtung gezogen habe. Im M. gastroknemius des Frosches, dessen anatomischen Bau du Bois-Reymond anschaulich dargestellt hat, nehmen die kurzen sowohl, wie die längeren Fasern etwa in der Mitte je einen Nervenapparat auf. Denselben Typus der Nervenvertheilung weist der M. triceps auf, dessen sonderbaren Bau derselbe Forscher beschrieb, ! denn auch hier in- serirt sich je eine Nervenendisung an jede Muskelfaser. Ein wesentlich anderes Bild geben die folgenden Muskeln: Vor allen zeichnet sich der M. sartorius aus. Fast an jeder Faser desselben sehen wir zwei, drei, ja an manchen sogar vier, fünf und sechs Nervenendigungen und zwar neben spärlich und dürftig entwickelten, wohl- ausgebreitete und mit reichlichem Gestänge versehene Endbüschel. Allerdings kommen auch, jedoch selten, Fasern mit nur einer Nervenendigung vor. Was die Lage derselben zu einander betrifft, so lässt sich ein bestimmtes Prineip in dieser Beziehung nicht nachweisen, die Endapparate liegen re&ellos bald auf derselben, bald auf verschiedenen Seiten der Fasern. Nach Messungen, die ich an einer grösseren Anzahl von Primitivbündeln angestellt habe, ist die Distanz zwischen zwei benachbarten Endigungen fast immer nahezu dieselbe. Das obere Ende ist je nach der Grösse des Muskels 3—5"", das untere nur 1—3”"” nervenfrei. Dieses Verhalten giebt vielleicht auch die Erklärung für die scheinbar unmotivirte Abweichung von dem Schwalbe’- schen Gesetz des Muskelnerveneintritts, die der M. sartorius zeigt; der Nerv “tritt nämlich nicht im geometrischen Mittelpunkt, sondern tiefer, meist im 1 Gesammelte Abhandlungen u. s. w. Bd. II. S. 54. 55. VERTHEILUNG DER NERVENENDIGUNGEN IN DEN MUSKELN. DAT unteren Drittel, in den Muskel ein. Wie man an Situspraeparaten sich leicht überzeugen kann, liegen auch hier die Nervenendigungen benachbarter Muskelfasern nahe an einander, so dass der M. sartorius gewissermaassen mehrere „Nerven-Aequatoren“ besitzt (Fig. 1). Dasselbe Verhalten wie der M. sartorius zeigt auch der M. cutaneus (Fig. 2). Von besonderem Interesse war es, festzustellen, in welchem Verhältniss die Inscriptiones tendineae zu der Nervenvertheilung stehen. Daraufhin untersuchte ich zuerst den mit etwa 4—5 derartigen Sehneneinschnitten versehenen M. rectus abdominis. Es zeigte sich, dass jedes der Muskel- sesmente seinen eigenen Nervenapparat enthält, wie dies übrigens Kupffer schon vor langer Zeit gegen Fick bewies.! Wie hiernach schon a priori zu vermuthen, gestalten sich die V al nisse ebenso bei den mit Sehnen - Inseriptionen versehenen Mm. semimem- branosus und gracilis. Oftmals sah ich auch den M. cutaneus an seinem oberen Ende mit einer durchgehenden Inseription versehen und auch hier besassen die Fasern des dadurch gebildeten oberen Segmentes einen eigenen Nervenendapparat. (Eine andere Varietät des M. cutaneus war die, dass das obere Segment durch eine bindegewebige Membran ersetzt war.) Der M. semimembranosus wird, wie du Bois-Reymond? fest- sestellt hat, von der sehnigen Scheidewand nicht in seinem ganzen Durch- schnitt in zwei Abschnitte getrennt, sondern „sie durchdringt fast wie die Narbe eines schräg von unten und hinten nach oben und vorn geführten Hiebes nur etwa zwei Drittel des Mittels. Eine mächtige Fasermasse ver- läuft ununterbrochen vom oberen Ende des Muskels bis nahe an das knor- pelige Hufeisen, durch welches der Muskel an der Tibia sich befestigt. Die Länge ihrer längsten Fasern beträgt gegen 0-9 der Muskellänge.“ Ich habe deshalb auch die Fasern des M. semimembranosus in drei Portionen untersucht. Die oberen sowohl wie die unteren Theilfasern er- halten je eine „Nervenendigung etwa in der Mitte ihrer Länge. Unter den durchgehenden Fasern jedoch fanden sich wenige und zwar waren es die länesten, die mit zwei Nervenendigungen versehen waren. Wiederum anders liegen die Verhältnisse beim M. gracilis. Auch dieser Muskel besitzt eine sehnige Inscription, die ihn jedoch seiner ganzen Dicke nach in zwei Portionen theilt. „Der obere Muskelabschnitt ist im Allgemeinen keilförmig in den unteren schwalbenschwanzförmigen Abschnitt eingelassen. Aber die Gestalt der Inscription ist nicht dieselbe an beiden Flächen. An der Aussenfläche bildet sie bei sonst stetigem Verlauf eine ! Henleund Pfeufer, Zeitschrift für rationelle Mediein. 2.R. 1858. Bd.Il. 5.160. ” Gesammelte Abhandlungen u.s.w. Bd.1I. 8. 574. 248 G. SANDMANN: nach hinten verschobene stumpf lancettförmige Spitze nach unten. An der Innenfläche macht sie eimen Sprung in der Faserrichtung, so dass einander berührende Fasern in verschiedener Höhe unterbrochen sind.“ (du Bois- Reymond.!) Der Muskel setzt sich somit aus verschieden langen Theilfasern zu- sammen, die ich ebenso, wie die des vorigen Muskels, getrennt untersuchte. Es ergab sich auch hier, dass die langen Fasern mit zwei, die kürzeren mit einer Nervenendigung versehen waren. Da hier die Anzahl der langen Theilfasern jedoch bei weitem grösser ist, als die der langen durchgehenden Fasern des M. semimembranosus, so ist es natürlich, dass in diesem Muskel die Anzahl der mit zwei Nervenendigungen versehenen Praeparate eine weit grössere ist, als in jenem Muskel. (Fie. 3.) Eine keineswegs seltene Erscheinung sind, wie schon Kühne angiebt, in den Schenkelmuskeln des Frosches Y-förmige Muskelfasern, ja ich habe auch Fasern gesehen, die in der Mitte einen Spalt hatten, andere, die nach beiden Seiten hin sich theilten, andere wieder, die in ihrem Verlaufe mehrere derartige Spaltbildungen zeigten und sich nach dem Ende zu theilten. Die Contouren waren stets so scharf, dass ich die Vermuthung, ich hätte es mit Kunstproducten zu thun, mit Sicherheit ausschliessen konnte. Was die Endapparate an diesen Formen der Muskelfaserung an- langt, so sah ich dieselben meist an dem Theil, der eine Faser bildete, selten nur besassen die Schenkel eigene Endigungen. Von pleiomeren Warmblütermuskeln habe ich die Schenkel- muskeln des Kaninchens, die Mm. sartorius und cucullaris des Hundes und die Oberschenkelmuskeln der Ratte untersucht. Bis auf eine Faser aus dem M. sartorius des Kaninchens, an der sich zwei Nervenendplatten in nächster Nähe von einander und von einem sich in zwei Aeste theilenden Nerven gebildet, befanden, habe ich in allen diesen Muskeln nur Fasern mit einer Endplatte gefunden. Gern hätte ich auch den M. sartorius des Menschen, der nach Froriep Fasern bis zu S® Länge besitzen soll, in Bezug auf seine Nervenendplatten untersucht, leider aber stand mir nicht genügend frisches Material zur Verfügung. In seiner neuesten Veröffentlichung ? be- merkt auch Kühne, dass er erheblich von einander entfernte Nerven- geweihe trotz langer Erfahrungen bei der Eidechse nur zwei Mal, bei der Natter nur ein Mal, bei Säugethieren niemals gesehen. Eine sich an diese Thatsachen anschliessende Frage ist die, ob eine Muskelfaser von nur einer oder auch von verschiedenen Pri- mitivnervenfasern versorgt werden kann. RE OL DE * Zeitschrift für Biologie. Bd. XX. Hft. 4. 3. 539. er ———— Zu WEEZE . VERTHEILUNG DER NERVENENDIGUNGEN IN DEN MUSKELN. 249 Von Engelmann! und von Kühne’ ist dieser Punkt schon berührt, von Beiden jedoch die Frage offen gelassen worden. Kühne hat an den Intercostalmuskeln des Chamaeleons mehrfach End- platten beobachtet, in welche zwei auf weite Strecken getrennt zu den Stämmen zurückzuverfolgende Nervenfasern einmünden, „deren Ursprung aus einer Stammfaser mindestens zweifelhaft blieb.“ Wie Eckhard ? zuerst am Frosch nachwies und wie dies seitdem auch für die höheren Wirbelthiere durch Peyer, durch Ferrier und Yeo und neuerdings durch Forgue und Lannegräve‘ bestätigt worden, ist der nervöse Apparat eines jeden Muskels nicht physiologisch einheitlich, sondern derselbe setzt sich aus verschiedenen Rückenmarksnerven zusammen. So wird z. B. der Sartorius des Frosches vom 7., 8. und 9. Rückenmarks- nerven versorgt. Diesen Umstand suchte ich für die Beantwortung der oben aufgewor- fenen Frage zu verwerthen. Ich resecirte zu diesem Zweck an einer Reihe von Fröschen den 7., bez. 8. Rückenmarksnerven vor ihrem Eintritt in den Plexus sacralis, nachdem ich die Rückenhaut und die darunter liegende Fascie und Mus- culatur durchtrennt hatte. Leider gingen die meisten Thiere zu Grunde, bevor ich ausgesprochene Degeneration der Endplatten finden konnte. Von zwei Exemplaren blieben das eine 50, das andere 56 Tage am Leben. Bei dem ersten hatte ich den 6., 7. und 8. Nerven durchschnitten und konnte mich so darüber unterrichten, welche Bilder degenerirte End- platten ergaben. Die Muskeln wurden nach der oben angegebenen Methode isolirt und vergoldet. Während die markhaltigen Nerven erst mehr oder minder mit Fett- körnchen infiltrirt sind, sind die marklosen Endfasern entweder schon voll- kommen zerfallen oder sie zeigen sehr starke fettige Metamorphose. Erhalten sind die Besatzkörperchen, doch auch diese sind stärker granulirt, als man es bei intacten Praeparaten findet. Das ganze Bild macht so sehr den Ein- druck des Zerfalls, dass man selbst an Pikrinsäurepraeparaten schon deutlich die Deformation zu erkennen im Stande ist. An dem zweiten der überlebenden Frösche hatte ich den 8. Rücken- marksnerven resecirt. Bei der Durchmusterung der isolirten und darauf vergoldeten Sartoriusfasern bekam ich stets Praeparate zu Gesicht, die ent- weder intacte oder ausgesprochen degenerirte Endapparate besassen. Nur 1 Untersuchungenüber den Zusammenhang von Nerv und Muskelfasern. Leipzig 1863. ” Verhandlungen des Heidelberger mediecinisch-naturwissenschaftl. Vereins. 18382. ® Henle und Pfeufer, Zeitschrift für rationelle Mediein. 1849. Bd. VII. S. 302 ff. * Comptes rendus ete. 1884. 250 G. SANDMANN: an wenigen Muskeln sah ich neben einer oder zwei intacten Endplatten eine, in einem Falle zwei degenerirte Nervenendigungen. Es ist somit bewiesen, dass ein Muskelbündel von zwei ver- schiedenen ÜÖentren aus innervirt werden kann; vielleicht ist das häufiger der Fall, als ich es gefunden habe, da ja auch verschiedene, von verschiedenen Ganglienzellen entspringende, aber in demselben Rücken- marksnerven verlaufende Primitivnervenfasern zu einem und demselben Muskelbündel gehen können. Im Gegensatz zu den erwähnten Muskeln des Frosches, an deren Fasern sich multiple Endapparate befinden, besitzen wir im M. eucullaris der Säugethiere einen Muskel, der von verschiedenen Centren aus durch verschiedene Nerven, den N. accessorius Willisi und einzelne Zweige des Plexus cervicalis versorgt wird, so dass derselbe verschiedenen Functionen als willkürlicher Körper- und als accessorischer Athemmuskel zu dienen im Stande ist. Hier ist die umgekehrte Frage zu beantworten: Dient jede oder eine Anzahl seiner Fasern beiden Functionen und erhält sie deshalb zwei Endapparate, oder ist jede Faser nur mit je einer Nervenendigung versehen und somit nur als von einem Cen- trum abhängig zu betrachten? Sorgfältig habe ich zu diesem Zweck die Primitivbündel des M. cu- cullaris des Hundes. untersucht, jedoch an jedem Muskelbündel des- selben nur je eine Nervenendigung gefunden. Dieses Verhalten beweist, dass hier die von den verschiedenen Nerven versorgten Muskel- bündel ebenso durcheinander vertheilt sein müssen, wie dies für andere Muskeln durch die elektrische Reizung des einen der zugehörigen Nerven, bei der trotzdem der ganze Muskel sich contrahirt (Gad, Forgue und Lannegräve), schon wahrscheinlich gemacht ist. Fassen wir das Hauptergebniss unserer Untersuchung kurz zusammen, so besitzt also in den (von uns untersuchten) pleiomeren Muskeln warmblütiger Thiere jede Muskelspindel nur eine Endplatte; dadurch wird, wie mir scheint, der Widerspruch zwischen den Angaben Kühne’s und Krause’s auf befriedigende Weise für alle Theile geschlichtet, da Krause mehr an Warmblütern, Kühne mehr an Froschmuskeln seine Untersuchungen anstellte. Was die Sache selber betrifft, so bleibt freilich das Räthsel übrig, warum die langen Muskelspindeln der Warmblüter nur mit einer, die Spindeln der Kaltblüter, ausgenommen die ganz kurzen, mehrere Inner- vationsstellen haben. Hr. du Bois-Reymond glaubt, wie ich aus münd- licher Mittheilung weiss, dies so erklären zu können, dass vielleicht die Contractionswelle sich in den Warmblütermuskeln schneller als in den r VERTHEILUNG DER NERVENENDIGUNGEN IN DEN MUSKELN. zu Kaltblütermuskeln fortpflanze. Alsdann werden die mit mehrfachen Nerven- endigungen versehenen Kaltblütermuskeln sich so rasch zusammenziehen, wie die nur mit einer Endplatte versehenen Warmblütermuskeln. Hänst aber ein Muskelbündel von verschiedenen CGentren ab, _ indem entweder verschiedene Primitivnervenfasern multiple Ner- venendigungen bilden, wie ich dies am Sartorius gefunden habe, oder indem sich verschiedene Primitivnervenfasern an der Bil- dung eines einzigen Endapparates betheiligen, wie Kühne dies in den Intereostalmuskeln des Chamaeleons beobachtet zu haben glaubt, so dürfte ein anderer Grund, als die dadurch erzielte grössere Geschwindigkeit für die Multiplicität der Nervenendigungen in Frage kommen. Dann werden nämlich die einzelnen Abschnitte eines Kaltblütermuskels, so wenig wie die einzelnen Spindeln eines pleiomeren Warmblütermuskels, nicht nothwendig zur gleichen Zeit in Wirksamkeit treten, und es wird eine Möglichkeit mehr gegeben sein, in der Wirkung der Muskeln feinere Abänderungen herbeizuführen. Am Schlusse meiner Auseinandersetzungen angekommen, bleibt mir noch die angenehme Pflicht, für die Liebenswürdigkeit, mit der Hr. Prof. H. Munk mir die Mittel des physiologischen Laboratoriums der Kgl. Thier- arzneischule zur Verfügung stellte, und für die mannigfache Anregung, die ich ihm sowohl wie Hrn. Dr. I. Munk schulde, beiden Herren meinen auf- richtigen Dank auszusprechen. 252 SANDMANN: VERTHEILUNG DER NERVENENDIGUNGEN. Erklärung der Abbildungen. Die nach der oben angegebenen Methode isolirten und vergoldeten Muskelfasern sind in Bezug auf ihre Länge reducirt, die Querstreifung und die Muskelkerne der grösseren Deutlichkeit halber fortgelassen worden. Fig. 1. Muskelfaser aus dem M. sartorius des Frosches mit drei Nervenendigungen. Mikroskop von Leitz in Wetzlar. Oc.1. Obj.5. Vergr. 200. Fig. 2. Eine der längsten Theilfasern aus dem mit Inscriptio tendinea ver- sehenen M. cutaneus des Frosches mit drei Nervenendigungen. Oc. 1. Obj. 7. Vergr. 300. Fig. 3. Eine längere Theilfaser des M. gracilis des Frosches mit zwei Nerven- endigungen. Oc.1. Obj. 5. Vergr. 200. Zur Physiologie der Bogengänge. Von Dr. Benno Baginsky, Privatdocent in Berlin. Die Frage nach der Ursache der in Folge von Durchschneidung der Bogen- gänge auftretenden Schwindelerscheinungen harret immer noch der defini- iven Erledigung und streng genommen sind wir, nachdem die eine Zeit- lang in die Wissenschaft eingeführte Anschauung, dass die Bogengänge mit ihren Nerven Organe des Gleichgewichts sind, fast allgemein verlassen ist, über den ursprünglichen Flourens’schen Standpunkt erheblich nicht hinausgekommen. Trotz vieler Arbeiten ist hier der Widerspruch der Autoren so gross, die Verschiedenheit der Ansichten so mannigfaltig, dass kaum eine Einigung möglich erscheint. Ich erachte es desshalb für nothwendig, die so schwierige Frage auf Grund erneuter experimenteller Prüfung wiederum zur Besprechung zu bringen. Zur Erklärung der von Flourens zuerst beobachteten Kopfpendelungen sind von den späteren Forschern die verschiedensten Ansichten geltend ge- macht worden und es war naturgemäss, dass, da die Bogengänge bei Tauben scheinbar isolirt dem Eingriffe des Operateurs ausgesetzt wurden, die Ur- sache der Kopfpendelungen und der anderen noch zur Beobachtung kom- menden Schwindelerscheinungen in einer Laesion der Vorhofszweige des Acusticus gesucht wurde. Ueber die Art der Laesion gehen die Ansichten auseinander. Im Speciellen werden namentlich zwei Anschauungen stets “seltend gemacht, einmal, dass es sich um eine Lähmung, das andere Mal, dass es sich um eine Reizung der vestibulären Acusticuszweige handelt. Für und wider wurden alle möglichen und unmöglichen Gründe in’s Feld geführt. Ich! selbst glaubte auf Grund zahlreicher Versuche unter genauer 1 Dies Archw. 1881. $S.201f:. 254 . Benno BAGınsKY: Berücksichtigung der anatomischen Verhältnisse mich keiner dieser An- sichten anschliessen zu können und suchte den Nachweis zu erbringen, dass weder eine Lähmung noch eine Reizung der Vorhofszweige des Acusticus hier ursächlich in Frage kommt, sondern dass vielmehr bei der anatomi- schen Verbindung des Gehörlabyrinths mit dem subduralen Raum ver- mittels des Aquaeductus cochleae und Aquaeductus vestibuli und bei der Nachbarschaft des Kleinhirns durch Verletzungen des Labyrinths Gehirn- laesionen erzeugt werden, welche allein schon im Stande sind, alle zur Be- obachtung kommenden Störungen zu erklären. Um so berechtigter glaubte ich mich in meinen Schlussfolgerungen, als die isolirte Verletzung der dem Ohre benachbarten Kleinhirnpartien von ähnlichen oder gleichen Erschei- nungen begleitet ist und als neuere! anatomische Untersuchungen den Nachweis erbracht haben, dass die früher angenommene Vertheilung des N. acusticus in einen Ramus cochlearis und vestibularis irrig ist. Es dreht sich demnach die Discussion im Allgemeinen um die Frage, ob die nach Durchschneidung der Bogengänge auftretenden Gleichgewichtsstörungen ihre Ursache haben in einer Labyrinthlaesion oder in einer Verletzung des Ge- hirns und im Speciellen, welcher Art die Labyrinthlaesion bez. die Gehirn- laesion ist. Fassen wir die einzelnen Möglichkeiten genauer in’s Auge, so ergiebt sich zunächst, dass eine Lähmung der Vorhofszweige des Acusticus die Ur- sache der Schwindelerscheinungen nicht sein kann. Und der einzige und sichere Beweis hierfür wird erbracht durch das Fehlen aller Schwindel- erscheinungen bei selbst vollständiger Zerstörung des gesammten Labyrinths, wie ich dies ausserordentlich häufig zu beobachten Gelegenheit hatte. Sprachen schon zu Gunsten dieser Thatsache genaue Beobachtungen und pathologische Befunde am Menschen, so konnte ich überdies bei meiner Untersuchung über die Function der Gehörschnecke? in einer Anzahl von Fällen eine vollständige Degeneration des gesammten Öhrlabyrinths constatiren, ohne dass im Verlaufe der Beobachtung Schwindelerscheinungen am Operations- thiere zu beobachten gewesen waren. Hier war der ganze Acusticus gelähmt und doch keine Gleichgewichtsstörung zu beobachten. Wie verhält es sich nun mit der Reizung der vestibulären Acusticus- zweige? Ich glaubte dieselbe gleichfalls nicht verantwortlich machen zu müssen für die Entstehung der Schwindelerscheinungen, da bei den Ein- spritzungsversuchen ® an Kaninchen trotz hochgeradiger Entzündung des Labyrinths, des Vorhofs und der Schnecke, wie sie anatomisch nachgewiesen werden konnte, die im Momente des Druckes entstandenen Schwindel- Dies Archiv. Anatom. Abth. 1880. $. 243. 1 ?2 Die Function der Gehörschnecke. Virchow’s Archiv. Bd. XCIV. Hft.1. 8. 65f. SEATaL OST} a ZUR PHYSIOLOGIE DER BOGENGÄNGE. 255 erscheinungen nieht weiter persistirten, sondern trotz des fernerhin wir- kenden Reizes einer 10—15 procentigen Kochsalzlösung mit dem Nachlass des Druckes verschwanden, obschon die eingespritzten Flüssiekeiten im La- byrinth mit Sicherheit nachweisbar waren. Was mich in meiner Ansicht noch fernerhin bestärkte, war, dass die unter Druck in die Paukenhöhle ein- sespritzten differenten und indifferenten Flüssigkeiten jedes Mal, wenn im Momente des Druckes Schwindelerscheinungen auftraten, deutlich an der Ausmündunssstelle des Aquaeductus cochleae in der Fossa jugularis nach- weisbar waren und dass viele von den Thieren, welche ich am Leben liess, später an den Erscheinungen von Meningitis zu Grunde gingen, ein Beweis, dass durch den Eingriff eine Laesion des Gehirns gesetzt sein musste. Dieser meiner Beweisführung gegenüber wurde zwar zugegeben, dass vom Gehirn bez. vom Kleinhirn aus die in Frage stehenden Erscheinungen erzeugt werden können, zugleich aber behauptet, dass auch durch die alleinige Verletzung des Labyrinths bez. dessen Reizung die Schwindel- erscheinungen entstehen können. Ganz besonders glaubte Högyes! durch eine neue Versuchsanordnung den Beweis für die Richtigkeit dieses Ein- wandes erbringen zu können.? Högyes gelangte zu dem Resultate, dass die Schwindelerscheinungen, welche in meinen Versuchen durch die Drucksteigerung in der Paukenhöhle entstanden sind, auf Reizung bez. Erschöpfung des häutigen Labyrinths (Utriculus, häutige Bogengänge und deren Ampullen) zu beziehen sind, sowohl die Störungen in den Augenbewegungen (Nystagmus), wie die übrigen Schwindelerscheinungen und versucht eine gewisse Beziehung des Mechanis- mus der bilateralen associirten Augenbewegungen mit den beiden Vesti- bularenden der N. acustici plausibel zu machen. Seine Versuchsanordnung bestand darin, dass er am lebenden Kaninchen die Fossa mastoidea, d. i. die Gehirnhöhle, eröffnet, die hier lagernde Flocke vorsichtig in die Schädelhöhle schiebt, von hier aus das Labyrinth anbohrt und nun verschiedene Reize applieirt, in Folge dessen seiner Meinung nach ı Pflüger’s Archiv u.s. w. Bd. XXVl. 8.558 ft. :2 In der Högyes’schen Mittheilung ist die Rede von sechs oculomotorischen Nerven mit zwölf Augenmuskeln und sechs Ampullen mit zwölf Cristae, Hier liest ein grosser Irrthum von Seiten Högyes’ vor, da es bekanntlich sieben Augenmuskeln giebt, von denen nur fünf vom Oculomotorius versorgt werden, während die beiden anderen (Rectus lateralis und Obliquus superior) vom N. abducens bez. N. trochlearis versorgt werden. Desgleichen giebt es nur sechs Cristae an den sechs Ampullen und auf jeder Seite nur zwei Maculae acusticae, so dass in Summa nur zehn existiren. > Högyes macht hier, wie es scheint, überhaupt keinen Unterschied zwischen Reizung und Lähmung, da unter „Erschöpfung“ wohl nichts Anderes, als Lähmung oder wenigstens allmählich eintretende Lähmung verstanden werden kann. 256 Benno BAGINSSsKY: je nach Reizung verschiedener Partien des Labyrinths verschieden charak- terisirte Augenbewegungen mit gleichzeitigem Kopfnystagmus und Schwindel- erscheinungen auftreten. Werden die häutigen Theile des Labyrinths später entfernt oder durch chemisch differente Agentien (Säuren u. s. w.) zerstört, so konnten nunmehr bei erneuter Reizung der Vorhofswandung der Nystag- mus und die Kopfwendungen nicht mehr hervorgerufen werden. Wurden endlich die häutigen Labyrinthe zerstört und nun in der von mir an- gegebenen Weise von der Paukenhöhle aus Einspritzungen verschieden differenter Flüssigkeiten gemacht, so traten jetzt keine Schwindelerschei- nungen mehr auf. i Betrachten wir das von Högyes angegebene Operationsverfahren etwas genauer, so ergiebt sich bei einfacher Ueberlegung schon die Fehlerhaftiskeit seiner Versuchsanordnung. Statt das Gehirn unverletzt zu lassen und jede entfernte Möglichkeit einer derartigen Laesion auszuschalten, eröffnet Högyes die Schädelhöhle und noch dazu an einer Stelle, die dem Kleinhirn so ausserordentlich nahe gelegen ist; dass hierdurch eine Complication ge- schaffen ist, deren Consequenzen sich für den einzelnen Versuch gar nicht übersehen lassen, ist so zu natürlich. Aber weiter: Högyes schiebt nun die Flocke vorsichtig in die Schädelhöhle hinein, obschon in der abgeschlos- senen Schädelkapsel gar kein Raum für dieselbe vorhanden ist und obschon, wie man sich am Kaninchenschädel mit Leichtiekeit überzeugen kann, der “ Eingang von der Schädelhöhle zur Fossa mastoidea (subarcuata) kleiner ist, als die Flocke selbst, so dass ein Hindurchschieben ohne Quetschung oder Zertrümmerung derselben und Laesion benachbarter Gehirnpartien überhaupt unmöglich ist. Wie demnach Högyes bei seinen Versuchen verfahren ist, ist mir vollkommen unverständlich. Ueberdies hätte man erwarten können, dass Högyes, wenn er die Schlussfolgerungen meiner Versuche anzweifeln zu müssen glaubte, unter Berücksichtigung der eben angeführten Thatsachen nun auch mit Genauigkeit jede Gehirnlaesion registrirt oder vielmehr genaue Befunde des Gehirns selbst negativer Art angegeben hätte. Nichts von alledem ist geschehen und so fühlte ich mich denn, da seine Resultate den meinigen ganz und gar widersprachen, im Interesse und bei der Wichtigkeit der Sache, zumal ausserdem seinen Versuchen von verschiedener Seite ein gewisser Werth beigelegt wurde, veranlasst, dieselben zu wiederholen. Bricht man am lebenden Kaninchen die Fossa mastoidea auf, nachdem an der betreffenden Partie des Schädels Muskeln und Periost entfernt sind, so erscheint die in derselben liegende Flocke, welche durch vorsichtiges Wegbrechen des Knochens mittels einer kleinen Knochenzange in einer Ausdehnung von 5—6”M freigelest werden kann. Ein Hineinschieben der- selben in die abgeschlossene Schädelhöhle ist aus den bereits angeführten Gründen unmöglich. Will man nun zur Decke der Paukenhöhle gelangen, ZuR PHYSIOLOGIE DER BOGENGÄNGE. 257 so muss die Flocke ganz entfernt werden. Ich erreichte dies, indem ich mit einem schmalen und schwachen Holzstäbchen die Flocke umfassend in der Richtung von vorn oben aussen nach hinten unten innen bis zur knöchernen Decke der Paukenhöhle vordrang und sie nun hier abquetschte. Es entsteht jetzt in fast allen Fällen eine mehr oder weniger starke Blu- tung, deren Stillung durch kleine in den Hohlraum eingeführte Schwämm- chen gelinst. Man erkennt in der Tiefe der kleinen eröffneten Fossa mastoidea den blutig tingirten Flockenstiel und am Boden derselben die Decke der Paukenhöhle Die Anbohrung der medialen Kante führte ich mit einem ganz feinen und scharf zugespitzten Drillbohrer aus, nachdem ich mich überzeugt hatte, dass die Anwendung anderer Instrumente für diesen Zweck mit grossen Uebelständen verbunden ist. Hat man grosse Uebung in der Operation erlangt, so gelingt es das Labyrinth anzubohren. Es darf indess nicht unerwähnt bleiben, dass man häufig, wenn der Assistent das Thier nicht genügend fixirt oder der Bohrer abgleitet, direct in’s Gehirn gelangt, ein Vorkommniss, welches natürlich den Versuch scheitern lässt. Nicht minder häufig dringt der Bohrer in die Paukenhöhle. Hieraus geht schon hervor, wie relativ schwierig das Operationsverfahren ist. Ganz be- sonders muss ich hervorheben, dass die Orientirung in diesem so kleinen Raume selbst für den geübten Operateur häufig ganz unmöglich ist, so dass es geradezu unerklärlich erscheint, wie Högyes seiner Angabe nach den Utriculus, die horizontale und vordere verticale Ampulle u. s. f. am lebenden Kaninchen gesondert freilegen und isolirt reizen konnte. Ich muss dieses Punktes um so mehr Erwähnung thun, als Jeder, der sich mit der ‚Anatomie des Kaninchenohrs beschäftigt und Gelegenheit gehabt hat, darauf bezügliche Obductionen auszuführen, weiss, wie schwer die Orientirung selbst am todten Organe ist. Ich für meinen Theil muss bekennen, dass ich nicht im Stande war, die Versuche mit der von Högyes angegebenen künst- lerischen Fertigkeit auszuführen, sondern dass sich meine Versuche auf den Vorhof in seiner Totalität erstrecken; mir ist es nicht möglich gewesen, trotz einer immerhin grossen Zahl von Versuchen die einzelnen häutigen Theile des Ohrlabyrinths freizulegen und isolirt zu reizen, obschon ich die ana- tomischen Verhältnisse des Ohrlabyrinths beim Kaninchen genau kenne. Die Entfernung der Flocke ein- oder beiderseitig hat in den meisten Fällen keine Erscheinungen im Gefolge; indess zeigte sich doch in einigen Versuchen in demselben Augenblicke, in dem die Loslösung der Flocke vom Gehirn erfolgte, ein deutlicher bilateraler Nystagmus, der nach kurzer Zeit verschwindet. Häufig gelingt es auch denselben von Neuem in Erscheinung treten zu lassen, wenn man mit einem kleinen Schwämmchen einen Druck auf den Flockenstiel ausübt. Lässt man das Versuchsthier vom Tische auf den Erdboden herunter, so lassen sich Störungen irgend welcher Art an Archiv f. A u. Ph, 1885. Physiol. Abthlg, rl 258 BENNo BacınsKkyY: dem Thiere nicht beobachten. Die Bewegungen sind die normalen, das Thier läuft im Zimmer umher, putzt sich die Schnauze u. s. f£. Wird nun das Labyrinth angebohrt, so entsteht sogleich ein beiderseitiger hochgradiger Nystagmus, dem gewöhnlich eine Starre der Augen mit sogleich nachfol- genden krampfhaften Rotationen derselben vorangeht. Mit dem Nystagmus verbindet sich in fast allen Versuchen die Magendie’sche Augenstellung, so dass das Auge der operirten Seite nach oben aussen, das der nicht operirten Seite nach innen unten zu stehen kommt. Diese Augenstellung bleibt indess nicht immer bestehen, sondern es stellen sich bei unver- ändertem Nystagmus die Augenaxen zeitweise normal, zeitweise auch so, dass das Auge der nicht operirten Seite nach aussen und oben zu stehen kommt. Die ferneren Erscheinungen an den Augen sind äusserst wechselnd; häufig lässt allmählich der im Beginne sehr heftige Nystagmus nach und die Augen kehren in die Ruhestellung zurück. Lässt man die so operirten Thiere vom Tische auf den Erdboden her- unter, so fängt meist der Nystagmus von Neuem an; es zeigt sich starkes Kopfpendeln, ferner Rollungen um die Längsachse und Zeigerbewegungen zumeist nach der operirten Seite, manchmal auch Rückwärtsbewegungen. Ab und zu lassen diese zwangsartigen Bewegungen nach und die Thiere liegen erschöpft auf dem Boden. Allmählich richten sich die Thiere wieder auf und treibt man sie durch irgend welche Reize zum Laufen an, so tau- meln sie meist nach der operirten Seite. Bei der Obduction dieser Thiere, welche meist kurze Zeit nach der Operation vorgenommen wurde, da es gerade darauf ankam, die durch die Operation erzeugten anatomischen Laesionen genauer kennen zu lernen, er- gaben sich in vielen Fällen, ja in weitaus den meisten, schon makroskopisch nachweisbare Veränderungen am Kleinhirn und dessen Nachbarschaft; ich fand Blutungen an der Oberfläche desselben unter der Dura und Pia, manchmal auch solche in der Kleinhirnsubstanz selbst. Ich fand sie am Wurm und an den Kleinhirnschenkeln. In einigen Versuchen, in denen intra vitam die nämlichen oben beschriebenen Störungen zu beobachten ge- wesen waren, liessen sich makroskopisch nachweisbare Veränderungen am Gehirn nicht constatiren. Dass in allen hier in Betracht kommenden Fällen das Labyrinth erbrochen und von Blut erfüllt gefunden wurde, sei hier noch besonders erwähnt. Ausser diesen gelungenen Versuchen habe ich noch einzelner Versuche Erwähnung zu thun, in denen bei der Obduction das Labyrinth gar nicht erbrochen gefunden wurde und in denen trotzdem alle oben angeführten Störungen vollzählig vorhanden waren. In diesen Fällen war der Bohrer neben dem Labyrinth in die Paukenhöhle (Bulla ossea) gedrungen und bei Zur PHYSIOLOGIE DER BOGENGÄNGE. 259 der Obduction liessen sich auch hier schwere Laesionen des Kleinhirns nach- weisen, auch hier fanden sich Blutungen vor. ‘Wenn ich demnach in Kürze meine Versuchsresultate zusammenfasse, so beobachtete ich in einigen Fällen schon bei Entfernung der Flocke Nystagmus, bei Eröffnung des Labyrinths in allen Fällen Starre der Augen mit Nystagmus, meist verbunden mit Magendie’scher Augenstellung, Kopfpendelungen, Längsrollungen, Uhrzeiger- und Rückwärtsbewegungen des Körpers; Störungen, welche nicht immer der operirten Seite ent- sprachen, sondern auch zeitweise auf der entgegengesetzten in Erscheinung traten. Diese Beobachtungen widersprechen ganz und gar den Resultaten, welehe Högyes! mittheilt. Nach Högyes kommt beim Erbrechen des Labyrinths, falls die Operation mit gehöriger Vorsicht ausgeführt wird, durchaus keine Bewegungsstörung zum Vorschein und auch dann noch nieht, wenn in das künstlich eröffnete Labyrinth eine feine Glasröhre ein- geführt wird, in welche die Perilymphe aufgesogen wird, obschon man doch annehmen müsste, dass durch das Einführen der Röhre eine mechanische Reizung der labyrinthären Nerven erfolgen müsste. Erst durch sanftes Ein- blasen von Luft in’s Labyrinth entsteht bei Högyes bilaterale Augen- bewegung und durch stärkeres Blasen heftiger bilateraler Nystagmus. Nach Högyes kommt demnach durch das einfache Ausfliessen der Perilymphe bez. durch das Aufsaugen derselben in die Glasröhre keine Störung an den Augen zu Stande, wohl aber beim Einblasen von Luft. Was schreibt nun Högyes weiter? „Eben dasselbe — nämlich einfache Augenbewegungen oder nystagmische Oscillationen — geschieht, wenn wir die Perilymphe in die Glasröhre wieder zurücksaugen.“ Also beim ersten Ansaugen der Peri- Iymphe erfolgt keine Störung, später entstehen bei derselben Manipulation „einfache Augenbewesungen oder nystagmische Oscillationen.“ Eine Auf- klärung dieses Widerspruches zu geben, ist mir unmöglich, wie ich ausser- dem bekennen muss, dass mir trotz aller Mühe eine mit gleichem Erfolge ausgeführte Wiederholung des Versuches nicht gelungen ist. Ebenso wenig konnte ich in dem so kleinen und engen Raum der Fossa subarcuata des Kaninchens mich so orientiren, dass ich gleich Högyes im Stande gewesen wäre, den horizontalen Canalis semicircularis oder dessen Ampulle frei zu legen und isolirt zu reizen. Alle Uebung hilft hier nicht aus und von der Unmöglichkeit einer derartigen Versuchsanordnung kann sich Jeder über- zeugen, der sich der Mühe unterzieht, die Versuche zu wiederholen. Högyes reizte aber nicht nur die häutigen Theile des Vorhofs mecha- nisch, sondern es gelang ihm sogar einen grossen Theil des häutigen Laby- 1:A,2.0. 8. 562. Ile 260 BENnNno BaAcınsKr: rinths herauszunehmen und die zurückbleibenden Theile mittels Acid. nitrı- cum dilutum, zu zerstören. „Nunmehr konnten durch Wellenbewegung der Flüssigkeit oder durch mechanische Berührung der Vorhofswand weder Nystagmus noch Kopfpendelungen hervorgerufen werden.“ Dieser Versuch kann, wenn anders er überhaupt ausführbar ist, für etwaige Schlussfolge- rungen ernstlich nicht in Betracht kommen. Welche Flüssigkeit soll denn jetzt, nachdem Alles zerstört ist, in Wellenbewegung versetzt werden? Die Peri- und Endolymphe ist abgeflossen, statt ihrer befindet sich in den Räu- men des Labyrinths Salpetersäure, welche nicht allein Alles zerstört, son- dern, sei es durch die Knochensubstanz oder durch die Aquaeduetus und die Gefässcanäle, bis in die Gehirnhöhle diffundirt, wie ich dies in früheren Versuchen habe constatiren können. Und trotzdem beobachtet Högyes gar keine Störungen. Eine Erklärung dieser Resultate vermag ich nicht zu geben. Noch unklarer erscheinen mir die Mittheilungen von Högyes, weiche sich auf die Wiederholung der von mir zuerst beschriebenen Ein- spritzungsversuche an Kaninchen beziehen. Högyes giebt an, dass er bei Kaninchen nach Eröffnung des Vestibulum einzelne Theile des Labyrinths herausgenommen, die übrigen Theile mit Acit. nitricum dilut. getödtet und nun nach der von mir angegebenen Methode Einspritzungen von Kochsalz- lösungen und Luft unter verschiedenem Druck gemacht hat und dass es ihm nunmehr nicht mehr gelungen ist, irgend welche Schwindelerscheinungen hervorzurufen. Nun wird Jeder, der meine hierauf bezüglichen Mittheilungen gelesen hat, finden, dass meine Einspritzungsversuche ein vollständig intactes Labyrinth und eine vollständig unversehrte Paukenhöhle (Bulla ossea) voraussetzen. Was thut Högyes? Er erbricht zuerst das Labyrinth und die Folge davon ist, dass bei seinen Versuchen die in die Paukenhöhle eingeführten Flüssig- keiten in gleicher Weise, wie Luft durch die künstlich angelegte Oeffnung des Labyrinths nach Aussen gelangen, also gar nicht den Weg nehmen können, den ich bei meinen Einspritzungsversuchen nachgewiesen habe. Dass natürlich solche fehlerhafte Versuche den Anspruch auf Beweiskraft nicht erhalten können, liegt wohl klar auf der Hand und der Zweifel wird um so grösser, da sich mir bei Wiederholung des von Högyes angegebenen „entscheidenden Experiments“ ganz andere Resultate ergaben, als Högyes mitzutheilen beliebte. Bei der Differenz unserer Versuchsresultate wird es natürlich kaum möglich erscheinen, eine Einigung herbeizuführen und die Frage zu beant- worten, ob wir es hier mit einer Labyrinthlaesion allein zu thun haben, wie Högyes behauptet, oder ob es sich um Complication von Seiten des Ge- hirns handelt. Wenn ich die Resultate meiner Versuche genauer betrachte, so sprechen meine Beobachtungen nur und allein für eine Gehirnlaesion. Zur PHYSIOLOGIE DER BOGENGÄNGE. 261 Soweit eine solche durch den Obductionsbefund sicher erwiesen ist, würde es nur der Aufklärung bedürfen, wie dieselben entstehen. Betrachten wir die Art des Eingriffs — Erbrechen des Schädels, Entfernen der Flocke, . Erbrechen des Labyrinths — so haben wir genügende Ursache für die durch die Obduction nachgewiesenen Blutungen und Quetschungen, und sicherlich würden diese Störungen Högyes nicht entgangen sein, hätte er das Gehirn jedesmal darauf hin untersucht. Wie verhält es sich aber mit denjenigen Versuchen, in denen die Ge- hirnlaesion anatomisch nicht nachgewiesen werden konnte? Hier muss ich den Nachweis der Hirnverletzung schuldig bleiben; sie wird aber physio- logisch höchst wahrscheinlich, wenn wir die bei den einzelnen Versuchen auftretenden Störungen genauer in’s Auge fassen; es sind dieselben zwangs- artigen Bewegungen, wie wir sie nach Verletzung der Kleinhirnschenkel beobachten und was besonders wichtig erscheint, ist der fortwährende Wechsel der Störungen bei dem scheinbar gleichen Eingriff, eine Variation, wie wir sie nur nach Laesion der Kleinhirnschenkel zu finden gewöhnt sind; ganz besonders gilt dies von der in meinen Versuchen beobachteten Magendie’- schen Augenstellung, deren Entstehungsursache noch niemals in einer Reizung der vestibulären Acusticuszweige gesucht wurde. Uebrigens müssen auch in den Versuchen, welche Högyes ausgeführt und beschrieben hat, Reizungen oder Quetschungen benachbarter Gehirn- partien zur Erzeugung des Nystagmus mit beigetragen haben; es ergiebt sich dies aus der von ihm angeführten Thatsache, dass er durch mecha- nisches Kratzen des Bodens der Fossa mastoidea bilaterale Augenbewegungen erzeugen konnte. Wie sollte hier eine Reizung der in der compacten Knochen- substanz liegenden Vestibularenden des Acusticus erzeugt werden? Wieder- holt man den Versuch am todten Kaninchen, so überzeugt man sich, wie durch jedesmaligen Druck eines kratzenden Instruments bei der Schlaff- heit der ligamentösen Verbindungen zwischen Hinterhaupt und Felsenbeinen die benachbarten Gehirnpartien einer Verschiebung und Quetschung aus- gesetzt sind, und so erklärt sich leicht, dass ein einfacher Druck auf die ' Fossa mastoidea des lebenden Thieres gelegentlich bilaterale nystagmusartige , Augenbewegungen hervorruft. Wenn ich demnach nachgewiesen habe, dass die von Högyes angege- , bene Versuchsmethode viele Fehlerquellen in sich birgt, wenn ich ferner | | bei Wiederholung seiner Versuche zu ganz anderen Resultaten gelangt bin, ‚ wenn ich ferner habe zeigen können, dass von einer Wiederholung meiner | Einspritzungsversuche bei Högyes in der von ihm beliebten Art nicht die Rede sein kann, so erscheinen die von ihm deducirten Schlussfolgerungen ‚ in keiner Weise beweiskräftig und nicht dazu angethan, meinen früheren \l | Schlüssen mit Erfolg entgegen zu treten. 262 BEnNno BAGInsKY: Mit der Wiederholung der Högyes’schen Versuche bez. mit der Zu- rückweisung der von ihm aufgestellten Behauptungen ist indess für die weitere Aufklärung der zur Discussion stehenden Frage wenig gethan und hielt ich mich verpflichtet, durch erneute Versuche, wenn möglich, die Sachlage zu klären. Kaninchen eignen sich für die vorliegenden Zwecke in keiner Weise; die mechanische Eröffnung des Labyrinths ohne Gehirn- laesionen halte ich auf Grund reicher Erfahrung bei dieser Thierspecies nicht für gut möglich, wie ich dies bereits früher ! ausgesprochen habe. Ich habe deshalb meine neuen Versuche wiederum an Hunden ausgeführt, bei denen man nach Eröffnung der Bulla ossea vom Halse aus mit Leichtigkeit das Labyrinth erreichen kann. Ich versuchte dasselbe einer mechanischen Reizung auszusetzen und um jedwede Complication auszuschliessen, operirte ich hier im entscheidenden Momente ohne Narkose. Ich wollte dadurch dem Einwand begegnen, dass etwa die Reizung der vestibulären Acusticus- zweige in Folge der Narkose nicht zur Beobachtung des Experimentators gelangt, ein Einwand, der in der That sich mir als berechtigt darstellte, als ich das Erbrechen des Labyrinths am nicht narkotisirten Thjere vor- nahm. Die im Laboratorium des Hrn. Prof. H. Munk geübte Narkose, bestehend in Morphiuminjectionen und nachfolgenden Aetherinhalationen, entfaltet ihre Wirkung gewöhnlich für volle 24 Stunden, ja manchmal auch noch etwas länger, und es entgeht auf diese Weise eine Reihe von sogleich nach der Operation auftretenden Erscheinungen den Augen des Beobachters, und um diese genau verfolgen zu können, wurden in allen für den vorliegenden Zweck ausgeführten Operationen die Thiere nur bis nach Eröffnung der Bulla ossea in eine leichte Aethernarkose versetzt. Nachdem der Voract der Operation vollendet, wurde die Narkose unterbrochen und abgewartet, bis die Thiere ihr vollständiges Bewusstsein wieder erlangt hatten. Erst jetzt, nachdem die Thiere wieder erwacht und ganz munter geworden waren, wurde mittels eines Pfriemens das Labyrinth erbrochen und sogleich wurden die Hunde vom Operationstisch auf den Erdboden heruntergelassen, um jed- wede Störung genau beobachten zu können. Die Erscheinungen, welche sich hierbei zeisten, sind folgende. In einigen Versuchen verhielten sich die operirten Thiere absolut normal; sie liefen im Zimmer umher, zeigten keine Störungen an den Augen oder in ihren Bewegungen und bei der kurze Zeit darauf ausgeführten Obduetion konnte die Eröffnung des Laby- rinths mit Sicherheit nachgewiesen werden. Dasselbe war von Blut erfüllt. Gegenüber diesen Versuchen zeigte sich in anderen — und in der Mehr- zahl derselben — folgender Symptomencomplex. Sogleich beim Erbrechen des Labyrinths zeigte sich ein beiderseitiger hochgradiger Nystagmus, es 1 Dies Archiv. 1881. S. 216. ZuR PHYSIOLOGIE DER BOGENGÄNGE. 263 rollten die Augen ununterbrochen umher und hierzu gesellte sich in einigen Fällen eine Verengerung der Pupille auf der operirten Seite und in an- deren Fällen eine Empfindungslosigkeit der Cornea. Man konnte sie be- rühren mit dem Finger oder mit einem spitzen oder stumpfen Instrumente, ohne dass auch nur die geringste Spur einer Reflexerregbarkeit nachweis- bar gewesen wäre, während das Auge der anderen Seite auf denselben Reiz lebhaft reagirte. Ich muss noch erwähnen, dass, abgesehen von dem Ver- lust der Reflexerregbarkeit der Cornea, auch der Lidschluss des oberen Augenlids in diesen Fällen verloren gegangen war. Wurden die Thiere vom Tische auf den Erdboden heruntergelassen, so fielen sie auf die operirte Seite und es gelang ihnen nur schwer, sich auf- zurichten. Bei jedem Versuche hierzu traten die heftigsten Schwindel- erscheinungen (Zwangsbewegungen) auf und zwar so, dass dieselben in ihrer Qualität häufig wechselten; dasselbe Thier, welches jetzt sich um seine Längsaxe rollte, zeigte wenige Minuten darauf die heftigsten Uhrzeiger- bewegungen, welche gewöhnlich damit endeten, dass die Thiere hinfielen und auf dem Boden lagen; bei jedem neuen Versuche sich aufzurichten und Vorwärtsbewegungen auszuführen, traten dieselben Schwindelerscheinungen von Neuem auf. Hierzu gesellte sich in einzelnen Fällen eine starke Ab- sonderung eines zähen Speichels und Schleims aus Mund und Nase. All- mählich liessen die heftigen Erscheinungen nach und etwa 1!/, bis 2 Stun- den nach der Operation gelang es den Hunden, taumelnd zwar nach rechts und links, breitbeinig durch das Zimmer zu gehen, stets bemüht, sich im Gleichgewicht zu halten. Einige Thiere wurden sogleich nach der Operation getödtet und die Obduction ergab keine nachweisbaren Veränderungen im Gehirn. Andere wurden am Leben belassen; davon starben einzelne an den Folgen der Operation wenige Tage darauf und bei der Obduction zeigte sich starkes Oedem des Gehirns und der Ventrikel mit Hyperaemie der Meningen. Der grössere Theil der operirten Thiere blieb am Leben und bei diesen ergab die weitere Beobachtung, dass fast alle Erscheinungen sich allmählich zu- rückbildeten, zuerst der Nystagmus, der meist schon nach 24 bis 36 Stun- den verschwunden war, später auch die Taumelbewegungen, welche sich höchstens noch bei kurzen Wendungen und Drehungen der Thiere in ge- ringem Maasse zu erkennen gaben. Auch die Anaesthesie der Cornea bildete sich allmählich zurück. Nur die Kopfhaltung war bei einigen Thieren nicht die normale; die Thiere hielten denselben etwas schief, das Auge der ope- rirten Seite nach unten, das der nicht operirten Seite nach oben gewendet. Wurden diese Thiere später getödtet, so liess die anatomische Untersuchung eine Affection des Gehirns nicht erkennen; dagegen waren die Labyrinthe bei denjenigen Thieren, die etwas früher getödtet waren, im Zustande hoch- 264 BEnno BaAGınskKY: gradiger Entzündung; bei anderen, die erst längere Zeit später getödtet wurden, waren sie, je nach dem Orte des Eingriffes ein- oder beiderseitig zerstört, man fand hier nur Narbengewebe vor. Ueberblicken wir die in Folge der Operation am Labyrinth des Hundes auftretenden Erscheinungen, so fällt auch hier, ähnlich wie bei den Kanin- chenversuchen, die Mannigfaltigkeit und der Wechsel der Erscheinungen bei dem gleichen oder wenigstens intendirt gleichen Eingriffe auf. Das eine Mal beobachten wir beim Erbrechen des Labyrinths gar keine Stö- rungen, das andere Mal die lebhaftesten Zwangs- und Schwindelbewegungen an den Augen und am Körper, welche letztere an demselben Thier derart wechseln, dass auf Drehbewegungen Längsrollungen und Rückwärtsbewegungen zeitlich folgen. Hierzu gesellt sich eine Verengerung der Pupille in ein- zelnen Fällen, in anderen Unempfindlichkeit -der Cornea. Handelt es sich hier nun um eine isolirte Reizung der vestibulären Acustieuszweige oder liegen hier andere Störungen zu Grunde? Dass durch ein Erbrechen des Labyrinthes und durch den Abfluss der Perilymphe eine Reizung der vestibulären Nerven gesetzt werden kann, ist gewiss möglich; aber bei dieser Annahme ist das Ausbleiben aller Störungen in den vorhin angeführten Versuchen nicht zu erklären und auch nicht der Wechsel der einzelnen Störungen und auf der anderen Seite ist, soweit der anatomische Nachweis einer Gehirnlaesion bei den vorliegenden Versuchen am Hunde verlangt wird, aus den Obductionsbefunden derselbe nicht zu erbringen. Es entsteht hier eine grosse Schwierigkeit, welche um so mehr in’s Gewicht fällt, als alle diejenigen Autoren, welche die Ursache der in Frage stehen- den Störungen in einer Reizung der vestibulären Acusticuszweige suchen, immer wieder auf den Mangel einer anatomisch nachweisbaren Hirnlaesion hinweisen und das Fehlen derselben zur Stütze ihrer Anschauungen be- nutzen werden. Wie erklärt sich die Anaesthesie der Cornea, welche doch nach unseren jetzigen Kenntnissen auf eine Laesion des Trigeminus zu- rückzuführen ist und besonders des Astes, welcher mit dem Ohr in gar keiner Beziehung steht? Es galt demnach diese Schwierigkeit zu beseitigen. Ich glaube diese Aufgabe durch folgende Versuche gelöst zu haben. Gelegentlich der Versuche, welche Mendel! „über den paralytischen Blödsinn bei Hunden“ in unserem Laboratorium anstellte, war es mir auf- gefallen, dass Hunde, welche wenige Minuten auf der Drehscheibe gedreht wurden, Nystagmus und Kopfpendelungen zeigten, Erscheinungen, welche allerdings schnell vorübergingen. Im Anschluss an diese Beobachtung führte ich die Versuche so durch, dass die Thiere, nachdem sie wenige Minuten gedreht waren, sogleich vom Tische losgebunden und auf die Erde ge- ' Sitzungsberichte der königlich preussischen Akademie. 17. April 1884. Zur PHYSIOLOGIE DER BOGENGÄNGE. 265 lassen wurden. Abgesehen von dem Nystagmus und den Kopfpendelungen taumelten jetzt die Hunde nach der einen oder anderen Seite, erholten sich aber von den Störungen recht schnell und zeigten nach kurzer Zeit keine Veränderungen weiter. Halte ich diese Störungen denjenigen gegenüber, welche ich nach Erbrechen des Labyrinthes beobachtet und beschrieben habe, so zeigen sich fast nur graduelle und zeitliche Unterschiede, sonst gleichen sie sich vollständig und alle diese Störungen sind hervorgerufen in den Drehversuchen einzig und allein durch Aenderung der hydrostatischen und hydrodynamischen Verhältnisse innerhalb der Schädelhöhle, durch Ver- änderungen der Circulation, welche in letzter Instanz einen Reiz auf die Gehirnsubstanz und wahrscheinlich besonders an der Basis setzt. Dass es sich in der That so verhält, geht unzweifelhaft hervor aus dem schnellen Schwinden aller Erscheinungen. Die eben beschriebenen Störungen zeigen sich aber auch an solchen Hunden, welche vorher beiderseits ganz taub semacht waren; auch solche tauben Hunde, auf die Drehscheibe gebracht, zeigen nach Drehungen Nystagmus, Kopfpendelungen und Taumelbewegungen. ‘Was demnach aus diesen Versuchen mit Sicherheit hervorgeht, ist, dass zur Erzeugung der Schwindelerscheinungen die Existenz eines oder beider Öhrlabyrinthe nicht nöthig ist und dass sie entstehen können ohne ana- tomisch nachweisbare Gehirnlaesionen, einzig und allem durch Störungen der Circulation und durch Aenderung der Druckverhältnisse im Schädelraum. Uebertragen wir nun diese Erfahrungen auf unsere Versuche, so ergiebt es sich, dass eine anatomisch nachweisbare Gehirnlaesion bei den in Frage stehenden Schwindelerscheinungen gar nicht vorhanden zu sein braucht; es genügt einzig und allein eine Störung, welche im Stande ist, einen Reiz auf diejenige Gehirnpartie zu setzen, von der aus ähnliche oder gleiche Er- scheinungen ausgelöst werden. Nur dieser ist es, der ursächlich hier in Frage kommt; fällt die Rückwirkung auf’s Gehirn aus irgend einem Grunde aus, so werden die nachfolgenden Störungen trotz der Eröffnung des Laby- rinthes und trotz der Reizung der vestibulären Acusticuszweige vergebens erwartet. Die Frage, ob in unseren Versuchen secundär auf’s Gehirn ein- gewirkt wird, kann in Anbetracht der anatomischen Verhältnisse, der Ver- bindungen des Labyrinthes mit dem Ohre, der gemeinschaftlichen Gefäss- versorgung nur bejaht werden. Um so wahrscheinlicher wird diese An- nahme, wenn wir im physiologischen Experiment eine Reihe von Störungen beobachten, wie die Anaesthesie der Cornea, welche sich nur durch Laesion des Trigeminus an der Schädelbasis erklären lassen. Eine andere Frage ist es, wie die Laesionen zu Stande kommen. Ob sie erzeugt werden durch plötz- lichen Abfluss der Cerebrospinalflüssigkeit nach Eröffnung des Labyrinths oder durch Aenderungen der Circulation oder durch Reibungen des Geliirns an der Schädelbasis unter Mitwirkung der beiden ersten Factoren, würde 266 BENnNo BAcınskY: ZUR PHYSIOLOGIE DER BOGENGÄNGE. erst einer weiteren Untersuchung bedürfen; meine Bemühungen, diesen Punkt aufzuklären, waren bisher von keinem Erfolge begleitet; ich behalte es mir indess vor, auf diesen Punkt später nochmals zurückzukommen, wenn ich über fernere Versuche, welche noch nicht zum Abschluss gelangt sind, Bericht zu erstatten Gelegenheit haben werde. Zum Schluss möchte ich noch mit wenigen Worten auf „die Ergeb- nisse der Durchschneidung des Nervus acusticus“ von Bechterew! zurück- kommen. Auf die Resultate dieses Forschers gehe ich nicht weiter ein; es mag genügen, die von ihm angegebene Operationsmethode einer genaueren Betrachtung zu unterziehen. Bechterew führt durch ein seitlich vom Ge- lenk zwischen Oceipitalknochen und Atlas gemachte Oeffnung am Hunde- schädel ein aus einem runden Stilet bestehendes Instrument in die Schädel- höhle ein und schiebt es an der inneren Fläche des Pyramidenknochens gleitend nach unten und vorn vor und durchtrennt nach Erreichung des inneren Foramen auditivum den Nervus acusticus. Die Operation wird also im Dunkeln ausgeführt, nichtsdestoweniger ist Bechterew der Meinung, bei diesem Operationsverfahren die benachbarten Gehirntheile schonen zu können. Es bedarf keiner besonderen Kenntniss der anatomischen Ver- hältnisse, um sich zu überzeugen, dass auf diese Weise ein reiner Versuch überhaupt nicht ausführbar ist. Es soll durchaus nicht geleugnet werden, dass der Acustieus gelegentlich durchschnitten wird; was aber bei der Lage des Gehirns schon durch Einführung des Instruments stets geschieht, sind (Quetschungen des Gehirns, Blutungen u. s. w., welche allein schon im Stande sind, alle Schwindelerscheinungen zu erzeugen. Wenn nun Bechterew aus einer derartigen Versuchsanordnung Rückschlüsse auf den Acusticus bez. die Bogengänge macht, so ist es klar, dass seine Resultate für die Physiologie der Bogengänge keine Bedeutung haben können. Vorliegende Untersuchung ist im Laboratorium der hiesigen Thier- arzneischule ausgeführt worden und sage ich Hrn. Prof. H. Munk für das dauernde Wohlwollen, dessen ich mich seit Jahren bei meinen Arbeiten zu erfreuen habe, meinen verbindlichsten Dank. : Pflüger’s Archiv u.s. w. Bd. XXX. Ueber Apnoe bei Kaltblütern und neugeborenen Säugethieren. Von Hans Aronson. In der letzten Zeit ist unter den Fragen, die die Physiologie der Ath- mung betreffen, mit besonderer Vorliebe die der Apnoe erörtert worden, die interessant und wichtig ist wegen der Bedeutung, die sie für die Theorie des Zustandekommens der Athembewegungen hat. Trotz der von vielen Seiten darauf gerichteten Untersuchungen ist bis jetzt keine völlige Ueberein- stimmung unter den Autoren erreicht worden. Hr. Prof. Langendorff trug mir daher auf, die einschlägigen Verhältnisse bei den Poikilothermen, deren geringer Stoffumsatz noch praegnantere Verhältnisse vermuthen liess, genauer zu untersuchen. Diese Versuche, die während des Sommers 1884 an Fröschen und Schildkröten gemacht wurden und an die sich dann weiter- hin noch solehe an neugeborenen Katzen anschlossen, führten zu ganz un- erwarteten Resultaten, über die ich im Folgenden kurz berichten will. A. Versuche an Fröschen. Um eine ausreichende künstliche Ventilation bei Fröschen auszuführen, versuchte ich folgendes, schon von Langendorff! beschriebenes Verfahren, das sich weiterhin völlig bewährte. In geringer Ausdehnung werden unter der Achsel Haut und Musculatur mit möglichster Schonung der dort ver- laufenden Gefässe durchtrennt. Es gelinst dann leicht durch mässigen ! Studien über Rhythmik und Automatie des Froschherzens. Dies Archiv. 1884, Suppl.-Bd. S. 106. 268 TELRE ARONSON: Druck auf den Bauch oder Rücken des Thieres den einen Lungensack heraustreten zu lassen. Durch einen kleinen Schnitt wird derselbe eröffnet und der eine paarige Schenkel einer weiten T-Canüle eingeführt, möglichst schnell wird derselbe durch eine Ligatur befestist um die Blutung aus den eröffneten Lungengefässen zu stillen. Bei einiger Uebung gelingt es leicht die ganze Operation fast ohne Blutverlust auszuführen. Falls man ohne Hülfe arbeitet, ist es gut die Lunge aussen durch eine an ihrer Spitze angebrachten Serre-fine zu fixiren. Nach der Einbindung wird die Lunge wieder in die Leibeshöhle reponirt. Der unpaare Schenkel des T-Rohres communicirte mit der Luft, der dritte durch einen Schlauch mit einem Blasebalg, der in entsprechend kleinen Dimensionen ausgeführt war. Die Froschlunge besitzt, ähnlich wie die der Säugethiere, Elastieität genug, um in den zwischen den Einblasungen liegenden Pausen die Luft durch die weite Seitenöffnung der T-Röhre auszutreiben. Die Thiere werden am besten auf den Bauch gebunden, da dann die Athmung weniger alterirt ist. Zu- nächst wurden die Athmungen gezählt und zwar meist nur die echten Athmungen mit Vernachlässigung der Kehlhautbewegungen. Einige Male wurden auch diese berücksichtigt. Es zeigte sich, dass sowohl während der künstlichen Respiration als auch nach derselben die Athmungen wie die Kehlhautbewegungen fortdauerten. Es wurde zwischen !/, und 5 Minuten lang künstlich geathmet und zwar in jeder Secunde 1 bis 2 Mal. Niemals wurde nach Sistirung der Ventilation bei sofort vorgenommener Zählung eine deutliche Verlangsamung der Athembewegungen beobachtet. Von einem Stillstande, der länger gedauert hätte als die auch sonst bei der unregel- mässigen Athmung des Frosches vorkommenden, war nie die Rede. Um dies Verhalten auch objeetiv darzustellen, machte ich verschiedene Versuche, die Athmungen des Frosches aufzuzeichnen und gleichzeitig eine künstliche Respiration zu ermöglichen. Nach vielen vergeblichen Bemühungen erwies sich folgende Methode brauchbar. Eine ziemlich weite Canüle wurde nach Perforation des Trommelfells in die Mundhöhle durch die hier bestehende weite Communicationsöffnung eingeführt. Die Canüle wurde durch einen Schlauch mit einer Marey’schen Luftkapsel verbunden, deren Zeichenfeder die Ausschläge auf der rotirenden Trommel eines Baltzar’schen Kymo- graphions aufschrieb. Es verzeichnen sich dann die Athmungen des Frosches und meist auch die künstlichen Athmungen durch einen Antheil der aus dem Kehlkopf hinausgelangenden Luft in genügender Weise. Störend sind nur die nicht selten eintretenden Verlegungen der Mundhöhlenöffnung der Canüle. In den meisten Versuchen wurde durch zwei kleine Signalmagnete, die fest verbunden waren und deren Spitzen genau unter der des Zeichen- hebels standen, die Dauer der künstlichen Ventilation und die Zeit auf- gezeichnet. Der eine Elektromagnet war behufs dessen in einen Strom ÜBER APNOE BEI KALTBLÜTERN UND NEUGEBORENEN SÄUGETHIEREN. 269 eingeschaltet, der während der künstlichen Athmung geschlossen wurde, der andere stand mit einer Baltzar’schen Reizuhr in Verbindung und mar- kirte 10 Secunden. Auf diese Weise wurde die in Fig. 1 wiedergegebene Curve gewonnen. Die künstliche Athmung dauerte !/, Minute (in jeder Minute zwei Mal). Die höheren Aus- schläge deuten dieselbe an und zwar bietet dieser Theil der Curve ein En Interferenzbild zwischen der künst- ne "MA lichen und der dabei fortdauerden © "6 natürlichen Respiration. In einer grossen Anzahl von Versuchen überzeugte ich mich direct von dem Erfolge der Ventilation. Die Thiere wurden dann auf dem Rücken gebunden, das Herz und die grossen Bauchvenen freigelegt. Be- sonders am Herzen beobachtet man Fig. 1. dann deutlich, wie nach schon 3 bis 4 maligem Luftwechsel der Ventrikelinhalt sich roth färbt. Auch in der mittleren Bauchvene ist ein Farbenwechsel zu constatiren. An Curarefröschen, deren Blut sehr dunkel ist, ist der Er- folg der künstlichen Athmung ein sehr praegnanter. B. Versuche an Schildkröten. Der Modus der Athembewegungen der Schildkröten (es wurde zu diesem Versuche ausschliesslich Testudo graeca benutzt) kommt schon viel näher ‚ dem der Säugethiere. Die Athmung ist unabhängig von den Rachen- bewegungen. Sie erfolgt durch die Ausdehnung der Lungen, die wieder | durch Erweiterung der Leibeshöhle vermittelst activer Muskelkräfte bewirkt wird. Das Vorhandensein einer nicht allzukurzen mit Knorpelringen aus- | gestatteten Trachea erleichtert die Ausführung künstlicher Ventilation und Ä die graphische Darstellung der Athembewegungen. Ich wandte in den ver- ‚ schiedenen Versuchen nicht ganz dieselbe Anordnung an. Bei den ersten wurde in die Trachea, die nur eine kurze Strecke einheitlich ist, da sie ‚ sich schon weit vor ihrem Eintritt in die Lunge gabelt, eine Canüle ein- ‚ gebunden, die mit einem der paarigen Schenkel eines T-Hahnes in Ver- ‚ bindung gesetzt wurde. Zu dieser Operation ist es nicht nöthig, die Schild- . kröte aufzubinden, sondern man lässt in der Rückenlage den Kopf und die 270 HANns ARONSoN: Füsse durch einen Gehülfen fixiren. Auch während des Versuchs genügt die Rückenlage meist zur Immobilisirung. Der unpaare Schenkel jenes T-Hahnes war mit einem T-Rohr im Zusammenhang, das einerseits mit der freien Luft communicirte, andererseits mit einem Blasebalg verbunden war. Von dem letzten Schenkel jenes Hahnes führte die Leitung zu einer doppelt tubulirten Flasche, die als Luftreservoir diente und von hier schliess- lich zu einer Marey’schen Luftkapsel. Für gewöhnlich war der Hahn so Eiosal® gestellt, dass die Trachealcanüle allein mit der. Luftflasche communicirte; sollte künstlich geathmet werden, so war sie nur mit dem T-Rohr und dem Blasebalg verbunden. In demselben Moment, in dem mit der künst- lichen Respiration aufgehört wurde, musste der Hahn umgestellt werden, damit sich eine etwa gleich darauf eintretende spontane Athmung markirte. Die Verbindungen mit dem T-Hahn waren sämmtlich ganz kurz bemessen, um bei der natürlichen Athmung die Luftflasche, bei der künstlichen das T-Rohr, dessen unpaarer Schenkel ja zur Entfernung der Exspirationsluft diente, der Trachealcanüle möglichst nahe zu bringen. Die Registrirung der Zeit und der Dauer der künstlichen Ventilation geschah ebenso wie beim Frosch. — Die Athembewegungen der Schildkröten erfolgen nun ÜBER APNOE BEI KALTBLÜTERN UND NEUGEBORENEN SÄUGETHIEREN. 271 keineswegs in dem regelmässigen Rhythmus wie die der Säugethiere; ja es kommen viel längere Pausen vor als bei Fröschen. Nachdem nun künstlich geathmet war — zwischen zwei und fünf Minuten (in jeder Secunde ein Mal) — beobachtete ich nie längere Stillstände, als sie auch sonst eintraten. War der Typus der Athembewegungen regelmässiger, so folgten auch nach der Ventilation sofort spontane Athmungen. Einen solchen Versuch, bei dem zwei Minuten lang (120 Mal) künstlich respirirt wurde, illustrirt Fig. 2. (Die Zeitmarkirung erfolgte alle 10 Secunden.) Da man nun vielleicht gegen diese Versuchsanordnung einwenden könnte, dass die hier künstlich gesetzten Bedingungen für die Athmung des Thieres so ungünstig gewesen seien, dass deshalb eine Apnoe ausblieb, so wandte ich in anderen Versuchen ein etwas modificirteres Verfahren an. — Die Luftflasche wurde fortgelassen und das T-Rohr unmittelbar mit der Trachealeanüle verbunden. Nach dem T-Rohr wurde dann derselbe Hahn wie oben eingeschaltet, der dann direct mit der Marey’schen Kapsel und mit einem grossen Blasebalg communicirte. Von den Athmungen übertragen sich jetzt nur Partialwerthe auf die Marey’sche Kapsel. Da- mit die Ausschläge nicht zu klein wurden, wurde das Lumen des offenen Schenkels jenes T-Rohres vermittelst eines an derselben angesetzten, theil- weise zugeklemmten Gummischlauches etwas verengt. Auch bei dieser An- ordnung war der Erfolg der Ventilation ein negativer. — Um zu con- troliren, ob der Luftaustausch bei dieser Versuchsanordnung ein ge- nügender sei, wurde eine Canüle in die Trachea eines mittelgrossen Kanin- chens eingeführt und die Verbindung genau ebenso hergestellt wie oben. Auch hier wurde mit demselben Blasebalg und in demselben Modus wie ' bei der Schildkröte 120 Mal in zwei Minuten geathmet. Es gelang dann in vorzüglichster Weise eine Apnoe hervorzurufen, die nach Sistirung der ' Ventilation noch über 20 Secunden währte. C. Versuche an neugeborenen Säugethieren. Vielfach hat man sich bemüht, das Nichtauftreten von Athembewegungen ' beim Fötus zu erklären, und es hat wohl die Ansicht unter den Physio- ‚ logen und Geburtshelfern sich die meiste Geltung verschafft, welche den ‚ Zustand der Frucht völlig gleich hält dem der Apnoe, wie wir sie bei ‚ älteren Säugethieren so leicht künstlich erzeugen können. Demnach sollte ‚ man glauben, dass es bei eben geborenen Thieren vorzüglich gelingen müsste, ‚ durch reichlichere Sauerstoffzufuhr ausgesprochenen Athmungsstillstand her- ‚ beizuführen. Zu diesem Behufe untersuchte ich mehrere neugeborene ı Katzen. 202 HANS ARONSoN: Um die Verhältnisse zunächst nicht unnütz zu complieiren und um mit möglichst einfacher und darum vorwurfsfreier Methode zu arbeiten, unterliess ich anfangs jede Aufzeichnung der Athembewegungen und he- schränkte mich auf directe Inspection. Ein 24 Stunden altes Kätzchen wurde aufgebunden, eine Canüle in die Trachea eingeführt, diese durch einen möglichst kurz bemessenen Gummischlauch mit dem paarigen Schenkel eines T-Rohrs verbunden. Der andere Schenkel communicirte mit einem kleinen Blasebalg, während das unpaare Rohr offen blieb. Es wurde nun zwei bis fünf Minuten lang künstlich geathmet und es gelang nicht selbst nur minimale Athempausen nach der Ventilation zu beobachten. Die sofort einsetzenden Athembewegungen schienen allerdings nicht ganz so kräftig, wie die vorhergehenden. Auch während der künstlichen Respiration konnte man oft deutliche Athembewegungen sehen. Besonders die Kopfathmungen sistirten keineswegs. Auch in anderen Versuchen war es nicht möglich, weder durch langsame noch durch frequentere zwei bis drei Minuten lang fortgesetzte künstliche Ventilation einen Stillstand oder eine Verlangsamung der Athembewegung zu erzielen. — Die Aufzeichnung der Athembewegungen bestätigte diese Beobachtungen. An den Curven kann man oft die Ab- flachung der Athmungen nach der künstlichen Respiration sehen, ein Lang- samerwerden oder gar ein Aufhören derselben ist aber an keiner Stelle zu bemerken. Ich ging, wie ich schon in den einleitenden Worten bemerkte, mit der vorgefassten Meinung an die Versuche bei Kaltblütern, hier eine Apnoe in noch viel ausgeprägterem Maasse durch künstliche Ventilation herbeiführen zu können, als dies bei Säugethieren möglich ist. Stellt man sich auf den Boden der von den meisten angenommenen chemischen Athmungstheorie, insbesondere auf die der Rosenthal’schen Erklärung für die Apnoe, so ist dies wohl vollkommen berechtigt. Denn da, wie man bei dem geringen Stoffumsatz der Poikilothermen annehmen muss, die chemischen Um- setzungen in allen Geweben nur wenig energische sind, so wird die Pro- duction der angeblich als Reize wirkenden Stoffe in den Ganglienzellen des Athmungscentrums auch nur eine geringe sein. Es müsste also — wenn in diesen Verhältnissen eine völlige Analogie zwischen Poikilothermen und Warmblütern besteht — leicht gelingen, das Blut in einen Zustand von Sauerstoffsättigung zu bringen und zwar auf längere Zeit (bei dem geringen O-Verbrauch), in welchem die in den Ganglienzellen entstandenen Reizstofle so schnell oxydirt werden, dass sie sich nicht anhäufen und zur Wirksam- keit gelangen können. Wie hat man sich nun das völlig andere Verhalten der Kaltblüter in diesem Punkte zu erklären? Ich glaube, dass die Un- möglichkeit der Apnoe bei Kaltblütern zusammenhängt mit der ungünstigeren ÜBER APNOE BEI KALTBLÜTERN UND NEUGEBORENEN SÄUGETHIEREN. 273 Anlage ihres Gefässsystems, da es ja bei ihnen noch nicht zu der strengen ‘Sonderung des arteriellen und venösen Blutes gekommen ist, wie wir sie bei den Säugethieren finden. Selbst bei den höchstentwickelten Reptilien (den Krokodilen) ist immer noch Gelegenheit zur Mischung der beiden Blut- arten gegeben, vollends bei den Schildkröten, bei denen die Scheidung der Herzkammern keineswegs vollkommen ist und ausserdem noch Verbindungen der Aorten mit den Pulmonarterien (Botalli’sche Gänge) bestehen. Durch diese Einrichtung ist es bedingt, dass man überhaupt nicht das Blut mit Sauerstoff sättigen kann, da dem arteriellen Blute immer solches beigemengt wird, welches die Lunge gar nicht passirt hat. — Auch die folgende Er- fahrung deutet darauf hin, dass es durch künstliche Ventilation nicht ge- _ lingt, das Blut der Poikilothermen mit Sauerstoff zu sättigen. Bekanntlich _ bewirkt Strychnin bei Säugethieren unter lebhafter künstlicher Respiration _ keine Krämpfe. Bei Fröschen gelingt es nun niemals auf diese Weise Strychninkrämpfe zu unterdrücken. Ich gab Fröschen minimale Dosen des Giftes subeutan und wartete bis zum ersten Auftreten der Krämpfe. Jede ‚ leise Berührung des Rückens löste solche aus. Es wurde jetzt in der be- kannten-«Weise mehrere Minuten lang künstlich geathmet. Niemals blieben ‚ dann sowohl während der Ventilation als kurz nach derselben die Krämpfe | bei Berührung des Thieres aus. Ganz dieselben Erscheinungen zeigte ein ' Frosch, der vorzügliche Streckkrämpfe hatte, nachdem er einen Tag in einer ' sehr verdünnten Strychninlösung gesessen. Auch hier gelang es nicht durch | Lufteinblasung dieselbe zu unterdrücken oder abzuschwächen. | Nach dieser Erklärung des Nichtauftretens der Apnoe bei Kaltblütern ‚ macht die Deutung des entsprechenden Befundes bei neugeborenen Säuge- | thieren keine grossen Schwierigkeiten, da wir ja hier in manchen Verhält- ' nissen des Gefässsystemes analoge Zustände finden. Die Unmöglichkeit ' einer Apnoe beruht wahrscheinlich darauf, dass kurze Zeit nach der Geburt ‚ noch etwas venöses Blut dem arteriellen beigemenst wird, indem das | Foramen ovale noch nicht verschlossen und der Ductus Botalli nicht ‚ obliterirt ist. Dazu kommt vielleicht noch, dass die Entfaltung des Kreis- ‚ laufes in den Lungen nicht gleich nach der Geburt so vollendet ist, wie ‚ wir sie bei erwachsenen Thieren finden. Diese Momente können es sehr ‚wohl bewirken, dass man durch Sauerstoffeinblasungen nicht den Zustand von Sauerstoffsättigung im Blute erzielen kann, wie er zum Auftreten der 'Apnoe nöthie ist. | Da die Versuche von Gad und Knoll eine Betheiligung der hemmen- ‘den Lungenfasern des Vagus beim Zustandekommen der Apnoe möglich \ erscheinen liessen, so hätte man daran denken können, die Erklärung für ‚die bei neugeborenen Säugethieren gefundenen Erscheinungen in einer ‚mangelhaften Entwickelung der athmunghemmenden Functionen dieses Archiv f. A. u, Ph. 1885. Physio]. Abthlg. 18 274 H. Aronson: ÜBER APNOE BEI SÄUGETHIEREN U. S. Ww. Nerven zu suchen, wie man sie ja nach Soltmann’s bekannten Versuchen über das Hemmungsnervensystem Neugeborener erwarten könnte. Folgender, Versuch beweist indessen, dass der Vagus in dieser Hinsicht schon bei ganz jungen Thieren wirksam ist: Bei einem 24 Stunden alten Kätzchen wurden die Vaei und die grossen Halsgefässe freigelegt. Um den zarten Nerven nicht durch seine Trennung von der Carotis zu alteriren, wird derselbe mit dem Gefäss doppelt unterbunden und nach dem Durch- schneiden das centrale Ende dieses Stranges durch Inductionsströme gereizt. Schon bei sehr schwachen Strömen (1 Tauchelement, Schlittenapparat, 200 bis 210m Rollenabstand) trat dann Verlangsamung, bei stärkeren exspira- torischer Stillstand der Athembewegungen auf. Es wäre nun sehr interessant, den Zeitpunkt zu bestimmen, von welchem ‚an. es gelingt bei Säugethieren eine Apnoe hervorzurufen und die Veränderungen bestimmt zu beobachten, mit welchen das Auftreten derselben nach der obigen Erklärung in Zusammenhang gebracht werden muss. Leider unterbrach der Beginn der Sommerferien und mein damals erfolgter Weggang aus Königsberg meine Arbeit, so dass mir über diesen sehr wichtigen Punkt nur zwei Beobachtungen zu Gebote stehen. Bei einem 6tägigen Kaninchen gelang es durch künstliche Respiration Apnoe hervorzurufen, die 12 bis 15 Secunden währte. Dagegen sistirten die Athembewegungen eines gleich alten Kätzchens nach mehrere Minuten langer Ventilation, die in verschiedenen Tempi ausgeführt wurde, nicht. Einige Male konnte allerdings eine Verlangsamung beobachtet werden. Der Zeit- punkt des ersten Auftretens der Apnoe wird sich wohl als abhängig heraus- stellen von dem mehr oder weniger vorgeschrittenen Zustand, in dem die verschiedenen Thiere geboren werden, und von der Schnelligkeit, mit der sie sich weiter entwickeln. Nach der ersten Niederschrift dieser Arbeit kam mir Preyer’s „Dpecielle Physiologie des Embryo“ zu Gesicht, woraus ich ersah, dass es diesem Forscher bereits bekannt war, dass es bei ganz jungen Säugethieren nicht gelingt, durch Sauerstoffeinblasungen Apnoe zu erzeugen. Bei der Durchsicht der Litteratur, betreffend die Ursache des ersten Athemzuges bei Neugeborenen, fand ich dann, dass wohl Max Runge! zuerst auf diese merkwürdige Thatsache anfmerksam gemacht hat, der geneigt ist die Schwierigkeit, bez. Unmöglichkeit der Apnoe hier auf technische Schwierigkeiten zu beziehen, worin ich diesem Autor durchaus nicht bei- stimmen kann. Jedenfalls hat diese frappirende Erscheinung bisher unter den Physiologen nicht die gebührende Aufmerksamkeit gefunden, weshalb wohl die Mittheilung meiner Versuche nicht ohne Interesse sein dürfte. \ Zeitschrift für Geburtshülfe und Gynäkologie. Bd. Il. S. 399. n Ueber den Einfluss der Temperatur auf die Absorptions- fähigkeit der Thierkoble. Von Otto Moszeick. Bei den im Mai 1883 im hiesigen physiologischen Institute von Hrn. Dr. Szag! angestellten Versuchen über die Absorptionsfähigkeit der Thier- kohle gegenüber organischen Stoffen machte Hr. Prof. Dr. Langendorff, welcher die gewonnenen Resultate controlirte, die Beobachtung, dass die Thierkohle bei höheren Temperaturen mehr von den organischen Stoffen zurückhalte, als bei niederen. Daraufhin wurde mir die Aufgabe zu Theil über diesen Gegenstand weitere Untersuchungen vorzunehmen. Im Nach- folgenden theile ich die von mir gewonnenen Ergebnisse mit. Die Ver- suche wurden angestellt mit Lösungen von Zucker, Glykogen und Farb- stoffen. I. Versuchsreihe. (Versuche mit Zuckerlösungen.) Versuch I. Chemisch reiner Traubenzucker wurde’ in destillirtem Wasser gelöst und die filtrirte Lösung dann auf ihren Procentgehalt mit dem Soleil- Ventzke’schen-Saccharimeter geprüft; es ergab sich 5.6 Procent Zucker. Drei Portionen a 50m dieser Lösung wurden alsdann in drei gleichen Glaskolben auf die Temperaturen von 100°, 40°C. gebracht und mit je Ssrm Thierkohle” versetzt. Die Kolben wurden festgekorkt, in möglichst gleicher Weise mehrere Male heftig umgeschüttelt und bei den entsprechenden ‘ Paul Szag, Ueber die Absorptionsfähigkeit der Thierkohle gegenüber orga- nischen Stoffen. Inaug.-Dissertation. Königsberg 1883. ° Die Thierkohle, reinste Fleischkohle, war bezogen von Schuchardt in Görlitz- 18* 276 OTTO MOoSZEICcK: Temperaturen von 100°, 40°C., die durch Wasserbäder bez. Schnee constant erhalten wurden, eine Stunde lang stehen gelassen. Zum Filtriren wurden mit mehr oder minder erwärmtem Wasser oder mit schmelzendem Schnee gefüllte Plantamour’sche Trichter benutzt, durch die es ermöglicht wurde, dass die Wärmegrade der Lösungen während des Filtrirens sich nicht er- heblich änderten. Nachdem die drei Filtrate die Zimmertemperatur an- genommen hatten, wurden sie wieder mit dem Polarisationsapparat unter- sucht. Die hier angegebenen Procentverhältnisse sind Mittelwerthe aus je drei Ablesungen, die übrigens untereinander nur wenig abwichen. Ur- sprüngliche Concentration 5-6 Procent. Concentration Procentuales Verhältniss der Temperatur. | nach dem Differenz. absorbirten Zuckermenge Filtriren. zur ursprünglichen. 0° 13.1 Procent/2.5 Procent, 44-6 40° 11.95 » ebd 65-1 ' 100° 1-4 cn) 4.2 | 75.0 Es wurden also bei 0° die kleinsten, bei 40° mittlere, bei 100° die grössten Mengen Traubenzucker absorbirt. Fast genau dieselben Resultate liefert folgender Versuch 2. Ursprüngliche CGoncentration 5-6 Procent. |Concentration | Procentuales Verhältniss der Temperatur. nach dem | Differenz. absorbirten Zuckermenge Filtriren. | zur ursprünglichen. 0° 3.0 Procent 2-6 Procent 46-4 1-9 Br 3°7 66-0 OU 1A DE HroB 75.0 Il. Versuchsreihe. (Versuche mit Glykogen.) Auch die Lösung von Glykogen, eines im Verhältniss zum Zucker schlecht löslichen Körpers, zeigte ähnliche Absorptionsverhältnisse. Versuch 3. Eine Quantität gereinigtes, aus Leberdecoct hergestelltes Glykogen wurde in siedendem Wasser gelöst, filtrirt, dann die Lösungen zu drei Portionen bei 0°, 12°, 100° mit $erm Thierkohle versetzt, umgeschüttelt und unter Erhaltung der betreffenden Temperaturen eine Stunde stehen ‘"EINFLUSS DER TEMPERATUR AUF ABSORPTION DURCH THIERKOHLE. 277 gelassen. Die dann vorgenommene Filtration wurde einige Male wiederholt, weil anfangs Kohle durch den Filter mitging. Zur quantitativen Ver- gleichung wurde eine colorimetrische Methode angewandt, die eine für un- seren Zweck genügende Genauigkeit besitzt: vier gleiche Reagensgläser wurden vor einen weissen Schirm gestellt und mit je 5m einer stark verdünnten hellgelben Lösung von Jod in Jodkalium gefüllt; dann wurden von den drei obigen Filtraten je 0-5 °= mit einer graduirten Pipette in die Reagensgläser eingetragen und mit der Jodlösung vermengt. Es erfolgte die bekannte Jod-Glykogenreaction — eine Mahagonibraunfärbung — und zwar war diese bei der 0°-Probe am intensivsten, bei der von 12° mittel- stark, bei der von 100° am schwächsten. Mithin war am meisten bei 100°, weniger bei 12°, am wenigsten bei 0° absorbirt. Von einer genaueren Be- stimmung, die sich vielleicht ähnlich wie bei den Farbstofflösungen ! hätte ausführen lassen, wurde Abstand genommen. Versuch 4 ergab dieselben Resultate. Temperatur. | Färbung. 100° hell 12) ı etwas dunkler 0° dunkel III. Versuchsreihe. (Versuche mit Farbstofflösungen.) Es lag nahe, zu prüfen, ob die bei Traubenzucker und Glykogen ge- wonnenen Resultate noch Giltigkeit hätten für Lösungen von Farbstoffen, deren reichliche Absorption durch Kohle eine alte und in Wissenschaft wie Gewerbe oft angewandte Thatsache ist. a) Carmin. Versuch 5. Carmin in Substanz wurde in einer Reibschale fein zer- rieben, mit Wasser aufgeschwemmt und durch Zusatz von etwas Ammoniak- wasser gelöst. Von dieser Lösung, welche,:da ein Versuch bei starker Coneentration keine genügend deutliche Zurückhaltung des Farbstoffs zeigte, reichlich verdünnt werden musste, wurden zwei Portionen von 50 °® mit je Szm Kohle versetzt, nachdem sie auf die Temperaturen von 100° bez. 12% erwärmt waren, dann nach einstündigem Stehenlassen wie oben. filtrirt. ! Siehe unten IIJ. Versuchsreibe, Versuch 5, S. 278. 279, 278 OTTo MosZEick: Die Filtrate zeigten eine sehr bedeutende Farbendiflerenz. Um diese genauer zu bestimmen, wurde folgende Methode angewandt. In zwei Hoppe- Seyler’sche Haematinometer, die vor einem weissen Schirme in auf- fallendem diffusen Tageslichte beobachtet wurden, füllte man einerseits das bei 100° bez. 12° erhaltene Filtrat, andererseits 30” destillirtes Wasser. In letzteres wurde aus einer Bürette, in welcher sich die ursprüngliche Versuchslösung befand, soviel zufliessen gelassen, bis eine gleiche Färbung der in beiden Haematinometern enthaltenen Flüssigkeiten erzielt war. Es ergab sich, dass dazu nöthig waren: Bei Anwendung der bei 100° erhaltenen Lösung 4.5 “m\der Mutterflüssig- „ ” 9? 12° „ ” 6-0 „ Aue keit. Die gekochte Flüssigkeit hatte also soviel Farbstoff verloren, dass eine im Verhältniss von 4-5:30 gemischte, also etwa 13 Procent der Mutter- flüssigkeit enthaltende Farbstofflösung ihr glich, während die bei 12° auf- bewahrte Lösung einer solchen mit 16 Procent Mutterflüssiekeit ähnlich war. Es wurde übrigens ein Unterschied im Farbentone beobachtet, der bei den Filtraten einen Stich in’s Bläuliche hatte, was durch Verdünnung der Mutterflüssigkeit mit destillirtem Wasser nicht vollständig wieder- gegeben werden konnte. Immerhin liess sich eine genügende Annäherung in den Farbentönen erzielen. Da es denkbar war, dass aus der bei 100° filtrirten Versuchslösung ein Theil des gelösten Carmins durch die Hitze ausgefällt und so auf dem Filter zurückgehalten worden sei, wurde ein Controlversuch gemacht, welcher lehrte, dass selbst bei lebhaftem Erhitzen sich aus einer ammoniakalischen, verdünnten Carminlösung nichts niederschlägt. b) Pierocarmin. Pierocarmin wurde zu dem folgenden Versuche deshalb gewählt, weil gesehen werden sollte, ob bei einer Mengung aus zwei Farbstoffen, — eine solche ist das Picrocarmin, welches aus Pierinsäure und ammoniakalischem Carmin besteht — der eine oder der andere bei der Absorption bevorzugt würde. Versuch 6. Eine ziemlich stark verdünnte, nach bekanntem Ver- fahren hergestellte Picrocarminlösung wurde wie früher behandelt. Zwei Proben von 50 °°® wurden auf 100° bez. 0° gebracht, mit Ssrm Thierkohle versetzt, eine Stunde stehen gelassen und filtrirt. Die Filtrate zeigten eine erhebliche Farbendifferenz. Eine quantitative Schätzung derselben wurde nach derselben Methode wie bei Carmin ausgeführt. Um die Farbe des bei 100° erhaltenen Filtrats zu bekommen, mussten in 30 Cem destillirtes Wasser von der Mutterflüssigkeit 0-2 m hineinfliessen EINFLUSS DER TEMPERATUR AUF ABSORPTION DURCH THIERKOHLE. 279 (entsprechend 0-66 Procent), von der bei 0° erhaltenen jedoch 0-65 Cem (entsprechend 2-14 Procent). Mithin war in der Hitze über dreimal soviel von der Farbstofflösung zurückgehalten. — Es wurde übrigens bemerkt, dass die Absorption sich ganz besonders auf die Pierinsäure erstreckt hatte, denn durch Verdünnung der Mutterlösung mit Wasser war die Farbe der Probe bei 0° nicht absolut genau nachzuahmen, weil aus letzterer der selbliche Ton völlig verschwunden war. Bei der Probe bei 100° trat der Farbenunterschied nicht so hervor, weil wegen der grösseren absorbirten Farbstoffmenge das Filtrat überhaupt nur schwach röthlich gefärbt war. ec) Indigschwefelsaures Natron. Versuch 7. Ein Versuch mit diesem Farbstoffe (eine Portion von . 50 em hei etwa 10—12° C., eine andere im siedenden Wasserbade mit je 10s”= Thierkohle gemengt, beide eine halbe Stunde stehen gelassen) ergab- ein ganz entsprechendes Resultat. Von der heissen Lösung war Alles, von der kalten nur ein Theil, allerdings ein nicht unbedeutender absorbirt. Das Filtrat der ersten war farblos, das der letzteren deutlich, doch nicht sehr kräftig blau gefärbt. IV. Versuchsreihe. (Schüttelversuche.) Die bisherigen Versuche ergaben, dass bei höherer Temperatur das Absorptionsvermögen der Thierkohle wächst. Es entstand jetzt die Frage, ob diese Steigerung eine directe Folge der Wärme sei, oder ob vielleicht in der durch das Sieden bedingten innigeren Durchmischung der betreffen- den Lösung mit Kohle die Ursache dieser Erscheinung gesehen werden müsse. Zur Entscheidung wurden folgende Versuche angestellt. Versuch 8. In derselben Weise wie oben wurden drei Portionen einer 9'Sprocentigen Traubenzuckerlösung mit je 85” Thierkohle in gleichen Kolben gemischt, einer auf 100° gebracht, der zweite nach einmaligem Umschütteln bei 12° ruhig stehen gelassen, der dritte bei 12° (Zimmer- temperatur) eine Stunde lang geschüttelt, sodass hier eine wenigstens ebenso gründliche Durchmischung zu Stande kommen musste, wie beim Kochen. Das Resultat war folgendes: Ursprüngliche Concentration der Lösung 5-8 Procent. Restirender PER - Procentuales Verhältniss der Temperatur. an Differenz. absorbirten Zuckermenge an zur absorbirten. 12° in Ruhe [2.7 Procent3-1 Procent 53.4 12° | geschüttelt 2.0 ,„ 3-8. ., | 65-5 100° m. 1-1 „ 4.7 „ | 81-0 280 OTTo MOoSszEIcK: Versuch 9 ebenso angestellt. Zuckergehalt der Mutterflüssigkeit 5-7 Procent. antenne | |Procentuales Verhältniss der Temperatur. = an | Differenz. | absorbirten Zuckermenge | Filtriren | | zur ursprünglichen. 120 in Ruhe 2-75 Procentj3-0 Procent 52.6 12° \beschüttelt 2.0 „ [8-7 „ 64-9 100° | _ 1-19, 4:6 „ | 80.7 Man ersieht aus diesen Zahlen, dass zwar die innigere Durchmischung mit Kohle auch auf die Absorption Einfluss hat, dass jedoch immerhin die bei Siedetemperatur im Filter zurückgehaltene Zuckermenge bedeutend grösser ist. Das Ergebniss liess sich schon aus dem Grunde vermuthen, | weil, wie aus Versuch 1 und 2 erhellt, die bei 40° absorbirten Quantitäten Zucker grösser waren, als die bei niedrigeren Temperaturen, obwohl hier die verhältnissmässig geringe Erwärmung die mechanische Durchmengung nur in geringem Maasse begünstigen konnte. V. Versuchsreihe. (Absorption bei sehr kurzdauernder Berührung mit Kohle.) In einer weiteren Reihe von Versuchen blieben die zur Absorption be- stimmten Flüssigkeiten nicht wie in den bisherigen Versuchen !/, bis 1 Stunde lang in Berührung mit der Kohle, sondern sie wurden, nach gutem Durchschütteln mit der Kohle, sofort auf das Filter gebracht. Es fragte sich, ob der Einfluss der Temperatur sich auch hier trotz der ausser- ordentlich kurzen Zeit ihrer Einwirkung deutlich geltend machen würde. Versuch 10 mit Traubenzucker. Ursprüngliche Concentration 5.6 Procent. | Restirender f re | 3 Procentuales Verhältniss der Temperatur. Be ı Differenz. | absorbirten Zuckermenge IE Ren | zur ursprünglichen. = —— — nn 100° ‚1-95 Procent|3:65 Procent 65-1 0° 3-7 5 | 33.9 Versuch 11 mit Carmin. Temperatur. | Filtrat. 100° schwachröthlich 02 stark roth, kaum . verschieden von der Mutterflüssiekeit. Do EINFLUSS DER TEMPERATUR AUF ABSORPTION DURCH THIERKOHLE. 281 Noch auffallender war das Resultat bei einer etwas weniger concen- trirten ammoniakalischen Carminlösung: Versuch 12. Temperatur. | Filtrat. 100° farblos. 0° stark roth. Der Unterschied im Verhalten der heissen und der kalten Lösung ist in diesen Versuchen noch ausgesprochener, wie in den früheren. Aus der kalten wird nämlich erheblich weniger, aus der heissen dagegen fast ebenso- viel absorbirt wie bei längerem Stehen. Somit bestätigen auch diese Ver- suche das, was wir aus der vorangegangenen Versuchsreihe schliessen mussten. Die mechanische Agitation in beiden Flüssigkeiten war hier nicht verschieden. Da dennoch ein erheblicher Unterschied in der Absorptions- srösse vorhanden ist, so muss dieser also. direct auf die Temperaturver- schiedenheit zurückgeführt werden. — Bei allen diesen Versuchen wurde die Beobachtung gemacht, die übrigens auch anderen Beobachtern wahr- scheinlich aufgefallen sein wird, dass eine warme Flüssigkeit weit schneller durch ein Filtrum hindurchgeht, wie eine kalte. VI. Versuchsreihe. (Auslaugung des Filterrückstandes nach geschehener Absorption.) Durch eine letzte Versuchsreihe wurde schliesslich der Nachweis ge- führt, dass, wenn man einen Körper durch Thierkohle absorbiren lässt, derselbe von letzterer so fest: zurückgehalten wird, dass er durch selbst minutenlanges intensives Kochen mit Wasser gar nicht mehr, oder nur: in einer minimalen Quantität aus der Kohle ausgelaugt werden kann. Versuch 13 mit Traubenzucker. Eine Traubenzuckerlösung wurde mit dem Polarisationsapparat auf ihren Gehalt an Zucker untersucht; es ergab sich 4-6 Procent, 50 Cem dieser Lösung wurden auf 100° C. erhitzt, mit 105m Thierkohle versetzt, etwa 20 Minuten gekocht und filtrirt. Das Filtrat enthielt nur noch 2.4 Procent Zucker, folglich blieb in der Kohle über 1s'm zurück. Dieser Filterrückstand wurde nun mit 50m Wasser in einer Porzellanschale ge- kocht und filtrirt. In der ablaufenden Flüssigkeit konnte mit dem Soleil- Ventzke’schen Saccharimeter, das sonst 0-1 bis 0-2 Procent Zucker noch deutlich anzeigt, ein Zuckergehalt nicht mehr nachgewiesen werden, jedoch ergab die Trommer’sche Probe noch eine deutliche Reaction. 282 OTTO MoszEIcK: Versuch 14 mit Glykogen. 50 em einer Glykogenlösung, von der 1m zu 5em einer hellen Jod- lösung hinzugefügt, dieselbe stark braun färbte, werden mit 10 sm Thier- kohle 15 Minuten lang gekocht und filtrirt. Das Filtrat giebt eine deut- liche Jodreaction, obwohl die Färbung bei weitem nicht so intensiv ist, ‚als bei der Mutterflüssigkeit. Das Filtrum nebst Kohle wird wie oben mit 50° m Wasser stark gekocht, die Mischung filtrirt. Das Filtrat färbt die Jodlösung so wenig, dass die Probe nur bei genauestem Zusehen von der reinen Jodlösung zu unterscheiden ist. Versuch 15 mit Indigcarmin. Eine mittelstarke Indigcarminlösung (50m) wird mit 10: Thier- kohle versetzt und 5 Minuten lang in der Kälte unter mehrfachem Um- schütteln stehen gelassen. Als sie darauf filtrirt wird, ist das Filtrat absolut farblos. Der Filterrückstand wird dann sammt dem Filtrum mit 50 Cm Wasser mehrere Minuten lang gekocht. Auch das jetzt durch Filtriren gewonnene Extract zeigt keine Spur von Blaufärbung. Die oben geschilderten Versuche bestätigen die Thatsache, dass Thierkohle bei höherer Temperatur grössere Mengen organi- scher Körper absorbirt, als bei niedriger. Früheren Beobachtern ist dies gewiss nicht entgangen, doch gelang es mir nur eine darauf be- zügliche präcise Angabe aufzufinden. Dieselbe rührt her von E. Filhol,! welcher darthat, dass Kohle bei höherer Temperatur aus gefärbten Flüssig- keiten (Lakmustinetur, Melasse u. s. w.) grössere Farbstoffmengen aufnimmt, als in der Kälte. So verhielt sich die Färbungsintensität in der Kälte entfärbter Lakmustinetur zu einer bei erhöhter Temperatur behandelten Farbstofflösung wie 25-0:0.89. Was die Angabe Filhol’s anbetrifft in Bezug auf die Absorptions- fähigkeit der Kohle gegenüber Rothwein, dessen Farbstoff umgekehrt in der Kälte stärker zurückgehalten werden sollte, so kann ich nach Maass- gabe eines von mir angestellten Versuches das von Filhol mitgetheilte Resultat nicht bestätigen. Vielmehr war auch in diesem Versuche das bei 100° gewonnene Filtrat ungleich weniger gefärbt, als das bei 12° er- haltene. ı E. Filhol, Recherches sur le pouvoir decolorant du charbon et de plusieurs autres corps. (Annales de Chimie, t. XXXV.) Referat in den Fortschritten der Physik. 1852, Jahrg. VII. S. 17. EINFLUSS DER TEMPERATUR AUF ABSORPTION DURCH THTIERKOHLE. 283 Die aus meinen Versuchen hervorgehende Thatsache scheint mir von praktischem und theoretischem Interesse zu sein. Für die praktische An- wendung der Thierkohle als Entfärbungsmittel ergiebt sich die Folgerung, dass man wo immer möglich die Entfärbung in der Wärme vornehmen sollte, was empirisch wohl bereits vielfach geschehen dürfte Was die theoretische Seite dieser Versuche anlangt, so möchte ich in eine nähere Aus- einandersetzung nicht eintreten, weil ich offen bekennen muss, eine be- friedigende Deutung nicht geben zu können. Nur eins sei mir hier zu bemerken gestattet. Von vornherein hätte man erwarten dürfen, dass, wenn sich in Bezug auf die Absorptionsfähig- keit der Thierkohle bei verschiedenen Temperaturen überhaupt ein Unter- schied geltend machen würde, die Absorption im Kalten stärker ausfallen würde, wie in der Wärme. Bekanntlich bezieht man die Absorptionsfähig- keit der Thierkohle auf eine Oberflächenwirkung. Absorption tritt auf, wenn die Adhäsionskraft, mit der die Molecüle des gelösten Körpers an den Kohlentheilchen festgehalten werden, grösser wird, wie die Bindungs- kraft des lösenden Menstruums. Nun weiss man von anderen Aeusserungen der Adhäsionskraft, dass dieselbe mit zunehmender Wärme geringer wird. Die Frage, wie es kommen mag, dass bei den hier in Rede stehenden Absorptionserscheinungen die Sache sich anders verhält, ist gewiss nicht uninteressant, dürfte zu ihrer Lösung jedoch noch weitere und eingehendere Versuche nöthig machen. Ueber elektrische Reizung des Herzens. Von Prof. ©. Langendorff in Königsberg i. Pr. Bei Gelegenheit einer Untersuchung über die Wirkung elektrischer Einzelreize auf das schlagende Froschherz sind mir einige Erscheinungen aufgefallen, die mir der Mittheilung werth erscheinen. Aufzeichnung und Reizung geschahen nach zwei verschiedenen Methoden. In dem einen Falle wurde das ausgeschnittene Herz auf zwei breitgeschla- gene stromzuführende von einander isolirte Kupferdrähte gelegt, die neben- einander innerhalb eines kleinen Wachswalles auf eine Glasplatte ge- kittet waren. Auf dem Herzen lag ein leichter Fühlhebel, der seine Be- wesungen auf die rotirende Trommel zeichnete. Im zweiten Falle war das Herz in der feuchten Kammer aufgehängt: zwei feine Drähte waren durch die Musculatur hindurch gesteckt; in die Spitze wurde ein Draht- häkchen geheftet, das durch einen Faden mit einem Zughebel in Verbin- dung stand. Die Reizung geschah mittels einzelner oder durch je zwei schnell aufeinanderfolgende Inductionsschläge. Reizmoment und Zeit wurden, wo es nöthig erschien, durch zwei Signalmagnete unter der Herzeurve ver- zeichnet. Nach Marey’s (1) Entdeckung sind bekanntlich schwache Reize nur während der Diastole wirksam; während der Svstole ist das Herz dem Reize gegenüber refractär. Auf die durch den Reiz hervorgerufene Extracontraction folgt eine Pause, dann wieder Pulse in der gewöhnlichen Zeitfolge. Dastre (2) hat nachgewiesen, dass, während die von Marey angegebenen phasischen Erregbarkeitsveränderungen dem Herzmuskel zugeschrieben werden müssen, der Eintritt der Pausen auf die nervösen Elemente bezogen werden muss. Reizte er eine durch einen schnell unterbrochenen Strom in rhythmische Pulsation versetzte sanglienlose Herzspitze durch ab und zu eintretende O. LANGENDORFF: ÜBER ELEKTRISCHE REIZUNG DES Hrrzens. 285 momentane Verstärkung des Stromes, so waren die übrigen Erscheinungen alle nachweisbar; nur die Pause blieb fort. Man wird sich die Frage vor- legen müssen, in welcher Weise diese Einwirkung eines kurzen Reizes auf die Herzganglien zu Stande komme. Wenn Marey die Pause eine com- pensatorische nennt, so ist das nicht mehr als eine Facon de parler. Ueber die Natur der Pause sagt diese Bezeichnung nichts aus. An eine Erschöpfung der Ganglien darf man: wohl nicht denken. Eine solche setzt: eine vorangegangene stärkere Thätigkeit voraus. Eine solche lässt sich aber nicht nachweisen. Die Extracontraction des Herzens ist eine Folge der Muskelreizung. Die Muskelermüdung kann aber die Pause nicht herbeigeführt haben, denn diese fehlt beim ganglienlosen Muskel. Auch lässt sich zeigen, dass die Pause auch bei unwirksamer Reizung eintritt. Ich habe sie nämlich zuweilen auch dann gesehen, wenn der Reiz in die refractäre Herzphase fiel. Schon Dastre hat dieselbe Beobach- tung gemacht. Beifolgende Zeichnung entstammt einem Temporarienherzen, das diese Erscheinung in ausgesprochener Weise zeigte. (Fig. 1.) IAALAARAAALIAANMRNT Fig. 1. Rana temporaria. Fühlhebel. Systolische und diastolische Reizung des Herzens durch je zwei schnell aufeinanderfolgende Inductionsschläge. Dieser Versuch beweist zugleich, dass die Auffassung der Pausen als einer compensatorischen nicht festgehalten werden kann. Von einer Stö- rung des Herzrhythmus ist hier keine Rede; einer Compensation bedurfte es also nicht; und doch war die Pause vorhanden. Ich suchte nun zu entscheiden, ob die Pause vielleicht durch Reizung hemmender Nervenelemente bedingt sein könnte. Bekanntlich be- wirkt tetanisirende Reizung des Sinus venosus längeren Herzstillstand. Einzelreize konnten sich ihm gegenüber von entsprechender Wirksamkeit zeigen. ° Mitreizung desselben war auch in Marey’s Versuchen nicht aus- geschlossen, da die Reize wohl stark genug waren, um Stromschleifen bis zum Sinus dringen zu lassen. Indessen lässt sich beweisen, dass der Sinus nicht wesentlich in Be- tracht kommt. Die’ Pause ist nämlich auch am isolirten Ven- trikel vorhanden. Ich trennte eine Herzkammer so vom übrigen Herzen los, dass sie nur noch mit den Aorten in Verbindung blieb, die als Hand- 286 .O. LANGENDORFF: habe dienten. Pulsirte das Praeparat nicht freiwillig, so ward es durch leichten Druck auf die Atriengrenze in lebhafte und langdauernde Pul- sationen versetzt. Wurden jetzt intercurrente Reize hindurchgeschickt, so verhielt sich der isolirte Ventrikel genau so wie ein ganzes unversehrtes Herz. Da nun an der ganglienlosen Spitze die Pause fehlt, so ist zu schliessen, dass die Bidder’schen Ganglien oder deren nächste Umgehung Elemente enthalten müssen, deren Reizung die Herzbewegung zu hemmen vermag. Man konnte hierbei immer noch an die specifischen Hemmungsapparate des Herzens denken, etwa an Vagusfasern, die sich zu den Kammerganglien begeben. Wenn solche im Spiele waren, konnte man hoffen, sie durch Atropinvergiftung auszuschliessen. Ich habe jedoch auch am atropini- sirten Herzen die Pause nicht ausbleiben sehen. Entweder müssen wir also zugeben, dass Hemmungsvorrichtungen im Herzen existiren, die durch Atropin nicht gelähmt werden — und ich kenne Thatsachen, die mit dieser Annahme wohl in Einklang zu setzen wären —, oder wir werden zu der Folgerung gedrängt, dass die die moto- rischen Impulse aussendenden Ganglienzellen durch Reize nicht nur an- geregt, sondern auch ausser Action gesetzt werden können — eine An- nahme, die ich ‚bereits in einer früheren Mittheilung (3) gelegentlich der Besprechung des Stannius’schen Versuchs zu vertheidigen unternommen habe. Eine andere Deutung halte ich für ausgeschlossen. Zwischen den beiden vorliegenden indess sicher zu entscheiden, sehe ich vorläufig kein Mittel. — Während der Herzpause hat der Muskel Zeit, sich nicht nur von der ihm abgezwungenenen besonderen Zusammenziehung zu erholen, sondern sogar einen Erregbarkeitszustand zu erreichen, der den früheren übertrifft. Wenigstens könnte man so die Erfahrung deuten, dass der der Pause folgende Herzpuls in sehr vielen Fällen stärker ist, wie die der Reizung vorangehenden. An den von Marey sowie den von Dastre mitgetheilten Curven kann ich nirgend eine Andeutung dieses Verhaltens finden. Mir ist es indess so häufig begegnet, dass ich es fast für die Regel erklären möchte. Meine Aufschreibungsmethode kann nicht verdächtigt werden, denn ich sah die Erscheinung bei beiden von mir verwendeten Aufzeichnungsweisen. ’ Fig. 2 giebt einige Beispiele von dieser Pulsverstärkung. Man ersieht aus dieser Figur zugleich, dass der dem verstärkten Pulse folgende Puls abnorm geschwächt ist. Erst hinter ihm stellt sich die Pulshöhe wieder her, die vor der Reizung vorhanden war. In allen Fällen ist diese Schwächung nicht vorhanden. Die Pulsverstärkung ist nicht immer erheblich; oft wird sie nur mit Mühe erkannt. —- ÜBER ELEKTRISCHE REIZUNG DES HERZENS. 287 Ausser der oben erwähnten Erklärung, derzufolge der Muskel während der eingetretenen Ganglienruhe Zeit hat, sich vorübergehend auf ein höheres Erreebarkeitsniveau zu erheben, wäre noch eine andere möglich, die an die Existenz pulsverstärkender Vagusfasern anzuknüpfen hätte. Die Zunahme Fig. 2. Rana esculenta. Fühlhebel. Reizung des Herzens durch einzelne Schliessungs- oder Oeffnungsinductionsschläge. der Pulshöhe wäre dann ähnlich zu deuten, wie in den bekannten Versuchen Heidenhain’s (4) die „positive Nachwirkung der Vagusreizung“, nämlich durch eine Mitreizung von Verstärkungsfasern, deren Einfluss erst nach em Aufhören der Hemmungswirkung zur Geltung käme. Für die grössere Wahrscheinlichkeit dieser Erklärung scheint zu sprechen, dass in meinen Versuchen nach langen Pausen oft nur verschwindend kleine, nach sehr kurzen Stillständen dagegen verhältnissmässig bedeutende Pulsverstärkungen auftraten. Litteratur. 1. Marey, Des exeitations electriques du coeur. Travaux du Laboratoire etc. 1876. p- 68. 2. Dastre, Recherches sur les lois de PactivitE du coeur. Journal de ’_ Anatomie et de la Physiologie. 1882; — Jahresbericht von Virchow und Hirsch. 1882. S. 223. 3. O. Langendorfi, dies Archiv. 1884. Suppl.-Bd. 4. Heidenhain, Untersuchungen über den Einfluss des N. vagus auf die Herz- thätigkeit. Pflüger’s Archiv u.s. w. 1882. Bd. XXVL. S. 383. Ueber die Irritabilität des Rückenmarkes. Von Maurice Mendelssohn. Unter obiger Ueberschrift hat Hr. J. Gad in diesem Archiv 1883 S. 438 ein Schreiben an den Herausgeber veröffenlicht, in welchem er von mir Aufklärung verlangt über einige Punkte, welche ihm betrefis der Ge- nauigkeit meiner auch in diesem Archiv! veröffentlichten Versuche Zweifel einflössen. Die Antwort auf diesen Brief soll den Inhalt der vorliegenden Notiz bilden. ? Da ich weder an der Art der Anstellung meiner Versuche, noch an den aus denselben gezogenen Schlussfolgerungen irgend etwas zu ändern finde, so beabsichtige ich nur Hrn. Gad zu zeigen, dass seine gegen mich erhobenen Vorwürfe meinen Behauptungen durchaus nicht entsprechen, was aus einer Nebeneinanderstellung meiner Worte mit denen des Hın. Gad am besten hervorgehen dürfte. Hr. Gad sagt 8. 4389: „In der ganzen Darstellung der besprochenen Versuche ist nichts erhalten, wodurch man den von gewisser Seite bestimmt zu erwartenden Einwand entkräften könnte, ! M. Mendelssohn, Beitrag zur Frage nach der directen Erregbarkeit der Vorderstränge des Rückenmarks. Dies Archiv. 1883. 8. 281. — Ich erlaube mir bei dieser Gelegenheit zwei dort stehen gebliebene Druckfehler zu berichtigen : S. 281, Z. 4 von unten „Engelmann“ statt „Engelken“; S. 282, Z. 2 von unten „respira- torischen“ statt „betreffenden“. ” Diese Antwort kommt allerdings etwas verspätet, da ich gestehen muss, dass mir das Schreiben des Hrn. Gad erst November 1884 zur Kenntniss gekommen ist. Anderweitig beschäftigt, war ich verhindert sogleich zu antworten. Ich bedaure, dass Hr. Gad trotz seines grossen Interesses für die Frage mir nicht einen Separat-Abdruck seines Schreibens zukommen liess, wonach er vielleicht sich verhindert gesehen haben würde, in seiner späteren Arbeit (Ueber Centren und Leitungsbahnen im Rückenmark des Frosches. Würzburg 1884) meine Untersuchungen als von ihm vollständig wider- legt anzugeben. M. MENDELSSOHN: ÜBER DIE IRRITABILITÄT DRS RÜCKENMARKES. 289 es habe überall nichts anderes vorgelegen, als der Erfolg der Einwirkung mehr oder weniger dichter Stromschleifen auf die motorischen Wurzeln.“ Diese Behauptung dürfte den Leser in Verwunderung setzen, wenn er in meiner Arbeit S. 285 folgende Stelle findet: „Zur Prüfung auf Stromschleifen diente das Telephon, da neuere Unter- suchungen gezeigt haben, dass es vor dem Nerv-Muskelpraeparat zum Nach- weis schwacher Stromschwankungen den Vorzug verdient. Auf die Einzel- heiten der übrigens sehr einfachen Versuchsanordnung will ich nicht ein- gehen, sondern nur hervorheben, dass ich mich in allen Experimenten vergewissert habe, dass Stromstärken, welche ausreichen, um Bewegungen von den Vordersträngen aus hervorzurufen, keine Stromschleifen in den vorderen Wurzeln des Plexus ischiadicus geben. Der Versuch wurde erst dann begonnen, wenn ich mich überzeugt hatte, dass diese Stromintensität das an die Wurzeln geleste Telephon nicht in Schwingungen versetzte, woraus hervorgeht, dass in dem gegebenen Falle es sich um so weniger um Stromschleifen handeln kann, als ich in einer Reihe von Vorversuchen constatirt hatte, dass im Telephon selbst sehr schwache Ströme schon nach- weisbar sind, wenn dasselbe an die vorderen Wurzeln angelegt wird, wäh- rend bei Anlesung an die vordere Hälfte des Rückenmarkes stärkere Ströme dazu nöthig sind. Dieselbe Stromstärke, welche bei den Vordersträngen keine Schwingungen des Telephons ergiebt, erzeugt sehr starke Schwin- sungen, wenn sie auf die vorderen Wurzeln gerichtet ist. Die Abwesenheit von Stromschleifen, welche vor dem Versuche festgestellt war, wurde auch während des Experiments mehrfach geprüft, wobei das Telephon stets an derselben Stelle blieb. Später habe ich indessen diese Probe unterlassen, nachdem ich mich mehrfach überzeugt hatte, dass die Stromintensität, welche gerade ausreicht, um eine Bewegung von den Vordersträngen aus zu erzeugen, niemals Stromschleifen in den vorderen Wurzeln giebt.“ Diese mit dem schon von Hrn. d’Arsonval in seinen Untersuchungen ! angewandten Telephon angestellten Versuche zeigen zur Genüge, dass ich zur Vermeidung von Stromschleifen vollkommen hinreichende Vorsicht ge- braucht habe. Für Hrn. Gad ist dies aber nicht genügend, ja er versagt sein Zutrauen nicht nur mir, sondern auch der Leitung (Marey und I. Rosenthal), unter welcher er die Arbeit gemacht glaubt, indem er (S. 439) schreibt: „Das Vertrauen in die kritische Strenge dieser Leitung kann aber nicht gross sein, wenn man bedenkt, dass der Autor nicht an- gehalten worden ist, dem fundamentalen Unterschied der Zeitmessung bei Einzelreizen und bei Reizfolgen mehr Rechnung zu tragen.“ ı d’Arsonval, Telephone employe comme galvanoscope. COomptes rendus ete. . 1. Avril 1878. Archiv f. A u. Ph. 1885. Physiol. Abthlg. 19 290 MAURICE MENDELSSOHN: Doch täuscht sich Hr. Gad in dem Glauben, dass dieser „fundamen- tale Unterschied“ von mir nicht berücksichtigt sei, wenn ich denselben in meiner Arbeit auch nicht ausdrücklich erwähne, ich habe mich vielmehr von der Bedeutungslosigkeit desselben für meine Versuche überzeugt. In der That, ich habe niemals bei Reizung des vorderen (ventralen) Theiles des Rückenmarkes mit einer minimalen, d. h. für die Auslösung einer Muskelzuckung eben ausreichenden Reizstärke Stromschleifen im den vorderen Wurzeln beobachtet, gleichgültig, ob die Reizung mit einem Einzelreize oder mit einer Reizfolge stattgefunden hat; nur muss der Reiz in einer genügend grossen Entfernung vom Ursprunge des Plexus lumbalis angebracht werden, wie dies auch in meinen Versuchen geschehen ist, wo die Reizung bei grossen Fröschen gleich unterhalb des Abganges des Plexus brachialis statt- fand. Der Unterschied zwischen der Reactionszeit der Vorderstränge und der der Hinterstränge zeigte sich immer ebenso deutlich bei Anwendune von minimalen Einzelreizen, als auch von einer zur Erregung eben hin- reichenden Reizfolge; deshalb sah ich mich nicht veranlasst, besonders hervorzuheben, ob die Curvenpaare auf die eine oder andere Art gewonnen worden waren. Uebrigens kann man sich über diese Verhältnisse in meiner oben eitirten Arbeit orientiren, indem dort die in Fig. 1 dargestellten Curven durch einen Oeffnungsinductionschlag, dagegen in Fig. 2 und 3 mit einer kurzen Reihe schnell aufeinander folgender Reize hergestellt worden sind, wie auch schon aus S. 283 und 287 hervorgeht. Der Unter- schied zwischen der Reactionszeit der Vorderhälfte und der der Hinter- hälfte des Rückenmarkes ist ebenso deutlich in Fig. 1, als in Fig. 2 und 3, obgleich die in den beiden letzten Figuren vorgeführten Curven mit du Bois-Reymond’s Federmyographion aufgezeichnet wurden, welches bekanntlich eine sehr viel grössere Geschwindigkeit der Zeichenplatte dar- bietet, als der durch die schnellste Axe des Foucault’schen Uhrwerkes in Bewegung gesetzte Cylinder, auf welchem die in Fig. 1 dargestellten Curven gewonnen wurden. Bei einer aufmerksamen Betrachtung und Ver- gleichung meiner Curven mit den von Hrn. Gad später in seiner Arbeit „Ueber Centren und Leitungsbahnen im Rückenmark u. s. w.“ vorgeführten, findet man sogar eine gewisse Aehnlichkeit zwischen beiden, und ich wüsste nun wirklich nicht, worin die Curven des Hrn. Gad ein grösseres Zutrauen verdienen sollten, als die meinigen, welche mit ebenso exacten Methoden früher gewonnen und im Original (Fig. 1) oder in photographischen Auf- nahmen (Fig. 2 und 3) nebst der Arbeit dem Herausgeber dieses Archivs überreicht wurden. Ich bin weit entfernt davon, zu behaupten, dass die oben geschilderten Ergebnisse in jedem einzelnen Falle leicht zu erlangen wären. Hr. Gad kennt ebenso gut die Hindernisse gegen welche man bei Reizversuchen ÜBER DIE IRRITABILITÄT DES RÜCKENMARKES. 291 des Rückenmarkes anzukämpfen hat, und weiss, welchen Ueberraschungen bei dieser Art Versuchen man sich oft gegenübersieht und wie. sie auch in seiner Arbeit mehrfach erwähnt sind. Aber ich beharre dabei, dass in jedem gut gelungenen Versuche, d. h. wo bei möglichster Vermeidung jeder Beschädigung des Rückenmarkes das Versuchsthier die eingreifende Opera- tion gut überstanden hat, was grossen individuellen Verschiedenheiten unterliegt, kurz, wo der Erschöpfungszustand des Rückenmarkes nicht zu erheblich ist, dass in jedem solchen Falle bei minimaler Reizung mit Aus- schluss von Stromschleifen die von mir gefundene Thatsache zu Recht be- steht, dass die Reactionszeit der Vorderstränge eine kürzere ist, als die der Hinterstränge. Meine Versuche bieten keinerlei Wider- sprüche zu diesem Satze dar und für misslungen hielt ich einen Versuch nur dann, wenn operative Eingriffe eine solche Erschöpfung des Rücken- markes hervorgerufen hatten, dass die einzelnen Abschnitte desselben nicht mehr auf minimale Reize oder sogar gar nicht mehr auf Reize reaeirten. Bei untermaximalen Reizen, die noch keine wahrnehmbaren Stromschleifen in die Wurzeln abgeben, kann in manchen Fällen der von mir behauptete Unterschied in der Dauer beider Reactionszeiten ebenfalls nur sehr klein oder sogar für unsere Mittel unerkennbar werden. Das rührt davon her, dass die Querleitung des Rückenmarkes, die, wie ich meine, dieses Unter- schiedsverhältniss bedingt, unter dem Einfluss der Verstärkung der Reiz- intensität nach Rosenthal! unmerklich werden kann. Dieser Unterschied zwischen beiden Reactionszeiten wird undeutlich auch bei mehrmals wieder- holten Reizversuchen (ich habe nur 1—3 Reizversuche bei einem Frosche gemacht), auch dann, wenn bis zur Bestimmung der minimalen Reizstärke die Reizung öfters wiederholt werden muss. Sehr oft aber gelingt es, die- selbe bei gewisser Uebung bei Fröschen von gewisser Grösse und in der- selben Jahreszeit sehr schnell zu treffen. Bei Verhütung aller dieser erwähnten Hindernisse (und bei Säugethieren ungleich schwerer als bei Fröschen) beobachtet man stets, dass bei Anwendung derselben Reizinten- sität auf dieselbe Höhe des Rückenmarkes die Reaction der Vorderstränge früher eintritt, als die der Hinterstränge. Ich weiss allerdings nicht, inwieweit diese Thatsache Bezug auf die Versuche von Hrn. Gad hat, der einen „erheblichen constanten Unterschied in der Reactionszeit bei Reizung des freipraeparirten, aber unzerlegten Rückenmarkes vom Frosch und bei Reizung des Lumbar-Plexus“ constatirt hat; „es war aber dabei ohne Belang, ob die Elektroden an die Vorder- stränge oder an die Hinterstränge angelegt wurden.“ Es wäre wünschens- werth, dass Hr. Gad, um uns davon zu überzeugen, in seiner Arbeit ! Monatsberichte der Akademie der Wissenschaften zu Berlin. 1873. S. 104. 192 292 MAURICE MENDELSSOHN: „Ueber Centren und Leitungsbahnen u. s. w.“ ebenfalls zwei Paare von Curven gegeben hätte, von denen eines bei Reizung der Hinterstränge und das zweite bei Reizung der Vorderstränge gewonnen wurde. Zeigen doch nicht alle von Hrn. Gad gewonnenen Curven mit gleicher Evidenz den von ihm behaupteten und von mir keineswegs bezweifelten Unterschied; es ist z. B. schwer, diesen Unterschied in Fig. 1 bei Vergleichung der Curve 1 mit 4 und 5 zu erkennen. Ich wiederhole aber, dass ich für jetzt noch nicht die Bedeutung meiner Untersuchungen für die seinigen voll- kommen besprochen haben will, vielmehr werde ich hierauf in einer dem- nächst in französischer Sprache erscheinenden Arbeit: „Ueber die directe Erregbarkeit des Rückenmarks“ näher eingehen. Ich erlaube mir auch Hrn. Gad auf diese Arbeit zu verweisen, wo er eine hinreichende Anzahl der von ihm gewünschten Curven finden wird, mit welchen ich in Hin- sicht auf meine ausführlichere Veröffentlichung meine in diesem Archiv 1883 erschienene Notiz bei ihrer Kürze nicht überladen zu sollen glaubte. Die von Hrn. Gad von mir erbetene Auskunft über die Summation untermaximaler Reize kann ich vorerst leider noch nicht geben, da ich mich mit dieser Frage verhältnissmässig nur wenig beschäftigt habe; eine kleine Anzahl von Versuchen zeigte mir jedoch, dass 6—12 unterminimale Reize für das Rückenmark genügen, um einen äusserlich wahrnehmbaren Effect auszulösen — ein Resultat, welches ich bei meinen Reizversuchen am Rückenmark noch nicht verwendet habe. Wenn Dieser oder Jener aber auch meine Versuche mit Reizfolgen nicht als einwandsfrei gelten zu lassen geneigt sein sollte, so genügt doch zweifellos die Zahl von 46 mit Einzelreizen (einzelnen Inductionsöffnungsschlägen) angestellten Versuchen, um die von mir gefundene und mitgetheilte Thatsache als völlig gesichert erscheinen zu lassen. Was die Art der Reizung in meinen Versuchen anbelangt, so habe ich mich darüber noch mit Hrn. Gad zu verständigen. Er wirft mir in allgemeinen Worten vor, mich vorzugsweise mit Reizfolgen und zu wenig mit „Einzelreizen“ oder „Momentanreizen“ oder selbst „einzelnen Moment- reizen“ beschäftigt zu haben. Dergleichen Ausdrücke findet man nicht allein in diesem Schreiben an den Herausgeber, sondern auch in Hrn. Gad’s Arbeit: „Ueber Centren und Leitungsbahnen u. s. w.“, und man versteht nicht recht, ob Hr. Gad Einzelreize und Momentanreize als zwei verschiedene oder als zwei gleiche Begriffe auffasst, in welchem letzteren Falle „einzelne Momentanreize“ ein Pleonasmus darstellen würden. Ich würde mir einen „Einzelreiz“ auf elektrischem Wege gegeben denken: 1) durch eine einmalige positive oder negative Schwankung, Schliessung oder Öeffnung eines constanten Stromes, 2) durch einen ein- ÜBER DIE IRRITABILITÄT DES RÜCKENMARKES. 293 zelnen Inductionsöffnungs- oder Schliessungsschlag, 3) durch einmalige Ent- ladung eines Condensators. Unter einem „Momentanreize“ kann aber doch wohl nichts anderes za verstehen sein, als ein Reiz von sehr kurzer Dauer; von wie kurzer Dauer ist dabei aber noch nicht ausgesprochen; „Momentanreiz“ ist ein durchaus relativer Begriff. Erst wenn wir den Momentanreiz definirt haben als einen „Reiz“, dessen Dauer gegen die Zeit verschwindet, auf deren Beobachtung es uns ankommt, haben wir uns, wie mir scheint, hinreichend exact ausgedrückt. Am ehesten wird diese Definition vielleicht für Inductions- öffnungsschläge zutreffen und daher habe ich gerade diese gewählt. Im Uebrigen ist der Ausdruck „Momentanreiz“ beim heutigen Stande der Wissenschaft trotz alledem ein ganz unbestimmter, weil es ganz und gar von physikalisch-physiologisch unbestimmbaren Verhältnissen abhängt, welche Gestalt und welchen Abfall die auf die Zeit als Abscissenaxe bezogene Curve der Reizintensität im nervösen Gebilde hat, und weil wir nicht anzugeben im Stande sind, innerhalb welcher Zeitgrenzen, vom Anfang des Reizes an gerechnet, der Reiz des Nerven auf den Muskel als verschwunden ange- sehen werden darf. Gerade deshalb schien es mir wichtig, das Bestehen jenes Zeitunter- schiedes im Reizerfolge am Rückenmarke nicht nur, wie ich es gethan habe, für Einzelreize festzustellen. Da die letzteren ja doch nicht im strengen Sinne und unbedingt als Momentanreize im oben definirten Sinne aufgefasst werden dürfen, so schien es von Werth, auch für eine über eine bestimmte kurze Zeit ausgedehnte Reizfolge immer gleich stark, oder vielmehr immer gleich schwach, und zwar möglichst schwach gewählte Ströme denselben Unterschied im Erfolge nachzuweisen. Nachdem ich für minimale Reizfolge, d.h. für eine bestimmte kurze Reihe minimaler Reize stets dasselbe Resultat wie für Einzelreize erhalten hatte, habe ich gerade die letzteren Versuche auch für meine fernere Bearbeitung vorziehen zu müssen geglaubt, da hier die Einzelreize sehr viel schwächer gewählt wer- den können. Es bleibt noch zu bemerken, dass der von mir gefundene Unterschied zwischen ‘den Reactionszeiten der Vorder- und der Hinterstränge auch als eine einfache logische Folgerung aus den schon an und für sich durchaus beweiskräftigen Versuchen Hrn. Fick’s! folgt, Versuchen, welche Hr. Gad ja im Allgemeinen hat bestätigen können. In der That entfliesst schon ‚aus den Fick’schen Experimenten die unbestreitbare Thatsache, dass die durch elektrische Erregung der Vorderstränge hervorgerufene Bewegung " Dies Archiv. 1867. 8. 198; — auch in Pflüger’s Archiv u. s. w. Bd.ll. 8. 414. 294 MAURICE MENDELSSOHN: keine durch Stromschleifen auf die Hinterstränge erzeugte Reflexbewegung, vielmehr eine directe Wirkung der Erregung der Vorderstränge ist. Im Uebrigen ist klar einleuchtend, dass die Reactionszeit für eine solche directe Bewegung nothwendig kürzer sein muss, als für eine reflectorische, und dass der Unterschied zwischen den beiden hier in Rede stehenden Be- wegungen offenbar mindestens gleich ist der Dauer der „Querleitung‘“ im Rückenmarke, welche stattfinden muss, damit die Erregung von den Hinter- strängen auf die vorderen Wurzeln übergreife, während andererseits bei unmittelbarer Reizung der nach Fick’s und meinen Versuchen erresbaren Vorderstränge die Erregung durch den Strang geraden Weges zu den vor- deren Wurzeln gelangt. Denn anders, scheint mir, kann man nicht wohl den Vorgang sich vorstellen, und wenn Hr. Gad, der offenbar kein An- hänger der Van-Deen’schen Theorie ist — das geht ja daraus hervor, dass er in seinen Versuchen die Absicht hatte, das Rückenmark zu reizen — dabei gleichfalls die Gültigkeit der Fick’schen Resultate zugiebt, ohne jedoch zugleich die einfachen und logischen Folgerungen anzuerkennen, welche aus diesen Versuchen nothwendig hervorgehen, so befindet er sich, was diesen Punkt betrifft, in offenbarem Widerspruch mit sich selber. Die von mir gefundene Thatsache findet als Ausfluss der schönen Untersuchungen Fick’s in denselben ihre naturgemässe Unterstützung und ich glaube mit Hinblick auf meine zahlreichen und auch mit denk- barster Sorgfalt ausgeführten Versuche sagen zu dürfen, dass im Gegen- satze zu der Meinung von Hın. Gad eine objective Kritik in den Stand „gesetzt werden kann, meine Schlussfolgerungen anzuerkennen und zu ver- treten“, Im Uebrigen kann ja jeder Sachverständige von der Genauigkeit meiner Angaben sich überzeugen, indem er ohne vorgefasste Meinung, natürlich aber auch mit den nöthigen Vorsichtsregeln gegen Versuchsfehler zu deren Wiederholung schreitet, welche, wie es in dieser Art von Unter- suchungen selbstverständlich ist, eine genügende Anzahl von Beobachtungen zu umfassen hat, wie auch Hr. Gad wegen der vielfachen auf diesem Ge- . biete möglichen, unerwarteten Vortäuschungen sehr richtig betont. So sagt Hr. Gad in Bezug auf seine Untersuchungen (Ueber Centren und Leitungsbahnen u. s. w. S. 13): „dass es wenige so geschickte und umsich- tige Experimentatoren geben wird, denen bei häufiger Wiederholung der beschriebenen Versuche nicht Resultate begegnen sollten, welche den Mangel jeder Verzögerung im Rückenmark vortäuschten“. Ich bin in diesem Punkte durchaus der nämlichen Meinung; hätte aber gewünscht, dass Hr. Gad dieses Zugeständniss nicht allein auf seine eigenen Erfahrungen, die ihn zu so kühnen Hypothesen in seinen Untersuchungen über Centren und Lei- tungsbahnen im Rückenmarke verleiteten, sondern überhaupt auf alle Reiz- ÜBER DIE IRRITABILITÄT DES RÜCKENMARKES. 295 versuche am Rückenmark, also auch auf die meinigen bezogen hätte. Dieser richtige Ausspruch Hrn. Gad’s bezieht sich doch nicht allein auf denjenigen Untersucher, welcher beabsichtigt, eine Thatsache zu begründen, sondern ebenso auch auf denjenigen, welcher gegen das Bestehen einer solchen Zweifel zu erheben sucht; der letztere hat bei dieser Art von Untersuchungen nur zu häufig denselben schwierigen Weg zu durchlaufen, welcher auch den ersteren zur Feststellung der Thatsache geführt hat. Berlin, Februar 1885. Ueber das Zusammenwachsen der Nerven verschiedener Bestimmungen und verschiedener Functionen. Von Dr. med. A. L. Rawa. (Aus dem physiologischen Laboratorium des Hrn. Prof. W. B. Tomsa der St. Woldemar- Universität zu Kiew.) (Hierzu Taf, III.) Ich halte für Nerven verschiedener Bestimmungen solche Nerven- stämme, deren Fasern ihren physiologischen Functionen nach gleiche, da- gegen ihrer Bestimmung nach verschiedene periphere Organe innerviren; z. B. zwei Muskelnerven, von denen der eine einer Flexoren-, der andere einer Extensorengruppe angehört. Die Function solcher Nerven ist gleich, ihre Bestimmung aber verschieden. Dagegen sind Nerven verschiedener Function diejenigen, welche Nervencentren mit solchen peripheren Organen verbinden, die in functioneller Hinsicht untereinander ganz verschieden sind; z. B. Nerven der Empfindungsorgane oder diejenigen, welche den Lebens- und Vegetationsprocessen vorstehen. Eine solche Classification der peripheren Nerven nach ihrer Bestim- mung und nach der Verschiedenheit ihrer Function — führt auf den Ge- danken, das Zusammenwachsen verschiedener Nerven untereinander und die daraus erwachsenden Erscheinungen physiologisch zu prüfen. Dieses wurde auch von mir durchgeführt und ich habe zur besseren Uebersicht meine Arbeit in zwei Abtheilungen getheilt, von denen die erste die Unter- suchungen aller bei Zusammenwachsen der Nerven von verschiedener Be- stimmung vorkommenden Erscheinungen enthält, die zweite dagegen — die Erscheinungen, welche bei Zusammenwachsen von Nerven verschiedener Function auftreten. RAwA: ZUSAMMENWACHSEN DER NERVEN U. S. w. 297 Was die Litteratur dieser Frage anbetrifft, so glaube ich mich auf meine frühere Arbeit „Ueber die Nervennaht‘“ beziehen zu dürfen, in wel- cher alle einigermaassen wichtigen Untersuchungen über diesen Gegenstand angeführt sind.! Hier beschränke ich mich nur auf eine Andeutung, dass alle bisherigen in dieser Richtung geführten physiologischen Arbeiten nur den Beweis dafür zu liefern bezweckten, dass die Nerven fähig sind, die Erregung nach beiden Richtungen zu leiten; um dies zu erlangen, liess man einen Bewegungsnerv mit einem sensiblen zusammenwachsen. Die Aufgaben der jetzigen Arbeit sind etwas Anderes und im Laufe der folgen- den Erörterung werde ich sie zu erklären suchen. Ausserdem halte ich es für überflüssig, die Beschreibung der Nervennahttechnik, der Manipulationen und der bei Ausübung der Experimente nothwendigen Vorsichtsmaassregeln zu wiederholen, da in der genannten Arbeit dies alles mit genügender Ausführlichkeit erörtert worden ist. A. Zusammenwachsen von Nerven verschiedener Bestimmung. Diesen Operationen wurden hauptsächlich junge Thiere unterworfen, nämlich: zwölf Kaninchen, sechs Katzen, zwei Hunde und zwei Schweine. Die Versuche wurden gewöhnlich so geführt, dass das operirte Thier, einige Zeit später, nach Verwachsung der Wunde und vollkommener Genesung, sowohl dem physiologischen Experiment, wie auch einer anatomischen Unter- suchung unterworfen worden ist. Zur Durchschneidung wurden der N. peroneus und N. tibialis posterior benutzt, welche bei drei Kaninchen und drei Katzen über Kreuz mit einander vereinigt wurden, d. h. der centrale Stumpf des einen wurde mit dem peripheren des anderen verbunden und umgekehrt. Nach derartigen Operationen bekamen die Thiere sehr bald ihre normalen Bewegungen wieder, so dass nach Verlauf von einigen Tagen die operirte Extremität nur mit Mühe von der gesunden zu unterscheiden war. Die Versuche ergaben sehr ungenaue und unklare Resultate. Solche Kreuzverwachsungen der Nerven bilden einen gemeinschaftlichen Knoten (Schwiele), welcher alle vier Nervenstümpfe enthält; deshalb ruft eine höher (centraler) erzeugte Reizung nicht ganz klare Effecte hervor, so dass man voraussetzen kann, dass die entsprechenden Nerven mit einander wieder ver- wachsen sind und die Reizung auf altem Wege statt hat. Um das zu ver- meiden, verband ich nach dem Rathe des Hrn. Prof. Tomsa nur den cen- tralen Abschnitt des einen mit dem peripheren des anderen Nerven, indem ! Universitäts- Anzeiger. Kiew, December 1883. 298 A..L. Rawa: ich aus den beiden anderen Stümpfen bedeutende Schnitte ausschnitt. Um Zerrung zu vermeiden und auf diese Weise bestimmtere Resultate zu be- kommen, wurde die Durchschneidung so vollführt, dass die zum Zusammen- wachsen bestimmten Stümpfe möglichst lang genommen wurden. Zur grösseren Klarheit halte ich es für nöthig, hier nur Auszüge aus den Operationsprotocollen der Versuche anzuführen um so viel als möglich überflüssige Details zu vermeiden. 1) Kaninchen. Fünf Monate alten Kaninchen, Nr. 1, 2, 3 und 4, wurde an der linken Hinterextremität der centrale Abschnitt des N. tibialis post. mit dem peripheren des Peroneus verbunden; zu diesem Zwecke wurde der Schnitt auf der hinteren Schenkelfläche zwischen dem Mm. biceps femoris und semitendinosus ausgeführt, die äussere Wunde mit Catgut ver- näht und das Thier freigelassen. Die ersten Tage nach der Operation nahm die kranke Extremität keinen Antheil an den activen Bewegungen des Thieres: sie hing schlaff herunter und schien gänzlich gelähmt. Aber schon am 15. bis 20. Tage konnte man an der kranken Extremität dann und wann Zuckungen bemerken, die anfäng- lich zwar sehr unbestimmt waren, aber allmählich immer bedeutenderen Verkürzungen Platz machten, und nach 6 bis8 Wochen konnte man in diesen Verkürzungen eine deutlich ausgedrückte Extension beobachten; jedoch von einer activen Flexion war noch nichts zu erkennen. Zu gleicher Zeit nahm das kranke Bein öfters eine ausgestreckte Lage an, hauptsächlich, wenn das Thier erschrak. Sechs Monate später wurde an den Kaninchen Nr. I und 2 dieselbe Operation an der rechten Hinterextremität gemacht. Nach dieser zweiten Beschädigung verhielten sich die Kaninchen ebenso, wie nach der ersten Operation, nur mit dem Unterschied, dass die activen Bewegungen der zu- letzt operirten Extremität weit später eintraten, als nach der ersten. Nach Verlauf von 14 bis 16 Monaten gewöhnen sich die beiderseits operirten Thiere schon bemerkbar an die Fehler ihrer Bewegungen, scheinen aber sich accommodiren zu wollen, um möglichst die Defecte ihrer Extremitäten auszugleichen. Jedoch bei den freien Bewegungen eines solchen Kaninchens lässt sich eine auffallend vorherrschende Extension in den Hinterextremitäten be- merken, und beim Sitzen sind beide Sohlen bedeutend auseinander. Hebt man das Kaninchen an den Ohren auf, so strecken sich die Zehen der operirten Extremität nicht auseinander. Ausser diesen Erscheinungen, welche zur Sphaere der willkürlichen Bewegungen des Thieres gehören, lässt sich noch eine sehr interessante Thatsache beobachten. In den Weichtheilen, wo sich die Endzweige des unvernäht gelassenen Nerven verbreiten, tritt 9 27 ZUSAMMENWACHSEN VERSCHIEDENARTIGER NERVEN. 299 Decubitus auf. Bei allen diesen vier Kaninchen (Nr. 1, 2, 3 und 4) liess sich schon im 7. bis 8. Monate nach der Operation an der Ferse und unteren Seite der Zehen Decubitus der Haut und der Weichtheile constatiren, welcher zwar langsam aber beständig wuchs und bald auch die vordere Fläche der Zehen einnahm, so dass deren Knochenphalangen ganz bloss lagen und auch der Nekrose verfielen. Dieser Decubitusprocess äusserte sich jedoch und verfloss auch in allen vier Fällen verschieden. So z. B- bei den Kaninchen Nr. 1 und 2, bei denen mit dem N. tibialis post. zu gleicher Zeit auch der N. suralis an beiden Extremitäten durchschnitten und deshalb unverwachsen war, erschien die Nekrosis zuerst an der Ferse, hin- gegen bei den Kaninchen Nr. 3 und 4, wo der N. suralis unverletzt ge- lassen war, widersetzten sich die Haut und die Weichtheile der Hacke noch lange der Nekrose, während die Zehen schon längst abgestorben waren. Die Kaninchen Nr. 5, 6, 7, 8 und 9 wurden an der linken Hinter- extremität so operirt, dass der Sambal Abschnitt des N. peroneus mit dem peripheren des N. tibialis post. verbunden wurde. Sechs Monate später wurden zwei von ihnen, Nr. 5 und 6, einer gleichen Operation an der rechten Hinterextremität unterworfen. Die Aenderungen in den Extremitätsbewegungen der Kaninchen Nr. 5, 6 und 7 zeichneten sich dadurch aus, dass ihre activen anfänglich krampf- haften Bewegungen nach und nach in deutlich ausgedrückte Flexorverkür- zungen übergingen. Bei langsamen Bewegungen oder beim Sitzen stützte sich das Thier meistentheils auf die hintere Fläche der Zehen, während der innere Rand der Sohle mehr nach innen gekehrt war. Die Kaninchen Nr. 5 und 6 äusserten in den Bewegungen ihrer beiden Hinterextremitäten schon im 12. bis 14. Monate nach der zweiten Operation ein Praedominiren der Flexion, und beim Aufheben an den Ohren streckten sich die Zehen des en Fusses sichtbar auseinander. Nicht minder bemerkenswerth ist auch die Thatsache, dass bei den Kaninchen dieser letzten Gruppe das Absterben der Gewebe in umgekehrter Reihenfolge vor sich geht. Es erscheint zuerst auf der hinteren Seite der Zehen und nur per contiguum, beim Uebergange auf die Sohle, ergreift es auch die Ferse. So war es bei Nr. 5 und 7 der Fall, bei welchen die Weiehtheile der operirten Extremitäten auf der Ferse und der Fusssohle ganz unversehrt waren, indem die hintere Fläche ihrer Knochenphalangen völlig ihre Weichtheilhüllen verloren hatte. Die Weichtheile der verletzten Extremitäten bei den Kaninchen Nr. 6, 8 und 9 gingen in mehreren Punkten der Fusssohle zugleich zu Grunde und scheinbar ohne jeden Zusammenhang mit der anatomischen Lage der operirten Nerven. Doch können eben diese Erscheinungen, wie wir weiter ersehen werden, der Beurtheilung dieses Zu- >sammenhangs zu Hülfe kommen. 300 A. L. Rıwa: Bei den Kaninchen Nr. S und 9, welchen nur an einer Seite der cen- trale N. peroneus mit dem peripheren Tibialis post. verbunden war, liessen sich keine bestimmten activen Bewegungen der kranken Extremität be- wirken — beim Aufheben an den Ohren streckten sich die Zehen nicht auseinander und das Fussgelenk verhielt sich, im Vergleich mit dem ge- sunden, ganz passiv gegen die Bewegungen und Streckungen des Schenkels, kurz — es schien gänzlich gelähmt. Den letzten drei Kaninchen Nr. 10, 11 und 12 wurden anfänglich an der linken Hinterextremität der centrale Abschnitt des N. tibialis post. mit dem peripheren des N. peronei, und nachher 7 Monate später an der rechten Hinterextremität dieselben Nerven in umgekehrter Weise verbunden, d.h. der centrale Abschnitt des Peroneus mit dem peripheren Tibialis post. Diese zweite Operation ist nur bei einem von den drei operirten Kaninchen, nämlich bei Nr. 3, völlig gelungen. An diesem Exemplar konnte man eine sehr charakteristische Erscheinung beobachten. Bei den freien Be- wegungen des Thieres äusserte nämlich seine linke Hinterextremität mehr Neigung zur Extension, die rechte hingegen mehr zur Flexion; beim Sitzen war die linke gebogen, die rechte dagegen etwas auswärts und nach hinten ge- streckt und stützte sich auf ihre Hinterfläche. Die beiden anderen Nr. 11 und 12 gaben ganz unerwartete Resultate. Die activen Bewegungen des rechten Hinterfusses kehrten allmählich zur Norm zurück und nach Verlauf von einigen Monaten waren ihre Bewegungsdefecte vollkommen verschwun- den, so .dass die schärfste Beobachtung auch nicht den gerinsten Defect herausfinden konnte. 2) Katzen. Sechs jungen Katzen wurden an den Hinterextremitäten eben solche Operationen gemacht wie den Kaninchen, nämlich: einigen von den sechs wurde einerseits der centrale N. tibialis post. mit dem peripheren N. peroneus, und allen anderen der centrale N. peroneus mit dem peri- pheren N. tibialis post. auch einerseits verbunden. Die Beobachtung der Bewegung dieser Thiere nach der Operation ist sehr schwierig, weil die Katzen überhaupt sehr empfindlich gegen jedes Trauma sind und selten eine Operation gut ertragen. Vier von ihnen gingenim 8. bis9. Monat nach der Operation an der Schwindsucht zu Grunde, die beiden anderen waren so unbehend und träge in ihren Bewegungen, dass es sehr schwierig war, genaue Folgerungen und Schlüsse über die activen Contractionen der operirten Extremität zu machen. Das verletzte Bein hält die Katze gewöhnlich hoch an sich gezogen, und noch lange nach der Operation sucht sie bei ihren Bewegungen den Gebrauch dieses Beines zu vermeiden. Nur am Ende eines Jahres konnte man bei aufmerksamer Beobachtung Zuckungen bemerken, die dann und wann in bedeutendere ZUSAMMENWACHSEN VERSCHIEDENARTIGER NERVEN. 301 Extensorverkürzungen übergingen; aber auch die am Leben gebliebenen Katzen hatten augenscheinlich die Schwindsucht, und als die eine um- gekommen war, wurde die andere einem Experimente unterworfen. Die operirten Extremitäten waren bei allen Katzen merklich atrophirt, obgleich ein Absterben der Weichtheile sich noch nirgends herausgestellt hatte. Die Haut der Sohlenfläche war nur kurz nach der Operation etwas feucht; die ganze Zeit nachher jedoch trocken und rauh. 3) Junge Hunde. Zwei dreimonatliche Hunde wurden derselben Operation wie die vorigen Thiere unterworfen. Dem einen, Nr. 1, wurde der centrale Abschnitt des N. tibialis mit dem peripheren N. peroneus, dem anderen umgekehrt der centrale N. peroneus mit dem peripheren Tibialis post. und beiden an der linken Seite vereinigt. Der junge Hund Nr. 1 verhielt sich im Laufe der ganzen Zeit nach der Operation ebenso wie alle Thiere mit derartigen Verletzungen; nur hielt er, wie auch die Katzen, den kranken Fuss öfters gehoben. Dessen ungeachtet war schon im vierten Monat in den krampfhaften Bewegungen des kranken Beines ein Vorherrschen der Extensoren zu bemerken und das Bein hing mehr ausgestreckt. Bei dem Hunde Nr. 2 hatten die Muskeln des Schenkels sichtbar ihren Tonus verloren und verhielten sich ganz passiv gegen die Bewegungen und Streckungen des Hüftbeines. Im Laufe der ganzen Zeit nach der Operation liessen sich keine Besserungen in den Bewegungen des verletzten Beines bemerken — es hing ganz schlaff herunter. Nekrose war bei den kranken Hunden in sieben Monaten noch nicht eingetreten. Vierwöchentliche Schweine sind auf dieselbe Weise wie die jungen Hunde operirt worden. Das eine von ihnen, Nr. 1, gab Erscheinungen, die völlig identisch mit denjenigen bei Thieren waren, welchen der centrale N. tibialis post. mit dem peripheren N. peroneus vereinigt worden war. Be- sonders charakteristisch waren die Verkürzungen der Fussstrecker, die es ver- ursachten, dass das Thier hauptsächlich bei forcirten Bewegungen den Schenkel und den Fuss an den Unterleib drückte und dessen Seitenfläche zu kratzen schien. Nach Verlauf von 11 Monaten waren Mängel der activen Bewegungen des kranken Beines nur noch durch das Vorherrschen der Extension und durch die gestreckte Lage des Fusses zu bemerken. Ausser- dem fand ich in Folge der Abschilferung und Zerstückelung des Horn- _ blattes den Huf auf der unteren Fläche zerplatzt und von sinuosen Gängen durchlöchert. Die Beobachtung der Wiederherstellung der activen Bewegungen des. zweiten Schweines gab keine charakteristischen, dieser Operation eigenen Erscheinungen. Der paralytische Zustand des Beines ging allmählich in 302 A. L. Rawa: normale Bewegungen über, so dass schon im vierten Monat nach der Ope- ration bei den activen und ganz freien Bewegungen des Thieres kein Unter- schied zwischen den beiden Hinterextremitäten zu bemerken war. Physiologische Experimente. « Um die auf die oben beschriebene Weise operirten Thiere einer physio- logischen Untersuchung zu unterwerfen, muss man einen Zeitraum von 6 bis 16 Monaten verstreichen lassen, damit das Thier wieder völlig her- gestellt sei. Vor dem Experimente wurde das Thier gewöhnlich durch Chloroform oder Injection von Tinetura Opii narkotisirt. Diesen Experimenten wurden hauptsächlich Kaninchen und Katzen unterworfen. Dem Thiere wurden der Nerv und die Extremität so entblösst, dass man die Zusammen- ziehungen der letzteren direct beobachten konnte. Zur Erregung wurde meistentheils der Induetionsstrom mit allen Vorsichten angewandt (die Elek- troden durch Hartgummi isolirt), weil chemische und mechanische Erreger sehr bald vorübergehende unbeständige Effecte hervorrufen, sehr bald das Nervengewebe tödten und, was sehr wichtig ist, sich nicht dosiren lassen. Der zusammengewachsene Nerv, der zuvor so nah wie möglich am Wirbel- canal abgeschnitten war, wurde vor und hinter der Narbe, d.h. bald am . centralen bald am peripheren Stumpfe gereizt. Manchmal wurde das Rücken- mark in der unteren Hälfte zerstört, um etwaige Reflexe zu vermeiden. Bei den meisten Fällen bekam ich folgende Erscheinungen: Bei den vier ersten Kaninchen rief die Reizung des aus dem centralen N. tibialis post. und dem peripheren N. peroneus gebildeten Nervenstammes eine sichtbare Zusammenziehung derjenigen Muskeln hervor, in welchen sich der N. peroneus verzweigt, und bei heftigen Reizungen entstand eine noch heftigere Streckung des Fusses, die Zehen jedoch streckten sich nicht auseinander. Der Unterschied zwischen den Erscheinungen bei jedem dieser vier Kaninchen bestand nur darin, dass eine grössere oder kleinere Reiz- kraft angewandt werden musste. Ausserdem traten bei den Kaninchen Nr. 3 und 4 die Reizeffecte nur dann klar und dauernd hervor, wenn die Sehnen der Lendenmuskeln zuvor durchschnitten waren. Die Reizung der zusammengewachsenen Stümpfe: des centralen N. peronei mit dem peri- pheren N. tibialis post. rief bei den Kaninchen Nr. 5 und 7 Zusammen- ziehung derjenigen Muskelgruppe hervor, welche von dem N. tibialis post. innervirt wird, wobei Verstärkung des Stromes (Annäherung der secundären Rolle bis 7—5 ”) eine tetanische Flexion des Fusses und Auseinander- spreizung der Zehen verursachte. Bei Entblössung des Nerven der kranken Extremität bei den Kaninchen Nr. 8 und 9 wurden die durchschnittenen Nerven nicht zusammengewachsen gefunden; deshalb gelang es auch nicht, ‚ Muskeln des hinteren Schenkels leicht zu bemerken. ‚Immer durchlöchert, blass und gaben unter dem Mikroskop ein Bild der ‚ Fettdegeneration. Die Muskelgruppen der vorderen Seite hatten fast immer ein normales Aussehen, Uebrigens kam es auch vor, dass unter diesen letzteren ganz gesunden sich auch nicht ganz normale vorfinden liessen; | N Ba} ZUSAMMENWACHSEN VERSCHIEDENARTIGER NERVEN. 303 irgend eine Verkürzung durch Reizung der degenerirt gebliebenen Stümpfe hervorzurufen. Dagegen bei den Kaninchen Nr. 11 und 12 zeigte sich eine gemeinschaftliche Schwiele aller vier Abschnitte, wahrscheinlich in Folge ungenügender Resection derjenigen Nervenenden, welche unvernäht gelassen waren. Unter anderem gelang es bei einem der letzteren (Nr. 12) folgende Erscheinung zu bekommen: nachdem der N. tibialis post. praeparirt und durchschnitten war, lieferte die Reizung eines centralen Abschnittes eine Zusammenziehung der dem N. peroneus angehörigen Muskeln (ähnlich wie mn Kühne’s Versuch). Die an Katzen gemachten Experimente ergaben nur bei der einen ein positives Resultat; bei der anderen wurden die Nervenabschnitte nicht verwachsen gefunden. Die Reizung des zusammengewachsenen Nerven vor und hinter der Schwiele rief bei der ersten eine Zusammenziehung der Muskeln der vorderen Schenkelseite und der Fusssohle hervor, und sogar nach Durchschneidung der Achillessehne änderte sich die Intensität der Er- scheinungen nicht im Geringsten. Beide Schweine wurden keinem physiologischen Experiment unter- worfen, sondern dienten nur als Objecte zur anatomischen Untersuchung der zusammengewachsenen Nerven. Ä Den Kaninchen Nr. 6 und 10 und den Hunden wurden ausserdem noch Operationen am Haise gemacht. Die Beschreibung der an ihnen voll- führten physiologischen Experimente wird den Inhalt der folgenden Ab- theilung bilden. Anatomische Untersuchung. Die makro- und mikroskopische Untersuchung der Nerven und Muskeln der operirten Extremitäten führte zu Resultaten, welche in mancher Hin- sicht die Erklärung der physiologischen Erscheinungen ergänzen können. Für’s erste muss bemerkt werden, dass alle anatomischen Veränderungen der Gewebe — Folgen der vorhergegangenen Operationen — in ihren all- gemeinen Zügen, sich in allen Fällen mit wenigen Ausnahmen wieder- holten. Z. B. in den Fällen des Zusammenwachsens des centralen Tibialis post. mit dem peripheren Peroneus war eine auffallende Veränderung der Sie erschienen ‚nach weiteren Erkundigungen stellte es sich heraus, dass solche Erschei- nungen den Fällen angehören, bei denen während der Reizung des zu- sammengewachsenen Nerven die Verkürzung der Extensoren sehr schwach 304 A. L. RawaA: war und nur durch starke Ströme geschah. In den Fällen, wo die Nerven- abschnitte nicht zusammengewachsen waren, erschienen die Muskeln an beiden Seiten des Schenkels degenerirt. In einigen Fällen war das Muskel- gewebe ganz mit kleinen Extravasaten bedeckt, welche hauptsächlich da vorgefunden wurden, wo der N. suralis durchschnitten war. In allen Fällen, wo die Thiere ihre, vollkommen normalen Bewegungen wiederbekamen, wurden die Muskelgruppen bei vielen unverändert gefunden. Ebensolche anatomische Veränderungen waren an den Extremitäten vorzufinden, an welchen der centrale Stumpf des Peronei mit dem peri- pheren des N. tibialis post. zusammengewachsen war; nur waren hier die- jenigen Muskelgruppen degenerirt, welche der Verbreitungsregion des N. pero- nei angehören. Bei den Objecten dieser Kategorien kann man aber auch an der Seite des zusammengewachsenen Nerven unter den normalen Muskeln öfters einzelne Muskeln degenerirt finden; hauptsächlich in den Fällen, in welchen der N. suralis auch degenerirt war. Die Narbenstelle der zusammengewachsenen Nerven stellt makroskopich eine spindelförmige Anschwellung dar und giebt nach Zerspaltung unter dem Mikroskop ein Bild des neugebildeten Nervengewebes in verschiedenen Stadien der Entwickelung nebst Bündeln degenerirter Nervenfasern. Eine genauere Beschreibung der mikroskopischen Befunde der zusammengewach- senen Nerven, welche nach der von mir vorgeschlagenen Methode vereinigt waren, erlaube ich mir auf eine spätere Zeit zu verschieben. Das reich- liche Material, welches ich jetzt zur Verfügung habe, wird mir hoffentlich die Möglichkeit geben, eine besondere Arbeit über diese Frage zu liefern. Hier beschränke ich mich nur auf folgende Bemerkung. Bei einigen Thieren rief die Reizung des centralen Ahschnittes des zusammengewachsenen Nerven keine oder einen unbedeutenden Effect in seinen peripheren Endi- sungen hervor, dagegen gab Reizung des peripheren Stumpfes Verkürzung der ihn angehörigen Muskeln. Die Untersuchung solcher zusammengewach- sener Nervenstümpfe erwies, dass die Verbindungsstelle junges Narben- gewebe nebst Zellenelementen aller möglichen Formen enthält, von denen die meisten spindelförmig und an vielen Stellen durch lange Sprossen ver- bunden sind. Endlich weist die genaue Beobachtung des nekrotischen Processes — seines Auftretens und seines Entwickelungsganges auf seinen Zusammen- hang mit der anatomischen Vertheilung der peripheren Nerven hin. Es sterben gewöhnlich solche Gewebsparthien ab, welche der Verzweigung der vom centralen Nervensystem getrennten Nerven entprechen. Bei dem Kaninchen Nr. 6, 8 und 9 trat die Nekrose gleichzeitig an mehreren Stellen fleckenweise auf und fast immer war hier ohne Mühe ein degenerirter Muskel vorzufinden. ZUSAMMENWACHSEN VERSCHIEDENARTIGER NERVEN. 305 Der Vergleich aller angeführten Thatsachen, welche in dem Zeitraum nach der Operation stattfinden, mit den beim physiologischen Experiment erhaltenen Erscheinungen wie auch die anatomischen Angaben gestatten einige Folgerungen zu machen. Durchschnitten und wieder vereinigt wurden hauptsächlich die Nn, tibialis post. und peroneus, von welchen der erste sich auf der hinteren, der zweite auf der vorderen Seite des Schenkels und des Fusses verzweigt. Folglich ist die Bestimmung des N. tibialis post. die Beugung, — des N. peroneus die Streekung des Fusses und der Zehen zu beherrschen; sobald aber der centrale; Abschnitt des einen mit dem peripheren des anderen vereinigt war, wechselten die Rollen. Ein solcher Wechsel trat nicht auf einmal ein, sondern ziemlich langsam; gleichzeitig konnte man in mehreren Fällen constatiren, dass die willkürlichen Bewegungen nicht mit der Zu- sammenwachsung der Nerven zugleich erscheinen, sondern erst lange nach erfolgter Zusammenwachsung. Z. B. bei den Kaninchen Nr. 11 und 12 waren die operirten Nerven der linken Extremität nach 18 Wochen schon völlig verwachsen und die Reizung ihrer peripheren Abschnitte unterhalb des Verwachsungsknotens rief Zusammenziehung der entsprechenden Muskeln hervor; und doch liessen sich nicht nur keine willkürlichen Bewegungen der operirten Extremitäten beobachten, sondern die Reizung der centralen Nervenstümpfe erzeigte sogar keine Verkürzung der Muskeln. Oft liessen sich bei der mikroskopischen Untersuchung der Schwiele der zusammen- gewachsenen Nerven Bündel neugebildeter Nervenfasern nebst Nestern von Zellenelementen verschiedener Form entdecken; doch gab es Fälle, wo unter denselben Verhältnissen in der Narbenstelle die Nervenfasern vorherrschten und Zellenelemente nur in sehr geringer Menge vorzufinden waren. Ueber derartige Erscheinungen will ich die Ansicht,des Professors W. B. Tomsa anführen, die er während meiner Beschäftigung im Laboratorium aus- gesprochen hat.! (*) Er meint, dass eine sehr wichtige Rolle bei der Ent- wickelung und Bildung des Nervengewebes die Impulse spielen, welche, von dem Centrum ausgehend, durch die Entzündungsreaction die Zellen- elemente, welche sich zwischen den Nervenstümpfen angesammelt haben, in fortwährendem erregtem Lebenszustande erhalten und dieselbe auf diese Weise nöthigen, sich zu differeneiren und die gehörige Form des Nerven- gewebes anzunehmen.(*) Wie dem nun auch sei, so lässt sich aus den früher angeführten Beobachtungen ersehen, dass die Willensimpulse durch die Verwachsungsstelle verschiedener Nerven zur Peripherie dringen können, und wenn man noch die Resultate der experimentalen Untersuchungen hin- zufügt, so kann man folgende Sätze aufstellen: ı Im Texte sind zwischen den Zeichen (*) die Meinungen des Prof. W.B. Tomsa mit seiner gütigen Einwilligung angeführt. Archiv f, A. u. Ph, 1885. Physiol. Abthlg. 20 306 A. L. Rıwa: 1) Bei Zusammenwachsung des peripheren Abschnittes des einen Muskel- nerven mit dem centralen des anderen wird die Function desjenigen Muskels, welcher dem ersten entspricht, wieder hergestellt. 2) Die Richtung .der bewegenden Willensimpulse, welche von dem Centrum ausgehen, lässt sich nach Belieben ändern, und sie werden sich immer an ihre peripheren Endigungen accommodiren. Und in der That, in unserem Beispiel wird der Flexionsimpuls, welcher den N. tibialis post. entlang geht, durch den Extensionsimpuls, welcher ge- wöhnlich den N. peroneus entlang geht, ersetzt und umgekehrt. Was die motorischen Erscheinungen betrifft, so beschränke ich mich einstweilen nur auf die Andeutung derjenigen Thatsachen, welche uns der Lösung der Frage über den unmittelbaren Einfluss des centralen Nervensystems auf die Er- nährung der Gewebe überhaupt näher bringen. Aus der oben angeführten Schilderung des Auftretens und der Verbreitung der Nekrose ist leicht zu folgern, dass in mehreren Fällen das Trauma (Kaninchen Nr. 5, 6, 7 und Schwein Nr. 1) keinen oder einen sehr geringen Einfluss auf deren Auf- treten hatte. Die Aussenwelt wirkt zwar zerstörend auf den lebenden Or- ganismus, welcher seinerseits bestrebt ist, allen schädlichen äusseren Ein- flüssen Widerstand zu leisten; doch behält die Lebenskraft des Organismus nur da die Fähigkeit der Selbsterhaltung, wo sein Nervensystem vollkommen regelmässig functionirt, — in paralysirten Stellen aber unterliegen die Ge- webe leichter verschiedenen Insulten; hieraus wird verständlich, dass, wenn die letzteren möglichst entfernt werden, auch die Unversehrtheit der Gewebe länger bewahrt wird, wie das an den operirten Katzen und Hunden zu er- sehen ist (s. 0.). Ich halte hier die Bemerkung für nothwendig, dass ich zur Frage: „über Zusammenwachsen der Nerven verschiedener Bestimmungen“ in der letzten Zeit noch einige ergänzende Experimente gemacht habe, näm- lich: bei sechs Kaninchen liess ich den peripheren Abschnitt des N. phreniei mit dem centralen des Nervenstammes zusammenwachsen, welcher aus der ersten Schlinge des unteren Halsgeflechtes genommen war. Nach den Er- scheinungen zu urtheilen, welche bis jetzt bei diesen Operationen aufgetreten sind, darf man hoffen, dass auch derartige Verwachsungen positive Resul- tate ergeben werden. B. Zusammenwachsen der Nerven verschiedener Functionen. Zu dieser Operation wurden Experimente an 32 Katzen, 8 Kaninchen, 4 jungen Hunden, 6 Schafen, 5 Ziegen und 4 Schweinen gemacht. Alle waren hauptsächlich junge Thiere. Zum Verwachsen wurden die Nn. vagus ZUSAMMENWACHSEN VERSCHIEDENARTIGER NERVEN. 307 und hypoglossus genommen, weil dies die bequemsten wegen ihrer ana- tomischen Lage so wie wegen der Verschiedenheit ihrer Functionen sind. Um auf einmal beide Nerven zu entblössen, wurde der Schnitt im oberen Halsdreieck ausgeführt, und zwar angefangen von der Ecke der un- teren Kinnlade im der Richtung nach unten, dem inneren Rande des M. sterno-cleidomastoidei parallel, bis an den oberen Rand des schildförmigen Knorpels. In der oberen Ecke des Schnittes liegt die untere Kieferdrüse, welche man, ohne ihre Kapsel zu berühren, abheben und nach oben schieben muss, um sogleich den N. hypoglossus hervorzuholen; hernach muss man mittels zweier Pincetten das tiefe Blatt der Halsfascia und die Gefässe und Nervenhülle zerreissen, um den N. vagus mit seinem Plexus nodosus und den wichtigeren Halszweigen zu entblössen. Bei manchen Thieren, z. B. den Schafen, ist die Gl. submaxillaris sehr gross und erstreckt sich nach unten bis an die schildförmige Drüse, deswegen ist man genöthigt, die Kapsel der unteren Kieferdrüse zu zerreissen und darauf ihr Parenchym zu zerschneiden. Solche anatomische Bedingungen sind sehr unbequem und sehr nachtheilig für den Process der Heilung, welcher durch die anhaltende Exsudation, wegen der Befeuchtung des Schnittes, bedeutend aufgehalten wird. Bei den Kaninchen und Katzen hingegen erstreckt sich die untere Kieferdrüse oft dem inneren Rand des Unterkiefers entlang nach oben, und der N. hypo- glossus liest ziemlich tief; deswegen darf man beim Aufsuchen des Nerven die Halsmuskeln nicht zu sehr spannen. Macht man den Schnitt zu weit einwärts, so kann es vorkommen, dass man im oberen Winkel des Schnittes in der Tiefe den N. pharyngeus findet, welcher der Dicke und Richtung nach, wie das bei Schweinen und Ziegen der Fall ist, sehr dem Hypo- glossus ähnlich ist; der Dicke nach ähnelt ihm oft auch der Ausfuhrcanal der unteren Kieferdrüse (bei den Schafen). Deswegen muss man sich, den N. hypoglossus suchend, nach der A. carotis ext. richten, vor welcher nur dieser eine Nerv verläuft. Beide Nerven, Vagus und Hypoglossus wurden gewöhnlich in allen Fällen so durchschnitten, dass der Ramus descendens, N. hypoglossus und der N, laryngeus sup. bei ihren centralen Stümpfen blieben. Die Operation der Verbindung wurde nur an einer Seite des Halses gemacht und nach einiger Zeit wurde an der anderen Seite der eine oder der andere Nerv, je nachdem der gegebene Fall es erforderte, resecirt. Gewöhnlich wurde der centrale Stumpf irgend eines der beiden Nerven mit dem peripheren des anderen vereinigt und aus dem überbliebenen Stücke 1 bis 21/, m aus- geschnitten. Hier ist es nothwendig, noch zu bemerken, dass die Indivi- dualität der Thiere überhaupt bei den beschriebenen Experimenten und Operationen eine sehr wichtige Rolle spielt und das grösste Hinderniss zu deren Ausführung bietet, indem sie die Resultate der Untersuchungen im 20* 308 A. L. Rıwa: Voraus höchst problematisch macht. Es giebt Fälle, in denen während der primären Operation nach Durchschneidung des N. vagus stürmische Anfälle seitens der Athmung erscheinen und das Thier gleich oder in ein paar Tagen zu Grunde geht. Man kann die Voraussetzung hegen, dass in der- artigen Fällen gerade an der operirten Seite die functionellen Verrichtungen des N. vagus vorherrschen. Wenn die primäre Operation hingegen keine Aenderungen in der Respiration wie auch in der Herzthätigkeit zur Folge hat, so kann man befürchten, dass solch ein Exemplar zum Experiment nieht taugbar sein und die secundären Operationen nicht aushalten wird. In dieser Hinsicht sind Schweine und Ziegen bequemer. Bei diesen Thieren sind die so complieirten Functionen der N. vagi scheinbar gleichmässiger auf beiden Seiten vertheilt. Jedenfalls ist es zum Gelingen der Operation eine unumgängliche Bedingung, die Schliessung der äusseren Wunde zu erzielen, obgleich solches natürlich nicht als Garantie dafür angesehen werden kann, dass die Nervenstümpfe ebenfalls zusammengewachsen sind. Die äussere Wunde wurde immer mittels Catgut mit dichten Stichen ver- näht und das Thier freigelassen, wenn aber die untere Kieferdrüse auch verletzt war, so musste man im unteren Winkel der Wunde eine Drainirung anbringen und sie mit einer leichten Auflösung von Arg. nitricum schmieren. Protocolle.! Katzen wurden zumeist operirt, aber von 22 Exemplaren gingen 5 gleich nach Durchschneidung des N. vagus an der rechten und in zwei Fällen an der linken Seite zu Grunde, bei 11 Exemplaren entwickelte sich gleich Lungenentzündung und Anschwellung des Unterleibs und die Thiere lebten 4 bis 12 Tage. Auf diese Weise überstanden die Operation von der ganzen Zahl der Katzen nur sechs, von welchen vieren (Nr. 4, 7, 9 und 10) an der linken und zweien an der rechten Seite der centrale Stumpf des N. hypoglossus mit dem peripheren des N. vagi, — zweien (Nr. 12 und 14) an der linken und einer (Nr. 16) an der rechten Seite der centrale Stumpf des N. vagi mit dem peripheren des N. hypoglossus vereinigt wurde. Aus den ÖOperationsprotocollen über die sechs überbliebenen Katzen ist zu ersehen, dass nach der Durchschneidung des Vagus stürmische Erschei- nungen seitens der Athmung und des Herzens nur bei zweien beobachtet wurden, nämlich bei denjenigen, welche rechterseits operirt waren; diese Erscheinungen legten sich aber allmählich und nach Verlauf von zwei Wochen schienen die Thiere schon ganz gesund, obgleich der Puls und die Athmung in den ersten Tagen sehr beschleunigt waren; jedoch waren die ! Ausführlicher sind hier nur die glücklicheren Fälle angeführt. ZUSAMMENWACHSEN VERSCHIEDENARTIGER NERVEN. 309 Thiere träge und gingen nicht gern an’s Fressen, so dass man einigen die Milch mit Gewalt einflössen musste. Bei vieren von ihnen konnte man während einiger Monate unregelmässige Bewegungen der Zunge beobachten, und nur bei zwei Katzen, bei welchen der centrale Stumpf des N. vagi mit dem peripheren des N. hypoglossus zusammengewachsen war, liessen sich im achten Monat schon gar keine Defecte an den Contractionen der Zunge mehr beobachten. Nach Verlauf von 16 bis 20 Monaten wurden die genesenen Katzen einer zweiten Operation an der anderen Seite des Halses unterworfen. Den Katzen Nr. 4 und 7 wurden an der rechten Seite aus dem Vagus Stücke von 2m resecirt; gleich nach dieser Operation erschienen tiefe, röchelnde Inspirationsbewegungen und die Herzschläge stiegen bis 200 in der Minute. ! Bei der Katze Nr. 4 entwickelte sich eine heftige Cyanose und sie ging in einigen Stunden zu Grunde. Der Katze Nr. 7 wurde ein tracheotomisches Rohr eingeführt und sie blieb einige Tage am Leben, während dessen sich der Puls und die Athmung beinahe ausgeglichen hatten; das Thier wollte aber nicht fressen und magerte sichtbar ab, das tracheotomische Rohr, welches sich fortwährend verstopfte, machte die Pflege des Thieres noch schwieriger und am fünften Tage wurde es todt gefunden. Beim Seciren der ersten Katze Nr. 4 fand man Anaemie der Eingeweide, das Herz etwas schlaff, und bei mikroskopischer Untersuchung des Stammes und der Zweige des N. vagus eine Menge degenerirter Nervenfasern, welche mit den nor- malen vermischt waren, und der N. recurrens der rechten Seite bestand ganz aus einem Bündel theilweise zusammengefallener, theilweise in Fett- degeneration begriffener Nervenröhren. Beim Seciren der Katze Nr. 7 zeigte es sich, dass, ausser Entkräftung und Anaemie der Eingeweide, die Lunge mit Knollen bedeckt und mit Schleim verstopft war; die Unter- suchung des operirten Vagus und seiner Zweige dagegen zeigte nichts Besonderes, sondern nur eine Menge degenerirter Nervenbündel nebst normalen. Der Katze Nr. 38 wurden linkerseits aus dem Vaeus ebenfalls 2 m resecirt; seitens der Athmung folgten beinahe keine Veränderungen, da- gegen stieg die Zahl der Herzschläge bis 130. Am fünften Tage kehrte das Herz wieder zur Norm zurück, aber aus Furcht, das Thier zu verlieren, wurde es einem Experiment unterworfen, nach welchem ich beim Seciren eine angehende Entzündung und Wassergeschwulst der Lunge fand, und der Stamm und die Zweige des Vagus gaben eben solch ein Bild, wie in Nr.»7. * Die Zahl der Herzschläge bei normalen Katzen ist 110—120 in der Minute bei 25—30 Athembewegungen. 310 IMST NAWA: Drei Katzen, Nr. 9, 10 und 11, starben sehr bald nach der primären Operation unter dyspnoötischen Erscheinungen und heftigen Palpitationen des Herzens; in allen diesen drei Fällen waren die Nervenstümpfe noch nach der primären Operation nicht zusammengewachsen. Bei zwei Katzen, Nr. 12 und 16, bestand die secundäre Operation in _ Resection des N. hypoglossus an der anderen Seite des Halses. Bei der Katze Nr. 12 hing nach der Operation die Zunge fortwährend heraus und hatte die Fähigkeit der activen Contraction verloren, aus welchem Grunde das Thier nur mit Mühe fressen konnte, anhaltende Tränkung des Thieres mit Milch hatte keine Besserung in den Bewegungen der Zunge zur Folge. Nach dem Seciren zeigte sich die Zunge mit Wunden und Rissen bedeckt und die Nerven nach der primären Operation gar nicht zusammen- gewachsen. Die Katze Nr. 16 überstand die Operation gut und obgleich die Zunge während der ersten Tage dem Willen nicht folgte, so gelang es doch durch künstliches Füttern das Thier so weit zu stärken, .dass es nachher die Zunge zwar etwas langsam, aber sonst ganz frei bewegen konnte; die Zunge schien aber dabei etwas nach der linken Seite gekrümmt; jedoch in der sechsten Woche fing die Katze an abzumagern und auszuzehren und wurde deshalb, um die Gelegenheit nicht zu verlieren, einem Experimente unter- worfen. Beim Seciren wurden Lungentuberkeln und an der rechten Seite der Zunge Anzeichen der Nekrose gefunden. ? In allen gelungenen Fällen konnte man an der Verbindungsstelle der Nerven alle Kennzeichen der Nervenankylose finden. Acht Kaninchen wurden an der linken oder rechten Seite des Halses operirt; drei von ihnen erlagen am dritten Tage nach der Operation bei immer steigenden, tiefen, schnarchenden Athembewegungen. Die Operation überstanden nur fünf, von welchen den Nr. 3 und 4 an der linken, den Kaninchen Nr. 6 und S an der rechten Seite der centrale Abschnitt des N. hypoglossus mit dem peripheren des N. vagi- vereinigt wurde; dem Kaninchen Nr. 7 verband ich linkerseits den centralen Vagus mit dem peripheren N. hypoglossus, Alle diese am Leben gebliebenen Kaninchen äusserten keine anormalen Verrichtungen — sie frassen gut, liefen und sprangen muthwillig herum, als ob ihnen nichts geschehen wäre. Nach 16 bis 20 Monaten wurden sie alle einer secundären Operation unterworfen, welche Nachstehendes zur Folge hatte. Bei dem Kaninchen Nr. 3 war nach der Resection des N. vagus an der rechten Seite die Athmung am ersten Tage etwas unregelmässig und glich sich nachher ganz aus; am vierten Tage jedoch war das Thier wenig beweglich, frass nicht und ging am sechsten Tage zu Grunde. en Zr Guru ll AA DE mn mm ZUSAMMENWACHSEN VERSCHIEDENARTIGER NERVEN. stl Das Kaninchen Nr. 4 erlag gleich nach der Operation bei tiefen, schnarchenden Inspirationen unter cyanotischen Erscheinungen. Dem Kaninchen Nr. 6 wurde vorher ein tracheotomisches Rohr ein- geführt und der N. vagus linkerseits resecirt. Am sechsten Tage wurde das Thier todt und das tracheotomische Rohr mit Schleim verstopft ge- funden. Dem Kaninchen Nr. 8 wurde der N. vagus unterhalb der Abgangs- stelle des N. recurrens resecirt, so dass dieser letztere unbeschädigt blieb, nach einer solchen Operation gab es keine besonderen Erscheinungen Seitens der Athmung und das Thier lebte acht Tage. Nach der Resection des N. hypoglossus bei dem Kaninchen Nr. 7 an der rechten Seite war die Zunge ganz unbeweglich und folgte dem Willen des Thieres nicht, aus welchem Grunde, obgleich künstliche Nahrung an- gewandt wurde, keine Besserung zu bemerken war und das Thier ver- hungerte. Zu dieser Kategorie gehören noch die Kaninchen Nr. 6° und 10‘, welche an den Hinterextremitäten operirt waren, um Nerven verschiedener Bestimmungen zusammenwachsen zu lassen (s. oben A.) Diesen beiden Kaninchen wurden nach Verlauf von sieben Monaten nach der Operation an den Extremitäten, an der linken Seite des Halses der centrale Abschnitt des N. hypoglossus mit dem peripheren des N. vagus verbunden; auch diese Operation überstanden sie vortrefflich, aber nach acht Monaten, also im dritten Jahre nach der ersten Operation, starb das Kaninchen Nr. 10° am sechsten Tage nach der Resection des rechten N. vagus. Während dieser Zeit waren die Herzschläge in den ersten Tagen ausserordentlich beschleunigt, so dass sie gar nicht zu zählen waren; nachher wurden sie allmählich seltener und zuletzt waren sie kaum fühlbar. Die Section der Kaninchen, welche am zweiten bis dritten Tage nach der primären Operation gestorben waren, zeigte starke Ueberfüllung mit Blut und Wassersucht der Lunge. Veränderungen aber, welche nach den secundären Operationen gefunden wurden, fielen sehr verschiedenartig aus, so z. B.: bei den Kaninchen Nr. 4 und 6 waren die Eingeweide ganz in Ord- nung, nur die Venen bedeutend mit dunkelem Blut gefüllt; bei dem Kaninchen Nr. 3 waren Herz und Lunge ganz normal, aber der (Magen-Darmkanal) durch unverdaute Nahrung und Faecalmassen aus- gedehnt, die Darmwände blass und welk; bei dem Kaninchen wurden alle inneren Organe blass und blutarm gefunden, das Herz welk, mit durchlöcherten Wänden, und die Lunge mit weissen Tuberkeln besät; 3 A. L. Rawa: bei dem Kaninchen Nr. 8 sahen alle Eingeweide ebenso aus, wie bei Nr. 10, ausserdem war die Lunge an Umfang verkleinert, trocken und mit dunkelrothen Flecken besät; bei dem Kaninchen Nr. 7 wurde die Zunge wund und die vereinigten Nerven nicht zusammengewachsen gefunden. Die mikroskopische Untersuchung einiger am meisten gelungenen Fälle führte zu ziemlich interessanten Befunden. Für’s Erste bildete die Verbandstelle der zusammengewachsenen Nerven in allen Fällen ausser Nr. 7 eine Nervennarbe mit neugebildeten Nervenelementen. Die genaue Untersuchung des peripheren Stumpfes des N. vagus und seiner Zweige führte zu sehr verschiedenartigen Resultaten. Ueberhaupt wurden im Stamme des Vago-sympathicus die meisten Nervenfasern degenerirt und aus lauter Neurilemma bestehend gefunden, deren Inhalt durch !/, procen- tige Lösung Osmiumsäure schwarz gefärbt wurde, nebst degenerirten Bün- deln konnte man aber auch solche ganz normaler Nervenfasern vorfinden. Bei der Untersuchung der Zweige des N. vago-sympathicus stellte es sich jedoch heraus, dass bei dem Kaninchen Nr. 3 der ganze linke Magen- Darmzweig degenerirt, bei dem Kaninchen Nr. 4 an der linken Seite der N. recurrens und mehrere Fasern des N. sympathicus ebenfalls degenerirt waren, und endlich eine ebensolche Degeneration der linken Herz- und Leberzweige des N. vagus bei dem Kaninchen Nr. 8 vorgefunden wurde. Solche Degenerationen erstreckten sich entweder auf den ganzen Nerven- zweig, oder die Mehrzahl seiner Fasern. Die jungen Hunde wurden alle einer Vereinigung des centralen Hypo- glossus-Stumpfes mit dem peripheren des N. vagus unterworfen. Zwei von ihnen (s. oben A.) hatten schon eine Operation an den Extremitäten über- standen. Nur einer von den Hunden hielt die primäre Operation am Halse aus, alle anderen starben am zweiten bis dritten Tage an Lungenentzün- dung. Der Ueberbliebene wurde nach fünf Monaten einem physiologischen Experiment unterworfen. Letzteres geschah nach so kurzer Frist aus dem Grunde, weil dem Thier aus Unvorsichtigkeit ein Hieb zugefügt wurde. Die Schafe zeigten sich auch sehr empfindlich. Von sieben operirten Schafen lebten drei nur bis zum vierten bis sechsten Tage; einem Schaf- bock wurde sogar ein Trachealrohr eingeführt, aber auch dieses Mittel be- wahrte ihn nicht vor Lungenentzündung. Die anderen vier ertrugen die Operation ziemlich gut, obgleich in den ersten Tagen die Athmung etwas unregelmässig war und der Puls von 100 Schlägen in der Minute, welche bei Schafen normal sind, bis 150 stieg, indessen kam mit der Zeit Alles gewöhnlich wieder zur Norm. Diese Ueberbliebenen wurden auf folgende Weise operirt: dem Schafe Nr. 1 wurde am Halse linkerseits, den Böcken ZUSAMMENWACHSEN VERSCHIEDENARTIGER NERVEN. Billa Nr. 4 und 5 rechterseits der centrale Stumpf des N. hypoglossus mit dem peripheren des N. vagus, — und dem Bocke Nr. 8 linkerseits der centrale Stumpf N. vagi mit dem peripheren N. hypoglossi verbunden. Nach 18 Monaten wurde dem Bocke Nr. 4 linkerseits aus dem Vagus ein Stück von 1!/, °® reseeirt, worauf das Thier in den ersten Tagen ein wenig träge, der Puls etwas beschleunigt und bei dem Athmen ein Schnar- chen hörbar war; in den folgenden zehn Tagen liessen sich keine krank- haften Erscheinungen bemerken und nur am zwölften Tage hörte das Thier auf zu fressen und stöhnte sehr, so dass ich aus Befürchtung, es zu verlieren (am vierzehnten Tage nach der secundären Operation), genöthigt war, an ihm ein physiologisches Experiment zu machen. Der Bock Nr. 5 verhielt sich nach der secundären Operation, welche siebzehn Monate später (nach der primären) erfolgte, ebenso wie Nr. 4; jedoch wegen heftiger Anschwellung des Magens war man genöthigt, Mas- sage anzuwenden, welche der Weiterbeförderung der Speise in den Ge- därmen behülflich zu sein schien, am 22. Tage wurde das Thier aber doch todt- gefunden. Dem Bocke Nr. 3 wurde nach 30 Monaten der N. hypoglossus an der rechten Seite resecirt. Nach dieser zweiten Operation blieb die Zunge ganz unbeweglich und schien etwas nach der linken Seite gekrümmt zu sein; sobald das Thier die Speise in’s Maul genommen hatte, liess es die- selbe gleich wieder fallen, weshalb man es in den beiden ersten Tagen künstlich mit Milch tränken musste; seit der Zeit handhabt das Thier die Zunge bis jetzt zwar etwas langsam, aber ganz normal, und die Krümmung nach der linken Seite ist kaum bemerkbar. Beim Seeiren des Bockes Nr. 5 zeigte es sich, dass der Magen und die Gedärme durch Gase und Faecalmassen enorm ausgedehnt waren; ihre Wände erschienen verdünnt, blass und ganz anaemisch; die übrigen Organe waren auch blutarm, das Herz welk und löcherig; die Lungen wurden ganz normal gefunden. Das Mikroskop entdeckte im Stamme des rechten N. vagi viel degenerirte Nervenfasern nebst normalen, aber sein Magen-Darm- zweig und theilweise die Herzzweige waren weit dünner und bestanden aus lauter fibrösen Fasern, welche aus zusammengefallenen Nervenröhren ge- bildet zu sein schienen. In der Narbenstelle wurden alle Anzeichen dazu gefunden, dass die Nerven zusammengewachsen waren. Ziegen wurden, auf gleiche Weise, wie die Schafe operirt, nur eine kam am neunten Tage nach der primären Operation um; die übrigen er- trugen sie merkwürdig gut. Nach der Durchschneidung des N. vagi dauer- ten schnarchende Athmung und beschleunigte Herzthätigkeit nur einige Minuten, — in der übrigen Zeit liessen sich keine Unregelmässigkeiten be- merken. 314 A. L. Rıwa: Bei den Ziegenböcken Nr. 1 und 2 wurde dem ersten an der linken, dem zweiten an der rechten Seite der centrale Stumpf N. hypoglossi mit dem peripherischen N. vagi verbunden. Bei den Böckehen Nr. 3 und 5 wurde dem einen rechterseits, dem anderen linkerseits der centrale Stumpf des N. vagus mit dem peripherischen des N. hypoglossus vereinist. Nach Verlauf von siebzehn Monaten wurden die Böckchen Nr. 1 und 2 der Resection des N. vagi an der anderen Seite des Halses unterworfen. Nr. 1 erlag am anderen Tage unter Erscheinungen der Lungenwassersucht, und bei der Section wurden die Nerven der linken Seite nicht zusammen- gewachsen gefunden. Der Bock Nr. 2 lebte nach dieser Operation noch 20 Tage, während er Unregelmässigkeiten seitens der Herzschläge äusserte, stieg die Zahl der Schläge von 100 (welche gewöhnlich normal sind) bis 170 in der Minute, die Athmung war ebenfalls beschleunigt. So dauerte es acht Tage und nachher kam Alles allmählich wieder zur Norm. Aber vom vierzehnten Tage an wurde das Thier merkbar traurig, frass ungern, die Herzschläge wurden seltener und schwächer, die Athmung schwer mit langen Pausen, die Kräfte sanken sichtbar und in den letzten Tagen stand es nicht mehr auf. Die Section dieses Böckchens ergab ein Bild der voll- kommenen Anaemie aller Organe; das Herz war durchlöchert; die Lungen trocken und im Umfang vermindert; besonders die rechte, in welcher spitze Tuberkeln waren, auf der Oberfläche der linken Lunge liessen sich einige rothe Flecken (Extravasate) bemerken. Die Untersuchung des N. vagi zeigte, dass sein rechter Herzzweig das Aussehen eines dünnen glanzlosen Fadens hatte, welcher aus einem Bündel in fettigen Zerfall begriffenen Nervenröhren bestand. Die übrigen Zweige, wie auch der Stamm des Vago-sympathici enthielten zwar einige degenerirte Nervenbündel, doch liessen sich darunter ebenso viele normale finden. Den Böckchen Nr. 3 und 5 wurden im dritten Jahre nach der ersten Operation Stücke von 2” aus dem N. hypogl. an der anderen Seite des Halses resecirt. Nach dieser Operation konnte Nr. 3 die ersten Tage nicht kauen, er griff zwar gierig nach den Speisen, hörte aber gleich zu kauen auf und behielt das Fressen unbeweglich im Maul; hierbei war aber weder während, noch nach der Operation ein Verziehen der Zunge zu bemerken. Nach einem zwei Tage langen künstlichen Füttern fing das Böckchen an, zu kauen, anfänglich langsam und mit Absätzen, nachher immer besser und besser, und schon in den letzten Tagen konnte man weder im den Be- wegungen der Zunge, noch im Kauen der Speise irgend welche Unregel- mässigkeiten bemerken; aber zuletzt fing er an, merklich abzumagern und wurde deshalb (nach Verlauf von zwei Monaten seit der letzten Operation) einem pbysiologischen Experiment unterworfen. Eine gleiche Operation bei ZUSAMMENWACHSEN VERSCHIEDENARTIGER NERVEN. 315 dem Böckchen Nr. 5 gab ziemlich zweifelhafte Resultate: die linke Seite der Zunge war wund, ihre Bewegungen unregelmässig, wobei dieselbe, manchmal aus dem Maule hängend, sich nach der linken Seite verzog, die Speise wurde mit Mühe zerkaut und es war nur wenig Besserung zu be- obachten. Schweine ertrugen die primären Operationen ebenfalls gut. Nur eins ging am zehnten Tage zu Grunde und seine Lungen wurden 'wassersüchtig, die Bronchien mit blutiger Flüssigkeit gefüllt und der Magen stark durch Speise ausgedehnt gefunden. Von den überbliebenen Schweinen Nr. 1 und 3 wurde dem einen rechterseits, dem andern linkerseits der centrale Stumpf N. hypogl. mit den peripherischen N. vagi, und dem Schweine Nr. 4 der centrale N. vagi mit den peripherischen N. hypogl. verbunden. Nach zehn Monaten ergab sich Folgendes: bei dem Schweine Nr. 2 waren die operirten Nerven nicht zusammengewachsen; bei dem Schweine Nr. 3 entstanden nach Durchschneidung des N. vagi stürmische Anfälle seitens der Athmung und des Herzens, deshalb wurde an ihm ein physiologisches Experiment angestellt und der Nervenknoten ausgeschnitten in der Ab- sicht, ihn unter dem Mikroskop zu untersuchen. Das Schwein Nr. 4 wurde keiner zweiten Operation unterworfen, sondern es wurde der Nerven- callus genommen. Physiologisehe Experimente. Einige der operirten Thiere wurden dem Versuche in der Absicht unterworfen, um die physiologische Beziehung der verwachsenen Nerven zu denjenigen peripheren Organen zu bestimmen, mit welchen sie verbun- den sind. Hierzu konnten selbstverständlich Beobachtungen und Analysen derjenigen Erscheinungen dienen, welche bei Reizung der zusammengewach- senen Nerven verschiedenen Functionen eintreten; um deshalb die Erschei- nungen, welche bei Reizung des zusammengewachsenen centralen Hypoglossus mit dem peripheren stumpfe N. vagi! auftreten, direct zu beobachten, ist es am zweckmässigsten, diejenigen peripheren Organe zu verfolgen, deren Function der N. vagus besorgt. Ebenso werden als Resultat der Reizung des Vago-hypoglossus die motorischen Erscheinungen seitens der Zunge auftreten. Für’s Erste muss bemerkt werden, dass die Experimente an Thieren ‘ Zur Abkürzung wollen wir den Nervenstamm, welcher aus Verwachsung des centralen N. hypoglossus mit dem peripheren N. vagi gebildet ist, mit einem Worte „Hypoglossus-Vagus“ und die umgekehrte Verwachsung „Vago-Hypoglossus“ nennen. 316 A. L. RawA: unter so complicirten und combinirten Bedingungen sehr selten vollkommen gelingen; die erhaltenen Resultate sind öfters sehr unklar und verwickelt, weshalb hier nur die reinsten Fälle angeführt sind. Der junge Hund Nr. 1 wurde curarisirt, an der linken Seite des Halses wurde der N. hypoglosso-vagus entblösst, an der rechten Seite der N. vagus durchschnitten; in die rechte A. femoralis wurde eine Canüle eingeführt und mit dem Manometer des kymographischen Apparates ver- bunden; es bildeten sich Curven unter folgenden Zeichen (Abbildung 1): Normale Cure . . . a Reizung durch starken San is gerusaln Stumptes des rech- ten N. vagi ; b Nach Durchschneidung is halben N. hraesisn vagus Sibyle Reizung des N. hypoglosso-vagus oberhalb der Narbe . d Ohne Reizung Surf Reizung des N. elle eng unterhalb, de Na g Gerinnsel. Der Bock Nr. 4 wurde chloroformirt; an der rechten Seite des Halses wurde der N. hypoglosso-vagus entblösst; an der linken Seite war es wegen der gebildeten Narbe schwer, die Enden des resecirten N. vagi herauszu- finden und deshalb wurden sie nicht gereizt. Die Canüle in die A. carotis eingestellt und mit dem Kymographion verbunden. Es kamen folgende Curven zu Stande (Abbildung 2): Normale Curve . . El BRENNER De Nach Durchschneidung dies een N. hypoglosso-vagus 5, 5’ Reizung des N. hypoglosso-vagus oberhalb der Narbe . 57, 5” Gerinnsel. Nach dem Experimente wurde das Thier secirt, wobei nichts Beson- deres gefunden wurde, ausser einigen hepatisirten Inseln in der rechten Lunge, und war auch an derselben Seite die Zunge rissig. Die Katze Nr. 8 wurde curarisirt; an der rechten Seite des N. hypo- glosso-vagus entblösst, an der linken der N. vagus durchschnitten und die Canüle in die linke A. femoralis eingeführt. Es entstanden folgende Cur- ven (Abbildung 3): / Normale Curve . . . a 7) Reizung des centralen Alois des Ehalken N. var 0,20% Reizung des rechten N. hypoglosso-vagus unterhalb der Narbe (dureh>starken) Strom) re br ZUSAMMENWACHSEN VERSCHIEDENARTIGER NERVEN. 317 Reizung des rechten, N. hypoglosso-vagus oberhalb der Narbe (durch schwachen Strom). . . DER Secundäre Reizung des linken centralen Aohselitantkos des Newası. .°, e,c Secundäre Reizung des een N. einallakenener breihalk dla. Nena sH abs aa Er ER 7,2 Das Schwein Nr. 3 äusserte nach Durchschneidung (s. 0.) des N. vagi an der rechten Seite drohende Anfälle seitens der Athmung und des Her- zens, dessen Schläge sich bis auf 180 in der Minute beschleunigten; um deshalb die Gelegenheit nicht zu verlieren, war ich genöthigt, das Experi- ment gleich auszuführen, Die Nerven der rechten Seite wurden entblösst und der N. hypoglosso-vagus oberhalb der Narbe durchschnitten. Die Durchschneidung änderte die Zahl der Herzschläge nicht, welche wie zuvor 180 in der Minute blieb; als ich aber die Elektroden unter den peripheren Abschnitt des N. hypoglosso -vagus führte, wurden die Herzschläge bei starkem Strome (schwacher gab keinen Effect) seltener und fielen bis 50 in der Minute. Nachher wurde das Thier getödtet und der Nervenknoten ausgeschnitten, um ihn näher zu untersuchen. Die Katze Nr. 16 wurde chloroformirt, ihr N. hypoglosso-vagus an der rechten Seite des Halses entblösst; die Elektroden wurden oberhalb und unterhalb angebracht. Die unterhalb der Narbe angebrachte Reizung durch Inductionsstrom rief eine anhaltende und -energische Contraction der Zunge, eine Art Tetanus hervor; und Reizung des dem N. vagus angehörenden Nervenstückes hatte eine sehr schnelle und vorübergehende Contraction der Zunge zur Folge. Solche Contractionen der Zunge stellten sich auch dann ein, wenn der N. hypoglosso-vagus nach der Abtrennung vom Centrum tetanisirt wurde. Eine solche Durchschneidung der zusammengewachsenen Nerven führte jedoch zu vollkommener Lähmung der Zunge, welche auch, nachdem die Wunde vernäht und das Thier zu sich gebracht war, aus dem Maule heraushing oder in den Schlund zurückfiel, ohne irgend welche active Bewegungen zu äussern. Das Böckchen Nr. 3 wurde einem gleichen physiologischen Versuch unterworfen, wobei die Erscheinungen noch charakteristischer auftraten; ob- gleich die Narbe einen grossen Knoten bildete, ergab die Reizung central- wärts und peripher von demselben ganz identische Effecte bei einer und derselben Kraft des Induetionsstromes. Nach Beendigung des Experimentes und nach Durchschneidung des N. vago-hypoglossus wurde die Wunde ver- näht und das Thier am Leben gelassen; seitdem folgte die Zunge seinem Willen nicht mehr und stellte ein ganz gelähmtes Glied dar. Künstliche Nährung binnen 8 Tagen führte zu keiner Besserung und das Thier wurde 318 A. L. Rawa: der Autopsie unterworfen, wobei es sich zeigte, dass alle inneren Organe höchst erschöpft und anaemisch waren. Die Zunge war an der Seite des resecirten N. hypoglossus (linke Seite, s. 0.) wund und zackig. Dem Kaninchen Nr. 6 wurde Tinetura Opii in die V. jugularis externa injieirt und an der linken Seite der N. hypoglosso-vagus entblösst; an der rechten wurde der N. vagus durchschnitten, wobei Reizung seines centralen Stumpfes keinen Einfluss auf das Herz hatte; im Gegentheil, Reizung des linken N. hypoglosso-vagi hatte statt Verminderung Beschleunigung der Herzschläge und eine merkbare Steigerung des Seitenblutdruckes ‚zur Folge. — Dieses Experiment ist noch in der Hinsicht interessant, als nach Durch- schneidung des rechten N. vagi keine besonderen Erscheinungen Seitens der Athmung — kein schnarchendes Geräusch von dem Zuklappen der gelähmten Stimmbänder zu bemerken waren. Die mikroskopische Unter- suchung der Nervennaht ergab darin Narbenbindegewebe mit einer ge- ringen Anzahl unbeschädigter Remak’scher Fasern; auch waren Hyalin- fasern anzutrefien, welche übrigens vollkommen normal waren. Dasselbe stellte auch der Stamm des operirten N. vagi dar; bemerkenswerth ist aber, dass der N. recurrens dieser Seite (linke) das Bild eines fast nor- malen Nerven darbot; sein Ast enthielt nur wenige degenerirte Nerven- fasern. Die Analyse der Erscheinungen, welche bei dem Experimente am jungen Hunde Nr. 1 beobachtet wurden, deutet darauf hin, dass Reizung des N. hypoglosso-vagi oberhalb und unterhalb der Narbe Aenderung des Rhythmus der Herzcontractionen herbeiführt, welche immer seltener wer- den und sogar ganz aufhören, obgleich dieses Aufhören nicht von langer Dauer ist. Bezüglich dieser Erscheinungen muss man mit der Meinung des Prof. Tomsa übereinstimmen, welcher die Voraussetzung macht, dass in dem gegebenen Falle die Zusammenwachsung der Nerven, wegen der kurzen Frist, noch nicht vollkommen zu Stande kommen und die Fasern des Stammes des N. vagus sich noch nicht regeneriren konnten; aus wel- chem Grunde sie von der Reizung leicht ermüden und den Durchgang der Erregung durch die Narbe erschweren. Eine solche Voraussetzung fand nicht nur in dem mikroskopischen Befund der zusammengewachsenen Nerven der untersuchten Fälle ihre Bestätigung, sondern auch in der Arbeit des Dr. Rogowitsch: über den „Einfluss der Nervenzerrung auf seine Leitungs- und Erregungsfähigkeit“, welche im physiologischen Laboratorium der St. Woldemars-Universität ausgeführt wurde. ! ! Universitätsblatt. Kiew, Januar 1834. m ee ZUSAMMENWACHSEN VERSCHIEDENARTIGER NERVEN. 319 In den Versuchen des Dr. Rogowitsch kam nämlich immer eine und dieselbe Erscheinung zu Tage, die nämlich, dass nach der Zerrung die Leitungsfähigkeit des Nerven für Erregungen schnell stieg und fiel, indem sie in directer Beziehung zu der Menge der regenerirten Nervenfasern stand. In diesen unseren Versuchen rief Reizung des centralen Stumpfes des rechten N. vagus, sogar mit starkem Strom, keine Reflexerscheinungen auf den linken Hypoglosso-vagus hervor. Die bei den Experimenten am Bocke Nr. 4 erhaltenen Erscheinungen deuten auf einen ziemlich soliden Zusammenhang, welcher, wie dies aus den erhaltenen Curven zu ersehen ist, zwischen dem centralen Stumpf des N. hypoglossi und dem peripheren des N. vagi entstanden ist. Die Durch- schneidung des N. hypoglosso-vagi führte zu beschleunigten Herzschlägen und Reizung seines peripheren Stumpfes, d.h. des N. hypoglossi hielt die Pulsation an. Aus der Analyse der Curve, welche man von der Katze Nr. 8 erhielt, ist leicht zu ersehen, dass Reizung des rechten peripheren Stumpfes des N. hypoglosso-vagi unterhalb der Narbe (Vagus) Herzstillstand nebst be- deutender Erhöhung des Seitendruckes hervorruft. Diese letztere Erschei- nung findet wahrscheinlich durch Reflex auf das vasomotorische Centrum statt. Einen ebenso hemmenden Einfluss auf das Herz hat auch Reizung des zusammengewachsenen Nerven oberhalb der Narbe (Hypoglossus). Das Interessante dieses Versuches besteht noch darin, dass die Reizung des centralen Stumpfes des N. vagi an der linken Seite, gerade wie bei un- beschädistem N. vagus der rechten Seite, einen sich durch Stillstand äussern- den Reflex auf das Herz zur Folge hat. Die Resultate, welche bei dem Experiment an dem Schweine Nr. 3 erhalten wurden, sind in mancher Hinsicht denjenigen ähnlich, die beim Bocke Nr. 4 erreicht wurden. Die negativen Erscheinungen, bei dem Kaninchen Nr. 6, sind nicht minder belehrend. Aus denselben ist zu ersehen, dass nicht alle Fasern des Stammes des linken N. vagi degenerirt waren und dass sogar einer von seinen Zweigen, der N. recurrens, vollkommen erhalten blieb, aus wel- chem Grunde auch die Erstickungsanfälle nach Durchschneidung des rechten N. vagi fehlten. Die Analyse der Anfälle, welche bei der Katze Nr. 16 und dem Schaf- boeke Nr. 2 auf Reizung des N. vago-hypoglossi auftraten, lässt positive Folgerungen zu, in Bezug auf die Leitungsfähigkeit der Erregung, den ver- einisten Nerven entlang, von dem centralen Stumpf (Vagus) nach der Peri- pherie hin. Nächst den experimentellen Untersuchungen muss auch die functio- 320 A. L. Rıwa: nelle Zerrüttung erwogen werden, welche die Thiere nach den an ihnen vollführten Operationen erlitten haben. Zuerst treten die individuellen Eigenschaften in jedem einzelnen Falle auf. Ungleichmässige Vertheilung der Functionen unter identischen Nerven ist nicht nur bei Thieren verschiedener Gattungen oder verschiedenen Alters zu bemerken, sondern Individua derselben Familie, desselben Geschlechts und desselben Alters bieten öfters Mannisfaltigkeit in der Leistung des Nervensystems. In dieser Hinsicht giebt der N. vagus auffallende Beispiele, öfters praedominirt seine Function nur an der einen Seite. In meinen Experimenten gab es Fälle, wo bei physiologischer Prüfung des N. vagus der einen Seite derselbe alle ihm eigenthümlichen Erscheinungen darbot, während der andere Vagus desselben Individuums ganz indifferent gegen allerlei Manipulationen blieb. Dies ist der Grund, warum die Versuche über Zusammenwachsen der Nerven verschiedener Functionen mit so vielen Schwierigkeiten verbunden sind und selten vollkommen gelingen. Zu der Operation der einen oder der anderen Seite schreitend, können wir noch nicht im Voraus wissen, mit welchen Sonderheiten des gegebenen Falles wir es zu thun haben werden. Solche Unbequemlichkeiten sind besonders während secundärer Operationen fühlbar, indem die Thiere entweder gleich darauf sterben oder auf längere oder kürzere Zeit am Leben bleiben. Folg- lich ist das Ergebniss in jedem einzelnen Falle unbestimmt und der Experi- mentator muss eine Menge Beobachtungen und eine gehörige Dosis von Geduld besitzen, um bestimmte Resultate zu gewinnen. Aus den vorhandenen Protocollen ist zu ersehen, dass ein rascher Tod bei secundären Operationen meistens durch Lähmung des N. recurrens, welcher in dem gegebenen Falle vorherrschte (s. Katze Nr. 4, Kaninchen Nr. 4), eintrat, und deshalb hatte die Lähmung dieses Nervens wahrschein- lich Erstickung, wegen Versperrung der Stimmritze durch die geschwächten Stimmbänder, zur Folge. Diese Muthmaassung wurde durch Control-Experi- mente mit einem Tracheotomrohr (Kaninchen Nr. 6), nach dessen Einfüh- rung das Thier am Leben blieb, bestätigt; ausserdem wurde bei dem Kaninchen Nr. 4 der N. recurrens der primär operirten Seite degenerirt gefunden. Wenn ein Thier mit zusammengewachsenen N. hypoglosso-vagus nach Resection des N. vagi der anderen Seite nicht gleich darauf, sondern einige Zeit später starb, so hing dies hauptsächlich von den pathologischen Veränderungen ab, welche in den inneren Organen stattgefunden hatten. Meistentheils wurde Anaemie und Entkräftung beobachtet, zu welchem sich noch Lungentuberkel oder Fettdegeneration der Herzmuskeln oder beides zugleich (öfters bei Katzen) hinzugesellten. Lähmung des Darmtractus äusserte sich hauptsächlich in vollkommener ZUUSAMMENWACHSEN VERSCHIEDENARTIGER NERVEN. 321 Atonie seiner Wände, weshalb die Retention der Speisen und der Fäcal- massen die Verdauung unmöglich machte. Alle diese Fälle waren, wie sich dies nun herausstellt, in engem Zu- sammenhang mit der Degeneration derjenigen Fasern des N. vagus, welche das Darmrohr versehen. Bei Anaemie, Entkräftung und Fettdegeneration des Herzens wurden die Herz- und Lungenzweige degenerirt gefunden, dem- entsprechend sich auch die Erscheinungen während des Lebens — anfäng- lieh in bedeutender Verstärkung der Herzthätigkeit, nachher in Lähmung derselben (Kaninchen Nr. 10, Böckchen Nr. 2) aussprachen. Manchmal verliefen solche Anfälle am Herzen sehr stürmisch und dann ging das Thier sehr bald an Lungenentzündung und Wassersucht zu Grunde. Ohne Zweifel waren alle diese Symptome und deren Ausgang durch die Lähmung der hemmenden Fasern des Herzens oder der Vasomotoren der Lunge hervorgerufen und je nach der Zahl der durch den Erkrankungs- process ergriffenen Fasern hatten die Erscheinungen einen acuten oder chronischen Verlauf. Darmkrankheiten scheinen die Thiere länger zu er- tragen (Kaninchen Nr. 3, Bock Nr. 5), wahrscheinlich aus dem Grunde, dass zur Weiterbeförderung der Speise auch die Bauchpresse behülflich ist. Als Bestätigung dieses kann der Bock Nr. 5 dienen, auf den die Massage einen zweckmässigen Einfluss hatte. Wenn aber bei solchen Thieren ausser- dem noch erschwerte Schluckbewegungen bemerkbar waren, so erfolgte der Tod bald, da das Thier (während des fieberhaften Zustandes) auch keine Flüssigkeit zu sich nahm. Nahrhafte Klystiere hatten in diesen Fällen auch keinen Erfolg. Obgleich dıe Zahl der gelungenen Experimente über Zusammenwachsen des centralen Stumpfes des N. vagus mit dem peripheren des N. hypo- glossus vergleichsweise nicht gross ist, so sind doch die in dieser Arbeit angeführten ihrem Erfolge nach überzeugend genug. Lähmung der Zunge, eines für die Verdauung so wichtigen Organes, äusserte sich sofort durch deren mangelhafte Thätigkeit und in Fällen, wo die primäre Operation nicht gelungen war, führte die Resection des N. hypoglossus der anderen Seite unvermeidlich zum Hungertode des Thieres (Katze Nr. 12, Kaninchen Nr. 7, Bock Nr. 5). Bei günstigem Ausgang der secundären Operation wird nur eine unbedeutende Verziehung der Zunge nach der Seite der verwachsenen Nerven bemerkt (Katze Nr. 16, Schafbock Nr. 3 und Ziegen- bock Nr. 5) und die Bewegungen derselben sind etwas langsam, aber bei dem Ziegenbocke Nr. 3 liess sich weder das eine, noch das andere be- merken. Man kann voraussetzen, dass die Intensität der letzteren Erscheinung von dem Grade des in den verwachsenen Nerven wieder hergestellten Tonus Archiv f, A. u. Ph. 1835. Physiol. Abthlg. 21 322 A. L. Rawa: i abhängt, der seinerseits durch die grössere oder kleinere Zahl der Nerven- fasern, welche am Zusammenwachsen theilgenommen, bedingt wird. Das- selbe gilt auch in Bezug auf diejenigen Erkrankungssymptome, welche dem Thiere durch die secundäre Operation — Resection des N. vagus bei zu- sammengewachsenem centralem N. hypoglossus mit dem peripheren N. vagus — zugefügt werden. Hier deuten die pathologo-anatomischen Data wieder auf ein Leiden hauptsächlich derjenigen Organe, deren Nervenfasern, die dem Stamme des N. vagus angehören, ganz oder zum grössten Theil degenerirt sind. Aus solchen Ergebnissen ist die directe Folge zu ziehen, dass in allen oben angeführten Fällen der Nervenoperation kein einziges Mal vollkom- menes Zusammenwachsen aller Fasern der zwei entgegengesetzten Stümpfe stattgefunden habe. Besonders treten solche ungünstige Resultate von unvollkommenem Zusammenwachsen des centralen Stumpfes des N. hypo- glossus mit dem peripheren des N. vagus hervor, denn dieser letztere Stumpf enthält Nervenfasern, welche nicht nur in functioneller Hinsicht sehr verschiedenen, sondern auch für die Lebensverrichtungen des Thieres sehr wichtigen Organen angehören; deswegen äussert sich jeder Mangel, die Degeneration des scheinbar unbedeutendsten Nervenbündels, durch wich- tige Functionsstörung. Nun ist es im höchsten Grade schwer, zu erreichen, dass alle Bedingungen sich vollkommen günstig für das Zusammenwachsen aller Fasern des einen Stumpfes mit denen des anderen gestalten und dass nicht vielmehr ein, wenn auch unbedeutender Theil von Fasern zu Grunde gehe. Deshalb ist es wegen der Unzweideutigkeit der Resultate, wie auch wegen der Mehrzahl der günstigen Erfolge bequemer, den peripheren Stumpf des N. hypogl. mit dem centralen des N. vagus zusammenwachsen zu lassen. In der That hat auch der periphere Stumpf des N. hypogl. nur ein einziges Organ, den Muskelapparat der Zunge zu beherrschen und des- halb ertragen die Thiere bei günstigem Zusammenwachsen (Centr. N. vagus mit dem peripheren N. hypoglossus) die secundäre Operation verhältniss- mässig leicht und einige von ihnen leben bei mir bis heute noch (den dritten Monat Schafbock Nr. 3, Ziegenbock Nr. 5). Im Zusammenhang mit der Functionsstörung der Nerven scheint auch ihr trophischer Einfluss zu stehen. Die Zunge wird an der Seite des resecirten N. hypogl. schrundig, rissig, unterliegt einer Ulceration und wird nekrotisch, aber die entgegen- gesetzte Seite, welche dem zusammengewachsenen centralen N. vagus und peripheren N. hypoglossus entspricht, bleibt ganz normal, wie dies bei den Ziegenböcken Nr. 3 und 5 zu sehen ist. Gleichzeitig stellt es sich heraus, dass die zusammengewachsenen Nerven der einen Seite nicht vicariren und die Mängel der anderen Seite ersetzen können, so dass die Thiere mit zu- sammengewachsenem N. vago-hypoglossus der einen Seite und resecirtem ZUSAMMENWACHSEN VERSCHIEDENARTIGER NERVEN. 828 N. hypoglossus der anderen zuletzt doch an Entkräftung wegen einseitiger Lähmung der Zunge sterben. Nur tritt der Tod in diesen Fällen nach Verlauf von einigen Monaten ein. Alle oben mitgetheilten Thatsachen resumirend, ist: man im Stande, ohne Mühe die Schlussfolgerungen zu ziehen, welche man folgendermaassen formuliren kann: bei gelungenem Zusammenwachsen der Nerven verschie- dener Functionen behalten deren periphere Organe alle ihre Verrichtungen, wie zuvor. Nun wirft sich selbstverständlich die Frage auf, wie man diese Er- gebnisse erklären soll? Zuerst kommt man natürlich auf den Gedanken, -ob in diesen Fällen nicht eine Einmischung anderer Nerven vorhanden ist, welche entsprechend vicariren und bei einiger Uebung in der Erregungs- leitung die Erscheinungen trüben. Eine Antwort auf dergleichen Fragen muss man selbstverständlich für jeden gegebenen Fall in den anatomischen und physiologischen Daten suchen. So z.B. wenn das Zusammenwachsen des centralen Stumpfes des N. hypoglossus mit dem peripheren des N. vagus eben solche Innervationserscheinungen giebt, wie Reizung des ganzen Vagus, obgleich der N. vagus der anderen Seite resecirt ist, so muss man suchen, welche Nerven noch ausser dem Vagus dessen Functionen übernehmen können, Dank ihrer anatomischen Ausbreitung. Das anatomische Bild derjenigen Organe, wo sich der N. vagus ver- ‘zweigt, wird noch durch die im Stamme des sympathischen Nerven ver- laufenden und mit demselben Nervennetze und -Verflechtungen bildenden Fasern ergänzt. Aber die bekannte physiologische Bedeutung des sym- pathischen Nerven für die Organe, welche zu gleicher Zeit auch von dem N. vagus innervirt werden, sowohl als die in den oben angeführten Experi- menten hervorgehobenen Erscheinungen, geben nicht die geringste Veran- lassung, einen vicarirenden Einfluss der Nn. sympathiei bei Mangel des N. vagus vorauszusetzen. Gerade im Gegentheil da, wo der N. sympathicus sich selbst überlassen war, liess sich desto schroffer sein von der Thätigkeit des N. vagus sich ganz unterscheidender Einfluss auf das Herz und die Lungen erkennen. Zum Beispiel in den Fällen, wo nicht alle Fasern des N. vagus am Zusammenwachsen Theil genommen hatten, wurde meisten- theils Entkräftung und Anaemie beobachtet. Was die Nerven anbetrifft, welche die Zunge versehen, so können wir die bekannten anatomischen Angaben benutzen, welche ganz bestimmt den N. hypoglossus als einzigen Muskelnerven der Zunge nachgewiesen haben. Der N. lingualis (der Zweig des fünften Paares) anastomosirt zwar in 2 324 A. L. Rawa: manchen Gebieten mit dem N. hypoglossus,! aber nur so weit, als er die Dicke der Zunge passirend, sie sogleich von dem Hypoglossus trennt, um die Richtung nach der Schleimhaut der Zunge einzuschlagen. Solchen Verlauf der Zweige des N. lingualis berücksichtigend, ist es ohne Mühe zu begreifen, warum Vulpian und Philipeaux? Contractionen der Zunge bei Reizung des peripheren Stumpfes des N. lingualis bekamen, während der N. hypoglossus dieser Seite exstirpirt war. Diese Erscheinung kann nach Analogie von du Bois-Reymond’s „paradoxer Zuckung“ leicht als Erregung von einem Nerven aus, welcher sich in elektrotonischem Zu- stande befindet, erklärt werden. Noch weniger kann man an eine Be- einflussung des neunten Paares der Schädelnerven auf die Bewegungs- fähigkeit der Zunge denken. Der N. glossopharyngeus nähert sich nur durch einen seiner Zweige, den R. lingualis, der Zunge und, indem er sich in der Schleimhaut der Zungenwurzel, des weichen Gaumens, der Gaumenbögen und des Kehlkopfs (der vorderen Seite) vertheilt, verzweigt er sich in den Papillae circum- vallatae.” Obgleich dies ein gemischter Nerv ist, wie das einige Anatomen (Arnold, Müller) behaupten, so erreichen doch die an ihn sich anschliessen- den Fasern des Gesichtsnerven (Hyrtl) die Zunge nicht, sondern versehen nur die Muskeln des Kehlkopfes. Ausserdem enthält nach den Unter- suchungen von Remak der R. lingualis N. glossopharyngei in seinen Zweigen Nervenknoten und versieht ausschliesslich nur Schleimhäute. Auf Grund aller dieser anatomischen Angaben wird der R. lingualis von den Physiologen und Anatomen * zu den rein sensiblen Nerven zugezählt. Um sich endlich noch mehr zu überzeugen, dass andere Nerven in die Bewegungssphaere der Zunge nicht eingreifen, welche in den angeführten Experimenten ausschliesslich nur vom Vago-hypoglossus innervirt wird, muss man auf die Versuche mit der Katze Nr. 16 und dem Ziegenbocke Nr. 3 Rücksicht nehmen. In diesen Experimenten äusserte die Zunge nach Durch- schneidung des Vago-Hypoglossus keine activen Bewegungen mehr und ge- horchte dem Willen des Thieres nicht. Auf diese Weise kann man be- haupten, dass in den vorliegenden Experimenten nur der zusammengewach- sene centrale Stumpf des N. vagus mit dem peripheren des N. hypoglossus Urheber der Bewegungen der Zunge war. Ausser solchen Voraussetzungen hinsichtlich der möglichen Leitung der Innervation durch andere Nervenbahnen könnte man noch eine mögliche ! Dies Archiv. 1852. Remak, Hyrtl, Aebi. ZEN a NO. ® Arnold, Müller, Reid, Lange, Valentin und Hyrtl. * C. Vogt, Ueber die Function des N. lingualis. Dies Archiv. 1840. ZUSAMMENWACHSEN VERSCHIEDENARTIGER NERVEN. 325 Wiederherstellung der reseeirten oder der beim Zusammenwachsen nicht betheilieten Nervenstümpfe zugeben. Aber die ausgeführten Autopsien und die genaueren anatomischen makro- und mikroskopischen Untersuchungen schliessen die Möglichkeit der letzteren Voraussetzung vollkommen aus. Alles bis jetzt Gesagte betrifft die factische Seite der Sache und es erübriet mir nur noch die durch meine Versuche erhaltenen Data zu deuten und von meinem Standpunkte aus zu beleuchten. Den hauptsächlichen physiologischen Sinn der erhaltenen Resultate kann man in folgendem Satze ausdrücken: die Wiurzelne bein ERroschere 0 im Ischiadieus Br 2 BE ER 5 Inden \urzelnsbemm®» Kaninchen 2 a rl im Ischiadicus 15 ch EEE NEIN in den Muskelästen des Ischiadicus beim Kaninchen 90-120 ine dene Optieis; beim ursches rer in@den” Olfactorus beim@Rischer 0 2007.2790777 1502920 Bei allen Versuchen wurden die Vorsichtsmaassregeln, auf die schon BE. du Bois-Reymond bei solcher Art Untersuchungen seine Aufmerk- samkeit gelenkt hat, streng im Auge behalten. Es wurde dafür gesorgt, dass zwischen dem Tode des Thieres und der Untersuchung seines Nerven auf Ströme möglichst wenig Zeit verstreichen soll. Bei der Praeparirung der Nerven, namentlich der Rückenmarkswurzeln wurde dafür gesorgt, dass dieselben dabei keine Beschädigung erleiden. Der Nerv wurde mit einem elfenbeinernen Häkchen oder mit einem kleinen mit physiologischer Koch- salzlösung angefeuchteten Pinsel auf die Narbenseite eines Stückes Leder so gelagert, dass er eine Schlinge bildete, und seine beiden Enden parallel aneinander lagen. So konnten mit einem scharfen Rasirmesser beide Quer- schnitte gleichzeitig angebracht werden. Um die Enden nicht zu ver- wechseln, wurde immer am centralen Ende ein Flöckchen rother Seide angelegt. Die genau senkrechte Lage des Messers zur Längsaxe des Nerven ist eine sehr wichtige und nothwendige Bedingung um die besondere elektro- motorische Wirkung schräger Querschnitte zu vermeiden. Dies Verfahren war bei allen Nerven leicht ausführbar mit Ausnahme des Opticus bei Fischen, der im Verhältnisse zu seiner Dicke zu kurz ist um so umgebogen zu werden; hier wurde möglichst schnell ein Querschnitt nach dem anderen angebracht, und zwar in einigen Versuchen zuerst am centralen, in anderen zuerst am peripheren Ende. Es zeigte sich, dass dieser letzte Um- stand, wie auch die verschwindend kleine Zeit, die sonst zwischen dem Anlegen beider Querschnitte verfliesst, keinen Einfluss auf die Beständigkeit der Resultate hat. Bei manchen sehr dünnen Nerven (Rückenmarkswurzeln des Frosches, Olfactorius beim Fische) wurde, um das Ankleben dieser Nerven an die Oberfläche des Leders zu verhindern, dieselbe mit ein wenig physio- logischer Kochsalzlösung befeuchtet. Unmittelbar nach der Anfertigung der Querschnitte wurde der Nerv mit einem feinen Pinsel auf eine dreieckige Glasplatte gebracht und den Thonschilden der auf die Gleichartiekeit geprüften Bäuschen zugerückt. Nach der Anlegung’ der Querschnitte an die Thonschilde wurden die Zu- * ÜBER DEN AXIALEN NERVENSTROM. 387 leitungsgefässe sehr leise etwas auseinandergerückt, wodurch man erreicht, dass nicht etwa Längschnitt den Thon berührt, und gleichwohl die Quer- schnitte in ganzer Ausdehnung den Schilden anliegen. Von der guten Anlesung der Querschnitte an die Thonschilde hängt wesentlich das gute Resultat eines Versuches ab. Die schon in Berührung mit einem Nerven gewesenen Thonschilde wurden beim folgenden Versuche durch frische ersetzt. Jeder Nerv, dessen Axialstrom in einer Richtung der Scale beobachtet war, wurde umgelest, um denselben Strom auch in der entgegengesetzten Richtung der Scale wahrzunehmen, was in allen Fällen gelang. Es ist selhstver- ‚ständlich, dass nur die Beobachtungen an richtie behandelten und gut angelesten Nerven in Betracht kamen. — Die Versuche wurden im Herbst 1884 und im Winter 1885 ausgeführt. Ergebnisse und Schlussfolgerungen. Bevor ich zur Besprechung der gewonnenen Resultate übergehe, scheint es mir zweckmässig, einige derselben in den hier folgenden Tabellen dar- zustellen. Bei der Wichtiekeit der Sache und der Schwierigkeit der Unter- suchung sei es mir gestattet, die unmittelbaren numerischen Beobachtungs- ergebnisse dem Leser zur Bildung eines eigenen Urtheils vorzuführen. Uebrigens können diese Tabellen als Fortsetzung der von Hrn. E. du Bois- Reymond für den Axialstrom der Zitterrochen-Nerven gegebenen gelten. In denselben sind die römische Zahlen die Ordnungszahlen der Versuche. Alles Uebrige spricht für sich selbst: Tabelle 1. Centripetal wirkende Nerven. Elektromotorische Kraft in Raoult «b} a rs . zwischen beiden Quer- 5 zwischen Aequator und a an Sy 82 centralem | peripherem x ä = E mens, | Optersehmii. beobachtet berechnet (+c\,) (+ PA) (D) (4) A. Hintere Wurzeln bei grossen Fröschen. I. | 4 | 0-00893: | 0-00767 : + 0-00095 |+ 0-00126 | — 0-00031 - I. | Y 0-00900 | 0-00821 + 0-00086 |-+F 0-00079 | + 000007 IH. ; Y | 0-01195 | 0-01102 © ++ 0-00104 |+ 0-00093 |-+ 0:00011 IV. | \ | 0-00946 , 0-00818 + 0:00131 |+ 0-00128 + 000003 388 MAURICE MENDELSSOHN: (Fortsetzung der Tabelle 1.) Elektromotorische Kraft in Raoult zwischen beiden Quer- 01128 |+ 0-00230 + 0-00251 |— 0-00021 01020 + 000271 |+ 0-00206 + 0-00065 -01379 -01226 FI zwischen Aequator und schnitten (CD) Al = ori erben | beobachtet | berechnet (+c\)) | (+PA) (D) (A) v.| Y | 0.01192 | 0-00974 \+0-00145 + 0-00218 | 0-00073 v12| xy | 0.00911 | 0-00816 |-+ 0-00116 |-+ 0-00095 | 0-00021 vI.| y | 0.00766 | 0-00642 |+ 0-00127 |+ 0-00124 |+ 0.00003 VII; y 0-00854 | 0-00703 |+0-00152 |+ 0-00151 |+ 0-00001 IX.| y | 0.01332 | 0-01179 \+ 0.00160 |-+ 0-00153 |+ 0-00007 X.| Y | 0-01150 | 0-00978 |+ 0-00172 [+ 0-00172 + 0-00000 XL| y | 0-00962 | 0-00897 |+ 0.00088 |+ 0:00065 |-+ 0-00023 xI.| v | 0-00808 | 0.00709 |+ 0-00092 + 0-00099 | — 0-00007 XI.| Yv | 0-00915 | 0-00763 |+ 0-00106 |+ 0-00152 — 0.00046 XIV. Y | 0.01005 | 0-00954 \+ 0.00095 |+ 0-00051 + 0-00044 XV.) v | 0.01066 | 0-00980 ‚+ 0-00110 |+ 0-00086 |+ 0-00024 xv1| y | 0-01253 | 0-01128 \+0-00183 [+ 0-00125 |+ 0-00058 XVIL!| xy | 0.01283 | 0-01105 |+ 0-00186 |-F 0-00178 |+ 0-00008 XVIm.| y | 0-00740 | 0-00595 + 0-00182 |+ 0-00145 |+ 0-00037 XIX. x | 0.01370 | 0-01219 |+0-.00195 |+ 0-060151 |+ 0-00044 XX.| Y |. 0.01227 | 0-01016 + 0:00199 |-+ 0-00211 |— 0-00012 XXL| Yy | 0.01369 | 0-01159 |+ 0-00213 \+ 0-00210 |+ 0:00003 XXIL| Y | 0.01195 | 0-00925 + 0-00214 ++ 0-00270 |— 0-00056 XXIll.| Y | .0-.01382 | 0.00964 |-+ 0-.00219 |+ 0-.00418 en 0-00199 0 0. 0 0: 0 0: -01092 00934 |-F 0-00155 + 0-00158 |— 000005 B. Hintere Wurzeln beim Kaninchen. 0-00890 | 0-00740 + 000188 ‚+ 000150 |-+ 000038 0.012852 | 0.010854 + 0.00272 + 0°00198 + 000074 000955 000758 + 0-00175 |+ 0:00197 |— 0-00022 | Ib: 0-00715 00618 + 0-00140 ‚+ 0:00097 |+ 000043 - - _ + 4 <- ÜBER DEN AXIALEN NERVENSTROM. 389 (Fortsetzung der Tabelle I.) Elektromotorische Kraft in Raoult ischen beid 1 zwischen Aequator und | ee centralem peripherem Querschnitt | Querschnitt | Peobachtet berechnet Richtung des Axialstromes | (+e)) | FP%) Da | A) Y ' 0-01186 | 0-01082 |+ 0-00158 |+ 0-00104 |+ 0:00054 VI. ) | 0-01140 | 0-00856 |-+ 0:00216 |+ 0:00284 | — 0-00068 VIL| y | 0-01505 | 0-01333 |-+ 0-00164 |+ 0:00172 |— 0-00008 VII.) y | 0-01754 | 0.01483 |+ 0-00278 |+ 0-00271 [+ 0-00007 IX. Y | 0.01701 | 0.015386 |-+ 0:00191 |+ 0-00165 + 0-00026 X. Y . 0-01658 | 0-01364 + 0-00284 !+ 000294 |— 0-00010 XL| y | 0.01416 | 0-01239 + 0-00228 |+ 0-00177 -+ 0-00051 XIL| Y | 0-01392 | 0-01155 |+ 000291 + 0-00237 |+ 0-00054 XIM.| Y | 0-01016 | 0-00827 |-+ 0:00276 |+ 0-00189 + 0:00087 XIV.| y | 0.01269 | 0-.00975 + 000201 |+ 0-00294 | — 0-00093 XV.| y | 0.017208 | 0-01475 |-+ 0-00242 + 0.002338 |+ 0-00009 Mittel | 0-01305 | 0:01101 |+ 0.00220 \+ 0-00204 |+ 0-00016 C. Optieus beim Hecht (Esox Lucius). I.) y | 001608 | 0-01266 |-+ 0-00418 |+ 0-00342 |-+ 0:00076 IL. Y | 001276 | 0-00889 + 0-00326 ++ 0:00387 — 0-00061 II. y | 0-01399 | 0-00973 |+ 0-00546 |-+ 0:00426 |-+ 0-00120 IV. Y | 000976 | 0-00565 |+ 0:00461 |-+ 0-00411 |+ 0-00050 V.| y | 001222 | 0-00753 + 0:00477 |+ 0-00469 |-+ 0:00008 v1.| xy | 0-.01845 | 0.01221 |+ 0-00512 |+ 0-00624 |— 0-00112 VI. y | 0:01052 | 0.00562 + 0-00490 |+ 0-00490 + 000000 VIH.| Y | 0-01666 , 0-01152 |+0-00532 |-- 0-00514 + 000018 IX. Y | 0-00882 | 0-00884 |+ 0:00485 |+ 0-00498 — 0-00013 x.| Y 0.01135 | 0-00863 |-+ 0-00289 |+ 0-00272 |-+ 000017 Mittel | 0:01306 | 0-00863 [a 0°00453 |+ 0°00443 |+ 0°00010 D. Opticus beim Karpfen (Cyprinus carpio) | Y | 0-.01475 | 0-01210 |-+ 000342 ++ 0:00265 ++ 0:00077 'Yy \..0°01667 | 0-01405 |+ 000281 + 0:00262 |+ 0.00019 | Y | 0-00828 | 0-00577 |+ 0-00377 + 0-00251 |+ 0:00126 390 MAURICE MENDELSSOHN: (Fortsetzung der Tabelle 1.) Elektromotorische Kraft in Raoult = - zwischen Aequator und en 2 | u E £ on an De beobachtet berechnet (+e)) | + PA) (D) (4) IV.| y | .0-01241 | 0-00746 |+ 000486 -+ 0:00495 |— 000009 v.| Y . 0-00920 , 000639 + 0-00392 |+ 0-00281 + 0-00111 VL| y.| 0-01680 | 0-01180 [+ 0:00500 + 000500 + 0-00000 VIL|y 0:01518.) 0-01191 |-+ 0-00385 |-+ 0-00327 |+ 0-00058 VIM.| y | 0:01499.| 0-01184 |+ 0-00284 |+ 0-00315 |+ 000031 IX.) y | 0.01612 | 0-01252 + 0:00366 \-F 000360 |-+ 0-00006 X y | 0:01045 | 0:00570 + 0-00411 + 0-00475 | — 0-00064 Mittel | 001348 0-00995 + 0-00382 \-+ 0-00353 \-+ 0-00029 E. Olfactorius beim Hecht. L x | 0:00916 | 0-00526 |+ 0-00485 |+ 0-00390 |+ 0-00095 I. Yy | 0-01103 | 0-00885 |+ 0-00400 \-- 0-00218 + 0-00182 I. xy | 0-01074 | 0-00534 |+ 000427 |-+ 0-00540 |— 0:00113 IV. Yv , 0-01021 | 0-00612 + 0:00384 |+ 000409 |— 000025 V. y 0:01426 | 0-01014. + 0:00616 ‚+ 0:00412 ‚+ 0:00204 VI.) y | 0-00891 | 0-00715 |+ 000204 |+ 0:00176 -+ 000028 Mittel | 001071 | 0-00714 | +0-0418 | + 00357 |+ 0:00061 F. Olfactorius beim Karpfen. 1.| 4 | 0-01317 | 0-01004 |+ 0:00405 ++ 0:00313 + 000092 IL.| Y | 0-01209 | 0-00816 - + 0:00391 |+ 0:00393 |— 000002 I. y | 0.01055 ' 0-00760 + 0:00249 |+ 0:00295 |— 0:00046 IV.| 4 | 0-01486 , 0-01047 + 0-00503 + 0-00439 "+ 0-00064 V.| y | 001124 | 0:00735 |+ 000496 |+ 0:00389 |+ 0-00107 VL| Yy 0.00965 | 0:00619 + 0:00419 |-+ 0:00346 |+ 0:00073 VI.) Y.| 0-01061 | 0:00686 + 0:00376 |+ 0-00375 + 000001 VIIL. y.| 0-01518. 0-00988 + 0-00421 |+ 0:00530 — 0:00109 Mittel | 001216 | 0-00831 + 0:00407 + 0:00385 + 0-00022 ÜBER DEN AXIALEN NERVENSTROM. 391 Tabelle ID. Centrifugal wirkende Nerven. “ Elektromotorische Kraft in Raoult 5 8 zwischen Aequator und 2 a ec Mr 8 =, peripherem centralem = = = Querschnitt | Querschnitt beobachtet berechnet Ge) | Ge)| © (W A. Vordere Wurzeln bei grossen Fröschen. 1l N 0.007238 | 0-.00604 + 0.00091 |+ 0-00124 | — 0:00033 M.| # | 0.00617 | 0.00526 |-F 0-00087 |-+ 0-00091 '— 0.00004 Ir.| 4 | 0-00648 | 0-.00475 |+ 0-00123 |+ 0-00173 |— 000050 IV. N 0:00702 | 0-00610 |+ 000114 + 0-00092 ‚++ 0-.00022 V. A 0:00809 | 0.00724 |-+ 0-.00091 |+ 0-00085 -+ 000006 VL.) #4 | 0.00819 | 0.00639 |+ 0-00096 |+ 0-00180 |— 0-00084 voD.| 4 | 0-00856 | 0.00762 |+ 0-00116 + 0-00094 |+ 0-00022 VII.| #4 | 0.00866 | 0-00762 |+ 0-.00131 + 0-00104 |+ 0-00027 IX.| # | 0-00892 | 0.00792 |+ 0.00102 |+ 0-00100 |+ 0:00002 X. r 0.00957 | 0-.00875 [+ 0-00102 + 0.000852 + 000020 XI. A 0-00961 | 0-.00694 |-+ 0.00222 + 0-00267 |— 000045 XI. A 000974 | 0-00903 |-+ 0-00108 + 0-00071 + 0.000537 BREIT: | 04 0-01041 | 0-00917 + |+ 0-00135 + 0-00124 + 0.00011 Ru) 0-01015 | 0.00894 |+0.00147 + 0-00121 + 0-.00026 Ray |} 0-01167 | 0.01098 |-+ 0-00125 + 0-00069 |-++ 000056 xXV1 N 0.015158 | 0-.01214 |-+0-00117 + 0-00104 |+ 0-00013 xvI.| 4 | 0.01294 | 0.01174 |+ 0.001836 |+ 0-00120 |+ 0:00016 XV. N 0-.01335 | 0-.01219 |+ 0:00145 + 0-00116 |+ 0-00029 RUX. A 0-.01324 | 0.01127 [+ 0-00114 + 0-00197 — 000083 XX.| Y | 0.00721 | 0-00861 |— 0.00079 |— 0.00140 + 0-00061 XXL Y 0-.00744 | 0-00893 |— 0-00164 |— 0-00149 |— 0-00015 XXI.| Y) | 0.00791 | 0.009386 |— 0.00102 |— 0-00145 |+ 0-00043 XXI. Y 0.00897 | 0-01051 |— 0-00148 |— 0.00154 |+ 0-00006 XXIV. Y 0-00845 | 0:00943 |— 0°00136 |— 0.000983 |— 0.00038 XXV. } 0-.00652 | 0.00786 |— 0-00124 — 0.001354 |+ 000010 Mittel | 0.003919 , 0-00859 |-+ 0-00062 |+ 0-00060 |-+ 000002 Richtung des Axialstromes MAURICE MENDELSSOHN! (Fortsetzung der Tabelle II.) zwischen Aequator und Elektromotorische Kraft in Raoult zwischen beiden Quer- schnitten ( P--C) D-—-A) ee | era, | Beobachtet | berechnet I Re) (D) (4) B. Vordere Wurzeln beim Kaninchen. 1.| # | 0-01056 | 0-00892 | 0:00264 ++ 0-00164 |+ 0:00100 ı.| + | 0-01668 | 0.01450 |-+ 0-00278 ++ 0-00218 ++ 0-00060 I.| 4 | 0-00994 | 0.00879 + 0-00198 + 0-00115 |+ 0-00083 ıv.| 4 | 0-01661 | 0-01385 |-+ 0-00175 \-+ 0-00276 |— 0:00101 V.| # | 0-01261 | 0-01000 + 0-00231 + 0-00261 |— 0-00030 v1| # | 0.013835 | 0 01219 \-+ 0-00145 |-++ 0-00116 |+ 0-00029 vi. * | 0.01248 | 0-01108 |+ 0-00140 + 0:00140 |+ 000000 vor| % | 0-01067 | 0-00941 + 0-00112 + 0:00126 |— 0-00014 IX.| # | 0-01132 | 0-01040 + 0-00101 + 0-00092 |+ 0-00009 X.) # | 0:01269 | 0-01144 | 0-00186 + 0-00125 + 0:00061 XL) # | 0-00728 | 0-00645 + 0-00129 + 0-00083 |+ 000046 xm., 4 | 0-00916 0-00741 |+ 000103 ++ 0-00175 |— 0:00072 xIM.| y | 0-00947 | 0-01084 | - 0-00148 | — 0-00137 | — 0-00011 XIV.| 4 | 0-00685 | 0-00859 |— 0-00140 |— 0-00174 + 0-00034 XV.) | 0-01127 | 0-01370 |— 0.00183 |— 000243 |-+ 0:00060 Mittel | 0-01139 | 0-01050 |-+ 0-00106 |+ 0-00089 |+ 0-00017 C. Muskeläste des Oberschenkeltheiles des Ischiadicus beim Kaninchen. 1, 4 | 0-00816 | 0.00631 |+ 0-00237 |+ 0-00185 + 0:00052 IL.| 4 | 0-00881 | 0-00643 [+ 0-00203 |+ 0-00238 |— 0.00035 Im.| 4 | 0.00735 | 0.00441 |+ 0:00235 + 0:00294 |— 0:00059 IV. # | 0.00816 | 0-00560 |+ 0-00224 |+ 0-00256 — 0:00032 vV.| A | 0.00699 | 0-00525 |+ 0-00102 |+ 000174 |— 0-00072 v1 A | 0-00810 | 0:00642 |+ 0.00186 |+ 0:00168 |+ 0-00018 vn) + | 0.00955 | 0-00760 + 0-.00214 |+ 0-00195 |+ 0:00019 ÜBER DEN AXIALEN NERVENSTROM. 395 (Fortsetzung der Tabelle LI.) Elektromotorische Kraft in Raoult = NER ischen beiden Quer- w: zwischen Aequator und een BD 2 E Deripnerem | gentrelen | houbachtet | berechnet En) | Ser) | 1 = VIIL| #4 | 0.006483 | 0-00889 |-+ 0-00232 + 0-00254 | — 0.00022 IX.| 4 | 0.00697 |.0-00587 |-+ 0-00165 |+ 0:00110 + 0-00055 x.| 4 | 0:01034 | 0-00743 + 0-00241 |-+ 0-00291 |— 0-00050 XL 7 0.00926 | 0-.00637 ++ 0-00206 |+ 0.00289 | — 0-00083 XIL! 4 | 0-00763 | 0-00631 |-+ 0-00137 |+ 0-00132 |++ 0-00005 xIm.| 4 | 0-00902 | 0-00724 |+ 0-00126 |+ 0-00178 |— 000052 XIV. 4 | 0.01125 | 0-00892 |-+ 0-.00241 ++ 0-00233 |+ 0-00008 XV.' 4 | 0.00911 | 0-00704 + 0:00205 |+ 000207 | — 0-00002 XVl.| 4 | 001089 | 0-00915 + 0-00236 + 0-00174 + 0:00062 XVo., 4 | 0-00816 | 0:00633 + 0:00271 + 0:00183 |+ 0.00088 xvim.| A | 0.00819 | 0-00671 |+ 0-00210 + 0:00148 |-+ 0-00062 XIX. # | 0-00809 | 0-00534 |+ 0-00252 |+ 0-00275 !— 0-00023 xx. + | 0.00706 | 0-00489 |-- 0-00163 + 0-00217 |— 0.00054 Mittel | 0-00847 | 0.00637 | 0.00264 |++ 0-00210 | — 0-00006 D. Elektrische Zitterrochennerven nach E. du Bois-Reymond. 1.| 4 | 0-00529 0-00234 ne = = Mm.| 4 | 0.00658 | 0.00400 en = a I. # | 0-00724 0.00458 |+ 0-00160 |+ 000266 |— 0-00106 IV., 4 | 0-00366 | 0-00185 |+ 0-00194 |+ 0-00181 |+ 0:00013 v..# | 000699 | 0-00489 |+ 0-00119 |+ 000210 |— 0-00091 v1.) 4 0-00680 | 0-00583 + 0-00105 + 0-00097 |+ 000008 VI.) 4 0.01123 | 0-00970 + 0-00150 -+ 0-00153 — 0.000083 vu, 4 | 0-00757 | 0-00577 | 0-00187 + 0-00180 |++ 000007 el von | 0.00725 | 0.00544 | 0-00152 + 0-00181 |— 0-00029 394 MAURICE MENDELSSOHN: Tabelle Il. Functionell gemischte Nerven. Elektromotorische Kraft in Raoult | 1 | zwischen beiden Quer- zwischen Aequator und schnitten (CP) | D—A centralem peripherem ! Querschnitt | Querschnitt beobachtet berechnet s Richtung des Axialstromes (+cy) | (+P%) (D) (N) A. Verschiedene Abschnitte des Ischiadicus beim Frosche. 1.| Y | 0-01169 | 0:00831 |-+ 0-00481 |+ 0-00338 |+ 0-00093 I.| Y | 0-01078 | 0-00838 |-+ 0-00310 |+ 0-00240 |-+ 000070 II.| 4 | 000892 | 0-00677 |-+ 0-00278 |+ 0-00215 |-- 0-00063 IV.| Y | 000975 | 0-00671 \-+F 0-00311 + 0°00304 |+ 000007 V.| y | 0-01234 | 0-00998 |-+ 0-00189 |+ 0:00236 | — 0-00047 VL| y | 0-01486 | 0-01278 \+ 0-00164 |+ 0:00208 |— 000044 VI! y | 001347 | 0-01096 |+ 0-00264 |+ 000251 |+ 0-00013 vVIIm.| y | 0-01235 | 0-00873 |+ 0-00313 |-+ 0-003862 |— 0-00049 IX.| 4 | 0-01602 | 0-01441 |-+ 0-00282 |+ 0-00161 + 000121 x.| 4 | 0-01834 | 0-01608 |-F 0-00148 |+ 0:00226 — 0-00083 XL 4 | 0-01798 | 0-01455 |-+ 0-00415 |+ 0-00338 |+ 0-00077 XIL) 4 | 0:01054 | 0-00802 | 0-00259 |+ 0:00252 ++ 000007 XII.| y | 0-00746 | 0-00540 |-+ 0:00183 |+ 000206 |— 0:00023 XIV.| y | 0-00825 | 0-00510 |-+ 0-00316 |-+ 0-00315 + 0:00001 XV. Yy | 0.014831 | 0-01181 |+ 0:00274 |+ 0:00250 |+ 000024 XVL| 4 | 0-00825 | 0-01148 |— 0-00338 |— 000323 |— 0-00015 XVIL| #4 | 0-00914 | 0-01196 |— 0-00331 |— 0:00282 |— 0:00049 xVvin.| 4 | 0-00982 | 0-01356 |— 0:00296 |— 000374 |+ 0:00078 XIX.) # | 0-01564 | 0-01866 |— 0-00305 |— 0-00302 |— 000003 XX.| # | 0-00769 | 0-01077 \— 000384 |— 000308 |— 0:00076 XXL) # | 0-01527 | 0-01915 | 0:00371 |— 000388 |+ 0:00017 Xxxm.| # | 0-01125 | 0-01400 |— 000247 |— 0:00275 |-+ 0-00028 XxxI.| 4 | 0-01650 | 0-01862 |— 0-00265 | — 0-00212 |— 0:00053 XXIV.| A | 0-00568 | 0-00946 |— 000380 |— 0-00378 |— 0-00002 XxV.| 4 | 0.018354 | 0-01615 | 0-00394 000261 |— 000133 Mittel | 001199 | 0-01167 |+ 000033 + 0-00032 |+ 0-00001 ÜBER DEN AXIALEN NERVENSTROM. (Fortsetzung der Tabelle III.) zwischen Aequator und centralem | peripherem Querschnitt | Querschnitt eo) GEN | Richtung des Axialstromes } Elektromotorische Kraft in Raoult zwischen beiden Quer- schnitten (O—D) beobachtet (D) berechnet (4) 395 B. Verschiedene Abschnitte des Ischiadicus beim Kaninchen. L.| 4 | 0-01529 | 0-01177 \+ 0-00462 |+ 0-00352 + 0-00110 IH. % | 0.01951 | 0.01463 |+ 0-00378 |+ 0-00488 | 0-00110 MI. xy | 0.01815 | 0-01452 |+ 0-00311 |+ 0.003683 |— 0-00052 IV. y | 0-01081 | 0-00991 |-+ 0-00140 + 0:00090 |+ 0:00050 V.| 4 | 0.021836 | 0-01886 + 0-00270 |-+ 0-00250 |-+ 0:00020 v1.| x | 0-.02415 | 0.02183 |+ 0-.00246 |+ 0-00232 |+ 0-00014 VIL y | 0-01781 | 0.013980 |+ 0.00382 |+ 0-.00391 |— 000009 VIL \% | 0.01005 | 0-00639 |+ 0-00416 |+ 0-00366 |-F 0-00050 IX. x | 0-01213 | 0.00885 |+ 0-00401 |+ 0-00328 |+ 0-00073 X.) Y | 0:01672 | 0.012832 |+ 0-00373 |+ 0-00390 |— 0-00017 XI. v | 0.01882 | 0-.01640 \- 000247 | 0-00242 |+ 0:00005 XIL) y | 0-01721 | 0.01388 |+ 0-00385 |+ 0-00333 |+ 000052 XII. * | 0.00970 | 0.01321 |— 0:00350 |— 0-00351 \-F 0-00001 XIV.| 4 | 0-01562 | 0-01846 |—- 0-00296 | 0-.00284 |— 0-00012 XV. 4 | 0-01265 | 0-01625 |— 0-.00318 |— 0-00360 |+ 0-00042 xVI.| 4 | 0-.01172 | 0.013455 |—- 0-00182 \— 0-00173 |— 0-00009 OU | 001554 | 0.01982 |— 0.00391 |— 0:00428 |+ 0:00037 xVım.| 4 | 0-00550 | 0.00865 |— 0-00345 |— 0:00315 |— 0-00030 XIX. # | 0.01692 | 0.02104 | - 0-00299 |— 0-00412 |+ 0-00113 Xx.| 4 | 0.01226 | 0-01532 |- 0.003827 |— 0-00306 |— 0°00021 Mittel | 0-01510 | 0-.01450 |+ 0-00075 |+ 0-00060 |+ 0-00015 Aus diesen Tabellen, die etwa den dritten Theil meiner Versuche ent- halten, geht deutlich hervor, dass die beiden Querschnitte eines Nerven einen Strom erzeugen, welchem eine elektromotorische Kraft zu Grunde liegt, gleich dem Unterschiede der elektromotorischen Kräfte, die man an 396 MAURICE MENDELSSOHN: demselben Nerven zwischen Aequator und jeden der beiden Querschnitte findet. Dieses schon von Hrn. E. du Bois-Reymond bei den elektrischen Nerven des Zitterrochen beobachtete Verhalten ist so auffallend und con- stant, dass in allen meinen Versuchen die aus dem Unterschiede der elektromotorischen Kräfte beider Längsquerschnittsströme berechnete elektro- motorische Kraft des Axialstromes von der unmittelbar beobachteten nur sehr wenig abweicht. Der Unterschied lässt keinen bestimmten Sinn er- kennen; er beläuft sich (und in diesem Punkte stimmen meine Zahlen ausserordentlich nahe mit denen von Hrn. du Bois am Zitterrochen erhal- tenen überein), meist nur auf einige Hunderttausendstel; in einigen wenigen Fällen ist er sogar Null, so dass die berechnete und beobachtete Kraft genau dieselbe ist. Aus diesen Zahlen geht ferner hervor, dass der vom negativeren Querschnitt zum geometrischen Aequator (der leichter als der elektromotorische zu finden ist) fliessende Strom immer grösser als der andere Längsquerschnittsstrom ist, so dass bei aufsteigendem Strome, also in centrifugal wirkenden Nerven der vom peripherischen Querschnitt zum geometrischen Aequator fliessende Strom der stärkere ist; dagegen bei ab- steigendem Strome, also in centrifugal wirkenden Nerven der vom centralen Querschnitt zum Aequator gerichtete Strom überwiegt. Der Axialstrom ist also nichts als der Ausdruck der verschiederen Negativität der um einen bestimmten Abschnitt der Länge des Nerven aus- einandergelegenen Querschnitte. Mit solcher Sicherheit giebt sich dies zu erkennen, dass die Richtung in den hinteren Wurzeln beim Frosche und Kaninchen, wie auch in Opticus und Olfactorius des Fisches (Karpfen und Hecht) beständig absteigend ist; dagegen in den vorderen Wurzeln und noch mehr in den Ischiadicis wechselt die absteigende und aufsteigende Richtung; die letzte ist wieder beständig in den Muskelästen des Ischiadieus beim Kaninchen. Diese Ergebnisse erlauben schon ohne jeden Zweifel einen gewissen Bezug der Richtung des axialen Stromes auf die Function des Nerven zu errathen. Es ergiebt sich namentlich, dass dieser Strom eine beständige absteigende Richtung in centripetal wirkenden Nerven (hintere Wurzel, Optieus, Olfactorius) hat. Wenn man in Betracht zieht, dass in den kleinen Muskelästen des Ischiadicus bei Kaninchen der Axialstrom stets aufsteigend ist, dass er auch diese Richtung meistens in den Vorderwurzeln (in 76°/, meiner Versuche) einschlägt und wenn man endlich bedenkt, dass die Richtung dieses Stromes in den elektrischen Nerven des Zitterrochen, wie es Hr. du Bois-Reymond gezeigt hat, beständig aufsteigend ist, so ist man auch geneigt anzunehmen, dass die Richtung des Axialstromes in. den centrifugal wirkenden Nerven eine aufsteigende ist. Daraus würde dann ein allgemeiner Satz folgen, dass die Richtung des axialen Nerven- stromes der physiologischen Wirkungsrichtung der Nerven- R) | ÜBER DEN AXIALEN NERVENSTROM. 397 fasern entgegengesetzt ist. Die Gültigkeit dieses Satzes ist so gross, dass man bei einem richtig behandelten und gut angelegten Nerven, dessen centripetale, bezw. centrifugale Function bekannt ist, nach der Richtung der Ablenkung der Scale angeben kann, ob das centrale oder periphere Ende des Nerven an den rechten oder linken Bausch angelegt ist. Dies ist namentlich leicht ausführbar bei dicken Nerven, bei welchen eine sorg- fältige Anfertigung des Querschnittes und seine Anlegung an den Bausch gesichert sein können. Einige Versuche dieser Art wurden von mir unter sütiger Mitwirkung des Hrn. Prof. A. Christiani bei einem Opticus eines Hechtes ausgeführt. Hr. Christiani hatte die Güte, den Opticus, dessen eines Ende mit einem Fäserchen rother Flockseide bezeichnet war, mehrmals in mir ganz unbekannter Weise so aufzulegen, dass das centrale Ende bald dem rechten, bald dem linken Bausch angelegt war. Nach der Rich- tung des von Querschnitt zu Querschnitt absteigenden Stromes cab ich ausnahmslos jedesmal an, auf welcher Seite sich das centrale bezw. das periphere Ende des Nerven befand. Es soll hier bemerkt werden, dass derselbe Versuch mit demselben Erfolge von Hrn. du Bois-Reymond, unter Beihülfe des Hrn. Prof. Fritsch, an den centrifugal wirkenden elektri- schen Nerven des Zitterrochen angestellt wurde. Die Umbeständigkeit der Richtung des Axialstromes in den vorderen Wurzeln lässt sich mit dem angenommenen Gesetze in Einklang bringen, wenn man sich der bekannten Versuche über die „rückläufige Empfindlich- keit“ erinnert, nach denen die vorderen Wurzeln nicht nur motorische, sondern auch sensible Fasern besitzen, welche letzteren die Uebertragung der durch Reizung des peripheren Stumpfes einer durchschnittenen vorderen Wurzel entstandenen Empfindung zu den hinteren Wurzeln und von da zum Rückenmarke vermitteln. Meine Versuche erlauben mir noch nicht die Frage sicher zu beantworten, ob die Richtung des Axialstromes in den vorderen Wurzeln auf ein Ueberwiesen der sensiblen oder ein solches der motorischen Fasern spricht; in 76°/, aller untersuchten Fälle an vorderen Wurzeln habe ich aufsteigenden Strom beobachtet, was zu Gunsten des Ueberwiegens der motorischen Fasern sprechen würde, wie vorauszusehen war. Was aber in den übrigen 24°/, aller Fälle den absteigenden Strom in den vorderen Wurzeln bedinge, kann noch nicht gesagt werden. Merk- würdig ist, dass auch in Hrn. du Bois-Reymond’s Polarisationsversuchen die vorderen Wurzeln nur unvollkommen einem Gesetze gemäss sich ver- hielten, welches die hinteren Wurzeln regelmässig erkennen liessen.! Auch in dem gemischten Ischiadnerven ist die Richtung des Axial- | \ Berliner Sitzungsberichte. 1883. Bd. I. S. 343—404. — Mathematische und ‚ natwrwissenschaftliche Mittheilungen. 1383. — Dies Archiv. 1884. 8.43. | | J | 398 MAURICE MENDELSSOHN: stromes zu unbeständige, um auf ein Ueberwiegen motorischer oder sensibler Fasern mit Sicherheit schliessen zu können. Doch ergiebt es sich schon aus diesen Versuchen, in Verbindung mit den älteren von du Bois- Reymond, dass dieser Strom wenigstens im Oberschenkeltheile und zwar in seiner unteren Hälfte öfter (etwa in 70°/, der Fälle) eine absteigende Richtung hat. Verschiedene Abschnitte desselben Ischiadnerven scheinen verschiedene Richtungen des Axialstromes darzubieten. Inwiefern dies aber einen Bezug auf das Verhältniss der Zahl der motorischen Fasern zu den sensibeln in den verschiedenen Abschnitten habe, muss noch näher unter- sucht werden. Endlich soll noch bemerkt werden, dass die festgestellte Richtung des Axialstromes eines Nerven sich auch an mehrmals angelesten frischen (Wuerschnitten wie auch zwischen symmetrischen, den Querschnitten nahen Längsschnittspunkten nachweisen liess. Auch bei vor 24 Stunden getödteten Kaninchen war der Strom noch nachweisbar, allerdings sehr schwach. Aus den obigen Tabellen geht deutlich hervor, dass die elektromotorische Kraft des Axialstromes beim Frosche nicht wesentlich von- der Stärke der elektrischen Kraft dieses Stromes in denselben Nerven beim Kaninchen abweicht. Hier also wird auch die schon von du Bois-Reymond be Messung der elektromotorischen Kraft des Längsquerschnittsstromes beob- achtete Thatsache bestätigt, dass eine grössere elektromotorische Kraft der warmblütigen Gewebe unmittelbar nicht nachzuweisen ist. Die elektro- motorische Kraft des Axialstromes scheint aber mit den Dimensionen der Nerven zu wachsen; es zeigt sich namentlich, dass diese Kraft bei den dieken Sehnerven der Fische, fast dreimal so gross ist, wie am Ischiadieus des Frosches. Wenn man aber. die elektromotorische Kraft des Opticus mit derjenigen des bedeutend dünneren Olfactorius bei demselben Fische vergleicht, so muss man erstaunen, dass der Unterschied der Kraft so un- bedeutend ist im Vergleich zu dem sehr grossen Unterschied in den Dimen- sionen dieser beiden Nerven. Die in den Tabellen enthaltenen Zahlen zeigen deutlich, dass die elektromotorische Kraft des Axialstromes in den hinteren Wurzeln diejenige in den Vorderwurzeln etwas übertrifft. Dieser Unterschied wird für den von 20 Versuchen erhaltenen Durchschnittswerth ersichtlich. Derselbe ist: in den Vorderwurzeln beim Frosch = 0.00122 N, MElintering a } = 0.00155 REVOrder, „ Kaninchen = 0.00169 u, snklinter.)“%,, j N = 0.00220 Abgesehen davon, dass ein soleher Unterschied von einem makroskopisch doch kaum wahrnehmbaren Dickenunterschiede beider Arten von Wurzeln abhängen könnte, ist es allerdings nicht unmöglich, dass er mit dem oben ——ummr Bin ÜBER DEN AXIALEN NERVENSTROM. 399 erkannten refractären Verhalten der vorderen Wurzeln gegen das sonst gültige Gesetz zusammenhängt, insofern dies Verhalten von Beimischung. sensibler Fasern in den vorderen Wurzeln herrühren kann. Indem also die elektromotorische Kraft des Axialstromes der rein sensibeln hinteren Wurzeln die Summe der in derselben Richtung fliessenden Theilströme ist, ist in den als gemischt anzusehenden vorderen Wurzeln dieselbe Kraft die algebraische Summe der Kräfte der in entgegengesetzten Richtungen wirkenden beiden Fasergattungen. Diese sehr plausible Erklärung erfordert aber zu ihrer Bestätigung weitere Untersuchungen, welche ich auch aus- zuführen gedenke. Ich wollte nur diese aus meinen zahlreichen Versuchen sich ergebende Frage hier andeuten, wie auch schliesslich bemerken, dass die Frage, inwiefern die verschiedene Richtung des Axialstromes in den verschiedenen Abschnitten desselben Ischiadicus Bezug hat auf die von mehre- ren Forschern angegebene ungleiche Erregbarkeit dieser Abschnitte, gleich- falls noch zum Gegenstand besonderer Untersuchung gemacht werden muss. Schliesslich ist es mir eine angenehme Pflicht, Hrn. Prof. Christiani, der mir bei diesen schwierigen Versuchen hülfreich zur Seite stand, hier meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. Apparat zur künstlichen Athmung. Von I. Rosenthal. Während man sich noch bis vor wenigen Jahren in den meisten Laboratorien zur künstlichen Athmung des Blasebalgs bediente, wurden schnell hintereinander eine Anzahl mehr oder weniger umständlicher Vor- richtungen beschrieben, deren Vortheile und Nachtheile gegen einander ab- zuwägen nicht meine Absicht ist. Die meisten derselben setzen den Besitz eines eigenen Motors voraus. Da mir für die verhältnissmässig geringe zu leistende Arbeit der dazu verwendete Apparat zu umständlich schien, so versuchte ich, die Aufgabe auf einfachere Weise zu lösen. Es gelang mir, mit geringen Mitteln einen Apparat herzustellen, mit dessen Leistungen ich so zufrieden bin, dass ich glaube, allen Experimentatoren einen Dienst zu leisten, wenn ich die Beschreibung desselben hiermit veröffentliche. Bei der Mehrzahl der gebräuchlichen und von den verschiedenen Er- findern neu construirten Apparate wird Luft unter einem gewissen Druck in die Lungen des Thieres eingetrieben, welche in den Pausen durch die eigene Hlasticität der Lungen und des Thorax wieder entweicht. Ich habe schon im Jahre 1862 darauf hingewiesen, dass es wichtig sei, in unmittel- barer Nähe der Lunge einen Ausweg für den Ueberschuss der eingetrie- benen Luft und der Exspirationsluft herzustellen, um zu verhüten, dass nicht die letztere in der zur Lunge führenden Röhre hin- und herpendele und so die Grösse des Luftwechsels in der Lunge trotz ausgiebiger Volum- veränderungen derselben eine sehr geringe werde. Ich erreichte dies in meinen älteren Versuchen, indem ich ein längliches Stück aus der Vorder- wand der Trachea ausschnitt, in die Oeffnung eine schwach conisch zu- laufende Canüle einführte, welche das Lumen der Trachea nicht ganz aus- füllt, aber ziemlich tief unter der angebrachten Oeffnung in die Luftröhre I. ROSENTHAL: APPARAT ZUR KÜNSTLICHEN ATHMUNG. 401 hineinragt. Mit dieser Canüle wurde durch einen Kautschukschlauch der Blasebalg verbunden; bei Zusammendrücken desselben wird Luft in die Lunge geblasen; der Ueberschuss und die Exspirationsluft entweichen durch die Luftröhrenfistel neben der Canüle.! Zu demselben Zweck hat dann Ludwig Canülen eingeführt welche nahe an den in die Trachea luftdicht einzubindenden Theil eine seitliche Oeffnung haben.” Ich habe mich der Ludwig’schen Canülen für Kanin- chen und Hunde jahrelang bedient, dabei aber leider manches Thier ver- loren durch Sprengung der Lunge. Die Oeffnung der Canüle darf nicht zu gross sein, wenn die Ausdehnung der Lunge genügend ausfallen soll; eine einzige, etwas zu heftige Handbewegung von Seiten des den Blasebalg bedienenden Dieners kann aber dann dazu führen, dass nicht genug Luft entweichen kann, und macht so dem Leben des Thieres ein jähes Ende. Wie unangenehm ein solcher Vorfall mitten in einer Demonstration ist, braucht nicht erst ausgeführt zu werden. Vor solchen Unfällen ist man freilich sicherer, wenn die Bewegung des Blasebalges oder einer an dessen Stelle getretenen Luftpumpe von einer Maschine besorgt wird. Aber wie ich schon gesagt habe, ist das Verhält- niss zwischen der aufzuwendenden Maschinenarbeit und der zur Unterhaltung der künstlichen Athmung bei einem Kaninchen oder selbst bei einem Hunde benöthigten Leistung ein so ungünstiges, dass eine einfachere und billigere Anordnung nicht überflüssig erscheinen dürfte. In neuerer Zeit hat Zuntz mit Recht darauf hingewiesen, dass bei der bisherigen Art, die künstliche Athmung zu bewirken, die Druckverhält- nisse im Thorax von den normalen erheblich abweichen. Während bei der normalen Inspiration der intrathorakale Druck, der ja immer negativ ist, noch mehr abnimmt, und bei der normalen Exspiration nur unerheblich steigt, wird beim Eintreiben von Luft in die Lungen mittels Pumpen oder Blasebalg der Druck erheblich gesteigert, und dies hat einen sehr schäd- lichen Einfluss auf die Blutcirculation. Zuntz hat daher seinem Apparat für die künstliche Athmung eine solche Einrichtung gegeben, dass die Luft aus der Lunge ausgesaugt und der Eintritt frischer Luft entweder nur durch die Elastieität der Lunge und des Thorax oder durch einen geringen positiven Druck bewirkt wird. Ich bin bei der Anordnung meines Apparates diesem Beispiele gefolgt, der Art, dass man abwechselnd die Luft aus der Lunge aussaugt und dann neue Luft entweder nur unter dem Atmosphaerendruck oder unter einem 18. meine „Athembewegungen“. S. 156. ” 8. meine „Physiologie der Athembewegungen“ in Hermann’s Handbuch der Physiologie. Bd. IV. 8. 239; — Cyon, Methodik. 8.60 und Atlas. Taf. I, Fig. 2. ; Archiv f, A.u. Ph, 1885. Physiol. Abthlg., 26 402 I. RosEnTHAL: geringen Ueberdruck, dessen Grad willkürlich gewählt werden kann, ein- treten lässt. Diese Eintrittsluft kann auch, wo es die Umstände erheischen, reiner Sauerstoff oder irgend ein anderes beliebiges Gas oder Gasgemenge sein. Die Aufgabe, welche wir zu erfüllen haben, lässt sich schematisch darauf zurückführen, dass man die Lunge abwechselnd mit einem Raum, in welchem ein negativer Druck herrscht, und dann mit einem Raum, in welchem der Druck gleich Null oder positiv ist (den augenblicklichen Atmosphaerendruck als Nullpunkt genommen), luftdicht verbindet. Sollen diese beiden Räume identisch sein, so lässt sich diese Aufgabe nur lösen durch ein Pumpwerk, welches von Menschenhand oderirgend welcher Maschine in Bewegung gesetzt wird. Da aber die Natur der Aufgabe in der Mehr- zahl der Fälle es verlangt, dass die beiden Räume getrennt seien, damit nicht die Lungenluft einfach hin und her wandere, wodurch sie ja sehr schnell für die Athmung untauglich werden würde, so kann man die Auf- gabe auch in der Weise lösen, dass man nur Ventile in Bewegung setzt, welche die Lunge abwechselnd mit den beiden Räumen verbindet, voraus- gesetzt dass in diesen auf irgend eine Weise die betreffenden Drucke con- stant ‚unterhalten werden. Um diese Aufgabe zu lösen, denken wir uns in die Trachea eine Y-förmige Canüle eingebunden und die beiden Gabelröhren mit den Räumen A und D verbunden. In A herrscht stets ein gewisser negativer Druck (—P). Der Druck in D kann 0 sein oder einen beliebigen positiven Werth haben. In den einfachsten Fällen kann dieser Raum D einfach die un- begrenzte Atmosphaere sein. Diese Räume A und B sind also abwechselnd mit den betreffenden Röhrenenden zu verbinden oder von ihnen abzuschliessen. In ganz ähnlicher Weise habe ich! schon bei einer früheren Gelegen- heit künstliche Athmung bewerkstelligt, nur mit dem Unterschied, dass bei meiner damaligen Anordnung der eine Raum, A, die atmosphärische Luft war, der andere, B, Wasserstoff oder Stickstoff unter positivem Druck ent- hielt. Die abwechselnde Schliessung und Oeffnung der Ventile geschah durch Bewegung eines Hebels, welcher gegen den einen oder anderen zweier, die Arme des Gabelrohrs bildenden Kautschukschläuche angedrückt wurde. Wir wollen jetzt annehmen, der Raum A sei ein irgendwie gestaltetes Gefäss, in welchem ein negativer Druck hergestellt und erhalten werde; für DB wollen wir vorläufig die atmosphärische Luft setzen. Das einfachste Verfahren zur Herstellung des negativen Druckes in A bietet die ja jetzt in jedem Laboratorium vorhandene, zu den mannigfachsten Verrichtungen benutzte Bunsen’sche Wasserstrahlpumpe. Mein Bestreben war nun darauf 1 Dies Archiv. 1864. 8. 456. APPARAT ZUR KÜNSTLICHEN ATHMUNG. 403 gerichtet, diese Pumpe zugleich zur Bewegung der Ventile zu verwenden. Der aus diesen Bemühungen hervorgegangene Apparat! hat nun folgende Einrichtung: r Das Gefäss A ist eine mittelst dreier Füsse auf dem Grundbrette fest- geschraubte flache, metallene Dose, 3-5 hoch, 7e® im Durchmesser. NS NIS IIÄAAIII \ —SPE xxx HHHIIIEEERIELIEDGGG, 77 ZEV) VZO. Von ihrer unteren Fläche geht das Rohr r, ab, von welchem ein Kaut- schukschlauch zur Wasserstrahlpumpe führt. Die obere Fläche des Ge- fässes A ist beweglich; sie besteht nämlich aus einer Membran m, welche über die oben offene Dose gelegt und festgebunden ist. Zur Herstellung dieser elastischen, dauerhaften und luftdicehten Membranen verfahre ich folgendermaassen: Eine Harnblase vom Rind wird in Wasser gelegt, durch kräftiges Drücken möglichst gereinigt, das Wasser mehrmals gewechselt. * Derselbe kann von dem Mechanikus des physiologischen Instituts zu Erlangen, Hrn. Richard Hennig, bezogen werden. . 26* 404 I. ROSENTHAL: Die gut ausgedrückte Blase wird dann in concentrirtes Glycerin gelegt, nach 24 Stunden das Glycerin durch neues ersetzt. Nach abermals 24 Stunden wird die Blase gut ausgedrückt und dann getrocknet. Vor Kaut- schukmembranen haben diese so zubereiteten Blasen den grossen Vorzug, dass sie niemals brüchig werden, sondern sich Jahre lang unverändert halten. Die Mitte dieser Membran ist zwischen zwei runden Blechen von 4m Durchmesser .eingeklemmt, welche durch den Knopf A gegeneinander- gepresst werden. Unter den Knopf A’ greift mit seinen Zinken das gabel- förmig ausgefeilte Ende des Hebels A %’, dessen Drehpunkt bei d liegt. Das andere Ende /’ dieses Hebels ist gleichfalls gabelförmig ausgefeilt, und seine Zinken dienen zur Bewegung der Ventile v, v,v,, von welchen noch genauer die Rede sein wird. Mit dem Hebel AA’ ist gerade über seiner Axe das Pendel p verbunden, auf welchem das Laufgewicht / verschoben werden kann. Zwischen dem Gefäss A und der oberen Abtheilung der Ventilvorrichtung Y ist eine Verbindung hergestellt durch das Rohr r,. Diese obere Abtheilung ist durch das Ventil v, geschlossen. Sowie die Wasserstrahlpumpe zu wirken beginnt und die Luft in A verdünnt, drückt die Atmosphaere die Membran m nach abwärts und wirkt so mittels des Knopfes k auf den Hebel A 4’, wobei dieser den Zug der Feder f und die Schwere des Laufgewichts / zu überwinden hat. Indem der Hebelarm h’ nach oben geht, gelangt er an den Knopf A’ und hebt zuletzt das Ventil v,. Damit erlangt die atmosphaerische Luft wieder Zutritt zu A und der Druck von oben hört auf; die Feder f sucht den Hebel wieder in entgegengesetzter Richtung zu bewegen. So entsteht eine regelmässig hin- und hergehende Bewegung, deren Tempo durch Stellung des Laufgewichts I, des Knopfes %’ (welcher auf- und niedergeschraubt werden kann) und der Feder f regulirt werden kann. Diese kleine Maschine besorgt nun die Bewegung der Ventile für die Lüftung der Lunge. Der hierzu dienende Ventilapparat V besteht aus einer oberen und einer unteren Abtheilung; von jeder geht ein Rohr ab, r, und r„, welche durch Kautschukschläuche mit dem Gabelrohr verbunden sind, dessen Stiel in die Trachea eingebunden ist. Die Scheidewand zwischen den beiden Abtheilungen besteht aus einer Membran, welche ge- rade so praeparirt ist wie die von A. Nur ist sie dünner (aus der Harn- blase eines jungen Schweines gefertigt." Um die Scheidewand ganz gas- dicht zu machen, ist sie noch mit einem gefirnissten Stanniolblatt belegt, was ihrer Beweglichkeit, die’auch nur in sehr engen Grenzen in Anspruch genommen wird, keinen Abbruch thut. In dem Raume V ist das Gestänge 1 Solcher dünner Membranen bediene ich mich seit Jahren statt der Kautschuk- membranen fürrdie Marey’schen Schreibkapseln. APPARAT ZUR KÜNSTLICHEN ATHMUNG. 405 99 beweglich; bei g’ ist es aus zwei Stücken zusammengeschraubt, welche die Membran zwischen sich festklemmen. Dieses Gestänge. bildet in seinem unteren Theile zugleich die Ventile v, und v,. Das oben erwähnte Ventil v, sitzt lose auf dem Gestänge, so dass es die obere Abtheilung von V abschliesst; wird aber das Gestänge gehoben, so gelangt ein Anschlag an .v, und hebt es soweit, als nöthig ist, um das oben erwähnte Spiel der Maschine zu unterhalten. In der Ruhelage des Apparats liegt das Ventil v, auf der Mündung des Rohres r, auf und schliesst diese luftdicht ab. Das Ventil v, dagegen steht etwas tiefer als die Mündung des oberen Rohres, so dass A mit v, und somit mit der Lunge zusammenhängt, während diese durch v, gegen die Atmosphaere abgesperrt ist. Der negative Druck in A wirkt also auf die Lunge und saugt Luft aus dieser. Wird nun gg’ gehoben, so sperrt v, die Verbindung der Lunge mit A ab, Öffnet dagegen r,, so dass atmo- sphaerische Luft in die Lunge eintritt. Da die Ventile v, und v, dem Gestänge gg’ nur eine Bewegung innerhalb sehr enger Grenzen gestatten, so ist auf dem Ende A’ des Hebels hh’ eine starke Feder befestigt, welche sich gegen den Knopf X’ anlegt und das Gestänge hebt, aber die Weiterbewegung des Hebels in Folge der Trägheit des in Schwung gesetzten Laufgewichtes Z gestattet. Auf diese Weise wird ein sanfter und gleichmässiger Gang der Maschine gewähr- leistet. Durch Auf- und Niederschrauben des Knopfes %’ findet man die Stellung desselben, bei welcher die Maschine am ruhigsten und besten arbeitet. Durch eine über #” angebrachte Gegenmutter wird diese Stellung gesichert. Verbindet man r, mit einem Raum, in welchem sich ein Gas unter positivem Drucke befindet, so tritt dieses statt der atmosphaerischen Luft in die Lunge. Man kann hierzu ein Gasometer benutzen. Nur darf der Druck in diesem nicht so gross sein, dass er das Ventil zu heben vermag. Will man aus irgend einem Grunde ein Gas unter höherem Drucke zur Füllung der Lunge verwenden, so muss man den Druck des Ventils v, verstärken. Zu diesem Zwecke kann man auf den Knopf Ak” oben bei y Gewichte aufiegen. Wodurch man den Druck im Gasometer erzeugt, ist für die Wirkung auf die Lunge gleichsiltig; nur sollte der Druck während genügend langer Zeit hinreichend constant erhalten werden können. Hierzu eignen sich besonders Gasometer, bei denen die Gasausströmung direct unter dem Druck der Wasserleitung erfolgt. Der vorstehend beschriebene Apparat ist nicht darauf berechnet, bei quantitativen Versuchen über Sauerstoffverbrauch und Kohlensäureaus- 406 I. RosEnTHAL: scheidung benutzt zu werden, da Absorption und Diffusion der Gase nicht ausgeschlossen ist. Wenn es sich darum handelt, dann können nur Queck- silberpumpen und Quecksilberverschlüsse benutzt werden. Einen derartigen Apparat werde ich später beschreiben. Wenn es sich aber darum handelt, einfach künstliche Athmung stunden- lang gleichmässig zu unterhalten z. B. bei curarisirten Thieren, bei Blut-. drucksversuchen u. s. w., dann wird die hier beschriebene Maschine, da sie die wohl in allen Laboratorien vorhandene Wasserluftpumpe in einfachster Weise verwendet, am Platze sein. Es kommt nur darauf an, dass diese genügende Luftmengen fördert, um die künstliche Athmung eventuell bis zur vollständigen Apnoisirung des Thiers zu bewirken. Für Kaninchen genügt zu diesem Zweck eine kräftige Wasserstrahlpumpe, wie sie z. B. von Gebr. Körting in Hannover geliefert wird. Für grössere Thiere (Hunde z. B.) ist es vortheilhafter, grössere Wasserluftpumpen anzu- wenden, wie sie in den Laboratorien zu München und hier stetig in Gebrauch sind. Sie bestehen aus einer Anzahl von Saugpumpen (gewöhnlich vier), welche aus einem Kupfergefäss die Luft aussaugen, von welchem Gefäss Bleiröhren ausgehen, die durch das ganze Laboratorium vertheilt sind und in den einzelnen Zimmern mit Schlauchhähnen enden. Es ist dann nur nöthig, einen solchen Hahn durch einen Kautschukschlauch mit r, zu verbinden, um den Apparat in Gang zu bringen. An dem Rohr r,„ ist ein Seitenzweig mit einem Hahn A angebracht. Setzt man die Saugpumpe in Gang und verbindet », und r„ durch Kaut- schukschläuche mit dem in die Trachea eingebundenen Gabelrohr, so tritt durch A Luft ein, geht durch r„ zur Trachealcanüle und durch r, nach A. Das Thier athmet dann die nahe an seiner Trachea vorbeistreichende stets frische Luft, während seine Exspirationsluft durch r, entweicht. Der Apparat spielt nicht, weil die Druckabnahme in A keinen hohen Grad erreichen kann. Sobald man aber den Hahn schliesst, so beginnt das Spiel des Apparats. Auch jetzt erhält das Thier stets frische Luft zugeführt und die Lungenluft wird durch r, abgeführt. Auf die Länge der Kautschuk- schläuche zwischen den Rohren r, und r, einerseits und der Trachealcanüle andrerseits kommt es nicht an, so dass man also nicht nöthig hat, den Apparat nahe dem Thier aufzustellen. So lange r, nur einfach mit der atmosphaerischen Luft kommuniziren lässt, kann der Apparat nur bei uneröffnetem Thorax wirken; denn die Luft muss, wenn v, geschlossen und v, geöffnet wird, durch die Aspiration des Thorax in die Lunge eingesogen werden. Will man den Apparat auch bei eröffnetem Thorax anwenden, so muss man », mit einem Raum ver- binden, in welchem die Luft unter einem positiven Druck steht, der genügt, die Lunge aufzublähen. Soll dies nur mit atmosphaerischer Luft geschehen, APPARAT ZUR KÜNSTLICHEN ÄTHMUNG. 407 dann kann man dazu ein kleines Wassergebläse benutzen. Wenn aber ein bestimmtes Gas geathmet werden soll, dann muss man dasselbe aus einem Gasometer ausströmen lassen. Ist es erwünscht, den Druck des Gases ganz constant zu erhalten, dann schalte ich zwischen das Gasometer und das Rohr r, noch das kleine, von mir schon früher benutzte Quecksilber- gasometer! ein, bei welchem man den Druck durch passende Belastung genau regeln kann. Der Druck im Gasometer muss dann etwas grösser sein als der im Quecksilbergasometer; durch Stellung des Hahnes an ersterem kann man es dann dahin bringen, dass in das Quecksilbergasometer gerade soviel Gas einströmt, als in die Lunge abströmt, so dass die schwimmende Glocke desselben nur innerhalb enger Grenzen auf- und nieder schwankt. Erlangen, 15. März 1885. 1 Dies Archiv. 1864. 8. 456; — Handbuch der Physiologie. Bd. IV. 8.266. Zusatz des Verfassers. Seit der Abfassung des vorliegenden Aufsatzes habe ich es praktisch gefunden, das Ventil v, und das Rohr r, von dem übrigen Ventilapparat räumlich zu trennen. Man kann dann, besonders bei Anwendung zweier _ Wasserstrahlpumpen, deren eine zugleich mit einem Gebläse verbunden sein kann, die oben beschriebenen Anordnungen noch bequemer ausführen. Ich unterlasse jedoch eine genauere Beschreibung der jetzigen, nur wenig ge- änderten Anordnung, da prinecipiell in der Wirkungsweise des Apparats da- durch nichts geändert worden ist. Erlangen, 27. Juli 1885. Die räumliche und zeitliche Aufeinanderfolge reflectorisch contrahirter Muskeln. Von Dr. Warren P. Lombard. (Aus dem physiologischen Institut zu Leipzig.) I Einleitung. Aufgabe. Zur vollkommenen Schilderung einer Reflex- bewegung, an der sich mehrfache Gelenke eines Gliedmaasses nach einer ge- wissen zeitlichen Ordnung betheiligen, können wir nur dann gelangen, wenn wir wissen: welche Muskeln und in welcher Reihenfolge sie in die Bewegung eintreten, welche Zeiten zwischen dem Beginn der aufeinanderfolgenden Con- : tractionen verstreichen, wie lange jede einzelne Zusammenziehung anhält, und in welchem Umfange sie geschieht. Da die Erfüllung dieser Forderungen jedenfalls zu den Vorbedingungen gehört, durch welche uns das Verständ- niss der im reflectorischen Centrum ablaufenden Hergänge eröffnet wird, so folgte ich bereitwillig dem von Prof. ©. Ludwig ausgesprochenen Wunsche, eine Untersuchung nach der ausgesprochenen Richtung hin vor- nehmen. Angesichts ihrer Schwierigkeiten und ihres Umfanges kann die Aufgabe nur schrittweise und auch dann nur einer Lösung entgegengeführt werden, wenn sie an einer leicht und sicher herstellbaren Reflexbewegung in An- griff genommen wird. Zu den letzteren gehört die Beugung des herab- hängenden Beines eines enthirnten Frosches, welche nach der Reizung irgend welcher sensibler Enden des Plexus ischiadieus einzutreten pflegt. — Ihre Beobachtung wird mit dem Aufsuchen der Muskeln anzufangen haben, welche an der Bewegung Theil nehmen, und meinem Plane nach sollte sich daran die Bestimmung der Reihen- und Zeitfolge schliessen, nach und in welcher die einzelnen Muskeln ihre Zusammenziehung beginnen. Wegen der un- DIE AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. 409 überwindlichen Schwierigkeiten, die sie ihrer Untersuchung entgegensetzen, musste jedoch von den kleinen Muskeln des Fusses und der Zehen Ab- stand genommen und die Beobachtungen auf die Dreher des Hüft-, des Knie- und die grösseren des Fussgelenkes beschränkt werden. Der Versuch erstreckt sich demnach auf die Mm. Ileopsoas, Gluteus, Pectineus, Pyriformis, Quadratus, Obturatorius, Adductores magnus, longus, minor, Semitendinosus, Semimembranosus, Biceps, Rectus magnus, Sartorius, Triceps, Tibialis anticus, Peroneus, Extensor brevis, Gastroenemius, bei deren Benennung ich der von A. Ecker aufgestellten Nomenclatur gefolet bin. Grundsätze der Methode. Da wir durch den Versuch erfahren wollen, wann jeder einzelne der aufgezählten Muskeln in die Zusammen- ziehung eintritt in Folge einer vom Rückenmark aus reflectirten Erregung sensibler Nervenenden, so werden die folgenden Bedingungen zu erfüllen sein. Das Rückenmark des enthirnten Frosches muss möglichst lange reizbar bleiben, worauf am sichersten zu rechnen ist, wenn sein Blutstrom einen ungestörten Fortgang nimmt. Darum ist bei der Enthirnung und den nachfolgenden Operationen jeder nennenswerthe Blutverlust zu vermeiden. Ohne Verletzung irgend welchen Nervenstämmchens müssen die Sehnen sämmtlicher Muskeln aus ihrer Verbindung mit dem Femur gelöst werden. Nachdem dieses geschehen, ist das von seinen Weichtheilen befreite Femur zu entfernen, wonach es alsdann möglich wird, die über den Oberschenkel laufenden Muskelbäuche soweit von einander zu trennen, dass sich jeder einzelne, ohne seinen Nachbar zu zerren, bewegen kann. An jede der losgelösten und mit einer Marke versehenen sehnigen Enden muss ein fester, längerer Faden geschnürt sein, welcher mit einem Schreibstift in straffe Verbindung zu bringen ist. Nach Vollendung der beschriebenen Vorbereitungen, und nachdem auch noch der Plexus ischiadicus des zweiten sonst unversehrten Beines durch- schnitten ist, wird der Körper des Frosches auf einer gestielten mit einem festen Stativ zu verbindenden Metallplatte befestigt werden müssen. Zu einer unverrückbaren, keine Erregungen des Rückenmarks veranlassenden Befestigung bieten die entnervten Theile, Kopf und Schenkel allerdings ge- nügende Handhaben; doch genügte auch die einfache Befestigung des ent- nervten Beines und des Beckens durch Bänder; sie veranlassen, wie ich thatsächlich erfuhr, selbst bei Strychninvereiftung keine Reflexe und von Hemmungswirkungen kann zudem nicht die Rede sein. — Der Unterschenkel des Reflexbeines, welcher nur durch die Nerven und die Haut mit dem Oberschenkel verbunden bleibt, wird durch eine von dem allgemeinen Träger kommende Klemme an dem Kopfe der Tibia in einer der Kniebeugung entsprechenden Stellung gehalten, damit die freien Sehnenenden der vom 410 WARREN P. LoMBARD: Fuss aufsteigenden Muskeln gleich den vom Becken herablaufenden nach unten hin gerichtet sind. | Weil die Muskeln ihre Bewesung auf eine zeitmessende Trommel schreiben sollen, wird der an die Sehne befestigte Faden mit je einem langen dünnen Stahldrahte verknüpft, jedes der Drähtchen lief durch zwei senkrecht übereinander stehende Oeffnungen, welche in zwei längere steife Blechstreifen eingeschlagen waren. Die Eisenstäbchen können sich sonach nur in senkrechter Richtung bewegen. Den Blechstreifen war eine bogen- förmige Gestalt gegeben, ihre Kanten stellten Kreisabschnitte vor, von einem mit dem Trommelumfang concentrischen Verlauf. Die beiden Blech- streifen waren an ihren Enden durch feste Stäbe verbunden, so dass die Lage und der Abstand ihrer Flächen sich stets unverrückt er- hielten. In dem zwischen den beiden Führungsblechen gelegenen Raume war auf jedes Stahlstäbchen eine in beliebiger Höhe festschraubbare Hülse aufgesteckt und diese selbst mit einem Schreibstift versehen, dessen eines freies Ende auf bekannte Art mittels eines Fadenpendels an die Trommel angedrückt wurde. Um den Plan des Versuches zu erfüllen, durften auf einmal nie weniger als 11, zuweilen mussten sogar 19 Muskeln gleichzeitig schreiben, also galt es die Fäden der Sehnen aus dem kleinen Umfang, den sie in unmittelbarer Nähe des Kniegelenks einnehmen, auf den grossen Kreis- bogen zu vertheilen, auf welchem die Träger der Schreibstifte aufgestellt waren, und zwar derart, dass die letzteren entsprechend der veränder- lichen Länge der Muskeln ohne merkliche Reibung steigen und fallen konnten. — Als zweckmässig wurde hierzu befunden, nahe unter den Sehnenenden ein an den allgemeinen Träger befestigtes Blech aufzustellen, welches die von dem Frosch herabfallende Flüssigkeit von den Fäden und Stäben ablenkte. In dieses Blech wurden in einem dem Querschnitt der zusammengelesten Ober- und Unterschenkel entsprechenden Kreise die nöthige Zahl von Löchern eingeschlagen und über dem oberen der beiden zur Führung der Stahldrähtchen dienenden Blechstreifen noch ein weiterer gleich geformter und gleich vielmal durchbohrter gestellt. Der dritte der Blechstreifen konnte auf dem allgemeinen Träger nach Belieben höher oder tiefer angeschraubt werden. Vermöge der gewählten Einrichtung liefen die von den Sehnenenden abgehenden Fäden zuerst senkrecht durch den klei- nen Löcherkreis des Schutzblechs, dann wichen sie schief auseinander zu den Löchern des obersten der drei Blechstreifen, und jenseits derselben wieder senkrecht zu den oberen Enden der Stahldrähtehen. Da der Frosch, das Schutzblech, der oberste der drei Blechstreifen und die Führungsbleche der Stahlstäbchen unabhängig von einander zu bewegen waren, so konnte der Abstand zwischen dem ersten und letzten senkrechten Verlauf der Dis AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. All Fäden gross genug gewählt werden, um stets den Zug der Muskeln ohne merkliche Reibung auf die Schreibstifte übertragen zu können. Die mit dem berussten Papier überzogene Trommel drehte sich gleich- mässig mit einer Geschwindigkeit, bei welcher in 0.14 Sec. 10 "m ihres Umfanges weiter bewegt wurden. Als Reizmittel für die Haut des Reflexbeines dienten kleine auf 47 bis 62°C. erwärmte Metallplättchen, Drücke und elektrische Schläge von verschiedener Stärke und Essigsäure von bekannter Verdünnung. Uebersicht der Ergebnisse. — Rufen mehrfache aufeinanderfol- sende gleichartige, an demselben sensiblen Orte angebrachte Reize Be- wegungen in einer grösseren Zahl von Muskeln hervor, so kann die Reihen- folge, nach welcher die einzelnen ihre Verkürzung beginnen, verschiedenartig ausfallen. Allerdings erscheint unter den möglichen Ordnungen eine der- selben vorzugsweise oft, doch ereignet es sich auch, dass statt der gewöhn- lichen Reihenfolge a, d, ce... irgend welche andere auftritt, indem der Muskel 5 sich früher als a oder später als ce contrahirt. Gleiches silt für c oder jeden anderen der reflectorisch erresten Muskeln. Die von denselben sensiblen Nerven aus eingeleitete Erregung kann demnach mit Umgehung aller übrigen motorischen Wurzeln jede ihr über- haupt zugängige erreichen, ohne dass der Reizung eines zweiten die eines ersten motorischen Nerven vorausgehen muss. Vermag aber der vom sen- siblen Nerven herandringende Anstoss mit Auswahl bald diesen oder jenen Muskel zu erfassen, bevor er andere ihm gleichfalls zugängige berührt hat, so müssen sich auch von den sensiblen Gebieten des Rückenmarks aus zu den Wurzelbereichen jedes Muskelnerven besondere Wege erstrecken. Unter den von jedem sensiblen Orte zu den verschiedenen Muskeln sich erstrecken- den Verbindungen sind jedoch einzelne bevorzugt, so dass die Erregung sie leichter als alle übrigen durchsetzen kann, denn es betheiligen sich ge- wisse Muskeln früher und häufiger als andere am Reflex, und dieses nach einer bestimmten Reihenfolge. Den Zeitraum, innerhalb dessen der gesammte Reflex abläuft, kann man in drei Perioden theilen; eine erste, welche mit dem Beginn des sen- siblen Reizes anfängt und mit dem Anfang der Bewegung schliesst, diesen Absehnitt nennt man gegenwärtig vorzugsweise die Reflexzeit; an sie fügt sich die zweite Periode, die von dem Beginn der ersten bis zu dem der _ letzten Contraction dauert; die dritte würde mit dem Austritt des letzten der erresten Muskeln aus seiner Contraction schliessen. — Ueber die Dauer der zweiten dieser Perioden geben meine Versuche Aufschluss. Ihre physio- logische Bedeutung besteht darin, dass sich während ihr der vom sensiblen Nerven ausgehende Anstoss über alle die motorischen Wurzeln ausbreitet, 412 WARREN P. LOMBARD: welche er überhaupt zu erreichen vermag. — Um sie von anderen Zeitab- schnitten zu unterscheiden, heisse die zweite Periode die Ausbreitungszeit. Für die Dauer der Ausbreitungszeit bedingt es einen Unterschied, ob das reflectirende Rückenmark die normale chemische Zusammensetzung be- sass oder ob es mit Strychnin vergiftet war. Im letzteren Falle ist die- selbe stets von sehr geringer Dauer, unabhängig davon wie der Reflex her- vorgerufen wird. — Die folgenden Angaben beziehen sich unter Ausschluss der Strychninvergiftung auf ein normales Rückenmark. Vorausgesetzt die Reizung des sensiblen Nerven sei vor oder spätestens mit dem Eintritt des Reflexes unterbrochen worden, so kann die Ausbrei- tungszeit verschieden lange, weniger als 0.01 oder auch bis zu einigen Secunden hin, andauern; ihren Betrag beeinflusst die Zahl der am Reflex betheiligten Muskeln, die Stärke und die Art des Reizes, ohne dass jedoch unter einer der genannten Bedingungen die Ausbreitungszeit einen bestimmt zugemessenen Werth annimmt. Ungeachtet dessen, dass die Zahl der erregten Muskeln eine geringe gewesen, kann die Dauer der Ausbreitungszeit länger als andere Male beim Ergriffensein einer grösseren Zahl von Muskeln werden. Und obwohl nach stärkeren Reizen die Ausbreitungszeit sich meist verkürzt zeigt, so geschieht dieses keineswegs jedesmal. Zwischen dem Einfluss von Druck- und Wärme- reizen besteht insofern ein Unterschied, als nach der Einwirkung der ersteren die Ausbreitungszeit niemals so grosse Werthe annimmt, als sie häufig, wenn auch nicht immer, nach der Erwärmung der Haut in den Temperatur- grenzen von 47 bis 61°C. beobachtet werden. Den Zeitraum, welcher verstreicht, bis nach dem ersten jeder der späteren Muskeln in die Zusammenziehung eintritt, wollen wir die Zögerung oder die Latenz des betreffenden Muskels nennen. Auch für sie lässt sich keine bindende Regel aufstellen, etwa wie die, dass die Latenz eines jeden Muskels einen stets bestimmten Bruchtheil der gesammten Ausbreitungs- zeit ausmachte. Die Zögerung eines Muskels bleibt selbst dann von einem zum anderen Reflex nicht unverändert, wenn zwei der letzteren rasch hinter einander ausgelöst werden, die sich aus einer gleichen Zahl in derselben Ordnung aufeinander folgenden Muskeln zusammensetzen und deren Aus- breitungszeit nicht wesentlich verschieden ausfällt. Der Muskel 5, welcher in einem ersten Reflex rasch auf a folete, kann in einem zweiten später eintreten und dabei kann das Intervall zwischen a und e sich gleichbleiben oder ebenfalls verändert worden sein. Die geringe Geschwindigkeit, mit welcher sich so häufig die Erregung von einer motorischen Wurzel zur anderen ausbreitet, beseitigt die Vorstel- lung, dass das Fortschreiten derselben innerhalb eines dem Stoffe des Axencylinders gleichen oder auch nur ähnlichen geschehe. Und der von Die AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. 413 allen benachbarten unabhängige Wechsel der Latenz jeder Wurzel macht die Annahme unmöglich, dass die zeitliche Aufeinanderfolge der Erregung in den einzelnen Muskeln von der Leitung in einem stets gleichartigen Stoffe bedingt sei. — Werden die sensiblen. Nerven dauernd erregt, was durch den Gebrauch des Wärmereizes möglich ist, so verharren die vom Reflex ergriffenen Muskeln nicht in einer anhaltenden Verkürzung, sie erschlaffen nach der Ausführung einer Bewegung alsbald wieder, um nach einiger Zeit in einen neuen reflectorischen Anfall zu gerathen. Solche Anfälle wieder- holen sich nach dazwischen liegenden Zeiten der Ruhe mehrmals. In je- dem derselben kann die Ordnung, in welcher die Muskeln ihre Verkürzung beginnen, ebenso ihre Zahl und die Latenz jedes einzelnen verschieden sein. . 107 Die Begründuug und die weitere Ausführung der vorgetragenen Sätze ist in der nun folgenden ausführlicheren Darstellung der Versuche zu finden. Bevor ich auf dieselbe eingehe, darf ich nicht verschweigen, weshalb ich im Vorhergehenden und Folgenden von der Beantwortung aller Fragen absah, die sich auf die sogenannte Coordination der Muskeln beziehen. Da uns bekannt ist, wohin die einzelnen Abschnitte des Beines geführt werden nach einer auf die Haut der Extremität angebrachten Reizung, so könnte man erwarten, es sei nach der gleichzeitigen Untersuchung so zahlreicher und bedeutungsvoller von ihren Ansätzen abgelöster Muskeln möglich anzu- seben, ob die Reihenfolge ihrer Zusammenziehung derart stattfinde, dass durch sie die Umlagerung der einzelnen Atheilungen des Gliedes auf das einfachste und sparsamste bewerkstelligt werde. An diese wichtige Auf- gabe wird man aber erst dann mit Hoffnung auf Erfolg herantreten können, wenn die Anatomie des Froschbeines weiter als heute gediehen ist. Ganz abgesehen von allen höheren durch die Mechanik gestellten Forderungen ist uns sogar das Genauere des Gelenkbaues unbekannt, ja wir wissen nicht einmal wie und wohin einzelne Muskeln, wenn sie sich auch allein bewegen, die zugehörigen Knochen führen. Und zwar deshalb nicht, weil mehrfache Muskeln, z. B. mit Ausnahme des Extensor brevis alle Dreher des Knies, über zwei Gelenke ungleich weit hinausgreifen, und weil sie mit der fortschreitenden Verkürzung ihren Angriffspunkt auf die Knochen ändern. Handelte es sich nur um die Erkenntniss, wie das Springen und Schwimmen des Frosches zu Stande kommt, so würde es sich kaum der Mühe lohnen, das schwierige Geschäft in Angriff zu nehmen, soll uns aber das Frosch- bein als ein Mittel zur Einsicht in die allgemein wichtigen Vorgänge innerhalb des Rückenmarkes dienen, so wird die eingehendste Aufhellung seiner Mechanik unumgänglich sein, 414 WARREN P. LoMBARD: Reize. Als Mittel zur Erregung der Hautnerven dienten in verschie- denen Abstufungen ihrer Stärke der Druck, die Wärme, der Inductions- strom und verdünnte Essigsäure. Unabhängig von den Graden seiner Intensität wäre eine genaue Abgrenzung der Dauer des reizenden Eingriffs erwünscht gewesen. Eine solche scheint sich jedoch nicht erreichen zu lassen, vorausgesetzt, dass man die Erfahrungen auf den Frosch übertragen kann, die man nach schmerzhaften Eingriffen auf die eigne Haut gewinnt. Denn jeder stärkere, noch so kurz dauernde Eingriff erzeugt in unserer Haut kein ebenso rasch vorübergehendes Schmerz- oder Unlustgefühl, sondern eine dauernde ganz allmählich abklingende Empfinduns. Und ähnlich ver- . hält es sich nach schwächsten, Kitzelgefühle bedingenden Einwirkungen. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes würde man durch die Annahme einer Täuschung verfallen, dass die Dauer der Hauterregung und die des reizenden Eingriffs sich deckten. Ebensowenig lässt sich die Behauptung festhalten, dass die Dauer des von dem verwendeten Reize erreichbaren Maximums der Empfindung von der Anwesenheit des Eingriffs bestimmt werde. Hiergegen spricht die bekannte Erfahrung, dass während eines an- dauernden Hautreizes die Reizbarkeit abnimmt. Demgemäss wird man sich, wenn es sich um eine Bestimmung der Reizungszeit handelt, nur auf die Angabe einer längeren oder kürzeren Dauer derselben beschränken müssen. Zur Abstufung und Ausbreitung des Druckreizes dienten verschiedene Mittel. Bestreichen der Haut mit einem Malerpinsel oder mit einem feinen glatten Metalldraht, gilt mir als der schwächste Druckreiz; ist von einem mittelstarken die Rede, so war eine Hautfalte oder ein Zehenglied zwischen den Armen einer Pinzette mässig gepresst worden. Zur Erzeugung des stärksten Druckes diente eine federnde, an ihren freien Enden mit Zähnen versehene Zange, sie wurde geöffnet an die Haut angelest, mittels eines vorgeschobenen Stiftes rasch geschlossen und eben so rasch wieder geöffnet. Mit diesem als Blitzzange zu bezeichnenden Werkzeug konnte während einer nur nach kleinen Bruchtheilen einer Secunde dauernden Zeit die Haut in srösserer oder kleinerer Ausdehnung stark zusammengekniffen werden. Sehr häufig bediente ich mich der Temperatur als Reizmittel. Die Vortheile ihrer Anwendung dürften in der genauen Abgrenzung ihrer Ein- wirkung, der sicheren Abstufung ihrer Stärke und in der geringen Störung der Reizbarkeit gefunden werden, welche sie innerhalb gewisser Grenzen der Zeit und des Grades angewendet, hinterlässt. Zum Gebrauch eignet sich der Temperaturreiz nur dann, wenn er rein, d. h. ohne Zuthun eines Druck- reizes angewendet und wenn die erregende höhere Temperatur nach Belieben plötzlich ebensowohl hergestellt als durch eine niedere ersetzt werden kann. Zur Erfüllung der ersten Bedingung wird verlangt, dass die Fläche, welche die Wärme auf die Haut übertragen soll, unverändert mit der letzteren DIE AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. 415 verbunden bleibe, unabhängig davon, auf welche Temperatur sie gebracht wird. Das sehr dünne Kupferplättchen, welches mir als Uebermittler der Reize diente, musste deshalb unverrückt einer Hautstelle anliegen, die während des Versuchs selbst vollkommen ruhte Und um die Temperatur des Metall- plättchens nach Belieben und rasch veränderlich zu machen, müssen Wasserströme von bekannter aber verschiedener Temperatur an ihm vor- beistreichen. Aus diesen Bedingungen leitet sich die Gestalt des in Fig. 1 schematisch wiedergegebenen Wärmeträgers ab. Eine Messingröhre / ist an ihrem conisch zulaufenden Ende durch eine dünne kreisförmige Kupferscheibe verschlossen; sie soll mit der Haut in Berührung kommen. Aus der Lichtung der Röhre zweigt sich seitlich möglichst nahe der Kupferscheibe ein Rohr 5 ab. Das der Kupferscheibe entgegengesetzte = Ende des Rohres J ist auf den Mantel eines Hahns aufgelöthet, so dass seine Lichtung sich in die des Mantels öffnet. An dem Mantel = des Hahns sind rechts und links zwei andere Röhren dd’gelöthet, deren geradlinige Fortsetzung je eine in’s Freie gehende Mündung besitzt, die durch je einen hier nicht gezeichneten Hahn zu verschliessen ist.. Vor der freien Oefinung sehen von den Röhren d und d’ unter je einem rechten Winkel die weiteren Messingröhren Fig. 1. IT und III. Aus einer derselben // kann warmes und aus der andern //T kaltes Wasser in die Lichtung von I übergeleitet werden, je nachdem der Zapfen des Hahnes Z derart ge- stellt ist, dass er seine rechtwinkliche Durchbohrung entweder Z mit II oder Z mit III verbindet. Jede der weiteren Röhren Z/ und III ist ausser der in dem Hahn mündenden noch mit zwei Oeffnungen versehen, einer endständigen und einer seitlichen cc!. In die endständige Oeffnung wird mittels eines Korkes ein Thermometer eingesetzt; jede der seitlichen ce und c! steht mit einem grösseren hier nicht gezeichneten Behälter in Verbindung, aus welchem Wasser zufliessen kann, wenn der am Ausfluss des Behälters befindliche Hahn geöffnet ist. Einer der letzteren ist mit kaltem, der andere mit warmem Wasser gefüllt. Der Gebrauch des Apparates ist leicht ich Nachdem das Kupfer- scheibehen an dem gewünschten Orte gegen die Haut des Frosches unver- rücklich angepresst ist, wird der Hahn, welcher den mit kaltem Wasser gefüllten Behälter von IIZ abschliesst, geöffnet und es bewegt sich nun der kalte Strom in die Lichtung von Z/II und von da durch das in das Freie mündende Ausflussrohr d.. Wird nun die Mündung des letzteren ver-' 416 WARRENn P. LoMBARD: schlossen, dagegen der winkelrecht durchbohrte Zapfen des Hahnes Z auf die Verbindung von / mit III geäreht, so fliesst nun das kalte Wasser durch die Lichtung von / nach 5 ab. Haben die Wandungen der Rohre I die gewünschte Temperatur erreicht und will man nun zur Erwärmung der Kupferscheibe übergehen, so setzt man, bevor noch die kalte Zuströmung unterbrochen wird, die Röhre ZI mit dem Behälter voll warmen Wassers in Verbindung und lässt so lange warmes Wasser in // ein und durch da in’s Freie führenden Röhrchen d wieder abfliessen bis das in dem Strome stehende Thermometer die gewünschte Temperatur anzeigt. Alsbald wird das in das Freie mündende Abilussrohr gesperrt, der Hahn Z aber auf die Verbindung von I mit 1/ gedreht, sodass das warme Wasser nun seinen Ausweg durch I nach 5 suchen muss. Dadurch dass man die Rohre /7 vorwärmt, indess aber die mit der Haut sich berührende Kupferscheibe auf der niederen Temperatur erhält, gelingt es vor der Haut eine sehr steil ansteigende Wärmeschwankung zu erzeugen, denn es nimmt fast momentan die Kupferscheibe den Wärmegrad des zuströmenden heissen Wassers an. Hiervon habe ich mich durch Versuche mit dem Thermomultiplicator überzeugt. Den Bau des in seinen Grundzügen beschrie- benen Apparates wählte ich zu einer Zeit, als ich noch an der von Affanasiew und Rosenthal herrührenden Angabe festhielt, dass die Reizung der Nerven durch die Wärmeschwankung hervorgerufen werde. Gegenwärtig, wo ich durch die Erfahrung eines anderen belehrt bin, würde ich dem die Wärme zuführenden Röhrenwerk eine andere leichter zu handhabende Gestalt etwa dadurch geben (siehe Fig. 2), dass ich an den Mantel des Hahnes Z noch eine Fig. 2. vierte Röhre Z gegenüber derjenigen einsetzte, welche den Zufluss zu Z besorgt. Aus ihr würde der Stellung des rechtwinkelig durchbohrten Hahnzapfens entsprechend das Wasser aus ZI und Z/1/ durch Z abfliessen können, so lange es nicht zu Z hinströmen sollte, Je nach der gerade verfolgten Absicht wurde der dem Kupferplättchen zugeführte Wärmestrom unterbrochen und durch einen kalten ersetzt, ent- weder unmittelbar nachdem der erste der zum Schreiben vorgerichteten Muskeln sichtbar zu zucken begann, oder um einige gewöhnlich um 8 Se- cunden später oder endlich erst dann, wenn trotz der fortdauernden An- wesenheit des Wärmereizes keine weiteren reflectorischen Bewegungen mehr eintraten, also unter der Einwirkung der höheren Temperatur irgend welche in den Reflexmechanismus eingerechnete Bestandtheile ermüdet waren. Von der unversehrten Haut aus konnte, vorausgesetzt, dass die Wärme durch das Kupferscheibchen zugeführt wurde, niemals eher ein Reflex her- Die AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. 417 vorgerufen werden, als bis die Temperatur des Plättchens auf 47° C ge- stiegen war, meistens bedurfte es sogar eines Wachsthums derselben auf 49° bis 50° C, zuweilen sogar einer über 50° C gelegenen Temperatur. Dem Plättehen gegenüber verhielten sich also die Enden der Hautnerven wie es nach Eckhard und Grützner für die motorischen und sensiblen Stämme der Fall zu sein pfleet. Nicht die schwankende, nur die auf einen be- stimmten Grad angestiegene Temperatur wirkt reizend. Wesentlich anders als kleine verhalten sich dem absoluten Werth der Temperatur gegenüber orösseren Flächen der Ober- und Unterschenkelhaut. Nach dem Vorbild von Goltz! und Foster? habe ich zahlreiche Beobachtungen über den Einfluss angestellt, welchen grössere von bestimmt temperirtem Wasser betroffene Hautflächen auf die Erzeugung von Reflexen üben. Dabei über- zeugte ich mich von dem Satze, dass der be- und der enthirnte Frosch sich ungleich empfindlich gegen die Wärme erweisen. Der Unterschied zwischen dem geköpften und dem unversehrten Frosch ruht jedoch keinen- falls auf dem gestörten Blutstrom, denn er besteht auch noch nach der an dem letzteren ausgeführten Unterbindung der Aorta abdominalis; ob aber der Blutstrom für den Grad der Empfindlichkeit des hirntragenden Frosches etwas bedeutet, muss ich offen lassen. — Ueber dem Temperaturgrad, welchen das den Schenkel umgebende Wasser angenommen haben muss, um einen Reflex auszulösen, haben mir meine Versuche keinen bestimmten Aufschluss gegeben; das Ergebniss derselben stimmte weder mit der Angabe meiner Vorgänger, welche auf 35° C lautet, noch war es in den einzelnen Beobachtungen ein übereinstimmendes. Die Erfahrung von Foster, dass der enthirnte Frosch zu einem Reflex angeregt wird, wenn statt des ganzen Beines nur die Zehen in das warme Wasser getaucht werden, auch wenn dieses nicht über 30° bis 35° C temperirt ist, kann ich bestätigen. Für die Methodik der Wärmereizung ist es jedenfalls von Belang, dass die kleinen Flächen der Zehen, wenn sie allein erwärmt werden, gegen eine niedrigere Temperatur empfindlicher sind als die der Unter- und Ober- schenkelhaut. — Aus der Gesammtheit der Beobachtungen mit Wärme- reizen scheint zu folgen, dass nur die Temperatur, welche den Menschen schmerzt, beim Frosch Reflexe auslöst. Essigsäure und der Inductionsstrom wurden auf bekannte Weise als Reiz- mittel angewendet. Der letztere entweder nur einmal oder unter öfterer Wieder- holung in derselben Stärke nach kurzen annähernd gleichen Zeiten. Meist mehrte sich die Zahl der vom Reflex ergriffenen Muskeln mit der häufigeren Wiederkehr des elektrischen Reizes. Bewirktez. B. ein Inductionsstrom nur die 1 MHunctionen der Nervencentren. Berlin 1869. 8. 128 ff. 2 Studies from the physiological Laboratory of Cambridge. 1873. p. 36. Archiv f.A.u. Ph. 1885. Physiok Abthlg. 27 418 WARREN P. LoMBARD: Bewegung von vier Muskeln, so konnten steigend sämmtliche zum Schreiben vorbereitete in Verkürzung gerathen, wenn der Strom in geringen Inter- vallen 8 bis 10 mal die Haut durchfahren hatte. Praeparation des Frosches. Das Gelingen des Versuchs forderte, dass die motorischen und sensiblen Nerven der Extremität, deren Muskeln ihre reflectirte Zuckung aufzeichnen sollten, in vollkommen leistungsfähigem Zustand verblieben, nachdem die Sehnen von ihren Ansatzpunkten getrennt und die zugehörigen Muskeln so weit isolirt waren, dass jeder von ihnen, ohne die Nachbarn zu zerren, sich bewegen konnte. Die Praeparation, welche diese Aufgaben erfüllte, verlief folgendermaassen. Von einem an der hinteren Grenze des Schädels ausgeführten Schnitte wurde das Hirn unter sorgfältiger Vermeidung jeder Blutung durch ein zugespitztes Holzstäbchen zerstört, welches die Schädelhöhle ausfüllend in dieser liegen blieb. Hierauf wurde die Aorta unmittelbar vor der Thei- lung in die Cruralarterien unterbunden und auf der linken nicht zur Beobachtung verwendeten Seite der 7., 8. und 9. Nerv durchschnitten, "da- mit fernere Operationen nicht zur Blutung und die Befestigung des Thieres an dem rechten Bein nicht zur Auslösung von Reflexen führten. Dann wurde die Haut in der Mittellinie der äusseren Seite des rechten Beines durchschnitten, anfangend etwa 1 °“ unterhalb des Knies und schräg nach innen aufsteigend bis etwas über und nach aussen von der Symphysis oss. pubis. War die Haut zurückgeschlagen, so wurden die Sehnen der Muskeln in nachstehender Reihenfolge von ihren Ansatzpunkten um das‘ Knie abgetrennt: Sartorius, Rectus longus, Rectus magnus, Semitendinosus, Semimembranosus, Triceps. Bei der Lostrennung des letzteren muss der innig an seiner Sehne liegende N. tibialis sorgfältig geschont werden. Sind die Sehnen durchschnitten, so werden die Muskeln aus der umhüllenden Fascia einen Centimeter weit gelöst, eine Länge, welche zur Unabhängigkeit ihrer Bewegungen von einander genügt. Um die Sehnen wurde dann je ein langer, feiner Leinenfaden festgeschlungen und an diesen eine die Muskelnummer tragende Marke angeknüpft. Nachher wurde der Frosch auf die linke Seite gelegt, der N. peroneus sammt einem Zweig den er zur Haut sendet, sorgfältig von dem Biceps und dessen Sehne losgelöst und nach oben geschoben. War die freigeleste Sehne des Biceps durch- schnitten, so wurde der N. peroneus an den früher eingenommenen Ort zurückgebracht. Danach wurde der untere Theil des Musc. biceps aus seiner Fascia gelöst, alsbald auch die Sehnen des Tibialis anticus, des Ex- tensor brevis und peroneus zertrennt. Jetzt wurden die Nn. tibialis und peroneus nach hinten gelest, sodass ohne Gefahr für beide die Bänder des Kniegelenkes durchschnitten, die sichtbar gewordene Sehne des Gastrocnemius DIE AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. 419 abgetrennt, und die Enden der letztgenannten Sehne ebenfalls mit Leinen- faden umbunden und bezeichnet werden konnten. Sollten nur die bisher genannten elf Muskeln ihre Zuckungen auf- schreiben, so wurde weiterhin auf das Sorgfältigste der Oberschenkelknochen aus dem Fleische ausgelöst und herausgenommen, wonach die Operation vollendet war. Auf eine etwas andere Art mussten die eingelenkigen Muskeln des Hüftgelenks behandelt werden, wenn auch sie in den Kreis der Unter- suchung gezogen werden sollten. Da die meisten der reinen Hüftmuskeln sich mit sehr kurzen Sehnen an den Knochen setzen, so empfahl es sich mit möglichster Schonung der Muskelansätze den Oberschenkelknochen in so viel Abschnitte, als sich an ihn Muskeln anheften, zu zerschneiden, um für die Anknüpfung der Leinenfäden einen festen Halt zu gewinnen. Die erste Theilung fand über der Anheftung der Adductores magnus und longus statt, so dass das losgelöste Knochenstück die unteren Enden der beiden Muskeln umfasste. Der zweite Durchschnitt des Knochens geschah zwischen den Ansätzen des Ileopsoas und Pyriformis, hierauf wurde ein Knochen- stück abgetrennt, an welches sich Pyriformis, Adductor minor und Pecti- neus ansetzten. Das letztere Stückchen wurde entsprechend den Ansätzen der drei Muskeln zersplittert, wenn sich hierbei, wie es zuweilen vorkam, ein Ansatz von den Knochen loslöste, so musste der Leinenfaden um die Muskelenden selbst geschlungen werden. Von den Sehnen, welche sich ausserhalb der Gelenkkapsel an den Körper des Femurs festsetzen, blieb jetzt noch der M. quadratus übrig. Wenn sein Ansatz abgetrennt war, so wurden schliesslich noch die Sehnen der Mm. obturator und glutaeus bei der Auslösung des Gelenkkopfes abgeschnitten. War der Kopf entfernt, so fand sich die Sehne des Obturators unter der Gelenkpfanne, die des Glutaeus dagegen zurückgezogen zwischen dem inneren und äusseren Kopf des Triceps. Um zu dem letzteren zu gelangen, musste die Haut und Fascia an der äusseren hinteren Seite des Os ischii durchschnitten werden. Die an die Sehnen der beiden Muskeln geknüpften Faden wurden der natürlichen Lage der Muskeln entsprechend hervorgezogen und gelegt. Waren alle Muskelenden mit Faden und der Marke versehen, so wurde der Frosch mit Fliesspapier umhüllt, welches mit !/, procentiger NaCl-Lösung durchtränkt war; dann aber eine Stunde lang in einem durch Eis abgekühlten Raume aufbewahrt. Prüfung des vorgerichteten Beines auf seine Leistungsfähig- keit. Nach der Vollendung der eingreifenden Operation erwacht die Be- sorgniss, dass auf dem verstümmelten Beine die früher vorhandene Be- fähigung zum Reflex wesentlich geschädigt sein möchte. Ob und inwieweit au a0 lm DB. Tomi: liess sich leicht durch die Empfindlichkeit und durch die Bewegungen prüfen, die das vorgerichtete Bein im Vergleich mit dem anderseitigen dar- bot; denn vorausgesetzt, dass das zweite Bein ohne alle Verletzung ge- blieben war, musste sich auch seine Reflexbarkeit unversehrt erhalten haben, da das Rückenmark nach wie vor vom Blute durchströmt wurde und die von der Operation gesetzten schmerzhaften Eingriffe sich nur auf die durch die Hautschnitte und durch die Auslösung der Gelenke, namentlich die des untern Femurkopfes veranlassten, beschränkten. Unmittelbar nach der Operation besteht zwischen der Empfindlichkeit beider Gliedmaassen insofern ein Unterschied, als sich vom unversehrten Beine aus schon schwächere Reize auf die Muskeln reflectiren; später scheint sich jedoch die stumpfere Empfindlichkeit des praeparirten Gliedes wieder mehr zu schärfen, da häufig einige Stunden nach der Vollendung des blutigen Eingrifis schon äusserst geringe Druckreize, z. B. ein Pinsel- strich, genügen, um den Reflex zu erzeugen. Umfang und Art der einmal ausgelösten Bewegung verhalten sich da- gegen an beiden Beinen zu allen Zeiten gleich. Am deutlichsten lässt sich dies am Fussgelenk gewahren, weil ein bedeutender Theil der Muskeln des vorgerichteten Beines noch am Knochen haftet. Wird eine Zehe des letz- teren sanft gedrückt, so beugt sich der Fuss und er fährt wischend über die Kniehaut, wenn eine Seite derselben gereizt wurde; einen stärkeren Druck auf die Zehe beantwortet das Rückenmark mit einer Beugung und rasch darauf folgender Streckung des gleichseitigen Fusses, und noch stär- kere Drücke rufen Bewegungen des anderseitigen, namentlich auch des operirten Beines hervor, wenn die Haut des gesunden gereizt wurde. — Aehnlich den noch an die Knochen angreifenden verhalten sich die von ihm gelösten Muskeln. Reizungen der Haut, welche auf der gesunden Seite Knie und Hüfte zur Beugung bringen, veranlassen, auf die vorge- richtete Seite angewendet, in den blossgelesten Muskeln lebhafte Bewegun- sen, sodass jeder Zweifel an dem vollkommenen Bestand seiner Reflex- erregbarkeit schwindet. Das Schreibzeug für die Muskelzuckungen. — Die Reflex- harfe. Ausser der festen Aufstellung des Frosches bedarf es um die Zuckung von 11 bis 15 Muskeln und mehr auf das berusste Papier der Trommel mit Sicherheit notiren zu lassen, einer besonderen Vorrichtung. Die Schreibstifte, die sich nur in senkrechter Richtung bewegen dürfen, müssen, um ihre Marken deutlich von einander getrennt zu halten, in je einer Entfernung von mehr als 5" die Trommel berühren. Daraus folgt, dass die in einem mit der Trommel concentrischen Kreisstücke aufgestellten Schreibstifte die Länge einer mehr als 100 “m betragenden Linie einnehmen. DIE AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. 421 — Die Muskeln dagegen, welche in der Nähe des Hüft- und des Knie- gelenks sich ansetzen, umschreiben mit ihren freigelegten und abgeschnit- tenen Sehnen einen nur kleinen Kreis, aus dessen Umfang sie nicht heraus- gezogen werden dürfen, wenn sich selbst kleine in der Richtung ihrer Fasern ausgeführte Verkürzungen auf dem berussten Papier bemerklich machen sollen. Um den aufgezählten Bedingungen zu genügen, mussten an den Sehnen der Muskeln längere feste Leinenfaden angeknüpft sein, die vom Schenkel aus erst eine Strecke hindurch senkrecht nach unten ver- liefen, dann aber nach den Orten hin sich excentrisch abbogen, an welchen sich die Schreibstifte befanden. Wo die Fäden aus der senkrechten in die schief absteigende Richtung übergehen sollten, waren sie durch feine glatt- randige Oeffnungen hindurch gezogen, die in einer Kreisliinie dem Umfang des Froschschenkels entsprechend in ein Blech eingebohrt waren, das von einem Stativ gehalten wurde. In der Richtung, in welcher sich die Muskeln verkürzen, müssen sie auch auf die Trommel schreiben und darum müssen die Faden, bevor sie zum Schreibstift gelangen, wiederum aus der schiefen in die senkrechte Richtung abbiegen. Demgemäss werden sie nun. durch eine zweite Reihe von Oeffnungen gezogen, die in ein Blech gebohrt sind, das concentrisch mit dem Trommelumfang gebogen ist. — Und um es zu bewirken, dass die Schreibstifte sich nur senkrecht auf und ab bewegen, wurde jeder derselben mittels einer anschraubbaren Hülse an einen längeren glatten 1” dicken Stahldraht befestigt, Je ein solcher Stahldraht war durch zwei senkrecht übereinander liegende feine Oeffnungen gesteckt, die in zwei concentrisch mit der Trommel gebogene Streifen aus Messingblech eingebohrt waren. An dem Umfang der Bohrlöcher war das ausserdem starke Messingblech fein geschlagen und an den freien Rändern abgeglättet, damit die Stahldrähte einem möglichst geringen Reibungswiderstand begegneten. Die beiden Führungssbleche, welche sich in einem senkrechten Abstand von 100 bis 150mm befanden, bildeten die horizontalen Begrenzungen eines vierseitigen, recht- winkelisen Rahmens. Einer der senkrechten Stäbe des Rahmens war vor- zugsweise kräftig gehalten und mit einer starken Schraubenhülse versehen, durch die er an einem soliden, standfesten Träger befestigt werden konnte; die zweite senkrechte Seite der Rahmen war aus einem weniger kräftigen Stabe gebildet, um dem freien Ende der durchlöcherten Bleche einen sicheren Halt zu gewähren. Füge ich nun noch hinzu, dass die Führungsstäbe oben mit je einer Oese zum Anknüpfen der Seidenfäden und unten zum Spannen der Muskeln mit je einem anschraubbaren Gewicht von je 5&” versehen waren, dass die von den Führungsstäben winkelrecht sich abzweigenden Schreibstifte durch die bekannten Fadensenkel an die Trommel angedrückt wurden, und endlich dass neben alle sich entsprechenden Oeffnungen für die 422 WARREN P. LoMBARD: Führung der Fäden und der Stäbe fortlaufende Zahlen eingeprägt waren, so wird das Verständniss der folgenden Figur mit Hülfe der beigefügten Zeichenerklärung dem Leser keine Schwierigkeit bieten. Beschreibung der Figg. 3 und 4. An den allgemeinen Träger sind fünf an- schraubbare Klemmen befestigt und durch Zwischenstücke sind mit dem letzteren ver- bunden das Körperblech %£, die Tibialklemme 7, das Schutzblech 77, der Fadenlenker J, der Nadelführer A KN A’. — Das Körperblech (s. Fig. 4) trägt drei Schlingen, zwei derselben befestigen die Arme, die dritte das zusammengelegte entnervte linke Bein. Ueber den Schrägschnitt, durch welchen die ursprünglich viereckige Platte in eine fünf- eckige verwandelt ist, hängt der rechte Oberschenkel des Frosches herab. Nahe dem Körperblech ihm anliegend steht die Tibialzange, die an das untere Ende eines senk- rechten Stabes befestigt ist. An dem Stab kann der in die gebeugte Lage gebrachte Unterschenkel des vorgerichteten Beines emporgebunden werden. Das Schutzblech 7 ist dreiseitig und’an den Rändern umgebogen, seine vom Frosch abgewendeten Kanten laufen in eine kleine Lücke aus, so dass die auf das Blech fallenden Wassertropfen jenseits der unteren Stücke der Reflexharfe herabfallen können. Der Lücke gegenüber näher dem hinteren Rand sind in einem kleinen Kreis 20 mit je einer Nummer ver- sehene Löcher gebohrt, durch welche die mit den Sehnenenden verknüpften Fäden der Art gezogen sind, dass sie bis zum Schutzblech hin möglichst senkrecht herablaufen. — Tiefer als das Schutzblech steht der Fadenlenker J, ein Streifen starken Messingblechs 5mm breit und 200 mm lang, um einen Radius gebogen, welcher den der rotirenden Trommel um 20 mm übertrifft. Durch dasselbe sind 20 Löcher gebohrt, in Abständen von je Tmm; jedes Loch ist mit einer Nummer versehen. Der Abstand, in welchem Schutzblech und Fadenlenker von einander aufgestellt sind, muss gross genug sein, um die Winkel, in welchem die Fäden von oben und unten von der senkrechten Rich- tung abbiegen zu möglichst stumpfen werden zu lassen. — Der Nadelträger, welcher unter dem F'adenlenker eingeschraubt ist, besteht aus je zwei Blechstreifen von der Gestalt und der Durchlöcherung des Fadenlenkers. Sie sind 4 mm dick, 15 mm breit und 200 mm lang A und A’. An ihren Enden werden die Bleche durch zwei Messingstäbe verbunden bez. auseinander gehalten, die 150 mm Länge und 10 mm Durchmesser besitzen, 3, B'. Die Schreibstifte, feine 5em lange Stäbchen, mit glatten zugefeilten Enden, stecken in kleinen Hülsen, die an die geradlinigen senkrecht herabsteigenden Stahlnadeln ange- schraubt werden. Das Gewicht derselben ist am unteren Ende durch ein 5 srm schweres Cylinderchen vermehrt, © C. — Die Fadenpendel, durch welche die Schreibstifte an die Trommel angelegt werden, hängen von Häkchen herab, die drehbar auf das obere der Bleche angeschraubt sind, M; wo die Faden das zweite Blech A erreichen, durch- setzen sie abermals eine kleine Oese N, unter welcher das spannende Gewicht D ange- knüpft ist. Versuche am unversehrten Bein. Bevor zu der Untersuchung der Erscheinungen übergegangen wurde, welche bei der Benutzung der von ihren Ansatzpunkten abgelösten Muskeln zu beobachten sind, habe ich viel- fach am unversehrten Bein bestimmt, welches seiner Gelenke zuerst gebeugt und in welchem zeitlichen Intervall die übrigen dem zuerst bewegten nach- folgten. Auch die Lösung dieser Aufgabe gelingt erst nach der Ueber- windung der Schwierigkeit, die dadurch entsteht, dass mit der Beugung = DIE AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. ED P IE 97 423 424 WARREN P. LOMBARD: jedes dem Rumpfe näher gelegenen Gelenkes auch die tiefer herabhängen- den Abtheilungen des Gliedes gehoben werden. Da den Versuchen nur insofern ein Werth zukommt, als sie mich über die beste Art den Reiz anzuwenden belehrten und mir Auskunft über die zeitliche Folge gewährten, in welcher die Gelenke zur Beugung gelangen, so beschränke ich mich auf die Angabe der Grundsätze, auf welchen meine Methode zu beobachten ruht und auf eine kurze Uebersicht der Resultate, welche durch das an- gewendete Verfahren gewonnen wurden. — An einem Frosch, dessen Gehirn zerstört ist, werden zwei feine Stahlnadeln, die eine nahe dem unteren Ende der Tibia a, die andere durch das untere Gelenkende des Femur 5 eingebohrt. ° Der frei vorspringende Theil der zweiten ist in seiner Mitte in einem rechten Winkel horizontal nach vorn und an seinem freien Ende zu einem kleinen Ring d umgebogen, welcher möglichst nahe an die Axe des Kniegelenks gebracht werden muss; unter die Sohle des Fusses, bei gestreckter Lage der Zehen wird eine kleine Holzschiene befestigt. Dann wird ‘der Frosch auf ein starkes Brett und zwar derart gebunden, dass nur die zum Ver- such dienende untere Extremität in hängender Stellung beweglich bleibt. Das Brett wird in einen soliden Halter einge- klemmt, von welchem ausser anderen auch noch drei verstellbare Stäbe ausgehen, an deren freien Enden je ein gedecktes Röllchen frei beweglich und nach allen Richtungen drehbar angeknüpft sind. Ueber jedes der Röllchen ad’ c’ wird ein starker Seidenfaden geführt: einer zu der Schiene des Fusses durch den vorspringenden Ring der Fe- murnadel verlaufend, der zweite zu der Nadel oberhalb des Fusses, der dritte zu der am Ende des Femurs. An ihren Enden sind die Fäden festgeknüpft. Ueber die Stellung der Röllchen und den Verlauf der Fäden giebt Fig. 5 Auf- schluss. In der Figur sieht man weiter wie sich von den Röllchen aus jeder der drei Fäden fort- setzt; jeder läuft über je eine grössere feststehende Rolle zuerst in wag- und dann in senkrechter Richtung «” 5” ce”. An die unteren Enden der Fäden schliessen sich Schreibstifte an, die in ungleicher Höhe durch einen Senkel an das berusste Papier einer rotirenden Trommel angelehnt sind. Be- wegen sich Trommel und Bein, so entstehen auf dem Papier drei Curven, deren jeweilige Abweichungen von den Abseissen den Stücken der Fäden Fig. 5. Die AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. 425 entsprechen, welche von den Rollen auf- oder abgewickelt wurden. Solche Curven stellen nun eines der Hülfsmittel dar, aus denen die Aenderung der Lage abgeleitet werden kann, welche die unteren Enden des Femurs und der Tibia und die Zehenspitze in Folge von Bewegungen erfahren haben. Ausser der Grösse der genannten Ordinaten müssen zur Lösung der, gestellten Aufeabe noch sechs Werthe bekannt sein, nämlich: der Abstand des Dreh- punktes im Hüftgelenk von der Femurnadel, zweitens der des Femurendes von der Tibialnadel, drittens der der letzteren Nadel vom Ende der Fussschiene und endlich die Abstände jedes der drei Röllchen von den Punkten, an welchen die über sie geführten Fäden enden; als Bedingung gilt, dass die drei letzteren Grössen in der Ruhelage des Schenkels gemessen sind. Ist man im Besitz der möglichst sorgfältig ermittelten Werthe, so zieht man auf einem glatten Carton eine Gerade, in deren Verlauf als Drehpunkt des Hüftgelenkes willkürlich ein Ort angenommen wird. Ober- und unter- halb dieses ersten markirt man dann drei weitere Punkte und zwar da, wo die Axen der höllehen eine Ebene schneiden würden, die durch sie und den Drehpunkt des Hüftgelenkes gelegt ist. Von den Axenpunkten der Röllchen aus werden dann drei gerade neben der zuerst: gezogenen Linie geführt. Fasst man alsdann den Abstand der Femurnadel von dem Drehpunkt der Hüfte zwischen die Zirkelspitzen und schlägt von dem zu- letzt genannten Punkte aus einen Bogen gegen die Linie, welche dem Faden entspricht, der von einem der Röllchen zum Knie herabläuft, so wird man da, wo sich der Bogen mit der Geraden schneidet, den Ort bestimmt haben, an dem sich. die Femurnadel in der Ruhelage des Beines befand. Einen Beweis für die Genauigkeit der Angabe liefert die Uebereinstimmung des am hängenden Praeparat gemessenen Abstandes zwischen dem Röllchen und der Femurnadel mit der Länge der construirten Linie. Aehnlich be- stimmt man die Lage der Tibialnadel, indem man den Abstand der Tibial- und Femoralnadel zwischen die Zirkelspitzen nimmt und von dem für die Femoralnadel gefundenen Punkte aus einen Bogen gegen die vom zuge- hörigen Röllchen ausgehende Gerade schlägt. Auf entsprechende Weise wird endlich die Lage des Schienenendes unter der Fusssohle aufge- suchte. Um eine Vorstellung von den Winkeln zu erhalten, unter welchen die Gelenke gebeugt sind, kann man den Hüft- mit dem Knie- punkt, diesen wieder mit dem Punkte am Fussgelenk u. s. w. durch Linien verbinden. — Hat sich nun die Extremität bewegt, so lässt sich die zu einer gegebenen Zeit vorhandene Lage des Knies-, Fussgelenks- und "Zehenpunktes mit Hülfe der auf die Trommel geschriebenen Curve finden. Zu dem Ende misst man die Ordinate der von der Kniefeder geschriebenen Curve, zieht den Werth derselben von der Länge ab, welche dem Faden vom Knieröllchen zur Femurnadel in der Ruhelage zukam und beschreibt 426 WARREN P. LOMBARD: mit dieser verkürzten Länge vom Axenpunkt des Röllchens aus einen Kreis, einen zweiten aber vom Hüftpunkt aus mit der seinem Abstand vom Femurpunkt entsprechenden Länge. Wo sich beide Kreise schneiden, dort lag der Femurpunkt zu der Zeit, in welcher sich von der Rolle ein der Ordinatenhöhe entsprechendes Stück abgewickelt hatte. Misst man die zu derselben Zeit erreichten Ordinatenhöhen der zweiten Curve, zieht ihre Länge von der des zu der Ruhelage gemessenen Tibialfadens ab, und be- schreibt von der neuen Lage des Kniepunktes aus einen Kreis mit dem Abstand zwischen Femoral- und Tibialnadel als Halbmesser, und einen zweiten von dem Axenpunkt der Fussröllchen mit der um die Ordinaten- höhe verkürzten Länge des Fadens vom Fussröllchen zur Tibialnadel, so erhält man am Schnittpunkt beider die Lage des unteren Tibialendes. Zieht man endlich vom Hüft- zum Kniepunkt und von diesem zum Tibialpunkt gerade Linien, so ergiebt sich die Grösse des Winkels, um welchen im Hüft- oder im Kniegelenk oder auch in beiden gedreht wurde. — Unter- stellen wir z. B. um von einem häufig vorkommenden Falle auszugehen, dass sich nur das Knie gebeugt habe, so wird ausschliesslich der mit dem Tibialende verbundene Schreibstift unter die Abseisse gegangen sein, dagegen wird sich weder der vom unteren Ende des Femurs, noch der vom Fuss- ende angehende Faden abgerollt haben, wie der Abstand des Femurendes von dem Röllchen, und der des Fussendes von dem Ring der Femurnadel unverändert blieb. Kleine Aenderungen in der Länge des Fadens, der vom Fussende zum Ring der Femurnadel geht, treten allerdings auch dann ein, wenn sich nur das Kniegelenk beugte, weil der Ring nicht genau in der Axe des Kniegelenks steht. Der hieraus sich ableitende Fehler lässt sich jedoch leicht unter Beachtung der Lage des Rings corrigiren. Obwohl sich durch die geschilderte Methode mit einem grossen Grade von -Genauigkeit angeben lässt, wie sich die Lagen des Ober-, des Unter- schenkels und des Fusses gegeneinander änderten, wenn eine Bewegung stattgefunden hat, so reicht sie doch nicht weit, wenn sie zu Studien über Reflexbewegung verwendet werden soll. Für die Fortschritte in der Reflex- lehre ist die Kenntniss der in Contraction gerathenen Muskeln nothwendig; unser Verfahren würde darum nur dann von einem durchschlagenden Werthe sein, wenn die einzelnen Gelenke des Froschbeines sich nur in Folge von Zusammenziehungen der Muskeln drehten. Dass diese Voraussetzung nicht zutrifft, dass vielmehr auch eine passive An- und Abspannung der Muskeln den von den Gelenkenden eingeschlossenen Winkel verändern kann, ergiebt sich aus der so zahlreichen Anwesenheit zweigelenkiger Muskeln anf Froschbein. Nehmen wir beispielsweise an, die eingelenkigen Muskeln um das Hüftgelenk hätten den Oberschenkel gegen den Rumpf gebeugt, SO würden der Semitendinosus und der Tibialis anticus in einen höheren Span- DıE AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. 427 nungsgrad gebracht sein und es würde sich darum das Knie- und das Fuss- gelenk beugen müssen. Eine Betrachtung gleich der eben angestellten lässt sich nun auf viele andere Muskeln anwenden. Glücklicher Weise er- giebt sich jedoch aus einer auf den beregten Punkt ausgedehnten Unter- suchung am Froschbein, dass die Schwere des Fusses und Unterschenkels und die aus activer Bewegung einzelner Abschnitte hergeleitete Spannung Fig. 6. Die Figur ist nach einem Froschpraeparat schematisch entworfen, die gleichnamigen Muskeln sind mit denselben Buchstaben in den beiden Stellungen des Beines bezeichnet: Siehe auch E. Fick in diesem Archiv. 1879. 8. 201. ruhender Muskeln für die secundäre Drehung der Gelenke erst dann be- merkbar wird, wenn sich die thätigen Muskeln in einem beträchtlichen Umfang verkürzt haben. Deshalb wird es stets möglich sein, zu erkennen, in welehem Gelenk die Bewegung besonnen hat. Unbrauchbar für die . Pa 428 WARREN P. LoMBARD: Beurtheilung des wahren Verhaltens werden dagegen die Theile der Beob- achtung, in welchem die Drehung eines Gelenks einen höheren Grad er- lanst hat. Zur Veranschaulichung der Aenderungen in der Gliederstellung, welche durch die Dehnung zweigelenkiger Muskeln nach der Zusammenziehung eines eingelenkigen entstehen können, dient Fig. 6. Aus den Ergebnissen der Versuche am unversehrten Bein scheinen mir die folgenden der Mittheilung werth. 1) Wird die Haut des Frosches mit einer 5%® im Durchmesser. hal- tenden Scheibe berührt, so lässt sich kein Reflex auslösen, wenn die Scheibe nicht mindestens auf 47°C. erwärmt ist. Der Reflex bleibt aus auch wenn man die auf weniger als 47° erwärmte Scheibe sich dauernd mit der Haut berühren lässt, und nicht minder wenn man die Scheibe von niederen Tem- peraturen möglichst rasch auf eine unter 47°C. liegende erhöht. Wenn aber die Temperatur der Scheibe 47°C. erreicht hat, oder auch erst wenn sie auf 48° his 50° gestiegen ist, tritt eine Reflexbewegung auf, gleichgültig welch’ niederer Wärmegrad dem Plättehen unmittelbar vorher gegeben war, ehe es auf die reizende Temperatur gehoben wurde. Dass nicht jedesmal schon bei einem Temperaturgrad von 47° die Reflexbewegung eintrat, wird man auf den verschiedenen Stand der Reizbarkeit,; sei es der Hautnerven oder eines anderen Abschnittes des Reflexwerkzeuges, schieben können. Wie der wirksame Grad so zeigt sich auch die Zeit veränderlich, welche zwi- schen dem Eintritt des wirksamen Wärmegrades und dem Beginn der Reflexbewegung verstreicht. 2) Mit Rücksicht auf die zeitliche Folge, in welcher die Beugung im Hüft-, Knie- und Fussgelenk auftritt, und namentlich ob es von dem Ort des sensiblen Reizes abhänge, welches der Gelenke zuerst sich beuge, wurde sefunden, dass in der überwiegenden Mehrzahl der Beobachtungen, gleich- gültig ob die Haut des Fusses, des Unter-, des Oberschenkels und des Bauches mit Säure oder mit Wärme gereizt wurde, das Knie zuerst sich beugte, ihm folgte in der Regel das Fussgelenk und erst nach diesem die Hüfte. Zur Ergänzung des eben Ausgesprochenen ist jedoch zu beachten, dass über das Verhalten der Fingergelenke sich bei der verwendeten Me- thode keine Auskunft gewinnen .lässt. * Ohne allen Einfluss auf die Reihenfolge der Beugungen in den ver- schiedenen Gelenken ist jedoch der Ort des Reizes keineswegs. Denn wenn auch das Knie meist den Vorrang besitzt, so behauptet es ihn doch nicht immer, und häufig beugt sich mit dem Knie gleichzeitig ein anderes Ge- lenk. Namentlich bringt die Reizung der Bauchhaut öfter Beugung der Hüfte und die Reizung der Fusshaut die Beugung des Fusses vor oder gleichzeitig DiE AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. 429 mit der des Knies hervor. Das genauere Ergebniss der von mir vorgenom- menen Ausmessungen geben die folgenden Beispiele. Nach Reizung der Zehen und des Fusses — 13 Mal. — Es wird gebeugt das Knie ausnahmslos zuerst, das Fussgelenk beginnt 6 Mal mit dem Knie, und folgt ihm spätestens nach 0°065 Secunden, das Hüftgelenk beginnt 1 Mal mit dem Knie, und folgt ihm höchstens nach 0-170 Secunden. Nach Reizung des Unterschenkels — 14 Mal. — Es wird gebeugt das Knie ausnahmslos zuerst, das Fussgelenk beginnt 3 Mal mit dem Knie, und folst ihm spätestens nach 0070 Secunden, das Hüftgelenk stets später als der Fuss, es folgt dem Kniegelenk spätestens nach 0-260 Secunden. Nach Reizung des Oberschenkels — 23 Mal. — Es wird gebeugt das Knie zuerst 20 Mal, das Fussgelenk zuerst 3 Mal, es folgt dem Kniegelenk spätestens nach 0.080 Secunden, das Hüftgelenk vor oder gleich dem Fussgelenk 10 Mal, es folgt dem Knie spätestens nach 0.260 Secunden. Nach Reizung des Bauches — 8 Mal. — Es wird gebeugt das Knie zuerst 4 Mal, der Fuss zuerst 1 Mal, das Hüftgelenk zuerst 3 Mal und 1 Mal gleichzeitig mit dem Knie. — Das Kniegelenk folet dem Hüftgelenk spätestens nach 0061, das Fussgelenk nach 0072 Secunden. Versuche mit den abgelösten Sehnen. Für den Versuch, in welchem die Muskeln unmittelbar den Anfang und den Verlauf ihrer Zuckungen auf die sich drehende Trommel schreiben, treten ihrer vielsei- tigen Wirkung wegen die das Knie überspringenden in den Vordergrund. Mit Ausnahme des schwachen Extensor brevis werden von ihnen neben den Knochen des Ober- und Unterschenkels noch mitbewegt entweder die des Beckens oder die des Fusses. Deshalb habe ich sie vorzugsweise häufig untersucht; bei einer der geübten Praeparationsweisen würden sie aus- schliesslich, aber sämmtlich, mit Schreibstiften versehen, bei einer anderen wurden die vom Unter- zum Oberschenkel aufsteigenden unbenutzt gelassen, dagegen neben den vom Becken zum Unterschenkel herabgehenden auch 430 WARREN P. LoMBARD: noch die ausschliesslich auf das Hüftgelenk wirkenden ın den Kreis der Untersuchung gezogen. Praeparate der letzteren Art geben Aufschluss über die Stellung der ein- und zweigelenkigen Hüftmuskeln zu einander. Dass die Erregung der Hautnerven nicht jedesmal sämmtliche der Beobachtung zugängige Muskeln zum Zucken bringt, wird kaum der Er- wähnung bedürfen. — Wichtiger ist eine andere Erfahrung, die erst nach einer sorgfältigen Zergliederung aller Beobachtungen sichergestellt werden konnte. Die Summe der sich verkürzenden Muskeln und die zeitliche Folge, nach welcher sie ihre Zuckung beginnen, erwies sich unabhängig von den zur Reizung benutzten Orten und Mitten. Ob die Zehen, der Mittelfuss, die verschiedensten Stellen des Unter- und Oberschenkels ge- reizt wurden, stets konnten sich alle Muskeln in sogleich zu beschreibenden Reihenfolgen zusammenziehen. Beweise für diesen Satz sind in den Ta- bellen zu finden, welche an den Schluss der Abhandlung verwiesen wurden, um den Fortgang meiner Mittheilungen nicht durch grosse Zahlenreihen störend unterbrechen zu müssen. Erwägt man, dass, wie bekannt, von allen soeben aufgezählten Hautstellen Beugungen sämmtlicher Gelenke des Beines reflectorisch zu erzeugen sind, so verliert auch diese Erfahrung das anfäng- lich Befremdende. Andererseits kann neben ihr noch die Annahme be- stehen, dass von jedem besonderen Hautort auch eine besondere Art der Bewegung ausgelöst werden könne; denn die Stellung, in welche die Ab- theilungen des Gliedes zu einander kommen, hängt natürlich ausser der Reihenfolge, in der die Muskeln in die Contraction treten, auch von den Verhältnissen der Stärke und der Dauer ihrer Verkürzungen ab. Reihenfolge der sich verkürzenden Muskeln. Soll die Bewegung der verschiedenen Abtheilungen eines Gliedes zu den geordneten gezählt werden, und zu ihnen gehört die vom Rückenmark her reflectirte, so müssen sich nicht sämmtliche an ihr betheiligte Muskeln auf einmal, sie müssen sich vielmehr nach einer gewissen Ordnung zusammenziehen. Nun wird sich aber aus der Ordnung, nach welcher die einen früher oder später als andere ihre Zuckung beginnen, schliessen lassen, ob sich in dem Rücken- mark die durch den sensiblen Nerven angefachte Erregung immer in glei- cher Weise ausbreitet. Zur Beantwortung dieser wichtigen Frage sollen die zunächst folgenden Zahlen dienen. Auf den Grad von Innigkeit, bis zu welchem die von dem sensiblen Nerven ausgehende Erregung mit einem der verschiedenen ihr überhaupt zugängigen motorischen Nerven verknüpft ist, wird man aus dem Verhält- niss der Zahlen schliessen können, wie vielmal sich bei einer gegebenen Summe wirksamer Hautreize der Muskel zusammenzog; tritt einer oder treten mehrere in den Vordergrund, ziehen sie sich allein, wenn alle DIE AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN, 431 übrigen in Ruhe bleiben, zusammen, so wird offenbar die durch den sen- siblen Nerven hervorgebrachte Erregung durch irgend welchen Mechanismus in der nächsten Beziehung zu ihren motorischen Nerven stehen. Meine Aufzeichnungen ergeben Tabelle I. Se el 23] Re 2032 Wie viel Mal die verschiedenen Muskeln sich contrahiren. Ss: se Bl | Semitendino- Se |Semimembra- | Reetus mag- [Reetus longus| m. R 136 | 1 sus 115 Biceps 113. | nosus 79 nus 70 s 68 D Triceps 64 | Tibialis anti- „. ar Gastrocnemius Extensor bre- 97] us ’ei Peroneus 35 | 18 u ur = Adduct. magn. »...: ! Obturatorius > | a S N 2 rn . x Ei 56 | + | leopsoas 42 |. longus 39 Pyriformis35 | Glutaeus 34 03 ı Adductor mi- 3 nor 20 | a: AB ES ee" | Quadratus 23 Oder wird die Zahl der von je einem Muskel ausgeführten Verkürzung in Procenten der Reizung ausgedrückt: Semitendinosus . 84 Semimembranosus 58 Trieep . . . . 47 Biceeps . . . . 83 Adductor magnus Peroneus . . . . 43 Tibialis antieus . 76 und longus . . 57 Adductor minor . 43 Deopsoas . . . 75 Rectus magnus . 51 Obturatorius. . . 41 Pyriformis . . . 62 Rectus longus. . 50 Gastroenemius . . 22 Ginlaeus 60. Quadeaius U Extensor-breus-—— 1 Wegen ihrer häufigen Theilnahme an den Reflexbewegungen muss in der That den Mm. Semitendinosus, Biceps, Tibialis antie. und Ileopsoas ein bevorzugter Rang vor allen übrigen eingeräumt werden. Darf die Bedeu- tung, welche das Ergebniss meiner Beobachtungen beansprucht, schon wegen der grossen Zahl und der Verschiedenartigkeit der Reizungen nicht als eine geringe angesehen werden, so gewinnt dieselbe doch noch wesent- lich dadurch, weil die genannten Muskeln entweder ausschliesslich wie der lleopsoas oder wie die drei übrigen wenigstens vorzugsweise zu den Beugern gerechnet werden müssen. Die Häufigkeit ihres Auftretens stimmt dem- nach mit der aus anderweiten Versuchen bekannten Erfahrung, dass die von der Haut des Beines ausgelösten Reflexe zunächst die Beugung der Gelenke hervorrufen. 432 WARREN P. LoMBARD: Die Reihenfolge, nach welcher sich die an den Reflexen betheiligten Muskeln dem Beginn ihrer Contraction gemäss ordnen, stellt sich, wenn die Angabe einer grösseren Versuchsreihe gerecht werden soll, nicht so ein- fach, wie man es nach der herrschenden Vorstellung über coordinirte Be- wegungen erwarten sollte. Sie ist unter scheinbar gleichen Bedingungen sehr vielfältigen Aenderungen unterworfen. — Um den reichen und wechsel- vollen Inhalt meiner Erfahrungen wiedergeben zu können, muss ich zu ihrer tabellarischen Darstellung greifen. In den horizontalen Eingängen der beiden Tabellen II und III sind die Namen der zum Schreiben vorgerichteten Muskeln eingetragen, die Zahlen, welche auf derselben Horizontalreihe in je einem Stabe stehen, beziehen sich auf den Eingangs verzeichneten Muskel. Die in die Köpfe der Stäbe einge- tragenen lateinischen Ziffern geben die Ordnung an, nach welcher die Mus- keln ihre Zuckung begannen. Steht also unter I hinter Biceps die Zahl 29, so bedeutet sie, dass nach den wirksamen Reizen der Biceps 29 mal allein oder gleichzeitig mit anderen die Reflexbewesung begann; steht für denselben Muskel unter II die Zahl 21, so bedeutet sie, dass so viel Mal vor dem Eintritt seiner Zuckung diejenige anderer vorausgegangen war, auf die er dann aber unmittelbar folgte u. s. w. Die in der ersten Tabelle enthaltenen Angaben sind von Praeparaten geliefert, in welchen die sämmtlichen das Kniegelenk überspringenden und in seiner Nähe mit einer Sehne endigenden Muskeln schreibfähig waren. Tabelle II. S0 Reizungen an 9 Fröschen. Die erste Serie. Namen der Ins | SE nei 16° | 206 J000 | 30% I NAT. SAAL NADDE| ID | X | xe) > Semitendinosus 8393| 6 6 4 _ — 1 2 s |—| — (61 Biceps 29 42a | Azul, Zaleakkıneie| se Semimembranosus 1 8| 14 9 4 Sala — — le | ai Tibialis antieus 16 | 22 8 1 1 1 6 2 4. 6 Trieeps 6, 2 6 6 3 6 1 1!i—-| — |38 Rectus magnus A — 6 4 11 2 4 5 - |— | — | 34 Sartorius 3 1 5 4 5 10 2 1 1.| = | = 1182 Rectus longus — | — 1 3 | 10 8 4 4 1|1-| - 3 Peroneus —. | 3 8 2 er! 6 5.,|, 8], al Gastrocnemius —|— 3| — _ 3 3 2383| —-|/1 Extensor brevis — | — 1 1 — — — 11) oo Die Thatsachen der zweiten Tabelle stammen von Praeparaten, an welchen die eingelenkigen Muskeln der Hüfte und die zweigelenkigen der Hüfte und des Knies vorgerichtet waren. Die AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. 433 Tabelle III. 56 Reizungen an 4 Fröschen. Die zweite Serie. an der 1 lulteav! vlvelvulvanox| x Ixe'xulxmmgev|xv|® uskeln | | | | | | 8 Semitendinosus 358.783) 1 1 — I - | —- | -! - | | — 54 Bicevs 1141145] 7 — —| 1 1\--)-|-| - | - | - 32 Semimembranosus | ı| 5 3|6|7 25 ı 3 1 22) —|— — 188 Triceps I ll cl ee ll el al | Reetus magnus ı1| 7) 1) 9) 3) 5/2 A| 1 3 — | — —|— | — 36 Sartorius —ı.18) 8) Ton) Saale nl > le Rectus longus — | AO lee el le ler Glutaeus Belle ee ee ij je Ileopsoas DO Ga RT DES 3) 2% ve na Te 126) Mars me ua N ie 1 en re 5 und longus | Pyriformis E00 oa es: Pectineus a a ne ee oe cr 9 02 or 10 0% Adductor minor —| 1/| 1|— —|—-—| 2/3) 3 4 5| — 1| — 20! Quadratus — ee Hola 22 43 | ee Obturatorius ae B ae een Aus den beiden Zusammenstellungen lassen sich für die Ordnung, nach welcher die Muskeln in die Zusammenziehung eintreten, wohl Regeln, nicht aber Gesetze ableiten. Als Regel darf es gelten, dass die Muskeln, welche auch bei geringerer Ausbreitung der Refiexbewegung vorzugsweise häufig zur Contraction veranlasst werden, besonders oft die Reflexbewegung besinnen, und dass andere, wie z. B. Triceps und Gastrocnemius nahe am Ende der Reihe zur Verkürzung kommen, noch andere aber in den mitt- leren Stadien des Reflexes häufiger als am Anfang oder am Ende desselben sich zur Zusammenziehung anschicken. Als Reihenfolgen, deren Vorkommen während des Ablaufs einer reflec- tirten Bewegung die grösste Wahrscheinlichkeit für sich hätte, lassen sich nach den Angaben der Tabellen II und III aufstellen: Aus Tabelle II. Aus Tabelle III. Semitendinosus Semitendinosus Biceps Biceps Tibialis antieus Tleopsoas Semimembranosus Rectus magnus ! = 46 Reizungen an 3 Fröschen. Archiv f. A.u. Ph, 1885, Physiol, Abthlg. 28 434 WARREN P. LoMBARD: Triceps Semimembranosus Rectus magnus Reetus longus Sartorius Sartorius Peroneus Gluteus Reetus longus Pyriformis Gastrocnemius Triceps Extensor brevis Pectineus Adductor magnus Quadratus Adductor minor Obturatorius. Die ausgesprochene Regel ist jedoch wie gesagt keineswegs eine allge- mein gültige; nicht allein dass die Ordnung für die Muskeln mannigfach wechselt, welche ihre Contraction zwischen den Anfangs- und Endgliedern des Reflexes beginnen, selbst der für gewöhnlich zuerst erregte Muskel kann später und der meistens sich zuletzt einreihende Muskel kann zuerst an der Reflexbewegung Theil nehmen. Da die Stelle der Reihe, an welcher ein Muskel in die Erregung ein- tritt, sich ändert ohne dass sich gleichzeitig Aehnliches für die übrigen Muskeln ereignete, so kann der beobachtete Wechsel nicht auf eine Um- kehrung der Reflexordnung beruhen, indem der Anfang der Bewegung etwa statt mit einer Beugung mit einer Streckung des Gliedes gemacht wurde. — Unter den verschiedenartigen Abweichungen von dem häufigsten Vor- kommen darf diejenige nicht mit Stillschweigen übergangen werden, bei welcher sich gleichzeitig zwei gegnerisch auf ein Gelenk wirkende Muskeln, z. B. Triceps und. Semitendinosus zusammenziehen, ein Zusammentreffen, was nach einer gegenwärtig gültigen Annahme die Vergiftung des Rücken- markes voraussetzt. Da von einer solchen in meinen Versuchen nicht die Rede sein kann, so muss man annehmen, dass auch ein von gesundem Blute gespeistes Rückenmark in Zustände gerathen kann, die denen des vergifteten gleichen. Die Frage, ob sich beim unversehrten Frosch, wenn eine Bewegung auf die Beine refleetirt wird, die Muskeln in ähnlich unbestimmter Weise ordnen, lässt sich mit Sicherheit nicht beantworten. Wenn man jedoch beachtet, dass eine Reflexbewegung oft mehrmals auch vom gesunden Frosch wiederholt wird, bevor ihm die typische Abwehrbewegung gelingt, und dass häufig genug der Fuss nicht auf dem kürzestem Wege zu dem gereizten Hautort hinfährt, so muss es zum mindesten für wahrscheinlich gelten, dass DiE AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. 435 auch unter anderen Bedingungen, als sie durch die Anordnung meiner Versuche gegeben sind, mannigfache Aenderungen in der Reihenfolge der Contractionen vorkommen. Suchen wir uns nun aus den Erfahrungen, die uns von den in die Zusammenziehung eintretenden Muskeln gegeben sind, ein Bild von der Verbreitung zu entwerfen, welche die Erregung innerhalb des Rückenmarkes nach der vorgängigen Reizung eines sensiblen Nerven nimmt. Der Weg, auf welchem: sie sich ausdehnt, kann kein unter allen Umständen fest be- stimmter, durch den anatomischen Bau des Rückenmarkes streng vorge- zeichneter sein, statt dessen wird vielmehr anzunehmen sein, dass die von demselben sensiblen Nerven angefachte Erregung auf verschiedenen Bahnen weiterzuschreiten vermag. In Folge hievon erreicht sie den- selben Muskel bald früher bald später als einen anderen, dessen Nerven näher oder entfernter von der Eintrittstelle des gereizten Empfindungs- nerven gelegen sind. Und da wir die Ursache für die Abweichungen des Erfolges, welchen die zu verschiedenen Zeiten an derselben Stelle des gleichen Frosches weder in einer Aenderung der Eigenschaften der sen- siblen und motorischen Nerven, oder der Muskeln, oder der Individualität des Thieres finden können, so dürfte es kaum gewagt sein zu behaupten, dass die inneren Zustände des Rückenmarkes innerhalb kurzer Zeiträume einen mannigfachen Wechsel erfahren. Ausbreitungszeit. Beflectorische Latenz der Muskeln. Zwischen dem Beginn der sensiblen Reizung und dem der Zusammen- ziehung eines ersten der mehrfachen vom Reflexe ergriffenen Muskeln ver- streicht eine gewisse mit mancherlei Umständen veränderliche Zeit. Auf diese zuerst sichtbare durch den sensiblen Reiz hervorgebrachte Wirkung ist die im Rückenmark geweckte Erregung selbstverständlich nicht be- schränkt, sie schreitet vielmehr unter dem Verbrauch einer merklichen Zeit auf eine Reihe von motorischen Wurzeln hin fort. Nennen wir, wie schon oben geschehen, den gesammten Zeitraum, welcher zwischen der zuerst und der zuletzt erregten motorischen Wurzel verstrich, die Aus- breitungszeit, so können wir ihre Bruchtheile, nach welchen ein Muskel in seine Bewegung eintritt, als die reflectorische Latenz oder Zögerung dieses Muskels bezeichnen. Auf die Messung der Ausbreitungszeit und der sie zusammensetzenden Zögerungen der einzelnen Muskeln ist meine Absicht gerichtet. Die Bearbeitung des neuen Gebietes begann ich mit dem Entschluss die Beobachtung sogleich auf eine möglichst grosse Zahl von Muskeln aus- zudehnen, weil erst wenn ein Ueberblick über das Verhalten vieler ge- 28 * 436 WARRENn P. LoMmBARD: wonnen war an eine zweckmässige Auswahl von wenigen gedacht werden konnte. Dass die Verfolgung dieses Vorhabens einen Verzicht auf den höchsten Grad von Genauigkeit in sich schloss, welcher gegenwärtig den Zeitbestimmungen erreichbar ist, verhehlte ich mir nicht. Denn wenn der Beginn der Zuckung des ersten und letzten von einer grossen Reihe von Muskeln aufgezeichnet werden soll, so durfte die Umdrehungsgeschwindig- keit einer Trommel von 500 ”® Umfang nicht über ein gewisses Maass hinaus getrieben werden; ich musste mich auf eine solche beschränken, in welcher der Fortschritt von 1” einer Zeit von 0014 Secunden entsprach. Auch konnte die Spannung, in welche die ruhenden Muskeln versetzt werden, ihres ungleichen Querschnittes wegen nicht für alle gleich gross sein, weshalb möglicherweise für einige der Muskeln die Contraction schon begonnen hatte, ehe sich der zugehörige Schreibstift aus der Ruhelage er- hob; um so mehr als der Widerstand nicht zu vernachlässigen ist, welchen die Eisenstäbchen in ihren Führungen erfahren. Er kann es veranlassen, dass die schwächeren Muskeln erst nach dem Erreichen eines höheren Spannungsgrades das angehängte Gewicht heben. Da ich den Grad von Genauigkeit, welcher meinen Zeitbestimmungen zukommt, nicht sicher zu umgrenzen vermag, so erheischt es die Vorsicht ihren Werth weiter als nothwendig zu unterschätzen. Deshalb werde ich bei der Ableitung von Schlüssen nur einen Abstand der aufeinander fol- genden Zuckungsmarken von 7” endeiltig mitreden lassen. Er entspricht einem Zeitraum von 0-1 Secunde, der gross genug ist, um auch ohne künst- liche Hülfsmittel aufgefasst zu werden. Die Erscheinungen, welche nach Anwendung der Druckreize beobachtet wurden, trenne ich in der Beschreibung von den Folgen der Wärmereizung, weil ein Druck auf die Haut sich zeitlich genau abgrenzen lässt, während für die Wärme ein Gleiches nicht behauptet werden kann. Die Dauer der gesammten Ausbreitungszeit und der Latenzen jedes einzelnen Muskels ist zwar vielfachem Wechsel unterworfen, indess treten doch gewisse Regelmässigkeiten hervor. Zu ihnen gehört u. A. die maxi- male Dauer, welche der Ausbreitungszeit zukommt. Ihre Abhängigkeit von der Art und bei der Gleichheit derselben von der Stärke des Reizes ge- staltet sich dahin, dass das Maximum bei schwachem Druckreiz die ge- ringeren, bei der Reizung durch die Wärme die grössten Werthe annimmt. Wie sich die maximalen Ausbreitungszeiten mit den Reizen ändern, darüber giebt die folgende Zusammenstellung Aufschluss. Ihr Inhalt wird ohne weitere Erklärung verständlich sein. — Um aber von vornherein den Ver- dacht zu verscheuchen, als ob die Art des Reizes jedesmal die Dauer der Ausbreitungszeit in gleicher Weise beeinflusse, wurde der zweite dem ersten Theile der Zusammenstellung zugefügt, aus welchem entnommen werden DiıE AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. 437 kann, dass auch auf die Reize ein kurzer Werth jener Zeit folgen kann, welche andere Male den höchsten nach sich zog. R Die Zahl der Experimente mit Se Die längste Ausbrei- | einer Ausbreitungszeit von ar tungszeit zwischen der I es 0 a ey = 2 Die Methode der Reizung. Zusammenziehung des 4.; | 2 BES ERS SS ersten und letzen a ee aa 2 Muskels. cz nn |za| eu | Du = deze See | er ben Abe =) B 3 ‚Bestreichen mit dem Pinsel 0-196 Sec. — | = | = 1 2 5 Reibungm.einem Zängelchen 0-280 „, — _ 3 2 9 Ein Kniff mit der Blitzzange 0-199 ,„ = — | 5 19 |Ein Kniffm. einem Zängelchen 0.444 „, —_ — |14 5 8 |Eintauchung in Essigsäure 1:624 „ — 3 4 1|— 57 Wärme 5.964 „ Da ale en 22 8 Immerhin muss uns der Inhalt der Zusammenstellung veranlassen, die Folgen, welche die verschiedenen Reizungsarten hervorbringen, an der Darstellung auseinander zu halten. Ich stelle in die erste Reihe: Die Ausbreitungszeit nach Druckreizen. Wenn ein durch Druck bedingter Reflex in weniger als 0-1 Secunde ablief, so erstreckte er sich in der Regel auf eine geringe Zahl von Muskeln, meist nicht über fünf und nur zuweilen auf sieben oder acht; letzteres trat namentlich nach starken Druckreizen ein. Niemals sah ich, dass die sämmtlichen zum Schreiben vorgerichteten Muskeln in die Zusammenziehung eintraten, wenn die Ausbreitungszeit weniger als 0.1 Secunde betragen hatte. Eine Zu- sammenstellung aller von mir beobachteten Fälle ist in nachstehender Tabelle S. 438 gegeben. Wollte man den eben ausgesprochenen Satz umkehren, behaupten, dass die Uebergangszeit nie mehr als 0-1 Sec. andauere, wenn weniger als 7 Muskeln vom Reflex ergriffen gewesen, so würde man sich dagegen in einem Irrthum befinden. Oefter schritt die Erregung so langsam fort, dass in dem Verlauf von 0-2 Sec. nur zwei und in einem solchen von 0-3 Sec. nur vier Muskeln in die Zusammenziehung eintraten. — Anderer- seits ereignete es sich auch, wenn auch selten, dass in einer nur wenig über 0.1 Sec. andauernden Ausbreitungszeit mehr als 8 Muskeln ihre Ver- kürzung begannen. So am 2. Mai in der III. und IV. Druckreizung, wo in 0-113 Sec. fünfzehn und in 0.123 Sec, zwölf Muskeln sich zu contrahiren anfingen, und ähnlich am 6. Mai, wo auf den ersten Druckreiz in 0.115 Sec. schon fünfzehn Muskeln erregt waren. Daraus folgt, dass, wenn die Ausbreitungszeit über 0-1 Sec. hinaus- WARREN P. LOMBARD 438 13. Mai 4 Juli ” 8. Juli 10. Juli ” 18. Juli ER) 23. Juli 31. Juli 9 Er} XI Va Vb Stark Stark Schwach Schwach Schwach Schwach Schwach Schwach Schwach Schwach Schwach Schwach Schwach Stark Stark Stark Stark Triceps (0) Biceps 0 Peroneus 0 Biceps 0 Biceps 0) Tibialis antieus 0) Tibialis antieus 0) Semitendinosus 0 Semitendinosus 0 Triceps 0 Semitendinosus 0 Semitendinosus 0) Biceps 0) Semitendinosus 0 Semitendinosus 0 Semitendinosus 0.042 Semimembranos. 0.011 Semimembranos. 0-021 Reetus longus 0-010 Tibialis anticus 0-014 Semimembran.s. (0) Tibialis anticus 0-014 Peroneus 0:021 Tibialis anticus 0:091 Tibialis antieus 0 Tibialis antieus 0.001 Biceps 0.021 Tibialis antieus 0032 Biceps ‚Semimembranos. 0-056 Semitendinosus 0-014 Biceps 0-025 Semitendinosus 0-011 Semimembranos. 0»028 Tibialis antieus | 0:014 Triceps 0056 Biceps 0.049 Biceps 0.001 0027 Semitendinosus Zuckende Muske 0-077 Obturatorius 0:014 Glutaeus 0025 Trieeps 0-017 Semimembranos. gsdauer 0-1 8 0:003 Glutaeus 0:035 Semimembranos. 0.085 Jleopsoas 0.043 Ileopsoas 0-035 Semimembranos. 0.021 Peroneus 0.004 Rectus longus 0.038 Rectus longus 0.056 Quadratus 0.044 Triceps .0-068 ‚Pyriformis 0:057 Peroneus 0.060 Rectus mag. DiE AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. 439 geht, sich von vornherein nicht mehr angeben lässt, wie viele der Muskeln am Reflex betheiligt seien. Wie verhalten sich nun der veränderlichen Dauer der Ausbreitungszeit gegenüber die Latenzen der einzelnen Muskeln? Man könnte zwischen beiden eine Proportionalität erwarten, so dass mit der Zu- und Ab- nahme des gesammten Ablaufs der Erregung die Zögerung jedes einzelnen Muskels Hand in Hand ginge. Mit einer derartigen Annahme befinden sich jedoch die Beobachtungen im vollen Widerspruch, den» die Latenz jedes einzelnen Muskels ist durchaus unabhängig von der aller übrigen. In zwei oder mehreren in kurzen Zwischenzeiten und scheinbar unter den- selben Umständen aufeinander folgenden Versuchen kann der Unterschied der Latenz zweier Muskeln die sich nacheinander zusammenziehen sehr verschieden ausfallen, indem derselbe Muskel in dem einen Versuch eine kurze und in einem anderen eine längere Latenz besitzt, obwohl in diesem zweiten Reflex die gesammte Dauer der Ausbreitung um ein Merkliches hinter der des ersten zurücksteht. Von der Mannigfaltiekeit der Er- scheinungen geben die folgenden Zahlen Nachricht. (Siehe die Tabelle auf der folgenden Seite). In der ersten Spalte der nachstehenden Tabelle findet sich das Datum des Versuchs, womit zugleich gesagt ist, dass die Beob- achtung an demselben Frosch geschah; die römischen Ziffern der zweiten Spalte bezeichnen die Reihenfolge der Reizungen. In der dritten Spalte sind die Zeiten nach Zehnteln einer Secunde eingetragen, die in gleicher Linie mit der vorn stehenden Zeitangabe eingeschriebenen Muskeln begannen ihre Contraction zu jener Zeit. Dadurch, dass nur die Zehntel einer Secunde in Betracht gezogen werden, beseitigt sich der Einwurf der gegen die Ge- nauigkeit der Zeitbestimmungen zu erheben wäre. Ausbreitungszeit nach Wärmereizen. Obwohl das Metallscheibchen, welches die Froschhaut berührt, rasch zu erwärmen und abzukühlen ist, so gilt doch ein Gleiches nicht für das Gewebe in der Umgebung der Nerven. Der geringen Leitungsfähigkeit wegen wird sich der Anfang und das Ende der Reizung nicht bloss gegen die Ein- und Austrittszeit der höheren Temperatur in dem Kupferblech verschieben, es wird auch höchst wahrscheinlich die absolute Dauer der Reizung sich nicht mit der decken, während welcher das Plättchen auf dem höheren Wärmegrad verharrte. Bei der Unsicherheit darüber, wie lange sich nach einer rasch vorüber- gehenden Erwärmung der Oberfläche die höhere Temperatur im Inneren der Haut erhält, schien es mir angezeigt, die Versuche mit einer andauern- den Zuführung des warmen Wasserstromes zu beginnen; hierfür sprach noch ein anderer Grund. Reflexe wurden erst dann ausgelöst, wenn das Kupferblättehen auf und über 47°C. gebracht war, also auf Temperaturen 440 WARREN P. LoMBARD: Datamı jan 7 0] Ai Tulln ü | 2. Mai. 1 | 0-0—0-1 Sec Semitendinosus _ _ — | ori -H0r2 il, Rectus Magnus Sartorius Biceps Adductor minor Quadratus 0-2—0.3 „ Glutaeus Adductor magnus) Pectineus — | 0:.3—0.4 „ Tleopsoas Semimembranos. Pyriformis — | III | 0-.0-0-1 R Semitendinosus | Rectus magnus | Adductor minor Peectineus Quadratus 0:1—0-13 „ Rectus longus Pyriformis — et IV | 0-0-0-1 , | Reetus magnus | Semimembranos. Sartorius Adductor minor Quadratus 0-1—0-15 „ Pyriformis Adductor minor = — V | 0-0—0.1 ,„ | Semitendinosus Biceps Sartorius Triceps, 0-1—0-2 „ Pectineus Obturatorius Ileopsoas Pyriformis 6. Mai | I | 0-0-0-1 Sec. | Semitendinosus | Semimembranos. Biceps Rectus longus 0-1—0-12 „ ‚Adductor magnus Adductor ıninor Pectineus Glutaeus | II | 0-.0—0:1 „ Semitendinosus Biceps Semimembranos. Tleopsoas | "0210216 Quadratus Sartorius Pectineus Glutaeus IV | 000-1. Semitendinosus Biceps | Semimembranos. — | 0-1 -0>2, 5: Rectus magnus | Rectus longus | _Sartorius = | 0-2—0-3 „ Pyriformis Obturatorius. Ileopsoas _ | 0-3—0-44 „, Peetineus Adduetor minor Glutaeus | Quadratus 19. Mai |IITb | 0-0—0-1 See Biceps Semitendinosus I = u 0-1—0-2 „ Ileopsoas Sartorius | — — 0-2—0-3 ,„ ;Semimembranos.| Pyriformis Quadratus Adductor magnus Be: Rn NOS _ Glutaeus Rectus magnus | = Ze 13.Mai| I | 0-0--0-1 Sec. | Semitendinosus | Rectus longus Biceps = Ol OD Rectus magnus Sartorius Triceps — 0-2—0-26 „, Semimembranos. Tleopsoas ‚Adduetor magn, Pyriformis 2. Juli 0-0—0-1 Sec. Biceps Semimembranos.| Tibialis antieus | Reetus longus 0-.1—0.2 „ Rectus magnus Peroneus -- _ 0-2—0-35 „ , Semitendinosus | Gastroenemius E — 18. Juli | II [.0-0—0-1 Sec. Ka Biceps Sartorius Rectus wagnus 0-.1—0-22 „ Biceps Tibialis antieus — ar VIII | 0:0—0-1 „ Semitendinosus Sartorius Biceps Rectus magnus 0:1—0-2 „ Peroneus == B B= 10. Juli | Ib | 0-0--0-1 See. | Semitendinosus. | —. BD | | 0-:1—0:2 ,„ Tibialis antieus - -- = it 0-00 Biceps Semitendinosus | Tibialis anticus de | 0-2—0.3 „ | Peroneus Semimembranos. | Sartorius Triceps IV 00-01 ',; | Biceps Semitendinosus — — I N 0 .—_ ur er. Re | 0-2-0-3 „ Tibialis anticus = | a = 0:3—0-32 „ Peroneus. _ _ _ DIE AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. 441 Rectus longus Sartorius Adductor mag. Semimembran.| Biceps Trieeps | Glutaeus | Obturator. | Ileopsoas Adduet.ınin. | er ar Mn. 68 Ri! en alt Quadratus Adductor magnus) Peectineus Biceps Glutaeus | Semimem- | Ileopsoas — = branosus Semimembranos. Adductor mag. Rectusmagnus Glutaeus = — = — Rectus longus | — — | a | — —- — Obturatorius |Reetus magn. Pyriformis Trieeps | Ileopsoas Sartorius | Quadratus = Reetus magnus |Rectus longus Pyriformis -- — - == Obturator. s Rectus longus | Extensor brev. Trieeps Adductor min. Adductor mag. = | m_ — —_ = | Adductor magnus Triceps = -=- — u — — Obturatorius -= | — er ur are EN N zZ u | RE ar = Al ie Pectineus | Glutaeus | Quadratus — Fr ER | DE Sartorius Ai W.;— a4 2 Fe ze: Rectus longus _ En = er = = Zi Rectus longus | Semimembr. Triceps _ — = er > | 442 WARREN P. LOMBARD: unter welchen die reizbaren Gewebe absterben. Geschah das letztere, so musste es ohnehin gleichgültig sein, wie lange der Haut die höheren Wärme- grade zugeführt waren. Jedenfalls war zu erfahren, ob die Hautnerven durch den Act ihres Absterbens den Reflex ausgelöst hatten. Dauernder Wärmereiz. Der Versuch wurde also derart einge- richtet, dass das unverrückbar mit Haut verbundene Kupferplättchen so lange von dem auf die Reflextemperatur gebrachten Wasser umspült blieb, als das Rückenmark den Reiz beantwortete. Als die regelmässige Folge des Verfahrens stellte sich einige Secunden später als das Kupferplättchen auf den nöthigen Grad temperirt war, eine Reflexbewesung ein, welche aber alsbald nachliess. Hatte die auf die der ersten Bewegung folgende Ruhe einige Secunden gedauert, so kehrte ein neuer Reflexanfall wieder, und nach ihm abermals eine Zeit der Ruhe, und sofort sich wiederholend bis endlich überhaupt kein Reflex mehr hervorbrach. Die Wirkungen des dauernden Wärmereizes glichen sonach denjenigen, welchen ein galvanischer Strom auf die sog. Spitze des Froschherzens übt, oder noch mehr denen eines schwachen Säurereizes auf die Froschhaut. Und der Versuch bewies, dass eine zwischen 48° und 60°C. sich bewegende Temperatur 15 Secunden hindurch und länger auf die Haut einwirken kann, ohne dass die Enden der sensiblen Nerven absterben. Dass auch dann, wenn trotz der dauern- den Anwesenheit des Wärmereizes der Reflexanfall ausbleibt, die sensiblen Nerven unversehrt sind, zeiet der Umstand, dass 10 bis 15 Minuten später von demselben Ort aus der Reiz mit Erfolg wiederholt werden kann. — Für den zeitlichen Verlauf und die örtliche Ausbreitung der Reflexanfälle darf es als Regel gelten, dass die Ausbreitungszeit des ersten nicht länger dauert als die der späteren, dass dagegen an dem zweiten, dritten u. s. w. mehr Muskeln als am ersten betheiligt sind. Die Reihen- folge, in welcher die Muskeln während der verschiedenen Anfälle desselben Präparates auftreten, ist eine durchaus wechselvolle, und Gleiches gilt von der Latenz jedes einzelnen Muskels. In zwei aufeinanderfolgenden erschemt der Muskel a einmal früher das andere Mal später als 5 und die Latenz eines jeden der beiden kann einmal gering und das andere Mal gross sein; die Unterschiede in der Zögerung können dabei mehrere Zehntheile einer Secunde betragen. Beispiele für das geschilderte Verhalten liefern die folgenden "Tabellen. — Was unter demselben Datum steht, gehört dem gleichen Frosche an. Jeder wurde zwar mehrmals dem dauernden Wärmereiz ausgesetzt, doch sind die gewonnenen Zeiehnungen nicht sämmtlich ausgemessen. Die römischen Ziffern geben an die wievielte Reizung es gewesen, deren Erfolg in die Tabelle aufgenommen wurde. Die arabischen Ziffern zählen die men men 443 _ "OIpuogımag 'ıqurammmag/snsuof'poy | Sdearg | ormuw 'qıp | smouorg |, sdeoug, | 98-8 LL0-0 090-0 810.0 270-0 200-0 700-0 0 syu9fas =: = 17 =: urpuspuwog | sdeorg sdoorzg oe gro [02-3 | 0009 | Send sop A 680-0 | 180-0 700-0 0 Spuroneqg | UONond _ "urpuogımog|'tqwourug snsuof og | sdearg snouorg | sdeoruz | oguwe ars, | T0-OI 780-0 890-0 sFr0.0 080-0 65°0°0 00.0 0 — "UIpuagImag snauof pay "Tqwommmag| sdoorg snauorag | 'oue 'qrp | sdeoup [08-2 601-0 680-0 780.0 940-0 G°0°0 010-0 0 — SnSuof pay "uıpuapurg "Iqworuog sdearg snouorg | sdoon] | oue ar. | 84°9 ° 780-0 690-0 690.0 G80-0 7°0°0 100-0 0 DE) ERS) == = = >= ‚urpuayrwog | sdoorg | ’orgure "ALT, SG D087 BUSSI UI 370-0 820-0 0) opurngg | uoyony snouo.rag | 'olgue "qL], susuop'goay | snLogeg aqmaummog 'useur'yooy "urpusgımagı - sdoomg \08°EL | 837-0 69.0 1708-02 | 69700 LIG-O au) coT’0 0 snouoIog | oyue "gL], snSuofpoyg | SnLIogieg |"uSeur ‘gay Aqmawmag 'urpusgimegsı sdooIg | 98-01 9840 rer.0 895.0 695.0 8TE-0 208°0 SET-O 0 SNFUOLYAy, SNLIONES "USBUL‘9097 Aqwowmmag| snouoaog | oıgue 'gLJ, sdeorg |’urmpuaymmagı gz-8 992-0 993-0 #73-0 703-0 961-0 SLT-O 0 0 syua3 — == = — nn -usewm'joy sdeomg urpuapmag| Fg-9 088 -SSHT SOp IA 3 791-0 0 0 APuU.IOngıT |OAIS ATOUUT — = — snLogIeg |SnSuoL pay "usem'payg | sdoomg urpuapmag Tz-CI 476.0 176°0 706°0 860-0 0 De) ER Der = ER = a a sdasıqg urpuoytmog| 98-2 D087 SSSDLH SOp II 820-0 N) 999 | apuloneq FyEgaTouuf lee) eu IIA IIA IA A AI III II ll S5> zug 9210188 910 BE = 8 Kae ee | B az 5" DIE AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. " j ——__ en Kellg gt I AB|sE BEI: 3 #3 3258| Ort gereizt Reiz ABS I II III IV V VI VII VII IX jlerellerei Aber a a a Innere Seite | Dauernde ‚0 ‚0.112, 0.322 4.Julii V |1 d.Fussgelenks 48°C. 0 Biceps | Tib. antic. |Semimembr.. — _ = — = 3 0-742 2 Biceps | Tib. antic. |Semimembr. Rectus .| — = — ar Ru 1.842 3 Biceps | Tib. antic. Semimembr. Rectus 1. Peroneus| — —_ —. a2 E 3.206 3.262 3.371 3.584 4 Biceps | Tib. antie. |Semimembr. 'Reetus 1.|Peroneus Sartorius| Triceps |Recetusm.|Semiten. je] | en Untere Seite | Dauernde 0 0.224 0.392 M VII 1 des Fusses 48°C. 0 Biceps | Tib. antic. Semimembr| — — = le = a zZ | 1.764 _ 2 Biceps | Tib. antic. Semimembr. Peroneus —. = — =, = a Rücken des | Dauernde 0 0 0.049. z XIII 1 |Oberschenkels] 60°C. 0 Biceps Triceps | Tib. antic. — — er — 2 en E |. | 8.862 | 8.304 | 3.458 | 3.500 | 83-668 & | 2 | Biceps Trieeps | Tib. antie. |Peroneus Semim. |Rectus 1./Sartorius Reetusm.) — = 2 Rücken des | Dauernde 0 | 0.28 E Ei] ee Ta ST 10.Julii V | 1 | Fussgelenks 48°C, 0 Semitendin., Tib. antie. = — _ — - — -— 0 0-014 0-028 2 Tib. antie. | Peroneus |Semimembr. — — _ _ — — Rücken des | Dauernde | 0 0-028 VII| 1 | Fussgelenks 66°C. 0 Tib. antie. |Semitendin, — — —— — —_ _ _ 20 0 0:.042 0.042 | 2 ı Tib. antie. Peroneus | Semitendin. Biceps — — — = — Aeussere Seite) Dauernde 0 1.120 — 18.Julii X | 1 des Unter- 48°C. 0 Semitendin.| Tib. antie. — _ _ — E= oo — 5 schenkels 0 0.014 0-021 | 0-098 | 0-108 | 0-168° 0-172 | 2 8-43 Semitendin.. Biceps Semimembr.| Tib. ant.|Peroneus Sartorius Rectusm.| — — DIE AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. 445 während derselben Reizung aufgetretenen Anfälle. Wurde zwei oder mehrere Male hintereinander dieselbe Hautstelle erwärmt, was in der Tabelle bemerkt ist, so war zwischen den aufeinanderfolgenden Reizungen eine Pause von 10 bis 15 Minuten eingeschoben gewesen. Alles andere wie in den früheren Tabellen. Vorübergehender Wärmereiz. Nach der Feststellung der Wirk- ungsweise eines länger dauernden war zu versuchen, was ein vorübergehender Wärmereiz leiste, wobei unter dem letztern ein solcher verstanden ist, dessen Anwendung in dem Augenblick unterbrochen wird, in welchem die Verkürzung des ersten reflectorisch erregten Muskels zur Beobachtung kommt. Zu der letzteren Definition des vorübergehenden Wärmereizes muss bemerkt werden, dass die Vertauschung des warmen mit dem kalten Wasserstrom nicht gleichzeitig mit der Zuckung des ersten Muskels geschah, weil hierzu die Drehung mehrerer Hähne mit der Hand erfolgen musste. Trotzdem gelang es, den Reflex auf einen Anfall zu beschränken, was insofern beachtenswerth ist, als daraus hervorgeht, dass der zweite Anfall, welcher bei dauernder Anwendung des Wärmereizes auftritt, nur dann zu Stande kommt, wenn nach dem Ende des ersten die Erwärmung der Haut noch über einige Secunden fortgesetzt wird. Wird die erwärmte Haut mit oder kurz nach dem Beginn der Ver- kürzung des ersten Muskels abgekühlt, so wird ein Reflexanfall zu erwarten sein, welcher dem ersten bei dauernder Reizung entspricht. Sehr häufig trifft dieses zu, nur wenige Muskeln nehmen an der Bewegung Theil. Da die Hautnerven durch die zugeführte Wärme nicht gelähmt werden, so lässt sich an demselben Ort die Reizung öfter wiederholen, und geschieht dieses, so ereignet es sich öfter, als unter der Anwendung des Druckes, dass die aufeinanderfolgenden Reflexe nahezu übereinstimmen; dieselben Muskeln gerathen in stets gleicher Reihenfolge unter Innehaltung ähnlicher Latenzen in Bewegung. Ein schönes Beispiel liefert die "folgende Reihe, welche bei neunmaliger Wiederholung des an demselben Ort angebrachten 'Wärmereizes entstanden ist. 3 =B2| a 2} = 27 a ı.s B8 a Sa au Senweanlkeie = S ea ee S 58 =) 32 3 353 A | N 4 ı 8a Re Ss | - S = = eR= | BE Re DUNTE juni |) IT| 5®C.| 0 0 0-15 | 0-15 0-25 | 0-29 | 0-95 R II | 50°€. 0 0-10 0-14 | 0-14 0-21 | 0-21 | 0-87 e Ay 250er 0 0.07 0-14 | 0-17 0-18 | 0-20 | 0-91 % Nele 7 20 0-06 0-11 0-13 | 0.14 | 0-18 | 0-56 x DEI SHUen eo 0-06 0-10 | 0-15 0-21 | 0-22 | 0-94 BEHMIER. 610€, \.,11.0 0-07 0.08 | 0-18 0-17 | 0-20 | 0-38 ZN | 612C.| 0 0-13 0-15 |, 0-18 0-19 | 0-24 | 0-88 A REIHE re 0.08 0-13 | 0-14 0-22 | 0-25 | 0-80 % DU 60905 1250 0-07 0-07 | 0-13 0-14 | 0-18 | 0-88 I I 446 Wa En P. LoMmBARD: Nach jeder Reizung bewegen sich dieselben sieben Muskeln; sechs von ihnen sind stets nach Verfluss von einer Zeit von 0-2 bis 0-3 Sec. in die Verkürzung getreten, der siebente dagegen beginnt erst mit Aus- nahme der VII. Reizung seine Bewegung 0-6 bis 0:9 Sec., später als der M. semitendinosus. Der stetig und allmählich anschwellende Wärmereiz scheint hiernach vorzugsweise zur Herstellung einer gleichmässig ablaufenden Reflexbewegung geeignet, doch würde man irren, wollte man dem eben vorgeführten Ver- halten eine allgemeine Giltickeit zuschreiben. Von der vorigen abweichend, doch ihr noch mannigfach verwandt ist die folgende Reihe, in welcher sich fünfmal der Reflex aus denselben 4 Muskeln zusammensetzte. Unter diesen besass stets der Semitendinosus den Vor- rang und viermal ordnete sich der Rect. magnus zuletzt ein, während Biceps und Reetus longus wechselnd bald in zweiter und bald in dritter Reihe auftraten. 13. Mai. Ordn.-Nr.d. Reizung IhE VI. Gereizt durch HAIE: HE» nn = Semitendinosus . 0.00Sec. Semitendinosus 0-00 Sec an Reetus magnus . 0-28 „ Rectuslongus. . 0-64 „, sie nach Beginn| Rectus longus. . 0:34 „ Biceps 0-76 des Reflexes © = a Übiceps se ala Tecmssmasmus 1.0955 VIE VII. DE 55°C, 55°C, 54°C. Semitendinosus 0.00 Sec. Semitendinosus 0.00 Sec. Semitendinosus 0-00 Sec. Biceps” ... 0:23 , .Reetus longus 0:22, Biceps . 220-4955 Reetus longus 0-32 „ Biceps . . 0-30 ,„ Rectus longus 0-53 „ Rectus magn. 0-35 ,„ NRectus magn. 0:32 „ Rectus maen. 084 „ Obwohl sehr häufig der vorübergehende Wärmereiz in der von mir angewendeten Form nur wenige Muskeln reflectorisch erregt, so giebt es doch von dieser Regel mannigfache Ausnahmen, für deren Entstehung sich weder aus der Eigenthümlichkeit des Praeparates, noch aus dem gereizten Ort ein Grund angeben lässt. — Ein in mehrfacher Beziehung bemerkens- werthes Beispiel bieten zwei Reizungen, welche zwischen III und VI der so eben beschriebenen Reihe als IV und V eingeschoben waren. Auch in ihnen begann wie die folgende Tabelle zeigt, der Reflex mit den 4 Muskeln wie bei den anderen Reizungen, aber an sie schlossen sich noch 7 und 8 weitere an mit wechselnd kleinen und grossen Unterschieden ihrer Latenz. DIE AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. 447 13. Mai. Ordnung der Reizung IV. V. Gereizt durch 56°C. 59°C, Semitendinosus . 0 Semitendinosus . 0 Rectus magnus . 1.47 Rectus magnus . 0.70 Rectus longus 1.50 Reectus longus 0:83 Biceps . 2.77 Biceps . 2.57 Glutaeus . 3-65 Glutaeus . 2.87 (Juadratus 3:68 Ileopsoas . 2.88 lleopsoas . . 4-77 Quadratus 2.94 Adductor magnus u. Adductor magnus u. longus . 4:79 longus . 2.94 Sartorius . 4:84 Sartorius . 2.97 Triceps 4-87 Pyriformis 2.98 Pyriformis 4.96 Triceps 3:62 Semimembranosus . 5°29 Die wachsende Zahl der reflectirenden Muskeln nach den Reizungen IV und V könnte man durch den stärkeren Reiz, welcher in diesen Nummern der Reihe zur Anwendung kam, erklären, denn die Temperatur des Kupfer- plättehens war hier um 1° bis 5°C. höher als andere Male. Im Hinblick auf andere Beobachtungen, z. B. auf die auf S. 445 erwähnte, erscheint eine solene Annahme allerdings nicht gerade begründet, doch sie lässt sich auch nicht widerlegen. Dagegen sind die beiden Beobachtungen noch dadurch ausgezeichnet, dass sie ein Verhalten mit grosser Deutlichkeit aufdecken, was andere Male zwar auch, aber doch weniger ausgesprochen auftrat. Bil- den wir die Unterschiede der Zögerungszeit zweier nacheinander in die Contraction eintretenden Muskeln, so ergiebt sich, dass dieselben mehrmals IV x V Semitendinosus. . 0-00 Secunden. Semitendinosus. 0.00 Secunden. Rectus magnus 1.47 ns Rectus magnus 0.70 ” Rectus longus . 0.03 = Rectus longus . 0.13 ” Biceps RT 4 Biceps 1.74 5 Glutaeus . 0.88 rn Glutaeus . . 0.30 “ Quadratus 0.03 ® Deopsoasss 2 2 ,.0:01 " Jleopsoas . 1509: 5 (Juadratus 0-06 N Adductor magnus. 0:02 ni Adductor magnus . 0-00 n Sartorius . 0:07 h, Sartorius . 0-03 A Triceps 0.03 h; Pyriformis 0.01 5 Pyriformis 0.09 5 Triceps 0.64 M Semimembranosus. 0:88 n 448 WARREN P LoMBARD: sprungweise wachsen und dann für eine darauf folgende Anzahl nur ge- ringe Grössenunterschiede zeigen. — Die Orte, an welchen die Latenz des folgenden die des vorhergehenden Muskels um Secunden oder grosse Bruch- theile einer solchen übertrifft, treten in der vorstehenden Zahlenreihe deutlicher hervor, als dass es nothwendig wäre, noch besonders auf sie hin- zuweisen, und ebenso wird man sogleich bemerken, dass die durch eine grosse Latenz unterschiedenen Muskeln in IV und V keineswegs dieselben sind; nur ausnahmsweise stimmen sie überein. Um es nicht an weiteren Zeugnissen für das wechselvolle Verhalten der Latenz gleichnamiger Muskeln in verschiedenen Reflexen, die unter möglichst gleichem äusseren Verhältniss hervortreten, fehlen zu lassen, führe ich noch die folgende Reihe vor. 19. Mai. 1% VII VIII 50°C. 50°C. 50RC. Biceps 0 Semitendinosus. 0 Semitendinosus 0 lleopsoas . 0.08 Ileopsoas . 0.07 Ileopsoas 4.14 Sartorius . 0:17 Biceps 0-11 Pyriformis. 4.31 Semitendinosus. 0°17 Pyriformis 0.14 Sartorius 4.31 Semimembranos. 0-21 Sartorius . 0.17 Biceps . 4.34 Pyriformis 1-96 Adductor m. 1. 0:17 Adductor m. l. . 4:38 Quadratus 1-99 Quadratus 0-17 Quadratus . 4-38 Obturatorius 1:99 Semimembranos. 0-18 Obturatorius . 4.38 Adductor m. 1. 2.03 Obturatorius 0.18 Rectus magnus . 4-40 Glutaeus . 2-07 Rectus longus . 0°21 Glutaeus 4.41 Adductor minus 2-20 Pectineus 0.22 Triceps . 4.43 Rectus maenus 2°20 Glutaeus . 0:23 Pectineus . . 4-38 Triceps 2.32 Rectus magnus 0-25 Adductor minus. 4.54 Pectineus 2.49 Adductor minus 0-27 Rectus longus 4-75 Rectus longus . 342 Triceps 0:35 An diesem Praeparat wirkte dreimal nacheinander ein Temperaturreiz von 50°, welcher in Intervallen von 12 bis 15 Minuten auf dieselbe Haut- stelle — äussere Seite des Fusses — angewendet wurde, einen ausgedehnten | Reflex. In VII betrug die gesammte Ausbreitungszeit nur 0.35 Secunden, | in V und VIII dagegen stieg sie auf 3-42 und 4:75. — In VII folgten sich also die Zusammenziehungen vom ersten Muskel an stetig mit ge - ringen, nur Hunderttheile einer Secunde betragenden Unterschieden der Zögerung. In V und VIII traten dagegen sprungweise Aenderungen hervor, die jedoch in beiden an verschiedenen Orten der Muskelreihe vorkamen. Die AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. 449 Reflexe während der Vergiftung mit Strychnin. Der sicht- bare Unterschied zwischen den Reflexen aus dem unvergifteten und aus dem mit Strychnin vergifteten Rückenmark musste mir den Wunsch nahe legen, mit meiner Methode vergleichende Versuche anzustellen. Durch die Erfahrungen von Walton auf die Gefahren aufmerksam gemacht, welchen der vergiftete Frosch durch schmerzhafte Eingriffe ausgesetzt ist, und um der methodischen Forderung zu genügen, nach welcher der Einfluss der Individualität ausgeschlossen werden muss, bereitete ich den unvergifteten Frosch zu dem Versuche vor, stellte an ihm eine Reihe von Beobachtungen an und dann erst führte ich ihm eine kleine Dosis von Gift zu, genügend um die mit blossem Auge sichtbaren Wirkungen des Giftes hervorzubringen. Das Ergebniss, welches mir 63 Reizungen an fünf verschiedenen Frö- schen lieferten, lässt sich kurz dahin fassen, dass die Abweichung zwischen den Erscheinungen der Reflexe des vergifteten und unvereifteten Rücken- marks nur eine graduelle ist. Am hervorragendsten gilt dieses für die Verhältnisswerthe in der Dauer der Latenz. Während am unvergifteten Thier zwischen der Dauer der Latenz verschiedener Muskeln stets ein merklicher, öfter ein bedeutender Unterschied bestand, zeigten sich nach der Einführung des Strychnins nur geringe Abweichungen derselben; alle Muskeln begannen nahezu gleichzeitig ihre Verkürzung; der Zeitraum, in welchem die Reizung ablief, betrug nie mehr als Hundertel einer Secunde. Vollkommen gleichzeitig begannen jedoch nicht alle Muskeln ihre Zusammen- ziehung, so dass meine zeitmessenden Mittel eben noch hinreichten, um eine Einsicht in die Reihenfolge zu gewinnen, nach welcher die Contrac- tionen aufeinander folgten. In der nachstehenden Tabelle, zu deren Er- klärung die Ueberschriften und Eingänge der Spalten ausreichen werden, ist eine summarische Uebersicht der Resultate enthalten. Dass unter diesen Umständen an die Stelle der geordneten Bewegung ein Krampf treten muss, leuchtet ein. 63 Reizungen an fünf mit Strychnin vergifteten Fröschen. Erste Serie. (Siehe zum Vergleich Tabelle II, S. 432.) Namen der Muskeln IÄAUT MV vv | VII | VII | IX | X XI | Total Semitendinosus ELISE ELSE SER NR arten) 9% 2 N -—- | — | 62 Biceps Ile al nal 3 6 2 4 3 — — | — 63 Semimembranosus | —ı 5/12 15|16 8 1 Ser 002022060 Tibialis antieus 8 8 822.2) 51) 6 1 2 3| — | 55 Trieeps Ile! 8 9 9 7 4 4 1 3 3 | — | 59 Rectus magnus Nele area) 6 7 4 2 |--| — | 62 Sartorius a ee Bel Am An 1 5A Rectus longus I og ah] 11er | 1051048 Larsen 6 as -2 E57 Peroneus 4 81 11 8 4 3 9 Dt =) Gastroenemius pab li Al 3 | 4 U 5 4 a — || 5 Extensor brevis Au none 927107276 5 2| — 2 33050 Archiv f. A, u. Ph. 1885. Physiol, Abthlg. 29 450 WARREN P. LoMmBARrD: Ergebnisse und Schlüsse aus den Beobachtungen. 1) Ein dauernder Wärmereiz veranlasst statt einer gleich lange an- haltenden eine vorübergehende, von Zeiten der Ruhe unterbrochene Ver- kürzung der Muskeln. In Anbetracht dessen, was die sensiblen und motorischen Nerven zu leisten vermögen, und wegen ihrer Beziehungen zu den psychischen Vorgängen erscheint das periodische Auftreten des Reflexes unter der Einwirkung eines dauernden Reizes eigenthümlich. — Eine anhaltende Ueberwärmung unserer Haut weckt uns einen dauernden Schmerz, und ebenso vermag es der Wille die motorischen Rückenmarksnerven dauernd zu erregen. Da man aus be- kannten Gründen nicht annehmen darf, dass die Nerven des Frosches während einer fortdauernden Reizung zu ermüden und sich wieder zu er- holen vermöchten, so wird man um den Unterschied zwischen den aus unserem Bewusstsein entnommenen Erfahrungen und den am enthirnten Frosch gewonnenen begreiflich zu finden auf die Anwesenheit verschiedener centraler Einrichtungen schliessen müssen. An irgend einem Orte der Ver- bindungsbahn zwischen centripetalen und -fugalen Nerven scheint im Reflex- apparat eine Vorrichtung zu liegen, welche die in ihm anlangenden Reize bis zu einem bestimmten Betrage aufspeichert, dann aber die angesammelte Erregung mit einem Male auf die motorischen Nervenwurzeln überträgt. 2) Die Reihenfolge, nach welcher bei einem Reflexanfall die einzelnen ihn vollführenden Muskeln ihre Zusammenziehung beginnen, fällt in meh- reren nacheinander ausgelösten Bewegungen verschieden aus, trotzdem dass jedesmal dieselbe Hautstelle von dem gleichstarken und gleichbeschaf- fenem äusseren Reize betroffen wurde. Im Anschluss an die für alle peripheren und für zahlreiche centrale Nervenmassen streng bewiesene Thatsache, dass sich die Erregung mit Aus- schluss jeder Fernewirkung nur durch die sich unmittelbar berührenden Stoffe der Nerven fortpflanzt, wird man auch zur Herbeiführung von Reflexen eine unmittelbare Verbindung zwischen den centripetalen und motorischen Abtheilungen des Rückenmarkes annehmen müssen. Aus dieser Unterstel- lung, in Verbindung mit den von mir gefundenen Thatsachen, leitet sich die Anwesenheit von selbständigen Bahnen zwischen jeder für die Wir- kung des Reflexes befähigten centripetalen Faser zu den motorischen Wurzel- fäden eines jeden Muskels ab. Nur unter der Bedingung, dass jeder centri- petalen, zur Auslösung einer Bewegung befähigten Faser zu allen vom Reflex ergriffenen motorischen Nerven ein besonderer Weg offen steht, lässt es sich begreifen, dass jeder Muskel mit Umgehung aller übrigen seine Zusammenziehung beginnen kann. Keiner ist gezwungen auf die Zusammen- —noer ee Die AUFEINANDERFOLGE REFLEÖTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. 45l ziehung eines bestimmten Vorgängers zu warten, bevor er sich in die Reihe einordnet. 3) Ob die Erregung mehr oder weniger Muskeln ergreift und in wel- cher Zeit sie sich über alle motorischen Wurzeln ausbreitet, ist bei einem gegebenen Zustande aller Reflexgebilde unzweifelhaft von der Art und der Stärke des Reizes abhäneig. Jedoch welcher Bruchtheil der Ausgleichungszeit vergeht, bevor sich ein gegebener Muskel zur Verkürzung anschickt, darüber verfügen noch andere Bedingungen als die durch den Reiz gesetzten. Denn dass in mehrfachen einander folgenden Reflexen, gleichgültig wo und wie sie von der Haut aus erzeugt wurden, das Verhältniss der Latenzen zweier oder mehrerer Muskeln sehr abweichend ausfällt, dass einer oder einige derselben bald früher und bald später als die anderen ihre Bewegung be- ginnen, fordert eine mit der Zeit veränderliche Eigenschaft, sei es der motorischen Wurzeln, oder der Verbindungswege zwischen ihnen und den Einpflanzungsorten der sensiblen Nerven in das Rückenmark. 4) Um die nach einer gewissen Zeitfolge geordnete Zusammenziehung der am Reflex betheiligten Muskeln zu erklären, hat man bisher angenommen, dass sich die vom sensiblen Nerven veranlasste Erregung innerhalb der verschiedenen centralen Bahnen mit ungleicher Geschwindigkeit fortpflanze. Die Annahme reicht nicht aus und sie führt bei ihrer Durchführung auf Schwierigkeiten. Ersteres deshalb nicht, weil die lebendige Kraft der vom sensiblen Nerven in das Rückenmark eingebrachten Erregung nicht genügt um die durch die motorischen Wurzeln ausgegebene zu decken. Mit der Leitung muss darum noch eine Auslösung von Kräften verbunden sein. — Bedenken gegen die Leitungshypothese entstehen aber auch noch nach diesem Zusatz aus dem zeitlichen Ablauf des Reflexes. Vorerst aus der oft grossen nach Secunden zählenden Zeit, welche die im Rückenmark sich fort- pfllanzende Erregung bedarf, um kaum millimeterlange Wegstrecken zu durch- setzen. Diese geringe Geschwindigkeit könnte mit der viel grösseren, an ‚den Nervenstämmen beobachteten nur durch die weitere Unterstellung in Uebereinstimmung gebracht werden, dass den centralen Leitungsbahnen andere Eigenschaften als den peripheren zugesprochen würden. Und da sich die reflectorische Ausbreitungszeit mit der Stärke des Reizes ja auch unabhängig von ihm ändert, so muss die centrale Bahn, soll sie auch den letzteren Ansprüchen genügen, nicht allein eigenartig, sie muss auch ver- änderlich gebaut sein. Weit einfacher, als durch die Leitungshypothese, erklären sich die von mir gefundenen Thatsachen durch die Annahme, dass die Angriffspunkte der sensiblen auf die motorischen Wurzeln mit verschieden grosser Reiz- barkeit begabt sind. Wenn statt des Ausdrucks Wurzel, der des reflectorischen 29* 452 WARREN P. LOMBARD: Angriffspunktes gewählt wurde, so geschah dieses, weil die Wirkungen des dauernden Wärme- im Gegensatz zum Willensreize uns schon auf eine be- sondere Verbindungsweise der centripetalen mit den centrifugalen Reflex- nerven hinwiesen, und nächstdem deshalb, weil sich unserem Bewusstsein gemäss alle Muskeln den Anstössen des Willens gleich leicht fügen. — Dass durch Reize, welchen im strengen Wortsinn der momentane Charakter ab- gesprochen werden muss, eine geordnete Bewegung entstehen muss, begreift sich leicht, wenn den Angrifispunkten verschiedener motorischer Wurzeln eine ungleiche Reizbarkeit zukommt. Je nach der Stufe der Erregbarkeit jeder Wurzel wird sich, damit sie die Schwelle der Erregung überschreite, in ihr eine ungleich grosse Summe von an und für sich unwirksamen Einzel- reizen summiren müssen. — Von diesem Gesichtspunkte aus würden sich alle geordneten Reflexe erklären, vorausgesetzt, dass in den sensiblen Nerven jeder noch so momentan wirkende Reiz eine Nachempfindung zurücklässt, und zu- gleich würde es begreiflich werden, dass die Zeit der Ausbreitung eines Reflexes sich vermindert, das Gebiet desselben dagegen zunimmt, wenn die Stärke des Reizes anwächst. Aber auch unter der Voraussetzung von wahren Momentanerregsungen der centripetalen Nerven würde meine Annahme noch nicht hinfällig wer- den. Denn es könnte die Dauer der Latenz auch dadurch bestimmt sein, dass zwischen dem äusseren Anstoss, welchen eine motorische Wurzel empfängt, und dem Augenblick, in dem ihr Erregungsgrad auf die zur Auslösung einer Muskelcontraction nöthige Höhe gestiegen ist, eine merk- liche Zeit verstriche. Je nach der Geschwindiekeit, mit welcher dieser innere Vorgang in verschiedenen Wurzeln abliefe, würde sich dann die Dauer ihrer Latenz richten. Da an dem Grade der inneren Beweglichkeit aller Nervenmassen ihre chemische Zusammensetzung einen hervorragenden Antheil nimmt, und da sich diese rasch und auf beschränktestem Raume zu ändern vermag, so würde sich aus der Erfahrung, dass sich die Latenz desselben Muskels bez. die seiner motorischen Nervenwurzeln in kurzer Zeit und unabhängig von der seiner Nachbarn ändert, gegen meine Anschauung keine Einwendungen erheben lassen. 5) Für die Bedeutung, welche die chemische Zusammensetzung des Rückenmarkes auf die Ausbreitungszeit der reflectorischen Erregung gewinnt, spricht am deutlichsten die Folge der Strychninvergiftung. Denn eine der wesentlichsten Wirkungen des Strychnins besteht in der Vernichtung der Unterschiede, welche die reflectorischen Latenzen unter gewöhnlichen Ver- hältnissen zeigen. FE Zn au 2 GEEEEGERDEEEED Bir du oe Er u Een BZ > DIE AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. 458 Anhanesweise folgen in tabellarischer Form die Messungen, welche dem Inhalt der vorstehenden Abhandlung zu Grunde liegen. Die Namen der Muskeln sind die von Ecker gewählten; der Ersparniss des Raumes wegen sind sie abgekürzt. Es bedeuten: A. m. 1. = Adduetor magnus et longus, A. min. = Adductor minor, B. = Biceps, Eb. = Extensor brevis, G. = Gastroenemius, Gl. = Glutaeus, Ip. = lleopsoas, ©. = Obturator, P. = Peroneus, Pect. = Pectineus, Pyr. = Pyriformis, Q. = Quadratus, R.m. = Rectus magnus, R.1. = Rectus longus, S. = Nartorius, Sm. = Semi- membranosus, St. = Semitendinosus, T. = Triceps, T. a. = Tibialis anticus. Beträgt die Latenz nur Bruchtheile einer Secunde, so ist die Null vor dem Punkt weggelassen. In den folgenden Tabellen (S. 454—463) sind die Beobachtungen nach ‘dem Orte des Hautreizes geordnet. — Alle Versuche sind an unvergifteten Fröschen angestellt. 454 WARREN P. LOoMBARD: Die Muskelreihenfolge und die Zeit in Secunden: Der gereizte | Methode der | Datum | Zahl Ört | Rötzung I II I IV 2.Mai IV | Zehe Ein schwacher Kniff | 0 | -003 | -o11 | -oßbl mit dem Zängelchen | R.m. St. S. A. min) 23.Mai III ” Ein Kniff mit dem 0 -011 -014!| 0-18 Zängelchen St. R.m. |A.min. | Peet.: 2.Mai V = Ein starker Kniff mit 0 -017 -021 -042 dem Zängelchen St. | B. S. E&:; 19.Mai I 58 Ein dauernder Riz 0 | -028 | -045 105 50°C. SE ep B. yr. 19.Mai 11 ” Ein dauernder Reiz 0 | ..028 | -035 077 | 50°C. Sb; B. Ip. Pyr. ı 19.Mai III a „ Ein dauernder Reiz 0 -140 En - | 50°C. St. B. | 2.Mai | VII % Eintauchung in 2°), 0 :103 | -126 129: | essigsaure Lösungen St. Gl. B. Ip. 2.Mi IX > Eintauchung in 2°, 0 273 250 305 | essigsaure Lösungen Ste ImRGIE B. R.m. 6.Mai | X 35 Eintauchung in 2°), 0 _ _ essigsaure Lösung | St | 6. Mai | IV Obere Seite des Ein starker Kniff | 0 | -035 | 0-46 +1} Fusses St B. Sn. Rm 19. Mai | XVII 5 Dauernder Reiz 50°C. 0 -70 -112 133 | Pect. |A.min.| S. ze 19. Mai | XVII 53 | 33 50°C. 0,2219 -161 175 N B: | | | | \ 13. Mai XI ‚Untere Seite des, Kitzel 0 | -021 025 | -0258 Fusses I B. RalalzıSE 19. Mai BXE er Dauernder Reiz 50°C. 0 -007 »068 063° I St. Pyr. B. Ip. ı 19. Mai Xu E ” SO W -077 u u | St. B. (8 19. Mai XII " 2 50°C! 0 | -ı61 | -343 | =48l St B. Ip. S. 19. Mai XIV % 55 50°C, 0 :098 | -217 — St. B:...|op8 13. Mai x 3 55 53%C. 70 091 | -200 | 203 E | St B. R.l.| Ro 13. Mai | XI = = 59°C. 0 0-21 028 035 B.,. | 86. AERSE Sm. 139 Mara EXIT er | 1 60°C. 0 -053 | -056 | 068 | B Ra Sm. 1, 13. Mai I [Innere Seite des Ein Kniff mit dm | 0 -070 | »080 | 122 Fusses | Zängelchen | Stern ERSTE B. R.m.. 6. Mai I £ ‚Ein Kniff mit Druck- 0 -009 +014 | 031 | pistol. t Sm | „B. R.l. ! A. min. kann entweder A. min, oder Quad. darstellen, —— nen > . Er u en ent ng a 2 ee I = DIE AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. 455 _ nach der Zusammenziehung des ersten Muskels. V VI | v1l | VII IX X XI RT 2X NEXT: XV 018 | -025 | -066 | -074 | -088 | -095 | -112 | ‚1232| — = er A.m.l. | Pect. BB: Gl. Sn. Ip. Pyr. |A.min. -019 | -035 | -042 | -05 -.060 | -078 | -o81 | -091 | -ogı!| -112 | -113 S. A.m.l.| Sm. B. T. Gl. Ö Ips Amin ER. Byr 059 | -073 | -080 | -091 | -117 | -120 | »122 | -140 | -154 | — u Sm. /A.m.l.| R.m. Gl. Peet. 0: Ip. Pyr. R.1. 119 | -119 | »-119 | -119 | -126 | -168 | -224 | -224 | -224 | -322 | -33 Sm. |A.m.l. Q. O. Real Rama Bech Gl. S. A. min. 1% 091 | »091 | -112 | »133 | -ı61 | 161 | 15 — = = Sm. S. 0. @27 2 Arm. 1a BR.m. Gl. |A.min. 253 | :269 | -315 | -377 | -420 | -480 | -487 | -539 | 5671| -585 | -671 S. Koma Byr) | Aum.l.) OR. 1. 0. Sm. |A.min. | A.min be Pect. "33€ | -350 | -472 | -525 | -582 | »5851| »540 | -692 | »868 | -gi1 | 1.1351 SD. Ip. |A.m.1l.| Pect. | Pyr. |A.min.| Sm. OÖ. Ir R.]l. | A.min. «176 -186 -200 -203 -279 :329 | -332 -339 -346 -378 »444 R.1. S. Byr: (07 Ip. Pect. A.min Gl. 9.2. KAamııl. 1% »143 -154 -161 -161 -238 — — _ — = = Ip. Q. Sm Asm. 4 Byr. -035 ze a ee = =. = en u ee — Sm. 17 :196 -203 -206 -217 -224 »245 «245 -245 -252 -287 8. 0. R.1. Sm. Q. 614 Ama Ram A: Pect. | A.min. .504 - 1 - en 2 & I = = Er a Sm. | «22 -273 31, | 329 -336 -343 -354 -375 -3785 -382 -910 S. Sm. Bye EAsm2l: Ip. Gl. 4 Pect. |A.min. Q. O. 049 -063 -063 -063 -070 - 074 -140 _ _ — _ Tr, Ey a.m.1.| R.m, S. Ip. Gl. -081 -091 -098 -105 -133 172 »224 »25 :280 «287 :301 St. Pyr. |A.m.l.| R.m. Ip. Gl. Q. 0, FA-min.| Bect. S. «16 «186 -206 -206 :210 »221 -231 -242 252 -263 = D. Sm. Ip Acmsıl 7 Asmina , By: Pect. Gl. Q. -042 -050 -052 -067 -071 -077 -081 -105 -105 -11 -115 0. R.m. | Pyı. T. Ip. S. Q. |A.m.1.| A.min. | Pect Gl. 4506 WARREN P. LoMBARD: Die Muskelreihenfolge und die Zeit in Secunden nach Datum | Zanı | Der gereizte Methode dr | ir I | Iv ee SL NEE j Reizung = | e 6. Mai | II |Innere Seite des | Bin Kniff mit dem | 0 «07T | -078 080 | Fusses | Blitzzange | St. B. Sm. Ip. 19. Mai | IV „ 'Dauernder Reiz 50°C.) 0 -007 | -021 | -035 St. 1 m B. Pyr 19. Mai | XV ß | ü 50°C. 0 = — — | St. 19. Mai | XVI 4 B 50°C. 0 -007 | »070 | +021 | | St Pect. B. S. 13Ma ILL) | se „> 5400.) Q -280 | -336 | 4-144 | St. |R.m.| R1l B. 13. Mai | U R: x 55°C. 0 :378 | »451 | -490 | St R.m.| RI Ip 13. Mai IV = 56°C. 0 1:470 |1°498 | 2-77 | | St R. m.) RT. B. 13. Mai V nr N 93r’CH, GO .700 | -833 | 2.576 St R. m. | R.]l B. 6. Mai | III | Aeussere Seite | Ein Kniff mit dem 0 042 | 056 -077 | des Fusses | Zängelchen B. Sm St. O. 19. Mai V & ‚Dauernder Reiz 50°C. 0 -084 | +168 -168 | B. Ip. S. St 19. Mi | VI FR u 50°C.| 0 -196 _- _ | B. St. 19. Mai | VII x e 500C.| 0 -070 | +105 -140 | St. Ip Br I Byr 19. Mai | VIII 35 | s 50°C. 0 |4-144 |4-312 | 4-312 | St Ip Pyr. S. 19. Mai 1 bes | ; 50°C. 0 -434 -518 -602 | St B. R.l. Ip 13. Mi | X BI | DR 54°C. 0 490 | 525 | +840 St B. R.l | Rom 13. Mai VI » » DDR: 0 644 :756 | 1-050 | St R.1L:1@IB R. m 13. Mai |, VII $ N 5500| 0 231 | -315 | +350 St. B. R.L- gm 13. Mai VII en > 550C. 0 -217 -297 -315 ö St R. 1 B. R. m 2. Mai II Fuss Ein Kniif mit dem 0 -112 | „A721 1362 Zängelchen St. | R. m. S. B. 19. Mai IIIb „ „ 0 -028 -189 -189 | B. St. Ip S. 2: Mai | ‘VL: 5 Eintauchen in eine 0 -203 252 -294 | 2proc.Essigsäurelösung St. Gl. Ip. B. 2. Mai. | VII » » 0 :161 | +210 217 | St. Gl. B. R. m. 6. Mai X n “ 0 _ = St. B. ! A. min. kann entweder A. min. oder Quad. darstellen, y Die AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. 457 % der Zusammenziehung des ersten Muskels (Fortsetzung). V | vI | vo | VI | IX | x | x Wa "x ao +08 087 :094 -098 -.112 -115 -126 -140 -145 | -154 -161° Esim. | Reale .| Pym (07 Q. S. Pect. Gl. de Aemın. Amel. -077 -084 -112 -140 -154 — — E= —_ —_ _ Sm. small Irak Q. D- = a u 13 2 ® Sn gi ee ey | “ u Tuner: n. ie er # a == En || | ” N 2 = Rn Q. GI Arme. 3.654 3-682 |4-774 |4-785 |4-844 |4-872 |4-956 |5-292 _ = _- Gl. Q. Ip2 1 Asm.1l S. Ir Pyr. Sm. ” 2-870 12-884 |2-940 |2-940 |2-9685 |2-982 |3-626 — —— == .- Gl. Ip. AED Pyr. Ir -05 | — = — = = Be u en = en Ip. -210 ,1-960 |1-988 |1-988 |2-030 |2-072 |2-198 |2-198 |2-324 |2-492 | 3-542 Dim. ı| Pyn Dr 0!: Nordsee mia Tito Line 1% Pect. IR 168 | -168 -165 175 175 -210 224 -231 252 «266 350 S. A.m.| Q. Sm (6) KalsıBecı Gl. R. m. | A. min Al 4:340 4.382 |4-382 | 4 382 |4-396 |4-410 |4-431 |4-529 |4-536 |4-746 — B. A.m.] Q. DET Gl Al Pect. |A.min.| R.1 .602 | 658 | I x 55 = = > an a en S. Sm "1681| -273 | -277:. | -280 | -318 | -364 | -38855 | — N — A.min. | GL |A.m.L| Pect. Ip. Sm. | Byr: | Bo | 266 | -280:| -287 | Ss | a — 0 _ Sm. | Pyr. ri Am le 9: GE | Rom. “301 | -371 | -420 | -428 | »4411| -476 | -501 | -511 | -588 | -602'| »609 Pr. |Amı| 8 |Rm [Amin| O. | Pee. | Sm | T. |A.mn| R1. | -294 | -3501| -364 | -372 | .420 | -441 | -581 | -54 | — Ip- |A.min.| 8. |A.min.| Sm. |A.m.1.| Pect. | Pyr. oO. 1. | 458 WARREN P. LoMBARD: Die Muskelreihenfolge und die Zeit in Secunden nach r Der gereizte | Methode der Datum. Zahl. | ei a nn: | I | Bis | II | IV 13. Mai XVI Innere Seite des |Dauernder Reiz 60°C. 0 -014 056 -091 Unterschenkels. S. St. - 13. Mai XV |Aeussere Seitedes/Dauernder Reiz 60°C, 0 -063 -063 -088 Unterschenkels. B. ale Al: St. 6. Mai XI Rücken des |Ein mit 2°/, Essigsäure 0 -087 -329 -374 | Unterschenkels. | befeuchtetes Papier- B Sm St. R.1 6.Mai XU n stückchen 0 028 | -032 | -085 m ” (0) @l. Ip. 2. Mai yal er Ein mitcone. Essigsäure 0 1-477 |1-505 | 1-509 befeuchtetes Papier- B Gl R.1l. Sm 2. Mai | XU 5 | stückchen. 0 504 | -553 574 » B R.1 R.m. Sm si | v Hoch a.d. Rücken] Ein Kniff mit der | 0 ‚desOberschenkels Blitzzange db; Sm. B. Gl. 6. Mai | VI | Y » 0 -007 | -010 | +-010 | Gl. Ip. B. St. 13. Mai | XIV |Innere Seite des |Dauernder Reiz 60°C.| O0 -007 | -021 | -084 Oberschenkels B. R.m N. Ip. 6. Mai | VII Niedrig auf der| Ein Kniff mit der | 0 | »053.| »070 | -151 Seite des Bauches Blitzzange B. Sm. St. Ip. 6. Mai | VII | 0 > 0 -010 -035 -105 | | Sm. B. St. Ip ! A. min. kann entweder A. min. oder Quad. darstellen. DiE AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. 459 der Zusammenziehung des ersten Muskels (Fortsetzung). V vı | wı | VIH | IX X | xE |Sxm | XIN | xIV | XV 112 | -154 .200 1-022 1-071| 1-078 | 1-:092 | 1:120 | 1-134 11-176 — BL2 Rm.t Ins | Sm: ‚Am. 1.| Pyr. |Amin. | Gl. Q. | Peet. :192 -280 | -280 -280 -280 Sm. S. IA- min. | Pect. -112 .126 | »126 A.m.l. | R.m. | Pyır. = Gl. Q. .147 | “161 | -182 -423 | -424 | -455 -+466 -497 -517 -539 -573 "573 | -588 — Pyr. Ip. 0. R.m. DS Armin. | Arm. I. Q. Pect. -039 | -056 | -094 | -133 | 12 | — = _ a u Ste | Byr.) 7.80. 1 Rul. S. | 1.561 | 1-585 | 1.586 |1-6241 == — = —_ = | = = R.m. |A.m.l.| St. |A.min | | 1-421 | 1-435 | 1-449 | 1-492 | 1.512 |1-5121| — = u _ Gl | St. |A.m.l.; Pyr Ip. | A.min. | ı -175 | ea run a] St. >| «B1 | I | aa | ee ne ee Era Br |EGL'| Q | | ae ee 2) ee Gl Pyr. Bl: | | Die Muskelreihenfolge und die Zeit in Secunden nach der Zusammenziehung des ersten Muskels (Fortsetzung). , Der gereizte Methode der Datum | Zahl Ort Reizung 1 II II IV V ae NADEL NADDE || 10% X XI / 19. Juli | Ia Rücken des Reibung mit dem 0 :203 | -224 | 227 | 231 — _ > _ _ | Fussgelenks Zängelchen Sie Blegars HREm Sm EB 19. Juli | Ib , R 02 02501 .027 205 een ar =Sm. St Rum. IB: e 10. Juli V > Dauernder Reiz 48°C. 0 0235| — — — u — — — _ a | | Sa era: | < 23. Juli | II % ss Age. 2072 .098 | -042 | = = — _ _ = - | —- =) A, | 1 St S) Sie Jules all ; R 4800. 0 — | —_ = —_ — _ m | | St. es 31. Juli | IV > 3 ACH (0) — = ol = 18. Jui | VI & & 48-500.) 0 | -056 |»126 | »147 | »217 | »266 | »6 3.98 | — — | — Ei | | St B. S. Sms Re malck. le una 1 = 18. Juli | VII n = 48-5°C. 0 | 210 | -476 | -658 | -812 | -924 |4-536 5.964 | — | — | — tag 2 | St Ba ar Smee RT S. T. 1 31. Juli | VI 8 | $ Se Dee ee | — — St. IB: | 10. Jui | VI 3 r Dane Bo oe oe oo zo az oe 2 | | dt Bull 288 Spa ea Er 23. Juli IV es | s; KOCH) -014 | »045 | -049 | -294 | 336 | -347 | -586 | +-630 — = | N Trası BD. St P. IR.1l| Sm. |R.m S. 23. Jui | V F 5 60°C. 0 | »004 | -021 | .0839 | — | — | - T..a.m I. B. St 10. Juli | VII 2 E eo. mo en ee 2, as st: | 460 Die AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONFTRAHIRTER MUSKELN. 461 IB 9 I TE 8 pm ug :q 2 — | 206-* | 09€- | 088 | 28T- | 28T" | OFT- | 931- | SI1- | 9e0- Or konee % | « IN tunf 'FZ ee se) as BUS yE aus lb ‘a ag : | — | 088-3 T16- | #65: | 083° | 961- | 28T- | 8S9T- | OFT- | 010: One 5 & AI | un '#Z a ae so a Suse on ug ‘q 2 | — | 816° | 898 | 919- | 765° | OlS- | OTS- | OFI- | OFT- | 8S60- 0 19008 n a. III ıunf '77 a re en So w|e, ug :q 4Q | | — | 260-1) 386 | F0G- | 838- | F62- | 368- | FEl- | FIT 0 0 19008 * | je II tunf 'FZ a 8 n :q 7 s telweuleo| ng | FST- | FSl- | 6TL- | F80-. | 670- | 870. | 8F0- | 270. | 7I0- 0 [9008 pi | 5 1 Men 'q da Des es ; 5 ; r63° FI | 808- 0 1090G.8F en | = 0 Inf "TE | as |wL| a = = me ces all 0.008 2: % A mp Fr Be Q i = = == = — | hylbe 0 19087 R III Inf "sc ‘q 78 | & - - 820: 0 19087 zu Bpurnegq II nf '65 29) 3 "ar Kwuel sS ee ee 'q { — | 088- | #8%* | 89I- | OFl- | 860- | 860- | 9€0- | cE0- | FIO- 0 yuy Toyreys um : INT Br le LISENE EEE ES ws | 8 'q = — | c8g- | 108: | 283- | ELT- | C9T° | T9T- | 921: | 670- OB yuy um % JI nf ‘8 4 "mg 1 \er\l a ; E= = — — == —— 2160 POS RIO: 0 0 yıuyy douropy um Te er 'q ee ee, E — == = = 5 970- , FIO- 0 ; or ep | ‘ug 'q uoyp[osugz = = > 830: | FI0- 0 , wop u Sungreg . II me 'F | Img | weg :q [osurg syuafasssı,q = = = == 110° | 0T0- 0 up Aw gar um Sop opag edeuuf I me °F E i i Zunzia 1 IX | x CIE SOLLTEN DINGE ST A AN. | URL II il 1op en Soden og | WZ wnyeq ‘(SIIOT) STONSUM U94SI9 SOp Sunyamzuawuesnz Iap yoeu uapundag uI graz orp pun 9S[oFuayTerjoeysnmm oT WARREN P. LOMBARD 462 Der gereizte Methode der Reizung VI Innere Seite des!Dauernder Reiz 55°C. Datum | Zahl Ört 24. Juni | Fussgelenks 24. Juni | IX | = | 4. Juli | VI A | Do le EV. ” A Tulıse EV »» 24. Juni x h 24. Juni | VIL »» 24. Juni | VII „» 10. Juli | Ia \Aeussere Seite des ' Fussgelenks 10. Juli | Ib »» 18. Juli I „ 10. Juli II m 18. Juli II n 10. Juli | II ss 18. Jolız |, IM „ R 55°C. n 55°C. % 58°C. Rs 59°C. 3 60° 0. : 61°C. £ 61°C. Ein Strich mit dem Pinsel Er} Reibung mit dem Zängelchen Ein kleiner Kniff Ein Kniff Ein starker Kniff | Ro cr « obWoMU%o oeRollowoR u Sc III :056 | -098 | »-154 | -210 | -224 | -238 | +742 B. | Sm. Rene: Relee86H «084 | »-126 | »140 | .224 | .252 | »280 | »-504 B. Sm. Dam: Reale :098 | »-196 | 392 | »448 | »546 | -553 | »-798 era Sm. BR 8. a IRerne ER ee er Zn ae B. R.m. -294 | »364 | +-406 ! -420 , .756 | -966 11-190 Sn Dean Er Bel: S. 1.2 Rem, -070 | -070 | 126 | +140 | -182 | -182 | -490 B. Sm. 1, el Se -O70 | -084 126 | +168 :196 | -196 | -322 Be Sa a IR emel 126 | .154 | «182 | »196 | 288. | 280 | () B. Sın. T. |Rm| 8. 1 Ik G. RER | | 1 rn ee ee | In in. | :042 | »084 | »-210 - lo eh Jar ID), | el ee | ge Ian: | :014 | -014 | »210 | -217 | »280 «280 | »280 Sl el Sm. S. IalRram® -028 | »070 | »-070 | »098 | »140 | »231 — B. Sue mei Release DE Nr -938 a -798 TS a: «854 St. L+750 St. :882 1.8. -392 TER: -882 Ttar 8.). | 463 DiE ÄUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. — — 1.— 1 012- | 601- | 90T- | 180- | 8c0- | #F10- | F10- 0 wu'g| 'd ee er a | uoyppasurz, u 1 Tat — | 090- | LE0- | #70. | 8E0- | <£0- | 130- | 120- 0 wop Au yrayy um Bea) ee ee |, | aan == | — | | 220- | 830: | #20. T20- | 200- | 0 0 5 us Kal "L s ju'y 9SUBZZAT BE — | 880- | 620- | 100. 0 0 Tp Au yıuyy um | Se | I = | — | 280. | 0 | «op gu guy ur "L BIST HEHTIEENE LU Fe 'S 8 uogojadurz “| 830- | 6T0- | 910- | 900- | z00- | 0 0°; 1p ur gay um 'dq 98 9SUBZZUNT | | 18 [osurg u ee - —_ wmop A yorg ur ze u re | IE — | 081-1 0 D08F Zuoy 1opuıonge ‘4 . Sn >; 981. | 480- | 880- | 820° | 8T0- | 910- | C10- | TIO«. 0 ‘“ IX X XI | III 100» 0 yıuy Aourofy UM “ puep uayyoaı Top aadung um IIIA 392 spoyuogostoguf] ec Tr = Sunzroyy 1 | han | 1p enomsr BR dyz10.103 OKT x XI sopopogorossnoy| A | IU®Z af TE af "Te uf 'ST TUNSTE tm "85 me "85 tar "8T Inf '8T mp '8T nf Bl wunge(l | u nn nn nn nn ('SI10,7) s[oysnw 19819 sop Junyorzuomwesnz op oru uopundag ur 4oz op pun HSTojuoytorpoysnm ot WARREn P. LoMBARD: 46: Die in den Tabellen S. 464 bis S. 467 aufgeführten Beobachtungen sind Gleichheit des Datums in diesen und den Tabellen S. 460 bis 8. 463 zeigt an, dass die vergiftet waren, gewonnen. Beobachtungen an demselben noch nicht vergifteten Thiere geschahen. Eee ee . an Fröschen, die mit Strychnin Die Muskelreihenfolge und die Zeit in Secunden nach der Zusammenziehung des ersten Muskels (Forts.). Der gereizte Methode der S 2 Datum Zahl | St Reine h r N u Ivan y ji VII an | u xx 22. Joh |VIT| Zehe | Ein Kniff mit dr | 0 | 0 | 004 | -007 | »007 | -007 | -007 | »010 | -014 | -014 | -022 | | Blitzzange G. IR...) 280, B: jr 8m. Bes el gi: S. | Tas a 29. Jul (| 5 | a 0 | 004 | -005 | -005 | »010 | -013 | -013 | -015 | -015 | »017 | -017 | | | & 7 Br ep Ram. Sn, | ee ST Bla HE SE 22, wi | X. n | 5 0 | -004 | -006 | -007 | -007 | »010 | -014 | -014 | -O14 | .016 | -016 | a a a N er Sal tr | te) 1 23. Juli | III „ 3 0 005 | »016 | -016 | -024 | -082 | -033 | -038 | -043 | »058 | -069 | 1 a WR | Rene oh linglns: 31. Juli | XI is F 0 017 | -021 | -021 | -021 | -021 | -024 | -029 | -035 039 | -042 I aa atcRabr| al. 9 SB: St RSE le | Sm ea e DRGETI Se 19. Juli | Ib [Rücken des Fuss-! Eine freiwillige Zu | 0 | 0 | .oos | -oos.| »003 | -0os | -oos | -003 | -005 | -0os | -009 | gelenks sammenziehuug B. P. IN, 8. am, 296 Sms Binde En RI: 31. Juli | XII RN Berührung 0 | .004 | »013 | -014 | -019 | -021 | -027 | -028 | -035 | -035 -062 | aa Babe Be mal Real Ran er Ben Staa, 19. Juli | Ia s Ein kleiner Kniff | 0 0 | »010 | -014 | »028 | -056 | -091 | -115 | »126 | +133 | -147 | St. Bi |: Pr | Sm. es. = BB HR mr 19. Juli | V $ Ein Kniff 0 0 | 007 | »007 ' »008 |, »008 | -014 | 014 | -014 | -017 | -031 | BL N Se BAD Erb.) Sm Rain | °G. |, KINCEHERETE a 19. Juli X N Dauernder Reiz 47°C. O0 004, -014° 0315 E03 ge Fe — | — — le] TE. 186. 1 .MBEE | Eh AR 19. Juli | VII nr + 48°C. 0 | »004 | »008 | -011 | -013 | -014 | -019 | -022 | -027 | -028 | -028 St. ER ENDEN Es, 7 ji Ss. | Sm. |Rm|RL| 6. 19. Juli | IX sr 5 48°C. 0 0 | »008 | -010 | -021 | -021 | -027 | -085 | -085 | -046 | — Be Bear Ss Eid. | Be | Amao)) Sm) 8% Reel Kt 465 DıiE AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. ET Do) el 870- | 120- | 680» | #30- | 6I0- « |tula | oe 9 820» | #30: | F20- | 610- | LIO- us 1 NUN 120: | 8TIO- ı LIO- | LIO- | F10- li rs! e20- | LIO- | F#I0- | II0- | TIO- I Be EI 79) "us 280: | 680- | F20- | 320- | LIO- Dr 9) = — | 880- | 680- | 650- Tr SE U ‘A c#0- | 880- | 980- | 880- | L30- ae ee ne: 961- | FELI- | 831- | 6LT- | 6IT- “ann her ll Ze) NSS IEHH "4 608- | 391- | 9IT- | Z0I- | 360- ‘q "H | Ar | Bi u EN) ‘d | GIT- | 160- | 180- | 080- | LLO- .S [ “g | "TIL Di ae er 0L0* 990* 890- £ 'd "S "us — | 780- F TE0- | 080° | 210: | wy| ug | G20- | 610- | 29) ’< "TIL y "TrrS | —|79£0%°126%0° \ 170- \ 980- IX X. (El Ira m | -(S}10,]) SPONSNW U99S19 sap Sunyarzuomwesnz op yoru uopunaoag ur JIaZ op pun 98[0JuoayLroajoysnmw old 00L- > LLO- Be 690- ed 890- "ur af 910- "L LIO- au 850» IA Gc0- yıuy Toutopy UIH 9.019 “ ee « ).068 '),6F ZU aopuong(] 0846 7 0 uy aoyıags wg] yıuyy aouropy urn “c Sunzıoy op Opoqyom G-6PZIOM AOpu.Iongeg, | e LAT TUE 5 Y9AIX| TIRL '6L > SAIX| Ur '6T 2 FAIX| TafÖet = SAIX| UALIET = GAIX| EL SCT SNUOOSSSN.T sop oIESMLOSSNOY TAIX| IMf '6L “ N nf '36 E IIIA | Inf 'z@ s AT | ap zB Rt dAIX| MAL '8T SYUOTDOSSU,T sop Oyag Adouuf m AIX| nf SIT £ La 7 LEO SYUOTOSSENIT sop uosonM JPG nf "GT +0 yez | wngec 09210108 OCT 30 Archivf.A.u.Ph. 1885. Physiol. Abthle. WARRENn P. LoMBARD 466 2, Methode der Reizung 22. 23. Juli Juli Juli 2. Juli ‚Juli Juli Juli . Juli Juli Juli Jnli Juli Juli Juli Juli Juli Juli Xu XI XIlla XIIIb X vu VI 9 „ Er Er} E22 Rücken des Unterschenkels ” .. Er Berührung mit dem | Pinsel Er] Reibung mit dem Pinsel s „ Ein Kniff mit dem Zängelchen Die Berührung eines Pinsels Ei ” Berührung Ein Strich mit einem Pinsel ” Reibung mit dem Zängelcher Ein Kniff mit dem Zängelchen Ein Kniff mit der Blitzzange Dauernder Reiz 48°C, y) 49°C, St. B. m. 0 -002 | »003 Sir | 18h og |eels% 0 -011 | -014 RM St. |#8, 0 0 - 007 Strass ham: 0 -004 | -004 ben B. BP: 0 -007 | »-013 G. R. ] Sm. 0 -001 | -004 16% AN, Bi || 18% 10, 0) -013 | -014 B. 1D, ra; 0 0 0 B. Alla, 17, 0 -010 | -018 G. Sm | 10 10% 0 -014 | -016 Sin Ro an, || 18% 0 -004 | »010 G. 6 Qsl|ı 18% 0 -002 | »-007 era. “ll, B. 0 -011 | -013 B. Dt, Rom. 0 -021 | -021 G. B. E.b. 0 -014 | -015 E. b. B. 18; 0) -003 | +-007 B. n Sl -004 Dm. -017 St. 0 Hi -018 Sm. :042 S. - 010 St. -009 St. -020 Sm. -021 TI, -025 Im. -013 | Ka ı Ei -015 R. m. -004 St. -017 ll -003 Dm. -018 ksle - 084 AN -010 IR, an. :011 Ikeamt -021 S. .022 Sm, -028 St. -014 Sm. — in Iv ZIELE | x [= en EN Ur SU en SE) BES ES TE Ft Ga 1 iR SOUBZZHT | © | e 630- | C30- 2L00- | 200- | C00- | C00- | £00- | F00- | #00- | £00- | 0 ap u yluy um IA | mp 'ez co °S Al; ‚B I “TU aan "us a "y ve ‘q Jen 2) “acı ‘I “ z = 830- 180- | TL0- | 0T0- | 200- | 600- | €00- | <00- | 800- | 0 0 5 oAT| mp 'eg RI ae ER |, | At An 9). | ee | SR LEINE) ERANEY/ e x G80- | 8TO- | STO- | F10- | F10- | E10- | 0T0- | 800- | 200- | F00- | 0 wop Ju yıuy ur aAr| me es 8 Sa RT er | Re 'd "L 2) uooasugz, pueH 820- | FT0- | 200- | <00- | #00- | 800- | 800: | 800- | 0 0 0 | wop gru Sepyag ug juoyum top aosung ® AT, mp 'gr > 7°0- | 010- | 0TO- | 800- | 800- | 800- | T00- 0 0 0 0 :- ” Sul af TE i | S 2 | D nl ri = = EB Dee 7 u us) ; un Sr 5 el 2 EF70- ER: SETo> |E7TO- | ETTOr 00-2 800:2008 0 x = IIIA| mp "Te = N u Ze ur as Er ee 9) = 850- | G1O- | E00- | F00- | 800- | 800- | T0O- 0 0 0 0 . ; IA | mp es a sıeı)ı SS us q di en Kuss OEM un) I 9SURZZULIE BURRELIEN > 380- | 880- | TTO- | 800- | 800- | 200- | #00- | F00- | F00- | 100° | 0 dp u guy um |-ypor op dosurg) A | IMf 'E@ 5 = = ze _ =) a ee NER SET N | nr = A ’E — | 660. | 850- | 820- | 830- | 6T0- | 6T0- | gIO- 0 9009 . “ IIIX| mef 'ez oO 'd | re | Re Re a — | — | 980-1» 620-T| 320-1) sTe- | 80og- | 108- | 08%- | 822- | 0 |'0009 < = IX | mp 'ss = | Be TE 'd ei Kuren r a BE stl- | #80- | #80- | F80- | 270- 0 19068 “ 2a x me 'e& a 38 KU SUSE ELSE SE ll S 80- | <10- | 110- | #00- | #00- | 0 10068 = : xI | me 'ez @ A Te eu U Re een =) = — | = | 660- | 680- | 960- | 290- | r70- | 160- | 610- 0 19098 = u IIX|j mf ' B | ug S Se re Te See A 9) = — | 7 | 684. | 908- | G00-,| 202. | 208 | SE2- | le | 620: | 0. IDoce S A IIIX | Tmp Te = Ey ra Rees SE Lee ed = = — I 890- | 890° | 960- | 670- | #20- | LOO- | £00- 0 10084 = be IR FGG 5 ih SR BT. LEE ER EL Ta | Auer | spoyuoostoguf] 5 — || 998 | #88 | 68T- | 281- | GLI- | L#1- | Or1- | 220: | 0 19039 ze Aopfiıoneg| sop moyong | IX | tmML '8I = Bars | u = Sunzıoy gl | en | | Tee ogzıanog ag |1IeZ | unge (820,7) STOYSNIL U98.10 sop Sunyaızuowwesng op JoRuU uopunoog ur JIozoıp pun OSJojuoytoapoysumn ord 468 Warren P. Lomparp: Die folgenden Tabellen geben die Beobachtungen Die Muskelreihenfolge und die Zeit in Secunden nach Der gereizte Methode der Br Die Ordnung Ort ne I II II IV 1834 8 Fuss Ein Kniff mit dem 0 -112 117 | .-14 2. Mai Zängelchen Str rem 8. | Bo III Zehen SE. ne Do -014!| -OIm 1. St: |URem. Abmın | Ser IW ” Ein kleiner Kniff 0 | -003 -011 | -o8 | Roms eSt Ss. | A.mim V ” Ein schwerer Kniff 0 | -017 | -021 | -OA@M St. B. Ss. Sem var Fuss Eintauchung in 2proc.| 0 203 | :252 | 208 i | Essigsäurelösung St. Gl. Ip. | Soabs VI | n 3 0 -161 | -210 | -2M St. Gl. B. | Res VII | Zehen ; 07 92.:1037 |: 1267 wre SEE Gl: B. Ip. IX e ss 0 | -278 | -280 | -308 St. Gl. B | Res x1 Rücken des Ein mit concentr. Essig- 0 1-477 1::05 | 1509 Unterschenkels | säure befeuchtetes B. Gl. 184 ık Sm. XH PN Papierstückchen 0 -504 | 553. | om B. Ralzı kam: Sm. 1884 I Innere und obere Ein Kniff mit der | 0 009 -014 -031 6. Mai Seite des Fusses Blitzzange St. So I BR | RB u S 0 -077 | -078 | -080 = St N Sm. Ip. III |Aeussere u. obere 5 Or 3042 -056 - 077 Seite des Fusses BJ 219m: St. v. IV | Obere Seite des h 0 | -085 | -046 | Fusses St. 8 Sm. |IRm . V | Hoch auf dem |. > 0 -O011 | -014 old VI is Oberschenkels N 0 - 007 -010 010. Gl. Ip.) 'B. VII | Niedrig auf der ” 0 053 -070 -151 Seite des Bauches B. Sm. St. Im VII » » OR 0 035 ı +10 | IX Zehe Eintauchung in 2prece.. 0 | — — = Essigsäurelösung St. | l X Fuss = el = E St. B. | XI Rücken des |Ein mit 2proc. Essig- 0 - 037 -329 374 l Unterschenkels säure befeuchtetes IB: Sm. St. R. l. XI H Papierstückchen 0 -028 -032 085 3 0. al. Ip. B. D ı A. min. kann entweder A. min. oder Quad. darstellen. | * Nicht geschrieben. VI NIS VI IX x XT XII XIII | XIV XV Dora 2280, 2318, .23647, 122385 — a — Gl. |A.m.l.|, Pect. Ip. Sm. Pyr. "035 -042 053 060 -078 -081 -091 0912| 72112 Sale) A.m.].) Sm. B. A: Gl. Di Ip EASmin 1 -025 -066 074 -088 -095 -112 1231 — = — Pect. B. Gl. Sm. Ip. Pyr. A.min -073 -080 -091 al -120 .122 -140 | +154 — — Am als ur. m. Gl. Pect. 0. Ip. lea, 0 damals 3 ‚420 | +»423 -441!| +476 -501 51l -583 -6021| .609 Aal SS: R. m. ‚A.min Ö. Pect. Sm. I Ama eu. 2421| .294 -350! 364 -312 -420 «441 521 524 — Alina 5 Admin. | „Sm: | A.mal.ı (Beet: | Pyı:. 0. a 269 Sl Sal -420 | +480 «487 Be a 2 -671 me men Aum.l.| Bl. Ö. Sm. |A.min. A.min.| T. Pect. 350 | »472 "325 -532 -535:| »540 -692 | -868 91 | 1.1352 iz pAcsne]. © Pech: | Pyr. | A. min. |’ Sm OR RE Ralıs EAKmm“ 1.585. |1-586 |1-624!| — = a2 a = en = Small St: 0. min. 1.435 |1-449 |1-492 |1-512 |1-5121 _ = = — = EU Neml.|e Pyr: Ip. |A.min. | | -050 -052 -067 Sa Oz | -081 -105 105 Sl -115 Ismea yn 1. Ip. S. OS Am] PAomin.) Beet: Gl. :087 | »-094 -093 -112 -115 -126 -140 «145 -154 »161 ale By 0. Q. S. Pect. al. Ar A.min. A.m.l -186 -200 -203 "279 -329 -332 :339 | 346 -378 .444 S. By. O. Ip. Beet. | Amin 20 Gl 32 020: A.m.] Ik 056 — ee Be a: 12 4 en a Q. Buy se) | or 2 = = .L er u — Sms che 1. “151 | -153.| +19) — au — — _ — _ IByın- Gl. Q. Se ne | 2 en = u ae es — Byr. | Kal. 4 | | “404 | »455 | »466 | -497 | -517 | 539 | -573 | „573 | +588 Ip. O. Re Tin, S. Aamına Asmle 1%, 0. Pect. Gl.” -056 -094 «133 «182 ze _ —_ —_ — Bye Sn. | AR... S. | 470 WARREN P. LOMBARD: Die Muskelreihenfolge und die Zeit in Secunden nach’ Die Ordnung | Der gereizie une | 2 | 1884 I Innere Seite des| Ein Kniff mit der | 0 | -070 | -080 | -122 18. Mai | Fusses Blitzzange St. | RL]; B. Bar II R 'Dauernder Reiz 55°C. 0 -378 | -451 | -490 | | St. | R. md) Role; | II n 3 54°C. 0 | 280 | -336 |4-144 St. |R. MIICRE Ta IV # | ® 56°C. 90 |1-470 11-498 |2-772 | 3-654 | St. | R. mi Rees 3 V a S 59°C. 0 | »700 | -833 |2-576 | 2-870: ı St m HR VI Aeussere Seite des AN 552 0 -644 | -756 ‚11-050 Fusses St... “Rasa B.* Rem; | VIL| 5 s 5500| 0° -| »BSfrnasen | | St) BER Ener VII En | a. 55E. 0 :217 | -297 1 =315 | St. R. je B. R. ı. IDX 5 “ 54260. 0 :490 | -525 | »-840 | Str "BH R2TaNRaam X Untere Seite des hs 58°C.| 0 | -091 | -200 | =203 Fusses | St. B. 2 |sR. 1. Ren. Re 3 | Gekitzelt 0 »021 | -025 | -025 | -035 | I" BER OR St. I. x Sm XH * Dauernder Reiz 60°C. 0 053 | -056 | -063 Bea Ro Sm. al XII | a a. 59°C. 0 021 | -028 | -035 | | IB. St... HRr Lelsm XIV ‚Hocha.d.innernS, “ 6ONEHIEO 007 | »-021 | -»084 desOberschenkels BR mol Ip. xV Mitte d.äussernS. © 60°C. 0 | -063 v 088 | +11 'd. Unterschenkels B.-\ Rear St. [Amll XVI Innere Seite des En 60°C.| 0 »014 | -056 | -091 | +11 \ Unterschenkels B. S St. | A R 1884 I Zehe Dauernder Reiz 50°C. 0 | »028 | -045 | .105.) +11 19. Mai St. | Ip. B. | Pyr. ng II 3 5 50°C.) 0 | -028 | -035 | -077 | -09i St. | BO TpsonE ee IIIa A > 50°C. 0 140 | — -- Ss | IIIb Fuss Ein Kniff mit dem 0 -028 | 189 | »189 | »2U Zängelchen Bi | Szagele Sm IV | Innere Seite des Dauernder Reiz 50°C. 0 007 | »-021 035 | «07 Fusses | St. Ip B. Pyr Sm V |Aeussere Seite des 5 50°%C.| 0 084 | +-168 | +168 21 Fusses Br pt S. St Sm vI 5; 2 50°C.| 0 |. s10b7 2 > en - | B. St. | vo N | 5 50°C.| 0 | »070 | »-105 | -140 | -% | St. | Ip B. Pyr. | DıiE AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. 471 der Zusammenziehung des ersten Muskels (Fortsetzung). ” VT | vu | VII | IX X | XI X XV Bemerkungen -186 | 206 .206 210 | -221 | -231 242 | »252 | »263 er T. Sm. I ‘Ip. |A,m.1.| Pyr. |A.min. I Ir Glas KO: a re ee Ne oe) 3445’ Pm. ec. Amı 5'/, Stunde nach der rn Operation | | 4% Pm. 3.682 4-774 4.788 14-844 14-872 4-956 5.292 | — —_ — Q. In A ne An.) WEL Pyr) .Sme | 4h20' Pm: 2.854 2-940 12-940 2-968 |2-982 |3-626 | Ip. Alm. | 08. Pyr. | T. | 4435’ Pm. —- — — | | | | | SSfalspm: Er Ei. I. >. rn) | | | 5h25' Pm. | | 5h45' Pm. Suse: 213 | »315 | -329 | -336 | »-343 | -354 | »375 | -378 | -382 | -910 Sn. | Pyr. |A.m.l.| Ip. Gl. ar Pect. |A.min. ©. Ü)- 6%15’ Pm. -091 | -098 | -105 133 | -172 | -224 | »259 | -280 | -287 | -301 = Pyr. |A.m.L|R. m.| Ip. Gl. Q. O0. A.min.| Pect S. 063 | -063 | -063 | -070 | 04 | :0| — — | — | — Pyr. A.m.\.R.m.| S. Ip Gl. | I Bl. .! | -126 |, -126 | -147 -161 | -182 | -196 | -280 | .280 ! -280 | -280 R. m.| Pyr. | Ip. | Gl. Q. ! Sm. S. |A.min.| Pect. | O. 15 Em. -154 | -200 11-022 11-071 11-078 |1-092 11-120 11-134 11-176 == ; R. m.| Ip. | Sm. jA.m.1l.| Pyr. |A.min.| Gl. 9. |FBeer. 252 Bm: -119 | -119 | -119 | -126 | -168 | -224 | -224 | 224 | -322 | -336 A.m.l| Q. 0. |R.1. |R. m.| Peet. | Gl. S. A.min.| T. Ba 097 | -112°) »135 | -161 | -161 | -175 — — — S. Ö. Q. IA.m.l!R. m.| Gl. |A.min Be Deo ara) oe |) N Pyr. | Q. A.m.l| O. Gl-!| RE m. | = -084 | an -140 | »-154 — — — | — -- — | A.m.1.) R. a a | 41-960 |1- er 1-988 2-030 2-072 2-198 2- ni 12-324 2.492 3.542 Pyr. | Q. 0. /A.m.l| Gl. |A.min|R.m.| T. | Pect. | R.1. An SE at en ae | 28 ur d | | -168 -168 175 | -175 | -210 | -224 | -231 | -252 | -266 | -350 | A.m.l) Q. Sm. 0. BE ck Beet: | Gl. IB, mA, min. T. 412 WArRrEn P. LomBarp: Die Muskelreihenfolge und die Zeit in Secunden nach i ; Der gereizte Methode der Die,Ordnung Ort Reizung | 1884. VIII [Aeussere Seite des|Dauernder Reiz 50° C. 19. Mai Fusses IX ” 5 502@. X Untere Seite des > 50°C. Fusses XI % ® 50°C. XII I" e 500. XIV x 5 50°C. XV Innere Seite des en 50°C. Fusses XVI AR 2 502E: XVII, Obere Seite des er 50°C. Fusses XVII " = 50°C. » Der gereizte Methode der Die Dximung Ort Reizung 1884. I Dauernder Reiz 50° C. 24. Juni Die a auf der en innern Seite des ul Fussgelenks 2 Sul: III Er) a Er) 50° C. IV 0 0 52°C. 3% 5 ” 5500. al “ 5 55°C. Vu ” „ ö 61° C. VIII > 5; KLIE, IX > > 55U@. x > 3 60°C. 4. Juli D Elektroden auf | Ein Inductionsschlag dem Fuss E E2) Er) DIE AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. 473 ‚der Zusammenziehung des ersten Muskels (Fortsetzung). , vı | vu VL. IX | X | x x un | XIV | XV | Bemerkungen (A-382 |4-382 |4-382 14-396 |4-410 |4-481 |4-529 |4-536 14-746 | — Be. Q. | 0. N: ma Gl ET Reet Aamin. Run. | | | —_ - | | Sm. | | | 196 | -203 | -206 | -217 | -224 | 245 | -245 | -245 | -252 | »287 Del) 'Sm.u) 9. GI ame. ER. m. el | Pect. Amin. | | | EL — | | pe \ | Bun | |||. | | | | | 154 | -161 | -161 | -238 | — — u ne > m): Smas Au my le], Biyr | | | | s M en un er N 6 Ar Bin Bi EN VI VII VAT 0 1X X XI Bemerkungen —+042 049 .084 | +119 154 154 R. 1. S. P. B. & 1 88 E. b 252 294 .392 -504 -952 | 1.092 =) R. m IN Reale G. IN & B »210 210 .294 616 868 973 en R. m SD. Ile G er 12, +182 196 280 294 -911 | 2-380 = IR? m. S G. Ri] 1, & 1P, 140 182 182 280 560 .| -952 = ir m. S. Ra: G. 8 ID, 210 224 .238 .742 938 938 si R. m. SE 6. T.a. P »168 -196 -196 322 392 .|- »798 28 Ib: m. S. IRe I, G. ra, 1P »196 238 .280 _ s32 | 2-75 we D R. m. S. Bol. G. (?) ara. «BR. 224 .252 .280 504 198 (?) — MER. m S. IR: Il G ale a | »140 .182 -182 .490 882 (2) — | DER. m. S. ll G. erV Ba _ ea Ron u Eur a ar | Ei Zar 20,2. 2|.- | 474 WARREN P. LoMBARD: ‚Die Muskelreihenfolge und die Zeit in Secunden nae] Die Ordnung Der gereizte Methode der Ort Reizung I 1884. F | Elektroden auf | 0 - 007 -014 -018 4. Juli dem Fuss Eine Mehrzahl von T. a. B. G. E. B G = Inductionströmen 0 -014 -025 0281 ra: IB, G. Sm. HI | > Ein Inductionschlag a R ne en = I Innere Seite des) Ein Strich mit einem 0 -010 | -011 4 Fussgelenks Pinsel B. T.a. | Sm. II ” Reibung mit dem 0 -014 -028 3 Zängelehen B. Ss | IE 0% TI £ Ein klei Kniff 0 0 - 014 017 : | in kleiner Kni ei Ts 2 Re \ IV 5 Ein starker Kniff 0 -014 -035 -056 Di a B. | sm | m. Wr V ER) 0 -112 3292 _— 16% 58 Sm. k 2. > FE = = 1421 B. Tra Sm. K. Eli 8 Dauernder Reiz 48°C, E zen AR Bi & B. | T.a. | Sm: ri Are ER) ar au IE zz 18%, la Sm. K. El VI ss 3 5500.) 0 -098 | -196 | -3921 B. I &e Sm. % Yan ex ke 59°C, 0 -294 -364 -406 U 2 B. |..Sm: | a re VIII 1. Untere Seite des 0 -224 -392 ä Fusses 480 C B. I 8%: Sm. | 2. £}] * 1 ER EZ Fr 1.764 | B. il, 8% Sm. 12. IX 5 a 56°C. . 0 -028 | .063 280 \ B. Sm. ya: in X Hocha. d.äussern 48°C. _0 -028 — _ Seite des Unter- pa: B! XI schenkels 2 580 0 «126 322 -616 Ay aB: Ira Sm. 15. xII Hocha.d.Rücken E 4800. 0 252 — _ d. Oberschenkels B. lea, : XIII | Die Mitte des 0 0 049 4 Rückens B. 78 a 9, d. Oberschenkels ä 60°C, a FR 3,262) B. ıD. 198) IE 8. Juli Ia |Innere Seite des|Ein Strich mit einem | Fussgelenks Pinsel. St B. S. — Ih \ & | | St. B. Ba -- | | DiE AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. 475 der Zusammenziehung des ersten Muskels (Fortsetzung). IV | al all VOTEN IX x xI Bemerkungen 021 -028 :035 -035 035 -039 :067 Sm. 12% IRSE I; S R. M. St. -042 -053 -05 -05 — — |. 1 al: ID, S. .021 — — = a = PB. -098 :098 -140 -168 224 -350 — un S. R. m 1D, St. G Im jedem folgenden An- 1.848 Si: an zu = a = falle kamen ausser den . früheren neue Muskeln in — 3.206 | 3-262 3.371 3.584 ı 0 — — die Reflexreihe. ID. S. A u em® St. »448 .546 -558 .798 -854 | 1.652 = Die Anfälle waren S. A; Rom. Ra St. G. ö geschrieben. 720 | 756 | .966 | 1.190 | 1-20 | 2-2 | — Die Anfälle waren 8. DI | mau sk. Mal 9 erechn eben. | 294 -350 :420 -420 -490 :8526 — 1 S. ZI R.m. St. G. g m rer Der 3 >g 7 Die Contraction kam erst ‚nach mehreren Secunden. 63 644 Az 20: En = > Die Contraction kam T. 8. schneller. Fi; en Sy TE Er = =7 Die Contraction kam langsamer. 3.304 | 3-458 | 3-500 | 3-618 a — Sm. IR Ih S. IR mn, 476 WARREN P. LOMBARD: Die Muskelreihenfolge und die Zeit in Secunden nach : : Der gereizte Methode der Die Gier | Ort Reizung | I h II HI IV 1884. | Ie (Innere Seite des) Ein Kniff mit dem | Ä | 8. Juli | Fussgelenks Zängelchen . | St. B. WE R. m Id >= Reibung mit dem Zängelchen | St. B S. ge Ye 5, Ein Strich mit einem | | == | Pinsel St. B. T. a. alt ” Ein Kniff mit dem 0 049 -126 -161 | | Zängelchen | B. | St. | Sm. . | I H Reibung mit dm | 0 -O14 | +056 -- Zängelehken , T.a. P.r I eBR: IV Elektrode auf Induetionsstrom 0. 222280 | -567 +574 dem Fuss B. S. St R. m Va 5 Induetionstrrm | — —_ —_ — 3 Schläge a b Er} ER) >= IE: er 2 10. Juli Ia Aeussere Seite des Ein Strich mit einem | _ — Fussgelenks Pinsel S.. | T.a Ib 3 5 ) Ber En | ; St 7% a nt 5 Reibung mit dem 0 -042 | +084 210 Zängelchen St. „Bee B. PB. KIHEL $ Ein Kniff mit dem 0 :014 | -014 | -210° | Zängelchen B. St. T.& P; ı IVa Zehe 7 _ — — | ea: IVb | eh Er 0 -021 _— _ St. T. a IVe ' Haut der Zehe Ein kleiner Kniff 0 -091 — — St. Alaret Ivd 3 Ein starker Knift 0 -021 238 -322 B. St. AN P:58 V1 [Rücken des Fuss- 0 028 — ze gelenks Dauernder Reiz 48° C. St. T. a. v2 ; 0 .014 | +028 e Ta BR Sm | vI H 2 58°C! 0 | »014 | -021 | +»140 Mare, B. St. Pa VIIi " 0 -028 — — | 1b B, St er 66°C, E vıI2 n ) 0° | »042 | -042 Teaag Be St. B. | VIII Hoch a. d. äuss.S. r; 48°C. 0 | -084 | Be S d. Unterschenkels Tat St. IX | Niedrig auf der ee | BN.. "Seite des Bauches 1% DIE AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. 477 der Zusammenziehung des ersten Muskels (Fortsetzung). V EN I VIII IX X | XI | Bemerkungen Sm | BIN Re | SR u N R. 1 12% -173 | -287 -301 -355 _— — Sn U R.m Al; an .868 | 1-827 - — — — Sm | T..& ; _r „| 4 _ = — Jeder Muskel contrahirt sich mit jedem Schlag. 2 2 Her, de ee I Zeitunterschiede wa- ren sehr klein. I -— 10 —- BER De = Ei -250 -250 -280 -280 -280 — S. JE R. m. Real E.b 478 Die Ordnung 1554. 18. Juli 19. Juli I IL XI Xu IXIlI a XIIb | XIVa XIVb Ia Ib WARREN P. LOMBARD: Die Muskelreihenfolge und die Zeit in Secunden nach | Der gereizte | Methode der Or teizung. J | 1 | 2 j mu vI Aeussere Seite | Ein Strich mit einem = | _- _ des Fussgelenks Pinsel 1. ss Ein: kleiner Kniff 0 0, -049 _ iR Das ® Ein starker Kniff | 0 .028 | -070 | -070 | St. B. B S. R. m. Fuss Ein Strich mit einem = — = Pinsel St. 'Aeussere Seite des Ein kleiner Kniff 0 -001 | »001 -003 | Unterschenkels | St. B. Sm. G. Rücken des Fuss- Dauernder Reiz48-5°C 0 056 -126 -147 gelenks | St. B. S. Sm. > | > 48.50 (62 0) -210 -476 «658 | St: | "Beeren Sm. Zehe Ein Kniff mit dem 0 0 | -002 -006 | Zängelchen St. S. B. R. in. Aeussere Seite des 5 0 -011 -015 -016 Unterschenkels | 1N Al, B; St. es 0 1:120 — — Dauernder Reiz 48° cl St. T. a. ” 0 -014 -021 -098 | St. B.. sm Alena Nach der Vergiftung desselben” Rücken des Dauernder Reiz 52°C. 0 I .o77 | »140 -147 Unterschenkels "8b. B. R.ı| Unterschenkel | Ein Strich mit einem 0 -014 -016 -.042 Pinsel St. R. m. B. Ss. # Rücken ds | Reibung mit dem 0 -00 -007 -009 Unterschenkels Zängelchen T. a. T B. St. 5 Ein Kniff mit dem 0 -011 -013 -020 Zängelchen B Sta ERzemE Sm. Innere Seite des) Ein kleiner Kniff 0 -007 | »-014 -O14 Fussgelenks T: al St. PB. © & Ein starker Kniff Ü -042 -053 -056 B Sm. . |" Gr Rücken des Reibung mit dem | 0 203 | -224 227 Fussgelenks Zängelchen | St. T. a. Raum Sm. | > ” 170 -025 | -027 | +-0835 | ı T.a. | Sm St. | R.m. Nach der Vergiftung desselbe | Rücken des | Ein kleiner Knift | 0 0 | 010 | »o1s ı Fussgelenks St. | B. Ps | Sm. Eine freiwillige Zusammenziehung IR -008 | 008 pr |:p vo DIE AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MuskeEın 479 der Zusammenziehung des ersten Muskels (Fortsetzung). sole | va joe x XI Bemerkungen 4 L ee — set nn Mk: | 2 | 1 ? | in a aayt ärk a 2 | 098 | -140 | +231 — = = = R.:1. TR SER -004 — = — = = = Roll . .217 .266 .756 3.948 an fr DE T. contrahirt sich erst mit R. m. Bl Mor T, 2. oder 3. Anfall. .812 Se uEan 115.984 | es N T. u. P. contrahiren sich Bun: Q m, P. erst mit einem wieder- .016 .019 .025 .170 a B IR holten Anfall. R: ] Sm Ale P. -01S :022 -033 -035 :186 — — S. R. m Sm. RL PB. | | -108 1682 109172 a — — Der 2. Anfall kam 8-43 12% SS olaRcEm Secunden nach dem ersten. Frosches mit Strychnin. :175 .182 | -189 | 994 | +266 N EN Mehrere Anfälle. Ss ie | -084 -— | - 1 - | — — — | 18. | | | | -011 -013 -016 | -022.|. -083 = — | R. m R. 1. Sm. P. S. -021 -031 :052 |. -055 -056 165 -165 S. Be | |, BR: T. E. b. G@. -014 -016 | +017 -030 -031 -031 - R. 1. R. m. Sm. S. P: G. -060 | 063 -063 -.066 | 070 — _ iR RAIN | Bm Bes: -231 - 00 - | = = a B. | } .189 a = an en ke Be: B. Frosches mit Strychnin. -028 -056 -091 -115 »126 -133 RAT S. T. E. b. Bam toch. 1. G. AR -003 -003 -003 -0038 | +-005 -008 -009 Em. | St. Sn DEREN Dia = BL 480 Die Ordnung | Die Muskelreihenfolge und die Zeit in Secunden nach 1884. 19. Juli u at VIIa VIIb2. VlIe3. VII 1. Rück VIII2. VIIL3. VIIIA. BC IX 2.| IX 3. IX 4. IX5. IX 6. Re X2. Der gereizte WARREN P. LOMBARD: Methode der | 70x65] | Reizung Der ' Eine Berührung mit | Unterschenkel | einem Pinsel | ” I | » | | | |Alle Muskeln nehmen Theil an mehreren aufeinander | | | | Rücken des Fuss- Ein Kniff | gelenks | Der ı Eine Berührung mit | einem Pinsel | | Unterschenkel EL} 5 'Dauernder Reiz 48° 4 | en des Fuss- gelenks R 480 0 E2) 4 * 48° | Rücken des Unterschenkels n ATI, R 499 4 Er | Er} ß 550 [6) | PE an Ri | me, Iv nt a nn. 0 | 001 | »004 -004 P. I Brar ae Sm. 0 013 | 014 | -017 B. im Tg St. folgenden, kurz 0 | 0 | -007 | - »007 B. St. Tea: pa 0 0 0 0 B. al, ib» 8 0 -014 -015 -025 Eh: B.. ) jap, ip: 0 -014 | -021 - 022 E. b. B. -\.11 085 St. [Ü) -005 -013 -017 E.b. B. eg, St. 0) -004 -008 -O11 St. T. a. |*Bep: B. 0 -003 -017 -023 era: B. S. St. 0 -015 -015 -024 St. Rah B. 0) -005 -015 -021 Mlasch St. 2: IE 0 0 -003 -010 B. EST St. E.b. 0 -Oll -022 «025 St. B. MR: E. b. 0 -011 -011 -025 St. B. 1-3, Al 0 -013 -013 -027 St. B. ma: E. b. 0 -014 -021 | »021 St. Bar 14 E.b. {0) -001 -004 -008 St. Tea. \ Rab: B. 0 -004 -014 -031 Ta St. B. E. b. 0) 0) -013 -017 St: - allen 18% Akt 0) -007 -019 -025 u Er St. 13% E.b. 0 | 049 -O51 -061 St. an B. E.b. 0 -008 -031 -042 St, u B. E.b. | 0 0 -003 -007 St. B. Tara: Du 0 el -005 007 St. E. b. B. Te 0 -004 -O17 -028 St’ loan B. E. b. Die AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. 481 der Zusammenziehung des ersten Muskels (Fortsetzung). v | vI | vu P VI | iD. | X | XI | Bemerkungen -004 :004 :004 -008 | -010 -011 -018 St. S. IN R. m. IR: G. B. -017 -025 -027 :028 -042 -044 «049 Bel. |1!Eebi Sm. G. N IRaam® S. dauernden Tetani, veranlasst von Zerrung an den Muskelfäden. -008 -008 -014 -014 -014 -017 -031 E. b. Sm. R.l. G. al, Rem SD. -003 :004 -005 :005 -007 -007 -010 Sm. 67 R. m. S. E. b. Roll St. -028 :028 -030 -030 -032 -042 :042 St. IR Sm. S. Ram: IR G. -028 -033 -038 -039 -047 — _ P. Di. S. Sm. Ram® -027 -027 -029 -043 -044 — — Pr, p: S. Sm. R-m. -013 -014 -019 :022 -027 :028 -028 BP. iM S. Sm. R. m. R. 1 G. 042 | .077 | 2310) | — = - — m: Be Sm. -027 -047 -055 :103 -111 -11l -131 T- S. RB: Sm. R. m I, 1 G. -022 -029 eur! es rn a de B. S. -021 :021 :027 :035 -038 -046 — r T Sm. S. R. m G. 13 Anfälle waren von die- -025 -039 -049 — _ B= — sem Reiz hervorgerufen. T. P. S. 039 | .039 -067 = - — en gel 'S E. b. Die Intervalle, zuerst von -028 .039 :045 _ _ — — ungefähr gleicher Länge, B 4 S. nachher allmählich sich -035 -.053 057 > au ER er verlängernd. Bi), 38; ir ‚022 -035 -036 _ — = T. P: S. -031 B 2 =s = — T. Nur 2 Anfälle -019 -029 -038 -039 -042 — — P. E. b. 6. Sms jeRdm. 025 - 028 -036 -041 -049 -052 — = in up: Sm. R. m. S. G. 5 Anfälle. -095 | .09 = — — — = Pe" ® -103 | a en =! = gr: ER \B- -009 -01 -019 -025 _ — == E.b. F: Sm. | R.m 8 Anfälle. -038 == en = ea a a. 1% Archiv f. A, u. Ph, 1885, Physiol. Abthlg, 31 482 WARREN P. LoMBARD: Die Muskelreihenfolge und die Zeit in Secunden nach Methode der 3 Der gereizte Die Ordnung ger | nn | I | 1 | I 1884. | xIm Fuss |Ein Strich mit einem| 0 |. -004 | -004 19. Juli Pinsel Ira. B: 15 XIV 1| Aussere Seite Ein kleiner Kniff 0 -007 | -011 des Fussgelenks St. I er 1 2 5 3 ) -007 | -018 Aa Al, 12% 3 A A ) -008 | -010 148. C; pP; 4 a “ 0 -003 | -005 P: 1% T. a 5 B 3 0 0 -005 19, I: E. b. 6 & „ ) -005 | -007 1% 12% St. 7 5 A 0 -001 | +005 ak, St. 1% „ ” In: Fe FE; 22. Juli I Unterschenkel [Ein Strich mit einem] O0 —_ — | Pinsel St. (9 II 1 |Innere Seite des|Dauernder Reiz 48°C.| 0 -028 _ _— Fussgelenks St. B. I 2 Innere Seite des „ 0 :098 | -224 | »2404 Fussgelenks St. B. R.m. | RG III |Innere Seite des ss 0 -140 — _ Fussgelenks St. B. IV a |Innere Seite des 5 58°C. 0 0 -154 —. (% Fussgelenks St. B. R. m. IV b |Innere Seite des ss 0 0 175 | -I6H Fussgelenks St. B. 1 RE BR IV ec |Innere Seite des es Ü -158 -207 218 Fussgelenks B. St. Sm. | R. m! IV d Innere Seite des * 0 -105 -114 217 Fussgelenks B. St. |R.m.| Se Nach der Vergiftung desselben I a | Unterschenkel |Ein Strich mit einem Pinsel St. B: T.a. | Re; Ib » » St. B: T.a | Rmt I c Er) 3 St. B. T.a. | R.m.i) II a Fuss K 0 -o1l :014 | -O1 F R-m. St. S. B. # 1 | | DIE AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. 483 der Zusammenziehung des ersten Muskels (Fortsetzung). Zuere vo m] x | | Bemerkungen en ro |. »015 | -o18 2] 021 -021 St. E. b. Sm. R. m. G. Ra S. -021 -021 -027 :033 :036 -038 -045 Sm. E. b. B. G. R. m S. Rai -028 -028 :029 -029 :032 —_ — B. St. G. Rsm% S. -014 | -014 | -017 | -022 | -024 | -029 | -032 St. E. b. Sm. G. R. m S. Ra“ Eine Reil an ine Reihe von schne Rn a “ 1 Dar re u a aufeinanderfolgenden : i & sr 3% 3 ; kleinen Kniffen. -011 -011 -014. -017 -017 :018 »021 Hr a. G. R. m. St. Ral. B. S. «010 :013 -017 -019 :024 :024 -028 N a. Rm. G. B. E. b Ral S. -015 -017 -019 -024 -025 -027 :042 E. b Rm. B. G. R. 1. IN, & S. = — = | = — — — |Die Berührung mit einem Pinsel ruft keine Zusam- Be 2 Pur | .IE he nt Ser menziehung hervor. »245 — — — — BR IR S. \ 204 .244 .266 .266 a = = Sm. R. m S. Ral \ 262 | -368 | »424 | +536 — = = S. R. 1. T. a. 1 245 | +301 .462 | -483 en = = ES Ra: r.a. P: "rosches mit Strychnin. | | EA ' Sm. SL P. Bil Zehn Minuten nach der | | | Strychninvergiftungwaren | | | diese Curven geschrieben. Sm. S. 12, R. Io G. T. E. b Die genaue Reihenfolge | Sm. | S, p. Sl | G. ist nicht bekannt. »031 | -033 046 063 077 105 161 20 Minuten nach der Sm. AN, Ta. 19, | R. 1. G. op: Vergiftung. 31* 484 Die Ordnung WARREN P. LoMBARD: Die Muskelreihenfolge und die Zeit in Secunden nach Der gereizte Methode der Ort Reizung 22. Juli | IIb Fuss Ein Strich mit einem . Pinsel Ola h Eine Berührung mit einem Pinsel II b a Ein Strich mit einem Pinsel IV Innere Seite des/Dauernder Reiz 49°C. Fussgelenks va „ B. k am! 2 Vb > 0 -005 | -081 | -094| R B. St. R. m, Sm. Ve R » CH 0 | :021 | -024 | -027 | YE, IREm® B. Sm. vd " | N) -01 .022 | -053 | St. 13. R. m. TR VI > Der Tisch ist mit der Hand geschüttelt. — Eine stark VII Zehe Ein Kniff mit der 0 0 -004 -007 7 Blitzzange @: R. m. St. B. VIII 1.|Innere Seite des Dauernder Reiz 52°C. 0 -011 :049 -OT4 Unterschenkels St. B. R. m. (En VIIL2. 3 N 150 -003 | -003 | -0061 B. 1% R.m. | Sm IX Zehe Ein Kniff mit der 0 -004 «005 :005 Blitzzange G. B. 1 R. m. x 9 5 0 - 004 006 | -007 - G. B. 1, R. m. XI Unterschenkel Strich mit einem 0 -004 «010 -010 | Pinsel G. mar Be | St. XII |Mitte d. innern 8. Dauernder Reiz 52°C. 0 -003 -007 -024 d. Unterschenkels B. St. R. m. S. XII a Me 0 -019 -031 -044 B. St. S. R. m.! XIII b > 0 »0388 | +-063 | +067 GC B. St. |R.m. | Tas XII e Ri » 5° 0 | -o7o | 100 | ia | B. St. a Sm. ı Be d R 0 -077 | -150 | +17) B. St. Sm. Tau 23. Juli ii Fuss | Ein Kniff mit dem 0 -021 | -027 035 Zängelchen B. era. St. Sm. ı u > ” 0 014 | -014 | -058) | B. Ma: St. Res III a |Rücken des Fuss- Dauernder Reiz 48° C. 0 -028 -042 _ gelenks a: B. St. II b „ ” 0 :001 :034 -035 | 2: im: ID, B. di | v | vI Da va ex X U Bemerkungen -021 -046 SE -077 -084 -133 — a: ..ar P: Ro. G. B. | 003 -010 010 010 -015 -017 -028 25 Minuten nach der S. Sm. A, Ba una: 1D. E. b. Vergiftung. -008 -010 -015 .019 .022 .092 .029 |Jedes Mal ziehen sich die G. S, T, Sm. Ta. ml p. Muskeln stark zusammen. -056 -069 .077 -080 -081 -091 115 |Die Anwendung von 47°C. So T.o 1». 6. Bl. a E. b. Ss a 2b wegunz : 3 ; E N 3 $ ß ervor. Die geschriebene nt N 5 m un En nn Contraction kam erst nach nn he ns N Be 19 “ = 145 Secunden, und war von 3 . ‚10 ; A R — kein Paroxysmus gefolgt. T.a.| 8. T. P. R. 1. 6. 55 Min. n.d. Vergiftung. -029 -036 -043 -045 -047 -081 -083 IE a. P. S. St. R. 1. E. b. G. -053 -057 -060 -071 -123 -158 — Sm. G. T..a. S. R. 1. RB /usammenziehung aller Muskeln folgte. «007 . -00 -007 -011 -014 -014 -022 Sn. P. R. 1. I; S. ar E. b. -074 «077 -092 -102 -161 -162 -209 |Die erste Contraction kam Sm. S. P. R. 1. G. T. E. b. |6 oder 7 Secunden nach 008 .010 013 -019 024 095 .108 |dem Reiz. Die zweite ET. 2. St. E 8. IL 6. E. b. [folgte der “ersten nach eo 0122013 || 015° | 2015 1 -o1T | 012 +030’Becunden. Sm. St. T: Ta. E. b. S. R. 1. -007 -010 -014 -014 -014 -016 -016 Sm. R. 1. St. T..a. E. b. S. le -010 -016 -021 -024 -024 -053 -053 R. m. P: Sm. Ir S. E. b. R.l. \ 049 -056 -063 -063 — — — |Die Contraction erst nach Sm. ra, 1 R. 1. 25 Secunden. -047 -056 -089 -095 — Die Contraction erst nach Sm. T. a. R. 1. 122 20 Secunden. -069 -08 -084 -098 -161 "238 -240 13.976 Secunden nach a Sn. P. S. Ro. T; G. E. b. fing b an. 1154 -154 -200 "226 266 _- — 2.394 Secunden nach b | R. m S. IB, R. 1. 1% fing ce an. 1196 -200 220 .287 - — — 2.968 Secunden nach c zZ s. R. m BR: R. 1. fing d an. :038 | -044 -057 060 — — — Dieser Frosch, welcher IR. 1. | Al P. R. m. gestern mit Strychnin | -081 .106 .109 .210 Be zer — |vergiftet war, scheint | "Sm. m, Bo R. m heute in normalem Zu- I FR ER Ki 2 3 _ stand zu sein. | 069 | -069 +084 — — = = , Sm. St. r. 1. 486 WARREN P. LOMBARD: . a Der gereizte Methode der Die Ordnung | Dr Nat | I 1884. III e Rücken des Fuss-'Dauernder Reiz 48° c.| 0) -010 | 23. Juli gelenks I" as II d = 2 0 -005 ra 5 IV co » 60°C. 0 - 014 AN, I ® V a 3 Er) 0 = 8 8 V b „> Er] 0 T. VI Rücken des 3 0 Unterschenkels 1, VIIL2. PB -014 -025 -042 B.b: B. RER VII 3. 5 a -014 -042 -056 | Dauernder R:iz 49°C. Sm’ B. 8. VIII 5. En -028 -030 03550 BR. b. Sm. R.aR VIII. E -018 -043 -045 E.b. Sm. 4 -004 -004 -o11 B Baal: Sm. | IX 1. |Mitted. hintern S. d. Unterschenkels Ia Rücken des Ein Kniff mit dm |. 0 -007 013 Fusses Zängelchen G. R.. Sm. T Ib & en 0 -007 -011 -013 I. G. Sm. R. EI II |Hoch am Unter- > 0 -046 |. +04 -046 | schenkel G. 3:28; B. B2 III Zehe 5 0 -005 -016 -016 | G. B. a Ta IVa Nase Ein Schlag mit dem 0 0 0 -003 Zängelchen G. lt. B. 1%- IV b Der rechte Arm] Ein Kniff mit dem 0 -004 -007 -008) Zängelchen St. E.b G. R IV e | Der linke Arm 5 0 0 -003 005) | B: St G. E. b.| V |Ein Finger der| Ein Kniff mit der 0 001 -004 004 rechten Hand ' Blitzzange Ir G. E. b. Sm. ı VI Ei „ 0 0 0 0 G. ll: E. b. R.L]| VII [Ein Finger der R 0) -003 -004 0041 linken Hand St. 1 T: R.L| VIII 1.|Mitte d. hintern 8. 0 -003 -007 -013 d. Unterschenkels B. I R.1l. | Rs 0 % 0 % 0 T: 0 Alt 0 I. 0 E. b. 0 R. m. IX 2. N rl .072 | »o77 | -084 | R. m. 4 RE X n x 590 0. ‚02 | 084 | 088 B. 1% DiE AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. 487 der Zusammenziehung des ersten Muskels (Fortsetzung). v | vI | vu | vIn | IX | X | xI | Bemerkungen .084 | 089 | -109 = > FE Sun, St. .042 | 063 | -084 a = = => Bei | Sm. St. 29 336 -347 586 63 — — P. Bl m en .058 | 060 | »077 — = __ — R. 1. Sm. St. -393 -445 -554 »60 -603 -851 —_ eur | R-m P. Sen Frosches mit Strychnin. -015 | :028 -028 -045 :196 -204 — ‚R. m. St. E.b. R: B. IS © -014 | -025 -025 :-025 -025 -043 — b kam -630 Sec. nach a. mb. | B. > ||| «046 -048 -048 -049 :049 -058 -100 Sm. Al, Ik E.b. Rem: St. S. :024 -032 -033 :038 »043 -058 :069 St. ID, Sm. 1005 Jh IN, Im. E.b. S. -003 -003 -004 -005 -007 :014 :02 Sm. St. ID, |: R. 1. R. m. ea: S. -010 -013 -014 -014 -015 -018 -035 B. Sm. 12, I Jh R. m. Ma: S. -005 -005 -007 -010 :011 -021 -028 P. 1%, 1b Sm. Rem: I, M! S. -004 :007 -008 -008 -011 -022 :032 16 P. 8 R. m. St. ea: S. -001 -003 -003 -004 -005 -015 :028 B. PA Sm. R. m. St. N, 8% S. -005 :005 -005 -007 -007 -025 :029 R.b. Sm. G. 18% R. m. S. I, -014 -030 — M. En 2 & Sm. St. -061 -067 -067 — _ — — Sm. R. m. St. -064 -084 = a = 22 = R. 1. St. -038 -04 :046 -046 -046 :046 — 4. und 6. Anfall waren G. P: a. B. R. m. St. auch geschrieben. -052 -057 :059 :063 -063 :063 = R. 1. 1D, N B. 11% m) St. -015 | +-032 ur = ae 2 ar R. m. St. -09 -126 140 266 -266 -269 — B. St. Sm. 1D, G. aa: | 084 | -112 — = = 2: = iR. 1. St. 488 WARREN P. LoMBARD: Die Muskelreihenfolge und die Zeit in Secunden nach Die Ordnung | Per gereizte een er: 1884 X 2. |Mitte d.hintern S.|Dauernder Reiz 59°C. 0 -007 | -089 | -091 23. Juli d. Unterschenkels B. ir P. R.E XI Rücken des 3 60°C. 0 273 | -280 | -301 Unterschenkels B. Sm. St. RE XII &D Ein Kniff mit der 0 021 -021 -021 Blitzzange G. IB: E.b. al XIII = Dauernder Reiz 60°C. 0 -015 -019 -019 B. R.m.| E.b. G. XI112 5 53 60°C. 0 -010 -011 -019 % R. 12 jCR.Em Sm. 31. Juli I Fuss Ein Kniff mit der 0 -032 _ _ Blitzzange St. B: II ‚Innere Seite des DauernderReiz48-5°C.| 0 -203 214 224 Fussgelenks St. IE. a. BR B. II Rücken des Br 48°C. 0 — — _ Fussgelenks St. IV 5 es 48°C. _ = _ St. Va Zehe Ein Kniff mit der — _ _ Blitzzange St. Vb ss 5 ER v2 Er | St. | VI | Rücken des |Dauernder Reiz 57°C 0 [5.264 | — — Fussgelenks St. B ı VIIa Finger derrechten Ein Kniff mit der 0 0 -001 -025 Hand Blitzzange R. m. S. jR B. VIIb a a 0 0 -007 -021 R. m S I St. Nach der Vergiftung desselben VIII |Fingerderrechten| Ein Kniff mit der 07720007 -008 -o1l Hand Blitzzange 4l | R. m. S. B. IX % r or ro N) 0. FT aRSEm: S. E. b. x Unterschenkel | Berührung mit einem 0 -011 -018 -018 Stückchen Papier @ St. E. b. Sm. x Ye EL) Er) = — — = xI Zehe Ein Kniff mit der 0 -017 -021 -021 Blitzzange Gran: 1% B. XII | Rücken des Ein Druckreiz 0, 004 | -013 | -014 Fussgelenks GT MER: T. Br XI Rücken des |Dauernder Reiz 55°C. 0 | +229 237 238 Unterschenkels G. Jr B. E. b. XIV h Ein Druckreiz 0 | -008 | -015 | -OiR Dalosı. (&e 1: R. m. DIE AUFEINANDERFOLGE REFLECTORISCH CONTRAHIRTER MUSKELN. 489 der Zusammenziehung des ersten Muskels (Fortsetzung). v | VI | vr | vo | IX | X | xI Bemerkungen 105 | -112 _ - = | = — R. m. St. -308 | -315 |1-022 |1-.029 |1-086 | — aan R. m. Ab: E. b. G. P: / »022 -024 -027 -028 — — — Sın. R. m. Ru. St. »028 -028 -028 -029 == — = Sm. Roll. St. m: -024 -031 -031 -031 — — = E. b. B. G. St. — — — — — — — Der Frosch ist wenig reizbar. — gen — —_ _ z — 4 Anfälle — B. contrahirt | erst mit dem letzten. = »028 = = = - — = Sm. -024 -025 -027 — — — E— B- Sm. R. 1. Frosches mit Strychnin. -011 -011 -011 -014 -014 = — Sm. R2l E. b. St. G. -001 -003 -003 -003 -010 -010 -024 St. B. Ra G. Sm. BA I. -018 -02 -021 -027 -032 -033 -035 R.1. 3: 12 B. I a em: S. -021 -021 -024 -029 -035 -039 -042 St. R. 1. Sm. P. R. m. N, 8% S. Der Reiz ist durch dieWeg- -019 -021 -027 -028 -035 -035 -062 | nahme d.Temperaturappa- Sm. R. 1. R. m. B. S. St. T. a. |rats veranlasst; 60° C. 252 252 255 256 259 er el war ohne Erfolg gebraucht. Bu... R. m. St. S. Sm. Der Reiz ist durch dieWeg- -029 -031 -.031 -031 -031 er ar nahme d. Temperaturappa- S, B. Sm. St, Bil rats veranlasst; 53° C. warohne Erfolg gebraucht. Studien über den Elektrotonus. Von Prof. Ernst v. Fleischl, Assistenten am Wiener physiologischen Institute. I. Theil. $ 1. Einleitung. — Technisches und Methodisches über das Capillar-Elektrometer. Die Versuche, welche die Grundlage der folgenden Darstellung bilden, sind in der Ueberzeugung unternommen worden, dass die Verwendung und die Werthschätzung, welche das Capillar-Elektrometer bisher in der Physio- logie gefunden hat, immerhin noch eine, der wahren Bedeutung dieses schönen Instrumentes nicht ganz entsprechende ist, und dass einige seiner Vorzüge, durch die dasselbe gerade für die Fragen unserer Wissenschaft von grosser Wichtigkeit werden kann, nicht genügend gewürdigt sind. Es scheint fast, als hätte nur die grosse Geschwindigkeit, mit welcher die Be- wegung des Quecksilber-Meniscus die Bewegung der Elektrieität abbildet, die Aufmerksamkeit der Physiologen erregt — wenigstens möchte man aus der hauptsächlichen Verwendung dieses Instrumentes in der Elektro-Physio- logie, sowie aus den Formen, welche dasselbe in den Händen einiger Physio- logen bekommen hat, fast diesen Schluss ziehen. Die Methode der me- chanischen Reposition des Meniscus, welche der Erfinder des Capil- lar-Elektrometers, Hr. Lippmann, aus sehr guten Gründen gewählt hatte, und deren Princip ich nicht anzutasten wagte, als ich das in diesem Archiv beschriebene Modell des Instrumentes construirte,! ist in den physiologischen Laboratorien, so viel ich höre, fast vollständig durch die Methode der gal- vanischen Reposition verdrängt worden. Das hätte kaum geschehen Können, ! Ernst v. Fleischl, Ueber die Construction und Verwendung des Capillar- Elektrometers für physiologische Zwecke. Dies Archiv. 1879. S. 269 ff. ERNST v. FLEISCHL: STUDIEN ÜBER DEN ELEKTROTONTS. 491 wenn die Physiologen die übrigen Vorzüge dieses Instrumentes eben so deutlich erkannt hätten, wie den, der in seiner grossen Beweglichkeit liegt. Auch stehen der allgemeinen Verwendung des Capillar-Elektrometers noch einige Vorurtheile im Wege, die ich durch den oben erwähnten Aufsatz beseitiot zu haben glaubte. Nachdem dies jedoch — wie ich bestimmt weiss — nicht geschehen ist, so wird es vielleicht nicht ganz ungerecht- fertigt sein, wenn ich auf einige Punkte meiner früheren Arbeit hier wieder zurückgreife, die mir besonders geeignet erscheinen, diese Vorurtheile zu zerstreuen, und über die ich in meiner ersten Mittheilung offenbar nicht ausführlich genug berichtet habe. Man begegnet noch beinahe allenthalben der Meinung, die Herstellung einer brauchbaren Capillare sei Sache einer ganz besonderen Geschicklichkeit, wenn nicht gar des Glückes; und die längere Erhaltung einer „gelungenen“ Capillare sei der Lohn einer beson- deren Sorgfalt: als wäre eine solche Capillare von ebensovielen Gefahren bedroht, als sie Manipulationen unterworfen wird. Seit ich mein Verfahren, Capillaren herzustellen, ausübe, ist mir noch nie eine Capillare misslungen — ohne dass ich mir einer besonderen Geschicklichkeit in Glasbläser- Arbeiten bewusst wäre; — und die Capillare ist nicht zerbrechlicher, als eben ganz kurze Glasstäbe von 3—4"m Durchmesser zu sein pflegen. — Die einfachen Regeln für die Herstellung solcher Capillaren sind, in Kürze, folgende: Nachdem man einen dünnen Platinadraht einem 40—50 " langen Stücke gewöhnlichen Barometerrohres ungefähr in der Mitte eingeschmolzen hat,” löthet man vor der Lampe an das eine Ende des Rohres ein Stück Glasrohr als Handhabe an, und erhitzt dann eine Stelle des Barometer- rohres, die etwa 5“ über dieser Löthstelle liest, in dem heissesten Theil einer möglichst grossen Flamme, selbstverständlich unter fortwährendem Drehen des Rohres um seine Längsaxe, und mit der Vorsicht, dass der erweichte Theil weder gedehnt noch gestaucht werde, so lange, bis das Rohr an einer Stelle „zugelaufen“ ist, das heisst: bis das Lumen ganz verschwunden ist. Dann entfernt man das Rohr aus der Flamme und lässt es — stets rotirend — so weit erkalten, bis das Glas anfängt, zäh zu werden. Jetzt I KN.a.0. 8.274, 275. ? Die Stelle des Rohres, in welche der Platinadraht eingeschmolzen ist, soll bei- stehende Gestalt haben. — Jeder Glasbläser weiss, wie man es anzustellen hat, um sie zu erzielen. Man kann a Me vorsichtshalber das Rohr nach dem Einschmelzen des Drahtes ein paar Tage liegen lassen, ehe man es weiter | N bearbeitet, um abzuwarten, ob es nicht springt. — Pie 1 Uebrigens wird von der Firma Mayer und Wolf in En Wien, van Svietengasse, welcher ich die Ausführung meines Instrumentes übertragen habe, jedem Capillarelektrometer ein Satz von solchen „unverwüstlichen“ Capillaren beigegeben. 492 ERNST v. FLEISCHL: ist es Zeit, die Capillare auszuziehen; dies hat durch möglichst symmetri- schen, axialen, langsamen Zug zu geschehen, in der Art, dass das Rohr an seiner dünnsten Stelle (an welcher es kein Lumen hat, sondern einen Stab darstellt, nicht dünner als 2—3 "m im Durchmesser wird. Man findet dann leicht (im reflectirten Lichte) den Punkt, an welchem das Lumen, spitz zulaufend, endet; und schmilzt nun in einer kleinen Stichfllamme den Stab etwa 1°” unter dieser Spitze ab. Dieses Zuschmelzen ist nothwendig, sonst geräth beim Anschleifen der Facette zu leicht etwas von dem Schleif- mittel in die Capillare. Die Capillare versuchsweise mit Quecksilber zu füllen (zu welchem Zwecke sie eröffnet werden müsste), ehe man sie zum Schleifen giebt, wäre ganz überflüssig — sie ist jedenfalls gut, d. h., sie hat jedenfalls eine rein conische Form, wenn nur das Rohr vor dem Ausziehen „zugelaufen“ war. Auch für die Gewinnung eines vorläufigen Urtheiles über den Grad der Empfindlichkeit der Capillare, ist ein Anfüllen und Probiren derselben nicht nothwendig. Die Capillare ist um so em- pfindlicher, sie giebt bei derselben elektromotorischen Kraft einen um so grösseren Ausschlag, je spitzer ihr Kegelwinkel ist. Nun hat man es ganz in der Hand, diesen Winkel so spitzig zu machen, wie man will — er wird um so stumpfer, je mehr man das Glas vor dem Ausziehen erkalten liess, und je weniger, d. h., je schwächer und je langsamer man es ausgezogen hat. Uebrigens lässt sich die Gestalt der Capillare sehr leicht bei richtiger Beleuchtung durch blosse Besichtigung ermessen, und bei einiger Uebung kann man sogar ein hinreichend genaues Urtheil über ihre spätere Empfindlichkeit nach dem blossen Aussehen fällen. Mir ist es noch kein einziges Mal vorgekommen, dass ich eine Capillare hätte schleifen lassen, die sich nachher der auf sie verwendeten Mühe und Kosten unwerth erwiesen hätte. Ich bin nämlich davon abgekommen, die Facetten an meine Capillaren, wie ich das in dem erwähnten Aufsatze beschrieben habe, selbst anzuschleifen, sondern ich lasse dies von einem Glasschleifer besorgen. Bei richtiger Behandlung vor dem Gebläse ist der Theil des Rohres, welcher das conische, eapillare Lumen enthält, aussen fast rein cylindrisch, und geht, ziemlich jäh an Dicke zunehmend, an einer Stelle in die Dimen- sionen des übrigen Rohres über, an welcher das Lumen uns längst wegen seiner Grösse nicht mehr interessirt. Der Glasschleifer erhält nun den Auftrag, den unteren, fast rein cylindrischen Theil, der Länge nach flach anzuschleifen, so weit, bis Gefahr droht, das Lumen könnte eröffnet werden. Der ebene Schliff wird dann vollkommen polirt, und in diesem Zustande das Rohr wieder abgeliefert. Leicht zu errathende Gründe! sprechen dafür, ! Die „schädliche Länge“ ist sowohl lästig bei der Handhabung, als auch un- günstig für die Leistung der Capillare. Lästig ist sie durch den hohen Druck, der erfordert wird, um (bei der ersten Justirung) das Quecksilber dureh die Capillare heraus- EEE TEE Pen STUDIEN ÜBER DEN ELEKTROTONUS. 493 nun die Spitze in solcher Höhe abzuschneiden, dass später der Meniscus möglichst nahe über dem unteren Ende der Capillare steht, einige Uebung lässt die Höhe, in welcher der Schnitt für diesen Zweck anzubringen ist, ebenfalls nach der blossen Besichtigung von aussen, noch vor jeder. Probe- füllung, sehr genau bestimmen. — Solche Capillaren aber, welche bei starker Mikroskopvergrösserung benutzt werden sollen, schneide ich absichtlich zutreiben, welche Procedur vorgenommen wird, um durch das, bei nachlassendem Druck zurücksteigende Quecksilber einen Faden der Flüssigkeit emporsaugen zu lassen, unter deren Spiegel die feinen Quecksilberkügelchen aus der Capillare ausgetrieben wurden, — Die Leistung wird durch die „schädliche Länge“ gewiss in sehr complicirter Weise beeinflusst. Auf den ersten Blick erkennt man aber zwei Störungen, die — ganz verschieden vun einander, bezüglich ihres Zusammenhanges mit der „schädlichen Länge ““ — dennoch in ihrem Einfluss auf die Leistung eine gewisse Uebereinstimmung der Wirkung zeigen. Da — wie ich mehrfach hervorgehoben — die Zeit, welche der Meniseus braucht, um unter dem Einfluss eines elektrischen Stromes seine neue Gleichgewichtslage zu erreichen, um so länger ist, je grösser die Summe der Wider- stände im Kreise ist, so findet eine verzögernde Wirkung durch den Leitungswider- stand des langen und äusserst dünnen Flüssigkeitsfadens in der „schädlichen Länge“ unzweifelhaft statt; doch wage ich nicht, zu behaupten, dass dieser Einfluss uns erkennbar sei; obschon Widerstände, bei denen eine Verlangsamung des Ausschlages eben merklich wird, gerade in die Grössenordnung fallen, von der hier die Rede ist. Mit viel grösserer Bestimmtheit kann aber eine sinnfällige verzögernde Wirkung der Reibung der Flüssigkeit in einem Rohre von so geringem Querschnitte behauptet werden, nicht minder ein übler Effeet dieser Reibung auf die Empfindlichkeit und Be- weglichkeit, wie denn überhaupt dieser Fall ganz analog dem, einer Luft- oder Glycerin- dämpfung zu betrachten ist. Ein weiterer Einfluss der schädlichen Länge, welcher sich allerdings einer genaueren Erwägung mehr würdig als zugänglich zeigt, rührt von der chemischen Beschaffenheit der, an den Quecksilbermeniscus zunächst angrenzenden Flüssigkeitsschichte her, und von der verschiedenen Geschwindigkeit, mit welcher sich Differenzen in der Zusammen- setzung oder im Gasgehalte dieser Schichte durch Diffusion mit der äusseren Flüssig- keit ausgleichen können — je nach verschiedener Länge und Dicke des flüssigen Fadens, dessen oberes Ende eben diese Schichte bildet. Einer wirklichen Analyse dieser Ver- hältnisse steht der Umstand, dass wir vor der Hand noch gar keine genaueren Kennt- nisse der Vorgänge im Capillarelektrometer, geschweige denn eine Theorie dieses In- strumentes besitzen, nicht so sehr im Wege, als es den Anschein hat; denn — welches immer diese Vorgänge sein mögen — man wird kaum zu viel wagen, wenn man von ihnen voraussetzt, dass sie um so regelmässiger und constanter sein werden, je weniger sich die chemische Zusammensetzung und der Gasgehalt der an das Quecksilber gren- zenden Flüssigkeit ändert. Was mir zunächst den Faden der Speeulation abschneidet, das ist: dass ich nicht zu entscheiden vermag, ob unter den vorhandenen Umständen die jedenfalls wünschenswerthe Constanz der Zusammensetzung und des Gasgehaltes der an das Quecksilber angrenzenden Flüssigkeitsschichte auf Isolirung, oder auf Erneuerung zu beruhen hat, ob an der Unterbindung der Diffusion, oder ob an ihrer Beschleunigung zu gewinnen ist, also: ob die Länge des in der Capillare enthal- tenen Flüssigkeitsfadens in dieser Beziehung als „nützliche“ oder „schädliche“ an- zusehen ist. 494 ERNST v. FLEISCHL: nahe an der eigentlichen Spitze ihres Lumens ab, lasse sie also etwa um 5—8"m zu lang. Diess geschieht im Hinblick auf folgende Verwendung. Das Gefäss, in welches die Capillare eintaucht, wird bis zum Rande mit der verdünnten Schwefelsäure angefüllt, und die Capillare taucht nur eben in diese Flüssigkeit ein, so dass derjenige Theil, an dem der Meniscus einspielt, mehrere Millimeter über dem oberen Rande des Gefässes sich befindet. Diesem Theile der Facette kann also die Frontlinse eines starken Luftsystemes viel dichter angenähert werden, als dies möglich wäre, wenn noch eine Flüssigkeitsschichte und eine — noch so dünne — Gefässwand, zwischen der Facette und der Frontlinse Platz finden müssten; es lässt sich auch ganz bequem ein Tropfen Wasser oder homogener Immersions- Flüssigkeit vorn auf die Facette bringen; und man kann auf diese Weise Fig. 2. den Meniscus mit den besten und stärksten Vergrösserungsmitteln der modernen Optik beobachten. Die Anordnung, von der ich eben sprach, wird durch den obenstehenden Holzschnitt veranschaulicht. Im dieser Zeichnung ist auch eine Methode der Verbindung der unteren Quecksilber- masse mit dem zuleitenden Platinadraht dargestellt, welche ich für sehr empfehlenswerth halte. Das unter der verdünnten Schwefelsäure stehende Quecksilber wird mit der Quecksilbermasse, die sich in einem kleinen Ge- fässe befindet, welches neben dem ersteren auf demselben Tischehen! an- gebracht ist, durch ein, zweimal im rechten Winkel gebogenes Glasröhrchen von etwa 1mm Lumen, und eben so viel Wandstärke verbunden, welches 1 Das Nähere hierüber: a. a. O0. 8. 271 unten. STUDIEN ÜBER DEN ELEKTROTONUS. 495 ebenfalls ganz mit Quecksilber gefüllt ist! Erst in dieses zweite, kleine Quecksilbergefäss taucht der zuleitende Platina- oder Kupferdraht ein. Ich habe gefunden, dass dies die einfachste und bequemste Art der Zuleitung? ist, bei welcher man vollkommen sicher davor ist, dass nicht eine Spur der verdünnten Säure sich, Oberflächen entlang, zwischen Quecksilber und Platina hineinstiehlt, und nun zwischen diesen Metallen Kette macht, und auf diese Weise eine Quelle von elektromotorischer Kraft im Innern des Capillar-Elektrometers selbst herstellt, die zu den schlimmsten Irrthümern Anlass geben kann. Meine Angst vor diesem unsichtbaren Feind ist so gross, dass ich mich zu der oben beschriebenen Anordnung entschlossen habe, die wohl einige Mühe und Sorgfalt bei ihrer Herstellung in Anspruch nimmt — einmal hergestellt aber keine weitere Aufmerksamkeit bedingt, und durch die Beruhigung, die sie bezüglich der Harmlosigkeit der Zu- leitung gewährt, die auf sie verwendete Mühe reichlich lohnt. In meiner oben erwähnten Abhandlung habe ich schon auf die Noth- wendigkeit hingewiesen, die Verbindung zwischen dem Capillar-Elektrometer und den übrigen Theilen einer Anordnung vermittelst eines Schlüssels her- zustellen, welcher das Capillar-Elektrometer in sich zu schliessen er- laubt, was nothwendig ist, damit dasselbe rasch und sicher sich auf seinen Nullpunkt einstelle. Zu dem hier erforderlichen Dienste eignet sich aber weder du Bois-Reymond’s Vorreiberschlüssel, noch sein Quecksilber- schlüssel. Ersterer nicht, wegen der schon von seinem Erfinder erkannten Veränderlichkeit seines Widerstandes, letzterer nicht, weil an ihm in seiner bisherigen Gestalt die Gelegenheit fehlt, ihn als Nebenschliessung zu ge- brauchen. Ich construirte mir daher einen Quecksilberschlüssel, an wel- chem dies möglich war, indem ich einen Vorreiberschlüssel mit passend angebrachten Quecksilbergefässen versah. Ueble Erfahrungen, welche ich mit trocknen Contacten an so wichtiger Stelle des Capillar-Elektrometers gemacht habe, waren es, die mich zur Annahme dieser Form des Schlüssels veranlassten. — ! Dieses Röhrchen wird natürlich an beiden Gefässen durch etwas Kitt oder Diegellack befestigt. ® Die scheinbar so einfache und vollkommene Art der Zuleitung des Platina- drahtes durch den Boden des Gefässes direct in das Quecksilber halte ich erstens nicht für so unbedingt sicher gegen Benetzung, zweitens aber wäre — bei dem Umstande, dass die ganze Beschaffenheit und Aufstellung meines Beobachtungsgefässes, die für feinere Messungen unentbehrlich ist, das Einschmelzen eines Drahtes nicht zulässt, und dass ferner auch eine Bohröffnung für den Draht aus verschiedenen Gründen schlecht anzubringen wäre — eine solche directe Zuleitung des Drahtes in das Quecksilber auch nicht so einfach herzustellen, wenn man nicht ihretwegen auf andere, wesentliche Vor- theile verzichten will. 496 ERNST . FLEISCHL: $S 2. Das Ziel dieser Untersuchung. Die Eignung des Capillar- Elektrometers hierfür; seine Prüfung und Justirung. — Ver- suchsanordnung. Ich weiss keinen einfacheren und klareren Weg zur Darstellung der Aufgaben und Fragen, welchen diese Schrift gewidmet ist, als die wörtliche Wiederholung einer Stelle aus Hrn. E. du Bois-Reymond’s ‚„Unter- suchungen über thierische Elektrieität‘, in welcher der Zweck der hier vor- liegenden Abhandlung dargelegt wird — wenn auch im Lichte einer ganz bestimmten theoretischen Voraussetzung, und deshalb auch durchflochten mit einer ganz bestimmten Erwartung bezüglich der Ergebnisse; doch finde ich es sehr passend, diese Stelle hier anzuziehen, weil die Aufgabe, welche uns jetzt beschäftigt, daselbst überhaupt zum ersten Male ausgesprochen ist; weil sie seitdem nicht klarer, als in jenen Worten, ausgesprochen wor- den ist, und weil ich die Frage heute in genau demselben Zustande an- getroffen habe, in welchem sie vor 35 Jahren dem Verfasser der ‚„Unter- suchungen“ vorschwebte. Diese Stelle! lautet wie folgt: „Es würde natürlich sehr schätzbar sein, wenn es uns gelänge, die säulenartige Polarisation der dipolar - elektromotorischen Nervenmolekeln durch den Strom auch zwischen den Elektroden nachzuweisen, und dadurch die Curve des Zuwachses auch an dieser Stelle erfahrungsmässig zu er- gänzen. Leider habe ich keinen Weg ausfindig machen können, um diesen Zweck zu erreichen. Der zwischen den Elektroden ohne allen Zweifel gleichfalls vorhandene Zuwachs kann sich durch nichts anderes kundgeben, als durch eine Vermehrung der Stärke des erregenden Stromes. Wir wer- den in der Folge ermitteln, dass der Zuwachs bis zu einer Grenze, die in genaueren Versuchen nie überschritten werden darf, der Stärke des er- regenden Stromes einfach proportional ist. Es wird also die Erhöhung dieser Stärke, welche der Zuwachs zwischen den Elektroden bedingt, auch stets dieser Stärke selber proportional sein. Die Aufgabe läuft also darauf hinaus, auf allen Punkten einer Strecke eines Kreises, in welchem eine elektromotorische Kraft wirksam ist, eine stets gleichgerichtete und dabei stets der ersteren proportionale elektromotorische Kraft nachzuweisen. Es fehlt nun aber an jedem Mittel, die Wirkung einer solchen Kraft zu unter- scheiden von der Wirkung einer Verminderung des Widerstandes der Strecke, welche der Sitz der Kraft ist, und die Wirkung des Zuwachses zwischen den Elektroden wird sich also stets darauf beschränken, den ! E. du Bois-Reymond, Untersuchungen üher thierische Elektrieität. Bd.U. 8. 327. 328. —m m —— STUDIEN ÜBER DEN ELEKTROTONTS. 497 Widerstand der Nerven kleiner erscheinen zu lassen, als er in Wirklichkeit ist; gerade wie, ohne Hinzuziehung anderweitiger Thatsachen und Betrach- tungen, die Schwächung einer Kette durch Polarisation der Elektroden auf Rechnung ebensowohl eines Uebergangswiderstandes als einer elektromoto- rischen Gegenkraft gebracht werden kann.“ Wenn oben gesagt wurde, dass ich die Frage heute noch in dem Zu- stande vorfinde, in dem sie damals von Hrn. E. du Bois-Reymond verlassen wurde, so ist damit natürlich nur die Frage nach eben diesem Versuche, und nichts anderes gemeint, als dass der reine, einfache Ver- such, von dem Hr. du Bois-Reymond beklagte, dass er dermalen keine Mittel kenne, um seine Ausführung möglich, und seine Deutung von allem Zweifel frei zu machen, auch heute noch nicht angestellt worden ist. Ueber die Bedeutung der zahlreichen Methoden und Versuche, welche von meh- reren Forschern erfunden und ausgeführt worden sind, um dasselbe Ziel auf anderen Wegen zu erreichen, soll mit dieser Bemerkung ebensowenig etwas ausgesagt sein, wie über die Verwendbarkeit und Verlässlichkeit aller der Momente, welche seither für die Unterscheidung einer Kraftzunahme von einer Widerstandsabnahme beigebracht wurden, sofern diese beiden Ver- änderungen einer Intensitätsschwankung zu Grunde gelegt werden können, welche sich an einem Galvanometer hat beobachten lassen. Mit einem Galvanometer in dem Sinne, in welchem diese Bezeichnung allgemein gebräuchlich ist, nämlich mit einem Instrumente, welches die Intensität eines galvanischen Stromes misst, in dessen Kreis es sich befindet, wird diese Frage, wie Hr. du Bois-Reymond bemerkt, überhaupt nicht direct zu beantworten sein. Hierzu wäre nur ein solches Instrument zu gebrauchen, welches, von einem galvanischen Strome durchflossen, eine andere Dimension desselben, als die Intensität, anzeigt, nämlich: die elektromotorische Kraft, und welches also in seinen Ablesungen von Varia- tionen des Leitungs-Widerstandes unabhängig ist. Ein solches Instrument ist das Capillar-Elektrometer. Der Erfinder desselben, Hr. Lippmann, hat den Nachweis geliefert! dass die Dimension des Stromes, die es misst, die elektromotorische Kraft ist, dass von dieser allein die Grösse des Ausschlages abhängt, dass ihr allein der, zur Repo- sition des Meniscus nöthige Druck proportional ist. Bei Gelegenheit von Versuchen (die mir übrigens eine uneingeschränkte Bestätigung dieser An- gaben des Hrn. Lippmann ergaben), bin ich auf eine Art aufmerksam ge- worden, wie das Capillar-Elektrometer unbeschadet der völligen Richtigkeit der obigen Sätze, dennoch auch auf Widerstandsvariationen reagirt. Die ! G. Lippmann in Poggendorff’s Annalen der Physik und Chemie. 1873. Bd. CXLIX. 8. 546 ff. Archiv f. A. u. Ph. 1885. Physiol. Abthlg. 32 u 498 ERNST v. FLEISCHL: Zeit, welche der Meniscus braucht, um seine neue Gleichgewichtslage auf- zusuchen, wächst mit der Grösse der Widerstandssumme im Kreise, wie ich dies in meiner Abhandlung! beschrieben habe. Ich habe schon damals mitgetheilt, dass die Geschwindiekeit der Einstellung bei der Schliessung eines metallischen Bogens durch Hinzufügen eines Widerstandes von der Grössenordnung, der der Widerstand eines Froschnerven bei physiologischen Versuchen angehört, nicht merklich beeinflusst wird. Das begreift sich leicht, wenn man bedenkt, dass der Widerstand, den das unterste, engste, von sauerem Wasser erfüllte Stück der Capillare bedingt, mindestens von derselben, wenn nicht von einer höheren Grössenordnung ist, als der eines, zwar mehrere Male längeren, aber mehrere hundert Male dickeren Frosch- nervenstückes. Einschaltung von Widerständen, die der Grössenordnung von 10% 8. E. oder Ohm angehören, bedingt aber bereits eine ganz deut- liche Verlangsamung der Einstellung — selbstverständlich, ohne auch nur den allergeringsten Einfluss auf den Punkt der Einstellung zu nehmen. — Nachdem ich bemerkt hatte, dass das Capillar-Elektrometer? von vornherein alle Eigenschaften besitzt, welche erforderlich sind für die Ausführung dieses, von Hrn. E. du Bois-Reymond — gewiss mit vollem Rechte — als maassgebend bezeichneten Versuches, so konnte ich dem Reize nicht wider- stehen, ihn auch wirklich auszuführen, obwohl ich mich dadurch auf ein gerade jetzt von mehreren Seiten bearbeitetes, und so lebhaft discutirtes Gebiet begab, dass mir eigentlich das Betreten desselben an und für sich nicht verlockend erscheinen konnte. Doch ich will einstweilen die sich aufdrängenden Beziehungen zur Litteratur für spätere Erledigung zurückschieben, und vorderhand in der Beschreibung der Versuchsanordnung fortfahren. Bei den Versuchen, mittels deren die merkwürdige Antwort erhalten wurde, welche das Capillar-Elektrometer auf die, oben mit Hrn. du Bois- ! Dies Archiv. 1879. 8.278. — Die‘; Verzögerung durch den Widerstand des Säurefadens selbst, hat schon Hr. Lippmann bemerkt (a. a. ©. 8. 557). 2 Da man unter dem Namen „Elektrometer“ Instrumente versteht, welche, in Verbindung gesetzt mit einem Punkte einer statisch geladenen Oberfläche das elek- trische Potential dieses Punktes messend mit dem der Erde vergleichen, und da das Lippmann’sche Instrument einen ganz, anderen Zweck erfüllt, so gebührt ihm eigentlich eine ganz andere Bezeichnung. Es misst eine Strom-Dimension, ist so- nach ein Galvanometer, da es aber eine von der Stärke verschiedene Dimension misst, so ist es kein gewöhnliches, sondern ein „Kraft-Galvanometer‘“ oder ein „Galvano- Dynamometer“ — oder, um einem neuen Ding auch einen neuen Namen zu geben, ein „Rhomometer“, von d@un, die Kraft; wie man ja auch aus wwyn: Psychologie gebildet hat, und aus z&yvn die analoge Zusammensetzung, die übrigens durch das, bei Aristoteles vorkommende: reyvoAoyeiv ganz gerechtfertig erscheint. Plutarch und Spätere haben sogar: reyvokoyie. — STUDIEN ÜBER DEN ELEKTROTONDS. 499 Reymond’s Worten gestellte Frage zu geben hat, diente als Stromquelle eine 20 gliedrige Thermosäule (7A. Fig. 3) nach Noö, deren in Sternform angeordnete Glieder ich mir einzeln zu den 20 in gerader Linie ange- ordneten Contacten eines Stromwählers (W) habe ableiten lassen. Auf einem messinsnen, der Reihe der Contacte parallel verlaufenden Prisma ist eine Metallhülse leitend und gleitend verschiebbar, von welcher, unter einem rechten Winkel, eine kurze Metallfeder gegen die Contacte zu ab- geht. Diese federnde Zunge trägt an ihrer Spitze eine rundliche Metall- platte, mit der sie einen der Contacte berührt — je nach der Stellung der Hülse auf dem Prisma. Die Verbindungen sind der Art, dass, wenn die Schleiffeder mit ihrem vorderen Ende auf dem 12. Contacte ruht, 12 Glieder der Thermosäule hintereinander im Stromkreise sind. Die den Thermosäulen in Sternform beigegebene Spirituslampe ist, wegen der allmählichen Erwärmung des Alcohol’s, ganz unbrauchbar, wo nur einige Constanz der Säule erforder- lieh ist; ich habe sie durch einen passend angebrachten Bunsen’schen Brenner ersetzt, und finde den Strom der Säule, welche natürlich vor Luftzug geschützt ist, von erstaunlicher Constanz. Ehe ich nun die übrige — sehr einfache und ganz selbstverständliche — Versuchsanordnung beschreibe, muss ich noch einer sehr erfreulichen und bequemen Eigenschaft Erwähnung thun, welche die Capillare besitzt, die ich meistens bei diesen Versuchen verwendet habe. Diese Capillare (nach Art der oben beschriebenen hergestellt, und mit einer angeschliffenen Facette versehen), welche übrigens jetzt bereits seit mehr als 4 Jahren Dienste thut, giebt für elektromotorische Kräfte zwischen Null und !/, Daniell Ausschläge, welche den elektromotorischen Kräften ganz genau pro- portional sind,! wodurch das Arbeiten mit ihr ausserordentlich vereinfacht und beschleunigt wird. Bei der schwachen Vergrösserung, mit welcher die ersten Versuche angestellt wurden, entspricht ein Intervall meiner Ocular- Scala gerade: 1/,,, Daniell. Stelle ich den Meniseus in seiner Ruhelage auf den, die ganze Ocular-Scala hälftenden Theilstrich, also in die Mitte des Gesichtsfeldes ein, so ist, da die Ströme bekanntlich nur in einer Richtung (von der Spitze gegen die Basis der Capillare) verlaufen dürfen, nur die eine Hälfte der Ocular-Scala verwendbar. Diese Hälfte besteht aus 50 Theil- strichen. Es ist also, unter den genannten Verhältnissen, da sich Fünftel- Intervalle noch mit grosser Leichtigkeit und Sicherheit schätzen lassen, die Möglichkeit geboten, elektromotorische Kräfte zwischen Null und !/, Daniell (und noch etwas darüber) mit einer Genauigkeit von mindestens "/iooo Daniell durch einen einfachen Blick in das Beobachtungs-Mikroskop * Zwischen !/, und !/, Daniell zeigt sich die erste Spur der Abweichung von der Proportionalität. Bei etwas grösseren elektromotorischen Kräften ist von letzterer nichts mehr zu bemerken. 32* 500 ÜRNST vV. FLEISCHL: zu messen — ein Vortheil, den Niemand gering veranschlagen wird, der mit der sonstigen Schwierigkeit solcher Messungen aus eigener Erfahrung bekannt ist. Wie weit die Genauigkeit der Messung bei der Anwendung stärkerer Objectiv-Systeme steigt, wird später an passender Stelle auseinander gesetzt werden. Das bei der geschilderten Anordnung verwendete Objectiv war ein System Nr. 2 von Reichert, mit einer Aequivalent-Brennweite von 30mm, und einer Linearvergrösserung von 35, unter den üblichen,! solchen Angaben zu Grunde gelegten Annahmen. Es ist vielleicht nicht über- flüssig, zu bemerken, dass die obige Behauptung von der Proportionalität zwischen elektromotorischen Kräften, und Grösse der Verschiebung des Meniscus zwischen 0 und /, Daniell, nicht bloss auf der Beobachtung der Ausschläge beruht, welche diese, meine Capillare giebt bei Einschaltung von O0, 1, 2, 3, 4 Thermoelementen in den Kreis (wobei die Meniscus- Tangente sich der Reihe nach, bei sehr zahlreichen Wiederholungen immer wieder auf 0, 10, 20, 30, 40 einstellte), sondern dass ich mich durch directe Kraftmessungen von der vollständigen Gleichwerthigkeit der in Betracht kommenden Glieder meiner Thermokette überzeugt habe, ebenso wie auch die, zur Reposition der genannten Verschiebungen des Meniscus erforder- lichen Druckhöhen, diesen Verschiebungen (innerhalb der angegebenen Grenzen) vollständig proportional waren. Die Versuchsanordnung, welche zur Beantwortung der uns be- schäftigenden Frage zu dienen hat, ergiebt sich aus der Berücksichtigung der einzelnen, in Betracht kommenden Momente ganz von selbst. Das Gapillar-Elektrometer muss mittels des du Bois-Reymond’schen Schlüssels mit Quecksilber - Öontacten in einen Kreis eingeschaltet werden können, welcher — nach Belieben — entweder nur den, durch eine abstufbare elektromotorische Kraft erzeugten Strom, oder nur ein Paar unpolarisirbarer Elektroden, die entweder durch einen indifferenten Leiter oder durch einen lebenden Nerven mit einander verbunden sind, oder Stromquelle und Elektroden zugleich — natürlich in einfacher linearer Bahn, also „hintereinander“ enthält, wobei auch noch der Forderung zu genügen ist, dass der Strom unter allen Umständen nur in der einen, vorgeschriebenen Richtung durch das Capillar- Elektrometer gehen darf, jedoch nach Belieben in der einen oder der anderen Richtung durch die interpolare? Strecke des Nerven muss gesendet werden können. Diesen Forderungen ist zu entsprechen durch eine Anordnung, ! Tubuslänge von 160 mm — das erwähnte Ocular — 250 mm Projectionsdistanz, ® Ich erlaube mir seit jeher, da wo man allgemein den Ausdruck „intrapolar“ verwendet, interpolar zu sagen. Die interpolare Strecke ist eindeutig: die zwischen den beiden Polen eingeschlossene; intrapolar mag auch die von dem einen Pol be- rührte Nervenstelle heissen, als die innerhalb dieses Poles gelegene Länge des Nerven. Tr —— STUDIEN ÜBER DEN ELEKTROTONUS. 501 welche ausser den bereits aufgezählten Apparaten nur noch drei Pohl’sche Wippen (Commutatoren) zu enthalten braucht: zwei mit herausgenommenem, und eine mit belassenem Commutationskreuz. Die Wippe mit Kreuz wird natürlich unmittelbar vor den unpolarisir- baren Elektroden stehen, über die der Nerv gebrückt ist, und dazu dienen, den Versuchsstrom in beliebiger Richtung durch den Nerven zu schicken. Jede der beiden anderen Wippen (ohne Kreuz) wird einen wesentlichen Bestandtheil entweder in den Kreis ein- oder aus ihm ausschalten, und in . letzterem Falle, anstatt dieses Bestandtheiles, eine kurze, indifferente me- tallische Schliessung des Kreises besorgen. Auf diese letztere arbiträre Weise werden mit dem Capillar- Elektro- meter-Kreise verbunden sein: 1) die mittelst des Stromwählers abstufbare elektromotorische Kraft, und 2) das Nerven-Praeparat. — 502 ERNST v. FLEISCHL: Hieraus ergiebt sich von selbst die, durch den beigedruckten Holz- schnitt illustrirte Disposition. Der grösseren Durchsichtigkeit zu Liebe gehen wir von einem einfachen, metallisch in sich geschlossenen Kreise aus (in der Figur punktirt), der an den drei Stellen A, B und $ beweelich ist. In der Lage, in welcher der Bügel von A gezeichnet ist, taucht er in ein paar Näpfe, die unter einander durch einen kurzen, dicken Leitungs- draht verbunden sind; dasselbe gilt von 2. Wird die Pohl’sche Wippe (ohne Kreuz) bei A aus der Stellung, in welcher sie gezeichnet ist, in die entgegengesetzte übergeführt, so enthält der Kreis die Stromquelle ZA, und es kreist ein Strom in ihm, der be- züglich seiner elektromotorischen Kraft von der Stellung des Stromwählers W abhängt. Diesen Strom kann ich durch Oeffnen bei S durch das Capillar-Elektrometer (C— E) kreisen lassen, und an demselben messen. Ich kann aber Ain der Stellung lassen, in der es gezeichnet ist, und statt seiner D in die entgegengesetzte Lage überführen. Dadurch wird in den vorher stromlosen Kreis der Nerv N aufge- nommen, der über die unpolarisirbaren Pinsel-Elektroden ?, P gebrückt ist. Von diesen geht die Leitung über den - Commutator C nach B. Ist also A in der gezeichneten, DB in der entgegengesetzten Stellung, so wird, wenn ich bei S’öffne, der vom Nerven kommende Strom durch das Capillar- Elektrometer gehen, und an demselben gemessen werden können. Sind beide Wippen, A und B, umgelegt, so befindet sich der Nerv N in der Bahn des von 7% kommenden Stromes; und wird nun bei S' die Nebenschliessung weggeräumt, so geht dieser Strom durch das Elektro- meter. | Dafür, dass der von der Säule kommende Strom nie in der falschen Richtung durch das Capillar-Elektrometer geleitet werde, sorgt man am besten dadurch, dass man keine Vorrichtung zum Commutiren zwischen letzterem und der Säule anbringt, sondern die Drähte ein für allemal in der richtigen Weise einspannt. Hingegen muss der Commutator C aus mehreren Gründen an seinem Platze sein. Und zwar, erstens, um die elektromotorische Kraft, welche von den Elektroden ?, oder vom Nerven stammt, in correcter Weise messen zu können, ferner um etwa von der Kraft des Längs-Querschnitt-Stromes eines Nerven vor Beginn des eigentlichen Versuches sich zu überzeugen u..s. w. Dann aber ist der Commutator C sehr erwünscht, wenn man eine feine Probe über die Stromlosigkeit des Nerven anstellen will. Das Auge am Beobachtungs-Mikroskop, wirft man, nachdem die Wippe D umgelegt, und bei S geöffnet ist, den Bügel von C mehrmals hin und her, wobei, wie sich aus den Verbindungen der Figur von selbst ergiebt, der Nerv STUDIEN ÜBER DEN ELEKTROTONUS. 503 seinen Strom — falls überhaupt ein solcher von ihm ausgeht — alternirend in entgegengesetzten Richtungen durch das Elektrometer sendet, welches dadurch noch letzte Spuren von Strom anzeigen kann, die bei der einfachen Oeffnung von $S nicht mehr erkennbar wären. | Auch wenn es im einzelnen Falle nicht gelungen ist, den Nerven in absolut unwirksamer Weise auf den Elektroden zu lagern, so ist es für die Beurtheilung des ganzen Versuches von der grössten Wichtigkeit, zu wissen, in welcher Richtung die Spur von Strom, die von dem Nerven ausgeht, sich im Versuchskreise bewegt — und es ist nicht minder wichtig, diese Richtung nach Belieben verändern zu können, durch Manipulation von C. $ 8. Beziehung zu anderen Untersuchungen: Begrenzung der eigenen. — Resultat der Versuche im Allgemeinen. Be- merkung über dessen Glaubwürdigkeit. — Bedeutung des Capillar-Elektrometers für die Physiologie. — Obwohl sich die vorliegende Schrift mit der Frage nach dem inter- polaren Elektrotonus beschäftigt, so wird man dennoch vergeblich in ihr nach einer Anknüpfung an den Inhalt einer Abhandlung suchen, welche der Verfasser vor längerer Zeit unter dem Titel der hier hervorgehobenen Worte! veröffentlicht hat, und zwar aus folgenden Gründen. Diese Ab- handlung hat zweifache Berücksichtieung gefunden. In der einen von diesen? wird eine Erklärungsweise eines von mir beobachteten Phaenomenes vertheidigt, welche ich zwar in jener Abhandlung selbst auseinandergesetzt hatte, die mir jedoch nicht als zutreffend erschienen war; so dass ich mich schliesslich für eine andere Deutung? entschieden hatte, die mithin in der erwähnten Abhandlung von Hrn. L. Hermann bestritten wird. Dann aber hat mich Hr. E. du Bois-Reymond,* ohne sich direet gegen die von mir vertretene Ansicht zu erklären, doch auf Momente aufmerksam ! E. v. Fleischl, Untersuchung über die Gesetze der Nervenerregung. IV. Ab- handlung. Der interpolare Elektrotonus. — Wiener akademische Sitzungsberichte. 1878. Bd. LXXVI. 3. Abthlg. ? L. Hermann, Bemerkungen über das galvanische Verhalten einer durchflossenen Nervenstrecke. Pflüger’s Archiv u.s. w. Bd. XIX. S. 416, 417. ® Meine Schlüsse aus der daselbst beschriebenen Thatsache sind, wie das Weitere ergeben wird, sicherlich falsch, insofern aus dieser Thatsache auf die stationäre Ver- änderung der durchflossenen Strecke geschlossen wird; und da dies eben in meinen Erörterungen durchweg geschieht, so muss ich ihnen nunmehr allen Werth absprechen. * 8.39 seiner Abhandlung: Ueber secundär-elektromotorische Erscheinungen an Muskeln, Nerven und elektrischen Organen. Sitzungsberichte der kgl. Akademie der Wissenschaften. 1833. S. 343—405. — Separatabdruck (nach welchem ich eitire 8. 1—64. — Dies Archiv. 1884. 8. 1—63. 504 ERNST v. FLEIscHL: gemacht, welche bei dem von mir beobachteten Phaenomene mit im Spiele gewesen sein mochten, und die zur Zeit, als ich jene Beobachtungen an- stellte, noch nicht bekannt waren. So wichtig es mir nun auch sein mag, diese Frage zu erledigen, und so naheliegend die hier sich bietende Gelegen- heit hierfür auch scheinen mag, so wenig eignet sie sich m Wirklichkeit dazu. Die neuen Untersuchungen des Hın. du Bois-Reymond beschäf- tigen sich nämlich mit der experimentellen Erforschung der elektrischen Zustände, die in der durchflossenen Strecke in den ersten Momenten nach der Einwirkung des Stromes auftreten, und der Verfasser bezeichnet seine Untersuchungen und Mittheilungen über diesen Gegenstand so ausdrücklich als noch nicht abgeschlossen, dass eine Einmischung in diese Sache jetzt noch mindestens als verfrüht erscheinen müsste — desshalb bleibt auch in der vorliegenden Schrift Alles, was sich möglicherweise mit dem Capillar- Elektrometer über dieses wechselvolle Initial-Stadium beobachten lassen’ könnte, unberücksichtigt; es sind vielmehr alle Angaben, die hier über den Stand des Meniscus gemacht werden, als solche anzusehen, welche sich auf einen vollkommen stationären Zustand beziehen. Hr. du Bois- Reymond bezeichnet zwar ausdrücklich als secundär - elektromotorische „ohne Rücksicht auf die Zeit ihres Hervortretens‘“, alle Erscheinungen „welche ein fremder Strom als Strom, nicht als bloser Reiz, an Muskeln und Nerven erzeugt“, doch bin ich ganz beruhigt darüber, durch die vorliegende Mit- theilung keiner der von ihm in Aussicht gestellten, künftigen Untersuch- ungen in unberechtigter Weise vorzugreifen. Es steht im Gegentheile das, was ich zu sagen habe, so ferne von Allem, was von irgend einer Seite vermuthet, von irgend einer Theorie vorausgesetzt worden ist, dass ich eben daraus das Recht ableiten zu dürfen glaube, auf die einzelnen Gegensätze gar nicht ausdrücklich hinzuweisen — sie sind zu grell, als dass sie über- sehen werden könnten. Wer meine Resultate mit einer Theorie vereinbaren kann,! der möge es thun; wer meine Resultate bezweifelt, der möge die Versuche wiederholen. — Ich beschränke mich vor der Hand auf die ein- fache Erzählung der Art, wie ich meine Versuche angestellt habe, und der Beobachtungen, die ich dabei gemacht habe, und wenn ich hier etwas dis- cutire, so sind es lediglich meine eigenen Versuche und deren Bedingungen. Meine Versuche, in denen die elektromotorische Kraft eines Stromes mit rein anorganischer, und —- die Flüssigkeit des Capillar-Elektrometers ausge- nommen — rein metallischer Schliessung verglichen wurde: mit der elektro- motorischen Kraft desselben Stromes, wenn in seine Bahn ein lebender Nerv mittels unpolarisirbarer Elektroden eingeschaltet war, wurden alle nach demselben Typus angestellt. Nachdem die übrigen Vorbereitungen ! Was mir übrigens durchaus nicht unmöglich erscheint. nn nn STUDIEN ÜBER DEN ELEKTROTONUS. 505 getroffen waren, wurde (unter den selbstverständlichen Vorsichtsmaassregeln) der N. ischiadieus eines soeben geköpften, grossen Frosches herauspraeparirt, und über ein Paar Pinsel-Elektroden gebrückt, die mit der Wippe C ver- bunden waren. Dieser Nerv wurde durch die Wippe B in den Kreis des Capillar-Elektrometers aufgenommen, während die Wippe A so gestellt war, dass die Thermosäule aus dem Kreise ausgeschaltet war. Bei der grossen Empfindlichkeit des Capillar-Elektrometers musste nun der Nerv sehr be- hutsam auf den Pinseln verschoben werden, bis eine solche Ableitung sefunden war, dass der Meniscus weder von dem Spiel des Schlüssels, noch von dem Umwerfen der Wippe C*afficirt wurde. Die Ströme, die durch dieses Verschieben des Nerven annullirt werden mussten, stammten stets von diesem selbst, denn ich muss meinen Elektroden nachrühmen, dass sie, wenn die Pinsel selbst einander herührten, fast gar nie elektromotorisch wirksam waren. — War nun diese ganz unwirksame Anordnung gefunden, dann wurde zuerst, durch Umlegen der Wippe B der Nerv aus dem Kreise entfernt, und statt seiner durch die Wippe A eine Anzahl Elemente der Thermosäule in den Kreis aufgenommen, deren elektromotorische Kraft durch Beobachtung des Ausschlages am Capillar-Elektrometer mehrmals gemessen, und bei allen Einzelablesungen einer Reihe immer als ganz constant befunden wurde. Jetzt ist der Moment gekommen, einem recht naheliegenden, aber sehr groben Fehler aus dem Wege zu gehen. Hätte ich nämlich, während der Meniscus seine, der elektromotorischen Kraft der 'Thermoelemente entsprechende, neue Lage hatte, durch Umwerfen von D, den Nerven mit in den Kreis aufgenommen, und es hätte sich der Meniseus nicht gerührt, so wäre dadurch — gar nichts bewiesen gewesen. Da nämlich der Nerv an sich stromlos eingeschaltet war, und da das Capillar-Elektrometer, wie ich hinreichend betont habe,! als automatischer Compensator von grösster Praecision jeden Strom in seinem Kreise? vollständig vernichtet, so hätte ich auf diese Art einen stromlosen Nerven in einen Kreis eingeschaltet, in welchem zur Zeit der Einschaltung keine elektromotorische Kraft wirk- sam war; und ich wüsste nicht, woher da ein Ausschlag hätte kommen sollen. Es musste also folgendermaassen verfahren werden. Nachdem constatirt worden war, welche Wirkung die Kraft der Thermoelemente am Capillar- Elektrometer hervorbringt, wurde dieses durch seinen Schlüssel aus dem Kreise genommen, und statt seiner, vermittelst Umwerfen von D, der Nerv 1 Dies Archiv. 1879. 8.282. Die Thatsache constatirte zuerst Hr. Lippmann (a. a.0. S. 551). ° Bis zur Polarisationsgrenze zwischen Quecksilber und verdünnter Schwefelsäure zz also ungefähr ein Volt. 506 | ERNST v. FLEISCHL: in den Kreis der Thermoelemente eingeschaltet. Kürzere oder längere Zeit! nachdem dies besorgt war, wurde nun das Capillar-Elektrometer in diesen Kreis aufgenommen, und der Ausschlag, den es jetzt gab, entsprach der elektromotorischen Kraft, die es im Kreise vorfand, also der, um die Kraft des interpolaren Elektrotonusstromes vermehrten (oder verminderten) elektro- motorischen Kraft der Thermoelemente, und da der Ausschlag immer absolut identisch war mit dem zuerst — ohne Nerv — gemesse- nen, so sagt das Capillar-Elektrometer, dass der interpolare Zuwachs- oder Polarisations- oder Elektrotonus-Strom eine elektromotorische Kraft gleich Null hat — unter allen erdenklichen bisher dem Versuche unterzogenen Verhältnissen. Hatte ich, um nicht zu viel von der kostbaren Zeit nach der Praeparation des Nerven zu verlieren, diesen in einer Lage auf den Pinseln gelassen, bei der ihm noch ein merk- licher Rest von elektromotorischer Kraft zukam, so fand ich diesen Rest dann bei der entscheidenden Ablesung unverändert wieder vor, wie er sich algebraisch zu der, von der Thermosäule stammenden Kraft addirte, d. h., wie er — je nach der Lage der Wippe C — diese Kraft vermehrte oder verminderte, und zwar um den unveränderlichen eigenen Betrag, der ihm während der Einwirkung der Kraft der Säule auf den Nerven genau so wie vor und nach der Einwirkung dieser Kraft zukam. Das hatte ich am allerwenigsten erwartet, und ich hätte es auch Niemandem geglaubt, als dem Capillar-Elektrometer. Ich darf wohl hier die Bemerkung ein- schalten, dass die Anschauung von Hrn. E. Hering — wenn ich anders diesen Forscher richtig auffasse — mit meiner neuen Erfahrung nicht nur ohne Weiteres vereinbar ist, sondern mir zu ihrer consequenten Durch- führung dieser Erfahrung zu bedürfen scheint. Wie die eigentlichen Theorien des Elektrotonus über den elektromotorischen Zustand der interpolaren Strecke denken, ist bekannt. Sie hatten bisher über diesen Zustand nur Postulate zu entwickeln, von denen allerdings keines mit dem Ergebnisse des Versuches übereinstimmt. Es erwächst nun aber die Aufgabe, zu überlegen, inwiefern diese Postulate wirklich und unausweichlich aus den Grundgedanken der Theorien hervorgehen, oder inwieweit die eine oder die andere Theorie die unerwartete Verneinung ihres Postulates mit Beibehaltung ihres Grund- gedankens zu ertragen vermag, eine Ueberlegung, die jedoch erst am Platze sein wird, nach der Mittheilung einer Reihe anderer Versuche, die der zweite Theil enhalten wird, und deren Ergebnisse eine wichtige Rolle bei dieser Ueberlegung spielen. Ich überschreite'nun mit dem Folgenden allerdings die Grenze zwischen ! Immerhin einige Secunden, nur in einem der bisher angestellten Versuche 2!/, Minuten, STUDIEN ÜBER DEN ELEKTROTONUS. 507 diesem und dem zweiten Theile meiner Abhandlung, in welchem das Ver- suchsmaterial vorgebracht und erörtert werden soll; ich kann aber nicht umhin, schon hier eine Probe aus diesem Material mitzutheilen. Ich hoffe hierdurch den Leser einigermaassen über die Verlässlichkeit der Thatsachen zu beruhigen, welche die Grundlage für die bereits vorgebrachten und für die noch vorzubringenden Erörterungen bilden. Sehon vor mehr als sechs Jahren habe ich Messungen über die Kraft des extrapolaren Elektrotonus mit dem Capillar-Elektrometer vorgenommen, und dieselben auch zum Theile (in Form einer Curve) veröffentlicht." Ganz ähnliche Messungen habe ich jetzt vielfach wiederholt. Ich gebe die Zahlen einer solchen Messung, um sie neben diejenigen Zahlen zu steilen, deren Verlässlichkeit sie verbürgen sollen. 22. Jan. 1884. Extrapolarer Elektrotonus. Spannweite der polarisirenden Elektroden: 5”, ebendieselbe Spannweite haben die zum Capillar-Elektrometer ableitenden Elektroden. Unter Abstand (A) ist die Entfernung der beiden mittleren Elektroden von einander verstanden, Kraft des polarisirenden Stromes = 1 Daniell (D). Bei einem Abstande — 1" war die Kraft des gemessenen Elektrotonusstromes = !/, Daniell. Bei’A = 6um war die Kraft = !/,, D; bei A = 11" war die Kraft = '/,,o D; bei A= 16" war sie=!/,, D u. s. w. Ist es nun möglich, nach solchen Erfahrungen über die Kraft des extrapolaren Elektrotonus, einem mit demselben Instrumente ausgeführten Versuche die Bedeutung eines Beweises abzusprechen, wenn dieser Versuch den folgenden Verlauf nimmt? 2. Febr. 1885. Interpolarer Elektrotonus. Der Nerv am Elek- trometer in seiner endgültigen Lage gemessen, zeigt eine elektromotorische Kraft von !/,,. Daniell. Die interpolare Strecke ist 25 "” lang. Der polari- sirende Strom (8 Elemente der Thermosäule), für sich allein gemessen, zeigt eine, während des ganzen Versuches constante, elektromotorische Kraft von ®/,, = soo. Paniell. Der Strom wurde im Ganzen zehnmal, 5 mal in der einen (+), 9 mal in der anderen Richtung (—), durch den Nerven ! Untersuchung über die Gesetze der Nervenerregung. V. Abhandlung. Die Theorie des Elektrotonus. Sitzungsberichte der k. k. Akademie der Wissenschaften zu Wien. 1878. Bd. LXXVIII. Abth. 3. — Da solche Messungen, welche Hr. S. Tschirjew publieirt hat, gleichfalls mit dem Capillarelektrometer gemacht sind, so erwähne ich ihrer hier. Die Capillare, mit der damals Hr. Tschirjew meistens arbeitete, benütze ich auch jetzt noch gelegentlich — sie ist von mittlerer Empfindlichkeit, verträgt aber die stärksten Vergrösserungen. Bei der von Hrn. Tschirjew verwendeten 125fachen Linear-Vergrösserung erscheint der Meniscus durch eine Kraft von ca 0-0006 Daniell um einen Theilstrich aus der Gleichgewichtslage verschoben. — Das Nähere im „Nach- trag zur Abhandlung über die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der elektrotonischen Vor- gänge im Nerven“ von Dr. 8. Tschirjew. Dies Archiv. 1879. S. 543—553, 508 ERNST v. FLEISCHL: geleitet und gemessen. Jedesmal war (Strom + Nerv) = °!/,,, Daniell, (Strom — Nerv) = ??/,,. Daniell. So weit ich davon entfernt bin, mir das Aufstellen von Regeln für die Forschung, oder das Ertheilen von Lehren und Rathschlägen zu er- lauben, so mag ich doch meine Ueberzeugung nicht unterdrücken, dass bei sehr vielen elektrophysiologischen Versuchen die Ersetzung des Galvano- meters durch das Capillar-Elektrometer wichtige Aufschlüsse bringen wird. Bei dieser Gelegenheit möchte ich zwei Punkte hervorheben. Erstens: dass meine Öonstruction des Capillar-Elektrometers sich mir für die ver- schiedensten Aufgaben als ganz entsprechend erwiesen hat, im Gegensatze zu der ursprünglichen Form, und trotz des unbedingten Tadels, den ein Fachgenosse in einer physiologischen Zeitschrift von grosser Verbreitung über dieselbe ausgesprochen hat.! Da an meinem Instrumente gerade die Haupthindernisse, welche sonst der allgemeineren Verbreitung des Appa- rates im Wege stehen, nämlich die gefürchtete Zerbrechlichkeit der Capillare, und Schwierigkeit ihrer Herstellung. ganz beseitigt sind (durch die dem Instrumente beigegebenen nahezu unverwüstlichen Capillaren), so habe ich dieses abfällige Urtheil deshalb besonders bedauert, weil es — als das ein- zige Urtheil, das in physiologischen Kreisen überhaupt verlautbart ist — zwar eine gewisse Verbreitung meines Instrumentes unter Physikern nicht verhindert hat, möglicher Weise aber mit dazu beigetragen hat, dass das- selbe von physiologischen Arbeitsstätten beinahe ganz ausgeschlossen blieb — und mit ihm die allgemeinere Anwendung des ganzen Prineipes in der Elektrophysiologie; denn dass Apparate von solcher Unverlässlichkeit, die zugleich bei der Verwendung mit so viel Noth und Aerger verbunden sind, wie die anderen mir bekannten Modelle, sehr bald wieder zur Seite gestellt wurden, nimmt mich nicht Wunder. — Zweitens warne ich aber noch- mals ausdrücklich vor jeder Abweichung von den Regeln und Methoden, welche ich hier, sowie in meiner früheren Abhandlung für den Gebrauch des Capillar-Elektrometers aufgestellt habe, und welche nicht der Willkür, sondern der Erfahrung entsprungen sind. — Sollten die unerwarteten Er- gebnisse dieser Untersuchung zu einer Wiederholung der von mir beschrieb- enen Versuche, und somit zur Anwendung von Capillar-Elektrometern ver- anlassen, so bitte ich zu berücksichtigen, dass die oben von einer meiner Capillaren beschriebene, weitgehende Proportionalität der Ausschläge mit der elektromotorischen Kraft eine Ausnahme ist, und dass im Allgemeinen Messungen dieser Kraft nur mittels des Repositions-Verfahrens zu geschehen haben, und — auch nicht einmal schätzungsweise — nach dem Ausschlage des Meniscus. ! Pflüger’s Archiv u.s.w. Bd. XXXI. 8. 605, Anm. STUDIEN ÜBER DEN FLEKTROTONDS. 509 Nicht nur in unserem Falle, sondern auch in vielen anderen ist ja eine Entscheidung in der Frage zu treffen, ob eine Intensitätsänderung von einer Polarisation, — sagen wir ganz allgemein: von einer Veränderung der elektromotorischen Kräfte im Kreise herrührt; oder .aber von einer Aenderung im Widerstande. Diese Entscheidungen, an die sich oft die wichtigsten Schlüsse knüpfen, sind bisher immer indirect getroffen worden, auf Umwegen; ganz so wie die bisher versuchten Lösungen der uns be- schäftigenden Frage. Alle diese Untersuchungen sind nach meiner Ansicht mit dem Capillar-Elektrometer zu wiederholen. Für diese Nothwendigkeit wird vielleicht die vorliegende Untersuchung kein schlechtes Beispiel sein; und ich wage die Vorhersage, dass aus einer Untersuchung der elektro- physiologischen Fragen mit dem Capillar-Elektrometer dem Begriffe des „Uebergangs-Widerstandes“ zunächst eine beträchtliche Umgestaltung er- wachsen wird, nach Umfang und Inhalt, und dass auch im Gebiete der „inneren Widerstände“ Aenderungen unserer Anschauungen erfolgen werden. $4A. Erledigung einiger, sich aufdrängender, physikalischer Fragen. Sowohl die Ausdehnung, welche diese Abhandlung bereits gewonnen hat, als auch der Umstand, dass viele nothwendige Versuche in der jetzi- sen Jahreszeit nicht angestellt werden können, hat mich zu dem Ent- schluss bewogen, einen „zweiten Theil“ des Ganzen für spätere Veröffent- lichung abzusondern. Die Versuche, auf welche sich meine Angaben be- ziehen, sind nämlich bisher nur an Winterfröschen angestellt worden; und wenn auch diese Versuche durch die vollständige Uebereinstimmung ihrer Ergebnisse, so wie dadurch, dass die bei ihnen verwendeten Nerven sich in jeder Beziehung als normal erwiesen, vielleicht an und für sich hin- reichen möchten, so scheint es mir doch gerathen, die Grundlage für eine so unerwartete und eingreifende Behauptung nach allen Seiten hin zu be- festigen, und ich werde im zweiten Abschnitt, nachdem diese und andere Versuche an Frühlings- und Sommerfröschen angestellt sein werden, den _ experimentellen Theil dieser Untersuchung in hinreichender Ausführlichkeit darlegen. Vorher aber ist es nothwendig, einen Zweifel zu beseitigen, der die Berechtigung anlangt, aus den Versuchen, die ich angestellt habe, selbst wenn man sie an und für sich als einwurfsfrei anerkennt, den Schluss zu ziehen, dass ein elektrischer Strom keinerlei Veränderung seiner elektro- motorischen Kraft erfährt, wenn ein Stück eines lebenden Nerven in seine Bahn aufgenommen wird. In dieser Form ausgesprochen, ist dieser Zweifel oder diese Frage rein physikalischer Natur. 510 ERNST v. FLEISCHL: Die Frage kann aber auch so gestellt werden: Folgt aus diesen Ver- suchen, dass in einem Nerven keinerlei elektromotorische Kräfte entstehen, wenn ein Strom durch ihn fliesst? In dieser Fassung jedoch hat die Frage ausser einem physikalischen Theil, der mit der obigen Frage zu- sammenfällt, noch einen physiologischen Theil, welcher nicht durch Ueber- legung, sondern durch den Versuch zu beantworten ist, und dessen Be- antwortung denn auch in der Fortsetzung dieses Aufsatzes gefunden werden wird. Es könnte nämlich die algebraische Summe aller elektromotorischen Kräfte, die der Strom in dem, von ihm durchflossenen Nervenstücke her- vorruft, zwar stets gleich Null sein; aber nicht in Folge davon, dass der Strom an keiner Stelle des Nerven, den er durchfliesst, solche Kräfte er- regt, sondern vielmehr in Folge davon, dass die Kräfte, welche der Strom in einem Theile der durchflossenen Strecke erregt, an Grösse gleich, an Richtung entgegengesetzt sind jenen Kräften, die der Strom in dem übri- gen Theile der von ihm durchflossenen Nervenstrecke erregt —- eine An- schauung, die sogar in dem elektrotonischen Verhalten der interpolaren Strecke, insofern man dasselbe nach der Erregbarkeit bemisst, von vornherein eine gewisse Stütze findet. Diese Untersuchung in den zweiten Theil ver- weisend, wollen wir uns hier zunächst mit der Frage beschäftigen, ob eine, von Null verschiedene Summe der elektromotorischen Kräfte, welche ein Strom in einem, von ihm durchflossenen Nervenstücke erzeugt, sich am Capillar-Elektrometer durch einen Ausschlag anzeigen müsste, der von dem Ausschlage verschieden ist, den der erregende Strom am Capillar- Elektrometer hervorbringt, wenn er nur durch dieses, und nicht auch durch den Nerven fliesst. Die Vorstellung, auf welcher diese Frage beruht, ist die folgende. Das Capillar-Elektrometer compensirt jeden Strom,! im dessen Kreise es sich befindet. Wird es nun (nach Vermeidung des oben, S. 505, erwähnten Fehlers) in den Stromkreis aufgenommen, in welchem bis dahin die Thermokette und die interpolare Nervenstrecke sich befanden, und in dem möglicherweise ein Strom cireulirte, der von der elektromotorischen Kraft der Kette, und von einer elektromotorischen Kraft des Nerven her- rührte, welch’ letztere jedoch erst durch erstere hervorgerufen worden war: — und compensirt es nun diese beiden elektromotorischen Kräfte, d. h.: die algebraische Summe derselben, so wird es dies vielleicht durch einen im ersten Moment veränderten Ausschlag thun; aber noch während dieser Ausschlag sich herausbildet, vernichtet das Capillar-Elektrometer die Kraft, die es im Kreise vorfindet, also die Entstehungsursache des, vom Nerven herrührenden Antheiles der Gesammtkraft, und der stationäre Zu- ! selbstverständlich ist hier, wie an anderen, ähnlichen Stellen, nur von Strömen die Rede, deren Kraft unter der Polarisationsgrenze von Quecksilber und verdünnter Schwefelsäure bleibt, also 1 Daniell nur wenig übertrifft. mm: STUDIEN ÜBER DEN ELEKTROTONUS. 511 stand wird folglich nur der Kraft der Säule entsprechen. Eine solche Auf- fassung beruht jedoch auf einem Missverständnisse. Obwohl über den Vor- gang im Capillar-Elektrometer, über die Art seiner Wirkung, noch keine befriedigende und anerkannte theoretische Anschauung existirt, so lässt sich doch ein solcher Einwand von vornherein zurückweisen, und übrigens ist er auch mit: den Resultaten einiger Versuche unvereinbar, welche ich eigens angestellt habe, um sie diesem Einwurfe entgegenzuhalten. Wenn der Strom, in dessen Kreise das Capillar-Elektrometer sich befindet, an vielen Stellen meiner früheren und der vorliegenden Abhandlung als „compen- sirt“ bezeichnet wurde, so ist der Sinn dieser Behauptung kein anderer, als dass man sich, um der Erfahrung einen Ausdruck zu verleihen, den Strom, welcher im Kreise circulirte, ehe das Capillar-Elektrometer in diesen aufgenommen wurde, vom Momente an, in dem dieses Instrument in den Kreis eingeschaltet ward, als compensirt, als vernichtet durch einen gleich- starken Gegenstrom vorzustellen hat. Und zwar ist der Strom, den das - Capillar-Elektrometer dauernd compensirt, in jedem einzelnen Falle genau der, der im Momente seiner Einschaltung im Kreise circulirte. Man könnte sich nun allerdings der Vorstellung überlassen, in einem Kreise, in dem kein Strom mehr circulire, sei auch keiner mehr zu compensiren. Zum Beispiele, eine 'Thermosäule, deren Strom durch ein Capillar-Elektrometer compensirt ist, so dass keine Spur von Strom mehr durch das empfindlichste Galvanometer in diesem Kreise nachzuweisen ist — eine solche Thermosäule könne nur dadurch in einem geschlossenen Kreise sich befinden, ohne einen Strom zu erregen, dass ihre Löthstellen paarweise die gleiche Temperatur hätten, welche Annahme einerseits sehr leicht durch den Versuch wider- legt werden kann, andererseits aber wieder nicht verstehen liesse, wesshalb denn der Ausschlag am Capillar-Elektrometer nicht zurückgeht auf Null — entsprechend der Stromlosigkeit des Kreises; sondern vielmehr bestehen bleibt. Es ist dies gerade so, wie bei der Wage. Ist auf derselben die Last durch das Gewicht compensirt, so besteht Gleichgewicht, es findet keine dynamische Wirkung im Systeme statt, und die Last sowohl wie das Gewicht benehmen sich, wie schwerlose Körper. Nichtsdestoweniger wird die Last vom Erdmittelpunkte dauernd mit einer ihrer Masse entsprechen- den Kraft angezogen, welcher nur vorderhand durch die gleiche und ent- gegengesetzte Kraft, die das Gewicht anzieht, das Gleichgewicht gehalten wird.! ! Um unseren Vergleich fortzusetzen, in welchem die Kraft der Kette durch die Last auf der einen Wagschale, die compensirende Kraft der Capillare durch das Gewicht auf der anderen Wagschale dargestellt wird, nehmen wir an, beim Sinken der Schale, in der die Last liegt, würde vermittelst einer Auslösungsvorrichtung auf diese Schale eine gewisse Last aufgelegt. Verfahren wir nun analog dem oben erwähnten Fehler, 512 ERNST v. FLEISCcHL: Ein. dem unsrigen sehr analoger Fall ist der folgende. In einen metallischen Kreis seien nach Belieben einzeln oder in beliebiger Zusammen- stellung (durch Entfernung von Nebenschliessungen) einzuschalten: 1. Eine Daniell’sche Zelle, 2. Ein Capillar-Elektrometer, 3. eine polarisirbare An- ordnung, z. B. zwei Platinableche, die in verdünnte Schwefelsäure ein- tauchen, ein Voltameter, u. s. w. (nach dem Schema der Fig. 4). Schalte ich erst Nr. 1, die Kette, dann Nr. 2, das Capillar-Elektrometer ein, messe an letz- terem die Kraft des Daniell’schen Ele- mentes, und schalte dann, nachdem die Messung geschehen, und der Repositions- druck wieder entfernt ist, Nr. 3: die Po- larisationszelle ein, so handle ich analog dem Fehler, vor dem oben gewarnt wurde, ich bringe die Zelle in einen stromlosen warten, bekomme auch keine zu sehen, Schalte ich aber, nach Messung von 1 durch 2, letzteres wieder aus, und dafür 3 ein, lasse den Strom von 1 eine Weile durch 3 gehen, und schalte zu diesen beiden dann auch 2 wieder ein, so werde ich jetzt einen geringeren Ausschlag am Capillar-Elektrometer bekommen, und dieser Ausschlag wird unverrückt bestehen bleiben. Wäre die, oben als unrichtie bezeichnete Anschauung richtig, so müsste ja, da kein Strom im Kreise herrscht, auch keine Polarisation bestehen. Man muss den Versuch, soll er vollkommen beweisend sein, mit einer so geringen elektromotorischen Kraft anstellen, dass in der Polarisationszelle keine sichtbare Abscheidung von Gasen statt- findet. Ich habe den Versuch mit meiner Thermosäule gemacht, und (wie bei den meisten Versuchen am Nerven) nur einige Glieder derselben ver- wendet. Als Polarisationszelle benützte ich eine kleine, mit einem Kork verschlossene, weithalsige Flasche. Durch den Kork gingen zwei Kupfer- drähte, an welche Platinableche angelöthet waren. Die Flasche wurde indem wir unseren Versuch mit der Wage so anstellen, dass wir diese gar nicht aus- schwingen lassen mit alleiniger Belastung der einen Schale, so dass diese, da von vornherein Gleichgewicht hergestellt wurde, den Zuwachs durch die auszulösende Last gar nicht erhält, dann bekommen wir natürlich nur das der elektromotorischen Kraft der Kette entsprechende Gewicht. Lassen wir aber, wie bei unserer Art den Versuch anzustellen, die der Kette entsprechende Last erst ohne Gegengewicht wirken, so wird die Seite der Wage sinken, wird die Auslösung in Thätigkeit setzen, und einen Zu- wachs an Last aufgelegt bekommen. Wenn nun jetzt ein Verfahren von uns an- gewendet wird, welches (gleich dem Capillar-Elektrometer) automatisch die andere Schale mit einem der drüben befindlichen Last gleichen Gewichte beschwert, so wird dieses der, um den Zuwachs vermehrten ursprünglichen Last, gleich sein müssen. Kreis, und kann keine Polarisation er- —p STUDIEN ÜBER DEN ELEKTROTONTS. 513 theilweise mit verdünnter Schwefelsäure gefüllt, in welche die Platinableche mit ihren unteren Hälften eintauchten. Die Zelle wurde in die, durch Fig. 3 dargestellte Versuchsanordnung, an Stelle der unpolarisirbaren Pinsel-Elek- troden eingeschaltet. Der Erfolg entsprach ganz den hier entwickelten Grundsätzen, doch war der Versuch in dieser Form sehr unbequem, wegen der bekannten Schwierigkeit, die Platinableche in saurem Wasser unwirksam zu bekommen. Viel zweckmässiger ist der Versuch, wenn man die Platina- elektroden möglichst klein an Oberfläche macht, also sogenannte Wollaston’sche Spitzen anwendet, in Glasröhren längs deren Axe eingeschmolzene Platina- drähte, die nur mit einem punktförmigen Querschnitt am Ende des Glas- rohres zu Tage liegen. Diese kleinen Oberflächen sind viel leichter durch die bekannten Methoden elektrisch unwirksam zu machen, so dass der hier beschriebene Versuch mit diesen Elektroden leicht mehrmals hintereinander angestellt werden kann, was bei Verwendung von Platinablechen vollkommen unmöglich ist. Wurden diese Spitzen-Elektroden (in saurem Wasser) einige Secunden vor dem Elektrometer in den Kreis der Kette geschaltet, so blieb doch, trotz der Leichtigkeit und Schnelligkeit, mit der die Spitzen sich depolarisiren, der Ausschlag des Meniscus beliebig lange, z. B. mehrere Stunden lang in seiner ursprünglichen stark verminderten Grösse bestehen — wodurch jener Einwand wohl völlig beseitigt erscheint. Nach dem ganzen Princip unserer heutigen physikalischen Weltan- schauung kann das auch gar nicht anders erwartet werden. Das Capillar- Elektrometer erzeugt bei mechanischer Verschiebung einen galvanischen Strom, welcher so lange besteht, als die Bewegung des Meniscus dauert. Wird dieser, etwa durch den Druck einer Quecksilhersäule, in seiner neuen Lage festgehalten, so geht von dem Instrumente kein Strom aus. Denn die neue Gleichgewichtslage des Systemes hat ja an sich nicht die Bedeutung einer continuirlich geleisteten Arbeit, wohl aber kommt die Bewegung des Meniscus durch Druck, so lange sie sich eben vollzieht, einer Arbeit gleich. In einer nassen Kette, oder in einer Thermosäule gehen chemische und thermische Processe vor sich, welche einen Verlust an potentieller Energie bedeuten, deren volles Aequivalent sich im galvanischen Strome, in der Erwärmung der Leiter u. s. w. in Form verwertheter oder verwerthbarer Arbeit wiederfindet. Dieser tritt nun das Capillar-Elektrometer mit seiner Bewegung entgegen, vernichtet die Arbeit, die es vorfindet; und sobald dies geschehen, ist Ruhe und Gleichgewicht im Systeme — die Umwandlung in der Kette ist sistirt — dieser Zustand in seiner Dauer bedarf so wenig einer Arbeit, als das Capillar-Elektrometer in seiner neuen Stellung eine solche leistet — es ist ganz der Fall, wie wenn ein frei fallender, schwerer Körper auf eine, seine Bewegung aufhaltende Unterlage trifft. Im ersten Momente wird er diese erwärmen, deformiren, er wird z. B. bis zu einer Archiv f. A.u. Ph. 1885. Physiol. Abthlg. 33 514 Ernst v. FLEISCHL: gewissen Tiefe in sie eindringen — dann aber ist Ruhe — dieselbe Ruhe, die das Galvanometer in einem Kreise anzeigt, in welchem eine Stromquelle und ein Capillar-Elektrometer sich befinden. Die Deformation aber, welche die Unterlage erlitten hat, hängt nur von der Kıaft ab, mit der sie ge- troffen wurde, nämlich von der lebendigen Kraft der fallenden Masse, so wie die Deformation am Capillar-Elektrometer nur von der elektromotorischen Kraft, von der es eben betroffen wurde, abhängt. In diesen beiden Fällen wird durch ein Moment, welches einem, nach dem allgemeinen Gesetze aller conservativen Systeme sich abspielenden dynamischen Vorgange in den Arm fällt, an diesem Vorgange eine Arbeit geleistet, die, indem sie sich mit den Kräften, die sie vernichtet, zu Null aufhebt, einen stabilen Gleich- gewichtszustand herstellt, einen Zustand, welcher, aller Spannungen, die innerhalb des neuen Systemes bestehen mögen, ungeachtet, aus seiner relativen Ruhe nur durch eine äussere Einwirkung wieder zu befreien ist. Wer im Stande ist, an jenem Momente, das sich der lebendigen Kraft der Bewegung, diese vernichtend, entgegenwarf, noch nachträglich, aus der Beobachtung seiner Deformation, die Arbeit, die es bei jener Vernichtung geleistet hat, zu bemessen; der kann danach natürlich auch noch nach- träglich die vernichtete Kraft bemessen: in dieser Lage befinden wir uns gegenüber dem Capillar-Elektrometer — obwohl wir über die besondere Art, durch welche es am Strome gerade so viel Arbeit leistet, als er elektro- motorische Kraft besass, keine Auskunft zu geben vermögen. Das Capillar- Elektrometer vernichtet, compensirt also genau die Kraft, die sich ihm dar- bietet, ganz wie im vorigen Beispiele alle lebendige Kraft verrichtet wurde, abgesehen von dem Umstande, ob etwa ein Theil dieser lebendigen Kraft, wegen der besonderen Bedingungen des Systemes erst allmählich in Folge der Bewegung, die von einem anderen T'heile herrührte, sich entwickelt hatte — sobald Gleichgewicht im Systeme herrscht, ist keine Kraft in ihm thätig; und wenn das Gleichgewicht zu einer bestimmten Zeit durch einen bestimmten Vorgang hergestellt wurde, und wir dies sicher wissen, so wissen wir auch, dass dieser Vorgang der Summe der, zu jener Zeit im System wirksamen Kräfte, gleichwerthig war. War die ursprüngliche Kraft des Stromes zur Zeit als er vom Capillar-Elektrometer compensirt wurde, durch einen vom Strome ausgelösten Zuschuss positiver Polarisation ver- mehrt, so wird am Capillar-Elektrometer'ein grösserer Ausschlag diese grössere Kraft dauernd anzeigen, und ein grösserer Repositionsdruck sie messen — ebenso, wenn durch die physikalische Polarisation die Kraft des Stromes vermindert ist, so wird dieses Instrument diese geringere Kraft dauernd mittels eines geringeren Ausschlages anzeigen, und wird sie durch einen geringeren Repositionsdruck messen. Von jenen inneren Zuständen, durch welche die hier betrachteten Gleichgewichtsfälle sich von einfachen Fällen STUDIEN ÜBER DEN ELEKTROTONUDS. 515 statischen Gleichgewichtes unterscheiden, kann man sich auf verschiedene Art überzeugen. Da aber eine erschöpfende Untersuchung hierüber sehr weit führen würde, so erwähne ich nur den folgenden Versuch. Der Kupfer- pol eines Daniell’schen Elementes sei durch einen blanken Draht mit der unteren Quecksilbermasse eines Capillar-Elektrometers, der Zinkpol des Elementes mit der oberen Quecksilbermasse in der Capillare, ebenfalls durch einen blanken Draht, verbunden; und das Ganze sei gut isolirt aufgestellt. Der Meniscus in der Capillare ist unter dem Einfluss des Elementes dauernd verschoben. Wenn wir nun den einen der blanken Verbindungsdrähte mit der Erde leitend verbinden, indem wir von einem beliebigen Punkte des- selben ableiten, so ändert sich dadurch, so viel zu sehen ist, nichts. Ver- binden wir aber nun den anderen Leitungsdraht mit einem Thomson’schen Quadrant-Elektrometer, so bekommen wir an diesem einen Ausschlag, der derselbe ist, von welcher Stelle des Drahtes wir auch ableiten mögen, und der der ganzen Kraft eines Daniell’s entspricht. An unserer ganzen Vorrichtung, besonders am Stand des Meniscus wird auch hierdurch keine sichtbare Veränderung herbeigeführt. — Ich habe diesen Versuch nicht wirklich angestellt, und führe ihn mit seinem selbstverständlichen Ergebniss an, weil er die Art des hier bestehenden Gleichgewichtes illustrirt. Der Versuch ist in Wirklichkeit vor fünf Jahren von meinem Freunde, Hrn. Franz Exner, Professor der Physik an der hiesigen Universität, an zwei Daniell’schen Elementen angestellt worden, die durch Drähte mit einander zu einem Kreise verbunden waren. Dieser Kreis war stromlos, wegen der gleichen und entgegengesetzten Kraft der beiden Elemente, deren eines, bei der obigen Anordnung, in Allem und Jedem durch das Capillar-Elektro- meter ersetzt ist. Hr. Franz Exner hat, wie aus der Darstellung, die er von diesem Versuche in seiner Abhandlung „Die Theorie des galvanischen Elementes“ (Wiener akad. Sitz. Ber., 82. Bd., 2. Abth. 1880) auf S. 419 giebt, den Versuch nur aus dem Grunde mit zwei Daniell’schen Elementen angestellt, weil ihm kein Voltameter zur Verfügung stand, welches, wie das Capillar- Elektrometer, den Strom des einen Daniell wirklich, und mit absoluter Ge- nauigkeit zu Null compensirt — denn auch bei dem Versuch, wie ihn mein Freund damals anstellte, war der zweite gegengespannte Daniell nur ein Ersatz, Für Hrn. F. Exner handelte es sich damals um genau denselben Fall, um den es sich mir hier handelt. Der Fall mit den beiden sesen einander geschalteten Daniell’schen Elementen wird sofort klar, wenn man diese Combination als das, was sie wirklich ist, nämlich als ein einziges, nicht geschlossenes Daniell’sches Element mit doppelt so, srossen Kupfer- und Zink-Platten betrachtet. Um dieses Element in sich zu schliessen, müsste man einen Punkt des, die Zinke verbindenden 33. 516 ERNST v. FLEISCHL: Drahtes, mit einem Punkte des, die Kupferplatten untereinander verbinden- den Drahtes, in leitende Verbindung setzen. Dass ein Pol eines offenen Elementes, dessen zweiter Pol zur Erde abgeleitet ist, eine freie Spannung zeigt, welche dem ganzen Unterschiede der Spannungen an den beiden Polen dieses Elementes gleich ist — das ist ja ganz allgemein bekannt. Da nun ein, in den Schliessungsbogen eines Daniell’schen Elementes ge- setztes Capillar-Elektrometer ganz und gar dieselbe Rolle spielt, bezüglich des, vom Elemente ausgehenden Stromes, wie ein, in diesen Schliessungs- bogen verkehrt eingeschaltetes zweites Daniell’sches Element, so hat man, dem eben Gesagten zufolge volles Recht, die Sache so aufzufassen, dass das Capillar-Elektrometer den Stromkreis, in den es ein- geschaltet wird, zerreisst, ihn in einen nicht in sich ge- schlossenen verwandelt. Auch bei dieser Betrachtungsweise bleibt über die Berechtigung des Schlusses, den ich aus meinen Versuchen am Capillar-Elek- trometer über den interpolaren Elektrotonusstrum ziehe, kein Zweifel bestehen. Es ergiebt sich also aus der Betrachtung des früher erwähnten Falles der Vernichtung einer, als Bewegung von Materie sich äussernden leben- digen Kraft, mittels eines Ruhe erzwingenden Widerstandes, der, in der Deformation die er hierbei erfahren, ein dauerndes Denkmal geworden ist für den Betrag der damals von ihm vernichteten lebendigen Kraft, indem es Jedem, der aus der Grösse der Deformation die hierfür verbrauchte Arbeit zu bestimmen vermag, auch die Grösse der lebendigen Kraft verkündet, - die jener Arbeit eben gewachsen war — aus der Betrachtung dieses Falles ergiebt sich, wie wir gesehen haben, nach allgemeinen mechanischen Grundsätzen dasselbe Resultat, welches auch der Versuch mit der Polari- sationszelle im Kreise der Kette und des Capillar-Elektrometers ergeben hat. Dieser Versuch ist gewiss für diesen Fall sehr beweisend, da er eine so weit gehende Analogie besitzt mit dem eigentlichen Fall, den wir zu betrachten haben, nämlich mit dem des Nerven in gleicher Anordnung; (lass man eigentlich — so lange über die Natur der im Nerven zu suchenden, vom polarisirenden Strome abhängigen Kraft: keine nähere Annahme ge- macht ist — einen Unterschied zwischen beiden Fällen gar nicht auffinden kann. Wegen dieser Beziehung zu einem, ohne nähere Betrachtung nicht zu erledigenden Bedenken, das jedoch für die Beurtheiluig der experimen- tellen Grundlagen dieser Untersuchung sehr bedeutsam scheint, habe ich die Betrachtung dieses Falles der Polarisation nicht entbehren können; nachdem er uns geholfen hat, das erwähnte Bedenken völlig zu beseitigen, hat der besagte Fall unser Interesse erschöpft, wir bedürfen und erwähnen seiner nicht weiter, was ausdrücklich gesagt wird, um jegliche Vermuthung, als sei dieser Fall zum Behufe und als Einleitung einer Discussion von Theorien des Elektrotonus herangezogen worden, von vornherein zu beseitigen. STUDIEN ÜBER DEN FLEKTROTONDS. 517 Eine solche Discussion ist — wie ich schon oben angedeutet habe auf Grund der einen, hier mitgetheilten Thatsache gewiss noch nicht an der Zeit, wie Jeder daran bemerken kann, dass bei dem Versuche einer Verknüpfung dieser Thatsache mit dem bisherigen Besitz an hypothetischen Vorstellungen über den Elektrotonus, sich ihm sofort nachweisliche Fragen auf- drängen werden, auf welche die Antwort nicht bekannt ist. Diese Fragen sind es eben, welche hauptsächlich in den Versuchen, die im zweiten Theile zu beschreiben sind, ihre Antwort finden; und von denen ich in diesem ersten Theile noch ganz zu schweigen beschlossen habe, obwohl die eine und die andere von ihnen experimentell bereits erledigt ist, weil ich eben eine systematische Behandlung des Stoffes für den zweiten Theil vorhabe, und dort zu Wieder- holungen dessen gezwungen wäre, was ich hier, noch Weiteres anticipirend, vorbringen würde. Dass ich nicht mit der Veröffentlichung überhaupt gewartet habe, bis ich mit Allem fertig war, hat ausser Motiven privater Natur auch die Gründe, dass mir erstens die hier mitgetheilte Thatsache so unerwartet und merkwürdig erscheint, dass vielleicht schon dieser Umstand ihre isolirte Mittheilung und Besprechung rechtfertigt, zweitens aber lassen sich bei der Erörterung der Versuchsbedingungen an diese Thatsache — wie wir ge- sehen haben — Regeln für physiologische Experimente mit dem Capillar- Elektrometer, und Grundsätze über die Beurtheilung der Ergebnisse solcher Experimente leicht und übersichtlich anknüpfen; und es wird erwünscht sein, sich auf diese Regeln und Grundsätze in der späteren Darstellung einfach berufen zu dürfen. Hierfür aber ist es wichtig, aus der Aufnahme, welche dieser erste Theil findet, zu erfahren, ob diese Standpunkte wirklich als hinreichend befestigt angesehen, und also künftig ohne Weiteres ein- genommen werden dürfen. Der Redensart, welcher man am Schlusse von vorläufigen oder frag- mentarischen Mittheilungen so oft begegnet: „ich behalte mir . . . vor“ kann ich weder Sinn noch Berechtigung beimessen, und ich glaube, dass eine Andeutung über den Weg, den man zunächst einzuschlagen gedenkt, nur den Zweck haben kann, den Einfluss des Zufalls einzuschränken, und es Jedem in sein Belieben zu stellen, ob er Einen auf dem angegebenen Weg begleiten, begegnen oder vermeiden will. Nur in dieser Absicht be- zeichne ich als Gegenstand der, für den zweiten Theil bestimmten, theilweise schon durchgeführten Versuche: die gleichzeitige Anwendung zweier Capillar- Blektrometer auf die Fragen des inter- und extrapolaren Elektrotonus, in dem Sinne, dass die bekannten, mittels Intensitätsmessung zu unserer Kenntniss gelangten Veränderungen im elektromotorischen Verhalten gewisser "Theile lebender Nerven, nun einer Prüfung und Messung durch die elektrische Capillare unterzogen wurden, oder werden sollen. Von den Experimenten, 518 Ernst v. FLEISCHL: STUDIEN ÜBER DEN ELEKTROTONDS. welche ich mit diesem neuen Behelfe zu wiederholen beschloss, sind auch solche, die eine gleichzeitige Untersuchung des Grades der Erregbarkeit involviren, nicht ausgeschlossen, ebensowenig jene Gruppe, welche sich mit der Rückwirkung dauernder Erregung auf polarisirende Ströme befasst, wie z. B. das bekannte Experiment von Hrn. Gruenhagen, bei welchem der Nerv an seinem einen Ende tetanisirt wird, und viele andere. Nur eine Beschränkung habe ich mir auferlegt, von deren Art und Beweggrund ich auch schon gesprochen habe: es ist die Beschränkung auf die Beobachtung stationärer Vorgänge oder Zustände. Sie hat übrigens ausser dem, am Anfang des $ 3 angegebenen Grunde, einen weiteren Grund auch noch darin, dass behufs einer Anwendung des Capillar-Elektrometers auf die flüchtigen und wechselnden Zustände, unmittelbar nach der Einwirkung salvanischer Ströme auf die irritablen Gebilde, vorerst noch wieder eine Reihe physikalischer und methodischer Fragen gelöst werden müssten. Hingegen habe ich Versuche an lebenden Muskeln, welche durch gewisse Angaben über stationäre elektromotorische Veränderungen dieser Gebilde nahe gelegt waren, in den Plan meiner Untersuchung mit aufgenommen, deren ersten Theil ich hiermit schliesse. Der zweite Theil wird in kurzer Zeit nachfolgen. Untersuchungen über den Stoffwechsel isolirter Organe. L. Ein Respirationsapparat für isolirte Organe. Von Max von Frey und Max Gruber. (Aus deın physiologischen Institut zu Leipzig.) (Hierzu Taf. IV.) Die Methoden, welche zum Studium des Stoffwechsels isolirter Organe bisher in Anwendung gekommen sind, machen stets nur einen Theil des Processes der Messung zugänglich. Es handelte sich entweder um die Bestimmung des Gasaustausches zwisehen Blut und Gewebe und man schloss auf dessen Grösse aus der Analyse von Stichproben, welche dem künstlich eingeleiteten Blute vor und nach dem Durchtritt durch das athmende (Gewebe entnommen waren, wie dies Ludwig und Schmidt! zuerst gethan haben. Bei der Schärfe der gasometrischen Bestimmungen werden hierbei selbst kleine Aenderungen noch bemerklich, von einen Nachweis nicht gas- förmiger Producte muss hingegen Abstand genommen werden. Oder die Untersuchung war gerade auf diese nicht flüchtigen Umsetzungsproducte gerichtet. Dann wurde, der Analyse wegen, eine beschränkte Blutmenge wiederholt durch das Organ geführt und nach jedem Durchgang von neuem arteriell gemacht — wir erinnern an die Arbeiten von Bunge und Schmiedeberg,? v. Schröder? u. A. Hierdurch wurde eine Anhäufung der gewünschten Producte erzielt, auf die Messung des Gaswechsels aber verzichtet. 1 Arbeiten aus der physiologischen Anstalt zu Leipzig. 1868. 8.1. ? Archiv für experimentelle Pathologie. Bd. 6. S. 233. ® Ebenda. Bd, 15. 8. 364, 520 Max von FREY UnDp MAx GRUBER: Ohne den grossen Werth der Resultate, welche durch jede der beiden Verfahrungsarten gewonnen sind, in Frage zu stellen, muss doch behauptet werden, dass eine erschöpfende Kenntniss des Stoffwechsels ausgeschnittener Organe sich durch dieselben nicht wird erzielen lassen. Es kann die Vor- aussetzung nicht gemacht werden, dass die beiden Abschnitte des Stoff- wechsels welche einzeln zur Beobachtung gelangten, ohne gegenseitige Beeinflussung nebeneinander herlaufen. Es zeigen die Versuche von Minot,! dass die Natur und Menge der auftretenden Zersetzungsproducte von dem Gas- gehalte der durchgeleiteten Flüssigkeit abhängig ist, ohne dass es bis jetzt mög- lich wäre über die Art der Abhängigkeit Genaueres auszusagen. Auf der anderen Seite lehren die Untersuchungen von Walter? und von Meyer? dass der Gasgehalt des Blutes unter dem Einfluss fremder Substanzen bedeutenden Schwankungen unterliegt, so dass die Erschliessung des Gas- wechsels aus einer Folge von Blutanalysen nur unter gewissen Bedingungen zulässig sein wird. Diese Erwägungen bestimmten uns die Herstellung eines Apparates zu versuchen, welcher sämmtliche Producte die der Stoffwechsel des aus- geschnittenen und künstlich durchgeleiteten Organes liefert, der Untersuchung zugänglich macht. Es sollte wie in der zweiten eingangs erwähnten Methode zum Zwecke der Anhäufung der nicht gasföürmigen Producte nur eine mässige Menge Blut zu oft wiederholten Malen zur Durchleitung gelangen, ihre Arterialisirung aber stetig und in solcher Weise bewerkstellist werden, dass die gesammten ausgetauschten Gasmengen gemessen werden konnten. Mit anderen Worten, es sollte in den durch eine Triebkraft hergehaltenen Kreislauf des Blutes ausser dem isokirten Organ noch eine Einrichtung aufgenommen werden, welche die Lunge zu ersetzen im Stande war. Wir lösten diese Aufgabe, indem wir das Blut in dünner Schichte an den Wänden eines abgeschlossenen Luftraumes ausbreiteten, aus dem es Sauer- stoff aufnehmen und in den es seine Kohlensäure abgeben konnte. Das wieder hellroth gemachte Blut sammelte sich noch innerhalb des Raumes, aus welchem es durch eine Saug- und Druckpumpe in die Gefässe des Organs zurückgeführt wurde, ohne dass es auf dem Wege weiter Gelegen- heit fand, seinen Gasgehalt zu verändern. Die einzelnen Stücke des Appa- rates sollen im Folgenden genauer beschrieben werden. Eine schematische Abbildung giebt die angeheftete Tafel. Der Ueber- sichtlichkeit halber sind die hintereinander befindlichen Stücke des Apparates übereinander gezeichnet. ! Arbeiten aus der physiologischen Anstalt zu Leipzig. 1876. 8.1. 2 Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmakologie. Bd. VII. 3. 148. ® Ebenda. Bd. XII. S. 70. — Bd. XIV. S. 313. — Bd. XVII 8. 304. nn —— — UNTERSUCHUNGEN ÜBER DEN STOFFWECHSEL ISOLIRTER ORGANE. 521 Die künstliche Lunge. Ein Glaseylinder von 70°® Höhe und 14°” lichtem Durchmesser (G der Tafel) wird durch einen flachen Deckel und einen ausgebauchten Boden zu einem hohen flaschenähnlichen Gefäss geschlossen. Deckel und Boden sind aus starken Hartgummimassen geformt und haben mit Kaut- schuk gefütterte Falze zur Aufnahme der eben abgeschliffenen Ränder des Glaseylinders. Vier über 70 ® lange, mit Gewinden und Muttern versehene Eisenstäbe, welche m den Boden eingeschraubt sind und durch Bohrungen des Deckels gesteckt werden, dienen dazu, die drei Stücke der Flasche fest aufeinander zu pressen und den Verschluss luftdicht zu machen. Deckel und Boden haben in der Axe der Flasche breite kreisförmige Ausschnitte oder Spunde und tragen gusseiserne, drehrunde Tubuli (T der Tafel), welche auf den Hartgummimassen aufgeschraubt und verkittet sind. Die kurzen Hälse der Tubuli ruhen auf je einem Paar fixer Rollen als Lager (in der Tafel nicht gezeichnet), in welchen sie sich sehr leicht drehen und welche so versetzt sind, dass die Axe der Flasche nicht ganz horizontal zu liegen kommt. Sie bleibt so viel geneigt, dass das venöse Blut, welches durch den oberen Spund einträufelt, an der Wand des Cylinders langsam gegen den Boden herabfliesst und sich in der Ausbauchung ansammelt, aus welcher es wieder abgesaugt werden kann. Wird nun gleichzeitig die Flasche in ihren Lagern in Drehung versetzt, so breitet sich das Blut in einer dünnen Schiehte auf der ganzen inneren Oberfläche der Flasche aus, wobei ein energischer Gasaustausch stattfindet. An der drehenden Bewegung dürfen offenbar die Rohre, welche das Blut zu- und abführen, nicht theilnehmen; sie sind daher eingekittet in zwei gusseiserne Scheiben (S,, S,), welche in die Falze der Tubuli eingelassen, dieselben verschliessen, dabei aber durch einen vorspringenden Dorn gehindert werden, die drehende Bewegung mit- zumachen. Sind die Flächen der Tubuli und der Scheiben, welche aufein- ander gleiten, gut abgeschliffen, mit Vaseline gefettet und wird ausserdem jede Scheibe durch eine Metallfeder in ihren Falz hineingedrückt, so erhält man einen Verschluss, der selbst für beträchtliche Ueberdrucke im Inneren der Flasche dieht ist und dabei der Drehung geringe Reibungswiderstände entgegenstellt. Die sorgfältige Ausführung dieses wesentlichen Theiles des Apparates verdanken wir den HH. Baltzar und Schmidt in Leipzig. Die in der Flasche eingeschlossene mit dem Blut verkehrende Luft bedarf ebenso wie die Lungenluft zur Erhaltung ihrer ursprünglichen Zu- sammensetzung einer Ventilation. Wir bedienten uns einer Vorrichtung, welche dem Apparate von Regnault und Reiset! nachgebildet ist. Zwei ! Annalen der Chemie und Pharmakologie. 1850. Bd. LXXIH. S. 92, 522 Max von FREY UND MAx GRUBER: weite Glasröhren von gleichem Durchmesser und mit ausgezogenen Enden heben und senken sich abwechselnd in Quecksilber und wirken durch Ver- mittlung von Flüssigkeitsventilen als Saug- und Druckpumpen; sie saugen die Luft aus dem oberen Ende der Flasche, durch eine Bohrung in der Verschlussscheibe des Deckels, und drücken sie in das untere Ende zurück durch eine Bohrung in der Verschlussscheibe des Bodens. Beide Acte geschehen in Folge des alternirenden Ganges der beiden Pumpen gleich- zeitig, d. h. so viel Luft als die eine Pumpe aus der Flasche zieht, so viel treibt die andere in sie hinein; es wird also eine Circulation der Luft her- gestellt, ohne dass das Gesammtvolumen des Raumes sich ändert und ohne dass Druckschwankungen entstehen. Beschickt man die Flüssigkeitsventile mit Barytwasser, so kehrt die Luft kohlensäurefrei in die Flasche zurück, womit die eine Aufgabe der Ventilation erfüllt ist. Die andere Aufgabe, die Zuführung von Sauerstoff als Ersatz für den vom Blut absorbirten, findet nach Regnault und Reiset bekanntlich dadurch statt, dass von einem unter constantem Druck gehaltenen Sauerstoffvorrath kleine Mengen in den Athmungsraum übertreten, sobald in letzterem der Druck sinkt. Die Einrichtung wird um so empfindlicher arbeiten, je kleiner der Ath- munssraum ist. Wir bestrebten uns dieser Forderung nachzukommen, indem wir die Luftwege so eng machten, als es ohne Störung der Aufgaben des Apparates geschehen konnte. Die wichtigste Raumersparniss bewirkte ein Cylinder aus starkem Eisenblech, der gewissermaassen den Kern der rotirenden Flasche darstellt. Er wurde in seiner Lage erhalten, einmal durch eine feste Verbindung mit dem Deckel der Flasche, von welchem er abgeschraubt werden konnte und dann durch vier vorspringende Kautschuk- füsschen, mit welchen sein freies Ende den Glascylinder berührte. Diese Vorrichtungen sind in der Tafel als unwesentlich nicht gezeichnet. Die Benetzung des Fülleylinders mit Blut muss vermieden werden, weil sich sonst Flüssigkeitsbrücken zwischen dem Glas- und Eiseneylinder bilden, welche von dem ventilirenden Luftstrom zu Schaum zerschlagen sehr bald in die Luftwege eindringen. Der Eisencylinder erhielt zu dem Ende, nach- dem er vollständig gedichtet und mit Oelfarbe gestrichen war, noch einen dünnen Ueberzug von Paraffin, der zuweilen erneuert wurde Durch den Fülleylinder wird der Binnenraum der Flasche von 15.4 Liter auf 6.2 Liter verringert, während die vom Blut benetzte Oberfläche unverändert blieb. Der gesammte Inhalt der Lufträume des Apparates betrug 7500 Cm. Die Messung des Gaswechsels. Sobald der Druck im Athmungsraum sinkt, dringt Sauerstoff! aus dem (sasometer nach, der nun seinerseits durch eine gleiche Menge der ab- UNTERSUCHUNGEN ÜBER DEN STOFFWECHSEL ISOLIRTER ÖRGANE. 523 sperrenden Flüssigkeit verdrängt wird. Dabei wird die Mündung der Mariotte’- schen Flasche frei, es tritt Flüssigkeit aus und der ursprüngliche Druck des Sauerstoffs wird wieder hergestellt. Man misst also den Sauerstoffeonsum unter Berücksichtigung der Temperatur und der Barometerhöhe durch die Menge der Sperrflüssigkeit, welche aus der in Cubikcentimeter getheilten Mariotte’schen Flasche abgeflossen ist. Es ist bequem zwei solcher Flaschen zu haben, um sie rasch auswechseln zu können. Als Sperrflüssigkeit verwen- deten wir eine concentrirte Lösung von Chlorcaleium, damit eine Verun- reinigung des Sauerstoffs während der Dauer des Versuchs möglichst ver- mieden wurde. Der austretende Sauerstoff passirte ein Chlorealeiumventil (V), welches eine Diffusion zwischen Athmungsraum und Gasometer ver- hinderte und endlich noch ein Chlorcaleium-Manometer (M,) an welchem der Druck im Athmungsraum abzulesen war. Man kann diesen Druck reguliren durch Aenderung des Druckes im Gasometer. Wir hielten ihn während der Versuche stets auf 1—2"" He gleich 10—20 "m Chlorcaleium- lösung. Kleine Schwankungen des Druckes innerhalb einer Versuchsperiode bedingen eine Correctur der Sauerstoffmessung, welche für jeden Millimeter CaCl, =0.1"”m Hg 1m Sauerstoff beträgt (s. auch Anhang zum Il. Theil). Eine weitere Correetur wird erforderlich, wenn die Temperatur der cireulirenden Luftmasse nicht constant bleibt. Die Thermometer Th, und Th, geben darüber Auskunft. Bei Erniedrigung der Temperatur um 0.1° C. vermindert sich das Volumen der Luftmasse um 7°%),,,, = 2.7”, d.h. dieselben werden aus dem Gasometer ausgesaugt. Umgekehrt wird beim Steigen der Temperatur eine entsprechende Menge Sauerstoff von ihrem Ein- tritte zurückgehalten. Auch auf diese Fälle muss Rücksicht genommen werden. Endlich bringt die Construction des Apparates noch eine dritte Ver- änderliche in’s Spiel, welche den Zustrom des Sauerstoffs zu beeinflussen im Stande ist. In den Raum der rotirenden Flasche theilen sich Blut und Luft; es muss daher jede Verminderung der circulirenden Blutmenge einen Druckabfall im Athmungsraume, eine Vermehrung derselben eine Drucksteigerung zur Folge haben. | Daraus erwächst die Nothwendigkeit den Blutgehalt der Flasche jeder- zeit bestimmen zu können. Diesem Zwecke dient das weite mit '/, proc. Kochsalzlösung gefüllte Rohr X, welches durch die Verschlussscheibe des Bodens gesteckt ist und gleich dem Saugrohr der Spritze bis in die Aus- bauchung des Bodens hinabreicht. Ausserhalb der Flasche gabelt es sich in zwei Schenkel. Der eine Schenkel ist ein Manometer, dessen Luftsäule mit dem Binnenraum der Flasche communicirt; der Meniscus des Mano- meters wird sich also stets auf die Höhe des Blutniveau’s in der Flasche einstellen. Wiederholte Aichungen stellten fest, dass eine Aenderung von Ivn im Stande des Meniscus einer Zu- oder Abnahme der vorräthigen 524 MıAx von FREY Un MAx GRUBER: Blutmenge im Mittel um 6°® entsprach. Der andere Schenkel des Rohres K führte zu einer Mariotte’schen mit derselben Kochsalzlösung gefüllten Flasche, deren Zweck es ist, den Verlust an Serum zu ersetzen, den das Blut bei länger dauernden Durchleitungen in Folge von Transsudation erleidet. Hievon wird bei der Besprechung des Blutkreislaufes noch die Rede sein. Die Gase, welche dem Blut mit diesen kleinen Mengen von Salzlösung zugeführt werden, können vernachlässigt werden. Es ist endlich noch nöthig sich zu überzeugen, ob die Absicht des Versuches stets dieselben procentischen Mengen von Sauerstoff und Stickstoff in der Athmungsluft zu erhalten, verwirklicht ist. Zu dem Ende ist in eines der Ventilationsrohre ein Vierwegstück mit kleinen Glaskugeln (Luft- proben der Tafel) aufgenommen. Die verbindenden Schlauchstücke einer Kugel konnten in jedem beliebigen Zeitmoment vierfach abgeklemmt, die Kugel herausgeschnitten und das Gas behufs Analyse in zwei Endiometer übergeführt werden. Auch jenseits der Barytventile wurden zuweilen Luft- proben entnommen um sich zu überzeugen, dass die Kohlensäure bis auf Spuren absorbirt war. Die Messung der absorbirten Kohlensäure geschah durch vergleichende Titrirung der ungebrauchten und der gebrauchten Baryt- lösungen, wobei die in den einzelnen Fläschchen vertheilten Mengen ver- einigt wurden. Die Menge von Kohlensäure, mit welcher die aus der Flasche tretende Luft beladen war, ergab sich aus der Analyse der eben erwähnten Luftproben und wurde in der Regel zu einigen Zehntel Procent gefunden. Nimmt man an, was wohl richtig sein wird, dass die Luft, indem sie über das Blut streicht, sich proportional der zurückgelegten Wegstrecke mit Kohlensäure bereichert, so wird der procentische Gehalt der gesammten cireulirenden Luft gleich der Hälfte des Kohlensäuregehaltes der Probe zu setzen sein. Diese Ueberlegung ist wichtig, wenn man ein Urtheil über die Grösse des Fehlers zu gewinnen sucht, welcher für die Messung der neugebildeten Kohlensäure dann entsteht, wenn der Gehalt der kreisenden Luft sich ändert. Solche Aenderungen müssen aber vor- kommen, da die Ventilation des Apparates, ungleich der des thierischen Organismus, stets mit gleicher Geschwindigkeit sich vollzieht, und sie finden auch in den Analysen der Luftproben ihren deutlichen Ausdruck. Es ist namentlich das rasche Absinken der Kohlensäureproduction in den Versuchen bei Körperwärme bis auf die Hälfte des anfänglichen Werthes, welches zu einer Verminderung des Kohlensäuregehaltes der eireulirenden Luft führen musste. Die beiden bedeutendsten Abfälle dieser Art die beobachtet wurden, fanden statt in den Versuchen vom 21. Mai 1884 von 0.44°/, auf 0.01°/,CO, in 3° Stunden und 16. Juni 1884 von 0.420, auf 0.07°/,CO, in 3 Stunden. un — UNTERSUCHUNGEN ÜBER DEN STOFFWECHSEL ISOLIRTER ORGANE. 525 Der Kohlensäuregehalt: der eireulirenden Luft wird also nach obigen Betrachtungen 0-43 am 21. Mai 1884 in 3 Stunden oder 6 Versuchsperioden um —- = 0.2150], d. h. innerhalb einer Periode um 0,036°/, = 75 x 0.0836 — 2.7 m (uncorrig.) abgenommen haben, und ebenso 255 ! ! am 16. Juni 1884 um „ = 0.175°/, in 6 Perioden; innerhalb einer Periode um 0.029°/, = 2,2 “m (uncornieirt). Diese Mengen müssen von der in den Barytventilen absorbirten Menge abgezogen werden. In allen übrigen Versuchen waren die Veränderungen viel geringer. Es war wünschenswerth, dass am Ende jeder Versuchsperiode die Ab- wechselung der Barytlösungen rasch und ohne Unterbrechung der Luft- zu den Quecksilberpumpen CC ee von zu der künstlichen Lunge Fig. 1. eireulation vor sich gehen könne. Zu dem Ende waren acht Ventilfläschehen in den Apparat aufgenommen, von welchen durch Drehung einiger Hähne die eine oder die andere Hälfte aus der Röhrenleitung ausgeschaltet oder in sie eingeführt werden konnte. Der Uebersichtlichkeit halber ist in der Tafel nur die eine Hälfte der Vorrichtung gezeichnet und dafür in obenstehendem Schema (Fig. 1) die Anordnung gegeben, in welcher die acht Ventillläschchen einer- seits, mit den Quecksilberpumpen anderseits, mit der rotirenden Flasche ver- bunden waren. Es wird aus derselben leicht ersichtlich sein, dass durch Drehung von geeignet vertheilten Hähnen entweder die Ventile 1, 2, 5, 6. oder 3, 4, 7, S dem Luftstrom eröffnet werden können. Die für die Dauer einer Ver- suchsperiode ausgeschalteten Ventile konnten mit Musse geöffnet, die Fläsch- chen mit neuer Bösung beschickt und wieder geschlossen werden, um bei dem nächsten Wechsel ihrerseits an die Reihe zu kommen. Es wurde auf 526 Max von FREY unD MAx GRUBER: diese Weise während jeder Versuchsperiode ein abgetrennter Theil des Apparates von etwa 200°® Rauminhalt in Verkehr mit der Luft gesetzt, was unbedenklich geschehen kann, solange die procentige Zusammensetzung der eirculirenden Luft der atmosphaerischen gleich ist. Besteht ein Unter- schied in beiden, so wird ein Verlust oder Gewinn von Sauerstoff für die Athmungsluft herbeigeführt, der für je 0-1°/, abweichender Zusammen- setzung 0.15 m Sauerstoff beträgt. Recapituliren wir die verschiedenen Bestimmungen und Correcturen, welche wir zur Messung des Gaswechsels innerhalb einer halbstündigen Versuchsperiode als nothwendig gefunden haben, so ergeben sich folgende Ablesungen und Handgriffe, welche halbstündig wiederholt werden müssen: Ablesung der Thermometer Z%, und 7%,, des Chlorcaleiummanometers M, und des Kochsalzmanometers X. Unmittelbar darauf wird die Ma- riotte’sche Flasche am Sauerstofigasometer abgeklemmt, durch eine gefüllte ersetzt, und die Menge der abgeflossenen Lösung abgelesen. Durch Dre- lung der Glashähne werden nun die abgesperrten Barytventile mit dem Apparat in Verbindung gesetzt, dagegen die eben gebrauchten Ventile ausgeschaltet, geöffnet, die Barytlösung gesammelt und gut verschlossen für die Titration zurückgestellt. In die Ventile wird neue Lösung einge- füllt. In geeigneten Intervallen, jedenfalls aber zu Anfang und zu Ende des Versuches werden Luftproben abgenommen und in Endiometer über- gefüllt. Am Schluss des Versuches wird auch aus dem Sauerstoflgaso- meter eine Probe entnommen. Der küustliche Blutstrom. Das Blut sollte fortwährend kreisen und nur an zwei Orten, in dem athmenden Gewebe und in der künstlichen Lunge, Gelegenheit haben seinen Gasgehalt zu verändern. Seine Bewegung musste daher in geschlossener, diffusionsdichter Bahn geschehen. Die ununterbrochene Cireulation wurde durch eine kleine, 10°®@ fassende Injectionsspritze. vermittelt, welche durch zwei Ventile in eine Saug- und Druckpumpe umgewandelt war. Die Ein- führung des Saugrohres in den Sammelraum der künstliehen Lunge ist bereits oben geschildert worden. Die kleine Spritze, deren Stempel sorg- fältig gearbeitet und stets gut in Stand gehalten werden muss, ist an einem Stativ festgeschraubt. Ein Excenter, der an derselben Welle an- gebracht war, von welcher aus die künstliche Lunge und die Quecksilber- pumpen in Gang gesetzt wurden, führt den Stempel auf und nieder; die Grösse der Exeursion konnte durch Verstellung des Excenters variirt und die gewählte Einstellung an einem Maassstabe abgelesen werden. Es wurde sodann eine Tabelle angefertigt, in welcher für jeden Theilstrich des UNTERSUCHUNGEN ÜBER DEN STOFFWECHSEL ISOLIRTER ÖORGANE. 527 Maassstabes die ausgeworfene Blutmenge, durch wiederholte Aichung be- stimmt, verzeichnet war. Daraus ergiebt sich die Blutmenge, welche die Spritze in der Zeiteinheit liefert durch eine einfache Multiplication, wenn die Umdrehungszahl der Welle bekannt ist. Bei unseren häufigen Zäh- lungen hat sich herausgestellt, dass dieselbe ausserordentlich constant ist, woraus folgt, dass die Regulirung der Gaskraftmaschine, welche den Motor des Institutes darstellt, eine sehr vollkommene ist. Die Spritze war mit einem 7’-Rohr verbunden, dessen horizontaler Schenkel zwischen die beiden Ventile, das Saug- und Druckventil, aufge- nommen war. Wir haben uns dieselben folgendermaassen hergestellt. Ein enges Glasrohr wird an zwei Stellen ein wenig ausgezogen und hierauf an einem Ende zugeschmolzen (s. Fig. 2). An einer Seite wird sodann ein Loch ausgeblasen, dessen Ränder glatt geschmolzen und auf: dem Schleif- stein eben geschliffen werden. Nun wird über das Glasrohr ein Stück dünnen Kautschukschlauches gezogen und zu beiden Seiten der Oeffnung Fig. 2. in den verengten Stellen festgebunden, der Schlauch endlich selbst der Länge nach angeschnitten, aber nicht über der Oeffnung des Glasrohres, sondern ihr gegenüber. Das Ganze wird in ein weiteres Glasrohr gesteckt. Je nach der Richtung des Druckabfalles wird entweder der Schlauch auf die Oeffnung gepresst und dieselbe verschlossen oder das Blut dringt durch die Oeffnung des Glases unter den Kautschuck und durch die Schnittstelle hervor. Die Bluttemperatur. Da es wünschenswerth war, dass man in der Wahl der Bluttemperatur nicht beschränkt sei, andererseits aber der Gas- messung halber das Blut in der künstlichen Lunge die Temperatur des Zim- mers haben musste, so entstand die Aufgabe die Temperatur des grossen Kreislaufes unabhängig zu machen von der des kleinen. Dies ist der Sinn der Schlangenrohre, die man in der Tafel gewahrt. Das isolirte Organ, das zur Durchleitung kommt, wird durch ein Wasserbad auf constanter übrigens beliebiger Temperatur gehalten. Die Temperatur des einfliessenden arte- riellen Blutes wird geregelt durch einen Vorwärmer, die Temperatur des ausfliessenden venösen Blutes wird stets wieder auf das Niveau der Zimmer- temperatur gebracht durch einen Kühler mit Wasserspülung. Die Constanz der Temperaturen im Vorwärmer und Wasserbad wurde durch empfindliche Regulatoren gewährleistet, die wir uns nach Andreae’s 528 Max von Frey UnD MAx GRUBER: Angaben! anfertieten und mit Aether beschickten. Die Wasserspülung des Kühlers kann man bei einiger Aufmerksamkeit mit der Hand befrie- digend reguliren, doch ist es auch hier besser, wenn man sich einer auto- matischen Vorrichtung bedient. Dieselbe bestand in einem Temperaturregulator ganz derselben Art wie die obigen, nur war er statt mit Aether mit Aethyl- chlorid, Siedepunkt 10° C., gefüllt. Das im offenen Schenkel steigende Quecksilber schloss einen elektrischen Strom, der durch Vermittelung eines Elektromagnetes das Zuflussrohr des Kühlwassers öffnete, bei Oeffnung des elektrischen Stromes wieder schloss. Die Einrichtung wird durch Fig. 2 auf Taf. IV sofort verständlich werden. In einen Schenkel eines weiten T-Rohres war das Zuflussrohr eingesetzt. Durch den anderen Schenkel ragte das Ende eines Winkelhebels herein, welches das mit Kautschuk gefütterte Knöpfchen zur Verschliessung des Zuflussrohres trug. Das Wasser floss durch den dritten Schenkel in den Kühler ab; um zu verhindern, dass es an der Axe des Winkelhebels vorbei ausströmte, war über das obere Ende des Z-Rohres die Hälfte eines kleinen Kautschukballons gestülpt und festgebunden. Das freie Ende des Winkelhebels trug den Anker des Elektro- maenetes und die entgegenwirkende Spiralfeder. In den Weg des Blutes waren ausserdem noch aufgenommen: Glas- kugeln zur Entnahme von Blutproben, eine kleine Kugel (7. der Tafel), welche eventuell mitgerissene Luftbläschen auffangen sollte, ein arterielles und ein venöses Quecksilbermanometer, ferner drei Thermometer, welche so vertheilt waren, dass eines von dem arteriellen Blute unmittelbar vor seinem Eintritt, das zweite vom venösen Blut unmittelbar nach seinem Austritt aus dem Organ umspült wurde. Ein drittes liess die Wirkung des Kühlers controliren. Endlich waren noch sieben Glashähne über die Röhrenleitung vertheilt, von deren Zweck später die Rede sein wird. Als ein Bestandtheil des Blutkreislaufes muss endlich in gewissem Sinne auch das Kochsalzrohr X mit seinen Anhängen aufgefasst werden, insofern, als es einerseits Fehler in der Sauerstoffmessung, welche durch Unregelmässigkeiten im Blutstrom entstehen, zu corrigiren gestattet, ander- seits durch Zufuhr von Kochsalzlösung einer Verminderung des kreisenden Blutquantums entgegenarbeitet. Wir haben dieser beiden Aufgaben bereits oben gedacht und erwähnt, dass durch Transsudation von Serum eine Verminderung des Blutes ent- stehen kann. Es könnte hiernach scheinen, als ob mit der Lösung der zweiten Aufgabe auch die erste erledigt wäre. Es giebt aber noch eine andere Ursache für Unregelmässigkeiten im Blutstrom, deren Compensation durch Zufuhr von Kochsalzlösung nicht möglich und auch nicht angängig i Wiedemann’s Annalen u.s. w. Bd. IV. S. 614. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DEN STOFFWECHSEL ISOLIRTER ÜRGANE. 529 wäre und welche es nöthig macht, dass der Blutgehalt der Flasche der Messung zugänglich sei. Seit den ersten Durchleitungsversuchen von Ludwig und Schmidt! und genauer noch seit den Versuchen von Mosso? an der Niere ist bekannt, dass in durcheeleiteten Organen der Tonus der Gefässe durch mannigfache Ursachen veränderlich ist. In welcher Art die Erscheinung bei unserer Durchleitungsmethode sich äusserte, kann erst im zweiten Theil, bei Gelegenheit der Beschreibung von Versuchen an be- stimmten Organen Gegenstand der Schilderung werden. Hier sei nur besprochen, welchen Einfluss die Verengerung oder Erweiterung der Gefässe auf den Blutstrom in der künstlichen Lunge und damit auf den Gas- druck nehmen musste. Bei der Contraction der Gefässe entledigt sich das Organ eines Theiles des in ihm enthaltenen Blutes, und es muss daher solange die Verengerung fortschreitet, mehr Blut in die Zeiteinheit aus der Vene abfliessen als arterielles Blut von der Spritze eingetrieben wird; es findet eine Anhäufung von Blut in der künstlichen Lunge statt. Bei der Erweiterung der Strombahn füllt sich im Gegentheil das Organ mit Blut auf Kosten des Vorrathes in der Lungenflasche. Während des ersten Actes wird der Druck in der Lunge steigen und der Eintritt von Sauerstoff ge- hindert, während des zweiten Actes sinkt der Druck und der Sauerstoff wird angesaugt und dies alles wird stattfinden ohne Zufuhr von Kochsalz- lösung von dem Rohre X her. Zum Schlusse ist ja das ursprüngliche Gleich- gewicht wieder hergestellt; die aus dem Gasometer übergetretene Menge ‚Sauerstoff wird den totalen Verbrauch auch völlig richtig angeben, die Vertheilune über die Zeit würde aber ohne Correctur falsch sein und daraus ergiebt sich sofort die Nothwendigkeit von dem Blutvorrath in der Lungen- flasche stets unterrichtet zu sein. Es dürfte sich empfehlen hier einem Missverständniss vorzubeugen, das leicht entstehen könnte. Da der Binnenraum der künstlichen Lunge einerseits durch den Sauerstoffgasometer, anderseits durch das Kochsalzrohr K nach aussen flüssig abgeschlossen ist, eine Druckverminderung in der Lunge also das Nachrücken von Sauerstoff und von Salzlösung zur Folge haben muss, so könnte die Befürchtung entstehen, dass der verzehrte Sauer- stoff durch Salzlösung oder auch eine im Organ zurückgehaltene Blutmenge durch Sauerstoff Ersatz finden würde. Eine genauere Verfolgung der an- genommenen Fälle wird aber zeigen, dass die Wirkung beider Ventile un- beschadet nebeneinander zu bestehen vermag. Berücksichtist man, dass der Sauerstoff nie unter einem höheren Drucke als dem des Gasometers eintreten kann, so muss, sobald die Differenz zwischen dem Blutniveau N und Amar 0: SH. ? Ebenda. 1874. 8. 56. Archiv f. A. u. Ph. 1885. Physiol. Abthlg. 34 530 Max von FREY UND MAx GRUBER: dem Kochsalzniveau IV’ grösser wird als dieser Druck, Salzlösung nach- dringen; sie kann daran durch den Sauerstoff nicht gehindert werden. Ist dagegen die Differenz N —N gleich dem Druck im Gasometer, so muss jede Druckverminderung im Lungenraum zum Eindringen von Sauerstoff führen. Es wird also ebensowenig der Zutritt des Sauerstoffs durch die Salzlösung behindert werden können. Dies im Wesentlichen die Bestandtheile, und die Wirkungsweise des Apparates. Es ist selbstverständlich, dass je nach dem Organ das für die Durchleitung ausersehen ist, je nach den besonderen Aufgaben des Ver- - suches Aenderungen vorgenommen werden müssen und es war auch unser Wunsch, unsere Erfahrungen in dieser Richtung zu erweitern. Leider sind wir aber trotz halbjähriger gemeinsamer Arbeit über einige Vorversuche nicht hinaus gekommen, deren Ergebnisse wir zur Vervollkommnung des Apparates benutzt haben. Erst später hat der Eine von uns eine Versuchs- reihe am Hintertheil des Hundes ausgeführt, welche im zweiten Theil dieser Abhandlung mitgetheilt ist. Hier sollen nur noch die den Versuchen vor- ausgehenden Prüfungen und Vorbereitungen des Apparates so wie einige Constanten desselben Erwähnung finden. Die oberste Bedingung, welcher jeder Respirationsapparat genügen muss, ist die, dass er für die in Betracht kommenden Druckdifferenzen dicht sei. So schwierig diese Aufgabe bei der ersten Zusammenstellung eines vielgliederigen Apparates zu sein scheint, so ist sie doch, einmal gelöst, ohne allzugrosse Mühe immer wieder zu erfüllen, selbst wenn der Apparat nach jedem Versuche theilweise zerlegt, gereinigt und wieder zusammen- gestellt wird. Trotzdem sind jedesmal wiederholte Prüfungen unerlässlich. Wir prüften die einzelnen Stücke, dann den gesammten Luftraum des Apparates bei ruhender und bei rotirender Lungenflasche für Druckdifferenzen von einem Meter Wasser und darüber. Die Dichtung der Lungenflasche wurde bereits oben besprochen. Alle übrigen Luftwege waren aus Glas oder Kautschuk hergestellt, wenn man von den Absperrungen durch Salz- lösung, Chlorcalcium und Quecksilber absieht. Wo es thunlich war, wurde Glas verwendet; an den Verbindungsstellen wurden die Röhren aneinander- gestossen. Nur die Verbindungsstücke für die beiden Quecksilberpumpen, für die Luftproben, und für die Verschlussscheiben der Lungenflasche konnten nicht von Glas sein und wurden aus diekwandigem, vulkanisirtem, mit Paraffin getränktem Kautschuk hergestellt. Wir haben endlich um uns von der Diffusions-Dichtigkeit des Apparates zu überzeugen, noch folgenden Versuch angestellt. Es wurde in die Lungenflasche durch einige Zeit Kohlensäure einge- UNTERSUCHUNGEN ÜBER DEN STOFFWECHSEL ISOLIRTER ÜRGANE. D3l leitet, hierauf der Apparat geschlossen, die Flasche in Rotation und die Quecksilberpumpen, deren Ventile mit Wasser beschiekt waren, in Gang gesetzt. Nach 2" 15” wurde eine erste.nach weiteren 3% 45” eine zweite Luftprobe abgenommen. Die Analyse ergab für die 61-917, CO, I Probe 162-0807. r 10% Probe 0129825 „ Ausser diesen vorbereitenden Prüfungen geben aber auch die zu jedem Versuch gehörenden Luftanalysen ein unzweideutiges Kriterium für die Dichtheit des Apparates. Da wir in dem Apparate stets einen geringen Ueberdruck herstellten, so musste jede Undichtigkeit zu einem Verlust von Athmungsluft, zu einem Nachströmen des Sauerstoffes und somit zu einer procentischen Zunahme desselben in den Luftproben führen. Wir haben diese Controle bei keinem Versuche unterlassen. War der Apparat für einen Versuch zusammengestellt und dicht be- funden, so erfolgte die Füllung der Röhre X und der Blutröhren mit Koch- salzlösung. In den Boden der Flasche wurden 100° verbracht und durch Ansaugen sowohl das Rohr X als das Saugrohr der Spritze bis H, gefüllt. Darauf wurde der Hahn H, abgesperrt, von H, aus ein Rohr in ein Ge- fäss mit Salzlösung getaucht, und durch die in Gang gesetzte Spritze das ganze System der Blutröhren bis H, gefüllt, H, blieb geschlossen, die Kanülen für Arterie und Vene des Praeparates wurden durch einen Kaut- schukschlauch verbunden. Da für die Durchleitung eine starke Verdünnung des Blutes nicht erwünscht war, so wurde nach beendeter Füllung die Salzlösung bis auf die benetzenden Mengen wieder abgelassen. Nur die Spritze und ihre beiden Ventile blieben gefüllt um zu verhindern, dass das Blut beim Eindringen in die leeren Ventile zu feinem Schaum zerschlagen wird. Es wird dazu H, geschlossen, H, geöffnet und die Salz- lösung durch H, ausgetrieben. Der Apparat war nun zur Füllung mit Blut vorbereitet; dieselbe soll im zweiten Theil beschrieben werden. Die Menge von Kochsalzlösung die im Apparate zurückblieb, war jedesmal be- kannt und betrug in der Regel 150°”, das ist etwa ein Sechstel der später eingeführten Blutmenge, dieselbe im Mittel gleich 900° m gesetzt. Nach Schluss des Versuchs wurde das Blut behufs Analyse gesammelt. die Lungenflasche zerlegt, die einzelnen Stücke gereinigt und getrocknet. Aus den Röhren wurden die Blutreste durch Kochsalzlösung verdrängt, diese durch Wasser und endlich das ganze System mit 3 procentiger wässriger Carbollösung bis zum nächsten Versuch gefüllt erhalten. Die im Apparat kreisende Blutmenge ist jedesmal zu bestimmen, sie ändert sich mit der Grösse des durchgeleiteten Organs. Ihre Vertheilung lässt sich angeben, 34* 532 voN FREY UND GRUBER: STOFFWECHSEL ISOLIRTER ÜRGANE. wenn der Rauminhalt der Blutröhren und der Gehalt der Lungenflasche bekannt ist. Die Auswägung der Blutröhren ergab für die arterielle Leitung ohne Blutproben 165 m „beiden Blutprobene Far. .0.,22200% 3 venöserbeitung anseal 2 ende Der Blutgehalt der Lungenflasche schwankte je nach der Füllung des Sammelraumes zwischen 350 und 400°®. Die vom Blut benetzte Ober- fläche der künstlichen Lunge berechnet sich auf 4200 7°=, auf welchen durchschnittlich 210° ® Blut ausgebreitet sind. Es kommt also auf den Quadratcentimeter !/,,°® Blut oder eine Schicht von etwa 0.5=m Dicke. Die Umdrehungszeit der Flasche betrug stets 2 Secunden. Die Lufträume des Apparates wurden mit Wasser ausgewogen und ihr Inhalt gefunden: Rotirende Flasche 6.2 Liter Röhrenwege METER Summa 7-9 Liter Blutgehalt der Flasche 0:4 „, Luftraum des Apparates 7-5 Liter. Mr. Versuche über den Stoffwechsel des Muskels.' Von Max von Frey. (Aus dem physiologischen Institut zu Leipzig.) Die Versuche, welche bestimmt waren die Brauchbarkeit des soeben beschriebenen Apparates zu erproben, wurden an dem Hintertheil des Hun- des ausgeführt. Das Thier wird durch Verblutung getödtet. Unmittelbar nachdem das Herz aufgehört hat zu schlagen, werden die Bauchdecken dicht am Rippenrande durchtrennt, die Eingeweide in die Höhlung des Zwerchfells gedrängt und mit Ausnahme des untersten von der Arteria mesenterica inferior versorgten Stückes des Mastdarms von ihrem Mesen- terium abgelöst; der Stumpf des Mastdarmes wird unterbunden. Endlich wird die Wirbelsäule sammt ihren Muskelmassen zwischen Brust- und Lendentheil, oberhalb der Nieren durchschnitten. Das Praeparat ist hier- durch vollkommen abgetrennt und enthält an Eingeweiden nur noch die Nieren und die im kleinen Becken befindlichen Theile. Der nächste Act ist die Einsetzung je einer Glascanüle in die Vena cava und Aorta, und zwar dicht unterhalb des Abgangs der Nierengefässe. Die Nieren wer- den also nicht in den künstlichen Kreislauf aufgenommen; ihre vollkom- mene Ausschliessung erfolgt durch eine Fadenschlinge, welche die durch- schnittenen Muskeln der Lendenwirbelsäule umgreift und zwischen den Nieren und den Glascanülen durchgezogen wird. Unmittelbar darauf, d.h. 10 bis 15 Minuten nach dem Tode des Thieres, beginnt die Einleitung von defibrinirtem Blut, wozu die kleine Spritze des Apparates und von ! Alle Gasmengen beziehen sich auf 1m Druck und 0°C. Temperatur. 534 Max von FREy: dem System der Blutröhren die Strecke H, bis H,! benutzt wurde. Die voll- ständige Einschaltung des Praeparates in den Apparat ist noch nicht thun- lich, weil die ersten Mengen des fermentreichen defibrinirten Blutes bei ihrer Mischung mit den ungeronnenen Blutresten des Praeparates zu volu- minösen Gerinnseln Veranlassung geben, welche leicht den Apparat ver- stopfen könnten. Ausserdem muss erst die Verschliessung aller durch- schnittenen Gefässe bewirkt werden. Um über genügende Blutmengen zur vorläufigen Durchspülung zu verfügen, wurde vor jedem Versuche ein grosser Hund? verblutet, das Blut geschlagen und colirt. In die gewonnene Blutmenge wurde von dem Hahn H, aus ein Rohr eingesenkt, die Arterie des Praeparates durch einen langen Schlauch mit H, verbunden, die Spritze in Gang gesetzt, H, und H, blieben geschlossen. Das Blut, welches aus der Vene des Praeparates kam, floss in eine Schale und wurde nicht weiter verwendet. Die Unterbindung aller einzelnen durchschnittenen Gefässe des Prae- parates würde eine langwierige Arbeit sein und doch vor Blutung nicht genügend sicher stellen. Für die vorliegende Untersuchung musste aber diese Gefahr völlig beseitigt sein, da die Constanz der kreisenden Blutmenge eine Voraussetzung der Methode war. Die Erfahrung lehrte, dass durch drei Massenligaturen die sämmtlichen Gefässe der Schnittwunde vollkommen sicher verschlossen werden konnten. Die erste derselben galt den durch- schnittenen Venen des Wirbelcanals und wurde hergestellt durch einen kleinen Kork, der nach Abtragung eines kurzen Stückes Rückenmark etwa 5m weit in die Höhlung eingesteckt wurde. Aus den Gefässen des Rücken- marks selbst habe ich Blutungen nicht beobachtet; sie hätten mir nicht entgehen können, da wiederholt ein in der Mitte durchlochter Kork ange- wendet wurde. Die zweite Gesammtligatur hatte die ganze Muskelmasse zu umgreifen, welche den Stumpf der Lendenwirbelsäule einhüllt. Demselben Zwecke diente schon die erwähnte Fadenschlinge, welche unterhalb der Nieren durchgezogen worden war; sie konnte aber nur als eine provisorische Ligatur gelten, welche grössere Blutverluste bei der vorläufigen Durchspülung ver- hindern sollte Die Stillung der Blutung aus den tiefliegenden, zunächst der Wirbelsäule verlaufenden Gefässen gelingt nur durch sehr kräftige Compression. Es wurde daher der Wirbelstumpf sammt Muskeln und Rücken- haut von den Armen einer starken eisernen Zange umfasst und durch Anziehen von Schrauben eingeschnürt. Die Nieren wurden hierauf entfernt. Ein Verlust von Blut kann jetzt nur noch aus den durchschnittenen Gefässen i Siehe Tafel IV. Fig. 1. 2 Es sei bemerkt, dass alle Thiere durch 24 Stunden vor dem Versuch nüchtern gehalten wurden. VERSUCHE ÜBER DEN STOFFWECHSEL DES MUSKELS. 535 der Bauchwand eintreten; ihn zu verhindern ist die Aufgabe der dritten Massenligatur. Ich habe zu diesem Zwecke einen Reif anfertigen lassen, der sich als ein sicheres und bequemes Hülfsmittel bewährt hat. Ein Streifen von starkem Eisenblech, 25% lang und von Gestalt wie Fig. 1, wird mit seinem breiten mittleren Theil zu einem Halbkreis gebogen, die schmäleren Enden werden nach innen umgeschlagen, hier um zwei kurze Eisenstäbe gewunden und mit densel- III, Ss ben fest vernietet; endlich werden die Fig. 1. Ränder des halbkreisförmigen Theils nach aussen umgekrämpt, so dass eine Kehle entsteht (Fig. 2). Der Reif muss von einer Grösse sein, dass er sich in die Bauchhöhle des Praeparates bequem einführen lässt. Dabei sollen die Bauchwandungen über dem Reif zu liegen kommen, die nach innen gebogenen Enden ruhen auf den Querfortsätzen der Wirbel; es bleibt somit nur der Wirbelkörper mit den auf ihm liegenden grossen Gefässen frei. Wird nun ein starker Draht über den Weichtheilen in die Kehle des Reifes gedrückt, hinter der Wirbelsäule herumgeführt, seine Enden von einer passenden Schnürvorrichtung gefasst und angezogen, so sind sämmtliche 'Weichtheile — Haut und Muskeln — durch die eine Schlinge umfasst und deren Gefässe unterbunden, indem sie entweder direct oder durch Ver- 536 MAx von Frey: mittlung des Eisenreifes gegen die Wirbelsäule als den festen Punkt ge- drückt werden. Nur für die Arterien der tiefen Rückenmusculatur ist diese Ligatur zuweilen nicht zureichend, weshalb noch die oben genannte Wirbel- zange in Anwendung kam. Um ein Umkippen des schmalen Reifes zu verhindern, erhielt er vermittelst der beiden doppelt knieförmis gebogenen Eisenstäbe eine Führung in der Wirbelzange, in welcher er sich wie in einem Charnier bewegen konnte. Den Schluss der Vorbereitungen am Prae- parat bildete das Aufbinden einer Schürze aus Kautschuktuch in der Keh- lung des Eisenreifes. Die Schürze wurde nach rückwärts über die Lichtung des Reifes gespannt, um die Glascanülen und die Wirbelsäule geschlungen und hier nochmals festgebunden. Sie hatte die Aufgabe, Verdunstung aus der Bauchhöhle und Diffusion von Gasen hintanzuhalten. Auch von der Füllung der Bauchhöhle mit Kochsalzlösung habe ich zu diesem Zwecke Gebrauch gemacht. Damit war das Praeparat zur Aufnahme in den Apparat fertig. Die Umschaltung verlief mit einer Unterbrechung der Blutleitung während der Dauer von etwa einer Minute in folgender Weise. Der Gang der Blut- spritze wird abgestellt, der Hahn H, gesperrt und seine Verbindung mit dem Praeparat gelöst. Das Praeparat wird bis an den Eisenreif in das Wasserbad versenkt und in dieser Stellung festgehalten. Die Canülen der Aorta und Cava mit den Enden der Blutleitung verbunden, Hahn H, ge- öffnet, die Blutspritze neuerdings in Gang gesetzt. Das Blut wird also noch immer durch den Hahn H, dem Vorrathsgefäss entnommen, welchem nun auch das inzwischen colirte geschlagene Blut des zum Versuche die- nenden Hundes zugemischt ist. Das venöse Blut dringt jetzt durch den Kühler an dem geschlossenen Hahn H, vorbei und durch H, gegen den Athmunegsraum vor. Die künstliche Lunge und ihre Ventilation werden daher in Gang gebracht, der Kreis der Luftröhren aber noch an einer Stelle offen gehalten, so dass die gebrauchte Luft von Zimmerluft ersetzt wird. Der Sauerstoffgasometer ist durch den Hahn H, gesperrt. Inzwi- schen beginnt das Venenblut in die rotirende Flasche zu rieseln; es über- zieht die innere Oberfläche derselben und fällt endlich mit arterieller Farbe in den Sammelraum. Sofort beginnt das Kochsalzmanometer zu steigen, die zunehmende Füllung anzeigend. Ist die Blutmenge im Boden der Flasche auf etwa 180° m gestiegen, so wird durch gleichzeitige Oefinung des Hahnes H, und Sperrung von H, die Spritze gezwungen, das Blut aus der rotirenden Flasche zu nehmen; der Kreislauf ist geschlossen. Unmittel- bar darauf erfolgt die Schliessung der Luftwege und die Oeffnung des Sauerstoffgasometers. Hat sich im Luftraum des Apparates der gewünschte kleine Ueberdruck hergestellt, so dass der Meniscus im offenen Schenkel des Kochsalzrohres eine constante Lage aufweist, so wird die Kochsalzflasche VERSUCHE ÜBER DEN STOFFWECHSEL DES MUSKELS. Da angesetzt. Alle Theile des Apparates sind nun in Thätigkeit, doch beginnen die Messungen erst später, frühestens nach einer halben Stunde. Diese Zeit dient zur Regulation der Blutgeschwindiskeit, der Temperaturen und Drucke; sie soll ferner eine gleichmässige Mischung des Blutes und den Ausgleich der Gasspannungen herbeiführen. Das Praeparat, dessen Herstellung oben besprochen wurde, besteht im Wesentlichen aus drei Gewebsarten: Muskel, Haut und Knochen. Die Er- scheinungen des Stoffwechsels, welche an ihm zur Beobachtung kommen, werden daher gleich der Summe der Umsetzungen sein, welche jedem der drei Gewebe für sich zukommen. Hierbei ist der Muskel der bestimmende Theil, die Eigenthümlichkeiten seines Stoffwechsels müssen unbedingt zum Ausdruck kommen, nicht nur weil er im Gesammtgewicht des Praeparates mit dem grössten Antheil (60 Procent und darüber) vertreten ist, sondern weil er ausserdem am reichlichsten vom Blut durchströmt wird. Die Haut zeigt ein wechselndes Verhalten. Bei Körperwärme ist sie geröthet; Ein- schnitte führen zu kleinen Blutungen; unter Körperwärme wird sie blass und so blutarm, dass man gefahrlos einschneiden darf. Ebenso sind aus durchschnittenen Knochen die Blutungen äusserst geringfügis. Immerhin wird. man aber, namentlich bei Körperwärme, die Ergebnisse nur mit Vor- behalt auf den Muskel beziehen dürfen. Der Nachtheil, der hierdurch gegenüber dem Praeparate von Ludwig und Schmidt,! sowie von Minot? entsteht, wird aber aufgehoben durch den Schutz, den die Muskeln in der unversehrten Hautdecke gegen Gasdiffusion nach aussen besitzen. Dieser Schutz wird noch erhöht und zugleich ein Mittel zur sicheren Rege- lung der Temperatur gewonnen, wenn das ganze Praeparat unter Wasser versenkt wird. Endlich stellt die leichte Gewinnung grosser Muskelmassen, die rasche und sichere Art sie in die Durchleitung aufzunehmen, die Mög- lichkeit die Muskelnerven selbst in den Stämmen und Wurzeln reizbar zu ‚erhalten, so viele Vorzüge dar, dass ich mich nicht bewogen fand, von dem Verfahren abzugehen. Ganz unzweifelhaft zulässig ist es jedoch, die Ver- änderungen, die sich in Folge von Reizungen des Muskels im Stoffwechsel einstellen, auf das gereizte Gewebe zu beziehen, und da es sich in den Versuchen vorzüglich um Vergleiche zwischen Ruhe und Arbeit handelt, so mag es gestattet sein, dass im Folgenden kurzweg von dem Stoffwechsel des Muskels gesprochen wird. Ergebnisse der Durchleitung. Die hier geübte. Methode der Durchleitung ist von der bisher gebräuch- lichen insofern verschieden, als nicht die Geschwindigkeit des Blutstroms Au E50: 2,0 ER 538 MAx von FREY: vermittelst des Druckes regulirt wird, sondern umgekehrt der arterielle Druck von der durch den Gang der Spritze gegebenen Geschwindigkeit bedingt wird. Das Manometer der arteriellen Leitung wird dadurch zu einem Anzeiger für den Widerstand, den die bewegte Blutmenge im Gefäss- system des Praeparates findet; aus seinen Angaben muss entnommen wer- den, ob die gewählte Geschwindigkeit zuträglich ist und ob Aenderungen im Widerstande Platz greifen. Mit der grössten Uebereinstimmung haben die Versuche ergeben, dass ein arterieller Druck von mehr als 70 wm Queck- silber auf die Dauer verderblich wirkt. Es kommt rasch zur ödematösen Schwellung, zur Extravasation des Blutes und zum Absterben der Organe. Drucke unter 40” haben wir gleichfalls vermieden, weil es ohne Frage eine untere Grenze der Blutgeschwindigkeit giebt, bei welcher das Gewebe durch den ungenügenden Gaswechsel leidet. Die Erfahrung lehrte, dass die Durchleitung von ?/, bis 1 Liter Blut pro halbe Stunde und pro Kilogramm des Praeparates bei Körperwärme, von etwa !/, Liter bei Zimmertemperatur sich durch viele Stunden bewerkstelligen lässt, ohne dass die erwähnten Druckgrenzen überschritten werden. So lagen z. B. die Werthe des arte- riellen Druckes während einer 6stündigen ununterbrochenen Durchleitung (3. März 1884) zwischen 52 und 44mm Ho. Bei einem anderen ebenso langen Versuche (6. März 1884) zwischen 66 und 55m, Bekanntlich steht dieser Befund nicht in Uebereinstimmung mit den Erfahrungen, die bisher bei Durchleitungen gemacht worden sind und welche dahin lauten, dass das Organ einer gegebenen Blutgeschwindigkeit einen stetig wachsenden Widerstand entgegensetzt. Alle Untersucher sind senöthigt gewesen, zur Erhaltung einer annähernd constanten Strom- geschwindigkeit steigende Drucke in Anwendung zu ziehen oder sie mussten durch kurze Unterbrechung des Stromes die Gefässe wieder wegsam machen. Als Ursache dieser Erscheinung ist die mit dem Gasgehalt des Blutes wechselnde Spannung der arteriellen Muskelringe angesehen worden. In- dessen, wenn es auch richtig ist, dass durch das Eindringen von arteriellem Blute die Spannung erhöht wird, so kann daraus ein stetiges Wachsen des Widerstandes noch nicht ohne Weiteres gefolgert werden. Ich war auf diese merkwürdige Erscheinung schon früher bei Gelegen- heit von Durchleitungsversuchen an durchsichtigen Geweben aufmerksam geworden und hatte gefunden, dass neben der Contractilität der Gefässe eine eigenthümliche Verstopfung der Capillaren mit Blutkörperchen den wachsenden Widerstand bedingt. Es zeigte sich dabei ferner, dass das Auf- treten der Erscheinung geknüpft ist an eine constant wirkende Druckkraft und dass sie fast ganz ausbleibt, wenn der Druck stossweise wirkt. Ver- folgt man den Vorgang unter dem Mikroskop, so gewahrt man, dass jedes- mal, wenn ein Blutkörperchen in einer Capillare sich festkeilt, eine Er- VERSUCHE ÜBER DEN STOFFWECHSEL DES MUSKELS. 539 scheinung, die ja auch bei normaler Cireulation nicht fehlt, eine Säule von Blutkörperchen sich vor der verlegten Stelle anhäuft. Das im Gefässe fest- sitzende Körperchen trennt wie ein Filter die Zellen von der Flüssiekeit des Blutes; die Säule von Körperchen verklebt dann bald zu einem Pfropf, der das Gefäss oft bis zur Abgangsstelle verstopft. Die Verschliessung kann auf zweierlei Weise behoben werden: durch Auswanderung der Blutkörper- chen in das Gewebe und durch Erschlaffung der Capillarwand. Letzteres wird durch Unterbrechung der Circulation erreicht. Verwendet man dagegen eine pulsirende Triebkraft, so treten in Folge der schaukelnden Bewegung der Blutkörper und bei dem beständigen Wechsel im Durchmesser der Gefässe Verstopfungen viel seltener ein, sie lösen sich auch wieder rascher, da es nicht zu einer solchen Sedimentirung und Verklebung der Zellen kommen kann. Die Erscheinungen stehen der normalen Cireulation viel näher. Wenn nun in den vorliegenden Versuchen, Dank der stossweisen Be- wegung des Blutes durch die kleine Spritze, eine constante Geschwindigkeit des Stromes ohne wesentliche Aenderungen des Druckes durch viele Stun- den hergehalten werden konnte, so zeigten doch zahlreiche Erscheinungen, dass die Gefässe ihre Reizbarkeit nicht eingebüsst hatten. Von dem Einfluss der Temperatur ist schon oben gesprochen worden; er lässt sich leicht demonstriren. Beim Einsenken des Praeparates in das gewärmte Wasserbad sinkt der Druck, beim Herausheben steigt er. Z. B. als im Versuch vom 22. Januar 1884 die Temperatur des Bades von 26° auf 38° erhöht wurde, sank der Druck von 62 auf 49 ==, um später bei Abkühlung des Bades auf 25° wieder bis 57"m He zu steigen, Thätigkeit des Muskels bewirkt stets eine Verminderung des Wider- standes. Der Umfang der Veränderung ist bei den einzelnen Praeparaten aus unbekannten Gründen sehr verschieden, ebenso ihre Dauer. Zuweilen wird durch eine Reizungsperiode der Blutdruck für die ganze weitere Dauer des Versuchs herabgedrückt, während in anderen Fällen der Druckfall noch während der Reizungsperiode zurückgeht. So sind z. B. zwei sehr beträcht- liche Abfälle, 63 auf 47 (22. Januar 1884) und 70 auf 55 (23. Juli 1884), dadurch unterschieden, dass der erstere kaum eine halbe Stunde (Dauer der Reizungsperiode), der andere durch zwei Stunden anhält. Zu Anfang jeden Versuches soll während etwa einer Stunde und mehr eine Tendenz zum langsamen Fallen des Blutdruckes vorhanden sein. Ich fand darin ein Kennzeichen für die richtige Wahl der Blutgeschwindigkeit. Ist der Druck von Anfang an steigend, so werden bald gefährliche Höhen erreicht und der Versuch würde verloren gehen, wenn man nicht die Ge- schwindigkeit verminderte. Auf die Periode des fallenden Blutdruckes folgt eine Zeit, in welcher kleine Schwankungen um eine Ruhelage ausgeführt 540 Max von Frey: werden, deren Werth gewöhnlich zwischen 45 und 55 == Quecksilber lag, Diese Zeit dauert um so länger, je besser der Muskel seine Reizharkeit conservirt, also im günstigen Falle bis zum Schluss des Versuches. Zum Beispiel: Blutgeschwindiekeit constant. Datum Blutdruck halbstündig abgelesen 5. Februar 1854 60 53 45 44 46 45 46 45 44 44 — — — 6. März 1884 66 63 63 60 56 57 57 58 55 56 56 56 58 9. Juli 1884 66 63:62 56 54 54 55 — — — — — —_ 23. Juli 1884 2 7 5 Eee — nn Beginnt der Muskel starr zu werden, so tritt ausnahmslos eine Ver- grösserung des Widerstandes auf, die stetig steigt und bei hohen Druck- werthen zu Oedem und Extravasaten führt. Zum Beispiel: Datum Blutdruck halbstündig abgelesen 20. November 1883 45 45 42 42 45 48 57 70 80 Entwickelung der Starre. Schliesslich sei noch erwähnt, dass Schwankungen des Blutdruckes, nach Art der Traube-Hering’schen Wellen, zuweilen beobachtet wurden. Ergebnisse der Gasmessung. I. Der Sauerstoff. Bevor ich daran gehen kann, die Versuchszahlen mitzutheilen, gilt es noch zwei Vorfragen zu erledigen. Es ist für die Beurtheilung der Resul- tate von der grössten Wichtigkeit zu wissen, ob das arterielle Blut stets mit demselben Sauerstoffgehalt die künstliche Lunge verlässt. Sind die aus - dem Gasometer verschwundenen Sauerstoffmengen abgelesen und mit den- jenigen Correcturen versehen, welche im I. Theil dieser Abhandlung ein- gehend besprochen worden sind, so können die gefundenen Zahlen nur in dem Falle auf die Zehrung der Gewebe bezogen werden, wenn das arte- rielle Blut während der Messungsperioden seinen Sauerstoflgehalt nicht ge- ändert hat. Dies ist nun mit grosser Annäherung der Fall, wie die zu Anfang und zu Ende jedes Versuchs entnommenen und untersuchten Blut- proben zeigen. Beispiele: Kreisende Blutmenge 1000 em Versuch 6. März 1884. Anfänglicher Sauerstofigehalt des arteriellen Blutes. . .... . 16-43 Vol. Pro& Endlicher Sauerstoffgehalt des arteriellen Blutes . . . . .. 15-86 Vol. Proc. Abnahme 0-57 Vol. Proc. VERSUCHE ÜBER DEN STOFFWECHSEL DES MUSKELS. 541 * Die Abnahme um 0-57 Vol. Proc. oder 5.7 ° m in der kreisenden Blut- menge von 1000 °”® vertheilt sich auf 12 halbstündige Versuchsperioden; sie beträgt daher pro Periode 0:48. Das heisst halbstündig sind 0.48 °m Sauerstoff dem Blute statt dem Gasometer entzogen worden, eine Menge, die für die beschriebene Methode in den Ablesunesfehler fällt. Der ge- sammte Sauerstoffeonsum betrug in diesem Versuche 1391, an Kreisende Blutmenge 1000 Versuch 3. März 1884. Anfänglicher Sauerstoffgehalt des azberiellen@Blutese. 2.22. 22..715%250 Vol Broc. Endlicher Sauerstoffgehalt des arteriellen? Blutes #02°277272716 306 Vol. Broe. Zunahme 0-50 Vol. Proc. Dies giebt bei einer Versuchsdauer von 12 halbstündigen Perioden eine halbstündige Zunahme um 0.42 °°” Sauerstoff. Gesammtverbrauch 1344 m Sauerstoff. | Nur drei Versuche zeigten sehr wesentliche Veränderungen des Sauer- stoffgehaltes. Der Versuch vom 9. Juli 1384 zeigte aus unbekannten Gründen eine starke Abnahme von 12-02 zu 9-97 Vol. Proc., die Versuche vom 11. Juni 1854 und 26. Juni 13584 dagegen eine erhebliche Zunahme von 10.62 auf 13-45, bez. 11.06 auf 11-92 Volum Procent. In den beiden letzten Fällen, wo sehr grosse Sauerstoffmengen von dem Praeparat absorbirt wurden, war offenbar die künstliche Lunge nicht vermögend, das Blut völlig arteriell zu machen. Mit dem Absinken des Sauerstoffverbrauches im Verlauf dieser beiden Versuche tritt eine Bereicherung des Blutes ein. Die genaue Cor- rectur der Sauerstoffzahlen hatte in diesen Versuchen keine Schwierigkeit, da aus Gründen, die später zu erwähnen sind, halbstündig Blutproben entnommen wurden. Es hat den Anschein, als ob die Sauerstoffzahlen noch einer zweiten Correctur bedürften durch Abzug derjenigen Gasmengen, welche im Blute selbst im Laufe der Versuchszeit verschwinden. Ich habe, um mich über die Grösse derselben zu unterrichten, zwei Versuche angestellt, bei welchen kein Praeparat benutzt wurde, welche aber den übrigen Versuchen sonst völlig glichen. Das arterielle Blut wurde im Vorwärmer auf Körpertempe- ratur gebracht und dann durch Einschaltung einer Glaskugel, welche in das grosse Wasserbad versenkt war, ungefähr ebenso lange auf Körper- temperatur gehalten, als es im Muskel zu verweilen pflegte. Dann erst gelangte es in die venöse Röhrenleitung und durch den Kühler in die Lungenflasche. Es fand sich bei dem ersten Versuche eine Absorption von 5m in neun halben Stunden, bei dem zweiten eine Absorption von 1° 542 Max voN FREY: in fünf halben Stunden. Bei der Geringfügiskeit dieser Werthe habe ich von einer hierauf bezüglichen Correctur der Sauerstoffzahlen Abstand genommen und vorausgesetzt, dass das defibrinirte Blut, welches zu den Durchlei- tungen gebraucht wurde, bereits alle oxydirbaren Körper zersetzt hat, die es etwa aus dem Gefässsystem mitgebracht haben mochte. Die Zeit von einer Stunde, welche zwischen der Verblutung des Thieres und dem Beginn der Gasmessungen stets verstrich, scheint für diesen Ausgleich hinreichend zu sein. Beide Versuche liefern nebenbei einen guten Beweis, dass der Apparat von fehlerhaften Sauerstoffverlusten frei war. A. Die Sauerstoffzehrung des ruhenden Muskels. Eine übersichtliche Zusammenstellung der Sauerstoffzehrung aller Ver- suche giebt nebenstehende Tabelle. Ihre Stäbe enthalten der Reihe nach: Das Datum jedes Versuches, die Grenzwerthe der Bluttemperaturen abgelesen an den Thermometern in Vene und Arterie, das Gewicht des zum Versuche dienenden Praeparates im blutleeren Zustande, die Blutmenge welche in der gewählten Zeiteinheit (halbe Stunde) durch das Praeparat geleitet wurde dividirt durch das Gewicht des Thieres, die Zeit welche zwischen Verblutung des Thieres und Beginn der Gasmessung verstrichen ist; endlich die Sauer- stoffzehrung des Praeparates für die einzelnen halbstündigen Perioden be- zogen auf 15° um die Zahlen untereinander vergleichbar zu machen. Zur Ordnung der Versuche ist die Bluttemperatur benutzt worden. Es wurden entweder Blut und Praeparat auf Zimmertemperatur, ca. 20° C., gehalten, sogen. kalte Versuche. Oder das arterielle auf Körpertemperatur vorgewärmte Blut gelangte in einen Muskel, der sich in einem Wasserbade von ca. 20° befand, wodurch das venöse Blut auf 32 bis 34° abgekühlt wurde; ich will sie die halbwarmen Versuche nennen. Endlich finden sich noch vier warme Versuche mit Bluttemperaturen zwischen 36 und 39°C. Innerhalb der einzelnen Gruppen ist die Ordnung nach dem Datum gewählt. Die fett gedruckten Ziffern bedeuten Arbeitszeiten. Gruppe IV wird sofort zur Sprache kommen. Die Einflüsse der Temperatur zeigen sich deutlich sowohl in den abe luten Werthen als in ihrer Aenderung im Verlaufe des Versuches. Die erste Gruppe der „kalten“ Versuche besitzt die niedrigsten, aber sehr con- stante Werthe. Bei den „warmen“ Versuchen finden sich sehr hohe Werthe ° zu Beginn und ein rasches Absinken gegen das Ende. Dass diese Erschei- nung mit dem Absterben des Praeparates zusammenhängt, wird sogleich ausführlicher zu besprechen sein. Die sogen. halbwarmen Versuche stehen in der Mitte zwischen den beiden genannten Gruppen. Die Technik der Durchleitungen ist also noch immer von der Art, dass es nur bei Zimmer- nn nn VERSUCHE ÜBER DEN STOFFWECHSEL DES MUSKELS. 543 SB EN= = | | 5832 Sa Sm Sa Dat | 3<3 =52 238 SH 35 ' Sauerstoffzehrung pro Kilo und "/, Stunde. aum | 557 Ss S3 | 53 Die fett gedruckten Ziffern sind Arbeitszeiten. | a883 |58 87|8|38 | 22: Ba Bis JE |SP TeKRalt: 1884 | | | 6. März 18—22 | 4.53 | 487 (5566| 1n 15° 24 21. 34 27 21-5 21 31 28-5 20 19 36 25 9. Juli - 29-3—94:3| 8-51 | 577 Bl nı0 a8 7A W— — — — — — "23. Juli 20.7-22-5 3-98 67 5-0) oem m — ———— I. Halbwarm. B>. Januar ı34-1--37°7 2-10 | 582 lar-63|l — | 44 Ası43 37 Al! 30 — 34 a 19 — — 5. Februar 32.5—36-9 1-80 | 460 44-60 100°) 31.42 39 31 50 383141 35 — — — rechner | ss 5 |ı:0 a7 Bear Bar re — un 9. März | 33-38 | 3.09 | 714-544—52| 1R 15° | 49 43 55 52 39 3545 — 24 34 29 29 III. Warm. 10. März 36.9—-37-3| 4.33 | 733 la9 gl mı5| 51 46 49 36 21 ar 21. Mai 37-8—38-0) 3-24 | 758 50-56 — | 5650 8651400 31— A ne ses 5.2 1010 97a 1850 Tirol 26. Juni |36.0--37.0 3-29 11254 52-60 1410°| 6250 94738 3 — — — —— IV. Mit Eingeweiden. 1883 | | 97. November |36-3—37-2 3-05 | 752 51-55 — 130 — > 4. December | 3636-5 | 2-63 | 735 nn Segen Lg | Bel ee temperatur gelingt, das Praeparat durch längere Zeit — sicher durch 7 Stunden, wahrscheinlich noch länger — in einem constanten, dem normalen ähnlichen Zustande, zu erhalten. Unter dieser Einschränkung bietet aber der Versuch schon jetzt ein zuverlässiges Mittel, um die Erscheinungen des Stoffwechsels an ausgeschnittenen Organen zu studiren. Handelt es sich dagegen um die Frage, welche Grösse der Umsatz am isolirten Organ unter den günstigsten Bedingungen erreichen kann, so können nur die warmen Versuche in Betracht kommen. Die Sauerstoffzehrung verglichen mit der des unversehrten Thieres. Stellt man den höchsten Werthen der warmen Versuche die Zahlen gegenüber, die Regnault und Reiset? für den Sauerstoffverbrauch des ganzen Thieres fanden, so stellt sich ein bedeutendes Deficit zu Unguusten des isolirten Organs heraus. Die genannten Autoren fanden die Sauerstofl- zehrung des Hundes pro Kilo und halbe Stunde im Mittel gleich ! Zuckungen. 2 A220, 544 Max von FREY: 322e m, Der kleinste Werth ist 240, der grösste 394. Vergleicht man damit die Anfangswerthe der Gruppe III, deren Mittelwerth 60 «=, deren Grenzwerthe bez. gleich 51 und 71 sind, so ergiebt sich für den ausge- schnittenen Theil eine Zehrung, welche etwa ein Fünftel der normalen ist. Offenbar würden die Zahlen grösser geworden sein, wenn die Messung noch früher, womöglich unmittelbar nach dem Tode des Thieres hätte beginnen können. Vorausgesetzt indessen, dass das Gesetz des Abfalls für die ersten Zeiten dasselbe ist, wie für die folgenden, so würden auch die ersten Zahlen nicht die Höhe der normalen erreicht haben. Der Ausfall kann begründet sein in einer Herabsetzung des Stoffwechsels überhaupt, sobald das Organ vom Thierleibe getrennt ist, oder in einer ungleichen Antheilnahme der einzelnen Organe an dem Gesammtumsatze, oder endlich in einem Zusammen- wirken beider Umstände. Die zweite Annahme lässt sich durch einen Ver- such prüfen, indem man bei der Durchleitung den Muskel durch ein anderes Organ ersetzt oder auch, da es nur auf augenfällige Unterschiede ankommt, indem man mit dem Muskel noch andere Organe der Durch- leitung unterwirft. Ich habe zwei solche Versuche angestellt, wobei das Versuchsthier statt wie früher unterhalb des Zwerchfells nun oberhalb hal- birt wurde (Gruppe IV der Tabelle). Es wurde also statt der Bauchhöhle die Brusthöhle geöffnet, die Canülen in die absteigende Aorta und in die Vena cava inferior dicht am rechten Vorhof eingebunden und die Gefässe der Brustwand nach den erwähnten Regeln abgebunden. Es waren somit sämmtliche in der uneröffneten Bauchhöhle befindlichen Eingeweide in die Durchleitung aufgenommen. .Beide Versuche lieferten nur in den ersten halben Stunden zuverlässige Werthe, von welchen der eine vom 4. December 1883 der grössten beobachteten Sauerstoffzehrung des Muskels gleichkommt, während der andere vom 27. November 1883 sie bedeutend übertrifft und fast die Hälfte der normalen Höhe erreicht. Sie machen es somit wahr- scheinlich, dass durchgeleitete Eingeweide einen relativ höheren Gasumsatz besitzen als die Muskeln, und wir können diese Annahme unterstützen durch die Versuche von A. Schmidt,! nach welchen die ausgeschnittene und mit warmen Blute durchgeleitete Niere für .die Gewichtseinheit einen Gaswechsel besitzt, welcher an Grösse dem des ganzen Thieres gleichkommt. Wenn wir aber nun auch annehmen wollten, dass sämmtliche Drüsen und die Eingeweide einen gleich lebhaften Stoffwechsel wie die Niere haben, so würden wir noch immer im Durchleitungspraeparat ein Deficit des Sauer- stoffverbrauches haben. Sollen die Eingeweide den Ausfall in der Sauer- stoffzehrung decken, so müssten sie nicht eine der Gewichtseinheit des un- versehrten 'Thieres gleiche, sondern eine viel höhere Zehrung besitzen, mit \ Arbeiten aus dem physiologischen Institut zu Leipzig. 1867. S. 123. VERSUCHE ÜBER DEN STOFFWECHSEL DES MUSKELS. 545 welcher sie den geringeren Verbrauch des Muskels zu compensiren hätten. Man wird somit nicht zweifeln können, dass der ausgeschnittene Muskel einen wesentlich geringeren Stoffwechsel besitzt, als der unversehrte. Der Grund des Abfalls muss in der Durchschneidung des Rücken- markes gesucht werden, von welchem Eingriff wir durch die Versuche von E. Pflüger! und C. v. Voit? wissen, dass er ein Sinken des Stoffwechsels, nach Pflüger bis fast auf die Hälfte des normalen Werthes hervorbringen kann; es fehlen offenbar dem vorliegenden Praeparate ebenso wie den Thieren mit durchschnittenem Rückenmark diejenigen nervösen Impulse, welche der Wärmeregulation dienen. Die Frage, ob diese Reize nicht durch künstliche zu ersetzen wären und ob Thiere, deren Lendenmark längere Zeit vorher mit Erfolg abgetrennt worden ist und welche die von Goltz und Freusberg? beschriebenen Reflexe zeigen, nicht wieder eine normale Höhe des Stoffwechsels in den hinteren Gliedmaassen erreichen, dürfte wohl der Untersuchung werth sein. Einen Beweis für die Anschauung, dass hier ein Vorgang ausfällt, welcher der Wärmeresulation des normalen Thieres entspricht, kann aus der Vergleichung der zweiten und dritten Versuchseruppe gewonnen wer- den, welche zeigt, dass eine Abkühlung der Haut bei unveränderter Blut- temperatur nicht ein Steigen des Stoffwechsels wie beim normalen Thier, sondern umgekehrt ein Sinken veranlasst. Das rasche Absinken der Sauerstoffzehrung bei den „warmen“ Versuchen (in drei Stunden auf etwa die Hälfte des anfänglichen Werthes) hält, wie bereits erwähnt, mit dem Absterben des Praeparates gleichen Schritt. Die Beurtheilung des Grades der Veränderung ist am Muskel leicht gemacht durch die deutlichen Zeichen der Starre: die zunehmende Härte der Muskeln, die Streckung der Glieder, der Widerstand gegen pas- sive Bewegung und der abnehmende Erfolge der Reizung, vorausgesetzt dass letzterer nicht von Ermüdung herrührt. Indem die Masse des lebenden Gewebes stetig abnimmt, fällt auch die Sauerstoffzehrung stetig ab, woraus folgt, dass der starre Muskel nur einen verschwindend kleinen Stoffwechsel haben kann. Es ergiebt sich daraus weiter, dass der Vorgang des Erstarrens mit keinem erheblichen Sauerstoffeonsum’ verbunden sein kann; hierfür werden sich sogleich noch weitere Beweise finden. Die Schnelligkeit des Absterbens ist innerhalb einer Gruppe gleich- artiger Versuche sehr wechselnd (vergl. z. B. die „halbwarmen“ Versuche). Die Ursache dieser individuellen Verschiedenheiten mögen zu einem Theil ı Pflüger’s Archiv u.s.w. Bd. XII. S. 282 und 333. ? Zeitschrift für Biologie. Bd. XIV. 8. 57. > Pflüger’s Archiv u.s. w. Bd. VIII. S. 460; — Bd. IX. 8. 552. Archivf. A.u. Ph. 1885. Physiol. Abthlg. 35 546 Max von FREY: darin liegen, dass stets auch fremdes einem anderen Hunde entnommenes Blut zur Durchleitung herbeigezogen wurde. Dass aber eine solche Bei- mischung nicht gleichgültig sein wird, darüber lassen die mit der Trans- fusion gemachten Erfahrungen keinen Zweifel bestehen. Es muss als eine Aufgabe der Technik der Durchleitungsversuche angesehen werden, mit der Blutmenge des Thieres allein auszukommen. B. Der Sauerstoffverbrauch des gereizten Muskels. Werden sämmtliche Muskeln der Beine gleichzeitig gereizt, so ist das Ergebniss eine Streckbewegung der Glieder; dieselbe geht in dem Wasser- bade vor sich. Um sie beobachten zu können und gleichzeitig ein Maass für den Betrag der Streckung und damit für die Wirksamkeit des Reizes zu gewinnen, war an jede Pfote eine Schnur mit Gewicht (meist 500 2) gebunden, welche derart über Rollen lief, dass mit der Ruhe die Beine an den Leib angezogen wurden. Jede Streckung wickelte einen Theil der Schnur ab und es konnten die Längen an einer Millimeterscala abgelesen werden. Die Arbeit, welche die Streckmuskeln leisteten, war, da sie den Widerstand der Antagonisten zu überwinden hatten, viel grösser als der ‚sichtbare äussere Effect. Derselbe würde übrigens schon deshalb kein Maass für den ‚Energieverlust des Muskels abgeben, da fast ausschliesslich teta- nische Contractionen gewählt wurden. Ich verzichte daher auf die Angabe von Arbeitswerthen und bemerke nur, dass jedes Bein des frischen oder durch eine Erholungspause ausgeruhten Praeparates mit Leichtigkeit 1 sm 10 © hoch hob. Die Reizung geschah stets von den Nerven aus. Nur bei den ersten Vorversuchen wurde directe Reizung der Muskeln angewendet, aber bald verlassen, als sich herausstellte, dass dieselben verhältnissmässig schwache Zuckungen und geringe Aenderung des Stoffwechsels bewirkten. Ausser- dem liegt für den Muskel die Reizschwelle so hoch, dass man sehr starke Inductionsströme gebrauchen muss. Man wird aber nach den Beobachtungen Drechsel’s! über den chemischen Effect von Wechselströmen nicht ohne Weiteres annehmen dürfen, dass dieselben auf den Stoffumsatz im Muskel keinen Einfluss hätten. Die Reizung der Nerven ist viel wirkungsvoller. Um sie dort zu treffen, wo sie alle auf kleinem Raum beisammen liegen, habe ich die eine Elektrode in Gestalt einer langen und schmalen Drahtschlinge in den Rückenmarkscanal eingeführt, so dass sie zwischen Dura und Wirbelbögen ı Journal für praktische Chemie (N. F.) 22, 476; 29, 229; — Dies Archiv. 1880. 3. 550. VERSUCHE ÜBER DEN STOFFWECHSEL DES MUSKELS. 547 zu liegen kam. Die Schlinge schmiegte sich also, indem sie den Körper des Rückenmarks zwischen sich nahm, an die hintere Fläche der austreten- den Wurzelpaare an. Als zweite Elektrode diente der oben erwähnte Um- schnürungsreif, dessen Enden fest gegen die (uerfortsätze der Wirbel drücken. Beide Elektroden lassen sich ohne neue Verletzungen dem Prae- parate anlegen und die Reizung trifft sämmtliche Nerven, welche aus dem Lendenmark entspringen. Ihre Wirksamkeit beweist, dass, wenn nicht dem Rückenmark, so doch den Nervenwurzeln die Reizbarkeit erhalten bleibt; “ am besten bei den kalten Versuchen, wo sie selbst nach 7 stündiger Ver- suchsdauer noch ungeschwächt befunden wurde. Aber auch bei den warmen Versuchen, wo die Reizbarkeit rascher abnimmt, lässt sich durch verglei- chende Prüfung der directen Muskelerregbarkeit zeigen, dass der Grund des geringeren Erfolges im Muskel und nicht im Nerven zu suchen ist. Die Reizungen waren tetanisch, mit Ausnahme eines einzigen Falles (22. Januar 1884), im welchem einzelne Reizstösse zur Anwendung kamen. Nachdem die wirksamere Stromrichtung und die maximale Reizstärke fest- gestellt war, wurde für die ganze Dauer des Versuches der Reiz unver- ändert beibehalten. Es ist zweckmässig, die allzu grosse Ermüdung der Muskeln dadurch zu vermeiden, dass man den Verlauf eines langen Tetanus durch häufige Pausen unterbricht. Es wurde daher eine Bowditch’sche Reizuhr dergestalt in den primären Stromkreis aufgenommen, dass in Perioden von zwei Secunden tetanische Reizung und Ruhe abwechselten. Auf diese Weise ist es möglich, die Contractionen des Muskels wenn auch nicht auf der anfänglichen, so doch auf einer gewissen Höhe zu halten. Am ungünstigsten zeigten sich auch hier wieder die warmen Versuche. Gegen Ende der halbstündigen Reizungszeit trat zumeist eine völlige Er- schöpfung ein, die Contractionen wurden äusserst klein und eine längere Pause stellte die Reizbarkeit nur sehr unvollkommen wieder her. Die Er- müdung musste also hier in einer tiefergehenden Veränderung des Muskels ihren Grund haben, nämlich; wie sich leicht zeigen liess, in der Erstarrung. Es war in der That höchst auffallend, wie sehr die Entwickelung der Starre durch die Arbeit des Muskels beschleunigt wurde, und ich werde auf diese Erscheinung bei Besprechung der Kohlensäurebildung zurückkommen. Die Zahl der Muskeln, welche an den Contractionen noch Theil nahmen, wurde immer kleiner und darin findet der geringe Erfolg späterer Reizungen seine Erklärung. Die Reizung des Muskels führt stets zu einer Erhöhung des Sauerstoff- verbrauchs. Die Zunahme ist um so ansehnlicher, je kräftiger die Con- tractionen sind. Es finden sich z. B. in den Gruppen I und II der Ver- suche die Steigerungen: 35* 548 Max von Frey: ® 23. Juli 1884 von 20 auf 43 = 100: 215 20.2 Bebruaralssär 21 745 A002 6. März 1884 LIE 0308 SI0N0EEINSI 9. Juli 1884 „230. Ai 00ERIGS Bei den warmen Versuchen sind die Steigerungen geringer: 21. Mai 1884 von 50 auf 86 = 100: 172 Juni 18847, 607,877 100:7145 26. Juni 1884 „ 50 „ 59 100 : 118 10. März 1884 „ 46 „ 49 = 100: 106 Der letzte Versuch, welcher am raschesten zur Starre führte, zeigt die geringste Steigerung. Der abgestorbene Muskel betheiligt sich also nicht mehr oder in sehr geringem Grade an der Sauerstofizehrung. Es folgt aber aus dem Vergleich der beiden Gruppen weiter, dass der Vorgang des Ab- sterbens selbst mit keinem merklichen Sauerstoffeonsum verbunden sein kann, wofür schon oben Beweise gefunden worden sind. In allen Fällen, in welchen dem Muskel seine Reizbarkeit erhalten blieb, lässt sich die Steigerung der Sauerstoffzehrung auch noch verfolgen in die Ruheperiode, welche der Reizung unmittelbar folet. Dieses Verhalten könnte leicht fehlerhafter Weise vorgetäuscht werden in Folge der noth- wendigen Verspätung, welche die Messung des Sauerstoffeonsums in der Lungenflasche gegenüber der Zehrung im Gewebe erleidet. Wurde der Tetanus unterbrochen, so musste das dunkle den Muskel erfüllende Blut erst aus ihm ausgetrieben werden, durch die venöse Röhrenleitung in die Lungenflasche treten und hier einige Zeit verweilen, bis es seinen vollen Sauerstoffgehalt wieder erlangt hatte." Aus der sichtbaren Farbenänderung des Blutes in der künstlichen Lunge und der bekannten Blutgeschwindig- keit lässt sich berechnen, dass das Blut zur Zurücklegung des erwähnten Weges höchstens fünf Minuten braucht. Es wurden daher in den letzten fünf Versuchen (21. Mai, 11. Juni, 26. Juni, 9. Juli, 23. Juli 1884) die Rei- zungen fünf Minuten vor Beginn der neuen Messungsperiode angefangen und fünf Minuten vor der nächstfolgenden geschlossen. Trotzdem bleibt I ! Zur Beurtheilung der Trägheit der Ausgleichung wurde im Versuche vom 6. März 1884 die erste Reizungsperiode um zwei Minuten gegen die entsprechende Messungs- periode verschoben, d.h. die Reizung begann zwei Minuten vor den Ablesungen und endigte 28 Minuten nach denselben. Bei der zweiten Reizung fielen beide Perioden zusammen, bei der dritten Reizung waren die beiden Perioden um fünf Minuten gegen- einander verschoben. Die Sauerstoffzehrung pro Kilo wurde in der Reizungsperiode und der darauffolgenden gefunden: 1. 34, 27 Summe 61 2. Sl, 289 ge ee a VERSUCHE ÜBER DEN STOFFWECHSEL DES MUSKELS. 549 die erhöhte Sauerstoffzehrung in der anschliessenden Ruheperiode nicht aus, womit bewiesen ist, dass der geänderte Stoffwechsel nicht unmittelbar an die mechanischen Vorgänge im Muskel geknüpft ist. I. Die Kohlensäure. Die Messung der im Muskel gebildeten Kohlensäure ist mit einer Schwierigkeit verknüpft, weil die Fähigkeit des Blutes, das Gas zu binden, im Verlauf des Versuches Aenderungen erleidet. Entsprechend den ver- schiedenen Beziehungen, welche die Kohlensäure zu den Bestandtheilen des Blutes besitzt, wird das Gleichgewicht der Spannungen leicht gestört Kommt dazu noch eine gewisse Trägheit in der Ausgleichung von Span- nungsdifferenzen, so setzt die Gewährleistung eines constanten Kohlensäure- gehaltes verwickelte compensatorische Einrichtungen voraus, deren künstliche Herstellung eine noch ungelöste Aufgabe ist. Die Erscheinungen, auf welche es hier ankommt, lassen sich leicht überblicken, wenn man den Apparat in Gang setzt, ohne dass ein Prae- parat in den Kreislauf des Blutes aufgenommen ist, wie bei den 8. 541 erwähnten Versuchen. Da das Blut in der künstlichen Lunge mit einer Luftmasse in Verkehr tritt, welche bis auf Spuren frei von Kohlensäure ist, so muss es wie in der Luftpumpe das Gas abgeben. Die Entgasung verläuft sehr langsam, weil mit dem Kohlensäuregehalt auch die Spannung sinkt, die Kräfte, welche das Gas austreiben, also immer kleiner werden. Der Apparat giebt geradezu ein Maass für diese Kräfte in den Kohlensäure- mengen, welche in der Zeiteinheit an die Barytventile abgegeben werden. Zum Beispiel: Versuch 15. Januar 1885. In den Apparat verbracht 979 °® Blut mit 14.48 Vol. Proc. = 141° m C0O,. An die Barytventile wurden ab- gegeben halbe Stunden: M2TE3P SA D.56 Cubikeentimeter CO,: 29 19 14 12 10 10 Versuch 29. Januar 18854. In den Apparat verbracht 1050 °® Blut mit 9-73 Vol. Proc. = 102°" CO,. An die Barytventile wurden ab- gegeben halbe Stunden: u ai Cubikeentimeter 00,: 40 22 13 20.5 und weiter nach Einträufelung von 15 °® einer 5 procentigen Na,00,-Lösung gleich 311 "sm oder 120°“ CO, 550 Max von Frey: halbe Stunden: Die u Cubikcentimeter CO,: 25-5 26-7 Die Zersetzung der Sodalösung in letzterem Versuche ist sehr deutlich. In beiden Versuchen wurde das Blut bei constantem Sauerstoffgehalt gegen Schluss lackfarben. In der Schnelligkeit der Entgasung ist übrigens zwi- schen den beiden Versuchen ein bemerkenswerther Unterschied. Es ist nothwendig, sich zu vergewissern, ob die abgegebenen Gasmengen ausschliesslich dem Vorrath entnommen sind, mit welchem das Blut in den Apparat eintritt, oder ob nebenbei eine Neubildung des Gases statt- findet. Die Frage entscheidet sich durch den Vergleich der gesammten in den Ventilen aufgefangenen Gasmengen mit dem Kohlensäureverlust des Blutes innerhalb der gleichen Zeit. Die Versuche ergaben: 15. Januar 1885 29. Januar 1884 Dauer des Versuches in Stunden . gr Is (Gewinn an CO, in den Ventilen in " Cubikeentimetern . . . 94 148 Verlust an 00, im Blute in enbik centimetern . . . 2 56 154 Neubildung von CO, im Binte m er Be. Cubikeentimetern . . . 8 14 Neubildung in 1000 m Blut Und . , SEHE a RE Iwan 1.9 Die geringe Kohlensäurebildung des Blutes steht mit der früher ge- fundenen verschwindenden Sauerstofizehrung in guter Uebereinstimmunse. Der eben geschilderte Vorgang der Entgasung des Blutes muss eine Aenderung erfahren, wenn das Muskelpraeparat in die Durchleitung auf- genommen ist. Das Blut kann sich im Muskel immer wieder an Kohlen- säure bereichern. Bleibt die Kohlensäurebildung des Praeparates durch längere Zeit constant, so müsste man erwarten, dass sich ein Gleichgewicht zwischen beiden Processen herstellen würde, welches in einem constanten Kohlensäuregehalt des arteriellen Blutes seinen Ausdruck findet. Der Forderung eines constanten Gaswechsels leisten die kalten Versuche für den Sauerstoffverbrauch sehr vollkommen, für die Kohlensäurebildung wenigstens annähernd Genüge. Vergleicht man aber die Analysen der Blutproben, welche zu Beginn und am Schluss dieser Versuche der circulirenden Menge ' entnommen wurden, so ergiebt sich stets ein beträchtlicher Verlust an Kohlen- säure, und zwar: VERSUCHE ÜBER DEN STOFFWECHSEL DES MUSKELS. 551 Kohlensäuregehalt des arteriellen Blutes in Volumprocent Dauer zu Anfang zum Schluss Verlust des Versuchs am 6. März 18854 18-67 6-51 12-16 !2/, Stunden am 9. Juli 1884 12-93 6-41 6-52 2, am 23. Juli 1884 1409 6-64 7-45 as Versuch ohne Praeparat: am 15. Januar 1885 14.48 5.59 8.89 an Die Austreibung der Kohlensäure ist kaum weniger energisch als bei dem Versuch ohne Praeparat. Da aber hier von einer Entgasung nicht die Rede sein kann, so muss die Spannung des Blutes durch neu hinzu- kommende Kräfte erhöht werden und zwar, wie ich gleich hier bemerken will, durch das Auftreten fixer Säuren im Blute Aus demselben Grunde kommt es auch trotz der hohen Verarmung des Blutes an Kohlensäure nicht zu einer Auflösung der Blutkörperchen wie in den Versuchen ohne Praeparat. Die Alkalien werden hier nicht frei, sie wechseln nur die Säure. Alle Kohlensäuremengen, welche in den einzelnen Versuchsperioden absorbirt und gemessen werden, müssen also angesehen werden als Summen zweier Glieder, deren eines die im Muskel gebildete, das andere die aus dem Blute ausgetriebene Gasmenge darstellt. Um über die Grössen der- selben eine Vorstellung zu gewinnen, giebt es keinen anderen Weg, als am Ende jeder Versuchsperiode eine Blutprobe zu entnehmen. Dies hat frei- lich den Nachtheil, dass die eirculirende Blutmenge immer kleiner wird, die Anhäufung der Zersetzungsproducte also beschleunigt wir. Um den Fehler nicht zu gross zu machen, begnügte ich mich mit der Entnahme von Blutmengen, welche gerade für eine Analyse zureichten. Die Resultate können daher in Ermangelung einer Controlbestimmung nicht so zuverlässig sein, als die übrigen aus Doppelanalysen abgeleiteten Werthe. Die gute Uebereinstimmung zwischen den einzelnen Versuchen und der gesetzmässige Gang der Zahlen bürgen aber dafür, dass gröbere Fehler vermieden sind. Es wurden fünf Versuche dieser Art, zwei bei Zimmertemperatur, drei bei Körperwärme, angestellt, deren Ergebnisse umstehend tabellarisch geordnet sind. Das Versuchsprotocoll eines derselben ist im Anhang ausführlich mitgetheilt. In der Tabelle auf S. 552 haben der vierte und fünfte Stab das nächste Interesse. Sie zeigen, dass der Kohlensäuregehalt des Blutes stetig sinkt und demnach die Austreibung des Gases nie still steht, doch wechselt die Ge- schwindigkeit des Vorganges. Am kleinsten ist sie in der dritten Periode, in welcher das Praeparat tetanisch gereizt wurde. Die Kohlensäureausscheidung des Muskels steigt in dieser Zeit und man sollte daher eine Zunahme des Gases 552 MaAx von Frey: Die beiden kalten Versuche ergaben: = 853% =823.]833|328 88 Se 28 E2,3838 ao 228 38. co ee gs so spRAs3l 523 E351|5558 = aa up 3380 Ser asEn se 259 Ö, Se 333 &°3 |z#8 15% 38 Sog Versuch 9. Juli 1884. 12:93 141 1 176 35 141 99 99 = 1-42 40 9.94 121 2 133 11m 121 98 98 — 1.23 34 8-85 177 Tetanus ® 178 1 177 166 166 = 1-07 50 8.74 128 ; 4 143 15 128 102 15” 1-25 36 7-31 98 5 107 9 98 84 >84 = 1.24 23 6-41 88 | 6 88 m x 67 Bi - | [25] [ 67 | Versuch 23. Juli 1884. 14-05 154 aR | 1 148 14 134 73 m 1088 | 34 ' 12-81 | 145 2 157 12 145 79 9 —182 36 11:69 171 Tetanus 3 174 3 el 173 153” WER | A 11-39 134 4 166 32 134 128 128 —103 34 8-21 118 5 133 - 15 118 93 298 = 1-28 30 6:62 107 6 107 0 86 FE z 1“ [27] | | im Blute erwarten, da die Bedingungen für die Abgabe in der künstlichen Lunge stets gleich bleiben. Das Ausbleiben derselben beweist, dass auch in der Arbeitszeit die Bindung der Alkalien des Blutes fortschreitet. Eine bedeutende Steigerung des Processes zeigt sich in den Perioden, welche dem Tetanus folgen, so dass der Uebertritt von Säuren aus dem Muskel in das Biut im Stadium der Ermüdung besonders lebhaft sein muss. Ein wie grosser Antheil des Gesammtverlustes des Blutes an Kohlen- säure der festen Bindung der Alkalien, ein wie grosser der allmählichen Entgasung zuzuschreiben ist, kann natürlich nur durch den Nachweis der gebildeten Säuremengen entschieden werden. Je rascher die Kohlensäure- production im Laufe des Versuches abfällt, um so mehr muss die letztere Ursache ihren Einfluss geltend machen. VERSUCHE ÜBER DEN STOFFWECHSEL DES MUSKELS. 599 Die nach derselben Methode bei Körperwärme ausgeführten drei Ver- suche ergaben: el = 7) un a a ı sea 8: a3 T9ai|lıä 2738, 33835, 3225 2.0 230 389 co, Eee a3l3S03 8599 _2 s28 23 550 a EREA sep 3520 Sur BEn an Ed OÖ, 228, 323 &S43TlER5 ES ans Sosen Versuch 21. Mai 1884. 15-03 | 184 1 209 25 184 181 Tr 1.02 57 12.90 178 2 192 14 178 162 162 — 1.10 55 g“ 11-58 202 Tetanus 3 228 26 202 280 280 0.72 62 9:19 178 4 184 6 178 164 164 —#109 55 7:52 139 5 145 6 139 131 131 = 1:06 43 8.42 120 6 120 — - 102 Mm = 18] um Versuch 11. Juni 1884. 18:43 175 1 198 23 175 172 17 — 1-02 12 16-17 156 2 165 9 156 146 Te 1.07 64 A 15-25 209 T’etanus 3 227 18 209 za >11 = 0.99 86 13:23 151 4 185 34 151 129 129 = local 62 9:34 111 5 119 8 111 82 89 = 1-35 46 8.30 99 6 92 _— 0 — 12 Fr 1:2] = Versuch 26. Juni 1884. 17-72 912 1 220 8 212 205 205 —103 64 16.29 196 2 200 4 196 166 166 — 1l01® 60 15:93 216 Tetanus 3 241 25 216 193 193 = 11012 66 13.67 191 4 216 y 25 191 154 154 — 1.24 58 5 162 nn 2 = 1,09 11 151 124 Dre 46 10-12 127 1 6 127 —_ — 102 | = — 554 Max von Ferry: Die Austreibung der Kohlensäure aus dem Blute verläuft durchaus ähnlich wie in den kalten Versuchen. Der einzige auffällige Unterschied besteht darin, dass nicht nur nach dem Tetanus, sondern bereits in der Periode der Reizung eine Steigerung des Vorganges eintritt. Entweder ver- läuft die Bildung der Säure und ihr Uebertritt in’s Blut bei Körperwärme schneller oder es muss die Erklärung gesucht werden in der oben mit- getheilten Beobachtung, dass die Reizung des bei Körperwärme durch- geleiteten Praeparates stets zu einer theilweisen Erstarrung der Muskeln führt. Da nun seit den Versuchen von du Bois-Reymond! bekannt ist, dass der Muskel beim Erstarren Säure entwickelt, so würde die starke Ver- drängung der Kohlensäure begreiflich sein. Für die Richtigkeit dieser An- schauung scheint der Verlauf des Versuches vom 21. Mai 1884 zu sprechen. Es trat hier die Starre besonders rasch auf, sie erstreckte sich am Ende der Reizungsperiode beinahe auf sämmtliche Muskeln. Man findet in dieser Zeit eine sehr energische Austreibung von Kohlensäure, eine viel geringere dagegen in der Periode, welche auf die Reizung folgt, entsprechend der geringen Wirkung, die der Reiz in dem rasch ermüdenden Praeparate aus- löste. Die Säuerung des Muskels durch die Starre und die Säuerung durch die Arbeit scheinen zwei Vorgänge zu sein, die, obwohl sie zu derselben Aenderung des Blutes führen, doch dadurch unterschieden werden können, dass sie sozusagen ein verschieden langes Latenzstadium besitzen. Durch die Analysen der obigen fünf Versuche ist die Möglichkeit ge- wonnen, eine Correctur der Kohlensäurezahlen auszuführen und zu erfahren, eine wie grosse Menge des Gases wirklich neu gebildet worden ist. Man findet den corrigirten Werth für jede Versuchsperiode, die Grösse der gleichzeitigen Sauerstoffzehrung, die Verhältnisszahl beider (den respirato- schen Quotienten), endlich die Kohlensäurebildung pro Kilo des Praeparates in den vier letzten Stäben. Beachtet man zunächst die Angaben des letzten Stabes, so ergiebt sich, dass die pro Kilo gebildete Kohlensäure mit der Temperatur sinkt, aber nicht so stark wie der Sauerstoff, eine Beobachtung, die schon Rub- ner? gemacht hat. Dieses Verhalten prägt sich auch in den Quotienten aus, welche für die kalten Versuche grösser sind, wie für die warmen. Stets aber ist der Quotient für den ruhenden Muskel grösser, als die Ein- heit. Es findet also ein Spaltungsprocess statt, wie seit den Versuchen Hermann’s® für ausgeschnittene Muskeln von allen Untersuchern be- stätigt worden ist. Das Verhältniss zwischen diesem Processe und der ! Monatsbericht der Berliner Akademie 1859. S. 288. ? Dies Archiv. 1885. 8. 38. 3 Untersuchungen über den Stoffwechsel der Muskeln. Berlin 1867. VERSUCHE ÜBER DEN STOFFWECHSEL DES MUSKELS. 555 nebenher gehenden Oxydation ist Rubner geneigt, sich in der Weise vor- zustellen, dass in der Kälte die Abspaltung der Kohlensäure, in der Wärme die Bildung durch Oxydation überwiegt. Dass der Zusammenhang zwischen den oxydirenden und abspaltenden Vorgängen ein sehr lockerer ist, wird durch die Ergebnisse der kalten Versuche nahe gelest. Während dort die Sauerstoffzehrung durch längere Zeit auf constantem Niveau gehalten werden kann, sinkt die Kohlensäurebildung stets ab. Dieses Verhalten kann sogar in dem Versuche vom 6. März 1884, dessen Kohlensäurezahlen im einzelnen nicht corrigirt werden können, mit Sicherheit nachgewiesen werden. Versuch 6. März 1884. Temperatur 18—-22°C. | h | | |CO, des Blutes stunden tu u en IR le 18:67 0° 1 199 110 1-81 2 | 163 9A, 1-78 Tetanus!' 174 153 | a) 4 161 Ho nass 3 136 97 1-40 Ss 116 94 | 1 Tetanus | 184 | 140 | ‚0-96 ae ıs7 | 1m 1.06 9 118 92 1.28 10 103 87 1-18 11 Tetanus 1a ee Wa) 10 I are | ame oO Aus den Blutanalysem erfährt man, dass die gerade 1 Liter betragende Blutmenge während der sechsstündigen Versuchsdauer 122 m CO, verloren hat. Die Vertheilung dieser Menge auf die einzelnen Perioden könnte ! Vgl. die Anmerkung zu Seite 548. 556 Max von Frer: natürlich nicht ohne Willkür geschehen. Versucht man indessen für die Ruhezeiten 1, 2, 5, 6, 9, 10 einen einheitlichen Quotienten, etwa 1-20, einzuführen, so ergeben sich überschüssige Kohlensäuremengen, deren Summe grösser ist als die verfügbaren 122m, so dass für die Correcturen der Zeiten 4, 8 und 12, deren Kohlensäurezahlen sicher zu gross sind, nichts mehr übrig bleiben würde. Daraus folgt mit Nothwendigkeit, dass die Quotienten für die Ruhezeiten mit der Dauer des Versuches abnehmen müssen. Es scheint mir daraus hervorzugehen, dass Kohlensäurebildung und Sauerstoffzehrung nicht unzertrennlich verknüpft sind, dass sie bis zu einem gewissen Grade unabhängig verlaufen können, oder vielleicht noch besser, ° dass der gefundene Gaswechsel die Resultirende aus mehreren Processen ist, deren Ineinandergreifen noch nicht übersehen werden kann. Man wird gut thun, sich die Vorgänge nicht zu einfach vorzustellen. Ein. umgekehrtes Verhalten lässt sich bei den warmen Versuchen beob- achten. Sie fangen alle mit niedrigen Quotienten an, welche später zu höheren Werthen aufsteigen. Es liegt nahe, das rasche Absterben der Muskeln damit in Verbindung zu bringen. Wenn das Absterben der Muskeln mit keiner oder sehr geringer Sauerstofizehrung, dagegen neben der Säuerung mit einer Bildung von Kohlensäure einhergeht, so müssen, welches auch die absoluten Werthe sein mögen, steigende Quotienten sich einstellen. In der Periode der Thätigkeit wächst die Menge der gebildeten Kohlensäure und die Zunahme lässt sich ähnlich der des Sauerstoffes auch noch in die anschliessende Ruhezeit verfolgen; sie ist in derselben wenigstens in einer verminderten Steile des Absinkens bemerkbar. Die Zunahme ist im Ganzen nicht bedeutend, sie bewegt sich zwischen 46 Procent im Versuch vom 9. Juli 1884 und 10 Procent im Versuch vom 26. Juni 1854, und es kann nicht Wunder nehmen, wenn Ludwig und Schmidt! sie zu- weilen vermissten, Minot? sie überhaupt nicht nachzuweisen vermochte. Stets bleibt sie zurück gegen die Vermehrung des Sauerstoffverbrauches, woraus folgt, dass der Werth des respiratorischen Quotienten sinken muss. Ein absoluter Werth, dem er zustrebt, lässt sich ‚nicht angeben, da in den wenigen vorstehenden Versuchen Schwankungen zwischen 1.12 und 0.72 beobachtet wurden. Die Thatsache im Allgemeinen ist aber selbst in den- jenigen Versuchen deutlich ausgeprägt, deren Kohlensäurezahlen einer Cor- rectur nicht zugänglich sind, wie z. B. im Versuch vom 6. März 1884. Der Widerspruch, in dem diese Erscheinung mit den Erfahrungen am unver- ‚sehrten Thiere steht, an welchem durch die Versuche von E. Smith,? a. 0. a. 0. hilosophical Vransactions t. CIL. p. 681, 715. VERSUCHE ÜBER DEN STOFFWECHSEL DES MUSKELS. 557 Szelkow,! Speck,” Pettenkofer und Voit? gerade umgekehrt ein Wachsen des Quotienten durch Muskelarbeit unzweifelhaft nachgewiesen ist, lenkt die Aufmerksamkeit auf die Veränderung des Blutes, welche sich in den oben angeführten Versuchen in Gefolge der Thätigkeit des Muskels bemerklich machte. Die Verdrängung der Kohlensäure, welche dort statt- fand, weist auf den Uebertritt nicht flüchtiger Körper von sauren Eigen- schaften hin. In der That fand Gruber in Blutproben von unseren ge- meinsamen Vorversuchen bedeutende Mengen Fleischmilchsäure (bis 0-095°/, des Blutes), übereinstimmend mit den älteren Erfahrungen Spiro’s* an tetanisirten Thieren. Es schien mir wünschenswerth, wenigstens für einen Versuch den Betrag der neugebildeten Säuremenge zu bestimmen. Es wurde daher beidem Versuch vom 23. Juli 1884 eine Probe (I) des ursprünglichen, von der Einführung in den Apparat erübrigten Blutes, und ebenso eine Probe (II) des ge- brauchten Blutes, welche nach Schluss des Versuches aus dem Apparat entnommen wurde, nach dem im Anhange beschriebenen Verfahren auf Milchsäure untersucht. Es fand sich, für die gesammte Blutmenge berechnet, eine Zunahme der Milchsäure in °/, Stunden um 1.480 8% des lufttrockenen Zinksalzes, aequivalent einer Menge von 0.2192% oder 84m 00,. Die Menge der thatsächlich ausgetriebenen CO, wurde, wie aus Tabelle S. 552 ersichtlich ist, für die ersten ®/, Stunden gleich 76°” gefunden. Ohne der guten Uebereinstimmung dieses einen Versuches zu grosse Wichtigkeit beizulegen, wird man mit grosser Wahrscheinlichkeit sagen können, dass, wenn nicht die ganze Menge, so doch der grösste Theil der aus dem Blute verschwundenen Kohlensäure durch Milchsäure verdrängt worden ist. Es scheint ferner, dass der Muskel nicht nur in der Arbeits- zeit, sondern auch in der Ruhe sehr beträchtliche Mengen von Milchsäure zu bilden im Stande ist, und dass der isolirte von Blut künstlich ernährte Muskel nicht die Fähigkeit besitzt, dieselbe weiter zu zerlegen, so dass die gesammte im Verlaufe des Versuches gebildete Menge sich im Blute und vielleicht auch im Muskel aufspeichert, Es wäre sehr wohl möglich, dass auch im unversehrten Thiere der Muskel nicht der Ort ist, an welchem die aus ihm stammende Milchsäure ihre weitere Zerlegung oder Verarbei- tung findet. Der sinkende Kohlensäuregehalt des Blutes nach Phosphor- und Arsenvergiftungen, welchen H. Meyer’ auf eine Anhäufung von Milch- 1 Sitzumgsberichte der Wiener Akademie. Math.-naturw. Classe. Bd. VL. 8. 171. ? Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmakologie. Bd. II. S. 405. ® Zeitschrift für Biologie. Bd. II. S. 538. * Zeitschrift für physiologische Chemie. Bd. I. 8.111. EN. a. 0. 558 MaAx von Frey: säure zurückführen konnte, weist, da die Leber die stärksten Veränderungen erfährt, auf dieses Organ hin. - Die vollständige Oxydation der Milchsäure, welche in obigem Versuche gebildet worden ist, würde eine Quantität Kohlensäure liefern, welche dem Sechsfachen der vertriebenen Menge gleich ist: 6 x 34 = 504 m, Sie würde ein bedeutendes Ueberwiegen der Kohlensäureproduction über die Sauerstoffzehrung herbeiführen, wie es innerhalb des Gesammtstoffwechsels für den Muskel erwartet werden muss. Wird von den Kohlensäuremengen abgesehen, welche unter Umständen aus der Oxydation der Milchsäure ent- springen können, so erheben sich sofort die Fragen, aus welchem Material stammt die überschüssige, offenbar aus Spaltung entstandene Kohlensäure, die der isolirte ruhende Muskel thatsächlich ausscheidet, welche Substanzen werden in der Ruhe oxydirt; bedeutet die Steigerung der Kohlensäurepro- duction in der Arbeitszeit eine Steigerung der spaltenden oder oxydirenden Processe? Ich zweifle nicht, dass die vorliegende Methode gestatten wird, vermittelst: vergleichender Analysen des Blutes und eventuell der Muskeln, vielleicht auch durch Zusatz von gewissen Substanzen, den Fragen näher zu treten. Dasselbe gilt auch von der merkwürdigen Steigerung der Sauer- stoffzehrung während der Arbeit. Da weder das Auftreten der Milchsäure noch die geringe Steigerung der Kohlensäure für ihre Erklärung zureicht, so scheint mir die Erfahrung beherzigenswerth, dass der Muskel des Warm- blüters ohne Zufuhr von Sauerstoff so ausserordentlich rasch ermüdet. Nun laufen in dem arbeitenden Muskel die Vorgänge der Zersetzung i. e. der Ermüdung und des Wiederaufbaues oder der Erholung beständig neben- einander her und es scheint mir die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass der vermehrte Bedarf von Sauerstoff mit letzterem Process zusammenhängt. Bezüglich des Umsatzes der stickstoffhaltigen Substanzen sei erwähnt, dass Gruber in Blutproben aus unseren Vorversuchen den Harnstoffgehalt nicht erhöht fand (0-031°/,), im Einklange mit. den Beobachtungen vou v. Schröder! und W. Salomon.” Weder Kreatinin, noch Leucin, noch Tyrosin konnten nachgewiesen werden; von Xanthinkörpern und Ammon- salzen nur Spuren. Dagegen fanden sich Amidosäuren, nicht fällbar durch Phosphorwolframsäure, Bleizucker und Bleiessig, Kupferoxydhydrat reichlich lösend, anscheinend in nicht unbedeutender Menge. In 836 «® Blut wurden ferner, nach Drechsel’s? Verfahren 0.1785" Carbaminsäure in Form _ von Caleiumcarbonat bestimmt. EN 2.20. ® Virchow’s Archiv. Bd. XCVIIL S. 149. 3 Journal für praktische Chemie. (N. F.) Bd. XII. 8. 417; — Arbeiten aus der physiologischen Anstalt zu Leipzig. 1875. 8.92. ’ VERSUCHE ÜBER DEN STOFFWECHSEL DES MUSKELS. 559 Anhans. Beschreibung des Versuches vom 23. Juli 1884. Tod des Thieres. . . . 8» 15° Gewicht des Thieres. . 14500 2m Beginn der Durchleitung. 8% 30° Gewicht des blutleeren Beginn der Messung . . 10% Praeparates . . . . 3980 gm Der Apparat wurde beschiekt mit 1035°® Blut und mit 165m 1/, proc. Kochsalzlösung Kreisende Blutmenge zu Beginn des Versuches 1200 em Die Blutspritze machte 44 Hübe in der Minute oder 1320 in der halben Stunde und förderte mit jedem Hube 1-86 m Blut. Es gingen also durch jeden Querschnitt der Leitung 2455-2°em in der halben Stunde. Auf 2455 das — 617 em Blut pro halbe Stunde. 3980 Da Versuchszahlen: Zeit 10" 110: u eher en u ie Blutdruck in Arterie in Mm. | Ho et | 64 70 55 55 56 56 56 Memperatur in Arterie . . 19-8 | 19-9. |) 19-9 | 19-8 | 19-8 | 19-9 20-0 Temperatur in Vene. . . | 22-5 | 21-0 | 20-9 | 20-7 | 20-7 | 20.7 20-8 Temperatur des Blutes hin- ter dem Kühler . . . | 19-9 | 20-0 20-1 | 20-1 | 20-2 | 20-2 20-3 Temperatur des Zimmers . | 20-6 | 20-6 | 20-9 | 21.1 | 21-1 | 21-1 21-1 Temperatur der cireuliren- den Luft, gemessen an Bhramadelhse 72 92 22082075) | 20-8 21-1 | 21-3 | 21-3 | 21-35 21-4 Luftdruck a: 155-4 1755-4 |755-4 1755-5 755-4 [755-3 193-2 Ueberdruck in der künst- lichen Lunge in Mm. Hg (Chlorcaleiummanometer) 1-5 1-5 2-2 1-3 1-5 1-5 1-5 Kochsalzmanometer in Mm. | 31:5 | 31-0 | 36-0 | 32-0 | 31-5 | 31-0 31-5 Kochsalzflasche in Cem. °. | 18 19 20 52 66 66 69 jCO, | 0-08 = 0-12 Luftproben in Procenti, 0 lee TE = "2 il 19-66 Blutproben in Volum- nr u en ns > nal Sn 2 Buugann Nele oda —_ 2.201 — sehr sehr reiz- Niaskelnaem A ee a. — — |reizbar,| — —_ — bar, ohne - Tetanus jede Starre. 560 Max von Frey: Berechnung der Kohlensäure. Halbe Stunden | 1 | 2 3 4 5 6 Kreisende Blutmenge in Cem. . . 11150 11100 11050 1000 950 900 Durch Entnahme der Blutproben verminderte sich dieselbe halb- stündig um 50 Cem. Procentischer Verlust an CO, . . 12240 21671250230 E22 3218 eg Absoluter Verlust an CO, in Cem. | 14 12 3 32 15 In der Barytlösung wurden absorbirt gefunden Cem. CO, . . . . .. 148 157 174 166 133 107 Davon stammte aus dem Muskel . | 134 145 ill 134 118 BürsgedesKilo’Ccm., E34 36 43 34 30 |ı 27 Berechnung des Sauerstoffes. Die tetanische Reizung in der dritten Messungsperiode begann fünf Minuten vor 11 Uhr und endete 11" 25’; sie führt zu folgenden Störungen des Blutkreislaufes. Zunächst wird durch die ersten Tetani eine grössere Menge Blut aus den Venen ausgepresst, eine Erscheinung, die schon Gas- kell! beobachtet hat. Es kommt in Folge dessen zu einer Anhäufung von Blut in der künstlichen Lunge, von welcher der Kochsalzmanometer Rechen- schaft giebt. Sein Stand erhebt sich von 31-0 auf 36-0, was einer Ver- mehrung der Blutmenge um 30em entspricht. Die Compression der Gas- masse des Apparates von 7500 auf 7470 °® müsste zu einer Drucksteigerng auf 756.9 x = — 759.9 mm oder zu einem Ueberdruck von 4-5 mm in der Flasche führen. Nun wird aber gleichzeitig immerfort Sauerstoff weg- genommen und es findet sich daher im Momente der Ablesung (11") nur noch ein Ueberdruck von 2.2 "m. Damit in einem Raume von 7470 em Inhalt der Gasdruck bei eonstanter Temperatur von 759.9 auf 757.6 sinke, müssen 7470 — T470 x an — 23m weggenommen werden. Diese Menge ist also zur gefundenen Sauerstoffabsorption hinzu zu addiren. Ihr Ersatz aus dem Sauerstoffgasometer erfolgt zwischen 11" und 11" 30‘, indem die den Tetanus begleitende Gefässerweiterung für die überschüssige Blutmenge wieder Platz schafft. Der Sauerstoff, der hierbei an ihre Stelle tritt, muss von der gefundenen Absorption abgezogen werden. Nach diesen Bemerkungen dürften die in nebenstehender Tabelle ausgeführten Correcturen der Sauer- stoffzahlen verständlich sein. Ich verweise übrigens auch auf Seite 523, wo die Berichtigung der Sauerstofizahlen für gleichen Druck, gleiche Temperatur und gleiche Blutmenge bereits im Allgemeinen besprochen worden ist. Ich möchte hier nur noch die Aufmerksamkeit darauf lenken, dass in der Periode der I Arbeiten aus der physiologischen Anstalt zu Leipzig. 1876. 8. 45. VERSUCHE ÜBER DEN STOFFWECHSEL DES MUSKELS. 561 Reizung, sowiein der darauffolgenden zur Erhaltung eines constanten Blutnive- aus der Uebertritt von 32, bez. 14m Kochsalzlösung nöthig war. Dass das Nachrücken dieser Mengen nicht ausschliesslich durch die Gefässerweiterung bedingt gewesen sein kann, geht daraus hervor, dass nach Ablauf der Rei- zung die Mensen nicht wieder aus dem Praeparat zurückkommen. Nament- lich die 14°, die in der vierten Periode bei unverändertem Blutdruck neu aufgenommen werden, weisen auf eine Transsudation von Serum hin. Die Mengen von Sauerstoff, die dem Blute durch die nachrückenden Koch- salzmengen zugeführt wurden, mochten etwa 1, bez. 0-5 m betragen. Halbe Stunden 1 2 3 4 5 6 Aus dem Gasometer abaes ebene: Sauerstoff. . . 106 82 256 187 134 119 Correction für gleiche Temper atur . +1 +8 +5 — |/+1 +2 Correction für gleiche Blutmengen. — 3 + 30 — 24 —3 —8 +3 Correetion für gleichen Veberdruck —_ — 7 +9 2 _ — Die wirklich absorbirten Sauerstoft- mengen betragen . 104 113 246 182 132 124 Corrigirt für Im Druck mail 0°C. Temperatur . . . 73 OB ES 128 93 86 Einsedeserilo er. 2 ..02 0.118 20 43 32 23 22 CODE R. el 18 1.82 0:99) 1-05) 1-28| [1-24] [ \ Am Schlusse des Versuches ist die Temperatur der eirculirenden Luft um 0.65°C. höher als am Anfange; es müssen also nach S. 523, wenn der Druck constant bleiben soll, 6.5 x 2.7 = 17.55 m Sauerstoff wegge- nommen werden. Nun ist aber in derselben Zeit der äussere Luftdruck um 0.2mm Ho gesunken und es müssen zur Erhaltung des Gleichgewichts zwischen dem Druck im Inneren des Apparates und dem Druck aussen, wie es nach den Angaben des Chlorcaleiummanometers in der That bestand, noch 2°” Sauerstoff entfernt werden. Der Totalverlust an Sauerstoff im Inneren des Apparates durch die erwähnten Ursachen beträgt also 19.55 «m 19-55 7500 Sauerstoff oder —= (0.26 Procent des gesammten Luftvolums. Mit diesem Calcul stimmt die beobachtete Verminderung des Sauerstolfes in der zweiten, am Schlusse des Versuches abgenommenen Luftprobe um 0.34 Procent genügend überein. Bestimmung der Milchsäure. 750m des Blutes, welches zu Beginn des Versuches in den Apparat eingebracht wurde, werden mit dem doppelten Volum Alkohol versetzt zurückgestellt, Probe I. Ebenso werden nach Schluss des Versuches 725 m Blut aus dem Apparate gesammelt und mit Alkohol gemischt, Probe I. Archiv f A.u. Ph. 1835. Physiol. Abthlg. 36 562 Max voN FREY: VERSUCHE ÜBER DEN STOFFWECHSEL DES MUSKELS. Beide Proben wurden wie folgt behandelt: Das Coagulum wird noch einmal mit kaltem und zweimal mit heissem Alkohol ausgezogen und abgepresst, nach jeder Abpressung wird es im Porcellanmörser fein zerrieben. Die alkoholischen Extracte werden gesam- melt, der Alkohol abdestillirt, der wässerige Rückstand zum Kochen erhitzt und vorsichtig mit Schwefelsäure angesäuert. Es bildet sich dabei ein grossflockiger Niederschlag, der das Fett einschliesst und ziemlich leicht abfiltrirt werden kann. Die klare Flüssigkeit wird acht bis zehn Mal mit Aether ausgeschüttelt, die ätherischen Extracte werden abdestillirt, der Rück- stand mit überschüssigem Zinkoxyd zum Kochen erhitzt. Aus dem klaren, zu einem möglichst kleinen Volum eingeengten Filtrat werden die Zink- salze durch absoluten Alkohol ausgefällt, der .krystallinische Niederschlag auf dem Filter gesammelt, getrocknet und gewogen. Es@fanden#sich" mo Prober I wa 2 Fo oder in der ganzen Blutmenge von 1200 «m 0.101 nn — 0.1616 8m imsiBrobe,tlT...: Baur gen un Br less oder in der ganzen Blutmenge von 900m 1.1518 TE —= 1.4298 8" die Zunahme betrug also ... . . lie FR Die Mengen von Milchsäure, che dteh die zum Zwecke der Gasanalyse halbstündig entnommenen Blut- proben von je 90 “m verloren gingen, lassen sich unter Annahme einer der Zeit proportionalen Vermehrung berechnenzzur 2 = 02 De Die gesammte innerhalb et madin Selle lenae würde als lufttrockenes Zinksalz gewogen hahen . . 1.48022:m Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft zu Berlin. Jahrgang 1884—89. XIV. Sitzung am 5. Juni 1885.' Hr. Hans VırcHnow hält den angekündigten Vortrag: „Ueber Glas- körperzellen.“ 1) Beim Alpakaschaf wurden reichlich-verzweigte Zellen mit einem oder auch mehreren Kernen auf der Oberfläche des Glaskörpers gefunden. Dieselben waren über die ganze Oberfläche in gleichmässiger Vertheilung und einfacher Schicht ausgebreitet. 2) Beim Huhn fanden sich schlanke Zellen, z. Th. faser- oder spindelförmig, z. Th. mit mehreren Ausläufern, welche in einfacher Schicht einen grossen Theil der Glaskörperoberfläche in gleichmässiger Vertheilung einnahmen. Dieselben wurden in den Augen zweier Hühner gefunden, dagegen in dem eines dritten und in denen dreier Enten vermisst. 3) Auf dem Glaskörper des Frosches findet man: 1. Zellen mit einem schleierhaft zarten weit ausgespannten Leibe, in der Regel zwei Gefässe verbindend; dieselben sind gleichwerthig einer Form von Zellen, welche an der Aussenseite von Gefässen eine adventitielle Formation bilden. 2. Granulirte Zellen, bald rundlich, bald in die Länge gezogen und weit ausgestreckt. 3. Runde Zellen mit rundem Kerne und geringem Protoplasmahof (Leukocyten?). 4. Polymorphe Zellen (gleichfalls Leukocyten?), entweder zu dünnen, unregelmässigen Platten ausgebreitet und so dem Anscheine nach zerfliessend, oder in dünne Fortsätze ausgestreckt, die bald durch tropfenförmiges Auf- quellen, bald durch Abreissen von Stücken zu Grund zu gehen scheinen. 1 Ausgegeben am 26. Juni 1885. 36 * 564 VERHANDLUNGEN DER BERLINER 15. Sitzung am 19. Juni 1885.' Hr. HörLtzeke hält den angekündigten Vortrag: „Experimentelle Untersuchungen über intraocularen Druck.“ (Fortsetzung, Circulations- verhältnisse des Auges.) Die Höhe des intraocularen Druckes ist in letzter Instanz abhängig von - der Höhe des Blutdruckes. Momente, welche den Blutdruck steigern, er- höhen auch den intraocularen Druck: z. B. CO,-Intoxication (Aussetzen der Venti- lation bei curarisirten Thieren), Reizung der Splanchnici, des Gefässcentrums, , des Sympathicus, sensibler Nerven, Unterbindung grosser Arterienstämme (Aorta abdominalis), Einverleibung gewisser Gifte (Nicotin). Ebenso Stauung im Venen- system, besonders in der Nähe des Augapfels (Unterbindung der Venae vorticosae); endlich übertragen sich respiratorische Blutdrucksschwankungen in der Art, dass der intraoculare Druck bei der Exspiration etwas steigt. Momente, welche den Blutdruck herabsetzen, verringern die Spannung im Auge: Starke Blutverluste, Schwächung des Herzens, Durchschneidung der Splanchnici, des Sympathicus, des Halsmarkes, Reizung des Depressor, des centralen Stumpfes vom Laryngeus sup. Weiterhin Narcotica (Chloroform, Morphium, Chloral, auch Curare). End- lich Exitus letalis. Nach letzterem verbleibt regelmässig ein hydrostatischer Druck von 8—10Wm Hg im Auge. Was nun die Circulation des Auges speciell betrifft, soweit sie von nervösen Einflüssen abhängt und soweit Druckbestimmungen in dieselbe einen Einblick gestatten, so ist festzuhalten, dass der einzige Nerv, über dessen Einfluss in dieser Beziehung etwas Näheres eruirt ist, der Sympathicus ist. Durchschnei- dung dieses Nerven am Halse bewirkt neben der Verengerung der Pupille con- stant ein Sinken des intraocularen Druckes bis um 6%M Hg, Reizung des peri- pheren Stumpfes fast regelmässig ein Steigen bis um 14", Bei der faradischen Reizung beobachtet man, falls dieselbe einige Zeit fortgesetzt wird, noch wäh- rend der Reizung ein Sinken des Augendruckes, doch so, dass die anfängliche Drucksteigerung nicht völlig wieder verschwindet. Durch Reizung mit sehr schwachen Strömen, welche eben eine deutliche Pupillenerweiterung bedingen, lässt sich eine Drucksteigerung bewirken, die sich eine Minute lang auf gleicher Höhe hält. Bei der Reizung des Ganglion supremum erhält man ganz dieselben Resultate, nur sind jetzt stärkere Ströme, entsprechend dem grösseren Querschnitt der gereizten Strecke, wie Hr. Prof. E. du Bois-Reymond in einer münd- lichen Mittheilung wahrscheinlich machte, erforderlich. Exstirpation des Ganglion hat Sinken des Augendruckes zur Folge, Alle diese Angaben beziehen sich auf den ankk im Glaskörper ebenso gut wie auf den Kammerdruck. Die Wirkung des Sympathieus ist an die Blut- circulation des Auges gebunden. Klemmt man beide Carotiden ab, so sinkt der Augendruck beträchtlich (bis auf etwa 14" Hg). Reizungen des Sym- pathicus sind jetzt ohne Erfolg. Dasselbe lässt sich noch anders beweisen: Stellt man den Inhalt des Bulbus durch Schrauben am Manometer künstlich unter einen hohen Druck von 100 ®% und darüber, so wird an der Cireulation in der Orbita nichts geändert, nur kann kein Blut in’s Auge einströmen; unter diesen Verhältnissen erweist sich Sympathicusreizung wiederum erfolglos, trotz- dem sich die Pupille, ebenso wie bei abgeklemmten Carotiden, prompt erweitert. ! Ausgegeben am 26. Juni 1885. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — HÖLTZKE. 565 Hieraus folgt, dass die Erklärung von v. Hippel und Grünhagen, welche die drucksteigernde Wirkung der Sympathicusreizung der glatten Musculatur der Orbita zuschreiben und von der Gefässverengerung bei der Reizung des Hals- stranges eine Druckherabsetzung erwarten, unrichtig ist. Es wurde noch der Einfluss des Sympathicus auf das atropinisirte Auge untersucht. Durchschneidung des Halsstranges bewirkt im Allgemeinen geringere Druckherabsetzung, als im normalen Auge, manchmal bleibt dieselbe sogar ganz aus, trotzdem sich die Pupille deutlich verengt; niemals aber folgt auf die Durchschneidung eine Steigerung des Druckes. Reizung des Sympathicus be- wirkt, wie am normalen Auge, Drucksteigerung; nur erreichte dieselbe am atro- pinisirten Auge öfter nicht so hohe Werthe, als am Controlauge. Bei Gelegenheit dieser Versuche war aufgefallen, dass das atropinisirte Auge meistens durchschnittlich geringere Druckwerthe aufzuweisen hatte, als das Controlauge. Dies gab Veranlassung, die Wirkung des Atropins nochmals einer Prüfung zu unterwerfen. Aus 7 technisch gut gelungenen Versuchen er- gaben sich folgende mittlere Maxima: Atropinauge: Controlauge: Mittleres Maximum 37:-0"®, Mittleres Maximum 40.7 m, Pupille 6 x weit, 1X eng. Pupille 3 x weit, 4 X eng. Hiernach ist der frühere Satz: dass Atropin sicher keinen direct erhöhen- den Einfluss auf den Kammerdruck ausübt, dahin zu erweitern: Atropin setzt an sich den intraocularen Druck deutlich herab, dagegen erhöht es denselben vermöge seiner pupillenerweiterndeln Kraft. Da, wie soeben bewiesen wurde, der Sympathicus fast nur durch Vermittelung des Blutdruckes auf die Höhe der Spannung des Augapfels einwirkt, und zwar unter Verenge- rung der intraocularen Gefässe, da ferner Eserin, welches die Gefässe verengt, ebenfalls den Druck steigert, andererseits Atropin und Sympathieusdurchschnei- dung die Gefässe erweitern und den intraocularen Druck herabsetzen, so sieht sich Vortragender zu dem Schluss gedrängt, dass durch die Verengerung der Gefässe, sobald dieselbe eine gewisse Grenze nicht übersteigt und dem Auge überhaupt zu wenig Blut zugeführt wird, und in Folge des dadurch gesteigerten intravascularen Druckes, eine erhöhte Transsudation in das Auge stattfindet. Diese Auffassung, welche besonders der von v. Hippel und Grünhagen sehr mangel- haft gestützten Behauptung, dass der Trigeminus den intraocularen Druck so bedeutend erhöhe, und dass diese Wirkung auf Gefässdilatation zurückzuführen sei, entgegentritt, findet eine Stütze in der Beobachtung Schulten’s, welcher bei Sympathieusreizung nicht nur die Arterien des Augengrundes sich contra- hiren sah, sondern in hohem Grade auch die Venen, so dass hiernach ein den Blutdruck -steigerndes Hinderniss auch jenseits des Gefässbezirkes, aus welchem Transsudation von Lymphe stattfindet, jenseits der Capillaren, gegeben wäre. Endlich ist auch das vom Vortragenden nachgewiesene gesetzmässige An- steigen des Augendruckes bei Pupillenerweiterung, sowie das Sinken bei Pu- pillenverengerung sehr einfach auf Circulationsänderungen zurückzuführen, inso- fern bei Mydriasis das Stromgebiet des Uvealtractus sich einengt und bei Myose sich vergrössert, 566 VERHANDLUNGEN DER BERLINER XVI. Sitzung am 3. Juli 1885." 1. Hr. WALDEYER berichtet über die Ergebnisse einer in der ana- tomischen Anstalt ausgeführten Untersuchung des Hrn. Fischelis, betreffend die Entwickelung der Schilddrüse. Es konnten die Angaben von Born, dass wir bei der Entwickelung des genannten Organs eine mediane unpaare und zwei laterale Anlagen zu unterscheiden haben, bestätigt werden. Der Vortragende knüpfte hieran einige Bemerkungen über die bisher aufgestellten Ansichten an- gehend die phylogenetische Bedeutung der Glandula thyreoidea. 2. Hr. EULENBURG spricht: „Ueber das Wärmecentrum im Grosshirn.“ Es ist nicht meine Absicht, über das von den HH. Aronsohn und Sachs beschriebene sogenannte Wärmecentrum im Grosshirn das Wort zu neh- men, was ich übrigens schon an einem anderen Orte? gethan habe. Ich möchte mir vielmehr nur einige Bemerkungen im Anschlusse an den neulichen Vortrag des Hrn. Raudnitz „über das thermische Centrum der Grosshirn- rinde“ in der Sitzung vom 1. Mai d. J. erlauben. Leider habe ich bei dem Vortrage selbst nicht zugegen sein können, bin daher genöthigt, mich in meiner Kritik lediglich auf das gedruckt vorliegende Sitzungsprotocoll (S. oben S. 346) zu beziehen. Es dürfte zweckmässig sein, vorauszuschicken, dass Landois und ich in unserer vor neun Jahren veröffentlichen Arbeit ® nirgends von einem „thermischen“ oder einem „gefässbeherrschenden Centrum“, sondern stets nur von thermisch wirksamen Bezirken (oder Abschnitten) der Grosshirn- rinde, beim Hunde, gesprochen haben. Dies zu betonen ist, um Missver- ständnisse zu verhüten, um so mehr geboten, als es sich ja bei unseren Ver- suchen überhaupt nicht um ein einheitlich die Wärmeoekonomie des Körpers regulirendes Centrum (wie möglicherweise das der HH. Aronsohn und Sachs), sondern im besten Falle nur um wärmehemmende regionäre oder Local- centren handelt. Die von uns gewählte, nicht praejudieirende Bezeichnung könnte auch bei der von Hrn. Raudnitz untergelegten Deutung der Versuche unverändert bestehen. Wenn Hr. Raudnitz annimmt, dass unsere Versuche bisher nur von Hitzig und Reinke Bestätigung gefunden hätten, so sind ihm doch hierbei die vielfachen bestätigenden und theilweise ergänzenden experimentellen und klinischen Befunde von Albertoni, Ripping, Reinhard, Berger, Bech- terew, Feinberg und manchen Anderen entgangen. Ich will nur hervorheben, dass Albertoni* unsere Angaben nicht nur hinsichtlich der Rinde bestätigt, sondern sie dahin erweitert, dass auch Durchschneidung des Pedunculus cerebri bei Hunden, sowie krankhafte Entartung desselben beim Menschen ebenfalls Temperaturerhöhung der gegenüberliegenden Körperseite zur Folge habe. [In einem klinischen Falle von gänzlicher Erweichung des einen Pedunculus durch ! Ausgegeben am 10. Juli 1885. ? Vgl. Verhandlungen des Vereins für innere Mediein. Jahrg. IV. 8. 151. 3 Ueber die thermischen Wirkungen localisirter Reizung und Zerstörung der Gross- hirnoberfläche. Virchow’s Archiv. 1876. Bd. LXVIIl. * Rendieonto delle ricerche sperimentali eseguite nel gabinetto di fisiologia della R. Universita di Siena. 1877. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — WALDEYER. — EULENBURG. 567 ein Gliosarcom war die contralaterale Temperatur bei Lebzeiten regelmässig höher, bis um 08°; dabei waren, wie bei den operirten Thieren, Hyperaemien und Blutergüsse in den Gelenken der wärmeren Körperhälfte vorhanden.] Ich übergehe die bei Verletzten, Geisteskranken u. s. w. von den oben genannten Autoren und von mir selbst gemachten bezüglichen Beobachtungen, und erwähne nur noch die neueren Untersuchungen von Feinverg.! Dieser will gefunden haben, dass es möglich ist, bei Hunden und selbst bei Menschen durch per- cutane Galvanisation der entsprechenden frontoparietalen Schädelabschnitte eine vorübergehende Temperaturerniedrigung in den contralateralen Extremitäten — nach Analogie unserer Reizversuche — zu erzielen. Dieselbe betrug bis zu 4°, hielt 10—20 Minuten an, worauf allmählich eine Ausgleichung oder selbst ein Hinaufgehen über die anfängliche (beiderseits gleiche) Temperaturhöhe erfolgte. Als Gegner unserer Versuche erwähnt Hr. Raudnitz die Namen Vul- pian, P. H. Rosenthal und Küssner. In Betreff Vulpian’s liegt wahr- scheinlich ein Missverständniss zu Grunde. Ich habe wenigstens die sehr zahl- reichen Vulpian’schen Mittheilungen an die Pariser Akademie,” welche sich auf die Grosshirnrinde beziehen, wiederholt durchgelesen, ohne darin auch nur die geringste Erwähnung bez. Bekämpfung der von Landois und mir ange- stellten Versuche zu finden. Ich zweifle aber nicht, dass Vulpian insofern unser Gegner sein würde, als er überhaupt allen Localisationsversuchen in der Grosshirnrinde prineipiell ablehnend gegenübersteht und sich z. B. über die sensorischen Centren ziemlich abfällig äussert.” P. H. Rosenthal (Diss., Berlin 1877) gelangte zu unentschiedenen Resultaten. Was aber Küssner betrifft, so möchte ich doch bitten, ihn bei dieser Gelegenheit ganz aus dem Spiele zu lassen. Er hat absolut nichts widerlegt und nichts bewiesen, da er nur am Kaninchen experimentirte, bei welchem die Frfolglosigkeit der bezüglichen Ver- suche von Landois und mir schon längst constatirt war. Gegen das von uns angewandte Verfahren der thermoölektrischen Messung — welches bei äusserster Genauigkeit zugleich eine ununterbro- chene Controle des zeitlichen Verlaufes der Erscheinungen ermög- licht — erhebt Hr. Raudnitz, augenscheinlich ohne dieses Verfahren selbst geprüft zu haben, von vornherein einen, wie mir scheint, ziemlich belanglosen Einwand. Er meint nämlich, dass diese Methode ganz fehlerhafte Ergebnisse liefern musste, wenn die Thermonadeln an symmetrischen Körperstellen (unter der Haut beider Pfoten) angebracht waren, da der Gefässzustand der einen Extremität in verschiedener Weise auf den der anderen zurückwirkt. Letzterer Umstand ist natürlich auch uns nicht unbekannt und u. A. bei Gelegenheit der Kochsalzversuche ausdrücklich berücksichtigt. Für die kurzdauernden elektri- schen Reizversuche kam jedoch hierauf nichts an, weil direete vergleichende Messungen mit Pfotenthermometern ergaben, dass, während die Temperatur der segenüberliesenden Seite bereits deutlich sank, die Temperatur der gereizten Seite noch keine Veränderung darbot. Wenn man nun- die thermoölektrischen Messungen in der Weise vornimmt, dass vor dem Beginn der Reizung die Scala I Zeitschrift für klinische Medicin. 1883. Bd. VII. Hft. 3. 8. 282. ® Comptes .rendus de U’ Academie des sciences. 1885. No. 12, 13, 17 etc. ? „Les experiences relatives a ces regions sont peu nettes et les physiologistes s’aecordent en general A leur attribuer beaucoup moins de valeur‘“ ete. (l. e. Nr. 12.) 568 VERHANDLUNGEN DER BERLINER ruhig einsteht (was für eine gewisse Zeitdauer wenigstens gut erreichbar ist), so geht aus der bei der Reizung sofort. eintretenden Ablenkung der Scala in bestimmter Richtung eine Wärmedifferenz der beiden 'Thermoälemente, und zwar zu Gunsten des auf der gereizten Seite befindlichen hervor (durch den in der wärmeren Nadel vom Neusilber zum Eisen gehenden Strom erfolgt so- fort Ablenkung des Magnetes). Diese Differenz kann nach Lage der Dinge eben nur durch die 'Temperaturerniedrigung der gegenüberliegenden Pfote be- dingt sein. Uebrigens haben wir in einzelnen Versuchen die zweite Nadel nicht an der symmetrischen Stelle eingestochen, sondern dieselbe einer möglichst gleichmässigen Wärmequelle (Lampe) ausgesetzt. - Auch hier zeigte sich nach vorherigem Einstand der Scala eine Ablenkung derselben auf Reizung, in glei- cher Richtung wie bei den früheren Versuchen. — Gewisse Fehlerquellen sind dabei wegen der ausserordentlich grossen Empfindlichkeit des benutzten Instrumentes (eines Meissner-Meyerstein’schen Elektrogalvanometers, mit freischwebendem Magnet, Hülfsmagnet und Gauss’schem Dämpfer) nicht ganz zu vermeiden. Indessen fallen kleine Schwankungen der Scala um wenige Milli- meter hier nicht in’s Gewicht, da ein Millimeter der Scala nur „1,°C. entspricht, die Wärmedifferenz bei der Reizung aber eine Ablenkung der Scala um meh- rere Centimeter (und darüber) veranlasst. In Betreff der Reizversuche kann ich Hrm. Raudnitz auch darin nicht beistimmen, dass bei uncurarisirten Thieren Reizung, die von keiner Bewegung begleitet wird, auch ohne thermischen Erfolg bleibe, stärkere Reizungen da- gegen, entsprechend der Intensität .der Bewegungen, von einem vorübergehenden Absinken mit folgender Erhebung begleitet seien. Wir fanden in der Regel bei schwachen Strömen eine allerdings geringe (durchschnittlich 0-.2—0.5°C. nicht übersteigende) Abkühlung mit allmählicher Ausgleichung; bei stärkerer Reizung dagegen meist unregelmässige Oscillationen der Scala oder unter Umständen sogar eine geringe primäre Temperatursteigerung. Ganz dasselbe Resultat wurde übrigens auch an curarisirten, der künstlichen Respiration unterworfenen Thieren erhalten. Bezüglich der Resultate unserer Zerstörungsversuche muss ich daran er- innern, dass die Temperaturdifferenz bei den Thieren bereits ein- trat und thermometrisch nachgewiesen werden konnte, bevor die Thiere aus der Chloroformnarkose erwachten, bevor sie irgend welchem Lagewechsel ausgesetzt waren oder spontane Bewegungen ausführen konnten (wie dies auch in unseren Mittheilungen mehrfach aus- drücklich betont wird). Es ist daher nicht wohl zulässig, hier auf ein Herab- gsekommensein der Thiere durch die Operation, auf den Einfluss passiver Lage- veränderungen u. dergl. zu recurriren. Später liefen die Hunde umher, wurden im Stalle gut gehalten, gut verpflest; manche derselben zeigten trotzdem noch mehrere Wochen und selbst mehrere Monate nach der Operation merkliche, wenn auch allmählich abklingende Temperaturdifferenzen in stets identischer Richtung. (Das in Spiritus aufbewahrte Gehirn eines solchen Hundes, welches das sehr begrenzte Zerstörungsgebiet noch deutlich erkennen liess, wurde vorgelegt.) Hr. Raudnitz ist nun der Meinung, dass selbst etwa vorhandene regel- mässige Temperaturdifferenzen nicht auf unmittelbare vasomotorische Einflüsse zurückgeführt zu werden brauchten, sondern dass, von den Lageverhältnissen abgesehen, der herabgesetzte Tonus der betreffenden Extremitäten PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — EULENBURG. 569 daran zum Theile die Schuld trage. Es ist auch von Landois und mir aus- drücklich hervorgehoben worden, dass in den erfolgreichen Operationsfällen zu- meist (nicht immer) Störungen der Motilität und des Muskelbewusst- seins, von allerdings häufig kürzerer Dauer als die thermische Störung, beob- achtet wurden. Wir haben gerade hieraus Veranlassung genommen, eine nahe Nachbarschaft der thermisch wirksamen und der correspondiren- den motorischen Rindenbezirke als nothwendig zu postuliren. Hr. Raud- nitz gelangt jedoch zu der, vom pathologisch-klinischen Standpunkte aus völlig unhaltbaren Vorstellung, dass die Verminderung des Muskeltonus an sich mit (andauernder) Erwärmung der Extremität etwas zu thun habe. Er will diese Annahme durch Versuche stützen, in denen sich die Pfote jenes Beins, dessen Achillessehne durchschnitten war, unter Morphium- oder Aetherwirkung rascher erwärmte als die normale. Da eine ausführlichere Mittheilung dieser Versuche fehlt, so unterlasse ich es, in eine Kritik derselben einzutreten, zumal sie, wie mir scheint, mit dem vorliegenden Streitpunkte nur wenig oder gar nichts zu thun haben. Denn ich glaube nicht, dass der Zustand eines Beins, dessen Achillessehne durchschnitten ist, ohne Weiteres identificirt werden kann mit dem einer Extremität, deren „Tonus“ (falls wir diesen Ausdruck überhaupt an- erkennen wollen) auf Grund cerebraler Läsionen alterirt, bez. gleichmässig herab- sesetzt ist. — Jedenfalls kann die lange Andauer der Temperaturerhöhung in unseren Versuchen aus der „Atonie“ in keiner Weise erklärt werden, da in Gliedmaassen, deren willkürliche Musculatur gelähmt oder erschlafft ist, mit der Zeit stets in Folge der verlangsamten Circulation und der verminderten Wärme- production die Localtemperatur unter die Norm, bez. unter die Temperatur der symmetrischen Extremität sinkt. Ein unmittelbarer Einfluss der Hirnrinde auf die peripherischen Gefässe wäre nach Hrn. Raudnitz „erst noch zu erweisen.“ Ein solcher Einfluss ist von Landois und mir nur hypothetisch als wahrscheinlichstes Er- klärungsmoment hingestellt; die Giltigkeit unserer Versuche selbst also ist in keiner Weise an die Anerkennung jener Hypothese gebunden. Indessen sprechen doch ausser den schon früher von uns geltend gemachten auch noch manche neuere Thatsachen zu Gunsten der Ansicht, dass allerdings von der Rinde aus ein direct bestimmender Einfluss auf vasomotorische Bahnen der segenüberliegenden Körperseite geübt werde. Ich erinnere zunächst an die schon erwähnten Angaben von Albertoni, der nach Zerstörung der betreffen- den Hirnrindenabschnitte bei Hunden ausser der contralateralen Temperatur- steigerung auch Blutungen in den Gelenken (besonders im Hüftgelenk) der gegenüberliegenden Seite beobachtete. Entsprechende Befunde wurden von ihm auch am Menschen in zwei mitgetheilten pathologischen Fällen erhalten. Lepine ferner sah bei curarisirten Hunden auf Reizung des Gyrus postfrontalis, sowie eines Theils des Gyrus praefrontalis mit schwa- chen Inductionsströmen eine erhebliche Spannungszunahme der Art. cru- ralis (so stark wie auf Ischiadicusreizung), die bei Reizung anderer Hirnrinden- abschnitte ausblieb. Eine entschiedene Bestätigung unserer Annahme enthalten ferner die unter Landois’ Leitung angestellten Versuche von Reinke.! Dieser ! Untersuchungen über die Veränderung des Blutdruckes und der Pulsbewegung nach Zerstörung der thermisch wirksamen Region der Grosshirnrinde beim Hunde. Dissertation. Greifswald 1882. 570 VERHANDLUNGEN DER BERLINER bestätigte, dass die motorischen Störungen nach der Rindenverletzung mit den thermischen nicht nothwendig coineidiren; dass ferner beim Vorhandensein der letzteren (in den Zerstörungsversuchen) der Widerstand der Arte- rienwand gegen seitliche Belastung an der gegenüberliegenden Femoralis erheblich vermindert war und zugleich sphygmogranhisch die Erscheinungen verminderter Spannung (geringe Höhe, breiter Gipfel, sehr schwache, verwischte Elastieitätsschwankungen im Bereiche der Rückstosseleva- tion) an den Curvenbildern der gegenüberliegenden Seite in ausgesprochener Weise hervortreten (vgl. die seiner Dissertation beigegebenen Abbildungen). — Schliesslich gestatte ich mir noch zu erwähnen, dass neueren, noch nicht ab- geschlossenen Versuchen von Landois zufolge auch isolirte Durchschneidungen der Capsula interna bei Hunden analoge Effeete, wie Zerstörung der thermisch wirksamen Rindenabschnitte, zur Folge haben. Die vasomotorischen Bahnen scheinen demnach von der Rinde her durch die zugehörigen Stabkranzbündel gemeinschaftlich mit den correspondirenden corticomusculären Leitungsbahnen?) zur Capsula interna zu verlaufen, um in Pedunculus und Pons überzugehen, woselbst die Existenz vasomotorischer Bahnen ja schon seit längerer Zeit an- genommen und durch zahlreiche Versuche sichergestellt ist. 3. Hr. G. SaLomon hält den angekündigten Vortrag: „Ueber einen neuen Bestandtheil des menschlichen Harns.“ Neben dem früher ! von mir beschriebenen Paraxanthin findet sich im normalen menschlichen Harn noch ein neuer Xanthinkörper, den ich „Hetero- xanthin“ genannt habe. Bei dem üblichen Darstellungsverfahren bleibt er ebenso wie das Paraxanthin mit dem Xanthin in derselben Lösung; bei mässigem Ein- dampfen der letzteren fällt er vermöge seiner Schwerlöslichkeit zuerst und zwar in Form eines rasch zu Boden sinkenden amorphen Pulvers aus. Von den Eigen- schaften des Heteroxanthins sind folgende die wichtigsten: Auf dem Platin- blech erhitzt schwindet es, ohne zu schmelzen, unter Entwickelung von Blau- säure; beim Eindampfen mit Salpetersäure bleibt es rein weiss und nimmt beim nachträglichen Zufügen von Natronlauge nur eine schwache, schmutzig röthliche Färbung an. In Ammoniak gelöst fällt es beim Zusatz von Silbernitrat in Form eines gelatinösen Niederschlages aus, der sich schon in sehr wenig Salpetersäure löst; beim Erkalten scheidet sich das Silberdoppelsalz in wohlausgebildeten Krystallen aus. Mit Mineralsäuren bildet es makroskopisch krystallisirende Salze. Beim Zusatz von Natronlauge entsteht, wie beim Paraxanthin, eine krystallisirende schwer lösliche Verbindung, die sich jedoch vom Paraxanthin- natron durch ihre Krystallform deutlich unterscheidet. (Diese Reaction findet eine zweckmässige Verwendung bei der keinigung des Rohproductes.) Mit Pikrin- säure giebt es keine Fällung. Nach den vorliegenden Elementaranalysen darf das Heteroxanthin mit einiger Wahrscheinlichkeit als ein Methylxanthin angesprochen werden, würde also eventuell zwischen Xanthin und Paraxanthin (Dimethylxanthin) in der Mitte stehen. Die ausführliche Mittheilung meiner im chemischen Laboratorium des patho- logischen Institutes angestellten Untersuchungen wird an einer anderen Stelle er- folgen. ı Diese Verhandlungen vom 30. Juni 1882, abgedruckt im Archiv für Anatomie und Physiologie. Physiol. Abth. 1882. — Berichte der deutschen chemischen Gesell- schaft. 1883. Jahrg. XVI. Heft 2. — Zeitschrift für klinische Mediein. Suppl. z. Bd. VII. (Jubelheft.) S. 68. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — SALOMON. — Hans VırcHnow. 571 XVII. Sitzung am 17. Juli 1885. 1. Hr. Hans VırcHow hält den angekündigten Vortrag „Ueber den ciliaren Muskel des Frosches“. Dieser Muskel hat eine Länge von 0°25 mm und etwa eine um das Zehn- fache kleinere Dicke in einem Auge, dessen Axe 9°5 mm, dessen Linse 6°15 mm im langen Durchmesser und 5 mm in der Axe misst. Er besteht aus dicht an- einanderliegenden glatten Muskelfasern mit langen Kernen und ist vorn an die Sklera, hinten an die Chorioides so befestigt, dass er die Richtung eines Tensor chorioideae hat. Vom Ligamentum pectinatum iridis ist er durch einen Spalt, einen Fontana’schen Canal getrennt. 2. Derselbe hält den angekündigten Vortrag „über die verschiedenen Formen des Ligamentum pectinatum iridis“. Das Lig. pect. ir. ist seiner Textur nach als „Netzwerk des Hornhaut- iriswinkels“ zu bezeichnen. Dieses Netzwerk ist in sehr verschiedenem Grade entwickelt in einer Weise, die sich nicht aus der Verwandtschaft der 'Thiere erklären lässt, sondern aus complicirten Verhältnissen des Augeninneren. Beim Menschen ist es so schwach, dass man keine Veranlassung hätte, viel Notiz von ihm zu nehmen; stärker bei den Anthropoiden (Gorilla, Schimpanse, Orang). Beim Kaninchen besteht es aus einer geringen Zahl kurzer dicker Balken, welche direet von der Sklera zur Iriswurzel hinübergehen, so dass man an unvollkommenen Praeparaten den Eindruck erhält, als sei die Iriswurzel mit der Sklera selbst verbunden. Von Raubthieren zeigt der Wickelbär (Cerco- leptes) es nicht sehr reichlich entwickelt, wohl aber Hund und Katze. Es ist bei diesen locker getügt, die Längsrichtung seiner Maschen in der Richtung des Musculus tensor chorioideae, wobei die vordersten, an den freien Theil der Kammer anstossenden Fasern aus der Richtung der hinteren Hornhautfläche ab- biegend unter rechtem Winkel auf die vordere Fläche der Iriswurzel stossen. Bei der Ziege ist es derber und in einen inneren (der Iriswurzel anliegenden) lockern und äussern (der Sklera anliegenden) engmaschisen Theil gesondert. Weitaus am mächtigsten entfaltet ist es beim Seehunde, bei dem es den Pupillenrand erreicht, an der Hornhautskleragrenze aber rechtwinkelig ansetzt, vorwärts und rückwärts divergirend. Da wo die Balken die Iris berühren, hängen theilweise in ihnen Gefässe, und da, wo sie an die Sklera stossen, cir- culäre Faserzüge, welche als abgelöste Abschnitte der den Skleralwulst bedin- senden Züge angesehen werden können, so dass das Netzwerk innen den Ein- druck von ‚„lIrisfortsätzen“, aussen den von „Sklerafortsätzen“ macht. Seine Balken sind von Pigmentzellen umkleidet, sowie man eine theilweise pigmentirte Bedeckung auch bei Hund, Seekuh und Frosch und in den tieferen Partien des Netzwerkes Tapetalzellen bei der Katze findet. Bei der Seekuh (Manatus americanus, Berliner Aquarium) ist das Netzwerk reichlich entwickelt, wenn auch nicht entfernt so wie beim Seehunde. Sehr ausgebildet ist es bei Vögeln (Geier), durch zarte Fasern dargestellt, deren Ansatz die Hälfte der vorderen Irisfläche einnimmt und nach vorn und hinten divergirt. Bei der Ringelnatter ist es zart und nicht breit. Beim Frosche gross im Vergleich zu den anderen Theilen des Corpus ciliare (Muskel und Falten), zart und ebenso wie bei Vögeln ! Ausgegeben am 24. Juli 1885. 572 VERHANDLUNGEN DER BERLINER und Seehund divergirend; dabei an seinem hinteren Rande gegen den zwischen ihm und dem Muskel liegenden Fontana’schen Canal durch eine lamellöse oder bandartige Schicht begrenzt. 3. Hr. CHrıstmranı theilte im Anschluss an in der Gesellschaft gehaltene Vorträge über Wärmecentren im Gehirne folgende Bemerkungen mit. Reizung, bezüglich normale Erregung des Inspirationscentrums und des Coordinationscentrums in den Sehhügeln! bewirkt Vermehrung und Vertiefung der Athmung, sowie Aenderung der Herzthätigkeit und vermittelt die zur Er- haltung der Coordination und des Gleichgewichtes bei Stand, Sitz und Locomotion nöthige Innervation der Muskeln. Es wirken bei Reizung diese Theile auf Re- spiration und Muskelthätigkeit im Allgemeinen die Thätigkeit steigernd ein (bis zum Tetanus). So erklärt sich ihre Bedeutung für die Temperaturverhältnisse des Körpers. Die Reizung. aber vorgelegener Theile, des Grosshirnes oder der Streifen- hügel, kann, soweit sie die Temperatur beeinflussend auftritt, nicht gut anders als durch mittelbare Reizung der Sehhügel, bezüglich dahinter gelegener Theile, wirken. Denn nach Fortnahme der Grosshirnhemisphaeren und der Streifen- hügel (ohne Blutung) zeigen sich Respiration, Schlagfolge des Herzens und Temperatur nicht merklich verändert, während nach Fortnahme der Sehhügel oder nach Zerstörung der dort gelegenen Centren die Temperatur rapide sinkt.? XVII. Sitzung am 31. Juli 1885. 1. Hr. Dr. Brownpr aus Neapel (a. G.) berichtet unter Demonstration von Praeparaten „Ueber die Ergebnisse seiner Untersuchungen betreffend die Spermatogenese“, welche er im Laufe des verflossenen Jahres im Berliner anatomischen Institute ausgeführt hat. Bis zum Jahre 1865 heirschte grosse Uebereinstimmung bei allen Forschern über den Bau des Samencanälcheninhalts und die Entwickelung der Samenfäden. Alle hatten nur eine Art von runden Zellen in den Canälchen gefunden und auf Grund wiederholter Beobachtungen bestätigt, dass die Samenfäden von diesen runden Zellen herstammen. Im Jahre 1865 aber begannen die Ansichten in Folge einer Arbeit von Sertoli weit auseinander .zu gehen. Dieser Forscher fand in den Samen- canälchen ausser den schon lange bekannten runden Zellen eigenthümliche Elemente, die, mit breiter Basis der Canälchenwand aufsitzend und durch die Schicht von runden Elementen hindurchgehend, in das Canälchenlumen gelangen, wo sie oft verzweigt erscheinen. Sertoli selbst in seinen folgenden Arbeiten und andere Forscher, wie Kölliker, Henle, La Vallette, Merkel, Swaen, Masquelin u. A. konnten die Existenz dieses neuen Elements bestätigen und beschrieben den breiten und abgeplatteten Fuss, mit dem Kern, die terminalen 1 8. hierzu, sowie überhaupt zu dem Obigen: Arthur Christiani, Zur Phy- siologie des Gehirnes. Berlin 1885. Enslin. N 72 Aa. 0.384723: ? Ausgegeben am 7. August 1885. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — ÜHRISTIANI. — Bıoxvı. 573 Verzweigungen und die unbestimmten Contouren. — Was die Function betrifft, so meinte Sertoli, dass diese Elemente möglicherweise den secretorischen Werth von cylindrischen Drüsenepithelien hätten und bezeichnete sie daher als epitheliale, verzweigte Elemente, — Merkel und Henle jedoch neigten sich der Ansicht zu, dass das beschriebene Gebilde die Aufgabe habe, die runden Zellen der Samencanälchen zu stützen, und bezeichneten es deshalb mit dem Namen Stützzelle. Während aber durch alle diese Arbeiten die alten Ansichten über die Ent- wickelung der Samenfäden nicht erschüttert wurden, unterlagen dieselben im Jahre 1871 durch eine Arbeit von Ebner einer völligen Umwälzung. Nach seinen Untersuchungen stammen die Samenfäden nicht von den runden Zellen, .sondern direct von den oben genannten Sertoli’schen Elementen, die er des- halb Spermatoblasten nannte. Diese Elemente allein seien von Bedeutung für die Samenfädenbildung, während die anderen runden Elemente, obwohl sie den grösseren Theil des Samencanälcheninhalts bilden, nur eine nebensächliche Rolle spielen. Sie bilden durch Umwandlung und Auflösung die Zusatzflüssig- keit, die später die Samenfädenausstossung erleichtern müsse. Die Spermato- zoiden aber stammen von dem nackten Protoplasma des centralen Endes der Spermatoblasten. Man sehe hier einen runden Kern — Kopf — erscheinen, bald darauf die Verästelung in Lappen, von denen Mittelstück und Schwanz der Samenfäden stammen. Diese Ebner’sche Theorie gab Anlass zu zahlreichen neuen Arbeiten, die jedoch in ihren Resultaten weit auseinander gingen. Gegen Ebner erklärten sich Sertoli, Kölliker, Merkel, Henle, Renson, Swaen, Masquelin, Wiedersperg u. A., während Neumann, Krause, v. Mihalkovics, Frey, Müller, Toldt u. A. sich derselben anschlossen. So lagen die Verhältnisse, als ich, um mir selbst ein Urtheil zu bilden, im vorigen Jahre in Folge einer Aufforderung des Hrn. Prof. Waldeyer diesen Gegenstand zu studiren begann. Die Ergebnisse meiner Untersuchungen, von denen ich hier nur die Eind- resultate mittheilen möchte, stehen in völlisgem Widerspruche mit fast allen Ansichten der genannten Autoren. Dies schreibe ich der von mir benutzten Untersuchungsmethode zu, in Folge deren ich ein klares Bild von dem überaus zarten und veränderlichen Hodencanälcheninhalt erhielt, welcher der mikroskopischen Untersuchung bisher so grosse Schwierigkeiten darbot. Der Hauptvortheil meiner Methode besteht darin, dass ich, um die topographischen Verhältnisse des Canälcheninhalts zu erhalten, neben einer guten Härtungsflüssig- keit (Flemming’scher Lösung) und einer guten Einbettungsmethode (Chloro- form-Paraffin von Bütschli), die äusserst feinen Schnitte, einzeln auf dem Deckglas angeklebt, mit Safranin färbte, wodurch jedes Element in seiner natürlichen Lage erhalten blieb. Gegenstand meiner Untersuchungen waren Hoden von Stier, Ratte, Hund, Kater, Kaninchen, Meerschweinchen, Pferd,° Schwein, Java-Affe, Antilope, Rana temporaria und Triton taeniatus und zwar sowohl von reifen als auch von noch nicht geschlechtsreifen Individuen. Meine Untersuchung ergeben nun folgende Resultate: 1) In den Samencanälchen aller genannten Thiere findet sich nur eine Art von Zellen (Samenzellen oder runde Zellen). Die Spermatoblasten von =» 974 | VERHANDLUNGEN DER BERLINER Ebner, die Epithelialzellen von Sertoli, die Stützzellen von Merkel und Henle sind Kunstproducte und entstehen, sobald die runden Zellen in Spermato- zoiden umgewandelt sind, aus dem restirenden Protoplasma. Das bei der Samen- fädenbildung unverbraucht gebliebene Zellprotoplasma nimmt durch die Ein- wirkung der härtenden Agentien alle die verschiedenen, von Sertoli, Ebner, Merkel und Henle beschriebenen Formen an.! Der schlagendste Beweis für die Anschauung, dass diese Gebilde nichts anders als protoplasmatische Reste seien, wird dadurch geliefert, dass es ge- lingt, dieselben durch geeignete Lösungsmittel gänzlich zum Verschwinden zu bringen. Als solches Mittel hat sich mir besonders eine Salmiak- und Koch- salzlösung erwiesen. 2) Alle runden Zellen stammen von einer von mir Stammzelle genannten ab, die wir schon in Praeparaten von noch nicht geschlechtsreifen Thieren finden. Diese Stammzelle giebt im thäligen Organe eine Generation von Elementen, die in radiärer Linie säulenartig angeordnet sind. In einer solchen Säule unterscheiden wir, wenn die topographischen Verhältnisse des Praeparats gut erhalten sind, ausser der basalen Stammzelle, eine zweite Reihe von mir so genannter Mutterzellen, denen in dritter Reihe Tochterzellen folgen. — Es sind also alle runden Zellen, die aus einer Stammzelle hervorgehen, in einer Säule angeordnet, und zwar lassen sich in jeder Säule 3 Zonen unter- scheiden, welche ich von der Peripherie des Canälchens nach dem Centrum und os.Zomesnenne: 3) Ist eine Generationsreihe abgeschlossen, so beginnt in jeder Säule die Umwandlung der runden Elemente in Samenfäden und zwar in folgender Ordnung: Zuerst rückt der Kern einer Tochterzelle nach dem peripherischen Pole der betreffenden Zelle, nimmt dort eine oblonge Form an und bildet mit einer Hälfte den Kopf, während die andere das Mittelstück und den Schwanz abgiebt. Die drei Theile des Spermatozoiden entstehen somit nach meinen Be- obachtungen nur aus dem Kern, der mit der vorderen Hälfte den Kopf und mit der hinteren Mittelstück und Schwanz bildet. Man wolle hier die älteren Angaben Kölliker’s vergleichen. In Folge dieses Vorganges, der sich in allen Elementen einer Säule vom Inneren zur Peripherie hin wiederholt, tritt dann an Stelle jeder Zellensäule ein Spermatozoidenbündel. 4) Hierbei durchläuft jede Zellsäule während ihrer Umwandlung in Spermato- zoiden und Wiederherstellung ihrer Glieder 8 Phasen, Die 1. charakterisirt sich durch die vollständige Entwicklung aller Zellen, die 2. durch die Um- wandlung der Zellen der 3. Zone in Samenfäden, die 3. durch die Umwandlung der Zellen der 2. Zone in Spermatozoiden. In der 4. werden alle Zellen einer ° Säule zu Spermatozoiden, während in der 5. die Ausstossung der letzteren be- einnt. Die 6. Phase ist durch die Entstehung der Ebner’schen Spermatoblasten mit Wiederherstellung der Stammzelle charakterisirt. In der 7. und 8. Phase werden die Spermatozoiden vollständig ausgestossen und alle Zellglieder einer Säule reproducirt. ! Mit meiner Auffassung der Spermatoblasten stimmt eine vor wenigen Tagen erfolgte vorläufige Mittheilung von Grünhagen (Centralblatt für die medicinischen Wissenschaften, 1885, Nr. 28) überein. “ PHYSIOLOGISCHEN GESELLLSCHAFT. — BionDI. — BLAscHkKko. 575 5) Die Ausstossung der Samenfäden geschieht passiv in Folge des Seiten- druckes der weiterwachsenden Zellen der benachbarten Säulen. Diese pressen zuerst das Spermatozoidenbündel zusammen und treiben es dann langsam in’s Canälchenlumen hinein. Jetzt entsteht zwischen Canälchenwand und unterem Ende des Bündels das Bild des sogenannten Spermatoblasten, der, wie bereits erwähnt, die bei der Samenfädenbildung übrig gebliebene Protoplasmasubstanz ist. 6) An Stelle einer jeden Zellensäule tritt nach ihrer Umwandlung in Spermatozoidenbündel und Zwischensubstanz (so nenne ich die Protoplasmareste) eine neue Generation, hervorgehend aus einer Stammzelle einer Nachbarsäule. Dass die Zelltheilung nicht immer in einer Richtung, sondern in derjenigen, wo gerade Raum frei ist, stattfindet, zeigt sich daran, dass nach vollendeter Ent- wicklung einer Säule die Stammzelle sich in seitlicher Richtung theilt, da dort serade freier Raum entstanden ist, ein Nuspunz durch welchen die erste Zelle der künftigen Säule entsteht. So ist der Bau der Samencanälchen auf die grösstmögliche Einfachheit zurückgeführt und sind alle Beopachtungen früherer Autoren vollkommen er- klärt. ! 4. Hr. BLascHhko demonstrirt Praeparate von der Haut, welche darthun, dass an der Grenze von Cutis und Epidermis weder eine Kittsubstanz noch eine Basalmembran vorhanden ist, sondern dass eben solche protoplasmatischen Fäden (Intercellularbrücken), wie sie die Retezellen mit einander verbinden, auch von den untersten Epithelzellen zu der obersten Cutisschicht verlaufen. Diese Fäden bilden ein äusserst feines Netz, dessen Maschen, von Lymphe ausgefüllt, mit den Lymphräumen der Cutis einerseits und mit den Intercellularräumen der Epidermis andererseits communiciren. Unter pathologischen Verhältnissen kann man in den erweiterten Maschen dieses Netzes Leukocyten wahrnehmen, die auch noch weiter nach der Oberfläche hin wandern und, wie schon von Biesiadecki u. A. beschrieben, zwischen die Retezellen gelangen können. Auffallend an dieser Beobachtung, welche.sich an gut conservirten Prae- paraten jederzeit demonstriren lässt, erscheint die Thatsache einer continuirlichen organischen Verbindung zwischen Zellen des äusseren und mittleren Keimblattes. ! Die ausführliche Arbeit wird demnächst im Archiv für mikroskopische Anatomie erscheinen. MaiE/e Inat.u.Phys.1885. Phys. Abthlg. Archiv d Leimzio, ‚AFınke, EB Tith.Anst;y: Leipzig. 7 r erlag Veit & Comp, \/ N Terlinski. del, I © 57 a> — = o = = = z & u 1808 Phuys. Abthlg. Taf 7 m, fe Are ja II ne il BRRANMNANANMAAAMANN ee ev ee Te Le el er b’MMb” Fig.d. B’\ N nV Po. z | 4 Ar “ ee \ ” Va Wr Mr Y a P | | Man & | ee , I, at b 7) F ns DR f I NW nV 1 De LA ” er e= & „AN f Yu! Any Yunn Nm ve ma nm MN YunY an N | An e nn De | \ ' M a a a he DVP LUISE SIE. NL le an AM, mV | NA GANU UNI Re a a | p | ey | FOR BR IRRE EL #30 a DE 8 | NER na ea ara San AT 1 Tanne tie See ae Span ER 1022. AR ÜITRENENERRN on re | | VerlagVeit & Comp, Leipzig. iv nat. Phys 1085. Phys Abthlg. + 4) Regulator für die Wasserspilung des Kühlers Chlorcalcium-Flasche-.. \ 2. Zuftfänger. JM, Mo AM; Manometer N. Bhutnivear IN” Kochsalzniveau \ 15, 5, Verschlussscheiben T,. Tubulus des Deckels T,. Tubulus des Bodens Ih, Ih, Thermometer der Lultwege I” Chlorealeium-Ventil Tür die Luft Verlag Veit & Comp. Leipzig Fig .d. hermometer Hs H, N Ventile Proben Z H; nn Arterie Vene J u ya = Ur das | 2 isolierte Organ Ag ig | ‚Spritze ©) N ne | Vorwarmer Kühler AU fi Eisenstab 7 R Du S. ı; vg = Eiserner Fulleylinder [=] N Deckel A 5 Th 1 l Ta Boden | (3 Barytflaschen Abkürzungen Zuftproben 6. Glascylinder A, - Hz Glashähne KH. Kochsalzrohr Saug-und Druckpumpen Sauerstoff. Vorrath Taf IV. u r —— | \>» E; ir qm alıo BE | ANAMAMAMA | — “1885. Lu. II. Heft. FÜR ANATOMIR UND: PIYSIOLOGIE, > = Q = - Br FORTSETZUNG DES VON KEIL, REIL v. AUTENRIETH, J. F. MECKEL, JOH. MÜLLER, ‚REICHERT v. DU BOIS-REYMOND HERAUSGEGEBENEN ARCHIVES. u eneN ; VON 2 WILH, HS UND Dr. WILH. BRAUNE, = ERSEEREEN DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT LEIPZIG, UND Di. EMIL DU BOIS- "REYMOND, en eane. 1885, | _—— PHYSIOLOGISCHE ABTHRILUNG. — ERSTES UND ZWEITES HEFT. MIT ZWÖLE ABBILDUNGEN IM TEXT UND EINER TAFEL. | LEIPZIG, n VERLAG VON VEIT & COMP. a 1885. x zu beziehen ee ch alle Buchhandlungen des In- und ne 3 Omeechen am 12.-März 1885.) Inhalt. N. ZaGLınskı, Experimentelle Untersuchungen über die Irisbewegung. (Hierzu Taf. 1.) "Max Rusner, Versuche über den Einfluss der Temperatur auf die -Respiration des ruhenden Muskels . J. v. Krıss, Untersuchungen zur Mechanik der nörpartreitten Muskels P J. v. Krızs und Braunsck, Ueber einen Fundamentalsatz aus der Theorie der Gesichtsempfindungen . J. v. Krıes, Notiz über das Hedi ; E. pu Boıs-Reymonp, Lebende Zitterrochen in Berlin 5 €. Binz, Das Verhalten der Lymphkörperchen zum Chinin -R. NikoraIpes,. Ueber die mikroskopischen een ‚bei der Sorirarken des quergestreiften Muskels ; ; ‚ERNST von FLeEIsCHL, Zur Beurtheilung ee sogenannten Praevalenz- „Hypothese Stricker’s =. % Ge Verhandlungen der en Gesehschaft zu Ba 1884285 > Axrrtuur König, Ueber Farbensehen und Farbenblindheit. = Hans Ve 3 - Ueber: den Bau der Zonula und des Petit’schen Kanales. — KosseL, Ueber eine neue Base aus dem. Denen _ Br ARONSOHN, Ein Wärmecentrum im Grosshirn. 3 Se - Die ren we erhalten‘ vierzig Separat - Abzüge ihrer träge gratis. NT 5 = Beiträge für. die anatomische Abtheilung sind an Professor Dr.. W. His oder Professor Dr. W. Braune in Leipzig, beide Königsstrasse 1, Beiträge für die physiologische Abtheilung an Professor Dr. E. du Bois- Reymond in Berlin, N.W., Neue Wilhelmstrasse 15, portofrei 'einzusenden. — Zeichnungen zu Tafeln oder zu Holzschnitten Bei- sind auf vom Manuscript getrennten Blättern beizulegen. Bestehen die Zeich- nungen zu Tafeln aus einzelnen Abschnitten, so ist, unter Berücksichtigung der Formatverhältnisse des Archives, denselben eine Zusammenstellung, die dem Kupferstecher oder Lithographen als Vorlage dienen kann, beizufügen. Kay x 0 PM P 9 rn, i EBENEN BAG ED AR % ade ee Mr EN A A TEE ec er 34 EN Physiologische Abtheilung. 1885. IH. u. IV. Heft. 7 | 5 = 33 FRE NE NEE EEE I 2% BE ED ARCHIV ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE, ©| Fortsarzung oos von REIL, REIL v. AUTENRIETH, J. F. MECKEL, JOH. MÜLLER, REICHERT v. DU BOIS-REYMOND HERAUSGEGEBENEN ARCHIVES. a | | = VON > WILH. us unD Da. WILH. BRAUNE E PROFESSOREN DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT LEIPZIG; UND -_. DU BOIS-REYMOND, PROFESSOR DER PRISIOLOGIR AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. s AHRGANG 188. _ —— PHYSIOLOGISCHE ABTHEILUNG. — DRITTES UND VIERTES HEFT. | - MIT FÜNF ABBILDUN GEN ‚IM TEXT UND ZWEI TAFELN. LEIPZIG, _ VERLAG VON VEIT & COMP. = 1885. = Zu beziehen durch alte Buchhandlungen des In- und Auslandes. - (Ausgegeben am 20. Juli 1885.) Inhalt. K.. HäLıst£y, Zur. Könner ‚der sensiblen Nerven und der Reflexapparate des Rückenmarkes .:.... BT U RN De I ERIGT ©. HoLzmANN, Ueber das Wire der een 7 210 @. SAnDMAnN, Ueber die Vertheilung der motorischen Wesenendappandie 3 in den : quergestreiften Muskeln der Wirbelthiere. (Hierzu Taf. IE TREE BAD Benno Bagınsky, Zur Physiologie der Bogengänge . . . 298 ‘Hans Aronson, Ueber Apnoe bei Kaltblütern und Hensehrienen en 26%: Orro Moszeick. Ueber den Einfluss va pre auf die Absorptionsfähigkeit der Thierkehler © 7, BEE EEE REEL IN O. LANGENDORFF, Ueber ellasche zus des Hertens, 2 ET ZSA a MENDELSSOHN, Ueber: die Irritabilität des en NRSSE, 988 . L. Rawa, Ueber das Zusammenwachsen der - Nerven verschiedener Ban ‘mungen .und verschiedener Functionen. (Hierzu Taf. IL) . . . ......296 - Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft zu Berlin 188485 -. 329 von Monakow, Einiges über die Ursprungscentren- des N. optieus und über die Verbindungen derselben mit der Sehsphäre. — UHTHOrFF, a) Ueber das. Verhältniss der Sehschärfe zur Beleuchtungsintensität. b) Demonstration einer neuen Vorrichtung zur Bestimmung. des Winkels « bez. y zwischen Gesichtslinien und der senkrecht durch den Hornhautscheitel gehenden Linie, — Busch, Demonstration von zwei Knochenpraeparaten, an denen ‘mechanische Wachsthumsexperimente ausgeführt sind. — GOLDSCHEIDER, Ueber Wärme-, Kälte- und Druckpunkte. — Ewaun, Ueber das Vorkommen der Milchsäure im Mageninhalt. — A. Kosser, Ueber das Nuclein im Dotter des Hühner- - --eies. — Raupnıtz, Ueber das thermische Centrum der Grosshirnrinde, — Brascako, Zur Lehre von den Druckempfindungen. — HÖLTZKE, Experimen- telle Untersuchungen über intraöcularen Druck. — H. VırcHow, Ueber Glas- nme von es Die Herren Mitarbeiter erhalten vierzig. Separat- Abzüge ihrer Bei- träge gratis. x ; Beiträge für die anatomische Abtheilung sind an Professor Dr. W. His oder Professor Dr. W. Braune 5 in Leip zig, beide Konigsstrasse 22, "Beiträge. für die physiologische Abtheilung an Professor Dr. E. du Bois-Reymond in Berlin, N.W., Neue Wilhelmstrasse 58 portofrei einzusenden. — Zeichnungen zu Tafeln oder zu Holzschnitten sind auf vom Manuseript getrennten Blättern beizulegen. Bestehen die Zeich- ” nungen zu Tafeln aus einzelnen Abschnitten, so ist, unter Berücksichtigung der Formatverhältnisse dös Archives, denselben eine Zusammenstellung, die = dem Kupferstecher oder Lithographen als Vorlage dienen kann, ‘beizufügen. Seite WA DEN: u MANDEL rl ER FREE LE EWR EN AERR _Physiologische Abtheilung. 1885. V. u. VI. Heft. FÜR | ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. - FORTSETZUNG Ds von REIL, REIL vu. AUTEN RIETH, J. F, MECKEL, JOH. MÜLLER, ‘ REICHERT v. DU BOIS-REYMOND kuRrAUSGEGEBENEN ARCHIVES. HERAUSGEGEBEN VON. Da. WILH. HIS UND Da. WILH. BRAUNE, PROFESSOREN DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT LEIPZIG, UND D. Bar, DU BOIS-REYMOND. PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. 2 JAHRGANG 1885, ; B ; N ; = PHYSIOLOGISCHE ABTHEILUNG. — FÜNFTES UND SECHSTES HEFT. MIT VIRRZEHN ABBILDUNGEN IM TEXT UND EINER TAFRL. LEIPZIG, Ä VERLAG VON VEIT & COMP. 1885. es. Derenen durch alle > Buchhandlungen des In- und Austandes. (Ausgegeben am 6. November 1885.) Mit zwei Beilagen: a) von Friedr. Vieweg & Sohn in Braunschweig, b) von Carl Winter’s Univers.-Buchh. in Heidelberg. Inhalt. . Seite K.. HäLLst£n, Zur Kenntniss der sensiblen Nerven ‘und der Reflexapparate des Rückenmarkes :.. . BE LITE 1 EIG GC. -HoLzmAnn, Ueber das en = läkeerihntae 35 2103 @. SANDMANN, Ueber die Vertheilung der motorischen np in den i quergestreiften Muskeln der Wirbelthiere. (Hierzu Taf. Als ee DA Benno Basınsky, Zur Physiologie der Bogengänge . . ... EEE .. ‘Hans Aronson, Ueber Apnoe bei Kaltblütern und en en Seelen 26 - Orro MoszeicK. Ueber den Einfluss der ee auf die Absorptionsfähigkeit -der-Ihierkahle 0. VEN ee DE EEH Ö. LANGENDORFF, Ueber Blektaische Bang des ee Se EEE THSL a MENDELSSOHN, Ueber. die Irritabilität des Banken SE 288° . L. Rawa, Ueber das Zusammenwachsen der Nerven verschiedener a mungen .und verschiedener Funetionen. (Hierzu tar IE) 22 2,3296 - Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft zu Berlin 1884—35 . . 329 von MONAKow, Einiges über die Ursprungscentren- des N. options und über _ die Verbindungen derselben mit der Sehsphäre. — UHTHOFF, a) Ueber das. Verhältniss der Sehsehärfe zur Beleuchtungsintensität. b) Demonstration einer neuen Vorrichtung zur Bestimmung des Winkels « bez. y zwischen Gesichtslinien und der senkrecht durch den Hornhautscheitel gehenden Linie, — Busch, Demonstration von zwei Knochenpraeparaten, an. denen "mechanische Wachsthumsexperimente ausgeführt, sind. — GOLDSCHEIDER, Ueber Wärme-, . Kälte- und Druckpunkte. — Ewaun, Ueber das Vorkommen der Milchsäure m Mageninbalt. — A. KosskL, Deber das Nuclein im Dotter des Hühner- _ eies. — Raupxıtz, Ueber das thermische Centrum. der Grosshirnrinde. — .BrascHako, Zur Lehre von den en — HÖLTZKE, Experimen- - telle Untersuchungen über intraoeularen Druck. — H. VırcHow, Ueber Glas- Burner von SR : De Herren Mitarbeiter erhalten vierzig Separat - Abzüge ihrer Bei- IraeR gratis. : ES a für die anatomische Abtheilung sind an Professor Dr. W. His oder Professor Dr. W. Braune Im Leip zig, beide Königsstrasse 22, Beiträge. für die physiologische Abtheilung an Professor Dr. EB. du Bois-Reymond in Berlin, N.W., Neue Wilhelmstrasse 15, portofrei einzusenden. — Teichnunden zu Tafeln oder zu Holzschnitten sind auf vom Manuseript getrennten Blättern beizulegen. Bestehen die Zeich- nungen zu Tafeln aus einzelnen Abschnitten, so ist, unter Berücksichtigung der Formatverhältnisse dos Archives, denselben eine Zusammenstellung, die dem Kupferstecher oder Lithographen als Vorlage dienen kann, beizufügen. r E re ; Re. RIESE 2 ARCHIV FÜR REICHERT v. DU BOIS-REYMOND HERAUSGEGEBENEN ARCHIVES. HERAUSGEGEBEN VON. De WILH. HIS unD Dr. WILH. BRAUNE, PROFESSOREN DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT LEIPZIG, "UND Da EMIL DU BOIS-REYMOND. PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT. BERLIN. JAHRGANG 1885. = - = 2 A ; N —— PHYSIOLOGISCHE ABTHEILUNG. — FÜNFTES UND SECHSTES HEFT. MIT VIERZEHN ABBILDUNGEN IM TEXT UND EINER TAFEL. : re LEIPZIG, 1 2 5022» NERLAG VON VEIT & 00AMP. a | 1885, ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. FORTSETZUNG DES von REIL, REIL v. AUTENRIETH, J, F. MECKEL, JOH, MÜLLER, ' Physiologische Abtheilung. 1855. V. u. VI. Heft. | Zu ; beziehen dur ch alte Buchhandlungen des In: und sans (Ausgegeben am 6. November 1885.) Mit zwei Beilagen: a) von Friedr. Vieweg & Sohn in Braunschweig, _b) von Carl Winter’s Univers.-Buchh. in Heidelberg. Inhalt. Seite F. Miescher-Rüscn, Bemerkungen zur Lehre von den Athembewegungen . . . 355 Maurice MENDELSSOHN, Ueber den axialen Nervenstrom . . 2.2.2.2... 881 I. hosentHAL, Apparat zur künstlichen Athmung . 400 WARREN P. LomsArD, Die räumliche und zeitliche As nanderiolee earkisch eontrabirter Muskeln . . . . HET Sn a I EAN ERNST v. FLEIscHL, Studien über den Hleckrotohes BR 490 Max von Frey und MAx GrusER, Untersuchungen über den Stoffwechsel isolirter Organe. (Hierzu Taf. IV.) . ..... er FE ILI Max von Frey, Versuche über den Stoffwechsel u Muskels IR IDEE Verhandlungen. der physiologischen Gesellschaft zu Berlin 1884-85 . . . . 563 Hans Vırcnow, Ueber Glaskörperzellen. — Höuzze, Experimentelle Unter- suchungen über intraoeularen Druck. — WALDEYER, Ueber die Ergebnisse . einer. ausgeführten Untersuchung des Hın. Fıscaeuis, betreffend die Ent- wieckelung der Schilddrüse. — Eutensure, Ueber das Wärmecentrum im Grosshirn. — G. Sanomon, Ueber einen neuen Bestandtheil des menschlichen Harns. — Hans Vırcaow, Ueber den ciliaren Muskel des Frosehes. — Hans Vıromow, Ueber die verschiedenen Formen des Ligamentum pectina- "tum iridis. — CHrısrıanı, Ueber Wärmecentren im Gehirne. — BronDL, Ueber die Ergebnisse seiner Untersuchungen betreffend die Spermatogenese. — Be Ueber Intercellularbrücken zwischen Cutis und Epidermis. -Die Herren Mitarbeiter erhalten vierzig Separat- Abzüge ihrer Bei- ‚träge gratis. : - Beiträge für die anatomische Abtheilung sind an Professor Dr. W. His oder Professor Dr. W. Braune in Leipzig, beide Königsstrasse 22, Beiträge für die physiologische Abiheilung an. Professor Dr. E. du Bois- -Reymon d in Berlin, N.W., Neue Wilhelmstrasse 15, portofrei einzusenden. — Zeichnungen zu Tafeln oder zu Holzschnitten sind auf vom Manuscript getrennten Blättern beizulegen. Bestehen die Zeich- nungen zu Tafeln aus einzelnen Abschnitten, so ist, unter Berücksichtigung der. Formatverhältnisse des Archives, denselben eine Zusammenstellung, die dem Kupferstecher oder Lithographen als Vorlage dienen kann, beizufügen. Acme Booktineing Co., Inc, 300 Summer Street Boston, Mass. 02210 IMUININANINININ 3 2044 093 3 W ER War Ba HERE, Ei BER » ey an. EENHOER UNE ya INN) \ HUN ACHT