Ya Ä vl “ UN N A Hi Lan u N k [DRCHR VL RO SL IL TEL SUN ALPEN PER TUE IL TE AND | , N RENNEN Pia 20 96 IRA TE IE Zee Se Ta 5 nn VERDRMNKNA REN F Eur, PIE BIHEHIERE N ste! eyed ERBE EN Ve} BAER ! Ra sur Kae 2 A Be y ‘ Ki BP aganenden MER 221 Library of the Museum OF COMPARATIVE ZOÖLOGY, AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS. Dounded bp private subscription, in 1861. Deposited by ALEX. AGASSIZ. Me. No. 1383 NE DE Fr RE DL Hude | 72 a de. Lo. a ea a ar Ei Br j Bir ar: en = a ya an, u are ig Er a wa TEE: Ak GBI FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. FORTSETZUNG DES Von REIL, REIL v. AUTENRIETH, J. F. MECKEL, JOH. MÜLLER REICHERT vw. DU BOIS-REYMOND HERAUSGEGEBENEN ARCHIVES. HERAUSGEGEBEN VON Dx. WILH. HIS. PROFESSOR DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT LEIPZIG, UND Da EMIL DU BOIS-REYMOND, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1892. SUPPLEMENT-BAND ZUR PHYSIOLOGISCHEN ABTHEILUNG. LEIPZIG, Se VERLAG VON VEIT & COMP. 1892. ARCHIV FÜR BE YSIOLOGIE. PHYSIOLOGISCHE ABTHEILUNG DES ARCHIVES FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. UNTER MITWIRKUNG MEHRERER GELEHRTEN HERAUSGEGEBEN VON Dz. EMIL DU BOIS-REYMOND, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1892. SUPPLEMENT-BAND. MIT 72 ABBILDUNGEN IM TEXT UND ZEHN TAFELN, LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COMF., “1899, Druck von Metzger & Wittig in Leipzig. Inhalt. MARGHERITA TRAUBE-MENGARINI, Ueber die Permeabilität der Haut. (Hierzu N) N ur ua Ar Cora LE SR EL ee J. BErRNHEIM, Die Innervation der Harnblase beim Frosche und Salamander. (Hierzu Taf. II.) . Justus GAULE, Versuch eines Schema’ s den Innerration den Blast Be ehesunders der localen Reflexbahn. (Hierzu Taf. III.). NR J. E. Jomansson, Die Ringbänder der Nervenfaser. (Hierzu Taf. IV.) . ? JULIUS STEINHAUS, Die Morphologie der Milchabsonderung. (Hierzu Taf. V— VII.) J. JEGOROw, Zur Lehre von der Innervation der Blutgefässe. (Hierzu Taf. VIIL.) THEODOR BEER, Ueber den Einfluss der peripheren Vagusreizung auf die Lunge. (Hierzu Taf. IX u. X.). : DE ns a a E. pu Bois-Reymoxp, Vorläufiger Bericht aber as von Prof. Fritsch ange- stellten neuen Untersuchungen an elektrischen Fischen Gustav Fritsch, Weitere Beiträge zur Kenntniss der schwach elektrischen Tislhe MAnILLE Ipe, Wie erklärt sich der Stillstand des überwärmten Herzens? Worcorr Gısps und EpwArn T. REICHERT, Systematische Untersuchung der Wirkung constitutionell verwandter chemischer Verbindungen auf den thierischen Organismus \ LupoLr KrEur, Ueber die Folgen ar Teremsckeneischhneiäme: E. Scımemi, Beitrag zur Lehre von der Thränenableitung Seite 54 101 217 221 243 259 278 291 Ueber die Permeabilität der Haut.’ Von Dr. Margherita Traube-Mengarini. (Hierzu Taf. I.) Die Litteratur über diesen Gegenstand ist wohl eine der umfang- reichsten, die über ein so specielles Gebiet sich je ergossen hat. Da nun nicht etwa die Gesichtspunkte, von denen die Forscher ausgingen, sehr verschiedene sind, sondern dieselben Experimente einmal einen positiven und das andere Mal unter den gleichen Bedingungen einen negativen Er- folg aufweisen, so scheint die Frage auch noch in allgemeinster Hinsicht nicht erledigt. Ist die lebende Haut von aussen nach innen durchlässig oder ist sie es nicht? | Diese Frage wird von den Forschern in Bezug auf die Säugethiere und speciell auf den Menschen nur unbedingt bejaht, insoweit es sich um Gase handelt. Sie wird von einem Theil der Forscher in Bezug auf einige Sal- ben und Flüssigkeiten zugegeben, obschon Zweifel erhoben werden, ob die Wirkung nicht bei den Einreibungen fast unumgänglichen Continuitäts- trennungen und in jedem Falle der Abreibung der äussersten Hornschicht zuzuschreiben sei. Der Hauptstreit hat sich um die Resorption der Flüssig- keiten und vor Allem um das so leicht sich verflüchtigende Jod erhoben. Ich habe Versuche mit Salben angestellt und aufgegeben, weil die Ver- suchsbedingungen zu complieirter Natur sind um eine eindeutige Lösung zuzulassen. Ich nehme mithin auch von den einschlägigen Litteratur- angaben Abstand. Es bleiben zur Untersuchung Flüssigkeiten und in solchen gelöste Körper. Die Litteratur über diese wird auf ein bescheideneres Maass zurück- geführt, wenn man die Badelitteratur ausschaltet, die fast unerschöpflich 1 Rendiconti della R. Acad. dei Lincei. Vol. VII, fasc. 5. 1890. Archiv f.A.u.Ph. 1892. Physiol, Abfhlg. Suppl. 1 2 MARGHERITA TRAUBE-MENGARINT: ist, und in der die angegebenen Experimente mit derartigen Fehlerquellen belastet sind, dass man sie wohl ohne Gewissensbisse übergehen kann. Bis zum Jahre 1877 ist sie übrigens von Fleischer in seiner vorzüg- lichen und erschöpfenden historischen Uebersicht aller einschlägigen Ar- beiten aufgenommen worden. ! Fleischer selbst leugnet auf das Nachdrücklichste jede Permeabilität der Haut. Nur für das salicylsaure Natron bleibt ihm ein leichter Zweifel. Er schliesst seine Arbeit folgendermaassen: „Eine Diffusion von reinem Wasser und in demselben gelösten Stoffen (Jodkalium, indigschwefelsaures Natron) findet nicht statt. Ebensowenig konnte durch die vorliegenden Versuche eine Resorption von flüssigem Alkohol und in demselben gelösten Substanzen (Jod, Jodkali, salicylsaures Natron) nachgewiesen werden.“ Die Versuchsanordnung Fleischer’s ist tadellos und alle späteren Forscher haben sich einer ähnlichen bedient um die Aufnahme der in Rede stehenden Substanzen durch die Lungen u. s. w. auszuschliessen. Ob hingegen die Harnanalysen, auf die sich seine negativen Resultate stützen, einwurfsfrei seien, ist nach den Angaben Kopff’s zu bezweifeln und muss ich auf Grund meiner Versuche vermuthen, da sonst allerdings die Verschiedenheit der Resultate absolut nicht zu erklären ist. Aus dem Laboratorium Fleischer’s sind dann später von Dr. Ritter Arbeiten veröffentlicht worden, welche nach derselben Anordnung zu denselben nega- tiven Resultaten gelangen. ? v. Wittich? hat ebenfalls im menschlichen Harn kein Jod nach vor- hergegangener Zerstäubung auf die Haut gefunden. Hingegen hat er positive Resultate am Kaninchen, die ihn aber nicht von der Durchlässigkeit der menschlichen Haut überzeugen, da er sagt: „Aber selbst wenn die Ver- suche unzweifelhaft die Resorptionsfähigkeit kleinerer Thiere bewiesen, so würde das noch kaum einen Schluss auf die Fähigkeit menschlicher Haut gestatten.“ v. Ziemssen* hat bei derselben Versuchsanordnung dieselben Resul- tate erzielt. Er gelangt zu folgendem Schlusse: „Ebenso wie gegen Wasser (d. h. undurchdringlich) und wässerige Lösungen verhält sich die Oberhaut gegen alkoholische Lösungen differenter Stoffe. Es geht von den in Wein- IR. Fleischer, Untersuchungen über das Resorptionsvermögen der mensch- lichen Haut. Erlangen 1877. 2 A. Ritter, Ueber die Resorptionsfähigkeit der normalen menschlichen Haut. Archiv für klinische Mediein. Vol. 34. 1887. — Zur Frage der Hautresorption. Ref. in den Jahresberichten d. Fortschr. f. Thierchemie. 1890. ® v. Wittich, Aufsaugung, Lymphbildung und Assimilation. Handbuch der Physiologie von Hermann. Leipzig 1881. * v. Ziemssen, Handbuch der speciellen Pathologie u. Therapie. 14. Bd. S. 133. ÜBER DIE PERMEABILITÄT DER HaAur. 3 geist gelösten Stoffen (Jod, Salicylsäure, Carbolsäure, Pilocarpin u. s. w.) nichts in die Blutbahn über, wenn die Tincturen einfach aufgepinselt werden.“ Ricker! hat gleichfalls negative Resultate und schliesst auf krankhafte Veränderungen der Haut durch die aufgetragenen Stoffe oder Continuitäts- trennungen in all den Fällen, die positive Resultate ergaben. Diesen nega- tiven Resultaten gegenüber (ich mache auf die Vollständigkeit der Littera- turangaben keinen Anspruch, da sie in sämmtlichen medieinischen und naturwissenschaftlichen Zeitschriften, von denen mir viele nicht zugänglich sind, verstreut sind) stehen positive gegenüber. Röhrig? ist einer der ersten, der die Permeabilität der Haut mit modernen Methoden untersucht hat, und zwar sind seine Versuche so zweifellos, dass v. Wittich folgendermaassen urtheilt: „es kann mir nicht beikommen, die positiven Resultate Röhrig’s in Zweifel zu ziehen, allein meine negativen sprechen doch dafür, dass noch ein anderes Moment in Frage kommt, welches die Resorption stützt oder hemmt.“ Die Anordnung der Experimente bleibt stets dieselbe: Bepinselung oder Zerstäubung der betreffenden Flüssigkeiten auf die unteren Extremitäten der Versuchsperson. Die Aufnahme der betreffenden Substanzen durch die Lungen, die Anal- und Geschlechtsöffnungen wird mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen. Trotz aller Cautelen findet Röhrig stets Jod im Harn. Die Experimente L. v. Kopff’s® sind wohl insofern nicht unantastbar als er die unteren Extremitäten der Versuchsperson 60—80 Minuten in einem Bade liess, welches 2 Procent Jodkali enthielt. Dass in einem so lange dauernden Bade der normale Zustand der Haut wesentlich verändert wird, bezweifelt wohl Niemand. Sehr interessant hingegen ist, was Kopff über die Harnanalysen angiebt. Jod konnte nur im Harn constatirt wer- den, wenn die organischen Substanzen des Harns durch allmähliche Ver- brennung unter Kalilaugezusatz vorher zerstört wurden. Der directe Nach- weis von geringen in den Harn übergegangenen Mengen von Jod gelingt nicht, weil die Farbstoffe des Harns die deutliche Wahrnehmung der Far- benreaction unmöglich machen. Jodkalium geht wahrscheinlich theils als solches, theils in Verbindung mit organischen Substanzen in den Harn über. Verfasser hat mit derselben Methode der Fussbäder auch geringe Dosen Sublimat aus einer wässerigen Lösung in den Harn übergehen sehen. Die ! A. Ricker, Zur Frage der Hauptresorption. Berliner klinische Wochen- schrift. 1886. ® Röhrig, Physiologie der Haut. leipzig 1878. ® L. Kopff, Ueber die Absorption durch die Haut. 1887. Zeferirt in d. Fort- schritten für Thierchemie. — Derselbe, Zur Frage über die Resorption des Sublimats u.s.w. Zeferirt in den Fortschritten für Thierchemie. 1® 4 MARGHERITA TRAUBE-MENGARINT: Beobachtungen Kopff’s über die verschiedenen Ergebnisse bei verschie- denen Methoden der Harnanalysen bringt etwas Licht in die Confusion der entgegengesetzten Resultate bei den gleichen Experimenten. Zweifel an der genügenden Feinheit der Harnanalysen erhob übrigens schon Rosenthal! im Jahre 1862. Lassar? hat Kaninchen mit Oelen verschiedener Art übergossen und die Organe der Thiere darauf voll Fetttröpfehen gefunden. Praeparate mit Ueberosmiumsäure zeigen ihm mit Wahrscheinlichkeit, dass die Oele durch die Drüsenausführungsgänge in die Haut dringen. Er schliesst überhaupt die Möglichkeit aus, dass durch die verhornte Haut auf anderem Wege Stoffe eindringen könnten. Spina® hat Untersuchungen an Fröschen angestellt und findet, dass sie in 4 Tagen 15 Procent an Gewicht zunehmen, wenn sie mit zerstörten nervösen Centralorganen in einer feuchten Kammer aufbewahrt werden. Wenn die Cireulation erhalten bleibt, nimmt das Gewicht in 24 Stunden um 25 Procent zu. Juhl* hat die Experimente Röhrig’s wieder aufgenommen. Die Beine der Versuchsperson sind von ihrem Oberkörper in der Weise isolirt, dass unzweifelhaft die auf die Beine zerstäubten Stoffe nur durch‘die Haut in den Harn übergehen können. Zum Ueberfluss stellt er noch in dem Zimmer, in dem die Versuchsperson athmet, Controlversuche an, die er- geben, dass der betreffende Stoff sich nicht in der Zimmerluft findet. Juhl hat auf diese Art stets positive Ergebnisse. Er findet die mit wässerigen wie mit alkoholischen Lösungen zerstäubten Stoffe stets im Harn wieder. Er experimentirte mit Ferrocyankalium, Tannin, Salieylsäure, salicylsaurem Natron, Jodkalium und Jodtinetur. Die alkoholischen Lösungen dringen mit grösserer Leichtigkeit ein als die wässerigen, aber auch diese dringen ein. Ich habe die mir bekannte Litteratur nach den Resultaten zusammen- gestellt und nicht in der chronologischen Reihenfolge, in der sie erschienen ist. Die Arbeiten sind fast regelmässig alternirend erschienen, und zwar so, dass auf die Arbeit Röhrig’s mit positivem Resultate, Fleischer mit negativem antwortet, u. s. w. bis auf Juhl, der von Ricker widerlegt wird. Ich gehe nun zu meinen eigenen Versuchen über. Sie sind am Hunde und am Menschen angestellt worden, und zwar am Hunde mit Ferro- cyankalium in wässeriger Lösung, Carmin in alkoholischer leicht angesäuer- ! Wiener Medieinal-Halle III 1862 eitirt von Röhrig. ®? Virchow’s Archiv. Bd. 77T. 1879. S. 165 ff. ® Spina, Untersuchungen über die Mechanik der Darm- und Hautresorption. Wiener akad. Sitzungsbericht. Vol. 84. Ref. im Centralblatt für klin. Med. 1882. * Juhl, Untersuchungen über das Absorptionsvermögen der menschlichen Haut für zerstäubte Flüssigkeiten. Deutsches Archiv f. klin. Med. \Vol. 35. Ref. ebenda. ÜBER DIE PERMEABILITÄT DER Haur. 5 ter Lösung, Jodtinetur, Jodkalium in wässeriger Lösung. Am Menschen habe ich nur Jodtinetur versucht. Die verschiedenen Stoffe wurden auf Körpertemperatur erwärmt und mit einem ganz weichen Haarpinsel aufgestrichen. Nur der Versuch am Menschen wurde mit Jodtinctur angestellt, die Zimmertemperatur hatte. Versuche an Hunden: I. Mit alkoholischer Carminlösung. "Die Carminlösung war nach der Formel der zoologischen Station in Neapel dargestellt, musste aber leicht mit Essigsäure angesäuert werden, da sie die Haut nicht netzte. Es wurden täglich ein bis zwei Einpinselungen gemacht. Die Körperhaare färben sich gar nicht. Die Haut färbt sich nicht gleichmässig, sondern getüpfelt. Die Tüpfel entsprechen den Poren. Das Thier wird nach 70 Tagen getödtet. Die Hautstücke werden auf eine halbe Stunde in eine Sublimatlösung gebracht um die Diffusion des Car- mins während der Alkoholbehandlung zu vermeiden. Ergebnisse der Beobachtungen am Mikroskop: Die oberen Hornschich- ten bis zum Stratum pellucidum enthalten Carmin, aber nicht gleichmässig, sondern stellenweise. In die Haartrichter dringt er nur ganz oberflächlich ein und dringt seitlich weder in das Stratum granulosum noch in das Rete ein. In einem einzigen Praeparat sah ich das Stratum granulosum diffus gefärbt, und ebenso, aber schwächer, das Rete. Da ich diese Beobachtung nur einmal machte, so nehme ich an, dass es sich in diesem Falle viel- leicht um eine Continuitätstrennung der Haut handelte. Im Uebrigen war in der Haut keine Spur von Carmin zu bemerken, der also nur bis zum Stratum pellucidum eingedrungen ist. Ich will hier gleich hervorheben, dass in die Milchgänge auch nicht eine Spur von Car- min eingedrungen ist. Auch im folgenden Experiment blieben die Milch- gänge völlig frei. II. Versuche mit Ferrocyankalium. Die während zwei Monaten mit Ferrocyankalium täglich einmal behan- delten Hautstücke wurden nach der Excision in Eisenchlorür gelegt. Die . Haut färbt sich sofort intensiv blau. Von den Körperhaaren, sind die Beethaare am intensivsten gefärbt, weniger die jungen Papillenhaare, und gar nicht die ausgewachsenen. Die Haare in der Haartasche sind gar nicht gefärbt; hingegen ist die Haarscheide intensiv blau. An der Haut- oberfläche sind unzählige stark gefärbte, unregelmässig gelagerte feine Körnchen, und zwischen diesen matt und. diffus gefärbte grosse Kerne. Die Körnchen sind wohl Fetttröpfehen und sonstige Unreinheiten der Haut- 6 MARGHERITA TRAUBE-MENGARINI: oberfläche. Mikroorganismen sind es jedenfalls nicht. Die Kerne gehören der äussersten Hornschicht an. Auf der äussersten Hornschicht in der Oberflächenansicht sieht man sehr deutlich die Grenzen der Epithelschup- pen als dunkelblaues Netz auf hellem Grunde Ob das Ferrocyankalium zwischen den Schuppen eindringt, oder ob sich das Preussich Blau nur auf den Kittleisten niederschlägt, lasse ich unentschieden. Die erste Hypothese würde mit der v. Wittich’s übereinstimmen, der voraussetzt, dass die Imbibition der Haut zwischen den Epithelschuppen vorgeht. Die Kerne der äussersten Hornschicht sah ich auch gelegentlich eines anderen Versuches. Ich hatte einem Hunde Einreibungen mit einer Lano- linsalbe gemacht, welche Jodhaematoxylin (Formel von Sanfelice) enthielt. Auf diese Weise sah ich nicht nur Kerne in der äussersten Schicht, sondern auch darunter bis zum Stratum pellueidum. Die letzteren waren gross, unregelmässig und blasig. Die Einreibungen haben jedenfalls so auf die Hauteireulation gewirkt, dass auch in den Hornschichten die Zellreste wieder angeregt wurden. Ich sah das Preussisch Blau auch mehrere Male diffus in den oberflächlichsten Zellen des Stratum granulosum, und zwar um die Trichter der Haartaschen. Am intensivsten waren die den Haartrichtern anliegenden Zellen gefärbt, zwischen denen ich eine deutliche dunkelblaue Punktirung wahrnahm, die den Intercilialräumen entsprach. Das Ferro- cyankalium dringt also in diesem Falle von den Haartaschen aus in das Stratum granulosum ein. In dessen tiefsten Schichten fand ich es jedoch nie; ebensowenig in dem Rete. Das beweist, dass nicht die obersten Horn- schichten am Undurchdringlichsten sind, sondern, dass ein Körper sehr wohl innerhalb des Stratum granulosum eingedrungen sein kann, und erst dort ein Hinderniss gefunden hat, welches ihm das weitere Vordringen un- möglich macht. III. Versuche mit Jodtinctur. Da alle Härtungsmittel, die in der Mikroskopie Verwendung finden, das Jod lösen, so wandte ich das Gefriermikrotom an. Die Versuche wur- den an Hunden, und einmal am Menschen angestellt. Die Hundehaut ist zum Studium des Epithels eigentlich nur an der Brustwarze brauchbar. Auf dem Abdomen, wo sie nur sehr spärlich mit Haaren besetzt ist und deshalb geeignet wäre, ist sie sehr dünn und das Rete so wenig entwickelt, dass es im frischen Zustand unter dem Mikroskop fast unkenntlich ist, und von einer Beobachtung der feineren Structur des Rete, z. B. der Inter- ciliarräume keine Rede sein kann. Gut entwickelt sind die Papillen und mithin auch die Epithelzapfen nur an der Brustwarze. Sie hat dort eine grosse Aehnlichkeit mit der menschlichen Haut und ist ein gutes Ver- suchsobject. ÜBER DIE PERMEABILITÄT DER Haut. 7 Es könnte die Befürchtung laut werden, dass die Substanzen durch die Milchgänge eindringen. Das war bei meinen Versuchen mit Carmin und Ferrocyankalium absolut nicht der Fall. Vielleicht würde es beim Zerstäuben dieser Substanzen möglich sein. Den wenig zertheilten Mengen, die mit dem Pinsel auf die Haut kommen, bieten die Milchgänge dasselbe Hinderniss, welches jede Capillare jeder Flüssigkeit bietet. Anders verhält es sich mit den Haarporen, da die Flüssigkeit den Haaren entlang in die Haartasche hineingeleitet wird. Der erste Versuch am Hunde erstreckt sich über 10 Tage mit einer täglichen Einpinselung. Zwischen der letzten Einpinselung und der Betrachtung der Haut vergingen circa drei Stunden. Ich konnte nichts weiter beobachten als eine diffuse gelbe Färbung der Hornschichten und an einigen wenigen Stellen eine ebenfalls diffuse Färbung im Epithel. Die Haarscheiden waren intensiv rothbraun. In manchen Haartaschen waren die Haare gefärbt, in anderen nicht. Zweiter Versuch: Einer weissen Hündin wird während 10 Tagen täg- lieh eine Einpinselung auf die Brustwarze gemacht. Eine halbe Stunde nach der letzten Einpinselung wird das Thier mit Chloroform getödtet und die Haut nach circa einer Stunde unter dem Mikroskop betrachtet. Beobachtet wird folgendes: Die Hornschichten sind bis zum Stratum gra- nulosum canariengelb. Das Rete ist farblos mit Ausnahme der Epithelzapfen (Espaces intrapapillaires), die anscheinend diffus strohgelb gefärbt sind. Die Lymphschlingen, wie auch die der Oberfläche parallelen Lymphgefässe des Corium sind auf das schönste gelb injieirt. Das Blut in den Capillaren ist weinroth (charakteristische Reaction des Jods). Die Milchgänge sind strohgelb. Die Haartaschen sind rostfarben; die darin enthaltenen Haare sind in einigen Fällen ebenso gefärbt, in anderen gar nicht. Versuch am Menschen. Einem jungen scrophulösen Menschen wird eine einmalige Einpinselung in die Schultergegend auf völlig intacte Haut gemacht. Nach circa 45 Min. wird das Hautstückchen excidirt. Dasselbe wurde mit dem Gefriermikrotom geschnitten, in Levulose gebettet und unter dem Mikroskop betrachtet. Die Hornschichten sind intensiv gelbbraun, und zwar nimmt die In- tensität von aussen nach Innen ab. Das Stratum granulosum hat an einigen Stellen eine mattgelbe diffuse Färbung, an anderen Stellen ist es gar nicht gefärbt. Im Epithel sieht man gelbe Längsstreifen, die den Ein- druck von Jodströmungen machen. Die Vorgänge im Epithel sind compli- eirter Natur, und ich verweile nicht länger bei ihnen, da meine hierauf bezüglichen Studien noch nicht abgeschlossen sind. Sehr klar liegen die 8 MARGHERITA TRAUBE-MENGARINT: Verhältnisse im Lymphsystem. Sowohl die in den Papillen verlaufenden Schlingen als die der Oberfläche parallelen Gefässe sind auf das schönste injieirt und haben eine canariengelbe Farbe. Das Blut in den Capillaren ist weinroth. Im Corium sind strohgelbe Flecken. Nach 20 Minuten un- gefähr ist die Farbe abgeblasst und fast verschwunden mit Ausnahme der Hornschichten und der Haarscheiden, die sich überhaupt durch die braun- röthliche Färbung von dem übrigen in das Stroh- und Canariengelbe spie- lenden Gewebe unterscheiden. Versuch mit Jodjodkalium. Einem weissen Hunde wurde eine einmalige Einpinselung auf das Abdomen gemacht, das Hautstückchen excidirt und möglichst schnell unter das Mikroskop gebracht. Die Hornschichten waren hellgelb, heller als nach Einpinselung mit Jodtinctur, die Capillaren und Lymphgefässe inji- cirt; das sehr unentwickelte Rete farblos. Die Ausführungsgänge der Schweissdrüsen gelb, ebenso die Drüsenwand einer Drüse, deren Inhalt ungefärbt war. Das Jod aus der wässerigen Jodkaliumlösung geht also ebenso schnell wie die Jodtinctur in die Haut über. Diese Versuche genügen meiner Ansicht nach um den Durchgang des Jods durch die Haut absolut sicher zu beweisen. Da die Einpinselungen stets mit einem ganz weichen Haarpinsel gemacht wurden, und in den beiden letzten Versuchen überhaupt nur eine Einpinselung gemacht wurde, so kann der Verdacht der Continuitätstrennungen nicht aufkommen, so wenig wie der einer entzündlichen Veränderung der Haut die unmittelbar nach der Ein- pinselung exeidirt wurde. Dass eine Veränderung der Haut eintritt, glaube ich allerdings. Ich glaube ebenfalls, dass auf dieser Veränderung der Haut das Eindringen des Jods beruht. Diese Veränderung ist meiner Ansicht nach chemischer Natur. Das Jod hat eine chemische Verwandt- schaft zu den meisten, wenn nicht zu allen Besiandtheilen der Haut, und geht mit ihnen chemische Verbindungen ein, die bis jetzt gar nicht oder ungenügend untersucht sind. So glaube ich, dass sich das Jod mit dem Keratin verbindet. Die Gründe dafür sind folgende: Haare nehmen Jod mit grösster Leichtigkeit auf und färben sich intensiv rothbraun. Einmal gefärbte Haare verlieren ihren Jodgehalt nicht, auch wenn sie drei Monate (so weit reichen meine Erfahrungen bis jetzt) aufbewahrt werden. Um das Jod auszutreiben, muss man sie kochen. Verfährt man dabei mit Vor- sicht, so kann man das in Fig. IV wiedergegebene Bild erhalten. Der Markraum behält seinen Jodgehalt, während die Rinde ihn verloren hat. Auch die keratinhaltigen Hornschichten erhalten ihre Farbe sehr lange Zeit. ÜBER DIE PERMEABILITÄT DER Haut. 9 Dass der Jodgehalt in Haaren und Hornschicht nicht nur an deren Fettgehalt gebunden ist, beweisst folgender Versuch: Haare, die mit dem Soxhlett’schen Apparat stundenlang mit Aether ausgekocht wurden, nahmen, wenn sie darauf in Jodtinetur gelegt wurden, dieselbe intensive Farbe der nichtentfetteten Haare an und verlieren wie diese das Jod nach Monaten nicht. Die von mir mitgetheilten Versuche beweisen, dass das Jod durch die Haut in die Circulationsbahnen übergeht. Die Haut deswegen ohne weitere Anhaltspunkte überhaupt für permeabel zu erklären, wäre nicht gerechtfertigt, da das Jod seiner chemischen Beziehungen zur Haut wegen eine besondere Stellung einnimmt. Wahrscheinlich ist bei den anderen Stoffen ausser der Artihrer Lösung auch der Grad der Verkleinerung in der sie auf die Haut gelangen, von Bedeutung. Merkwürdig ist es, dass unter den meisten Forschern die Meinung herrscht, dass gerade die Hornschichten undurchdrinelich seien. Im Gegen- theil: die tägliche Erfahrung lehrt, wie schwer es ist Farbenflecken aus der Haut zu entfernen. Bis zum Stratum pellucidum dringt jede Lösung. Auch das Stratum pellueidum ist, wie die Versuche mit Ferrocyankalium zeigen, nicht absolut undurchdringlich. 10 MARGHERITA TRAUBE-MENGARINI: ÜBER DIE PERMEABILITÄT D. HAUT. Erklärung der Abbildungen. (Taf. 1.) Fig. 1. Oe. 2, Ob. 7 Korr. Querschnitt von Hundehaut. Die Hornschichten und Lymphgefässe enthalten Jod. Fig. 2. Wie oben. Die Hornschichten und der Epithelzapfen enthalten Jod. Fig. 3. Wie oben. Die Hornschichten und die Lymphschlinge enthalten Jod. Fig: 4. Bluttgefäss aus dem Corium. Das Blut zeigt die charakteristische Farbe der Jodreaction. Fig. 5. Oec. 3, Ob. C. Zeiss. Papillenhaar mit Jod getränkt. Fig. 6. Dasselbe nach Aufkochen in Glycerin. Fig. 7. Oe. 3, Ob. C. Zeiss. Querschnitt eines jodhaltigen Milchganges. Fig. 8. Oc. 2, Ob. 1/18. Zeiss. Querschnitt der Hornschichten nach Einreibung mit jodhaematoxylinhaltigem Lanolin. Fig. 9. Oe. 2, Ob. C. Zeiss. Querschnitt eines jodhaltigen Haarbeetes. Die Innervation der Harnblase beim Frosche und Salamander. Von J. Bernheim. (Aus dem physiologischen Institut zu Zürich.) (Hierzu Taf. II.) Die Nerven der Harnblase des Frosches sind vielfach der Gegenstand des Studiums gewesen. Dabei ist jedoch in der Regel nicht der Gesichts- punkt ihrer Beziehung zu den Functionen der Harnblase der leitende ge- wesen. Man hat sie vielmehr nur als ein passendes Untersuchungsobject gewählt, um die Nervenendigungen in der glatten Musculatur zu unter- suchen. Die einzelne glatte Muskelfaser und die feine Verzweigung der motorischen Nerven sind ja nirgends der Betrachtung so zugänglich, als gerade hier. Es lag in der Natur dieser Arbeiten, dass sie die allgemeine topographische Anordnung der Nerven und ihre Fähigkeit, das Volumen der Blase zu beherrschen, wenig berücksichtigten. Hier soll nun, auf Veran- lassung des Hrn. Prof. Gaule, einmal der Versuch gemacht werden, die Unter- suchung unter gleichzeitiger Zuhülfenahme des physiologischen Experimentes und der mikroskopischen Durchforschung so zu führen, dass dadurch der Nervenapparat der Blase in eine bestimmte Beziehung zu den Functionen derselben gebracht wird. a) Physiologische Experimente. Der Frosch spritzt bekanntlich den Inhalt seiner Blase mit beträcht- licher Kraft aus der Cloake. An diesem Acte sind betheiligt zwei Factoren: 1. die quergestreifte Bauchmuseculatur; 2. die glatte Blasenmuscnlatur. 12 J. BERNHEIM: Die erstere hat an der Kraft, mit der die Entleerung erfolgt, den grösseren Antheil, denn, wenn man die Bauchmusculatur durchtrennt, so kann die Blase sich zwar auch noch entleeren, aber der Inhalt wird nicht mehr im Strahl herausgetrieben. Man wird also, wenn man das Gesammtphaenomen erforschen will, die Untersuchung in zwei Abschnitte zerlegen müssen, nämlich einen der sich mit der Innervation der quergestreiften Bauch- musculatur und einen der sich mit der glatten Bauchmusculatur beschäf- tist. An der ersteren haben Momente Antheil, welche mit der Blase selbst wenig oder nichts zu schaffen haben, wie man daran erkennt, dass der Frosch den erwähnten Strahl oft ausspritzt, wenn man ihn anfasst, oder ihn sonst zur plötzlichen Flucht reizt. Hier erscheint die plötzliche, kräf- tige Contraction der Bauchmuskeln als die Hauptsache und die Entleerung der Blase nur als eine Nebenwirkung, welche durch die Compression des Inhalts der Bauchhöhle eingeleitet wird. . Möglich wäre es indessen auch, dass die Ausspritzung dieser Flüssigkeit die Bedeutung einer übrigens sehr harmlosen Abwehr hätte, wie sie bei andern Thieren durch die Ausspritzung einer stinkenden oder ätzenden Flüssigkeit in viel wirkungsvollerer Weise erfolgt. Jedenfalls lehren diese Ueberlegungen, dass man die Betheiligung der quergestreiften Bauchmusculatur zunächst aus dem Spiel lassen muss, wenn man einfach den Apparat der Blase selbst studiren will. Ich habe daher wesentlich Versuche angestellt, bei denen die Bauchhöhle eröffnet und damit die Wirkung der Bauchmuskeln eliminirt war. 1. Messung des Druckes in der Blase. Die Anordnung der Versuche war eine ähnliche wie diejenige, welche Budge® getroffen. Der Inhalt der Blase sollte mit einem Wassermano- meter in Verbindung gesetzt und die Schwankungen des Drucks an diesem abgelesen werden. Zu diesem Zweck. stellte ich mir aus einer dünnen Glasröhre einen kleinen Katheter her. Das in die Blase einzuführende Ende erhält eine leichte Krümmung und drei kleine Oefinungen, von denen eine an der Spitze selbst, die beiden andern an den Seiten angebracht sind. Diese Lage erwies sich als praktisch, weil die schlaffe Blasenwand leicht eine Oefinung verstopft. Wenn der Katheter eingeführt ist, sieht die concave Fläche der Krümmung gegen die vordere Bauchwand. Die Mano- meterröhre hat einen längeren und einen kürzeren Schenkel, der letztere hat ein kurzes Ansatzstück, das’in einem Winkel von etwa 120° von dem Manometerschenkel abgebogen ist und durch einen ganz kurzen Kautschuck- schlauch mit dem Katheter in Verbindung steht. Zur Füllung der Blase (die sich, auch wenn sie von vornherein gefüllt ist, während der Vorberei- tungen zum Versuch leicht spontan entleert) wird physiologische Kochsalz- Dis INNERVATION DER HARNBLASE BEIM FROSCHE UND SALAMANDER. 13 lösung oder eine !/, procentige Harnstofflösung von Zimmertemperatur be- nutzt. Der Katheter wird gefüllt eingeführt — in die Blase darf keine Luft gelangen. Man lässt dann unter geringem Druck noch eine kleine Menge der erwähnten Lösung einfliessen, so dass sich in der Blase und dem Katheter ca. 1—2 m Flüssigkeit befinden. Die Blase soll nur mässig ge- füllt sein, da sie sonst zu rasch erlahmt. Man stellt dann die Verbindung mit dem Manometer her, natürlich unter sorgfältigem Ausschluss der Luft, nur der Anfangsdruck beträgt meist 4—5"". Wartet man nun noch zwei Minuten, so hat sich das Gleichgewicht hergestellt, vorher sind immer noch kleine Schwankungen, die durch Erschütterung der Wassersäule bei der Verbindung des Katheters mit der Manometerröhre erzeugt werden, zu beobachten. Das Einführen des Katheters in die Blase gelingt auf folgende Weise leicht und sicher. Man eröffnet mit einem Scheerenschnitt die Cloake von hinten her, ein zweiter Scheerenschlag entfernt die Sacralwirbele. Nun kann man an der vorderen Oloakenwand leicht einen in der Längsrichtung, des Darmes verlaufenden Schlitz sehen, dessen Ränder etwas verdickt sind und eng aneinander liegen — die Mündung der Harnblase in die Cloake. Ist der einzuführende Katheter von passendem Durchmesser gewählt, so legen sich ihm die Ränder des Schlitzes eng an und kein Tropfen des Blaseninhaltes kann daneben austreten. Geschieht diess dennoch, so wird dies am Manometer leicht erkannt. 2. Reizung der Nerven. Versuche mit Reizung der Blasennerven wurden ausgeführt von Gia- nuzzi®? und Budge® an Hunden, von Sokownin?®, Nussbaum °*, Nawrocki und Skabitschewsky°° an Katzen. Versuche an Fröschen über diesen Gegenstand habe ich in der Litteratur nicht finden können. Es ist indess von vornherein anzunehmen, dass die Froschharnblase, welche von der Harnblase der Säugethiere abweichende anatomische und physiolo- gische Verhältnisse darbietet, sich auch in Bezug auf ihre Innervation eigen- artig verhalten wird. Man kann sich die Nerven der Froschharnblase vorläufig in zwei Gruppen theilen: 1. die in der Blasensubstanz liegenden Nerven, 2. die zu der Blase hintretenden Nerven. Diese letztere enthalten wieder: a) spinale Fasern, b) sympathische Fasern. 14 J. BERNHEIM: Die sub 2 angeführten Nerven treten zu beiden Seiten der Blase in einem Stämmchen vereinigt am Blasenhalse an diese heran. Dieser Blasen- nerv stammt meist von dem VIII. und IX. Spinalnerven und geht nicht un- terhalb der Vereinigungsstelle derselben ab; seltener entspringt er aus dem X. Spinalnerven. Die betreffenden Spinalnerven selbst schicken eine wech- selnde Zahl von Rami communicantes zum Sympathicus. An dem Blasen- hals umfassen die zuführenden Nerven ringartig die Blase und hier liegen mehrere Ganglienhaufen, an der Stelle, wo sich die Verbindung mit den in der Blase selbst befindlichen Nerven herstellt. Will man diese Nerven zur Reizung aufsuchen, so eröffnet man die Bauchhöhle von der einen Seite her mit einem ausgiebigen Schnitt, und hebt sofort das parietale Blatt des Bauchfells von der Rückenmusculatur ab. Der VIIL, IX. und X. Spinalnerv werden dann beiderseits möglichst nahe bei der Wirbelsäule durchschnitten, und ebenso die Rami communicantes derselben zum Sym- pathicus. Die Operation gelingt mit sehr geringer Blutung. Tritt aber eine erheblichere Blutung ein, so muss man den Versuch gleich aufgeben, weil nur bei vollständiger Erhaltung der Circulation in den Beckengefässen die Blase und ihre Nerven lange genug reizbar bleiben. Endlich muss noch der Ischiadicus der einen Seite unterhalb des Abgangs der Blasennerven, möglichst nahe bei seinem Austritt aus dem Becken durchschnitten werden. Männliche Frösche bieten günstigere anatomische Verhältnisse für diese Praeparation als weibliche. Man muss sich bei derselben stets vorsichtig verhalten, wegen der Gefahr der Blutung und es ist daher nothwendig, dass man jeden Versuch nachher durch die Section controlirt, dass man auch wirklich die richtigen Nerven abgeschnitten und auf die Elektroden gebracht hat. Die losgelösten Stücke des Ischiadieus und der Spinalnerven dienen als Handhabe um den Blasennerven so weit zu lüften, dass man die Elektroden darunter schieben kann. Dünne, biegsame Platindrähte sind für diesen feinen Nerven unentbehrlich, im übrigen bedient man sich natürlich des du Bois’schen Schlitteninductoriums und schaltet einen Vorreiber- schlüssel ein, damit man den Strom öffnen oder schliessen kann, während die Elektroden ruhig liegen bleiben. 3. Versuche. Ich habe drei verschiedene Versuchsanordnungen probirt. Die erste be- stand darin, Rückenmark und Gehirn zu zerstören, ohne die Blasennerven aufzusuchen und zu reizen. Die Blasennerven konnten unter diesen Um- ständen der Blase keinerlei Erregungen zuführen, und die Druckschwan- kungen, welche die Blase zeigte, mussten in dem in der Blase selbst befindlichen Nerven ihren Grund haben. Da die Versuche sich alle gleichen, DIE INNERVATION DER HARNBLASE BEIM FROSCHE UND SALAMANDER. 15 das heisst sich nur dadurch unterscheiden, dass der Druck einmal um ein paar Millimeter höher oder weniger hoch steigt, so will ich hier nur ein Paradigma geben. Rana temporaria: weiblich. Rückenmark und Gehirn ausgebohrt. Anfangsdruck 12!/, “=, Zeit Manometerstand 10 Uhr 29 Min. a2lnam ” ” 30 ” 12 ” „ ” 39 ” 11 ” ri ” 45 ” 101), ” 1 vB) PR} 47 ” 10°), ” | i n: 41 „ 15 Sec. an de, ” ” a7 ” 30 Bi) 172); ” ” ” 48 ” 191), ” ” ” 48 ” 10 ” 173], ” ”„ ” 49 ” 11 ” Das Wesentliche dieses Versuches ist also, dass, ohne dass der Blase durch ihren Nerven oder von aussen her irgend eine Erregung zugeführt wird, sich eine kräftige Contraction einstellt, welche sich in 15 Sec. ent- wickelt, ihr Maximum aber erst nach 45 Sec. erreicht, um dann in 60 Sec. wieder abzufalien. Dieser Contraction geht etwa 2 Minuten voraus eine Periode der Schwankungen, in welcher der Druck aber im allgemeinen niedriger ist als der Anfangsdruck, und welche jedenfalls eingeleitet wird, durch ein Sinken des Drucks. Es geht also der Contraction eine Erschlaf- fung der Blasenwand, eine, wenn auch schwache, Dilatation voraus. Das scheint mir wegen der Analogie mit den Vorgängen an den Gefässen nicht unwichtig. Dass die Contraction von den in der Blase selbst liegenden Nerven ausgelöst wird, kann nicht bezweifelt werden. Wohl aber kann man darüber zweierlei Meinung sein, ob sie als eine automatische oder als eine reflectorische aufzufassen sei. Da die Blasenwand Ganglien beherbergt, so könnte sie der Automatie fähig sein. Um in der Beziehung nicht miss- verstanden zu werden, will ich definiren, was ich unter Automatie verstehe, nämlich einen Vorgang, der ohne der Ganglienzelle zugeleitet zu sein, in derselben selbst sich abspielt und zu einer von ihr ausgehenden centri-. fugalen Erregung eines (hier motorischen) Nerven führt. Die andere Mög- lichkeit wäre, dass die Contraction reflectorisch wäre In diesem Falle müssten den Ganglienzellen in der Blase, von der inneren Schleimhaut oder der äusseren (serösen) Oberfläche der Blase Erregungen zugeleitet werden, ! In diesem Intervall spielen sich Schwankungen ab von !/;—!/, ”® Exeursion, welche auch in allen übrigen Versuchen immer einer stärkeren Contraction vorausgehen. 16 J. BERNHEIM: welche dieselben in der Blase selbst auf centrifugale motorische Fasern übertragen. Dass dieser Reflex durch das Rückenmark oder Gehirn Ein- durchginge ist ausgeschlossen, weil diese zerstört sind. Ich will nur hier mich noch nicht für das eine oder das andere entscheiden, sondern ich werde einstweilen diese Contraction als spontane bezeichnen, um damit nur auszudrücken, dass dieselben ohne ein Eingreifen meinerseits auftraten. Es ist ferner noch im Anschluss an diese Versuchsreihe zu bemerken, dass, wenn man derartige Versuche bei geschlossener Bauchhöhle anstellt, fortwährend kleine Schwankungen an dem Manometer zu beobachten sind, welche synehron mit dem Herzschlag verlaufen. Dieselben sind in der That übertragene Bewegungen des Herzens und verschwinden, sobald man die Bauchhöhle weit eröffnet. Die zweite Versuchsanordnung betrifft mit Chloroform narkotisirte Frösche, bei denen Rückenmark und Gehirn erhalten, die Nerven in der oben be- schriebenen Weise praeparirt und gereizt wurden. Ich gebe zwei typische Versuche. Rana temporaria männlich. Chloro- formnarkose. VIIL, IX., X. Spinalnerv und Ischiad. rechts durchschnitten. Inductionsstrom. Rollenabstand 8. Anfangsdruck im Manom. 81/, =", Manometerstand Manometerstand — 4!,mm Nach 2 Minuten spontane Reizung RS ae Contractongge ne eo » asgeseizu. 0. Als), Ruhe nenne heizung tra. abe 0 Reizune, re. . .Er eg, auldessese IAuISDiesekzue Aussesetzty a vn en a, Nach”3-Minuten 7.102,74, Nach 3 Minuten spontane Spontane Contractiin. . 6 „ Contraction Bis „» es Sch Dil Ruhe elle: Die: » ” re N, Spontane Contraction . Sn „ » N Aula, Reizung 0.3 near ülere Nach 4 Min. Reizung 8 „2. Fortgesetzte Reizung. . 6 ,„ Ausgesetzt ll RÖHREN Nach 2 Minuten spontane Reizung? ae era. Bd Gontrachon en ee Br Ausgesetzt 4, Reizung ma a ads Fortgesetzte Reizung. . 6 ,„ Anmerkungen betreffen die Dauer des Reizes. * bedeutet, dass die Reizung unter- brochen wird, sobald die Contraction beginnt; * bedeutet, dass die Reizung fortgesetzt wird, auch nachdem die Contraction beginnt. Es wird trotzdem keine dauernde Con- traction erzielt, und der Reiz hört auf, sobald der Druck zu sinken beginnt; ° bedeu- tet, dass die Reizung während einer spontanen Contraction eingeleitet wird. Dauer des Reizes wie bei ?. Rana temporaria männlich. Chloroformnarkose. Beiderseits VIIL, IX., X. Spinalnerv und Ischiad. dext. durchschnitten. Induetionsstrom. DIE INNERVATION DER HARNBLASE BEIM FROSCHE UND SALAMANDER. M Rollenabstand 30 ®. Reizung wie bei dem anderen Versuch. Die Reizung bei Beginn der Contraetion unterbrochen. Manometerstand ntanescuucköe mas 0) u. ‚ia. nA, am OhnerRerunes nu. 2... em Spontane Contraeiion u. ae. un. Role ee ee ER ER U kezuneg ee, ausoesetzis „urn. eh an ar, Spontanen@ontractione 2. rar. 2.10, , Kane? a WE Bee Spontane Oontrachion Br N er es, kaueue ns. en a wer hu: SW. Die beiden Versuche unterscheiden sich im wesentlichen dadurch von einander, dass in dem einen Fall alle Verbindungen der Blasennerven mit dem Rückenmark durchschnitten waren, in dem anderen nur auf der einen Seite. Der Verlauf ist aber im wesentlichen ein gleicher. Die Schlüsse die aus denselben zu ziehen sind, sind jedenfalls folgende: 1. Es verlaufen in dem gereizten Blasennerven centrifugale Fasern, welche im Stande sind, die Blase in Contraction zu versetzen. 2. Nach der Reizung kehrt die Blase zu ihrem ursprünglichen Zustand zurück. 3. Die Blase ermüdet bei der Reizung bald, und erschlafft dann, obgleich der Reiz fortdauert. 4. Die Reizung scheint in der Blase begünstigend für das Auftreten spontaner Contractionen zu wirken, welche sich einstellen, sobald die Ermüdung von der Reizung vorüber ist. 5. Diese spontanen Contractionen verlaufen ähnlich, wie die durch den Reiz herbeigeführten. Die dritte Versuchsanordnung, welche ich wählte, sollte mir den Er- folg der directen Reizung der Blase zeigen. Die Versuche wurden ange- stellt an curarisirten Fröschen, die Blasennerven auf beiden Seiten durchschnitten. Folgendes ist das Paradigma: Rana temporaria männlich, tief curarisirt. VIH., IX. u. X. Spinalnerv beiderseits und Ischiadnery rechts durchschnitten. Blase völlig blosgelegt und an verschiedenen Stellen gereizt. Inductionsstrom. Rollenabstand 40 ®”. Manometerstand Anfangsdruck . . Bu a N Nach 60 Sec. Berne a N Lane Reizunswausgesetzin an a ea, Nachn 32. Mimutenae 0: su. 0 ar LO a) „ ee RE, „oat4 # 5 ne DIT; Archiv f. A, u. Ph, 1892, Physiol. Abthlg. te 2 18 J. BERNHEIM: Die Schlüsse, welche hieraus zu ziehen sind, sind folgende 1. Die Blase ist direct reizbar. 2. Die directe Reizung bedarf stärkerer Ströme als die Reizung vom Nerven. 3. Sie hinterlässt eine lang dauernde Nach- wirkung. Der Druck ist nach 14 Minuten noch nicht wieder auf den Anfangsdruck gesunken. Vergleicht man diese Reizerfolge, mit dem raschen Absinken des Druckes, bei der indirecten Reizung, selbst wenn der Reiz fortdauert, so kommt man zu dem Schluss, dass die Ermüdung in dem letzteren Fall nicht in den Muskeln ihren Grund haben kann, sondern in dem Nerven bezw. seiner Verbindung mit dem Muskel. Ob man bei der direeten Reizung der Blase es mit einer directen Muskelreizung zu thun hat, kann man nicht entscheiden, weil ja das Curare die Endigungen der Nerven in den glatten Muskeln nicht lähmt. Es ist möglich, ja sogar wahrscheinlich, dass der Reiz die in der Blasenwand liegenden Nerven trifft, denn die Reizung ge- lingt leichter von dem Blasenhals und der sagittalen Furche aus, wo sich die meisten Nerven befinden, als von den übrigen Stellen. Dafür spricht ferner der Umstand, dass diese Reizbarkeit sehr rasch erlischt, wenn die Bluteireulation gestört ist, was bei der directen Reizung der Musculatur bekanntlich nicht der Fall ist. db) Mikroskopische Untersuchung. Die Blase ist, wie ich schon oben bemerkte, mikroskopisch sehr viel untersucht worden, und ich habe mich auf Schritt und Tritt meiner eigenen Untersuchung mit den schon durch meine Vorgänger bekannten Gebilden zu beschäftigen gehabt. Während aber jene meistens die Endigung der Nerven in den glatten Muskeln im Auge hatten, kam es mir darauf an den Nervenapparat als ein Ganzes zu erfassen, aus dem sich meine Versuchs- resultate erklären liessen. Eine ausführliche Uebersicht der reichhaltigen Litteratur über die motorischen Nerven und ihrer Endigungen in der Harn- blase des Frosches haben schon Löwit!? und Lustig?” gegeben. Ueber sensible Nervenendigungen haben Lawdowsky,!® M. Wolff?* und Löwit? Angaben gemacht. Lawdowsky nimmt besondere unipolare Ganglienzellen an, in die sich meist ein Bündel markloser Fasern einsenkt. Er glaubt, dass diese Zellen als eine eigene Art von Endigungen der Mehrzahl der Nerven in der Froschharnblase und wahrscheinlich als Endigungen der sensiblen Fasern anzusehen seien. Diesen Angaben ist schon Löwit entgegengetreten. M. Wolff leugnet den Uebergang markhaltiger Fasern in marklose und beschreibt DIE INNERVATION DER HARNBLASE BEIM FROSCHE UND SALAMANDER. 19 als freie sensible Endigung das Ende der markhaltigen Faser. Löwit endlich glaubt, dass von jener Unzahl markloser Fasern die sich im intermediären Gebiet vorfinden, einzelne als sensible Nerven aufzufassen seien. Methode. Ich habe Praeparate hergestellt nach verschiedenen Methoden: zuerst mit 1 proc. Osmiumsäurelösung, die mit neutralem Carmin gefärbt wurden; diese Praeparate waren zur Verfolgung den markhaltigen Nerven sehr ge- eignet. Weniger brauchbar erwiesen sich die mit der Weigert’schen Markscheidenreaction behandelten. Für die Verfolgung der marklosen Fasern bediente ich mich der Goldmethode, die von mir etwas modificirt wurde. Ich versuchte nämlich die Reduction des Goldchlorids zu erleichtern, durch verschiedene Substanzen, wie man das vielfach schon gethan hat. Dabei fand ich, dass der primäre Natriumsulfit (NaHSO,) zusammen mit Ameisen- säure und Wasser als Reductionsmittel Vortheile darbietet. Das von E. Merk bezogene Praeparat bildet ein weisses, krystallinisches Pulver, das nach Schwefeldioxyd riecht. Ich verfuhr bei der Herstellung meiner Praeparate auf die foleende Weise. Die Blase wird in physiologischer Kochsalzlösung in mehrere Stücke zerschnitten, dann verbringt man sie in 10°w einer. 2 proc. Essigsäure oder auch in die gleiche Menge einer 1 proc. Essigsäure der man 4 Tropfen Ameisensäure zugesetzt hat. Hierin bleibt sie so lange bis das Epithel sich lockert und mit einem weichen Pinsel sich leicht ent- fernen lässt. 15 Minuten sind etwa hierzu erforderlich. Dann werden die Stücke direet in die Goldehoridlösung verbracht. Je nach der Concentration, die man anwendet, müssen sie hier verschieden lange verweilen, nämlich in 1 proc. Lösung 20 Minuten, in 1?/, proc. Lösung 7—10 Minuten. Verwendet man die stärkere Lösung, so bewirkt man am besten einen Uebergang aus der Essigsäure, indem man der letzteren nach dem Pinseln einige Tropfen Goldchloridlösung zusetzt. Man vermeidet so ein stärkeres Schrumpfen des Praeparates in dem Goldchlorid, das zwar in der Reductionsflüssigkeit wieder zurückgeht, aber eine ungleichmässige Färbung zur Folge haben kann. Nun werden die Praeparate in destillirttem Wasser gut abgewaschen und dann in die Reductionsflüssigkeit gebracht. Als solche verwende ich 10 «= der Löwit’schen Mischung von .i Theil Ameisensäure und 3 Theilen ‚Wasser, aber unter Zusatz von etwas Natriumsulfit. Ist das Natriumsulfit frisch bezogen, riecht es noch stark nach Schwefeldioxyd so darf man nur ein Körnchen zusetzen. Später kann man die Menge etwas steigern. Wird zu viel zugesetzt, so verderben die Praeparate. Alle gelingen übrigens nie, dagegen einige um so schöner. 9# = 20 J. BERNHEIM: Schilderung der Praeparate. Der Fundamentalplexus. Ich habe oben bei der Schilderung der der Blase zustehenden Nerven erwähnt, wie dieselben bei ihren Uebertritt auf die Blase mit mehreren grösseren Ganglienhaufen zusammentreffen, welche durch Aeste mit einander zu einem Ring verbunden sind. Aus diesem so von den eintretenden Nerven oder Ganglien gebildeten Ringgeflecht entwickelt sich das was ich im Anschluss an die von Ranvier eingeführte und auch bereits ein- gebürgerte Nomenclatur den Fundamentalplexus nenne. Mehrere noch vereinzelte Ganglienzellen enthaltende Aeste eilen der hinteren und seit- lichen Blasenwand entlang, kleinere Aestchen gehen abwärts zu der unter- halb des Ringes gelegenen Blasenpartie. In der Furche aber, welche die Blase in zwei Hälften trennt steigen mehrere grössere Nervenstämme empor, die von beiden Seiten zusammenkommen und einen Plexus bilden, in dem sich kleinere Gruppen von Ganglienzellen unregelmässig vertheilt finden. Durch diesen Theil des Fundamentalplexus findet ein Austausch zwischen der linken und rechten Blasenhälfte statt. Im Ganzen erinnert diese Ver- theilung merkwürdig an die Nerven des Froschherzens wie sie von Remak, C. Ludwig und Bidder beschrieben worden sind. Der Plexus in der Furche entspricht der Vorhofscheidewand, der Ring am Blasenhals der Grenze von Vorhof und Sinus venosus. Auch in der Vorhofscheidewand finden sich zwei Nervenzüge, wie hier in der sagittalen Rinne. Beim Frosche findet sich im Fundamentalplexus neben den marklosen Fasern eine wechselnde Anzahl markhaltiger, etwa 10—20; beim Salamander da- gegen nur sehr wenige und vereinzelte Verfolgt man beim Frosch die markhaltigen, so lassen sich zwei Arten derselben unterscheiden. Es fällt auf, dass ein Theil derselben sein Mark verliert, sobald er in die erste Muskelschicht der Blase gelangt. Hier gehen dieselben in einen secundären Plexus über, der ungefähr in derselben Ebene wie das Capillarnetz liest. Andere Fasern durchdringen die Muskelschicht und lösen sich erst unter dem Epithel in einen secundären Plexus, der sich nicht nur durch die Ebene, in der er liegt, sondern auch durch seine Beschaffenheit von jenem ersteren unterscheidet. Das Mark hört entweder plötzlich auf, wie ich in meiner Figur 2 abgebildet habe, oder es lässt sich noch eine Strecke weit in Form von kugeligen oder ovalen Körnern in der Nervenfaser erkennen (Figur 3). Die beiden secundären Plexus. Man hat seither nur einen secundären Plexus in der Blase beschrieben. Aber jene Trennung der markhaltigen Fasern, von der ich eben berichtet habe, weist doch darauf hin, dass dieselben einen verschiedenen Be- DIE INNERVATION DER HARNBLASE BEIM FROSCHE UND SALAMANDER. 21 stimmungsort haben, die einen begeben sich zum Epithel, die anderen zu den Muskelfasern. Die ersteren können wir bis auf weiteres als sensible, die zweiten als motorische ansehen. So lange dieselben noch von ihren Endpunkten entfernt sind, gewissermaassen auf der Reise, liegen dieselben wie überall, nebeneinander ohne dass wir sie unterscheiden können, wo sie sich aber den Bestimmungsorten nähern, müssen sie sich trennen, weil diese selbst getrennt sind. Unter einer vorsichtigen Verfolgung dieses Verhältnisses gelanet man dazu die vorbereitenden Stadien, welche der Verbindung der Nerven mit ihren Endorganen vorausgehen, sondern zu können. Dieselben sind nothwendig verschieden, und ein Theil der Differenzen, welche sich in Bezug auf die Beschreibung des secundären Plexus ergeben haben, rühren davon her, dass man die Elemente der beiden verschiedenen Plexus in eins zusammenwarf. Alle secundären Plexus be- stehen aus gestreckten Netzen von Zellen, die im wesentlichen aus den langen Fortsätzen und dem im Knotenpunkt gelegenen Kern bestehen. Charakterisirt sind die secundären Plexus, ausser durch ihre Lage, durch ihren Zusammenhang mit den tertiären Elementen und ich will sie daher gemeinschaftlich mit diesen beschreiben. Secundäre und tertiäre sensible Plexus. Einen Theil der secundären sensilben Plexus stellt die Figur 1 dar, welche nach einem Praeparat von der Harnblase des Frosches gezeichnet ist. Es fällt zunächst eine grosse Zelle (a) auf, deren Protoplasma dunkel- roth gefärbt ist und geschrumpft erscheint, so dass es sich von den Wänden einer Kapsel 44 zurückgezogen hat, deren Kern bei a’ ist. Diese Zelle muss wohl als eine Ganglienzelle gedeutet werden, welche den Uebergang zu dem primären Plexus, d. h. zu einer markhaltigen Faser herstellt. Feinste Faserbündel gehen von ihr nach verschiedenen Richtungen aus, von denen sich eines bis zu der markhaltigen Faser (c) verfolgen lässt, die in einer etwas tieferen Ebene liegt, aber immer noch oberhalb der -Muskelsch:cht. Sie kommt direct aus den Fundamentalplexus. Ein zweites Bündel (b) hat Verbindungen theils mit Fasern, die von den markhaltigen Nerven ab- gehen (d und d,), theils mit den langgestreckten Zellennetz 9 und g. Feinste Verbindungsfasern gehen nun hin zu den sternförmigen Gebilden f undf’ zwischen denen reihenförmig gestellte feinste Kügelchen und Stäbchen » und % einen tertiären Plexus bilden, der jedenfalls nicht vollständig ist, da er dicht unter dem Epithel liest, das infolge der Darstellungsmethode dem Praeparate fehlt. Aus diesem Grunde ist es nicht überall vorhanden und seine Beziehungen zum Epithel lassen sich nicht feststellen. Es gleicht aber dem tertiären Plexus, welchen Canini-Gaule°® und Frenkel°? unter 22 J. BERNHEIM: dem Epithel des Froschlarvenschwanzes gefunden und dessen Zusamenhang mit dem Nervenapparat desselben dort sicher gestellt wurde. An der nervösen Natur dieser Gebilde ist auch hier nicht zu zweifeln, da der Zu- sammenhang mit den markhaltigen Fasern des Fundamentalplexus ihn ausweist, und so wird man hier wohl folgende Reihenfolge annehmen können. Nerven des Epithels — feinster Plexus —h’ — Zellen f f — Ganglien- zellen «— Nervenfaser ee Möglich wäre auch eine Verbindung der Zellen f—f mit den langgestreckten Zellen gg’ und dann der Uebergang in den Fundamentalplexus an einer anderen Stelle. Eine andere Modification des Uebergangs der markhaltigen Faser in den secundären sensiblen Plexus stellt die Fig. 2 dar. Diese Stelle liegt gleichfalls dicht unter dem Epithel. Die Faser geht, indem sie ihr Mark verliert, in eine bandartige, kernartige Partie über, die sich mit Gold röthlich gefärbt hat. Eine Faserung in einzelne Fibrillen lässt sich nicht erkennen, nur an dem einen Rande lässt sich eine Faser etwas dunkler gefärbt unterscheiden. Das ganze hat den Charakter einer dichten Zusammendrängung einer Anzahl der Zellen ff‘, in deren Netz auch in der Umgebung die Verbindungen übergehen. Die unterbrochenen Fasern des tertiären Plexus finden sich gleichfalls in der Umgebung. Die Fasern ce € sind solche, welche die Verbindung mit dem langgestreckten Netz g g’ her- stellen. Eine Ganglienzelle findet sich hier nicht, liegt aber möglicher- weise weiter zurück an der markhaltigen Faser. Motorische, secundäre und tertiäre Plexus. Der secundäre, motorische Plexus am Frosch ist vielfach beschrieben und ich kann mich zum grossen Theil den Schilderungen von Klebs,? Löwit!? und Lustig” anschliessen. Fig. 3 demonstrirt den Uebergang einer markhaltigen Faser in den secundären motorischen Plexus. Zum Studium der Vertheilung der motorischen Fasern und in den secundären und tertiären Plexus ist jedoch die Blase des Salamanders besonders zu empfehlen, da hier die Verhältnisse viel übersichtlicher liegen, und die einzelnen Elemente viel grösser sind, wie ja auch Löwit schon hervorgehoben hat. Die netz- artige Anordnung des secundär-motorischen Plexus lässt sich erklären aus dem Bau des Muskelapparates, der innervirt werden muss. Wir haben zunächst ein System von Fasern, welche rechtwinklig zu den Muskelbündeln verlaufen, so dass sie dieselben durchkreuzen. An den Kreuzungspunkten geben diese Nerven kleine Fasern zu den Muskelbalken ab, welche sich denselben anschliessen und in der Hauptsache parallel mit den Muskel- kernen verlaufen. Diese letzteren Fasern nehmen einen anderen Charakter DIE INNERVATION DER HARNBLASE BEIM FROSCHE UND SALAMANDER. 23 an und charakterisiren sich dadurch als tertiäre Elemente. Sie sind nämlich stets kernlos und varicös. Sie gehen immer aus dem secundären Plexus hervor und nie aus dem Grundplexus. Während ihres Verlaufes innerhalb der Muskelbündel treten hier und da noch feine Verstärkungsfasern aus dem secundären Plexus hinzu und lagern sich dann meist mit einer drei- eckigen Anschwellung (,„Füsschen“) an sie heran (Fig. 4). Nicht immer ist der Abgang der tertiären oder Terminalfibrillen aus dem secundären Plexus genau so, wie hier geschildert. Es kommt vor, dass die secundäre Faser dickt an das Muskelbündel herantritt, und sich dann in zwei Terminaläste auflöst, die dann Jivergirend dem Muskelbündel entlang laufen (Löwit). In anderen Fällen begleitet auch die secundäre Faser selbst das Muskelbündel eine Zeit lang und giebt dann Terminalfibrillen an dasselbe ab. Endigung der tertiären oder Terminalfibrillen. Mit der Endigung der tertiären sensiblen Elemente oder besser gesagt mit ihrem Ursprung in oder zwischen den Epithelzellen habe ich hier nichts zu thun, weil meine Praeparationsmethode das Epithel zerstörte Dagegen hatte ich Veranlassıng mich mit den motorischen Endigungen zu beschäf- tigen, zumal meine Modification der Goldmethode diese Elemente sehr deutlich zeigt. Man hat lange Zeit angenommen, dass die motorischen Terminalfibrillen in den glatten Muskelfasern endigen müssten. Als man dies zu bestreiten anfing, hat man dann auch ihre Verbindung mit den glatten Muskelfasern geleugnet. Meine Untersuchungen haben mich ge- lehrt, dass das zwei verschiedene Dinge sind, Endigung der Terminalfibrille und Verbindung derselben mit der glatten Muskelfaser. Die Terminal- fibrillen endigen frei, aber sie stehen in ihrem Verlauf mit den glatten Muskeln in Verbindung. Man kann Terminalfibrillen erster und zweiter Ordnung unterscheiden. Die Fibrillen erster Ordnung spalten sich gabelförmig in zwei Aeste zweiter Ordnung. Ob eine weitere Gabelung stattfindet, konnte nicht constatirt werden, so dass die feinen varicösen Fasern zweiter Ordnung wohl als die letzten Verzweigungen des motorischen Nervenapparates betrachtet werden müssen. Die Gabelung geschieht entweder so, dass beide Aeste ziemlich symmetrisch von der Hauptfibrille abgehen, oder, dass der eine der Gabel- äste in der Richtung der Fibrille erster Ordnung weiter geht, der andere aber unter einem wechselnden Winkel abbiegt. Der letztere biegt dann in kurzer Entfernung abermals in die Richtung der Hauptfibrille ein. Ana- stomosen liessen sich nur vereinzelt zwischen den Fibrillen erster Ordnung 24 J. BERNHEIM: beobachten. Die Fibrillen zweiter Ordnung scheinen frei zwischen den Muskelzellen zu enden. Es lässt sich annehmen, dass sie an diesen Enden weiter wachsen, entsprechend dem Wachsthum der Muskelelemente und dem Entstehen neuer Muskelzellen. Verbindung der Nerven und Muskelelemente. Die ersten Arbeiten über diesen Gegenstand (Frankenhäuser?, Arnold!’ und Klein!‘ nahmen eine Verbindung an in Form eines eng- maschigen Netzes der feinsten Nervenfasern, das mit den Kernkörperchen der Muskelkerne in Verbindung stehen solle. Mir ist es nie gelungen, dieses Netz zu sehen. Engelmann!! namentlich aber Löwit!? und Gscheid- len?” leugnen einen Zusammenhang der Nerven mit den Muskelkernen. Dagegen weist die letzte Arbeit auf diesem Gebiet, die von Lustig” einen solchen Zusammenhang nach. Lustig konnte an Macerations- praeparaten, allerdings nurin einer geringen Anzahl von Fällen, Verbindungen mit dem Kern oder dessen Protoplasmafortsatz constatiren. Das Aufsuchen der Verbindungen zwischen Nerv und Muskel ist schwierig und man ist vielen Täuschungen unterworfen, Die feinen Ter- minalfibrillen verlaufen auf und zwischen den Muskelzellen und man ist allen Zufälligkeiten der Goldreaction ausgesetzt, ob sie deutlich genug dif- ferenzirt sind, um sich von diesen abzuheben. Meine Figuren 4, 6 und 7 zeigen das Verhältniss, wie es sich an meinen Praeparaten ergiebt Der braune Ton, welchen bei meiner Methode die Terminalfibrille annimmt, unterscheidet sie sehr gut von dem röthlichen Muskelprotoplasma. Aber selbst wenn die Nerven gut gefärbt sind, muss man sich fragen, ob nicht auch andere Elemente eine ähnliche Färbung angenommen haben und mit denselben verwechselt werden können. Löwitz. B. spricht von dem grossen Reichthum der tertiären Plexus und betont, dass man oft mehr Terminal- fibrillen in einem Muskelzug verlaufen sieht, als Kernreihen vorhanden sind. Ich habe einen solchen Reichthum nicht wiederfinden können und kann den Verdacht nicht unterdrücken, dass bei ihm die zwischen den Muskel- zellen gelagerten Kittsubstanzen die gleiche Reaction angenommen haben, wie die Nerven. Diese Kittsubstanzen haben bekanntlich auch stark redu- zirende Eigenschaften. Um mich von dem Verlauf dieser Kittsubstanzen gut zu unterrichten, habe ich Blasen mit 1 Procent Höllensteinlösung be- handelt. Meine Figur 5 giebt ein Bild von den Silberlinien, die auf diese Weise zwischen den Muskelfasern entstehen. An meinen Goldpraeparaten finden sich auch entsprechende Reductionslinien, da die Kittsubstanzen ja auch das Gold, wenn auch weniger begierig als das Silber reduciren, es DiE INNERVATION DER HARNBLASE BEIM FROSCHE UND SALAMANDER. 25 ist mir jedoch nicht gelungen, dieselben von den Terminalfibrillen zu unter- scheiden. Folgendes. sind meine Kennzeichen. Die Kittsubstanzlücken sind in ihrem Verlauf gerader und gleichmässig dick. Die Terminalfibrillen sind dünner und zeigen Varicositäten, sie verbinden sich mit dem secun- dären Plexus, die ersteren nicht. Nun giebt es ausser den Kittsubstanzen noch ein anderes Element, welches das Gold aufnimmt, das ist der Protoplasmafortsatz des Kerns. Ich finde denselben bei Gscheidlen ?”” und Löwit!? nicht erwähnt und auch in ihren Zeichnungen nicht abgebildet. Nach den Untersuchungen Lustig’s”” aber fällt ihm eine hier sehr wichtige Rolle zu, weil er häufig die Ver- bindung zwischen dem Nerven und dem Muskeln vermittelt. Ich stimme in der Beziehung mit Lustig überein, während ich mich in einem anderen Punkt von ihm unterscheide. Er lässt nämlich die Verbindungsäste von kernhaltigen Nervenfibrillen abgehen (also direct aus dem secundären Plexus), während ich stets nur Verbindungen mit den kernlosen, varicösen Terminalfibrilllen gesehen habe. Wie sich dieselbe vollzieht wird am besten aus meinen Figuren 6 und 7 ersichtlich. Von der feinen Terminal- fibrille, welche parallel mit dem Kern und seinem Proto- plasmafortsatz hinzieht, gehen allerfeinste Aestchen senkrecht ab und begeben sich zu diesen hin. Es ist selbstverständlich, dass man dieselben nur bei stärkeren Vergrösserungen sieht. Variation der Verbindung zwischen Nerv und Muskel. Mir ist es ebenso gegangen wie Lustig an seinen Macerationspraepa- raten, dass ich nur in einer ganz geringen Anzahl von Fällen die Verbin- dung zwischen Nerv und Muskel constatiren konnte, In dem Fall der Maceration kann man sich sagen, dass wohl viele Verbindungen abreissen, aber zu einer solchen Annahme liest bei meinen Praeparaten kein Grund vor. Auch von dem Gelingen der Vergoldung hängt es nicht ab, denn auch die gelungensten Praeparate zeigen nicht mehr vor. An Praeparaten, an denen die feinsten Terminalfibrillen mit vollkommener Deutlichkeit ge- sehen werden, braucht man nicht zu zweifeln, dass auch die Verbindungen mit dem Muskel sichtbar sein würden, wenn sie wirklich vorhanden wären. Darin liest nun etwas befremdendes. Soll man annehmen, dass das Ner- ven- und Muskelnetz, welche sich in so ausgedehntem Maasse durchdringen, und deren Anordnung offenbar darauf eingerichtet ist, möglichst viele Be- rührung zu haben, doch nur an wenigen Punkten zusammenhängen? Wenn andererseits der Zusammenhang für die Wirkung aufeinander nicht nothwendig ist, warum findet er doch an einigen Punkten statt. Man findet eine leichte Lösung der Frage wenn man annimmt, dass dieser 26 J. BERNHEIM: Zusammenhang ein variabler sein kann. Nerv und Muskeln sind ja nicht durch eine eiserne Klammer aneinander befestigt, sondern die minimale Entfernung zwischen Terminalfibrille und Protoplasmafortsatz des Muskel- kerns wird überbrückt durch ein Fädchen zartester Art. Warum soll denn dasselbe stets im selben Lebenszustand verbleiben, warum soll es nicht zeitweilig schwinden, oder vielleicht die Substanzen entbehren, die es für das Gold empfänglich machen, und dann bleibt es unsichtbar. Dass eine solche Möglichkelt vorliegt, muss man sofort zugeben in Bezug auf den Protoplasmafortsatz zu dem es hinzieht. In zwei nebeneinander liegenden Zellen lässt sich in der einen der Fortsatz constatiren in der anderen nicht, oder nur in Stücke zerfallend. Seine Substanz ist bald körnig mit hellen Zwischenräumen zwischen den Körnern, bald mehr homogen. Er wechselt auch seine Länge, ebenso seine Breite und seinen Verlauf, indem er bald gerade gestreckt ist, bald mit seinem Ende in einem leichten Bogen gegen eine Terminalfibrille sich umbiegt. Meist sind die Kernfortsätze eines Kernes verschieden beschaffen, was Länge und Structur anbetrifft. Auch in der Färbung des Zellprotoplasma’s findet man auffällige Variationen. Einzelne Zellen zeigen ein feinkörniges Protoplasma, das uns zartrosa gefärbt erscheint, der Kern ist hier oft rundlich, während er in anderen Zellen stäbchenförmig ist oder ein Oval darstellt. Es scheint mit dem Alter des betreffenden Zellenindividuums das Protoplasma homogen zu werden und sich mit Gold beinahe nicht mehr zu färben. Wenn so in den Muskelfasern verschiedene Zustände verschiedene Färbbarkeit bedingen, warum nicht auch in den dieselben versorgenden Terminalfibrillen. Vielleicht ist nur im Moment der Thätigkeit, durch die aus dem Nerv in den Muskel übertretenden Stoffe, die Verbindung wirk- lich hergestellt. DIE INNERVATION DER HARNBLASE BEIM FROSCHE UND SALAMANDER. 27 Litteraturverzeichniss. 1. Remak, Neurologische Erläuterungen. Dies Archiv. 1844. 2. Ludwig, Ueber die Herznerven des Frosches. Dies Archiv. 1848, 3. Bidder, Ueber functionell verschiedene und räumlich getrennte Nervencentra im Froschherzen. Dies Archiv. 1852. 4. 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Gynaekolog. 1876. Bd. IV. 22. Gscheidlen, Beiträge zur Lehre der Nervenendigungen in den glatten Mus- kelfasern. Archiv für mikroskopische Anatomie. 1877. Bd. XIV. 23. Sokownin, Materialien zur Physiologie der Entleerung und Zurückhaltung des Harns. Referatin Schwalbe u. Hoffmann’s Jahresberichten. Bd. IV. Abth. II. 28 J. BERNHEIM: Die INNERVATION DER HARNBLASE B. FROSCHE U. S. W. 24. Nussbaum, Zur Frage über die Innervation des Muse. detrusor. Arbeiten der medieinischen Fakultät in Warschau. Herausgegeben von Nawrocki. 1879. Bd.V. Referat in Schwalbe und Hoffmann’s Jahresberichten. 1879. Bd. 8. Abth. II. 25. Mayer, Die Nerven in der Iris. Archiv für mikrosk. Anatomie. Bd. XV1l. 26. Wolff, 1. Die Innervation der glatten Musculatur. 2. Ueber freie sensible Nervenendigungen. Archiv f. mikroskopische Anatomie. 1882. Bd. 20. 27. Lustig, Ueber die Nervenendigungen in den glatten Muskelfasern. Sitzungs- berichte der k. Akademie der Wissenschaften in Wien. 18831. 28. Canini, Die Endigung der Nerven u.s. w. Dies Archiv. 1883. 8. 149. 29. Frenkel, Nerv und Epithel am Froschlarvenschwanz. Dies Archiv. 1886. S. 416. 30. Nawrocki und Skabitschewsky, Ueber die motorischen Nerven der Blase. Pflüger’s Archiv. Bd. 48. Erklärung der Abbildungen. (Taf. II.) Fig. 1. Sensibler Plexus mit Ganglienzelle. a. Protoplasma, «' Kern der Gang- lienzelle, 55’ Verbindungsfasern der Ganglienzelle, cc’ markhaltige Nervenfaser, dd, ee Verbindungsfasern des Plexus (Zellfortsätze), ff hochgelegene Zellen des secun- dären sensiblen Plexus, gg’ tiefer gelegene Zellen des secundären motorischen Plexus, hh' feinste unterbrochene Fasern des höchstgelegenen sensiblen Plexus. Fig. 2. Uebergang einer markhaltigen Faser in den secundären Plexus aa’ Faser des Fundamentalplexus bei « markhaltig, bei 5 Kernreihe, der sich auflösenden Markscheide, cc’ Verbindungen mit dem secundären Plexus, ee’ Kerne des secun- dären Plexus, bei d Kern einer stehen gebliebenen Epithelzelle. Fig. 35. Uebergang einer markhaltigen Faser in den secundären Plexus. a mark- haltige, 5 marklose Nervenfaser, e Kerne der Auflösungsstelle, dd freiliegende Myelin- kugeln, ee’ secundärer Plexus. Figur 1, 2 und 3 sind gezeichnet nach Praeparaten der Harnblase des Frosches. Hartnack Obj. 7. Oe. 2. 1'/, Procent Goldchloridlösung. Reduction mit Mischung - von Ameisensäure und Natriumsulfit. Fig. 4. Verstärkungsfaser einer Terminalfibrille. « Fasern des secundären Plexus, b Verstärkungsfaser mit Füsschen. Harnblase von Salamander. Hartnack Obj. 7. Oe. 2. 1 Procent Goldehlorid. Reduction wie oben. Fig. 3. Intercellularsubstanz der Muskelfasern. Harnblase des Salamander. Hartnack. Obj. 7. Oc. 2. 1 Procent Höllensteinlösung. Epithel abgepinselt. Fig. 6 u. 7. Endfasern der Terminalfibrille. Die varicöse Terminalfibrille zieht an der Muskelzelle vorbei und giebt feinste Endfasern an die Muskelzelle ab. Fig. Se Harnblase des Salamander. Hartnack. Hom. Imm. Nr. II. Oeul. II. 1'/,; Procent Goldehloridlösung. Reduction wie oben. Versuch eines Schema’s der Innervation der Blase insbesondere der localen Reflexbahn. Von Justus Gaule. (Hierzu Taf. III.) Die schönen Praeparate des Hrn. Bernheim haben mich natürlich vielfach beschäftigt und auch früher hatte ich bei Gelegenheit der Arbeiten von Canini-Gaule, von Lahousse und Frenkel vielfach Veranlassung, mich in den peripheren Nervenplexus zu vertiefen. Je mehr man dies thut, desto mehr wächst die Ueberzeugung, dass man es hier mit einer Organi- sation zu thun hat, der eine ganz bestimmte physiologische Bedeutung zu- kommt und dass es hier mit der Betrachtung, das seien einfach Wege, auf denen die Nerven ihre Endorgane suchten, nicht abgethan ist. Ich möchte die eigenthümliche Bedeutung des Nervenplexus heute noch nicht untersuchen. Etwas ist ja noch nicht verstanden, was uns näher liegt, nämlich wie sich die Fülle der hier vorhandenen morphologischen Elemente, die dem Physio- logen noch grösstentheils fremd geblieben sind, einreiht in die uns bereits bekannten Functionen des Nervensystems. Jedenfalls, was auch immer ihre weitere Rolle sein möge, bilden die Nervenplexus auch einen Theil der Leitungsbahn, und wie sie sich hierzu verhalten, muss zunächst festgestellt werden. Die Nervenplexus sind, so viel ich bis jetzt beurtheilen kann, überall ziemlich ähnlich gebaut. Innerhalb eines Organs ist zwar die Mannig- faltigkeit der Formen ausserordentlich gross, fast keine Zelle gleicht der anderen, aber wenn man so verschiedene Organe wie Froschlarvenschwanz, Froschherz und Froschblase vergleicht, so findet man doch immer wieder dieselbe Mannigfaltigkeit, d. h. die Formen wiederholen sich. Man darf daher wohl annehmen, dass ihnen allen ein gleiches Princip zu Grunde liegt, und dass es mit Hülfe dieses Princips gelingen möchte, auch ihren 30 JUSTUS GAULE: Formenreichthum zu verstehen. In Ermangelung einer völlig ausreichenden Kenntniss dieses Princips aber kann man versuchen, sie wenigstens einmal als einen Apparat anzusehen, der die uns bereits geläufigen physiologischen Verrichtungen ausführt. Schon das wird zu einer Ordnung der Elemente führen, die wir bis jetzt noch entbehren, da eine morphologische Olassifica- tion der Elemente wegen der Variation ihrer Form versagt und bis jetzt nur zu Missverständnissen geführt hat. Die uns geläufigen physiologischen Verrichtungen des Nervensystems sind die der centripetalen und centri- fugalen Leitung und der Verbindung der beiden Leitungsbahnen oder des Reflexes. Dass auch die nervösen Elemente der Blase diesen Verrichtungen dienen, dürfen wir ohne Weiteres voraussetzen. Auf Grund der Erfahrungen beim Menschen und bei Säugethieren haben wir eingesehen, dass die Thätigkeit der Blase beherrscht wird durch eine Reflexbahn, welche durch das Lenden- mark hindurchgeht, in dem der Uebergang von der centripetalen auf den centrifugalen Theil der Leitung, oder wie wir auch sagen, das Centrum der Blasenbewegungen sich findet. Dieses Centrum, so haben wir Grund zu vermuthen, steht noch mit höher gelegenen Abschnitten des Centralnerven- systems in der Weise in Verbindung, dass aufsteigende Fasern über den Erregungszustand des Centrums berichten, absteigende Fasern denselben beeinflussen können. Auch diese beiden Arten von Bahnen können als centripetale und centrifugale betrachtet werden, und auch sie haben in einem höheren Centrum ihre Verbindung untereinander. Es sind diese Bahnen, welche bei einer Durchtrennung des Rückenmarkes oberhalb des Lenden- markscentrums weglallen und eine Störung in der Blasenthätigkeit verur- sachen, bis das Lendencentrum sich an seine Selbständigkeit gewöhnt hat, und dann wieder, wie man das namentlich an den Goltz’schen Hunden mit durchschnittenem Rückenmark gesehen hat, den Füllungsgrad der Blase beherrscht. Eine ganz kurze, locale Reflexbahn, die in der Blasenwand selbst ge- legen ist, hat man vermuthet, aber bis jetzt nicht sicher erweisen können. Diese Vermuthung stützt sich auf Anwesenheit von Ganglienzellen in der Blase, denen man entweder eine automatische, oder eine reflectorische Beherrschung der Blasenbewegungen zuschreiben zu müssen glaubte; sie stützte sich auf die Analogie mit dem Herzen und den Gefässen, wo man solche locale Reflexbahnen kennt, und endlich auf einige Beobachtungen, wo die Blase eine gewisse Selbständigkeit gezeigt hatte. Würde sich diese Vermuthung einer localen Reflexbahn bestätigen, dann hätte man sonach drei Systeme (welche sich in ähnlicher, aber nicht gleicher Weise über- einander ordnen wie Meynert’s Projectionen), die die Blase beherrschen, von denen die erste (locale) und die zweite (Lendenmark) Reflexbahnen sind, VERSUCH EINES SCHEMA’S DER INNERVATION DER BLASE v. Ss. w. 31 während die dritte, höchste, durch das Gehirn laufende, nicht im gewöhn- lichen Sinne eine Reflexbahn ist, aber doch einen ähnlichen Charakter hat, da sie auch aus centripetalen und centrifugalen Fasern und einem Centrum, d.h. einer Verbindung zwischen beiden besteht. Die Versuche des Hrn. Bernheim haben sich mit all den Theilen, die im Centralnervensystem selbst liegen, nicht beschäftigt; die höchste Bahn, welche ganz in demselben verläuft, kommt also ganz ausser Betracht. Von der mittleren fehlt der centrale Theil, das Lendenmarkeentrum, und es sind auch die centripetalen Fasern derselben nicht näher untersucht, da man über deren Erregung ja nur nach dem Durchtritt durch das Centrum etwas aussagen kann. Es kommen also in Frage die centrifugalen Fasern der mittleren und die ganze locale Reflexbahn. Die Existenz einer solchen Reflexbahn haben nun die Versuche des Hrn. Bernheim, wie ich nachher zeigen will, unzweifelhaft für den Frosch wenigstens dargethan. Es handelt sich bei einem solchen experimentellen Nachweis aber doch nur darum, dass man den Reflex constatirt und sup- ponirt, eine Bahn müsse da sein. Ueber den eigentlichen Bau einer solchen Bahn ist wenig bekannt. Von der am besten studirten mittleren, welche durch das Rückenmark hindurchgeht, weiss man im Grunde nur, dass in den vorderen Wurzeln verlaufende centrifugale und in den hinteren Wur- zeln verlaufende centripetale markhaltige Nervenfasern in der grauen Sub- stanz miteinander verbunden werden durch Ganglienzellen und netzartige Bildungen. Ich selbst habe darüber in der „Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane“ eine Vorstellung zu entwickeln versucht, die aber eben nur den ÜÖharakter eines Versuchs hat und wesentliche Punkte noch im Dunkeln lässt. Ueber die Verbindung mehrerer Reflexbahnen miteinander, wie sie die Uebereinanderordnung derselben zur Beherrschung einer und derselben Thätigkeit fordert, haben wir noch gar keine Vorstel- lung, und ebensowenig eine von dem Verlauf einer localen Reflexbahn, in der nicht markhaltige Fasern, sondern die peripheren Plexus eine Rolle spielen. Ich bin desshalb sehr erfreut gewesen, dass die mikroskopische Durch- forschung der Blase ein Material geliefert hat, welches eine Ordnung im Sinne des physiologischen Apparates gestattet. Ich habe mit Hülfe der- selben ein Schema construirt, welches die locale Reflexbahn, sowie die Ver- bindung derselben sowohl mit den centripetalen als den centrifugalen Fasern der mittleren Reflexbahn zeigt. Die thatsächlichen Befunde gewähren diesem Schema in Bezug auf die letzterwähnten Verbindungen sowie auch auf die Verbindungen mit den epithelialen und den musculären Elementen eine ziemlich grosse Sicherheit. Am unsichersten ist das Verbindungsstück zwischen dem sensiblen und dem 32 JUSTUS GAULE: motorischen Theil. Aber auch hier ist der Abgang des Reflexfortsatzes von der Nervenfaser in der Nähe der mit ihr verbundenen Ganglienzelle ziemlich gut gewährleistet, während die Einmündung desselben in den motorischen Plexus von mir als noch nicht genau genug beobachtet betrachtet wird. Immerhin wird das Schema den Werth haben, eine gewisse Ordnung der Elemente im Geiste zu erzeugen und uns dadurch zu ermöglichen, eine Ab- weichung von der Wirklichkeit um so leichter zu bemerken und zu verbessern. Eine besondere Hülfe haben mir bei der Construction derselben die Arbeiten von His und Romberg bezüglich der sympathischen Ganglien des Herzens geleistet. Ich habe genügend oft die sympathischen Ganglien des Herzens und der Blase verglichen, um mich zu überzeugen, dass die beiden so ähnlich sind, dass man das, was für die Ganglien des Herzens gilt, auch auf die der Blase übertragen kann. So haben mir diese Arbeiten bezüglich der Stellung und Herkunft dieser Ganglien eine Schwierigkeit gelöst, mit der ich mich lange gequält. Anderen Physiologen haben sie, wie es scheint, Schwierigkeiten erzeugt, da sie die lange sichergestellte Stellung der Herzganglien als Beherrscher der reflectorischen Regulation des Herzschlags zu erschüttern schien. Aber dazu hat man keine Veran- lassung, wie ich weiterhin zeigen werde. Discussion des Schema’s. Das Schema enthält markhaltige Nervenfasern centripetaler (cc’) und centrifugaler 2!” Natur, sensible Ganglienzellen aa’, den secundären mo- torischen gg’, den secundären sensiblen ff’ Plexus, den tertiären sensiblen Plexus ee’ und die Terminalfibrillen %A der motorischen Fasern, endlich die glatten Muskelfasern mit ihren Kernen und deren Protoplasmafortsatz. Wo dieselben nicht schon durch die Zeichnung deutlich gekennzeichnet sind, können sie an den beigesetzten Buchstaben erkannt werden. Die einzelnen Elemente sowohl, als auch ihre Verbindung miteinander sind nach der Natur, namentlich den Praeparaten Bernheim’s gezeichnet, schematisch ist die Auswahl und Zusammenfügung gerade derjenigen Stellen, welche den Sinn des Ganzen deutlich machen. Dieser Sinn ist zunächst der fol- gende: Eine Erregung, welche das Epithel der Blase (welches in dem Schema nicht angedeutet ist) oder überhaupt die Innenfläche derselben ge- troffen hat, wird auf die unmittelbar unter der Basalmembran des Epithels (oder in derselben) liegenden Maschen des Plexus ee übertragen; von da aus gelangt sie in das Zellennetz des Plexus ff" und von da aus in die Ganglienzelle aa’. Diese Ganglienzelle pflanzt die Erregung wahr- scheinlich nach irgend welcher Umwandlung, die sie in ihr erlitten hat, durch ihren Fortsatz «” fort nach der markhaltigen, centripetal leitenden VERSUCH EINES SCHEMA’S DER INNERVATION DER BLASE T. Ss, w. 33 Nervenfaser cc”. An der Verbindung mit derselben entspringt jedoch der seitliche Fortsatz d, welcher im Stande ist, die Erregung hinüberzuleiten in den Plexus der Zellen gg. Dieser Plexus aber erzeugt aus sich die Ter- minalfibrillen AA, welche bei z@ mit den Protoplasmafortsätzen des Kerns der glatten Muskelfasern in Verbindung treten. Wird also die Erregung durch den Fortsatz d abgeleitet, so verlässt sie die sensible Leitungsbahn und geht hinüber in das Ausbreitungsgebiet des motorischen Nerven und sie muss denn ausmünden in die glatten Muskelfasern, d. h. sie muss sich in eine Erregung der contractilen Elemente verwandeln. Alle Reize, welche bei ee den sensiblen Nerven erreichen, können aui den Weg ee ff aa a’ d gg hh ii geleitet werden und so zu einer Contraction der glatten Muscu- latur führen. Das ist die locale Reflexbahn. Anderseits steht ihnen aber auch ‚der Weg ee ff aa’ a” cc’ offen, d. h. sie können in die centri- petale sensible Nervenfaser übergehen und damit die mittlere Reflexbahn betreten. Durchlaufen sie diese, so werden sie im Lendenmarkcentrum auf die centrifugalen motorischen Fasern übergeführt, deren Eintritt bei ZZ’ in dem Schema angegeben ist. Diese centrifugale Erregung geht aus der Faser /!’ durch das Auflösungsnetz der Zellen Ak’ in den Plexus gg’ über und von da an durch die Terminalfibrillen A% und die Endigungen z in den glatten Muskelfasern. In dem secundären motorischen Plexus gg’ kann diese vom Rückenmark kommende Erregung den localen Reflexvorgang treffen und mit ihm interferiren. Ueberhaupt sind die Endigungen und peripheren Plexus den beiden Bahnen der localen und mittleren Reflexbahn gemeinschaftlich. Vielleicht aber muss man die Sache auch so ansehen, dass die peripheren Plexus mit den Ganglienzellen der localen Reflexbahn angehören und dass die mittlere Reflexbahn da auf diese locale Reflexbahn aufgesetzt ist (wie eine höhere Etage auf eine tiefere), wo die markhaltigen Nervenfasern beginnen. Ich will nun die Belege für die einzelnen Theile des Schema’s bei- bringen. Motorische Fasern. Die motorischen Fasern gelangen, wie Bernheim nachgewiesen hat, aus dem VIII, IX. und X. Nerven in ein Stämmchen, das auf dem: Blasen- hals mit demjenigen der anderen Seite zu einem ringförmigen Plexus sich verbindet, an dem mehrere sympathische Ganglienhaufen theilnehmen. Dieser Fundamentalplexus geht unter einer allmählichen Auflösung der markhaltigen Fasern in den secundären motorischen Plexus über, indem unter Vermehrung der in der Markscheide vorkommenden Kerne eine wiederholte Theilung stattfindet. In das Schema ist eingezeichnet nur eine Arhiv f. A. u. Ph, 1892, Uhysiol. Abthlg. Suppl. 3 34 Justus GauLe: markhaltige motorische Faser und für die Art, wie dieselbe sich auflöst . und in den Plexus übergeht, ist maassgebend gewesen ausser der Bern- heim’schen Beschreibung auch diejenige von Lahousse von der Vorhof- scheidewand. Zu vergleichen sind Bernheim, Fig. 3 und Lahousse, Fig. 1. Der secundäre Plexus selbst ist nach Bernheim, Fig. 1, Zellen gy und nach Lahousse, Fig. 2 eingezeichnet. Aus dem secundären Plexus entwickeln sich die Terminalfibrillen, welche im Allgemeinen senkrecht an die Muskelbälkchen herantreten, sich auf denselben in Fibrillen erster und zweiter Ordnung theilen und einen langen Verlauf parallel den Kernreihen nehmen, wobei sie sich durch kurze Seitenäste mit den Protoplasmafort- sätzen und Kernen verbinden. Dieser Verlauf ist eingezeichnet entsprechend den Ermittelungen Bernheim’s und seinen Abbildungen 5., 6. und 7. Sensible Nerven. Die Experimente Bernheim’s waren nicht darauf gerichtet zu ermit- teln, ob die Froschharnblase sensible Nervenfasern besitze. Da er am nar- kotisirten Thiere operirte, konnte auch nicht zufällig eine Reaction auf sensible Reize entdeckt werden. Wenn aber die sensiblen Fasern in den zu der Harnblase hintretenden Nerven fehlten, so wäre die Harnblase ganz auf die locale Reflexbahn angewiesen. Das Rückenmark könnte wohl eine Entleerung der Biase veranlassen, aber ohne darüber unterrichtet zu sein, dass die Blase wirklich gefüllt ist. Das wäre ebenso unzweckmässig, als wie ausser aller Analogie mit dem, was wir von der Blase der Säuger und des Menschen wissen. Dass die letztere Empfindungsnerven besitzt, ist ja zweifellos. . Die Anwesenheit sensibler Fasern kann also aus physiologischen Gründen sicher vorausgesetzt werden. Morphologisch hat sich für dieselben ein ebenso bestimmter Anhalt ergeben. Zwar in den markhaltigen Fasern selbst nicht, denn diese liegen natürlich in dem Fundamentalplexus neben den motorischen und können von uns von diesen nicht unterschieden werden. Aber Bernheim wies nach, dass einige von diesen Fasern die Muskelschicht der Blase durchbrechen, unter das Epithel treten und dort mit Ganglien- zellen in Verbindung sind. Dieser Verlauf und die Verbindung mit den sympathischen Ganglienzellen charakterisirt sie als sensible, denn die sym- pathischen Ganglienzellen sind nach Romberg von sensibler Anlage. Es hat weiter Bernheim in den Schichten unter dem Epithel die Elemente zweier Plexus entdeckt, die übereinstimmen mit den an dem Froschlarven- schwanz unter dem Epithel liegenden Plexus, die sich sowohl durch ihre Lage, wie durch diese Uebereinstimmung als sensible charakterisiren. Denn in dem Froschlarvenschwanz kann der Zusammenhang dieser Plexus mit dem Epithel constatirt werden, kann also an ihrer sensiblen Natur kein VERSUCH EINES SCHEMA’S DER INNERVATION DER BLASE v. s. w. 35 Zweifel sein. Hier in der Blase fehlt allerdines der Zusammenhang, aber offenbar nur, weil in Folge der Praeparationsmethode das Epithel überhaupt fehlt. Diese beiden Plexus nun, der aus feinen bei der hier geübten Gold- methode nur aus einzelnen Pünktchen und Stäbchen bestehende, wie der aus dreieckigen Zellen bestehende secundäre, stehen, wie Bernheim be- schreibt und wie seine Fig. 1 anschaulich zeigt, mit der Ganglienzelle in Zusammenhang und stellen daher die ganze Kette von dem Epithel bis zur markhaltigen Faser her, so dass über den ganzen Verlauf dieser sensiblen Bahn kein Zweifel sein kann. Das Eigenartige dieser Anordnung liegt in der Einschiebung der sym- pathischen Ganglienzelle in die sensible Leitung, und hierdurch ist eben die Möglichkeit einer localen Reflexbahn begründet, denn nur durch die Einschaltung eines solchen Gebildes ist die Möglichkeit gegeben, dass die Erregung aus der sensiblen Bahn hinübergeleitet werden könne in das mo- torische Gebiet. Die Lage der Ganglienzelle selbst ist eine gute Illustration zu der von Romberg auf Grund der embryologischen Daten verfochtenen Ansicht, dass die sympathischen Geflechte, mit den Ganglienzellen voran, in die Organe hineinwachsen. Der tertiäre und der secundäre Plexus sind locale, von dem Epithel abstammende Bildungen. Wie ich mir ihre Entstehung vorstelle, habe ich in dem schon eitirten Aufsatz in der „Zeit- schrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane“ auseinandergesetzt. Die Ganglienzelle wächst also an der Spitze des sympathischen Geflechtes hinein, bis sie diese localen nervösen Bildungen trifft und sich mit ihnen verbindet. Unter dem Einfluss dieser Verbindung entwickelt sich dann aus diesem sympathischen Geflecht die sensible Faser, die durch dasselbe den Weg zum Üentralorgan findet, da ja auch das erstere von der sensiblen Anlage herstammt. Ob die sensible Faser auf einem Umweg durch den Sympathicus oder direct in das Rückenmark gelangt, bleibt hier noch dunkel, da der Verlauf der sensiblen Bahnen ausserhalb der Blase nicht untersucht worden. Maassgebend für die Eintragung dieser Bahnen sind die Praeparate Bernheim’s und namentlich seine Fig. 1 gewesen. Reflexbahnen. Würde man unter sensiblen Bahnen nur solche verstehen, welche gar keine Verbindung mit motorischen Nerven haben, so wäre in den Aus- einandersetzungen des vorigen Abschnittes ein innerer Widerspruch. Man würde dann nämlich annehmen müssen, dass die Ganglienzellen lediglich das, was sie von den sensiblen Plexus erhalten, sammeln, vielleicht auch verändern, aber nur an die sensible Bahn weitergeben. Und doch sollte 3* 36 JUSTUS GAULE: nach dem vorigen Abschnitt gerade die Ganglienzelle ermöglichen, dass die Erregungen auch einen anderen Weg nehmen, nämlich in die locale Reflexbahn! Welche Praemisse soll man nun fallen lassen, die, dass locale Reflexe existiren, oder die, dass eine sensible Ganglienzelle nur mit sensiblen, aber nie mit motorischen Elementen in Verbindung trete? Mir scheint es die letztere, weil sie willkürlich ist. Selbst die gewiss am meisten sensiblen Zellen, die der Spinalganglien, treten ja schliesslich mit motorischen Bahnen in Verbindung, und ebenso treten auch die am meisten motorischen Zellen, die der Vorderhörner, mit sensiblen Bahnen in Verbindung. Sie würden ja sonst auf einander gar nicht wirken können. Der Unterschied besteht nur darin, dass in dem einen Fall die Verbindung mit der sensiblen Faser eine ganz directe und die mit der motorischen eine sehr indirecte ist, in dem anderen Falle aber umgekehrt, und nach der directen Verbindung be- nennen wir die Zelle. Desshalb bin ich auch der Ansicht, dass diese Zellen, obgleich sie nach der direeten Verbindung mit Recht sensible heissen, doch recht wohl auch eine indirecte Verbindung mit den motorischen Bahnen haben können. Bei den sympathischen Zellen liegt das Verhältniss ja in- sofern noch anders, als sie doch schon durch die zweierlei Fortsätze, die viele von ihnen haben, (ich erinnere an die Spiralfaser), an die Möglichkeit _ einer doppelten und zwar ungleichartigen Verbindung von vornherein denken lassen. Unsere andere Praemisse, dass locale Reflexe existiren, hält dagegen auch vor einer nochmaligen Prüfung an der Hand der Versuche Stand. Ich will den Thatbestand noch einmal recapituliren. Die Blase des Frosches führt, wie die Versuche Bernheim’s zeigen, wenn ihre Nerven vom Central- nervensystem abgetrennt sind und nicht gereizt werden, und ebenso, wenn das Centralnervensystem zerstört ist, spontane Oontractionen aus. Dieselben müssen ihre Ursache in der Blase selbst haben. Bernheim hat es dahin- gestellt gelassen, ob diese Contractionen automatischer oder reflectorischer Natur seien. Nimmt man das erstere an, so musste in der Blasenwand sich ein automatischer Apparat befinden, und das können nach unseren jetzigen Vorstellungen nur motorische Ganglienzellen sein. Sind nun die Ganglien- zellen der Blase sensibel, so fällt diese Möglichkeit dahin. Ich glaube übrigens, dass man auch aus physiologischen Gründen annehmen muss, dass diese Öontractionen nicht automatische, sondern reflectorische sind. Denselben geht nämlich, wie Bernheim zeigte, immer ein Sinken des Druckes, d. h. eine Erweiterung der Blase voraus. Daraus muss man schliessen, dass das auslösende Moment der in der Blase herrschende Druck ist, welcher die Blasenwand zuerst dehnt und dadurch reflectorisch die Con- VERSUCH EINES SCHEMA’S DER INNERVATION DER BLASE U. S. w. 537 traetion hervorruft. Die Schwankungen des Druckes, welche Bernheim registrirt, sind kleine Contractionen, die als Vorbereitungen der Gesammt- contraction vorausgehen. Hat man demnach reflectorische Contractionen, welche nach Ausschaltung des Centralnervensystems weiter bestehen, so muss man auch eine Reflexbahn in der Blase selbst haben. Da aber jede Reflexbahn eine Verbindung der sensiblen mit den motorischen Elementen darstellt, so muss diese nunmehr gefunden werden. Ich habe an den Praeparaten Bernheim’s von der Salamanderblase, an welcher alle Verhältnisse sehr übersichtlich sind, eine Beobachtung ge- macht, welche dieses Bindeglied liefert. Jedesmal, wo eine Ganglienzelle mit einer Nervenfaser in Verbindung ist, zweigt sich in kurzer Entfernung von der Verbindungsstelle ein Ast von der Nervenfaser ab, welcher einen etwas anderen Charakter hat wie die anderen Aeste und welcher sich nach längerem oder kürzerem Verlauf vereinigt mit dem secundären motorischen Plexus. Ebenso zeigt sich in der Fig. 1 von Bernheim beim Frosch, dass die markhaltige Nervenfaser in einer kleinen Entfernung von der Ganglienzelle einen seitlichen Ast abgiebt, welcher sich mit den gg -Zellen des secundären motorischen Plexus verbindet. Diese Praeparate sind maass- gebend gewesen für die Eintragung in das Schema. Man würde sich dem- nach die Reflexbahn so vorstellen: Die an der Spitze des Nerven ver- wachsende Ganglienzelle übt rückwärts auf die mit ihr zusammenhängende Nervenfaser eine Wirkung aus, welche zur Bildung des seitlichen Fortsatzes führt. Die Frage erhebt sich, ob dieser Fortsatz nicht in der Ganglienzelle selbst schon entspringt und nur in der Nervenfaser eine Strecke rückwärts läuft, bevor er dieselbe verlässt. Ich habe an den Ganglienzellen der Blase eine Spiralfaser nicht mit Sicherheit entdecken können, wohl aber habe ich dieselbe öfter in der Vorhofscheidewand des Herzens gesehen. Dort windet sich dieser Spiralfaden um die Verbindung mit der Nervenfaser, die ge- wissermaassen den Hals der Ganglienzelle bildet, herum, und hängt mit der Markscheide zusammen. Es wäre möglich, dass derselbe mit dem hier erwähnten Reflexfortsatz, -wie ich, um eine kurze Bezeichnung zu haben sagen will, gleicher Art wäre. Da die Ganglienzellen, bei denen man den Spiralfortsatz beobachtet, im Allgemeinen die grössten und bestentwickelten ihrer Art sind, so könnte man wohl vermuthen, dass bei kleineren Exemplaren derselbe nicht deutlich genug ist, um wahrgenommen zu werden. Es könnte also wohl sein, dass jener Reflexfortsatz etwas zu thun hätte mit der Spiral- faser, d. h. dass die letztere den Ursprung des ersteren aus der Ganglien- zelle selbst darstellte. Ich will nun weiter die Aufmerksamkeit auf den Umstand lenken, dass dieser Reflexfortsatz eine kurze Strecke von dem Ort entspringt, wo die Ganglienzelle ihre Verbindung mit dem secundären sensiblen Plexus hergestellt hat. Das deutet darauf hin, dass diese Ver- 38 JUSTUS GAULE: bindung selbst es ist, welche zu seiner Entstehung Veranlassung giebt, mit anderen Worten, die Veränderungen, welche die Ganglienzelle erfährt durch diese Verbindung, sei es nun, wie ich mir vorstelle, durch die Aufnahme von Stoffen aus denselben, oder wie andere es sich vorstellen, durch Be- wegungen, welche ihr mitgetheilt werden, gleichen sich nicht blos durch die mit ihr zusammenhängende markhaltige Nervenfaser aus, sondern ver- anlassen auch die Bildung des Reflexfortsatzes, als eines zweiten Weges durch den sie ihre Ausgleichung finden. Es werden demnach die Erregungen, welche durch den secundären sensiblen Plexus die Ganglienzelle erreicht haben, zwei Wege einschlagen können, den einen in der Fortleitung der markhaltigen Faser zum Central- nervensystem, den anderen durch den Reflexfortsatz zu dem motorischen secundären Plexus, von da in die Terminalfibrillen und die glatten Muskel- fasern. Physiologische Schlussbetrachtung. Welcher von den beiden Wegen in dem vorliegenden Falle eingeschlagen wird, hängt wohl ab von den Widerständen, welche dieselben darbieten. Wenn die Nerven durchschnitten sind, oder das Öentralnervensystem zer- stört ist, bildet die locale Reflexbahn den einzigen Weg. Wenn das Central- nervensystem narkotisirt ist, wird der ihm zufliessende Antheil geringer werden in dem Maass, als das narkotische Mittel es für Reize weniger auf- nahmefähig macht. Unter dem Einfluss anderer Gifte, welche die Reizbar- keit des Centralnervensystems erhöhen, kann der Antheil der Reize, welche demselben zuströmen, grösser werden. Es kann auch von der Natur der Reize abhängen, welchen Weg sie einschlagen. Das sind Folgerungen aus allgemein physiologischen Praemissen, welche man sich auch machen konnte, bevor man die specielle Einrichtung dieser Innervationsbahnen, wie ich sie hier schilderte, kannte. Wichtiger ist Folgendes: Man sieht ein, dass die eine Bahn die andere nicht ausschliesst, d. h. von demselben Reiz kann die Ganglienzelle gleichzeitig eine Erregung in die locale Reflexbahn überleiten und eine andere dem Centralnervensystem zusenden. Weiter, da die mo- torischen, vom Centralorgan herkommenden Nerven in denselben secun- dären Plexus ausmünden, wie die Reflexbahn, so können die von den ersteren herrührenden Erregungen mit den letzteren interferiren, d. h. sie sowohl schwächen als stärken. Die doppelte Herrschaft, unter der die Bewegungen der Blasenwand stehen, ist also durch den hier geschilderten Apparat vollkommen zu ana- lysiren. Es folgt dann weiter aus der Natur desselben, dass als der wesent- lichste Reiz, für welchen derselbe construirt ist, der in der Blase herrschende Druck angenommen werden muss, denn da das Aufnahmeorgan für den- VERSUCH EINES SCHEMA’S DER INNERVATION DER BLASE v. Ss. w. 539 selben ein über eine sehr grosse Fläche verbreiteter Plexus ist, aus dem nur an wenigen Punkten (der Zahl der Ganglienzellen entsprechend) eine Ableitung möglich ist, so muss für die Ausbildung desselben ein auf eine grosse Fläche gleichmässig wirkender Reiz (wie ihn der hydrostatische Druck darstellt) maässgebend gewesen sein. Punktförmige, auf bestimmte Stellen wirkende Reize können hier nicht localisirt werden. Ebenso ist eine locale Contraction bei der Reizung vom Nerven nicht möglich, weil diese mo- torischen Erregungen in dem die ganze Blase umfassenden motorischen Plexus sich verbreiten. Solche locale Contractionen, die ja auch physiologisch erfolglos sind, können nur zu Stande kommen bei directer Muskelreizung. Man wird sich also vorstellen, dass die Blase ihren eigenen Füllungszustand controlirt, indem der durch denselben erzeugte hydrostatische Druck einen Reiz aus- übt, welchen die Ganglienzelle sowohl durch die locale Reflexbahn direct auf die motorischen Elemente übertragen, wie auch dem Üentralnerven- system zuleiten kann. Ich glaube nun n»icht, dass durch die Ausarbeitung dieses Schema’s unsere Kenntniss von den Nerven der Blase mehr als vorläufig bereichert ist. Denn dieses Schema enthält nichts weiter als die verschiedenen Ele- mente, welche die Innervationsbahnen darstellen. Von der eigentlichen Architektur derselben aber giebt es noch keine Vorstellung, weil uns die Zahl, in der die Elemente vorhanden sind, ihre Lage sowohl zu einander, wie zu den grossen Coordinatensystemen des Organismus uns ganz ober- flächlich bekannt sind. Wenn erst einmal die Vorarbeiten soweit gediehen sind, dass man diese Verhältnisse berücksichtigen kann, wird man ein an Folgerungen weit fruchtbareres Schema herstellen können. , 40 Justus GAULE: VERSUCH EINES SCHEMA’S DER INNERVATION U. S. W. Erklärung der Abbildungen. (Taf. IIL) a Protoplasma der Ganglienzelle (Goldfärbung, röthlich). a’ Kern der Kapsel. a” Fortsatz der die Ganglienzelle mit der sensiblen Faser verbindet. b Fortsatz der die Ganglienzelle mit dem secundären Plexus verbindet. c Sensible markhaltige Nervenfaser. c' Nervenmark in der Markscheide. d Reflexfortsatz. ee Tertiärer sensibler Plexus (unmittelbar unter dem Epithel). ff Seeundärer sensibler Plexus (etwas tiefer gelegen). 99 Secundärer motorischer Plexus (in der Muskelschicht gelegen). hh Kernlose Terminalfibrillen, welche aus dem secundären motorischen Plexus hervorgehen. Dieselben liegen grösstentheils auf und an den Muskelfaserbündeln. ii Verbindung der Terminalfibrillen mit den Protoplasmafortsätzen und Kernen der glatten Muskelfasern. k k Zellen der sich auflösenden Markscheide der motorischen Nervenfaser. 22’ Motorische markhaltige Faser. 2’ Nervenmark derselben. Die Ringbänder der Nervenfaser. Von Dr. J. E. Johansson in Stockholm. (Aus dem physiologischen Institut in Zürich.) (Hierzu Taf. IV.) Professor Gaule, auf dessen Veranlassung ich die Untersuchungen, welche Gegenstand dieser Mittheilung sein sollen, unternahm, hat bereits im Centralblatt für Physiologie, Heft 11 (1891), einen vorläufigen Bericht über dieselben gegeben. Das wesentlichste Resultat desselben ist daher schon bekannt, dass nämlich an denjenigen Stellen der Nervenfaser, welche den schiefen Incisuren entsprechen, bei Behandlung mit Färbemitteln, haupt- sächlich mit Haematoxylin, eine besondere Substanz aufgefunden wird, welche in Gestalt eines Ringbandes sich um die Nervenfaser herumlest. Ich will zunächst das Verfahren genau schildern, welches ich bei Dar- stellung meiner Praeparate verfolgte. Ich habe zu denselben sowohl Frosch- wie Kaninchennerven benutzt. Beide zeigen die Ringbänder, jedoch bietet der Froschnerv für die Darstellung gewisse Vortheile, weil er dünner ist und daher von den Färbungs- und Erhärtungsmitteln leichter durchdrungen werden kann. Wenn man die Nerven von Rana esculenta verwendet, so verfährt man am besten auf folgende Weise. Der Nervenstamm wird in möglichst schonender Weise herauspraeparirt, mit etwas physiologischer Kochsalzlösung befeuchtet, um während der Prae- paration vor der Verdunstung geschützt 'zu sein und mit Igelstacheln auf einer Korkplatte ausgespannt. So rasch wie möglich kommt er in ein flaches, mit der Erhärtungs- flüssigkeit gefülltes Gefäss. Dieselbe besteht aus einer Lösung von 3 Pro- cent Kaliumbichromat und !/, Procent Kupfersulfat. Hierin wird zunächst 42 J. E. JOHANSSON: die Nervenscheide mit einer feinen Nadel aufgeschlitzt, damit die Flüssig- keit rasch in das Innere des Nerven eindringen kann. Das Gefäss wird in den auf 40° eingestellten Brütofen gestellt, sorg- fältig zugedeckt, damit keine Verdunstung stattfinden kann. Der Nerv verbleibt darin bis er eine gelblich braune Farbe angenommen hat, was wenigstens 14 Tage erfordert. Er muss sich dann auch leicht zerzupfen lassen, indem die Nervenfasern fest und hart, das interstitielle Bindegewebe aber ganz mürb und brüchig geworden sind. Die Zerzupfung geschieht unter Wasser, und der Nerv wird mit destillirtem Wasser sehr gut aus- gewaschen. Sodann kommt er in eine Haematoxylinlösung, die man her- stellt, indem man zu 100m einer T/, procentigen Alaunlösung 20 Tropfen einer 5procentigen Lösung von krystallisirttem Haematoxylin in Alkohol zusetzt. Die Färbung verlangt verschiedene Zeit, !/, Stunde bis 4 Stunden, unter Umständen mehr. Je länger der Nerv in der Härtungsflüssiekeit geblieben ist, desto langsamer wird die Farbe aufgenommen. Das Haema- toxylin wird nach beendeter Färbung, die man am besten unter dem Mikroskop controlirt, mit Wasser ausgewaschen. In manchen Fällen habe ich mit Vortheil dann noch mit einer !/, procentigen Lösung von Nigrosin nachgefärbt, wodurch die Axencylinder noch besser hervortreten. Das Nigrosin darf nur eine Minute einwirken und muss sehr gut ausgewaschen werden. Sind die Fasern genügend gefärbt, worüber die vorläufige Be- trachtung mit dem Mikroskop Aufschluss giebt, so werden sie mit abso- lutem Alkohol und Xylol entwässert und in Canadabalsam eingeschlossen. Auf die kleinen Kunstgriffe, die man anwendet, um die Fasern hübsch isolirt unter dem Deckgläschen zu erhalten, brauche ich hier nicht ein- zugehen. Von den Praeparaten, die man so erhält, giebt zunächst die Fig. 1 meiner Abbildungen eine deutliche Vorstellung. Die Markscheide ist nicht gefärbt, aber hat einen etwas gelblichen Ton angenommen, der wohl von dem Chrom herrührt, mit dem sie sich verbunden. Im Inneren derselben findet sich ein blaugrau gefärbter Inhalt, welcher sie ganz ausfüllt und nicht etwa einen Lymphraum rund um den Axencylinder erkennen lässt. In gewissen Abständen und und zwar entsprechend den Incisuren liegen die mit Haematoxylin tief blau gefärbten Ringbänder. Dieselben sind von zwei quergehenden und von zwei von aussen nach innen convergirenden Linien begrenzt und haben also ein breiteres und ein schmäleres Ende. Bei stärkerer Vergrösserung erweist sich die die Begrenzung des breiteren Endes (Fig. 1 aa) als eine die ganze Nervenfaser umfassende, mehr oder weniger scharfe Linie, während die Begrenzungslinie des unteren Endes 5b nur den Axeneylinder umfasst und weniger scharf ist wie die obere. Die RINGBÄNDER DER NERVENFASER. 483 Die seitliche Begrenzungslinie durchsetzen die Markscheide von aussen nach innen in schiefer Richtung. Anfangs gehen sie ziemlich quer, biegen sich dann allmählich nach einwärts, und nachdem sie den Axencylinder erreicht haben, verlaufen sie gewöhnlich eine Strecke zwischen demselben und der Mark- scheide. Bisweilen sieht man die Linien kurz vor ihrem Ende etwas nach aussen biegen, was damit in Zusammenhang steht, dass der Axencylinder ‚sich an. dieser Stelle etwas erweitert. Die jetzt beschriebenen Linien stellen wie man bei veıschiedener Aufstellung des Focus der Objectirlinse sehen kann, den optischen Durchschnitt einer trichterförmigen Mantelfläche dar, welche die Markscheide schief von aussen nach innen theilt, so dass zwei keilförmig zugespitzte Abschnitte derselben entstehen. Diese Trennungs- schicht besteht aus einer Substanz, welche sich mit dem Haematoxylin färbt, während die übrige Markscheide damit sich nicht färbt. Gewöhnlich bildet diese Substanz keine gleichmässige Lage. Der von den oben beschriebenen Linien aa bis 55 begrenzte Raum zeigt selten eine vollkommen gleichmässige Färbung. Oft treten darin stärker gefärbte Punkte ee auf, welche bisweilen in Reihen nebeneinander liegen, und somit unterbrochene Linien darstellen, die mit den Contourlinien parallel um den Nerven verlaufen. Oft sind die seitlichen Begrenzungslinien doppelt, (wie in Fig. 1), so dass man ein inneres ce und ein äusseres Linienpaar aa hat, die oben und unten zu- sammenstossen. Der zwischen ce und d gelegene linsenföürmige Raum ist weniger tief gefärbt als der innere von aa, bb, cc, umschlossene (wie in Figur 1 angedeutet). Wer mit der Histologie der markhaltigen Nervenfaser vertraut ist und diese Beschreibung liest, sowie meine Figur 1 sich vor Augen hält, wird nicht im Zweifel sein können, dass die beschriebenen Bänder wirklich in dem Raum zwischen je zwei Markstulpen liegen. Der Vergleich mit in gleicher Weise behandelten aber ungefärbt gebliebenen Nerven hat mir darüber völlige Sicherheit gegeben. Es ist deshalb interessant diesen Befund in Beziehung zu bringen zu den Ermittlungen, die man bezüglich der Mark- stulpen angestellt hat. Ich gebe sie in dem Anhang aus der Litteratur über denselben Gegenstand soweit sie mir zugänglich war, natürlich mit beson- derer Beziehung auf das, was die Autoren über den Raum zwischen den Markstulpen aussagen. Am meisten dienen meine Befunde zur Bestätigung der Ansichten von Koch und Schiefferdecker, welche annahmen, dass zwischen je zwei Markstulpen eine Kittsubstanz gelegen sei. Von einer Kittsubstanz im gewöhnlichen Sinne unterscheiden sich allerdings unsere Ringbänder durch ihre Kernfärbung und durch ihre Zeichnung, welche auch der der Kerne ähnlich ist; im Ganzen natürlich auch durch ihre so bestimmt ausgesprochene Form, welche sie als ein selbständiges Etwas charakterisirt. Im Ganzen möchte man viel eher glauben, dass sie es sind, 44 J. E. JOHANSSON: welche die Form und Gestalt der Marksegmente bestimmen, als dass sie umgekehrt ihre Form nur den Zwischenräumen der letzteren verdanken. Dass sie andererseits auch als Kerne im engeren Sinne nicht anzusehen sind, hat schon Prof. Gaule in seiner Mittheilung betont auf Grund ihrer leichten Löslichkeit im Wasser, dem ja die Kerne Widerstand leisten. Eine genetische Beziehung zwischen ihnen und den Marksegmenten, wird sich mit der Zeit wahrscheinlich nachweisen lassen. Einstweilen wird man . durch den Umstand, dass diese Gebilde keineswegs ganz constant in ihrer Form sind, zunächst nach einer anderen Richtung hin gelenkt. Man muss sich klar machen, innerhalb welcher Grenzen eine Variation dieser Formen vorkommt, und was die Ursache davon ist. Ich habe zu- nächst aus der Gesammtheit des mir zu Gebote stehenden Materials drei Typen ausgewählt, welche ich in Fig. 2, 3 und 4 reproducire und dem durch Fig. 1 repraesentirten Grundtypus zur Seite stelle. Gemeinschaftlich ist allen diesen Variationen, dass die Markscheide sich mehr oder weniger gefärbt hat. Das bedeutet, dass sie für die in Wasser löslichen Farbstoffe zugänglicher geworden ist, also imbibitionsfähiger für Wasser. Da wo das am meisten der Fall ist, in Fig. 3 und 4, hat sie auch ihren Glanz und ihre scharfe Contour verloren, dürfte wohl also etwas Wasser aufgenommen haben. In Zusammenhang damit ist der Axencylinder zusammengeschrumpft als ein Faden oder Band in einem Hohlraum gelegen im Inneren sichtbar. Figur 2 macht den Eindruck, als ob dies in einzelnen Segmenten verschieden sei, bei aa ist der Axencylinder fadenförmig, bei 55 ist im Gegentheil die Markscheide doppelt contourirt und der Axencylinder hat sich in dem Inneren nicht gesondert. An der Grenze der einzelnen Segmente erscheinen gefärbte Bänder, welche die Trichterform in viel ausgesprochenerem Maasse zeigen als in Figur 1. Das kommt zum Theil daher, dass die Spitze des Trichters sich längs des fadenförmigen Axencylinders weit fortsetzt, bei dd so weit, dass die beiden gegeneinander gerichteten Spitzen sich berühren und so eine das Segment durchziehende Scheide für den Axencylinder hergestellt ist. Marksegmente von bestimmter Form sind hier nicht mehr vorhanden die Substanz der Querbänder hat in Folge dessen eine andere Lage ange- nommen und sich hauptsächlich nach dem Axencylinder zu verlagert. Auch die chemische Natur der Querbänder ist verändert, denn sie färben sich mit dem Haematoxylin nicht mehr in der reinen schönen Kernfarbe, sie nehmen auch etwas Nigrosin an und erscheinen in der Mischfarbe des Grau- blau. Noch viel verwischter sind die ursprünglichen Formen in der Fig. 3. Die doppelte Contour der Markscheide ist ganz verschwunden, die Mark- scheide ist in den Intervallen zwischen den Querbändern, etwas gequollen, der Axencylinder ist bandartig, mit Verdünnungen und Verdickungen, 2, die Ringbänder sind noch vorhanden in Gestalt von unscharfen, ver- Dıs RıinGBÄNDER DER NERVENFASER. 45 waschenen Streifen ec. Endlich in Fig. 4, wo die Markscheide ziemlich viel Farbstoff aufgenommen hat, ist ihre Gliederung ganz verloren gegangen, die Querbänder sind blos noch in Gestalt von sich färbenden Einschnürungen vorhanden, welche in sehr ungleicher Weise die Nervenfaser umfassen, zu dem Axeneylinder 55 in keiner Beziehung mehr stehen. Eine kleine Ueberlegung über die Entstehung dieser Bilder führt zu dem Schluss, dass jene klare, regelmässige Anordnung der Elemente, wie sie die Fig. 1 zeigte, hier verloren gegangen ist durch eine zerstörende Einwirkung. Wenn man ferner die Quellungsfähigkeit der Lecithins der Markscheide, die Lös- lichkeit eines Theils der Eiweisskörper (die wir im Axencylinder vermuthen) in Wasser kennt, so wird man diese zerstörende Wirkung dem Wasser zu- schreiben, mit dem die Nerven in Berührung kamen. Warum hat aber das Wasser diese Wirkung auf die Fasern des Typus 1 nicht ausgeübt? Weil deren Substanzen durch die Einwirkung des chromsauren Kali’s und schwefelsauren Kupfers in eine Modification übergeführt wurden, in der sie in Wasser unlöslich sind. Wenn diese Hypothese richtig ist, so muss eine Variation in der Erhärtungsflüssiekeit auch die Beschaffenheit der Nerven- fasern, wie wir sie in den Praeparaten zu Gesicht bekommen, ändern. Prof. Gaule hat bereits erwähnt, dass ein Zusatz von Kalk an Stelle von Kupfer zu derselben, die Bilder der Nervenfaser vollkommen änderte. Es war dabei vorausgesetzt worden, dass die Substanz der Querbänder eine Substanz von den Eigenschaften einer Seife sei, und dann hätte Kalk sie ebensogut in eine unlösliche Form überführen können wie Kupfer. Das ist aber, wie gesagt, nicht der Fall. Ich fand, dass schon die Variation der Erhärtungszeit einen Unterschied bedingt. Die mit Haematoxylin ge- färbten Querbänder werden nicht sicher erhalten, wenn der Nerv nicht mindestens 14 Tage bei 35—40° in der Erhärtungsflüssigkeit geblieben ist. Sie aber scheinen die empfindlichsten Substanzen zu enthalten und mit ihrem Verschwinden oder Verändern scheint sich, wie die verschiedenen Typen zeigen, die Veränderung auf die übrigen Theile der Nervenfaser aus- zudehnen. Ich will einige Versuche, die ich in dieser Richtung unternahm, beschreiben. In einer Versuchsreihe wurde eine Probe nach 4 Tagen ge- nommen. Die Kerne und die Schwann’schen Scheiden färbten sich sehr stark mit Haematoxylin. Im Uebrigen zeigten die Nervenfasern nur eine diffuse Färbung. Merkwürdigerweise war an den Nervenfasern eine Menge von den elastischen Fasern zu beobachten, welche grösstentheils mit der Schwann’schen Scheide zusammenhingen. Eine Probe nach 6 Tagen zeigte fast dasselbe Aussehen. Erst nach 9 Tagen trat die charakteristische Färb- ung auf. Die elastischen Fasern waren jetzt weniger zahlreich und ebenso nahm die diffuse Färbung mit der Härtung ab. Um zu sehen, ob, so lange die Härtung noch nicht vollendet ist, die sich färbenden Substanzen durch 46 J. E. JoHANSsSsoN: ein Lösungsmittel entfernt werden könnten, wurden Proben der Nerven- fasern in einem früheren Härtungsstadium theils in Wasser, theils in absolutern Alkohol verbracht und kamen dann nach etwa 12 Stunden zurück in die Erhärtungsflüssigkeit. Bei diesen Fasern war später die charakteristische Färbung nicht mehr zu erhalten. Wurde dagegen die vollkommene Härtung abgewartet und kamen die Fasern dann in Wasser oder Alkohol, so schadete ihnen das nichts mehr, die Färbung wurde durch diese Stoffe nicht be- einträchtigt. Es ist also eine gewisse Zeit der Härtung nothwendig bis Chrom und Kupfer die Substanz der Ringbänder in jene unlösliche Form übergeführt haben, welche durch Wasser und Alkohol nicht mehr ange- griffen wird, dann treten die charakteristischen Färbungen auf, dann bleibt auch die ganze Zierlichkeit der Formen erhalten. Es ist somit dargethan, dass der Einfluss der Reagentien, welche auf den Nerven wirken, die Verschiedenheit, in der sich dieselbe praesentirt, erklären kann. Allein es wäre verfehlt sich damit zu begnügen und nicht zu fragen, ob es nicht neben dieser hervorgebrachten Verschiedenheit noch eine ursprünglich vorhandene gebe. Wenn nun der Einfluss der Reagentien vollkommen gleich gestaltet wird, und sich trotzdem Verschiedenheiten ergeben? Sobald sich in diesem Verhält- niss eine gewisse Regelmässigkeit zeigt, wird man schliessen müssen, dass hier noch eine Variable vorhanden ist. Als diese enthüllt sich die Jahreszeit. In den in den Monaten Mai und den ersten Tagen des Juni angefertigten Praeparaten, gelang die Darstellung der Ringbänder sehr leicht, ja in einem Falle waren sie schon nach viertägiger Härtung zu sehen. Als aber die Jahreszeit vorrückte, verschwanden dieselben. Da ich natürlich zuerst ver- muthete, ein Fehler der Härtung habe dies verschuldet, so wurde die Härtung verlängert und es wurden alle Variationen aufgeboten, um zum Ziele zu kommen. Umsonst, man erzielte keine deutlichen Ringbänder, sondern nur Fasern wie in Fig. 4. Allmählich, Ende Juni und im Juli, aber wurden die Ringbänder wieder deutlicher, die Fasern verhielten sich wie in Fig. 2 und 3, ja es traten einzelne von dem Typus 1 wieder auf. Ver- gleicht man die Leichtigkeit, mit der Chrom und Kupfer im Mai die Substanz der Ringbänder in den unlöslichen Zustand überführten und die Mark- scheide vor der Quellung bewahrten, mit der Schwierigkeit, ja Unmöglichkeit, dies in den späteren Monaten zu thun, so muss man annehmen, dass in- zwischen mit diesen Substanzen eine chemische Aenderung vor sich gegangen ist. In diese Periode fällt aber die Begattung der Rana esculenta, an der diese Beobachtung gemacht wurde, und man muss in diesem Vorgange wohl die Ursache der Veränderung suchen, welche die Substanz der Ring- bänder erfährt. Eine weitere Verfolgung der Momente, durch die dieses Verhältniss aufgeklärt wird, soll meinerseits stattfinden. Dis RINGBÄNDER DER NERVENFASER. 47 Litterarischer Anhang. Die erste Erwähnung in der Litteratur von Querbändern an den Nerven- fasern scheint von Lantermann zu stammen. In einer vorläufigen Mit- theilung! hatte Lantermann die nach ihm benannten „Einkerbungen“ oder „Unterbrechungen“ der Markscheide, durch welche diese in einzelne cylindrische Stücke getheilt wird, beschrieben. Dieselben Bilder waren zum Theil schon vorher beschrieben,” Lantermann ist aber der erste, welcher diesen Bildern eine grössere Bedeutung beigelegt hat und der erste, der auf Grund dieser Bilder die Anschauung ausgesprochen hat, dass die Mark- scheide aus in einander passenden Segmenten zusammengesetzt ist. Löwen- thal hatte zwar auch eine Segmentirung angenommen, schrieb aber diese der Schwann’schen Scheide zu. In einer späteren Publication? giebt Lantermann bei der Beschreibung der genannten Marksegmente an, dass in einigen Fällen die Grenzen der einzelnen Faserglieder wie schmale, etwas dunklere Ringe erscheinen, welche um die Fasern gelegt sind.“ In Fig. 3 in seiner Abhandlung sind diese Ringe wiedergegeben. Kuhnt* bestätigt sowohl an lebenden als an mit Osmium behandelten Nerven die Segmentirung der Markscheide und erwähnt auch quer über die Nervenfasern gehende Bänder, welche die einander entsprechenden Ein- kerbungen verbinden. An den mitgetheilten Figuren sind auch diese Quer- bänder angegeben. Kuhnt giebt? weiter an, dass zwischen je zwei „Hohl- eylindern“, wie er die Segmente der Markscheide nennt, eine membranöse Scheidewand, „Zwischenmarkscheide,“ ausgespannt ist, welche einerseits mit der Axencylinderscheide, anderseits zur Innenfläche der Schwann’schen Scheide in Zusammenhang steht. In einer Arbeit von Boll® findet man nichts von Querbändern ange- geben, obgleich die Einkerbungen und Marksegmente sehr eingehend be- schrieben sind. ! Centralblatt f. med. Wiss. Nr. 45. Sept. 1874. S. 706. 2 Remak, Frorieps Neue Notizen. Bd. III. 1837. S. 38. — Henle, Allgemeine Anatomie. 8. 618. Abbildungen. Taf. IV. Fig. 5. 1841. — Stilling, Ueber den Bau der Nervenprimitivfasern und der Nervenzelle. S. 14. Abbildungen. Tab. II. Fig. 16—23. 1856. — Löwenthal, Rendiconti della R. Acad. d. scienze e matema- tiche di Napoli. XIII. Fasc. 3. p. 26. Marzo 1874. — Schmidt, Monthly mi- croscop. Journel. May 1874. p. 200. ® Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. 13. 1877. 8.1. * Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. 13. 1877. 8. 427. ® Centralbl. f. med. Wiss. Nr. 49. 1876. S. 855. 6 Dies Archiv. Anat. Abth. 1877. S. 289. 48 J. E. JOoHANSSoN: In den übrigen aus dieser Zeit stammenden Arbeiten! über die Nerven- histologie werden die Lantermann’schen Einkerbungen für „Kunstproduete“ erklärt und nur geringe Aufmerksamkeit diesem Gegenstand gewidmet. Ranvier? hat sich durch verschiedene Praeparationsmethoden davon überzeugt, dass die Markscheide von einzelnen „cylindro-konischen Segmen- ten“ zusammengesetzt ist, welche einander wie Dachziegel decken. Bei Osmiumsäurebehandlung hat er in den Zwischenräumen, d.h.inden Lanter- mann’schen Incisuren, feine Fäden gesehen, welche von einem Segmente zum anderen gehen und welche er für Myelinfäden hält. Um die Ent- stehung der Ineisuren zu erklären, giebt Ranvier folgende Hypothese an: Bei der Bildung ‚des Markes bleibt hier und da eine Protoplasmaschicht zurück, welche eine den Axeneylinder umgebende Protoplasmaschicht mit einer anderen unmittelbar unter der Schwann’schen Scheide liegenden verbindet. Ranvier giebt auch eine Abbildung von mit Osmium behandelten Nervenfasern, welche statt der gewöhnlichen scharfen Incisuren quergehende Bänder zeigen. Er sagt, dass man diese Bilder bekommt, wenn man wäh- rend der Häutung einen Druck auf die Nervenfasern ausübt, wodurch die Segmente gegen einander gepresst werden. Rumpf® hat Nervenfasern, welche nach Osmiumbehandlung deutliche Einkerbungen zeigten, mit siedendem Alkohol und Aether entmarkt. An diesen Fasern lassen sich die von Ewald und Kühne* beschriebenen „Hornscheiden“ nachweisen. Keine nach den Osmiumbildern zu erwartende Spalten sind zu sehen. Rumpf erklärt in Folge dessen, „dass die Osmium- färbung einzig den Inhalt der Scheiden betrifft, während diese ungefärbt und meist nicht sichtbar die einzelnen Stulpen mit einander verbinden. Bei der Einwirkung der Osmiumsäure findet eine Volumverminderung des Markes statt und in Folge dessen eine Trennung und Spaltung des Markes an den Stellen, an welchen auch die Verbindung intra vitam eine geringere ist. Solche Stellen bestehen aber sicher innerhalb der Faser und zwar dort, wo die Zwischenbalken der Scheiden von der inneren zur äusseren Scheide ziehen.“ ! Cossy et Dejerine, Arch. de phys. norm et path. 1875. p. 574. — Me. Carthy, Quart. Journ. of mier. se. 1875. p. 380. — Axel Key und Gustav Retzius, Siudien in der Anatomie des Nervensystems und des Bindegewebes. Stock- holm 1875, 1876. 8. 82. — Henning, Einschnürungen und Unterbrechungen an den markhaltigen Nervenfasern. Dissert. Königsberg 1877. ® Ranvier, Lecons sur l’histologie du systeme nerveux. Paris 1878. ® Untersuchungen aus dem physiol. Institut der Universität zu Heidelberg. Bd. II. 1878. 8. 437. * Verhandl. d. naturhist.-med. Vereins zu Heidelberg. Neue Folge. Bd. I. arlıla 88 ie Dıe RINGBÄNDER DER NERVENFASER. 49 Rawitz! hat Nervenfasern nach Behandlung mit verschiedenen Reagen- tien untersucht und ist zu dem Resultat gekommen, „dass die Lanter- mann’schen Einkerbungen Erscheinungen der schrumpfenden Nervenfaser sind.“ Er beschreibt die Marksegmente, wie sie von Lantermann be- schrieben sind, widmet aber zugleich eine besondere Aufmerksamkeit dem Raum zwischen zwei Segmenten, der „Spitzenlücke“, wie er es nennt. „Man sieht darin schräg zur Faseraxe verlaufende, unter einander nicht parallele dunkle Striche. Oefters verbinden sich die Striche correspondirender Spitzen- lücken durch quer über die Faser verlaufende Schlieren.“ Er theilt auch Figuren mit, welche diese Bilder zeigen. Diese Striche und Schlieren werden von Rawitz als Falten der Schwann’schen Scheide aufgefasst, haupt- sächlich weil sie sich mit Fuchsin färben lassen. Die erste Untersuchung, welche über die Natur der in den Lanter- mann’schen Incisuren zu beobachtenden Bildungen einige “nähere Auf- schlüsse giebt, scheint mir die von Koch? zu sein. Er hat die Nerven- fasern mit Silbernitrat behandelt und dann in Chloroform gebracht. Es treten dadurch trichterförmige Bildungen hervor, welche aus einer Silber reducirenden Substanz bestehen. Dieselben Bildungen lassen sich nach vorhergehender Chloroformbehandlung durch Färben mit Eosin oder Dahlia nachweisen in Form von feinen, blauen Linien, welche die Marksegmente trennen. Auf Grund dieser Reactionen erklärt Koch, dass die Lanter- mann’schen Incisuren eine Kittsubstanz zwischen den Marksegmenten ent- halten. Mit Anwendung der Golgi’schen Bichromat-Silbermethode hat Rez- zonico? an den markhaltigen Nervenfasern des Rückenmarkes Bilder be- kommen, welche er in der Weise deutet, dass an den genannten Fasern eine Art Stützgerüst in Form von trichterförmigen Bildungen sich vor- findet. Diese Trichter bestehen aus feinen Fibrillen, welche in Spiraltouren gsewunden sind. Golgi* nimmt derartige Bildungen auch an den peripheren Nerven an, entsprechend den Lantermann’schen Incisuren. Die Fibrillen, welche konische Spiralen rings um die Enden der Marksegmente bilden, beginnen am Axenceylinder und legen sich mit ihrem anderen Ende der inneren Fläche der Schwann’schen Scheide an. Mondino? bestätigt mit Anwendung der Golgi’schen Methode die 1 Dies Archiv. Anat. Abth. 1879. S. 57. ? Koch, Ueber die Marksegmente der doppelcontourirten Nervenfasern und deren Kittsubstanz. Inaug. Dissert. Erlangen 1879. ® Arch. per le scienze med. \ol. IV. 1879. * Fbenda. Vol. IV. 1880. 5 FEbenda. Vol. VII. 1881. Archiv f. A.u. Ph, 1892, Physiol. Abthlg. Suppl. 4 50 J. E, JOHANSSON: genannten Bildungen. Er behauptet, dass die Spiral-Fibrillen mit ihren beiden Enden an den Hornscheiden (Ewald und Kühne) haften und aus derselben Substanz bestehen. Nach Ceci! lässt sich mit der Goldchlorid-Ameisensäure-Methode eine Art trichterförmiger Bildungen in der Markscheide nachweisen. Die Auffassung der Lantermann’schen Incisuren als trichterförmiger Bildungen, welche aus Spiralfibrillen zusammengesetzt sind, ist später in einer Arbeit von Cattani? aufgenommen worden. Er hat Nervenfasern theils mit Flemming’s Flüssigkeit, theils nach der Golgi’schen Methode behandelt mit Zufügung einer nachfolgenden Natrium-Hyposulphit-Behand- lung. Entsprechend den Lantermann’schen Incisuren hat er eine Quer- streifung beobachtet, welche durch feine Fäden gebildet ist. Diese Fäden verlaufen quer über den konischen Enden der Marksegmente und stellen somit die genannten Trichter dar. Pertik hat gefunden, dass unter Einwirkung verschiedener Reagentien ‚wie Pikrinsäure oder Ueberosmiumsäure die Marksegmente an ihren Enden sich in feine radiäre, bisweilen quergehende Fäden aufspalten. Dadurch zeichnen sich die Endstücke der Marksegmente gegen den mittleren Theil als Querbänder ab, was in Figur 5 in seiner Abhandlung sehr deutlich wiedergegeben ist. Boveri* hat Nervenfasern nach Härtung in !/, procentiger Ueberosmium- säure und Färbung mit Säure-Fuchsin an dünnen Längsschnitten unter- sucht. „Von den Lantermann’schen Segmenten kann man zunächst nichts wahrnehmen, das Mark scheint vielmehr die ganze Strecke von einer Ein- schnürung bis zur nächsten ohne jegliche Unterbrechung auszufüllen. Erst bei stärkster Vergrösserung erkennt man, wie in unregelmässigen Abständen von der Contour des äusseren Neurilemms (Schwann’sche Scheide) zu der des inneren (Axencylinderscheide)? eine feine roth gefärbte Linie das Mark in schräger Richtung durchzieht und wie derselben auf der anderen Seite eine ebensolche Linie entspricht. — Dies sind die Durchschnitte der Zwischenmarkscheiden Kuhnt’s, welche zwischen der Schwann’schen Scheide und der Axencylinderscheide trichterförmig ausgespannt sind.“ Die beiden Einkerbungen oder Incisuren sind der Einwirkung des Reagens zu- zuschreiben. Sonst liest das Mark den Zwischenmarkscheiden unmittelbar an. ı Atti d. R. Acad. dei Lincei. Ser. III. Vol. IX. 1880—81. p. 81. ® Arch. ital. de biologie. Tome VII. 1886. p. 345. ? Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. 19. 1881. S. 183. * Abhandl. der mathem.-phys. Classe der königl. bayer. Akademie der Wissen- schaften. Bd. XV. AÄbtheil. II. 1885. S. 423. 5 Nach Boveri geht das äussere Neurilemm in das innere an den Ranvier’- schen Einschürungen über. Dir RıINGBÄNDER DER NERVENFASER. 51 Die häufig zu beobachtenden circulären Streifen zwischen den Enden benachbarter Segmente fasst Boveri in derselben Weise wie Pertik auf, als das Resultat einer fibrillären Aufspaltung des Markes. Wo die Markscheide aufhört, also bei den Ranvier’schen Einschnü- rungen und an den scharfen Enden der Lantermann ’’schen Segmente lässt sie sich mit Silbernitrat, nach vorhergehender Einwirkung von Osmiumsäure- dämpfen, in Form von Ringen färben, welche immer zu zwei liegen. Jacobi! hat dieselbe Untersuchungsmethode (Osmium, Säure-Fuchsin) wie Boveri benutzt und ist betreffs der Zwischenmarkscheide zu demselben Resultat gekommen. Schiefferdecker? hat mit der von Boveri angegebenen Osmium- Silbermethode eine Silberfärbung der Lantermann’schen Incisuren be- kommen. „Es entsteht entweder nur ein schmaler Ring aussen oder ein breiterer, trichterförmig aussehender oder ein Doppelring, in welchem Falle der äussere grösser ist als der innere.“ Werden solche Nervenfasern mit Kalilauge behandelt, so quillt die zwischen den Marksegmenten liegende Substanz und wird allmählich aufgelöst. Boveri hatte auch ähnliche Silberbilder bekommen, hatte aber diese als einen Theil des Markes erklärt. Schiefferdecker schliesst sich den Anschauungen Koch’s an, dass es eine besondere Substanz ist, welche die Silberreaction giebt. Er giebt diesen Bildungen den Namen „Zwischentrichter“. Schiefferdecker hat auch die Weigert’sche Haematoxylin-Blutlaugensalz-Methode benutzt. An den nach dieser Methode behandelten Nervenfasern „sieht man sehr häufig in regel- mässigen Zwischenräumen blaue, trichterförmige Figuren, die jedoch immer nur ein Stück der Trichter einnehmen,“ Schiefferdecker sagt ausdrücklich, dass er nicht meint, dass die Zwischentrichter sich etwa specifisch färben. Die ganze Art der Färbung hängt von der Art des chromsauren Salzes ab, das zur Härtung benutzt worden ist. Mit Müller’scher Flüssigkeit behan- delte Fasern geben die eben beschriebenen Bilder; indessen kommen auch sehr viele unregelmässige klumpige Formen vor; mit Chromsäure behan- delte geben ganz andere Bilder. Er erklärt schliesslich, dass diese Färbungs-Methode trotz ihrer Eleganz eine unsichere ist. Eine bestimmte charakteristische Substanz, welche ge- färbt wird, scheint nicht vorhanden zu sein; die Färbung ist an derselben Faser wechselnd und nicht ganz sicher. Ich gebe hier eine Zusammenstellung der verschiedenen Anschauungen über die sog. Lantermann’schen Ineisuren, welche ich in der Litteratur gefunden habe. " Verhandl. d. phys.-med. Ges. zu Würzburg. Neue Folge. Bd. XX. 1886. 8. 25. ? Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. 30. S. 435. 4* 52 J. E. JOHANSSoN: A) Die Lantermann’schen Incisuren entstehen durch die Einwirkung gewisser Reagentien und haben in den Verhältnissen inira vitam keinen Grund: sie sind einfache Risse, welche bei der Coagulation des Myelins oder bei der Isolirung der Nervenfaser entstehen oder Faltungen der Mark- scheide (Schmidt) oder der Schwann’schen Scheide (Rawitz). | B) Die Lantermann’schen Ineisuren sind durch gewisse Verhältnisse intra vitam begründet, obwohl ihr Aussehen nach den angewendeten Reagentien sehr wechselnd ist. a) Sie sind einfache Zwischenräume zwischen den Segmenten der Markscheide (Lantermann, Boll u. s. w.) oder der Schwann’schen Scheide (Loewenthal). b) Sie entstehen bei der Schrumpfung des Markes an den Stellen, wo die Hornbalken von der äusseren Hornscheide zur inneren verlaufen (Rumpf). c) Sie sind trichterförmige Bildungen, aus feinen in Spiraltouren ge- wundenen Fibrillen bestehend, welche ein Stützgerüst für das Myelin bilden (Rezzonico, Golgi, Mondino, Oattani). d) Sie entsprechen dünnen Protoplasmaschichten, welche eine den Axencylinder umgebende Protoplasmaschicht mit einer anderen unmittelbar unter der Schwann’schen Scheide liegenden verbindet (Ranvier). e) Sie sind Membranen, welche zwischen der Schwann’schen Scheide und der Axencylinderscheide trichterförmig ausgespannt sind und durch welche die Markscheide in einzelne Segmenten getheilt wird. Durch Ein- wirkung gewisser Reagentien werden diese Membranen aufgelöst und grössere Zwischenräume entstehen (Kuhnt, Boveri, Jacobi). f) Sie enthalten eine Kittsubstanz, welche die Marksegmente mit einander verbindet (Koch, Schiefferdecker). DıE RiNGBÄNDER DER NERVENFASER. 53 Erklärung der Abbildungen. (Taf. IV.) Fig. 1. Markhaltige Nervenfaser nach der im Text angegebenen Methode behan- delt. Normaler Typus vor der Begattung. aa Obere Begrenzungslinie der Ringbänder. bb Untere Begrenzungslinie der Ringbänder. ee Seitliche innere Begrenzungslinie der Ringbänder. dd Seitliche äussere Begrenzungslinie der Ringbänder. ee Stärker gefärbte Gebilde m den Raum zwischen ce und d. Fig. 2. Markhaltige Nervenfaser behandelt wie in Fig. 1. Erster abweichender Typus. aa Axencylinder. bb Erhaltene Segmente der Markscheide. ec Trichterförmige Reste der Ringbänder. d Zusammenfliessen der beiden Trichter zu einer Scheide um den Axencylinder. Fig. 3. Markhaltige Nervenfaser behandelt wie in Fig. 1. Zweiter abweichender Typus. aa Gequollene Segmente der Markscheide. bb Axencylinder. ce Verwaschene Reste der Ringbänder. Fig. 4. Markhaltige Nervenfaser behandelt wie in Fig. 1. Dritter abweichender Typus. bb Axencylinder. ec Reste der Ringbänder. Sämmtlich von Rana esculenta. Die Morphologie der Milchabsonderung. Von Dr. Julius Steinhaus, früherem Assistenten am pathologischen Laboratorium zu Warschau. (Aus dem pathologischen Laboratorium der kaiserlichen Universität zu Warschau). (Hierzu Taf. V— VII.) Die Altmann’schen Fixirungs- und Färbungsmethoden haben die schon durch Nussbaum, Langley, Ehrlich wachgerufene Aufmerksam- keit der Histologen auf ein newes Element in der Structur der Zellen gerichtet, nämlich auf das Granulum. Durch die Untersuchungen von Altmann! und seiner Schüler Metzner und Krehl ist die physio- logische Bedeutung des Granulums vor Allem in den Drüsenepithelien zur Evidenz nachgewiesen worden, und es ist eine unzweifelhaft zeitgemässe Aufgabe mit den Altmann’schen Methoden controlirend die Lehre von der Drüsensecretion einer erneuten Prüfung zu unterwerfen. Das Nütz- liche und Zeitgemässe dieser Aufgabe werden wohl auch diejenigen zugeben, welche mit den Altmann’schen Ideen und Verallgemeinerungen sich nicht einverstanden fühlen. Ich begann die Prüfung im Laboratorium des Hın. Prof. S. M. Lu- kjanow mit der Untersuchung der Milchdrüse. Ich hoffte nicht nur einige alte Widersprüche dabei lösen zu können, sondern auch, durch Bestimmung des Antheils der Granula an der Milchfettbildung, zur Lehre von der fettigen Umwandlung im Allgemeinen einen Beitrag zu liefern, eine Auf- gabe, welche mich als Pathologen in erster Linie interessirte. Da die nachfolgenden Zeilen keine monographische Ausarbeitung des Gegenstandes, sondern nur eine kurze Wiedergabe der eigenen Beobachtungen ! Altmann, Zahlreiche kleine Aufsätze aus den letzten Jahren und: Die HElemen- tarorganismen. Leipzig, Veit u. Comp. 1890. JULIUS STEINHAUS: DIE MORPHOLOGIE DER MILCHABSONDERUNG. 55 bilden sollen, so beabsichtige ich auch nicht die Litteratur von den cellu- lären Vorgängen bei der Milchsecretion eingehend zu besprechen. Die Ergebnisse von Heidenhain-Partsch, welche in dem Her- mann’schen Handbuche der Physiologie niedergelegt wurden, sind in alle Lehrbücher übergegangen, ich kann sie demnach auch als allgemein be- kannt betrachten. Von späteren Arbeiten, welche einen Fortschritt, oder wenigstens eine Neuerung bilden, muss Nissen’s! kurze Mittheilung angeführt werden. Nissen beschreibt seine Befunde an der Milchdrüse von Hunden, Katzen und Kaninchen, welche in Flemming’s Gemisch fixirt und nach Gram gefärbt wurde. Er behauptet, dass die Drüsenzellenkerne sich auf amitotischem Wege vermehren (,„Mitosen habe ich in Hunderten von Prae- paraten nicht auffinden können“, S. 86) und dass auf diese Weise mehr- kernige Zellen entstehen. Die dem Drüsenlumen zunächst liegenden Kerne lösen sich, umgeben von einer Portion Protoplasma, von den Zellen ab. In diesen abgetrennten kernhaltigen Zellentheilen, oder auch noch vor der Abtrennung, findet im Kerne ein eigenthümlicher Zerfallsprocess statt, welcher darin besteht, dass das Chromatin sich in einzelnen Segmenten an die Peripherie des Kernes anlagert, die Segmente auseinanderfallen und sich auflösen. Durch diesen Kernzerfall kommt das Nuclein in das Secret und wird dann zur Bildung des Caseins verwerthet. In einer nachträglichen Notiz bemerkt Nissen noch, dass Flemming den hier beschriebenen Kernzerfall unter dem Namen von Chromatolyse an den Granulosazellen beschrieben hat. Ein Jahr darauf veröffentlichte Co&n? seine Beiträge zur Histologie der Milchdrüse. In der ruhenden Drüse findet er sehr selten Mitosen; die Alveolen- wand ist von cubischen Epithelzellen besetzt. Im Bindegewebe begegnet man zahlreichen Mastzellen und Leukocyten. — Zu Ende der Schwanger- schaft enthalten die Epithelzellen Fetttropfen, welche dieselben zum Theil oder vollständig ausfüllen, so dass der Kern zur Seite gedrängt erscheint. Grosse Fetttropfen liegen im Lumen der Acini neben freien mit Fett- tropfen besetzten Kernen. Das Epithel ist oft zweischichtig, die Kerne sehr chromatinreich, oft in Mitose begriffen. Zwischen den Lobulis — ebenfalls zahlreiche Mastzellen und Leukocyten. Während der Lactation wird das Epithel oft mehrschichtig; eine Anzahl von Acinis ist völlig von Epithel 1! Nissen, Ueber das Verhalten der Kerne in den Milchdrüsenzellen u. s. w. Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. 26. 1886. ? Coön, Beiträge zur normalen und pathologischen Histologie der Milchdrüse. Ziegler’s Beiträge. Bd. 2. 1887. 56 JULIUS STEINHAUS: ausgefüllt, so dass das Lumen verschwunden ist. Die Zellen sind 1- oder 2-kernig; Mitosen darin sehr zahlreich. Das Protoplasma ist mit Fett- tropfen erfüllt; in einzelnen Acinis ist die Protoplasmagrenze verwischt, man sieht statt Zellen eine Anhäufung von granulirtem Protoplasma, mit Fetttropfen gemischt, in welchem freie, zum Theil verfettete Kerne liegen. Aehnliche Bilder finden sich auch im Lumen der Acini. Auch im schmalen Bindegewebe zwischen den Alveolen findet Co&ön zahlreiche Mitosen, eben- falls Mastzellen und Leukocyten. Letztere auch im Lumen der Acini. Kadkin! bestätigt in seiner Arbeit über „die mikroskopische Ana- tomie der thätigen Milchdrüse“ im Allgemeinen die Befunde von Heiden- hain-Partsch. Mitosen findet er viel zahlreicher während der Schwangerschaft, als während der Lactation. Den Nucleingehalt der Milch führt er nicht nur auf Kernzerfall in den Epithelzellen, sondern auch auf einen solchen in den zwischen den Drüsenzellen oft zu findenden Leukocyten, denen er auch einen Antheil an der Bildung von Milch- und Colostramkörperehen zu- schreibt, zurück. Altmann,’ welcher in seinem Werke über Elementarorganismen die verschiedensten Organe und Gewebe mit heranzog, macht über die Milch- drüse folgende Bemerkungen: „In den Zellen der verschiedenen Milchdrüsen finden wir oft nur ein mit Fett beladenes Granulum vor, welches an Grösse zunimmt, ohne dass das Hinzutreten anderer kleinerer Fettformen angenommen werden könnte; hier müssen wir also annehmen, dass das Wachsthum durch die bleibende assimilatorische Thätigkeit des einzelnen Elementes bedingt ist, die nicht aufgehoben wird, trotzdem augenscheinlich die Menge des Fettes in demselben diejenige der vitalen Substanz über- wiegt. Man sieht hierbei die intacten specifisch gefärbten Granula sich um das Fettelement herum drängen und dasselbe wie in eine dichte Granulahülle einschliessen. Vielleicht tritt, wenn das Milchkügelchen schon fertig in der Kuppe der Zelle liegt, mehr nach der Basis derselben hin noch ein zweites oder drittes Fettkorn auf, das aber augenscheinlich nur dazu bestimmt ist, an Stelle des abgestossenen Milchkügelchens nach der Kuppe der Zelle zu gelangen. Wirkliche multipel granuläre Formen des Fettes gehören in den Milchzellen zu den Ausnahmen und finden sich bei einzelnen Thiergattungen gelegentlich in früherer Zeit vor der Lactation; während derselben habe ich sie nicht angetroffen. Wenn, wie bei der Milchdrüse der Maus, die Fettelemente die Grösse von ahnsehnlichen 1 Materialien zur mikroskopischen Anatomie der thätigen Milchdrüse. St. Peters- burg 1890 (russisch). * Altmann, a. a. O. S. 98. Dis MORPHOLOGIE DER MILCHABSONDERUNG. 57 Kugeln innerhalb der Zellen zu erreichen vermögen, so werden diese Er- scheinungen noch praegnanter“ (S. 93). An einer anderen Stelle bemerkt er noch,! dass er bei schwangeren Meerschweinchen specifisch gefärbte Granula im Alveolenlumen oft vorfand, während er bei Säugenden dieselben immer vermisste. Diese Granula, welche als Unterlage für die Eiweisssecretion betrachtet werden müssen, lösen sich bei lebhafter Secretion sogleich nach dem Ausstossen in das Lumen und werden somit unnachweisbar. Mit diesen Bemerkungen von Altmann ist zugleich Alles erschöpft, was bis jetzt mittels der Granulamethode für die Milchdrüse geleistet worden ist. Meine eigenen Beobachtungen habe ich an Meerschweinchen angestellt. Es kamen 17 Weibchen verschiedenen Alters zur Beobachtung — von ganz jungen bis zu alten, schon vielmals trächtig gewesenen, dement- sprechend also ruhende Drüsen, zur Secretion sich anschickende Drüsen trächtiger Thiere, Drüsen von säugenden Meerschweinchen und endlich Drüsen in der Postlactationsperiode. Um möglichst an demselben Objeete die Wirkung der üblichen Fixirungsmethoden und derjenigen von Altmann studiren zu können, habe ich gleichzeitig Stückchen von jeder zu untersuchenden Drüse, sowohl in Sublimat (5 Procent in 0-6 procentiger wässeriger NaCl-Lösung) und Alkohol, als auch in Altmann’s Gemisch (2 procentige wässerige Ueberosmiumsäure- lösung und 5 procentige wässerige Kalibichromatlösung aa) gelegt. Da die erste Praeparatenreihe eine sehr wichtige Frage unentschieden liess (s. weiter unten) und eine Lösung derselben nur durch gleichzeitige genaue Fixirung der Kernstructuren und Schwärzung der Fetttropfen erzielt werden konnte, so habe ich in allen übrigen Fällen ausser den genannten Fixirungsmitteln auch noch das stärkere Flemming’sche Säuregemisch mit angewandt. Die in die Altmann’sche Lösung gelesten Objecte blieben — nach Altmann’s Vorschrift — 24 Stunden darin, wurden dann in fliessendem Wasser gewaschen und in Alkohol von steigender Concentration (75 Pro- cent, 90 Procent, 100 Procent) gehärtet. Darauf kamen sie auf 24 Stunden in eine Mischung von 3 Theilen Xylol und 1 Theil Alkohol, auf weitere 24 Stunden in reines Xylol, endlich auf einen Tag in eine Mischung von Xylol mit Paraffin. Von hieraus gingen sie schon in reines Paraffin über. Die hier angeführten Altmann’schen Vorschriften, die Paraffinein- bettung betreffend, sind nicht nur für die in seiner Mischung fixirten Praeparate nützlich, sondern auch für viele andere. Die Vermeidung der aetherischen Oele und der Gebrauch der Mischung von Xylol-Alkohol als Na: 08.0120: 58 JULIUS STEINHAUS: Uebergang vom Alkohol zum Xylol bewährt sich sehr gut und kann ich aus voller Ueberzeugung diese Methode empfehlen. Geschnitten wurden die Praeparate mit dem Leitz’schen Mikrotom. Gut in Paraffin eingeschmolzene Objecte können leicht 2 u dick geschnitten werden. Um die Schnitte auf den Objectträgern zu befestigen, folgte ich ent- weder (für Sublimat- und Alkoholpraeparate) der einfachen, jedoch nicht immer sicheren Methode des Aufklebens mittels destillirten Wassers, oder aber (für die mit Flemming’s oder Altmann’s Gemisch fixirten Objecte) der complieirteren, aber sicheren Altmann’schen Procedur. Dieselbe be- steht darin, dass eine Mischung von 1 Theil des käuflichen Traumatieins mit 25 Theilen Chloroform über den Objeetträger gegossen und abgetropft wird; nach Verdunsten des Chloroforms muss der Objectträger stark erhitzt werden. Auf solche Objectträger kommen die Schnitte und werden hier mit einer Lösung von Schiessbaumwolle in Aceton und Alkohol angepinselt (2g”0 Schiessbaumwolle in 50° m Aceton; davon 5°® mit 20°em Alkohol verdünnt). Nach dem Anpinseln werden die Schnitte stark mit Fliess- papier an den Objectträger angedrückt und dann, nach dem Trocknen, an- geschmolzen. Die allgemein bekannten Proceduren der Färbung auf den Object- trägern und der Einbettung in Canadabalsam brauche ich hier nicht anzuführen. Bemerken will ich nur, dass ich, obgleich verschieden- artige Färbungen von mir angewandt worden sind, doch mit Vorliebe die ebenso schöne, wie praktische Haematoxylin-Eosin-Safranin-Tinetion ge- brauchte. Die Granulafärbung nach Altmann, welche bis jetzt verhältnissmässig wenig angewandt wird, glaube ich hier genauer wiedergeben zu sollen. Zunächst wird eine kaltgesättigte und filtrirte Lösung von Anilin in Wasser hergestellt und in 100m derselben 208m Säurefuchsin gelöst. Von dieser Lösung bringt man eine Quantität auf den Objectträger mit den Schnitten (nach Lösung des Paraffins mit Xylol und Befreiung vom Xylol mittels Alkohol) und erwärmt denselben über freier Flamme, bis sich seine Unterfläche empfindlich heiss anfühlt und die Farblösung dampft. Dann lässt man abkühlen. und spült den Farbstoff mit einer Pikrinsäurelösung ab, welche durch Vermischen von 1 Volum concentrirter alkoholischer Pikrinlösung mit 2 Volum Wasser hergestellt wird. Dann giesst man eine neue Portion Pikrinlösung auf den Objeetträger und erwärmt denselben. Der Grad und die Dauer der Erwärmung, welche zur Erlangung guter Praeparate nöthig sind, können nicht genau bestimmt werden und sind Sache der Uebung und Erfahrung. Als Endresultat soll der Zustand des Praeparates ange- sehen werden, wo nur die Granula roth, alles Uebrige gelb gefärbt ist. ne 2 ee ee DIE MORPHOLOGIE DER MILCHABSONDERUNG. 59 Ist dieses erzielt, so muss die Pikrinlösung mit Alkohol abgespült werden; darauf kommt Xylol und endlich Canadabalsam. Da Xylol die Osmiumschwärzung extrahirt, und zwar durch Lösung der Substanzen, an welchen das reducirte Osmium haftet (Altmann, a.a.0., S. 34), so muss es sehr vorsichtig gebraucht werden; der anzu- wendende Xylolbalsam muss diekflüssig sein, sonst schwindet die Schwärzung schon nach 2—3 Tagen aus den Praeparaten vollständig. Um der Gefahr der Entfärbung zu entgehen, räth Altmann (S. 34) Paraffinum liqui- dum statt Xylolbalsam zur Einbettung zu gebrauchen; Raum! gebraucht mit Vortheil unverdünnten Canadabalsam, welcher schon nach schwacher Erwärmung flüssig wird. Zum Schlusse dieser methodologischen Einleitung sei noch erwähnt, dass die Praeparate mittels Zeiss’ Apochromaten (Oelimmersion Ap. 1-30, aeg. Brennw. 2.0) untersucht worden sind. Obgleich die Milchdrüse in den Lehrbüchern der Histologie allgemein als zusammengesetzte acinöse Drüse bezeichnet wird, ist dennoch diese Bezeichnung, wie schon Heidenhain (l. c. p. 380) bemerkt, nicht völlig zutreffend. In der ruhenden Drüse ist die Structur der Alveolen, welche als einfache Ausbuchtungen der Gänge zu betrachten sind, von derjenigen der Milchgänge nicht verschieden: sowohl die einen, wie die anderen sind von niedrig-cylindrischem Epithel mit grossen Kernen bekleidet. Erst während der Secretion findet man Unterschiede zwischen dem eigentlichen secernirenden Epithel und demjenigen der Ausführungsgänge — das erste . unterliegt einer langen Reihe von Umwandlungen, während das letzte die ganze Zeit unverändert bleibt. Betrachtet man eine Milchdrüse von einem jungen, noch nicht trächtig gewesenem Meerschweinchen (Sublimat- oder Alkohol-Fixirung), so sieht man die Innenfläche der Alveolen von einer Schicht niedrig-cylindrischer (im optischen Querschnitte) Zellen bekleidet. Die Zellen sind einkernig, wobei der Kern den grössten Theil der Zelle einnimmt. Das Lumen ist mässig gross und theilweise, selten vollständig von Gerinnseln ausgefüllt (Fig. 1). Hier und da, jedoch im Allgemeinen nicht oft, findet man die Epithelzellkerne in mitotischer Theilung begriffen, wobei die Theilungs- axe senkrecht zur Längsaxe der Zelle gestellt ist, so dass nach erfolgter Zellentheilung die Tochterzellen nebeneinander zu liegen kommen (Fig. 1, obere Alveole, rechts unten). Die Kerne der Epithelzellen zeigen ein sehr deutliches, Haematoxylin energisch fixirendes Chromatinnetz mit einem oder ‘ zwei safranophilen Nucleolen (Plasmosomen). " Raum, Zur Methodik der Untersuchung intracellulärer Granulationen. Nazur- wissenschaftlicher Bote. 1891. Nr. 6—7 (russisch). 60 JULIUS STEINHAUS: Die Zellen sind ziemlich scharf von einander abgegrenzt; ihr Proto- plasma fixirt energisch Eosin, Nigrosin, Fuchsin, Anilinblau u. d. m. Eine gleiche Struetur weisen, wie schon erwähnt, die Milchgangs- epithelien auf. Betrachten wir nun einen Schnitt aus derselben Drüse, nach Altmann’s Methode fixirt und gefärbt (Fig. 17), so finden wir die. Kerne als structurlose Kugeln von gelbbräunlicher Farbe, das Protoplasma dagegen von deutlich kugeligen, roth gefärbten Granulis, welche um den Kern einen dichten Ring bilden, erfüllt. Die Altmann’sche Methode er- laubt es also im Protoplasma geformte Elemente zu entdecken, welche ohnedem absolut unbemerkbar bleiben. Gleichzeitig ist im Praeparat durch die Osmiumwirkung das Fett geschwärzt: die Fettkügelchen sind hier sehr spärlich, gewöhnlich sind sie nur einzeln in den Zellen vorhanden. Ihr Durchmesser überragt den der Granula um das drei- bis vierfache. In der ersten Hälfte der Schwangerschaft ändert sich das hier beschriebene Bild nur wenig. Die mitotischen Figuren (mit gleichgestellter Theilungaxe) werden viel häufiger; die rege Vermehrung der Zellen führt einerseits zur Ver- grösserung der einzelnen Alveolen, andererseits aber auch zur Vermehrung der Alveolenzahl durch fortschreitende laterale Ausbuchtung der Milchgänge. Da das interalveoläre Bindegewebe der Wucherung der epithelialen Ge- bilde nicht Schritt hält, so wird es verhältnissmässig spärlicher; statt der breiten interalveolären Bindegewebszüge der Drüsen nichtschwangerer Thiere, sehen wir bei den hochschwangeren nur noch spärliches Bindegewebe zwischen den Acinis. Im Bindegewebe, höchst selten in den Epithelien und im Alveolen- lumen, findet man zahlreiche Leukocyten; hier und da ein Mal auch eine Mastzelle. Dieses eintönige Bild ist bis zum Beginn der Secretion unverändert zu beobachten; beginnt nun dieselbe, so sehen wir eine lange Reihe von Cel- lulärvorgängen sich in den Epithelien abspielen, welche wenigstens zum Theil die Bildung des Secrets zu erklären helfen. Als Ausgangspunkt für die Beschreibung der morphologischen Um- wandlungen bei der Secretion müssen wir den Zustand der Zellen nehmen, in welchem wir sie vor Beeinn der Thätigkeit sehen, also (bei Sublimat- fixirung): niedrig-cylindrische Form, grosser Kern mit Chromatinnetz und Nucleolen, schmales Protoplasma, scharfe gradlinige Abgrenzung an der dem Lumen zugekehrten Seite (im optischen Querschnitte). Die ersten Veränderungen bestehen nun darin, dass der vordere, (dem Lumen zugekehrte) Theil der Zellen sich vergrössert, in die Höhe wächst (Fig. 3), so dass das quantitative Verhältniss des Kernes zum Protoplasma zu Gunsten des letzteren steigt und der vordere Contour von einem gerad- linigen zu einem halkkreisförmigen wird. Die MORPHOLOGIE DER MILCHABSONDERUNG. 61 Gleichzeitig begegnet man ziemlich oft mitotischen Figuren, welche jedoch von denjenigen der Schwangerschaftsperiode sich dadurch _ unter- scheiden, dass die Kerntheilungsaxe mit der Längsaxe der Zelle zu- sammenfällt. Als Endergebniss dieser Karyokinese (Fig. 3, Fig. 6) sehen wir Kerntheilung ohne darauffolgende Zelltheilung, also Bildung von zwei- kernigen Zellen, wobei die jungen Kerne nicht nebeneinander, sondern übereinander liegen (Fig. 3, Fig. 4). Auf diese Weise werden die meisten Zellen der Alveolen zweikernig. Gleichzeitig wächst der Vordertheil der Zellen immer mehr in die Höhe und das Lumen der Alveolen wird immer kleiner, bis es beinahe völlig verschwindet. .Coön! bildet ab und beschreibt in den Alveolen während der Secretions- periode eine Schiehtung des Epithels. Ich konnte Nichts derartiges bemerken. Darin stimme ich mit Heidenhain-Partsch,? Nissen? u. A. vollständig überein: „Die Epithelzellen der Alveolen sind stets nur in einer Schicht vor- handen“, sagt wörtlich Heidenhain. Wie ist nun diese Meinungsdifferenz in einer derartigen wichtigen Frage zu erklären? Meine Meinung geht dahin, dass Coön, wie schon vor 14 Jahren Kolessnikow*, Schnitte abgebildet hat, welche nicht durch die Mitte der Alveolen gegangen waren. Auf den ersten Blick scheint es in der That, speciell wenn solche Schnitte noch etwas dick sind, dass hier mehrere Reihen von Zellen vorhanden sind. Eine genaue Betrachtung guter, dünner Schnitte erlaubt es jedoch, diesen Irrthum entschieden zu beseitigen. Während nun die Zellen in die Höhe wachsen, spielt sich in vielen Kernen ein eigenthümlicher Process ab, den bis jetzt noch Niemand an diesem Objecte beobachtet, bezw. beschrieben hat. Man findet nämlich in den Kernen Vacuolen — gewöhnlich je eine im Kerne, selten zwei. Diese Vacuolen vergrössern sich auf Kosten der Kernsubstanz, so dass am Ende nur noch die Kernwand mit einem schmalen Chromatinsaume vom ur- sprünglichen Kernnetze geblieben ist; alles Uebrige im Kerne ist von der Vacuoie eingenommen. Zu bemerken ist hier noch, dass bei Zweikernig- keit der Zelle die Vacuolenbildung gewöhnlich im vorderen Kerne stattfindet. Das Wort Vacuole, obgleich es den Eindruck richtig wiedergiebt, welchen die fraglichen intranucleären Gebilde auf den ersten Blick in Sublimat- oder Alkoholpraeparaten machen, ist dennoch nicht ganz richtig. Weiter unten wird die Natur dieser Gebilde erklärt werden können und ein besserer Name wird auch bald hinzukommen. Betrachten wir nun die Bilder, welche uns in der thätigen Drüse die Altmann’sche Granulamethode enthüllt. 2 Au 0% EN ERONESE SI" AEONLSE 33 IE URN * Kolessnikow, Virchow’s Archiw. Bd. LXX. S. 531. 1877. 62 JULIUS STEINHAUS: Wir haben schon gesehen, dass in der ruhenden Drüse die fuchsino- philen Granulationen der Hauptsache nach in Form eines Ringes um den Kern herum gruppirt sind. Tritt nun die Zelle in Function ein, so wird der vom Protoplasma eingenommene Raum grösser (vergl. oben); gleich- zeitig wächst die Zahl der Granula — ob durch Neubildung oder aber durch Theilung der vorhandenen konnte ich nicht entscheiden, bin jedoch geneigt, Letzteres anzunehmen — und ihre Gruppirung um den Kern ist nicht mehr so ausschliesslich und regelmässis. Auch die Form der Granula unterliegt einer Veränderung: in der Ruhe kugelig, werden sie jetzt ovoid, ellipsoid (Fig. 13). Je mehr der Vordertheil der Zelle anwächst, je mehr der Raum für die protoplasmatischen Granulationen geschaffen wird, desto grösser wird ihre Zahl und desto bedeutender ihre Formveränderungen. Die ellipsoiden Gebilde strecken sich weiter aus, werden zu Stäbchen; diese krümmen sich und bilden Kommata, wenden sich um ihre Axe und erzeugen spi- rillen- und spirochaetenartige Formen (Fig. 14, Fig. 15, Fig. 7 a,b,c,d). Hat nun das Wachsthum des Vordertheiles der Zellen sein Maximum erreicht, so sind beinahe alle Granula spirochaetenartig gewunden und sind gleichzeitig ziemlich bedeutend gewachsen (Fig. 15). Die Sublimatmethode liess uns im Stiche bei der Deutung der oben beschriebenen Kernvacuolisirung; es kommt uns aber die Granula- methode zu Hülfe und bringt uns aus der Verlegenheit. Es zeigt sich nämlich, dass in den mit Altmann’s Gemisch fixirten thätigen Drüsen viele Kerne deutlich geschwärzte Fetttropfen einschliessen. Man könnte bezweifeln, ob diese Fetttropfen in der That in den Kernen liegen; absolute Sicherheit konnte auf Grund der Altmann’schen Praeparate nicht erzielt werden, da in ihnen die Kernstructuren vollständig verwischt erscheinen. Darum habe ich auch das Flemming’sche Säuren- gemisch zu Hülfe gezogen, welches gleichzeitig das Fett schwärzt und die Kernstructuren gut fixirt: auf Grund dieser Praeparate gewann ich die volle Ueberzeugung, dass die Fetttropfen in den Kernen liegen. Eine weitere Stütze für diese Meinung gab mir folgender Umstand. Ein Theil meiner Praeparate ist in dünnem Xylol-Balsam eingebettet worden — es geschah .dieses, um die Zeit, welche zur Extraction der Ösmiumschwärzung nöthig ist, zu bestimmen. In diesen Praeparaten bemerkte ich schon nach zwei Tagen an Stelle der schwarzen Fetttropfen in den Kernen graue Tropfen, welche nach weiteren 24 Stunden vollständig entfärbt wurden. Die grossen Fetttropfen im Lumen der Alveolen unterliegen gleichzeitig mit dem intranucleären Fette der Entfärbung, während die intraplasmati- schen und die im Lumen liegenden kleinen Fetttropfen viel länger der Xylolwirkung gegenüberstehen. Nach Extraction des Fettes aus den Kernen Die MORPHOLOGIE DER MILCHABSONDERUNG. 63 erhielt ich also das Bild von Kernvacuolen, wie ich sie schon aus den Sublimatpraeparaten kannte. Mithin kann ich es als bewiesen betrachten, dass in der Milchdrüse das Fett auch in den Epithelzellkernen gebildet wird. Ob hier eine Verfettung von praeformirten morphologischen Einheiten vor sich geht, oder aber Neubildung von Fettkugeln, kann ich nicht ent- scheiden. Ein Umstand spricht für die Verfettung von Nucleolen (Plas- mosomen), und zwar derjenige, dass die fettvacuolenhaltigen Kerne (Subli- matpraeparate) mononucleolär sind, während die normalen 2 bis 3 Nucleolen einschliessen (Fig. 3 und Fig. 4); dieses genüst jedenfalls noch nicht, um die Nucleolenverfettung als Thatsache betrachten zu können. Chemisch muss das intranucleäre Fett von dem intraplasmatisch gebildeten verschieden sein; dafür zeugt die Verschiedenheit in der Extractionsgeschwindigkeit mittelst Xylol-Balsam. Für das intraplasmatische Fett ist auch die Frage, ob es autochthon, oder durch Verfettung der fuchsinophilen Granula ent- steht, einstweilen noch unentschieden. Dass die fuchsinophilen Granula sich mit Fett beladen können, hat Altmann bewiesen; für die Milchdrüse nimmt er auch an, dass ihre Fettkugeln verfettete Granula sind. Ich selbst bin auch geneigt, ihm in dieser Annahme zu folgen. Bevor wir die Beschreibung der Secretionsvorgänge fortsetzen, wollen wir hier noch folgende interessante Angelegenheit erledigen. Altmann beschreibt in seinen „Elementarorganismen“ die morpho- logischen Verwandlungen, welche die Granula in der Froschleber erleiden. In der Hungerleber — sei der Hungerzustand natürlich oder künstlich er- zeugt — sind alle Granula kugelis. In der maximalen Fütterungsleber sind dagegen die fuchsinophilen Elemente zu langen Fäden ausgewachsen. Bei Untersuchung der Leber in entsprechenden Intermediärstadien, findet man alle denkbaren Uebergänge von ovoiden, kurzen Stäbchen zu langen Stäbchen und Fäden. Dasselbe, was Altmann im jährlichen Lebenscyklus der Esculenten- leber bemerkt und durch künstliche Fütterung und Hungern experimentell an der Leber dieses Thhieres erzeugt hat, habe ich an der Milchdrüse bei jedem Secretioncyklus beobachten können. Der Ruhezustand der Drüse vor Beginn der Secretion und der ihm analoge Zustand nach jeder Secretion entspricht dem Hungerzustande der Esculentenleber — hier wie dort kuge- lige Granula; das Wachsthum des Vordertheiles der Milchdrüsenzelle, ihre Hypertrophie entspricht der Fütterung der Leberzellen, ihrer Hypertrophie — hier wie dort Anwachsen der Granula zu langen Fäden. Der innere Zusammenhang dieser beiden Erscheinungsreihen, die Ursache dieses Form- wechsels entgeht uns einstweilen. Künftigen Untersuchungen muss es vor- behalten bleiben, diese Räthsel zu lösen. Wir sind in der Beschreibung der Secretionsvorgänge an den Punkt 64 JULIUS STEINHAUS: angelangt, wo alle Zellen der Alveolen ad maximum in die Höhe ge- wachsen sind, ihr Protoplasma mit spirochaetenartig gewundenen fuchsino- philen Elementen dicht erfüllt ist, einzelne Fetttropfen enthält, und wo viele Kerne in fettiger Metamorphose begriffen sind. Auf dieses Stadium folgt nun die Ausstossung des Secrets im das Lumen. Dieses Moment ist für die Beschreibung das schwierigste. Mir gelang es nicht, weder im überlebenden Organe, noch in den fixirten Praeparaten, Bilder anzutreffen, welche alle Stadien dieses Processes illustriren könnten. Nur das kann mit Bestimmtheit behauptet werden, dass der angewachsene Vordertheil mit seinen Granulis, Fetttropfen und verfetteten Kernen sich von den Zellen ablöst und frei im Lumen liest. Dabei ist der Umstand hervorzuheben, dass im Lumen niemals freie fadenföürmige „Granula“ zu sehen sind, sondern immer nur kugelige (Fig. 8); sie kehren also, gleich nach dem Austritte aus der Zelle, zur ursprünglichen Kugelform zurück, um sich bald darauf im Secrete aufzulösen (Fig. 9). In den Zellen bleiben dann nur wenige Granula (NB. ebenfalls kugelige) und die nicht verfetteten Kerne, selten ein verfetteter zurück (Fig. 10, Fig. 2). Da während der Secretion die Kerne nicht nur in zweikernigen Zellen der Verfettung unterliegen und ausgestossen werden können, sondern auch in einkernigen, so kommt es nicht selten zum Untergange einzelner Zellen in den Alveolen. Diese Verluste werden, wie es die in Sublimat fixirten Praeparate zeigen, durch Mitose eingeholt. Hier ist wieder die Theilungs- axe der Kerne zur Längsaxe der Zellen senkrecht gestellt, wie bei der Entwickelung der Drüse. Nach der Mitose findet Zelltheilung statt; die jungen Zellen liegen nebeneinander und setzen sich an Stelle der unter- gegangenen. Was die Form der Zellen in diesem Stadium betrifft, so sind sie niedrig cylindrisch, oft beinahe vollständig abgeflacht. Allmählich kehren sie jedoch zur Norm (Ruhestadium) nach der Secretionserschöpfung zurück, die Gra- nula werden zahlreicher und bilden wieder dichte Ringe um die Kerne (Fig. 10, Fig. 11 und Fig. 12). Zu erwähnen ist noch der Umstand, dass auch die Kerne während der Secretausstossung kleiner werden und erst allmählich sich erholen und zur gewöhnlichen Grösse zurückkehren. Während ich in allen von mir untersuchten Fällen als Norm den Uebergang der Granula in das Secret gleichzeitig mit den im Protoplasma zur Ausbildung gelangenden Fetttropfen beobachtet habe, bot mir ein 14 Tage nach den Wurfe, also auf der Höhe der Lactation, getödtetes Meerschwein- chen in einer ziemlich grossen Reihe von Schnitten eine höchst auffallende Abweichung von diesem Typus. Ich fand nämlich alle Granula der secer- Die MORPHOLOGIE DER MILCHABSONDERUNG. 65 nirenden Zellen in Fettkörner umgewandelt (Fig. 16). Durch den Aus- druck: „alle Granula in Fettkörner umgewandelt“ ist schon gezeigt, in welchem Sinne ich dieses Bild deute.. Man kann sich kaum die Sache anders erklären, als dass die Fettkörner Derivate der fuchsinophilen Granula sind, obgleich das Stadium der Ringelkörner, welche Altmann in gewissen Zellen als Intermediärstadium zwischen den Granulis und den Fettkörnern fand, hier nicht zu sehen ist. Man könnte geneigt sein zu glauben, dass diese Alveolen eben das Stadium zeigen, welches dem Momente der Secretausstossung unmittelbar vorausgeht, dass dieses Stadium schnell in das nächste — die Secretent- leerung — übergehe und darum nur selten im Praeparate zu ertappen sei. Eine derartige Anschauung liesse sich jedoch nicht begründen und ist auch kaum wahrscheinlich. Eine zweite Annahme wäre die, dass bei sehr intensiver Secretion einzelne Alveolen vollständig verfettet werden, zu Grunde gehen, und von Seiten der überlebenden eine regenerative Ausfüllung des Defectes statt- findet. Dieses ist wohl möglich; bestimmt behauptet kann es jedoch nicht werden. Wie dem auch sei, jedenfalls bringst das Bild der Figur 16 den Beweis, dass multipel granuläre Formen des Fettes in den Milchzellen während der Lactation vorkommen, obgleich sie Altmann zu dieser Zeit nicht antreffen konnte (a. a. 0. S. 93). Wir haben also die Milchzellen vom Ruhestadium in dasjenige der Thätigkeit, der maximalen Füllung, der Secretentleerung, der Erschöpfung und der Erholung verfolgt und somit den vollen Secretionscyclus erkannt. Der Uebergang der Drüse von der Ruhe zur Secretion ist kein plötzlicher, unvermittelter. Das Secret, welches auf der Höhe der Lactation erzeugt wird, ist von demjenigen verschieden, welches zu Ende der Schwangerschaft und in den ersten Tagen nach der Niederkunft geliefert wird. Die chemischen Unterschiede werden wir hier nicht besprechen; was die morphologischen betrifft, so bestehen sie darin, dass im Beginn der Secretion, also in der sogenannten Colostrumzeit, Gebilde in grosser Anzahi auftreten, welche allmählich spärlicher werden, bis sie — in der eigentlichen Milch — beinahe vollständig verschwinden; es sind dies die sogenannten Colostrumkörperchen — Rundzellen, dicht mit Fetttropfen erfüllt. So viel es scheint, sind die Colostrumkörperchen einfach Mastzellen mit verfetteten eosinophilen Körnern. In der ruhenden Drüse sind die Mastzellen selten im Bindegewebe anzutreffen und fast nie zwischen oder in den Epithelien und im Lumen, dagegen während der Colustrumbildung sind sie massenhaft vorhanden, viel zahlreicher als die gewöhnlichen Leukocyten. Ist die Archiv f. A. u. Ph. 1892. Physiol. Abthlg. Suppl. 5 66 JULIUS STEINHATS: Colostrumzeit vorüber, so nimmt ihre Zahl wieder ab und im Secrete sind sie nur selten vorhanden, und auch dann zumeist unverfettet. Um mit allen Stadien des Lebens der Milchdrüse abzuschliessen, müssen wir noch den Zustand post lactationem, die Rückkehr zur Ruhe besprechen. So viel ich bemerken konnte, bilden in den ersten Tagen post lactationem die Drüsenzellen ihr Secret weiter; die Alveolen scheinen jedoch nur langsam und unvollkommen nach der Erschöpfung zur Norm zurückzukehren. In vielen Alveolen findet dieses selbst gar nicht statt, sondern die Zellen gehen zu Grunde, verwandeln sich ın Detritus, welcher resorbirt wird. Die Läppchen werden auf diese Weise kleiner und die ganze Drüse bildet sich zurück, beharrt in diesem Zustande, bis eine neue Schwangerschaft sie zur Thätigkeit erweckt, oder aber das Greisenalter zu einem definitiven Schwund der Drüsenelemente führt. Fassen wir nun die Ergebnisse unserer Untersuchungen zusammen, so können wir Folgendes sagen: Bei der Bildung des Secrets in der Milch- drüse wachsen die Zellen, speciell in ihrem Vordertheile, und füllen sich mit, fuchsinophilen Granulationen an. Diese Granulationen unterliegen einer cyclischen Metamorphosenreihe. Anfänglich kugelig, werden sie dann ovoid, stäbchenförmig, spirillen- und zuletzt spirochaetenartig gewunden. Nach dem Ausstossen aus den Zellen weisen sie jedoch wieder die ursprüng- liche Kugelform auf. Die Kerne der Drüsenzellen vermehren sich, so dass viele Zellen zweikernig werden. In den Kernen bilden sich oft Fettkugeln, welche immer mehr anwachsen, bis sie den ganzen Kern ausfüllen, ihn also zu Grunde richten. Im Protoplasma tauchen ebenfalls Fetttropfen auf, wahrscheinlich entstehen sie auf die Weise, dass einzelne fuchsinophile Granula sich mit Fett beladen. Alle diese morphologischen Elemente — Granula, Fetttropfen, verfettete Kerne — lösen sich von den Zellen ab und gehen in das Secret über, in welchem sie weitere Veränderungen erleiden. Die zurückgebliebenen Zellenreste, insofern sie kernhaltig sind, regeneriren und die Secretion beginnt von Neuem. Drei Umstände möchte ich auf dieser Stelle besonders hervorheben: 1. Die Verfettung der Kerne. An Sublimat- und Alkoholpraeparaten unter der Form von Vacuolisirung auftretend, ist sie nur bei Anwendung von Osmiumgemischen zu erkennen. Es ist möglich, selbst höchst wahrschein- lich, dass viele Bilder, welche als Kernvacuolen beschrieben worden sind, eigentlich Fetttropfen im Kerne waren. Noch vor Kurzem habe ich in den Kernen von Fettzellen der menschlichen Subeutis „Vacuolen“ beob- achtet, welche in allen ihren physikalischen und mikrochemischen Charak- teren mut den ebenfalls als „Vacuolen“ erscheinenden unzweifelhaften Fett- tropfen des Protoplasmas übereinstimmten. Obgleich das betreffende Praeparat in Alkohol fixirt worden war, also keine Fettschwärzung vorhanden war, Die MORPHOLOGIE DER MILCHABSONDERUNG. 67 glaube ich behaupten zu können, dass auch hier Fettbildung im Kerne vor sich ging. Vor vier Jahren habe ich! im Salamanderdarm Ver- schleimung der Kerne bei der Becherbildung beschrieben, im vorigen Jahre Pigmentbildung in den Kernen eines melanotischen Sarkoms,? heute reiht sich dazu die Fettbildung in den Kernen der Milchdrüse an. Es kann also sowohl die schleimige, wie die fettige Metamorphose und die Pigment- degeneration im Zellkerne vor sich gehen. 2. Die relative Lage der Theilungsaxen bei der Mitose. Soll durch Vermehrung der Kerne Zellvermehrung und Ausfüllung eines Defectes in den Milchdrüsenalveolen erzielt werden, so sehen wir die Theilungsaxe der mitotischen Kerne senkrecht zur Längsaxe der Zelle gestellt. Soll nur Zweikernigkeit der Zelle erzielt werden wobei die Kerne immer überein- ander, nicht nebeneinander liegen, so fallen Theilungsaxe und Längsaxe der Zelle zusammen — ein neuer Beweis dafür, dass aus der Richtung der Theilungsaxe auf das Theilungsziel geschlossen werden kann. Dass bei Zusammenfallen der Theilungsaxe und der Längsaxe der Zellen im cylindrischen Epithel auf die Kerntheilung keine Zelltheilung folgt, ist von mir schon im Salamanderdarm beobachtet worden.” Heute kann ich es auch für die Milchdrüse constatiren. 3. Die typischen Verwandlungen der Granula. Die Gesetzmässigkeit, mit welcher in erschöpften Zellen die Granula Kugelform annehmen, um bei guter, Ernährung zu langen Fäden auszuwachsen, lässt es vermuthen, dass hier ein innerer Zusammenhang vorhanden sein muss, der jedenfalls noch zu entziffern bleibt. ! Steinhaus, Ueber Becherzellen im Dünndarmepithel u. s. w. Dies Arch. 1888. ? Derselbe, Ueber abnorme Einschlüsse in den Zellenkernen menschlicher Gewebe. Centralblatt für allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie. Bd. II. 1891. Nr. 14. S. 593—600. Tab. 1. 230778: 317. 5* 658 JULIUS STEINHAUS: DIE MORPHOLOGIE DER MILCHABSONDERUNG. Erklärung der Abbildungen. Taf. V. Fig. 1. Alveolen-Gruppe aus der Milchdrüse eines noch nicht trächtig gewesenen Meerschweinchens. Sublimatfixirung; Haematoxylin, Eosin, Safranin. Vergr. 500mal. Fig. 2. Alveolen-Gruppe aus der Milchdrüse eines säugenden Meerschweinchens. Ruhestadium nach der Secretion. Gleiche Bearbeitung und Vergrösserung. Fig. 3. Alveolen-Gruppe aus der Milchdrüse eines säugenden Meerschweinchens. Beginn der Secretions--Umwandlungen. Gleiche Bearbeitung und Vergrösserung. Fig. 4. Alveolengruppe aus der Milchdrüse eines säugenden Meerschweinchens. Höhepunkt der Secretions-Umwandlungen. Gleiche Bearbeitung und Vergrösserung. Fig. 5. Drei Zellen aus einer Milchdrüsenalveole eines trächtigen Meerschwein- chens. In der mittleren. Zelle Kern in mitotischer Tbeilung; Theilungsaxe senkrecht zur Längsaxe der Zelle gestellt. Gleiche Bearbeitung. Vergr. 1500mal. Fig. 6. Zwei Zellen aus einer Milchdrüsenalveole eines säugenden Meerschwein- chens. Zelle links mit mitotischem Kerne, dessen Theilungsaxe mit der Längsaxe der Zelle zusammenfällt. Fig. 7. Verschiedene Formen der fuchsinophilen Zellgranula: «) in der ruhen- den Milchdrüse; 5) im Beginn der secretorischen Thätigkeit; c) in späteren Stadien; d) auf der Höhe der Anfüllung der Zellen mit Secret. Vergr. 2200 mal. Taf. VI. Fig. 8. Milchdrüsenalveole aus der Drüse eines säugenden Meerschweinchens gleich nach Ausstossung des Secrets. Die Granula sind im Secret noch nicht aufgelöst. Altmann’sche Fixirung und Färbung. Vergr. 500 mal. Fig. 9. Dasselbe, nur sind die Granula im Secret schon aufgelöst. Dieselbe Bearbeitung und Vergrösserung. Fig. 10. Alveolen-Gruppe aus der Drüse eines säugenden Meerschweinchens. Anfangsstadium der Erholung nach der Secretion. Gleiche Bearbeitung und Vergr. Fig. 11 und Fig. 12. Dasselbe. Weitere Erholungsstadien bis zum Ruhezustande. Gleiche Bearbeitung und Vergrösserung. Fig. 13. Dasselbe. Erste Anfänge der secretorischen Umwandlungen. Gleiche Bearbeitung und Vergrösserung. Fig. 15. Dasselbe. Höhepunkt der Secretionsumwandlungen. Gleiche Bearbeitung und Vergrösserung. Fig. 16. Dasselbe. Höhepunkt der Secretions-Umwandlungen bei multipel granu- lärer Form der Fettbildung im Protoplasma. Gleiche Bearbeitung und Vergrösserung. Fig. 17. Alveolen-Gruppe aus der Drüse eines noch nicht trächtig gewesenen Meerschweinchens. Gleiche Bearbeitung und Vergrösserung. Taf. VII. Fig. 14. Alveolen-Gruppe aus der Drüse eines säugenden Meerschweinchens. Mittlere Stadien der Secretions-Umwandlungen. Altmann’sche Fixirung und Färbung. Vergr. 500mal. Zur Lehre von der Innervation der Blutgefässe. Von Dr. med. J. Jegorow. (Anatomisch-physiologische Untersuchung aus dem Laboratorium von Prof. Joh. Dogiel.) (Hierzu Taf. V1ll.) Trotz zahlreicher Untersuchungen über die Innervation der Gefässe der Hinterextremitäten ist diese Frage zur Zeit noch bei weitem nicht als end gültig gelöst zu betrachten. Lassen wir selbst den Charakter oder die Natur der die Gefässe der Hinterextremität versorgenden Nerven unberück- sichtigt, so finden wir die Bahnen, auf welchen dieselben zu den Gefässen gelangen, verschieden angegeben: bald sollen sie im Ischiadieus, bald im Cruralis, bald in beiden, bald in dem einen von anderer Qualität als im anderen u. s. w. verlaufen. Obgleich nun die grösste Zahl der Untersucher annimmt, dass die vasomotorischen Nervenfasern, die Verengerer sowohl als die Erweiterer, oder auch beide Arten zusammen, für die Hinterextremi- täten im N. ischiadicus und cruralis verlaufen, so Cl. Bernard, Brown- Sequard, Saviotti, Putzeys und Tarchanoff, Nussbaum, Ostrou- moff, Dastre et Morat, Bernstein, Frensberg und Gergens, Kendal und Luchsinger, Lewaschow u. s. w., so behaupten doch andere Autoren dagegen, dass in den angegebenen Nerven derartige Nervenfasern durchaus fehlen, geben aber keine genauere Beschreibung der Bahnen, auf welchen diese Nervenfasern zu ihrem Ziele gelangen, lassen also diese Frage vorläufig offen, so Dogiel, Saaler, Hafiz, Humilewski u. s. w. Während unserer in der letzten Zeit vorgenommenen Untersuchungen über die Vertheilung und Thätigkeit der vasomotorischen Nerven einiger Körpertheile (der Orbita, der Kopfverzierung des Truthahnes u. s. w.) haben wir der oben erwähnten Widersprüche wegen, vor 1!/, Jahren, auch eine 70 J. JEGOROW: Reihe anatomischer und physiologischer Versuche ausgeführt, um nach Möglichkeit sowohl die Bahnen der Vasomotoren für die Gefässe der Hinter- extremitäten als auch ihren Charakter aufzuklären. Als Versuchsobjeet diente uns meist der Frosch (RKana temporaria), da derselbe bequem zu untersuchen und leicht im Laboratorium zu haben ist. Auch hatten wir uns vorgenommen an höheren Thieren zu experimentiren, konnten es aber bis jetzt aus hier nicht näher angebbaren Gründen nicht ausführen; sobald die Umstände es aber erlauben, werden wir es thun. Fangen wir mit dem anatomischen Theil unserer Arbeit an. Oeffnet man den Frosch an der Bauchseite längs der weissen Linie und der Mitte des Brustbeins und schiebt die Eingeweide (Darm, Leber, Magen, Lungen und theilweise das Herz) zur Seite oder entfernt sie (mit Ausnahme des Herzens) besser vorsichtig, so bemerkt man in der Bauchhöhle, entlang der Wirbelsäule, die Bauchaorta (Fig. 2, A. a.), welche bekanntlich aus zwei Brustaorten (Fig. 1 und 2, A. £.) entsteht und in der Beckenhöhle ihrer- seits in die beiden Art. iliacae (Fig. 2. A. i.) zerfällt. Zu beiden Seiten der Bauchaorta sieht man schon mit blossem Auge kleine, gelblichgraue (in Folge eines besonderen in den Nervenzellen des Frosches vorhandenen Pigmentes) Nervenknötchen, welche unter sich durch dünne Nervenfädchen verbunden sind, somit eine Art von knotigen, der Arterie beiderseits eng anliegenden Ketten (Fig. 2) bilden. Von der Vereinigungsstelle beider Brustaorten gehen die Ketten (kopfwärts) ebenfalls auseinander und jede von ihnen begleitet das entsprechende Gefäss, demselben an der Aussen- seite fast anliegend, und erreicht auf solche Weise den ersten Brustknoten des Sympathicus, mit welchem sie sich vereinigt (Fig. 1, N. sy. u. D. sy. p.) Nach hinten zu werden die Ketten schnell dünner, gehen bis zu den Art. iliacae und verlieren sich, indem sie sich in den Wandungen der nächst- liegenden grösseren Gefässe verzweigen. Jede dieser Ketten stellt den Sympathicus vor; derselbe kann nach seinem Verlauf in zwei Abschnitte getheilt werden: 1. den Brusttheil, welcher der Brustaorta bis zu ihrer Vereinigung mit der der anderen Seite, oder vielmehr bis zur Abgangsstelle der Mesenterialarterie von der Bauchaorta (Fig. 1, A. m.) folgt, und 2. den Bauchtheil, welchen der übrige nach hinten, den Hinterextremitäten näher liegende Abschnitt bilde. Am Brusttheil stehen die an den Vereinigungs- stellen der spinalen Nerven mit dem Sympathieus (Fig. 1,.D. sy.) befindlichen Nervenknoten ziemlich weit aus einander, welcher Umstand den physio- logischen Versuchen (Reizung) sehr zu statten kommt. Sie sind kleiner als die Knoten am Bauchtheil; ihre Zahl beträgt gewöhnlich 3—4. Am Bauchtheil liegen die Knoten bedeutend näher aneinander, sind grösser und werden durch stärkere Nervenzweige vereinigt als am Brusttheil (Fig. 2, D. sy. und N. sg... An der rechten Seite (des Thieres) geht die sym- ZUR LEHRE VON DER INNERVATION DER BLUTGEFÄSSE. za pathische Kette fast ganz in den Bauchtheil über und nur ein verhältniss- mässig geringer Theil der Fasern zweigt sich von ihr zur Mesenterialarterie ab (Fig 1, N. m. d.). Nicht so links: zur Mesenterialarterie tritt der grösste Theil der Fasern und die Verbindung. zwischen dem Brust- und Bauchtheil stellt ein verhältnissmässig dünner Nervenzweig her. (Fig. 1, N. m. s. und Fig. 2, R. m.). Vom Brachialgeflecht ab verbindet sich die Sympathicuskette mit jedem aus den Intervertebralöffnungen heraustretenden Rückenmarksnerven. Die Verbindung geschieht derart, dass der Rückenmarksnerv nach seinem Eintritt in die Brusthöhle, zuweilen auch schon früher, sich in zwei Aeste theilt, von denen der äussere sich in den hier befindlichen Weichtheilen verzweigt, der innere aber direct zum Sympathicus geht und sich zu dessen Fasern (Fig. 1 und 2, N. sp. und N. sy.) hinzugesellt, wobei man an der Vereinigungsstelle beider Arten von Nervenfasern, wie schon oben erwähnt worden, gangliöse Elemente eingelagert (Fig. 1 und 2, P. sy.) findet. Nur mit den das Lendengeflecht bildenden Nervenstämmchen kommt die Verbindung etwas anders zu Stande. Die Verbindungszweige gehen bedeutend weiter unten von den Rückenmarksnerven, nach ihrem Eintritt in die Bauch- oder Beckenhöhle ab, auch ist die Zahl derselben nicht immer gleich: statt eines solchen, wie wir oben gesehen, finden wir zwei und zuweilen auch drei von jedem Rückenmarksnerven (Fig. 2, N. p. i. und N. c.). Ausserdem bemerkt man einige Eigenthümlichkeiten in der Ver- theilung der gangliösen Elemente. Ausser wie oben an den Vereinigungs- stellen des Sympathieus mit den Rückenmarksnerven, sieht man Ganglien längs des ganzen Verbindungszweiges und zuweilen am Rückenmarksnerven selbst, so dass der Verbindungszweig eher dem Sympathicus als dem Spinalnerven anzugehören scheint. Alle diese beschriebenen Verbindungs- stellen des Sympathicus mit den Rückenmarksnerven sind leicht mit blossen Augen oder bei geringer Lupenvergrösserung zu sehen. Was das Ver- hältniss der Sympathicusketten zu den Gefässen, welche sie begleiten, an- betrifft so muss das Studium derselben bei gewisser Vergrösserung vor- genommen werden. Wir verfahren folgendermaassen. Nachdem alle Ein- geweide der Bauch- und Brusthöhle (auch das Herz) entfernt worden war, praeparirten wir das Gefäss in situ in einer !/, procent. Essigsäurelösung, wobei wir uns einer gewöhnlichen Uhrmacherlupe bedienten. Das Praeparat wurde nun bei stärkerer Vergrösserung beobachtet (Fig. 1), oder aber die Aorta wurde sammt den ihr anliegenden Nerven- ketten nebst ihren Verbindungen mit den Rückenmarksnerven und auch den letzteren selbst vorsichtig ausgeschnitten und behufs leichterer Manipu- lation in zwei Theilen zerlegt: in einen Brust- und einen Bauchtheil. Jeder dieser Theile kam nun auf den Objectträger in mit Essigsäure ver- 72 J. JEGOROw: setztes Glycerin, wobei wir uns bemühten ihnen die natürliche Lage zu geben, und wurden mit einem zweiten Objectträger bedeckt und auf den letzteren einige Zeit ein gewisser Druck ausgeübt, um die Theile in an- nähernd horizontale Ebene zu bringen und somit der Betrachtung mit der Lupe oder mit dem Mikroskop bei schwacher Vergrösserung (Hartn. Ocul. 3, Syst. 4) besser zugänglich zu machen. Damit die ganze äussere Ober- fläche des Gefässes ohne Lageveränderung des Praeparates gesehen werden konnte, zerschnitten wir das Gefäss an ihrer hinteren (dem Rückgrat zu- gewandten) Seite und breiteten dasselbe so aus, dass ihre äussere Fläche nach oben d. h. zum oberen OÖbjectträger lag. Unter solchen Bedingungen lässt sich das Verhältniss zwischen den Sympathicusketten und den Blut- gefässen leicht und klar übersehen, wie das unter Anderem aus der Fig. 2, welche die Bauchaorta mit den sie umgebenden und zu ihr gehörigen Nerven darstellt, hervorgeht. Betrachtet man derartige Praeparate, so kann man sich überzeugen, dass von den Sympathicusketten zahlreiche Nervenzweige abgehen, welche zu der in ihrer Nachbarschaft befindlichen Gefässwandung hinziehen und sich darin verlieren (Fig. 1, A.s. und Fig. 2, r.s). Am Bauchabschnitt ist die Zahl dieser Nervenzweiglein viel grösser als am Brusttheil und die- selben stammen nicht allen von den Verbindungsstücken zwischen den Ganglien, sondern auch von den Ganglien selbst ab. Sobald diese Nerven die Gefässwandung erreicht haben, bleiben sie auch darin, theilen sich viel- fach, treten untereinander in Verbindung, werden allmählich dünner und laufen endlich, wie wir weiter sehen werden, in Terminalfasern aus. Unter den vom Sympathicus zu den Gefässen verlaufenden Nerven zeichnen sich zwei für die Mesenterialarterie bestimmte durch ihre Dimen- sionen aus. Wie schon oben angegeben, ist von ihnen der linke grösser als der rechte. Nachdem sie die Mesenterialarterie erreicht, legen sie sich an die letztere an und gehen zuerst eine kleine Strecke zu beiden Seiten der Arterie, vereinigen sich alsdann zu einem einzigen Stämmchen, welches nun das Gefäss begleitet und dem letzteren entsprechend, sich verzweigt. An einigen Stellen der Aorta und auch der Mesenterialarterie bemerkt man bei Hartnack, Ocul. 3, Syst. 2, in der Gefässwandung kleine gelb- liche Flecken, welche bei starker Vergrösserung sich als Anhäufungen von Nervenzellen mit charakteristischem Pigment und umgeben von Nerven- fasern erweisen. Solche Ganglien stellen neben Anderem Fig. 1, @.v. und Fig. 2, @. sy.v. dar. An den Brustaorten sind solche Ganglien kleiner und bedeutend weniger vorhanden als an der Bauchaorta und der Mesen- terialarterie. Um das nähere Verhältniss zwischen den Gefässen und den an ihnen befindlichen Nervenendigungen klarzulegen, bearbeiteten wir die Aorta (sowohl 7/uR LEHRE VON DER INNERYATION DER BLUTGRFÄSSE. 73 den Brust- wie den Bauchtheil) und die Mesenterialarterie des F'rosches mit Methylenblau und Osmiumsäure Die Färbung mit Methylenblau wurde wie allgemein üblich vorgenommen: in eine subcutane Vene am Bauche, öfters in die, welche längs der weissen Linie verläuft, wurde dem Frosch, je nach seiner Grösse, von 5 bis 10 Spritzen eine !/, bis 1°), wässerige Methylenblaulösung beigebracht. Eine halbe oder eine ganze Stunde später wurde das Thier geöffnet und die zu untersuchenden Theile herausgenommen und in einer physiologischen ClNa-Lösung unter dem Mikroskop beobach- tet. Hatten die Nerven eine bläuliche Färbung angenommen, so wurde letztere mittels Zusatz von Hoyer’s Pikrocarmin fixirt und das Prae- parat in Glycerin behufs mikroskopischer Beobachtung gebracht. Sollte Osmiumsäure angewendet werden, so kam das frisch ausgeschnittene Praeparat in eine '/, bis Iprocentige Lösung dieses Mittels und wurde hierauf eine mehr oder weniger lange Zeit dem Licht ausgesetzt, jenachdem der Tag dunkler oder heller war. War dasselbe genügend gefärbt, so wurde es ausgewaschen und behufs Untersuchung in Glycerin gebracht. Da wir unsere Beobachtungen an verhältnissmässig dicken Gefässen anzustellen hatten, so mussten wir, um ihre grosse Oberfläche ohne Ver- schiebung der Lage zu übersehen, dieselben aufschlitzen: die Aorta wurde an der dem Rückgrat zugewendeten Seite und die Mesenterialarterie an solcher Stelle, an welcher am wenigsten Nervenelemente angetroffen wurden, aufgeschnitten. Mikroskopische Schnitte wurden mittels Mikrotoms hauptsächlich aus mit Osmiumsäure behandelten Gefässen angefertigt. Hierbei ist nicht von geringer Bedeutung, dass das Lumen des Gefässes erhalten bleibt, wodurch man allein im Stande ist, sich leicht, besonders an Querschnitten, über die Lage der die Gefässwandung bildenden Theile zu orientiren. Zu diesem Zweck wurde das zu untersuchende Gefäss von den benachbarten Theilen abpraeparirt, und an seinem Anfang, wo es den grössten Umfang besitzt, bis auf ein Viertel durchschnitten, durch den Einschnitt wurde dann ein bereitgehaltener, nach Bedarf kürzerer oder längerer Paraffinstift in das Gefäss geführt. Hierbei ist wohl zu beachten, dass der Paraffinstift nicht dicker als das Lumen. des Gefässes genommen wird, weil die Gewebe der Wandung sonst gezerrt würden und man ihre gegenseitige Anordnung leicht falsch beurtheilen könnte; viel zweckmässiger ist es also, den Stift etwas dünner als das Gefässlumen zu nehmen. Ist der Stift im Gefäss, so wird letzteres ausgeschnitten, mit Osmiumsäure entsprechend behandelt und hierauf in 96 procentisem Alkohol gehärtet. Wird das Gefäss, wie üblich, in Paraffin gebettet, so schmilzt der Stift und das Gefäss stellt sich dar als ein hohler Cylinder, der in verschiedener Richtung in Schnitte zer- legt werden kann. 74 J. JEGOROWw: Betrachtet man das mit Methylenblau bearbeitete Gefäss (Aorta) unter dem Mikroskop, so kann man bei gelungener Färbung leicht sehen, dass seine Wandung zwei bläulich gefärbte Nervengeflechte beherbergt: das eine liegt mehr oberflächlich (wenn die äussere Fläche des Gefässes der Linse zugekehrt ist), das andere aber tiefer (Fig. 3). Das erstere ist weitmaschig, besteht aus dicken Nervenfasern, welche hin und wieder zu dicken Bündeln zusammentreten und befindet sich tief in der Adventitia, nicht weit von der Muskelschicht.e. Das zweite Geflecht liegt auf und theilweise in der Muskelschicht selbst, wie man das aus den praegnanten Bildern von den zum Geflecht gehörenden Nervenfasern und Muskelzellkernen schliessen kann. Das Geflecht tritt am besten hervor, wenn man zugleich auch die zur Längsaxe des Gefässes quergelagerten Muskelelemente am deutlichsten sieht. Die Nervenfäden dieses Geflechts sind bedeutend dünner, treten nirgends zu Bündeln zusammen, sondern verlaufen isolirt in Gestalt dünner Linien, an welchen zahlreiche kernige Verdickungen sichtbar sind. Die marklosen Nervenfäden beider Geflechte anastomosiren unter sich, was leicht zu sehen ist, wenn man unter Drehungen der Schraube einige Fäden verfolgt. Die Beobachtung an der Aorta wird sehr erschwert durch .das hier befindliche Pigment, weshalb zu solchen Untersuchungen blass- sräuliche, pigmentärmere Frösche zu wählen sind, obwohl auch bei diesen dieser Uebelstand nicht gering bleibt. Unvergleichlich besser sind diese Nervengeflechte in der Mesenterialarterie und ihren Zweigen zu sehen, weil hier das Pigment fast fehlt und die Gefässwandung selbst dermaassen durch- sichtig ist, dass die Beobachtung viel leichter wird. In der Wandung der Mesenterialarterie finden wir zwei ebensolche Nervengeflechte wie in der Aortawandung und zwar in derselben Anordnung und mit denselben Eigenschaften, wie man das aus Fig. 4 ersehen kann. Dieselbe stellt einen Theil der mit Methylenblau behandelten Wandung der Mesenterialarterie dar; die Nervenfäden des oberflächlichen Geflechts sind durch ununter- brochene, die des tiefen durch punktirte Linien dargestellt, während die glatten, quergelegenen Muskelfasern durch kurze schwarze Striche ange- deutet sind. Die Abbildung ist in der Hinsicht schematisch, dass beide Nervengeflechte dargestellt sind, welche aber, da sie in verschiedenen Ebenen gelagert sind, in natura nicht zugleich gesehen werden können. Um aber auf dem Bilde ihre gegenseitige Lage anschaulich zu machen, wurde zuerst das tiefe Geflecht gezeichnet und hierauf an der entsprechenden Stelle das oberflächliche eingetragen, somit ohne der Richtigkeit des Prae- parates zu schaden eine Uebersicht beider Nervengeflechte ermöglicht. Eine ebensolche Vertheilung der Nervenfasern weisen die kleineren, von der Mesenterialarterie abstammenden Arterien auf. Es ist nur zu bemerken, dass an letzteren die Nervenfäden vor den Maschen des Geflechts vor- /UuUR LEHRE VON DER INNERVATION DER BLUTGEFÄSSE. 165) herrschen, so dass an einer kleineren Strecke des Gefässes mehr Nerven- fasern angetroffen werden, wie das Fig. 5 zeigt, welche einen kleinen Ast der Mesenterialarterie darstellt, an welchem wie bei Fig. 4 beide Geflechte durch ununterbrochene und punktirte Linien sichtbar gemacht worden sind. Gleiches demonstrirt auch Fig. 6, auf welcher die Geflechte das Gefäss . spiralförmig umfassen (die Bezeichnungen sind wie in den vorhergehenden Figuren). Zu den Blutgefässen gelangen die Nerven in einzelnen Bündeln, welche an der Gefässwand verlaufend, Nervenfasern abgeben, die ihrerseits sich mehrfach theilend und verzweigend, an der ganzen Gefässwand sich ver- theilen. Aus diesen Fasern nehmen die Nervenfäden ihren Ursprung, welche die oben beschriebenen Geflechte bilden. An gut gefärbten Praeparaten kann dieser Zusammenhang der Geflechte in der Gefässwandung mit den an der Oberfläche der letzteren befindlichen Nervenbündeln direct verfolgt werden. Der Zusammenhang zwischen dem oberflächlichen und tiefen Geflecht ist, wie schon erwähnt, so augenscheinlich, dass wir auf Grund der an- gegebenen Thatsachen mit voller Gewissheit behaupten können, dass beide Geflechte eine Fortsetzung der Nervenfasern darstellen, welche von den zu den Gefässen tretenden Nervenbündeln abstammen. Die Mehrzahl der Fasern dieser Bündel sind myelinhaltig, aber bei der Verzweigung dieser Fasern auf der Gefässwand verliert sich allmählich das Myelin, so dass end- lich die das Geflecht bildenden Fädchen schon keine Markumhüllung be- sitzen. Ausser diesen zweien schon beschriebenen Nervengeflechten soll nach einigen Untersuchern (s. weiter unten) noch eines und zwar in der obersten Schicht der Gefässwandung vorkommen und aus oben angegebenen myelinhaltigen Nervenfasern bestehen (Grundplexus; Plexus fundamentalis). In der That treffen wir nach der Bearbeitung mit Osmiumsäure an den (Gefässen, in der äussersten Adventitiaschicht, verhältnissmässig dicke, myelin- haltige, der Längsaxe des Gefässes parallel verlaufende Nervenfasern an. Auf grösseren Gefässen ist die Zahl derselben stets grösser als auf dünneren Gefässen, ebenfalls sind sie zahlreicher am Anfange als näher zum Ende eines Gefässes. Einen eigentlichen Plexus aber haben wir hier nicht finden können: das sind nur mehr oder weniger zahlreich vorhandene Nervenfasern, welche am Gefäss verlaufend, Aestchen abgeben, die sich in der äussersten Adventitiaschicht weiter verzweigen. An Endverzweigungen der Gefässe sind sehr wenig solcher Nervenfasern anzutreffen. So ist es wenigstens an der Aorta und der Mesenterialdrüse der Fall. Die grösste Zahl der myelinhaltigen Nervenfasern finden wir am Anfang der letzteren, während an ihren Terminalzweigen solche schon fast ganz fehlen. Das soeben Angeführte erlaubt den Schluss, dass die dicken, myelinhaltigen 76 J. JEGOROW: Nervenfasern an den Gefässen keinen eigentlichen Plexus bilden, sondern sich nur an und auf denselben verzweigen, so dass an einer gegebenen Strecke solche Nerven gar nicht derselben gehören, sondern auf ihr zu ihrem Bestimmungsort weiter verlaufen. Wie wir gesehen, nehmen aus diesen Nervenfasern die Fäden ihren Ursprung, welche die oben beschriebenen Geflechte in der Gefässwandung bilden, was auch, wie wir weiter erfahren werden, durch einige physiologische Thatsachen bestätigt wird. Was das nähere Verhältniss zwischen den Nerven und den contractilen Elementen der Gefässwand anbetrifft, so gehört die histologische Erforschung desselben nicht in den Plan unserer Untersuchungen, so dass wir uns auf das oben angegebene beschränken können, umsomehr, da einige Autoren den zweiten tieferen, theilweise zwischen den Muskelelementen gelagerten Nervenplexus für die letzte Endigung der Gefässnerven ansehen, welche genügt, um die contractilen Elemente der Gefässwand zur Thätiekeit anzuregen. Ausser den beschriebenen Nervengeflechten sind in der Gefässwandung, wenigstens an der Aorta und der Mesenterialarterie, Nervenzellen vorhanden. Wie schon oben erwähnt, kann man bei der Besichtigung der Aorta bei geringer Vergrösserung in situ, oder noch besser zwischen zwei Glas- platten an derselben stellenweise gelblich gefärbte Flecken, welche bei ge- nauerer Untersuchung sich als grössere oder geringere Anhäufungen von mit charakteristischem Pigment versehenen Nervenzellen erweisen. Sie sind augenscheinlich in der Gefässwandung eingelagert und stellen eine Art von Ganglien dar. In einigen Fällen tritt zu ihnen ein Nervenbündel, welches bei genauerer Untersuchung sich als vom spinalen Nerven ab- stammend ergiebt. Dasselbe tritt an die Sympathicuskette, durchsetzt diese aber nur, erreicht weiter ein Gefäss, verläuft längs demselben und tritt an den Nervenknoten (Fig. 2 N. c.). Solche Verbindungszweige trifft man aber im Ganzen selten und nicht immer gelingt es, sie in ihrem Verlauf zu ver- folgen. Gewöhnlich sieht man nur an der Zellengruppe Nervenfasern, welche durch und um den Nervenknoten herum verlaufen und sich hierauf in der Gefässwandung verzweigen. In solchem Falle ist es natürlich schwer zu sagen, was das für Nervenfasern sind, ob sie zu den Rückenmarksnerven oder zum Sympathicus gehören. Um über die Lage dieser Nervenzellen in der Gefässwand Aufschluss zu erhalten, zerlegten wir die vorher mit Osmiumsäure behandelten und in Alkohol gehärteten Gefässe mit erhaltenem Lumen mittels eines Mikrotoms in Längs- und Querschnitte. Hierbei ist noch darauf zu achten, dass beim Einschliessen des Gefässes in Paraffin dasselbe seine regelmässige cylindrische Form beibehält. Dieser Umstand ist insofern wichtig, weil nur dann Schnitte durch dieselben Theile eines gegebenen Abschnittes angelegt werden können; widrigenfalls geht aber der Schnitt an einer Stelle oberflächlich ZUR LEHRE VON DER INNERVATION DER BLUTGEFÄSSE. Ten an einer anderen sehr tief, was bei der Betrachtung zur irrigen Ansicht über die Vertheilung der Elemente in der Gefässwand führen muss. Unsere Schnitte waren gewöhnlich 0.015 — 0-02 "” und nur zuweilen 0-01” dick. An der Längsaxe des Gefässes parallel gemachten Schnitten sehen wir anfangs viel Bindegewebe mit eingelagerten, dicken, myelinhaltigen Nerven- faserstücken. Meist erweisen sich diese Fasern schief, oder der Länge nach, viel seltener der Quere nach durchschnitten, was auch für ihre Rich- tung, welche wir schon kennen, spricht. Hierauf folgen näher zum Gefäss- lumen gelegene Theile, an welchen die Zahl der myelinhaltigen Nerven- fasern rapid abnimmt und im Adventitialgewebe stösst man schon auf Schnitte durch Nervenzellen, an welchen meist keine Kerne zu sehen sind, da der Schnitt nur die peripheren Theile der Zellen getroffen hat (Fig. TE). Noch tiefere Schnitte weisen schon vollkommen charakteristische Nerven- zellen auf: körniger Inhalt, Kern und Kernkörperchen. Ausser den Zellen werden an den Schnitten auch Theile glatter Muskelfasern sichtbar. Schneidet man noch weiter, so nimmt die Zahl der Nervenzellen ab, ein Theil der- selben ist wieder nur durch den körnigen Inhalt vertreten, dafür aber sind im Praeparat viele glatte Muskelfasern vorhanden. An weiteren Schnitten sieht man glatte Muskelfasern und Defecte, welche beweisen, dass der Schnitt schon theilweise durch das Lumen gegangen war. Die Nervenzellen an unseren Schnitten können ihrer Grösse nach in drei Gruppen getheilt werden: 1. grosse Zellen mit grossen Kernen (Fig. 7A), 2. mittelgrosse Zellen (Fig. 725) und 3. kleine Zellen, welche meist zu einigen beisammen liegen (Fig. 7C). Die beiden ersten Zellenarten werden durch Osmiumsäure verhältnissmässig schwach — die letztere aber im Gegentheil sehr stark gefärbt, so dass sie mitten unter den anderen sehr dunkel erscheinen. In den Kernen aller dieser Zellen kommt gewöhnlich ein Kernkörperchen, zuweilen aber auch zwei glänzende vor. Ob das ver- schiedene Arten von Nervenzellen sind, oder nur eine und dieselbe Art in ihrer verschiedenen Entwickelung hier vertreten ist, lässt sich schwer ent- scheiden, nur haben wir in allen Zellanhäufungen stets alle drei Arten an- getroffen. An Querschnitten durch die Gefässe sieht man, dass diese Zellen in der Gefässwandung selbst liegen (Fig. 8), und zwar so, dass sie unmittel- bar an die Muskelhaut der Arterie stossen, zuweilen aber sogar in dieselbe hineinragen. Die Zahl der Nervenzellen ist eine sehr verschiedene, an- gefangen von 2—3 bis zu einem ganzen Oonglomerat. Ihr Charakter ist derselbe wie wir ihn an den Längsschnitten kennen gelernt, wie Fig. 8, ein Querschnitt aus der Mesenterialdrüse des Frosches, es uns zeigt. Combiniren wir nun das an den Schnittserien Erhaltene, so finden wir, dass die Nervenzellen in der tiefen Adventitiaschicht der Gefässwandung, an die äussere Muskelschicht anstossend und unmittelbar ihr anliegend 18 J. JEGOROW: gelagert sind. Die Nervenknoten liegen nicht immer parallel der Gefäss- wand, sondern lagern sich zuweilen auch schief, sodass das eine Ende des Knotens ziemlich oberflächlich, das andere aber viel tiefer (näher zur In- tima) zu stehen kommt, worüber man sich leicht überzeugen kann, wenn man eine Reihe von Schnitten durch die Knoten durchmustert. Somit liegen diese Anhäufungen von Nervenzellen — die Nervenknoten — nicht auf der Gefässwandung, sondern in derselben, gehören also mit zu den Bestandteilen derselben, wobei ihre Grösse und Form, sowie ihre genauere Lagerung in der Gefässwand eine sehr verschiedene sein kann. Sehen wir uns die Litteraturangaben über das anatomische Verhältniss der Nerven zu den von ihnen versorgten Gefässen an, so finden wir zur Zeit hierüber nichts, was als allgemein anerkannt gelten könnte. Ohne uns bei den Autoren, welche sich in diesem Sinne negativ ausgesprochen haben, weiter aufzuhalten, wollen wir uns die mehr positiven Angaben bezüglich der uns interessirenden Frage ansehen. Wie es scheint, hat zuerst Beale! auf die Gefässnerven aufmerksam gemacht. Unter Anderem finden wir bei ihm die Angabe, dass er dünne Nervenfasern in der Nähe der kreisförmigen Muskelelemente, in der äusseren Schicht der Gefässwandung, die aus Längsfasern mit länglichen Kernen besteht, gesehen habe (Erklärung der Fig. 46). Weiter sagt er, dass von den in der Nachbarschaft der Gefässe befindlichen Ganglien Fasern ab- gehen, so dass in der Arterienhülle dünne Nervenfäden angetroffen werden, von denen Zweiglein bis zu den Muskelzellen der Arterie gehen, welche nicht mehr als "/,ooo Zell Durchmesser besitzen.” Endlich finden wir in der Erklärung zu Fig. 45 die Ausdrücke „Die Vertheilung der Nervenfasern m der Hülle kleiner Arterien von !/s,0 Zoll im Durchmesser“ und „die Nerven treten zu den Muskelfaserzellen“ (Zellen der glatten Muskulatur?). Beale beschreibt sogar Endieung der Nerven in glatten Muskeln, „nerve tufts“, was aber nach Bremer (s. unten) ein anderes Ge- bilde sein muss, da die Nervenendigung in glatten Muskeln bedeutend später von Kühne, Rouget und Krause entdeckt worden ist und nichts mit dem, was Beale unter diesem Namen beschrieben, gemein hat. Nichts- destoweniger hat dieser Autor die Nervenfasern der Gefässwandung con- statirt und spätere Beobachtungen haben nur unsere Kenntnisse in dieser Richtung vervollständigt. So hat His (S. 427) das erste — oberflächliche — Nervengeflecht in kleinen Arterien als einen weitmaschigen, aus myelin- losen Nervenfasern bestehenden Plexus beschrieben. Hernach hat Arnold (S. 142) ein ebensolches zweites Geflecht in der Gefässwandung nachgewiesen, ausserdem hat er noch Zeichnungen über die ! Beale, Philosophical Transact. ete. 1863. p. I. p. 153. — ? Ybenda. 8. 562. ZUR LEHRE VON DER INNERVATION DER BLUTGEFÄSSE. 19 Endisung der Nervenfasern in den glatten Muskelzellen der Arterien des Frosches und des Uterus vorm Schaf geliefert. Weiter finden wir eine Reihe von Hinweisen über diesen Gegenstand in solchen Arbeiten, welche eigent- lich nicht dieses Thema behandeln, dennoch aber mit demselben in naher Beziehung stehen. Einige derselben, wie z. B. von Kessel (S. 851) haben sich später nicht bestätigt. Gonaew (S. 488) beschreibt auf den Arterien von kleinem Caliber ein doppeltes Netz myelinloser Nervenfasern und hält das zweite für die letzte Endigung der Nerven, welche, in die Wand ein- tretend, „knopfförmige Nervenendigungen“ bilden. A. Meyer (S. 332) spricht ebenfalls von zweien an den Arterien der Regenbogenhaut von weissen Kaninchen befindlichen Netzen, diese Netze sollen unter sich ana- stomosiren und von dem zweiten, tiefer gelegenen, oder, wie der Autor es nennt, vom Muskelnetz (im Gegensatz vom Adventitialnetz) gehen dünne, varicöse Nervenfäden ab, welche das Gefäss umkreisen und zwischen den spindelföürmigen Muskelelementen verlaufen. Das Verhältniss zwischen der Nervenendigung und den glatten Muskelzellen bleibt hier gleich dem an anderen glatten Muskeln. In der Hauptsache kamen Tomsa und Klein zu demselben Resultat, obgleich der letztere die hierzu wenig geeignete Isolationsmethode benutzte, weil dabei ja das gegenseitige Verhältniss der Theile zu sehr angegriffen wird. Genauere und bestimmtere Angaben finden wir bei L. Bremer in seiner ausschliesslich dieser Frage geweihten Arbeit. Er unterscheidet an den Gefässen (Arterien und Venen) des Frosches und der Eidechse ein drei- faches Netz: das äusserste oder oberflächlichste besteht aus myelinhaltigen Nervenfasern, die beiden anderen (das mittlere und tiefe) aber aus myelin- losen, wobei die letzteren aus den Nervenfasern des ersteren hervorgehen und alle unter sich anastomosiren. Nach ihm soll die letzte Endigung der Nerven in den Arterien durch feinstes Netz mit knopfförmigen Verdickungen, ebenso wie er es an den Capillaren gefunden, zu Stande kommen. In neueren Handbüchern, z. B. von Recklinghausen (1883), wird nur ein Netz (Grundplexus) erwähnt, das in der Adventitia liegen und von den Nervenfasern direct zu den Muskelfasern gehen oder mittels besonderer Endapparate enden soll. Eingehendere Angaben finden wir schon in dem von den Professoren Owsjännikow und Lawdowski redigirten Hand- buche (1888). Aehnlich wie bei Bremer werden auch hier drei Nerven- netze an den Arterien beschrieben. Das erste Netz besteht aus dicken Nervenfasern und liegt in der Adventitia, es ist dies das äussere oder Grund- netz (Grundplexus, Plexus fundamentalis). Aus diesem geht das zweite Netz hervor. Dieses besteht aus dünneren, marklosen Fasern und liegt auf der äusseren Fläche der Muskelschicht — das mittlere oder intermediäre Netz. Endlich kommt das dritte Netz, welches aus dem zweiten seine Fasern 80 J. JEGOROW: bezieht und zwischen den Muskelelementen liegt — das intramusculare Netz (Plexus intramuscularis). Dasselbe wird als letzte Endigung der Nerven- fasern aufgefasst. Wie wir also sehen, stehen unsere Resultate den soeben angeführten Ergebnissen am nächsten. Unsere Ansichten differiren nur in Bezug auf die myelinhaltigen Nervenfasern, welche unserem Ermessen nach nicht einen Plexus bilden, sondern der Gefässwand nur anliegen. Bezüglich der beiden anderen Netze stimmen unsere Angaben vollkommen mit denen in dem citirten Handbuche sich findenden. Noch spärlicher sind die Hinweise auf die Nervenzellen in den Gefäss- wänden. Auch hier ist Beale (a. a. O.) der erste, welcher darüber Angaben macht. Jedoch bleiben uns der Text wie die Abbildungen unverständlich. „Ganglien und Ganglienzellen“, sagt Beale, „sind in bedeutender Zahl mit den in den verschiedenen Organen der Bauchhöhle, im Herzen und in den Lungen befindlichen Arterien in Verbindung und können auch in den kleinen Arterien der Harnblase des Frosches gefunden werden. In einigen Fällen wurden kleine Ganglien und einzelne Ganglienzellen in der äusseren oder alveolären Bekleidung der Arterien (in the external or alveolar coat of the artery) aufgefunden.“ Auf Tafel XX zeigt die Fig. 46 ein kleines Ganglion an einer Arteria iliaca des Frosches, wobei in der Erklärung der Abbildung Folgendes gesagt ist: „An der äusseren Fläche der Muskelfasern habe ich eine geringe Zahl gangliöser Zellen im Entwickelungsprocess (in process of development) gesehen.“ In seinem Handbuche der Anatomie des Menschen sagt W. Krause unter Anderem, dass „in den obersten Schichten der Arterien sich ein Nervennetz mit gangliösen Zellen findet“, ohne hierauf jedoch näher einzugehen. Bei der Beschreibung des Uvealtractus und der Linse eitirt Iwanoff eine unter seiner Leitung von Jeropheew ausgeführte Arbeit, worin gesagt ist, dass der Autor in der Arterienwandung der Gefässhaut Nervenzellen gefunden habe und in der beigelesten Zeichnung sieht man wirklich Nervenzellen, welche unter sich mit Nervenfasern verbunden sind in der Gefässwandung. Obgleich man beim ersten Anblick der Abbildung an eine schematische Darstellung erinnert wird, so fehlt doch eine ent- sprechende Angabe des Autors. A. Meyer untersuchte die Nervenendigung in der Regenbogenhaut md fand keine Nervenzellen ausser einem Male, wo er auf zwei unzweilelhafte Nervenzellen am Zupfpraeparat der Iris des Menschen stiess. Ueber die Lage derselben fehlen jedoch nähere Angaben. Endlich hat A. Geberg in seiner Untersuchung über die Endigung der Nerven in der Regenbogen- haut und im Ciliarkörper der Vögel angegeben, dass Nervenzellen in der Adventia der Arterien vorkommen und hat auch eine entsprechende ZUR LEHRE VON DER INNERVATION DER BLUTGEFÄSSE. 81 Zeichnung geliefert, die uns zeigt, wie eine dieser Nervenzellen einen Fortsatz ausschickt, der zur Muskelhaut des Gefässes zieht und sich hier verliert. Das ist Alles, was wir über die uns interessirende Frage in der Litte- ratur vorgefunden haben. Es kann kaum behauptet werden, dass diese Angaben sich durch Zahl oder Vollständiekeit auszeichneten. Den anatomischen Abschnitt unserer Arbeit wollen wir mit der Be- trachtung schliessen, welchen Charakter die Nervenfasern der Gefässwandung besitzen, d. h. ob sie zum Sympathicus oder zu den Rückenmarksnerven gehören. Auf anatomischem Wege ist diese Frage zur Zeit nicht zu lösen, weil es physisch unmöglich wäre, irgend ein Nervenbündel durch alle Geflechte und Durchkreuzungen hindurch, an welchen dasselbe Antheil nimmt, zu verfolgen, es sei denn, wir besässen ein Mittel, welches uns be- stimmte Nerven unter anderen besonders kenntlich machte. Nichtsdesto- weniger, wenn wir einige Besonderheiten in der Vertheilung der gangliösen Elemente der sympathischen und spinalen Nerven berücksichtigen, können wir uns doch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit hierüber äussern. Wie wir gesehen, ist die Erscheinung, dass in der Brust- und Bauchhöhle, überall, wo sich zwei verschiedenartige Nerven treffen, sich auch Nervenzellen vorfinden, eine sehr beständige (Fig. 1. 2). Ausserdem haben wir in einer früheren Arbeit (Ueber das Gangl. ciliare) bei der anatomischen Unter- suchung des Gangl. ophthalmicum ebenfalls darauf hingewiesen, dass an den Vereinigungsstellen zweier Nervenarten stets Ganglienzellen ein- gelagert sind. Diese Beständigkeit im Vorkommen der Nervenzellen unter annähernd gleichartigen Bedingungen erlaubt unserer Meinung nach den Rückschluss, dass überall da, wo wir Nervenzellen zwischen sich verflechtenden Nerven- fasern antreffen, wir annehmen können, dass letztere zwei verschiedenen Systemen angehören. Nun haben wir gezeigt, dass in der Gefässwandung (der Aorta und der Mesenterialarterie) Anhäufungen von Nervenzellen in- mitten eines Geflechts von Nervenfasern vorkommen, dabei entsprechen diese Ganglien nach ihrem Ansehen und ihrer Anordnung vollkommen denjenigen, welche in der Sympathicuskette angetroffen werden. Da nun diese zu den Gefässen tretenden Fasern sich aus dem Sympathicus und den spinalen Nerven zusammensetzen, so kann man doch, wenn man noch die Anwesenheit der Nervenzellen in diesen Fasern in Betracht zieht, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit annehmen, dass diese Fasern zwei Systemen — dem sympathischen und dem spinalen — angehören müssen. Diese Ansicht wird theilweise noch dadurch unterstützt, dass bei der Unter- suchung der Nervenzellenanhäufungen in der Gefässwandung zuweilen eine eigenthümliche Anordnung der Nervenfasern angetroffen wird. Man stösst Archiv f. A. u, Ph, 1892. Physiol, Abthlg. Suppl, 6 82 J. JEGOROWw: nämlich, wenn auch ziemlich selten, auf Fälle, wo zum Nervenknoten in der Gefässnand (Bauchaorta) ausser den längs dem Gefäss verlaufenden Nervenfasern, ein Nervenbündel von einem zum Lendengeflecht gehörenden Nerven, nachdem dasselbe die Sympathicuskette bloss durchtrennt, tritt Oil 9, NE @ U) Dem Bericht unserer physiologischen Versuche müssen wir einige Worte über unsere Versuchsanordnung und über die Methode, nach welcher wir die Veränderungen in der Circulation und die Schwankungen des Durch- messers der Gefässe bestimmten, vorausschicken. Fast alle unsere Versuche wurden an einer Thierart, dem Frosch (Rana temporaria) und meist bei Anwendung von Curare angestellt. Das Curare kam in einer Lösung von 0.008 zur Verwendung. Die Dosis des Mittels wurde so gewählt, dass nur eine leichte Narkose, d. h. Paralyse der willkürlichen Muskeln eintrat, wozu gewöhnlich bei Fröschen mittlerer Grösse, von 60—80 8%, eine halbe Theilung der Pravaz’schen Spritze genügte. Da eine solche geringe Quan- tität nicht besonders bequem beizubringen war, so verdünnten wir dieselbe mit der 3—4fachen Menge destillirten Wassers. Obwohl bei solcher Dosirung die Wirkung des Curare sich langsam einstellt, so wird aber hierbei eine Uebervergiftung des Thieres vermieden, was für unsere Zwecke besonders wichtig war, da das Curare ja bekanntlich den Gefässtonus stark beeinflusst. Ausser den gewöhnlichen Indicationen zur Anwendung des Curare war dieses Mittel uns nothwendig, um die Contractionen der will- kürlichen Musculatur, welche bekanntlich (Dogiel, Humilewski) einen starken Einfluss auf die Füllung der Gefässe ausüben, und unsere Beob- achtungen gestört hätten, aufzuheben. Somit wurden nur einige noth- wendige Controlversuche ohne Curareanwendung ausgeführt. Während des Versuchs kam der Frosch auf einen kleinen hölzernen mit Kork über- zogenen Tisch, welcher zwei Oeffnungen besass. Letztere waren so an- gebracht, dass eine derselben, wenn der Tisch mit dem Versuchsthier auf den Objecttisch des Mikroskopes gelegt wurde, mit der Oeffnung im Mikroskoptisch zusammenfiel. Ueber die Oeifnung wurde die Schwimmhaut oder auch das Mesenterium des Frosches ausgebreitet und mittels eines auf den Rand der Oeffnung gelegten Korkringes in der Lage erhalten, so dass wir nur bisweilen behufs Fixation zu Stecknadeln griffen. Zur Reizung diente ausser mechanischem Druck mittels einer Pincette oder einer an den Nerven angelegten Ligatur meist der Inductionsstrom eines frisch gefüllten Great’schen Elements und des Schlittenapparates von du Bois-Reymond oder Gaiffe. (? Red.) Um die Reizung möglichst rein, d. h. ohne solche der Nachbargebilde zu erhalten, kamen besonders construirte Elektroden zur Anwendung. Sie bestanden aus zwei dünnen in ein Glas- röhrchen eingeschlossenen Messingdrähten. Das eine Ende des Glasröhr- ZUR LEHRE VON DER INNERVATION DER BLUTGEFÄSSE. 33 chens war zu einer 3—4°” langen Schaufel mit einer muldenförmigen Vertiefung in der Mitte, in welcher die Enden der Drähte lagen, aus- gezogen. Auf diese Drahtender kam der Quere nach der zu untersuchende Nerv, sodass hierbei eine Mitreizung der benachbarten Gebilde ausgeschlossen blieb. Dieses Glasröhrchen mit den in ihm befindlichen Drähten wurde durch einen Klemmer derart befestigt, dass es möglich war, es in dieser oder jener Lage zu fixiren, nachdem die Elektroden unter den betreilenden Nerven geführt worden waren. Der Strom durch die Elektroden ging durch den Stromschliesser bezw. -Öfiner, sodass der Nery auch bei wiederholter Reizung stets in der gegebenen Lage verblieb. Was die Stromstärke an- betrifft, so kamen stets schwache und nur bei wiederholter Reizung erst stärkere Ströme zur Anwendung. Die Zahlenwerthe der Stromstärke sind bei den einzelnen Versuchen angegeben. Aus allen Beobachtungsmetloden der Bluteirculation und des Durchmessers der Schwimmhautgefässe der Hinterextremität oder der Mesenterialgefässe des Frosches erscheint uns die mikroskopische Betrachtung für diese T'hierart als die geeignetste. Im Vergleich zu einigen anderen Methoden (z. B. Ausschneiden des Gefässes und Bestimmung der ausgeflossenen Blutmenge) stört diese am wenigsten die Circulation und ändert auch nicht die Gefässfüllung. Der einzige dieser Methode anhaftende Mangel ist der, dass hierbei der Subjectivität ein zu grosser Spielraum gestattet ist, weil jede Beschleunigung des Blut- stromes und jede Lumenveränderung der Gefässe nicht immer objectivisch festzustellen ist (ausser durch Camera lucida oder mittels eines graduirten Veulars). Doch kann man bei einiger Vorsicht diese Fehlerquelle der Methode möglichst vermindern, besonders wenn man nur von solchen Erscheinungen Notiz nimmt, die anders schwer zu deuten wären, so z. B. Contraction eines Gefässes fast bis zum Verschwinden seines Lumens oder bis auf die Hälfte des letzteren, volle Sistirung der Circulation oder doch solche Ver- langsamung, dass die Blutkörperchen mit Mühe und langsam im (efäss vorwärts rücken uud sogar gezählt werden können u.s. w. Richtet man sein Augenmerk nur auf solche scharf ausgeprägte Veränderungen, so ist der Beobachtungsfehler gewiss nicht grösser als bei anderen objectiveren Methoden. Verhältnissmässig geringe Schwankungen in den Gefässlumina und in der Strömungsgeschwindigkeit des Blutes sollen nur dann berück- sichtigt werden, wenn sie unter gewissen Bedingungen beständig auftreten, widrigenfalls könnten solche Veränderungen durch normales, selbständiges Spiel der Gefässe bedingt sein. Im Allgemeinen war unsere Versuchsanordnung wie folgt. Nachdem dem Frosch mittels einer Pravaz’schen Spritze die Curarelösung bei- gebracht worden, wurde er unter eine Glasglocke gestellt, um den Eintritt 6* 34 J. JEGOROW: der Narkose abzuwarten. Nach 30—40 Minuten, wo keine störende Be- wegung mehr auftritt, kam das Thier auf den kleinen (s. oben) Tisch und während es praeparirt wurde, stellt sich die volle Narkose gewöhn- lich ein. Die Praeparation selbst besteht darin, dass das Thier auf den Rücken gelegt und seine Vorderpfoten derart mittels Stecknadeln befestigt werden, dass die Hinterpfote leicht über die eine Oeffnung im Tisch gebracht werden kann, die Bauchhaut entsprechend der weissen Linie von der Becken- symphyse bis zum Sternum und der Quere nach, etwas vor dem Becken, wobei die Unterhautvenen, welche oberhalb des letzteren Schnittes bleiben müssen, zu sehen sind, aufgeschlitzt wird und man die hierbei erhaltenen dreieckigen Hauflappen jeden zu seiner Seite zurückschlägt. Ein Längs- schnitt rechts (in Bezug auf das Thier) über der weissen Linie öffnet die Bauchhöhle vom Sternum bis kurz vor die Beckensymphyse, um die hier befindliche Vene nicht zu verwunden. Um eine die Beobachtungen stark störende Blutung zu vermeiden, haben wir bei unseren ersten Versuchen vor der Beckensymphyse mittels eines scharfen Arterienhakens eine Ligatur en masse angelegt. Aus demselben Grunde werden auch die beiden Schnitt- ränder durch die Bauchmuseulatur in Ligaturen en masse gefasst, da zu beiden Seiten der weissen Linie ziemlich bedeutende Venen und links noch die Lebervene verlaufen. Hierauf wird im unteren Drittel der Bauchwand diese parallel den Hautschnitten quer durchschnitten. Sollen die Nerven pur an einer Seite untersucht werden, so wird dieser Querschnitt natürlich nur an der entsprechenden Seite gemacht. Können die Muskellappen nicht genügend umgeschlagen werden, so macht man einen zweiten Querschnitt unterhalb des Sternums, nachdem man, wie früher unten, Ligaturen en masse angelegt hat. Hierdurch ist der Zutritt zu den zu untersuchender Theilen vollkommen frei. Um zum Sympathicus und zu den Gefässen zu gelangen, sind die vorliegenden Eingeweide (Darm, Magen. Leber u. s. w.) mittels einer durch das lockere Bindegewebe des Magens gehenden Ligatur cur Seite zu ziehen; auch wird die Lunge an der entsprechenden Seite an- geschnitten, damit sie zusammenfällt und hierauf ihre Spitze in Ligatur gefasst und so zur Seite gezogen, dass auch die Leber eine für die Beob- achtung zweckmässige Lage erhält. Ist das Versuchsthier ein Weibehen mit einer grosser Menge von Eiern in der Bauchhöhle, so sind letztere zu ent- fernen, indem man zuerst am Grunde der die Eier beherbergenden Falte eine Ligatur aulegt. Ueberhaupt müssen wir bemerken, dass an weiblichen Thieren die Versuche nicht so bequem anzustellen sind wie an Männchen, auch sind die Theile bei den ersteren verhältnissmässig kleiner, was die Operation und Reizung sehr erschwert. Zerreisst man nun mit der Pin- zette die die Hinterwand der Bauchhöhle bekleidende seröse Haut, so er- ZUR LEHRE VON DER INNERVATION DER BLUTGEFÄSSE. 85 bliekt man die Gefässe, die Sympathicusketten, die spinalen Nerven, den Plexus ischiadieus, fast so wie das in Fig. 1 und 2 dargestellt ist. Es ist anzuführen, dass bei der Anlegung von Ligaturen an Nerven- „weigen, welche an den Gefässen verlaufen, dieselben nach Möglichkeit ge- schont werden müssen, weil nicht allein die Zerreissung oder Verwundung, sondern schon eine Quetschung derselben eine vollkommene Sistirung der Bluteireulation in den Hinterpfoten zur Folge hat, sodass der Versuch ein- gestellt werden muss. Sollte die Beobachtung an den Gefässen des Mesen- teriums stattfinden, so wurde der Frosch so auf den Tisch gebracht, das der Darm auf den erhöhten Rand der Oeffnung gelegt werden konnte. Alle Fälle, in welchen wir von der hier angegebenen Versuchsanordnung abge- wichen sind, sind bei den einzelnen Versuchen selbst notirt. Ganz zuerst suchten wir uns über den Einfluss des Ischiadieus und Cruralis auf die Bluteirculation im den Schwimmhäuten der Hinterextremi- täten vom Frosch zu instruiren. Wie schon erwähnt, lässt die Mehrzahl der Autoren in diesen Nerven die vasomotorischen Fasern für die angegebene Stelle verlaufen und nur wenige (Dogiel, Humilewki) sprechen diesem Nerven einen Einfluss auf die Thätigkeit der Gefässe in den Hinterextremi- täten ab. Von solchen wegen dieses Widerspruchs angestellten Versuchen möge einer hier beispielshalber vorgeführt werden. Versuch I. 11. September 1891. Frosch-Männchen, 848% schwer, von blassgrüner . Farbe. Unter die Bauchhaut wurde eine halbe Theilung der Pravaz’schen Spritze Curare injieirt. Nach 20 Minuten noch !/, Theilung, weil die Narkose noch nicht eingetreten war. 15 Minuten später war eine bedeutende Schwächung der willkürlichen Musculatur constatirbar. Der Frosch wurde mit dem Rücken nach oben auf den Tisch gebracht, sein linker Ischiadieus aufgesucht und im oberen Drittel durchschnitten und dessen peripheres Ende in Ligatur ge- fasst. Die linke Hinterpforte über die Tischöffnung ausgebreitet. Hierauf kam der periphere Ischiadicusstumpf auf die Elektroden, welche mit dem Schlittenapparat von du Bois-Reymond nebst dem Stromschliesser ver- bunden waren. Die Pfote wurde von Zeit zu Zeit mit Wasser angefeuchtet. Zur Beobachtung benutzten wir Hartnack Oeul. 3, Syst. 4.! 1 h. 25°. Die Cireulation in der Schwimmhaut geht normal vor sich. Im Sehfeld befindet sich ein kleiner arterieller Stamm und eine schräg zu demselben in derselben Ebene verlaufende Vene. Von Zeit zu Zeit sieht man eine geringe rhythmische Contraction der Arterie. 1 h. 28°. Elektrische Reizung bei 120%” Spiralenabstand während einer Minute. Keine Veränderung weder in der Bluteireulation noch des Lumens der Arterie. \ Bei solcher Vergrösserung fanden stets unsere Beobachtungen der Bluteireulation in der Schwimmhaut statt. 86 J. JEGOROWw: 1h. 31’. Reizung des Ischiadieus während 1‘, bei 100"" Rollen- abstand. Keine Veränderungen. 1h. 33. Reizung desselben Nerven, 1’ lang, bei 70""® Rollenabstand. Keine Veränderung. 1 h. 47’. Reizung desselben Nerven, 1’ lang, bei 40"" Rollenabstand. Keine Veränderung. 1 h. 50°. Reizung desselben Nerven, 1’ lang, bei 20 "” Rollenabstand. Keine Veränderung. 1 h. 54° Reizung desselben Nerven, 1’ lang, bei 7m Rollenabstand. Keine Veränderung. Mit gleichem Resultat sind einige solcher Versuche angestellt worden. Ebenso negativ war das Ergebniss als wir den peripheren Stumpf des Crural- nerven im oberen Drittel des Schenkels reizten.. Auch die Reizung der centralen Ischiadieus- und Cruralisstümpfe, wobei die Schwimmhaut der contralateralen Hinterextremität beobachtet wurde, blieb erfolglos. In An- betracht des beständig negativen Resultates solcher Versuche halten wir es für überflüssig die einzelnen Versuchsprotokolle hier vorzuführen. Unsere Ergebnisse stimmen in dieser Beziehung vollkommen mit den von Hafiz (vergl. Litteratur) bei der Reizung des Rückenmarks erhaltenen überein. Nachdem wir uns somit überzeugt hatten, dass weder die periphere noch die centrale Reizung des Ischiadicus und des Cruralis einen Einfluss auf die Gefässe der Schwimmhaut besitzt, gingen wir an die Prüfung des die Aorten begleitenden Sympathicus und zwar des Theiles, welcher an der Aorta thoracica verläuft. Da der Sympathicus fast unmittelbar auf der Gefässwand liegt, so konnten wir dieser Nähe weeen ihn nicht mit dem elektrischen Strom reizen, weil der letztere leicht das Gefäss selbst trifft oder aber der Sympathicus auf einer verhältnissmässig grossen Strecke vom (Gefäss abzupraepariren wäre, wobei unbedingt jene vom Sympathieus zur (Gefässwand gehenden Nervenfasern durchschnitten werden müssten, wes- halb wir zur Vermeidung dieser Complicationen nur einen Theil des Sym- pathieus, hauptsächlich jene Zweige, welche zwischen ihm und den spinalen Intereostalnerven sich finden (Fig. 1 und 2, N. c.), reizten. Nähere An- gaben über den Ort der Reizung dieser Zweige findet man bei den einzelnen Versuchen. Versuch IH. 14. December 1891. Frosch-Männchen, 96 8”® schwer. Unter die Rückenhaut wurde zwei- mal eine Theilung der Pravaz’schen Spritze von der Curarelösung einge- führt. Als die willkürlichen Muskeln schon paralytisch geworden waren, wurde der Frosch mit dem Bauch nach oben auf dem Tischehen nach früher angegebener Methode praeparirt, um den Sympathiecus links freizulegen. War das erreicht, so wurde unter den Verbindungszweig (Fig. 1) eine Ligatur geführt und der Knoten möglichst nahe am Austritt des spinalen Nerven ZuR LEHRE VON DER INNERVATION DER BLUTGEFÄSSE. 87 geschürzt und dann der Zweig durchschnitten. (Auf der Abbildung ist diese Stelle durch einem Strich kenntlich gemacht). Wir wollen diesen Zweig von nun ab als Nr. 1 bezeichnen. Dieselben Manipulationen wurden nun mit dem zweiten nach hinten zu gelegenen Verbindungszweige vorgenommen, welehen wir mit Nr. 2 bezeichnen wollen. Jetzt wurde der Sympathicus etwas oberhalb (kopfwärts) der Aufnahme des Zweiges Nr. 1 durchschnitten (in Fig. 1 ist rechts am Sympathicus diese Stelle durch einen Strich ange- geben), worauf der Verbindungszweig sowie auch der Sympathicus vor- sichtig eine Strecke weit vom Gefäss abgetrennt wurde, so dass man einen freien eirca 21/,°® langen Faden erhielt. Die rechte Hinterpfote kam über die Tischöffnung und unter den Nervenzweig Nr. 1 wurden die Elektroden geführt. Von Zeit zu Zeit wurde die Pfote angefeuchtet. 2h. 25°. Die Cireulation geht vollkommen normal in der Schwimm- haut vor sieh, nur scheint es, als ob die Gefässe etwas erweitert wären. Im Centrum vom Sehfeld war eine Arterie und nebenan etwas schräg von ihr eine Vene sichtbar. 2h. 29’. Reizung des Zweiges Nr. 1 eine Minute lang, bei 120 mm Rollenabstand. Es trat eine Beschleunigung des Stromes in der Arterie auf, sie war jedoch von kurzer Dauer, worauf die Strömungsgeschwindigkeit wieder auf die frühere Grösse zurückging. 2 h. 33. Reizung des Zweiges Nr. 1 eine halbe Minute lang, bei 90 ® Rollenabstand. Der Effekt wie das vorige Mal; nur schien er diesmal sogar etwas schwächer zu sein. 2h.40'. Reizung des Zweiges Nr. 1 eine Minute lang, bei 70 m Rollenabstand. Im ersten Moment der Reizung trat eine starke Strom- beschleunigung erst in der Arterie, dann auch in der Vene auf, dann fing die Arterie an sich zusammenzuziehen und die Blutmenge nahm in ihr be- deutend ab; zu Ende der Reizung war das Lumen der Arterie kaum sicht- bar, in ihr schritten die Blutkörperchen langsam, nacheinander fort. Auch das Lumen der Vene war, wie es schien, enger. Allgemeine ziemlich deut- liche Erblassung des ganzen Sehfeldes. In solehem Zustande verharrten die Gefässe noch 10” nach dem Aufhören der Reizung, worauf die Blutkörper- chen wieder anfingen schneller durch die Arterie zu schlüpfen; 30” nach der Reizung floss das Blut in der Arterie schon in ununterbrochenem Strome; nach 40” (nach der Reizung) war die Arterie schon bis zur Hälfte ihres früheren Lumens erweitert; nach 1’ 10” ging die Bluteireulation schon ebenso wie vor der Reizung wieder vor sich. 2h.45'. Der Nervenzweig wurde wie vorhin während 1’ bei gleicher Stromstärke gereizt. Der Effekt war derselbe nur etwas schwächer. Das Lumen der Arterie verkleinerte sich nur bis zur Hälfte und die Verlang- samung der Cireulation erreichte nur den Grad, dass das Blut im Gefäss in Form eines sehr dünnen Strahles sich fortbewegte. Fast gleich nach der Reizung fing die Arterie sich zu erweitern und das Blut schneller zu strömen an, so dass der frühere Zustand schon in 30” wieder erreicht worden war. 2h.52'. Reizung des Nervenzweiges Nr. 1, während 1’, bei 50 mm Rollenabstand. Der Effekt wie das vorige Mal, nur dauerte er länger. 8” nach der Reizung fing die Arterie an sich zu erweitern und der Blut- 88 ' J. JEGoRow: strom wurde schneller, so dass nach 45” die Bluteireulation wieder wie vor der Reizung vor sich ging. 3 h. 8”. Der Nervenzweig Nr. 2 wurde nur auf die Elektroden genom- men und 1’ lang bei 100" Rollenabstand gereizt. Obwohl nach der Reizung eine Strombeschleunigung bemerkbar war, so erschienen die Ver- änderungen doch nicht deutlich genug. 3h. 12‘. Reizung des Nervenzweiges Nr. 2, 1’ lang, bei 70 ®” Rollen- abstand. Zu Ende der Reizung hatte sich die Arterie fast bis zur Hälfte ihres Lumens zusammengezogen und der Blutstrom war schneller geworden. Nach der Reizung hielt sich der Effeet nicht sehr lange (2”—3”), worauf die Erscheinungen zurückgingen, so dass nach 20” die Bluteireulation wie vor der Reizung stattfand. 3 h. 24”. Reizung des Nervenzweiges Nr. 2, 1’ lang, bei 40 m= Rollen- abstand. Nach 30” traten die eharakteristischen Erscheinungen an der Arterie und in der Circulation des Blutes auf und zwar in demselben Grade wie bei der Reizung des Nervenzweiges Nr. 1 (2 h. 40°). Dieser Zustand währte 5” lang, worauf die Erscheinungen zurückzugehen anfingen, so dass nach 50” die Bluteireulation wieder wie vor der Reizung vor sich ging. 3 h. 30”. Reizung des Nervenzweiges Nr. 2, 1’ lang, bei 30 "m Rollen- abstand. Während der Reizung trat zuerst eine Lumenabnahme der Arterie bis über die Hälfte und Beschleunigung des Blutstromes auf. Fast zugleich mit dem Aufhören der Reizung fingen die Erscheinungen an zurückzugehen, sodass nach 25—30” die Gefässe sich wie vor der Reizung verhielten. 3h. 33°. Reizung des Nervenzweiges Nr. 2, 1’ lang, bei 25 "® Rollen- abstand. Zum Ende der Reizung war die Arterie mehr als um die Hälfte dünner und der Blutstrom schneller geworden. Nach 25” waren diese Er- scheinungen verschwunden. Nun wurde wieder der Nervenzweig Nr. 1 auf die Elektroden genommen. 3h. 43°. Reizung des Nervenzweigs Nr. 1, 1!/,’ lang, bei 30 @® Rol- lenabstand. Es trat bedeutende Strömungsbeschleunigung des Blutes und Contraetion der Arterie fast bis zum Verschwinden ihres Lumens auf. Nach der Beendigung der Reizung gingen die Erscheinungen bald zurück, so dass nach 35” das Blut wie vor der Reizung sich fortbewegte. Die anatomische Untersuchung des Versuchsthieres ergab, dass wirk- lich nur jene Theile, welche bei der Beschreibung der Operation angegeben wurden, durchschnitten waren. Irgend welche Complicationen fehlten. Versuch III. 17. December 1891. Frosch-Männchen, 1008” schwer. Curarelösung etwas mehr als einen Theilstrich der Pravaz’schen Spritze unter die Rückenhaut. Auf die schon früher beschriebene Weise wurde der Sympathicus rechts freigelegt und der 2. und 3. Nervenzweig, welche die entsprechenden spinalen Nerven mit dem Sympathieus verbinden, in Ligatur gefasst. Der Sympathieus etwas über die Verbindungsstelle des 2. spinalen Nerven mit durchschnitten. Nach der Operation wurde die linke Hinterpfote über die Oeffnung des Tischleins genommen und unter das Mikroskop gebracht, wobei es sich herausstellte, dass die Schwimmhaut fast ganz blutleer war. Da wir voraussetzten, die ZUR LEHRE VON DER INNERVATION DER BLUTGEFÄSSE. 89 Bluteireulation sei in Folge einer starken Quetschung der Hauptgefässe ge- stört, wurde die Pfote freigemacht und der Frosch auf 20’ zur Seite gelegt, während ein anderer zu dem gleichen Zweck vorbereitet wurde. Nach 20' fanden wir die Cireulation in der Schwimmhaut wieder hergestellt und die Gefässe erschienen breiter als gewöhnlich. Die Versuche wurden nun an diesem Frosch vorgenommen. Die soeben beschriebenen Erscheinungen schreiben wir der starken mechanischen Reizung des Sympathieus während der Manipulationen an ihm zu, was auch durch spätere in dieser Richtung angestellte Versuche wirklich bewiesen wurde. Im Sehfelde befand sich eine kleine Arterie und eine zu derselben etwas schräg verlaufende, breitere Vene. Die Elektroden wurden nun unter den zweiten Nervenzweig geführt (dieser Nervenzweig ist der zweite, wenn man die bei dem vorliegenden Ver- such durchschnittenen Nerven zählt; bezüglich des Versuchs II ist derselbe der 3., wie wir ihn auch ferner nennen werden; der oberhalb desselben liegende Nervenzweig ist der erste im vorliegenden Versuche und der zweite, wenn man den vorhergehenden Versuch berücksichtigt; endlich ist der dem Kopf am nächsten liegende Nervenzweig, welcher in diesem Versuch unver- sehrt blieb, als der erste zu bezeichnen. Zur Reizung diente der Schlitten- apparat du Bois-Reymond’s. Die Hinterpfote wurde von Zeit zu Zeit angefeuchtet. 2h. 50’. Reizung des 3. Nervenzweiges, 1’ lang, bei 80" Rollen- abstand. Schon nach 10” sah man den Blutstrom schneller werden und die Arterie sich verengern, also die gleichen Erscheinungen wie im Versuch II um 2 h. 40’, d. h. zuerst trat Beschleunigung des Blutstromes, dann Ver- engerung der Arterie und Verlangsamung der Cireulation ein, wobei die Arterie sich schon so stark zusammenzog, dass ihr Lumen vollkommen ver- schwand und sie schwer von der Umgebung zu unterscheiden war. Dieser Zustand hielt sich noch lang nach der Beendigung der Reizung, wonach in der Arterie zuerst langsam, dann immer schneller einzelne Blutkörperchen sich fortzubewegen anfingen und erst 50” nach der Reizung strömte das Blut in ihr ununterbrochen, obwohl die Arterie noch um die Hälfte enger war. Eine Minute nach der Reizung blieb dieser Zustand annähernd der- selbe, worauf schon die Geschwindigkeit des Blutstromes und das Lumen der Arterie zuzunehmen anfingen und erst nach 1’ 40” schien die Cireu- lation wieder wie vor der Reizung vor sich zu gehen. 2h.55°. Reizung des 3. Nervenzweiges, 1’ lang, bei 80 "=" Rollen- abstand. Der Effect war derselbe, nur etwas schwächer, so dass das Gefäss nieht ganz blutleer wurde, und die Blutkörperchen hörten nicht auf durch dasselbe hindurchzugehen, obwohl das so ziemlich langsam geschah. Die grösste Wirkung dauerte bis 15” nach der Reizung, worauf alle Erschei- nungen anfingen zurückzugehen und 50” nach der Reizung war die Blut- eirculation wie vor derselben. 3h 2”. Reizung des 3. Nervenzweiges, 1’ lang, bei 50"® Rollen- abstand. Die Arterie und die Vene wurden beobachtet. An der Arterie war der Reizungseffect wie bei 2 h. 50’ nur trat er nicht so schnell ein, erreichte aber denselben Grad wie dann, d. h. das Lumen verschwand voll- ständig und das Sehfeld wurde deutlich blass. Nach der Reizung hielten sich die stärksten Erscheinungen nicht über 20”, worauf sie anfingen zurück- zugehen und nach 1° 15” war der frühere Zustand erreicht. Während dieser 90 J. JEGOROWw: Zeit sahen wir an den Venen folgendes: als die Arterie anfıng sich zu ver- engern, wurde der Blutstrom in den Venen viel schneller, darauf wurde er aber so langsam, dass die in der Vene befindlichen einzelnen Blutkörperchen ! sich hin- und herbewegten. Dieser Zustand dauerte einige Zeit nach der Reizung, worauf das Blut zuerst ruckweise in der gewöhnlichen Richtung, dann im continuirlichen Strom sich in Bewegung setzte und schliesslich allmählich wie normal floss. 3 h. 15°. Die Elektroden wurden unter den zweiten Nervenzweig geführt. Reizung desselben 1’ lang bei 70 "m Rollenabstand. Zu Ende der Reizung sah man zuerst eine bedeutende Zunahme der. Strömungsgeschwindigkeit, dann Verengerung der Arterie in dem Grade, dass durch dieselbe nur einzelne Blutkörperchen, wenn auch ziemlich geschwind, hindurchschlüpften. Hin und wieder sah man einige Blutkörperchen zugleich die Arterie durchlaufen. Dieser Zustand währte eirca 10”, worauf die Erscheinungen zurückzugehen anfingen und nach 45” die Bluteireulation wie vor der Reizung vor sich ging. 3h. 22°. Reizung des 2. Nervenzweiges, 1!/, lang, bei 40 m” Rollen- abstand. Die Veränderungen bestanden in Beschleunigung mit darauf folgender Verlangsamung und Contraction der Arterie, jedoch nicht bis zur Hälfte ihres gewöhnlichen Lumens. Nach dem Aenozen der Reizung fingen die gelhoinmeningern an sich zurückzubilden und in 20—25” war die Giroulatıan wie vor Her Reizung. 3h. 33. Auf die Elektroden wurde der dritte Nervenzweig gelegt. Reizung desselben 1’ lang bei 30""® Rollenabstand. Während der Reizung bemerkte man Beschleunigung des Blutstromes und Contraetion der Arterie, wobei das Blut bedeutend langsamer zu fliessen anfing, bis schliesslich das Lumen der Arterie ganz Tansalhmmand, Nach 8” fingen die Erscheinungen an in gewisser Reihenfolge zurückzugehen und das msprtnelfehe Bild der Blut- onen war erst in 40” wieder hergestellt. Die zur Controle dienende anatomische Untersuchung des Versuchs- thieres wies nach, dass alles sich so verhielt, wie bei der Operation an- gegeben wurde. Es waren keine Complicationen vorhanden. Da die Veränderungen in Folge der Reizung der Nervenzweige, welche vasomotorische Nerven für die Hinterextremitäten führen, stets gleich und in derselben Reihenfolge auftreten und nur dem Grade nach zuweilen sich unterscheiden, so wollen wir den Leser nicht weiter durch Wiedergabe der einzelnen Versuchsprotokolle ermüden. Das Angeführte genügt, um den Gang der Untersuchung und den Charakter der erhaltenen Resultate be- urtheilen zu können. Wir können uns also auf die Angabe des Weges, welchen wir bei unseren Versuchen eingeschlagen haben und der erhaltenen Resultate beschränken. Nur solche Versuche, welche in irgend einer Hin- ! In einigen Versuchen sah man nach diesem Zustand das Blut in umgekehrter Richtung fliessen. Nach dem Aufhören der Reizung stand das Blut still und eine Masse von Blutkörperchen häufte sich an einer Stelle an, worauf sie in gewöhnlicher Richtung gleichsam durchgepresst wurden, zugleich fing das Blut wieder im continuirlichen Strome an zu fliessen und erhielt auch bald wieder die normale Geschwindigkeit. ZUR LEHRE VON DER INNERVATION DER BLUTGEFÄSSE. 91 sicht von den angeführten abwichen, werden wir besonders vermerken müssen. Auf die angegebene Weise wurden auch die Verbindungszweige zwischen dem Sympathieus und den spinalen Nerven an der linken Seite untersucht. Es stellte sich hierbei heraus, dass die Reizung der Nervenzweige, welche dem 1., 2. und 3. der angeführten Versuche entsprechen, einen viel ge- ringeren Einfluss auf die Bluteireulation in der Schwimmhaut der linken Hinterextremität ausübt als die Reizung der entsprechenden Zweige rechts auf die der rechten Hinterextremität. Dieses Verhalten der Nerven hätte man theilweise vorausbestimmen können, wenn man berücksichtigt, dass links der grösste Theil des Sympathicus, wie wir gesehen, nicht längs der Bauchaorta, wie rechts, sondern auf die Mesenterialarterie hinzieht. Im anatomischen Theil vorliegender Untersuchung haben wir darauf hingewiesen, dass der Sympathicus mit den zum Sitzbeingeflecht gehörenden, spinalen Nerven in Verbindung tritt. In Folge dessen untersuchten wir jeden einzelnen Stamm dieses Geflechts unter denselben Bedingungen und bei derselben Versuchsanordnung, wie in den schon angeführten Versuchen. Behufs Reizung legten wir die Ligatur an den ersten Stamm dieses Ge- flechts möglichst nahe seines Austritts aus dem Intervertebralloch, trennten die Stelle 11/,—2°” weit von dem umgebenden Gewebe und legten das durchschnittene Ende auf die Elektroden. Bei der Reizung eines jeden zum Lendengeflecht gehörigen Nervenstammes sieht man an den Gefässen und in der Bluteirculation der Schwimmhaut der entsprechenden Hinter- extremität dieselben Erscheinungen auftreten, wie wir sie in den vor- geführten Versuchen kennen gelernt haben. Dabei erwies es sich, dass der Grad der Veränderung, natürlich ausser anderen Bedingungen, direct von der Stärke der Reizung abhängt, und ausserdem noch, dass von allen das Geflecht bildenden Nerven der zweite und der dritte (vom Kopfe ab gezählt) augenscheinlich von besonders starker Wirkung war. Stellen wir diese Resultate denen des ersten Versuches, d. h. der Reizung des peripheren Ischiadieusstumpfes am Schenkel, welche keinen Einfluss auf die Gefässe und die Bluteireulation in der entsprechenden Hinterextremität hat, gegenüber, so sehen wir, dass sich in gewisser Hin- sieht ein Unterschied bemerkbar macht, welcher nicht mit Stillschweigen übergangen werden kann. Es war vor allen Dingen aufzuklären: 1. bleibt die Reizung der Nerven des Sitzbeingeflechts in peripherer Richtung wirk- sam, nachdem man den Ischiadicus am Schenkel durchschnitten hat, d.h. erhalten wir unter diesen Bedingungen den Complex der Erscheinungen an den Gefässen der entsprechenden Hinterextremität bei der Reizung der Nerven des Sitzbeingeflechts; und 2. wenn ein solcher Effeet wirklich ein- tritt, se ist ferner zu untersuchen, wie weit zur Peripherie dieser Einfluss 93 J. JEGOROW: der Nerven des Sitzbeingeflechts auf die Gefässe der entsprechenden Hinter- extremität sich erstreckt. Um diese Frage zu beantworten, haben wir eine Reihe von Versuchen bei folgender Anordnung ausgeführt. Nachdem wir den Ischiadicus im mittleren Drittel des Schenkels! durchschnitten hatten, reizten wir die Nerven des Sitzbeingeflechts ganz zu Anfang ihres Austritts in die Bauchhöhle und erhielten einen ebensolchen Effect wie beim unver- sehrten Ischiadicus.. Weiter haben wir den Ischiadieus am Schenkel und im Sitzbeingeflecht in der Beckenhöhle, allmählich näher zum Kopfende weiter schreitend, durchschnitten und haben dann die Nerven des Sitzbein- geflechts an ihren Anfängen, wie in vorhergehenden Versuchen gereizt. Es erwies sich, dass die Durchschneidung des Ischiadieus am ganzen Schenkel auf die Wirkungen der Reizung der Nerven des Sitzbeingeflechts auf die Gefässe in der Hinterextremität an der entsprechenden Seite vollkommen einflusslos ist, und umgekehrt vermindert die Durchschneidung des Sitz- beingeflechts in der Beckenhöhle und der Nerven des Sitzbeingeflechts in der Bauchhöhle den Effect einer solchen Reizung oder hebt sie sogar ganz auf, je nachdem in welcher Höhe die Durchschneidung geschah. Je höher hinauf man die Durchschneidung vornimmt, desto stärker ist die aufhebende Wirkung. Um uns noch mehr über das Fehlen eines jeden Einflusses des Ischia- dieus auf die Gefässe und die Bluteireulation in der Hinterextremität zu überzeugen, haben wir folgende Versuche angestellt. Die Nerven des Sitz- beingeflechts werden an ihren Austrittsstellen aus den Zwischenwirbellöchern in Ligatur gefasst und dann sorgfältig in der Richtung ihres Austritts aus dem Becken von allen sich ihnen hinzugesellenden Nervenzweigen befreit. Hiernach werden die Nerven in peripherer Richtung entweder einzeln nach einander oder alle zusammen elektrisch gereizt. Waren die Verbindungs- zweige vollständig durchtrennt (was aber zuweilen äusserst schwierig zu bewerkstelligen ist und nicht bei jedem F'rosche gelingt, weil die sym- pathischen Zweige diesen Nerven weit unten in der Beckenhöhle, ganz dicht an der Austrittsstelle, wo sehr schwierig zu operiren ist, sich hinzu- gesellen), so bleibt die Reizung dieser Nerven ohne jeglichen Eifect auf die Gefässe und die Bluteireulation in der Schwimmhaut der entsprechen- den Hinterextremität. Bleibt der Einfluss erhalten, so ergiebt die zur Con- trole vorgenommene anatomische Untersuchung, dass die Durchschneidung der Verbindungszweige nicht vollständig gelungen, ein Theil derselben also ! Es ist nothwendig hier darauf aufmerksam zu machen, dass bei der Durch- schneidung des Ischiadicus am Schenkel die Arterie sehr sorgfältig vermieden werden muss, weil bei ihrer Quetschung der Versuch wegen Störungen der Bluteirculation nicht fortgesetzt werden kann. 7/UR LEHRE VON DER INNERVATION DER BLUTGEFÄSSE. 93 unversehrt war, was auch als die Ursache des entgegengesetzten Resultates anzusehen ist. Aus den von uns vorgeführten Versuchen und den mitgetheilten Re- sultaten geht hervor, dass beim Frosche die vasomotorischen Nerven der Hinterextremitäten in der an der Aorta verlaufenden sympathischen Kette der entsprechenden Seite enthalten sind. In ihrem Verlaufe geben die Vasomotoren Verbindungszweige an spinale Nerven, besonders den zum Sitzbeingeflecht gehörenden. Die letzteren Versuche erlauben aber anzu- nehmen, dass diese Zweige nichts anderes als Schlingen der Rami commu- nicantes sind, welche sich an die spinalen Nerven anlegen, weil in den spinalen Nerven weder vor der Stelle, wo die Verbindungszweige sich ihnen hinzugesellen, noch unterhalb derselben vasomotorische Nerven vorhanden sind. Dieselben legen sich nur in der Form der genannten Zweige den spinalen Nerven eine gewisse Strecke weit an und kehren dann wieder zum Sympathicus zurück, mit welchem sie zusammen auch die Hinterextremität, sich an den Gefässwänden verzweigend, erreichen, was auch die anatomischen Thatsachen theilweise erhärten, wenn man sich erinnern will, was wir über den Verlauf der myelinhaltigen Nervenfasern in den Gefässwänden gesagt haben. Unter Anderem sahen wir im Versuch I, dass die Reizung der centralen Ischiadicus- und Cruralisstümpfe keine Veränderungen an den Ge- fässen und in der Blutcireulation in der contralateralen Hinterextremität zur Folge hat. Derartige Thatsachen sprechen theilweise für eine Isolirt- heit der vasomotorischen Nerven vom spinalen System, wenigstens von einem gewissen Theil des letzteren. Befindet sich auch diese Beobachtung in vollkommener Uebereinstimmung mit denen von Hafiz bei der Reizung des Rückenmarkes erhaltenen (Fehlen einer Wirkung auf die Gefässe der Hinterextremität), so haben wir doch zum besseren Verständniss solcher Erscheinungen, besonders in Anbetracht dessen, dass Verbindungszweige zwischen den Nerven des Sitzbeingellechts und dem Sympathicus existiren und dass die Möglichkeit einer Uebertragung der Reizung in den sympa- tischen Ganglien vorliegt, eine Reihe von Versuchen bei nachfolgender Anordnung ausgeführt. Beim Frosch wurde auf die uns schon bekannte Weise der Ischiadicus am Schenkel einer Hinterextremität durchschnitten und dessen centraler Stumpf erst mit schwachen, dann mit immer stärkeren Strömen gereizt, wobei die Gefässe zuerst der entsprechenden, dann der contralateralen Schwimmhaut (letzteres ist Wiederholung des Versuchs I) beobachtet wurden. Es erwies sich, dass eine solche Reizung des Ischiadicus keine Verände- rungen der Gefässe und der Bluteirculation in den Schwimmhäuten beider- seits zur Folge hat. Denselben Effect erzielten wir bei der Reizung der centralen Stümpfe der zum Sitzbeingeflecht gehörigen Nerven. 94 J. JEGORoOw: Somit sehen wir doch hieraus nicht allein, dass die vasomotorischen Fasern für die Hinterextremitäten in keiner Verbindung mit den spinalen Nerven stehen, weil ja die letzteren (Nervi ischiadici) sowohl in centraler als auch in peripherer Richtung keinen Einfluss auf die Gefässe und die Blut- eirculation der Hinterextremität ausüben, sondern auch, dass zwischen den Vasomotoren der beiden Körperhälften keine Verbindung existirt, weil bei der Reizung ‘der centralen Stümpfe der Nerven des Sitzbeingeflechts wir doch zugleich auch theilweise die Verbindungszweige zwischen diesen Nerven und dem Sympathicus mitreizen mussten. Folgende Versuche sollen hiervon ein noch beredteres Zeugniss liefern. Unter den früheren Versuchsbedingungen fassten wir die Verbindungs- zweige zwischen dem Sympathicus und den Nerven des Sitzbeingeflechts, möglichst nahe zu dem letzteren, in Ligatur und reizten dieselben in centraler Richtung. Ausserdem nahmen wir zu einigen Versuchen ausser den Verbindungszweigen einen Theil des Sympathicus selbst in Ligatur und reizten ihn ebenfalls in centraler Richtung. Bei diesen Versuchen wurden gleichzeitig die Gefässe der Schwimmhaut der contralateralen Hinterextremität beobachtet. Weder in dem einen noch in dem anderen Falle war jedoch eine Veränderung an den Gefässen und der Bluteirculation der Schwimmhaut zu constatiren. Folglich sind die vasomotorischen Fasern für die Hinterextremität nicht allein vom Rückenmarksystem unabhängig, sondern verlaufen auch getrennt von einander, wie wir es schon bei Vögeln gefunden hatten, bei welchen die die Gefässe der Kopf- und Halsverzierung versorgenden, im Halssympathicus verlaufenden Nerven ebenfalls unabhängig von einander sind.! Im anatomischen Abschnitt der vorliegenden Abhandlung wurde er- wähnt, dass die den Brusttheil des Sympathicus darstellenden Nervenfasern nicht ganz in den Bauchtheil überzugehen pflegen, sondern dass ein Theil derselben sich an der Abgangsstelle der Mesenterialarterie von den übrigen abzweigt, und dass dieser Theil links viel grösser als rechts ist (Fig. 2. X. m.). Um über das Verhältniss dieser Nervenbündel und der Verzweigung der Mesenterialarterie uns Aufschluss zu verschaffen, beobachteten wir die Blut- circulation und die Gefässe des Mesenteriums bei verschiedener Beeinflussung dieser Nerven, wobei es sich herausstellte, dass zwischen diesen Gebilden ein enges Abhängigkeitsverhältniss besteht. Die Beobachtung geschah unter denselben Bedingungen und unter derselben Versuchsanordnung, wie wir das schon aus den früher vorgeführten Versuchen kennen. Hier wäre nur noch hinzuzufügen, dass derartige Beobachtungen am besten bei Frosch- ı Jegorow, Ueber dus Verhältniss des Sympathieus zur Kopfverzierung einiyer Vögel. ZUR LEHRE VON DER INNERVATION DER BLUTGEFÄSSE. 95 Männchen, besonders während der Zeit, wo die Weibchen in ihrer Bauclı- höhle viele Eier beherbergen, anzustellen sind. Die Operation und das Anlegen der Ligaturen wurde ganz wie früher besorgt. Der Frosch wird mit einer Seite fest: an die Seitenerhöhung der Tischöffnung gedrückt, so dass der Darm mit dem Mesenterium leicht, ohne jegliche Zerrung, über die Oeffnung selbst behufs mikroskopischer Beobachtung ausgebreitet werden kann. Von wesentlicher Bedeutung für das Gelingen des Versuchs ist die verhältnissmässig oft vorzunehmende Anfeuchtung (gewöhnlich mit einer physiologischen Chlornatriumlösung) des Mesenteriums, weil die Eintrock- nung eine Stockung der Bluteirculation zur Folge hat. Eine ganze Reihe von Versuchen hat uns belehrt, dass die Reizung des Brusttheils vom Sympathicus an der einen oder anderen Seite voll- kommen den Erscheinungen in der Schwimmhaut analoge Veränderungen an den Gefässlumina und in der Bluteireulation des Mesenteriums zur Folge hat. Hierbei wurde bemerkt, dass die Reizung des Brusttheils vom Sympathicus an der linken Seite von viel stärkeren Folgen für die Gefäss- lumina und die Bluteireulation ist als eine solche des rechten Brustsym- pathieus, oder aber, falls man durch die Reizung des letzteren denselben Effekt erzielen will, der Reizungsstrom bedeutend stärker genommen werden muss, als für denselben Abschnitt des Sympathicus an der linken Seite. Das Angeführte führt uns zu folgenden Schlussfolgerungen: 1. Die vasomotorischen Nervenfasern für die Hinterextremitäten des Frosches verlaufen in dem Brust- und Bauchtheil der Sympathicusketten. Im Niveau des Sitzbeingeflechts bilden sie Verbindungsschlingen mit den Nerven dieses Geflechts! und gehen hierauf auf die Gefässe der Hinter- extremitäten und erreichen so die Schwimmhautgefässe. 2. Die vasomotorischen Fasern für die Hinterextremitäten verlaufen gesondert vom spinalen System und auch an jeder Seite (rechts und links) apart zu ihrem Bestimmungsort. 3. Ausser den in den Sympathieusketten und an den Gefässen ver- laufenden vasomotorischen Fasern giebt es keine solchen für die Hinter- extremitäten, weder im Sitzbeingeflecht, noch im Ischiadicus oder Cruralis, weshalb die Reizung aller dieser Nerven keinen Einfluss auf die Gefässe und die Bluteireulation in den Schwimmhäuten der Hinterextremitäten ausübt. ! Eine derartige Vereinigung der sympathischen Nerven scheint auch in der Höhe des 3. Wirbels mit dem Rückenmark vorhanden zu sein, wie M. Sergejew (s. Litte- ratur), welcher die Veränderungen der Bluteireulation in der Membrana nietitans des » Frosches in Folge der Reizung der sympathischen und spinalen Nerven studirte, angibt. 96 J. JEGOROW: 4. In der Gefässwandung (Aorta und die Mesenterialarterie mit ihren Verzweigungen) sind die Nerven in Form von zwei Geflechten vertreten. Der eine, mehr oberflächliche Plexus liegt in den tieferen Schichten der Adventitia, der zweite, tiefere, findet sich auf nur theilweis zu sehenden Muskelelementen. Die Nervenfasern, welche diese Geflechte bilden, anas- tomosiren unter einander, besitzen keine Myelinumhüllung; längs ihrem Ver- lauf sieht man zahlreiche körnige Verdickungen. Diese Fasern gehen aus den dicken, myelinhaltigen, in der obersten Adventitiaschicht verlaufenden Nervenfasern hervor. Letztere legen sich nur au die Gefässwände an, um so zu ihrem weiter gelegenen Bestimmungsort zu gelangen. 5. In der (Grefässwand, auf der äusseren Fläche der Muskelschicht findet man an verschiedenen Stellen Nervenzellen in Form von Ganglien. Man kann drei Arten dieser Zellen unterscheiden: grosse, mittlere und kleine, von welchen diese letzteren im Vergleich zu den beiden ersteren Arten stark durch Osmiumsäure gefärbt werden. Die Zellen sind von Nervenfasern umgeben, welche an ihnen hauptsächlich in Form von Bün- deln vorüberziehen. 6. Bei der Reizung der in den Sympathicusketten enthaltenen Vaso- motoren für die Hinterextremitäten bemerkt man an den Gefässen der Schwimmhaut an der entsprechenden Seite folgende Erscheinungen: Zuerst sieht man eine Beschleunigung der Blutbewegung, dann fängt sich das Lumen des Gefässes an zu verengen, die Strömungsgeschwindiekeit des Blutes nimmt ab, bis schliesslich das Gefässlumen ganz verschwunden ist, und kein Blut mehr fliesst. Nach der Reizung zeigen sich im Gefäss zuerst einzelne Blutkörperchen, welche langsam das Gefäss durchwandern, dann nimmt die Zahl und die Geschwindigkeit ihrer Bewegungen zu, worauf schon das Blut im continuirlichen Strume zu fliessen anfängt, das Geläss- lumen sich wieder erweitert und das frühere Bild sich wieder herstellt. So die Arterien. In den Venen wächst zuerst die Schnelligkeit der Blutbe- wegung, dann nimmt sie ab und macht einer Verlangsamung derselben bis zum völligen Stillstand Platz, Einige Blutkörperchen bewegen sich hin und her und darauf tritt eine Strömung des Blutes in umgekehrter Richtung auf. Nach der Reizung sieht man Verlangsamung oder plötzlichen Still- stand des Blutstromes, weshalb die Vene überfüllt von Blutkörperchen er- scheint, bis sie dann in der gewöhnlichen Richtung fortgeführt werden und das Blut mit steigender Geschwindigkeit zu fliessen anfängt, bis schliesslich die Norm wieder erreicht ist. 7. Die beschriebenen Veränderungen der Bluteirculation werden nicht in gleichem Grade bei der Reizung verschiedener Zweige beobachtet. Am stärksten sind sie bei Reizung des 3. und 4. Verbindungszweiges (vom ZUR LEHRE VON DER INNERVATION DER BLUTGEFÄSSE. 97 Kopfe gezählt) an der rechten Seite und des 2. und 3. Nervenstämmchens des Sitzbeingeflechts an beiden Seiten. 8. Den sub No. 6 bezeichneten Veränderungen analog sind die Rei- zungserscheinungen der Nervenbündel, welche die Mesenterialarterie ver- sorgen. Der Effect der Reizung ist hier links stärker als rechts ausgeprägt. 9. Bei wiederholter Reizung der Vasomotoren muss, um gleich starke Effecte zu erzielen, jedesmal der Strom stärker genommen werden, und die Reizungserscheinungen verschwinden unter gleichen Bedingungen immer schneller und machen wieder den normalen Verhältnissen Platz, was jeden- falls auf eine schnelle Ermüdung Jieser Nerven hinweist. Kasan, den 20. Mai 1892. Litteraturverzeichniss. Cl. Bernard, Comptes rendus. 1862. T. V. et Lecons sur la chaleur animale. 1876. Brown-Sequard, Philadelphia med. Examiner. 1852. Saviotti, Virchow’s Archiv. Bd. L. S. 592. Putzeis und Tarchanoff, Ueber den Einfluss des Nervensystems auf den Zu- stand der Gefässe. Dies Archiv. 1874. Nussbaum, Pflüger’s Archiv. Bd. X. Dastre et Morat, Arch. de physiologie norm. et path. U. Ser. T. VI. 1879. Ostroumoff, Pflüger’s Archw. Bd. XI. H. IV u. V. Goltz, Pflüger’s Archiv. Bd. IX. Riegel, Pflüger’s Archiv. Bd. IX. Bernstein, Pflüger’s Archiv. Bd. XV. Mosins et Vosslair, Compt. rend. Congres des sciences med. Bruxelles 1875. - Kendal und Luchsinger, Pflüger’s Archiv. Bd. XII. Frensberg und Gergens, Pflüger’s Archiv. Bd. XI. Lewaschow, Versuch über die Innervation der Hautgefässe. Petersburg 1882. Pflüger’s Archiv. Bd. 28. Dogiel und Kowalewski, Pflüger’s Archiv. 1870. Dogiel, Ueber den Einfluss des Ischiadieus und des Cruralnerven auf den Blutstrom in der Hinterextremität. 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Die Theile bedeutend dislocirt. 2'/, fache Vergrösserung unter der Lupe. C.v. = Die Wirbelsäule. A.i. = Die Brustaorten. Die Gefässe sind zur Mitte der Wirbelsäule hingelegt. A.a. = Aorta abdominalis. A. m. = Arteria mesenterica. c. = Rippen. G.sy.p. = Ganglien, welche dem Brachial- geflecht entsprechen. N. sy. = Sympathieus. @. sy. = Ganglien des Sym- pathicus, bilden mit dem N. sy. die sympathische Kette. N. sp. = spinale, aus den Zwischenwirbellöchern hervortretende Nerven. N.c. = Verbin- dungszweige zwischen den spinalen Nerven und der sympathischen Kette. r.s. = Nervenzweige, welche von der sympathischen Kette zur Gefäss- wand ziehen. N.m.d. = Der rechte zur Arteria mesenterica ziehende Zweig, N.m.s. = Der linke zur Arteria mesenterica gehende Zweig. G.v. = Gangliöse Anhäufungen auf der Gefässwand. N.c.(a) = Der Nervenzweig Nr. 1 (in den Versuchen) seine Durchschneidungsstelle, wie diejenige des Sympathicus sind durch Striche angegeben. Fig. 2. Der Bauchtheil des sympathischen Nerven des Frosches. Das Praeparat ausgeschnitten und zwischen zwei Objectträgern ausgebreitet und im angesäuerten Glycerin gebettet. Lupenvergrösserung annähernd 3'/,mal. A.t. = Brustaorta. A.a. = Bauchaorta. A.:. = Art. iliacae. A. m. = Ab- gangsstelle der Mesenterialarterie. G. sp. = Die Spinalganglien zusammen mit den spinalen Nerven. N.sp. = Zweige von spinalen Nerven, welche letztere mit der Sympathicuskette verbinden. @. sy. = Ganglien der Sympathicuskette, welche längs der Bauchaorta liegen. N.sy. = Der Stamm der sympathischen Kette, welche die Ganglien (G. sy.) der sym- pathischen Kette verbinden. N.p.i. = Nervenstämme, welche zum Sitz- beingeflecht gehören. N.c. = Nervenzweige, welche die Nerven des Sitzbeingeflechts mit dem Sympathicus verbinden. r.c. = Nervenzweige, welche von der sympathischen Kette zur Gefässwand treten und sich hier verzweigen. G.sy.v. = Nervenknoten in der Gefässwand. A. m. = Der zur Arteria mesenterica gehende Sympathicuszweig. N, ec, = Zweig eines spinalen Nerven zur Zellenanhäufung in der Gefässwand. Fig. 3. Ein Theil der Abdominalaorta. Die Aorta ist der Länge nach auf- geschlitzt und so auf den Objectträger gelegt, dass die äussere Fläche zum Deck- gläschen zieht. Das Praeparat ist mit Methylenblau gefärbt. Vergrösserung: Hart- nack Ocul. 3, Syst. 4. Die ganzen Linien zeigen das oberflächliche, die punktirte, das tiefer gelegene Geflecht, welche in der Gefässwand sich befinden. ME 100 J. JEGOROW: ZUR LEHRE VON DER INNERVATION DER BLUTGEFÄSSE. Fig. 4. Ein Theil der Wandung der Mesenterialarterie. Das Gefäss ist der Länge nach aufgeschlitzt und mit der äusseren Fläche nach oben gelegt. Das Prae- parat war mit Methylenblau bearbeitet. Das oberflächliche (ganze Linien) und das tiefe Nervengeflecht (punktirte Linien). Vergrösserung Hartnack Ocul. 3, Syst. 5. Fig. 5. Ein Theil eines Zweiges der Mesenterialarterie. Methylenblaupraeparat. Oberflächlicher (ganze Linien) und tiefer (punktirte Linien) Nervenplexus. Vergrösse- rung: Hartnack Ocul. 3, Syst. 4. Fig. 6. Das Nervengeflecht, welches die Arterie spiralförmig umkreist. Die Spirallinie bezeichnet das oberflächliche Geflecht, die punktirte Linie zeigt das tiefe Geflecht in der Gefässwand. Das Praeparat war mit Methylenblau behandelt. Ver- grösserung: Hartnack Oeul. 3, Syst. 5. Fig. 7. Ein Theil der Wand der Mesenterialarterie. Längsschnitt der Arterien- wand mittels Mikrotom. Dicke des Schnittes 0-015 ==. Dieser Schnitt stösst fast un- mittelbar an die Muskelhaut der Arterie. Osmiumsäure. Vergrösserung: Hartnack Ocul. 3, Syst. 7. Der Tubus steht 5” hervor. A. = Grosse Nervenzellen. 3. = mittlere Nervenzellen. ©. = kleine Nerven- zellen. D. = Abschnitte der myelinhaltigen Fasern. Z. Schnitt durch den Theil der Nervenzelle, welcher keinen Kern enthält. Fig. S. Ein Querschnitt aus der Wand der Mesenterialarterie. Nervenzellen in der Gefässwand. Vergrösserung: Hartnack Oecul. 3, Syst. 7. Osmiumsäure. A. = Aeussere Fläche der Arterie. 2. = Innere Fläche der Arterie. C. = grosse Nervenzellen. D. = mittelgrosse Nervenzellen. EZ. = kleine Nervenzellen. Ueber den Einfluss der peripheren Vagusreizung auf die Lunge. Von Dr. Theodor Beer. (Aus dem Laboratorium für experimentelle Pathologie des Prof. v. Basch in Wien.) ———— (Hierzu Taf. IX und X.) Die vorliegende Arbeit hatte ihren Ausgangspunkt in der Beobachtung der passiven Zwerchfellbewegungen eines curarisirten, künstlich geathmeten Thieres! während der elektrischen Reizung der peripheren Vagusstümpfe am Halse. Zur Erklärung der in einer Reihe von Fällen hierbei auftre- tenden Veränderungen an der phrenographischen Curve erwies es sich bald als angezeigt, der durch die Vagusreizung bewirkten — bis in die neueste Zeit aber immer wieder angezweifelten — Contraction der Bronchien be- sondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Um die Darstellung übersichtlicher zu gestalten, verzichte ich darauf, meine Versuchsresultate in der chronologischen Reihenfolge, in der sie ge- wonnen wurden, wiederzugeben, werde demnach die phrenographischen Phaenomene später schildern und zuerst die speciell der Bronchialcontraction bezw. dem Verhalten des intratrachealen Druckes bei Vagusreizung? — unter statischen Verhältnissen sowohl als auch während der künstlichen Athmung — gewidmeten Experimente erörtern. Vorerst dürfte eine Uebersicht der einschlägigen Litteratur — zum mindesten in methodischer Hinsicht — von Interesse sein. 1 Meine Versuche erstreckten sich auf 147 Hunde, einen Affen und 5 Kaninchen; sämmtliche Versuche, bei deren Schilderung nicht ausdrücklich ein anderes Versuchs- thier genannt ist, sind an Hunden angestellt. 2 Unter Vagusreizung ist hier wie im folgenden stets die elektrische Reizung beider peripherer Stümpfe der Vagi am Halse zu verstehen. 102 THEODOR Beer: I. Abschnitt. Ich werde zunächst die — recht spärlichen — Angaben zusammen- stellen, welche sich in den Lehr- und Handbüchern der Physiologie über die motorischen Vagusfasern für die Lunge vorfinden und dann die ein- zelnen Arbeiten citiren, welche sich näher mit diesem Thema befassen. Ludwig! sagt in dem Abschnitte „Wirkungen der Lungen- muskeln“: „Ihrer anatomischen Anordnung nach können die kieinen Muskeln der Lunge zunächst wohl nur den Durchmesser der Blutgefässe und Bronchien mindern. Da aber alle Bronchien, Trichter und Blutgefässe durch Bindegewebe mit einander verschmolzen sind, so würden die Zu- sammenziehungen jener Muskeln auch muskeifreie Umgebung bewegen und da ferner muskeltragende Rohre nach allen Richtungen ziehen, so würden verbreitete Zusammenziehungen die gesammte Lunge zusammen- pressen. Dieses lässt sich nach Traube so beweisen, dass man die beiden Lungen eines eben getödteten Thieres in kaltes Wasser wirft, die eine so kurz nach dem Tode, dass voraussichtlich ihre Muskeln noch reizbar sind und die andere erst dann, wenn voraussichtlich die Reizbarkeit abgestorben. Die erste zieht sich in dem kalten Wasser noch weiter zusammen, die zweite behält dagegen den Umfang, der ihr durch die elastischen Kräfte angewiesen ist, also ist die allseitige Volumverkleinerung der ersten in der That eine Muskelwirkung. Die Nerven dieser Muskeln sollen, was jedoch auch be- stritten wird, im N. vagus verlaufen. Unbekannt sind die Umstände, unter welchen die lebenden Lungenmuskeln sich bewegen und die Folgen, welche aus den Bewegungen hervorgehen.“ Brücke beschränkt sich auf folgende Bemerkung: „Der N. vagus ver- zweigt sich auch in den Bronchien und im Lungengewebe und man nimmt deshalb an, dass die motorischen Fasern, welche er führt, auch zur Inner- vation der glatten Muskelfasern, die sich in den Bronchien und im Lungengewebe befinden, dienen.“®? Grünhagen* sagt, dass nach den Angaben einiger Autoren die Hals- stämme der Vagi auch Nerven „für die glatte Muskulatur der Lungen- bronchien und der Lungeninfundibula führen.“ Landois® sagt: „Die Wirkung der glatten Muskelfasern der Trachea und des gesammten Bronchialbaumes scheint mir darin zu bestehen, dem erhöhten Drucke (wie bei allen forcirten Exspirationen: Sprechen, Singen, ! Lehrbuch der Physiologie. 2. Aufl. AA. a. 0308. 548. ® Vorlesungen über Physiologie. 3. Aufl. Bd. II. S. 111. * Lehrbuch der Physiologie. 7. Aufl. Bd. III. S. 222. ° Lehrbuch der Physiologie des Menschen. 7. Aufl. 8. 209. ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LunGE. 103 Blasen u. s. w.) innerhalb der Luftcanäle Widerstand zu leisten. Nach dem Zeugnisse vieler Forscher (seit Longet 1842) ist der N. vagus der mo- torische Nerv; von ihm hängt bei erhöhter Spannung innerhalb der Luft- canäle der sogenannte „Lungentonus“ ab. Plötzliche, ausgiebige Bewegungen nimmt man (etwa an einem in die Trachea eingebundenen Manometer) nach Vagus- oder directer Lungenreizung nicht wahr.“ Hermann! sagt: „Reizung der peripheren Vagusenden macht eine eben nachweisbare Verkleinerung des Lungenvolums (Schiff, Ger- lach u. A.), welche offenbar nur von den glatten Bronchialmuskeln her- rühren kann... Durchschneidung der Vagi vergrössert das Lungenvolum, die Muskeln haben also einen Tonus; der Vagus scheint auch activ er- weiternde Fasern für die Bronchien zu führen; seine centripetalen Fasern wirken auf beide Fasergattungen reflectorisch (Roy & Brown).“ Rosenthal? sagt: „Ueber die Frage, ob der N. vagus motorische Fasern für die glatte Musculatur der Lunge enthalte, sind bis in die neueste Zeit widersprechende Angaben gemacht worden. Longet sah bei galvanischer Vagusreizung Contractionen der Luftröhrenäste, Volkmann sah Lungencontraction bei Vagusreizung auch nach Eröffnung des Thorax. Andere, z. B. Donders, Wintrich und ich selbst konnten sich nicht davon überzeugen.“ | An anderer Stelle? heisst es: „Ich selbst habe niemals von der Reizung des peripherischen Vagusendes irgend eine Einwirkung auf die Athmung gesehen. Auch habe ich nicht gesehen, dass nach geöffnetem Thorax ein mit der Luftröhre verbundenes Manometer irgend eine Schwan- kung zeigte, wenn das peripherische Vagusende gereizt wurde.“ Die letzterwähnte Angabe gehört schon in das Gebiet der unser Thema betreffenden Originalarbeiten; ich lasse die übrigen chronologisch ge- ordnet foigen. Longet war einer der ersten, welcher, um die Frage von der Con- tractionsfähigkeit der Bronchien — mehrere Forscher hatten die Lungen oder die Bronchien gereizt, ohne Contractionserscheinungen wahr- nehmen zu können und, wie z.B. Haller, der Lunge jede „vitale Con- traction“ abgesprochen — zu entscheiden, nicht die Bronchialmuskeln direct, sondern den Vagus reizte. Er sagt:* „Je songeai a faire choix ı Lehrbuch der Physiologie. 9. Aufl. 8. 122. ®2 Athembewegungen und Innervation derselben, in Hermann’s Handbuch der Physiologie. Bd.4. U. Th. 8. 243. ® Rosenthal, Die Athembewegungen und ihre Beziehungen zum Nervus vagus. Seite 232. * Recherches experimentales sur la nature des mouvements intrinseques du poumon. Comptes rendus. T.XV, p.500; vergl. auch Longet, Traite d’anatomie et de 104 THEODOR BEER: d’animaux d’une taille elevee (cheval et boeuf) afin de pouvoir appliquer les agents d’irritation, non plus aux fibres bronchiales elles mömes, mais aux divisions du nerf vague. Dans la plupart de nos experiences nous avons obtenu les contractions les plus manifestes jusque dans les ramuscules bronchiques d’un calibre assez petit, en nous bornant & faire passer un courant galvanique transversal dans l’Epaisseur de plusieurs ra- meaux nerveux. Des lors il nous parait hors de doute que les fibres bronchiales, au moins celles qui accompagnent les premieres divisions bronchiques, sont de nature musculaire et que leurs mouvements dependent de la paire vague.“ Volkmann konnte sich hiervon nach Longet’s Methode nicht über- zeugen; er hat daher eine — etwas weniger primitive — Methode angewen- det, welche nach seiner Ansicht „den motorischen Einfluss des zehnten Paares auf die Lunge entschieden darthut.“ „Bei geköpften Thieren binde ich einen Tubulus in die Luftröhre ein, welcher sich nach aussen zuspitzt und mit einer ziemlich feinen Oeffnung mündet. Bringe ich nun vor dieser Oeffnung ein Licht an und galvani- sire den Vagus, so entsteht‘ mit jeder Reizung des Nerven eine plötzliche Beugung der Flamme, ja in einem Experimente wurde sie sogar ausgeblasen. Der Versuch gelingt auch nach Oeffnung des Brust- kastens, doch sind die Bewegungen der Flamme dann viel schwächer, wie natürlich, da die Lungen zusammengefallen sind und wenig Luft ent- halten, welche durch Contraction des Organs entfernt werden könnte. Be- sondere Aufmerksamkeit verdient, dass diese Bewegungen stossweise er- folgen. Die Lungen würden solcher raschen Bewegungen nicht fähig sein, wenn sie während des normalen Lebens nicht in Anwendung kommen sollten und eine Anwendung derselben ist nirgends annehmbar, als beim rhythmischen Athmen selbst“! Donders hat gelegentlich seiner bekannten Untersuchung, in welcher er die Kraft mass „womit die Luft nach geöffnetem Brustkasten ausge- physiologie du systeme nerveux. T. II, p. 289. — Möglicherweise hat Williams (The Pathology and Diagnosis of diseases of the chest. 4. Ed. London, sowie Gazette medicale de Paris. 1841. Nr. 38) Contraction der Bronchien bei Vagusreizung noch früher beobachtet; die Originale sind mir nicht zugänglich, doch sagt Romberg (Dehrbuch der Nervenkrankheiten. Berlin 1844) von Williams: „Auch die Inner- vation durch den Vagus hat er beobachtet, doch brachte die Leitung eines elektrischen Stroms durch die Lungennerven weit schwächere Contractionen hervor als die Leitung durch die Trachea.“ % Artikel’ ,,Nervenphysiologie“ in Wagner’s Handwörterbuch der Physiologie. Bd. IH. 8.586. ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LUNGE. 105 trieben wird“! auch Versuche angestellt „um nach eingebrachtem Mano- meter den Tonus der Lungen durch Reizung des Nervus vagus zu erhöhen.“ Die Resultate waren folgende:? „Dreimal habe ich diesen Nerven, kurz nachdem die Respiration aufgehört hatte, mechanisch, zweimal ver- mittelst eines Inductionsapparates gereizt, ohne dass jemals irgend eine Bewegung in dem mit Wasser gefüllten Manometer wahr- zunehmen gewesen wäre. Nur dann, wenn nicht gehörige Sorge ge- tragen war, dass der galvanische Strom nur den Nerven afficirte, entstand unmittelbar Bewegung: Die Brustmuskeln zogen sich ein wenig zusammen und brachten so das Wasser im Manometer in Bewegung.“ Wintrich’s Versuche? „erstreckten sich über Lungen hingerichteter Verbrecher, lebender Kaninchen, Hunde, Katzen, Ochsen, Kälber, Schafe und Schweine.“ 1. „Directe Reizung des Vagus eben getödteter Thiere bei seschlossenem Thorax.“ (An Kälbern, Schafen, Hunden und Kaninchen). „Nachdem die Thiere hinlänglich befestigt waren, liess ich die vorderen Theile des Halses oberhalb des etwas herabgezogenen Kehlkopfes in einem Zuge bis zur Wirbelsäule durchschneiden, zog dann den Larynx gleich hervor, um dessen Retraction gegen die Brusthöhle und Anfüllung mit Blut zu hindern. Als das Thier sich soweit verblutet hatte, dass es keine selbständigen Respirationsbewegungen mehr vornahm, praeparirte ich den N. symp. vom N. vagus weg und isolirte letzteren von den Nachbartheilen; um die abgeschnittenen Enden band ich links und rechts einen dünnen Eisen- oder Messingdraht. In den Larynx und die Trachea selbst wurde der absteigende Schenkel meines Wassermanometers luftdicht festgebunden, und als dies geschehen war, setzte ich die Drähte am Vagus mit dem stark wirkenden Inductionsapparat in Verbindung.“ „Das Resultat war ein sehr ungleiches.. Im Ganzen genommen bemerkte man jedoch selbst an grösseren Thieren (Kälbern) nur eine geringe Schwan- kung des Manometers und kaum 0-.5—1-0 ® Differenz. Letztere war viel ungezwungener mit anderen Einflüssen als der Muskelcon- traction der Lungen in Verbindung zu bringen.“ (Bewegungen der Trachea, Contraction der Brustmuskeln u. d. m.) 2. „Directe Reizung des Nervus vagus frisch getödteter oder noch lebender Thiere bei offenem Thorax.“ ! Beiträge zum Mechanismus der Respiration und Cireulation im gesunden und kranken Zustande. Zeitschrift für rationelle Medicin. Neue Folge. Bd. III. S. 289. N2a207787292. 3 Krankheiten der Respirationsorgane in Virchow’s Handbuch der speciellen Pathologie und Therapie. Bd.V. 1. Abth. 8. 191. 106 THEODOR BEER: „Isolirte ich den Vagus und brachte denselben wie vorhin mit dem Inductionsapparate in Verbindung, nachdem der Thorax des noch lebenden oder eben erst getödteten Thieres geöffnet und die Lungen sich sogleich retra- hirt hatten, so war es nicht möglich im Manometer und selbst wenn dieses mit Aether gefüllt war, nur die geringste Schwan- kung zu sehen.“! Die „directe Reizung der querdurchschnittenen Bronchien‘“ dagegen führte Wintrich zu deutlichen positiven Resultaten, auf die ich noch an anderer Stelle zurückkommen werde. Knaut? fand folgendes: Ein Wassermanometer wurde mit der Trachea in Verbindung gesetzt und hierauf der Thorax vom Zwerchfell aus eröffnet, was natürlich ein beträchtliches Steigen im Manometer zur Folge hatte. Ein weiteres allmähliches Ansteigen trat in der Mehrzahl der Versuche ein, wenn der Halsvagus gereizt wurde. Knaut sprach sich daher wieder für die Abhängigkeit der Bronchial- muskeln von Nervenfasern aus, welche in den Bahnen des Vagus ver- laufen. Schiff? beschreibt folgenden „Einfluss des Vagus auf die Lungenbläschen“: „Bei rasch getödteten Thieren wurden Lungen, Trachea mit beiden hoch oben am Halse durchschnittenen Vagis in Zusam- menhang auf einen feststehenden Tisch gebracht; nach schwachem Auf- blasen der Lunge, wurde die Trachea über einem Gummipfropf fest unter- bunden; die Vagi wurden auf einen Träger gelegt, durch den die Bewegung eines ferne stehenden Manipulators einen Inductionsstrom leiten konnte; auf eine Stelle in der Nähe des Randes der ausgebreiteten Lunge wurde ein glänzendes Metallscheibchen gelegt und der Stand des dem Beobachter zugekehrten Randes des Scheibchens mittelst eines Kathetometers aus der Ferne abgelesen. Nachdem das Scheibchen einige Secunden in constanter Höhe geblieben war, wurden während fortgesetzter Beobachtung durch das Kathetometer die Vagi gereizt, in einigen Versuchen bereits ohne Erfolg; ! Auch bei Einwirkung der elektrischen Reizung auf die Oberfläche der Lunge konnte Wintrich „im Manometer nicht die geringste Bewegung“ wahrnehmen, „während ein leiser Druck auf eine noch so kleine Pulmonalstelle, z. B. mit dem Knopfe einer Karlsbader Nadel hinreiehte, die Aethersäule im absteigenden Schenkel des Manometers in eine Abwärtsbewegung ete. zu versetzen.“ — Solche negative Resul- tate erhielt Wintrich auch an den Leichen zweier kräftiger junger Leute 14 und 16 Minuten nach dem Tode derselben durch Köpfung. ? De vitali, quae dieitur, pulmonum contractilitate nervis vagis irritatis. Dissert. Dorpat. Da mir das Original unzugänglich ist, eitire ich nach der weiter unten ange- führten Arbeit von Gerlach. ! 3 Bericht über einige Versuchsreihen angestellt im physiol. Laboratorium des Institutes zu Florenz. Archiv für die gesammte Physiologie. Bd. IV. 8. 225. Über DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LUNGE. 107 in fünf anderen senkte sich das Scheibchen um einige Bruchtheile eines Millimeters. Einmal machte das Scheibchen eine drehende Bewegung.“ Aus diesen Versuchen wird der Schluss gezogen, dass bei vollständig erhaltener Reizbarkeit das Lungenparenchym und wahrscheinlich also die Lungenbläschen an der Contraction mit Theil nahmen. ! Auf einen groben Versuchsfehler, der den Werth vieler früherer und viel- leicht auch einiger späterer unser Thema betreffenden Arbeiten zum Theil illuso- risch macht, hat Rügenberg,? der unter Heidenhain’s Leitung arbeitete, aufmerksam gemacht. Er sagt: „Wir haben an Kaninchen und Hunden im ganzen 14 Versuche angestellt, welche uns auf die Seite derjenigen zu treten veranlassen, die einen motorischen Einfluss des Vagus auf die Lungen leugnen.“ Nach den entsprechenden Vorbereitungen „wurde das Thier möglichst schnell durch einen Stich in das verlängerte Mark getödtet, die Bauch- höhle geöffnet und nach Abschliessung der Luftwege, vorsichtig das Zwerch- fell an einem Theile seiner Rippeninsertion losgelöst, um die Brusthöhle zu ölfnen und die Lunge zusammenfallen zu lassen.“ Dieselbe stand jetzt nur mit einem Wassermanometer in Communication. „Ineinigen Fällen hatte die Reizung der Nn. vagi gar keinen Effect. In den meisten Fällen stieg das Manometer bei Reizung der Nerven um einige Millimeter. An diesen Erscheinungen waren nicht die Luftwege sondern die Speisewege schuld.“ „Bei jeder Reizung des Vagus zog sich die Speiseröhre plötzlich ihrer ganzen Länge nach zusammen. An die Luftröhre durch nicht zu lockeres Bindegewebe der Länge nach angeheftet, konnte sie diese bei ihrer Contraction ein wenig comprimiren. Ferner aber zog der Oeso- phagus den Magen gewaltsam in die Höhe, presste diesen gegen das Zwerchfell und trieb das letztere soweit in die Brusthöhle hinein, dass dasselbe auf die untere Fläche der Lungen, trotzdem dass die letzteren zusammengefallen waren, einen leichten Druck aus- übte. So wurden die Luftwege durch die in Bewegung gerathenen Nachbar- organe zusammengedrückt und dadurch das Steigen des Manome- ters herbeigeführt.“ „Der Beweis für die Richtigkeit dieser Behauptung liest in folgendem: 1. Die Steighöhe des Wassermanometers bei Reizung der Nerven stand stets im Verhältniss zur Intensität der Oesophaguszusammenziehung, wie sich durch den Augenschein unschwer beurtheilen liess. era, 0218..227. ® Ueber den angeblichen Einfluss der N. vagi auf die glatten Muskelfasern der Lunge. Studien des physiologischen Instituts zu Breslau. Heft II. 8. 47. ® A.a.0. 8.48. 108 THEODOR BEER: 2. Wenn der Oesophagus unterhalb des Zwerchfells durchschnitten und in möglichster Ausdehnung von der Trachea bis gegen die obere Brustapertur getrennt wurde, hörte die Reizung der Nerven ganz auf, eine Einwirkung auf den Manometerstand zu haben.“! Wenn es auch durch die Versuche von Rügenberg wahrscheinlich gemacht ist, dass die Vagusreizung auch durch ihre Wirkung auf Magen und Oesophagus ein Ansteigen des intratrachealen Druckes zu Wege bringen könne, so war doch der aus dem letzterwähnten Experimente gezogene Schluss, dass der Vagus „keinen motorischen Einfluss auf die Lungen“ habe, etwas übereilt. Es scheint mir nicht ausgeschlossen, dass Rügenberg bei der geschil- derten Abtrennung des Oesophagus zur Lunge gehende Aeste des Vagus abriss oder wenigstens arg lädirte; hieraus dürfte sich sein endliches nega- tives Resultat erklären. P. Bert? sprach sich wieder für die Innervation der Bronchial- musculatur durch den Vagus aus. Er nahm die Lungen frisch- getödteter Thiere, von denen Herz und Speiseröhre abgetrennt worden waren, aus dem Thorax; die Trachea wurde mit einem Registrirapparate zur gra- phischen Darstellung der Druckschwankungen verbunden. Es wurden sowohl die Lungen selbst als auch die peripheren Stümpfe der Vagi gereizt. „Paul Bert hat nach vielen misslungenen Versuchen schliesslich bei einem Hunde 48 Minuten nach dem Tode deutliche vitale Contractionen der Lungen gesehen. Das Misslingen der früheren Versuche schreibt Bert der starken Aufblasung der Lungen zu“. 3 Toeplitz* controlirte Bert’s Versuche mit einigen Abänderungen; „letztere beruhten darauf, dass er die herausgenommenen Lungen, von denen der Oesophagus, nicht aber Herz und Aorta losgetrennt wurden, in eine auf Blutwärme gebrachte schwache Kochsalzlösung einsenkte. Die Lungen wurden durch ein kleines Gewicht, welches mit einer Schnur an das Herz befestigt wurde, unter Wasser gehalten. Die Trachealcanüle wurde sodann, um die Druckschwankungen registriren zu können, mit einem Marey’schen Zeichenhebel verbunden, welcher die Curven auf eine vorbei- 1! A.a.0. 8.50. 2 Lecons sur la physiologie comparee de la respiration. p. 370. Das Original ist mir nicht zugänglich. 3 Cit. nach Horvath, Beiträge zur Physiologie der Respiration. Archiv für die gesammte Physiologie. Bd. 13. S. 520. * Ueber die Innervation der Bronchialmusculatur. Dissert. Königsberg. Das Original ist mir nicht zugänglich, ich eitire nach der später angeführten Arbeit von Gerlach. ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LUNGE. 109 geschobene berusste Tafel aufzeichnete. Der Erfolg sämmtlicher in dieser Riehtung ausgeführten Versuche, bei denen sowohl die Vagi, wie die Lungen- substanz gereizt wurden, war jedoch ein durchaus negativer.“ In Versuchen, bei denen sich die Lungen im Thorax befanden und ein Strom quer durch die hintere musculäre Wand der Trachea geleitet wurde, konnten dagegen Curven erzielt werden, welche den Bert’schen ganz analog waren. Wurde aber der Desophagus vollständig entfernt, so unterblieb jegliche Druckschwankung im Luftröhrensystem“. Diese Ergebnisse bewogen Toeplitz der Meinung von Rügenberg beizutreten, wonach die bei Reizung der Vagi erhaltene Drucksteigerung in der Trachea und den Bronchien durch Contractionen des Oeso- phagus verursacht werden. Wie Mac Gillavry! fand, „steigt der Druck der im Lungenraume vorhandenen Luft beim Tetanisiren der Nn. vagi nur unmerklich. Die Verengerung des Raumes ist also jedenfalls gering. Das ist aber nur das statische Verhalten. Das dynamische, worauf es besonders ankommt, die Frage nämlich, inwiefern der Widerstand bei der Bewegung der Luft unter dem Tetanisiren zunimmt, war damit nicht gelöst. Mac Gillavry suchte ihrer Beantwortung experimentell näher zu treten, indem er sich einer Vorrichtung bediente, wobei ein gleichmässiger Luftstrom durch die Lungen geführt wurde, deren Oberfläche durch oberflächliche Nadelstiche eine Menge kleiner Oeffnungen erhalten hatte, durch welche die Luft knisternd austrat“. Während der Reizung wurde Drucksteigerung von im Maximum 45 um Wasser erzielt. „Während der Reizung war der Luftaustritt an den Oeff- nungen der Oberfläche sichtlich gehemmt. Bald verlor sich der Effect der Reizung an der ausgeschnittenen Lunge. Die Versuche an der Lunge, in situ, beim Fortbestehen des Kreislaufs, scheiterten grösstentheils an der bald hinzutretenden Dyspnoö mit heftigen Athembewegungen.“ Mac Gillavry’s Versuche wurden später von Riegel und Edinger controlirt: „Das Maximum der Drucksteigerung im Vergleiche zu dem Manometerstand vor der Reizung, aber bei bereits eingetretener Luftdurch- strömung, war 30 "m; häufig wurden nur 8, 10, 14"m Drucksteigerung erreicht.‘“? ! De invloed van bronchiaalkramp op de ademhaling. Nederlandsch Tijdschrift voor Geneeskunde. 1876. Das Original ist mir nicht zugärglich, ich eitire nach einer Mittheilung von Donders, in dessen Laboratorium Mac Gillavry gearbeitet hatte, in Verhandlungen des Congresses für innere Medicin. 4. Congress. 1885. 8. 276. ? Experimentelle Untersuchungen zur Lehre vom Asthma. Zeitschrift für klin. Mediein. Bd. XXIV. S. 419. 110 THEODOR Beer: Gerlach stellte ohne Kenntniss der Toeplitz’schen Versuche Experi- mente über die Beziehungen des Vagus zur Lungenmusculatur an; auch er controlirte zunächst die Angaben von Bert. Die Lungen, von denen Oesophagus, Herz und Aorta abgetrennt waren, wurden in einem mit er- wärmter Q-5 procentiger Kochsalzlösung gefüllten Gefässe derart suspendirt, dass die untere Lungenfläche den Boden fast berührte. Die Trachealcanüle diente zur Fixation und stand mit einem Wassermanometer in Verbindung. Bei Reizung des Vagus mit dem Inductionsstrom konnte — und auch dies nur in einigen Versuchen — ein Steigen im Manometer „von höchstens j»m H,O“ constatirt werden. ? Gerlach ging daher an die Controle der Knaut’schen Versuche; bei frisch getödteten Thieren wurde der Thorax geöffnet, die Trachealcanüle mit einem Wassermanometer verbunden und nun ein Vagus gereizt; „bei einem jungen Hunde erfolgte ein Steigen um 6"”, bei einem Kaninchen mittlerer Grösse um 4 mm.“ Weitere Versuche unternahm Gerlach auf Kühne’s Anregung am curarisirten Thiere, womit einerseits ein methodischer Fortschritt gegen die früheren mehr oder weniger rohen Versuche an der herausgenommenen Lunge oder am todten Thiere gegeben war; andererseits freilich war die am lebenden Thiere durch die Vagusreizung gesetzte Beeinflussung der Circulation geeignet, neue Fehlerquellen in das Experiment einzuführen. Die künstliche Athmung wurde im Exspirationszustande der Lunge unterbrochen; dieselbe stand nun mit einem Wasserinanometer in Communi- cation. Die Pleurahöhlen waren eröffnet. Gerlach reizte nur mit schwachen Strömen, weil er meinte, dass der durch stärkere Ströme erzeugte Herzstillstand in Folge der „Blutüberfüllune des Herzens auf den Druck in den Luftwegen nicht ohne Einfluss bleiben“ könne. Dafür musste er allerdings „die kleinen durch die Herzcontractionen bedingten Schwankungen mit in Kauf nehmen, welche ein exactes Anlesen des Manometerstandes sehr beeinträchtigen“, so dass, wie er selbst sagt, seine Zahlen nur auf „approximative Genauigkeit“ Anspruch machen können. Das Ansteigen im Manometer war „nur ein unbeträchtliches“; Durch- schneidung des Oesophagus Resection des Magens u. d. änderte hieran nichts. Ueber die Art der Innervation macht Gerlach folgende Annahme: „Die Uebereinstimmung, welche die Bronchien in Bezug auf ihre Nerven- versorgung mit Magen und Darm aufweisen, indem ganglienhaltige Nerven- geflechte sich bis zu den feineren Bronchien verfolgen lassen legt die Ver- ! Ueber die Beziehungen der Nn. vagi zu den glatten Muskelfasern der Lunge. Archiv für die gesammte Physiologie. Bd. XUI. S. 491. ® A.a.0. 8.498. ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE Lunge. 111 muthung nahe, dass auch bei ihnen die gleichen Contractionserscheinungen vor sich gehen. Es erscheint demnach höchst wahrscheinlich, dass bei Erregung des Vagus nach Art der Peristaltik in der Wand der Bronehien Contractionswellen ablaufen.“ Er meint, dies könnte mit den geringen Manometerausschlägen in Zusammenhang stehen. „Es ist klar, dass, wenn an den Bronchien gleichzeitig immer nur einzelne Stellen in Form einer ringförmigen Einschnürung . .... im Zustande der Contraction sich befinden, unmöglich erhebliche Drucksteigerungen resultiren können.“! Roy und Brown? führten bei curarisirten Hunden, deren Thorax ge- öffnet war, in einen Bronchus zweiter oder dritter Ordnung ein Glasrohr ein, an dessen Ende eine kleine Blase aus einem Kaninchen-Dünndarmstück aufgebunden war. Mit Hülfe des von Roy angegebenen Onkographen ’® wurden „changes in the calibre of a single bronchus“ auf dem rotirenden Cylinder verzeichnet. Auf Uebelstände ihrer Methode machen die Autoren selbst aufmerk- sam: „It prevents the entrance of air into the lung tissue lying beyond the bronchus where the bladder lies.“ Ferner: „The chief objection to the method consists in the fact, that unless the pressure in the bladder be higher than the maximum pressure of the air forced in by the artificial respiration apparatus, the oncograph records the artificial respirations; while to have the pressure in the bladder hish, would lead to local distension of the bronchus which we wished to avoid "This diffieulty does not affect the position of the recording lever during expira- tion, when the air pressurein the trachea and bronchi is far below the pressure in the bladder, so that it only makes the curves somewhat more complicated. Moreover, it can always be eliminated by stopping the respiration for a moment, while trying the effect of nerve stimulation or of any drugs.“ In dieser Methode kann demnach durchaus kein Fortschritt erblickt werden; der Werth der mit derselben erhaltenen Resultate wird überdies zum grossen Theil dadurch beeinträchtigt, dass während der Eingriffe etwaigen Veränderungen des Blutdrucks und deren Beziehungen zu dem Verhalten des intrapulmonalen Druckes meist keine Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Aus den Resultaten — die Curven sind meines Wissens bisher nicht publieirt — eitire ich folgendes: Reizung des Vagus in continuo sowie des peripheren Stumpfes erzeugte Bronchialconstriction. „Frequently and especially in non-curarised animals narcotised with UA.a.0. S.506. ” Proceedings of the Physiological Society XXI; Journal of physiology. Vol. VI. ® The Journal of physiology. Vol. III, 112 THEODOR BEER: ether, stimulation of the central end of one cut vagus, the other being intact, causes a powerful expansion of the kronchi. In these cases also stimulation of the peripheral end of the cut vagus causes a primary contraetion, followed in one or two minutes and during the stimulation by an expansion, which may dilate the bronchus beyond the ealibre it shewed before the stimulation was commenced.‘ „Ihe vagi contain centripetal fibres which can cause both contrac- tion and expansion.“ Auf die Schlüsse, welche aus diesen Sätzen auf Centren der Bronchial- bewegung im Üerebrospinal-System sowie auf „local centres in the lungs‘‘ gezogen werden, näher einzugehen ist, in Anbetracht der — wie sich zeigen wird, — nicht über jeden Zweifel erhabenen Praemissen nicht von Wich- tigkeit. Hervorheben möchte ich noch folgendes: „Stimulation of stomach, pleura, tracheal mucous membrane, intestine, nostrils &e. by induced current has not as yet been found by us to influence the calibre of the bronchi.“ „Atropine causes a complete paralysis of the constrieting fibres or of their terminal apparatus in the bronchi.“ Während ich damit beschäftigt war, die Gerlach’schen Versuche in etwas vervollkommneter Weise zu wiederholen, erschien die Arbeit von Sandmann: Zur Physiologie der Bronchialmusculatur.! Auch Sandmann hielt es in Anbetracht dessen, dass „positive und negative Resultate der verschiedenen Beobachter unvermittelt einander gegen- überstehen“, für angezeigt, die Innervation der Bronchialmusculatur durch den N. vagus neuerdings zu untersuchen. Er wiederholte den Versuch von Gerlach, nur dass er den in den Luftwegen herrschenden Druck nicht wie dieser mit dem Wassermanometer, sondern wie Bert mittels eines Tambour enregistreur beobachtete. Um den Effect der Vagusreizung möglichst eindeutig zu gestalten, wurde der Oesophagus durch einen eingeführten Glasstab immobilisirt, einer Beeinflussung von Seiten des Magens „durch ausgiebige Eröfinung des Ab- domens vorgebeugt.“ Sandmann sagt: „Bei unserem Verfahren bekommen wir Curven der Drucksehwankungen in den Luftwegen. Dieselben setzen sich zusammen aus den Contractionszuständen der Tracheal- und Bronchialmusculatur des elastischen Lungengewebes und endlich der veränderten Blutfüllung der Lungengefässe, des Herzens und der übrigen grossen Gefässstämme im Thorax.“ 1 Dies Archiv. 1890. 8. 252. ÜBER DEN KEINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LUNGE. 113 „Was das letztere Moment anlangt, so ergiebt eine einfache Ueberlegung, dass eine vermehrte Blutfüllung im Thorax und damit ein Steigen der Curven bewirkt wird 1. durch Verlangsamung der einzelnen Pulse, 2. durch Vasoconstrietion der Körperarterien und 3. durch Vaso- dilatation der Pulmonalgefässe. Umgekehrt muss eine verminderte Blutfüllung des Thorax und damit ein Sinken der Curven resultiren aus einer Beschleunigung der Pulse, einer Vasodilatation der Körperarterien und einer Vasoconstriction der Lungengefässe.‘“! Ich werde auf diese Anschauungen später ausführlich zurück- kommen. Die Ausschaltung des Einflusses circulatorischer Veränderungen, ver- suchte Sandmann durch Atropininjection zu erreichen. Mit Hülfe der- selben gelang es, „in vielen Fällen die Wirkung einer Vagusreizung auf das Herz auszuschliessen und vollkommen oder in anderen Fällen fast voll- kommen gleichmässige Pulse zu erhalten. Sehen wir nun unter dieser Versuchsanordnung bei Reizung des peripheren, Vagusendes — der andere ist intact oder ebenfalls durchschnitten — eine Hebung oder Senkung der Curve, so werden wir nicht fehlgehen, wenn wir diesen Effect auf die Thätigkeit der glatten Muskelfasern der Lunge beziehen.“ So zeigte sich, „dass schwächere Ströme meist verengend, stärkere erweiternd wirkten.“ Die Ansicht Brown’s, dass die durch Einstellung der künstlichen Athmung eintretende „Asphyxie“ Contraction der Bronchien herbeiführe, theilt Sandmann nicht und bringt letztere mit der Elastieität des Lun- sengewebes in Zusammenhang. Nach Brown lähmt Atropin die Bronchialmusculatur, nach Sand- mann „ist bei Katzen und Kaninchen dies nicht der Fall.“ Dass verschiedene Beobachter zu so divergirenden Resultaten gekommen waren, liest nach Sandmann’s Ansicht daran, „dass wir es hier mit einem ausserordentlich feinen, durch die mannigfachsten Einflüsse zu schä- digenden Mechanismus zu thun haben. Ich habe es sehr häufig beobachtet, dass ich bei demselben Thier und bei derselben Versuchsanordnung bald positive, bald negative Resultate bekam. Bald war die Wirkung der Reizung sehr erheblich, gleich darauf bei demselben Thier minimal oder überhaupt negativ.“ Ich gehe nun zur Schilderung meiner eigenen Versuche über. Zr 02 50253. 14.2.0. 8.255. | Archiv f. A, u. Ph. 1892. Physiol, Abthlg. Suppl, 8 114 THEODOR BEER: IT. Abschnitt. I. Capitel: Der Nachweis der Bronchialcontraetion bei peripherer Vagusreizung unter statischen Verhältnissen. 1. Das Ansteigen des intratrachealen Druckes.! Die Versuchsanordnung war folgende: Das auf den Rücken gebundene Thier wird tracheotomirt, in die Trachea wird der eine Schenkel eines T-Rohres luftdicht eingebunden, an dessen Hauptast die v. Basch’sche Trachealcanüle? befestigt ist; hierauf wird die Vena jugularis externa dextra praeparirt, abgebunden, in das centrale Ende eine 1 procentige Lösung des käuflichen Curare injieirt; sobald das Thier Unruhe zeigt, wird die künst- liche Athmung eiugeleitet. Die Trachealcanüle ist einerseits mit dem Hauptaste des T- Rohres, andererseits — durch einen mehrere Meter langen Schlauch — mit einem Blasebalg verbunden, welcher durch eine kleine Dampfmaschine, die auch das Kymographion treibt, rhythmisch bewegt wird. Ein Schenkel des T-Rohres mündet frei. \ An der Kreuzungsstelle der drei Aeste des letzteren ist ein. luftdicht schliessender Doppelweghahn eingeschaltet. Bei der einen Stellung desselben strömt die Luit aus dem Blasebalg in die Trachea, bei der anderen strömt die Luft ins Freie, die Lunge ist gegen den Blasebalg abgesperrt. Von dem in die 'Trachea eingebundenen Rohre geht unter rechtem Winkel ein kleines Seitenrohr ab, welches durch einen Gummischlauch mit einem nach v. Basch modificirten, sehr empfindlichen Marey® verbunden wird. Ist bei der letzterwähnten Stellung des Hahnes die Communication der Lunge mit dem Marey freigegeben, so verzeichnet der Schreiber desselben den. intra- trachealen Druck. Die Carotis communis wird am Halse praeparirt und in der üblichen Weise mit einem Ho-Manometer verbunden, dessen Schwimmer den Arterien- druck verzeichnet. ; Beide Nn. vagi werden am Halse praeparirt, unterbunden oder durch- schnitten; die peripheren Stümpfe werden mit Reizträgern armirt, welche einerseits durch einen queren Kupferdraht verbunden waren, an den anderen ! Ich habe den ersten der im folgenden geschilderten Versuche am 27. Nov. 1589 ausgeführt; Sandmann’s Arbeit erschien am 20. Juni 1890. ® Beschrieben in Grossmann’s Arbeit: Das Muscarin-Lungenoedem. Klinische und experimentelle Studien. Aus dem Laboratorium von Prof. v. Basch. 8.15. ® Beschrieben von Grossmann. Zixperimentelle Untersuchungen zur Lehre vom aculen allgemeinen Lungenoedem. A.a.0. 8. W. ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE Lunge. 115 Enden mit den Drähten der secundären Spirale eines du Bois-Rey- mond’schen Schlittenapparates in Verbindung standen. Der Oesophagus wird am Halse freigelegt, unterbunden und durch- schnitten; in das untere Ende wird ein dickes bis au die Cardia reichendes Glasrohr eingebunden. Durch einen Schnitt in der Linea alba wird der Bauch eröffnet; der Magen wird vorgezogen, an Cardia und Pylorus unter- bunden und resecirt. Zum Zwecke des Versuches wird die Lunge durch entsprechende Stellung des Doppelweghahnes in ihrer exspiratorischen Phase gegen den Blasebalg abgesperrt und ihr hierauf — durch Anstecken des Schlauches u. s. w. — die Communication mit dem Marey freigegeben. Es empfiehlt sich aus dem Grunde die exspiratorische Stellung zu wählen, weil sonst bei dem Zusammenfallen der Lunge in dem ersten Stadium, welches der Absperrung folgt, die in den Tambour getriebene srosse Luftmenge die Gummimembran desselben schon stark ausdehnt; hierdurch wird der Registrirapparat unempfindlicher und dem weiteren Steigen des Schreibers werden eventuell äussere mechanische Grenzen ge- steckt. Einen wesentlichen Einfluss der Respirationsphase auf den Effect der Reizung konnte ich übrigens nicht wahrnehmen. Mitunter steigt auch bei Absperrung in der exspiratorischen Stellung aus dem angeführten Grunde der Schreiber des Marey anfangs so hoch, dass es sich empfiehlt erst wieder durch Oefinung des zu dem letzteren führenden Schlauches Luft aus der Trachea entweichen zu lassen, bevor gereizt wird. Um dem Einwande zu begegnen, den Sandmann z. B. gegen Riegel und Edinger, sowie gegen Brown erhoben hat, nämlich dass ein Steigen des Manometers während der Vagusreizung auf Rechnung des „Ausgleichs der Elasticität des Lungengewebes“ gesetzt werden könnte ist es zweckmässig, erst dann zu reizen, wenn dieser Ausgleich sich bereits voll- zogen hat, der Schreiber des Marey also nicht mehr steigt, sondern sich in einer der Abscisse parallelen oder sogar gegen dieselbe ab- sinkenden Curve bewegt. Nach beendigter Reizung kann einfach durch Drehung des Hahnes die l.ünstliche Athmung! wieder aufgenommen werden. ! Ineiner kleinen Anzahl von Versuchen wurde mit künstlich erwärmter Luft geath- ınet. Es empfiehlt sich dies — besonders im Winter — im allgemeinen, um Bedingungen herzustellen, die den physiologischen möglichst nahe kommen, bei den in Rede stehenden Versuchen aber erschien es besonders angezeigt, weil die kalte, direct in die Trachea strömende Luft an sich die Bronchien in einen gewissen Contractionszustand versetzen konnte, ferner, weil wie Horvath (Beiträge zur Physiologie der Respi- ration, Ueber die Contractionen der Trrachea bei Süugethieren, a. a. 0.) gezeigt hat, die Contractilität der Trachea — wenigstens bei direeter elektrischer Reizung — g* 116 THEODOR BEER: Auf dem fortlaufenden Papiere des Kymographions werden ausser dem Arteriendruck und dem Trachealdruck die Vagusreizung sowie etwaige andere Eingriffe, ferner die Zeit (elektromagnetisch) in Doppelseeunden registrirt. In der beschriebenen Weise wurden Curven! gewonnen, von denen ich die drei folgenden als Paradigmen mittheile: Fig 1 zeigt die während der Vagusreizung eintretende Steigerung des intratrachealen Druckes beim Affen, Fig. 2 beim Kaninchen, Fig. 3 beim Hunde. Ich habe den geschilderten Versuch an einem Affen, an 5 Kaninchen und an 19 Hunden ausgeführt; in allen diesen Versuchen hatte die Reizung der peripheren Vagusstümpfe ein Ansteigen des Tra- chealdruckes zur Folge. Ich muss daher der oben eitirten Angabe von Sandmann, dass der Effect der Reizung kein sicherer sei, oft Ana ET TI I TTIITTTIETEIIIITEUFAT — T B KENT Toren er l E BU ee SEE H, A R R a Fig. 1 (ca. ?/), der ursprünglichen Grösse). Ansteigen des Trachealdruckes. grosser, ausgewächsener, männlicher Mantelpavian (Hamadryas) curarisirt. $ Linie der Doppelseeunden, 7 Curve des Tracheal, A Curve des Blutdruckes, RR, Vagus- reizung, Rollenabstand 6-5. In diesem Versuche waren Magen und Oesophagus intact. in hohem Grade von der Temperatur abhängig ist; dasselbe wird wohl von den Bronchien gelten. — Horvath sagt: „Es zeigte sich, dass die Stärke und Geschwin- digkeit der Tracheal-Contractionen der Temperatur nahezu proportional waren, und dass die Contractionen bei einer der Körpertemperatur naheliegenden Temperatur weit energischer auftraten als 10 ° oder 20 ° Celsius unter dieser Temperatur.“ Ich konnte aber in meinen hierauf bezüglich allerdings zu wenig zahlreichen Versuchen einen wesentlichen Einfluss der Lufttemperatur auf den Effect der Reizung nicht wahrnehmen. ! Die sämmtlichen im Texte gegebenen Curven sind photographisch nach den Originalen reprodueirt; wenn eine Verkleinerung nicht ausdrücklich angegeben ist, in natürlicher Grösse. — Alle diejenigen, bei denen nicht ausdrücklich eine andere An- Gabe gemacht ist, stellen Paradigmen aus grossen Versuchsreihen dar. ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LUNGE, 117 sanz ausfalle u.s. w., sowie dass es sich hier um einen ganz besonders feinen und empfindlichen, leicht zu schädigenden Mechanismus handle, entschieden widersprechen. Bei der dargelegten Versuchsanordnung ist das mehr oder weniger beträchtliche Ansteigen der Trachealdruckcurve ein so regelmässig auftretendes Phaenomen, dass ich diesen Versuch geradezu für die Vorlesung empfehlen kann, er geht so sicher wie das Ansteigen des Blutdruckes bei Splanchnicus- oder die Pulsverlangsamung bei Vagusreizung. | g ud TLIITI TIL I I TI U U Lu u — nn u — ne RER [3 Fig. 2. Ansteigen des Trachealdruckes. Grosses weisses Kaninchen, curarisirt. S Linie der Doppelsecunden, 7’ Curve des Tracheal-, 3 Curve des Blutdruckes, AR, Vagusreizung, Rollenabstand 8-0. In einigen Versuchen, die in der oben angeführten Zahl nicht inbe- griffen sind, habe ich allerdings neben positiven auch „negative“ Resultate gehabt (z. Th. an demselben Thiere NB.); in solchen Fällen habe ich mich aber nicht einfach mit der Constatirung des negativen Resultates begnügt, sondern die Ursachen des negativen Ausfalles der Rei- zung zu ergründen versucht und dann durch Vermeidung solcher und 118 THEODOR BEER: entsprechende Abänderung der Versuchsanordnung das regelmässige Phae- nomen der Drucksteigerung erhalten. Meine derartigen Erfahrungen sind folgende: 1. Zunächst bedarf es selbstverständlich einer bestimmten Strom- stärke, die bei verschiedenen 'TThieren verschieden ist, um durch den elek- trischen Reiz die Bronchialmuseulatur zu ausgiebiger Contraction zu bringen. Fig. 3. | Ansteigen des Trachealdruckes. Einjährige mittelgrosse graue Wolfshündin, eurarisirt. 8 Linie der Doppelsecunden, T Curve des Tracheal, B Curve des Blutdruckess, RR, Vagusreizung, Rollen- abstand 7-5. Ich reizte gewöhnlich bei einem Rollenabstande von 10 bis 4°”; bei solchem Rollenabstande sah Sandmann „Dilatation der Bronchien“, auf die ich später zurückkomme. 2. Bei sehr jungen und bei sehr alten Thieren ist die durch Vagusreizung zu erzielende Steigerung des Trachealdruckes mitunter weniger erheblich — auch bei Anwendung starker Ströme; bekanntlich ist bei 1 A ea nn m 2 ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE Lunge. 119 solehen Thieren auch die herzhemmende Wirkung der Vasusreizung öfters geringer. . 3. Wenn sich Secret im Bronchialbaum befindet — die Stallthiere leiden gar nicht selten an Bronchitis, auch pflegt sich sonst: manchmal nach wiederholten Reizungen etwas schaumig-klebriges Secret anzusammeln, — so kann dasselbe das ziemlich enge Seitenrohr von der Trachealcanüle zum Marey verstopfen und der letztere zeigt dann eine geringe Drucksteigerung im Binnenraum dar Lunge nicht mehr an. In solchen Fällen empfiehlt es sich, vermittelst der Saug- und Druckwirkung einer Spritze die freie Communication herzustellen, deren Bestehen man am sichersten, aber nicht immer an den „Lungenpulsen“ der Trachealdruckeurve erkennen kann. 4. In einigen negativen Fällen genügte es, den benützten Marey durch einen empfindlicheren zu ersetzen um das gewöhnliche Phaenomen zu erhalten. 5. Es empfiehlt sich, den Magen vollständig abzubinden und zu ent- fernen; eröffnet man, wie dies Sandmann und zwar auch nicht in allen Fällen that, bloss das Abdomen, so ist man nicht sicher, dass sich nicht unter dem Einflusse der Vagusreizung der Magen contrahire, an dem Zwerchfell einen Zug ausübe! und so eine Erniedrigung des in der Lunge herrschenden Druckes bewirke; dieselbe kann aber eventuell die durch die Bronchialcontraction bewirkte Drucksteigerung ausgleichen oder sogar über- compensiren. 6. Atropin vernichtet, wie später ausführlich erörtert werden soll, die Reizbarkeit der Bronchoeonstrietoren im Vagus; eine Spur davon, die z. B. durch Versehen in die Curarespritze gelangt ist, kann ein negatives Resultat verschulden. 7. Auch das Curare selbst setzt die Erregbarkeit der genannten Nerven herab; in grösseren Dosen vernichtet es dieselbe fast. Hiervon kann man sich leieht überzeugen, wenn man z. B. zuerst bei geöffnetem Thorax reizt; es bedarf dann nur schwacher Curarisirung, da Athembewegungen in diesem Falle den intratrachealen Druck nicht beeinflussen. Stärkere Öurarisirung setzt dann sofort die Grösse der bei Vagusreizung erfolgenden Tracheal- drucksteieerung erheblich herab. Die beiden Curven Fig. 4 und Fig. 5 illustriren den Einfluss des Curare in folgender Weise: Um zunächst den Einfluss dieses Giftes auf die Erregbarkeit der bronchoconstrictorischen Nerven gänzlich zu vermeiden, wurde das Thier nicht curarisirt, sondern in Chloroformnarkose durch quere Durchtrennung der Medullaoblongata und Zerstörung des Halsmarkes gelähmt, so ' Es besteht hier kein Widerspruch mit der eitirten Angabe Rügenberg’s; denn jetzt ist der Oesophagus durchschnitten und an seiner Contraetion gehindert; er kann den Magen nicht mehr in die Höhe ziehen. 120 THEODOR BEER: dass speciell jede Respirationsbewegung wegfiel. Das Thier wurde künstlich geathmet, die Anordnung war im übrigen die ganz gleiche, wie in den früher geschilderten Versuchen. Fig. 4 zeigt das während der Vagusreizung eintretende beträchtliche Ansteigen des intratrachealen Druckes. Di a Foren Da IE ET EEE I SE ET ——— an ad Fig. 4. Ansteigen des Trachealdruckes (vor Curarisirung). Mittelgrosser gelber weiblicher Hühnerhund, nicht curarisirt. Athemcentren zerstört. $ Linie der Doppelsecunden, 7 Curve des Tracheal-, B Curve des Blutdruckes, RR, Vagusreizung, Rollenabstand 7-5. Nach der Reizung wird die künstliche Athmung wieder aufgenommen und nun werden dem Thiere 5 °® einer 1 procentigen Lösung von Curare in die Vena jugul. injieirt. 26 Secunden nach der Injection wird die fol- gende Curve (Fig. 5) verzeichnet: Fig. 5. Ansteigen des Trachealdruckes (nach Curarisirung). Dasselbe Thier wie in Fig. 4, curarisirt. S Linie der Doppelseeunden, 7 Curve des Tracheal-, B Curve des Blutdruckes, 2R, Vagusreizung, Rollenabstand 7-5. ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LuNnGeE. 121 Wie man sieht, ist die mit der gleichen Stromstärke wie vorher zu erzielende Drucksteigerung jetzt viel geringer, auch mit stärkeren Strömen ist kein erheblicherer Anstieg mehr zu erreichen; eine weitere Spritze der Curarelösung, in die Jugularvene injicirt, vernichtete den Effect der Reizung vollständig. Hieraus ergibt sich die Regel, zum Zwecke unseres Versuches die Thiere vorsichtig gerade nur soweit zu curarisiren, dass jede active Bewegung willkürlicher Muskeln ausgeschlossen ist. Auf eine Fehlerquelle, die andererseits in zu schwacher Ourarisirung gelegen ist, komme ich später noch zurück. 8. Durch wiederholte Reizungen, besonders mit stärkeren Strömen, wird der Nerv ermüdet und man erhält dann natürlich negative Re- sultate. Bei Berücksichtigung aller der angeführten Factoren hätte Sandmann unzweifelhaft ebenso wie ich die Steigerung des intratrachealen Druckes als regelmässige Folge der peripheren Vagusreizung eintreten sehen; dasselbe gilt hinsichtlich der negativen Resultate anderer Autoren. Es handelt sich nun um die Deutung der CGurven; ist die geschil- derte Drucksteigerung wirklich auf die Contraction der Bronchial- musculatur zu beziehen? Wir können die supponirten bronchocon- strietorischen Fasern anatomisch nicht von den im Vagus enthaltenen Fasern für Oesophagus und Magen, Herz und Gefässe u. s. w. trennen, um sie isolirt zu reizen. Den Einfluss auf Magen und ÖOesophagus glaube ich ausgeschaltet zu haben. Es handelt sich noch um die Circulation; reizen wir den Vagus am Halse, so treten gewaltige Aenderungen derselben ein, welche möglicher Weise die alleinige oder wesentliche Ursache unseres Phaenomens abgeben konnten. Sandmann sagt: „Blutdruckmessungen in der Carotis, die ich gleich- zeitig mit den Messungen des Bronchialdruckes aufnahm, gaben nicht senügenden Aufschluss darüber, wie sich die Verhältnisse im kleinen Kreis- lauf gestalten, noch wie sich die Körperarterien verhalten. Wir erhalten nur einen Complex von Erscheinungen, die sich aus Frequenz und Grösse des Pulses und dem Drucke in den Körperarterien zusammensetzen.“ Dieser „Complex von Erscheinungen“ und speciell die Verhältnisse im kleinen Kreislaufe wären Sandmann vermuthlich klarer geworden, wenn er neben dem Arteriendrucke auch den Druck in der Pulmonalarterie und im Venensystem bezw. im linken Vorhofe in Betracht gezogen hätte. Dem ging er aber aus dem Wege, von der Meinung geleitet, dass sich die Ausschliessung der circulatorischen Veränderungen, welche die 122 THEODOR BEER: Vagusreizung setzt, durch die Atropinvergiftung erreichen lasse. Warum nach derselben die Blutdruckmessung in der Carotis genügenden Auf- schluss gibt, wie sich die Verhältnisse im kleinen Kreislaufe gestalten, wird allerdings nicht gesagt. Meine eigenen Erfahrungen über die Wirkung des Atropins sind folgende. 2. Der Einfluss der Atropinintoxication auf den Effect der Vagusreizung. Ich habe in allen dahin angestellten Versuchen, das ist an 3 Kaninchen und 15 Hunden, bei denen die Vagusreizung den gewöhnlichen bereits geschilderten Effect der Trachealdrucksteigerung gehabt hatte, im Gefolge der intra-venösen Injection von Atropin. sulfuric. (/,—1'/, “® einer 0-1 procentigen Lösung) die Vernichtung des ge- nannten Phaenomens, sowie der herzbemmenden Wirkung der Vagus- reizung gesehen. Beim Kaninchen sah ich ein einziges Mal durch Vagusreizung nach der Atropininjection noch Pulsverlangsamung zu Stande kommen, das Phae- nomen der Steigerung des Trachealdruckes dagegen war bereits vernichtet, wie die folgende Curve (Fig. 6) zeigt. Wu nn m ne IN I mm BGE SE ea aan en N nn SL nn, EUR A EEE VW Vin Ye \ v MEER IE ln, — 0 a Fig. 6. Ausfall der Trachealdrucksteigcrung nach Atropininjeetion. Dasselbe Kaninchen wie in Fig. 2; 0-5 einer 0-1 procentigen Lösung von Atropin. sulfur. (ein halbes Milligramm) in die Vena jugularis injieirt. $ Linie der Doppel- seeunden, 7 Curve des Tracheal-- B Curve des Blutdruckes, AR, Vagusreizung, Rollenabstand 6-0. Hier wurde also im geraden Gegensatze zu Sandmann’s Angabe die Erregbarkeit .der Bronchoconstrictoren durch Atropin ver- ÜBER DEN FINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LUNGE, 193 nichtet, während die der herzhemmenden Fasern im Vagus noch erhalten blieb. Etwas später war hier ebenfalls auch die Erregbarkeit des Herzvagus geschwunden. Beim Hunde gelang es mir ein einziges Mal das dem eben geschilder- ten entgegengesetzte Verhalten, nämlich bei Vagusreizung nach der Atropininjeetion noch ein ganz geringes Ansteigen des intratrachea- len Druckes zu sehen, ohne dass sich dabei die Schlagfolge des Herzens änderte (siehe Fig. 15). 70 Secunden nach der Reizung war auch dieser geringe Effect nicht mehr zu erzielen. Das Atropin vernichtet demnach in der Regel das sonst bei Vagusreizung zu beobachtende Phaenomen der Steige- rung des Trachealdruckes, bezw. es vernichtet die Erregbarkeit der Bronchoconstrictoren im Vagus.! Ob dieser Ausfall auf einer Unterbrechung der Leitung oder einer Lähmung der Endapparate oder der Muskeln u. s. w. beruht, bleibt vorläufig dahingestellt und weiteren Untersuchungen vorbehalten. Die von Sandmann berichtete Thatsache zu bezweifeln, dass auch nach der Atropinvergiftung bei Vagusreizung noch Erhebungen der Tracheal- druckcurve — auf die Senkungen komme ich später noch zurück — vor- kommen können, fällt mir natürlich nicht ein; dass solche Schwankungen der Curve aber stets auf einer durch Vagusreizung bewirkten Bronchialcontraction beruhen, ist noch durchaus nicht aus- semacht, jedenfalls aber ist die Behauptung, dass beim Kaninchen Atropin keine Lähmung der verengernden Bronchialmuseulatur bewirke, unrichtig; das Atropin wirkte hier — qualitativ — genau so wie beim Hunde. Dass es unter sehr zahlreichen Versuchen gelingen kann, die beiden in Rede stehenden Wirkungen der Vagusreizung zu trennen, ist, wie ich durch meine Controlversuche gezeigt habe, wohl möglich; als ein methodisch zu beherrschendes Mittel zur Ausschaltung der Cireulationsänderungen konnte mir aber die Atropinvergiftung nicht dienen, schon deshalb nicht, weil auch nach derselben die Vagusreizung ! Durch ein Versehen des Dieners wurde einmal dasselbe Schälchen, das in einem früheren Versuche für die Atropinlösung benutzt worden war, nachdem es übrigens gut ausgewauschen war, für die Curarelösung benutzt. Die Vagusreizung hatte weder auf den Tracheal- noch auf den Blutdruck den gewöhnlichen Effect; das wohl- gekannte Verhalten des letzteren bei Vagusreizung nach der Vergiftung mit Atropin, wies sofort auf dieses Gifs hin, das hier in kaum vorstellbar minimaler Quantität in den Kreislauf gelangt war; hätte ich nicht immer gleichzeitig den Blutdruck ge- schrieben, was Sandmann u. A. vernachlässigten, so wäre ich wohl auch in die Un. vorsichtigkeit verfallen, einfach von einem „negativen“ Resultate zu sprechen, 124 THEODOR Beer: noch immer von Aenderungen des Blutdruckes begleitet sein kann, wenn auch die herzhemmende Wirkung derselben vernichtet ist. Sandmann kam es wesentlich darauf an „vollkommen oder in anderen Fällen fast vollkommen gleichmässige Pulse zu erhalten“;! mir kam es daraufan Aenderungen des Blutdruckes auszuschliessen, bezw. deren Einfluss auf das Verhalten der Trachealdruckeurve zu studiren. 3. Untersuchung der durch die Vagusreizung gesetzten eirculatorischen Aenderungen in ihrem Einflusse auf den intrapulmonalen? Druck. a) Bei Vagusreizung steht das Herz in diastolischer Stellung still — der Einfachheit halber nehmen wir diesen maximalen Effect an — und wird allmählich grösser. Die durch eine Vergrösserung des Herzens an sich gesetzte Raumbeengung im Thorax könnte den Druck innerhalb des Binnenraumes der Lunge erhöhen. Dieses Moment ist ausgeschaltet, wenn unser Versuch bei eröffnetem Thorax angestellt wir. Auch dann erfolgt bei Vagusreizung regelmässig ein Ansteigen des Trachealdruckes, wie dies die folgende Fig. 7 illustrirt. Dasselbe pflegt allerdings weniger erheblich zu sein als bei geschlossenem Thorax. 6) Während der Vagusreizung — wir nehmen wieder Herzstillstand an — entleert sich das Blut der Lunge in den linken Vorhof, woselbst der Druck ansteigt;? andererseits sinkt der Druck in der Arteria pulmo- nalis ab, d. h. in die Lungenarterien gelangt kein Blut, mit anderen Worten, die Lunge wird in Folge des Vagusherzstillstandes blutarm.* ! Bekanntlich wird auch dieses Ziel durchaus nicht gewöhnlich erreicht: „Bei mit Atropin vergifteten Thieren bringt, wie Schiff zuerst beobachtet und dann auch Rutherford, Keuchel und Schmiedeberg gefunden haben, Reizung des Vagus Vermehrung der Herzfrequenz hervor.“ (Aubert, Aandb. der Physiol. BaIVSsEl an Sss): ® Die Ausdrücke Trachealdruck, intratrachealer, intrapulmonaler Druck werden vollständig synonym gebraucht. ® Vergl. demnächst zu publieirende Versuche, die Dr. Kauders im gleichen Laboratorium angestellt hat. * Im Gegensatze zu der hier entwickelten Anschauung steht diejenige, zu welcher Grossmann (a.a.0. 8.39. Taf. I. Fig. 11) auf Grund eines Versuches gelangt ist, in welchem während der Vagusreizung der Druck in der Art. carotis, in der Art. pulmonalis und im linken Vorhofe gemessen wurde. — In diesem Versuche zeigte sich bei der Vagusreizung an dem Drucke in der Art. pulm. nicht nur keine Senkung, sondern sogar eine leichte Steigerung, der Druck im linken Vorhofe zeigte ein Sinken. In der Regel aber sinkt bei der Vagusreizung mit dem Arteriendrucke auch der Druck in der Art. pulm. und der Druck im linken Vorhofe steigt. Der Versuch Grossmann’s ist daher durchaus nicht dafür beweiskräftig, i h ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LUNGE. 125 In welcher Weise beeinflusst nun die Herabsetzung der Blut- fülle der Lunge als solche den intratrachealen Druck? Um diese Frage zu beantworten, habe ich folgenden Versuch angestellt: die Anordnung ist im allgemeinen die der zuerst geschilderten Versuche; nn N re Ya and A Fig. 7. Ansteigen des Trachealdruckes (Thorax geöffnet). Gelber weiblicher Jagdhund, curarisirtt. S Linie der Doppelsecunden, 7 Curve des Tracheal-, B Curve des Blutdruckes, RR, Vagusreizung, Rollenabstand 7-0. dass während der Vagusreizung die Blutfüllung der Lunge nicht eine geringere wird. — Es ist nicht ausgeschlossen, dass in dem erwähnten Versuche, in welchem die Vagus- reizung nur geringe Pulsverlangsamung erzeugte, überwiegend die — allerdings noch nieht über jeden Zweifel erhabene — Lungengefässconstriction zum Ausdrucke kam: das Steigen des Druckes in der Art. pulm. und das Sinken des Druckes im linken Vorhofe, sowie im Arteriensystem, stimmen wenigstens mit dieser Annahme vollständig überein, 126 THEODOR BEER: der Thorax wird in der Medianlinie geöffnet, seine Wandungen werden durch Schnüre mit Gewichten auseinandergehalten. Durch die Jugularvene der rechten Seite (zur- Curareinjection wird in solchen Versuchen die der linken Seite benützt) wird ein Obturator von ähnlicher Construction wie der bekannte von Ludwig verwendete „Stopfbeutel“ in den rechten Vorhof eingeführt; die Aufblähung der im Atrium liegenden Kaut- EERTEIR VAR MI BEL BD. EENEEREENE TERRA SBERERERE EEE BET ge ee 17) O Fig. 8. Ansteigen des Trachealdruckes en Anämisirung der Lunge durch Obturation des rechten Vorhofes. Grosser schwarzbrauner Rattler, curarisirt. Obturator im Atrium dextrum. Thorax geöffnet. Athmung ausgesetzt. 8 Linie der Doppelseeunden, 7 Curve des Tracheal-, B Curve des Blutdruckes, OO, Periode der Obturation. schukblase (durch warmes Wasser) macht die Lunge durch Abschneidung des Blutzuflusses aus dem Venensystem blutleer. Ausdruck hiefür ist das Sinken des Druckes im Arteriensystem, welches jetzt wenig oder gar kein Blut erhält; zugleich mit diesem Sinken sieht man nun den intratrachealen Druck ansteigen; als Paradigma diene die obige Fig. S. ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LUNGE. 127 Bei Entleerung des Obturators schiesst das Blut in die Lunge, der Arteriendruck steigt wieder und dementsprechend kehrt der intrapulmonale Druck allmählich auf das Ausgangsniveau zurück. $ Fig. 9. Ansteigen des Trachealdruckes in Folge von Vagusreizung bei durch Obturation des Atrium dextrum bewirkter Lungenblutlecre. Derselbe Hund wie in Fig. 8. Athmung ausgesetzt. S Linie der Doppelseceunden, T Curve des Tracheal-, BZ Curve des Blutdruckes, OO, Obturation des rechten Vor- hofes, RR, Vagusreizung, Rollenabstand 6-0. Es kann nicht zweifelhaft sein, dass in diesem Versuche das Ansteigen des intratrachealen Druckes davon herrührt, dass der Binnenraum der Alveolen in Folge der schwächeren Füllung der sie umspin- nenden Capillaren sich verkleinert. 128 THEODOR Beer: Bewirkte wirklich die Vagusreizung Contraction der Bronchien, so musste sie, auf die Obturation des rechten Vorhofes aufgesetzt, ein weiteres Ansteigen der Trachealdruckeurve bewirken; dies war auch der Fall, wie das vorhergehende Paradigma lehrt (Fig. 9). Der Obturationsversuch wurde zunächst bei eröffnetem Thorax angestellt, weil hier sowohl der Einfluss etwaiger respiratorischer Be- wegungen als auch das Moment der durch den aufgeblähten Obturator selbst gesetzten Raumbeengung im Thorax wegfällt. c) Auch bei geschlossenem Thorax stellt ein Ansteigen der Trachealdruckeurve den gewöhnlichen Eiffect der Obturation des rech- ten Vorhofes dar. Die Erscheinung kommt hier aber auf viel complieirterem Wege zu Stande und ausnahmsweise kann hier auch ein Sinken des intratrachealen Druckes eintreten. Hier sind nämlich Be- dingungen gegeben, durch welche nicht bloss in Foige der Blutverarmung des Organs der Binnenraum der Lunge sich verkleinert, sondern auch andererseits der intrathoracale Druck in Folge der Volumverkleinerung der blutleer gemachten Lunge und eventuell auch des Herzens vermindert werden kann. Hinwiederum den letztgenannten Factoren entgegen arbeitet die sowohl durch die Aufblähung des Obturators als auch durch die An- stauung des Blutes in den grossen Hohlvenen bedingte Raumbeengung im Thorax. Es wirken also einander entgegengesetzte Momente auf das Ver- halten des intrapulmonalen Druckes, dessen Curve während der Obturation sich je nach dem positiven oder negativen Ausfalle der algebraischen Summe dieser Momente gestalten muss.! Die folgende Curve (Fig. 10) zeigt das Ansteigen des intrapulmonalen Druckes während der Obturation bei geschlossenem Thorax. Gehen wir auf die Deutung dieser Curve etwas näher ein, so lässt sich folgendes sagen: Das sofort mit der Wassereinspritzung in die Kau- tschukblase des Obturators eintretende steile Ansteigen des Trachealdruckes — dasselbe beginnt schon, bevor noch der Arteriendruck eine wesentliche Aenderung der Cireulation anzeigt — ist wohl direct auf die durch die Auf- blähung des Obturators gesetzte Drucksteigerung im Thoraxraume zu be- ziehen. Auf der erreichten Höhe hält sich der intratracheale Druck nicht, ! Hier hat man besonderes Gewicht auf absolute Lähmung durch Curare zu legen. Denn erstens verursacht schon die durch Aussetzung der künstlichen Athmung herbeigeführte Erstickung dyspnoische Reize und zweitens setzt die durch die Obturation des rechten Vorhofes bedingte Unterbrechung der Circeulation eine hochgradige Erregung der Athemcentren. Bei nicht vollständiger Lähmung kann es hiedurch zu Zuckungen und inspiratorischen Bewegungen kommen, welche ihrerseits wieder den intrapulmonalen Druck beeinflussen. ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE Lunge. 129 ‚uoreanggo 10p PpoLmg "OO “sOyPnapyng sop amd T ‘-Teayden] sop PAım)) ,z ‘uopundospoddoq A9p orurf S 'MWerur xEIog], “wmaxop wnLyy WI dopemggo NIstremo “Topyey AOZzıeMyos 10sso1sTaygtm “(U9Ssogas93 XEIOUL) SOFoyLoA UOYY99L Sp WoLyeınygo Ieq soyonıpjeagowı] Sop uastogsuy ‘essory uayorsunıdsım op */. "®0) OT "IIA rei Hi. 2 na an. >>> — Archiv f. A. u. Ph, 1892. Physiol. Abthlg. Suppl, 130 THEODOR BEER: sondern sinkt, während der Arteriendruck allmählich absinkt, ebenfalls ab, bleibt aber in Folge der anderen früher erwähnten das Steigen begünstigenden Momente noch immer höher, als vor der Obturation. Mit der Ent- leerung der Flüssigkeit aus der obturirenden Blase kommt es sofort wieder zum Absinken des Trachealdruckes — was wohl wieder auf die directe Druckerniedrigung im Thoraxraume zu beziehen ist. Dann kommt es zu einem neuerlichen Anstieg, der wohl auf der plötzlichen Anfüllung der T,unge und des Herzens beruht; von dem erreichten Maximum kommt es alsbald zum definitiven Absinken, dessen Ende aber nicht abgewartet, son- dern durch eine zweite Obturation- unterbrochen wurde. Dass — wenn auch nur ausnahmsweise — während der Obturation aus den oben angeführten Gründen auch eine Senkung an der Tracheal- druckcurve vorkommen kann, zeigt Taf. IX, Fig. 1. Man sieht hier unge- fähr in der Mitte der Obturationsperiode ein Sinken des intratrachealen Druckes, ohne dass sich an dem Blutdrucke gleichzeitig etwas ändert. Es würde uns zu sehr von unserem Thema abführen, hier noch weiter auf diese Erscheinungen einzugehen. 4. Discussion der Trachealdrucksteigerung bei peripherer Vagusreizung. Die Steigerung des Trachealdruckes in Folge der Vagusreizung ist eine complexe Erscheinung, welche 1. zwar überwiegend auf der Contraction der Bronchien, 2. aber auch auf der Aenderung der Blutfüllung der im Thorax eingeschlossenen Theile (Herz, Lunge, grosse Gefäss- stämme u. s. w.) speciell auf der durch die Circulationsstörung gesetzten mechanischen Aenderung der Alveolarlumina beruht. Bei offenem Thorax kommt neben der Bronchialcontraction nur das letzterwähnte Moment — die durch die Blutleere der Lunge bedingte Verkleinerung des Alveolarlumens in Betracht, bei geschlossenem Thorax bewirkt auch die durch die Vergrösserung des Herzens, sowie durch die Anstauung des Blutes in den grossen Hohlvenen bedingte Steigerung des intrathoracalen Druckes gleichsinnig mit der Contraction der Bronchien ein Ansteigen des intrapulmonalen Druckes. An den genannten Verhältnissen ist es gewiss — wenigstens zum Theil — gelegen, dass — wie dies von vorneherein zu erwarten — die bei Vaeusreizung regelmässig erfolgende Trachealdrucksteigerung nach Eröffnung des Thorax meist nur geringere Werthe erreicht als vorher. Die beiden folgenden, an demselben Thiere unmittelbar vor und nach Eröffnung des Thorax gewonnenen Curven (Fig. 11 u. 12) illustriren dies in typischer Weise. ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LUNGR. 131 b2 5 nie mm m En nei N Ba ER En war u ee = —< wun BREPFT ud Fr Ba as Y Fig. 11 Fig. 12 ('/; der ursprünglichen Grösse.) (!/; der ursprünglichen Grösse.) Ansteigen des Trachealdruckes (Thorax geschlossen). (Thorax geöffnet). Braunes Dachsweibchen, eurarisirt. Rollen- Dasselbe Thier wie in Fig. 11, ceurarisirt. abstand 8:0. 7 Curve des Tracheal-, Rollenabstand 7-5. 7 Curve des Tracheal-, B Curve des Biutdruckes. B Curve des Blutdruckes. 5. Die Steigerung des intratrachealen Druckes bei Vagus- reizung am todten Thiere. Um endlich jedem Einwurfe gegen die durch Vagusreizung zu erzielende Contraction der Bronchien zu begegnen, habe ich bei der gleichen Anord- nung, wie sie für die ersten Versuche geschildert wurde, den Thorax eröffnet, das ganze Herz an der Krone ligirt und abgeschnitten. Von Cireulationsänderungen konnte jetzt überhaupt keine Rede mehr sein.! ! v. Bezold und Gscheidlen, sowie später Kowalewsky und Adamük fanden bekanntlich nach Abschnürung des Herzens (welcher Eingriff ja in mancher Hinsicht der Erstickung nahe kommt) noch Aenderungen des Blutdruckes, diese sistiren aber schon sehr kurze Zeit nach dem Eingriffe; ich reizte stets, wenn der Blutdruck keine Aenderung mehr zeigte. 9* 132 THEODOR BEER: Wurden die peripheren Stümpfe der Vagi gereizt, so erfolgte auch hier eine Steigerung des intratrachealen Druckes, wie dies das folgende Paradigma lehrt (Fig. 13). PA — Fig. 13. Trachealdrucksteigerung beim todten Thiere. Mittelgrosse, einjährige, graue Dogge, ceurarisirt. Thorax geöffnet, Athmung ausgesetzt, Herz abgeschnitten. AR, Vagusreizung beim Rollenabstande 5-5, S Linie der Doppel- secunden, 7 Curve des Trachealdruckes. Es gelang mir bis 15 Minuten nach dem — auch anderweitig, durch Verblutung, Lufteintritt in die Jugularvene u. s. w. — herbeigeführten Tode des Thieres noch ein Ansteigen des intratrachealen Druckes in Folge von Vagusreizung zu sehen. Durch diese Versuche ist zugleich der Einwand widerlest, dass es sich für gewöhnlich um irgendwelche Wirkungen vasomotorischer Nerven für die Lungengefässe gehandelt habe, welche im Vagus ent- halten sein sollen und die mittelbar wieder den intrapulmonalen Druck beeinflussen könnten. Es kann somit als endgiltig erwiesen betrachtet werden, dass die Reizung des peripheren Vagusstumpfes am Halse Contraction der Bronchien erzeugt; andererseits ist, was bis- her nicht geschehen ist, zu beachten, dass an dem Zustande- kommen der Trachealdrucksteigerung bei peripherer Vagus- reizung — insbesondere bei geschlossenem Thorax — ausser den Bronchoconstrietoren mittelbar auch die Herzfasern des Nerven durch die Veränderungen der Circulation betheiligt sein können. 6. Die Dilatation der Bronehien durch Vagusreizung. Zahlreiche Erfahrungen lassen es als beherzigenswerth erscheinen, dass man in der Physiologie mit der Annahme und Constatirung von Dila- tatoren recht vorsichtig sein soll. Nach Roy und Brown, sowie nach Se ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LUNGE. 133 Sandmann verlaufen in den Nn. vagi Fasern, welche gereizt „Erwei- terung der Bronchien“ bewirken. Dieser Angabe muss ich auf Grund von fast sämmtlichen meiner Versuche (vergl. auch die später foleenden), in denen der intratracheaie Druck registrirt wurde, entschieden widersprechen: In keinem einzigen Falle konnte eine Senkung der Tracheal- druckceurve während der Vagusreizung wahrgenommen werden, welche nicht auf andere den Thatsachen Rechnung tragende Weise besser erklärt werden konnte. Dass für gewöhnlich überhaupt keine Senkung der Trachealdruckeurve bei peripherer Vagusreizung vorkommt, sondern dass das Ansteigen der- selben den regelmässigen Effect darstellt, habe ich bereits hervor- gehoben. Umstände, welche den intrapulmonalen Druck während der Vagus- reizung zum Sinken bringen können, sind: a) Das bereits geschilderte Verhalten des Magens. db) Nicht ganz vollständige Curarisirung des Versuchs- thieres. Da zum Zwecke des Versuches die künstliche Atmung ausgesetzt wird und in Folge der protrahirten Erstickung starke dyspnoische Reize entstehen, so kann es, wenn die Curarelähmung nicht eine absolute ist, in Folge der Erregung der Athmungscentren sehr leicht zu Zwerchfellcontractionen kommen, die, wenn sie auch nur sehr gering sind, schon ein Sinken des intratrachealen Druckes bewirken können; ausserdem ist nicht ausgeschlossen, dass solche Bewegungen, bei zu schwacher Cura- risirung, durch Stromschleifen auf den Phrenicus oder sogar reflec- torisch (von sensiblen Bahnen aus) ausgelöst werden. In solchen Fällen lässt vorsichtige ausreichende Curarisirung oder Oeffnung des Thorax den anscheinend bronchodilatatorischen Effect der Vagusreizung sofort in den regelmässigen constrictorischen übergehen. c) Ansteigen des Druckes in den Alveolarcapillaren. Solches kann in allen den Fällen angenommen werden, wo der Blutdruck in Folge von Gefässverengerung im Arteriengebiete zum Ansteigen kommt. Denn in Folge dieser Verengerung werden Bedingungen gegeben, welche nicht allein die Spannung des Blutes im grossen, sondern auch die im kleinen Kreislaufe vermehren; (Ausdruck hiefür ist das gleichzeitige Ansteigen des Druckes in der Pulmonalarterie und im linken Vorhofe). In Folge der erwähnten Blutdrucksteigerung steigt also auch der Druck in den die Alveolen umspinnenden Capillaren; v. Basch hat zuerst darauf hingewiesen, dass eine erhöhte Spannung der Alveolargefässe den 134 THEODOR BEER: Binnenraum der Alveolen vergrössern muss und Grossmann! hat durch eine Reihe von Versuchen die T'hhatsache festgestellt, „dass mit der Blutüberfüllung der Lungencapillaren nicht eine Verkleinerung der Alveolenlichtung und demgemäss des ganzen Binnenraumes der Lungen einhergeht, wie dies seit Traube allgemein gelehrt wurde, sondern im Gegentheil, dass die Blutfüllung den Alveolarraum vergrössert“. Schon das einfache Verhalten der „Lungenpulse“ erhärtet diese Ansicht; registrirt man gleichzeitig den Arteriendruck und den intrapulmo- nalen Druck, so sieht man, „wie mit jeder systolischen Erhebung des Arteriendruckes der Schreiber der Marey’schen Trommel sich senkt und 2 mit jedem diastolischen Absinken sich hebt‘. ° Ich reproduecire hier eine dies illustrirende Curve aus der citirten Arbeit (Fig. 14). Ferner kommt es bei dem An- eG a 7 So steigen des Blutdruckes in der Er- stickung, bei Aortencompression AN ala etc. zum Sinken des intrapulmonalen a Druckes. Merkwürdiger Weise behauptet : ° Sandmann der wie es scheint, die Fig. 14. angeführte Theorie der Lungenschwel- a Carotispulse, mit dem Wellenschreiber lung und die ihr zu Grunde liesenden ; ee Thatsachen nicht kennt, oder diesel- ben ignorirt, dass „eine vermehrte Blut- füllung im Thorax und damit ein Steigen der Curven‘“ bewirkt wird „durch Vasoconstrietion der Körperarterien.“° Hiedurch geräth er aber nicht allein mit den Thatsachen, sondern sogar mit sich selbst in Widerspruch, Er beobachtete mitunter, dass dem durch den Zusammenfall der Lunge nach Aussetzung der künstlichen Athmung be- dingten Aufsteigen der Trachealdruckeurve eine Senkung derselben vorauf- ! Experimentelle Untersuchungen zur Lehre vom acuten allgemeinen Lungenoedem. Klinische und experimentelle Studien ete. Bd.1I. S. 80. 2210 18.101. 3 Da diese Curve bei einem Thiere mit eröffnetem Thorax geschrieben ist, kommt der Einwand, dass es sich hier etwa um eine „cardiopneumatische“ Curve (Ceradini, Landois) handle, von vorneherein nicht in Betracht. 42 a.02 8.258. 5 Schon die einfache Betrachtung der Lungenpulse, d. h. der Trachealdruck- schwankungen, bei denen ja die Erhebung der Diastole des Herzens also verminderter Gefässspannung, die Senkung der Systole, also vermehrter Gefässspannung entspricht, hätte Sandmann überzeugen können, dass gerade das Gegentheil richtig ist. ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE Lunge. 135 sing. Hierzu bemerkt er: „Bei den Versuchen, wo ich zugleich den Blutdruck aufschrieb, zeigte sich, dass diese Senkung mit der bekannten Blutdrucksteigerung bei Aufhebung der künst- lichen Athmung coinecidirt“. Diese Blutdrucksteigerung beruht aber doch auf Vasoconstrietion der Körperarterien,! also auf demselben Momente, dass nach der angeführten Behauptung Sandmann’s ein An- steigen des Trachealdruckes bewirken soll! Während der Erstickung steigt bekanntlich der Blutdruck nicht ganz continuirlich an, sondern sehr häufig wellenförmig (Traube-Hering’sche Schwankungen); hiedurch allein schon ist es begreiflich, dass während der Er- stickung der intratracheale Druck den Schwankungen des Blutdruckes ent- sprechend entgegengesetzte Schwankungen darbieten, im besonderen Falle den Anstiegen des Blutdruckes correspondirende Senkungen aufweisen kann. Vergleicht man den hohen und steilen Anstieg und Ab- fall des Trachealdruckes bei Vagusreizung in meinen Curven mit den seichten und allmählichen, der Reizung nicht immer sofort. folgenden und dieselbe oft lange überdauernden Ausschlägen, die Sandmann in den besten seiner Curven verzeichnet, so erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die von ihm beobachteten und auf Bronchodilatation bezogenen Senkungen des Trachealdruckes durch entsprechende Blutdruck- steigerungen in manchen Fällen speciell durch die Wellenberge der Traube- Hering’schen Schwankungen bedingt seien. Dazu kommt noch, dass die Vagusreizung an sich nach der Atropinvergiftung” — und die während derselben angestellten Versuche sind ja für Sandmann die beweisendsten — eine Blutdrucksteigerung und zwar auf dem Wege der Vasoconstriction hervorrufen kann, wie dies Rossbach und Quellhorst? gezeigt haben. Rossbach sagt ‚dass Hals- vagusreizung zu einer Zeit wo alle Herzhemmungsnerven gelähmt sind, trotz ‘ Die von Pokrowsky (Dies Archiv. 1866. 8. 59) ausgesprochene Ansicht, dass das Ansteigen des Blutdruckes bei der Erstickung eine Folge gesteigerter Pulsfrequenz ist, kann nach den hierauf bezüglich übereinstimmenden Unter- suchungen von Thiry, Traube, v. Bezold u. Gescheidlen u. A. als erledigt an- gesehen werden. Vergl auch Aubert, a.a.0. 8. 444 sowie Hering’s bekannte Arbeit: Ueber den Einfluss der Athmung auf den Kreislauf. ? Zu den charakteristischen Zeichen der Atropinvergiftung gehört „die enorme Beschleunigung des Herzschlags ... und das gleichzeitige Ansteigen des Blutdrucks“ (Nothnagel und Rossbach, Handbuch der Arzneimittellehre. 5. Aufl. 8. 735). Auch dieses Moment schon kommt hier für Hund und Katze in Betracht; für das Kaninchen allerdings nicht, da dessen „Vagustonus“ ebenso wie auch der des Frosches gleich Null ist. ° Zur Physiologie des Vagus. Verhandlungen der physik.-medic. Gesellschaft zu Würzburg. N.F. IX. H. Lund 2. 136 THEODOR BEER: unverändert bleibender Herzaction eine Steigerung des Blutdruckes bewirkt, eben weil zu dieser Zeit noch eine Contraction der vom Bauchvagus ver- sorgten Gefässe eintritt‘‘.! Hier gilt umsomehr der erhobene Einwand, dass der auf Broncho- dilatation bezogene Effect der Vagusreizung, nämlich das Sinken des intratrachealen Druckes in Wirklichkeit auf der durch die Reizung bewirk- ten Drucksteigerung in den Lungencapillaren, also auf der Ver- grösserung des Binnenraumes der Alveolen beruhe, weil ja die Bronchoconstrictoren, deren Reizung sonst ein Ansteigen des Tracheal- druckes herbeiführt, eben durch das Atropin unwirksam geworden sind. 5 RETTET TAT AUT RU Fig. 15. Ansteigen des Trachealdruckes (trotz Atropinvergiftung). Grosser grauer Pintsch, curarisirt. Thorax geöffnet. In die Vena jugul. 1-0 einer 0-1 procentigen Lösung von Atrop. sulf. injieirt. Bei a geringe Senkung des Blutdrucks. Vagusreizung 116 Secunden nach der Atropininjection beim Rollenabstande 5-0. T Curve des Tracheal-,», B Curve des Blutdruckes, S Linie der Doppelseceunden. Die Bedenken, die ich eben gegen die Deutung der Senkungen des intratrachealen Druckes als Ausdruck einer Bronchodilatation er- hoben habe, gelten umgekehrt auch für die geringen Erhebungen in Sandmann’s Trachealdruckcurven. Wie sehr der intrapulmonale Druck von dem Verhalten des Blutdrucks beeinflusst werden kann, zeigt die obige Gurve (Fig. 15). Man sieht, wie einer aus unbekannter Ursache eingetretenen geringen Senkung des Blutdrucks — bei a — sofort ein Ansteigen der Trachealdruckcurve entspricht. Die Vagusreizung bewirkt ein weiteres Ansteigen derselben; es ist dies ! Nothnagel und Rossbach, a.a. 0. S. 738. ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LUNGE, 137 der bereits oben S. 123 erwähnte einzige Versuch am Hunde, in welchem ich nach Atropininjection die Trachealdrucksteigerung gesehen habe, ohne dass die Vagusreizung mehr ihre herzhemmende Wirkung entfaltete. Auch die Deutung der bei Kitzeln des Larynx, der Nasenschleimhaut, bei Einblasung von Ammoniak u. d.m., von Sandmann beobachteten Hebun- sen und Senkungen des intratrachealen Druckes als reflectorische Bron- chialeontraction bezw. Dilatation ist dem Gesagten zufolge unsicher — von Roy und Brown konnte der Einfluss einer Reizung sensibler Nerven auf die Bronchialmuskeln nicht beobachtet werden — da der Blutdruck nicht immer gleichzeitig registrirt wurde, es also dahingestellt bleibt, in wie weit Aenderungen desselben, welche durch die erwähnten sensiblen Reize herbeigeführt werden konnten, den intrapulmonalen Druck beeinflusst haben. Dass die Bronchialmuskeln auch reflectorisch erregt werden können, er- scheint übrigens von vorneherein nur wahrscheinlich, müsste aber in un- zweideutigerer Weise nachgewiesen werden. Die — insbesondere sub 5 und ce — angeführten Factoren, erklären in ausreichender Weise die von Roy und Brown, sowie von Sandmann beobachteten Senkungen des Trachealdruckes; es scheint vorläufig wenigstens keine Thatsache vorzuliegen, welche in vollständig einwurfsfreier Weise dafür sprechen würde, dass im Vagus Fasern verlaufen, welche gereizt Dilatation der Bronchien bewirken, womit aber die Existenz solcher Fasern nicht etwa a priori in Abrede gestellt werden soll. Es erscheint wohl nicht nöthig auf Grund meiner Versuchsergebnisse die Eingangs angeführte Litteratur des Gegenstandes jetzt kritisch durch- zugehen; ich habe dieselbe absichtlich in ausführlicher Weise wiedergegeben — dies wird wohl hier zum letzten Male geschehen sein — weil sich aus der Anführung der Originale am klarsten ergiebt, wie ungerechtfertigt es ist, dass immer und immer wieder die Resultate der älteren durch ihre primitive Methodik ganz unbeweiskräftigen Versuche heran- gezogen werden. Es geschah dies bis in die neueste Zeit nicht nur in der physiologischen Litteratur des Gegenstandes, sondern auch in der Lit- teratur der Pathologie des Bronchial-Asthmas. Es ist allerdings erstaunlich, dass so vortrefflichen Forschern und Beobachtern wie Wintrich, Donders, Rosenthal u. A. Erscheinungen entgangen sind, die wie ich gezeigt habe, geradezu den Gegenstand von Vorlesungsversuchen bilden können; da es aber einzig und allein der mangelhaften Methodik zugeschrieben werden muss, dass so viele Versuche theils negativ ausfielen, theils nur ganz unbeträchtliche Werthe lieferten (welche überdiess zum Theil unrichtig gedeutet wurden), so ist es nun an der Zeit diesen immer wieder mitgeschleppten historischen Ballast endgiltig fallen zu lassen. 138 THEODOR BEER: Was die Versuche von Schiff! betrifft, so scheinen mir dieselben für dessen Behauptung, dass bei der Vagusreizung die Lungenbläschen sich contrahiren, durchaus nicht beweiskräftig, schon Gerlach hat sich gegen diese Deutung der Versuche ausgesprochen, „da sie keineswegs beweisen, dass die gesammte Lungenoberfläche sich retrahirt. Ein partiel- les Einsinken aber wird zweifelsohne schon durch den in Folge der dicho- tomischen Theilungen zickzackförmigen Verlauf der feineren Bronchien bedingt, indem Contractionen derselben nicht ohne Einwirkung auf die Lungenoberfläche bleiben können. Diese wird sich vielmehr an dieser Stelle einsenken, an jener prominenter werden.“ ? Es liegen vorläufig keine Thatsachen vor, welche in unzweideutiger Weise dafür sprechen, dass in Folge der Vagusreizung die Alveolen sich contra- hiren; ich werde im Gegentheil später zeigen, dass die Vagusreizung mittelbar — nämlich in Folge der Bronchialcontraction — sogar eine Ausdehnung der Alveolen herbeizuführen im Stande ist. Dass der Alveolenwand olatte Muskelfasern zukommen ist überdies noch gar nicht ausgemacht. Was die zuerst von Roy und Brown, sowie später von Sandmann behauptete Dilatation der Bronchien bei Vagusreizung betrifft, so habe ich dem bereits Gesagten nichts hinzuzufügen. II. Capitel: Der Nachweis der Bronchialcontraetion bei peri- pherer Vagusreizung während der künstlichen Athmung. 1. Die Trachealdrucksteigerung bei Vagusreizung am künst- lich geathmeten Thiere. Nachdem mir die Innervation der Bronchialmusculatur durch den Vagus in Folge meiner Versuche unter statischen Verhältnissen, d. h. an der ruhenden Lunge des nicht respirirenden Thieres unzweifelhaft geworden war, versuchte ich die Bronchialeonstriction auch unter mehr physiologischen Bedingungen, also wenigstens am künstlich geathmeten Thiere ohne die Complication, welche durch die Erstickung eingeführt wird, nach- zuweisen. Wir verwendeten zur künstlichen Athmung einen ziemlich grossen Blasebalg, dessen mit Gewichten beschwerter Deckel während der Exspi- ration gehoben wird; in Folge des Niedersinkens der schweren Gewichte wird der Blasebalg dann zusammengedrückt — Inspiration. Durch einen mehrere Meter langen, starken Kautschukschlauch steht derselbe mit der 1 Siehe oben 8. 106. ® Gerlach, a.a. 0. S. 504. ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LUNGE. 139 Trachealcanüle in Verbindung; ziemlich analoge Anordnungen sind wohl in den meisten Laboratorien üblich. Hat man nun das Seitenrohr der Tra- chealcanüle mit einem Wassermanometer oder einem Marey’schen Tambour enregistreur verbunden, so verzeichnet der Schreiber des Messapparates eine Curve der respiratorischen Schwankungen des intratrachealen Druckes; aber nur in sehr seltenen Fällen gelinet es an dieser Öurve während der Vagusreizung geringe Veränderungen zu sehen, welche auf eine Steigerung des Trachealdruckes bezogen werden können.! Eine der besten derartigen Curven stellt die folgende Fig. 16 dar. B2 BTATTAILBTAN TATRA ATTAT AR A ABA" AT ARTARTGH TI 1 Fig. 16 (ca. ?/, der ursprünglichen Grösse). Trachealdrucksteigerung beim künstlich geathmeten Thiere. Grosser, lichtbrauner, weiblicher Windhund, eurarisirt. S Linie der Doppelseeunden, P Phrenographische Curve, 7 Curve des Tracheal-,» B Curve des Blutdruckes, RR, Vagusreizung, Rollenabstand 7-0. ‘ Lazarus (Ueber Reflexe von der Nasenschleimhaut auf die Bronchiallumina. Dies Archiv. 1891. 8. 19) hat ebenfalls den Bronchienkrampf am künstlich geath- meten Thiere (Kaninchen) nachzuweisen gesucht. Die sehr umständliche Methode der künstlichen Athmung muss im Originale nachgelesen werden. Mechanische und elektrische Reizung der Nasenschleimhaut, sowie elektrische Reizung der peripheren 140 THEODOR BEER: Man sieht während der Vagusreizung die — hier mittels eines Wasser- Manometers registrirten — Schwankungen des Trachealdruckes grösser werden, was auf Vermehrung des Widerstandes in den Luftwegen zu beziehen ist.! Analog äussert sich an der Curve die Widerstandserhöhung durch künstliche Stenosirung der Trachea, wie dies die folgende Fig. 17 illustrirt. Dieses Verhalten der Trachealdruckcurve ist, wie gesagt, äusserst selten; in der Regel konnte ich an derselben bei der geschilderten Anordnung während der Vagusreizung entweder gar keine oder nur spurenweise Veränderungen constatiren. Anderen ist es gewiss nicht besser ergangen, es wäre sonst nicht einzusehen, warum immer wieder auf die Versuche am todten oder erstickenden Thiere recurrirt wurde. Gerlach sagt geradezu apodiktisch: „Ehe man den Nerven reizt, muss natürlich 5 ae (a RR ae RE N RENeEIERERIRTT T — Fig. 17. Trachealdrucksteigerung durch Compression der Trachea. Todtes Thier. S Linie der Doppelsecunden, RR, Compression der Trachea, 7 Tracheal- druckeurve. Athmung durch ein v. Fleischl’sches Spirometer. die künstliche Respiration unterbrochen werden‘“,? scheint es also für ganz aussichtslos gehalten zu haben, während der Athmung einen dem Bronchialkrampf entsprechenden manometrischen Ausschlag wahrnehmen zu wollen. Auch Mac Gillavry, dem es wesentlich um „das dynamische Stümpfe der Vagi am Halse, hatte minimale Drucksteigerungen zur Folge, welche ohne genaue Messung aus den Curven kaum ersichtlich sind. Der Einfluss der Vagusreizung auf Magen und Oesophagus war nicht ausgeschaltet. Lazarus Arbeit erschien, als meine in diesem Capitel geschilderte Versuchsreihe bereits abge- schlossen war. ı Pin Fig. 16 bedeutet die Curve der Zwerchfellbewegungen, welche in diesem Versuche gleichzeitig registrirt wurden; die Veränderung derselben während der Vagusreizung interessirt uns vorläufig nicht. 2A. a.0. 8.499. “ ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LUNGE. 141 Verhalten“ zu thun war,! konnte die durch die Bronchialcontraction gesetzte Widerstandsvermehrung nur bei Durchleitung eines Luftstromes durch die eröffnete Lunge nachweisen. Ich suchte nun — wie vor mir gewiss viele andere — nach einem zuverlässigen methodischen Mittel, um den gesteigerten Wider- stand, welchen die in Folge der Vagusreizung eintretende Bronchial- constriction der in die Lungen und aus denselben strömenden Luft entgegensetzen musste, regelmässiger und deutlicher zur Anschauung zu bringen und fand zwei solche von grosser Einfachheit. Ich ging zunächst von der Betrachtung aus, warum unter den geschil- derten Verhältnissen während der künstlichen Athmung die Trachealdruck- steigerung gar nicht oder nur in minimalen Veränderungen zum Ausdruck kommt. Dass die Bronchien sich unter dem Einflusse der Vagus- reizung contrahirten, konnte den regelmässigen Resultaten des stati- schen Versuches zu Folge mit Gewissheit angenommen werden; wenn sich nichtsdestoweniger der durch die Bronchialverengerung der strömenden Luft nothwendig entgegengesetzte Widerstand nicht manifestirte, so musste dies an den physikalischen Verhältnissen der Anordnung liegen. Durch Vermehrung des Widerstandes in der Lunge sollte der Seiten- druck der in dieselbe abströmenden Luft steigen. Blasebalg, Schlauch, Trachealcanüle, Marey und Respirationstract stellen einen grossen abge- grenzten Luftraum dar, in welchem während der Inspiration — nur diese wollen wir vorläufig ins Auge fassen — ein bestimmter Druck erzeugt wird. Unter streng mathematischen Verhältnissen müsste allerdings auch die minimalste Verkleinerung des ursprünglichen, noch so grossen Luftraumes sich in einer Erhöhung des erreichten Druckmaximums manifestiren. Solche Verhältnisse haben wir aber nicht; damit es bei unserer physikalisch beschränkten Anordnung (Undichtheiten, begrenzte Empfindlichkeit der Mano- meter u. d. m.) zu einer sichtlichen Erhöhung des Druckmaximums während der Vagusreizung komme, muss die — hier durch die Verengerung der Bronchien gesetzte — Verkleinerung des Gesammtluftraumes schon eine nennenswerthe Höhe erreichen. Es leuchtet durch von dem Boyle-Mariotte’schen Gesetze aus- gehende Erwägungen vollständig ein, dass ein und dieselbe Volumsver- kleinerung sich — ceteris paribus — um so deutlicher in einer Erhöhung des Druckmaximums manifestiren muss, je kleiner der ursprüngliche Luftraum ist. Betrachten wir die Verhältnisse unseres Versuches für den Fall, dass wir einen grossen und für den Fall dass wir einen kleinen Luftraum in 2 4 Bold 142 THEODOR BERR: Verwendung bringen, so können wir nach dem bekannten Gesetze der Mecha- nik: „Wenn alle Punkte eines Systems eine gemeinschaftliche Bewegung haben und einer von ihnen wird der Wirkung einer Kraft unterworfen, so ist die Bewegung, welche der Punkt in Folge dieser Kraft in Beziehung auf das System annimmt, genau so, als habe die gemeinschaftliche Bewegung des Systems nicht existirt‘‘ ! von der durch die Arbeit des Blasebalgs während der Inspiration bewirkten Drucksteigerung zunächst absehen und nur die durch die Bronehialverengerung bedingte in’s Auge fassen. In dem einen Falle sei der ursprüngliche Luftraum = V in dem anderen =v = Z In beiden herrsche der Druck D, Die der Bronchial- verengerung entsprechende — für beide Fälle gleiche — Volumverkleine- y rung betrage —, Wo oO Mm’ m>n>]. In dem ersten Falle beträgt dann das Luftvolum: an m m der entsprechende Druck = D. In dem zweiten Falle beträgt dann das Luftvolum: a nv _ v (m—n) re der entsprechende Druck _” __D M—N I die Druckdifferenz im ersten Falle \; „ zweiten „ = —— D Da den Bedingungen entsprechend m>n>]1 1 so ist auch > m m—1 ——1 N d. h. die Druckzunahme im zweiten Falle bei ursprünglich kleinerem Luftraume erheblicher. Entsprechend den angestellten Betrachtungen, die weiter auszuführen wohl überflüssig ist, wurde der zur künstlichen Athmung verwendete Luft- raum verkleinert. Ich bediente mich anfangs einer etwas complicirten Vorrichtung (einer in einem Glascylinder eingeschlossenen Blase mit ent- sprechenden Ventilen) welche von dem gewöhnlichen am Fussboden be- festigten, zu diesem Zwecke geschlossenen Blasebalge getrieben wurde und ı Wüllner, Zxperimentalphysik. Bd.1. 8. 61, ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE Lunge. 143 in erösserer Nähe der Trachealeanüle angebracht werden konnte. Ich ver- zichte auf die Beschreibung dieser Vorrichtung, da mir später ein kleiner Blasebale,! der in unmittelbarer Verbindung mit der Trachealcanüle stand, — wobei also der übliche lange Schlauch ganz vermieden war — im Eleeseliirn, : 0 N AAN | f R, R Sue Fig. 18. Trachealdrucksteigerung am künstlich geathmeten Thiere. S U Grosser brauner weiblicher Jagdhund, curarisirt. Thorax geöffnet. $ Linie der Doppel- secunden, 7 Curve des Tracheal-, B Curve des Blutdruckes, AR, Vagusreizung, | Rollenabstand 9-0. ! Dadurch, dass bei der Athmung mit einem kleinen Luftvolum unter Umständen die lebendige Kraft der in die Lungen getriebenen Luft kleiner war als bei der Ath- mune mit dem sonst gewöhnlich benutzten, grösseren und eventuell mit stärkeren Gewichten belasteten Blasebalge, war möglicherweise auch ein Moment gegeben, welches der Manifestation der durch die Bronchialeontraction gesetzten Widerstandsvermehrung günstig war, 144 THEODOR BEER: wesentlichen dasselbe leistete. Da ich andererseits auch die Verbindung der Trachealcanüle mit dem Marey möglichst kurz zu machen bemüht war, das Thier also unmittelbar neben dem Kymographion gelagert wurde, so musste dieser Blasebalg durch eine dahin geleitete Transmission der Dampf- maschine getrieben werden. Figur 18 (auf S. 143) zeigt den Effect der Vagusreizung bei der geschil- derten Art der künstlichen Athmung. Die Anordnung war im übrigen genau die der ersterwähnten Versuche. Ss ee cn 2) Re Fig 19. Vergrösserung der Trachealdruckmaxima. Grosser gelber Rattler, eurarisirt. Thorax geöffnet. S Linie der Doppelsecunden, T Curve des Tracheal-, B Curve des Blutdruckes, RR, Vagusreizung, Rollen- abstand 7-0. Die mit dem Marey registrirten respiratorischen Druckschwankungen zeigen während der Vagusreizung eine ansehnliche Vergrösserung der Maxima. Dass die Versuche, von denen der angeführte ein Beispiel gab, nicht 2 2 Fu El ET ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LuUnGE. 145 etwa in Folge anderer unbekannter Factoren, der Individualität der Thiere u. d. m. positiv ausfielen, sondern dass es wesentlich die zweckentspre- chende Art der künstlichen Respiration war, welche hier die Tra- chealdrucksteigerung zur Anschauung brachte, lehren Versuche, von denen der folgende ein Paradigma darstellt. Unmittelbar an der Trachealecanüle war der zur Absperrung der Lunge in den ersten Versuchen benützte und oben geschilderte Dreiweghahn in der Weise angebracht, dass das Hauptrohr desselben luftdicht mit der Canüle Pi Enge obel ge at, Loser ton 7 { — see EEE BE Fig. 20. Keine Aenderung der Trachealdruckmaxima. Dasselbe Thier wie in Fig. 19. Gewöhnliche Athmung. $S Linie der Doppelsecunden, T Curve des Tracheal-, 3 Curve des Blutruckes, RR, Vagusreizung, Rollenabstand 7-0. in Verbindung stand; von den beiden anderen Rohren war das eine unmit- telbar mit der erwähnten kleinen Athmungsvorrichtung (in anderen analogen Versuchen auch mit dem kleinen Blasebalg) verbunden, zu dem anderen führte der lange Schlauch des gewöhnlichen Blasebalgs. Je nach der Stel- lung des Hahnes konnte bald mit der gewöhnlichen, bald mit der anderen Vorrichtung geathmet werden. Fig. 19 zeigt das Ansteigen des Tracheal- druckes bei Vagusreizung während der Anwendung des kleinen Luft- Taumes. Archiv f. A, u. Ph, 1892. Physiol. Abthlg. Suppl. 10 146 THEODOR BEER: Durch einfache Drehung des Hahnes wird umgeschaltet und in der gewöhnlichen Weise geathmet, während der Reizung zeigt sich jetzt keine Aenderung an der Curve der respiratorischen Druckschwankungen. (Fig. 20). Wurde nun die neue Athmungsvorrichtung angewendet, so resultirte folgende Curve (Fig. 21): De 4 Fig. 21. Vergrösserung der Trachealdruckmaxima. Dasselbe Thier wie in Fig. 19 und 20. S Linie der Doppelsecunden, 7 Curve des Tracheal-, B Curve des Blutdruckes, AR, Vagusreizung, Rollenabstand 7-0. Je nach der Grösse des Thieres, bezw. seiner Lungen — deren rela- tive Grösse bei verschiedenen Racen variiren kann — ist es zweckmässig ein verschiedenes Minimum von Athmungsvolum zu verwenden und ich unterlasse es aus diesem Grunde die des öfteren mit dem v. Fleischl’schen Spirometer aufgenommenen Luftquanta, die etwa zwischen 2° und 150 °® schwankten, im Detail anzugeben. ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LuUNGE. 147 Wählt man die Luftquanta sehr klein, so bedarf es natürlich, um das Thier in genügendem Gaswechsel zu erhalten, einer entsprechend schnelleren Respiration, welche sich durch Aenderungen an dem Gange der Maschine, an der Transmission u. s. w. leicht bewerkstelligen lässt. So wurde z. B. die folgende Curve (Fig. 22) gezeichnet: Ss sem mm IL ILL nn 1 NORBERT EN ae A, 2% Fig. 22 Vergrösserung der Trachealdruckmaxima. Dunkelgrauer Windhund, curarisirt. Der 7. Intercostalraum rechts eröffnet. S Linie der Doppelsecunden, 7’ Curve des Tracheal-, B Curve des Blutdruckes, AR, Vagus- reizung, Rollenabstand 7-5. Wie man sieht, werden hier 150 Respirationen in der Minute gemacht; die Druckmaxima während der Vagusreizung erreichen fast das Doppelte der Ausgangsgrösse; an dieser Curve ist auch die Latenz, der allmähliche Eintritt des Effectes der Reizung, sowie das Ueberdauern desselben deut- lich wahrzunehmen. Mit dem näheren Studium dieser Erscheinungen, mit 10* THEODOR BEER: 148 a ANERRARÜNÄUNAUN AU x _—< net a = BEE 7 Ba ee reen i AN | : R, R Fig. 23 (ca. ?/, der ursprünglichen Grösse). Ansteigen des Trachealdruckes. Mittelgrosser weisser Terrier, curarisirt. Thorax intact. S Linie der Doppelsecunden, 7 Curve des Tracheal-, B Curve des Blutdruckes, RR Vagusreizung, Rollenabstand 7.5. Die bisher angeführten Versuche waren, wie bereits bei den einzelnen Curven erwähnt wurde, bei wenigstens theilweise eröffnetem Thorax an- Hilfe der angegebenen Methode, habe ich mich indess nicht weiter be- schäftigt. ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LUNGE. 149 ‚gestellt; bei geschlossenem Thorax war der Effect viel geringer, in einzelnen Fällen unmerklich.” Möglichste Verkleinerung des Athmungsluftraumes, möglichst kurze Communication zwischen Blasebalg und Lunge, sowie zwischen dieser und dem Marey führten indess auch bei geschlossenem Thorax zum Ziele, wie die Curve Fig. 23 lehrt. Der Trachealdruck wurde hier nach Art der von Goltz und Gaule zur Bestimmung des „wirklichen höchsten Druckes während der Systole“ benützten Methode gemessen; zwischen dem Seitenrohre der Trachealcanüle und dem Marey war ein nicht vollständig schliessendes Ventil aus dünnen Kautschukblättchen eingeschaltet, welches dem Abströmen der Luft aus dem Marey während der Exspirationsphase einen mässigen Widerstand ent- gegensetzte, so dass auch in der Pause zwischen Ex- und Inspiration die Gummimembran des Marey nicht vollkommen entspannt wurde. Der Blutdruck wurde hier mit dem v. Basch’schen Kautschuk- Federmanometer registirt, welches im wesentlichen nach dem Principe des Fick’schen Kautschuk-Federmanometers und des v. Frey’schen und des Hürthle’schen Tonographen construirt ist. Es wurden bei sehr kleinem Luftvolum ca. 360 Respirationen in der Minute gemacht. Vagusreizung bewirkte also auch bei geschlossenem Thorax eine erhebliche Steigerung des intratrachealen Druckes. Latenz und Ueberdauer der Reizung sind auch hier deutlich erkennbar. In allen Fällen der zuletzt geschilderten Versuchsreihe, wurde, wenn überhaupt etwas beobachtet wurde, eine Vergrösserung der Tracheal- druckmaxima constatirt, niemals eine Veränderung derselben, die auf Bronchodilatation hätte bezogen werden können, was nicht nur gegen die Angaben von Roy und Brown und Sandmann, sondern auch für die ! Ich habe nicht Versuche genug bei geschlossenem Thorax — die Oeffnung desselben empfahl sich schon desshalb, weil dann mit geringeren Curaredosen gearbeitet werden konnte — ausgeführt, um es als Regel hinzustellen, dass die geschilderte Vergrösserung der Trachealdruckmaxima während der Vagusreizung bei offenem Thorax höhere Werthe erreicht; doch scheint mir dies sehr häufig zu sein. Worauf dieses Verhalten beruht, ist weiter zu untersuchen, ich lasse es vorläufig unentschieden, da ich nicht in den Fehler verfallen möchte, eine Thatsache erklären zu wollen, die viel- leicht gar nicht vorhanden ist. Ein Moment, das jedenfalls der verengernden Kraft der Bronchien bei geschlossenem Thorax entgegenwirkt, ist die Starrheit desselben. Doch mag dasselbe durch andere Momente, die der Trachealdrucksteigerung bei geschlossenem Thorax wieder günstiger sind, compensirt oder übercompensirt werden. Gerade in dem Versuche, aus dem Fig. 22 stammt, war der Effect bei geschlossenem Thorax erheb- licher als nach Eröffnung desselben. 150 THEODOR Beer: von mir gegebene Erklärung der am erstickenden Thiere von diesen Autoren gewonnenen Resultate spricht. Das schwefelsaure Atropin, in minimalen Mengen in die Jugularvene injieirt, bewirkte auch bei der Prüfung mit der letzterwähnten Methode voll- ständige Aufhebung des Phaenomens der Vergrösserung der Tracheal- druckmaxima, also der Erregbarkeit der Bronchoconstrictoren, $ ST ae ae _— T allen h neh Sa ROTE ITIzet ante R, R (2 Fig. 24. Vergrösserung der Trachealdruckmaxima bei Vagusreizung während der Muscarinvergiftung. Mittelgrosser afrikanischer Nackthund, curarisirt. Thorax geöffnet. 1 °“@ einer 0-5 pro- centigen Lösung von Muscarin. sulfur.! in die Jugularvene injieirt. S Linie der Doppel- secunden, 7’ Curve des Tracheal-, B Curve des Blutdruckes, RR, Vagusreizung, Rollenabstand 6-0. deren Thätigkeit wir ja wohl nach den Ausführungen des ersten Capitels die Drucksteigerung wesentlich zuschreiben dürfen. Es gelang mir aber durch ein anderes Gift die circulatorischen Aenderungen, welche die Vagusreizung setzt, auszuschliessen, und zwar — ! Die Lösung wurde aus getrockneten Fliegenpilzen genau nach den Angaben Schmiedeberg’s dargestellt. ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE Lunge. 151 was methodisch interessant ist — nicht durch eine der Atropinwirkung ent- sprechende Lähmung des Herzvagus, sondern dadurch, dass ich einen Innervationszustand des Herzens herbeiführte, der durch die elektrische Vagusreizung nicht mehr geändert werden konnte. Bekanntlich giebt es während der Muscarinvergiftung ein Stadium, in welchem die Reizung. des Herzvagus unwirksam ist; ! bewirkte während dieses Stadiums die Vagusreizung eine Vergrösserung der Trachealdruck- maxima, so konnte dieser Effect mit Sicherheit auf die Verengerung der Bronchien bezogen werden. Als Paradigma diene die vorhergehende Fig. 24. R, R Fig. 25. Vergrösserung der Trachealdruckmaxima (am todten Thiere). Dasselbe Thier wie in Fig. 18, curarisirt. Thorax geöffnet. 8 Minuten nach Ausschnei- dung des Herzens Vagusreizung (RR,) beim Rollenabstande 6:0. $ Linie der Doppel- secunden, 7 Curve des Trachealdruckes. Wie man sieht, bewirkt hier die Vagusreizung weder eine Veränderung des Blutdruckes noch der Schlagfolge des Herzens, dagegen eine Ver- ! Weinzweig, Dies Archiv. 1882. S. 537: Durch das Muscarin wird „zeit- weilig die Functionsfähigkeit jener Apparate aufgehoben, durch deren Vermittlung die Vagusreizung am normalen Herzen Stillstand, bezw. Verlangsamung erzeugt.‘ 152 THEODOR BEER: grösserung der Maxima des intratrachealen Druckes, welche jetzt rein auf die durch die Verengerung der Bronchien gesetzte Vermehrung des Widerstandes bezogen werden muss. Dass die Drucksteigerung hier nur gering ist, liegt vielleicht daran, dass das Muscarin, welches bekanntlich auch „auf die glatten Muskelfasern anderer Organe, wie des Darıns, der Blase, der Iris u. a. m.“ erregend wirkt,! an sich wahrscheinlich eine Verengerung der Bronchien er- zeugt, deren Grad durch die elektrische Vagusreizung nicht mehr beträcht- lich erhöht werden kann; die reprodueirte Curve ist übrigens keine von den besten derartigen; ich wählte sie, weil hier am Blutdrucke nicht die geringste Veränderung zu sehen ist. Ferner hatte ich Gelegenheit, auch am todten Thiere, wo jeder circu- latorische Effect der Vagusreizung wegfiel, die Vergrösserung der Tracheal- druckmaxima festzustellen. Die Versuchsanordnung war im allgemeinen die gewöhnliche. Der Thorax war eröffnet; das Herz wurde an der Krone ligirt und abgeschnit- ten. Die geschilderte Art der künstlichen Athmung wurde ohne Unter- brechung fortgesetzt. In dem Versuche, dem Fig. 18 und Fig. 25 entnommen sind, war das Phaenomen der Trachealdrucksteigerung am geathmeten Thiere noch 23 Minuten nach dem Tode desselben zu constatiren. Für gewöhn- lich pflegt die Reizbarkeit der Bronchoconstrictoren im Vagus rascher zu erlöschen, woraus es sich auch erklärt, dass so viele Versuche früherer Forscher an frisch getödteten Thieren zu negativen Resultaten geführt haben. 2. Die Verkleinerung des Exspirationsstosses bei Vagusreizung am künstlich geathmeten Thiere. In dem ersten Abschnitte dieses Capitels haben wir uns nur mit dem vermehrten Widerstande beschäftigt, welchen die durch Vagusreizung be- wirkte Bronchialverengerung während der Phase der Inspiration der einströmenden Luft entgegensetzt; während der durch die elastischen Kräfte des Thorax und der Lunge zu Stande kommenden Exspiration sinkt vermöge der weiten Oeffnung der von mir verwendeten Trachealcanüle; durch welche die Luft rasch und vollständig entweichen kann, der intra- I Grossmann, 2.2.0. 8.121. ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LUNgE. 153 tracheale Druck, bezw. der Druck in dem Marey’schen Tambour stets auf den atmosphaerischen zurück. ! Die zweite der Eingangs erwähnten Methoden, um die Bronchialver- engerung durch Vagusreizung auch am künstlich geathmeten Thiere regel- mässig nachzuweisen, besteht in der Registrirung des Exspirations- stosses. Ich bediente mich hierzu der von v. Basch construirten Vorrichtung,? welche im Wesentlichen darin besteht, dass die Exspirationsluft nicht wie gewöhnlich direct in’s Freie, sondern zunächst in einen kleinen, an die 5 ST fe meameL DTona DEI SET DEU TORE HESIBER GER VORNE Ka) Homann TRREER Vet IREEHER SEE FTERIAR Da SER E NEBEN RK NEN N In In Ann A ARE AN IN ARINL — TE w Fig. 26. Verkleinerung des Exspirationsstosses bei Vagusreizung. Mittelgrosser grauer Windhund, curarisirt. S Linie der Doppelsecunden, Z Exspi- rationsstoss, 3 Blutdruck, RR, Vagusreizung, Rollenabstand 8-5. Trachealcanüle anzusetzenden Kasten gelangt; aus diesem erst strömt sie durch eine Hauptöffnung desselben zum grössten Theile in’s Freie, zum Theil wird sie durch eine kleinere Oeffnung gegen einen Marey’schen Tambour enregistreur abgeleitet. Der Schreiber desselben verzeichnet jeder Exspiration entsprechend eine Erhebung, deren Grösse durch Ver- grösserung oder Verkleinerung der Hauptöffnung leicht regulirt werden kann. ! Bloss in Versuchen, wo zwischen Trachealcanüle und Marey ein Ventil ein- geschaltet ist (s. Fig. 23) sank der Druck in dem Marey auch während der Phase der Exspiration nicht auf den atmosphaerischen. ? 8. die Abbildung und genaue Beschreibung derselben bei Grossmann, 2.2.0. 8.108. 154 THEODOR BEER: Während der Vagusreizung nun sieht man fast regelmässig — auch bei der gewöhnlichen Art der Athmung — eine erhebliche Verkleinerung des Exspirationsstosses, wie dies die vorhergehende Fig. 26 illustrirt. Alle Momente, welche — lungenwärts von der Trachealcanüle — den Widerstand für die Exspiration vermehren, müssen den Exspi- rationsstoss — in dessen Grösse ceteris paribus die Geschwindigkeit der aus der Lunge ausströmenden Luft zum Ausdrucke gelangt — verklei- nern so z. B. die Stenosirung der Trachea. a ET EEE TE ee 'R, R Fig. 27 (ca. ?/, der ursprünglichen Grösse). Verkleinerung des Exspirationsstosses. Junger geströmter Bulldog, curarisirt. S Linie der Doppelsecunden, X Exspirations- stoss, 7’ Trachealdruck, P Phrenographische, 3 Blutdruckcurve, RR, Vagusreizung, Rollenabstand 7-0. Nach den früheren Ausführungen kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die bei der Vagusreizung zu beobachtende Verkleinerung des Exspi- rationsstosses überwiegend auf die Verengerung der Bronchien zu beziehen ist.! t Die Annahme, dass die Vagusreizung Aenderungen in der Elastieität der Alveolen- wandungen herbeiführe — die musculöse Natur derselben ist ja beim Menschen nicht absolut sicher — was ebenfalls das Verhalten des Exspirationsstosses beeinflussen könnte, ist wohl vorläufig zu hypothetisch um hier in Betracht zu kommen. ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LUNGE. 155 Die vorhergehende Curve (Fig. 27) lehrt, wie die Veränderung des Exspirationsstosses bei gewöhnlicher Art der Athmung den Bronchial- krampf anzeigt, während die gleichzeitig mit einem empfindlichen Wasser- manometer registrirten respiratorischen Trachealdruckschwankungen keine Veränderung während der Vagusreizung aufweisen. Anmerkung: Die vorliegende Arbeit war vollständig abgeschlossen,! als die Abhandlung von Einthoven „Ueber die Wirkung der Bronchial- muskeln, nach einer neuen Methode untersucht und über Asthma nervosum“ ? erschien. Einthoven giebt ebenfalls eine Methode an, welche die Bronchial- constriction am künstlich geathmeten Thiere mit grosser Evidenz nachzuweisen gestattet. Es gereicht mir zur Befriedigung, dass wir unab- hängig von einander in vieler Hinsicht zu übereinstimmenden Resultaten gekommen sind. So fand Einthoven bei allen Hunden ‚von denen ein oder beide Vagi peripherisch gereizt wurden, ohne Ausnahme ein Steigen des Athemdruckes“. Ueber die Wirkung des Atropin’s sagt Einthoven:? „Atropin ist schon in sehr kleinen Dosen im Stande, die Wirkung der Vagi auf die Bronchialmuskeln ganz zu lähmen“. „Unsere ursprüngliche Absicht, um mit Hilfe des Atropins die Wir- kung des Vagus auf das Herz zu verhindern und also den vom Luftstrome in den Bronchi empfundenen Widerstand bei unveränderter Herzfrequenz und unverändertem Blutdruck zu erforschen, war hierdurch unausführbar. Beim langsamen, vorsichtigen Einführen des Atropins, geschah es sogar, dass die Wirkung des Vagus auf die Bronchi noch eher gelähmt war als diejenige auf das Herz“. Meine oben wiedergegebene Curve (Fig. 27) illustrirt geradezu diesen Satz, was umso interessanter ist, als dieselbe am Kaninchen, also dem Ver- suchsthiere Sandmann’s gewonnen wurde. Einthoven sagt: „dass die Contractionscurve bei vielen Hunden höher wird, wenn man ihren Thorax öffnet“, eine präcise Darlegung der Gründe dieser Erscheinung vermag auch Einthoven nicht zu geben; ! Vgl. die gleichbetitelte, vorläufige Mittheilung im Centralblatt für Physiologie. Bd. V. Nr. 24. ° Archiv für die gesammte Physiologie. Bd. 51. 8. 367. ®A.2.0. 8.428. * Vgl. meine Anmerkung oben 8. 149. 156 THEODOR BEER: er fand übrigens auch, dass um hohe Contractionscurven zu bekommen, das Oeffnen des Thorax nicht immer nöthig ist.! Die Frage, ob „die Anwesenheit von Bronchodilatatoren anzu- nehmen‘, ob „das Vorhandensein im N. vagus verlaufender Nervenfasern, deren Reizung eine Erschlaffung der Bronchialmuskeln zur Folge haben würde, sicher bewiesen“ ist, wird ebenso wie von mir verneinend beant- wortet? u. s. w. Was nun die Methode Einthoven’s, welche in Bezug auf die Details im Originale nachgelesen werden muss, anlangt, so scheint er empirisch zu derselben gelangt zu sein; er unterlässt es zum mindesten den Gedanken- gang, der ihn zur Anwendung derselben führte, wiederzugeben und ihre wesentlichen physikalischen Vorzüge zu erörtern; aus der Beschreibung werden dieselben nicht ganz klar: „Die künstliche Respiration wird unter- halten, indem bei der Einathmung jedesmal ein constantes Volum Luft in die Lungen gepresst wird, welche bei der Ausathmung wieder ausströmt.“ „Der Athemdruck wird durch einen selbst registrirenden Manometer“ ge- messen und zwar „nur in einer bestimmten Phase der Athemperiode‘; eine eigene Vorrichtung ermöglicht es in 12 verschiedenen Phasen zu messen.? Einthoven sagt: „Wünscht man das Steigen des Athemdruckes als Folge der Bronchialverengerung so gross wie möglich zu machen, so müssen die Kurbel zweckmässig gestellt, die Phase der Athembe- wegung, in welcher der Druck gemessen wird, richtig gewählt werden; die Frequenz der Athembewegungen muss regulirt werden und die Spritze muss bei jeder Einathmung eine zweckentsprechende Menge Luft in die Lungen des Thieres hineinpressen, eine Menge, welche für Hunde verschiedener Grösse jedesmal eine andere sein muss. Weiter müssen die Lungen vor allem Gelegenheit haben, bei der Ausathmung zusammenzufallen.* | Abgesehen von dieser letzten Angabe, wird man eine praecise Aus- einandersetzung des physikalisch Wesentlichen aller dieser „zweckmässigen“, „zweckentsprechenden“ und „richtigen“ Massnahmen vergeblich suchen; es fällt mir natürlich nicht ein zu bezweifeln, dass dieselben in ihrer Wirkung Einthoven vollkommen klar gewesen seien, indessen hätte er vielleicht der Divinationsgabe des Lesers hier weniger zumuthen sollen. Ein wesentliches Moment für das Zustandekommen der hohen Druck- ıA.2 0. 8. 381 ZA a O0 SSALg I a Di rl * A.a. 0. S, 380 ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIELUNGE. 157 steigerungen ! in Einthoven’s Versuchen scheint mir meinen eigenen Ex- perimenten und den oben angestellten Erwägungen zur Folge, darin zu liegen, dass er mit einem kleinen Luftvolumen arbeitete; darauf deutet sowohl der Umstand, dass mit einer „gewöhnlichen Klystirspritze“ geath- met wurde, wie auch die grosse Frequenz der künstlichen Respirationen, die aus den Curven ersichtlich ist; in der Bemerkung über die „zweckent- sprechende“ Luftmenge „für Hunde verschiedener Grösse“ wird in unklarer Weise auf dieses Moment hingewiesen. Die Zahlen, die Einthoven für das, was er „Athemdruck“ nennt, angiebt, entbehren des absoluten Werthes insoferne, als die jeweiligen physikalischen Bedingungen, unter denen sie gewonnen wurden, nicht ebenfalls zahlenmässig angegeben sind. Dass die Höhe des Anstieges des „Athemdruckes“ aber nicht allein von der jeweiligen Contraction der Bronchien, sondern auch von einer Reihe äusserer, willkürlich ab- zuändernder Bedingungen abhängig ist. geht ja schon aus dem an- geführten Hinweise: „Wünscht man das Steigen des Athemdruckes als . Folge der Bronchialverengerung so gross wie möglich zu machen u. s. w.“ hervor. III. Abschnitt. Der Einfluss der peripheren Vagusreizung auf die Zwerchfell- bewegung des eurarisirten, künstlich geathmeten Thieres. Auf die spärlichen und einander widersprechenden Angaben über den Einfluss, welchen die Reizung des peripheren Vagusstumpfes am Halse auf die Athembewegsungen beim selbständig athmenden Thiere ausübt, werde ich im nächsten Abschnitte eingehen. Schon zur Vereinfachung der Bedingungen empfiehlt es sich zunächst den Einfluss der Vagusreizung auf die rhythmischen Bewegungen des Zwerch- felles beim gelähmten, künstlich geathmeten Thiere eingehend zu studiren. Dies hat vor mir meines Wissens niemand gethan.? ı Es erscheint nicht ganz ausgeschlossen, dass der von Rügenberg aufgedeckte Versuchsfehler, nämlich der Umstand, dass die Vagusreizung durch ihre Wirkung auf Magen und Oesophagus eine Steigerung des intratrachealen Druckes hervorbringen könne, bei den hohen Ausschlägen in Einthoven’s Curven mit eine Rolle gespielt habe. ® Nach Abschluss der vorliegenden Arbeit erfahre ich, dass Hr. Dr. Breuer sich vor vielen Jahren mit einem ähnlichen Thema kurze Zeit beschäftigte. Seiner freundlichen, privaten Mittheilung hierüber (datirt vom 29. April 1892) entnehme ich folgendes: „Ich hatte gefunden, dass beim selbstathmenden Kaninchen bei Reizung der beiden peripheren Vagi das Zwerchfell bei der Exspiration nicht in die Ruhelage 158 THEODOR BEER: Die Versuchsanordnung. Die Anordnung der hier zu besprechenden Versuche war im wesent- lichen dieselbe wie in der zuerst geschilderten Versuchsreihe. Der Einfluss, den Magen und Oesophagus durch ihre Contraction auf den Zwerchfellstand und auf den intrapulmonalen Druck nehmen konnten, war auch hier in der bereits beschriebenen Weise ausgeschaltet. Nachdem ich zahlreiche phrenographische Methoden durchprobirt habe, erscheint mir die folgende, welche sich im wesentlichen der von Kron- ecker angegebenen Art der Zwerchfellschreibung ! anschliesst, aber für die Registrirung auf verticaler Fläche modifieirt wurde, als die ein- fachste und verlässlichste: Fin Eisendraht ist an einem Ende zu einer ovalen Schlinge gebogen, welche sich unter einem Winkel von etwa 120° gegen den geraden Theil absetzt. Die Krümmung kann individuellen Ver- hältnissen des Thieres entsprechend, übrigens leicht durch Biegen geändert werden. Die Schlinge wird vorsichtig in die Bauchhöhle eingeführt und kommt zwischen Leber und Zwerchfell zu liegen. Der Draht ist durch einen Schilfstab verlängert; der letztere findet in einem kurzen, in einem Stativ befestigten Glasrohr seine Führung. An dem aus der Bauchhöhle herausragenden freien Ende des Schilfstabes ist ein cylindrisches Stück Hollundermark angebracht, welches an einen in horizontaler Ebene um eine verticale Achse sehr leicht drehbaren einarmigen Hebel anstösst. Auf dem letzteren ist verschiebbar ein Stück Hollundermark angebracht, von welchem ein Faden zu einem parallel der Fläche des fortlaufenden Papieres in einem Glasrohr gleitenden Schilfstäbchen abgeht. Dieses letztere endlich trägt den Schreiber, welcher die Zwerchfellbewegungen verzeichnet. Der aufsteigende Schenkel der phrenographischen Curve entspricht der Inspiration, der absteigende der Exspiration. Ansteigen der Curve bedeutet Herabrücken, Absinken derselben, Hinaufrücken des Zwerchfells. Durch Aenderungen der Hebelarmlänge kann die Empfindlichkeit der Vorrichtung leicht regulirt werden. Besonderes Augenmerk wurde darauf gerichtet, die Thiere durch Curare vollständig zu lähmen, da es ja darauf ankam, active Bewegungen des Zwerchfells sowohl als auch anderer willkürlicher Muskeln aus- zuschliessen. zurückkehrte; da das bei jeder Respiration geschah, erreichte es bald seinen maximalen Tiefstand.. Wir sahen dann, dass sich das beim curarisirten Thiere ebenso, aber weniger intensiv zeigte, nachdem unmittelbar beim Beginn der Reizung das Zwerch- fell noch etwas höher hinaufgerückt war. Ich hielt das Phaenomen für begründet auf die Erhöhung des Widerstandes, den die Luft in den durch die contrahirte Bronchial musculatur verengten Bronchiolen findet... .“ ! Vergl. Marekwald, Die Athembewegungen u.s. w. Zeitschrift für Biologie. Bd. 23. S. 156. ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE Lunge. 159 Regelmässig wurde ausser den Zwerchfellbewegungen der Blutdruck verzeichnet; ausserdem in einigen Versuchen auch der intratracheale Druck oder der Exspirationsstoss. 1. Das Verhalten der phrenographischen Curve beim curari- sirten Thiere ausserhalb der Vagusreizung. Bevor ich an die Darstellung und Erklärung der Erscheinungen gehe, welche durch die Vagusreizung an der Curve der Zwerchfellbewegungen hervorgebracht werden können, halte ich es für zweckmässig, das gewöhn- liche Verhalten derselben ausserhalb der Vagusreizung sowie bei verschie- denen anderen Eingriffen näher zu betrachten. Die Arbeit des Blasebalgs, welcher zur künstlichen Athmung dient, stellt eine Constante dar, selbständige Bewegungen, speciell Athmungs- bewegungen des Thieres, sind durch die Curarelähmung ausgeschlossen, der Gang des Kymographions ist ebenfalls als constant zu betrachten; dementsprechend zeigt die phrenographische Curve, wie nicht anders zu erwarten, so lange kein Eingriff vorgenommen wird, gleichmässige Ex- cursionen um eine der Abseisse parallel verlaufende Mit- tellage. In manchen Fällen tritt aber doch eine Abweichung von diesem Ver- halten ein: Es sind dies fast regelmässig solche Fälle, wo der gleichzeitig registrirtte Blutdruck erhebliche Schwankungen darbietet. (Traube- Hering’sche Perioden). In solchen Versuchen zeigten sich an der Zwerchfelleurve rhyth- mische Erhebungen und Senkungen der Mittellage, welche dem periodischen Steigen und Sinken des Arteriendruckes ent- sprechen; die folgende Fig. 28 illustrirt dieses Verhalten. Da alle übrigen Momente, wie bereits hervorgehoben, constant sind, so sind wir wohl berechtigt, die Blutdruckschwankungen in solchen Fällen als Ursache der Aenderungen des Zwerchfellstandes zu be- zeichnen. Ausnahmsweise kamen, auch ohne dass der Arteriendruck gleichzeitig correspondirende Schwankungen darbot, kleine, mehr oder weniger rhyth- mische Aenderungen der Zwerchfellmittellage, zur Beobachtung; es er- scheint nicht zu gewagt, dieselben auf Aenderungen des Tonus oder Contractionen der Bronchialmuskeln zu beziehen. Da mit der Vagusreizung der Arteriendruck tief absinkt, um sich nachher über das Ausgangsniveau zu erheben und so beträchtliche Aende- rungen des Blutdruckes den Zwerchfellstand erheblich beeinflussen konnten, — wie schon die normale Curve aufwies — so erschien es angezeigt, den 160 “IOIQ], SOJLUSTIWAN) "SOJONIPINIG SEP An) gZ ‘UESunsomagjfeFgaToAZ Iap HAın,) T ‘aaan) uoygasıydeısouaigd ıop uodunyuag pun ussungey Ppaaydaaıdsyuo nosunyuemuoasyanıpynjg uadg ‘(assorg uayaısunıdsın 19p °/,) 83 "SL THEODOR BEER: 28 08 Blutdruck durch verschiedene Ein- griffe zu variren und die Abhän- gigkeit der Zwerchfellbewegun- gen von diesen Variablen zu studiren. Die folgende Fig. 29 (S. 161) zeigt die Wirkung der Blutdruck- steigerung durch Strychnin auf die phrenographische Curve. Bei $ wurde 1°” einer 0-1 pro- cent. Lösung von Strychnin. nitrie. in die Jugularvene injieirt; der Blutdruck ist unmittelbar nach der Injection noch in leichtem Absinken begriffen, diesem entsprechend zeigt sich auch an der Zwerchfelleurve ein ganz ge- ringfügiges Sinken (entspricht einem Hinaufrücken des Zwerchfells); so- bald der Blutdruck erheblich ansteigt, rückt das Zwerchfell herab und vollführt jetzt, während der Blutdruck auf beträchtlicher Höhe verharrt, kleinere Excursionen um die tiefere Mittellage. ! Es liesse sich nun gegen die Behauptung, dass die Blutdruck- steigerung die Ursache des phreno- graphischen Phaenomens sei, der Ein- wand erheben, dass die Aenderung an der Zwerchfelleurve vielleicht da- durch hervorgebracht werde, dass das Strychnin die glatten Mus- kelfasern der Bronchien sowie die der Blutgefässe zur Üontraetion ! Die gleichzeitig — mit einem nicht sehr empfindlichen Marey — registrirte Trachealdruekcurve zeigt keine Aenderung, woraus bei der hier benutzten gewöhn- lichen Methode der künstlichen Athmung keinerlei Sellüsse zu ziehen sind. ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LUNGE. 161 bringe und so eine Aenderung des Eiffectes der künstlichen Athmung producire. Das Strychnin erregt die Muskeln nicht direct, sondern vom Nerven- systeme aus;! ich vernichtete die Erregbarkeit der Bronchialmuseulatur vom Nerven aus durch Atropin und injieirte nun Strychnin; der Effect war der gleiche wie in dem früheren Versuche, wie das Fig. 30 (S. 162) illustrirt. Der — später zu schildernde — Effect, welchen die Vagusreizung an der phrenographischen Curve hervorbrachte, war hier durch intravenöse P nn — 10 Sek. S Fig. 29 (ca. °/, der ursprünglichen Grösse). Verhalten der Zwerchfelleurve bei Blutdrucksteigerung durch Stryehnininjection. Mittelgrosses schwarzes Neufundländerweibchen, curarisirt. P Phrenographische Curve, T Curve des Tracheal-, 5 Curve des Blutdruckes, Abstand von BT T="=, S Strychnin- injection. ! „Nach Durchschneidung des Rückenmarkes unterhalb des vasomotorischen Centrums bleibt bei curarisirten Thieren die Blutdrucksteigerung aus oder ist nur gering“ (Nothnagel und Rossbach, a.a. 0. S. 786). Archiv f. A, u. Ph. 1892, Physiol. Abthlg. Suppl. 11 162 THEODOR BEER: Injection eines Cubikcentimeters einer 0-1 procent. Atropinlösung vernichtet worden. Bei $ wurde 1°” einer 0-1 procent. Strychninlösung in die Ju- gularvene injicirt; der Effect ist im wesentlichen ganz analog dem in Fig. 29 dargestellten; mit dem Absinken des Blutdruckes von der erreichten Höhe sieht man auch die Restitution der Zwerchfelleurve beginnen. In analoger Weise wie die Strychninvergiftung wirkten die Injection von Strophantin, die Reizung des Splanchnicus, ja sogar die geringe Blut- PP. —K T B u en en ı ee ne 10 See. 5 Fig. 30 (?];, der ursprünglichen Grösse). Herabrücken des Zwerchfells unter Verkleinerung seiner Exeursionen bei Blutdrucksteigerung durch Strychnininjection. Grosser schwarzbrauner Dachshund, ceurarisirt. P Phrenographische Curve, 7 Curve des Tracheal-, B Curve des Blutdruckes. Abstand von BT T=, SS Strychnin- injection. drucksteigerung die mitunter bei der Reizung des Accelerans beobachtet wird; ein Beispiel für die Wirkung der letzteren giebt Fig. 31. (S. 163). Man sieht hier mit der unter geringer Vermehrung der Pulsfrequenz erfolgenden Steigerung des Blutdruckes ein Herabrücken des Zwerch- fells und eine Verkleinerung seiner Excursionen; nach der Reizung kommt es mit dem Sinken des Blutdruckes zur Restitution. Wie sind diese Erscheinungen zu erklären? Es kann wohl keinem ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LuNGE. 163 Zweifel unterliegen, dass dieselben auf Aenderungen der Lungenge- fässfüllung! zu beziehen sind. Das Herabrücken des Zwerchfells ist der Ausdruck der Volumver- grösserung der Lunge durch stärkere Füllung ihrer Gefässe (Lungen- schwellung v. Basch), die Verkleinerung der Zwerchfellexcursionen ist der Ausdruck für die hierdurch bewirkte Verminderung der Alveolen- dehnbarkeit. Als Gegenstück zu den geschilderten Phaenomenen sieht man bei Blutdrucksenkungen ein Hinaufrücken des Zwerchfells wie dies Fig. 32 (S. 164) illustrirt. $ Te a a STREET Bu a Fi a Nr VD A, R ‘ Fig. 31. Veränderung der Zwerchfelleurve bei Acceleransreizung. Mittelgrosser gefleckter Rattler-Terrierbastard, eurarisirt. S Linie der Doppelsecunden, P Phrenographische. B Blutdruckcurve, RR, Acceleransreizung,? Rollenabstand 6-5. ! Grossmann (2.2.0. S.33) sagt von den durch Strychnininjection gesetzten Circulationsveränderungen: ‚‚eine Ansammlung von Blut in den Lungen findet nicht statt“; dies ist nur dahin zu verstehen, dass eine Stauung des Blutes in der Lunge nicht stattfindet, aber die Füllung der Gefässe ist eine vermehrte. 2 Es waren die beiden Wurzeln des Ganglion stellatum praeparirt, die beiden ersten Rippen wurden reseeirt, die Praeparationsweise war im ganzen ähnlich der von Cyon (Methodik, 8. 176) angegebenen. Die Wunden wurden durch Nähte sorgfältig verschlossen. 11” 164 THEODOR BEER: Bei Y wird die Verblutung des Thieres durch Oeffnung einer Carotis eingeleitet, man sieht dem Absinken des Blutdruckes entsprechend ein Sinken der Mittellage der Zwerchfellexcursionen, das offenbar auf verminderte Füllung der Lungengefässe zu beziehen ist; die Ex- cursionen sind dabei eher etwas vergrössert. Ich gehe nun über zur Schilderung der phrenographischen Phaenomene während der Vagusreizung. 28, Nuummn Dunn 10 See. Fig. 32. Verhalten der Zwerchfelleurve bei Blutdrucksenkung. Curarisirtes Thier. ? Phrenographische Curve, B Blutdruck, TV Verblutung. 2. Die durch periphere Vagusreizung bewirkten Veränderungen der Zwerchfellbewegung des künstlich geathmeten Thieres. Die hier zu schildernden Erscheinungen ‘sind nicht durchwegs gleicher Art, sondern können in verschiedene Typen geordnet werden, zwischen denen es dann allerdings mannigfache Uebergänge giebt. Ich stelle die im wesentlichen gleichartigen Veränderungen der ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LUNGE. 165 phrenographischen Curve zusammen und beginne mit dem .bei peripherer Vagusreizung am häufigsten zu beobachtenden Phaenomen der Abnahme der Excursionsgrösse des Zwerchfelles unter allmählichem Herabrücken der Mittellage desselben. Die folgenden Curven geben Paradigmen dieses Verhaltens. Mit dem Absinken des Blutdruckes (s. Fig. 33) kommt es zu ganz all- mählichem Ansteigen der phrenographischen Curve, die einzelnen Excursionen zeigen eine Verkleinerung. Das Maximum des Anstieges sowie der Ver- kleinerung wird etwa gegen das Ende der Reizung erreicht, nach dem Aussetzen desselben kommt es zu allmählichem Absinken der Mittellage und auch die Excursionsgrösse kehrt auf den Zustand vor der Reizung zurück. In Fig. 34 sieht man mit dem Absinken des Blutdruckes an der phrenographischen Curve zunächst ein Herabrücken der Minima, zu- gleich verkleinert sich die Excursionsgrösse und dann kommt es zu allmählichem Anstiege der Mittellage unter weiterer Verkleinerung der Fxcursionen, also im wesentlichen dasselbe Phaenomen wie in Fig. 33. Nach Aussetzung der Reizung steigt der Blutdruck an und bleibt eine Zeit lang höher als vor derselben, zugleich bleibt die Mittellage der Zwerchfell- excursionen an der Curve etwas erhöht, im ganzen weist dieselbe den Blut- druckänderungen ir der bereits geschilderten Weise entsprechende Schwan- kungen auf. Der in diesem Versuche gleichzeitig registrirte Exspirationsstoss zeigt während der Vagusreizung erhebliche Verkleinerung. Fig 35 zeigt ein den früheren Curven analoges Verhalten; bemerkens- werth erscheint, dass hier kein Herzstillstand, sondern nur Pulsverlang- samung ohne erhebliche Aenderung des Mitteldruckes eintritt. Die Abhängigkeit der nach der Reizung auftretenden Veränderungen der phrenographischen Curve von den Erhebungen des Blutdruckes ist hier besonders evident. In manchen Versuchen ist das Herabrücken des Zwerchfelles so be- trächtlich, dass während der Reizungsperiode das Zwerchfell am Ende der Exspiration noch beträchtlich tiefer steht als vor und nachher am Ende der Inspiration; ein Beispiel für dieses Verhalten gibt die Curve Taf. IX, Fig. 2, aus welcher zugleich zu ersehen ist, wie mitunter erst lange nach dem Aussetzen der Reizung die Zwerchfellexeursionen ihre Ausgangsgrösse und ursprüngliche Mittellage erreichen. Sehr deutlich wird ferner das zuletzt erwähnte Verhalten des Zwerch- fells durch die in Fig. 36 wiedergegebene Curve illustrirt. Man sieht hier die exspiratorischen Minima während der Reizung sich hoch über die inspiratorischen Maxima vor der- selben erheben, das Zwerchfell ist also weit unter den maximalen THEODOR BEER: 166 vs RL (2 Fig. 33. Herabrücken des Zwerchfells bei abnehmender Excursionsgrösse. Grosser schwarzer Rattler, curarisirt. $ Linie der Doppelsecunden, P Phrenographische Curve, B Blutdruck, RR, Vagusreizung, Rollenabstand 7.5. ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LUNGE. 167 ‘90T puegsgeusjpoy ‘Zunzrasnsen "ya SSOISSUONL.UdSXT 7 YOnIpyaIg Z BAınd ayasıydeisousiygg Z ‘uapunaosppddoq ıap alu SI YıIsLemmd “opyeyy Touneıq 19SSo.1Lo[oJ}IM "SOSSOISSUOLIBITÄSXF SOp SunIautgfyN1oA ’UAUOISINIXY Tauras JunıaurofyAaıy Aoyun STfeFNV1EMZ SOp uoyonIqgeaofl -(asso1d uayoıpsundsın 19p ?/. "8D) FE sd = y U Ange nem zes iii N THEoDoR BEER Fig. 35. Herabrücken des Zwerchfells bei abnehmender Excursionsgrösse. oo Mittelgrosser schwarzer Pudel, curarisirt. S Linie der Doppelsecunden, P Phrenographische Curve, B Blutdruck, RAR, Vagusreizung, = Rollenabstand 9-0. ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LUNGE. 169 '0°} puegsqeusjjoy ‘yonıpmig I “dan oyosıydeisoustyg Z 'IPISeJ2q uoIgaIMaN uaduLles Iyos gu Spegosepg 'sLıeınd ‘Punypury AyogrmM douneIgL[foy AOSso1Sjoggım "puegsjjigssuorygeardsoy wnZ sıq aauoIlsınaxosäunmuyy Aop JSunıautofyao‘ 'SITOJy9IOM7Z sep uayonıqeıoH ‘(ossoId) uoyorsunıdsın aop */, %o) 98 1 208 01 170 THEODOR BEER: Tiefstand vor der Reizung herabgerückt, zum Schlusse der Reizung kommt es zu einem förmlichen Respirationsstillstande. Nach der Reizung allmähliche Restitution. Als weitere Paradigmen der gewöhnlichen Veränderung der Zwerchfell- bewegung bei peripherer Vagusreizung mögen die in Fig. 37 und die bereits oben (in Fig. 16, S. 139) wiedergegebenen phrenographischen Curven dienen. In einer kleineren Zahl von Fällen äussert sich der Einfluss der peri- pheren Vagusreizung auf die rythmischen Bewegungen des Zwerchfells derart, dass während der Reizung die Excursionsgrösse abnimmt, ohne dass an der Curve die inspiratorischen Maxima, geschweige denn die Js ID LLLLLLLANDIDUNGRIT DTM — ud ||| B R, R Fig. 37 (!, der ursprünglichen Grösse). Herabrücken des Zwerchfells unter Abnahme der Excursionsgrösse. Junger gelber Spitz, curarisirt. S Linie der Doppelsecunden, P Phrenographische Curve, B Blutdruck, RR, Vagusreizung, Rollenabstand 6-0. exspiratorischen Minima die vor und nach der Reizung vorhandene Höhe des Inspirationsmaximums erreichen oder in nennenswerthem Masse übersteigen. Ein Beispiel für die Verkleinerung der Excursionsgrösse des Zwerch- fells ohne ein Herabrücken des letzteren gibt die bei Erörterung des Exspirationsstosses wiedergegebene Fig. 27 (8. 154). Man sieht daselbst folgendes: Mit dem Einbrechen der Reizung sinkt der Blutdruck nicht sehr erheblich ab, es kommt kein Herzstillstand sondern nur Puisverlangsamung zu Stande, der Exspirationsstoss zeigt beträchtliche Verkleinerung bis zum Verschwinden; das Zwerchfell macht sehr verkleinerte Excur- sionen um eine von der ursprünglichen kaum abweichende Mittellage. ÜBER DEN EinFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LungR. 171 ‘0.8 pueIsgeusjjoy ‘Sunzıoı ‚snaeA !yy PORIppUg T “oAany) oyosıydessousiyg 7 ‘uspunoosppddoq ap alu] g Mıstııno “punpg aasojpoeı 19.319902 A9SSOASJOJHN Sunzioisn䮑\ 1oq UAUOISINIXOTJEFUIIEMTZ 19p Zunaautofyioı‘ "Sg "Sa u £’ 172 THEODOR BEER: Beispiele für die vorwiegende Abnahme der Excursionsgrösse ohne nennenswerthes Herabrücken des Zwerchfelles geben ferner Fig. 38, Fig. 39 und Fig. 40. Fig. 39 entstammt demselben Versuche wie Fig. 1; an demselben Thiere war überdies vorher noch ein anderer Versuch ausgeführt worden, es war schon sehr lange und tief curarisirt, so dass der hier nur geringe Effect der Vagusreizung kaum Wunder nehmen kann. Man sieht in Fig. 40 mit dem Absinken des Blutdruckes rasch eine Verkleinerung der Zwerchfellexeursionen eintreten, welche im we- S Du ee re A NET , Fig. 39! Verkleinerung der Zwerchfellexceursionen (beim Affen). Mantelpavian (Hamadryas) curarisirt. S Linie der Doppelsecunden, P Phrenographische Curve, B Blutdruck, RR, Vagusreizung, Rollenabstand 7-0 (Magen und Oesophagus nicht ausgeschaltet). sentlichen dadurch zu Stande kommt, dass das Zwerchfell bei der Ex- spiration nicht so weit hinaufrückt als früher. Das Maximum des inspiratorischen Tiefstandes zeigt während der Reizung ein ganz unbe- deutendes Herabrücken gegenüber dem Verhalten vor der Reizung an; in anderen Fällen (z. B. auch in demselben Versuche, dem Fig. 40 ent- nommen ist) zeigte der Stand der inspiratorischen Maxima während .der Reizung überhaupt keine Veränderung. Erst lange nach Aussetzen der Reizung erreichen in diesem Versuche die Zwerchfellexeursionen durch allmählich sich vergrössernde Exspirationen Ihre Ausgangsgrösse. ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LUNGE,. Das Bild der Fig. 40 erinnert lebhaft an das Verhalten der Zwerchfelleurve bei Muscarinvergif- tung; vergleichsweise gebe ich hier eine solche Curve wieder. Man sieht in Fig. 41 (S.174) zugleich mit der bekannten, der Mus- carininjection folgen- den Veränderung des Blutdruckes — ganz ähnlich wie bei der Va- gusreizung — eine all- mähliche Verkleine- rung der Zwerch- fellexcursionen ein- treten; dieselbe kommt so zu Stande, dass das Zwerchfell bei der Ex- spiration nicht so weit hinaufrückt als vorher; schliesslich kommt es zu vollständigem Ath- mungsstillstand, wobei dasZwerchfell et- was tiefer steht als vor dem Eingriffe auf der Höhe der Inspiration. Die sämmtlichen bisher beschriebenen Effecte, welche peri- phere Vagusreizung an der phrenographischen Curve hervorzubringen im Stande sind, fallen in der Regel nach der intravenösen Fig. 40. Verkleinerung der Zwerchfellexceursionen bei Vagusreizung (?/, der ursprünglichen Grösse). ri -1 B Blutdruck, RR, Vagusreizung, P Phrenographische Curve, Rollenabstand 6°5. S Linie der Doppelsecunden, Grosses graues Windspiel, curarisirt. (Sb) THEODOR BEER: 174 10 Sek. ESSEN A TESTS Fe ET re ee SANT en et; TREUE 1] TRRER VRESENT WERDE REREET IRRER TERERER] TERRY REIST VE EN RS] LE rare euer sn] u ee Fig. 41. Verhalten der Zwerchfelleurve nach intravenöser Injection von Muscarin. sulfur. Curarisirtes Thier. ? Phrenographische Curve, B Blutdruck. ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LUNGE. 175 Injection von Atropin sulfur. aus, wie dies die folgende Fig. 42 illustrirt. In dem Versuche, welchem Fig. 42 entstammt, war unmittelbar vor der Atropinisirung das Herabrücken des Zwerchfells und die Verkleinerung seiner Excursionen bei Vagusreizung in exquisiter Weise vorhanden. 32 Secunden nach der Injection von 1°" einer 0-1 procent. Lösung von schwefelsaurem Atropin in die Jugularvene hatte die Vagusreizung bei gleichem Rollenabstande — und später auch bei verringertem RA — keinen Effect mehr auf das Verhalten der phrenographischen Curve. In einer geringen Anzahl von Versuchen zeigte die Zwerchfelleurve abweichend von dem gewöhnlichen geschilderten Verhalten während der peripheren Vagusreizung gar keine oder nur ganz unbeträchtliche Veränderungen; es waren dies mitunter solche Versuche, in denen auch die Wirkung der Vagusreizung auf das Herz nicht so intensiv wie ge- wöhnlich ausfiel. P ANMANANNANNANNANNNANANN ANAANAANARAANDANAAANAAAMAN 4 —KK VL wmmmmr Aa en Fan Vagus - Reizung 4Sec. Fig. 42 (!/;, der ursprünglichen Grösse). Ausfall des phrenographischen Phaenomenes nach Atropininjection. Curarisirtes Thier. P Phrenographische Curve, 7 Trachealdruck, B Blutdruck, RR, Vagusreizung (32 Sec. nach Atropininjection) Rollenabstand 7-0. Umstände, denen ich mit einiger Wahrscheinlichkeit den negativen Ausfall der Reizung zuschreiben zu können glaube sind: a) Zu grosse Jugend oder zu grosses Alter der Versuchsthiere; b) Zu starke Curarisirung; dass dieselbe den Effect der Reizung sehr zu beeinträchtigen im Stande ist, lehrt ein einfaches Experiment, das mit Curven zu belegen wohl als überflüssig betrachtet werden darf. c) Zu grosse Kraft der künstlichen Athmung; ich erhielt of deutlichere Veränderungen, wenn ich den Blasebalg weniger stark mit Gewichten belastete oder auch weniger hoch heben liess; der Ein- fluss dieses Momentes ist noch näher zu untersuchen. 176 THEODOR BEER: Discussion des phrenographischen Phaenomenes. Von vornherein möchte man es für wahrscheinlich halten, dass in dem durch periphere Vagusreizung hervorgebrachten phrenographischen Phaeno- mene eine complicirte Erscheinung zu sehen ist, eine Wirkung, deren Zustandekommen kaum durch ein Moment allein zu erklären ist. Im Folgenden soll der Versuch gemacht werden, die Einflüsse, welche die verschiedenen hier in Betracht kommenden Factoren auf den Zwerch- fellstand üben können, im einzelnen auseinander zu setzen und das Wesent- liche vom Unwesentlichen zu scheiden. Wir sehen in der grossen Mehrzahl der Fälle bei Vagusreizung das Zwerchfell allmählich herabrücken; da dies am curarisirten Thiere nicht durch active Contraction des Muskels geschehen kann, sondern nur dadurch, dass das Zwerchfell passiv herabgedrängt wird, so müssen als Ur- sachen dieser Veränderung des Zwerchfellstandes zunächst alle jene Momente in’s Auge gefasst werden, welche eine Volumvergrösserung des Brust- raumes bewirken, (Allerdings könnte auch bei gleichbleibendem Thorax- volum oder sogar bei einer Verkleinerung desselben das Zwerchfell herab- rücken, nämlich wenn diese Veränderung durch ein entsprechendes Ein- sinken anderer Theile der Thoraxwandungen compensirt oder übercompen- sirt würde; hiervon wollen wir aber zunächst absehen.) Hier kommen wieder in Betracht das Herz, die grossen Gefässe und die Lunge. Während der Vagusreizung steht das Herz still und zwar in Diastole; es wird allmählich grösser; hierin scheint auf den ersten Blick ein Moment zu liegen, das an sich wohl geeignet wäre, das allmähliche Tieferrücken des Zwerchfelles zu erklären. Es fragt sich indess, ob wir es bei dieser Ver- grösserung des Herzens wirklich mit einer Vermehrung des Thorax- inhaltes und nicht etwa bloss mit einer Aenderung der Blutver- theilung in den Brustorganen zu thun haben. Das Blut, welches beim Vagusherzstillstand aus der Lunge in das Herz abfliesst — der Druck in der Pulmonalarterie sinkt ja gleichzeitig mit dem Arteriendruck — kommt für eine Volumvermehrung des Brustraumes nicht in Betracht: das Blut hat ja nur seinen Ort innerhalb des Thorax ge- ändert; dagegen gelangt Blut aus der Körperperipherie in die Hohl- venen und von da in das rechte Herz, und diese Blutmenge, die wesent- lich von ausserhalb des Thoraxraumes gelegenen Bezirken kommt, könnte wohl eine Volumvergrösserung des letzteren und damit ein Herab- rücken des Zwerchfells zu Stande bringen. Der Herzstillstand könnte also an dem Zustandekommen unseres Phae- nomens einen gewissen Antheil haben; dass er aber nicht den wesent- ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE Lunge. 177 lichen Factor dabei darstellt, geht aus der Betrachtung der folgenden Thatsachen hervor. a) Wäre der Herzstillstand, bezw. die durch denselben bedingte Störung des Blutkreislaufs die wesentliche Ursache des Herabrückens des Zwerchfells und der Verkleinerung seiner Excursionen, so müsste das phrenographische Phaenomen in allen den Fällen in ausgesprochener Weise vorhanden sein, in denen die Vagusreizung einen ausgiebigen Herzstillstand zur Folge hat. Nun pflegt zwar im Grossen und Ganzen, wenn das Zwerchfellphaenomen in exquisiter Weise vorhanden ist, auch die Wirkung der Vagusreizung auf das Herz intensiv zu sein (steiles Absinken des Blutdruckes; Stillstand), es lässt sich aber keineswegs eine durch- greifende Abhängigkeit beider Phaenomene von einander con- statiren: Unter den oben erwähnten negativen Versuchen befanden sich solche, wo trotz tiefem Absinken des Blutdruckes und langem Herzstill- $ II Fig. 43. (!, der ursprünglichen Grösse). Schwarzer Spitz, curarisirt. S Linie der Doppelsecunden, P Phrenographische Curve, B Blutdruck, RR, Vagusreizung, Rollenabstand 8-0. stande keine oder nur eine ganz geringfügige Aenderung an der phreno- graphischen Curve beobachtet werden konnte. Es erscheint überflüssig, dies durch ein Curvenbeispiel zu illustriren. Umgekehrt kann das phreno- graphische Phaenomen in ausgeprägter Weise zu Stande kommen, ohne dass das Herz still steht. (Verlangsamung der Pulsfrequenz ohne er- hebliche Aenderung des Arteriendruckes. Endlich kann das phrenographische Phaenomen sich in exquisiter Weise ausbilden, während der Arteriendruck bereits sein Minimum erreicht hat und kein weiteres Sinken zeigt, wo also vom Herzen und der Circulation aus bereits constante Verhältnisse vorliegen, welche die zu- Archiv f. A. u. Ph. 1892. Physiol. Abthlg. Suppl. 12 THEODOR BEER 178 a Fig. 44. Herabrücken des Zwerchfells unter Verkleinerung der Excursionen bei Vagusreizung in der Muscarin- intoxication. Grosser schwarzer Jagdhund, eurarisirt. $ Linie der Doppelsecunden, P Phrenographische Curve, B Blutdruck, RR, Vagusreizung Rollenabstand 5-0, nach intravenöser Injection von 1!/, °m einer 0-5 procentigen Lösung von Muscarin. sulfur. ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LUNGE. 179 nehmende Veränderung des Zwerchfellstandes unerklärt lassen. Ein Beispiel dieses Verhaltens giebt Fig. 43. b) Trotzdem die ange- führten Argumente genü- gend für die Unabhängig- keit unseres Phaenomens von der Wirkung der Va- gusreizung auf das Herz zu sprechen scheinen, hielt ich es doch für wünschens- werth, diese Unabhängig- keit noch in anderer Weise festzustellen. Ebensowenig wie bei der Untersuchung der In- nervation der Bronchien gelang es mir hier, mittels Atropin bloss die Vagus- wirkung auf: das Herz auf- zuheben; stets fiel in der Atropinvergiftung auch das phrenogra- phische Phaenomen aus; hier wären aber nur positive Versuche bewei- send gewesen. Ich griff daher wieder zum Muscarin, um einen Zustand zu setzen, in wel- chem die Vagusreizung auf das Herz unwirksam ist; in der That gelang es. mir in einer kleinen Anzahl derartiger Versuche bei der Vagusreizung im wesent- lichen das gewöhnliche phrenographische Phaeno- men zu erhalten, ohne dass sich an derSchlag- folge des Herzens, so- wie an dem Blutdruck P Phrenographische Curve, 2 Blutdruck. &n = = IS) no .- &n m [eb] > = ii = & oO un S Een oe 9 5 I 19 =) .& SEES _i 2 SE s Fe near Sr) RN _„ .-— en =) DR Se un —- Ss 5 > & ee [eb] = R ar [e=} _ Se ES 98 n © ta een en .d == a8 =]... un Ä 5 ae o AN 5 N = & > | S 7 an = 8 - .-_i un = S [@) eine nennenswerthe Aenderung zeigte. Ein besonders gutes Beispiel giebt hierfür Fig. 44. 12, 180 THEODOR BEER: In anderen Fällen zeigte sich während der Muscarinvergiftung als Folge der Vagusreizung bloss Verkleinerung der Zwerchfellexcur- sionen bei unveränderter oder etwas herabgerückter Mittellage. Dies illustriren die Curven Fig. 45 und Fig. 46. In Fig. 45 sieht man während der Vagusreizung einen förmlichen, langandauernden Athmungsstillstand eintreten, wie er in der Muscarin- vergiftung gar nicht selten auftritt. Das Wort „Apnoe“ ist hier selbstver- ständlich nicht am Platze, der Athmungsstillstand kommt so zu Stande, dass der durch die Muscarinvergiftung an sich schon gesetzte beträcht- liche Widerstand in den Luftwegen! durch die hinzutretende Con- traction der Bronchien bei Vagusreizung noch vermehrt wird, so dass jetzt N 2 4Sek. ri Ta ii Fig. 46. Herabrücken des Zwerchfells unter Verkleinerung der Excursionen bis zum Stillstande. Junge Dogge, curarisirt. Muscarininjection. P Phrenographische Curve, 2 Blutdruck. aus mechanischen Gründen der Blasebalg keine Luft in die Lungenalveolen treiben kann und die Ventilation des Thieres aufhört. c) Um die Wirkung der Vagusreizung auf die Circulationsverhältnisse auszuschliessen, habe ich endlich noch den geschilderten Versuch am ver- bluteten 'Thiere vorgenommen; es zeigte sich, dass das phrenographische Phaenomen auch hier vorhanden war, wo von wesentlichen Aenderungen der Blutvertheilung keine Rede mehr sein konnte. ı Vgl. Grossmann, a. a. 0. ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LUNGE. 181 'StIOAR/) Op SNe Sunyaızyusgujg yasu ‘0.G purgsgeusppoy “ZunziismaeA "Sy yonıpmmg T "Aın) oyasıydeısousıiyg 7 ‘uspunoospeddogq ıap alurg Sg IIsteımd “Punf] A9Sopoeı IOZIEMUIS IOSSOASTOPIMN VI9Iq], u9gagnfgaaA we Sunzıaisnder Iaq uomouaeug agasıydeısousiyd seq "(osso1n uoyaıpsaunıdsın op /, ed) 8p "STH 7 ® BE N ET TEEN rer RE RETEET ERN TRETEN Er RE $ ‘0. puegsgeusjjoy ‘“Sunzıo1 -sndey "ag Pnapmıg T “Amy oyosıydeadousiyg g ‘uapunsesppddoqg Sg "NOISIEZ ua1ue9magyy "pungspjoM AoqjPsneıd 19SSOAS[OINL N ‘(ossoig) aayorsunıdsın ıop °, eo) 19 "ST 182 THEODOR BEER: Der Versuch, welchem Fig. 47 entnommen ist, war ursprünglich zu anderen Zwecken angestellt. Ich wollte den Einfluss des Curare’s gänzlich vermeiden und machte das Thier durch Durchschneidung der Medulla oblongata und Zerstörung des Halsmarkes bewegungslos; es wurde in der gewöhnlichen Weise künstlich geathmet. Trotz minutenlanger Aus- setzung der künstlichen Athmung trat keine Respirations- bewegung ein; das Thier hatte bei der Operation so viel Blut verloren, dass ich füglich den Versuch hier als Beispiel anführen kann. Man sieht, wie bei ganz minimalem Sinken des Blutdruckes das Zwerchfell in der bekannten Weise und zwar sehr beträchtlich herab- rückt. Fig. 49. (!/), der ursprünglichen Grösse). Gelber Pintscher, curarisirt. $ Linie der Doppelsecunden, P Phrenographische Curve, B Blutdruck, RR, Vagusreizung, Rollenabstand 9-0. Einem ganz reinen Versuche ist Fig. 48 entnommen. Dem Thiere war durch Oeffnen einer Carotis eine beträchtliche Menge Blutes entzogen worden. Man sieht hier während der Vagusreizung das allmähliche Herab- rücken des Zwerchfells unter Verkleinerung seiner Excursionen in typischer Weise zu Stande kommen, während das Herz zwar secundenlang stillsteht, der. Blutdruck aber, der ohnedies nahezu Null ist, keine Aende- rung mehr aufweist. Demnach lässt sich mit Bestimmtheit sagen, dass der Herzstill- stillstand bezw. die durch denselben gesetzte Aenderung der ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LUNGE. 183 Blutvertheilung nicht für sich allein unser Phaenomen hervor- bringt. Fassen wir nun das Verhalten der Lunge näher in’s Auge, so ist es klar, dass dieselbe in zweierlei Weise an einer Vergrösserung des Thorax- raumes participiren kann. a) Durch vermehrte Blutfüllung, db) Durch Vergrösserung ihres Binnenraumes. Was das ersterwähnte Moment betrifft, so haben ja die Versuche, wo künstlich mächtige Blutdrucksteigerungen erzeugt wurden, gelehrt, dass die Lungenschwellung (bei der Strychninvergiftung steigt bekanntlich der Druck in der Art. pulmonalis) ein dem in Rede stehenden ähnliches Phaenomen, nämlich Herabrücken des Zwerchfells und Verkleinerung der Excursionsgrösse hervorbringt. Der Umstand aber, dass bei Vagusreizung der Blutdruck ja nicht steigt, sondern im Gegentheil tief absinkt, spricht schon gegen die Er- klärung beider nur äusserlich ähnlicher Phaenomene aus derselben Ursache. Dagegen mag das angezogene Moment es erklären, dass man häufig nach der Vagusreizung noch ein zweites Herabrücken des Zwerch- fells unter Verkleinerung der Excursionsgrösse beobachten kann, ein Verhalten, von dem Fig. 49 ein gutes Beispiel giebt. Man sieht hier, nachdem die Zwerchfelleurve bereits im Absinken be- griffen war, wie mit dem mächtigen Anschiessen des Blutdruckes nach Aussetzung der Vagusreizung eine der ersten ziemlich ähnliche Erhebung zu Stande kommt. Mit dem allmählichen Absinken des Blutdruckes von der erreichten Höhe kehrt dann auch die Zwerchfelleurve ganz allmählich zu ihrem Ver- halten vor der Reizung zurück. Wir werden kaum fehlgehen, wenn wir diesen zweiten Anstieg nach der Reizung analog den bei anderen — event. künstlich gesetzten — Blut- drucksteigerungen beobachteten auf Lungenschwellung beziehen; in vielen Fällen schliesst sich die durch das Ansteigen des Blutdruckes nach der Reizung bedingte Veränderung der Zwerchfelleurve direct der durch die Vagusreizung selbst gesetzten an, während die letztere noch in voller Ausbildung vorhanden ist; so kommt die scheinbare, ausser- ordentlich lange Nachwirkung der Reizung zu Stande, wie sie die Curve Taf. XI Fig. 2 zeigt. Hier erweist sich, wie nothwendig auch in Versuchen, die auf den ersten Blick nichts mit dem Blutdrucke zu schaffen haben, die Registrirung desselben ist. Die Vernachlässigung der Aenderungen des ‘ Arteriendruckes hätte hier leicht zu Fehlschlüssen führen können. 184 THEODOR BEER: In Fällen, wo das Ansteigen des Blutdruckes über das Ausgangsniveau nach der Reizung nicht vorhanden oder nur unerheblich ist, kehrt die Zwerchfellcurve meist weit rascher auf ihr ursprüngliches Verhalten zurück. Ein Beispiel giebt Fig. 50. Eine mehr oder weniger lange Nachwirkung der Reizung mag übrigens mitunter auch mit im Spiele sein. Was nun die mit der Vagusreizung eintretende Verminderung der Blutfülle der Lunge betrifft, so ist dieselbe ein Moment, das an sich das Gegentheil unseres Phaenomens, nämlich ein Hinaufrücken des Zwerch- fells bedingen sollte; auch sieht man wirklich in einigen Fällen der ge- wöhnlichen nun schon wiederholt geschilderten Aenderung der phrenogra- Fig. 50. Curarisirtes Thier. S Linie der Doppelsecunden, P Phrenographische Curve, B Blut- druck, RR, Vagusreizung, Rollenabstand 10-0. phischen Curve ein kurzes Stadium vorangehen, wo mit dem ersten jähen Absinken des Blutdruckes ein Herabrücken der Minima eintritt — vergl. z. B. Fig. 34 — das Zwerchfell also zunächst etwas hinaufrückt. Ueberdies lehren die Versuche, in denen der Einfluss des Herzstill- standes ausgeschaltet wurde, dass unser Phaenomen unabhängig von Aenderungen der Blutfülle der Lunge zu Stande kommen kann. Somit bleibt nichts anderes übrig, als die während der Vagusreizung beobachtete Aenderung der phrenographischen Curve den durch die Bron- ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LuUnGE. 185 chialverengerung gesetzten Veränderungen im Binnenraume der Lunge zuzuschreiben. Wir sehen das Herabrücken der Mittellage des Zwerchfells (Anstieg in der Curve) gewöhnlich so zu Stande kommen, dass bei der Exspiration das Zwerchfell nicht so weit hinaufrückt als vor der Reizung, bei der nächsten Exspiration wieder etwas tiefer bleibt u. s. w., dabei wird entweder die ur- sprüngliche Inspirationsstellung immer wieder erreicht oder — und zwar geschieht dies in der grossen Mehrzahl der Fälle — es kann auch diese herabrücken. Diese Veränderungen müssen, da wir alle übrigen Wirkungen der Vagusreizung ausschliessen konnten, im Wesentlichen der Bronchial- contraction zugeschrieben werden und es liegt sehr nahe zur näheren Erklärung unseres Phaenomens auf die zuerst von Biermer! aufgestellte, bisher aber durch Thatsachen nicht gestützte und deshalb von vielen Klinikern aufgegebene Hypothese der Lungenblähung beim broncho- spastischen Asthma zu recurriren. Biermer’s Ausführungen beziehen sich auf den selbständig athmen- den Menschen; wir werden später untersuchen, ob eventuell — in wie weit — dieselben auf das künstlich geathmete Thier übertragen werden können. Wintrich, später v. Bamberger und Lehmann hatten behauptet, „dass bei einem tonischen Bronchialkrampf das Zwerchfell hoch stehen, der Umfang des Thorax verkleinert und die Intercostalräume eingezogen sein müssten“. Gegen diese Anschauung wendet sich Biermer und sagt: „Ich würde Hochstand des Zwerchfells und Verkleinerung des Thoraxumfanges mit Einziehung der Intercostalräume begreiflich finden, wenn es sich um einen Lungenkrampf handelte, bei dem Bronchien und Alveolen harmo- nisch auf ein kleines Volumen zusammengezogen wären. Ein solcher Lun- genkrampf existirt aber nicht und beim Bronchialkrampf wird sich die Sache anders verhalten müssen.“ ? „Die Bronchialmuskeln sind ohne Zweifel Antagonisten der Inspiratoren, ungefähr so wie die Gefässmuskeln Antagonisten des Herzmuskels sind. Als Factoren des Lungentonus schaffen sie zweckmässige Widerstände gegen zu starke inspiratorische Ausdehnung der Luftwege und dienen gleichzeitig mit der Lungenelasticität den Exspirationszwecken. Ob sie bei der ge- wöhnlichen Ausathmung activ betheiligt sind, ist zweifelhaft, jedoch nimmt man an, dass sie bei gewissen foreirten Exspirationsacten und besonders bei der Expectoration eine austreibende Rolle spielen. Man denkt dabei 1 Ueber Bronchialasthma.. Volkmann’s Sammlung klin. Vorträge. Nr. 12. ?A.2.0. 8.45. 186 THEODOR BEER: an die analoge Function der circulären Muskelschichten anderer Schleim- hautkanäle.“ ! „Nach meiner Meinung muss der tonische Krampf der mittleren und feinen Bronchialzweige die In- und Exspiration erschweren. Es ist leicht verständlich, dass durch einen tonischen Bronchialkrampf die Inspiration grösseren Widerstand findet und der negative Druck im Thorax steigt. Ebenso wird es keinem Zweifel unterliegen, dass die Schwierigkeiten, welche die spastisch verengerten Bronchialzweige dem Einströmen der Luft bereiten von den inspiratorischen Zugkräften hinreichend überwunden werden. Es kommt ja den Inspirationsmuskeln eine relativ grosse Kraftentwicklung zu (Donders schätzt sie auf 72"m Quecksilber).“ „Wichtiger aber als die Inspirationsstörung scheint mir die Behinde- rung der Exspiration zu sein, welche durch den Krampf der feinen Bronchialzweige bedingt wird.“ „Nach meinem Dafürhalten ist der Krampf der Bronchiolen für den Luftwechsel der Alveolen ebenso unzwekmässig, wie der Darmkrampf für die Fortbewegung des Darminhaltes. Ich denke mir, dass die Bronchial- muskeln im spastischen Zustand einen sphinkterartigen Verschluss bilden können, welcher durch die Inspiration leichter als durch die Exspiration überwunden wird und das Entweichen der Luft aus den Alveolen beeinträchtigt.“ Biermer macht darauf aufmerksam, dass „der Exspirationsdruck nicht bloss auf den Inhalt der Alveolen wirkt, in welchem Falle allerdings die Bronchialcontraction durch eine derartige Vis a tergo leicht überwunden werden dürfte, sondern auch auf die Bronchiolen. Denkt man sich die Bronchialmuskeln im Krampf, so stehen die be- treffenden Bronehien während der Exspiration unter dem allgemeinen Exspirationsdruck plus dem Druck der spastischen Bronchial- muskelcontraction. Es liegt daher nahe anzunehmen, dass unter diesen Umständen die Bronchialzweige während der Exspiration sich relativ stärker zusammenziehen, als die zugehörigen Alveolen, wodurch natürlich die Ventilation der Alveolen wesentlich gestört werden müsste. Ja man kann sogar, da die Bronchiolen weich, compressibel sind, daran denken, dass sie durch den Exspirationsdruck anstatt geöffnet noch mehr verschlossen werden und dies würde dann einer ventilartigen Absperrung der Alveolen fast gleichkommen.“ ? Diese Erklärung, die Biermer für die Lungenblähung und den ent- ‚sprechenden Tiefstand des Zwerchfelles beim Bronchialkrampf während der INES ı A.a. ©. S. 44. ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LUNGE. 187 selbständigen Athmung giebt, wäre nur dann für die Verhältnisse bei con- stanter künstlicher Athmung nicht anwendbar, wenn das Verhältniss zwischen in- und exspiratorischen Kräften hier ein wesentlich anderes wäre; der Bronchialkrampf bleibt in beiden Fällen derselbe. Der mit Gewichten be- lastete Blasebalg treibt mit relativ grosser Gewalt eine bestimmte Quantität Luft in die Lunge; während der Exspiration, welche hier rein durch die Elasticität der Thoraxwandungen und der Lunge zu Stande kommt, stehen die Bronchien auch hier unter dem Exspirationsdrucke „plus dem Drucke der spastischen Bronchialmuskelcontraction“ Ja die Verhältnisse liegen hier für Biermer’s Erklärung insofern noch günstiger, als keine activen Exspirationskräfte aufgebracht werden können. Biermer’s weitere Annahme, dass die Bronchiolen durch den Exspira- tionsdruck anstatt geöffnet, noch mehr verschlossen würden, scheint mir dagegen nicht stichhaltig zu sein; denn der bei der Exspiration von den Alveolen her gegen die verengten Stellen fortgepflanzte Druck muss ja dem von aussen auf demselben lastenden zum mindesten das Gleichgewicht halten; wäre dies nicht der Fall, so wäre nicht einzusehen, warum nicht auch unter normalen Verhältnissen die feinsten Bronchiolen durch den Exspirationsdruck mehr comprimirt als geöffnet werden sollten, was doch mit der physiologischen Athmung nicht vereinbar wäre. Die von mir bei peripherer Vagusreizung am curarisirten Thiere beobachtete Veränderung der phrenographischen Curve, welche unzweifel- haft auf einem Herabrücken der Lunge beruht, kann jedenfalls als erste stützende Thatsache für die Biermer’sche Hypothese betrachtet werden, dass aber an dem Zustandekommen der Lungen- und zwar speciell der Alveolenblähung noch ein anderes Moment betheiligt ist, dem bisher niemals Aufmerksamkeit geschenkt wurde, geht aus der folgenden Versuchsreihe hervor. Registrirung des Zwerchfellstandes bei Vagusreizung nach Aussetzung der künstlichen Athmung. Die Biermer’sche Theorie erklärt die Lungenblähung nur an der athmenden Lunge; für die ruhende Lunge fällt jede Erklärung der Ausdehnung der Alveolen durch Ventilwirkung selbstverständlich weg. Die Anordnung der nun zu schildernden Versuche war im allgemeinen dieselbe, wie in der vorhergehenden Versuchsreihe; vor der Trachea war der bereits öfter erwähnte T-Hahn eingeschaltet. Durch entsprechende Stellung desselben konnte die Lunge gegen den Blasebalg abgesperrt und mit einer manometrischen Vorrichtung zur Bestimmung des intratrachealen 188 THEODOR BEER: Druckes in Communication gesetzt werden. Der Schreiber der phreno- graphischen Vorrichtung verzeichnete den Zwerchfellstand. Wurde in der beschriebenen Weise die künstliche Athmung unter- brochen und nun die Vagusreizung vorgenommen, so sah man in einer N TE les Man ale nhlant. ran Du Fee 10 Sek. Bat mb sa, Verben Sem — asien one IE aeg Fig. 51. Ansteigen des Trachealdruckes und Herabrücken des Zwerchfells bei Vagusreizung unter statischen Verhältnissen. Mittelgrosser schwarzbrauner Rattler, eurarisirt. S Linie der Doppelsecunden, P Phrenographische Curve, 7 Trachealdruck, B Blutdruck, AR, Vagusreizung, Rollenabstand 7-0. Reihe von Fällen zugleich mit dem bekannten Ansteigen des Tracheal- druckes das Zwerchfell herabrücken. Paradigmen dieses Verhaltens geben Fig. 51 und Fig. 52. In Fig. 51 sieht man den Blutdruck in Folge der Erstickung in ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LUNGE. 189 wellenföürmigem Anstiege begriffen. Mit dem Einbrechen der Vagusreizung sinkt derselbe erheblich ab; anfangs kurz dauernder Herzstillstand, dann Vaguspulse. Der mit dem Marey registrirte Trachealdruck zeigt anfangs ein erhebliches Ansteigen, fällt aber noch während der — ziemlich langen — Reizung wieder ab. Das Zwerchfell zeigt anfangs ein Herabrücken, dann bleibt es eine Zeit lang in der erreichten Stellung, hierauf kommt ein weiteres Herabrücken, während sich gleichzeitig an der Curve des intra- trachealen Druckes nichts ändert. Erst einige Zeit nach Aussetzung der Reizung kehrt es auf seinen ursprünglichen Stand zurück. ET 5. aka — Vagus - Reizung = 2 Sek. Fig. 52. Herabrücken des Zwerchfells bei Vagusreizung unter statischen Ver- hältnissen. Curarisirtes Thier, P Phrenographische Curve, B Blutdruck, Rollenabstand 8-0. In Fig. 52 sieht man das Herabrücken des Zwerchfells zu Stande kommen während sich an dem Blutdruck keine Aenderung mehr zeigt. Der Trachealdruck wurde hier nicht geschrieben. Die Curve Fig. 53 entstammt demselben Versuche wie Fig. 47. Das Thier war nicht durch Curare, sondern durch Abtrennung der Medulla oblongata gelähmt. Das Halsmark war zerstört, so dass auch minuten- langes Aussetzen der .\thmung keine Respirationsbewegung hervorrief. Der Blutdruck zeigt während der Vagusreizung ein ganz unbeträchtliches Sinken, der Trachealdruck ein erhebliches Ansteigen, das Zwerchfell ein deutliches Herabrücken, nach der Reizung kehrt es rasch auf das Ausgangsniveau zurück. 190 THEODOR BEER: Dieser Versuch an dem — durch den Blutverlust bei der Operation — stark anaemischen Thiere lehrt zugleich die Unabhängigkeit des hier beobachteten phrenographischen Phaenomens von der Herz- wirkung der Vagusreizung; dasselbe zeigt in deutlicher Weise Fig. 54, welche einem Versuche am curarisirten, verbluteten Thiere ent- nommen ist. Das Herabrücken des Zwerchfelles in den beiden letzterwähnten Ver- suchen muss ausschliesslich auf die bronchialverengernde Wirkung der Vagusreizung bezogen werden. Es handelt sich nun um die nähere Er- klärung, in welcher Weise die Bronchialverengerung jenes Phaenomen zu Stande bringt. | 5 A priori hätte man viel- leicht erwarten können (vgl. NR die oben erwähnten Ansichten -——«« von Wintrich, v. Bamber- ger u. a.) dass der Bron- chialcontraction und dem An- steigen des Trachealdruckes entsprechend ein Hinauf- rücken des Zwerchfells zu er le Stande kommen sollte; dies wurde nun in keinem Falle = Mm - ab beobachtet; war an derZwerch- Fig. 53 fellcurve überhaupt eine Ver- ('/, der ursprünglichen Grösse). änderung während der Vagus- Ansteigen des Trachealdruckes und reizung zu sehen, so bestand Herabrücken des Zwerchfells bei Vagus- sie in einem Ansteiven, was reizung unter statischen Verhältnissen. dem Herabrücken des Dasselbe Thier wie in Fig. 47. $ Linie der Doppel- Zwerchfells entspricht. secunden, P Phrenographische Curve, 7’ Tracheal-, Ich erkläre mir die Er- B Blutdruck, AR, Vagusreizung, Rollenab- scheinung folgendermaassen : stand 6-0. R i r Denken wir uns einen Kaut- schukschlauch, an jedem Ende desselben befinde sich ein Marey’scher Tambour und zwar an dem einen Ende ein grösserer, welcher dem im Versuche zur kegistrirung des T:achealdruckes verwendeten entspreche, an dem anderen Ende ein kleinerer, welcher einen Lungenalveolus repraesentiren soll; der Kautschukschlauch selbst entspreche dem Bronchial- baum. Es ist sofort einleuchtend, dass, wenn ich den Kautschukschlauch an irgend einer Stelle verengere, z. B. comprimire, die Kautschukmembranen beider Marey’scher Apparate durch den gesteigerten Druck ausge- ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN V AGUSREIZUNG AUF DIE Lunge. 191 -u9Sozyuo song; OFuap oyoıpyydeıgeq duo smore,) Aou Sunupag yaamp IST aroIqy we "G.L pue4sgqeuot[odg “ZunzioL -snde !"yy OnIıpmıg T "Aın) oyosıydessousmyg L ‘wapunaosjoddog ap arurg g "NIsLeind “pungsqoeg JTaunergzuemysg "U9SSTUIJEUIOA UAY9SIIEIS Td9yJun Sunzmwasnseir 19q sT[eFyP1oeM7Z sop uoyanıqeIoH "FG 314 U) a a a A780 192 THEODOR BEER: baucht werden müssen. Aehnliche Verhältnisse bestehen in unserem Ver- suche: Wenn sich die Bronchien verengern, so hat man gewöhnlich nur auf das Verhalten des Marey’s geachtet, der mit der Tracheal- canüle in Verbindung gesetzt ist; als ein kleiner Marey’scher Tam- bour kann aber ohne weiters jeder einzelne Alveolus betrachtet werden. Ganz so wie die Gummimembran des Marey’s als ein leicht dehnbarer Theil der Wandungen des abgeschlossenen Gesammtluftraumes muss jeder ein- zelne Alveolus ausgebaucht werden, sobald sich die Bronchien in nennenswerther Strecke contrahiren. Dazu kommt noch, dass wir allen Grund haben, peristaltische Contractionen der Bronchien anzu- nehmen, durch welche die Luft gegen die Alveolen förmlich ausgestreift wird. Das Zwerchfell ist der Lungenoberfläche hermetisch angeschlossen und zeigt durch sein Herabrücken die Aufblähung der Alveolen an; es ist gewissermaassen der Membran eines riesigen Marey’schen Tambours vergleichbar. Dieser Auffassung muss man den Einwand entgegenstellen, dass ja durch die Verengerung der Bronchien zwar unzweifelhaft die Alveolen aus- gedehnt werden müssen, dass aber bei der blossen Aenderung der Luft- vertheilung innerhalb der Lunge das Organ als Ganzes nicht grösser werden kann, wie man geneigt sein könnte, aus dem Herabrücken des Zwerchfells zu schliessen. Dass die Lunge während der Vagusreizung als Ganzes grösser wurde, während das Zwerchfell herabrückt, wird aber von mir durchaus nicht behauptet, dagegen spricht ja schon — vergl. Fig. 52 — das gleich- zeitige Ansteigen des Trachealdruckes.Y Die durch das Herabrücken des Zwerchfells bedingte Vergrösserung des Thoraxraumes mag daher durch Einsinken der Thoraxwandnngen an anderer Stelle compensirt werden; auch erklärt es sich vielleicht so, dass der Zwerchfellstand bei peripherer Vagusreizung unter statischen Verhältnissen in einer Reihe von Fällen keine Veränderung erkennen lässt. ! In einem Falle wäre esübrigens denkbar, dass trotzdem der intratracheale Druck steigt und die Bronchien sich contrahiren, die Lunge als Ganzes — abgesehen von directer Volumzunahnıe durch Aenderung der Blutfüllung — grösser werde. Sollte die Thatsache einmal beobachtet werden, so wäre sie mit der Annahme zu erklären, dass die Vagusreizung direct den Tonus der Alveolen herabsetzt; kommt es dann an einer Stelle zum krampfhaften Verschlusse eines Bronchus, von dieser Stelle abwärts zur weiteren Contraction und zugleich zu einer Vermehrung der Alveolen- dehnbarkeit (in diesem Sinne wirkt an sich auch die abnehmende Blutfüllung, beim verbluteten Thiere kommt dieselbe aber nicht in Betracht) so könnte der intratracheale Druck steigen und doch die Lunge als Ganzes grösser werden. Diese Annahme ist indess vorläufig rein hypothetisch. ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LuUNnGE. 193 Bei der Uebertragung der im statischen Versuche gewonuenen Re- sultate auf die Verhältnisse bei der Athmung müssen wir sehr vorsichtig sein. Eine mässige Verengerung der Bronchien könnte allerdings hier keine Alveolenblähung erzeugen, wohl aber wäre dies der Fall, wenn die Bronchien — hierbei ist natürlich nur an die feineren Ramificationen zu denken — sich bis zum Verschluss des Lumens und dann weiter nach abwärts contrahirten, so dass nach oben hin ein Abschluss stattfände und die aus den Bronchien getriebene Luft in die Alveolen entweichen müsste, Dass die Bronchialverengerung zu solchem Abschlusse führen kann geht aus folgenden Erwägungen und Thatsachen hervor: Lebert! sagt: „Will man sich von dem Grade der Verschlussfähigkeit der Bronchien einen Begriff machen, so muss man vor Allem auf die me- chanischen Verhältnisse einen Augenblick zurückkommen. Nach den Messungen von Eilhard Schultze”? beträgt die Muskelschicht mensch- licher Bronchien von 4”m Durchmesser 0-1®m, bei solchen von 2m Durchmesser nur 0-05"°”, unter den Knorpeln sind die Muskelzüge ge- wöhnlich schwächer. Die Muskelschicht beträgt also hier den 40. Theil des Durchmessers des Rohres und da ungefähr die äussere Faserschicht, die innere Faserschicht und die Epitheliallage 5 bis 6 mal soviel Raum des Querschnittes einnehmen als die Muskellage, so bleibt für den Radius ein ungefähr 5 mal grösserer Theil als für diese Wandung. Die Verhältnisse sind derart, dass bei starrer Contractur der glatten circulären Muskeln eine dem Verschluss nahe kommende Verengerung des Kalibers zu Stande kommen kann.“ Wintrich?® fand bei „Reizung der querdurchschittenen Bron- chien an ihren Wänden“ u.s. w.: „Diejenigen Bronchien, welche nur überwiegend oder bloss häutig allein sind, ziehen sich schon sehr deutlich zusammen, wenn nach dem Durchschneiden ein kalter Luftstrom gegen sie eindringt ... . In den feineren Bronchien, welche kaum noch !/,”" Lumen haben, scheint das letztere sogar durch die Contraction ganz und gar auf- sehoben zu werden.“ Am beweisendsten ist folgendes Experiment von Gerlach: „Man ka.n, wenn das Manometer eine Druckdifferenz anzeigt, in die Lungen- Oberfläche über ?/, °® tief einschneiden, ja mit der Scheere ganze Stückchen bis zur Tiefe von 5 bis S”m abtragen, ohne dass es im Manometer I Klinik der Brustkrankheiten. Bd. I. 8. 438. ? Stricker’s Gewebelehre. Tom. I. S. 468. EN RONEST IH: Archiv f. A. u. Ph. 1892, Physiol. Abthlg. Suppl. 13 194 THEODOR BEER: zur Gleichgewichtsstellung kommt, was natürlich augenblicklich eintritt, wenn man zu tief geht und einen stärkeren Bronchus anschneidet.“! Es kann demnach durch die Bronchialconstriction ein vollständiger Abschluss der Luftwege nach oben hin zu Stande kommen. Fasse ich die Erklärung der bei peripherer Vagusreizung am curari- sirten Thiere — bei Ausschaltung von Magen und Oesophagus — in der Mehrzahl der Fälle zu beobachtenden Phaenomene in Kürze zusammen, so lautet sie: Den wesentlichen Antheil an dem Zustandekommen der Lungenblähung und dem hierdurch bedingten Herabrücken des Zwerchfells unter Verkleinerung der Excursionsgrösse hat die durch die Vagusreizung bewirkte Bronchialcontraction, und zwar zunächst im Sinne der Biermer’schen Hypothese, für welche umgekehrt meine Versuche die erste thatsächliche Stütze geben; ausserdem mag die Bronchialverengerung für das Zustandekommen einer Al- veolenblähung auch in der zuletzt angedeuteten Weise eine Rolle spielen. Wo die durch die Vagus- reizung gesetzte Veränderung dieselbe lange überdauert, be- ruht dies zum Theil darauf, dass nach der Vagusreizung der Blut- Fig. 55. druck sich mehr weniger hoch Verkleinerung der Zwerchfellexeur- über sein Niveau vor derselben sionen durch Stenosirung eines Haupt- erhebt und so Lungenschwel- bronchus. lung zu Stande bringt; even- Todtes Thier. Obturator im rechten Haupt- tuell kann dies auch noch wäh- bronchus. Athmung durch ein v. Fleischl’- „end der Reizung geschehen ; es sches Spirometer. P Curve der Zwerchfell- = : . lösen dann zwei verschiedene eXCUTSIONEN. Ursachen, die ein äusserlich ähn- liches Phaenomen hervorbringen, einander ab. Es bleibt noch übrig die Versuche zu besprechen, in denen bei Va- gusreizung bloss eine Verkleinerung der Zwerchfellexcursionen ohne er- hebliche Aenderung der Mittellage beobachtet wird, wie z. B. in Fig. 27, S. 154 oder Fig. 40, S. 173. Für solche Fälle bietet die Annahme, die für das gewöhnliche phrenographische Phaenomen gegeben wurde, keine entsprechende Erklärung. Ich glaube, dass es sich in solchen Fällen entweder um den totalen Abschluss ganzer Lungenpartien gegen den eindringenden Luftstiom 1EN2a2 02 82509: ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE Lunge. 195 oder in anderen Fällen um Verengerung bloss grösserer Bronchien handelt, bei denen das Moment des stärkeren Widerstandes bei der Ex- als Inspiration von geringerem Einflusse sind. Ein thatsächlicher Beleg hierfür scheint mir in Versuchen zu liegen, in denen ich durch Aufblasen eines von der Trachea aus in einen Hauptbronchus luftdicht eingeführten Obturators eine mehr oder weniger beträchtliche Stenosirung setzte. Den Effect dieses Eingriffes veranschaulicht z. B. Fig. 55. Es lag im Belieben des Aufblasenden, je nach der Respirationsphase, in welcher der Eingriff vorgenommen wurde, die Mittellage der Exeursionen unverändert zu lassen, z. heben oder zu senken. Im Anschlusse an meine Versuche über das Verhalten des Zwerchfells bei peripherer Vagusreizung am curarisirten Thiere wären noch Versuche zu erwähnen, die von verschiedenen Forschern angestellt wurden, um das Ver- halten anderer Theile der Thoraxwandungen während der Vagus- reizung zu registriren. Francois-Frank! sagt: L’exageration considerable de l’aspiration pleurale avec depression intercostale observee chez un animal curarise, ne pouvant plus presenter de contracture reflexe du diaphragme sous l’influence d’une irritation aortigue, resulte evidemment d’un retrait actif du poumon.“ „Le spasme bronchique qui produit cette retraction du tissu pulmo- naire s’accuse en outre par la resistence notablement augmentee du poumon a linsufflation; pendant que le spasme existe, en effet, ou voit l’expansion des parois du thorax a chaque projection d’air dans le poumon diminuer d’importance, pour reprendre sa valeur quand le spasme bronchique a Bessen Grossmann? registrirte die Thoraxexcursionen mittels aufgelegter Kautschukkissen und kommt hinsichtlich der Athmung während peripherer Vagusreizung zu folgenden mit Curven belesten Resultaten: Es wird dabei die Athmung entweder: a) in den ersten zwei, drei Athmungsexcursionen etwas verkleinert, um noch während der Reizung sich vollständig zu erholen; b) sie bleibt ganz unbeeinflusst ... oder endlich c) sie wird während der ersten Athemzüge sogar erhöht“ Wie diese Gegensätze zu erklären sind, wird nicht gesagt. ! Recherches experimentales sur le spasme bronchique et vaso-pulmonaire etc. Archives de physiol. norm. et pathol. 1890. 2? A.a.0. 8.547. Vergl. auch Frangois-Franck, Legons sur les fonctions motrices du cerveau; das Original ist mir nicht zugänglich. > A.a.0. 8,38. Vergl. insbesondere die Curven Taf. 1. 18* 196 THEODOR BEER: Jedenfalls kann Grossmann’s Behauptung, „dass die Vagusreizung die Athmungsexceursionen in der Regel gar nicht beeinflusst“, in dieser Allgemeinheit nicht aufrecht erhalten werden; dies lehren meine Versuche, in denen der Zwerchfellstand registrirt wurde, zur Evidenz: man könnte nach Grossmann’s Versuchen höchstens behaupten, dass die Excursionen der äusseren Thoraxwandungen in einer Reihe von Fällen keine Veränderung während der Vagusreizung aufweisen. Ob diese nega- tiven Resultate etwa durch zu starke Öurarisirung veranlasst wurden, lasse ich dahingestellt. Auch Einthoven! fand bei Reeistrirung der Thoraxexcursionen während der Vagusreizung von einander abweichende Resultate, ohne in- dess den Gegensatz, in dem dieselben zu einander stehen, hervorzuheben oder aufzuklären. In Fig. 14 „Abnehmung der Athmungsexeursi- onen durch Bronchialkrampf“ bildet er eine Curve ab, aus der eine Verkleinerung des Thorax, in Fig. 22 „Während der Athemdruck sich steigert, nimmt das Lungenvolumen zu“ eine solche, aus der eine Vergrösserung des Thoraxraumes zu erschliessen ist. Es ist vielleicht möglich, dass die Verschiedenheit der Athmungsvorrichtung in diesen Versuchen bei diesem Widerspruche eine Rolle spielt; allerdings sind. die beiden in analoger Weise von einander abweichenden Curven Grossmann’s? mit ein und derselben Athmungsvorrichtung gewonnen. Ich unterlasse es vorläufig des näheren auf diese Dinge einzugehen; ich wollte hier nur hervorheben, dass unsere Kenntnisse auf diesem Gebiete nicht als vollständig abgeschlossen zu betrachten sind und behalte mir vor, auf dieses Thema eventuell zurückzukommen. IV. Abschnitt. Der Einfluss der peripheren Vagusreizung auf die Zwerchfell- bewegung des selbst athmenden Thieres. Nach Rosenthal (Die Athembewegungen und ihre Beziehungen zum Nervus vagus) haben Löwinsohn? und Bernard bei Reizung des peri- pheren Endes des Vagus beim Kaninchen ganz dieselben Erscheinungen gesehen, wie bei Reizung des centralen Endes. Löwinsohn suchte dies von einer Erregung des Phrenicus nach Art L7Arax0: 2aN320. Tat-l. Biegsrundee: ? Experimenta de nervi vagi in respirationem vi et effectu. Dissert. inaug. Dorpati Livon. 1858. * Lecons sur la physiologie et pathologie du systeme nerveux. 11. o ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LuUNGE. 197 der paradoxen Zuckung abzuleiten, ohne jedoch zu einem Resultate zu kommen, da er keine Verbindung beider Nerven auffinden konnte. Rosenthal erklärt die Erscheinung durch directe Stromschleifen auf den Phrenieus und sagt: „Ich selbst habe niemals von der Rei- zung des peripheren Vagusendes irgend eine Einwirkung auf die Athmung gesehen.“ ! Arloing und Tripier haben bei Pferd, Hund und Maulthier neben dem centralen auch den peripheren Stumpf des Vagus gereizt; sie kommen zu dem etwas vagen Resultate”: „Il est indubitable que la galvanisation du bout peripherique des vagues modifie les mouvements de la respi- ration, quoiqu’a un degre moins prononce que l’exeitation des nerfs in- tacts ou de leur bout central.“ „Un’ya pas lieu d’etre vivement surpris de ces resultats attendu que Longet avait signale des relations entre les pneumogastriques et le diaphragme. D’un autre c&te nous espörons prouver plus loin que le bout peripherique des vagues peut reagir par une autre voie sur les muscles de la respiration.“ Arloing und Tripier scheinen demnach an Innervation des Zwerchfells «urch den Vagus gedacht zu haben sowie vielleicht an den Einfluss, welchen der durch Vagusreizung erzeugte Herzstillstand auf die Athembewe- gungen nehmen konnte; dieser letztere Gedanke ist aber erst später von Mayer durchgeführt worden. Vierordt sagt: „Reizt man die weit unten am Halse durchschnit- tenen Vagi unterhalb der Schnittstelle mittels der Schläge der Induc- tionsmaschine, so verändern sich die Athembewegungen nicht.“? _ Grünhagen sagt von „der abwechselnden Reizung der peripheren und der centralen Stümpfe der durchschnittenen Vagi“: Das Experiment belehrt uns, „dass die Reizung der ersteren ohne jede Frage gar keinen Einfluss auf die Athmung ausübt... .“* Riegel und Edinger untersuchten in der bereits erwähnten Arbeit ® das Verhalten der Lunge und des Zwerchfells bei peripherer Vagus- reizung am selbst athmenden Thiere; sie interessirte zunächst die Patho- genese des bronchial -asthmatischen Anfalles: „Mag selbst die Existenz eines vom Vagus abhängigen Lungentonus mit Sicherheit erwiesen sein, so ist damit doch noch in keiner Weise eine directe Stütze dafür ge- ı A.a.0. 8. 232. ® Contribution & la physiologie des nerfs vagues. Arch. de physiol. norm. et pathol. T. IV. 1871—1872. 8. 740. 3 Grundriss der Physiologie des Menschen. 4. Aufl. 8. 209. 2 A.2.0. S. 207. 5 Siehe oben 3. 109. 198 THEODOR BEER: geben, dass dem Asthma ein Bronchialmuskelkrampf zu Grunde liegt, noch weniger ist durch die bisherigen Experimente der Beweis erbracht, dass ein Krampf der Bronchien in der That die wichtigeren Symptome des Asthma, vor allem die acute Lungenblähung im Gefolge haben müsse.“ Um die in keinem Falle von bronchialem Asthma vermisste Lungen- blähung zu studiren, wurde bei Hunden und Kaninchen nach Blosslegung der Pleura costalis der Stand des rechten unteren Lungenrandes beobachtet. Die Thiere (Kaninchen und Hunde) wurden vor der Reizung tracheotomirt, sereizt wurde zunächst — mit Rücksicht auf analoge „klinische Ver- hältnisse“! — in der Continuität des Nerven. „Stets trat bei der Reizung ein beträchtliches Tieferrücken des Lungenrandes ein. Dieser Tiefstand des Lungenrandes blieb während der ganzen Dauer der Reizung bestehen, um mit Beendi- sung der Reizung allmählich wieder einer Rückkehr des Lungenrandes zur normalen Grenze Platz zu machen.“ „Der Lungenrand stand nicht nur auf der Höhe der Inspi- ration, sondern auch am Ende der Exspiration stets beträchtlich, um 1 bis 2 Intercostalräume, tiefer als in der Norm.“ ? Es ergab also „die Reizung des Vagus in continuo stets eine ausgesprochene Lungenblähung, ein beträchtliches Tiefer- rücken des Lungenrandes unter Fortdauer regelmässiger, wenn auch geringer Athmungsexcursionen .. .“ Es musste nun entschieden werden, ob jene Blähung eine directe oder eine reflectorische Folge der Vagusreizung war. Zu diesem Zwecke wurde der Vagus durchschnitten und das periphere Ende gereizt; es ergab sich „gleichgültig, ob der andere Vagus noch erhalten oder be- reits durchschnitten war, niemals Lungenblähung.“ „Durch diese Versuche war erwiesen, dass der Bronchialmuskel- krampf als solcher keine Lungenblähung erzeugt; es konnte darum auch die Lungenblähung des bronchial-asthmatischen Anfalles nicht mehr als directe Folge der durch den Bronchialmuskelkrampf veranlassten Ver- engerung der Bronchien gedeutet werden.“ „In den gleichen Versuchen, in denen die Reizung des Vagus in continuo ausgesprochene Lungenblähung, dagegen die Reizung des peri- pheren Vagusendes keine Spur von Herabrücken der Lungengrenzen er- ! Es wurden nämlich ‚„asthmatische Anfälle beobachtet, die man im Sinne einer durch vergrösserte Drüsen, Geschwülste u. dergl. veranlassten Reizung des Vagus am besten erklären zu können glaubte.“ ? A.a.0. 8. 422. ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN V AGUSREIZUNG AUF DIE LUNGE. 199 geben hatte, hatte die Reizung des centralen Vagusendes stets den gleichen Erfolg, den auch die Reizung des Nerven in continuo gehabt hatte, d.i. eine mehr oder minder hochgradige Lungenblähung.“! Fast alle diese Versuchsergebnisse hätte jeder erfahrene Physiologe den Autoren voraussagen können und etwas spät kommen dieselben zu der Annahme, ‚dass jene sowohl bei centraler, als bei Reizung in continuo eingetretene Lungenblähung einer reflectorischen Erregung inspira- torischer Bahnen ihre Entstehung verdanke.“ Sie polemisiren zwar — qui seexcuse s’accuse — gegen die Ueber- flüssigkeit ihrer Versuche, aber so viel ich sehe, nicht mit überzeugenden Argumenten. Insbesondere muss es bestritten werden, dass in ihrer Me- thode ein besonderer Vorzug liege. Riegel und Edinger sagen: Uns genügte „nicht die graphische Wiedergabe der Athembewegungen, wir wählten die directe Beobachtung des Lungenrandes bei blossgelegter Pleura, eine Methode, die vielleicht auch für andere Fragen der Athmungsinner- vation Vorzüge vor den bisher gebräuchlichen haben dürfte Nur mit Hülfe dieser Methode war es möglich die Frage zu entscheiden, ob und unter welchen Umständen eine Blähung der Lungen eintritt.“ Während in der gesammten modernen Physiologie das Bestreben herrscht, Bewegungsänderungen graphisch zu registriren, dieselben da- durch zu vergrössertem Ausdrucke zu bringen und subjective Fehler aus- zuschalten, vindieiren die Autoren der unmittelbaren Beobachtung eine grössere Genauigkeit. Man darf wohl mit Sicherheit behaupten, dass mit Hülfe einer phrenographischen Vorrichtung, deren Empfindlichkeit ja ausserordentlich gross gemacht werden kann (Verlängerung eines Hebelarmes u. s. w.), Unterschiede zur Wahrnehmung gebracht werden können, die bei einfacher Beobachtung dem Gesichts- oder gar dem Tastsinne vollständig entgehen. Es heisst nämlich in einem späteren Versuche: „Um jede Täuschung möglichst auszuschliessen, haben wir zum Schlusse die Zwerchfellbewegung auch direet mit dem durch eine Oeffnung der Bauchwand in die Bauch- höhle bis zum Zwerchfelle vorgeschobenen Finger zu verfolgen gesucht“! (Ein etwas primitiver Ersatz für einen empfindlichen Phreno- graphen.) Um das reflectorische Entstehen der Lungenblähung — besser wäre Inspirationskrämpfe zu sagen — an dem ja gar nicht zu zweifeln war, ganz sicher zu stellen, wurde noch die Vagusreizung (in continuo) an Hunden vorgenommen, deren Zwerchfell in Folge der Durchschneidung beider Phrenici gelähmt war. 1 A.a.0. 8. 426. 200 THEODOR BEER: „Die Reizung des Vagus, die vor der Phrenicusdurchschnei- dung ausgesprochene Lungenblähung zur Folge gehabt hatte hatte nach Phrenicusdurchschneidung keinen Einfluss mehr auf das Volumen der Lunge.“ ! Riegel und Edinger kamen zu folgendem Resume: „Es gelang zwar, vom Vagus aus Lungenblähung zu erzeugen, indess zeigte sich, dass diese nicht auf dem Wege einer durch centrifugale Reizung des Vagus her- vorgerufene Bronchialverengerung, sondern reflectorisch durch Reizung des Phrenicus zu Stande kommt.“ Bevor ich zur Schilderung meiner eigenen Versuche übergehe, deren Resultate, wie ich gleich hier bemerken will, in directem Widerspruche zu den negativen Ergebnissen stehen, welche Riegel und Edinger sowie vor ihnen Rosenthal u. a. bei peripherer Vagusreizung erzielten, scheint es mir von Wichtigkeit, die Arbeit von S. Mayer” anzuführen, in welcher die Wirkung des durch periphere Vagusreizuug hervorgebrachten Herz- stillstandes auf die Athmung untersucht wurde. Mayer’s Versuche wurden an morphinisirten Hunden angestellt; ausser dem Blutdrucke wurden die Trachealdruckschwankungen registrirt, in einem Theile der Versuche so, dass man „Aufschluss erhielt über die ganzen Werthe der Druckschwankungen im Thorax.“ Zu diesem Zwecke liess er das Thier nach dem Vorgange von Kratschmer? „aus einem geschlossenen Luftraume athmen, der auf der einen Seite durch den einen Schenkel einer Trachealcanüle mit den Luftweger, auf der anderen Seite mit dem Marey’- schen Cardiographen in Verbindung stand.“ „keizt man den Halsvagus bis zum vollständigen Herzstillstand, so werden, während der completen Herzpause, die Athemzüge rascher und tiefer. Unterbricht man nun plötzlich die Reizung, so dass mit den wieder- kehrenden Herzcontractionen der Blutdruck rasch wieder der vor der Reizung bestandenen Höhe zustrebt, so reiht sich an die vorher beobachteten tiefen und raschen Athmungen ein vollständiger Stillstand der Athmung an, der unter günstigen Verhältnissen bis zu einer halben Minute andauern kann.“ * ! In dem Protokolle des Versuches Nr. 57 (Phreniei durchschnitten) heisst es zwar: „Bei Reizung der Vagi in continuo schien es, als ob das Zwerchfell wohl eine Spur herabgehe, indess konnte eine deutliche Spannung nicht constatirt werden.“ A.a. 0. 8. 430. (Untersuchung des Zwerchfellstandes mit dem Finger). ?2 Experimenteller Beitrag zur Lehre von den Athembewegungen. Bd. LXIX. der Sitzungsberichte der k. Akademie der Wissenschaften. III. Abth. April-Heft. 8. A. 3 Ueber Reflexe von der Nasenschleimhaut auf Athmung und Kreislauf. Bd. LXII. der Sitzungsberichte der k. Akademie der Wissenschaften. Jahrgang 1870. OR ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE Lunge. 201 Mayer erklärt diese Erscheinungen folgendermaassen: „Durch den Herzstillstand sistiren wir die Blutzufuhr zum Athemcentrum im Hirn und das daselbst nun stagnirende Blut erregt durch seine successive Ver- armung an Sauerstoff dieses Centrum stärker, so dass raschere und tiefere Athemzüge erfolgen (Dyspnoe). Diese tiefen und raschen Athemzüge werden aber offenbar der in den Lungen befindlichen Blutmenge zu Gute kommen in der Art, dass das stag- nirende Blut die Arterialisation in weit höherem Grade erfährt, als wir sie durch rasche und ausgiebige Einblasungen von Luft mit dem Blase- balge zu erzielen im Stande sind. Indem nun das Herz mit dem Wieder- beginne seiner Thätiekeit einen Strom hocharteriellen Blutes in das Hirncentrum für die Athembewegungsen schleudert, wird das letztere von einem Strome von Blut durchflossen, welches, nach bekannten Erfahrungen, nicht im Stande ist, Athembewegungen auszulösen. „Der Athemstillstand stellt also nichts anderes dar, als ernersnnloe. .....! Eigene Experimente. Versuchsanordnung: Das Thier wird aufgebunden und tracheo- tomirt, in die Trachea wird die auch in den früheren Versuchen verwen- dete mit einem Seitenrohr versehene Trachealcanüle eingebunden; diese letztere kann durch einen Kautschukschlauch mit einem Marey’schen Tambour in Verbindung gesetzt werden. Durch Injeetion einer 2 procent. Morphinlösung wird das Thier mehr weniger tief narkotisirt. Der Einfluss der Vagusreizung auf Magen und Oesophagus wurde in der bereits beschriebenen Weise ausgeschaltet. Mit Hülfe der geschilderten phrenographischen Vorrichtung wurde der Zwerchfellstand registrirt; ausserdem wurde stets der Blutdruck, in einigen Versuchen auch der intratracheale Druck geschrieben. Beide Vagi wurden am Halse praeparirt, durchschnitten; die peri- pherer Stümpfe werden in der beschriebenen Weise elektrisch gereizt. Uebereinstimmend mit Mayer’s Angaben fand ich als Wirkung der peripheren Vagusreizung beim selbst athmenden Thiere die Dyspnoe, die sich sowohl an dem Verhalten des intratrachealen Druckes als auch an der Curve der Zwerchfellbewegungen deutlich ausspricht. Als Para- digmen mögen die Curven Taf. X Fig. 1 und Fig. 56 dienen. In der ersteren sieht man während des langen Herzstillstandes das A.a.0. S.5. THEODOR BEER 202 u TS TUI UTUVUUTUT UL UTUTUIUTTUITUTUTUTTITTUTUU Fig. 56 (ca. ®/, der ursprünglichen Grösse). Verhalten des Zwerchfells bei peripherer Vagusreizung am selbstathmenden Thiere. Mittelgrosser sehr fetter raceloser Hund, morphinisirt. S$ Linie der Doppelsecunden, RR, Vagusreizung, Rollenabstand 7-0. P Phrenographische Curve, B Blutdruck, ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LUNGE. 203 Zwerchfell (£/) unter zum Theil tieferen und rascheren Excursionen herab- rücken; die Beschleunigung und Vertiefung der Athmungen prägt sich auch an der Curve (7) der Trachealdruckschwankungen deutlich aus. Mit dem Aussetzen der Reizung kommt es zu langem, exspiratorischem Athmungs- stillstand — im Sinne Mayer’s zur Apno&. Aus dieser tritt das Thier mit einer Inspirationsbewegung heraus. In Fig. 56 sieht man mit dem Beginn der Vagusreizung und dem entsprechenden Absinken des Blutdruckes das Zwerchfell tief herabrücken. Es vollführt zunächst kleinere Excursionen um eine Mittellage, welche tiefer ist als vorher der maximale inspiratorische Tiefstand; allmählich werden die Excursionen grösser und erreichen alsbald mehr als die dop- pelte Grösse der ursprünglichen Exeursionen; dabei bleibt die Mittellage dauernd herabgerückt. Allmählich werden die Excursionen kleiner und noch während des Herzstillstandes beginnt der Athmungsstillstand, welcher das Aufhören der Reizung lange überdauert. Aus dem exspira- torischen Stillstande tritt das Thier mit einer tiefen Inspiration heraus und es folgt nun eine Anzahl verlangsamter aber tiefer Athemzüge, bevor alles auf das ursprüngliche Verhalten zurückkehrt. Riegel und Edinger sagen: Es ergab die Reizung des peripheren Vagusendes „gleichgültig ob der andere Vagus noch erhalten oder bereits durchschnitten war, niemals Lungenblähung“. Im geraden Gegensatze hierzu fand ich regelmässig während der Vagusreizung ein Herabrücken des Zwerchfells; dass dies den ge- nannten Autoren entging, muss wohl einzig und allein der Unvollkommen- heit ihrer Methode zugeschrieben werden; ebenso ist es auch nur mit diesem Moment zu erklären, dass ihnen die auffälligen, von Mayer ge- schilderten Erscheinungen — dessen Arbeit war Riegel und Edinger wie es scheint, unbekannt — total enteingen. Was nun den Entstehungsgrund der Dyspnoe, des Herabrückens des Zwerchfelles, der Verkleinerung seiner Excursionen, endlich des Athmungs- stillstandes u. s. w. betrifft, so ist nach den Ausführungen des vorhergehenden Abschnittes, in welchem zur Genüge gezeigt wurde, in wie eingreifender Weise die Reizung der Bronchoconstrictoren die künstliche Athmung zu alteriren im Stande ist, nicht in Abrede zu stellen, dass bei dem Zustande- kommen der in Rede stehenden Phaenomene dem Bronchialkrampf eine Rolle zufalle; dies wird schon deshalb wahrscheinlich, weil auch bei schwacher Vagusreizung, welche ja die Blutversorgung der Respirationscentren nicht erheblich beeinträchtigt — dementsprechend auch das von Mayer aus- drücklich nur für längeren Herzstillstand geschilderte Phaenomen nicht zu Stande bringt, ebenfalls das Zwerchfell zum Theil unter Ver- 204 THEODOR BEER: kleinerung seiner Excursionsgrösse herabrücken kann, wie dies z. B. Fig. 57 zeigt. Ausserdem kommt ohne Zweifel für die Dyspnoe die von Mayer her- vorgehobene Aufhebung der Blutzufuhr zu den Athemcentren in Betracht; doch sind unsere Kenntnisse hierüber nicht als vollständig abge- schlossen anzusehen, da es unter Umständen wie Fig. 56 zeigt, auch schon während des Herzstillstandes zur Entwickelung eines Athmungs- stillstandes — Apnoe zu sagen wäre hier wohl nicht am Platze — kommen kann. $ Es wird Aufgabe weiterer Forschungsein <—« müssen, die Einflüsse, = welche die Reizung der Bronchoconstricto- IN ren einerseits, die Rei- zung der herzhem- VAR AG menden Fasern andererseits auf die natürliche Athmung nehmen, methodisch zu wur [ 2 trennen und jedes der _ i Fig. 57 genannten Momente in (*/, der ursprünglichen Grösse). seiner Wirkung für Verhalten des Zwerchfells bei peripherer Vagus- sich zu studiren.! reizung am selbstathmenden Thiere, Was speciell die Dasselbe Thier wie in Fig.56. S Linie der Doppelsecunden, Dyspnoe betrifft, so be- P Phrenographische Curve, B Blutdruck, RR, Vagus- darf sie insofern wei- reizung, Rollenabstand 10-0. HOROr Untersuchung, als die vermehrte Athemanstreneung und der Tiefstand des Zwerch- felles u. s. w. an sich keinen Aufschluss darüber geben, in welcher Weise ! Ich erwähne vorläufig, dass es mir ein einziges Mal — fast wieder Erwarten — gelang, nach intravenöser Injection von Atropin. sulfur. ein Stadium zu treffen, in welchem die Vagusreizung keine nennenswerthe Aenderung der Circulation, trotzdem aber ein Herabrücken des Zwerchfells unter theilweiser Ver- kleinerung der Excursionen etc. hervorbrachte, wie dies die Curve Taf. X, Fig. 2 demonstrirt; man sieht an derselben das Zwerchfell anfangs unter Abnahme der Grösse der Excursionen und geringer Beschleunigung derselben tiefer rücken; dann werden wieder langsamere Athemzüge bei dauernd herabgerückter Mittellage aus- geführt; Tiefstand des Zwerchfells und Verflachung der Athmungen überdauern die Reizung längere Zeit (ca. 60 Secunden); die Exspirationspausen sind fast während dieser ganzen Periode verkleinert; die gleichzeitig registrirten intratrachealen Druck- schwankungen lassen nur unbeträchtliche Veränderungen erkennen. ÜBER DEN FEINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LUNGE. 205 der Nutzeffect der Athmungsarbeit geändert wird. Um hierüber nähere Aufklärung zu erlangen, wären Versuche von Wichtigkeit, in denen das Verhältniss zwischen der Grösse der Luftaufnahme und der hierbei aufgewendeten Athmungsanstrengung bestimmt würde, worauf zurückzu- kommen ich mir vorbehalte. V. Abschnitt. Zur Pathologie des Bronchial-Asthmas. Es liest die Frage nahe, inwiefern die Resultate, zu denen mich die Beobachtung des Zwerchfellstandes bei peripherer Vagusreizung sowohl am curarisirten als am selbst athmenden Thiere geführt hat, sich für die Patho- logie des Bronchialasthmas verwerthen lassen. Berkart sagt in seinem 1878 erschienenen Buche „on Asthma, its pathology and treatment“: The so-called bronchial or spasmodic asthma is, to this day, perhaps the most obscure of all diseases. Notwithstanding the attention which astlıma, on account of its frequent occurrence and the suffering it entails, has ever received at the hands of physieians, hitherto all their endeavours to elucidate the subject have only led to divergent opinions upon even the most essential points, and to the development of incongruous theories. Indeed it is not saying too much, that among them there are not any two who fully agree in matters of either observation or inference; but all hold views at variance with one another, while each contends that only his own are consistent with facts and in harmony with rational pathology.“ Dieser Ausspruch eilt im Grossen und Ganzen bis auf den heutigen Tag; seitdem Laennec, gestützt auf Reisseisen’s anatomischen Nachweis der musculären Natur der Bronchien, den Spasmus der letzteren als Ur- sache gewisser Asthmaformen bezeichnet hatte, wogt ein lebhafter Streit zwischen den Klinikern für und gegen die Bronchialconstriction als wesent- liehe Ursache des bronchial-asthmatischen Anfalles. Ich unterlasse es hier die umfangreiche Litteratur dieses Streites zu besprechen und verweise in Bezug hierauf auf die Werke von Bergson, Berkart und Riegel (Ziemssen’s Handb. d. spec. Path. und Therap. IV. B.); ich beziehe mich auf den Stand der Frage, wie er auf dem Con- gresse für innere Mediein im Jahre 1885 praeeisirt wurde. Damals war das Bronchialasthma Gegenstand einer eingehenden Verhandlung; Curschmann und Riegel waren die Referenten. Der erstere, welcher vorwiegend die klinische und anatomische Seite des Themas beleuchtete, sagte über das Wesen des bronchiolitischen 206 THEODOR BEER: Asthmaanfalles: „Die Verlegung eines grösseren Theiles des Lumens der Bronchiolen durch allmählich sich ausbreitende Schwellung der Schleim- haut, Ansammlung des zähen Secretes und Anhäufung der Spiralen kann an sich nur eine einfache Dyspnoe zu Stande bringen, die eigentliche asthmatische Natur der Dyspnoe aber, das rapide, zuweilen plötzliche An- steigen vom normalen Befinden oder leichter Kurzluftigkeit zum höchsten, an Erstickung grenzenden Grad der Athemnoth, das, sei es spontane sei es therapeutisch veranlasste ebenso rasche Aufhören derselben kann nur be- griffen werden unter Zuhülfenahme eines Momentes, welches das bereits verengerte Bronchiolenlumen plötzlich ganz zu verlegen und ebenso rasch wieder zu verschwinden vermag. Ich glaube, um auf das Specielle zu kommen, man kann eines von der Schleim- haut der Bronchiolen ausgelösten Krampfes der Bronchialmus- culatur nicht entrathen und wird in diesem das Wesen des bronchioliti- schen Asthmaanfalles erkennen müssen.“ Curschmann sagt ferner, dass der Bronchospasmus „bestimmte klinische Erscheinungen des Anfalles erklärt, für die man im Zwerchfellkrampfe vergebens eine Interpretation suchen würde. Ich meine vor allem gewisse Veränderungen der auscultatorischen Phaenomene und hier besonders die Rhonchi sibilantes, welche auf der Höhe des Anfalles besonders intensiv vor demselben fehlen, mit seinem Nachlass wieder schwinden und in ihrer Entstehung demnach nicht anders zu erklären sind, als durch ein acut sich entwickelndes, passageres Hinderniss für den Durchtritt der Luft von und nach den Alveolen. Will man, den Riegel’schen Experimenten folgend, neben dem Bronchospasmus als accidentelles Moment auch noch den Zwerchfellkrampf gelten lassen, wie dies Leyden! thut, se ist dies nicht bewiesen, aber discutabel.“ ? Von derjenigen Krankheitsform, „wo der das Asthma auslösende Reiz bezw. die demselben zu Grunde liegenden Erkrankungszustände direct das nervöse Centrum oder periphere Theile des Innervationsapparates der Ath- mungsorgane betreffen“ (primäres essentielles Asthma) standen Curschmann „gesicherte einschlägige Fälle bisher nicht zu Gebot.‘ ? Riegel, welcher in seinem Referate namentlich auf die Theorien des Asthmas und die denselben zu Grunde liegenden physiologischen Versuche einging, ‚hält die Rolle des Bronchialkrampfes auch bei den nicht unter ! Sitzungsprotocoll des Vereins für innere Medicin. 4. Dec. 1882. Zeitschrift für klinische Mediein. Bd. VI. S. 274. 2 ” Verhandinngen des Congresses für innere Medicin. 4. Congr. 1385. 8. 235. ” A.a.0. 8.245. ÜBER DEN EiNFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LUNGE. 207 „Asthma cardiale“ fallenden Formen für so unerwiesen, dass es ihm richtiger erscheint, „statt von einem Asthma bronchiale von einem Asthma pulmonale oder respiratorium zu reden.“ Riegel, der ursprünglich selbst ein Anhänger der Bronchialkrampf- theorie gewesen war!, sagte: „So lange es nicht gelang, die wichtigeren Folgeerscheinungen des asthmatischen Anfalles, vor allem die acute Lun- senblähung, die Dyspnoe durch Vagusreizung hervorzurufen, so lange fehlte der Bronchialkrampftheorie noch die physiologische Basis.“ Riegel bespricht die von ihm in Gemeinschaft mit Edinger ange- stellten Experimente und sagt auch hier: „Niemals hatte die Reizung des peripheren Vagusendes Lungenblähung zur Folge; wohl aber trat solche stets bei Reizung des centralen Endes ein.“ => „Soll der Bronchialmuskelkrampf, wie dies Biermer in so klarer Weise gezeigt, in Folge der spastischen Contraction der Bronchien, da diese durch die Inspiration leichter als durch die Exspiration überwunden wird und da diese darum das exspiratorische Entweichen der Luft aus den Alve- olen beeinträchtigt, zu einem Tiefstand der Lunge, zur Lungenblähung führen, so sollte erwartet werden, dass ein durch Reizung des Vagus her- vorgerufener Bronchialmuskelkrampf auch dessen Folge, die Lungenblähung, nach sich ziehen würde.“ Riegel lässt demnach in geradem Gegensatze zu Curschmann die Annahme zu, „dass auch Bronchialmuskelkrämpfe sich an dem Anfalle mit betheiligen. Aber nicht darum, weil ein Bronchialmuskelkrampf vor- handen ist, kommt es‘ seiner Meinung nach „zur Lungenblähung, sondern darum, weil die Reizung des Vagus sich auf weitere Bahnen erstreckt.“ ? „So lange es nicht gelingt, durch Reizung des Vagus einen Bronchialkrampf, der zu Lungenblähung führt zu erzeugen, so lange muss die Bronchialkrampftheorie als unerwiesen be- zeichnet werden.“ ? Somit senkte sich die Wagschale wieder zu Gunsten des Zwerchfell- krampfes* wiewohl Riegel selbst hervorhob, dass dieZwerchfellkrampf- ı Vgl. Ziemssen, 2.2.0. 8.273. ZEN a2 025832638. EN 2202 82a, * Germain Sce (Die Krankheiten der Lunge. 1887) sagt: „Erst ganz kürzlich sah einer der überzeugtesten Anhänger (sc. der Bronchialkrampftheorie) Riegel in einer vortreffliehen unter Mitwirkung seines Assistenten Edinger verfassten experi- mentellen Arbeit seinen Irrthum ein und bewies mit grösster Augenscheinlichkeit das Vorhandensein der diaphragmatischen Respirationsneurose, d. h. die Nicht- existenz des Krampf-Asthma.“ 208 THEODOR BEER: theorie die klinischen Symptome des Asthmaanfalles nicht ganz, sondern nur „grösstentheils“ erklärt.! Die Ergebnisse meiner Versuche sowohl am morphinisirten als am curarisirten Thiere, deren Widerspruch mit den von Riegel und Edinger bei peripherer Vagusreizung erhaltenen negativen Resultaten ich bereits hervorgehoben habe, entsprechen in so vollkommener Weise den von Riegel selbst für die Annahme der Bronchial- krampftheorie gestellten Anforderungen, dass eine nochmalige nähere Discussion derselben in dieser Hinsicht überflüssig erscheinen darf. Wenn ich nun auch vom experimentellen Standpunkte aus die Frage von der Beziehung des Bronchienkrampfes zur Lungenblähung im Allge- meinen für erledigt halte *, so unterlasse ich es doch, in der Frage von der Pathologie des Asthma bronchiale selbst Stellung zu nehmen, vor allem deshalb, weil mir bei der grossen Seltenheit des reinen ‚„nervösen‘“ Asthmas hier zu Lande seit Jahren keine Gelegenheit geboten war, einen Anfall von bronchialem Asthma zu beobachten. Ich möchte aber betonen, dass gegen- wärtig in meinen Versuchen physiologische Thatsachen vorliegen, welche die erneute Untersuchung der Pathologie des bronchi- alen Asthmas nothwendig erscheinen lassen. Vielleicht werden dann, wie dies in der Medicin schon öfter geschehen ist, ältere Ansichten wieder rehabilitirt werden. Die Experimente von Riegel und Edinger dürfen jedenfalls nicht mehr als beweisend gegen die Bronchialkrampf- und für die Zwerchfellkrampftheorie in’s Feld geführt werden. Anhang. Ohne mich vorläufig auf eine nähere Erklärung des folgenden Phaeno- menes einzulassen, theile ich hier mit, dass ausnahmsweise bei peripherer Vagusreizung am curarisirten Thiere eine Vergrösserung der Excursionen des Zwerchfells beobachtet wurde; so in dem Versuche, welchem Fig. 58 entstammt. ! Eine von allen früheren ganz abweichende Anschauung über den bronchial- asthmatischen Anfall hat Landois in seinem Zehrbuch der Physiologie aufgestellt. Er sagt: „Ich kann mich der Anschauung nicht erwehren, dass es sich in diesem nervösen Asthma vielleicht um eine vorübergehende Parese der auf das Athmungs- centrum anregend einwirkenden Lungennerven handle; es wäre dann der Anfall das Abbild der mühsamen Athmung nach bilateraler Vagussection“ (a. a. 0. S. 754). ? Ich habe es vorläufig ganz unterlassen den Einfluss zu besprechen, welchen die Dehnung der Alveolen entsprechend der Hering-Breuer’schen Theorie der Steuerung der Athmung auf die letztere nehmen könnte. ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LUNGE. 209 In diesem Versuche waren Magen und Oesophagus nicht ausgeschaltet; wohl aber war dies in dem folgenden der Fall, welchem Fig. 59 entstammt; Di TR TE TU ELELT TTELEE ION a DONE UNB VTR KST E L Ta e ee NEE un m N wor Fig. 58. Curarisirtes Thier. S Linie der Doppelsecunden, P Curve der Zwerchfellbewrgungen, . B Blutdruck, RR, Vagusreizung. man sieht hier mit dem Absinken des Blutdruckes ein allmähliches Herab- rücken des Zwerchfells zu Stande kommen und zwar vollführt dasselbe abweichend von dem gewöhnlichen Verhalten deutlich vergrösserte Ex- vum IA ur 3 70 EEE Daygus-Heizım | Fig. 59 (ca. '/, der ursprünglichen Grösse). Herabrücken des Zwerchfells unter Vergrösserung der Excursionen. Schwarzer Rattler, curar., P Phrenographische, 3 Blutdruck-Curve, Rollenabstand 7.0. cursionen. Nach dem Aussetzen der Reizung tritt eine allmähliche Restitution auf den ursprünglichen Zustand ein. Archiv f. A, u. Ph, 1892. Physiol, Abthlg. Suppl. 14 THEODOR BEER 210 R, R Fig. 60. Zwerchfelleurven bei Vagusreizung nach Muscarininjection. Mittelgrosser brauner Hühnerhund, curarisirt. S Linie der Doppelsecunden, P Phrenographische Curve, RR, Vagusreizungen, Rollenabstand 6.5. ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE Lunge. 211 Besonders auffällig war der Effect der Vagusreizung in zwei Versuchen an Thieren, die beide mit Muscarin vergiftet waren: hier wurde nämlich eine Vergrösserung der Excursionen beobachtet, ohne dass sich die Mittellage erheblich änderte, ja in dem einen dieser Versuche, dem Fig. 60 entnom- men ist, zeigte sich sogar ein geringes Hinaufrücken der Mit- tellage des Zwerchfells; der Blut- druck ist in diesem Versuche in Folge einer nach der intra- venösen Injection der Muscarin- lösung eingetretenen Gerinnung in der Arterie nicht registrirt; in diesem wie auch in dem folgen- dem Versuche hatte vor der Muscarininjection die Vagus- reizung den im III. Abschnitte ausführlich geschilderten ge- wöhnlichen Effect auf das Verhalten der Zwerchfelleurve. In Fig. 61 sieht man wie die nach der Muscarininjection in bekannter Weise! verkleiner- ten Athmungsexcursionen des Zwerchfells, während der Vagus- reizung eine sehr beträchtliche Vergrösserung erfahren. Der Blutdruck zeigt gleichzeitig fast keine Veränderung; die mittels eines Wassermanometers regi- strirten Trachealdruckschwan- kungen zeigen eine Verklei- nerung. Im Wesentlichen derselbe Effect wurde in diesem Ver- suche bis 28 Minuten nach 1 Vgl. oben Fig. 41. Te Fig. 61 (/),; der ursprünglichen Grösse). Grosser weisser Terrier, ceurarisirt. S Linie der Doppelsecunden, P Phrenographische Curve, B Blutdruck, RR, Vagusreizung, Rollenab- stand 6-0. $ [m —mi-—m—————777n7 —iTTTTna Fig. 62 (!/, der ursprünglichen Grösse). Vergrösserung der Zwerchfellexceur- sionen. (Todtes Thier). Dasselbe Thier wie in Fig. 61. $ Linie der Dop- pelsecunden, P Phrenographische Curve, 7’Curve der Trachealdruckschwankungen, RR, Vagus- reizung, Rollenabstand 5-0. 14* 2 THEODOR BEER: dem durch Herzstillstand erfolgten Tode des Thieres beob- achtet. Fig. 62 wurde 18 Minuten nach constatirtem Herzstillstande gewonnen; es liegt nahe, zur Erklärung des Phaenomens eine Verminderung des durch das Muscarin gesetzten Widerstandes in den Luftwegen anzunehmen; wie dieselbe zu Stande kommt, lasse ich vorläufig dahin- gestellt und erwähne nur so viel, dass in den letztgenannten Erscheinungen, welche weiterer Verfolgung bedürfen, vielleicht zureichender Grund für die Annahme einer Bronchodilatation — ich sage nicht activer Bronchodila- tatoren — gegeben ist. ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LUNGE. 213 Litteratur-Verzeichniss. Arloing u. Tripier, Contribution a la physiologie des nerfs vagues. Archives de physiologie normale et pathologique. T. IV. 1871—1872. Aubert, Die Innervation der Kreislaufsorgane.e Hermann’s Handbuch der Physiologie. Bd. IV. 1. T. v. Bamberger, Ueber Asthma nervosum. Würzburger medie. Zeitschr. Bd. VI. v. Basch, Ueber eine Function des Capillardruckes in den Lungenalveolen. Klinische und Experimentelle Studien. Bd. I. 8. 49. Derselbe, Ueber Lungenschwellung und Lungenstarrheit. Zbid. 8. 171. Derselbe, Ueber cardiale Dyspnoe. Verhandlungen des 8. Congresses für innere Medicin. S. 384. “ Beer, Ueber den Einfluss der peripheren Vagusreizung auf die Lunge. Central- blatt für Physiologie. Bd. V. Nr. 24. S. 782. Bergson, Das krampfhafte Asthma der Erwachsenen. Nordhausen 1850. Berkart, On Asthma: its pathology and treatment. London 1878. Bernard, Zecons sur la physiologie et pathologie du systeme nerveur. Bert, Lecons sur la physiologie comparee de la respiration. Paris 1870. v. Bezold und Gescheidlen, Von der Locomotion des Blutes durch die glatten Muskeln der Gefässe, Untersuchungen aus dem physiologischen Laboratorium in Würzburg. 1. T. 9. Abh. 8. 347. Biermer, Ueber Bronchialasthma. Volkmann’s Sammlung klinischer Vorträge. Nr. 12. (Innere Mediein. Nr. 3). Brown, s. Roy und Brown. Brücke, Vorlesungen über Physiologie. 3. Aufl. Wien 1884. Ceradini, La meiocardia et Paussocardia. Gaz. med. di Lombard. 1869. N. 47. — La mecanica del cuore. Annal. universal. di medice. CCXIL S. 587. Cyon, Methodik der physiologischen Experimente u. Vivisektionen. Giessen 1876. Curschmann, Ueber Bronchialasthma. Verhandlungen des Congresses für innere Medicin. 4. Congress. 1885. 8. 223. Donders, Beiträge zum Mechanismus der Respiration und Circulation im gesunden und kranken Zustande. Zeitschrift für rationelle Medicin. Neue Folge. Bdlll. Ss 289. Einthoven, Ueber die Wirkung der Bronchialmuskeln nach einer neuen Methode untersucht und über Asthma nervosum. Pflüger’s Archiv für die gesammte Physiologie. Bd. 51. S. 367. Fick, Eine Verbesserung des Blutwellenzeichners. Pflüger’s Archiv für die gesammte Physiologie. Bd. 30. 8. 597. v. Fleischl, Ein neues Spirometer. Beschrieben von Dr. Sternberg. Central- blatt für Physiologie. 1888. Nr. 2. Francois-Franck, Leeons sur les fonctions motrices du cerveau. Paris 1887. — Recherches experimentales sur le spasme bronchique et vaso-pulmonaire dans les irritations cardio-aortiques. (Dyspnees reflexes). Archives de physiologie norm. et pathol. 1890. 8. 546. 214 THEODOR BEER: v. Frey u. Krehl, Untersuchungen über den Puls. Dies Archiv. Jahrg. 1890. Seite 31. Gerlach, Ueber die Beziehungen der N. vagi zu den glatten Muskelfasern der Lunge. Pflüger’s Archiv für die gesammte Physiologie. Bd. 13. 8. 491. Goltz u. Gaule, Ueber die Druckverhältnisse im Innern des Herzens. Ibid. Bd. 17. 8. 100. Grossmann, Das Muscarin-Lungenödem. Klinische und experimentelle Studien aus dem Laboratorium von Prof. v. Basch. 8. 7. Derselbe,. Experimentelle Untersuchungen zur Lehre vom acuten allgemeinen Lungenoedem. /bid. 8. 80. Grünhagen (Wagner-Funke) Lehrbuch der Physiologie. 7. Aufl. 1887. Haller, Memoires sur la nature sensible et irritable des parties du corps animal. Lausanne 1756. Hering, Ueber den Einfluss der Athmung auf den Kreislauf. Sitzungsberichte der mathem.-naturwissensch. Olasse der k. Akademie der Wissenschaften. Bd. LX. II. Abth. 8. 829. Hermann, Lehrbuch der Physiologie. 9. Aufl. Horvath, Beiträge zur Physiologie der Respiration. (Ueber die Contractionen der Trachea bei Säugethieren). Pflüger’s Archivf. die gesammte Phys. Bd. 13. S. 508. Hürthle, Beiträge zur Haemodynamik. /bid. 1. Abt. Bd. 43. S. 399. Knaut, De vitali, quae dieitur, pulmonum contractilitate nervis vagis irritatis. Dissert. Dorpat. Kowalevsky u. Adamük, Ueber einige Erscheinungen im Gefässsystem bei Störung der Respiration. Centralblatt für die medie. Wissenschaften. 1868. Nr. 37. Seite 579. Laennec, Traite de l’ Auscultation etc. Landois, Lehrbuch der Physiologie des Menschen. T. Aufl. Derselbe, Graphische Untersuchungen über den Herzschlag im normalen und krankhaften Zustande. Berlin 1876. Tıazarus, Ueber Reflexe -von der Nasenschleimhaut auf die Bronchiallumina. Archiv für Physiologie. 1891. S. 19. Lebert, Klinik der Brustkrankheiten. 1873. Lehmann, Om pathogenesen of Asthma hos Voxne Bibl. f. Laeg. 5 R, XIII. 1866. Löwinsohn, Experimenta de nervi vagi in respirationem vi et effeetu. Disserf. inaugur. Dorpati Livon. 1858. Longet, Recherches experimentales sur la nature des mouvements intrinseques du poumon. ... Comptes rendus hebdomadaires des seances de l’academie des sciences. IRV > 18.5500! — Traite d’anatomie et de physiologie du systeme nerveur. Ludwig, Lehrbuch der Physiologie. 2. Aufl. Mae Gillavry, De invloed van bronchiaalkramp op te ademhaling. Neder- landsch. Tijdschrift voor Geneeskunde. 1876. — Archives Neerlandaises des Sciences exactes et naturelles. T. X. Marckwald, Die Athembewegungen und deren Innervation beim Kaninchen. Zeitschrift für Biologie. Bd. 23. (N. F. Bd. 5.) S. 156. Mayer, Experimenteller Beitrag zur Lehre von den Athembewegungen. Si/zungs- bericht der k. Akademie der Wissenschaften. Bd. LXIX. III. Abth. Aprilheft. Nothnagel u. Rossbach, Handbuch d. Arzneimittellehre. 5. Aufl. Berlin 1884. ÜBER DEN EINFLUSS DER PERIPHEREN VAGUSREIZUNG AUF DIE LuUNGE. 215 Pokrowsky, Ueber das Wesen der Kohlenoxydvergiftung. Beitrag zur Physio- logie der Herzinnervation. Dies Archiv. 1866. S. 59. Reisseisen, Ueber den Bau der Lungen. Gekrönte Preisschrift. Berlin 1822. Riegel u. Edinger, Experimentelle Untersuchungen zur Lehre vom Asthma. Zeütschrift für klinische Mediein. Bd. V. XXIV. S. 413. Riegel, Ueber Bronchialasthma. Verhandlungen des Congresses für innere Medicin. 4. Congress. 1885. S. 250. Derselbe, Krankheiten der Trachea und der Bronchien in Ziemssen’s Hand- buch der speciellen Pathologie und Therapie. Bd. IV. II. Hälfte. Rollett, Physiologie des Blutes und der Blutbewegung. Hermann’s Handb. der Physiologie. Bd. IV. 1. T. Romberg, Zehrbuch der Nervenkrankheiten. 2. Aufl. Rosenthal, Die Athembewegungen und ihre Beziehungen zum Nervus vagus. Berlin 1862. Derselbe, Athembewegungen und Innervation derselben. Hermann’s Aandb. der Physiologie. Bd. IV. 2. T. Rossbach, Pharmakologische Untersuchungen. Würzburg 1873. Roy u. Brown, Proceedings of the physiological Society XXI. The Journal of physiology. Vol. VI. Rügenberg, Ueber den angeblichen Einfluss der N. vagi auf die glatten Muskelfasern der Lunge. Studien des physiologischen Instituts zu Breslau. Il. H. 8.47. Sandmann, Zur Physiologie der Bronchialmusculatur. Dies Archiv. 1890. Seite 252. Schiff, Bericht über einige Versuchsreihen, angestellt im physivlog. Laboratorium des Institutes zu Florenz. Pflüger’s Archiv f. die gesammte Phys. Bd. IV. 8. 225. See, Die einfachen Lungenkrankheiten. Deutsche Ausgabe von Dr. Salomon. Die Krankheiten der Lunge. III. 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Zehrbuch der Experimentalphysik. Bd. 1. 1882, 216 THEODOR BEER: ÜBER DEN EINFLUSS DER VAGUSREIZUNG U. 8. W. Erklärung der Abbildungen, (Taf. IX u. X.) Taf. IX. Fig. 1. circa ”/,, der ursprünglichen Grösse. Grosse weisse Pudelhündin, cura- risirt. Thorax intact. Obturator im Atrium dextrum,. 7 Curve des Tracheal-, 3 Curve des Blutdruckes, OO, Periode der Obturation. Fig. 2. Kleiner gelber Jagdhund, curarisirt. S Linie der Doppelsecunden, P Phrenographische Curve, B Blutdruck, RR, Vagusreizung, Rollenabstand 7-0. Taf. X. Fig. 1. circa !/, der ursprünglichen Grösse. Mittelgrosses Jagdhundweibchen, morphinisirt. S Linie der Doppelsecunden, B Blutdruck, P Phrenographische Curve, T Curve der Trachealdruckschwankungen, AR, Vagusreizung, Rollenabstand 7-5. Fig. 2. circa ?/, der ursprünglichen Grösse. Dasselbe Thier wie in Fig. 1. Nach Atropininjection (1 °= einer 0-1 procent. Lösung per ven. ingul.) 3 Blutdruck, P Phrenographische Curve, 7’ Curve der Trachealdruckschwankungen, RR, Vagus- reizung, Rollenabstand 6-5. Vorläufiger Bericht über die von Prof. Fritsch ange- stellten neuen Untersuchungen an elektrischen Fischen. Vom Herausgeber.' Hr. Prof. Fritsch hat sich mit Unterstützung der Akademie wiederum - nach Aegypten begeben, um seine im Herbst 1881 dort begonnenen Un- tersuchungen am Malopterurus und an den verschiedenen Arten von Mor- myrus fortzusetzen. Am 4. Februar Nachts von Berlin aufgebrochen, erreichte er am 11. Alexandrien, wo er sowohl von dem deutschen Consul, Hrn. Hellwig, wie auch von dem Vertreter des Hauses Planta u. Co., Hrn. Tschudi, der ihm schon bei jener früheren Gelegenheit sehr nütz- lich gewesen war, auf das Zuvorkommendste empfangen wurde. Hr. Tschudi nahm ihn mit einer Gastfreiheit, welche Hr. Fritsch nicht hoch genug rühmen kann, in dem directorialen Wohnhause seiner Baumwollenfabrik in Kafr-ez-Sayat auf, einem Ort im Delta, den Hr. Fritsch bei seinem frü- heren Aufenthalt als eine geeignete Station erkannt hatte. So sehr be- währte sich dieser Plan, dass er schon am 15. d., elf Tage nachdem er Berlin verlassen hatte, sieben Mormyriden, einen Hyperopisus (Mormyrus) dorsalis und sechs M. cyprinoides lebend in einer Wanne vor sich hatte, und im Stande war, uns unter demselben Datum folgendes wichtige Ergeb- niss zu melden. Als Pacini’sche Regel bezeichnet man bekanntlich die von Pacini zuerst hervorgehobene Beziehung zwischen den Nervenendigungen im elek- trischen Organ und der Richtung des Schlages, wonach die Fläche der elektrischen Platten, in welche sich die Nervenendigungen versenken, im Augenblick des Schlages negativ, die andere Fläche positiv wird. Diese ! Aus dem Sitzungsberichte der kgl. Preuss. Akademie der Wissenschaften vom 26. Februar (ausgegeben am 5. März) 1891. I. Hibbd. S. 223 ff. 218 E. pu Boıs-Reymonp: Regel war dem Gymnotus- und dem Torpedo-Organ entnommen, da bei Gymnotus der Schlag im Organ vom Schwanz zum Kopfe geht, und die Nerven an der caudalen Fläche der Platten enden, bei Torpedo der Schlag vom Bauch zum Rücken geht, und die Nerven zur ventralen Fläche der Platten sich begeben. Auf diese Regel sich stützend, hatte Bilharz vor- hergesagt, dass bei Malopterurus, um dessen Kenntniss er so hohe Ver- dienste hat, der Schlag wie bei Gymnotus gerichtet sein würde, da nämlich die zahllosen Verzweigungen der einzigen riesigen Nervenfaser, welche hier das Organ versieht, wie bei Gymnotus in die caudale Fläche der Platten überzugehen schienen. Eine sehr versteckt gebliebene Notiz des in Aegypten seiner Gesundheit halber sich aufhaltenden Florentiner Chirurgen Ranzi hatte aber schon gelehrt, dass Bilharz’. Vorhersage nicht zutreffe, und der erste Versuch, den ich selber 1857 hier in Berlin an einem durch Goodsir aus Edinburgh mitgebrachten westafrikanischen Malopterurus austellte und an demselben Tage der Akademie mittheilte, bestätigte vollauf diese Ab- weichung von der PAcınr’schen Regel. Mittlerweile wandte sich die Auf- merksamkeit der Forscher dem einst von Stark entdeckten Organ im Schwanze der gemeinen Rochen zu, dessen Bau dem eines elektrischen ° Organs im Wesentlichen entspricht. Max Schultze sagte aus der Pa- cini’schen Regel vorher, dass, wenn dies Organ nach Art eines elektrischen Organs einen Schlag ertheile, die Richtung des Schlages dieselbe sein werde, wie am Malopterurus-Organ, also umgekehrt, wie bei Gymnotus. Doch war es lange Jahre nicht gelungen, solche Wirkungen des Organs nachzuweisen, obschon sich Joh. Müller selber auf Helgoland mittels des Multiplicators, Marrteuccı mittels des stromprüfenden Froschschenkels darum bemühten. Seitdem sind Charles Robin und Hr. Babuchin glücklicher gewesen, und neuerlich haben Prof. Burdon Sanderson und Mr. Gotch die Rich- tung des Schlages wirklich so gefunden, wie Schultze es vorhergesagt hatte, so dass in diesem dritten Beispiel die Paeini’sche Regel sich wieder bewährte, und dass nur der Malopterurus-Schlag ihr entzogen blieb.! Ausser am gemeinen Rochen hatten sich nun aber auch an verschie- denen Fischen der süssen Gewässer Afrikas, bei dem Gymnarchus niloticus und bei der Schaar der Mormyriden, solche elektrischen Organen ähnliche Bildungen gefunden, denen man lange ebenso wenig wie dem Organ der Rochen elektromotorische Wirkungen hatte entlocken können. Nach ver- einzelten Wahrnehmungen Hrn. Babuchin’s war dies endlich Hrn. Fritsch bei seinem früheren Aufenthalt in Aegypten in unzweideutiger Weise ge- ‘ Die Litteratur des Gegenstandes findet sich in meinen Gesammelten Abhand- lungen zur allgemeinen Muskel- und Nervenphysik. Bd. II. S. 603, 604, 619—621, und in diesem Archiv. 1889. 8. 341. FRITSCH’s NEUE VERSUCHE AN MORMYRUS. 219 glückt, indem ein Mormyrus oxyrhynchus in seinen Händen binnen wenigen Stunden mindestens zwölf Schläge vier verschiedenen gebildeten Europäern ertheilte, welche sämmtlich mit der Wirkung elektrischer Apparate vertraut waren. Die Richtung des Schlages konnte Hr. Fritsch damals nicht be- stimmen, da er keine Apparate bei sich hatte. Von hier ab erschien diese Bestimmung als eine der dringendsten Aufgaben in diesem Gebiete, um zu erfahren, ob der Mormyrus-Schlag der Pacini’schen Regel folge oder nicht. ! Zum Zweck dieser Ermittelung hat sich jetzt Hr. Fritsch mit den nöthigen Vorrichtungen aus dem physiologischen Institut versehen. Er hat bei sich das von mir einst als Museumsmultiplicator beschriebene Galva- noskop mit 4100 Windungen, welches schon Joh. Müller auf Helgoland zu seinen Versuchen am gemeinen Rochen angewendet hatte. Es schien vortheilhafter, zu diesen einfach auf die Bestimmung der Schlagrichtung abzielenden Versuchen sich solches Instrumentes zu bedienen, anstatt einer Bussole mit Spiegelablesung, deren Gebrauch viel umständlicher ist, und bei welcher es oft schwer hält, gleichzeitig zu beobachten und die nöthigen Handhabungen vorzunehmen.” Dem leichten und sehr parallelen Nadelspiel des Multiplieators war hier solche Astasie ertheilt worden, dass, um es auf dem Nullpunkt zu erbalten, eine kleine Stahlspitze zur Aufhebung der Ab- lenkungen durch die Drahtmassen angebracht werden musste. Die Empfind- lichkeit war so gross, dass der Strom zwischen natürlichem Längsschnitt und künstlichem Querschnitt eines Froschmuskels die Nadel an die Hem- mung warf und sie auf etwa 80° beständiger Ablenkung hielt. In Aegypten ausgepackt und aufgestellt, zeigte das Instrument zwar etwas verminderte Astasie, die Empfindlichkeit war aber noch gross genug für die beabsich- tigte Beobachtung, denn gleich der erste Schlag des etwa 30 °® langen Hyperopisus dorsalis warf die Nadel an die Hemmung, und die etwa nur zwei Drittel so langen M. cyprinoides gaben in derselben Richtung Aus- schläge von 70—80°, während die nicht durch Kautschuk geschützten Finger die Entladung merklich spürten. Die Richtung des Schlages war im Organ vom Schwanz zum Kopf. Da an den Mormyrusorganen die Nerven sich in die caudale Fläche der elektrischen Platten einsenken, gleichviel ob sie diese Fläche von hinten (M. eyprinoides), oder, indem sie die Platte erst durchbohren, von vorn 1 Monatsberichte der Akademie. 1881. 8. 1161—1164; — auch in diesem Archiv. 1882. S. 71—74. — Vergl. auch Prof. Fritsch’s grosses Werk über die elektrischen Fische. Erste Abth. Malopterurus electrieus. Leipzig 1887. Fol. ?” Untersuchungen über thierische Elektrieität. Bd. I. 1848. 8. 202. — Ueber einige Vorzüge des alten Multiplicators mit Doppelnadel vor der Spiegelbussole siehe Gesammelte Abhandlungen u. s. w. Bd. I. S. 145. 220 E. pu Boıs-ReymonD: FRITSCH’S NEUE VERSUCHE AN MORMYRUS. (H. dorsalis) erreichen, so gehorcht also ihr Schlag, als viertes Beispiel, der Pacini’schen Regel. ÖObschon der Erfolg am Galvanoskop als ein vullkommen sicherer er- scheint, könnte man wünschen, ihn auf noch anderem Wege, durch die Jodkalium-Elektrolyse, bestätigt zu sehen. Der bei diesem Verfahren unter gewissen Umständen, welche auch in den Zitterfisch-Versuchen stattfinden, auftretende secundäre Fleck macht den Versuch zu einem ziemlich um- ständlichen; um eine sichere Aussage über die Stromrichtung zu erhalten, bedarf man des sogenannten Froschunterbrechers.” Hr. Fritsch ist, neben dem Jodkalium-Elektrolysator, mit dem Unterbrecher und dem Froschwecker versehen, auch war er schon in den Besitz von Kröten als Ersatz für unsere Frösche gelangt. Es steht zu erwarten, dass er auch mit diesen Hülfsmitteln die gesetzmässige Richtung des Mormyrusschlages werde erkennen können. Ueber sein Ergebniss sagt Hr. Fritsch wörtlich: „Da bei den Mor- myriden das nervöse Glied der Platte hinten liegt, so folgen sie also der Pacini’schen Regel. Da der Aufbau ihrer Organe unzweifelhaft auf mus- culäre Abstammung hinweist, so ist die Stromrichtung dieser Fische eine weitere Stütze für meine Behauptung, dass abweichende Stromrichtung wie bei Malopterurus erwiesen, auch eine abweichende Herkunft der Organe bekundet, die musculären aber in der Stromrichtung unter sich vollkommen übereinstimmen, d. h. entgegengesetzt wie die adenoiden verlaufen.“ 1 Monatsberichte der Akademie. 1861. 8. 1105 ff. — Gesammelte Abhandlungen u. s. w. Bd. II. S. 648 ff. — Dr. Carl Sachs, Untersuchungen am Zitteraal u. s. w. Leipzig 1881. 8. 163 ff. — Sitzungsberichte der Akademie. 1834. 3. 2u1 ff. — Dies Archiv. 1885. 8. 106 ff. Weitere Beiträge zur Kenntniss der schwach elek- trischen Fische. Von Prof. Gustav Fritsch.! Nachdem durch die früheren Untersuchungen die Arten der Gattung Mormyrus als unzweifelhaft elektrisch festgestellt waren, musste es von Wichtigkeit erscheinen, auch die Stromesrichtung bei ihnen zu bestimmen, um sie mit den anderen, bereits besser gekannten elektrischen Fischen in Vergleichung bringen zu können. Die Frage nach der Stromesrichtung bei den Mormyriden stand daher bei meiner letzten wissenschaftlichen Reise nach Aegypten an erster Stelle auf der Tagesordnung. Als die Beant- wortung derselben durch ein Zusammentreffen glücklicher Umstände in verhältnissmässig kurzer Zeit gelungen war, berichtete ich über das Er- gebniss der Untersuchung unverweilt in die Heimath und Hr. E. du Bois- Reymond hatte die Güte, dasselbe zur öffentlichen Kenntniss zu bringen.? In dem Bericht wurden von ihm die wichtigsten Punkte der Vergleichung mit den anderen elektrischen Fischen übersichtlich dargelegt, so dass ich in dieser Hinsicht auf die angeführte Mittheilung verweisen kann. Ebenso wurde auch der instrumentellen Ausrüstung gedacht, mit welcher ich die Untersuchungen unternahm, und das Hauptergebniss mitgetheilt. Es stellte sich heraus, dass bei den Mormyriden der elektrische Strom im Körper des Fisches vom Schwanz zum Kopf verläuft, d. h. also sich ebenso verhält wie bei Torpedo und Gymnotus, da die nervösen Glieder der elektrischen Platten hinten (caudalwärts) lagern, und der Strom somit wie bei den genannten Gattungen der Pacini’schen Regel folgt. Auch bei Mor- ı Aus dem Sitzungsberichte der kgl. Preuss. Akademie der Wissenschaften vom 5. November (ausgegeben am 12. November) 1891. II. Hibbd. S. 941 ff. ° S. die hier vorhergehende Mittheilung. 222 GUSTAV FRITSCH: myrus ist das Material für die Entwickelung der elektrischen Organe in gleicher Weise wie bei Torpedo und Gymnotus der Skeletmusculatur ent- nommen, der übereinstimmenden Anlage entspricht die übereinstimmende Stromesrichtung. Bei Malopterurus gehört das elektrische Organ zum Haut- system, wie ich bereits früher zu beweisen versucht habe und jetzt aufs Neue behaupte, gleichviel welche histologischen Elemente desselben das Material dazn lieferten; die ungleichartige Abstammung geht einher mit einer entgegengesetzten Richtung des elektrischen Stromes. Ich hoffe, dass es mir durch weiteres auf der letzten Reise gewonnenes Material gelingen wird, der Entstehung des so räthselhaften Malopterurus- ÖOrganes näher auf die Spur zu kommen und will mich daher zur Zeit aus- führlicherer Angaben enthalten, um die Verhältnisse bei Mormyrus zu- nächst in besseres licht zu stellen. Dabei ist es erforderlich, den körperlichen Eigenthümlichkeiten und der Fangweise dieser sogenannten „Nilhechte‘“ Rechnung zu tragen, weil diese Umstände einen sehr wesentlichen Einfluss auf die Ergebnisse der Untersuchungen ausüben. Vorkommen und Lebensweise. Die Mormyriden sind Bewohner des süssen Wassers und zwar leidlich warmen, wie es die Flüsse des subtropischen Afrika führen; wo das Wasser durch Einfluss des nahen Meeres brackisch wird, z. B. im Menzaleh-See, fehlen sie durchaus, reichen aber bis dicht an die Mündungen der süsses Wasser haltenden Flussläufe. Es sind überaus zarte Fische, welche sich im Gegensatz zu den be- kannten, stark elektrischen durch grosse Lebendigkeit und Erregbarkeit auszeichnen. Der Lieblingsaufenthalt der kleineren Formen und jugend- lichen Individuen sind die Seitencanäle der Nilarme, wie solche besonders im Delta das ganze Land der Bewässerung wegen durchziehen; zahlreiche zur Wasserregulirung angelegte Schleusen geben hier den Thieren Ge- legenheit sich unterhalb ganz ihrer Neigung gemäss die passende Strom- stärke auszusuchen, und diese Stellen zwischen Strom und Gegenstrom sind es, wo die Fischer ihre Beute am sichersten zu finden wissen. Die ganz grossen Exemplare von der Länge eines halben Meters und darüber habe ich dagegen nur aus dem Nil selbst erhalten. In den Seitencanälen wird wenig mit längeren, unseren sogenannten Waten entsprechenden Netzen gefischt; es ist hier ein Netz im Gebrauch, „Schabake“ im Arabischen, welches mit geringen Abweichungen durch die ganze Welt verbreitet erscheint und auch bei uns in manchen Gegenden als „Wurfnetz“ vorkommt. WEITERE BEITRÄGE zZ. KENNTNISS D. SCHWACH ELEKTRISCHEN FISCHE. 223 Im Delta vereinigen sich gern zwei oder drei Fischer in Booten zur Ausübung dieses Fischfanges und werfen die Netze gleichzeitig, um sich so die Fische gegenseitig zuzujagen. Die trichterförmig gestalteten Netze von etwa 1.5°%@—2.0 m Maschenweite werden so aus der rechten Hand geworfen, dass sich die untere, am Rande mit Bleistücken beschwerte Oeffnung des Trichters in der Luft ausbreitet, während die linke Hand das an der Spitze befindliche Tau sich entrollen lässt. Beim Anziehen dieses Taues schliesst sich das Netz unten, sobald es von dem Boden des Wassers erhoben wird und hält die im Umkreis eingeschlossenen Fische in den unteren Aussackungen über den Bleistücken zurück." Da das Netz auf den Boden der Kanäle sinkt, so hält es ausser den Fischen auch häufig leblose auf dem Grunde lagernde Gegenstände wie Steine und Baumzweige mit massenhaftem, daran sitzenden Nilschlamm fest. Die Fischer haben daher die Gewohnheit angenommen, das emporgezogene Netz im zusammen- gefalteten Zustande mehrmals kräftig im Wasser auf und ab zu ziehen, um zunächst den Schlamm zu entfernen, bevor sie sich dabei machen den Fang zu sichern und die fremdartigen Gegenstände zu entfernen. Dies Aufstauchen des Netzes nehmen die zarteren Fischehen schon sehr übel und zeigen, aus den Maschen gelöst, häufig sofort ein sterbendes Aussehen. Man muss die Fischer daher zu vorsichtiger Handhabung der Netze ermahnen, falls man unversehrte Fische erhalten will. Aber selbst bei der grössten Vorsicht habe ich es, persönlich beim Fang anwesend, er- lebt, dass die soeben dem Netze entnommenen, in ein gläsernes Gefäss gesetzten Fische in anscheinend sterbendem Zustande den Bauch nach oben kehrten. Zu den Fährlichkeiten des Fanges kommen noch diejenigen des Transportes bis zum Laboratorium. Bei dem fast völligen Mangel an höl- zernen Gefässen im Delta benutzten die Fischer zur Fortschaffung lebender Fische mit Vorliebe alte blecherne Petroleumkasten, welche sich auch dafür leidlich bewährten, falls nicht zu viel Thiere hineingesetzt wurden. Durch gut instruirte, intelligente Fischer erhielt ich schliesslich Fische in ihrer vollkommenen, natürlichen Munterkeit und konnte sie so in einem grossen, flachen Gefäss von Kupfer zwei bis drei Tage erhalten; ein höl- zernes Behältniss von gleicher Grösse existirte im Orte nicht. Trotz regel- mässigen, täglich vorgenommenen Wasserwechsels starben die Fische früher oder später ab, ohne dass ich im Stande wäre den Grund dafür anzugeben. Es schien mir, als seien die Mormyriden mehr als gewöhnlich von der Frische des Wassers abhängig, wie es ja bei Forellen in ähnlicher Weise der Fall ist; vielleicht trägt auch Nahrungsmangel zu dem vorzeitigen Absterben bei. ‘ Durch Aufnahme einer Anzahl photographischer Augenblicksbilder versuchte ich die dabei vorkommenden Griffe und Bewegungen der Fischer darzustellen. 224 GUSTAV FRITscH: Ich untersuchte daher den Mageninhalt einiger frisch eingelieferten Exemplare und fand den relativ kleinen Magen mit einer grünen, von schwarzen Körnchen durchsetzten Masse erfüllt, welche sich unter dem Mikroskop als deutlich pflanzlicher Natur erwies. Es waren chlorophyll- haltige Reste von Blättchen und schwarze Samenschalen von unbekannter Form: thierische Theile waren so spärlich, dass dieselben auch zufällig verschluckt sein konnten; sie schienen Taarven von Wasserinsecten und Cyelopiden angehört zu haben. Diese überraschende Thatsache lehrt, dass die Mormyriden im Ge- gensatz zu den anderen elektrischen Fischen, welche ausgeprägte, gefrässige Raubfische sind, ihre elektrischen Organe nur zur Abwehr gebrauchen; denn zur Bewältigung fast mikroskopischer Wasserthierchen hätten sie die Organe gewiss nicht nöthig. Die Zahmarmuth des engen Kiefergerüstes sprach allerdings schon an sich dagegen, dass die Mormyriden als Raub- fische lebten. Um so mehr sollte der in der Zoologie für sie eingeführte deutsche Namen „Nilhechte“ befremden und als nicht zutreffend bezeichnet werden. Physiologische Beobachtungen. Die angeführten Verhältnisse müssen berücksichtigt werden, wenn man die Ergebnisse der physiologischen Untersuchungen richtig wür- digen will. Die erste am 15. Februar in meine Hände gelangte Sendung lebender Mormyriden kam nach Kafr-ez-Sayat, wo ich mein Laboratorium auf- geschlagen hatte, von einem Dorfe der Nachbarschaft, Del-Ghamoun, an dem Canal Ba-gouria. Die sieben Fische (1 Hyperopisus dorsalis und 6 Mormyrus cyprinoides) waren mehr als mittelgros und hatten es auf dem etwa halbstündigen Transport jedenfalls etwas eng gehabt. Sie schwammen anfänglich meist auf dem Rücken, erholten sich aber grösstentheils bald wieder und ergaben, mit dem Multiplicator in Verbindung ge- bracht, ganz regelmässig eine starke Ablenkung der Nadel im Sinne eines im Körper des Thieres vom Schwanz zum Kopf aufsteigenden Stromes, wie an der oben angeführten Stelle bereits mitgetheilt wurde. Das Bild der Untersuchungen wurde ein anderes als mit der nächsten Sendung Fische eintrafen, welche durch die sehr vorsichtige Behandlung eines besonders geschickten Arabers von ihrer Frische gar nichts eingebüsst hatten. An ihnen zeigte sich die erwähnte Lebendigkeit und Erregbarkeit im höchsten Maasse und machte eine abweichende Anordnung des Ver- suches nothwendig. WEITERE BEITRÄGE Z. KENNTNISS D. SCHWACH ELEKTRISCHEN FISCHE. 225 Am Tage vorher hatte ich, auf meine früheren Erfahrungen gestützt, den Fisch mit Kupferelektroden, die nach Art von Pincetten zusammen- gekniffen waren, bei unterstütztem Kopfende sanft aus dem Wasser ge- hoben und dabei ebenso wie im Jahre 1881 den Fisch zum Schlagen gebracht. Solche Behandlung duldeten aber die ganz frischen, äusserst beweg- lichen Fische gar nicht, sondern wichen den genäherten Elektroden mit grosser Gewandtheit aus, bis es endlich gelang sie mit erheblicher Gewalt festzunehmen. Sie waren alsdann in hohem Maasse erschreckt und offenbar stark angestrenst; wurden sie an den Multiplicator gebracht, so zeigte sich die Wirkung eines elektrischen Schlages, wie solcher noch Tags vorher die Nadel in kräftige Schwingungen versetzt hatte, selten in einiger Deut- lichkeit. Meist wich die Nadel langsam und ohne deutliche Schwingungen in der entgegengesetzten Richtung bis auf 30° oder 40° aus und ver- blieb längere Zeit in solcher Ablenkung. Diese auffallende Erscheinung konnte ich mir nur so deuten, dass die sehr erregbaren Fische bei meinen Bemühungen, sie gewaltsam zu dem Versuch zu benutzen, durch wiederholte heftige Entladungen ihrer Organe dieselben bis zu einem Grade erschöpften, dass eine der willkürlich er- zeugten Stromesrichtung entgegengesetzte Polarisation in ihnen auftrat. Zur Feststellung der thatsächlichen Erschöpfung leistete der Frosch- wecker, welcher bei dem unbehaglichen Kampfe mit den widerstrebenden Thieren in Unordnung gerathen war, neu armirt gute Dienste und be- stätigte meine Vermuthung in überraschender Weise. Nachdem die Fische sich ausgeruht hatten, genügte die Annäherung der eben in das Wasser eingetauchten Elektroden bis auf 20 ja 30 “@ Entfernung, um die Glocke des Froschweckers zum schnell sich wiederholenden Ertönen zu bringen. Es foleten 10 und mehr Schläge wie bei einem Eisenbahnsignal schnell auf einander, bevor noch der Körper eines dieser erregbaren Thiere berührt worden war. Wieviel mehr muss die gewaltsame Fesselung die- selben erschrecken und zur Abwehr herausfordern, wie ermüdet müssen sie sein, wenn sie endlich festgemacht sind. Diese Beobachtungen nöthigten dazu eine Anordnung des Versuches zu wählen, bei welchem das Thier zunächst vorsichtig in ein flaches Por- zellangefäss mit wenig Wasser gebracht wurde, wo ein seitliches Ausweichen nur in geringem Maasse möglich war. Die Elektroden des Froschweckers wurden in das Gefäss an passender Stelle versenkt und nunmehr die Mul- tiplicator-Elektroden, nachdem das Thier sich beruhigt hatte, dem Kopf- und Schwanzende langsam im Wasser genähert. Auch so bedurfte es nur der Annäherung und nicht der Berührung; bevor diese erfolete, er- Archiv f. A. u. Ph. 1892. Physio]. Abthlg. Suppl. 15 226 GUSTAYV FRITSCH: klang die Glocke des Froschweckers und die Nadel zeigte die gewünschte, der aufsteigenden Stromesrichtung entsprechende Ablenkung. Bei den starken elektrischen Fischen wurden derartige Polarisations- erscheinungen in den Organen bisher nıcht beobachtet, die Vermuthung liest daher nahe, dass die schwachen, auch histologisch gleichsam noch unfertigen Organe der Mormyriden leichter ermüdet werden und alsdann die beschriebene Abweichung zeigen. Die Schwäche der elektrischen Wirkung, so sicher sich die Entladungen auch durch den Multiplicator und den Froschwecker als thatsächlich vor- handen nachweisen lassen, ist jedenfalls der Grund, dass sie so lange über- sehen wurde, und dass gewisse Untersuchungsmethoden, welche stärkeren Fischen gegenüber als leistungsfähig erprobt wurden, hier versagen. Dazu gehört auch die Untersuchung des Stromes durch Jodkalium- Elektrolyse. Für die Anwendung derselben war Alles vom Hause aus vor- bereitet, obwohl ich mir von vornherein eben wegen der Schwäche des Schlages wenig Hoffnung auf das Gelingen des Versuches machen konnte. Bei diesem Apparat erzeugt bekanntlich die Elektrodenspitze, welche den positiven Strom auf das mit Jodkaliumlösung getränkte Fliesspapier über- leitet, einen tiefbraunen Jodfleck, während die negative Spitze zunächst nichts Entsprechendes zeigt; nach einiger Zeit entwickelt sich aber auch an der negativen Elektrode durch Polarisation ein anderer schwächerer Fleck, welcher als der secundäre bezeichnet wird.! Der Versuch bestätigte die Befürchtung, dass ein einmaliger Schlag sich nicht stark genug erweisen würde, um einen deutlichen primären Fleck auf dem Fliesspapier hervorzurufen. Das Ergebniss einer wieder- holten Durchleitung des Mormyrus-Schlages musste aber aus doppeltem Grunde zweifelhaft erscheinen: Einmal konnte sich ein secundärer Fleck einstellen und die Stromesrichtung ohne weiteren Einfluss des Fisches fraglich machen; es konnte aber nach wiederholten Schlägen die beschrie- bene Uebermüdung der Organe und abweichende Stromesrichtung eintreten und eine Beurtheilung der ursprünglichen vereiteln. Gleichwohl versuchte ich auch mit der Jodkalium-Elektrolyse zu irgend welchen Ergebnissen zu kommen, doch habe ich keinen Einfluss der elek- trischen Schläge auf das Jodkalium-Papier bemerken können und muss daher die ursprüngliche Vermuthung, dass sie zu gedachtem Zweck nicht genügend stark seien, für thatsächlich begründet halten. Den negativen ! Hr. E. du Bois-Reymond hat die physikalischen Bedingungen der Jodkalium- Elektrolyse in seinen Abhandlungen eingehend erörtert. Vergl. darüber: Ges. Abh. Bd. IL. 8. 648. WEITERE BEITRÄGE Z. KENNTNISS D. SCHWACH ELEKTRISCHEN FISCHE. 227 Resultaten gegenüber verzichtete ich endlich auf die weitere Fortsetzung dieser Untersuchungen, zumal anatomische und histologische Fragen die Zeit dringend in Anspruch nahmen. Die Innervation der elektrischen Organe. Unter den anatomisch-histologischen Fragen, die bei, der Behandlung dieses Gegenstandes auftauchen, interessirte mich begreiflicher Weise keine mehr als diejenige nach der Innervation der elektrischen Organe. Hatten sich die eigenthümlichen Anlagen im Schwanz der Mormyriden durch den physiologischen Versuch als unzweifelhaft elektrischer Natur herausgestellt, so war nach Analogie der anderen elektrischen Fische mit Sicherheit anzunehmen, dass dieser’ besonderen, erhöhten Leistung auch ein besonders ausgebildetes nervöses Centrum vorstehen würde. Solche Annahme lag so nahe, dass ich zu ihr natürlich bereits im Jahre 1881, als ich zuerst persönlich die elektrische Entladung der Mormyriden ver- spürt hatte, gelangte und eifrig nach den vermutheten nervösen Centren der Organe suchte. Gleichwohl blieb damals die Untersuchung ohne ein greifbares Resultat; ich stellte nur durch die anatomische Praeparation fest, dass die Innervation der elektrischen Organe einer älteren Annahme ent- gegen nicht durch das Seitennervensystem erfolgt, sondern dass besondere elektrische Nerven vorhanden sind, welche als spinale Wurzeln den Rücken- markscanal verlassen und dorsal wie ventral eine Art von Längsstamm in den Organen bilden. Vergeblich suchte ich unter Anwendung der bewährtesten Methoden die Nervenfasern im Rückenmark zu entsprechend stark entwickelten, gangliösen Elementen zurückzuführen. Die spärlichen grösseren Zellen, welche ich in dem besonders zarten Rückenmark antraf, waren ohne spe- cifischen Charakter, eine Verbindung ihrer Fortsätze mit den Fasern der elektrischen Nerven liess sich nicht nachweisen. Derartige Befunde drängten zu der Vermuthung, dass die höchst auffallende Entwicklung des Klein- hirns bei diesen Fischen vielleicht doch die Innervation ohne weitere Ein- schaltung nervöser Zellen niederer Ordnung durch directe Faserbahnen im Rückenmark besorgte: eine Vermuthung, welche meinen Anschauungen über die Beziehungen zwischen den Centren höchster Ordnung in den Hirnrinden und den peripherischen Organen vollkommen widersprach. Ich nahm daher bei meinem letzten Aufenthalt in Aegypten die Frage nach der Innervation der elektrischen Organe unter Anwendung der ver- vollkommneten Methoden auf’s Neue in Angriff und wurde durch Ergeb- nisse erfreut, welche nach meiner Ueberzeugung weit über die Grenzen 15* 228 Gustav FRITScH: des vorliegenden Gebietes hinaus allgemeineres Interesse beanspruchen dürften. Es fand sich zunächst, dass die vermuthete Analogie der Mormyriden mit den anderen musculär-elektrischen Fischen, zumal mit dem Gymnotus, dessen Organe ja ebenfalls den Schwanz des Thieres einnehmen, thatsäch- arer Aile Querschnitt eines Schwanzwirbels von Hyperopisus dorsalis. Vergr. 64. ne = Elektrische Nerven, ch = Chorda. ich besteht. Wie beim Zitteraal entspringen bei den Mormyriden die Fasern der elektrischen Nerven als breite, unverzweigte Axencylinderfortsätze von mächtigen Ganglienzellen, welche in bestimmten Strecken die graue Substanz des Rückenmarks WEITERE BEITRÄGE zZ. KENNTNISS D. SCHWACH ELEKTRISCHEN FiscHe. 229 gänzlich erfüllen, und verlassen das Centralorgan als vordere Wurzeln austretend. (8. Fig. 1). Die Zellen sind multipolar, von beträchtlicher Grösse (0.5 =” bis 0.1 = m) ünd zeigen einen oder häufig auch zwei bläschenförmige Kerne mit Kernkörperchen (Gr. 0.015 ®= und 0.005 =®), Das Protoplasma der Zellen ist zart, leicht zerfliessiich zumal in der Peripherie und verlangt sehr kräftige Conservirungsmittel; am besten erhielt sie eine Mischung von Chrom-Essigsäure mit Sublimat oder Salpetersäure mit nachfolgender Os- miumbehandlung. Die Axencylinderfortsätze sind etwas stärker licht- brechend, resistenter und umgeben sich, während sie in geschlän- geltem Verlauf zur Bauchseite des Rückenmarks ziehen, schon innerhalb der grauen Sub- Te stanz mit Mark, welches | n sich mit Osmiumsäure schwärzt. Sie unterscheiden sich | so leicht und sicher von ‚s& den mächtigen Proto- & plasmafortsätzen der Zel- 2 R ) len, welche, ebenfalls 3 % ya AO), N us meist unverzweigt, den ®% N Zellkörper verlassen, um sich mit den Nachbarzel- len in breiten Anasto- mosen zu verbinden. So bilden die elektrischen Ganglienzellen ein eng io 2% geschlossenes, wahres @e- Graue Substanz des Rückenmarks von Hyperopisus dorsalis. Vergr. 180. ca = Axencylinder, ce = Centralkanal, h. © = hintere Commissur. rüst und erscheinen zu gemeinsamer Arbeit ver- bunden, während sie die unverzweigten Axencylinderfortsätze als Projections-System dritter Ord- nung zur Peripherie senden. (Siehe Fig. 2). Sehr wahrscheinlich treten die nach aufwärts gewendeten Fortsätze in Faserbahnen ein, welche die Verbindung mit den Centren im Gehirn vermitteln. Dieser Befund giebt einen unumstösslichen Beweis, dass Protoplasmafortsätze dazu dienen, nervöse Elemente unter einander in Verbindung zu setzen und widerlegt die Behauptungen Golgi’s und seiner Anhänger, dass nur der Axen- cylinderfortsatz „nervösen Cherakter“ zu beanspruchen habe. Man ist ge- wiss berechtigt anzunehmen, dass eine Anordnung der Elemente, welche sich im vorliegenden Falle ganz typisch und offenkundig nach allen Rich- 230 GUSTAV FRITScH: tungen herstellt, auch da, wo sich wegen der Feinheit der Verzweigungen die Verbindung nicht erweisen lässt, im Prineip die gleiche sein wird, zumal auch bei höheren Thieren gelegentlich breite Verbindungen von Ganglienzellen durch Protoplasmafortsätze beobachtet werden (Carriere!, Besser?, Willigk°).. Das System der „verkoppelten“ Ganglienzellen reicht so weit als elektrische Nerven aus dem Rückenmark austreten, in- dem die Ansammlung der Zellen gegen die Mitte der Organe zu vom Kopfende her immer stärker wird, im mittleren Drittel die höchste Aus- bildung erlangt und gegen das Schwanzende zu, wenn auch schwächer werdend, sich selbst über das caudale Ende der Organe hinaus noch nach- weisen lässt. Diese auffallende Thatsache erklärt sich so, dass die Axen- cylinder der untersten (hintersten) Zellen sich vorwärts wenden und so den Anschluss an elektrische Nerven erreichen, welche mehrere Wirbel weiter vorn zum Austritt gelangen. Auch sonst vollzieht sich der Austritt der Nerven nicht so einfach wie gewöhnlich, sondern die Nervenfasern sammeln sich, auf und abwärts steigend, in einem der Ventralseite des Rückenmarks anliegenden Bündel und verlassen diese Ansammlung an den Stellen, wo sie zum Zoramen interverlebrale ziehen. Da die Wirbelkörper ziemlich lang sind, findet man auch Strecken, wo austretende Fasern überhaupt fehien und an solchen Strecken vermisst man auch die elektrischen Zellen der grauen Substanz, so dass die letzteren also nicht wie eine geschlossene Zellsäule, sondern nesterweise dem kückenmark einlagern. Die ausgetretenen elektrischen Nerven spalten sich sofort am Wirbel- körper in einen dorsalen und einen ventralen Ast, welche beide den Neurapophysen und Haemapophysen eng anlagernd bleiben und in ge- wissem Abstande vom Wirbelkörper sowohl dorsal wie ventral eine dichte Fasermasse bilden, bevor sie in die Organe selbst eintreten. Hierbei kommt wiederum ein besonderes, bisher gänzlich unbeachtet gebliebenes Verhältniss zur Beobachtung, welches vom physiologischen wie embryologischen Standpunkt aus betrachtet, weittragende Bedeutung er- heischt. Der ganze Entwicklungsgang des bilateral symmetrischen Körpers bringt es mit sich, dass die Medianebene, in der die Antimeren der An- lage zusammenstossen, als eine scharfe Trennung von links und rechts be- stehen bleibt, und wichtige Organe dieselbe nicht durchbrechen, sondern, auch wo sie unpaar werden, aus zwei seitlich angelegten Hälften ver- schmolzen erscheinen. ! Ueber Anastomosen der Ganglienzellen in den Vorderhörnern des Rücken- markes (vom Kalbe). Archiv für mikrosk. Anatomie. XIV. S. 125. ® Virchow’s Archiv. Bd. 36. S. 134. 2 Ebenda. Bd. 64. S. 168. WEITERE BEITRÄGE zZ. KENNTNISS D. SCHWACH ELEKTRISCHEN FISCHE. 231 Dies gilt natürlich auch vom Centralnervensystem, wo die für die Function nothwendigen Verbindungen der beiden Körperhälften als Com- missuren und Durchkreuzungen bestimmter Nervenbahnen ganz allgemein in die axiale Anlage des Medullarrohres verwiesen wurden. So ist das Chiasma nervorum opticorum, welches man als gegentheiliges Beispiel an- führen könnte, bekanntlich seiner Entstehung nach auch ein Theil des ‚Centralorgans selbst, ebenso wie N. opticus und Ketina. Fig. 3. Chiasmabildung der ventralen elektrischen Nerven bei Mormyrus cyprinoides. ne = Ventrale elektrische Nerven, z = Zapfen als Nerventräger, pl = Elektrische Platten, zw = Zwischenschicht, a& = Arteria dorsalis, v = Vena dorsalis, A = Platte der hacmalen Dornfortsätze. Es muss daher ausserordentlich überraschen, dass bei den Mor- myriden die elektrischen Nerven, nachdem sie den Rücken- markscanal bereits verlassen haben und zu richtigen peri- pherischen Nerven geworden sind, durch partiellen Faseraus- tausch der beiderseitigen Bündel sowohl dorsal, die Platte der neuralen Dornfortsätze durchbohrend, als auch ventral vom Gefässcanal des Haemapophysenbogens unter Durchdringung der haemalen Dornfortsätze eine vollkommene Chiasmabildung 232 Gustav FRITScH: eingehen. Es erhalten also die linksseitigen Organe zur Inner- vation theilweise Fasern der rechten elektrischen Nerven und umgekehrt. (8. Fig. 3.) So vortheilhaft ein derartiger Faseraustausch für die schnelle und gleichmässige Function der beiderseitigen elektrischen Anlagen sein muss, so schwierig ist die Entstehungsweise der e;genthümlichen Einrichtung zu denken. Wenn sich die elektrischen Organe aus den Schwanzmuskeln herausgebildet haben, wie es keinem Zweifel unterliegt, so haben sie auch sicherlich einstmals motorische Nerven besessen, welche wie diejenigen an- derer Wirbelthiere wohl im Centralorgan einen gekreuzten Ursprung zeigten, in der Peripherie aber, wo sie die besonderen Muskeln zu versorgen hatten, ihre beziehungsweisen Seiten als rechte und linke Muskelnerven streng einhielten. Die Beobachtung von peripherischer Durchkreuzung an früheren moto- rischen Nerven giebt Kenntnis von einer ungeahnten Biegsamkeit der Natur zur Anpassung bestimmter Formen an veränderte Lebensbedingungen und erscheint daher für die Abstammungslehre von ganz hervorragender Wichtigkeit. Wird dadurch doch ein Grundprineip des Aufbaues im Wirbelthierkörper, nämlich die Selbständigkeit der beiderseitigen Anti- meren auch in ihrer Nervenversorgung hinsichtlich seiner allgemeinen Gül- tigkeit in Frage gestellt. Durch den beschriebenen Faseraustausch von beiden Seiten her wird das Verfolgen der Elemente, welche als geschlossenes Bündel den Rückenmarkscanal verlassen, noch besonders erschwert. Gleich- wohl kann es keinem Zweifel unterliegen, dass in dem Nervenwulst, welcher oben und unten auf den Dornfortsätzen entlang zieht, eine leb- hafte Faservermehrung stattindet, da die Gesammtsumme der zum Eintritt in die elektrischen Organe sich anschickenden Fasern um das Mehrfache beträchtlicher ist als diejenige der austretenden elektrischen Nerven. Die ganze Anlage dieses sonderbaren Wulstes entspricht daher offenbar den Bildungen, welche man an den Organen des Zitterrochen als Wagner’sche Büschel bezeichnet, nur dass die Anordnung der Theil- fasern sich keineswegs so übersichtlich und regelmässig gestaltet. Es muss der Zukunft vorbehalten bleiben, den Theilungen genauer nachzugehen und zu versuchen, ob sich wie bei den Wagner’schen Büscheln ein gewisses System in die Anordnung bringen lässt. Hier soll nur auf ein eigenthümliches histologisches Verhältniss hin- gewiesen werden, welches durch die Fasertheilungen bedingt erscheint. Der Faserquerschnitt in den zum Wulst tretenden Bündeln zeigt die so- genannten Sonnenbildchen nicht immer einfach, sondern es finden sich häufig Durchschnitte, wo der ringföürmige Umriss der durchschnittenen Henle’schen Scheide der Faser zwei, seltener drei ganz ähnliche Faser- individuen umschliesst, welche ihrerseits wieder von einem zarteren Kreis, WEITERE BEITRÄGE Z. KENNTNISS D. SCHWACH ELEKTRISCHEN FISCHE. 233 der durchschnittenen Schwann’schen Scheide, umzogen sind und im In- neren derselben Markscheide und Axencylinder wie die übrigen einfachen Faserdurchschnitte enthalten. Nur sind die Elemente der einfachen Durch- schnitte im Verhältniss grösser als diejenigen der zusammengesetzten. Aus den vier Nervenwülsten, welche in die mediale Fläche der vier elektrischen Organe eingesenkt lagern, entwickeln sich mit grosser Regel- mässiekeit der Anordnung dichte Büschel, deren gedrängte Masse zwischen die Platten eindringt, um die Verbindung mit deren nervösen Gliedern zu suchen. Zur Erleichterung dieser Verbindung hat sich an den Mormyrus- Organen eine eigenthümliche Verlängerung der Platten von kolben- förmiger, am Ende kegelföürmig zugespitzter Gestalt gebildet, welche als Nerventräger functionirt. Als ich in die Untersuchung der Histologie des Mormyrus-Organes eintrat, hatte ich es mir als eine Hauptaufgabe, an die ich mit einer gewissen Sorge dachte, hingestellt, nachzuweisen, dass diese Nerventräger oder sogenanten „Zapfen“ mit ihren arcadenförmigen Verlängerungen auf den caudalen Flächen der Platten nicht selbst als Nerven oder auch Nervenendigungen, wie die meisten Autoren es beschrieben haben, be- zeichnet werden dürfen. Beim tieferen Eindringen in den Organaufbau erscheint es mir nunmehr fast überflüssig, darüber, ob man diese auf- fallend groben, wie mit einem rohen Werkzeug zugeschnittenen, histolo- gischen Gebilde Nerven nennen will oder nicht? viel Worte zu verlieren. Das thatsächliche Verhältniss lässt sich so klar darlegen, dass es ziemlich gleichgültig ist, ob Jemand derartige, wirklichen Nerven gänzlich un- ähnliche Gebilde, trotzdem als Fortsetzungen der elektrischen Nerven be- trachten will oder nicht. Die einfache, jeden Augenblick vorzuführende Thatsache, dass Büschel aus etwa fünfzig bis hundert wohl charakterisirten, einzelnen Nervenfasern gebildet, sich an einen einzigen „Zapfen“ ansetzen, lässt solche Auf- fassung als unhaltbar erscheinen. Welche von den fünfzig herantretenden Nervenfasern soll denn wohl in dem Zapfen ihre Fortsetzung finden? Oder wo kommt es sonst: zur Beobachtung, dass peripherische Nerven, bevor sie ihrer Endigung zustreben, erst massenweise in einzelne histologisch scharf begrenzte Gebilde zusammenfliessen? Dagegen unterliegt es nun- mehr keinem Zweifel, dass die Zapfen engste Verbindung mit dem hinzu- tretenden Büschel von Nervenfasern eingehen, und ein Uebertritt feinster Elemente aus dem Axenraum der Fasern in das Innere der Zapfen statt- findet, um darin zur Platte weiter zu ziehen. Ich möchte daher diese Zapfen als „Nerventräger“ auffassen und vergleiche sie zu- sammen mitihren Ausbreitungen an der Platte der sogenannten „BSohle“ an den motorischen Endplatten der Muskeln. 234 GUSTAY FRITSCH: Die Histologie der elektrischen Platten. Die hierbei zu erörternden Verhältnisse lassen sich nicht wohl ausser Zusammenhang mit der Betrachtung des Plattenaufbaues selbst erklären, Bei dem Studium desselben musste es sich darum handeln, zunächst die feinsten Structuren am überlebenden Material zu untersuchen, und so die unerlässliche Vergleichung herzustellen zwischen den Ansichten, welche das frische Material bietet und den später am conservirten Material zu ge- winnenden. Zur Untersuchung eignen sich besonders die kleineren Arten der Mormyriden wie M. bovei und /sidori, weil bei ihnen die einzelnen Ele- mente der Organe auffallend grob sind, während gleichzeitig die geringe Ausdehnung der Praeparate die Orientirung erleichtert. Zur Verfügung standen mir mehrere mikroskopische Systeme für homogene Immersion, sowie das Zeiss’sche apochromatische von 1-3 Apertur mit den zugehörigen Ocularen 4, 8, 12. Es war anzunehmen, dass diese so sehr vervollkommneten optischen Hilfsmittel weitere Aufschlüsse über den Aufbau der kleinsten Theilchen im elektrischen Organ gewähren würden, und in der That leistete das apochromatische System auch am frischen Material ausserordentlich gute Dienste. Das dem lebenden Thiere entnommene, sofort in Humor aqueus untersuchte Object zeigt das verzweigte Röhrensystem der Platte, welches aus den Zapfen hervorgeht, grob punktirt, die darin befindlichen, zahl- reichen Kerne erscheinen homogen, ven mattgrauer Farbe; eine Scheide ist nur durch einen ganz zarten, doppelten Umriss angedeutet. Fasst man bei der Untersuchung die sehr hellen, verbreiterten An- sätze der Bogengänge in’s Auge, so meint man, dass der körnige Inhalt ganz regellos geordnet in die durchaus ähnliche, körnige Masse des ner- vösen Gliedes der Platte übergeht. Werden aber im mikroskopischen Bilde die bogenförmigen Röhren weiter gegen die Zapfen zu verfolgt, so erkennt man eine allmählich steigende Neigung der Körnchen sich zu Reihen in der Längsrichtung der Röhre zu ordnen. Die Längsrichtung ist aber nicht genau eingehalten, sondern die Reihen verflechten sich in mannigfacher Weise. Schon an den verschmälerten Uebergangsstücken der Röhren in die Zapfen imponirt die Anordnung deutlich als eine fibrilläre und in den mächtigen, keulenförmigen Zapfen des M. bovei ist der fibrilläre Bau des Inhaltes schon am frischen Material ganz unverkennbar; aber auch da, wo er am deutlichsten ist, findet man die Fibrillen nicht glatt, sondern wie aus Körnchen zusammengekittet, so dass ein solches Object an die Schnur eines Rosenkranzes erinnert. WEITERE BEITRÄGE zZ. KENNTNISS D. SCHWACH ELEKTRISCHEN FISCHE. 235 Es hat also auch hier den Anschein, dass die Entwickelung der elektrischen Platte mit Quellungsvorgängen verknüpft ist, welche unter stärkerer Ausbildung einer klaren, homogenen Zwischensubstanz die festeren Theilchen der faserigen Gewebs-Bestandtheile in ihrer Verbindung lockert und endlich im „nervösen Glied“ zu einer vollständigen Neuordnung führt. Bei der beginnenden Gerinnung schliesst sich der körnige Inhalt wieder mehr zusammen und presst die homogene Substanz aus, welche alsdann den Inhalt wie eine breite Scheide umgiebt. Dies gilt besonders für die Zapfen, wo schon am frischen Praeparat in verschiedener Breite je nach den Arten ein homogener Saum um den ebenfalls fibrillär gestreiften, schmalen Inhalt zu sehen ist. An dem mit Salpetersäure und Osmiumsäure oder mit: Öhromsäure behandelten Material wird die Streifung im Inneren der Nerventräger be- sonders deutlich und erweckt berechtigte Hoffnungen den Zusammenhang der Fibrillen mit solchen des Axenraumes der sich an die Zapfen an- setzenden Nervenfasern deutlich machen zu könren. Diese Hoffnung er- füllt sich nicht in dem erwarteten Maasse, da verschiedene Gründe die Beobachtung erschweren; dazu gehört an den Ösmiumpraeparaten die Schwarzfärbung des Nervenmarks, welches erst genau an der Stelle auf- hört, wo der Uebertritt in das Innere des Zapfens erfolgen muss und diesen selbst verdeckt. Aber auch an anderem Material ist es schwer, die Fibrillen des Zapfens in die Nervenfasern hinein zu verfolgen, da die an dem System der Bogengänge überall verstreuten Kerne um die Zapfen- oberfläche sich ganz dicht gruppiren und daher das Bild feiner, zwischen ihnen hindurch tretender Fäserchen leicht durch Interferenzen des Lichtes verwischt wird. Nach Ranvier’s Methode mit Chlorgold und Ameisen- säure benandeltes Material gab zuweilen leidliche Bilder von diesem Zu- sammenhang, am deutlichsten sah ich ihn jedoch bisher an ganz frischen Objecten, wo der leichte Druck des Deckeläschens zu einer Abplattung des Zapfens und gleichzeitig zum Auseinanderweichen der Kerne und der da- zwischen hindurch tretenden Fäserchen führt. An solchen Praeparaten habe ich mich thatsächlich von dem Zusammenhang der Fi- brillen im Inneren des Zapfens und Axenfibrillen der zutre- tenden Nervenfasern überzeugt. Die Theilchen dieser Fibrillen müssen sich gegen die Platte hin auf- lösen und zur Körnchenpunktirung werden, d. h. eine Ausbreitung fase- riger Nervenelemente in der Platte selbst findet nicht statt. Oben war bereits unter Vorbehalt der Ausdruck „nervöses Glied der Platte“ im Sinne der Autoren gebraucht, wie ich ihn selbst auch früher ohne Bedenken anwandte. Es liegt dieser Bezeichnung die Anschauung zu Grunde, dass bei den musculär-elektrischen Fischen in ‘den Organplatten 236 GUSTAY FRITscH: zwei Hauptschichten vorhanden sind, von denen die hintere (untere), für den Nervenansatz bestimmt, die Bezeichnung ‚‚nervöses Glied“ erhielt, während die vordere (obere) aus veränderter Muskelsubstanz entstanden, gedacht und ersterer als musculäres (metasarkoblastisches, Babuchin) Glied angereiht wurde. Die Untersuchung des Aufbaues der Mormyrus-Platte hat mir entgegen den Darstellungen Babuchin’s und Anderer über diesen Gegenstand ge- zeigt, dass hier solche Auffassung unzulässig ist. Es finden sich nämlich bei den kleinen Mormyrus-Arten wie M. Isidori und bovei (vielleicht bei allen) nicht selten Verbindungen zwischen zwei auf einander fol- senden Platten, besonders gegen die Organoberfläche zu. Dabei geht ohne scharfe Grenze die vordere Schicht der einen Platte in die hintere der nächstfolgenden Platte über und umgekehrt, während die abgewandten beiden Schichten der communicirenden Platten glatt über die Verbindungs- stelle hinwegziehen. Dieser überraschende Befund scheint mir unzweifelhaft darzuthun, dass beide Schichten ihrer Entstehung nach nicht wesentlich verschieden sein können, sondern die am entwickelten Organ thatsächlich vorhandene Verschiedenheit auf späterer, durch Anpassung an die Function entstandener Umwandlung beruht. Hieran schliesst sich eine weitere Beob- achtung von mir, welche geeignet erscheint, im Verein mit der vorher angeführten über die abnormen Plattenverbindungen, mehr Licht über den Process der Umbildung von Muskeln in elektrisches Gewebe bei den Mormyrus-Arten zu verbreiten. Getragen von der Ueberzeugung das vordere Glied der Platte sei musculären Ursprungs, wird man in demselben am ehesten Spuren von Muskelstructur erwarten dürfen, und thatsächlich wird auch von manchen Autoren in ihm eine meandrische Anordnung quergestreifter Fasern be- schrieben, welche an ähnliche Bilder embryonaler Zorpedo-Platten und weiterhin an quergestreifte Muskeln erinnert. Da die Beschreibung meist nach Praeparaten gegeben wurde, welche Platten in Aufsicht zeigten, oder nach dem optischen Durchschnitt ge- falteter Platten, so konnte die Orientirung der eigenthümlichen Zeichnung angefochten werden. Dies ist denn auch geschehen, indem der erfahrene Babuchin die maeandrische Linürung nicht der Schicht selbst, sondern dem optischen Zusammenwirken mit einer besonderen, oben auflagernden Schieht zuschrieb. Demgemäss nahm er in der Mormyrus-Platte mindestens drei Schichten an, was seine Berechtigung hat, obwohl es unrichtig ist, die sonderbare Zeichnung auf die oberste Schicht zurückzuführen. Die frische Unter- suchung allein, deren sich Babuchin fast ausschliesslich befleissiste, führt beim Studium der Schichtung in den Platten nicht zum Ziel, wie WEITERE BEITRÄGE Z. KENNTNISS D. SCHWACH ELEKTRISCHEN FIscHE. 237 ich aus eigener, bereits vieljähriger Erfahrung über diesen Gegenstand be- haupten darf. Hier sind äusserst feine (0.005 "m etwa messende) Durch- schnitte möglichst vollkommen conservirter Platten erforderlich, wie sie erst die moderne Technik herstellen lehrte. An solchen Schnitten erkennt man ohne Schwierigkeit, dass es sich nicht um Zeichnungen handelt, welche an Muskeln erinnern, sondern dass in der Mormyrus-Platte ein Gewebe in wechselnder Mächtigkeit auftritt, an dem die complieirte Muskelquerstreifung in ausserordentlich voll- kommener Weise erhalten blieb. Die bekannte Figuration erscheint stellenweise so deutlich, dass man versucht sein möchte, die Muskelstructur an diesem Theil des elektrischen Gewebes zu studiren; die quergestreiften Muskelbündel liegen aber nicht in der oberen Schicht, sondern bilden eine mittlere Lage von wechselnder Mächtigkeit. Hält man die beiden soeben angeführten Beobachtungen, nämlich die Verbindungen von vorderen mit hinteren Schichten der Platten, sowie das Auftreten wechselnd erhaltener Muskelsubstanz zwischen denselben zu- sammen, so stellen sich die Platten in ihrer Entwickelung als abgeplattete Säcke dar, die im Inneren die sich umwandelnde Muskelsubstanz um- schliessen. Dieser durch die Thatsachen sich aufdrängenden Anschauung gemäss bildet die Scheide des Muskelprimitivbündels die histologische Unter- lage sowohl für die vordere als auch die hintere Schicht; während aber die erstere die gelockerten Mnskeltheilchen als elektrische Molekeln in neuer Anordnung in sich aufnimmt, verbreiten und vervielfältigen sich in der letzteren die Theilchen der eintretenden nervösen Elemente. | Die wirklich zu beobachtende Structur der genannten Schichten ent- spricht durchaus der eben gegebenen Darstellung. Die vordere Schicht zeiet unter einem feinen cuticularen Saume eine senkrecht zur Platten- richtung gestellte Anordnung zarter, etwas stärker lichtbrechender Körnchen in undeutlichen Reihen, ähnlich wie ich es von der Torpedo-Platte be- schrieben habe; bei der hinteren ist dies nicht in gleichem Maasse der Fall, doch sieht man an guten Querschnitten, dass die Körnchenpunktirung nicht ganz so regellos ist als die frische Untersuchung glauben machen könnte. Anschliessend an den auch hier vorhandenen cuticularen Saum ordnen sich die groben, durch Osmium ziemlich dunkel färbbaren Körnchen zu locker gestellten, kurzen und wenig deutlichen Reihen aus spärlichen Elementen gebildet, welche Bildung dem sogenannten „Palissadensaum“ der Torpedo-Platte gleichwerthig sein dürfte. Ich wiederhole, dass wirk- liche Fortsätze der Fibrillen des anschliessenden Bogensystems in der Schicht selbst nicht mehr kenntlich sind. Die beschriebene Plattenstructur erweckt mehr als bei den anderen elektrischen Fischen die Hoffnung, auch unvollständig entwickeltes elek- 238 Gustav FriITscH: trisches Gewebe zu finden, da es überhaupt noch solchen unfertigen, mus- culären Eindruck macht. Diese Hoffnung geht auch unzweifelhaft in Er- füllung. Die Organe sind keineswegs als eine gallertige Substanz in ge- schlossene fibröse Kapseln eingeschlossen, wie es zuweilen angegeben wird sondern die Grenzen gegen die benachbarten Muskeln sind überhaupt nicht scharf, indem sich das gewucherte Bindegewebe derselben weit nach vorn zwischen die normalen Muskeln als dichte, weissliche Masse hineinzieht und die Bündel an einander drängt. Vorn und hinten an den Organenden bleibt ein recht beträchtlicher Theil, der dem Schleimgewebe zwischen den Platten durchaus ähnlich ist, übrig, in welchem nur die Platten selbst fehlen. Aehnliche Verhältnisse liessen sich auch bei Gymnotus und Malopterurus an bestimmten Stellen der Organe nachweisen, und habe ich solche Substanz dort bereits als „taubes elektrisches Gewebe‘ beschrieben. Bei den Mormyrus-Arten ist es besonders am vorderen Organende stark entwickelt. Hier finden sich auch eigenthümliche Muskelbündel, welche mir schon im Jahre 1881 als offenbar im Sinne einer Aufquellung verändert auf- fielen. In der That sind es vorwiegend die Scheiden, deren Quellung zu beobachten ist, während der quergestreifte Inhalt, den festen Ansatz ver- !ierend, nicht mehr die straffe, regelmässige Anordnung der normalen be- nachbarten Primitivbündel zeigt. Am hinteren Organende, wo das taube Gewebe auch nur als schmale Kappe aufliegt, wird nichts dergleichen ge- funden, und man erhält so die Anschauung, dass die Organentwickelung von hinten nach vorn vorschreitet, vorn aber einen sicheren Abschluss gar nicht erlangt hat. Es macht sich so im Vergleich zur Entwickelung der Torpedo-Platten ein bemerkenswerther Unterschied geltend, indem bei dieser die Muskel- primitivbündel gar nicht erst zur vollen Ausbildung gelangen, sondern die Fibrillen bereits unter Kernvermehrung in die Plattenbildung übergehen, den gewucherten Scheidenelementen dagegen eine mehr passive Rolle zu- gewiesen wird. Im Darwin’schen Sinne wäre der Vorgang etwa so zu deuten, dass bei der Umwandlung von Muskeln in elektrisches Gewebe an dem Zitter- rochen die abgekürzte Vererbung einen höheren Grad erreicht hat als am Nilhecht, was wiederum für längere Andauer des Processes bei jenem sprechen, sowie die erreichte höhere Stufe der Vollkommenheit erklärlicher machen würde. | Zur Vervollständigung der Reihe von Umbildungsformen wäre es er- wünscht, am Mormyrus auch Muskelprimitivbündel nachzuweisen, welche eine beginnende Abplattung von vorn nach hinten und verschieden hoch- gradige Ausdehnung in der queren Richtung erkennen liessen. WEITERE BEITRÄGE Z. KENNTNISS D. SCHWACH EUEKTRISCHEN FISCHE. 239 Solche Formen haben sich bisher durchaus nicht gefunden, und man muss daher annehmen, dass von dem gewissermaassen vorbereiteten Muskel- material schon im Embryo ein Theil zur Plattenbildung gelangt, ein an- derer dies Ziel aus irgend welchem Grunde nicht erreicht. Bei diesem Plattenbildungsprocess muss das Gewebe einen sehr hohen Grad von Schmiegsamkeit haben, der dem flüssigen Zustand nicht fern steht. Nur so lässt sich die wechselvolle, höchst sonderbare Anfügung der Nerventräger an die Platte erklären, welche einen dreifach verschiedenen Typus bei den einzelnen Arten zeigt. Wie erwähnt, fügen sich die nervösen Elemente, die in den Nerven- trägern verlaufen, stets der caudalen Seite der Platten an, die Zapfen aber, welche die Nervenfibrillen aus den markhaltigen Nervenfasern übernehmen, haben eine ganz ungleichartige Stellung. Das einfachste Verhalten ist, dass, die von den Nervenbündeln umfassten Zapfen hinten an der Platte liegen, zu der sie gehören und sich verzweigend, in die Bogensysteme übergehen, um mit der hinteren Plattenschicht zu verschmelzen. So findet man es bei den langrüssligen Arten, wie M. oxyrhynchus, cachiwe', longi- Ppinnis U. S. w. Oder die Zapfen lagern vor den zugehörigen Platten, durchbohren, leicht verschmälert, die Plattensubstanz, um alsdann schnell dichotomisch verzweigt ebenfalls von hintenher mit der Platte zusammenzufliessen. Um die Durchtrittstellen häuft sich die quergestreifte Substanz der mitt- leren Schicht wie eine Wulst an, während jenseits die Zapfen. wie durch Strangulation Anschwellungen bilden, welche von Ecker sehr ungeeigneter Weise als „Ganglien“ in Anspruch genommen wurden. Dies Verhalten zeigen die Arten ohne Rüssel, wie Ayperopisus dorsalis, Mormyrus cypri- noides, Mormyrops anguilloides. Endlich gelang es mir noch eine dritte Art der Anfügung nach- zuweisen, bei welcher die Zapfen ebenfalls wie bei den langrüssligen Nil- hechten auf der Hinterseite ihrer Platten lagern. Sie durchbohren, an ihrem Verbreitungsbezirk nahezu angelangt, die Platte wie bei den un- gerüsselten, doch verzweigt sich der Zapfen nicht, sondern kehrt nach sofortiger Rückwärtskrümmung, nochmals die Substanz durch- setzend, auf die hintere vorschriftsmässige Seite zurück, um sich hier in der regelmässigen Weise anzufügen. Derartige Doppeldurch- bohrung zeigten mir die abgeplatteten Arten mit abwärts gestellter Mund- öffnung M. Isidori und bovei. (S. Fig. 4.) Wenn man Angesichts der vollzogenen Thatsache bei diesem sonder- baren Verhältniss von „Durchbohrung“ spricht, so bin ich gleichwohl fest überzeugt, dass der entwickelungsgeschichtliche Vorgang ein durchaus an- derer ist, und dass die früh in ihrer besonderen Gestaltung angelegten 240 Gustav FRITSCH: Nervenverzweigungen auch die Form der Träger bestimmen, die Platten- substanz aber sich an diesem System später in querer Richtung ausbreitet. Es wird alsdann auf die Wachsthumsverhältnisse der Nerven und ihrer Träger ankommen, wie stark sie sich krümmen, um eine einfache quere Ausbreitung der fast flüssigen Plattensubstanz zwischen ihnen zu ermög- lichen oder bei stärkerer Krümmung ein Umfassen der Zapfen in einfacher oder doppelter Hinsicht nothwendig zu machen. Da die Stromesrichtung bei allen bisher untersuchten Arten die gleiche ist, so ergiebt sich daraus, dass die Stellung der Nerven und ihrer Träger Fig. 4. Querschnitt zweier Organplatten, doppelt durchbohrt von den Zapfen. Mormyrus Isidori. Vergr. 410. pl = Elektrische Platten, Zw = Zwischenschicht, #= Aeussere Organfascie, z= Zapfen. Zwischen den Plattenschichten Reste quergestreifter Muskelsubstanz. Der Pfeil bezeich- net die Stromesrichtung. auf die Function einen bestimmten Einfluss nicht haben kann, sondern dass es eben die kleinsten Elemente der Platte selbst in ihrer besonderen Anordnung sind, auf denen die Leistung des Organs beruht. Zur: genaueren Feststellung der Vorgänge wird man der embryo- logischen Untersuchung so wenig wie beim Zitterwels entrathen können; leider ist auch die Entwickelung des Nilhechtes noch ebenso unerforscht als die des Zitterwelses. Hier ist der Zukunft noch viel vorbehalten; sind doch sonderbarer Weise nicht einmal die Geschlechtsorgane der Mor- myriden genügend bekannt. WEITERE BEITRÄGE Z. KENNTNISS D. SCHWACH ELEKTRISCHEN FIscHE. 241 Beobachtungen über den Bau der Geschlechtsorgane. Wenn man die Häufigkeit der vielen, hieher gehörigen Arten in den Flüssen Afrikas und ihr regelmässiges Erscheinen auf den Märkten des Landes berücksichtigt, so klingt es wie ein Märchen, wenn man in den Autoren liest: „Die Männchen dieser Fische wurden bisher nicht beob- achtet.“ Meist schweigt man sich über den Bau der Geschlechtsorgane vollständig aus. Die Hoffnung, später einmal an embryonales Material zu kommen, veranlasste mich, diese Organe an zahlreichen Individuen einer genauen Untersuchung zu unterwerfen. Dabei ergab sich zunächst die auffallende, sehr unbeachtet gebliebene Thatsache, dass die Ausbildung der Keimdrüse einen ganz einseitigen Charakter trägt. Man findet in der linken Seite der Bauchhöhle einen länglichen Körper, der im unentwickelten Zustande bei manchen Arten (MW. cyprinoides) einer kurzen, platten Schote gleicht, bei anderen (z. B. H. dorsalis) ist er mehr bohnenförmig, mit wulstigen Erhebungen, oder unregelmässig gelappt (M. Isidori, M. bovei). Bei starker Entwickelung wird das Organ sackförmig, erfüllt die ganze, sonst auffallend leere Leibeshöhle und lässt schon mit unbewaffnetem Auge die darin enthaltenen Eier erkennen; es stellt sich also als ein ein- fach vorhandenes Ovarium dar. Noch im Februar fand es sich auch bei srösseren Fischen ausserordentlich unentwickelt und verleitete zu der An- nahme, dass die Laichzeit sehr fern sein müsse. Aber schon Anfang März wurde zu Damiette ein M.oxyrhynchus von etwa 30 ®® Länge gefangen welcher einen etwa halb entwickelten Bierstock aufwies, mit Eiern vom Durchmesser des feinsten Schrotes.. In der zweiten Hälfte des März ergab die Untersuchung eines recht grossen, 47 °" messenden Mormyrus der- selben Art, der bei Cairo gefangen wurde, einen vollkommen ausgebildeten Eierstock mit Eiern von 1:5 ”” Durchmesser, welche der Reife jedenfalls sehr nahe standen. Mit Rücksicht auf die wichtige embryonale Entwickelung wäre es doppelt erwünscht, auch Fische mit reifen Samen-Elementen zu finden, dies hat aber bisher aus unaufgeklärten Gründen nicht glücken wollen. Zuweilen sieht man aber kleine, schmächtige Exemplare verschiedener Arten, in denen trotz des sorgfältigsten Suchens selbst das eine unent- wickelte Ovarium vermisst wird. Diese allerdings viel selteneren Exem- plare dürften die Männchen im nicht geschlechtsreifen Zustande sein. Die jedenfalls auch einseitige Anlage des Hodens ist nicht so leicht sicher fest- zustellen als ein unentwickeltes Ovarium, weil jeder mikroskopische Schnitt von solchem die unverkennbaren Primordialeier zeigt, der ruhende Hoden aber wenig Charakteristisches darbietet. Archiv f.A.u.Ph. 1892. Physiol. Abtble. Suppl. 16 242 Fritsch: BEITRÄGE ZUR KENNTNISS DER SCHWACH ELEKTR. FISCHE. Gleichwohl glaube ich den Hoden an den eierstocklosen Individuen in der Nähe der Geschlechtsöffnungen zwischen dem Darm und den Ureteren eingeklemmt gefunden zu haben als einen ziemlich weiten aber kurzen Schlauch von gelbröthlicher Farbe, der im Inneren wandständige, taschen- artige Vertiefungen zeigte, ausgefüllt mit Zellen, welche ruhenden Samen- zellen recht ähnlich sahen. Wiederholte Untersuchung bei verschiedenen Arten und zu verschie- dener Jahreszeit wird mehr Licht in diese noch dunkle Frage zu bringen vermögen. Auch wird das mitgebrachte Material mit Musse genauer zu durchmustern sein, wobei alsdann sich gewiss noch mancherlei neue That- sachen ergeben werden, manches, was hier nur kurz angedeutet werden konnte, eingehender untersucht werden soll. Berlin, den 15. September 1891. Wie erklärt sich der Stillstand des überwärmten Herzens? Von Dr. Manille Ide. (Aus dem physiologischen Institut zu Leipzig.) Dass ein ausgeschnittenes Froschherz, nachdem es durch eine Tempe- ratur zwischen 35° und 45° C. stillgestellt war, wieder zu schlagen be- einnt, wenn es alsbald abgekühlt wurde, hat Schelske! zuerst beobachtet. Diese mehrfach ? bestätigte Thatsache zeigt, dass eine vorher gültige An- nahme über die Todesursache der Fiebertemperatur unhaltbar sein dürfte. Gestützt auf die Eigenschaften gewisser Eiweissstoffe im Muskel und Nerven hielt man sich für berechtigt, das Absterben der lebendigen Nerven und Muskeln in einer Temperatur von über 42°C. aus einer Gerinnung inner- halb der reizbaren Gebilde ableiten zu dürfen, welche der ausgebildeten Starre voranging. Auf den Wärmestillstand des Herzens würde eine solche Erklärung nur anwendbar gewesen sein, wenn es, was nicht der Fall, nach- zuweisen gelungen wäre, dass ein Gerinnsel sich durch die Abkühlung ver- flüssigen lasse. — Später wurden auch auf Grund einiger, an anderen Körpertheilen beobachteten, Erscheinungen gegen die auf das Herz unan- wendbare Annahme Bedenken erhoben, und es dann als wahrscheinlicher erachtet,? dass die Herabsetzung der Reizbarkeit auf der Aenderung eines chemischen Vorganges im Muskel beruhe. In ihm läuft bekanntlich fort- dauernd neben einem auf Ermüdung und auf Absterben zielenden Vor- 1 Veränderung der Erregbarkeit der Nerven durch Wärme. Heidelberg 1860. 2 Cyon, Berichte der math.-phys. Classe der Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig. 1866. 3 Vincent, Sur P’hyperthermie. Paris 1887. 16* 244 MANILLE IDE: gang ein anderer her, welcher die entstandenen Schädlichkeiten zu be- seitigen weiss. Das Gleichgewicht beider Processe, auf welchem das un- versehrte Leben des Muskels ruht, solle, so nimmt die neue Hypothese an, in der Wärme aufgehoben, der vergiftende Vorgang überwiegend werden. Zu einer neuen und wesentlich von den früheren abweichenden ist die Vorstellung, zu welcher Heubel! geführt wurde. Wenn sie sich bewahrheitet, so verlieren die am Herzen des Frosches gesammelten Erfahrungen jegliche Bedeutung für die Frage, weshalb die Fiebertemperatur tödtet. Denn den Herzmuskel hält er für befähigt, aus der vollkommenen Todtenstarre durch Zuleitung von frischem Blut wieder zum vollen Leben erweckbar zu sein. Die theoretischen und thatsächlichen Widersprüche aufzuklären, dürfte aber gerade am Herzen des Frosches gelingen, weil es schädigenden und er- holenden Mitteln besonders leicht zu- gänglich ist, und man sich stets von dem Grade seiner Leistungsfähigkeit, also auch von dem Grade seiner Un- versehrtheit vergewissern kann. No schien es mir denn angemessen, dem Rathe des Hrn. Prof. C. Ludwig zu folgen, welcher mich auf die An- ‘ stellung neuer Versuche hinwies. Das Praeparat, dessen ich mich durchweg bediente, war das ganze Froschherz, eine Canüle sass in der Vena cava inferior, eine zweite in der linken Aorta. Zugebunden waren die kleine Vene des Vorhofes auf ihrem Wege quer durch den Herzbeu- tel, die beiden Jugularvenen und die Fig. 1. rechte Aorta. Die linke Aorta mün- dete in ein Zweigrohr, das einerseits in’s Freie, andererseits in ein kleines Hg-Manometer überging. Nach Belieben konnte dem Inhalte des Herzens der eine oder andere Weg verschlossen werden. Gespeist wurde das Herz (S. Fig. 1) von einem Cylinder 4 aus, dessen Inhalt rasch auf beliebige Temperatur zu bringen war, weil er mit zwei anderen grösseren Gefässen verbunden werden konnte, von welchem das eine BD, mit Filz umwickelte, warme, das andere C kühle Flüssigkeit gleicher Art enthielt. Durch je ein langes Kautschukrohr, das durch eine Klemme zu verschliessen war, waren die Gefässe mit der zu A führenden ı Pflüger’s Archiv. Bd. 45. WIE ERKLÄRT SICH DER STILLSTAND DES ÜBERWÄRMTEN HERZENS? 245 Röhre verbunden. Je nach Belieben konnte der Inhalt der Röhren wegen der Anwesenheit der beiden Hähne durch # in’s Freie und durch Z zum Herzen geführt werden. Wenn die vom Herzen ausgehenden Canülen an die Glasröhren gesetzt waren, so hing das ganze Herz, Vorhof und Kammer frei herab. Unter dasselbe wurde ein mit O-7 procentiger NaCl-Lösung gefülltes Becherglas geschoben, das sogenannte Bad, dessen Inhalt während des Versuches mög- lichst genau auf der ihm Anfangs ertheilten Temperatur erhalten blieb. Lebendig wurde das Herz durch Serum oder Arterienblut des Kalbs und des Kaninchens erhalten; beides, Blut und Serum wurden mit dem dreifachen Volum 0.7 procentiger NaCl-Lösung verdünnt. Bei dem ver- hältnissmässig grossen Bedürfniss des Muskels an Sauerstoff konnte der Gehalt desselben in der belebenden Flüssigkeit nicht gleichgültig sein. Wie begründet diese Voraussicht war lehrt der Erfolg. Die Verwendung des ganzen Herzens, statt des Ventrikels allein wird nothwendig, wenn durch die hydraulischen, zu verschiedenen Zeiten aus- seführten Arbeiten die Reizbarkeit des Muskels gemessen werden soll. Gruppen und sonstige Arten unregelmässig wiederkehrender Schläge lassen sich nur dann vermeiden, wenn der Vorhof mit der Kammer verbunden bleibt. Deswegen kann aus der Zahl der Schläge in der Zeiteinheit auf die Wirkungen der veränderlichen Temperatur mit Sicherheit geschlossen werden. Gleiches gilt von der auf den einzelnen Hub verwendeten Kraft, weil jedes der vielgestaltigen Muskelbündel,! die den Hohlraum des Ven- trikels umkleiden und durchziehen, sich an der Systole betheiligt. Keine andere Art die Kraft des Herzmuskels zu messen, mag sie sich der Ver- kürzung oder der Verdickung der Gestalt bedienen, wird der von mir ge- wählten vorzuziehen sein. — Bei ihrem Gebrauch ist der Füllungsgrad der Kammern genau einzuhalten, wenn zwei bei verschiedenen Füllungen aus- geführte Leistungen verglichen werden sollen, denn es ist bekanntlich die Höhe, auf welche das Hg des Manometers gebracht wird, von der Ausdehnung der Ventrikelhöhle während der Diastole mitbestimmt. Wenn das Herz unver- letzt blieb und alle seine Oeffnungen zugebunden sind, so ist die Forderung stets gleicher Füllung so lange erreicht, als der vorhandene Inhalt nicht gegen eine neue Portion ausgetauscht ist, denn die während einer Systole aus- getriebene Flüssigkeit kehrt aus dem Manometer in die Herzhöhle zurück, sodass der ursprüngliche Herzinhalt hin- und herläuft. Dieser Erfolg wird jedoch nur dann erreicht, wenn sich das in die Aorta eingesetzte Glas- röhrehen bis über die Spiralklappe hinaus tief in den Bulbus hinab er- streckt. — Bei einem Wechsel der Füllung stehen, um sich von der Gleich- heit der Wandspannung zu vergewissern, zwei Mittel zur Verfügung, der 1 Gomperz, Dies Archiv. 1884. 246 MANILLE IDE: Stand der Flüssigkeit im Zuflussrohr und die Höhe des Manometerstandes während der Diastole bei seltener Schlagfolge des Herzens. Ohne die Kenntniss der Geschwindigkeit, mit welcher sich die Wärme durch die Kammerwand verbreitet, ist es unmöglich, die Entstehung ge- wisser Erscheinungen zu deuten. Aufschluss verschaffte mir ein kleines, von dem Glaskünstler Götze hergestelltes Thermometer. Sein Gefäss, aus dünnstem Glas geblasen, liess sich in das Innere eines mässig grossen Frosch- ventrikels einschieben, denn sein Volum betrug nur 27 ==, Die Theilung in 0-1 Grade begann bei 30° C. und endete bei 65° C. Da es mir vor allem oblag, die obere Grenze der Temperatur fest zu legen, welche das Herz ohne Schädigung ertragen kann, so begann ich mit einer Prüfung und Wiederholung der Versuche Heubel’s. Nach seinen Mittheilungen kann ein Herz, das in einem Bade von 60° C. todtenstarr geworden ist, von einem Strom kühlen Blutes alsbald wieder zum Leben erweckt werden. Dies sei bewiesen, weil die Herzen nach kürzerer oder längerer Zeit den Schlag wieder aufnehmen, welche 15 bis 20 Secunden in einem Bad von 60° C. oder 60 Secunden in einem sol- chen von 50°C. verweilt hatten, dann auch solche, welche in Oel tauchten, das im Verlauf zweier Minuten von 40° C. auf 50° C. erwärmt war, und endlich sogar auch die, welche 5 und !/, Minute in einem Oelbad ge- legen hatten, dessen Temperatur nie unter 40° C. gefallen, vorübergehend aber bis zu 55°C. gestiegen war. — Wie weit sich das Herz durch Ruhe und Blut wieder erholt, hat Heubel nicht gemessen. Voraussichtlich werden nur die Theile des Herzens todtenstarr, welche auf und über 42° C. dauernd erwärmt wurden, deshalb wird man wissen müssen, wie geschwind sich die Wärme durch ein Herz fortpflanzt, wenn es sich, wie in den vorgelegten Beobachtungen, um ein zeitweiliges Ein- tauchen in ein warmes Bad handelt. Dass unter dieser Bedingung sich einzelne Abschnitte der Herzmuskeln der Ueberwärmung entziehen können, ist sehr wahrscheinlich bei der geringen Leitungsgeschwindiekeit des Muskels und bei dem eigenthümlichen Bau des Ventrikels mit seinen mehrfachen durch Flüssigkeit getrennten Scheidewänden. Wer sich vornimmt, die Verbreitung der Wärme von der Oberfläche des Froschherzens gegen das Innere hin zu messen, wird auf den Erwerb allgemein gültiger Regeln verzichten, statt ihrer nur Fingerzeige erwarten, wie lange ein Herz, dessen Grösse und Anfangstemperatur gegeben ist, in einem warmen Bad verweilen müsse, um durchweg den Stillstand ge- bietenden Wärmegrad anzunehmen. Einen solchen empfangen wir aus den nachstehenden Zahlen, welche den Beobachtungen an dem Herzen eines mittelgrossen Frosches entnommen sind. Die Kugel des Thermometers war eng von der Wand des Ventrikels umschlossen. WIE ERKLÄRT SICH DER STILLSTAND DES ÜBERWÄRMTEN HERZEns? 247 In der Tabelle ist die Zeit vom Beginn des Eintauchens in das warme Bad an gerechnet. Die römischen Zahlen über den Stäben, welche die mit der Zeit veränderliche Temperatur enthalten, geben an, wie die einzelnen Versuche auf einander folgten. Gets I II III Ri Temper.d. Temper.d. | Temper.d. | Temper.d. | Temper.d. | Temper. d. Bades Herzens Bades Herzens Bades Herzens 0 50°C. 25-0°C. HORIG, 15-0°C. 60°C. OO, 10 Zen —_ 20 34-5°% „ 28-00, 30 IN Bach 56°C. 40°C. 40 - 41-0° „ 36-50 „ 50 440° „ 390, 60 49°C. Ay Dılan, 48°C. 445° „ Unzweifelhaft hat die innere Herzfläche schon etwas früher als das Thermometer die von ihm angezeigte Temperatur angenommen, indess kann bei der geringen Trägheit des Thermometers dieser Vorsprung noch nicht einen ganzen Grad betragen. Unter Hinzurechnung dieses Fehlers bedarf es immer noch mehr als eine Minute, um bei einer Temperatur des Bades von 50°C., von mehr als 30 Secunden, um bei der Temperatur des Bades von 60° C., die gesammte Wand der Kammer soweit zu erwärmen, dass die Systolen ausbleiben. Damit ist aber, wie wir sehen werden, noch nicht der tödtliche Wärmegrad erreicht. An die Bestimmungen der mitgetheilten Art schlossen sich andere, welche feststellen sollten, wie lange ein Herz in einem warmen Bad verweilen durfte, um keine Einbusse seiner Schlagkraft zu erleiden. — In dieser Versuchsreihe wurde das mit Blut oder Serum erfüllte und mit dem Mano- meter verbundene Herz in ein Bad von bekannter Temperatur getaucht, dann, als es sich beruhigt hatte, herausgenommen und durch seine Höhle kühles Blut oder Serum geführt. Verglichen wurde die Höhe des Hubes bevor und nachdem die Wärme eingewirkt hatte Mit diesem Prüfstein war zu erkennen, dass zwischen der unversehrten und der erloschenen, welche weder die Abkühlung noch der Strom frischen Arterienblutes zu heben vermag, zahlreiche Stufen verminderter Leistungsfähigkeit einge- schlossen liegen. So schlägt für das Auge noch sichtbar ein Herz, das 20 Secunden in einem Bade von 60° C. verweilte, aber das Hg des Ma- nometers vermag es nicht zu bewegen. Andererseits kann nach einem Aufenthalt von 50 bis 60 Secunden in einem Bad von 45° bis 48° C. das Herz noch einen bedeutenden Bruchtheil, etwa sechs Zehntel, der Kraft wieder gewinnen, die ihm im frischen Zustand zukam. Weil das Frosch- herz aus einer Summe von Fasern besteht, die gleichartig auf den In- 248 MANILLE IDE: halt der Höhle wirken, so wird sich nach der Zahl der ihm unversehrt gebliebenen die Grösse seiner Arbeit richten. Wenn sonach auch unter der unrettbar schädigenden Wärme ein Theil der Fasern abstirbt, so wird doch der übrig bleibende unversehrte Rest den Anschein vollen Lebens vortäuschen können. Nach diesen Erfahrungen war also die vor den Ver- suchen Heubel’s gültige Anschauung wieder in ihr Recht eingesetzt. Dass das wärmere Herz rascher schlägt als das kalte ist bekannt, und verbreiteter Zustimmung erfreut sich die Annahme, dass der Zuwachs an Schlägen sich für denselben Unterschied der Temperatur mit der steigen- den Wärme vergrössert. Eine Curve der Häufigkeit der Systolen über die Herzfüllung Serum, Bad 0-7 Procent Salzwasser. III II a: 16°C. 30°C. Fig. 2. Herzfüllung Serum, Bad 0-7 Procent Salzwasser. 9°C. KO Or al (0% 5 (6 19ılar 8% Temperatur wendet demgemäss der Abscisse ihre Convexität zu. Oefter fand ich bei meinen Versuchen diese Regel bestätigt, zuweilen aber wuchsen Temperatur und Schlagzahl mit einander gleichmässig. — Wie ändert sich nun aber mit der Schlagfolge die Arbeit des Herzens? Diese Frage, die, soweit ich weis, noch der Antwort harrt, wäre leicht zu beantworten, wenn beim Beginn jeder Systole die Kammer gleich stark gefüllt wäre. Denn im weiten Umfang der Häufigkeit hebt jede Systole das Hg auf die gleiche Höhe, sodass wenn die Zusammenziehung jedesmal bei demselben Füllungs- grade des Ventrikels begönne, die Arbeit gerade aus wie die Zahl der Schläge wachsen würde. In Wirklichkeit geschieht dies jedoch nur zu- WIE ERKLÄRT SICH DER STILLSTAND DES ÜBERWÄRMTEN HERZENS? 249 weilen, meist ändert sich mit der Temperatur auch die Nachgiebigkeit der Herzwand. Diesem Umstand ist es zuzuschreiben, dass sich der Ventrikel während der Diastole in einem sehr ungleichen Maasse mit Blut füllt, ob- wohl ihm aus dem Manometer das Blut unter jeweilig gleichem Druck zufliesst. Eine Voraussage, wie sich die Füllung gestalten werde, ist aber unmöglich, weil, wie die vorstehenden Autogramme (s. Fig. 2 und 3) und die folgenden Zahlen zeigen, zwischen der Temperatur und der Ausdehn- barkeit keine feste Beziehung besteht. Genauere Auskunft über die Aenderungen der Arbeit mit der Schlag- folge des Herzens geben Messungen, wovon unten einige Beispiele. In jedem einzelnen der vorgeführten Versuche stand, unabhängig von der Schlagfolge, am Ende der Systole das Hg gleich hoch, am Beginn der- selben aber verschieden hoch, so dass die Druckänderung, welche der Sy- stole zuzurechnen ist, ihrem Umfang nach ungleich ausfiel. Zu diesem veränderlichen Hub wird die geleistete Arbeit, als einem ihrer Factoren im einfachen Verhältnisse stehen, sodass das Product aus dem Umfange in die Zahl der während der Zeiteinheit vollführten Hübe ein proportionales Maass für die von verschiedenen Schlagfolgen gelieferte Arbeit abgeben wird. Unter der Ueberschrift, Umfang des Hubes, ist in der folgenden Ta- belle der Spielraum, innerhalb dessen sich das Hg im Manometer bewegte, eingetragen; er war, was zu beachten ist, in den der Rechnung zu Grunde gelegten Systolen je einer Schlagfolge unverändert geblieben. — Aus Schlag- zahl und Umfang der Hübe wurden die der Arbeit proportionalen Werthe berechnet; der bei der langsamsten Schlagfolge gefundene gleich eins und hierzu die anderen im richtigen Verhältniss gesetzt. Nr. des Schlagzahl Umfang Verhältniss Verhältnis Versuchs Temperatur ın der des Hubes der Arbeit der Zeiteinheit “ Schlagzahlen 8°C. 7 18 mm Hg. 1-0 1-0 I Oz 10 18 5 1-4 1.4 UN int 16 3» 2°2 2-4 Da 26 Kant 5 2-7 3-7 m NA 5 21 En 1°0 1:0 30°, 20 17 2 3:2 4:0 Sn 7 12 ss 1:0 1:0 III OO, 10 i3 > 1:5 1-4 Sn 14 21 5 »5 2-0 Iv N 13 7 ns 1:0 1:0 259 es 24 6 5 1°6 1:9 v ste 7 SE 1:0 1:0 30028 16 11 53 28 2°3 250 MANILLE IDE: Nur in einem Punkte stimmen die Ergebnisse aller Versuche. In den Grenzen der Temperatur von 8° bis zu 33° C. wächst die Arbeit mit der zunehmenden Wärme, unabhängig davon, wie sich der Umfang des Hubes und die ihn bestimmende Nachgiebigkeit der Herzwand gestaltet. Warum nach Vollendung der Systole der Ventrikel ungleich lange in einer sogenannten Contractur verharrt, wird Gegenstand einer besonderen Untersuchung sein müssen. Erwünscht wäre ihre Ausführung der Wich- tigkeit wegen, welche der Füllungsgrad des Herzens für die im Blutkreis- lauf verfügbaren Kräfte besitzt. Dass die Geschwindigkeit, mit welcher die Muskelwand aus dem contrahirten in den erschlafften Zustand übergeht, nicht allein von der Temperatur bedingt ist, ergiebt sich aus der Durch- sicht der vorstehenden Zahlen. Ich komme nun zur Schilderung des Scheintodes durch Wärme. 1. Beim Uebergang aus dem vollkräftigen in den ohnmächtigen Zu- stand verhält sich das Herz zwar mannigfach verschieden, doch lassen sich die Erscheinungen unter zwei Grundformen einreihen. Im. | o 0 Sal 5 Serum 19°, Bad 50° Luft 25° Während der Dauer des Versuchs kein Wechsel der Füllung des Herzens. Fig. 4. Von der ersten Form giebt Fig. 4 eine Anschauung. Wo sie besteht, schlägt das Herz in der Uebergangszeit fortschreitend rascher und schwä- cher bis zum Erlöschen. Dem Anschein nach tritt zu dem bisher wirk- samen Vermögen der Wärme, die Schlagfolge zu beschleunigen, nun das Weitere, welches die Reizbarkeit der Muskeln herabmindert. Wenn, wie wahrscheinlich, sich das Herz während der Uebergangszeit noch höher er- wärmt und allmählich seine verschiedenen Abschnitte auf den Wärmegrad gelangen der scheintödtet, so wird man den wie in Fig. 4 sich abspielenden Verlauf. als die einfache Folge dieser Bedingungen ansehen können. Häufiger als auf die eben geschilderte bewegt sich das Herz auf eine andere Art, wenn es sich zum Uebergang in die Ohnmacht anschickt. Ein Beispiel der Curven, die im Zeitraume der Ermattung geschrieben sind, gibt Fig. 5. Nach einer langen Diastole tritt wieder eine Gruppe verhältnissmässig WIE ERKLÄRT SICH DER STILLSTAND DES ÜBERWÄRMTEN HERZENS? 251 kräftiger Schläge auf. Auf ihrem absteigenden Schenkel zeigen die Schlag- curven dieser Gruppe mehrfache Haltepunkte. Ob sie erfolglosen Reizen entsprechen? Am Ende wie am Anfang einer Gruppe bleibt der Hub bei den einzelnen Schlägen gleich hoch, dagegen verlangsamt sich deren Folge. Andere Male zeigen die Gruppen weniger Schläge, zuweilen nur einen, dann wiederholen sie sich aber nach Einschaltung länger dauernder Diasto- len. Die Kraft der Schläge bleibt meist bis unmittelbar vor dem Schein- tod verhältnissmässig gross. Unter dem Eindruck dieser Erscheinungen wird man geneigt anzu- nehmen, dass die steigende Wärme die Endäste des Vagus errege, und dass während der hierdurch erzeugten Ruhe der Muskel allmählich seine Reizbarkeit einbüsse. Dem widerspricht es jedoch, dass die mit Atropin vergifteten Herzen ganz ebenso wie die unvergifteten in die Ohnmacht über- gehen. — So scheint es, als ob sich manche Herzen, die dem Wärme- stillstand entgegengehen, ähnlich verhalten, wie der seines Vorhofs beraubte Ventrikel. — Auch dieser arbeitet, wie Luciani! zeigte, in Gruppen. Da Herzfüllung Blut, Bad 0-7 Procent NaCl. an Bad u. Blut 22°C. Bad 48° C. Bad 46° C. Scheintod. Während des Versuchs kein Wechsel der Herzfüllung. Fig. 5. es bisher keiner Theorie gelungen ist, zu erklären, wie und warum das Herz auf diese besondere Art schlägt, so darf ich mich hier mit dem Hinweis auf die Aehnlichkeit der Erscheinungen begnügen. 2. Die Rückkehr aus dem geschwächten in den schlagkräftigen Zu- stand erfolgt in der Regel so, wie ihn der letzte Abschnitt von Fig. 4 dar- stellt. Der erste auf den Stillstand folgende Schlag ist wenig stark, die darauf folgenden heben das Hg höher und höher bis zu dem Punkte, auf den es vor der Erwärmung des Herzens gestiegen war. Zuweilen ist die Zahl der Systolen, die auf diese Uebergangszeit fällt, geringer als in Fig. 4, zu- weilen grösser, je nach dem Grade der vorausgegangenen Schwächung. 3. Der widerspruchsvollen Art wegen, mit welcher das Herz in den Scheintod übergeht, bleibt es unbestimmt, ob das Schlagen aufhört, weil \ Verhandlungen der Gesellschaft der Wissenschaften in Leipzig. 1873. 252 MANILLE IDeE: die Reizbarkeit der Muskeln oder die Entwickler der inneren Herzreize ge- schädigt sind. Die Veranlassung zur Ohnmacht hätte man in der vermin- derten Reizbarkeit der Muskeln finden dürfen, wenn mit der steigenden Temperatur das Herz zunehmend häufiger und kraftloser geschlagen hätte. Wenn sich dagegen die Systolen ohne Einbusse an ihrer Stärke fortlaufend seltener eingefunden hätten, so würde man die Hinfälligkeit des Herzens dem allmählichen Erlöschen der Reize zuzuweisen haben. — Da das Herz bald auf die eine und bald auf die andere Weise ohnmächtig ward, so liessen sich weitere Aufschlüsse über den Zustand des Herzens nur durch Versuche gewin- nen. Zu diesem Ende wurde das Herz mit verdünntem Blut gefüllt und so lange warm gebadet, bis es sich zweifellos beruhigt hatte; dann aus dem Bade genommen und in abgemessenen Zwischenzeiten von je einem In- ductionsschlag betroffen. Dies geschah in der Erwartung, dass ein Reiz, dem das warme Herz versagt, das kühlere zu erregen vermöge. In welchem Umfange diese Voraussicht eintraf, möge die Beschreibung eines Versuches zeigen. Das Herz war mit verdünntem arteriellem Kaninchenblut gefüllt. Die Temperatur der Luft = 22°C. Gereizt wurde von feststehenden Elektroden aus, von denen eine an die Aorten-, die andere an die Hohlvenencanüle befes- tigt war. Die Wärme des Bades wechselte zwischen 48° und 46°C. Sollte das Herz durch einen Oeffnungs-Inductionsschlag gereizt werden, so wurde es aus dem Bad genommen. Die Zeiten, zu welchen gereizt wurde, zählen von der Entnahme aus dem Bade. Der Versuch, abwechselnd Ruhe und Bewegung hervorzubringen, ist an demselben Herzen 15mal mit Er- folg wiederholt worden. Die römischen Zahlen geben die Ordnungsnum- mer der Wiederholung an. V. Im Bade eingetaucht 31 Sec, während der letzten 15 Sec. Still- stand. Gereizt bei Rollenabstand 13 °® in-deralew 0202 52 Au Da RoseIe Dee: In Holge, hiervon an“ Hup 07 07.077.020 207 707023 VII. Im Bade eingetaucht 39 Sec., während der letzten 12 Sec. Still- stand. Gereizt bei Rollenabstand 12 °” in der26.2.8. 10.2122 31425162218 Sec, In Folge hiervon an Hub 0 0 0 0 0 O2 s EHe: VII. Im Bade eingetaucht 36 Sec., während der letzten 12 Sec. Still- stand. Gereizt bei Rollenabstand 11 °% in der 4. 6. 8. 11. 27. Sec. In Folge hiervon an Hub 0 0 0 19 2 He: WIE ERKLÄRT SICH DER STILLSTAND DES ÜBERWÄRMTEN HERZENS? 253 IX. Im Bade eingetaucht 33 Sec., während der letzten 10 Sec. Stillstand. Gereizt bei Rollenabstand 10.5 °” Inge erga 6. 2,9220 Zen 2238ec: Ins kolserhieryon an Hub, 15:19 20 20 720.21 22 nmHe. XIV. Im Bade eingetaucht 41 Sec., während der letzten 7 See. Stillstand. Gereizt bei Rollenabstand 10 °“ in der 2. 6. 10. 14. 16. Sec. In Folge hiervon an Hub 0 0 0 0 Selen Unter die Folgen, welche ein Herz durch den Aufenthalt im warmen Bade zu erdulden hat, zählt also eine Verminderung der Reizbarkeit des Muskels, indess ist dieser Verlust selbst nach der kurz dauernden Einwir- kung von einer Temperatur nahe an 50° C. kein sehr bedeutender, denn es bedurfte nur geringer Verstärkung des Inductionsstromes, um ihm die fehlende Wirksamkeit zu gewähren. Danach ist es nicht unwahrscheinlich, dass beide, die reizenden und die zuckenden Stücke des Herzens, gleich- mässig gelitten haben. 4. Die Temperatur des Bades, welches seine Wirkung nicht über das Stillstellen des Herzschlages hinaus erstrecken soll, lässt sich nur bedingungs- weise angeben. Ein Herz, dessen Füllung mit Blut oder Serum während des Versuches nicht erneuert wird, verliert bei einem längeren Aufenthalt in einem Bade von 40° ja von 35°C. seine Fähigkeit zu schlagen, Gleiches aber schon nach 25 bis 30 Secunden in einem Bade von nahezu 50° C. — Wenn dagegen während des Aufenthaltes in einem Bade von nahezu 50°C. wiederholt frisches kühles Blut durch das Herz geführt wird, so schlägt es Minuten hindurch vollkräftig und ohne Unterlass weiter. — Ohne Zweifel, die Höhe des beruhigenden Wärmegrades liesse sich genauer ermitteln, wenn die Temperatur des Herzmuskels zu bestimmen wäre Dann würde man erfahren, in wie weit die öfter erneuerte Nährflüssigkeit die Schlag- kraft deshalb erhält, weil sie das Herz abkühlt, oder weil sie die Bildung schädlicher Zersetzungsproducte verzögert. Aeusserst eindrucksvoll spricht nun doch für die stoffliche Wirkung des arteriellen Blutes die Widerstandsfähigkeit, welche das Herz gegen die Angriffe der Wärme empfängt. Denn die äussere Fläche des Herzens muss doch in 30 Secunden die Temperatur der umgebenden Flüssigkeit angenommen haben, und sie müsste, wäre dieses geschehen, abgestorben sein. Dass dies aber nicht der Fall ist, ergiebt sich aus der unverminderten Kraft, welche den Systolen nach der Entfernung des Herzens aus dem Bade eigen ist, also muss das arterielle Blut wieder herstellend eingetreten sein. Zu Gunsten dieser Eigenschaft des arteriellen Blutes erheben sich auch noch andere Versuche. 254 MANILLE IDE: Auf S. 246 wurde erwähnt, dass ein Herz sich dann dauernd als ge- schädigt erweist, wenn es eine Minute lang in einer Temperatur von 40° bis 45° C. gebadet war. Zuweilen sah ich jedoch Herzen, die mit arteri- ellem Blut beschickt waren, der genannten Temperatur trotzen. Auch ohne eine Aenderung ihrer Füllung fuhren sie fort, innerhalb des Bades 3 bis 4 Minuten lang ungeschwächt zu schlagen. Beispiele liefern die folgenden Aufzeichnungen. Jede römische Ziffer giebt an, dass ein besonderes Herz zum Versuche diente, die vorgesetzten Buchstaben entsprechen den Wiederholungen des Versuches an demselben Herzen. I. Herz mit Serum gefüllt. Bad 50°C. Hub vor Erwärmung 48 mm He. a) Eingetaucht 39 See., während der letzten 9 Secunden ohne Schlag. Herausgenommen. 15 Sec. später beginnt das Schlagen, das Maximum ist nach 13 Sec. erreicht. Hub ohne Erneuerung des Serums 42 ®& Hg, nach Erneuerung 46 “ Hg. b) Dasselbe Herz. Eingetaucht 33 See., während der letzten 6 Sec. ohne Schlag. Herausgenommen. 30 Secunden später beginnt das Schlagen, nach 5 Secunden ist das Maximum erreicht. Hub ohne Erneuerung des Serums 25 mm Hs, nach wiederholter Durchspülung und starker Füllung mit frischem Serum 46 "® Hs. II. Herz mit Blut gefüllt. Bad 50°C. Hub vor der Erwärmung 34 mm Hs. Eingetaucht 25 Secunden, während der letzten 5 Secunden ohne Schlag. Herausgenommen. 10 Secunden später beginnt das Schlagen. 13 Secunden noch später das maximale. Hub ohne Erneuerung des Blutes 36 "" Hg. Ill. Herz mit Blut gefüllt. Bad 50°C. Hub vor der Erwärmung 46 um He. Eingetaucht 40 Seeunden, während der letzten 14 Secunden ohne Schlag. Herausgenommen. 26 Secunden später beginnt das Schlagen; nach wei- teren 14 Secunden maximal. Hub ohne Erneuerung des Blutes 42 "m Hg, nach Erneuerung 46 ® He. IV. Herz mit Blut gefüllt. Hub vor der Erwärmung 52 "® Hg. a) Bad von 45° auf 42°C. sinkend. Eingetaucht 3 Minuten 20 Sec. fortwährend schlagend. Herausgenommen. Blut erneuert. Hub 58 ®” Hg. b) Bad von 48° auf 46° C. sinkend. Eingetaucht 30 Secunden fort- während schlagend. Herausgenommen. Blut erneuert. Hub 52 "" Hg. c) Bad von 49° auf 46°C. sinkend. Eingetaucht 5 Minuten unter wiederholter Erneuerung des Blutes, fortdauernd schlagend. Hub 48 "®® Hg. WIE ERKLÄRT SICH DER STILLSTAND DES ÜBERWÄRMTEN HERZENS? 255 Der Schutz des arteriellen Blutes gegen die Schädigungen der Tem- peratur endet, wenn die Wärme des Bades 50° C. übersteigt. Als Beispiel für die Wirkung des Bades auf und unmittelbar über 50° C. mögen die folgenden an demselben Herzen unternommenen Versuche dienen. Vor jedem Eintritt in das Bad empfing das Herz eine Füllung mit Blut, die während des Aufenthaltes in der warmen Flüssigkeit nicht er- neuert wurde. a) Hub vor der Erwärmung 48" Hg. — Im warmen Bad von 50°C. während einer Minute Nach der Rückkehr in die kühle Luft gelang es einer wiederholten Durchspülung mit kühlem Arterienblut den Hub auf 42mm zu heben. b) Im warmen Bad von 54° bis 51° C. während einer Minute. Das Hs zeigt sich nach der Herausnahme aus der warmen Umgebung stark zusammengezogen. Trotz oft wiederholter Durchspülung mit arteriellem Blut kehrt weder der frühere Ausdehnungsgrad, noch die Schlagkraft des Ventrikels wieder. Der Umfang des Hubes beträgt nur 2wm He. 5. Die Mittel, durch welche dem überwärmten Herzen seine volle Schlag- kraft wieder zu geben ist, haben sich nach der Höhe und Einwirkungs- dauer der schädigenden Temperatur zu richten. Herzen, die nur 30 bis 40 Secunden in dem warmen Bade ausharrten, sah ich rasch den Schlag wieder aufnehmen, wenn sie aus der Flüssigkeit in die freie Luft überführt wurden, deren Temperatur sich zwischen 18° bis 22°C. hielt. Auch bedurfte es keiner Vertauschung des Inhaltes, um der Systole ihre frühere Kraft wiederzugeben. Allerdings hoben die ersten Systolen das Hg nur wenig empor, aber schon nach 5 bis 10 derselben, war die vor dem Eintritt in das Bad vorhandene Kraft wieder erreicht. Mit der einfachen Abkühlung war nicht mehr geholfen, wenn das Herz länger als eine Minute und mehr einer Wärme von 48° bis 49° C. ausgesetzt war. Allerdings sah ich öfter den Schlag schon dadurch wieder- kehren, dass die Luft zum Herzen hinzutreten konnte, aber die Kraft der Zusammenziehung war geringer als vor der Ueberwärmung. Ein Austausch der bisherigen Füllung mit erneuter Nährflüssigkeit war nöthig um die Contraction zu kräftigen, und oft reichte hierzu ein einmaliger Wechsel selbst von frischem arteriellem Blute nicht aus. Vier- bis fünfmal musste der Inhalt der Höhlen erneuert werden, bevor sich die Folgen der Ueber- wärmung vollkommen ausgeglichen hatten. In solchen Fällen unterscheidet sich das unwirksam gebliebene Blut seiner Farbe nach nicht von dem wirksamen. Warum also das Frühere im Gegensatz zu dem Späteren ver- sagte, dürfte schwerlich auf Rechnung mangelnden Sauerstofls kommen. 256 MANILLE Ipe: Besser passt der öftere Wechsel zu der Annahme, es sei ein schädlicher Stoff ausgewaschen worden. 6. Ueberwärmte und erstickte Herzen verhalten sich insofern ähnlich, als beide aus dem Scheintod, dem sie verfielen, wieder zur vollen Kraft erweckbar sind. Deshalb schien es mir gerathen, zur Aufklärung des Grundes, warum das überwärmte Herz stillsteht, auch die Art, wie das er- stickte Herz erlahmt, zu beobachten. Sollte das eine wie das andere aus dem kräftigen in den geschwächten Zustand gleichartig übergehen, so wäre es zum mindesten wahrscheinlich, dass auch das überwärmte Herz aus Mangel an Sauerstoff sein ‚Schlagen einstellte. Als kräftige Herzen bei 15° bis 20° C. ein und für allemal mit ar- teriellem Schaf- oder Kaninchenblut gefüllt in eine 0-7 procentige NaCl- Lösung eingetaucht, sich überlassen wurden, ergab sich: Vom Beginn der Füllung bis zu 5 oder 6 Minuten schlug der Ventrikel kräftig und regel- mässig, gegen Ende jedoch schon etwas seltener; durch die folgenden paar Minuten setzte sich der regelmässige Schlag noch fort, aber er vermochte nicht mehr den früheren Hub zu leisten. Nächstdem setzte der Schlag auf längere Zeiten aus, trat dann aber gruppenweise und in ungeschwächter Kraft auf. — Anfangs ist die Zahl der Systolen, die zu einer Gruppe ge- hören, noch zahlreich, bald aber besteht die Gruppe aus zweien oder gar nur aus einem Schlag, und die Ruhezeit zwischen je zwei solchen Schlägen beträgt 2 bis 4 Minuten, endlich wird auch der Umfang der Zusammen- ziehung kleiner und kleiner bis sie erlöschen. — Anders als der Ventrikel verhält sich der Vorhof. Anfangs contrahiren sich beide gleich oft, wenn aber der Ventrikel schon anfängt gruppenweise und sehr selten zu schla- sen, so fährt der Vorhof noch fort regelmässig zu systolisiren, freilich mit der fortschreitenden Zeit seltener und seltener. In den langen Pausen lassen sich durch Berührung der Ventrikel noch Systolen auslösen. — Ein Beispiel diene zur Erläuterung. Herz mit Schafblut gefüllt Ventrikel Vorhöfe Alt, : Schlagzahl | Dauer der Zahl der Systolen Zeit in Min. | Schlagin 1 Min, Diastolen Elub in 1 Minute 0 47 — 24 — ö 25 — 24 — 13 21 — 16 —_ 24 1t 7 Secunden 12 — 34 4 ERBE > 12 20 WIE ERKLÄRT SICH DER STILLSTAND DES ÜBERWÄRMTEN HeErRZEns? 257 Fortsetzung. Herz mit Schafblut gefüllt Ventrikel Vorhöfe Bes | 'Schlagzahl | Dauer der Zahl der Systolen ‚el I) SUN Schlag in 1 Min. | Diastolen Hub in 1 Minute 40 unregelmässig 3 Minuten 12 30 50 | reizbar unreg. 4 5 12 30 56 Ne. 2 2u.3 Min. = 16 60 | ES „ ähnlich 8 61 | „ 2) nz 5 P | Da der Vorhof noch regelmässig arbeitet und man anzunehmen pflegt, dass ein von demselben ausgehender Anstoss den Ventrikel erregt, so steht unter Hinweis auf die Rigenschaften des Herzens, den unwirksamen zu einem wirksamen Reiz zu summiren, der Annahme nichts entgegen, dass die gruppenweise Schlagfolge auf einer geschwächten Reizbarkeit beruhe, weshalb erst in Folge einer Reihe von summirten Reizen die Systole ein- trete. Einmal angeregt, führt dann das Herz, nach dem Gesetz der soge- nannten Treppe der Steigerung der Reizbarkeit durch die Zuckung, noch einige Schläge aus. . Das ermattete Herz gewinnt alsbald wieder seine frühere Befähigung, wenn aus ıhm das dunkle Blut entleert und durch arterielles ersetzt wird. Grundsätzlich stimmt der Art nach die Erlahmung des erstickten mit der des überwärmten Herzens überein. Nur darin unterscheiden sie sich, dass der Uebergang in den trägen Zustand am überwärmten Herzen un- gemein viel rascher als am erstickten erfolst. Unter den möglichen Vorstellungen, warum das Herz zu schlagen aufhört, wenn es während einer Minute in einem bis zu höchstens 49°C. erwärmten Bade verweilte, ist mit dem Inhalte der vorliegenden Blätter nur die eine vereinbar, dass sich bei vollkommener Unversehrtheit seines Baues die stoffliche Zusammensetzung der Muskeln ändert. Nur darum kann sich die volle Schlagkraft, nachdem sie gänzlich erloschen schien, so rasch wieder herstellen. Während seines Lebens erzeugen sich im ruhenden, wie im zuckenden Muskel Stoffe, welche seine Reizbarkeit herab- setzen; mit der bis zu einem bestimmten Grade wachsenden Wärme bilden sie sich zu rasch und zu reichlich, um in dem Maasse, wie sie entstehen, entfernbar zu sein. — Zu den Mitteln, welche die schädlichen in Archiv f. A. u. Ph. 1892. Physiol, Abthlg. Supp!. 17 258 MANILLE IDE: WIE ERKLÄRT SICH D. STILLSTAND D. ÜBERW. HERZENS? gleichgültige Stoffe überführen, gehört in erster Linie der durch das Haemoglobin eingeführte Sauerstoff, denn er vermag den Eintritt in die Ohnmacht auch einer Temperatur von 49° C. gegen- über zu verhindern, und die dem Herzen aufgezwungene zu heben. Dazu kommt, dass in der Art, wie sie entstehen und vergehen, die erstickten und überwärmten Zustände des Herzens vielfach mit einander überein- stimmen. Scharf abgeschnitten sind ihrer Wirkung nach die Temperaturen unter und über 50° C. In der Wärme über 50° C. gerinnt ein wesentlicher Bestandtheil des Muskels, mit seiner Ausschaltung verliert die stoffliche Bewegung die Befähigung, den Muskel lebendig zu erhalten. Systematische Untersuchung der Wirkung constitutionell verwandter chemischer Verbindungen auf den thierischen Organismus. Von Woleott Gibbs, M. D., Rumford Professor (Emeritus) an der Harvard-Universität, und Edward T. Reichert,! Prof. der Physiologie an der Universität von Pennsylvanien. (Fortsetzung aus dem Bande 1890. S. 344—359.) ? Phenylhydrazinchlorhydrat. Das Phenylhydrazin setzt beim Frosch Empfindung und Reflexthätig- keit herab, hebt Bewusstsein und willkürliche Bewegung auf und führt schliesslich zu allgemeiner Lähmung. Puls und Athmung sind verlangsamt. Der Tod erfolgt durch Athmungslähmung. Das Herz bleibt in Diastole stehen. Die Nerven scheinen nicht merklich beeinflusst zu werden, aber die Muskeln sind durch elektrischen Reiz weniger erregbar, und die Hirn- rückenmarkscentra sind deprimirt. Wird das Mittel Hunden innerlich in erossen Dosen beigebracht, so verursacht es Muskeischwäche, Unsicherheit des Ganges, Herabsetzung von Empfindung und Reflexthätigkeit, Brechreiz ! Die Berufung von Hrn. H. A. Hare in die Professur für Kinderkrankheiten an der Universität von Pennsylvanien hat ihn genöthigt, sich von der vorliegendan Untersuchung zurückzuziehen. An seine Stelle ist Hr. Reichert getreten, indem ihm der rein physiologische Theil der noch auszuführenden Arbeiten ausschliesslich über- wiesen worden ist. ® Aus dem American Chemical Journal. Vol. XIII. Nr. 5, übersetzt von Dr. Rene du Bois-Reymond. UT 260 WOoLcoTT GIBBS und EpwArnD T. REICHERT: und Erbrechen, Beschleunigung von Puls und Athmung. Das Blut wird fast augenblicklich dunkler, so dass an Maul und Bindehaut deutliche Cya- nose eintritt, welche mit zunehmender Giftwirkung immer ausgesprochener wird, bis das Blut fast schwarz ist. Die Körperwärme sinkt um 1-—2°C. Hat man eine tödtliche Dosis gegeben, so nimmt die Schwäche bis auf’s Aeusserste zu, manchmal treten krampfhafte Bewegungen auf, Empfindung und Reflexthätigkeit schwinden, Harn und Koth gehen unwillkührlich ab, die Muskeln erschlaffen vollständig, die Athmung wird langsam und an- gestrengt, der Puls schwach, und schliesslich erfolgt der Tod durch Läh- mung des Herzens und der Athmunse. Spritzt man Mengen von 0-.3—0 68” in die Jugularvene ein, so bleibt der Blutdruck unverändert, die Pulszahl aber sinkt, mitunter gleich auf längere Zeit, in anderen Fällen nur auf wenige Minuten, um nachher wieder zu steigen. Die Athmungsfrequenz nimmt bis zum Anderthalb- bis Dreifachen der normalen Zahl zu. Das Blut wird sehr dunkelfarbig. Nach wiederholter Einspritzung so grosser Mengen nimmt ausnahmslos der Blut- druck allmählich ab, dabei ist die Pulszahl gewöhnlich ausserordentlich eross und ebenso die Athmungsfrequenz. Der Tod tritt nach 15 bis 40 Minuten ein, und zwar gewöhnlich durch Stillstand des Herzens, ob- gleich auch die Athmung so stark angegriffen zu sein pflegt, dass der Tod ebensowohl dadurch oder durch gleichzeitiges Erlöschen beider Functionen verursacht sein kann. Wird eine einzige Gabe von 1 .0—1.5am eingespritzt, so sinkt der Blutdruck augenblicklich, das Herz schlägt ausserordentlich schnell aber sehr schwach, und in wenigen Minuten erfolgt der Tod. Die Verringerung des Blutdruckes und die Zunahme der Pulszahl müssen beide unmittelbarer Herzwirkung zugeschrieben werden, denn die- selben Veränderungen werden auch beobachtet, wenn das Herz vom Central- nervensystem isolirt worden ist. Ueberdies fällt die Abnahme des Druckes mit dem schwachen beschleunigten Puls zusammen, und beide Erscheinungen nehmen gemeinschaftlich zu. Die Zunahme der Pulszahl beruht nicht auf Lähmung der hemmenden Ganglien, denn auch bei vorgeschrittener Ver- siftung rufen schwache Vaeusreize noch deutliche Verlangsamung hervor. Ueberhaupt sind die schnellen Schläge das Zeichen einer unmittelbar die Herzmuseulatur betreffenden Einwirkung, da sie geringere Arbeit leisten. Die Beschleunigung der Athmung tritt auch nach dem Vagusschnitte noch ein und ist also Folge einer Einwirkung auf das Athmungscentrum. Ob diese unmittelbar oder mittelbar durch die Wirkung der Blutveränderung entsteht, ist ungewiss. Indessen ist bei späteren Stadien der Vergiftung die Thätigkeit des Athmungscentrums jedenfalls herabgesetzt, und kann noch vor der des Herzens erlahmen. Bei innerlicher Verabreichung beträgt die tödtliche Dosis 0. 20—0 . 253" WIRKUNG CONSTITUTIONELL VERWANDTER VERBINDUNGEN. >26] auf das Kilogramm, bei Einspritzung in die Jugularis 0-.12—0-2 8" auf das Kilogramm. Beim Frosch ist die tödtliche Dosis ungefähr 0.0003 Fr" auf das Gramm. Orthotolylhydrazinchlorhydrat. Die Wirkung dieser Verbindung auf Frösche besteht darin, dass die Empfindung herabgesetzt, die willkürliche Bewegung aufgehoben und Puls und Athmung verlangsamt wird, bis schliesslich allgemeine Lähmung ein- tritt. Die Nerven erscheinen bei geeigneter Prüfung nicht wesentlich be- einflusst, die Muskeln dagegen werden unempfindlicher gegen Reize. Das Gift wirkt auf Gehirn und Rückenmark. Tod tritt durch Athmungs- lähmung ein. Das Herz bleibt in Diastole stehen. Hunden in Gaben von 0-.5—0.7 sm auf das Kilogramm Körpergewicht innerlich beigebracht, verursacht es Schwäche, Unsicherheit im Gehen, Würgen und Erbrechen, bläuliche Färbung der Schleimhaut des Maules und der Conjunctiva und eine geringe Abnahme von Empfindung und Reflexthätigkeit. Die Körpertemperatur sinkt, die Athemzüge werden an- fangs häufiger, gegen das Ende hin jedoch langsam, tief und mühsam, die Herzthätigkeit ist verlangsamt und geschwächt, krampfhafte Bewegungen von klonischer und tonischer Erscheinungsform treten auf, die Lähmung nimmt überhand, Harn und Koth werden unwillkürlich entleert, und durch Schwäche des Herzens oder der Athmung erfolgt endlich der Tod. Das Herz bleibt in Diastole stehen. Das Blut ist beinahe schwarz. Wird das Mittel in Mengen von 0-25—0.5&”= in die Jugularis ein- gespritzt, so beobachtet man eine geringe Zunahme des Blutdrucks und gewöhnlich zugleich eine unwesentliche Vergrösserung der Pulszahl. Die Athmung ist unbeeinflusst oder ein wenig beschleunigt. Nach wiederholten Einspritzungen zeigen Druck und Pulszahl eine entschiedene Neigung zur Abnahme, während die Athmungszahl ‚bedeutend zunimmt. Dabei erscheint in Folge der Einwirkung auf das Haemoglobin das arterielle Blut sehr dunkelfarbig. Indem der Tod herannaht sinkt die Athmungszahl, die Herz- thätigkeit wird sehr schwach, der Blutdruck fast gleich Null, und endlich tritt der Tod durch Herz- und Athmungslähmung ein. Die Schwankungen des Blutdrucks und der Pulszahl beobachtet man sogar noch nach Tren- nung des Herzens vom Üentralnervensystem, und da die eine Schwankung stets von der anderen begleitet ist, müssen beide einer unmittelbaren Wir- kung des Giftes auf das Herz zugeschrieben werden. Die Wirkung auf die Athmung tritt nach dem Vagusschnitte ganz in derselben Weise ein, be- ruht also auf centraler Beeinflussung. Ob das Gift auf die Centra mittel- bar oder unmittelbar wirkt, ist ungewiss. Die Veränderung des Blutes ist 262 WoLcoTT GIBBS UND EpwArD T. REICHERT: so bedeutend, dass die Steigerung der Athmungsfrequenz eine mittelbare Folge unzureichender Oxydationsfähigkeit der rothen Blutkörperchen sein könnte. Schliesslich ist das Athemcentrum, wie das Centralnervensystem überhaupt, jedenfalls gelähmt. Die tödtliche Menge beträgt für den Hund, bei innerlicher Verabrei- chung, 0-.3—0-5 Em auf das Kilogramm Körpergewicht, bei Einspritzung in die Jugularis 0-2—-0-.3 Sm auf das Kilogramm. Die tödtliche Dosis für den Frosch beträgt etwa 0-0003 3% auf das Gramm Körpergewicht. Paratolylhydrazinchlorhydrat. Die Wirkung des Paratolylhydrazins ist mit der der Ortho-verbindung identisch. Der einzige wesentliche Unterschied besteht darin, dass die erstere stärker ist. Die tödtliche Dosis wurde nicht genau ermittelt, beträgt aber etwas weniger als beim Orthotolylhydrazin. Zusammenfassung über die physiologische Wirkung der Hydrazine. Die genannten Verbindungen zeigen sämmtlich ein und dieselbe ge- meinsame physiologische Wirkung. Sie wirken heftig auf das Blut, indem sie das Haemoglobin in einen abnormen Zustand bringen, und dadurch die Thätigkeit der rothen Blutkörperchen als Vermittler der Sauerstoffaufnahme wesentlich beeinträchtigen, was hinwiederum die Lebensthätigkeit auf allen Gebieten herabsetzt und ein deutlich cyanotisches Aussehen hervorbringt. So lähmen diese Gifte offenbar hauptsächlich durch ihre Einwirkung auf das Blut die Nervencentra in Hirn und Rückenmark und verursachen da- durch Bewusstlosigkeit und Erlöschen von Empfindung und Reflexthätig- keit. Sie wirken sämmtlich erregend, aber verhältnissmässig schwach, sie vermindern den Blutdruck und steigern die Pulszahl durch unmittelbare Beeinflussung des Herzens, welches in Diastole stillsteht, sie steigern die Frequenz der Athmung und vermindern sie dann wieder, indem sie das Athmungscentrum anfänglich reizen und schliesslich lähmen, und sie führen sämmtlich durch Lähmung des Herzens und der Athmung den Tod herbei. Als Gift betrachtet, ist Orthotolylhydrazin das schwächste, Paratolylhydrazin ist ein wenig stärker und Phenylhydrazin noch einhalbmal stärker. In ihrer Wirkung auf die Herzthätigkeit ordnen sie sich nach derselben Reihen- folge, als erregende Mittel aber umgekehrt, indem Phenylhydrazin schwach wirkt, und Paratolylhydrazin am stärksten ist. In der Mehrzahl der Fälle hört bei den Tolylhydrazinen die Athmung vor dem Herzschlage auf, bei den Phenylhydrazinen aber pflegt gewöhnlich das Herz zuerst stillzustehen. WIRKUNG CONSTITUTIONELL VERWANDTER VERBINDUNGEN. 269 Toluylendiamin. Wenn man einem Frosch Toluylendiamin in den hinteren Lymphraum spritzt, so zeigt er alsbald die Syınptome einer allgemeinen Depression. Die willkürlichen Bewegungen sind schwach, die Beine werden schlaff, der Frosch liegt auf dem Bauch und versucht nicht sich umzudrehen, wenn man ihn auf den Rücken legt. Die Reflexe werden schwächer und bleiben schliesslich ganz aus, die Athmung hört auf und das Herz bleibt in Dia- stole stehen. Die Muskelerregbarkeit ist herabgesetzt, Empfindungs- und Bewegungsnerven jedoch nicht merklich angegriffen, sondern der Ausfall der Reflexbewegungen ist auf Beeinflussung des Rückenmarks zurückzu- führen. Wird Toluylendiamin Hunden innerlich in Mengen von 0.4—0.5 8m auf das Kilogramm des Körpergewichts beigebracht, so beobachtet man: Speichelfluss, Secretion der Nasenschleimhaut, Niesen und ein Zurückziehen der Lippen bei jedem Athemzuge, das Athembeschwerden vermuthen lässt. Zunge und Gaumen sind eyanotisch, die Muskeln kraftlos, der Herzschlag beschleunigt und schwach, die Athmungsthätigkeit kann anfangs zwar ge- steigert sein, nimmt aber immer nachher allmählich ab. Die Körperwärme wird bedeutend herabgesetzt. Von Zeit zu Zeit winselt oder heult das ‘ Thier wie vor Schmerz, die Reflexerregbarkeit ist stark abgeschwächt, will- kürliche Bewegung aufgehoben, manchmal tritt Erbrechen ein, endlich hört die Reflexthätigkeit ganz auf, und der Tod erfolgt durch Athmungs- lähmung binnen 4—6 Stunden nach Verabreichung des Giftes. Wie die Autopsie lehrt, ist das Blut bläulich-schwarz geworden, das Herz ist in Diastole stehen geblieben, mit dunklen Bluteoagulis erfüllt und unerregbar. Zu Magen und Darm haben starke Congestionen stattgefunden. Subeutan injieirt bringt das Mittel ähnliche pathologische und anato- mische Erscheinungen hervor. Gaben von nur wenig über die Hälfte der oben angegebenen Menge können binnen 24 Stunden tödtlich werden, in- dem die Thiere auf zwei oder drei Stunden schwer ergriffen sind, sich dann aber vorübergehend sichtlich erholen, um schliesslich doch, anscheinend an Gastroönteritis zu Grunde zu gehen. Zeichnet man während der Einwirkung des Giftes Kreislauf und Ath- mung mittelst des Kymographions auf, so zeigt sich, dass es selbst in der Dosis von nur 0-8 8m auf das Kilogramm eingespritzt, Pulszahl, Blutdruck und Athemfrequenz zu erhöhen vermag. Durch Gaben von gegen 0.1—0.2 8m auf das Kilogramm wird die Pulszahl in verschiedener Weise beeinflusst, indem sie manchmal unverändert bleibt, manchmal erst sinkt und dann steigt und manchmal auch sogleich steigt. Nach wiederholten Einspritzungen ist die Pulszahl stets vermehrt. Die Wirkung des Mittels auf den Blut- 264 WoLcoTT GIBBS uUnD EpDwARD T. REICHERT: druck ist ebenfalls wechselnd, im Allgemeinen bewirkt es zuerst eine Stei- gerung und dann einen Abfall. Die Athmungszahl ist nach solcher Ein- spritzung immer erhöht. Nach wiederholten Einspritzungen fallen eudlich alle drei Functionen ab, und Tod erfolgt durch Athmungslähmunrg, doch ist das Herz stark mitergriffen und bleibt in Diastole stehen. Nach Durchschneidung des Vagus und des oberen Halsmarkes treten diese Veränderungen im Kreislauf genau ebenso ein wie beim normalen Thier. Hieraus folgt, dass sie einer unmittelbaren Wirkung auf das Herz zuzuschreiben sind. Die Athmungszahl nimmt nach dem Vagusschnitte ebenfalls, wie beim normalen Thier, anfangs zu und zuletzt ab. Dies be- ruht also auch auf Einwirkungen auf die betreffenden Centra. Die kleinste tödtliche Dosis für den Hund ist bei subcutaner Injection 0.2—0.3 8m auf das Kilogramm. In das Gefässsystem können viel grössere Mengen eingespritzt werden, ohne unmittelbar den Tod zur Folge zu haben. Dinitropheno!l. Spritzt man Hunden Dinitrophenol in Gaben von 0-.01—0-17 em auf das Kilogramm Körpergewicht in die Jugularis ein, so erfolgt stets eine sehr bemerkbare Vagusreizung, welche sehr langsamen vollen Puls ver- ursacht. Die Stärke der Reizung ist von der Grösse der Gabe abhängig, und schwankt anscheinend auch nach der Empfänglichkeit des betreffenden Thieres ein wenig. Auf diesen Zustand folgt, bei so kleiner, etwa zwischen 0-01 und 0-025®" auf das Kilogramm liegenden Dosis, ein nicht sehr ausgeprägtes Stadium der Pulsbeschleunigung, wobei zugleich der Blutdruck erhöht ist. Diese Veränderungen sind durchaus constant, sie treten bei curari- sirten wie bei nicht curarisirten Versuchsthieren ein. Wiederholt konnten wir sogar durch den Versuch nachweisen, dass die Pulsverlangsamung auf centraler Vagusreizung beruht, da sie durch den Vagusschnitt auf der Stelle beseitigt werden kann, sodass der Puls dieselbe Frequenz erreicht, wie beim normalen Hund unter gleichen Bedingungen. Spritzt man bis zu 0.170 8m auf das Kilogramm in die Jugularis ein, so bleibt, noch ehe die Athembewegungen aufhören, das Herz stehen, in- dem es immer langsamer schlägt, bis endlich der Blutdruck abfällt und der Tod eintritt. Schon Mengen von 0.058” führen den Tod herbei. Giebt man ausgewachsenen Hunden Dinitrophenol in der Menge von 0.38 m auf das Kilogramm in 40 m Wasser gelöst ein, so tritt in 5 bis 10 Minuten Brechen auf, wodurch alsbald ein Theil des Giftes aus dem Magen ausgestossen wird. Die Menge, welche die nachstehenden Erschei- WIRKUNG CONSTITUTIONELL VERWANDTER VERBINDUNGEN. 265 nungen hervorbrachte, kann daher nicht genau angegeben werden. Die Zunge wird hervorgestreckt, Speichel läuft aus dem Maule und tropft von ihrer Spitze, die Athmung nimmt bedeutend zu, indem die Athemzüge eine ausserordentlich hohe Frequenz, bis zu 180 in der Minute erreichen, und dabei doch so voll und heftig sind, dass die Brust mit jedem Zuge sich auf’s äusserste erweitert. Der Kopf wird vorgestreckt um die Luftröhre gerade zu richten, das Thier schwankt ein wenig im Gange und ist an den Hinterbeinen mehr als an den Vorderbeinen geschwächt. Das Be- wusstsein bleibt vollständig erhalten. Die Pupille erweitert sich bedeutend, die Temperatur, im Rectum gemessen, steigt um 2—3° C. Bald darauf stellt sich, wahrscheinlich in Folge der stark beschleunigten Athmung, heftiger Durst ein. Nach einer halben Stunde erfolgt Tod, indem mit einem Male die Athmung schwächer und schwächer wird und dann plötz- lieh ganz aufhört. Unmittelbar nach dem Tode tritt Todtenstarre ein. Manchmal gehen bei vorgeschrittener Vergiftung Harn und Koth unwill- kührlich ab. Der Urin ist, wahrscheinlich durch das Mittel selbst,. gelb gefärbt. Giebt man 0.166 sm auf das Kilogramm, so treten dieselben Erschei- nungen ein, nur dass der Tod anderthalb Stunden später erfolst. Kurz vorher stösst das Thier ein paar mal Geheul aus, geht im Zimmer umher, legt sich dann plötzlich nieder und hört auf zu athmen. Der Herzschlag ist zuerst verlangsamt, dann sehr beschleunigt und erreicht schliesslich 190 in der Minute. Wir bemerkten, dass die Athmung vor dem Herzschlage stillstand. Bringt man einem 808m schweren Frosch 0-015 &® Dinitrophenol bei, indem man es in den hinteren Lymphraum einspritzt, so scheint die Kraft der Hinterbeine etwas herabgesetzt zu werden, doch stellt sich nach einigen Minuten der normale Tonus wieder her. Bald darauf, ungefähr 15 Minuten nach der Einspritzung, nimmt die Muskelkraft allmählich in steigendem Maasse ab, sodass es dem Frosch sehr schwer wird, die gewöhnliche Stellung wieder zu gewinnen, wenn man ihn auf den Rücken gelegt hat. 20 Minuten nach der Einspritzung bleibt er schon ganz schlaff und an- scheinend halb todt in jeder Stellung liegen, in die er gebracht wird. Alle Theile. des Körpers sind durch das Mittel gefärbt. Fünf Minuten später ist die Reflexthätigkeit noch ungestört. Die Athmung hört auf, und man findet, wenn man in diesem Augenblicke die Brusthöhle eröffnet, das Herz auffallend langsam, mit langer ausgiebiger Diastole, arbeitend. Das Blut erscheint dunkelfarben und krümelig. 40 Minuten nach der Einspritzung beträgt die Pulszahl nur noch 10—12 in der Minute, die Reflexthätigkeit ist geschwunden, und der Frosch ist, bis auf die ver- einzelten Herzschläge, allem Anscheine nach todt. Es drängt sich so- 266 WOoLcoTT GIBBS UND EDwArD T. REICHERT: gleich die Frage auf, warum die Muskeln versagen und nachher die Reflexbewegungen unterbleiben. Um unterscheiden zu können, ob das Mittel auf das Rückenmark, auf die Nervenbahn oder auf die Muskeln wirke, wurde die Schlagader eines Beines unterbunden, sodass der von diesem Grefässe versorgte Körpertheil gegen das Eindringen des Giftes ab- geschlossen war, und sodann eine Einspritzung in den hinteren Lymphraum gemacht. Im Laufe der nächstfolgenden Minuten zeigt sich, dass die Reflexthätigkeit in dem abgeschlossenen und dem nicht abgeschlossenen Beine anfangs gleich bleibt, dass darauf aber eine allgemeine Kraftlosigkeit im ganzen Körper und gänzliches Ausbleiben der Reflexe an allen Körper- stellen ohne Unterschied folgt. Die Athmung hört auf. Durch keinerlei lveiz, weder chemischen noch mechanischen, vermag man eine Bewegung hervorzurufen. Eröffnet man die Brusthöhle, so findet man, dass das Herz nur etwa einmal in der Minute schlägt, und schliesslich nur noch die Vor- höfe sich zusammenziehen. Die Verbindung muss demnach nur auf das Rückenmark wirken, und ohne Zweifel betrifft die Wirkung vor allem den motorischen Theil. Wäre sie peripherisch, so würde der Kräfteverfall in dem unterbundenen und dem nicht unterbundenen Beine nicht gleich gewesen sein. Andererseits schien es als verliefen äussere Reize in den sensorischen Bahnen des Rückenmarkes noch ungestört, als der allgemeine Zustand des Körpers schon die äusserste Erschlaffung der Musculatur verrieth. Es ist bemerkenswerth, dass bei der allmählichen Resorption des Mittels, ebenso wie bei innerlicher Verabreichung der Tod durch Athmungs- lähmung verursacht wird, durch Herzstillstand dagegen, wenn man die ganze Menge in einer einzigen Dosis in die Jugularis einspritzt. Trinitropheno!. Spritzt man von diesem Stoffe ungefähr 0-068m auf das Kilogramm Körpergewicht einem Hunde in die Jugularvene, so tritt sofort eine ganz ausserordentliche Reizung der Vagi oder ihrer Centren ein, sodass das Herz binnen weniger Secunden gänzlich zum Stillstand gebracht wird. Dabei stellt Durchschneidung der Vagi die Herzthätigkeit wieder her, so dass man annehmen muss, das Mittel wirke auf den centralen Theil des Hemmiüungsapparates des Herzens. Offenbar ist aber auch der peripherische Theil betroffen, da die normale Frequenz nicht wieder eintritt. Dies be- stätigt sich dadurch, dass Atropineinspritzung unter diesen Umständen die Frequenz überhaupt nicht erhöht. Trinitrophenol scheint das Atropin an seiner Wirkung auf die Vagusendigung zu hindern. Mit der Verlang- samung der Herzthätigkeit geht eine stetige geringe Verminderung des WIRKUNG CONSTITUTIONELL VERWANDTER VERBINDUNGEN, 267 Blutdrucks einher. Beträgt die Dosis nur 0.038" auf das Kilogramm, so sind die Wirkungen weniger ausgesprochen. Auf die Athmungsthätigkeit wirkt das Mittel herabsetzend, sodass es in der Menge von 0-068'”m auf das Kilogramm tödtlich wird. Bei künftigen Untersuchungen wird also das Versuchsthier durch künstliche Athmung am Leben erhalten werden müssen. 0.00001 s"® auf das Gramm, einem Frosch in den hinteren Lymph- raum eingespritzt, bewirken eine geringe Steigerung der Reflexthätigkeit, welche mit Verlangsamung des Herzschlages Hand in Hand geht. Erreicht die Dosis 0.000017 8"® auf das Gramm, so sind diese Erscheinungen ein wenig stärker, und viele Stunden nachher erfolgt Tod durch Respirations- stillstand. Vermehrt man die Dosis auf 0-000058® auf das Gramm, so nimmt die Reflexthätigkeit erst zu, dann ab, zugleich wird die Athmung erschwert und verlangsamt, und es kann zum Tode durch Lähmung der Athmung kommen. Der Puls wird ebenfalls stark verlangsamt. Auf 0.0001 = tritt absolute allgemeine Lähmung ein, und es giebt kein Sta- dium verstärkter Reflexe wie bei kleineren Gaben. Nach dem Tode ist die Reaction der Nerven und Muskeln auf elektrischen Reiz schwächer als normal. Die kleinste tödtliche Dosis beträgt beim Trinitrophenol 0.000015 sr auf das Gramm Frosch, und der Tod ist Athmungslähmung, verbunden mit Herzdepression zuzuschreiben. Erb fand, dass ein Gran des Mittels täglich, 20 Tage lang genommen, beim Kaninchen Gelbfärbung der Conjunctiva, der Innenfläche des Öhres und des Urins neben gelegentlichen schwachen Durchfällen und grosser Abnahme des Körpergewichts hervorbrachte, ohne dass die Temperatur zu- nahm. Nach einiger Zeit schien das Thier sich an das Gift zu gewöhnen, sodass es wieder erheblich ansetzte. Drei Gran täglich führten in ungefähr zwei Wochen zum Tode des Kaninchens unter Inanitionserscheinungen. Alle Gewebe mit Ausnahme der zum Nervensystem gehörigen waren inten- siv röthlich gefärbt, ebenso der Urin. Acht Gran bewirkten in etwa 23 Stunden Abfall der Temperatur, Schwäche, Durchfall, Collaps und Tod, dem zuweilen sogar Krämpfe vorausgingen. Am auffallendsten ist die physiologische Wirkung des Giftes auf das Blut. Das Blut der durch das Gift langsam zu Grunde gegangenen Thiere war von schmutzig brauner Farbe, mit deutlichen Kernen, sowohl innerhalb der rothen Blutkörperchen, als auch frei im Serum schwimmend. Erb hat gefunden, dass diese Aen- derung schon während des Lebens auftritt und mit einer entschiedenen Vermehrung der Zahl der weissen Körperchen Hand in Hand geht. Die Veränderung des Blutes ist anscheinend die Todesursache und scheint, wenigstens soweit es die rothen Körperchen betrifft, auf unmittelbarer Wirkung des Giftes zu beruhen, denn nach Erb tritt dieselbe oder eine 268 WouLcoTT GIBBS UND EpwArD T. REICHERT: sehr ähnliche Aenderung ein, wenn man das Blut ausserhalb des Körpers mit pikrinsaurem Natrium versetzt. Erb fand, dass Pikrinsäure auf den Menschen ebenso wirke wie auf Thiere. Vierundzwanzig Stunden nach der Aufnahme von 15 Gran war die Öonjunctiva, die Haut und der Urin deutlich gelb gefärbt. Die Tem- peratur war nicht gestiegen, und in der Regel blieben Verdauungsstörungen aus, mitunter traten sie heftig auf. Wie bei Thieren, fand sich auch beim Menschen im Harn reichlich Pikrinsäure. Ein Theelöffel voll brachte beim Menschen keine schwereren Zufälle hervor als heftiges Erbrechen und Durchfall. Zusammenfassung über die Wirkungen der Nitrophenole. OÖrthonitrophenol tödtet durch Herzlähmung, wenn es als Ein- spritzung in die Jugularvene, durch Athmungslähmung, wenn es innerlich gegeben wird. Der Tod erfolgt schon auf 0.18 auf das Kilogramm Körpergewicht. Der Hemmungsapparat des Herzens wird central und peripherisch gereizt. Metanitrophenol tödtet als Einspritzung in die Jugularvene durch Herzlähmung, als innerliches Mittel durch Athmungsstillstand. Tod erfolgt schon auf Einspritzung von 0.0838” auf das Kilogramm. Der Hem- mungsapparat des Herzens wird ebenso gereizt wie von der Orthover- bindung. Paranitrophenol wirkt durch Herzhemmung tödtlich, wenn es als Einspritzung, durch Athmungsstillstand, wenn es innerlich gegeben wird. Tod erfolgt schon auf Einspritzung von 0-01e" auf das Kilogramm in die Jugularvene. Die herzhemmenden Centra und ihre Endigungen werden durch kleine Dosen erregt, durch grosse gelähmt. Alle drei Mittel wirken auf das Nervensystem und setzen seine Thätig- keit herab. Dinitrophenol tödtet durch Herzlähmung, wenn man es in die Jugularvene einspritzt, durch Athmungslähmung, wenn man es innerlich verabreicht. Tod erfolgt auf Einspritzung von 0-05 8” auf das Kilogramm in die Jugularvene. Es reizt stark den Hemmungsapparat des Herzens. Die Thätigkeit des motorischen Nervensystems wird herabgesetzt. Trinitrophenol tödtet durch Athmungslähmung, wenn es nicht in zu grosser Menge auf einmal in den Kreislauf eintritt und dadurch das Herz zum Stillstand bringt. Der Tod erfolgt auf Einspritzung von 0-06 8m auf das Kilogramm in die Jugularvene. Der Hemmungsapparat des Herzens wird ausserordentlich stark gereizt, WIRKUNG CONSTITUTIONELL VERWANDTER VERBINDUNGEN. 269 Nitro- und Di-nitro-benzol. Nitrobenzol. Dies Mittel erhöht beim Frosch vorübergehend die Reflexerregbarkeit. Während dessen können Krampfbewegungen eintreten. Darauf folet Schwäche und allmähliches Schwinden der Reflexerregbarkeit. Die Athmungs- und Pulszahl ist vermehrt, die willkürliche Bewegung fällt bald aus, die Athmung lässt nach und schliesslich hört auch der Herz- schlag auf. Krämpfe kommen selten vor, die, welche auftreten, sind spinalen Ursprunges. Da sensible und motorische Nerven und ebenso die Muskeln wenig oder gar nicht angegriffen werden, müssen auch die Veränderungen der Reflexerregbarkeit auf spinalen Einflüssen beruhen. Das Blut ist chocoladenbraun. Wird das Mittel Hunden innerlich in Mengen von 0.5—0-75 em auf das Kilogramm Körpergewicht gegeben, so beobachtet man Speichelfluss, grosse Unruhe, Unsicherheit des Ganges und anderer Bewegungen, Taumeln, Zittern, Delirien, Temperatursteigerung, Beschleunigung von Puls und Athmung. Bei fortschreitender Vergiftung fällt die Schwächung der Beine auf, das Thier ist nicht im Stande sich aufrecht zu halten, sondern kriecht auf dem Bauch oder liegt auf der Seite, indem es vergeblich versucht auf- zustehen. Dann tritt Bewusstlosiekeit ein, ab und zu bellt, winselt oder heult der Hund, und es können tonische oder klonische Krämpfe auftreten. Wenn kein Erbrechen stattfand, erreicht die Giftwirkung binnen zwei Stunden ihren Höhepunkt und in 4-6 Stunden tritt wieder scheinbare Besserung ein. Betrug die Gabe 1°” auf das Kilogramm, so befällt den Hund allmählich ein Zustand völliger Lähmung sämmtlicher Organe, der Kreislauf stockt, das Blut ist zuweilen in stärkerem oder geringerem Grade chocoladenbraun gefärbt, zuweilen unverändert, die Athmungscentra sind deprimirt, und durch ihre Lähmung erfolgt der Tod. Die Veränderungen der Reflexerregbarkeit und die Krämpfe beruhen im Wesentlichen auf einer unmittelbaren Einwirkung auf das Rückenmark. Die Stärke der giftigen Wirkung hängt nicht genau von der Grüsse der Gaben ab, da im Verhältniss gleiche Mengen bei verschiedenen Thieren sehr verschiedene Grade der Wirkungsstärke ergeben. Ueberhaupt sind Mengen, welche bei innerlicher Darreichung hinreichen sofort ausgesprochene Wirkungen hervorzubringen, wenn man sie subeutan einspritzt, indifferent. Man kann auf diese Weise sogar 0-75 8” auf das Kilogramm einspritzen, ohne andere bemerkbare Folgen, als eine geringe Verstärkung des Pulses, leichtes Zittern und Unruhe. Selbst Mengen von 28” auf das Kilogramm können, subcutan eingespritzt, sechs Stunden lang ohne ernstere Folgen bleiben, die Giftwirkung schreitet sehr langsam vor, und das Thier geht in 270 WoLcoTT GIBBS UND EDwArD T. REICHERT: einen moribunden Zustand über, in welchem es noch 24 Stunden und länger verharren kann, ehe es stirbt. Spritzt man 0-5—1°'® in die Jugularis externa ein, so wird der Blutdruck vermindert, Pulszahl und Athmungsfrequenz vermehrt. Wieder- holte Einspritzungen setzen den Druck immer mehr herab, der Zunahme der Pulszahl folgt auch eine Abnahme, dagegen neigt die Athmung dazu, bedeutend verstärkt zu werden. Die Vermehrung der Herzschläge ist für gewöhnlich unbedeutend und vorübergehend, obgleich sie in manchen Fällen bis zum Tode bestehen bleibt. Sowohl die Zunahme, als auch die Abnahme der Pulszahl sind Zeichen von Herzschwäche, da beides auch nach der Trennung des Herzens vom Centralnervensystem auftritt, und da der Blut- druck, unabhängig von vasomotorischen Einwirkungen, immer zugleich herabgesetzt wird. Der Blutdruck sinkt demnach hauptsächlich in Folge der Schwächung des Herzens, doch sind auch die vasomotorischen Centra des verlängerten Markes betheiligt, denn die Wirkung ist, wenn man sie zerstört hat, nicht so deutlich. Die Veränderungen in der Athmung schreiben sich von einer unmittelbaren Wirkung auf das Athmungscentrum her, denn man beobachtet sie in derselben Weise, nachdem man die Vagi durchschnitten hat. Das Blut kann, wenn das Gift nicht mehrere Stunden lang eingewirkt hat, ganz unverändert sein, doch zeigt das Spektroskop aus- nahmslos die Gegenwart von durch die salpetrige Säure gebildetem Methae- moglobin an. Der Tod erfolgt ohne Ausnahme durch Ausfall der Athmung, obgleich auch der Kreislauf und andere wesentliche Functionen schwer gestört sind. Die tödtliche Menge beträgt bei Hunden bei innerlicher Darreichung 0.75—1lem auf das Kilogramm Körpergewicht, bei Einspritzung in die Venen 0-15 - 0-258”% in refracta dosi auf das Kilogramm. Weil die Re- sorption aus dem Unterhautbindegewebe zu langsam von Statten geht, oder aus anderer unbekannter Ursache ist die tödtliche Menge bei dieser Art (der Einverleibung unverhältnissmässig gross. Dinitrobenzol. Die physiologische Wirkung dieses Stoffes unterscheidet sich, abgesehen von ihrer Intensität, im Ganzen nicht wesentlich von der des Nitrobenzols. Es verursacht leichter Erbrechen, es wird vom Unterhautgewebe schnell aufgenommen und wirkt daher subeutan als schnelles Gift, seine Wirkung auf das Athmungscentrum ist sehr schwach reizend, aber stark lähmend, sodass die Respiration gewöhnlich nur schwach verstärkt und meist im Gegentheil stark herabgesetzt ist. Die Wirkung auf das Rückenmark ist viel ausgesprochener, die Veränderung in der Reflexerregbarkeit deutlicher, und es werden fast ohne Ausnahme Krämpfe von heftigem tetanischem WIRKUNG CONSTITUTIONELL VERWANDTER VERBINDUNGEN. Dr Charakter beobachtet. Die Thätigkeit des Herzens und der vasomotorischen Centra ist stärker herabgesetzt, das Blut immer stark verfärbt, und zwar im Vergleich zu dem, was bei Vergiftung mit Nitrobenzol beobachtet wird, so auffallend, dass man gewöhnlich schon allein nach der Farbe des Blutes unterscheiden kann, welches Mittel gebraucht worden ist. Bei Vergiftung mit Nitrobenzol kann unter Umständen die Farbe des Blutes nicht im Geringsten verändert sein, selbst die kleinsten Mengen Dinitrobenzol aber machen sich sogleich auf diese Weise bemerkbar. Ueberhaupt wirkt es zuverlässiger und stärker und ist in kleineren Gaben tödtlich. Amide, Formamid. Beim Frosch verursacht dies Mittel Herabsetzung der Empfindung, Mus- kelzuckungen ! klonische Krämpfe, auf die dann auch tonische folgen, und schliesslich Tod durch Athmungslähmung. Weder sensible noch motorische Nerven scheinen angegriffen zu werden, denn beide bewahren noch lange nach dem Tode ihre Erregbarkeit.e. Die Krämpfe sowohl wie die Abnahme der Empfindung entstehen durch Wirkung des Giftes auf das Rückenmark. Hunden innerlich gegeben, bewirkt es so schnell Erbrechen, dass es ausgeworfen wird, ehe deutliche Vergiftungserscheinungen auftreten. Sub- cutan in Mengen von 28% auf das Kilogramm Körpergewicht eingespritzt, erregt es Unruhe und örtliche Schmerzen, welche offenbar auf die Reizung durch das Formamid zurückzuführen sind. Erbrechen tritt sehr leicht ein, die Körperwärme ist vermindert und der Puls etwas verlangsamt. Spritzt man Mengen von 0-2—0.3 8m auf das Kilogramm in die Ju- sularis ein, so sinkt momentan der Blutdruck, aber die Pulsfrequenz ändert sich nicht wesentlich. Auf die Druckverminderung, welche den 8. bis 4. Theil der normalen Höhe beträgt, folgt nach einigen Augenblicken eine Erholung, sodass die Norm binnen etwa 30 Secunden erreicht wird. Der Druck nimmt dann weiter zu und kann 10—40”m über die Norm hinaus erreichen. Dabei ist der Puls deutlich verlangsamt, die Herzarbeit verstärkt. Während alsdann der Druck allmählich zur Norm zurückkehrt, bleibt die Pulsfrequenz verlangsamt. Wiederholt man die Einspritzungen, so erfolgen jedes Mal ähnliche Erscheinungen, bis nach einiger Zeit der Druck dauernd herabgesetzt, die Herzthätigkeit ausserordentlich verlangsamt, die Athmung vermindert bleibt, und schliesslich Tod durch Athmungslähmung- eintritt. Werden grössere Mengen gegeben, so sind die Veränderungen an Kreislauf und Athmung stärker. Die Pulsverlangsamung beruht auf Reizung der herzhemmenden Oentra 202 WoLcoTT GIBBS UND EDWARD T. REICHERT: des verlängerten Markes, denn nach dem Vagusschnitte beobachtet man sie nicht. Beim Herannahen des Todes ist auch die Herzfrequenz vermin- dert, doch geht dies vom Herzen selbst aus, da es auch nach Trennung des Herzens vom Centralnervensystem eintritt. Die Schwankungen des Blutdruckes sind im Wesentlichen vasomotorischen Ursprunges und beruhen auf unmittelbarer Einwirkung auf die Capillaren. Dies folet offenbar aus der Thatsache, dass sie auch nach Zerstörung der vasomotorischen Centra des verlängerten Markes und der Trennung des Herzens vom Central- nervensystem auftreten, und nicht mit entsprechender Aenderung in Zahl und Beschaffenheit der Herzschläge einhergehen. Die Verlangsamung der Athmung bleibt nach Durchschneidung der Vagi unverändert, und ist dem- nach die Folge einer Lähmung des Athemcentrums. Die tödtliche Dosis beträgt für den Hund bei Einspritzung in die Jugularis 1-5—2 8" auf das Kilogramm Körpergewicht. Beim Frosch ist etwa 0-0003 8" auf das Gramm die tödtliche Dosis. Acetamid. Beim Frosch bringt Acetamid in Mengen von 0.0005 8" auf das Gramm LRuhebedürfniss, Erschlaffung und Respirationsschwäche hervor. Erreicht die Gabe 0-001 8” auf das Gramm, so folgen auf diese Erschei- nungen gesteigerte Reflexe und darauf Krämpfe von tetanischem Charakter, welche spinalen Ursprunges sind. Hunden in Mengen von 0-.5—0.7e'" auf das Kilogramm. innerlich beigebracht, bewirkt es leicht Erbrechen, sonst aber keine Beschwerden. Selbst Gaben von 2?" auf das Kilogramm sind ohne bedeutenden Einfluss. Wird es in Mengen von 3—58'm unmittelbar in die Blutbahn ein- gespritzt, so steigt der Blutdruck ein wenig, die Pulszahl nimmt um zehn bis zwanzig Schläge ab, und die Athmung etwas zu. Man kann diese Einspritzungen wiederholen bis das Thier eine Menge aufgenommen hat, die 3sm auf das Kilogramm erreicht, ohne dass der Druck um mehr als 10 "m, die Athmung um mehr als ein Drittel steigt, und die Pulszahl um mehr als ein Fünftel sinkt. Wir haben festgestellt, dass die Pulsverlang- samung auf Reizung der herzhemmenden Centra beruht. Diese grossen Gaben scheinen beim Einspritzen Schmerz zu verursachen, und rufen auch mehr oder minder heftiges Sträuben hervor. Nach einiger Zeit stellt sich die äusserste Schläfrigkeit oder gar fester Schlaf ein. Die Körperwärme scheint unbeeinflusst zu bleiben. Die tödtliche Gabe für den Hund kennen wir nicht, aber sie über- steigt 5m auf das Kilogramm. Die tödtliche Dosis für den Frosch ist etwa 0.0028” auf das Gramm. WIRKUNG CONSTITUTIONELL VERWANDTER VERBINDUNGEN. 218 Propionamid. Bringt man einem Frosch eine Menge von 0-004 8% auf das Gramm bei, so verliert er alsbald die Fähigkeit, sich willkürlich zu bewegen, und darauf folgen tetanische Krämpfe. Nerven und Muskeln reaeiren noch lange nach dem Tode gut auf Reize. Die Krämpfe gehen vom Rücken- mark aus. - Giebt man es einem Hunde, der frei umherläuft, innerlich oder in Form der Einspritzung in die Jugularis, so bringt es keine anderen Er- scheinungen hervor, als eine geringe Zunahme der Athmungszahl und Puls- verlangssamung. Mengen bis zu 0-5®®w auf das Kilogramm bleiben so wirkungslos. Beträgt die Einspritzung 0.058” auf das Kilogramm, so er- folet keine Blutdruckschwankung und weder Zahl noch Stärke des Puls- schlages ändert sich. Selbst wenn die Dosis 0-125 8% auf das Kilogramm erreicht, wirkt sie ebensowenig, wenn sie aber 0.25 8m auf das Kilogramm - beträgt, wird der Pulsstoss bedeutend langsamer und entschieden stärker, und der Blutdruck steist. Wir haben gefunden, dass die Verminderung der Pulszahl auf Reizung der herzhemmenden Centra beruht. Für den Frosch ist die tödtliche Gabe etwa 0.0005" auf das Gramm. Benzamid. In Mengen von 0.003 — 0.005 8% auf das Gramm verursacht Benz- amid beim Frosch Abnahme vor Empfindung und Reflexthätiekeit, Verlust der Fähigkeit zu willkürlicher Bewegung, und Lähmung. Nerven und Muskeln scheinen nicht angegriffen zu werden, aber das Rückenmark ist sicher in seiner Thätigkeit beeinträchtigt. Giebt man es Hunden innerlich in Gaben von 0-88m auf das Kilo- eramm Körpergewicht, so erfolgt Straucheln, Speichelfluss, Erbrechen, Muskelschwäche, Abnahme von Empfindung und Reflexthätigkeit, Vermin- derung der Körperwärme um 1—3° C., Zunahme der Athmungszahl, Ab- nahme der Pulszahl, äusserste Erschlaffung und Bewusstlosiekeit. Ist das Mittel nicht durch das Erbrechen ausgestossen worden, so wird der Puls schwach, die Athmung langsam, und es erfolet Tod durch Athmungs- lähmung. Spritzt man Hunden Mengen von 0.58" auf das Kilogramm in die Jugularis ein, so sinkt der Blutdruck während etwa dreissig Secunden sehr schnell bis auf etwa 50-60" unter der Norm. Dabei ist der Puls be- schleunigt, aber die Kraft des Stosses vermindert, die Athmung beschleunigt und verstärkt. Wenn der Druck seinen tiefsten Stand erreicht hat, be- einnt er ‚sogleich wieder zu steigen. Dabei wird der Puls langsamer und Arhiv f. A. u. Ph. 1892. Physiol. Abthlg. Supp!. 18 374 WoLcoTT GIBBS UND EDwARD T. REICHERT: die Frequenz sinkt in einigen Minuten unter die Norm, während die Herz- arbeit zunimmt, jedoch nicht hinlänglich, um den normalen Druck wieder- herzustellen. Die Athmung ist verlangsamt und verstärkt. Wird dieselbe Gabe wiederholt, so erfolgen auf jede Einspritzung dieselben Erscheinungen, bis der Blutdruck dauernd fast auf Null herabgesetzt ist. Auch dann kann die Dosis noch mehrere Male gegeben werden, ehe das Herz gelähmt ist. Drei Einspritzungen reichen hin, alle Empfindung aufzuheben und die Pupillen zu erweitern. Der Tod tritt in der Regel durch Athmungs- lähmung ein. Die Veränderungen der Pulsfreguenz beobachtet man auch, nachdem das Herz vom Centralnervensystem isolirt ist, sie müssen also einer un- mittelbaren Wirkung des Giftes auf das Herz zugeschrieben werden. Die Verminderung des Blutdruckes beruht, wie wir gefunden haben, auf der Depression des Herzens und des vasomotorischen Centrums der Medulla. Die anfängliche Verstärkung und schliessliche Abnahme der Athmung beruht auf Reizung und nachfolgender Depression der Athmungscentra. Für den Hund beträgt die tödtliche Dosis 0-7 — 0-88 m auf das Kilogramm innerlich, als Einspritzung in die Jugularis 0.5— 0-6” auf das Kilogramm. Für den Frosch ist die tödtliche Dosis etwa 0-001 bis 0.003 en auf das Gramm. Oxamid. Hunden in Mengen von bis zu 5" auf das Kilogramm Körper- gewicht innerlich gegeben, ist dies Mittel anscheinend vollständig wir- kungslos. Sulfocarbamid. Einem 10's schweren Hunde wurden 208m auf mehrere Posten ver- theilt im Laufe von 20 Minuten in die Jugularis eingespritzt, ohne irgend welche Wirkung hervorzubringen, abgesehen von unbedeutender Pulsverlang- samung und geringer Verstärkung der Athmung. Pyromucamid. An einem 7*® schweren Hunde, dem 30 ®"” in mehreren Gaben inner- halb drei Viertelstunden in das Venensystem eingespritzt worden waren, brachte diese Verbindung keinerlei Vereiftungserscheinungen hervor. Wir sind Hrn. Prof. Henry B. Hill für die Darstellung des ange- wandten Praeparates zu Dank verpflichtet. WIRKUNG CONSTITUTIONELL VERWANDTER VERBINDUNGEN. 275 Anilide, Formanilid. Beim Frosch verursacht dies Mittel Verlust der Fähigkeit zu willkür-, licher Bewegung, erhöhte Reflexthätigkeit, Zuckungen und ein eigenthüm- liches Muskelzittern. Dann nehmen Empfindung und Reflexthätigkeit ab und es folet allgemeine Lähmung. Muskeln und Nerven bleiben nach dem Tode erreebar, aber weniger als normal. Das Rückenmark wird erst errest, dann gelähmt. Die Zuckungen gehen vom Rückenmark aus. Giebt man Hunden das Mittel innerlich oder als subeutane Ein- spritzung, so beobachtet man allgemeine Schwäche, Erschlaffung, Athmungs- beschleunigunge, Zunahme der Pulszahl mit nachfolgender Abnahme, und Schlaf, welcher in Betäubung übergeht, aus der man das Thier nur mit Mühe erwecken kann. Die Reflexe sind verstärkt, sodass ein lautes Geräusch oder ein Schlag auf den Tisch Muskelbewegungen, und zwar von uncoor- dinirtem Charakter, hervorrufen. Der Patellarreflex ist gesteigert. Manch- mal tritt Speichelfluss auf. Die Körperwärme ist um 1—2°C. emiedrigt. Häufig bemerkt man leichte Convulsionen. Ist die Dosis tödtlich, so sind Empfindung und Reflexthätigkeit vermindert, die Athemzüge nehmen an Häufigkeit ab, die Herzthätiekeit wird verlangsamt, das Thier geräth in einen Collapszustand, und der Tod erfolgt durch Athmungslähmung. Verbindet man die Carotis mit dem Kymographion und spritzt in die Jugularis eine Gabe von 0-06 &” auf das Kilogramm, so wird der Puls- stoss auf einige Augenblicke verstärkt, um dann wieder abzunehmen, wäh- rend der Druck ein wenige sinkt. Erreicht die Dosis 0-1 "= auf das Kilo- gramm, so wird die Frequenz herabgesetzt und der Druck ein wenig vermindert. Giebt man dieselbe Menge mehrmals hintereinander, so tritt an Stelle der Pulsverlangsamung eine Zunahme der Frequenz, welche über die normale hinausgeht, aber der Druck wird immer geringer. Die Ath- mung ist beschleunigt. Indem der Tod herannaht, werden schliesslich die Herzschläge immer langsamer, obschon die Pulswelle hoch ist und zeigt, dass es sich noch lange nicht um Erschöpfung handelt. Der Druck sinkt allmählich auf Null, die Athembewegungen werden sehr langsam und Tod erfolgt durch Stillstand der Athmung. Die anfängliche Abschwächung des Herzschlages beruht, wie wir ge- funden haben, auf Reizung der Centra und der Ganglien der Herzhem- mung, die Pulsbeschleunigung bei vorgeschrittener Vergiftung auf einer unmittelbaren Herzwirkung. Das Sinken des Blutdruckes beruht fast aus- schliesslich auf Lähmung der vasomotorischen Centra im verlängerten - Mark, aber auch die Veränderungen des Herzschlages dürften betheiligt 18* 276 WOoLcoTT GIBBS UND EDwArD T. REICHERT: sein. Die Veränderungen der Athembewegungen beruhen auf unmittel- barer Wirkung auf das Respirationscentrum, welches dementsprechend zu- erst gereizt, nachher gelähmt wird. Tod erfolgt durch Athmungslähmung. Beim Hund ist die tödtliche Dosis, innerlich, 0-.4—0.5 em auf das Kilogramm Körpergewicht, als Einspritzung in die Jugularvene ungefähr 0-4 sm auf das Kilogramm. Beim Frosch ist die tödtliche Dosis etwa 0.0008 erm auf das Gramm. Acetanilid. Wird diese Verbindung Hunden innerlich gegeben, so tritt so leicht Erbrechen ein, dass man nur nach öfterer Wiederholung der Gabe ihre giftige Wirkung in voller Stärke beobachten kann. Gaben von 0-5 #m auf das Kilogramm Körpergewicht verursachen Speichelfluss, Brechen, Schwäche, Temperaturverminderung um 0-.3—0-8° C., Pulsbeschleunigung und etwas beschleuniste Athmung. Nach wiederholten Gaben wird die Schwäche auf- fallend, das Thier erscheint sehr schläfrig, die Temperatur nimmt stetig ab, der Puls wird schwächer und nimmt an Häufiekeit zu, Zittern und /uckungen treten auf, das Blut wird dunkel, die Athmung oberflächlich und langsam und bleibt schliesslich stehen. Werden Mengen von 0-.3—0-6 #” unmittelbar in die Blutbahn ein- gespritzt, so sinkt der arterielle Druck um ungefähr 10 "m. Puls und Athmung nehmen zu. Wiederholte Gaben setzen den Druck weiter herab, die Pulszahl nimmt eine Zeitlang immer mehr zu, erreicht jedoch nach der dritten Einspritzung ihren Höhepunkt, fängt wieder an zu sinken und nimmt stetig ab, bis der Tod eintritt. Die Athmung hingegen zeigt zu keiner Zeit der Vergiftung Neigung unter die Norm zu sinken, bis unmit- telbar vor dem Tode, sondern ist in der Regel auf das zwei- bis dreifache der normalen vermehrt. Gaben, die 2—4 EM betragen, setzen den Druck und die Pulszahl herab. Nach einer Dosis von 2 #"% sinkt der Druck fast unmittelbar um etwa 20 m und wächst im Laufe der nächsten Viertelstunde allmählich wieder an. Die Pulszahl ist um etwa 20 Procent verringert, die Athmung auf die doppelte Frequenz vermehrt. Wiederholte so grosse Gaben wirken auf den Blutdruck stärker als die ersten, auf Puls und Athmung jedoch weniger deutlich. Selbst bis zu 4 sm können auf einmal eingespritzt wer- den, ohne den Kreislauf wesentlich zu beeinflussen. Da die Veränderungen an Puls und Blutdruck nach Isolirung des Herzens vom ÜCentralnervensystem und Zerstörung der vasomoterischen Centra im verlängerten Marke unverändert auftreten, müssen sie cardialen Ursprungs sein. Die Verstärkung der Athmung ist nach Durchschneidung WIRKUNG CONSTITUTIONELL VERWANDTER VERBINDUNGEN. DI. der Vagi ebenso ausgesprochen wie zuvor, und muss daher einer unmittel- baren Wirkung auf das Athemcentrum zugeschrieben werden. Das Blut wird missfarbige durch Gegenwart von Methaemoglobin. Abgesehen von einer deutlichen, zerstörenden Wirkung auf das Haemoglobin und ent- sprechender Behinderung der Function der rothen Blutkörperchen ist Acet- anilid sicherlich ein schwaches Gift. Der Tod erfolgt durch Lähmung des Athmungscentrums. Es ist uns nicht gelungen, die tödtliche Dosis für die innerliche Dar- reichung festzustellen, bei Einspritzung in die Vene schwankt sie zwischen 0.3 und 1.2 gm auf das Kilogramm Körpergewicht in refracta dosı. Benzanilid. Diese Verbindung kann man Hunden innerlich in Mengen von bis zu 5 em auf das Kilogramm eingeben, ohne merkliche Folgen, bis auf eine geringe Abnahme der Temperatur. Spritzt man Mengen von 0.3 &”= in die Jugularis ein, so wird der Blutdruck, der Puls und Athmung vorübergehend ein wenig erhöht, und die Temperatur vermindert. Man kann eine Zeit lang eine Reihe solcher Einspritzungen machen, welche jedesmal von neuem dieselben Erscheinungen verursachen, schliesslich aber neigen Druck und Pulszahl zum Sinken, wäh- rend die Athmungszahl wächst. Obgleich die Einwirkungen auf den Kreis- lauf durchaus nicht sehr ausgesprochen sind, so kommt doch früher oder später ein Zeitpunkt, in dem eine solche Einspritzung in wenigen Secunden das Herz lähmt. Die Wirkung auf den Kreislauf tritt nach Trennung des Herzens vom Centralnervensystem unverändert ein, und ist mithin car- dialen Ursprungs. Die Veränderungen in der Athmung beruhen auf un- mittelbarer Wirkung auf das Athmungscentrum. Benzanilid hat die Gestalt sehr kleiner glimmerartiger Krystalle, welche sehr schwer löslich sind, sodass es zweifelhaft bleibt, in wie weit diese Wirkungen besonderen physiologischen Eigenschaften des Mittels an sich zuzuschreiben sind. Jedenfalls aber berechtigt das Ausbleiben solcher Er- scheinungen bei Thieren, denen so gewaltige Mengen innerlich beigebracht worden waren, zu der Annahme, dass die Folgen der Einspritzung in die Blutbahn auf der mechanischen Wirkung der ungelösten Theilchen be- ruhen, die die Capillaren der betreffenden Centra verstopfen. (Wird fortgesetzt.) Ueber die Folgen der Vagusdurchschneidung. Von Dr. Ludolf Krehl. (Aus dem physiologischen Institut zu Leipzig.) In zahlreichen Versuchen hat man den Einfluss des Nervus vagus auf die grossen Organe der Brust- und Bauchhöhle dadurch zu erfahren ge- sucht, dass man ihn an den verschiedensten Stellen durchschnitt, und beobachtete, welche Functionsstörungen an den vom Nerven getrennten Organen eintreten. Trotz der ausserordentlich vielen Untersuchungen, welche man anstellte,! ist wenig Einigkeit erzielt worden. Sicher ist, dass die Durchschneidung beider Nerven am Halse so gut wie immer den Tod der operirten Thiere nach sich zieht. Es wird nur von ganz vereinzelten Ausnahmen berichtet (Arnemann, Reid, Sedillot?): Die betreffenden Versuche, bei denen Thiere nach Durchschneidung beider Vagi am Halse mehrere Monate weiterlebten, sind jedoch so wenig genau mitgetheilt, dass man über ihren Werth sich jetzt keine Vorstellung mehr machen kann. Durch Longet wissen wir, dass sich zuweilen eine starke Anastomose zwischen N. laryngeus superior und recurrens findet, welche bei der gewöhnlichen Operation am Hals nicht verletzt wird. Ob nun an ! Zusammenfassungen derselben siehe bei Frerichs Artikel Verdauung in R. Wagner’s Handwörterbuch. — Volkmann Artikel Nervenphysiologie. Zbenda. — 8. Mayer, Hermann’s Handbuch der Physiologie. 2,1. — Longet, Physiologie des Nervensystems. Deutsch. Leipzig 1849. — Derselbe, Traite de physiologie. — Frey, Die pathologischen Lungenveränderungen nach Durchschneidung der Nervi vagi. Leipzig 1877. — Arthaud et Butte, Du nerf pneumogastrique. Paris 1892. ° Citirt nach Volkmann und Longet. LupvoLr KREHL: ÜBER DIE FOLGEN DER VAGUSDURCHSCHNEIDUNG, 279 den betreffenden Thieren, welche nach der Operation am Leben blieben, diese Anastomose gerade vorhanden war, wissen wir nicht. Jedenfalls stirbt nach dem übereinstimmenden Urtheile sämmtlicher Forscher die übergrosse Mehrzahl der Thiere, deren Vagi am Hals durch- schnitten sind, in den ersten Tagen nach der Operation. Die Section er- gibt in der Regel ausgedehnte Infiltrationen der Lunge und wir verdanken Traube! den Nachweis, dass diese Pneumonien durch das Eindringen von Speisebestandtheilen in die Luftwege hervorgerufen werden. Der gelähmte Oesophagus ist überfüllt, er läuft über, die in Folge von Laesion der Recurrensfasern paretische Glottis schützt die Lunge beim Schlingen und sonst nicht mehr vor Fremdkörpern. Die Pneumonien ent- stehen allein durch das Eindringen von Speisebestandtheilen und Mund- inhalt in die Luftwege, das hat Frey”? dadurch erwiesen, dass er die gleichen Entzündungen durch Einspritzen von Mundinhalt in die Lungen erzeugen konnte. Das spontane Eindringen von Fremdkörpern ist gebunden an das Zusammentreffen von Oesophagus- und Recurrenslähmung; Durchschneidung der Nervi recurrentes allein ruft beim erwachsenen Hunde die Pneumonien nicht hervor. Die Athmung ist nach Durchschneidung der Vagi in der bekannten Weise verändert; sie wird selten (10—12 Inspirationen in der Minute) und ausserordentlich tief und angestrengt; bei der Einathmung hört man einen lauten Stridor. Dabei ist der Gaswechsel gegen die Norm nicht verändert, es wird ebenso viel Luft in der Zeiteinheit ausgetauscht wie vorher;?® die aufgenommene Ö-, die abgegebene CO,-Menge ist genau so wie vor der Durchschneidung der Nerven.“ Erst wenn Lungenentzündungen sich ein- stellen, erleidet der Gaswechsel Störungen. Es ist klar, dass diese Versuche nur in beschränkter Weise Auskunft über die Functionen des Vagus an den Lungen geben können; Traube betont ausdrücklich, dass die Lungenveränderung nicht durch den Wegfall bestimmter nervöser Einflüsse auf das Organ entsteht, sondern lediglich von der Stimmband- und Oesophaguslähmung abhängt. Wollte man sehen, ob specifische Einflüsse des Vagus bestehen, so musste man den Eintritt der Pneumonie, also das Eindringen von Speise- bestandtheilen in die Lungen verhindern. Das gelingt bei Hunden, wenn man sie eine Trachealcanüle tragen lässt. Frey hat diesen Weg einge- ! Traube, Beiträge zur Physiologie und Pathologie. 1. ZHrey, 2.2.0. ® Rosenthal. Die Athembewegungen. * Rauber und Voit, Sifzungsberichte der bayerischen Akademie, 1868. II. 280 LuUDoLF KREHL: schlagen und dabei gesehen, dass die Thiere ebenfalls einige Tage nach der Operation sterben, obwohl Lungenveränderungen in einzelnen Fällen fehlten. Oder man konnte versuchen, die Lungen durch Erhaltung der Nervi recurrentes zu schützen, die Vagi also unterhalb des Recurrensabgangs zu durchschneiden. Diesen Versuch hat Genzmer‘ angestellt und Frey wiederholt. Die Durchtrennung des Vagusstammes unter Erhaltung des Recurrens ist nur rechts möglich; denn links schlingt sich der Laryngeus inferior um die Aorta herum, der Abgang dieses Nerven erfolgt also so tief in der Brusthöhle, dass er für operative Eingriffe nicht zu erreichen ist. Da man weiss, dass ein Recurrens für den Schutz der Lunge ausreicht, so genügt es, den rechten Vagus unterhalb des Abgangs dieses Nerven und den linken an der gewöhnlichen Stelle, oben am Halse, zu durch- trennen. Diese Operation konnten wir sicher und ohne grosse Schwierigkeiten ausführen, besonders da wir uns bei ihr wie bei allen folgenden der Hülfe des Hrn. Prof. C. Ludwig erfreuen durften. Man geht unter streng antiseptischen Maassregeln rechts oberhalb der ersten Rippe in die Tiefe, hält sich an der Carotis und verfolgt diese bis zur Vereinigung mit der Arteria subelavia; an dieser Stelle sieht man die bekannte Verdickung des Vagus, und unterhalb derselben den Nervus recurrens um die Subclavia herum-, die Herzäste nach innen und den Vagushauptstamm nach unten gehen. Letzterer wird unter Erhaltung der übrigen Aeste durchtrennt, der linke Vagus oben am Hals durchschuitten. Zur Sicherheit haben wir aus den Nerven stets Stücke von ca. 1 °® Länge execidirt. Sofort tritt die charakteristische Athmung ein, die Thiere inspiriren selten und ausserordentlich tief. Das Herz verhält sich verschieden; seine Thätigkeit ist stets dann stark beschleunigt, wenn die Herzäste der rechten Seite verletzt waren. Sind sie erhalten, so wird die Schlagfolge in manchen Fällen erhöht sein, in anderen nicht — das stimmt mit bekannten Erfah- rungen über Vertheilung der hemmenden Fasern in beiden Nerven überein. Die Thiere haben Anfangs Hunger und Durst, sie schlingen jede Art von Nahrungsmittel, aber nur mit der grössten Mühe und geben häufig einen Theil des genossenen sofort wieder durch eine Art von Würgen, nicht durch eigentliches Erbrechen heraus. Die Defaecation ist ungestört, der Harn enthält weder Eiweiss noch Zucker. Vier bis sechs Tage nach der Durchschneidung fangen die Thiere an abzumagern, sie werden mürrisch und struppig, verweigern schliesslich ! Genzmer, Pflüger’s Archiv. 8, ? Frey, a. O, ÜBER DIE FOLGEN DER VAGUSDURCHSCHNEIDUNG. 281 Nahrung zu sich zu nehmen, und gehen nach längstens zehn bis fünfzehn Tagen zu Grunde Genzmer und Frey, welche an Kaninchen arbeiteten, sahen ihre Thiere noch weit früher sterben. Bei den Sectionen wurde zunächst immer sorgfältig darauf geachtet, ob die Durchschneidungen in der beabsichtigten Weise ausgefallen waren. Man fand dann die Lungen anatomisch stets ganz normal, von schönster Rosafarbe und in allen Theilen vollkommen lufthaltig. Woran und wesshalb sind die Thiere trotzdem stets gestorben? Frey schliesst „dass ein der Section beider Vagi innewohnendes und dunkles Moment tödtlich wirkt, auch ohne den Hinzutritt einer Lungenaffection.“ Timofejeff,! welcher während unserer Untersuchungen die gleichen Operationen ausgeführt hat, nimmt dann, wenn die Herzäste beiderseits sämmtlich durchschnitten waren, Herzlähmung, in den anderen Fällen Störung der Magen-, Pankreas-, vielleicht auch der Darmabsonderung als Todesursache an. Wir haben auch dann, wenn rechts die Herznerven durchtrennt waren, den Blutdruck kurz vor dem Tode immer annähernd normal, die Schlasfolge regel- und gleichmässig gefunden, können also nicht glauben, dass Störungen des Herzens den Tod herbeiführen. Dass die Vagi einen lebhaften Einfluss auf die Thätigkeit des Verdau- ungsapparates haben, ist aus zahlreichen Untersuchungen bekannt (vergl. die oben genannten Zusammenstellungen). Aus denselben, deren einzelne Resultate sich vielfach wiedersprechen, geht übereinstimmend hervor, dass nach Durchschneidung der Vagi am Hals die Bewegungen des Magens stark abgeschwächt werden und dass die Absonderung des saueren Magen- saftes zwar nicht aufhört aber wesentlich abnimmt. Pawlow? zeigte, dass beim Schlingact reflectorisch von der Mund- höhle aus eine lebhafte Absonderung verdauungskräftigen Magensafts ein- geleitet wird, auch ohne dass die verschluckten Speisen überhaupt in den Magen gelangen. Diese Secretion wird durch die Nervi vagi vermittelt; sind diese am Halse durchschnitten, so bleibt der Reflex vollkommen aus, so ist auch durch directe Einführung von Speisen in den Magen keine Ab- sonderung von Magensaft hervorzurufen, wenigstens nicht während der ersten halben Stunde der Beobachtung. Jurgens?® hat sich unter Paw- low’s Leitung weiter mit der Sache beschäftigt und gefunden, dass der vom Mund aus auf die Magenschleimhaut ausgeübte Reflex auch ausbleibt, wenn die Aeste der Nervi vagi unterhalb des Zwerchfelles durchschnitten ‘ Timofejeff’s russische Arbeit, refer. Centralblatt für Physiologie. III. 8.661. ”Pawlow, Centralblatt für Physiologie. III. S. 113. ® Jurgens, Archives des sciences biologigues publices par U Institut imperial ü St. Petersbourg. T. 1. N. 3. 282 LuDoLF KRrEHL: sind; beim Schlingen entleerte die Magenschleimhaut an Stelle des sonst in reichlicher Menge hervorstürzenden Naftes einige Cubikcentimeter saurer Flüssigkeit, welche weder freie Salzsäure enthielt noch verdaute. Die Thiere, deren Vagi unterhalb des Zwerchfelles durchtrennt waren, zeigten keine vermehrte Darmfäulniss, im Harn fand sich nicht mehr Indol als gewöhn- lich, in den Faeces liessen sich unverdaute Speisebestandtheile nicht anders als in der Norm nachweisen; der N-Umsatz zeigte bei den Hunden, deren Vaei unterhalb des Zwerchfelles durchschnitten waren, keine Ab- weichung von der Norm. Undin der That sonderte die Magenwand dieser Thiere bei directer Reizung Saft ab, welcher ebenso stark sauer war wie der normale, er unterschied sich von diesem nur dadurch, dass er beträcht- lich weniger Pepsin enthielt. Auch auf den Darm erstreckt sich der Einfluss unseres Nerven; man kann durch Reizung des Vagus Bewegungen des Intestinums hervorrufen. Ob seine Absonderungsfähigkeit und die der Bauchspeicheldrüse durch Fehlen der Vagi gestört ist, lässt sich nicht sicher sagen, wäre aber nach den Untersuchungen von Pawlow wohl möglich. Auf Grund dieser Kenntnisse könnte man annehmen, dass Thiere, deren Lungen nach Resection der Pneumogastrici normal bleiben, an Ver- dauungsstörungen sterben. Hiergegen sprechen indessen gewichtige Erfahrungen. Schiff! hat vielfach sämmtliche Vagusäste in der Unterleibshöhle am Oesophagus, dort wo er unter dem Zwerchfell hervortritt, abgeschnitten und sah die Hunde lange Zeit nachher vollkommen gesund bleiben. Münzel? zerstörte in der physiologischen Anstalt zu Leipzig ebenfalls häufig sämmtliche Zweige des Nerven direct unter dem Zwerchfell und hat bei seinen Hunden, welche viele Wochen am Leben blieben, nie irgend welche schädliche Folgeerscheinungen bemerkt. Auch Jurgens erhielt seine Thiere, deren Pneumogastriei in der Unterleibshöhle durchtrennt waren, neun Monate lang am Leben und beobachtete, wie erwähnt, keine Störung ihres Allgemeinbefindens. Dem gegenüber behaupten Arthaud und Butte,® dass ihnen nie ein Thier länger als drei Monate am Leben ge- blieben sei; sämmtliche Thiere seien unter Verdauungsstörungen gestorben, bei der Autopsie habe man die Leber stets glykogenfrei gefunden. Die widersprechenden Resultate der übrigen Autoren führen die französischen Forscher darauf zurück, dass häufig feine Zweige unseres Nerven erhalten geblieben seien. I Schiff, Physiologie de la digestion. 2 Münzel, Dies Archiv. 1887, SSButber 1 oc. ÜBER DIE FOLGEN DER VAGUSDURCHSCHNEIDUNG. 283 Dieser Versuch zur Aufklärung der Widersprüche scheint mir Ange- sichts der Bedeutung der betheilisten Experimentatoren, sowie der ausser- ordentlich grossen Zahl von Versuchen keim glücklicher. Und selbst, wenn ein oder der andere feinste Zweig unterhalb des Zwerchfelles stehen ge- blieben sein sollte, so würde es höchst wunderbar sein, dass ein dünner Ast die Function der beiden ganzen Stämme übernehmen kann. Hier be- steht vielmehr eine wirkliche Unklarheit: entweder sterben die Thiere, deren Vagi am Hals durchschnitten sind, nieht an Verdau- ungsstörungen, oder die Nerven, welche den Magen inner- viren, und deren ausfallende Function tödtlich ist, verlassen den Stamm oberhalb des Zwerchfelles. Wie die Sache liegt, konnten nur weitere Versuche entscheiden. Es war zunächst nothwendig, die Vagi nochmals im Abdomen zu durchschneiden. Narkotisirten Hunden wurde die Bauchhöhle unter streng antiseptischen Maassregeln eröffnet, die Cardia vorgezogen und am unteren Einde der Speiseröhre alle sichtbaren Nervenstämmchen zerschnitten oder zerrissen, dann, um möglichste Sicherheit zu haben, die Serosa um das un- tere Ende des Oesophagus herum umschnitten. Die Thiere fühlen sich nach der Operation vollkommen wohl, die Wunden heilen. Die Hunde fressen, erbrechen nicht, defaeciren normal, nehmen an Gewicht zu. Wenn man den Magen in voller Verdauung untersucht, so findet man das Verhalten der Schleimhaut im Cardia und Pylorustheil ganz normal, und ebenso ist der Mageninhalt genau wie beim gesunden Thiere. Das ist also sicher, dass die Unterleibsorgane die Fasern des Vagus, welche längs der Speiseröhre in die Unterleibshöhle eintreten, für die Fort- dauer des Lebens entbehren können. Die Todesursache für die Hunde mit durchschnittenen Halsvagi muss in dem Ausfall von Nervenfasern liegen, welche oberhalb des Zwerchfelles den Stamm unseres Nerven verlassen. Die nächste Aufgabe war deshalb, zu ermitteln, wie hoch man in der Durchtrennung der Vagi vom Zwerchfell nach oben gehen kann, ohne das Leben der Thiere zu schädigen. Wir versuchten zunächst unsere Nerven innerhalb des Thorax unter der Lunge zu durchtrennen. Beide Vaei bilden hier gewöhnlich zwei Hauptstämme, sowie einen schwächeren Ast, der aus beiden kommt und neben ihnen nach abwärts zieht. Der linke Vagus liegt unmittelbar an der Speiseröhre, der rechte häufig im Mediastinum vom Oesophagus ab- getrennt. Wie wir fanden, soll die Operation schon ausgeführt worden sein, und zwar durch Claude Bernard. Dieser berichtet in den Lecons sur le systeme nerveux, dass ein Hund, dessen Vagi unterhalb der Lunge durchschnitten waren, noch 15 Tage ohne Beschwerden gelebt hat. 284 LUDoLF KrEHL;: Indess war Bernard’s Methode äusserst unvollkommen; am Thorax wurde ein Hautschnitt gemacht und die Haut sofort verschoben, dann Fascie und Intercostalmuskeln durchtrennt, die Brusthöhle eröffnet, und der Finger so in dieselbe eingeschoben, dass neben ihm keine Luft eindrang. Nun führte man dem Finger entlang in den Pleuraraum ein Häkchen, dessen concave Seite scharf war, und unter Leitung des Fingers durch- schnitt man die Zweige der Vag. Um das Eindringen von Luft in die Brusthöhle zu vermeiden, musste dann der Finger schnell zurückgezogen und die Haut sofort verschoben werden. Man wird sich nicht verhehlen, dass diese Methode recht mangel- haft ist; einmal dürfte es schwer, wenn nicht unmöglich sein, die Ner- ven im Dunkeln auch nur mit einiger Sicherheit zu finden, und weiter wird das Eindringen von Luft in die Pleurahöhle doch kaum zu vermeiden sein. Arthaud und Butte haben die Operation ebenfalls versucht — eine ge- nauere Angabe ihrer Methode habe ich nicht auffinden können — sie verloren jedoch stets ihre Thiere an doppeltseitiger Pleuritis. Wir sind davon ausgegangen, dass man bei der Operation, wenn sie auch nur einigermaassen sicher sein soll, das, was zu durchschneiden ist, sehen muss. Es galt also die Pleurahöhle breit zu eröffnen. Da aber im weiteren Verlauf der Operation die Verletzung der Pleura mediastina- lis und Eröffnung der anderen Brusthöhle kaum zu vermeiden ist, so musste das Thier durch künstliche Athmung vor der Erstickung bewahrt werden. Hierfür liessen wir eine besondere Vorrichtung zur künslichen Athmung ohne Trachealfistel anfertigen. Doppelwandige Gummikappen von cylindrischer Form, welche am einen Ende ganz offen, am anderen nur durch einen Schlauch geöffnet waren, wurden in verschiedener Grösse für die wechselnden Kopfformen der zu operirenden Thiere hergestellt. Eine solche Kappe zogen wir mit ihrem offenen Ende dem Hunde über die Schnauze, sodass das Thier durch den auf der anderen Seite des Oylin- ders angebrachten Schlauch athmen konnte; derselbe wird nöthigenfalls mit der Pumpe für künstliche Respiration in Verbindung gesetzt. Schliesst die Kappe nicht dicht um den Kopf des Hundes, so kann man sie, da sie doppeltwandig ist, so weit aufblasen, dass keine Luft mehr zwischen Kopf und Gummi entweicht. Wenn auf die beschriebene Weise den Thieren Luft eingeblasen wird, so wird diese nicht nur in die Lunge, sondern auch in Oesophagus und Magen getrieben; es kann vorkommen, dass sich der letztere stark aufge- bläht hat und das Zwerchfell in lästiger Weise in die Höhe drängt. Die Anfüllung des Magens lässt sich vermeiden, wenn man vor Beginn der künstlichen Athmung den Oesophagus durch einen aufblasbaren Tampon verschliesst; indess haben wir bei der Mehrzahl der Operationen von der ÜBER DIE FOLGEN DER VAGUSDURCHSCHNEIDUNG. 285 Verstopfung der Speiseröhre abgesehen und uns damit begnügt, den Magen von Zeit zu Zeit auszudrücken. Bei den ersten Versuchen machten wir die Thiere durch kleine Dosen von Curare unbeweglich und haben nach der Operation so lange künstlich geathmet, bis die Vergiftung vollständig verschwunden war. Das hat je- doch beträchtliche Schwierigkeiten: einmal lässt sich die nothwendige und doch nicht zu grosse Curaremenge vorher sehr schwer beurtheilen, und dann fliesst den Thieren durch die gelähmte Glottis Mundinhalt in die Lunge. Deswegen narkotisirten wir in den weiteren Versuchen entweder mit Aether oder durch Einspritzung von Tinctura opii simplex in die Vene; dann konnten die Thiere bis zur Eröffnung der Pleurahöhle spontan athmen. Der sorgfältig gewaschene, desinficirte und in Sublimatgaze gepackte Hund wurde für die Operation auf die rechte Seite gelagert; man führt auf der linken Brustseite in der Richtung des sechsten oder siebenten Inter- costalraums einen Hautschnitt bis nahe an die Wirbelsäule heran, durch- trennt Bindegewebe und Museulatur, und geht, theils scharf, theils stumpf arbeitend, unter sehr sorgfältiger Blutstillune bis an die Pleura heran. Dann wird künstliche Respiration eingeleitet, welcher das betäubte Thier nur geringen Widerstand entgegensetzt. Nun öffnet man mit langem Schnitt die Pleura, die sechste und siebente Rippe werden mittelst Haken durch einen Gehülfen auf die Seite gezogen, man geht mit einem Zeigefinger in die Tiefe und holt den Oesophagus hervor. Damit dies gut ausgeführt werden kann, ist es nothwendig, kleine Hunde mit schmalem Thorax zu wählen, der Brustkorb darf nicht so grossen Transversaldurchmesser haben, dass der Zeigefinger des Operateurs nicht bequem die Speiseröhre erreichen kann. Am Oesophagus werden dann die drei (oder vier) Vagusäste durch- schnitten; es ist nicht nothwendig Stücken herauszuschneiden, da die durch- trennten Enden sich so weit zurückziehen, dass an ein Zusammenwachsen nicht zu denken ist. Nun wird starke künstliche Athmung eingeleitet, und durch Zusammenpressen des Thorax die Luft aus der Pleurahöhle möglichst vollkommen und namentlich soweit ausgetrieben, dass sich die Lunge an die Rippenflächen anlegt. Darauf wird die Wunde, um den £in- tritt von Luft zu verhüten, durch eine sorgfältig angelegte Muskel- und Hautnaht geschlossen, Das Thier athmet dann sofort wieder von selbst und erholt sich in der nächsten Zeit rasch. Es frisst gut, erbricht nicht, defaecirt normal, lebt Wochen lang wie ein gesundes Thier. Bei der Section findet man einige Adhäsionen in den Pleurahöhlen, Magenwand und -Inhalt sowie die Ver- hältnisse des Darms vollkommen normal. Von den Magenstörungen, wie sie sich nach Durchschneidung der Vagi am Halse einstellen, ist keine Rede. Damit ist wenigstens ein zweiter Schritt vorwärts gethan; man weiss 286 LuDonKE KREHRL: mit Sicherheit, dass die Fasern des Vagus, welche für die Erhal- tung des Lebens nothwendig sind, oberhalb der Lunge den Hauptstamm verlassen. Welche Organe versorgen sie? Man wird an Lunge, Speiseröhre oder Magen denken müssen. Wenn hier eine Entscheidung getroffen werden soll, so ist zunächst zu fragen: wodurch unterscheiden sich die Thiere, denen der Vagus am Hals von denen, welchen er in der Brusthöhle durch- schnitten worden ist? Der Oesophagus und der Magen verhalten sich in beiden Fällen ganz verschieden. Nach der ersten Operation ist die Speiseröhre vollkommen oelähmt. Man findet sie an der Leiche sehr stark erweitert, etwa vom mittleren Umfange eines menschlichen Dünndarms, sie ist schlaff, die Cardia steht vollkommen offen; wir konnten am Magenfistelhund mit einer Sonde während der Verdauung vom Magen aus hoch in den Oesophagus hinaufgehen, ohne irgend welchen Widerstand zu finden. Die Vaguszweige, welche den Öesophagus innerviren, gehen beim Hund zwischen Recurrensabgang und Lunge, in Gestalt zahlreicher feinster Fäden vom Hauptstamm des Nerven nach der Speiseröhre hinüber. Reizt man den Halsvagus mit dem faradischen Strom, so zieht sich sofort die ganze Speiseröhre zusammen; durchschneidet man beide Vagi unmittelbar unter der Lunge und reizt dann wieder am Hals, so macht das für den Oesophagus keinen Unterschied. Man versteht also sehr gut, dass bei den Thieren, deren Halsvagus durchtrennt war, Speiseröhre und Cardia vollkommen gelähmt sind, sowie dass diese Lähmung ausbleibt, wenn die Unterbrechung der Nerven unterhalb der Lunge stattgefun- den hat. Die Lähmung des Oesophagus ist aber für die Hunde nicht gleichgültig, sie können mit derselben nur äusserst mühsam schlingen, denn die Speise- röhre kann weder für den Durchtritt des Bissens gestellt werden, noch wird eine peristaltische Welle die letzten Bissen aus dem Oesophagus ent- fernen. Die Hunde mit durchschnittenen Halsvagi fressen desshalb be- deutend weniger als gesunde; merkwürdigerweise entleeren sie jedoch einen orossen Theil dessen, was sie gefressen haben wieder durch den Mund mittelst Bewegungen, welche den beim Brechen auftretenden zunächst sehr ähnlich erscheinen. | Um Erbrechen, welches vom Magen ausgelöst ist, handelt es sich bei unseren Thieren sicher nicht, bei ihnen sind vom Magen aus Brechbewe- sungen überhaupt nicht mehr zu erzielen. Wir haben alle Stellen der Masenwand mit starken faradischen Strömen gereizt, ohne auch nur die geringste Andeutung einer Brechbewegung zu sehen. Nur das cerebrale ÜBER vıE FOLGEN DER VAGUSDURCHSCHNEIDUNG. 287 Erbrechen, wie es z. B. durch Apomorphin hervorgerufen wird, bleibt be- stehen. Es ist demnach nicht wahrscheinlich, dass unsere Hunde, deren Vagi oberhalb der Lunge durchschnitten sind, die Nahrung, welche sie in den Magen hinabgeschlungen haben, erbrechen. Die Sectionen dieser hiere zeieen, dass trotz offenstehender Cardia, die Speiseröhre ausserordentlich stark überfüllt ist. Dass nun der Öesophagus sich durch Bewegungen seiner eigenen Musculatur nach oben entleert, ist nicht anzunehmen, denn diese ist ja eben gelähmt. Ebenso wenig wahrscheinlich ist, dass die er- resten Enden der durchschnittenen Vagi Brechbewegungen erzeugen; das ist deswegen nicht anzunehmen, weil das Erbrechen bei Durchschneidung unterhalb der Lunge ausbleibt. Vielmehr dürften vom Mund oder Rachen aus foreirte Athembewegungen hervorgerufen werden und der active Exspi- rationsdruck presst dann den Oesophagus aus. Es liegt auf der Hand, dass durch die Muskellähmung die Compression der Speiseröhre noch be- sonders erleichtert wird. - Aber nicht nur der Oesophagus verhält sich verschieden, je nachdem die Vagi über oder unter der Lunge durchschnitten sind, auch der Zu- stand des Magens ist in beiden Fällen ganz unähnlich. Fast alle Autoren geben an, dass nach Durchschneidung der Vagi am Halse der Magen ge- lähmt sei. Ob das richtig ist, lässt sich am Thier, dessen Bauchdecken nicht eröffnet sind, kaum mit Sicherheit beurtheilen. Das haben wir am Magenfistelhund oft beobachtet, dass eine mittlere Fleischmahlzeit nach zehn bis zwölf Stunden häufig den Magen noch nicht völlig verlassen hatte. Schliesslich ist er aber doch immer leer geworden, ob durch Contractionen der glatten Musculatur oder der Bauchdecken und des Zwerchfelles, können wir freilich nicht entscheiden. Ueber die Absonderung des Magensaftes nach Durchschneidung der Vagi waren, wie erwähnt, die Ansichten der Forscher getheilt. Die Mehr- zahl der Autoren giebt an, dass nach Durchtrennung unseres Nerven am Halse die Saftsecretion im Magen stark vermindert oder aufgehoben ist. Wie Jurgens gezeigt hatte, lässt nach Durchschneidung der Pneumo- sastrici in der Bauchhöhle nur die von Seiten der Mundhöhle erzeugte Secretion nach, während die durch directe Erresung der Magenschleimhaut hervorgerufene bestehen bleibt. Diesen Befund können wir, wie erwähnt, vollkommen bestätigen. Um mit Sicherheit zu erfahren, wie die Verhältnisse des Magens nach Durchschneidung der Vagi am Hals liegen, haben wir uns zunächst den Magen für die directe Untersuchung zugänglich gemacht. Mittelgrossen Hunden wurde eine Magenfistel angelegt, welche eine Canüle von 4 = lichter Weite trug. Durch diese konnte man die Magenschleimhaut direct be- 288 LupoLFr KReEnt: trachten, den Magen anfüllen, entleeren, eventuell reinigen. Sobald die Hunde sich von der Operation erholt hatten, und die Canüle so fest sass, dass kein Saft an ihr vorbei nach aussen fliessen konnte, wurde die Durch- schneidung der Vagi am Halse vorgenommen, rechts unterhalb des Recur- rens, links über demselben. Sofort tritt die geschilderte Veränderung der Athmung ein, die Thiere schlingen schwer und verlieren den Appetit. Das, was sie fressen, wird mit Schleim gemengt zum Theil wieder herausge- würgt. Bald fangen die Thiere an einen äusserst üblen Geruch zu ver- breiten. Der Mageninhalt, welcher zwei Stunden nach Einführung von Fleisch gewonnen wird, riecht faulig und wimmelt von Bakterien. Die Fleischstücken sind am Rande angedaut aber nur in sehr geringem Maasse; der flüssige Mageninhalt ist sauer, enthält keine Salz- oder Milchsäure, wohl aber Spuren von Peptonen und ist sehr wenig verdauungskräftie. Mikroskopisch sieht man einzelne Muskelfasern, die sich in echter Magen- verdauung befinden, und zahllose Bakterien. Es laufen also im Magen unserer Hunde noch wirkliche Verdauungsvorgänge ab, aber sicher ist diese Verdauung äusserst schwach, jedenfalls mit der im gesunden Magen stattfindenden nicht zu vergleichen. Freie HCl! konnten wir überhaupt nicht nachweisen; sicher ist aber auch wenig oder keine gebundene vor- handen, denn die fauligen Zersetzungen, welche sonst im Magen fehlen, sind hier äusserst stark. Nach unseren Befunden ist es keineswegs erwiesen, dass die Magen- wand nach Durchschneidung der Vagi am Halse verdauungskräftigen Saft absondert, denn die schwachen Verdauungsvorgänge, welche wir fanden, können auch auf Bacterienwirkung zurückzuführen sein. Und falls die Magendrüsen wirksamen Saft abscheiden, so thun sie das sicher nur in äusserst geringem Maasse, Wenn die faulige Zersetzung der Speisen innerhalb des Magens einige Tage bestanden hat, so beginnt der übelriechende Magensaft neben der Canüle nach aussen abzufliessen, er läuft an Leib und Beinen des Thieres hinab, die Haut wird gereizt und wund. Das magere, matte, struppige Thier macht jetzt einen schwer kranken Eindruck und stirbt 10—15 Tage nach der Operation. Wir haben oft versucht den Magen durch mehrmaliges Auswaschen am Tag mit Kochsalz- oder Salicyllösung zu reinigen, konnten jedoch nie irgend welche dauernde Einwirkung auf den Ablauf der Fäulnissvorgänge erzielen. ! Mit dem Mangel an sogenannter freier HCl ist nichts anzufangen, solche fehlt auch beim gesunden Hund, welcher sich in Fleischverdauung befindet, ausserordentlich häufig (Hoffmann’sche Methode, T'ropaeolin, Phloroglucinvanillin, Methylviolet). ÜBER DIE FOLGEN DER VAGUSDURCHSCHNEIDUNG. 289 Bei der Autopsie wird zunächst sorgfältig untersucht, ob die Durch- trennungen der Nerven in der gewünschten Weise gelungen sind. Der Zustand von Oesophagus und Lungen ist schon erwähnt. Die Magen- schleimhaut war im Ganzen mit einer zähen, schmierigen, übelriechenden Masse belegt, nach Abschabung derselben war von der normalen Röthung nichts zu sehen, die Schleimhaut sieht trüb und grau aus. Der Darminhalt ist von oben an neutral oder alkalisch und äusserst übelriechend, zeigt massenhafte Gasblasen. Die Frage ist nun, wesshalb sterben die Hunde, deren Vagi am Hals durchschnitten sind, in so kurzer Zeit (5—15 Tagen)? Wie wir gesehen haben, sicher nicht an anatomischen Lungenveränderungen und nicht an Störungen des Gaswechsels. Keinesfalls einfach an Hunger, denn dafür tritt der Tod zu rasch ein. Mit grösster Wahrscheinlichkeit nicht an Stö- rungen des Darms; denn es werden Durchschneidungen unserer Nerven unterhalb der Lunge gut vertragen und man kann nicht annehmen, dass die Nerven für den Darm schon oberhalb der Lunge den Hauptstamm verlassen. Die Entnervung der Lunge oder die Lähmung des Oesophagus könnte mit Ausfall einer dunkeln Function einhergehen und die Thiere denselben nicht vertragen. Nähere Vorstellungen sind hier unmöglich. Oder die Schädigung des Magens ist das wirksame Moment. Dann würde es nicht auf die Störung der Verdauung, das ist Veränderung der Nahrungsresorption, ankommen, denn wir sehen ja, dass von einem ein- fachen Verhungern unserer Thiere nicht die Rede sein kann. Vielmehr würden die Fäulnissvorgänge, welche sich im Magendarmcanal unserer Hunde abspielen, die Todesursache sein. Diese sind sicher eine Folge der gleichzeitig vorhandenen Bewegungs- und Secretionsstörung des Magens: die Abtödtung der verschluckten Bakterien bleibt aus wegen des Salzsäure- mangels, ihre Entwickelung wird lebhaft begünstist durch den langen Aufenthalt der Speisen im säurearmen oder säurefreien Magen. Die Fäulnissvorgänge selbst aber sind im Stande den frühen Tod der Thiere zu erklären; sie stören den Appetit, schwächen dadurch den Orga- isnmus und führen zur Resorption giftiger Stoffe. Sonach steht es nun fest, dass die Durchschneidung der Fasern, welche oberhalb der Lungenäste aus dem Vagusstamm entspringen, in den Oesophagus eintreten und bis zum Magen hinablaufen, den Tod nach sich zieht. Mehrdeutig hleibt das Warum. Anknüpfend an die verminderte oder wohl gänzlich aufgehobene Ab- sonderung der freien Säure und den daraus foleenden Eintritt der Fäul- Archiv f. A.u. Ph. 1892. Physiol. Abthlg. Suppl. 19 290 LUDOLF KREHL: ÜBER DIk FOLGEN DER VAGUSDURCHSCHNEIDUNG. niss in der Höhle des Magens und des Zwölffingerdarms, könnte man die Ursache des Todes in dem Uebergang von Fäulnissgiften in das Blut suchen. Durch Zuführung von künstlichem Magensaft liesse sich diese Erklärungsart weiter beleuchten. Auch ist es nicht unmöglich, dass durch den Ausfall der Function von Speiseröhre und Magen gewisse chemische Processe eine Aenderung erfahren, indem beide Organe ähnlich nach aussen und innen wirken wie das Pankreas. Beitrag zur Lehre von der Thränenableitung. ' Von Prof. E. Scimemi. (Aus der Augenklinik zu Messina.) Die zahlreichen Theorien von der Physiologie der Thränenableitung widersprechen sich zum guten Theile, da sie zumeist auf einseitigen Kri- terien beruhen, und zwar bald auf rein physikalischen Erscheinungen, bald auf einfachen anatomischen Untersuchungen, bald wieder auf vereinzelten klinischen Beobachtungen. Es ist nicht meine Absicht, alle diese Theorien zu besprechen und noch weniger, eine eigene aufzustellen, die vollkommen sei von jedem Gesichtspunkte aus; was ich wünsche, ist, aus gewissen von mir beobachteten Thatsachen einige nützliche Folgerungen abzuleiten. Die Gesetze der Physik allein genügen nicht, um alles das zu er- klären, was man beim Mechanismus der Thränenabscheidung wahrnimmt; allein der von J. L. Petit gegebenen Heber-Hypothese gebührt, wenn- gleich sie heute nicht mehr annehmbar ist, doch das Verdienst, die Auf- merksamkeit auf diese Gesetze, welchen in allen Erscheinungen des orga- nischen Lebens so viel Bedeutung zukommt, gelenkt zu haben. Gad möchte in seiner jüngsten „Revision der Lehre von der Thränenableitung“,? indem er die Bedeutung gewisser Capillarerscheinungen überschätzt, ihnen allein diesen Mechanismus zuschreiben. Ich halte es für angezeigt, zu untersuchen, bis zu welchem Punkte die Capillarität bei diesen Erscheinungen in Betracht kommen kann. Ich erwähne vorerst den Versuch Gad’s (8. 70): 1 Mitgetheilt am Ophtalmologischen Congresse zu Palermo. April 1892. ” G@ad, Eine Revision der Lehre von der Thränenableitung und den Lidbewe- gungen. Dies Archiv. 1883. Suppl. Bd. 8. 68. 1955 292 E. SCIMEMI: „Man fülle ein kleines Bechergläschen mit Wasser und stelle in dasselbe ein gekrümmtes Glasrohr mit seinem längeren Schenkel so hinein, dass das abwärts sehende, den Rand des Becherglases überragende Ende des kurzen Schenkels, einige Millimeter über dem Wasserniveau sich be- finde. Man wählt die Abmessungen des Rohres zweckmässig so, dass sich dasselbe bei der angegebenen Stellung durch Capillarattraction bis an die freie Oeffnung mit Wasser füllt. Man knifft nun aus einem Blatte eines nicht porösen Materials eine Rinne, welche man an dem einen Ende zu einer Spitze beschneidet, die in das Glasrohr hineingesteckt werden kann, und an dem anderen Ende so, dass letzteres, wenn die Spitze im Rohre steckt, überall mit der Unterlage in Berührung ist. Hat man dann die Rinne derart mit Wasser benetzt, dass im einspringenden Winkel derselben ein durchweg zusammenhängender Flüssigkeitsfaden haftet, und steckt man die Spitze der Rinne in das Rohr, während man das untere Ende sich auf die Unterlage des Becherglases stützen lässt, so beginnt dieses sofort sich durch die Rinne auf die Unterlage zu entleeren.“ Gad bringt hierauf das Beispiel, in welchem sich ein Wasser enthal- tendes Gefäss vollkommen entleerte, wenn zufällig ein Blatt eines gleichfalls darin befindlichen Blumenstrausses eine solche Stellung einnahm, dass es mit der Wand des Gefässes zwei sehr nahe Flächen, zwischen denen die Wirkung der Capillarität entstand, bildete; und Gad führt noch andere ähnliche Thatsachen an. Und gleichsam als Folge dieser grossen Anziehungskraft einer benetz- ten Fläche würden die Thränen des Thränensees gegen die Nase hin, deren Schleimhaut stets feucht ist, angezogen werden. Gad spricht auch von der grossen Ausdehnung dieser feuchten Fläche, welche, bei aufrechter Körperstellung, von der Nase bis zur Afteröffnung reicht. Doch, indem er gewahr wird, wohin ihn die Consequenzen seiner Theorie führen würden, bestimmt er einen gewissen Sättigungsgrad der befeuchteten Fläche, welcher die Anziehungskraft einschränken würde. Diese Beobachtungen haben mir zu wichtig geschienen, und ich wieder- holte desshalb die Versuche Gad’s; wenn ich aber auch die Anordnungen des Experiments in hundertfacher Weise modificirte, oder die feuchte Fläche änderte, konnte ich doch niemals jene bedeutende Anziehungskraft finden, wie sie Gad auffasst und wie dies aus der Figur hervorgeht, die seinem Werke beigegeben ist. „Jene Figur Gad’s ist dieselbe, wie die von mir hier unter Nr. 1 gebrachte, mit dem Unterschiede, dass in jener von Gad das Niveau der im Glase enthaltenen Flüssigkeit tiefer angemerkt ist, als jenes des freien Endes der gebogenen Glasröhre; nach Gad müsste das Wasser trotz dieses Niveauunterschiedes, bis zur vollständigen Entleerung des Glases tröpfeln. Indessen habe ich mich überzeugt, dass dies niemals BEITRAG ZUR LEHRE VON DER THRÄNENABLEITUNG. 293 geschieht, sondern, dass die Tröpfelung vielmehr erst dann beginnt, wenn der Spiegel des Wassers im Grlase höher steht als das freie Ende des Glas- rohres und dass die Ergiessung der Flüssigkeit aufhört, wenn ihr Niveau im Glase dem des freien Endes der Glasröhre entspricht, wie dies in meiner Fig. 1 bezeichnet ist. Nichtsdestoweniger ist zu beachten, dass jener nassen Fläche, in Berührung mit dem Wasserstrahle der Röhre, eine grosse Be- deutung zukommt, insbesondere, wenn die Röhre eine capillare ist. In der That sieht man, wenn man die benetzte Fläche entfernt, dass sich die wie oben erwähnt angeordnete Glasröhre in Folge der Capillarität wohl mit Wasser füllt, dass sie jedoch erst dann tröpfelt, wenn das Niveau des Wassers im Glase höher ist als das freie Ende der Röhre, das heisst, wenn das Schwer- gewicht des im äusseren Schenkel der Glasröhre und unterhalb des Niveaus derim Glase befindlichen Flüssig- keit enthaltenen Wassers die Anziehungskraft über- wunden hat, welche am Ende der Glasröhre auf das Wasser ausgeübt wird, um es am Tröpfeln zu hindern; und diese Kraft ist umso grösser, je enger die Röhre, sodass, wenn die Röhre nicht capillar ist, der Ni- veauunterschied beiläufig 5um beträgt, was eben der Summe der Adhäsionskraft an das Glas und der Co- haesion unter den Wassermolecülen gleichkommt, Kräfte, welche den Tropfen am Ende der Röhre hängend erhalten. Die benetzte Wand überwindet diese Kräfte, welche sonst die Flüssigkeit am Abtröpfeln verhindern würden, und das Wasser kann also aus dem Glase bis zum Niveau des freien Endes der Röhre herabsteigen. Wenn man nun die Resultate des Experiments auf die Thränenwege anwendet, so findet man, dass die Kraft, mit welcher die Thränen aus dem See in die Nase herabsteigen, in Bezug auf Capillarität dem Gewichte einer Flüssigkeitssäule von der Länge der Niveaudifferenz zwischen dem Thränenpunkte und der Nasenöfinung entspricht: dies hatte bereits Fig. 1. Fig. 3. 294 E. SCIMEMI: J. L. Petit ausgesprochen, und er hatte Recht, wenngleich sich Gad mit ihm nicht einverstanden erklären möchte. Aber noch eine andere Kraft kommt dem Eindringen der Thränen in die Thränenpunkte zu Hülfe, und diese entspricht dem Gewichte einer Flüssigkeitssäule, welche dem Widerstande gleichwerthig ist, den die be- hufs Verhinderung der Ueberströmung der Thränen vom Talge der Mei- bom’schen Drüsen überzogenen Lidränder darbieten. Ein Versuch wird diese Behauptung klarlegen. Fig. 2 stellt eine zweimal gebogene Glasröhre dar, deren innere Lichte grösser ist als 2 ”® und deren zwei äussere Schenkel, von denen der län- gere die beiden Krümmungen um einige Oentimeter überragt, während der andere 2 m tiefer steht als die erste Krümmung und 2 = höher als die zweite, in entgegengesetzte Richtung blicken. Man taucht den längeren Schenkel der Röhre in ein mit Wasser zur Hälfte gefülltes Glas und aspi- rirt mittelst eines Gummischlauches vom anderen Ende aus, bis die Glas- röhre mit Flüssigkeit gefüllt ist. Entfernt man nun den Gummischlauch, so wird das Wasser in der äusseren Röhre und im Glase auf das gleiche Niveau sinken. Wenn man hierauf noch Wasser in das Glas bringt, so sieht man, dass gleichzeitig auch die Flüssigkeit im äusseren Schenkel des Rohres steigt, wie dies bei zwei communicirenden Röhren der Fall ist. Wenn aber die Flüssigkeit im äusseren Schenkel in die Nähe des Randes der Röhre angelangt ist, so verflacht sich der ursprünglich concave Me- niscus immer mehr, bis er den Rand selbst erreicht; man bemerkt alsdann, dass das Niveau der Flüssigkeit im Glase höher steht, als jenes im äusseren Schenkel der Röhre. Man füge hierauf noch Wasser hinzu, bis vom Me- niscus, der sich bereits mit convexer Fläche erhoben hat, ein Tropfen überströme: in diesem Momente beträgt der Niveauunterschied zwischen der Flüssigkeit im Glase und dem äussersten Rande des äusseren Rohres 5 mm Es führt zu keinem merklichen Unterschiede, ob die äussere Röhre eng. oder weit sei, wenn sie nur nicht capillar ist, in welchem Falle der Niveauunterschied fast das Doppelte betragen würde. Der Rand des Roh- res muss trocken sein, sonst ist der Niveauunterschied kleiner; es ist jedoch nicht nothwendig, dass er befettet ist. Die Cohaesions- und Ad- haesionskraft zwischen dem Wasser und dem Rande des äusseren Rohres, welche das Tröpfeln verhindert, kommt also einem Drucke von 5 "® gleich, wie wir das beim ersten Versuche mit nichtcapillärer Röhre gesehen haben. Im Uebrigen unterscheiden sich diese beiden Versuche nur durch die Richtung der Oeffnung des Rohres: bei dem einen ist sie gegen oben, bei dem anderen gegen unten gewendet, Wir können nun ganz gut die Lidspalte mit der freien Oeffnung des Rohres in letzterem Experimente vergleichen, bei welchem der Widerstand BEITRAG ZUR LEHRE VON DER THRÄNENABLEITUNG. 295 der Tröpfelung gleich war einer Wassersäule von 5 Wn, Um die oben er- wähnten Versuche in Bezug der beiden Kräfte, das ist der Attraetion der Nasenschleimhaut und Pression durch den Widerstand, der den Tropfen am Fallen vom Lidrande hindert, für unseren Zweck noch überzeugender zu gestalten, habe ich einen Apparat construirt, welcher gewissermaassen die Thränenwege darstellt. Er besteht aus einem verkehrten T-förmigen Rohre, dessen ein horizontaler Schenkel capillar ausgezogen und vorerst nach oben, dann nach unten gebogen ist, während der andere rechtwinke- lig nach oben gebogen ist und mittelst eines Korkstöpsels ein Stück eines grossen, von zwei Seiten aus zusammengepressten Gummirohres trägt, in der Weise, dass es der Länge nach die halbgeschlossene Lidspalte vorstellt. Der Rand des Gummirohres ist paraffinirt und bildet derart einen abge- rundeten, von Wasser nicht benetzbaren Rand. Der Kork mit dem Gummi- rohre ist auf dem Glasrohre beweglich angebracht und kann auf demselben in verschiedener Höhe verschoben werden. Der Apparat wird derart an- geordnet, dass die Capillare mit: einer benetzten, nicht porösen Oberfläche (eine Glimmer- oder Glasplatte) in Berührung steht, und wird hierauf ganz mit Wasser gefüllt. Man kann nun beobachten, dass, so lange sich das Niveau der freien Spalte des Gummirohres ein wenig unter jenem des Endes der Capillare hält, das Wasser längs der benetzten Fläche rieselt, jedoch in seiner Bewegung vollständig innehält, wenn die Niveaudifferenz 5 mm beträgt; alsdann beginnt das bereits bis zur Spalte emporgestiegene Wasser aus dieser zu tröpfeln. Aus diesem Versuche erhellt also, dass sämmtliche bei der Thränen- ableitung in Betracht kommenden Capillarkräfte gleich sind dem Gewichte einer Wassersäule von 5 wm Höhe, mehr der Niveaudifferenz zwischen den Thränenpunkten und der unteren Oeffnung des Nasenkanales. Diese Kraft genügt unter gewöhnlichen Verhältnissen zur Eliminirung der Thränen, insbesondere wenn man mit Rücksicht auf die sehr kleine Menge der Thränen, die sich aus der Drüse auszuscheiden pflegt (nach Magaad! ein Tropfen in 20 Minuten), auch der auf der Oberfläche des Bulbus erfolgen- den Verdunstung Rechnung trägt. Doch weist die Beobachtung Verga’s? bei Knaben, bei denen trotz Verschlusses der unteren Oeffnung des Nasen- kanals keine Thränung oder Reizung der Conjunctiva bestand, wie auch Gad richtig bemerkt, nach, dass unter günstigen Verhältnissen die Ver- dunstung und Osmose genügen, um die Thränung zu verhindern. Die Verdunstung allein, ohne den Austausch der Thränen mit den Gewebs- ı H. Magaad, Ueber das Secret und die Secretion der menschlichen Thränen- drüse.. Virchow’s Archiv. Bd. LXXXIX. 8. 258. ® Dello sbocco del condotto nasale e del solco lagrimale.. Annali universali di Medicina, Vol, CCXXI. Giulio 1872. p. 92—97. 296 E. ScımEnmr: flüssigkeiten im Wege der Diffusion, würde eine Öoncentration der Salze verursachen, welche die Conjunctiva reizen würde. Da andererseits die oben erwähnte Kraft, wodurch die Thränen in den Nasenraum gelangen, nicht sehr gross ist, so bleibt der Sack immer in einem gewissen Grade der Füllung, auch wenn keine zu aspirirenden Thränen da sind. So habe ich beobachtet, dass eine dem Gewichte einer Wassersäule von vielen Öentimetern entsprechende Aspiration erforderlich ist, um aus einer mit Wasser gefüllten Capillarröhre Wasser durch Luft zu verdrängen. Die Ursachen, welche eine Steigerung der Thränensecretion bewirken, sind sehr zahlreich, aber auch ohne diese Steigerung sehen wir Thränung zu Stande kommen bei Individuen, deren Thränenwege nicht ungänglich sind, durch den einzigen Umstand, dass die Verdunstung durch eime ein wenig feuchte Umgebung behindert wird. So habe ich in einem Falle, in welchem nach Entfernung eines Tumors die Verbindung zwischen den Thränenpunkten und dem -Sacke unterbrochen war, Lacrimation ohne Rei- zung auch noch nach einem Jahre gesehen; als eine directe künstliche Oeffnung zwischen Thränensee und Sack angelegt wurde, hörte die Thrä- nung auf, trat aber nach Verschluss der Okffnung sofort wieder ein. Arlt! berichtet über ähnliche Beispiele und hebt auch die wohlbekannte Thatsache hervor, dass bei Facialisparalyse die Lacrimation das erste Symp- tom ist, welches den Kranken zur Consultirung des Augenarztes veranlasst, wenn auch der Orbicularis seine Function noch nicht ganz eingebüsst hat und noch die Schliessung des Auges und die Anpassung der Lider an den Bulbus zu bewirken vermag: in diesen Fällen besteht keinerlei Hyperse- cretion, sondern es handelt sich einfach um ein Hinderniss der Thränenab- leitung in den Sack. Diese physikalischen Gesetze genügen also nicht, um den ganzen Me- chanismus der Thränenabscheidung zu erklären. Ein Fall von Thränen- fistel zeigte mir evident die Wirkung des Orbicularis auf den Sack, und würde diese Beobachtung die Theorie von der Thränenableitung ergänzen. Ich berichte hier über die in diesem typischen Falle von Thränen- fistel gemachten Beobachtungen, welcher auch derjenige war, der mir Ge- legenheit gab, dieses Argument ein wenig eingehender zu studiren. Malara Domenica ist ein Mädchen von 15 Jahren, welches seit seinem sechsten Lebensjahre in der Region des Thränensackes eine kleine Oeffnung besitzt, aus welcher oft eine Thräne austritt. Im Uebrigen ist das Mädchen vollkommen gesund. Aus der erwähnten Oeffnung ist nie- mals Eiter oder Schleim getreten. Die Tante der Patientin berichtet, dass ' Arlt, Ueber den Thränenschlauch. Archiv für Ophthalmol. I, 2. 8. 149. BEITRAG ZUR LEHRE VON DER THRÄNENABLEITUNG. 297 das Mädchen in seinem sechsten Lebensjahre an der Stelle, wo sich die Oeffnung befindet, mit einer Gabel verwundet wurde, und seit damals an jener Stelle stets Feuchtigkeit absonderte; sie weiss jedoch nicht anzugeben, ob die Verwundung Eiterung im Gefolge hatte. Die Untersuchung ergiebt vollkommen normale Lider, Sack und Thrä- nenpunkte; die Region des Sackes zeigt weder Anschwellung, noch Röthung. Drei Millimeter unterhalb des Lidrandes, in der Richtung der Senkrechten, welche sich vom äussersten inneren Ende des Thränensees herabzieht, be- merkt man eine kleine runde Oeffnung von ca. !/, Millimeter Durchmesser, welche man jedoch nur deutlich sieht, wenn man die sie umgebende Haut anspannt. Drückt man mit dem Finger auf die Region des Sackes, so treten aus der Oeffnung einige Tropfen Flüssigkeit, dagegen nichts mehr aus den Thränenpunkten. Eine in die Oeffnung eingeführte Bowmann’sche Sonde Nr. 1 dringt leicht in gerader Linie nach oben und innen bis zum Thrä- nenbein, das man von der Schleimhaut des Sackes bedeckt fühlt. Keine Ausbuchtung, keine Dilatation; der Fistelgang ist bis zum Sacke überall gleich weit. Beim unteren Thränenpunkte mittelst der Anello’schen Sonde eingespritztes Wasser tritt bei unserer Oeffnung wieder aus, und träufelt in rascherer Folge, wenn es kräftig hineingetrieben wurde; in diesem Falle tritt es auch aus dem oberen Thränenpunkte aus. Es besteht keinerlei Verbindung mit der Nase, deren Schleimhaut einen chronischen Katarrh ohne Geschwürsbildung zeigt. Ich führe nun in die Fistel, ein wenig foreirt, ein 4 °® langes, recht- winkelig gebogenes und in der Mitte mit einer kugelförmigen Auftreibung versehenes Glasröhrchen ein; dasselbe bleibt gut fixirt. Man sieht es bald bis zu seinem unteren Ende mit einer klaren Flüssigkeit sich füllen, von wo aus in langen Intervallen Tropfen abfallen. Wenn die Umgebung trocken ist, vergehen oft Stunden zwischen dem Falle der einzelnen Tropfen; wenn man aber in die Conjunctiva Wasser eintröpfelt, so erfolgt die Tröpfe- lung verhältnissmässig häufiger. Wenn die Kranke, bei vollem Röhrchen, die Lider schliesst, so tritt die Flüssigkeit zum Theil in den Sack ein, und, wenn sie sie fest zudrückt, so erfolgt dies in erhöhtem Maasse. Oeffnet ‚sie hierauf die Lider, so füllt die Flüssigkeit das Röhrchen erst nach einiger Zeit wieder, oder wenn mittlerweile andere Thränen in den Sack einge- drungen sind. Ich habe in dem Sacke stets Luft gefunden, ohne dass hiedurch die Tröpfelung aus dem Röhrchen oder aus der fFistel gehindert worden wäre; manchmal jedoch ging die Beobachtung, in Folge einer grösseren Luft- blase, nicht gut von Statten. Ich spritzte desshalb vom unteren Thränen- punkte aus Wasser ein und verdrängte derart alle Luft; sowohl der Sack 298 E. Scımem1: als das Röhrchen blieben gefüllt und die Flüssigkeit erlitt hierauf bei Schliessung der Lider keine Veränderung mehr, man musste vielmehr den Sack comprimiren, damit ein wenig Flüssigkeit in das Röhrchen trete, um die Aspirationsbewegung während der Schliessung der Lider beobachten zu können. Auch der Lidschlag verändert die Stellung der Flüssigkeit im Röhrchen, und man sieht stets deutlich, dass, wenn der Thränensack nicht prall gefüllt und das Röhrchen halb gefüllt ist, die Flüssigkeit bei jeder Annäherung der Lider zu einander, beiläufig 3—4 "® ins Röhrchen eindringt, und bei jeder Entfernung der Lider von einander wieder auf ° seinen Posten zurückkehrt. Da nun der Lidschlag ziemlich häufig erfolgt, so scheint es, als ob diese, jedem Schlage entsprechenden Schwankungen die Thränen im Röhrchen nicht fortbewegen würden; doch nach einiger Zeit sieht man, dass sich die Flüssigkeit bereits so erheblich vermehrt hat, dass sie abzutröpfeln beginnt. Diese Oscillationen beobachtet man ebenso sut, wenn man das Röhrchen mit seiner Krümmung nach oben wendet und in dieser Stellung mittelst Heftpflasters zwischen den Brauen und der Nase befestigt hält; wenn man nun einige Tropfen Wasser in das Auge träufelt, so sieht man sehr bald die Flüssigkeit im Röhrchen zunehmen, es kommt aber nicht zum Austritte derselben aus dem freien Ende auf die Stirne. So oft die Kranke das Auge fest, aber sanft schliesst, wird die Flüssig- keit des Röhrchens in grösserer Menge aspirirt, als wir dies bei Schliessung des Auges mittelst Lidschlages sehen; bei der Wiederöffnung des Auges aber kehrt die Flüssigkeit auf ihren früheren Posten zurück; wenn die Kranke das Auge kräftig schliesst, indem sie die Lider zusammenpresst, so kehrt die Flüssiekeit nicht mehr in das Röhrchen zurück, und man muss einige Minuten warten, damit sie wieder erscheine und allmählich zuzunehmen beginne, wie wir dies nach der foreirten Injection gesehen haben. Diese den Lidbewegungen entsprechenden Oseillationen ändern sich nicht, wenn man das Auge nach oben oder nach unten wendet; allein, dreht man das Auge nach unten und senkt somit auch das untere Lid, so nimmt die Flüssigkeit im Röhrchen ab, während keinerlei Veränderung eintritt, wenn man nach oben schauen lässt. Ich bemerkte, insbesondere betrefis der ersten Tropfen, dass die aus dem Röhrchen austretende Flüssigkeit in weit geringerer Menge ist als jene, welche in die Conjunctiva eingeträufelt wird; wenn jedoch die Con- junctiva einen gewissen Grad von Sättigung erreicht hat, so wird auch diese Differenz weniger merklich. Das Aspirationsmaximum des Sackes tritt ein, wenn man das obere Lid kräftig nach oben und aussen zieht, sodass man das Ligamentum pal- BEITRAG ZUR LEHRE VON DER THRÄNENABLEITUNG. 299 pebrale internum dehnt; auch nachdem die Lider zugedrückt wurden und die Aspiration eingetreten war, erzielt man eine weitere Aspiration mittelst dieser Dehnung. Ich habe auch die den oben erwähnten Ösecillationen der Flüssigkeit des Röhrchens entsprechenden Modificationen im Fassungsvermögen des Sackes gemessen und gefunden, dass sich der Sack bei jedem physiologischen Lid- schlage um 2 wm, bei sanftem Lidschlusse um 10 wm, bei kräftigem Lid- schlusse um 30 ®m dehnt. Wenn das Auge aus der horizontalen Stellung nach unten bewegt wird, so erweitert sich der Sack um 4 °®», ändert sich jedoch in keiner Weise bei der Drehung des Auges nach oben. Ich versuchte auch, diese Modificationen, welche der Lidschlag, bezw. die Bewegungen der Lider auf den Sack ausüben, bei normalen Thränen- gängen festzustellen. Zu diesem Zwecke habe ich die Nadel der Anello’schen Sonde mit- telst eines Gummischlauches mit einem graduirten und mit Wasser gefüll- ten Glasrohre verbunden und dabei getrachtet, keine Luftblase im Apparate zu lassen. Nach Cocainisirung des Conjunctivalsackes brachte ich nun die Nadel in den unbeschädisten unteren Thränenpunkt, indem ich fast den ganzen cylindrischen Theil in den Thränenkanal eindringen liess (siehe Fig. 3). Ein Assistent hält die graduirte Röhre; angezeigt ist es, dass der Kranke den Kopf nach hinten gelehnt hält. Indem der Kranke in Folge der Cocainisirung keine nennenswerthe Belästigung verspürt und das Auge genügend gut geöffnet halten und die Lidbewegungen fast mit normaler Freiheit zu machen vermag, insbesondere, wenn der Experimentator nicht mit der Hand das untere Lid berührt und die Nadel mittelst des Gummi- schlauches in der richtigen Stellung hält, so wird die Beobachtung zu einer demonstrativen. Jedenfalls muss man sich aber versichern, dass das Ende der Nadel nicht gegen die Wand des Kanals stösst; deshalb bringt man sie in der Richtung des Kanals an und zieht sie zurück oder führt sie mehr oder weniger ein, bis man Gewissheit hat von der genauen Commu- nication zwischen der graduirten Röhre und dem Thränensacke. Wenn das Experiment so angeordnet ist und man die Lider unbe- weglich halten lässt, so steigt die Flüssigkeit der graduirten Röhre mehr oder weniger schnell, je nachdem man die Röhre selbst mehr oder weniger erhoben hält, was sich mittelst des eingeschalteten Gummischlauches leicht erreichen lässt. Die Flüssigkeit bewegt sich aber langsam, wenn ihre Ober- fläche im gleichen Niveau ist mit dem Thränenpunkte, und man sieht sie nicht mehr fallen, wenn ihre Oberfläche nur mehr 2 = tiefer steht. Man misst diese Niveau-Differenz leicht, wenn man die Röhre an die Nase anlegt. Die Flüssigkeit tritt niemals aus dem oberen Thränenpunkte aus, noch 300 E. SCIMEME: fliesst sie aus dem unteren zurück, denn die Nadel bleibt kräftig einge- klemmt entsprechend der zwischen dem Thränenpunkte und dem Sacke befindlichen Einengung. Man sieht das Wasser aus der Nase träufeln, oder es geht in den Schlund. Wenn man den Kranken auffordert leichte Lidbewegungen auszufüh- ren, wie den gewöhnlichen Lidschlag, oder die sanfte Schliessung der Lider, so zeigt die Flüssigkeit in ihrem Falle keine Modification; lässt man aber die Lider kräftig schliessen, so hält die Flüssigkeit in ihrer absteigenden Bewegung gewöhnlich inne Es genügt nun, die Nadel noch ein wenig in den Thränenkanal hineinzudrücken, damit die Flüssigkeit sich bewege wie früher, auch wenn der Kranke nun die Lider geschlossen hält. Wenn die Flüssigkeit der Röhre tiefer steht als die Thränenpunkte, und wenn also ihre Abwärtsbewegung aufgehört hat, so rührt sie sich auch nicht, wenn man die Röhre noch viel mehr senkt, und das Flüssigkeits- niveau bleibt stets auf dem gleichen Punkte, auch wenn die graduirte Röhre mit dem Ende nach unten gekehrt wird; daraus geht hervor, dass die einer mehr als 30 °® langen Wassersäule entsprechende Aspiration nicht im Stande ist, Luft aus der Nase zu ziehen, da sonst die Flüssiekeitsmenge in der Röhre zunehmen müsste. Bei diesem Experimente versicherte ich mich stets dessen, dass die Nadel nicht verstopft sei, indem ich die Röhre in die Höhe hob, um das Wasser wieder in ihr herabsteigen zu sehen. Da bekanntlich am unteren Ende des Nasenkanals eine Klappe ana- tomisch nicht nachgewiesen ist, so wollte ich untersuchen, ob daselbst vielleicht auch nur eine Schleimhautfalte oder irgend eine andere Vorrich- tung bestände, welche das Eindringen von Luft aus den Nasenhöhlungen in den Thränensack verhindere. Und ich fand, dass eine gebogene Capil- lare, deren ein Schenkel zwischen zwei zarten Hautblättchen in ein Glas Wasser taucht, während sich der andere Schenkel ausserhalb des Glases in ein Rohr von 2 "m Durchmesser und 30 m Länge fortsetzt, aus dem äussern freien Ende Wasser austreten lässt, insolange die Capillare noch in Wasser taucht; wenn aber die Flüssigkeit noch weiter sinkt, so beginnen in die Capillare Luftblasen einzutreten; auch die beiden noch nassen und der Oeff- nung der Capillaren sich vollständig anschmiegenden Blättchen vermögen die Aspiration von Luft nicht zu verhindern, welche durch die 30 ®® lange Wassersäule des äusseren Rohres, die wie ein Heber wirkt, zu Stande kommt. ‘Brirgt man aber zwischen die beiden Blättchen ein wenig Nasen- schleim, so wird keine Luft mehr aspirirt und die Flüssigkeit im äusseren Rohre tröpfelt nicht mehr. | Es genügt also die an der Oeffnung des Nasenkanals befindliche Schleimschicht, um zu verhindern, dass aus der Nase Luft in den Sack gerathe. Andererseits ist die Thatsache wohlbekannt, dass einige Indivi- BEITRAG ZUR LEBRE VON DER THRÄNENABLEITUNG. 301 duen Luft in den Thränensack treiben können, indem sie sich stark schneuzen; in diesen Fällen muss die untere Oeffnung des Nasenkanals zu weit sein und der Schleim kann daher keinen genügenden Widerstand ausüben. Da die in der graduirten Röhre befindliche Flüssigkeit bei jeder Lid- bewegung zu rinnen fortfährt, auch wenn ihr Niveau unter jenem des Sackes bleibt und sie daher keinen Druck ausüben kann, so muss man annehmen, dass sich der Sack stets in einem gewissen Grade von Aus- dehnung befindet, wie man dies übrieens klar bei der Fistelkranken sah. Hencke! hingegen behauptete, dass der Sack während der Oefinung der Lider vollständig verschlossen sei und stets offen bei der Schliessung. Aber bereits Maier und auch Arlt? haben nachgewiesen, dass der Sack stets eine gewisse Menge Flüssigkeit enthalte. Aus diesen Untersuchungen der normalen Thränenwege konnte ich betrefis der Fähigkeit des Sackes, seine Capacität in Folge der Lidbewe- gungen zu ändern, keine klaren Schlüsse ziehen; ich bediente mich daher bei meinen Untersuchungen solcher Individuen, welche mit Stenose des Nasenkanals behaftet waren, jedoch keine Dilatation noch Katarrh des Sackes aufwiesen. Diesen Individuen applieirte ich nun die erwähnte gra- duirte Röhre. In diesen Fällen habe ich nun gesehen, dass die Flüssigkeit gewöhnlich erst dann sinkt, wenn ihr Niveau einige Centimeter oberhalb des Sackes steht und man sieht alsdann, wenn die Nadel nicht zu sehr hineingetrieben war, das Wasser aus dem oberen Thränenpunkte zurückströmen. Wenn man je- doch die Nadel sehr in den Thränenkanal hineindrückt, so sinkt bei einigen Kranken die Flüssigkeit in der Röhre nicht mehr, wahrscheinlich, weil da- durch, indem die Nadel in den gemeinsamen Kanal geräth, der Ausgang des oberen Kanales verschlossen wird. Und thatsächlich, wenn man als- dann auf die Region des Sackes drückt, so kommt Nichts aus dem oberen Thränenpunkte, man sieht vielmehr deutlich das Niveau der Flüssigkeit in der graduirten Röhre um beiläufig 1°” sich erhöhen, um mit dem Aufhören der Pression des Sackes sofort wieder zu fallen. Da als graduirte Röhre eine solche von 2 mm Durchmesser gewählt worden war, so beträgt der Kubikinhalt eines Längscentimeters derselben 31.4 mm, Das Fassungsvermögen des Sackes beträgt aber nach Arlt beiläufig 120 ®®®; ich glaube daher, dass eine gewisse Spannung des M. orbicularis es verhindert, dass sich die Wände des Sackes durch den einfachen Finger- druck aneinander legen. — Insolange man die graduirte Röhre derart “ W. Hencke, Die Oeffnung und die Schliessung der Augenlider und des Thränensackes. Archiv für Ophthalm. IV, 2. 8. 35. ° Arlt, Ueber den Ringmuskel der Augenlider. Zbenda. IX, 1. S. 88. 302 E. ScImEMmI: hält, dass das Niveau der Flüssigkeit höher bleibt als das Niveau des Sackes, bleibt letzterer stets voll; wenn man jedoch die Röhre so senkt, dass sich die in ihr enthaltene Flüssigkeit und der Sack auf gleichem Niveau befinden, so füllt sich der Sack auch nach Aufhören der Pression nicht mehr wie früher. Bei dieser Anordnung des Versuches und wenn der Kranke dabei die Lider offen hält, sieht man auch beim gewöhnlichen Lidschlag keinerlei Bewegung der Flüssigkeitssäule; sowie man aber das un- tere Lid nach unten und aussen zieht, um die Nadel besser einwärts zu drücken oder wenn man das obere Lid nach oben und aussen zieht, so sieht man die Flüssigkeitssäule rasch um 1 = fallen, was natürlich einer gleichen Dilatation und Aspiration des Sackes entsprechen muss. Wenn man nun das frühere Gleichgewicht wieder herstellt, die Flüssig- keit der Röhre mittelst Druckes auf den Sack wieder auf das ursprüngliche Niveau bringt und den Kranken auffordert, die Lider sanft zu schliessen, so bewegt sich die Flüssigkeit nicht; wenn der Kranke hingegen die Lider kräftig schliesst, so erhält man manchmal neuerdings den nämlichen Ab- fall der Flüssigkeitssäule, wenn auch ein klein weniger, wie bei der Deh- nung des Lides. Diese Senkung beobachtet man nicht immer; ja, die . Flüssigkeit bleibt beim Schliessen der Lider zumeist unbeweglich, oder zeigt nur sehr schwache Oscillationen, welche leichten Lageveränderungen des Kopfes oder des Gummischlauches zuzuschreiben sind. In diesem Falle konnte man aber manchmal einen Abfall der Flüssigkeit erzielen mittelst ein- facher Vorwärts- oder Rückwärtsbewegung der Nadel im Thränenkanale um einige Millimeter. Ich nehme daher an, dass die Contraction des Orbicu- laris stets Dilatation des Sackes bewirkt, dass dies aber in den meisten Fällen durch das Experiment nicht nachgewiesen wird, weil gleichzeitig Deviationen in der Richtung des Thränenkanales zu Stande kommen, wo- durch die Spitze der Nadel gegen die Wand des Kanales gepresst wird. Da das Lumen der Nadel ein sehr kleines ist, so genügt das kleinste Hin- derniss um ihre Spitze zu verschliessen, wovon ich mich überzeugt habe, indem ich beobachtete, dass in diesen Fällen die Flüssigkeit nicht fällt und dass, wenn man die Kanüle herauszieht, man sie verschlossen findet und in die Röhre blasen muss, um aus der Nadel wieder Wasser tröpfeln zu sehen. Um diesem Uebelstande zu begegnen, hätte man Röhren grösseren Kalibers verwenden müssen, alsdann wäre jedoch eine Ineision des Thrä- nenpunktes und -Kanals nothwendig gewesen; ich habe mich aber über- zeugt, dass, wenn man so vorgeht, die Flüssigkeit oft die Canüle umspült, weil der Kanal sehr nachgiebig geworden ist, sodass man die Wände des Thränenkanals mittelst eines Fadens hätte an der Nadel fixiren müssen, was ich jedoch den Kranken, die sich diesen meinen Beobachtungen ge- BEITRAG ZUR LEHRE VON DER THRÄNENABLEITUNG. 303 duldie unterwarfen, nicht vorschlagen zu sollen glaubte. In allen Fällen jedoch, wo das Experiment gut gelang, war die Dilatation des Sackes deut- lich nachweisbar; auch kann ich nicht annehmen, dass jenes Centimeter Wasser der Röhre (= 31-4 “"=) von einer anderen Höhlung aufgenommen wurde, da doch der Thränenkanal sich in keiner Weise ausdehnen konnte, noch aus dem oberen Thränenpunkte Flüssigkeit austrat. Um nichtsdestoweniger jeden Zweifel bezüglich einer Rückstauung durch den oberen Thränenpunkt zu beheben, habe ich einige Male in denselben eine gewachste Schweinsborste oder einen Silberdraht eingeführt, welche stets recht gut eingeklemmt und unbeweglich blieben; und auch in diesem Falle sah man manchmal gut die Dilatation des Sackes bei Schliessung der Lider. Die constante Erscheinung jedoch ist der Abfall der Flüssigkeit bei Dehnung des oberen Lides nach aussen und oben. Und ich bemerkte, dass in diesem Falle die Dilatation des Sackes grösser ist, als beim kräfti- gen Schliessen der Lider; ja sogar, die Flüssigkeit in der Röhre steiet um einige Millimeter, wenn man nach Hervorrufung des erwähnten Maximums der Dilatation, was auch bei offenem Auge erfolgen kann, die Lider kräf- tig schliessen lässt, sodass mir vorkam, dass in diesem Falle eine leichte Compression des Sackes eintrete, und derart die Dilatation auf den Grad zurückgebracht wird, welcher der kräftigen Schliessung der Lider allein ent- sprechen würde. Ich glaube nicht, dass es nothwendig sei, mich über das Gesagte in lange Discussionen einzulassen, da die Schlüsse, die man aus meinen Un- tersuchungen zu ziehen vermag, genügend evident sind. Nichtsdestoweniger halte ich dafür, einige Thatsachen hervorzuheben. Die Capillarität beansprucht nicht unbedingt Integrität der Thränenpunkte, während dieses Gesetz für zwei Flächen feststeht; nur ist die Ascensions- kraft der Flüssigkeit halb so gross, als sie es wäre in einer Capillare vom Durchmesser der Distanz zwischen den Flächen; desshalb hindert nach Bowmann die Incision des Thränenkanals in keiner Weise das Eindringen der Thränen. Die von Hencke so geistvoll behauptete und auch von Wecker! als die beste angeführte Theorie von der Saug- und Druckpumpe, ent- spricht in Wahrheit nur für die Aspiration und auch da nur zum kleinsten Theile. Hencke? nimmt eine alternative Oeffnung und Schliessung der Lidspalte und des Thränensackes an, das heisst: „als eine alternirende Oeffnung und Schliessung der Lidspalte und des Thränensackes, indem von i Wecker et Landolt, Traite d’ Ophthalmologie. 1889, IV. p. 1045. EN 0282 96. 304 E. ScIMEMI: Zeit zu Zeit durch eine plötzliche Contraction des M. lacrymalis anterior die Lidspalte mehr oder weniger geschlossen, der Thränensack mehr oder weniger geöffnet und in Folge dessen Flüssigkeit in denselben aufgenommen wird, gleich darauf aber die Lider wieder von einander entfernt werden, das obere vom Levator erhoben, das untere durch seine Schwere sinkend, wäh- rend der M. lacrymalis posterior den Sack wieder schliesst und die in ihn aufgenommene Flüssigkeit weiter treibt.“ Entsprechend dieser Hypothese haben wir gesehen, dass bei den Fistel- kranken die Schliessung der Lidspalte von der Dilatation des Sackes be- gleitet war, und dass einer stärkeren Contraction der Lider eine grössere Dilatation entspricht. Auch Hyrtl! hatte bereits angenommen, dass der Horner’sche Muskel und der Sphinkter palpebrarum den Sack bei jedem Lidschlage erweitern. Nun haben wir gesehen, dass diese Dilatation nur einem Theile des Fassungsvermögens des Sackes (weniger als der Hälfte) entspricht, während der Sack, im Gegensatze zu dem was Hencke? glaubte, niemals ganz ge- schlossen ist, sondern auch nach erfolgter Contraction des Orbieularis stets grösstentheils mit Flüssigkeit gefüllt bleibt. Nur bei der stärkeren Aspi- ration, welche wir durch Dehnung des oberen Lides nach aussen und oben erzielten, erfolgt bei kräftiger Schliessung der Lider Austritt von ein wenig Flüssigkeit; dies muss aber jener gewissen Compression zugeschrieben wer- den, welche die Lider auf den Bulbus und mithin auch auf die den Sack umgebenden Weichtheile ausüben, wodurch die Dilatation des letzteren einigermaassen beschränkt wird; einen eigenen Compressor (Muskel) giebt es aber nicht. Die zum Nachweise der verschiedenen Dilatationsgrade des Sackes die- nenden Versuche können nie so überzeugend sein, als wenn eine Fistel besteht, weil die Muskelcontractionen Ablenkungen des Thränenkanals ver- ursachen; nichtsdestoweniger, wenn. man von der durch den Lidschlag her- vorgerufenen leichten Dilatation absieht, sind alle anderen Grade in den Fällen von einfacher Stenose des Nasenkanals beobachtet worden und stets war jener augenscheinlich, welcher der Dehnung des oberen Lides entspricht. Die Hypothese von Arlt,? Moll und Weber, dass bei der Schliessung der Lider eine Compression des Sackes zu Stande komme, dessen Inhalt daher entleert werden würde, ist also nicht wahr. Der Verdacht, dass viel- leicht die zu grosse Länge oder Ungleichheit des Fistelganges die Modifi- cation des Sackes durch Ortsveränderungen, die ersterer in Folge der Mus- ı Hyrtl, Topographische Anatomie. ? A. a. ©. S. 75 und 94, ® Archiv für Ophthalm. 1, 2, S. 148 und IX, 1, 8. 87. BEITRAG ZUR LEHRE VON DER THRÄNENABLEITUNG. 305 keleontractionen erleiden würde, zweifelhaft erscheinen lasse, ist in unserem Falle, wo die Fistel, welche von der Haut zum Sacke führt, ganz gleich- mässig und kurz ist, wo man das Phaenomen, gleichviel ob die Glasröhre mehr oder weniger tief in die Fistel eingeführt wird, stets deutlich sieht, und wo endlich während der Schliessung der Lider in der Röhre keinerlei Öseillationen sich zeigen, absolut unzulässig. Für die durch die Contraction des Orbicularis bewirkte Dilatation des Sackes spricht auch die Thatsache, dass diese Dilatation progressiv ist in der Reihenfolge der Schliessbewegungen des Auges, d. h. Annäherung der Lider, sanfter Verschluss, kräftiger Druck, und dass man ferner noch eine weitere Dilatation erzielt, wenn man das obere Lid nach oben und aussen dehnt. Was die von Hencke angenommene entgegengesetzte Wirkung der beiden Thränenmuskeln betrifft, wonach der vordere die Annäherung der Lider unter gleichzeitiger Dilatation des Sackes, der hintere dagegen Ent- fernung der Lider von einander bei gleichzeitiger Compression des Sackes bewirken würde, woraus die sinnreiche Theorie von der Saug- und Druck- pumpe entsprang, so scheint mir, wie Arlt! sagt, wahr, dass Hencke die Beschreibung des hinteren Thränenınuskels auf einer vorgefassten Idee sründete und nicht auf anatomischen Praeparaten. Thatsächlich beweisen unsere Beobachtungen in dem Falle mit der Fistel, dass die Annäherung der Lider beim Lidschlage von einer Dilatation des Sackes begleitet ist, und dass bei Schliessung des Auges diese Dilatation umsomehr erhöht wird, je kräftiger man die Lider schliesst. Die Reduction des Fassungs- vermögens des Sackes, welche bei Oeffnung der Lider zu Stande kommt erfolet dagegen sehr langsam und unvollständig, und ist sogar äusserst langsam, wenn bereits eine starke Dilatation erfolgt war. Man beachte ferner, dass, wenn die in die Fistel eingeführte Röhre mit der Biegung nach oben zu gewendet ist, die darin befindliche Flüssigkeit, obgleich sie bei den Lidbewegungen die oben erwähnten Modificationen des Sackes zeigt, doch niemals die Röhre bis zum Tröpfeln anfüllt, wie dies hingesen der Fall wäre, wenn man es mit: einer compressiven Muskelwirkung zu thun hätte. Diese Reduction kann also nur durch die Elastieität der Wände des Sackes erklärt werden. Aus dem gleichen Grunde, glaube ich, ist es nicht einmal nothwendig, die Hypothese Gad’s? zu besprechen, wonach zwischen dem Inhalte des Sackes und jenem des Thränensees, während der beiden sich abwechselnden Phasen der Dilatation und Zusammenziehung des Sackes, welche beide, I Archiv für Ophthalm. IX, 1, S. 85. 2A.a.0. 8. 883. Archiv f. A.u. Ph. 1892. Physiol. Abthlg. Suppl, 230 306 E. Scımemı: BEITRAG ZUR LEHRE VON DER THRÄNENABLEITUNG. nach ihm, durch die Muskelwirkung zu Stande kommen, ein beständiger Austausch bestehen könne. . Auf diese Weise gelangt er, der im Gegensatze zu Hencke den Lidschlag dem hinteren Thränenmuskel zuschreibt, mit Hencke zu dem Schlusse, dass dieser Muskel möglicherweise eine Com- pression des Sackes bewirke. Weder die Hypothese von E. H. Weber, noch die auch von Rava! aufrechtgehaltene V. Hasner’s,? dass die Thränen durch negative Pression während der Inspiration von der Nase aspirirt werden, haben grosse Be- deutung, da wir doch die Thränen auch bei vollständigem Verschlusse des Nasenkanals, oder bei durch Polypen oder Narben unterbrochener Verbin- dung der Nasenhöhle mit dem Schlunde und dem Munde aus dem Fistel- sange träufeln sehen. ® Ich will mich auch nicht bei den Versuchen von A. Weber* auf- halten, da die negativen Resultate derselben zu keinem Schlusse geoen die Dilatation des Sackes bei Lidschluss, berechtigen. Aus den oben geschilderten Versuchen geht also klar hervor, dass sich der Thränensack niemals gänzlich entleert, sondern dass er stets mindestens zur Hälfte seiner Capacität mit Flüssigkeit gefüllt bleibt. Wenn derselbe ausnahmsweise, wie bei der Fistel, auch Luft enthält, so erschwert dieselbe wohl das Eindringen und den Abfluss der Thränen, macht dies aber nicht unmöglich. Die Thränen dringen aus dem See in den Sack in Folge der Capil- larität ein, und werden hierbei von der Aspiration des durch die während des Lidschlusses erfolgende Contraction des vorderen und hinteren Thrä- nenmuskels unterstützt. Diese Dilatation ist umso grösser, je kräftiger die Contraction der genannten Muskeln ist; sie wird daher progressiv stärker beim Lidschlag, sanften Lidschluss, kräftigen Liddruck. Der Abfluss der Thränen in die Nase erfolgt in Folge der Schwer- kraft, leicht unterstützt durch den von der Elastieität der Wände des Sackes auf die Flüssigkeit ausgeübten Druck. Die erwähnte Schwerkraft entspricht dem Gewichte einer Wassersäule von einer Höhe gleich der Differenz des Niveau’'s zwischen den Thränenpunkten und dem Ausfüh- rungsgange in der Nase, eventuell zuzüglich eines Druckes von 5 wu für den Widerstand, den die Lidränder einem Ueberströmen der 'Thränen . entgegensetzen. ! Citirt von Arlt im Archiv für Ophthalm. 1, 2. 8. 151. ? Annali di Oftalmologia. 1872. p. 116—118. ’ Archiv für Ophthalm. 1, 2. 8. 151. * Monatsblätter für Augenheilkunde. I. 1863. De 12: 1 er hl Archiv t.Inalu. Phys. 1892. Phys bihlg. Suppt. er alt GA, were Dorie © Blioee 210 x 16% Comp. Leip Verl ag Ve Archiv f-Anat.uPhy5.1892. Phys Abthlg. Suppl Taf. J.Bteimhaus del. Lith. AnstwE.A.Funke, Lapzig- Verlag Veit & Comp. Ih eipzig. Archivf-Anaku.Ph1y51892.Phys.Abthlg.Suppl. Tat. Verlag; Veit & Comp. Leipzig. itn.AnstB.A Tinke Leipzig 7 Wo E; 22 EE Archiv f_Anat.u.Phyy5.1892.Phys Abihlg. Suppl. Tall Tith.Anst-v.B.A.Furke, Leipzig. Verlag Veit &Comp. Leipzig. } N ee en me . Archiv f-Anat.u.Phys.1892. Phys Abthlg.SuppL. Taf: V. 1 Ei x N N, '® Sr m 5 ‚ > IN SR Z)) er er K ee) = et 5, J. Steinhaus del. läth-Anst.v.i.A.Funke, Leipzig. Verlag Veit & Comp. | eipzig. a } DET ee er er Archiv f-Anat.u.Phys.1892. Phys Abihlg. Suppl. Titk.Anstv.B A.Funke,Lei pzig: | Verlag Veit & Comp. Leipzig. >e it A Archiv f-Anat.u.Phys.1892 Phys. Abthlg.Suppl. ie > _ Taf.VIl, 7 I A {7 wa, 72 | Fig. 14. e, Kay ie & Se Ü (% Mi er 7 en Pad RN EN N | ve K 3 Ss Die Sr 97:3 e. oh ni RUN BIT EN II in 7 BL uf f —_ d R „ EZRO J N: RS SEE u ' ..o s \ N beir:7 2 de £ 5 N 2) m J. Steinhaus del. == RT a lith.Ans£y.EA-Funke Leipzig. | Tat. Archiv f-Anak uPns18o2 PfusAblllg. Suppl. ‚Verlag Veit &Comp. Leipzig. | ArchiufWAnat.u.Phys.1892. Phys. Abthlg. Suppl. Taf IX Fig 1. IN 10 Sek. Zi ee Ni... _ \ te nn (EEE le ne re Eu Fig.2 4, Veit &Comp ne Taf’ X. Archio RAnatıu.Phys.1092 Phys. Abthlg. Suppl. Fig-i, TI TE Ta T a1 Ta 1 Touaes 1E Tom 1 Tosaı ] Svoses 1 To 1 Te 1 TS 1° Tr LET TE T ze 1 a VETesn TETgea TE TE ET ET TAT 1 ETen 19T PETE Te Te 1 Ts Ts Ten LET T Im LT Ts To ze 1 Tan Te 1 Tr Te 10 Sek. N N N Le \ N NAPE IE ER \ | N \\ IN) \\ IN | NN \ANUUNN Hz iD Fig. 2. S m a a m ra og EB Eau ra Era ga Eon He tr ET Ta er po pa Vo Up op oo U a 3 a oo oo on va U on po oo om a a BE a a a m a a U m pa BE ae ri ALLEM I0 Sek. UENBEENDE. AD BERNER LEDENATDEIN NUR u er. A TR —n m FH] 2 Li Anet,v.E Afunke keipeig Verlag Veit &Comp larpzig en TR & if RR, a Hal, i SE Ka “N N a nn ie I BR Fi HR Aller: Eee: Nahe RER Y Acme Bookbinding Co., Inc. 300 Summer Street Boston, Mass. 02210 nIunNNULNNN 3 2044 093 332 583 4 irnr 3% DPD ER AR RB m ‘ DI Eee! “r ur