a Kr un n ar u BEN Be , a ur A Be ER Rt “ N, EN arena . AR ; “ Nu hr s £ FREE ER NT N h ION AR Ares 1 A Fibrarp of tbe Museum COMPARATIVE ZOÖLOGY, AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS. Dounded by private subscription, in 1861. Deposited by ALEX. AGASSIZ. No. 7883 IM Di 14 Ba Kan i 1 DE ü 5 i N u MR er D N f a en Fi N ; a ll, ED RR ARCHIV FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. FORTSETZUNG Des von REIL, REIL v. AUTENRIETH, J. F. MECKEL, JOH. MÜLLER REICHERT vw. DU BOIS-REYMOND HERAUSGEGEBENEN ARCHIVES. HERAUSGEGEBEN Dr. WILHELM HIS, PROFESSOR DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITAT LEIPZIG, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1893. PHYSIOLOGISCHE ABTHEILUNG. LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COMP. 1893. ARCHIV PHYSIOLOGIE. PHYSIOLOGISCHE ABTHEILUNG DES ARCHIVES FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. UNTER MITWIRKUNG MEHRERER GELEHRTEN HERAUSGEGEBEN VON Dz. EMIL DU BOIS-REYMOND, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1893. “MIT ABBILDUNGEN IM TEXT UND VIERZEHN TAFELN. LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COMP, "1893, Inhalt. M. v. Frey, Das Plateau des Kammerpulses . M. v. Frey, Die Ermittlung absoluter Werthe für ie etane von Puls- schreibern . OscAR KOoHNSTANM, 10 MRS oltoconsen im ei den versleichend torich isometrischen Verfahrens G. Grisss, Die Temperatur des in ae Niere A unamerden Blutes nl dee aus ihr abfliessenden Harnes . W. H. Tuomrson, Ueber die Abhängigkeit der Olederwenenz von otorischen Nerven J. HORBACZEWSKI, Bemerkungen zum Vorttase des Ehen, Abe Rose uch Nucleinsäure “ 5 SCHIERBECK, Die Rah kueemmmes uni Wasserauscheidung Ei Eau Bei Berısı a- turen zwischen 30° und 39° Oscar KoHnsTtamM, Experimentelle U cheneen zur Ak os Metans (Hierzu Taf. I—VI.) er: i M. v. Frey, Zur Theorie der Tntieonogranben NE A. Gustav Pıorrowsk1, Ueber die Trennung der one a eitungfähigkei des Nerven. (Hierzu Taf. VI—XI. . Be VAUGHAN Hartey, Leber und Galle während dancinden Ver chlüsees von Ballen und Brustgang. (Hierzu Taf. XII u. XIII). : CrauDE Du Bois-REymonD, Der sichtbare Puls der N leer : J. Jacos, Ueber Beziehungen der Thätigkeit willkürlicher Muskeln zur Bregenz und Energie des Herzschlags und über Curarewirkung . R. Mosen, Die Herstellung wägbarer Mengen von Blutplättchen. eher Tat, XIV. ) OÖ. LANGENDORFF, Mittheilungen zur Athmungslehre OR E ST NER O. LANGENDORFF, Bemerkungen über die Erstickung des Herzens : F. RÖHMANnN, ae: den Stoffumsatz in dem thätigen elektrischen Dan de Zitterrochen nach Versuchen an der zoologischen Station zu Neapel C. G. Santesson, Bemerkungen gegen Hrn. O0. Kohnstamm’s Abhandlung: „Die Muskelprocesse im Lichte des vergleichend isotonisch-isometrischen Verfahrens“ M. v. Frey, Ein erfahren zur vBestimmung de Mrasheiamomentes v von Sehne: hebeln £ MANILLE Ipe, Strom- and duch im Blnte Ba Korte Bender een: Tırus Verw&J, Ueber die Thätigkeitsvorgänge ungleich temperirter motorischer Organe . Max Dessoir, Ueber de oralen Orga für die Tan perhreiniilaehnungen ar Extremitäten . A, GOLDSCHEIDER U. A. ran, ers über Br Banindane dla ndSstandee 525 536 vi InHALT Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft zu Berlin 1892—93: A. Kosser, Ueber die Nucleinsäure . J. Gap, Zur Theorie der enlarge A im Mozkeie Gap, Ueber das Athmungscentrum in der Medulla oblongata ö Lorwy, Kurze Mittheilung zur Kenntniss des Einflusses der „oberen Bahnen auf die Athmung : Ren& Du Bois-REyYMoND, ober ae Közung de Tempertenees E. pu Boıs-Reymono, Ueber einige Versuche an ganz jungen Zitterrochen TREITEL, Ueber die Lebensfähigkeit der Gartenschnecke . A. Bacınsky, Ueber die Coceidienkrankheit der Kaninchen e SıcMm. Exner, Ueber den Nervus laryngeus medius und Demonstration desselben HANSEMAnN, Ueber stereoskopische Vereinigung mikroskopischer Photogramme Hırgarv, Ueber den Einfluss my klimatischer und Bodenverhältnisse auf die ältere Cultur . L RR A. KossenL und A. Rars Fahr eine Selbstthätige name vor BEHRING, Ueber den gegenwärtigen Stand der Blutserumtherapie WERNICKE und BEHRING, Immunisirungsversuche gegen Diphtherie. von Noopen, Beiträge zur Ernährungslehre . . . N. Zunzz, Ueber die Neubildung von Kohlehydraten im N iagessudlen Denn A. Kosset, Ueber die Nucleinsäure . Bd ac BEHrINnG, Ueber die Natur der TImmunitätrerleihonden Körper. 5 Max Levv-Dorn, Ueber den Absonderungsdruck der Schweissdrüsen und Eher das Firnissen der Haut von NOORDEN, Ueber die puerperale Taken Ban dem Gennssn, von Tranbensucke, S. Enger, Zur Entstehung der körperlichen Elemente des Blutes . A. KosseL, Ueber das Dulein. EwAup, Ueber Versuche mit Dulein & HeymAans, Ueber Innervation des Hrosehherzens ; ABLE. LEoN LILIENFELD, Ueber die Wahlverwandtschaft der Zelldlemente zu gewissen Farbstoffen ; M. Krüser, Ueber die Continazon Re Mann. el Eypoxsnthin 3 Av. Scumipt, Ueber Farbenreactionen des Auswurfs i LILIENFELD, Ueber die Farbenreactionen des Mucins Fritsch, Zur Innervation der elektrischen Organe unter Voruinne von Jaternenbildern AD. Lorwy, Zur Methodik da Bluktitration. 2 e N. Zunzz, Ueber die Natur und die Bindung der Basen and Sa im \ Blute : B. Basınsky, Ueber das Verhalten von a nach Durchschneidung der zugehörigen Nerven . LEON LiILIENFELD, Weitere Beiträge zur Kenninies der Bintgerinnane } PAuL STRASSMAnNN, Ueber den Mechanismus des Verschlusses des Ductus Stones (Botalli) . a JAcog, Ueber artifieielle ne Deukocntoser Seite 157 164 175 185 187 190 192 192 193 193 194 198 198 202 371 378 380 381 383 385 385 359 390 391 391 550 552 554 554 555 556 359 560 566 567 5 En Wo Be u u anal ESEL 229, MAY 9 1893 Das Plateau des Kammerpulises. Von M. v. Frey. (Aus dem physiologischen Institut zu Leipzig.) Nachdem Chauveau und Marey gelehrt hatten den Druck in der Herzkammer des lebenden Thieres zu messen und von dieser Methode viel- fach, namentlich von Fredericq, Gebrauch gemacht worden war, ist es unzweifelhaft das Verdienst von A. Fick durch wiederholte Verbesserungen des Verfahrens zu neuen Untersuchungen angeregt zu haben. Es haben sich in jüngster Zeit eine Reihe von Autoren um die Aufgabe bemüht, wo- bei jeder eine besondere Modification des Fick’schen Instrumentes in Verwendung zog. Das Resultat dieser vielfachen Bemühungen ist scheinbar ein ganz unbefriedigendes. Wenn von irgend einer Uebereinstimmung unter den Autoren gesprochen werden kann, so besteht sie höchstens darin, dass alle an dem sogenannten Plateau des Kammerpulses festhalten, mit Aus- nahme meiner Wenigkeit, der ich es läugne. Ich bin weit entfernt meinen Standpunkt für einen hoffnungslosen zu halten; ich werde im Gegentheil in den nachfolgenden Zeilen den Beweis erbringen, dass nicht nur auf Grund meiner eigenen Untersuchungen, sondern auch aus den Angaben der anderen Autoren geschlossen werden muss, Jass das Plateau eine ab- normale Form des Kammerpulses darstellt. Ich beginne mit der Aufzählung der einschlägigen Beobachtungen in chronologischer Reihenfolge. In Marey’s Buch! finde ich für die rechte Kammer die Curven 1 und 2, für die linke Kammer 3—5. Sieht man von den Details ab, so stimmen die Curven insoferne überein, als alle ein ! La circulation du sang. Paris 1881. p. 88. Archiv f. A, u, Ph, 1893. Physiol, Anthig. 1 2 M. v. Frey: schroffes Ansteigen, ein ebenso steiles Sinken und ein längeres Verweilen auf dem höchsten Druck, dem sogenannten Plateau zeigen. Indessen ist doch zu bemerken, dass das Plateau nicht eine horizontale Linie darstellt. au 5: 7 Figg. 1 und 2. Pulse der rechten Kammer nach Thauveau und Marey. In 3 ist es stark gegen den Anstieg, in 4, nach einem Aderlass, gegen den Abfall geneigt, in 2 nach beiden Seiten abgerundet.! Se A N 4 \ u — NV 3 5 Figg. 3—3. Pulse der linken Kammer nach Chauveau und Marey. Nicht minder mannigfaltig sind die Curven Frederieg’s.? Die Pulse der rechten Kammer 6—8 sind katatrikrot und -dikrot, von den Pulsen Pulse der rechten Kammer nach Fredericg. ! Siehe unten S. 14. ° Travaux du laboratoire. t. Il. 1887—88. p. 40. Das PLATEAU DES KAMMERPULSES. 3 der linken Kammer hat 9 ein ebenes, 10 ein nach rechts, gegen den Abfall geneigtes Plateau mit kleinen Undulationen. Die Curven Fick’s ändern sich deutlich mit der Methode. Die Pulse vom Jahre 1883: (Fig. 11) sind mehrgipflig mit einem Vorschlag, die AERS : Figg. 9 und 10. Figg. 11 und 12. Pulse der linken Kammer nach Kammerpulse nach Fick. Fredericg. Pulse von 1885 ? (Fig. 12) eingipflig und ziemlich spitz. Sie beziehen sich ebenso wie die der folgenden Untersucher ausschliesslich auf den linken Ventrikel. 17 18 19) Figg. 13—19. Kammerpulse nach Rolleston. \ Archiv für die gesammte Physiologie. Bd. 30, 8. 597. ” Verhandlungen des V. Congresses für innere Medicin. Wiesbaden 1886. S. 92. 1* 4 M. v. FREY: Die Abhandlung von Rolleston! bietet ausserordentlich verschiedene Formen, von welchen die Curven 13—19 nur eine Auswahl darstellen. Neben einfachen stumpfen Gipfeln finden sich katakrote und anakrote Formen, stark gespaltene Doppelgipfel und nahezu ebene Plateaux. Die spätere Abhand- lung von Roy und Adami bringt keine neuen Curven. Rolleston macht auch zuerst den Versuch die verschiedenen Formen zu gewissen Arten der Thätigkeit der Kammer in Beziehung zu setzen. Curve 13 bezeichnet er wegen der Häufigkeit ihres Vorkommens, als die normale, doch findet sich die im absteigenden Schenkel auftretende Schulter oft noch viel deutlicher ausgesprochen, wie in 14—16. Curven von der Form 16 oder mit noch stärkerer Spaltung der Höhe in zwei Gipfel treten auf bei Insuffieienz der Aortenklappen, sowie bei den mächtigen Pulsen, welche die Erstickung und die Vergiftung mit Strophantus begleiten. Zuweilen bleibt es zweifelhaft, ob die tiefe Spaltung des Curvengipfels auf einen einzigen Puls zu be- 23 Figg. 20—23. Kammerpulse nach Hürthle. ziehen ist und nicht vielmehr auf abortive Contractionen (Pulsus bigeminus), wie sie gerade bei hohen Drücken leicht eintreten. Bei künstlicher Stenose der Aorta stellen sich regelmässig abgerundete Gipfel, Curve 19, ein. Ver- fasser macht auf die völlig übereinstimmende Form der abortiven Con- tractionen aufmerksam und betrachtet sie als den Ausdruck des Druckver- laufs bei unvollkommener oder fehlender Entleerung des Herzens. Die Curve muss dann, wie er sich‘ ausdrückt, der Contractionscurve ähnlich werden, mit anderen Worten, eine reine Spannungseurve sein. Wie sich weiter unten zeigen wird, hat Lüderitz diese Angaben durchaus bestätigt und auch dieselben Schlüsse gezogen. In Hürthle’s Abhandlungen findet sich die erste Mibtheilune von onmenlen im Jahre 1888,? Curve 20; dieselben sind eingipflig und ! Journal of physiology. t. VII. 1887. 3. 235. ® Practitioner Feb. to July 1889. 8 Archiv für die gesammte Physiologie, Bd. 43, 8. 399. Das PLATEAU DES KAMMERPULSES. 5 spitz. Im Jahre 1891 ! bezeichnet er das Plateau mit einem oder mehreren Gipfeln, den sogenannten systolischen Wellen, als die normale Druckeurve, Curve 21. In seiner neuesten Publication ? bildet er ein fast ebenes Plateau ab, Curve 22; die systolischen Wellen, welchen er früher eine so grosse Rolle für die Deutung der Pulscurve zuschrieb, scheinen sich jetzt nicht mehr gefunden zu haben. Von besonderem Interesse scheint mir endlich die Curve 23, welche einem durch Pepton geschwächten Herzen entstammt.? Wie man sieht, stimmen die verschiedenen Untersucher nur darin überein, dass auf- und absteigender Schenkel sehr steil sind, während auf der Höhe des Druckes die mannigfaltigsten Formen gefunden wurden. Als ich 1888 gemeinsam mit L. Krehl die Untersuchung des Kammer- pulses begann, fanden wir Anfangs ebenfalls eine ausserordentliche Mannig- faltigkeit der Formen: Plateaux mit horizontaler, nach links oder rechts geneieter auch abgerundeter Fläche, Schulterbildungen und dergleichen mehr. Wir erhielten aber auch einfache Gipfel und diese mit Sicherheit bei allen Eingriffen, welche das Herz stark füllten oder es schwächten. Diese Thatsache schien uns verständlich auf Grund der Versuche Tiger- stedb’s,* nach welchen das Herz bei steigender Füllung zwar mehr Blut auswirft, aber gleichzeitig sich weniger vollständig entleert, das heisst, es wächst die der Austreibung entgehende Blutmenge oder die todte Füllung, wie ich sie in bekannter Analogie der Kürze halber nennen will. Im gleichen Sinne muss natürlich auch eine Schwächung der Herzkraft wirken. Es fiel uns ferner, wie schon Rolleston, auf, dass alle abortiven, zu einer Oeffnung der Aortenklappen nicht führenden Contractionen dieselbe einfache Form zeigten. Am einfachsten schien es demnach alle diese Fälle zusammen- zufassen als solche, bei welchen eine Verkleinerung der Herzhöhle nur in geringem Maasse oder gar nicht stattfand, bei welchen also auch die eingeführte Sonde während der ganzen Dauer der Contraction frei be- weglich und mit einem bluthaltigen Raume in Communication blieb. Diese zunächst hypothetische Erklärung wurde sichergestellt durch die Beobachtung, dass die spitze Curve auch unter gewöhnlichen Umständen erhalten werden konnte, wenn der Sonde eine bestimmte Lage angewiesen 1 Ebenda. Bd. 49, 8. 29. ° Archiv für experimentelle Pathologie. Bd. 30, 8. 141. ® Die Curven, welche kürzlich T. Porter mit dem Apparat von Hürthhle gezeichnet hat, konnten nicht mehr aufgenommen werden; sie sind in der folgenden Abhandlung berücksichtigt. Erwähnt sei, dass der früher bestrittene, grosse Einfluss der Sonder- lage jetzt ausdrücklich anerkannt wird. Journal of physiology t. XIIL. Man vergl. auch unten 8. 14. * Skandinavisches Archiv. 1. 1889. 8. 331. 6 M. v. Frey: wurde: Sie muss in die Richtung der Längsaxe der Kammer gebracht werden und ihre Oeffnung möglichst nahe der Basis haben. Wie die Zerlegung des systolisch gehärteten Herzens lehrt, bleibt nur der basale Theil der Herzkammer durch die ganze Dauer der Systole mit Sicherheit bluthaltig. Oeffnet man also den Thorax, macht das Herz gut zugänglich und führt durch das linke Herzohr eine Sonde mit stumpfem Knie in die Kammer ein, so gelingt es mit einiger Geduld wohl stets die Curven mit einfachem Gipfel zu erhalten. Ich muss allerdings sagen, dass der Er- folg bei den einzelnen Versuchen sehr verschieden leicht er- reicht wird; es bedarf zuweilen eines systematischen Probirens verschie- dener Lagen unter fortgesetzter Betrachtung der gleichzeitig geschriebenen Tonogramme; unter Einhaltung der oben gegebenen Regel ist es mir aber selten missglückt die erwartete Curvenform zu gewinnen. In diesen sel- tenen Fällen ist es dann sehr lehrreich nach Beendigung des Versuchs das Herz sofort zu Öffnen und die Lage der nicht verschobenen Sonde zu beobachten. Ich fand sie dann in einen Sehnenfaden verwickelt, durch einen zähen Fibrinfaden theilweise verlegt oder in eine Nische der Herz- wand, eventuell zwischen Papillarmuskel und Herzfleisch eingebettet. Schwie- riger ist die Gewinnung der spitzen Curven, wenn man von der Aorta her sich Zugang verschafft. Die gekrümmten, straffen, arteriellen Gefässe ver- bieten eine umfängliche Lageveränderung der Sonde, und arbeitet man gar bei verschlossenem Thorax, so bleibt man über die Lage der Sonde völlig im Dunkeln. Es wäre ja sicher aus verschiedenen Gründen wünschens- werth die Oeffnung der Brust zu vermeiden. So lange aber Unklarheit herrscht, ob und welchen Einfluss die Lage der Sonde auf die Gestalt des Kammerpulses hat, darf man davor nicht zurückschrecken. Ich bemerke ausdrücklich, dass selbst der von Chauveau und Marey angewendete Ballon vor einer vollständigen oder theilweisen Verschliessung in der Herzkammer des Pferdes nicht gesichert ist. Derselbe stellt ein von einer elastischen Membran überzogenes Drahtgerüst dar. Es ist nicht wohl denkbar, dass der durch die Contraction hart gewordene Herzmuskel in die Fenster des Gerüstes eindringt. Für die rechte Kammer gelten dieselben Erfahrungen wie für die linke. Auch dort treten statt des einfachen Gipfels mannigfach veränderte Formen viel leichter auf, wenn man von der Pulmonalis her eingeht. Aus der Gestalt ‘der systolischen Herzhöhle ist dies wohl zu verstehen. Die arteriellen Ostien werden, wie Krehl! und ich ? gezeigt haben, durch vor- ! Abhandlungen der Gesellschaft der Wissenschaften. Leipzig 1891. ? Verhandlungen des X. internationalen medieinischen Oongresses. II. 8. 35. Das PLATEAU DES KAMMERPULSES. 7 springende Muskelwülste stark verengt; die Sonde, welche schon in Folge der Krümmung der Arterien schwer in die Axe der Kammer zu bringen ist, wird durch die Muskeln leicht ganz oder theilweise verlegt, wodurch äusserst wechselnde Curvenbilder erhalten werden. Unter gleichen Be- dingungen ist übrigens die Erzielung ungestörter Curven in der rechten Kammer sicherer, was wohl damit zusammenhängt, dass an der schwachen rechten Kammer unvollständige Entleerungen häufiger eintreten. Indessen zugegeben, dass die Lage der Sonde für die Gestalt von Bedeutung ist, so wird man sich zweitens zu fragen haben, ob die spitzen Curven der genaue Ausdruck des Kammerpulses sind. Von der Fähigkeit meines Tonographen die beschriebene Pulsform richtig zu zeichnen, habe ich mich auf zweierlei Weise überzeugt. Ich habe einmal die Excursion des Tonographen durch Steigerung der elastischen Widerstände so lange verkleinert, als dies mit der Leserlichkeit der Curven verträglich war, ohne eine Aenderung der Curvenform bemerken zu können. Dadurch ist der Beweis geliefert, dass Trägheitsschwingungen in störendem Umfange fehlen. Die Curven der rechten Kammer werden ihrer Kleinheit wegen vor dem Verdachte der Entstellung gesicherter sein und dürften sich zur Entscheidung der Frage empfehlen. Zweitens habe ich dem Apparate Bewegungen aufgezwungen von gleicher Art wie die geforderten und gefunden, dass er dieselben ohne irgend merk- liche Abweichung zu zeichnen im Stande ist. Ich unterlasse die Beschrei- bung der hiezu dienenden Einrichtung, weil dieselbe in meinem Pulsbuche ausführlich geschildert ist. Als Belege für die Leistungsfähigkeit des Apparates betrachte man die Fieg. 24 und 25 (S. 8). In jeder sind unten die Bewegungen des mit der Hand geführten Hebels, oben die Curven des Tonographen geschrieben. Man sieht, dass die Curven durchaus einander ähnlich sind;! Congruenz ist nicht erreicht, weil sich die Hebelvergrösserung für beide Curven zufällig nicht genau gleich gross ergiebt, dann aber noch aus einem anderen Grunde. Man wird nämlich bemerken, dass das Verhältniss der Bogenlängen in den oberen und unteren Theilen zweier zusammengehöriger Curven nicht dasselbe ist. Es macht den Eindruck, als ob die Membran des Tonographen um so nachgiebiger würde, je höher der Druck steigt. Dass dies nicht der Fall ist, zeigt Fig. 25, in welcher horizontale Linien von je 50 w” Hg-Druck Abstand gezogen sind. Die Erscheinung liegt vielmehr begründet in der bei raschen Drucksteigerungen eintretenden Erwärmung der im ! Da eine Reproduction durch Photozinkographie bei der Zartheit der Linien ausgeschlossen war, musste zur Uebertragung auf Stein gegriffen werden. Dieselbe lässt viel zu wünschen übrig. Der Verf. 8 M. v. Frey: Tonographen eingeschlossenen Luft. Ich habe schon an einer anderen Stelle ausgeführt,! dass dies nicht als ein Fehler des Apparates betrachtet werden darf. Die von dem Tonographen geschriebenen Drücke können den von dem Hebel verzeichneten Deformationen oder Volumänderungen Fig. 24. Prüfung meines Tonographen. Unten Curve der Hand, oben Curve des Instruments. Stimmgabel Y,, Sec. Vergr. ?},. Fig. 25. Fortsetzung von Fig. 24. Die Curve des Tonographen ist in ein Liniensystem von 50 == Hg-Druck-Abstand eingezeichnet. Stimmgabel !/,, Sec. Vergr. ?,. der eingeschlossenen Luft bei raschen Schwankungen nicht proportional gehen. Bei der normalen Verwendung des Instruments wird die bei ' Die Untersuchung des Pulses u. s. w. 8. 53. Das PLATEAU DES KAMMERPULSES. 9 Drucksteigerung eintretende Erwärmung der Luft das Vordringen des Blutes vermindern und muss demzufolge als eine sehr zweckmässige auto- matisch wirkende Compensation aufgefasst werden. Von dieser interessanten Eigenthümlichkeit der Tonographen mit Luft- übertragung abgesehen, wird man finden, dass die Wiedergabe der er- zwungenen Bewegungen mit grösster Treue geschieht, dass für die gege- benen, die geforderten weit übertreffenden Winkelgeschwindigkeiten und Beschleunigungen weder durch Reibung bedingte Verzögerungen noch Trägheitsschwingungen sich irgendwo mit Sicherheit nachweisen lassen. Ich darf also ohne Uebertreibung behaupten, dass mein Tonograph den hier gestellten Aufgaben durchaus gewachsen und allen ver- wandten Constructionen mindestens ebenbürtig ist. Ich werde auf das hier geübte Prüfungsverfahren und das Unzulängliche der bisher gebrauchten in der folgenden Abhandlung ausführlich zurückkommen. Die jüngste Arbeit über den Kammerpuls ist von Lüderitz! mit dem Metall-Tonographen von Gad ausgeführt worden. Der Untersucher stellt N Fig. 26. Kammerpulse nach Lüderitz bei steigender Verengerung der Aorta. sich die Aufgabe die Wirkung der künstlichen Aortenstenose auf den Kam- mer- und Carotidenpuls zu studiren. Solange die Aorta frei ist, findet er die Kammerpulse von ziemlich wechselnder Form, meistens das Plateau, welches bald eben, bald nach rechts oder links abfallend erscheint. Auf der Höhe des Drucks finden sich stets zwei oder mehr Schwingungen welche aber der Verfasser. nicht als Eigenthümlichkeiten des Pulses auf- zufassen geneigt ist. Bei Verengerung der Aorta verändern sich nun die Curven in sehr auffälliger Weise, indem sie nicht nur an Höhe zunehmen, sondern auch das Plateau einbüssen und mehr oder weniger abgerundete einfache Gipfel erhalten, Fig. 26. In der Discussion der Versuchsergeb- nisse spricht der Verfasser sich dahin aus, dass er die veränderte Curve ansieht als den Ausdruck der Energie des Herzmuskels. Ueberblickt man die vorstehend aufgezählten Untersuchungen, so er- giebt sich trotz aller Verschiedenheit der Methoden und Divergenz der ı Zeitschrift für klinische Medicin. Bd. 20. 8. 374. 10 M. v. Frey: Meinungen eine seltene Uebereinstimmung in dem Befunde, dass jedesmal, wenn die Entleerung des Herzens unterbleibt oder nur un- vollkommen geschieht, der Kammerpuls eine glatt auf- und niedersteigende in einem einzigen Gipfel culminirende Curve ey ey ey I N ee NY S nen | nt AA Fig. 27. Anonymapulse und Kammerpulse vor der Vagusreizung. Stimmgabel !/,, Sec. Fig. 28. Derselbe Versuch, Ende der Vagusreizung. Vergr. ?),. darstellt. In diese Kategorie gehören die abortiven Contractionen (Marey, Fick, Rolleston, Hürthle, v. Frey und Krehl, Lüderitz), die Curven bei Aortenstenose (Rolleston, Lüderitz), die Pulse bei geschwäch- tem Herzen (Marey, v. Frey und Krehl, Hürthle). Eine solche Ueber- Das PLATEAU DES KAMMERPULSES. 1 einstimmung kann keine zufällige sein; sie wirkt um so beweisender, als nichts weniger angenommen werden darf als eine gegenseitige Connivenz oder Beeinflussung der Untersucher, und ich stehe daher nicht an, diesen Befund als eine wohleonstatirte Thatsache zu betrachten. Die reine Energie- curve wie Lüderitz sie nennt, die Curve des Drucks bei unverändertem Blutgehalt besitzt weder ein Plateau noch systolische Wellen, sie nähert sich wie Rolleston bemerkt, der Contractions- (Verdickungs-) Curve des (blutleeren) Herzens. Wie gestaltet sich nun der Kammerpuls, wenn die arteriellen Klappen sich öffnen? Zunächst werden der steile Anstieg und Abfall der Curve sich, unverändert erhalten, weil diese Acte vor, bezw. nach der Oefinung der Klappen stattfinden; auch hierüber herrscht Einigkeit. Es lässt sich ferner unschwer aus den Beobachtungen von Rolleston, Hürthle und AN AN SAN AN a \ —_ = _ — Er Ara: Figg. 29—31. Kammerpulse vor, während und nach einer Vagusreizung. Vergr. °/,. Lüderitz nachweisen, dass Pulse mit kurzdauernder Oeffnung der Klappen sich nur unwesentlich von den völlig abortiven unterscheiden und dasselbe besagen meine eigenen Erfahrungen, wie ich vielfach mitgetheilt habe. Das Auftreten des Plateau’s bliebe also beschränkt auf die normalen Pulscurven mit der durchschnittlichen Dauer der Klappenöffnung. Wie wenig wahr- - scheinlich dies ist nach der Gestalt der peripheren Druckpulse, insbeson- dere beim Pulsus dierotus, wo die ursprüngliche Gestalt des systolischen Anstosses durch die Reflexionen wenig verhüllt wird, will ich hier nicht näher ausführen. Es mag genügen, nochmals auf die oben aufgezählten Vorsichtsmaassregeln hinzuweisen, durch welche es stets gelingt, die regel- losen Formen in einfache Gipfel überzuführen. Wenn z. B., wie in den Figg. 27—28 u. 29—31 eine kräftige Vagusreizung genügt die bisher un- 12 M. v. Frey: regelmässigen Pulsformen in solche umzuwandeln, welche mit dem Stenosen- puls die grösste Aehnlichkeit haben, so kann das Auftreten der Energie- curve nicht in Frage kommen, denn der Austritt des Blutes ist nicht erschwert, sondern in Folge des gesunkenen Blutdrucks erleichtert, wie die in Figg. 27 u. 28 gleichzeitig geschriebenen Anonymapulse zweifellos erkennen lassen. Dass die vor der Vagusreizung geschriebenen Kammerpulse gestört sind, geht aus dem Vergleich mit den zugehörigen Anonymapulsen deutlich hervor: Das Druckmaximum in der Kammer fällt später als in der Arterie. Es handelt sich hier nicht um eine einfache Verschliessung der Sonde, der Druck steigt fortwährend an; aber die Ausgleichung muss durch irgend ein Hinderniss, durch die Einschaltung eines Reibungswiderstandes ver- verzögert sein. Die Vagusreizung kann hier, nach allem was man weiss, nur dadurch wirken, dass sie die Füllung des Herzens sehr vergrössert, die Entleerung weniger vollständig macht und. dadurch eine Verlegung oder Verengerung der Sondenöffnung verhindert. Ich bleibe also bei dem Satze, dass der normale Kammerpuls und der Stenosenpuls sich nicht wesentlich unterscheiden. AN A Fig. 32. Kammerpulse mit Schulter, Vagusreizung. Vergr. °®),. Indessen, wenn die Unterschiede auch gering sind, so sind doch solche zuweilen sicher nachzuweisen, am leichtesten auch wieder bei Vagus- reizung. Ich habe bereits in meinem Pulsbuche bemerkt, dass sich in dem abfallenden Schenkel der Kammercurve häufig eine flache Schulter ausbildet, welche den Moment des Klappenschlusses anzeigt. In dem ersten Vaguspulse der Fig. 28 ist dieselbe nur spurweise vorhanden,! man bemerkt, nur eine geringe Aenderung in der Steilheit des Absinkens. Deutlich ist sie dagegen in den Vaguspulsen der Fig. 32, sowie in den Pulsen der Figg. 33 und 34, welche Vagusreizungen unmittelbar folgen. Letztere zeigen ausserdem das interessante Verhalten, dass die Schulter mit jedem Pulse höher emporrückt, um schliesslich ganz mit der Wölbung des Gipfels zu verschmelzen.” In den beiden letzten Figuren ist die Lage der Schulter durch * gekennzeichnet. Der Theil des Druckabfalls in der Kammer, welcher bei offener Klappe " In der Reproduction fehlt sie ganz. ? Diesem Befunde in der Herzkammer entspricht in der Aorta das Emporrücken der ersten secundären Erhebung, v. Frey und Krehl, a.a. 0. S. 65. Das PLATEAU DES KAMMERPULSES. 13 stattfindet, zeigt also weniger steilen Verlauf als der spätere dem Klappen- schluss folgende Abschnitt. Dies ist aber gerade was man erwarten musste. So lange die arterielle Klappe geöffnet ist, bildet die Kammer einen Theil des Arteriensystems; die Grundform des Arterienpulses, für welche der steile Anstieg und der viel sanftere Abfall charakteristisch sind, muss daher auch in der Herzkammer bsmerklich werden, um so deutlicher, je länger die Communication zwischen Kammer und Arterie dauert. Dass die Grund- form des Arterienpulses je nach der Gefässinnervation selbst veränderlich ist, kann hier nur angedeutet werden. Hat die Kammer sich des Blutes zum grössten Theil entledigt und ist die Klappe geschlossen, so kommt die Erschlaffung des Herzmuskels in einer raschen Drucksenkung zum Ausdruck. Fig. 33. Kammerpulse nach einer Vagusreizung. Die Schulter rückt empor. Fig. 34. Ein anderes Beispiel aus demselben Versuch wie Fig. 33. Vergr. °),. Die Resultate der vorliegenden Untersuchung können in folgenden Sätzen zusammengefasst werden: 1. Die Druckpulse der Herzkammer steigen steil auf und nieder und haben einen einfachen stumpfen Gipfel. Für die abortiven Contractionen der unregelmässigen Herzthätigkeit, für die Pulse bei Herzschwäche und bei Stenose der Aorta stimmen die Befunde der verschiedenen Beobachter überein. 2. Die Gewinnung unentstellter Kammerpulse vom normal arbeitenden Herzen ist mit Schwierigkeiten verknüpft und nur unter Beachtung bestimmter Vorsichten ausführbar. 3. Während des Öffenstehens der arteriellen Klappen ist der Kammerpuls von der Beschaffenheit des arteriellen Ge- fässsystems in geringem Grade abhängig. Die Einwirkung geht aber niemals so weit, dass dadurch die Grundform des Kammerpulses verloren geht. 14 M. v. Frey: Ich habe oben als Grund für die Entstehung eines Plateau die Ver- schliessung oder Verengerung der Herzsonde angegeben. Neben dieser allgemeinsten oder ersten Ursache sind aber noch zwei weitere anzuführen, welche allerdings bisher nur bei einzelnen Untersuchern mit Sicherheit zur Geltung gekommen sind. Es sind diese: 2. Absichtlich vermehrte Reibung bei einem mit starken Eigenschwin- gungen behafteten Instrumente. Dieser Fall gilt für die Curven von Hürthle, wie in der neuesten Publication von T. Porter zugegeben wird. Siehe die folgende Abhandlung. 3. Eine eigenthümliche Ursache hat das Plateau bei Chauveau und Marey. 25 Fig. 35. Kammereurve nach Chauveau und Marey. a Original, 5 Nach Umzeichnung in den Drücken proportionale Ordinaten. In allen Darstellungen des intraventriculären Druckverlaufs spielen die von diesen Forschern veröffentlichten Pulse aus der Herzkammer des Pferdes die Rolle des classischen Vorbilds; durch sie erscheint die Existenz eines systolischen Plateau’s ein für alle Mal sichergestellt und spätere Untersucher berufen sich mit Vorliebe auf diese Autorität. Ein Vergleich der Curven von Marey mit denen neuerer Forscher, wird indessen dadurch erschwert, dass in ersteren die Ordinaten nicht propor- tional den Drücken sind, was heutzutage bei den viel stärkeren und straffer gespannten Membranen innerhalb der Gebrauchsgrenzen meist sehr voll- kommen erreicht ist. Nimmt man sich die kleine Mühe die Öurve a, Fig. 35, welche Marey auf S. 112 seines Buches, 2. Aufl., als einzige mit dem zugehörigen Maassstab abbildet und welche seitdem in viele Bücher über- Das PLATEAU DES KAMMERPULSES. 15 gegangen ist, umzuzeichnen in ein Coordinatensystem dessen Ordinaten den Drücken proportional sind, so erhält man die Curve 6. Das Plateau, welches man für die Curve a noch mit einem gewissen Schein von Recht annehmen kann, ist vollständig verschwunden und sieht man von den "Trägheitsschwingungen ab, welche den auf- und absteigenden Schenkel zweifellos ein wenig verunstalten, so hat die Curve die grösste Aehnlichkeit mit den von mir gefundenen. Der aufsteigende Ast der Curve ist aller- dings weniger steil als der absteigende, was ich normaler Weise nicht beobachtet habe. Hieran kann aber sehr wohl die Krümmung der Ordi- naten betheiligt sein, welche bei grösseren Excursionen des Schreibhebels die Curven nach rechts überhängend macht. Ohne Zweifel bedürfen auch die übrigen von Marey mitgetheilten Kammercurven sowie die zuge- hörigen Aortencurven einer ähnlichen Correctur; da ich aber nicht sicher bin, ob sie nach dem gleichen Maassstab zu geschehen hat, so unterlasse ich sie lieber. Es ist aber ersichtlich, dass alle Curven durch die Correctur in dem Sinne beeinflusst werden müssen, dass ihre höheren Theile stärker aufgezogen, die Gipfel weniger stumpf und das sogenannte Plateau stärker geneigt erscheinen. Dass die Curven Marey’s, welche mit geringen Druck- schwankungen einhergehen und dem entsprechend einer Gorrectur weniger - bedürftig sind — die Kammerpulse nach einem starken Blutverlust, die abortiven Pulse auf S. 120 und 122 seines Buches — die Uebereinstim- mung mit meinen Pulsen von vorneherein zeigen, habe ich bereits oben erwähnt. Ich schliesse daraus, dass die Kammerpulse Marey’s überhaupt kein Plateau besitzen. Einer solchen Behauptung gegenüber drängt sich die Frage auf, wie einem so geübten und feinen Beobachter der wahre Thatbestand entgehen konnte. Die Erklärung findet sich auf S. 95 seines Buches. Er bespricht dort, dass das Cardiogramm von der Herzkammer des Frosches verschieden ausfällt, je nachdem die Kammer blutleer oder gefüllt ist. Im ersten Fall hat man eine Zuckungscurve; lässt man das Herz sich wieder füllen, so ändert zunächst der diastolische Schenkel der Curve seine Form aus Gründen, welche Marey näher ausführt. Er fährt dann fort: La systole du ven- tricule ne sera pas moins modifiee: nons y verrons la pression! s’elever soudainement a un certain maximum oü elle restera sensiblement statio- naire jusqu’ au retour de la phase de relächement — und erklärt nun die Curvenform in seiner Weise. Später, wo er die Kammerpulse des Pferdes eingehend beschreibt, S. 98, bezieht er sich ausdrücklich auf die obige Stelle. Er liest also die Druckschwankungen in der Herzkammer aus dem Cardiogramm ab, ein Irrthum, den ich als einen fundamentalen bezeichnen 1 Im Original nicht gespertt, 16 M. v. Frey: Das PLATEAU DES KAMMERPULSES. muss und der für die Deutung des Herzstosses verhängnissvoll geworden ist. Immer kommt er in seinem Buche auf die prineipielle Uebereinstim- mung der beiden Curven zurück und die gleiche Verwechslung zieht sich wie ein rother Faden durch die Litteratur, nicht allein in Frankreich, son- dern auch in Deutschland; erst in jüngster Zeit ist durch Martius,! mich? und Engelmann? die Verschiedenheit der beiden Curven mit Be- stimmtheit ausgesprochen worden. Inwieweit Marey in seiner irrigen Meinung durch die Gestalt der nicht corrigirten Druckcurven befestigt worden sein mag, muss dahingestellt bleiben. ! Zeitschrift für klinische Mediein. Bd. XIX. S. 113. ? Die Untersuchung des Pulses u.s. w. 8. 112 ff. ® Archiv für die gesammte Physiologie. Bd. LII. 8. 357. Die Ermittlung absoluter Werthe für die Leistung von Pulsschreibern. (Aus dem physiologischen Institut zu Leipzig.) In der nachfolgenden Abhandlung wird der Versuch gemacht für die Prüfung der Instrumente, deren man sich zur Darstellung von Druck- pulsen im weitesten Sinne bedient, scharfe und allgemein giltige Regeln zu gewinnen. Die bisherigen Bestrebungen in dieser Richtung sind ganz unzulänglich. Zum Theil ist man darauf ausgegangen, die Zuverlässigkeit eines Instruments für einen gegebenen Fall, etwa eine bestimmte Puls- form, festzustellen. Obwohl diese Prüfung theoretisch einwandfrei gestaltet werden kann, lässt sie doch nicht hoffen, dem beständigen Wechsel und der unendlichen Mannigfaltigkeit der Formen auf diesem Wege gerecht zu werden. Zum anderen Theile ist man bestrebt gewesen, allgemeine Kenn- zeichen zu gewinnen für das, was ein Instrument zu leisten vermag. Hier steht es noch schlimmer. Keine einzige dieser Prüfungen genügt einer strengen Kritik, ja es fehlt nicht an offenkundigen Täuschungen und Irr- thümern. Dieselben haben zur Empfehlung und Verbreitung von Instru- menten geführt, welche der Aufgabe, für welche sie construirt wurden, nicht gewachsen sind. Im ‚Folgenden soll gezeigt werden, dass die Grenzen der Leistung für jedes Instrument in allgemeinen, von der speciellen Gebrauchsart un- abhängigen Werthen bestimmt werden können. Der Nutzen einer solchen Auswerthung kann nicht in Frage kommen. Zunächst lassen sich die An- gaben des Instruments mit völliger Sicherheit beurtheilen; weiterhin aber auch schärfer als bisher angeben, wie ein Pulsschreiber einer bestimmten Archiv f.A.u. Ph. 1893. Physiol. Abthig. 2 18 M. v. FREY: Aufgabe anzupassen ist. Die Abhandlung zerfällt daher in folgende Ab- schnitte: 1. Nach welchen Kennzeichen ist die Leistung eines Pulsschreibers zu beurtheilen ? 2. Auswerthung der zulässigen Beschleunigung; Untersuchung der Pulseurve auf die Anforderung, die sie in dieser Richtung an das In- strument stellt. 3. Besprechung anderer Prüfungsmethoden. 4. Folgerungen für die zweckmässige Anwendung und Construction der Apparate. I. Abschnitt. Nach welchen Kennzeichen ist die Leistung eines Pulsschreibers zu beurtheilen? Die Discussion dieser Frage geht am besten aus von einem Prüfungs- verfahren, welches ich nach dem Vorgange von Mach und Donders für verschiedene Arten von Pulsschreibern angewendet und beschrieben habe.! Es besteht darin, dass dem Instrumente bestimmte, ihrem zeitlichen Ver- laufe nach genau bekannte Bewegungen aufgezwungen werden und beobachtet wird, wie getreu das Instrument denselben folgt. Der deformirende Körper, am einfachsten die Hand, schreibt die hervorgebrachten Deformationen erstens unmittelbar und zweitens durch Vermittlung des zu prüfenden Pulsschreibers auf. Man erhält so zwei über einander geschriebene Curven, deren Gleichheit oder Ungleichheit sofort zu bemerken ist. Ungleichheiten der beiden Curven können, wenn man von groben Constructionsfehlern absieht, nur aus zwei Ursachen entstehen:. durch Reibung oder durch Trägheit. Der Einfluss der Reibung äussert sich in der Weise, dass die Aus- schläge des Instruments den erzeugten Deformationen nachhinken oder, wie man zu sagen pflegt, die Einstellung verzögert ist. Da der Reibungs- widerstand eine Function der Geschwindigkeit ist, so werden nicht alle Theile der Ourve in gleicher Weise entstellt. Genauere Angaben über die Art dieser Störung lassen sich aus den Arbeiten von Mach,’ sowie von Kries? entnehmen. Unter der Annahme, dass der Reibungswiderstand der Geschwindigkeit proportional sei, finden beide übereinstimmend, dass. ! Die Untersuchung des Pulses u. s. w. 8. 32. 51. 105. ” Wiener Sitzungsberichte. Bd. 46. I. Abth. 8.157. > Dies Archiv. 18718. 8. 419. DIE ERMITTLUNG ABSOL. WERTHE FÜR DIE LEISTUNG V. PULSSCHREIBERN. 19 die ursprüngliche Druckvariation, deren Form als Function der Zeit 2 ge- geben ist, durch den Ausdruck > 4 08 (gi+r) umgeändert wird in die Form > «sin (gt-+%) d.h. die vom Instrument geschriebene Curve hat dieselbe Periode (musi- kalisch gesprochen, dieselbe Tonhöhe) wie die ursprüngliche, setzt sich aber aus Schwingungen anderer Phase und Amplitude zusammen (hat eine andere Klangfarbe). Da es nun bei der Pulsschreibung nicht nur darauf ankommt, die Periode des Pulses richtig wiederzugeben, sondern die genaue Darstellung der Wellenform mit allen Mittel angestrebt wird, so folgt daraus, dass der Reibungswiderstand soviel wie möglich zu eliminiren ist. Man verliert dadurch allerdings den Vortheil, dass die eventuell auftretenden Eigen- schwingungen rasch vernichtet werden. Da man letztere aber auch durch andere, weiter unten zu erörternde Mittel auf ein sehr geringes Maass einschränken, bezw. vermeiden kann, so ist an dieser von Mach! klar aus- gesprochenen Regel festzuhalten. Wenn in neuerer Zeit wieder versucht wird, bei Tonographen gewisser Construction stärkere Reibungswiderstände zuzulassen, so muss dieser Weg als ein durchaus verfehlter bezeichnet werden. Ich komme unten darauf. zurück. Unter der Voraussetzung also, dass bei den zu betrachtenden Instru- menten die Reibung so klein wie irgend möglich gemacht worden ist, sind augenfällige Entstellungen der ÖCurven nur noch zu befürchten durch die Trägheit. Unter welchen Umständen und in welcher Form treten die- selben auf? Häufig wird angegeben, dass die grossen Geschwindigkeiten, welche den Instrumenten unter Umständen ertheilt werden, der Treue der Darstellung gefährlich werden. Dass diese Aussage unrichtig ist, kann durch das oben skizzirte Prüfungsverfahren leicht anschaulich bewiesen werden. Man kann sehr grosse künstliche Pulse mit steillem An- und Abstieg ohne Eigenschwingungen und dann wieder kleine mit sehr erheb- lichen Störungen zeichnen. Zur besseren Uebersicht der hier in Betracht kommenden Verhältnisse wird es sich empfehlen, die Bewegungen an einem ganz einfachen, den Eigenthümlichkeiten der Pulsschreiber aber in allen wesentlichen Stücken gleichwerthigen Modell zu studiren, oder richtiger an zwei Modellen, weil die Instrumente unterschieden werden müssen in solche, welche durch con- stante, und andere, welche durch veränderliche Kräfte im eine Ausgangs- lage zurückgetrieben werden. TUN a7 OSIST ION 20 M. v. Frey: 1. Pulsschreiber, deren zurückführende Kraft constant ist. Man hebe mittelst eines elastischen Fadens (Kautschukstreifen) einen schweren Körper, z. B. eine Bleikugel, vom Tische ab und führe sie mit der Hand in der Vertikalen auf und nieder. Auf einer vorbeigeführten Schreibfläche würde die Hand eine Curve zeichnen, welche ich die vorbild- liche oder vorgeschriebene nennen werde; die Kugel, eine zweite, welche die erzwungene oder nachgeschriebene heissen soll. Man wird indessen auch ohne Registrirung sofort bemerken, dass Hand und Kugel bei be- liebigen Bewegungen gleichen Abstand behalten, solange die Geschwin- digkeit eine gleichförmige ist. Dagegen bedingen alle Aenderungen der Geschwindigkeit, mit anderen Worten alle Beschleunigungen, eine grössere oder geringere Ab- weichung der Kugel von der vorgeschriebenen Curve Es entspricht dies durchaus den Erwartungen. Die Kugel kann wie jede träge Masse die neue Geschwindigkeit nicht augenblicklich annehmen, sie wird zunächst ihre bisherige beibehalten und sich von der führenden Hand entfernen, wenn deren Geschwindigkeit wächst, im anderen Falle sich ihr nähern. Sei v, die bislang, d. h. bis zum Zeitpunkte 4, con- stante Geschwindigkeit von Hand und Kugel, so können ihre Bahnen bezw. die des oberen und unteren Faden- endes durch die parallelen Geraden UN und MN, der Fig. 1 dargestellt werden. Im Zeitpunkte £ sei die Ordinate des unteren Fadenendes , die des oberen y,, y,—y=I1 die Länge des elastischen Fadens. Im Punkte z ändere nun die Hand ihre Geschwindigkeit, sie schreite in der Richtung N, € mit der Geschwindigkeit v, weiter, während die’ Kugel anfänglich noch mit der alten Geschwindigkeit » in der Rich- tung NMB sich bewegt. Ist die Hand, bezw. das obere Fadenende, im Zeitpunkte /+dt in C angelangt, so ist: Dis ERMITTLUNG ABSOL. WERTHE FÜR DIE LEISTUNG v. PULSSCHREIBERN. 21 ; AC= Ay, = vd AND AB dyn—0.dt BC = dy = (w-v) d = dodt. Die Beschleunigung der Hand ist: dv _d’y BC de do m at, Nun ist aber D,C offenbar das Stück, um welches sich der Faden NN, =! in der Zeit dt verlängert: BO — die Daraus ergiebt sich der Satz: Aendert der führende Körper (die Hand) seine Geschwindigkeit, so ändert sich die Entfernung zwischen ihm und dem geführten Körper (der Kugel) um eine Länge, welche der Beschleunigung des führenden Körpers in dem be- trachteten Zeitelemente proportional ist. Der geänderten Entfernung zwischen Hand und Kugel entspricht aber auch eine andere Spannung des Fadens. Bei ruhig stehender Hand ist sie gleich dem Gewicht der Kugel und dieser Werth bleibt erhalten, wenn Hand und Kugel sich mit derselben gleichförmigen Geschwindigkeit be- wegen. Aendert sich aber der Abstand zwischen Hand und Kugel, z. B. im Sinne einer Vergrösserung, um die Länge di, so erfährt auch die Spannung einen Zuwachs dp, dessen Grösse durch den KElastieitätsmodul des Fadens bestimmt ist. Nimmt man an (was auch für die zu betrach- tenden Formen von Pulsschröibern im Allgemeinen zutrifft), dass der Elastieitätsmodul # für den betreffenden Faden constant ist, so wird do edle ee Ale este al) worın k eine von den Dimensionen des Fadens abhängige Constante | _ Querschnitt Länge darstellt. Obwohl nun streng genommen, keine Beschleunigung denkbar ist, bei welcher eine Störung der nachgeschriebenen Curve nicht stattfindet, so er- scheint es doch nicht ausgeschlossen, sie durch gewisse methodische Maass- nahmen soweit einzuschränken, dass sie auf den Werth der sonstigen, mit der Aufzeichnung unabwendbar verbundenen Unvollkommenheiten 1 Die Incorrectheit, welche darin liegt, dass B,C einmal als unendlich kleine Grösse II. Ordnung (d?y), das andere Mal als eine solche I. Ordnung (dl) auftritt, ist nur eine scheinbare. Die Verlängerung d/ des Fadens stellt sich dar als eine Differenz zweier Differentiale (dy,—dy), ist also von derselben Grössenordnung wie d?’y. Die gleiche Bemerkung gilt für dp. 22 M. v. Frey: herabsinken. Es lässt sich auch sofort angeben, wie zu dem Ende vor- gegangen werden muss. Offenbar wird es vortheilhaft sein, die Masse der Kugel möglichst zu verringern, den Faden aber sehr wenig dehnbar zu wählen. Je grösser für eine gegebene Verlängerung der Spannungszuwachs dp ist, desto eher wird die Kugel veranlasst, in die neue Geschwindigkeit einzulenken. Ich werde daher im Folgenden die Grösse dp als corri- sirende Spannung bezeichnen. Genauere Einsicht in den Zusammenhang und die quantitativen Be- ziehungen zwischen den maassgebenden Factoren erhält man durch die Analyse der Bewegung, welche die einmal abgelenkte Kugel weiterhin ausführt. . Vorausgesetzt wird, dass die Masse des Fadens gegen die der Kugel stets zu vernachlässigen ist. Ferner sei zunächst angenommen, dass der führende Körper (die Hand) ihre neue Geschwindigkeit » + dv dauernd beibehalte. Ist die Kugel in Folge der einmal eingetretenen Beschleunigung aus ihrem normalen Abstand von der Hand herausgetreten, welcher die Gleich- gewichtslage zwischen der Fadenspannung und der Schwere darstellt, so wird sie in denselben zurückgetrieben durch Kräfte, welche der Aus- weichung proportional wachsen. Die Bewegung wird also eine um diese Lage schwingende sein und der Ort des Schwerpunktes der Kugel wird für jenen Zeitmoment 7 bestimmt durch die Gleichung wo a die Amplitude und 7 die Dauer der Schwingung bedeutet. Für den Beginn der Bewegung ist £= 0 zu setzen. Die erste Ableitung nach der Zeit giebt die Geschwindigkeit u ER T Setzt man hierin {= o, so erhält man die Geschwindigkeit, mit welcher der Körper aus der Gleichgewichtslage heraustritt, oO . . ° OD O . 2rı n— 2m . . . . . . . . . . Dieselbe ist offenbar identisch mit dem oben als dv bezeichneten Geschwin- digkeitszuwachs des führenden Körpers, woraus sich der Satz ergiebt: Die maximale Ausweichung des schwingenden Körpers, mit an- deren Worten die Amplitude seiner Eigenschwingung, ist der Beschleunigung des führenden Körpers proportional. Die zweite Ableitung der Gleichung 2) giebt die Beschleunigung w, mit welcher sich die Kugel aus der Gleichgewichtslage entfernt, bezw. sich ihr nähert: DiIE ERMITTLUNG ABSOL. WERTHE FÜR DIE LEISTUNG V. PULSSCHREIBERN. 23 An? . 2nt 3 Die Ze, SINE Sa a re 10 ) Setzt man in derselben 2=°/,7, so erhält man für den Moment der grössten Ausweichung Ar? W=a m und nach Multiplication mit der Masse m der Kugel An? 4 mW=am 7 N) Die beschleunigende Kraft oder corrigirende Spannung ist der Ausweichung proportional, was der Voraussetzung entsprieht. Die Arbeit, welche sie an der Masse m der Kugel leistet, indem sie dieselbe aus der Entfernung «a von der Gleichgewichtslage um das Stück da gegen diese hinbewegt, ist dA=m = a da, und auf dem ganzen Wege bis zur Gleichgewichtslage, wobei die Beschleu- nigung alle Werthe von | a bis ze 0 durchläuft, gleich dem Integral der letzten Gleichung zwischen den Grenzen 0 und a: 2 4rı Ben 2 A—ıl, ma TIER Für die auf diesem Wege verlorene potentielle Energie entsteht eine gleich- werthige Menge Bewegungsenergie oder lebendige Kraft Mvg- ae N) = dr el Ewa 7?» MVg- Ar? woraus am Nun erhält man ebenso aus 4) mW 4“ Der: Der Ausdruck auf der linken Seite des Gleichheitszeichens bedeutet die corrigirende Spannung für die Einheit der Ausweichung, ist also nach Gleichung 1) identisch mit dem Werthe AE. So erhält man schliesslich und fans: Setzt man für A den oben angegebenen Werth, so wird auch rechts vom Gleichheitszeichen die Dimension = [L]. In Worten ausgedrückt, besagt 24 M. v. FREY: die Gleichung: Die Amplitude der Eigenschwingung ist der Ge- schwindigkeit beim Verlassen der Gleichgewichtslage, sowie der Quadratwurzel aus der Masse direct, der Quadratwurzel aus dem Elasticitätsmodul verkehrt proportional. Die Eigenschwingungen, welche unter den bisher ausschliesslich be- rücksichtigten Verhältnissen unbegrenzt lange andauern sollten, erlöschen bald. Die Erfahrung lehrt, dass die mit der graphischen Registrirung unvermeidlich verbundenen Reibungswiderstände genügen, sie in kurzer Zeit zum Verschwinden zu bringen. Durch Vermehrung der Reibung lässt sich allerdings das Erlöschen der Eigenschwingungen früher erreichen, zugleich geht aber auch die einfache Beziehung verloren, von welcher aus- gegangen wurde, dass die Länge (und Spannung) des Fadens für alle con- stanten Geschwindiekeiten, also auch für die Geschwindigkeit 0 dieselbe ist. Ich nehme also hier an, dass die Reibungswiderstände so gering seien, dass von einer Öorrectur der obigen Annahme abgesehen werden kann. Die neue Geschwindigkeit wird dann von dem geführten Körper zwar nicht augenblicklich, aber in kurzer Zeit angenommen und er ist in Folge dessen im Stande, auf wiederholte Beschleunigungen stets in der geschil- derten Weise zu reagiren. Tritt eine zweite Beschleunigung ein, bevor die von der ersten herrührenden Eigenschwingungen abgelaufen sind, so nimmt der geführte Körper eine aus den beiden Schwingungen combinirte Schwin- gungsform an, deren Ausweichung für jeden Zeitpunkt durch Summation der Ordination der einfachen Schwingungen gefunden werden kann. Um- gekehrt können aus der gegebenen Schwingungsform durch Zerlegung nach dem von Hensen ! und Hermann? ausgebildeten Verfahren die einzelnen Componenten isolirt werden. Die gleichen Betrachtungen gelten auch für eine Abänderung des be- schriebenen Schema’s in der Weise, dass der geführte Körper nicht an dem führenden hängt, sondern ihm unter Zwischenschaltung eines elastischen, wieder als masselos angesehenen Stückes aufliegt. Ein solcher Fall ist verwirklicht bei dem Sphygmographen von Vierordt, dem Angiographen von Landois, den Sphygmographen von Sommerbrodt, Richardson, kurz bei allen Sphygmographen mit Gewichtsbelastung. Die Rolle des elastischen Körpers wird dabei von der Haut sammt unterliegenden Geweben übernommen. Es ist ferner zu beachten, dass die be- wegten Massen nicht fortschreitende, sondern drehende Bewegungen aus- führen. Es müssen demnach bei der Anwendung obiger Sätze statt der ! Physiologie des Gehörs in Hermann’s Handbuch der Physiologie. Bd. III, Abth. II. 8. 449. ® Pflüger’s Archw. Bd. 47. 8. 44. DIE ERMITTLUNG ABSOL. WERTHE FÜR DIE LEISTUNG V. PULSSCHREIBERN. 25 Massen die Trägheitsmomente, statt der Kräfte ihre Drehungsmomente und . die Beschleunigungen als Winkelbeschleunigungen in Rechnung kommen. Ein weiteres Eingehen auf diese Instrumente ist hier nicht beabsichtigt; ich wende mich vielmehr zur weiteren Gruppe von Pulsschreibern. 2. Instrumente, deren zurückführende Kraft veränderlich ist. Bekanntlich entspricht die weitaus grössere Zahl von Instrumenten, welche zur Schreibung von Druckpulsen in Gebrauch sind, nicht dem zuerst gewählten Schema, da sie nicht durch constante Kräfte, wenigstens nicht ausschliesslich durch solche, vielmehr vorwiegend durch veränderliche Kräfte in die Ausgangslage zurückgeführt werden. Es ist sehr leicht, die oben gewählte schematische Versuchsanordnung so zu ergänzen, dass sie diesem Umstand Rechnung trägt. Man braucht nur die als Bewegungsobject dienende Blei- kugel ausser mit der Hand auch noch mit dem Tische durch einen dort befestigten elastischen Faden zu verbinden. Man kann dies so auf- fassen, als ob die Kugel in den elastischen Faden eingeschaltet oder auf ihn aufge- schoben wäre. Denkt man sich den Faden allein gedehnt, so wird injedem Querschnitt dieselbe Spannung erzeugt. Schalte man nun die Kugel ein, welche man sich zunächst als schwerlos vorstellen kann,! so wird die Spannungs- gleichheit sämmtlicher Querschnitte für jede Ruhelage und ebenso für jeden Moment einer Bewegung (Dehnung) nicht gestört, wenn sie nur so aus! geführt wird, dass dabei die Kugel eine constante Geschwindigkeit behält. Jede andere Dehnung, welche die Kugel zu einer Aenderung ihrer Ge- schwindigkeit zwingt, wird ein Voraneilen oder Zurückbleiben des Kugel- mittelpunktes gegen den entsprechenden Punkt des leeren Fadens und eine Spannungsungleichheit zu beiden Seiten der Kugel herbeiführen. Was die Curve betrifft, welche der bewegte Körper schreibt, so kann sie bei dem betrachteten Modell der vorgeschriebenen nicht mehr con- gruent sein, da jeder Fadenpunkt bei der Dehnung eine andere Länge, proportional seinem Abstand vom Befestigungspunkt durchläuft. Hat man Fig. 2. ! Eine Anordnung, für welche dies zutrifft, ist durch Fig. 2 schematisch dar- gestellt. Die Masse M wird durch zwei in verticaler Richtung gespannte Fäden schwebend erhalten. Ein dritter Faden zieht die Masse in horizontaler Richtung aus der Gleichgewichtslage. 26 M. v. Frey: die Kugel in der Mitte des Fadens angebracht, so wird sie genau halb so grosse Ordinaten zeichnen als die dehnende Hand. Diese Aehnlıehkeit der beiden Curven wird indessen nach den obigen Erörterungen auch nur so lange bestehen, als Hand und Kugel gleichförmige Geschwindigkeit be- sitzen. Jede Beschleunigung in der Bewegung der Hand muss eine Un- ähnlichkeit der beiden Curven, eine Spannungsungleichheit zu beiden Seiten der Kugel erzeugen oder, um die oben gebrauchte Bezeichnung beizube- halten, eine corrigirende Spannung. Die Grösse der corrigirenden Spannung ist wie früher eine Function des Wegelementes d/, um welches der geführte Körper voraneilt oder zurückbleibt, also ebenso eine Function der Be- schleunigung des führenden Körpers; sie ist derselben proportional und ‚ der Proportionalitätsfactor hat für jede Länge des Fadens denselben Werth, wenn der Faden einen constanten Elastieitätsmodul besitzt. Wird diese wie früher vorausgesetzt, so lassen sich alle oben abgeleiteten Beziehungen auch auf dieses Schema anwenden und ausdrücken durch den Satz: Erzwungene Bewegungen werden, sofern sie von gleichförmiger Geschwindigkeit sind, unter allen Umständen richtig, wenn auch in verkleinertem Maassstabe wiedergegeben; Beschleuni- gungen bedingen eine Störung der nachgeschriebenen Curve durch Eigenschwingungen, deren Amplitude der Beschleuni- gung der vorbildlichen Bewegung proportional ist. Die Ab- hängigkeit der Amplitude von der Masse der Kugel und dem Elasticitätsmodul des Fadens ist die gleiche wie früher. In die Classe von Pulsschreibern, welche durch das zweite Schema repraesentirt wird, gehören: Die Federsphygmographen, sowie sammtliche Manometer und Tonographen. Es ist für die hier betrachteten Beziehungen offenbar gleichgiltig, ob die Bewegung auf das Instrument durch Zug oder Druck übertragen wird. Auch die Erwägung, dass in den meisten Fällen, wenn nicht in allen, noch eine constante Kraft, die Schwere, an der Zurückführung betheiligt ist, ändert nichts an dem Inhalt der gewonnenen Sätze. Es wird zwar in der Ruhe wie bei allen Bewegungen eine der (Grösse dieser Kraft gleiche Spannung oder Spannungsdifferenz in den elastischen Theilen des Instruments vorhanden sein, die corrigirenden Span- nungen sind aber nach wie vor nur von dem Rlastieitätsmodul des federn- den Stückes abhängig und für die untersuchten Störungen allein maass- gebend. Die zu Eingang dieses Abschnittes gestellte Aufgabe ist somit dahin gelöst, dass für alle Arten von Pulsschreibern die Treue der Darstellung eine unbegrenzte ist, so lange es sich um Druckänderungen gleichförmiger Geschwindigkeit handelt; dass dagegen bei Beschleunigungen im Allgemeinen Störungen zu erwarten sind, welche denselben proportional wachsen. Die ERMITTLUNG ABSOL. WERTHE FÜR DIE LEISTUNG V. PULSSCHREIBERN. 27 Die Leistung eines Pulsschreibers ist zu beurtheilen nach dem Be- schleunigungswerthe, welchen er ohne störende Eigenschwinsungen zu zeichnen vermag. II. Abschnitt. Auswerthung der zulässigen Beschleunigung; Untersuchung der Pulseurve auf die Anforderung, die sie in dieser Richtung an das Instrument stellt. Nach den Erörterungen des vorausgehenden Abschnittes ist die Leistung eines Pulsschreibers zu bemessen nach der Beschleunigung, welche er ohne merkliche Eigenschwingungen nachzuzeichnen vernag. Zur Ausmittlung dieses Werthes eignet sich vorzüglich das Eingangs beschriebene Prüfungs- verfahren. Gesetzt die Hand würde in reinen Sinusschwingungen nach Gleichung 2 8. 22 auf- und niedergehen, so würde die Beschleunigung in jedem Zeitmoment gefunden aus der Gleichung 3 8.23. Das Maximum der Beschleunigung wird statthaben in dem Momente 4, — maximum, für welchen: d’x an! wird, also in den Zeiten: 7 370 2n+1 ae ee Für eine Schwingung von der Form: 2 = >Acos.(gt 4 7) = A, cos(gt +) + 4,008 (+7) + --- würden sich ebenso die Zeiten grösster Beschleunigung finden lassen durch die Bedingung: DIAP sin (d+trT)=(0. Nun lässt sich bekanntlich jede periodische Function, also auch eine Pulseurve, in eine solche Reihe auflösen und aus einer Anzahl gemessener Ordinaten ein längeres oder kürzeres Stück der Reihe nach den Methoden der Wahrscheinlichkeitsrechnung bestimmen. Bei der Unsicherheit, welche in dem vorliegenden Fall an der Messung der Ordinaten haftet, schien mir die Ausführung der Rechnung nicht lohnend. Ich habe mich begnügt, ‘eine Anzahl Ordinaten auszumessen und deren zweite Differenzen, bezw. die zweiten Differenzenquotienten der Curve oder die Werthe A?y und 4A?y/J At? zu bilden. Bevor ich auf die Resultate der Messung und die zu erreichende Genauigkeit eingehe, sei die Gewinnung und Messung der Curve kurz beschrieben. 28 ; M. v. FRkEy: Ein Tonograph von der früher beschriebenen Construction ! wird statt mit der Arterie mit einem sehr kleinen wassergetüllten Glastrichter verbunden, dessen weite Oefinung mit einer starken Kautschukmembran doppelt überbun- den ist. Diese Membran wird durch einen mit der Hand geführten Hebel defor- mirt und die Deformation durch den Hebel direct aufgezeichnet. Darüber zeich- net der Tonograph die durch die Deformation erzeugten Drücke; als Beispiel des Verfahrens diene Fig. 3. Die Curve des Tonographen kann entstellt sein: 1. Durch Reibung. Die augenfälligste Wirkung der Reibung ist die Verschiebung der Phasen. Zieht man also durch die Maxima und Minima der einen Curve die bogenförmig gekrümmten Ordinaten als Zeitmarken, so fallen die zugehörigen Marken der anderen Curve nicht durch identische Punkte. AN Nee | l NE ai Fig. 3. Prüfung meines Tonographen. Unten Curve der Hand, oben Curve des Instruments. —I—h II SI In Stimmgabel !/,, Sec. Vergr. ?Ja. 2. Durch Eigenschwingungen. Dieselben verrathen sich durch über- zählige Maxima und Minima oder noch sicherer durch überzählige Wende- punkte Da die Eigenschwingungen als Sinusschwingungen aufzufassen sind, so muss beim Durchgang durch die Gleichgewichtslage ein Zeichen- wechsel des zweiten Differentialquotienten stattfinden oder in der Ourve ein Wendepunkt. Ob zwischen zwei solchen Punkten irgend ein Ordinaten- werth existirt, für welchen der erste Differentialguotient Null wird, das hängt von der Riehtung des Curvenzuges in dem betrachteten Stücke ab und kann nicht als allgemeines Kennzeichen angesehen werden. “ Dass beide Arten von Störungen in dem gewählten Beispiele nicht in merklichem Grade vorhanden sind, wird schon durch die makroskopische ! Dies Archiv. 1890. 8. 31. Die ERMITTLUNG ABSOL. WERTHE FÜR DIE LEISTUNG V. PULSSCHREIBERN. 29 Vergleichung der beiden Curven, noch sicherer durch die mikroskopische Untersuchung und Ausmessung bewiesen. Misst man an der Druckeurve eine Anzahl gleichabstehender Ordinaten und bildet ihre Differenzen, so sind dieselben offenbar proportional den Werthen = für die gleichen Or- dinatenpaare. Werden die gefundenen Differenzen nochmals von einander abgezogen, so erhält man zweite Differenzen proportional den Werthen 4 Es fragst sich nun: Wie, nahe müssen die gemessenen Ordinaten an- einander liegen, damit die ersten und zweiten Differenzen als Maass der Geschwindigkeit, bezw. der Beschleunigung der Druckbewegung an dem betreffenden Curvenorte gelten können? Augenscheinlich so nahe, dass die Einschiebung weiterer Messungen keine neuen Differenzwerthe ergiebt. Würden also die Fehler der Ordinatenmessung unendlich klein gemacht werden können, so müssten auch die gemessenen Ordinaten unendlich nahe nebeneinander liegen, um die bezeichnete Grenze zu erreichen. Die Fehler der Ordinatenmessung sind nun leider ziemlich erheblich. Es liegt dies in der Kleinheit der Curven begründet, dann aber auch in der Unvollkommen- heit der Schreibung in Russ überhaupt. Selbst bei sehr zarter Berussung des Papiers, was nebenbei bemerkt am besten mit einer Leuchtgasflamme gelingt, und bei möglichster Feinheit der schreibenden Spitze, d. h. bei einer Linienbreite von etwa 0-05"m, haben die Curven unter dem Mikro- skope bei mehrhundertfacher Vergrösserung ein sehr unvollkommenes Aus- sehen. Die schreibende Spitze arbeitet in der dünnen Russschichte und über die Unebenheiten des Papiers hinweg wie ein Schneepflug, d. h. bald rechts, bald links wird ein Häufchen abgelagert und der als breite Strasse erscheinende Curvenzug hat einen sehr unregelmässigen Contour, welcher mehr an ein Sägeblatt, als an ein gleichmässig gekrümmies Band erinnert. Dass diese Unstetigkeiten ein Kunstproduct sind und nicht in der Be- wegung selbst begründet sein können, ist klar. Der Gedanke, dass es sich um sehr kleine und rasche Schwingungen handeln könnte, wird ausge- schlossen durch die Regellosigkeit, mit der die Störungen den einen oder anderen Contour des Curvenzugs betreffen. Es handelt sich also zweifellos um Unvollkommenheiten der Darstellung, und es ist daher, so lange bessere Registrirmethoden nicht zur Verfügung stehen, erlaubt, die Curven zu corrigiren. Ich bin folgendermaassen verfahren. Bei zweihundertfacher Vergrösse- rung wurde der innere oder äussere Contour, meist der innere, des Curvenzuges mit der Camera lucida auf Carton gezeichnet, die Zeichnung ausgeschnitten und als Schablone aufgelegt auf eine mit dünner Schellak- schichte überzogene Glasplatte. Fuhr ich nun mit einem scharf ge- 510) ' M. v. Frey: schliffenen Messer an der Schablone entlang, so entstand in der Schellak- haut eine Spur, welche bei einer Breite von 0-01—0.002 "m einen äusserst gleichmässigen Contour zeigte. Diese Curve wurde unter dem Mikroskope ausgemessen. Zu dem Ende wurde auf die erste Glasplatte eine zweite gelegt, auf deren Unterseite ein sehr feines Millimeternetz eingeritzt war. Beide Glasplatten wurden dann, durch ein Paar Paraffintropfen unverrück- lich miteinander verbunden, unter ein Mikroskop gebracht, in dessen Ocular sich ein Netzmikrometer befand. Objectiv, Ocular und Tubuslänge wurden so gewählt, dass 10 Striche des Oculargitters auf ein Millimeter der ge- theilten Glasplatte fielen, also 100 Felder des Oculars auf ein Quadrat- millimeter. Die Einstellung der Ränder war durch den in zwei Richtungen verschiebbaren Objecttisch sehr erleichtert. Da Millimeternetz und Curve fast in einer Ebene lagen, so genügte eine minimale Senkung des Tubus, um letztere scharf zu sehen, und es hatte nun keine Schwierigkeit, den Zug der Curve durch das Oeulargitter zu verfolgen und die Ordinaten bis auf Y/, 00 "® gleich Y/oo00 " des Originals auszumessen. Auf den ersten Blick erscheint die Methode der Vergrösserung zu unvollkommen, als dass es sich verlohne auf die Ausmessung so viel Mühe zu verwenden. Es wird sich indessen zeigen, dass das Verfahren genügt, um in erster Annäherung das Verhältniss der hier in Betracht kommenden Werthe sicherzustellen. Zur Ausmessung wählte ich aus den Probecurven solche aus, welche trotz anscheinend starker Beschleunigung eine Störung durch Eigenschwin- gungen nicht erkennen liessen. Dieselben wurden dann stückweise ver- srössert und ausgemessen, wobei der Abstand der Ordinaten zu 0.5" der Vergrösserung, gleich 0.0025 ®" des Orieinals, gewählt wurde. Ich theile zunächst das Resultat einer solchen Messung mit, welche sich auf den Gipfel eines künstlichen Pulses beschränkt. Tabelle I. Ausmessung des Gipfelstückes einer künstlichen Pulscurve in 200facher Vergrösserung. DI Eee Ahseiss -11 | D . Abseissen Or dinaten 4y | 4% Abseissen Ordinaten Ay 4% m ER RA a5 N A IaER MER | | sämmtl VAOREEN | — | _ — 3:0 1-61 + 1:58 | negativ 05 1 — | —_ _ 3-5 3:19 | +1.51 0-07 Een — _ 4-0 4-70 | + 1r44 0-07 5 | _ = _ 45 6-14 + 1:40 0-04 DO = = 5.0 1.54 | + 1-38 0-07 2-5 u _ == +5 8-87 | + 1.28 0-05 DIE ERMITTLUNG ABSOL. WERTHE FÜR DIE LEISTUNG V. PULSSCHREIBERN. 31 Fortsetzung der Tabelle 1. Millimeter Millimeter udn | nn Ay 4% er nen Ay 4°y 6-0 10-15 + 1:22 0-06 25-0 33-40 | — 0.20 0-05 6+5 11-37 +117 | 0-0 25-5 33-200 | —0-28 0-08 7-0 12-54 +1+13 0-04 26-0 32-92 | —0-32 0-04 7-5 13-67 +1:09 0-04 26-5 32-60 — 0-37 0-05 8:0 14:76 | + 1:04 0-05 27-0 322.3 1 — 0-4 0:04 8-5 15-80 + 1-00 0-04 27-5 31-82 — 0-46 0-05 9.0 16-80 | +1:00 0:00 28-0 31-36 — 0-50 0-04 9-5 17-S0 | +09 0-01 28-5 30-86 — 0:53 | 0-03 10-0 18-79 + 0:95 0-04 29-0 30-33 — 0-56 | 0-08 10-5 19-4 | +09 0-00 29-5 29-77 | — 0-59 0-03 11-0 20-69 + 0:92 0-03 30-0 29.18 — 0-62 0-03 11-5 21-61 | + 0-90 0-02 30-5 28-56 — 0:65 0-03 12-0 22-51 + 0-86 0-04 31-0 27-91 — 0-69 | 0-04 12-5 23-37 + 0-83 0-03 31-5 27-22 — 0:70 0-01 13-0 24:20 + 0-80 0-03 32-0 DICK PLA 0-01 13-5 25-00 + 0-77 0-03 32-5 25.80 0er 0-06 14-0 25.7 | +0: | 0-02 33.0 | 25-04 | — 0-81 | 0-04 14-5 26-52 + 0-70 0-05 33-5 24-23 | — 0-85 0-04 15-0 27-22 + 0-68 0-02 34-0 | 23-38 — 0.88 0-03 15-5 27-90 + 0:66 0-02 34-5 22-50 — 0:92 | 0-04 16-0 28-56 + 0:65 0-01 35-0 21-58 — 0:96 0-04 16-5 29-21 + 0-64 0-01 35-5 29-62 | — 0-97 0-01 17-0 29-85 +0-59 | 0-05 36-0 19-65 — 1:08 0-06 17-5 30-44 + 0-51 0-08 36-5 18-62 — 1:06 0-08 18-0 30-95 + 0-47 0-04 37:0 17-56 — 1:08 | 0.02 18-5 31-42 + 0-43 0-04 37-5 16-48 ale 0-03 19.0 31-85 +0-40 | 0-03 33-0 15-37°° | —1-12 | 0-01 19-5 32-25 + 0-38 0-02 38-5 14:25 1-14 0-02 20-0 32-63 + 0-30 0-08 39-0 13-11 — 1:19 0-05 20-5 32-93 + 0-24 0-06 39-5 11-92 — 1-20 0-01 21:0 33-17 + 0-20 0-04 40:0 10-72 1005 0-05 21-5 33-37 + 0.14 0:06 40°5 9.47 — 1.29 0-04 22-0 33-51 + 0:09 0-05 41-0 8-18 — 1:35 0-06 22-5 33-60 + 0-05 0-04 41-5 6-83 — 1:38 0-03 23.0 | 33-65 +0-015 | 0-055| 42-0 5-45 te 0-04 23.5 33-665 | — 0-0385 | 0-05 42-5 4-03 —. 1:46 0-04 24-0 33-63 — 0.08 0-045| 43-0 2-57 —1-51 0.05 24-5 33-55 — 0:15 0-07 43-5 1:06 = | _ Bemerkungen zu Tabelle I. Die Zahlen des vierten Stabes enthalten die zweiten Ordinatendiffe- renzen, d. h. Werthe, welche den zweiten Differenzenquotienten proportional 32 M. v. FRrry: sind. In diesem Stabe findet sich kein Zeichenwechsel; sämmtliche Werthe sind negativ bis auf zwei, welche O sind. Dadurch ist erwiesen, dass Eigen- schwingungen fehlen, obgleich die Länge des ausgemessenen Stückes, wie Vergleiche mit anderen Curven ergeben, reichlich genügen würde solche nachzuweisen. Die Werthe von A?y schwanken ziemlich regellos zwischen 0-00 u. 0-08, was zu einem Theile wenigstens auf die Unvollkommenheit der Vergrösse- rung und Ausmessung der Curven zu setzen ist. Die beobachteten Werthe finden sich mit folgender Häufigkeit: ömal der Werth 0-08 4 „ 2) ” 0.07 6 ” ” ” 0.06 13 „ „ „ 0.05 1 „ ” ” 0.045 2a „0.04 a „.. 0.035 1A, 008 7 „ „ „ 0.02 $) „ ” „ 0.01 0200 Am häufigsten ist demnach der Werth 0-04, und als Durchchnittswerth findet man 0.0386. Nimmt man an, dass der zweite Differentialguotient der Curve eine Constante sei, die Schwankungen des Differenzenquotienten um den Durchschnittswerth nur eine Folge der technischen Unvollkommen- heiten, so wird der Differentialquotient gleich dem Differenzenquotienten, der obige Durchschnittswerth 0-0386 aber eine dem Parameter der Parabel verkehrt proportionale Grösse. Bezeichnet man den Parameter mit 2p, so ist sein Werth gegeben durch die Gleichung: Ze 4”y d’y Da die Zeit hier als eine Länge erscheint, so sind die Dimensionen auf beiden Seiten der Gleichung dieselben, nämlich = [7]. Es dürfte indessen doch willkürlich sein, das ausgemessene Öurven- stück ohne weiteres als eine Parabel anzusprechen. In den Bewegungs- bedingungen findet sich nichts, was auf eine so einfache Beziehung hin- weist. Dagegen lässt die Gleichmässigkeit des Werthes 4°, in einzelnen Abschnitten des ausgemessenen Curvenstückes auf eine constante Beschleu- nigung innerhalb dieser Abschnitte schliessen. Die Constanz des Werthes 4°, über grössere oder kleinere Strecken der Öurve weist aber weiter darauf hin, dass die Messung bereits an jener ZU 2 DIE ERMITTLUNG ABSOL. WERTHE FÜR DIE LEISTUNG V. PULSSCHREIBERN. 33 Grenze angelangt ist, wo die Einschiebung weiterer Ordinaten keine neuen Werthe mehr ergiebt. Dies habe ich bei einer zweiten Durchmessung der - Öurve, wobei auf das Millimeter Abseisse (der vergrösserten Curve) 10 Ordi- naten kamen, bestätigt gefunden. Es zeigte sich, dass eine Aenderung der Geschwindigkeit durchschnittlich für je 0.645 "m Abscisse eintrat, woraus folgt, dass eine Messung der Ordinaten in einem Abstand von 0-5 "m für die erreichbare Feinheit der Messung genügt, um die Werthe von 4°y richtig zu erhalten. Die Ausmessung einer zweiten künstlichen, von Eigenschwingungen ebenfalls freien Pulscurve, ergab durchaus ähnliche Resultate, so dass eine Anführung der Werthe mir nicht nöthig erscheint. Die Resultate dieser Messungen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Wählt man aus einer Anzahl künstlicher, bei der Prüfung des Tono- graphen erhaltenen Pulscurven solche aus, welche augenscheinlich hohe Beschleunigungen, aber keine Eigenschwingungen aufweisen, so ergiebt die Ausmessung, dass zweifellos eine Beschleunigung von 0.0002 "m Ordinate pro (0.0025 ”® Abscisse)? von dem Instrument richtig gezeichnet werden kann, höchst wahrscheinlich aber auch noch um das Anderthalb- bis Zwei- fache höhere Werthe.e Um nun diese Coordinatenlängen in Druck- und Zeitwerthe überzuführen, gerügt die Angabe, dass 1" Ordinate gleich 25°® Hg-Druck und 1m" Abseisse gleich '/;, Sec. = !%0%,. o ist. Man erhält demnach: 23x10 x 25 um Hg 89 1155 200 — = 1:15 mm Hg > [03 (25x10 *x 1], Sec.)? Mit diesen dem Instrumente noch angemessenen Beschleunigungen sind nun die bei der Pulsschreibung wirklich vorkommenden Werthe zu vergleichen. Ich wähle hiezu die Pulscurve, welche erfahrungsgemäss die grössten Anforderungen an die Instrumente stellt, nämlich den Puls der Herzkammer. Ihre Form nehme ich zunächst als bekannt an und stütze mich in dieser Beziehung auf die unmittelbar vorhergehende Abhandlung. Der strenge Beweis, dass diese Form richtig ist, wird durch die vorliegende Abhandlung erbracht. Eine vollkommen ausgebildete Kammercurve besteht aus folgenden Stücken (vergl. Fig. 4): An die Zeit der Kammerpause schliesst sich ein Curvenabschnitt mit positiver Beschleunigung, ungefähr entsprechend der sogen. Anspannungszeit. Bald folet, in der Regel vor der Oeffnung der Acrtenklappen, der erste Wendepunkt, die Beschleunigung wird negativ. Diesem Abschnitt gehört der Curvengipfel an. Sehr nahe hinter dem Gipfel liest der zweite Wendepunkt und damit der Uebergang zu einer zweiten Strecke positiver Beschleunigung, entsprechend jenem Stücke, wel- ches ich in der vorhergehenden Abhandlung als Abbild des absteigenden Archiv f, A, u. Ph, 1893. Physiol, Abthlg. 3 34 M. v. Frky: Schenkels im normalen Arterienpuls bezeichnet habe. Diese Strecke ist kurz und geht durch einen dritten Wendepunkt, welcher wahrscheinlich mit dem Schluss der Aortenklappen zusammenfällt, in eine zweite Strecke negativer Beschleunigung über, die von mir als Schulter bezeichnet wurde. N) 05Sec. Pi Fig. 4. Puls der linken Herzkammer des Hundes mit ungewöhn- lich stark ausgebildeter Schulter (Vagusreizung). Die Wendepunkte sind mit I—IV bezeichnet, mit + und — die Vorzeichen der Beschleunigungen in den entsprechen- den Abschnitten. Vergr. !!),. Ein vierter Wendepunkt endlich vermittelt den Uebergang zu der Strecke negativen Drucks. Die späteren Stücke des dia- stolischen Theils der Curve sollen hier nicht weiter berücksichtigt werden, weil ihre Beschleunigun- gen zu gering sind. Die fünf besprochenen Stücke der Curve werde ich als Anfangs-, Gipfel-, Zwi- schen-, Schulter-und End- stück bezeichnen. Ver- srössert man die einzel- nen Stücke der Curve nach dem oben beschrie- benen Verfahren und misst sie aus, so findet man die grössten Werthe für die zweiten Ordinatendifferenzen in der Nähe des Gipfels. Ich begnüge mich daher, nur ein solches Stück in der Tabelle II mitzutheilen. Tabelle II. Ausmessung eines Stückes aus einem Pulse der linken Herzkammer. Millimeter Millimeter . In . ! | . |y . een Or Sa Ay 1 y ee ‚Or an Ay 2% 1602, ale 72/21 046.0:50 0 6-72 0-49 0-01 0-52 2.22 0-50 4-5 7:21 0:49 0-0 2-12 0-50 5-0 7-70 0-49 +0-5 3-22 0-50 HoH) 8-19 0-49 1-0 3-72 0-50 6-0 8-68 0:49 os 4-22 0-50 6-5 9-17 0-49 2-0 4-72 0-50 7-0 9-66 0.48 0-01 2*5 5-22 0-50 1-5 10-14 0.48 3.0 5-72 0-50 8-0 10-62 0-48 35 | 6-22 0-50 8-5 11-10 0-48 DIE ERMITTLUNG ABSOL. WERTHE FÜR DIE LEISTUNG vV. PULSSCHREIBERN. 35 Fortsetzung der Tabelle II. Millimeter Millimeter man N 4% 4% en Sn Eu Ay 1% 9-0 11-58 0-48 26-0 26-70 0-39 0-01 9-5 12-06 0-48 26-5 27-09 0-38 0-01 10-0 12-54 0-48 27-0 27-47 0-37 0-01 10-5 13-02 0-47 0-01 27-5 27-84 0-36 0-01 11-0 13-49 0-47 28-0 28-20 0-35 0-01 11-5 13-96 0-47 28-5 28-55 0-34 0-01 12-0 14-43 0-47 29-0 28-89 0-33 0-01 12-5 14-90 0-47 29-5 29-22 0-33 13-0 15-37 0-47 30-0 29-55 0-32 0-01 13-5 15-84 0-47 30-5 29-87 0-32 14-0 16-31 0-46 0-01 31-0 30-19 0-31 0-01 14-5 16-77 0-46 31-5 30-50 0-31 15-0 17-23 0-46 32-0 30-81 0-30 0-01 15-5 17-69 0-46 32-5 31-11 0-30 16-0 18-15 0-45 0-01 33-0 31-41 0-29 0-01 16-5 18-60 0-45 33-5 31-70 0-28 0-01 17-0 19-05 0-45 34-0 31-98 0-27 0-01 17-5 19-50 0-45 34-5 32-25 0-27 18-0 19-95 0-44 0-01 35-0 32-52 0-26 0-01 18-5 20-39 0-44 35-5 32-78 0-25 0-01 19-0 20-83 Ve 36-0 33-03 0-25 19-5 21-17 0-43 0-01 36-5 33-18 0-24 0-01 20-0 21-70 0-43 37-0 | 33-52 0-24 20-5 22-13 0-43 37-5 | 233.76 0-23 0-01 21-0 22-56 0-43 38-0 33-99 0-23 21-5 22-99 0-42 0-01 38-5 34-22 0-22 0-01 22-0 23-41 0-42 39-0 | 34-44 0-22 22-5 23-83 0-42 39-5 34-66 0-21 0-01 23-0 24-25 0-42 40-0 | 34-87 0-21 23-5 24-67 0-41 0-01 40-5 35-08 0-21 24-0 25-08 0-41 41-0 35-29 0-20 0:01 24-5 25-49 0-41 41+5 35-49 0-20 25-0 25-90 0-40 0-01 42-0 35-69 0-19 0-01 25-5 26-30 0-40 42.5 | 35.88 a | Bemerkungen zu Tabelle II. Im vierten Stabe, der hier wie früher allein berücksichtigt werden soll, sind die von O0 verschiedenen Werthe sämmtlich negativ; es fehlen also Eigenschwingungen. Die Thatsache, dass von hundert 4°y 37 gleich 0-01, der Rest gleich O sind, beweist, dass die gemessenen Ordinaten unnöthig nahe aneinander liegen. Es bedarf der Ausdehnung der Messung auf eine 36 M. v. Frey: Reihe aufeinanderfolgender Ordinaten, bis die Geschwindigkeitsänderung gross genug geworden ist, um die kleinste nach der angewandten Methode messbare zweite Ordinatendifferenz zu erreichen. 200, vielleicht sogar nur 100 gemessene ÖOrdinaten auf das Millimeter Abseisse der Originalcurve würden wahrscheinlich genügen, den Verlauf der Curve zu charakterisiren. Ermittelt man wie früher den durchschnittlichen Werth für 4°y, so findet man 0.0037, also etwa !|,, des oben für die künstlichen Pulse gefundenen. Es würde indessen hier so wenig wie dort richtig sein, die Curve einfach als eine Parabel von dem Parameter 2200 - aufzufassen, weil schon die Ver- theilung der Werthe Ay? = 0-01 zeigt, dass die Beschleunigung keine con- stante ist. So sind innerhalb der Abseissen 25-5 und 29 die zweiten Dif- ferenzen fünfmal hintereinander gleich 0-01, das Stück also eine Parabel von dem Parameter 241?x 10 ?. Eben dieses Stück stellt die grösste in der aus- gemessenen Curve beobachtete Beschleunigung dar und findet sich kurz vor 0-00005 "= Ordinate (0-0025 mm Abseisse)? ’ Einsetzung der (in diesem Versuche etwas verschiedenen) äquivalenten Druck- und Zeitwerthe: Ken Ordmate, = lu. 5 ame, Lam Abscisser— 1, Sees — zul: die maximale Beschleunigung sich Sn zu: IX 10Zex IN am H (25,10 -UX2 IE a Eu 10900 Das Resultat der in dem zweiten ne och Versuche lässt sich in folgenden Sätzen zusammenfassen: Bei der Prüfung zeich- net der Tonograph künstliche Pulscurven richtig, deren Be- schleunigung mehr als das zehnfache beträgt von dem Werthe, welcher bei Darstellung des Kammerdruckes erreicht wird. Dieses Resultat springt so klar heraus, dass selbst die Unvollkommen- heiten der Messungen es nicht zu verdecken vermögen. Mögen auch die wahren Beschleunigungen durch das angewendete Verfahren nicht ganz richtig gefunden sein, die Grössenordnung der Beschleunigungen in dem einen und anderen Falle lässt sich auf diesem einfachen Wege mit Sicher- heit eruiren. Ich halte es sehr wohl für möglich, dass durch Anwendung eines photographischen Registrirverfahrens sich diese Werthe in viel genauerer Weise durch directe Ausmessung der Curven gewinnen lassen. Dies setzt aber Hülfsmittel voraus, welche mir nicht zur Verfügung stehen. Es würde dann möglich sein, für einen gegebenen Pulsschreiber die Grenzen der Zu- verlässigkeit in absolutem Maasse ebenso anzugeben, wie für eine Waage die Belastungsgrenze oder für ein Galvanometer die Grenze der Empfind- dem Curvengipfel. Ihr Werth beträgt woraus unter eye 07 mm a: DıE ERMITTLUNG ABSOL. WERTHE FÜR DIE LEISTUNG V. PULSSCHREIBERN. 37 lichkeit. Indessen folgt schon aus diesen unbeholfenen Verfahren mit Sicher- heit, dass der Tonograph mit Luftübertragung der gestellten Aufgabe in mehr als genügendem Grade gewachsen ist. Es ist damit ferner bewiesen, dass die oben abgebildete und vielfach bestrittene Kammercurve den wahren Druckverlauf in der Herzkammer daıstellt. III. Abschnitt. Besprechung einiger anderen Prüfungsmethoden. In Ermanglung eines exacten Verfahrens zur Ermittelung der Leistung eines Pulsschreibers hat man sich bisher begnügt, eine Anzahl von Me- thoden zu verwenden, welche über die Zuverlässigkeit eines gegebenen Instruments zwar nicht in quantitativer, wohl aber in qualitativer Be- ziehung ein Urtheil gestatten sollten. Da hiebei vielfach Richtiges und Falsches, Brauchbares und Unbrauchbares durcheinandergeworfen wurde, so muss ich eine kurze Besprechung dieser Verfahren anschliessen. In diese Kategorie von qualitativen Prüfungen gehören: l. Die Erzeugung unbekannter, aber jedenfalls sehr grosser Beschleu- nigungen an bestimmten Stellen einer Druckeurve. Fick und Tachau haben im Jahre 1864 das Quecksilbermanometer und das von Fick con- struirte Federmanometer abwechslungsweise mit einem wassergefüllten Kaut- schukschlauch verbunden und durch rasche Compression und bald darauf folgende ebenso rasche Freigebung eines Stückes desselben fast, sprungweise Druckwechsel herbeigeführt. Sie konnten die Ueberlegenheit des Feder- manometers in der Darstellung der Druckwechsel constatiren. Dieses Prü- fungsergebniss ist vollkommen eindeutig. In ähnlicher Weise habe ich den bei Unterbrechung eines Flüssigkeitsstroms oberhalb des Hahnes auftreten- den sprungartigen Druckwechsel benutzt, um die Ueberlegenheit der Luft- übertragung gegenüber der Wasserübertragung bei im übrigen identisch construirten Tonographen nachzuweisen. 2. Mit dem beschriebenen Verfahren verwandt, aber viel weniger klar ist die Angabe, dass ein Instrument einen Druckwechsel von so und soviel Millimeter Hg in einer gegebenen Zeit richtig anzeige. Ich habe mich früher selbst einer solchen Angabe bedient, welche ich hiedurch corrigire. Hier müsste zunächst auf einem anderen Wege sichergestellt werden, dass die Zeichnung der Curve richtig ist. Dann giebt aber die erwähnte An- gabe keinen Maassstab für die Leistung des Instruments. Genauer ausge- drückt besagt sie: wenn zu Anfang der Bewegung die Geschwindigkeit = 0, 1’ Dies Archiv. 1864. S. 583. 38 M-yv:sReey: am Ende der Secunde etwa gleich 500 "” Hg Sec. ist, so wird eine derartige Beschleunigung — 500 "" Hg Sec.” — richtig verzeichnet. Nun ist aber das zur Auswerthung der Beschleunigung benutzte Curvenstück viel zu gross, als dass die Annahme gerechtfertigt wäre, es herrsche in der ganzen be- trachteten Strecke eine constante Beschleunigung. In der Regel wird also diese Angabe den richtigen Sachverhalt gar nicht treffen und einen zu kleinen Werth für die erlaubte Beschleunigung angeben. 3. Prüfung eines Pulsschreibers mit Hülfe einer Stimmgabel. Dieses von Marey! eingeführte Verfahren ist noch weniger befriedigend. Aus den von Mach und v. Kries angestellten Betrachtungen, welche ich im ersten Abschnitte dieser Abhandlung angezogen habe, folgt, dass eine periodische Bewegung von jedem Pulsschreiber ohne Ausnahme richtig wiedergegeben 750 700 s0 Fig. 5. wird, soweit es sich nur um die Darstellung der Periode schlechtweg handelt. Die Eigenthümlichkeiten der Instrumente äussern sich nur durch die Klangfarbe — wenn der oben gebrauchte kurze Ausdruck gestattet ist —, in welcher sie auf den gegebenen Anstoss resoniren. Die Thatsache, dass ein gegebener Pulsschreiber einer Stimmgabel hoher Schwingungszahl zu folgen vermag, kann zwar als Beweis einer gewissen leichten Beweglichkeit, nicht aber für die Annahme gelten, dass die Bewegung richtig wieder- gegeben wird. 4. Vergleich mit einem Quecksilbermaximum- oder Minimum-Mano- meter. Dieses von Hürthle wiederholt benutzte Verfahren ist ganz un- brauchbar. Controlirt man nämlich das mit einem Ventil versehene ' Marey, Travaux du laboratoire. 18715. p. 38. Dis ERMITTLUNG ABSOL. WERTHE FÜR DIE LEISTUNG V. PULSSCHREIBERN. 39 Quecksilber-Manometer, so zeigt sich, dass dieses selbst die Werthe in den Culminationspunkten der Curve nicht richtig anzeigt, d.h. die Maxima wie Minima werden zu klein. Ich erlaube mir zum Beweise einen Versuch an- zuführen, welchen ich zum Theil schon in meiner ersten Abhandlung ver- öffentlicht und auch in meinem Pulsbuche erwähnt habe. In einem Kaut- schukschlauche werden durch einen Motor Druckschwankungen von con- stanter Form und Amplitude erzeugt und dieselben aufgeschrieben erstens durch meinen Tonographen ohne Ventil, zweitens durch dasselbe Instrument mit Maximumventil, drittens durch das Quecksilbermanometer mit Maximum- ventil. Das Resultat der beiden ersten Schreibungen wird durch die vierfach vergrösserte Fig. 5 illustrirt, welche aus meiner früheren Abhandlung ent- nommen ist. Sie zeigt eine sehr gute Uebereinstimmung zwischen den nach den beiden Arten gewonnenen maximalen Druckwerthen. Dagegen ergiebt das Maximumquecksilbermanometer stets einen zu niedrigen Werth, niemals über 80 mm Hg, also Fehler von 30 Procent. Der Grund dieser Erscheinung liegt in der Unvollkommenheit der Kautschukventile Die verschliessende Mem- bran wird in die Oeffinung hineingedrückt; vor Oeflinung des Ventils muss daher stets eine Arbeit geleistet werden, um den todten Gang des Instru- ments zu überwinden. Ist nun die Quecksilbersäule schon ziemlich hoch gehoben, so dass für die Bewegung des Manometers nur noch sehr kurze Abschnitte der Curve in Betracht kommen, so genügen diese kurzen An- stösse offenbar nicht mehr, um die Masse bis zur Oeffnung des Ventils zu heben. Die Genauigkeit der Angaben des Maximumquecksilbermanometers ist unter diesen Umständen ausser von der Grösse der Oeffnung und Be- schaffenheit der Membran jedenfalls auch abhängig von der Curvenform. Auf diese Frage, sowie auf die weitere, ob die von Goltz und Gaule ver- wendeten Kolbenventile, wie zu vermuthen, 'bessere Resultate ergeben, habe ich keine Veranlassung, näher einzugehen, da eine richtige Angabe über das Druckmaximum Fehler in den übrigen Theilen der Curve nicht aus- schliesst. | 5. Vergleichung zweier Instrumente mittels derselben, in ihrem näheren Verlauf unbekannten Curvenform. Diese sehr beliebte Methode — sie ist unter Anderen von Martius, Edgren, Hürthle angewendet worden — kann natürlich nur dann etwas beweisen, wenn die Angaben eines der verglichenen Instrumente auf anderem Wege sichergestellt sind. Gewöhn- lich ist das eine Instrument Marey’s Sphygmograph, dessen Leistungen grosses Zutrauen geniessen. Dass auch mit diesem Instrumente eine Unzahl entstellter Pulse geschrieben und veröffentlicht worden sind, dass überhaupt kein Instrument vor Eigenschwingungen gefeit ist, wird nicht beachtet. Es hat daher die Angabe, dass die von den verglichenen Instrumenten ge- schriebenen Curven gleich oder ähnlich sind, gar keine Beweiskraft für 40 M. v. Frey: deren Richtigkeit, da eben beide Instrumente an den Stellen stärkster Be- schleunigung Eigenschwingungen aufweisen können, Hierher gehört auch die von Hürthle ausgeführte Vergleichung seines Tonographen mit dem meinigen. Er verbindet die Instrumente wechsel- weise oder auch gleichzeitig mit der Herzkammer und beobachtet: Erstens dass die beiden Instrumente verschiedene Curven zeichnen; zweitens, dass die von seinem Instrument gezeichnete Curve verändert wird, wenn gleich- zeitig mein Tonograph eingeschaltet ist. Nun ist die Kammercurve Hürthle’s durch Eigenschwingung und Reibung sehr stark entstellt. Der Versuch zeigt demnach nur, dass die Angaben eines derartigen Instru- mentes verändert werden, wenn noch ein zweiter elastischer Raum ein- geschaltet wird. Für die Richtigkeit der einen oder anderen Curve ist zunächst aber gar nichts bewiesen. Iv. Abschnitt. Bemerkungen über die zweckmässige Anwendung und Construc- tion von Pulsschreibern. Im ersten Abschnitte habe ich ausgeführt, dass Störungen der Puls- schreibung hauptsächlich in zwei Richtungen zu befürchten sind, durch Reibung und durch Eigenschwingungen, und dass es Aufgabe der Me- thodik ist, beide möglichst zu verringern. Die Reibung kann bei drehenden Bewegungen sehr klein gemacht werden. Gefährlicher ist sie bei fort- schreitender Bewegung, namentlich von Flüssigkeiten in Röhren, indessen lässt sich auch hier durch geeignete Wahl der Durchmesser -den theoreti- schen Anforderungen in weiten Grenzen entgegenkommen. Namentlich ist durch die Versuche von v. Kries’! bekannt, dass die deformireude Wirkung des Reibungswiderstandes auf Schlauchwellen bei Schläuchen von 10mm Weite kaum bemerkbar, von 4"® noch gering ist. Schwieriger ist die Verhütung von Eigenschwingungen, und diese sind es namentlich, welche der Darstellung der Pulse die grössten Hindernisse bereitet haben. Zur Ueberwindung dieser Schwierigkeit kann die oben auf S. 23 abgeleitete Beziehung zwischen der Amplitude der Eigenschwingungen und einigen anderen in Betracht kommenden Grössen nützlich werden. Diese Beziehung lautete: a Va m worin m die Maasse des Instruments, %# die corrigirende Spannung für die Einheit der Ausweichung, », aber die von der Beschleunigung abhängige I Studien zur Pulslehre. 1892. 8. 53. DiE ERMITTLUNG ABSOL. WERTHE FÜR DIE LEISTUNG V. PULSSCHREIBERN. 41 Geschwindigkeit bedeutete, mit welcher das Instrument aus der vorge- schriebenen Bahn heraustritt. Aus dieser Gleichung folgt, dass die Anpassung des Instruments an die gestellte Aufgabe in zweierlei Weise erfolgen kann: Erstens durch Ver- grösserung der corrigirenden Spannung und zweitens durch Verkleinerung der Masse. Jeder der beiden Wege hat ein besonderes Interesse und verdient daher eine selbständige Betrachtung. 1. Vergrösserung der corrigirenden Spannung. Hieher gehört die Verstärkung der Kautschukmembran eines Tono- graphen. Die Wirkung ist eine zweifache: Es wird die corrigirende Span- nung erhöht, gleichzeitig aber auch die einer gegebenen Druckschwankung zugehörige Excursion verkleinert. Unter Beziehung auf das oben S. 20 ff. beschriebene einfache Modell hätte man also, bei Vergrösserung des # (oder des k) auf das Doppelte des ursprünglichen Werthes, in der Gleichung 5 zu setzen den Factor 2 in den Nenner des unter dem Wurzelzeichen stehenden Bruches und statt v,, v,/2; der Werth des ganzen Ausdrucks rechts vom Gleichheitszeichen wird sich dann zu dem ursprünglichen verhalten wie 1 I:yya oder übersetzt in die beim Tonographen obwaltenden Verhältnisse: Wird die Dehnbarkeit der Membran des Tonographen auf die Hälfte verringert, so werden auch die einer gegebenen Druckschwankung zugehörigen Excur- sionen auf die Hälfte verkleinert, die Amplitude der Eigenschwingung aber fast auf ein Dritte. Die Eigenschwingungen nehmen schnel- ler ab als die Excursionen, es muss also möglich sein, durch Ver- grösserung der corrigirenden Spannung die Curven richtig, d. h. ohne merk- liche Eigenschwingungen zu erhalten. Darauf gründet sich ein wichtiges Prü- fungsverfahren, welches zwar nicht die allgemeine Bedeutung des früher entwickelten besitzt, aber unter Umständen gestattet, rasch ein Urtheil zu gewinnen. Ist man während eines Versuchs im Zweifel, ob eine Curve von dem Tonographen richtig gezeichnet wird, so kann man durch An- wendung stärkerer Membranen oder noch bequemer bei den Federtono- . graphen, z. B. meinem Tonographen II, durch Auswechslung der kleinen Druckfeder versuchen, die als Fehler verdächtigen Theile der Curve weg- zuschaffen. Aendern sich dieselben im selben Verhältniss wie die übrigen Ordi- naten der Curve, so müssen sie als Bestandtheile der Curve betrachtet werden. Besonders bequem und wichtig ist diese Prüfung bei dem Sphygmogra- phen, für welchen ich sie in meinem Pulsbuche ausführlich geschildert habe. Es ist bekannt, dass das Sphygmogramm einer Arterie sehr klein ausfällt, wenn die Pelotte der Haut nur leicht aufliegt. Die Fläche, durch die der 42 M. v. Frey: Blutdruck auf das Instrument wirkt, ist zu klein. Wird durch die Span- nungsfeder die Pelotte in die Haut eingedrückt, so nimmt die Pulsgrösse zu, erreicht ein Maximum, nach welchem sie wieder abnimmt. Jenseits des Maximums wird zwar die Berührungsfläche zwischen Pelotte und Haut nicht mehr verändert, dagegen verengert sich unter der steigenden Span- nung des Gewebes die Arterie, wie schon daraus hervorgeht, dass man schliesslich den Puls peripher von der Pelotte zum Verschwinden bringen kann. Es verringert sich also die Fläche, durch welche der Blutdruck auf die Pelotte wirkt, speciell entspricht derselben Druckschwankung eine kleinere Zunahme des Arterienumfanges, was ebenso wirkt, als ob die Spannungsfeder des Sphygmographen einen höheren # erhalten hätte. Die Spannung der Druckfeder beim Sphygmographen hat demnach, obwohl ihr E für alle Spannungen als constant anzusehen ist, in Folge der eigenthüm- lichen Wirkung auf den Arteriendurchmesser denselben Effect wie beim Tonographen die Verstärkung der Membran oder die Wahl einer steiferen Feder. Dadurch ist für die praktische Verwendung des Sphygmographen ein Prüfungsverfahren gewonnen, welches rasch und sicher zum Ziele führt. & 2. Verkleinerung der Masse. Dieser Weg ist zunächst theoretisch deshalb vorzuziehen, weil er eine Verkleinerung der Eigenschwingungen gestattet, ohne gleichzeitige Ver- ringerung der Excursion. Darin beruht der Vorzug der Sphygmographen mit Federspannung gegenüber der Gewichtsbelastung, und ein Vorzug der Tonographen mit Kautschuk- oder Federspannung gegenüber dem Queck- silbermanometer. Die wirksamste Verringerung der Masse besteht in dem Ersatz des Wassers oder der Salzlösung als Uebertragungsflüssigkeit durch Luft. Eine Sodalösung von 1088 spec. Gewicht ist 857 mal schwerer als Luft. Es liegt nahe, die Röhren, welche zur Verbindung von Arterie und Instrument nicht umgangen werden können, zu füllen mit einem Körper, dessen Masse so gering ist, dass sie gegenüber den anderen in Bewegung zu ‚setzenden Massen verschwindet. Nun ist die Luft gleichzeitig auch sehr compressibel, wirkt also bei Einschaltung in das Instrument wie eine Ver- minderung der corrigirenden Spannung, d. h. begünstigend auf die Eigen- schwingungen. Es fragt sich demnach, ob der Vortheil in der einen Richtung nicht durch den Nachtheil in der anderen wettgemacht wird. Bei den Wassertonographen kann die corrigirende Spannung des Instru- ments gemessen werden durch die Drucksteigerung, welche. durch die Einheit der eintretenden Flüssigkeitsmenge entsteht und die Amplitude der Eigen- schwingungen wird sich mit dieser zwar nicht proportional, aber doch in DIE ERMITTLUNG ABSOL. WERTHE FÜR DIE LEISTUNG v. PULSSCHREIBERN. 43 gleichem Sinne ändern. Es ist also eine richtige Auslegung der bereits von Mach für Pulsschreiber im Allgemeinen aufgestellten Forderung einer grossen corrigirenden Spannung, wenn Hürthle den Satz ausspricht, „dass die Ermittlung der Flüssigkeitsmenge, welche das Manometer zur Aus- gleichung einer bestimmten Druckdifferenz erfordert“, ein „Kriterium“, wenn auch nicht nothwendig das „wichtigste“, für die Leistungsfähigkeit, bezw. Trägheit des Apparates abgiebt, so lange seine Anwendung auf diese Art von Tonographen beschränkt bleibt und nicht auf die Luftono- graphen ausgedehnt wird. Versucht man in gleicher Weise auch für den Lufttonographen eine Bestimmung der corrigirenden Spannung vorzunehmen, so erhält man Werthe, welche nur für das ruhende Instrument gelten. Der in Bewegung befindliche Lufttonograph ist ein ganz anderes Instrument und es ist nicht statthaft, die an jenem ermittelten Verdrängungswerthe auf dieses zu übertragen. Ich habe bereits in meinem Pulsbuche und ebenso in der voraus- gehenden Abhandlung erwähnt, dass aus dem Verhalten des Tonographen bei der Aufschreibung von Deformationen geschlossen werden muss, dass die eingeschlossene Luft sich erwärmt und sich dadurch in einen Körper von höherem Z verwandelt.” In welchem Umfange dies stattfindet, ergiebt sich aus den folgenden Ueberlegungen: 1. Verhalten der im Tonographen eingeschlossenen Luft bei langsamer Compression, z. B. bei der Aichung. Hier gilt das Boyle-Mariotte’sche Gesetz, nach welchem (bei con- stanter Temperatur) P=Povold, wo >, den Druck einer Atmosphaere und », das Volum der eingeschlosse- nen Luft bei diesem Druck bedeutet. Die Druckzunahme für die Einheit der Volumverminderung erhält man aus der Gleichung d/dv= — p,v lv? oder für den Fall, dass v, = v = 1000 mm? dp | dv = — 0:76 mm Hg | um?. 2. Verhalten der im Tonographen eingeschlossenen Luft bei rascher Compression. Findet die Compression der Luft rascher statt, als die Ausgleichung der Temperatur Zeit erfordert, so tritt eine Aufspeicherung von Wärme in ! Wenn hier und weiterhin von einem X der im Tonographen eingeschlossenen Luft gesprochen wird, so ist das insofern berechtigt, als die Volumänderungen bestehen in Längenänderungen der Luftsäule, welche somit mit einem elastischen Strange ver- glichen werden kann. 44 M. v. Frey: der Luftmasse und eine entsprechende Erhöhung des Z ein. Dass dureh rasches Eintreiben eines Spritzenstempels sehr bedeutende Erhitzungen er- zielt werden können ist bekannt. Tyndall schildert einen hübschen Ver- such dieser Art in seinen Vorlesungen über die Wärme S$. 37. Bei den ausserordentlich raschen Druckschwankungen der Pulsschreibung kommt dieser Fall zweifellos in Betracht. Die Resultate des oben beschriebenen Prüfungsverfahrens bestätigen dies durchaus, berücksichtigt man dies, so erhält die Beziehung zwischen Druck und Volum eine andere Gestalt, die sich aus folgender Ueberlegung ergiebt. Wird das Gasvolum » von 0° auf {” erwärmt, so dehnt es sich (bei constantem Druck) aus auf v(1 +«i, wo « den Ausdehnungeoeffieienten für einen Grad = 0-00367 bedeutet. Umgekehrt wird ein Volum = =ov(l+et) von der Temperatur 0° auf » comprimirt, sich um {° er- wärmen. Zur Ausführung der Compression bedarf es eines Druckes P=m I I +e)=p(l + a). Daraus erhält man 7 2 DEPo ( ) und die Druckzunahme für die Einheit der Compression do /dv= — 29,0, | 0. Dieser Ausdruck hat für den Fall v, = v = 1000 mm? den Werth dp |dv= — 1-52 mm Hg / mm?. Vergleicht man diesen Werth mit dem oben unter 1. gefundenen, so sieht man, dass der # der Luft durch die bei rascher Compression eintretende Erwärmung auf das Doppelte ansteigen kann. 3. Spannungszunahme im Tonographen durch Vernichtung der Luft- geschwindigkeit. Der Luftraum des Tonographen hat die Eigenthümlichkeit, dass er durch die Capillare in zwei ungleiche Hälften zerfällt. In dem einen Raum, den ich Vorraum nennen will, grenzen Blut und Luft aneinander, der andere, der Trommelraum, befindet sich im Kopfe des Manometers. Bei einer Steigerung des Blutdrucks vergrössert sich in Folge der Nach- giebigkeit der Membran der Trommelraum auf Kosten des Vorraums, wobei die transportirten Lufttheilchen in der Capillare sehr bedeutende Ge- schwindigkeiten erreichen. Die Geschwindigkeit wird erzeugt von dem Blutdruck und im Trommelraum wieder vernichtet, womit gleichfalls eine Erwärmung der Luft verbunden sein muss. Sieht man von der Erwär- mung der Wände vorerst ab, so lässt sich die Temperaturerhöhung der Luft berechnen, wenn gewisse Constanten des Apparates gegeben sind. Der Trommelraum habe bei einem Durchmesser von 10 ®m und einer Die ERMITTLUNG ABSOL. WERTHE FÜR DIE LEISTUNG V. PULSSCHREIBERN. 45 Höhe von 1"® einen Rauminhalt von ca. 80 mm?, Dieser Raum vergrössere sich bei einer Drucksteigerung von 100”m He in Folge der Nachgiebigkeit der Membran um 20 mm?, Diese Luftmenge tritt aus dem Vorraum durch die Capillare in den Trommelraum über. Die Capillare habe bei einem Durchmesser von 1”"”= und einer Länge von 300 "® einen Rauminhalt von ca. 240 mm?. Findet die Drucksteigerung von 100”” Hg (um einen hohen, aber bei den Prüfungen häufig vorkommenden Werth zu wählen) in !/,, Dec. statt, so erlangen die 240mm? der Capillare und ausserdem noch 20 mm?, gleich einer Masse von 0-26 x 1-3 "sm, eine Geschwindigkeit 0 a ER 1/0 Sec. x 0-8 mm? und eine Bewegungsenergie 0- 5x 0-26 x 1-3 mgrm x 10% mm? Sec? Die durch Vernichtung derselben entstehende Temperaturerhöhung der Luft 7 berechnet sich aus der Gleichung n Bewegungsenergie mechan. Aequiv. d. Wärme x spec. Wärme d. Luft x zu erwärm. Masse oder in Zahlen ’ 0,02 Re merm X 10mm "Sec? x 423-5 x 02669 x 0-34 x 1-3 marm was einer Spannungsvermehrung dieser Luftmasse auf das 3383/273 fache oder rund auf 12.5 Atmosphären gleichkommen würde. Diese hohen Temperaturen treten natürlich nicht ein, sondern es wird eine sehr kleine in die Trommel eingetretene Luftmenge in Folge ihrer Erwärmung schon die Spannung annehmen, welche dem Blutdruck das Gleichgewicht hält, oder mit anderen Worten, das Instrument stellt sich mit minimaler Luftverschiebung auf den geforderten Druck ein. In der That wird jedem, der die Luftübertragung nach der von mir geübten Weise angewendet hat, aufgefallen sein, wie klein während der Pulsschreibung die Verlagerungen des Flüssigkeitsniveaus im Vorraume sind. Ebenso findet man bei der Prüfung des Instrumentes nach der wiederholt beschriebenen Methode, dass kleine Defurmationen von der bei der Puisschreibung gege- benen Geschwindigkeit schon beträchtliche Drucksteigerungen hervorrufen. Als Resultat der vorstehenden Betrachtungen und Versuche lässt sich der Satz aufstellen: Die im Tonographen eingeschlossene Luft er- fährt bei allen raschen Druckvariationen eine Aenderung ihrer Temperatur und damit ihrer Elastieität; obwohl unter gewöhn- lichen Verhältnissen sehr compressibel, nähert sie sich unter den Bedingungen, wie sie beim Gebrauch des Apparates vor- — 33839, 46 M. v. Frey: liegen, dem Ideal eines Uebertragungsmittels, indem sie mit Seringster Masse einen sehr hohen Elasticitätsmodul verbindet. Ich bemerke nebenbei, dass dieselben Betrachtungen, mit gewissen Einschränkungen, auch für die durch Marey in die physiologische Metho- dik eingeführten Luftkapseln gelten. Eine befriedigende, von Paradoxen freie Kritik dieser Instrumente wird daher ohne Berücksichtigung der oben ausgeführten Beziehungen nicht möglich sein. Obwohl die gewonnene Einsicht in die Eigenthümlichkeiten des Luft- transmissionsverfahrens vorläufig noch nicht genügt, eine vollständige Theorie der Instrumente zu geben, so lässt sich doch soviel sagen, dass eine Minder- werthigkeit dieses Verfahrens gegenüber der Wasserübertragung durch nichts bewiesen ist, vielmehr die Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Luft ein besseres Uebertragungsmittel darstellt. Dass dies thatsächlich der Fall ist, lässt sich experimentell leicht zeigen. Schon in der mit Krehl veröffentlichten Abhandlung habe ich einen Ver- gleich meines Tonogra- phen mit dem von Hürthle in der Dar- stellung von Schlauch- wellen beschrieben und gezeigt, dass die Luft- übertragung weit correc- & ee a Er ter arbeitet. Einen ähn- \nnoary 5 © - & . prungartiger ruckwechsel in einem Schlauche, gezeie lichen Viersnenlinibe sch net von einem Lufttonographen (erste Curve) und von . £ einem Wassertonographen (zweite Curve). in meinem Pulsbuch be- schrieben. Ich verglich dort zwei, bis auf dle Verschiedenheit des Uebertragungsverfahrens ganz gleich gebaute Tonographen und fand dieselbe Ueberlegenheit des Luft- tonographen. Als Beispiel diene Fig. 6. Dieser Versuch ist so schlagend und in seiner Deutung so sicher, dass man neugierig wird, wodurch der eifrigste Verfechter der Wasserübertra- sung, Hürthle, die Ueberlegenheit seines Instrumentes für erwiesen be- trachtet. Seine Gründe sind ausser der bereits als nicht maassgebend er- kannten Wasserverdrängung am ruhenden Instrument: 2. Das Auftreten höherer und zackenreicherer Pulse bei Wasserüber- tragung, was durch Eigenschwingungen wohl erklärlich ist. 3. Die Aehnlichkeit der mit dem Wassertonographen und einem Sphygmographen geschriebenen Pulse derselben Arterie. Diese Aehnlichkeit kann ebenso gut bei Fehlern beider Instrumente bestehen. 4. Die Uebereinstimmung der von dem Wassertonographen und einem (Juecksilbermaximummanometer angegebenen maximalen Drucke Dies o o8Sec. Fig. 6. un a DIE ERMITTLUNG ABSOL. WERTHE FÜR DIE LEISTUNG V. PULSSCHREIBERN. 47 würde nach den Darlegungen des voraufgehenden Abschnittes ein Beweis sein, dass die Curvengipfel falsch, nämlich (durch Reibung) zu niedrig ge- zeichnet sind. So lange also nicht bessere Gründe für den Vorzug des Wassertono- sraphen vorgebracht werden, sind alle Zweifel au Güte des Verfahrens er- laubt. Dass dieselben nur zu berechtigt sind, lehrt ein Ueberblick über die bisherigen Resultate. In den ersten Abhandlungen, namentlich bei den in Lichtdruck reproducirten Arterienpulsen des Hundes dominiren die Eigen- schwingungen des Apparates in einem Grade, dass dahinter alle feineren Details der Pulse verschwinden. Weiterhin wird dann versucht die Eigen- schwingungen durch Dämpfung zu vermindern. Vielleicht ist ein Wort darüber nicht unangebracht. Was man unter Dämpfung versteht, ist nicht ein scharfer physikalischer Begriff, sondern eine Vielheit von Erscheinungen, welche man aber wohl in zwei Classen bringen kann. Man nennt das Trommelfell gedämpft, weil es sehr rasch ausklingt und auf die verschie- densten Tonhöhen resonirt. Man schreibt diese wichtige Eigenschaft auf Rechnung der Kleinheit des Organs, auf den unregelmässigen Bau, die in verschiedenen Richtungen ungleichen und wohl nicht unbedeutenden Span- nungen, kurz, eine Summe von Eigen- schaften, wie sie z. T. auch für den Bau der Pulsschreiber als maassgebend er- Fig. 7. kannt worden sind. Ich will die Ver- Einfluss zunehmender Reibung auf die mit minderung der Eigenschwingungen Si Tonographen geschriebenen Dre 3 4 ammerpulse. Nach T. Porter. auf diesem Wege als elastische Dämpfung bezeichnen. Etwas ganz Anderes ist die Dämpfung eines Galvanometers; hier werden Reibungswiderstände geschaffen, welche mit der Geschwindigkeit wachsen. Man kann diese Art von Dämpfung als deformirende Dämpfung bezeichnen. Die Erfolge sind in beiden Fällen gänzlich verschieden. Während bei der elastischen Dämpfung die ver- schiedensten Bewegungen, alle aber mit sehr kleiner Amplitude ausgeführt werden können, ist bei der deformirenden Dämpfung die Art der Bewe- gung von der Dämpfung im höchsten Grade ‚abhängig, in ihrem Umfange aber nicht nothwendig verändert. So wenig es nun jemand einfallen wird, ein aperiodisches Galvanometer zur Darstellung einer Stromschwankung ihrer Form nach zu verwenden, so wenig kann ein durch Reibung ge- -dämpfter Tonograph als Pulsschreiber gelten. In wie hohem Grade die Pulscurve durch deformirende Dämpfung gestört werden kann, lässt sich am deutlichsten an den Curven der Herz- 48 M. v. FREY: Die ERMITTLUNG ABSOLUTER WERTHE UV. S.Ww. kammer verfolgen, welche T. Porter nach dem Hürthle’schen Verfahren gezeichnet hat und für welche Fig. 7 als Beispiel dienen kann. Die enormen Eigenschwingungen, welche das ungedämpfte Instrument zeigt, werden durch deformirende Dämpfung fortschreitend verkleinert, bis die negative Druckschwankung. sowie der Gipfel der Curve verschwinden, für welchen das Plateau eintritt. Damit ist die künstliche Entstehung des Plateaus anerkannt, und Porter sieht sich gezwungen, die Reibung zu vermindern. Nun erscheinen sofort wieder die Eigenschwingungen, und man wird daher die Angaben über den Verlauf der Diastole, über zwei- und dreimalige negative Druckschwankungen, über starke negative Drucke im Ventrikel, welche keine Oeffnung der Vorhofklappen herbeiführen sollen, mit der gebührenden Reserve entgegennehmen. Es ist mir nicht verständlich, wie es möglich sein soll, aus diesen beständig sich ändernden und sich widersprechenden Resultaten irgend etwas zu erschliessen, es wäre denn die Nothwendigkeit, das Verfahren weniger willkürlich zu gestalten und die Angaben des Instrumentes schärfer zu über- wachen. Ich bin weit entfernt der Wasserübertragung jede Berechtieung abzusprechen und die Luftübertragung als das Universalmittel anzupreisen. Jede Methode hat ihre Grenzen, ohne deren Kenntniss eine fruchtbare An- wendung ausgeschlossen bleibt. / ! Journal of physiology. vol. XIII. p. 513. Die Muskelprocesse im Lichte des vergleichend isotonisch-isometrischen Verfahrens. Yon Oscar Kohnstamm. (Aus dem physiologischen Institut der Berliner Universität.) Im Verlaufe von experimentellen Untersuchungen über die Summa- tionserscheinungen am quergestreiften Muskel, Jdie ich unter Leitung von Hrn. Prof. Gad im Berliner physiologischen Laboratorium angestellt habe, zeigte uns die angewandte neue Methode einen solchen Reielthum mannig- faltiger Bilder, dass sich das unmittelbar praktische Bedürfniss nach einer Theorie einstellte, an deren Hand man versuchen könnte, die Erscheinungen zusammenzufassen, um dann vielleicht fragestellend in dem dunklen Gebiet weiter zu kommen. Die Aufgabe, die wir uns stellten, war die, eine mathematisch-physi- kalische Formel aufzustellen, aus deren Modificationen sich die Mannig- faltigkeit der Erscheinungen unseres Gebietes ableiten liesse. Diese Formel sollte erschlossen werden aus den Thatsachen, die über die Mechanik und die Kraftoekonomie des Muskels bekannt geworden sind. Eine weitere Auf- gabe war dann, zu dem formalen Schema ein reales Bild oder eine brauch- bare Vorstellung von der Natur der Vorgänge selbst zu finden, die ohne zunächst höheren Werth, als den eines Gleichnisses zu beanspruchen, doch mit unseren Kenntnissen von der Chemie und Histologie des Muskels in Uebereinstimmung stände. Wir glaubten berechtigt zu sein, unser Streben, von der mechanischen Analyse zu theoretischen Vorstellungen über den Contractionsprocess vor- zudringen, für sehr aussichtsvoll zu halten. Denn für diese Art der Be- trachtung ist der Muskel nicht sowohl ein histologisch im höchsten Grad differenzirtes Gebilde, als vielmehr eine nach einer Dimension des Raumes Archiv f. A.u. Ph. 1893. Physiol. Abthlg. 4 50 OscaAR KOHNSTAMM: regelmässige Anordnung contractiler Elemente. Der Muskel ist einem Krystall zu vergleichen, in dem man sich auch die Moleküle mit ihren homologen Axen parallel gerichtet vorstellt. Die Wirkung der Muskelkraft kann dann als Summe der Wirkungen elementarer Contractionskräfte aufgefasst werden. So sind wir berechtigt, gegenüber Verworn’s! Geringschätzung der physikalischen Muskelphysiologie daran festzuhalten, dass der Fall der histo- logischen Complication im quergestreiften Muskel zugleich eine physikalisch- physiologische Vereinfachung darstellt. Geschichtliche Uebersicht. Seit Helmholtz’ grundlegender Untersuchung? wird die von dem freien Ende des Muskels bei der Verkürzung gezeichnete Curve als der sehr nahe Ausdruck der an- und absteigenden Energie aufgefasst und zwar beruht diese Anschauung darauf, dass der aufsteigende Schenkel der Muskel- curve annähernd übereinstimmt mit der von Helmholtz aus seinen Ueber- lastungsversuchen abgeleiteten Energiecurve Eigentlich kann aus dieser Aehnlichkeit nicht mehr geschlossen werden — und Helmholtz selbst ging auch nicht weiter — als dass die Kraftentwickelung bei constanter Länge ähnlich verläuft wie die Verkürzung bei constanter Spannung. Eine wesentlich andere Auffassung wurde von Jendrässik? vertreten: Das einzelne Muskelelement, durch den Reiz aus seiner Gleichgewichtslage gestossen, soll eine Sinusschwingung ausführen und diese Bewegung soll sich als Wellenbewegung von Element zu £lement hin fortpflanzen. Die Muskelcurve, demnach eine Sinuscurve, wird von den bekannten Gesetzen der Wellenbewegung beherrscht. Schon diese Folgerung, zu der die, auf willkürlicher Voraussetzung auf- gebaute aber interessant durchgeführte Theorie führte, entspricht nur einem Einzelfalle unter einer weit überwiegenden Zahl anderer Formen. Ent- schieden unzulänglich erweist sich die Hypothese in’s Besondere gegenüber der Entdeckung Heidenhain’s und seiner Schüler‘, dass die durch die Temperaturerhöhung des Muskels und durch die Säuerung gemessene In- tensität des durch den Reiz ausgelösten chemischen Processes nicht nur beherrscht wird von der Spannung, die der Muskel zur Zeit des Reizes aus- ! Max Verworn, Die Bewegung der lebendigen Substanz. Jena 1892. ?2 Dies Archiv. 1850. ® Jendrässik, Erster Beitrag zur Analyse der Zuckungswelle des quergestreiften Muskels. Dies Archiv. 1874. * R. Heidenhain, Mechanische Leistung, Wärmeentwickelung und Stoffumsatz bei der Muskelthätigkeit. 1864. — Heidenhain mit Landau u. Pacully, Pflüger’s Archiv. Bd. II. 1869. — Steiner, Pflüger’s Archiv. Bd. XI. 1875. MUSKELPROCESSE IM LICHTE D. VERGL. ISOTON.-ISOMETR. VERFAHRENS. 51 übte, sondern auch von den Spannungsänderungen, die im Verlaufe der Zuckung vor sich gehen; oder um Heidenhain selbst sprechen zu lassen: s,... Wahrscheinlich werden während des ganzen zeitlichen Verlaufs der durch die Reizung herbeigeführten Thätigkeit des Muskels in diesem Sub- stanzen oxydirt, also neue Spannkräfte frei, deren Summe in jedem Moment Function der jeweiligen Spannung des Muskels ist, mit dieser (innerhalb gewisser Grenzen) steigend und sinkend.“ Wenn man dies als Thatsache in Jendrässik’s Hypothese einführen wollte, würde man sich vorzustellen haben, dass die Elongation der schwingenden Muskelelemente ausser von den Coordinaten der über dem Muskel hinfliessenden Welle von einer fremden Variabeln abhinge — womit die ursprüngliche Jendrässik’sche Vorstellung aufgelöst ist. Nun hat A. Fick schon vor langer Zeit darauf hingewiesen, dass die Erschlaffung des Muskels mehr ist, als eine passive Wiederausdehnung — denn in Wärmestarre contrahirte Muskeln bleiben in diesem Zustand — sondern vielmehr wie die Zusammenziehung, eine Wirkung positiver Arbeit chemischer Verwandtschaftskräfte. Diese Erkenntniss fällt keineswegs zu- sammen mit der eitirten Entdeckung Heidenhain’s, die nur eine Fort- dauer der Verbrennungsprocesse über den Gipfel hinaus lehrt. Für Fick hingegen sind die Ordinaten der Zuckungscurve nicht der Intensität eines Processes proportional, sondern dieselbe ist ihm der Ausdruck der Resul- tirenden zweier entgegengesetzt gerichteter Processe. Fick stellt sich vor, dass der erste Process in der Bildung eines gewissen Stoffes, etwa in der Spaltung von Zucker in Milchsäure, der zweite in der Weiterverbrennung der Milchsäure zu Wasser und Kohlensäure bestehe. Die Milchsäure soll eine Art Gerinnung des Inhaltes der Sarkolemmschläuche setzen, die pro- portional der Menge der vorhandenen Milchsäure vorschreitet. Wenn die Milchsäuremenge ihr Maximum überschritten hat, beginnt die Erschlaffung. Fick selbst hat die erste interessante Anwendung dieser Anschauungsweise gemacht, indem er zeigte!, dass der Veratrinismus einen Zustand verstärkter Erregbarkeit, nicht etwa verhinderter Restitution darstelle. Noch grössere Wahrscheinlichkeit erhielt die Theorie, die eine Muskel- curve aus der Interferenz zweier Processe hervorgehen lässt, durch die Be- obachtungen von Gad und Heymans über den Einfluss der Temperatur auf die Zuckungshöhen.? Die Curve nämlich, die den Einfluss der Temperatur auf die Hubhöhen ı A. Fiek und R. Böhm, Ueber die Wirkung des Veratrins auf die Muskelfaser. Verhandlungen der physikalisch-medicinischen Gesells. zu Würzburg. Bd. Ill. 1872. ®J. Gad und J. F. Heymans, Ueber den Einfluss der Temperatur auf die Leistungsfähigkeit der Muskelsubstanz. Dies Archiv. 1890. Supplbd. 4* 52 OSCAR KOHNSTAMM: darstellt, steigt nicht, wie die Curve der entwickelten Wärmen!, und wie man es ganz allgemein von einem chemischen Process erwarten sollte, mit der Temperatur an, sondern sie zeigt bei 19° ein Minimum. Gad und Heymans fanden die Deutung dieses höchst paradoxen Phaenomens in der Fick’schen Theorie. Sie stellten in Curvenpaaren die Wirkungen der beiden Processe, — oder in der Fick’schen Ausdrucksweise — die Mengen der gebildeten und weiterverbrannten Milchsäure als Functionen der Zeit dar. Dann mussten die Differenzen der zu einer Abscisse gehörigen Ordinaten proportional den zum selben Zeitpunkt gehörigen Ordinaten der Zuckungs- curve sein. Mit abnehmender Temperatur nehmen die Curven an Höhe und Steilheit continuirlich ab, und der Fusspunkt der zweiten Curve ent- fernt sich von dem der ersten. Nach diesem Prineip wurden constructiv Zuckungscurven erhalten, deren Höhe das zu erklärende Phaenomen aufwiesen. „Alles Paradoxe ist bei dieser Betrachtungsweise geschwunden; denn dass chemische Processe mit abnehmender Temperatur an Intensität und Schnelligkeit des Verlaufs einbüssen werden, ist durchaus zu erwarten und ebenso dass dann auch die Verspätung zunehmen kann, nach welcher die Wirkung eines solchen Processes merklich zu werden beginnt. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir mit unserer Betrachtungsweise das Richtige getroffen haben, wird erhöht durch den Umstand, dass bei Temperaturen unterhalb 19°, wo die Curven- höhe beträchtlich zugenommen hat, ein stärkerer Reiz erforderlich ist, um eben eine minimale Zuckung auszulösen, als bei 19° und darüber.“? Nach der Fassung, die Fick seiner Theorie beispielsweise gegeben hat, sollte die Milchsäure eine Gerinnung hervorrufen, und während oder mit der Gerinnung der Muskel seine Arbeit leisten. Nun wissen wir aber von Fick selbst,? dass ein zweifelloser Gerinnungsvorgang, wie die Wärme- starre, nur einen kleinen Betrag von Spannung entwickelt. Wenn es schon deshalb nicht gerathen ist, die vorhandene Milchsäuremenge zum Maass der Wirkung des Gesammtprocesses zu machen, so werden wir zur Aufgabe der Milchsäurehypothese geradezu genöthigt durch eine Deduction Bunge’s,* nach der bei der Spaltung von Kohlenhydrat in Milchsäure eine ! A. Fick, Versuche über Wärmeentwickelung im Muskel bei verschiedenen Temperaturen. Würzburger Verhandlungen. Bd. 19. 1885. Mwyothermische Unter- suchungen. 1889. ZUR Ra N): » A. Fick, Mechanische Arbeit und Wärmeentwickelung bei der Muskelthätigkeit. Internationale wissenschaftliche Bibliothek. Bd. L. — Derselbe, Mechanische Unter- suchung der Wärmestarre des Muskels. Myothermische Untersuchungen. — Gad und Heymans, a. a. 0. * Bunge, Die Quelle der Muskelkraft. Lehrbuch der physiologischen und patho- logischen Chemie. MUSKELPROCESSE IM LICHTE D. VERGL. ISOTON.-ISOMETR. VERFAHRENS. 53 genügende Energiemenge, um die dabei geleistete mechanische Arbeit zu bestreiten, nicht frei werden kann. Bunge knüpft seine Betrachtungen an die Buttersäuregährung in der sehr wahrscheinlich richtigen Voraus- setzung, dass die bei dieser entwickelte Energiemenge die bei der Spaltung derselben Menge Kohlenhydrates in Milchsäure entwickelte übertrifft, wo- durch er dann in der Lage ist, a fortiori von ersterem auf letzteren Vor- gang zu schliessen. Um nämlich die von Fick und Wislicenus bei ihrem berühmten Ausflug auf’s Faulhorn in 6 Stunden geleistete mecha- nische Arbeit von 176000" zu bestreiten, müssten nicht weniger als 1000 8m Zucker in Buttersäuregährung übergegangen sein, woran gar nicht zu denken ist.! Versuch einer mathematischen Entwickelung der Fick- Gad’schen Theorie. Um unseren weiteren mechanischen Betrachtungen eine Anschauung zu Grunde legen zu können, wollen wir uns von der Histologie des Con- tractionsvorganges ein schematisches Bild zu machen suchen. Wenn der Muskel sich zusammenzieht, so müssen, da sein Volum nicht vermehrt wird, vorher in der Längendimension angeordnete Theilchen sich zwischen- einander schieben. Diese einfach logische Forderung kann man unter dem Mikroskop verwirklicht sehen, und Engelmann’? hat das, was er sah, als eine Quellung der isotropen auf Kosten der anisotropen Substanz aufgefasst. Wir haben also mindestens zwei aneinander grenzende Flüssigkeiten, die, jedenfalls durch eine Oberflächenspannung getrennt, in der Ruhe nicht ! Vielleicht ist aber in dieser Betrachtung eine Andeutung verborgen, wie man sieh die Zerlegung eines Verbrennungsprocesses von Kohlenhydrat in zwei Abschnitte vielleicht vorstellen könnte. Bekanntlich wird der Vorgang der Buttersäur:gährung dargestellö durch die Formel: C,H,0, = GH3;0, + 2C0, + 2H,. Wenn man nun bei diesem Bilde bleiben und als den zweiten Process die Weiter- verbrennung von C,H,O, auffassen wollte, so bliebe als reichliche Kraftquelle für die Arbeitsleistung die Verbrennung von 2H,. Diese 2H, liefern nun bei der Verbrennung von 1000 s°®@ Traubenzucker 765 C = 325440 wke, Abgesehen von der Verbrennung des Buttersäuremoleküls liefern die 1000 &”= Traubenzucker 176000 + 325440 = 501440 kg, Dann würde die von Fick und Wislicenus geleistete Arbeit von 178656 "Ks be- stritten werden können durch die Spaltung und theilweise Verbrennung von 350 &” Zucker, was keineswegs nnmözslich zu sein braucht. Ich habe diese Berechnung aus- geführt, um — in Uebereinstimmung mit Hoppe-Seyler’s Theorie — auf die viel- leicht bedeutungsvolle Rolle des freien Wasserstoffs in diesem Prototyp eines Lebens- vorganges hinzuweisen. ® Engelmann, Pflüger’s Archiv. Bd. VO, XI, XVII. 54 OSCAR KOHNSTAMM: mischbar, auf den Reiz hin bei gestatteter Verkürzung sich mischen. Wir nennen den Vorgang eine Mischung, weil er auf Veränderung des Werths der Oberflächenspannung beruhen muss. Die Wirkung dieser Veränderung kann entweder sein, dass die Theilchen einer Querscheibe sich zwischen die der anderen Querscheibe schieben, oder dass die Berührungsflächen der Menisken sich vergrössern. Wir ziehen es vor, die erstere Annahme der weiteren Darstellung zu Grunde zu legen. Es ist nichts anderes, als Um- schreibung einer unbezweifelten Thatsache, wenn wir sagen: Bei der Con- traction findet eine innere Verschiebung, möglicherweise eine moleculare Umlagerung statt. Die mechanische Wirkung des Reizes auf den — festgehaltenen oder freibeweglichen — Muskel ist zunächst eine Vermehrung der Längsattrac- tion (vielleicht auch der Querabstossung) zwischen in Längsreihen angeord- neten Molekülen. Die Folge derselben ist bei festgehaltenem Muskel eine Spannungsvermehrung, bei freibelastetem Muskel eine auf anfängliche Spannungsvermehrung folgende Verkürzung. Man kann die Spannungs- änderung bei constanter Länge, wie den Verkürzungsgang bei constanter Spannung unter den von Fick! angegebenen technischen Vorkehrungen graphisch aufzeichnen lassen, als isometrische und isotonische Curve. Diese Curven stellen in näherer oder entfernterer Annäherung die mechanische Aeusserung der Zustandsänderungen des thätigen Muskels unter entgegen- gesetzten Bedingungen dar. Die ideale Isometrie und Isotonie geben das unverfälschte Bild der Aenderungen der mechanischen Constanten, deren jeweiliger Werth als Funetion der im Muskel vor sich gehenden inneren Processe angesehen werden muss. Ein directer Schluss auf diese Processe darf nur gezogen werden, — was besonders hinsichtlich der Isotonie nicht scharf genug betont werden kann? — wenn auf die Gestalt der Curven äussere mechanische Kräfte, wie die Trägheit von Massen, keinen merk- lichen Einfluss haben. Wir haben uns von der Nothwendigkeit überzeugt, dass zum Ver- ständniss vieler myophysischer Erscheinungen der durch den Reiz ausge- löste chemische Vorgang in zwei Processe verschiedener Bedeutung zerlegt werden muss. Die Wirkung des ersten, für sich allein betrachtet, soll in der Vermehrung der Längsattraction auf ein Maximum bestehen, einer Zu- standsänderung, die wir als positiv bezeichnen wollen, der Herstellung eines neuen Gleichgewichts zwischen der jetzigen Längsattraction einerseits und der Belastung sowie der durch die Formveränderung hervorgerufenen inne- ı A. Fick, Ueber die Aenderung der Elastieität des Muskels während der Zuckung. Pflüger’s Archiv. 1871. ? Derselbe, Die Trägheit kleiner Gewichte bei Isotonie kann vernachlässigt werden. Mechanische Arbeit u. s. w. 8. 93. MUSKELPROCESSE IM LICHTE D. VERGL. ISOTON.-ISOMETR. VERFAHRENS. 55 ren Elastieität des Muskels andererseits. Die Wirkung des zweiten Pro- cesses besteht dann in der Zurückführung der Zustandsänderung von ihrem positiven Werthe auf Null. Wir wollen nun diese Vorstellung mathematisch fixiren, und zwar der grösseren Anschaulichkeit wegen für den Fall der Isotonie. Denken wir uns zuerst den ersten Process allein und ungestört vom zweiten ver- laufend. Die Grösse der Zustandsänderung, d. h. die Vermehrung der Längsattraction, für Isotonie also die Verkürzung im Zeitdifferential, setzen wir proportional der Intensität des positiven chemischen Processes in diesem Augenblick: dgW)= Cm (Od, 1) wenn mit p(Z) die Länge des Muskels, mit , (2) die Intensität des ersten Processes als Functionen der Zeit dargestellt sind. Wir erhalten daraus für die Verkürzung @(£&)— (4) durch Integration: 2 W-47W=1, [na 2) 1 oder in Worten: Wenn der erste Process allein wirksam wäre, so würde zu der Verkürzung (t,) — g(t,) ein Betrag des Processes gleich dem Zeit- integral auf der rechten Seite gehören. Eine sehr anschauliche Vorstellung gewinnt man, wenn man den Begriff der Intensität des Processes dahin specialisirt, dass o, (£) proportional der in der Zeit dt gebildeten Milchsäure- menge ist; dann bedeutet das Zeitintegral nichts anderes als die in der Zeit t, — t, gebildete Menge von Milchsäure. Wenn wir durch die Function g,(£) die Intensität des zweiten (nega- tiven) Processes darstellen, so haben wir dslM= —- (0,9 (td 3) und indem wir die Verlängerung (2,)— g (t,) als ausschliessliche Wirkung des zweiten Processes nehmen, wie oben: 2 mW = 4 [0a wer 2 Da nun aber nach unserer Voraussetzung beide Processe zugleich und in entgegengesetzter Richtung wirken, und wenn wir beide vom Zeitpunkt z, aus sich erhebend denken, so haben wir allgemein die Verkürzung in jedem Augenblick proportional der algebraischen Summe der beiden Zeitintegrale. Es ist somit 56 OscAR KOHNSTAMM: in In Da A $d-G |9,0&= 0 nom) to bo wenn wir für die Integrale die Zeitfunctionen 7 und F, schreiben. C„F, und —(,F, stellen die Wirkung jedes der beiden Processe für sich auf den Muskel dar. Um das Verhältniss der bis jetzt willkürlichen Constanten aufeinander zu bestimmen, setzen wir die Gleichung für den dem Werth der Zuckungsdauer entsprechenden Zeitpunkt z, an: Ge I, 6) d. h. im Zeitpunkt Z, ist die algebraische Summe der Wirkungen der beiden Processe auf den Muskel = 0. Es folgt: er 7 Oo Ft 3 Wir setzen diesen Quotienten =1 und erhalten (,=(G,=(; indem wir nun © gleich 1 nehmen, stellen #, und 7. die Wirkungen jedes der beiden Processe als Function der Zeit dar. (m) — pl) = MA —-F 8) oder in Worten: Die Zustandsänderung des Muskels in jedem Augenblick, d. h. für den betrachteten Fall der Isotonie, die Längenänderung bei con- stanter Spannung ist proportional der Differenz der Zeitintegrale zweier Processe, von denen der eine für sich allein die positive, der andere die negative Zustandsänderung bewirken würde oder in der Sprache Fick’s: Die Verkürzung in jedem Augenblick ist proportional der Differenz der gebildeten und weiterverbrannten Milchsäuremenge, d. h. proportional der in diesem Augenblick vorhandenen Milchsäuremenge. Wir können die drei besprochenen Theorien an dem in der Geschichte der Muskelphysiologie classischen Solenoidschema veranschaulichen. Die erste oder, wenn man kurz so sagen darf, Helmholtz’sche Theorie fände ihr Bild in einem durch Gewicht gedehntem, von einem galvanischen Strom durchkreisten Solenoid. Die elektromotorische Kraft wird von einer Tauch- batterie geliefert, deren eingetauchte Flächen nach bestimmtem Gesetz ver- grössert und wieder verkleinert werden. Dementsprechend wächst und sinkt die Längsattraction des Solenoids. Bei Streckung des Solenoids durch ein grösseres Gewicht ist die Selbstinduction geringer, der Strom wird we- niger geschwächt, die elektrolytische Wirkung in der Kette ist grösser: Also: je grösser die Spannung, um so grösser der Gesammtumsatz — wie beim Muskel. MUSKELPROCESSE IM LICHTE D. VERGL. ISOTON.-ISOMETR. VERFAHRENS. 57 Um Jendrässik’s Hypothese in unser Bild zu fassen, lassen wir einen Stromstoss sich durch eine Reihe parallel geschalteter Solenoide aus- gleichen, von denen jedes einem Muskelelement entsprechen soll. Wenn die minimale Bewegung des einen den Stromschluss im nächsten auf irgend eine Weise bewirkt, so wird eine periodische Bewegung erfolgen. Zur Veranschaulichung der Fick-Gad’schen Theorie nehmen wir zwei concentrische Solenoide, in deren Windungen ein einstweilen auf einer Unterlage aufstehender Eisenkern mittlerer Coereitivkraft hineinragt. Wir leiten durch das erste Solenoid eine wie bei der ersten Modification er- zeugte Stromesschwankung hindurch von solcher Richtung, dass eine als positiv zu bezeichnende Magnetisirung des Eisenkernes hervorgerufen wird. Dieselbe wird ungefähr proportional dem Zeitintegral der Stromesschwankung angesehen werden dürfen. Gewisse Zeit nach dem Beginn des ersten, soll sich ein zweiter Process entwickeln von dem ersten entgegengesetzter Rich- tung in Gestalt einer durch das zweite Solenoid geführten Stromesschwan- kung. Dieses wird — für sich allein betrachtet — eine negative Magne- tisirung erzeugen, die proportional ihrem Zeitintegral vorschreiten wird. Die Wirkung des Systems nach aussen, d. h. die Gleichgewichtshöhe des gehobenen Eisenkernes in irgend einem Augenblick ergiebt sich proportional der Differenz der Zeitintegrale beider Processe. Der graphische Ausdruck unserer Integrale sind die Gad-Heymans’- schen Curvenpaare. In diesen, wie in unserer Entwickelung sind #, und F, durch den Grad ihrer Wirkung auf ein Drittes bestimmt. Sind wir aber auch im Stande eine absolute Beziehung zwischen ihnen zu finden, oder können wir wenigstens angeben, in welcher Richtung eine solche zu suchen sei? Denken wir zu einer bestimmten Muskeleurve die zugehörigen Inte- graleurvenpaare gezeichnet, so ist es leicht zu diesen die entsprechenden Intensitätscurven zu construiren. Unsere Betrachtung liess ja die Gad- Heymans’schen Curven durch Integration aus Intensitätscurven hervor- gehen. Wir finden also zu einer Curve #, die Intensitätscurve durch dF, 6 77 proportio- nal die Ordinaten der Intensitätscurve setzen. Wir erhalten so zwei mit Maximis versehene Curven, die eine nach oben, die andere nach unten dF,6) dt das von dieser Ordinate, der zugehörigen Abscisse und dem abgeschnittenen In Curvenstück begrenzte Flächenstück ist F.,= | Yıo) (& de. lo $,(f) und ,(f) sind proportional den Intensitäten der chemischen Differenziation, indem wir den ersten Differenzialquotienten von der Abseisse, deren Ordinaten bezw. gleich sind Tora Und 58 OscAR KOHNSTAMM: Processe in den betrachteten Augenblick. Die Intensität eines chemi- schen Processes kann einerseits gemessen werden durch die Menge des während desselben gebildeten Productes, andererseits aber, da der che- mische Process im Muskel wohl ausschliesslich in der positiven Arbeit chemischer Verwandtschaftskräfte besteht in der dabei entwickelten Wärme und lebendigen Kraft. Denken wir letztere in Wärmemaass übergeführt, so müssen die Ordinaten , (2) und », (2) proportional der in dem betrach- teten Zeitpunkt entwickelten Wärmemenge gesetzt werden. Danach ist der Flächeninhalt #,., proportional der in dem Process , (f), der Flächen- inhalt #,,, proportional der im Process @,(£) entwickelten Wärmemenge. Bleiben wir nun bei der Fick’schen Hypothese — ohne uns an eine be- stimmte Formulirung zu halten —, dass der erste Process bestehe in der Spaltung oder Verbrennung zu einem Zwischenproduct und der zweite in der Weiterverbrennung des Zwischenproductes, so verhalten sich die Flächen- inhalte #,, und #,,, wie die den beiden Processen entsprechenden Ver- brennungswärmen. Es wird also eine — bis jetzt unbekannte — Con- stante X geben, die angiebt, um wie viel mehr Wärme in A, alsin A, entwickelt wird. Wir haben somit im: Anschluss an obige Gleichung 7): F, a 9) OT RT ar d Wir setzen also voraus, dass — soweit es sich um Modificationen desselben Vorganges handelt — A, en immer dasselbe Vielfache von £, 5 ist und fügen gleich an, dass es bei so total verschiedenen Vorgängen, wie die Isometrie und Isotonie sind, sehr wohl möglich ist, dass ÄX für beide einen verschie- denen Werth hat. Wie wir später an einem Beispiel zeigen werden, ist es wahrscheinlich, dass X eine von den Widerstands - Regimen abhängige Variable ist. Hätten wir nun zu einer realen Zuckungscurve die Curven #, und #, construirt, so würden wir in der Summe Z, Be K A Fu, +K)in Wärmemaass diejenige Wärmemenge W vor uns haben, die bei der ge- sammten Muskelzuckung frei wird unter den Bedingungen, unter denen sie Fick zu messen pflegt. Es steht somit schon jetzt fest, dass wir in dem Wärmewerth #, ein proportionales Maass für W, d. h. für die Gesammtintensität der Processe haben; und umgekehrt ist W ein proportionales Maass für 7. Ganz dieselben Betrachtungen wie für die Längenänderung lassen sich mit demselben Ergebniss für die Spannungsänderung durchführen. Ich gehe jetzt dazu über, allgemein zu discutiren, durch welche Ver- änderungen der Integralcurven (#,, #,) die charakteristischen Variationen der Muskeleurve # bedingt sein müssen. Wir können selbst die allge- MUSKELPROCESSE IM LICHTE D. VERGL. ISOTON.-ISOMETR. VERFAHRENS. 59 meinsten Regeln der Construction mit einiger Kürze nur dann aussprechen, wenn wir 7, unveränderlich gehalten denken. 1. Der Fusspunkt von Z/, rückt um so weiter hinaus, je steiler die Muskel- curve F ansteigt, oder, was dasselbe heisst, je früher 7 sein Maximum erreicht. 2. Wenn ausser /\ auch der Anfangstheil von #, unveränderlich ge- halten wird, so wird sich #, um so früher an /#, anschliessen, je schneller die Erschlaffung von 7 erfolgt. Je früher aber 7 erschlafft ist, um so früher muss es auch seinen Gipfel erreicht haben. 3. Die Gipfelzeit wird demnach relativ klein, a) wenn /, sich spät und langsam erhebt, b) wenn #, sich früh und schnell an #, anschliesst. Diese Concurrenz von a und b ist nur ein scheinbarer Widerspruch. Man wird sich nämlich niemals über den Charakter von 7, durch die frühe Gipfelzeit täuschen können. In den Zuckungscurven zu a folgt auf den Gipfel ein Plateau oder ein langsamer Abstieg, ihr Prototyp ist die isome- trische Zuckung bei 10°C. In den Curven zu b folgt auf den Gipfel ein jäher Abfall, wie bei maximalen isotonischen Zuckungen hoher Temperatur. Man wird stets durch die Construction bestätigt finden: Einem langen plateauähnlichen Abfall entspricht ein spät und langsam ansteigendes #,, einem jähen Abfall der Muskeleurve entspricht ein plötzlicher Anstieg von ?P,. Einem steilen #, wird — soviel ich sehe — stets ein entsprechend steiles #, vorausgehen, während einem steilen #, durchaus kein ebenso steiles 7, zu folgen braucht. Ein spät ansteigendes 7, wird wohl auch immer Aut geringer Steilheit verlaufen. Aus der unmittelbaren Anschauung ergiebt sich und aus 1. folgt, dass — F, wieder als unveränderlich vorausgesetzt — / ein um so höheres An) erreicht, je später und je flacher #, ansteigt. Den Grad der Beeinträchtigung der Ordinatenhöhen der Muskelcurve durch früheren und steileren Verlauf von 7, nenne ich den Grad der Interferenz. Die Steilheit von # in jedem Augenblick ist gleich der Differenz der Steilheiten von #, und #,. Denn wenn F=R—H, sro. Le dB, _ daR dt dt dt Die Steilheit von # muss so lange am grössten sein, wie #, noch = 0 ist. Wir stehen vor der Maximalbetrachtung: Für die Abscisse der Gipfelzeit 4, haben wir dF dB dE mn — 1 Van dt dt h 0 An an 60 Oscar KOoHNSTAMM: d.h. # wird ein Maximum, wenn die Steilheiten von /, und 7, gleich werden, und bleibt ein Maximum oder ein Plateau, so lange die ersten Differentialquotienten gleich bleiben. — Es ist noch ein Wort darüber nöthig, in welcher Weise von den Inte- gral- auf die Intensitätseurven und umgekehrt geschlossen werden kann. dFi(e) & nn sind, Da die Ordinaten p,.,)? proportional den Differentialguotienten entsprechen den Maximis der Intensitätscurven Wendepunkte der Integral- LEERE (e d t = curven. Denn m = er . Es ist zu erwarten, und geht aus den Gad-Heymans’schen Curvenpaaren hervor, dass der Maximalpunkt von g,(£) später fällt, als der Maximalpunkt von a Wir haben früher gesehen, dass ur = =f £, (f) dt proportional der Ge- sammtintensität des chemischen Umsatzes En Es folgt, dass der Grenzwerth, dem /\ asymptotisch sich nähert, um so grösser ist, je grösser die nach Aus- weis der myothermischen Messungen unter diesen Verhältnissen entwickelte Wärmemenge ist. — Die Dauer des Processes g,(£) kann erschlossen werden aus der Zeit während der /\ noch ansteigt. Es darf nun mit grosser Wahr- scheinlichkeit angenommen werden, dass die Ordinaten ,(f) einen von 0 verschiedenen Werth bis zum Zeitpunkt ig behalten, was für Verkürzungs- und Spannungszuckung gesondert abgeleitet werden kann. Für erstere folet aus den Arbeiten von Heidenhain und Steiner,! dass auch während der Erschlaffung durch Widerstandsvermehrung der chemische Umsatz gesteigert werden kann. Da Dehnung, wie wir hoffen beweisen zu können, nur auf 7, wirkt, so konnte bei den Steiner’schen Versuchen g,(Ö in der Erschlaffungszeit noch nicht erloschen sein. — Für die Fort- dauer von g,(£) bis zum Ende der Zuckung bei festgehaltenem Muskel scheint ein directer Beweis vorzuliegen. Wenn wir nämlich mit Fick? die von diesem Forscher wohlbegründete Annahme machen, „dass bei einer einfachen Zuckung niemals ein Vorrat von mechanischer potentieller Energie verfügbar wird oder ohne neue Verbrennung wie die Energie einer ge- spannten Feder zu mechanischen Leistungen verwendet werden kann“, so zeigen Curvenscharen mit Anfangshemmung und immer späterer Lösung, wie sie besonders instructiv von Kries? giebt, dass bis zum Ende der R2.2.20. ? A. Fick, Myothermische Fragen und Versuche in den Myothermischen Unter- suchungen. 1889. 8. 261. ® v. Kries, Untersuchung zur Mechanik des quergestreiften Muskels. Dies Archiv. 1880. MUSKELPROCESSE IM LICHTE D. VERGL. ISOTON.-ISOMETR. VERFAHRENS. 6l Zuckung ein Rest von /#, zur Ausführung der Verkürzung vorhanden ist. — Wir nehmen somit an, dass der unserer positiven Zustandsänderung zu Grunde liegende Process his zum Ende der Zuckung anhält. Experimentelle Prüfung einiger theoretischer Folgerungen. Die vergleichend isotonisch-isometrische Methode wurde von Fick zu dem Zweck begründet, die Veränderung der Elastieität des thätigen Muskels zu verfolgen." Später hat Fick? mit derselben Methode zwei classische Beweise dafür geliefert, dass die Voraussetzung dieser Betrachtung nicht zutreffend war, dass nämlich die Spannung (s) in einem Moment nicht nur von der seit Beginn der Zuckung verflossenen Zeit (2) und der in dem Moment eingenommenen Länge (/), sondern auch von der Summe der Widerständen (2'W) abhinge, die sich bis dahin der Zusammenziehung entgegengesetzt haben. Die allgemeine Formel der Spannungsgleichung ist also nicht: Ss = rs, ), Set, DES N): Gad und Heymans?® haben darauf aufmerksam gemacht, dass bei Isometrie die Querdehnbarkeit nicht contractiler, elastischer Gebilde, be- sonders der Sarkolemmschläuche, nicht wie bei Isotonie in Anspruch ge- nommen wird; und dass ferner die isometrischen Ordinaten den Zustands- änderungen eines Muskelquerschnittes proportional sind. Für einen solchen Querschnitt ist der übrige Muskel ein starres Stück der Verbindung mit dem Spannungsmesser. Für vollkommene Isometrie würden die Ordinaten unendlich klein sein; ihren Aenderungen aber sind die Aenderungen an- nähernd proportioral, die wir an der wirklichen isometrischen Curve be- obachten. In den isotonischen Ordinaten kommt dagegen die summirte Wirkung aller Muskelelemente zum Ausdruck. Es wird nicht unnöthig sein zu be- tonen, dass, wie dieselben Autoren nachweisen, für die Betrachtung der isotonischen Curve — mit Ausnahme des Latenzstadiums — alle Muskel- elemente als in gleicher Schwingungsphase begriffen angesehen werden müssen, dass also hinsichtlich unserer Integralcurven die Fortpflanzung der Contractionswelle nicht angezogen werden darf, — ein Irrthum, dem, wie es scheint, F. Schenk? verfallen ist. sondern etwa: E20: ” A. Fick, Mechanische Arbeit u.s. w. 8. und 9. Cap. A. 2. OÖ. * F. Schenk, Beiträge zur Kenntniss von der Zusammenziehung des Muskels. Pflüger’s Archiw. Bd. 50. 8. 188. 62 OscAR KOHNSTAMM: So lange die Fortpflanzungsgeschwindigkeit vernachlässigt werden kann, sind die isotonischen Ordinaten als proportional den Verkürzungen der Muskelelemente anzusehen. Vielleicht nur bei hochgradiger Ermüdung könnte die Contractionswelle so verlangsamt sein, dass die Verkürzung des Ge- sammtmuskels einem Mittelwerth der Verkürzung der Elemente entspricht. Was aber für uns die gegensätzliche Betrachtung der Isometrie und Isotonie zur grundlegenden Methode aller Muskelphysiologie macht, der physikalischen und histologischen, das ist die Ueberlegung, dass bei Iso- metrie die inneren Umlagerungen sehr stark eingeschränkt, bei idealer Isometrie verhindert sein müssen. Wenn wir uns nämlich den Erregungs- vorgang in einer festgehaltenen Muskelfaser vorstellen, so sehen wir eine Formänderung gänzlich ausbleiben. Hingegen tritt eine Spannungsvermeh- rung ein. Die von elastischen Körpern, zu denen der Muskel nach Fick’s classischen Darlegungen zweifellos gehört, ausgeübte Spannung wird all- gemein dann vermehrt, wenn sie verhindert sind, eine Bewegung auszu- führen, die sie in ihre Gleichgewichtslage überführen würde In dem Maasse, als sie von dieser entfernt gehalten werden, entwickeln sie Span- nung. Spannungsentwickelung eines festgehaltenen Muskels bedeutet also Verhinderung der inneren Umlagerung.! Unter diesem Gesichtspunkt scheint uns der Antagonismus der isometrischen und isotonischen Zuckung eine ähnliche Bedeutung für unseren Gegenstand zu haben, wie für die Gas- theorie die Behandlung der Gase bei constantem Druck und constantem Volum. Isometrie und Isotonie sind Grenzfälle, die experimentell nur an- nähernd erreicht werden. Jedoch darf man es wagen, die Fick’schen Methoden als genügende Annäherung zu betrachten. Die Construction der zu einem isometrisch-isotonischen Zuckungseurven- paar (bei Zimmertemperatur) gehörigen Integraleurven ergiebt für Isometrie entsprechend der kürzeren Gipfelzeit mit folgendem Plateau einen späteren und langsameren Anstieg von F, als für Isotonie. Bei derjenigen Modifi- cation des Muskelprocesses also, bei der die inneren Umlagerungen ein Minimum sind, verläuft der zweite, der Erschlaffungs- oder Restitutions- process am trägsten. Die Umkehrung dieser Erfahrung würde lauten: Je beträchtlicher die inneren Umlagerungen sind, um so plötzlicher entladet sich der zweite Process. Dieses ist die Vermuthung, deren Berechtigung wir experimentell prüfen wollen. Es gilt für eines der merkwürdigsten Phaenomene am Muskel, dass man — unter gewöhnlichem isotonischem Regime — bei Steigerung der Reizstärke bald nach Ueberschreitung der Schwelle zu einer Reizgrösse ! Ranvier hat am Beugungsspeetrum des Muskels direet nachgewiesen, dass die Aenderung der Querstreifung während der Erregung an die Aenderung der Länge ge- bunden ist. MUSKELPROCESSE IM LICHTE D. VERGL. ISOTON.-ISOMETR. VERFAHRENS. 65 kommt, die vom Muskel mit einer „maximalen“ Zuckung beantwortet wird. Dieses wäre nicht erstaunlich, wenn die maximale Zuckungshöhe einem solchen Contractionsgrade entspräche, bei dem die durch die Formverände- rung hervorgerufenen elastischen Kräfte des Muskels weiterer Zusammen- ziehung einen absoluten Widerstand entgegensetzten. Diese „innere Elastici- tätsgrenze“ — wenn es uns erlaubt ist, im Folgenden so die eben definirte Grösse der elastischen Kräfte zu benennen — wird aber durch eine Maximal- zuckung nicht erreicht, vielmehr vermag ein kurz auf den ersten folgender zweiter Reiz auf das eben erreichte Niveau des ersten eine zweite Zuckung aufzusetzen. So „superponiren“ sich eine Anzahl Zuckungen, bis der Contrac- tionsgrad erreicht ist, der vielleicht der inneren Elasticitätsgrenze entspricht. Für das höchst merkwürdige Phaenomen des Maximums giebt unsere Fick-Gad’sche Theorie folgende Deutung: Mit wachsender Reizstärke wächst die Steilheit von 7, stärker als die Steilheit von #,, wenn nämlich unsere Voraussetzung richtig ist, dass der zweite Process sich um so plötz- licher entladet, je beträchtlicher die inneren Umlagerungen sind. Denken wir uns die Zuckungshöhen graphisch als Function der Reizstärke dar- gestellt, und zwar nicht so, wie sie etwa in Wirklichkeit sind, sondern so, wie wir sie a priori ohne Interferenz erwarten würden, so erhielten wir eine Curve, die mit einer gewissen charakteristischen Steilheit anstiege. Fügen wir nun den Einfluss der mit wachsender Reizstärke wachsenden Interferenz hinzu, so wird dadurch die ursprüngliche Beschleunigung ge- dämpft, eine etwa convexe oder lineare Curve wird linear oder concav gegen die Abseissenaxe, und das Maximum wird einem kleineren Ordinatenwerthe entsprechen, als das Maximum der ungedämpften. Wir vermuthen also, dass das Phaenomen des Maximums seine Ursache darin hat, dass die Wirkungen der mit dem Reiz noch weiter steigenden inneren Processe interferiren, sich theilweise aufheben. Wir haben ein Mittel, die Zulänglichkeit dieser Deutung zu prüfen, indem wir eine entsprechende Curve der isometrischen Höhen ermitteln. Denn der Grad der Interferenz ist bei Isometrie geringer, wieder, wenn unsere Voraussetzung zutrifft, dass die Beschleunigung des zweiten Processes bei Verhinderung der inneren Umlagerung ein Minimum ist. Der Versuch ist einfach auszuführen. Die Methode, die wir an anderer Stelle ausführlich beschreiben werden, war im wesentlichen die von Fick ange- gebene. Wir benutzten den gut curarisirten Wadenmuskel von Rana esculenta. Das regelmässige Ergebniss war folgendes: Isometrische Zuckungen erreichen das Maximum bei grösserer Reizstärke als isotonische, und die Zahlen der isometrischen Zuckungshöhen steigen viel schneller an, als die der isotonischen. Oder: der Werth des Quotienten Botpetranal sinkt mit Isom. Höhe 64 OSCAR KOHNSTAMM: wachsendem Reiz. Wir können das Resultat graphisch veranschaulichen, wenn wir für die maximale isotonische Reizstärke die isometrische Höhe der isotonischen gleich machen. Wir erhalten so Fig. 1. Es darf nicht unterlassen werden, zu erwähnen, dass in seltenen Fällen (vielleicht ?/,,) die Curve der isometrischen Höhen nicht über den Kreuzungspunkt hinaus- steigt, der übrige Verlauf ist aber stets der charakteristische. Von beson- derer Wichtigkeit dürfte auch noch sein, dass erst bedeutenden isotonischen Höhen die isometrische Schwelle entspricht, d. h. ein Anwachsen der Span- nung über die Anfangsspannung, deren Werth in unseren Versuchen zwischen 0—10—20 8m schwankte. Höhe in mm 15 Bio. Versuch 82. a isometr. Höhen, 5 isot. Höhen. Es kann nach unserer Auffassung nicht zweifelhaft sein, dass die isometri- schen Höhen ein reineres Maass für die Erregungsgrösse sind als die isotoni- schen. Es wird demnach für die Zwecke der allgemeinen Nervenphysiologie, etwa zum Vergleich mit der negativen Schwankung des Nervenstroms die iso- metrische Zuckung entschieden mehr geeignet sein, als die isotonische — und ein myophysisches Gesetz der Zukunft darf sich nicht an die Hubhöhen halten.! ! Ich wundere mich, dass Santerson in seiner sehr ausführlichen Arbeit (Skan- dinavisches Archiv f. Physiologie 92. Studien über die allgemeine Mechanik des Muskels. 3. Abhandlung) eine Abhängigkeit der Culmenzeit von der Reizstärke nicht gefunden hat. Ich sah ganz regelmässig beim curarisirten und beim Nervmuskelpraeparat eine MUSKELPROCESSE IM LICHTE D. VERGL. ISOTON.-ISOMETR. VERFAHRENS. 65 Isotonische und isometrische Curvenschaaren mit wachsender Reiz- intensität entsprechen ganz dem, was man aus der Discussion der Höhen erschlossen hat. In der isotonischen Schaar strahlen vom Reizpunkt die Curvenschenkel unter mit der Reizstärke wachsendem Elevationswinkel aus. Der Abstieg ist um so steiler, der Gipfel fällt um so früher, je stärker der Reiz ist. In vielen Fällen wird bei übermaximaler Verstärkung des Reizes der Abfall noch weiter beschleunigt. Man sieht klar den Einfluss des be- schleunigten 7%, (Fig. 2). Anders bei Isometrie. Eine Verschiebung der Theile der Zuckungscurve, die aus einer Aenderung des gegenseitigen Verhaltens der Componenten abzuleiten wäre, ist hier nicht vorhanden (Fig. 3).! Wir glauben also in der Curve der isometrischen Höhen den all- gemeinen Gang der Erregungsgrösse als Function der Reizstärke in erster Annäherung gefunden zu haben. Es giebt aber auch N — ein Mittel, die Gesammt- ._ intensität der Processe bei eh! Isotonie direct zu bestim- » men, nämlich die Wärmemessung nach Heidenhain’s und Fick’s Me- thode. Die Curve der isotonischen Wärmen muss denselben Typus haben, wie die Curve der isometrischen Höhen. eontinuirliche Abnahme der Culmenzeit mit wachsender Reizstärke. Die Differenz zwischen der Culmenzeit bei minimalem und maximalem Reiz beträgt zwischen 0-015 und 0-02”. Die Bedeutung dieses Verhaltens, der verlangsamten Erschlaffung bei schwachem Reiz sieht man am besten ein, wenn man eine Ordinate durch die ab- steigenden Schenkel der Curvenschaar legt. Diese trifft die Curven auf gegen die Maximalhöhe um so grösserer Höhe, je schwächer der Reiz war. Dieser ganz eonstante Befund ist von besonderer Wichtigkeit für das Verständniss der Summationserschei- nungen. Bezüglich der Unabhängigkeit der gesammten Zuckungsdauer von der Reiz- stärke stimme ich den früheren Autoren bei. (Brücke, Ueber willkürliche und kraupf- hafte Bewegung. Wiener Sitzungsbericht der mathematisch-physikalischen Klasse. Bd. 76. 8.3. 1877. — Goldscheider, Ueber eine Beziehung zwischen Muskeleontrac- tion und Leitungsfähigkeit der Nerven. Zeitschrift für klinische Mediein. Bd. XIX. " Die Nachprüfung dieser Versuche mit kräftigen Winterfröschen hat gelehrt, dass bei schnellzuckenden Muskeln auch in der Isometrie ein Sichschneiden der absteigenden Schenkel stattfinden kann. Archiv f. A.u. Ph. 1893. Physiol. Abthlg. 5 66 OscAR KOHNSTAMM: Thatsächlich verdanken wir Nawalichin! und B. Danilewsky? einige solche Versuchsreihen, die in der merkwürdigsten Weise unsere Erwartungen bestätigen. Wir werden uns an die mit vorgeschrittenerer Technik aus- geführten Versuche Danilewsky’s halten. Bei den schwächsten Reizen nämlich, wo 7, träge ansteigt, läuft die Curve der isotonischen Wärmen parallel den isotonischen Höhen, dann aber, wo auch nach Ausweis der iso- metrischen Höhen die Interferenz beginnt, wachsen die Wärmen viel schneller als die Höhen. Wenn die Öurven auf einander reducirt sind, so kreuzt die Wärmecurve die Höhencurve und steigt ein grosses Stück über sie hinaus. Am anschaulichsten wird: der Parallelismus der isotonischen Wärmen und der isometrischen Höhen demonstrirt, wenn man zu den isotonischen Hub- höhen als Abseissen die zuge- | 1. ,]),] hörigen Spannungen und Wär- s; T re] men als Ordinaten aufträgt. ae ae I Leider lag es ausserhalb der = — Absichten Danilewsky’s, zu ” KT — seinen isotonischen Höhen und 1 | Wärmen auch die isometri- LN BEL A schen Höhen und Wärmen zu 3 | | a keit) bestimmen. Ich selbst konnte elle aus äusseren Gründen diese ee /\ % | || experimentelle Lücke nicht 5 | 77 71] ausfüllen. Ich habe daher ZaRzmEE . zur Herstellung der Fig.“4 zu- 5 Ä ZzazsBa.z erst nach Versuch 116 von en _ ae Danilewsky die isotonischen ee] Wärmen als Funectionen der id Hubhöhen (a) dargestellt, a Wärmeentwickelung, 5 Spannungsentwickelung dann er meinem Versuch 82 bei wachsender Reizstärke. die Spannungen als Func- tionen der Hubhöhen (2). Dann wurden beide Curven unter geeigneter Reduction combinirt. Wenn auch aus Danilewsky’s Angaben nicht hervorgeht, dass seine Zuckun- gen isotonisch verliefen, so ist unsere Curve doch in der Annäherung, in der wir davon (Gebrauch machen, zweifellos einwandsfrei. Sie er- giebt die Identität der Curventypen der isometrischen Höhen und der iso- tonischen Wärmen. ! Nawalichin, Myothermische Untersuchungen. Pflüger’s Archiv. 1877. ® B. Danilewsky, Weitere thermodynanische Untersuchungen der Muskeln. Pflüger’s Archiv. Bd. 45. MUSKELPROCESSE IM LICHTE D. VERGL. ISOTON.-ISOMETR. VERFAHRENS. Wir geben die Zahlen aus Danilewsky’s Versuchen: Reizstärke in | Wärmeentwicke- absoluter lung in Scalen- | Hubhöhen in m Gradmessung |theilen der Bussola 30° 38 9-8 50° 5.2 12-1 80° 5.8 13:0 900° 8-3 16-0 Versuch 84 400° 106) 18-6 600° 13-9 19-5 1000° 16-3 19-7 20° 0-7 | 9-8 30° 4-0 27-7 50° 77 33-0 Versuch 116 100° 1 bonl 3I.l 300° 14-5 40-0 Es folgen zwei Beispiele unserer Versuche. R.-A. Isot. Höhe |Isom. Höhe Du _ 17 0-7 0 0 | 80) 16 66 0 0 | 15 9-0 2-5 1-7 53 14 11-0 10-0 6-8 1=6 | 13 11-5 16-9 11-5 1-0 er 12 11-5 20-0 13-6 0-9 11 11-5 21-0 14-3 0-8: 10 11-5 22.0 15.0 0.8 18 3:6 0 0 00 17 6°0 1X 0:9 6-7 16 8-5 4-5 2-5 3.4 15 10-5 13-5 75 1-4 14 11-7 18-4 10-2 1-1 Versuch 88 13 12-3 22-5 12-3 1-0 12 12-3 24-0 13-1 0.9 ill 1223 24*1 1322 0-9 - 10 12-3 24-1 13:2 0:9 67 Wir dürfen in der aus der Fick-Gad’schen Theorie vollkommen richtig vorausgesagten Beziehung der isotonisch-isometrischen Höhen und der isotonischen Wärmen eine Bestätigung dieser Theorie erblicken, und 5* 68 OscAR KOHNSTAMM: speciell unserer Annahme, dass bei Isotonie mit steigender Reizstärke 7, stärker beschleunigt wird als #. Danilewsky schliesst die Mittheilung seiner Zahlen mit der Bemer- kung: „Also je geringer der Reiz, um so sparsamer werden die Spannkräfte des Muskels verbraucht“. Besonders Nawalichin legt diesem Eegebniss einen ausgesprochen teleologischen Sinn unter. Indem wir dies weder an- erkennen, noch bestreiten, dürfen wir wohl noch einmal darauf hinweisen, dass der Satz mathematisch aus den Voraussetzungen der Theorie folgt. Die Curve der isometrischen Wärmen wird aller Voraussicht nach dem Typus der Curve der isotonischen Wärmen folgen. Danilewsky hat zwei solche Versuchsreihen an demselben Muskel nicht ausgeführt. Aus der Zusammenstellung sämmtlicher Curven mit gestatteter und ver- hinderter Verkürzung, die aus seinen mitgetheilten Bestimmungen zu ent- nehmen sind, geht nicht hervor, dass sich der Gang der Curven der iso- metrischen und der isotonischen Wärmen irgendwie unterscheidet. Doch ‚ fehlt hier noch der positive Beweis durch das directe Experiment an dem- selben Muskel. — Bei dem parallelen Verlauf der Curven der isometrischen Höhen und der isotonischen Wärmen wird man in erster Annäherung sagen dürfen: Der Zuwachs der isotonischen Wärme mit wachsendem Reiz ist proportional dem entsprechenden Zuwachs der isometrischen Höhen. Diese Folgerung kann bei der verhältnissmässigen Lückenhaftigkeit ‘des myother- mischen Versuchsmaterials — mit der nöthigen Vorsicht angewandt — von einiger Bedeutung werden. Trotz des analogen Typus der Öurven der isotonischen und isometrischen Wärmen verlaufen doch letztere wenigstens für die stärkeren Reize in höheren Wärmewerthen als erstere. Wir sind damit zu der bedeutungsvollen Ent- deckung Heidenhain’s! gelangt, dass die Wärmeentwickelung bei Isometrie grösser ist als bei Isotonie. Hieraus folgt unmittelbar, dass nicht nur der relative Verlauf durch die gestattete oder verhinderte innere Umlagerung beeinflusst wird, sondern auch die Quantität des Gesammtprocesses, oder anders ausgedrückt: Die Gesammtintensität der Processe wird durch die- selbe Ursache, durch die inneren Umlagerungen eingeschränkt, durch welche die Steilheit von /, vermehrt wird. Das Experiment hat nun, indem es einen wichtigen Satz lehrte, die Voraussage bestätigt, dass je beträchtlicher die inneren Umlagerungen sind, um so steiler 7, verläuft. Die Gesammt- intensität der Processe ist also mathematisch abhängig von der Steilheit von #,, oder da die Gesammtintensität der Processe für dasselbe Regime ein constantes Vielfache von 7‘ ist, so entwickelt #, sich um so stärker, je Ta): MUSKELPROCGESSE IM LICHTE D. VERGL. ISOTON.-ISOMETR. VERFAHRENS. 69 mehr verzögert der Beginn und der Verlauf von 7, ist. Die Berechtigung dieser Deduction ist noch auf anderem Wege nachzuweisen. Aus den Gad-Heymans’schen Curven geht ohne Weiteres hervor, dass mit steigender Temperatur für Isometrie die Steilheit von #, viel schneller zunimmt, als für Isotonie.e Während nämlich bei Isometrie und mittlerer Temperatur 7, noch so flach ansteigt, dass lange Plateaus zu Stande kommen, fällt der absteigende Schenkel bei 30° steiler ab, als bei Isotonie. Nun hat Fick über die Wärmeentwickelungen (W) bei verschie- denen Temperaturen und maximalen Reizen Folgendes ermittelt: W isom. f Rh W isch. unter 10% — 2-1, W isom. . ER WW iset, über 272 — 1-1, was in Worten heisst: Die Verhinderung der inneren Umlagerung bewirkt unter denjenigen (Temperatur-) Verhältnissen die grösste Steigerung des Gesammtumsatzes, unter denen /, am meisten verzögert ist. Wenn wir aber diese gleichzeitigen Thatsachen in causale Beziehung setzen dürfen: Der Gesammtumsatz (also auch /,) ist um so bedeutender, je weiter _ - F, hinausgerückt ist, d. h. je ungehinderter #, sich entwickeln kann. Wir wenden uns jetzt zu der letzten Frage dieses Theiles: Wie hat man es zu verstehen, dass die maximalen isometrischen Ordinaten ein an- nähernd reines Bild der Abhängiskeit des Gesammtumsatzes von der Reiz- stärke geben? Die einfachste und wahrscheinlichste Annahme ist, dass Interferenz für die Abseisse {, noch nicht in merklichem Maasse einge- treten ist. Also muss A, = 0 sein. Die Bedingung für die Gipfelhöhe: ind _g dA_dR dt Da na gz giebt zwei mögliche Constructionen. = ist entweder = 0, oder hat einen endlichen Werth. Im ersten Fall (a) würde 7, in z, schon asymptotisch ver- laufen, während 7, sich noch nicht erhoben hat; im anderen Fall (5) erhebt sich #, gerade im Zeitpunkt 1,. AR. 1) Fig. 5. Der Fall a ist aus mehreren Gründen auszuschliessen. Erstens liegt etwa bei Zimmertemperatur das relative Minimum der isotonischen und 70 OSCAR KOHNSTAMM: isometrischen Höhen in ihrer Abhängigkeit von der Temperatur. Dies war das Grundphaenomen der Fick-Gad’schen Theorie, und wurde so gedeutet, dass bei weiterem Sinken der Temperatur durch weitere Verzögerung von F, die bei 19° bestehende Interferenz verringert werde. Zweitens würde, wenn das Schema a der Wirklichkeit entspräche, der Muskel der maximal gespannten Feder das Gleichgewicht halten, ohne dass ein chemischer Um- satz stattgefunden hätte; denn für —ı =(), ist auch 9, (&) =. Nun ist es wohl denkbar, worauf eindringlich hingewiesen zu haben, Fick’s grosses Verdienst ist, dass eine Verkürzungsordinate chemischer Arbeit nicht zu entsprechen braucht. Denn abgesehen von der Wärmestarre giebt es auch einen activen Zustand starker Verkürzung, der durch relativ geringen Umsatz aufrecht erhalten wird. Fick! hat nämlich gezeigt, dass, wenn er einen eben vollkommenen Tetanus durch Verkleinerung der Fre- quenz in einzelne Zuckungen auflöste, die Quantität des chemischen Um- satzes dadurch bedeutend gesteigert wurde. Nahm er aber dieselbe Ope- ration mit dem isometrischen Tetanus vor,? so zeigte sich, dass dieser sehr viel mehr chemische Arbeit verlangt, als eine Reihe getrennter isometrischer Zuckungen. Bei Isometrie wächst demnach allerdings die Gesammtintensität der Processe mit der Zeit, während der die grösste Spannung ausgeübt wird.° Da also das Schema a anderen Erfahrungen widerspricht, so schliessen wir per exchisionem auf ein durch 5 darstellbares Verhalten. Wenn nun Fr e & . 12 ö F,, ein Maass des Gesammtumsatzes ist, so muss der Quotient n eine g . 1 von der Reizstärke unabhängige Constante sein Die zu einer isometrischen Curvenschaar gehörige Inten- sitätscurvenschaar hat demnach etwa beifolgendes Aussehen: Denn die Gipfelzeit ist unabhängig von der Reizstärke, und der Maximalpunkt der Intensi- tätscurven, an dem Wendepunkt der isometrischen Zuckungsceurve kenntlich, geht der Gipfelzeit voraus (Fig. 6). RE Fig. 6. Weitere Anwendungen. Die eminente Wichtigkeit der Fick-Gad’schen Theorie für die Deu- tung und die Uebersicht der Erscheinungen liegt darin, dass sie jeden der ı A. Fick, Mechanische Arbeit u. Ss. w. ? Derselbe, Myothermische Fragen und Versuche in den Myothermischen Untersuchungen. ® Sogar die isometrische Contractur im Tetanus muss ein Zustand lebhafter innerer Thätigkeit sein; denn sie ermüdet schnell, wie ich selbst mittheilen kann. Der Span- nungsrückstand, der sich bei Ermüdungsreihen und nicht zu langsam aufeinanderfolgenden Reizen bald ausbildet, ermüdet nach kurzer Zeit und sinkt verhältnissmässig schnell ab. MUSKELPROCESSE IM LICHTE D. VERGL. ISOTON.-ISOMETR. VERFAHRENS, 71 beiden Processe für sich als verschiedene Function derselben Variabeln dar- zustellen gestattet. — Wenn ich kurz zusammenfasse, soweit ich die Ver- hältnisse übersehen kann, so wird der erste Process verstärkt: 1. durch Verstärkung des Reizes, 2. durch Erhöhung der Temperatur, 3. durch Vermehrung der Widerstände, die sich der Zusammenziehung entgegensetzen. Der zweite Process wird in seinem Eintritt und Verlauf beschleunigt: I. 1. durch Erhöhung der Reizstärke (Curve der isotonischen und iso- metrischen Höhen), 2. durch den Grad der gestatteten inneren Umlagerung, 3. durch Erhöhung der Temperatur (Gad und Heymans), 4. durch Stellung einer Zuckung, unmittelbar nach einer vorausgehen- den Summationsreihe (worauf wir in einer besonderen Arbeit näher ein- gehen). Der zweite Process wird in seinem Eintritt und Verlauf verzögert: I. 1. durch Verminderung der Reizstärke, 2. durch den Grad der Verhinderung der inneren Umlagerung, 3. durch Erniedrisung der Temperatur, 4. durch Ermüdung. Was den Einfluss der Ermüdung betrifft, so lässt sich die Erscheinung der Treppe nach demselben Princip verstehen, wie der Erhöhung des Zuckungseipfels bei Abkühlung nach Gad und Heymans, nämlich ver- mittelst des Princips des mit Verzögerung von #, abnehmenden Grades der Interferenz. Besonders aber erklärt mir die Theorie folgende Erscheinung: Bei gleicher Ermüdungsstufe findet man, dass starken Reizen entsprechende Zuckungen relativ weniger an Höhe eingebüsst haben als schwache, was jch so deute: 7, ist durch die Ermüdung für beide Reizstärken proportional verkleinert; während aber für den schwachen Reiz von Anfang an ein ge- ringer Grad von Interferenz bestand, ist für den starken die Interferenz nach Ermüdung bedeutend verringert, so dass, während der absteigende Schenkel schon deutlich den Charakter hochgradiger Ermüdung zeigt, die Zuckungshöhe gerade so gross oder grösser sein kann, als am Anfang. Aus demselben Grunde entspricht gleichen Ermüdungsstufen eine relativ stärkere Einbusse der isometrischen Zuckung an Zuckungshöhe als der isotonischen. Diese Erscheinung ist nicht zu verwechseln mit der ebenfalls merkwürdigen Thatsache, dass bei rein isometrischen Ermüdungs- reihen Erschöpfung viel früher eintritt, als bei rein isotonischen. Dies er- 72 Oscar KoHNSTAMM: klärt sich — jedenfalls zum grossen Theil — durch die Thatsache des grösseren Energieverbrauchs bei Isometrie.! Alle unsere bisherigen Betrachtungen knüpften sich an die Grenzfälle der vollkommenen Isometrie und Isotonie. Wir stehen jetzt vor der schwie- rigen Aufgabe zu bestimmen, in welcher Weise unsere Schlüsse auf die Arten der Muskelzuckung, wie sie unter anderen, bis heute gewöhnlicheren Bedingungen beobachtet sind, angewandt werden müssen. Alle diese Zwischen- oder Uebergangsrögime sind charakterisirt durch die Widerstände, die sich im Verlauf der Zuckung der Zusammenziehung entgegensetzen, oder schärfer ausgedrückt durch den zeitlichen Verlauf dieser Widerstände. Das Maass des Widerstandes in einem Augenblick ist offenbar der Betrag der relativen Dehnung der natürlichen Länge in dem betrach- teten Augenblik, berechnet auf die Einheit des physiologischen Querschnittes. Ein jedes Regime ist charakterisirt durch die Curve der so ge- wonnenen „absoluten Widerstände“, die experimentell wohl nicht direet feststellbar, aber theoretisch annähernd zu erschliessen ist: für Isotonie ist sie nahezu linear, für Isometrie fällt sie mit der Spannungscurve zusammen. Die „absoluten Widerstände“ sind umgekehrt proportional dem „Coöfficienten der gestatteten inneren Umlagerung“. So kann ich jetzt diesen Coöfficienten definiren. Die isotonischen und isometrischen Curven sind desshalb ausschliesslich verwendbar zur Construction von Integral- und Intensitätscurven, weil bei ihnen der Einfluss träger Massen nicht, oder so gut wie nicht in’s Spiel kommt. Bei allen Zwischenzuständen haben diese Einflüsse einen sehr be- trächtlichen Werth. Daher können für sie die zugehörigen Curven nur erschlossen werden, insofern sie sich theoretisch aus den Grenzfällen ableiten lassen. F. Schenk hat versucht durch Construction den Verlauf der inneren Processe bei folgender Versuchsanordnung aufzufinden. Ein Muskel zeich- nete isotonisch seine Contraction auf; während der Zusammenziehung hatte er einen trägen Hebel von sich wegzuschleudern, und dann setzte er seinen Weg wieder isotonisch fort. Schenk kommt durch die Construction zu dem Resultat, dass Spannungsvermehrung den zweiten Process „fördert“, oder wie wir sagen würden, seinen Eintritt und seine Steilheit beschleunigt. Dies widerspricht unserem Grundsatz, dass die Verhinderung der inneren Umlagerung F, verzögere. ! Meine Ermüdungsversuche habe ich mit dem an anderer Stelle zu beschreiben- den Gad’schen Magnetinductor am gut curarisirten Wadenmuskel von Rana esculenta ausgeführt. Leider hat mir das Material gefehlt, um auf diesem an verborgenen Auf- schlüssen noch überaus reichen Gebiet mehr als gelegentliche Beobachtungen zu machen. MUSKELPROCESSE IM LICHTE D. VERGL. ISOTON.-ISOMETR. VERFAHRENS. 73 Integralcurven dürfen aber, wie wir wiederholen müssen, nur für den Fall gezeichnet werden, dass träge Massen nicht erheblich in’s Spiel kom- men, und wir zweifeln nicht, dass wenn man eine elastische Feder gegen träge Massen schnellen liesse, die sie überwinden kann, um dann ihren Weg tortzusetzen, sich ebenso eine „Förderung des zweiten Processes“ her- ausstellen würde. — Wir bleiben dem gegenüber bei unserer Meinung, dass Vermehrung der absoluten Widerstände unter allen Umständen #, verzögert und 7 verstärkt. Aber es giebt eine Beobachtung,! die zu beweisen scheint, dass unter Umständen auch die gestattete Verkürzung den Stoffumsatz vermehrt. Wenn man nämlich eine isometrische Zuckung auf ihrer Höhe unterbricht und den Muskel sich zusammenziehen lässt, so wird mehr Wärme ent- wickelt, als wenn die Zuckung rein isometrisch verliefe. Wir wissen, dass g,(d) auch während der Erschlaffungszeit einen merklichen Werth hat. Wird nun der Betrag #., durch die gestattete Verkürzung vergrössert, oder kann der nachgewiesene verstärkte chemische Umsatz auch anders verständlich werden? Wir deuten das Phaenomen anders, in folgender Weise: Wir haben uns anfangs vorbehalten, dass der auf die Wärmewerthe der Processe bezügliche Quotient zZ Fi C, \ En 9) für verschiedene Regime einen verschiedenen Werth haben kann. Einem grösseren Wärmewerth des zweiten Processes entspricht ein kleineres Ä. Die Wirkung des zweiten Processes besteht bei Isotonie in der Wieder- herstellung der ursprünglichen Gestalt, bei Isometrie in der Zurückführung der Spannung auf ihren ursprünglichen Werth. Um einen zusammen- gezogenen Muskel auszudehnen, ist eine mechanische Arbeit nöthig; dass aber ein gedehnter Muskel sich ohne beträchtliche Arbeitsleistung zu- sammenzieht, ist sehr gut denkbar. Vergegenwärtigen wir uns unser früheres Bild von der Zusammenziehung des Muskels. Dieses soll — so stellten wir uns vor — identisch sein mit der Mischung zweier heterogener Substanzen; etwa der einfach- und der doppelbrechenden. Die Wirkung des ersten Processes besteht darin, dass — vielleicht durch eine abgespaltene Säure der Coöfficient der Mischbarkeit beider Substanzen vergrössert wird. Dem- entsprechend wächst die Längsattraction; wenn nun ein mit der Mischung vorschreitender zweiter Process den die Mischbarkeit bedingende Stoff zer- stört, so haben wir ein Bild des zweiten Processes bei Isotonie. Bei voll- ı A. Fick, Myothermische Fragen und Versuche, a. a. O. ® F. Schenk, Ueber den Einfluss der Spannung auf die en des Muskels. Pflüger’s Archiv. Bd. LI. 74 OsSCAR KOHNSTAMM: kommener Isometrie hingegen kommt es gar nicht zur Mischung beider Substanzen. Da der zweite Process bei Isotonie erst in Folge der sich vollziehenden Mischung eingeleitet wird, so muss er sich bei verhinderter Mischung in anderer Weise, etwa durch Diffusion! vollziehen. Wenn die Bedingungen der Säureabspaltung um so besser sind, je weniger die Mischung bereits vollzogen ist, so verstehen wir, warum der Betrag des Umsatzes bei Isometrie grösser ist, als bei Isotonie. Das Bild diene zur Erläuterung, wie man sich vorstellen kann, dass die Constante Ä kleiner wird, wenn die Zusammenziehung gestattet, als wenn sie verhindert ist. Wenn nun die isometrische Curve unterbrochen wird und plötzlich in eine Verkürzungseurve übergeht, so entwickelt sich ein zweiter Process von höherem Wärmewerth, und die fragliche Erscheinung ist kein Widerspruch mehr für unsere Anschauung. Fig. 7. Wenn die Interferenz nichts verdeckte, so würden die Endwerthe F\,,, ein Maass für die Zuckungshöhen sein. #, wächst mit dem Betrag der absoluten Widerstände, sinkt umsomehr, je mehr die inneren Umlagerungen gestattet sind. Ueber den unmittelbar fördernden Einfluss der Anfangs- spannung und Belastung auf die Zuckungshöhen belehren uns die Versuche Fick’s? am Muschelmuskel. v. Frey? findet, dass in gewissen Grenzen die Hubhöhen mit wachsender Belastung grösser werden, ebenso Schenk, ! Wir könnten das Bild fortführend die unverbrannte Säure als Ermüdungsstoff gelten lassen, der die schnelle Erschöpfung bei isometrischen Ermüdungsreihen mit bedingt. * Beiträge zur vergleichenden Physiologie der irritablen Substanzen. Braun- schweig 1863. S. 52. ° Reizungsversuche aın unbelasteten Muskel. Dies Archiv. 1888. rm ldr MUSKELPROCESSE IM LICHTE D. VERGL. ISOTON.-ISOMETR. VERFAHRENS. 75 Haidenhain! und Fick? sahen dasselbe am tetanisirten Froschmuskel. Ueber den Einfluss der Anfangsspannung bei Ueberlastungsversuchen macht Santesson° ausführliche Mittheilungen. — Alledem aber scheinen die durch v. Kries? eingeführten und von M. v. Frey? weiter verfolgten ‚Unter- stützungszuckungen“ zu widersprechen. In der That sind die Versuche so merkwürdig, dass ich mir nicht versagen darf, darauf einzugehen. v. Kries® erhält, indem er bei einem curarisirten Triceps eine Be- lastung von 240 2” allmählich ganz in Ueberlastung überführt, dadurch, dass er immer höher unterstützt, seine Curven Fig. 4, von denen ich die unterste und die oberste möglichst getreu wiedergeben will (Fig. 7). Die gestrichelte Abseisse entspricht der T,änge des unbelasteten Mus- kels; 2 ist die Curve der Belastungszuckung von der Ruhelage des gedehnten Muskels aus, Ü die Zuckung des maximal unterstützten Muskels, U die muthmaassliche, von mir hinzugefügte Zuckungscurve des unbelasteten Muskels. Bis zum Punkt A verläuft Ü mit U zusammen. In 4 ist die natürliche Länge des Muskels so klein geworden, dass ihm das Gewicht zur Last fällt. Er muss nun seine Spannung vermehren bis zum Betrag von 240m, und da er das Maximum seiner Spannung noch nicht erreicht hat, kann er das Gewicht noch etwas erheben. Aber lange nicht bis zur Höhe von U. — Es geht aus diesem Versuch objectiv hervor, dass ein un- - belasteter Muskel, wenn er während des Verlaufs seiner Zuckung unter die Bedingung der Ueberlastung versetzt wird, noch fähig ist, eine sehr grosse Spannung anzunehmen, ein sehr interessanter Befund, an dem aber von vornherein wohl nicht zu zweifeln war. Der Betrag des Umsatzes wird dementsptechend steigen und zwar in Folge der Ueberlastungsbedingung. Dass die Spannungsvermehrung die Steigerung der Hubhöhe bei der Unter- stützung bedingt, geht aus der Mittheilung v. Frey’s hervor: „Bei einer Spannung von 0-5: hat dagegen die Unterstützung kaum noch einen Einfluss auf die Lage der Zuckungsgipfel.”” Nach dieser Analyse verliert die zuerst erstaunliche Thatsache, dass in einer Einzelzuckung ein Gewicht in solcher Höhe noch gehoben werden kann, alles Befremdende. Auch diese Erscheinung ist auf die umsatzvermehrende Wirkung grosser absoluter Widerstände zurückgeführt, die dadurch noch besonders gesteigert sind, ! Heidenhain, Mechanische Leistung u. S. w. ® Fick, Untersuchungen über Muskelarbeit. 1867. Aa O0: * v. Kries, Untersuchung zur Mechanik des quergestreiften Muskels. 1880. > M. v. Frey, Versuche zur Auflösung der tetanischen Muskelcurve. Festschrift. Reizungsversuch am unbelasteten Muskel. Dies Archiv. Aa 08.365; Na: 76 OscaR KOHNSTAMM: dass in dem in Betracht kommenden Contractionszustand die Dehnbarkeit vermehrt ist. — Den beschleunigten Abfall der Unterstützungszuckung hat schon damals v. Kries auf ein mit dem Contractionsgrad wachsendes „con- tractionlösendes X“ zurückgeführt. Wenn dieser Forscher aus seiner Beob- achtung entnimmt, „dass der Muskel um so höhere Zuckungsgipfel erreicht, je weniger Arbeit er während der Zuckung leistet“, so beschreibt er damit allerdings das Ergebniss seines — unter sehr künstlichen Bedingungen an- gestellten — Versuches. Wir wagen aber, unsere bescheidenen Bedenken zu äussern, ob esin der Aufhellung der Abhängigkeit der Muskelcontraction von ihren mechanischen Bedingungen sehr weit führen wird, wenn man die (nützliche) Arbeit anstatt der Widerstände zur unabhängigen Variablen macht. Wir schliessen diesen Absatz mit der Wiederholuag des von Heidenhain und Fick begründeten und noch nicht erschütterten Satzes, dass Spannungsvermehrung den Betrag der im gereizten Muskel vor sich gehenden chemischen Processe vergrössert; und wir fügen hinzu: Mit dem Grad der erreichten Verkürzung wächst die Steilheit des zweiten Processes. Wir haben in dieser Abhandlung eine Darstellung des heutigen Standes der Fick-Gad’schen Theorie zu geben versucht, wie sie sich uns im Ver- laufe unserer Muskelversuche, die durchgehends unter vergleichender Anwen- dung der isotonischen und der isometrischen Methode ausgeführt wurden, gestaltet hat. Sie scheint uns im Stande zu sein, die bekannten mechani- schen und thermodynamischen Thatsachen zu einem widerspruchslosen Bilde zu vereinigen, — und wir dürfen wagen, die Mittel, die sie uns an die Hand giebt, zur Deutung complieirterer Phaenomene zu benutzen. Zum Schluss sei noch ein Wort über die von uns gebrauchte histo- logische Vorstellung gestattet. Ich habe sie bisher als ein blosses Bild be- zeichnet, um nicht an unpassendem Ort durch eine neue Hypothese zu verwirren. Sollte sie aber nicht mehr, sollte sie nicht einfach der Ausdruck der wesentlichen Tbatsachen in der Sprache der Molecularphysik und der physikalischen Chemie sein, der hier eigentlich zuständigen Grenzwissen- schaften? Ein zweifelloser Vorzug dieser Vorstellungsweise liegt darin, dass sie keinen mortalen Process, wie die Gerinnung es ist, zu Hülfe nimmt, sondern vielmehr den Anschluss an die Contractionsvorgänge einfacher Organismen zu gewinnen scheint. Man sieht, es würde uns auch nicht schwer fallen, zu der von Ver- worn vorgeschlagenen Auffassung des Muskelprocesses zu gelangen. Aber wir halten es mindestens für verfrüht, den Reizungsvorgang des Chemo- tropismus mit chemischer Verwandtschaft zu identificiren. Wir fassen also von dem durch unsere Untersuchung gewonnenen Standpunkt den Muskelprocess folgendermaassen auf: Die erste Wirkung MUSKELPROCHESSE IM LICHTE D. VERGL. ISOTON.-ISOMETR. VERFAHRENS. 77 des Reizes besteht darin, dass zwei vorher durch die Oberflächenspannung ihrer Grenzflächen getrennte Flüssigkeiten mischbar werden. Bei gestatteter Zusammenziehung vollzieht sich die Mischung in der Weise, dass vorher in Längsreihen angeordnete Theilchen einer Querscheibe sich zwischen die Längs- reihen einer anderen Querscheibe einschieben. In dem Maasse, als die Um- lagerung vorschreitet, entwickelt sich unter dem Einfluss der veränderten räumlichen Anordnung ein zweiter Process, in dem die Mischbarkeit aufge- hoben wird. Die Bedingungen für den Fortgang des ersten Processes sind um so günstiger, je vollständiger die Mischung verhindert ist. Wir würden es als den schönsten Erfolg betrachten, wenn wir durch diese Auffassung etwas zu der methodischen Erkenntniss beigetragen haben sollten, dass für die physikalische und morphologische Biologie und die anorganischen Grenzwissenschaften der gemeinschaftliche Angriffispunkt an das Problem der lebendigen Bewegung in der Muskelphysiologie ge- legen ist. Hrn. Prof. @Gad spreche ich für alle die reiche Anregung, die ich seit- her von ihm erfahren habe, meinen tiefgefühlten Dank aus. Die Temperatur des in die Niere einströmenden Blutes und des aus ihr abfliessenden Harnes. Von Dr. G. Grijns. (Aus dem physiologischen Institut zu Leipzig.) Wenn der Harn, wie er aus der Niere hervortritt, wärmer befunden würde als das Arterienblut, so würde damit bewiesen sein, dass sich zu dem vom Blutstrom mitgebrachten Kräften, andere in der Niere geweckte zugesellt und sich an der Ueberführung der Harnbestandtheile aus den Bluteapillaren in die Harnkanälchen betheiligt hätten. Auf den mir aus- gesprochenen Wunsch des Hrn. Prof. C. Ludwig hin, habe ich versucht, ob sich ein Unterschied in den Temperaturen des Harns und des Arterien- blutes nachweisen lasse. Dabei verhehlte ich mir nicht, dass ein in der That vorhandenes Uebergewicht der Temperatur des Harns über die des Blutes noch keineswegs widerlegt sei, wenn bei den von mir ausgeführten Versuchen das gerade entgegengesetzte Verhalten der Wärmegrade beobach- tet worden wäre. Denn mannigfach sind die Schwierigkeiten zum Theil unüberwindbare, die dem Versuch entgegenstehen. Vor die Wahl gestellt, ob die Wärme durch das Thermoölement, oder das Thermometer zu messen sei, gab ich dem letzteren Instrument den Vorzug. Denn zunächst strebte die Untersuchung nur nach dem merk- lichen, nieht aber nach dem endgiltigen Temperaturunterschied, und hiezu konnten voraussichtlich die feinen Thermometer von Götze ausreichen. Ihres kleinen und dünnwandigen Gefässes wegen folgen sie verhältniss- mässig rasch auch geringen Temperaturänderungen, sodass mässige Geschwin- digkeit seines Wechsels vorausgesetzt, sie den Wärmegrad der Umgebung genau wiedergeben. Und weil das vor der Scala aufsteigende Capillarrohr G. Grusns: Die TEMPERATUR DES IN DIE NIERE EINSTRÖMENDEN BLUTES. 79 sehr eng ist, so lassen sich 0-01 eines Centigrades noch mit Sicherheit abschätzen. — Siehe hierüber Lukjanow.! Mit solchen Instrumenten zu arbeiten, die anschaulich und unverfäng- lich den vorhandenen Temperaturgrad anzeigen, schien nicht aussichtslos, wenn das Hg-Gefäss möglichst nahe der Niere in den Ureter derart ein- gelegt war, dass es von dem ungehindert abfliessenden Harn allseitig umspült werden konnte, und wenn gleichzeitig Niere, Ureter und Thermo- meter vor schädlicher Abkühlung möglichst behütet wurden. Nur grosse Hunde, von mindestens 20 Kilo Körpergewicht, wurden zum Versuch benutzt. Vor Beginn des letzteren, hatten die Thiere schon ein bis zwei Tage hindurch soviel magern Fleisches erhalten, als sie fressen wollten. Voraussichtlich lieferten sie darum zur Versuchszeit reich- lichen und dichten Harn. Trotzdem harnten die Nieren öfter allzu spärlich, sodass sie durch Einspritzung eines Lö- sungsgemenges aus 10 Procent Trauben- zucker, 1 Proc. Harnstoff und 0°7 Proc. NaCl zu erhöhter Thätigkeit gezwungen werden mussten. Wie das Thermometer in die Harn- wege eingebettet war, ist aus Fig. 1 er- sichtlich. Unmittelbar an das Nierenbecken angrenzend war die Glascanüle a in den Ureter eingesetzt. Durch einen kurzen Kautschukschlauch öffnete sie sich in das Zuflussrohr einer Metallhülse c, d, e. In dem oberen Ende desselben d, e, sass das Scalenrohr des Thermometers, dort durch ein dicht anschliessendes Kautschukrohr be- festiet; in den schmäleren unteren Theil der Hülse ragte der Hals und die Kugel des Thermometers bis nahe dem Boden. Zu dem engeren Theil der Hülse mündet das Zuflussrohr 5, gegen- über dem oberen Theil des Quecksilbergefässes, vom Boden der Hülse erhob sich das Ausflussrohr f, 9, A; seine Lichtung setzte sich in ein längeres Kautschuckrohr so weit fort, dass sich der um das Hg-Gefäss strömende Harn nach aussen über die Bauchdecke hinaus ergoss. Vermöge der beschriebenen Einrichtung, konnte der Harn auf seinem Wege in’s Freie, das Gefäss des unverrückt feststehenden Thermometers allseitig umspülen und erwärmen, Eig) 1. U Dies Archiv. 1886. S. 117. 80 G. GRIINS: aber er musste auch auf die in der Umgebung der Niere herrschende Temperatur abgekühlt, der Wärme beraubt werden, die er aus der Papille mitgebracht hatte. Schutz gegen den von aussen her drohenden Verlust gewährte eine Hülle aus kräftigem Kautschuck, ©: A, Fig. 1. Da der Durch- messer ihrer Lichtung den der Metallhülse um einige Millimeter übertraf, so blieb ein Raum übrig, der mit trockener Baumwolle ausgefüllt wurde. In das Innere der Hülle liess sich leicht gelangen, wenn der an ihrem freien Ende eingebundene Kautschuckpropf k weggenommen wurde. — Jedes meiner Harn-Thermometer war ein und für alle Mal in die Metall- und Kautschuckhülle durch ein bei d angelegtes Band eingeschlossen. In dieser Umwicklung verhielt sich das Thermometer sehr träg gegen den Wechsel der Temperaturen die sich auf der Aussenfläche der Kautschuck- hülle abspielten. Dagegen wurde es stärker beeinflusst von der im Innern der Hülle herrschenden Temperatur. Wenn sich, wie hieraus zu schliessen, die Wärmegrade der Hülle und die des durch sie strömenden Harns als- bald ausglichen, so musste die vom Harn mitgebrachte Temperatur vor- zugsweise entstellt werden, weil die Masse des langsam fliessenden Harns gegen die der Hülle beträchtlich zurücksteht. Diese Trübung der That- sachen suchte ich dadurch zu umgehen, dass ich die Hüllen der Thermo- meter 24 Stunden hindurch in einem Raum aufstellte, dessen Temperatur sich gleichmässig auf 36° bis 37° C. hielt. Wenn der vorgewärmte Apparat an den Ureter gesetzt und die Wunde geschlossen war, so liess ich stets noch mindestens eine Stunde verstreichen bis ich mit der Ablesung der ‘Temperaturen begann. Den Verdacht, als ob durch das geschilderte Ver- fahren die Umhüllung des Thermometers höher als das Blut erwärmt worden sei, widerlegen die abgelesenen Temperaturen. Jedesmal wenn der Zufluss des Harns stockte, zeigte das an den Ureter gefügte Thermometer einen um ein weniges niederen Grad seiner Umgebung an, als ihn das Arterienblut besass. Ein anderer Umstand, der es verhinderte, dass der Harn den Tempe- raturgrad, wie er ihn in der Niere empfangen, dem Thermometer mittheilen konnte, war durch den Abstand zwischen der Papille und dem Orte ge- geben, an welchem die Glascanüle sass. Auf diesem Abschnitt seines Weges war der Harn schutzlos den Einwirkungen seiner Umgebung ausgesetzt. Darum war es angezeigt die Canüle so nahe als möglich an die Niere ein- zusetzen. Ganz unberechenbar ist es endlich, wie das Blut und der Harn sich innerhalb der Niere beeinflussen. Mich in Vermuthungen zu ergehen, ob das Venenblut der Niere wärmer oder kälter als der Harn sei, ob das Blut der Rinde mit dem des Marks gleich oder ungleich temperirt sei, wird man mir erlassen. Doch wird man die ungleich breiten und raschen Strömungen DieE TEMPERATUR DES IN DIE NIERE EINSTRÖMENDEN BLUTES U.Ss.w. 81 des Harns und des Nierenblutes in Betracht ziehen dürfen, wenn man er- wägt, ob zwischen den Temperaturen der beiden Flüssigkeiten ein Unter- schied werde nachzuweisen sein. Besteht eine Ungleichheit, wäre etwa der Harn wärmer als das Blut, so würde hievon an dem aus der Papille fliessenden Harn nur wenig zu bemerken sein. Denn die Berührung zwi- schen Harn und Blut ist in der Niere eine vielfältige, und zu der Zeit, in welcher viel Harn abgesondert wird, wächst auch die Geschwindigkeit des Blutstroms. Wenn man nun sieht, wie uns so vieles daran hindert der Wahrheit ‚auf die Spur zu kommen, so wird man geneigt sein zuzugestehen, dass die Betheiligung eines wärmebildenden Processes der Harnabsonderung desshalb noch nicht geleugnet werden dürfe, weil die Temperatur des geprüften Harns nicht über der des Arterienblutes liegt. Vor der blutigen Operation waren die Hunde mit ÖOpiumtinctur ein- geschläfert worden, welche ihnen von der Jugularvene aus einverleibt war. Zu diesem weniger kräftigen, aber dauerhaften Betäubungsmittel griff ich, nachdem ich gesehen, dass bei zwei aufeinander folgenden Versuchen, in welchen die äusserst wirksame Mischung aus Atropin und Morphium an- gewendet war, die Harnabsonderung Stunden hindurch ausblieb. Aufgesucht wurde der Ureter in der Bauchlage des Thieres vom Rücken aus, der Schnitt lief in der Fascia neben dem M. sacrolumbaris, ohne Muskelfleisch zu verletzen. Unvermeidliche Blutungen aus den kleinen Ge- fässen der Haut wurden vor dem Fortschreiten der Handgriffe gestillt, die Stämmcehen der Lumbalgefässe aufgesucht und zwischen doppeltem Unter- band durchschnitten. Die Wunde muss trocken und rein bleiben. In allen meinen Beobachtungen lag der Ureter in einem Fettpolster, aus welchem er ohne den Bauchfellsack zu eröffnen, herausgeschält wurde. Wiederholt wurde der Ureter beiderseits aufgesucht und zur Beobach- tung vorbereitet. Sowie der Ureter richtig gelest und mit dem Thermo- meter versehen war, wurden die durchschnittenen Fascialblätter und dann auch die Hautränder zusammengenäht, die Wunde mit Watte bedeckt und das Thier in eine Wollendecke eingehüllt. Meist wurde der linke Ureter zuerst vorgerichtet, wesshalb die Zeit, die dem Thermometer und seinen Hüllen gegönnt wurde, um seine Temperatur mit der ihn umgebenden auszugleichen, bedeutend bis zu 30 und 40 Minuten hin länger ausfiel als die rechterseits gewährte. Von der Arteria carotis sinistra aus wurde die Temperatur des Arte- rienblutes gemessen; das Gefäss des Thermometers reichte bis in die Brust- höhle jedenfalls bis in die Aorta hinab. Sämmtliche Thermometer waren sorgfältig miteinander verglichen und ihnen eine gemeinsame Scala unter- gelegt. Archiv f. A.u.Ph. 1895. Physiol. Abthlg. 6 82 G. GRIJNS: Vollkommen vorbereitet blieb der Hund in woilene Decken gehüllt noch eine Stunde liegen, ehe die Messungen aufgezeichnet wurden. Die verwundeten und abgekühlten Theile erwärmten sich während dieser Zeit. Während der Dauer der Beobachtung wurde zu einer bekannten Zeit möglichst gleichzeitig der Stand des Blut- und des Harnthermometers und unmittelbar der des Harns im Messgefäss abgelesen. In der Regel wurde wechselnd rechts und links das Kautschukröhrchen zugeklemmt, welches den Harn aus der Canüle in das Messrohr überführte Verschlossen blieb die Röhre 10 bis 15. Minuten. Auf der Seite, auf welcher der Harn nicht abfliessen konnte, fiel jedes- mal die Hg-Säule; stets war also die Hülse, durch welche der Han strömte, von aussen her abgekühlt worden; über das mehr oder weniger gab die Tiefe, bis zu welcher der Thermometer sank, Aufschluss. Sowie die Klemme geöffnet war, sodass der Harn wieder frei abfliessen konnte, stieg die Hg-Säule rasch empor, denn nun floss plötzlich viel Harn ab. Da die raschere Strömung meist längere Zeit anhält, so durfte man hoffen, dass durch sie mehr als durch einen langsameren Fluss das Thermometer dem Stand sich annähert, welchen die Temperatur unterhalb der Niere erzeugt. Ob zwischen der Zusammensetzung und der Temperatur des Harns eine feste Beziehung besteht. war zu prüfen. Da nun die Menge des ge- wonnenen Harns gerade nur hinreichte, um seinen Wassergehalt zu be-. stimmen, so benutzte ich hiezu statt der Waage die Ermittlung des Gefrier- punktes, nach dem Verfahren von Raoult-Beckmann. Damit verband sich der Vortheil, dass man unter Voraussetzung nicht unwahrscheinlicher Annahmen, die Arbeit auswerthen konnte, welche die Niere auf die Her- stellung des ausgeschiedenen Harns verwendet hat. Hiezu gelangt man, unter Anwendung der von Vant’ Hoff aufgestellten Grundsätze durch die folgende von Ostwald zusammengefasste Betrachtung; nach ihr lässt sich berechnen, wie viel Arbeit nöthig ist, um eine verdünntere in eine dichtere Lösung überzuführen. Die beim Uebergange einer bestimmten Stoffmenge vom osmotischen Druck p, auf den Druck p, zu gewinnende Arbeit beträgt — “ ; vdp. Das Volum » wird für ein Gramm-Moleculargewicht des Stoffes durch die Gleichung po=RT (R die Gasconstante, 7’ die absolute Temperatur) be- stimmt; ersetzt man » durch den gleichen Werth =, so folet für den Be- trag der Arbeit A — RT (” a log. nat. Pı. Pı P Pa Eine Lösung von einem Gramm-Moleculargewicht eines beliebigen Stoffes in einem Liter Wasser zeigt eine Gefrierpunktserniedrigung von Die TEMPERATUR DES IN DIE NIERE EINSIRÖMENDEN BLUTES U.S.w. 83 1.89 °C. und der Stoff steht darin unter einen osmotischen Druck von 22-4 Atmosphaeren bei 0 °C. Zeigt die fragliche Lösung vor der Ver- dünnung die Gefrierpunktserniedrigung A,, nach derselben A,, so ist das Volum, in welchem ein Gramm-Moleculargewicht enthalten ist, gleich 1:89], 1.89 x, bezw. — Liter, und der dem Volum umgekehrt proportionale Druck Balaı" 29-4 Werthe für p, und p», in die obige Formel, so heben sich die Zahlenfactoren fort, und wir haben als Werth der Arbeit A= KT log. nat 1 beträgt A, Atmosphaeren. Setzt man diese letzieren a8 A 1 welche Grösse sich auf ein Gramm-Moleculargewicht des Stoffes oder Liter der Lösung bezieht. Die Constante R beträgt 2Cal. pro Grad; um sie in mechanischem Maass auszudrücken, ist sie mit dem Wärmeeguivalent 42350 sm x m zu multiplieiren, woraus # = 84 700 sm «m folet. Mit der so berechneten Arbeit lässt sich dann diejenige vergleichen, welche von der Wärme, die der Harn mitbringt, hätte geliefert werden können. Eine Zusammenstellung, durch welche die in der Niere ablaufende Umsetzung weiter beleuchtet wird. Gegen Erwartung günstig war der Erfolg der Versuche. Im sechs aufeinander folgenden Versuchen, so viel wurden nach Festsetzung des Ver- fahrens ausgeführt, wurde der Harn wärmer als das Aortenblut gefunden; : bei keinem der Thiere ausnahmslos; aber wenn die Temperatur des Blutes überwog, so folgte daraus noch nicht, dass der Harn die Nierenwärme un- vermindert bewahrt hatte. ; In den Zusammenstellungen der bei je einem Versuch abgelesenen Zahlen steht in dem ersten Stabe die Zeit nach Minuten, sie rechnet von der ersten Aufzeichnung der Temperatur an. Der Inhalt des zweiten und dritten Stabes ist durch die Ueberschrift deutlich. Im vierten findet sich der Inhalt des Messrohres, in welches sich der Harn entleerte, nach Cubik- centimetern. So oft ein Messgefäss so viel Harn enthielt, als zur Auswerthung des Gefrierpunktes genügte, wurde es entfernt und durch ein neues ersetzt. Steht an dem Stabe unter Messgefäss 0 so war der Harn während der im ersten Stabe angemerkten Zeit am Ausfliessen gehindert. Im fünften Stabe sind die Unterschiede der Harn und Blutwärme eingetragen. Fette Zahlen zeigen das Uebergewicht des Harns, magere die des Blutes an. Im letzten Stabe giebt die erste Zahl das Minutenmittel der Harnausscheidung an, giltig für die Zeit, während welcher sich das jeweilig benutzte Messgefäss gefüllt hatte. Die zweite Zahl hinter dem Zeichen A giebt in Centigraden den Gefrier- punkt des vorher gesammelten Harns an. 6* 54 G. GRIINS: Versuch I Körpergewicht 25 Kilo. In den letzten 24 Stunden mit Fleisch nach Belieben gefüttert. Um 9% 30° von der Vena jugularis aus durch 3 «m Opiumtinetur betäubt. Beide Ureteren mit Canülen verbunden. Nur die rechte eignet sich zu Beobachtung; die linke Röhrenleitung wurde leck und darum zugestopft. Die in dem Ureter eingesetzten Canülen werden statt mit die in Fig. 1 gezeichneten Säckchen nur mit trockener Baumwolle um- hüllt. Das Blutthermometer reicht von der A. carotis aus bis zum Herzen. Bei der Leichenöffnung zeigt sich, dass die Spitze der Ureteren 4 = von der Papille entfernt lag. Tabelle I. Rechter Ureter, De Temperatur Messgefäss Temperatur in Min. in der im | Entlang ee Aorta °C. Ureter'c., " suchung io 37.72 | 37.82 | | 10 37-60 38-00 2-0 0-40 16 37595 | W:37296. 0 Ems23 2 250.32 20 37-60 37-93 | 4-0 0-33 25 37-60 | 87-97 48 0-37 | Mittel in d. Min. 30 Bro "|. Bios 6-2 0-42 | = 0-2 «= Harn 35 37.52 37-86 | 0 0-34 | A = 3-06. °C. bis 61 37-60 37-40 ) — 0-20 63 37-59 ST 65 37-60 37-70 20 | 010 | 67 37-59 37-66 3-3 0-07 70 37-59 37-60 4-0 0-01 | Mittel in d. Min. 12-5 37-59 | 37-56 4-7 — 0-03 |, = 0-35 «m Harn 75 37:60 37:50 5-0 0-10 | A= 3-15 0, bis 87-5 37-60 |: 37-05 een 88-5 | 37-60 37-10 a nen) 89-5 | 37-60 | 37-45 1:0, 2200-15 90 | 37.60 | 837.49 1-5 oil 9 7-60 | 37-40 2-0 — 0-20 ss | 31-60 | 37-15 2.0 — 0-45 |. 37.60 | 87-28 2.2 — 0-32 | Mittel in d. Min. 97-5 | 37-60 | 37-17 2.3 — 0-43 | = 0-19<%m Harn 100 37-60 | 37-05 24 | -0.55 | A= 2.8800. Die TEMPERATUR DES IN DIE NIERE EINSTRÖMENDEN BLUTES UT.S. w. 85 38 90 80 10 Sul 501 40 30 20 0, Tühr:. 15 30 45 2-UNE 215 30 Fig. 2 (zu Versuch ]). Die Abseisse zählt Minuten, die Ordinate Centigrade. RU. bedeutet die Harn-, Car. die Blutwärme. Ein absteigender Pfeil weist auf den Beginn des Verschlusses, ein auf- steigender auf den der Eröffnung der Harncanüle. Versuch 1. Körpergewicht 29 Kilo. Fleischkost. Anfangs mit 4 °m® Opiumtinctur, später noch einmal mit 2 °@ derselben betäubt. Der rechte Ureter liegt in der durch Fig. 1 versinnlichten Canüle, welche 24 Stunden hindurch bei 36.5°C, vorgewärmt war. Da der Harn spärlich fliesst, werden durch die Vena jugularis in zwei Zeiten 180 °® eines Gemisches von 10 Proc. Trauben- zucker, 1 Procent Harnstoff, 0-7 Procent NaCl in Wasser gelöst, eingeführt. Bei der Section fand sich die Spitze der Harncanüle von der Papille s entfernt. Das Blutthermometer reicht bis nahe zum Herzen. Tabelle II. i Temperatur Messgefäss | Temper.- + Zeit me em mean arnstandı| Unter: in Min. in der im Ba Aorta °C. | Ureter °C. IT suchung 0 36-86 36-32 0-3 — 0:54 10 36-78 36-42 05 | —0-86 15 86-75 36-50 1.2000, 0.25 20 | 36-68 36-30 es) 0288 25 | 36-60 36-36 1-7 — 0-24 | 30 | 36-60 36-44 2-1 — 0:16 | 34 | 36-50 36-34 2.9 — 0.16 | 40 36-48 36-38 3-3 70-10 41-5 | 36-45 36-33 4-0 BC 50 36-45 36-33 ° ASS, oe s6 G. GRIJNS: Fortsetzung der Tabelle Il. Veit Temperatur Messgefäss Temper.- in Min. in der im Hernsand Ve Aorta °C. | Ureter oc.| suchung 60 36-41 | 36-28 4-8 — a Mittel in der Minute 65 36-39 36.30 | 54) —0:089 Harn = 0-08 cm 70 36-39 36-30 | 60, —0:09 A = 2-51 bis 85 36-31 36-20 0 0 86 36-27 sb:as 1 — 0:02 . 87 36-26 36.27 | 1-8 — 0-01 88 36-27 86-23 | 1-9 — 0:04 90 36-26 36-22 2.0 | — 0:04 92-5 36-26 36-23 2-3 — 0:08 Mittel in der Minute 95 36-23 36-23 | 2-8 0-00 Harn = 0-32 cm 105 _ 00:0 A 2-47 1075 | 36:16 36-20 1-0 +0-04 70 cm Zuekerlösung 110 36-18 36-19 2-5 0-01 112-5 36-16 36-19 3-7 0-03 | 115 36-16 | 38-14 | 4.4 0-02 | 117-5 36-14 36-10 — 0.0 | 121 | 86-14 36-09 5-2 — 0:05 ; Mittel in der Minute 125 — —_ 6-0 ı Harn = 0-3 m A = 203 130 36-16 36:18. | 2-0 +0-02 200 «m eines 0-7 NaCl- 132-5 36-16 36-20 0-4 +0-04 Wassers 135 36-17 36-20 1-6 0-03 137-5 36-16 36-19 3-3 0:03 Mittel in der Minute 140 36-20 36-15 3-5 — 0-05 Harn = 0-23 em A 1-98 bis 150 36-26 36-15 0 0 151 36-26 36-28 1:0 +0.02 152 36-26 36-30 1:6 +0-04 153 36-25 36-30 2-2 +0-05 | 154-5 | 36-2 36-30 2-9 0-05 156-5 36-26 | 36-29 3-6 0-03 158-5 36-26 | 36-27 39 |.00 Mittel in der Minute 160-5 | 36-28 36-30 43 0-02 | Ham = 0.4 :m A = 1:73 163 36-29 36-40 4-3 0-11 164-5 36-39 36-40 | 43 | 00 167 36-37 36-41 43 | 0-04 168 36-39 36-40 4-3 | 0.01 Die TEMPERATUR DES IN DIE NIERE EINSTRÖMENDEN BLUTES v. Ss. w. 87 Uhr 15 30 45 2Uhr 15 30 Fig. 3 (zu Versuch II). Die gestrichelte mit LU. bezeichnete Curve versinnlicht den Verlauf der Harnwärme, die ausgezogene mit Car. bezeichnete den der Blutwärme. Bei 1 Inj. und 2 Inj. wurde ein Theil des Lösungsgemenges eingespritzt. Ein absteigender Theil giebt an wann der Harnabfluss gestopft, ein aufsteigender wann er wieder gestattet wurde. Versuch IM. Grosser Hund. Durch Einspritzung von 5 “= Öpiumtinctur betäubt. Vor der Operation 24 Stunden hindurch Fleisch nach Belieben. Die Aorta und beide Ureteren mit Thermometern versehen; von der letzteren der linke zuerst. Der Kautschukmantel 24 Stunden lang in einer Temperatur von 36-5 vorgewärmt. Anfänglich wenig Harn, dann noch Einspritzungen von einem Lösungsgemisch aus 1 Proc. Harnstofl, 10 Proc. Traubenzucker und 0-7 Proc. NaCl. Bei der Leichenöffnung findet sich die Spitze der Canüle rechts 7 °®, links 8 “® von der Nierenpapille entfernt. Tabelle Ill. Zeit EN Harnstand a Ei in Min. in der im In er : Aorta °C. | Ureter °C. schied 0 38-29 38-36 — +0-07 2-5 38-29 38-30 1-0 0-01 | 60 cm Zuckerlösung 5 38-30 38-31 | 3+6 0-01 25 38-27 | 38-30 4-1 0.03 | 10, | 3828 | 330°) 98 | 0.07.) 12-5 | 38-20 | 37:90 1020 —0:30 | A = 2-30 | | | Ä bisp2ra2 7 essntsse 2 suomi 10 0 720 | | 88 G. GRIISNS: Fortsetzung der Tabelle Ill. Zeit 2 a h Harnstand a in Min. in der im ingccm E | Aorta °C. | Ureter °C. schied | 23 38-18 37-80 0-6 | — 0-38 23-5 38-18 37-98 0-8 — 0:20 | 24 38-18 38-08 1-1 — 0-10 25 38-18 38-10 1-4 — 0-08 25-5 38-17 38-16 1-9 — 0-01 27-5 38-18 38-21 3-6 +0-03 30 38-17 38-27 4-6 0-10 32-5 38-17 38-26 — 0-09 35-5 38-19 38-25 9-0 0-06 A = 2-17 37-5 38-18 38-25 3-6 0-07 100 em Na Cl-Lösung 40 38-18 38-29 5-0 0-11 42-5 38-19 37-96 71 — 0-18 A = 1.78 45-0 38-21 38-16 0-9 — 0-05 47-5 38-23 38-30 2-1 +0-07 50 38-26 38-31 4-0 +0-05 52-5 38-27 38-33 6-8 +0-06 55-0 38-28 38-34 9-1 0-06 A = 2-00 60 38-28 38-41 3.0 0-13 135 °°® Zuckerlösung 62-5 38-30 38-40 5-3 0-10 65 38-30 38-41 7-6 0-11 67-5 38-31 38-24 8-8 0-13 70 38-39 37.82 8-9 — 0-57 A = 1.70 72-5 38-37 38-30 1-1 — 0.07 75 38-35 38-29 2-3 — 0-06 77-5 38-39 38-36 2-9 — 0:03 | i 80 38-38 38-38 3-8 0-0 82-5 38-38 38-43 4-9 +0-05 | A = 174 bis 87-5 38-39 38-42 0 0 88 38-39 38-46 — 0-07 88-5 38-40 38-47 — 0-07 | 90-5 38-40 38-47 5+2 0-07 | 91 38-41 38-48 5-6 0-07 Die TEMPERATUR DES IN DIE NIERE EINSTRÖMENDEN BLUTES U. S. w. a | Y 40 Y 30 ‘x. Eye 92 0 a h r ! £ 59 > 10 h Jn). 2.Jn]. _ m SOyES BASE BIT Re: nee en 45 2Ur 3 30 45 3Uhr Fig. 4 (zu Versuch III). Die Wärmecurve des rechten Ureters R. U. mit Punkte versehen, die des linken L. U getüpfelt. Die anderen Bezeichnungen gleich denen der Figg. 2 und 3. Versuch IW. Grosser Hund, durch Injection von 5 “= Opiumtinetur betäubt. Alle Vorbereitung wie in Versuch II. Bei der Leichenöffnung fand sich beider- seits die Spitze der Uretercanüle um 7 ““ von der Papille entfernt. Tabelle IVa. (Linker Ureter). za in Min. in der im ee imicem. |), =. Aorta °C. | Ureter °C. | schied 0 36-94 36-92 0202 5 \ 86-91 36.87 09 — 0:04 ar 7736288 36-86 1-6 — 0-02, 10 | 36°88 36-3 20 | 00 90 G. GRIINS: Fortsetzung der Tabelle IVa. (Linker Ureter). ; Zeit un Harnstand u: | in Min. | inder ı im in. com hei. | Aorta °C. Ure'er °C. | 12-5 | 36-86 36-62 | | 15 36-88 36-52 | 17-5 | 36:85 33-49 — 0:36 | ae 36-80 3-4 a 20-0 36-82 36-78 3.9 — 0-04 22-5 36-80 36-76 4:4 — 0-04 25.0 36-76 36-72 — 0:04 27+5 36-74 36-72 5- — 0:02 30 38-75 | 36-70 5. — 0:05 32-5 36-75 | 86-69 6° — 0:04 34 36-75 36-65 — 0:10 35 36-75 36-63 6-8 — 0.12 37-5 36-71 36-63 8 — 0.08 A = 4-35 40 36-68 36-60 0 — 0.08 45 36-64 36-60 1:0 — 0:04 50 36-57 | 86-52 2-4 — 0:05 | Inj. 250 “= Zuckerlösung 60 36-41 86-57 +0-10 64 36-49 36-58 6-8 +0:04 65 36-45 | 36-52 10-0 0-07 Ar=#1@50 675 36-45 | 36-52 3-0 0-07 70 36-42 36-52 7-0 0-10 12-5 | 86-4 | 36-51 9-3 0-07 77-5 ER 36-4371 7736-51 4:6 0-08 80-5 | 36-41 | 36-5: 6-9 0-12 | Inj. 60 m? Zuckerlösung 85-5 | 36-42 | 36-54 0-14 Inj. von 60 «m Zuckerl. 38:0 ? ? 8-0 A = 1:49 90-5 | 36-39 36-50 0-11 Inj. 60 «= Zuckerlösung 91-5 | — 10-0 925 | 36-42 | 36-46 4-0 0-04 Inj. 60 «m Zuekerlösung 95 | 36-89 36-38 10°2 0-00 97-5 36-39 36-41 8-0 0-02 | 100° | 36-39 36-40 10 0-01. A = 1:84 116 | 36-38 36-36 25-0 — 0-02 | DIE TEMPERATUR DES IN DIE NIERE EINSTRÖMENDEN BLUTES v. Ss.w. 91 Tabelle IV 5. (Rechter Ureter). Temperatur Temper.- En Er P Hametand | SE Aorta °C. | Ureter °C.) a 6 36-94 36-72 5 36-91 36-66 0-8 — 0-25 7-5 36-88 36-67 1-4 — 0-21 10 36-88 36-66 2.0 — 0:22 12-5 36-86 | 36-66 2-4 — 0.20 15 36-86 | 36-64 3-0 — 0-22 17-5 36-85 | 36-63 3-4 — 0.22 bis32-5 | 36-75 36-27 ) — 0-48 34 86-75 | 36-48 6-4 — 0:27 35 | 36-75 sea | — 0-27 37-5 36-71 36.48 | 7-8 — 0:23 40 36-68 36-47 | 80 — 0-21 A = 4:94 45 36-64 36-33 1:0 — 0-25 50 36-57 36-39 2-4 — 0.16 250 °m Zuckerlösung 60 | 36-47 36-27 > — 0.20 64 36-49 36-24 8-6 — 0-25 65 36-45 36-26 10-8 — 0:19 A = 1-54 67-5 36-45 38-25 3-0 — 0.20 70 | 36-42 36-25 8.4 — 0-17 72 \ 36-44 36-25 1-8 — 0-19 17-5 | 36-48 36-25 7-8 — 0.18 80.5 36-41 36-24 10-4 — 0-17 85-5 36-42 36-25 10-9 el 88 — — _ _ 90-5 36-39 | 36-28 ed | 10316 ges m = = 92-5 36-42 36-22 4-0 — 0:20 60 cm Zuckerlösung 95 | 36.39 36-17 11-5 — 0:22 97-5, 36-39 36-18 8-0 — 0-21 100 36-39 36-17 19-0 —.0.12 116 36-38 36-10 30-0 — 0:28 93 G. GRIINS: 20 40 30 | nn 1.Inj. 2m. 3.0. 43. ade 4Uhr 15 30 45 2 Uhr 15 es Tr Fig. 5 (zu Versuch IV). Die Wärmecurve des rechten Ureters R. U. mit Punkten versehen, die des linken L. U getüpfelt. Die anderen Bezeichnungen gleich denen der Figg. 2 und 3. Versuch VW. Grosser Hund, durch Einspritzung von 5 °% Opiumtinetur betäubt. Alle Vorbereitungen wie in Versuch III. Die Leichenöffnung zeigt, dass die Spitzen der Ureterencanülen links 2-4 °®, rechts 5 *% von der Papille ent- fernt liegen. Tabelle Va. (Linker Ureter). Veit Temperatur | Stand im | Temper.- in Min. in der | im | Mes Oues Aorta °C. Ureter °C. u schied 0 38-17 38-19 4-7 0:02 2:0 38-17 33-20 5-6 0:05 4-5 38-17 38-20 6-2 0:03 7.0 33-14 38:20 7.0 0-06 9-5 38-12 38-19 7-6 0:07 12-0 33-12 38-18 3-4 0:06 14-5 38-11 38-19 9-0 0-08 17-0 38-10 33-18 9-8 0-08 AN = 50 19-5 38-08 38-17 — 0-09 21-0 38-08 38-02 0 0-28 38-5 33-02 37.89 — 0-13 Die TEMPERATUR DES IN DIE NIERE EINSTRÖMENDEN BLUTES UV. S. w. 93 Fortsetzung der Tabelle Va. (Linker Ureter). Zeit Temperatur Stand im | Temper.- | in Min. | in der a nen Daten | | Aorta °C. | Ureter °C. ın schied | 40-0 38-02 38-13 5-0 +0-11 41-0 38-02 38-14 5-6 0-12 42-5 38-01 39-14 Tan) 0-13 45-0 38-00 38-14 10-0 0-14 A = 2:78 48-0 38-00 38-11 0-8 0-11 53-5 37-95 38-10 2-4 0-15 58-5 37-96 38-10 3-6 0-14 68-5 37-91 38-10 62 0-19 70-0 37-91 38-10 - 0-19 71-0 37-92 38-09 6-9 0-17 180 «m Zuckerlösung 73.0 37-92 38-09 7-4 0-17 A = 2-58 77-5 37-68 37-90 8-3 0-22 79-0 37-68 37-90 6-0 0.22 | 81-0 37-65 37-90 10-0 0-25 A = 1:06 83-5 37.70 37-92 ben 0-22 84:5 37-71 37:98 104 | 022 A = 1-12 ale von 84-5 37-72 37-93 R +021 bis 94-50 37-76 37.76 0.0 95-5 37-76 37-93 6-2 + 0-17 97-0 37-80 37-98 8-6 0-18 99-5 37-83 38-00 12-0 0-17 A = 1:29 102-0 37-84 38-00 2-6 0-16 105-0 37-86 38-03 7-8 0-17 110-0 37-87 38-03 12-0 0-16 115-0 37-90 38-02 17-0 0-12 A = 1:48 Tabelle Vd. (Rechter Ureter). 2 Temperatur Stand im | Temper.-. | x Zeit : = Harnglas Unter- in Min in der | im . 2 ‚ Aorta °C. Ureter °C. 2 schied ) 38-17 37-88 42 | 0.29 | A 2-0 38-17 37-87 5-0 —0-30 | 4+5 38-17 37-89 5-6 — 0.28 7-0 38-14 37-89 6-2 — 0-25 9-5 38-12 37-89 6-8 — 0-23 12-0 38-12 37-88 7-3 — 0:24 | 94 G. GRIINS: Fortsetzung der Tabelle Vd. (Rechter Ureter). h Temperatur Stand im Temper.- : Zeit : 5 Harnglas Unter- in Min. in der im - : | Aorta °C. | Ureter °C, er schied en Sram, Merten Ta 170 38-10 37-89 8-0 — 0-21 A = 3-14 19-5 38-08 | 37-82 0-4 ER | 22-0 38-08 37-85 1e1 — 0:23 24-5 38-07 37-86 2-0 0221 27.0 38-07 37-88 2-4 — 0.19 29-5 38-07 37-88 3-0 — 0:24 32-0 | 38-06 37-79 3-4 0:31 ‚34-5 38-05 37-88 4:0 — 0:22 | 37-0 38-05 37.2 | 4-6 0.23 | 39-5 38-02 are | a 0-16 AO Bes a 42 38-02 Br = 43-5 | 38-01 37-85 | 6-5 — 0.16 45-0 38-00 37.84.41 0 7:8 — 0-16 48-0 38-00 37-86 | 7-8 — 0:14 53-5 37-95 87-85. |... 8-9 — 0-10 58-5 37-96 37-85 10-0 - 01 68-5 37-91 37-64 0 — 0:27 70-0 _ Fr. 2 _— | 71-0 37-92 3eı9 | 0502 — 0:13 13.52] _ 37-83 5-6 —_ 180 °°® Zuckerlösung De sen? 37-68 | 11-0 — 0:04 79-0 37-68 37-68 5-6 + 0:00 31-0 37-65 37-67 | 2 + 0-02 | A = 1:06 83-5 37-70 37-62 2 — 0:08 84-5 37-71 37:68 | .8 — 0:03 87-0 37-72 | 37-76 12-0 — 0:04 89-3 aTere. | "STerosen »4 — 0:06 92-0 37.76 Erler 002 — 0:05 94-5 37-76 37-73 10-0 — 0:03 A = 1-35 97-0 37-80 37-76 2-2 — 0-04 99-5 37-83 37-1500 225-0 — 0-08 102-0 | 37-84 37.18 76 0-06 105-0 | 37-86 37.79 | 12-4 — 0-07 | 110-0 | 37-85 37-81. | 34 —_ 0-04 115-0 | 37-90 31.82 | ed 0-08 DıE TEMPERATUR DES IN DIE NIiERE EINSTRÖMENDEN BLUTES U. S. w. : 95 15 30 45 1Uhr 15 30° 45 Zur 95 Fig. 6 (zu Versuch V). Die Wärmecurve des rechten Ureters R. U. mit Punkten versehen, die des linken L. U. getüpfelt. Die anderen Bezeichnungen gleich denen der Figg. 2 und 3. Versuch VI. Durch die Einrichtung der Hülle, welche das Thermometer vor Ab- kühlung schützen sollte, weicht dieser Versuch von den übrigen ab. Unter die Temperatur, welche das Thermometer vom Harn empfangen hatte, konnte es nicht herabsinken, wenn um das Messinggefäss das ihn aufgenommen hatte, Wasser gleich warm wie der Harn strömte. Verwirklicht war der Plan, als an die Stelle des Kautschukmantels ein entsprechend grosses Messinggefäss trat, in dessen Inneres, ausser einem Thermometer, noch zwei Röhrchen, ein zu- und ein ableitendes mündeten. Die Röhre, welche das Wasser zubrachte, endete andererseits in ein Mischgefäss, das mit zwei grösseren Behältern verbunden war. Einer derselben enthielt auf 40°C, der andere auf 36°C. erwärmtes Wasser. Durch eine entsprechende Rege- lung der Zuflüsse wird sich im Mischgefäss ein Wärmegrad sehr nahe dem des Blutes oder des zufliessenden Harnes herstellen lassen. Wenn ein Wasser dieser Art, den Öylinder umkreist, in welchem der Harn fliesst, so ist dort jeglicher Abkühlung vorgebeugt. Im Mischgefäss die gewünschte Temperatur herzustellen, war voraussichtlich nicht immer möglich, wegen des mannigfachen und oft raschen Wechsels der Harnwärme um ein bis zwei Zehntel eines Grades. In der That reichten auch die vorläufig getroffenen Einrichtungen nicht aus. Dass sich aber bei weiteren Verbesserungen das Verfahren als anwendbar erweisen dürfte, zeigen die folgenden Mittheilungen. Tabelle VI. Zeit Temperatur Wsser- nn nier | in Min. | in der im mantel °C.!” und Ureter | Aorta °C. | Ureter °C.| er Si | 0 38-75 38-90 | 38-48 +0-15 3 38-75 39-20 38-20 led | anen 5 38-75 39-16 33-16 +0-41 8 38-78 39-16 — 1.4038 | 96 G. GRIINS: Fortsetzung der Tabelle VIl. ’ Temperatur : N ratur-Unter- 2 Gen Een a er m an Aorta an: | Aorta °C rei IC. ne le | = Ve En 2 | 100 <= 10 proe. 92 39:20 | 39-30 | 39-08 +0-10 Zuckerlösung 94 = | 39-63 | 39.46 +0-43 ı eingespritzt 98 39-23 | - | = en A=3-36 101 Nager |, 39:37 +0-39 | 106 00% 39.45 || 39209 10-22 | 107 39-35 _- | — = Lösungm.10proc. 114 39-44 — | _ +0-02 I Zucker, 1 proc. 118 — | 839.46 | 38.94 | +0-02 | ‚ Harnstoff und 120 39.44 | —_ _ | — 0-7 proc. NaCl. In jedem der sechs Versuche wurde Harn gefunden, welcher das Arterienblut an Wärme übertraf, daneben auch öfter das Gegentheil. Na- mentlich fand sich, wenn die Messung an beiden Ureteren ausgeführt wurde, dass vorzugsweise nur auf der einen Seite der Temperaturüberschuss des Harns positiv wurde; auf der zweiten und zwar übereinstimmend in Ver- such II, IV, V, auf der rechten Seite, war der Harn stets kühler als das ‘Blut. Schwerlich würde jemand der Annahme beistimmen, dass hiemit die Unfähigkeit der rechten Niere bewiesen sei, einen ebenso warmen Harn als die linke zu erzeugen. Jedenfalls beruht die sichtbar gewordene Ver- schiedenheit auf Zufälligkeiten; wahrscheinlich auf einer ungleichen Ab- kühlung auf dem Wege von der Niere zum Thermometer, wenn wie in Beobachtung 4 und 5 Geschwindigkeiten und Dichten des Harns beiderseits die gleichen sind. Um so mehr ist an der letzteren Anschauung festzu- halten, weil in Versuch 1 die rechte Niere sich der linken in den übrigen Versuchen ebenbürtig verhielt. Von Zufälligkeiten, die von der Lage des Thermometers abhängen, können aber die Schwankungen der Wärmeüberschüsse nicht bedingt sein, welche im Verlauf des Versuchs auf derselben Seite nachgewiesen werden. Wenn wir nur die Ablesungen des Thermometers herbeiziehen, welche während des fortdauernden Harnflusses gewonnen sind, so bewegt sich der Unterschied in Versuch I zwischen + 0-4 und — 0:5 °C. In Versuch II zwischen + 0-11 und — 0-54 °C. In Versuch III zwischen + 0-13 und — 0:30 °C. In Versuch IV zwischen + 0-14 und — 0-10 °C. In Ver- such V zwischen + 0-32 und F 0-00 °C. Schwankungen solcher Art können, so weit ich sehe, veranlasst sein von ungleich rascher Strömung durch den Ureter — durch Verschiedenheiten in der Zusammensetzung des Harns — oder dadurch, dass trotz der Ent- Die TEMPERATUR DES IN DIE NIERE EINSTRÖMENDEN BLUTES U. S.w. 97 stehung von gleich viel und von gleich zusammengesetztem Harn in der Niere eine verschieden grosse Wärmemenge erzeugt werde. Dass das Thermometer von der Geschwindigkeit beeinflusst wird mit welcher ihm der Harn umfliesst, beweisst das Sinken seines Standes, welches regelmässig erfolgt, wenn das Strömen des Harns wegen der Verstopfung der Kautschukröhre stockt. Von der Niere bis zum Thermometer hin ist der Harn gekühlt, unzweifelhaft um so stärker, je weniger abgeschieden wurde und um so wirkungsvoller der irritable Ureter dem Fortschreiten des Harns ent- Cone. Zuckeil, 100 ccm Na010s. 135cem ZI. Fig. 7. gegentrat. Darum wird sich niemals das Thermometer bis zu dem Grad erwärmen, mit welchem der Harn aus der Papille fliesst und ebenso wenig wird man erwarten dürfen, dass die von dem Thermometer angezeigte Tem- peratur in geradem Verhältniss mit der aufgefangenen Menge eines im übrigen gleich beschaffenen Harnes wächst, weil, wie gesagt, des veränder- liehen Widerstandes im Ureter wegen die jeweilig aufgesammelte der ab- gesonderten nicht zu entsprechen braucht. Archiv f. A.u. Ph. 1893. Physiol. Abthlg. 7 98 G. GRIINS: Was die Geschwindigkeit der Strömung für das Thermometer zu leisten vermag, wird anschaulich durch die Curven Fig. 7 u. 8 und die ihnen zu Grunde liegenden Zahlen dargelegt. In willkürlichen Maassstäben ver- gleichen die Curven die an dem Thermometer abgelesenen Wärmegrade mit den gleichzeitig abgeflossenen Harnmengen. Die Abscisse 0 verbindet die Zeitpunkte, in welchen Harn und Blut gleich warm gefunden waren. Die ausgezogene, mit 7/7’ bezeichnete Linie, entspricht dem Wechsel der Harn- wärme; ihr Verlauf oberhalb der Abseisse entspricht einem Uebergewicht des Harns über die Blutwärme, umgekehrtes gilt, wenn die Temperatur- curve unter die Abscisse herabgeht. Die punktirte Linie 7/G veranschaulicht die Ausflussgeschwindiekeiten des Harns. LIE nasanumnuuen Gi«100 GEA12GE-129) CE = 148 0 IE ccm cone. Zucker]. Fig. 8. (renauer, weil durch die aufgefundenen Zahlenwerthe belegt, stellt sich in den folgenden Tabellen das Verhältniss zwischen der vom Thermometer angezeigten Temperatur und der Geschwindigkeit des zufliessendeu Harns dar. Nach der ersten der beiden ist Fig. 7, nach der zweiten die Fig. 8 entworfen. Streng aneinandergeschlossen, so dass sie gleichzeitig und gleich stark fallen und steigen, sind die beiden Grössen allerdings nicht, aber sie be- gleiten sich doch insoweit, dass ihr Zusammenhang deutlich hervortritt. Darüber freilich, was zu wissen am wichtigsten wäre, schweigen die Zahlen, ob nämlich der rascher anlangende Harn in Folge der gesteigerten Ab- scheidung schon in der Niere sich höher erwärmte, oder ob er sich ausser- halb derselben weniger abkühlte. Die TEMPERATUR DES IN DIE NIERE EINSTRÖMENDEN BLUTES U. S. w. 99 Versuch II. Versuch V. Mittlere | . [mittlere | (1... | Mittlere [Mittlere | 7... HOrIM. | schuss der] HATRI |schuos dor, Hari schuss der| Hari. | schuss der Min. Baal: Min. ann Min. | Aa: Min. arn Zul: | 0-4 ee eo 00 | Yoesel 7 0:19 0:0 oe 20.05 00 | "os | 028 20-19 0-2 +0.01 | 0% | +007 032 | +08 | 05 +017 2.2 +0-03 | 1-12 +0-05 | 0-24 | +0-.06 | 0-20 | +0-17 0-16 | +0-07 | 0-92 | +0-06 | 0-32 | +0-07 | 4-00 | +0-2 oe 0.50% | 0-6 +0:06 | 0-24 | +0-06 | 2:00 | +0-22 3 os | 092 | +08 | 0:32 | +0:08 | 2:68 | +0-25 en ern) 0-6 — 0:20 | E- EN lo I oa 70.0 || 00x60: | Host 1-60 | 20-17 a Be — — 0-07 | 1-20 | +0-12 | 1-36 | +0-18 ar | oa) Br rg le Ma 00 | 08 0:07 | 0.2) 70.12 | 1.73 | 20.16 08 | +00 | 924 | 0:06 | 0:29 | +o-11 | 0.8 0-17 Dos | 080 | 0:02, 00:22 | +0: |, 1.0 |, os 0060| 0220 0:00 | 0.26 | +0-14 ET 10519 | R + 0:05 0-56 | + 0:07 08 | Ho | Ob der Harn mit seinem Gehalt an festen Rückstand und mit der hievon abhängigen Lage seines Frostpunktes den Wärmegrad ändert, wird durch meine Versuche nicht aufgehellt. Bekanntlich verarmt der Harn an festem Rückstand, wenn er reichlich abgeschieden wird, eine Regel, die sich namentlich auch für den gesunden Hund bestätigt. Wenn also mit der Mehrung der festen Bestandtheile die Temperatur des Harns sich steigerte, so würden in meinen Versuchen während einer spärlichen Abscheidung zwei entgegengesetzte Einflüsse den Stand des Thermometers bestimmen. Anzu- geben, welchen Antheil jeder der beiden Veränderlichen an der hergestellten Temperatur zusteht, wird besonders darum erschwert, weil es durch die Einrichtungen der Niere ausgeschlossen ist, dass der Harn bei verschieden grosser Absonderungsgeschwindigkeit stets gleich dicht bleibt, oder ungleiche Dichte annimmt wenn es mit stets gleicher Geschwindigkeit abgeschieden wird. Was jede beiden Veränderlichen vermag, lässt sich durch die Beob- achtung nicht rein darstellen. u 100 G. GRIINS: Unter die Abseisse sind in den Figg. 7 und 8 die Erniedrigungen der Gefrierpunkte- des jeweilig gesammelten Harns eingetragen und dadurch mit den Schwankungen der Temperatur zum Vergleich gestellt. Gleich auffällig wie die der Menge des Harns tritt die Wirkung der Gefrierpunkte auf die Temperatur nicht hervor, denn der Harn war am wärmsten, wenn er rasch und wenig dicht floss, keineswegs aber, wenn er dicht und spärlich hervor- trat. Irgendwie zum Entscheid berechtigt zu sein, beanspruchen jedoch meine Versuche nicht. Wenn man annimmt, wie es Dreser! vorschlägt, dass in der Niere eine Lösung von dem Gefrierpunkt des Blutes auf den niedriger gelegenen des Harns herabgedrückt werde, so lässt sich die hiezu nöthige Arbeit be- rechnen und insofern die Wärme des Harns bekannt ist, auch die Summe der Energie welche die Niere aufwendet um einen Harn von gegebener Dichte und Temperatur herzustellen. Beispielsweise sollen einige Zahlen der Tabelle auf S. 31 und 32 zu der Berechnung benutzt werden, die unter der Voraussetzung geführt wird, dass der gemessene Ueberschuss der Harn- über die Bluttemperatur der Wahrheit gemäss sei. Alle Zahlen der fol- genden kleinen Tabelle gelten für den Harn. Erniedrigung hr 1 = Harn verlangt für | Harnmenge des Gefrier- Non ne Temperatur- | IM der Min. punktes °C. Eu duaune lie Ge com 3:25 0-9 79842 | 3811 0-3 2.78 0-14 62535 5929 | 0-3 2-58 0-22 54954 sa 2-0 1-06 0-25 9311 1058 3-7 Da es noch nicht feststeht, ob die Annahme zulässig sei, nach welcher berechnet wurde mit wieviel Arbeit die Niere jeweilig den Harn herstellt, so geben auch die durch sie gewonnenen Zahlen einen nur zweifelhaften Maassstab ab. Indess sind sie nicht ganz ohne Bedeutung, denn da mehr Arbeit als sich in den Zahlen ausdrückt nicht verbraucht werden kann wenn eine schwache Lösung in eine starke übergehen soll, so dürfen sie als obere Grenzweite gelten. Lässt man sie in diesem beschränkten Sinne gelten, so ergiebt sich, dass die Niere auf den während einer Minute her- gestellten Harn mehr Arbeit verwendet, wenn er reichlich und verdünnt, als wenn er spärlich und gesättigt fliesst. Hierfür spricht das folgende Beispiel: ! Archiv für experimentelle Pathologie. Bd. 29. DiE TEMPERATUR DES IN DIE NIERE EINSTRÖMENDEN BLUTES v. s. w. 101 In der Minute wurde ausgeschieden ein Harn mit einer Erniedrigung des Gefrierpunktes um 3-25 °C. Zur Herstellung eines Grammes werden erfordert 79 842 stumm, da in einer Minute 0.3 °“ abflossen, so wurde auf seine Bildung in der Minute 23 952 srmem verwendet. Dagegen verlangte ein Gramm des Harms mit einer Erniedrigung des Gefrierpunktes von 1-06 °C. 9311. Weil von dieser Sorte 3.7 Sm in der Minute abgeschieden wurden, waren 34451 smen nöthig. Da wo seine Temperatur gemessen wurde ist der Harn unzweifelhaft kühler angelangt als dort wo er aus der Niere hervorging. Günstigsten Falls sind die aufgezeichneten Wärmegrade nur Minimalwerthe, bei dieser Bewandt- niss ist es beachtenswerth, dass die zum Erwärmen eines Grammes Harn aufsewendete Energie sich grösser stellt als die zur Wasserabspaltung nöthige, wenn ein weniger diehter Harn gebildet wird. Unter Anderem er- scheint in der vorausgehenden Zahlenreihe ein Harn mit 1-06 °C Erniedrigung des Gefrierpunktes und mit einem Temperaturüberschuss von 0-25 °C. Danach wurden für jedes Gramm Harn um ihn zu verdichten 9311 sm, um ihn zu erwärmen 10587 stm m aufgewendet. Wenn, wie zu vermuthen, die Niere in dem Grade Wärme erzeugt, in welchem sie Harn abscheidet, so zählt sie zu den Organen, in denen sich zeitweilig die Bildung der Wärme steigert. Unter ihnen nimmt sie aber eine besondere Stelle ein, durch die Art wie sie zur vermehrten Erzeugung von Wärme erregt wird. | Von den ihre sonstige Leistung beherrschenden Nerven empfangen die Muskeln und die Speicheldrüsen den Anstoss zur Wärmeleitung, die Niere dagegen dann, wenn das Blut mit harnfähigen Stoffen beladen wird. So beachtenswerth mir der Unterschied erscheint, für ebenso verfrüht würde ich es halten hieraus einen Gegensatz abzuleiten zwischen den Grundlagen auf welchen die Abscheidung der Säfte hier und dort beruht. Ueber die Abhängigkeit der Gliedervenen von motorischen Nerven. Von Dr. W. H, Thompson. (Aus dem physiologischen Institut zu Leipzig.) Mehrfache Einrichtungen, die in der Bahn des kraftvollen Arterien- stromes vermisst werden, finden sich an den Venen, namentlich auf ihrem Wege durch die Beine. Ihnen ist es zuzurechnen, dass trotz der wechseln- den Geschwindigkeit das Gleichgewicht besteht zwischen dem durch die Arterien zufliessenden und durch die Venen abfliessenden Blute. Aus der Haut sammelt sich das Blut in weite Venen, die sich bogenförmig von der volaren zur dorsalen Seite verbinden, und gleicherweise durchziehen Fascien und Muskeln weite Abzugswege. Sie alle ergiessen ihren Inhalt in einfache Stämme, zum grössten Theil in die Vena cruralis. Dem Augenschein nach ist die Summe der Querschnitte der am Unter- wie am Oberschenkel vor- handenen Vener bedeutend grösser als der Querschnitt der Schenkelvene, so dass sich das gesammte unter gleichem Druck gefüllte Lumen der Schenkelvenen als eine Beutel mit verengtem Hals darstellt. Innerhalb eines derartigen Gebildes wird trotz eines beträchtlichen Wechsels seiner Füllung der Blutdruck nur in engen Grenzen schwanken. Dass der Inhalt der Beinvenen in weitem Umfang sich ändert, ist begründet in der Unab- hängigkeit der Bedingungen, die den Zufluss von den Arterien her und den Abfluss nach der Vena cava hin regeln. Denn der erstere wird bestimmt durch das Spiel der verengenden und erweiternden Gefässnerven, der andere durch die Widerstände der Bauchpresse. Sehr vervollständigt wird die geschil- derte Einrichtung durch die Muskeln, welche in die Venenwand eingebettet sind. Trotz wachsender Füllung wird sich der Inhalt des Beutels nicht höher spannen, wenn die Muskeln entsprechend erschlaffen, und ebenso- THOoMPSON: ÜBER DIE ABHÄNGIGKEIT DER GLIEDERVENEN U. Ss. w. 103 wenig wird sich der Druck im Innern der Venen bei abnehmender Fül- lung vermindern, wenn die Muskeln sich entsprechend verkürzen. — Dem Anschein nach erfüllen die Muskeln das gestellte Verlangen; in der Kälte, wenn die Haut erblasst, verengen sich auch die Venenstämme, und sie er- weitern sich, wenn ihnen das Blut aus den Capillaren der erwärmten Haut rascher zufliesst. In den Hautvenen des menschlichen Beins sind verschieden gelagerte und ungleich starke Muskeln gefunden und beschrieben worden,! dort giebt es geradgestreckte, kreisförmige und schleifenartige Faserungen, die im Verlauf derselben Vene als stärkere oder schwächere Lagen auftreten. Ob sich Aehnliches beim Hunde findet, ist noch zu ermitteln. Sollten nun diese Muskeln Nerven empfangen und damit in den Verband der übrigen Vasomotoren eintreten, so würden die von ihnen beherrschten Venen nur an Bedeutung gewinnen können, weil sie dann auch auf den Blutstrom zum Herzen regelnd eingreifen könnten. — Dies ist aber sehr wahrschein- lich geworden seitdem wir mit Methylenblau Nervenfasern auf der Venen- haut färben können und nachdem Mall erkannt hatte, dass die Muskeln an der Pfortader und ihren Wurzeln während der Reizung des N. splanch- nici sich bewegen. Darum habe ich, dem Rathe des Herrn Prof. ©. Ludwig folgend, eine Reihe von Versuchen unternommen, bei deren Ausführung ich die schon früher im hiesigen Institut angewendeten Methoden benutzte. Ob es nun Venomotoren, d. h. Venen giebt, welche die Muskeln der Venenwand beherrschen, lässt sich am sichersten gewahren, wenn eine blossgelegte Vene besichtigt wird, während der N. ischiadicus oder der N. cruralis tetanisirt ist. Die Versuche geschahen an Thieren, die mit Curare und Morphium vergiftet waren, der Stumpf des durchschnittenen Nerven lag zwischen Elektroden fest eingebettet. Der Beobachtung unterworfen wurden Hautvenen des Unter- und Oberschenkels; sie wurden nicht weiter, als durchaus nöthig, blossgelest, und sie blieben, damit sie nicht abkühlten, so lange bedeckt, bis sie auf ihre Beweglichkeit geprüft werden sollten. In demselben Bein wurden stets nur wenige Hautschnitte ausgeführt, so dass der Blutstrom ungehindert verlief. — Nun kann sich der Durchmesser der Vene aus doppeltem Grunde mindern, weil sich ihr Inhalt in Folge schwächeren Zuflusses verringert oder weil die Wand sich verkürzt. Von den beiden Möglichkeiten bleibt die erstere ausgeschlossen, wenn nach Unterbindung der Aorta dem Schenkel kein Blut mehr zufliesst. Deshalb unterband ich anfänglich in meinen Versuchen die Aorta, bis ich ! Siehe Epstein in Virchow’s Archiv. Bd. 108. Dort ist auch die weitere Litteratur zusammengetragen. 104 W. H. Thompson: mich davon überzeugt hatte, dass der Verlauf, mit dem sich das Gefäss in Folge mangelnden Zuflusses verengt, sich von dem durch Zusammenziehung der Wand bedingten sicher und deutlich unterscheiden lässt. Nach dem Verschluss der Aorta verengen sich die Venenstämme nie- mals vollkommen, immer bewahren sie sich eine Füllung, die sich über die sichtbaren Abschnitte gleichmässig erstreckt. Dabei ist die Vene ab- geplatte. Wenn dagegen der gereizte Nerv die Vene verengt, so nimmt die Zusammenziehung alsbald nach dem Beginn der Reizung ihren Anfang und schreitet an dem ergrifienen Ort meist bis zum Verschwinden der Lichtung fort. Oft auch beginnt die Verengung näher dem Rumpfende und schreitet allmählich nach den Capillaren hin fort, gewöhnlich aber beschränkt sie sich auf bandartige Ringe, zwischen welchen andere mit Blut gefüllte stehen bleiben, und nach Beendigung der Reizung geht die Einschnürung nur allmählich in den früheren Zustand zurück. An jedem der vier Hunde, drei mit zeitweilig verschlossener, einem mit stets offener Aorta, an welchen ich die durchschnittenen N. ischiadiei reizte und gleichzeitig die Hautvenen der Beine beaugenscheinte, erzielte ich einen unzweifelhaften Erfolge. Dem Reize fügten sich allerdings nicht alle Venen in gleicher Weise. Oefter als die des linken verengten sich die des rechten Beins, auch versagten öfters die Venenstämme um das Fuss- gelenk, während sich ihre Fortsetzungen über die Haut des Unter- und Öberschenkels kräftig zusammenzogen. Niemals jedoch verengten sich weite Strecken. Ober- und unterhalb der ringförmigen Einschnürung blieb die Vene gefüllt. Wenn der reizende Kreis geöffnet war, die Aorta aber noch verschlossen blieb, so füllte sich allmählich das erschlaffende Gefäss aus seiner Umgebung mit Blut. Und anderseits, wenn nach beendeter Reizung die Aortenschlinge gelöst war, so wurde die erzeugte Einschnürung von dem einströmenden Blute nicht sogleich wieder ausgeweitet. An den Stellen, die sich einmal vom Nerven aus hatten verkürzen lassen, zeigte sich auch die wiederholte Reizung wirksam, doch die zweite und dritte meist schwächer als die erste. — Einmal habe ich auch von dem Nerv. cruralis aus eine Verengung der grossen Hautvene erzeugt; ob der Erfolg regelmässig eintritt, wird noch zu prüfen sein. Aehnlich wie die der Hunde verhielten sich die Venen der Kaninchen. Doch fand sich unter den fünf Kaninchen, welche den Versuchen dienten, eins, dessen Nerv. ischiadicus erfolglos tetanisirt wurde. An dreien habe ich statt des N. ischiadicus das Halsmark unter dem zweiten Wirbel ge- reizt, weil ich zu sehen wünschte, ob auch die Venen der Bauchhaut sich von den Nerven aus verengen liessen. — Die Erwartung erfüllte sieh voll- ständig, die oberflächlichen Venen der Bauchdecken verhielten sich gleich ABHÄNGIGKEIT DER ULIEDERVENEN VON MOTORISCHEN NERVEN. 105 wie die der Schenkelhaut. Die Reizung des Halsmarkes brachte bei einem der Thiere keine Zusammenziehung der Schenkelvenen zu Stande, sie prägte sich dagegen sehr deutlich aus, als an der Stelle des Halsmarks der N. ischiadicus gereizt wurde. — Da wie gesagt die am Kaninchen hervor- gerufenen Erscheinungen mit denen übereinstimmten, die unter ähnlichen Bedingungen am Hunde sichtbar waren, so bedarf es keiner weiteren Schilderungen. Weniger geradeaus, als das erste, war mein zweites 1. [58 hoffen, wie viel die gesammten durch die Ischiadiei zie- henden Venomotoren zu leisten vermöchten. Meist unterhalb der Nieren wurde die Vena cava mit einem Manometer ver- u bunden, die Aorta nach Bedürfniss verschlossen und die il beiden N. ischiadici gereizt. \ Da die Venomotoren den Binnenraum vieler Wurzeln der Vena cava inferior beeinflussen, so muss sich, wenn die Spannung ändern. Ob in dem Maasse, in welchem die Venen des Schenkels verengt werden, wird davon ab- stellt oder ob noch andere daneben bestehen. Folgendermaassen wurden die Versuche an Curare-Hun- o ): aA Verfahren, dafür aber liess es einigen Aufschluss darüber sie gereizt sind, im Innern der abgeschlossenen Hohlvene hängen, ob die Vena cava den einzigen Abzugsweg dar- den vorbereitet: Sollte die Aorta in eine zuziehbare Schlinge gelegt werden, so wurde links unter der letzten Rippe die Scheide des M. sacrolumbaris und darunter die des Obliquus abdominis durchschnitten, was ohne merklichen Blutverlust möglich, und hinter dem Bauchfell gegen die grossen Gefässe vorgegangen. Unter der Aorta wird eine Schnur gezogen, die an einem Ligaturstab befestigt wird. — Um den Druck innerhalb der V. cava inferior messen zu können, setzte ich anfänglich nach Ausrottung der Niere eine Canüle in die Ven. renalis. — Ohne so viel Schwierigkeit wird das Gleiche erreicht, wenn man von der Ven. jugularis aus durch den rechten Vorhof einen Katheters in die Ven. cava hinabschickt. Da dieses Verfahren schon öfters vor mir geübt wurde, so beschränke ich mich auf eine kurze Besprechung meines Kathe- ters, weil er sich leichter als die früher gebrauchten einführen lässt. — Er setzt sich — siehe die Fig. 1 — aus zwei ineinandergesteckten Röhren zu- sammen; die innere längere aa soll den Binnenraum der Hohlvene mit einem ausserhalb angesetzten Manometer verbinden; die äussere oben und unten abgeschlossene köhre besitzt oben einen seitlichen Fortsatz f. Von einer 106 W. H. Tmompson: Spritze aus, die dort angesetzt wird, lässt sich NaCl-Lösung in den am an- deren Röhrenende angebundenen Kautschukschlauch A bringen und dieser sich so weit ausdehnen, dass er die Lichtung der Vene verstopft. Der bedeu- tenden Weite der Hohlvene wegen muss sich der Kautschuk umfänglich aufblasen lassen, darum dickwandig sein, sich zugleich aber glatt zwischen die Metallstücke einfügen. Vorspringende Ränder hemmen das Einlegen und Fortgleiten des Katheters; sie sind am oberen Ende o wegen des überstehenden Randes der äusseren Röhre leicht zu vermeiden; gleiches wurde am unteren dadurch erreicht, dass an das Endstück des freien inneren Rohres ein Schraubengang s (Fig.2) eingeschnitten war, über welchen sich ein konisches durchbohrtes Hütchen einsetzen liess. Unter seinem freien Mantel verbarg sich der umschnürende Faden und der untere Kautschukrand. — Leider ist das Doppelrohr zu gross, um auch an kleinen Hunden anwendbar zu sein. Wenn Alles vorbereitet ist und der Katheter am richtigen Orte liest, so vereiteln oft noch mancherlei Zwischenfälle den Fortgang des Ver- suchs. — Entweder der Kautschuk lässt sich nicht bis zum vollen Verschluss der Vene ausweiten, was sich daraus erkennen lässt, dass der Druck, welcher nach dem Verschluss der Vene aufsteigen muss, niedrig bleibt. Oder um- gekehrt, der schon emporgetriebene Druck sinkt plötzlich wieder herab, dann ist die Gumnublase geplatzt. Nach beiden Ereignissen muss der Katheter entfernt und frisch verkautschukt werden. Häufig verstopft sich auch das lange, enge Rohr durch Gerinnsel, wovon uns der unbewegliche Stand des Manometers während eines Druckes auf den Unterleib benachrichtigt; mit dem Stab, der das innere Rohr ausfüllt, lässt sich das Gerinnsel fortstossen oder auch durch eine halb mit NaCl-Lösung gefüllte Spritze ansaugen und ausspülen. Und wenn der Versuch bis über die erste Reizung des Nerven hinaus fehlerfrei vordrang, so tritt oft schon während der zweiten oder gar der dritten Wiederholung derselben der zuerst erlangte Erfolge nur geschwächt oder gar nicht mehr auf. Fast scheint es, als ob Muskel und Nerv durch die längere Sperre des Blutes ersticken. Wie dem sei, durch die rasche Er- müdung geht der Vortheil verloren, durch öftere und abgestufte Reizung sich über die Wirkungsart schwacher und starker Reize zu unterrichten. Am getödteten Thier habe ich jedesmal die Hohlvene blossgelegt und nach- gesehen, ob die Kautschukblase die Venenlichtung abschloss. Das Manometer, wenn es durch den Katheter mit der Hohlvene ver- bunden ist, zeigt einen, dem atmosphaerischen nahestehenden Druck an so lange, als das Blut gegen die Brusthöhle frei abfliessen kann. Sowie dagegen die Kautschukblase die Lichtung gesperrt hat, steigt der Druck aufwärts und erreicht alsbald ein Maximum, aufdem er unter mässigem Schwanken verharrt. Von einem zum anderen Thier wechselte der höchste Druck beträchtlich; ABHÄNGIGKEIT DER GLIEDERVENEN VON MOTORISCHEN NERVEN. 107 der höchste der gemessenen betrug 1-05” Wasser, der niedrigste nur 0,38% Wasser. Zwischen diesen Grenzwerthen lagen andere von 0-6 bis 0-45" Wasser. Aus diesem Befund glaube ich folgern zu dürfen, dass die Vena cava keines- wegs allein das Blut zum Herzen zurückführt, und dass die Nebenwege bei verschiedenen Thieren ungleich entwickelt sind. Denn es müsste der Druck weit über den höchsten der gefundenen Werthe emporsteigen, wenn der arterielle Strom durch die Sperre der V. cava zum Stillstand gebracht würde. Der künstlichen Injection muss die Entscheidung vorbehalten bleiben. — Von Belang wäre es nun gewesen, festzustellen, wie sich der Druck in der Hohlvene mit dem Wegsamkeitsgrade der Aorta ändert. Hierüber geben meine Beobachtungen deshalb keinen Aufschluss, weil ich die Vena cava zuerst und nachträglich die Aorta absperrte. Bei diesem Verfahren, welches für meine Zwecke genügend schien, kam in der Vene der höchste der er- reichbaren Drücke sogleich zu Stande, an welchem, wie es sich thatsächlich ergab, der folgende Verschluss der Aorta nur wenig ändern konnte. Nachdem sich bei verschlossener V. cava der Druck unterhalb des Manometers annähernd fest eingestellt hatte, wurde mit der Reizung der N. ischiadiei begonnen. — Jedesmal ward hierdurch der Druck geändert, aber bei verschiedenen Thieren auf ungleiche Art. In der Mehrzahl der Beobachtungen senkte sich der Stand der Flüssig- keit im Manometer, sowie die Reizung begann. Während ihrer Dauer be- hauptete der Druck den eingenommenen Werth und hob sich wieder, wenn der Nerv aus dem elektrischen Strom ausgeschaltet war, — statt dessen steigerte sich auch öfters unter dem Reiz der Druck, der mit der Einkehr des Nerven in die Ruhe wieder auf sein altes Niveau herabging. Um eine Anschauung von dem Umfang der erzielten Druckänderung zu gewähren, genügen die folgenden Beispiele: 1) Nach Abschluss der V. cava steigt das Wasser im Manometer von 0 auf 39.5em. — Mit und während Reizung der N. ischiadiei durch kräf- tige Inductionsströme sinkt der Wasserstand auf 36“ und kehrt auf 38 zurück, als der Nerv nicht weiter gereizt wurde. — Die Reizung wird mit schwächeren Strömen wiederholt; das Wasser steigt auf 38.5 ®. — Nun wird die Gummiblase entleert, damit das Blut wieder strömen kann. Nach einiger Zeit wird die V. cava wieder verschlossen; das Manometer zeigt 39°®, Unter der Reizung der N. ischiadiei sinkt der Wasserstand auf 37 und kehrt bei ruhendem Nerven auf 38-.4°” zurück. — Eine spätere Rei- zung des Nerven blieb wirkungslos. 2) Als die Lichtung der V. cava verschlossen war, stieg der Mano- meterstand von O0 auf 95 °® und dann auf 99°” Wasser. Während Reizung der N. ischiadici erhebt sich das Wasser auf 105 @ und sinkt auf 100.5 ® 108 TaomPson: ÜBER DIE ABHÄNGIGKEIT DER GLIEDERVENEN U. S. w. herab, als dem Nerven Ruhe gegönnt wurde. — Eine Wiederholung des Reizes war erfolglos. Gegen die Aenderungen, welche die gereizten N. splanchnici am Druck in den Portalvenen erzeugen können, stehen die von den N. ischiadiei in der Hohlvene veranlassten bedeutend zurück. Durch den Gebrauch des Wassermanometers treten sie jedoch deutlich hervor. Dass die gereizten N. ischiadiei den Druck in der V. cava um ein Mässiges emportreiben, stimmt zu den Erfahrungen an den blossgelegten Schenkelvenen, dagegen ist das Sinken des Druckes ein unerwartetes Ereig- niss. Zu bezweifeln ist indess die Erscheinung nicht, denn sie ist mir in gleicher Deutlichkeit bei den Versuchen an verschiedenen Thieren entgegen- getreten. Warum die Reizung der Nerven an einigen Thieren den Druck er- niedrigte, an anderen erhöhte, bleibt vorerst unbekannt. Nach Willkür bald das eine, bald das andere durch Aenderungen der Reizstärke hervor- zurufen, gelang mir nicht. Doch betrachte ich meine Versuche nach dieser Richtung hin nicht als maassgebend. Obwohl meine Versuche noch wenig zahlreich sind und die angewen- deten Methoden noch mancher Verbesserung bedürfen, so haben sie doch mit voller Sicherheit nachgewiesen, dass die Muskeln in den Haut- venen der Beine von Hunden und Kaninchen von den Nerven aus zur Verkürzung veranlasst werden können. Die Beziehungen zwischen den Venomotoren und den von ihnen ab- hängigen Muskeln sind offenbar weniger innig und gebunden, als die zwi- schen den Vasomotoren und den Muskelringen an den kleinen Arterien; weiteren Versuchen ist die Aufklärung vorbehalten. Die Ausführung der beschriebenen Versuche wurde mir ermäglicht durch eine dankenswerthe Unterstützung von Seiten des Scientific grants Committee of the British medical Association. Bemerkungen zum Vortrage des Hrn. Albr. Kossel: „Leber Nucleinsäure“, Von J. Horbaczewski, in Prag. In dem Vortrage: „Ueber die Nucleinsäure“! berührte Hr. Kossel auch die Frage der Harnsäurebildung aus Nuclein und äusserte sich über die von mir in Bezug darauf angestellten Versuche dahin, dass bei der von mir angewandten Methode die Ausscheidung des Xanthins nicht berück- sichtigt wurde, dass daher der als Harnsäure angesprochene Niederschlag Xanthin, welches Harnsäure vortäuschte, enthalten haben musste, und dass somit aus meinen Versuchen auf eine Harnsäurebildung nicht ge- schlossen werden könne, und folglich, dass diese ganze Frage als eine noch offene zu betrachten sei. Ueber die erste hierauf bezügliche Beobachtung, nämlich dass die Milzpulpa bei Digestion mit Blut bis zur beginnenden Fäulniss Harnsäure liefert, wurde im Jahre 1889 berichtet.” Weitere Beobachtungen? ergaben, dass auch andere nucleinhaltige Gewebe dasselbe Verhalten zeigen und ferner, dass die Harnsäure aus derselben Atomgruppe entsteht, aus welcher die sogen. Xanthinbasen, allerdings unter anderen Bedingungen, sich bilden. Der hierauf bezügliche Versuch ist folgender: Man digerirt frische Milzpulpa mit der zehnfachen Menge destillirten, auf 50° ©. erwärmten Wassers bei ! Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft zu Berlin. 14. October 1892. Dies Archiv, s. unten. ? Monatshefte für Chemie. 1889. S. 627 u. ff. — Wie ich aus dem soeben er- schienenen 21. Bde des Jahresberichtes für T'hierchemie (8. 182) ersehe, bestätigte P. Giacosa meine Versuche mit Milzpulpa noch im Jahre 1890 un fand, dass auch das Lebergewebe bei Digestion mit Blut ebenfalls Harnsäure liefert. ? Ebenda. 1891. 8. 282 u. ff. > 110 J. HORBACZEWSKT: 50°C. (in einem Kolben) durch etwa acht Stunden. Die faulende Flüssig- keit wird dann mit Bleiessig ausgefällt und nach dem Absetzen filtrirt. Von dem roth gefärbten Filtrate nimmt man zwei gleiche Theile. Den einen Theil vermischt man mit der gleichen Menge frischen, defibrinirten, arteriellen Blutes und erwärmt durch einige Stunden auf 45° C. (oder be- handelt anhaltend mit Luft oder mit einer verdünnten Lösung von Wasser- stoffsuperoxyd). Hierauf wird die Flüssigkeit coagulirt, das Coagulum mit Wasser ausgekocht, die vereinigten Filtrate werden eingedampft und die concentrirte Flüssigkeit mit ammoniakalischer Silberlösung ausgefüllt. Der Silberniederschlag wird nach Ludwig mit Schwefelnatriumlösung in der Wärme zersetzt, das Filtrat angesäuert und eingedampft. Es enthält das- selbe nur Harnsäure, aber keine Xanthinbasen. Der andere Theil der Milzpulpalösung wird sofort unter Zusatz von Kochsalz und Essigsäure coagulirt, das Coagulum ausgekocht und ausge- waschen, die Filtrate werden auf ein kleines Volumen verdampft und die concentrirte Flüssigkeit wird in gleicher Weise wie beim obigen Versuche mit ammoniakalischer Silberlösung ausgefüllt. Der Silberniederschlag liefert nach dem Zersetzen mit Schwefelnatriumlösung nur Xanthinbasen, aber keine Harnsäure. (Eine Spur von Harnsäure kann hier erhalten werden, wenn die angewandte Milzpulpa Harnsäure enthielt, was aber nicht immer der Fall ist, oder wenn die Milzpulpalösung viel mit Luft, namentlich in der Wärme, in Berührung war.) Ein derartiger, quantitativ ausgeführter Versuch! ergab, dass die Menge der im ersten Falle gebildeten Harnsäure der Menge der im zweiten Versuche entstehenden Xanthinbasen entspricht, da der N der aus einer bestimmten Menge der oxydirten Milzpulpalösung erhaltenen Harnsäure demjenigen der aus der gleichen Menge derselben, aber nicht oxydirten Lösung erhaltenen Xanthinbasen entsprach. | Aus diesen Versuchen muss geschlossen werden, dass die Harnsäure und die Xanthinbasen aus derselben Atomgruppe, die im Nuclein? ent- halten ist, sich bilden, und zwar entstehen nur die Xanthinbasen, wenn diese Atomgruppe einfach zersetzt wird, während nur Harnsäure sich dann bildet, wenn eine Oxydation voraneing. A230: ° Es dürfte nicht überflüssig sein hervorzuheben, dass es richtiger ist zu sagen, dass es ein Atomcomplex ist, der als Nuclein aus den Organen abgespalten werden kann, da diejenige Substanz, die Nuclein genannt wird, ein Kunstproduct ist, welches sich in den Organen nicht findet und sich erst durch Behandlung der Organe mit Pepsinsalzsäure, Alcohol und Aether u. s. w. bildet. Die in den Zellkerren enthaltene Substanz besitzt andere Eigenschaften als das isolirte Nuclein — sie zeigt vor Allem andere Löslichkeitsverhältnisse. ÜBER NUVCLEINSÄURE. 111 Mit Rücksicht auf die von Hrn. Kossel ausgesprochene Vermuthung, dass der als Harnsäure angesprochene Niederschlag aus Xanthin bestand, muss noch auf diesen Gegenstand näher eingegangen werden. Wie oben erwähnt, wurde die Harnsäure durch Zersetzung des aus der oxydirten Milzpulpalösung erhaltenen Silberniederschlags mit Schwefel- natriumlösung erhalten. Nach dem Ansäuern dieser warmen, verdünnten Lösung mit Salzsäure scheiden sich sofort aus der Flüssigkeit Krystalle ab, die bei der mikroskopischen Untersuchung als aus vierseitigen oder rhom- bischen Plättchen oder Wetzsteinen bestehend sich erweisen. Nach dem Eindampfen der Flüssigkeit auf ein kleines Volum wird ein pulveriger Niederschlag erhalten, der aus lauter Krystallen von oben erwähnten Formen besteht. Diese Krystalle sind: 1) in Wasser so gut wie unlöslich, 2) in salzsäurehaltigem Wasser ebenso, 3) in Ammoniak auch nur äusserst wenig löslich, 4) in Laugen leicht löslich. Durch Ansäuern dieser Lösung mit einer beliebigen Säure (z. B. Essigsäure) fallen Krystalle von der oben er- wähnten Form aus. Diese Krystalle zeigen: 5) Murexidreaction (nicht zu verwechseln mit der murexidähnlichen Reaction, welche Xanthin bei Gegenwart von Ol giebt), 6) in alkalischer Lösung Reduction der Silberlösung, 7) Reduction der alkalischen Kupferlösung, 8) sie enthalten kein Chlor, 9) 0.1184 2m Substanz lieferten bei der Verbrennung 33.4 °® Stick- stoff, gemessen bei 748m Druck und 10° C., entsprechend 33-25 Procent Stickstoff, während Harnsäure 33-33 Procent verlangt. Der als Harnsäure angesprochene Niederschlag bestand daher aus reiner Harnsäure. Die vergleichsweise ausgeführte Untersuchung des Silberniederschlags, der aus der nativen, nicht oxydirten Milzpulpalösung erhalten wird, er- giebt Folgendes: Nach dem Zersetzen derselben mit Schwefelnatriumlösung in der Wärme wird eine Lösung erhalten, die nach dem Ansäuern mit Salzsäure zunächst klar bleibt. Nach dem Auskühlen trübt sich dieselbe in der Regel milchig und scheidet beim Eindampfen Häute und Krusten ab. Nach dem Eindampfen auf ein sehr kleines Volum wird ein krystalli- nischer Rückstand erhalten, der aus salzsaurem Xanthin besteht, während in der Lösung sich noch Hypoxanthin findet. Da hierauf bezüglich keine Zweifel obwalten, sei nur auf das über diesen Gegenstand früher Mitge- theilte! hingewiesen, wo auch Analysen angeführt sind. IaN2a.2 0. 112 J. HORBACZEWSKI: Von der Thatsache, dass der aus der oxydirten Milzpulpalösung er- haltene, als Harnsäure angesprochene Niederschlag nicht im geringsten mit Xanthin verunreinigt sein könne, kann man sich auf folgende Weise über- zeugen: Der Silberniederschlag wird mit Schwefelnatriumlösung versetzt, die Lösung mit Salzsäure angesäuert und zur Trockne verdampft. Dieser trockene Rückstand wird mit verdünnter Lauge gelöst, vom Schwefel filtrirt, das Filtrat stark verdünnt und kochend heiss mit Salzsäure stark an- gesäuert. Nach dem Auskühlen der Flüssigkeit und vollständiger Abscheidung: der Harnsäurekrystalle wird filtrirt. Das stark saure Filtrat müsste Xan- thin in Lösung enthalten, falls welches zugegen wäre. Man macht dieses Filtrat mit Ammoniak schwach alkalisch und fällt mit ammoniakalischer Silberlösung. Dabei erhält man einen nur sehr spärlichen Niederschlag, der aber nur aus der Silberverbindung der Harnsäure besteht — ent- sprechend der geringen Menge in saurem Wasser gelösten Harnsäure — denn nach dem Zersetzen desselben mit Schwefelnatriumlösung, Ansäuern des Filtrats mit Essigsäure und Eindampfen auf ein kleines Volum er- hält man Harnsäurekrystalle, die alle Reactionen der Harnsäure zeigen, während auch nicht eine Spur von Xanthin nachgewiesen werden kann. Untersucht man in ganz derselben Weise den aus der nicht oxydirten Milzpulpalösung erhaltenen Ag-Niederschlag, so findet man in der salz- sauren Lösung, die eventuell nur eine Spur von Harnsäure abscheidet, das Xanthin (neben dem Hypoxanthin) anstandslos wieder. Man erhält auch in der mit Ammoniak versetzten Lösung dementsprechend einen massigen Silberniederschlae. Durch diese Versuche erscheint die Thatsache, dass die Harnsäure sich aus derselben Atomgruppe bildet, aus welcher unter anderen Bedingungen sogen. Xanthinbasen entstehen, zweifellos sichergestellt, ohne dass dabei eine besondere Tren- nungsmethode der Harnsäure vom Xanthin, worauf Hr. Kossel einen besonderen Werth legt, in Anwendung kommen müsste. Was übrigens diesen letzteren Umstand anbelangt, so sei bemerkt, dass die Harnsäure vom Xanthin in denjenigen Fällen, wo Gemische beider Verbindungen vorliegen, auf folgende Weise getrennt werden kann: I. Ein Theil salzsaures Xanthin ist bekanntlich in 153 Theilen salz- säurehaltigen Wassers löslich, demnach beinahe 100mal löslicher als die Harnsäure. Wenn man demnach die verdünnte alkalische Lösung, die beide Verbindungen enthält, mit Salzsäure stark ansäuert, bleibt das Xanthin in Lösung, während Harnsäure sich abscheidet. II. Harnsäure löst sich im Ammoniak nur spurenweise, während das Xanthin relativ leicht löslich ist. Man übersättigt daher die das Gemisch ÜBER NUCLEINSÄURE. 113 beider Verbindungen enthaltende Lösung in Lauge mit Salmiak und lässt stehen, worauf das Ammonurat auskrystallisirt, während das Xanthin in Lösung bleibt (Fokker’sche Harnsäurebestimmungsmethode). Diese Methoden wurden auf ihre Schärfe nicht weiter geprüft, weil. das zur Lösung der vorliegenden Frage gar nicht nothwendig war, nach- dem diejenigen Versuche, bei denen Gemische von Harnsäure und Xanthin erhalten werden, kein weiteres Interesse darbieten. Die im Vorhergehenden mitgetheilten Versuche, bei denen entweder nur Harnsäure oder nur Xanthinbasen erhalten werden, gelingen an- standslos, wenn gewisse Bedingungeu genau eingehalten werden, worauf! aufmerksam gemacht wurde. Die Milzpulpalösung muss einen gewissen Grad von Fäulniss durchmachen. Während nach stärkerer Fäulniss ganz negative Resultate erhalten werden, ist es andererseits nothwendig, dass die Milzpulpa bis zu einem gewissen, nicht zu geringen Grade fault. Es ist schwer, äussere Merkmale anzugeben, wann dieser Fäulnissgrad sicher er- reicht ist. Bei richtig angestellten Versuchen findet man in: der erwähnten Lösung nach dem Kochen Xanthin und Hypoxanthin, aber kein Guanin und Adenin.” Die Digestionsdauer kann nur beiläufig angegeben werden: etwa acht Stunden, weil die Intensität der Fäulniss auch von der Qualität der Materialien abhängt. Es ist daher möglich, dass in gewissen Fällen — insbesondere je nachdem man ganz frische, thierwarme und relativ sterile oder nicht ganz frische Milzpulpa anwendet, die Digestionsdauer etwas ver- längert, beziehungsweise abgekürzt werden müsste. Die Milzpulpalösung muss ferner, falls aus derselben Harnsäure allein, ohne Xanthinbasen erhalten werden soll, vollständig oxydirt werden, zu welchem Zwecke die Lösung am besten mit etwa der gleichen Menge fri- schen, defibrinirten Blutes durch einige Stunden auf 45° C. erwärmt wird. Bei Verarbeitung grösserer Mengen werden aber dabei, wie selbstverständ- lich, sehr massige Coagula erhalten, deren Auswaschen und Auskochen sehr lästie fällt. Man kann daher in diesen Fällen die Menge des Blutes be- deutend reduciren, leitet aber durch die Flüssigkeit Luft (oder Sauerstoff). Werden die erwähnten Versuchsbedingungen nicht ganz eingehalten, so kommt man entweder zu negativen Resultaten oder erhält ein Gemisch von Harnsäure und Xanthinbasen. Was die anderen, von meinen Mitarbeitern ausgeführten Versuche, bei denen die verkleinerten Organe einfach mit Blut digerirt wurden, anbelangt,’ so übernehme ich auch für dieselben gerne die Vertretung. Bei diesen Versuchen erfolgt die Harnsäurebildung, ebenso wie bei den oben be- sprochenen Versuchen, — nur in einer Operation. Da auch hier, wie es klar TUNER OE ENT IROME SAN 20) Archiv f. A.u. Ph. 1893. Physiol. Abthlg. [05) 114 J. HORBACZEWSKT: ist, die Harnsäure auf Kosten derjenigen Atomgruppe entsteht, aus welcher sich unter anderen Bedingungen Xanthinbasen bilden, so ist die Möglich- keit der Verunreinigung der Harnsäure mit Xanthin nicht gegeben, falls die Versuche correet ausgeführt werden. Nach dem oben Mitgetheilten scheint es mir überflüssig, auch auf diese Versuche noch näher einzugehen. Die zweite Angelegenheit, die hier noch in Kürze berührt werden muss, ist folgende: Hr. Kossel sagt in seinem erwähnten Vortrage, dass er dem Gedanken, dass das Nuclein Quelle der Harnsäure im Organismus sein könnte, Ausdruck gegeben und dass Hr. Stadthagen in seinem Labo- ratorium eine Reihe von Versuchen angestellt hat, und ferner: „Später hat nun Hr. Horbaczewski diesen durch meine Versuche begründeten Ge- danken wieder aufgenommen ....“ Es ist vollkommen richtig, dass Hr. Kossel auf die Möglichkeit der Harnsäurebildung aus Xanthinbasen noch im Jahre 1882! hinwies, und dass Hr. Stadthagen? im Jahre 1887 diese Idee experimentell untersuchte. Diesen Thatsachen entsprechend wurde auch? besonders hervorgehoben, dass die Priorität dieser Idee mir nicht zukommt, und es wurde Hr. Kossel, sowie Hr. Stadthagen, als auch andere Autoren, die zu der- selben Ansicht gelangten, in meiner Publication genannt. Durch die im Vorhergehenden besprochenen Versuche wurde dann diese Ansicht von mir experimentell erwiesen, was sie bis dahin nicht war, denn weder durch die Versuche des Hrn. Kossel noch durch diejenigen des Hrn. Stadthagen, die bekanntlich negativ ausfielen, war dieselbe erwiesen. Ich gelangte zu derselben Ansicht unerwartet und zwar auf einem ganz anderen Wege (vergl. die ersten Mittheilungen aus dem Jahre 1877). Falls demnach der obige Ausspruch des Hın. Kossel als ein Vorwurf mir gegenüber gemeint sein sollte, so wäre ich nicht im der Lage, denselben zu acceptiren. Nachdem ich von dem eingangs erwähnten Vortrage Kenntniss er- halten hatte, machte ich Hrn. Collegen Kossel brieflich auf den Umstand aufmerksam, dass bei meinen Versuchen die Harnsäure vom Xanthin gar ı Zeitschrift für physiologische Chemie. 1882—83. S. 19 äusserte sich nämlich Hr. Kossel folgendermaassen: „Wir können an dieser Stelle eine Beziehung des Hypoxanthins zur Bildung der Harnsäure nieht unerwähnt lassen. Aus den Zahlen der Tabelle I ist ersichtlich, dass die Muskeln solcher Organismen, welche als Haupt- producte des Stoffwechsels Harnsäure ausscheiden, viel reicher an Hypoxanthin sind, als die des Menschen und die des Pferdes.“ 2 Virchow’s Archiv. Bd. X. 8. 390 u. ff. ° A.a. O., sowie in der Schrift: Zur Theorie der Harnsäurebildung im Säuge- thierorganismus, Wiesbaden 1892, ÜBER NUCLEINSÄURE. 115 nicht getrennt zu werden brauchte und ersuchte um Wiederholung dieser Versuche. Hr. College Kossel war so freundlich, mir vor einigen Tagen zu antworten, dass in meinen Abhandlungen besondere Beweise für die chemische Natur der als Harnsäure angesprochenen Substanz nicht enthalten seien und schlägt daher vor, zur Hebung aller Zweifel meine bezüglichen Untersuchungen mitzutheilen. Durch die obige Mittheilung entspreche ich gerne diesem Wunsche des Hrn. Collegen Kossel und möchte nur meinerseits dem Wunsche Ausdruck verleihen, dass Angaben, die auf Grund von Versuchen gemacht werden, auch auf Grundlage von Versuchen, nicht aber von Vermuthungen beur- theilt werden mögen. Die Anführung der in meinen Abhandlungen vom Hın. Collegen Kossel vermissten besonderen Beweisführung für die Reinheit der Harn- säure, beziehungsweise für das Nichtbeigemischtsein des Xanthins schien mir ganz überflüssig, da die Harnsäure zu den best charakterisirten Sub- stanzen gehört und da bei meinen Versuchen die Gegensätze, unter welchen Bedingungen nur Harnsäure oder nur Xanthinsäure oder Gemische beider erhalten werden, sehr eingehend hervorgehoben sind. Prag, am 7. December 1892. Die Kohlensäure und Wasserausscheidung der Haut bei Temperaturen zwischen 30° und 39°. Von Dr. Schierbeck, aus Kopenhagen, In Verbindung mit einer Reihe Untersuchungen über die Ventilation der Kleidung, die ich diesen Sommer auf Veranlassung des Hrn. Prof. Rubner in dem hygienischen Institut der Berliner Universität unternahm, war auch die Grösse der Kohlensäure- und Wasserdampfausscheidung der mensch- lichen Haut bei verschiedenen Temperaturen zu bestimmen, und da die Ergebnisse dieser Bestimmungen in physiologischer Beziehung nicht ohne Interesse sind, werde ich dieselben hier in aller Kürze mittheilen, während ich, was die Einzelheiten betrifft, auf die ausführlichere Darstellung im Archiv für Hygiene verweisen muss. Dass die menschliche Haut der Sitz einer fortwährenden Ausscheidung von Kohlensäure und Wasserdampf ist, darüber war man seit langem im reinen; unser Wissen über die absolute Grösse dieser beiden Ausscheidungen, wie auch über deren Abhängiekeit von verschiedenen äusseren und inneren Factoren war jedoch sehr mangelhaft. Sowohl die Kohlensäure- als die Wasserdampfausscheidung der Haut ist zu wiederholten Malen an begrenzten Theilen der Körperoberfläche studirt worden, erstere von Abernethy, Rein- hard, Gerlach, Fubini und Röhrig, letztere von Weyrich, Rein- hard, Röhrig und Erismann, und diese Untersuchungen haben uns zum Theil über den Einfluss verschiedener äusserer und innerer Factoren auf diese Functionen Aufschlüsse gebracht, uns indess keinen sicheren An- haltspunkt für die Beurtheilung der gesammten Kohlensäure- und Wasser- dampfausscheidung der ganzen Körperoberfläche gegeben. Dies lässt sich nur durch eine directe Bestimmung der während einer gewissen Zeit von der gesammten Haut ausgeschiedenen Menge der Kohlen- säure und des Wasserdampfs erreichen. SCHIERBECK: ÜÖ,- UND H,O-AUSSCHEIDUNG DER Haur v. S. w. IT Eine solche Bestimmung ist nun auch mit Bezug auf die Kohlensäure unternommen worden, theils in älteren Zeiten von Lavoisier und später von Scharling, theils in der jüngeren Zeit von Aubert und Lange. Es sind namentlich die Untersuchungen der beiden letztgenannten Forscher, die, weil sie nach einer vollkommneren Methode angestellt wurden, die Grundlage unserer bisherigen Auffassung von der Grösse der Kohlensäure- ausscheidung bildeten. Bei einer eingehenderen Kritik des von Aubert und Lange angewandten Apparats erhebt sich jedoch ein Zweifel, ob dieser auch (durchaus befriedigend arbeitete, namentlich was die Leistung einer vollstän- digen Absorption der von der Versuchsperson ausgeschiedenen Kohlensäure betrifft. Durch einen Perspirationskasten, in welchem die Versuchsperson sich aufhielt, wurde mittelst einer Pumpeneinrichtung Luft getrieben, und der Luftstrom durchlief darauf einen Absorptionsapparat, in dem die aufge- nommene Kohlensäure von Baryt absorbirt wurde, aber mit einer Geschwin- digkeit von 1 Liter die Minute, so dass schwerlich alle in der Luft enthaltene Kohlensäure Zeit genug hatte, um aufgenommen zu werden. Den durch diese Versuche gefundenen Werth für die Grösse der Kohlensäureausscheidung in 24 Stunden, 3—4®’”%, müssen wir deshalb wahrscheinlich als zu niedrig betrachten. Eine ähnliche Bestimmung der gesammten Wasserdampfausscheidung der Hautoberfläche wurde bisher nicht unternommen. Der gewöhnlich an- genommene Werth derselben, ca. 5008" in 24 Stunden, rührt theils von Folgerungen aus den oben erwähnten Untersuchungen über begrenzte Ab- schnitte der Haut her, und theils von Pettenkofer’s und Voit’s Be- stimmungen der Wasserdampfausscheidung aus dem ganzen Organismus, sowohl aus der Haut als aus der Lunge, mit Abzug dessen, was sich mittelst anderer Versuche als durch letztere allein ausgeschieden erwies — beides Methoden, die wegen ihrer indirecten Bestimmung der gesuchten Grösse verhältnissmässig mangelhaft sind. Den ergiebigsten Aufschluss über die Grösse der Wasserdampfaus- scheidung und deren Abhängigkeit von verschiedenen Variablen erhalten wir durch Rubner’s Untersuchungen, die allerdings an Thieren angestellt wurden, deren Resultate sich jedoch in vielen Beziehungen gewiss ‚auch auf den menschlichen Organismus übertragen lassen, aber auch hier war es die gesammte Wasserdampfausscheidung, sowohl die der Haut als die der Luft auf einmal, die Gegenstand der Untersuchung war. Unsere Kenntniss von der Kohlensäure- und Wasserdampfausscheidung der ganzen Körperoberfläche ist mithin sehr unsicher, und das gegenseitige Verhältniss dieser beiden Functionen wurde bisher noch nicht untersucht. Es sind diese beiden Punkte, über die unsere Untersuchungen hoffentlich etwas grössere Klarheit verbreitet haben. Die angewandte Versuchsmethode war rücksichtlich der Bestimmung 118 SCHIERBECK: der Kohlensäure eine ähnliche, wie die von Pettenkofer und Voit für Respirationsversuche überhaupt empfohlene Der Körper der Versuchs- person befand sich mit Ausnahme des Kopfes in einem Perspirationskasten, welcher durch einen continuirlichen, mittelst der grossen Gasuhr des Voit’schen Respirationsapparates erzeugten Luftstrom ventilirt wurde. Mittels dieses Respirationsapparates wurde der Kohlensäuregehait sowohl der einströmenden als der ausströmenden Luft gemessen. Die zur Absorption in den Pettenkofer’schen Röhren herausgenommenen Luft- proben waren so klein, dass man einer vollständigen Absorption der Kohlen- säure gewiss sein konnte, was Oontrolröhren beständig bewiesen. Die Menge der den Perspirationskasten durchströmenden Luft wurde von der grossen Gasuhr gemessen, und da ihr vermehrter Kohlensäuregehalt in Procenten über den der Zimmerluft hinaus bestimmt wurde, liess sich die ganze während der Versuchszeit im Kasten hinzugekommene Menge der Kohlen- säure auf bekannte Weise berechnen. Der Perspirationskasten liess sich erwärmen und seine Temperatur liess sich constant erhalten, so dass die Bestimmungen auch bei höheren Temperaturen unternommen werden konnten. Die Menge des ausgeschiedenen Wasserdampfes wurde durch zwei Haar- hygrometer bestimmt, deren eines in der Einströmungs-, das andere in der Ausströmungsluft eingeschaltet war. Aus dem Unterschied des relativen Feuchtiekeitsgrades dieser beiden Arten Luft liess sich darauf die Menge des ausgeschiedenen Wasserdampfes berechnen. Diese bestand bei einigen der Versuche aus nur durch die Perspiration (d. h. die unsichtbare Ver- dampfung durch die Haut) ausgeschiedenem Wasserdampfe, bei anderen dagegen, wo ausserdem eine Ausscheidung von Wasser in flüssiger Form als Schweiss stattgefunden hatte, zugleich aus demjenigen Theile desselben, der verdampft war. Der an der Oberfläche der Haut zurückgebliebene Schweiss, und was sich möglicherweise an Schweiss hatte am Boden des Kastens sammeln. können, sowie auch was sich vielleicht an verdampftem Wasser bei hohen Temperaturen an den Seiten des Kastens verdichtet hatte, wurde auf andere Weise bestimmt und zu den mittelst der Hygrometer gefundenen Werthen hinzugefügt. Es ist also die gesammte Wasserausscheidung der Haut, die unsicht- bare Verdampfung sowohl als das in flüssiger Form ausgeschiedene Wasser, die durch diese Versuche auf einmal bestimmt wurde. Die Versuche wurden bei Temperaturen zwischen 30° und 39° an- gestellt, da diese Temperatur wegen der oben erwähnten Abhandlung für uns von Interesse waren und die übrigen Bedingungen, unter denen die Versuche stattfanden, wie der Zeitpunkt des Tages, dessen Entfernung von der letzten vom Individuum genossenen Mahlzeit, die Grösse der Ven- tilation im Perspirationskasten, sowie auch die relative Feuchtigkeit der CO,- un H,O0-AUsSCHEIDUNG DER HAUT U. S. w. 119 durchströmenden Luft, wurden bei allen Versuchen möglichst gleich behalten. Es wurde nun eine Reihe von Versuchen angestellt, bei denen die Versuchsperson nackt im Kasten sass, und eine andere Reihe, bei denen sie eine einzelne Schicht dieken, wollenen Bekleidungsstoffes trug, damit zugleich der Einfluss der Kleidung auf die untersuchten Functionen studirt werden könnte. Die Ergebnisse der ausgeführten Versuche theilen wir in untenstehender Tabelle mit, und besserer Uebersicht wegen zeichnen wir sie ausserdem als Curven in den nebenstehenden Figuren, wo die Abseissen der Curven die Temperaturen angeben, bei denen die Versuche angestellt wurden, die Ordinaten dagegen die Werthe für die Grösse der stündlichen Kohlensäure- und Wasserausscheidung, erstere in Milliorammen, letztere in Grammen ausgedrückt. Betrachten wir nun zuerst die Kohlensäureausscheidung, so sehen wir, dass diese sich sowohl bei der nackten, als bei der bekleideten Haut bei den Temperaturen zwischen 29° und 33° so ziemlich unverändert hält. Die gefundenen Werthe weichen hier so wenig von einander ab, und die Abweichungen von dem Mittelwerthe von 0-35 ®'® Kohlensäure die Stunde sind in der That so verschwindend, dass, wenn man die Multiplicationen bedenkt, durch welche die Resultate sich ergeben, wir dieses Stück der Curve in beiden Fällen als eine der Abscissenaxe parallele Gerade be- trachten können. Die absolute Grösse der Kohlensäureausscheidung ist hier also etwa 0-35 8" die Stunde, und zwar die nämliche bei nackter, wie bei bedeckter Haut. Steigt die Temperatur dagegen über 33°, so nimmt die Kohlensäure- ausscheidung plötzlich stark zu, so dass sie bei 33-.5°—34° sogar die doppelte Grösse erreicht. Bei höheren Temperaturen wurde sie nur an der nackten Haut verfolet, und sie steigt hier fortwährend zugleich mit der Temperatur, wenn auch nicht in demselben starken Verhältnisse, wie zwischen 33° und 34°, so dass sie bei 38-5°, der höchsten hier unter- suchten Temperatur, etwa 1.25" die Stunde erreichte. Sowohl die Form der Curve, als die absolute Grösse der Kohlensäureausscheidung, erweist sich also bei den untersuchten Temperaturen als eins für die nackte und für die bekleidete Haut. Es liegt also ein kritischer Punkt für die Kohlensäureausscheidung um 33° herum, indem sie bei einer geringen ferneren Steigerung der Temperatur plötzlich äusserst stark anwächst und dementsprechend tritt nun auch in der Wasserausscheidung der Haut eine eigenthümliche Ver- änderung ein, deren Natur wir näher betrachten werden. Wir erwähnten oben, dass die Wasserausscheidung der Haut auf zwei- fache Weise vorgehe, indem Wasser theils durch die unsichtbare Ver- SCHIERBECK! + Baer BE 2 (en aa Eu 2 + A a De ” aa ee „ale —üni — —+ OB. fa _— er u 4 1 + Au! ı - 2 “| \ _ - —— = z P2 | Teen e L .— T 8 ei al 7 | Dr an Zr 29 30 31 32 33 34H 35 36 37 38 39) ——- Wasserausscheidwng \ bei nackter Haut. Kohlensäureausscheidung Fig. 1. s =) ! > | | - fa ices >51 t = -_— Bea BR Bi ah DR | 11 ai “ i = U EEE: JE 7) in in | d 29 30 37 32 33 34 33 36 37 ee Wasserausscheidung Kohlensäureausscheidung Fig. 2. bei behleideter Haut, CO,- unp H,0-AUSSCHEIDUNG DER HAUT U. S. w. 121 dampfung aus den Drüsenzellen, vielleicht auch zum Theil durch die Epidermis! abgegeben wird, welche Function stets in Thätigkeit ist und gewöhnlich die Perspiration genannt wird — und theils in flüssiger Form als Schweiss von den Drüsen ausgesondert wird, welche Function im Gegensatze zur Perspiration nur unter gewissen Verhältnissen stattfindet. Es erwies sich nun, dass die Versuchsperson bei allen Versuchen, die bei einer Temperatur unter 33° angestellt wurden, wo die Kohlensäure- ausscheidung wie erwähnt, folglich nur gering war, und zwar sowohl bei nackter als bei bekleideter Haut, stets eine angenehme Wärmeempfindung im Kasten fühlte und nie Schweiss anzeigte, sowie die Haut nach be- endigtem Versuche auch stets ohne Schweissperlen befunden wurde. Bei diesen Versuchen muss die ausgeschiedene Wassermenge deshalb aus- schliesslich aus perspirirtem Wasserdampfe bestehen. Wurden die Ver- suche dagegen bei mehr als 33° angestellt, wo also die reichliche Kohlen- säureausscheidung stattfand, so fühlte die Person während des ganzen Versuches ebenso entschieden beständigen Schweiss, und wenn nach Be- endigung des Versuches controlirt wurde, so erschien die Haut dann stets mit einer Schicht von Schweiss bedeckt. Die Wasserausscheidung besteht hier deshalb sowohl aus perspirirtem Wasserdampf als aus Schweiss. Der Schweiss bricht also gerade bei derselben Temperatur aus, bei welcher die Kohlensäureausscheidung plötzlich steigt, und die Wahrschein- liehkeit ist also dafür, dass diese Vermehrung der Kohlensäureausscheidung gerade durch die vermehrte und in ihrer Art veränderte Arbeit bedingt ist, welche die Drüsenzellen während der Schweisaussonderung leisten müssen, Da alle Versuche an einer und derselben Person ausgeführt wurden, können wir die bei dieser Person gefundene Temperaturgrenze des plötz- lichen Steigens der Kohlensäureausscheidung natürlich nicht auf alle In- dividuen als giltig übertragen. Die Wahrscheinlichkeit spricht im Gegen- theile dafür, dass sie sich bei verschiedenen Individuen etwas verschieden erweisen wird, da sie so eng an das Hervorbrechen des Schweisses ge- bunden scheint, und letztere Erscheinung je nach der grösseren oder ge- ringeren Empfindlichkeit der Haut gegen Temperaturen früher oder später eintreten kann. Bei einigen Individuen wird die Kohlensäureausscheidung deshalb gewiss zu steigen anfangen, bevor die Temperatur 33° erreicht hat, bei anderen vielleicht erst bei mehr als 34°. Was sich dagegen aus diesen Versuchen mit Sicherheit als allen nor- malen Individuen gemein ableiten lässt, in Analogie zu dem, was wir über andere ähnliche Functionen des Organismus wissen, ist: 1. der eigen- ! Vgl, Erismann’s Untersuchungen. Zeitschrift für Biologie. Bd. XI. 8.1. 122 SCHIERBECK: thümliche Verlauf der Kohlensäureausscheidung, indem diese nicht, wie inan früher meinte, und wie auch Aubert’s Werthe anzudeuten scheinen, dem Steigen der Temperatur proportional anwächst, sondern sich im Gegen- theil innerhalb einer gewissen Grenze unveränderlich hält und erst nach deren Ueberschreitung steigt, und zwar nicht successiv, sondern plötzlich sehr stark, später verhältnissmässig weniger — ferner 2. dass die plötz- liche Vermehrung damit zusammentrifft, dass die Schweissaussonderung durch diese Temperatur hervorgerufen wird — und schliesslich 3. dass die Kohlensäureausscheidung sowohl mit Bezug auf diesen eigenthümlichen Verlauf, als mit Bezug auf ihre absclute Grösse bei den hier untersuchten Temperaturen für die nackte und für die bekleidete Haut völlig gleich ist. Die absolute Grösse der Kohlensäureausscheidung wird sich wohl auch kaum bei anderen Individuen sehr verschieden erweisen, so dass wir sie wach diesen Versuchen auf wenigstens 8 = in 24 Stunden anschlagen müssen, nämlich gleich der Menge, die während vollständiger Ruhe bei einer Temperatur von 300°—33° ausgeschieden wird, innerhalb welcher Grenzen gerade stets die Temperatur in unserer Kleidung fällt, wenn wir in dieser eine angenehme Wärmeempfindung fühlen, sowie dies normal der Fall ist. Andererseits muss die Kohlensäureausscheidung unter vielen Verhältnissen gewiss viel höher steigen können, wenn wir die vermehrte Kohlensäureausscheidung berücksichtigen, die bei schwitzender Haut und bei höheren Temperaturen stattfindet. Bei 38-5° würde sie, nach den Ver- suchen zu urtheilen, 28== in 24 Stunden betragen. Die Aubert- Lange’schen Werthe sind deshalb sicherlich viel zu niedrig, was schon eine Kritik ihrer Versuchsmethode uns erwarten liess. Wir gehen jetzt zur Betrachtung der gesammten Wasserausscheidung bei den hier untersuchten Temperaturen über. Ein Blick auf die Curven zeigt uns, dass die eigenthümlichen, in der Kohlensäureerzeugung befind- lichen Sprünge im Verlaufe der Wasserausscheidung kein ähnlicher ent- spricht. Letztere Funetion wächst nämlich, wenn alles Andere sich übri- sens gleich bleibt, bei nackter sowohl als bei bekleideter Haut stets so ziemlich der Temperatur proportional. Diese gleichmässige Zunahme ist der nackten und der bekleideten Haut gemein, die absolute Grösse der Wasserausscheidung ist in den beiden Fällen jedoch sehr verschieden, indem sie bei derselben Temperatur für die bekleidete Haut weit reichlicher ist, als für die nackte. So erreicht die Wasserausscheidung der nackten Haut erst bei einer Temperatur von 36° die Grösse, die diejenige der bekleideten Haut schon bei 32° hat. Dieses Verhältniss stimmt durchaus mit dem überein, was Rubner für die gesammte Wasserausscheidung (der Haut sowohl als der Lunge) des thierischen Organismus fand, wenn sie erst bei Thieren in ihrer Be- CO,- unp H,0-AUSSCHEIDUNG DER HAUT U. S. w. 123 haarung und darauf nach deren Entfernung untersucht wurde, und gibt einen neuen Beweis für die Uebereinstimmung der Behaarung der Thiere mit der Kleidung des Menschen. Die reichliche Wasserausscheidung der . bekleideten Haut bei den Temperaturen unter 33° rührt also einzig und allein von einer Vermehrung der Perspiration her. Die Wassermenge, die hier durch die Perspiration allein ausgeschieden wird, ist z. B. bei 32—-33° grösser, als diejenige, die von der nackten Haut bei 34—35° ausgeschieden wird, also, wie erwähnt, sowohl durch Perspiration als durch Schweiss. Hieraus folgt, dass die Schweissaussonderung nicht deshalb anfängt, weil die Wasserausscheidung der Haut aus irgend einem Grunde erhöht werden soll und die Perspi- ration diese vermehrte Production nicht allein besorgen kann, sondern es müssen andere und specielle Verhältnisse sein, die den Anfang der Schweissaussonderung bedingen. Die gegenwärtige Beziehung der Kohlensäure- und der Wasser- ausscheidung zu einander wurde bereits erwähnt, hier sei nur wieder hervorgehoben, dass die absolute Grösse der Wasserausscheidung, solange von der Perspiration die Rede ist, keinen Einfluss auf die Kohlensäure- erzeugung hat; erst wenn Wasser zugleich in flüssiger Form ausgeschieden wird, nimmt die Kohlensäureausscheidung zu. Ueber die absolute Grösse der Wasserausscheidung in 24 Stunden lässt sich nach diesen Versuchen schwerlich etwas Bestimmtes sagen, da die Grösse dieser Ausscheidung im Gegensatze zur Kohlensäureausscheidung innerhalb der Temperaturgrenzen, in denen sich die menschliche Haut normal befindet, so sehr variirt; setzen wir aber 32° als die Temperatur, die gewöhnlich in unseren Kleidern zu finden ist, so muss die Wasser- ausscheidung des ruhigen Körpers auf 2—3 Liter in 24 Stunden angesetzt werden, und diese ganze Ausscheidung wird also ven der Perspiration allein besorgt. Tabelle zu 8. 119. Versuche bei nackter Haut. a Nummer des | Tomporaktr | „heklune In | sshehdung in ausaleidung | ausscheiden: En uches } deseKastens)| Se pr. St. sum pr. 24 St. in sm pr. st. in srm pr 24 st. I 29-8 22-2 532-8 0-37 8.9 I 30-4 27-8 667-2 0-40 9-6 III 31-5 71-9 1725-6 0-37 8-9 IV 31-9 50-3 1207-2 0-35 8-4 V 32-8 73.4 1761-6 0-35 8.4 vI 33-8 32.6 1982-4 0-87 20-9 VI 35-4 106-8 2563-2 1-04 25-0 vu 35-7 107-0 | 2568-0 | 0-90 21-6 IX 38-4 158-8 | 3811-2 ee | 29°5 124 Fortsetzung der Tabelle zu S. 119. Versuche bei bekleideter Haut. SCHIERBECK: U, UND H,ÖÜ-AUSSCHEIDUNG DER HAUT U. 8. W. m Wasseraus- | Wasseraus- | Kohlensäure- | Kohlensäure- en n N scheidung in | scheidung in | ausscheidung | ausscheidung i sm pr. St. | 8m pr. 24 St. | in &= pr. St. |in 3m pr 24 St. x 28-4 51-0 1224-0 0-35 8-4 XT 28-9 50.8 1219-1 0-33 8.0 XI 29-5 74-3 1783-2 0-33 8-0 XI 31-8 110°1 2642-4 0-30 7-2 XIV 32.7 119-1 2858-4 0-37 8-2 "XV 33.4 122-3 2935-2 0-80 19-2 Experimentelle Untersuchungen zur Analyse des Tetanus. Von Dr. Oscar Kohnstamm. (Aus dem physiologischen Institut zu Berlin.) (Hierzu Taf. 1—Vl.) Das Studium der Summationserscheinungen am quergestreiften Muskel verdient in vielfacher Hinsicht von Neuem in Angriff genommen zu werden. Denn unsere Kenntniss dieser höchst wichtigen und sehr complieirten Vor- gänge beschränkt sich im Wesentlichen auf zwei Daten. Wir wissen, dass der physiologische Tetanus oscillatorischer Natur ist, und dass es eine Summirung der Erregungen im Muskel giebt. Letztere Entdeckung ver- danken wir Helmholtz, erstere diesem und E. du Bois-Reymond. Jedoch sind alle anderen tiefen Räthsel des physiologischen Tetanus ungelöst und über den Mechanismus der Summation ist nur sehr wenig bekannt Dieser Mechanismus ist aber von allergrösster Bedeutung. Denn einmal ist von der Aufhellung der merkwürdigen Eigenschaft der Summirbarkeit viel Auf- schluss über das Wesen des Muskelprocesses zu erwarten, und ferner haben wir in der Summationscurve des Muskels den objectiven Indicator der Summationsvorgänge des Nervensystems. Die bisherigen Versuche beschränken sich entweder auf die Summirung zweier Zuckungen, oder sie bewegen sich in den Grenzgegenden, in denen der Muskel bereits durch seine Trägheit gehindert wird, den schnellen Reizoseillationen zu folgen. Unsere Absicht musste daher darauf gerichtet sein, unter strenger Controle der einwirkenden Irritamente Zuckungsreihen zu beobachten, deren Frequenzen um den wahrscheinlichen Werth der Frequenz des physiologischen Tetanus herumlagen, weil man so, unter 126 ÜSCAR KOHNSTAMM: möglichster Annäherung an die natürlichen Verhältnisse, am ehesten er- warten konnte, dass der Muskel etwas von seinen Geheimnissen offenbaren würde. Zugleich haben die kleinen Frequenzen den Vortheil, dass die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Erregung gegen das Intervall nicht in Betracht kommt. Da bei den Summationen die inneren Verschiebungen ihren höchsten Grad erreichen, war bei ihnen von der consequent durchgeführten ver- gleichenden Anwendung der isotonischen und isometrischen Methode am meisten Vortheil zu erwarten. Die Untersuchungsmethode. Die Bedingung für Summationsversuche ist ein Reizapparat, der ge- stattet, Intensität und Frequenz der Reize unabhängig von einander zu varüren. Von Hammerwerken irgend welcher Construction ist nicht zu erwarten, dass sie dieser Anforderung mit Sicherheit genügen. Das erste Instrument, dass die eben aufgestellten Ansprüche zu erfüllen versprach, war der Ludwig’sche Schlagwähler, ein System von Contacträdern, an dem Chr. Bohr! seine bekannten Versuche ausgeführt hat. Doch scheint der Schlagwähler nicht immer das zu leisten, was Bohr von ihm rühmt. Denn ein so ausgezeichneter Experimentator, wie A. Fick? urtheilt über ihn: „Ich muss hier beiläufig sagen, dass ich... den sehr sinnreich constru- irten Apparat einem gewöhnlichen Wagner’schen Hammerwerk keines- wegs sehr überlegen fand, bezüglich der Gleichmässigkeit des erzeugten Tetanus.“ Andererseits sind die von Bohr mitgetheilten Resultate so un- erwarteter Art, dass es sich schon deswegen verlohnen musste, einen neuen Weg zu gehen. Der Apparat, mit dem ich gearbeitet habe, ist nach anderem Prineip von Hrn. Prof. Gad construirt. Als Vorbild dient der Magnetinductor, den v. Kries? vor längerer Zeit beschrieben, aber zu wesentlich anderen Zwecken benutzt hat. Auf der vertical stehenden Achse des Apparates sitzt eine Messingscheibe, in deren Peripherie in gleichen Abständen 40 Löcher von je 2.5 mm Radius ausgebohrt sind. Der Mittelpunkt eines jeden Loches ist von der Achse um 6-85" entfernt. Unter der Scheibe befindet sich der Pol eines kräftigen Elektromagnetes, und ihm gerade gegenüber eine Inductionsrolle mit Bewickelung von sehr feinem Kupferdraht. Der ! Chr. Bohr, Ueber den Einfluss tetanisirender Irritamente auf Form und Grösse der Tetanuscurve. Dies Archiv. 1882. ® Myothermische Fragen und Versuche in den Myothermischen Untersuchungen. ® v. Kries, Ueber die Erregung der motorischen Nerven durch Wechselströme, Freiburger Verhandlungen. Bd. VIII. >. 2, EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN ZUR ANALYSE DES Teranvs. 127 Eisenkern der Rolle besteht aus einem dünnen Bündel lackirten feinsten Blumendrahtes. In die Löcher passen — für jedes einzelne abgeschliffen und mit Ziffern bezeichnet — Zähne aus weichem Eisen, die in beliebiger Zahl eingeschraubt werden können. Damit sie immer in derselben Stellung sitzen, haben sie eine Bohrung, in welche die Schraube eingezogen wird. Die Scheibe ist durch eine gut gearbeitete Pese mit dem Wassermotor in Verbindung, der durch ein Reservoir von constantem Niveau gespeist wird. Der Pesenspanner ermöglicht, die Scheibe zu bremsen und stillzustellen. Sobald ein Eisenzahn zwischen den beiden Rollen hindurchtritt, macht der Maenetismus des secundären Drahtbündels eine Schwankung durch und indueirt dementsprechend eine Stromesschwankung in der Inductionsspirale. Der Hauptfortschritt unseres Apparates gegen den von Kries’schen be- steht darin, dass die Frequenz varlirt wird durch Einziehen einer grösseren oder geringeren Zahl von Zähnen. ohne dass, wie bei Veränderung der Scheibengeschwindiekeit, die Amplituden der Stromesschwankung beeinflusst werden. Die Amplituden werden unabhängig von der Frequenz varürt durch Hinauf- und Hinunterziehen des Drahtbündels in der secundären Rolle vermittelst einer feinen Mikrometerschraube. Da ein Zahn nach dem Passiren des magnetischen Feldes keine Spur remanenten Magnetismus aufwies, war zu erwarten, dass seine Trägheit nicht hindernd in Betracht kommen würde, zumal bei der relativ geringen von uns angewandten Umdrehungsgeschwindigkeit. Es handelte sich jetzt darum, die Form der Stromesschwankung ken- nen zu lernen. v. Kries setzt voraus, dass, wenn die magnetischen Ver- theilungen in sämmtlichen Eisentheilen sich momentan herstellten, die Öseillationen in Sinuscurven verliefen. Da aber bei seinen schnellen Um- drehungsgeschwindigkeiten diese Bedingung nicht zutraf, so musste er durch complieirte Constantenbestimmungen Correctionen anbringen, mit deren Er- gebniss er die Versuchsresultate in befriedigender Uebereinstimmung fand. Nun dürften die von Kries’schen Stromesschwankungen in Folge der Interferenz der einzelnen Stromcurven thatsächlich annähernde Sinus- curven gewesen sein. Da für unsere langsame Umdrehungsgeschwindigkeit keine Interferenz zu erwarten war, musste die Stromeurve direct bestimmt werden. Für eine mathematische Behandlung bestehen folgende Anhalts- punkte. Die Form des Eisenzahnes ist bekannt. Die inducirte elektro- motorische Kraft # hängt von der Veränderung des magnetischen Momen- tes M des Drahtbündels mit der Zeit 7 in bekannter Weise ab: E= Const. Der Differentialquotient ist nun offenbar proportional . der Zahl der Kraftlinien, die der vorbeibewegte Eisenzahn in jedem Zeit-. differential in sich neu aufnimmt, oder geometrisch ausgedrückt, pro- 128 Oscar KOoHNSTAMmM: portional den Zuwächsen der sich deckenden Flächen des Eisenzahnes und des magnetischen Feldes. Schon der Behandlung dieses Problems unter vereinfachenden Annahmen über die Form des magnetischen Feldes würden sich grosse Schwierigkeiten entgegensetzen, und schliesslich würde das Resultat doch noch mit einer experimentellen Bestimmung zu ver- gleichen sein. Hingegen scheint es eine anziehende physikalische Aufgabe, aus dem empirisch gefundenen Verlauf der Stromeurven Schlüsse über die (estalt des magnetischen Feldes abzuleiten. Zur Ausführung der experimentellen Bestimmung hat Hr. Prof. Gad auf der Achse des Magnetinductors ein verstellbares Rheotom (Taf. V) an- bringen lassen, welches ermöglicht, aus der Stromeurve kleinen Zeittheilen ent- sprechende Stücke herauszuschneiden. Das Organ ist direct über der Scheibe angebracht, ohne dass eine Reibung stattfinden kann. Es ruht auf einem Untersatz, dessen Stirnseite mit einer Kreisgradeintheilung versehen ist. Auf diesem Untersatz ist das Organ durch eine Mikrometerschraube ver- schiebbar derart, dass es an die Stromcurve, wenn wir diese als Function des Raumes praeexistirend denken, mit beliebiger Feinheit angenähert werden kann. Auf dem Aufsatz stehen zwei Klemmschrauben a und b, die mit den Polen der Inductionsrolle verbunden sind. In den grossen Auschnitt des Untersatzes ragt als Untertheil des Aufsatzes ein Hartgummi- block hinein, der ein Paar concentrische Platinschienchen der Scheibe zu- wendet. Die eine Schiene ist mit der Klemmschraube a verbunden, die andere führt zur Klemmschraube 5, gegen die der Messinewinkel d durch eine Feder angedrückt ist. Der Messingwinkel vermittelt die leitende Ver- bindung von 5 und a. Wenn die Scheibe unter dem Rheotom durch- bewest wird, so stellt eine in einem Ausschnitt der Scheibe auf Hart- summi befestigte radiär gestellte Platinbrücke e die Verbindung zwischen den Platinschienen her. Einen Augenblick später wirft die in der Scheibe eingeschraubte Metallnase / den Winkel zurück, wodurch die Verbindung a b unterbrochen ist. Die Schliessungszeit kann geändert werden durch Aenderung: der relativen Stellung von e und f. Die Feder ist so gearbeitet, dass ein ganz minimaler Druck auf den Winkel schon den Contact auf- hebt. Eine dritte Schraube ce ist direct durch den Winkel mit 2 ver- bunden, wodurch es möglich ist, das Organ für andere Zwecke als sehr exacten Unterbrecher zu benutzen. Bevor ich zu Bussolenablesungen übergehen konnte, hatte ich mich der constanten Umdrehungsgeschwindigkeit zu vergewissern. Die für die fol- senden Praecisionsversuche genügende Constanz war um so schwieriger zu erreichen, als zu jeder Ablesung nur ein Umlauf benutzt werden konnte. Denn sobald die Feder den Winkel zurückgeschnellt hatte, war der Kreis dauernd unterbrochen. Um genaue Controle zu ermöglichen, trägt die EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN ZUR ANALYSE DES TETAnus. 129 Achse unter der Scheibe einen zehnfach ausgefraisten Messingreif, gegen den ein Marey’scher Tambour angedrückt werden kann. Die Bewegung desselben wird in der gewöhnlichen Weise auf das Kymographion über- tragen. Ein Pfeil’scher Chronograph verzeichnete !/,,..“ Als ich so weit gekommen war, dass die graphische Controle Constanz der Geschwindigkeit angab, ging ich dazu über, dieselbe mit der feineren Pouillet’schen Me- thode zu prüfen. Ich stellte mir durch Verbindung eines Daniell mit dem Rheochord eine angemessene Potentialdifferenz her und verband die Pole des Rheochords mit der Bussole und den Klemmschrauben a und d). Dann wurde das Rheotom so eingestellt, dass der Stromschluss ans Ende der ersten Umdrehung fiel. Die an der eben aperiodischen Wiedemann’schen OETRENESTNETES I E NZ N ENRIETONETENSENTETIN 10 Fig. 1. Stromeurve. Umdrehungsdauer der Scheibe = 0-4075”. Bussole abgelesenen Ausschläge zeigten sich constant. Da die Bussolenrollen die Bedingungen für die Pouillet’sche Proportionalität! nicht erfüllten, stellte ich die bei verschiedenen Umdrehungsgeschwindigkeiten gewonnenen Ausschläge graphisch als Function der Geschwindigkeiten dar, um später die bei variirenden Geschwindigkeiten gefundenen Werthe auf eine Umlaufs- geschwindigkeit reduciren zu können. Nachher ging ich an die eigentliche Praeeisionsarbeit heran. Ein Ver- such verlief etwa so: Am Chronoskop wurde die Zeit von 20 Umläufen bestimmt. Der Elektromagnet war mit zwei hintereinander geschalteten Daniell armirt. Die Inductionsrolle war mit erösster Drahtlänge in den ‘ Helmholtz, Poggendorff’s Annalen. Bd. 83. Ueber die Dauer und den Verlauf der durch Stromschwankungen indueirten elektrischen Ströme. Archiv f. A. u. Ph. 1893. Physiol. Abthig. 9 130 OscAR KOHNSTAMM: Kreis geschaltet; die Leitung ging von da zum Rheotom, von da zur auf grösste Empfindlichkeit gestellten Bussole und zur Inductionsrolle zurück. Der Motor war in Bewegung, und der ganze Apparat so aufgestellt, dass ich von meinem Platze beim Fernrohr den Pesenspanner dirigiren konnte. Umdrehungsdauer 0-41”. Nase und Brücke waren so abgepasst; dass sie 1° von einander entfernt waren, was einer Schliessungsdauer von 0-001” entsprach. Das Rheotom war so eingestellt, dass die Schliessung am Ende des ersten Umlaufs erfolgen musste. Dem Mikrometerstand 0° entsprach gerade der mimimale Ausschlag. Jetzt wurde der Pesenspanner gelöst, der Ausschlag abgelesen, notirt, die Scheibe still gestellt; der Winkel wieder in seine Lage gebracht, ebenso das Rheotom, die Schliessungszeit der Strom- curve um 1° genähert, beobachtet, notirt. Das Resultat dieses Versuches ist Stromeurve I (Fig. 1). Der Fehler, der von dem durch die Selbstinduction bedingten langsamen Ansteigen der Intensität des Stromstosses herrühren konnte, kommt bei der Trägheit des aperiodischen Systems (Schwingungsdauer 9-66”) nicht in Betracht und belastet jedenfalls alle Ablesungen in gleicher Weise. Eine erheblichere Fehlerquelle könnte darin gesucht werden, dass bis zum Stromschluss die freien Enden der Leitung sich mit einer dem Strom- integral entsprechenden Elektricitätsmenge laden mussten und dass sich dann Entladungserscheinungen störend einmischen konnten. Ich habe den Einfluss dieses möglichen Fehlers durch COontrolversuche geprüft, in denen die Leitung permanent geschlossen war. Ein grosser Widerstand war in sie eingeschaltet in Form eines Froschsartorius, der zur Vermeidung phy- siologischer Ströme wärmestarr gemacht und mit unpolarisirbaren Elektroden armirt war. Der Bussolkreis mit dem Rheotom war als Nebenleitung an- geschlossen. Solche Versuche ergaben durchaus dieselben Resultate wie die anderen. Wir zweifeln also nicht, dass die Stromcurven in genügender Annäherung den zeitlichen Verlauf der Intensität und ihr Flächeninhalt das Stromintegral darstellt. Die Curve unterscheidet sich erheblich von einer Sinuscurve. Der Anstieg ist erst langsam und beschleunigt und stets weniger steil als der Abfall. Das Maximum liegt näher dem Indifferenz- als dem O- Punkt. Aenderung der Bedingungen hat den erwarteten Ein- flus. Wenn man das secundäre Drahtbündel mittelst der Mikrometer- schraube in die Höhe zieht, wird die Amplitude kleiner, die Curve flacher Die Curve der Amplituden als Functionen der Schraubenstellungen sieht der Curve der absoluten Graduirung eines Schlitteninductoriums sehr ähn- lich. Bei langsamer Umdrehungsgeschwindigkeit der Scheibe war die — nach Maassgabe der vorhin erwähnten empirischen Uurve reducirte — Strom- curve länger gestreckt und von kleinerer Amplitude, als bei Normalge- . schwindigkeit. EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN ZUR ANALYSE DES TETANuS. 131 Der Verlauf der Curve ist nicht das Optimum einer zu Reizzwecken dienenden Stromesschwankung. Wir hatten gehoflt, Curven zu erhalten, die sich noch viel flacher einschlichen und in der Mitte steiler abfielen. Trotz dieses durch künftige Neuconstruction zu verbessernden Mangels erfüllt der Apaprat innerhalb der Grenzen, in denen wir es verlangten, sehr vollkommen die einst von du Bois-Reymond! formulirte Bedingung eines elektro-physiologischen Reizapparates: Reizstärke und Frequenz unabhängig von einander varijiren zu lassen. Waren drei Zähne nebeneinander einge- zogen, so entstanden durch Interferenz annähernde Sinuscurven. Ich habe daher mit diesen Bedingungen — 40 Reizen auf eine Umdrehung — nie- mals gearbeitet. \Wenn zwischen zwei Zähnen ein Loch freigelassen war, so verlief die zweite Stromcurve genau wie die erste. Eine Trägheit in der magnetischen Vertheilung kommt also nicht in Betracht. Ich benutzte bei meinen Versuchen fast ausschliesslich den gut cura- risirten Wadenmuskel theils ungarischer, theils einheimischer Frösche (R. escul.). Der Muskel hing an seinem Oberschenkelknochen in der Muskel- klemme des Myographions,? ein durch die Achillessehne gestossenes Metall- häkchen hielt den isotonischen Schreibhebel. Die eine Elektrode war um die Kniekehle gezogen, die andere, um die Bewegung nicht zu hindern, aus feinem Kupferdraht, war an den Haken gelötet. Der Hebelarm des Muskel- zuges war 45m Jang, der Radius des Röllchens, um das der Faden mit der Gewichtsschale geschlungen war, betrug 35mm, Das angewandte Gewicht von 1008’= belastete demnach den Muskel mit etwa 6°”. Der 150" lange Schreibhebel aus ungespaltenem leichten Rohr vergrösserte die Be- wegungen des Muskels um das 3-7fache. An dem Querbolzen des iso- tonischen Hebels, unter dem Angriffspunkt des Muskels, ist der Haken für die aus starrem Metall gefertigte Verbindungsstange mit dem Spannungs- messer angebracht. Die Stange greift 2" vom Drehpunkt des isometrischen Schreibhebels an, während der Hebelarm der Feder andererseits 15" beträgt. Die Länge des isometrischen Schreibhebels, ebenfalls aus ungespaltenem Rohr, vom Drehpunkt gemessen betrug 156"m. — Zur Feder suchte ich eine solche Form, die eine möglichst annähernd lineare Dehnungscurve ergäbe. Ich fand das Gesuchte in vortrefflichen Stahlfedern von folgendem Bau (Taf. VI): zwei horizontale flache Arme von etwa 5"® Breite, die grade über dem Angriffspunkte durch ein mittelst Charniergelenks mit ' E.du Bois-Reymond, Gesammelte Abhandlungen. Bd. Il. S. 405; — Rapport de la Souscommission d’Electru-physiologie. Dies Archiv. 1884. 8. 66. ” Es ist dies das von Gad construirte Myographivn, welches ausführlich be- schrieben ist bei Gad und Heymans, Einfluss der Temperatur auf die Leistungs- fähigkeit der Muskelsubstanz. Dies Archiv. 1890. Suppl. Nur die isumetrische Feder haben wir varürt. 9* 132 OscAR KOHNSTAMM: dem Schreibhebel verbundenes Querblättehen vereinigt sind, weichen, indem sie sich in der Verticalebene drehen, auseinander, so dass sie mit ihren Backen an die beiden Schenkel des Stativs festgeschraubt werden können. Für diese Federn waren in dem Intervall von O—800®8”% die Dehnungen den Belastungen nahezu proportional. Zur speciellen Versuchsanordnung sei noch Folgendes bemerkt (Taf. IV, Fig. 8): Die Scheibe (Sch) des Magnetinductors lief bei den myographischen Versuchen beständig um. Die Verbindung der Inductionsrolle mit dem Praeparat wurde durch Umlegen einer Wippe (W‘) ohne Kreuz hergestellt. Zu dem einen Klemmschraubenpaar führen die Drähte von der Inductions- rolle des Magnetinductors, das axiale Paar führt zum Muskel. Das andere Paar stand in Verbindung mit der secundären Rolle eines gewöhnlichen Schlitteninductoriums, dessen Oeffnungsschläge zur Erzeugung maximaler Zuckungen benutzt wurde. Denn obgleich ich meist mit sieben Daniell am Magnetinduetor arbeitete, gab mir dieser doch bei directer Reizung keine maximalen Zuckungen. Dies kam nicht daher, dass etwa das Draht- bündel schon mit Magnetismus derartig gesättigt war, dass die Schwan- kungen durch die Nähe der Magnetisirungsgrenze gedämpft waren; denn durch Vermehrung der Elemente war immer noch eine geringe Steigerung des Reizeffectes zu erzielen. — Die primäre Rolle des Schlitteninductoriums war als Nebenleitung II zur Kette des Elektromagnetes I eingeschaltet. Die Schwankungen um den Gleichgewichtszustand des Magnetismus, wenn der ganze Strom wieder durch I ging, wurden nach entsprechender Con- trole vernachlässigt. Wenn das Schlitteninductorium gebraucht werden sollte, wurde die Scheibe (Sch) still gestellt, II geschlossen (Schlüssel 8,), die Wippe (W) umgelegt. Zur Verzeichnung einer Curvenschar von Einzel- zuckungen verschiedener Intensität wurde in den primären Kreis ein feiner labiler Contact eingeschaltet, der durch einen in der Kymographiontrommel eingelassenen Stift geöffnet wurde. Derselbe Contact wurde zur Oeffnung einer Nebenleitung benutzt, wenn Tetanuscurvenschaaren vom Maenet- inductor aus aufgenommen werden sollten. — Das Kymographiösn erreichte schon nach einer halben Umdrehung cunstante Geschwindigkeit. Um von der Reizreihe jederzeit einen Reiz gesondert wirken lassen zu können, habe ich noch folgende Vorrichtung angebracht (Taf. V). In der Peripherie der Scheibe war ein Stab eingelassen, der bei der Um- drehung über zwei passend construirte Wippen hinglitt, so dass er in der ersten (/,) einen Contact öffnete, in der zweiten (/,) einen Contact schloss. Jede Wippe war in eine besondere Nebenleitung zum secundären Kreis einge- schaltet. Sie sind auf einem Brett in solcher Entfernung befestigt, dass zwischen ihre Oeffnung und Schliessung genau der Verlauf einer Strom- curve fällt. Vermittelst eines langen zweiarmigen Hebels konnte ich von EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN ZUR ANALYSE DES TETANUSs. 133 meinem Platze am Myographion aus das Brett durch Heben in den Bereich des gleitenden Stabes bringen. Dieselbe Vorrichtung, nur mit dem Unterschiede, dass durch einen Quecksilberschlüssel der Kreis der zweiten Wippe, die sonst den Strom vom Muskelkreis abblendete, von vornherein geöffnet war, benutzte ich, um mich zu vergewissern, dass nicht bei Schliessung des Muskelkreises vom ersten Reiz nur ein Theil der Stromcurve herausgeschnitten würde. In der Wahl der Frequenzen waren wir auf Zahlen beschränkt, die ganze Theile von 40 sind, d. h. 1, 2, 4, 5, 8, 10, 20. 40 war aus dem mitgetheilten Grunde ausgeschlossen. Vorzugsweise wurde mit 5, 10, 20 Zähnen gearbeitet. Da die Umdrehunesgeschwindigkeit — von Tag zu Tag mit dem Feuchtigkeitserad der Pese varlirend — durchschnitllich 0.425” betrug, so waren die entsprechenden Frequenzen 11-7, 25.9, 47-5 pro Secunde. Wir werden die Frequenzen abgerundet mit 10, 20, 40 be- zeichnen. Wenn man nur einen Zahn einzieht, hat man eine sehr geeig- nete Versuchsanordnung zur Verzeichnung von Ermüdungsreihen. Wir singen erst dann zu Versuchen über, als Reihen von minimalen Zuckun- gen —- abgesehen von der Treppe — ganz gleichmässig ausfielen. Die Mikrometerschraube des Inductionsdrahtbündels ermöglichte eine äusserst feine Abstufung der Intensität. Beschreibung der Versuchsergebnisse. Ehe wir an die Beschreibung unserer Versuche herangehen, haben wir uns noch wegen der wesentlichen Fehlerquelle der Methode, der Gefahr der Doppelreizung, die unsere Stromcurvenform in sich birgt, auszuweisen. Eine Einzelzuckung vom Magnetinductor unterscheidet sich von einer ebensohohen Zuckung durch den einzelnen Oeffnungsinductionschlag in keiner Weise. Eine Verlängerung der Zuckungsdauer, der Gipfelzeit, ist nicht zu bemerken. Hingegen tritt bei der zweiten und den folgenden Zuckungen einer Sum- mationsreihe im ansteigenden Schenkel eine Nase auf, die wir wohl auf eine Doppelreizung beziehen müssen. Sie zeigt, dass durch die Super- position die Empfindlichkeit für schwache Reize gesteigert ist. Trotzdem verhalten sich solche genau wie superponirte Oeffnungszuckungen. Sie zeigen in auffallendster Weise das von v. Kries! entdeckte Phaenomen der verkürzten Gipfelzeit. In der Breite, in der wir die Erregungsgrösse beim curarisirten Muskel varlirt haben, tritt nichts auf, was uns nöthigte, diese Zuckungen anders aufzufassen, als durch eine besondere Gestalt der Strom- curve modificirte Einzelzuekungen. Bei Zuckungen durch den Oeffnungs- inductionsschlag findet mit wachsender Reizstärke eine Verschiebung des ! J. v. Kries, Ueber summirte Zuckungen und unvollkommenen Tetanus. Zrei- burger Berichte. Bd. II. 1886. H. 2. 134 Oscar KOHNSTAMM: Gipfels nach dem Reizpunkt hin statt,' dasselbe Verhalten zeigen unsere Einzelzuckungen. Wenn wir aber solche maximale Zuckungen, die wir nur vom Nerven aus erhalten konnten, mit schwachen vergleichen, so finden wir, dass erstere ihren Gipfel später erreichen. Dieses dem normalen ent- gegengesetzte Verhalten gilt uns als Kriterium dafür, dass wir eine Doppel- zuckung vor uns haben. Wir wollen nun den Thatkestand des vollkommenen Tetanus, wie er aus unseren Versuchen hervorgeht, schildern. Die Untersuchung der Ab- hängigkeit der Tetanuscurve nach Form und Grösse von der Reizstärke haben wir bei einer Frequenz von 40 Reizen pro Sec. durchgeführt. Mit wachsender Reizstärke nimmt Höhe und Steilheit des Anstiegs continuirlich zu. Bei constanter Reizstärke steigt mit wachsender Frequenz Steilheit des Anstiegs und Höhe. Die Höhe messen wir unmittelbar nach Wende des Tetanus — wenn wir den Uebergang in die Gleichgewichtslage als Wende bezeichnen dürfen. In zweifelhaften Fällen nahmen wir das arithmetische Mittel zweier Ordinaten zum Maass. Als Maass der Steilheit diente uns der Quotient der Coordinaten des Punktes, dessen Höhe auch gemessen war. Es muss ohne Weiteres zugegeben werden, dass eine strenge Auswerthung des absoluten Werthes dieser Grössen sich an die Bestim- mung von Grenzwerthen halten muss, wie sie von Ohr. Bohr? eingeführt wurde. Uns kam es aber nur darauf an, zu erfahren, in welchem Sinn sich Höhe und Steilheit mit Aenderung der Variabeln ändern, und dies geht mit genügender Eindeutigkeit aus unseren Bestimmungen hervor, von denen wir einige folgen lassen: ? | Höhe Anstiegszeit | in | Schraubenstand 10 OR A lo 0 10 0 .| Versuch 62 40 | 19-0 |. 21-2 7-4 7:0 | 2.632000, | 20| 17-2 | 19-0 rlayıa | eier | 2-4 2.6 | Frequenz * 10 | 11-8 14:0 5-8 622 20 22 |: 170.180 6-5 6-0 2-6 3-0 | 40. 119.2, 91.1, (0 64 16:20) 3:0 ES Schraubenstand 5 0 5 0 5 0 Versuch 35 20:20:07 245 |, 11-29,1.10:0,)|, 221 ms2un > Hi 40 | 24-5 | 30-0 | 12-0 Sa, wor 3.0 | requenz | } 40 | 25-0 29:0 | 11-4 9-3 2-6 3.2 | 20| 22-0 27-5 | 105 9:0 2-4 Da N ı Verf., Die Muskelprocesse u. s. W. IHR AN V: ® Maass der Frequenz ist die Zahl der Reize pro Secunde, Maass der Reizstärke der Schraubenstand der Mikroineterschraube, O0 ist die grösste Reizstärke. Zur ANALYSE DES TETANDS. 135 Fortsetzung. ] I . . nn E | ß S Steilheits- | Höhe Anstiegszeit austient Schraubenstand 10 | 5 100 5 102010255 Versuch 34 20, 20.0 | 21-6 77 5-0 De 22% n 40 | 20-5 | 22.6 | 8-2 9-4 1-7 2-1 DZ 20 20-81, 22.0. | 952 9-5 1-9 2:4 |. 20, | .18-0.1,.19:8,.| 1941.20 9-4 | 1.0.1021 y | | Holzschnitt 2 ist ein Beispiel der Erhöhung des Tetanus mit wachsen- der Frequenz. Als Beispiel des Einflusses der wachsenden Reizstärke bei constanter Frequenz geben wir Tetanusschaaren (Tat. I, Figg. 1, 2, 3, 4), aus denen das behauptete Verhältniss mit voller Evidenz hervorgeht. Wenn dieses Anwachsen der Steilheit von dem Hinzukommen eines zweiten Reizes — bei Vorübergang jedes einzelnen Zahns — herrührte, so wäre nicht zu verstehen, warum die Vermehrung der Steilheit allmählich, pro- portional der Reizstärke, eintritt. Sicher wird ein solcher Einwand wider- legt durch das analoge Verhalten der Tetani geringer Frequenz (10 R.), deren Reizzahl unmittelbar abgelesen werden kann. 7 5 Fig. 2. Schraubenstand 10. 5 nach a gezeichnet. a 20 Reize, b 40 Reize. Diese mit einer Versuchsmethode, für deren Exactheit wir einstehen können, gewonnenen Resultate widersprechen den Angaben Chr. Bohr’s,! dass die Höhe nur abhänge von der Reizstärke und unabhängig sei von der Frequenz, dass die Steilheit nur abhänge von der Frequenz und unabhängig sei von der Reizstärke. Nach unseren Erfahrungen bestehen ausser den von Bohr aufgestellten Beziehungen ausnahmslos noch zwei andere: Die Höhe wächst mit der Reizstärke und der Frequenz. Die Steilheit wächst mit der Reizstärke und der Frequenz (innerhalb der Frequenzzahlen 10 und 40), ja wie ein Blick auf unsere Curvenschaaren lehrt, wächst sie mit der steigenden Reizstärke mehr als mit der steigenden Frequenz. Das- Era 60 (0% 136 Oscar KOHNSTAMM: selbe geht auch aus dem Vergleich der Vertical- und Horizontalseiten unserer Tabelle hervor. Bei dieser hochgradigen Unsicherheit der Bohr’schen Angaben wird man uns verzeihen, wenn wir den auf Grund seiner Versuchsdaten auf- gestellten Satz, dass „die tetanische Curve eine zu den Asymptoten als Axe hingeführte gleichzeitige Hyperbel“ sei, nicht zur Basis von Grenzwerths- bestimmungen gemacht haben. Der Bohr’sche Satz, dass die Steilheit unabhängig von der Reizstärke sei, wird besonders unwahrscheinlich, wenn man bedenkt, dass doch ein maximaler Tetanus nicht wohl mit geringerer Steilheit ansteigen kaun, als die entsprechende Einzelzuckung, und dass es andererseits mehr als paradox wäre, wenn ein minimaler Tetanus mit maximaler Steilheit anstiege. Die Steilheit starker und schwacher Tetani würde sich immerhin nicht mehr unterscheiden, als die Steilheit der entsprechenden Einzelzuckungen, wenn gleiche Reizfrequenz vorausgesetzt, bei jeder Reizstärke die gleiche Zahl von Zuckungen zur Steigerung des Ordinatenwerthes beitrügen, d. h. sich super- ponirten, oder — um diesen wichtigen Begriff einzuführen — die Super- ponirbarkeit von der Reizstärke unabhängig wäre. Dieser Beeriff scheint uns viel weiter führen zu können, als der der Steilheii. Denn in letztere geht noch eine andere Variable ein, die Summirbarkeit, die ich als proportional dem (uotienten aus Tetanus- und Einzelzuckungshöhe definire, und die ausser von der Superponirbarkeit von dem Decrement der superponirten Zuckungen abhängt. Ein anschauliches Bild von dem Einfluss grosser Superponirbarkeit erhält man durch den - Anblick isotonischer Summationscurven geringer Frequenz und geringer Reizstärke (Fig. 3). Aus den Ourven grosser Frequenz ist die Superponirbarkeit! leichter zahlenmässig zu entnehmen. So viel Reize in die Zahl des Anstiegs fallen, so lange haben sich Zuckungen superponirt. In Taf. I, 2 beträgt der Anstieg bei Schraubenstand 25.6"m = 25.6. 0.006” = 0.1536”. Dieser Zeit entsprechen etwa 7 Reize. Für die Reiz- stärke (Schraubenstand) 7 beträgt die Anstiegzeit 0.501”, was etwa 23 Reizen entspricht. Diesen absolut regelmässigen Befund drücken wir allgemein so aus: Bei isotonischem Tetanus superponiren sich viel mehr Zuckungen bei geringer, als bei grosser Reizstärke. Wie die umstehenden Tabellen zeigen, Fig. 3. a ! Der Anstieg durch Superposition ist von dem durch Contraction streng (und meist leicht) zu unterscheiden. EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN ZUR ANALYSE DES TETAnUSs. 137 gilt diese Abhängiekeit von einer gewissen Erregungsgrösse ab nicht mehr. In diesem Bereich hat auf die Anstiegszeit weder Anderung der Frequenz, noch der Reizstärke einen deutlichen Einfluss. Da die Superponirbarkeit ausgleichend wirkt, ist es keineswegs selbstverständlich, dass der stärker summirbare schwächere Tetanus im Allgemeinen nicht die Höhe des stärkeren erreicht. . Es ist aber, als ob es für eine gewisse Reizstärke ein Maximum der erreichbaren Verkürzung gäbe. Die Art der Abhängigkeit der Superponirbarkeit von der Reizstärke ist unmittelbar aus Summationscurven geringerer Frequehz (10 R. pro sec.) zu ersehen. Wir geben als Beispiel die Curvenreihen Taf. I, 5 u. 6. In letzterer entsprechen der Reizstärke 0 vier, 3 fünf, 4 zehn superponirte Zuckungen. Bei minimalen Reizen geht die Superposition ohne Ende weiter, d. h. bis die inneren elastischen Widerstände oder die Ermüdung den Lauf asymptotisch machen (Taf. I, Ta u. 5b). In diesem Fall des linearen An- stiegs zeigt sich lange Zeit gar keine Tendenz zur Wende, d. h. zur Ab- nahme der Einzelzuckungshöhen. So kann es wie in Taf. I, 6 kommen, dass die schwächere Summationscurve die Höhe der stärkeren erreicht. Der Beschreibung der typischen Summationscurve wollen wir eine solche aus Versuch 32, Taf. II, 1a u. 5 oder 2 zu Grunde legen, die von einem besonders frischen, kräftigen Frosch stammen. Der Abfall der zweiten Zuckung erfolgt mit sehr beschleunigter Geschwindigkeit, so dass die dritte sich von tieferem Niveau erhebt als die zweite. Der Abstand der durch die zweite Berg- und Thalspitze gezogenen Ördinaten ist grösser als der zwi- schen der ersten Berg- und Thalspitze Darin spricht sich die zuerst von v. Kries beschriebene Verkürzung der Gipfelzeit aus, die auch noch für die folgenden Zuckungen besteht. Weiterhin nehmen Steilheit des an- und absteigenden Schenkels immer mehr ab, so dass sich in der zwölften Zuckung ein oscillatorischer Zustand hergestellt hat. Dieser tritt bei weniger frischen Muskeln schon früher ein. Aber die Erscheinung der verkürzten Gipfelzeit zeigt sich ausnahmslos mit grösster Deutlichkeit. Die Verkürzung der Gipfelzeit ist bei schwachen Reizen viel weniger ausgeprägt als bei starken, bei minimalen besteht sie überhaupt nicht in merklicher Weise (Fig. 3, 8. 138). Damit hängt offenbar die relativ grosse Höhe, die minimale Summationscurven erreichen, zusammen. Wenn die Reizintensität verstärkt wird, so prägen sich die Thalspitzen stärker aus, die Gipfelzeit wird mehr verkürzt, der Tetanus wird unvoll- kommener. Dieses ist durchaus zu erwarten. Denn in demselben Moment nach Beginn der Zuckung wird sich die schwächere Zuckung noch auf reiativ höherem Niveau befinden, als die stärkere, und der Gipfel ist bei letzterer früher erreicht, als bei ersterer. Trotzdem vom Standpunkt dieser 138 Oscar KOHNSTAMM: Erkenntniss! ein solches Verhalten durchaus selbstverständlich ist, klingt es doch paradox: Der Tetanus wird bei gleicher Frequenz um so unvoll- kommener, je stärker der Reiz ist. Thatsächlich ist das eben geschilderte Phaenomen unseres Wissens erst vor Kurzem zum erstenmal beschrieben worden, und zwar von Goldscheider.” Was dieser Forscher bei indirecter Reizung beobachtet hat, kann ich für den curarisirten Muskel vollkommen bestätigen. Bis zu Goldscheider’s Arbeit war — soviel ich sehe — die Ansicht Grützner’s? allein maassgebend, dass mit steigender Reizstärke die Zacken sich ebnen, der Tetanus vollkommener wird. Bezüglich der maximalen Reize schliesst sich Goldscheider dem Standpunkt Grütz- ner’s an: „Es besteht somit die interessante Beziehung, dass die Contraction bei sehr schwachen, dem Schwellenwerth nahestehenden Reizen continuirlich, tonisch, mit Verstärkung der Reize discontinuirlich, klonisch, wird, um bei weiterer Verstärkung sich wieder der tonischen Form zu nähern.“* Sehr schwer ist zu verstehen, wie ein solches Verhalten zu Stande kommen soll. 5 REN SENDEN BB | Jo o a b Fig. 4. Für a und 5) 1 == = 0.022”, für ce 1”® = 0-06”. — Nervmuskelpraeparat. Mit Verstärkung des Reizes wird die Erschlaffung der Einzelzuckung immer mehr beschleunigt. Wenn aber ein Tetanus vollkommener werden sell, so muss sich die superponirte Zuekung höher aufsetzen, d. h. das Intervall muss kleiner, die Frequenz grösser werden oder — der Abfall der Einzel- zuckung muss langsamer erfolgen, was nur durch Ermüdung oder durch Abschwächung des Reizes bewirkt werden kann. Da mir der Magnetinductor in der ganzen Breite seiner Reizstärken am curarisirten Muskel nur das Goldscheider’sche Phaenomen zeigte, prüfte ich den Einfluss maximaler Reize auf das Nervmuskelpraeparat bei indirecter Reizung. Fig. 4a, 5 zeigt, dass unter diesen Bedingungen bei Schraubenstand 0 der Tetanus vollkommener wird als bei 50. Bei Ö setzt ! Verf., Die Muskelprocesse u. S. w. ® Goldseheider, Ueber eine Beziehung zwischen Muskele»ntraction und Lei- tungsfähigkeit des Nerven. Zeitschrift für klinische Mediein. Bd. XIX. Heft 1 u. 2. %° Grützner, Ueber die Reizwirkung der Stöhrer’schen Maschine auf Nerv und Muskel. Pflüger’s Archiv. Bd. 41. 1887. ANA TES 10: FXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN ZUR ANALYSE DES TETANuSs. 139 sich die zweite Zuckung auf den Gipfel auf, bei 50 haben wir eine Thal- spitze. Das Bild stimmt ganz überein mit dem, was wir bei Grützner sehen.! Eigens angestellte Versuche lehrten nun, dass Verstärkung des Reizes (Oeffinungsinductionsschlag) auf den zeitlichen Typus der Contraction des Nervmuskelpraeparates genau denselben Einfluss hat, wie auf die des curarisirten Muskels. Eine maximale Zuckung des Nervmuskelpraeparates vom Magnetinductor aus erreicht aber ihren Gipfel später als eine schwache (Fig. 4c), ist somit eine summirte oder Doppelzuckung. In unserem Beispiel also, in dem das von Grützner beschriebene Verhalten eingetreten ist, beruht es auf Verdoppelung der Frequenz. Auch am curarisirten Muskel konnte ich das Grützner’sche Phaenomen erzeugen, wenn ich zur Reizung ein Schlitteninductorium mit Halske’schem Unterbrecher benutzte. Ein sehr instructives Beispiel eines solchen Versuches ist Fig. 5. Man sieht zwei Summationscurven von 4°” und O0 ®@ R.-A. Bei O ist der Tetanus vollkommener, aber man sieht genau in den Mechanismus: Die bei starkem Reiz hinzugetretene Schliessungszuckung ist sehr deutlich ausgeprägt. N \ 4 y u Fig. 5. Curarisirter Muskel. Sehlitteninduetorium mit Halske’schem Unterbrecher, Wo ich also das Grützner’sche Phaenomen gesehen habe, konnte als Ursache Doppelreizung mit Sicherheit nachgewiesen werden. Grützner hatte sich gegen allzu grosse Differenz in der Intensität des Oeffnungs- und Schliessungsschlages durch die Helmholtz’sche Anordnung zu schützen gesucht. Aber man darf trotzdem schon a priori schliessen: Wenn mit Steigerung der Reizstärke allgemein der Abfall beschleunigt wird, bei Grützner aber die stärkere Zuckung träger erschlafft, so ist diese eine Doppelzuckung. Wir halten also bis auf Weiteres daran fest, dass — wenigstens für Rana esculenta — die Thalspitzen um so ausgeprägter, der Tetanus um so unvollkommener wird, je grösser die Reizintensität ist. Die Höhe der zweiten Zuckung von der Thalspitze aus gerechnet gesen die Höhe der ersten Zuckung ist um so grösser, je schwächer der Reiz ist. Im Versuch Taf. I, 75 zeigt die Curve 8 den linearen Anstieg. Die zweite Zuckung ist so hoch oder höher als die erste. Das ist eine regelmässige Erscheinung bei schwachen Reizen. Wenn die folgenden Zuckungen höher sind, als die vorausgehenden, so steigt die Curve mit beschleunigter Geschwindigkeit an. Es ist nur der entschiedene Ausdruck ZINN 23028:7276. Bige, 15,u. 16: 140 OSCAR KOHNSTAMM: dieses Verhaltens, wenn sich Curven bei schwachen Reizen ausgesprochen convex gegen die Abscissenaxe erheben (Taf. II, 7, 5). Dieser Befund giebt Veranlassung zu einer interessanten Betrachtung. Mit diesen Curven, die in solcher Ausprägung nicht allzuhäufig sind, ist prineipiell die Möglichkeit gegeben, dass die erste Zuckung überhaupt nicht sichtbar ist und eine Er- hebung erst nach einem Stadium „latenter Summation“ erfolgt. Jedoch habe ich am curarisirten Muskel weder bei kleiner noch bei grosser Frequenz jemals etwas beobachtet, was passend so oder als „Summation untermini- maler Reize‘ bezeichnet werden könnte. Bei kleinen Frequenzen erhebt sich die Curve stets unmittelbar auf den ersten Reiz, bei vollkommenen Tetanis kleiner Intensität erhebt sich die Curve mit so geringer Steilheit, dass die Verlängerung der Anstiegslinie in die Abseissenlinie hineinfällt Die Curve war bis dahin so niedrig, dass sie sich unserer Beobachtung entzog (Taf. II, 9, 10, 11). Hierbei zeigt sich auch der convexe Anstieo, der ebenso aufzufassen ist, wie bei den unvollkommenen Tetanis. Zweifellos ist, dass die Summation ganz kleine Zuckungen auf grosse Höhe erheben kann und dass bei ihnen eine um so bedeutendere Steigerung der Erreg- barkeit durch die unmittelbar vorausgehenden Zuckungen gesetzt wird, je grösser die Frequenz ist. Es handelt sich jedoch in allen diesen Fällen nicht um eine addition latente (Richet!), sondern um eine Summation von für unsere Beobachtungsmittel für sich unmerklichen Zuckangen. Eine wahre addition latente ist der Vorgang, der in den centralen Ganglienzellen statt- finden muss, damit eine Mehrzahl peripherischer Reize eine Reflexbewegung oder den einer Summationsempfindung zu Grunde liegenden Vorgang aus- lösen kann. Wir würden die Bezeichnung auch für den Muskel zulassen, wenn nach einer Anzahl von Reizen die Tetanuscurve plötzlich steil im die Höhe stiege. Zur Beurtheilung der Curven von addition latente, die Richet? giebt, fehlt uns die Kenntniss der Umdrehungsgeschwindigkeit seines Kymographion. Wir könnten von unseren Ourven das Richet’sche Bild ableiten, wenn wir unsere Trommel langsam laufen liessen. Ob in der von uns definirten Weise eine Summation unterminimaler Reize vom Nerven aus stattfindet, können wir deshalb nicht entscheiden, weil unsere Methode bei indirecter und minimaler Reizung keine streng gleichmässigen Zuckungen ergab. Doch halten wir es für nicht unwahr- scheinlich, wie wir übrigens die Möglichkeit zugeben, dass Derartiges auch vorkommen kann bei gewissen curarisirten Muskeln, die sonstige patholo- gische Erscheinungen, als rhythmische und Anfangszuckungen zeigen, darin ! Ch. Richet, Contribution a la physiologie des centres nerveux et des museles de Peerevisse. Archives de physiologie. 11. Sörie. A. 8.0. EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN ZUR ANALYSE DES TETAnus. 141 nervösen Apparaten ähnlich sind und gewissermaassen einen Rückfall in einen weniger differenzirten Zustand darstellen. Jedenfalls haben wir in unseren quantitativ recht ausgedehnten Versuchen mit Sicherheit latente Summation niemals beobachtet. Wird eine Summationscurve von der Frequenz 10 und minimaler Reizstärke, die noch keine Tendenz zur Wende hat, in einen Tetanus eben- solcher Reizstärke und 20 Reizen in der Secunde übergeführt, so entsteht ein vollkommener Tetanus mit Wende, ziemlich flachem Anstieg, aber oft doppelter Höhe (Taf. III, 11a, 5). Die Neigung zur Superposition ist für verschiedene Muskeln sehr verschieden. Eine Curve von abnorm geringer Superponir- barkeit, bei der sich die zweite Zuckung gar nicht über das Niveau der ersten erhebt, zeigt Taf. III, 9, und für Isometrie Taf. III, 10. Aehnliches sah v. Fleischl! regelmässig bei der Reizung mit dem Orthorheonom. Woran es lag, dass unter diesen Versuchsbedingungen die Superposition aufgehoben war, ist mir nicht klar geworden. Auch hat Fuhr? die Angaben v. Fleischl’s nicht bestätigen können. Wir gehen jetzt zur Beschreibung der isometrischen Versuche über, die wir nur aus Zweckmässiekeitsgründen gesondert vortragen, die aber immer parallel mit den isotonischen angestellt wurden. Der typische Ein- fiuss der wachsenden Intensität auf die Form der vollkommenen isometri- schen Tetanuscurve hat grosse Aehnlichkeit mit dem auf die isometrische Einzelzuckung. Die Curven erheben sich nämlich mit demselben Charakter des Anstiegs. Sie verhalten sich wie Curven derselben Function mit va- riablem Parameter. Die Anstiegszeit ist der schliesslich erreichten Höhe ungefähr proportional. Am schnellsten erreichen die kleinsten Tetani ihre Wende. Die Wellen des Anstiegs sind allen Curven parallel (Taf. III, 5, 6, 7). Es superponiren sich also um so mehr Zuckungen, je stärker die Reize sind, gerade umgekehrt wie bei der Isotonie. Die Wirkung der erhöhten Frequenz äussert sich darin, dass die Curve sieh mit stärkerer Concavität in die Höhe schwingt und eine grössere Höhe erreicht. Die Concavität bedeutet, dass die erste Zuekung für sich eine viel grössere Höhe ausmacht, als die folgenden, während bei den stärkeren iso- tonischen Tetani auf jeden Reiz etwa gleiche Verkürzung: folgt (Taf. III, Sa, b, e). Mit steigender Frequenz wächst also auch die isometrische Höhe, d. h. der Betrag der durch die betreffende Reizstärke auslösbaren Muskelkraft.3 " M. v. Fleisehl, Untersuchungen über die Entstehung der Nervenerregung. VI. Wiener Sitzungsberichte. Bd. 82. III. Abth. 1880. ? Fuhr, Versuchsresultate mit v. Fleischl’s Rheonom. Pflüger’s Archiv. 1855. °S, auch Bernstein, Ueber den Einfluss der Reizfrequenz auf die Entwickelung der Muskelkraft. Dies Archiv. 1883. Supplbd. 142 Oscar KOHNSTAMM: Der Vorgang der Superposition wird wieder klar demonstrirt durch Summationsecurven von 10 Reizen. Im Bereich der stärkeren Reize. unterscheiden sich diese von den entsprechenden isotonischen in sehr auf- fallender Weise dadurch, dass sich mehr Zuckungen aufeinandersetzen (Fig. 6). Eine Beschleunigung der Erschlaffung der superponirten Zuckung scheint nicht stattzufinden. Die folgende trifft die vorausgehende Zuckung immer noch auf der Höhe des Plateaus. Hingegen scheint eine der isotoni- zchen Verkürzung der Gipfelzeit entsprechende Erscheinung zu bestehen. Während diese danach beurtheilt wurde, wie tief der absteigende Schenkel von der folgenden Zuckung unterbrochen wurde, werden bei Isometrie durch die späteren Zuckungen grössere Stücke des Plateaus abgeschnitten (Taf. III, 1a, 5). Man sieht aus den Curven, dass die Verkürzung um so grösser ist, je weniger hoch die betreffende Zuckung ansteigt, während bei Isotonie gerade die höchsten Zuckungen das Phaenomen am entschiedensten aufweisen. Bei Isometrie superponiren sich um so mehr Zuckungen, je grösser die Reizstärke ist, 1 also umgekehrt, wie bei Isotonie (Taf. III, 2, 3, 4). Zwar zeigt sich bei minimalen Reiz- stärken nach der letzten sichtbaren Erhebung noch ein langsames Ansteigen, allein wir ver- stehen hier, wie bei Isotonie, unter Super- position den Aufstieg unter markirtem Ab- heben von der Bahn der vorhergehenden Zuckung. Eigenthümlich sind die eckigen Formen in Fig. 3 u. 4, die wir oft zu sehen bekamen. Es besteht also folgendes merkwürdiges Chiasma: Fig. 6. Nervmuskelpraeparat. 10 R. | Isometrie Isotonie Starker Reiz . Starke Superponirbarkeit | Geringe Superponirbarkeit Schwacher Reiz Geringe Superponirbarkeit _ Starke Superponirbarkeit Infolge dieses Verhaltens kann bei Reizung mit dem Schlitteninduc- torium eine zuerst sehr auffallende Erscheinung zu beobachten sein. Bei dem isometrischen Schwellenwerth entsprechendem Rollenabstand findet man fast regelmässig, dass die Einzelzuckung höher ist, als der zugehörige Te- tanus. Es zeigt sich darin ausser der geringen Sammirbarkeit, dass beim Spiel des Wagner’schen Hammerwerks die Einzelschläge schwächer sind, als der einmalige Oeffnungsschlag. Zur weiteren Demonstration der Beziehungen zwischen isotonischem und isometrischem Tetanus führen wir noch Fig. 7 aus Versuch 122 an. Bei Schraubenstand 6 erklettert der Muskel isotonisch eine ansehnliche Höhe. Isometrisch erscheint noch keine merkliche Spannung. Erst bei 4 tritt eine EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN ZUR ANALYSE DES TETAnus. 143 geringe isometrische Höhe auf. Der durch Superposition stark gehobenen isotonischen Höhe entspricht keine proportionale Entwiekelung der Muskel- kraft. Vergrösserung der Frequenz erzeugt bei Isotonie und bei Isometrie den gleichen relativen Zuwachs an Tetanushöhe, z. B. (m) oder, da die Einzelzuckungen dieselben sind, gleichen relativen Zuwachs der Summations- uotienten ZN, A q Eee); R | ; ie Isotonie | Isometrie EL _ = Sr une ———— or “er —— TlTı IE IB ne ' 1-2 ,.g Versuch 122 {a ' 12-0 | 1-6 | Tool Tao q 18-0 Du alarannl;i Tome | 18-95 | 12-7 | Versuch 124 Re 21-4c 13-5d a 19:0f 11-le 27, Mittelwerth ee 1:13 1 13 To«® + Tıoß Die kleinen Buchstaben geben die Reihenfolge, in der die Curven (in diesen wie allen anderen Versuchen) aufgenommen wurden. Es wird hier auch demonstrirt, wie auf der gleichen Ermüdungs- a“ | stufe, auf der der isotonische Tetanus noch seine anfäng- 5 Nekeprlohesehatu(@/2), diesen 0 0 00 np isometrische Höhe beinahe 10 Procent von ihrer an- fänglichen Höhe eingebüsst hat. Diese wichtige Eigenschaft der isometrischen Curven ist sehr störend für längere Versuchsreihen, die, um vergleichbar zu sein, am selben Muskel angestellt werden müssen. Dasselbe, was ich an anderer Stelle! über die Beziehungen der Höhen der isotonischen und isometrischen Einzelzuckungen mitgetheilt habe, gilt in vollem Maasse auch für die tetanischen Höhen, was folgender am Schlitteninductorium ausgeführter Versuch zeigt. Wir führen nur die Mittel- werthe an. | Fig. 7. a Schraubenstand 6, 5 Schraubenstand 4 10.R. I Verf., Die Muskelprocesse u. s. w. [44 ÖscAR KOHNSTAMM: RAR | T isot. | T isom. T isom. red. ish. | 1Som 16 9-1 0 | (0) 06) \ Versuch 68 15 15-0 0 | N) | 6° | 14 21-5 5 71-7 DES | 13 23.2 13-4 | 17-4 ee 12 236 0 les 0 28:6 | 11 23-6. 7.0. 25-0, 39:5 Vo 10 23-6 26-0 33-8 0-70 | Die Curve der isometrischen Höhen erhebt sich später, steigt schneller an und erreicht bei grösserer Intensität ihr Maximum, als die der isotoni- schen Höhen. Dasselbe zeigen die Zahlen nach dem am Magnetinductor ausgeführten (umstehenden) Versuch 113, nur gehen die Reize hier nicht bis zu den maximalen. Die Summationsquotienten 70 nd = sind für 20 iso- E tonisch > isometrisch, für 0 isometrisch > isotonisch, doch eilt dieser Satz allgemein nur für 75/#. Im anderen Versuchen treten in der Reihe 7’20 abnorm niedrige Werthe auf, die sich zum Theil jedenfalls durch die be- sprochene Eigenthümlichkeit ermüdeter isometrischer Tetani erklären. Doch halten wir uns einstweilen nicht für berechtigt, diesem Umstand alle Un- regelmässigkeiten schuld zu geben und beziehen unsere folgenden Beobach- tungen in aller Strenge nur auf Summationscurven von 5 Zuckungen. In 125 und 124 wurde, um die Ermüdung möglichst auszuschliessen, die Vergleichung nur für zwei Reizstärken ausgeführt. Alle Zahlen sind arithmetische Mittel aus je zwei Bestimmungen. = | ne | | 7 | | | | E| mn Em m Doirn.z nee Ss | isot. | isot. | isot. | Isom. isom | isom. isot. som isot. Isom. 10152 |12-6 1910-9 | 1-9| 5-0 | 2-4 | 1-9 | 3-7 | 5-5 |Vers.125 0| 88 | 15-0 | 13.0 | 5-2 | 12-2 | 20-0 | 1-6 | 2-4 | 2.6 | 4.0 6 leT 1-11) 1-20 5-78 | 6-42) 40 — = — = 104.8:5, 12:5. 118-.54.1°5 12:5 |. 520) 1:9 | 1-7 , 2-8 | 3-3 |Vers.124 0| 8-5 | 14-0 | 22-5 |5-7 12-5 |18-8| 1-6 | 2-2 | 2.8 | 8-3 Or, |,.2283. 112.12) 111221|435874,11,520, | sareıı, au Was das Chiasma der Summationsquotienten ausdrückt, wurde schon directer und anschaulicher durch die Curven demonstrirt: Die Superponir- barkeit verhält sich in Bezug auf die Reizstärke in derselben Weise, wie die Summirbarkeit. Dass die starke Superponirbarkeit auch für die voll- EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN ZUR ANALYSE DES TETAnuSs. 145 kommenen isometrischen Tetani gilt, sahen wir schon an den concav ge- schwungenen starken Tetanus-Curven. Ueber das Verhältniss der Höhen der die Summationscurven zusammensetzenden Einzelzuckungen giebt die Horizontalreihe °/,, Aufschluss. Sie zeigt in beiden und, wie wir versichern, in allen anderen Fällen, dass dieser „Quotient der Unterschiedsempfindlich- keit“ in der isotonischen Summationscurve kleiner ist, als in der isotonischen Einzelzuckung, in der isometrischen Summationscurve grösser ist, als in der isometrischen Einzelzuckung. D. h. die Curven der isotonischen und iso- metrischen Summationshöhen enthalten den Charakter der Curven der iso- tonischen und isometrischen Einzelzuckungshöhen noch mehr ausgeprägt. Es braucht nicht darauf aufmerksam gemacht zu werden, dass die Werthe für die isometrischen Quotienten grösser sind, als die der isotoni- schen. Es folgen noch zwei Versuchsbeispiele aus dem Protokollbuch: 5 E To T;o E To Tio T,olE| TolE| Tu lE Tyol£ E isot. | isot. | isot. | isom. | isom. | isom. | isot. | isom. | isot. | isom. 20) 50| 88 12.3 o8s| 1-0| 1-0| 1-7 | 1-2 | 2-5 | 1-2 |Vers.113 1 3252 13:0 12:0 71.8 | 2.4.,02:0, 1:5 1.80. 1-6 | 1.17% 10 | 9-7 | 18-62] 16-5 | 30 | 4+0| 4+8| 1-4 | 1-3 | 1-7 | 1-6 5.| 10°. | 1882] ac) Ber 80) wo | ee 0.\ 11-8 | 14-5 | 22-0 | 80 | 18-7 | 20-2 | 1-2 | 2-8 | 1-9 | 25 | oe | 1-57 24r44 7.8 10.2 |. 0, 0,000 0 no 1.02) 1-07 1-33) 2-67) 4-67) 4-21) — - 1. - I 35| 40| s.6|18-1| 06 1-1 | 1-1 | 2-1 | 1-8 | 4-5 | 1-8 \Vers. 91 20| 6-5 | 10-5 19-5) 1-4 1-9 | 42 | 1-6 | 1-9 | 3-0 | 3-0 15| 8 |ıo.8s |21-1ı| 0| #5| 631 15 22 | 30| 3-1 10 | 8-3 | 12-9 | 21-4 | 3-6| 7-1| 8383| 1-5 | 2-0 | 2-6 | 2-3 5| 9-6 | 14-6 | 27-0 | 6-9 | 18-0 | 21-3 1-5 | 2-5 | 2-8 | 31 0 | 11-2 | 17-2 | 31-5 | 14-4 | 31-4 | 35-5 | 1-4 | 2-2 | 2-8 | 2-5 | 1:72 1-63 1-60| 10-29| 11-63) 8-45 — — | — less eless ea 4:0, 1.45 4.07 — | |, 0m Die absteigenden Schenkel der Tetani sind wegen der Complication mit Contractur und Verkürzungsrückstand schwer zu beurtheilen und zu vergleichen. Die stark summirten minimalen Tetani fallen steiler ab, als der Verlängerung des abfallenden Schenkels der Einzelzuckung entsprechen würde, und im Bereich der grösseren Reizintensität sinkt die stärkere Curve jäaher ab als die schwächere. Es sollen jetzt noch von den Erscheinungen, die sich gelegentlich der ! Bei 5 wird die erhöhende Wirkung des stärkeren Reizes durch die beschleu- nigte Erschlaffung aufgehoben. Archiv f, A, u. Ph, 1893. Physiol, Abthlg. 10 146 OscAR KoHNSTAMM: Beobachtung boten, einige mitgetheilt werden, die ein besonderes Interesse zu verdienen scheinen. Taf. IV, 2 zeigt, wie bei gleicher Ermüdungsstufe die schwachen Tetani eine Neigung zum Absinken haben, (wie bei hoher Temperatur), während die starken auf ihrer Höhe bleiben. Die Erscheinung gehört wohl mit der anderen zusammen, dass auf gleiche Ermüdungssufe schwächere Tetani mehr an Höhe einbüssen, als stärkere. Dieses entnimmt man aus der un- mittelbar nachher mit demselben Muskel bei grösserer Umdrehungs- geschwindigkeit des Kymographion gezeichneten Taf. IV, 3. Die in 3 schon niedrige Curve 5 verläuft in geringerer Höhe, um sich dann plötzlich zu erheben, wie wenn sie sich während der abnorm geringen Anstrengung erholt hätte. Diese Erholungserhebung im mini- malen Tetanus ermüdeter Muskeln ist sehr gewöhnlich (Taf. IV, 1a). In Taf. IV, 15 sieht man bei ermüdetem Tetanus rhythmische Erholungs- erhebung und Ermüdungsabsinken. Solche Rhythmik ist fast mit Sicher- heit zu erzeugen bei ermüdetem isometrischem Tetanus. (Taf. IV, 4). Ein von Contractur herrührendes Ansteigen der Gleichgewichtslage sieht man in den drei Curven (Taf. IV, 5a, d, c). Die Contraetur wächst mit der Reizstärke. Wir haben es früher als eines der Grundphaenomene der Muskelphysik bezeichnet, dass die isotonische Zuckungshöhe für eine gewisse Reizgrösse, die dem Schwellenwerth nicht weit überlegen ist, ein Maximum wird, während ein vor Ablauf der Zuckung folgender Reiz eine Vermehrung der . Zustandsänderung bewirkt. Wir haben eine experimentell bestätigte Deu- tung dieses Phaenomens des Maximums in der Annahme gefunden, dass ein mit dem Wachsthum eines ersten Processes beschleunigter zweiter Process die Wirkung des ersten theilweise aufhebt und so den Muskel verhindert, auf einen stärksten Reiz hin das der inneren Elastieitätsgrenze entsprechende absolute Maximum der Contraction zu erreichen. Wenn kurz auf den ersten Reiz eine zweite Zuckung folgt, so erhebt sich die letztere von der Bahn der ersteren und beschreibt eine Curve, die sich von dieser durch starke Verkürzung der Gipfelzeit und Beschleunigung des Abfalles auszeichnet; bei den folgenden Zuckungen schreitet die Ver- kürzung der Gipfelzeit so lange vor, bis sich ein — graphisch sichtbarer — wellenartig oscillirender Zustand herausgebildet hat.! Diesen Zustand ! Es liegt hier nahe an eine andere Erscheinung zu denken, durch die der im Tetanus zusammengezogene Muskel einen mechanisch oseillirenden Zustand verräth, an den Muskelton. EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN ZUR ANALYSE DES TETANUS. 147 - dynamischen Gleichgewichts nennen wir die Gleichgewichtslage des Tetanus, und die Gegend, in der sich das Gleichgewicht herstellt, ist die Wende des Tetanus. Aus der unmittelbaren Anschauung geht hervor, dass um den Gleichgewichtszustand zu erreichen, das Stadium der verkürzten Gipfelzeit ein nothwendiger Durchgang ist. Wir verstehen also diese Einrichtung im Mechanismus des Tetanus und haben mit einer teleologischen Betrachtung die Aufgabe für die mechanische Erklärung bezeichnet. Aus dem Satze, dass die Beschleunigung des zweiten Processes pro- portional dem jeweiligen Verkürzungsgrade des Muskels ist, folgt unmittel- bar, dass der zweite Process der superponirten Zuckung gegen den der ersten beschleunigt, der Abfall also jäh und die Gipfelzeit verkürzt sein muss. An und für sich wäre die Thatsache der verkürzten Gipfelzeit auch damit zu erklären, dass die Zuckung eine geringere Höhe auch schneller erreicht. Nun sind aber gerade in den Curven, die wir als Beispiele ge- geben haben, die zweiten Zuckungen beinahe gerade so hoch wie die ersten, und vor allen Dingen spricht für unsere Auffassung, dass der absteigende Schenkel steiler absinkt als der der ersten, und gegen diesen convergirt. Darin zeigt sich unzweifelhaft eine Beschleunigung des zweiten Processes. Aus. der Thatsache der Beschleunigung des Erschlaffungsprocesses folgt — ganz abgesehen von dem Verkürzungserad, — dass eine superponirte Zuckung eben durch ihre Superposition eine tief greifende Aenderung ihres inneren Vorganges erfahren hat. Eine andere Aenderung des Zustandes des Muskels wird durch die Andeutung von Doppelreizung in der super- ponirten Zuckung der isotonischen Summationscurve verrathen: eine Steige- rung der Erregbarkeit für minimale Reize, die sich uns auch im convexen Anstieg offenbart hat. Die Geschwindigkeit des zweiten Processes ist proportional der Stärke des Reizes. Thatsächlich ist in Summationscurven der Abfall um so jäher, die Verkürzung der Gipfelzeit um so bedeutender, die Zeit bis der Gleich- gewichtszustand erreicht ist um so länger, mit einem Wort der Tetanus um so unvollkommener, je stärker der Reiz ist. Durch minimale Reize erzeugte Summationscurven scheinen ihre grösste Höhe erst dann zu er- reichen, wenn die inneren angewachsenen elastischen Widerstände oder die Ermüdung die ansteigenden Schenkel so flach gestreckt haben, dass auch der wenig beschleunigte Abfall sie auf’s Ausgangsniveau zurückführen kann. Die Kleinheit der Amplituden der Oscillation während des Gleich- gewichtes könnte dadurch zu erklären sein, dass die fortschreitende Be- schleunigung des zweiten Processes einen sehr hohen Grad von Interferenz hervorgerufen hat,! ohne dass der chemische Process in seiner Intensität ! Wie in den isotonischen Curven bei 35° nach Gad und Heymans, a.a. 0. 10* 148 OscaAR KoHNnsTamm: geschwächt ist, oder dadurch, dass entsprechend dem veränderten an- eenäherten Verlauf der beiden Processe dieselben in ihrer Intensität herunter gedrückt sind. Um hier zu entscheiden, müssen Oseillationen mit grossen und kleinen Amplituden in Bezug auf die ihnen entsprechenden Wärme- entwickelungen verglichen werden. Wir sind wieder in der glücklichen Lage, in zwei Fick’schen Ver- suchen! die Beantwortung unserer Fragen vorzufinden: 1. Wenn durch Verminderung der Frequenz eine Vertiefung der Zacken hervorgerufen wird, so ist bei dieser Frequenz die Wärmeentwicke- lung bedeutender als bei der grösseren Frequenz mit kleinerer Amplitude der Oseillation. 2. In demjenigen Zeittheil, in den der Anstieg des Tetanus fällt, wird nach den von Fick mitgetheilten Versuchszahlen mehr als doppelt so viel Wärme entwickelt, wie in den folgenden Zeittheilen. Die Contraetion im isotonischen Tetanus ist also ein Zustand relativ geringen chemischen Uinsatzes. Es geht somit hier wieder mit der Be- schleunigung des zweiten Processes eine Herabsetzung des chemischen Um- satzes zusammen. Jede Zuckung steigt so hoch, wie es der Resultirenden der maximalen Längsattraction einerseits und der durch die Formänderung hervorgerufenen inneren Rlastieität und der Belastung des Muskels andererseits entspricht. Betrachten wir eine bestimmte Summationscurve, so wird die Höhe der ersten Zuckung I bestimmt durch das zeitliche Verhältniss, in dem wäh- rend derselben die heiden Processe #\ und /, sich abgespielt haben. Dieses bestimmte Verhältniss hat der Curve nicht gestattet, eine gewisse Höhe, die Maximalhöhe, zu überschreiten. Bei der zweiten Zuckung II ist #, beschleunigt, es ist also nicht zu erwarten, dass II die Höhe von I über- steigt, wenn nicht der zweite Reiz den Muskel unter solchen Bedingungen trifft, dass 7 verstärkt wird. Dieses 7, verstärkende Moment liest offenbar in der durch seine Belastung hervorgebrachten Spannung des Muskels. Denn wir wissen aus den Versuchen M. von Frey’s,? die wir selbst be- stätiet gefunden haben, dass für unbelastete Muskeln die Superposition der /Zuckungen aufgehoben ist. Dass die Spannung Superposition in hohem Maasse begünstigt, geht in eindringlicher Weise aus der enormen Super- ponirbarkeit bei isometrischen Summationseurven hervor. Der Anfangstheil der superponirten Zuckung verläuft unter dem Einfluss von Ueberlastung, deren contractionfördernder Einfluss zur Genüge festgestellt ist. Denn der ansteigende Schenkel von II kann sich erst dann von dem absteigenden ee “ ı A. Fick, Mechanische Arheit und Wärmeentwickelung u. S. W. ® M. v. Frey, Reizungsversuche am unbelasteten Muskel. Dies Archiv. Bd. II, EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN ZUR ANALYSE DES TsTAnuvs, 149 von I ahheben, nachdem die Geschwindigkeit einer abwärts bewegten Masse von der entgegengesetzt gerichteten Geschwindigkeit des Muskelzuges über- wunden ist. Wir haben hier den Thatbestand einer (wie man sagen könnte: dynamischen) Ueberlastung.® v. Frey! ist seit längerer Zeit bestrebt, Analogieen zwischen den be- kannten Thatsachen der Superposition und den Eigenthümlichkeiten der durch von Kries? eingeführten Unterstützungszuckungen aufzudecken. Er scheint zu vermuthen, dass dem Mechanismus dieser verschiedenen Vor- sänge ein gemeinsames Prineip zu Grunde liegt. Die Erhöhung des Zuckungsgipfels durch die Unterstützung kommt, wie ich früher? darzu- legen versucht habe, dadurch zu Stande, dass wäbrend des Zuckungsveriaufs dem Muskel ein Widerstand zur Last fällt, nicht dadurch, dass er „weniger Arbeit leistet.“ Eine Hauptbestätigung meiner Deutung fand ich in der von v. Frey mitgetheilten 'Thatsache, dass die fördernde Wirkung der Unterstützung nur dann eintritt, wenn der Muskel mit einem ansehnlichen (rewicht belastet ist. Da nun dieselbe Bedingung auch dafür besteht, dass Erhöhung durch Superposition eintritt, und da ein Tetanus durch Unter stützung nicht gehoben wird, so schliesst v. Frey auf die Analogie der Unterstützungs- und der Superpositionszuckung. Unsere Analyse erklärt die Erhöhung durch Unterstützung und durch Superposition; und dass ein auf Tetanushöhe unterstützter Muskel sich im Tetanus noch weiter erhebt, ist auch von unserem Standpunkt aus nicht zu erwarten. Zweifellos bestehen zwischen dem Verhalten der unter- stützten und der superponirt zuckenden Muskeln gewisse Analogieen, die wohl in der beiden gemeinsam „abnormen Verkürzung“* und der dadurch bedingten Beschleunigung des zweiten Processes ihren Grund haben. Dass aber die Unterstützung für die Theorie der Summation bedeutungslos sein muss, geht aus der Superposition bei Isometrie hervor, bei der doch von einer „inneren Unterstützung“? keine Rede sein kann. Bis zum Eintritt des Gleichgewichtszustandes dauert es um so länger, je langsamer der zweite Process verläuft, je schwächer der Reiz ist. Mini- ! Möglicherweise könnte in die Verkürzung der Gipfelzeit auch der Betrag der „Verkürzung der Culmenzeit“ bei Ueberlastungszuckungen eingehen. Santesson, Studien über die allgemeine Mechanik des Muskels. II. Skandinavisches Archiv. Bd. IV. 1892. ?® v. Frey, Versuche zur Auflösung der tetanischen Muskelceurve. — Versuche am unbelasteten Muskel über zusammengeselzte Muskelzuckungen. 3 v. Kries, Beiträge zur Mechanik des quergestr. Muskels. Dies Archiv. 1880. * Die Muskelprocesse u. Ss. W. DEvanKeritesh, a2a.0. Se Ruwzner N ara: 150 OSCAR KOHNSTAMM: malen Reizen entsprechende Summationscurven haben überhaupt kein durch den inneren Process bedingtes Gleichgewicht. Der Elevationswinkel solcher Curven ist aber so klein, dass nur ausnahmsweise die einer grösseren Reiz- stärke entsprechende Gleichgewichtshöhe erreicht wird. Indem das gegen- seitige Verhältniss der beiden Processe die Tetanushöhe ebenso wie die der Einzelzuckung bedingt, versteht es sich, dass es trotz der Summation, die ungestört von der noch entfernt zu denkenden Elastieitätsgrenze vor sich gehen konnte, für jede Reizstärke einen specifischen Werth der schliesslich erreichbaren Tetanushöhe gieht. Da aber in den Summationsreihen die Interferenz einen noch höheren Grad erreicht, wie bei den Einzelzuckungen, so ist zu erwarten, dass die zu den einzelnen Reizstärken gehörigen Höhen- werthe sich noch mehr aneinander nähern, als bei diesen. Thatsächlich ist für isotonische Summationscurven die Unterschiedsempfindlichkeit geringer, als für die Einzelzuckungen. Der Vergleich einer isometrischen und einer isotonischen Summations- eurve starker Intensität ergiebt auf Seiten der ersteren eine sehr viel stär- kere Superponirbarkeit. Die Versuchsbedingungen der Isometrie begünstigen also die Superposition. Die für Isometrie charakteristischen Verhältnisse, denen auch die Förderung der Summirbarkeit wird zugeschrieben werden müssen, sind in zwei Gruppen zu theilen. Es ist 1. die Ausschaltung der mit der Zusammenziehung wachsenden, dieser entgegengesetzt gerichteten elastischen Kraft der nicht contractilen Gebilde; 2. die Ausschaltung der Wirkung der inneren Umlagerungen auf van Verlauf der Processe. Isotonisch arbeitet der Muskel gegen Widerstände, die, wie bei der Bewegung in einem widerstrebenden Medium, mit dem Grad Gen Zusammen- ziehung anwachsen. Diese Widerstände fallen bei Isometrie weg. Wir haben zu untersuchen, in welcher Weise und in welchem Maass die ela- stischen Widerstände zur Herstellung des isotonischen Gleichgewichtes bei- tragen. Da bei minimalen Reizen Verkürzung der Gipfelzeit oder Beschleuni- gung des Abstiegs nicht zu bemerken ist, so schliessen wir, dass der innere Vorgang hier durch die Superposition keine merkliche Aenderung erleidet. Die superponirten Zuckungen — vielleicht abgesehen von der auf die zweite /Zuckung bezüglichen Erhöhung der Erregbarkeit, — werden so lange gleiche Höhe haben, bis sie durch den Widerstand gedämpft werden. Maass der Dämpfung ist der Verlust an Höhe. Die elastischen Widerstände haben also erst dann einen merklichen Werth, wenn die Höhen der Einzelzuekungen abnehmen. Da z. B. in Taf. I, 6 die der Intentität 4 entsprechende Curve beinahe so hoch gestiegen ist, wie die Curve O0, für deren Configuration offenbar die inneren Processe allein maassgebend waren, und da erst in dieser EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN ZUR ANALYSE DES TertAntvs. 151 Höhe die elastischen Widerstände einen merklichen Werth annehmen, so voll- zieht sich die Zustandsänderung 0 ohne in Betracht kommenden Einfluss der Elastieität. Die Curve O ist aber der Typus einer isotonischen Sum- mationscurve stärkerer Intensität, mit der wir jetzt den Typus einer iso- metrischen vergleichen wollen. Wir haben somit die Unterschiede zwischen den isotonischen und iso- metrischen Summationscurven auf die Verschiedenheit der Processe bei sestatteter und verhinderter innerer Umlagerung zurückzuführen. Isotonisch wird der tetanischen Contraction durch Beschleunigung des zweiten Pro- cesses die Grenze gesetzt. Isometrisch ist der zweite Process so verzögert, dass auch seine Beschleunigung weitere Superposition nicht einhalten kann. Wir haben jedoch überhaupt keine Veranlassung, eine Beschleunigung des- selben bei Isometrie anzunehmen. Allerdings wird bei den superponirten Zuckungen der Gipfel früher erreicht als bei den vorausgehenden. Aber die Verkürzung ist proportional der Verkürzung der Höhe der betreffenden Zuckung, und kleinere Höhen werden auch schneller erreicht. Bei den entscheidenden isotonischen Curven aber war die Zuckung mit verkürzter Gipfelzeit gerade so hoch wie die erste. Das, was die Beschleunigung des zweiten Process gewiss macht und was nach unseren allgemeinen Dar- legungen einer verkürzten Gipfelzeit erst ihre Deutung giebt, die Be- schleunigung des Abstiegs, haben wir bei Isometrie in keinem Fall be- obachtet. Den oscillatorischen Zustand haben wir denn auch nie zu Stande kommen sehen. Wenn die Gleichgewichtslage erreicht ist, so wird sie durch eine gerade Linie dargestellt: die superponirten Zuckungen sind unendlich klein geworden. Wir sind im Verlauf unserer Entwickelunge der Fick-Gad’schen Theorie zu der experimentell bestätigten Auffassung gelangt, dass #, und ‚somit auch die Gesammtintensität der Processe einen um so höheren Werth erreicht, je mehr verzögert /, ist. Weil /, dabei beschleunigt wurde, war zu erwarten, dass bei isotonischem Tetanus mit dem Uebergang in den Gleichgewichtszustand eine Verminderung des Umsatzes verbunden sein würde. Dies ist thatsächlich der Fall. Da bei Isometrie eine merk- liche Beschleunigung des zweiten Processes auch im Verlauf des Tetanus nicht stattfindet, ein oscillatorischer Zustand sich nicht einstellt, so ist auch nicht vorauszusehen, dass der tetanische Zustand einem geringeren Umsatz entspricht, als der Uebergang in denselben. Diese Folgerung finden wir wieder bei Fick! bestätigt: Wenn ein "A. Fick, Myothermische Fragen und Versuche in den Myothermischen Unter- suchungen. 1889. 152 OSCAR KOHNSTAMM: isometrischer Tetanus durch Verkleinerung der Frequenz in einzelne Zuckungen aufgelöst wird, so wird weniger Wärme entwickelt als im Te- tanus. Umgekehrt schliessen wir aus dieser Thatsache auf die Berechtigung unserer Voraussetzung, dass eine merkliche Beschleunigung des zweiten Processes bei Isometrie nicht stattfindet. Der isometrische Tetanus ist mit nichten ein Zustand geringeren Umsatzes. Hierfür spricht auch der aus der schnellen Ermüdung erschlossene relativ grosse Stoffverbrauch in der isometrischen Contractur. Wenn wir den Blick auf die Abhängigkeit der Superponirbarkeit von der Reizstärke richten, sehen wir die merkwürdige Erscheinung, dass sich nmsomehr Zuckungen aufeinander setzen, je stärker der Reiz ist. Die Unterschiedsempfindlichkeit ist für isometrische Summationseurven grösser als für Einzelzuckungen. Dieses chaıakteristische Verhalten wird einfach durch die Erwägung erklärt, dass mit der Reizstärke Höhe der Einzel- zuckung und Superponirbarkeit zusammenwachsen. Die Tetanushöhen in ihrer Abhängigkeit von der Reizstärke ergeben einen ähnlichen Curven- typus, wie die Curve der isometrischen Höhen. Da nun diese letztere Curve, wie wir vermuthen,! der annähernd treue Ausdruck der Abhängig- keit der Grüsse des gesammten Umsatzes von der Reizstärke ist, und da die isometrische Summationscurve ebensowenig durch Interferenz gestört ist, wie die Einzelzuckung, so nehmen wir auch für die Curve der iso- metrischen Summationshöhen die Bedeutung in Anspruch, der Ausdruck der Abhängigkeit des Umsatzes von der Reizstärke bei Summationsreizen zu sein. Die Grösse des der isometrischen Summationscurve entsprechen- den Umsatzes würde demnach, wie bei der Einzelzuckung, der Höhe der- selben ungefähr proportional sein. Die Bestätigung dieser Folgerung durch den myothermischen Versuch müssen wir leider der Zukunft anheim- stellen. Es muss eine Grenze der durch eine Reizfolge bestimmter Intensität auszulösenden Energie geben, eine Grenze, die auch für maximale Reiz- stärke noch weit unter der Festigkeitsgrenze des Muskels liegen wird. Die Annäherung an sie in einer Summationscurve zeigt sich in dem Decrement der aufgesetzten Zuckungen. Es ist uns noch eine offene Frage, durch welche Verhältnisse diese Grenze des bei einer gewissen Reizstärke erreich- baren Werthes des Umsatzes constituirt wird. Die Grösse des Umsatzes beim isotonischen Tetanus bleibt stets weit unter den isometrischen Werthen. Die Abhängigkeit desselben von den keizstärken wird wahrscheinlich durch dieselbe Function darstellbar sein, wie bei Isometrie. Vielleicht wird aber ein in Betracht kommender Unter- ” Die Muskelprocesse u. S. W. EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN ZUR ANALYSE DES TETANUS. 153 schied zwischen beiden Functionen bedingt durch die mit der Interferenz vorschreitende Dämpfung des ersten und des Gesammtprocesses bei Isotonie. Unsere bisherige Entwickelung bezieht sich streng nur auf wenig fre- quente Summationscurven, bei denen der Vorgang der Superposition un- mittelbar beobachtet werden konnte. Für die vollkommenen Tetani be- stehen Verwickelungen, die sich noch nicht gehörig übersehen lassen. Wir heben nun hervor, was ein vergleichender Blick auf eine isotonische und isometrische Tetanuscurvenschaar lehrt, dass der isometrische Tetanus wie die isometrische Einzelzuckung in einfacherer Weise von der HReizstärke ab- hängen muss, als der isotonische. | Auf die Form des Tetanus haben alle complicirenden Umstände, die wir von der Einzelzuckung her kennen, ihren charakteristischen Einfluss. Unter den Momenten, die ich im Sinne habe, sind durch die Arbeiten des Leipziger Laboratoriums besonders wichtig geworden Contractur und Treppe. Von letzterer hat von Frey selbst später gezeigt,' dass sie zur Erklärung der Summation nicht herangezogen werden kann. Hingegen schreibt er noch an dieser Stelle der Contractur eine grosse Bedeutung zu. Ich muss gestehen, dass nach meinen Erfahrungen der Einfluss der Contractur sich stets sehr deutlich äussert, also auch leicht ausgeschlossen werden kann. Ferner ist für die Lehre vom Tetanus wichtig geworden die Ansicht Grützner’s von der Synergie — wenn ich so sagen darf — der rothen und weissen Fasern. Er findet in dieser Theorie die Deutung seiner Be- obachtung vom Vollkommenwerden des Tetanus durch Verstärkung des Reizes. Mein regelmässiger Befund war, dass durch Verstärkung des Reizes der Tetanus an Vollständigkeit abnahm. Damit dürfte die an sich inter- essante Thatsache des gleichzeitigen Vorhandenseins zweier Fasergattungen im selben Muskel an Wichtigkeit für die Theorie des Tetanus verlieren.? Für das Verständniss der Muskelactionen, die unter physiologischen Verhältnissen ausgeführt werden, besonders bedeutungsvoll ist vermuthlich die Thatsache, dass die Steilheit des Tetanusanstiegs mit der Reizstärke wächst. Eine solche Einrichtung muss bei der feinen Abstufung der Grösse und der Form der Bewegungen für die Zwecke des Organismus von hoher Wichtigkeit sein. Gerade in dieser Beziehung konnte die von Bohr an- gegebene Regel einer teleologischen Betrachtung nicht verständlich werden. ie. 2:0: * Vielleicht erklärt sich gerade aus der zuerst von Goldscheider (a. a. O.) studirten Erscheinung, dass mit Verstärkung der Reizintensität die Thalspitzen sich vertiefen, das leicht zu erzeugende Phaenomen, dass man durch willkürliche aber excessive Contraction den eben noch gleichmässigen Tetanus in ein Vibriren überführen kann. Wir haben begonnen diese Vermuthung experimentell zu prüfen und zwar am antagonistenlosen menschlichen M. masseter, bisher ohne positiven Erfolg. 154 - Oscar KOHNSTAMM: Bevor wir unsere Mittheilungen schliessen, erlauben wir uns, noch einmal darauf hinzuweisen, wie grosse Dienste uns die Fick-Gad’sche Theorie geleistet hat. Es unterliegt für uns keinem Zweifel, dass diese einfache Darstellung so complicirter Verhältnisse als beuristisches Prineip und für die Deutung myophysischer Erscheinungen mit dem weiteren Fort- schreiten der Analyse immer fruchtbarer werden wird. Zum Schluss erfülle ich die mir theure Pflicht, meinem hochverehrten Lehrer, Hrn. Prof. Gad, für Alles, was ich sonst und besonders bei Aus- führung dieser Arbeiten an Anregung und Förderung von ihm erfahren habe, auch an dieser Stelle meinen allerherzlichsten Dank auszusprechen. EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN ZUR ANALYSE DES TeErtAnus. 155 Erklärung der Abbildungen, ar T VL) Wenn nichts besonderes bemerkt ist, entspricht einer Abseissengrösse von 1 "” eine Zeit von 0.022”. Taf. Tl. Figg. 1, 2, 3 u. 4 von demselben Muskel. Einfluss der Reizintensität auf den vollkommenen Tetanus. 1 "= = 0:006”. 40 R. pro Sec. Fig. 5. Verminderung der Reizstärke bei unvollkommenem Tetanus. 10 R. pro Dec. Fig. 6. Dasselbe von einem anderen Muskel. Fig. 7. Drei Curven von einem Muskel bei Verstärkung des heizes: a) linearer Anstieg, b) noch linearer Anstieg, c) Tetanus mit Wende. Taf. II. Fig. 1a u. b. Zwei Curven von einem Muskel, Verkürzung der Gipfelzeit und Beschleunigung des absteigenden Schenkels. Fig. 2. Dasselbe von einem anderen Muskel. Fig. 5 a, b, ce u. d. Unvollkommener Tetanus bei wachsender Reizstärke. Fig. 4. Extreme Beschleunigung des absteigenden Schenkels. Fig. 5 a, b u. ec. Dasselbe von einem anderen Muskel. Fig. 6. Nervenmuskelpraeparat mit deutlicher Doppelreizung in den super- ponirten Zuckungen. Figg. 7 u. 8. Convexer Anstieg bei verschiedenen Muskeln. Figg. 9, 10 u. 11. Vollkommener Tetanus (40 .R.), wachsende Intensität, 1 =” = 0:006. Zur „Summation unterminimaler Reize“. Taf. III. Fig. 1 a u. d. Isometrische unvollkommene Tetani (10 R.). Fig. 2. Isotonische und isometrische unvollkommene Tetani, wachsende Inten- sität, von einem Muskel. i Fig. 5. Isometrische unvollkommene Tetani (10 R.), wachsende Intensität. Fig. 4. Dasselbe bei sinkender Intensität. Fig. 5. Vollkommene isometrische Tetani (40 R.), wachsende Intensität. Fig. 6 a u. db. Dasselbe von einem anderen Muskel. 1 "= = 0.006”, Fig. 7. Dasselbe von einem anderen Muskel. 1 wm = 0:006” Fig. S. Isometrische Tetani gleicher Reizstärke; a) 10 R, 5) 20 R, c) 40 R. 156 OSCAR KOHNSTAMM: ZUR ANALYSE DES TETANUS. Fig. 9. Geringe Summirbarkeit bei Isotonie. Fig. 10. Dasselbe bei Isometrie. Fig. 11. Isotonische Tetani (Reizstärke (Schraubenstand) 15. a) 10 R, b) 20 R. Taf. IV. Fig. 1. Isotonische vollkommene Tetani von demselben Muskel. 5b ist nach a aufgenommen. a) Erholungserhebung, b) Rhythmisches An- und Absinken. Fig. 2. Isotonischer Tetanus (20 R.) Ermüdungsabsinken. Fig. 3. Derselbe Muskel. Spätere Ermüdungsstufe 1 "= = 0.006”. Fig. 4. Rhythmik bei lange andauerndem isometrischem Tetanus, ein grosses Stück in der Mitte ist ausgelassen. Fig. 5 a, b u. c. Verstärkung der Contraetur mit Verstärkung des Reizes. Fig. 6a. Isotonische Schaaren von Einzelzuckungen bei wachsender Reizstärke j mm = 0.006. Fig. 65. Isometrische Schaaren von Einzelzuckungen bei wachsender Reizstärke I ma — 0.0086. Fig. 7 a u. b. Dasselbe von einem anderen Muskel. Fig. S. Symbolische Darstellung der gewöhnlichen Versuchsanordnung. I. Kreis des Magnetinductors. S, Schlüssel in der zweiten Nebenleitung der Inductionsspirale. Jı>» Js. Wippen in den beiden Nebenleitungen. M.-J. Elektromasnet. Sch. Scheibe. 'W; Pohl’sche Wippe. ll. Kreis des Schlitteninduetoriums. S, Schlüssel im primären Kreis desselben. / Taf. V. Magnetinductor mit der Vorrichtung zum Herausschneiden des Einzelreizes im Vordergrund. a, b, ce Klemmschrauben, d Winkel, e Brücke, f Nase. Taf. VI. Myographion, besonders zur Veranschaulichung der isometrischen Feder. Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft zu Berlin. Jahrgang 1892—93. I. Sitzung am 14. October 1892. 1. Hr. A. Kossen hielt den angekündigten Vortrag: Ueber die Nuclein- säure. Je tiefer unsere Untersuchungen in den chemischen Bau der Zelle ein- dringen, um so mehr befestigt sich die Erkenntniss, dass die Eiweissstoffe nicht in freiem Zustande an den wichtigsten Functionen der Zelle theilnehmen, sondern dass sie Theile complieirterer Verbindungen sind. In jeder ent- wieklungsfähigen Zelle können wir Stoffe nachweisen, welche einen Eiweiss- körper in Werbindung mit einem ihm angelagerten Atomcomplex enthalten. Hoppe- Seyler hat die Natur dieser Stoffe zuerst klar dargelegt und durch seine Untersuchungen über den Blutfarbstoff das erste unzweideutige Bei- spiel für diese Körperklasse bekannt gemacht; er gab ihnen den Namen Proteide, um die Analogie mit der Gruppe der Glykoside hervorzuheben. Wie die letzteren unter Bildung von Zucker zerfallen, so zersetzen sich die Proteide unter Bildung von Eiweiss. Bei einem Vergleich der Glykoside mit den Proteiden ist es auffallend, in wie verschiedener Weise die Eigenschaften dieser zusammengesetzten Verbindungen durch ihre Bestandtheile beeinflusst werden. Die Eigenschaften der Glykoside gleichen denen der Zuckerarten durchaus nicht, nur durch besondere Reactionen, durch die Spaltung mit Fermenten oder mit Säuren erkennen wir die Gegenwart der Kohlehydrate. In den Proteiden hingegen beherrscht der eine Bestandtheil, die Eiweissgruppe, die Eigenschaften des ganzen Moleküls. Die Proteide erscheinen bei oberflächlicher Betrachtung ohne weiteres als „Biweissstoffe“ und es ist oft sogar sehr schwierig zu er- kennen, ob ein Proteid oder ein einfacher Eiweissstoff vorliegt. Natürlich muss eine Verwechselung zwischen Proteiden und einfachen Eiweissstoffen zu sehr bedenklichen Irrthümern führen. Wenn man z. B. ein Proteid der Spaltung unterwirft, so erhält man neben den Spaltungsproduceten der Eiweissgruppe noch diejenige des ange- fügten Atomeomplexes’ und man kann in Gefahr kommen, auch diese dem Biosrens angefügten Gruppen für Zersetzungsproduete des Eiweisses selbst zu erklären. Ich glaube, dass es von grosser Wichtigkeit ist, diese Seiten- gruppen, für die ich den Namen „prosthetische Gruppen“? vorschlage, von dem „Eiweisskern“ zu unterscheiden und sie genau kennen zu lernen. Manche Thatsachen sprechen für die Annahme, dass diese prosthetischen Gruppen die Werkzeuge für die wichtigsten Lebensfunetionen sind und dass von ihnen speciell die Bildung der Eiweisskörper ausgeht. Ausgegeben am 21. October 1892. ° Von oootisnu« abgeleitet. 158 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Ich habe bereits mehrfach über eine Gruppe von Proteiden berichtet, welche eine phosphorhaltige Gruppe in Verbindung mit dem Eiweisskern enthalten. Früher hat man alle diese Substanzen uuter dem Namen der Nucleine zusammengefasst. Ich habe dann erwiesen,! dass man unter ihnen zwei physiologisch und chemisch verschiedene Gruppen sondern muss, die Nucleine und die Paranucleine; beide unterscheiden sich durch ihr Vor- kommen, ihre Eigenschaften und ihre Spaltungsproducte. Die Nucleine zerfallen nach Altmann? bei der Einwirkung von Al- kalien unter Bildung einer phosphorreichen organischen Säure, der Nuclein- säure, daneben entsteht ein Eiweisskörper. Die Nucleinsäure ist also als prosthetische Gruppe in den Nucleinen enthalten, sie kommt aber auch in nicht gepaartem Zustand in den Organen vor; in solcher Form wurde sie schon im Jahre 1874 in den Spermatozoön des Lachses von Miescher’ aufgefunden. Dies Vorkommen der „freien“ Nucleinsäure ist wahrscheinlich kein vereinzeltes, aber es ist ausserordentlich schwer, diesen nicht gepaarten Zu- stand der Säure nachzuweisen, da sie in dem Moment, wo die chemischen Agentien die Zelle angreifen, mit Eiweisskörpern Verbindungen eingeht. Was die Histologen als Chromatin bezeichnen, sind im wesentlichen Ver- bindungen der Nucleinsäure mit mehr oder weniger Eiweiss, zum Theil ist es auch wohl „freie“ Nucleinsäure Je geringer der Eiweissgehalt dieser Verbindungen ist, um so mehr nähern sich die Eigenschaften denen der reinen Nucleinsäure, und wir dürfen annehmen, dass der Eiweissgehalt im Chromatin desselben Zellkerns je nach den physiologischen Zuständen ein wechselnder sein kann. Ich habe meine Untersuchung bisher vorwiegend an der aus Bierhefe gewonnenen Nucleinsäure angestellt, weil dieses Praeparat am leichtesten zu beschaffen ist. Die Zusammensetzung dieser Nucleinsäure ist eine andere, wie die von Miescher aus dem Lachssperma gewonnene, aber in einem wichtigen Punkt stimmen beide überein: bei beiden ist das Verhältniss der Phosphoratome zu denen des Stickstoffs wie 1:3. Neuerdings habe ich nun meine Untersuchungen auf einen Körper aus- gedehnt, welcher für die menschliche Physiologie und Pathologie ein hervor- ragendes Interesse besitzt, nämlich auf die Kernsubstanz der Leukoeyten. Hr. Lilienfeld! hat in meinem Laboratorium aus den Leukoceyten der Thymusdrüse eine Substanz isolirt, welche er als Leukonuclein bezeichnet hat. Wie alle Nucleine, liefert auch dieses bei der Zersetzung durch Al- kalien Nucleinsäure, deren Vorkommen in der Thymusdrüse schon durch Altmann’s Untersuchungen bekannt gemacht war. Unterstützt durch die dankenswerthe Hülfe des Hrn. Lilienfeld habe ich grössere Mengen von Leukonuclein aus Kalbsthymus dargestellt und hieraus Nucleinsäure ge- wonnen. Die Untersuchung dieser Säure ergab, dass sie von der aus Heft gewonnenen Nucleinsäure verschieden ist. Sie zeigt in mancher Hinsicht andere Eigenschaften als diese. Auch die Analyse und die Untersuchung ! Diese Verhandlungen. 30. Januar 1891. Dies Archiv. 1891. >. 181. ” Dies Archiv. 1889. S. 524. > Verhandlungen der naturforschenden Gesellschaft in Basel. 1874. VI. S. 138 — 208. * Diese Verhandlungen, 1. April und 22. Juli 1892. S. oben S. 167 und 550, PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — A. KossEL, 159 der Spaltungsproducte führte zu anderen Ergebnissen, auf welche ich noch später zurückkomme. Mehr schon gleicht diese „Leukonucleinsäure“ dem von Miescher aus den Spermatozoön des Lachses gewonnenen Körper, frei- lich ist sie mit diesem auch nicht identisch. Bei der Analyse der Leuko- nucleinsäure fand ich Resultate, welche der Formel C,,H,N,P,O,, ent- sprechen. Diese Formel muss wahrscheinlich noch verdoppelt werden. Hier ergiebt sich wieder das Verhältnis N:P= 3:1 und auch im Uebrigen zeigt sich eine grosse Aehnlichkeit mit der Formel C,,H,.NgP30,,, welche Miescher für die Nucleinsäure des Lachssperma’s aufstellte.! Es ist nicht meine Absicht, hier auf die Einzelheiten der Darstellung und der Eigen- schaften sowie der Analyse dieser Säure einzugehen, bezüglich dieser An- gaben muss ich auf meine ausführliche Mittheilung verweisen, welche dem- nächst in der Zeitschrift für physiologische Chemie erscheinen soll. Unterwirft man die Nucleinsäure der Hefe der Spaltung durch siedende verdünnte Säuren, so gehen aus derselben diejenigen Basen hervor, welche ich früher als Zersetzungsproducte der Nucleine aufgefunden und mit dem Namen „Nucleinbasen“ bezeichnet habe. Dieselben Basen gewann ich auch als Spaltungsproducte der eben erwähnten Leukonucleinsäure und ebenso der Nuceleinsäure aus den Spermatozöen des Lachses und des Karpfens. Weniger charakteristisch ist ein zweites Zersetzungsproduct, welches aus der Nucleinsäure der Hefe hervorgeht. Vor einiger Zeit habe ich dieser Gesellschaft mitgetheilt, dass siedende verdünnte Säuren aus der Hefenuclein- säure eine reducirende Substanz bilden, welche die Merkmale der Kohle- hydrate an sich trägt. Ich habe verschiedene Praeparate der Hefenuclein- säure untersucht, nicht allein solche, die ich selbst dargestellt habe, sondern auch eine aus Hefe gewonnene Nucleinsäure, welche Hr. Altmann mir in freundlicher Weise zur Verfügung stellte. Niemals vermisste ich diesen Körper unter den Zersetzungsproducten. Andererseits stellte ich fest, dass dieses Kohlehydrat aus der Nucleinsäure des Lachs- oder des Karpfen- sperma’s und aus der oben angeführten Leukonueleinsäure nicht gewonnen werden kann. Es ergiebt sich also auch aus diesen Befunden, dass ver- schiedene Nucleinsäuren existiren und dass die Nucleinsäure der Hefe unter diesen Substanzen eine gesonderte Stellung einnimmt gegenüber den unter einander ähnlichen Nucleinsäuren des thierischen Organismus. Um die Natur dieses Kohlehydrats festzustellen, unterwarf ich 20 & Nucleinsäure der Spaltung mit verdünnter Schwefelsäure und stellte daraus die Phenylhydrazinverbindung des Zuckers dar. Es zeigte sich, dass das Produet eine Mischung zweier Körper war. Durch fraetionirte Krystallisation gewann ich einen Körper von dem Schmelzpunkt 204—205°, dessen Ele- mentaranalyse Zahlen ergab, welche mit der Formel des Phenylglukosazons übereinstimmen. Es war somit unter den Spaltungsproducten Glukose oder ein anderes Phenylglukosazon lieferndes Kohlehydrat vorhanden. Es gelang mir nicht, den Körper durch Hefe in Gährung zu versetzen. Eine zweite aus dem Gemenge der Hydrazinverbindungen abgeschiedene Fraction zeigte einen höheren Kohlenstoffgehalt und einen niedrigeren Schmelz- punkt (ea. 150°). Es drängte sich mir in Anbetracht dieses Befundes die ' Die Formel C,,H,oNoP30,, dürfte vorzuziehen sein. 160 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Vermuthung auf, dass hier vielleicht neben der Hexose eine Pentose, d.h. ein Zucker mit 5 Atomen Kohlenstoff vorliege. Zur Prüfung auf die Gegen- wart eines solehen Kohlehydrats benutzte ich eine Methode, welche Tollens und seine Schüler ausgearbeitet haben, nämlich die Ueberführung in Furfurol. Alle Kohlehydrate liefern bei der Behandlung mit siedenden Mineralsäuren Furfurol. Während aber die Hexosen nur Spuren dieses Aldehyds ergeben, bildet er sich in reicher Menge aus den Pentosen und man kann daher die Entstehung grosser Mengen von Furfurol als Nachweis der Pentosen be- nutzen. Ich destillirte nun die aus 20 8" Nucleinsäure abgeschiedene Zucker- menge mit Schwefelsäure und erhielt im Destillat ölige, auf dem Wasser schwimmende Tropfen, welche die Eigenschaften des Furfurols sehr deutlich zeigten. Das Destillat wurde nach nochmaliger Rectification mit Ammoniak versetzt, es schied sich in Form von Krystallnadeln Furfuramid ab, dessen Menge 0-04 8” betrug. Wir haben nach diesem Befund anzunehmen, dass aus der Nuceleinsäure der Hefe zwei Zuckerarten hervorgehen, eine reducirende Hexose und eine Pentose. Da die Pentosen sich häufig in Vereinigung mit Galaktose befinden, so habe ich auch diese Substanz aufgesucht. Meine Versuche ergaben aber mit Sicherheit die Abwesenheit dieser Zuckerart, da ich aus 20 2" Nuclein- säure keine Schleimsäure erhalten habe. Da das reducirende Kohlehydrat in allen von mir untersuchten und . nach verschiedenen Methoden dargestellten Praeparaten der Hefenucleinsäure enthalten war, kann man kaum daran zweifeln, dass dasselbe in einer che- mischen Verbindung mit dem phosphorhaltigen Atomcomplex steht. Trotz- dem ist dasselbe nicht für die Nucleinsäure überhaupt charakteristisch, weil es den Nucleinsäuren thierischen Ursprungs fehlt. Es findet das Auftreten dieses Spaltungsproduets eine Analogie in dem von Hrn. Dr. Walter ge- führten Nachweis, dass das Ichthulin der Karpfeneier ein Paranuclein liefert, welches bei weiterer Spaltung ein reducirendes Kohlehydrat ergiebt. Hr. Dr. Walter konnte auch eine krystallisirende Phenylhydrazinverbindung dieses Zuckers darstellen. Wir sehen somit, dass diese Ergebnisse sich mit der wichtigen Frage nach der Entstehung von Zucker aus Eiweiss eng berühren. Sofern man die Proteide als Eiweissstoffe im Allgemeinen bezeichnet, darf man behaupten, dass die Bildung von Zucker aus Eiweiss in vielen Fällen durch chemische Umsetzung erwiesen sei. Aber in allen Fällen, in denen dieser Nachweis geführt wurde, gehörte das Kohlehydrat nicht dem Eiweisskern, sondern der prosthetischen Gruppe an. Wir wenden uns nunmehr zu der Frage, in welcher Gestalt ist der Phosphor in den Nucleinsäuren enthalten und mit der organischen Gruppe verbunden? Für die Beurtheilung dieser Verhältnisse ist es von grösster Wiehtigkeit, dass wir zwei weitere Zersetzungsproducte der Nucleinsäure betrachten, welche ich durch die Einwirkung der Alkalien bei gewöhnlicher Temperatur erhalten habe. Diese Zersetzung geht nämlich in der Weise vor sich, dass der organische Theil mehr und mehr von dem phosphorhal- tigen Rest abgespalten wird und dass somit Verbindungen entstehen, welehe ausserordentlich reich an Phospher sind. Das erste dieser Producte will ich mit dem Namen Plasminsäure bezeichnen. Diese Säure unterscheidet sich von der Nucleinsäure schon durch PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — A. KossEL. 161 ihre Löslichkeitsverhältnisse. Sie löst sich auch nach längerem Aufbewahren ausserordentlich leicht in Wasser auf, ebenso in sehr verdünnter, wässeriger Salzsäure und kann auf diese Weise von der Nucleinsäure getrennt werden. Sie fällt Eiweiss, wie die Nucleinsäure. Ihre Analyse ergab, dass sie der Formel C,;H,,N,P,O,, entspricht, mithin enthält sie doppelt soviel Phosphor, wie die Nucleinsäure selbst. Unterwirft man sie der Spaltung durch siedende verdünnte Säuren, so gehen aus ihr die Nucleinbasen hervor, ferner entsteht eine noch nicht näher untersuchte stickstoffhaltige organische Substanz, welche ihren Stickstoff bei weiterer Einwirkung der Säuren als Ammoniak abgiebt. Und drittens bildet sich Phosphorsäure. Ich habe diese Plasmin- 'säure bisher nur aus der Hefenucleinsäure dargestellt. Unter ihren Zer- setzungsproducten habe ich aber keinen Zucker gefunden. Es ergiebt sich also, dass die zuckerbildende Gruppe am lockersten angefügt ist, da sie am leichtesten vollständig abgespalten wird. Bemerkenswerth ist ferner die Thatsache, dass in der Plasminsäure eine gleiche Zahl von Phosphor- und Stickstoffatomen enthalten sein müssen. Da nun aus der Plasminsäure das Guanin (C,H,N,O) oder das Adenin (C,H,N,,) und ferner eine dritte stickstoffhaltige organische Substanz entstehen, so muss die Plasminsäure mindestens sechs Stickstoff- und Phosphoratome enthalten. Neben der Plasminsäure und wahrscheinlich durch weitere Zersetzung aus ihr entsteht nun noch eine zweite Säure, über welche ich später berichten werde, aus deren Untersuchung folgt, dass sie weniger Sauerstoff enthalten muss als die Phosphorsäure. Wir haben hier wahrscheinlich eine Anhy- dritform der Phosphorsäure vor uns, und in der That entsprechen die Eigen- schaften dieser Substanz im Wesentlichen denjenigen der Metaphosphorsäuren, welche ja auch Anhydridformen der Phosphorsäure sind. Hr. Leo Liebermann! hat die Meinung geäussert, dass aus dem Nuclein die Monometaphosphorsäure (HPO,) hervorgehe. Wir wissen zwar über die Eigenschaften dieser Säure sehr wenig, aber darin stimmen alle Angaben überein, dass sie schwer lösliche Salze mit Kali und Natron bildet. Dies ist bei der aus Nuclein entstehenden Phosphorverbindung nicht der Fall. Somit ist die von Hrn. Liebermann bezeichnete Anhydridform der Phosphorsäure die einzige, welche sich mit einiger Sicherheit ausschliessen lässt. Fassen wir nun folgende Ergebnisse in’s Auge: 1. In der Plasminsäure, somit auch in der Nucleinsäure, sind mehrere Phosphoratome .enthalten. 2. Aus diesen Säuren geht eine Anhydridform der Phosphorsäure hervor. 3. Diese Anhydridform der Phosphorsäure zeigt nicht die Eigenschaften der Monometaphosphorsäure. So ergiebt sich, dass in der Nucleinsäure ein Kern vorhanden sein muss, welcher durch Vereinigung von mehreren Atomen Phosphorsäure unter Wasseraustritt entstanden ist. Derartiger Anhydridformen der Phosphorsäure kennt man bekanntlich eine grössere Zahl. Wenn man einen solchen Kern in der Nucleinsäure annimmt, so erklärt sich die Bildung der Plasminsäure und der phosphorreichen Verbindung in ungezwungener Weise durch fort- schreitende Abspaltung der kohlenstoff- und stickstoffhaltigen Theile des Pflüger’s Archiv. Bd. 47. S. 155—160. Archiv f. A.u.Ph. 1893. Physiol. Abthlg. 11 162 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Moleküls von der phosphorhaltigen Gruppe. Natürlich müsste man für die Nucleinsäure eine Formel mit mindestens sechs Atomen Phosphor annehmen. Ich will noch bemerken, dass Hr. Liebermann glaubt den Nachweis geführt zu haben,! dass die Zusammensetzung der aus Nuclein entstehenden Säure mit der Metaphosphorsäure übereinstimme Hr. Liebermann führte drei Analysen von Barytsalzen an. Zwei dieser Salze enthielten reichliche Mengen organischer Substanz, können also als Beweismittel nicht in Betracht kommen. Das dritte war nach Liebermann’s Angabe frei von organischer Beimengung, die Menge der zur Analyse verwandten Substanz betrug 15 Milligramm und es enthielt auf 100 Theile Barium 57 Theile Phosphor. Metaphosphorsaurer Baryt hingegen enthält auf 100 Theile Barium 45-26 Theile Phosphor. Hiernach bleiben nur zwei Möglichkeiten. Entweder Hrn. Liebermann’s Analyse ist richtig, dann ist die untersuchte Substanz kein metaphosphorsaurer Baryt gewesen, oder die Analyse ist unrichtig, dann wohnt ihr keine Beweiskraft inne. Hr. Liebermann hat ferner die Behauptung aufgestellt, dass die Nucleinsäuren Verbindungen von Metaphosphorsäure und Eiweiss seien. „Xanthin und Guanin spielen also in den Nucleinen gewiss eine nebensäch- liche Rolle. Sie werden aus den Gewebsflüssigkeiten, in welchen sie ent- halten sind, durch Metaphosphorsäure gefällt und sind natürlich dem gleich- zeitig entstehenden Nuclein beigemischt. — All’ die räthselhaften Beziehungen zwischen Nuclein, Xanthin und Guanin sind hiermit aufgeklärt u. s. w.“? Das sind die Anschauungen, durch welche Hr. Liebermann diese Frage zu lösen glaubte. Ich würde auf diese Behauptungen, deren Unrichtigkeit leicht ersichtlich ist, nicht zurückkommen, wenn sie nicht neuerdings einen Vertheidiger gefunden hätten. Hr. Malfatti? geht ebenfalls von der Ansicht aus, dass das Nuclein eine Verbindung von Metaphosphorsäure und Eiweiss sei und sucht diese Annahme mit der Existenz der Nucleinsäure in Einklang zu bringen. Hr. Malfatti unterwarf das künstlich dargestellte metaphosphorsaure Ei- weiss denjenigen Manipulationen, welche zur Darstellung von Nucleinsäure aus Eiweiss dienen. Hierbei gewann er eine Substanz, welche bis zu 11-6 Procent Phosphor enthielt (der Phosphorgehalt der Nucleinsäure beträgt 9.6— 10-15 Procent Phosphor). Hr. Malfatti, der an der Identität dieser Producte mit den Nucleinsäuren nicht zweifelt, glaubt auf diesem Wege die Bildung der genannten Säure bewirkt zu haben. Die Nucleinsäure wäre also nach der Meinung dieses Autors ein künstliches Product, welches erst durch die Operationen im Laboratorium aus dem metaphosphorsauren Ei- weiss entstehen soll. Diese „künstliche Nucleinsäure“ hat aber mit der wirklichen Nuclein- säure ebensowenig gemein, wie das „künstliche Nuclein“ mit dem natürlichen. In den Spermatozo@en des Lachses findet sich Nucleinsäure praeformirt, zu ihrer Darstellung braucht man die Essigsäurefällung gar nicht. Hrn. Mal- fatti’s Ansicht könnte also von vornherein keinen Anspruch auf allgemeine Gültigkeit erheben. ı Pflüger’s Archiv. Bd. 47. S. 155—160. 2 Centralblatt für die medieinischen Wissenschaften. 1889. Nr. 13. 8. 226. ® Zeitschrift für physiologische Chemie. Bd. XVI. 8. 68. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — A. KoSSEL. 163 Die wirkliche Nucleinsäure liefert, wie ich der Gesellschaft früher mit- setheilt habe, bei der Spaltung die Nucleinbasen (Adenin, Guanin u. s. w.), die „künstliche“ nicht. Hr. Malfatti hat diesen Unterschied zwar aufzu- klären versucht, indem er angab, er könne aus künstlicher Nucleinsäure und Guanin eine Verbindung darstellen, welche sich gerade so verhalte; wie die natürliche. Im einer soeben erschienenen Mittheilung widerruft aber Hr. Malfatti diese Angabe, indem er erklärt, dass ihm die Darstellung dieser Substanz seit einiger Zeit nicht mehr gelinge.! Der tiefgreifende Unterschied in der Constitution beider Körper bleibt also bestehen. Die wirkliche Nucleinsäure enthält keinen Schwefel, giebt keine Roth- färbung mit Millon’s Reagens, keine Spur der Biuretreaction; die sogenannte „künstliche Nucleinsäure“ ist nach Hrn. Malfatti schwefelhaltig. Hr. Dr. Monti hat im hiesigen Laboratorium die „künstliche Nucleinsäure“ nach Hrn. Malfatti’s Vorschrift dargestellt und nicht allein constatirt, dass sie reichliche Biuretreaction ergab, sondern auch eine Rothfärbung mit Millon’s Reagens. Sie ist hiernach eine Verbindung von Eiweiss mit viel Metaphos- phorsäure, während die wirkliche Nucleinsäure in ihrer Constitution keine Aehnlichkeit mit den Eiweisskörpern zeigt. Hr. Malfatti ist also — ebenso wie Hr. L. Liebermann — einem Irrthum anheimgefallen, indem er glaubte, er könne diese Verbindungen künstlich darstellen. Ich kann dieses Gebiet nicht verlassen, ohne noch einer interessanten physiologischen Beziehung zu gedenken, nämlich der Bildung von Harnsäure aus dem Nuclein. Nachdem ich früher gezeigt hatte, dass die der Harn- säure so nahe stehenden Basen aus dem Nuclein hervorgehen, war es selbst- verständlich, dass man das Nuclein als Quelle der Harnsäure im Organismus in Erwägung zog. Ich habe denn auch diesem Gedanken Ausdruck ge- geben, und Hr. Dr. M. Stadthagen” hat im hiesigen Laboratorium eine Reihe von Versuchen angestellt, um die Entstehung der Harnsäure aus dem Nuclein zu prüfen. Speciell hat Hr. Stadthagen den Gedanken verfolst, dass die Bildung der Harnsäure aus dem Nuclein im Körper aus demselben Atomcomplex erfolge, weicher ausserhalb des Körpers die stickstoffreichen Basen liefert. Diese Versuche führten zu keinem Resultat, weil es Hrn. Stadthagen nicht glückte, eine genaue Trennung der Harnsäure vom Xanthin zu bewirken. Später hat nun Hr. Horbaczewski? diesen durch meine Versuche begründeten Gedanken wieder aufgenommen und glaubt den noch fehlenden direeten Beweis für meine Anschauung geliefert zu haben, indem er zeigte, dass bei der Digestion von Organen mit Blut eine Ver- mehrung der Harnsäure eintrete. Ich kann aber nicht den Eindruck gewinnen, als ob durch seine Ver- suche ein Fortschritt in der Lösung der Frage erzielt worden sei. Denn Hr. Horbaczewski hat nicht in Betracht gezogen, dass das Xanthin durch Salzsäure gefällt wird und deshalb dem als Harnsäure angesprochenen Nie- derschlag beigemengt sein muss. Diese Fehlerquelle verdient um so mehr Beachtung, als die unter meiner Leitung angestellten Versuche von Schind- ! Zeitschrift für physiologische Chemie. Bd. XVIL 8. S. ° Virchow’s Archw. Bd. 109. 8. 390 u. £. t ® Monatshefte für Chemie. Sitzungsbericht der Akademie der Wissenschaften zu Wien. Juli 1889 und April 1891. US 164 VERHANDLUNGEN DER BERLINER ler erwiesen haben, dass durch die Fäulniss aus dem Guanin Xanthin ent- steht. Somit muss bei der von Hrn. Horbaczewski getroffenen Versuchsanord- nung eine Vermehrung des Xanthins eintreten, welche eine Vermehrung der Harnsäure vortäuschen kann.! Neuerdings hat nun Hr. Wulff im hiesigen»Laboratorium eine Methode ausgearbeitet, welche zur Trennung von Harnsäure und Xanthin dienen kann und welche hoffentlich den noch fehlenden experimentellen Beweis für die aus meinen früheren Versuchen dedueirten Anschauungen ermöglichen wird. Bei der Beurtheilung der Rolle, welche die Nucleinsäure in physiolo- gischen und pathologischen Zuständen spielt, muss die eigenthümliche Fähig- keit dieses Körpers, sich mit Eiweiss zu verbinden, auch in Betracht gezogen werden. Es ist eine eigenthümliche Erscheinung, dass in der eiweissreichen Zelle eine Substanz vorhanden sein kann, die mit Eiweisskörpern so leicht Verbindungen eingeht, die aber während des Lebens der Zelle trotzdem un- verbunden bleibt. Diese kräftige Affinität der Nucleinsäure zum Eiweiss bewirkt, dass organisirte Theile, welche mit dieser Säure in Berührung kommen, sofort getödtet werden. Mir liegt eine Reihe von Versuchen vor, welche mich zu dem Schlusse geführt haben, dass die lebende Zelle und speciell der Organismus der Leukocyten in der Nucleinsäure eine Waffe be- sitzt für den Kampf gegen Mikroorganismen und ihre Producte. Diese That- sachen erklären in gewisser Hinsicht die Wirkung der Phagocyten und die Vernichtung von Toxalbuminen im thierischen Körper. Ich bin mit Unter- suchungen in dieser Richtung beschäftigt und hoffe der Gesellschaft bald Mittheilungen darüber machen zu können. — Den HH. Dr. Krüger und Dr. Schlömann, welche mich bei den Analysen unterstützt haben, spreche ich meinen besten Dank für ihre werthvolle Hülfe aus. 2. Hr. J. Gap hielt den angekündigten Vortrag: Zur Theorie der Erregungsvorgänge im Muskel.’ Der scheinbar einfachste Ausdruck der Erregungsvorgänge im Muskel ist gegeben durch die Zuckungscurve des isolirten Muskels. Will man die bisher eingeschlagenen Wege übersehen, um aus der Form dieser Curve Schlüsse auf den inneren Process zu ziehen, so empfiehlt es sich, zunächst in der Vorstellung an die Stelle des Muskels eine Reihe longitudinal angeordneter Solenoide zu setzen, die in ebensoviele Stromkreise eingeschaltet sind. Die nächstliegende Vorstellung wäre die, einen Strom- schluss von momentaner Dauer in einem einzelnen Solenoid’ mit dem, ein Muskelelement treffenden Reiz, und die hierdurch veranlasste stossartige Zu- sammenziehung mit dem Erregungsvorgange zu vergleichen, der sich in der Zeit von Solenoid zu Solenoid fortpflanzte. Eine von ähnlicher Voraussetzung ausgehende Construction, wie sie Jendrassik thatsächlich durchführte, ergiebt eine symmetrische Wellenform der Zuckungscurve. Diese Form erscheint aber als seltener Einzelfall unter tausend abweichenden. Auch andere sicher begründete Thatsachen wider- sprechen den Folgerungen, zu denen Jendrassik’s Hypothese nöthigt. ! Auch ist beachtenswerth, dass die Nucleinsäure, welche durch Fäulniss zerstört wird, die Ausfällung der beigemischten freien Nucleinbasen verhindert. Diese That- sache ist bei allen quantitativen Bestimmungen in Betracht zu ziehen. 2 Der Bericht über diesen Vortrag wurde erst mit Nr. 2 u.3 am 18. November ausgegeben. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — J. GAD. 165 Die Zusammenziehung und Wiederausdehung eines Solenoids kann auf noch andere Weise bewerkstelligt werden. Der den Solenoidkreis durch- fliessende Strom wird von einer Tauchbatterie geliefert und seine Intensität durch Variation des Eintauchens nach bestimmtem Gesetz verstärkt und wieder geschwächt. Der jeweilige Zustand des Systems ist dann proportional der Intensität eines Processes, nämlich proportional der Intensität des chemi- schen Processes in der Tauchbatteriee Die diesem Schema entsprechende Vorstellung, dass der jeweilige mechanische Zustand des Muskels, in einem bestimmten Momente nach einer Reizung, proportional sei der Intensität, welche ein dem Erregungsvorgang entsprechender chemischer Process in diesem Momente erreicht habe, beherrscht mit grösserer oder geringerer Klarheit noch jetzt die Köpfe derjenigen, die über diese Dinge nicht allzu- tief nachgedacht haben. Fick ist schon vor langer Zeit durch seine tiefgreifenden Untersuchungen zu einer anderen Auffassung gelangt, die ich glaube, durch folgendes Bild zweckmässig versinnlichen zu können. Ein Eisenstab mit mittlerer Coöreitiv- kraft schwimmt aufrecht mittels eines Korkstückes auf Wasser unter einem senkrechten festen Magnetstab, dessen Nordpol nach unten gekehrt sein mag. Der Eisenstab ist von zwei isolirten Solenoiden umgeben, deren jedes einem besonderen Stromkreise angehört. Der bei Schluss des einen Strom- kreises entstehende Strom möge das obere Ende des Eisenstabes zu einem Südpol machen; das andere Solenoid habe entgegengesetzte Wirkung. Jeder Stromkreis sei von einer Tauchbatterie abgeleitet, so dass die Stromintensität in demselben nach beliebigem Gesetz geändert werden kann. Die Stellung des Eisenstabes zum Magnetstab ist jetzt, wenn wir zunächst nur einen Stromkreis in Betracht ziehen, nicht allein abhängig von der je- weiligen Intensität des Stromes in diesem Kreise, sondern auch vom Zeit- integral der Intensitätscurve des Stromes, denn diesem Zeitintegral propor- tional ist die Intensität des remanenten Magnetismus. In jedem Zeitmoment ist die Ordinate der Intensitätscurve des Stromes proportional der Intensität des chemischen Processes in der Batterie. Zu den Producten dieses Processes gehört bei der supponirten An- ordnung der remanente Magnetismus, welcher, einmal entstanden, nicht ohne weiteres wieder schwindet. Auf dieser Anhäufung beruht es, dass die In- tensität des Magnetismus nicht proportional ist der Intensität des chemischen Processes in demselben Moment, sondern der Summe aller vorhergegangenen Intensitäten. Der Intensität des chemischen Processes selbst proportional ist der Zu- wachs, welchen die magnetische Intensität in den betreffenden Zeittheilchen erfährt. Ist die Intensität des Processes wieder Null geworden, so hat da- mit auch der Magnetismus aufgehört einen Zuwachs zu erfahren, doch hält er sich, wenn nichts anderes geschieht, auf der einmal erreichten Höhe. Dem Magnetismus in unserem Beispiele können wir die Längsattraction zwischen den Muskelelementen vergleichen, welche in der Verkürzung des erregten Muskels, oder bei verhinderter Verkürzung in der Wirkung auf einen Spannungsmesser zum Ausdruck kommt. Mit der dauernden Erhebung unseres Eisenstabes nach Ablauf einer einmaligen Stromesschwankung in dem ersten Stromkreise könnte der Zustand des wärmestarren Muskels in Parallele gesetzt werden. 166 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Den durch einmaliges Ein- und Austauchen der Batterie des ersten Solenoids erzeugten dauernden Zustand, kann man durch eine entsprechende Manipulation an der zweiten Batterie wieder aufheben und auch wenn man die Stromesschwankung in dem zweiten Solenoid schon beginnen lässt, ehe diejenige im ersten abgelaufen ist, so entsprieht der jeweilige Zustand des Systemes der Differenz der Zeitintegrale beider Stromescurven. So könnte man durch beliebige Combination je zweier Stromesschwankungen dem Eisenstabe Bewegungen ertheilen, welche die Bewegungen des freien Muskel- endes bei verschiedenem Verlauf der Zuckungscurve nachahmten. Es ist gut, schon jetzt darauf hinzuweisen, dass auch bei diesem Beispiele der Arbeits- oder Wärmewerth der Zeitintegrale der beiden antagonistisch an- greifenden chemischen Processe — wie wir es auch für den Muskel voraus- setzen werden —- nicht gleich zu sein brauchte und dass die Zurückführung des Systems in den ursprünglichen mechanischen Zustand doch eintreten könnte; man brauchte sich z. B. nur vorzustellen, dass der Strom, welcher die Entmagnetisirung bewirkt, durch eine anders zusammengesetzte Batterie geliefert werde, welche die gleiche Stromintensität bei grösserem oder klei- nerem Stoffumsatze liefert wie diejenige Batterie, welche die Magnetisirung bewirkt. Die Consequenzen, welche aus der Annahme eines geringeren Grades von Üoöreitivkraft folgen, liegen auf der Hand; es bedarf dann keines zweiten Processes, damit der ursprüngliche Zustand in längerer oder kürzerer Zeit sich wiederherstelle. Eine, dem complieirteren Schema entsprechende Hypothese darf natür- lich erst angenommen werden, wenn zwingende Gründe dazu nöthigen. In diese Lage sah ich mich versetzt durch die Erfahrungen, die ich in Gemeinschaft mit Hrn. Heymans bei der Untersuchung über die Abhängig- keit der Form der Muskeleurve von der Temperatur gesammelt habe. Es bot sich uns nämlich, wie Sie sich erinnern, das auffallende Phaenomen dar, dass bei 19° ein Minimum der Curve der Zuekungshöhen in ihrer Abhängig- keit von der Temperatur liegt. Bei Steigerung der Temperatur nimmt die Zuckungshöhe zu, sie wächst aber auch bei sinkender Temperatur. Wir standen vor dem Paradoxon, dass die Intensität eines, ich darf wohl ohne Widerspruch zu fürchten sagen, chemischen Processes eine so complieirte Function der Temperatur sein sollte. Dass chemische Processe bei Erhöhung der Temperatur an Intensität zunehmen, ist nicht auffallend. Unerklärlich war aber, wie die durch die Zuckungshöhe gemessene Intensität des Muskel- processes mit dem Sinken der Temperatur ebenfalls wachsen sollte. Dieses Dilemma war für mich der Anlass, ernstlich an die Fiek’sche Auffassung heranzutreten. Wenn wir dieselbe in ihrer greifbarsten Porm, welche von ihrem Ur- heber aber wohl nur bildlich gemeint war, auf den Fall der Isotonie an- wenden, so ergiebt sich uns die isotonische Zuckungsceurve als die Resulti- rende zweier Processe, von denen der eine in der Spaltung von Zucker in Milchsäure, der andere in der Verbrennung von Milchsäure zu CO, und H,O besteht. Die Ordinate der Zuekungseurve für irgend einen Zeitpunkt ergäbe sich proportional der Differenz der bis zu diesem Augenblick gebildeten und verbrannten, d. h. proportional der gerade vorhandenen Milchsäuremenge. Ich habe damals zu den empirisch gewonnenen Zuckungseurven Curvenpaare PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — J. GAD. 167 construirt, die ich mit der Temperatur continuirlich an Höhe und Steilheit des Verlaufes abnehmen liess. So gelang es mir ohne irgend welche Un- wahrscheinlichkeit, nur durch Hinzufügen der Annahme, dass der Ablauf des zweiten Processes bei Erniedrigung der Tempexatur stärker verzögert werde, als der des ersten, über jenes Paradoxon hinwegzukommen. Wir können die bisherige Vorstellung erweitern und uns zugleich von einer zu speciellen Fassung derselben unabhängig machen, wenn wir sagen: Die Ordinaten der Zuckungseurve sind proportional den Differenzen der Or- dinaten zweier Curven, von denen jede wieder proportional dem Zeitintregale einer Intensitätscurve ist. Die Ordinaten der einen dieser letzteren Ourven sind proportional zu setzen der im Zeitdifferential angehäuften, die der an- deren proportional der gleichzeitig weiterverbrannten Milchsäuremenge, — wenn wir das Beispiel der Milchsäure als eines Zwischenproductes in dem chemischen Muskelprocess festhalten, oder proportional der in dem Zeit- element gebildeten und aufgehobenen Menge an remanentem Magnetismus, wenn wir uns des anderen Gleichnisses bedienen wollen. Dieses Gleichniss hat für die erste Erleichterung der Auffassung den Vortheil, dass bei ihm als Product des ersten chemischen Processes sofort eine, der vermehrten Längsattraction im Muskel parallel zu setzende, weil zu einer mechanischen Arbeitsleistung befähigte Kraft vorgestellt wird. Um eine Vorstellung davon zu geben, wie ein chemisches Zwischenproduct des Muskelprocesses, wie zum Beispiel die Milchsäure, eine der vorhandenen Menge des Zwischenproductes proportionale Aenderung der Längsattraetion der Muskelelemente bedingen solle, bedarf es dagegen selbst erst einer Hypothese über einige Zwischen- formen, welche die Energie auf dem Wege von der chemischen Spannkraft im arbeitsleistenden Muskelmolekül bis zu der lebendigen Kraft der durch den Muskel bewegten Masse zu durchlaufen hat. Der Gedanke, dass das chemische Zwischenproduct die physikalischen Constanten der Muskelsubstanz im Sinne einer Gerinnung verändere, ist von der Hand zu weisen. Bei der Wärmestarre handelt es sich in der That um Gerinnung und hier ist, wie Fick zuerst gezeigt hat, das Verhältniss von isometrischer zu isotonischer Leistung ein ganz anderes, als bei dem vitalen Erregungsvorgang; bei dem Starrwerden kann der unbelastete Muskel sich sehr stark verkürzen, doch kann er durch sehr kleine Widerstände hieran verhindert werden. Ausser- dem sondert sich die Muskelstarre dadurch deutlich von der vitalen Muskel- contraetion ab, dass der Muskel, wie Hr. Heymans gefunden hat, ehe er beginnt wärmestarr zu werden, seiner Erregbarkeit verlustig geht; es ist also die vorher abgestorbene Muskelsubstanz, welche bei der Wärmestarre ge- rinnt. An Stelle der Gerinnung werden wir andere Vorbilder physikalischer Zustandsänderungen in die Hypothese aufzunehmen haben, doch davon später. Zunächst müssen wir noch ein Wort über die Milchsäure als das hypo- thetische Zwischenproduct des chemischen Processes sagen. Bunge hat durch eine Annäherungsrechnung, der er die Buttersäuregährung zu Grunde legte, dargethan, dass um eine bestimmte mechanische Arbeit durch die fragliche Spaltung zu bestreiten, widersinnig grosse Zuckermengen ver- Ina; werden müssten und dies gilt weibmealheinlhienh a fortiori für die Milch- säuregährung. In der That muss die Fähigkeit des Muskels, bei einmaligem Hube mechanische Arbeit zu leisten, ausschliesslich abgeschätzt-"werden nach dem 168 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Wärmewerth desjenigen Theiles des gesammten chemischen Muskelprocesses welcher zu dem Zwischenproduct führt, an dessen Vorhandensein im Muskel gebunden die zeitweise Vermehrung der Längsattraction gedacht werden soll. Wiederholte Arbeitsleistung, - wie sie dem Organismus allein nützlich sein kann, ist nun freilich nur möglich, wenn der einmal contrahirte Muskel wieder erschlafft, sich dann wieder contrahirt und so fort, so dass, wenn der contra- hirte Zustand an das Vorhandensein einer chemischen Substanz gebunden ist, der Muskel es sich schon etwas kosten lassen darf, um diese Substanz durch Verbrennung schnell wieder los zu werden und sich dadurch so schnell wie möglich zu neuer Arbeitsleistung zu befähigen. Wenn es sich also nur um Abschätzung des Verhältnisses zwischen den Wärmewerthen beider Theile des chemischen Muskelprocesses handelte, so würde die Aufnahme eines Zwischenproductes in die Hypothese, dessen Entstehung weniger chemische Spannkraft verbrauchte als dessen Verbrennung, nicht gerade widersinnig sein; nur müsste der Wärmewerth des ersten Processes gross genug sein, dass er absolut genommen der durch den Muskel ausführbaren Arbeitsmenge gleich gesetzt werden dürfte, ohne dass man dadurch zu einer unsinnigen Annahme über die Menge des umgesetzten Stoffes gedrängt würde, wie es bei der Annahme der Milchsäure als des für die Contraetion wesentlichen Zwischenproductes zwischen Kohlehydrat einerseits und Wasser plus Kohlen- säure andererseits der Fall sein wird. Bei dem von Bunge — wohl nur wegen des zufälligen Vorhandenseins der erforderlichen Wärmebestimmungen — behandelten Beispiels der Buttersäuregährung C,H,50, = C,H,0, + 200, + 2H, würden die Verhältnisse für eine ehemische Specialisirung der Vorstellungen insofern günstiger liegen, als der Verbrennung des Wasserstoffes ein hoher Wärmewerth zukommt, das hypothetische Zwischenproduct Säure + Wasser wäre, die Vermehrung der Längsattraction an die gleichzeitige Vermehrung dieser beiden Substanzen gebunden sein und der Muskel durch Verbrennung der Säure, also durch einen chemischen Process von verhältnissmässig kleinem Wärmewerth in den Anfangszustand zurückgeführt werden könnte. Ver- führerisch mag es auch erscheinen, an die physikalisch-chemischen Com- binationen zu denken, welche an das Auftreten von Wasserstoff in statu nascendi gebunden sein könnten — aber alle solche Specialisirungen wären jetzt verfrüht, denn über die wirklichen Zwischenproduete des chemischen Muskelprocesses wissen wir zur Zeit nichts. Aus der Unmöglichkeit, schon jetzt nach dieser Riehtung zu specialisiren, entnehmen wir aber keine Nöthi- gung, die sehr fruchtbare Grundanschauung der Fick’schen Hypothese aufzu- geben, nach welcher der physikalische Zustand des in Erregung contrahirten Muskels von dem Vorhandensein eines oder mehrerer Zwischenproducte des chemischen Muskelprocesses abhängen soll. Das Paradoxon, welches mich seiner Zeit veranlasste, die Fick’sche Theorie herbeizuziehen, hätte, wenn die Temperaturversuche ausschliesslich nach älteren Methoden angestellt gewesen wären, noch scheinbar umgangen werden können. Bei der Abkühlung könnte nämlich der Einfluss der durch die Gestaltsveränderung hervorgerufenen inneren Elastieität derart herab- gesetzt werden, dass trotz Abnahme des chemischen Processes bei Abkühlung doch noch eine Steigerung der Zuckungshöhe hätte resultiren können. Diese Eirklärungsmöglichkeit fiel mit der Thatsache, dass bei Isometrie, bei welcher PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — J. GAD. 169 der Einfluss der inneren Elastieität wegen der Verhinderung der Formände- rung des Muskels ausgeschlossen ist, das Phaenomen ebenso eintritt, wie bei Isotonie. Das ursprünglich von Marey vorgeschlagene, aber erst von Fick ernsthaft in die Experimentaltechnik hineingezogene Verfahren, den Muskel unter zwei extremen äusseren Bedingungen zu untersuchen, einmal, indem man seine Längenänderung frei sich entwickeln lässt unter möglichster Ver- meidung von Spannungsänderungen (isotonisches Verfahren) und das andere Mal, indem man den Muskel an einen Spannungsmesser angreifen lässt, dessen Feder dem Muskel nur minimale Verkürzung gestattet, welche letztere bei Aufzeichnung in entsprechender Vergrösserung dann ein deutliches Bild von dem zeitlichen Verlaufe der Spannungsänderung bei verhinderter Länge- änderung giebt (isometrisches Verfahren) — hatte sich uns aber schon da- mals als sehr förderlich erwiesen. Da die Muskelfaser bei der Erregung ihr Volumen nicht merklich ändert, so folgt, dass durch Verhinderung der Länge- änderung überhaupt jede Aenderung ihrer äusseren Form ausgeschlossen ist. Bei Isotonie (und schwacher Belastung) ist diese Formänderung durch äussere am Muskel angreifende Kräfte nicht beeinträchtigt, doch ruft sie selbst inner- halb des Muskels, namentlich wohl durch Querdehnung des Sarkolemm- schlauches elastische Kräfte wach, welche die Verkürzungscurve beeinflussen. Bei Isotonie muss in jedem Augenblick Gleichgewicht bestehen zwischen der jeweiligen Längsattraction der Muskelelemente und dem Gewichte der dem Muskel angehängten Last + der Querspannung der Sarkolemmschläuche, bei Isometrie zwischen der Längsattraction der Muskelelemente und der Spannung der Feder, an welcher der Muskel angreift. Die innere Elastieität des Muskels könnte durch Temperaturänderungen beeinflusst sein, für die äussere Elasti- eität war dies ausgeschlossen, jede Höhenänderung der isometrischen Curve musste also rein auf Aenderung in der Längsattracetion der Muskelelemente bezogen werden. Diese Schlussfolgerung aus dem vergleichend isotonisch- isometrischen Verfahren gilt mit mathematischer Sicherheit und ist leicht übersichtlich. Etwas schwieriger liegt die Sache mit einer anderen Üonse- quenz, zu welcher das vergleichend isotonisch-isometrische Verfahren auf- fordert, welche ich früher auch schon einmal angedeutet habe, der wir jetzt aber ernstlich näher treten müssen. Eine Längenänderung des Muskels können wir uns nicht vorstellen ohne an eine Aenderung der gegenseitigen Lage seiner Moleküle zu denken. Wenn bei der Verkürzung durch Erregung eine Aenderung nur der molecularen Abstände däs Wesentliche wäre, so müssten wegen der Constanz des Volumens longitudinale Abstandsabnahmen genau gleichen Querzunahmen gegenüber- stehen. Das ist noch unwahrscheinlicher, als es die Annahme von mole- eularen Abstandsänderungen in der, doch nicht gasförmigen, Muskelsubstanz an sich schon ist, und es wird bei der Verkürzung durch Erregung weniger auf Abstandsänderungen zwischen den Molekülen als auf Umlagerungen der- selben hinauskommen. Denken wir uns die isotonische Verkürzung zustande- kommend durch numerische Zunahme der molecularen Längsreihen auf Kosten der Zahl der Querreihen, so müssen wir uns auch denken, dass die iso- metrisch gemessene Spannung zustande kommt dadurch, dass diese mole- eulare Umlagerung verhindert wird; das Streben nach dieser molecularen Umlagerung ist die Spannung und bleibt (bei gleichem Erregungszustande) so lange Spannung, als es nicht durch Eintreten der Umlagerung befriedigt 170 VERHANDLUNGEN DER BERLINER wird. Die Annahme von molecularen Umlagerungen in dem erregten Muskel ist darum von grosser Bedeutung für die Vorstellungen von dem Wesen der musculären Erregungsvorgänge, weil wir es im Muskel offenbar mit mehreren Substanzen verschiedener physikalischer Natur zu thun haben, welche wegen ihrer verschiedenen Constitution auch chemisch auf einander zu wirken im Stande sein werden, so dass der Ablauf der chemischen Pro- cesse im Muskel wesentlich von dem Umfang abhängen kann, in welchem Moleeüle der verschiedenen Substanzen in Berührung kommen. Will man die Annahme übrigens als eine willkürliche bezeichnen, so habe ich nichts dagegen, es muss sich dann eben zeigen, ob sie zu Thatsachen in Wider- spruch tritt oder nicht. Für meine Erwägungen und für den Fortgang der Arbeiten zur Theorie der Muskelprocesse, die Hr. Kohnstamm unter meiner Leitung mit grossem Scharfsinn ausgeführt hat und über welche ich jetzt berichten will, hat sich nun folgende, aus der gemachten principiellen Annahme entwickelte bild- liche Vorstellung als sehr fruchtbar erwiesen. Die Querscheiben, die den Muskel zusammensetzen, sind in Folge ihrer besonderen chemischen Con- stitution in der Ruhe nicht mischbar und durch einen Meniscus mit Ober- flächenspannung von einander getrennt. Der Reiz greift zunächst in der einen Substanz an und der in ihr ausgelöste chemische Process verändert diese in der Art, dass bei gestatteter Verkürzung ihre Theilchen sich zwischen diejenigen der Substanz der benachbarten Querscheibe einschieben, dass es in gewissem Sinne zu einer Mischung beider Substanzen kommt (aber am Orte der zweiten.” Unter dem Einfluss der neuen Anordnung entwickelt sich nun im Wechselverkehr zwischen beiden Substanzen, ein zweiter Process, der die Mischbarkeit wieder aufhebt und die Restitution bewirkt. Die Ver- hinderung der Zusammenziehung oder der Mischung durch Festhalten des gereizten Muskels (Isometrie) verhindert oder verzögert wenigstens den zweiten Process, während sie die volle, der Reizstärke entsprechende Aus- bildung des ersten Processes begünstigt. Der Process, welcher den Muskel in den ursprünglichen Zustand zurückführt, kann bei vollkommener Isometrie ein anderer sein, als bei vollkommener Isotonie. Das chemische Zwischen- product kann durch Verbrennung entfernt werden (Isotonie) oder auf andere Weise, etwa durch Diffusion (Isometrie). Der höchste specifische Wärme- werth würde dem ersten Processe, das heisst der Bildung des für den Grad der Längsattraetion maassgebenden Zwischenproductes (Isotonie und Isometrie) zukommen, ein geringerer specifischer Wärmewerth dem zweiten Processe bei reiner Isotonie, der geringste und praktisch vielleicht zu vernachlässigende dem zweiten Processe bei Isometrie. Bei den Versuchen zur Analyse des Tetanus, die den Ausgangspunkt der Untersuchungen des Hrn. Kohnstamm bildeten, stellte es sieh nun heraus, dass auch die Einzelzuekungen gerade in den Beziehungen, auf die es uns ankam, noch zu wenig erforscht waren. Wir stellten uns also zu- nächst die Aufgabe, den Einfluss wachsender Reizstärken auf Höhe und ! Wir haben diese Vorstellung der anderen, ebenso naheliegenden vorgezogen, ass der Mechanismus der Verkürzung auf eiver Vergrösserung der sich berührenden (‚renzflächen zwischen den benachbarten Querschichten berube, durch Aenderung der Oberflächenspannung. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — J. GAD. ıkreıl Form der isotonischen und isometrischen Einzelzuckungen genau vergleichend kennen zu lernen. Eine der auffälligsten Erscheinungen der Myophysik ist es, dass bei fortschreitender Verstärkung des Einzelreizes eine Hubhöhe erreicht wird, welche zwar durch weitere Verstärkung des einzelnen Reizes nicht über- troffen werden kann, wohl aber durch Wiederholung des Reizes in passen- dem kurzen Zeitintervall. Die Grenze für Steigerung der Hubhöhe bei Einzelreiz scheint also nicht in inneren Widerständen gegeben zu sein, welche — wie die Elastieität der Sarkolemmschläuche — vom Reize unab- hängig sind; es ist einladender, anzunehmen, dass es sich um einen chemi- schen Process handelt, der durch Interferenz dämpfend eingreift und dessen Entwiekelung anders durch Verstärkung des Einzelreizes als durch die Wiederholung des Reizes beeinflusst wird. Es könnte dies der von uns ge- dachte zweite Process bei Isotonie sein; würde dieser bei wachsender Stärke des Einzelreizes in seinem Ablaufe mehr beschleunigt als der erste Process, so würde das Phaenomen.der maximalen Einzelzuckung verständlich sein. Es müsste dann aber auch erwartet werden, dass bei Isometrie, wo der zweite Process weniger oder gar nicht durch die Reizstärke beeinflusst werden soll, die Reizstärke bis zur Erzielung der maximalen Spannung weiter sollte gesteigert werden können, als es bei Isotonie zur Erzielung maximaler Verkürzung möglich ist. Die leicht zu gewinnenden Curven der isotonischen und isometrischen Höhen als Functionen der Reizstärke erfüllen das oben entwickelte Postulat (in etwa 95°/, der Fälle) und zeigen auch sonst inter- essante, der Theorie günstige Einzelheiten, auf welche Hr. Kohnstamm bei Darlegung der Curven in einer ausführlichen Publication eingehen wird. Jede Theorie der Erregungsvorgänge im Muskel muss sich in Ueberein- stimmung finden mit den Resultaten der Versuche über die Wärmebildung im Muskel, welche wir namentlich Heidenhain, Fick und ihren Schülern verdanken. Der für dieses Gebiet fundamentalen Entdeckung Heidenhain’s, dass die Wärmebildung im erregten Muskel zunimmt mit den äusseren Wider- ständen, welche der Verkürzung bereitet werden, trägt unsere Theorie Rech- nung durch die Annahme, dass der erste Process, welchem der Natur der Sache nach der grössere specifische Wärmewerth zuzuschreiben ist, sich um so vollkommener entwickeln kann, je mehr die moleculare Umlagerung ver- hindert ist. Diese Annahme mag auf den ersten Blick ebenso paradox er- scheinen, wie das Heidenhain’sche Phaenomen selbst, denn wenn das Pro- duet des ersten chemischen Processes nach der Umlagerung schneller entfernt wird, so häuft es sich dann weniger an und die Anhäufung des Productes eines chemischen Processes ist im Allgemeinen dem Fortgang desselben Processes nicht günstig, mag man als Product des Processes eine chemische Substanz in das Auge fassen, wie bei der Gährung, oder eine bestimmte Energieform, wie die Wärme in einem elektrischen Leitungsdraht. Bleiben wir aber bei dem von uns vorgeschlagenen Bilde für die inneren Vorgänge im Muskel stehen, so ist es ganz gut denkbar, dass die die Arbeitsleistung durch ihren (zunächst intramoleeularen) Stoffumsatz bestreitenden Moleeüle der ersten Substanz nach ihrem Eindringen in die zweite dort — gewisser- maassen in einem anderen Medium — andere Nebenbedingungen vorfinden, welche für ihren Stoffumsatz mehr hinderlich sind, als der Entfernung des Stoffwechselproductes günstig. Dass übrigens auch bei Isometrie der erste 172 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Process mit der Zeit eine Dämpfung erfährt, geht daraus hervor, dass nach Fiek nicht bei völlig isometrisch verlaufender Einzelerregung die grösste Wärmemenge erscheint, sondern dann, wenn man dem zunächst festgehaltenen Muskel im späteren Theile des Erregungsvorganges zu zucken erlaubt. Der Zuwachs an Wärme, welchen der — jetzt wahrscheinlich durch Anhäufung des Stoffwechselproducetes — gedämpfte erste Process noch liefern kann, ist kleiner als der Zuwachs aus dem durch moleculare Umlagerung begünstigten zweiten Process, welcher zwar geringeren specifischen Wärmewerth hat, unter den besonderen Bedingungen aber eine grössere Intensität besitzt. Während des isometrisch verlaufenen Theiles des Erregungsvorganges hat sich die denkbar grösste Menge des chemischen Zwischenproductes gebildet, welche dann bei plötzlich gestatteter Umlagerung ebenso plötzlich verbrennt. Was nun die Resultate der Wärmeversuche betrifft, die zur Frage der maximalen Einzelzuckung in Beziehung stehen, so hat Hr. Kohnstamm alle, welche sich in der Litteratur niedergelegt finden, sorgfältig gesammelt und es hat sich ergeben, dass Reizstärken, welche in Bezug auf die isoto- nische Zuckungshöhe schon übermaximale waren, bei weiterer Verstärkung stets noch Steigerung der Wärmebildung bei isotonischem und isometrischem Verfahren ergeben haben. Die isotonische Zuckungshöhe nimmt also eine Sonderstellung ein, aus welcher sie sich als das Resultat einer Interferenz ergiebt. Da das Interferiren innerer elastischer Kräfte — mit Rücksicht auf die Steigerungsfähigkeit der Zuckungshöhe durch Wiederholung des Reizes — wesentlich ausgeschlossen erscheint, so geht aus diesen Versuchen her- vor, dass solange bei Steigerung der Reizstärke über die sog. maximale hinaus bei Isotonie die Wärmebildung noch zunimmt, zwei in Bezug auf die zu erreichende Hubhöhe antagonistische Processe gesteigert werden, von denen der zweite aber eine grössere Beschleunigung erfahren muss. Ganz unmittelbar treten uns nun aber die Zeichen der hervorragenden und mit wachsender Reizstärke wachsenden Beschleunigung des zweiten Pro- cesses bei Isotonie entgegen, wenn wir isotonische und isometrische Curven- schaaren, welche von Hın. Kohnstamm bei gleichmässig wachsender Reiz- stärke aufgenommen wurden, in Bezug auf genauere Einzelheiten ihres zeit- lichen Verlaufes als sie bisher beachtet worden sind, mit einander ver- gleichen. Das übereinstimmende Ergebniss sämmtlicher Versuche war, dass die höheren isotonischen Curven ihr Maximum früher erreichen und dass sie, die niedrigeren in ihrem Abstieg schneidend, früher zu einer niederen Höhe herabsteigen, als letztere, ja dass die isotonischen Zuckungen bei übermaximalen Reizen oft noch steiler abfallen als bei maximalen, während die isometrischen Curven alle verlaufen, wie solche, welche einer und der- selben Function entsprechen und nur einen wachsenden Parameter haben. Eine schlagendere Bestätigung der theoretischen Voraussetzungen ist wohl kaum denkbar. Das Gebiet der weiteren Anwendung unserer Theorie ist noch nicht zu ermessen. Ich verweise nur noch auf die Luciani’sche Treppe, die ähnlich zu verstehen sein wird, wie die Erhöhung der Zuckungsgipfel durch Abkühlung. Wie diese bewirkt Ermüdung Verzögerung des zweiten Processes. Man er- kennt dies bei Ermüdungsversuchen sehr deutlich daran, dass in Gliedern der Zuekungsreihe, welehe noch grössere Hubhöhe zeigen als die erste Zuckung, PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — J. GAD. 173 die Zuckungsdauer durch Verlangsamung des Abstieges schon erheblich zu- genommen hat. Ich gehe jetzt zur Beschreibung der Summationsversuche über, die Hr. Kohnstamm mit dem Ihnen früher vorgestellten, von mir construirten Magnetinduetor angestellt hat. Vermittelst einer Rheotomvorrichtung. ist die Gestalt der Stromescurven genau festgestellt worden. Während der Apparat für minimale Reizstärken und bei Anwendung auf den curarisirten Muskel mit der Exactheit eines Praecisionsapparates ersten Ranges ganz gleichmässige Zuckungsreihen liefert, bedingt bei maximaler Einstellung die eigenthümliche Form der Stromescurve eine Doppelreizung. Wo diese Gefahr irgend zu fürchten war, haben wir uns Schlüsse, nur wenn sie a fortiori gezogen werden konnten, erlaubt. Ganz rein ist die Methode für die Variirung der Reiz- frequenz, die durch Einsetzen einer verschiedenen Anzahl von Eisenzähnen be- werkstelligt wird. Den interessantesten und klarsten Einblick in den Mechanismus der Superposition eröffnen Summationsreihen mit einer Frequenz von etwa zehn Reizen in der Secunde. Es ist schon von v. Kries beschrieben worden, dass die superponirte Zuckung eine „Verkürzung der Gipfelzeit* erfährt. Noch nicht bekannt ist, dass bei den folgenden Zuckungen die Gipfel- zeit immer mehr verkürzt wird, so lange bis ein Gleichgewichtszustand zwischen an- und absteigendem Schenkel erreicht ist. Neu ist ferner und noch viel auffallender als die Verkürzung der Gipfelzeit, dass die Steilheit je eines abfallenden Schenkels gegen den der vorausgehenden Zuckung stark vermehrt ist. Die Deutung dieser Erscheinung im Lichte unserer Theorie kann nur eine sein: in der superponirten Zuckung ist der zweite Process beschleunigt. Ebenso wie die Verstärkung des Reizes zu besonderer Be- schleunigung des zweiten Processes bei Isotonie führt, so ist dies auch bei gleichbleibender Reizstärke zu erwarten, wenn die Erregbarkeit des Muskels von Glied zu Glied der Reizreihe zunimmt. Je stärker der Reiz ist, um so mehr ist in der Einzelzuckung und in der Summationsreihe der zweite Process beschleunigt, an einem um so tieferen Punkt setzt sich die folgende Zuckung auf den absteigenden Schenkel der vorhergehenden auf. Mit anderen Worten: je stärker der Reiz ist, um so unvollkommener ist der Tetanus, ein Ergebniss, zu dem schon früher Hr. Goldscheider durch eine weniger einwurfsfreie Methode mit richtigem Tact sich hat führen lassen. Wir befinden uns hier aber in auffallendem Gegensatz zu der von Grützner ausgesprochenen Ansicht, dass der Tetanus mit Verstärkung des Reizes vollkommener werde. Dieses Grützner’scbe Phaenomen hat nun zwar auch Hr. Kohnstamm unter verschiedenen Versuchsbedingungen im Bereiche der maximalen Reize oft beobachtet, er hat es dann jedoch stets mit Sicherheit auf Doppelreizung zurückführen können. Es ist um so wahr- scheinlicher, dass Grützner durch einen unvollkommenen Reizmodus ge- täuscht worden ist, als sein Ergebniss nach dem, was wir jetzt über den Einfluss der Reizstärke auf die Form der Einzelzueckung wissen, in keiner Weise zu verstehen ist. Die aus dem Aussehen der Summationsreihe zu erschliessende Beschleu- J 174 VERHANDLUNGEN DER BERLINER nigung des zweiten Processes ist um so geringer, je schwächer der Reiz ist. Bei minimalen Reizen, bei denen keine Verkürzung der Gipfelzeit mehr zu sehen ist, wird auch der Superposition keine Grenze gesetzt. Die Super- ponirbarkeit, gemessen durch die Zahl der bis aur Erreichung der Höhe des Tetanus superponirten Zuckungen ist bei ihnen am grössten, um so kleiner dagegen, je stärker der Reiz ist. Das umgekehrte Verhalten trifft für Isometrie zu, bei der die Superponirbarkeit mit der Reizstärke wächst. Durch das geschilderte Verhalten der isotonischen Superposition wird es unter Umständen möglich, dass schwächere Reize eine grössere Höhe der Summationsreihe ergeben, als stärkere. — Bei Isometrie ist eine Beschleuni- gung des zweiten Processes für die superponirten Zuckungen nicht zu er- schliessen. — Im Bereich der minimalen Reize ist die zweite Zuckung so hoch oder höher als die erste. Wenn solche Zunahme der Zuekungshöhe auch für die folgenden Zuckungen gilt, wie es sich in der That bei Isotonie zeigt, so wendet die betreffende Summationscurve ihre Convexität der Ab- seisse zu. Indem wir das Verhältniss der zweiten zur ersten (sichtbaren) Zuckungshöhe in Gedanken weiter rückwärts verfolgen, gelangen wir zu der von Ch. Richet und anderen beschriebenen Summation unterminimaler Reize oder „Addition latente* Hr. Kohnstamm entnimmt jedoch aus seinen Versuchen, dass Bilder, die im Sinne dieses Autors gedeutet werden könnten, am curarisirten Muskel derart zu Stande kommen, dass die von untermerklicher Höhe anfangenden Zuckungen continuirlich an Höhe zu- nehmen. Von Summation -unterminimaler Reize, wie wir sie auf sensiblem Gebiete durch Vermittlung der Nervenzellen zu sehen bekommen, — wo eine Reihe schwacher Reize eine Wirkung hervorbringt, die ein einzelner starker Reiz noch nicht hat, ist an dieser anderen Grenze der Reihe der erregbaren Substanzen keine Rede. Auf eine Erhöhung der Erregbarkeit durch einen unmittelbar voran- gegangenen Reiz können wir somit hauptsächlich aus drei Thatsachen schliessen: 1) aus dem eben geschilderten convexen Anstieg, 2) aus der Verkürzung der Gipfelzeit und der Beschleunigung des abfallenden Schenkels, das heisst der Beschleuniguug des zweiten Processes, welche die superponirte Zuckung mit der Zuckung grösserer Reizstärke gemein hat, 3) aus der An- deutung von Doppelreizen, die bei stärkeren Reizen die superponirte Zuekung aufweisen kann, wenn die erste Zuckung noch nichts davon zeigt. Es handelt sich also bei der Summirung der Reize darum, dass der zweite Reiz den Muskel in wesentlich anderem Zustande trifft, als der erste. Dies liegt nicht vorwiegend daran, dass das Gewicht nach dem zweiten Reiz unter anderen mechanischen Verhältnissen angreift, wie v. Frey, v. Kries, Grützner und neuerdings auch Fick urgiren. Vielmehr halte ich es durch die vor- liegende Untersuchung für endgültig erwiesen, dass die superponirte Zuekung sich unter dem Einfluss eines tief veränderten inneren Zustandes der Muskel- substanz vollzieht. Ausser diesen positiven Ergebnissen der Arbeit des Hrn. Kohnstamm, die derselbe demnächst ausführlich veröffentlichen wird, will ich Ihnen ein kritisches Resultat von besonderem Interesse mittheilen. Bekanntlich hat Chr. Bohr den ganzen Thatbestand des Tetanus in zwei sehr einfache Ge- setze zusammengedrängt. Es ist uns nicht gelungen, die Breite, in welcher dieselben ausschliesslich Geltung haben, aufzufinden. Vielmehr haben so- PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — J. Gad. 175 wohl Erhöhung der Reizstärke als der Reizfrequenz sehr wesentlichen Ein- fluss auf Höhe und Steilheit des vollkommenen Tetanus. Meine theoretische Auffassung des Erregungsprocesses im Muskel spreche ich noch einmal kurz dahin aus: Im Muskel sind schichtenweise zwei che- misch differente Substanzen abwechselnd vertreten. In Folge des Reizes greift zunächst in einer derselben ein chemischer Vorgang Platz, der die Misch- barkeit der einen mit der anderen Substanz (am Orte der zweiten) erhöht. Der chemische Vorgang, welchen ich den ersten Process nenne, wird ge- steigert durch Erhöhung der Reizstärke, der Temperatur und der Erregbar- keit (bei Summation); er verläuft schneller und erreicht höhere Werthe, wenn die Substanzen sich nicht mischen können, also bei Isometrie; er wird in seiner Entwiekelung beeinträchtigt, je mehr die unmittelbar erregte Substanz in die andere eindringt, also mit Vorschreiten der isotonischen Verkürzung. Bei Isotonie tritt die Zurückführung in den ursprünglichen Zustand ein durch einen zweiten chemischen Process, der um so mehr be- günstigt ist, je stärker der Reiz war, je mehr die Erregbarkeit durch voraus- gegangene Reize zugenommen hat, je höher innerhalb gewisser Grenzen die Temperatur ist und je weniger Ermüdung Platz gegriffen hat. Dieser Process ist an die voraufgegangene Mischung gebunden, er beruht auf einer chemi- schen Wechselwirkung zwischen den Molecülen der beiden Substanzen. Ist diese Wechselwirkung durch Verhinderung der Mischung beeinträchtigt, wie bei Isometrie, so findet die Restitution durch einen zweiten Process anderer Natur statt, weleher nicht beeinflusst wird durch vorhergehende Reize .oder durch Verstärkung der Reize, wohl aber durch Veränderung der Temperatur; es ist wahrscheinlich kein chemischer Process, vielleicht Diffusion. Der höchste chemische Wärmewerth kommt dem ersten Processe zu, ein geringerer dem zweiten bei Isotonie und ein zu vernachlässigender dem zweiten bei Iso- metrie. — Schliesslich kann ich die omenkıns nicht unterdrücken, dass ich meine erhebliche Scheu vor der Veröffentlichung von Theorien, zu deren Abschluss das Erfahrungsmaterial offenbar noch nicht ausreicht, nur darum überwunden habe, weil sich die skizzirte Vorstellung — so wie sie sich in steter Fühlung mit dem Experimente bei meinem wissenschaftlichen Verkehr mit Hrn. Kohnstamm entwickelt hat, nun auch Anderen zur Uebersicht über die umfangreichen thatsächlichen Ergebnisse der Arbeiten meines jungen Freundes nützlich sein kann. II. Sitzung am 28. October 1892 Hr. GAD hielt den angekündigten Vortrag: Ueber das Athmungs- centrum in der Medulla oblongata. Betrachtet man die Länge der Strecke, auf welcher die motorischen Athemnerven das Centralnervensystem verlassen, vom N. facialis bis zum Plexus lumbalis, so drängt sich die Frage nach der coordinatorischen Ein- richtung auf, durch welche die Athemmuskeln in zweckmässige Synergie ver- setzt werden. Nach dem Prineipe der einfachsten Coordinationseinrichtung, wie wir sie für die bilateralen Augenbewegungen kennen gelernt haben, kann es nicht geschehen. Wenn bei Blickwendung nach rechts der linke 176 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Internus mit dem rechten Externus synergisch wirkt und bei Annäherung des Blickpunktes derselbe linke Internus mit dem rechten Internus, so ge- schieht es, weil der Internus mit einem Theile seiner Muskelfasern im anderseitigen Abducenskern, mit einem anderen Theile im Oculomotoriuskern durch Nervenzellen repraesentirt ist.! Die (von der Peripherie aus gezählte) erste centrale Projeetion der Athemmuskeln müssen wir nach. übereinstim- mender Angabe dessen, was wir aus Physiologie, Histologie und Entwicke- lungsgeschichte über das Prineip des Aufbaues des ÜCentralnervensystems wissen, in motorischen Ganglienzellen der grauen Vordersäulen des Rücken- markes suchen, welche demselben Segment angehören, aus welchem die betreffende motorische Nervenwurzel hervorgeht, oder einem nahe benach- barten. Diese segmentär angeordneten spinalen Athemmuskelcentren werden in zweckmässig coordinirter Weise thätig und bedürfen hierzu einer beson- deren Art centraler Verknüpfung. Als Paradigma eines solchen Coordi- nationsapparates höherer Ordnung können wir das Beugecentrum im proxi- malen Theile des Froschrückenmarkes betrachten, von welchem ich gezeigt habe, dass es aus räumlich zusammengeordneten Nervenzellen besteht (kleine Zellen der Hintersäulen), deren jede eine grössere Anzahl distal gelegener motorischer Ganglienzellen der Morder aulen deren zugehörige Muskelfasern der Beugung dienen, zu synergischer Thätigkeit zusammenfasst.” In anologer Weise werden wir einer Summe von Nervenzellen die Function zutrauen, die spinalen Athemmuskelcentren zu synergischer Thätigkeit zusammenzu- fassen, doch werden wir ein solches coordinatorisches Athmungscentrum nach sonstigen Erfahrungen über den Sitz höherer coordinirender Functionen beim Warmblüter nicht im Rückenmarke, sondern in mehr proximal gelegenen Theilen des Centralnervensystems zu erwarten haben und zwar — ebenfalls nach sonstigen Analogien — nicht höher als im Hirnstamm.® In der That konnte schon Legallois Kaninchen zeigen, welche regelmässig fortathmeten, wenn ihnen das Grosshirn mit dem Hirnstamm bis zu den Vaguswurzeln abgetragen war. Den Tod nach weiter abwärts vorschreitender Exstirpation bezog Legallois auf Zerstörung der Vagi, Flourens dagegen, welcher den nicht sofort letalen Effect der Vagotomie geltend machte, auf die Fortnahme seines Noeud vital an der Spitze des Calamus seriptorius. Die Möglichkeit, durch verhältnissmässig wenig umfangreiche Zerstö- rungen in dieser Gegend plötzlichen Athmungsstillstand und den Tod her- beizuführen, ist sicher vorhanden und darum darf man diese Stelle in bild- licher Ausdrucksweise einen Lebensknoten nennen, wobei man sich aber die Frage, ob diese Stelle auch Sitz des oben definirten Athmungscentrums sei, noch offen halten muss. Brown-Sequard ist seit lange in a hranlreich und Langendorff später in Deutschland dafür eingetreten, dass der Erfolg des Flourens’ schen Ex- ! Vgl. „Ueber einige Beziehungen zwischen Nerv, Muskel und Centrum“ von J. Gad, Würzburger Jubiläumsschrift 1882. — Artikel: Coordination in Eulen- burg’s Real. -Eneyklopaedie. 2. Anfl. 2 J. Gad, Centren und Leitungsbahnen im Rückenmarke des Frosches. Ver. handlungen der Physik.-Med.-Ges. zu Würzburg N. F. XVII 8. — Sonderabdruck bei Stahel, Würzburg 1884. ® Vgl. die Artikel „Gehirn, phy siologischer Hirnstamm“ und „Rückenmark“ in Eulenburg’s Real- Eneyklopaedie. 2. Auflage. PHYSIOLOGISCHEN (FESELLSCHAFT. — (AD. lrerl perimentes nicht als reine Ausfallserscheinung zu deuten sei, das heisst nieht auf reizbarer Entfernung des einzigen Entstehungsortes der Athmungs- erregung beruhe, sondern auf einer heftigen Reizung von Hemmungs- bahnen. Die spinalen Athemmuskelcentren sind für die genannten Autoren die Orte, wo die Athmungserregung unter der Wirkung des Blutreizes entsteht, wo sie aber auch unterdrückt werden kann durch Nervenerregungen, welche Vagus, Trigeminus und andere reflectorisch in die normale Regulirung der Athmung eingreifende Nerven vermitteln. Langendorff stützte seine An- sieht auf höchst interessante, von Rokitansky angegebene Experimente an neugeborenen Thieren, welche — namentlich wenn ihnen vorher etwas Stryehnin gegeben ist — die Decapitation einige Zeit bei fortgesetzter spon- taner Athmung (an Kopf und Rumpf synchron!) überleben sollen, was Langendorff bestätigen konnte. Wegen der auch sonst vielfach bei neu- geborenen und niederen Thieren zu constatirenden grösseren Selbständigkeit des Rückenmarkes gegenüber den höheren Theilen des Centralnervensystems schienen mir diese Versuche nichts allgemeines in betreff der functionellen Selbständigkeit der spinalen Athemmuskelcentren zu beweisen, für den er- wachsenen Zustand, in welchem die wechselnden Bedingungen, denen die Athmung angepasst werden muss, erst jene Mannigfaltigkeit erlangen, welche die Frage nach dem Mechanismus der Regulation zu einer so interessanten machen. Die consequente Durchführung der Idee von der principiellen Selbständigkeit der spinalen Athemmuskelcentren musste zu Experimenten führen, wie sie keiner der früheren Vertreter dieser Idee, sondern erst Wertheimer angestellt hat. Dieser nahm erwachsene oder nahezu er- wachsene Hunde, brachte sie durch lange fortgesetzte künstliche Athmung über die nächsten Folgen der Durchschneidung zwischen Nacken- und Hals- mark hinweg und beobachtete das Verhalten der Thiere, wenn er dreiviertel bis zwei Stunden später die künstliche Athmung unterbrach. Seine Thiere zeigten ausser anderen Bewegungen auch solche des Thorax und Abdomen, welche zu einiger Bewegung von Luft in der Trachea führten und bis zu dreiviertel Stunden ausreichten, ohne künstliche Athmung das Leben zu unterhalten. Auf letzteres Kriterium war freilich sehr wenig Gewicht zu legen, da die Thiere unter der ihnen zu Theil gewordenen Behandlung kalt- blütig geworden sein mussten und sich etwa wie Winterschläfer verhalten mochten, welche ebenfalls bei minimaler Luftbewegung in der Trachea fort- leben. Auf die Form der Bewegungen selbst kam es an und über diese habe ich mir in zwei eigenen Versuchen ein Urtheil gebildet. Ich verwen- dete junge, kaum erwachsene Hunde und leitete die künstliche Athmung nicht früher, dann aber auch sofort ein, als ich nach Abtragung des Nacken- markes die spontane Athmung vollkommen hatte verschwinden sehen. Um übermässige Abkühlung der Thiere zu vermeiden, experimentirte ich an warmen Sommertagen und sorgte für gute Bedeckung. Etwa eine Stunde nach der Operation verhielten sich die Thiere wie ausgezeichnete Retlexpraeparate; wenn sie am Nacken erhoben wurden, ver- suchten sie den Kopf aufzurichten, ein Chock bestand also nicht mehr, der Herzschlag war kräftig, die Rectaltemperatur freilich gesunken auf etwa 30°. Wurde die künstliche Athmung unterbrochen bei Seitenlage des Thieres, so Archiv f. A, u. Ph. 1893. Physiol. Abthlg, 12 178 VERHANDLUNGEN DER BERLINER blieb dies zunächst eine Zeit lang ruhig liegen, dann begannen unregelmässige Bewegungen, an denen Thorax und Abdomen theilnahmen, aber nicht in hervorragender Weise. Gelegentlich kam es zu alleiniger Contraction des Zwerchfelles, dazwischen geriethen aber Inspirations- und Exspirationsmuskeln in höchst unzweckmässiger Weise gleichzeitig in Thätigkeit ——- von coordi- nirten Athembewegungen, wie ein nicht kaltblütig gewordenes Thier deren bedurft hätte zur Fristung seines Lebens konnte nicht die Rede sein. Diese Erscheinungen wurden an demselben Thiere wiederholt beobachtet und zeigten sich bei beiden Thieren in wesentlich gleicher Weise. Ich bekam den Eindruck, dass die spinalen Athemmuskelcentren alles leisteten, dessen sie nach Lostrennung vom Athmungscentrum fähig waren, sie geriethen mit vorschreitender Kohlensäureanhäufung in Thätigkeit, so wie es auch die spinalen Nervenzelleneomplexe thaten, welche andere Bewegungen, wie z. B. diejenigen eines Beines vermitteln; diese Thätigkeit äusserte sich auch rhythmisch und war refleetorisch zu steigern wie die Beinbewegung, — davon aber, dass die spinalen Athemmuskelcentren eine besonders starke Empfind- lichkeit für den Blutreiz besässen, oder dass eine spinale coordinotorische Verknüpfung zwischen ihnen bestände, war keine Andeutung vorhanden. Das konnte nun freilich an der nicht vermiedenen — und bei diesem Ver- suchsplane wahrscheinlich auch schwer zu vermeidenden — Abkühlung gelegen haben, so dass ich diesen Versuchen keine Beweiskraft nach irgend einer Richtung zusprechen konnte. Die auf Grund vergleichender Betrach- tung wahrscheinlich gewordene Annahme der Abhängigkeit der spinalen Athemmuskelcentren von einem coordinirenden Athmungscentrum im Nacken- marke war in ihrer Berechtigung nicht streng bewiesen, aber auch nicht erschüttert — eher wohl noch befestigt. Die Bestrebungen, das Athmungscentrum an einer eng umschriebenen Stelle des Nackenmarkes zu localisiren, haben bekanntlich nur zu Wider- sprüchen geführt. Flourens, Longet, Schiff, Gierke, Mislawsky, Holm haben jeder eine andere bilateral symmetrische Stelle angegeben, deren beider- seitige Zerstörung dauernden Athemstillstand herbeiführen soll. Dieser Effeet ist von jeder dieser Stellen in der That auch zu erzielen, wenn man grob schneidet, so dass die durch das Instrument selbst erzeugte Erschütterung oder die dem Schnitte folgende Blutung das Nervengewebe in weiterem Umfange in Mitleidenschaft zieht. Die oberflächlich gelegenen Stellen, wie zum Beispiel die von Gierke angegebene, versagen aber auch ebenso oft, wenn man — was hier allein möglich ist — den Schnitt ohne Erschütterung führt und wenn eine Blutung zufällig ausbleibt. Bei solchen Experimenten tritt wohl auch vorübergehender Athemstillstand ein, der aber in der That auf Reizung von Hemmungsbahnen bezogen werden muss, da er ohne wei- teres Zuthun vorübergeht. Obgleich Brown-Sequard schon vor langer Zeit auf die Gefahr, durch Reizung von Hemmungsbahnen getäuscht zu werden, aufmerksam gemacht hat, was man ihm zum Verdienst anrechnen kann, ohne seinen Schlussfolgerungen zuzustimmen, so ist diese Fehlerquelle doch bei den Versuchen, das bulbäre Athmungscentrum zu localisiren, zu wenig beachtet worden. Man sieht übrigens auch nicht recht ein, weshalb die Sehnittführung von den meisten Experimentatoren bevorzugt wurde, PYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — GAD. 179 welehe eher geeignet ist, durch Unterbrechung der Leitung auf bestimmten Bahnen diese zu verfolgen, als Oentren zu localisiren. Sehliesslich geht aus der Gesammtheit der vorliegenden Experimente hervor, dass es ein aussichtsloses Bestreben ist, eine engumschriebene Stelle als Sitz des Athmungscentrums nachzuweisen, wobei es freilich wieder Ver- wunderung erregen muss, weshalb man so allgemein diese Möglichkeit der engen Umschreibung als ein nothwendiges Postulat für die Nachweisung des Vorhandenseins überhaupt betrachtet hat, ja weshalb manchen Forschern die enge räumliche Begrenzung wichtiger erschienen ist, als der Nachweis des Vorhandenseins von Nervenzellen an der betreffenden Stelle, ohne welche wir uns eine coordinatorische Function doch schwer vorstellen können. Frei- lich werden wir nicht erwarten können, dass Nervenzellen, welche einer ein- heitlichen Function vorstehen, regellos im Centralnervensystem zerstreut liegen, ihr Vorkommen wird an ein anatomisch gut definirbares System ge- bunden sein, die grössere oder kleinere Ausdehnung dieses Systems gehört aber nieht nothwendig zum Begriff der bestimmten Function. Aus allen diesen Gründen war es nicht wahrscheinlich, auf dem vor- liegenden Gebiete weiter zu kommen ohne ein Verfahren, mit Hilfe dessen man Schritt für Schritt umfangreiche Exstirpationen vornehmen kann derart, dass bei jedem einzelnen Schritt ein möglichst kleiner Hemmungsreiz gesetzt wird, dass jeder weitere Schritt erst gethan wird, wenn der durch den vorigen gesetzte Reiz abgeklungen ist und dass sich jeder weitere Schritt mit derselben Sicherheit localisiren lässt wie der vorhergehende. Als ein solches Verfahren hatte ich Aetzen durch Auflegen kleiner mit Höllenstein- . lösung nur eben getränkter Fliesspapierscheibehen erkannt und mit demselben hatte ich öfters im Cursus vor meinen Zuhörern Löcher in die Medulla ob- longata von Kaninchen geätzt, welche alle jene als Sitz des Athmungscen- trums angegebenen Stellen umfasste, ohne dass die Athmung aufgehört hätte. . Zu einer systematischen Anwendung des Verfahrens hatte mir die Zeit gefehlt und deshalb war ich sehr erfreut, als sich Hr. Marinescu, der einer solchen Demonstration beigewohnt hatte, bereit erklärte, die An- gelegenheit in meinem Laboratorium zu untersuchen. Hr. Marinescu lernte zunächt das Grundexperiment ausführen, was eben gelernt sein will, weniger in Bezug auf die Geschicklichkeit in der Manipulation, als in Bezug auf die Ueberzeugung von der absoluten Nothwendigkeit eines ganz langsamen schrittweisen Vorgehens. Bei diesen Vorversuchen erfand Hr. Marinescu als ein noch zweckmässigeres Verfahren der Fxstirpation das Brennen mit stecknadelknopfgrossen Glasperlen, welche sich beim Erhitzen feiner Glas- fäden in der Flamme am Ende des Fadens bilden. Diese Glasperlen wirkten nur durch ihre kaustische Hitze und sehr geringe Schwere, wobei jeder sonstige Druck, jede Erschütterung und jede Blutung vermieden wurden und das Operationsfeld stets ganz klar und übersichtlich blieb. Auch die Beur- theilung der nach passender Erhärtung gewonnenen Schnittpraeparate in Bezug auf den Umfang und die Begrenzung der Exstirpation war bei diesem Verfahren sehr begünstis. Durch die andauernden Bemühungen des Hrn. Marinescu gewannen wir eine grosse Menge von Praeparaten von Thieren, welche entweder trotz umfangreicher Exstirpationen im Nacken- marke weiter geathmet hatten oder bei denen die oft gehemmte und oft 12% .180 VERHANDLUNGEN DER BERLINER wiedergekehrte Athmung nach der letzten kleinen Ausdehnung der Exstir- pation definitiv still gestanden hatte. Am meisten Gewicht legte ich auf Praeparate von Thieren, bei denen die Exstirpation nur einseitig vorge- nommen war. Solche Thiere athmen mit der geschonten Seite ununterbrochen und sehr ausreichend weiter, sie kühlen sich, da künstliche Athmung ver- mieden wird und die Durchtrennung des Markes, selbst bei tiefgehender Exstirpation keinen zu grossen Bruchtheil des Querschnittes einnimmt, bei weitem nicht so stark ab, wie in den Wertheimer’schen Versuchen, und wenn bei solchen Thieren die Athmung nach einseitiger Exstirpation auf dieser Seite dauernd stillsteht und nach stundenlanger Beobachtung des mit der anderen Seite genügend weiterathmenden Thieres nicht wiederkehrt, so ist man sicher, dass der Hemmungsreiz abgeklungen ist und man es mit einer reinen Ausfallserscheinung zu thun hat. Solche Thiere haben wir vielfach zu beobachten Gelegenheit gehabt. Die Einseitigkeit der Athmung liess sich bei einiger Uebung schon am uneröffneten Thiere ziemlich sicher erkennen. Wir beendigten die Beobachtung dann aber zu einer Zeit, wo der Hemmungsreiz abgeklungen sein musste, nach Eröffnung der Bauch- höhle durch direete Inspection des Zwerchfelles, und wir konnten dann mit aller Sicherheit constatiren, dass die Athmung einseitig erfolgte und dass nach Erzeugung von Dyspno& durch Zuhalten der Nase der ruhende Theil des Zwerchfelles auch nicht in rhythmische Thätigkeit gerieth. Im Beginne der Erstickung kann dann freilich auch dieser Theil des Zwerchfelles in die ausgebreiteten unregelmässig-klonischen Krämpfe mit einbezogen werden. Beobachtungen dieser Art an Kaninchen, Katzen und Hunden verschiedenen Alters haben mich erst vollkommen von der Unrichtigkeit der Ansichten Brown-Sequard’s, Langendorff’s und Wertheimer’s überzeugt: eine relative Selbständigkeit der spinalen Athemmuskelcentren gegenüber dem bulbären Athmungscentrum besteht also meiner Ansicht nach nicht, erstere sind in ihrer funetionellen Thätigkeit ganz und gar von letzterem ab- hängig. Wenn auch die meisten Stellen am Boden und unter dem Boden des vierten Ventrikels selbst bei engumschriebener und vorsichtiger Exstirpation vorübergehende Störung der Athmung ergeben, so ist doch insofern ein Unterschied zu bemerken, als bei den einen nach Abklingen des Reizes die Athmung wieder so kräftig wie früher erfolgt, während bei den anderen, selbst wenn es noch nicht zu definitivem Athemstillstand kommt, eine merk- liche Schwächung der Athmungsenergie hinterbleibt. Die Stellen letzterer Art liegen in der Formatio reticularis, deren Nervenzellen also, wenigstens theilweise, für das bulbäre Athmungscentrum in Anspruch genommen werden müssen. In der Anatomie des Menschen unterscheidet man bekanntlich den medial von der Hypoglossuswurzel gelegenen Theil als Formatio retieularis alba von der lateralen Formatio retieularis grisea. Beim Menschen und ebenso beim Kaninchen liegen in der That weit mehr Nervenzellen eingestreut in den lateralen als in den medialen Theil dieser Formation, während bei an- deren Thieren, wie z. B. bei der Katze, die Zahl der Nervenzellen auch in dem medialen Theile eine recht grosse ist. In Uebereinstimmung hiermit wurde nun auch bei Katzen schon durch Exstirpationen zwischen Hypo- glossuswurzel und Raphe, wenn sie genügend tief und der Länge nach aus- PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — GAD. 181 gedehnt waren, die Athmung schwer geschädigt oder ganz aufgehoben, während bei Kaninchen zur Herbeiführung definitiven Athmungsstillstandes die Formatio reticularis lateralis in einiger Ausdehnung entfernt werden musste. Dass es sich bei Aufhebung der Athmung durch Entfernung entsprechen- der Theile der Formatio reticularis nicht einfach um Durchtrennung intra- centraler, etwa von einem mehr proximal gelegenen Athmungscentrum herab- steigender motorischer Leitungsbahnen handelte, sondern dass der Erfolg auf dem Ausfall cellulärer, den Athemrhythmus beeinflussender Elemente selbst beruht, wurde durch Reizversuche an Kaninchen bewiesen. Um in der Tiefe des Gewebes engbegrenzte elektrische Reizungen auszuführen, bedienten wir uns ganz feiner Inseetennadeln, welche bis an die Spitze mit einer dünnen Lackschicht überzogen waren. Diese wurden durch ganz dünne, leichte und biegsame Leitungsfäden unter Vermittelung eines Vorreiber- schlüssels mit der secundären Spirale eines Schlitteninduetoriums verbunden und nahe bei einander an passender Stelle, vom Boden des ausgedehnt frei- gelegten vierten Ventrikeis aus, in das Nackenmark eingestochen. Da die Stellen, auf deren Reizung es ankam, tief genug lagen, wurden die Nadel- elektroden durch das Gewebe, welches sie durchstochen hatten, ausreichend fixirt und bei der Dünne und Weichheit der Leitungsfäden folgten sie allen Bewegungen des Thieres ohne die geringste Verrückung in der Wunde. Die Nadeln riefen weder beim Einstechen noch später — so lange der Strom ab- geblendet war — in den weitaus meisten Fällen gar keine Aenderung in der durch den Athemvolumschreiber controlirten Athmung hervor. Nur bei zwei Thieren traten sehr interessante, sich in einigem Zeitabstande folgende Hustenanfälle auf und es zeigte sich hier, dass minimale Haemorrhagien in die Substanz der Formatio reticularis lateralis erfolgt waren. Die elektrischen Reizungen wurden bei möglichst grossem Rollenabstande unter Controle des Athemvolumschreibers vorgenommen und die ersten Erscheinungen, welche bei eben wirksamen Reizen auftraten, waren, wenn die Nadelspitzen in der Formatio retieularis lateralis stachen — und nur dann — Aenderungen der Athmung in inspiratorischem Sinne, namentlich Beschleunigung des Athem- rhythmus. Auch an der Spitze des Calamus seriptorius und weiter distal kann man durch elektrische Reizung die Athmung beeinflussen, hier erhält man jedoch bei den schwächsten Reizen, auf welche die Athmung überhaupt reagirt, nur tetanische Contraetion der Inspiratoren, auf welche sich die Athembewegungen in bisheriger Frequenz und Tiefe superponiren. Hier handelt es sich also — und das gilt im Wesentlichen auch von dem Noeud vital — nur um cerebrospinale motorische Leitungsbahnen von dem Ath- mungscentrum zu den spinalen Athemmuskelcentren, während wir dort, wo wir Aenderungen des Rhythmus erhalten, die Einwirkung auf Nervenzellen voraussetzen müssen, welche wir zu dem Athmungscentrum selbst zu rechnen haben. Die absteigenden motorischen Leitungsbahnen für die Athmung hat Schiff in den Seitensträngen des Rückenmarkes localisirt. Hr. Marineseu hat diese Angabe unter Anwendung seiner Methode des schrittweisen Kaute- risirens bestätigen können. Er machte diese Exstirpationen einseitig zwischen der ersten und dritten Spinalwurzel und wir betrachteten die betreffende 182 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Bahn als vollständig unterbrochen, wenn die Athmung auf derselben Seite, an dem durch Athmung auf der anderen Seite fortlebenden Thiere, nach einer Stunde, auch bei Dyspnoe (und bei Inspection des freigelegten Zwerch- felles) nicht wiederkehrte. So gelang es Hrn. Marinescu als genaueren Ort dieser Seitenbahn den Processus reticularis (im Seitenstrang an der Basis des Vorderhorns) anzugeben. Es ist dieses darum sehr befriedigend, weil die bulbäre Fortsetzung des Seitenstranges in der Formatio retieularis zu suchen ist, deren Zellen wir für die Function des Athmungscentrums in Anspruch nehmen müssen. Ich halte diese Resultate in der That für recht befriedigend, weil mir das Verlangen, dass das einer bestimmten Function vorstehende Centrum in Form eines Nervenkernes, wie z. B. der Kern eines motorischen Hirnnerven, demonstrirbar sein müsse, auf einem ganz unbe- gründeten Vorurtheil zu beruhen scheint. Eine Coordinationseinrichtung höherer Ordnung für einen so umfangsreichen Bewegungsapparat, wie es der- jenige der Athmung ist, bedarf einer zu grossen Zahl von Nervenzellen, als ‚lass ein solches Postulat erfüllt sein könnte. Alles, was man verlangen kann, ist, dass die Nervenzellen, welche für die Function des Athmungscentrums in Anspruch genommen werden, einer Formation angehören, welche ohne Wider- spruch gegen die histologisch begründete Auffassung von dem systematischen Aufbau des Öentralnervensystems zur Athmung in Beziehung gesetzt werden kann. Gerade in dieser Beziehung stimmt nun die Localisation der spinalen Bahn und der bulbären Zellen in sehr befriedigender Weise zusammen. Hr. Marinescu hat noch bei Thieren, deren Athmung durch halb- seitige Rückenmarkslaesion auf derselben Seite dauernd zum Stillstand ge- bracht war, das Athmungscentrum der anderen Seite exstirpirt, wonach die Athmung überhaupt aufhörte. Er leitet gerade aus diesen Versuchen den Schluss ab, dass die spinalen Athmungsbahnen direete (soll wohl heissen ungekreuzte) seien, dass — wie ich mich ausdrücken würde — von dem Athmungscentrum der einen Seite keine absteigende Bahn zu den spinalen Athemmuskelcentren der anderen Seite ginge. Weshalb ich den Versuchen mit nur einseitiger Verletzung grössere Beweiskraft zuschreibe, habe ich schon auseinandergesetzt und wenn, wie wir beobachteten, nach einseitiger Exstirpation des bulbären Athmungs- centrums die Athmung auf dieser Seite nicht wiederkehrt, so ist dadurch schon eine intrabulbäre Kreuzung ausgeschlossen. Damit soll natürlich eine commissurelle Verbindung zwischen den beiderseitigen bulbären Athmungs- centren nicht geleugnet werden. Diese ist schon seit lange durch Beob- achtungen von Schiff, welche Langendorff bestätigte, an Thieren be- wiesen, bei denen das Nackenmark durch einen in der Raphe geführten Schnitt getheilt war. Solche Thiere pflegen zunächst auf beiden Seiten in gleicher Weise zu athmen, während aber bei dem intacten Thiere die ein- seitige Reizung eines Vagus oder Trigeminus bilateral symmetrischen Athem- reflex hervorruft, kommt die Athmung beider Seiten an dem in beschriebener Weise operirten Thier durch die gleiche einseitige Einwirkung ausser Tritt und wird auch nicht wieder symmetrisch. Das schrittweise Kauterisiren, welches uns distal von den Tubercula acustica ausgezeichnete Dienste geleistet hat, half uns über die besonderen Schwierigkeiten, welche im Wurzelgebiete des Trigeminus bestehen, nicht PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — GAD. 183 hinfort. Ueber die Beziehungen der mehr proximal gelegenen Theile des Centralnervensystems zur Athmung enthalten wir uns also zunächst jedes bestimmten Urtheils,. Um dem von uns untersuchten Theile der Formatio reticularis den wesentlichen Antheil an der Function des bulbären Ath- mungscentrums zu sichern, genügt übrigens das Resultat unserer Reizversuche und die Erfahrung, welche wir selbst mehrfach bestätigen konnten, dass Thiere nach sectio post tubercula acustica regelmässig und ausgiebig weiter athmen können. Lehrreich ist, dass bei solchen Thieren die Athmung nach Vagotomie stockt, dass sie aber, wenn sie aus diesem oder einem anderen Grunde un- zureichend geworden war, durch localisirte schwache elektrische Reizung im Gebiete der Formatio retieularis wieder angefacht werden kann. Ich erblicke in dieser Erscheinung einen Hinweis darauf, dass die Nervenzellen des bul- bären Athmungscentrums zwar durch den Blutreiz zu derjenigen rhythmischen Thätigkeit angeregt werden, welche kraft ihrer intracentralen Verknüpfungen und kraft der refleetorischen Vagusregulationen zu den zweckmässig coordi- nirten Athembewegungen führen, dass diese Nervenzellen ihre besondere Empfindlichkeit für den Blutreiz aber nur unter dem Einflusse anderer Er- regungen bewahren, welche für gewöhnlich auf Nervenbahnen zugeleitet werden, nach Abschneidung dieser Bahnen aber auch künstlich, wie z. B. durch elektrische Reizung erzeugt werden können. Obgleich diese, die Empfindlichkeit für den Blutreiz wach haltenden Erregungen auch auf andere Bahnen, als auf denen des Vagus zugeleitet werden, wie z.B. auf denen des Trigeminus, so darf man darum doch letzteren Nerven mit seinen Centren nicht als einen solchen auffassen, der überhaupt vicariirend für den Vagus mit seinen zweckmässig regulirenden Reflexen eintreten könne. Wenn der Trigeminus zur Unterhaltung der Athemthätigkeit beitragen kann, wie aus Versuchen von Markwald hervorzugehen scheint, so gebührt ihm hierbei wohl dieselbe Stellung wie den höheren Sinnesnerven, deren Erregungen ebenfalls, ausser dass sie specifischen Sinnesfunctionen dienen, der Stoffwechselenergie im ganzen Üentralnervensystem zugute kommen. Nachdem es uns, wie ich glaube, gelungen ist, für die Nervenzellen des Athmungscentrums den Ort im System anzugeben, sei es mir gestattet, jetzt nochmals eine Einschränkung hinsichtlich ihrer Function zu betonen, auf welche ich schon vor einigen Jahren hingewiesen habe.! Da die Ex- spiration ebenso coordinirt verläuft, wie die Inspiration, so können wir mit demselben Rechte ein Exspirationseentrum im Nackenmarke erwarten, wie ein Inspirationscentrum; die diesen beiden Centren gemeinsam zukommende Function wäre diejenige der zweekmässigen Bewegungscoordination. Aber nur dem Inspirationscentrum würde die Fähigkeit zuzuschreiben sein, durch den Blutreiz erregt zu werden, da, wie ich früher ganz allgemein bewiesen habe, unter allen denjenigen Bedingungen, unter denen Lufthunger entsteht, zunächst immer nur die Inspirationsanstrengung verstärkt wird. ! Ueber reflectorische und automatische Athemcentreu. Dies Archiv. 1886. 8. 388. — Ueber haemorrhagische Dyspno&. Hbenda. 8. 543. 184 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Aus den Experimenten des Hrn. Marinescu sowie aus meinen eigenen Beobachtungen und Betrachtungen ziehe ich folgende Schlüsse: 1. Die Spitze des Calamus seriptorius mit Flourens als einen Noeud vital zu bezeichnen, ist unverfänglich, nur darf man diesen „Lebensknoten“ nicht identifieiren mit dem bulbären Athmungscentrum. Der plötzliche Ath- mungsstillstand und Tod bei Verletzungen an der Spitze des Calamus scripto- rius beruht zum Theil auf der Erregung von Hemmungsbahnen, zum Theil auf der Leitungsunterbrechung zwischen dem bulbären Athmungscentrum und den spinalen Athemmuskelcentren. 2. Die spinalen Athemmuskelcentren sind repraesentirt durch segmental angeordnete Nervenzellen der grauen Vordersäulen; sie besitzen keine be- sondere Empfindlichkeit für den Blutreiz und sie werden nicht durch spinale Verknüpfungen zu zweckmässiger Synergie coordinirt. Spinale Reflexe, welche wenig coordinirt sind, können sie vermitteln. 3. Die absteigenden Bahnen, durch welche die spinalen Athemmuskel- centren von dem bulbären Athmungscentrum aus in coordinirte Thätigkeit versetzt werden, gehören den Seitensträngen an und liegen am oberen Hals- mark in den Processus retieulares beiderseits. Sie verlaufen im Rücken- marke. ungekreuzt. 4. Die Funetion des bulbären Athmungscentrums besteht in dem rhyth- mischen Aussenden coordinirter inspiratorischer Bewegungspulse, welche an Ort und Stelle (autochthon) unter der Wirkung des Blutreizes entstehen, welche refleetorisch durch die Vagi regulirt werden und zwischen welche sich, je nach Bedarf, auf reflectorischem Wege entstehende coordinirte Exspirations- bewegungen einschalten. Die Function des bulbären Athmungscentrums wird wesentlich vermittelt durch Nervenzellen, welche nicht kernartig ge- schlossen beisammen liegen, welche aber einem gut definirbaren Systeme angehören, nämlich der Formatio retieularis lateralis, das heisst der bulbären Fortsetzung der spinalen Seitenstränge. Die bilaterale Symmetrie der Athem- bewegungen wird vermittelt durch commissurelle intrabulbäre Verbindungen zwischen den bilateral symmetrischen Hälften des bulbären Athmungs- centrums. 5. Die Nervenzellen des inspiratorischen Theiles des bulbären Athmungs- centrums bewahren ihre hervorragende Empfindlichkeit für den Blutreiz nur unter dem beständigen Einflusse solcher centripetal zugeleiteter Erregungen, welche überhaupt — neben ihrer specifischen Funetion — die Wirkung haben, den Stoffwechsel (und die Rhythmik) im Centralnervensystem rege zu erhalten. Die in diesem allgemeinen Sinne, — also abgesehen von der specifischen Function — hauptsächlich in Betracht kommenden centripetalen Nervenbahnen sind diejenigen des Vagus, des Trigeminus und der höheren Sinne. Der Trigeminus kann in diesem — aber auch nur in diesem — Sinne nach sectio post corpora quadrigemina und doppelseitiger Vagotomie vieariirend für den Vagus eintreten. ot PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — LOEWY. 18 1lI. Sitzung am 11. November 1892. 1. Hr. Loewy hielt den angekündigten Vortrag: Kurze Mittheilung zur Kenntniss des Rinflusses der „oberen Bahnen‘ auf die Ath- mung. Im Anschluss an die interessanten Mittheilungen, die Hr. Gad in der letzten Sitzung, betreffend seine Untersuchungen über die Localisation des Athmungscentrums in der Medulla oblongata machte, möchte ich mir er- lauben, mit wenigen Worten auf Versuche zurückzukommen, die ich vor längerer Zeit über eine dem besprochenen Thema nahestehende Frage an- gestellt habe. Hr. Gad hatte ausgeführt, dass, wenn er bei seinem operativen Vor- gehen über die Medulla oblongata hinaus hirnwärts weiter vorgedrungen sei bis in die Gegend der sensiblen Trigeminuskerne, die Athmung so wechselnd beeinflusst worden sei, so complieirte Erscheinungen aufgetreten seien, dass einer exacten Deutung sich Schwierigkeiten in den Weg gestellt hätten. Hr. Gad liess die Frage offen, ob oberhalb der Medulla oblongata noch Regionen vorhanden seien, die nach Art des eigentlichen Respirations- centrums durch den Blutreiz erregbar in bestimmter Weise die Athmung beeinflussten. In meinen früheren Versuchen! über die Function des Athemceentrums in der Medulla oblongata hatte ich die Respiration untersucht, die nach Iso- lirung der Medulla oblongata vom Hirn und Durchschneidung der Nervi vagi eintritt und hatte zugleich den Effect feststellen wollen, den künstliche Athemreize, speciell der Kohlensäurereiz auf die so isolirte Oblongata aus- übt. Die Versuche hatten ergeben, dass die von Hirn und. Nervi vagi ge- trennte Oblongata noch prompt und ganz Ähnlich, wie die in ihren normalen Verbindungen befindliche, gegen den CO,-Reiz reagirt, und ich hatte aus diesen Versuchen, zumal unter Berücksiehtigung der Resultate, die Geppert und Zuntz bei Untersuchung der Athmung nach Durchschneidung des Rückenmarkes erhalten hatten, schliessen müssen, dass nur in der Medulla oblongata das eigentliche, auf den Blutreiz reagirende Athemcentrum ge- legen sei. Aber ich fand doch zugleich — in Uebereinstimmung mit Marckwald — dass die Nervi vagi und das Hirn von einem ganz besonderen Einflusse auf die Athmung sind; die Respirationsbewegungen blieben zwar in allen meinen Versuchen rhythmisch, aber sie liefen in sehr veränderter Weise ab, sie wurden sehr tief, die Inspirationen sehr lang, so dass im Allgemeinen nur 2—4 Athemzüge in der Minute erfolgten. Die Thatsache, dass bei der alleinigen Hirndurchschneidung nach einem kurzen, offenbaren Reizstadium die Athmung ungeändert weitergeht, dass die charakteristische Aenderung erst nach Vagotomie, gleichgültig ob diese bald oder erst nach längerer Zeit der Hindurchschneidung folgte, eintrat, ihr ı Pflüger’s Archiv. Bd. 42. 186 VERHANDLUNGEN DER BERLINER stundenlanges gleichartiges Bestehen, sowie auch die Lage des Schnittes selbst, sprechen dafür, dass wir es bei dem nach Isolirung der Medulla ob- longata von Hirn und Nervi vagi sich einstellenden Athemtypus mit einer Ausfalls-, nicht mit einer Reizerscheinung von der Hirnwunde aus zu thun haben. Der Einfluss, und zwar der specifische, ununterbrochen dauernde Ein- tluss, den die Nervi vagi auf die Athmung ausüben, ist seit langem bekannt und man weiss, dass es peripherische Erregungen verschiedener Art sind, die auf dem Wege des Nervus vagus zur Oblongata gelangend, auf den Respirationsvorgang einwirken. Es erhob sich nun die Frage, welcher Natur die von den sogenannten „oberen Bahnen,“ wie Kroneeker und Marekwald sie nennen, kommenden Athemreize sind. Man könnte zunächst daran denken, dass es einfach peripherische Reize, entweder sensible oder sensorische seien, die nach Art jedes peripherischen Reizes, wie Hr. Gad in seinem Vortrage dies näher ausgeführt hat, das Centralnervensystem und seine Centren anregend, es gewissermaassen wach erhalten. — Dem widerspricht aber, dass zwar alle sonstigen, von der Körperperipherie durch das Rückenmark zugeleiteten sensiblen Erregungen zugleich mit den Vaguserregungen fortfallen können, ohne dass ein anderer Fffeet dadurch auf die Athmung erzielt würde, als Vagotomie allein ihn hervorbrächte, dass dies aber bei combinirtem Ausfall der Hirn- und Vagusreize sich anders verhält. Dann ändert sich eben die Athmung in der oben geschilderten, typischen Weise. Es scheinen also hier über die allgemeine Wirkung der peripherischen Reize hinaus specifische Reize vorzuliegen. Woher stammen diese nun? Sind auch sie peripherischer, aber specifischer Art ähnlich denen, die vom Nervus vagus aus vermittelt werden, oder senden gewisse Hirntheile unabhängig von solehen peripherischen Erregungen, also automatisch, Reize zum Athemcentrum ? Aeltere Versuche, wie auch die von Marekwald über das Mittelhirn,! lassen schliessen, dass die in Frage kommenden Reize in enger Beziehung allein zum Nervus trigeminus und dessen Kernen stehen, aber sie geben ge- rade darüber keine Entscheidung, ob es die dem Gebiete der Endaus- breitungen des Nervus trigeminus entstammenden Erregungen sind, welche specifisch auf die Regulirung der normalen Athmung wirken, oder ob die Trigeminuskerne durch in ihnen autochthon entstehende oder durch benach- barte Hirntheile ihnen zugeführte Reize den festgestellten Einfluss auf die Athmung ausüben. Wenn die zum Athemcentrum in der Medulla oblongata fliessenden Er- regungen peripherisch bedingt waren, so konnte man annehmen, dass die Durehsehneidung des Nervus trigeminus denselben Erfolg haben würde, wie die Durehschneidung des Hirns dieht oberhalb der Medulla oblongata, dass combinirte Durehtrennung der Trigemini und Vagi dieselbe Athmungsform herbeiführen würde, wie Abtrennung des Hirns mit Vagotomie. — Von ähn- lichen Erwägungen ausgehend, versuchte übrigens Marekwald einen Theil ! Zeitschrift für Biologie. Bd. 26. S. 259. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — LOEWY.— REx& Du BoIs-REYMmonND. 187 der peripherischen Trigeminuserregungen durch Cocainisirung der Nase aus- zuschalten, eine Methode, die als zu vollkommen beweisenden Ergebnissen führend nicht betrachtet werden kann. Ich habe nun nach der Angabe von Claude Bernard! bei einer An- zahl von Kaninchen intracranielle Trigeminusdurchschneidungen vorgenommen. Neben einer Reihe von missglückten Versuchen, bei denen in Folge von Nebenverletzungen die Thiere an Verblutung zu Grunde gingen, oder in denen die Nerven nicht ganz durchtrennt waren, hatte ich einige wohl- gelungene. Die Thiere stiessen den bekannten, furchtbaren Schrei aus, die Bulbi traten hervor, die Pupillen waren ad maximum erweitert, die Lid- und die Nasenreflexe auf die Athmung fehlten und die Section ergab, dass die voll- kommene Durchschneidung geglückt war. Die Athmung ging nach kurzem Reizstadium ohne wesentliche Aende- rung gegen die Norm weiter. Wenn nun die Nervi vagi durchtrennt wurden, dann änderte sich die Athmung nur so, wie wenn diese Trennung primär geschehen wäre. Die doppelseitige, intracranielle Trigeminusdurchschneidung konnte also die Hirnabtrennung nicht ersetzen; nach ersterer folgende Vagotomie ver- mochte nicht den charakteristischen Athmungstypus hervorzurufen, wie er auftrat, wenn mit der Vagustrennung zugleich die Medulla oblongata vom Hirn isolirt wurde. Die auf der Bahn des Nervus trigeminus verlaufenden mannigfachen peripherischen Erregungen können also bei der Regulirung der normalen Athmung keine wesentliche Rolle spielen. Demnach scheinen diese Resultate indireect die Anschauungen zu be- stätigen oder sprechen wenigstens zu deren Gunsten, die z. B. Christiani, Martin und Booker, Langendorf von dem Vorhandensein besonderer, die Athmung beeinflussender Uentra oberhalb der Medulla oblongata hegten. Eine offene Frage ist es allerdings noch, ob diese Centra dauernde Er- regungen zur Medulla oblongata abgeben, wie die Nervi vagi, oder ob sie erst nach Ausschaltung dieser gewissermaassen vicariirend eintreten. 2. Hr. Dr. Ren& pu Boıs-ReymoxD (a. G.) hielt den angekündigten Vortrag: Ueber chemische Reizung des Temperatursinnes. Es ist eine allgemein bekannte Thatsache, dass Kohlensäure, wo sie mit der Haut in Berührung kommt, sich warm anfühlt. Wer einmal darauf aufmerksam geworden ist und mit Chemicalien zu thun hat, wird leicht be- merken, dass dasselbe auch von einer ganzen Reihe anderer Gase gilt. Mir fiel es zuerst an schwefliger Säure auf, und ich habe im Verlauf der Untersuchung, die ich daran knüpfte, nach Angaben von Bekannten an Chlorgas und Bromdämpfen, ferner auch an Stiekstoffperoxyd, Salzsäure und Ammoniak dasselbe Verhalten festgestellt. Indem man die Hand in einen auf bestimmte Temperatur erwärmten Luftraum steckt und die Stärke der Wärmeempfindung vergleicht, kann man eine Stufenleiter dieser Wirkung bei den verschiedenen Gasen aufstellen. ‘ Lecons sur la physiologie et la pathologie du Systeme nerveux. T.1I. p.51. 188 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Kohlensäure fühlt sich etwa 5° wärmer als die umgebende Zimmerluft an, schwefllige Säure entspricht einer Temperatur von ungefähr 30°, Chlor- und Bromdämpfe einer noch höheren, Salzsäure und Ammoniak endlich bringen dieselbe Empfindung hervor wie Luft von über 40°. Der Frage nach der Ursache dieser Erscheinung muss vorausgehen die Beantwortung der Frage: Handelt es sich um ein subjectives oder um ein objectives Phaenomen, um einen physiologischen oder um einen physicalischen Vorgang? Eine Reihe von Umständen kann beim Eintauchen der Hand in ein Gefäss mit Gas physicalische Erwärmung hervorbringen, ohne dass dies zu geschehen braucht, wenn blos ein Thermometer eingetaucht wird. Erstens ist die Wärmestrahlung zu nennen, welche von den Wänden eines Becherglases zum Beispiel so stark reflectirt wird, dass die Wärme- empfindung der beim Eintauchen der Hand in Kohlensäure fast gleich steht. Dieser Umstand lässt sich durch Einlegen eines Papierkleides, oder durch Anwendung eines geräumigen Gefässes ausschalten. Zweitens ist zu berücksichtigen, dass eine Verminderung der Verdunstung an der Hautoberfläche sogleich einen Wärmeüberschuss an der Hand her- vorbringen würde. Aber den physicalischen Gesetzen nach wird die Dampf- spannung der Luft in dem Gefässe, von der allein die Verdunstung abhängt, nicht durch die Anwesenheit eines anderen Gases beeinflusst. Ein feuchtes Thermometer, in das Gefäss mit Gas gesenkt, sinkt nach wie vor unter dem Einflusse der Verdunstungskälte. | Eine Ausnahme machten bei diesem Versuche Ammoniak und Salzsäure, durch die weiter unten zu erwähnende Absorptionswärme. Ferner könnte die von der Luft verschiedene speeifische Wärme und Wärmeleitung der Gase eine subjeetive Wärmeempfindung veranlassen, indem der Hand weniger Wärme entzogen wird. Nach der folgenden Tabelle zeigt sich indess, dass erstens diese Unter- schiede bei den Gasen überhaupt verschwindend klein sind, im Vergleich zu denen, die man aus dem täglichen Leben kennt, und dass zweitens sich Stickoxydul in dieser Beziehung fast genau so verhält wie Kohlensäure, während doch Kohlensäure deutlich warm, Stickoxydul dagegen ganz in- different sich anfühlt. Absolute Wärmelei- Stoff Spec. Wärme bei const.| tungsfähigkeit K bez. Druck. T = ca. 15° | auf mm. mgr. sec. u.a ee Kupfer . DR RT EICHE HERR: 81-90 Kork Ba N MET ERSIT TE NERE 0-0717 TURN EN EHEN Re 0-23771 0-00492 OR ee ae 0-20246 0-00305 50: ln. AUSTRIA 0-22616 0-00350 Es bleibt noch eine vierte Möglichkeit, die Wärmeempfindung durch die physicalischen Eigenschaften der Gase zu erklären. Dies ist die Ab- sorption des betreffenden Gases durch die Hautfeuchtigkeit. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — RENE& Du Bors-REyMonD. 189 Bei der Absorption eines Gases wird Wärme frei, die zum Theil durch die Condensation des Gases auf ein kleineres Volum hervorgebracht wird, deren Menge aber von der besonderen Eigenschaft des Gases abhängig ist. Da zu der Wärmemenge, welche durch Sättigung eines Volums Wasser durch ein Gas entsteht, bei Gegenwart von mehr Wasser noch Verdünnungs- wärme frei wird, bei zu grosser Verdünnung aber die ursprüngliche Wärme- menge wieder abnimmt, ist für jede Gasart ein Verhältniss für Hervorbrin- gung von Absorptionswärme am günstigsten. Ich verdanke den Hinweis auf folgende Tabelle solcher Maximalwerthe für die Absorptionswärmen ver- schiedener Gase der Güte des Hrn. Arons. Stoff ı Zahl der Gramm- Absorptionswärme in moleküle Wasser Grammcalorieen CUet... , EN | 1500 5880 SO), 0.6 2a ee ale 250 7690 NH, a A Be 2 3 ai ze | 200 8435 HCl Be RDDE ES SHARE OR 0] 300 17310 0 re RE 1000 4870 Zn Ben? ui. untaganz, au.) 900 4750 Man findet bei Vergleichung dieser Zahlen allerdings eine gewisse Uebereinstimmung mit dem Ergebniss der Versuche. Salzsäure zeigt die höchste Absorptionswärme, und in der That stieg ein in Salzsäuregas ge- brachtes feuchtes Thermometer bis auf 43°. Es fällt aber viel mehr ins Gewicht, dass, während Kohlensäure nur ein gelindes, Chlor ein sehr lebhaftes Wärmegefühl verursacht, die Absorp- tionswärme des Chlors um ein wesentliches geringer ist als die der Kohlensäure. Ferner finden wir, dass die Absorptionswärme des Schwefelwasserstoffs der des Chlors sehr nahe steht, wenn wir aber den Versuch machen, so er- giebt sich, dass Schwefelwasserstoff nur eine äusserst schwache Wärme- empfindung hervorbringt, so schwach, dass ich erst andere Beobachter heran- ziehen musste, um diese Wahrnehmung zu bestätigen. Ich hoffte in dem Methylamin, CH,NH,, einem dem Ammoniak nahe verwandten Körper, der auch sehr stark absorbirbar ist, ein Gas zu finden, welches für dieselbe Schlussfolgerung als ein zweiter Fall zu verwenden wäre, aber es stellte sich heraus, dass auch Methylamin eine ziemlich leb- hafte Wärmeempfindung hervorbringt. Daraus jedoch, dass Kohlensäure eine grössere Absorptionswärme hat als Chlor, sich aber nieht so warm anfühlt, und dass Schwefelwasserstoff eine ebenso grosse Absorptionswärme hat, sich aber kaum merklich warm anfühlt, glaube ich schliessen zu dürfen, dass die Absorption für die Wärme- empfindung bei Berührung von Gasen keine Bedeutung hat. Es handelt sich demnach nicht um einen physicalischen, sondern um einen physiologischen Vorgang. Hier wäre zu unterscheiden, ob physiologisch eine objective Temperatursteigerung, etwa durch Einwirkung auf die Haut- 190 VERHANDLUNGEN DER BERLINER gefässe entsteht, oder ob bloss eine Temperaturempfindung ohne objective Erwärmung eintritt. Das erstere scheint mir dadurch ausgeschlossen, dass die Empfindung augenblicklich eintritt, sobald die Haut das Gas berührt. Die Wärmeempfindung bei Berührung der betreffenden Gase ist dem- nach eine rein subjeetive Erscheinung, und beruht offenbar auf einer direeten Reizung der Temperaturnerven. Die Arbeit des Stabsarztes Hrn. Dr. Goldscheider! über denselben Gegenstand, in welcher er durch Versuche an Kohlensäure allein zu dem- selben Ergebnisse gelangt, war mir, als ich die mitgetheilte Untersuchung anstellte, unbekannt. Es freut mich zu sehen, dass ich hinsichtlich des Ganges der Untersuchung wie auch des Ergebnisses mit der höchsten Auto- rität auf diesem Gebiete in vollkommener Uebeinstimmung mich befunden habe. Da aus der Vergleichung der verschiedenen Gase ein neues Argument für seine Lehre hervorgeht, so wird auch die Wiederholung an dieser Stelle zu entschuldigen sein. 3. Hr. E. pu Boıs-Reymoxp berichtete über einige Versuche, welche er durch die Güte des Hrn. Dr. Otto Hermes Gelegenheit gehabt hat, an ganz jungen Zitterrochen anzustellen. _ Schon im Laufe des Sommers hatte im Aquarium eine Torpedo Junge zur Welt gebracht, welche Hr. Dr. Hermes mich einlud, besichtigen zu kommen und geeigneten Falls zu Versuchen zu benutzen. Leider war ich damals mit Amtsgeschäften so überhäuft, dass ich seiner Einladung nicht folgen konnte. In der Nacht vom 6. auf den 7. November wiederholte sich aber glücklicher Weise dies Ereigniss, indem eine Torpedo marmorata aus Rovigno fünf Junge gebar. Sie wurden am Vormittag des 7. November in einem grossen Gefässe voll Seewasser nach dem physiologischen Institut ge- bracht. Sie waren etwa 8 ““ lang, die Körperscheibe etwa 4.5 °% breit. Sie athmeten regelmässig und schwammen von Zeit zu Zeit munter umher. An allen fand sich noch der Dottersack in Grösse einer Kirsche, doch war ein Theil des Dotters schon in Gestalt einer ansehnlichen Schwellung in den Leib übergegangen. Eins der Thierchen wurde nun mit physiologischer Kochsalzlösung ab- gespült, auf Glas gelegt und der frisch zugerichtete Nerv eines stromprüfenden Froschschenkels so ihm angelegt, dass er den Kreis zwischen Rücken- und Bauchfläche des einen Organes schloss. Die physiologische Kochsalzlösung erfüllte den doppelten Zweck, den Nerven nicht der schädlichen Einwirkung des Seewassers auszusetzen, und die zu gute Nebenleitung durch letzteres zu beseitigen. Bei jeder Reizung des kleinen Rochen mittels eines nicht leitenden Werkzeuges zuckte der Schenkel. Dann wurde jeder der beiden Flächen eine Platinplatte angelegt und mit der aperiodischen Bussole verbunden, deren 21200 Windungen sich auf Null befanden. Die zufällig vorhandenen mässigen Ungleichartigkeiten der Platinplatten liessen sich leicht mittels des runden Compensators aufwägen. Bei jeder Reizung flog jetzt die Scale aus dem Gesichtsfelde, stets in dem Sinne, dass dadurch ein Strom in der Bussole ı Diese Verhandlungen. Sitzung vom 4. November 1887. Dies Arch. 1887. '9..579. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — E. pu Boıs-REeymoxD. 191 vom Rücken zum Bauch angezeigt wurde. Ich müsste mich sehr irren, oder es machte sich auch nach solchem Schlage, trotz der Polarisation der Platin- elektroden, der gleichsinnige, allmählich sinkende Organstrom bemerkbar. An eine Verwechselung des Schlages mit Stromschwankungen durch Be- wegung der Platten war nicht zu denken; diese nicht ganz zu vermeidenden Wirkungen waren bald so, bald so gerichtet, und viel kleiner und lang- samer als die Ablenkung durch den Schlag. Leider wurde ich durch Geschäfte gezwungen, hier die Versuche ab- zubrechen. Als ich sie am Abend wieder aufnehmen wollte, fand ich die Thiere theils sterbend, theils schon todt, und ich konnte nicht mehr ver- suchen, die Jodkaliumelektrolyse durch ihren Schlag zu erhalten, sondern musste mich damit begnügen, durch das Ausbleiben der früher beobachteten Erfolge bei Wiederholung derselben Versuche zu beweisen, dass es dabei um echte Wirkungen der elektromotorischen Organe sich gehandelt habe. Woran die Thiere zu Grunde gingen, bleibt unerklärt, da sie sich in einer scheinbar völlig ausreichenden Wassermasse bei passender Temperatur be- fanden, von Nahrungsbedürfniss bei ihnen die Rede nicht sein konnte, und nur eins davon durch die Versuche vielleicht zu sehr angegriffen worden war. Auch die Jungen der ersten, im Sommer geborenen Tracht haben nicht viel länger gelebt. Es ist nicht das erste Mal, dass ganz junge Zitterrochen auf ihr elek- trisches Vermögen geprüft wurden. John Davy hat schon 1831 auf Malta bei Versuchen an über 200 Zitterrochen zweimal Gelegenheit gehabt, an sterbenden hochträchtigen Weibchen durch Kaiserschnitt die Brut an’s Licht zu fördern, und hat von den Jungen nicht allein Ablenkung am Multipli- cator und Magnetisirung von Stahlnadeln, sondern sogar fühlbare Schläge durch zwei die Rücken- und die Bauchfläche des Organs berührende Finger erhalten. Dieser Versuch, der eine viel grössere Stromstärke voraussetzt, als die oben beschriebenen, blieb bei mir erfolglos. Nach Davy’s Angabe ist an völlig ausgetragenen Foeten der Dottersack bis zur Grösse einer Erbse oder gar eines Gerstenkornes geschwunden.! Vielleicht also waren unsere neugeborenen Fische nicht gehörig ausgetragen und schlugen des- halb minder stark als die Davy’s, vielleicht waren sie auch schon zu lange in dem unnatürlichen Zustand, dem sie ja bald darauf erlagen. Es ist übrigens bemerkenswerth und spricht für die glückliche Wahl Rovigno’s, für die dort und zum Zweck des Verkehrs mit dem hiesigen Aquarium getroffenen Einrichtungen, dass, während Davy die Schwierigkeit nicht gross genug schildern kann, in den Besitz einer trächtigen Torpedo zu gelangen, wir seit dem kurzen Bestehen der Istrischen Station nun schon zweimal dieses seltenen Glücksfalles theilhaftig wurden. Dem Dr. Sachs erzählten in Ciudad Bolivar mehrere Personen, dass sie im Bauche aufgeschnittener Tembladores eine grosse Anzahl „Tembla- doreitos* von Fingerlänge gefunden hätten, welche schon kleine Schläge ertheilten.” Diese Nachricht erscheint jetzt sehr unglaubwürdig, da wir 1 Researches, physiological and anatomical. London 1839, Vol. I, p. 69 sg. — Aehnlich beschreibt De Sanetis das letzte Stadium des intrauterinen Lebens. Zimbrio- genia degli Organi elettrici delle Torpedini ec. Napoli 1872, 4°, p. 20. 63. ® Aus den Llanos u. s. w. Leipzig 1879. 8. 342. 192 VERHANDLUNGEN DER BERLINER ziemlich sicher wissen, dass der Zitteraal, wie mehrere andere Fische, seine Eier im Maul ausbrütet. Der Zitteraal führt in seiner Heimath denselben Namen — Puraqu& — wie die an den dortigen Küsten einheimische, auch in die Ströme hinaufsteigende Narcine brasiliensis, und schon Humboldt ward in Cumanä ein Opfer der daraus entspringenden Verwechselungen.! Es wäre nicht unmöglich, dass Dr. Sachs’ Gewährsmänner, um sich ein Ansehen zu geben, auf den Zitteraal eine auf Nareine sich beziehende, ihnen zu Ohren gekommene Geschichte übertrugen und sich das Verdienst jener Beobachtung zuschrieben; ganz aus der Luft gegriffen konnte füglich die Geschichte nicht sein. Ist diese Vermuthung richtig, so hätte man sich also vorzustellen, dass die südamerikanischen Creolen zufällig beim Schlachten einer trächtigen Nareine, oder aus müssiger Neugier, die näm- liche Erfahrung machten, wie John Davy an der mittelländischen Torpedo. IV. Sitzung am 25. November 1392.? 1. Hr. Treiter (a. G.) theilt einige Beobachtungen mit, die er über die Lebensfähigkeit der Gartenschnecke gemacht hat. Die eine lebt bereits 4!/, Monate ohne jede Nahrung in einem durch ein Uhrglas geschlossenen Glase, die andere lebte etwa drei Monate und starb vor wenigen Tagen in Folge zu weit gehender Zerstörung des Gehäuses. Während die erstere in Zwischenräumen von 6—10 Tagen an der Eingangs- öffnung stets eine neue Haut bildete, welche sie gegen Eintrocknung schützt, bildete letztere keine Haut bis auf einmal, wo sie herausgekrochen war, und zwar war innerhalb vier Tagen bei ihr die Membranbildung erfolgt. Bei der ersten war die Köpfung mit Zurücklassen der Kiefer am zweiten Tage nach dem Fange erfolgt, es bildet sich, wie es scheint, ein Fühler nach. Bei der zweiten erfolgte die vollständigere Köpfung am 12. November, das Stück blieb in Folge schneller Retraction der Schnecke an einem Stiele am Körper hängen, lag aber nach einigen Tagen vor der Eingangsöffnung. Während sich nun die Schnecke bei Berührung dieses Stückes nicht zurück- zog, that sie es bei Berührung des Körpers. Redner bittet um Nachsicht, da diese Beobachtungen nur dilettantische sein sollen. 2. Hr. A. Bacınsky hält den angekündigten Vortrag: Ueber die Üoc- eidienkrankheit der Kaninchen (mit Demonstrationen). Redner referirt über Untersuchungen, welche von seinen Assistenten Dr. Felsenthal und Dr. Stamm gelegentlich einer Coceidienepidemie im Kaiser- und Kaiserin-Friedrich-Kinderkrankenhaus ausgeführt wurden. Es werden die neuesten Untersuchungen über die Entwickelung der Coceidien besprochen und: die anatomischen Befunde in der Leber und im Darm aus- führlich erörtert. In der Leber sieht man neben biliärer Cirrhose mit Neu- ! E. du Bois-Reymond, Dr. C. Sachs’ Untersuchungen am Zitteraal u. s. w. Leipzig 1881. 8. 123. — Ueber die Fortpflanzung des Zitteraales. Dies Archiv. 1882. S. 76. ® Ausgegeben am 16. December 1892. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — TRETTEL. — ExNER. — HANSEMANN. 193 bildung von Gallengängen geschwulstartige Gebilde, die man als Kystade- nomata prolif. hepat. bezeichnen kann. Im Darm findet sich Hypertrophie der Zotten und Ektasie der Drüsenschläuche neben einer Infiltration der Mucosa. Redner lässt es dahin gestellt sein, ob die Protozoen, die in den Epithel- zellen der Gallengänge und der Zotten gefunden werden, die infeetiöse Ursache der Neubildung sind, oder ob diese nur als einfacher mechanischer Reiz wirken. V. Sitzung am 9. December 1892.' 1. Hr. Sıcm. Exser aus Wien (a. G.) hält den angekündigten Vor- trag: „Ueber den Nervus laryngeus medius und Demonstration desselben.“ Da Hr. Katzenstein in einer der vorhergegangenen Sitzungen auf Grund seiner Untersuchungen an Kaninchen, Hunden und Affen die Existenz dieses Nerven bestritten hatte,” so hat der Vortragende unternommen, den Bestand desselben zu demonstriren. Er erklärt, sich darauf zu beschränken, die Existenz des Nerven am Kaninchen zu erweisen, da er bei diesem Thiere noch von Niemandem, ausgenommen von Schülern des Vortragenden, bestätigt worden ist, während dieses für den Hund in allen wesentlichen Punkten auch durch Onodi und Livon geschehen ist, und weil dieser Nachweis beim Kaninchen leichter als beim Hunde, „durch einen Schulversuch“ er- bracht werden kann. Es wird sodann gezeigt, dass sich der Muse. erico- thyreoideus contrahirt, wenn der Nervus laryngeus superior, und ebenso wenn der Nervus laryngeus medius auf die Elektroden eines Inductoriums gelegt wird. 2. Hr. HansemAnn hält den angekündigten Vortrag über stereosko- pische Vereinigung mikroskopischer Photogramme. Die Hauptschwierigkeit bei der Mikrophotographie mit starken Ver- grösserungen liegt in der geringen Tiefe der starken Objective. Dadurch erscheinen einmal die Conturen nur in geringer Ausdehnung scharf, dann aber wirken auch die Zerstreuungskreise aus anderen Ebenen als Schatten und Flecke im Bilde sehr störend. Diesen Uebelstand zu überwinden, ist meines Wissens nur einmal, und zwar mit sehr vollkommenem Erfolge versucht worden, nämlich von Prof. Otto Witt in einem Diatomeenatlas. Das Ver- fahren bestand darin, dass mit schwachen Vergrösserungen aufgenommene Bilder auf photographischem Wege vergrössert wurden. Es war dazu noth- wendig, mit kornfreien, also feuchten Collodiumplatten zu arbeiten. Denselben Uebelstand, wie bei der Aufnahme mit starken Objeetiven, haben wir zwar auch bei der directen Beobachtung, aber wir sind gewohnt, durch Bewegung der Mikrometerschraube die verschiedenen optischen Quer- schnitte in rascher Folge zu beobachten, im Geiste zu combiniren und so * Ausgegeben am 16. December 1892. ?” Sitzung am '19. Februar 1892. Dies Archiv. 1892. S. 162. Archiy f. A.u. Ph. 1893. Physiol. Abthig. 13 194 VERHANDLUNGEN DER BERLINER eine Vorstellung von der körperlichen Beschaffenheit der Gegenstände zu gewinnen. Es lag daher nahe, Gegenstände bei verschiedener Einstellung der Mikrometerschraube zu photographiren und dann zu combiniren. Man kann also zwei Aufnahmen von demselben Gegenstand machen und zwischen den beiden Aufnahmen die Mikrometerschraube um ein geringes drehen. Die beiden so bei verschiedener Einstellung der Mikrometerschraube gewon- nenen Bilder bringt man nach Art der stereoskopischen Bilder nebeneinander und vereinigt sie durch prismatische Gläser, am besten in einem Stereoskop. Dabei stellt sich nun heraus, dass man nicht nur die beiden Bilder sehr gut zu einem combinirt, sondern dass, wo überhaupt ein scharfer Contour auf einem Bilde vorhanden ist, die Zerstreuungskreise des anderen gar nicht pereipirt werden, wenn man seine Aufmerksamkeit nicht darauf besonders richtet. Man bekommt auf diese Weise sehr hübsche Demonstrationsobjecte, die besonders für Zelltheilungsvorgänge geeignet zu sein scheinen (De- monstration einer Reihe solcher Bilder).. Ausserdem aber erscheinen die Gegenstände deutlich plastisch, wie wenn man die Bilder von zwei ver- schiedenen Punkten aufgenommen hätte. Diese Erscheinung erkläre ich mir so, dass die Gegenstände nur selten genau in der Axe des Lichtkegels liegen und dadurch bei Drehung der Mikrometerschraube eine scheinbare Verschiebung des Objectes stattfindet, ähnlich wie bei der schiefen Beleuch- tung. Ich bemerke jedoch ausdrücklich, dass dies eine unangenehme Neben- erscheinung ist, da man es nicht in der Hand hat, die scheinbare Plastik mit der Wirklichkeit in Uebereinstimmung zu bringen. Auf der anderen Seite wirkt aber diese Plastik nicht störend. Eine weitere Gefahr für die Richtigkeit der Bilder liegt darin, wenn man zwei optische Querschnitte combinirt, die sich nicht aneinander anschliessen. Man muss also die Tiefe seines Objectivs genau beobachten und das zweite Bild da anfangen lassen, wo das erste aufhört. Wenn die Bilder mit der richtigen Sorgfalt und Zu- verlässigkeit angefertigt sind, so gelingt es, durch dieselben die Zusammen- gehörigkeit einzelner Theile in den Objecten, z. B. stark gekrümmter Chro- mosomen, nachzuweisen und objectiv zu demonstriren, was direet am Object nur schwer möglich ist. 5. Hr. Prof. Hırcarp von der Berkeley-Universität in Californien (a. G.) hält den angekündigten Vortrag: Ueber den Einfluss einiger klima- tischer und Bodenverhältnisse auf die ältere Cultur. Man hat sich oft gewundert, dass so viele der älteren Culturvölker sich gerade da niedergelassen und entwickelt haben, wo die Natur anscheinend ihrem Gedeihen grosse Hindernisse in den Weg legte, indem sie ihnen die schwere Nothwendigkeit der künstlichen Bewässerung auferlegte. Abgesehen von Egypten, dessen dauernde Fruchtbarkeit den jährlichen Ueberschwem- mungen des Nils zugeschrieben wird, finden wir westwärts die höchst frucht- baren Oasen, die trotz ihrer uneinladenden Lage in der Wüste von Alters her bewohnt und berühmt waren. Dasselbe ist in den Küstenländern Nord- afrika’s und Südeuropa’s zu beobachten; statt des regenreichen Waldlandes waren es z. B. vor Allem die bewässerungsbedürftigen „Vegas“ von Valencia, Alicante, Granada, Malaga u. a.m., wo Culturmittelpunkte sich bildeten und blieben. Dasselbe sieht man in den anderen Continenten, und in keinem auffallender, als in Asien, dem vermuthlichen Geburtsland der Menschheit. Qt PHYSIOLOGISCHEN ÜESELLSCHAFT. — HILGARD. 1° Der regenarme, bewässerungsbedürftige Gürtel erstreckt sich von Egypten, Arabien, Palaestina, Syrien und Persien über den Indus und durch die alt- berühmten Regionen altindischer Cultur, Sindh, Pendschab, Radschputana und das ganze nördliche Indien bis an den Ganges, wo Lahore, Delhi, Meerut, Agra u. a. wiederum Centren alter und neuer Cultur bezeichnen. Und fast das Ganze dieses weiten und wichtigen Landstriches muss künstlich bewässert werden, wenn nicht Hungersnoth in kurzen Zwischenräumen die Bevölkerung bedrohen soll. Schon vor Jahrtausenden, wie auch heute, werden Millionen und Milliarden auf Bewässerungswerke verwandt, während in den regen- reichen bewaldeten Distrieten noch weite Strecken fast nur von wilden Bestien bewohnt sind. Selbst in Innerasien finden wir weitläufige Ruinen alter Gross- städte, in Gegenden, die jetzt nur den Steppenvölkern zu Weide dienen; und die Khanate von Süd-Turkestan zeigen uns wieder dieselbe eigensinnige Vorliebe der Völker für die aride Region. Auch in der neuen Welt ist es nieht anders; es waren nicht die Wälder des Orinoco’s und des Amazonen- stromes, sondern die ariden Westabhänge der Cordilleren, wo die Civilisation der Incas sich entwickelte; in Mexico das regenarme und bewässerungs- bedürftige Hochplateau, nicht die fruchtbare und üppige Tierra caliente, wo die Azteken in ihrer Blüthezeit herrschten. Auch weiter nach Norden waren (und sind noch jetzt) die einheimischen Bewohner der dürren Hochebenen Neu-Mexico’s und Arizona’s, die Bewohner der noch jetzt bevölkerten Pueb- los, in der Oultur ihren nördlichen Nachbarn von der Algonquinrasse weit überlegen; sie trieben seit Menschengedenken Ackerbau mit Bewässerung und ernährten eine verhältnissmässig dichte Bevölkerung mit sehr kleinem, der Cultur unterworfenen Areal. Es war augenscheinlich nicht bloss der anregende Einfluss des Kampfes um das Dasein, der diese auffallende Er- scheinung bedingt. Man könnte sich denken, dass vielleicht der Wegfall der Nothwendigkeit des Abholzens und der mühsamen Urbarmachung der Wälder eine der Ursachen der anfänglichen Neigung zur Ansiedelung in der baumlosen Region gewesen sei. Wenn man aber die Mühe und Kosten der Anlegung von Wasserbauten und Canälen dagegen hält, scheint es doch, dass noch ein stärkerer, in der Natur der Sache liegender Beweggrund da- bei mitgewirkt haben muss. Es scheint mir, dass ein solcher Beweggrund in der den Böden der ariden Regionen innewohnenden grösseren und dauernderen Fruchtbarkeit zu suchen ist. Dass dieser Sachverhalt wirklich stattfindet, kann man eigentlich a priori ersehen, wenn man die Processe der Bodenbildung eingehend betrachtet. Dass dies bis jetzt noch nicht geschehen ist, ist ein Curiosum in der Ge- schichte der Wissenschaft, wie es manche giebt. Es ist hier nicht der Ort, auf diese Processe speciell einzugehen; es reicht hin, den charakte- ristischen, aus der Betrachtung der unzulänglichen Regenmenge sich er- gebenden Unterschied zwischen der ariden und humiden Region kurz zu kennzeichnen. Wo reichliche Regen über das ganze Jahr vertheilt sind, werden die bei der Gesteins- und Bodenverwitterung gebildeten Salze laufend ausgelaugt und in das Grundwasser und aus diesem in die Flüsse und das Meer ge- führt. Wo der Regenfall spärlich ist, kann die Auslaugung nicht oder nur theilweise stattfinden; und oft erscheinen besonders die Salze der Alkalien 132 196 VERHANDLUNGEN DER BERLINER in der regenlosen Jahreszeit als Auswitterung auf der Oberfläche des Bodens, zuweilen in solcher Menge, dass sie das Gedeihen anderer als der Salz- vegetation überhaupt nicht zulassen; denn mit den nützlichen Nährsalzen bleiben natürlich auch die den Pflanzen unnützen oder schädlichen zurück. Wir finden hier den schroffen Gegensatz zu den den Tropenländern eigenen, völlig ausgelaugten, sogenannten Lateritböden. Wenn nun auch ein Uebermaass solcher Salze schädlich wirkt, so ist nicht zu verkennen, dass in Fällen, wo ein solcher Ueberschuss nicht statt- findet, in den Böden der ariden Regionen Anhäufungen von Pflanzennähr- stoffen sich bilden müssen, welche die Nothwendigkeit der Düngerzufuhr auflange Zeiten hinausschieben, in manchen Fällen völlig unterdrücken können. Soviel hätte man, wie bemerkt, a priori sagen dürfen. Dass dem nun wirklich so ist, habe ich a posteriori durch vergleichende Untersuchung einer grossen Anzahl von Böden aus den ariden und humiden Regionen Nord- amerika’s dargethan. Die betreffenden Untersuchungen habe ich in einem unlängst an das Landwirthschaftsministerium in Washington gerichteten Bericht, der demnächst auch in deutscher Sprache erscheinen wird, ausführ- lich erörtert. Ich betone daraus nur die folgenden Punkte: 1. Alle Böden der ariden Region sind „Kalkböden“, d. h. sie ent- halten einen hinlänglichen Ueberschuss an Kalkcarbonat, um alle die Vor- theile solcher Böden sicherzustellen. Im Durchschnitt enthalten die Böden der amerikanischen ariden Region 10—14mal mehr Kalk als die der humiden. atlantischen Region. 2. Alle Böden der regenarmen Region enthalten grosse Mengen von Kali in zeolithischer, leichtlöslicher Verbindung, neben einer fast immer gegenwärtigen Menge wasserlöslicher Kalisalze, welche allein dem Cultur- bedarf auf viele Jahre genügen würden, weil sie auch im Grundwasser ent- halten sind und daher in der Tiefe des Bodens eireuliren. 3. Nitrate sind in diesen Böden in der Regel in bedeutenden Mengen enthalten, zuweilen auch Ammonsalze. 4. Auch Phosphate sind oft in wasserlöslicher Form gegenwärtig; in Bezug auf die Totalmenge derselben scheint kein stetiger Unterschied zwi- schen der ariden und humiden Region stattzufinden, wie das wegen der Schwerlöslichkeit der Erdphosphate auch nicht anders zu erwarten ist. Zum Beleg dieser Thatsachen gebe ich hier zwei Beispiele der Zu- sammensetzung des wässerigen Auszuges von Culturböden in dem San-Joa- quinthale in Californien; dieselben sind in dem Boden zu etwa 0-2 Procent enthalten, und ungefähr ebenso im Grundwasser. Alkalisalze aus dem San-Joaquinthal, Californien. | I 11 Kalumsulfatzaea a au | 3-25 12-53 IN atriumsultatgee Mo u 20-91 Natziumehlorid ee 12-21 2-48 DE Natriumphosphatu.. m 1.87 5.19 Natnummilıateer er 16.40 Natbeiamearbonap nr 2 2 | 27-02 40-70 IATamODTUmCarbomatı A re 1-27 Masnesiumsulfatsier m Be 1-01 Organische Stoffe und Wasser . . . , 17-07 ..| 38-09 100.00 10000 PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — HILGARD. 197 Man sieht hier Nährflüssigkeiten wie sie, drei Natronsalze abgerechnet, gern zu künstlichen Culturversuchen verwendet werden würden; und es ist begreiflich, dass solche Böden die Bewässerung durch ganz ausserordentliche Erträge lohnen, wenn nur die Natronsalze unschädlich gemacht werden. Das wichtigste hierbei ist, dass man vor allen Dingen das Carbonat nach meiner Vorschrift durch Gypsen in das weit mildere Glaubersalz verwandelt, wobei zugleich auch für den Fall der Drainirung die wasserlöslichen Phos- phate nebst dem sonst aufgelösten Humus in dem Boden zurückgehalten werden. Im Allgemeinen ist zu sagen, dass nur ein kleiner Thei der wirk- lichen „Alkaliböden“ (im Gegensatz zu den eigentlichen Salzböden) als eulturunfähig zu betrachten sind, und dass auf ihre Reclamation, wegen ihres grossen Culturwerthes, recht hohe Kosten verwendet werden können. Dies erklärt sich, wenn man bedenkt, dass z. B. schon jetzt in Californien zehn Morgen bewässerten Landes für den reichlichen Unterhalt einer Familie als Einheit gelten, während in der atlantischen Region 40—60 Morgen kaum (ohne Düngung) dazu ausreichen. Ich glaube, dass wir sonach berechtigt und gezwungen sind, die be- sondere Beschaffenheit der Böden der regenarmen Regionen als einen der wichtigsten Factoren in der Culturgeschichte anzuerkennen, indem diese Land- striche, unseren gewöhnlichen Eindrücken entgegen, zur Ernährung grösserer Bevölkerungen geeignet sind als die regenreichen Länder, deren Fruchtbar- keit laufend in das Weltmeer hinabfliesst und von da erst wieder im Laufe langer geologischer Perioden der Menschheit möglicherweise zu Gute kom- men kann. In Folge dieser Umstände ist in der ariden Region der Kampf um’s Dasein ein viel leichterer, sobald nur einmal das lebengebende Wasser dem Ackerbau zur Verfügung gestellt wird. Es mögen sich daraus auch die Anhänger der Malthus’schen Lehre einigen Trost schöpfen, indem es bis jetzt noch kaum abzusehen ist, ein wie grosser Theil dessen, was jetzt als Wüste gilt, im Gegentheil als aussergewöhnlich fruchtbares Ackerland zu betrachten ist, das nur der intelligenten Menschenhand bedarf, um die inten- sivste Produetion zu ermöglichen. Die Erfolge der französischen Bohrungen im Gebiete der nördlichen Sahara, die Wiederbelebung der längst verfallenen Oasencultur im Tuareggebiet sind nur Andeutung dessen, was voraussicht- lich in derselben Weise anderswo geschehen kann, wo jetzt, wie ehemals auf der Karte von Nordamerika, noch „Wüste“ geschrieben steht. Die „Grosse amerikanische Wüste“ ist schon jetzt auf ein kleines Areal wesentlich ver- dunsteter Salzseen zusammengeschrumpft; es wird in der Zukunft wohl auch den asiatischen und, afrikanischen Wüsten zum grossen Theil ebenso ergehen, wenn dieselben einmal der Cultur so nahe gerückt sind, dass die Landwirth- schaft überhaupt lohnen kann. Dass aber bei der versuchten Verbesserung der älteren Bewässerungsmethoden grosse Fehler gemacht werden können, hat sich in Indien in sehr kostspieliger Weise erwiesen, und es muss die ganze Frage einer noch viel eingehenderen Untersuchung unterworfen werden, als dies bis jetzt geschehen ist. 198 VERHANDLUNGEN DER BERLINER VI. Sitzung am 13. Januar 1893. Hr. A. Kossen und Hr. A. Raps führen eine selbstthätige Blutgaspumpe vor. Dieselbe beruht auf demselben Prineip, wie die bisher gebräuchlichen Quecksilberluftpumpen, unterscheidet sich aber von diesen dadurch, dass das Quecksilber nicht durch menschliche Muskelkraft, sondern durch comprimirte Luft gehoben wird und dass die Regulirung nicht durch Hähne, die von der Hand des Experimentators gedreht werden, sondern auf selbstthätige Weise erfolgt. Die wesentlichen Eigenthümlichkeiten dieser Pumpe, besonders die selbstthätige Regulirung sind von A. Raps erfunden und in den Annalen der Physik sowie in der Zeitschrift für Instrumentenkunde publieirt worden; die Vortragenden haben diesen Apparat für die Blutgasanalyse modifieirt. Diese Modification betrifft zunächst den Apparat zum Sammeln der Gase. Während bei der bisher gebräuchlichen Blutgaspumpe das zu entleerende Gas entweder direct in die äussere Luft oder in ein mit Quecksilber ge- fülltes Glasrohr in der Weise hineingedrückt wird, dass es den Widerstand einer ganzen Atmosphaere oder wenigstens einen beträchtlichen Druck zu überwinden hat, wird das Gas hier in einer Glaskugel gesammelt, in der zu Beginn völliges Vacuum, später äusserst geringer Druck herrscht. Durch diese Binrichtung wird das Austreiben der Gase bedeutend erleichtert. Ausserdem wird vor Beginn des Auspumpens der grösste Theil der Luft durch eine stark wirkende Körting’sche Wasserstrahlpumpe fortgeschafft. Das Trocknen der Gase wird bewirkt, indem das Gas durch concentrirte Schwefelsäure hindurchtritt; sobald der Druckunterschied in den verschiedenen Räumen der Pumpe ein sehr geringer geworden ist, wird durch Drehung der schief gestellten eiförmigen Waschflasche mit excentrisch angebrachtem Bauche das Niveau der Schwefelsäure gesenkt und nunmehr der Rest des Gases in der früher gebräuchlichen Weise getrocknet. Das Trocknen gelingt leicht und sicher. Selbstverständlich sind alle diese Theile nur durch Glas verbunden. Die Vortheile der Pumpe bestehen vor Allem darin, dass der Experi- mentator während ihrer Thätigkeit nieht zugegen zu sein braucht, und es ist möglich, ohne Mühe sehr grosse Räume völlig leer zu machen, und zwar in relativ sehr kurzer Zeit. Die Pumpe ist nicht den Unglücksfällen aus- gesetzt, welche bei der manuellen Bewegung des Quecksilbers durch starkes Anschlagen der Metallmassen an die Glaswandung hervorgerufen werden. Bezüglich der ausführlichen Beschreibung muss zum Theil auf die früher erfolgten Mittheilungen der Hın. Raps,” zum Theil auf demnächst er- scheinende Publieationen? verwiesen werden. 2. Hr. Stabsarzt Prof. Dr. Beurıne (a. G.) hält den angekündigten Vor- trag: Ueber den gegenwärtigen Stand der Blutserumtherapie. Nach Darlegung der Aetiologie des Tetanus traumatieus, der Gewinnung von Reinceulturen, der Bestimmung des Wirkungswerthes derselben unter Be- rücksiehtigung der in den Culturen enthaltenen lebenden Tetanusbakterien und des Tetanusgiftes, demonstrirt der Vortragende solche weisse Mäuse, ! Ausgegeben am 10. Februar 1893. ° Annalen der Physik. 1890. IR, ! % Zeitschrift für Instrumentenkunde, Zeitschrift für physiologische Chemie. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — BEHRING. 199 die mit Tetanusgift krank gemacht sind und danach zum Theil unbe- handelt blieben, zum Theil einer Behandlung mit Tetanusheilserum unter- zogen wurden. Das zur Anwendung gekommene Serum stammte von einem Pferde aus der thierärztlichen Hochschule. Die Schutzwirkung desselben wurde an Mäusen demonstrirt, die eine absolut sicher tödtliche Giftdosis bekommen hatten, und die noch vor dem Tetanustode bewahrt wurden, nachdem sie vorher Serum in solcher Menge bekommen hatten, das auf mehr als 1 Million Gramm lebend Mäusegewicht j°m Serum kam. Mit diesem Serum sind auch Heilungsversuche an schon tetanischen Mäusen ausgeführt worden, von denen namentlich folgender ausführlich be- sprochen wurde. Von 14 Mäusen, die sämmtlich mit einer durch Vorversuche als sicher tödtlich erkannten Giftdosis (1:75000) am 9. Januar 1893 im hiesigen physiologischen Institut, im Beisein des Hrn. Prof. Gad, zu derselben Zeit von Hrn. Dr. Knorr vergiftet waren, wurden nach weniger als 24 Stunden 12 Stück leicht tetanisch gefunden; nach etwa 28 Stunden waren sämmt- liche Mäuse deutlich tetanisch. Diejenigen Mäuse, welche am spätesten tetanisch geworden waren (zwei Stück), also das längste Incubationsstadium hatten, wurden unbehandelt ge- lassen und blieben mit zwei anderen Mäusen mit kürzerem Incubationsstadium zur OControle. Die zehn anderen Mäuse wurden in Behandlung genommen — zum Theil zur Zeit als die ersten Tetanussymptome sich be- merkbar machten (3), zum Theil, nachdem der Tetanus schon sehr deutlich in Erscheinung getreten war, spätestens aber fünf Stunden nach der Constatirung der ersten Tetanussymptome. Die zur Behandlung gewählte Serumdogs betrug bei sechs Mäusen 0.4 m bei vier Mäusen 0.04 °”%, auf das Körpergewicht dieser Thiere berechnet, in letzterem Falle also 1:500. Die Behandlung mit diesen Dosen wurde an mehreren Tagen hintereinander fortgesetzt. Das Resultat dieses Versuches war folgendes: Während bei den vier Controlmäusen der Tetanus von einer Muskel- gruppe auf die andere übergriff, und bis zum Tode dieser Thiere progredient blieb, war der Tetanus bei sämmtlichen zehn behandelten Mäusen zur Zeit des Vortrages zum Stillstand gekommen, und zwar war dies bei drei Mäusen schon am 11. Januar, bei vier Mäusen am 12. Januar, bei drei Mäusen erst am 15. Januar der Fall gewesen. Es werden dann diejenigen Mäuse, bei welchen der Stillstand am spätesten eintrat, und die infolgedessen am schwersten krank erscheinen, der Gesellschaft demonstrirt; daneben auch die vier Controlmäuse. Die letzteren sind sämmtlich schwerer krank, als die behandelten Mäuse; es ist bei ihnen fast keine Muskelgruppe vom Tetanus frei geblieben, und auf den Rücken gelegt, sind sie nicht im Stande, sich von selbst wieder auf die Beine zu bringen. Der weitere Verlauf dieses Versuches, welcher von Hrn. Prof. Gad zu- sammen mit Hrn. Dr. Knorr im Laboratorium des physiologischen Instituts von Tag zu Tag weiter verfolgt wurde, ist der Gesellschaft in der Sitzung vom 3. Februar 1893 durch Hrn. Prof. Gad geschildert worden. 200 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Sämmtliche vier Controlmäuse waren bis zum 15. Februar, Abends, an typischem Tetanus gestorben. Von den behandelten zehn Mäusen sind alle zehn am Leben geblieben; und selbst die der Gesellschaft am 13. Januar 1893 in so sehr schwer krankem tetanischen Zustande gezeigten drei Mäuse konnten von Hrn. Prof. Gad als geheilt vorgeführt werden. Nur eine leichte Rückenkrümmung deutete für den sehr aufmerk- samen Beobachter die überstandene Krankheit an. Bei zwei von den geheilten Mäusen war schon am 20. Januar 1893 die Heilung ziemlich perfect; bei den übrigen war die Restitutio ad integrum erst im Laufe von drei Wochen ganz allmählich eingetreten. Nach weiteren Bemerkungen des Vortragenden (Behring) von mehr allgemeiner Natur, betreffend die Wirkungsweise des Heilserums und die für die Behandlung des Menschen sich ergebenden Consequenzen, bespricht der- selbe eine neue Methode der Werthbestimmung neu zu prüfender Serumsorten, indem er dabei gleichzeitig für seinen Mitarbeiter, Hrn. Dr. Knorr, das Wort führt. Wegen der Wichtigkeit, die diesem Theile des Vortrages nach -der Ansicht des Vortragenden zukommt, wird im Folgenden hierüber in extenso berichtet. Wir möchten an dieser Stelle zuletzt nur noch auf einen Punkt auf- merksam machen, der für die Frage nach dem Heilwerth eines Tetanusheil- serums von grosser Wichtigkeit sein dürfte. Wir haben bei der Feststellung des Immunisirungswerthes gesehen, wie derselbe in hohem Grade abhängig ist von der Grösse der krankmachenden Dosis, von der Zeit der Serum- anwendung und davon, was man als Kennzeichen der gelungenen Immuni- sirung ansieht: die Verhütung jeder Erkrankung, oder die Verhütung des Todes, oder gar bloss eine Verzögerung des Eintrittes des Todes. Wenn nun verschiedene Autoren für die Berechnung des Immunisirungs- werthes nicht die gleichen Versuchsbedingungen wählen wie wir, dann ist es ganz unmöglich, solche Zahlenangaben mit den unserigen in Vergleich zu stellen. Wir möchten ganz besonders hervorheben, dass das Misslingen der Heilung schon tetanischer Mäuse in Versuchen, wie sie beispielsweise von Paris aus mitgetheilt sind, wo angeblich das zur Behandlung gewählte Serum einen Immunisirungswerth von 1:vielen Millionen besass, möglicher- weise auf eine andersartige Berechnung des Immunisirungswerthes zurück- zuführen ist. Aus den vorausgeschickten Auseinandersetzungen dürfte aber auch hervorgehen, dass eine absolute Genauigkeit in der Bestimmung des Immuni- sirungswerthes überhaupt nicht zu erreichen ist, und wir haben daher für die Beurtheilung des Heilwerthes von jetzt ab auch für unsere eigenen Versuche eine neue und, wie es uns scheint, praktisch sehr brauchbare Me- thode eingeführt, die wir im Folgenden beschreiben und zum Zweck einer besseren Verständigung mit anderen auf diesem Gebiete arbeitenden Autoren empfehlen möchten. Das oben beschriebene Tetanusheilserum stammt, wie erwähnt, von einem immunisirten Pferde aus dem pathologischen Institut der thierärztlichen Hoch- schule, und wir haben gesehen, wie sich an demselben durch Mäuseversuche ein specifischer Heilwerth feststellen liess. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — BEHRING. 201 Aus den mitgetheilten Versuchen kann aber weiter auch erkannt werden, dass wochenlang dauernde, äusserst mühsame Vorversuche voraufgehen mussten, ehe wir uns getrauen durften, im physiologischen Institut Heilver- suche mit diesem Serum anzustellen, ohne befürchten zu müssen, dass die- selben missglückten. Wir mussten vorerst ganz genau den Wirkungswerth unserer Cultur- Hüssigkeit kennen, mit der die Mäuse krank zu machen waren; wir mussten dann den Immunisirungswerth dieses Serums kennen; wir mussten endlich den Grad der Vergiftung und das Stadium der Erkrankung nach derselben herausbekommen, in welchem eine Serumbehandlung noch mit einiger Aus- sicht auf Erfolg von uns vorgenommen werden konnte. Nun haben wir noch von mehreren Thieren Serum, an welchem gleiche Prüfungen vorzunehmen sind; gegenwärtig gleichzeitig von drei Pferden und vier Schafen. Müssen da für jeden einzelnen Fall wieder von neuem Wochen anstrengender Arbeit vergehen, ehe wir über den Heilwerth dieser Serum- arten ein Urtheil gewinnen? Da können wir jetzt sagen, dass dies nicht nöthig ist, dass das neue Verfahren uns schneller zum Ziele führt und dabei ebenso einfach wie zweckentsprechend ist. Wir benutzen dieses genau geprüfte Pferdeserum vom 23. November 1892 als Normalmaass und bezeichnen rein willkürlich, aber von jetzt ab ein für allemal, seinen Heilwerth durch die Zahl 1. Dieses Normalserum wird nun in hinreichend grosser Menge unter solchen Bedingungen aufbewahrt, dass sein Heilwerth lange Zeit constant bleibt. Wollen wir dann ein neues Serum prüfen, so stellen wir unter beliebi- gen, aber genau den gleichen Versuchsbedingungen mit dem Normalserum und mit dem neu zu prüfenden Serum Heilversuche an, deren Ausfall zu- nächst nur darüber orientiren soll, welches Serum wirksamer ist. Ist das neue Serum weniger wirksam, dann lässt sich aus mehreren Verdünnungen des Normalserums diejenige durch ein weiteres Experiment herausfinden, welche in ihrem Werth mit dem ersteren übereinstimmt. Be- trägt diese Verdünnung beispielsweise 1:10, so hat das neue Serum den ‚Werth = !/,, Normalserum. | Für praktische Zwecke, ich meine für Heilversuche beim Menschen, würde bei geringerem Heilwerth als 1 eine genauere Bestimmung gar nicht mehr nothwendig sein, da wir ein solches Serum nicht mehr für die Be- handlung des Menschen abgeben. Ist das neue Serum wirksamer als das Normalserum, so wird durch Bestimmung der dem Normalserum gleichwerthigen Verdünnung des neu zu prüfenden Serums dasjenige Multiplum von 1 gefunden, welches den Heil- werth zum Ausdruck bringt. Wenn wir also künftig von Normal-Tetanusheilserum sprechen, so ist das immer ein Serum von solchem Heilwerth, wie wir ihn bei den im hie- sigen physiologischen Institut im Beisein von Hrn. Prof. Gad ausgeführten Versuchen kennen gelernt und in der Sitzung der physiologischen Gesell- schaft vom 13. Januar dieses Jahres demonstrirt haben. Wir erklären uns zum Schluss bereit, im Institut für Infeetionskrank- 202 VERHANDLUNGEN DER BERLINER heiten solche vergleichende Prüfungen auch mit Tetanusheilserum aus anderen Laboratorien mit wirklichem Heilwerth anzustellen, eventuell Proben von unserem Normalheilserum an andere Gentralstellen für solche vergleichenden Untersuchungen abzugeben. VI. Sitzung am 3. Februar 1893." 1. Im Anschluss an die Discussion über den in der vorigen Sitzung gehaltenen Vortrag des Hrn. Behring demonstrirt Hr. WERNIcKE (a. 6.) eine grössere Reihe von Meerschweinchen, welche mit Blutserum gegen Diphtherie künstlich immunisirter Thiere behandelt, die specifischen immuni- sirenden und heilenden Eigenschaften solchen Serums auch bei Diphtherie- infection beweisen. Die demonstrirten Meerschweinchen waren mit Serum von diphtherie-immunisirten Hunden behandelt. In Mitarbeit mit Prof. Behring hat der Vortragende seit längerer Zeit Immunisirungsversuche gegen Diphtherie bei grösseren Thieren angestellt und im verflossenen Jahre auch an Hunden experimentirt. Diese Thiere sind für Infection mit Diphtheriebacillen ausserordentlich empfänglich. Während von zweitägigen Diphtheriebouilloneulturen bei sub- eutaner Injection für Meerschweinchen Mengen von 0-007—0.02°@ ge- nügen, um den Tod unter den bekannten Erscheinungen in 3—4 Tagen herbeizuführen, sind auch für Hunde Culturmengen von 0-.5—1-10 m schnell tödtlich wirkende Gaben. — Kleinere Hunde von 6"8 Gewicht er- liegen der Infection in 3—4 Tagen, aber auch sehr grosse kräftige Thiere von 33—35 8 Gewicht gehen nach 6—12 Tagen zugrunde. Aeltere Thiere scheinen etwas weniger empfänglich zu sein. Die Erscheinungen, welche die infieirten Thiere zeigen, sind sehr charakteristisch und bestehen nament- lich in dem Auftreten einer umfangreichen oedematösen Schwellung an der Injectionsstelle, welche zu Schwartenbildung führt, dann in dem Zustande- kommen von lähmungsartiger Schwäche der Hinterextremitäten, so dass die Thiere kaum laufen können; es tritt im weiteren Verlauf der Krankheit blutiger Durchfall und Erbrechen auf, und unter den Erscheinungen des Lungenoedems gehen die Thiere zugrunde. Bei der Obduction findet man an der Injectionsstelle eine grosse feste, schwarzrothe Schwarte. Die gelb- liche Verfärbung des Unterhautfettes, der Conjunetivae und der Musculatur deuten auf haematogenen Ikterus. Als weitere Zeichen der Blutdissolution finden sich zahlreiche Haemorrhagieen in den inneren Organen, namentlich in den Nieren. Diphtheriebacillen finden sich nur an der Injectionsstelle. Durch vorheriges Verfüttern grosser Mengen Fleisches von Schafen, die gegen Diphtherie immunisirt worden waren, erlangten Hunde einen geringen Grad von Immunität gegenüber der Diphtherieinfeetion. Indem die Hunde mit allmählich steigenden Dosen von mehrere Monate alten Diphtherie- eulturen weiterbehandelt wurden, gelang es, die Thiere weiter zu immuni- siren, so dass sie im Laufe der Zeit auch auf die stärksten Dosen von viru- lenten zweitägigen Diphtheriebouilloneulturen nur noch mit localen und nach ! Ausgegeben am 10. Februar 1893. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — WERNICKE. 203 einiger Zeit wieder verschwindenden Anschwellungen an den Stellen, an welchen die Culturen subeutan injieirt wurden, reagirten. Dass auch Meerschweinchen durch Behandlung mit alten, nicht mehr vollvirulenten Diphtherieeulturen Immunität erlangten, hatte der Vortragende vorher festgestellt. Je immuner die Hunde gegen Diphtherieinfeetion wurden, desto stärker immunisirende und heilende Eigenschaften entfaltete ihr Blutserum. Bei so starken Diphtherieinfeetionen, dass Controlthiere in 36—48 Stunden starben, wurden Meerschweinchen durch Seruminjectionen von 1:5000 bis 1:10000, auf das Körpergewicht der Thiere berechnet, eine Viertelstunde nach der Injeetion noch gerettet. Bei acht Stunden nach der Injection in Behand- lung genommenen Thieren hatten Serummengen von 1:500 noch heilenden Einfluss, aber auch Meerschweinchen, die erst 24 Stunden nach der Infection mit Serum behandelt wurden, während sie sehr schwere locale und allge- meine Krankheitserscheinungen schon zeigten, konnten durch Injeetionen von grösseren Serummengen, wie 1:100, 1:200, 1:300 bis 1:500 noch sicher gerettet werden. — Die Heilungsmöglichkeit durch Blutserum auch von schweren Diphtherieinfeetionen bei Thieren ist somit nachgewiesen. In der Discussion erwähnt Hr. Dr. Aronsohn, dass auch er wie der Vortragende durch Behandlung mit alten Diphtherieculturen bei Hunden hohe Grade von Immunität erzielt habe. Zur Theorie der Lufttonographen. Von M. v. Frey. (Aus dem physiologischen Institut zu Leipzig.) Auf den Seiten 44 und 45 dieses Heftes sind zu meinem Bedauern sehr erhebliche Rechenfehler stehen geblieben, deren Üorrectur ich mich beeile vor Schluss des Heftes nachzutragen. Auf Seite 44 muss die Beziehung zwischen Druck und Volum bei adiabatischer Zustandsänderung heissen: NW Pre Po \ ) v wo k=1'4 das Verhältniss zwischen den specifischen Wärmen der Luft bei bezw. constantem Druck und constantem Volum darstellt. Die Druck- änderung für die Einheit der Compression wird dann dp|do = — Rh pn ort! oder für den Fall, dass v, = v = 1000 mm® dp /dvo= — 1-064mm Hg /mm?, Auf Seite 45 ist die Berechnung der Erwärmung durch den Luft- transport wie folgt richtig zu stellen. Die dort gefundene Bewegungsenergie 0.169 mgrm X 10° mm? sec=? ist gleichwerthig 0.001724 srmem, wo grm die Gravitationseinheit darstellt. Nun ist eine kleine Calorie 1 cal. = 42 350 grmem; die Temperaturerhöhung 7'der Luftim Kopf des Tonographen beträgt demnach T=0:.00055 und nicht 3383 wie auf Seite 45 zu lesen. Das heisst, die durch den Luft- transport entstehende Erwärmung ist viel zu gering, als dass sie auf das Verhalten des Instrumentes von Einfluss sein könnte. Die Erwärmung, welche sich bei der Prüfung des Instrumentes mit künstlichen Deformationen nachweisen lässt, kommt nur auf Rechnung der adiabatischen Compression und sie beträgt für eine Drucksteigerung von 100 mn Hg 22.9°. Ist demnach die stattfindende Erwärmung sehr viel geringer, als die fehler- hafte Rechnung vortäuschte, so ist sie doch durchaus nicht ohne Belang für die Wirkungsweise der Luftübertragung deren Leistungsfähigkeit durch die beschriebenen Prüfungsmethoden sichergestellt ist. ı n$ ") ie 196% IERZE Aa IA Ueber die Trennung der Reizbarkeit und Leitungsfähigkeit des Nerven. Von Dr. Gustav Piotrowski, Docenten der Physiologie an der Universität Lemberg. (Hierzu Taf. VII—X1.) Während meines Aufenthaltes in Berlin im Jahre 1888—89 wurde im physiologischen Institute in der Abtheilung des Hrn. Prof. Gad die Frage ventilirt, ob die beiden Functionen der Nerven, d.h, Reizbarkeit und Leitungsfähiskeit, als eine und dieselbe oder als getrennte Eigen- schaften zu betrachten wären und wie man diese Trennung auffassen sollte. Durch die Arbeit, welche Hr. Dr. Sawyer! im obigen Institute ausgeführt hatte, war eine sichere Methodik zur Darstellung der fundamentalen That- sachen geschaffen und die Möglichkeit zu einer praecisen Fragestellung ge- liefert worden. In Folge der Anregung des Hrn. Prof. @ad habe ich mich mit der äusserst interessanten Frage befasst und die Resultate meiner Ver- suche hat Hr. Prof. Gad in einem Vortrage? in der Sitzung der Physiolo- gischen Gesellschaft zu Berlin vom 15. März 1889 vorgelegt. Ich verfolgte seit dieser Zeit diese Frage weiter, theils in meinem Laboratorium in Lemberg, theils im physiologischen Institute des Hn. Prof. Öybulski in Krakau. Ein Theil der Versuche wurde in der k.k. Aka- demie der Wissenschaften in Krakau polnisch publieirt.? ! Gad, Ueber Trennung von Reizbarkeit und Leitungsfähigkeit des Nerven. Nach Versuchen des Hın. Sawyer. Dies Archiv. 1888. 8. 395. ? Derselbe, Ueber Leitungsfähigkeit und Reizbarkeit des Nerven in ihren Be- ziehungen zur Längs- und Quererregbarkeit. Dies Archiv. 1889. 8. 350. 3 Denkschriften der mathem.-naturw. Abtheilung der k. k. Akademie der Wissen- schaften in Krakau. Bd. XVI und XV. 1889. — Verhandlungen der mathem. naturw. Abth. der k. k. Akademie der Wissenschaften in Krakau. 1892. 206 GUSTAY PIOTROWSKT: Vor Allem den wärmsten Dank Hrn. Prof. Gad für die Anregung zu dieser Arbeit, sowie für seine immer willige Hülfe und Leitung bei den manchmal schweren Versuchen. Dieselbe Dankbarkeit gebührt meinem |Lehrer und ehemaligen Vor- gesetzten Hrn. Prof. Cybulski in Krakau, in dessen Laboratorium ich die Versuche mit Condensator angestellt, sowie directe Messungen von Latenzperiode, Leitungsgeschwindigkeit und theilweise des Widerstandes unter dem Einflusse verschiedener Einwirkungen ausgeführt habe. I. Theil. A. Geschichtliches. Die Aerzte, welche sich mit Nervenkrankheiten befassen, richteten schon längst ihre Aufmerksamkeit auf die besondere Erscheinung, dass die Muskeln in gewissen peripherischen Lähmungen die Einwirkung eines In- ductionsstromes oder der Oeffnung und Schliessung eines constanten Stromes auf den Nerven noch keineswegs mit der Zuckung beantworten, auch wenn der Kranke dieselben nach Belieben zusammenziehen kann; der Nerv kann demnach in seiner Strecke zwar noch nicht gereizt werden, vermag aber dennoch die Erregung von den Centren nach der Peripherie zu leiten. Die ersten Beobachtungen dieser Art stellte, so weit mir bekannt ist, Duchenne de Boulogne! im Jahre 1861 an, nach ihm aber auch andere Neuropathologen, wie z. B. Ziemssen und Weiss,? Erb,’ Eulen- burg* u. s. w. | Noch vor den obgenannten Forschern untersuchte Schiff? diese Sache näher vom physiologischen Standpunkte aus und versuchte zugleich eine Erklärung derselben zu geben. Er hat auch eine ähnliche Erscheinung am Rückenmarke wahrgenommen, welches seiner Ansicht nach eine Er- regung leiten kann, die entweder eine Bewegung oder eine Empfindung ! Duchenne de Boulogne, Truite de l’electrisation localisee. Paris 1861. ” Ziemssen und Weiss, Deutsches Archiv für klinische Medicin. IV. 1868. ® Erb, Zur Pathologie und pathologischen Anatomie peripherischer Paralysen. Deutsches Archiv u. s. w. Bd. IV, V. S. 18. 1868/69. * Eulenburg, Therapie der rheumatischen Facial-Paralysen. Deutsches Archiv u. s. w. Bd. II. 1866. ° Schiff, Comptes rend. 1854. Sur la transmission des impressions sensitives dans la moelle Epiniere. — Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. I. 1858—59 S. 286, 92, 169. DrE TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHISKEIT DES NERVEN. 207 hervorruft, selbst aber in seinem Verlaufe unempfindlich, oder mit anderen Worten gesagt, unerregbar ist. Dieser Rücksicht wegen hat er die moto- rischen Bahnen nicht wie bisher „motrices“, sondern „kindsodiques“, die sensitiven aber nicht „sensitives, sondern „esthesodiques“ genannt. Dadurch, dass er den constanten Strom auf den Ischiadicus eines Hundes einwirken liess, setzte er dessen Reizbarkeit bis zu einem solchen Grade herab, dass er, obgleich er denselben durch einen Inductionsstrom reizte, der ohne Anwendung eines constanten Stromes zum Hervorrufen einer Zusammenziehung des Muskels hinlänglich war, in diesem Falle schon keinen Effect erzielte. Je weiter er aber ausserhalb des Bereiches der Wirkung des constanten Stromes, selbstverständlich gegen das Central- ende, ging, desto leichter konnte er durch den Strom von derselben Intensität eine Zuekung hervorrufen. Diese Erscheinungen erklärte er durch die Unabhängigkeit zweier Eigenschaften der Nerven, d.i. der Reizbarkeit und der Leitungsfähigkeit. Das Rückenmark selbst ist nicht reizbar, vermag aber die Erregung zu leiten; der Nerv ist auch im Be- reiche der Einwirkung des constanten Stromes nicht reizbar, kann aber den Reiz von der anderen Stelle zum entsprechenden Organe fort- pflanzen. Weit genauere Versuche finden wir in H. Munk’s' Untersuchungen über die Leitungsfähigkeit der Erregung im Nerven. Dieser Forscher untersuchte die Reizbarkeit des absterbenden Ischiadicus des Frosches und fand, dass der Reizerfolg von der peripheren Strecke aus immer schwächer und schwächer werden und bis auf Null herunterkommen kann, während centrale Stellen ihre Reizbarkeit noch in sehr hohem Grade behalten. Als nun Grünhagen? die Summirung der Erregungen in den Nerven untersuchte, kam er zum Schlusse, dass die Pflüger’sche Theorie einer lavinenartigen Zunahme der Erregung eine irrthümliche sei. Seiner Ansicht nach ist die Reizbarkeit eine auf die Erregungsstelle gänzlich be- schränkte Nerveneigenschaft; von hier erst wird die Erregung auf Grund einer anderen abgesonderten Eigenschaft, d. i. der Leitungsfähigkeit, weiter verpflanzt, indem sie lavinenartig zunimmt, je mehr sie sich der Peripherie nähert, wie es Pflüger behauptete. Die Anschauungen Grünhagen’s haben sich, was das Wesen dieser beiden Eigenschaften und was zugleich ihr Verhältniss zu einander und zur Theorie Pflüger’s anbelangt, nicht behauptet, insbesondere einer er- ı H.Munk, Dies Archiv. 1862. S. 21—24. Versuch XXXIJ, Reihe 4. XXXIV, 5. XXXV, 6, 8, 10. XXXII, 6. ?2 Grünhagen, Bemerkungen über die Summation von Erregungen. Zeitschrift für rationelle Medicin. Bd. XXVI. 208 Gustav PIOTROWSKI: schöpfenden Kritik Meissner’s! gegenüber, welche Schiff? zur Durch- führung von Versuchen veranlasst hat, welche die Trennung zweier Nervenfunctionen beweisen sollte, nämlich der Reizbarkeit und Leitungs- fähigkeit. Er legte dem Froschschenkel eine Art von Verband auf diese Weise an, dass er den Blutumlauf gänzlich aufhob, obgleich die vom Verbande umschlungenen Nerven normal functionirten; hierauf vergiftete er den Frosch mit Coniin oder Curare nur bis zu einem solchen Grade, dass die Reflexe noch nicht aufgehoben wurden. Die Reizung des Schen- kels unterhalb des Verbandes rief noch eine Reflexzuckung hervor. Nun praeparirte er schnell den Plexus mit dem Froschschenkel. Die Reizung des Plexus, welcher früher den Reflex ganz normal fortpllanzte, blieb bis zum Verbande ohne Erfolg, unterhalb des Verbandes rief sie eine Zuckung im Schenkel hervor. Ebenfalls konnte auch die negative Schwankung nur bei Reizung des peripherischen, nicht aber des mehr centralen mit Coniin oder Curare vergifteten Theiles des Ischiadicus hervorgerufen werden. Durch klinische Beobachtungen geleitet, führte Erb? eine Reihe von Versuchen an Kaninchen und Fröschen durch. Er quetschte den Ischia- dieus und untersuchte dessen Reizbarkeit nach einigen Tagen, Wochen, ja sogar Monaten. Aus diesen Versuchen ergab sich, dass ein Nerv ent- weder sehr wenig oder gar nicht reizbar sein kann, während die Leitungs- fähigkeit ihm entweder bewahrt blieb, oder auch schon zurückgekehrt war. Kurz darauf, um diese zwei abgesonderten Nerveneigenschaften zu be- weisen, stellte Grünhagen folgenden Versuch an: Den Ischiadicus eines Frosches verbunden mit einem Muskel brachte er in einer Kammer an auf diese Weise, dass sein peripherischer, d. i. der dem Rückenmarke näher liegende Theil, aus der Kammer hervorragte. Durch die Kammer leitete er Kohlensäure hindurch und untersuchte das Verhalten des Nerven unter dem Einflusse des Inductionsstromes in seiner mittleren Strecke, welche der Einwirkung der CO, ausgesezt war und in dem centralen Theile ausserhalb der Kammer, welcher von der Einwirkung dieses Gases nicht beeinflusst war. Nun erzielte er durch Reizung des centralen Nerven- theiles die Zuckung des Muskels, während die Reizung des in der Kammer eingeschlossenen Nerventheiles ohne Erfolg blieb. Die Kohlensäure hob also die Reizbarkeit des Nerven auf, ohne jedoch die Fähigkeit der Leitung ! Meissner’s Jahresberichte für die Jahre 1865—66. | ? Schiff, Ueber die Verschiedenheiten der Aufnahmsfähiskeit und Leitungs- fähigkeit in dem peripherischen Nervensystem. Zeitschrift für rationelle Mediein. Bd. XXIX. 1867. & A. ©. * Grünhagen, Versuche über intermittirende Nervenreizung. Pflüger’s Archw. Bd. VI. f Die TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 209 einer Erregung, wie in diesem Falle von dem seiner Einwirkung nicht ausgesetzten, somit reizbaren Nerventheile aus angefochten zu haben. Ein ähnliches Verfahren wie Grünhagen schlugen Szpilman und Luchsinger ein, aber dasselbe brachte sie zu den entgegengesetzten Re- sultaten. Ihrer Anschauung nach üben alle chemischen Verbindungen, deren Dämpfe sie durch die Kammer leiteten, wie z. B. Aether, Chloro- form, Aethylalkohol und Ammoniak eine und dieselbe Wirkung aus, nur von einer bedeutend stärkeren Intensität. Sie unterschieden zwei Perioden der Wirkung dieser Verbindungen; während der ersten Periode bleibt die Reizung des dem Einflusse eines schädlichen Dampfes ausgesetzten Nerven- theiles durch einen Strom, welcher früher zur Hervorrufung einer Zuckung ausreichend war, jetzt ohne Erfolg, während der ausserhalb der Kammer liegende Theil einen normalen Zustand verräth. Diese Periode entspricht ihrer Ansicht nach gänzlich der von Grünhagen beobachteten Erscheinung bei der Einwirkung der Kohlensäure. Während der zweiten Periode sind auch die stärksten Ströme nicht im Stande, den Nerven in dem ausserhalb der Kammer befindlichen Theile zu erregen, der mittlere, der Einwirkung schädlicher Einflüsse ausgesetzte Theil aber bleibt noch eine lange Zeit reizbar, endlich aber kann auch er selähmt werden. Dieser Theil gewinnt ebenfalls früher seine Reizbarkeit zurück, als der aus der Kammer hervorstehende Nerventheil. Wie wir schon oben erwähnt haben, wirkt die Kohlensäure der Mei- nung dieser Autoren nach bedeutend schwächer ein als andere Verbin- dungen, wie z. B. Aether, Alkohol u. s. w.; man muss dieselbe wenigstens 10-20 Minuten lang durchleiten, damit die Reizung des ausserhalb der Kammer liegenden Nerventheiles ohne Erfolg bleibe, während der in der Kammer befindliche Nerventheil selbst nach fünf Stunden reizbar bleibt. Diese Erscheinung erklären die Autoren auf die Weise, dass bei der . Vergiftung des Nerven die Erregung von einer ferneren Stelle durch eine, bedeutend grössere Zahl gelähmter Molecüle hindurchgehen muss, als von einer näheren; an dieser Stelle verliert der Nerv also eher die Reizbarkeit. Der Schüler Grünhagen’s, Hirschberg,? wiederholte die Experi- mente mit der Kohlensäure, brachte es aber nicht zur zweiten Periode, welche Szpilman und Luchsinger unterschieden. Sowohl CO, als auch die Wärme und Kälte bringen nur einzig die Reizbarkeit des Nerven herab, verändern aber nicht im Ganzen seine Leitungsfähigkeit. ! Szpilman u. Luchsinger, Zur Beziehung von Leitungs- und Erregungsver- mögen der Nervenfaser. Pflüger’s Archiv. Pd. 24. 2 Hirschberg, In welcher Beziehung stehen Leitung und Erregung der Nerven- faser zu einander. Pflüger’s Archiv. Bd. 39. Archiv f. A.u. Ph. 1893. Physiol. Abthlg. ; 14 210 Gustav PIOTROWSKT: Diese Fragen bearbeitete speciell Efron! aus Wilna im Laboratorium Grützner’s. Auch er leitete darüber Untersuchungen ein, wie sich der durch verschiedene Verbindungen geschädigte als auch deren Einwirkung unausgesetzte Nerventheil bezüglich verschiedener Reizmittel verhält. Seiner Ansicht nach leidet in der ersten Periode der Wirkung dieser Verbindungen die Reizbarkeit früher als die Leitungsfähigkeit, später aber verschwindet im Gegentheil diese letztere gänzlich, während die Reizbarkeit sich noch lange Zeit erhält. Nach Beseitigung eines schädlichen Einflusses kehrt die Reizbarkeit schneller zur Norm zurück als die Leitungsfähigkeit. Die neuesten Forschungen in dieser Richtung führte im Berliner physiologischen Institut Dr. Sawyer” durch, der überwiegend auf ein von Efron übersehenes Factum die Aufmerksamkeit richtete. Wenn man Pro- tocolle über Versuche dieses Letzteren liest, so kann man in manchen Fällen sehen, dass unter der Einwirkung von Alkohol die Reizbarkeit ver- stärkt wurde, während die Leitungsfähigkeit bedeutend herabfiel. Diese Thatsache bestätigte Sawyer genau, indem er durch die Kammer, in welcher sich ein Nerventheil befand, sehr langsam die Luft hindurchziehen liess, welche Alkoholdämpfe enthielt. Beim vorsichtigen Vorgehen wird anfangs sowohl die Reizbarkeit, als auch die Leitungsfähigkeit des Nerven erhöht, diese letztere geht jedoch dann schnell herab, während die Reiz- barkeit sich noch über der normalen erhält. Indem Sawyer Kohlensäure hindurchliess, erreichte er nur die Herab- setzung der Reizbarkeit, erzielte aber nicht die Abnahme der Leitungs- fähigkeit. Auf die Wirkung dieser Verbindung legte er aber einen klei- neren Nachdruck, da ihm, wie wir schon erwähnten, daran gelegen war, die von Efron unbeachtet gelassene und in hohem Grade interessirende Thatsache zu ergründen. | Da die Frage der Reizbarkeit der Nerven und der Leitungsfähigkeit sowohl für die Physiologen als auch für die Neuropathologen von einer ungewöhnlichen Wichtigkeit ist, so haben wir beschlossen, angeeifert dazu von Hrn. Prof. Gad, uns mit der Untersuchung derselben zu befassen. In der Einleitung des Vortrages, welchen Prof. Gad in der Sitzung der Berliner physiologischen Gesellschaft hielt und dessen Titel wir früher anführten, besprach er die Theorie der Erscheinung, dass die Reizbarkeit gesteigert sein kann, wenn schon die Leitungsfähigkeit bedeutend herab- gesetzt wurde, von zwei Gesichtspunkten. Die Leitungsfähigkeit betrachtete er als den Ausdruck der Labilität des wesentlichen Nerventheiles, d.i. der Azencylinder gegen Einwirkungen, welche vom benachbarten Querschnitte ! Efron, Beiträge zur allgemeinen Nervenphysiologie. Pflüger’s Archiv. Bd. 36. *: Sawyer, 2.2.0. Dis TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 211 aus der Längsrichtung nach sich in der gleichartigen Substanz fortpflanzen. Die Reizbarkeit ist aber ausser von der Labilität der eigentlichen Nerven- substanz von der Leichtigkeit abhängig, mit welcher der Reiz durch acci- dentelle Substanzen hindurch zu ersterer gelangt. Nach der Einwirkung differenter chemischer Verbindungen könnte der Reiz schwerer oder leichter die aceidentellen Substanzen durchdringen, woher die Aenderung der Reiz- barkeit kommen könnte, ohne dass die eigentliche Nervensubstanz verändert wäre und während sie auch normal leitete. Andererseits könnte aber auch die Labilität der Nervensubstanz eine andere sein für in der Längsrichtung als für in der Querrichtung wirkende Einflüsse, was seine Begründung in der Thatsache hat, dass die Erregbarkeit des Nerven sich anders verhält, wenn die Ströme in der Längsrichtung, als wenn sie in der Querrichtung denselben durchfliessen. Diese Frage zu entscheiden war der Zweck unserer Arbeit, die haupt- sächlich in zwei Theile zerfällt. In der ersten Abtheilung bemühten wir uns, die Trennung der Reiz- barkeit und der Leitungsfähigkeit mittelst verschiedener Methoden zu be- weisen, in der zweiten aber zum grössten Theil auf Grund der vorher be- arbeiteten Methoden direct zu entscheiden, welche von den beiden An- schauungen anzunehmen wäre. 5. Veränderungen der Schwellenwerthe bei Reizung mittelst der Inductionsströme. Zur Untersuchung des Einflusses des Alkohols, der Kohlensäure u. s. w. erwies sich am angemessensten eine Kammer, welche folgendermaassen ge- baut ist. In ein parallelepipedisches, mit Paraffin getränktes Stück Kork, dessen Seiten 35 = und 25 °® betrugen, schnitten wir eine Rinne von 3 mm Breite längs einer langen Seitenfläche aus. In den kürzeren Wänden machten wir durch Ausbohrungen kleine Oefinungen, welche zur Rinne hindurch reichten, um den Nerv hindurchziehen zu können. An einer Seite wurde die Rinne etwas weiter gemacht, um ein Glasröhrchen, welches zum Durchleiten der mit angemessenen Dämpfen gesättigten Luft dienen sollte, leichter zu dem Boden der Rinne führen zu können. Ein Paar (7) Platin- Elektroden war in den Kork auf die Weise eingeschlossen, dass es unmit- telbar durch die Rinne neben der kleinen Oefinung in der kürzeren Kam- merwand ging, in einer Erweiterung oberhalb des Röhrchens. Das zweite (/T) Elektrodenpaar war ausserhalb der Kammer an den Kork befestigt. Die Alkoholdämpfe oder die Kohlensäure wurden durch die Kammer mittelst Röhrchen geleitet, von denen eines, wie schon gesagt wurde, un- mittelbar unter dem ersten Elektrodenpaare, das zweite aber in dem aus 14* 212 Gustav PIOTROWSKT: Kork verfertigten Deckel angebracht war. In den Deckel wurde eine Scheibe aus Glimmer eingelassen, welche das Innere der Kammer zu übersehen erlaubte. Zu den Untersuchungen diente der Wadenmuskel des Frosches (M. gastrocnemius), zugleich mit dem Schenkelnerven, der mit dem Plexus bis zum Rückenmark praeparirt war. Der Muskel wurde mittelst zweier Steck- nadeln auf dem ausserhalb der eigentlichen Kammer hervorstehenden Kork- theile ausgespannt, welcher mit einem Plättchen aus Glimmer überzogen war; hierauf wurde der Nerv durch die Oeffnungen in der Kammer auf die Weise hindurchgezogen, dass sein dem Muskel näherer Theil auf dem ersten Elektrodenpaar ruhte, das centrale Ende aber ausserhalb der Kammer auf dem zweiten Elektrodenpaar lag. Wenn der Nerv in die Kammer ge- bettet wurde, pflegte man die kleinen Wandöffnungen daneben mit dem mit physiologischer Kochsalzlösung getränkten Thon genau zu verkleben, wobei man dies insbesondere zu beachten hat, dass der Thon weder zu dicht, noch zu weich sei. Im ersten Falle drückt er den Nerven zu stark, im zweiten Falle sperrt er nicht hermetisch die Oeffnungen ab und giebt leicht dem Luftdrucke ausserhalb der Kammer nach, bei einem negativen Drucke innerhalb derselben, während die Alkoholdämpfe hindurchgeführt werden. Ebenfalls unerlässlich ist auch folgende zweite Vorsichtsmaassregel. Die Reizbarkeit des Nerven leidet, nachdem man ihn in der Kammer an- gebracht und mit Thon verklebt hat, ein wenig im ersten Moment, ist ziemlich herabgesetzt, bekommt aber schnell innerhalb 5—10 Minuten ihren ursprünglichen Grad zurück; man muss abwarten, bis der Nerv bei Probereizungen wieder eine constante Reizbarkeit verräth, um nicht in ge- fährliche Irrthümer zu verfallen. Die Deckplatte der Kammer wird ebenfalls mittelst des mit der phy- siologischen Kochsalzlösung getränkten Thones befestigt, der jedoch dichter ist als jener, welcher zum Verkleben der Oeffnungen an den Nerven herum gebraucht wird. Ausser dieser Kammer bedienten wir uns auch in manchen Versuchen eines Glasröhrchens von 5" Länge und 3" Weite. Das Röhrchen wurde in ein Korktischehen eingebettet, auf welchem zu beiden Seiten des Röhr- chens Glimmerplättchen angeklebt waren. Die Oeffnungen im Röhrchen wurden mit Korkstöpseln verschlossen, durch welche die Röhrchen zur Durchleitung der Dämpfe hindurchgeführt wurden. Durch den einen Stöpsel wurde auch ein Platinelektrodenpaar (/) hindurchgeführt, welches den Ner- ven peripher dicht bei der Wand reizen sollte. Das zweite Elektrodenpaar (//) wurde am Korktischchen jenseit des Glasrohres angebracht und reizte die centrale Strecke des Nerven. Der Nerv wurde durch die in den Kork- stöpseln ausgebohrten Oeffnungen hindurchgezogen, welche in bekannter Weise mit Kochsalzthon abgeschlossen wurden. Die TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 213 Auf diese Weise haben wir eine mit der möglichen Genauigkeit abge- sperrte feuchte Kammer, welche dem Nerven durch eine sehr lange Zeit aus- zutrocknen nicht erlaubt, andererseits aber die Hindurchführung der Dämpfe chemischer Verbindungen, welche bei der Untersuchung vebraucht werden, aus einem entsprechenden Reservoir möglich macht. Wie wir schon früher beschrieben haben, haben wir ein Röhrchen im Boden der Kammer, ein anderes aber im Deckel. Diese Röhrchen dienen zur Hindurchführung der Dämpfe durch die Kammer sowie die beiden Röhrchen in den Stöpseln der aus Glasrohr angefertigten Kammer. Das erste von ihnen, d. i. das zuführende, ist verbunden mit einem kleinen Gefässe, welches Alkohol enthält, und mit zwei Röhrchen versehen ist; das eine, ein langes, reicht bis zum Boden, das zweite, ein kurzes, berührt nicht die Oberfläche des Alkohols. Dieses letztere verbindet man mittelst Kautschukschläuchen mit dem zuführenden Röhrchen der Kammer. Das zweite Kammerröhrchen verbindet man mit einer geschlossenen Flasche, aus welcher Wasser in einem beliebigen Strome abgelassen wurde. Infolge dessen wurde die Luft in der Flasche selbst verdünnt, hierauf in der feuchten Kammer in dem Gefässchen mit Alkohol, welches jedoch mit einem offenen Röhrchen ver- sehen die Luft mitten durch Alkohol einsog und dieselbe mit dem Dampfe des letzteren beladen durch die Kammer sandte. Wir gebrauchten bei den vorliegenden Versuchen Aethyl-Alkohol mit Wasser gemischt im Verhält- nisse von 1:3. Eine stärkere Lösung wirkt zu schnell oder tödtet den Nerven unmittelbar ab. Dasselbe bezieht sich auf die Schnelligkeit, mit wel- cher die mit Alkoholdampf beladene Luft durch die Kammer geleitet wird. Eine zu schnelle Hindurchleitung wirkt allzu plötzlich auf den Nerven ein und erlaubt nicht, die mehr subtilen Veränderungen der Reizbarkeit einer Forschung zu unterziehen. Um den Nerven zu restituiren, leitete man die Luft durch ein gleiches Gefässchen, welches mit Wasser anstatt mit Alkohol gefüllt war. Wie wir schon oben erwähnt haben, wurde der Nerv an zwei Stellen gereizt: nämlich unmittelbar nach Anlangen in der Kammer durch das erste Elektrodenpaar und nach dem Verlassen der Kammer. Diese zwei Elektrodenpaare wurden mit einer Pohl’schen Wippe in Verbindung ge- bracht, welche nach Beseitigung der Querverbindungen auf die Weise diente, dass durch entsprechende Verlegung der Pole der Strom des Schlittenapparates du Bois-Reymond’s, welcher durch ein Daniell’sches Element in Bewegung gebracht wurde, nach Belieben zu einem von beiden Elektrodenpaaren geleitet werden konnte. Zum Reizen wurden meistentheils kurz dauernde tetanisirende Ströme eines graduirten Schlittenapparates angewandt, in manchen Versuchen aber auch einzelne Oefinungsschläge stets mit demselben Erfolge. 214 GusTAV PIOTROWSKT: Es wurde gewöhnlich in 2 Minuten Abstand gereizt, sonst sind die Reizintervalle bei den einzelnen Versuchsprotokollen stets angegeben. In der folgenden Reihe von Protokollen zu den Versuchen I—VI ist der jedes- malige Schwellenwerth des Reizes: zunächst durch den Rollenabstand be- zeichnet, bei welchem eine minimale Zuckung des Muskels erfolgte. Ausser in Rollenabständen sind die Schwellenwerthe dann auch in Reizeinheiten angegeben. Die letzte Rubrik zeigt uns die Schwankungen der Schwellenwerthe in den procentigen Werthen der Ditferenzen der Reiz- einheiten ausgedrückt. Bei den Zahlen werden die Zeichen + angegeben, welche den Zuwachs oder die Abnahme der Reizbarkeit anzeigen. Wir geben von den zahlreichen Versuchen nur diese sechs an, als Beispiele verschiedener Veränderungen, welche man an Nerven unter dem Einflusse des Alkohols beobachten kann. Die Curven, gezeichnet nach den Versuchen IV und V, befinden sich auf der Taf. VII, Fig. 1 u. 2. Versueh I. Zeit Rollenabstand | Reizeinheiten ı Differenzen in Procenten 2 I I rt I 1 11-15 215 3902, 7 710 2 = = Neo here 11-17 215 390 | 10Ra a eo 0 ) 11-19 200 380 EL 30 — N) 11-21 | 200 370 | 1a a oen 30 — 25 — 11-23 200 360 li 2-5 30 — 2 11-25 195 360 | a 25 a0 a 11-27 130 u) Da 430 — — 11-29 130 a EN A _ 11-31 130 = Sa a 430 — 2 11-33 120 — Om. _ 600 — u 11>35 110 = OR a S00 — 2 11-37 | 110 au SO 300 — m 11-39 110 en ne 300 — a 11-41 | 110 = | 300 — — j In. Bee RA N | 90 — 800 — —— 11-51 115 anne | 80 — 700 — — 11-56,10 1050 — 60 — 500 — = 12-1 Er 2000| 53 2500 430 — 124-900 — 12-6 | 150 20. 33 2500 230 — 124-900 — anal all ln Bl 33 2080 230 — 103-900 — 12216001500 | oe es 1800 230 — 39-900 — 12°21 127160 50 | 97 1040 rl) = 51-900 — 12-26 | 160 80: Kae 260 170 — 12-900 — 12-31 | 150 B0ak| 33 260 230 — 12-900 — DıE TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 215 Versuch I. Teit Rollenabstand Reizeinheiten Differenzen in Procenten 3 1 Mi N I 1 I 1-52 390 480 2 1-5 — — Nelaukrvomchr 0: 3] 1-54 395 480 2 1-5 0) 0 1-56 400 495 2 1-5 () 0) 1-58 410 470 2 1-5 0 [) 2 400 440 2 2 0 33-3 — 2-2 390 400 2 2 0 33-3 — 2.4 320 320 3-5 3:5 75 — 200 — 2-6 210 180 11 18 450 — 1100 — 2-8 210 110 11 80 450 — 5233 — 2-10 220 — 10 — 400 — — 2-12 200 — 13 — 550 — — 2.14 180 — 18 — 800 — — 2-16 185 = 16-5 u a = ut 2-21 195 — 14 — 600 — _ 2:26 210 E= 11 En 450 — — 2-31 290 20 4:5 | 2500 125 — 166-566 — 2:36 295 40 4 1540 100 — 102-566 2-41 300 75 4 340 100 — 22-566 2-46 310 s0 4 260 100 — 17-233 2-51 300 85 4 200 100 — 13-233 Versuch II. Zeit Rollenabstand Reizeinheiten Differenzen in Procenten = I II I II I iM 12-40 275 230 5 9 u — ASalErkaron hr 08.1 12-42 275 230 5 9 () 0 12-44 290 220 4-5 10 10 + 11 — 12-46 280 220 d 10 0 11 — 12-48 270 210 5*5 1 10 — 22 — 12-50 270 210 5:5 11 10 — 22 12-55 260 200 6 13 20 — 44 — 12-57 270 200 6 13 20 — 44 — 12-59 70 — 400 — 7:900 — — 1-1 70 — 400 — 7.900 — — 1-6 50 — 1040 — 20-700. — = 1-8 40 — 1540 — 30-700 — — 1-13 55 — 840 En 16-700 — — 216 Gustav PIOTROwsKI: Versuch III (Fortsetzung). { Rollenabstand Reizeinheiten Differenzen in Procenten Zeit —— I II I 1 II I II Dosur et 1-18 60 ie 660 - 13-100 — u 1-23 90 Eu 180 3-500 — == 1:28 100 10 100 2920 2-400— | 32-344 — 1-33 125 15 60 2700 1:100— | 29-900 — 1-38 150 20 38 2500 560— | 27-67 — 1-43 155 25 30 2280 500 — | 25-233 — 1:48 155 25 30 2280 500 — | 25-233 — 1-53 155 25 30 2280 500 — | 25-233 — 1'58 150 20 33 2500 5600 — | 27-677 — 2-3 150 20 33 2500 560 De Versuch IV. Veit | Rollenabstand Reizeinheiten Differenzen in Procenten Sal II 1 I 1 Ban 10.14 | 270 330 5-5 3-5 — = Aoneakenoshekor 10-16 | 270 280 5-5 5 0 42.8 — 10.18 | 270 275 +5 5+5 0 Bu — 10-20 265 210 5+5 11 ) 214 — 10-22 260 120 6 70 9:5 — 19-00 — 10-24 260 60 6 660 9.5 — 18-757 — 10-26 | 27% 55 5 840 + 23-900 — 10.28 | 270 40 5+5 1540 0 43-900 — 10-30 280 50 5 1040 5. 29-614 — 10-32 290 30 4+5 2080 18-2 + 59-328 — 10-34 260 == 6 — 95 — — 10-36 255 a 6+5 — 18202 — 10-38 250 = 7 — 20-7 — — 10-40 250 u 7 nr 20-7 — _ 10-42 | 240 = 8 Ar 45-4 — — 10-44 | 250 — = — 20-7 — = 10-46 | 260 = 6 — 9:5 — = 10-48 260 | — See 9-5 — _ Tr; 10-53 260 | Br 6 = 20-7 — _ 10.58 | 250 7 a 9.5 — — 11-3. | 250 | — 7 _ 20-7 — = 11-8 240 | 15 8 2700 45-4 — 77-042 — 11-13 250 | 20 7 2500 20-7 — 71-328 i1-1s | 265 Born 585 1040 0 | 29-614 11-23 260 | | 6 660 9:5 — 18-757 11:28 265 65 | +5 540 0 15-328 11-33 20 | 80 | 6 260 9.5 — 71-328 11-38 260 | 80 6 260 9:5 — 71-328 DIE TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 217 Versuch V. Zeit Rollenabstand Reizeinheiten | Differenzen in Procenteu ei I u A I 10 12-22 290 510 sn. 1 m “= AUalEkı on hexosit 12-24 290 510 4-5 1 0 0 12-26 290 510 4-5 1 0 0 12-28 300 510 B> 1 12-5 + 0 12-30 300 510 4 1 12-5 + 0 12-32 320 ! 140 ! 3-5 43 22-3 + 4:200 — 12-34 310 s0 4 260 12:5 + 24.900 — 12-36 300 45 4 1300 12-5 + 128:900 — 12-38 300 25 4 2280 12-5 + 227.900 — 12-40 300 _ 4 — 12-5 + — 12-42 300 —_ 4 _ 12-5 + = 12-44 290 — 4:5 — 0 = 12-46 280 —_ 5 —_ 11 — 12-48 270 — b*5 — 22 — = 12-50 260 — 6 _ 33 — — 12-52 250 | — 7 — 55 — — 12-54 250 — 7 — 55 — _— 12-56 | 240 — 8 — IT — — 12:58 | 230 —_ 9 — 100 — — Versuch VI. Zeit Rollenabstand Reizeinheiten : | Differenzen in Procenten ei I I I m... I en 12-5 420 480 2 1-5 _ | Sr Amylalkohol1:5 12-8 440 430 2 2 0 36 — 12-10 415 430 2 2 0 36 — 12-12 405 440 2 2 0 36 — 12-15 395 405 2 2 0 36 — 12-17 130 — 53 — 151 — _ 12:19 135 — :48 —_ 140 — — 12.24 130 — 53 —_ 151 — — 12:29 120 — 60 — 200 — = 12-34 110 —_ 90 — 350 — — Wir haben zwei gereizte Stellen zu berücksichtigen. Das erste Elek- trodenpaar / reizt die dicht neben dem Eingange des Nerven in die Kammer liegende Stelle, welche der Einwirkung des Alkohols ausgesetzt ' Alkohol wurde kräftiger durchgeleitet. 218 Gustav PIOTROWSKT: ist, von der Stelle jedoch wird der Erregungszustand durch ein Nerven- stück geleitet, welches ausserhalb der Kammer liegt, also normal, durch den Dampf des Alkohols unverändert ist. | Das zweite Elektrodenpaar (//) reizt den normalen, ausserhalb der Kammer hervorstehenden Nerven; von hier aber muss die Erregung die ganze in der Kammer befindliche Nervenstrecke durchlaufen, welche der schädlichen Einwirkung des Alkoholdampfes ausgesetzt ist. Wollten wir annehmen, dass die Intensität des an diesen beiden Stellen angewandten Stromes das Maass der örtlichen Reizbarkeit sei, was für Er- scheinungen hätten wir dann vor uns? Wir müssen im Verhalten des Nerven zwei Perioden unterscheiden, nämlich das anfängliche Stadium und die späteren mit weit grösseren Ver- änderungen. Betrachten wir zuerst die letzteren. Nach längerer oder kürzerer Einwirkung des Alkohols, je nach der Schnelligkeit der Durchleitung desselben, wird die Reizbarkeit an beiden Stellen herabgesetzt, aber in weit höherem Grade an der centralen Stelle (77), wo die Reizbarkeit bald gänzlich aufgehoben wird, während sie sich an der peripheren Stelle (7) innerhalb der Kammer noch in verhältnissmässig hohem Grade erhält. Gänzliches Verschwinden der- Reizbarkeit der ersten Stelle beobachtet man nur nach langer Zeit und sehr starker Einwirkung des Alkohols.. Da diese Stelle dem modifieirenden Einflusse des Alkohols unmittelbar ausgesetzt ist, so braucht man nicht zu beweisen, dass man es hier mit der Herabsetzung der örtlichen Reizbarkeit zu thun hat. Auf welche Weise soll man aber die Veränderungen der centralen Stelle /7 er- klären? Da diese Stelle des Nerven ausserhalb des Raumes gelegen, daher keiner unmittelbaren Einwirkung des Alkohols ausgesetzt ist, so wird es kaum möglich, anzunehmen, dass sie selbst auf irgend welche Weise vom Alkohol derart beeinflusst wird, dass sie die elektrischen Reize schwerer oder gar nicht aufzunehmen im Stande wird. Dieser Gedanke ist auch durch die oben eitirte Arbeit Sawyer’s experimentell mit aller Schärfe ausgeschlossen werden. Wir müssen im Gegentheil annehmen, dass der Reiz normalerweise empfangen, aber durch die in der Kammer veränderte Strecke schwieriger oder gar nicht geleitet wird, mit anderen Worten also, dass die Leitungsfähigkeit gelitten hat. Die Erscheinungen also bei Rei- zung dieser Stelle geben uns das Maass der Veränderungen der Leitungs- fähigkeit. Lassen wir näheres Besprechen der Sache vorläufig bei Seite und betrachten wir die interessanten Veränderungen der Erregbarkeit und Lei- tungsfähigkeit im ersten Stadium der Einwirkung des Alkohols. Die Erscheinungen, welche man bei Durchleitung des Alkohols durch die Kammer in der ersten Phase beobachten kann, bieten ziemlich grosse Mannigfaltigkeit, je nach dem Grade der Concentrirung des Alkohols, der Die TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 219 Geschwindigkeit der Durchleitung sowie auch nach der Beschaffenheit des Nervmuskel-Präparates. Ist die Concentrirung ziemlich stark oder leitet man Alkohol schneller durch die Kammer, so beobachtet man gewöhnlich das Anwachsen der Schwellenwerthe an beiden Stellen, somit das Sinken der Reizbarkeit sowie der Leitungsfähigkeit, wie im Versuche Nr. I und Il. Gewöhnlich sinkt die Leitungsfähigkeit früher und stärker als die Reizbar- keit, ausnahmsweise nur erhält sich die Leitungsfähigkeit etwas länger auf normalem Grade als die Reizbarkeit, und selten auch ist das anfängliche Sinken der Leitungsfähigkeit schwächer als das der Reizbarkeit, wie z. B. im Versuche I. In beiden Fällen aber verschwindet bald die Leitungs- fähigkeit gänzlich, wohingegen die Reizbarkeit zwar gesunken, aber noch im honen Grade erhalten ist, wie im Beispiele Nr. 11. Schon im zweiten Versuche sieht man die Erscheinung, welche man "bei vorsichtiger Durchführung nicht zu starker Alkoholdämpfe fast aus- nahmsweise beobachten kann, d. i. eine anfänglıche Steigerung der Reiz- barkeit, manchmal aber auch der Leitungsfähigkeit, welche gewöhnlich gleich zu sinken beginnt. Im citirten Beispiele ist sie sehr unbedeutend; man kann sie nur nach den Rollenabständen abschätzen, während sie nicht mehr zum Vorschein kommt, wenn man die Schwellenwerthe in Reizein- heiten angiebt. Schon ausgeprägter tritt sie auf im Beispiele Nr. III, wo sie um 10 Procent des ursprünglichen Werthes gestiegen ist, während die Leitungsfähiekeit schon um 19 Procent herabgesetzt ist. Das ist der häufigste Fall beim vorsichtigen Verfahren und er kommt sehr ausgeprägt zum Vorschein im Versuche Nr. IV, wo, nach anfänglichem sehr schwachem Sinken, die Reizbarkeit um 18-2 Procent gestiegen, die Leitungsfähigkeit dagegen um 59.3 Procent herabgesunken ist. Seltener beobachtet man die Steigerung der Reizbarkeit bei schon gänzlichem Verschwinden der Leitungsfähigkeit, wie im Beispiele Nr. V. Die oben angegebenen Erscheinungen haben wir beobachtet nicht nur unter dem Einflusse des Aethyl-Alkohols, sondern auch anderer Verbin- dungen, wie des Amyl-Alkohols (Nr. VI), Aethers und Chloroforms, stets mit demselben Erfolge, mit dem Unterschiede nur, dass sie viel ener- gischer wirken als Alkohol, daher zum Studium der ersten Periode viel weniger bequem sind. Bei unseren weiteren Versuchen kam deshalb der Aethyl-Alkohol zur Verwendung. Wir haben also im Widerspruch mit manchen Autoren, wie Szpilman- Luchsinger und Efron, gefunden, dass die Leitungsfähigkeit zuerst und in viel höherem Grade leidet als die Reizbarkeit, und dass der umgekehrte Fall nur ausnahmsweise und wenig ausgeprägt vorkommt. Zu diesem Schlusse sind wir auf Grund sehr zahlreicher, im Berliner Institute sowie in unserem Laboratorium zu Lemberg im Winter 1891 angestellten 220 GUSTAY PIOTROWsKT: Versuche gekommen. Desto grösser war unsere Verwunderung, als wir beim Studium der Frage mit den anderen Methoden im Krakauer physiologi- schen Institute ein entgegengesetztes Verhalten angetroffen haben, d. i. dass wir viel häufiger früheres und stärkeres Sinken der Reizbarkeit als der Leitungsfähigkeit fanden. Wir haben also wiederum die Versuche mit Be- stimmung der Schwellenwerthe durchgeführt und wiederum mit dem un- gewöhnlichen Erfolge. Wir glauben aber, dass die Ursache liegt in den weniger geeigneten Verhältnissen, in welehen wir in Krakau gearbeitet haben, nämlich in einem hochgelegenen Zimmer an ungemein heissen Sommertagen. Sonst haben wir mit demselben Objecte wie in Lemberg, nämlich mit Rana temporaria gearbeitet, welche theils in der Anstalt durch- gewintert hatten, theils frisch gefangen worden waren. Schon die anfäng- liche Reizbarkeit der Frösche war ungemein hoch, fast ausnahmslos zwi- schen 550 — 650 "= R.-Abst. und das Praeparat war gegen Einwirkung des Alkohols so empfindlich, dass man bei sonst üblicher Concentrirung (1:3) im Nu alles bis auf sehr stark herabgesetzte directe Reizbarkeit an der Stelle / verschwinden sah. Wir mussten also sehr vorsichtig Alkohol mit Wasser gemischt im Verhältniss 1:10 und sogar 1:20 durchleiten, um die erste Periode näher studiren zu können. Auch so haben wir im grösseren Theile der Versuche das oben angegebene Verhalten beobachtet, nämlich das ursprüngliche Sinken der Reizbarkeit bei derselben oder weniger ver- änderter Leitungsfähigkeit. Dieses Stadium aber dauerte kurze Zeit und nachher verschwand die Leitungsfähigkeit plötzlich gänzlich, während die Reizbarkeit nur allmählig weiter herabfil. Wie wir aber noch einmal wiederholen: in Berlin und in Lemberg, wo wir auch im Sommer in ver- hältnissmässig sehr kühlem Zimmer gearbeitet haben, gehörte diese Erschei- nung zu den höchst seltenen Ausnahmen. Beim Restituiren des Nerven kehrt immer früher und vollkommener die Reizbarkeit zurück als die Leitungsfähigkeit. Gehen wir nun zu den Untersuchungen mit Kohlensäure über. Bei diesen Versuchen bleibt die Kammer dieselbe, ebenso die Lage der Elektroden, es verändert sich nur die Art, wie das Gas hindurchgeleitet wird. Das Röhrchen im Kammerdeckel, welches früher zur Ableitung diente, wird jetzt mit einem Apparate verbunden, welcher die Kohlensäure entwickelt. Das Gas zieht jetzt durch die Kammer in entgegengesetzter Richtung als der Alkohol vorher. Die Kohlensäure gewannen wir aus Marmorstücken und Salzsäure. Aus dem Gasentwickelungs-Apparate strich die Kohlensäure durch zwei Waschflaschen mit Wasser und eine dritte mit schwacher Lösung von Silbernitrat. Die Kohlensäure wurde durch die Kammer äusserst vorsichtig DIE TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 221 geleitet, um alle Salzsäure auszuschliessen, welche sonst ungeachtet der Waschflasche bei einer stürmischen Entwickelung schädlich werden konnte. in dieser Richtung angestellt wurden. Versuch VI. Wir geben hier einige Beispiele aus den zahlreichen Versuchen, welche 7 ni Rollenabstand Reizeinheiten Differenzen in Procenten ei - a ER! Da I | u | 11-10 | 53 se — | — 2 | 295 445 4 2 03323, 0 11-14 275 445 5 2 66-6 — 0 11-16 270 440 5-5 2 83-3 — 0 11-18 270 450 5-5 2 |. 88-38 — 0 11-20 270 440 Debaı |N 2 83-3 — 0 11:22 270 440 5-5 2 83.3 — 0 11-24 275 430 5 2 | 66-6 — 0 | 11-26 275 4002 285 2 ebro 0 11-28 270 430 5-5 2 | 83-3 — 0 11-30 270 440 5-5 2 | 838-3 — 0 11-32 260 435 6 2 100 — 0 11-34 255 Tom 055 2-5 ul — 25 11-36 260 430 6 2 100 — 0 11-38 260 430 6 2 IE 00 0 11-40 260 430 6 2 100 v Keueet 11-42 2950 | 430 RER | 33.3 — 0 11-44 300 430 4 Ne | 838-3 — 0 11-46 300 430 4 2 | 83-3 — 0 11-48 300 .| 430 4 2 | 33-3 — 0 11505 7 310, ;|2 430 4 2 IE 3323 0 Versuch VII. Veit Rollenabstand | Reizeinheiten Differenzen in Procenten el = E = I ee I | II 12-17 480 Mo a oe me SO: 12-19 370 450 |) 25 2 66 — 0 12-21 360 250, 2 3 2 100 — 0 12-23 360 450 3 2 100 — 0 12-25 355 445 3 2 1002 | 0 12-27 350 435 3 82 100 — 0 12-29 - 350° |7 435 3 | 2 100 — 0 222 Gustav PIOTROWSKT: Versuch VIII (Fortsetzung). Zeit Roilenabstand | Reizeinheiten | Differenzen in Procenten el I II I I I II co, 12-31 350 440 3 2 100 — 0 12-33 340 450 3 2 100 — 0 12-35 340 450 32 2 100 0 12-35 340 450 3 2 100 — 0 12-37 340 450 3 2 NO) — 0 12-39 340 450 3 2 100 — 0 L u f t 12-43 35 | 40 | 2 2 33 — 0 12-45 395 0 450. 2 2 Ba ) 12-47 35 | 450 2 2 3— 0 12-49 400 450 2 2 = 0 12-50 45. 450 2 2 33 — 0 12-55 4202 0 450 2 2 38 0 Versuch IX. En Rollenabstand | Reizeinheiten Differenzen in Procenten el | | I Dee I es iet I | II Dan 0 | | N a en co, 12-34 | 310 420 4 2 100 — 0 12-36 290 410 4+5 2 las — 0 12-38 | 285 410 4-5 2 125 — 0 19-400. 7285 410 4-5 2 125 — 0 12.429, |, 280 410 5 2 150 — 0 12-44 | 260 410 6 2 200 — 0 12.46 | 220 405 10 2 400 — 0 12-48 | 210 390 2 450 — 0 19-502 | 7200 400 10 2 400 — 0 12-52 190 390 15 2 650 — 0 12-52 2150, 7389 18 2 0 — 0 12.56 | 160027390 26 2 1200 — 0 12-58 160 00 06 2 1200 — 0 de— 160. 4001. 026 2 1200 — 0 le2 200.165 395 023 2 1050 — 0 174 150: Mr 400 21 2 950 — 0 1.6 | Ei6os in 4005-87 706 2 1200 — 0 Die TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 223 Versuch IX (Fortsetzung). Zeit Rollenabstand Reizeinheiten Differenzen in Procenten ei ; ee = > on: I u I I, I een: Euren 1. 8 210 400 11 2 450 — 0 1-10 220 390 10 2 400 — 0 1-12 220 390 10 2 400 — 0 1.14 260 400 6 2 200 — 0 1-19 300 390 4 2 100 — 0 1-24 325 390 B3OH) 2 75 — 0 1-29 340 390 3 2 50 — 0 1-34 340 385 3 2 50 — 0 Versuch X. Zeit Rollenabstand Reizeinheiten : Differenzen in Procenten ei I II I II I II 10-45 365 465 3 1.5, — — Co, 10-47 260 460 6 1.08) 100 — 0 10.49 260 460 6 1-5 100 — 0 10-51 250 455 L 15 150 — ) 10-53 260 455 6 1-5 100 — 0 10-55 260 450 6 2 100 — 33-3 — 10-57 250 445 7 2 150 — .-| 33.3 — 10-59 260 445 6 2 100 — 33.3 — ulon! 260 450 6 2 100 — 33-3 — 11:3 265 ° 450 b*+5 2 33 — 33-3 — Tsuser st 11-5 270 450 10) 2 33 — 33-3 — 11-7 270 450 5-5 2 33 — 33.3 — 11-9 275 450 5 2 66 — 33.3 — 11-11 275 460 5 1108) 66 — 0 11-19 315 460 4 1.5 33 — 0 11-21 330 460 3-5 1-5 16-6 — 0 11-23 340 450 3 2 0 OR — 11-25 340 450 3 2 0 BO — 11:30 345 450 3 2 0 33.3 — 11-35 350 450 3 2 0 33-3 — 11-40 350 450 3 2 0 33.3 — 11-45 350 450 3 2 0 33-3 — 224 Gustav PIOTROWSKI: Wie schon diese wenigen Beispiele beweisen, haben wir hier eine ganz umgekehrte Erscheinung als bei Alkohol; während bei Durchleitung der Schwellenwerth der Stelle // am meisten und am schnellsten stieg, also an einer Stelle ausserhalb der Kammer, welche einer schädlichen Beeinflussung unmittelbar nicht ausgesetzt war, leidet hier dagegen ausschliesslich die Reizbarkeit der Stelle /J, welche mit Kohlensäure in Berührung steht. Sie sinkt sehr schnell, jedoch nur bis zu einem gewissen Grade, worauf sie entweder langsam eine gewisse Zeit weiter abnimmt oder auch sich auf gleicher Stärke erhält, ungeachtet einer weiteren Einwirkung der Köhlen- säure auf den Nerven. Dagegen ist es uns nie gelungen, ein Steigen des Schwellenwerthes der Stelle //, d. i. ein Sinken der Leitungsfähigkeit zu bemerken, welches man der Wirkung der Kohlensäure zuschreiben könnte. Wenn letztere sank, so geschah es in sehr unbedeutendem Grade, und zwar während der ganzen Dauer des Experimentes, sogar nach Restitution des Nerven. Dieses hing also von anderen Bedingungen ab, wahrscheinlich vom normalen Sinken der Erregbarkeit, welches man nach einer längeren Zeit in den Nerven beobachten kann. Wie wir sehen, leiden unter der Beeinflussung der Kohlensäure nur die ihrer Einwirkung unmittelbar ausgesetzten Stellen, oder mit den früher angenommenen Begriffen: es sinkt nur die Reizbarkeit des Nerven und nicht die Leitungsfähigkeit. Diese Versuche unterscheiden sich von den ähnlichen Szpilman’s und Luehsinger’s, denn es gelang mir, wie gesagt, nie, zur zweiten Periode za kommen, in welcher die Reizwirkung der Stelle // ausserhalb der Kammer verschwindet, ungeachtet dessen, dass die Kohlensäure durch eine längere Zeit durchgeleitet wurde, gewöhnlich 20—30 Minuten, also länger, als die obengenannten Autoren beschreiben. In manchen Versuchen aber haben wir den Nerven 1—2 Stunden dem Einflusse der Kohlensäure ausgesetzt, ohne eine bedeutende Herabsetzung der Leitungsfähigkeit zu erreichen. Ebenfalls haben wir nie eine vollkommene Aufhebung der Reizbarkeit der Stelle / wahrgenommen. Es ereignete sich dagegen, dass die Reizwir- kung an beiden Stellen des Nerven ungewöhnlich schnell zu sinken begann, um endlich gänzlich zu verschwinden, nämlich bei sehr starker Entwicke- lung der Kohlensäure und bei nur einer Waschflasche mit Wasser. In diesen Fällen jedoch starb der Nerv gänzlich ab, weil zu ihm ein kleines Quantum Salzsäure gelangte, mitgerissen von der Kohlensäure bei deren stürmischer Entwickelung, da alle Versuche, welche den Nerven zu restituiren bezweckten, sich erfolglos zeigten; weder die Hindurchleitung der Luft, noch das Hineinlegen des Nerven in die physiologische Kochsalzlösung auf eine längere Zeit vermochten den Nerven wieder zu beleben, während dies bei den DiE TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 225 regelrecht durchgeführten Experimenten ungewöhnlich schnell und voll- kommen geschah. Ein zweiter Fall, wo die Reizwirkung an allen Stellen sank, ist fol- gender: Wenn wir die Kohlensäure vorsichtig und nicht allzu gewaltig hindurchleiten, so sinkt in der Regel die Reizwirkung an der Stelle 7, an der Stelle // aber bleibt sie unverändert. Dieses Sinken hört nach einer gewissen Zeit auf (nach 30 — 40 Minuten), worauf der Nerv seine Erreg- barkeit in gleicher Höhe 1—2 Stunden lang bewahrt. Nach Verlauf dieser Zeit beginnt die Reizwirkung an der in der Kammer gesperrten Strecke schnell 5—10 Minuten zu wachsen, hierauf aber noch schneller an beiden Stellen zu sinken, sowohl in der Kammer als ausserhalb derselben, um endlich gänzlich zu verschwinden. In diesen Fällen jedoch bleiben alle Be- strebungen, den Nerv in’s Leben zu rufen, ebenfalls ohne Erfolg, wir haben es hier also mit einem Absterben des Nerven zu thun, welches augenschein- lich nur durch die Einwirkung der Kohlensäure beschleunigt wurde. Wie wir schon erwähnten, ist das Restituiren des Nerven bei regel- rechten Experimenten bei Kohlensäure leichter als bei Alkohol; die Reiz- barkeit kehrt genau und äusserst schnell zurück schon nach 2—5 Minuten. In dieser Hinsicht also wirkt die Kohlensäure schwächer als Aethyl- und Amyl-Alkohol. | In der Kohlensäure also hätten wir eine Verbindung, welche im Gegensatz zu den anderen, wie Aethyl- und Amyl-Alkohol, Chloroform, Aether u. s. w., nur auf die Örtliche Reizbarkeit des Nerven einwirkt. Da diese Thatsache so vereinzelt steht, versuchten wir eine andere Verbindung zu finden, welche dieselbe Wirkung auf den Nerven ausübe Am nächsten lag es, die Ein- wirkung des Kohlenoxyds zu untersuchen. Das Kohlenoxyd! haben wir durch Erhitzen von Oxalsäure mit cun- centrirter Schwefelsäure in einem Kolben entwickelt. Zur Befreiung von CO, haben wir die entwickelten Gase durch zwei mit Kalilauge gefüllte Waschflaschen hindurchgeleitet. Das Kohlenoxyd haben wir in einem grossen Glasreservoir unter Wasser aufgefangen. Das Reservoir wurde nachher mit einem anderen, höher gelegenen und mit Wasser gefüllten auf die Weise verbunden, dass das mit beliebiger Schnelligkeit ausfliessende Wasser das Kohlenoxyd austrieb, welches durch passende Verbindungen mittelst Kaut- schukschlauches durch die Gaskammer hindurchgeleitet wurde. Als Gas- kammer diente uns das vorher beschriebene Gasrohr mit auf bekannie Weise angebrachten Elektroden. Wir geben hier einige Beispiele an. ! Sämmtliche Versuche mit Kohlenoxyd wurden in Lemberg ausgeführt. Archiv f. A.u. Ph. 1893. Physiol. Abihlg. 15 226 GUSTAv PIOTROWSKT: Versuch XI. . Versuch XI. Rollenabstand Rollenabstand Zei I II Zeit I II 11-10 200 320 6.35 | 20 200 co co 1-15 | 170 320 6.38 | 105 | 200 11.20, || 160 320 6-48 80 195 11-30 | 160 315 6.48 | 80 195 11-35 | 160 | 315 6-53 | 70 | 195 ee 6-58 | 70 | 192 | a 7-3 | 70 200 ara. | 1-20 | ng 11-50 195 310 je | 190 310 Versuch XI. Versuch XIV. Rollenabstand : Rollenabstand Zeit | I I Zeit I I - | 10-355 | 1! 175 10:00 0) 150 175 (620) co 10-40 Nase, | 175 10-5 120 175 10-45 125 | 175 10-10 120 170 10-50 120 | 175 10-15 120 170 10-55 120 165 10-20 115 170 1 120 165 10-25 115 170 11-5 120 | 170 10-30 115 170 11-15 120 175 11:20 | 120 180 Wie wir sehen, wirkt CO ganz auf dieselbe Weise wie CO,, d. i. es setzt plötzlich die Reizbarkeit herab, ohne den mindesten Einfluss auf die Leitungsfähigkeit auszuüben. Beim Restituiren kehrt die Reizbarkeit sehr schnell und vollkommen zurück. Im Allgemeinen scheint die Wirkung des CO viel schwächer zu sein als die des CO,, da wir aber die Versuche leider mit nicht graduirtem In- ductorium durchgeführt hatten und daher auch Unterschiede in Procenten der Reizeinheiten nicht angeben können, so haben wir das eine Nervmuskel- praeparat eines und desselben Frosches der Einwirkung der CO,, das andere aber der des ÜO unterworfen, um in möglichst gleichen Bedingungen ar- beitend die Resultate miteinander vergleichen zu können. Die beiden Gase wurden mit gleicher Schnelligkeit durchgeführt. Die TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 227 Versuch XV. Rollenabstand Rollenabstand Zeit | I II Zeit | I | II Ro 50 330 10-20 oe: co co, 11-50 | 230 330 10-30 150 315 a 230 335 10-40 130 310 1010, | 220 | 335 10-50 110 310 12-20 | 220 330 10-55 110 310 12-30 210 340 lo 110 315 12-40 210 330 11-10 110 320 12-45 210 335 11-20 110 320 Versuch XV1. Rollenabstand Rollenabstand u ze | I | HI Zeit, I | u 7-5 210 300 5-30 260 | 250 cv OO, 7.10 200 | 300 5-40 | 180 | 250 7-20 180 300 5-45 | 180 240 7-30 180 | 305 5-50 | 175 235 7-35 | 170 | 310 5-55 170. 240 7-40 170 | 300 6-— 170 240 7-45 170 300 6-10 170 245 7-50 170 | 300 6-15 | 170 240 | es 170, 0 240 Die angeführten Beispiele zeigen uns deutlich den Unterschied in der Stärke der Wirkung beider Gase. C. Veränderungen der Hubhöhen bei Reizung mittelst der Inductionsströme. Ausser nach den Reizschwellen wollten wir die Modificationen der Reizbarkeit und Leitungsfähigkeit des Nerven nach den Aenderungen der Hubhöhe beurtheilen. Zu diesem Zweck bedienten wir uns eines Pflüger- schen Myographions, welcher die Hubhöhe des Muskels als eine gerade Linie auf einem berussten nach Belieben verschiebbaren Glastäfelchen auf- zeichnete. Nachdem der Muskel an dem zu diesem Zwecke zurückgelasse- nen Stückchen Schenkelknochen befestigt und mittelst der Achillessehne an dem mit 20e"” belasteten Hebel des Myographions befestigt worden ne 228 GusTAv PIOTROWwSKI: war, wurde der Nerv durch die uns bekannte Glaskammer hindurch- gezogen. Die Hubhöhen des Muskels, welche von beiden gereizten Stellen auf der berussten Tafel erhalten wurden, wurden mittelst eines genauen Zirkels entweder gleich nach dem Fixiren oder erst nach Photographiren des gan- zen Täfelchens ausgemessen. In den hierunter ausgegebenen Versuchsbeispielen wurden übermaxi- male Reize gebraucht, deren Intensität (in Rollenabstand) sowie die Hub- höhe in Millimetern wir bei einem jeden Beispiele angeben. Versuch I. ae ea u Zeit | RA, Hubuon | Dr | N 10-52 1200), 10-5, | Ä Alkohol (langsam) Alkohol (langsam) 10-25 | 100 | 11.05 B2 0 10-7 | 200: | 10-7 10-75 N 2 \ 10-9 | 200 11 | 10-75 Lust 10-11 | 200 11 10-50 10-57 | 100 | 10-25 0 10-13 | 200 11 | 10-25 11.79) 100 10-50 1.50 10-15 200 10-75 10.50 11-17 | 100 | 21050 103 10-17 200 10-75 | 10-50 11-21 | 200. | > 10.5000 7 10-19 | 200 10-50 | 10-25 11.27 | 100 | 10-50 3 10-21 200 10-25 7270 11-32 100 10-75 4.25 10223 |7 200. )..10-25. | 0 | 11-42 100 | 10.75 3 Versuch 11. | m, = Zeit | RA. | bin | Zeit | R-A. nn | I u I 100 10-8 | 50 | 15-50 | 15-50 Alkohol (langsam) Alkohol (langsam) 10-33 50 14-75 3 10-5 500,7 315°5000 215 10-35 | 50 14-25 0 10-7 50 | 15-50 14-75 10-37 | 50 14 0 10-9 50. | 015-500, 315 10-39 | 50 13 0 10-117 2| 50, | 15:50, eo 10-41 | 50 13 0 10-13 | 50 | 15-50 | 14-7 10-43 | 50 12-75 0 10-15 | 50 | 15.50 15 10-45 50 12-75 0 10-17 50 15 | (165 10-47 | 50 12-75 0 10-19 50 15 | 145 10-49 | 50 1252510 2090 10-21 50 15 14-75 10-51 , 50 12-25 0 10-23 50 15 | 14-75 10-53 50 11-75 0 10-25 50 15 14-75 10-55 . 50 11-50 0 10-27 50 15 13-75 10-57 | 50 11 0 10-29 50 15 12-50 10-59 | 50 11 0 10-31 50 14-75 11-50 Tee) 9250 11 0° DIE TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 229 Versuch II. | | Hubhöhe | Hubhöhe Zeit | RAR Zeit? | RA. Ä | I II | | I at = 3 a 2253| 502 | 14 02225 Alkohol (schnell) Alkohol (schnell) era 519.50 0 or 500 a IE 12-51 | 50 12-50 | 0 lea | 50 14 0 12-53 | 50 11-75 0 12-31 | 50 14 Ic) 12-55 50 11-25 0 127330 1250,00 00014 0 12-57 | 50 10-25 0 12-35 50 | 13-3 0 12-59 50 9-75 | ) jorsıı® 50. | 1325 ) 1-1 50 8 0 12.39 | 50 | 183-3 0 le32 02250 7 | 0 12-41 50 1a | 1-5 | 50 5 | 0 12-43 | 50 13 0 1-7 | 50 3:25 | 0 1250 50... 13 1:10 1-9 50 1-50 | 0 12,7, 50,18 0 1-11 | 50 0 | 0 0 | Versuch IV. | Hubhöhe Hubhöhe Zeit |R-A. | | Zeit | R-A. - | BRETT : | I u 20 100 a5 | ut Alkohol (schnell) 12205002100. 19.11-25. |. 15-25 19.37.) 100 | 0 0 a 100, 11 0 12-42 1007,50 0 125281 10 ae 0) 10-470 2.1008 0 0 12-28 | 100 | 10.5 | 0 wa a 0 12-30 | 100 10-25 0 12-57 100 | 9-50 0 23 100, 0 || N) 1-42 | 100 | 9% 01 Schon in diesen wenigen Beispielen sehen wir eine Aehnlichkeit mit den früheren Resultaten, nämlich was das Verhalten der Reizwirkung auf den Nerventheil ausserhalb der Kammer anbelangt oder, wie wir ange- nommen haben, der Leitungsfähigkeit. Bei langsamer Durchführung des Alkohols (Versuch I und II) sinkt die Hubhöhe bei der Reizung der cen- tralen Stelle /7 allmählich bis auf O, bei schneller aber geht sie plötzlich ! Minimale Zuckung in II bei 95 wm R.-A, Hubhöhe bei 90 = 4 sa ES 0H—EI ss „ E10 — a9 „ SEEN = IE an 230 Gustav PIOTROWSKI: auf O0 herab, d. h. die Leitungsfähigkeit verschwindet sehr schnell (Ver- such II und IV). Die Hubhöhen von der Stelle / erhalten sich sehr lange auf demselben Grade und sinken nachher nur sehr wenig; bis auf 0 fallen sie nur bei starker Einwirkung des Alkohols herab, wie in Ver- such II und IV. Diese Erscheinung, dass die Hubhöhe der Stelle / in manchen Ver- suchen nur sehr unbedeutend sinkt, beweist keineswegs, dass die Reizbarkeit dieser Stelle unverändert bleibt. Wie wir schon früher gesagt haben, sinkt bei den Experimenten, bei denen die Methode der minimalen Reize ange- wendet wurde, die Reizbarkeit nur bis zu einem gewissen Grade, unter welchem sie nicht weiter geht. In diesen Fällen also, in denen wir die ungewöhnlich starken Ströme gebrauchen, kann es geschehen, dass die Reizbarkeit zwär schon gesunken ist, doch die gewählte Stromstärke aber- mals für diese gesunkene Reizbarkeit noch eine übermaximale ist. Es konnte anfänglich z. B. der Schwellenwerth dieser Stelle 350 "m des Rollenabstandes entsprechen. Wir untersuchten aber die Hubhöhe bei einem Rollenabstand von 100m”, nach einer gewissen Zeit konnte der Schwellenwerth gestiegen sein und einem Rollenabstand von 150 "m entsprechen, also immer noch eine geringere Stromintensität, als welche angewendet wurde, und die Hubhöhe konnte dieselbe, d. h. die maximale bleiben. Die obige Methode ist bei weitem schwieriger und man kann leicht bei der Anwendung derselben feinere Veränderungen in der ersten Periode der Einwirkung des Alkohols übersehen. Wenn man dieselben untersuchen will, so muss man eigens für jede Stelle den eben untermaximalen Strom wählen, wie in Beispielen Nr. V, VI, VII und VII. Versuch X. | ie Bere na, NE aa | il Hubhöhe RA. An | | 11-50 | 200 | 16-50 | 200 | 16-50 Kos 11-52 |- 300 | 14 | 200 | 9 ! 11-54 | 320 | 12-50 | 20 | 13 12.16 | 100 | 16 100 0 12-18| 100 | 16 100 ) sone! 12-20| 100 | 16 | 100 0 11-56 | 320 | 12:50 | 250 | 8 12-22, 100 | 15.50 | 100 ) 11-58 | 320 | 14 250 | 2-50 |12-24| 100 | 13-50 | 100 ) 12 320, | 15 205080 12-26| 100 | 11-50 | 100 ) 12.2 | 320 | 15-50 | 250° | 0 12.28| 100 | 9 100 0 12473200 10 7 250 12-30 100 7 100 0 12-6 | 320 | 10 230 | 0 12-32) 100 | 4 100 0 12-8 | 320 3:50 | 250 | 0 12-34 | 100 1-50 | 100 0 12-10 | 320 1:50 | 20 | 0 12.36| 100 | 0 | 100 0 12-12 | 320 5 23500 12.38) 0 ea 0 0 12-14 | 320 0 2350 | 0 | Dis TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 231 Versuch Vl. Zeit na. Mubböhe 7,4. |Hubböhel zu Bea Hubhöhel n.a. Fa 12-50 | 250 | ı8 250 18 ne =) 300 | 14-25 | 300 12 | Ro 1-10 | 100 | 13-50 OR 30 1-12 | 100 | 12-50 ONE URRO 12-52 | 300 | 16 300 3 1.14 | 100° | 12 DREI o 12-53 | 300 | 17-75 | 300 0 1-16 | 100 | 12 u ) 12-55 | 300 | 12-50 | 300 0 1-18 | 100 | 12-50 oe 48x0 12-57 | 300 5 300 0 1-20 | 100 | 10-50 O0 12-58 | 300 1-50 | 300 0 1-22 | 100 9.75 0 0 12-59 | 300 0 300 0 1-24 | 100 8 a) 100% | 19 100 0 1-26 | 100 4 0 0 1-2 | 100 | 18-50 | 100 0 1-28 | 100 1 0 0 1207 100% | 17-508 100 0 1-30 | 100 0-75 0 0 1-6 | 100 | 16-50 0 0 1-32 | 100 0 0 0 128100, | 16.1 1.0 0 Versuch VII. .. | .. = . .. ve U na NINE zen | BR era ullohe | 2 400 1 | Pe 2 Alkohol | Alkohol 2-10. | 150 | 10 Ve 2 0400, | 10 425 3 2-10, 150027 10 0 0 2.2 | 400 a 95 2 2-14 150 | 9-50 0 0 Da 400 | 0:5 | 25 | 0 2uien| 150, 9025 1,0 0 2-4 | 400 02 2.428... 0 2.18 | 150 7.50 0 0 25512.250 |. 11 250 | 10 2.20.1150 | 4.50 0 0 26 22250, | 10, I 250 9.5 | 2-22 | 150 20, 22,60 0 2.7 | 250 6:50 | 250 0 2241150 1 0 0 Ze 0 250 0: 2:26) 1607| 0 01 60 2.9 | 150 9-50 | 150 ) 2.28 | 100 | 183 0 0 Versuch VIN. Zeit | R-A. Erahsake Br Erika Zeit | R-A rlkug RA ickhülne Ess ass ra 335 1-75 Alkohol Alkohol 12-38 | 395 11 395 4 12-36 395 8 395 6 12-39 | 395 8 395 3 ea 23952, 100.10.,395 7 12-40 | 395 5 395 0 ! Minimale Zuckung bei 40 R.-A. 232 GusTAVv PIOTROWSKTE: Versuch VIII (Fortsetzung). Zeit | R-A. Habhöhe RA. Hubhöhe Zeit | R.-A. EuBROR] RA ua | | | ASlokSor hr on AsITkroahroml 12-42 | 395 | o 395.020 1°.8°| ‚100..| 10-50,,,, 020 00 12-44 | 200 | 8 200. | 10 1:10. | 100 | 10 0 12-46 200 | 10 20| 0 1-12 | 100 | 10 O2 ERTO 12-48 | 200 | 11-50 | 200 |’ o 1.14 | 100.2 10 0:81, 40 12-50 200 | 10 200 0 1-16 | 100 | 10 0 0 12-52 | 200 | 9-50 | 200 ) 1-18 | 100 | 10 ) 0 12-54 200 3 2000| 0 1-20 | 100 | 10 0 N) 12-56 | 100 | ı 200| 0 [122| 100 | 10 0 N) 12-58 | 100 | 12 090 1-24 | 100 | 10-50 0 ) 1 100 | 11-50 0 0 1:26 | 100 9-50 0 0 1.2 1008 | 11 ) 0 1-28 | 100 | 9.50 0 0 1-4 | 100 | late 0010 1-30 | 100 9 0 0 1:62 4100, 11 Ne) 0 | In diesen Fällen also sehen wir eine deutliche Zunahme der Hubhöhe der Reizung der Stelle /, in den Versuchen VII und VIII auch der Stelle 77 in dem ersten Stadium der Einwirkung des Alkohols. Auf gleiche Weise kann man auch den Moment erhaschen, wo die Hubhöhe der Stelle / noch zunimmt, während die Hubhöhe der Stelle // abnimmt und schon gänzlich verschwindet. Diese von Sawyer gefundene Thatsache findet also auch mittelst dieser Methode ihre Bestätigung. Gehen wir der weiteren Reihe nach zu den Untersuchungen der Ein- wirkung der Kohlensäure über. Versuch IX. Zeit | RA. Hubhöhe Ba zen | RA, Ra a | | 10-50 | 320. | 13 E2320R 01a, CO, (©); 11.12) 200 | 8-50, | 3202 Ds 10-52 | 320 0 | .8320 | 13-50 Jı1-14 | 200 | 8-25 320 | 12-75 10-54 | 250 | 12 | 8320 | 13-50 |11-16| 200 | 7-50 320 | 12-50 10-56 | 250 | 10 | 320 | 13 11-18) 200 | 7-50 320 | 12-50 10-58 | 250 4 32050 als 11-20) 200 | 7-50 320 | 12-25 11071250) 70 320 | 13 11-22) 200 | 7-25 320 | 12 11-222, 2000 132 2 7520-81 13 11-24| 200 | 7 320 | 12 11- 4| 200 | 12 | 8320 | 13 11-25 | 200 5 3202 0612 11e76|, 200204 320 | 13 11-283| 200 | 6 320 | 12 11- 8| 200 | 10 320 13 11-30| 200 | 4 320 | 12 11-10 | 200 | 9-50 3200| 212 11-32 | 200 0 320 | 122 _ 4 Minimale Zuckung in I bei 360 mm, in II bei 390 mm, ® Minimale Zuckung in I „ 180 „ in II „370 „ DiE TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 233 Versuch X. Zeit | RA. Hubhöhe N uch zent | R-A. Eı_ Ra Düne | | | | 10-10 | 300 | 15 | 850 | 1a: co, co, 10-36| 200 | 15 | 350 15 102102300. 7 0 1550. |. 14 |10-38| 200 | 14 | 350 15 10-14 250 15 | 850 | 14 |10-40) 200 | 13-50 | 350 15 Tos1sm 2250. 7° 110 2253505 %14 9.10.42) 200. | v1 350 15 10-20 | 250 6 |: 350 | 14 [10-44| 200 | 14 | 350 15 10-22 | 250 0 | 850.) 15 |10-46| 200 | 14 | 350 15 10-24 , 200 15 350 | 15 |[10-48| 200 | 13 350 15 10-26 200 1500 623500 152 110.50,° 200, ‘| 13:0 350 15 10-28 200 15 9 0835008 5192° 10-52 |,200% 1° 19% 02177350 15 10-30 | 200 15 | 350 | 15 10-54 200 | 122 | 3550.| 15 10-32 | 200 1540, 073505 21015 Inc 2007 | loskını, 285041, ,.,15 10-34 | 200 15 00,3500 7 2.15. 1510458,|..200- 12,350, | 152 Versuch XI. Ze a | ubhöhel mn ae Zeit | RA. Hubhöhe RA. Be 11-40 | 320 | 14 270 | 148 co, co, 12- 2| 200 | 13-50 | 270 | 14 11.42 | 320 | 0 270 1A 19.22.2008 712.508 0.2700 | 14 11-44 | 250 |. 13-50 | 270 | 14 12-6| 00 | ı 270,14 11-46 | 250 | 13 270 14 12- 8| 200 9.50 | 270 | 14 11-48 | 250 | 12-50 | 270 | 14 12.10. 200 4:50 | 270 | 14 11-50 | 250 8 DTOEA LA 12-12 | 180 0 270 | 13-50 11-52 | 250 0 270 | 13-50 [12-14| 180 | ı3 270 14 11-54 | 230 | 13 270 | 14 12-16 1807 10713 010970 | 13-50 11-56 | 230 4 270 | 14 ioeıs| 1807| Too 2 oron Ws 11-58 | 230 0 210 14 12-20 | 180 au 0070 | 14 2. 200 2014 270 | 14 12.22) 180.0 o1osını) Soro 013° Hier sieht man noch mehr die Nothwendigkeit, die Ströme entsprechend den beiden gereizten Stellen zu wählen, da, wie wir wissen, die Reizbarkeit unter der Einwirkung der Kohlensäure nicht so stark sinkt, wie unter der Einwirkung des Alkohols; es könnte nun bei starken Strömen der Einfluss ! Minimale Zuckung in I bei 330 “m, 2 $ 55 1,2308, 3 R > Bus .,; = “ 5 EHE I0%T,, in II bei 380 ®®, lan 3380, 234 GUSTAY PIOTROWSKI: dieses Ersten auf den Nerven gänzlich unbemerkt vergehen, wiederum bei allzu schwachen Strömen hört allzu schnell die Muskelzuckung zu er- scheinen auf. Dagegen kann man in diesen Fällen, wie wir aus den angeführten Beispielen sehen, die Stelle /Z mit ziemlich schwachen Strömen reizen, welche kaum zur Hervorrufung einer maximalen Zuckung ausreichen, und ungeachtet dessen bleibt die Hubhöhe durch die ganze Zeit des Experi- mentes fast vollkommen gleich. Wir müssen noch erwähnen, dass wir gleich wie bei den mittelst der Methode der minimalen Zuckungen gemachten Experimenten bei lange dauernden Untersuchungen (von 1—2 Stunden) die Zunahme der Hubhöhe der Stelle 7 wahrnahmen, worauf ein schnelles Sinken sowohl in dieser, wie auch in der Stelle /7 erfolgte. In diesen Fällen gelang es nicht mehr, die Reizbarkeit zu restituiren, der Nerv begann also schon abzusterben. Bei den regelrecht geleiteten Experimenten, welche nicht allzu lange dauerten, sank die Reizwirkung der Stelle 7/, d. i. die Leitungsfähigkeit, nie in einem bedeutenderen Grade. D. Veränderungen der negativen Schwankung bei Reizung mit- telst der Induetionsströme. Die bisher behandelten beiden Methoden lassen sich nur in den Fällen anwenden, wo der Nerv mit dem Muskel verbunden ist, da wir aber im späteren Verlaufe der Arbeit das Verhalten der sensiblen Nerven unter- suchen wollten, so hatten wir uns bei Zeiten vorgenommen, das Verhalten der negativen Schwankung bei der Einwirkung des Alkohols und Kohlen- säure einer Untersuchung zu unterziehen. Zur Durchleitung dieser Verbindungen diente uns die schon beschrie- bene aus dem Glasröhrchen bestehende Kammer. Von dem Längsschnitte, mehr oder weniger in der Mitte des Nerven, und von dem (Querschnitte leitete ein Paar unpolarisirbarer Elektroden du Bois-Reymond’s den Ruhestrom zu einer äusserst empfindlichen Bussole Wiedemann’s (Christiani’s Modification). Zum Compensiren des Ruhe- stromes diente ein runder Compensator du Bois-Reymond’s. Die Stromrichtung konnte natürlich mittelst der Pohl’schen Wippe verändert werden. Der Nerv wurde gerade nur bis zum Erreichen der maximalen nega- tiven Schwankung tetanisirt. Wir haben uns durch zahlreiche Versuche an den normalen Nerven ohne Einwirkung der modificirenden Substanzen da- von überzeugt, dass bei solchen Reizungen im Abstande von je 2 Minuten DiE TRENNUNG DER REIZBARKEIT UV. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 235 die negative Schwankung im Verlaufe einer längeren Zeit, z. B. einer halben Stunde, nur unbedeutend sank. Um die Inductionsströme beim Schliessen und Oeffnen auszugleichen, bedienten wir uns der Helmholtz’schen Einrichtung, um aber die uni- polare Wirkung bei stärkeren Strömen aufzuheben, leiteten wir von einem Schräubehen der secundären Spirale des Schlittenapparates einen dicken Draht zur Wasserleitung ab (Engelmann’s Kunsteriff). In den angeführten Beispielen wurde die negative Schwankung in den Graden der Scala bezeichnet, welche mittelst Fernrohr im Bussolenspiegel abgelesen wurden. Man hat je 1 Min. gereizt. Versuch ]. I | II I II R.-A. |Neg. Schw. R.-A. |Neg. Schw.| R.-A. |Neg. Schw. R.-A. |Neg. Schw. 10. Ko Eon Tut Aulckro hol y N ß Too 50° | 100 50 100 “2 190 > 10 |» 100 10 200 20 3 > 100°| 20 100 0 anon 30 Lin, 100210 100 | 0 100.1 750 100% 15 Man hat je 2 Min. gereizt. Versuch IM. I II I Il R.-A. |Neg. Schw.| R.-A. Neg. Schw.| R.-A. |Neg. Schw. R.-A. |Neg. Schw. iso | is 150 015 TaANenoN 150 5 150 0 Alkohol 150 0 150 ) 150 15 150 15 100 15 | 100 5 150 25 50| 2 100 15 100 0 150 20 1500 010 100 10 100 0 150 | 15 150% 00210 0 40 0 15 Man hat je 1 Min, gereizt. Versuch II I II I II R.-A. |Neg. Schw.| R.-A. |Neg. Schw.| R.-A. |Neg. Schw.| R.-A. |[Neg. Schw. 150 15 150 15 Alkohol Alkohol 100 15 100 3 150 30 150820 100 10 100 0 150 10 150 | 7 100 5 100 0 150 5 150 0) 100 ) 100 0 100 25 100% 19 215 0 15 ) Spur. Man hat je 2 Min. gereizt. 236 GUSTAY PIOTROWSKI: Versuch IV. I | II I II RA. |Neg. Schw. R.-A. |Neg. Schw.| R.-A. |Neg. Schw. R.-A. |Neg. Schw. 180 12 180 10 NEE anal Alkohol 100 25 100 10 180 90° 180 15 100 20 100 0 180 25 180 10 100 15 100 0 180 20 180 10 100 10 100 ) 180 15 | 180 N) 100 12 100 0 180 0 180 0 100 8 100 N) 100 30002 2100 20 100 | 0 100 0 100 30 15:10 15 oe) 15 0 0 Man hat je 1 Min. gereizt. Versuch V. DH | II Br 1 R.-A. BE Schw. R.-A. Neg. Schw.| R.-A. 'Neg. Schw.| R.-A INeg. Schw 200 10 200 7 kan 150 12 150 10 Alkohol 150 10 1500| 0 150 25 | 1350|» 150 10 150 | 0 150 a ee 150 7 5 0 150 ee 1 2 150 8 u 150 15 150 | 0 50 25 50. | 7 Der Ruhestrom wurde von der centralen Strecke Versuch VI. abgeleitet. Man hat je 2 Min. gereizt. 2 I | u I | u R.-A . |Neg. Schw. | R.-A. |Neg. Schw. Neg. Schw.) R.-A. |Neg. Schw om io 1 am 0 en 150°) 157° = |="150 15 het 100 10 100 ) | 100 7 100 0 150 5 | 150 | 10 50 16 50 12 150 | 150 | 5 50° 12 50 7 150 Bo 0 50 8 50 0 100 | 100 | 3 0 0 0 12 | | Der Reizstrom wurde von der centralen Strecke abgeleitet. Die TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 237 Versuch VI. I I I | a R.-A. |Neg. Schw. R.-A. |Neg. Schw.| R.-A. |Neg. Schw. R.-A. |Neg. Schw. 200 | 7 200 6 Alkohol Alone 100 u 92100 0 200 | 100 7.200 10 100 8 100 0 200 8, |2 200 2 50 15 50 0 200 | 0 | 200 0 0 20 0) 10 100 18 1100 7 0 18 0 6 A000 |. 15.) %,.100 N) 0 25 0 ) 100 | 3202109 0 Ole 0 0 100 7 310007 0 | | | Man hat je 2 Min. gereizt. Der Ruhestrom wurde von der centralen Strecke abgeleitet. Versuch VII. I | 1 I | es R.-A. |Neg. Schw.) R.-A. |Neg. Schw.| R.-A. |Neg. Schw.) R.-A. |Neg. Schw. 200 8 | oe Alkohol Anlek- och 01 100 4 | 100 200 107777200 8 50.0.0207, | 500] 6 200 3257200 02 DO Den 250 200 200 0 50 100 02275002. Spur. 200 02273200 0 50 15 50 | 0 100 15 | 100 0 Or a 8 (oo a | 2100 ) | | Man hat je 1 Min. gereizt. Der Ruhestrom wurde von der centralen Strecke abgeleitet. Die angegebenen Beispiele überzeugen uns, dass man bei der Benutzung entsprechender Stromstärken für beide Stellen beide vorher beschriebene Perioden der Einwirkung des Alkohols auf die Reizbarkeit und Leitungs- fähigkeit beobachten kann. Man sieht zuerst die Steigerung der negativen Schwankung bei Reizung der peripherischen Stelle 7 manchmal aber auch bei der Reizung der centralen (/7). Viel schwerer kann man bei dieser Methode die Steigerung der Reizbarkeit bei stark verminderter Leitungs- fähigkeit beobachten, wie in den Versuchen Nr. IV u. V. Die obige Methode liefert uns die Möglichkeit, die Nerven nicht nur in der centrifugalen Richtung zu untersuchen, sondern auch in centripetaler, d. i. wo der Nerv (Ischiadicus) selbst gereizt, der Ruhestrom aber vom Plexus abgeleitet wird, was wir zu thun nicht unterlassen haben. Ent- 238 (GUSTAY PIOTROWSKI: sprechende Versuche (Nr. V, VI, VII u. VIII) zeigen ganz dasselbe Ver- halten wie bei der Ableitung des Ruhestromes von der peripheren Strecke. In folgenden Beispielen wurde das Verhalten der negativen Schwan- kung bei Durchleitung der Kohlensäure untersucht. Versuch X. I II I II R.-A. |Neg. Schw.| R.-A. |Neg. Schw.| R.-A. |Neg. Schw.) R.-A. |Neg. Schw. en | er | i 5 E50 | is co, 9: 100 | 20 | too 25 1002 810205 2016500010 21 100 ds | 22100 25 150 8 1509. Es 100 | 15028100 25 150 6 150 15 200 | 13 100 23 150 2 150 15 oo 8 100,00 22 150 0150 15 100° | 13 1008 92722 Man hat je 2 Min. gereizt. Versuch X. I | I I II R.-A. |Neg. Schw. R.-A. Neg. Schw.| R.-A. |Neg. Schw. R.-A. |Neg. Schw. 25002172520 250 | 0 co 2002 0.050 200 5 z co. 100 50 100 35 s 100 40 100 35 250 10 2oomaı 5 100 40 100 35 250 Os 200 is 100 40 1.2100 35 200 100, | 200-0 0015 100 30 100 35 200 | 0 | 200 | 15 100 | 80 100 35 1002 500 or 35 Man hat je 2 Min. gereizt. Versuch XI. R I A I ol : R.-A. |Neg. Schw. R.-A. |Neg. Schw.| R.-A. 'Neg. Schw. R.-A. |Neg. Schw. 100 DSH 1000,10 co, =: 50. 7 20 oe 100 | 5 100 | 1 50 | 20 100 | 10 10,10 100 10 50,28 1000| 00 100. | 6 100 10 5078 «| usage uulaalon 8 100 | 0 100 12 50, | 10070122100 8 Man hat je 2 Min. gereizt. Der Ruhestrom wurde von der centralen Strecke abgeleitet. DiE TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 239 Versuch XI. 1 | I AN. R.-A. |Neg. Schw. R.-A. |Neg. Schw.| R.-A. |Neg. Schw. R.-A. |Neg. Schw. Io sooo | co, 0: 1000 10 25... 100 20 sog 10 >= 7,200 15 1002 10207 |. 100 20 Board. 200 15 1008 0 lo 100, 020 150 3 72000 15 100 | 10 | 1002r 20 150 om. 2000 15 100 | 00 20 Man hat je 2 Min. gereizt. Der Ruhestrom wurde von der centralen Strecke abgeleitet. Die Versuche mit der Kohlensäure bestätigen uns die früheren, man muss in denselben nur Ströme von einer Intensität anwenden, welche beiden gereizten Stellen so entspricht, dass die negative Schwankung von beiden Stellen erhalten, sich mehr oder weniger gleich bleibe und besonders in der Stelle / nicht allzu stark sei. E. Veränderungen der Schwellenwerthe bei Reizung mittelst des Condensators. (Die Versuche wurden in Krakau ausgeführt.) Die Reizung mit einem graduirten Inductorium selbst giebt uns nicht die Möglichkeit der absoluten Bestimmung des Reizes. Um dies zu er- reichen, haben wir eine Reihe von Versuchen mit dem Condensator ange- stellt, welche Methode Prof. Cybulski gemeinschaftlich mit seinem Schüler Dr. Zanietowski bearbeitet und mit Recht „absolute Methode“ genannt hat, da man hier den Reiz mit mathematischer Genauigkeit berechnen und in physikalischen Einheiten, nämlich in Erg’s, ausdrücken kann. In die Einzelheiten dieser Methode können wir nicht eingehen, wir werden uns nur auf kurze Bemerkungen beschränken und sonst den Leser auf die Origmalabhandlung verweisen.! Unsere Einrichtung war folgende: Zum Condensator von bestimmter Capacität wurde ein Zweig des Stromes von einem Daniell-Elemente mittelst eines runden Compensators zugeschickt. Die Intensität des Stromes wurde auf einem Siemens’schen Federgalvanometer abgelesen. Nach einer !-Cybulski und Zanietowski, Nouvelle methode d’exeitation Electrique a P’aide de condensateur remplagant l’appareil & chariot deM.du Bois-Reymond. Bull. de l’acad. des Sciences de Cracovie. 1891. — Centralblatt für Phusiologie. 1892. Nr. 14. 8.403. — Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Krakau, 1892 (polnisch). — Siehe auch Mascart et Joubert (L’Rlectrieite II). 240 GUSTAV PIOTROWSKT: kurzen, genau bestimmten Zeit wurde der Condensator durch ‘den Nerven entladen, und zwar mittelst eines vibrirenden Apparates, welcher ähnlich wie der Wagner’sche Hammer construirt war, und welcher genau dieselbe Zeit bei Ladung und Entladung des Condensators zu erreichen erlaubte. Mittelst der vorher beschriebenen Einrichtung wurde der Nerv an der Stelle / oder Z/ gereizt. Die Pohl’sche Wippe erlaubte uns auch, die Richtung des Stromes zu wechseln. Die Gaskammer und die ganze sonstige Einrichtung blieb wie bei den vorigen Versuchen. Der Reiz, welchen man mittelst eines Condensators erhält, lässt sich mit dem mechanischen Reiz vergleichen, bei welchem man’ alle Factoren bestimmen kann, d. h. die Grösse des Gewichtes, die Höhe, von welcher es herabfällt, und die Zeit, in welcher es geschieht. Die Capacität des Condensators entspricht der Grösse des Gewichtes, die Differenz der Po- tentiale der Höhe, und die Zeit bleibt endlich unverändert. In unseren Versuchen änderten wir die Differenz der Potentiale mit- telst des runden Compensators. Den Reiz haben wir in die Erg umge- rechnet und zwar nach der Formel 7 = !/, wu?” C 107, wo w gleich der Dit- ferenz der Potentiale, welche man berechnen kann durch Multipliciren der Intensität des Stromes (?), abgelesen am Siemens’schen Galvanometer, durch den Widerstand der eingeschalteten Strecke des runden Compen- sators (nr). Die Capacität unseres Condensators betrug 1675-10 !!. Ist die Intensität (2) des Stromes gleich 75 M. A. = 75.10 °, hat man 75% (n) des Compensatordrahtes eingeschaltet, von dem 1°® = 0.195 Ohm. be- trägt, so ist 1 — lo: (A-1022) 22232:0.195221675. 107 7107 »—'o 49.107°252295-102°-1675.10: 1/, 25.195-1675.10 16252 = 0.0102 Erg. Ausser der Intensität des Stromes von 75 M.A. haben wir auch 50 M. A angegeben. Die Richtung des Stromes wurde auch in jenen Experimenten geändert. In den angegebenen Beispielen sind die Schwellenwerthe in !/,o00 Krg’s angegeben. Wir fangen mit den Versuchen mit Alkohol an. I Versuch I. j = II BR I “ | II Zeit Schwellenwerthe Zeit Schwellenwerthe | | | A | | | | | A | | A 10-10| 33-00 | 20-00 | 21-50 | 11-50 Alkohol 1:10 10-20 | 27-00 | 12-54 | 37-50 | 16-00 32-00 12-00 | 31-50 | 16-00 32-00 | 17-00 , 33-00 , 15-00 2 Alkohol 1:10 10-14, 26-00 11-50 | 25- - 10-16 | 30-00 11-50 | 27 | 13-50 | 10-23 | 12-50 | 10-27 DiE TRENNUNG DER REIZBARKEIT UV. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 241 Versuch I (Fortsetzung). 5 277 1 | I | II Zeit Schwellenwerthe Zeit | Schwellenwerthe | A | | | A | RE | en BEN | N ul Br or ©) LAST, N] | Alkohol: 1:10 Iaustet 10-31 | 28-00 | 27.00 | 21-50 | 15-00 | 10-56 | 39-50 | - - | — 10-36 28-00 | 26-50 | 26-50 | 18-00 | 11 42-001 857.00... 000 10-40 | 32-00 | 28-50 | 26-50 | 26-00 | 11-5 | 34:00 | 40| — | — | 55-00 | 29-00 | 22-50 10-42 , 28-00 | 49-50 26-50 | 28-00 | 11-10) 35-00 | 10-44 | 28-00 |: 54-00 — — 11-15 | 29-00 | 50-00 , 29-00 | 18-00 10-46 | 39-00 72-00 —_ — | 11-20 | 29-00 | 33-00 | 28-00 12-50 10-48 | 31:00 | 72-00 en — | 11-25 | 31-00 | 33-00 | 28-00 12-50 10-50| 32-50 | — — — | | Versuch I. | I II | I | II Zeit | Schwellenwerthe Zeit | Schwellenwerthe | er Ze a 1A 2 NR SE 11-29| 22-50 | 21-50 | 4-50 | 6-00 at Alkohol 1:5 11-31] 14-50 | 13-50 | 4-50 | 6-00 | 11-45 | 96-00 — En N 11-33 | 12-00 | 14-50 | 5-50 | 7oo.| 11-47 | 87.01 — | — Io 11-35, 19-50 | 23-00 | 6-50 , 8-00 | 11-50 | 86-00 82-00 = 12-00 11-37 | 35-00 | 57-00 | 10-50 | 20-00 | 11-52, 72-00 | 70-00 | 13-00 | 10-50 11-37 50-00 | 56-0 | — er | 11-55, 64-00 | 70-00 | 12-00 | 10-50 11-41 62-00 an er = | | 11-43 62-0 | — = = | | | Versuch 11. I II I | Il Zeit Schwellenwerth Zeit Schwellenwerth [Es] da Mn A Jsschn Aa ih 4-45 | 27-00 | 18-00 , 16-00 | 83-50 Alkohol 1:10 Re 4-47 | 18-50 | 14-00 | 16-00 | 5-50 | 5-15 | 30-00 | 22.50 > = 4-52 | 20-00 | 14-00 | 16:00 , 8-00 | 920 39-00 | 21.50 = zei 4-55 | 20-00 | 15-00 | 16-00 | 8-50 | 5-25 37-00 | 20.50 77 = 4-58 | 21-50 | 16-00 | 16-00 | 11-00 | 528 | 35-00 | 16-00 N 5 21:50 | 16-00 | 20-00 | 11-50 | 9°33 33-00 | 14-50 | 47:00 | 24-00 5*5 22-00 | 20-00 Ba Uni 5:37 | 32-00 , 15-00 | 25-01 | 27-00 5.7 27:00 , 20-00 Bi ze 5:70 ı 30-00 | 14:50 ı 20-00 | 21.50 5-10 | 27:00 | 21-50 — au Archiv f. A.u. Ph. 1893. Physiol. Abthlg. | 16 242 Gustav PIOTROWSKIT: Versuch IV. 2 | I II | I 1 Zeit Schwellenwerthe Zeit | Schwellenwerthe | Kae len u 2A Y | SSR db Mina a VE 5-52 | 16-50 | 10-20 | 13-50 | 23-00 Luft Alkohol: 1:10 5:52 | 4950 | Es | Se 5-52 18-50 | 13-50 | 13-50 | 23-00 a5 - | — 2: ' 20-00 | 46-50 | 13-50 23-00 0-0 = | 24-50 | 57-00 | ao — 39.00 | ve m ar 33-00 — "lu, 3 33-00 | 62-00 _ _ Mess = 33-00 | 48-00 | 74-00 | 74-00 120.50 » 30-00 | 43-00 | 52-00 | 38-00 | | | Die zweite Periode der Einwirkung des Alkohols unterscheidet sich nicht wesentlich von den früheren Versuchen. Es verschwindet nämlich die Leitungsfähigkeit gänzlich bei bestehender Reizbarkeit. Es verschwindet aber nachher die Reizbarkeit bei den Reizen in aufsteigender Richtung. Grössere Unterschiede haben wir aber in der ersten Periode gefunden. In einer Reihe von Versuchen verhalten sich die beiden Functionen auf die bekannte Weise, d. i. es wächst die Reizbarkeit, während die Leitungsfähigkeit schon zu sinken beginnt. Man kann diese Erscheinung in sehr ausgeprägter Weise beobachten, wie z. B. in Versuch I u. III für die absteigenden Reize, wo die Leitungsfähigkeit gänzlich erloschen, die Erregbarkeit aber noch erhöht ist. Manchmal ging die Verminderung der Reizbarkeit Hand in Hand mit der Verminderung der Leitungsfähieckeit (Versuch I), in einigen Versuchen trat sie aber auch früher und deutlicher hervor (Versuch IV). Davon, dass dieser Unterschied nicht in der Methode beruht, haben wir uns überzeugt durch Versuche mit Inductionsströmen, welche uns gleiche Erfolge gesichert haben. Wir können es nicht anders erklären als durch die heisse Jahreszeit, in welcher wir die Experimente angestellt haben. Die oben beschriebenen Erscheinungen treten in den wenigen ersten Minuten hervor, dann schwindet die Leitungsfähigkeit plötzlich gänzlich, wie z. B. in Versuch IV, ohne vorherige Verminderung. Wir schreiten zu den Versuchen mit Kohlensäure: DıE TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 243 Versuch V. Bere II I II Zeit Schwellenwerthe Zeit Schwellenwerthe | TR | | A | A $ a BER Ba ER, CHI Y | Y ad 11-47 9-00 | 5-50 | 2-00 | 3-50 co, Co, 12- 9| 58-00 | 59-00 | 1-50 | 2-00 Mi, 52.00, 61.00 | 2200. |.n300|| 0.0. san acer 11-51, 48-00 51-00, 2:00 3-00.| ",.,, Be NN a 11-53 | 47.00 45:00 | 1-50 3-00 | 15.17 en no En BE eeon.| 25.50 1:00 0250| 15.101 neo | uscen | Msn son 11-57) 49-00 , 47-00 | 2-00 | 2-50 u w 11-59| 48-00 50-00 | 2-00 2-50 ausst 12- 1) 48-00 51-00 | 2-00 2-50 | 12-23| 55-00 | 59.00 | 1-50 | 2-00 12- 3| 52-00 52-00 | 2-00 | 2-00 | 12-28 | 27-00 | 33-00 | 1-00 | 2-00 12° 5| 57:00 58-00 | 1-50. 2-00 | 12-32| 15-50 | 13.00 | 1-50 2-00 12- 7| 58-00 | 54-50 | 1-50 2-00 | 12-35) 11-50 | 5-50 | 1-50 | 2-00 Versuch VI. I | 00 I | 00 Zeit Schwellenwerthe Zeit Schwellenwerthe Ba Roozlac A los ba | Y | ze Y po 5-37 | 37-00 | 22-00 | 7-00 | 17-00 co, 2: 5-51 | s0| — 8-00 | 11-00 5-39 | 87-00 | 92-00 | 8-00 | 16-50 | 5-53 | 84-0) — 7:00 | 8-00 5-41 | 67-01 — | oo | 12-50 | e 83-01 — | 7-00 | 8-00 343 713.00 7 97-00 11280 525052200 | 2.00 10:0 wi 5-47 | 81:00) - | oo | 10-00 | 6-2 | 50 57 | 6-00| 7-00 5-49 | 8:0) - | 7.00 | 10.00 | 6-7 | 30 28 6-00 | 8-00 Versuch VL. Aa il I | I Zeit Schwellenwerthe Zeit Schwellenwerthe | A eK | N Y | Y | | Y | Y 10-35.| 31-00 | 47-00 | 41-00 | 37-00 co. | =. 10-49| 77-00 | — | 30-00 | 21-00 10-37 | 67.00 | 82-00 | 37-00 | 35-00 | 10-51) 75-00 | — | 24.00 | 21-00 10-39| 65-00. | 82-00 | 34-00 | 52-00 | 10-53 73-00, — | 24-00 | 23-00 10-41 | 67:00 | 82-00 | 35-00 | 29-00 | 10-55 80-00 | — | 25-00 23-00 10-43| 68-00 | — | 34-00 | 29-00 | 10-57| s2-.00 | — | 25-00 | 21-00 10-45 | 75-00 | 82-00 | 34-00 | 23-50 | 10-59 | 80-00 | — | 25-00 | 21-00 10-47| 75-00 | — | 30-00 | as-— | ı1- 2| 79-00 | — | 30-00 | 31-00 244 GusTAv PIOTROWSKI: Versuch VI. I an I | II Zeit | Schwellenwerthe Zeit Schwellenwerthe rau BR : en N | | 11-10 | 35-00 | 27-00 | 13-00 | 7-00 co, co, 11-28| 89-00 | —- | .13-00 | 5-00 11-12|,09-000 | — 14-00 | 7-00 | 11-30| 92-00 | — | 13-00 , 5-50 11-14| 69-00 | — | 15-50 | 7-00 | 11-32| 92-00) — | 13.00 | 4-00 11-16 | 68-0 | - 13-50 | 7-00 | 11-34| 90-00 | — | 13-00 | 4-00 11-18 | 69-0 | — 13-50 | 7-00 | 11,386| "— | ©—. | 13.00 | 4-00 11-20) 72:01 — | 15.00] 7.00 | 11.38) — — 13:00 | 4-00 11.22 073.00 | 13-00 | 7-00 | 11-40| — —. | 18-00 | 4.00 11-24| 34-50 | — 13-00 | 6-00 | 11-42 - — 13-00 , 4-00 11-26| 87-.0| — 13-00 | 6-00 | | | | Bei Reizung mit dem Condensator erhalten wir im Allgemeinen die- selben Erfolge als bei den Inductionsströmen, mit dem Unterschiede nur, dass die Reizbarkeit stärker beeinflusst war. Bei Einschaltung des ganzen Compensatordrahtes bei 50 M. A. konnten wir keine Zuckung mehr erhalten und zwar sehr oft bei aufsteigenden Reizen, ausnahmsweise nur bei abstei- senden Reizen. Diese relativ gänzliche Unerregbarkeit für aufsteigenden Reiz trat manchmal plötzlich hervor, schon nach 2 Minuten Einwirkung der Kohlensäure, wie z. B. in Versuch VII. Die Leitungsfähigkeit blieb immer unverändert. Abgesehen von kleinen Schwankungen, welche man auch ohne Einwirkung der Kohlensäure beob- achten kann, treten keine merkliche Veränderungen hervor. F. Veränderungen der Schwellenwerthe bei Reizung mittelst der galvanischen Ströme.! Wir haben nicht vernachlässigt, das Verhalten der beiden Functionen des Nerven bei Reizung mit galvanischen Strömen zu untersuchen. Wir haben die Stromzweige von einem, manchmal von zwei Daniell- Elementen mittelst eines du Bois-Reymond’schen Reochordes, der im Nebenschlusse eingeschaltet war, zum Nerven geleitet. Der Nerv wurde in einer aus Kork gefertigten Kammer eingeschlossen. Zur Reizung dienten unpolarisirbare Elektroden von du Bois-Reymond, an welche kleine etwa 5m breite Plättchen aus gebranntem Thon angebracht wurden. Die eine Elektrode berührte den Nerven an der peripheren innerhalb der Kammer befindlichen Stelle /, die zweite aber an der centralen Stelle /. Die ' Diese Versuche wurden in Lemberg ausgeführt. DIE TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 245 Riehtung des Stromes wurde mittelst der Pohl’schen Wippe gewendet. Der Strom wurde mittelst des Quecksilberschlüssels mit der Hand ge- schlossen und bei jedem Experimente immer nach gleicher Zeit (5—10 Sec.) geöffnet. Um gleichmässige Schliessung und Oeffnung zu erhalten, bedienten wir uns zuerst einer besonderen Einrichtung, wir haben dies aber später aufgegeben, da wir uns überzeugt hatten, dass man auch mit der Hand ganz genaue Resultate erreichen kann. Es wurde immer die Stärke des Stromes, welche zur Hervorrufung der minimalen Muskelzuckung bei Schliessung und Oefinung des Stromes nöthig war, in Graden des Reochor- des bestimmt. Der Aethyl-Alkohol, die Kohlensäure und das Kohlenoxyd wurde auf schon bekannte Weise durchgeleitet. Wir geben hier die Versuche mit Alkohol an. Versuch I. I EIER | A | Zeit Y | Zeit | l | Y Alkohol 1:3 5:10 | Schl. 10 10 0. 15 12 5-27 Le 70 Alkohol 1:3 248 = 5-12 100 \ 15 5.32 = 60 10 12 250 = 5-17 = 20 5-37 ur 50 40 7: 300 — 5-22 €: 20 so an Versuch I. ; | ; A Zeit | x Y | Zeit | | Y Alkohol 4-30 | Schl. 5 5 0. 10 10 4-34 | — | 485 Alkohol I 168 Tr 4-32 10 10 4-39 | 21200520 12 10 300 = Versuch II : A | : IN: | a | A er Alkohol 5 Schl. 8 N a 0. 5 19 510 | = 70 6 79 ; Alkohol Be | 28 Ba. 96 | 16 12 | 98 ze 246 Gustav PIOTROWSKI: Versuch II (Fortsetzung). 0 | D | Zeit A y Zeit | r Y Alkohol Alkohol 5:20 _ 141 5-35 — 255 149° — 185 — 5-25 —_ 314 5:40 — 465 250 — 232 — 5-30 —_ 295 5-45 —_ 900 276 — 908 — Versuch IV. . A | 2 A | f Zeit y Zeit Y Alkohol 4:30 Schl. 15 10 Su = 1-22 Eu 433 Alkohol 478 — 1:16 495 215 1-25 _ 429 255 250 469 — 1:19 —_ 387 1-28 _ 500 410 _ _ — Versueh X. Ba OR E | . DE N { | Zeit | | | Y | Zeit | Y | Alkohol 6-12 |Schl. 6 14 | 6-18 — 200 0. 140 150 es 2 Alkohol 6:21 A. 400 | 200 — 6:15 6 14 6:24 — 150 | 140 | _ | 400 ar Versuch VI. : A | n A | Zeit | Y | Zeit | BR Y Alkohol 10-15 | Schl. 5 5 " d. 10 5 10-25 r 19 Alkohol —_ _ ante, | 5 5 10-30 u 20 5 5 — — 10-20 — 15 10-35 — 60 55 — = e: DIE TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 247 Versuch VI. | | | ee l : . | IN | Zeit | A Y Ei | | | v Alkohol 11 ' Sehl. 15 15 11-7 30) 05 0. 25 20 20 | 20 Alkohol 11-12 E | 80 110 a Pie 11-2 15 15 11-17 ee: 490 15 15 Bon er 11-4 108 310 310 11-22 = 6) 850 200 0 510 | | Be Versuch VII. Zeit A | \ | BR | i ) pi Ä } | Alkohol 12:6 Schl. 5 | 20 Da oa Alkohol I 12-8 N 5 12-23 u 64 5 5 sen on 12-13 5 15 12-28 ZE 15 5 - Unter dem Einflusse des Alkohols beobachteten wir also folgende Er- scheinungen: Bei den aufsteigenden Strömen muss man bei Schliessung die Stärke anfangs vergrössern, um eine minimale Zuckung zu erhalten, bald aber kann man dieselbe nicht mehr hervorrufen. Bei der Oeffnung des Stromes kann man manchmal (Versuch VI, VII, VIII in der ersten Periode der Einwirkung des Alkohols schon bei schwä- cheren Strömen minimale Zuckung erhalten, dann aber muss man schon stärkere Ströme anwenden, bei sehr kräftiger Durchleitung des Alkohols aber verschwindet die Zuckung gänzlich. Umgekehrt sind die Erscheinungen bei den absteigenden Strömen. Hier kann man anfänglich die Zuckung bei der Schliessung mit schwäche- ren Strömen erhalten, dann muss man sie verstärken, aber nicht in sehr hohem Grade. Bei der Oeffnung hingegen verschwindet die Zuckung sehr bald gänzlich. — Wie soll man die Erscheinungen erklären? Bei der Schliessung des schwachen Stromes bildet die Kathode den Ausgangspunkt für die Erregung, bei der Oeffnung dagegen die Anode. Bei den aufstei- genden Strömen also befindet sich die reizauslösende Stelle bei der Schliessung des Stromes ausserhalb-der Kammer, entspricht also der centralen Stelle 77. Das Verschwinden aber der Zuckung bedeutet, dass die Leitungsfähigkeit 248 GUSTAV PIOTROWwSKT: aufgehoben wird. Umgekehrt aber bei Oefinung des Stromes befindet sich die gereizte Stelle innerhalb der Kammer, entsprechend der Stelle / und die hier auftretenden Erscheinungen sind von den Veränderungen der ört- lichen Reizbarkeit abhängig. Wir beobachten also zuerst eine Erhöhung, dann aber eine Abnahme der Reizbarkeit. Umgekehrt bei absteigenden Strömen befindet sich die Reizquelle bei Schliessung innerhalb der Kammer, und man constatirt hier zuerst die Zunahme, dann aber eine Herabsetzung der Reizbarkeit. Bei Oeffnung aber, wo der Reiz von der ausserhalb der Kammer befindlichen Stelle aus- geht, bedeutet das Verschwinden der Zuckung die Aufhebung der Leitungs- fähigkeit. Die Versuche also mit dem Alkohol zeigen eine vollkommene Ueber- einstimmung mit den vorigen. Wir werden jetzt die Einwirkung der Kohlensäure beobachten. Versuch RX. IR | N\ A zei | Y | Zelt | | 10-30 | Schl. 3 10 co, 0. 15 4 10-59 5 25 co, 95 6 10-34 | 2 1 11-4 10 22 48 5 so 6 10-39 4 19 11-12 6 25 ka | 6 Malion 8 10-44 | 5 BEINMSISR 1a 7 27 Sn 5 95 9 10-49 6 20 11-27 5 60 In 5 RO 8 10-54 | Te 11-37 | 4 45 70: ME 8 155 7 Versuch X. EN TEEN | x han Fu 2a | | | Y | Zeit | K i Y.= co, 6 | Schl. 3 10 6-15 3 19 FROM SRR| 4 40 7 co, 6-20 3 20 : 45 10 | 3 30 | 3 20 30 4 40 10 65 | 3 20 6-30 3 95 7 290 4 U) 8 6-10 | 3 m 6-35 3 25 30 4 60 9 DiE TRENNUNG DER REIZBARKEITU. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 249 Versuch XI. al, Y Zeit | A A co, 11 Schl. 2 2 Va HR 11-30 2 10 co, | 2 7 11-5 4 10 11-35 2 12 17 4 24 S 11-10 4 7 11-40 2 20 14 6-5 60 5 11-15 3-5 ® 11-45 2 45 23 7 140 5 11-20 2-5 8 11-50 2 45 28 7 126 5 11-25 2 8 26 7 Versuch XI. Zeit 4 Y Zeit N Y co, 7°10° Sch. 5 4 2 0. 10 5 7:30 4 300 co, 220 6 7-15 4 25 71:35 4 250 20 5 200 8 7:20 5 40 7-40 4 220 60 5 180 7 1-25 5 100 150 5 Die Versuche zeigen uns, dass man bei Oefinung der aufsteigenden Ströme sowie bei Schliessung der absteigenden den Strom verstärken muss, um die minimale Zuckung zu erreichen, dass also immer die in der Kam- mer befindliche Stelle leidet, oder mit anderen Worten, dass die örtliche Reizbarkeit herabgesetzt ist. Wir haben endlich auch die Veränderungen der Leitungsfähigkeit und der Reizbarkeit unter dem Einflusse des Kohlenoxyds untersucht. Die Wirkung des Kohlenoxyds erfolgt, wie wir schon mittelst der Inductionsströme constatirt hatten, in demselben Sinne wie die der Kohlen- säure, nur ist sie viel schwächer. 250 Gustav PIOTROWSKI: Mersch XInE A | ERBE | ‘ m RE NV | Zeit | | Y co 5-12 Schl. 8 6 10.12 4 5-27 7 25 BO 24 5 5-17 8 | 15 5-32 8 25 20 5 25 6 5-22 6 30 5-42 7 26 35 6 28 | b) Versuch XIV. J | N | | ; A | Zeit | | Y AN Mi co 10:30 Schl. fe) 13 10-50 10 30 | ©. 20 6 50 4 co NENNE. 2 | {9} 10-40 9 212250 11220, 8 35 Es) | 5 7240 6 Versueh XV. A | f A I ven Br | Y | Zeit | | y (076) 6-15 Schl. 5 6 635 5 60 0.5 5 I 0 6 co Ba 65 | BER 50 7 6-25 ns To 8 60 20 | 5 38 8 Versuch XVIl. Zeit] mn wol eh zen ae 5 [0X0) 9-50 | Schl. 4 | 6 | 8 10-10 6 35 co 30 10 10 5 25 10-30 7 35 25 g | 112035 10 Alle diese Versuche zeigen deutlich, dass man die Veränderungen der Leitungsfähigkeit und Reizbarkeit sehr genau und bequem auch bei An- wendung der galvanischen Ströme beobachten kann. Dis TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 251 @. Veränderungen der Latenzperiode. (Die Versuche wurden in Krakau ausgeführt.) In den vorigen Versuchen haben wir Beweise dafür beigebracht, dass die Veränderungen bei Reizung der ausserhalb der Kammer liegenden Stelle des Nerven bei Durchleitung des Alkohols nicht von der örtlichen Reizbar- keit, sondern von der Leitungsfähigkeit abhängig sind. Im systematischen Verlaufe der Versuche wollten wir auch direct die Leitungsfähigkeit und zwar die Veränderungen der Leitungsgeschwindigkeit unter den modificiren- den Einflüssen untersuchen, wir hielten es aber für angezeigt, früher das Verhalten der Latenzperiode bei Reizung beider Stellen / und // kennen zu lernen, da wir gehofft haben, dass wir daraus einige Schlüsse betreffend der Leitungsfähigkeit ziehen könnten, was wirklich der Fall war. — Die Latenzperiode haben wir auf folgende Weise bestimmt: In den primären Kreis wurde ein sehr empfindliches Signal von De- prez eingeschaltet, dessen Feder ganz auf derselben Höhe mit der Feder des Marey’schen Myographions eingestellt wurde Die Muskelzuckung wurde auf der Breguet’schen Trommel bei grosser Geschwindigkeit auf- gezeichnet, oder auf der Baltzar’schen, welche mittelst eines elektrischen Motors in sehr schnellen Gang gesetzt wurde. Der Nerv wurde durch einzelne Oefinungsschläge, durch Oeffnen eines in dem primären Kreis be- findlichen Schlüssels gereizt, wobei die Feder des Signals abgelenkt wurde und eine Weile nachher das Myographion die Curve der Muskelzuckung anzuschreiben begann. Die Zeit, welche inzwischen verflossen war, d. h. die Latenzperiode, wurde mittelst vibrirender Stimmgabel bestimmt, die genau 365 Vibrationen in einer Secunde gab, welche auf dem berussten Papier der Trommel aufgezeichnet wurden. Da wir die Latenzperiode bei verschiedenen Stärken des Stromes, und zwar bei untermaximalen, maximalen und übermaximalen Reizen bestimmt haben und man für jede Bestimmung mehrere Reize aufzeichnen muss, um die Mittelwerthe zu berechnen, so dauert der Versuch ziemlich lange Zeit. Da man aber besonders bei Reizung der centralen Stelle die Veränderungen nur kurze Zeit verfolgen kann, so mussten wir von der gleichzeitigen Be- stimmung der Latenzperioden für beide Stellen eines und desselben Nerven abstehen und nur eine Stelle an jedem Nerven untersuchen. Der Verlauf der Versuche war sonst ganz wie in den vorigen, wir haben nur schwächeren Alkohol gebraucht und zwar mit Wasser gemischt im Verhältniss von 1:5 bis 1:20. Wir geben hier einige Beispiele an, in welchen die erste Rubrik die Zeit, die zweite die zur minimalen Zuckung nöthigen Rollenabstände, die dritte die Rollenabstände, bei welcher die Latenzperiode bestimmt wurde, die vierte aber die Latenzperioden selbst enthält. 252 GUSTAV PIOTROWSKT: Versuch I. Versuch II (Fortsetzung). |. Minimale | | Minimale Zeit _Zuckung | R.-A. | an, Zeit | Zuckung RA. Latenz- | bei R.-A. baBenae? |bei RA. Beide ren = — >= B 9-10 | 265 | 260 | 0-0123 Alkohol | 240 0.0093 4.24 325 320 0-0257 9.13 | 100. ° | 0.0093 : I en Alkohol | 4-30 285 280 0-0301 918 | 19 190 |. 0.0222 100 0-0164 6180221 :0:0181 | #509 1170-0123 4.35 | 245 240 0-0301 100 0.0123 100 0-0164 9:23 | 190 1855 | 0.0178 4.40 | 210 200 0-0315 | 170 | 0.0109 100 0-0175 100 0-0109 | | | 445 | 155 150 0-0315 9.28 | 188 185 | .0-0181 i00 0-0178 180 0-0136 160 0-0123 4-50 95 90 0-0328 100 0-0123 | 50 0-0181 9.38 132 130 0-0222 100 00193 Versuch W. 4-50 | 460 450 0-0123 350 0-0093 Versuch I. 100 0-0084 3:12 | 3% 315 0-0150 Alkohol 280 0-0109 4-54 280 270 0-0180 3-15 100 100 0-0093 Alkohol 5 125 122 0-0257 3-20 285 | 280 0-0164 100 0-0235 250 0-0150 50 0-0184 I) 0-0109 | Versuch V. 3-25 160 . | 165 0.0184 10 380 370 0-0164 150 0:0123 290 0:0123 100 0-0109 100 0:0109 3.30 135 138 | 0-o18i Alkohol 120, 0-0150 10-5 160 155 0.0257 100 | 00109 100 0-0164 Bas a in oe ae el a | 100 0-0123 | | | Versuch VI. 3.40 122 120 | 0-0235 en | | . 5 ) J | 100 Do N 0 u 10-12 | 100 0-0164 Versuch IM. Alisoho] 10-15 260 955 0-0328 4-20 360 350 | 0-0257 100 0-0222 320 0-0164 | 10-20 60 58 0-0402 DIE TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 253 Wir sehen aus diesen wenigen Beispielen, dass die Latenzperiode in beiden Fällen unter dem Einflusse des Alkohols anwächst. Bei Reizung der peripherischen Stelle / wächst sie bei den untermaximalen, maximalen wie auch übermaximalen Reizen. So haben wir den Zuwachs im Versuche bei untermaximalen Reizen bei übermaximalen Nr. I von 0-0129 auf 06-0222 von 0-0093 auf 0.0123 2) 2 ,,202.0150°...0-0235 = ,. 0:.010% , 0.0133 eye ,,:. 0.0328 ,. 0-01649,,70.0181. Die Verlängerung der Latenzperioden tritt noch deutlicher hervor, wenn wir dieselbe nicht bei relativer, sondern bei Anwendung derselben Strom- stärke vergleichen. So z. B. im Versuche Nr. I wächst die Latenzperiode bei Rollenabstand 180”"m von 0-0093 auf 0-0181, im weiteren Verlaufe aber nur auf 0.0136, während im Versuche Nr. II bei Rollenabstand 100 » von 0-0093 auf 0-0123. Im Versuche Nr. III wächst sie bei Rollenabstand 99mm von 0-0164 auf 0-0328, bei Rollenabstand 50 "m von 0.0164 auf 0.0181. Die Zunahme der Latenzperiode sehen wir also bei Reizung der cen- tralen Stelle. Vergleichen wir einmal die Veränderungen bei relativer Stromstärke: untermaximale maximale Reize Nr. I von 0.0123 auf 0-0257 von 0.0084 auf 0-0181 Bl, 0.0123 2 ,2:02.0301227:7 0.0103, 020257 „u, 0.0307 7, 0.040277, 020164, 040235. Die Zunahme aber ist in Wirklichkeit viel grösser, wenn man die Veränderungen bei einer und derselben Stromstärke vergleicht. So haben wir die Zunahme im Versuche Nr. IV bei Rollenabstand 100 == von 0.0081 auf 0-0235, im Versuche Nr. V bei Rollenabstand 50 w® von .0-0109 auf 0.0257, im Versuche Nr. VI bei Rollenabstand 20 mm von 0.0164 auf 0.0402. Wir sehen auch, dass die Verlängerung der von der Stelle /7 erhaltenen Latenzperiode bei weitem grösser ist als die Reizung der Stelle /. Wir haben hier also analoges Verhalten wie bei der Bestimmung der Hubhöhen, mit dem Unterschiede aber, dass bei den übermaximalen Reizen die Hubhöhe unverändert bleibt, während man schon in der Latenperiode Veränderungen sehen kann, was besonders bei Reizung der Stelle /7 her- vortritt. Da wir vollkommen berechtigt sind, anzunehmen, dass der Reiz auf die centrale Stelle ganz normalerweise einwirkt, der active Zustand aber erst später im Verlaufe durch die in der Gaskammer veränderte Strecke modifieirt wird, so müssen wir annehmen, dass die Zunahme der Latenzperiode in der geschwächten Leitungsgeschwindigkeit ihre Ursache hat — was auch unsere directen Versuche constatirt hatten. Die Bedeu- tung kleinerer Zunahme der Latenzperiode an der Stelle / muss aber 254 GusTAvY PIOTROWSKT: unmittelbar von der verminderten Aufnahmefähigkeit des Nerven ab- hängig sein. Die besprochenen Verhältnisse werden sehr ausgeprägt durch Taf. VIII und IX illustrirt. Gehen wir zu den Veränderungen unter der Einwirkung der Kohlen- säure über: Versuch V1. Versuch RX. i Minimale | Minimale | Zeit | Zuckung R.-A. Lanz R Zeit | Zuckung R.-A Laenz 5 “| bei R.-A. Be bei RA. | ne = = = — = Zn m ——— — —: ! == 10-2 360 350 0-0150 3-50 420 | 40 0-0181 300 0-0109 | I 100 0-0150 10-5 100 0-0109 CO, Co, 10-10.170.285.... [7280.50]. 2.0-0178 E | 100° 0.0109 A 220 410 0-0181 | | 100 0-0150 10-20 | 19 190 0-0178 | | | 100 0-0123 4-10 410 400 0-0181 | | 100 0-0150 10-25 | 190 1800-0178 | | 100, 0.0123 4.20 |. 410 | 400 0-0181 | | | | 100 0-0150 10-350 | 175 | 170 | 0:0181 | 100 0.0136 4.30, 400 390 0-0181 | | 1000-0150 1040, 1 .0.2180:7 2 °1702) 10-0181 | | | |. 100 0-0136 4-40 | 400 390 , 0.0181 1100 0-0150 Versuch VM. | 3-20 | 320 | 310 | 0.0164 h 2 | | 950 | 0:0123 Versuch X. 3-24 100° | 0.0123 9-11 | 400 | 390 0-0136 co, | ı 100 0-0109 3-30. | ,225 | 220 | 0.0178 co, | | 100 0.0123 3.40 23 220 OT 1 00 ie es 100° 0-0123 | 32502 02230000 14225 0-0178 9.20 390 385 0-0136 10 0-0123 | 100 0-0109 ar u #205) „NHLIDAO 0.0181 2 | | | N 9-25 | 390 3855 |, 0-0150 | 100. 0.0186 an ans 4-10 | 215 210 | 0-0181 | 100 0-0136 9-35 390 375 0.0136 | 100 0-0123 4-20 | 200 195 0-0222 22 net 9-40 | 385 380 0-0136 4-30 180 178 0-0222 | 100 0.0123 100 0-0150 DIE TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 255 Wir sehen, dass bei Reizung der peripheren Stelle die Latenzperiode zunimmt, aber schwächer als bei Einwirkung des Alkohols — ein analoges Verhalten der Hubhöhe. Bei Reizung der centralen Stelle // sehen wir gar keine oder ganz nıinimale Unterschiede, welche auch ohne Einwirkung der Kohlensäure bei längerer Reizung eines und desselben Nerven hervortreten. Den obigen Beispielen sind Taf. VIII u. IX beigegeben. H. Veränderungen der Leitungsgeschwindigkeit. (Die Versuche wurden in Krakau ausgeführt.) Die Veränderungen der Leitungsgeschwindigkeit unter dem Einflusse des Alkohols und der Kohlensäure haben wir auf folgende Weise untersucht: Der Nerv wurde in eine Kammer aus Glasrohr gebracht, deren Durch- schnitt 3°® betrug. An beiden Seiten ausserhalb der Kammer wurden zwei Platinelektrodenpaare in solcher Entfernung befestigt, dass die Länge des Nerven zwischen beiden 4°” betrug. Der Strom wurde zu beiden Elek- trodenpaaren von der secundären Spirale durch eine Pohl’sche Wippe ohne Querverbindungen nach Belieben zugeleitet. Wir haben stets die übermaximalen Oeffnungsschläge gebraucht, welche auf folgende Weise erhalten wurden: An die Trommel mit sehr grosser Umdrehungsgeschwindigkeit wurde ein dünnes Glasstäbchen angebracht. Der primäre Kreis wurde mittelst eines Quecksilberfadens geschlossen, welcher bei der Umdrehung der Trommel immer gleichmässig unter- brochen wurde, und der Strom dadurch geöffnet. Die Muskelzuckung wurde mit dem Marey’schen Myographion aufgezeichnet und der Anfang derselben fiel bei Reizung derselben Stelle des normalen Nerven immer an eine und dieselbe Stelle. Der Abstand zwischen den Anfängen der Curven bei Reizung beider Stellen des Nerven gab uns das Maass der Zeit, welche zum Durchlauf der 4°” langen Strecke des Nerven nöthig war. Die Zeit wurde mit der Stimmgabel von 365 Vibrationen bestimmt. Die auf diese Weise gefundene Leitungsgeschwindigkeit im normalen Nerven betrug regelmässig gegen 23.9 Meter in der Secunde. Wir geben einige Beispiele der Veränderungen der Leitungsfähigkeit unter dem Einflusse des Alkohols und der Kohlensäure an. Die betreffenden Curven befinden sich auf der Taf. IX, Fig. 2, 3, 4, und in folgenden Tabellen: 256 Gustav PIOTROWSKI: Versuch I Zeit 4-15 4-20 4.23 4-25 Leit.-Geschw. 28-9 14-45 7:22 4-01 II Zeit 10-12 10:15 10-20 Leit.-Geschw. 25-50 5-29 2-62 III Zeit 11-9 RD let SIEHT ZISD2O Leit.-Geschw. 28-90 — 14-45 2.40 2:06 1:44 [e) IV Zeit 9 9:4 9-10 Leit.-Geschw. 28:90 = 5.29 2:06 S V Zeit 10:11 0:15 10-20 10-30 10-40 10-50 1 Leit.-Geschw. 28:90 “ 28-90 28-90 25-50 25-50 28-90 VI Zeit 11.12 10-207°.11-307 10-40 5311-507 12 12-10 Leit.-Geschw. 25-50 “ 25-50 25-50 19-60 19-60 19-60 19-60 Vu Zeit 45 4.10 4.20 4-30 Leit.-Geschw. 28-90 23-90 28-90 28-90 VIII Zeit 9.10 9.15 9-25 9.30 9-40 9-50. -10 10:10 Leit.-Geschw. 28:90 23-90 28-90 28-90 19-60 19-60 19-60 19-60 Wie aus diesen Versuchen deutlich hervorgeht, wirkt Alkohol auf die Leitungsgeschwindigkeit schwächend, während die Kohlensäure gar keinen Einfluss auf dieselbe ausübt. Auf diese Weise haben wir die in den vorigen Versuchen ausgesprochene Anschauung, dass die Veränderungen der Latenzperiode bei Reizung der centralen Stelle von der geschwächten Leitungsgeschwindigkeit abhängig sind, den directen Beweis geliefert. J. Schlussfolgerungen. Alle von uns im ersten Theile der Arbeit angestellten Versuche führen uns zu übereinstimmenden Erfolgen, welche wir noch einmal kurz zusam- menfassen wollen: Bei nicht zu starker Einwirkung des Alkohols erhöht sich zuerst die Leitungsfähigkeit sowie die Reizbarkeit, die letztere aber in viel höherem Grade. Dann fällt aber die Leitungsfähigkeit schnell, während die Reizbar- keit noch gesteigert sein kann. Endlich verschwindet die Leitungsfähigkeit sänzlich, während die Reizbarkeit, obwohl gesunken, sich noch lange er- halten kann. . Beim Restituiren der Nerven kehrt die Reizbarkeit bedeutend schneller und vollkommener als die Leitungsfähigkeit zurück. Unter der Einwirkung der Kohlensäure und des Kohlenoxyds sinkt plötzlich die Reizbarkeit, aber in minderem Grade als bei Alkohol, während die Leitungsfähiskeit ganz unverändert bleibt. Die TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 257 . Die Reizbarkeit kehrt beim Restituiren sehr schnell und vollkommen zurück. — Betrachten wir zuerst das Stadium, wo unter dem Einflusse des Alko- hols die Leitungsfähiekeit schon ganz aufgehoben, die Erregbarkeit aber vermindert ist. Bei dieser Combination kann man sich allerdings mit Szpilman und Luchsinger vorstellen, dass der Nerv in einer einheitlichen, als Erreg- barkeit zu bezeichnenden Weise gelitten hat. Die Fähigkeit, entweder durch den örtlich einwirkenden Reiz erregt zu werden oder den Erregungszustand von dem benachbarten Element aufzunehmen, könnte in jedem der Alkohol- einwirkung unterworfenen Elemente in gleicher Weise verändert sein; für den Erfole bei Reizung der dem Muskel näher gelegenen Nervenstelle, wäre dann aber nur die Veränderung einer kleineren Anzahl von Elementen maassgebend als bei Reizung der weiter central gelegenen Stelle Die an letzterem Orte entstandene Erregung hätte eine grössere Anzahl ge- schwächter Elemente zu durchlaufen und wird aus diesem Grunde schwächer beim Muskel eintreffen, aber die Fähigkeiten der Reizaufnahme und der Erregungsleitung könnten als Ausdruck einer und derselben Eigenschaft der Nervensubstanz angesehen werden. Während nun zwar für den durch starke oder lange Einwirkung des Alkohols hervorgerufenen Zustand des Nerven die Auffassung der genannten Forscher festgehalten werden könnte, so stossen wir doch schon bei den mit demselben Mittel gewonnenen Erfahrungen auf einen ernsten Wider- spruch, nämlich in dem ersten Stadium der Einwirkung, wo die Leitungs- fähigkeit schon gesunken, in manchen Versuchen auch ganz aufgehoben ist, während die Reizbarkeit noch gesteigert sein kann. Wenn wir annehmen sollen, dass die Unterschiede im Verhalten der Leitungsfähigkeit und der Reizbarkeit nur dadurch entstehen, dass die Erregung von der weiteren Stelle aus mehr matte Elemente durchlaufen muss, als von der näheren peripherischen, so wird es unverständlich, warum er nicht mehr an der centralen Stelle durchgehen kann, wenn die Elemente sich in gesteigerter Labilität befinden. Wir müssten dann denken, dass vielleicht die centrale ausserhalb der Kammer liegende Strecke umgekehrt zu der in der Kammer befindlichen peripherischen modifieirt wäre. Aber bei Betrachtung der Ver- suche mit der Kohlensäure und dem Kohlenoxyd müssen wir fragen, warum die Leitungsfähigkeit ganz unverändert besteht, während die Labilität der innerhalb der Kammer liegenden Moleküle schon beträchtlich geschwächt ist? Hier müssten wir wiederum annehmen, dass zugleich mit der Herab- setzung dieser die Erhöhung der Labilität der Moleküle in der centralen Strecke auftrete. Wir müssten also dem Alkohol und der Kohlensäure die entgegengesetzte Wirkung auf beide Strecken des Nerven zuschreiben. Archiv f. A.u.Ph. 1893. Physiol. Abthlg., " 17 258 Gustav PIOTROWSKI: Durch Alkohol im ersten Stadium wäre die Labilität der Moleküle der innerhalb der Kammer liesenden Strecke erhöht, aber der ausserhalb lie- genden herabgesetzt. Kohlensäure aber wirkte auf die centrale Strecke erhöhend, auf die peripherische schwächend. Schon wegen ihrer Gezwungenheit wären wir geneigt, diese Annahme ohne weiteres zu verwerfen, wir haben aber auch Beweise der Unrichtigkeit derselben. Efron prüfte in seinen Untersuchungen das Verhalten des Nerven peripher von der modifieirten Strecke und konnte nie eine indireete Modi- fication constatiren. Sawyer untersuchte ausser den beiden von uns gereizten Stellen auch das Verhalten einer dritten Nervenstelle, welche in der Kammer dicht neben der der peripherischen Stelle entgegengesetzten Wand gelegen ist, unter der Einwirkung der Kohlensäure. Er fand, dass die Herabsetzung der Wirkung der Reizung der mittleren sowie der peripherischen Stelle in gleichem Grade hervortrat, während sie nach der früher citirten Annahme in der mittleren Stelle viel stärker ausfallen müsste, da von hier aus die Erregung eine ganze Strecke matter Elemente durchlaufen muss, dieselbe aber als nicht ausserhalb der Kammer liegende auch nicht umgekehrt modifieirt ist. Die von uns bearbeiteten Methoden machen es uns möglich, direct zugleich das Verhalten beider Strecken, d. i. sowie der ausserhalb der Kammer liegenden, sowie auch der in der Kammer eingeschlossenen zu untersuchen. Wir brachten den Nerven in die bekannte Kammer hinein und bestimmten einerseits die Veränderungen der Schwellenwerthe, indem wir die minimale Zuckung des Muskels beobachteten, andererseits aber unter- suchten wir das Verhalten der negativen Schwankung des von der cen- tralen Strecke abgeleiteten Ruhestromes. Wir geben hier einige Beispiele: Versuch I. 2 I I Zeit | Minimale | 7.4. hei | Negative | Minimale | RA hei | Negative Zuckung Sr 5 Zuckung FE 5 bei R..A, | Peizung Schwank. DER Reizung | Schwank. 19-5 925. 150 45 330 150,1. 180 . N 12-10 300 | ..150 Denn 150 25 12-12 300 100 Or 150 25 12-14 300 0 0 — 150 25 12-92 SU0180%. | 0 Ge 150 23 DIE TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 259 Versuch I. | I a; | SEN® | Zeit De R.-A. bei | Negative Minimal R.-A. bei | Negative 2 N ar = | = = fe) 7 2] | — | bei R. En Reizung | Schwank. | bei R.-A, Reizung | chwanl 2 a ae a so EN ae 150 Wo Aa ek For ahror ade | 3500 002 150.0 | Bon 350 150 30 11-16 350 150 2OMaRe | 240 150 30 11-18 200. | 10 05 e 150 30 11-20 150 | 100 0 = 100 35 11-22 100,0 62,.100 N) —.4r 1.100 35 11-32 60. | 0 0 a 60 40 | a — 180 20 2 = | an E a 100 95 = er | er = = 50 40 Versuch III | | 10-15 365 SOORRE UT Asa 200 mas 12 10-18 280 200 DO SE ET USOEEH I 350 | 13 10-25 210 200 \ 0 104 | 3502 1 10-35 205 a a 0 Re | | | Versuch IV. I I 3.40 320 200: | 35 | 355 | 250 40 Co, 3-45 2307| 72000 | 350 | 20 35 3.50 260 | 150 | w | 350 250 38 4 BO: 215005 m 350 | 250 | 35 4-10 180 | 150 | Sa 350 250 35 | | Wir sehen hier, dass die centrale Stelle weder bei Einwirkung des Alkohols, noch der Kohlensäure im mindesten modifieirt ist, denn die negative Schwankung erhält sich immer in wesentlich derselben Stärke bei Reizung der centralen Stelle 77. Die Versuche mit Kohlensäure zeigen uns aber auch sehr deutlich, dass die Veränderungen der Leitungsfähigkeit und Reizbarkeit nicht zusammen verlaufen, da die negative Schwankung nicht mehr geschwächt wird bei Reizung der peripherischen Stelle und Ableitung des Nervenstromes von der centralen Strecke, als bei Reizung derselben Ks 260 Gustav PIOTROwSsKT: Stelle und Ableitung von der peripheren, wie wir es in früheren Versuchen gemacht haben. Die angegebenen Versuche erscheinen aber auch von anderem Stand- punkte aus werthvoll. Wir haben nämlich gefunden, dass der Reizerfolg an der centralen Stelle sowie an der peripherischen erst verstärkt wird, dann wird er an der centralen herabgesetzt und erlischt gänzlich, während er an der peripherischen noch längere Zeit erhöht bleibt, um endlich auch hier zu sinken. Das erinnert uns auffallend an den Verlauf des normalen Absterbens des Nerven, wo die Reizbarkeit anfangs steigt, dann sinkt und die Veränderungen sich von dem centralen Ende gegen die Peripherie hin fortpflanzen. Wir könnten also auf den Verdacht kommen, dass wir es hier auch nur mit dem Absterben des Nerven zu thun haben, nur dass dieses durch Einwirkung von Alkohol beschleunigt ist. Abgesehen aber von der Restituirung des Nerven haben wir in obigen Versuchen den directen Be- weis, dass die centrale Strecke nicht nur nicht abgestorben ist, sondern dass sie auch in nur normaler Weise functionirt. Alle angegebenen Thatsachen zwingen uns also zur Annahme, dass die beiden Functionen des Nerven, d. i. die Leitungsfähigkeit und die Reizbar- keit, in bekanntem Sinne unabhängig voneinander sind. Es kann eine der- selben modificirt werden, ohne dass in der anderen eine Veränderung ein- träte. Aber die stärksten Beweise dafür haben wir in direeten Messungen der Leitungsgeschwindigkeit bei Einwirkung der Kohlensäure. Wir sehen hier, dass die Reizbarkeit der ganzen Strecke beträchtlich herabgesetzt ist, während in der Leitungsgeschwindigkeit keine nennenswerthe Veränderung eingetreten ist. Das beweist schon ad oculos die Trennung der Leitungs- fähigkeit und der Reizbarkeit. Wie man sich aber diese Trennung vorstellen kann, werden wir im zweiten Theile dieser Abhandlung erfahren. II. Theil. Im ersten Theile unserer Arbeit haben wir hestimmt die Trennung der Reizbarkeit und der Leitungsfähigkeit des Nerven bewiesen — es handelte sich nun zu entscheiden, ob die Ursache der Trennung in den adventitiellen Substanzen, oder in verschiedener Labilität der Längs- und Querrichtung nach zu suchen sei. Erb!, welcher die mit einer Pincette gequetschten Nerven des Frosches und des Kaninchens untersuchte, bemerkte, dass wenn nachher die Leitungs- fähigkeit für die normale Erregung schon restituirt, der Nerv aber elektrisch Erbe ar are): DIE TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 261 noch nicht örtlich reizbar war, im Nerven schon der Axeneylinder regenerirt gefunden wurde, nicht aber die Markscheide. Auf Grund dieser Beobachtung behauptete er, dass die Leitungsfähig- keit eine an den Axencylinder, die Reizbarkeit eine an die Markscheide gebundene Eigenschaft sei. Wollten wir auf Grund dieser Anschauung die Veränderungen der beiden Functionen des Nerven erklären, so müssten wir annehmen, dass unter der Wirkung der Kohlensäure die Labilität der Mole- cüle des Axencylinders gar nicht verändert ist, der Widerstand aber der aceidentellen Substanzen für die elektrischen Ströme zugenommen hat, in Folge dessen die Reizbarkeit gesunken ist. Im Gegentheil wäre die La- bilität des Axencylinders durch Alkohol stark vermindert, der Widerstand aber der accidentellen Substanzen in noch höherem Grade, wodurch die Reizbarkeit der Stelle I gesteigert, die Leitungsfähigkeit aber vermindert oder gar aufgehoben sein könnte. Um die Rolle, welche die adventitiellen Substanzen bei der Reizbarkeit spielen, kennen zu lernen, haben wir eine Reihe von Untersuchungen an- gestellt an den Gebilden, welche verhältnissmässig sehr unbedeutende Mengen dieser Substanzen besitzen, und wir begannen mit den Versuchen am M. sartorius des Frosches, welcher nur sehr wenig Bindegewebe und Muskelscheide im Vergleich mit der protoplasmatischen Substanz besitzt. 4. Veränderungen der negativen Schwankung der Muskeln. Den auf dem Muskelspanner du Bois-Reymond’s befestigten Sar- torius brachten wir mit seinem mittleren Theile in einer Kammer an, welche aus einem parallelepipedischen, mit einer Längsrinne versehenen Korkstücke hergestellt war. In den um 1 = von einander entfernten Querwänden waren Einschnitte für den Muskel gemacht. Nach der Unterbringung des Muskels in der Rinne wurde die Kammer mit dem Deckel zugedeckt, dessen Ränder mit Thon überzogen waren. Die kleineren Oeffnungen um den Muskel herum wurden ebenfalls mit dem Kochsalzthon verklebt, worauf man mit Leichtigkeit die modificirenden Dämpfe mittelst der am Boden und im Deckel der Kammer angebrachten Röhrchen durchleiten konnte. Der Muskel wurde durch zwei Elektrodenpaare gereizt, von denen das erstere (I), gleich an der Wand in der Kammer gelegene, dem der peri- pherischen Stelle des Nerven angelegten entsprach, während das zweite (II) den Muskel nahe seinem einen Ende ausserhalb der Kammer berührte. Der Muskel zuckt immer ein bischen beim Reizen, ungeachtet seiner ziemlich starken Spannung auf der Gabel, und der Thon in den Oeffnungen wird mit ihm zugleich etwas verschoben, ohne sich jedoch von den Wänden der 262 GUSTAV PIOTROWSKI: Kammer abzulösen, welche in Folge dessen nichts von ihrem hermetischen Verschluss einbüsst. Die Veränderungen in den Functionen des Muskels bestimmten wir nach der negativen Schwankung, welche Methode, wie wir im ersten Theile bewiesen haben, ganz genaue Resultate liefert. Natürlich kann man den Muskel nicht so lange reizen, bis man das Maximum der negativen Schwankung erreicht, wie es bei dem Nerven der Fall war, da sich der Muskel allzu- schnell erschöpfen würde. Wir haben ihn demnach durch eine kurze, immer genau gleiche Zeit gereizt. Wir haben dies folgenderweise erreicht: An die Baltzar’sche Trommel haben wir einen Metallstift befestigt und mit einem Drahte verbunden, welcher in den primären Kreis des Schlitten- Inductoriums eingeschaltet war. Von dem zweiten Schräubchen der pri- mären Spirale führte ein Draht zu einem Gefässchen mit Quecksilber. Während der Umdrehung der Trommel wurde der Stift auf eine gewisse Zeit in die Quecksilberkuppe eingetaucht und schloss den primären Strom- kreis, in welchen ein sehr leicht ansprechender Wagner’scher Hammer- apparat eingeschaltet war. Bei dem Eintauchen des Stiftes begann der Hammer sofort zu spielen, um bei dem nach stets gleichem Zeitintervall erfolgenden Wiederaustauchen still zu stehen. Auf diese Weise haben wir den Muskel durch eine immer gleiche Zahl von Inductionsschlägen gereizt. Der Muskelstrom wurde ausserhalb der Kammer mittelst unpolarisir- barer Elektroden von dem Längs- und Querschnitt abgeleitet, welcher letztere durch Brennen des Muskels mit einem heissen Drahte unmittelbar neben der unteren Sehne gebildet wurde. Bei dieser Versuchsanordnung haben wir folgende Erscheinungen in Betreff der negativen Schwankung beobachtet, welche durch Reizung des mittleren Theiles des Muskels (I) und des Theiles (II), welcher der oberen Sehne näher war, hervorgerufen wurde. Unter sonst gleichen Bedingungen ist die negative Schwankung bei weitem stärker, wenn man den mittleren Theil, als wenn man den Endtheil reizt. Da wir glaubten, dass hier auch die Verästelungen des Nerven ins Spiel kämen, welche sich im mittleren Muskeltheile befinden, so haben wir auch Versuche mit curarisirten Muskeln gemacht, der Erfolg jedoch war stets derselbe. Da an der Strecke II die sehnisen Theile die Reizbarkeit dadurch beeinflussen können, dass sie den Inductionsströmen einen anderen Widerstand leisten, oder auch dadurch, dass hier ein kleinerer Theil von Muskelfasern von den Reizen getroffen werden könnte, so pflesten wir die Elektroden möglichst weit von der Sehne anzulegen, so dass an beiden Stellen I und II der Muskel selbst, ohne Bei- mischung von sehnigen Theilen und zwar bei einem gleichen Querschnitt gereizt wurde — ungeachtet dessen war die negative Schwankung von der den ableitenden Elektroden näher gelegenen Strecke immer stärker, als von DIE TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 263 der ferneren. Dies beruht also auf dem Abnehmen der Erregungswelle in ihrem Verlauf durch die Muskelfasern. Wir werden auf diese Frage nicht näher eingehen, wir erwähnen nur, dass unsere Erfahrungen uns bewogen, die Länge des Weges bis zu den ableitenden Elektroden so klein wie mög- lich zu wählen. Durch das aus den vorher erwähnten Gründen gebotene Abrücken der Elektroden II von dem sehnigen Ende wurde auch die für Ableitung des Muskelstromes verfügbare Muskelstrecke eingeschränkt und damit die Grösse der elektromotorischen Kraft des Ruhestromes und die- jenige der negativen Schwankung. Uebrigens mussten wir manchmal, um gleiche anfängliche Werthe der negativen Schwankung zu erhalten, die Reizströme von verschiedener Intensität für beide Reizstellen wählen. Schauen wir einige Protocolle durch. Bei diesen Versuchen wurden die Dämpfe des mit drei Theilen Wassers gemengten Alkohols durchgeleitet und der nicht curarisirte Muskel alle zwei Minuten auf die beschriebene Weise gereizt. - Versuch I. Versuch Il. | T II Tee Zeit | Ne N Zeit N ERERFE SNEN 2 8. 2 er * eg. R age: eg. schw Di sche. Rdn | Schw. | 228] Schw. 12-45 | .100 so | 100 70 11-50 | 150 | 22 150 20 Alkohol Alkohol 12-47 100 so 100 60 11-52| 150 18 150 8 12-49 100 70 100 40 11-54| 150 18 150 3 12-59 | 100 60 100 0 11-56 | 150 15 100 0 12 50 100 0 11-58 | 150 13 150 0 1-5 En 45 | 100 0 1000.50 10 150 N) Beft 12-2 150 8 150 N) or .. n 12-4 100 dar 025100 0 | re | ers 50 25 50 0 1715) 5000 13 Luft Versuch L. 12-15] 50 25 50 0 12 is) | 150 10 | n = nr > 35 5 8 Alkohol TS 2 " \ Versuch W. 12-2 150 15 150 0 E 12-5 | 150 55 50 0 1-10) 150 2 {008 02215 12-14 | 100 25 100 8 Alkohol 12-16 100 20 100 5 1-14| 100 25: | 100 3 12-18 | 100. 20 100 3 1-16 | 100 20 100 0 12-20 100 18 100 0 1:20 | 100 15% 100 0. 12-25 | 100 18 100 0 1-35 50 Ps 50 0 12-30 | 100 18 100 0 Luft 12-40, 100 15 |). 100 0 1-35 50 Don 506510 264 GusTAY PIOTROWSKI: Wir sehen also, dass man gleich wie bei den Nerven mittelst Alkohols die Leitungsfähigkeit unter Erhaltung der localen Reizbarkeit aufheben kann. Wir können uns deutlich davon überzeugen, dass der Muskel an der Stelle II reizbar ist, ungeachtet dessen, dass wir die negative Schwankung nicht er- halten, denn die gleichzeitige Zuckung des Muskels beim Reizen ist, natür- lich soweit es die Muskelspannung zulässt, ohne Weiteres zu sehen. Nach der Entfernung des Alkoholdampfes und Durchleitung der wasserhaltigen Luft konnten wir den Muskel restituiren, aber nicht ganz vollständig. Ungeachtet dessen, dass wir eifrig danach strebten, konnten wir keine Erhöhung der Reizbarkeit wie bei den Nerven erreichen. Einige folgende Beispiele veranschaulichen uns das Verhalten der eurari- sirten Muskeln. Versuch W.uin. Versuch VH. ee I II ; I II ei ‚eit E35 RA. | gone iz schen ei see. | BA | sr 12-20 100 80 100 65 11-40| 150 18 150 25 12-21) 200 5 200 0 Alkohol 12-22) 150 25 150 5 Alkohol 11-42 | 150 15 150 15 ee en e ee 11-44, 150 10 150 8 12-30. 200 100 2150 Os 0 k N 3 12-35 200 3 150 N 4 159 2 12-40| 150 | 24 | 100 a Ber Ba y os 120 2 an 55 11-52) 100 12 100 0 on ar BR 7 2 11-56 100 6 100 0 11-58, 50 80 50 0 lust 100 | 350, | 280 25 0 1-5 | 150 25 50 3 1-10) 150 25 Sr 5 1-15| 150 25 502..10 Versuch VI. Versuch VI. "12-40| 150 | 3 150 | ao 20 1005 he 12-32 100 35 | 100 45 Alkohol 12-5 150 | 10 150 8 alkan0L 12-48| 150 | 10 150 Spur. 12-34| 100 95 100 50 12-50| 100 | 40 100 17 12-40| 100 35 100 20 12-55 1002177738 100 10 12-45 100 35 100 12 12 | 100 | 30 1005). 20 12-49 100 40 100 0 1-8 | 50 | 80 50 0 12-51| 100 35 100 0 Luft 12-53 | 150 8 100 0 1-18 50 80 50 5 12-55 50 58 50 0 1-28 50 85 50) | uBR8 Die TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 265 Diese Experimente entsprechen vollkommen den früheren, an nicht curarisirten Muskeln angestellten, demnach können wir die bei denselben wahrgenommenen Erscheinungen nur auf die Muskelsubstanz ohne Be- theiligung von Nerven zurückführen. Studiren wir der Reihe nach die Experimente mit der Kohlensäure. Der Versuch IX u. X wurden an nicht curarisirten, XI u, XII an curarisirten Muskeln durchgeführt. Versuch IX. Versuch XI. ii II 2 I u Zeit | Neg Neg Zeit Ne Ne \ R.- ne # . u g. \ eg. Es \öschw E |#schw. RA] Schw. 2a schw. 11 150 5 150 0 10-20| 50 |" 3 150 8 11-2 100 18. |. 100 8 10:22 100.1, 2:32 100 28 11-4 0°: 25 8250 18 co, 205 10-24| 100 12 100 8 11:10 50 20 50 15 10-26 100 10 100 8 11-12 50 10 50 8 10:28 100 4 100 3 11-14 50 8 50 0 10:30 | 100 3, 100 0 11:16 0 16 0 8 10:32| 100 0 100 v 11-18 0 12 0 2 10-34 50 30 50 0 11-20 0 7 ) 0 10-36 0.315.495 0 ) | 10.0 0| 8 0 ) Versuch X. Versuch Xl1. 10-30| 130 238 1301 28 12. 5 100 77 100 15 10-32, 200 0 200,102 0 co, 10-34 | 150 i8 150 | 010 h co 12-2 100 15 100 15 e 12-4 100 12 100 33 10-36 | 150 R 150 5 12-6 100 7 100 7 10-3 130 12 130 5 12.8 100 2 100 2 10-40 | 100 q 100% | 25 12-10 | 100 0 100 0 10-42 50 35 50 8 12-13 50 22 50 5 10-45 50 40 50 8 12-18 50 0 50 0 10-50 50 35 50 Ki 12-20| 0 0 0 0 Die Versuche beweisen, dass die Kohlensäure auf den Muskel umge- kehrt einwirkt als auf den Nerven, insofern als sie im Muskel dieselben Veränderungen hervorruft wie der Alkohol. Beide Factoren erniedrigen be- deutend die Leitungsfähigkeit, nur in weit geringerem Grade die Reizbar- keit. Solange wir schwächere Reizströme gebrauchen, scheint die Reizbar- keit beinahe gleichmässig mit der Leitungsfähigkeit gesunken zu sein; es 266 Gustav PIOTROWSKI: kommt aber ein Moment, in welchem sogar die stärksten Reizströme keine Spur einer negativen Schwankung bei Reizung der ausserhalb der Kammer gelegenen Stelle bieten, während sie bei Reizung der innerhalb der Kammer befindlichen noch sehr bedeutend ist; das heisst in der Strecke, wo die Reizbarkeit noch erhalten ist, ist die Leitungsfähigkeit vollkommen aufgehoben. In der Vermuthung, dass vielleicht dieser Unterschied gegen den Nerven seine Begründung in der grösseren Empfindlichkeit der Muskeln gegen die Einwirkung der Kohlensäure haben könne, beschlossen wir, dies Gas mit Luft gemengt zu gebrauchen, um seine Wirkung zu schwächen. Zu diesem Zwecke leiteten wir zu einem kalibrirten mit einer concentrirten Kochsalz- lösung gefüllten Behälter 75°), Luft, hierauf aber 25°/, CO,. Von diesem Behälter leiteten wir hierauf die Mischung zur Kammer, in welcher sich der Muskel befand. Von folgenden Versuchen beziehen sich XIII u. XIV auf die curari- sirten, XV u. XVI aber auf nicht curarisirte Muskeln. Versuch XI. >, Versuch IN? I I I II Zeit Neg. Neg. Zeit | Neg. _Neg. RA.) schw. | DA schw. RA. | Schw. | PA | Schw. 4-30| 150 | 65 150 50 5-20] 150: | Keon E50 ER 0] ” eo: (25 Procent) CO, (25 Procent) 4.32|: 150 |: 50 150 30 N: x 4-34| 150 | + 40 150 25 a 0) 150 35 4.36 | 150 | 40° "150 |. 25 0 |; © ls ” u 3 5.96) 1500 05 150 | 30 4.40| 150 | 30,| 150 | 20 3328| 180,0 .., 2 4-42| 150 25 150 20 an 150 2) 1000 |: Ko 4-44| 150 30 150 | 20 5-32| 150 | 30 DE De 5:32| 1500) 20re on 4-46| 150 40 150 25 CO, (Rein) 4-48 | 150 40 | 150 25 Fe y 4-50| 150. | 45 | 150 30 a 1 un = 7 CO, (Rein) 5-38| 150 10 150 0 a Ei ” 5-40 | 150 5 150 0 en 5 on | Mes 5-42| 150 ) 150 0 a 5-44) 100 | 3 100 20 4-56 | 100 35 100 30 4-58 100 25 100 | 20 Luft | er 5 vr 2 5.49| 150 | 10 150 | 10 B } ) 12 5:54| 150 | 25 | 150, 20 5.4 |, 100 15 | 1 5-6 100 12 100 10 CO, (Rein) 5.8 | 100 10 100 10 5.59 | 100 35 | 100 | »% 5.10 | 100 0 100 0 6-4 | 100 | 20 | 100 10 5.14 | © 50 20 50 0 6-9 | 100 0.) 100 0 DIE TRENNUNG DER REIZBARKEIT UV. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 267 Versuch XV. Versuch XV1. RT I m en Zeit Nera m Neg. Zeit Neg | Neg. RA. | Schw. | RX | Schw. RA | schw: | BA | Schw. 11-10| 150 | 45 | 150 30 1-25| 150 30 150 | 30 CO, (25 Procent) CO, (25 Procent) 11.12)15450.|10)45 150 30 1-27| 150 30 150 30 11-14| 150: | 45 150 25 1-29| 150 30 150 30 1216| 150 | 40 150 25 1-31, 150 25 150 25 11-16| 150 | 40 150 25 1-32| 150 25 150 20 11-20) 150. | 3» 150 25 1-35 | 150 20 150 CO, (Rein) 1.37 150 25 150 15 ? 1-39) 150 20 150 10 11-22| 150 35 150 20 1-41| 150 15 150 10 11-24| 150 39 150 2 1-43| 150 15 150 10 11-26 | 150 30 150 15 1-45 | 150 10150 10 .2 50. | 11-28 150. | 30 150 10 00, (Rein) 11-30| 150 | 3 150 10 3 116351 150 | 0 150 0 1-48 | 100 30 | 100 20 11-40, 100 | 2 100 | 10 1.53 100 15 100 5 145) 02100 | 10... 100 | 0 59, 1008, 00.215 0,100 0 11-46) 50 en so 10 2-4 | 100 | 19 100 o Die mit diesen Vorsichtsmaassregeln durchgeführten Versuche lieferten uns keine wesentlich anderen Resultate als bei einer starken Einmischung der Kohlensäure. Ebenfalls sehen wir vollkommen gleiche Verhältnisse wie bei der Wirkung des Alkohols, aber ein ganz anderes Verhalten als bei den bisher untersuchten Nerven. Wir müssen erwähnen, dass Biedermann! ganz dieselben Resultate erhielt auf Grund der zu einem anderen Zwecke durchgeführten Unter- suchungen, bei der Einwirkung der Aetherdämpfe auf die Muskeln. Zu welchen Schlüssen könnten wir auf dieser Grundlage gelangen? Die Muskeln besitzen so viele mit den Nerven gemeinschaftliche physio- logische Eigenschaften, dass wenn wir unsere Untersuchungen über diese letzteren auch bezüglich der Muskeln ausnützen wollten, wir sagen müssten, dass der in unseren Versuchen vorkommende Unterschied seinen Grund im Mangel oder vielmehr in dem geringeren Verhältniss adventitieller Sub- stanzen hätte, an weichen die Nerven so reichhaltig sind. In den Muskeln gelangt die Kohlensäure gleich zur protoplasmatischen Substanz, daher wirkt ı W. Biedermann, Ueber die Einwirkung des Aethers auf einige eleetro- motorische Erscheinungen an den Muskeln und Nerven. Sitzungsbericht der k. Aka- demie der Wissenschaften in Wien. Bd. XCVII. Abth. III. 1888. März. 268 Gustav PIOTROWSKI: sie stärker als auf die Nerven, wo sie anfangs auf einen bedeutenden Wider- stand stösst, welchen Alkohol vielleicht schneller überwinden könnte. Diese Vermuthung können wir jedoch zweier Gründe wegen ohne weiteren Be- weise nicht annehmen. Zuerst haben wir bewiesen, dass eine starke und beständige Durchleitung der Kohlensäure durch die Kammer, in welcher sich der Nerv befindet, nur das Sinken der Reizbarkeit veranlasst, die Lei- tungsfähigkeit aber vollkommen unangegriffen lässt, solange der Nerv nicht abstirbt. Wenn aber die adventitiellen Substanzen ein solches Hinderniss für die Kohlensäure bildeten, so würde sie dasselbe bei einer langen Ein- wirkung endlich doch überwinden und wir würden dieselben Erscheinungen wie mit Alkohol haben. So aber ist es nicht. Andererseits kann man nur auf physiologische Analogien keinen zwingenden Schluss gründen. Wir müssen uns also der experimentellen Untersuchung der Frage zuwenden, ob der Unterschied zwischen dem Verhalten der Nerven und Muskeln unter der Wirkung des Alkohols und der Kohlensäure ein wesentlicher sei, von den verschiedenen Eigenschaften des Muskelprotoplasma’s und der Nerven- substanz abhängig, oder nur durch quantitative Unterschiede in den ad- ventitiellen Substanzen veranlasst. Um diese Frage zu lösen, sowie auch um die Bedeutung der adven- titiellen Substanzen im Nerven kennen zu lernen, beschlossen wir, das Ver- halten von Nerven zu untersuchen, welche nur sehr wenig adventitielle Substanzen besitzen, wofür sich der Geruchsnerv (N. olfactorius) vom Hecht als zweckdienliches Object darbietet. BD. Veränderungen der negativen Schwankung der myelinfreien Nerven. Den histologischen Bau sowie die galvanischen Eigenschaften des Ge- ruchsnerven (N. olfactorius) des Hechtes haben genauer Kühne und Steiner! studirt, und ihrer Meinung nach besitzt der Nerv keine Mark- scheide.e Gad und Heymans”? haben ebenfalls den Nerven untersucht und haben gefunden, dass er zwar kein Myelin besitzt, doch aber seine Axencylinder in einer dünnen myelinfreien Scheide stecken. Jedenfalls besitzt der Nerv nur minimale Mengen von adventitiellen Substanzen. Der Nerv lässt sich am leichtesten derart heraus praepariren, dass man nach Abschlagen des Kopfes und nach der Beseitiguug der Haut mit ' Kühne und Steiner, Untersuchungen des physiologischen Institutes der Universität Heidelberg. Bd. VII. Heft 1 u. 2. Beobachtungen über markhaltige und marklose Nervenfasern. ® Gad und Heymans, Ueber das Myelin, die myelinhaltigen und myelinlosen Nervenfasern. Dies Archiv. 1890. 3. 530. DiE TRENNUNG DER KEIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 269 kleinen Zangen die Schädelknochen von den Nasenlöchern ausgehend ab- zuschälen beginnt. Unter den Knochen findet man einen durchsichtigen, blassblauen Knorpel, in welchem man zwei graue Streifen sieht, welche von den Nasenlöchern zum Gehirn laufen. Das weitere Praepariren muss sehr versichtig erfolgen, weil die Durehsichtigkeit des Knorpels das Auge täuscht und weil man auch beim Abschneiden der schlüpfrigen und elastischen Knorpelstücke die Nerven leicht beschädigen kann. Am besten ist es, nach- dem man von der Nase begonnen hat, die auf das peripherische Drittel beschränkten bindegewebigen Anheftungen des Nerven durch Umschnei- dungen zu trennen. Nachdem wir dann den Nerv mit einem scharfen Messer vom Gehirn abgeschnitten haben, können wir durch vorsichtiges Ziehen an der mit dem peripherischen Ende in Verbindung gelassenen Nervenschleimhaut versuchen, ob der Nerv schon überall von den Anhef- tungen befreit ist. Wenn er sich dabei im Knorpelkanal verschiebt, so kann man ohne Zaudern stärker ziehen, und so wird er aus dem Kanal sanz unbeschädigt in seiner ganzen Länge herauskommen, ungefähr 3” lang bei Hechten von mittlerer Grösse. Der peripherische Theil in der Länge von 0.5—1°® kann jedoch nur zu mechanischen Zwecken, für ein bequemeres Manipuliren mit dem Nerven dienen, zu den galvanischen Untersuchungen ist er unpassend, da er äusserst viel Bindegewebe enthält. Aus dem Grunde haben wir in unseren Experimenten die Elektroden an der von der Peripherie am weitesten entfernt liegenden Strecke angehracht, um den reinen Nerven zu reizen, welcher sich als ein feiner, gelbgrauer, gallertartiger Faden darstellt. Die Untersuchungen haben wir so wie die am N. ischiadicus durch- geführt, nachdem natürlich die Abmessungen der Kammer dem Object angepasst waren. Als Kammer diente ein Schächtelchen aus Kautschuk mit einem Deckel in der Länge von 1°® (entsprechend der Strecke, durch welche der Nerv hindurchging). Innerhalb der Kammer war das erste Elektrodenpaar unmittelbar neben der einen Querwand angebracht. Das zweite Paar reizte den Nerven vor dem Eintreten in die Kammer an einer der Peripherie näheren Stelle. Unpolarisirbare Elektroden leiteten den Ruhe- strom zur Bussole ab von dem Längs- und Querschnitt des Nerven nach dessen Herausgehen aus der Kammer. Die kleinen Oeffnungen in der Kammer, durch welche der Nerv hindurchgeführt wurde, haben wir mit einem dünnen Kochsalzthon verklebt, indem wir besonders aufpassten, um nicht das so zarte Object zu beschädigen. Der Nervenstrom konnte nur von einem sehr kurzen Nervenstückchen, welches manchmal nur 0.5 °% mass, abgeleitet werden; ungeachtet dessen erhielten wir den Ruhestrom und seine Schwankungen von einer genügenden Intensität, da, wie es schon Kühne und Steiner bewiesen haben, die elektromotorische Kraft dieses 270 Gustav PIOTROWSKI: Nerven sehr bedeutend ist, sie beträgt 0-0105—0-0215 Daniell, während die elektromotorische Kraft des N. ischiadicus des Frosches, ihrer Be- stimmungen nach 0-0060 Daniell in dem centralen Theile, 0-0020 Daniell dem peripheren Theile beträgt. Dementsprechend haben wir eine grosse negative Schwankung bekommen beim Reizen des Nerven, jedesmal genau durch zwei Secunden mittelst der aus den früheren Versuchen bekannten Vorrichtung für die Muskeln. Die negative Schwankung war öfters kleiner beim Reizen der der Peripherie näher liegenden Stelle, wozu sehr viel das dort beigemischte Bindegewebe beiträgt; dieser Grund bewog uns, wie wir schon erwähnt haben, möglichst weit von der Peripherie entfernt zu bleiben, natürlich auf Kosten der Nervenlänge, von welcher wir den Ruhestrom ableiteten. Das Compensiren des Stromes, das Durchleiten des Alkohols und der Kohlensäure, — kurz gesagt der ganze Verlauf des Experimentes ging auf dieselbe Art von statten, wie in den früheren Untersuchungen; wir wieder- holen die Einzelheiten nicht. — Die hier angeführten Protocolle sind eben- falls nach dem Muster der früheren aufgesetzt. Versuch L Versuch N. Zeit R.-A | I | Z Zeit |. R.-A | ı | 5 el rar et v.A. Negative Schwankung | | Negative Schwankuug 11-2 50 | 12 | 18 10-12 5 35 20 | 10-145 00509 12255 50 allseal 1198 Alkohol 1:10 11-4 50 9 2 10-16 75 | 10 0 15108 50 5 0 10-18 50 2%) A) 11-6 50 3 | 0 10:20 50 25 | 10 11-7 30 3 | 0 10.22 50 | 20 | 0 11-8 20 12 | 0 Luft 11-9 20 13 0 10-24 | 50 15 0 11-10 0 16 0 10-26 50 20 5 10-28 50 18 6) Versuch Il. irn I II Zeit R.-A. 5 | Zeit R.-A. i Negative Schwankung Negative Schwankung 9-50 16) 50 40 uni 9-51 50 120 100 Alkohol 15:79 9.58 50 25 0 9-52 | 75 | 30 10 10-2 50 35 5 9-53 16) 10 | 0 10-4 | 50 40 b) geualli 50) IN 26gLEN 080 10-10 50 35 5 9-55 50,6 116130 0 9561 50 ...|. .20 0 DIE TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 271 Versuch IW. Tesla 32 SE Zeit R.-A. ’ | Zeit R.-A. ’ ! | Negative Schwankung | | Negative Schwankung 10-45 | 50 or oe Luft Alkohol 1:5 oa son 9500.70 1A WE 50r a0 |, 785 0 oa 50 1. 8005.80 11-6 50 40 0 10-54 50 SONNE | 2.0.25 1tael 5.50 50 0 10-56 50 50 20 11-10 500 | 55 0 10-53 500 02305.40 10 11-12 50.2 07 55 5 11 BO AO 0 11-14 50 60 5 11-2 50 | 35 0 Aus den angeführten Beispielen sehen wir, dass sich myelinfreie Nerven unter dem Einflusse des Alkohols bezüglich der Leitungsfähigkeit und Reiz- barkeit gleich wie die myelinhaltigen Nerven verhalten. Ebenso verschwindet schneller und leichter die Leitungsfähigkeit als die Reizbarkeit, und kehrt schwerer zurück. Eine Zunahme der Reizbarkeit konnten wir niemals er- halten, ungeachtet dessen, dass wir vorsichtig die Dämpfe eines sehr ver- dünnten Alkohols durchleiteten, wir hatten auch von vornherein nicht ge- hofft, in dieser Richtung positive Resultate zu erzielen, da wir genau die Schwierigkeiten kannten, welche man in den Versuchen mit einem so zarten Gebilde zu überwinden hat. Demnach bieten die Experimente mit Alkohol allein für sich kein grosses Interesse; wir werden uns auch mit diesen wenigen Beispielen zufrieden geben und gehen zu den Untersuchungen über die Einwirkung der Kohlensäure über, deren Resultate beim Vergleiche mit den in den Untersuchungen mit dem Alkohol gewonnenen uns ein sicheres Kriterium in der uns beschäftigenden Frage an die Hand geben. Bei Einwirkung der Kohlensäure ist der Concentrationsgrad derselben von grosser Bedeutung. Wir haben uns überzeugt, dass ganz reine Kohlen- säure für das fast nackte Protaplasma des Nerven direct tödtlich ist. In- dem wir dies berücksichtigt haben, haben wir stets die Kohlensäure wie bei den Versuchen an dem Sartorius mit Luft verdünnt. Versuch V. { I I Ds lei Zeit R.-A. Zeit R.-A. £ Negative Schwankung Negative Schwankung Ds U50j2 EA SIIER 29150 CO, (25 Procent) 12-14 50 Ay nr 40 CO, (25 Procent) 12-20 50 13 25 12-15 | 50 12 35 12-21 50 | 15 30 12-16 50 12 0 12-22 50 13 20 12-17 | 50 13 | 29 12-23 50 12 20 Luft 12-18 | 50 25 35 Im 12-19 50 26 36 12-24 50 | 26 22 212 (GUSTAV PIOTROWSKI: Versuch VI. | Ben, ch | Tas, IM Zeit R.-A. e Zeit | R.-A. x ! Negative Schwankung | Negative Schwankung 11-13 50 80 60 CO, (25 Procent) 11-14 50 72 55 2 en 11-19 50,20 30 | CO, (25 Procent) 11:20 50 | 12 30 11-15 oe) 11-2112 500 0013 25 11-16 BO |, 10.001) 40 11-22 50:00 10 25 Luft Luft 117) 05082 |.) 50 | 40 11-23 50 +0 25 11-18 50 | 55 35 11-24 | 50 35 20 Versuch VI. 10-30 | 50 100 100 } 25 CO, (25 Procent) en) 10-32 | 50 302° el-=n,98 10-40 50 15308 2020 10.3440) 21505 7.2.1005 29,60 10-42 | 50 10,0 10 Luft Luft 10.36 | 50 45 60 | 10-38 | 50 50 60 10-44 |" 50m or ee Versuch VII. 11+7 50 104,0 02.50 CO, (25 Procent) mi 11-9 50, ar nsar 0 11-19 50 38 22 11-11 50 Dr 25 11-21 50 35 20 11-13 BOT 0 te 11-23 50 22 25 11-15 50 TOR er 11-25 50 28 18 11-17 | 50 TEN 29T > Diese Experimente beweisen uns auf das genaueste, dass die Geruchs- nervenfasern des Hechtes, welche keine Myelinscheide und nur wenig ad- ventitielle Substanzen besitzen, sich unter der Einwirkung der Kohlensäure ganz auf dieselbe Weise wie die des N. ischiadicus des Frosches ver- halten. Die Reizbarkeit des Nerven sinkt bedeutend, die Leitungsfähigkeit aber leidet gar nicht. Man sieht zwar das Sinken der negativen Schwan- kung bei Reizung der Stelle /7 im Verlaufe des ganzen Experimentes, dies jedoch können wir nicht der Einwirkung der Kohlensäure zuschreiben, da die Reizbarkeit der Stelle / beim Restituiren bedeutend, der Stelle /7 aber entweder sehr unbedeutend oder gar nicht steigt, sondern weiter sinkt. Wir sehen also ein allmähliches Abnehmen der negativen Schwankung in Folge dessen, dass die elektromotorische Kraft im weiteren Zeitverlaufe in dem ‘Nerven abnimmt. DIE TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 273 Dieselbe Erscheinung erhalten wir, wenn wir den Nerven in die Kammer einbringen und reizen, ohne die Kohlensäure durchgeleitet zu haben. Auch in diesem Falle werden wir ein ziemlich schnelles Sinken der elektromoto- rischen Kraft und der negativen Schwankung beobachten können; diesen Umstand also müssen wir in unseren Experimenten sehr berücksichtigen, und nachdem wir das gethan haben, so kommen wir zur Ueberzeugung, dass der Geruchsnerv bezüglich der Reizbarkeit und Leitungsfähigkeit eine vollkommene Aehnlichkeit mit den myelinhaltigen Nerven verräth, in Gegensatz aber zu den Muskeln tritt, denen er sich in Bezug auf die adventitiellen Substanzen nähert. Ein weiterer Schluss aber, welchen wir daraus ableiten können, ist der, dass wir die Ursachen der Trennung der beiden Functionen am Nerven nicht in den adventitiellen Substanzen suchen können, und ferner dann, dass der Unterschied zwischen dem Verhalten der Muskeln und der Nerven in dieser Hinsicht ebenfalls nicht auf der kleineren Menge der adventitiellen Substanzen in den ersten, sondern auf den verschiedenen Eigenschaften beider Protoplasmaarten beruht. C. Veränderungen der Hubhöhe bei mechanischer Reizung. Die Versuche an dem Olfactorius beseitigen schon allein für sich die Vermuthung, dass die Trennung der Reizbarkeit und der Leitungsfähigkeit in den Nerven auf den Veränderungen des Widerstandes der adventitiellen Substanzen für Inductionsströme beruhe. Da wir jedoch mehr Beweise in dieser Richtung finden wollten, so wendeten wir uns an die mechanischen Reize, wo natürlich von dem Widerstande der adventitiellen Substanzen gar keine Rede sein kann. „ Für unsere Zwecke war keiner von den bis jetzt zu mechanischen Reizungen gebrauchten Apparate passend; weder das Zahnrad du Bois- Reymond’s,! noch der Tetanomotor Heidenhain’s,? noch endlich der Apparat Tigerstedt’s® hätte m die Gaskammer hineingebracht oder pas- send mit ihr eombinirt werden können. Deshalb haben wir einen Apparat ersonnen, der uns einerseits den Nerven innerhalb der Kammer mechanisch zu reizen, anderseits aber auch die Reizstärke mit einer genügenden Ge- ı du Bois-Reymond, Untersuchungen über thierische Blektrieität. 1. S. 517. 1849, ® Heidenhain, Physiologische Studien. 8. 129. Molescholt’s Untersuchungen. IV. 8. 124. 1850. ® Tigerstedt, Siudien über mechanische Nervenreizung. Helsingfors 1881. Nord. medicinisk Arkiv. 1881. — Zeitschrift für Imstrumentenkunde. 1884. — Zur mechanischen Nervenreizung. Beiträge zur Physiologie. Carl Ludwig von seinen Schülern zum 70. Geburtstagjahre. Archiv f, A. u. Ph, 1893. Physiol. Abthlg, 18 274 Gustav PIOTROWSKT: nauigkeit zu modifieiren erlaubt. Der Apparat (Taf. X) ist folgenderweise construirt.! Auf einem Grundbrette befindet sich ein feststehendes Stativ 3; ein zweites Stativ (4) steht auf einem kleinen Brett, mit welchem es längs einer Furche (f) des Grundbrettes verschoben werden kann; mittelst einer Schraube (Sch) wird es an einer beliebigen Stelle des Grundbrettes fixirt. An dem Stativ A befindet sich eine Muffe, welche an ihm höher oder niedriger angeschraubt werden kann. Diese Muffe trägt an einem gegabelten Balken den um eine Stahlachse drehbaren zweiarmigen Hebel 4, dessen längerer Arm 15°“ misst und mit einer Scala versehen ist. Wird dieser Hebelarm von oben angeschlagen, so macht er eine Ablenkung nach unten und kommt dann zur horizontalen Lage zurück, gezwungen durch eine Feder, welche an dem kürzeren Arme des Hebels angebracht ist. Ein hinter der Feder befindlicher Querstift dient als Anschlag für den kurzen Hebelarm, so dass eine Ablenkung des längeren Hebelarmes nur nach unten gestattet wird. Am langen Ende des Hebelarmes ist ein kleines (Juerbrettchen (a) angebracht. Das zweite Stativ (2) trägt zwei mit Schrauben versehene Muffen (a, a,). An der oberen Muffe (a,) befindet sich ein. mit Schraubenwindung und Scala versehener, um eine stählerne Achse drehbarer Metallstab (5). Der längere Arm dieses Stabes misst ebenfalls 15°“. Er trägt ein Gewicht (g,), welches längs der Schraubenwindung des Armes durch Drehen verstellbar ist. Ein an derselben Muffe befindlicher Handgriff (9) dient zum Aufheben des längeren Armes mit dem Gewichte bis zu 45°. Zieht man den Griff nach unten, so fällt das Gewicht immer von derselben Höhe. Stellt man das erste Stativ (A) so, dass das Querbrettchen (a) des Hebels 7 sich auf dem Wege der fallenden Spitze des Stabes 5 befindet, so wird der Hebel mit immer derselben Kraft angeschlagen. Diese Kraft kann man durch Veränderung des Gewichtes modifieiren. Nicht nur durch Aenderung der Maasse, sondern auch durch Aenderung der Geschwindigkeit kann man die Kraft des Anschlages variiren und zwar mit Hülfe des zweiten Gewichtes (9,), das man an dem kürzeren Arm des Stabes anbringen kann, so dass dieser sich wie ein Doppelpendel bewegt. In einer gewissen Stellung können die Gewichte Gleichgewicht halten — verschiebt man aber das Gewicht g, weiter zur Spitze, so fällt es mit desto grösserer Schnelligkeit, je weiter man es von der Gleichgewichtsstelle entfernt. Beim Wiederaufheben des Stabes würde er an das Querbrettchen a des Hebels stossen; um dem auszuweichen, dreht man die obere Muffe a, ‘ Den Apparat hat Hr. Oehmke, Mechaniker am Physiologischen Institut zu Berlin, mit gewohnter Exactheit angefertigt. Dıe TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 275 um die Achse und fixirt sie dann wiederum genau in der früheren Stellung, wozu die untere Muffe (a,) hilft, indem sie nicht erlaubt, dass sich die obere hebe oder senke oder weiter als bis zu einem festen Anschlage drehe. Auf diese Weise kann man den Hebel immer wieder mit derselben Kraft, mit derselben Schnelligkeit und an derselben Stelle des Querbrettchens «a anschlagen. Auf dem längeren Arme des Hebels verschiebt sich mit Reibung längs der Scala ein kleiner Schlitten mit Häkchen (R). Dieses Häkchen wird mit dem wesentlichen Theile des Apparates, nämlich mit dem kleinen Tischehen (C) zum Reizen des Nerven verbunden, welches bequem in der uns von den früheren Versuchen bekannten Gaskammer untergebracht werden kann. Am oberen Theile des Tischehens befindet sich als Amboss ein Plättchen aus Elfenbein mit einer kleinen Rinne zum Einlegen des Nerven. Seitlich ist eine Feder angelöthet, welche sich über die Rinne biegt und mit dem freien Arme über das Tischehen hinüberreicht. An die Feder ist über der Rinne eine keilförmige Pelotte aus Elfenbein als Hammer an- gebracht. An den freien Arm der Feder ist ein Faden angebunden, durch dessen Anziehen die Feder der Tischoberfläche genähert wird, wobei die Pelotte in die Rinne oder eigentlich auf den dort befindlichen Nerven schlägt. Der Faden wird durch ein am Boden der Kammer angebrachtes Glasröhr- chen hindurchgezogen, an dessen Ende sich ein Kautschukrohr befindet. Dieses letztere wird für die Zeit der Durchleitung des Gases mit einer Pineette abgesperrt und nur beim Reizen geöffnet, damit sich der Faden frei bewegen könne. Das zweite Ende des Fadens wird an das Häkchen (7) befestigt. Die Entfernung des Häkchens von der Achse des Hebels ist, wie man sieht, für den Umfang der Hammerbewegung, also die Tiefe des Ein- druckes in den Nerven, maassgebend. Dieser Apparat lieferte uns, wie die Myogramme der beigegebenen Taf. IX, Figgs. 5—10 beweisen, befriedigende Resultate. Die Reizstärke konnte man ziemlich genau durch Verschieben des Häkchens an dem Hebel bei unveränderten sonstigen Bedingungen modifieiren, natürlich nicht in so feiner Abstufung wie bei Inductionsströmen, für unsere Zwecke jedoch vollkommen ausreichend. Das oben beschriebene Tischehen war unmittelbar an der Kammer- wand angebracht, so dass die Pelotte an der Stelle auf den Nerven schlug, wo das erste Elektrodenpaar bei elektrischen Reizen wirkte, also an einer Stelle, welche uns ein Maass der Reizbarkeit liefert. Von ‚einer genauen Untersuchung der Leitungsfähigkeit mussten wir abstehen, um die Experi- mente nicht allzusehr zu compliciren, wir versuchten nur von Zeit zu Zeit, ob der Nerv noch fähig war die Erregung zu leiten dadurch, dass wir mit 18* 276 FUSTAV PIOTROWSKT: dem Scalpellrücken auf einen centralen ausserhalb der Kammer liegenden Theil schlugen. In diesen Versuchen gebrauchten wir das gewöhnliche Nerv-Muskel- praeparat des Frosches. Der Muskel war mit dem Myographion verbunden, welches die Hubhöhe als eine gerade Linie auf dem berussten Papier der Trommel aufzeichnete. Die Myogramme wurden nach der Abnahme des Papiers fixirt, genau ausgemessen und ihre Höhen in Millimetern angegeben. In den Experimenten, welche wir unten aufführen, sind die gereizten Stellen so bezeichnet, wie die bei den elektrischen Reizen, die Stelle I in der Kammer, welche nur das Maass der Reizbarkeit liefert, II ausserhalb der Kammer, deren Verhalten der Ausdruck der Leitungsfähigkeit ist. Der Abstand zwischen dem Nullpunkte, d. h. der Achse und dem kleinen Ansatze mit Häkchen, welcher uns das Maass der relativen Stärke des Reizes, d. i. des Anschlages liefert, ist in Millimetern bei jedem Beispiele angegeben. Wir beginnen die Reizbarkeit und Leitungsfähiekeit unter dem Ein- flusse des Alkohols zu untersuchen (siehe Taf. XI, Figg. 1—4). Versuch |. Versuch I. Zeit | Abstand 1 ul Zeit | Abstand : | a el stand an | Hubhöhe 5 j Hubhöhe 10-27 Wo 325 "mo 1 arena Alkohol Alkohol 10-5 | 20 11 17 11-8 |* 2 18 15 10-8 20 | 10 | 15 11-11 22 8 13 10-11 | 20 6 ) 11-14 22 10 0 10-1400 208%, | 2 0 11-17 22 | 11 ) 10-17... 290 0 0 11-20 22 6 0 | 11-23 22 0 0 Absehneiden Abschneiden 10-18 | 20 20 N) 11-25 22 19 0 Versueh II. Versuch IV. | 1500 12.1425 18-5 2.20 8 9 14-5 Alkohol Alkohol 12-1 oa E14 13-5 2-21 8 12 12 ol. | Te 8 2.22 8 13 1-5 12-3 15 15-5 7-5 2-23 8 13 0-5 12-4 15 0110 2-5 2.24 8 12-5 0 12-5 15 16 1-5 2-25 8 13 0 12-6 DD 1 2-26 15 15 0 12-7 | ee A 0 2-27 15 15 0 Abschneiden Abschneiden 12-82] 7,2000, 20616 | 0 2-28 | 15 17 0 Dıe TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 277 Versuch X. Versuch VI. I kin 5 I I Zeit | Abstand Zeit Abstand | Hubhöhe Hubhöhe 3:2 10 13 22 12-5 10 1lr 22 Alkohol Alkohol 3.4 10 22 22 12-7 10 23 20 3:6 10 17 11-5 12-9 10 19 15-5 3-8 10 16 10 12-11 | 10 17 13 3:9 10 6 0) 12-13 | 10 12 9 3-11 10 6 0) 12:15 10 8 4 3:13 10 1 0 12:18 10 « 1 3:15 20 15 0 12:20 10 5:5 0 3-18 20 19-5 0 122225 10 1 0) 3-21 20 16 0 | Abschneiden Abschneiden 3.24 20 Te 0 12.040, 10202 900009 ) Wir sehen daraus, dass die Veränderungen der Reizbarkeit und Lei- tungsfähigkeit gerade so wie bei elektrischen Reizen erfolgten. Auf die Ziffern, welche nur die Leitungsfähigkeit zum Ausdruck bringen, wollen wir kein besonderes Gewicht legen, da es schwer ist, mit der Hand genau die Schläge zu modificiren, jedenfalls aber war der Reiz gewöhnlich maximal, es wird für uns jedoch vollkommen ausreichen, wenn wir darauf Acht geben werden, wann die Leitungsfähigkeit vollkommen verschwindet. Wenn wir so vorgehen, so nehmen wir wahr, dass die Reizbarkeit langsam sinkt, während die Leitungsfähigkeit schon aufgehoben ist, und wenn für Reize von einer gewissen Stärke die Reizbarkeit verschwindet, so kann man da- nach noch die Zuckung des Muskels durch Verstärkung des Reizes, z. B. mittelst Verschiebens des Häkchens oder durch stückweises Abschneiden des Nerven hervorrufen. In diesem Falle zeigt sich noch eine bedeutende Reizbarkeit bei einer gänzlich aufgehobenen Leitungsfähigkeit. Bei vorsichtigem Verfahren, d. h. wenn man nicht allzu starken, also untermaximalen Reiz anwendet und öfters reizt, wie in den Beispielen Nr. III, IV, V u. VI, kann man auch wie bei elektrischen Reizen die an- fängliche Steigerung der Erregbarkeit bei verminderter, ja sogar aufge- hobener (IV) Leitungsfähigkeit beobachten. Wir werden der Reihe nach sehen, wie sich der Nerv beim mechani- schen Reizen unter der Einwirkung der Kohlensäure verhält (siehe Taf. XI, Figg.5 u. 6). GUsTav PIOTROWSKIT: Versuch VI. Versuch X. ji II I II Zeit Abstand Zeit Abstand Hubhöhe Hubhöhe 11-10 10 17 10 4-3 15 17 18 Co, co, 11-15 10 5 12 4-8 15 10 24 11-20 10 3 11 4-13 15 8 17 11-25 10 4 12 4-18 15 7 18 11-30 10 6 10 4-23 15 10 17 11-35 10 6 10 4-28 15 6 20 11-40. 1008 3 10 4-33 15 7 18 11-45 15 | 13 11 4.38 15 2 15 | Abschneiden Abschneiden 4-43 15 23 18 11-50 15 14 15 Versueh XI. Versuch VI. 9:30 10 20 23 2-12 10 16-5 12 Co, 00, 9-32 10 12 je 2.15| 10 9 23 9.3| 10 10 =, 2-20 10 8 17 9-36 10 5 Es 2.25 10 6 17 9:38 10 7 RS S 2.30 10 9 16 9.40 10 4 > 2-35 10 6 19 9.42 10 0 2.40 10 8 17 9-44 20 15 21 2-45 10 3 14 9-46 20 12 ä 2-50 15 6 18 9-48 20 10 äs 9-50 20 9 o® = © Abschneiden 2 20 13 or 9-54 20 10 = 2.52 15 22 2 Abschneiden Versuch IX 98 2 2 u 11-2 12 19 15 Versuch XL. CO, 10 8 10 16 11-7 12 13 14 Co, 11-12 12 8 15 10-2 8 4 wurde 11-17 12 6 15 10-4 8 0 nicht ger. 11-22 12 2 12 10-6 15 15 18 11-27 12 1 15 10-8 15 12 11-32 12 0-5 17 10-10 15 6 at 5 nicht ger. | 10-12 15 3 Abschneiden Abschneiden 11-37 12 16 15 10-14 | 15 18 20 Dis TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 279 Man constatirt also dieselbe Wirkung durch Kohlensäure bei mecha- nischer Reizung, wie wir sie bei elektrischen Strömen gefunden haben. Ebenfalls sinkt die Reizbarkeit schnell, verschwindet jedoch nicht ganz, während wir in der Leitungsfähigkeit keine Veränderung beobachten. Wie wir sehen, so bestätigen diese Versuche, bei denen wir den Nerven mechanisch reizten, den Schluss, dass wir die Ursachen der Trennung von Reizbarkeit und Leitungsfähigkeit nicht in den Veränderungen im Wider- stande der adventitiellen Substanzen für die Uebermittelung des Reizes unter der Wirkung des Alkohols und der Kohlensäure suchen können. D. Veränderungen des Widerstandes des Nerven für die elektrischen Ströme. Es erübrigte uns endlich noch, die Veränderungen des Widerstandes des Nerven für die elektrischen Ströme unter dem Einflusse modifieirender Substanzen zu untersuchen. Die Veränderungen im Widerstande bestimmten wir auf folgende Weise: Durch einen geschlossenen Kreis, in welchem sich sowohl die Bussole als auch der Nerv befand, schickten wir einen Inductionsschlag bei Schliessung und Oeffnung des primären Stromes (eines Daniell. Die Veränderungen in der Ablenkung des Bussolspiegels lieferten uns ein Maass für die Ver- änderungen im Nervenwiderstand. Der Nerv wurde in die aus Kork gefertigte Kammer hineingebracht, in deren Mitte sich die bei den constanten Strömen benutzten unpolarisir- baren Thonstiefelelektroden befanden. In der ersten Reihe der Versuche berührten die Elektrodenspitzen den Nerven im Abstande von 1-.5°%. Der Nerv wurde mit dem Muskel in Verbindung gelassen, da wir zugleich das Verhalten des Muskels studiren wollten. Die Leitungsfähigkeit wurde von Zeit zu Zeit mittelst ausserhalb der Kammer befindlicher Platinelektroden untersucht. Bei diesem Verfahren ist natürlich keine Rede von absoluten Wider- standsbestimmungen, wir haben es aber deswegen gewählt, weil wir die Veränderungen in der Intensität des Stromes möglichst unter denselben Bedingungen untersuchen wollten, wie sie beim Reizen mittelst der Induc- tionsströme vorhanden waren. In den angeführten Experimenten geben wir die Bussolablenkung beim Schliessen (5) und beim Oeffnen (0) des primären Stromes, oben aber die Rollenabstände; es wurden Inductionsschläge je 2 Minuten, bei Einwirkung aber der Kohlensäure je 5 Minuten, geleitet. Die unten angeführten Ex- perimente beziehen sich auf die Wirkung des Alkohols. 280 Gustav PIOTROWwsKI: Versuch I. Alkohol 33 Procent R.-A. 150 100 75 50.50 75 100 Schl: 270 2 6 25125 25 24 25 26 24 24 25 25 25 25 25 24 24 25 25 6 2 0 0 2 6 26|26 26 27 27 26 26 26 25 25 26 26 26 26 26 26 26 6 1 Minim. Zuckung I! 320 300 120 50 keine Zuckung bei R.-A. I 400 150 80 on 55 i 100 Sch. =0 0= —-1 Differenz nach 36 Min. . 5 9 — 0 ER0N— 0 bei Rollenabstand U) OEZ0EZ [0) Versuch I. Alkohol 50 Procent R.-A. 100 25 50 100 Schl. 3 28 28.28 27.26,2402424 2523724 232 3 227227222 0 2 29 2827.28 25 2525 26. 25 24 24=22 222205202 02 Minim. Zuckung I 360 300 220 50 keine Zuckung bei R.-A. II 390 150 80 h; RR Differenzen nach 30 Min. 100 Schl. = — 1 0= bei R.-A. oh Wat Versuch Il. Alkohol 75 Procent R.-A. 100 50 50 100 Schl. 4 40 40 38 38 33 37.37 37 38 35 35 33 32 30) 3073070 0 4 38 36 35 35.33 33 32 32 32 30 28 28 26 26 26 26 0 Minim. Zuckung I 375 50 keine Zuckung bei R.-A. II 300 = » „> Differenzen nach 380 Min. 100 Sch. = - 4 0=-— 4 bei R.-A. 507 20, 105205 zZ Wie wir sehen, sind die Veränderungen im Widerstande der Nerven für Inductionsströme nicht allzu bedeutend und kommen erst nach Ge- brauch eines sehr starken Alkohols, wie 75°/,, zum Vorschein. Sobald wir den Alkohol mit drei, ja sogar zwei Theilen Wasser gemenet durchleiteten, wie es beim Reizen des Nerven geschehen war, so konnten wir nicht die geringsten Veränderungen im Widerstande wahrnehmen. Die schwachen Veränderungen kamen erst bei 50°/, Alkohol und zwar nach einer längeren Zeit zum Vorschein. Unter denselben Bedingungen, bei welchen die Reiz- barkeit des Nerven schon stark sinkt, sehen wir also noch keine Ver- änderungen im Widerstande für die Inductionsströme. DiE TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 281 Eine Abnahme des Widerstandes im Nerven, welche der anfänglichen Reizbarkeitszunahme analog wäre, haben wir niemals wahrgenommen, wie man es erwarten dürfte, wenn diese beiden Erscheinungen zu einander in Beziehung ständen. Für die Beurtheilung der Reizbarkeitsänderungen noch wichtigere Er- folge erwarteten wir von den Versuchen mit der Kohlensäure. Sie stellen sich folgenderweise dar. R.-A. 150 100 50 Schl. 3 6 50 0 2 8 55 Minimale Zuckung I 280 bei R.-A R.-A. 150 100 50 Schl. 6 15 62 0 5 13 58 Minimale Zuckung I 330 bei R.-A. I7322150721007,50 Schl. 2 13 36 0 1 12 33 Minimale Zuckung I 260 bei R.-A. Versuch IV. CO, m mn nn m 50 150 100 50 5050 III dd si 55 5455 55 55054 56 HT HU B7 5%. 2 3 OU 220 180 175 170 f 150. Sch. = +1 0 = 0 Differenzen nach 1 St. E ı 100 De — EEE — 0 15 Min. bei R.-A. 50 „=+t1 09=+2 Versuch VW. CO, 50 150 100 Km le) 75 74 74 10 20 101025169 69 68 70 10 18 260 190 180 ö : 150 Sch.= +4 0=+5 Ditferenzen nach 30 Min. ß 00279 — 225020, 285 bei R.-A. HORSE? Versuch VI. E/oR ee Fr 50 100 150 45 46 50 54 54 56 10 3 44 50 58 Hau 57 18 3 180 160 160 150 Schl.= +1 0=+2 Differenzen nach 30 Min. 00% +6 0=+% bei R.-A. 50 „=+20 0= +19 Die Resultate also, welche wir bei Bestimmung der Widerstandsver- änderungen unter der Einwirkung der Kohlensäure erhielten, sind gerade 282 (zustAv PIOTROWSKT: entgegengesetzt, als man es erwarten sollte. Statt des Zunehmens des Wider- standes sehen wir ein Abnehmen und zwar ein stärkeres, je mehr energisch wir die Kohlensäure durchleiteten. Ausser mit dieser Anordnung haben wir die Veränderungen des Wider- standes beim Hindurchschicken der Inductionsschläge quer durch die Nerven hindurch untersucht, wobei wir uns auch unpolarisirbarer Thonstiefelelek- troden bedienten. Wir geben hier einige Beispiele an: Versuch V1M. Alkohol 33 Procent R.-A. 150 :100 75 50 75 150 100 75 50 Schl. 3 4 12 40 12912732127 1021327127173 12.2 13a 3 . 4 1240 0 2 5 13 42 1321352 13270127127127327 1271227222 2302012 3205212740 Differenzen nach 30 Min. bei R.-A. 150Sch.=0 0= +1 1005200 0 5 U = —1 Ha 050 Versuch VIM. Alkohol 50 Procent R.-A. 150 100 75 50 50 | 150 100 75 50 Schl. ıl 3 0) Bil 33 33 31 30 30 29 29 29 28 28 28 28 28 28 28 1 Be 0) 1 ar 338 182.3327.312802305 302289282297 2SE 2 TE 21272 RT Differenzen nach 30 Min. bei R.-A. 150 Sch.= 0 0= 0 0 De — 0 0 0 eat Wa 50 ee 7 ON Versuch IX. Alkohol 75 Procent R.-A. 150 125 100 75 50 100 150 125 100 75 50 Schl. 6 8 15 34 99 132137142149127137113713212 137 B a E22 2 4 5 12 34 82 0 6 7 12 33 98 | 1451521327132 8218218714212 71372 72 RER EN 4 6 12 27 80 Differenzeu nach 30 Min. bei R.-A. 150 Sch. = — 2 0=-— 2 In 9 ei. 10072, 2 =7=532, 050 15, ee 502, ni No u DIE TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 283 Versuch X. CO, (langsam durchgeleitct) R.-A. 150 125 100 75 50 100 150 125 100 75 50 Schl. 7 14 30 77 243 31 3131.33.31732733/3273232,33 33) 31 32 32 9 16 33 83 245 00975152 307.7187245 3253203232032132.32.32) 34133331321 33.32 32 9 16 33 83 247 Differenzen nach 1 St. 15 Min. bei R.-A. 150 Sch. = +2 0= 0 ee 10 „=+3 0= +3 Ser Var DOSE 20 202 Versuch XI. R.-A. 150 125 100 75 50 100 150,1252.1005,.790250 Schl. 8° 14 2773 215 San aD 94 PS2n 33434 922157°.34278427237 On (147 287.032213 eu ee area 10 17 33 85 244 Differenzen nach 30 Min. bei R.-A. 150 Sch. = + 1 0=+3 t a We 10077 2 FINE OI ZN UNS ne ir ode rıd DO DD OL — Versuch XI. CO, (schnell durchgeführt R.-A. 150 125 100 75 50 100 150 125 100 75 50 Schl. 3 10 19 45 142 192.342 30312310 32082 9 14 32 83 240 0 4 9 19 45 140 18 24 30 30 30 30 30 9 15 30 34 240 Differenzen nach 35 Min. bei R.-A. 150 Sch. = +6 0=+5 1050, 7,4 00 £ ,6 0 5 ei da ea Va DIEBE —272982 7072100 Da, wie wir sehen, diese Versuche stets dieselben Erfolge lieferten, werden wir uns nicht länger aufhalten und schreiten zur Bestimmung der Veränderungen des Widerstandes mit einer anderen Methode. Wir haben die Veränderungen des Widerstandes mit der Wheat- stone’schen Brücke auf allgemein bekannte Weise untersucht. ! wurde auf übliche Weise von einem Daniell zur Brücke geleitet. Der Strom Im Wider- standskreise befand sich die Hermann’sche Bussole (Mayer in Zürich) und ! Diese Versuche wurden zu Krakau ausgeführt, 284 GusTtAV PIOTROWSKI: der Nerv, welcher auf folgende von Prof. Cybulski angegebene Weise an- gebracht wurde: Aufeinem Korkbrette befinden sich zwei U-förmige Röhrchen in der Ent- fernung von 3°®, Bei den absoluten \Widerstandsmessungen (darum es sich hier nicht gehandelt hat) sind die Röhrchen verschiebbar. In die Knickungen der Röhrchen wird von einer Seite Kochsalzthon, von der anderen Zinksulphat- thon eingetropft und dementsprechend die Röhrchen mit physiologischer Kochsalzlösung sowie mit cencentrirter Zinksulphatlösung gefüllt. Der Nerv wurde mit beiden Enden in die mit Kochsalzlösung gefüllten Arme hinein- getaucht, in die Zinksulphatlösung aber amalgamirte Zinkstäbchen, von welchen Drähte zur Messbrücke führten. Bei solcher Einrichtung, welche der der unpolarisirbaren Elektroden ähnlich ist, ist die Polarisation eine minimale. Die ganze Einrichtung mit dem Nerven befand sich in einer Kammer, durch welche die Alkoholdämpfe sowie die Kohlensäure hindurch- geleitet wurde. Wir eitiren einige der entsprechenden Beispiele, von denen Nr. XIX und XX die grössten Veränderungen zeigen, welche wir an Nerven ohne Durchleitung der modifieirenden Substanzen nach längerer Zeit beobachtet haben. Versuch XIH. : Widerstand 2 Widerstand Zeit in Ohm Zeit | in Ohm 9-15 33 000 Alkohol 1:5 Alkohol 1:5 9.35 93 000 9:17 88 000 9:40 102 000 0:20 86 000 9:45 103 000 9-25 85 000 9:50 104 000 9:30 85 000 9:55 106 000 Differenz nach 40 Min. = 23 000 Ohm. Versuch XIV. I 20215777 87 000 Alkohol 1:5 Alkohol 1:5 10:35 87000 10-20 | 89 000 10-40 88 000 10-25 88 000 | 10:45 90 000 10-30 | 88000 | 10:50 | 91.000 | Differenz nach 35 Min. = 4000 Ohm. DIE TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. Versuch XV. : Widerstand | , Widerstand Ali | in Ohm | — in Ohm | 90000 || Alkohol 1:2 Alkohol 1:2 | A 150.000 SOSE 100 000 | 3:50 | 154 000 3.30 | 106000 || 8-55. | 162.000 3-35 | 111 000 | 4 | 165 000 3-40 | 140 000 4+5 | 180 000 SS a wm w SS 10 11 11 11 Differenz nach 34 Min. = 90000 Ohm. Versuch XVIl. a Alkohol 1:2 Alkohol 1:2 4:40 125 000 -20 107 000 | 4-45 140 000 -25 110 000 | 4:50 135 000 .30 116000 | 4-55 135 000 a 119,000. || 5 135 000 Differenz nach 35 Min. = 48 000 Ohm. Versuch XV1. 35 | 53 000 co, Co, -40 52 000 399 57.000 .45 53.000 4 | 59 000 «50 55 000 45 | 60 000 Differenz nach 30 Min. = 7000 Ohm. Versuch XV. 10 | 52.000 co, ce :15 65 000 4-30 80 000 -20 73 000 4:35 83 000 -25 77.000 4:40 85 000 Differenz nach 30 Min. = 28000 Ohm. Versuch XIX. Veränderungen im normalen Nerven. «55 77.000 11-15 92 000 83 500 11:20 92 000 °5 835 000 11-25 92 000 -10 87 500 Differenz nach 30 Min. = 15 000 Ohm. 285 286 Gustav PIOTROWSKT: Versuch XX. Veränderungen im normalen Nerven. : Widerstand - | - Widerstand Zeit in Ohm Zeit | in Ohm Is 88000 | 11-35 100 000 11-20 88 000 11-40 108 000 11-25 90000 | 11-45 198 000 11-30 95000 | Differenz nach 30 Min. = 20000 Ohm. Bei der Einwirkung der schwachen Alkoholdämpfe wie 1:5, welche aber schon stark beide Functionen der Nerven beeinflussen, sehen wir nicht einmal so grosse Zunahme des Widerstandes, wie man am normalen Nerven nach einer gewissen Zeit manchmal beobachten kann. Erst nach starker Wirkung des Alkohols (1:2) wächst der Widerstand des Nerven stärker. Noch weniger ausgeprägt sind die Veränderungen unter dem Ein- flusse der Kohlensäure. Hier sieht man entweder keine Veränderungen, welche sich von den am normalen Nerven beobachteten unterscheiden, oder nur sehr unbedeutende Zunahme des Widerstandes. Die Trennung also der Reizbarkeit und der Leitungsfähigkeit des Nerven ist nicht von den Veränderungen des Widerstandes der adventitiellen Substanzen für die elektrischen Ströme abhängig. E. Schlussfolgerungen. Die Erfolge der im zweiten Theile der Abhandlung angegebenen Ver- suche stellen sich folgendermaassen dar: Die Muskeln verhalten sich bezüglich der Reizbarkeit und der Lei- tungsfähigkeit auf eine andere Art als die Nerven. Unter der Einwirkung sowohl des Alkohols als auch der Kohlensäure leidet zuerst in einem be- deutenderen Grade die Leitungsfähigkeit, die Reizbarkeit aber viel weniger. Die Nerven, welche keine Myelinscheide und im Allgemeinen sehr kleine Mengen adventitieller Substanzen besitzen, verrathen unter der Ein- wirkung des Alkohols und der Kohlensäure dieselben Veränderungen, wie die myelinhaltigen Nerven, namentlich hebt der Alkohol am allerersten die Leitungsfähigkeit auf, wobei er in einem geringeren Grade die Reizbarkeit abschwächt, die Kohlensäure dagegen setzt die Reizbarkeit herab, beein- flusst aber die Leitungsfähigkeit gar nicht. Beim mechanischen Reizen erhalten wir dieselben Verhältnisse, wie beim elektrischen Reizen des Nerven. Der Widerstand des Nerven für elektrische Ströme verändert sich gar Die TRENNUNG DER REIZBARKEIT UV. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 287 nicht unter einer schwachen Alkoholeinwirkung, erst wenn dieselbe stärker ist, steigt der Widerstand. Die Kohlensäure vermindert den Widerstand mehr oder weniger, was von der Energie der Wirkung abhängt. Unsere Untersuchungen waren darauf gerichtet, nur nachzuweisen, welche von den Vermuthungen Prof. Gad’s in dieser Frage mehr Wahr- scheinlichkeit für sich hat. Dieselben lauten wörtlich folgendermaassen:! „Die Leitungsfähigkeit ist nach der einfachst denkbaren Vorstellung ein Maass für die Empfindlichkeit (Labilität) der wesentlichen Nervensub- stanz (im Axencylinder) gegen Einwirkungen, welche vom benachbarten Querschnitt der gleichartigen Substanz ausgehen und welche sich in longi- tudinaler Richtung in dieser Substanz fortpflanzen. Die Reizbarkeit ist ein Maass für die Leichtigkeit, mit welcher die am Nerven äusserlich angrei- fenden stimulirenden Einwirkungen sich durch adventitielle Substanzen bis zur eigentlichen erregungsleitenden Nervensubstanz fortpflanzen, und für die Labilität dieser Substanz selbst. In dem Falle verringerter Reizbarkeit bei unveränderter Leitungsfähigkeit kann man sich leicht bei der Annahme beruhigen, dass durch die modificirende Einwirkung, z. B. durch die Kohlensäure, die adventitiellen Substanzen weniger durchgängig für stimu- lirende Einwirkung gemacht werden, und dass die Labilität oder Erregbar- keit der eigentlichen Nervensubstanz unverändert bleibe. Wollte man diese Anschauungsweise auf den Fall ausdehnen, in welchem die Reizbarkeit er- höht ist, bei gleichzeitiger Herabsetzung der Leitungsfähigkeit, so müsste man annehmen, dass die Durchgäneigkeit der adventitiellen Substanzen für den Reiz stark genug zugenommen habe, um das Sinken der Labilität der eigentlichen Nervensubstanz zu übercompensiren. Angesichts der Compli- cirtheit dieser Annahme wird man aber wohl geneiet sein, auch die andere Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass nämlich die Labilität der eigent- lichen Nervensubstanz bei longitudinal gerichteten Einwirkungen eine andere sein kann als bei transversal gerichteten — spricht doch die Unempfindlich- keit? der Nerven gegen quergerichtete elektrische Ströme hierfür — und dass die longitudinale Labilität sich im umgekehrten Sinne ändern könne als die transversale.‘ Die erste von diesen Vermuthungen fällt entschieden, wie es die Er- folge unserer Forschungen nachweisen. Es stehen dem entgegen sowohl die Versuche mit den Nerven, welche keine adventitielle Substanzen besitzen, als auch die Experimente mit den mechanischen Reizen, endlich die un- ı Dies Archiv. 1888. 8. 401. ?” Diese Unempfindlichkeit wird von dem eitirten Autor nicht mehr anerkann (vgl. Dies Archiv. 1889. S. 354), doch kommt es im obigen Zusammenhange auch nur auf einen Unterschied zwischen der Längs- und Quererregbarkeit an, für welchen der Autor auch jetzt eintritt. 288 Gustav PIoTROWwSskI: mittelbare Bestimmung der Veränderungen des Widerstandes der Nerven für die elektrischen Ströme. Es bleibt uns nun nichts anderes übrig, als die zweite Hypothese anzunehmen. Um auch einen directen Beweis dafür zu liefern, dass die Trennung der beiden Functionen des Nerven von verschiedener Labilität seiner Ele- mente bei longitudinal und bei transversal gerichteten Einwirkungen ab- hängig sei, haben wir eine Reihe von Versuchen angestellt, bei denen ausser mit den beiden Elektrodenpaaren aus Platin der Nerv noch mit einem dritten in der Mitte der Kammer der Querrichtung nach gereizt wurde. Es waren du Bois-Reymond’sche unpolarisirbare Elektroden, an welche Plättehen aus gebranntem Thon von 1°” Breite angebracht wurden. Diese Thonplättchen ragten in die Kammer hinein und berührten den Nerven jederseits der Länge nach centralwärts von der peripheren Stelle II. Bei diesen Versuchen wurden die Reizschwellen bestimmt. Die Schwel- lenwerthe waren natürlicherweise von Anfang an ziemlich hoch und ent- sprachen Reizstärken von 120— 200" Rollenabstand, d. h. man musste ziemlich starke Ströme anwenden, um bei der Querreizung eine minimale Zuckung zu erhalten. Diese Versuche haben gezeigt, dass die Reizbarkeit- steigerung durch Alkohol bei der Querreizung etwa fünfmal grösser ist, als bei der Längserregung. Es wäre also auf diese Weise bewiesen, dass die Quererregbarkeit auf andere Weise modifieirt wird, als die Längserregbar- keit. Wir wollen uns aber mit einer kurzen Erwähnung dieses Versuchs begnügen, da die wichtige Frage sonst eine sehr umfangreiche Besprechung erfordern würde und da wir wissen, dass die Frage von einem anderen Forscher im Berliner Institute jetzt experimentell bearbeitet wird. . Cambridge, September 1892. DiE TRENNUNG DER REIZBARKEIT U. LEITUNGSFÄHIGKEIT DES NERVEN. 289 Erklärung der Abbildungen. (Taf. VII—XI.) Taf. VII. I. Theil 5. Sämmtliche Curven sind nach den Veränderungen in Procenten der Reizeinheiten gezeichnet. Fig. 1 und 2 nach den Versuchen IV und V, zeigen die Veränderungen unter dem Einflusse des Alkohols. Fig. 3 nach Versuch VIII, Fig. 4 nach Versuch VII, illustriren den Einfluss der Kohlensäure. Unterbrochene Linien zeigen die Veränderungen der Erregbarkeit, die ausgezogenen die der Leitungsfähigkeit. Taf. VIII. I. Theil @. Fig. 1. Versuch II. a und 5 Curven der Muskelzuckung bei Reizung der Stelle I des normalen Nerven. — a bei übermaximalen Reizen, 5 bei untermaximalen c und d dasselbe unter dem Einflusse des Alkohols. Um die Veränderungen der Latenzperiode besser zu sehen, sind die Reizmomente sämmtlicher Curven auf der- selben Höhe zusammengestellt. I. Theil @G. Fig. 2. Versuch VI. Dieselben Verhältnisse bei Reizung der Stelle II. I. Theil @. Fig. 3. Versuch VIII. Dieselben Verhältnisse bei Reizung der Stelle I unter dem Einflusse der Kohlensäure. Taf. IX. I. Theil @G. Fig. 1. Dieselben Verhältnisse bei Reizung der Stelle II. I. Theil 4. Fig. 2 gehört zu Versuch I, Fig. 3 zu Versuch II, Fig. 4 zu Versuch III. a die normale Leitungsgeschwindigkeit, 5 unter dem Einflusse des Alkohols. II. Theil C. Hubhöhen bei mechanischer Reizung des normalen Nerven. Fig. 5 gezeichnet mit dem Pflüger’schen Myographion bei Belastung mit 15”. Von Obisx Verstärkung des Reizes durch Verschieben des Häkchens weiter von der Axe. Von x bis 0 Verminderung des Reizes auf umgekehrte Weise. Fig. 6. Hubhöhen gezeichnet Archiv f. A. u. Ph. 1893. Physiol. Abthlg. 19 290 Gustav PIOTROWSsKY: REIZBARKEIT UND LEITUNG DES NERVEN. durch einfachen Hebel bei 20 &® Belastung. Von O0 bis x Verschieben des Häkchens aus einer 30 ®= langen Strecke, von x bis O0 dann Verschieben in entgegengesetzter Richtung, also Abschwächung des Reizes. Fig. 7 ähnlich wie 6. Figg. 8, 9, 10, ge- zeichnet mit demselben Hebel bei Belastung mit 10 =. Alle Verhältnisse nach dem Vorhergesagten leicht verständlich. Taf. X. I. Theil. ©. Der Apparat für die mechanische Reizung. Nähere Beschreibung befindet sich im Text. Taf. XI. II. Theil ©. Figg. 1, 2, 3, 4, enthält die Hubhöhen unter dem Einflusse des Alkohols in Versuchen LI, IV, V, VI. Die von der Stelle II erhaltenen Hubhöhen sind mit X bezeichnet. Figg. 5 und 6 geben die Veränderungen der Hubhöhen in den Versuchen VII und VIII unter der Wirkung der Kohlensäure an. Leber und Galle während dauernden Verschlusses von (rallen- und Brustgang. Von Dr. Vaughan Harley, Grocer Research-Scholar. (Aus dem physiologischen Institut zu Leipzig.) (Hierzu Taf. Xll u. Xill.) Wenn der Gallengang unterbunden und bald darauf der Brustgang eröffnet wird, so lassen sich in der danach ausfliessenden Lymphe die Be- standtheile der Galle in reichlicher Menge nachweisen. Hiervon haben uns v. Fleischl! und Kunkel? unterrichtet. Ob aber unter diesen Umständen alle oder nur ein Theil der gebildeten Galle durch den Brustgang abfliesst, suchte Kufferath®? dadurch zu erfahren, dass er gleichzeitig Brust- und Gallengang unterband und einige Stunden später das Blut auf einen Gehalt an Gallenstoffen prüfte. Vergeblich hat er nach ihnen gesucht. Also konnte die nach Verstopfung der gewöhnlichen Strasse abgesonderte Galle aus der Leber in das Blut nur durch die Lymphgefässse gelangt sein. Voraussichtlich dürften sich durch gleichzeitige Unterbindung des Gallen- und Brustgangs weitere Aufschlüsse über die Leistungen der Leber und der aus ihr hervorgehenden Säfte gewinnen lassen, wenn die Thiere die genannten Eingriffe mindestens einige Tage lang überlebten. Ob dies der Fall sei, habe ich auf Anregung des Hrn. Prof. C. Ludwig mit günstigem Erfolg geprüft. I Berichte der Gesellschaft der Wissenschaften in Leipzig 1874. * Daselbst 1873. ® Dies Archiv. 1880. 19 292 VAUGHAN HARLEY: An Beobachtungen, welche meine Aufgabe beleuchten könnten, lagen nur die von Schmidt-Mühlheim gesammelten vor. Sie zeigen, dass sich an dem Uebergang des verdauten Eiweisses und Amylons in das Blut die durch den Brustgang fliessende Lymphe nicht betheilist. Wenn dagegen die Hunde, deren Brustgang unterbunden war, mit fetthaltigem Fleisch ge- füttert wurden, so waren schon nach wenigen Tagen die Lymphwege durch chylöse Flüssigkeit ausgeweitet; die Cysterna chyli war undicht geworden und der aus ihr hervorgequollene Chylus hatte sich vorgebildeten Spalt- flächen folgend hinter dem Peritonaeum her bis zwischen die Fascien des Unterschenkels ergossen. Die hieraus fliessende Störung der Gesundheit zeigte sich beseitigt durch die Verfütterung von fettfreien Semmeln und reinem Eiweiss. Derart ernährt, blieben die Hunde, nachdem ihr Brust- gang unterbunden war, munter und gesund; sie können an Gewicht zu- nehmen. Unvermeidlich, vorerst wenigstens, ist dagegen ein Hinderniss, das bei Fortsetzung des Versuchs aus der formenden Kraft des unterbundenen Brustgangs erwächst. Bei längerer Dauer des Verschlusses weiten sich enge, wahrscheinlich schon bestandene Nebenwege aus, welche die Lichtung des Ductus mit der eines grossen Astes der Hohlvenen verbinden. Künstlichen Ausspritzungen des Brustgangs zu Folge geht die neue Bahn durch die mehrfachen kleinen Lymphdrüsen hindurch, welche am oberen Eingang in die Brusthöhle die grossen Blutgefässe umkränzen. Unter gewöhnlichen Verhältnissen klein, theilweise fast unmerklich, schwellen sie, wenn der Ductus andauernd unwegsam ist, an, und aus ihnen geht dann ein Stämmchen hervor, das sich nach rechts oder links in eine Vene öffnet. Dass ein neuer, vor der Verschliessung des Brustgangs nicht vorhandener Durchbruch eines Lymphgefässes durch die Venenwand entstauden sei, dürfte für weniger wahrscheinlich gelten, als die zu allen Zeiten vorhandene Anwesenheit einer Verbindung. Besteht eine solche Nebenbahn, so muss ihr Durchmesser sehr klein sein im Verhältniss zu dem des Ductus, da so lange der letztere wegsam ist, nichts durch sie abfliesst. Eine Nebenbahn irgend welcher Art nachzuweisen gelang mir an den bis dahin unversehrten Chylusgefässen auch dann nicht, wenn ich an der frischen Leiche den einen oder die mehrfachen Eingänge des Ductus in die Vena jugularis unterband und den Ductus von unten her mit kaltflüssigen Massen ausspritzte. Die flüssige Masse drang nicht bis in die Blutgefässe vor. Wie weit sich der Brustgang umgeformt hat, wenn vor einigen Wochen seine Mündung in die Vena jugularis abgeschnürt wurde, zeigt die Abbil- dung auf Taf. XII. An dem Praeparat, nach welchem das Bild gezeichnet wurde, hatte die erstmals abgesperrte Lymphe einen neuen Weg zu den Venen gefunden. Ausser dem Stamm haben sich die für gewöhnlich kaum LEBER UND GALLE BEI VERSCHLOSSENEM GALLEN- UND BRUSTGANG. 293 sichtbaren Collateralen stark erweitert und sich gegen jene zwölf und mehr Drüsen hin verästelt, die sich zwischen die Blutgefässe oberhalb des Her- zens einbetten. Die Drüsen sind sehr merklich geschwellt. Dagegen ist der Abschnitt des Hauptstammes, der sich von der ersten Rippe an bis zur V. jugularis erstrecken sollte, verschwunden. Der Strom aus dem Duetus in die genannte Vene hatte also vollkommen aufgehört. Oedeme und Extravasate waren nirgends sichtbar. Mit dem zum Versuch benutzten Thiere wechselt auch der Zeitraum, innerhalb dessen sich der Collateralstrom ausbildet. Den Beweiss hierfür bringt eine der folgenden Seiten. Wenn uns nach Zahl und Ort alle Mündungen der Lymphgefässe in die Venen bekannt wären, so würden wir voraussichtlich auch zu einem Verfahren gelangen, mit welchem wir dauernd den Eintritt der Lymphe in das Blut zu hindern vermöchten. Was die Lymphe im Stoffwechsel zu be- deuten hat, wird sich erst dann vollkommen zeigen, wenn ihr Strom dauernd zum Versiegen gebracht ist. Und da sich unter derselben Be- dingung auch die Galle dauernd stauen lässt, so wird sich dann erst er- schöpfend ergeben, was hieraus für die Leber und alles übrige Leben folgt. Die Unterbindung des Gallengangs, ein einfacher Handgriff, führt erst, aber auch dann nicht immer, zu bedenklichen Folgen, wenn zu ihr der Verschluss des Brustgangs hinzutritt. An ihrem Abfluss gehemmt, dehnt und spannt die fortdauernd abgeschiedene Galle die Wand des Ganges soweit, dass sie vorzugsweise nahe dem Unterband reisst. Nachdem es mir nicht gelungen war, diesen Unfall durch die Art der Unterbindung zu be- seitigen, suchte ich ihn dadurch zu umgehen, dass ich erst den Gallengang und einige Tage später den Brustgang zuschnürte. Dies glückte; die Wände des Ganges waren dann mit der Umgebung fest genug verwachsen, um dem Andrang der gestauten Galle mit Erfolg widerstehen zu können. Leider wurde bei dieser Art zu verfahren öfters die Absicht des Versuchs vereitelt; trotz der nachfolgenden Umschnürung des Ductus thoracicus trat die Galle in das Blut über. 1. Unter den mancherlei Folgen eines gleichzeitigen Verschlusses von Gallen- und Brustgang richtete sich meine Aufmerksamkeit zuerst und vorzugsweise auf den Uebergang der Galle in das Blut. Ob er stattgefunden, musste der Gehalt des Harns an Säure und Farbstoff der Galle erweisen. Deshalb wurden die Hunde nach vollendeter Unterbindung des Gallengangs in einen Raum gesetzt, aus welchem sich der Harn aufsammeln liess. Auf Gallensäuren wurde der Harn nach Pettenkofer-Udranszky! geprüft, nachdem die Flüssigkeit, in der sie enthalten waren, der Vorschrift ! Zeitschrift für physiologische Chemie. Bd. XII. S. 370. 294 VAUGHAN HARLEY: von Hoppe-Seyler gemäss eingeengt war. Die Gallenfarbstoffe wurden nach dem Verfahren Gmelin’s aufgesucht. Einige Tage hindurch, solange eine Entzündung des Unterleibs drohte, wurde dem Thiere das Futter vorenthalten. Achtzehn Versuche, mit ebensoviel Hunden durchgeführt, haben die in der folgenden Tabelle zusammengestellten Ergebnisse erbracht. Der Inhalt derselben wird durch die Ueberschriften der Spalten genügend verdeutlicht sein. Die Zeit in der ersten Spalte rechnet von dem Tage der vollendeten Unterbindung des Gallengangs an. Beide Gänge sind gleichzeitig unterbunden. I} Versuchs-Nr. | Lebensdauer N nel Todesursache 1 20 11 |» Getödtet 5 18 17 | Zerreissung d. Gallengangs 2 7 7 Peritonitis 6 7 6 Zerplatzen des Gallengangs 18 6 6 | H ” 5 20 6 4 y h Y 4 5 4 & 58 0 35 4 4 5 Ä R 3a 3 3 Peritonitis 10 3 2 Zerplatzen des Gallengangs Beide Gänge zu ungleichen Zeiten, der Gallengang stets früher als der Brustgang verschlossen. 2 Um wie viel Getödtet nach 3. Tage später | Bis wie lange enthielt Wann war der Harn dem Ver- BZ der Brust- als der Harn Galle gallenfrei schluss des >= d. Gallengang Gallengangs 7 | 13 Tage bis zum 26. Tage keinmal 27 Tage 1 eo. DO | » Don a Ru Be anieie s 23 „ 8 ( A eV , vom 15. zum 18. Tage IS... g BIER HINTEN keinmal 11 15 | De inte. hund vom 6. bis 13. Tage Slaeen | vom 14. bis 31. Tage 17 | 4, bis zum 16. Tage keinmal 167, 16 | dead a esundl N Svomez.cbisstssslase DO vom 16. bis 28. Tage Elf unter den achtzehn Versuchen sprechen dafür, dass die Galle, wenn sie ihren natürlichen Abzugsweg verstopft findet, einzig und allein durch die Lymphbahnen zum Blute hinfliesst. Denn es begab sich, wenn auch LEBER UND GALLE BEI VERSCHLOSSENEM GALLEN- UND BRUSTGANG. 295 der Ductus thoracicus unterbunden war, so lange keine Galle in das Blut und von da in den Harn, als sich die Lymphe keinen neuen Weg zum Blute gebahnt hatte. In den Hunden 1, 15, 16, welche vom 11.—7. und 14. Tage an nach vollendeter Unterbindung des Brustganges gallenhaltigen Harn entleerten, hatte sich, wie die Zergliederung der Leiche nachwiess, neben dem verödeten Ausweg des Brustgangs zum Blute ein neuer gebildet, der die Rolle des früheren übernahm. Gegen die Anschauung, dass der Ductus thoracicus einzig und allein den Uebergang der aufgestauten Galle in das Blut vermittelte, machen sich jedoch die Nummern 7, 14, 13, 9 und 11 geltend. In ihnen war der Gallengang 13, 9, 7, 6, 4 Tage früher als der Ductus thoracieus unter- bunden worden, und dennoch enthielt der Harn täglich und zwar aus- nahmslos Gallenstoffe. Als Grund hierfür lässt sich nicht vorschützen, dass sich eine neue Mündung der Lymphgefässe in die Venen gebildet habe. Dazu fehlte es an Zeit. Entweder genügte von vornherein die am Duectus ausgeführte Unterbindung nicht, ausser dem unterbundenen bestanden noch andere Aeste, die zum Blute führten. Oder es bilden sich, wenn der Ductus choledochus unterbunden, der Ductus thoracicus aber offen geblieben ist, noch andere Bahnen aus, welche von der Galle zum Blut führen. Ob die ausgesprochene Möglichkeit thatsächlich begründet ist, wird sich erst dann erweisen lassen, wenn wir den Zufluss der Lymphe zum Blut sicher und dauerhaft zu hemmen vermögen. 2. Wie gestaltet sich nun die Bildung der Galle nach Art und nach Menge, wenn sie sich eine Reihe von Tagen hindurch aufstauen musste. Sollte die Galle, die sich in der Leber und den Lymphwegen eines er- folgreich operirten Hundes aufhäuft, gleich der zusammengesetzt sein, welche vor der gleichzeitigen Verstopfung jener Wege abgeschieden wurde, so würde von ihr beträchtlich weniger als bei offenem Gallengang gebildet worden sein. Auch ohne Messungen ist dieses augenscheinlich, denn der Zuwachs an Füllung, den die Gallen- und Lymphgefässe während des aufgehobenen Abflusses gewinnen, deckt weitaus nicht das Volum an Galle, welches bekannten Bestimmungen gemäss von den Hunden bei un- gehemmtem Abfluss geliefert sein würde. Hunde von 7 bis 10 Kilo, die wie die meinen genügend mit Fleisch gefüttert werden, liefern täglich min- destens SO bis 1U0 “m Galle; wo hätte das vielfache dieses Volums, wenn z. B. der Verschluss 7 bis 17 Tage dicht blieb, Platz gefunden ? Um den vollen Unterschied des Ueberschusses an angehäuftem und dem bei offenem Gang voraussichtlich abgeschiedenen Volum an Galle wäre jedoch ihre Bildung nicht gemindert gewesen, wenn das ursprüngliche Secret auf seinem Wege durch die Leber eingedickt worden wäre. Viel- leicht, dass es schon in den Capillaren oder in den grossen Gängen Wasser 296 VAUGHAN HARLEY: verloren hatte, wie dies nachweislich in der Blase geschieht. Dann wäre freilich weit mehr Galle abgeschieden worden, als es nach der Menge der angehäuften den Anschein hatte. Hierüber konnte nur entschieden werden aus der Kenntniss zweier aus derselben Leber stammenden Gallen, von denen die eine vor der Unterbindung des Ductus choledochus, die andere sogleich nach dem Tode des Thieres gesammelt war. Ausführbar war dieser Plan nur mit Blasengalle; deshalb wurde in den Gallengang, bevor man ihn unterband, eine Canüle gesetzt und aus ihr die Galle aufgefangen, welche aus der zusammengepressten Blase hervorfloss. Gleicherweise ver- fuhr man unmittelbar nach dem Tode des Thieres. Auf diese Art wurden in je einer Sammlung 15 bis 20 °m Galle gefangen. In den Gallen wurde bestimmt taurocholsaures Natron, Fett, Seifen, Cholesterin, Lecithin und einmal die Asche. Das Mucin wurde aus der Galle durch wässerigen Alkohol gefällt, ge- trocknet gewogen und verascht. Die abfiltrirte Flüssigkeit wurde verdampft, der Rückstand in Wasser gelöst und dieses mit Aether ausgeschüttelt. Der Aether wurde eingedampft. Genügte die Menge des Rückstandes, so wurde sie getheilt und aus einer der beiden Portionen das Cholesterin, aus der zweiten die Phosphorsäure und die Fette bestimmt. Das Cholesterin dadurch, dass der aetherische Rückstand in Alkohol gelöst, verseift, wieder getrocknet und dann des Cholesterins durch Ausschütteln mit Aether be- raubt wurde. Die zweite Portion wurde mit Na,0O, und KNO, geschmolzen und die Phosphorsäure mit molybdänsaurem Ammoniak gefällt und als pyro- phosphorsaure Magnesia gewogen und hieraus das Lecithin unter der Annahme berechnet, dass dasselbe das Radical der Stearinsäure enthalte. Der Rest, welcher vom Aetherextract nach Abzug des Cholesterins und Leeithins blieb, durfte als Fett in Rechnung gesetzt werden. Mussten dagegen Cholesterin, Lecithin und Fett wegen ungenügender Menge des Aetherextractes aus einer Portion bestimmt werden, so wurde die bekannte Menge desselben in alkoholischer Lösung verseift, dann wieder getrocknet und gewogen, um das Gewicht des aufgenommenen Natrons zu erfahren. Aus der Masse wurde das Cholesterin durch Aether entfernt und im übriggebliebenen Rest die Phosphorsäure bestimmt, sodass man wie vorhin zur Kenntniss des Lecithin- und Fettgehaltes gelangte. Was von der festen Galle nach Entfernung des Mueins und der in Aether löslichen Stoffe übrig blieb, diente zum Auswerthen der Taurochol- säure und der Seifen. Der Bestimmung zugänglich ist die Taurocholsäure durch ihren Schwefelgehalt, welcher sehr genau und namentlich unabhängig von Verunreinigung durch den Schwefelgehalt des Leuchtgases dadurch zu bestimmen ist, dass man eine gewogene Menge des trockenen Gallenrestes in einer geschlossenen Röhre mit rother rauchender Salpetersäure auf etwa LEBER UND GALLE BEI VERSCHLOSSENEM GALLEN- UND BRUSTGANG. 297 150° C. erhitzt. Aus dem gefundenen Schwefel ergab sich durch Rechnung die Menge des taurocholsauren Natrons. Die Seifen des Gallenrestes wurden durch CIH zerlegt und die freien Fettsäuren mit Aether ausgeschüttelt. Die Angabe über den Procentgehalt der Galle an Asche (Beob. 20) bezieht sich auf die Summe der Aschen des Mucins und des mueinfreien Gallenrestes. An sechs Thieren habe ich die Blasengalle analysirt; an zweien einmal unmittelbar nach dem Tode, und mich dort auf die Auswerthung der Taurocholsäure und des Mucins beschränkt. An den vier anderen wurde zweimal Galle genommen, zuerst vor der Unterbindung des Ganges und später sogleich nach dem Tode des Thieres; sie alle wurden nach der vor- hin gegebenen Vorschrift analysirt. Unter den Beobachtungen sind Fälle vertreten, in welchen die Galle während der Unterbindung des Ganges vollkommen zurückgehalten wurde, und andere, in welchen sie zeitweilig durch den Harn entwich. . | Ob Gallen- | : » E A iBrastpang Wandel - Lo Theilen Galle gefunden # gleichzeitig Galle gesam- Tann = | | Cho- | Galle im Harn E unterbunden | melt ward gaures 53 Fett leste- Seife thin | | sind Na'ron = | rin | N 18 | Beide Gänge |Vor d. Verschl.|14-17| 0.96 | 0-51 | 0-02 | 3-23 0-40 | stets gallenfrei gleichzeitig | Nach d. Tode |10-34| 2-08 | 0-91 0-40 3-29 0-10 6 Tage nach der | | | | | Unterbindung 5\ 5 Nach d. Tode | 7-66 1-23 °— — a 18 Tage nach der | | Unterbindung | | 20, 5 |Vor.d. Verschl. 15-07) 0-87 | 1-76 | 0-28 | 1-11 1-76! 4 Tage gallenfrei | ı Nach d. Tode | 8-41) 2-22 | 0-61 |0-47 | 2-02 0-61 |2 „ „ haltig 15 Zuerst Gallen-' Vor d.Verschl., 9-30 0-72 1-17 |0-03 | 1-30 0-44 | vom 6. bis13. Tag ' gang dann | Nachd. Tode | 4-63 1-99 | 1-12 0-61 | 1-91 [0-36 | gallenfreibis zum Brustgang | 31. gallenhaltig 8 “ Nach d. Tode 922 u |) — | — | — | 14Tage gallenfrei | 4 „ „ haltig 14 » ‚Vord. Verschl. 14-59| 0-53 |2-66 0-05 5-16 |0-36 stets gallenhaltig 0-66 4-69 0-65 bis zu dem am Nach d. Tode | 9-78| 1-60 | 1-91 | | | | 56. Tage erfolg- | | | ten Tode Nach mehrfachen Richtungen hin bringt der Befund Unerwartetes. Während ihrer Aufspeicherung in der Leber hat sich in der Galle der Gehalt an einzelnen Stoffen vermehrt und an anderen vermindert, und zwar unab- hängig davon, ob die Sperre vollständig oder unvollständig ausgefallen war. Dem Gewichte nach verlor die Galle am meisten Taurocholsäure. Sei " An Asche wurde in Versuch 20 gefunden vor dem Verschluss 0-87 Procent, nach dem Tode 1-23 Procent. 298 VAUGHAN HARLEY: der in der zuerst gesammelten Galle vorhandene Procentgehalt jener Säure —= 1, so war er in der nach der angemerkten Verschlussdauer gefangenen auf nachstehende Werthe gesunken: Nr. des Versuchs Verschlussdauer Minderung an Taurocholsäure 18 6 Tage 1:0.72 mn 20 Su, 1:0-56 „ 15 au 1:0-50 14 56 „ 1:05,67, Dagegen hat in der an zweiter Stelle gesammelten Galle der Procent- gehalt an Muein und Cholesterin gegen den in der ersten in dem folgenden Verhältniss zugenommen: Nr. des Versuchs Muein Cholesterin 15 1:2-11,6 1:20-6 20 19722155 1.213570 15 1:2.76 1:20-0 14 1:3:01 1:13-0 Um mit Hilfe der Blasengalle entscheiden zu können, ob während der Sperre die Absonderung der Taurocholsäure geschwächt gewesen sei, müsste erst das Verhältniss aufgeklärt sein, in welchem der Inhalt der Lebergänge und der Blase zu einander stehen. So lange die Galle sich ungehemmt aus der Leber entfernen kann, ist bekanntlich die in der Blase aufgespei- cherte beträchtlich dichter als die in den Gängen strömende; besteht ein solcher Unterschied fort, wenn der Ductus choledochus unterbunden ist? So lange wir nicht wissen, wodurch es überhaupt möglich ist, dass während des unversehrten Zustandes der Leber zwei miteinander mischbare Flüssig- keiten — die Blasen- und Ganggalle — sich dauernd berühren, ohne ihre Unterschiede auszugleichen, werden wir auch die obige Frage nicht zu beantworten vermögen. Darum müssen wir, um zu einer unanfechtbaren Auskunft zu gelangen, annehmen, es sei die in der Leber aufgehäufte Galle durchweg gleich zusammengesetzt, und ausserdem festsetzen, wie viel Taurocholsäure bekannten Erfahrungen gemäss täglich gebildet wird. Hunde von dem Körpergewicht der meinen liefern wohlgefüttert min- destens 2 8m Gallensäure täglich. Danach entstehen: : 3 5 RN mit einem Procent- Versuchsnummer in Tagen Taurocholsäure sie geben =“ Galle gehalt von 18 6 12m 116 gm 10.30 5 18 Sr 382 „ 9.42 20 6 125% 1132, 8.41 15 31 62 „ 1380 „ 4.68 ® 18 36 „, 470 „ 7:66 14 56 112), 1123 , 9.78 LEBER UND GALLE BEI VERSCHLOSSENEM GALLEN- UND BRUSTGANG. 299 So grosse Mengen Galle, wie sie sich aus den Annahmen berechnen, liessen sich auch nicht entfernt aus den Lebern der Hunde gewinnen. In Versuch 18 u. 5, in welchen die Galle keinen Ausweg fand, war darum die Bildung der Taurocholsäure unzweifelhaft beeinträchtigt. Gleiches kann ich für die Versuche 8, 14, 15, 20 nicht behaupten, weil die Mengen der aus der Leber ausgewanderten, zersetzt oder unzersetzt durch den Harn aus- seschiedenen Gallensäure unbekannt bleiben. Sollte alle Taurocholsäure, die in das Blut gelangt, als solche ausgeschieden werden, so würde stets weniger Taurocholsäure bei geschlossenem als bei offenem Gallengang ge- bildet werden, denn im Harn findet sich von ihr nur wenig. Noch auf eine andere Weise habe ich, und wie ich glaube erfolgreich, darzuthun versucht, dass die Bildung der Galle beeinträchtigt sei, wenn ihr Ausgangsweg unterbunden ist. — An einem Hunde von 4-7 Kilo Körper- gewicht, der eine Reihe von Tagen wesentlich mit vegetabilischer Nahrung gefüttert, dann aber 24 Stunden hindurch nüchtern geblieben war, wurde in tiefer Narkose aseptisch Blasen- und Gallengang blossgelest. Nachdem der Duct. hepaticus zugeklemmt war, wurde in den Gallengang eine Canüle gesetzt und durch sie unter sanftem Druck die Gallenblase entleert. Hierauf wurde der Blasengang abgeklemmt, der Lebergang dagegen eröffnet und 2 Stunden hindurch die abfliessende Gaile aufgefangen. Schliesslich wurde nach Entfernung der Canüle der Gallengang zugebunden und die Wunde vernäht. Als sie nach Verfluss von 4 Tagen verheilt war, wurde das Thier 4 Tage hindurch reichlich mit Fleisch gefüttert, dann abermals narkotisirt, wie vorher operirt und die Galle erst aus der Blase und dann aus dem Lebergang aufgefangen. Bei der ersten Entnahme wurden erhalten aus der Blase 6.4 ° klarer selbbrauner Galle, und im Verlauf von 2 Stunden aus dem Gang 6.2 m heller dünnflüssiger Galle. Der alkoholische Auszug enthielt in 100 Theilen Galle der Blase 12-81 festen Rückstand, wovon 8-31 Taurocholsäure, des Ganges 3-34 „ 2 1259 5 Bei der zweiten 8 Tage später ausgeführten Entnahme wurden erhalten aus der Blase 10.5 einer tief dunklen sehr schleimhaltigen Galle und aus dem Gang in Verlauf von 10 Stunden 4.4 m einer hellen Galle, ähn- lich aussehend wie die das erste Mal aufgefangene. Der alkoholische Auszug enthielt in 100 Theilen Galle der Blase 9.81 festen Rückstand, wowon 7-08 Taurocholsäure, des Ganges 3-14 „ S LEN) R Das Vermögen der Leber, Galle zu liefern, zeigt sich sonach dadurch sehr vermindert, dass ihr Ausfuhrweg 8 Tage hindurch zugebunden war. Bevor dies geschah, lieferte sie in der Stunde 3-1 °®®, nachher aber nur 300 VAUGHAN HARLEY: 0.44 °m Galle, also in der Zeiteinheit 7 bis 8 Mal weniger als zuvor. Noch etwas mehr, als die Bildung der Gesammtgalle, war in der Zeit der Wegsperre die der Taurocholsäure herabgesunken. Vor der Unterbindung sonderte die Leber in der Stunde 49 wms ab, nachdem dieselbe bestanden, nur 4.8 "ms, also 10 Mal weniger als vordem. — Um so bemerkenswerther erscheint der Abfall der Taurocholsäure, weil das Thier vor der ersten Samm- lung an Galle mit Brod, vor der zweiten aber mit Fleisch gefüttert war. Die Anhäufung des Secretes, welche die Arbeitskraft der Leberzellen schädigt, bleibt den Schleimzellen ungefährlich; dafür zeugt, dass der Inhalt der Blase um so mehr an Mucin enthält, je länger ihr Ausführungs- gang verschlossen war. Vielleicht wirkt das Muein nur darum auf den Ort seines Ursprungs nieht zurück, weil es in der Galle nur aufgequollen, ohne gelöst zu sein, enthalten ist. 3. Indem die Galle in einer Leber, deren Gänge gesperrt sind, sich stetig in allmählichem Fortschritt anhäuft, ändert sich der Bau der Gänge und Läppchen. Aeste gleicher Ordnung, welche an den Gallengängen ebenso grosser unversehrter Hunde eine Stricknadel durchlassen, werden nach dauerndem Verschluss kaum von einem Bleistift ausgefüllt. Erfolg- reich wirkten die gallenbildenden Kräfte gegen die Elastieität und Festigkeit der Wand, und letztere, wie früher erwähnt, siegreich überwunden. Eingreifender als die Blase und die Gänge wird das Innere der Läpp- chen umgefurmt. Den Grad der Veränderung sollen die Figg. 1, 2 u. 3 auf Taf. XIII verdeutlichen. Die Praeparate, welche abgezeichnet sind, stammen aus Lebern, die dem eben getödteten Thiere entnommen, zerschnitten in gelöstes chromsaures Kali kamen, dann, nachdem sie dort durchtränkt und wieder ausgesüsst waren, in Alkohol von steigender Stärke gehärtet und entwässert wurden. Die Stückchen wurden in Paraffin eingebettet und aus ihnen Schnitte gefertigt. Wenn, was zuweilen geschah, die Blutgefässe kalt mit flüssigsem Berlinerblau oder mit einem auf 50° C. erwärmten Carminleim ausgespritzt wurden, so wurde die Leber sogleich in Alkohol gehärtet. Der Versuch, die Gallencapillaren des Hundes zu injieiren, ist bekanntlich noch niemals geglückt, auch an den hier in Frage kommenden Lebern ist er, so oft er angestellt wurde, misslungen. Die Masse dringt beim Uebergang in die Läppchen stets in die Umgebung der Blutgefässe, in die sogen. perivasculären Räume. Zu den Figuren wäre zu bemerken: Fig. 1. Beide Gänge waren 17 Tage hindurch wirksam unterbunden, der Harn stets gallenfrei (siehe Versuch 5). Fig. 2. Lebte 20 Tage nach dem Verschluss beider Gänge; die ersten 11 Tage war der Harn gallenfrei (siehe Versuch 1). Fig. 3. Beide Gänge 26 Tage unterbunden. Der Harn in den ersten S Tagen gallenfrei (siehe Versuch 15). LEBER UND GALLE BEI VERSCHLOSSENEM ((ALLEN- UND BRUSTGANG. 301 Im Wesentlichen stimmen die Abweichungen, welche die hier gezeich- neten Lebern von dem Bau einer gesunden erfahren haben, überein. Der Leib der Zellen ist verkleinert, oft bis auf einen schmalen Streifen Proto- plasma, der den Kern umsäumt, geschwunden, die Kerne je zweier be- nachbarten Zellen sind dann nahe aneinandergerückt, die Räume für die Blutgefässe und Lymphwurzeln sind ausgeweitet. Der Zusammenhang der Balken sowie der Zellen, aus denen sie bestehen, ist gelockert. Oefter sind die Zellen so weit auseinander gewichen, dass die zwischen ihnen eingebetteten Gallencapillaren sich geöffnet haben. Statt Röhrchen begegnet man Spalten, die sich in die perivasculären Räume öffnen. Zwischen den Umformungen, welche die aus verschiedenen Lebern stammenden Praeparate aufzeigen, bestehen jedoch der Grösse nach bedeu- tende Unterschiede Am weitesten fortgeschritten ist die Zerklüftung der Zellen und die Ausweitung der Gefässräume in dem Praeparat 2. Nur spärlich vertreten sind die kreisförmigen Querschnitte geschlossener Gallen- capillaren. Wo sie noch bestehen, ist die Lichtung erweitert; meist hat sie sich in die grossen Zwischenräume geöffnet, welche an Stelle der peri- vasculären Röhren auftreten. Wer mit der Herkunft des Praeparates un- bekannt ist, wird ihn aus dem Bau nicht erkennen. — Am wenigsten von dem Bild einer gesunden Leber weicht das Praeparat 3 ab. Ueberall stehen die Balken im Zusammenhang, losgelöste Trümmer fehlen, öfter begegnet man auf der Grenzlinie zweier Zellen den kreisförmigen Durchschnitten der Gallencapillaren. Durch die Räume zwischen den Zellbalken ziehen feine Fasern, die sich einigemale durch ihre spindelförmigen Kerne als durchschnittene Wände der Blutgefässe zu erkennen geben. In der Mitte zwischen 2 u. 3 steht Fig. 1. Ausgezeichnet vor den der anderen Praepa- rate sind ihre Zellen durch eine körnige Beschaffenheit. Den Bau, welchen die Leber besass, bevor sich in ihr die Galle auf- staute, nimmt sie nicht wieder an, auch wenn der Galle ein neuer Abzugs- weg eröffnet ist. Hierfür zeugen die Figuren 1 u. 3. Der Harn Jer Thiere, von dem die Praeparate stammen, war S—10 Tage vor dem Tode des Thieres wieder gallenhaltig geworden. Wie die Reihe der Umformungen, die Erweiterung dsr Blasen- und Lebergänge und die Zerklüftung der Balken, der Schwund des Protoplasma’s entsteht, erklärt sich scheinbar leicht durch den Druck, der im Innern der Gallengefässe in Folge der rastenden Galle emporwächst. Fortwährend lagern sich endosmotisch wirksame Stoffe in den Gallengängen ab; da sie nicht abziehen können, so müssen sich die Wandungen, je nachdem sie widerstandsfähig sind, ausdehnen oder platzen. Der scheinbar einfachen Ausdeutung widerspricht jedoch das Verhalten des Blutstroms. Während der Gallenstauung ist er allerdings noch nicht 302 HARLEY: LEBER U. GALLE BEI VERSCHLOSS. GALLEN- U. BRUSTGÄNG. untersucht worden, indess liegt kein Grund dafür vor, an seiner Fortdauer zu zweifeln. Blutfülle des, Darms, wie sie nach dem Stillstand des Leber- stroms zu erwarten ist, fehlt vollkommen. Wie sollte nun gegen den starken Druck, der den Lebergang und die Gallenblase ausweitet, der schwache aufkommen, unter welchem das Portalblut fliesst? Hier bedarf es noch weiterer Aufklärung. Da in die Leber ausser Galle auch Glykogen, Jecorin und wohl noch manches andere abgelagert wird, so bleibt es überhaupt ungewiss, welcher chemische Vorgang den Leberbau umformt. 4. Durch den gleichzeitigen Verschluss von Gallen- und Brustgang lässt sich beweisen, dass es gelingt, dem Inhalt des Ductus tho- racicus 17 Tage hindurch den Uebertritt in das Blut zu ver- wehren, ohne die geringste Störung im Wohlbefinden des Thieres. Hierfür bürgt Versuch 5, in welchem der Harn 17 Tage hindurch gallenfre; blieb. Da der linke Brustgang aus dem weitaus grössten Theil des Körpers die Lymphe sammelt, so durfte man ausgedehnte Anhäufungen derselben bei der Zergliederung eines Thieres erwarten, dessen Brustgang bis zum Tode verschlossen geblieben war. Indem man sich des Befundes an den Leichen der Hunde erinnerte, die nach Verschluss des Brustgangs: mit fettem Fleisch gefüttert waren, setzte man voraus, dass die Cysterna weit ausgedehnt sei, dass sich unter dem Peritonaeum Flüssigkeit angesammelt habe, das Bindegewebe der Gliedmaassen oedematös geschwellt sei u. s. w. Statt dessen traf man nur in den Lymphgefässen selbst die Anzeichen der Stauung. Die Lymphdrüsen, namentlich die grosse Hals- und Schulterblatt- drüse, waren stark gefüllt, der Brustgang ausgedehnt, so dass er ohne weitere Praeparation sichtbar war. Von Oedemen und Ereüssen fand sich nirgends eine Andeutung. In Anbetracht der Lymphmengen, welche man so oft in nur wenigen Stunden aus dem geöffneten Brusteang abfliessen sieht, erschien die in den Gefässen aufgespeicherte sehr gering, sodass man vor der Wahl stand anzunehmen, entweder die Lymphe entstehe während des Genusses von fettfreiem Futter nur spärlich, oder ihre Bildung werde bei gesperrtem Ab- fluss beschränkt, oder endlich, sie könne auch noch auf anderem Wege als durch den Brusteang in das Blut zurückkehren. Da es ausser meinem Plane lag, den hier gestellten Aufgaben nachzugehen, so muss ich ihre Lösung Anderen überlassen. Der sichtbare Puls der Netzhautgefässe. Von Dr. Claude du Bois-Reymond, Privatdocenten in der med. Facultät, ! Auf den Wandungen der Netzhautgefässe ruht von aussen der Flüssig- keitsdruck des Augeninnern und verstärkt die elastischen und Muskelkräfte der Gefässröhren selbst. Beide halten dem Innendruck des Blutes das Gleichgewicht. Da die Lichtweite der Hauptarterie nur klein ist, dringt die Pulswelle nur schwach hinein. Die geringe Drucksteigerung des Pulses vermag das stark gespannte Rohr nur um sehr wenig zu erweitern. Daher ist im Normalzustande gar kein oder nur ein sehr unbedeutendes Pulsiren der Arterie mit dem Augenspiegel sichtbar. Zuweilen sieht man dagegen im Auge deutlichen Venenpuls, und zwar an der Stelle, wo die Hauptvene das Auge verlässt, in der Mitte des Sehnerven. Hier liegt nämlich nicht selten ein Stück des platten bandförmigen Venenstammes am Rande der Sehnervenaushöhlung gegen den Glaskörper frei; und diese kleine Fläche zeigt ein deutliches An- und Abschwellen synchron mit dem Kopfpuls, dem Radialpuls kurz voreilend. Die kleine Zunahme der Blutfüllung, die der Puls hervorbringt, steigert nämlich stossweise den Druck in der ganzen geschlossenen Augenkapsel. Diese Druckerhöhung theilt sich der ganzen Oberfläche des Glaskörpers mit, findet aber überall festeren Widerstand als an der beschriebenen Stelle der Venenwand. Denn hier begegnet ihm der schwächste Druck des Venenblutes, der aus der V. ophthalmica her zurück- wirkt. Diese Stelle liegt eben unmittelbar an einer Ausflussöffnung, wo das Gebiet des Augendruckes endet und an das des niedrigeren Venen- druckes angrenzt. Darum bildet sie, wenn sie sichtbar freiliegt, einen höchst empfindlichen Zeiger, gleichsam ein Manometer, wo sich die Summe ! Aus Gad’s Real-Lexikon der medieinischen Propädeutik, 7. u. 8. Lief. 1893. Artikel: Augenpuls. 304 Cu. pu Boıs-REYMOND: DER SICHTBARE PULS DER NETZHAUTGEFÄSSE. - der sehr kleinen Inhaltsvermehrung und -Verminderung dem Beobachter auffällig darstellt. Das Anschwellen der Arterien bewirkt natürlich ein Ein- sinken der Venenwand und umgekehrt, so dass sich der Puls negativ zeigt. Das Ueberraschende der Erscheinung liegt aber darin, dass man den Arterienpuls, der sie hervorbringt, nicht sieht, weil er auf das ganze Netz der Arterie vertheilt und dadurch unmerklich klein ist. Das Bild verändert sich, wenn der Augendruck erhöht ist, und der Augenpuls wird viel aus- gedehnter. Wenn man z. B. während der Spiegeluntersuchung leicht mit dem Finger auf den Augapfel drückt, steigt der Glaskörperdruck und es kann weniger Blut in das Auge eintreten. Die Arterien werden enger, ihre Wand minder gespannt und damit beweglicher. Nun kann der Puls sie ausgiebiger in Bewegung setzen und an allen grösseren Arterienästen schwach sichtbar werden. Aber in den Venen reicht alsdann Blutmenge und -Druck nicht mehr aus, um überhaupt das ganze Netz zu füllen. Einzelne Zweige pulsiren in grosser Ausdehnung, andere führen stossweise bei jedem Absinken des Pulsdruckes noch eine Blutsäule aus dem Auge und erblassen dazwischen, noch andere bleiben dauernd leer. Das Bild entspricht somit einer Ausdehnung der oben beschriebenen Pulserscheinung auf das ganze stärkere Gefässnetz. Steigert man den Druck noch mehr, was jedoch nicht ungefährlich ist, so werden die Arterien fadenförmig und alle Venen leer. Sobald man mit dem Druck wieder nachlässt, tritt an- fangs eine Ueberfüllung der Gefässe auf, zum Beweis, dass der Augeninhalt während der Drucksteigerung durch vermehrte Aufsaugung von Flüssigkeit etwas verkleinert worden ist, so dass jetzt eine Druckherabsetzung besteht. Ueber Beziehungen der Thätigkeit willkürlicher Muskeln zur Frequenz und Energie des Herzschlags und über Öurarewirkung. Von S.-R. Dr. J. Jacob, in Cudova. (Aus dem physiologischen Institut der Berliner Universität.) Dass bei starker Arbeit der willkürlichen Muskeln der arterielle Puls für den Finger fühlbarer wird, ist eine den Aerzten seit lange bekannte Erscheinung, und dass das Herz zugleich stärker an die Brustwand schlägt, ist sogar eine den Laien geläufige Wahrnehmung. Denn starker Puls und Herzschlag werden subjectiv hörbar und fühlbar; und die Erscheinung ist wohl seit der Kenntniss des Blutkreislaufs als auf Vermehrung der Herz- arbeit beruhend und mit Beschleunigung des Blutlaufs einhergehend auf- gefasst worden. Dass hierbei der arterielle Blutdruck steigt, ist für den Menschen zu- erst mit dem von Basch construirten Manometer von Oertel, Kisch, Schott und dem Verfasser nachgewiesen worden. Oertel hat dann ge- zeigt, dass die Pulswelle erhöht und der Durchmesser der Arterie vergrössert ist und Verfasser hat gleichzeitig den Blutdruck und die maximale Puls- welle beobachtet, jenen auf’s Doppelte und diese auf das drei bis zehnfache erhöht gefunden und so den Einwand ausgeschlossen, dass die beobachtete Vergrösserung der pulsatorischen Druckschwankung gerade in die Phase einer Gefässentspannung, d. h. gesunkenen Drucks gefallen wäre. Ist die gesteigerte Herzthätigkeit nur die Folge erhöhter Spannung der Vasomotoren, oder sind es Stoffwechselproducte des Muskels, welche, nachdem sie in das circulirende Blut übergegangen sind, auf das Herz, sei es direet, sei es durch Vermittelung seiner Nerven einwirken, oder handelt Archiv f, A.u. Ph. 1893. Physiol. Abthlg. 20 306 J. Jacop: es sich vielleicht auch um eine reflectorische Beeinflussung des Herzens durch Vermittelung centripetaler, bei der Contraction der Körpermuskeln gereizter Nerven? Das sind die Fragen welche mir vorschwebten und die ich im physiologischen Institut der Berliner Universität durch Thierversuche zu beantworten suchte. Die Resultate einer Arbeit von Asp,! welche mir im Verlaufe meiner Untersuchungen bekannt wurden, konnten mich von Verfolgung der Fragen nicht zurückhalten. Er hatte bei Gelegerheit refleetorischer Erregung des N. splanchnieus durch Reizung sensibler Nerven gesteigerten Blutdruck und bei Reizung des Ischiadicus oder einzelner Muskelnerven bald Ver- minderung der Pulsfrequenz, bald Vermehrung derselben gefunden. Es blieb bei diesen Experimenten das Resultat dem Zufall überlassen und un- entschieden ob die Vermehrung der Pulsfrequenz einer Vermittelung durch gesteigerten Blutdruck oder einem Reflex auf das Herz oder auch Stoff- wechselproducten ihre Entstehung verdankt und warum die scheinbar gleiche Reizung bei wiederholter Beobachtung zu entgegengesetzten Resultaten führte. Er selbst stellt es nur als teleologische Wahrscheinlichkeit hin, dass die Vermehrung der Pulsfrequenz, welche er zuweilen erzielte, den sensiblen Muskelnerven zu verdanken sei, welche in reflectorischer Beziehung zum Herzen stehen möchten, erkennt aber selbst die Inconstanz seiner Resultate und die Nothwendigkeit einer erneuten Prüfung der Frage an. Der gegen- wärtige Standpunkt der physiologischen Forschung kann sich auch trotz Darwin, der den verachteten teleologischen Standpunkt wieder zu Ehren brachte, mit teleologischen Wahrscheinlichkeiten nicht genügen lassen. Asp hat mit und ohne Curarevergiftung operirt. Wenn er Vermehrung der Pulsfrepuenz am unvergifteten Thiere durch die nach meiner Beobachtung höchst schmerzhafte Reizung centraler Enden von durchschnittenen Muskel- nerven erreicht hat, so sind dagegen mehrere Einwendungen zu machen. Vor Allem ist die vermehrte Athmung, welche der Schmerz hervorruft, als eine Fehlerquelle zu betrachten, welche an sich Vermehrung der Puls- frequenz bewirkt. Aber auch willkürliche oder reflectorische Muskelarbeit anderer Art ist dabei selbstverständlich nicht ausgeschlossen und also die Entstehung der gesteigerten Pulsfrequenz aus verschiedenen Gründen, wie sentraler Erregung des Herzens, Stoffwechselvermehrung und Blutdruck- steigerung möglich. Wenn er auch einige Mal unter Anwendung von Curare Steigerung der Pulsfrepuenz ohne gleichzeitige Dr..cksteigerung als Folge der Reizung sen- ! Asp, Beobachtungen über Gefässnerven. Berichte der k. sächs. Gesellschaft der Wissenschaften. Mathem.-physikal. Classe. 1867. S. 135—189. ÜBER BEZIEHUNGEN DER THÄTIGKEIT WILLKÜRLICHER MUSKELN U. Ss. w. 307 sibler Muskelnerven beobachtete, so steht dem doch der Widerspruch gegen- über, dass er noch öfter auf dem scheinbar gleichen Wege — wenigstens kann er keine veränderte Anordnung des Versuchs als Grund zur Er- klärung des verschiedenen Resultats anführen — Verminderung der Puls- frequenz erlebte. Auf Grund meiner nachfolgenden Versuchsresultate kann ich nur zur Erklärung der widersprechenden Thatsachen der Asp’schen Versuche an- nehmen, dass er unter verschiedenen Graden der Curarisirung bezw. ver- schiedenen Phasen, z. B. anfangender, höchstgestiegener oder schwindender Curarewirkung, diese verschiedenen Ergebnisse hatte. Bei schwacher Oura- risirung, welche die motorischen Nerven nicht völlig lähmte, die Reflexe aber oft erhöhte, habe auch ich unter reflectorischen Muskelcontractionen Vermehrung der Pulsfrequenz, allerdings stets unter Drucksteigerung, durch Reizung sensibler Muskelnerven erhalten. Wenn die Mitwirkung der Muskeln ausgeschlossen war, erhielt ich durch die von Asp angewendeten Arten der Reizung stets nur Drucksteigerung und Verminderung der Puls- frequenz. Dass Asp unter Curareanwendung keine Drucksteigerung hatte, beweist an sich, dass seine Dosis völlig ungenügend war, um Muskelreflexe und auch die spontane Athmung auszuschliessen. Denn ich habe auch unter kleinen Dosen Curare stets Drucksteigerung von wirksamen heizen sensi- bler Muskelnerven erhalten, und das ist natürlich, weil Curare die Reizbar- keit der Vasomotoren ungemein erhöht. Es ist somit auch Betheiligung des Stoffwechsels der Muskeln in Asp’s zufällig glücklichen Versuchen nicht ausgeschlossen. Die Asp’schen Versuche betrafen überdies nur einen Theil des für den Haushalt des Organismus so wichtigen Phaenomens, welches die Muskel- arbeit begleitet. Sie machten nur auf eine der Möglichkeiten der Ent- stehung eines rascheren Herzschlages aufmerksam. Sie befassten sich gar- nicht mit der Frage, ob mit der Vermehrung der Herzfrequenz auch eine vermehrte Arbeit des Herzens hergestellt werde Das ist aber der Angel- punkt, um den sich die Bedeutung der Schlagfolge des Herzens überhaupt bewegt. Denn eine grössere Anzahl von kleineren Herzschlägen, wie das bei erheblicher Drucksteigerung ohne andere gleichzeitige Einflüsse die Regel ist, kann sowohl nur eine andere Vertheilung der vielleicht ganz gleichen Herzarbeit als auch eine Verminderung der Herzarbeit bedeuten. Ueber die Grösse der Herzpulse aber erfahren wir von Asp durchaus nichts, wie das auch nicht beabsichtigt war. Es blieb also die ganze Aufgabe bestehen. Es war einmal das Ex- periment herzustellen, welches bei Reizung sensibler Muskelnerven stets Vermehrung der Herzfrequenz und nichts entgegengesetztes ergiebt, eine Auf- 20* 308 J. JACOB: gabe, welche Asp zu lösen nicht gelungen war; zum anderenmale mussten alle Einwürfe vom Experiment ferngehalten werden, d. h. die Bedingungen derartig hergestellt werden, dass nur Eine Entstehungsursache dem Resul- tat zu Grunde lag. Ich versuchte zunächst am aufgebundenen Kaninchen vom Willen des Thieres unabhängige Muskelarbeit zu erzeugen und ihren Einfluss auf den Blutdruck zu controliren. Ich maass den Druck mit dem Pulswellen- schreiber von J. Gad in der Carotis, und um Muskelarbeit zu erzeugen, reizte ich faradisch den Plexus lumbalis, welcher unpraeparirt in seiner natürlichen Lage und Beschaffenheit verblieb. Es wurde je eine Nadel als Elektrode eines du Bois-Reymond’schen Schlitteninductoriums jederseits aussen vom Hüftbein unter die Haut eingestochen und so der faradische Strom theils mit gehrhythmusähnlichen Unterbrechungen, theils ununter- brochen quer durch den Plexus geleitet. Es traten dadurch die Hinterextremitäten in wiederholten kurzen oder anhaltenden Strecktetanus. Die Thiere äusserten keinen Schmerz und sträubten sich nur selten, wie das auch sonst jedes aufgebundene Kaninchen zuweilen thut. Die durch elektrischen Reiz erzeugte Muskelarbeit war von Vermehrung der Pulsfreguenz begleitet und gefolgt. Schwache Muskel- arbeit ging öfter mit als ohne Drucksteigerung einher, starke Muskelarbeit war auch einige Zeit von Drucksteigerung gefolet. Die Vermehrung der Pulsfrequenz, welche die Muskelarbeit begleitete und ihr nachfolgte, war also nicht selten unabhängig von einer Drucksteigerung entstanden. Nur insofern sie der Drucksteigerung nachfolgte, blieben Zweifel bestehen, ob sie nicht eine Folge der Drucksteigerung wäre. Es wurde desshalb an einigen nicht curarisirten Thieren die Aorta unterhalb des Abganges der Nierengefässe comprimirt und hierbei der Blutdruck verzeichnet. Die Drucksteigerung trat gleichzeitig mit der Com- pression ein und erhielt sich während der Dauer der Compression auf gleicher Höhe, die Pulsfreguenz wurde innerhalb der ersten 10 Sec. um 10 Procent gesteigert, wuchs dann noch allmählich an, bis die Steigerung etwa 25 Procent betrug, minderte sich während fortdauernder Compression wieder und fiel unmittelbar nach Aufhebung der Oompression zur Norm ab oder auch etwas darunter. Die Amplitude der Pulswelle war während der Compression stets verkleinert. Johansson,! dessen Drucksteigerungen übrigens reflectorisch durch Nervenreizung und nicht so plötzlich, sondern anschwellend entstanden ' Die Reizung der Vasomotoren nach der Lähmung der Herznerven. Von Dr. J. E. Johansson. Dies Archiv. 1891. 8. 103. — War zur Zeit meiner Ver- suche noch nicht erschienen. ÜBER BEZIEHUNGEN DER THÄTIGKEIT WILLKÜRLICHER MUSKELN U. S. w. 309 — unter Curare und nach Abtrennung der Herznerven — hat eine Latenz von 15 Sec. für die Vermehrung der Pulsfrequenz sonst das gleiche Er- gebniss erhalten. Es eing aus meinen Versuchen mit Aortencompression die Bedeutung der Drucksteigerung für die Pulsfrequenz hervor und zugleich für die der Mnskelarbeit und Drucksteigerung nachfolgende Periode der vermehrten: Pulsfreguenz das wichtige Ergebniss, dass sie keine Nachwirkung der Druck- steigerung, sondern die Folge eines anderen Reizes sein musste. Wenn es jetzt gelang unter Curarelähmung, d. h. einer solchen Wirkung des Curare, welche jede spontane oder auf elektrischem Wege sonst zu er- zielende Zuckung verhinderte, nach dem Abklingen der Drucksteigerung eine Vermehrung der Pulsfreguenz durch elektrische Reizung des Plexus lumbalis zu erzeugen, so waren sowohl die Drucksteigerung als auch die Stoffwechselproducte als Ursache des veränderten Herzrhythmus ausgeschlossen, es blieb nur noch eine Erregung der sensiblen Muskelnerven, welche sich refleetorisch auf’s Herz übertragen haben musste, übrig. In Nachstehendem beabsichtige ich eine Darstellung der von mir an- gestellten Thierversuche mit ihren speciellen Resultaten zu geben. Ich beginne mit den Vorversuchen, welche angestellt wurden, um die - von Muskelarbeit bewirkten Erscheinungen der Bluteirculation kennen zu lernen und die am Menschen angestellten Beobachtungen dadurch zu controliren. Dann gehe ich zu denjenigen Versuchen über, welche aus der Summe der verschiedenen möglichen Ursachen die einzelnen herausgreifen und auf ihre Bedeutung prüfen. Ein outer Theil der Versuche musste eingeschoben werden, um die Ursachen der das Resultat des Experiments aufhebenden Nebenwirkungen des Curare zu ermitteln und die Wege zu finden, auf denen das am Menschen und Thier ermittelte, durch Curare vernichtete und in’s Gegentheil verkehrte Resultat des Versuchs wiederherzustellen sei. Zu den über den Versuchs-Tabellen stehenden Köpfen will ich nur bemerken, dass ND = Niederdruck, der zwischen zwei Pulsen bestehende oder niedrigste Druck des Blutes ist. HD = Hochdruck, bezw. höchster Druck ist selbstverständlich. PD = Amplitude der pulsatorischen Blut- druckschwankung, dafür kurz „Pulsdruck“. BD = Blutdruck. Die Druck- angaben verstehen sich in Millimetern Quecksilber. Pfr. = Pulsfrequenz. Sec. = Secunden; wenn diese Rubrik fehlt neben der Pfr., so sind 10 Sec. als Zeiteinheit selbstverständlich.. * am Kopfe einer Pulszahl bedeutet Beginn einer Reizung, — unter der Pulszahl das Ende der Reizung. Die- selbe wird bewirkt durch den secundären Strom eines mit einem Daniell-Element arbeitenden Schlitteninductoriums.. Die dem Worte elektrische Reizung oder dBR nachfolgende Zahl 0, 1, 10 u. s. w. bedeutet die Entfernung der secundären Spirale in Centimetern von der primären des Inductoriums. 310 J. JACOB: Erläuterung zu Versuch I. Streichen des Pelzes oder Kneifen eines Ohres bewirkt Drucksteigerung um 15—30 Procent, Verminderung der Pulsfregquenz um 5—-10 Procent. Obwohl diese Reizungen bei durchschnittenen Vagusnerven nieht wiederholt sind,. so können wir die Verminderung der Pulsfrequenz doch als Foige refleectorischer Vaguserregung ansehen, welche mir am nichteurarisirten Thier noch nicht constatirt zu sein scheint. Die viel stärkere elektrische Reizung einer grossen Zahl von Haut-.und Muskelnerven bewirkt eine nicht entsprechend grössere Steigerung des Blut- drucks von nur 30—40 Procent und statt der Verminderung eine Vermeh- rung der Pulsfreguenz um 6—14 Procent, welche den Reiz bei gleichzeitig; normalem Blutdruck lange überdauert. Der PD ist bei erhöhtem oder nor- malen Druck um 50—100 Procent gesteigert, d. h. die Herzsystole ver- grössert. Zu Versuch I. Hier ist stets der niederste (ND) Druck und höchste (HD) und daraus der (PD) Pulsdruck ermittelt. Der Niederdruck ist der Ausdruck der vaso- motorischen Spannung der Gefässwand. Schwache elektrische Reize erhöhen den ND um 10 Procent, starke bis 60 Procent. Die Pulsfrequenz wird um 6—16 Procent vermehrt und zwar lange über die Zeit des Reizes hinaus, während der ND gar nicht gesteigert oder sogar gesunken ist. Es tritt wie im vorigem Versuch mit der Zahl der Reizungen ein fortschreitendes Anwachsen der Pulsfrequenz ein, weil zur Zeit des nächsten Reizes die Wirkung des vorhergehenden noch nicht abgeklungen ist. Erst eine Blutung, bezw. die zur Stillung der Blutung und Eröffnung der anderen Carotis erforderliche Zeit und der dadurch be- wirkte Ausfall der Reizungen, bewirkt Herabsetzung der Pulsfrequenz auf das anfängliche Maass und darunter. Massage der Oberschenkel, d. h. ein periodisches kurzdauerndes rasch wiederholtes Zusammendrücken, bewirkt wachsende Drucksteigerung und eine geringe Steigerung der Pulsfrequenz. Ein tiefer Druck des Daumens in die Bauchwand, welcher die Vorder- und Rückwand der Bauchhöhle, also hauptsächlich das Peritonealblatt, bezw. Ver- zweigungen des Splanchnieus trifft, bewirkt ebenfalls Drucksteigerung, aber deutliche Verminderung der Pulsfrequenz. Der PD, der im Allgemeinen wie dieser Versuch und jeder folgende demonstrirt, bei starken Druckschwankun- gen meist im umgekehrten Verhältniss steht zum Wachsen und Fallen des ND, zeigt während und nach den Reizungen bei gleichbleibendem und als Ausnahme von der Regel gar nicht selten bei gestiegenem ND eine Er- höhung um 14—38 Procent, d. h. eine Vergrösserung der Herzsystole, welche trotz der behindernden Steigerung des BD zu Stande kommt und als Folge reflectorischer Erregung des Accelerans anzusehen ist. Zu Versuch II. Nach der Curarisirung des Thieres vorgenommene elektrische Reizungen zeigen eine Verminderung der Pulsfrequenz neben Steigerung des Blutdrucks. Das Curare verkehrt also die am nicht eurarisirten Thier beobachtete Ver- ÜBER BEZIEHUNGEN DER THÄTIGKEIT WILLKÜRLICHER MUSKELN U. Ss. w. 811 mehrung der Pulsfrequenz in’s Gegentheil. Nur gegen das Ende der dritt- letzten Reizung ist die Pulsfrequenz nicht mehr vermindert und es zeigt sich vielmehr erst nach Beendigung derselben eine starke Verminderung der Pulsfrequenz, eine Erscheinung, welche, wie wir später sehen werden, darauf beruht, dass die vom Curare bedingte und von dem faradischen Strom er- zeugte Vaguserregung während der Reizung von einer Erregung des Acce- lerans übercompensirt wurde. + Zu Versuch IV. Derselbe bestätigt, dass der Plexusreiz die Pulsfrequenz beschleunigt. Schwache Curarisirung, welche den Tetanus nicht verhindert, hebt die Steigerung der Pulsfrequenz nicht auf, sondern schwächt sie nur. Als die Curarewirkung zur vollen Geltung kommt bei der letzten Reizung, bewirkt der Reiz Verminderung der Pulsfrequenz, sein Einfluss ist also durch Curare in’s Gegentheil verkehrt. Zu Versuch V. Schwacher Reiz des Plexus lumbalis macht Steigerung der Pulsfrequenz ohne Druckerhöhung oder mit Druckerniedrigung, welche letztere zu Anfang und nach Beendigung des Reizes. eintritt. Starke Reizung bewirkt Ver- mehrung der Pulsfreguenz mit Drucksteigerung. Nach gehöriger Curarisirung macht die Plexus-Reizung keinen Tetanus der zugehörigen Muskeln. Der Strom ist so stark wie in keinem früheren Versuch unter gleichen Bedingungen. Es tritt nun unter starker Druck- steigerung die unter sonst gleichen Umständen vermisste Vermehrung der Pulsfrequenz (10 Procent) ein, welche nach dem Reiz lange fortbesteht und nur kurze Zeit von Verminderung oder Gleichbleiben der Pulsfrequenz unterbrochen wird. Vor der letzten Reizung sind die Vagi durchschnitten. Die Vermehrung der Pulsfrequenz, welche dieselbe ist, wird in der dem Reiz nachfolgenden Periode von keiner Verlangsamung unterbrochen, Beweis dafür, dass das Curare die Erregbarkeit des Vagus erhöht und die Wirkung der Reize auf den Accelerans latent macht. Zugleich sehen wir, dass starke Reize den Widerstand des Vagus bei der Curarevergiftung zu übercompensiren ge- eignet sind. Der Gedanke, welchen Versuch IV anregt, dass der Ausfall des Tetanus die Reizungen wirkungslos mache, wird dadurch hinfällig. Ausserdem hat auch in Versuch III direeter Muskelreiz, welcher einen mässigen Tetanus er- zeugte, dieser Annahme keine Stütze geboten. Es ist auch wohl ausgeschlossen, dass das Acceleranscentrum durch Curare geschwächt ist, da die Vaguserregung zur Erklärung genügt. Versuch VI und VM. Die Reizung des blossgelegten N. ischiadieus ist schmerzhaft. Das Thier schreit manchmal bei Beginn der Reizung und es folgen dem Schreien einige Zeit respiratorische Druckschwankungen, keine Druckerhöhung, viel- 312 J. JAcoB: mehr nachträglich Drucksenkungen, was wohl der doppelten Chloraldosis zuzuschreiben ist. Da gesteigerte Frequenz oder Intensität der Athmung eine der Ursachen gesteigerter Pulsfrequenz ist, so beweisen die Versuche nicht sicher, was sie sollen. Nach der Curarevergiftung bewirkt Ischiadieus- Reizung Verminderung der Pulsfrequenz; erst als die Curarelähmung soweit vergeht, dass Reizung der Muskeln des einen Beins Zuckungen desselben und solche reflectorisch des anderen Beins auslöst, tritt wieder Steigerung der Pulsfrequenz von 30 Procent durch den Reiz ein. Wille und Athmung sind dabei ausgeschlossen und der Versuch beweist wenigstens, dass unwillkür- liche Muskelarbeit die Pulsfrequenz steigert, der Wille also für dieses Phae- nomen nicht erforderlich ist. Nach nochmaliger Curaregabe tritt durch Reizung abwechselnde Ver- mehrung und Verminderung der Pulsfrequenz und zweimal relative Ver- mehrung ein, insofern vor Schluss der Reizung die Pulsfrequenz nicht ge- fallen ist, unmittelbar nachher Verminderung der Pulsfrequenz bezw. Vagus- erregung zum Vorschein kommt, welche also während des Reizes noch stärker vorhanden, aber compensirt gewesen sein muss. Zur Öurarewirkung: Versuch VII, IX, X sind am curarisirten Thier vorgenommen, Saphenus, ein reiner Hautnerv, und Cruralis, ein reiner Muskelnerv, isolirt, unterbunden und nach Durch- schneidung central gereizt. Sie sollen feststellen, ob Haut- und Muskel- nerven eine entgegengesetzte Wirkung auf die Steuernerven des Herzens ausüben. Ferner wird an den Versuchen die Wirkung des Curare genauer studirt, deshalb zuerst künstliche Respiration bis zur Apnoe eingeleitet, damit nicht ein Theil der Curarewirkung auf unvollkommene Athmung bezw. Erstickung kommen kann. Danach wird subeutan Curare beigebracht und dann die Wirkung auf Pulsfreguenz und BD so lange beobachtet ohne Anwendung von Reizen, bis Pulsfrequenz und BD eine gewisse normale Gleichheit auf- weisen, d. h. nicht mehr schwanken. Es soll durch die Beobachtung der Curare-Wirkung klargestellt werden, worin die von ihr in die Experimente gebrachte Störung beruht und wodurch sie überwunden werden kann. Nach 15— 30 Minuten tritt die stärkste Wirkung ein, nach ferneren 30-60 Mi- nuten sind BD und Pulsfrequenz wieder normal. In dieser stürmischen Periode von 30—60 Minuten sieht man grosse Schwankungen des BD und zwar noch mehr des ND als des HD. Inner- halb 10 Secunden wechselt der ND mehrmals seine Höhe, während der HD durch entgegengesetztes Wachsen und Fallen des PD derselbe bleibt. In Zeiten von 10 Secunden und länger wechselt auch der HD unter Gleich- bleiben der Pulswelle oder seltener Wechsel der Grösse derselben. Stets ist der BD erhöht. Die Grösse «der Pulswelle steht im umgekehrten Ver- hältniss zum BD und zur Pulsfrequenz; jedoch giebt es auch sehr hohe Pulswellen bei hohem BD und einer Frequenz, welche nicht geringer ist als zu anderen Zeiten, wo geringerer BD mit kleinen Pulswellen auftritt. Es wechselt also auch die Intensität der Herzeontraction unabhängig vom BD. Die Pulsfrequenz wird zuerst wesentlich vermindert, bei einem Thier um 70 Procent, bei einem anderen um 30 Procent. Trotz der Verminderung ÜBER BEZIEHUNGEN DER THÄTIGKEIT WILLKÜRLICHER MUSKELN U. S.w. 318 findet sich innerhalb dieser Zeit ein jäher Wechsel der Frequenz von De- eunde zu Secunde, so dass 1 Secunde 1 Pulswelle und die nächste 4 ent- halten kann. Die Pulsfrequenz kehrt etwas früher zur Norm zurück als der BD und die Unregelmässigkeit der Pulsfrequenz innerhalb weniger Secunden verschwindet noch früher als diejenige in grösseren Zeiträumen. Sie steht in keinem Zusammenhang mit dem D, hoher BD ist bald mit Vermehrung, bald mit Verminderung gleichzeitig, Das Curare wirkt daher entweder durch die Nerven des Herzens oder direct auf das Herz verlangsamend und vor- übergehender beschleunigend. Reizung sensibler Nerven ergiebt stets Drucksteigerung, welche viel bedeutender ist als am unvergifteten Thier, wie aus früheren Beispielen zu ersehen, in denen gleiche Reize oft gar keine Drucksteigerung oder eine geringere bewirkten. Die Reizbarkeit der Vasomotoren wird also durch Curare bedeutend erhöht. Die Reizungen ergeben meist Verminderung der Pulsfrequenz. Nur 'einigemal begleitet in Versuch X die Cruralisreizung eine relative Vermeh- rung der Pulsfrequenz, d. h. es tritt unmittelbar nach der Reizung eine starke Verminderung der Pulsfrequenz bezw. eine Vaguserregung zu Tage, welche in erhöhtem Maasse während der Reizung bestanden haben und darum durch einen accelerirenden Einfluss compensirt gewesen sein muss. Vorläufig bestätigt sich also die Annahme, dass erregte Hautnerven nur den Vagus m ee Muskelnerven den Accelerans in Thätigkeit versetzen. In Versuch IX ist die Cruralisreizung im Stadium höchster durch Cu- rare bewirkter Verminderung der Pulsfrequenz angestellt. Hier ist absolute Vermehrung der Pulsfrequenz vorhanden zu Anfang der Reizung und nach- her Verminderung. Die Drucksteigerung ist bei der Vermehrung wie der Verminderung der Pulsfrequenz meist gleich hoch. Durchschneidung der Vagi hebt sofort die Pulsfrequenz auf die Norm und darüber, vernichtet sowohl die durch Curare als auch durch Faradi- “sation gesetzte Vaguserregung. Es wird demnach das Vaguscentrum durch Curare erregt und seine Reizbarkeit stark erhöht. Reizungen des Cruralis wie Saphenus von gleicher Stärke ergeben nach der Durchsehneidung der Vagi keine Vermehrung der Pulsfrequenz, muth- maasslich, weil die Pulsfrequenz wieder bis zur normalen angestiegen ist und weil ein gleichsinniger Reiz auf eine höher stehende Function erfahrungs- gemäss schwächer wirkt als auf eine niedriger eingestellte. Vielleicht ist doch such das Centrum des Accelerans durch Curare geschwächt. In Ver- such X tritt sogar nach der Durchschneidung der Vagi bei der Reizung besonders des Cruralis erhebliche Verminderung der Pulsfrequenz ein, eine paradoxe Wirkung, welche entweder als Ermüdung der automatischen Herz- thätigkeit gedeutet werden oder darauf beruhen kann, dass unterhalb des Halsvagus noch Vagusfasern zum Herzen treten. Bemerkenswerth ist auch, dass während und nach Reizungen bei er- 'höhtem oder meist unverändertem vasomotorischen Druck und unverminder- ter Pulsfrequenz häufig z. B. in Versuch X Erhöhung des PD sich vorfindet, was man als Vergrösserung der Herzsystole ansehen muss in Folge erhöhten refleetorischen Impulses oder vermehrter Füllung des Herzens durch den 314 J. JAcoB: bestehenden oder vorangegangenen erhöhten Blutdruck. Saphenus und Cruralis haben hierin gleiche Wirkung. Zur Curarewirkung ist noch zu bemerken, dass im ersten Stadium zeit- weise Schüttelkrämpfe auftreten, welche wegen völliger Lähmung des Willens nieht mit Sträuben zu verwechseln sind. Bei schwachen Curaredosen, welche dennoch die willkürliche Bewegung aufheben, oder, was mit schwacher Dosis gleichbedeutend ist, beim Nach- lassen der Curarewirkung sind einige Male reflectorische Muskelzuckungen des nicht gereizten Beins verzeichnet, welche am unvergifteten Thier als Folge des gleichen Reizes nicht vorkommen. Es erhöht demnach das Curare auch die Reflexerregbarkeit so lange, als die Erregbarkeit der motorischen Nerven nicht ganz erloschen ist. Die durch Curare bewirkte Vagusreizung, die zeitweise Erregung der Vasomotoren, die Schüttelkrämpfe, die erhöhte refleetorische Erregbarkeit des Vagus und der Vasomotoren und die Reflexkrämpfe haben ihren Sitz in den zugehörigen Centralorganen, ihre Ursache in der Umstimmung der Centralorgane durch das Curare. Wenn auch nach Asp Drucksteigerung durch Erregung des N. splan- chnieus nach Abtrennung aller Verbindungen der Bauchnerven mit dem Rückenmark, dennoch auf räthselhafte Weise die Pulsfolge verlangsamt, nach ©. Ludwig eine rasch sich entwickelnde Drucksteigerung dieselbe beschleunigt, so ist doch bei Drucksteigerungen, welche bisher die schein- baren Vaguserregungen stets begleiteten, die Durchschneidung der Vagi beweisend für die directe wie reflectorische Erregung des Vaguscentrums, wenn, wie es wiederholt sich zeigte, bei unverändertem BD nach der Durch- schneidung der Vagi die Verlangsamung der Pulsfolge ausfiel. Indess wird in späteren Versuchen auch nach Beseitigung jeder Drucksteigerung die Durchtrennung der Vagi den Wegfall sowohl der durch Curare bewirkten direeten als auch der durch Reizungen herbeigeführten refleetorischen Er- regungen des Vaguscentrums demonstriren. Durchschneidung des Splanchniei wird dann auch den centralen Ursprung der durch Curare wie durch refleetorische Reizung bewirkten Erregung des vasomotorischen Centrums darthun. Gruppe‘1. Versuch I. | | ei 8 | 2 ND HD | PD Bemerkungen „@ ND HD PD Bemerkungen us | us | | 40 | a Isa | ‚ Respiratorische | 45 | 84) | 96) | 12 | Druckschwank. | 45 | 72\ | 84 41 | Chloral 0-16 ı34J 96) | 12 42 44 41 | 43-5 | | 42 | 4 | | | 43-5 43 45 „ 5 > 42-5 | | 45 | 62] | 74 2 | | ÜBER BEZIEHUNGEN DER THÄTIGKEIT WILLKÜRLICHER MUSKELN U. 8. w. 315 Gruppe 1. Versuch I (Fortsetzung). Er ER ER nz SEES ENDE HD: BD ‚ Bemerkungen „2. ND | HD | PD | Bemerkungen = | | | ns | | 45 | | 39 | Verminderung 445 | | 39 | der Pfr. 44 |aa\ | sl a | 34l gel | 12 41 42* 120y 07 Streichen des | 40 AUR= | 108 Pelzes 39-5 40-5 B Keine respirator. | 39 40-5 r Druckschwank. | 41-5 4l |» mehr fortan | 41-5 | 40 Toon RER 39-5 | | 4 W108. 40 39* 120, er: Kneifen eines | 39-5 120 | 41 108 Ohrs 41* 136 ' Elektr. Reizung 40 ”\ Durch beide | 43 5 ‚ des Pl. Jumbalis 40-5 x ‚ Reize der Haut- | 44 130 | Pfr. + 10 Proe. 40 90 | nerven Vermin- | 42-5 | 41-5 | | 96 | derung der Pfr. | 42-5 3 | 42 | 90, „ ‚um7bis22 Proc. | 42-5 108 | 43 sowie ihrer 42 AR | 42 grossen 42-5 96 | 43 Schwankungen | 41-5 90 Nach 43 Min. 44 | d. i. Vaguserreg.| 42-5 Pause 43 43*5 5 42-5 ae | 42 90 41-5 | 43 42 42 RR 39-5 42 96 | 40 39 90 Verminderung 40-5 38 der Pfr., offenbar 40 38-5 nachträgliche 41-5 41 Vaguserregung 42-5 42 41 42 41-5 41 41 40 20 | 41 | 40-5 | 39 120 ' Berührung des 41+5 40 100 Pelzes 40 40-5 E 40-5 41 90 40 41* | 120 Elektr. Reizung 39.5 * Streichen des | 43 86 des Pl. lumbalis 39-5 Pelzes 45 ' Pfr. + 10 Proc. ‚316 J. JacoB: Gruppe 1. Versuch I (Fortsetzung). - - r | | | ERS | | | | | 2? 'ND HD PD Bemerkungen „@ | ND | HD | PD Bemerkungen SE | | Ion | ol Mr Re ME. 120 Er | 4 | | 90 | 3 | | | | | | | 43* | 108 8 | Kneifen des Beins 43 | | | 43 96 12 | 44 Io | 8 | N 44 1% | | ' Unterbrechung 41 | | | | | 42 | #5 801 95| 15 41 | | | 45* | 125 ' Elektr. Reizung 42 | | | 46 | E | 42 | | | | 48 = Ale} 48 | 96 Kein + BD A| | | | 90 Pfr. + 11-5 Pr. 44 | 46-5 | a | 43 | 46* 120 Kneifen des Beins 42 ER 45 | | Trotz + BD 41* | 120 | ı Elektr. Reizung | 45 | sofort — Pfr. a se ' des Pl. lumbalis | 44 96 4 | 96 | 43 | aa e 43. | 43* | 120 | Elektr. Reizung | 43 | Ei 46 | r a6rn| 138 Elektr. Reizung 44 130 | 46 BD + 43 Proc. 46°5 | 108 | 49 | Pfr. +14 „ 45.5 96 ' Ken+BD [47-5 5 A| I | Pfr. + 6 Proc. | 47-5 | m i 4 | 90 | 48 | 7 Aue ı 130 | ‚ Elektr. Reizung | 46 84 |108| 24 —ND +Pfr. 46 | SE | all a | KR 5 | 72 | 962 za > | Unterbrechung 47 96 | ' Kein + BD | | 47 72 | 90 | ı8 | Pfr. +9 Proc. | 44 84 | 102 18 45 | 43 | 45 43 | 4 | | 44 e | 45-5 | 46% 1322| Elektr. Reizung de 3» | | | #5 | 84 102 18 8 | 120 46 ä R 5 48 | 108 45.5* 108 8 Kneifen des Ohrs| 47° | 45-5 100.10 46 Ba 45 9% 12 | Verminderung | 45* 120 Elektr. Reizung 43 | | der Pfr. 5 Proc. | 46-5 | ÜBER BEZIEHUNGEN DER THÄTIGKEIT WILLKÜRLICHER MUSKELN U.S.w. 317 Gruppe 1. Versuch I (Fortsetzung). =>) ao 2 ıND HD PD | Bemerkungen a ND | HD | PD Bemerkungen un | En 48-5 120 | BD + 25 Proc. | 44 24 48 44* | 120 Elektr. Reizung 49-5 A | | | 50-5 Pfr. + 17 Proc. | 49 | | a 46 48 120 16 | 100. 46, 2 96 ı 24 | BD + OProe. 45 | 96 | | | Pfr. + 7 Proc. | Gruppe 1. Versuch 1. as =: | EN a „@ | ND HD | PD | Bemerkungen | ,;@ |ND | HD | PD Bemerkungen == RO a 32 90 | 132 | 42) ss | 90) 138 | 48] sz 3| 33” | 90 | 138 | 48 El. Reizung 14 315, | 330DM E1022 0 .: 36 ganz schwache 32 | 33 | Zuekung 32-5 | | 33-5 Se | Sa | | Erniedrigung 31-5 | | 33-5 DAN BERN & von PD und Er- a» | | 32 90, 48 | höhung ohne 290, 138 |, 48 | El. Reizung 18 | 33-5 | | Verminderung 33 52 Eisehrschwache) | 33 | | der Pfr. TB \ Contraetion der | 32-5 „ | 2: N 320102: | 138 |" 36) Muskeln 31-5% 90 138 | 48 El. Reizung 8 33-5| „ | „ | „| ND+0OProc. [33 |126 | 150 | 24 | Abstand der see. 33 | | | 'jedochPfr. +5 Pr.| 33- | Spirale 32-5 | | Erhöhung der [32-5 „| 0». | PD48 gleich 32-5 Pulswelle und |33 114 138 24 | Erhöhung von 33-5 | | ı Erniedriigung | 32 | | ı PD ohne Ver- | | | sau 0 » | minderung von 33-5 | | 33 35 n ” ND und Pfr. Sana ler Mb... |.5, 32-5 90 |138 | 48 | Chloral 0-17 3325790) | 138 |. 48 | EloReizungis | 33 .:| „|. |, Sl Kaas sehr schwache | Unterbrechung 33.515102 36 Zuckung 30-5 ' 100 | 1386 36 Verminderung Sa | | ND + O Proe. u. | 30 = se Mn der Pfr. 5 Proc. Baur nor R De 32* | 126 | 150 | 24 | EI. Reizung 5 sem 90, ‚#48 32-5 | | 34-5 | | 33-5 33-5 | | | 33-5 | | | | 315 J. JAcoB: Gruppe I. Versuch Il (Fortsetzung). a2 | | [=>] | 2 |NnD|HD | PD | Bemerkungen | „2 | ND | HD | PD | Bemerkungen Pa) | Ho | Hrn | Hm | 34 36 | 83-5 | 114 138 | 24 | 33 | 34 33-5 34-5. 33 EN. 34 | 102 | 150 | 48 32 90 | 144 | 54 | PD + 24 Proc. Unterbrechung 32.50 8,.102861505 5482 EN DE 2072, 33 102 | 138 | 36 | BR Ne 33:5: Salasn ie 33 102 138 | 36 332 90 | 138 | 48 Massage der 32-5 | 833-5 | 100 | 148 | 48 Oberschenkel 33 33 108 | 144 | 36 33-5 34 33 33-5 Pfr. + 3 und 34 34 en en n PD + 8 Proc. 33-5 34 126 | 150 | 24 34 a ae 33-5 | 108 | 144 | 36 34* |.126 150.24 El. Reizung 4 | 33 ZAED, | yaseielkims His 34 35 | 114 | 150 \ 36 33-5 35-5 | 126: | „| 24 32-5 36 | 96. |150 | 54 | PD + 24 Proc. | 33-5 35-5 | Pfi. 1 124... 1[:33 36 u al IND Kerle 1saen 35 90 | 148 | 58 BD’+ 457, 32-5 34 | ND+ 0, 13 35 | Pfr 91a 00 Kissen. jene 35 Ale 32-5*| 114 | 144 | 30 Kräftiges | Unterbrechung | 33-5 Streichen der 34 | 84 | 138 | 54 33 Bauchwand 33 | ” ” ” 32 EL) E}) ” 327.5 11,841. 413820 54 32* 114 130 | 24 | Daumen drückt 32-5 EN 2 En 31 vordere Bauch- 33 102 | 138 | 36 30 wand gegen die 32: o; " 5 30-5 hintere, bezw. 31* | 114 | 150 | 36 EI. Reizung 3 | 31-5 das Peritoneum 31 a » 32 bezw. den 32-5 | 120 | 150 | 30 | 31 N. splanchnieus 32 | | 30-5 Verminderung 33.37 © „ a | 31-0 der Pfr.; Vagus- 34 |114 | 150 | 386 | 30-5 \ erregung 35 120, 027250 31-5 | 120 | 144 | 24 35 102 n 48 ° ND + 14 Proe. | 31 36 PD + 13 31-5 9 ÜBER BEZIEHUNGEN DER THÄTIGKEIT WILLKÜRLICHER MUSKELN U.s.w. 319 Gruppe 1. Versuch II (Fortsetzung). E 8 ikea, eZ ENDE ED> EDER Bemerkungen er ıND| HD PD | Bemerkungen zn BR | = | ah 31 | | sorzı | 31-5 | 30-5 30-5 31 31 30 | | 30 21120 | 144 24 30 | 60 | 108 | 48 32 | 32* 96 120 | 24 | EI. Reizung 4 32 33 ‚ des Pl. Jumbalis 32-5 32.5 | ı Acceleration der 32 | 32 | ' Pulsfolge und 32-5 | 33-5 | | | dabei keine 32 34 | 72 | 132 60 | Drucksteigerung 33-5 | | 3) 2 zeitweise 32-5 | 3a nl. | | Starke arterielle| 33-5 60 | 120 | 60 | 31 | 60 | 108 48 | Blutung gestillt| 33 | 72 | 120 | 48 | | | Gruppe 1. Versuch HI. as ara 38a as|<7a „@ 558” Bemerkungen | ;2 ss © Bemerkungen | „2 |= 5” | Bemerkungen SE Se Beles Sn | SS | Sa 5 2 28 ' Chloral 0-17 |30 | 27-5| | Vaguserreg. 29 | 293 | #0] 28-5 29 29-5 29 20) 30 30 29 2a 29 | Pfr. 27.5 = 50-5, 29 | 29 | Vaguserreg. |30 | 29 29 | 29.5 29-5 | 29 | 30 30* | + 0 | El: Rzg. 12 [28-5 | 29-5 s0 | längs eines [27-5 , El. Reizung 8 | 29 30 Beins 27-5 | quer durch [28-5 30-5 Beschleunig. |28* + 0 | einen Ober- [28-5 | ‚ der Pulsfreqg. |29 schenkel 28-5 Curare 30, | ohne Druck- |29 | | 27-5 , subeutan 29-5 steigerung |29 27-5 29-5 28 | 27 29. | 28-5 26 320 J. Jacog: Gruppe 1. Versuch III (Fortsetzung). |& Ne : as = >| ae le ss „2 35@| Bemerkungen | ..2 358” Bemerkungen | .? |s3® Bemerkungen Bealessen Beil Bades SE) (Sie Se | 97 | 23-5 420 23 25* |+25 EI. Reizung 8 [22 23-5 | 26 |+ 9 quer durch [23 24 +25) einen Ober- [24 Da 26-5127, schenkel. 23-5 22 27 = Druck- 24-5 ss 21 26-5 „ |sehwankungen [24-5 | 20 26-5 ,, | vom Curare 125-5 20 26-5| + 9\ zwischen 9 u. [25 21 +20) 25 Proc. 125 +15 | 22 Fortgesetzte A er Druck- 25 | 22-5 Vaguserreg. 26 schwankung |25.5 23 +10 26 % 9—20 Proc. |25 22-5: ,.710 26 5 Druck- 25 ale +20 | El. Reizung 4 26 > steigerung in [25-5 +10 22 längs eines 26 „Folge Reizung |24* +25 |El. Reizung 4 |22 Beins 26* “ durch Curare [22 Pl. lumbalis [22 | fast 25 A vermittelt. 122 22 | unwirksam. 23-5 5 El. Reizung 8 [21 Er 21-5 a Ermüdung. 23-5 B: Pl. Jumbalis |21-5 +10 Unter- DASD En Vaguserreg. [22 ı brechung. 24-5 1, keine Be- [24-5 24 +10 | Vaguserreg. 25 e schleunigung [25 245 geschwunden. 25 „der Pulsfolge |25 | 25 A 26 3 Dank dem 125 | 21-5* +15 | El. Reizung 4 > +0 Curare | Unter- 21-5 +25 | Pl. lumbalis 25 brechung 122 | Vaguserreg. 35 |+9 24 h 22 | | 26 | 23-5® +20 |El. Reizung 4|21 | 26% \6:2202| 20-5 Pl. Iumbalis [21 26 21 22 | +15| 26-5| + 9 22 24 | Relative 25-51 + 9 24 +15 | Relative Acce-|24 Acceleration 26 24 leration der [23 der Pulsfolge 24-5| +5 NENER Pulsfolge [23-5 | 23-5| — 5 | Vaguserreg. [19 +10 | Vaguserreg. [24-5 25-5| +10 21 Er 24 26 21 | 24 | 25 N 20 24 | 21-5*% +40 El. Reizung 8 22 längs 1 Beins | | ÜBER BEZIEHUNGEN DER THÄTIGKEIT WILLKÜRLICHER MUSKELN U. S. w. 321 Gruppe, 1. Versuch IV. -Y- . 3.8 ee EeSene) 35 «4,52 E3|<,R n|,3m Ta „Em i molar Ss „@ (5 8° | Bemerkungen | „; 5 5° | Bemerkungen | ;,: == Bemerkungen See Se |l,as üs|,a: Ses SS SR er 40 Chloral 0:17 |42-5 +20 46 ı Accelerans- 39 43-5 +10 45-5 erregung 41 Zul a) 45 Willkürliche 41 46 | Nachfolgende | 45 Bewegung 42 45 | Beschleunig. |45 aufgehoben 41-5 44 | der Pulsfolge | 44 42 44 | ohne Druck- |44 42 44 steigerung |43 42 43-5 42.5 £ 0 42 43 40* | +0 El. Reizung 5 44* | +20 El. Reizung 8] 43 40 Tetanus 45 5 Pl. Jumbalis |42-5 43 48 en Streuben. 41 Nachfolgende | 44 5 | 42-5 Vaguserreg. |45 51 +0 44 Curare 1 ter |45 Unterbr. 44 46 45 es Nachfolgende | 44 45 En 46-5 Beschleunig. | 43.5 Pl. lumbalis |44* | +40 | El. Reizung 5 46-5 der Bulsfolge] 73.,, 40 Vaguserreg. ohne Druck- 8 46 ” steigerung. * | #0 |El. Reizung 8|38 keineZuckung, Unterbr. 43 Er Tetanus 33 +20 | Folge der hier 43.5| „ 4 38 während der 43°5 44 43 Reizung ein- 43 44 44 brechenden 43 44 Br 45 stärksten 42 42* | +20 | El. Reizung 5 |44-5 Curarewirk. 43 os Pl. lumbalis [41-5 Tetanus 36 Vaguserreg. 44* | +20 El. Reizung 8] 42 En Vaguserreg. |43 +15 | Pfr. + 7 Proc. 41-5 Vaguserreg. |43-5 + 0 schw. Curare- nach 3 °& | einwirkung Reizung Gruppe 1. Versuch V. asare Ele as 0! Pl. Jumbalis |43-5 36 42 j 43 | 36 | +30 42 n 43 35-5 42.5 40 43 36-5| „ 44 43 36 | 44 5; 43 Boch 740 = 16 42-5, 36-5, 4 | +0 A| 36 | +30 44 — 16 42 35 +15 | 1. Vagus perc. 43 42 34 2. Vagus perc. 44 42 34-5 Schnitt reizt 44 | 42 34-5 r die Vagi 43 42 31-5 | +80 43 2 41 34 | +50 42* | + 0 El. Reizung 15 |42 34-1 42 | —15 41 3.31 0 44 | +0 Beschleunig. |42 34-5 44 % der Pulsfolge | 41 34-51» 401 ohne Druck- [41 34-5 +50 43-5 —15 | steigerung u. [40-5 Vaguserreg.? | 35* El. Reizung 1 42°5 mit Druck- [40-5 35 +80 | Pl. lumbalis 42 senkung 40 | 36 keine Zuckung 42 34-5 Curare 2 [37 42 345 subcutan 37 Unterbr. 35-5 Vaguserreg. |37 | ,„ 41 85-5) durch Curare |38 +10 41 35-5 38 +80 41 | 34* | _16|\ El. Reizung 1|37 | „ 40-5, Vaguserreg.? a ul 37-5 | +80 | | 5 | +00 Kane Zuckang [25 40-5 | 37 | +80 | der Pulsfolge | 38 Vaguserreg. 41-5, | 39 trotz Curare | 38 fällt fort seit | 38-5 durch einen |38 Pereisio vagor. 40* | +30] El. Reizung 136-5 Sn starken 38 5 Nachherige | En) Pl. lumbalis | 34 Vaguserreg. 38 +50 Erstickung 41 +30 32-5 Nach Curare [38 macht keine 49*5 28-5) „ | wirkt Reizung | 3g Verlang- 43-5| „ 35 | +50 N 38 samung der 4 35-5 Vasomotoren | 38 Pulsfolge 43 eL 35-5 als vorher |38 5 mehr ÜBER BEZIEHUNGEN DER THÄTIGKEIT WILLKÜRLICHER MUSKELN U.$S.w. 323 Gruppe II. Versuch VI. 8 es Es e a BD | Bemerkungen] .; 2 BD | Bemerkungen] .;; “= BD | Bemerkungen H- um nn 35 156 Ischiadieus- | 36 156 40 132 35 Reizungen in | 36-5 n. 36 der Continuit.| 36-5 39 130 35-5 des Nerven u.| 36 a 39°5 später am | 36*5 39 sr 36 centr. Stumpf | 36 40 126 35-5 35 5 | 36 36-5* 146 |El. Reizung 18| 40 ss 36 37-5 | 156 |BD — 7 Proe.| 40 » 35-5 38 BOIEIORN 40 132 37 0 38-5 > Bin. 905% 39 » 36* | 198) Ei. Reizung ısl 38-5 146 40 „ Pereision. il schreit 37:5 | 132 |BD-. 16 Proc.| 39-5 A ischiadiei 86.5 190] respiratorische| 36-5 38 156) Druck- | 85-5 38 36-5 | 168) |schwankungen| 35 37-5 | nn schreit nicht | 35-5 37 = 36-5 h Druck- 36-5 Be 37-5*| 120) | El. Reizung 8 38-5 | ,„ | schwankung | 35-5 | 128 =) , des centralen 38 | 156 35-5 | 140 39-5 | „ Stumpfs 39* | 180) |El. Reizung 23| 36 39-5 | 156] el schreit 36-5 u! 39. „ _|respiratorischel 36 138 39-5 | 144 38-5 | 156 | Druckschw. | 37 39 | 132 | Beschleunie. 38-5 schreit nicht | 37-5 38-5 der Pulsfolge 38 6 38 39-5 bei herab- 38 = 38-5*| 132 Respirator. | 40-5 gesetztem BD 36-5 Druckschw. | 41 | 36-5 39-5 39 36 > 40 39-5 37 156 | Chloral 0-16 | 39.5 40 375 38 39 | 37 39 39-5 | tea 3a me 39 : | | 20 324 J. Jacog: Gruppe II. Versuch VII. ss 3 aslee as 3 „| @3_> Bemerkungen | „@2 !@_> | Bemerkungen ee a Bemerkungen So 5° Ho ae mo |Ae Su See] SH se \ 1 35-5 | | Chloral 0-16 Pause 35-5 | | 36-5 El. Reizungen | 32-5 ‚ | Durchschnei- | 36 37 des N. ischiad. | 322 ' dung des | 35-5 36 in Continuität | 32-5 | | N. ischiadieus| 35 Ventral 36-5 und später am | 33 29* |+25 EI. Reizung 37-5 centr. Stumpf | 32-5 31 +50| Vaguserreg. 36-5 32 36 37-5 31-5 37.5 | 3 | 29 Vaguserreg. | 34 | 37-5 | 32-5 vom Schnitt. | 33 | 36-5 33-.5.| #0 32 05 37 31-5*| — 5| EI. Reizung | Pause 37-5 35 er central 34 ae) 375 36 2:0) Vaguserreg.| 337 2°, 38* |= 0| El. Reizung | 36-5 | „ nachher das | 33 +0|- 38°5 in Continuität | 35 Accelerans | 26-5*) +10| EI. Reizung 3a 34 32:5 +20| Vaguserreg. 385 33-5 | 27 39 34 29 39-5 3 33-5 30 +10 40 | 34 | | 32:5 | #0 39 34* |+ 0| El. Reizung | 33 39+5 33-5 central 33-5 Relative Be- 40 33 schreit 32-5 schleunigung 39-5 32-5 respiratorischel 33 der Pulsfolge 38-5 | 33 Druck- 33-5 ohne Druck- 38 | 35.5 schwankungen| 33 steigerung Be | 36-5 33*5 38-8 11, Bl 29 39* |+0| El. Reizung | 35 27 Vaguserreg. 39-5 34°5 28 39 35 29-5 40 | 34+5 30 40-5 34 31 Aa 32 30 42-5 34 30 43 A 34 29-5 42 345 30 41-5 34 30*5 hs 42 33-5 ER 31* '+10| El. Reizung 41 | Curare 1 er | 25-5 eines Beins der 415| „ 36-5 subeutan | 26-5 | Länge nach ÜBER BEZIEHUNGEN DER THÄTIGKEIT WILLKÜRLICHER MUSKELN U. S.w. 325 Gruppe 2. Versuch VI (Fortsetzung). . | oA | oA „leo el ele = r=lee) ee) „R ae Bemerkungen | „* = _e Bemerkungen | .. 2 ee Bemerkungen ua | 55 = | 5 See n.äa Ss SES 25-5 | &# 0| Vaguserreg. | 40 32 +5 27-5 41 31-5 29 39 |+10) los | 28-5 35 Pause 32 +25 | Beschleunig. | 34 + 4 31-5 | +10 29 +20 der Pulsfolge | 35 31-5 27 "5 36 31 55 2355| +5 37 32* |+50| El. Reizung 2 38 33 +60 längs d. Beins 28 39 32 30 E0 31 Curare 1 sv | 28 +50 30 29 29-5 31.5 29-5 30 32 30 30 30-5 oo 30-5 29-5 28-5 0 als 29:5 | +40 29 sl 30:5 30 31 30 +20 Pause 31 30 +10 30 & 32 31 31-5 28 210) 32 31.5 28 Ro 31 28 4 34* |+34| El. Reizung | 31-5*| +50| EI. Reizung | 29* | +30 El. Reizung 34-5 | +30 längs des 33-5 | +60 | längsdesBeins | 27 +10 | längs d. Beins 29-5 Beins 33 Beschleunig. | 28 | 29-5 Vaguserreg. | 30-5 der Pulsfolge | 27 | 31 +20 Zucken beider | 30 27 Sn) Beine 30 27 | 32 ER) 29-5 Vaguserreg. | 28 +50, Relative Be- 31-5 29-5 28 +30 | schleunigung 33-5 30 28 „» . der Pulsfolge 34 30 24 ” Vaguserreg. 34-5 Beschleunig. | 30-5 24 N 35 der Pulsfolge | 31-5 | +10 24-5 | +40 35.5 31 25-5 38-5 32 Beschleunig. | 26-5 | +30 36 32-5 der Pulsfolge | 27 35.5 »s 32 27-5 | +15 38* | +35| El. Reizung | 32 28 +10 39 längs d. Beins | 32 Du I 39 +20, beide Zucken | 32 326 J. JAcoB: Gruppe 3..Versuch VII. BD | Bemerkungen Sec. Pfr. BD Bemerkungen | Sec. ei 10 45 140 | Zur Wirkung 7 23; 13027) 45°5 \ des Curare 3 10 1098 45-5 (1 er subec.) 4 12 125 45 4 14 150 R 45-5 | 0 4* 19 120 Zerrung am 10 44 148 3 12 140 | N. eruralis 45 sun a 5 44 | 10 SA] Summa 45 | 10 44 46 | 45 af 10 160 Zerrung am 45 | en N. saphenus 45 2 18: ° | 120 46 3 10 46 ” 3 10 150 D* 10 100 | Zerrung am 4 15 145 5 16 120 N. saphenus 10 42 148 | Summa 10 | 23 ' Summa 45-5 10 39-5 140 45-5 10 | 4 | 45 46 | 45:5*| 160 Sträuben 45 46*5 = Pfr. vermehrt 37 10 160) | Zerrung am 46 145 Nachlass der 115 | N. eruralis 45 Curarewirk. 140) | 45 35 | Pause Gruppe 3. Versuch VIII (Fortsetzung). Sec. Bir. ND HD PD Bemerkungen IL . 10 | 42 | 0830 154 24 4* 15 ı, 2211152 200 48 Unterbindung d. N. cruralis 6 12 112 172 60 3 12 E>] ” Er) 10 41 155 42 ” 41 „ | 2 | hr | 425 7 | 43 se a ÜBER BEZIEHUNGEN DER THÄTIGKEIT WILLKÜRLICHER MUSKELN U. S.w. 327 Gruppe 3. Versuch VIII (Fortsetzung). Sec. Bir ND HD PD Bemerkungen 44 148 » 2* 3 100 145 45 Elektrische Reizung 18 100 124 e\ 3 6 111 180 69 5 >) alalal 146 3) 111 176 a 3 4 = ; A 2 5 8 20 10 43 154 43 = - Curare 1 ter Pause 15 Minuten 10 18 136 148 12 Zuweilen dem Sehüttelfrost 19 ähnliche Krämpfe 24 Erstes Stadium der Curare- ER 29 wirkung; tritt ein 15 Min. 18-5 115 148 33 nach der subeutanen 16 100 155 55 Injection und dauert 30— 60 5 15 35 2 % Minuten 13-5 160 220 60 14-5 146 172 26 12 184 220 36 3 12-5 136 208 72 13-5 43 5 2 12 160 184 24 14 5 “ Mi ” 27 148 172 24 32 32 34-5 38 35 34 ” ” E2 10 40 148 172 24 39 160 172 12 Fortgesetzt 39 Curarewirkung 39 Erstes Stadium 39 39 Rt x e: 39-5 160 180 20 328 J. JAcoB: Gruppe 3. Versuch VIIL (Fortsetzung). Dec. Pfr: ND HD PD Bemerkungen OW»$D DD DWDKKD@ x jr o& [e'>] oO oo 205 0.0 U OU Oo aa Han DD or 160 160 160 20 Elektrische Reizung 18 N. eruralis central Relative Beschleunigung der Pulsfolge Vaguserregung Beschleunig. der Pulsfolge Unterbindung des N. saphenus Vaguserregung Pereisio n. sapheni ÜBER BEZIEHUNGEN DER THÄTIGKEIT WILLKÜRLICHER MUSKELN U. S. w. 329 Gruppe 3. Versuch VII (Fortsetzung). Sec. Pfr ND HD PD Bemerkungen 10* 10 & Ne) a oa oo 37°5 136 136 140 140 &E) 160 160 24 36 9 20 Elektrische Reizung 18 N. sapheni central Pause Elektrische Reizung 18 N. cruralis Pause Elektrische Reizung 18 N. sapheni J. Jacog: Gruppe 3. Versuch IX. Bemerkungen | Sec. | Pfr. | BD , Bemerkungen | ! 10°, 22° 7180 24-5 195 25 150 156] Curare 2 «ter 25 | “ Druck- | 196 schwankung. 1 325.21.2160 Pfr. vermehrt Schüttel- 1 3-5 140 bei niedrigem krampf 1 1 170 Druck Erstes 1 2 | 180 Stadium der 1 1.5 170 Pfr. vermehrt Curarewirk. 1 3 > bei niedrigem 1 3-5 | 146 BD 1 1 160 1 2-5 160 1 2-5 » 10 24 Summa 10 20 170 1 2.5 | 190 1 1 35 » il 1 3-25 180 1 1 3-75 | 170 1 1 1 »» 1 1 2-5 Di) 1 1 35 180 1 1 2 170 1 1 1-5 „ 1 1 1°5 ” 1 10 24 9 Summa 10 Summe 10 19 189 10 17 | 19-5 1 1-5 Pfr. — 50Proe. 17 ” 1 1-75 beiBD+18 ‚, 18-5 170 1 3-25 Pfr. gestiegen 18 160 1 3-25 16 Proc. bei 17 170 1 1-5 BD + 18Proe. 19 1 1-75 19-5 Y 1 3-25 19-5 190 1 3 1 3 185 1 2 1 3-5 170 1 2°5 | 1 2-5 ER) 10 28-5 Summe 1 2 » ÜBER BEZIEHUNGEN DER THÄTIGKEIT WILLKÜRLICHER MUSKELN U. s.w. 331 Gruppe 3. Versuch IX (Fortsetzung). Sec. Bir: BD Bemerkungen | Sec. Pfr. BD Bemerkungen 1 2 170 1 1-5 180 Kampf des 1 3 > 2 6 190 Vagus und 1 3 3 2 6° 180 Accelerans bei 1 1-5 n 1 1-5 R: gleich hohem 1 2-5 n 1 2 170 BD. 10 25 Summa 10 27 Summa 10 24 160 1 1 {a Pfr. absolut u. 21 1 2 relativ ver- 24 1 2-5 190 mehrt 25 4 12 5 15 % 1 2 170 19 190 Curare erregt 1 1 180 18 180 das Vagus- 10 23 Summa 18 centrum 10 16 190 Vaguserreg. 18 Br 14 durch vor- 18 16 herige elektr. 19 16 ”" Reizung 24 18 1. Vagus perc. 20 16.5 19 Re 16-5 18 170 24 > 20 23 18 24 »» 2. Vagus perc. 19 23 dadurch 19 24 1. Vaguserregt 19 22 2. Vaguserreg. 18 29 aufgehoben 19 % so 19 ® 29-5 156 Arhythmisches 16-5* ” El. Reizung 10 a Spiel der 16-5 % N. eruralis 29 200 Vasomotoren, il 2 190 | BD +21 Proc. 12 durch Curare 1 2 bzw.+11l „ 29 » bewirkt 1 il Peso, 28-5 | 156 1 2 bzw.—40 „ a 1 2 29 150 1 2 N 1 3 Pfr. absolut 31-5 h; 1 3 vermehrt 28-5 210 1 3 7 Proc. bzw. 32 150 1 3 BL) lu 29E: 165 10 23 Summa 28 165 3 9-5 180 3832 J. JAcoB: Gruppe 3. Versuch IX (Fortsetzung). Bee BD Bemerkungen Be BD Bemerkungen 28-5 175 28:5, | ra, 28-5* 170 Elektr. Reizung 10| 28.5* | 184 Elektr. Reizung 10 A al) N. saphenus 27 | N. cruralis 28-5 190° 28 28-5 180 27-5 28 170 28 by 28 en 23 28 sera 28 28 01% 27-5 R 27-5 ei | ei „@ | ND | HD | PD | Bemerkungen „@|ND HD | PD | Bemerkungen us = 45-5 | 96 | 182 | 36 2 44 445 45 44-5 45 45-5 45-5 44-5 | 45 44 | 44+5 45 44 A| Künstliche Ath- |44 a | mung 43-5| 96 | 132 | 36 465 | | 35 148 | 184 386| | Vaguserregung 46 | 124 | 184 | 54] 46 39edı) 5 > s 46-5 | | 36 BE 45 38 > tal HR Or, & 32 ss = R Pfr.,309, 46 | 132 | 162 30 Streüben 33 ” E: ss vermindert Diane | e % Pfr. + 13 Proc. |42-5 | 154 | 184 | 30 49 |126 | 156 | 30 | BD +25 „ |41' | 140 | 178 | 30 49 es ; Br 46 > e es Curare 3 etgr 40 102 | 132 | | 45 |) 96 | 1322| 36 | subeutan 125 | 155 | 30 ÜBER BEZIEHUNGEN DER THÄTIGKEIT WILLKÜRLICHER MUSKELN U. S.w. 333 Gruppe 3. Versuch X (Fortsetzung). As Sec. | Pfr. | BD Bemerkungen & 2 | ND HD PD Bemerkungen ie 123-5 132 45 132 BD normal ‚sl Pause dee 258 11:56 47*5 96 | 126 | 30 Pfr.. u. BD trotz ia 5 150 47*5 Curare wieder norm. 1,5 138 |Pfr. vermehrt 11 Pr. |48 20.8 5 durch Curare 47 ea 258.150 bei BD + 4 Proc. |48 1 | 4 |144 | wirkungloser Druck- | 47 5 ss » 20827150 steigerung 39.5*| 72 | 120 | 48 | Elektr. Reizung 20 10 |43-5 Summa 45°5 96 | 132 | 386 °| N. saphenus central 2 8-5 1178 43 102 | 144 | 42 1 4.5 | 155 | 44 96471324 8236 1,5 1144 Pfr. vermehrt durch | 43-5 1 5 9 Curare bis 20%, |445 1 | 5-5/136 , dabei gleichgiltige | 45 ND normal 1 5-5| „ Steigerung von BD | 45-5 Pfr. fast normal, = | 8b 3 Proe. 44-5 um 20 Pr. PD gest. "10 147 Summa 45-5 » 2 > 42.5 |132 35-5*| 79 | 123 | 44 | Elektr. Reizung 20 | 42 100 | 144 | 44 N. cruralis central 46-5| „ 48 140 | 156 | 15 1 5 144 44 100 | 136 | 36 1l 4 45 1 5 45-5 2229 Br 45 “ B 2 ND uud Pfr. normal, 1 4.5 132 46 96 | 136 | 40 11 Proc. bzw. 30 Pr. ae 46-5 | PD gestiegen 15 |., 47:5 | 90 130 | 40 1 | Zen 46 | 10 46 > Summa ee » » » 10 |44-5| „ 47 46 150 47 46 144 46-5 > » > 45 155 37- 66 | 114 | 48 | Elektr. Reizung 18 | 120) 43 116 | 140 | 24 N. saphenus 46 155 43-5 | 108 | 132 | 24 45 1140 43-5 | 41-5 108 Vaguserregung |45 44-5 | 132 44-5 43 |120 A | 44 156 37.5*| 78 | 128 | 50 | Elektr. Reizung 18 44:5 | 144 37-5 | 120°) 144 | 24 N. cruralis 45 138 42 108 | 136 | 28 334 J. JACOB: Gruppe Il. Versuch X (Fortsetzung). as | Ei > ND | HD PD Bemerkungen „Q ND | HD | PD Bemerkungen zo Sie) rn A 43-5 | 108 | 136 | 28 43 100 | 136 | 36 Vaguserregung 45 1.108 | 132 | 24 44 114 | 144 | 80 45 45 45*5 45 455 45+5 46 EA, 45+5 41* 90 | 130 | 40 | El. Reizung 14 | 45 43 108 | 142 | 34 N. saphenus | 45 43 R Hi R. 45-5 43 100 136 | 36 45 r M ” 45-5 | 108 | 136 | 28 37* 12 | 132 | 60 El. Reizung 7 45+5 44 108 | 144 | 36 N. saphenus 46 44-5 | 120 | 150 | 30 45+6 4335| „ = , 46 42 100 | 144 | 44 46 5 N e 44 | 37-5* | 84 | 132 | 48 | El. Reizung 14 | 44-5 45 1302 71547024 N. cruralis 44-5 | 45-5 Pfr. relativ ver- | 44-5 46 5 5 5 mehrt 2 UNER r % 44-5 | 120 | 124 | 24 | Vaguserregung | 43 108 | 130 | 32 46 | 108 | 138 | 30 39* 96 | 140 | 44 El. Reizung 7 A 13 132 | 156 | 24 N. cruralis 46-5 44 152 | 168 | 16 46 5 Alm Br 42 118 | 142 | 241 45 140 | 162 | 22 96 142 | 46] | Pfr. relativ ver- 43 108 | 132 | 24 43 140 | 162 | 22 mehrt 46 la: s 41-5 | 124 | 144 | 20 42* | 108 | 132 | 24 | El. Reizung 10 | 43-5 43 120201445 0, N. saphenus | 44 40 86 | 134 | 48 44-5 | 108 | 144 | 36 44 130 | 154 | 24 445 44 120 | 144 | „ 44-5 43-5 a mel Er ' 45 " e S 44 108 | 136 | 28 Pause 45-5 | | 45 12591492 017. 45 46 46 45 46 46 u 45 | 39-5* | 96 | 136 , 40 | El. Reizung 10 | 45 4 |126 | 156 | 30 N. eruralis 4 | | 45 I „ ‚Pfr. rel. vermehrt] 45 7 ss s, ÜBER BEZIEHUNGEN DER THÄTIGKEIT WILLKÜRLICHER MUSKELN U. S.w. 335 Gruppe 3. Versuch X (Fortsetzung). Je ey | „2 |ND| HD | PD | Bemerkungen | .„@ | ND | HD | PD | Bemerkungen Ko Ko Hm u 45 1252. 14217 44-5 | 132 | 156 | 24 35-.5* | 86 | 132 | 46 El. Reizung 5 |43* 96 | 126 | 830 El. Reizung 5 42-5 | 116 | 140 | 24 N. saphenus |44-5 | 134 | 156 | 22 N. saphenus 4125 1120, 144 |, ;,, 44 120 | 144 | 24 | kein erhebliches 41-5 43-5 — Pfr., dennoch 41 43-5 NDsenkung 41-5 e z re 43°5 28 Proc., also OST 138: | 21% 44 Gefässdilatation 42-5 43 43-5 44 44 = = “ 43-5 ns e 53 44-5 | 120 | 144 | 24 42-5* 102 | 136 | 34) | EI. Reizung 5 45 144 | 168 e | N. eruralis 34* 96 | 130 | 42 El. Reizung 5 |39-5 | 138 | 152 | 24 Anscheinende 40 120 | 144 | 24 N. eruralis 139 120 | 144 | , Vaguserregung 41-5 1822015622 5: 41 trotz Trennung 42-5 40-5 der Halsvagi, 42-5 41 r Ri „ | aber 60 Procent 42-5 Keine relative | 42 118 | 138 | 20 geringer als 42 Vermehrung der | 42-5 vorher 44 Bir 43 44 s 5 > 43 44-5 120 | 144 | 24 43 44 44 | 44 56 = » 44” 118 | 138 | 20 El. Reizung 4 43 10827132, 5; 44 96 | 130 | 34 N. saphenus 44 " » er 43 Gefässdilatation 2 Vagi pereisi I44-5 | 120 | 144 | 24 41-5 | 120 | 138 | 18 44-5 | 140 | 160 | 20 Anscheinend 41-5 Schnitt reizt die | 41-5 Vaguserregung 41-5 Vagi 43 126 | 150 | 24 41 N RN 43 41-5 | 120 | 138 H 43 120 | 144 | 24 126 | 144 | 18 38-5* | 92 | 196 | 34 El. Reizung 4 43.0 39 120 | 144 | 24 N. cruralis 42 39-5 | 148 | 168 | 20 Anscheinend 42 39-5 Vaguserregung 42 39-5 | 140 | 160 ss 42-5 41-5 | 120 | 144 | 24 43-5 39 116 | 140 | 24 42-5 150 | 168 | 18 41 43-5 42-5 44-5 2, 55 55 44 =, >> 2 336 J. JACOB: Bisherige Ergebnisse sowie Hindernisse eines einwurfsfreien Ergebnisses und deren Beseitigung. Die am leicht chloralisirten oder auch ganz unvergifteten Thier vor- genommenen Reizungen des unberührt in seiner Lage und Verfassung be- findlichen Plexus lumbalis hatten stets den Erfolg, unter und nach ge- schehener Muskelarbeit eine Beschleunigung der Pulsfolge und Ver- grösserung der Herzsystole nachzuweisen, letzteres sobald das Manometer gut in die Carotis gesetzt war. Gegen Versuch I und II liess sich einwenden, dass mehrere Ursachen an der Veränderung der Herzthätigkeit mitwirken. Es konnte trotz der Abwesenheit eines Schmerzes durch die Reizungen wie durch die unfrei- willige Muskelarbeit eine seelische Aufregung erzeugt werden, welche eine der wirksamsten Ursachen der Verstärkung der Herzarbeit ist. Es blieb auch unentschieden, ob der erhöhte Stoffumsatz der Muskeln nicht direct oder indirect an dem Phaenomen betheiligt sei, z. B. durch Vermehrung der Athmung. Es wurde daher in Versuch III, IV, V u. s. w. das Curare angewendet, welches die motorischen Nerven der willkürlichen Muskeln lähmt, also den erhöhten Stoffumsatz der Muskeln ausschliesst. Es wurden zur Erreichung des gleichen Zweckes auch einzelne nur Muskelnerven enthaltende Nerven freigelegt und der centrale Stumpf des durchschnittenen Nervenstranges gereizt mit und ohne Verwendung von Curarelähmung. Zu meiner Ueberraschung zeigte sich, dass an demselben Thier die vor Anwendung des Ourare erzeugte Vermehrung der Pulsfrequenz nach Curarisirung ausblieb und dass durch die Reizung eine Verminderung der Pulsfrequenz entstand. Mitunter traf die Curarewirkung mitten in eine Reizung, welche Pulsfreguenz vermehrte und es trat eine plötzliche Ver- minderung der Pulsfrequenz ein unter starkem Steigen des vasomotorischen bezw. Niederdrucks und des PD. Was war das? War es unzureichende künstliche Athmung und hatte vor Anwendung des Curare unbemerkt eine automatische Verstärkung der künstlichen Athmung stattgefunden? Die dem Curare vorausgeschickte künstliche Athmung, welche viel langsamer war als die natürliche, aber intensiver, wurde desshalb genau beobachtet und so geregelt, dass kein natürlicher Athemzug zwischen die langsamen künstlichen mehr eingeschoben wurde. Desungeachtet war der Reizerfolg wieder Verminderung der Puls- frequenz. Ich dachte desshalb an erhöhte reflectorische Reizbarkeit des Vagus in Folge der Curarevergiftung und ging nun daran die Wirkung des Curare ÜBER BEZIEHUNGEN DER THÄTIGKEIT WILLKÜRLICHER MUSKELN U. Ss. w. 337 zu studiren, um danach eher Maassregeln zu finden, welche geeignet wären ' den positiven Erfolg der Versuche wiederherzustellen. Versuch VIII bis X legen davon Zeugniss ab, sowie die bereits ge- sebene Darstellung von der Curarewirkung. Versuch V, der auch in diese Zeit fällt, zeigt, dass nach Durchschneidung der Halsvagi die Verminderung der Pulsfrequenz ganz wegfäll. In Versuch X fällt sie geringer aus als vor der Durchschneidung der Halsvagi. Indess war schon vor der Durch- schneidung die Reizbarkeit des Accelerans, welcher sich relativ erregt ge- zeigt hatte, erloschen. In Versuch IX war die Reizbarkeit beider Nerven zeitig erloschen. Das Thier hatte eine geringere Pulsfrequenz und war offenbar stärker abgekühlt als gewöhnlich. In Versuch VIII zeigt sich nur Vagusreizung, es waren nur schwache Ströme angewendet. Schwache Reizungen der Muskelnerven wirken überhaupt nur auf den Vagus. Starke Reize, wie Versuch V zeigt, vermögen auch trotz Curare den Accelerans zeitweise zum Siege zu führen über den Vagus. v. Bezold macht die Bemerkung, dass Abkühlung den Accelerans schwächt, den Vagus reizbarer macht. Das scheint nach unseren Versuchen auch für die Centren zu gelten. Nach längerem Aufgebundensein, welches hauptsächlich durch Abkühlung verschiedene Functionen lähmt, versagen die Reize zuletzt für den Vagus. Es wird daher klar, dass der Versuch, namentlich die Vorarbeiten, das Thier möglichst wenig abkühlen und schwächen mussten und dass die Reizgrösse durch frühere Versuche ermittelt sein musste, welche genügte zum positiven Effect. Es war ferner anzunehmen, dass eine grössere Zahl von eingeschalteten Muskelnerven bei derselben Stromstärke mehr Erfolg haben musste als eine geringere, sowie ja auch die Arbeit mehrerer Muskeln beim Menschen mehr auf die Circulation wirkt als die eines einzigen. Es konnten dann schwächere, wenn auch genügend starke Ströme eher ange- wendet werden mit Erfolg und somit die Gefahr, durch starke Ströme die Erregbarkeit der vom Strome unmittelbar getroffenen Nervenstrecke zu vernichten, leichter vermieden werden. Es musste die zum positiven Effect erforderliche Reizstärke beim ersten Reiz sofort getroffen werden, ehe die Kräfte des Thieres von der Dauer des Versuchs oder von einer grösseren Anzahl für den Accelerans wirkungsloser, bezw. vom Vagus neutralisirter Reize erlahmten. Obwohl nun die früheren Versuche hinlänglich zeigten, dass die mit den Reizen einhergehende Drucksteigerung nur von nebensächlicher Be- deutung für die Vermehrung der Pulsfrequenz sei, dass diese auch ohne jene zu Stande komme, so schien es doch zu einem reinlichen Experiment ein Erforderniss, auch die Drucksteigerung, welche nach C. Ludwig und seinem Schüler Johansson bei einer genügend raschen Steigerung allein Archiv f. A. u. Ph, 1893. Physiol. Abthlg. 29 338 J. JAcoB: Vermehrung der Pulsfrequenz hervorbringt, auszuschliessen. Endlich musste jeder Reiz seinen Effect machen, ohne anders als aus leicht ersichtlichen Gründen zu versagen. Es wurden nur in den folgenden Versuchen statt eines Inductoriums zwei angewendet und in den secundären Stromkreis je eines wurde je ein halber Plexus lumbalis in seiner natürlichen Lage und Beschaffenheit der Länge nach eingeschaltet. Früher war der Strom quer durchgeleitet worden, um möglichst wenig Muskel zu treffen und zu tetanisiren. Da die Curari- sirung aber auch schliesslich den Muskel lähmt, so gelang auch so die Reizung des Plexus, ohne den Muskel irgendwie zu contrahiren. Die Reizung der Länge nach versprach eine wirksamere und weniger verletzende zu sein. Die Splanchnici wurden durch Laparotomie in der Linea alba zugäng- lich gemacht. Der rechte war zuweilen wegen grosser Fettmengen und überhaupt wegen Ueberlagerung durch die Leber nicht gefunden oder nicht ganz getrennt worden. Es wurde der vasomotorische Druck, selbst wenn nur ein Splanchnicus durchtrennt war, vom Einfluss ganz ausgeschlossen. Bei Erhaltung des R. splanchnieus war die Drucksteigerung bedeutungslos. Die vom Herzen selbst mit jeder Systole hervorgebrachten Drucksteigerungen übertrafen die zuweilen vorkommende — wenn ein Splanchnicus erhalten war — vasomotorische um vielfaches. Jede Drucksteigerung durch Vaso- motoren, welche erheblich ist und die Pulsfrequenz beschleunigt, verkleinert auch den Pulsdruck. Es war in den entscheidenden Beispielen nur zweimal ein Splanchnieus erhalten oder nicht ganz getrennt. Um den Einwurf, dass die Stoffwechselproducte mitwirken könnten, ganz zu entkräften, sind im Versuch XIII bis XVII die centralen Stümpfe von Muskelnerven gereizt, welche indess theilweise wie der Ischiadicus auch viel Hautnerven enthalten. Versuch V hat schon gezeist, dass dies dem Effect keinen Eintrag thut, obwohl Hautnerven bekanntlich nur auf den Vagus wirken sollen, also nur die feindliche Tendenz verstärken. Versuch XII u. XIV haben nur desshalb theilweise versagt, weil Schieberelektroden verwendet wurden, welche vor Beginn der Reizung und bis nach Beendigung der Splanchnieusdurchtrennung mit ihrem Nerven in die Wunde versenkt und mit Haut bedeckt gewesen waren zur Schonung der Nerven. Dabei hatte sich Serum in der Wunde angesammelt, welches das Ebonit der Schieberelektroden benetzte und die Drähte schon vor dem Contact mit dem Nerven leitend verbunden hatte, so dass nur Stromschleifen den Nerven . trafen. Es wurde daher später mit den freien Drähten gereizt am vor- gezogenen Nervenstumpf. Es gelang so stets vor und nach der Durch- schneidung der Splanchnici mit erhaltenen und durchschnittenen Halsvagis den erwarteten Effect in einer schon während des Experiments deutlich erkennbaren Weise zu erzielen und vom Thier aufschreiben zu lassen. ÜBER BEZIEHUNGEN DER THÄTIGK&EIT WILLKÜRLICHER MUSKELN U. S.w. 339 Gruppe 4 der Versuche. In den Versuchen dieser Gruppe sind beide Hüften und Oberschenkel der Länge nach in den secundären Strom je eines Daniell-Elements ein- geschaltet, die Öurarisirung ist so vollständig, dass bei der Reizung die Muskeln nicht die leiseste Bewegung ausführen, während bei leichter Curari- sirung durch geringere Reizstärken das ganze Bein in Strecktetanus geräth. Die hintere Hälfte des Thieres ist dabei ungefesselt. Nach der Trennung des ersten Splanchnicus vergrössert sich die Pulswelle um 260 Procent, nach derjenigen beider Splanchnici um 500 Procent, was der Herabsetzung des Blutdrucks um 30 — 50 Procent zuzuschreiben ist. Im Laufe des Experi- ments verkleinert sie sich wieder allmählich auf die ursprüngliche Grösse bei gleichbleibendem ND. Die dem Reiz vorangehende Pulshöhe, welche jedesmal mit 100 bezeichnet ist, ist darum nach dem Ende des Experiments zu eine immer geringere Grösse. Es ist die Verkleinerung der Pulswelle der Ausdruck der Abnahme der Kraft des Herzmuskels, eine Folge der Ab- kühlung des gelähmten und aufgebundenen Thieres. Die Vermehrung der Pulsfrequenz in Versuch XI ist 18 -—-35 Procent, die der Pulswellengrösse vor Durchschneidung der Splanchnici durch die Reizung 14—28 Procent, nach der Durchschneidung der Splanchnici in Folge der Reizung 16—90 Procent. Der vasomotorische Druck wird nach Trennung der Splanchniei durch Reizung nicht mehr verändert. Nach Durch- schneidung der Halsvagi bleibt die durch den Reiz anfänglich und nach- träglich gesetzte Verminderung der Pulsfrequenz bestehen, wenn auch abge- schwächt. Die letzte Reizung bewirkt allerdings völliges Ausbleiben der Vaguserregung unter der kräftigen Acceleranserregung. Dieselbe hat bei Drucksteigerung und ohne dieselbe, bei erhaltenen und abgetrennten Hals- vagis eine Latenz von 20 Secunden, welche nur einmal im Stadium durch- trennter Halsvagi durch eine sehr starke Reizung auf 10 Secunden herab- gesetzt wird. Die durch Reizung erzeugte Vaguserregung macht sich sowohl vor als nach Trennung der Splanchniei zu Beginn durch die 20 Secunden dauernde Latenz der Acceleranserregung bemerkbar, wenn sich nicht deut- lich die Pulsfreguenz vermindert. Sie wird sogar durch kräftige Druck- steigerung nicht aufgehoben, d. h. die Drucksteigerung vermag nicht die Vaguserregung aufzuheben in den zweiten 10 Secunden der Reizung. Die Drucksteigerung tritt in den zweiten 10 Secunden der Reizung ein. In Versuch XII bewirkt die Reizung Vermehrung der Pulsfreguenz um 10—30 Procent, Erhöhung der Pulswelle bis um 80 Procent. Letzteres Maass natürlich erst nach der Trennung der Splanchniei. . Sind diese erhalten, so tritt erhebliche Steigerung des vasomotorischen Drucks ein und es wird dadurch die Pulsfreguenz meist kleiner. Eine durch den Reiz bewirkte Ver- grösserung der Pulswelle ist nur bemerklich, wenn derselbe keine erhebliche Drucksteigerung erzeugt. Durchschneidung der Halsvagi verhindert meist zu Beginn und nach Beendigung des Reizes eine erhebliche Verminderung der Pulszahl. In diesem Versuch, in welchem die Vagi getrennt sind vor Beginn der Reizungen, ist die Latenz der Beschleunigung der Pulsfolge aufgehoben, soweit sie die ersten 3 Secunden überschreitet; auch die Steigerung des Drucks, obwohl an sich nicht grösser als in Versuch XI, tritt innerhalb der ersten 3 Secunden ein, ist erheblich verfrüht. Es scheint also der Vagus 22* 340 J. JAcog: eine hemmende Wirkung nicht nur auf den Accelerans, sondern auch auf die Vasostrietoren zu haben. Es scheint zunächst zweifelhaft, ob der Vagus- ausfall direct oder durch Vermittelung der verfrühten Drucksteigerung die Pulsfreguenzvermehrung verfrüht. Letzteres ist das ziemlich sichere, weil später nach Aufhebung der Drucksteigerung die Latenz der Pulsfrequenz- mehrung wieder zum Vorschein kommt in alter Ausdehnung als Wirkung restirender unbekannter Vagusfasern. Starke Erregung des Accelerans ver- mag indess auch die vom Vagus herrührende Latenz zu verkürzen. Es ist in Versuch XI auch einmal trotz erhaltener Splanchniei eine Vermehrung der Pulsfrequenz bei nur wenig gesunkenem BD vorhanden, was, wie wir wissen, die Erregung des Accelerans durch den Reflexreiz beweist. Die zum Schluss bewerkstelligte Erstieckung, welche nur durch Aussetzen der künst- lichen Respiration herbeigeführt wird, dank dem Curare, vermindert die Pulsfrequenz von 2-4 in 1 Secunde auf 2 und später 1 in 1 Secunde; gleichzeitig erhöht sich die Pulswelle auf 200—300 Procent und die Rück- stosselevation, welche durch Zertrennung des einen Splanchnieus und theil- weise des anderen auch während der Reizungen mit dem faradischen Strom verschwunden war, kehrt zurück. Trotz Durchtrennung der Halsvagi, welche bekanntlich im ersten Stadium der Curare-Erstickung gereizt werden, tritt auch hier Verminderung der Pulsfrequenz ohne sichtliche Kraftverminderung des Herzmuskels ein. Die Pulszahl vermindert sich auf etwa !/,, jede ein- zelne Contraetion fördert aber eine dreifachgrosse Pulswelle. Die Basis der Pulswelle ist erhöht. Diese und die Rückstosselevation beweisen eine erhöhte Spannung der Ringmuskeln der Gefässe durch die restirenden vasomotori- schen Nerven, die indess zunächst vom Herzen spielend überwunden wird. Gruppe 4. Versuch XI. a n. ND | PD | Bemerkungen a ND | PD _ Bemerkungen 29° |. 100 100 2 Hüften je | 33-5 116) Pfr 752 Pr 30-5 1 Elem. 32 30-5 | 32 30-5 » | El. Reizung 10 | 32-5 55 29-5 116 70 Latenz. 32 rg 33-5 | Pfr. vermehrt | 27-5 | Starke 345 | Curare 3 etsr | 23 IR 03 Vaguserreg. 34 Ik, ae subeutan vor | 25 5 Pfr. 13 Proc. 35 | 108 r dem Versuch. | 26-5 ı 114 vermindert 317543 nltı 114 Pfr. und PD | Pause 31-5 128 gestiegen 27-5 100 | 32-5 keine Vagus- | 27-5 32 % 24 erregung 2129| 5 100 | El. Reizung 8 32 114 27-5 | 126 Latenz 32 FB er 29-5 183 28 55 300 | 2 Splanchniei | 31 27-5 pereisi 32-5 „ 27-5 100 statt 300 BD 36*5 5 150 Pfr.'35 Proe: 26* 55 116 | El. Reizung 8 | 365 |. |, vermehrt 28 | 124 | Latenz, Erreg. | 32 ge Pfr. 6 Proc. 32 „des Accelerans | 26 je vermindert ÜBER BEZIEHUNGEN DER THÄTIGKEIT WILLKÜRLICHER MUSKELN UV. S.w. 341 Gruppe 4. Versuch XI (Fortsetzung). Talı | PD Bemerkungen i ae PD Bemerkungen 26 174 23 26°5 150 23°5 A | 23 100 27 | 20.5* 121 El. Reizung 3 | | Pause 20-5 134 Pfr. 11 Proc. 37 | 27-5 121 vermindert 27 | 29 5 Pfr. 19 Proc. 245° | 146. | El. Reizung 3 28 ‚N vermehrt 24-5 160 Pfr.— 11 Proc. 28 Eh 31-5 | 146 27-5 & 35-5 " Pfr. +31 Proc. 27 5 35 | 2 27 55 | 35 x 26-5 N | 29.5 160 26 ER 24 175 25 En 22 190 Pfr.— 19 Proc. 25 » 23-5 1530 25 5 23-5 24-5 \ 26 22-5 26-5 | 19 236-5 123 18 ” Pfr. 22 Proc. 27 | Vagi pereisi 18-5 vermindert 27 18-5 27 160 21 A 25.5* 127 El. Reizung 5 21°5 28 FE Pfr. 5-5 Proe. 215 30-5 131 vermindert 21-5 32-5 9 22 33 ” | 21-5 32 136 | 22 29 100, \ 22 27 5 23 26°5 127 Pfr. 2 Proc: 22-5 | 26-5 118 vermindert 2a Pause 22-5 27 22-5 26-5 100 El. Reizung 3 21-5 100 | 25* 121 Pfr. 5-5 Proc. 22-5* 100 El. Reizung 0 26-5 131 vermindert 26 108 Pfr.— OProe. 29-5 134 Latenz der 28 121 Pfr.+ 32 Proe. 30 131 Pfr.-mehrung 28-5 121 31-5 „ Pfr.+ 19 Proc. 28 142 30 134 27 142 Pause 25 142 INIACOB: Gruppe 4 Versuch XII. e ° ° ° or Or or PD Bemerkungen | se ND PD | Bemerkungen 100 | | Pause 2 0 | le 115 55 Vagi perecisi 3.822 |2115 92 El. Reizung 100 | 2 Hüften längs | 2 | 110 Ad El. Reizung 30-5 | 40 Pfr-,8 Broe. 1325 120 107 El. Reizung | — vermehrt 31 | | Wegen Weg- | 31 ‚115 45 I; fall der Vagi | 31 | | | 90 fehlt Latenz | 31 Ns = Splanchnicus IE, derAccelerans- | 65 | 300 8. pereisus 107 . erregung, aber | 26 x auch Druck- | Pause 90 steigerung 24-5 | 300 | 10 Sec. früher | 23-5 | 100 | „ | alsin Vers. ı1 | 20* an 130 El. Reizung 90 El. Reizung | 20 | 166.) Pfr. 20 Proe. I »10R 25 5 A vermindert | 28-5 11 aus, | 115 Pfr. + 7 Proc. | 30-5 ” Pfr. 30 Proc. | Ha beiND—;S „, 29-5 Sl) vermehrt Gruppe 4. Versuch XII (Fortsetzung). PD Bemerkungen an | PD. Bemerkungen 115 197 1530 3 El. Reizung 20 140 Pfr. 17 Proc. 23-5 1627 vermindert 105 26-5 B | | 28]: 147, |WPfrr 2WEroc % | 26 ı ND durch Reizung Pause 24 ‚ unerheblich gesteig. 24-5 Splanchnicus 25 130 24 sinister pereisus 25 22-5 | 21 140 21-0 | Pfr. — 11 Proc. 22 23-5 | offenbar Wirkung 25 120 23 ' des Curare und der 22-5 22 Verminderung von 21 22 | ND 24-5 08 23° 100 22 ÜBER BEZIEHUNGEN DER THÄTIGKEIT WILLKÜRLICHER MUSKELN U. S. w. 343 Gruppe 4 Versuch XII (Fortsetzung). PD Bemerkungen pn 10 Sec 10/Sec; PD | Bemerkungen 19 | 120 Metro 0) Broc: 24-5 20 | vermindert 24 | 23-3 | 24 100 24 | 100 23 | lo 23-5 23-5 | 22-5 225 | | 23-5 100° | 21 | | 21* 140 El. Reizung 22 | 22-5 180 Pfr. 9 Proc. 24 25 vermindert 23 26°5 150 Pfr. +12 Proc. 22 100 25 2 133 El. Reizung 24 142 21-5 166 25 25-5 160 | 25 | 140 25-5 146 24-5 28 140 Pfr. 27 Proc. 24-5 DD I vermehrt: 24 26 108 24-5 25 120 24 cp Bir. 4Proe. 22-5 | 24 140 vermehrt Gruppe 5. Versuch XI. Das Thier bis zur Lähmung curarisirt, nachdem N. eruralis und ischia- dieus eines Beines blossgelegt und durchschnitten sind. Beider Nerven cen- traler Stumpf wird gleichzeitig mit je einem Induetorium faradisirt. Rollen- abstand 6 bewirkt nichts, 3 macht Drucksteigerung und etwas Erhöhung der Pulswelle. Dann werden beide N. splanchniei durchschnitten. Danach sinkt der vasomotorische Druck, d. h. derjenige, welcher die Basis der Pulswelle be- stimmt, um 73 Procent, die Zahl der Pulse von 39—40 in 10 Secunden auf 21, d. h. um 46—47 Procent, letzteres wohl in Folge der mit Eröffnung des Peritonealsacks bewirkten starken Abkühlung des Thieres. Die Pulswelle dagegen erhöht sich auf das sechsfache. Faradische Reizung 3 von 10 Secunden ergiebt Verminderung der Puls- zahl um 10 Procent, auch nachher, weil sie zu schwach ist, wie sich später herausstellt. Zweite Reizung ergiebt Vermehrung der Pulsfrequenz um 2—4 Procent. Dritte Reizung, 0 ergiebt, weil Ableitung des Stromes dessen Kraft schwächt, nur geringe Verminderung der Pulsfreqguenz. Durchschneidung beider Vagi, ohne gleichzeitige Reizung, ergiebt Anwachsen der Pulsfrequenz um 8 Procent und ungewöhnlicherweise Erhöhung der Pulswelle von langer 344 J. Jacop: Dauer um 40 —60 Procent. Nachfolgende Reizungen sind wirkungslos. Dieses Resultat der Vagidurchschneidung, welches nach dem Abklingen der vorherigen fast wirkungslosen Reizungen erzielt wurden, beweist, dass Cu- rare das Vaguscentrum direct erregt und dass die sonst mit der Verminde- rung der Pulsfrequenz einhergehende Drucksteigerung mit der Verlangsamung und Vergrösserung der Pulsfolge nichts zu schaffen hat. Einschaltung beider Oberschenkel in je einen dBR ergiebt Erhöhung der Pulswelle um 40 — 50 Procent, Vermehrung der Pulsfregquenz um 4—6 Procent, später 20—30 Secunden nachher trotz der durchschnittenen Halsvagi eine vorübergehende Verminderung der Pulsfreguenz um 8 Procent. Der zahlenmässige Belag ist als unwesentlich für den Hauptzweck, den Beweis der Acceleranserregung, übergangen in den Tabellen. Versuch XIV. Beide N. ischiadiei für je ein Danieli-Element zu centraler Reizung praeparirt. Vorher Curare und Durchschneidung des Splanchnieus sinister. Curare macht Pulsus bigeminus, d. h. einen sehr hohen und im absteigenden Schenkel nachfolgenden sehr kleinen Puls, deren grösserem meist eine grössere Pause vorangeht. Nach der Splanchnicus-Durchschneidung senkt sich der vasomotorische Druck um 50 Procent, die Pulsfreguenz um 35 Pro- cent; der Pulsus bigeminus macht einzelne colossale Pulse, der nachfolgende kleine fällt kaum noch in den absteigenden Schenkel des vorhergehenden, weil die Pulswelle in Folge Wegfalls der durch Reizung zu erzeugenden vasomotorischen Spannung sehr rasch und ohne secundäre Elevationen ab- läuft, der bigeminus vermindert, wo er auftritt, die Pulsfrequenz. Reizung macht keine oder unerhebliche Steigerung des vasomotorischen Druckes. Die Pulswelle wird nicht deutlich erhöht; dagegen fallen die kleinen Pulse weg. Paradox ist wie im Versuch XI die nachträgliche Verminderung der Pulsfrequenz, obwohl die Halsvagi durchschnitten sind. Beschleunigung der Pulsfregquenz 5—7 Procent. Versuch dient zugleich als Beweis dafür, dass Curare auch nach Trennung der Splanchnici den Vagus erregt und P. bige- minus dadurch erzeugt und die Pulsfrequenz vermindert, indem sowohl P. bigeminus als Verminderung der Pulsfrequenz nach Trennung der Vagi ziemlich ganz verschwindet, d. h. die vor der elektrischen Reizung bis auf 25 zeitweise herabgesetzte Pulsfreguenz nach Durchschneidung der Vagi augenblicklich von 25 auf 29 hinaufgeht. Auch kehrt die früher durch Curare bewirkte zeitweise und vorübergehende Verminderung der Pulsfre- quenz nicht wieder, beweist also wieder die direete Erregung des Vagus- centrums durch Curare. Auch ist die durch Reizung verminderte Pulsfrequenz nach Trennung der Vagi weniger ausgesprochen. Versuch XV. - Beide Ischiadiei und beide Splanchniei durchschnitten. Curare. Chloral 0-33 vorher. Reizungen an beiden Nerven gleichzeitig mit je einem dBR, ergeben 6—16 Procent Vermehrung der Pulsfrequenz und Erhöhung der Pulswelle um 20—40 Procent. Nach den Reizungen ebensoft Herabsetzung der Pulsfrequenz wie keine; die Durchschneidung der Vagi ändert daran nichts. ÜBER BEZIEHUNGEN DER THÄTIGKEIT WILLKÜRLICHER MUSKELN U. S.w. 345 Versuch XVI Die durch Reizung beider Ischiadiei bewirkte Vermehrung der Puls- frequenz beträgt vor Durchschneidung der Splanchniei 31 Procent, nachher 4—9 Procent. Vor Durchschneidung der Splanchniei verkleinert Reizung der Ischiadieci die Pulswelle, nachher bewirkt Reizung Vergrösserung der Puls- welle um 20—66 Procent. Versuch XV. Es wird am unvergifteten, auch nicht chloralisirten Thier das peri- pherische Ende eines oder beider durchschnittenen Ischiadiei tetanisirt. Ein Ischiadicus ergiebt dabei Senkung des vasomotorischen Drucks um 15 Pro- cent, beide 40 Procent; die Pulswelle selbst ist um’s Doppelte oder Dreifache erhöht. Die Pulsfrequenz unverändert. Die respiratorischen Druckschwankun- gen, welche vor der Tetanisirung schwach waren, sind danach sehr ausge- prägt, eine Folge des vermehrten Athmungsbedürfnisses.. Natürlich waren die zugehörigen Muskeln in möglichst starken und anhaltenden Tetanus versetzt, so dass bei centraler Fortleitung der Reize, welche hier abgeschnitten war, eine bedeutende Erhöhung der Herzarbeit entstanden wäre. Davon tritt aber nichts in Erscheinung. Folglich ist der Stoffwechsel der Muskeln ohne Bedeutung für die directe Erregung des Herzens oder seiner nervösen Centra. Der Versuch war so schlagend und oft wiederholt, dass er an keinem zweiten Thiere angestellt zu werden brauchte. Danach Curare, Durchtrennung eines Splanchnicus und Reizung des centralen Stumpfes beider Ischiadiei zugleich durch je ein Daniell-Element. Die Vermehrung der Pulsfrequenz ist bei der ersten Reizung 6 Procent, aber nachher sehr lange anhaltend und in der Nachwirkung zeitweise 10 Procent; bei der zweiten Reizung 0—2 Procent, die Pulswelle ist um’s 2—3fache erhöht. Gruppe 5. Versuch XIV. Pfr. in | Puls. bige- Pfr. in. | Puls. bige- | 10 Sec. minus Bemerkungen 10 Sec. minus D nung n 29 seltener 26 kehrt 28-5 28 zurück 26 häufig | Curare 3 etgr 28 27-5 & 1 Splanehn. perc. 28. 28 hr 25 häufig und 29 seltener 23 gross Pfr.— 22 Proc. 29 I 23 28* 2 Ischiadiei 25 | 27 ver- El. Reizung 10—6 äusserst Vagi pereisi 30 schwindet central 28 schwach 30-5 ss Pfr. + 5 Procent 29 29 = 29 27-5 oo 30 46 J. JAcog: Gruppe 5. Versuch XIV (Fortsetzung). er | nee | Bemerkungen on BR Eu Dies Bemerkungen | 29 | | 28-5 30* ı ganz ge EI. Reizung 4 28 * keiner 30 schwunden 29 £ 31 Pfr. <+ diproe Nmmegsra Pfr. + 5 Proc. 31 Eu 295 55 30 # | 26-5 2 28 sehr, ji” „Bir. 4.5, ,, 24 mässig 28 schwach 26 e 28-5 | 24 28-5 | 28 ganz 28 | 28-5 gering 28-5 28 „= 28 Gruppe, 5. Versuch XV. Ir Bemerkungen Pl Bemerkungen a Bemerkungen db. 22 27 25 Pause 26 25 \ 24-5 25 Pfr. — 10 Proc. 24 25 24-5 Erregung unbe- 26* El. Reizung 10 24* El. Reizung 8 23 kannter Vagus- 28 keine Vaguserreg.| 26 23 fasern 29 26 Pause 26 Pfr. + 11-6Proc.| 27 Pfr. + 8 Procent 25-5 24 26-5 25-5 ; 22 Pfr2—16, 26-5 24 Pfr: =£0 22 26°-5* | EI. Reizung 2-0 24 keine Vaguserreg.| 22 27-5 Pause 22 28 Pfr. + 5-7 Proc 24 Vagi pereisi 28 24 | N 4 sofortige Ver- 28 24-5" El. Reizung 8 25 minderung der 27 25 25 Vaguserregung 27 26 25-5 27 26-5 [Pfr.+ 10-5 Proc} 25-5 :|Pfr.+11-4Proc.| 26 26 | 25-5 26 23 "25-5 26 23 ı Pfr. — 20 Proc. 25-5* | El. Reizung 4 26-5 21-5 26-5 | 26 21-5 27-5 , | Pfr. +8 Procent BEZIEHUNGEN DER THÄTIGKEIT WILLKÜRLICHER MUSKELN U.S.w. 347 Gruppe 5. Versuch XVlI. Pfr, in | PD | ND | Bemerkungen | Iorgn | PD | ND | Bemerkungen 35.5 35 | Pause 36-5 100 | 100 25-5 100 40 Curare 3 ctgr 25-5 25 175 | 105 |‘ Pfr. 30 Procent 25 a ee 26 vermindert 25-5* 100 | 40 El. Reizung 5 25 be e 2 Ischiadiei 25 20. 0,0) ale 100 | 140 El. Reizung 9 25 33 2 En central 25-5 133 Bir. ==.0 33-5 e s Pfr. + 31 Proc. 25-5 " Störung 26 » Schluss? 26°5 x is Pfr. + 6 Procent sl 125 | 130 26-5 ss 30 Eu 25-5 29-5 ss 25-5 120 3250120 |, 25-5 | 32-5 ” > 25 100 | 2 Splanchnici 25 100 | 26 100 | 40 pereisi 24-5 |. Pfr. — 2 Procent 26 | 24-5 R 26 See: 25 100 | 23” 166 | 40 El. Reizung 8 24-5* 100 ı El. Reizung 3 26 | Pfr. — 4 Proc. 23-5 | 160 \ Pfr. — 6 Procent 27-5 | 25 28 | 25-5 | 140 28-5 | ss Pfr. + 9-6 Proe. 26 Pfr. + 4 Procent 27-5 5 25-5 27 255 120 | 23 © 25-5 25 150 40 24-5 Pfr. — 2 Procent 25 | 24-5 5 26 A 24-5 100400 | . Gruppe 5. Versuch XVII ND PD Bemerkungen ND PD Bemerkungen 100 100 100 100 85* 166 El. Reizung 60* 200 Elektr. Reizung 85 > 1 Ischiadicus 60 200 2Ischiadiei peripher 100 100 peripher 100 100 Tetanus K Tetanus Diese Beispiele sind Kein Chloral ‚mehrfach wiederholt 348 J. JACOB: Gruppe 5. Versuch XVIH (Fortsetzung). Birsan 10 Sec. PD | Bemerkungen 10 See. PD | Bemerkungen 26 100 | 26 26 | 26+5 2: DI Curare 3 ctgr 26-5 26 2 Ischiadiei 26-5 26 centrale elektrische 26-5 225 26* 100 Reizung 8 28 Pfr.-+ 10 Proc. 25-5 200 Pfr. —2 Proc. 27 27-5 zus | 26 206 | 27-5 300 26 | 27-5 26 | 975 Pfr. + 6 Proc. 26 100 27-5 26-5* | . 100 El. Reizung 6 237-5 26 150 zu schwach 26-5 26 Pfr. + 1-5 Pr. 26-5 | 26-5 200 | 26-5 275 26 | 26 250 | 26-5 26-5 250 | 26 26-5 | 26-5 26-5 | 26-5 5 26-5 20 | 26 200 | Endgiltiges Ergebniss der Versuche. 1. Curarewirkung. Meine Beobachtungen über Curare stimmen im Allgemeinen mit den früheren anderer Autoren wie Grützner und Heidenhain, von Bezold und des neuesten Dr. S. Tillie! überein. Neu ist an meinen Wahrnehmungen das Verhalten der Pulsfrequenz in dem dem Kaninchen eigenthümlichen Stadium der Drucksteigerung, der anfängliche Wechsel zwischen Beschleunigung und Verlangsamung der Pulsfolge und die spätere Verlangsamung derselben, welche durch Durch- schneidung des Splanchnicus und des Vagus als starke Reizung des Vagus- centrums erwiesen wird. Dagegen fehlt bei mir ein vorhergehendes kurzes Stadium der Blutdrucksenkung, welches Tillie erwähnt, mit mässiger Ver- langsamung der Pulsfolge, deren Ursache nicht ermittelt ist. " Aus dem pharmakol. Institut zu Leipzig (Böhm). — Ueber die Wirkungen des Curare und seiner Alkaloide von Dr. J. Tillie. Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmakologie. Bd. XXV. 8. 1. ÜBER BEZIEHUNGEN DER THÄTIGKEIT WILLKÜRLICHER MUSKELN U. Ss. w. 349 Bei reflectorisch erzeugten Drucksteigerungen hat Tillie, wenn sie mässig waren, Verminderung der Pulsfreguenz, wenn der Druck höher war (180 ==) Vermehrung der Pulsfrequenz. Die Verminderung der Pulsfrequenz blieb nach Durchschneidung der Vagi aus. Er lässt es selbst unentschieden, ob der Druck oder der elektrische Reiz reflectorisch das Vaguscentrum reizt. Meine Versuche nach Durchtrennung der Splanchnici ergeben, dass Curare das Vaguscentrum direct reizbarer macht für den sensiblen Reiz. Es ist demnach durch meine Versuche erwiesen, dass Curare im Sta- dium der Drucksteigerung das Vaguscentrum direct reizt und überhaupt dasselbe viel reizbarer macht, so dass mässige reflectorische Erresungen des Acceleranscentrum latent gemacht werden. Das Fehlen des kurzen Stadiums der Druckerniedrigung beruht jedenfalls auf der subcutanen Appli- cation des Curare. Ich habe einmal bei intravenöser Injection dasselbe beobachtet. Tiilie hat aber immer intravenös injieirt. Da bei subcutaner Anwendung die Wirkung milder ausfallen muss, weil allmähliger an- wachsend, so handelt es sich offenbar um eine Anfangswirkung auf’s Herz bei Tillie, muthmaasslich vorübergehende Depression der Herzganglien- nerven oder Muskeln. Und in der That sind in meinem einzigen Beispiel die Pulswellen kleiner als gewöhnlich. Das Stadium der vasomotorischen und Vaguslähmung kommt in meinen Versuchen nicht vor, weil die Dosen nicht gross genug waren. Dagegen war die directe Erregbarkeit der Muskeln oft völlig suspendirt. Die Er- höhung der Erregbarkeit des vasomotorischen Centrums durch Curare wird durch keine Versuchsanordnung so deutlich demonstrirt wie durch die von mir gewählte. Es wurde öfter dieselbe Reizstärke vor und nach Eintritt der Curarewirkung applieirt und zuweilen fiel dieselbe in die zweite Hälfte einer Reizung, so den Druck plötzlich auf’s Doppelte des durch den Reiz be- wirkten Maasses erhöhend. 2. Wirkung der Reize auf’s Herz. Die nach Splanchnieustrennung und Curarelähmung vorgenommenen Reizungen des centralen Stumpfes beider Ischiadiei bewirken Vermehrung der Pulstreguenz und Erhöhung der systolischen Curve, ohne den vaso- mötorischen Druck zu steigern. Die der Muskelarbeit zukommende Stei- gerung des Stoffwechsels war hierbei vermieden worden. Die Circulations- erscheinungen sind eine Steigerung der Frequenz und der Energie des Herzschlages und können nur dadurch entstanden sein, dass die Erregung centripetaler Muskelnerven durch die Herznerven auf’s Herz übertragen wurde. Der Halsvagus ist daran nicht betheiligt. Die centrifugalen Träger des Reizes sind danach im Accelerans oder in besonderen mit ihm ver- 350 J. JACOB: laufenden Verstärkungsnerven zu suchen. Da die Hautnerven nach Lov£n, Latschenberger, Deahna u. s. w. reflectorisch nur auf den Vagus wirken, so ist der Anstoss zu unserem Phaenomen in den sensiblen Muskel- nerven zu suchen. Der Stoffwechsel des Muskels ist zu ihrer Reizung nicht erforderlich, wie die Reizung des centralen Stumpfs beweist. Aber auch auf dem Wege des Blutes den Centris oder dem Herzen zugeführt, tragen Stoffwechselproducte des Muskels zu unserer Erscheinung nichts bei, wie die erfolglose Reizung der peripherischen Stümpfe derselben beiden Ischiadiei erweist, deren centrale Stümpfe später gereizt, das Phaenomen deutlich her- vorbringen (Versuch 17). Die durch spontanes Schreien, spontan verstärktes Athmen und durch Sträuben hervorrufbaren gleichartigen Veränderungen der Circulation, waren theils gleich Null, theils so minimal, dass sie gegen die durch Plexusreize bewirkten gar nicht in Betracht kommen. Ich kann daher unter Berück- sichtigung der Ausschliessung anderer Vermittler als der Nerven für die Reizungen des Plexus lumbalis, welche mit und ohne Tetanus, mit und ohne Drucksteigerung verliefen, ohne und mit Curare angestellt wurden, dieselbe Beweiskraft in Anspruch nehmen wie für die nachfolgenden, strengeren Bedingungen unterworfenen Experimente. Da einige Male auch nicht ein- mal Chloral angewendet worden war, so haben sie den Vorzug unter mög- lichst natürlichen Bedingungen zu Stande gekommen zu sein. Zur vollen Natürlichkeit fehlt ihnen noch, dass der elektrische Reiz nicht wie der Wille auf die motorischen Nerven beschränkt ist, sondern die sensiblen Muskel- nerven und dazu auch die Hautnerven trifft. Dies giebt eine Vermehrung des von den Muskeln bei ihrer Contraction auf ihre sensiblen Nerven aus- geübten Reizes und findet muthmaasslich seinen Ausdruck in einer mehr als natürlichen Reizung des vasomotorischen und Vaguscentrums. Dennoch fällt bei schwachen Reizen, welche reflectorisch noch auf’s Herz wirken, die Drucksteigerung fort, weil theils der Muskel sich kaum nennenswerth con- trahirt, theils wenn er es thut, durch Erweiterung seiner Gefässe eine compensatorische Erniedrigung des Drucks erzeugt. Jedoch spontanes Sträuben, ein kurzes Spannen fast sämmtlicher Muskeln, also auch der Wille erzeugt stets Drucksteigerung. Es überwiegt also doch die reflectorische Reizung des vasomotorischen Centrums auch hier die Erweiterung der Muskelgefässe und die dadurch bewirkte Drucksenkung, eine sehr zweck- mässige Einrichtung, welche den arbeitenden Muskeln möglichst viel Blut zuführt. Diese Arbeit verrichten beim Kaninchen fast allein die Splanch- nici, wie Durchtrennung derselben zeigt. Erleichterung des Stoffwechsels ist auch der Zweck des in dieser Arbeit erwiesenen, im Muskel beginnen- den und zum Herzen in Beziehung stehenden bisher unbekannten Reflex- mechanismus. ÜBER BEZIEHUNGEN DER THÄTIGKEIT WILLKÜRLICHER MUSKELN U. Ss. w. 351 Wie unsere Versuche vielfach zeigen, bewirkt Reizung der Muskelnerven allein auch eine reflectorische Erregung des Vagus zu Anfang und in der Nachwirkung. Durchschneidung des Halsvagus schwächt die Erscheinung, hebt sie aber nicht ganz auf. Die dadurch beeinflussten Blutwellen sind oft noch höher als die bei erhöhter Frequenz. Es kann sich also wohl um keine Ermüdung handeln, sondern es müssen noch ausserhalb des Vagus Nervenfasern zum Herzen gehen, welche die Frequenz verringern. So das Bild nach Durchtrennung der Splanchnici. Vorher tritt bei wirksamem Einfluss auf den Accelerans die Vagusreizung öfter nicht in die Erscheinung, sie wird durch die Folgen der Drucksteigerung übercompensirt. Eine rasche Drucksteigerung bietet auch hier im Gegensatz zu Johansson keine Latenz der Beschleunigung der Pulsfolge. Am nicht curarisirten Thier ist die Vaguserregung ebenfalls bemerk- lich, besonders zu Beginn der reflectorischen Reizung und dabei ist auch die Basis der Pulswelle erniedrigt. Die Vaguserregung dauert jedoch nur selten 10 Sec. an und wird darum meist durch die folgende Beschleunigung der Pulsfolge in den 10 Sec. umfassenden Zahlenangaben versteckt. Beim Menschen mit erhöhter Herzfrequenz bezw. beim Klappenfehler ist mir als Nachwirkung der Muskelarbeit eine Verlangsamung und Er- höhung der Pulse vorgekommen, zugleich das subjective Gefühl grossen Behagens und der Erleichterung des Athmens. Die Herstellung wägbarer Mengen von Blutplättchen. Von Dr. R. Mosen. (Aus dem physiologischen Institut zu Leipzig.) (Hierzu Taf, XIV.) Der rasche Zerfall, den die zuerst von Hayem als typische Formbe- bestandtheile des Blutes erkannten, von Bizzozero und Laker im strömen- den Blut nachgewiesenen Blutplättchen erleiden, sobald das Blut das Gefäss verlassen hat, schien mit der Abscheidung des Faserstoffs in ursächlichem Zusammenhang zu stehen, und es lag deshalb nahe zu versuchen, ob sich jene Formen nicht in einem ungerinnbar gemachten Blut erhalten und mittelst der Centrifuge in grösseren Mengen darstellen liessen. Auf Vorschlag des Hrn. Prof. C. Ludwig benutzte ich zu Versuchen in dieser Richtung ein Blut, welches durch Zusatz oxalsauren Ammoniaks an der Gerinnung verhindert war. Untersucht wurde das Blut von Hunden und Kaninchen. Beide Biutarten zeigen, abgesehen von einem geringen später zu erwähnenden Grössenunterschied der betreffenden Gestalten gleiche Verhältnisse. Als Ort der Blutentnahme diente fast ausschliesslich die Carotis. Indessen zeigte Blut, das aus der Jugularvene entnommen wurde, vollständig gleiche Verhältnisse. Nachdem das Gefäss frei praeparirt und die Canüle einge- setzt war, wurde letztere mit einem Glasröhrchen verbunden, die Ligatur sofort gelöst und das Blut strömte unmittelbar in einen Maasscylinder, der eine bestimmte Menge, je nach der zu unternehmenden Blutmenge 3 bis 25 °m, einer 2procentigen Lösung oxalsauren Ammoniaks in 0.7 procentiger Kochsalzlösung enthielt. Sobald die Mischung das Zehnfache des Volumens der angewandten Lösung erreicht hatte, also 0.2 Procent oxalsauren R. Mosen: DiE HERSTELLUNG WÄGBARER MENGEN V. BLUTPLÄTTCHEN. 353 Ammoniak enthielt, wurde die Arterie geschlossen, das Blut so bald wie möglich auf die Centrifuge gebracht, um hier so lange zu verweilen, bis der Zweck, die Elemente des Blutes nach ihrem speeifischen Gewicht zu ordnen, erreicht war. Diese Zeit schwankt zwischen 2—7 Stunden. Wird das Blut der Centrifuge entnommen so zeigtsich in der Regel sehr schön eine vierfache Schichtung. Ueber der Schicht abgesetzter rother Blut- körperchen zeigt sich, je nach der Blutmenge, eine bis 5" dicke, grau- röthliche Lage, über dieser wie eine zarte Decke ausgebreitet, eine weissliche Schicht; auf diese folgt dann, wenn die Plättchen vollständig abcentrifugirt sind, ein klares Plasma. Heben wir vorsichtig mit einer feinen lang aus- gezogenen Saugpipette einen Theil der weissen Schicht ab und untersuchen ihn unter dem Mikroskop, so erhalten wir ein von Leukocyten und rothen Blutkörperchen vollständig freies, aber von Gestalten übersätes Gesichtsfeld, welche durch constante und charakteristische Eigenschaften von rothen und weissen Blutkörperchen wohl unterschieden und zweifellos mit den Haemato- blasten Hayem’s und den Blutplättchen Bizzozero’s identisch sind. Die darunter liegende graurothe Schicht enthält ebenfalls eine ausser- ordentliche Menge jener Elemente, daneben aber vorzugsweise Leukocyten und bereits zahlreiche rothe Blutkörperchen. In einzelnen Fällen, vielleicht wenn das Plasma ein relativ hohes specifisches Gewicht besitzt, gelingt es nicht die Plättchen in einer scharf abgegrenzten Schicht zu vereinigen, sie bleiben im Plasma vertheilt, das völlig trübe erscheint. Durchmustern wir die über die Blutplättchen vorhandene Litteratur, um Anhaltspunkte für einen Vergleich mit unseren Bildungen zu erhalten, so zeigt sich, wie mit der Entdeckung der „hematoblastes* durch Hayem und dem Nachweis der Blutplättchen im circulirenden Blut durch Bizzozero die Er- kenntniss ihrer histologischen Eigenthümlichkeiten in der Hauptsache ab- schliesst. In der Folgezeit hat Schimmelbusch durch eine eingehende Beschreibung, die manches Neue bringt, das Bild der Körperchen etwa folgendermaassen fixirt: Innerhalb der Gefässe und bei schnellster Behand- lung des ausgetretenen Blutes mit Osmiumsäure erscheinen die Plättchen als dünne, homogene, farblose, runde Scheibchen. Biconcave Formen erhält man nur durch gewisse Reagentien. So Löwit im Peptonblut, Bizzozero in concentrirten Salzlösungen, Schimmelbusch selbst durch Anwendung der von Hayem angegebenen Flüssigkeit. Die Körperchen neigen sehr leicht zu Veränderungen. Gleichzeitig mit dem Zackigwerden der Form beginnen die Plättchen klebrig und stärker lichtbrechend zu werden. Der stärkere Glanz redueirt sich dann auf eine nicht immer central gelegene Partie. Die periphere Masse erscheint blasser und homogen bis feinkörnig. Vor Ausscheidung des Faserstoffs sind diese Massen mehr rund oder poly- gonal, nachher zackig und von den angelagerten Fibrinfäden verzogen. Archiv f, A. u. Ph. 1893. Physiol. Abthlg. 23 354 R. Mosex: Die Trennung ihrer Substanz in zwei wird durch gewisse Reagentien hoch- gradiger. Die stärker lichtbrechende Masse färbt sieh intensiv mit Kern- farbstoffen. Indem wir nur noch die neuesten Angaben Lilienfeld’s be- rücksichtigen, der durch Prüfung des mikrochemischen Verhaltens der Plättchensubstanz namentlich gegen HCL-Pepsin den Nachweis erbrachte, dass sie aus einem mit Eiweiss gepaarten Nucleinkörper besteht, verweisen wir auf die ausführlichen Besprechungen der Litteratur bei Bizzozero, Schimmelbusch und dem oben genannten Beobachter, um so mehr, als sie mehr Controversen und mehr oder weniger wahrscheinliche Hypothesen als beweisende Beobachtungen über Herkunft -und Bestimmung der Plätt- chen bietet. Das gilt namentlich von den Anschauungen über die Be- theiligung der Körperchen an der Faserstofigerinnung, die so lange werthlos sind, als es nicht gelingt, die Plättchen von den Leukocyten zu trennen. In der neueren Zeit ist das Studium der interessanten Gebilde fast voll- ständig vernachlässigt worden. Der Grund ist wohl der, dass sie in Folge der raschen Vergänglichkeit und der Zartheit ihrer Form, die sich fast nur durch das stärkere Lichtbrechungsvermögen vom Plasma abhebt, der Be- obachtung schwer zugänglich waren. Andrerseits ist wohl die Bedeutung der Elemente, indem man sie als werthlose Zerfallsproducte ansah, unter- schätzt worden. Alle empfohlenen Untersuchungsmethoden haben den Nachtheil, dass sie die Körperchen nicht in freiem Verkehr mit normalem Plasma und nur in geringer Menge zeigen, während es einer grossen Menge von Formen bedarf, um durch ihre Vergleichung die stets typisch wieder- kehrenden Eigenschaften zu erkennen. Diese Bedingung ist, wie wir sehen, in centrifugirtem Oxalatblut erfüllt. Die oberste weisse Schicht ist eine Reindarstellung von Haematoblasten, die darunter liegende grauröthliche bietet die Möglichkeit, ihre Formen mit denen der verschiedenen Arten von Leuko- cyten und der rothen Blutkörperchen zu vergleichen. Für die Erkennung der charakteristischen Formenverhältnisse ist die Untersuchung ohne Zusatz eines Reagens jeder anderen vorzuziehen. Selbst Osmiumsäure beeinflusst Lichtbrechungsvermögen und Gestalt der Gebilde, noch mehr aber die verschiedenen vorgeschlagenen Fixationsflüssigkeiten, als Pepton-Kochsalzlösung, Methylviolet-Kochsalzlösung, Hayem’s Sublimat- gemisch und andere. Färbungen mit Anilinfarben sind zwar für die Auf- deckung gewisser Verhältnisse werthvoll, zerstören aber die normale Structur. Auf einige derselben ist noch zurückzukommen. Heben wir mit der spitzen Pipette ein Theilchen der weissen Schicht ab, verdünnen dasselbe mit etwas Plasma, bringen es auf den Objectträger und umranden das daraufge- brachte Deckglas mit Paraffin oder Canadabalsam, so beobachten wir die Formen am schönsten und unmittelbarsten. Bei mittelstarker Vergrösserung (Zeiss 4 "m, Ocul. 4) zeigt sich das ganze Gesichtsfeld dicht gedrängt erfüllt Die HERSTELLUNG WÄGBARER MENGEN VON BLUTPLÄTTCHEN. 35D von zarten, lichtbrechenden, runden Körperchen, die von dunklen, zuweilen netzartig verbundenen Stelien durchsetzt erscheinen, sodass der Eindruck entsteht, als bestünden sie aus mattglänzenden Granulis, die durch eine dunklere Masse getrennt sind. Man ist im Augenblick geneigt, die Bil- dungen für sehr kleine Formen von Leukocyten zu halten. Oft bilden sie Gruppen, und die einzelnen Elemente sind dann weniger scharf gesondert; sie werden aber, wenn Strömungen eintreten, losgelöst und zeigen die ur- sprüngliche Form. Ein Verständniss der letzteren erschliesst sich erst bei Anwendung starker Immersionssysteme. Man erkennt dann, dass die Aehnlichkeit mit Leukocyten nur eine scheinbare ist. Fig. 1 zeigt, um eine Vergleichung mit den Leukocyten und rothen Blutkörperchen im Oxalatblut zu ermöglichen, die Elemente der aus allen drei Formbestandtheilen des Blutes zusammengesetzten Schicht. — Die rothen Blutkörperchen sind nur zum geringen Theil unversehrt in ihrer biconcaven Form erhalten, der grössere Theil zeigt sehr schön die bekannte Stechapfel- form und erschliesst uns gleichzeitig das Verständniss der scheinbaren in den Haematoblasten auftretenden Granulation. Die farblosen Blutkörperchen, die fast vollständig in der grauen Schicht vereinigt sind, zeigen je nach der Dauer des Oentrifugirens als Zeichen ihres Absterbens mehr oder weniger deutliche Kernconturen, bei einigen wenigen lassen sich selbst noch amoeboide Bewegungen nachweisen. Die beiden Hauptformen der Leukocyten treten sehr charakteristisch zu Tage: Körperchen, die mit groben Granulis erfüllt sind und gewöhnlich viele Kerne besitzen, und feinkörnige, oft nur mit einem grossen, fast den ganzen Zell- leib ausfüllenden Kern versehene. Wie die kurzen, stumpfen Fortsätze der rothen Blutkörperchen im optischen Querschnitt gesehen sich als runde Stellen stärkerer Lichtbrechung aus der dunkler erscheinenden übrigen Substanz abheben, so entstehen die scheinbaren mattglänzenden Granula der Haematoblasten durch zarte, licht- brechende Ausläufer, die vom Protoplasma nach allen Seiten ausstrahlen. Sie kommen in der mannigfachsten Zahl und Grösse vor. Es finden sich Plättchen, allerdings nur in geringer Anzahl, die überhaupt nech keine Ausläufer entsenden und wohl den im strömenden oder kurz nach der Extravasation fixirten Blut von Hayem, Bizzozero, Laker, Ebert, Schimmelbusch u. s. w. beobachteten Gebilden entsprechen. Sie erscheinen meist mehr oder weniger oval, da sie in schräger Stellung beobachtet werden, seltener, wenn von der Fläche gesehen, kreisrund. Entspreshend ihrer ebenen Oberfläche zeigen sie sich völlig homogen, die scheinbare Granulation fehlt. Grössere Formen können, namentlich wenn sie flottiren, eine Einbuchtung in der Mitte erkennen lassen wie die rothen Blutkörperchen. 23 356 R. Moser: Von ihnen zu den Plättchen, aus deren Leib nach allen Richtungen des Raumes zum Theil sehr lange Ausläufer ausstrahlen, giebt es mancherlei Uebergangsformen. Einzelne senden nur einen einzigen, gewöhnlich sehr langen Fortsatz aus und machen den Eindruck förmlicher Spermatozoen, andre besitzen an zwei gegenüberliegenden Polen je einen langen Proto- plasmaausläufer, oder zwei nebeneinander u. s. w. Die Fäden können sich verästeln, jedoch treten diese feinen Verhältnisse erst durch Tinction deutlich hervor. Oft hängen zwei oder mehr Körperchen durch ihre Fortsätze zu- sammen. Amoeboide Bewegungen wurden nicht beobachtet. Was die Grösse der einzelnen Elemente anlangt, so ist diese im Kaninchen- und Hundeblut etwas verschieden. Im normalen Blut über- wiegt die mittlere Grösse. Das Mittel beträgt im Hundeblut etwa 3 u, eher etwas weniger, beim Kaninchen 2 bis 2-5 u. Die Schwankungen um diesen Mittelwerth betragen etwa 2 u. Im normalen Blut nur selten, im anaemischen Blut häufig kommen sehr grosse Formen vor, die fast die Grösse rother Blutkörperchen erreichen. Wenn schon durch die geschilderte Eigenschaft hervorgeht, dass wir es mit einem selbständigen Bestandtheil des Blutes, und zwar dem von Bizzozero und Hayem entdeckten zu thun haben, so ist doch zum Beweis dessen und zu einem Einblick in die Structurverhältnisse das weitere Ver- halten im Oxalatplasma, sowie das Verhalten gegen Reagentien und Farb- stoffe heranzuziehen. Bemerkenswerth ist vor Allem die Eigenschaft des entkalkten Plasma’s, Form und Structur lange unverändert zu erhalten. Erst nach 36 bis 48 Stunden, bei Aufbewahrung des Blutes bei 0° noch viel später, beginnen die Körperchen abzusterben. Allmählich fangen sie an zu verblassen; die Fortsätze verschwinden und die Plättchen nehmen runde Conturen an. Jetzt beginnt auch durch Zusammentreten der Elemente die Bildung amorpher Haufen, die in Folge ihrer unebenen Oberfläche und in Folge des Zurückbleibens unregelmässig vertheilter Stellen stärkerer Licht- brechung den Eindruck machen, als beständen sie aus verschmolzenen Körnchen wechselnder Gestalt. Es sind dies die Gebilde, die wir im frisch ausgetretenen, ungehindert gerinnenden Blute als Körnchenhaufen kennen. Es sind das Veränderungen, wie sie M. Schultze, Hayem, Bizzozero beschreiben. Besonderes Interesse scheinen die durch Färbung darzustellenden Structurverhältnisse zu fordern. Für die gewöhnliche Untersuchung genügt ein Tropfen concentrirter Lösung von Methylviolet (5 oder 6 B) in 0-7 Procent Kochsalzlösung. Ein Tropfen wird an den Rand des Deckglases gebracht und am gegenüberliegenden Rande durch Filtrirpapier abgesogen. Nach einigen Secunden sind alle Plättchen tingirt. Entfernt man alle überschüssige Farbstofllösung dann durch erneutes Durchziehen eines Dıe HERSTELLUNG WÄGBARER MENGEN VON BLUTPLÄTTCHEN. 357 Tropfens 0.7 Procent Kochsalzlösung oder — eine Methode, die besonders schöne Bilder giebt -—— mittels 1 Procent Ueberosmiumsäurelösung und umrandet, so zeigen sich ganz charakteristische und typisch wiederkehrende Verhältnisse. Die Praeparate bleiben Monate lang gleich schön. Fig. 2 ist nach einem so hergestellten Praeparate bei starker Vergrösserung ge- zeichnet. Die Tinction zeigt uns erst wie zahlreiche, mannigfache, ver- ästelte und weit in das Plasma hinein reichende Fortsätze die Substanz der Plättchen ausgiebt. Die Trennung in zwei Substanzen von verschiedener Tinetionsfähigkeit kommt hier sehr praecis zum Ausdruck. Durch die Einwirkung der Farbstoffflüssigkeit sind jetzt alle Plättchen vergrössert und können selbst die Grösse von 7 und 8 u erreichen, Fast immer finden sie sich sehr zahlreich in Gruppen zusammenliegend, ohne je- doch zu verschmelzen. Die färbbare Masse liest meist kernartig in der Mitte und zeigt bisweilen so scharfe runde Conturen, dass sie ohne Weiteres als Kern angesprochen wird. In anderen Fällen ist sie in Form von Körnchen durch die ganze Substanz vertheilt oder liegt auch zwei- oder mehrfach getrennt an der Peripherie vertheilt. Die Umrandung der Körperchen ist fast durchweg kreisrund oder oval. Manche sind durch die durchströmende Färbflüssigkeit verzogen und dann von wechselnder Gestalt. Die von der Peripherie ausgehenden Ausläufer zeigen sich jetzt sehr schön; manche Plättchen bilden förmliche Strahlenkränze, andere ovale Gebilde mit ver- ästelten Fortsätzen gleichen Knochenkörperchen. Mit vielen Haematoblasten sind feine Tröpfchen einer homogenen, ungefärbten Substanz durch Fortsätze verbunden. Man erkennt, dass sie aus jenen ausgetreten sind. Eine ähn- liche Erscheinung beobachten wir an rothen Blutkörperchen nach Behand- lung mit Harnstoff oder in der Wärme. Fig. 2 giebt ein besseres Bild als es die Beschreibung vermag. Kein wesentlich anderes Verhältniss zeigt die Tinction der Plättchen, nachdem sie auf dem Öbjectträger bei gewöhnlicher Temperatur oder im Brütofen bei 100° rasch eingetrocknet sind. In Folge der Zartheit ihrer Structur verlieren sie bei diesem Verfahren rasch ihre normale Form, werden unregelmässig zackig, weder die charakteristischen Fortsätze noch die Schei- dungen in zwei Substanzen treten schön hervor. Bisweilen ist die nicht färb- bare Substanz aus der übrigen Masse ausgetreten und haftet in Form einer Kugel an der mehr oder weniger rundlich gestalteten Peripherie der gefärbten, von der die Fortsätze ausgehen. Fig. 3 zeigt ein Trockenprae- parat von dem Blut eines anaemisch gemachten Kaninchens mit zahlreichen vielkernigen Leukocyten und angehäuften Plättehen. Im übrigen färben sich die Plättchen in derselben Weise mit anderen Anilinfarbstoffen. Um weiteren Einblick zu erhalten, war zu versuchen, ob sich wie in Zellen irgend ein regelmässiger Aufbau nachweisen liesse. Wie erwähnt, 358 R. Mosex: scheinen einzelne Formen bei Anwendung der angegebenen Tinctionsmethode einen runden, scharf conturirten Kern zu besitzen und man konnte hoffen, ein Gerüst von Chromatinfäden nachzuweisen. Verwendet man dazu irgend eine der bekannten Fixationsmethoden, die zur Untersuchung des Blutes angewendet werden, z. B. Darstellung eines Trockenpraeparates aus der weissen Schicht des Oxalatblutes, mehrstündige Fixation mit Flemming’s Chromosmiumgemisch oder mit wässeriger gesättigter Pikrinsäurelösung allein, oder mit gesättigter Sublimatlösung und destillirtem Wasser zu gleichen Theilen mit nachfolgender Safranin- oder Haematoxylinfärbung oder ein anderes Verfahren, man erhält nie ein Kerngerüst, sondern immer nur - eine diffuse Färbung der einen Substanz, während die farblosen Zellen schöne Flechtwerke von Chromatinsubstanz im Kern zeigen. Von nicht geringem Interesse war es, das Verhalten der Plättchen zu der von Altmann angegebenen für Zellgranula charakteristischen Färbung zu studiren, was auf ihre Abstammung und Verwandtschaft Licht zu werfen versprach. Zu diesem Zwecke werden auf verschiedene Weise — im Trockenschrank bei 100° oder bei normaler Temperatur — hergestellte Praeparate, die eine dünne Schicht Plasma mit darin vertheilten Haemato- blasten enthalten, mehrere Stunden lang in einem Gemisch von 5 procent. Lösung von Kal. bichrom. und 1 procentiger Osmiumlösung zu gleichen Theilen fixirt, ebenso lange in fliessendem Wasser ausgewaschen, mit einer 20 procentigen Lösung von Säurefuchsin in Anilinwasser in der Wärme gefärbt, dann der Farbstoff durch Pikrinsäure bei gelinder Wärme ausge- zogen. Untersucht man jetzt in Glycerin oder Canadabalsam, so findet man in den Leukocyten dichtgedrängte Granula, niemals aber in den Haematoblasten. Vielmehr sind dieselben durch ihre ganze Substanz gefärbt wie in dem mit Methylviolet gefärbten Trockenpraeparat. In manchen Formen liegt die gefärbte Masse ringförmig in der Peripherie. Die Plättchen verhalten sich also gegen diese Färbung wie die rothen Blutkörperchen. Ebenso wenig lassen sich durch mikrochemische Reactionen Strueturen ähnlich den an Zellen nachweisen. Die Ansammlung zahlloser Elemente in der weissen Schicht ermöglicht es klare Bilder von ihrem mikrochemischen Verhalten zu gewinnen. Wir haben alle über die Veränderungen der Plättchen durch Reagentien ge- machten Angaben, namentlich die sorgfältigen Untersuchungen Lilien- feld’s nachgeprüft und fanden, dass unsere Körperchen, auch die grösseren, mehr kleinen Leukocyten ähnelnden, sich wie echte Plättchen verhalten Wesentlich Neues können wir nicht mittheilen. Durch häufiges Auswaschen des Öentrifugenrückstandes mit 0-75 bis 1 procent. Kochsalzlösung, welche die Plättchen nur wenig verändert, können sie vom Plasma befreit werden und geben dann mit Millon’s Reagens eine deutliche, auch unter dem Die HERSTELLUNG WÄGBARER MENGEN VON BLUTPLÄTTCHEN. 359 Mikroskop noch erkennbare und dann schwache, in’s gelbliche spielende Rothfärbung. Als besonders charakteristisch ist die bei Anwendung der verschiedensten Reagentien eintretende Trennung in zwei Substanzen, eine wenig lichtbrechende, homogene und eine stärker lichtbrechende, in Folge ungleichmässiger Vertheilung körnig erscheinende Masse. So bewirkt Wasser starke Quellung. Es entstehen förmliche Stromata von kreisrunder Form. Die glänzende Masse wird dabei weniger licht- brechend und in Form von Körnchen in der Substanz zerstreut. Die homogene Masse kann auch in Tropfenform hervorquellen, die körnig er- scheinende, lichtbrechende Substanz hängt dann als Halbmond an der Peripherie. Deutliche Differenzirungserscheinungen bewirkt auch Aether- wasser neben Abblassen und Quellung der homogenen Substanz. Sehr schwachprocentige NaÜ]-Lösungen (0-01 Procent) bewirken starkes Auf- quellen und Abblassen beider Substanzen, 0-7—1 Procent bisweilen Substanztrennung ohne stärkere Quellung. Starke Concentrationen (10 bis 20 Procent) lassen die lichtbrechende Masse compacter werden; sie nimmt unter Zunahme ihres Glanzes eigenthümlich eckige Formen an. Der homogene Theil blasst dabei stark ab und scheint in Lösung zu gehen, Auch die rothen Blutkörperehen geben ähnliche Bilder: eine lichtbrechende Masse (das Zooid?) bildet in ihnen mannigfache Figuren. Diese im Aufbau aus zwei Materialien sich aussprechende Aehnlichkeit der Erythrocyten mit den Plättchen zeigt sich auch schön bei Behandlung mit Pyrogallussäure in ziemlich concentrirter Lösung. Die rothen Körperchen erhalten eine doppelt conturirte Hülle. In ihrer Mitte, oder nahe dem Rande, erscheint ein lichtbrechender Körper, der durch Ausläufer in regelmässigen Abständen noch mit der Membran zusammenhängt. Infolge dessen erscheint er wie gekörnt. Die Plättehen erscheinen als sehr blasse und vergrösserte, mit den Körnern lichtbrechender Masse besetzte Kugeln. Solche Aehnlichkeiten im mikroskopischen Bild — Laker hat auch die Stechapfelform der rothen Blutkörperchen und ihre Neigung zur Geld- rollenbildung mit dem „Zackigwerden“ der Plättchen und ihrer Fähigkeit zu Haufen zu verkleben, verglichen, auch die Stromabildung bei Einwirkung von H,O, nicht minder die elastische Biegsamkeit der Masse, die die grossen Plättchen bei Fixation mit Osmiumsäure sehr schön zeigen, gehört hier- her — lassen wohl genetische Verwandtschaften ahnen, aber nur der Ver- such oder sichere Beobachtung des Uebergangs kann sie beweisen. Sicher sind die Haematoblasten nicht einfach als junge Eırythrocyten anzusprechen, wie Hayem will. Schon die Verschiedenheit der specifischen Gewichte be- weist das, denn jene sind das leichteste, diese das schwerste geformte Element des Blutes. Ferner sind die oft verästelten Protoplasmaausläufer der Plättchen doch nur ganz entfernt mit den knopfähnlichen Höckern der 360 R. Moser: rothen Blutkörperchen zu vergleichen, eher mit den Pseudopodien der Leukocyten, abgesehen von den zahlreichen Verschiedenheiten im sonstigen Verhalten. — Diese Zurückhaltung ist wohl auch gegenüber einer voreiligen Deutung der chemischen Verwandtschaft, welche die Plättchen nach Li- lienfeld zweifellos mit den Kernen der Leukocyten besitzen, als eines Beweises für die Identität beider am Platze. Denn einen Nucleinkörper enthalten auch die rothen Blutkörperchen (Wooldridge), nicht minder jede Gefässendothelzelle einen Kern, der bei der Bildung der Plättchen be- theilist sein könnte. Auch verhalten sich die Leukocytenkerne nicht voll- ständig gleich, z. B. gegen 1 Procent Essigsäure. Während die Plätichen spurlos verschwinden, nachdem Differenzirung eingetreten, ebenso das Protoplasma der Jeukocyten, bleiben die nackten Kerne scharf eonturirt und mit lichtbrechenden Kügelchen erfüllt übrig. Ohne die Ergebnisse sonstiger an unseren Körperchen angestellter Reactionen aufzuführen, da uns die chemische Analyse der mit der Centrifuge ausgewaschenen Plättchen bessere Aufschlüsse verspricht, wiederhole ich, dass sich unsere Bildungen als zweifellos identisch mit Hayem’s Haematoblasten und Bizzozero’s Plättehen documentiren. Das Vorkommen unserer Plasmakörperchen in typischer Form und Menge lässt kaum einen Zweifel daran übrig, dass wir es mit schon dem kreisenden Blut zukommenden Bildungen zu thun haben, denen wir nun folgende Eigenschaften vindieiren: 1. Eine wechselnde Grösse von 0-5 bis 5-d u. 2. Kuglige bis ellipsoide Gestalten, welche Ausläufer von verschie- dener Zahl und Länge nach allen Seiten entsenden, die aus derselben mattglänzenden Substanz wie der Leib bestehen. 3. Aufbau aus einer protoplasmatischen Substanz und einem Nucleinkörper, welcher sich wie Chromatin verhält. 4. Neigung zur Veränderlichkeit, die nur sehr allmählig zu Tage tritt, so lange die Gerinnung verhindert ist und damit zusammen- fallend, 5. Neigung, an einander festzuhaften. Wenn wir so das Gesammt- bild im Auge behalten, ist eine Verwechslung mit anderen Bildungen un- möglich. Wollten wir sie als Producte einer durch die Extravasation bedingten Veränderung des Blutes betrachten, so erhalten wir drei Mög- lichkeiten: Entstehen die Haematoblasten durch den Zerfall von Erythrocyten, von Leukocyten oder fallen sie aus dem Plasma aus? Die ersten beiden Entstehungsweisen erscheinen an und für sich unwahrscheinlich, denn im Oxalatplasma bleiben rothe Körperchen und Leukocyten ausgezeichnet er- halten. Stromata bekommt man kaum zu Gesicht. Die Leukocyten bleiben sogar noch eine Zeit lang activ beweglich. Und einen „blitzartigen Zerfall“ von Leukocyten hat man zwar behauptet, aber weder gesehen noch ein- wandfrei bewiesen und wenn Leukocyten zerfallen, wie es z. B. im gerin- nenden Oxalatblut stattfindet, so entstehen aus ihnen keine typischen Formen, Die HERSTELLUNG WÄGBARER MENGEN VON BLUTPLÄTTCHEN. 361 sondern Protoplasmaklümpchen und freie Kerne. Auch rothe Blutkörper- chen liefern bei ihren Untergang keine Plättchen. Man müsste den Ueber- gang im Oxalatblut beobachten können und die Menge der Plättehen müsste sich vermehren. Beides hat nicht statt. Bisweilen sieht man aus rothen Körperchen homogene Tröpfchen austreten. Sie haben aber mit Plättchen nichts zu thun und lösen sich bald im Plasma. In der Lymphe findet man, wenn man sie wie das Blut durch eine Lösung oxalsauren Ammoniaks in 0-75 Procent NaCl-Lösung ungerinnbar macht und centrifugirt, Haematoblasten weder im Plasma noch im Centri- fugenrückstand. Die Plättehen können also weder aus dem Zerfall rother noch farbloser Körperchen entstehen. Krystallisiren sie aus dem Plasma aus in Folge der Abkühlung? Wurde Blut direct aus dem Gefäss bei Körpertemperatur so aufgefangen, dass es auch auf dem. Weg nicht die geringste Abkühlung erfahren konnte und dann durch ruhiges Absetzen- lassen eine, wenn auch nicht so deutliche Schichtung erzielt, so fanden sich in der obersten Schicht sehr zahlreiche Plättchen. Sie: lösen sich auch bei stärkerer Erwärmung nicht. Also ist auch diese Entstehungsweise ausge- schlossen. Handelt es sich um Eiweiss, das durch das Oxalsäuresalz in krystallinischer Form ausgefällt wurde? Dem widersprechen die Formen der Körperchen und ihre Trennbarkeit in zwei Substanzen. Der Nucleo- albuminkörper, der in der That aus den Oxalatplasma durch Abkühlung dargestellt werden kann und als Zymogen des Fermentes anzusehen ist (Pekelharing), zeigt diese Eigenschaften nicht. Können ferner Blut- plättehen durch die kurzdauernde Blutstauung und Gefässlaesion an der Entnahmestelle entstehen? Sicher nicht in solchen Mengen, da nur ein verschwindender Theil des Blutes in Betracht kommt. Was uns diese Erwägungen sagen, steht im Einklang mit den Angaben Bizzozero’s, Schimmelbusch’s und Laker’s, welche Plättchen im circu- . lirenden Säugethierblut, das, namentlich in den schönen Beobachtungen Laker’s, keinerlei mechanischen oder chemischen Störungen unterlag, in einer Häufigkeit beobachteten, welche im centrifugirten Blut ausreichen würde, unsere weisse Schicht zu bilden. Wie erklärt sich der Widerspruch eines so sorgfältigen Beobachters wie Löwit? Auf Grund seiner Untersuchungen hat er kurz folgende Theorie aufgestellt: Es sind zwei Arten von Blutplättchen zu unterscheiden, homogene und granulirte. Letztere gehen aus ersteren hervor, sobald im Pepton- oder Salzplasma die Fermententwickelung beginnt. Erstere sind als Ausscheidung aus dem Plasma, wohl auch aus Leukocyten zu betrachten und bestehen aus einem globulinartigen Körper, der leicht in einen fibrin- ähnlichen übergeht (Globulinplättcben, Plättehenfibrin). Die Verhältnisse im Peptonblut schildert Löwit etwa folgendermaassen: Wird Peptonblut 362 R. Mosen: bei O bis —2 °C aufgefangen und stehen gelassen, so finden sich zahl- reiche homogene Plättchen neben vereinzelten granulirten. Nach längerer Abkühlung werden viele Plättchen wachsartig glänzend, fliessen zu grossen Tropfen zusammen und schliessen zuweilen hell glänzende Vacuolen ein. Diese homogenen Plättchen färben sich schwach, erst nach Eintritt der Differenzirung stärker. Steht das Peptonblut bei Zimmertemperatur, so sind die Plättehen von vorne herein schwach granulirt. Die homogenen Peptonblutplättchen lösen sich in der Wärme, die granulirten nicht, zer- fallen aber später zu körnigen Massen. Ganz ähnlich ist das Verhalten in den verschiedenen Arten von Salzplasma. Die homogenen Plättchen sind also nicht praeformirt. Als Beweis dafür, dass die homogenen Plättchen nichts als Globulinniederschläge sind, erzeugt Löwit aus Paraglobulin- und Fibrinogenlösungen durch Harnstoffzusatz künstliche Niederschläge, die voll- ständig den Peptonblutplättchen gleichen. Um. zu beweisen, dass die Plättchen im normalen Blut nicht vorgebildet seien, fängt es Löwit in starkprocentigen NaCl-Lösungen auf. In 20 procent. Lösungen sind keine Blutplättchen mehr zu finden. Da sie umgekehrt in der betreffenden Salz- lösung unlöslich sind, folgt der Schluss, dass sie nicht im Blut praeformirt sein können und dass sie aus einem Globulin bestehen müssen, da sie wie Globulin durch NaCl in Lösung erhalten werden. Die Beweiskraft des Ver- suches hält bei einer Nachprüfung nicht Stich. Wird Blut in 20 procent. Kochsalzlösung aufgefangen und centrifugirt, so bleiben die Plättchen im Plasma wegen seines hohen specifischen Gewichtes suspendirt. Unter- suchen wir das Salzplasma genau, so finden wir wohl hier und da zerstreut die fast unkenntlich gewordenen Körperchen. Sie sind sicher zu er- kennen, wenn wir uns der hochgradigen Veränderungen erinnern, die sie bei Anstellung der mikrochemischen Reaction erlitten. Am schönsten ge- stattet uns das Oxalatblut den Widerspruch der Angaben Löwit’s zu erklären und zu beseitigen. Nach ihm gehen die „granulirten Plättchen“ aus den homogenen hervor. Dem ist aber nicht so. Die granulirten Plätt- chen sind unsere in Folge ihrer Oberflächengestaltung körnig erscheinenden Körperchen. Die homogenen dagegen entsprechen einem Körper, den wir durch Abkühlung aus Oxalatplasma darstellten und als identisch mit Wooldridge’s A-Fibrinogen erkannten. Dieser Stoff zeigt alle Eigen- schaften die Löwit seinen homogenen Plättchen zuschreibt. Er fällt in Form runder, ovaler und biseuitförmiger Körperchen aus, die zuweilen zu grösseren verschmelzen. Sie sind stärker glänzend als die Haematoblasten, färben sich schwächer und lösen sich beim Wiedererwärmen. Oft scheidet sich der Körper in Form zarter Membranen aus, die am Rande noch ihre Zusammensetzung aus einzelnen Elementen zeigen (Fig. 4). Dieser Stoff ist nach Pekelharing ein Nucleovalbumin und das Zymogen des Fer- Die HERSTELLUNG WÄGBARER MENGEN VON BLUTPLÄTTCHEN. 363 mentes, zu dem es in Verbindung mit gelösten Kalksalzen wird. In der That haben diese Körperchen mit den echten Blutplättehen nichts gemein als’etwa die Grösse und rundliche Form. Letztere gehen nicht aus ihnen hervor, sondern wir haben umgekehrt Grund anzunehmen, dass die Blut- plättchen es sind, welche bei ihrem Absterben das Nucleoalbumin in ge- löster Form an das Plasma abgeben. Diese Betrachtungen führen uns zu der Frage, nach der Bedeutung der Plättchen für die Faserstoffgerinnung. Die vielen darüber geäusserten Ansichten, die sich theils auf die mikroskopische Betrachtung stützen, die nicht viel beweist, theils auf Untersuchungen, bei denen in Folge der Ver- mischung von Plättchen und Leukocyten nicht abzusehen ist, welchem der beiden Elemente der Hauptantheil gebührt, zu besprechen, ist hier nicht am Platzee In A. Schmidt’s Versuchen wird nicht nur das A-Fibrinogen Wooldridge’s, sondern werden auch ‘die Haematoblasten zusammen mit Leukocyten in Bezug auf ihren Gehalt an gerinnungserzeugenden Stoffen geprüft. Da A. Schmidt die Plättchen als Trümmer von Leukocyten auffasste, war dieser Umstand ja gleichgiltig, da wir aber wissen, dass sie selbständige Elemente sind, steht die Frage anders. Das centrifugirte Oxalatblut gestattet uns, die Haematoblasten für sich auf ihre gerinnungserzeugende Wirkung zu prüfen. Prüfen wir zuerst ihr mikroskopisches Verhalten für die Entscheidung der Fragen, wie sie sich räumlich zur Abscheidung der Faserstoffe verhalten, ob er aus ihrer Sub- stanz selbst entsteht, ihre Ausläufer vielleicht zu Fibrinfäden werden, ob sie einen raschen Untergang bei der Gerinnung erleiden u. s. w., ohne auf die Beobachtungen zu viel Gewicht zu legen. Denn der Zerfall kann eine Folge der Gerinnung sein, die Faserstofffäden können Täuschungen bereiten, indem sie sich an den Ausläufern mechanisch festheften. Wenn wir ein Tröpfehen aus der plättchenreichen Schicht abheben, auf den Objectträger bringen und einranden, nachdem eine Spur CaCl, hinzugefügt und das Deckglas aufgedeckt ist, so beginnen alsbald die Ge- rinnungserscheinungen einzutreten und nach circa zwei Stunden, zuweilen früher, ist die Faserstofibildung beendet. Die Haematoblasten erleiden da- bei eigenthümliche Veränderungen. Sie beginnen sich allmählig zu ver- srössern und abzublassen und wir erhalten den Eindruck, als ob sich ihre Masse zum grössten Theil im Plasma auflöste. In den meisten scheidet sich dabei die lichtbrechende Substanz als unregelmässig begrenztes Körper- chen aus. Von ihr aus erstrecken sich oft glänzende Fäden in das Plasma oder zu anderen Körperchen. Am schönsten zeigen sich die Veränderungen an grösseren Plättchenhaufen, die in ein Netzwerk lichtbrechender Fasern verwandelt worden sind, die je von dem glänzenden Rest eines Plättehens ausgehen. Später werden alle geformten Elemente gleichmässig: von feinsten 364 R. Moses: Fibrinfasern umsponnen, die sich durch ihre ungleich geringere Dicke von den oben erwähnten aus den Plättchen entstandenen Fäden unterscheiden. Man kann nicht entscheiden, ob sie aus deren Material gebildet werden. Gerinnen die Plättehen, ohne von reichlichem Plasma umspült zu sein, so bleibt das aus ihnen gebildete lichtbrechende Faserwerk bestehen, ist viel Plasma vorhanden, so verschwindet es: es bleiben von den Plättchen nur kleinste geschrumpfte Reste übrig. Zuweilen lange, ehe die Gerinnung beginnt, finden sich im Plasma flottirend zarte Membranen, die sich mechanisch leicht in ihre Elemente trennen lassen. Unter dem Mikroskop zeigen sie sich aus Plättchenhaufen bestehend, die bereits die oben geschilderte Veränderung erfahren haben: sie bestehen aus dem glänzenden Fadenwerk. Wir können also von einer ohne Zusatz von CaÜl, eintretenden Gerinnung der Plättchen für sich sprechen, die sehr langsam mit dem Absterben der Plättchen vor sich geht; durch Kalkzusatz wird sie beschleunigt und es schliesst sich unmittelbar die Fibringerinnung im Plasma an. Dafür dass letztere durch die Veränderung der Plättehen eingeleitet wird, spricht folgende Beobachtung: Wird dem Blut verhältnissmässig viel oxalsaures Ammoniak zugesetzt, so bedarf es einer grösseren Menge des Kalk- salzes, um einen Theil desselben in abgehobenen plättchenhaltigem Plasma gelöst zu erhalten. Fs entsteht ein reichlicher Niederschlag oxalsauren Kalkes, der die Plättchen fast sämmtlich mit zu Boden reisst. Dieses Gemenge nun bildet alsbald ein festes Gerinnsel, während das übrige Plasma, anstatt wie sonst durch die ganze Masse zu gerinnen, kaum Spuren von Faserstoff bildet. Wenn man gegen die Beweiskraft der Beobachtung, dass die Fibrinbildung im Glaseylinder, der das centrifugirte Blut enthält, immer von da ausgeht, wo sich die Haematoblasten befinden, einwendet, die Aus- krystallisirung des Fibrins geschehe eben am ersten in der Umgebung von Fremdkörpern, versagt dieser Einwand gegen die erste Beobachtung: das Plasma liefert überhaupt kein Fibrin mehr, wenn ihm die Plättchen ge- nommen sind. Jedoch einen sicheren Beweis haben wir erst, wenn es gelinst, ein vollständig von Plättchen befreites Plasma darzustellen und mit einem plättchenhaltigen zu vergleichen. Aber in einem Blut, dessen Elemente noch so gut abcentrifugirt sind, finden sich immer noch zahlreiche Plättchen im Plasma. Wir müssen uns damit begnügen, zwei Plasmaarten von mög- lichst verschiedenem Gehalt an Haematoblasten darzustellen. Gehen wir im centrifugirten Blut mit einer spitzen Saugpipette nahe über der Plättchen- schicht hin, so heben wir nur diese Elemente für sich ab. Stellen wir nun aus der oberen Hälfte des Plasma durch häufiges Filtriren eine möglichst klare, aus der unteren desselben Blutes eine möglichst körperchenreiche Flüssigkeit dar, indem wir die vorher abgesammelten Plättchen darin ver- Die HERSTELLUNG WÄGBARER MENGEN VON BLUTPLÄTTCHEN. 365 theilen und prüfen vorher unter dem Mikroskop, ob das zweite Plasma nicht etwa auch Leukocyten enthalte, so lassen sich, indem wir gleiche Theile beider Plasmaarten unter denselben Bedingungen gerinnen lassen, die gelieferten Fibrinmengen bestimmen. Die nachstehenden Resultate dreier Versuche erheben noch keinen Anspruch auf Beweiskraft, weitere sind er- forderlich. Das Fibrin wurde mit 5 Procent NaCl-Lösung, Alkohol und Aether ausgewaschen, getrocknet, gewogen, verascht und aus der Aschen- menge unter Berücksichtigung der bekannten Fibrinaschenmenge der Kalk- niederschlag berechnet, der im Fibrin mechanisch mit eingeschlossen und vom Faserstoffgewicht in Abzug zu bringen war. Beide Plasmaarten wur- den jedesmal aus demselben Blut dargestellt. Fibrinmengen } Tersuch ner \3) Plättchen- Unterschied in a) klares | © plasma in Proc. ca. ii 30 0.145 0.235 23-5 II 30 0101 | 0153 20-2 III 120 0.661 | 1.150 27.2 I Es stellte sich also übereinstimmend eine Differenz von 20 Procent und mehr der Gesammtmenge zu Gunsten des plättchenhaltigen Plasma heraus. Es könnte der Einwand gemacht werden, die im Faserstoff selbst ein- geschlossenen Körperchen hätten den Gewichtsunterschied bedingt. Erin- nern wir uns aber, welcher geringe Rest der Plättchensubstanz übrig bleibt, so können wir ihn nicht gelten lassen. In Uebereinstimmung mit den Beobachtungen steht die andere, dass auch die Gerinnungszeiten der beiden Plasmaarten, das heisst nicht nur die Zeiten bis zum Beginn, sondern auch von da bis zum Abschluss der Bildung des Faserstoffes um so mehr differiren, je bedeutender die Unterschiede im Plättchengehalt sich verhalten und zwar sind diese Zeiten für die plättchenreichen Plasmaflüssigkeiten fast immer kürzere. Vor die Frage gestellt, welchen der gerinnungserzeugenden Stoffe die Plättehen abscheiden — und zwar muss das zum grossen Theile während der Gerinnung selbst geschehen, denn sonst könnte kein Unterschied statt- finden — halten wir sie für die wahrscheinlichen Erzeuger des Fibrinfer- mentes bei Berücksichtigung ihrer im Vergleich zu der des gelieferten - Fibrins geringen Masse, und dies gilt auch dann, wenn sich neben ihnen auch die Leukocyten betheiligen, wie es wahrscheinlich der Fall ist. Denn bei der Gerinnung des Oxalatblutes zerfallen die farblosen Zellen ebenfalls 366 R. Mosex: sehr zahlreich und die Lymphe liefert Faserstoff, wiewohl sie frei von Plättchen ist. Es ist zweifellos kein Zufall, dass die Haematoblasten einen dem Nucleoalbumin Pekelharing’s gleichenden Stoff enthalten, wenn jenes, wie wir mit dem genannten Untersucher annehmen, die Vorstufe des Fer- ments ist. Werfen wir noch einen Blick auf die muthmaassliche Herkunft und Bestimmung unserer Körperchen. Einen Anhaltspunkt für die Beurtheilung ihrer physiologischen Stellung böte es, wenn wir ihnen mit Sicherheit lebendes Protoplasma zusprechen dürften, wofür in der That alle Erscheinungen sprechen, vor Allem ihre dem Absterben von Zellen entsprechenden rückgängigen Metamorphosen. Ist das Ausstrecken der pseudopodienähnlichen Fortsätze eine vitale Er- scheinung? Ob es im cireulirenden Blut statt hat lässt sich mit Hilfe des Mikroskops nicht entscheiden. Denn es bedarf der stärksten Vergrösserungen, um die feinen Formen der Fortsätze zu erkennen. Mit den Systemen, die zur Beobachtung des circulirenden Blutes dienen können, erscheinen die Plättchen auch im Oxalatblut nur als kuglige bis ellipsoide Körperchen. Wahrscheinlich erklärt sich ihr leichtes Festhaften an der Gefässwand, wie es bei der Thrombenbildung statthat, wenn wir den schönen Untersuchungen Bizzozero’s, Schimmelbusch’s u. A. folgen, durch eine Neigung, sich durch Pseudopodienbildung an verletzten Stellen der Gefässwand oder an der unverletzten bei Circulationsstasen festzuklammern. Der Umstand, dass die Haematoblasten, sofort durch Osmium fixirt, mit glatter Oberfläche erscheinen, beweist nicht, dass sie auch innerhalb der Circulation sich stets so verhalten. Denn Osmiumsäure ist kein indifferen- tes Conservirungsmittel. Plättchen die im Oxalatblut schon Fortsätze ge- bildet, verlieren sie wieder bei Osmiumbehandlung, sie werden rund und gleichzeitig etwas stärker glänzend. Ob ein activer Wechsel der Fortsätze statthat, ist schwer zu unterscheiden, da bei der Zartheit der Formen nicht zu erkennen ist, ob nicht einfache Lageänderung die Ursache war. Welche Entstehungsweise führt zur Bildung der räthselhaften Körper- chen? Nach unseren Begriffen von der Fortpflanzung können sie nicht durch Karyokinese entstanden sein. Denn ihre kernartige Substanz besitzt nicht den Aufbau eines Kernes. Da wir nach allem früher Gesagten nicht umhin können, eine physiologische Entstebungsweise anzunehmen, so bleiben drei Möglichkeiten übrig: 1. Sie sind intravasal gebildete Untergangsproducte rother Blutkörper- chen. Diese Annahme ist nicht ohne weiteres zurückzuweisen. Wir fanden aber nach einer Transfusion der gesammten Blutmenge eines Kaninchens in die Jugularvene eines anderen keine Vermehrung. Es lässt sich auch künstlich auf keine Weise aus einem rothen Blutkörperchen die Entstehung Dis HERSTELLUNG WÄGBARER MENGEN VON BLUTPLÄTTCHEN. 367 eines Plättehens bewirken. Die färbbare Substanz, die unter verschiedenen Einflüssen (Gerbsäure, CO,, Anilinfarbstoffe) aus Erythrocyten austritt, hat nichts mit den Haematoblasten Hayem’s gemein. 2. Sie entstehen endogen in Leukocyten unter Betheiligung des Kernes, wie ein Samenkörperchen aus der Spermatide. Bisweilen erschienen, ohne nachweisbare Ursache, im Blut anstatt der gewohnten Formen Gestalten, welche auffallend den Cytozoen glichen, die Gaule ja auch im Wirbelthier- blut auffand, die sich aber durch ihr Verhalten gegen Reagentien und Farbstoffe als echte Plättchen documentirten. Oft sind mit schärferen Systemen in Leukocyten eingeschlossen plättchenähnliche, sich vom Kern unterscheidende Körperchen zu beobachten. Wozu dient der Kernreiehthum älterer Leukocyten, den wir besonders ausgeprägt in Fällen von durch Ader- lässe hervorgerufener Anaemie beobachteten? (vgl. Fig. 3). Da, wie wir wissen, die Lymphe frei von Plättchen ist, so bleibt immer noch der Ge- danke offen, dass erst die älteren kernreichen Leukocyten nach ihrem Uebertritt in’s Blut befähigt seien, durch endogene Bildung Plättchen zu erzeugen. In einem Fall glückte es, durch doppelseitige Unterbindung des Ductus thoracicus beim Hund die Lymphe vollständig vom Blut abzu- schliessen, ohne dass sich Collateralbahnen eröffnet hätten. Nach vier Tagen war der Gehalt des Blutes an Plättchen nicht verringert. 3. Die Plättchen entstehen physiologisch durch Knospung aus Endo- thelien. Oder sind sie losgelöste und absterbende Gefässzellen ? Zu allen drei Möglichkeiten möchten wir bemerken, dass die Plättchen auf den Untersucher, der sich länger mit ihnen beschäftigt hat, keineswegs den Eindruck absterbender Gewebstheile, sondern im Gegentheil äusserst lebensfähiger, aber sehr empfindlicher Gebilde machen. Ueber die Zukunft der Plättchen sind wir vollständig im Dunklen. In Bezug auf die vielleicht vorhandene Rolle, die sie bei der Regeneration des Blutes spielen, erwähne ich die Beobachtung, dass man fast ausnahmslos nach Blutentziehungen ausserordentlich zahlreich grosse Formen antrifft. Durch häufige Messungen und Berechnungen der Durchschnittsgrössen stellten wir diese Thatsache sicher. Sind diese grossen Formen als Ueber- gänge zu rothen Blutkörperchen zu deuten? Entstehen aus ihnen die Poikiloeyten Quincke’s? Eine Zunahme des specifischen Gewichtes könnte durch chemische Umwandlung erfolgen. 368 R. Mosex: Litteratur-Verzeichniss. 1. Simon, Anthropochemie. Nachtrag z. Bd. I. S. 384. 2. Zimmermann, Zur Blutkörperchenfrage. Virchow’s Archiv. XVII. 1860. 3. Hensen, Referat Centralblatt für med. Wissenschaft. 1873. Entstehen aus Leukoeyten. 4. Beale, Quarterly journal of mier. sc. 1864 Jan. 32 ff. Degenerirtes Bio- plasma schnürt sich bei fieberhaften Zuständen aus weissen Blutkörperchen ab. 5. Donn&, De !’origine des globules du sang, de leur mode de formation et de leur fin. Compt. rend. 1842. Tome XIV. p. 366. 6. Max Schultze, Ein heizbarer Objecttisch. Archiv für mikrosk. Anatomie. Bd. I. 1865. S. 36 ff. 7. Bettelheim, Ueber bewegliche Körperchen im Blut. Wiener medicinische Presse. 1868. 8. Bechamp und Estor, Comptes rend. 1870 Fevr. VII. De la nature et de P’origine des globules du sang. Die Blutkörperchen sind Aggregate von Mikrozyma, wozu sie unter geeigneten Bedingungen zerfallen. Das Mikrozyma kann Körnerhaufen bilden, auch Bakterien können daraus hervorgehen. Ferner entstehen aus ihnen kleine, durchsichtige, blasse, Leukocytenähnliche Zellen (Blutplättchen?) und andere, die mehr den rothen Blutkörperchen gleichen. 9. Riess, Zur pathologischen Anatomie des Blutes. Dies Archiv. 1872. 8. 237. 10. Osler, Proceedings 1874. Nr. 153. Hat in den Proceedings 1874, Nr. 153 Untersuchungen über die Körnchenbildungen Schultze’s veröffentlicht und ist zu dem- selben Resultat gelangt wie Hayem. Von seiner früheren Ansicht (Centralblatt 1873), sie seien bakterieller Natur, ist er zurückgekommen. 11. Ranvier, Technisches Lehrbuch der Histologie. Leipzig 1888. S. 203 ff. 12. Hayem, a) Sur l’evolution des globules rouges dans le sang des animaux superieurs. Comp£. rend. 1877. 31 Decembre. Biconcave scheibenförmig zarte, leicht veränderliche Elemente. Sie werden stark lichtbrechend, falten sich, bilden Haufen. In Jodserum erhalten sie wieder ihre normale bieoncave Scheibenform. 1—-3—5 u. Die grösseren Formen sind mit Haemoglobin gefärbt. b) Recherches sur l’evolution des h&ematies dans le sang de ’homme et des ver- tebres. Arch. de physiol. normale et pathologique. 11. Ser. Tom V. 1878/79. c) Des hematoblastes et de la ceoagulation du sang. Kevue internationale des Sciences. Mars 1878. d) Sur l’origine des hematoblastes. Sor. de biologie. C. R. 84. e) Contribution & P’etude de la structure des hematoblastes. Gaz. med. 1881. 8. 479. f) Comptes rend. 1883. Entstehung der weissen Thromben aus Haematoblasten. Die HERSTELLUNG WÄGBARER MENGEN VON BLUTPLÄTTCHEN. 369 9) Sur les plaquettes du sang de M. Bizzozero. Comptes rend. 1883. XCVII. p- 458. Hayem nimmt für sich gegen Bizzozero die Priorität der Entdeckung in Anspruch, gegen M. Schultze, weil er sie zuerst als morphologische Elemente er- kannt hat. Ferner nimmt Hayen gegen Bizzozero die erste Beschreibung aller Eigenthümlichkeiten in Anspruch: Veränderlichkeit, Haufenbildung, Klebrigkeit, Rolle bei der Gerinnung. Norris hat nur Stromata gesehen. h) Des globules rouges a noyau dans le sang de l’adulte. Arch. de physiol. 1883. 31 mars. 13. Norris, On the origin and mode of development of the morphological elements of mamımalian blood. Birmingham. Philosophical Soc. 1879. 14. Leube, Ein Fall von essentieller Anaemie. Berliner klinische Wochenschrift. 1879. Bd. 44. 8. 653 ff. 15. Bizzozero, a) Centralblatt für die medicinische Wissenschaft. 1882. S. 117 ff., 161 ff., 353 fi., 563 ff. b) Centralblatt. 1883. Nr. 30. 8. 529. c) Virchow’s Archiv. Bd. XC. S. 261 ff. Ueber einen neuen Formbestandtheil des Blutes und dessen Rolle bei der T'hrombose und Blutgerinnung. 1882. d) Sur les plaquettes du sang des mammiferes. Archives italiennes de biologie. Tom XVI. Fase. II-III. p. 375. 16. A. Schmidt, Die Beziehungen d:r Faserstoffgerinnung zu den körperlichen Elementen des Blutes. Pflüger’s Archiv. Bd. IX und XI. 1874. S. 356. 17. N. Heyl, Zählungsresultate. Dorpat 1882. 18. Rauschenbach, Protoplasma und Blutplasma. Dorpat 1882. 19. Slevogt, Ueber die im Blut der Säugethiere vorkommenden Körnchenbildungen. Dorpat 1883. 20. Feiertag, Beobachtungen über die sogen. Blutplättchen. Dorpat 1883. 21. Weigert, Fortschritte der Mediein. 1883. Nr. 12. Die neuesten Arbeiten über Blutgerinnung. 22. Halla, Ueber Haemoglobingehalt des Blutes u. s. w. Zeitschrift für Heil- kunde. Bd. IV. 23. Hlava, Die Beziehungen der Blutplättchen Bizzozero’s zur Blutgerinnung und Thrombose. Ein Beitrag zur Histogenese des Fibrins. Archiv für experimentelle Pathologie. Bd. XVII. 1882. 24. Laker, a) Studien über die Blutscheibchen und den angeblichen Zerfall der weissen Blutkörperchen bei der Blutgerinnung. Sitzungsberichte der Wiener Akcademie der Wissenschaften. AXXXVl. Bd. III. S. 173 ft. b) Die ersten Gerinnungserscheinungen des Säugethierblutes unter dem Mikrosk. Sitzungsberichte der Wiener Akad. der Wissensch. Bd. XC. Abth. Ill. 1884. S. 147 ff. c) Beobachtungen an den geformten Bestandtheilen des Blutes. Sitzungsberichte. Bd. XCIIl. 1886. Abth. III. d) Die Blutscheibchen sind constante Formelemente des normal eireulirenden Blutes. Virchow’s Archiv. Bd. 116. 8. 28. 25. Afanassiew, Ueber den dritten Formtestandtheil des Blutes im normalen und pathologischen Zustand und die Beziehungen desselben zur Regeneration des Blutes. Archiv für klin. Mediein. Bd. XXXV. 1834. S. 217. 26. Eberth und Schimmelbusch, a) Die Blutplättehen und die Blutgerinnung. Virchow’s Archiv. Bd. CI. 1885. b) Experimentelle Untersuchungen über Thrombose. Virchow’s Archiv. Bd. CIII Archiv f., A.u. Ph, 1893. Physioi. Avthig. 24 370 R.Mosen: Die HERSTELLUNG WÄGBARER MENGEN V. BLUTPLÄTTCHEN. 27. Löwit, a) Beiträge zur Lehre von der Blutgerinnung. I. Abth. Ueber das coagulative Vermögen der Blutplättchen. Sitzungsberichte der Wiener Akademie der Wissenschaften. 1884. Bd. LXXXIX. II. Abth. I—V. b) II. Mittheilang über die Bedeutung der Blutplättchen. Sitzungsber. XC. 8. 80. c) Die Beobachtung der Cireulation beim Warmblüter. Archiv f. experimentelle Pathologie und Pharmakologie. Bd. XXIII. 8. 1. d) Ebenda. Bd. XXIV. e) Virchow’s Archiv. Bd. CXVI. f) Ueber die Praeexistenz der Blutplättehen. Centralblatt für allgem. Pathologie und pathol. Anatomie. Bd. Il. 1891. 28. Lilienfeld, a) Ueber die chemische Beschaffenheit und Abstammung der Plättchen. Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft zu Berlin, 16. Oct. 1891; — Dies Archiv. 1891. S. 536 ft. b) Ueber Leukocyten und Blutgerinnung. Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft zu Berlin, 8. April 1892; — Dies Archiv. 1892. 8. 167. c) Haematologische Untersuchungen. Dies Archiv. 1892. S. 115. 28. Pekelharing, Untersuchungen über das Fibrinferment. Verhandelingen der koniklijke Akademie van Wetenschappen te Amsterdam. 1892. Erklärung der Abbildungen. (Taf. XIV.) Fig. 1. Elemente aus der Il. Schieht vom centrifugirten Oxalatblut des Hundes. Fig. 2. Körperchen aus der III. Schicht desselben Blutes. Methylviolet. 5 5. Feuchte Färbung unter dem Deckglas. Fig. 3. Leukocyten und Plättchen (II. Schicht) aus dem Blut eines anaemischen Kaninchens. 'Trockenpraeparat. Methylviolett. 5 5. Fig. 4. A. Fibrinogen von Wooldridge (Nucleoalbumin) aus Oxalatplasma durch Abkühlung. Rand einer Membran. Die Zeichnungen sind mit Hilfe von Zeiss homog. Immersion 2 ==, Ocul. 4 urd Compens.-Ocul. 6 angefertigt. Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft zu Berlin. Jahrgang 1892—93. VII. Sitzung am 17. Februar 1893.' Hr. von NoorDEN hielt den angekündigten Vortrag: Beiträge zur Ernährungslehre (nach den Versuchen der HH. Kayser, Krug, Dr. Dapper, Dr. Vogel). Ich beabsichtige heute die Resultate einiger Stoffwechselversuche vor- zulegen, welche ich im Laufe des letzten Jahres auf unserem Laboratorium (11. medieinische Klinik) ausführen liess. Sie behandeln zumeist Beziehungen N-freier Nahrung zum Eiweissumsatz des Menschen. 1. Hr. Kayser: Ueber die eiweissersparende Kraft des Fettes, verglichen mit derjenigen des Kohlehydrats. Der erste Stoffwechselversuch, den ich zu schildern habe, ist von Hrn. Cand. Kayser unternommen. Ich brauche vor dieser Versammlung zur Einführung des Versuches nieht weit auszuholen. Voit und Bischoff haben in ihren Untersuchungen über die Ernährung des Fleischfressers festgestellt, dass bei Hunden durch Zulage von Kohlehydraten oder Fett Eiweiss aus der Zersetzung zurück- gedrängt wird, dass Eiweiss erspart wird. Dabei machten sie die inter- essante Beobachtung, dass zur Erzielung des gleichen Effects, z. B. zur Er- niedrigung des Eiweissumsatzes um 7—9 Procent, grössere Gewichtsmengen Fett als Kohlehydrat nothwendig waren. Diese Thatsache ist deswegen besonders interessant, weil durch Fett der Körper mit mehr als dem doppelten Angebot von potentieller Energie überschwemmt wird, als dureh die gleichen Gewichtsmengen Kohlehydrat. Man kann mit Rücksicht hierauf die Erfahrung Voit’s und Bischoff’s auch in dem Satze formuliren: Die Calorien des Fettes werden beim Hunde sehr viel schlechter im Sinne der Eiweissersparung ausgenützt, als die Calorien der Kohlehydrate. ! Ausgegeben am 10. März 1893. 24* 302 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Bei der Ernährung des kranken Menschen gilt es nun oftmals, den ge- fährdeten Eiweissbestand durch zweekmässige diaetetische Vorschriften hoch zu halten. Es steht für gewöhnlich Nichts im Wege, sich auf die Erfah- rungen Voit’s zu stützen und neben zweckmässiger Eiweiss- und Fettkost reichlich Kohlehydrate zum Eiweissschutze darzureichen. Anders liegen die Dinge bei den schweren Formen des Diabetes. Man hat in den letzten Jahren erkannt, dass die oft gewaltigen und vielfach beschriebenen N-Ver- luste des Diabetikers nicht toxogenen Ursprungs sind, wie man früher an- nahm, sondern wesentlich auf Unterernährung beruhen. Ich möchte mit diesem Satze aber nicht die Ansicht vertreten, als ob das im Diabetes immer so sei; ich halte es für zweifellos, dass bei dieser Krankheit — namentlich in jenen Zeiten, wo der Harn reich an 5-Oxybuttersäure ist — echt pathologischer, toxogener Protoplasmazerfall stattfindet. Ehe diese Endstadien sich nähern, trägt aber die Unterernährung Hauptschuld an Fleischverlusten. Die Unterernährung kommt durch die beschränkte Verwerthung der Kohlehydrate im Organismus des Diabetikers zu Stande. Nur ein Theil wird verbrannt und dient zum Eiweissschutze; der grössere Theil fliesst unverbrannt ab, wie aus einem Fasse ohne Boden. Der Zuckerkranke ist in schwereren Fällen daher zum Schutze seines Eiweisses im wesentlichen auf Eiweiss und Fett angewiesen. Es ist nun eine sehr wichtige Frage, ob es in der That gelingt, unter Verzieht auf Kohlehydrate, den Eiweissbestand des Diabetikers durch Fett zu vertheidigen. Theoretisch scheint die Möglichkeit gegeben und auch einzelne Erfahrungs- thatsachen sprechen dafür. Z. B. berichtete v. Mering (1886), dass er einen Diabetiker der schweren Form mehrere Wochen mit 18" Fleisch, 6 Eiern und 200®m Fett ernähren konnte, ohne dass Körpereiweiss ver- loren ging. Vor einigen Wochen -hat auch F. Voit einen Versuch ver- öffentlicht, welcher die gleiche Deutung heischt; allerdings wurden neben dem Fleisch etwa 3008" Fett zum Eiweissschutze benöthigt und etwa 60 Calorien, also eine enorme Summe, entfielen auf das Körperkilo. Trotz- dem wurden N-Verluste nicht gänzlich vermieden. Ich werde auf diese Versuche noch einmal zurückkommen. Immerhin erfahren wir weder aus diesen, noch aus irgend einem anderen vorliegenden Versuch etwas über das Verhältniss, in welchem der eiweissersparende Effect der Kohlehydrate und des Fettes beim Menschen zu einander stehen. Hr. Kayser hat nun folgenden Versuch an sich ausgeführt. Er setzte sich zunächst mit gemischter, eiweissreicher Kost in’s N-Gleiehgewicht. Dann liess er an drei Tagen die gesammte Masse der Kohlehydrate (340 8%) aus der Nahrung fort und ersetzte sie durch isodyname Mengen Fett. Der Körper verlor jetzt reichlich N, nnd zwar von Tag zu Tag mehr: 2—2!), bis 5@"® pro die. Als er dann zur kohlehydrathaltigen Nahrung der ersten Periode zurückkehrte, wurde die N-Bilanz für den Körper sofort wieder günstig. Aus diesem Versuche geht also hervor, dass — wenigstens für kurze Zeiten — die Kohlehydrate auch beim Menschen dem Fette als Sparmittel für Eiweiss weit überlegen sind. Bei längerer Fortführung der Eiweissfettnahrung mag allerdings eine gewisse Gewöhnung eintreten, so dass der omnivore Mensch ebenso wie der PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — V. NOORDEN. Sl Fleischfresser es lernt, seinen Eiweissvorrath ohne Kohlehydrate zu be- ) y haupten. Die Beobachtung v. Mering’s scheint das zu beweisen. Doch macht es praktisch die grössten Schwierigkeiten, das Eiweissfett- rögime längere Zeit durchzuführen; nur in der strengen Zucht des Kranken- hauses ist das möglich. Man bedenke die ungeheuren Mengen Fett, welche v. Mering und Voit benöthigten. Daher werden diejenigen, welche der strengen Fleischdiaet abgeneigt sind, lieber von der Erfahrung Gebrauch machen, dass Diabetiker selbst in den schwersten Formen noch einen gewissen Theil der Kohlenhydrate zer- setzen. Wenn wir ernstlich daran gehen wollen, das Körpereiweiss des Diabetikers wirksam zu vertheidigen, so können wir ihm die Kohlehydrate auf die Dauer nichl gänzlich versagen. Allerdings hat man von grossen Mengen abzusehen, weil sonst die Aufnahmefähigkeit für die beiden anderen, dem Kranken wichtigeren Hauptnahrungsmittel, Fett und Eiweiss, leiden würde. Nach einigen, vorläufig orientirenden Beobachtungen genügt es, dass pro Tag etwa 808% Kohlehydrate zersetzt werden, um einer Nahrung, welche im übrigen nur aus Fleisch und Fett besteht, die Fähigkeit zu ver- leihen, das Körpereiweiss vortrefflich zu schützen. Um diese Menge von 80°" wirklich zu verbrennen, muss der eine Diabetiker vielleicht 100, der andere 200—250F"" Kohlehydrat geniessen. Er scheidet dabei zwar vielen Zucker aus; das schadet aber nichts, wenn er dafür den Vortheil zieht, bei einer Kostordnung zu stehen, welche 1. auf die Dauer erträglich ist, und 2. die Eigenschaft hat, den Träger seiner Lebenskraft, das Körpereiweiss, zu schützen. . Das Prineip, auf welchem diese Empfehlung ruht, lässt sich in dem kurzen Satze formuliren: Die Azoturie ist für den Diabetiker gefährlicher, als die Glykosurie. 2. Hr. Krug: Ueber die Fleischmast des Menschen. Der zweite Versuch steht zu dem oben geschilderten in gewisser Be- ziehung. Er behandelt die Frage, was aus dem durch N-freien Nahrungs- überschuss gesparten Eiweiss wird, mit einem Worte, die Frage der Fleisch- mast: beim ausgewachsenen, gesunden Menschen. Wenn sich der thierische Organismus bei zureichender Nahrung im N- und Caloriengleichgewicht be- findet und man steigert jetzt erheblich die N-freien Energieträger, so zer- setzt der Körper bekanntlich dem Nahrungsüberschuss zu Liebe nicht mehr, oder mit anderen Worten, um einen alten Ausdruck zu gebrauchen, Luxus- consumption giebt es nicht. Vielmehr wird der Körper durch den Nah- rungsüberschuss substanzreicher. Es wurde schon besprochen, dass unter diesen Umständen Eiweiss er- spart wird. Die Mengen sind klein; der weitaus grössere Theil eines Ca- lorienüberschusses kommt in jedem Falle der Fettmast zugute. Ich habe aus einer grösseren Zahl von Versuchen berechnet, dass mindestens 90 Pro- cent der überschüssigen potentiellen Energie in Form von Fett aufgespei- chert wird, während höchstens 10 Procent auf Eiweissansatz verwendet werden. DBedeuten nun die gesparten Eiweissmengen eine Fleischmast? Man versteht darunter die Zunahme des lebendigen Zelleneiweisses, und Ja 374 VERHANDLUNGEN DER BERLINER die Masse der Blut- und Drüsenzellen zweifellos nur wenig zu beeinflussen ist, insbesondere die Zunahme von Muskelfleisch. So lange die gesparte Summe nur klein ist und, wie in den meisten der vorliegenden Versuche, der Eiweissansatz nur für einige Tage erwiesen ist, braucht man nicht anzunehmen, dass Eiweiss zum Gewebeaufbau ver- wendet wurde. Man kann sich vielmehr vorstellen, dass das ersparte Eiweiss als Reservematerial in Blut und Lymphe kreist oder, wie ich befürworten möchte, dem Glykogen und Fett vergleichbar, als todter Einschluss, als Masteiweiss, in lebenden Zellen weilt. Jedenfalls beweisen kurze Versuche niemals, dass die Zellen sich vermehrten. Anders, wenn in langdauernden Mästungsversuchen grosse Mengen N im Körper zurückbleiben. Hierüber liegt kein brauchbarer Versuch am Menschen vor. Einige von Fr. Müller, Bleibtreu, Ewald und auch von mir mitgetheilte Beobachtungen gehören nicht hierher, weil sich die Fleisch- mast nicht an Gesunden, sondern an Reconvalescenten vollzog. Ich habe Hrn. Cand. Krug veranlasst, dieser Frage im Selbstversuch näherzutreten. Er stand zunächst bei reichlicher gemischter Nahrung, welche ihm 44 Calorien pro Kilo und Tag zuführte (2590 Calorien; 59 \®r), 6 Tage annähernd im N-Gleichgewicht. Dann vermehrte er 15 Tage lang durch Kohlehydrate und Fett die Nahrung um 1700 Calorien pro die, so dass er 71 Calorien pro Körperkilo erhielt. Mit dieser Mastdiät setzte er pro die im Mittel 3-38'® an, und zwar war der Ansatz am Schluss der Mastperiode noch ebenso reichlich, wie im Beginne. Im Ganzen wurden 49.58’ er- spart; das entspricht 309®"® Eiweiss oder 1455 8"” Muskelfleisch. Da wir annehmen dürfen, dass Hr. Krug schon vor der Mast eher zu viel, als zu wenig Nahrung genoss, muss die gesammte Mastzulage zum Ansatze ge- kommen sein. Ich habe ausgerechnet, dass er während der Mastperiode 309 8m Eiweiss bezw. 14552’% Muskelfleisch und 2606 8% Fett ansetzte und 5608m Wasser verlor. Für Eiweissansatz wurden 5 Procent, für Fett- ansatz 95 Procent der überschüssigen Calorien verwendet. Das Resultat hat mich überrascht, weil ich eine so weitgehende Fleischmast durch Nahrungsüberschuss nicht für möglich hielt und, nament- lich auf Grund der Beobachtungen von Pflüger, glaubte, das Bestreben des Organismus, N-Gleichgewicht zu erringen, würde schon früher die Ober- hand gewinnen. Dass wirklich Fleischmast erfolgte, scheint nach Maass- gabe der gewaltigen Eiweissanhäufung wahrscheinlich. Doch halte ich die Annahme nicht für sicher erwiesen. Ich beabsichtige zur Controle dem- nächst einen ähnlichen Versuch mit Berücksichtigung der Aschenbilanz an- zustellen. Andererseits stellt der Versuch die Schwierigkeit der Fleischmast in helles Lieht. Denn um 5 Procent des Calorienüberschusses in Fleisch über- zuführen, waren Nahrungsmengen nöthig, welche von einem, nicht ange- strengte Muskelarbeit leistenden Menschen nur vorübergehend und mit Ueberwindung zu geniessen waren. Auf die Dauer ist Fleischmast jedenfalls unmöglich; wäre sie möglich. so könnte man einen Menschen durch übermässige Ernährung muskelstark machen. Daran ist nicht zu denken. Auf die Dauer ist Fleischmast jeden- falls in viel höherem Grade eine Function der speeifischen Wachsthums- PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — v. NOORDEN. 305 energie der Zellen und eine Function der Zellenarbeit als des Nahrungs- überschusses. Daher findet man Fleischmast 1. bei jedem wachsenden Körper, 2. bei dem nicht wachsenden, aber an erhöhte Arbeit sich gewöhnenden Körper, 3. jedesmal, wenn durch vorausgegangene ungenügende Ernährung oder Krankheit der Fleischbestand des Körpers sich vermindert hatte und nun- mehr reichlichere Nahrung den Ersatz ermöglicht. Es wäre aber ein prin- eipieller Irrthum, den primären Beweggrund für diese Art des Fleischzu- wachses im Mastfutter zu suchen; sie ist nur ein Ausdruck der Regene- rationsenergie der Zellen. Zur Illustration des letzteren möchte ich er- wähnen, dass es mir gelang, bei Reconvalescenten in derselben Zeit, wie bei Hrn. Krug, etwa das doppelte von Eiweiss zum Ansatz zu bringen, ob- wohl der Calorienwerth der Nahrung nur die Hälfte der von Hrn. Krug eingeführten Summe betrug. Ich füge noch hinzu, dass auch die Erfahrungen der Landwirthe dahin gehen, dass Fleischmast durch Ueberernährung nur in beschränktem Maasse möglich und jedenfalls durchaus unrentabel ist. Wenn die Viehzüchter fleischreiche und muskelstarke Thiere haben wollen, so verlassen sie sich vielmehr auf die künstliche Zuchtwahl, als auf die Futtermischung. 3. Hr. Dr. Darrer: Eiweissumsatz bei Entfettungscuren. Der dritte Versuch bildet das Gegenstück zum zweiten. Es ist bekannt- lich in jüngster Zeit vielfach betont worden, dass bei Unterernährung regel- mässig ausser Fett auch Eiweiss zu Verlust geht; einige Autoren sprechen klar aus, dass Fettabgabe vom Körper ohne gleichzeitige Eiweissabgabe gar nicht vorkomme. Ich halte das nun nach meinen Erfahrungen für zu weit- gehend und möchte den Satz dahin einschränken, dass kurzdauernde Fett- verluste, nur wenn sie sehr stark sind, kleine Fettverluste, nur wenn sie lange Zeit sich wiederholen, den Eiweissbestand des gesunden Menschen gefährden. Von praktischer Wichtigkeit wird die Frage bei Fettleibigkeit. Wie liegen hier die Dinge? Das ist ungeheuer oft vom grünen Tische aus dis- eutirt und durch Hinweis auf die Ernährungsverhältnisse am gesunden Hunde beantwortet worden, aber niemals hat sich Jemand der Mühe unter- zogen, nachzuforschen, ob der Fettleibige bei Entziehungseuren Eiweiss ver- liert oder nicht; noch viel weniger ist geprüft worden, welche der bekannten Entziehungscuren sich mit dem geringsten Maasse des Eiweissverlustes ver- einigen lässt. Und doch haben alle Classiker der Fettsuchtbehandlung be- tont, wie wichtig es ist, die Entfettungsceuren so einzurichten, dass das Körpereiweiss, als Repraesentant der Muskelkraft und der Leistungsfähigkeit, möglichst geschont wird. Diese Fragen sind auf meine Veranlassung von Hrn. Collegen Dapper, Volontärarzt der Klinik, in Angriff genommen. Er erfreut sich eines sehr ansehnlichen Fettbestandes; er wog 200 Pfund bei 168°® Körperlänge. Der Grad der Fettleibigkeit war zwar nicht hochgradig, aber erheblich genug. College Dapper hat zwei Versuchsreihen ausgeführt, die eine im Juli und August, die andere im November v. J. Im ersten Versuch nahm er 8 Tage lang pro die 108°®"" Eiweiss, 376 VERHANDLUNGEN DER BERLINER 68 Em Kohlehydrat, 66#"” Fett. Die Kost entsprach etwa 1350 Calorien = 13-5 Calorien pro Kilo. Dabei verlor er N, und zwar am Tage etwa 1-58". Um diesem Eiweissverluste zu begegnen, machten wir im Sinne Banting’s und Oertel’s den Versuch, die Eiweisskost zu steigern; dafür wurde Kohle- hydrat vermindert. Der Versuch gelang über jedes Erwarten. An den nächsten 12 Tagen bestand die Kost aus etwa 125 2°” Eiweiss, 25—45 ?"n Kohlehydrat und etwa 65 #"” Fett. Der Calorienwerth war ge- ringer als vorher = 1200—1300; pro Körperkilo wiederum etwa 13 bis 13-5 Calorien. Unter dieser Diät wurde nicht nur kein Eiweiss abge- schmolzen, sondern pro die noch 0-8®"" N zurückbehalten. Das Körpergewicht war in der ganzen Zeit von 99.5 auf 93. 5kem zurückgegangen, d. h. am Tage waren 300°" verloren. Im zweiten Versuch begann die Cur mit einem höheren Eiweiss-, Fett- und Kohlehydratgehalt der Nahrung, als in der früheren Reihe (etwa J56E'" Eiweiss, 75—80 ?"” Fett, 30- 40 #'" Kohlehydrat). Ihr Weth betrug etwa 1550 Calorien = 15-7 Calorien pro Kilo. Wie im Beginne des ersten Versuches verlor der Körper zunächst Eiweiss. Die N-Abgabe betrug vom 2.—5. Tage im Mittel 1-08". Jetzt steigerten wir für die nächsten 7 Tage das Eiweiss auf etwa 180F"; die übrige Nahrung blieb etwa dieselbe. Auf das Körperkilo ent- fielen etwa 17 Calorien. Wiederum, wie in der zweiten Hälfte des ersten Versuches, ging kein Eiweiss verloren, sondern es wurden kleine Mengen angesetzt, etwa 1-3#% N pro die. Das Körpergewicht war in 12 Tagen von 98.5\em auf 96-.6Fem ge. sunken; am Tage waren also 360®'”" verloren gegangen. Wir stehen hier also vor der bis jetzt unbekannten Thatsache, dass ein fettleibiger Mensch, welcher seinen gewöhnlichen Beschäftigungen nach- geht, mit der kärglichen Nahrung von 13—15 Calorien pro Kilo und bei starken Fettverlusten seinen Eiweissbestand glänzend behauptet. Um ein anderes Maass zu geben, sei erwähnt, dass die Nahrungszufuhr (nach ihrem Calorienwerth) ungefähr derjenigen entspricht, welche man für ein 5- bis 7jähriges gesundes Kind als zureichend erkannte. Wir sehen, dass der Satz, mit starker Fettabgabe sei immer Eiweiss- abgabe verbunden, für den fettleibigen Menschen nicht gilt, dass vielmehr der Voit’sche Lehrsatz, ein starkes Fettpolster sei ein mächtiger Eiweiss- schutz, in viel höherem Grade zu Recht besteht, als man bisher annahm. Freilich möchte ich die Erfahrung dieses immerhin kurzen Versuches nicht verallgemeinern; er ist zunächst nur ein einzelnes Beispiel und die Zukunft wird lehren, ob für alle Arten und alle Grade der Fettleibigkeit das Gleiche gilt. Ebenso ist der Versuch nicht geeignet, ein definitives Urtheil über die Verhältnisse der Eiweisszersetzung bei den verschiedenen Arten der Ent- fettung zu liefern; im Grossen und Ganzen spricht er der von Banting und Oertel vertretenen Forderung reichlicher Eiweisskost das Wort. Ich betone die prineipielle Wichtigkeit des Ergebnisses, um so mehr, als vor wenigen Tagen eine Arbeit von Hirschfeld über Entfettungseuren erschienen ist, welche zu minder günstigen therapeutischen Resultaten ge- PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — V, NOORDEN. ST: führt hat. Die Arbeit ist mir erst im Laufe des heutigen Tages zugegangen ; ich hatte noch keine Zeit, sie ausführlich zu lesen, aber ich habe doch ge- sehen, dass Hirschfeld scharf betont, dass sich bei Entfettungeuren starke Eiweissverluste niemals vermeiden lassen. Das ist unrichtig, wie dieser Ver- such lehrt. Ich habe nun zu erwähnen, dass ich vor etwa zwei Jahren einen ähn- lichen Versuch bei einem fettleibigen Mädchen ausführte, welcher ungefähr das gleiche Resultat hatte, und dass bei diesem Mädchen sowohl, wie bei Hrn. Dr. Dapper Professor Zuntz so liebenswürdig war, eine Bestimmung des respiratorischen Gaswechsels auszuführen. In der Ruhe bei nüchternem Zustande war die O,-Zehrung pro Kilo und Minute bei dem Mädchen 3-14 bis 3.48 m, bei Dr. Dapper 2-.69°®. Der respiratorische Quotient hielt sich bei beiden knapp an 0-71. Diese Zahlen, namentlich die letztere, liegen an der unteren Grenze der von Prof. Zuntz und Anderen ermittelten normalen Standardwerthe. Das ist leicht verständlich; denn das fette, zellenarme Kilo Körpersubstanz beim fettleibigen bedarf natürlich weniger O, als das magere, zellenreiche Kilo bei mittlerem Ernährungszustande. Andererseits liegen die erhaltenen Werthe für O,-Zehrung nicht so tief, dass man berechtigt wäre, eine Herabsetzung der Oxydationen anzunehmen. Vielleicht ist das in anderen Fällen anders. Die klinische Erfahrung spricht entschieden dafür, dass manche Fettsüchtige einen minder lebhaften Umsatz haben, oder mit anderen Worten, dass sie pro Kilo Protoplasma weniger Stoff verbrennen, weniger O, verbrauchen, als Gesunde. In solchen Fällen könnte man mit Recht das viel missbrauchte Wort von einer Verlangsamung des Stoffwechsels heranziehen. Wir müssen uns aber klar sein, dass eine solehe Verlangsamung des Stoffwechsels bis jetzt nicht erwiesen ist. Ich bin im Begriffe den hier be- sprochenen Stoffwechselvorgängen bei Fettsüchtigen, ihrem Eiweissumsatz, dem Calorien- und O,-Bedürfniss weiter nachzuforschen und behalte mir vor, seiner Zeit darüber hier zu berichten. 4. Hr. Dr. VoceL: Ueber den Stoffwechsel bei Gichtkranken. Schliesslich will ich noch mit wenigen Worten über einen bemerkens- werthen Befund Bericht erstatten, welchen Hr. Dr. Vogel bei drei Gicht- kranken erhielt. Die Versuche hatten ursprünglich den Zweck, den Einfluss des Piperazins auf die Harnsäureausscheidung der Kranken zu prüfen. In dieser Hinsicht hat sich nichts bemerkenswerthes ergeben. Dagegen fiel uns auf, dass sämmtliche drei Gichtkranke sehr schwer in’s N-Gleichgewicht zu bringen waren, obwohl die Nahrung durchaus geeignet war, dasselbe beim normalen Gang der Dinge zu ermöglichen. Die N-Ausscheidung blieb oft um mehrere Gramme hinter der Zufuhr zurück. Bei einem der Kranken erhob sie sich sodann an einzelnen Tagen zu übernormaler Höhe. N-Reten- tion und Schwankungen der N-Ausfuhr kennzeichneten also den Stoffwechsel. Das sind die gleichen Verhältnisse, wie ich sie bei Nierenkranken beschrieben habe. Ich muss einstweilen dahingestellt sein lassen, ob die Erscheinung der Gicht als solcher zukonımt oder ob bei den drei Kranken eine Schrumpf- 378 VERHANDLUNGEN DER BERLINER niere die Gicht complieirte. Von klinischen Zeichen war freilich nichts dafür geltend zu machen; doch ist ja die chronische Nephritis ein häufiger und nicht immer leicht zu diagnostieirender Begleiter von Gicht. Die sämmtlichen Arbeiten werden demnächst ausführlich veröffentlicht. IX. Sitzung am 3. März 1893." Hr. N. Zuntz hielt den angekündigten Vortrag: Ueber die Neu- bildung von Kohlehydraten im hungernden Organismus. Nach Versuchen von Stabsarzt Dr. Vogelius aus Frederieia (Dänemark). Bei den Versuchen, welche ich mit C. Lehmann über die Respiration des hungernden Menschen angestellt habe und über welche ich Ihnen heute berichtete, waren wir durch das Verhalten des respiratorischen Quotienten in der Ruhe und bei Arbeit zu der Vermuthung geführt worden, dass in der Ruhe kohlehydratartige Atomeomplexe aufgespeichert und bei der Arbeit wieder verbraucht werden. Der Verbrauch der im Körper vorräthigen Kohlehydrate bei der Arbeit ist durch zwei Versuchsreihen von Külz dargethan worden; in der einen liess er bisher wohlgenährte und daher voraussichtlich glykogenreiche Hunde einen Tag hindurch schwere Arbeit leisten und fand dann nach der Tödtung den Glykogenvorrath in Leber und Muskeln auf ein Minimum geschwunden; in der zweiten Versuchsreihe wurde bei Kaninchen die Zerstörung fast aller im Körper vorräthigen Kohlehydrate noch viel schneller und vollkommener durch Vergiftung mit Strychnin erreicht. Die Wiederansammlung der durch Arbeit verbrauchten Kohlehydrate im Körper des hungernden Thieres zu untersuchen, war die Aufgabe, welche Hr. Stabsarzt Dr. Vogelius auf meine Anregung übernommen hat. Da die Versuche an Kaninchen, für welche Külz die Möglichkeit der schnellen Zerstörung des Glykogens in Leber und Muskeln durch Strychnin- tetanus dargethan hatte, ausgeführt werden sollten, musste dem Einwand vechnung getragen werden, es könnte neugebildetes Glykogen aus Kohle- hydratvorräthen im Darmcanal stammen. — Um die grossen vegetabilischen Massen wegzuschaffen, erhielten die Thiere wenigstens 2 Tage lang nur Milch als einzige Nahrung und hungerten dann 24 Stunden. — Nach dieser Vorbereitung enthielt der Darmeanal weder Zucker noch zuckerbildende Kohlehydrate (Amylum, Dextrin oder dergl.). Nun wird durch mehrstündigen Strychnintetanus das Thier glykogenfrei gemacht. In einer Reihe von Versuchen wurde unmittelbar nach Beendigung der Stryehninkrämpfe von 2 Thieren dasjenige, welches die weniger heftigen Krämpfe gehabt hatte, getödtet. Es fand sich in der Leber 5mal gar kein Glykogen, Amal wägbare Spuren, in mazximo 0-0315”® bezw. 0-06°/, des Lebergewichts; im übrigen Körper ohne die Eingeweide wurde immer etwas Glykogen gefunden: in minimo 0-04 2%, in maximo 0.218" oder procentisch: h 0-004 °%,, A 0-020°/,. " Ausgegeben am 10. März 1893, PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — ZUNTZ. 379 Die weiter zu beobachtenden Thiere erhielten nach Beendigung der Krämpfe eine schlafmachende Dosis Chloralhydrat oder Urethan subeutan eingespritzt und diese Injeetion wurde erneut, sobald die Thiere erwacht waren. Nach 48 bis 74 Stunden wurden nun diese Thiere getödtet. Es fand sich in der Leber . . . 0-.391&0 0.300®% 0.4018” Glykogen im, übrigen Körper. . 1.289 „, 1-568 „...1-345 , # mit dem Harn entleert ® 0.889 „ 1-795 „ Urochloralsäure. Die absolute Menge des gefundenen Glykogens ist nur gering, wenn man aber bedenkt, dass die Thiere hungerten und dass Hunger bis vor kurzem die allein gebräuchliche Methode war, ein Thier glykogenfrei zu machen, so sieht man leicht ein, dass auch eine geringe Menge unter diesen Umständen gebildeten Glykogens für die stete Neuerzeugung desselben aus Körperbestandtheilen beweisend ist. Offenbar ist das geringe Maass von Bewegung, welches ein hungerndes Thier sich noch macht, genügend, um dem Verbrauch das Uebergewicht über die gleichzeitige Production zu geben und so zu bewirken, dass der Körper allmählich fast glykogenfrei wird. Hebt man diese Bewegung durch Narkose auf, so gewinnt die Bildung das Uebergewicht und der Körper bereichert sich an Glykogen, wie das auch in den Versuchen Nebelthau’s der Fall war. Die Neubildung von Kohlehydrat im hungernden Organismus erscheint übrigens wesentlich be- deutender, wenn, wie dies bei den Versuchen mit Chloralhydrat der Fall ist, gleichzeitig Kohlehydrat durch den Harn entführt wird. — Aus der Menge Kohlehydrat, welehe ausgehungerte Thiere in Form von Urochloral- säure abgeben können, hatte Thierfelder schon geschlossen, dass im Hunger- zustande Kohlehydrat aus Eiweiss gebildet würde, gerade wie dies von Mering aus der massenhaften Zuckerausscheidung durch den Harn nach wiederholter Phloridzinbehandlung hungernder Thiere gefolgert hatte. Thier- felder’s Versuch wurde von Nebelthau deshalb als nicht beweiskräftig angesehen, weil er bei Wiederholung desselben erhebliche Mengen von Rest- glykogen vorfand. Da wir jetzt durch Nebelthau’s eigene und durch die eben mitgetheilten Versuche bestimmt wissen, dass auch dieses „Restglykogen“ erst während der Narkose gebildet worden ist, müssen wir den Versuchen Thierfelder’s wieder volle Gültigkeit vindieiren. Die Menge der im Hunger gebildeten Kohlehydrate erscheint noch be- deutender, wenn man auf die schlafenden Thiere gleichzeitig Phloridzin ein- wirken lässt. — Das Phloridzin erwies sich auch bei Kaninchen regelmässig wirksam, wenn es, einem Rathe von Mering’s entsprechend, subeutan zu 0.1°’® pro Kilo Thiergewicht applieirt wurde. Nach einer solehen Injection pflegte der Harn etwa 12 Stunden lang zuckerhaltig zu sein. Bei diesen Thieren setzte sich also die Menge der im hungernden Organismus neu ge- bildeten Kohlehydrate aus dem Zucker und der Urochloralsäure des Harns und dem im Körper abgelagerten Glykogen zusammen. Aus sechs in dieser Weise angestellten Versuchen diene eines als Bei- spiel: In 33'/, Stunden waren 1.7008” Zucker und 1.580 8" Urochloral- säure ausgeschieden worden, in der Leber fanden sich 0-0682'”, in der Museulatur 0.599 5% Glykogen. — Einmal gelang es, das Thier nach Be: 380 VERHANDLUNGEN DER BERLINER endigung der Stryehninkrämpfe 119 Stunden in Narkose zu erhalten, es lieferte 5.25 #"" Zucker und enthielt nach dem Tode 1.286" Glykogen in Leber und Muskeln. Zur Gewinnung der Glykogens benutzte Dr. Vogelius die von S. Fränkel! anseb bon. Behandlung der Organe mit Triehloressigsäure- lösung, nachdem er sich von der Uebereinstimmung der Resultate mit den nach Külz’ Kalimethode erhaltenen dadurch überzeugt hatte, dass er bei mehreren Thieren je eine Körperhälfte nach der neuen und nach der alt- erprobten Methode bearbeitete. X. Sitzung am 17. März 1893.” 1. Hr. A. Kossen verliest folgende Bemerkungen zu dem Vortrag: „Ueber die Nuceleinsäure.“ In meinem am 14. October v. J. in dieser Gesellschaft gehaltenen Vor- trage über die Nucleinsäure habe ich darauf hingewiesen, dass die Bildung der Harnsäure aus dem Nuclein trotz der Untersuchungen des Hrn. Hor- baczewski noch nicht als eine sichere Errungenschaft der Physiologie be- trachtet werden könne, weil bei diesen Versuchen die Möglichkeit einer Ver- wechselung mit Xanthin nicht ausgeschlossen ist. Hr. Horbaczewski hat nun, einem von mir brieflieh ausgesprochenen Wunsche willfahrend, in dem soeben erschienenen Hefte des Archivs für Physiologie? eine nähere Unter- suchung des von ihm erhaltenen Harnsäurepraeparates veröffentlicht und ich kann erfreulicher Weise constatiren, dass nunmehr die von mir bezeichnete Lücke ausgefüllt ist. Die bisher ausgeführten Uniennehrisen über die Bildung der Harnsäure in den Organen werden unzweifelhaft von anderen Forschern, besonders im Hinblick auf pathologische Verhältnisse, wiederholt und erweitert werden. Für diesen Fall muss ich ausdrücklich hervorheben, dass solehen Versuchen nur dann eine Beweiskraft innewohnt, wenn auf die Trennung der Harnsäure vom Xanthin Rücksicht ge- nommen wird, oder wenn die Harnsäuse durch Analysen in der Weise charakterisirt wird, wie Hr. Horbaezewski dies nachträglich gethan hat. Die von Hrn. Horbaczewski in seinen früheren Publieationen angewandte Methode der Fällung durch Salzsäure reicht ohne analytische Untersuchung des Niederschlages nicht aus. Für diese Trennung hat Hr. Wulff im hiesigen Laboratorium ein Ver- fahren erprobt, welches in dem jetzt erscheinenden Heft der Zeitschrift für physiologische Chemie beschrieben wird. Hr. Horbaczewski hat für den gleichen Zweck zwei Vorschläge gemacht, deren Nützlichkeit erst dann be- urtheilt werden kann, wenn sie experimentell geprüft sind. ı Pflüger’s Archiv. Bd. 52. S. 125. ? Ausgegeben am 24. März 1893. ® S. oben in diesem Bande des Archivs. S. 1014. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — BEHRING. 3sl 2. Hr. Beurıne hält den angekündigten Vortrag: „Ueber die Natur der immunitätverleihenden Körper.“ (Nach Versuchen von Behring und Knorr). Gelegentlich der Demonstration von tetanusgeheilten Mäusen (vor sechs Wochen) erwähnte ich auch eine Versuchsreihe, welche die Frage nach der Wirkungsweise des Tetanusheilserums betraf. Ich machte darauf aufmerksam, dass die Hypothese von der giftzer- störenden Action desselben vorläufig nicht bloss unbewiesen ist, sondern dass sogar manche experimentell eruirte 'Thatsachen nicht recht in Einklang mit dieser Hypothese zu bringen sind. Die Art nun, wie ich in Gemeinschaft mit Hrn. Dr. Knorr es ver- suchte, auf dem Wege des Experiments zu entscheiden, ob wir noch ein Recht besitzen, an der Annahme einer Giftzerstörung durch das Heilserum festzuhalten, war foigende: Nachdem wir durch Vorversuche festgestellt hatten, wie gross diejenige Menge einer Tetanusgiftlösung mit bekannten Giftwerth ist, welche man durch 1 °" Heilserum für Mäuse unschädlich machen kann, mischten wir Tetanusgift mit Heilserum in einem solchen Verhältniss, dass sich in der Mischung das erstere im Ueberschuss befand. Spritzt man eine solche Mischung einer Maus unter die Haut, so er- krankt und stirbt dieselbe an Tetanus. Nun erhitzten wir diese Mischung im Wasserbade während der Dauer von !/, Stunde auf 65°C. Bei dieser Temperatur bleibt erfahrungsgemäss das Heilserum unverändert wirksam, qualitativ und quantitativ; das Tetanus- gift aber wird durch !/, stündige Einwirkung einer Temperatur von 65°C. derart abgeschwächt, dass man eine Maus damit nicht mehr tetanisch machen kann, auch wenn sie so viel von diesem abgeschwächten Gift erhält, als in unverändertem, nicht erhitztem Zustand des Giftes genügt, um 2000 Mäuse am Tetanus sterben zu lassen. Unsere Caleulation war bei diesem Versuche folgende: Wenn wir die Mischung von Serum und Gift, in welcher das Tetanus- gift im Ueberschuss enthalten ist, nach der Erhitzung einer Maus einspritzen, so wird dieselbe in Folge der dabei eintretenden Giftabschwächung nicht tetanisch werden. Der weitere Effeet einer solehen Einspritzung wird aber — so nahmen wir an — verschieden sein müssen, je nachdem in der Mischung eine chemische Zersetzung des Giftes durch die Heilkörper im Serum ein- tritt oder nicht. Ist das erstere der Fall, so müssen wir ja nach Analogie von anderen chemischen Zersetzungsprocessen annehmen, dass nicht bloss das Gift destruirt wird, sondern auch das heilende chemische Agens im Serum; es ist zwar eine solche Voraussetzung nicht absolut sicher, aber in dem Ideengange, der mich zur Aufstellung der Hypothese einer giftzerstörenden Wirkung der Antitoxine veranlasste, spielte eben die Voraussetzung einer Wechselwirkung, einer gegenseitigen Alteration der beiden Agen- tien eine wesentliche Rolle. Wird aber in der That in der Mischung nicht bloss das Gift so verändert, dass es unwirksam wird, sondern auch das Heil- serum, dann werden sich — so dedueirten wir weiter — die specifischen Functionen des letzteren, die wir als immunisirende und heilende kennen, später nicht mehr wieder reconstruiren lassen. Unsere Versuchsanordnung lief also darauf hinaus, dass wir durch dieselbe erfahren wollten, ob solche 382 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Mäuse, denen eine erhitzte Mischung von Gift und Heilserum eingespritzt wird, durch den Act der Einspritzung tetanusimmun gemacht werden, oder wenn sie vorher eine Tetanusinfeetion erlitten haben, ob sie durch die Einspritzung der erhitzten Mischung vom Tetanustode gerettet werden, was einer therapeutischen Leistung der erhitzten Mischung entsprechen würde. War das Resultat negativ, hatte die erhitzte Mischung keine heilende Wirkung mehr, dann ergab sich mit Nothwendigkeit der Schluss, dass in der That in der Mischung die Heilkörper des Serums durch das Zusammensein mit dem Gift chemisch verändert und unwirksam werden, da, wie schon erwähnt, durch die Erhitzung auf 65° an sich dieselben nicht alterirt werden. Nun, die experimentelle Prüfung in Hunderten von Einzelversuchen hat jetzt nach dieser Richtung ein ganz unzweideutiges Ergebniss geliefert. Die Mischung bleibt nach der Erhitzung therapeutisch wirk- sam. Wenn man eine Maus mit sicher tödtlicher Dosis einer Te- tanusbouilloneultur infieirt, und wenn man hinterher ihr 0.4. von der oben beschriebenen und auf 65° erhitzten Mischung subeutan injieirt, so wird sie durch diese Injeetion vom Tetanus- tode gerettet. Haben wir nun auf Grund dieses Ergebnisses ein Recht zu der An- nahme, dass in der Mischung keine gegenseitige Alteration des giftigen und heilenden Agens stattfindet, dass beide unbehelligt neben einander existiren, und dass wir die Heilwirkung des Serums nicht durch eine giftzerstörende Wirkung desselben zu erklären haben, sondern in anderer Weise? So viel- leicht, dass die giftige und die heilende Substanz beide auf vitale Apparate des thierischen Organismus einwirken, jede von beiden aber in verschiedenem Sinne? Wenn wir, Dr. Knorr und ich, uns bei dem bisherigen Stande unserer Anschauungen in der Immunitätslehre beruhigt hätten, dann mussten wir nothgedrungen zu solchen Schlüssen kommen; dann blieb eine andere Er- klärungsmöglichkeit unseres Versuchsresultates gar nicht übrig, als dass die Heilkörper in der Mischung unverändert wirksam geblieben, und deswegen chemisch nicht alterirt sein können. Diejenige Erklärungsweise, welche jemand in Betracht ziehen konnte, der mit den experimentellen Untersuchungs- resultaten in der Tetanusimmunisirungsfrage nicht vertraut ist, dass nämlich nicht das Heilserum die therapeutische Leistung vollbringt, sondern das durch Hitze abgeschwächte Tetanusgift, musste für uns als ausgeschlossen gelten. Alle Autoren, die bis jetzt mit irgendwie behandeltem Tetanusgift bei Mäusen Immunisirungsversuche gemacht haben, bekamen dabei ent- weder überhaupt keine positiven Resultate; meine eigenen Versuche aber hatten zwar die Möglichkeit ergeben, mit abgeschwächtem Gift Mäuse gegen Tetanus zu immunisiren, aber die Vorbehandlung musste der Infeetion so lange voraufgehen, dass a priori mir die Heranziehung dieser Möglichkeit für das hier in Betracht kommende therapeutische Resultat ausgeschlossen schien. Ich hielt es daher nur für eine blosse Formsache und gewissermaassen für einen Act übertriebener Gewissenhaftigkeit, wenn trotzdem von Dr. Knorr Controlversuche angestellt wurden, die gegen jeden Einwand unser Ergeb- niss und die daraus gezogenen Schlüsse sicherstellen sollten. In diesen Controlversuchen wurde eine ebenso wirksame PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — BEHRING. — Mary Levy-Dorn. 383 Tetanusgiftdosis (das etwa 2000fache der sicher tödtlichen Mini- maldosis) auf 65° während einer halben Stunde erhitzt und Mäusen eingespritzt. Dieselben zeigten danach keinerlei Krank- heitserscheinungen. Nun wurden andere Mäuse zuerst mit sicher tödtliehen Dosen einer Tetanusbouilloneultur infieirt und hin- terher jene erhitzte Giftquantität eingespritzt. Da blieben die so behandelten Mäuse am Leben. Jetzt mischten wir eine nicht erhitzte Tetanusgiftlösung mit einer, wie oben beschrieben, er- hitzten. Da konnten wir diese Mischung Mäusen einspritzen, ohne dass sie an Tetanus erkrankten. Wir sehen also, dass das, was ich bei dem bisherigen Stande unserer Kenntnisse für ausgeschlossen hielt, in Wirklichkeit eintrat. Ich will hinzufügen, dass diese Thatsachen von der Möglichkeit einer therapeutischen Leistung eigenartig vorbehandelter Bakteriengifte Hrn. Dr. Knorr und mir von einer so eminenten praktischen Bedeutung er- scheinen, dass für uns die Frage nach der Wirkungsweise des Heilserums vorläufig ganz in den Hintergrund getreten ist, und dass wir alle unsere Arbeit jetzt auf die weitere Verfolgung und Nutzbarmachung unseres Ver- suchsresultates richten. Handelt es sich doch darum, dass wir mit Stoffen, die aus Bakterieneulturen stammen, auch bei ganz acuten Krankheiten Heil- resultate erzielen können, während bekanntlich bisher nur für chronische diese Möglichkeit zugelassen und auch da. bisher nur für Tubereulinbehand- lung der Tubereulose bewiesen wurde. Nur in einer Beziehung sind wir auch der theoretischen Seite unseres Ergebnisses näher getreten. Nach Üonstatirung eines Heileffectes durch Bakteriengiftstoffe, ganz ähnlich demjenigen, welchen wir durch Heilserum erzielen, musste von neuem die Frage aufgeworfen werden, ob nicht die im lebenden Organismus nach seiner Immunisirung nachzuweisenden Heilkörper identisch sind mit denjenigen, welche wir aus Bakterieneulturen gewinnen. Ich lege ganz besonderen Werth darauf, dass zahlreiche eigens auf die Entscheidung dieser Frage gerichtete Versuche ergeben haben, dass das nicht der Fall ist. 3. Hr. Dr. Max Levy-Dorn (a. G.) hielt den angekündigten Vortrag: „Ueber den Absonderungsdruck der Schweissdrüsen und über das Firnissen der Haut. (Aus dem physiologischen Institut der Univer- sität Berlin.) Die Arbeit wird in der Zeitschrift für klinische Mediein zn extenso ver- öffentlicht werden. An dieser Stelle nehme ich nur die Gelegenheit wahr, die hauptsächlichsten Resultate mitzutheilen. 1. Vergleicht man die Schweissmengen mit dem Lumen der Knäuel- drüsen, indem man die Unbeständigkeit der Vergleichsobjeete genügend be- rücksichtigt, so muss man nach dem jetzigen Stand der Dinge verlangen, dass mindestens 28 mal geringer, oder 4mal reichlicher Schweiss erzeugt wird, ehe man die Gewissheit erlangt, dass die Schweissdrüse mehr Secret liefern kann, als sie mit einem Mal zu fassen vermag. 384 VERHANDLUNGEN DER BERLINER 2. Anaemische Drüsen können nicht die erwähnten Schweissmengen auf- bringen. Man kann also nicht mit Bestimmtheit sagen, dass sie im wahr- sten Sinne des Wortes zu secerniren vermögen und nicht vielleicht nur vorgebildetes Secret ausstossen. 9. Legt man das Experiment so an, dass die Drüsen abwechselnd blut- leer gemacht und in den Kreislauf eingeschaltet werden, bis sie sich jedes- Mal wieder erholt haben, und addirt dann alle während des anaemischen Zustandes erhaltenen Schweissmengen, so wird ihre Summe gross genug, um die in / gestellten Bedingungen zu erfüllen. Es lässt sich aber einwenden, dass die Drüsen sich während ihrer Erholungszeit — im postanaemischen Zustand — spontan mit Secret gefüllt haben können. Dieser Einwand ist um so mehr berechtigt, als es mir, wie ich an anderer Stelle mitgetheilt, gelungen ist, nach langdauernden Anaemieen deutlich von selbst zu Tage tretende Absonderung zu beobachten. 4. Da das Verhalten der Schweissdrüsen gegen Atropin ebenso wenig, wie die Thatsache des Schwitzens bei Anaemieen der alten Filtrationstheorie, welche die Kraftquelle für das Zustandekommen der Absonderung im Herzen und höchstens noch in der Gefässmuseculatur erblickte, jede Berechtigung ent- zieht, so suchte ich noch weiteres Beweismaterial dagegen beizubringen, indem ich die Drüsen unter erhöhtem und erniedrigtem Druck schwitzen liess. Behufs dessen wurden die Hinterpfoten schwitzender Katzen in einen Lampencylinder geschoben, dieser an der Haut luftdicht befestigt und der Druck der umschlossenen Luft in geeigneter Weise regulirt. Näheres über die Untersuchungsmethoden siehe im ausführlichen Bericht. Es stellte sich heraus: 5. Die’ Schweissabsonderung ist im Stande, bedeutend höheren Druck zu überwinden, als der in den grossen Blutgefässen beträgt. (Der Blutdruck wurde durch den Gad-Cowl’schen Blutwellenschreiber bestimmt.) 6. Die bei hohem Druck abgeschiedenen Schweissmengen können nicht allein auf Ausstossung schon vorgebildeten Secretes zurückgeführt werden. 7. Es ist also nunmehr für die Schweisssecretion mit derselben Sicher- heit, wie für die Speichelseeretion erwiesen, dass sie nicht lediglich auf Fil- tration von Blutflüssigkeit durch die Capillaren beruht. &. Gleichsam als Nebenresultat ging aus den Versuchen hervor, dass selbst ziemlich erheblicher einseitiger Druck (über 300 "® Hg) das Blut aus den tieferen Hautschiehten nieht zu verdrängen braucht, wenn auch die oberflächlichen Theile erblassen. Denn die dort liegenden Knäueldrüsen ver- mögen besser zu secerniren, als bei Blutleere. 9. Verdünnte Luft (Ansaugung) kann ohne anderweitige Erregung kein Schwitzen hervorrufen. Hierdurch wird unter anderem unsere in 7 aufge- stellte Behauptung bekräftigt. 10. Der Absonderungsdruck der Schweissdrüsen darf für die Säuberung der Haut nieht gering angeschlagen werden. Nähere Gründe siehe im aus- führlichen Bericht. 11. Die bisher vorliegenden Erfahrungen berechtigen noch nicht, einen wesentlichen Unterschied zwischen dem Verhalten von Menschen und Thieren nach Firnissen ihrer Haut anzunehmen, wie es jetzt allgemein geschieht. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — MAx LEVI-DoRN. — v. NOORDEN. 385 12. Dass die Abkühlung des Körpers die einzige Schädlichkeit ist, welche das Firnissen der Haut veranlasst, ist noch nicht genügend erwiesen (zu kurze Dauer der einschlägigen Versuche). 4. Hr. von NooRDEN spricht: „Ueber die puerperale Lactosurie nach dem Genuss von Traubenzucker.“ Die Wöchnerin scheidet Lactose aus, obwohl sie am Tage sicher nicht mehr als einige Gramme oder Dekagramme Milchzucker aus der Brustdrüse resorbirt. Ausserhalb des Wochenbettes kommt es nach 100 bis 150 s"® Milch- zucker per os zu keiner oder sehr geringer Lactosurie. Es müssen bei der Wöchnerin besondere Bedingungen herrschen, welche den aus der Brustdrüse in die Cireulation gerathenden Milchzucker vor der Zersetzung schützen. Der Umstand, dass die Lactose auf dem Wege vom Darm zu den Körperarterien die Leber passiren muss, kann nicht die Ursache sein, dass Milehzucker der Nahrung so sehr viel schwerer zu Lactosurie führt, als Resorption des Milch- zuckers aus der Brustdrüse. Es ist denkbar, dass die Wöchnerin an Fähig- keit, Lactose zu zersetzen, einbüsst, vielleicht aus Zweckmässigkeitsgründen, im Interesse des Säuglings. Hr. Cand. Zülzer hat auf meine Veranlassung sich mit dieser Frage beschäftist. Wir fanden, dass Wöchnerinnen (auch nach Frühgeburt und Abort) leichter und schon nach kleineren Gaben ali- mentäre Lactosurie bekommen, als Frauen ausserhalb des Wochenbettes. Besonders interessant ist der in einzelnen Fällen erhobene Befund, dass Wöchnerinnen, deren Harn vorher zuckerfrei gewesen, nach 150 8"” Glykose nicht Traubenzucker, sondern Milchzucker ausschieden (Gährung mit Sacha- romyces apiculatus negativ, Reduction positiv, Rubner’s Probe positiv, ÖOsazonbildung positiv). Das Verhältniss ist also gerade umgekehrt wie beim Diabetes. Der Diabetiker scheidet nach mässigen Gaben Milchzucker eine grössere Menge Glykose aus. Der Milchzucker verdrängt bei ihm die, seinen Zellen schwer zugängliche, Glykose aus der Zersetzung; bei der Wöchnerin scheint die Verbrennung der Lactose erschwert; giebt man reichlich Glykose, so verschonen die Zellen der Wöchnerin die circulirende Lactose gänzlich und sie fliesst durch die Nieren ab. Die für das Verständniss gewisser biologischer Vorgänge bei der Lacta- tion bedeutungsvolle Thatsache wird von Hrn. Zülzer zum Gegenstand weiterer Untersuchungen gemacht. Wir behalten uns dieselben und eine spätere Mittheilung darüber vor. XI. Sitzung am 7. April 1893. 1. Hr. S. Eneer hieit den angekündigten Vortrag: Zur Entstehung der körperlichen Elemente des Blutes. Die Ansichten über die Entstehung und Entwickelung der Blutkörper- chen, und zwar der rothen, weissen und der Blutplättchen, sind noch so ı Ausgegeben am 14. April 1893. Archiv f. A.u. Ph. 1893. Physiol. Abthlg. 95 386 VERHANDLUNGEN DER BERLINER mannigfaltig, dass es unmöglich ist, sich aus den verschiedenen Angaben und den scheinbar in keinen Zusammenhang zu bringenden einzelnen Beob- achtungen ein klares Bild zu machen. Fangen wir mit Hayem’s Theorie! an, so glaubt dieser Forscher in seinen Haematoblasten den Ursprung der rothen und weissen Blutkörperchen gefunden zu haben. Kölliker nahm an, dass zuerst die weissen Blutkörperchen gebildet werden, welche durch Auf- nahme von Haemoglobin und Ausstossung des Kerns in rothe Blutkörperchen übergehen. Einen anderen Standpunkt nimmt Löwit ein. Nach diesem Autor entstehen die rothen Blutkörperchen aus den Erythroblasten, die weissen aus den Leukoblasten, die beide in ihrem ganzen Entwickelungs- gange streng von einander getrennt bleiben. Ihm stellt Müller und neuer- dings Wertheim die Theorie entgegen, dass rothe und weisse Blutkörper- chen einen gemeinsamen Ausgangspunkt haben, welcher in den ruhenden einkörnigen Leukocyten zu suchen ist. Von einer ganz anderen Basis geht Rindfleisch aus. Nach ihm entstehen zuerst in den blutbildenden Organen durch Mitose der schon vorhandenen kernhaltigen rothen Blutkörperchen neue kernhaltige rothe Blutkörperchen, welche durch Ausstossung des Kerns zu kernlosen rothen Blutkörperchen werden. Ueber das weitere Schicksal des Kerns giebt er nichts an. Ihm steht Ehrlich nahe, nur dass dieser den ausgetretenen Kern sich wiederum mit einem haemoglobinhaltigen Pro- toplasma umgeben lässt, aus dem dann wieder ein rothes kernloses Blut- körperchen und ein ausgetretener bezw. resorbirter Kern wird. Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass im embryonalen Säugethierblute von mehreren Forschern grosse kernhaltige rothe Blutkörperchen gefunden worden sind, die von einigen mit den kernhaltigen rothen des späteren Alters für iden- tisch gehalten werden, während andere beide streng von einander trennen. Eine Beziehung zwischen allen diesen Theorien und Einzelbeobachtungen ist zwar von Einzelnen geahnt, aber bisher noch nicht nachgewiesen worden. Aehnlich verhält es sich mit der Unterbringung der Blutplättchen. Im Folgenden soll an der Hand der demonstrirten Praeparate und Photogramme versucht werden, zwischen einer grösseren Zahl von bisher gemachten Beobachtungen im Verein mit einigen vom Vortragenden ge- fundenen Thatsachen, Beziehungen herzustellen, welche auf die Entwickelung der Blutkörperchen im Blute einiges Licht zu werfen im Stande sein dürften. Der Vortragende hat seine Untersuchungen an Trockenpraeparaten von embryonalem Mäuse- und Menschenblut gemacht, und zwar in der Weise, dass er successive Blut von den jüngsten bis zu den kurz vor der Geburt stehenden Embryonen entnahm. Ausserdem stand ihm das Blut einiger an lienaler Leukaemie leidender Kinder, sowie das eines menschlichen Neuge- borenen zur Verfügung, der etwa zwei Monate zu früh geboren, noch lebend untersucht werden konnte. Als Färbung diente Eosinmethylenblau bezw. Eosinhaematoxylin und ganz besonders Ehrlich’s neutrales Gemisch. Die Praeparate ergaben folgendes: Bei den jüngsten Embryonen fanden sich nur grosse kernhaltige Blut- körperchen mit haemoglobinreichem Protoplasma und kugliger Gestalt. Fast alle Kerne waren in Theilung begriffen und es liegen, wie die Praeparate Litteraturangabe siehe in der ausführlichen Abhandlung im Archiv für mikro- skopische Anatomie, PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — S. ENGEL. 387 und Photogramme ergeben, Zellen mit Kerntheilungsfiguren jedes Stadiums dicht bei einander. Die grossen kugligen Blutkörperchen haben einen Durch- messer von 12—20 u. Ausser diesen ist das Praeparat erfüllt von kleineren Blutkugeln von derselben Form und auch sonst gleichen Eigenschaften, doch seht ihr Durchmesser nicht über 10 « hinaus. Diese sind die Tochterzellen der ersteren und gehen nicht mehr die Karyokinese ein. Aus Gründen, die weiter unten näher besprochen werden sollen, schlägt Vortragender vor, so- wohl die in Theilung begriffenen grossen, als auch die nicht mehr in Mitose befindlichen kleineren Blutkugeln „Metrocyten“ (Mutterzellen) zu nennen. Diese Zellen, welehe Hayem’s Riesenzellen oder Howell’s Ahnenzellen entsprechen, hält Vortragender für die ersten Blutkörperchen, aus denen alle sonstigen körperlichen Elemente des Blutes abgeleitet werden können. In diesem Stadium des embryonalen Lebens giebt es noch keine rothen oder weissen Blutkörperchen, sowie auch keine Blutplättchen. In einem weiteren Stadium des embryonalen Lebens sind noch einzelne Metrocyten zweiter Generation zu sehen, die zwar zu einer bedeutenden Grösse (12 u) herangewachsen sein können, aber niemals Kerntheilungen zeigen. Einige von diesen Metrocyten sind auffallend langgezogen, so dass der Kern an einem Ende zu liegen kommt. In anderen Zellen hat sich um den bläschenförmigen Kern ein Theil des haemoglobinhaltigen Proto- plasmaleibes als dunkeler gefärbte „Krause“ von dem übrigen Protoplasma abgetrennt und bildet mit dem Kern scheinbar ein untrennbares Ganzes. Dieser flächenartige Protoplasmaring verlässt, zusammen mit dem Kern in seiner Mitte, den haemoglobinhaltigen Protoplasmaleib und es entsteht aus letzterem ein grosses haemoglobinhaltiges kernloses Blutkörper- chen (Ehrlich’s Megaloeyt), während der Kern mit der Haemoglobinkrause ein junges kernhaltiges rothes Blutkörperchen darstellt. Dieses letztere wächst, so dass sowohl der Kern als auch das rothe Blutkörperchen, die erst beide sehr intensiv gefärbt waren, einen matteren Farbenton an- nehmen. Im weiteren Verlaufe verlässt der Kern mit einem feinen hae- moglobinfreien Protoplasmasaum auch den haemoglobinhaltigen Ring (der sehr häufig den Kern allmählig kugelförmig umgeben hat) und lässt den haemoglobinhaltigen Ring bezw. die haemoglobinhaltige Kugel als normales rothes Blutkörperchen zurück, während der Kern mit seinem haemo- globinfreien Saum — der nicht als Fläche, sondern als Kugeloberfläche auf- zufassen ist — als junges weisses Blutkörperchen imponirt. Nieht immer tritt der Kern aus dem Metrocyten mit einem haemo- globinreichen Saum heraus. Er kann schon aus dem Metrocyten als freier Kern heraustreten und zu einem Leukocyten auswachsen. Der junge Leu- koeyt kann sowohl die Form eines Lymphocyten als auch die einer poly- nucleären Zelle annehmen und eine feine neutrophile Körnung zeigen. Durchmustert man eine sehr grosse Zahl von Blutpraeparaten erwach- sener Mäuse oder Menschen, namentlich aber leukaemischer Kinder, so be- kommt man über die Art des Austritts des Kerns, als weisses Blutkörper- chen, aus dem rothen Mantel noch näheren Aufschluss. Die vorliegenden Praeparate zeigen im Blute neben gedellten rothen Blutkörperchen noch einige kugelrunde mit intensiverer Farbe. Diese dunkler gefärbten rothen Blutkörperchen, die als Blutkugeln erscheinen, sind von ihrem Inhalt noch 25* 388 VERHANDLUNGEN DER BERLINER nicht befreit. Dieser Inhalt wird so lange am Herausplatzen verhindert, als die Spannung des Stroma’s des rothen Blutmantels der Spannung des kernhaltigen Inhalts gewachsen ist. Sowie die Spannung des Inhalts eine gewisse Höhe erreicht hat, birst der Mantel auseinander und ein farbloses Blutkörperchen tritt heraus. Dieses sitzt zuerst noch durch eine, der achro- matischen Kernsubstanz auffallend ähnliche Masse mit der inneren, concaven Seite des rothen Blutkörperchens zusammen, bald jedoch ist auch diese Ver- bindung gelöst und an dem, nach Verlust des Inhalts eine Delle annehmen- den rothen Blutkörperchen lässt sich nicht mehr erkennen, welches weisse Blutkörperchen ihm einstmals als Kern angehört hat, ebenso geht von nun ab auch das farblose Blutkörperchen seinen eigenen Lebensweg. Würde aus jedem rothen Blutkörperchen ein weisses hervorgehen, dann müssten im Blute stets ebenso viele weisse wie rothe vorhanden sein. Das ist jedoch keineswegs der Fall. Während man nach zusammenhängenden weissen und rothen oft mehrere Praeparate vergeblich durchmustert, findet man in Blutpraeparaten, die viele Blutplättehen enthalten, stets rothe Blut- körperchen, aus denen, gleichsam wie aus einer geplatzten Granate, ein Haufen Blutplättchen hervorstürzt. Es werden also nicht alle Kerne der Blutkugeln als Leukocyten gleichsam geboren, sondern die überwiegende Mehrzahl derselben degenerirt vorher und verlässt den Kern als Blutplätt- chen. Dass es sich in der That so verhält, geht auch noch daraus mit Evidenz hervor, dass zuweilen nur ein Theil des Kerns degenerirt, und dieser Kernrest als formloser, wie ein Kern gefärbter Körper mit einer geringen Menge Blutplättehen aus dem rothen Blutkörperchen heraustritt. Die jungen weissen Blutkörperchen sind nicht nur einkörnig wie die Lymphocyten und die mononucleären Zellen, sondern zeigen schon Andeutungen von mehreren Kernen, haben zuweilen selbst schon Ehrlich’s neutrophile Granulation. Dass das Protoplasma der weissen Blutkörperchen, dem Aussehen nach, der achromatischen Kernsubstanz mindestens sehr nahe verwandt — wenn nicht sogar mit ihr identisch — ist, wurde schon oben angedeutet. Erwähnung verdient noch, dass in einzelnen Fällen, z. B. bei an Tetanus leidenden Mäusen, die Zahl der zusammenhängenden Zellen grösser ist als bei gesunden, dass ferner in manchen leukaemischen Blutpraeparaten eine Unterscheidung von kernhaltigen rothen Blutkörperchen und mononucleären Leukocyten so schwierig ist, dass es den Anschein hat, als sei das kernhaltige rothe Blut- körperchen mit seinem grossen, ein vielbalkiges Kerngerüst besitzenden Kern, durch Schwund des Haemoglobinringes, in einen Lymphocyten über- gegangen. Wenn ich noch zum Schluss Ehrlich’s Megaloblasten bezw. Giganto- blasten einen Platz in diesem Schema anweisen soll, so muss von vornherein hervorgehoben werden, dass diese mit Hayem’s Riesenzellen und Howell’s Ahnenzellen ebenso wenig übereinstimmen, wie mit meinen Metrocyten. Ehrlich’s Gigantoblasten entsprechen vielmehr den Normoblasten. Sie sind kernhaltige rothe Blutkörperchen, welche, krankhafter Weise, sich nicht rechtzeitig in ihre beiden Componenten getrennt haben und in diesem Zu- stande gemeinschaftlich weiter gewachsen sind. Tritt dann später doch die Trennung ein, so hat der haemoglobinhaltige Protoplasmaleib den Werth eines Megaloceyten, u ee ET Eee PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — S. ENGEL. — A. KosseL. 389 Aus meinen Beobachtungen ergiebt sich folgendes Schema: Metrocyten (grosse kernhaltige, haemoglobinreiche Blutkugeln), durch Karyokinese entstehen daraus Metrocyten-Tochterzellen oder 2. Generation, diese theilen sich in a) b) kernlose rothe Blutk. kernhaltige rothe Blutk. (meist Megalocyten = (Normoblasten, pathol. Megaloblasten), rothe Blutk. 1. Generation) aus diesen werden o) B) kernlose rothe Blutk. 1. Leukoeyten, (Erythroeysten) 2. Uebergangsformen, (pathol. Megalocyten) 3. Blutplättchen. (rothe Blutk. 2. Generation) | 2. Hr. A. Kossku hielt den angekündigten Vortrag: „Ueber das Dulein.“ Ich möchte über eine Substanz berichten, welche mir im November vorigen Jahres zur Untersuchung übergeben wurde und welche ihres ausser- ordentlich süssen Geschmackes wegen einiges Interesse beansprucht. Be- kanntlich wurde vor mehreren Jahren ein Stoff in den Handel gebracht, welcher sich als Süssstoff ziemlich schnell eingebürgert hat, das Saecharin, ein Benzoösäuresulfinid. Auch die hier vorliegende Substanz, das „Dulein“, gehört der aromatischen Reihe an, sie ist ein Paraphenetolharnstoff, hat also folgende Constitution: GB: p-CH,S NH—CO— NH,. Man gewinnt sie durch Erhitzen von Phenetidin mit Harnstoff. Das Pro- duct bildet farblose Krystalle, die sich in kaltem Wasser wenig, in heissem reichlich lösen. Bringt man eine kleine Menge des Krystallpulvers auf die Zunge, so bemerkt man einen süssen Geschmack, der lange Zeit anhält. Nach dem übereinstimmenden Urtheil zweier Untersucher ist das Dulein etwa 200 mal so süss, wie Zucker. Man könnte auf den Gedanken kommen, dass die Entdeckung zweier Stoffe, denen die Erregung süssen Geschmacks in so hervorragendem Maasse eigen ist, im Stande sei, uns eine Beziehung zwischen der Constitution oder den physikalischen Eigenschaften und ihrer Süsskraft zu offenbaren, aber bisher haben sich derartige Gesichtspunkte nicht auffinden lassen. Selbst die nächsten chemischen Verwandtsn des Duleins sind nicht süss, ersetzt man z. B. die Aethyloxylgruppe durch eine Methoxylgruppe, so entsteht ein Homologes des Duleins, welche nur sehr geringe oder gar keine Süsskraft besitzt. Für die praktische Verwendung des Duleins kommt natürlich die Frage in Betracht, ob dieser Körper gesundheitsschädlich ist oder nicht. Ich habe 390 VERHANDLUNGEN DER BERLINER einige Versuche an Thieren angestellt, um die Grenze festzustellen, bis zu welcher man das Dulein ohne Nachtheil dauernd verabreichen kann. Der- artige Thierexperimente mussten ja allen übrigen Versuchen vorangehen. Zunächst zeigte sich, dass Kaninchen im Verhältniss zum Körpergewicht widerstandsfähiger gegen das Dulein sind als Hunde, z. B. vertrugen Ka- ninchen von 1800—200028'" Gewicht einmalige Dosen von 2°"" Dulein. Bei den Versuchen mit Hunden ergab sich, dass das Dulein bis zu einer Menge von 0-18’% pro Kilo Körpergewicht einige Zeit hindurch gegeben werden kann, ohne dass gefährliche Erscheinungen eintreten. Ich benutzte zwei Hunde von 20 und 25 Ferm, dieselben erhielten 25 Tage hindurch täg- lich 28% Dulein. Nach ungefähr 5 Tagen hörte bei beiden Thieren die Fresslust auf, der Appetit kehrte dann trotz der fortgesetzten Eingabe des Duleins nach einigen Tagen zurück und am Ende der Fütterungsperiode zeigten beide Thiere keinerlei abnorme Erscheinungen, auch war das Körper- gewicht bei beiden annähernd das Gleiche geblieben. Giebt man grössere Dosen, so treten oft schon bei einmaliger Eingabe Symptome des Uebelbefindens auf, nach Zuführung von 42"® Dulein erbrechen die Thiere gewöhnlich, aber selbst nach einmaliger Eingabe von 108'% war der Hund (25 s"" Körpergewicht) am nächsten Tage völlig munter. Gefährliche Symptome treten freilich ein, sobald man diese grossen Dosen fortgesetzt eingiebt. Ich verabreichte den beiden Hunden zunächst 9 Tage hindurch täglich 28"”, vom 10. Tage an täglich 4®"® Dulein. So- bald die grössere Dosis gegeben war, frassen die Thiere überhaupt nichts mehr, sie fielen sehr ab und am 14. Fütterungstage trat bei beiden Gallen- farbstoff im Urin auf. Es lag nicht in meiner Absicht, die Symptome zu verfolgen, welche nach übermässigen Dosen von Dulein bei Hunden auftreten, zumal hierüber von anderer Seite demnächst eine ausführliche Mittheilung erscheinen wird. Ich will nur bemerken, dass die Thiere sich ziemlich schnell erholten, als der Versuch in diesem Stadium abgebrochen wurde. Hätte ich diese Menge noch einige Zeit gegeben, so wären die Thiere un- zweifelhaft zu Grunde gegangen. Bei der Beurtheilung dieser Versuchsergebnisse muss man bedenken, dass die Dose von 2®’® Dulein, welche von den Hunden eben noch vertragen wurde, einer Süsskraft von etwa 400 ®'® Zucker entspricht. Es stellt dies eine abnorme hohe Gabe dar und es dürfte wohl wenige Genussmittel geben, die nicht in übertriebener Menge genossen, zu krankhaften Erschei- nungen führen. 3. Hr. Ewaup berichtet im Anschluss an die Mittheilungen von Prof. Kossel über Versuche, die er im Augusta-Hospital mit Dulein angestellt hat. Er kann zunächst sagen, dass das Praeparat einen weniger intensiv süssen Geschmack wie das Saccharin hat, welches dieser Eigenschaft wegen den Kranken meist nach einiger Zeit, bald früher, bald später, widerlich wird, so dass sie oft zuletzt nichts mehr davon wissen wollen. Das Dulein wurde einzelnen Patienten bis zu 1-58" pro die gegeben, ohne dass unan- genehme Nebenwirkungen auftraten. Da es aber umständlich ist, die be- treffenden Pulver abwägen zu lassen, so wurden auf Hrn. Ewald’s Veran- lassung Pastillen von 0.025 Dulein (entsprechend der Süsskraft von 5?" Rohrzucker) mit Mannit hergestellt. Von diesen Pastillen hat ein an leichten PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — HEYMAnSs. — LEON LILIENFELD. 391 dyspeptischen Erscheinungen leidender Kranke mit Morb. Addisonii täglich 16 Stück = 0-4 Dulein seit drei Wochen genommen, also etwa 8.05" Dulein ohne jede Nebenerscheinung und ohne dass das Praeparat dem Pa- tienten unangenehm geworden wäre, verbraucht. Es bedarf kaum der Er- wähnung, dass weder bei einem Fall von Diabetes noch bei den übrigen Personen, die Dulein erhielten, der Zucker im Harn vermehrt bezw. über- haupt ausgeschieden wurde. Der Vortragende macht darauf aufmerksam, dass alle künstlichen Nähr- bezw. Ersatzpraeparate auf die Dauer das Natur- product nicht vertreten können, weil sie schliesslich dem menschlichen Ge- schmack nicht mehr zusagen. Das Dulcin dürfte, wie gesagt, den Vorzug vor dem Saccharin haben, dass es weniger „künstlich süss“ schmeckt. 4. Hr. Prof. Hrymans aus Gent hielt einen Vortrag: Ueber Inner- vation des Froschherzens. Er legte Photographieen vor und demonstrirte Serien von quer und längs durch das ganze Froschherz geführten Schnittpraeparaten, welche Dr.van Reysschot in seinem Laboratorium mittelst der Golgi’schen Schnell- methode gefertigt hat. In jedem Schnitt und an jedem Optaller Schnitt- flächen ist ein sehr reichliches, nicht zu verkennendes Nervenfasergeflecht zu sehen. Dass ein Theil des Froschherzens bezw. des Herzventrikels nerven- los sei, wie Lehrbücher enthalten und Experimentatoren zur Erklärung ihrer Befunde fast täglich annehmen, ist danach, in Uebereinstimmung mit Ranvier und Dogiel, auf das Entschiedenste zurückzuweisen. Dieses Nervenfasergeflecht begleitet und durchdringt jeden Muskelstrang, umschlingt jede Muskelfaser und seine thatsächlich zu sehenden Endfibrillen sind so zahl- reich, dass man ungezwungen annehmen darf und muss, dass jede Muskel- zelle direet innervirt wird. Die Erregung kann also durch nervöse Sub- stanz jeder Muskelfaser mitgetheilt und die an einem Ort des Herzens vor- handene kann auf nervösen Bahnen den anderen zugeleitet werden; die Annahme direeter Uebertragung von Muskelfaser zu Muskelfaser wird da- durch überflüssig. Thatsächlich sind in jedem Muskelbündel sich über- kreuzende, aber unabhängige nervöse Fasernetze vorhanden. 5. Hr. Lzon LisienrenLp hält den angekündigten Vortrag: „Ueber die Wahlverwandtschaft der Zellelemente zu gewissen Farb- stoffen.“ Der Einbürgerung der Methode der sogenannten differentiellen Combi- nationsfärbungen hat die Histologie ganz bedeutende Frfolge zu verdanken. Diese Methode beruht auf der merkwürdigen Thatsache, dass einerseits ver- schiedene Gewebe, andererseits verschiedene Elemente desselben Gewebes eine verschiedene Affinität zu einzelnen Farbstoffen zeigen. Bringt man also ein entsprechendes Gewebspraeparat in eine Lösung, welche zum Beispiel zwei solcher Farbstoffe enthält, so findet man, dass sich bestimmte Elemente im reinen Ton des einen, und wieder andere im reinen Ton des anderen Farbstoffes tingiren. Den Elementen wohnt also das Vermögen inne, sich aus einer Mischung denjenigen Farbstoff auszuwählen, zu welchem sie — wie man sagt — „grössere Verwandtschaft“ haben. Worauf nun dieses Eleetionsvermögen beruht, dass weiss man nicht, 392 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Wenn ich mir also heute erlaube, mit einer Untersuchung vorzutreten, die noch zu keinem Abschluss gelangt ist, so geschieht es, weil dieselbe ein Streiflicht wenigstens auf eine und — ich kann wohl sagen — die für die Zellenlehre fundamentalste Erscheinung dieses Farbenwählens wirft. Es ist bekannt, dass die zwei grossen Hauptelemente der Zelle, Kern und Leib, sich denselben Farbstoffen gegenüber verschieden verhalten. Nicht nur übertrifft der Zellkern den Zellenleib an Fähigkeit, Farbstoffe in sich aufzuspeichern, sondern man kann sich durch differentielle Combinations- tinetionen sehr leicht davon überzeugen, dass der Zellkern eine, der Zellen- leib eine andere von jener verschiedene Reihe von Farbstoffen mit Begierde an sich reisst und festhält. Bringt man nun Zellen in bestimmte Farb- mischungen, so wählt sich einfach der Zellkern seinen, der Leib wieder seinen ihm wahlverwandten Farbstoff aus, und es ist vielfach ein leichtes, Karyo- und Cytoplasma different zu färben. Als Beispiel, welches für die folgenden Betrachtungen von Wichtigkeit ist, wähle ich die Doppelfärbung mit Fuchsin und Methylgrün. Behandelt man einen Leukocyten mit einem Gemisch dieser zweier Farbstoffe, von denen der erste roth ist, so findet man den Zellenleib roth mit einem Stieh in’s Blaue, den Kern intensiv grün gefärbt. Bei sehr starker Vergrösserung offenbart sich noch eine feinere Doppelfärbung sowohl am Zellkern, als am Leib. Im Leib ist die Spon- giosa violet, die Zwischensubstanz roth, im Kern ist das Gerüst grün, die Zwischensubstanz roth. Der Zellkern hat sich also vorwiegend den grünen, der Leib den rothen Farbstoff ausgewählt — und das ist das Charakteristische. Aehnlich verhalten sich Zellen beim Be- handeln mit anderen ähnlichen Farbmischungen, wie Rhodamin und Methyl- grün, Eosin und Methylenblau, Lichtgrün und Safranin u. s. w. Bevor ich nun den Versuch mache, dieser räthselhaften Wahlverwandt- schaft durch ein Experiment näher zu treten, will ich noch einige unent- behrliche Vorbemerkungen über die chemische Zusammensetzung des Zell- kerns vorausschicken. Ich halte mich an den Zellkern der Leukocyten, weil ich denselben näher studirt habe. Dieser enthält als charakteristischen, alle anderen quantitativ überwiegenden Bestandtheil das Nucleohiston, ein Nucleoproteid, welches als ein Salz aufzufassen ist, und zwar ein Salz, in welchem an eine Säure, das Leukonuelein, eine ausgesprochene Base eiweissartiger Natur, das Histon gekettet ist. Das Leukonuclein seinerseits ist eine Verbindung von Eiweiss mit einer Säure, der Nucleinsäure. Spaltet man also successive das ganze Eiweiss — Histon und Nucleineiweiss — ab, so gelangt man zu jener eiweissfreien Substanz, welche das charakteri- stische Merkmal dem Nucleohiston als Kernsubstanz verleiht, der Nuelein- säure. Anders liegen die Verhältnisse beim Zellenleib. Dieser enthält neben anderen Substanzen vorwiegend reine Eiweisskörper ohne angefügte prosthetische Gruppe, und zwar hauptsächlich globulinartiger Natur und nebenbei ein Nucleoalbumin von ganz niedrigem P-Gehalt. Das ist in groben Zügen das Bild, welches uns die chemische Analyse von den Leuko- eyten entwirft. Das soll uns aber nicht verführen, anzunehmen, dass sich jede Zelle in einem von uns chemisch fixirten Zustande starren Gleich- gewichtes befindet, welcher jenem skizzirten Bilde entspricht. Wir sind umgekehrt gezwungen, anzunehmen, dass bei dem regen Stoffwechsel der Zelle, bei den sich in ihr abspielenden physiologischen Processen ihre Zu- PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — LEON LILIENFELD. 3953 sammensetzung in hohem Grade variirt. Processe, welche wir unter dem bequemen Deckmantelnamen der fermentativen oder katalytischen zusammen- fassen, leiten Oxydationen und Reductionen ein, der Zellkern ruht oder theilt sich, wobei sein Chemismus Aenderungen erfährt, bei verschiedener Nahrungszufuhr nimmt der Gehalt an gewissen Stoffen zu, an anderen wieder ab. Trotz alledem kann man in jeder Phase des Lebens der Zelle einen stabilen, unveränderlichen Unterschied zwi- schen Kern und Leib wahrnehmen, welcher darin besteht, dass der Kern immer Nucleinsubstanzen, also Nucleoproteide, Nu- eleine und im extremen Sinne Nucleinsäuren, der Leib immer reine Eiweissstoffe enthält. Diese Kernsubstanzen können je nach den physiologischen Momenten und vielleicht auch je nach der zugeführten Nahrung sehr eiweissreich, eiweissarm und vielleicht auch eiweissfrei sein, je nachdem ein Ueberschuss an Nucleinsäure oder an Eiweiss im gegebenen Falle vorliegt — Nucleinsäure ist immer vorhanden. Von dieser Anschauung bin ich nun ausgegangen beim Studium der Wahlverwandtschaft dieser zwei Elemente der Zelle zu verschiedenen Pig- menten. Es erschien mir als naheliegender Gedanke, dass diese etwas mystische Erscheinung auf nichts Anderem beruhe, als auf der Verschieden- heit im chemischen Bau des Zellkerns und Leibes, und dass das scheinbar bewusste Auswählen und Aussuchen immer derselben Farbstoffe aus einer Mischung einfach durch verschiedene chemische Affinitäten der Nucleinstoffe des Kerns einerseits und der Eiweissstoffe des Cytoplasmas andererseits er- klärt sein will. Diese Annahme hat sich schön bestätigt. Ich habe mit allen Kernbestandtheilen und ihren Spaltungsprodueten experimentirt, und zwar hatte ich dieselben iu chemisch reinem Zustande zur Hand. Die Nucleinsäuren verschiedener Herkunft, die ich untersuchte, aus Leukocyten, Eiter, Lachssperma und Hefe verdanke ich der grossen Güte des Hrn. Professor Kossel. Es hat sich bei meinen Versuchen herausgestellt, dass, wenn man in eine Mischung zweier Farbstoffe, von welcher es feststeht, dass sie Kern und Leib verschieden tingirt, Nuclein- säure bringt, so wählt sie sich immer den Kernfarbstoff aus und tingirt sich im reinen Ton desselben. Bringt man in die- selbe Mischung einen reinen Eiweisskörper, so wählt er sich immer den reinen Zellenleibfarbstoff aus. Dieses Experiment ist so schnell und leicht anzustellen, dass es hier vorgeführt werden kann. Ich vertheile in zwei Reagenzgläser eine Mischung zweier Farbstoffe, von denen der eine roth, der andere grün ist — nämlich Fuchsin und Methylgrün. Die Mischung hat eine braunviolette Farbe. In das erste Reagenzglas bringe ich ein wenig Nucleinsäure, in das zweite Eiweiss. Es zeigt sich die sonderbare Erscheinung, dass sich nach kurzem Umschütteln die Nucleinsäure intensiv grün — das Eiweiss purpurroth tingirt, so dass die Bodensätze von der darüberstehenden Flüssigkeit in ihren Tönen in höchstem Grade abstechen. Die Flüssigkeiten nehmen, dem Farb- verlust entsprechend, ebenfalls verschiedene Farbentöne an: die, in welcher die grüne Nucleinsäure liegt, wird mehr roth, die andere mehr grünviolet. Der Farbstoff haftet beiden Substanzen und besonders der Nucleinsäure sehr 394 VERHANDLUNGEN DER BERLINER fest an, so dass er ihnen weder durch Wasser, noch durch Alkohol, noch durch Auskochen mit Wasser entzogen werden kann. Da nun die Nucleinsäure als solche in den Zellkernen im Allgemeinen nur in Verbindung mit Eiweiss vorkommt, so war es von vornherein noth- wendig, die eigentlichen Substanzen des Zellkerns auf ihre Wahlverwandt- schaft zu Kernfarbstoffen zu prüfen. Hierbei stellte sich heraus, dass das an der Nucleinsäure sitzende Eiweiss die Färbung hauptsächlich modifieirt, und zwar umsomehr, je mehr Eiweiss die Verbindung enthält. Das Nucleohiston, als die eiweissreichste Kernsubstanz der Leukocyten, färbt sich in den Farbengemischen, welche Methylgrün als Kern- und einen rothen Farbstoff als Leibfarbstoff enthalten, deutlich grünlich blau, wobei der blaue Ton der vorherrschende ist. Spalten wir nun vom Nucleohiston das Histon ab, so bleibt das Nuclein, der eiweissärmere Kernbestandtheil zurück. Dieses färbt sich blaugrün. Wir sehen also, dass das die Färbung der Zellenkernsubstanzen beherrschende Prineip immer die Nucleinsäure ist. Alle Kernsubstanzen von den eiweissreichsten bis zu den eiweissärmsten und eiweissfreien färben sich im Tone des Kern- farbstoffes, nur modifieirt den Ton das daransitzende Eiweiss zu Grün mit einem stärkeren oder schwächeren Stich in’s Blaue. Daraus erklärt sich auch die Thatsache, dass wir bei Tinetionen der Cellularorgane mit diesen Tinetionsmischungen die Zellkerne selten ganz grün zu Gesicht be- kommen. Sie haben immer mehr oder weniger einen Stich in’s Blaue. Nun wird es natürlich vorkommen können, dass in bestimmten physiologischen Zuständen die Zellkerne an Eiweiss verarmen und dass freie Nucleinsäure im Ueberschuss vorhanden sein wird, und es ist überhaupt nicht unwahr- scheinlich, dass das Verhältniss des Eiweisses zur Nucleinsäure im Zellkern kein eonstantes, sondern ein variirendes ist. Es müsste ganz wunderbar quantitativ im Stoffwechsel der Zelle gearbeitet werden, damit immer ab- gewogene Mengen Nucleinsäure und Eiweiss eine gesättigte Verbindung geben. Und deswegen ist es speciell bei den Kernen der Leukoeyten sehr wahrscheinlich, dass in ihnen sowohl Nucleohiston Nuclein als freie oder ganz eiweissarme Nucleinsäure nebeneinander vorkommen, in überwiegender Menge das Nucleohiston, wie meine Analysen ergaben. Dass freie Nuclein- säure in den Zellkernen vorkommt, das ergaben auch ganz neue Unter- suchungen des Hrn. Professor Kossel, welche — wie ich einem Privat- gespräche entnommen habe —- bald zur Publication gelangen sollen. Speeiell ist es mir höchst wahrscheinlich, dass während der Mitose die Chromatinschleifen aus freier oder sehr eiweissarmer Nucleinsäure bestehen. Wir haben hier in diesen drei Gefässen die verschiedenen Farbentöne, welche die Kernsubstanzen (Nucleohiston, Nuclein, Nucleinsäure) aus Farb- gemischen annehmen und im vierten als Vergleichsobjeet das purpurrothe Eiweiss. Auch für den chemischen Verlauf dieser Processe ergaben sich aus meinen Untersuchungen Gesichtspunkte. Um sie hier kurz anzudeuten, will ich betonen, dass sich die Nueleinsubstanzen des Kerns immer den basischen, die Eiweisskörper des Zellenleibs immer den sauren Farbstoff aus dem Farbengemisch auswählen. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — LEON LILIENFELD. 395 Es war demnach interessant zu prüfen, wie sich diese Körper einer Mischung gegenüber verhalten werden, welche — umgekehrt — einen rothen basischen und einen grünen sauren Farbstoff enthält. Als ausge- zeichnet für diese Zwecke erwies sich eine mir privatim von Hrn. Dr. Benda zur Verfügung gestellte — von ihm noch nicht publieirte — Mi- schung von Lichtgrün und Safranin. Bringt man in diese einmal Nuclein- ‘säure oder Nuclein, das andere Mal Eiweiss, so färbt sich umgekehrt die Nucleinsäure roth und das Eiweiss grün, also wieder ganz so, wie Zellkern und Cyptoplasma in Gewebspraeparaten. Anders verhält sich das phosphorarme Nucleoalbumin des Üyto- plasma’s. Dieses giebt einen violetten Farbenton und nimmt immer den Farbenton der ganzen Farblösung an. Daraus erklärt sich auch die Differenzirung im CÖytoplasma, von der ich zu Anfang sprach. Diese Diffe- renzirung kann nur mit den stärksten Vergrösserungen erkannt werden und besteht darin, dass man in eine rothe Zwischensubstanz eingebettete Körn- chen oder Streifen sieht, welche mit dem Ton der ganzen Mischung tingirt sind, also sich ganz so verhalten, wie die phosphorarmen Nucleoalbumine. Ich habe Anhaltspunkte zu glauben, dass die sogenannte neutrophile oder e-Körnung Ehrlich’s aus diesem Nucleoalbumin besteht. Dieses Nucleo- albumin färbt sich nämlich exquisit immer mit den für die neutrophilen Granulationen charakteristischen von Ehrlich als neutrale Farbstoffe be- zeichneten Farbkörpern. Ich habe die Absicht darauf ein anderes Mal zurückzukommen. So wäre also die Wahlverwandtschaft der zwei Hauptelemente der Zelle zu Farbstoffen in die für sie charakteristischen Substanzen verlegt und das Bild, welches wir im Allgemeinen an Zellen, welche wir mit Gemengen von Zellkern- und Zellenleibfarbstoffen behandeln, erhalten, dadurch einfach er- klärt, dass die Nucleinsäure des Zellkerns zu den ersten basischen, das Eiweiss des Cytoplasma’s zu den anderen sauren Farbkörpern höhere Affinität zeigt. Es ergeben sie auch danach viele neue Gesichtspunkte, z. B. für das Studium der von Auerbach beschriebenen sexuellen Gegensätze in der Chromatophilie der Keimsubstanz u. s. w. Dass es sich hier um Processe chemischer und nicht physikalischer Art handelt, wird wohl von nun an Keiner bezweifeln. Wie nun von rein chemischen Gesichtspunkten diese Processe verlaufen, darüber kann ich heute noch nichts sagen. Jedenfalls liegt es äusserst nahe, bei der Färbung der Nucleinsäure mit basischen Farbstoffen an eine Salzbildung zu denken. Dass die Kerngerüste besonders gut mit basi- schen Farbstoffen tingirt werden, das zeigte schon Flemming. Ich werde wahrscheinlich bald in der Lage sein, zu entscheiden, ob thatsächlich bei der Färbung der Nucleinsäure Salze entstehen, wie ich annehme, und welcher Art diese Salze sind. Bei der Färbung des Eiweisses liegen die Verhältnisse complieirter und ich will mir — statt heute unfertige Sprüche zu wagen — vorbehalten, ein anderes Mal von diesem Gegenstande zu handeln. Es bleibt mir noch übrig, über die ganz einfache Technik dieser Ver- suche zu berichten. Als Farbgemische kann man sowohl die Ehrlich’schen Triaeidmischungen, das Benda’sche Gemisch, die Griesbach’sche Combi- nationsmischung u. s. w. wählen, 396 VERHANDLUNGEN D. BERLINER PHYSIOL. GESELLSCHAFT. — LILIENFELD. Der Versuch kann einfach so gemacht werden, wie er oben beschrieben wurde, oder indem man die Substanzen in kleine Shirtingsäckcehen bringt, oben zubindet und in die Farbgemische hineinhängt. Auf diese Weise lassen sie sich wohl ziemlich gut auswaschen und man erleidet keine so grossen Verluste wie beim Waschen durch Decantiren. Ich will bemerken, dass durch Alkohol gefälltes Eieralbumin sich gar nicht färbt und die Farbmischung entfärbt. Hrn. Professor Kossel, in dessen Laboratorium vorliegende Arbeit aus- geführt wurde, sage ich meinen verbindlichen Dank für die bereitwillige Unterstützung. Mittheilungen zur Athmungslehre.' Von ©. Langendorft. (Aus dem physiologischen Institut in Rostock.) 5. Ueber die einseitige Abtrennung des Kopfmarkes. Die widerspruchsvollen Angaben über die respiratorischen Folgen der einseitigen Abtrennung des Rückenmarkes vom Kopfmark veranlassen mich hier noch einmal darauf zurückzukommen. Eine Uebersicht über die bisher vorliegenden Untersuchungen wird zeigen, wie wenig überflüssig die erneute Bearbeitung dieses Gegenstandes gewesen ist. Nachdem schon Ch. Bell (1) die Bedeutung der Seitentheile des Kopf- und Rückenmarkes für die Athembewegungen betont hatte, war es Schiff (2), der, nachdem er in Uebereinstimmung mit Longet und Volkmann die Bilateralität des bulbären Athemcentrums nachgewiesen hatte, in die Sei- tenstränge die Fortpflanzung der von ihm ausgehenden Erregung nach hinten verlegte. Dem gegenüber gab Brown-Sequard (3) an, dass es ihm zuweilen gelungen sei, bei Experimenten an Katzen, Hunden, Kanin- chen und Meerschweinchen nach Durchschneidung einer „lateralen Hälfte“ des’Rückenmarkes zwischen dem Ursprung des ersten und des vierten Cer- vicalnerven die bilateralen Athembewegungen fortbestehen zu sehen: die Ath- mung war auf der Durchschneidungsseite sogar kräftiger, als auf der anderen. Besonders deutlich war dieser Erfolg, wenn Hinter- und Seitenstrang einer Seite durchschnitten wurde. Die vollständige Durchtrennung einer Mark- hälfte hatte in denjenigen Fällen, in denen danach die Athmung derselben Seite nicht überhaupt aufhörte, eine Verminderung derselben zur Folge. 1 S. dies Archiv. Jahrg. 1891. 8. 486, 398 0. LANGENDORFEF: Schiff (4) hinwiederum sah die Durchschneidung des Seitenstranges des oberen Halsmarkes von einer dauernden Lähmung der Athemmuskeln der verletzten Seite gefolgt. Nur passiv wird diese Seite mitbewegt. Ein Wind- hund, an dem die Operation gemacht worden war, zeigte sechs Wochen lang einseitige Athmung; als er dann durch Aether getödtet, und vor Ein- tritt völligen Athemstillstandes die Bauchhöhle geöffnet wurde, konnte die absolute Einseitigkeit der Zwerchfellbewegung deutlich gesehen werden. Bei Kaninchen sah Schiff nach einseitiger Abtrennung des Seitenstranges das Athemvolumen sich beträchtlich vermindern. Gierke (5) fand, dass bei Kaninchen die einseitige Durchschneidung des sogenannten Respirationsbündels (Solitärbündel, aufsteigende Vagus- und Glossopharyngeuswurzel) die Athmung auf der gleichen Seite lähmt. Nach Vulpian (6) hemmt Durchschneidung eines Seitenstranges die Athembewegungen derselben Seite nur dann, wenn sie vorher schwach waren. Das Zustandekommen angestrengter Einathmungsbewegungen soll dagegen durch die Trennung der Seitenstränge nicht gehemmt werden. Ich selbst (7) habe in früheren Versuchen nach einseitiger Abtren- nung des Kopfmarkes die Athmung auf der verletzten Seite stillstehen sehen. Später konnte ich mich durch Versuche, die ich theils allein (8), theils gemeinschaftlich mit Nickell (9) anstellte, überzeugen, dass in manchen Fällen dieser Stillstand kein dauernder ist, sondern dass nach einiger Zeit die beiderseitige Athmung sich wieder herstellen kann. Marckwald (10) glaubt diese Angabe zu entkräften, indem er mit- theilt, dass es ihm gelungen sei, an einer Katze (!) dauernden Still- stand der Athmung auf der dem Halbschnitt entsprechenden Seite zu beob- achten. Ganz anders wie seine lauten die Angaben von Knoll (11). Bei 19 Kaninchen, bei denen er die halbseitige Kopfmarkdurchschneidung ge- macht hatte, sah er die Athembewegungen auch auf der Öperationsseite, freilich „in wesentlich abgeschwächtem Maasse“ fortbestehen. Schon wenige Minuten nach der Ausführung des Schnittes konnte dies festgestellt werden. Mott (12) constatirte bei Affen, denen er das obere Cervicalmark halbseitig durchschnitten hatte, nach einigen Tagen eine nur geringe Ver- schiedenheit in den sicher beiderseits vorhandenen Athembewegungen. In sehr eingehender Weise hat sich neuerdings ein Schüler Schiff’s, Girard (13) mit der Frage beschäftigt. Seiner Meinung nach ist der Versuch der Hemisection des oberen Halsmarkes „la seule experience preecise et posi- tive qui permette d’etablir avec certitude l’unite du centre respiratoire dans le bulbe.‘“ Seine zahlreichen Versuche an Hunden, Katzen, Kaninchen, Meerschweinchen und Ratten haben sämmtlich dasselbe Resultat geliefert, nämlich völlige Lähmung der Athembewegungen auf der Seite des Halb- MITTHEILUNGEN ZUR ATHMUNGSLEHRE. 399 schnittes (h&miplegie respiratoire); und zwar dauert dieser Zustand nicht nur kurze Zeit, sondern er lässt sich tagelang, vermuthlich so lange das Thier lebt, beobachten. Aber die einseitige Athmung ist dennoch eine un- beständige Erscheinung; tritt Dyspnoe ein, macht das Thier lebhaftere Be- wegungen, so geräth die bis dahin ruhende Hälfte der Athmungsmuseulatur in Mitthätigkeit. Girard glaubt durch diese Beobachtung die divergenten Angaben der Autoren miteinander versöhnen zu können. Im Jahre 1892 giebt Brown-Söquard (14) an, dass nach halb- seitiger Durchschneidung der Oblongata zunächst die Athmung stillsteht; dann beginnt sie einseitig (auf der gesunden Seite), wird aber nach Eröffnung des Thorax sowohl am Zwerchfell als am Brustkorb doppelseitig. Dieselbe Wirkung wie die Eröffnung der Brusthöhle hat die Freilegung des Zwerchfells vom Bauche her. In einem Versuche war die linke Hälfte des Kopfmarkes am Cal. scriptor. durchschnitten worden. Nach Eröffnung der Bauchhöhle arbeitete die linke Zwerchfellhälfte schwächer als die rechte, nach der des Thorax kehrte sich das Verhältniss um. Gad und Marinescu (15) haben nach Unterbrechung der auch von ihnen in den Seitenstrang ! verlegten cerebrospinalen Leitungsbahn für die Impulse des bulbären Athemcentrums die Athmung auf der Operationsseite stillstehen und selbst nach einer Stunde nicht wiederkehren sehen. Auch Dyspnoe vermochte die gelähmte Seite nicht wieder in Bewegung zu bringen. Endlich bemerkt Brown-S@quard (16) gelegentlich einer Besprechung der eben genannten Arbeit, dass seiner Erfahrung nach Vorder- und Seitenstränge des obersten Cervicalmarks zerstört werden können, ohne dass die Athmung aufhört. Er scheint sich dabei wesentlich auf klinische Beob- achtungen zu stützen, stellt übrigens nähere Mittheilungen darüber in Aussicht. Man ersieht aus dieser Zusammenstellung, wie sehr die Angaben der Experimentatoren von einander verschieden sind. Während sonst in der Frage der centralen Athmungsinnervation mehr Differenzen in den Deu- tungen, als in den beobachteten Thatsachen vorliegen, steht man hier den denkbar grössten Widersprüchen in der Beschreibung des Erfolges eines verhältnissmässig einfachen Experimentes gegenüber. Viele der Autoren haben die Nothwendigkeit einer besonders delicaten Beobachtung hervor- gehoben. Ob sie aber alle trotz des Bewusstseins von der Gefahr den hier drohenden Klippen entgangen sind? Ich möchte es bezweifeln. Am meisten im Gegensatz zu den übrigen befindet sich Knoll, der in allen seinen 19 Versuchen die Athmung ohne längere Unterbrechung ' Nicht in den Vorderstrang, wie Brown-Sequard ihre Angabe auffasst. 400 0. LANGENDORFF: bilateral fortbestehen sah. Wie soll sich diese Annahme vereinbaren lassen mit der Erfahrung derjenigen, die einen tage- ja monatelang andauernden einseitigen Athemstillstand beschreiben ? Ich für mein Theil halte es nach allem, was mich die früheren Beob- achtungen und neuere Erfahrungen gelehrt haben für sicher, dass in manchen Fällen nach der einseitigen Durchschneidung des Kopfmarks die Athmung zum dauernden einseitigen Stillstand kommt, dass in anderen aber ein solcher Stillstand entweder überhaupt fehlt oder, wenn anfänglich vorhanden, kein blei- bender ist, sondern einer mit den Bewegungen der gesunden Seite bald mehr bald weniger übereinstimmenden Thätigkeit deranfangs gelähmten Platz macht. Dies lehren schon die in meinem Beisein mit möglichster Sorgfalt ge- machten Beobachtungen von Nickell. Da der auf die Athmung bezüg- liche Theil seiner Dissertation anderweitig nicht veröffentlicht ist, erlaube ich mir hier einen kurzen Auszug aus seinen Protokollen zu geben. I. Versuche an Kaninchen. 1. Linke Markhälfte 2.5 "® hinter der Spitze des Cal. seriptor. durch- schnitten. Athmung anfangs nur rechtsseitig, Am nächsten Tage ist die rechte Zwerchfellhälfte in energischer regelmässiger Thätigkeit, die linke weit sel- tener und dann synchron mit der anderen thätig. Nach Eröffnung des Thorax und Entfernung der Lungen contrahiren sich auf beiden Seiten die Thoraxmuskeln. 2. Schnitt links 2 ®® hinter der Calamusspitze. Rechte Zwerchfellhälfte zieht sich regelmässig zusammen, linke ist periodisch aussetzend thätig (2—8 Contraetionen in einer Gruppe). o. Schnitt rechts 2 ®” hinter dem Calamus (medial ist eine kleine Brücke stehen geblieben). Athmung nur linksseitig, auch 5 Stunden nach Durchschneidung bei- der Vagi. 4. Schnitt links 1-5 %® hinter dem Calamus (nur der laterale Theil “der Oblongata ist vollständig durchtrennt. Starker Bluterguss an der Schnittfläche). 15 Minuten lang totaler Athmungsstillstand; nach eben so lange fort- gesetzter künstlicher Respiration kehrt rechts die Athmung wieder. Später wird festgestellt, dass auch die linke Zwerchfellhälfte thätig ist; doch athmet sie nur ab und zu, zum Theil synehron mit der anderen, zum Theil allein. 5. Schnitt links 1 %® hinter der Calamusspitze. Athmung nur reehtsseitig; auch 5 Stunden nach der Operation. 6. Schnitt links 1 "” hinter der Calamusspitze. Athmung anfänglich nur rechtsseitig. Nach Durchschneidung der beiden Vagi Athmung doppelseitig. MITTHEILUNGEN ZUR ATHMUNGSLEHRE. 401 7. Schnitt links dieht hinter dem Calamus. Athmung nur rechts vorhanden; ebenso 6 Stunden nach der Operation. Am nächsten Tage ergiebt die Beobachtung ein zweifelhaftes Resultat; die graphische Aufzeichnung (von der Luftröhre aus) scheint für eine asynchrone Thätigkeit beider Zwerchfellhälften zu sprechen. Zwerchfell wegen des plötzlich eintretenden Todes nicht freigelegt. II. Versuche an Katzen. 8. Schnitt links 5 ®® hinter dem Calamus (doch ist nur die laterale Hälfte der linken Markseite durchschnitten). Thorax- und Zwerchfellathmung anfangs anscheinend beiderseitig; nach 1!/, Stunden als auf die rechte Seite beschränkt erkannt. 9. Schnitt links 3 X hinter dem Calamus (dorsal 1, ventral 1.5 mm von der Medianlinie entfernt). Athmung nur rechts; auch 6 Stunden nach der Operation. 10. Sehnitt links, dieht hinter dem Calamus. (Seetionsbefund nicht erwähnt). Athmung anfänglich nur rechtsseitig; nach etwa 5 Stunden ist sie bei- derseits vorhanden, und zwar ist, wenn eine Seite mehr betheiligt genannt werden kann, dies entschieden die linke. Füge ich zu diesen Protocollen noch die von mir selbst mitgetheil- ten hinzu, denen zu Folge bei drei jugendlichen Kaninchen nach voll- ständiger Abtrennung einer Kopfmarkhälfte sicher eine Athmung beider Körperseiten festgestellt worden ist, und erwähne ich noch, dass ganz ähn- liche Beobachtungen von mir auch später gemacht worden sind, so dürfte die oben aufgestellte Behauptung wohl als gerechtfertigt gelten. Was nun die Deutung meiner Befunde gegenüber den Erfahrungen von Girard anlangt, so muss ich bemerken, dass ich nicht glauben kann, dass in meinen positiven Fällen Dyspnoe die Ursache des Auftretens der dop- pelseitigen Athmung gewesen sei. In einzelnen Fällen war durch die Einleitung künstlicher Athmung (s. meine drei oben erwähnten Ver- suchsbeispiele) für völlig ausreichende Lüftung des Blutes gesorgt, in anderen sahen wir die Thiere ruhig und ohne Inanspruchnahme von Hilfs- muskeln athmen. Die Einseitigkeit der Athmung ruft ganz bestimmt an sich keine Dyspnoe hervor. Kann man doch auch einem Kaninchen den N. phrenicus einer Seite durchschneiden, ohne dass die Athmung der nicht gelähmten Zwerchfellhälfte sich wesentlich ändert, und ohne dass die in- spiratorischen Thoraxmuskeln in Thätigkeit gerathen (17). Auch können ja die in Folge einseitiger Kopfmarkdurchschneidung einseitig athmenden Thiere nach Schiff und Girard sich von der Operation erholen und lange Zeit am Leben bleiben, was doch nicht wahrscheinlich wäre, wenn durch den Eingriff ein irgendwie erheblicher Zustand von Athemnoth veranlasst worden wäre. Sehr bemerkenswerth erscheint mir die Angabe von Girard, Archiv f. A, u. Ph, 1893. Physiol. Abthlg. 26 402 0. LANGENDORFF: dass die respiratorische Hemiplegie nur bei vollständiger Ruhe eintritt („ne se manifeste que dans l’etat de repos le plus absolu possible“), dass aber, sowie das Thier Unruhe zeigt, sich mit einiger Lebhaftigkeit bewest, die einseitige Athmung unzureichend wird, und die vorher gelähmte Zwerch- fellhälfte in Mitaction eintritt. Auch mir scheint es, und darin stimme ich Knoll bei, dass in der tiefen Narkose, besonders bei tracheotomirten Thieren, die Zwerchfellbewe- gungen der operirten Seite fehlen oder wenigstens ganz undeutlich werden können. Da Girard seine Thiere behufs der Freilegung des Zwerchfelles und offenbar auch, um sie in jene absolute Ruhe zu versetzen, tief narkoti- sirte, könnte hierin der Grund für die von ihm beobachtete Einseitigkeit der Athmung gelegen haben. Obwohl schon zu der Zeit, wo ich meine ersten systematischen Ver- suche über einseitige Abtrennung des Kopfmarkes veröffentlichte, meine Erfahrungen sich nicht, wie angenommen worden ist, auf die drei als Bei- spiele mitgetheilten Experimente beschränkt hatten, hielt ich es doch für wünschenswerth, durch neue Beobachtungen die Richtigkeit meiner damaligen Angaben zu prüfen. Ich erlaube mir in Folgendem einige meiner neueren Experimente mitzutheilen. Ich bemerke, dass in den Versuchen III, IV und V die Operation im tiefsten Aether-Alkoholrausche vorgenommen wurde, was die sichere Ausführung des Schnittes ungemein erleichtert, dass aber in den späteren Stadien des Versuches die Narkose nur leicht oder sogar gänzlich verflogen war. Versuch I. 27. Februar 1893. Einem kräftigen mittelgrossen Kaninchen wird am 25. Februar 1893 12 Uhr durch Hrn. Steil die rechte Markhälfte unter dem Calam. seriptor. durchschnitten. Den 27. Februar ist das Thier verhältnissmässig wohl, hat Fressversuche gemacht, liegt aber auf der Seite (meistens der linken). Im Zusammenhang mit dieser Lage und der vorhandenen Unruhe steht eine Hornhauttrübung am linken Auge. Die rechte Körperhälfte ist sehr empfindlich, die linke zeigt deutliche, aber doch weit geringere Sensibilität. Lidreflex beiderseits erhalten. Die bald nach der Operation sehr ver- engte rechte Pupille ist von mässiger Weite. Die Athmung ist vorwiegend linksseitig, doch scheint auch die rechte Körperseite mehr als passiv thätig zu sein. 6 Uhr Nachmittags wird das Thier mit 0.5 &”@ Chloralhydrat narkoti- sirt. Nach Eintritt voller Betäubung wird die Tracheotomie gemacht, die Vagi praeparirt. Die Athmung, die jetzt recht oberflächlich geworden ist, scheint sich auf die linke Seite zu beschränken. Zur genaueren Feststellung wird die Bauchhöhle eröffnet, das Zwerchfell freigelegt. (Bei der Beobach- . MITTHEILUNGEN ZUR ATHMUNGSLEHRE. 403 tung desselben leistete mir hier, wie auch bei den folgenden Versuchen einen wesentlichen Dienst ein nach den Angaben von Aubert durch den Mechaniker Westien construirtes Zwerchfellstativ,! das den vollen Ein- blick in die Thätigkeit des Zwerchfellmuskels erlaubt). Aber auch so ist ein sicheres Urtheil über Betheiligung oder Nichtbetheiligung der rechten Zwerchfellhälfte nicht möglich. Sind Contractionen derselben vorhanden, so sind sie sehr schwach. Die Leber, deren Aufhängeband durchschnitten ist, wird bei jeder Inspiration deutlich schräge nach rechts und hinten ver- schoben. Die Athmung ist im Ganzen nur schwach. Um sie kräftiger zu machen, werden die beiden Vagi durchschnitten. Jetzt ist deutlich die Betheiligung der rechten Zwerchfellhälfte wahrzunehmen. Ihre Zusammenziehungen fallen nicht genau mit dem allerdings auch jetzt noch kräftigeren linken Zwerch- fell zusammen, sondern schlagen etwas nach. Jetzt wird künstliche Athmung eingeleitet. Nach Umstechung der Artt. mammariae wird das Brustbein und ein Theil der Rippen resecirt. Der jetzt vom Brustraum her gestattete Einblick in die Zwerchfellthätigkeit bestätigt die vorherige Beobachtung. Bei schnellerem Tempo der künstlichen Ath- mung kommt das Zwerchfell zum apnoischen Stillstand. Das Tempo wird daher so gewählt, dass die Spontanathmung nicht erlischt. Darauf wird der linke N. phrenicus im Thorax durchschnitten. Die entsprechende Zwerchfellhälfte steht sofort still, und jetzt sind die kraft- vollen regelmässigen Zusammenziehungen der rechten auf das Unzweifel- hafteste zu beobachten. Auch sie werden durch etwas lebhaftere Einblasungen zur Ruhe gebracht, erscheinen aber nach kurzem Aussetzen der künstlichen Athmung von neuem, und dauern bei mässigerer Wiederaufnahme derselben an. Die Rippenheber bleiben völlig in Ruhe. Sie treten erst in Action, als schliesslich auch der rechte N. phreniecus durchschnitten und dadurch das ganze Zwerchfell zum Stillstand gebracht wird. Von Dyspnoe kann bei diesem Versuch keine Rede sein; wir mussten die künstliche Athmung mässigen, um keine Apnoö zu bekommen. Die nach der Tödtung des Thieres vorgenommene Section bestätigte die Durchschneidung der rechten Hälfte des Markes; nur ein etwa !/, Quadrat- millimeter im Querschnitt haltender Faden ist undurchtrennt geblieben. Versuch I. 4. März 1893. Erwachsene Katze, chloroformirt; später 0-02 &"" Morphin muriat. in die Bauchhöhle injieirt. Volle Narkose. Abtrennung der rechten Kopfmark- hälfte unterhalb des Calamus seriptorius (Hr. Steil). Das Thier hat längere Zeit zu anderweitigen Untersuchungen gedient. Dabei sind die beiden Vago-Sympathiei am Halse durchschnitten worden. Vor dieser Operation liess sich nicht mit Sicherheit unterscheiden, ob beide Körperhälften athmen oder nicht. Nach der Durchschneidung werden feine Nadeln symmetrisch in correspondirende Rippenknorpel beider Seiten eingestossen. Sie machen durchaus parallele Bewegungen; ihre Hebungen 1 Zeitschrift für Instrumentenkunde. Februar 1887. S. 52. 26* 404 0. LANGENDORFF: fallen zusammen mit gleichzeitigen, am Hervorwölben der Bauchdecken kennt- lichen Zwerchfelleontractionen. Nach weiterer Einspritzung von 0.02 &”” Morphin wird die Bauch- höhle geöffnet. Das Zwerchfell contrahirt sich auf der linken Seite kräftig, auf der rechten nur schwach. Nach Einleitung künstlicher Athmung wird der Thorax eröffnet, und der linke N. phrenicus in der Brusthöhle durch- schnitten. So lange die künstliche Athmung dauert, ist Apnoö vorhanden; wird sie ausgesetzt, so beginnt alsbald die rechte Zwerchfellhälfte, und zwar zunächst sie allein von allen Einathmungsmuskeln, sich zusammen zu ziehen. Erst bei zunehmender Dyspno& nimmt auch der Thorax an ihren Bewegungen theil; seine Hebungen sind gleichmässig auf beiden Seiten. Das Thier wird getödtet. Die Section lehrt, dass die Durchtrennung der rechten Markhälfte vollständig gelungen ist; der Schnitt hat sogar die Medianebene um ein geringes überschritten. Versuch II. 7. März 1893. Kleines, zwei bis drei Monate altes Kaninchen. Tracheotomie, tiefe Aether- Alkoholnarkose (die Trachea mit Müller’schen Ventilen verbunden, von denen das inspiratorische mit einer Mischung von Aether und Alkohol be- schickt ist). Bei der Freilegung der Oblongata starke venöse Blutung. Nach deren Stillung wird die linke Kopfmarkhälfte durchschnitten. Die Athmung steht darauf beiderseits. Unter künstlicher Ventilation kommt sie wieder in Gang, ist aber, soweit sich beurtheilen lässt, nur rechtsseitig. Nach dreiviertel Stunden wird die Bauchhöhle geöffnet. Die Beobachtung des Zwerchfelles ergiebt die völlige Nichtbetheiligung der linken Hälfte Daran wird auch nichts geän- dert, als die’ Vagi durchschnitten werden. Auch die Einspritzung einiger mgr. Atropin in die Luftröhre ist ohne irgend welchen Erfolge. Das Thier wird getödtet. Versuch IV. 9. März 1893. Kleines Kaninchen. Med. oblongata rechts dieht unter dem Calamus durchschnitten. Anfangs scheint nur die linke Zwerchfellhälfte zu athmen, später be- theiligt sich, allem Anschein nach auch die rechte; als mit dem „Finder“ die Markwunde sondirt, die Durchschneidung controlirt wird, bleibt nur links die Athmung bestehen; doch tritt später auch die rechte Zwerchfell- hälfte wieder in Thätigkeit. Künstliche Athmung eingeleitet, Thorax geöffnet. Volle Apnoe bei nur schwacher Ventilation. Beim Aussetzen derselben treten zuerst sehr schwache, bald stärker werdende Contractionen der linken Zwerchfellhälfte auf; all- mählig betheiligt sich auch die rechte mit kräftigen synchronen Zusammen- ziehungen. Künstliche Athmung wieder aufgenommen; der Versuch mit demselben Erfolg nochmals wiederholt. Die Section bestätigt das vollständige Gelingen des Schnittes. MITTHEILUNGEN ZUR ATHMUNGSLEHRE. 405 Versuch V. 10. März 1893. Mittelgrosses Kaninchen. Linke Kopfmarkhälfte durchschnitten. Die Athmung scheint (bei fortgesetzter tiefer Narkose) lediglich rechtsseitig, die sehr geringe Bewegung der linken Thorax-Bauchhälfte nur fortgeleitet zu sein. Bei abnehmender Betäubung tritt aber eine Mitbetheiligung der linken Seite ein; der Unterschied gegen vorher ist auch durch Palpation der unteren Brustaperturgegend deutlich nachweisbar. Nach völligem Erwachen des Thieres wird die Bauchhöhle eröffnet. Die Betheilisung beider Zwerchfellhälften, ihre synchrone Thätigkeit ist jetzt ausser Zweifel. Die linke Seite agirt nicht einmal schwächer als die rechte. Ein irgend merklicher Grad von Dyspnoö ist nicht vor- handen. Als die Nn. vagi durchschnitten werden, wird die Athmung beider Seiten gleichmässig tiefer und langsamer. Die gleichmässig kräftige Action beider Zwerchfellhälften ist besonders deutlich auch wahrzunehmen an den vom unteren Brustbein ausgehenden Bündeln des Muskels. Die kräftigen Verkürzungen der linken Hälfte des hier sichtbaren Muskelstreifens dauern ohne jede Abschwächung auch an, nachdem sie durch einen in der Medianlinie geführten Schnitt von der rechten Hälfte getrennt, ja auch nachdem diese ganz abgetragen ist. Es gelingt, mittelst einer myographischen Vorrichtung, die Zusammenziehungen dieses Muskelbandes gleichzeitig mit den trachealen Druckschwankungen auf- zuschreiben. Die Coineidenz der Muskelverkürzung mit der inspiratorischen Phase der Trachealeurve wird dadurch sehr deutlich gemacht. Später wird das Thier getödtet; die Section ergiebt das vollständige Gelingen des Schnittes. Diese neuen Versuche bestätigen meine oben dargelegte Ansicht in vollem Maasse: die Athmung kann nach der Abtrennung der halben Ob- longata einseitig sein, ist es aber sicher nicht immer; dass Dyspnoö den Eintritt der vorher gelähmten Zwerchfellhälfte in die Athmungsthätigkeit begünstigen oder herbeiführen kann, ist nicht zu leugnen; dass sie aber überall dort, wo beide Körperhälften athmen, dies verschulde, ist entschie- den in Abrede zu stellen. Ich lege übrigens der Frage, ob die beiderseitig athmenden Thiere dyspnoisch sind oder nicht, und ob das eupnoische Thier nur einseitig athmet, eine grosse Bedeutung nicht bei. Meine früheren Erfahrungen hatten mir bereits gezeigt, dass das kopfmarklose Thier, um zu athmen, stärkerer Athmungsantriebe bedarf, als das unversehrte. Es wäre wunder- bar, wenn es sich nicht so verhielte; fehlt doch einerseits dem Athem- centrum in diesem Falle eine Menge von Anregungen, die dem intacten Centrum zufliessen, und die ihm einen hohen Grad von Erregbarkeit ver- leihen müssen, während andererseits die von der Schnittwunde ausgehenden Reizungen eine nachhaltige Hemmungswirkung auf die Rückenmarkscentren ausüben. 406 OÖ. LANGENDORFF: Aber man braucht, wie ich gezeigt habe, bei den mit Halbschnitten behandelten Thieren nicht einmal die Dyspnoe zu Hülfe zu rufen, um sie beiderseitig athmen zu sehen. Ich halte damit die früher von mir aufgeworfene Frage, ob aus dem Erfolge der halbseitigen Kopfmarkabtrennung ein Einwand segen das Bestehen automatischer spinaler Athemcentren her- geleitet werden könne, für definitiv erledigt, und zwarim verneinenden Sinne Eine andere Frage ist die, ob in den bei diesen Versuchen gewonnenen Ergebnissen eine Stütze für die Annahme der spi- nalen Selbständigkeit erblickt werden darf. Ich habe diese Frage früher unbedenklich bejahen zu können ge- glaubt, auf Grund einer Ueberlegung, bezüglich deren ich auf meine frühere Abhandlung verweisen will. Wenn ich jetzt diese Auffassung nicht mehr für ohne Weiteres berechtigt ansehe, so veranlassen mich dazu weder die Ausführungen von Knoll, dessen von den meinigen abweichende Ver- suchsergebnisse ich nicht als richtig anerkenne, noch die Darlegungen Girard’s, die auf den Versuchen von Knoll fussen, sondern eine neuer- dings von mir selbst gemachte Beobachtung, die kaum anders erklärt werden kann, als durch die Annahme, dass das Kopfmark noch nach halbseitiger Abtrennung vom Rückenmark auf die beiderseitigen spinalen Ursprungs- centren der Zwerchfellnerven einwirkt. Die Beobachtung ist folgende: Bei Kaninchen, bei denen nach ein- seitiger Abtrennung des Kopfmarkes die Athmung des freigelegten Zwerch- fells als doppelseitig festgestellt worden war, reizte ich die centralen Stümpfe der durchschnittenen Vagi; und dabei sah ich, dass nicht nur die der un- versehrten Markseite entsprechende Zwerchfellhälfte, sondern auch die der anderen Seite beeinflusst wurde. Stand die eine Zwerchfellhälfte still, so stand auch die andere. Ich hatte schon früher (18) und besonders bei den mit Nickell (19) zusammen angestellten Versuchen, gefunden, dass nach dem Halbschnitt unter der Rautengrube keiner der beiden Vagi seinen reflectorischen Ein- fluss auf die Athmung eingebüsst hat; ob aber die Wirkung sich nur auf eine oder auf beide Körperhälften erstreckt, darauf hatten wir unser Augen- merk nicht gerichtet. Die Frage ist nun durch den eben erwähnten Ver- such beantwortet. Ich möchte vorläufig noch nicht mehr daraus entnehmen, als dass die halbseitig vom Rückenmark geschiedene Oblongata noch auf die beiden Zwerchfellhälften wirken kann. Ob dieser Erfahrung eine gene- relle Bedeutung zukommt, werden erst weitere Experimente entscheiden können. Insbesondere wird zu entscheiden sein, ob auch anregende Ein- flüsse sich auf beide Hälften erstrecken; bisher habe ich nur bilaterale Hemmungswirkungen Sesehen. Immerhin scheint mir bereits jetzt die Be- MITTHEILUNGEN ZUR ATHMUNGSLEHRE. 407 deutung der Halbschnittversuche für die Entscheidung der respiratorischen Automatie des Rückenmarkes fraglich geworden zu sein. Aber dass ihr Ergebniss nicht zu Ungunsten derselben spricht, das hoffe ich end- giltig bewiesen zu haben. 6. Zur Kenntniss des Athmungscentrums. Ein vor Kurzem von Gad (20) in der Physiologischen Gesellschaft zu Berlin gehaltener Vortrag über das Athmungscentrum in der Me- dulla oblongata giebt mir Veranlassung, mich über einige darin be- rührte Punkte zu äussern. Ich habe gewiss nichts dagegen, wenn wieder einmal eine Localisirung des einheitlichen herrschenden Athmungscentrums unternommen wird. Jeder der Localisatoren glaubt in besonders exacter Weise den Ort dieses Centrums bestimmt zu haben. Da aber die Meinungen der Einzelnen in Betreff dieses Ortes untereinander auf das Erheblichste abweichen, so erwächst aus allen diesen Bestrebungen nur eine Unterstützung der Ansichten derjenigen, die an die Existenz eines solchen Centrums über- haupt nicht glauben. Das Ergebniss der Versuche von Gad und Mari- nescu scheint mir noch unbefriedigender zu sein, als die Resultate ihrer Vorgänger. Denn wenn sie zu dem Schlusse gelangen, das Centrum liege in den Ganglienzellen der Formatio reticularis, das heisst innerhalb jener Formation, die im Bereich des ganzen Kopfmarkes einen sehr erheblichen Theil des Gesammtquerschnittes einnimmt, und wenn sie zudem darauf verzichten, die Höhe anzugeben, in der das Centrum liegen soll, so ist damit nicht viel mehr gesagt, als dass das coordinirende Athemcentrum eben in der Medulla oblongata liest, ein Satz, zu dessen Begründung es feinerer Localisirungsmethoden überhaupt nicht bedurfte. 1. Die Reizung des Kopfmarks. Dem Bedürfniss nach einer reizlosen Ausschaltungsmethode für das Kopfmark wird durch das Verfahren der HH. Gad und Marinescu ebenso wenig genügt, wie durch das aller früheren Experimentatoren. Auch die Reizungsversuche an dem vermeintlichen Centrum haben nicht mehr gelehrt, als was man schon wusste: dass man nämlich durch Reizung des Kopfmarks die Athmung in ähnlicher Weise beeinflussen kann, wie durch Reizung der Vagi. Gad hat diesen Schluss nicht gezogen, aber er liegt auf der Hand. Wenn er nur eine Aenderung der Athmung „im inspiratorischen Sinne“, namentlich eine Beschleunigung des Athem- rhythmus eintreten sah, so weiss man ja, dass auch die centrale Vagus- reizung oft nur dieses Ergebniss liefert. Andererseits sind durch meine 408 OÖ. LANGENDORFF: Untersuchungen vom Jahre 1831 (21) auch Hemmungswirkungen der Kopf- markreizung nachgewiesen worden. Ich habe damals gezeigt, dass beim tief chloralisirten Thiere gerade so wie die elektrische Reizung der Vagi so auch die des Kopfmarks lediglich hemmend auf die Athembewegungen einwirkt, und dass, während die mechanische Reizung bald hemmend bald anregend wirkt, die chemische stets exspiratorischen Athemstillstand her- beiführt. Das letztere hat, seiner neuesten Mittheilung zufolge, auch Brown- Sequard bestätigt gefunden (22). Ich kann in allen diesen Reizungserfolgen nichts anderes sehen, als Hinweise auf die immer von mir betonten Beziehungen des Kopfmarkes zur Athmungsregulation. Den geschilderten Erfolg der Kopfmarkreizung sah Gad nur dann, wenn die Elektroden in der Formatio reticularis steckten; sassen sie in der Calamusspitze oder hinter ihr, so trat „nur tetanische Contraction der In- spiratoren“ ein, „auf welche sich die Athembewegungen in bisheriger Frequenz und Tiefe superponiren“. Gad schliesst daraus, dass im letzten Falle nur Leitungsbahnen, im ersteren dagegen die Ganglienzellen des Athem- centrums in Erregung versetzt worden seien. | Ich habe bei vorsichtiger Reizung in der Höhe der Calamusspitze die von Gad geschilderte Wirkung nie gesehen; solche Erscheinungen sieht man meiner Erfahrung nach erst dann, wenn man sich dem Ursprung der Zwerchfellnerven weiter nähert. Den Ausdruck Superposition normaler Athmungen auf eine tetanische Zusammenziehung der Inspi- ratoren kann ich nur so verstehen, dass ein Theil der Athemmuskeln in Krampf versetzt worden sei, wäbrend der Rest weiter zu agiren fortfuhr. Ein derartiger Erfolg bei Reizung des Phrenicusursprunges im Halsmark ist auch wohl begreiflich. Schwer begreiflich ist aber, und das ganz besonders vom Standpunkt der Localisatoren, eine solche Wirkung, wenn es sich um die Reizung von bulbospinalen Leitungsbahnen handeln soll. Ich würde einen solchen Erfolg geradezu als Beweis gegen die Existenz eines zu- sammenfassenden Athemcentrums im Kopfmark ansehen; denn die Reizung der von einem solchen Centrum zu den untergebenen Einzelcentren ziehenden Bahnen müsste diese ja alle in coordinirte Thätigkeit versetzen, nicht aber die einen tetanisiren, die anderen in Ruhe lassen. 2. Coordinirte Athembewegungen des kopfmarklosen Thieres. Gad stellt nicht nur in Abrede, dass die spinalen Athemcentren au- tomatisch thätig sein können, sondern er leugnet auch, dass sie wohl- coordinirte Athemreflexe vermitteln können. Demgegenüber muss ich hervorheben, dass ich vollkommen coordinirte Athembewegungen am kopf- MITTHEILUNGEN ZUR ATHMUNGSLEHRRE. "409 marklosen Thier auf Grund sensibler Reizungen sehr häufig beobachtet habe. Nie tritt bei einseitiger Hautreizung eine Zwerchfellhälfte allein in isolirte, sondern stets beide Hälften zugleich in synergische Thätigkeit. Das ist schon ein gewisser Grad von Coordination, und beim Kaninchen, das nor- maler Weise nur mit dem Zwerchfell athmet, wird man mehr überhaupt nicht erwarten dürfen. Ich habe aber ferner nachgewiesen, dass bei anderen Thieren auch die Rippenheber an dem Reflex theilnehmen können (23). Eine volle Bestätigung dieser meiner Angabe sehe ich in folgender Beob- achtung, die von Chauveau kürzlich mitgetheilt worden ist (24). Beim Pferde tritt, wie Chauveau ausführt, nach Abtrennung des Kopfmarkes niemals oder nur ausnahmsweise eine Spontanathmung auf. Dagegen lassen sich reflectorische Athmungen durch mechanische oder elektrische Reizung der sensiblen Rami perforantes der Intercostalnerven hervorrufen. Diese Reflexe sind nicht einfache Zuckungen der Athemmuskeln, sondern wahre coordinirte Athembewegungen, „veritables contrac- tions, reglees pour l’accomplissement d’une fonction naturelle“. Bei passender Rhythmik der Reizung und beim Wechseln der Reizstelle kann man so eine halbe Stunde lang und länger künstliche Athmung unterhalten. Die Coordination dieser Athembewegungen lässt, so fährt Chauveau fort, nichts zu wünschen übrig. Das Zwerchfell zieht sich nicht etwa partiell oder einseitig zusammen, sondern in seiner Totalität, zuweilen mit ihm zusammen die Intercostales externi. „Voila des r&sultats prouvant que la moelle Epiniere possede par elle-möme l’aptitude a produire des mouve- ments d’inspiration coordonnes en vue de l’ex&cution de la fonction respi- ratrice normale“. Ich glaube, ich brauche den Worten des hervorragenden französischen Physiologen nichts hinzuzufügen. Dass auch die automatischen Athmungsbewegungen, die man an jungen kopfmarklosen Hunden und Katzen beobachtet, Zwerchfell und Brustkorb zugleich betheiligen können, muss ich ganz bestimmt versichern. Bei neugeborenen Katzen sieht man zuweilen in die combinirten Thoraco- Abdominalathmungen eine Anzahl reiner Brustathmungen sich einschieben. Ich glaube aber ähnliches auch bei Thieren mit unversehrtem Kopfmark gesehen zu haben. 3. Ueber die Synchronie von Rumpf- und Kopfathmungen nach Durehschneidung des obersten Halsmarks. Die zuerst von mir, dann von Rouget (25) gemachte Beobachtung, dass in einzelnen Fällen, in denen nach Abtrennung des Kopfmarks vom Halsmark Rumpf- und Kopfathmung bestehen bleiben, trotz der Vollständig- 410 ° 0. LANGENDORFF: keit des Schnittes eine zweifellose Synchronie derselben vorkommen kann, scheint bei Gad, nach einem zum mindesten auf eine gewisse Skepsis deu- tenden Ausrufungszeichen zu schliessen, Bedenken erregt zu haben. Ich halte dasselbe für ungerechtfertigt, und ich bin in der Richtigkeit meiner Beobachtung nicht nur, sondern auch in der von mir kürzlich gegebenen Erklärung dieser Erscheinung durch neuerdings angestellte Versuche nur bestärkt worden. Ich sah nämlich, in einer Reihe von zum Theil gemeinschaftlich mit Hrn. Steil angestellten Experimenten an Kaninchen und Tauben, denen wir das Halsmark hoch oben vollständig durchschnitten hatten, und die durch künstliche Athmung am Leben erhalten wurden, die Kopfath- mungen genau im Rhythmus der künstlichen Einblasungen erfolgen. Veränderten wir diesen, so änderte sich nach kurzem Schwanken auch die Frequenz der Athembewegungen des Kopfes. Bei der Taube war besonders deutlich zu beobachten, dass jede Inspirationsbewegung des Kopfes (Aufsperren des Schnabels) jeder Einblasung voranging. Die Erklärung der Erscheinung liegt auf der Hand. Gerade so wie nach der Beobachtung von Traube die spontane Gesammtathmung eines künstlich ventilirten Thieres der Frequenz der künstlichen Athmung sich alsbald anpasst, so geschieht dies hier mit der allein vorhandenen Kopf- athmung. Das bedingende Moment liegt hier wie dort in den Volum- veränderungen der Lunge, die durch Vermittelung der Vagi in dem einen Falle auf das ganze Athemcentrum, im anderen auf seinen noch functions- fähigen Rest einwirken. Dass der exspiratorische Collaps der Lunge es ist, der die Inspirationsbewegung des Kopfes auslöst, ist nach dem Prineip von Hering und Breuer selbstverständlich; daraus erklärt sich das Voraneilen der Schnabelöffnung vor der Aufblasung der Lunge.! Es handelte sich übrigens in diesen Fällen keineswegs Garen, dass die Volumschwankungen der Lunge die Kopfathmungen veranlassten, sondern sie bestimmten nur deren Rhythmus. Setzte man die künstliche Athmung aus, so erloschen in Folge dessen die Athembewegungen des Kopfes nicht, sondern sie blieben bis zur Asphyxie bestehen. Offenbar hat in ähnlicher Weise wie hier die künstliche Aufblasung ! Beobachtungen, die ich schon vor mehreren Jahren gemeinschaftlich mit Hrn. Dr. Bukofzer gemacht habe, und die unveröffentlicht geblieben sind, haben uns be- wiesen, dass dasselbe Prineip der respiratorischen Selbststeuerung, das für Säugethiere von Hering aufgedeckt worden ist, auch für Vögel Geltung hat, und dass auch bei ihnen die Vagi die Mittlerrolle übernehmen. Nach Durchschneidung dieser Nerven bleibt der Einfluss des veränderten Lungenvolumens auf die Athmung aus; die mit der Lunge communieirenden Lufträume des Vogelkörpers sind an der Regulation des Respi- rationsrhytbmus nicht betheiligt. MITTHEILUNGEN ZUR ATHMUNGSLEHRE. 411 der Lunge in den oben erwähnten Versuchen am kopfmarklosen Thier die selbständige Inspiration gewirkt. Das sind die Bemerkungen, zu denen mich der Vortrag von Gad ver- anlasst. Ich hätte freilich noch mehr auf dem Herzen; ich könnte mich darüber beklagen, dass die Rolle, die Gad mich bei dem Kampfe um das Athem- centrum spielen lässt, doch eine überaus bescheidene ist, so bescheiden, dass es einem Fernerstehenden scheinen könnte, als hätte ich nichts gethan, als die Versuche Anderer nachgemacht und bestätigt (s. S. 14. 20). Ich nehme an, dass dies Gad’s Meinung nicht ist, und dass er bei einer aus- führlicheren Veröffentlichung mir mehr Gerechtigkeit wird widerfahren lassen. <. Der Verlauf der Erstickungserscheinungen am Athmungs- apparat. Der Ablauf der Erstickungserscheinungen am Athmungsapparat der Warmblüter ist zuerst von Högyes (26) genauer geschildert und mit gra- phischen Mitteln untersucht worden; später hat S. Mayer (27) eine genaue und, wie ich mich oft zu überzeugen Gelegenheit hatte, durchaus zutreffende Schilderung desselben gegeben. Nach einer gewissen Richtung hin sind dann unsere Kenntnisse durch eine unter der Leitung von Gad abgefasste Arbeit von Holovtschiner (28) vertieft worden. Mayer hat zuerst Fig. gezeigt, dass die Athem- KIM bewegungen des er- a gm N N IM stickenden Thieres sich Mr Bee im Wesentlichen ganz Verblutung eines Kaninchens durch Eröffnung der Aorta. gleich verhalten, wel- Keine Narkose. ches auch der Weg sei, auf dem man die acute Erstickung herbeigeführt haben mag, ob durch Verschliessung der Luftröhre, durch Verblutung, Unterbindung der Hirnarterien, Lähmung des Herzens, u. s. w. Er unter- scheidet drei Stadien, von denen man das erste das Stadium der Er- regung, das zweite das der praeterminalen Athempause, das letzte das der Terminalathmungen nennen kann (die Bezeichnungen von Mayer stimmen mit diesen nahezu überein). Fig. 1 stellt diese drei Stadien dar. Beobachtungsobjeet war ein junges Kaninchen, dsa im gegebenen Moment durch Eröffnung der Bauchaorta verblutet wurde. Die praeterminale Pause ist hier, wie oft, durch eine in ihren Beginn fallende Einzelathmung unterbrochen. Die Terminalath- mungen, die einander gegen das Ende hin mit zunehmender Schnelligkeit folgen, nehmen in demselben Maasse an Tiefe ab, und führen so allmählig in den dauernden Stillstand über. Die praeterminale Pause kann von sehr verschiedener Dauer sein; 412 OÖ. LANGENDORFF: das eine Mal 15 bis 20 Secunden nicht übersteigend, ist sie ein anderes Mal weit über eine Minute, ja zwei Minuten lang. Man hält das Thier schon längst für todt, bis auf einmal die erste der terminalen Athmungen erscheint. Ich habe oft über die Ursache dieser auffallenden Athem- - pause nachgedacht, und habe versucht, auf experimentellem - Wege etwas über ihre Bedeutung zu erfahren; es war mir aber nicht gelungen ihrer Deutung näher zu kommen, als durch die Vermuthung, dass es sich dabei um eine Reizung und end- — liche Lähmung der athemhemmenden Centralappa- rate handle. Die bei der Erstickung entwickelten Reize konnten, wie sie zunächst die athmungsanregenden Centren er- griffen hatten, im weiteren Verlauf der Erscheinungen die N hemmenden angreifen. Wenn diese dann vor jenen erlagen, war es verständlich, wie nach dem Abklingen der Hemmung noch eine Reihe von Athembewegungen ausgeführt werden konnte. Zu Gunsten dieser Vermuthung kann eine Zahl von Er- wägungen und Thatsachen angeführt werden: 1. Die Erfahrung, dass die Athembewegungen kurz vor dem Beginn der Pause oft eine deutliche, zuweilen eine sehr auffallende Abnahme ihrer Frequenz erfahren; hier würde es sich um den beginnenden Kampf von Erregung und Hemmung handeln. | 2. Die sehr beträchtliche Verlängerung der Pause bei nar- kotisirten Thieren. Besonders bei Betäubung mit Chloralhydrat dauert die Pause meist länger als eine Minute (s. die mitge- theilte Aufzeichnung, Fig. 2). Nur darf man nicht zu starke Chloraldosen anwenden, weil dann, wie schon Högyes wusste, die Terminalathmungen gänzlich fortfallen. Da bei chlorali- sirten Thieren, wie ich oft gesehen habe, alle die Athmung hemmenden Einwirkungen sich viel stärker geltend machen, als bei nicht betäubten (vorwiegend hemmende Wirkung der centralen Vagusreizung, ausschliesslich hemmender Erfolg der elektrischen Reizung des Kopfmarkes, sehr lange Dauer der einer Aufblasung der Lunge folgenden Athemruhe), so wäre auch eine verlängerte Dauer der praeterminalen Pause, falls sie auf Reizung von Hemmungsapparaten beruhte, verständlich. 3. Gewisse andere Erklärungsmöglichkeiten lassen sich ohne Weiteres ausschliessen: So ist natürlich nicht zu denken an einer Apnoisirung des erstickenden Thieres durch die angestrengten Athembewegungen, die der Pause vorangehen. Könnte man sich zur Noth 3 Dig ‚SuONDUTUEM UOIqnEIq yeapkypeioggg Yu Zıssgur soul SUunmfqLloA ‘poL MITTHEILUNGEN ZUR ATHMUNGSLEHRE. 413 auch etwas derartiges vorstellen bei einem Thier, das aus einem begrenzten Luftraum athmend erstickt, so ist keine Möglichkeit dazu bei einem solchen, das der Verblutung oder dem Verschluss der Gehirnarterien erliegt. Ebenso wenig wäre zu denken an eine durch die forcirten Inspirationen bewirkte starke Dehnung der pulmonalen Vagusfasern. Denn es ist, wie auch Högyes wusste, der Erstickungsablauf nach doppelseitiger Vagusdurch- schneidung kein wesentlich anderer, als bei einem normalen Thiere. Wenn ich trotzdem den Gedanken einer centralen Reizung von Hem- mungsapparaten nicht für ausreichend halte, so bewegt mich dazu die Be- obachtung, dass die beim schnell erstickenden Herzen auftretende, dem prae- terminalen Athmungsstillstand genau entsprechende Pause (s. die folgende Abhandlung) durch Atropin nicht beseitigt wird (M. Ide), also auf der Reizung von hemmenden Vorrichtungen nicht beruhen kann. Zu einem allgemeineren Verständniss der Erstickungserscheinungen beim warmblütigen Thier gelangt man, wenn man sich vergegenwärtigt, wie die Erscheinungen beim Kaltblüter ablaufen. Hier ist durch die Untersuchungen von mir und Siebert (29) und durch die gleichzeitigen von Luchsinger und Sokoloff (30) festgestellt worden, dass der erstickende Frosch ein länger oder kürzer dauerndes Stadium periodisch aussetzender Ath- mung aufweist. Vergleicht man die Athemeurve des erstickenden Warmblüters mit den Athmungsgruppen des verblutenden oder durch Aortenunterbindung zu Grunde gehenden Frosches, so erhebt sich sofort die Frage: sind die beiden Erscheinungsformen nicht vielleicht nur desshalb von einander verschieden, weil in dem einen Falle die Erstickung eine acute, in dem anderen eine mehr chronische ist? Ist die Erscheinung beim Warmblüter vielleicht nur eine abgekürzte, aber nicht principiell verschiedene Form der Gruppen- athmung? Bejaht man diese Fragen, so würde man annehmen, dass auch der erstickende Warmblüter eine periodische Athmung, ein Cheyne- Stokes’sches Phaenomen zeigt, nur dass es bei ihm bloss zur Ent- wickelung einer einzigen Gruppe kommt. Der Beweis für die Richtigkeit dieser Auffassung könnte in zweierlei Weise geliefert werden: 1. Durch die Umwandlung der Athmungsweise des erstickenden Kalt- blüters in die des Säugethieres, indem man ihn künstlich warmblütig und damit auch bei ihm den Erstickungsvorgang zu einem acuten machte. 2. Durch die Herbeiführung eines mehr chronischen Erstickungsablaufs beim Warmblüter, in Folge dessen auch bei ihm eine deutlicher ausge- sprochene Gruppenathmung eintreten müsste. Den ersten dieser beiden Wege zu betreten, wird dadurch erschwert, dass der erwärmte Frosch sich in Bezug auf seine Athmung wenig regel- 414 U. LANGENDORFF: mässig zeigt. Doch stehen mir über ihn nur gelegentliche Beobachtungen zu Gebote, während es systematischer Versuche bedarf. Ich hoffe, solche in nächster Zeit anstellen zu können. Was den zweiten Modus anlangt, so liegen bereits Erfahrungen vor, die die Annahme gestatten, dass der langsam erstickende Warmblüter periodisch aussetzend athmen kann. Ich und R. Cohn (31) sahen bei Kaninchen, denen wir beiderseits Pneumothorax angelegt und bei mittlerer Thoraxstellung wieder geschlossen hatten, in mehreren Fällen ein ausge- sprochenes, der endlichen Asphyxie vorangehendes Öheyne-Stokes’sches Athmen eintreten. Ich besitze noch die Blutdruckeurven der Thiere, an denen der veränderte Athemmodus in unverkennbarer Weise zum Ausdruck kam. Holovtschiner theilt in seiner oben angeführten Arbeit eine Cur- venzeichnung mit, die von einem Kaninchen stammte, dem nach starker Haemorrhagie mit darauf folgender Salzwassertransfusion nochmals ein kräf- tiger aber nicht tödtlicher Aderlass gemacht worden war. Hier zeigte die Athmung ein periodisches An- und Abschwellen der Athmungstiefe. Wenn es auch dabei zu eigentlichen Athempausen nicht kam, so leitet doch diese 79.3. u a ie Ah ih if! Verblutung eines jungen Kaninchens. Athmungsform zweifellos zum periodisch aussetzenden Athmen hinüber. Ich selbst habe dieselbe Athmungsform bei Meerschweinchen gesehen, die an einer subcutanen Curareeinspritzung langsam erstickten; ich sah sie ferner bei tief morphinisirten Katzen, bei denen bekanntlich auch ein echtes Cheyne-Stokes’sches Phaenomen sich ausbilden kann. Schon früher (31) hatte ich mitgetheilt, dass ich bei Jangsamem Ver- bluten einmal anstatt der einen gewöhnlichen Gruppe der terminalen Ath- mungen zwei durch eine nochmalige Athempause von einander getrennte Gruppen beobachtet habe. Neuerdings ist mir dies mehrmals geglückt. In einem mit Dr. ©. Franck zusammen beobachteten Falle handelte es sich allerdings nicht um langsames Verbluten, doch aber um ein lang- sames Ersticken. Einem sehr jungen Kaninchen wurde die Bauchaorta geöffnet; die Verblutung erfolgte natürlich schnell; die Erstickung war aber eine subacute, weil es sich um ein sehr jugendliches Thier handelte. Ich theile hier die Athemcurve, die wir dabei gewonnen haben, mit (Fig. 3). Sie lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: statt der einen ter- minalen Gruppe sind zwei vorhanden, die Athempause ist ebenfalls doppelt. MITTHEILUNGEN ZUR ÄATHMUNGSLEHRE. 415 Fig. 4 stellt zwei Athmungsgruppen dar, die im Verlaufe der Verblutung eines neugeborenen Kaninchens zur Beobachtung kamen. Der zweiten von ihnen folgten nur noch Einzelathmungen, die von einander durch lange Pausen getrennt und von tetanischem Charakter waren. Fig.4. NEE Athmungsgruppen aus der Erstickungsceurve eines neugeborenen Kaninchens. Durch Experimente an jungen Hunden und Katzen würde man sicher noch mehr Material herbeischaffen können; mir scheint das vorhandene zu genügen, um darzuthun, dass die Auffassung der Erstickungs- erscheinungen am Athmungsapparat der Säugethiere als Aus- druck eines abgekürzten Cheyne-Stokes’schen Phaenomens volle Berechtigung hat. Litteraturverzeichniss. 1. Ch. Bell, Physiologische und pathologische Untersuchungen des Nerven- systems. Aus dem Englischen von M. H. Romberg. Neue Ausgabe. Berlin 1836. S. 105. 119. 2. M. Schiff, Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Lahr 1858—59. 1. S. 323. 324. 3. Brown-Sequard, Archives de physiologie ete. T.II. 1869. p. 299. _4.M. Schiff, Pflüger’s Archiv für die gesammte Physiologie. Bd. IV. 1871. 8. 225. 5 Hr Gierke, PflügersswArchivru. s. w. Bd. VII. 1873. 8% 583. 6. Vulpian, Citirt nach Vierordt, Physiologie. 1877. 8. 226. 7. Langendorff, Dies Archiv. 1881. 8. 85. 8. Derselbe, Dies Archiv. 1887. S. 289. 9. Nickell, Untersuchungen über das Centrum des reflectorischen Lidschlusses. Dissertation. Königsberg 1888. 10. M. Marckwald, The movements of respiration etc. London 1888. Append. II. p: 149. 11. Ph. Knoll, Sitzungsberichte der kaiserl. Akademie der Wissensch. in Wien. Math.-nat. Klasse. Bd. 97. Abth. II. 1888, Mai. 8.1. 12. Mott, Proc. of the Physiolog. Society. 1891. N. I. Journal of Physiology. 1 SIE 13. H. Girard, Recherches sur Pappareil respiratoire central in: Memoires de la Soc. de physique et d’histoire nat. de Geneve. Vol. suppl. 1890. N. 4. Genave et Bäle 1891. p. 63, 416 0. LANGENDORFF: MITTHEILUNGEN ZUR ATHMUNGSLEHRE. 14. Brown-Sequard, Archives de physiologie (5. ser.). T. IV. 1892. p. 119. 15. J. Gad, Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft zu Berlin. Jahrg. 1892—93. 11. Nov. 1892; — s. oben in diesem Bande des Archivs, S. 185. J. Gad et Marinescu, Compt. rend. de P’ Acad. des sciences. T. CXV. No. 12. p. 444. 1892. 16. Brown-Sequard, Arch. de physiologie. (5. ser.) T. V. 1893. p. 194. 17. M. Marckwald, Die Athembewegungen u. deren Innervation beim Kaninchen. 1886. S. 12. 18. Langendorff, Dies Archiv. 1881. 8. 85. 19. Nickell, Pflüger’s Archiv u. s. w. Bd. 47. S. 556. 20. J. Gad, Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft zu Berlin. Jahrg. 1892—93. Nr.2u.3. 8.13; — s. oben in diesem Bande des Archivs, S. 175. 21. Langendorff, Dies Archiw. Jahrg. 1881. 8. 519. 22. Brown-Sequard, Arch. de physiologie. (5° ser... T. V. p. 132. 23. Langendorff, Dies Archiv. Jahrg. 1880. S. 534. 24. Chauveau, Soc, de Biologie. 28 nov. 1891. (9° ser.) III. No. 34. (Memoire). 25. Langendorff, Dies Archiv. Jahrg. 1891. S. 492. 26. Högyes, Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmakologie. Bd. V. 1876. S. 86. 27. S. Mayer, Centralblatt f. d. medie. Wissenschaft. Bad. XVIII. 1880. S. 129. 28. Holovtschiner, Dies Archiv. Jahrg. 1886. Suppl.-Bd. S. 232. 29. Langendorff und Siebert, Dies Archiv. Jahrgang 1881. 8. 241. 30. Luchsinger und Sokoloff, Pflüger’s Archiv u.s. w. Bd.23. S. 283. 31. R. Cohn, Pflüger’s Archiv u.s.w. Bd. 37. 8. 218. 32. Langendorff, Preslauer ärztliche Zeitschrift. 1885. Nr. 14. Bemerkungen über die Erstickung des Herzens. Von O. Langendorft. (Aus dem physiologischen Institut in Rostock.) Die Aehnlichkeit der Erstickungserscheinungen am Athmungsapparat und am Herzen sind schon von verschiedenen Seiten betont worden; die Analogie geht in der That sehr weit. Bei den folgenden Betrachtungen ist die Voraussetzung gemacht, dass die Erstickung und die Ueberhitzung des Organismus oder eines Organes im Wesentlichen identische Eingriffe seien. Sehen wir die Erstickung als bedingt an durch die Anhäufung von Stoffwechselproducten, die im normalen Zustand durch den arteriellen Blut- strom beseitigt werden und deshalb eine schädliche Wirkung nicht entfalten, so würde die Ueberwärmung, die die Spaltungsprocesse verstärken muss, die Production solcher Stoffe derartig vergrössern, dass der Blutstrom unver- mögend wird sie zu neutralisiren. Diese Auffassung dürfte von den meisten Physiologen getheilt werden (1). 1. Die acute Erstickung führtam Athmungsapparat der Warm- blüter zu folgenden Erscheinungen: nach einem Stadium stärkerer Er- regung entsteht ein Bewegungsstillstand von längerer oder kürzerer Dauer, dann noch einmal ein Wiederaufflackern der rhythmischen Bewegung, die (meistens unter zunehmender Schwächung) in definitiven Stillstand übergeht. Sehr ähnlich kann die Erstickung am überhitzten Kaltblüter- herzen ablaufen. Ich entnehme einer kürzlich erschienenen Abhandlung von Manille Ide (2) die folgende Curvenzeichnung. INN __ mn Big. 1. Archiv f. A, u. Ph. 1893. Physiol, Abthlg. 27 418 0. LANGENDORFF: Auch hier sehen wir eine praeterminale Bewegungspause, dann eine Serie von terminalen Pulsationen, denen der Stillstand folst. 2. Bei langsamer Erstickung bildet sich ein gruppenweiser Be- wegungsrhythmus aus. Solche Gruppen sind beobachtet worden: a) Am Athmungsapparat erstickender Kaltblüter (Langen- dorff und Siebert (3), Luchsinger und Sokoloff (4). b) Am erstickenden Herzen von Kaltblütern. Am ganzen Herzen solcher habe ich in Gemeinschaft mit Bongers (5) sie beobachtet; am Fischherzen hat sie Prellwitz (6) gesehen. (S. Zusatz S. 421). Am sinuslosen Herzstumpf des Frosches beobachtete die Gruppen zu- erst Luciani (7) und ich habe dann den Beweis geliefert, dass Erstickung die Veranlassung ihres Auftretens ist. c) Manche Fälle von Cheyne-Stokes’schen Phaenomen beim Warmblüter sind ebenfalls durch langsame Erstickung zu erklären. (S. 0. 5.414). d) Die Ursachen, die beim erwachsenen Warmblüter zur acuten Er- stickung führen, bewirken beim neugeborenen nur ein langsames Er- lahmen. Auch hier sehen wir deshalb die Periodik sich ausbilden (s. die vorige Abhandlung). 3. Beide Formen der Erstickung sind miteinander nahe verwandt. Es ist wahrscheinlich, dass die acute Erstickungsweise nur eine abgekürzte Form der chronischen, dass der bei ihr eintretende Bewegungsablauf nur eine rudimentäre Form des periodisch aussetzenden Bewegungsrhythmus ist 4. Die Aehnlichkeit der Erstickungserscheinungen am Herzen und am Athmungsapparat giebt einen Fingerzeig für die Auffindung des Ortes, an dem beim Herzen die bei der Erstickung wirksame Schädlichkeit an- greift. Da es sich nämlich bei der Athmung zweifellos um den nervösen Centralapparat handelt, dessen Schädigung in der erwähnten Weise zum Ausdruck kommt, wird man vermuthen müssen, dass auch beim Herzen nicht der Herzmuskel, sondern das gangliöse Centrum es sei, das für die Erscheinungen verantwortlich zu machen ist. Dass dieses in erster Linie an den Erstickungssymptomen des Herzens sich bhetheiligt, beweisen auch die Erscheinungen der vorübergehenden Wärmelähmung, des Scheintodes des Herzens. Erstlich lassen sich während desselben durch Reizung des Herzmuskels noch Zusamınenziehungen hervorbringen, während die inneren Reize gänzlich versagen. Zweitens tritt der Wärmescheintod zuweilen schon bei Temperaturen ein, die den Herz- muskel kaum zu schädigen, sicher nicht zu lähmen im Stande sind. Ich sah ausgeschnittene Froschherzen zuweilen stillstehen, wenn ich sie in einem Uhrschälchen auf meinen Handteller legte. Die Hauttemperatur be- trug in diesen Fällen nachweislich nicht mehr als 32 bis 34°C. Die BEMERKUNGEN ÜBER DIE ERSTICKUNG DES HERZENS. 419 Herzen konnten, da sie nach wenigen Secunden schon stillstanden, diese Temperatur auch nicht annähernd erreicht haben. Eine Erschöpfung des Herzmuskels durch übergrosse Thätigkeit war des schnellen Stillstands wegen ebenfalls ausgeschlossen. Von der Hand weg genommen, begannen die Herzen alsbald wieder zu schlagen. Auch während des Stillstandes war der Herzmuskel erregbar. 5. Der Scheintod ist vermutlich ein der Narkose ähnlicher Zustand, aus dem das Herz, wenn es nicht bald wieder geweckt wird, in den wirk- lichen Tod hinüberschlummern kann. Aehnliche Erscheinungen sind von anderen Centralapparaten bekannt: bei Fröschen und Tritonen wird in Folge der Einwirkung von Temperaturen, die nicht weit unter 40 °C. liegen, das Centralnervensystem scheintodt;! erwärmt man Krebse auf etwa 30°, so werden die nervösen Öentren gelähmt, die Muskeln bleiben reizbar; ähnlich verhalten sich Würmer (Blutegel, Regenwurm) (5). In allen diesen Fällen kehrt bei Wiederabkühlung das Leben wieder. Immer handelt es sich da- bei um eine Lähmung der leicht geschädigten nervösen Centralorgane, nicht um eine Schädigung von Muskeln. Und so ist es auch anzunehmen, dass zwar der Herzmuskel den arteriellen Blutstrom lange entbehren und höhere Temperaturen aushalten kann, ohne seine Leistungsfähigkeit einzubüssen, dass aber das ganze Herz mit seinen, die Antriebe zur Thätigkeit des Muskels aussendenden Ganglien, weit leichter erstickt. Wer das Herz im Wesentlichen nur als einen Muskelmechanismus ansieht und seinen Gang- lienzellen nur eine untergeordnete Bedeutung zuerkennt, wird zu einem Verständniss der Erstickungserscheinungen nicht gelangen. 6. Rechnet man mit beiden Organen, den Herzganglien und dem Herz- muskel, so werden auch andere Erscheinungen verständlich, denen wir be der Erstickung begegnen. Wir wissen, dass höhere Temperaturen den ganglienlosen Herzmuskel erregen und sogar zum rhythmischen Pulsiren bringen können (H. Aron- son) (9). Dieselben Temperaturen sind im Stande, die Ganglienzellen zu lähmen. Lassen wir also Wärme auf das ganze Herz einwirken, so wird es unter Umständen zu einem Kampfe zwischen beiden Einflüssen kommen können. Wahrscheinlich erklären sich daraus die mannigfachen Compli- cationen, die der Erstickungsverlauf am überwärmten Herzen zeigen kann. ! Kleine Temporarien kann man schon narkotisiren, indem man sie einige Minuten in der geschlossenen Hand hält. Diesen einfachen Versuch, den ich selbst zuweilen angestellt habe, hat, soviel mir bekannt, zuerst Cl. Bernard angegeben. Doch wieder- holt Bernard an verschiedenen Stellen, dass Temperaturen von 37 bis 38 °C. noth- wendig seien, um Frösche zu anaesthesiren. Dan 420 0. LANGENDORFF: 7. Wie im Vorangehenden darauf hingewiesen worden ist, dass für die Betrachtung der Erstickungserscheinungen am Herzen die Berück- sichtigung der Herzganglien neben dem Herzmuskel nothwendig ist, so kommt man auch bei der Untersuchung der normalen Herz- bewegung ohne sie nicht aus. Ich habe mich in einer ausführlichen Ar- beit (10) bemüht, den Nachweis zu führen, dass der Herzmuskel zwar mit der Fähigkeit begabt ist, durch Dauerreize zum rhythmischen Pulsiren veranlasst zu werden (Rhythmicität, Pseudoautomatie), dass er aber zur autochthonen Entwickelung der inneren Herzreize nicht befähigt, also nicht automatisch ist, dass die Automatie einzig und allein den Ganglien- zellen des Herzens zukommt. An dieser Auffassung haben mich auch die späteren Untersuchungen Anderer nicht irre gemacht, die darauf ausge- sangen sind, die Herzganglien ihrer Bedeutung als Centren der Herzbewe- gung zu entkleiden. Die Vertheidiger der Automatie des Herzmuskels bleiben die Erklärung dafür schuldig, dass der ganglienlose Theil des Herz- muskels von selbst nicht pulsirt. Alle Bedingungen, unter denen man ihn hat schlagen sehen, sind solche gewesen, dass dabei die Annahme künst- licher Dauerreize nicht von der Hand gewiesen werden kann, (z. B. künst- liche Speisung mit differenten reizenden Flüssigkeiten oder mit indifferenten, aber bei hohem Druck). Die nach Heidenhain und Bernstein abge- quetschte, mit normalem Froschblut gefüllte Herzspitze des lebenden Frosches bleibt aber wochenlang in Ruhe; die abgeschnittene pulsirende Kammer stellt ihre Schläge ein, sobald man die Bidder’schen Ganglienhaufen ent- fernt (v. Wittich). Am wenigsten concludent sind mir diejenigen Einwände gegen die Be- deutung der Ganglien erschienen, die man aus neueren entwickelungsge- schichtlichen Erfahrungen hat herleiten wollen. Wenn man z. B. Werth darauf gelegt hat, dass das embryonale Herz schon rhythmisch pulsirt, bevor noch Ganglienzellen in ihm nachweisbar sind, so hat man dabei zu fragen vergessen, ob in diesem Stadium auch schon Muskelfasern vorhanden sind. Wenn ferner nachgewiesen wird, dass alle sympathischen Ganglien- zellen, also auch die des Herzens, dieselbe Herkunft haben wie die Zellen der Spinalganglien (His jun. und Romberg), und daraus schliesst: folglich sind auch jene nicht motorisch sondern sensibel, so kann ich die Berechtigung dieses Schlusses nicht einsehen. Ebenso gut könnte man, wenn in einer Fabrik aus demselben Stahl eine Kanone und eine Schreibfeder hergestellt worden wäre, sagen: mit dieser Feder kann man nicht schreiben, sondern nur schiessen. Eine eingehende Kritik dieser, wie ich glaube irrthümlichen Bestre- bungen, hat neuerdings Strasser (10) gegeben. Ich kann mich seinen gedankenreichen Ausführungen vollständig anschliessen. Nur das Eine n.öchte ich noch erwähnen. Die Anhänger dieser Lehre BEMERKUNGEN ÜBER DIE ERSTICKUNG DES HERZENS. 421 haben wiederholt betont, dass ihrer Meinung nach den Ganglienzellen des Herzens keine motorische, sondern höchstens eine reflectorische Bedeu- tung zukomme. Mir ist dies unverständlich; denn so weit wir die beim Reflexvorgang in Betracht kommenden Elemente übersehen können, sind doch die zum centralen Theile eines Reflexbogens gehörigen Ganglienzellen, also die reflectorischen Ganglienzellen, stets motorische. Zusatz. Hr. Prellwitz hat sich vor mehreren Jahren unter meiner Leitung mit den Innervationsverhältnissen des Fischherzens beschäftigt. Leider ist die Arbeit nicht abgeschlossen worden und die Veröffentlichung der ge- wonnenen Resultate hat der Tod des Hın. Prellwitz verhindert. Ich ent- nehme aus den mir vorliegenden Versuchsprotocollen Folgendes: Bei der Erstickung von Fischen (es hat sich meistens um Barsch und Kaulbars gehandelt) tritt zuweilen ein regelmässiges, lange fortdauerndes gruppen- weises Pulsiren des freigelegten Herzens ein. Atropinisirung beseitigt dasselbe nicht. Aehnliche Gruppen zeigen oft Herzen, an denen ein Schnitt dureh die Mitte des Atriums geführt worden ist. Die Gruppen haben, wie Te" BEE EEE EEG m ww wu Fig. 2. die beistehende Aufzeichnung lehrt, einen ausgesprochenen tetanoiden Charakter, das heisst die Systolen einer Gruppe erscheinen als aufgesetzt auf einen gewissen dauernden Contractionszustand; der Herzmuskel erschlafit in der Diastole nur unvollständig; erst am Ende jeder Gruppe wird er völlig schlaff. Die Beobachtungen von Prellwitz über das Veısagen oder fast voll- ständige Versagen des Stannius’schen Versuchs am Fischherzen sowie über die selbständigen Pulsationen der Herzspitze sind für die vorliegende Mittheilung ohne Interesse, 422 O. LANGENDORFF: BEMERKUNGEN ÜBER DIE ERSTICKUNG D. HERZENS. Litteraturverzeichniss. 1. S. auch Manille Ide, Dies Archiv. Jahrg. 1892. Suppl.-Bd. 8. 257. 2. Ebenda. 8. 251. 3. Langendorff und Siebert, Dies Archiv. Jahrg. 1881. S. 241. 4. Luchsinger und Sokoloff, Pflüger’s Archiv u.s. w. Bd. XXI. 8. 283. 5. Langendorff, Dies Archiv. Jahrg. 1884. Suppl.-Bd. 8. 117. 6. Ebenda. 8. 120. 7. Luciani, Derichte der sächsischen Akademie der Wissenschaften. Math.- phys. Classe. 1873. 8. 11. 8. Guillebeau u. Luchsinger, Pflüger’s Archiv u.s. w. Bd. XXVIM. 8. 22. 9. Langendorff, Dies Archiv. Jahrg. 1884. Suppl.-Bd. 8. 38. 10. Strasser in Zrgebnisse der Anatomie und Entwickelungsgeschichte. Heraus- gegeben von Fr, Merkel und R. Bonnet. Wiesbaden 1892. 8. 740. Ueber den Stoffumsatz in dem thätigen elektrischen Organ des Zitterrochen nach Versuchen an der zoolo- gischen Station zu Neapel. Von Dr. F. Röhmann in Breslau. (Aus dem physiologischen Institut zu Breslau.) Die einfachste Methode, welche uns von Aenderungen in dem Stoff- umsatze eines Organes Kunde giebt, ist die Prüfung seiner Reaction. Drücken wir den Querschnitt eines ruhenden Muskels gegen einen Streifen blauen Lakmuspapiers, so bleibt dasselbe unverändert oder wird nur schwach geröthet; der Querschnitt eines gereizten Muskels röthet das blaue I.ak- muspapier stark. Diese Erscheinung besagt, dass die Thätigkeit des Muskels mit chemischen Processen verbunden ist und dass dieselben zur Bildung einer Säure führen. Wäre bei der Function des Muskels statt einer Säure ein Körper von basischen Eigenschaften entstanden, so würde sich ein rother Lakmusstreifen, der sich bei der Berührung mit dem Querschnitt des ruhenden Organs nur wenig verändert, von dem des thätigen Organs blau gefärbt worden sein. Die Methode der Reactionsprüfung lässt sich also mit Erfolg da an- wenden, wo bei der Thätigkeit entweder eine Säure oder eine Basis ent- steht, jedoch nur unter gewissen Voraussetzungen. Zunächst muss das gebildete Product, wie z. B. die Milchsäure in dem ausgeschnittenen Frosch- muskel, an dem Orte seiner Entstehung liegen bleiben; es darf nicht, wie die Milchsäure im Muskel des lebenden Thieres, von dem Blutstrome fort- geführt werden. Weiterhin kommt in Betracht die Beziehung, welche zwischen der Affinität des zur Prüfung dienenden Farbstoffes und den neu- 424 F. RöHMARNKN: gebildeten Stoffwechselproducten besteht.! Benutzen wir z. B. bei der Prüfung der Reaction des Muskels blaues Lakmuspapier, so wird dasselbe vom gereizten Muskel geröthet; blaues Lakmoidpapier bleibt dagegen unver- ändert, Es beruht dies darauf, dass die Affinität der sauren Verbindungen im Muskel z. B. des primären Kaliumphosphats zum Alkali, grösser ist als die des Lakmus zum Alkali. Letzteres wird dem blauen Lakmus entzogen und in Folge dieser Alkalientziehung färbt sich das blaue Lakmuspapier roth. Beim Lakmoid ist dies nicht der Fall. Hier hält der an sich rothe Farbstoff das Alkali so fest, dass das primäre Kaliumphosphat mit seinen sauren Affinitäten nicht zur Wirkung kommen kann. Es bleibt blau. Im Muskel sind nun weiter neben Körpern mit sauren Affinitäten auch solche mit basischen enthalten. Das Lakmoid, welches bei der Prüfung auf Säuren im Stich liess, ist zur Prüfung auf Basen ausserordentlieh geeignet. Während rothes Lakmuspapier vom ruhenden Muskel nur schwach gebläut wird, wird rothes Lakmoid Dank seiner grossen Affinität zum Alkali stark blau gefärbt. Es sind, wie sich aus diesem Beispiel ergiebt, zur Prüfung auf Basen diejenigen Farbstoffe die geeignetsten, welche die grösste Verwandtschaft zum Alkali haben. Sie werden den Salzen schwächerer Säuren die Basis entziehen und die Vereinigung mit ihr durch eine Farbenänderung anzeigen. Andrerseits werden wir bei der Prüfung auf Säuren eine gefärbte Verbin- dung wählen, welche das Alkali nur locker bindet. Sie wird selbst durch schwache Säuren zerlegt werden und durch ihre Farbenänderung die An- wesenheit jener zu erkennen geben. Bei der Untersuchung von frischen thierischen Geweben hat sich zur Prüfung der basischen Affinitäten am besten das rothe Lakmoid-, zur Prüfung der sauren Affinitäten das durch Alkali schwach braun gefärbte Curcumapapier bewährt Andere farbige Verbindungen, welche bei der Ti- trirung von Flüssigkeiten Anwendung finden, sind das Methylorange — es entspricht in seinem Verhalten dem Lakmoid — und Phenolphthalein, es wirkt wie Curcuma. Lakmus ist zur Reactionsprüfung deswegen weniger geeignet, weil seine Affinität zum Alkali zwischen der der beiden erwähnten Gruppen von Farb- stoffen liest. In Folge dessen zeigt weder rothes Lakmuspapier Basen, die an etwas schwache Säuren gebunden sind, mit genügender Schärfe an, noch blaues Lakmuspapier schwache Säuren, wenn sie in geringer Menge vor- handen sind. ' Siehe W. Spitzer, Ueber die Benutzung gewisser Farbstoffe zur Bestimmung von Affinitäten. Pflüger’s Archiv. Bd. 50. STOFFUMSATZ IM THÄTIGEN ELEKTRISCHEN ÜRGAN. 425 Dass die Methode die Reactionsänderung des Muskels mit Lakmus zu prüfen du Bois-Reymond zu seiner grundlegenden Entdeckung führte, beruht auf dem Zusammentreffen mehrerer günstiger Umstände Der Muskel des Frosches lässt sich nach Ausschluss der Circulation im über- lebenden Zustande hinreichend lange reizen; die Reizung ist mit einem erheblichen Stoffumsatz verbunden; das entstehende Product, Milchsäure, besitzt eine relativ starke saure Affinität und bildet sich in ansehnlicher Menge. Viel ungünstiger liegt die Sache bei zwei anderen Organen, auf welche ebenfalls die Methode der Reactionsprüfung angewendet wurde, bei dem Centralnervensystem und dem elektrischen Organ. Auch ihre Thätigkeit muss mit einem Stoffumsatz verbunden sein. Die Angaben über die Re- actionsänderung, welche unter dem Einfluss der Thätigkeit eintritt, sind aber unsicher und einander widersprechend. Ueber das Centralnervensystem stehen mir eigene Beobachtungen nicht zur Verfügung. Dagegen wurde ich durch ein Stipendium der Gräfin-Bose- Stiftung, welches ich der gütigen Vermittlung des Hrn. Prof. du Bois- “Reymond verdanke, in den Stand gesetzt die bisherigen Angaben über die Reaction des nicht gereizten und des gereizten elektrischen Organs im physiologisch-chemischen Laboratorium der zoologischen Station zu Neapel einer Nachprüfung zu unterziehen. Die bisher zur Feststellung der Reaction des elektrischen Organs ausgeführten Untersuchungen. Nach Boll! ist die Reaction des nicht gereizten elektrischen Organs von Torpedo alkalisch. Boll prüfte dieselbe, ähnlich wie dies du Bois-Reymond beim Muskel gethan hatte, in der Weise, dass er einen frischen Schnitt des Organs gegen einen Doppelstreifen von rothem und blauem Lakmuspapier drückte; in anderen Fällen wurde die Prüfung mit Liebreich’schen Plättehen, die kurze Zeit vor dem Versuche mit sehr empfindlicher Lakmuslösung getränkt worden waren, vorgenommen. „Es entstand zunächst ähnlich wie du Bois-Reymond dieses für die Reaction des Muskelquerschnittes entwickelt hat, auf dem rothen Grunde ein zier- liches sechseckiges Netz in blauer Farbe, welches die Querschnitte der Säulen des elektrischen Organs reproducirte Das Liniensystem entsprach den Gefässe führenden und an Flüssigkeit reicheren Scheidewänden, welche die einzelnen Säulchen des Organs von einander trennen. Nach wenigen Secunden pflanzte sich der blaue Farbenton jedoch von den Scheidewänden ! Beiträge zur Physiologie von Torpedo. Dies Archiv. 1873. 8. 99. 426 F. Rönmann: aus gleichmässig über die ganze mit dem Organ in Berührung stehende Fläche des Papiers oder des Plättchens fort.“ Die Beobachtung Boll’s wurde durch Th. Weyl! und W. Marcuse? bestätigt. Weyl verwendete zur Prüfung „neutrales* Lakmuspapier. Er fand das Organ deutlich alkalisch. „Diese Reaction tritt bei weitem nicht mit der Schnelligkeit ein, wie etwa im Laboratorium noch so sehr verdünntes Alkali auf rothes Lakmuspapier einwirkt. Es bedarf vielmehr beim Organe häufig einiger Minuten Zeit um einen deutlichen blauen Fleck zu erhalten.“ Ausser Lakmus benutzte er als Indicator auch Rosolsäure, Alizarinnatrium, Cochenille und Phenolphthalein. Er führt aber nur die mit letzterem er- haltenen Resultate an. „Das frische, möglichst wenig gereizte elektrische Organ verhält sich gegen eine durch möglchst wenig fixes Alkali (NaOH) roth gefärbte Lösung von Phenolphtalein wie eine Säure, d. h. es entfärbt dieselbe.“ Weyl erklärt sich diese Erscheinung durch die Annahme, „dass im Organ eine Verbindung, vielleicht alkalisch reagirendes secundäres Phosphat enthalten ist, welches das ihm in der alkalischen Farbstofflösung gebotene Alkali aufnimmt, in tertiäres Salz übergeht und dabei die rothe Lösung entfärbt.“ Setzt man in obigem Satz statt secundäres primäres und statt tertiäres secundäres, so könnte jene Erklärung zutreffen. Die Beob- achtung von Weyl würde beweisen, dass das nicht gereizte elektrische Organ bereits Substanzen mit sauren Affinitäten enthält. Marcuse verfuhr in der Weise, dass das Lakmuspapier in einen Ein- schnitt, welcher in die Substanz des ausgeschnittenen Organstückes gemacht worden war, eingelegt und sodann durch Druck auf die Oberfläche des Organstückes gegen die angrenzenden Schnittflächen angepresst wurde. Rothes Lakmuspapier wurde hierbei stets blau gefärbt, blaues blieb un- verändert. Das nicht gereizte elektrische Organ von Malopterurus reagirt nach du Bois-Reymond? neutral, bezw. amphoter. Die Reaction des frischen Organs von Gymnotus electricus fand Sachs“ schwach, aber deutlich al- kalisch. Während somit die Angaben über die Reaction des nicht gereizten Organs gut mit einander übereinstimmen, so weichen diejenigen, welche ! Physiologische und chemische Studien an Torpedo. Dies Archiv. 1883. Suppl. S. 109. ® Beiträge zur Kenntniss des Stoffumsatzes in dem thätigen elektrischen Organ des Zitterrochen auf Grund experimenteller Studien an der zoologischen Station zu Neapel. Inaug. Dissertation. Breslau 1891. ? Gesammelte Abhandlungen u.s. w. Bd. II. Leipzig 1877. 8. 646. * Dies Archiv. 1877. 8. 73. STOFFUMSATZ IM THÄTIGEN ELEKTRISCHEN ÜRGAN. 427 sich auf die Reaction des todtenstarren und die Reaction des gereizten Organs beziehen, sehr wesentlich von einander ab. Boll giebt an, dass eine Säuerung des elektrischen Organs nach dem Tode allerdings eintritt, und zwar stellt sich die saure Reaction gewöhnlich acht bis zehn Stunden nach dem Tode ein. Der früheste Termin, an welchem er sie einmal beobachtete, war nach sechs Stunden. Vor- hergegangene energische Thätigkeit des elektrischen Organs schien keinen Einfluss auf die Beschleunigung der postmortalen Säuerung zu haben. Weyl schliesst sich den Angaben Boll’s an. Er spricht hierbei die Vermuthung aus, dass die saure Reaction durch primäres Alkaliphosphat bedinst sei. Im Gegensatz hierzu äussert sich Marcuse auf das Bestimmteste dahin, dass das in frischem Zustande alkalische Organ, nachdem es aus dem Körper des Fisches herausgeschnitten ist, in keinem Zeitpunkt bis zu dem Eintritt der Fäulniss eine saure Reaction annimmt. Ob dieser Widerspruch darauf beruht, dass Boll und Weyl das Organ im Zusammenhang mit dem Fisch liessen, Marcusse dasselbe nach dem Herausschneiden beobachtete, oder ob derselbe sich in anderer Weise er- klären lässt, muss unentschieden bleiben. Das elektrische Organ von Malopterurus reagirte nach du Bois- Reymond erst vom dritten Tage an deutlich sauer; am vierten Tage war es (in Einem Falle) in entschiedener Fäulniss begriffen und reagirte alkalisch. Das Organ von Gymnotus wird nach Sachs an der Luft (stärker bei halbstündiger Einwirkung von Inductionsströmen) sauer. Funke! wies zuerst auf die Möglichkeit hin, dass das elektrische Organ nach dauernder Thätigkeit saure Reaction annehmen könne. Er meinte, dass die stark saure Reaction, welche M. Schulze constant in den elek- trischen Organen frisch getödteter Zitterrochen gefunden hatte, ihre Ent- stehung vermuthlich einer dem Tode vorhergehenden erschöpfenden An- strengung „dieses Nervenapparates‘‘ durch Entladung verdanke. Auch du Bois-Reymond’ äusserte die gleiche Vermuthung auf Grund der Analogie, die seiner Ansicht nach zwischen dem. elektrischen Organ und dem Muskel besteht. Die Beobachtungen, welche zu ihrer experimentellen Begründung un- ternommen wurden, sind aber dem Versuche einen Parallelismus in dem Verhalten von elektrischem Organ und Muskel in Bezug auf ihre Reaction bei Ruhe und Thätigkeit herzustellen nur wenig günstig gewesen. Boll durchschnitt einem Torpedo sämmtliche elektrische Nerven der I Dies Archiv. 1859. S. 8483. ? Dies Archiv. 1859. 8. 847. 428 F. Rönmann: einen Seite und vergiftete ihn mit Strychnin. Er konnte so ein in be- ständiger Arbeit begriffenes Organ mit einem in absoluter Ruhe befind- lichen auf die Reaction hin vergleichen. Es stellte sich bei zahlreichen Versuchen niemals ein Unterschied heraus, das eine wie das andere reagirten deutlich alkalisch. Auch Weyl fand, wenn er an grossen Thieren arbeitete, die Reaction des elektrischen Organs nach der Strychninisirung unverändert alkalisch. Nur bei kleinen, jungen Thieren- von 10 bis 12°” Länge trat in der grössten Zahl der Fälle saure Reaction ein. Krukenberg! endlich sagt: „An den elektrischen Organen bleibt die Säuerung beim Absterben wie nach anhaltender Thätigkeit gewöhnlich aus, indem die frei werdende Säure vermuthlich durch die Alkalialbuminate so- fort gebunden oder anderweitig in Beschlag genommen wird.“ Nach dem Beispiele von Boll und Weyl bediente sich auch Marcuse des Strychnins um auf reflectorischem Wege eine erschöpfende Thätigkeit des elektrischen Organs zu bewirken. Ich führe folgenden Versuch von ihm an. Versuch VI. Den 158. April 1887. Mittags 12 Uhr. Torpedo ocellata, weiblich, 950 2”®, 8 Tage im Bassin. Rechtes Organ ausgeschnitten mässig alkalisch. Beim Ausschneiden des Organs wird durch Versehen der Kiemenkorb ver- letzt, was zu starker Blutung Veranlassung giebt. In eine Schüssel mit See- wasser gebracht, macht der Fisch anfangs lebhafte Bewegungen, kommt jedoch bald zur Ruhe. Schlag beim Anfassen des Organs nicht wahrzunehmen. Seewasser stündlich gewechselt. Nachmittags 3 Uhr 30 Min. Der Fisch hat sich sichtlich erholt. Bei Berührung des Schwanzes ausserordentlich starke Bewegungen. Sehr kräf- tiger bis in die Achsel fühlbarer Schlag bei Berührung des Organs. Nachmittags 4 Uhr. 0-0002 Strychn. nitr. unter die Rückenhaut injieirt. Nachmittags 6 Uhr. Der Fisch ist sehr unruhig. Sehr starke Abwehr, schlägt beim Anfassen des Organs. Reflexcontraetionen und Reflexschläge noch nicht zu erzeugen. Nachmittags 7 Uhr. Ganz leichte Reflexcontractionen durch Berührung des Beckens, begleitet von deutlichen Entladungen. Zwischen die letzteren eingeschoben starke Abwehrschläge. Der Fisch kommt in ein Bassin, in welehem sich das Seewasser beständig erneuert und bleibt hier über Nacht. Den 19. April 1887. Vormittags 10 Uhr. Der Fisch liegt ruhig am Boden des Bassins. Leise Erschütterung desselben ruft Reflexcontractionen hervor. Aus dem Bassin genommen und auf den Tisch gelegt, beantwortet er jeden mässig starken Schlag auf denselben mit blitzartigen Zuckungen. Die eigene Beweglichkeit ist vollkommen aufgehoben. Beim Anfassen des ! Grundzüge einer vergleichenden Physiologie der contractilen Gewebe. Heidel- berg 1886. S. 288. STOFFUMSATZ IM THÄTIGEN ELEKTRISCHEN ÜRGAN. 429 Organs wird nur dann ein Schlag gefühlt, wenn die Berührung des Organs eine Muskelcontraction auslöst. Ebenso verbindet sich mit jeder durch das Klopfen auf den Tisch hervorgerufenen Contraction ein Schlag. Als eine grössere Anzahl Reflexcontractionen hintereinander durch Schlagen auf den Tisch hervorgerufen wird, nimmt die Stärke der mit ihnen verbundenen elektrischen Entladungen schnell ab, während die Contractionen nur ganz allmählig kleiner werden und noch fortdauern, wenn die Schläge fühlbar zu sein aufgehört haben. Die so erzeugte Erschöpfung des Organs bleibt, so lange die Torpedo auf dem Tisch gehalten wird, bestehen. Vormittags 10 Uhr 50 Min. Die Torpedo wird in ein Becken mit fünf Liter frischen Seewassers gebracht. Ruhige Lage auf dem Boden desselben. Berührung des Beckens ruft Reflexe hervor. Vormittags 11 Uhr 30 Min. Der Fisch wird aus dem Becken genommen und auf den Tisch gebracht. Die Schlagkraft des Organs ist wieder zurück- gekehrt. Alle vor einer Stunde gemachten Beobachtungen lassen sich wider- holen. Um 12 Uhr wird der Fisch in das Becken zurückgebracht und bleibt von nun an bis zum Ende des Versuches in demselben. Das Wasser wird stündlich erneuert. Häufig wird das Becken oder der Fisch selbst berührt, um das Organ zu reflectorischen Schlägen zu veranlassen. Dieselben lassen sich ununterbrochen bis 3 Uhr Nachmittags feststellen, nehmen aber be- ständig an Stärke ab. Nach diesem Zeitpunkt ist kein Schlag mehr wahr- zunehmen, während die Reflexcontractionen noch hervorgerufen werden können, aber bedeutend schwächer geworden sind und träger ablaufen. Nachmittags 5 Uhr 30 Min. Athmung des Fisches steht still. Er wird aus dem Becken genommen, linkes Organ ausgeschnitten, enthäutet, zeigt durchsichtige Beschaffenheit und schwach alkalische Reaction. Rückenmus- culatur schwach alkalisch. Trotzdem in diesem und einigen ähnlichen Versuchen das elektrische Organ sehr lange Zeit unter Strychninwirkung gehalten worden war, hatte sich seine Reaction doch nicht als „wesentlich verschieden“ von der des ruhenden erwiesen. Gegen alle diese Versuche liess sich der Einwand erheben, dass die Bluteirculation in dem unter Strychninwirkung gesetzten Organ erhalten blieb und dadurch die etwa bei der Thätigkeit erzeugte Säure als Salz fortgeführt sein konnte, indem sich gleichzeitig die Alkalescenz des Organ- sewebes beständig aus dem neu hinzuströmenden Blute ergänzte. Marcuse versuchte deshalb das Organ auch nach Ausschluss seiner Bluteirculation durch Strychnin in langdauernde Thätigkeit zu setzen. Die Ausführung eines derartigen Versuches war möglich, weil das Strychnin auch bei der Torpedo zunächst nur eine Steigerung in der Erreg- barkeit des Centralnervensystems bewirkt ohne die Leitungsfähigkeit der Nerven oder die Erregbarkeit des elektrischen Organs herabzusetzen und weil, wie bereits Matteucci beobachtet hatte, nach Unterbrechung der Cireulation Impulse vom Lobus electricus auf das Organ übertragen werden. Was den letzteren Punkt anbelangt, so hatte Matteucei an Rochen, 430 F. RÖHMANnN: deren Herz ausgeschnitten war, bei denen also nicht allein das elektrische Organ, sondern auch sein nervöses Centrum ohne Blutversorgung war, durch Reizung vom Lobus electricus aus Schläge des elektrischen Organs erhalten. Dieselben blieben anfangs in vollem Umfange bestehen und wurden erst allmählig in dem Maasse, als das Thier „dem Tode näher tritt“, schwächer. Später hatte Moreau die Blutleere auf das Organ zu beschränken ge- sucht, indem er ein leicht erstarrendes Gemenge von Talg und Terpentinöl in das Rückengefäss hinter dem Magen injieirte; auch er konnte nach der Erstarrung dieser Masse noch starke Schläge fühlen. Marcuse führte den Ausschluss der Circulation durch Unterbindung der Blutgefässe des elektrischen Organs herbei. Er suchte dieselben in dem Zwischenraume zwischen dem elektrischen Organ und Kiemenkorh auf, da wo sie die Nerven begleitend in ersteres eintreten, er isolirte sie und unter- band sie. Dann trennte er auch alle übrigen Verbindungen zwischen Kiemenkorb und elektrischem Organ, so dass dasselbe nur durch die Haut- brücken und die Nerven im Zusammenhang mit dem übrigen Körper stand. Eine so operirte Torpedo wurde mit Strychnin vergiftet. Sie zeigte während 25 Stunden erhöhte Reflexerregbarkeit und gab anfangs deutlich fühlbare Schläge, die in Folge der Erschöpfung des Thieres allmählig auf- hörten. Als das Thier todt im Bassin aufgefunden wurde, reagirte das noch durchsichtige Organ schwach alkalisch. Die reflectorische Erregung des Organs nach der Strychninvergiftung hat den Vorzug, dass der Reiz, welcher den elektrischen Schlag auslöst, derselbe wie unter natürlichen Verhältnissen ist. Man könnte nur fragen, ob nicht die Erschöpfung des Centralorgans eher eintritt als die des elek- trischen Organs und ob nicht hierauf der negative Ausfall der Strychnin- versuche beruht. Durchmustern wir deswegen auch diejenigen Versuche, in denen das elektrische Organ der Torpedo auf elektrischem Wege gereizt wurde. Die directe Elektrisation des Organs wurde von Weyl angewendet. Er bediente sich zur Reizung „kammförmiger Elektroden“. Dieselben be- standen aus einem Stab, welcher eine Anzahl längerer mit sägeförmigen Spitzen versehener Zähne trug. „Sie wurden in das Organ percutan ein- gesenkt, so dass sie dasselbe in seiner ganzen Ausdehnung zwischen sich fassten. Die Elektroden waren durch einen Vorreiberschlüssel nach du Bois- Reymond als Nebenschliessung in den secundären Kreis eines Schlitten- inductoriums eingeschaltet. Die Anzahl der Unterbrechungen war eine maximale. Die Stromstärke wurde durch Bewegung der secundären an die primäre Spirale allmählig gesteigert.“ Zu den Versuchen dienten auch hier nur ganz kleine Thiere von 35 bis 142 g"m Gewicht. Die Reizung erfolgte, nachdem das Öontrollorgan abgeschnitten war, bei erhaltener Bluteireulation. STOFFUMSATZ IM THÄTIGEN ELEKTRISCHEN ORGAN. 431 „Das gereizte Organ nahm in allen Versuchen in Folge der Reizung saure Reaction an, während das abgeschnittene (nicht gereizte) Organ bei Beendi- gung des Versuches unverändert alkalisch reagirte.“ Die Möglichkeit, dass die saure Reaction eine Folge elektrolytischer Wirkung sei, weist Weyl zurück „gestützt auf die Erfahrung, dass kurz dauernde Inductionsströme neben starken physiologischen, nur sehr geringe elektrolytische Wirkung besitzen.“ Trotzdem werden Zweifel an der Beweiskraft der nach dieser Me- thode erhaltenen Resultate bestehen bleiben. Von allem anderen abgesehen, fehlt in den Versuchen von Weyl jede Angabe darüber, ob und in welchem Umfange das elektrische Organ bei der Reizung thätig gewesen ist. Angaben, wie „das ganze Organ reagirt sauer“, „Organ und Muskeln sauer‘, müssen die Anschauung erwecken, dass die Reaction des Organs nach der Reizung eine sehr deutliche gewesen sei. Man müsste deswegen erwarten, dass ähnlich wie beim Muskel auch die Unterschiede im Gewicht des Alkoholextraetes vor und nach der Reizung deutlich ausgesprochen wären. Dies ist aber durchaus nicht der Fall. In einer ersten Publication ! zieht Weyl aus seinen Zahlen den Schluss, dass der Alkoholextract bei der Thätigkeit abnimmt, während er später ? wegen der Inconstanz der Resultate überhaupt zu keinem sicheren Ergeb- niss kommt. Berücksichtigen wir ferner, dass Weyl seine Reizversuche nur an ganz kleinen Thieren anstellte, dass er, wie oben erwähnt, die saure Reaction des elektrischen Organs nach Strychninisirung, welche er noch dazu bei erhal- tener Cireulation ausführte, nur bei kleineren, aber nicht bei grossen Thieren beobachtete, so haben wir eine Reihe von Widersprüchen, welche den Werth der Angaben Weyl’s sehr wesentlich beeinträchtigen. Marcuse führte die erschöpfende Thätigkeit des elektrischen Organs durch Reizung vom Lobus electricus aus herbei, nachdem zuvor durch Aus- schneiden des Herzens die Circulation aufgehoben worden war. Da ich im Folgenden wiederholt auf die Versuche von Marcuse zu- rückzukommen gedenke, so halte ich es nicht für überflüssig, die Versuchs- anordnung und die wesentlichen Protokolle mit Marcuse’s eigenen Worten wiederzugeben. „Diese Methode der Herzausschneidung, durch welche die Cireulations- losigkeit nicht allein auf das Organ beschränkt blieb, sondern auch auf den elektrischen Nervenapparat ausgedehnt wurde, empfahl sich auch in unserem Versuche aus dem Grunde, weil sie die Entladung möglichst schnell dem Willen des Thieres entzog und darum eine Bestimmung des Verhältnisses " Mona’sberichte der kgl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. 1881. 8. 381. ® Dies Archiv. 1884. S. 329. 432 F. RöHnmann: zwischen der Stärke des applicirten elektrischen Reizes und der durch ihn ausgelösten Entladung gestattete. Wichtig war nur noch die Beantwor- tung der Frage, ob die Schlagkraft eines von dem nervösen Apparat elek- trisch gereizten Organes derart behandelter Torpedo sich so lange erhalte, um einen für den Zweck unserer Versuche ausreichend hohen Thätigkeits- zustand herbeizuführen. Hierüber sollte ein Vorversuch Aufschluss geben. Zur elektrischen Reizung verwendete ich den Inductionsstrom. Denselben lieferte mir ein Schlittenapparat, welcher von einem Zinkkohlenelement ge- trieben wurde. Als Applicationsstelle für den elektrischen Reiz wählte ich den Lobus electricus, welcher durch eine einfache Manipulation, die Abhebung des Schädeldaches blossgelegt werden kann, also bei weitem leichter zu- gänglich ist, als die nur zwischen Kiemenkorb und Organ in der Tiefe zu fassenden Nervenstämme, und fernerhin auch vor den getrennt ver- laufenden Nerven den Vorzug hat, auf einem verhältnissmässig kleinen (Gebiete alle nervösen Elemente, welche das Organ beherrschen, zu vereinen. „Ich entnahm dem Bassin eine mittelgrosse Torpedo, legte sie mit der Bauchfläche aufwärts gewendet auf den Öperationstisch, wo ich sie mit Reissbrettzwecken befestigte, und schnitt ihr das Herz aus. Darauf wendete ich den Fisch nach der anderen Seite, machte zur Ruhigstellung des linken Organs durch die Nerven- und Gefässstämme desselben den von früheren Versuchen bekannten Trennungsschnitt und löste darauf mit scharfem Messer einen Theil der breiten Schädeldecke aus, wodurch die gelben elek- trischen Lappen blossgelegt wurden. Bei der Entfernung der knorpelweichen Decke mittels des Messers ist man keineswegs zur besonderen Vorsicht ge- nöthigt, da der gelbe Gehirntheil der Decke nicht fest anliegt, sondern von ihr durch einen mit klarer Flüssigkeit ausgefüllten, genügend tiefen Raum getrennt ist. Sodann suchte ich durch Zwicken, Drücken des Schwanzes und andere äussere Reize die Fähigkeit des Organes zu spontanen ab- wehrenden Entladungen zu erschöpfen. Als ich nach etwa !/, Stunde Ent- ladungsreaction auf derartige Reize nicht mehr wahrzunehmen vermochte, leste ich die Elektroden, welche durch die unumsponnenen Enden der Kupferdrähte der secundären Rolle dargestellt waren, an den die rechte Seite beherrschenden rechten gelben Lappen des nervösen Centralorganes an. Bei weitestem Abstand der beiden Rollen konnte ich die Auslösung eines elektrischen Schlages in dem Organ nicht wahrnehmen. Als ich jedoch den Abstand der Rollen ein Stück verkleinerte, liessen sich bereits bei einer Stromstärke, die noch nicht ausreichte, um an der Zungenspitze fühlbar zu sein, deutliche, wenn auch schwache Entladungen des Organs hervorrufen, die nach kurzer Zeit verschwanden. Ich ging darauf allmählig zu stärkeren Reizströmen über und konnte anfänglich ein Wiederauftreten der Ent- ladungen nicht constatiren, bis ich nach erheblicher Verkleinerung des STOFFUMSATZ IM THÄTIGEN ELEKTRISCHEN ÜRGAN. 433 Rollenabstandes zu einem Strome gelangt war, welcher ziemlich starke Schläge des Organes auslöste und sich von erheblich längerer Wirksamkeit erwies, als die früher wirksam gewesenen. Als auch diese Entladungen aufgehört hatten fühlbar zu sein, steigerte ich von neuem die Kraft der Reizströme und fand wiederum erst nach einem grösseren Sprunge einen wirksamen Strom, mit welchem ich das Organ verhältnissmässig lange Zeit bis zum Verschwinden der Entladungen erregte. Je mehr ich bei weiterer Annäherung der Rollen in das Bereich der stärkeren Reizströme kam, um so weniger stellte sich die Nothwendigkeit eines Vorgehens in grösseren Sprüngen zur Erzielung eines wirksamen Stromes heraus, um so geringer brauchte die annähernde Verschiebung der secundären Rolle an die primäre zu sein, um die eben erst verschwundenen Entladungen von Neuem wieder auftreten zu lassen. Gleichzeitig verlängerte sich . wieder mit dem Ansteigen der Reizströme die Zeit, während der das Organ durch einen als wirksam befundenen Strom in Thätigkeit gehalten werden konnte, und wuchs auch die Kraft der Entladungen. Als jedoch die secundäre Rolle sich ganz in der Nähe der primären befand, nahm die Dauer der erfolgreichen Reizung mit einem als wirksam befundenen Strom, sowie die Kraft der Schläge erheblich ab, bis bei einem Punkte der Annäherung, bei welchem die entgegengesetzten Enden der Rollen etwa in einer Ebene lagen, eine Grenze erreicht war, über welche hinaus eine weitere Verschiebung auch nicht den leisesten Schlag mehr hervorzubringen vermochte. Was die Form anlangt, in welcher die Reizung mit einem wirksamen Strome statt- fand, so wählte ich im Anfang des Versuches die continuirliche Application der Elektroden. Indem ich jedoch im weiteren Laufe des Versuches mit ununterbrochener Reizung abwechselte, gewann ich den Eindruck, dass bei der letzteren Form die Entladungskraft des Organs sich weniger schnell erschöpft, und bediente mich demgemäss fortan ausschliesslich dieser Form, wobei ich die Elektroden für mehrere Secunden dem Lobus anlegte und vor der neuen Reizung eine etwa gleichlange Pause eintreten liess. Seit Beginn der elektrischen Reizung waren in diesem Versuche bis zu der Zeit, in welcher die stärksten Reizströme erschöpft waren, ungefähr 1!/, Stunde ver- strichen.. Nach einer ungefähren Schätzung betrug die Zeit, während welcher das Organ durch die wirksamen Ströme in den Zustand der Thä- tigkeit versetzt war etwa 1 Stunde. Erwägt man nun, dass bei dem Fehlen der Cireulation sich die Umsatzproducte in dem thätigen Organ anhäufen können, so dürfte man wohl annehmen, dass durch die elektrische Reizung vom Lobus aus sich ein für Stoffwechseluntersuchungen ausreichend hoher Thätigkeitszustand erzeugen lasse. „Es sollte nun in den beabsichtigten Versuchen das elektrische Organ einer genaueren chemischen Untersuchung zunächst in der nämlichen Rich- Archiv f, A, u, Ph. 1893. Physiol. Abthlg. 28 434 ' F. Rönmann: tung unterzogen werden, in welchen die für die Thätigkeit des Muskels sicher gestellten Veränderungen liegen. Vor allem sollte das Augenmerk darauf gelenkt werden, ob auch bei der Thätigkeit des Organs eine Bildung von Säure, Milchsäure und ein Verbrauch von Kohlehydraten stattfindet. Um aber auch für den Fall, dass die chemische Umsetzung im elektrischen Organ sich als abweichend von der des Muskels erweisen sollte, Gesichts- punkte für weitere Untersuchung zu gewinnen, sollten einige Methoden angewendet werden, die, wie die Bestimmung des alkoholischen Extractes, des Stickstoffes sowie Harnstoffes in demselben, ganz allgemein die Richtung des Stoffumsatzes im Organ zu bezeichnen im Stande wären. „Die Ausführung dieser Versuche erforderte die Hilfsmittel eines chemi- schen Laboratoriums, welche mir an der zoologischen Station nicht zur Verfügung standen, sowie einen Zeitraum, welcher weit über die kurz ge- messene Dauer meines Aufenthaltes in Neapel hinausging. Ich musste daher darauf verzichten, die chemischen Versuche dort anzustellen, und sie der Zeit nach meiner Rückkehr in die Heimath vorbehalten. Dieser Aufschub machte die Wahl eines Mittels nothwendig, welches im Stande war das Untersuchungsmaterial — die ruhenden und gereizten Organe — für längere Zeit in dem natürlichen Zustande, welchen sie am Ende der Reizung gehabt, zu conserviren. Am geeignetsten erschien mir für diesen Zweck der absolute Alkohol. Demgemäss verfuhr ich nach Beendigung der elektrischen Reizung folgendermaassen: Ich schnitt das ruhende und gereizte Organ aus dem Körper des Fisches heraus, enthäutete beide, be- stimmte ihr Gewicht, zerlegte sodann ein jedes in einer ein wenig Alkohol enthaltenden Porzellanschale mit dem Messer in kleine Portionen, um die conservirende Flüssigkeit vo!lkommener einwirken zu lassen, und brachte die Organstückchen sammt der geringen Menge Alkohols aus der Porzellan- schale, die ich mit wenigem Alkohol nachspülte, in Glasgefässe, welche mit einem die Organmenge um das 4—-Öfache übertreffenden Volumen Alkohols gefüllt waren. Nach mehrmaligem starken Schütteln der Gefässe zeigte der Alkohol eine Trübung, die sich jedoch bei ruhigem Stehen wieder aufhellte, bis nach 1—2 Tagen der flüssige Inhalt die durchsichtige Be- schaffenheit des gewöhnlichen Alkohols wieder angenommen hatte. Die Örgansubstanz selbst verlor bald nach dem Einlegen in die Gefässe ihre Transparenz und gallertige Consistenz, und stellte sich als eine Menge kleiner, fester, milchweiss aussehender Würfelchen dar. „Nachdem ich die Gefässe in meine Heimath übergeführt hatte, zeigte ihr flüssiger Inhalt, welcher bei ihrer Verpackung in Neapel ganz durch- sichtig gewesen war, wieder eine sehr starke Trübung, die jedoch durch ruhiges Stehen der Gefässe nach 2—3 Tagen verschwand und daher nur die Folge der mit dem langen Transport verbundenen heftigen Erschütte- STOFFUMSATZ IM THÄTIGEN ELEKTRISCHEN ÖRGAN. 435 rungen gewesen sein konnte. Das Aussehen der Organsubstanz war un- verändert. An den in solcher Weise in ihrem natürlichen Zustand fixirten Organen wurde nun in dem physiologischen Institut zu Breslau der che- mische Theil der Versuche unter Leitung von Hrn. Dr. Röhmann aus- geführt. „Bei dem an der Neapeler Station vollendeten Theil des Versuches kam mit wenigen Abänderungen das Verfahren zur Anwendung, welches in den oben mitgetheilten Vorversuchen geschildert worden war.“ Versuch IX. Den 19. Mai 1887, 12 Uhr 10 Min. Mittags. Zimmertemperatur 17°C. Torpedo oculata, frisch gefangen, lebhaft im Bassin schwimmend, vorsichtig mit dem Netz herausgeholt, Rechtes Organ abgeschnitten. Gew. 700 Em Herz exstirpirt. Linkes Organ schlägt bei kräftigem Anfassen des Schwanzes. Die Schläge kommen in immer grösseren Zwischenpausen und werden be- ständig schwächer. 12 Uhr 40 Min. Kein Schlag mehr. Schädeldecke abgetragen und der freigelegte Lobus mit Strömen des Schlitteninductoriums gereizt bei einem Abstand der Rollen von 220. Leise Schläge des Organs, eine Minute lang fühlbar. 150. Starker Schlag. Bei länger dauernder Application der Elektroden an den Lobus ist Tetanus des Organs fühlbar. Erst nach 12 Minuten ist die Reizstärke erschöpft. 100. Starke Entladungen. Nach 2 Minuten kein Schlag mehr fühlbar. 90. Starke Schläge. Verschwinden nach 2 Minuten. 85. Starke Schläge. Entladungen nach 3 Minuten nicht mehr wahr- nehmbar. 80. Starke Entladungen. Bei tetanisirenden Reizströmen Tetanus des Organs zu fühlen. Reizstärke nach 1!/, Minuten erschöpft. 75. Starke Schläge. Entladungen verschwinden erst nach 4 Min. 70. Starke Schläge. Der Strom bleibt 2 Minuten wirksam. 65. Starke Schläge. Nach einer Minute nicht mehr fühlbar. 60. Starke Entladungen. Verschwinden nach 1!/, Minuten. 50. Starke Schläge. Bei längerem Anlegen der Elektroden Tetanus des Organs. Strom eine Minute wirksam. 45. Keine Entladung. 40. ” ” 35. ” „ 0. ” ” 20. ” ” 10. ” ” 0 ” ” 1 Uhr 20 Min. Reizung abgebrochen. Rechtes Organ ausgeschnitten, enthäutet, sieht durchscheinend aus. Reaction auf Lakmus alkalisch. Gew. 22.04 8m, Organ wird in kleine Stücke zerschnitten und in Glasgefäss mit Alkohol aufbewahrt. Das Gefäss wird mit RO IX (Ruheorgan des Versuches IX) 28* 436 F. Rönmann: gezeichnet. Linkes Organ ausgeschnitten, enthäutet, durchscheinend, schwach alkalisch; 23-6 8”, in kleine Stücke zerlegt und in Glasgefäss mit Alkohol aufbewahrt. Gefäss mit GOIX (Gereiztes Organ des Versuches IX) ge- zeichnet. Sectionsbefund: Magendarm leer, Leber hell, Gallenblase gefüllt. Bei dem späteren Transport der Gefässe zerbricht das eine, welches die Substanz des ruhenden Organes enthält, so dass in Breslau der Versuch nur an dem Inhalt des die Marke GOIX tragenden Gefässes fortgesetzt werden kann. Von dem unter Alkohol aufbewahrten Organ (GO IX) wird der Alkohol abgegossen, mit kaltem Alkohol nachgespült; das Organ wird in der Reib- schale zerrieben und mit siedendem Alkohol extrahirt. Das mit Alkohol extrahirte Organ wird auf dem Wasserbade vom Al- kohol befreit und in Kalilauge gelöst. Diese Lösung. wird mit Salzsäure und Jodkaliumquecksilber gefällt, der Niederschlag filtrirt, das Filtrat ist wasserklar und giebt mit Alkohol keine Fällung, enthält also kein Gly- kogen oder ein diesem ähnliches Kohlehydrat. Die Alkoholextracte werden vereinigt, der Alkohol verdunstet. Der Rückstand erfordert zur Neutralisation 1-3 “® 1/, Normal-Natronlauge. Nach Zusatz von weiteren 3 °® !/, NNaOH wird mit Aether ausgeschüt- tel. Nach Verdunsten des Aethers bleiben 0.2044 SM Aetherextract. Der durch Aether entfettete, im Wasser gelöste Alkoholextraet wird mit Wasser auf 50 °”% verdünnt. Er giebt folgende Reactionen: mit Eisenchlorid Trübung und starke Gelbfärbung; mit CuSO, und NaOH keine Biuretprobe; hält Kupfer bei Gegenwart von NaOH in Lösung; KNO, und H,SO, Entwickelung von Stickstoff; mit Mercurinitrat eine Fällung, die Anfangs verschwindet (Chloride), dann bleibt; 6. mit Millon’s Reagens ein Niederschlag, der sich beim Erwärmen unter Gasentwickelung schwach gelb färbt; 7. mit AgNO, Fällung, im. Ueberschuss von Ammoniak leicht und so gut wie vollständig löslich. Weiterhin wird an dem FExtract eine Stickstoffbestimmung nach Kjeldahl ausgeführt. 5 «m werden mit 10 °” concentrirter und 10 °” rauchender Schwefel- säure etwa 5 Stunden digerirt, mit übermangansaurem Kali oxydirt. Die Vorlage enthält 25 “m 1/,, Normalschwefelsäure. Nach der Destillation mit 100 “m NaOH (sp. Gewicht 1-0355) zur Neutralisation erforderlich 2.2 em 1/ Normalnatronlauge. Daraus berechnet 0-6315 Procent N. Bunsen’sche Bestimmungen in der Salkowski’schen Modification: a) 5 m mit 7.5 “m alkalischer Chlorbariumlösung + 5 8% kryst. Ba Cl, in zugeschmolzenem Rohre vier Stunden bei 190 bis 210 °C. erhitzt. Röhre unter HCl geöffnet mit Natronlauge destillirt. Destillat in 25 m 1/,, NH,SO, aufgefangen. Nach der Destillation zur Neu- tralisation erforderlich 5.7 °® 1/, NNaOH. Daraus berechnet 0.534 Procent N, neown STOFFUMSATZ IM THÄTIGEN ELEKTRISCHEN ÜRGAN. 437 b) 5 a mit 5 stm CINH,, 5 8% Cl, Ba und 7:5 8 alkal. BaCl,-Lösung eingeschmolzen. 0.1966 Em BaSO, — 0.472 Proc. N 1.013 Proc. Harnstoff, 06315 } 026 154. 2. 148 .. d.fr2Organs, Im gereizten elektrischen Organe 0.506 2" Harnstoff. Verhältniss des Gesammtstickstoffs zum Harnstoffstickstoff im Alkohol- extract = 1'34. Versuch X. Den 27. Mai 1887, 1 Uhr 45 Minuten Mittags. 19°C. Zimmer- temperatur. Torpedo oculata. 8 Tage im Bassin. Rechtes Organ angeschnit- ten. Torpedogewicht 370 8%, Herz ausgeschnitten. Schädeldecke abgetragen und vom Lobus mit Strömen des Schlitteninduetoriums das linke Organ ge- reizt. Dauer der wirksamen Reizung bei Anfangs in grossen Sprüngen, später langsam steigenden Strömen ?/, Stunde. Rechtes Organ ausgeschnit- ten, enthäutet, sieht durchscheinend aus, alkalisch, Gewicht 11-26 3”%, zer- stückt und in Glasgefäss (ROX) mit Alkohol aufbewahrt. Linkes Organ ausgeschnitten, enthäutet, durchscheinend, schwach alkalisch,h Gewicht 13.44 8% in Stückchen zerlegt in Glasgefäss (GO X) mit Alkohol auf- bewahrt. Secetionsbefund: Oviduet mit Eiern gefüllt, Magendarm voll, Leber hell- gelb, Gallenblase prall. Fortsetzung des Versuches in Breslau. Ruhendes Organ (ROX). Der alkoholische Auszug wird wie im vorigen Versuche gewonnen. In dem mit Alkohol extrahirten Organ ist Glykogen nicht nashweisbar. Der Alkoholrückstand reagirt neutral oder höchstens mini- mal sauer; nach Zusatz von 1 °® 1/, NNaOH schwach, aber unzweifel- haft alkalisch. Der Aetherextract wiegt 0.0906 Eu = 0-804 Procent des frischen Organs. Der entfettete Alkoholextract wird auf 45 °® verdünnt, 29 °m werden eingedampft und über CaCl, bis zum constanten Gewicht getrocknet. Rück- stand: 0.4974 Sm. Daraus berechnet fettfreier Alkoholextract des frischen Organs 6-85 Procent. Stickstoffbestimmung nach Kjeldahl: 0.3268 Proc. N, nach Bunsen-Salkowski: 0-2294 ,„, ,„ 0.491 „ Harnstoff 0.3268 = 1.49 a im frischen Organ: 0-2458 &”% Harnstoff 96m Broe ar, 438 F. RÖHMANnN: Gereiztes Organ (GOX). Im extrahirten Organ kein Glykogen. Der Alkoholextraet mit Wasser aufgenommen reagirt schwach, aber deutlich sauer. Zur Neutralisation sind erforderlich 0-95 cm 1, NNaHO; nach Zusatz von 2 °“® reagirt er alkalisch. Aetherextract: 0-1296 8% = 0964 Proc. des frischen Organs. Der entfettete Alkoholextraet mit Wasser auf 54 m gebracht; davon eingedampft 39 *”, Rückstand 0.6676 8%. Daraus berechnet: 6-87 Proc. des frischen Organs. 5 m dieses Alkoholextractes und des entsprechenden von ROX ge- sondert mit dem gleichen Volumen derselben dünnen Eisenchloridlösung ge- prüft, geben in beiden Fällen starke Gelbfärbung, aber keinen Unterschied in der Intensität. Stickstoffbestimmung nach Kjeldahl: 0-3393 Proc. N, nach Bunsen-Salkowsky: 0-2307 „ „ 0.4948 ,, Harnstoff, 0.3393 ee 1-98 Proc. Harnstoff im frischen Organ. Versuch XI. Den 11. Mai 1887, Vormittags 11 Uhr. Zimmertemperatur 18°C. Torpedo marmorata, 1'/, Tage im Bassin. Rechtes Organ sofort nach der Herausnahme aus dem Bassin angeschnitten. Torpedogewicht 1150 rm. Herz ausgeschnitten. Durch festes Drücken des Schwanzes wird das linke Organ zu Entladungen veranlasst, die anfangs sehr heftig sind und dicht gedrängt auftreten, später an Kraft abnehmen und seltener werden, bis sie nach 15 Minuten ganz verschwunden sind. Darauf Decke der Schädelkapsel aufgehoben und der freigelegte Lobus eleetricus mit Strömen des magneto- elektrischen Rotationsapparates gereizt, bei mässig-geschwinder Curbelum- drehung und einer an der graduirten Scheibe abgelesenen Entfernung des Magnetes von den Eisenkernen von 220 (schwächster Strom des Apparates). Kein fühlbarer Schlag. Bei Anlegung der Elektroden an das verlängerte Mark schwache Zuckung der Körpermuskeln. 210. Keine Entladung. 200. ” ” 190-7725 s Te0mR ” 170. Ganz schwache Entladungen. Verschwinden nach einer Minute. 160. Kein Schlag. (Schwächster Strom des Apparates, welcher von der Zungenspitze empfunden wird). 150. Deutliche Entladungen. Werden schnell schwächer und hören nach einer halben Minute auf. 145. Kein Schlag. 140. Deutliche Entladungen. Strom nach einer Minute unwirksam. STOFFUMSATZ IM THÄTIGEN ELEKTRISCHEN ÜRGAN. 439 130. Kräftige Entladungen. Bei längerer Application der Elektroden an den Lobus starker Tetanus des Organs. Entladungen verschwinden nach 3 Minuten. 125. Kein Schlag. 120. ” ” 110. Kräftige Schläge. Werden schwächer und verschwinden nach 1'/, Minuten. 100. Kräftige Schläge. Strom nach einer halben Minute unwirksam. 95. Kein Schlag. 90. Sehr starke Entladungen. Bei längerdauernder Einwirkung der Reizströme kräftiger Tetanus des Organs. Entladungen verschwinden nach 3 Minuten. 85. Starke Schläge. Strom nach 2 Minuten unwirksam. Die Nervi electriei vagi werden frei praeparirt. 80. Starke Schläge bei Reizung vom Lobus. Die Nerven werden ge- reizt, wodurch Schläge von scheinbar geringerer Intensität ausgelöst werden. Die Reizung vom Lobus bleibt 3 Minuten lang wirksam, ebenso die von den Nerven. 70. Starke Schläge. Entladungen 4 Minuten lang wahrnehmbar. 65. Starke Schläge. Strom nach einer Minute unwirksam. Reizung von den Nerven aus nach dieser Zeit ohne Erfolg. 60. Starke Schläge. Entladungen hören nach 1'/, Minuten auf. 50. Starke Schläge. Tetanusentladungen nach einer Minute nicht mehr fühlbar. 45. Kein Schlag. Ebenso bei Reizung von den Nerven aus. Die mässige Geschwindigkeit der Curbelumdrehung wird zur maximalen ge- steigert. Kein Schlag bei Reizung von Lobus oder Nerven. 40. Maximale Curbelumdrehung. Kein Schlag bei Reizung von Lobus oder Nerven. 30. Dito. 20, 0, 0 OD 12 Uhr 30 Min. wird die Reizung abgebrochen. Während des ganzen Versuches hatten auf jede Reizung des Lobus, gleichviel ob dieselbe noch für das elektrische Organ wirksam war oder nicht, die Kiemenmuskeln ge- zuckt. Rechtes Organ ausgeschnitten, enthäutet, sieht durchscheinend aus. Reaction alkalisch. Gewicht 24-31 ®", in Stückchen zerschnitten und in Glasgefäss (RO XI) mit Alkohol aufbewahrt. Linkes Organ ausgeschnitten, enthäutet, durchscheinend, alkalisch, 23-49 8"®, zerstückt und in Glasgefäss (GO XI) aufbewahrt. Secetionsbefund: Oviduct leer, Magendarm gefüllt, Leber hell, Gallenblase mässig voll. Fortsetzung des Versuches in Breslau. Ruhendes Organ (ROXD. Die Menge des zur Aufbewahrung benutzten Alkohols ist gering im Verhältniss zur Grösse des Organs. Der Alkohol filtrirt etwas trübe, beim 440 F. RÖHMANnNN: Zufliessenlassen der zur weiteren Extraetion benutzten Menge Alkohol wird die Trübung stärker, sie wird abfiltrirt. Das mit Alkohol extrahirte Organ enthält keine Spur Glykogen. Der Alkohol wird verdunstet, der Rückstand mit siedendem absoluten Alkohol wieder aufgenommen. Ungelöst bleibt eine zähe, spröde Masse, welche in Wasser leicht löslich ist und schwach alkalisch reagirt. Sie er- fordert zur Neutralisation 0-4 “m 1/, NH,SO,, mit AgNO, giebt sie einen in Ammoniak löslichen Niederschlag, mit Magnesiamischung, Trübung, mit Eisenchlorid Gelbfärbung. Der Alkoholextract erfordert nach Verdunsten des Alkohols zur Neu- tralisation 1.6 “m 1/,, NNaHO; nach Zusatz eines weiteren “m 1, , NNaOH wird mit Aether extrahirt. Aetherextract 0-1556 Em = 0.604 Procent des frischen Organs. Ent- fetteter Alkoholextract auf 73 “® aufgefüllt. Davon 43 “m eingedampft. Rückstand 0.6720 3%. Daraus berechnet Alkoholextract des frischen Organs 4.65 Procent. Stickstoffbestimmung nach Kjeldahl: 0.3684 Procent, nach Bunsen-Salkowski: a) aus der Ammoniakbestimmung: 0-3018 h; b) aus BaSO;: 0:2785 2 0-3684 3 0-2785 = 1.32 0 x 5968 „ Harnstoff, 0.4356 E'% Harnstoff des frischen Organs. 1.79-Broc. ” ” ” Gereiztes Organ (GOXD). Im extrahirten Organ kein Glykogen. Aus den vereinigten Alkohol- extraeten setzt sich beim 24stündigen Stehen ein nicht ganz unbedeutender Niederschlag ab. Derselbe ist in Wasser leicht löslich, reagirt stark alka- lisch und giebt mit Magnesiamischung Fällung (secundäres phosphorsaures Kalium). Nach Verdunsten des Alkohols wird der Rückstand wie bei RO XI mit siedendem Alkohol behändelt. Der Rückstand wird in Wasser gelöst, er reagirt alkalisch. Zur Neu- tralisation sind 0-45 “mw 1/ NH,SO, erforderlich. Die Lösung giebt mit Eisenchlorid eine schwächere Gelbfärbung als bei RO XI. Der alkoholische Extraect, in Wasser gelöst, erfordert zur Neutralisation Mur ODER ENZOLE Aetherextract 0-1538 5" = 0-654 Proc. des frischen Organs. Der entfettete Alkoholextraet wird mit Wasser auf 70 “” aufgefüllt, davon 43 °m eingedampft, Rückstand 0-69388m = 4.81 Proe. d. fr. Org. Stickstoffbestimmung nach Kjeldahl: 0.367 Procent, nach Bunsen-Salkowski: a) aus der Ammoniakbestimmung: 0-310 ‚ b) aus BaSO, 0.2764 „ 0-3670 2 OTe 1-32 Vega 1-73 Proc. Harnstoff des frischen Organs, 0.4078 gm ns ”„ ” ” STOFFUMSATZ IM THÄTIGEN ELEKTRISCHEN ORGAN. 441 Versuch XII. Den 12. Mai 1887, 11 Uhr 50 Minuten Vormittags, Zimmertemperatur 18°C. Torpedo oculata 8 Tage im Bassin. Vorsichtig mit dem Netz aus demselben herausgeholt. Rechtes Organ sofort angeschnitten. Gewicht 1050 8", Herz exstirpirt. Durch beständigen Druck auf den Schwanz wird das linke Organ zu Schlägen veranlasst, welche nach 12 Minuten ver- schwinden. Darauf Lobus electrieus blossgelegt und die elektrischen Nerven frei praeparirt. Gereizt wird mit Strömen des magneto-elektrischen Rotations- apparates bei mittlerer Geschwindigkeit der Curbelumdrehung und einem Abstand des Magnetes von den Eisenkernen von 220. Bei Reizung vom Lobus mässiger Schlag des Organs. Bei An- lesung der Elektroden an die Nerven ist kein Schlag zu fühlen. Die Reizung von dem Lobus bleibt sechs Minuten lang wirksam. Durch Erregung des verlängerten Markes mit Inductionsströmen dieser Stärke werden heftige Contractionen der Körpermuskeln erzeugt. Die folgenden Angaben beziehen sich, soweit nichts Besonderes bemerkt ist, nur auf die Reizung vom Lobus. 215. Kein Schlag. 20T, 200. ” „ 180. Mässig starke Schläge. Tetanus. Strom nach 4 Minuten un- wirksam. 160. Kein Schlag. 150. Mässig starke Schläge. Tetanus. Entladungen hören nach 2 Minuten auf. 130. Kein. Schlag. 120. Mässige Schläge. Strom nach 3 Minuten unwirksam. 90. Deutliche Schläge. Dauer wirksamer Reizung 1 Minute. 80. Deutliche Schläge. Tetanus. Entladungen verschwinden nach 2 Minuten. 70. Kein Schlag. 60. Mittelstarke Schläge. Dauer wirksamer Reizung 2 Minuten. 50. ” 2) ” ” ”„ 1 „ 40. „ „ ” ” „ 1 2) Nach dem Aufhören der Schläge wird die Umdrehung der Curbel zur maximalen gesteigert. Es treten wieder mässig starke Schläge auf, die nach !/, Minute verschwinden. 30. Maximale Curbelumdrehung. Kein Schlag. 20. 10. ” ” ” ” ” „ „ ” 0. ” 1) ” ” Die Nerven werden mit den zuletzt benutzten stärksten Inductions- strömen gereizt. Von keinem lassen sich Entladungen hervorrufen. Darauf werden die Nerven durchschnitten und die peripheren Enden gereizt, ohne Aenderung des Erfolges. 1 Uhr 45 Min. wird die Reizung abgebrochen. Rechtes Organ aus- geschnitten, enthäutet, sieht durchscheinend aus. Reaction alkalisch, Gewicht 24.61 8"® in Stückchen zerschnitten und in Glasgefäss (RO XII) mit Alkohol aufbewahrt. Linkes Organ ausgeschnitten, enthäutet, durchscheinend, schwach 442 F. Rönmann: alkalisch; 25.28 8% zerstückt und in Glasgefäss (GO XII) aufbewahrt. Untersuchung der Eileiter ergiebt Gravidität des Magendarms, Fehlen von Speiseninhalt, Leber hellgelb, Gallenblase mässig voll. Fortsetzung des Versuches in Breslau. Ruhendes Organ (RO XI). Der Alkohol wird abgegossen, mit Alkohol nachgewaschen, die ver- einigten Alkoholauszüge verdunstet. Dann wird das Organ in einem Kölbehen 3 Stunden auf dem Wasserbade digerirt, das Wasser wird abgegossen, der Rückstand noch zweimal in Wasser ausgekocht. Die wässrigen Extracte werden auf dem Wasserbade eingedampft und mit dem Alkoholrückstand vereinigt. Die gesammten Extracte werden mit Wasser auf 70 °® aufgefüllt und mit 210 °® 90 Procent Alkohol gemischt. Nach einiger Zeit wird von dem entstandenen Niederschlag abfiltrirt: 1. Dieser durch Alkohol erzeugte Niederschlag wird mitsammt dem extrahirten Organ in 100 “m Wasser mit 5 °”® off. HC] 2!/, Stunde im strömenden Wasserdampf digerirt, mit NaOH alkalisirt, und in essigsaurer Lösung zum Syrup eingedampft, mit 90 Procent Alkohol extrahirt, der Alkohol verdunstet, der Alkoholrückstand wird in Wasser gelöst und mit HCl und Phosphorwolframsäure vollkommen von Ei- weisskörpern befreit. Das salzsaure Filtrat wird mit NaOH neutra- lisirt. Es dreht weder noch reducirt es. . Von dem alkoholischen Filtrat wird der Alkohol abgedunstet, der Rückstand in Wasser gelöst, reagirt sauer. Er erfordert zur Neu- tralisation 3.5 m 1/ NNaOH. Nach Zusatz eines weiteren Cubikcentimeters wird mit Aether geschüttelt. Die so entfettete Flüssigkeit reagirt noch alkalisch, sie wird mit verdünnter Schwefelsäure stark angesäuert und sechsmal eine halbe Stunde mit Aether geschüttelt. Der Aether wird im Kolben abdestillirt, der Aetherrückstand mit Wasser in ein Schälchen gespült, erst auf dem Wasserbade eingedampft, dann über H,SO, getrocknet. Der Rückstand wird mit wasserfreiem Aether auf- genommen, ein Theil bleibt ungelöst, giebt Eisenchloridreaetion. Der Aetherextract giebt auf Zusatz von Wasser eine Ausscheidung von weisslichen Massen, es wird filtrirt. Das Filtrat wird mit wenig Bleizucker versetzt, wieder filtrirt, das Filtrat mit H,S entbleit, zur Entfernung der Essigsäure wiederholt auf dem Wasserbade bei niederer Temperatur abge- dampft, dann mit Zn CO, ein Zinksalz hergestellt. Menge des Zinksalzes 0.0228 8% nur zum Theil krystallinisch. Die mit Aether ausgeschüttelte Flüssigkeit wird mit BaCO, von der Schwefelsäure befreit, eingedampft, filtrirt, auf 25 °® aufgefüllt. Die Flüssigkeit dreht nicht, hält CuSO, bei Gegenwart von NaOH reichlich in Lösung, die blaue Flüssigkeit wird beim Kochen entfärbt, mit basisch salpetersaurem Wismuth keine Schwarzfärbung, mit alkalischer Blei lösung nicht schwarz, nach dem Kochen mit Salzsäure starke W eyl’sche, keine Legal’sche Reaction. IS) STOFFUMSATZ IM THÄTIGEN ELEKTRISCHEN ÜRGAN. 443 Gereiztes Organ (GO XI). Verfahren genau wie bei RO XI. Der in Alkohol unlösliche Theil mit Säure gekocht ergiebt keine Wis- muthreaction. Der Alkoholextraet erfordert zur Neutralisation 5.4 m !/, NaOH. Aus dem Aetherextraet dargestelltes 0-04188"” Zinksalz nur zum Theil krystallinisch. Versuch XII. Den 22. Mai 1887, Nachm. 4 Uhr. Zimmertemperatur 17° C. Tor- pedo oculata 8 Tage im Bassin. Rechtes Organ angeschnitten. Gewicht von Torpedo 3408'”, Herz exstirpirt. Lobus freigelegt und mit Strömen des Schlitteninductorium gereizt. Nach 1!/, Stunden ist die Reizung auch für stärkste Ströme unwirksam geworden und wird abgebrochen. Rechtes Organ ausgeschnitten, enthäutet, sieht durchscheinend aus, Reaction alkalisch. Gewicht 14-333%, in Stückehen zerschnitten und in Glasgefäss (RO XIII) mit Alkohol aufbewahrt. Linkes Organ ausgeschnitten, enthäutet, durchscheinend, schwach alka- lisch, 15.74 8'® zerstückt und in Glasgefäss (GO XIII) aufbewahrt. Sectionsbefund: Oviducte leer, Magendarm gefüllt, Leber hellgelb, Gallen- blase prall. Fortsetzung. des Versuches in Breslau. Ruhendes Organ (RO XII). Der Alkohol wird abgegossen, mit Alkohol nachgewaschen, die vereinig- ten Alkoholextracte abgedampft. Das mit Alkohol behandelte Organ wird mit Wasser ausgekocht, das Wasser durch Glaswolle abgegossen; das Organ wird im Mörser zerquetscht, mit Wasser ausgekocht und noch einige Stunden auf dem kochenden Wasserbade digerirt. 1. Das extrahirte Organ wird mit etwa 100 °® Wasser und 5°“ Salz- säure in strömendem Wasserdampfe digerirt, mit NaOH neutralisirt, in essigsaurer Lösung eingedampft, mit Alkohol extrahirt, der Alko- holrückstand wird in Wasser aufgenommen, mit basisch essigsaurem Blei gefällt, mit H,S entbleit, das Filtrat auf 20°” gebracht, dreht nicht. Mit HCl und Phw geringe Fällung. Das Filtrat redueirt nicht, giebt aber Molisch’s Reaction. 2. Der Alkoholextraet erfordert zur Neutralisation 0-35 = 1/ ,NaNaOH, der Wasserextract 0.50°® 1/, NH,SO, (ohne Kochen). Alkohol und Wasserextraet werden vereinigt, es werden noch 2 m !/ , NaOH hinzugesetzt, dann mit Aether geschüttelt. Die ausgeschüttelte Flüssigkeit wird mit verdünnter Schwefelsäure ver- setzt und zu filtriren gesucht. Da dies nicht gelingt, wird mit Bleizucker, nicht vollkommen, ausgefällt, in das Filtrat H,S eingeleitet, filtrirt, wieder Schwefelsäure hinzugesetzt und 6mal eine halbe Stunde mit Aether ge- schüttelt. Die vereinigten Aetherextracte bleiben einige Zeit lang im Kolben stehen, von den ausgeschiedenen wässrigen Tropfen wird in einen anderen Kolben abgegossen und aus diesem der Aether abdestillirt. Der Rückstand 444 F. Rönmann: wird mit Wasser in ein Schälchen gespült und zuerst auf dem Wasserbade bei gelinder Temperatur auf etwa 2°" eingedampft. Der Rest verdunstet innerhalb von 2 Tagen über Schwefelsäure. Der Aetherrückstand ist zum Theil anscheinend krystallinisch, er wird in Wasser gelöst und filtrirt. Es wird nun eine titrirte Barytlösung (etwa !/,, normal) und eine titrirte Lösung von Zinksulfat (etwa !/,, normal) hergestellt. Mit der Baryt- lösung wird unter Anwendung von frisch bereitetem Curcumapapier die Acidität bestimmt und unter Zusatz der hieraus berechneten Menge Zink- sulfat aus dem Barytsalz das Zinksalz dargestellt. Zur Neutralisation sind erforderlich 0.45% Barytlösung, Menge des krystallinischen Zinksalzes 0.0152 8m, Gereiztes Organ (GO XI). Der Alkoholextraet erfordert zur Neutralisation 0.6 °@ 1/, NaOH; der Wasserextract erfordert 1°® !/,, NH,SO,. Der Aetherextract ist zum Theil ebenfalls krystallinisch, zum Theil syrupös. Zur Neutralisation sind erforder- lich 0.85°°® Barytlösung, Menge des krystallisirten Zinksalzes 0.0268 8", Anmerk.: In beiden Fällen (RO XIllund GO XIII) entsteht nach Zusatz des Barytwassers eine minimale Trübung, welche vor Zusatz des Zinksalzes abfiltrirt wird. Versuch XIV. Den 28. Mai 1887, 12 Uhr 5 Minuten. Zimmertemperatur 19° C. Torpedo oculata, 8 Tage im Bassin. Rechtes Organ angeschnitten. Gewicht der Torpedo 8008”. Herz exstirpirt. Durch continuirlichen Druck auf den Schwanz wird das linke Organ zu Entladungen veranlasst, welche 12 Uhr 30 Min. durch das Gefühl nicht mehr wahrnehmbar sind, aber durch ein auf das Organ gelegtes Froschpraeparat noch bis 12 Uhr 45 Min. er- kannt werden können. Darauf wird der Lobus frei gelegt und mit Strömen des Schlitteninductoriums gereizt. Die Reizung beginnt, wie in den früheren Versuchen, mit den schwächsten Strömen und geht allmählig zu stärkeren über. Während der Dauer der Reizung werden die Entladungen nur durch das Gefühl geprüft. Um 1 Uhr 20 Min. ist der stärkste Strom des Appa- rates erreicht, der keine für die an dem Organ liegende Hand wahrnehm- bare Entladungen hervorruft. Es wird nun ein Froschpraeparat auf das Organ gelegt. Dasselbe lässt bei Reizung des Lobus mit stärksten Strömen deutliche Entladungen des Organs erkennen. Die Reizung wird mit kurzen Unterbrechungen fortgesetzt, wobei die Elektroden für die Dauer von 30 Se- eunden angelegt werden, und erweist sich bei immer undeutlicher werdenden Zuckungen des Praeparates bis 2 Uhr 40 Min. wirksam, darauf werden die elektrischen Nerven frei praeparirt und mit den nämlichen stärksten Strömen gereizt. Nur bei Erregung der elektrischen Vagusnerven giebt das Frosch- praeparat Entladungen an, welche immer schwächer werdend, um 2 Uhr 50 Min. aufhören. Die Reizung wird nunmehr abgebrochen. Das rechte Organ wird ausgeschnitten, enthäutet, sieht durchscheinend aus, Reaction alkalisch, Gewicht 25-04*"®, in Stückchen zerschnitten und in Glasgefäss (RO XIV) mit Alkohol aufbewahrt. Das linke Organ ausgeschnitten, enthäutet, durch- STOFFUMSATZ IM THÄTIGEN ELEKTRISCHEN ÜRGAN. 445 scheinend, schwach alkalisch, Gewicht 24-88 S'®, zerstückelt und in Glas- gefäss (GO XIV) mit Alkohol aufbewahrt. Sectionsbefund: gravida, Magendarm leer, Leber hell, Gallenblase mässig voll. Fortsetzung des Versuches in Breslau. Ruhendes Organ (RO XIV). Der Alkohol wird abgegossen, mit Alkohol nachgewaschen; zweimal mit siedendem Wasser extrahirt, dann 2 Stunden auf siedendem Wasserbade digerirt. Der Wasserextract wird mit dem Alkoholextraet zusammen ab- gedampft. Die in Wasser gelösten Extracte reagiren schwach sauer. Zur Neu- tralisation erforderlich 1° !/ , NNaOH. Der zum dünnen Syrup eingedampfte Extraet wird mit 90°/, Alkohol extrahirt. Die entstandene Fällung in wenigen Tropfen Wasser wieder gelöst, wieder mit Alkohol extrahirt. Der in Alkohol unlösliche Theil rea- girt neutral. Der in Alkohol lösliche Theil reagirt nach Abdampfen des Alkohols wieder sauer. Er erfordert zur Neutralisation 2-2°m !/ , NNaOH; nach Zusatz von 2 weiteren Cubikcentimetern NaOH wird mit Aether geschüttelt. Die so entfettete Flüssigkeit wird mit Schwefelsäure angesäuert, filtrirt und 6mal eine halbe Stunde mit Aether geschüttelt, die Aetherflüssigkeit wie bei RO XIII und GO XII behandelt. Der Aetherrückstand ist in Wasser zum Theil unlöslich; er wird filtrirt, mit 0-95°m Barytwasser neutralisirt. Bei 24stündigem Stehen im Eis- schranke scheidet sich ein geringer Niederschlag aus. Zinksalz 0.0230 8m sauer, zum Theil krystallinisch. Gereiztes Organ (GO XIV). - Die wässrig alkoholischen Extraete erfordern zur Neutralisation 1-6 °® !/oö NNaOH. Der Alkoholextraet 3.7 m 1/,, NNaOH. Der Aetherextract neutralisirt 1-9° m Barytwasser, Menge des sehr - hübsch krystallinischen Zinksalzes 0.0470.“ Auch in diesen Versuchen Marcuse’s reagirte das gereizte, wie das nicht gereizte elektrische Organ mit seinen frischen Schnittflächen auf Lak- muspapier alkalisch. Dagegen ergab die Titrirung des Alkoholextractes mit !/,, Normal- natronlauge unter Anwendung von Lakmuspapier Differenzen, die auf eine geringe Säurebildung im thätigen elektrischen Organe hindeuten. Zur Neutralisation des in 100” frischen Organs enthaltenen Alkohol- extraetes wurden verbraucht Cubikeentimeter ?/,, Normalnatronlauge 446 F. RöHmann: in Versuch nicht gereiztes gereiztes Organ x 4-5 [65° XII 35 5.4 XII 2-5 3.9 XIV 8-8 14-8 Ja noch mehr, Marcuse erhielt, wenn er den entfetteten Alkohol- extract ansäuerte und mit Aether schüttelte, aus dem Aetherextract des gereizten Organs das Zinksalz einer Säure in grösserer Menge als aus dem des nicht gereizten. Die Unterschiede, welche sich sowohl bei der Titrirung des Alkohol- extractes, wie bei der Wägung des Zinksalzes ergaben, waren aber als ab- solute Werthe genommen nur so gering, dass Marcuse sichere Schlüsse aus ihnen zu ziehen nicht wagte. Eigene Versuche. Seit jener Arbeit von Marcuse hatte ich mich, angeregt durch die Untersuchungen von Jolly und W. Thomson eingehender mit den als Indicatoren benutzten Farbstoffen beschäftigt. Mit Hülfe einer besseren Kenntniss derselben hatte ich den Begriff der amphichromatischen Reaction des Muskels genauer festgestellt. Ich hatte, | wie bereits oben angedeutet wurde, gezeigt!, dass der Muskel für Lakmoid stets alkalisch, der nicht gereizte für Curcuma neutral oder nur schwach sauer reagirt, dass bei der Thätiekeit und der Todtenstarre die Alkalescenz für Lakmoid ab, die Acidität für Curcuma zunimmt. Unter Benutzung dieser Farbstoffe hatten sich ferner, was bei der Anwendung von Lakmus nieht möglich war, die Unterschiede in der Reaction des ruhenden und thätigen bez. todtenstarren Muskels mit hinreichender Genauigkeit titrimetrisch bestimmen lassen. Es war hierdurch eine Methode gefunden, von der man erwarten konnte, dass sie auch auf das elektrische Organ angewendet, zu mehr sicheren Ergeb- nissen als den bisher erhaltenen führen würde. Dies sowie der Umstand, dass seit den Arbeiten Marcuse’s an der zoologischen Station zu Neapel ein chemisches Laboratorium, welches die sofortige Verarbeitung der frischen Organe gestattete, eingerichtet worden war, waren die wesentlichen Gründe, welche mich veranlassten die von Marcuse begonnenen Untersuchungen wieder aufzunehmen. ' F. Röhmann, Ueber die Reaction der quergestreiften Muskeln. Pflüger’s Arch. 1890. Bd. 50. S. 84. STOFFUMSATZ IM THÄTIGEN ELEKTRISCHEN ÜRGAN. 447 I. Reizung des elektrischen Organs vom Lobus electricus aus. Reaction des Wasserextractes. Meine ersten Versuche schlossen sich eng an diejenigen Marcuse’s an. Marcuse hatte, wie wir vorhin sahen, durch Titrirung nur die Re- action des Alkoholextractes unter Benutzung von Lakmuspapier bestimmt und hierbei nur sehr geringe Unterschiede zwischen dem nicht gereizten und gereizten Organe im Sinne einer etwas grösseren Acidität des letzteren gefunden. Ich erwartete nach meinen Erfahrungen am Muskel, dass diese Unterschiede bei der Titrirung des Wasserextractes unter Verwendung von Curcuma und Lakmoid als Indieatoren deutlicher hervortreten würden. Ich verfuhr in folgender Weise. Um das eine Organ in Ruhe zu stellen und es hernach zum Vergleich mit dem gereizten benutzen zu können, wurden an dem Tage, welcher dem eigentlichen Versuche voran- ging, auf der einen Seite die zum elektrischen Organe ziehenden Nerven bei ihrem Austritt aus der Schädelkapsel durchtrennt. Die Torpedo wurde zu diesem Zweck auf ein Brett aufgenagelt.e. Am Rande des hinteren Theiles der Schädelkapsel wurde die Haut durchtrennt, die Museculatur vom Schädel abpraeparirt und bei Seite gedrängt, bis man in der Tiefe die dicken weissen Nervenstämme erblickte. Mit einem stumpfen Haken wurden sie etwas hervorgezogen und mit der Scheere durchtrennt. Eine Blutung wurde nach Möglichkeit zu vermeiden gesucht. Wenn sie be- sonders bei Durchschneidung des zweiten Nerven eintrat, so wurde ein kleiner Bausch von entfetteter Watte in die Wunde gedrückt und über diesem die Haut durch Nähte geschlossen. Besondere Beachtung verdient die Durchschneidung des obersten Nerven. Eine einmalige Praeparation desselben wird zeigen, wo man ihn aufzusuchen und zu durchschneiden hat. Nicht ganz leicht ist die Durchschneidung des zweiten Nerven besonders bei grossen Thieren, wegen seiner tiefen und etwas versteckten Lage. Ob die Durchschneidung eine vollständige war, erfährt man sehr leicht, wenn man die Torpedo einige Zeit nach der Operation zu spontanen Schlägen durch Kneifen veranlasst. Sobald einer der Nerven nicht durchschnitten ist, fühlt man in dem Verbreitungsbezirk desselben die Entladungen. Ich betone dies mit Rücksicht auf eine noch später zu erwähnende Arbeit von Grehant und Jolyet. Diese machten zur Durchtrennung der Nerven ganz einfach einen tiefen Messerschnitt von dem Auge längs des Schädels nach hinten in einer Ausdehnung von 3—4®. Meiner Ansicht nach kann bei diesem Verfahren sowohl der erste wie der zweite Nerv leicht unverletzt bleiben. Dies scheint in den Versuchen von Grehant und Jolyet in der That der Fall gewesen zu sein; wenigstens erklärt sich so in ungezwungener Weise ihre Angabe, dass nach der Durchschneidung der 448 F. Rönmann: Nerven auf der einen Seite die Elektrieität von der anderen Seite auf diese übergreife. Nach der Durchschneidung der Nerven wurde die Torpedo in ein Bassin mit fliessendem Meerwasser zurückgebracht, wo sie sich bald in den mit Kies beschütteten Boden eingrub. Diese vorbereitende Durchschneidung der Nerven hat den Vortheil, dass die elektrischen Schläge, welche die Torpedo an dem eigentlichen Versuchstage schon beim Herausnehmen aus dem Bassin zu ertheilen pflegt, nicht mit dem zum Vergleich bestimmten Organe ertheilt werden können. Die Durchschneidung wurde an dem oben geschilderten Orte, d. h. beim Austritt der Nerven aus dem Schädel vorgenommen, um nicht die Circu- lation in dem Organe zu beeinträchtigen, was wohl bei der ausserordent- lieh grossen Zerreisslichkeit der Gefässe unvermeidlich der Fall gewesen wäre, wenn man versucht hätte die Nerven unmittelbar vor ihrem Eintritt in das Organ nach Abpraepariren der sie begleitenden Gefässe zu durch- schneiden. An dem der Nervendurchschneidung folgenden Tage wurde die Torpedo mit dem Rücken auf das Operationsbrett geleet. Während ein Gehülfe sie festhielt, wurde schnell das Herz herausgenommen. Hierauf wurde das Controlorgan abgeschnitten, die Schädeldecke abgehoben, ein Schnitt unterhalb der Medulla angelegt und das Rückenmark mittelst eines Drahtes zerstört. Zur Reizung wurden die Enden der secundären Spirale eines Schlitten- inductoriums mit einer Elektrode verbunden, die aus zwei isolirten in feinen Spitzen endenden Kupferdrähten bestanden. Dieselbe wurde in den Lobus eleetrieus eingesenkt und an einem geeigneten Halter befestigt. Die Reizung erfolgte intermittirend tetanisch mit Hülfe eines in bekannter Weise in den primären Kreis eingeschalteten Metronoms. Von dem Organe wurden die Ströme desselben durch eine auf der Rücken- und eine auf der Bauchseite liegende entsprechend grosse Zink- platte ab und durch Drähte in ein Telephon hineingeleitet. Das Organ lag auf einer durch Korkfüsse isolirten Glasplatte. Durch die im Telephon hörbaren Geräusche konnte man leicht den Reizerfolg überwachen. Die Reizung wurde mit schwächsten Strömen begonnen und zwar so schwachen, dass man gerade ein schwaches, aber deutliches Geräusch im Telephon wahrnehmen konnte. Liess dasselbe erheblich nach, so wurde die secundäre Rolle der primären genähert. Das Nachlassen und Aufhören der Geräusche auch bei den stärksten Strömen gab besonders bei den später noch zu erwähnenden Versuchen mit Reizung der elektrischen Nerven ein Urtheil darüber, ob die Geräusche von Entladungen des Organs STOFFUMSATZ IM THÄTIGEN ELEKTRISCHEN ORGAN. 449 oder von Stromschleifen, die von den Elektroden aus auf das Organ über- eingen, herrührten. Die Organe wurden nach Abziehen der Haut gewogen, in sieden- dem Wasser zerkleinert und ausgekocht. Die Wasserextracte wurden auf dem Wasserbade vorsichtig eingedampft und auf ein bestimmtes Volumen (100 oder 125m) aufgefüllt. 25° wurden mit !/,„ Normalsalzsäure unter Anwendung von blauem Lakmoid und 25 °® mit '/,, Normalnatron- lauge unter Anwendung von Curcumapapier und Phenolphthalein titrirt. Bei Anwendung des blauen Lakmoidpapiers wurde der Punkt aufgesucht, an welchem schwache Rothfärbung aufzutreten begann. Versuch L 21. März 1892. Am 20. März wurden einer mittelgrossen Torpedo die zum elektrischen Organ ziehenden Nerven auf der linken Seite durchschnitten. Starke Blutung. Nach der Durchschneidung noch schwache Schläge bemerkbar. Die Durch- schneidung war also keine vollständige. Am 21. März wurde um 9 Uhr 15 Min. das linke Organ durch einen ausgiebigen Schnitt vollkommen ruhig gestellt, das Herz herausgenommen und das Rückenmark zerstört. Bis dahin ertheilt die Torpedo wiederholt ziemlich starke Schläge. Die Elektroden werden in den Lobus electricus der rechten Seite eingesenkt; sie bleiben während des ganzen Versuchs unver- rückt an derselben Stelle. Reizung vom Lobus electricus aus. Rollenabstand in mm im Telephon 9. Uhr>307 Min: 120 kein Geräusch. Zucken der Muskeln des Kiemenkorbs 110 schwaches Geräusch 90 stärkeres I 34—537 Min. s0 37 —41l „ 70 41—45 „, 65 Ab-—48 ,, 63 48—52 „ 60 52—59 „ 58 10 Uhr > 1uin: 25 stärkeres Geräusch, das jedesmal Be 50 allmählig wieder schwächer wird. 15—18 „ 45 18—55 „ 40 25—28 „ 30 28—33 ,„ 29 33—56 „ 20 36—41 „ 15 Archiy f. A.u. Ph. 1893. Physiol. Abthlg. 29 450 F. Rönmann: Beim Rollenabstand 15 ”® sind nur noch schwache Geräusche zu hören. Es wurden nunmehr die vier elektrischen Nerven praeparirt und gleichzeitig gereizt. Reizung der elektrischen Nerven. and im Telephon 10 Uhr 59 Min. 110 ziemlich starke Geräusche 1 2 100 deutliche S 1 N, 70 7—9 Min. 60 9—12 ,„ 48 deutliche Geräusche, 12—13 „, 45 allmählig schwächer 15-18 „ 40 18—22 „ 30 Das Controlorgan wiegt 37 E", Volumen des Wasserextraetes 100 °m, 25 °°" desselben geben nach Zusatz “von 1.1 °m 1/, Normalsalzsäure auf blauem Lakmoidpapier beginnende Rothfärbung. Zu dieser Zeit färbt ein Tropfen der Lösung rotbes Lakmoid- papier noch blau; bei weiterem Zusatz verschwindet diese Blaufärbung nur so allmählig, dass die Endreaetion nicht mit hinreichender Sicherheit zu be- stimmen ist. 25 °” derselben Flüssigkeit geben nach Zusatz von 1.6 «m !/\o Normalnatronlauge auf Curcuma beginnende Braunfärbung; nach Zusatz von Phenolphthalein beginnt eine schwache Färbung nach Verbrauch von 2.9 em, eine deutliche Rosafärbung ist erst nach Zusatz von 3.7 m 1, Normalnatronlauge vorhanden. Hieraus berechnet sich die Reaction für 100 8% Organ Alkalescenz Aecidität blaues Lakmoid Curcuma Phenolphthalein 11-9 17-9 31-3 (40-0) Das gereizte Organ wiegt 43 EM. Reaction für 100 2% Organ Alkalescenz Acidität blaues Lakmoid - Curcuma Phenolphthalein 16-7 12-1 23-2 (31-6) Versuch II. 22. März 1892. Am 21. März wurden die Nerven der einen Seite ohne grosse Blutung durchschnitten, Am 22. März. Herz herausgenommen, Schädeldecke abgehoben, Rücken- mark zerstört, Controlorgan in siedendes Wasser, Elektroden im Lobus electrieus. Ri im Telephon 9 Uhr 25 Min. 170 sehr schwaches Geräusch 27—28 Min. 165 n: s 28—29 160 kein Geräusch ” STOFFUMSATZ IM THÄTIGEN ELEKTRISCHEN ORGAN. 451 u and im Telephon 9 Uhr 29—31 Min. 150 , Muskeln des Kiemenkorbs beginnen 31—35 „ 145 zu zucken 33—35 „ 140 35—37 ,„ 135 37—39 „ 130 a 2 Kan E 5 deutliche Geräusche, allmählig 43 —44 “ 115 schwächer 44—A6 „, 110 46—49 „ 105 49 52, 100 D2 DE, 95 55—57 „ 90 9 Uhr 57—10 Uhr 2 Min. Pause in der Reizung, am Ende der- selben sind die Geräusche bei dem- selben Rollenabstand nicht stärker. 10 Uhr 2—6 Min. 85 Die kopfwärts gelegenen Theile des elektrischen Organs geben bei der Reizung Entladungen, die nach dem Schwanz zu gelegenen nicht. Die Lage der Elektroden wird verändert, jetzt reagiren auch die schwanzwärts gelegenen und zwar relativ stark. 10 Uhr 6-—-13 Min. s0 13—16 ,„ 75 20—24 „ 65 24—32 ,„ 60 32—96 „ 55 36—40 „ 50 40—47 ,„ 45 47—50 „ 40 50 I 35 59—11 Uhr 3 Min. 20 11 Uhr 3—6 Min. 15 kein Geräusch im Telephon Controlorgan 36 8, Reaction für 100 3m Alkalescenz Aecidität blaues Lakmoid Curcuma Phenolphthalein 12-2 10-0 19.4 (29-4) Gereiztes Organ 42 8m, Reaction für 100 sm Alkalescenz | Acidität blaues Lakmoid Curcuma Phenolphthalein 15-2 8-6 16-9 (25-7) 295 452 F. Rönmann: Versuch MI. 23. März 1892. Am 22. März wurden die Nerven auf der einen Seite durchschnitten. März. Dieselbe Anordnung wie in Versuch II. Die Torpedo sträubt sich bei dem Herausnehmen aus dem Wasser und schlägt bis zur Am 23. Erschöpfung. 9 Uhr Rollenabstand Ina 30 Min. 140 120 ala 100 3a, 100 34—37 Min. 95 90 85 41—42 _, 80 A2—AL ., 75 44—46 „, 70 46—51 „, 65 51—54 „ 60 54—56 „, 55 B6—58 , 50 5B8—60 „, 45 10 Uhr bis 10 Uhr 3 Min. 40 10 Uhr 3—5 Min. 35 u, 35 ey 30 lg) 25 oo 15 23 10 2528 „ 0 38 „ AO 60 AT Ag 55 ge 50 ee. 45 im Telephon kein Geräusch Geräusch schwach „ ” etwas stärker, bald schwächer ” „ ” PR Die Lage der Elektroden wird geändert kein Geräusch schwaches ,, Die Lage der Elektroden wird wieder geändert, das Geräusch wird stärker, aber bald schwächer. Geräusch deutlich, dann wieder schwächer Wechsel der Elektrodenstellung; das Geräusch wird stärker Wechsel der Elektrodenstellung; das Geräusch wird erheblich stärker, dann schwächer wiederholter Wechsel der Elektroden- stellung, das Geräusch nimmt jedesmal “nehr oder weniger zu, wird dann schwächer; schliesslich kein Geräusch mehr zu erzielen die Elektroden werden an die Nerven- wurzeln angelegt; nur schwaches Geräusch. Die Nerven werden auf die Elektroden gelegt Geräusch deutlich, verschw. allmählig ” „ ” „ ” „ ” ”„ „ bh} kein Geräusch. STOFFUMSATZ IM THÄTIGEN ELEKTRISCHEN ORGAN. 453 Controlorgan 67 8m, Reaction für 100 gm Alkalescenz Acidität blaues Lakmoid Cureuma Phenolphthalein 12-5 13-4 28.7 (34-0) Gereiztes Organ 68 8m. Reaction für 100 3” Alkalescenz Aecidität blaues Lakmoid Cureuma Phenolphthalein 14-1 10-6 24-7 (31-7) Versuch IV. 24. März 1892. Am 23. März waren die Nerven der einen Seite durchschnitten worden. Am 24. März. Dieselbe Anordnung wie in den vorhergehenden Ver- suchen. an sent im Telephon 9 Uhr 22 Min. 150 Geräusch schwach 230, 130 ee Mr 23—26 Min. 110 a n 26—28 7, 100 ee r 28—31 „ 90 5 stärker 31—33 „ 85 33—35 ,„ 80 35—37 „ 75 37-39 „ 70 39—42 „ 65 } Geräusch stärker, allmählig schwächer 42—45 „ 60 Ab—AT ,„ 55 4AT—49 „, 50 a 2 => Wechsel in der Stellung der Elektroden N ohne Einfluss, Geräusch stärker, all- u >> mählig schwächer 58—10 Uhr 1 Min. 30 10 Uhr 1-4 Min. 25 Nach Wechsel in der Stellung der Elektroden stärkere Geräusche 4—8 ,„ 20 Unregelmässige Geräusche; anfangs nach Wechsel der Elektroden stärkere Geräusche, dann keine mehr. Reizung der Nervenwurzeln innerhalb der Schädelkapsel. 10 Uhr 16—18 Min. 40 schwaches Geräusch, nach Einlegen der Eisenstäbe in die primäre Rolle starke Geräusche 18—22 „ 30 \ IR; a 25 | keine Geräusche. 454 F. RöHnmann: Reizung der elektrischen Nerven. ln and im Telephon 10 Uhr 38 Min. 100 kein Geräusch 38 —40 „, 90 schwaches $„, 4042 2) S0 „ „ 4A2—44 „, 70 stärkeres Geräusch, allmählig schwächer 44—46 ” 60 12) 2) ” „ 46—48 „, 50 unregelmässige Geräusche, weiterhin überhaupt keine mehr. Controlorgan 63 Em, z Reaction für 100 gm Alkalescenz Acidität blaues Lakmoid Curcuma Phenolphthalein 15.2 9-5 16-2 (21-8) Gereiztes Organ 68 E, Reaction für 100 gm Alkalescenz Acidität blaues Lakmoid Curcuma Phenolphthalein 18-2 6-1 9.7 (18-5) Wie sich aus diesen Versuchen ergiebt, gelang es durch Reizung vom Lobus electrieus aus durch das Telephon wahrnehmbare Entladungen des eirculationslosen elektrischen Organs zu erzielen. Unter allmähliger Steige- rung der Stromstärken wurde annähernd vollkommene Erschöpfung des Organs herbeigeführt, sodass Reizung vom Nerven aus nur noch einen geringen Erfolg hatte. Bei der Reizung zeigte sich beiläufig, dass bereits im Lobus electricus eine räumliche Vertheilung der Ganglienzellen ‚eine Localisation“ statt hat der Art, dass von bestimmten Stellen des Lobus electricus aus nur be- stimmte Theile des elektrischen Organs erregt werden können (s. Vers. II). Marcuse hatte gefunden, dass, wenn bei einem bestimmten Abstande der secundären Spirale von der primären die Entladungen aufgehört hatten für den prüfenden Finger fühlbar zu sein, es einer erheblich grösseren An- näherung der Rollen bedurfte, um neue wahrnehmbare Entladungen hervor- zurufen. Das Vorgehen bei der Reizung war also ein sprungweises. In meinen Versuchen, in denen ich viel schwächere, mit dem Finger nicht wahrnehmbare Entladungen erzeugte, war jedesmal nur ein geringes Ver- schieben der secundären Spirale erforderlich um die allmählig schwächer gewordenen Geräusche im Telephon wieder zu verstärken. Die Dauer der wirksamen Reizung zeigte bei diesen und den später mitzutheilenden Versuchen erhebliche Schwankungen, welche wohl theils von der Länge der Gefangenschaft, theils von der Energie, mit welcher STOFFUMSATZ IM THÄTIGEN ELEKTRISCHEN ORGAN. 455 sich die Thiere bei Beginn der Operationen durch Ertheilung von Schlägen gewehrt hatten, abhängig waren. Da an der dem Tage vorhergehenden Operation das Controlorgan durch Nervendurchschneidung ruhig gestellt worden war, konnten die spontanen Schläge des Organs nur so lange eine das Versuchsresultat beeinträchtigende Wirkung haben, als sie vor Heraus- nahme des Herzens erfolgten. Denn bis dahin war es möglich, dass etwaige bei der Thätigkeit entstehende Stoffwechselproducte noch vom Blut- strom fortgeführt wurden. Immerhin befanden sich das gereizte und nicht gereizte Organ in einem derartig verschiedenen Zustande, dass sich diese Verschiedenheiten, wenn es überhaupt möglich war, durch die chemische Untersuchung zu erkennen geben mussten. Das Resultat der Titrirung des Wasserextractes war nun ein höchst auffallendes. Es entsprach durchaus nicht den gehegten Erwartungen. Reaction von 100 E'% Organ. Versuch Alkalescenz Aeidität blaues Lakmoid Curuma Phenolphthalein I 11:9 | 17-3 31-3 (40-0) g. 16-7 | 12°1 23-2 (31-6) ID: 12-2 10-0 19-4 (29-4) 8: 15.2 8-6 16-9 (25-7) IH n. 12-5 13-4 28:7 (340) 8. 14-1 10-6 24-7 (81-7) v " 15-2 | 9-5 16-2 (21-8) g 18-2 6-1 9-7 (18°5) In keinem Fall nahm nach der Reizung die Acidität zu. Im Gegen- theil die Reaction des gereizten Organs war um ein Geringes stärker alkalisch. Es zeigte sich dies sowohl darin, dass die Alkalescenz für blaues Lakmoid zu-, wie darin, dass die Acidität für Curcuma abnahm. Diese Unterschiede in der Reaction sind, absolut genommen, nur sehr gering, noch geringer als sie in diesen Tabellen, in welchen sie, um einen Vergleich zu ermöglichen, auf 100 8"® Organe berechnet sind, erscheinen. Trotzdem halte ich dieselben der Berücksichtigung für werth und will eine Erklärung für sie zu geben versuchen. Bei derselben muss zunächst die Thatsache berücksichtigt werden, dass der Wasserextract des elektrischen Organs Harnstoff enthält, aus welchem sich auch beim vorsichtigen Emdampfen geringe Mengen von kohlensaurem Ammoniak durch Zersetzung bilden. Dieses kann als solches die Unter- schiede nicht bedingen, da wir später sehen werden, dass die Mengen des 456 F. RöÖHMANnN: Harnstofis im nicht gereizten und gereizten Organe die gleichen sind und bei der Herstellung der Extracte von beiden Organen in genau derselben Weise verfahren wurde. Machen wir aber nach der Analogie mit dem Muskel die Annahme, dass bei der Thätigkeit des elektrischen Organs eine Säure von der Affi- nität der Milchsäure entsteht, so wird sie kohlensaures Ammoniak zerlegen; es bildet sich milchsaures Ammoniak, während die Kohlensäure entweicht. Da milchsaures Ammoniak für Lakmoid alkalisch reagirt, so würde sich so die Zunahme der alkalischen Reaction für Lakmoid im Extract des ge- reizten Organs erklären. Auch die Unterschiede, welche bei der Titri- rung der Acidität die Werthe für Curcuma und Phenolphthalein zeigen, sprechen für die Anwesenheit einer dem milchsaurem Ammoniak ähnlichen Verbindung. Fügt man nämlich zu einer Lösung von Milchsäure einen Tropfen Phenolphthaleinlösung hinzu und versetzt dieselbe mit Ammoniak, bis sie sich schwach röthlich zu färben beginnt, so färbt ein Tropfen der- selben rothes Lakmoid stark und rothes Lakmus schwächer blau und bräunt gelbes Curcuma; um maximale Färbung des Phenolphthaleins zu erzielen, muss man aber noch mehr Ammoniak zur Lösung hinzufügen. Wenn man also eine saure, Ammoniak und Milchsäure enthaltende Flüssigkeit mit Natronlauge zu neutralisiren versucht, so wird sich, ähnlich wie dies bei der Neutralisirung obiger ÖOrganextracte der Fall ist, zuerst das Öurcumapapier braun, dann das Phenolphthalein schwach und erst weiterhin letzteres maximal färben. Unerklärt aber bliebe die Abnahme der Acidität für Curcuma und Phenolphthalein im Extract des gereizten Organs. Sie deutet vielleicht darauf hin, dass in den Wasserextract des gereizten Organs ein für diese Farbstoffe sauer reagirender eiweissartiger Körper nicht übertritt, der sich aus dem ungereizten Organe extrahiren lässt. — Diese Versuche konnten, obgleich sie eines gewissen Interesses nicht entbehren, doch durchaus nicht befriedieen. Es ergab sich die Aufgabe, die Versuche unter Bedingungen anzustellen, bei denen eine Zersetzung des Harnstoffs nicht in Betracht kommen konnte. ll. Reizung des elektrischen Organs nach intravasculärer In- jection von NSäurefuchsin. Vor einigen Jahren wurde von Dreser'! ein Versuch beschrieben, der in ausgezeichneter Weise geeignet ist die Säurebildung im thätigen ! Vergl. Gad und Exner’s Centralblatt für Physiologie. Bd.I (1887). S. 195. STOFFUMSATZ IM THÄTIGEN ELEKTRISCHEN ÜRGAN. 457 Muskel zu demonstriren. Dreser spritzt einem Frosche Säurefuchsin in relativ grosser Menge unter die Haut, so dass nach einiger Zeit der ganze Körper mit diesem Farbstoff beladen ist. Da das Säurefuchsin mit dem Alkali der Gewebssäfte eine farblose Verbindung bildet, zeigen die Gewebe, speciell die Muskeln keine oder höchstens nur eine schwache Rosafärbung. Die farblose Alkaliverbindung des Fuchsins lässt sich aber unter Wieder- erzeugung der Rothfärbung durch schwache Säuren, selbst Kohlensäure zerlegen. Diese Zerlegung bewirkt in Dreser’s Versuch die Säure, welche bei der Reizung im Muskel entsteht. „Reizt man nun nach Aufhebung der Circulation (um die Neutralisation der im thätigen Muskel sich bildenden Säure zu vermeiden) den N. ischiadieus einer Seite intermittirend tetanisch durch ein in den primären Stromkreis eines du Bois’schen Schlitten- apparates eingeschaltetes Metronom während 10—15 Minuten, so erfolgt eine lebhafte Röthung des gereizten Schenkels, welche auf Grund der chemischen Eigenschaften des Säurefuchsins ein Beweis für die Säure- bildung im thätigen Muskel ist.“ Ich versuchte in ähnlicher Weise Aufschluss über eine etwaige Säure- bildung des thätigen elektrischen Organs zu erhalten. Die subeutane In- jestion von Säurefuchsin schien mir jedoch bei der Torpedo wenig zweckmässig. Es war vorauszusehen, dass die Torpedo sich gegen die Injectionen durch Er- theilung von Schlägen wehren würde und zu befürchten, dass beide Organe vorzeitig ermüdeten. Ich verfuhr daher folgendermaassen. In einem ersten Versuche (Versuch V) wurde die Torpedo auf ein Brett aufgenagelt, das Herz freigelegt und eine mit Kautschukschlauch und Quetschhahn versehene, mit Iproec. Säurefuchsinlösung gefüllte Canüle in den Bulbus arteriosus eingebunden. . Mittelst des Gummischlauches wurde diese mit einer die gleiche Fuchsinlösung enthaltenden Bürette verbunden. Der Quetschhahn wurde geöffnet, es flossen etwa 20 °® Fuchsinlösung ein. Während der Injeetion treten allgemeine, doch nicht erhebliche Muskel- krämpfe auf. Die Torpedo färbt sich roth, die rothe Farbe verblasst nach einiger Zeit. Unmittelbar nach der Injection wurde die Schädeldecke ab- gehoben und die Durchschneidung der Wurzeln der elektrischen Nerven auf der einen Seite innerhalb der Schädelkapsel ausgeführt. In den folgenden Versuchen (Versuche VI, VII) wurden dieselben, um das Control- organ möglichst schnell ruhig zu stellen, vor der Fuchsininjection durch- schnitten. Nach der Durchschneidung der Nervenwurzeln wurde das Rückenmark unterhalb der Medulla oblongata quer durchtrennt und mit einem Draht zerstört. Es war dies nothwendig, wenn man nicht während der Reizung des elektrischen Organs, die zunächst vom Lobus electricus aus erfolgte, durch Muskelcontractionen des Rumpfes gestört sein wollte. 458 F. RöHmann: Versuch V. 27. März 1892. Reizung vom Lobus electricus aus. un a im Telephon 9 Uhr 42 Min. 200 kein Geräusch 43 ; 160 schwaches $„, 44—46 „, 150 46—48 „, 145 stärker, allmählig schwächer 48—50 140 H 2 e 50—51 „ 135 die Muskeln des Spritzloches u. Kiemen- korbes beginnen zu zucken 51—54 , 130 stärker, allmählig schwächer 94—56 „ 125 ”„ ” ” 56--58 ’ 120 ” „ ” frische Elemente, die secundäre Spirale wurde aus der Entfernung genähert 10 Uhr 1-—4 Min. 120 stärkere Geräusche als vorher 4—9 ,„, 115 9—12 „ 110 12227, 105 Aenderung in der Lage der Elektroden 22—26 „, 100 26—28 95 28—32 , 90 32—95 „ 85 35—42 „ 30 42—45 „ 70 45—47 „ 65 Aenderung in der Lage der Elektroden verstärkt die Geräusche 47—51 „ 65 Aenderung in der Lage der Elektroden verstärkt die Geräusche 51 60 Beim Wechsel der Lagerung der Elek- troden kein Geräusch, auch weiteres An- nähern der Rollen ohne Erfolg, ebenso- wenig Reizung von den Nerven aus. Auf der Seite, auf welcher intraeraniell die Nerven durchschnitten waren, haben auch die Muskeln des Spritzloches und Kiemenkorbes nicht gezuckt. letzteren deutlich röther sind. Ein Vergleich dieser mit denen der gereizten Seite zeigt, dass die Die Haut der elektrischen Organe wird abpraeparirt, die Substanz blass- rosa gefärbt, sie ist bei dem gereizten um ein Weniges stärker als bei dem nicht gereizten gefärbt, die Farbe haftet an den elektrischen Platten, die Räume zwischen den Säulen sind bei beiden ungefärbt. Der Unterschied in der Färbung tritt deutlicher beim Zerquetschen der Organe in gesättigter Kochsalzlösung hervor. STOFFUMSATZ IM THÄTIGEN ELEKTRISCHEN ÜREAN. 459 Versuch VI. 28. März 1892. Die Torpedo wird aufgenagelt, die Schädelkapsel abgehoben, die Nerven- wurzeln der einen Seite werden durchschnitten, das Rückenmark abgetrennt und zerstört und hierauf erst das Fuchsin injieirt. Reizung vom Lobus electricus aus. Rollenabstand in mm Geräusch im Telephon 9 Uhr 52 Min. 150 schwach 140 stärker, allmählig schwächer 130 10 Uhr 120 Muskeln beginnen zu zucken. 3a 110 Frisches Element 30—33 Min. 130 36-39, 120 393—41 „ 110 41—48 „ 100 wiederholt bewirkt Wechsel in der Stellung der Elektroden 48—51 „ 90 Verstärkung der Geräusche 51—54 80 54—58 „ 70 48—11 Uhr 2 Min. 60 11 Uhr 2—4 Min. 55 46 „ 50 Zunahme der Geräusche nur gering, bei Wechsel der Elektrodenstellung stärker 6—8 „ 50 Reizung der Nerven. 10 Uhr 23 Min. 80 schwache Geräusche 24—28 „, 70 stärkere ar 65 schwache = 28—31 ,„ 60 stärkere ” 31—32 „ 50 " n 32-33 „ 40 schwache Bi Der Unterschied in der Färbung des nicht gereizten und gereizten elektrischen Organs ist ein sehr deutlicher. Das gereizte Organ ist rosa gefärbt, das nicht gereizte ist unmittelbar nach dem Abpraepariren der Haut farblos; es nimmt allmählig einen rosafarbenen Schimmer an, bleibt aber schwächer gefärbt als das gereizte Organ. Die Muskeln des Kiemenkorbes und Spritzloches sind auf der gereizten Seite viel dunkler roth gefärbt, als auf der nicht gereizten, 460 F. Röumann: Viersuch VII. 2. April: 1892. Versuchsanordnung wie in Versuch VI. Reizung vom Lobus electrieus aus. Sulensnafand Geräusch im Telephon 9 Uhr 44 Min. 200 schwach (bei Rollenabstand 270 sind dieStröme auf der Zunge wahrnehmbar) 47 ,„ 190 schwach 140 5 48°, 130 5, Wechsel der Stromrichtung. 9 Uhr 52—54 Min. 160 stark, allmählig schwächer 54—56 ” 150 „ ” [2] 56—60 „, 140 H 5 2 107Uhr, 734, 135 5 5 5 Wechsel der Stromriehtung. 10 Uhr 7—12 Min. 140 schwach Wechsel der Stromrichtung. 10 Uhr 12—13 Min. 160 stark 13—14 „, 155 schwächer 14—16 „, 150 is 16 e; 140 stärker, bald schwächer Frisches Element. 10 Uhr 35 Min. 100 30—38 „ 95 | 38—40 „, 90 stärker, dann schwächer 40—42 „, 85 | 42—46 „, 30 44—58 „ 75 wiederholter Wechsel in der Stellung der Elektroden bewirkt Verstärkung der Geräusche Die Reizung vom Lobus electrieus aus wird abgebrochen, um nicht durch Stromschleifen die wenn auch abgetrennten Nerven der anderen Seite zu reizen. Reizung von den Nerven aus. 11 Uhr 8—11 Min. 150 ziemlich stark een. 120 N B 13—16 ” 80 ” ” 16—18 „, 75 3 A 18—20 „, 70 ir 60 Reizung unwirksam. Das nicht gereizte Organ ist nicht gefärbt, beim Absterben färbt es sich oberflächlich sehr wenig blassrosa; das gereizte Organ ist pfirsichblüthenroth. Der Unterschied in der Färbung der Muskeln des Kiemenkorbes und Spritzloches ist auch hier wieder sehr deutlich. STOFFUMSATZ IM THÄTIGEN ELEKTRISCHEN ÖRGAN. 461 Von jedem Organ wurden 29 8" mit 100 “M oesättigter Kochsalzlösung zerquetscht und bis zum folgenden Tage stehen gelassen. 50 m Kochsalzextractes vom nicht gereizten Organ gebrauchen zur Neutralisation für Curcuma 0-2 °m 1/, Normalnatronlauge, bis zur begin- nenden Rothfärbung von blauem Lakmoidpapier 4.0 “m !/ , Normalsalzsäure. 50 «m Kochsalzextract vom gereizten Organ gebrauchen zur Neutra- lisation für Curcuma 0.9 «m 1/, Normalnatroniauge, bis zur beginnenden Rothfärbung von blauem Lakmoidpapier 3.9 m 1/, Normalsalzsäure. In weiteren Versuchen wurde die Torpedo durch Zerstören von Ge- hirn und Rückenmark getödtet, einige Zeit (10 Minuten später) erfolgte die Injection der Fuchsinlösung, dann wurden die Nerven der einen Seite an ihrem Austritt aus der Schädelkapsel abgetrennt, in ihrer ganzen Aus- dehnung bis zum Organ hin freigelegt und nunmehr direct gereizt. Bei der Reizung bediente ich mich eines Elektrodenpaars, das ich mir aus zwei dünnen, 3—4°” langen Zinkstreifen gefertiet hatte, indem ich dieselben mit zwei, durch Siegellack in einer Glasröhre befestigten umsponnenen Kupferdrähten in starre Verbindung setzte. Das Elektrodenpaar wurde in einen Halter eingespannt und die Nerven zwischen die beiden Streifen des- selben gelegt. Die vier elektrischen Nerven wurden so durch intermittirende tetanische Ströme gleichzeitig gereizt. Versuch VIMN. 6. April 1892. Torpedo oculata. 31 °% lang, 18 “ breit, wird durch Zerstörung von Gehirn und Rückenmark getödtet. Nach 10 Minuten werden 12 “® 1 proc. Fuchsinlösung injieirt. Reizung der Nerven. a aateians (Geräusch im Telephon 9 Uhr 51 Min. 210 sehr schwach Dam, ISO stärker 10 Uhr 2—7 Min. 160 IS 155 13—17 „ 150 I , RO 20—27 ,„ 135 27—3l „ 130 r stärker, allmählig schwächer 36—40 „, 120 4A0—45 ,, 118 A5—A7 ,„ 110 AT—5l „ 105 51—55 „ 100 55—60 „ 95. 462 F. RÖHMANnN: Das nicht gereizte Organ ist blassrosa, das gereizte pfirsichblüthen. Die frische Schnittfläche erzeugt bei beiden auf rothem Lakmuspapier ein blaues Mosaik, das den Zwischenräumen zwischen den Säulen entspricht, die Färbung ist bei dem nicht gereizten Organ, besonders nach dem Ein- trocknen, etwas stärker. Die Substanz der elektrischen Platten reagirt bei dem gereizten Organ auf blaues Lakmuspapier schwach, aber deutlich sauer. Für Cureumapapier ist der Unterschied bei beiden nur sehr gering im Sinne einer stärkeren alkalischen Reaction des nicht gereizten Organs. Auf rothes Lakmoidpapier reagiren beide stark alkalisch. Von jedem Organ werden 53 #"" mit 100 °@ gesättigter Kochsalzlösung extrahirt. Beide Organe färben sich beim Zerschneiden stärker roth, der Unterschied der Extracte bleibt ein grosser. 50 °m des Kochsalzextractes vom nicht gereizten Organ erfordern zur Neutralisation für Cureuma 0-3 “m 1/ , Normalnatronlauge, für blaues Lak- moid 5-1 m 1/, Normalsalzsäure. 50 *m des Kochsalzextractes vom gereizten Organ erfordern zur Neu- tralisation für Cureuma 0.7 m !/. Normalnatronlauge, für blaues Lak- moid 4.6 “m !/ , Normalsalzsäure. Die Maximalfärbung beider Extracte nach Zusatz der Säure ist die gleiche. Versuch IX. 3. April 1892. Versuchsanordnung wie in Versuch VIII. Trotzdem die Torpedo grösser ist als im Versuch VIII, werden eben- falls nur 12 °® Fuchsinlösung injieirt. Reizung der Nerven. a Geräusch im Telephon 9 Uhr 55—58 Min. 130 schwach 58—10 Uhr 14 Min. 120 stärker 10 Uhr 14—17 Min. 110 en e un stärker, allmählig schwächer 29—50 „ 302 50—57 ,„ Pause 10 Uhr 57—11 Uhr 25 Min. 90 stark 11 Uhr 25—35 Min. 85 ns 35—52 „ 80—75 stark, 11 Uhr 40 Min. sind bei stärkeren Strömen die Schläge mit dem Finger deutlich wahrnehmbar 52—12 Uhr 20Min. 50 Das gereizte Organ ist nur wenig stärker gefärbt, als das nicht gereizte. Von jedem Organ werden 57 &'” mit 100 °”® gesättigter Kochsalzlösung extrahirt. Hierbei tritt der Unterschied in der Färbung deutlicher hervor. 50 *m des Kochsalzextraetes vom nicht gereizten Organ erfordern zur Neutralisation für Curcuma 0.2 “m !/, Normalnatronlauge, für blaues Lak- moid 6.7 «m 1/ , Normalsalzsäure. SITOFFUMSATZ IM THÄTIGEN ELEKTRISCHEN ORGAN. 403 50 °m des Kochsalzextractes vom gereizten Organ erfordern zur Neu- tralisation für Curcuma 0-55 “m !/,, Normalnatronlauge, für blaues Lak- moid 5.9 m 1/,, Normalsalzsäure. Wenn man, wie sich aus der Beschreibung der Versuche ergiebt, nach der Reizung, sei es, dass sie vom Lobus electricus oder den Nerven aus erfolgt war, bei einer solchen mit Fuchsin behandelten Torpedo die Haut, welche das elektrische Organ bedeckte, abpraeparirte, so sah man, dass das nicht gereizte Organ farblos oder nur ganz blass- rosa gefärbt war, während das gereizte Organ stets blassrosa, in an- deren Fällen noch etwas stärker, wie pfirsichblüthen, erschien. Dieser Farbenunterschied trat noch deutlicher an dem Kochsalzextract hervor, den man erhielt, wenn man gleiche Mengen der Organe mit gleichen Mengen einer gesättieten Kochsalzlösung zerquetschte. Eine genauere Betrachtung zeigte, dass die zwischen den Säulen des elektrischen Organs befindlichen Bindegewebsräume ungefärbt waren, dass also die Färbung ausschliesslich an der Substanz der elektrischen Platten haftete. Hierdurch ist mit Sicher- heit bewiesen, dass bei der Erzeugung der Elektricität innerhalb der elektrischen Platten Stoffveränderungen eintreten, welche zur Bildung einer geringen Menge von sauren Substanzen führen. Ich benutzte die Organe dieser Versuche, um dieses Resultat noch in anderer Form zu controliren. Zunächst prüfte ich in Versuch VIII die Schnittfläche der Organe in ihrem Verhalten zu rothem und blauem Lakmoidpapier, zu rothem und blauem Lakmus- und zu gelbem Curcumapapier. Das Ergebniss war in diesem und einigen später anzuführenden Versuchen das folgende: Blaues Lakmoid wurde weder vom nicht gereizten noch gereizten Organ verändert. Auf rothem Lakmoidpapier erzeugten die Schnittflächen noch deutlicher als auf rothem Lakmuspapier — genau wie dies Boll (s. 0. 5. 425) beschrieben hat — ein blaues Netz, welches die Reaction des zwischen den Säulen befindlichen Bindegewebes wiedergab; ein Unterschied in der Färbung war bei Lakmoidpapier nicht und bei Lakmuspapier nicht mit Sicherheit zu erkennen. Blaues Lakmuspapier wurde vom nicht ge- reizten Organ gar nicht oder nur schwach geröthet. In einigen Fällen schien diese geringe Röthung beim gereizten Organ etwas stärker zu sein, Auf gelbem Curcumapapier bewirkte das nicht gereizte Organ ähnlich wie auf rothem Lakmoidpapier ein blaues, so hier ein schwach braunes Mosaik, durch das gereizte blieb es unverändert. Es reagirte also auch hier das gereizte Organ im Sinne einer etwas stärkeren Acidität. Ich extrahirte ferner gleiche gewogene Mengen beider Organe mit ge- messenen Mengen gesättigter Kochsalzlösung. Die Organstücke wurden in 464 F. Rönmann: einem Theil der letzteren mit der Scheere zerkleinert, auf ein sauber aus- gekochtes Stück Gaze gebracht, in diese eingehüllt und in einer Reibschale mit neuen Portionen Kochsalzlösung zerquetscht, hierauf mit der Gaze in die vereinigten Kochsalzextracte geworfen und in denselben unter Um- schütteln bis zum nächsten Tage stehen gelassen, dann wurde die Flüssig- keit durch ein trockenes Faltenfilter filtrirt. Diese Kochsalzextracte zeigten den Unterschied in der Fuchsinfärbung stets noch deutlicher als die frischen Organe selbst. Ohne auf diese Färbung Rücksicht zn nehmen wurden gleiche Mengen der Extracte mit }/,, Normalnatronlauge unter Anwendung von Curcuma- papier und mit !/,, Normalschwefelsäure unter Anwendung von blauem Lakmoidpapier titrirt. Ausnahmslos war die Acidität des Kochsalzextractes vom gereizten Organ für Curcuma grösser und die Alkalescenz für blaues Lakmoid geringer als bei dem nicht gereizten Organe, ein weiterer Beweis für die mit der Thätigkeit verbundene Säurebildune. Die Zahlen aber zeigen in Uebereinstimmung mit der Geringfügigkeit im Unterschied der Fuchsinfärbung, dass die Menge der gebildeten Säure nur eine sehr ge- ringe war. III. Reaction des Kochsalzextractes nach Reizung von den Nerven aus. Obgleich der geringe Fuchsingehalt bei der Titrirung des Kochsalz- extractes nicht merklich störte, schien es doch angezeigt, die Prüfung des Kochsalzextractes auch ohne vorangegangene Fuchsininjection vorzunehmen. Dies geschah in dem folgenden an einer ziemlich grossen Torpedo ange- stellten Versuche. Versuch X. 10. April 1892. Torpedo oculata 44 ““ lang, 25 °® breit, wird durch Zerstören von Gehirn und Rückenmark getödtet. Herz herausgeschnitten. Reizung der Nerven. a im Telephon 10 Uhr 35—37 Min. 150 39—41l ,„ 128 41—43 „, 125 43—49 „ 121, Geräusch deutlich, allmählig schwächer 49 —11 Uhr 2Min. 110 11 Uhr 2—8 Min. 100 8—20 „ 95 STOFFUMSATZ IM TiIÄTIGEN ELEKTRISCHEN ORGAN. 465 u eng im Telephon 11 Uhr 20—27 ,„ 90 27 —34 „ 35 34—42 Min. s0 42—12 Uhr 2 Min. 75, Geräusch deutlich, allmählig schwächer 12 Uhr 2—18 Min. 70 18—24 ,„ 65 24—52 „ 60 32—36 ,, 50 Geräusch sehr schwach Durchschneidung der Nerven bewirkt kein Geräusch mehr im Telephon. Auf Curcuma reagirt das nicht gereizte Organ sehr schwach alkalisch, das gereizte schwach sauer; auf blauem Lakmuspapier erzeugt das gereizte Organ nur einen sehr schwach rothen Fleck. Die Schnittfläche des gereizten sowie des nicht gereizten Organs erzeugt auf rothem Lakmoidpapier ein blaues Netz, welches der Reaction des zwischen den elektrischen Säulen befindlichen Gewebes entspricht. Von jedem Organ werden 104 8'" zerkleinert und mit 100 °" gesät- tigter Kochsalzlösung extrahirt. (Zu 100 °® der Kochsalzlösung müssen 0.3 m 1/ , Normalnatronlauge hinzugefügt werden, damit ein Tropfen der- selben auf Curcumapapier eine schwache Braunfärbung erzeugt). 50 °® des Kochsalzextraetes vom nicht gereizten Organ reagiren auf Cureuma undeutlich, nach Zusatz von 0.2 «m 1/ Normalnatronlauge deut- £ z ? 10 > lieh alkalisch. 50 °m des Kochsalzextractes vom gereizten Organ erfordern zur Neu- tralisation für Curcuma 0-75 °m 1/, Normalnatronlauge. Die Prüfung der Schnittflächen der frischen Organe mit Lakmoid-, Lakmus- und Curcumapapier, ebenso wie die Titrirung unter Anwendung von Curcumapapier ergaben dasselbe Resultat, wie die früheren Versuche. ‘Da die Titrirung zeigte, dass der Kochsalzextract des gereizten Organs saurer reagirte, so musste sich dieser Unterschied auch demonstriren lassen, wenn man zu den Extracten eine Lösung von einem als Indicator verwend- baren Farbstoffe hinzu setzte Eine Lakmustinctur zu benutzen wäre viel- leicht das Nächstliegendste gewesen; sie stand mir nicbt zur Verfügung, wäre auch nach dem, was oben über Lakmus gesagt wurde, nicht einmal besonders geeignet gewesen. Das Säurefuchsin hatte nach intravasculärer Injection gute Dienste geleistet. Es wurden deswegen auch die Kochsalz- extracte mit Säurefuchsin und zwar gleiche Mengen beider Extracte mit denselben Mengen einer verdünnten Säurefuchsinlösung geprüft: der Extraet des gereizten Organs färbte sich, wie zu erwarten war, stärker roth, als der des nicht gereizten. Es wurde ferner in entsprechender Weise untersucht, mit Flavanilin- sulfosäure und Alizarin. Beide Farbstoffe waren mir von den Höchster Archiv £. A. u. Ph. 1893. Physiol. Abthlg, 30 466 F. RöHmann: Farbwerken gütigst zur Verfügung gestellt worden. Zur Herstellung der Alizarinlösung wurde !/,.. Normalnatronlauge mit Alizarin in Ueberschuss versetzt und filtrirt. Der mit Flavanilinsulfosäure versetzte Extract färbte sich beim ge- reizten Organ stärker gelb, als der nicht gereizte; nach Zusatz von Alizarin- natrium färbte sich der Extract des gereizten Organs gelb, der des nicht gereizten braun. Auch dieses Verhalten des Kochsalzextractes beweist, dass das elektri- sche Organ bei der Thätigkeit eine geringe Menge von Säure bildet. IV. Reaction des elektrischen Organs nach Strychninisirung der Torpedo. Boll und Marcuse hatten bereits, wie oben erwähnt, die Reaction von elektrischen Organen geprüft, welche nach vorheriger Vergiftung der Torpedo mit Strychnin reflectorisch zum Schlagen gebracht worden waren. Das Ergebniss ihrer Prüfungen war ein negatives gewesen. Gereiztes und nicht gereiztes Organ reagirten alkalisch, einen Unterschied beider hatten sie nicht gefunden. Nach den in den beiden vorhergehenden Abschnitten be- schriebenen Versuchen war zu erwarten, dass sich auch nach der Strych- ninisirung Unterschiede in der Reaction des nicht gereizten und gereizten Organs finden würden, wenn man auch hier die Reactionsprüfung in der geschilderten Weise am Kochsalzextract vornehmen würde. Eine Wieder- holung der Strychninversuche erschien mir wünschenswerth, weil bei ihnen die Ermüdung des Organs in anderer Weise als bei den oben geschilderten Versuchen mit elektrischer Reizung herbeigeführt wird. Bei der electrischen Reizung sowohl vom Lobus electricus wie von den Nerven aus war das elektrische Organ durch möglichst schwache, über lange Zeit ausgedehnte Reizung nur ganz allmählig ermüdet worden, bei der reflectorischen Reizung nach Strychninisirung tritt dagegen die Er- schöpfung unter sehr energischen Entladungen schnell ein. Es war des- wegen nicht im voraus zu sagen, ob das Verhalten der Reaction zum mindesten in Bezug auf ihre Stärke dasselbe wie in den früheren Ver- suchen sein würde. Zur Ruhigstellung des Vergleichsorgans wurden auch hier an dem einen Tage die elektrischen Nerven der einen Seite durchschnitten, an dem folgenden Tage wurde die 1°/,, Lösung von Strychninum nitrieum unter die Haut gespritzt. In den ersten Versuchen, in denen mir die zur Vergiftung: erforderliche Dosis noch nicht genügend bekannt war und die Vergiftung zu langsam einzutreten schien, wurde nachträglich eine gewisse STOFFUMSATZ IM THÄTIGEN ELEKTRISCHEN ÜRGAN. 467 Menge der Strychninlösung in das Wasser, in welchem sich die Torpedo befand, gegossen. Die Torpedo schwamm nach der Injection anfangs unruhig umher, schlug heftig mit dem Schwanz, legte sich dann ruhig hin, nach Berühren der Haut schwamm sie wieder, schliesslich trat bei Klopfen an das Ge- fäss, in welchem sich die Torpedo befand, Zucken der Muskeln ein. Zu- gleich wurde, wie mir schien, die Färbung der Haut etwas blasser und bei Torpedo oculata die Farbe der Flecken dunkler. Sobald die Reflexerregbarkeit deutlich erhöht war, wurde die Torpedo, von einem Gehilfen festgehalten, auf den Rücken gelegt und das Herz herausgeschnitten. Dass hierbei sehr starke Krämpfe der Musculatur und Entladungen des elektrischen Organs auf der unverletzten Seite eintraten, war selbstverständlich. Nunmehr wurde das Controlorgan herausgeschnitten und das andere Organ auf die durch Korkfüsse isolirte Glasplatte und zwischen die mit dem Telephon verbundenen Zinkplatten ‘gelegt. Bei leisem Klopfen auf den Tisch war im Telephon ein deutliches Knacken zu hören, ohne dass gleichzeitig die Muskeln mit in Krämpfe geriethen. Bei stärkerem Klopfen entstanden tetanische Contractionen der Muskeln und das Geräusch im Telephon wurde so stark, dass man es mehrere Fuss vom Telephon ent- fernt hören konnte, ein Anlegen des Ohres also unnöthig war. Nachdem eine Anzahl von Entladungen erfolgt war, liessen sich die- selben durch Klopfen auf den Tisch nicht mehr hervorrufen, wohl aber durch Klopfen der Schwanz- und Brustflossen. Hierbei fiel es mir ge- legentlich auf, dass die Schläge, als sie von der Brustflosse der intacten Seite nicht mehr zu erhalten waren, von der entgegengesetzten Seite, d. h. von der Seite des abgeschnittenen Controlorgans aus erhalten werden konnten. In anderen Fällen beobachtete ich, dass, wenn die Reizung des schwanzwärts gelegenen Theils der Seitenflosse unwirksam geworden war, Klopfen des kopfwärts gelegenen Theils Entladungen hervorrief. War Reizung der Flossen ohne Wirkung, so traten Entladungen noch beim Klopfen auf den Schädel ein. Wenn durch Klopfen auf den Schädel das elektrische Organ soweit ermüdet war, dass keine Entladungen mehr erfolgten, so traten sie auf, wenn nach einer Pause wieder gereizt wurde. Sie verschwanden bald und liessen sich noch nach einer zweiten Pause, wenn auch nur vorübergehend, noch einmal hervorrufen. War dann so das elektrische Organ für reflecto- rische keize unerregbar geworden, so konnte man noch durch Reizung der Nerven während kurzer Zeit schwache Entladungen auslösen. 30* 468 F. Rönmann: Die Anzahl der durch reflectorische Reizung erhaltenen Schläge war eine sehr erhebliche, ich zählte gelegentlich mehr als 200. Ein so ermüdetes Organ zeigte in Bezug auf seine Reaction dasselbe Verhalten im Vergleich zu dem nicht gereizten, wie ich es in dem Ver- such X beschrieben habe. Es machte also keinen nachweisbaren Unterschied, ob die Erschöpfung des elektrischen Organs durch elektrische Reizung des Lobus electricus bezw. der Nerven oder auf reflectorischem Wege nach Strychninisirung herbei- geführt worden war. Versuch XI. 16. April 1892. Einer grossen Torpedo werden am 15. April die elektrischen Nerven der einen Seite leider nicht vollkommen durchschnitten. Am 16. April werden derselben 0:5 "sm Strychninum nitr. unter die Haut gespritzt. Bereits nach 10 Minuten ist die Reflexerregbarkeit erhöht. Nachdem sich dieselbe noch gesteigert hatte, wurde durch einen Schnitt zwischen Kiemen- korb und elektrischem Organ das Organ, dessen Nerven nicht völlig durch- schnitten waren, ruhig gestellt. Hierauf wurde das Herz herausgeschnitten. Durch Klopfen auf den Tisch wurden starke Schläge des elektrischen Organs ausgelöst, dieselben wurden schwächer, und hörten allmählig ganz auf. Nach einer Pause liessen sich vorübergehend wieder einige schwächere Schläge auslösen, nach einer zweiten Pause noch einmal eine Anzahl derselben. Stücke der frischen Organe erzeugten auf rothem Lakmoidpapier ein blaues Netz, dessen Zwischenräume vollkommen unverändert blieben; ein Unterschied zwischen den beiden Organen war nicht wahrnehmbar. Auf Curcumapapier erzeugte das Controlorgan ein braunes Netz, das gereizte wirkt auf Curcuma nicht ein; das erstere reagirte also schwach alkalisch, das letztere reagirte nicht alkalisch. Rothes Lakmuspapier wurde von beiden Organen blau gefärbt, ein Unterschid war nicht deutlich wahrnehmbar, vielleicht war die Färbung beim gereizten etwas schwächer. Blaues Lakmuspapier wurde von dem gereizten Organ sehr schwach geröthet. Die Muskeln der gereizten Seite färbten rothes Lakmoidpapier blau und erzeugten auf blauem Lakmuspapier einen starken rothen Fleck. Von jedem Organ wurden 79 &"" mit 100 “® gesättigter Kochsalzlösung extrahirt. 50 es Kochsalzextractes des Vergleichsorgans erforderten zur - 50 “® des Kochsalzextractes des Vergleichsorgans erforderten zur Neu tralisation für Curcuma 0.2 °® !/, Normalnatronlauge, für blaues Lak- moid 5.9 » 1/ , Normalschwefelsäure. 50 °® des Kochsalzextractes vom gereizten Organ erforderten zur Neu- tralisation für Cureuma 0.75 ° m 1/ , Normalnatronlauge, für blaues Lak- moid 5-15 «m len, Normalschwefelsäure. STOFFUMSATZ IM THÄTIGEN RELEKTRISCHEN ÖÜRGAN. 469 Von jedem Organ wurden je 10 °” mit gleichen Mengen Fuchsin-, Flavanilinsulfosäure- und Alizarinnatriumlösung versetzt. Die Unterschiede in der Färbung sind deutlich, besonders beim Alizarinnatrium. Versuch XI. 26. September 1892. Am 25. September werden einer kleinen Torpedo auf der einen Seite die elektrischen Nerven durchschnitten. Am 26. September erhält dieselbe um 10 Uhr 5 Min. subeutan 3 m einer 0-1 proc. Strychninlösung. Um 10 Uhr 20 Min. beginnt die erhöhte Reflexerregbarkeit; da dieselbe nur langsam zunimmt, wird Strychninlösung in das Wasser gegossen. 10 Uhr 40 Min. wird das Herz herausgeschnitten, dann das Oontrolorgan. Durch Klopfen auf den Tisch, dann auf die Flossen, werden mehr als 200 anfangs starke, allmählig schwächere, schliesslich keine Schläge aus- gelöst. Nach einer Pause werden wieder Schläge erhalten. Als durch Reizung der Seite des Organs keine Schläge mehr erzielt werden, gelingt dies durch Klopfen und Kneifen der Flossen der anderen Seite. Bei Reizung der Nerven werden noch deutliche Entladungen erzielt. Nach Beendigung der Reizung werden annähernd gleiche Mengen beider Organe und zwar 26 ®'® vom Controlorgan und 24.5 ®"” vom gereizten mit 50 °M gesättigter Kochsalzlösung extrahirt. Gleiche Theile des Extractes werden mit dem gleichen Volumen einer Alizarinnatriumlösung (!/,oo Normalnatronlauge mit Alizarin gesättigt) versetzt. Der Extraet des Controlorgans färbt sich blauroth, der des gereizten gelbroth. Versuch XIII. 28. September 1892. Ebenfalls an einer kleinen Torpedo in derselben Weise wie der vor- hergehende angestellt. Die erhöhte Reflexerregbarkeit tritt nach 40 Minuten ein. Herz heraus- geschnitten, dann das Controlorgan. Durch Klopfen auf den Tisch werden eine grosse Anzahl ziemlich kräf- tiger Schläge ausgelöst. Die Intensität derselben nimmt allmählig ab. Als das Klopfen auf den Tisch unwirksam wird, lassen sich durch Klopfen auf die Flosse Entladungen hervorrufen. Es zeigt sich hierbei, dass wenn von bestimmten Stellen der Reflex nicht mehr ausgelöst wird, er sich von anderen noch auslösen lässt. Nach Wirksamwerden der reflectorischen Reizung lassen sich noch während 10 Minuten durch Reizung der Nerven Geräusche im Telephon erzeugen. Vom Controlorgan werden 31, vom gereizten 30 8% mit 50 °m gesät- tigter Kochsalzlösung extrahirt. Der Extract des Controlorgans ist eine Spur blutreicher, er färbt sich mit Alizarinnatrium blauroth, der des gereizten gelbroth. 470 F. Röunmann: V. Ueber den Harnstoffgehalt des nicht gereizten und gereizten elektrischen Organs. Die bisher geschilderten Versuche hatten ergeben, dass mit der Thätig- keit des elektrischen Organs die Bildung einer Säure verbunden ist; die Menge derselben war aber eine so geringe, dass man sich die Frage vor- legen musste, ob nicht neben dieser sauren Substanz gleichzeitig eine organische Base entstände, welche die gebildete Säure neutralisirte, oder ob nicht Substanzen von neutralem Charakter erzeugt oder zerstört wurden. Hierzu wäre zunächst zu bemerken, dass sich die Entstehung einer organischen Base bereits bei der Titrirung hätte zeigen müssen. Die Salze der organischen Basen können nur für Curcuma oder Phenolphthalein neutral reagiren, sie reagiren aber für Lakmoid alkalisch. Hätte sich bei der Thätigkeit des elektrischen Organs eine Base gebildet, so hätte bei der Titrirung des Kochsalzextractes mit Salzsäure und blauem Lakmoidpapier die Menge der zur Neutralisation erforderlichen Säure zunehmen müssen. Das Entgegengesetzte war aber der Fall, sie nahm ak. Ein weiterer Beweis gegen die Entstehung einer Base liegt in den Versuchen von W. Marcuse. Die organischen Basen sind stickstoffhaltig und in Alkohol löslich. Nach den Versuchen Marcuse’s ist die Menge des Stickstoffs im Alkohol- extract des nicht gereizten und gereizten Organs die gleiche. Nun ist aber im Alkoholextract ein neutral reagirender Körper, Harn- stoff, enthalten. Aus diesem könnte unter Abnahme des Harnstoffs ein anderer stickstoffhaltiger Körper entstehen; es könnte aber auch aus den nicht Harnstoff seienden Körpern Harnstoff sich bilden. In dem einen, wie in dem anderen Falle müsste sich das Verhältniss zwischen Harnstoff und Gesammtstickstoff im Alkoholextract ändern. Auch dies triffl nach den Versuchen Marcuse’s nicht zu. Den Gesammtstickstoff bestimmte er nach Kjeldahl, den Harnstoff nach Bunsen-Salkowski. Er fand: Harnstoff in Procent des frischen Verhältniss des Gesammtstickstoffs zum Vers. Organs Harnstoffstickstoff im Alkoholextract nicht gereizt | gereizt | nicht gereizt | gereizt X 1:96 1-98 1:42 i 1-47 xI 1:79 1:73 1:32 1-32 Den Angaben Marcuse’s gegenüber stehen aber neuere Versuche von Gr&hant und Jolyet.! Diese Forscher geben an, dass die elektrische ‘ Formation de l’uree par la decharge electrique de la torpille.. Compt. rend. de la societE de Biologie [9] III. (1891). Nr. 28. p. 687. STOFFUMSATZ IM THÄTIGEN ELEKTRISCHEN ÜRGAN. 471 Entladung die Harnstoffproduction im elektrischen Organ von Torpedo um das Zwei- bis Dreifache steigere. Ich habe deswegen selbst noch einige Versuche zur Bestimmung des Harnstoffs im elektrischen Organ angestellt. Die Reizung des Organs erfolgte in Versuch XIV und XV von den Nerven aus, im Versuch XVI nach Vergiftung mit Strychnin auf reflecto- rischem Wege. Das gereizte, sowie das Controlorgan wurden nach dem Ab- ziehen der Haut gewogen, mit der Scheere grob zerkleinert und in die vierfache Menge vorher erwärmten, etwa 90°/, Alkohols geworfen. Der Alkohol wurde abgegossen. Die Organstücke wurden in einer Reibschale mit Glasstücken zerrieben und im abgegossenen Alkohol bis zum Sieden des letzteren erhitzt. Meist erst nach mehrstündigem Stehen wurde der Alkohol abfiltrirt. Die Organrückstände wurden wiederholt im Wasserbade mit siedendem Alkohol extrahirt. Die vereinigten Alkoholextracte wurden eingeengt, mit Wasser versetzt und durch Abdampfen bei gelinder Tempe- ratur von Alkohol befreit. Die wässerige Flüssigkeit wurde mit Aether wiederholt ausgeschüttelt. (Auf die Aetherextracte wird später eingegangen werden.) Hierauf wurde der Aether aus der wässerigen Flüssigkeit verjagt und diese mit Wasser soweit verdünnt, dass ihr Volumen in Cubikcenti- metern etwa doppelt so gross war, als die Anzahl Gramme, welche das Organ gewogen hatte. Die Bestimmung des Harnstoffs wurde nach Hüf- ner! ausgeführt. Es erwies sich als durchaus nothwendig, die völlige Entwickelung des Stickstoffs abzuwarten, d. h. die Messung des Stickstoll- gases nicht früher als zwei Stunden nach dem Zusatz der Bromlauge vor- zunehmen. Versuch XIV. 24. September 1892. Torpedo durch Zerstören von Gehirn und Rückenmark getödtet. Herz herausgeschnitten. Reizung von den Nerven aus. Rollenabstand Geräusch im Telephon nann 1 Uhr 30 Min. 105 deutlich, bald verschwindend 3l „ 100 „ „ „ 32—34 Min. 95 stärker, allmählig schwächer 34139 ,„ 85 etwas stärker. Nach Wechsel der Stromrichtung viel stärker, allmählig schwächer IE, n > stärker, allmählig schwächer 51—58 „ Pause, nach derselben \Siehe Salkowski-Leube, Zehre vom Harn. Berlin 1882, 8. 51. AT2 F. RöHMmAnN: Rollenabstand a im Telephon 1 Uhr 58—59 $„, IB) nicht stärker 59—2 Uhr 1 Min. 70 wenig stärker, allmählig Null 2 Uhr 1—9 ‚Min. 65 erheblich ,, 5; 7 IzZl0EE 60 wenig stärker 10—-12 „ Pause 12—20 ,„ 70 stark, allmählig Null 20 n 95 wenig stärker 20—26 ,„ Pause Wechsel der Stromriehtung 26-29 , stärker 23 38, 60 stark, allmählig Null 39 ep 60 Wechsel der Stromrichtung wirkungs- los, ebenso weiteres Annähern der Rollen Einzelreizung der Nerven. Vierter Nerv von oben 60 ganz schwach, bald Null Dritter „, 90 sehr schwach 2 Uhr 46—49 Min. 70 stark 49 —54 „ 65 wenig stärker Zweiter „ 2 Uhr 56-59 „ 80 deutlich, allmählig schwächer 59—3 Uhr 5 Min. 75 stark, > R 3 Uhr 5—8 Min. 70 stärker, allmählig Null Erster -, 3. Uhr21O 4 70 schwach 11 „ 60 „ Controlorgan 60 2m, Aetherextract 0.5370 8” = 0.895 Procent des Organs Harnstoff 119 „ ” ” Gereiztes Organ 60 8m, Aetherextract 0-5480 E" = 0.913 Procent des Organs Harnstoff 1.78 ? ” Von der mit Aether geschüttelten Flüssigkeit (s. o.), in welcher die Harnstoffbestimmung ausgeführt wurde, werden je 50 °“® mit 1 °”® Alizarin- natriumlösung (!/,,, Normalnatronlauge mit Alizarin gesättigt) versetzt. Der Extract des Controlorgans färbt sich blauroth, der des gereizten Organs gelbroth. Aus dem Aetherextraet wird beim Verseifen mit metallischem Natrium keine Phosphorsäure abgespalten. Versuch XV. 21. September 1892. Torpedo oculata, frisch gefangen, 2 Tage im Bassin. Durch Zerstören von Gehirn und Rückenmark getödtet, Herz herausgeschnitten. Reizung von den Nerven aus. Controlorgan 50 #"”, Gereiztes Organ 52 FR”, STOFFUMSATZ IM THÄTIGEN ELEKTRISCHEN ORGAN. 4753 Jedes derselben wird in 200 em heissen Alkohols gebracht und mit Alkohol völlig extrahirt. Der Alkoholextraet wird nach Verjagen des Alko- hols mit Aether geschüttelt, die mit Aether ausgeschüttelte Flüssigkeit wird durch Abdampfen von Aether befreit, auf ein bestimmtes Volumen aufge- füllt und in demselben der Harnstoff nach Hüfner bestimmt. Controlorgan: Aetherextraet 0-5310 8% = 1.06 Procent des Organs Harnstoff IK 165,, „ „ Gereiztes Organ: Aetherextraet 0.5288 5m = 1-01 Procent des Organs Harnstoff 1-51 „ „ „ Versuch XVI. 30. September 1892. Am 29. September werden einer mittelgrossen Torpedo die Nerven durehschnitten. Am 30. September erhält sie um 9 Uhr 15 Min. 5 °® 1°/,, Strychnin- lösung, um 9 Uhr 30 Min. noch weitere 5 “®, um 9 Uhr 50 Min. beginnt die erhöhte Reflexerregbarkeit. Um 10 Uhr 15 Min. wird das Herz heraus- geschnitten. Hierbei treten wie immer starke Krämpfe der Gesammtmuseu- latur und starke Entladungen des Organs auf der intacten Seite ein. Sofort wird das Controlorgan herausgeschnitten. Durch leises Berühren des Tisches werden Entladungen des elektrischen Organs hervorgerufen, durch stärkeres Klopfen gleichzeitig auch tetanische Contractionen der Museulatur. Durch Klopfen auf den Schädel wird völlige Erschöpfung des Organs herbeigeführt. Controlorgan 43 Em, Aetherextract 0.4402 8m = 1-02 Procent des Organs. Beim Schmelzen mit Soda und Salpetersäure liefert es Phosphorsäure 0.0306 S” Mg8,P,0, = 0-076 Procent des Organs. Der Alkoholextract enthält nach Verdunsten des Alkohols und dem Schütteln mit Aether 0.815 E® Harnstoff = 1-89 Procent des Organs. Er erfordert zur Neutralisation für Curcuma 1-35 “m !/, Normal- natronlauge; er färbt sich mit Alizarinnatrium blauroth. Gereiztes Organ 42.5 5m, Aetherextraect 0.4140 ?m = 0-97 Procent des Organs derselbe liefert beim Schmelzen mit Soda und Salpeter Phosphorsäure 0-0294 E'" Ms,P,O, = 0-069 Procent des Organs. Alkoholextract enthält nach dem Verdunsten des Alkohols und dem Schütteln mit Aether 0.805 #'" Harnstoff = 1-80 Procent des Organs. Er erfordert zur Neutralisation für Curcuma 2.4 °m !/ , Normalnatron- lauge, er färbt sich mit Alizarinnatrium gelbroth. 474 F, RÖHMARNN: Das Resultat dieser Versuche war: Harnstoffgehalt in Procenten des frischen Organs nicht gereiztes gereiztes Organ 1-46 1-51 kon) 1.78 1:89 1’80 Ein Unterschied im Harnstoffgehalt des gereizten und nicht gereizten Organs ist nicht vorhanden. Die Angaben von Grehant und Jolyet halte ich nicht für richtig. VI. Ueber den Aetherextract des nicht gereizten und gereizten elektrischen Organs. Zu denjenigen Stoffen des elektrischen Organs, deren Menge sich bei der Reizung ändern könnte, ohne dass sich die Aenderung in einer Ver- schiebung der Reaction zu erkennen geben brauchte, gehört das Fett, das Cholestearin und dem Lecithin ähnliche Körper. Diese Substanzen waren ge- gebenen Falls in dem Aether enthalten, mit welchem der Alkoholextract vor der Bestimmung des Harnstoffs ausgeschüttelt worden war. Der Aether wurde deswegen in den bereits beschriebenen Versuchen XIV und XV verdunstet und der Aetherrückstand gewogen; ausserdem wurden aber zur Gewinnung des Aetherextractes noch die folgenden Ver- suche angestellt. Versuch XVN. 14. September 1892. Torpedo durch Zerstören von Gehirn und Rückenmark getödtet. Das eine Organ wird abgeschnitten und sofort verarbeitet; das andere wird von den Nerven aus gereizt. Dauer der Reizung 2!/, Stunde. Controlorgan 84 Em, Aetherextraet 1.0184 8” = 1.19 Procent des frischen Organs. Gereiztes Organ 88 gm, Aetherextraet 1.0312 8” = 1.17 Procent des frischen Organs. Versuch XVII. 12. September 1892. Versuehsanordnung dieselbe wie in Versuch XVII. Controlorgan 55 gm, Aetherextract 0-4574 em = 0.83 Procent des frischen Organs. Gereiztes Organ 56 em, Aetherextract 0-4628 em = 0.82 Procent des frischen Organs. STOFFUMSATZ IM THÄTIGEN ELEKTRISCHEN ÜRGAN. 475 Versuch XIX. 4. October 1892. Grosse Torpedo. Sofort nach der Herausnahme aus dem grossen Bassin des Aquariums getödtet. Herz herausgeschnitten. Nerven praeparirt, Control- organ herausgeschnitten, gewogen und in Alkohol gebracht. Reizung der vier elektrischen Nerven gleichzeitig. nenn Geräusch im Telephon 10 Uhr 19 Min. 175 vorübergehend schwach 200 145 deutlich 21—23 Min. 135 ziemlich kräftig 23—25 ,„ 130 stärker, nicht fühlbar 25—26 „ 120 | r I stärker, allmählig schwächer 35—38 ,„ 100 38—42 Pause Aenderung der Stromrichtung ohne Einfluss 42—45 „ 100 allmählig schwächer 45—46 „ 95 stärker, allmählig schwächer 46—48 ” 90 „ ” 49 % 80 stärker Reizung der einzelnen Nerven. Erster Nerv 10 Uhr 50— 53 Min. 110 vorübergehend deutlich 5391 , 1) 57—59 „ 85 59__11 Uhr 2Min. 80 stark, allmählig schwächer 11 Uhr 2—11 Min. 75 | Zweiter „ 11 Uhr 15 Min. 90 sehr schwach 1625 85 deutlich 17—38 Min. 80 stark, zeitweise sehr stark, schliesslich verschwindend Dritter „ 11 Uhr 40 Min. 145 schwach 130 wenig stärker ee r ns stark, allmählig schwächer Vierter „ 11 Uhr 54—- 12Uhr 1Min. 85 ziemlich stark, bald verschwindend. Controlorgan 116 gm, Aetherextraet 1.0822 8% = 0.933 Procent des Organs derselbe liefert beim Schmelzen mit Soda und Salpeter Phosphorsäure 0.0890 Mg, P,O, = 0-077 Procent des Organs. Gereiztes Organ 117 3", Aetherextraet 1-0858 5m — 0.928 Procent des Organs derselbe liefert beim Schmelzen mit Soda und Salpeter Phosphorsäure 0.0876 gm Mg,P,O, = 0.076 Procent des Organs, 476 F. Rönmann: Es ergab sich: Gewicht des Aetherextractes in Procenten des frischen Organs Versuch nicht gereizt gereizt XIV 0.395 0-913 XV 1-06 1-01 XVI 1.02 0-97 XVII 1.19 1-17 XV 0.83 0.82 XIX 0.933 0-928 Im Mittel 0-98 0-96 Das heisst: Die Menge der in Aether löslichen Bestandtheile ist im gereizten und nicht gereizten elektrischen Organe die gleiche. Der von mehreren Versuchen gesammelte Aetherextract wurde nach der Methode von Kossel-Obermüller in alkoholisch-aetherischer Lösung durch Zusatz von metallischem Natrium verseift. Die Lösung wurde eingedampft, der Rückstand mit Wasser versetzt mit Salzsäure angesäuert und mit Aether geschüttelt. Der Aether wurde zum grössten Theil abdestillirt und die aetherische Lösung mit Alkohol versetzt. Aus dem Gemisch von Alkohol und Aether schied sich beim spontanen Verdunsten Cholestearin aus, welches sich nach dem Umkrystallisiren leicht durch die Form seiner Kry- stalle und deren Verhalten zu Jod und Schwefelsäure und seinen Schmelz- punkt (145°) charakterisiren liess. Das Filtrat des Cholestearins enthielt die Fettsäuren, die in überwiegender Menge ein in Aether lösliches Bleisalz lieferten. Die saure Reaction der mit Aether geschüttelten Lösung wurde abgestumpft, die Flüssigkeit eingeengt, mit Alkohol extrahirt und die alkoholische Lösung mit Platinchlorid gefällt. Der Niederschlag war in Wasser ziemlich leicht löslich und krystallisirte zum grössten Theil in makroskopischen gelbbraunen Tafeln, zwischen denen dunkelbraun gefärbte Oktaeder von Platinsalmiak lagen. Die letzteren wurden herausgesucht und die Tafeln noch einmal aus wenig Wasser umkrystallisirt. Dieselben schmolzen unter Zersetzung bei 213° C. Ein von mir aus Eidotter dar- gestelltes Cholinplatindoppelsalz schmolz unter Zersetzung bei 225° ©. Die beim Verseifen des Aetherextractes entstehende Basis ist also nicht Cholin. In einem anderen Versuche wurde festgestellt, dass der Aetherextract beim Verseifen mit Natrium keine freie Phosphorsäure liefert, wohl aber aber eine phosphorhaltige Substanz enthält, aus der sich beim Schmelzen mit Soda und Salpeter Phosphorsäure bildet. Der Aetherextract des elektrischen Organs enthält also neben Chole- STOFFUMSATZ IM ELEKTRISCHEN THÄTIGEN ÖRGAN. 4‘ stearin (und Fetten?) eine organische phosphorhaltige Substanz, welche nicht Lecithin ist!, aber vielleicht zu den Protagonen gehört. Da auch diese phosphorhaltige Substanz an der Erzeugung der Elektri- eität betheiligt sein konnte, so wurde in einer Anzahl von Versuchen der Phosphor im Aetherextract bestimmt. Zu diesem Zwecke wurde der Aetherextract mit Soda und Salpeter geschmolzen, die Schmelze in Wasser gelöst, zweimal mit Salzsäure ab- gedampft, der Rückstand in Wasser gelöst, filtrirt, durch Zusatz von Ammoniak und Chlormagnesiummischung die Phosphorsäure gefällt und nach dem Glühen in bekannter Weise als pyrophosphorsaure Magnesia ge- wogen. Die Resultate sind zum Theil in Versuch XVI und XIX mitgetheilt. Zu diesen kommt noch der folgende Versuch. Versuch XX. 7. October 1892. Am 6. October werden einer ziemlich grossen Torpedo die Nerven der einen Seite durchschnitten. Am 7. October um 9 Uhr 15 Min. erhält das Thier subeutan 20 m einer 0-1 proc. Strychninlösung. Um 9 Uhr 50 Min. ist die Reflexerregbar- keit stark erhöht; das Herz wird herausgenommen und das Organ mit intacten Nerven durch Klopfen auf den Schädel gereizt und erschöpft. Bei directer Reizung sind vom obersten elektrischen Nerven aus keine Ent- ladungen zu erzielen, die Reizung der drei anderen Nerven ist von schwacher Wirkung. Controlorgan 97 sm, Aetherextract 0.9376 2m = 0.966 Procent des Organs liefert beim Schmelzen mit Soda und Salpeter Phosphorsäure 0.0852sm Mg,P,O, = 0:086 Procent des Organs. Gereiztes Organ 103 sm, Aetherextract 1.0216 &" = 0.991 Procent des Organs liefert beim Schmelzen mit Soda und Salpeter Phosphorsäure 0.086285 Mg,P,O, = 0.083 Procent des Organs. Die wässerige Lösung des mit Aether ausgeschüttelten Alkoholextracts färbt sich beim Controlorgan mit Alizarinnatrium blauroth und erfordert zur Neutralisation für Curcama 1.2 “m 1/ Normalnatronlauge; beim gereizten Organ färbt sie sich mit Area gelbroth und erfordert zur Neu- tralisation 4.2 m 1/, Normalnatronlauge. Die Menge der pyrophosphorsauren Magnesia, welche den Phosphor des Aetherextractes enthielt, betrug auf 100 8” Organ berechnet, im ı Vergl. Kossel, Ueber einige Bestandtheile des Nervenmarks. Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft zu Berlin 1890/91. Nr. 15. 16. In diesem Archiv 1890. S. 359. 478 F. RöHMAnN: Versuch nicht gereizten or gereizten XVI 0-076 0:069 XIX 0-077 0-076 X 0.086 0-083 Hiernach ist ein merklicher Unterschied im Phosphorgehalt ‚des Aetherextractes beim nicht gereizten und gereizten Organ nicht vorhanden. VII. Ueber den Alkoholextract des nicht gereizten und ge- reizten elektrischen Organs. Das Gewicht des mit Aether geschüttelten Alkoholextractes war in den Versuchen Marcuse’s beim nicht gereizten und gereizten Organ annähernd das gleiche gewesen. Es betrug berechnet auf 100®"” frisches Organ im Versuch nicht gereizten gereizten x 6-85 6-87 xl 4-65 4.81 Die wesentlichen Bestandtheile desselben, die stickstoffhaltigen orga- nischen Verbindungen und unter diesen speciell der Harnstoff hatten eben- falls, wie wir oben sahen, keine Aenderung mit der Reizung erfahren. Dagegen hatte Marcuse bei der Titrirung des Alkoholextractes mit !/. Normalnatronlauge unter Anwendung von Lakmuspapier einen geringen Unterschied in Bezug auf die Reaction gefunden (s. o. S. 446). Der Alkoholextract des elektrischen Organs reagirte nach der Reizung stets etwas saurer als vorher. Das gleiche Resultat erhält man, wenn man den in der oben (8. 471) beschriebenen Weise gewonnenen, mit Aether geschüttelten Alkoholextract untersucht. Es gelang mir zunächst diesen Unterschied beider Organe in sinn- fälliger Weise mit Hülfe von Alizarinnatrium zu demonstriren. Setzt man zu den lxtracten eine mit Alızarin gesättigte !/,., Normalnatronlauge, so färbt sich der Extract des gereizten Organs blauroth, der des nicht ge- reizten braunroth bis braun. Titrirt man dann die Extracte mit !/,, Normalnatronlauge unter An- wendung von Curcumapapier, so erhält man einen grösseren Säurewerth für das gereizte Organ. Das Verhalten zu Lakmoid war leider nicht be- rücksichtigt worden. Der in 100 Organ enthaltene Alkoholextract er- forderte zur Neutralisation für Curcuma Cubikcentimeter !/,, Normal- natronlauge beim STOFFUMSATZ IM THÄTIGEN ELEKTRISCHEN ÜRGAN. 419 Versuch nicht gereizten Saat gereizten XVI 3.1 5.6 RR 192 4-9 In diesem Verhalten stimmt der Alkoholextract mit dem Kochsalz- extract überein (s. Versuche VII, VIII, IX, XI); bei letzterem nahm gleich- zeitig die Alkalescenz für Lakmoid ab. Es unterscheiden sich hiernach sowohl der Alkohol- wie der Kochsalz- extract. in ihrem Verhalten zu Curcuma sehr wesentlich von dem Wasser- extract; bei diesem nahm, wie wir oben sahen, die Acidität für Cur- cuma ab. Ich hatte dieses Verhalten des Wasserextractes durch die Annahme zu erklären versucht, dass bei der Reizung ein eiweissartiger Stoff nicht in den Wasserauszug übergeht, der aus dem nicht gereizten von Wasser aus- gezogen wird. Dass in der That Eiweisskörper an der Reaction für Cur- cuma betheiligt sind, zeigt der Grad der Acidität des Alkohol- und Koch- salzextractes. Er ist bei beiden geringer als beim Wasserextract, eben weil jene beiden ärmer an eiweissartigen Körpern sind. Wenn nun die Acidität des Wasserextractes mit der Reizung ab-, die des Alkohol- und Kochsalzextraetes zunimmt, so liegt die Vermuthung nahe, dass aus einem in Wasser löslichen, in Alkohol und Kochsalz unlöslichen sauren und zwar vermuthlich eiweissartigen Körper eine in Alkohol lösliche Säure entstanden ist. Diese Säure wird in dem Alkoholextract nicht als solche, sondern als Alkalisalz enthalten sein. Es liegen die Verhältnisse hier ganz ähnlich, wie ich dies gelegentlich meiner Untersuchungen über die Reaction der Muskeln auseinandergesetzt habe. Ein Muskel bildet bei der Thätigkeit Milchsäure, er färbt blaues Lakmuspapier roth. Die Milehsäure bewirkt diese Rothfärbung nicht direct — der Beweis liegt darin, dass blaues Lakmoidpapier nicht geröthet wird — sondern indirect durch Zersetzung von Salzen, welche für Lakmus und Lakmoid alkalisch reagiren, nämlich durch Zersetzung von kohlensauren und secundären phosphorsauren Alkalien, wobei die letzteren in primäre, blaues Lakmuspapier röthende Phosphate übergehen. Es könnte also das Verhalten des Alkoholextractes darauf hindeuten, dass auch bei der Reizung des elektrischen Organs eine organische Säure, vielleicht ebenfalls Milchsäure entsteht, welche secundäre Phosphate zersetzt und dieselben in primäre überführt. Eine wie die Milchsäure in Aether lösliche Säure müsste sich nach dem Ansäuern des Alkoholextractes durch Aether auschütteln lassen. Dies ist nach den bereits erwähnten Versuchen Marcuse’s in der That der Fall. Marcuse säuerte den Alkoholextract mit Schwefelsäure an 480 F. RöHmans: sehüttelte mit Aether aus und führte die Säure in das Zinksalz über. Er fand Zinksalz, gewonnen aus dem Aetherextract, berechnet auf 100° des frischen Organs und zwar des Verssch nicht gereizten gereizten Organs XI 0.0927 WETTE) XIII 0.1083 ORT XIV 0.0920 0.1880 Dieses Zinksalz wurde nur zum Theil krystallinisch erhalten. Es ge- lang nicht nach der Reinigung für die Analyse ausreichende Mengen zu. erhalten. Die mir in Neapel zur Verfügung stehende Zeit gestattete mir leider nicht die Versuche Marcuse’s auch nach dieser Richtung hin weiterzuführen. Von der Anwesenheit der Phosphate im Alkoholextraet kann man sich leicht durch Zusatz von Magnesiummischung überzeugen. Ob ihre Menge, wie es nach der obigen Voraussetzung der Fall sein müsste, bei der Reizung unverändert bleibt, habe ich ebenfalls wegen Mangels an Zeit nicht mehr festzustellen vermocht. Ich bedaure dies um so mehr, als Th. Weyl! bei seinen Versuchen fand, dass das gereizte Organ constant mehr in Wasser lösliche („anorganische“) Phosphorsäure als das nicht gereizte enthält. Die Versuche Th. Weyl’s sind aber nach durchaus nicht einwandsfreien Methoden ausgeführt. Zum Beweise sei Folgendes angeführt. Th. Weyl bestimmte die Phosphorsäure im Wasserextracte, nachdem die Organe zuvor durch einen grossen Ueberschuss von absolutem Alkohol erschöpft worden waren. Er lässt hierbei die Phosphorsäure, welche vom Alkohol gelöst wird, unberücksichtigt. Absoluter Alkohol löst allerdings die phosphorsauren Alkalien nicht; in dem Maasse aber, als er wasserhaltig wird, nimmt sein Lösungsvermögen für Phosphate zu. War auch der zugesetzte Alkohol ab- solut, so wurde er doch durch das in den frischen Organen enthaltene Wasser ganz erheblich verdünnt. In meinen oben geschilderten Versuchen wurden die Phosphate gerade durch diese Verdünnung — ich trug die Organe allerdings absichtlich nur in dir vierfache Menge 90°/, Alkohols ein — extrahirt. Da Th. Weyl ferner wegen der Anwesenheit von eiweiss- und leim- artigen Substanzen nicht im Stande war, die Phosphate direet im Wasser- extracte zu bestimmen, so dampfte er dieselben zur Trockne und bestimmte ! Physiologische und chemische Studien an Torpedo. Dies Archiv. 1884. 8. 321. STOFFUMSATZ IM THÄTIGEN ELEKTRISCHEN ÜRGAN. 481 die Phosphate nach dem Veraschen. Hierbei können aber einerseits Phos- phate durch Reduction leicht verloren gehen, andererseits können sie aber auch aus phosphorhaltigen organischen Verbindungen entstehen. Schluss. W. Marcuse hatte mit einem gewissen Vorbehalt aus seinen Unter- suchungen gefolgert: „Die Unterschiede, welche das gereizte und nicht ge- reizte elektrische Organ in Bezug auf die chemische Zusammensetzung zeigen, sind äusserst gering. Die Acidität des gereizten Organs ist ein wenig grösser, als die des ungereizten; das gereizte enthält eine etwas grössere Menge einer in Aether löslichen Säure.“ Bei der Geringfügigkeit der ge- fundenen Unterschiede konnten in der That Zweifel an der vollen Richtig- keit der von W. Marcuse gemachten Angaben bestehen bleiben. Meine im Obigen mitgetheilten, unter den verschiedensten Bedingungen aus- geführten Versuche zeigen, dass dieselben unberechtigt waren. Sie beweisen zunächst ebenfalls, dass die Thätigkeit des elektrischen Organs mit einem Stoffumsatz, der zur Bildung einer Säure führt, ver- bunden ist. Diese Säurebildung lässt sich ohne Schwierigkeit mit Hülfe gewisser Farbstoffe in verschiedener Weise zur Anschauung bringen. Die Titrirung des Wasser-, des Kochsalz- und des mit Aether ge- schüttelten Alkoholextractes bestätigen die auf Grund der Titrirung des nicht mit Aether geschüttelten Alkoholextraetes von W. Marcuse ge- machte Angabe, dass die Menge der bei der Thätigkeit gebildeten Säure eine nur sehr geringe ist. Durch die Bestimmung des Gesammtstickstoffs und die Resultate der Bunsen-Salkowski’schen Methode war W. Marcuse zu der Ueber- zeugung gelangt, dass die Thätigkeit des elektrischen Organs ohne wesent- liche Betheiligung der stickstoffhaltigen Extractivstoffe verläuft. Die von mir erhaltenen Resultate stimmen hiermit überein und widerlegen die An- gabe von Grehant und Jolyet, nach welcher die Menge des Harnstoffs im elektrischen Organe bei der Thätigkeit zunehmen soll. | Auch die im Aetherextraet enthaltenen Substanzen sind nicht an der Erzeugung der Elektricität betheiligt, ebensowenig können es die Kohle- hydrate sein. Denn nach Marcase (s. Versuche IX, XI) enthält das elektrische Organ weder Glykogen noch ein ähnliches Kohlehydrat. Es scheint vielmehr, als ob eine den Eiweisskörpern nahestehende Sub- stanz die Kraftquelle für die Elektrieität ist und dieselbe unter Bildung von in Aether löslichen Säuren liefert. An diesem Punkte hätten weitere Untersuchungen anzusetzen. Die chemische Untersuchung des elektrischen Organs ist, wie sich Archiv f. A.u.Ph. 1893. Physiol. Abthlg. 31 482 F. RÖHMANN: STOFFUMSATZ IM THÄTIGEN ELEKTRISCHEN ORGAN. aus dem Mitgetheilten ergiebt, von W. Marcuse und mir nach Methoden ausgeführt worden, bei denen die verschiedenartigsten Bestandtheile des elektrischen Organs berücksichtigt wurden. Die einzige Veränderung, welche sich hierbei erkennen liess, war, dass sich bei der Thätigkeit des elektri- schen Organs eine geringe Menge von Säure bildet. Aus der Geringfügig- keit des gefundenen Unterschiedes lässt sich nur der Schluss ziehen: Ent- weder ist der Stoffwechsel im elektrischen Organe qualitativ ein derartiger, dass er sich mit den angewendeten Methoden nicht nachweisen lässt, oder er ist quantitativ nur unbedeutend. Das erstere halte ich nicht für wahr- scheinlich. Denn die zur Anwendung gelangten chemischen Methoden beziehen sich nicht auf specielle Stoffe, sondern sind wie die Bestimmung der Re- action, d.h. die Prüfung auf saure und basische Körper, die Bestimmung des Alkohol- und des Aetherextractes, die Bestimmung des Gesammtstick- stoffs und des Verhältnisses von Gesammtstickstoff und Harnstofistickstoff im Alkoholextract, die Bestimmung des Phosphors im Aetherextract so all- gemeiner Natur, dass sich meiner Ansicht nach eine irgendwie erhebliche Stoffänderung der Kenntniss nicht hätte entziehen können. Ich sehe des- halb in der Geringfügigkeit der nachgewiesenen Stoffänderung den Hinweis darauf, dass die Erzeugung des elektrischen Schlages von Torpedo unter Verbrauch einer nur äusserst geringen Menge von poten- tieller Energie erfolgt. Ein Beweis für die Richtigkeit dieses Schlusses wäre es, wenn sich zeigen liesse, dass die Summe aus der Menge der Elek- trieität, welche beim elektrischen Schlage erzeugt wird, plus der Erwärmung, welche das elektrische Organ beim Schlage erfährt, ausgedrückt in Wärme- aequivalenten ebenfalls nur eine sehr geringe ist. Bemerkungen gegen Hrn. OÖ. Kohnstamm’s Abhandlung: „Die Muskelprocesse im Lichte des vergleichend isotonisch- isometrischen Verfahrens.“ ' Von C. G. Santesson, Privatdocenten der Physiologie in Stockholm. In seiner oben erwähnten Abhandlung hat der Verfasser auf S. 64—65 in einer Note meine Arbeit ? citirt, in einer Art, die eine sachliche Berich- tigung von meiner Seite nöthig macht. Er wundert sich, dass ich die „Abhängigkeit der Culmenzeit von der Reizstärke nicht gefunden“ habe. Er selber sah regelmässig „continuirliche Abnahme der Culmenzeit mit wachsender Reizstärke. Die Differenz zwischen der Culmenzeit bei mini- malem und maximalem Reiz beträgt zwischen 0-015 und 0.02”. Die Bedeutung dieses Verhaltens, der verlangsamten Erschlaffung bei schwachem Reiz, sieht man am besten ein, wenn man eine Ordinate durch die absteigenden Schenkel? der Curvenschaar legt. Diese trifft die Curven auf gegen die Maximalhöhe um so grösserer Höhe, je schwächer der Reiz war. Bezüglich der Unabhängigkeit der gesammten Zuckungs- dauer von der Reizstärke stimme ich den früheren Autoren bei“ (Brücke, Goldscheider).* Nach den oben von mir gesperrten Ausdrücken zu urtheilen, rechnet der Verfasser mit in die „Culmenzeit“ wenigstens einen Theil der abstei- genden Curvenschenkel, was gegen meine Definition dieses Wortes streitet. Mit „Culmenzeit“ habe ich die Zeit verstanden, die von dem Momente, da zuerst eine Verkürzung auf der Muskeleurve zu erkennen Sobens..49. ? Studien über die allgemeine Mechanik des Muskels. Dritte Abhandlung. Skandinavisches Archiv für Physiologie. IV. 1892. ® Die Worte sind von mir gesperrt. * A.2.0, 8. 64. 65. Anmerkung. Sl 484 SANTESSON: BEMERKUNGEN GEGEN Hrn. KOHNSTAMM. ist, bis zu dem, wo sie das Maximum der Verkürzung angiebt, verstreicht (S. 103). Den Verlauf der absteigenden Curvenschenkel habe ich nicht untersucht. Welche Begrenzung der Verfasser für die „Culmen- zeit“ sich gedacht hat, habe ich nieht ermitteln können, da er einerseits wenigstens einen Theil der absteigenden Curvenschenkel mit dazu rechnet, andererseits der „Culmenzeit“ die „gesammte Zuckungsdauer“ als etwas Verschiedenes gegenüber stellt. Was meine Angaben über die von mir untersuchte „Culmenzeit“ be- trifft, so habe ich nicht gänzlich geläugnet, dass diese Zeit mit abnehmender Reizstärke zunimmt. Im Gegentheil, habe ich (S. 115—116) ausführlich in Procenten angegeben, wie viel die „Culmenzeit“ und die Summe der Latenz- und Culmenzeit dabei zugenommen haben; erstere ist niemals um 20 Procent (etwa 0-01”), letztere (die Summe) nur in Einem Versuche um etwas mehr gesteigert. Ich habe daher von „unbedeutenden Schwan- kungen“ gesprochen und gesagt, dass die erwähnte Summe „bei Vermin- derung der Reizstärke etwas — obgleich im Allgemeinen nur in geringem Grade — grösser wird. Bei den schwächsten Reizungen aber nimmt die Zeit ab.“ (Dies letztere gilt sowohl von der Summe von Latenz- und Cul- menzeit, als, in noch höherem Maasse, von der Culmenzeit allein, während die Latenzzeit stark zunimmt). Und auf Grund dieser Thatsachen habe ich betont, „dass der Wechsel in der Länge der Contractionszeit (Latenz-Culmenzeit) in keinem Verhält- niss zu der Variation in der Zuckungshöhe und in ausgeführter Arbeit steht, die.... durch Verminderung der Reizstärke verursacht wird.“ An den vom Verfasser mitgetheilten isotonischen Curven (Fig. 2) variiren die „Culmenzeiten“ auch nicht viel (die entsprechenden Abseissen- abstände betragen ungefähr 31; 33-8; 34; 32.2; 32.9; 34; 35 nu, was einer Steigerung um kaum 13 Procent vom Minimum entspricht). Welchen Zeiten diese Maasse entsprechen, kann ich natürlich nicht sagen, weil ich die Geschwindigkeit der Trommel nicht kenne. Wenn wir aber die ganze „Culinenzeit“ dieser isotonischen Zuckungen zu etwa 0-06” anschlagen, was sicherlich hoch gegriffen ist, macht die grösste Differenz etwa 0-007 bis 0.008” aus. Hrn. Kohnstamm’s Curven sprechen also — besser als mehrere meiner eigenen Versuche — für meine Angaben. Leipzig, 30. März 1893. Ein Verfahren zur Bestimmung des Trägheitsmomentes von Schreibhebeln. Von M. v. Frey. (Aus dem physiologischen Institut zu Leipzig.) Das Trägheitsmoment ist das Maass des Widerstandes, welchen ein Körper seiner Drehung entgegensetzt. Wirken gegebene Kräfte — Muskel- spannung, Blutdruck u. s. w. — auf einen drehbaren Körper ein, so ist der Erfolg sowohl von der Kraft, bezw. deren Drehungsmomente, wie von dem T.! abhängig. Die Auswerthung dieser Constanten ist also für den zweck- mässigen Gebrauch der zahlreichen drehbaren Systeme, welche in der Physiologie als Muskelhebel, Pulshebel, Fühlhebel u. s. w. Verwendung finden, unerlässlich; wenn sie trotzdem bisher nur äussert selten ausgeführt worden ist, so dürfte dies hauptsächlich -in dem Mangel einer einfachen und doch genauen Methode begründet sein. Es wird in dieser Hinsicht genügen darauf hinzuweisen, dass die Berechnung des T. meist durch die unregelmässige Gestalt und nicht homogene Beschaffenheit der Hebel aus- geschlossen ist, die in der Physik gebräuchlichen Methoden zur experimen- tellen Bestimmung aber weder allgemein anwendbar, noch den speciellen physiologischen Versuchsbedingungen angepasst sind. Diesem Bedürfnisse hat Bohr? zuerst versucht Rechnung zu tragen. Er ertheilte dem Systeme dessen T. er zu bestimmen wünschte, durch den Stoss eines fallenden Ge- ! Hier und im Folgenden bedeutet T. Trägheitsmoment. ?2 Ch. Bohr, Om en Anvendelse af Momentanfotografien ved muskeifysiologiske Undersögelser. Kopenhagen 1886. Die Werthe, welche Bohr für sein Instrument er- mittelt hat, müssen um richtig zu sein mit 9814 multiplieirt werden. Die Masse des drehbaren Körpers, welche in das T. eingeht, wird durch die Wägung direct bestimmt und ist wie alle sog. Gewichtsbestimmungen von dem Beobachtungsorte unabhängig. Die gleiche Verwechslung von Masse und Gewicht findet sich auch bei Schenk, Archiv für die gesammte Physiologie. Bd. 51. 8. 514. 486 M. v. Frey: wichtes eine Winkelgeschwindigkeit und liess dieselbe durch ein constantes Drehungsmoment vernichten. P. Starke! ersetzte den Stoss durch den Antrieb einer sich entspannenden Feder und veränderte auch die Rechnung. Beide Methoden setzen besondere Einrichtungen voraus, welche an dem schreibenden System zum Zwecke der Bestimmung angebracht werden müssen, während es wünschenswerth erscheint, womöglich das Verfahren so zu gestalten, dass die Bestimmung des T. dem Muskelversuch, der Puls- schreibung u. s. w. unmittelbar folgen kann, ohne eine Aenderung des Apparates nöthig zu machen. Die Methode, welche ich ‚nachfolgend in Vorschlag bringen möchte, leistet den aufgestellten Bedingungen Genüge; sie erfordert ferner nur wenige, genau ausführbare Messungen. Die Bestimmung beruht auf dem Satze, dass die Winkelbeschleunigung, welche die Schwere an dem nicht aequili- brirten, drehbaren Körper hervorbringt, dem T. desselben umgekehrt pro- portional ist; oder in Zeichen: 2 1) De wo D;, das Drehungsmoment zur Zeit 2 und @ den Winkel bedeutet, um welchen das System aus der Ausgangslage herausgedreht ist. Ist 2, das Drehungsmoment für die horizontale Stellung des Hebels, so wird 2) D;,=D, c03 o. Gewöhnlich kommt zu dem Drehungsmoment des leeren Hebels noch ein constanter Summand hinzu, welcher von dem um die Achse geschlungenen Gewichte herrührt. Bezeichnet man denselben mit Mgr, wo M die Masse des Gewichtes, g die Acceleration der Schwere und r den Halbmesser der Achse oder der Rolle bedeutet, so geht 2) über in die Form D,=D, sp + Mgr. Für kleine Drehungen kann auch das erste Glied als constant angesehen und das Drehungsmoment D des Hebels gleichgesetzt werden: DD ua Mg. - Die Gleichung 1) erhält dann die Form Do worin w die constante Winkelbeschleunigung bedeutet. ! P. Starke, Abhandlungen der k. sächs. Gesellschaft der Wissenschaften. Bd. XVI. 1890. ° Der hierbei begangene Fehler, d. h. das Verhältniss (D—D,)/ D, wird für die- selbe Drehung um so kleiner, je grösser Mygr ist im Verhältniss zu D,. So wird z. B. für = 8°, D, cos p um 1 Procent kleiner als D,; ist ferner D, = Mgr, so beträgt der Fehler '/, Procent. In den Versuchen blieben die Winkelausschläge stets unterhalb dieser Grenze. BESTIMMUNG DES TRÄGHEITSMOMENTES VON SCHREIBHEBELN. 487 Auf Grund dieser Beziehung lässt sich nun das T. eines Schreibhebels sehr einfach experimentell ermitteln und es sei nur noch gestattet kurz den Weg anzudeuten, welcher sich mir schliesslich für die Bestimmung von D und w als der beste erwiesen hat. 1. Bestimmung des Drehungsmomentes. Mittelst eines Coconfadens wird ein von der Achse möglichst entfernter Punkt des Hebels an dem Schalenbügel einer schnellschwingenden chemischen Wage befestigt — an den meisten chemischen Wagen findet sich an dem oberen Ende des Bügels ein Häkchen — der Faden vertical, der Hebel horizontal gestellt und die Wage durch Auflegen von Massen — soge- nannten Gewichten — auf die andere Wagschale aequilibrirt. Man erfährt auf diese Weise die Masse, welche in der gegebenen Entfernung von der Achse und mit der vertical nach oben gerichteten Beschleunigung g des Be- obachtungsortes dem Drehungsmomente des Hebels das Gleichgewicht hält.! Beispiel: Muskelhebel, 20 ®® lang, bestehend aus Stahlachse, Messing- röllchen, Holzstreifen und Federpose, wird in horizontaler Stellung durch einen verticalen Coconfaden in genau 10 “® Abstand von der Achse mit der Wage verbunden; an dem Röllchen hängen 100 &=, Auf die andere Wag- schale wird zur Herstellung des Gleichgewichtes gelegt die Masse 2.630 rm, ? Drehungsmoment des horizontalen Hebels: In absoluten Einheiten . . . . 25788 dynes x em In Gravitationseinheiten . . . . 26.30 grmem, ll. Bestimmung von w. Die Spitze des durch einen Coconfaden in horizontaler Stellung gehal- tenen Hebels wird der berussten Trommel eines rasch gehenden Uhrwerkes bis zu zarter Berührung genähert, das Uhrwerk in Gang gesetzt und so- ! Dass es sich auch in diesem Versuche um die Bestimmung von Massen und nicht von Kräften handelt, geht aus der Ueberlegung hervor, dass eine Aenderung der Gravitation durch den Versuch in keiner Weise nachgewiesen werden könnte. Es ist nur der doppelsinnige Gebrauch des Wortes „Gewicht“, welcher so häufig zu Miss- verständnissen führt. Der Ausdruck „Gewicht“ bezieht sich ursprünglich auf die physiologische Kraftmessung. Die Anstrengung, welche die Muskeln bei der Hebung eines Kilogramms machen müssen, ist von der Gravitation abhängig und daher je nach dem Orte verschieden. Die Wägung auf der Wage ist dagegen von dem Beobachtungs- orte unabhängig. ® In gleicher Weise ergiebt sich für das Drehungsmoment des leeren Hebels 8207 dynes x cm oder armem? I sce?, peziehungsweise 8-37 mem, Die um die Rolle ge- schlungenen 100 = vermehrten somit das D des Hebels um 17-93 smem, woraus sich der Halbmesser des Röllchens + der halben Fadendicke berechnet zu 17.93 ermem / 100 2m = 0-1793 ©. Dieser Werth lässt sich auf anderem Wege nicht so genau bestimmen. 488 M. v. Frey: bald constante Geschwindigkeit erreicht ist, der Faden mit einer scharfen Scheere oder einem glühenden Drahte durchtrennt. Der Hebel fällt auf eine Rast und hinterlässt auf der Trommel eine Spur, welche aus einem absteigenden Curvenaste und in der Regel auch aus einem sehr kurzen aufsteigenden besteht. Letzterer rührt davon her, dass der Faden vor der Durchtrennung angestossen und der Hebel nach oben geschleudert wird. Dieser Umstand ist für die Auffindung des Zeitpunktes, wo die Fallbewe- gung beginnt — Umkehrpunkt — vortheilhaft. Bestimmt man für irgend einen Punkt der Falleurve die augenblickliche Geschwindigkeit und dividirt dieselbe durch die Zeit, welche seit Beginn der Fallbewegung verstrichen ist, so erhält man die constante, lineare, endlich nach Division durch die Hebellänge die Winkelbeschleunigung w. Sei Fig. 1 eine solche Fallcurve mit eingezeichneten Ordinaten und Abseissen. Erstere sind, da der Hebel der Trommel tangential anliegt, Fig. 1. Zweifache Grösse des Originals. Bogen von 20 ®® Halbmesser. Kurze, etwa 1 "” lange Stücke dieser Bogen sowie der sie schneidenden Curve sind von Geraden nicht merklich ver- schieden und die Winkel (ce), unter denen sie sich schneiden, können unter dem Mikroskope ohne Schwierigkeit ausgemessen werden. Die Messung wird sehr erleichtert, wenn man ein sogenanntes Goniometer für krystallo- graphische Winkelmessungen zur Verfügung hat, das heisst ein Mikroskop, dessen Tisch in zwei aufeinander senkrecht stehenden Richtungen durch Schrauben verstellbar — Kreuztisch — und um die optische Axe drehbar ist. Für die Ueberlassung solcher Instrumente bin ich den HH. Prof. Ambronn und Dr. Lenk zu besonderem Danke verpflichtet, welchen ich auch an dieser Stelle zum Ausdruck bringen möchte. Die Peripherie des BESTIMMUNG DES TRÄGHEITSMOMENTES VON SCHREIBHEBELN. 489 Tisches ist in halbe Grade getheilt und an einem sehr genau gearbeiteten Nonius sind die Winkelminuten direct ablesbar. Im Ocular befindet sich ein Fadenkreuz. Die Messung setzt natürlich voraus, dass die Linien im Russ gleichmässig und fein gezogen sind. Dass dies erreichbar ist, erhellt aus der Thatsache, dass wiederholte Ablesungen desselben Winkels stets nur um wenige Minuten differirende Werthe ergaben. Die trigonometrische Tangente des Complementwinkels (90—e«) multiplieirt mit der Trommel- geschwindigkeit giebt die Fallgeschwindigkeit an dem betreffenden Curven- punkte. . Den Abstand der geschnittenen Ordinate von dem Umkehrpunkt und damit die seit dem Beginn der Fallbewegung verstrichene Zeit habe ich mit einem Objectmikrometer von !/,oo "” Theilung an der Schrauben- trommel ausgemessen. Mit Hilfe dieser Daten sowie des nach I. bestimmtem Drehungs- momentes ergiebt sich u Drehungsmoment x Fallzeit x Hebellänge Trommelgeschwindigkeit x tang (90—«) " An jeder Fallcurve wurden mehrere Winkelmessungen für verschiedene, in der Regel 4, Schnittpunkte ausgeführt; die daraus berechneten Winkel- beschleunigungen bezw. T. zeigten sehr geringe Abweichungen, wie nach- stehende Beispiele zeigen: 1. Derselbe Hebel wie oben; 100 ®'® am Röllchen. Ordinate @ 90- T 7, 12 199537 20° 07° 81.6 78.4 13 18° 33’ DT 81-0 77-8 14 10001% 12039’ 81-2 78.0 15 169197 730 48’ 81-0 77.8 Mittel 78-0 Unter 7, ist das T. des leeren Hebels verstanden. Das von 7’ abzuziehende T. der 100 8”, welche am Röllchen hängen, berechnet sich aus dem oben unter I. bestimmten Radius des Röllchens als 100 sm x 0.1793? cm? = 3-2 grmem ?, Anschaulicher als das T. ist der Trägheitsradius eines Hebels, d. h. die Entfernung k von der Achse, in welcher man die ganze Masse des Hebels ohne Aenderung des T. concentriren kann. Der Werth von %k er- giebt sich aus der Gleichung h= 12 2, Mm worin m die Masse des Hebels = 2.848 3’”, Der Trägheitsradius des leeren Hebels berechnet sich demnach zu 5°23 ”, 490 M.v. Frey: BESTIMMUNG DES TRÄGHEITSMOMENTES V. SCHREIBHEBELN. 2. Derselbe Hebel; am Röllchen 50 rm, Ordinate @ 90— B 1L® 12 23.107 66° 50° 79.4 T0tk:18 18) 22218 67042’ 80.0 78.4 14 210 3, 682.29 80-3 78.7 15 20° 00° 70° 00’ 80-3 78-7 Mittel 78.4 Der etwas grössere Werth aus 2 lässt sich wohl in der Weise erklären, dass der weniger. belastete Hebel durch die Reibung an der Trommel und den Luftwiderstand stärker in seiner Bewegung gehemmt wurde. Eine Ver- minderung der Beschleunigung muss aber eine Zunahme des T. vor- täuschen. Der Werth 78 grmem ? wird somit als der richtigere zu gelten haben. In noch höherem Grade wird der Einfluss des Luftwiderstandes zur Geltung kommen, wenn der Hebel ohne jede Belastung schwingt. Bekannt- lich beruht eine Methode zur Ermittlung des T. für nicht aequilibrirte Körper darauf, dass die Schwingungsdauer des pendelnden Systems und der Abstand des Schwerpunktes von der Drehungsaxe bestimmt wird. Dieses Verfahren hat mir wenig befriedigende Resultate gegeben, speciell für Hebel, welche als isotonische construirt sind, d. h. ein im Verhältniss zu ihrer Länge geringes T. besitzen. Genaue Bestimmung der Schwingungs- dauer ist für solche Hebel nicht leicht, Fehler machen sich aber im Schluss- resultat sehr bemerklich, da das Quadrat der Schwingungsdauer in die Rechnung eingeht. Auch der Abstand des Schwerpunktes von der Drehungs- axe, bei solchen Hebeln immer sehr klein, lässt sich nur ungenau be- stimmen. So fand ich für den oben benutzten Hebel durch Auszählung einer grösseren Zahl von Schwingungen und Messung der Gesammtdauer mit Hilfe eines Chronometers den Werth 7 = 84 srmem ?, also immer noch einen erheblich zu grossen Werth. Noch unsicherer wird die Bestimmung bei den leichten Tonographenhebeln, deren Schwingungen in wenigen Secunden erlöschen. Belastet man aber die Hebel wie das oben geschehen ist, durch nahe der Axe angebrachte Massen, so kann unter geringer Ver- mehrung des T. das Drehungsmoment erheblich vergrössert und damit nicht nur der Luftwiderstand, sondern auch die Reibung auf der Trommel, eine zweckmässige Versuchsanordnung vorausgesetzt, praktisch unschädlich ge- macht werden. Ich habe mich durch besondere Versuche überzeugt, dass die Energie, welche einem solchen System durch eine sich entspannende Feder mitgetheilt wird, bis auf einen zu vernachlässigenden Rest wieder gewonnen werden kann. Strom- und Sauerstoffdruck im Blute bei fortschreitender Erstickung. Von Manille Ide. (Aus dem physiologischen Institut zu Leipzig.) Wenn sich wegen mangelnden Ersatzes der mit dem Blute kreisende Sauerstoff aufzehrt, so gerathen während dessen die Herzäste des N. vagus und die Verengerer der Gefässe in dauernde und starke Erregung. Auf die Geschwindigkeit und den Druck des Stromes in den Arterien wirken die beiden Nervenarten im entgegengesetzten Sinn. Wer darum aus dem steigenden Druck auf den veränderlichen Erregungsgrad in den Nerven und Muskeln der Gefässwand schliessen will, muss den Einfluss des N. vagus durch Atropin oder das Messer beseitigen. Geschah dieses, so zeigt ein in die Carotis eines Hundes eingesetztes Hg-Manometer, dass mit der fort- schreitenden Erstickung der Druck anfangs langsam, dann rascher und wellenförmig ansteigt, einige Zeit auf der erstiegenen Höhe verweilt, danach aber allmählig so weit herabgeht, dass binnen Kurzem das Herz absterben würde, wenn nicht von Neuem Sauerstoff zugelassen würde. Wird der Lunge die ihr bisher entzogene Luft wieder zugeführt, so verharrt der Druck nur wenige Secunden hindurch in der Tiefe; alsbald steigt er rasch und nun ohne Schwankung auf oder öfter noch über den höchsten Stand in der vorausgegangenen Erstickung empor (Kowalewsky).! Wenn, was ich aus eigner Beobachtung bestätigen kann, die Rückkehr zur freien Athmung den Druck höher steigert als die Einkehr in die Er- stickung, so mnss das Gift, welches sich während der letzteren gebildet haben soll, weniger stark reizen als ein Zersetzungsproduct desselben, das nach der Wiederkunft des Sauerstoffs entstand. — Oder wird eine 1 Medicinisches Centralblatt. 1868. S. 581. 492 MANILLE IDe: andere Erklärung stichhaltiger sein? Selbstverständlich ist nur dann zu erwarten, dass der Druck nach der Wiederbelebung über den höchsten in der Erstickung hinausgeht, wenn in der Zeit zwischen den beiden Maximal- ständen kein Blut abgelassen wurde. Von dem zweiten, nach der Rückkehr der Athmung erstiegenen Gipfel kehrt, wenn dem Blute fortwährend genügend Sauerstoff zufliesst, der Druck unter mehrfachen Schwankungen auf den vor der Erstickung behaupteten Mittelwerth zurück. Weniger rasch als im Druck äussert sich die fortschreitende Erstickung in der Schlagfolge des Herzens, dessen Vagusäste zerschnitten sind. Erst wenn der Stromdruck bedeutend emporgewachsen ist, beschleunigt sich die Pulsfolge, wie es.nach den neulich wieder durch Johannsson bestätigten Erfahrungen zu erwarten war.! Etwas später, meist wenn bei weiter fort- geschrittener Erstickung der Stromdruck schon wieder zu sinken beginnt, stellen sich Doppelschläge ein, je zwei rasch aufeinander folgende Zusammen- ziehungen, die durch eine längere Diastole getrennt sind, dem Anschein nach Herzkrämpfe. Alsbald formen sich aber die Doppelgipfel wieder in einfache um. Ist der Stromdruck auf seine niederste Stufe gelangt, so schlägt anfangs das Herz regelmässig und in der früheren Häufigkeit fort; dauert aber der hohe Erstickungsgrad zwei bis vier Minuten hindurch fort, so verlangsamt sich die Pulsfolge, und alsbald werden auch die Herzcurven flacher. Dann ist es höchste Zeit, wieder die Luft der Lunge zuzuführen Geschieht dies rechtzeitig, so erholt sich in weniger als einer Minute das Herz nach Folge und Kraft wieder vollkommen. Die gegebene Schilderung passt für gesunde Hunde wie für solche, die mit Curare schwach vergiftet sind. Diesem Umstande ist es zu ver- danken, dass sich der beabsichtigte Versuch rein und den strengen An- forderungen entsprechend durchführen lässt. Weniger vollständige und leider auch weniger genau lässt sich die zweite der zu vergleichenden Grössen, die veränderliche Spannung des Sauer- stoffes im lebenden Blute finden. An die Stelle der strengen Messung tritt die Schätzung und statt einer lückenlosen Angabe des Verlaufs sind nur einzelne Punkte der Spannungscurve zu gewinnen. Hierzu diente nun Folgendes. Vergasbaren Sauerstoff enthält das Arterienblut gelöst im Plasma, und gebunden im Haemoglobin. Die Spannung, welche der gelöste anzunehmen vermag, wächst geradeaus mit dem Partiardruck des Sauerstoffs in der Lungenluft; unter gewöhnlichen Verhältnissen wird sie 150 " Hg kaum erreichen, keinenfalls aber übersteigen. Die Menge des unter jenem Druck 1 Dies Archiv. 1891. STROM- U. SAUERSTOFFDRUCK IM BLUTE BEI FORTSCHREIT. ERSTICKUNG. 493 gelösten Sauerstoffs wird, dem Wassergehalt des Blutes gemäss schätzungs- weise bei 0° und 760 "m oemessen, kaum zwei Volumprocente betragen. — In weit grösseren Mengen bindet sich der Sauerstoff und zwar ebenfalls unter Zuthun des Partiardruckes an das Haemoglobin. Doch nur so, dass die für den gleichen Druckzuwachs aufgenommenen Mengen dieseits und jen- seits eines Partiardruckes von 25—30 "® Hg sehr verschieden gross aus- fallen. In den Grenzen von Null bis zu 30 == wird weitaus das grösste Gewicht des überhaupt fassbaren gebunden, von da aufwärts bis zu 70 m, wo die Aufnahmsfähigkeit ein Ende findet, werden dagegen nur noch äusserst geringe Mengen festgelegt. Daraus folet, dass der grösste Theil des in der inneren Athmung verwendeten Sauerstofis aus dem Oxyhaemo- globin herrührt, und dass dieses erst dann nutzbar wird, wenn der Partiar- druck von 30 mm He ab zu sinken beginnt. Wann innerhalb des leben- digen Stromes die Spannung des Sauerstofis so weit gesunken ist, wird an- zugeben sein, wie man weiss, wieviel Haemoglobin im Blut enthalten ist, und wieviel 1 Sm desselben bei 30 mm Hg Partiardruck bindet, weiter wie- viel Sauerstoff das Blut bei 150 “" Hg Partiardruck aufnimmt und wieviel es von demselben jeweilig enthält. Alles bezieht sich auf 100 Theile Blut, und auf eine Messung bei 760 wm Hg und 0° C. Von den verlangten Grössen wurde das Haemoglobin nach Hoppe-Seyler und Albrecht! bestimmt, und angenommen wurde nach Bohr? und Hüfner, dass 1 5” Haemoglobin bei 30 mm Hg 1-54 m Sauerstoff aufzunehmen vermöge. Um diese Annahme auf ihre Anwendbarkeit zu prüfen, wurde ermittelt, wie- viel Sauerstoff das Blut bedürfe, um bei 150 wm Hg gesättigt zu sein. Die hierzu nöthige Menge deckt sich in der Regel nicht mit dem Volum, das die Luftpumpe aus dem Arterienblut eines künstlich beathmeten Thieres entwickelt. Ob die Sättigung unterbleibt, weil sich die eingeblasene Luft weniger innig als die eingesogene mit dem Inhalt der Infundibeln mischt, oder weil der gehemmien Strömung wegen das venöse Blut an Sauerstoff ärmer als gewöhnlich anlangt, bleibe dahingestellt. Jedenfalls ereignet es sich häufig, dass ein dem künstlich beathmeten Thiere entnommenes Caro- tiden-Blut beim Schütteln mit atmosphaerischer Luft noch merklich Sauer- stoff aufnimmt. Ob und wie weit es zulässig, aus den von Bohr und Hüfner fest- gestellten Coöfficienten den an das Haemoglobin gebundenen Sauerstoff zu berechnen, ergiebt sich aus der Mittheilung solcher Versuche, welche den aus dem vollkommen gesättigten Blut gewonnenen Sauerstoff mit dem hypothetisch an das Haemoglobin gebundenen vergleichen. " Zeitschrift für physiologische Chemie. 1892. ? Experiment. Untersuchungen über Sauerstoffaufnahme u. s. w. Kopenhagen 1885. 494 MANILLE IDE: Versuch Das Blut enthält Gefunden an | Nach der Berech- | N, nach Schütteln | Haemoglobin | nung an Haemog- Unterschied nn mit O in Procent. in Procent. \lobin gebundener O 25.1. 21-70 | 13-5 | 20.79 0-91 31.1. 22-10 | 14-0 | 21-56 0.54 14. II. 24.90 | 13-9 | 21-40 | 8-50 21.1 20-50 | 12-9 | 19-86 0.64 EN | 23-90 | 14-0 | 21-56 2.34 Begründeten Erwartungen entsprechen die Beobachtungen insofern, als sie nachweisen, dass die Sauerstoffmenge, welche auf Grund der Hüfner- Bohr’schen Zahl dem Haemoglobin zugesprochen werden muss, hinter der insgesammt auspumpbaren ausnahmslos zurückbleibt. Unbeständig ist da- gegen der Unterschied beider Grössen; er schwankt zwischen 0-6 und 3-6°/,. — Ob hierfür eine ungleich vollkommene Sättigung mit Sauerstoff oder Verschiedenheiten in den Bindungsgrössen des Haemoglobins verantwort- lich sind, war wegen der Unmöglichkeit, controlirende Analysen anzustellen, nicht zu entscheiden. Trotz der ihnen anhaftenden Unvollkommenheit berechtigen doch die Beobachtungen zu Schlüssen, auf die Grösse des Sauerstofldrucks, wenn im Blute eine Gemenge von oxydirtem und redueirtem Haemoglobin vorhanden ist. Dass es möglich ist, aus Bestimmungen, ähnlich den meinen, auf den Sauerstoffdruck zu schliessen, ist den sorgfältigen von G. Hüfner! aus- geführten Messungen an Lösungen zu verdanken, in welchen das Ver- hältniss zwischen oxydirtem und reducirtem Haemoglobin wechselte. Hüfner’s Ermittelungen zeigen, dass der Sauerstoffdruck schon auf 20 =" gesunken ist, wenn in dem Gemenge der beiden Haemoglobine noch 90°, des bei 150 =” Hg-Druck mit Sauerstoff gesättigten Haemoglobins enthalten sind.. Da mit dem wachsenden Antheil des Gemenges an reducirtem Haemoglobin der Sauerstoffdruck rasch absinkt, so kann eine der Berech- nung des Sauerstoffsdrucks zu Grunde gelegte Zahl, welche um wenige Einheiten ungenau ist, höchstens einen Fehler von 1 "= Hg veranlassen. Ich komme nun zur Mittheilung der Befunde, aus welchen sich der Sauerstoffdruck ableiten lässt. Für je ein Thier ist die Zahl der Bestim- mungen gering und zwar deshalb, weil für je eine derselben eine Blutmenge ausreichend zu einer Gasanalyse verlangt wird. — Von den wenigen Ader- lässen, die selbst ein grosser Hund vertragen kann, ohne dass sich die Zusammensetzung seines Blutes ändert, wäre einer zu sparen gewesen, wenn sich mit Sicherheit aus dem Gehalt an Haemoglobin der zu seiner Sättigung nöthige Sauerstoff entnehmen liess. I Dies Archiv. 1890. 8. 11. STROM- U. SAUERSTOFFDRUCK IM BLUTE BEI FORTSCHREIT. ERSTICKUNG. 495 A. Eine erste Reihe von Blutentziehungen wurde im Verlaufe der Zeit vorgenommen, während welcher dem Aufsteigen des Stromdrucks nach sich die Gefässmuskeln über das gewöhnliche Maass hinaus bis zu dem er- reichbar grössten Grade verkürzt hatten. In ungleichen Abständen vom Beginn des Anwachsens wurde fünf Hunden je ein- oder zweimal Blut abgenommen, wodurch sich annähernd ergeben musste, wie sich das Ver- hältniss zwischen dem zur vollen Sättigung des Haemoglobins nöthigen und dem wirklich vorhandenen Sauerstoff, wir wollen sagen, das des Sättigungs- grades zu den Aenderungen des Stromdrucks gestaltete. Der Versuch ergab: Versuchs- | Aufsteigender ee Sue Sättigungs- | a apen N en Sauerstoff- | zur Sättigung us a Beginn der gehalt nöthig | Ansteigung 14.1. a im Beginn 21-2 | N ae 0-85 4]. 5 etwas später 18-0 0.72 5 a noch später 15-0 20-0° 0-75 15 Sec. Sal 5 3 15-5 99.11 0-70 SIaTEe |... , > 14-6 0-66 laoxdls ||. # 15-6 18-83 0-83 30, SOLL Hu £ | 9-7 18-83 0-52 5.XII. | nachd,oberen 8-3 17-6? 0-47 60, Wendepunkt | | 19. XII. Krämpfe 11-5 18-83 | 0-61 | 500 An die unter dem Stabe „Sauerstoff zur Sättigung nöthig“ stehenden Zahlen sind die Merker !, ?, ® angeschrieben. ! will sagen, dass der 0-Gehalt des wirklich gesättigten Blutes, ? der des natürlichen arteriellen Blutes durch Entgasen bestimmt ist, für ® aber, dass er aus dem bekannten Haemoglobingehalt durch Multiplication mit 1-54 berechnet wurde. Die im zweiten Stabe eingefügten wörtlichen zog ich ziffermässigen Angaben vor, weil sie zusammengehalten mit den gleichfalls angeführten Zeiten deutlicher als Zahlen sprechen. Denn es erniedrigt sich während der Abnahme des zur Analyse nöthigen Blutes der Stromdruck; wenn er sich nach beendetem Aderlass wieder hebt, so gelangt er doch keineswegs immer auf die frühere Höhe. Ohne begleitende Worte würden die Zahlen verwirren, gewiss aber nicht mehr als die erklärende Zugabe leisten. Unsere bisherige Kenntniss von der Abhängigkeit zwischen dem Strom- und Sauerstoffdruck des Blutes wird durch die mitgetheilten Zahlen in- sofern erweitert, als sie die Grenzen bezeichnen, an welchen mit dem ab- ! Das Blut war nach vorausgegangenem starken Aderlass entzogen. 496 MANILLE IDE: nehmenden Sauerstofigehalt das Ansteigen des Stromdrucks beginnt und endet. Bestimmend dafür, dass der Stromdruck anwächst, ist nicht der Procentgehalt des Blutes an Sauerstoff, wohl aber inwieweit der vorhandene ausreicht, um das anwesende Haemoglobin zu sättigen. Wenn ihm nur wenige Zehntel an der nöthigen Sauerstoffmenge fehlen, so gewinnt das Blut seine reizenden Eigenschaften, und diese verschwinden oder schlagen in lähmende um, wenn etwas weniger als die Hälfte des zur Sättigung nothwendigen Sauerstoffs vorhanden ist. B. Aus der Periode der Erstickung, während welcher die Gefässwand statt sich noch weiter zu verkürzen, sich auszudehnen strebt, wobei der Stromdruck von seinem Gipfel herabsteigt, stammen die folgenden Zahlen: ; Jeweiliger OÖ zur ER Versuchs- | Absteigender Strom- O-Gehalt | Sättigung Sättigungs- Zeit Nr. druck in Procent. nöthig grad IE nicht bestimmt 7-4 15-4 0-47 70 Sec. 22V. von 113 auf 100%® Hg 4-4 23.9 0-18 80 14.1. im Begriff zu sinken 2°5 24:9 0-12 SE 21. XI. noch 102 mm Hg | 2-3 p ? 4 Min. 5. XII. auf zum Hg | 30 17-6 0-16 A HERE nicht bestimmt 2-2 245 0:09 270,520 11.]. auf 18 m Hg | Spuren 18-5 = 90 Sec. 25.1. auf 2 uspis 1-6 20-8 0-08 900% Die Ueberschriften dieser haben gleiche Bedeutung mit denen der vorhergehenden Tabelle. — Ihre Zahlen sind nach der Grösse des Sättigungs- srades geordnet. Zwischen ihm und der Erstickungsdauer stellt sich wenigstens insoweit eine Abhängiekeit heraus, als er, nach Verfluss von etwa 90 Sec. bis in die Nähe von 0-1 herabgegangen ist. Zu jener Zeit kann man auf einen Ö-Gehalt des Blutes zwischen 1-0 und 2-5°,, rechnen, denselben, welchen schon E. Pflüger angetroffen.” Einmal auf diesem niederen Werthe angelangt, kann auf ihm der Sauerstoffgehalt Minuten hindurch verharren. Aehnlich bedingt, wie zwischen dem Stromdruck und der Erstickungs- dauer, stellte sich auch das Verhältniss zwischen Stromdruck und Sättigungs- grad heraus. Während sich bei sehr niederem Stromdruck auch der Sauer- stoffgehalt stets weit von dem zur Sättigung nöthigen entfernt hat, trifft es sich umgekehrt auch zuweilen dass die Ordinaten der manometrischen ı Pflüger’s Archiv. Bd. 1. 8. 65 ff. STROM- U. SAUERSTOFFDRUCK IM BLUTE BEI FORTSCHREIT. ERSTICKUNG. 497 Curve noch höher stehen als vor dem Beginn der Erstickung, obwohl der Sauerstoffgehalt im Blute schon tief gesunken ist. Das ungewöhnliche Herabsinken des Stromdrucks zur Zeit, wo das Blut noch so wenig diffundirbaren Sauerstoff enthält, zeigt eine bedeutende Erschlaffung der Gefässmuskeln an. Ob sie deshalb entsteht, weil die von den Nervencentren ausgehenden Reize fehlen, oder weil die Muskeln selbst gelähmt sind, konnte und musste entschieden werden, wenn man ermitteln wollte, wie weit hinaus der vom Blutroth abgegebene Sauerstoff zu wirken vermochte. Um den hierher gehörigen Versuch zur passenden Zeit ausführen zu können, wurde unter die vorbereitenden Handgriffe auch die Praeparation des linken N. splanchnicus aufgenommen. Vom Rücken her wurde der Nerv aufgesucht, durchschnnitten, mit Elektroden versehen und dann mit Inductionsströmen von einer Stärke gereizt, die den Arteriendruck sehr hoch emportrieben. Nachdem die Reizung abgebrochen und die Wunde vernäht war, wurde der Nerv erst dann wieder in den elektrischen Strom- kreis eingeschaltet, nachdem durch die fortschreitende Erstickung der Strom- druck sehr tief gesunken war. Jetzt erzielten Reizungen auch bei einem . weit geringeren Rollenabstand, als er vor der Erstickung sehr wirksam gewesen, nicht mehr den leisesten Erfolge. Damit war bewiesen, dass die Gefässwand erschlafft, weil die in sie eingebetteten Nerven und Muskeln gelähmt waren, nicht aber darum, weil es ihr etwa an äusseren Reizen fehlte. C. An diese Erfahrung knüpfte sich sogleich die Frage, wie viel Sauer- stoff dem Blute eigen sein müsse, damit die Gefässwand wieder leistungsfähig werde. Sie zu beantworten, konnte gelingen, wenn sich der Sauerstofl- gehalt des Blutes ganz allmählich von der Grenze des unwirksamen zu der des erholenden steigern liess. Nachdem ich dann weiter gesehen hatte, dass der gereizte N. splanchnicus sein verlorenes Vermögen, den Stromdruck emporzuheben, zurückgewann, wenn die bis dahin unterbrochene künstliche Athmung nur wenige Secunden hindurch wieder eingeleitet gewesen war, so schien mir das folgende Verfahren für meine Absicht geeignet. Die Erstickung wurde möglichst weit getrieben, bis der Stand des Hg-Manometers auf 20—25 "m gesunken und die Schlagfolge des Herzens verlangsamt war. Dann wurde eine mässige Reihe von Secunden hindurch wieder Luft eingeblasen; wenn dann trotz der nun wieder still gestellten Athmung der Stromdruck zu wachsen anfing, wurde das zur Analyse nöthige Blut entzogen und nächstdem bei fortdauernder Erstickung der Verlauf des Stromdrucks beobachtet. Hierdurch wurde an zwei Thieren gefunden: Archiv f. A.u. Ph. 1893. Physiol. Abthlg. 32 498 MANILLE IDE: Nach Erreichter | Jeweiliger | O.Gehalt bei Versuchs-Nr. E szeil abnals a Stromdruck a | Sättigung Sec. „Hg in Procent | 1n Procent 21.1]. .@ 16 0 | 114 81 20-5 b 12 20 105 4-3 ec 10 24 77 3-8 2uV. a 12 25 129 4-5 23-9 b 18 20 | 113 6-2 Die Ueberschrift Erholungszeit, siehe vorstehende Tabelle, will sagen, dass dem nahezu vollkommen erstickten Thiere während der unter sie ein- getragenen Secunden die Luft wieder gegönnt, dann aber nach Verfluss derselben wieder entzogen wurde. D. Wenn dem Thiere die bisher verweigerte Luft statt nur vorüber- gehend, dauernd wieder zugeführt wird, so mehrt sich mit der fortschrei- tenden Zeit der Sauerstoff im Blute; doch vergeht, bevor er sich der zur Sättigung des Haemoglobins nöthigen Menge nähert, mehr als eine Minute Hierfür sprechen die folgenden Zahlen: Zeit seit Damals vorhanden O z. Sättigung _.,. Versuchs-Nr. | erneuter Ath- ndeockull Sauerstoff: des Haemo- Pe mung in Sec. mm Hg gehalt globins ! Si u 25 künstl. 59 4:2 0-22 1.IL a 20 92 57 105 0-31 ol: 45 99 9-5 0-47 DOSE 25 97 10-0 | 20-0 0:50 os 60 96 11-0 0-55 19. XIL a 25 natürl. 117 11-0 0-60 19. XI. b 45 120 16-1 Lens 0-85 9.1. Fa 80 2 13.4 5 ? Sl le 110 ? 15-4 5 ? Indem sich das Blut von Neuem mit einer steigenden Menge von Sauerstoff belädt, gewinnt sein Strom auch einige Eigenschaften wieder, die ihm in der Tiefe der Erstickung verloren gingen. — So stellen sich namentlich die Hering-Traube’schen Wellen, jene über viele Pulse aus- gedehnten Hebungen und Senkungen des Drucks wieder ein, deren Ur- sprung bekanntlich im verlängerten Marke zu suchen ist. — Gleichzeitig hebt sich auch der Puls auf die vor der Erstickung behauptete Zahl. Hierfür theile ich als Beleg einige Beispiele mit. Sie sind an Thieren mit durchschnittenen Vagi gewonnen. ! Der zur Sättigung nöthige O ist aus dem gefundenen Haemoglobingehalt berechnet. STROM- U. SAUERSTOFFDRUCK IM BLUTE BEI FORTSCHREIT. ERSTICKUNG. 499 Wachsende Erstickung Verschwindende Erstickung Versuchs-Nr. Zeit Stromdruck Pulszahl Zeit Stromdruck| Pulszahl in Min. mm Ho |in 3 Sec. | in Sec. Hg Fıin232Sec. 21. VII. 1892 0 73 8 10 42 5-75 1-5 130 8 15 47 5-5 2-0 135 9 25 65 7-0 2-5 97 10 30 85 80 3.0 73 8 — _ 4-0 49 6 —_ — _ 4-5 45 6 _ — er 5.1 1893 0-0 82 10 10 44 6 2-0 ? 11 17 90 7 3:0 58 8-5 22 115 8 3-5 46 6-5 30 105 9 21.1 1893 0-0 109 9 0 35 4-5 1-5 131 9-5 20 114 8 2-0 135 10 30 127 8-5 2-5 75 9 35 146 9-0 3.0 71 7 40 124 9-5 Welche Beziehungen zwischen Reizung, Lähmung und Erholung ge- wisser Körpertheile und dem Sättigungsgrade des Blutes mit Sauerstoff er- geben sich aus meinen Versuchen? Zu den Orten, welche die Aenderung ihrer Zustandes anzeigten, gehören die Wurzeln des N. vagus, die der ver- engenden Gefässnerven, die im Herz gelegenen, seine Schlagzahl bestim- menden Werkzeuge, die irritablen Stücke der Gefässwände. Die Wurzeln des N. vagi und der Vasomotoren werden aus dem bis- herigen Zustand herausgerissen, wenn das Blut, welches in die Capillaren einströmt, auf einen Sättigungsgrad gleich 0-8 des vollen herabgesunken ist. Bei diesem Grade der Sättigung steht der Gehalt des Blutes möglicher Weise noch sehr hoch bis zu 15, ja zu 18°/, und meist wohl höher als in dem aus den Capillaren abfliessenden Blute. Bei welchem Sauerstofl- gehalt das Blut seine Fähigkeit verliert die genannten Nervenwurzeln zu reizen, und welche Zeit hindurch der sauerstoffarme Blutstrom andauern muss, um diesen Zustand verminderter Reizbarkeit zu erzeugen, ist aus meinen Versuchen nicht zu ersehen. — Nur so viel steht fest, dass die Wellen des Stromdrucks und die auf Vagusreizung deutende Verlangsamung der Pulsfolge verschwinden, wenn einige Minuten hindurch der Sättigungs- grad des Blutes mit Sauerstoff nur 0-1 des vollen beträgt. Beides, namentlich die bis dahin abwesende Welle der Druckcurve kehrt wieder zurück, wenn das bis in die Nähe des Todes erstickte Thier wieder mit Sauerstoff gespeist wird, doch erst dann, wenn das Arterienblut auf einen hohen Sauerstoffgehalt gelangt ist. 32* 500 MANILLE IDE: Nach Durchschneidung der Vagusäste verhält sich das Herz lange Zeit hindurch gleichgiltig gegen die wachsende Armuth des Blutes an Sauer- stoff. Allerdings beschleunigt sich seine Schlagfolge, wenn der Sättigungs- grad des Blutes mit Sauerstoff auf etwa die Hälfte des vollen zurückgine. Aber da gleichzeitig der Stromdruck hoch ansteigt, wodurch der Herzschlag stets beschleunigt wird, so darf auch hier die raschere Pulsfolge auf den- selben Grund zurückgeführt werden. Wann und wie stark die Gefässwände durch den abnehmenden Sauer- stoffgehalt des Blutes erregt werden, lassen meine Versuche unentschieden der gleichzeitigen Reizung der Vasomotoren wegen. Dass sie sich selbst- thätig zusammenziehen, wenn sie vom erstickenden Blute berührt werden, haben schon Kowalewski! nnd Adamück bewiesen. — Gelähmt werden die reizbaren Stücke der Gefässwand alsbald, sowie der Sattigungsgrad des Blutes mit Sauerstoff sich auf 0-1 bis 0-2 vermindert hat. — Und rasch wie entstanden, verschwindet auch der Scheintod, bei einem Sauerstoffgehalt, der weder den Herzschlag, noch die Wurzeln der Vasomotoren zu beleben ver- mag. Nach dem Auferstehen der Reizbarkeit zieht sich auch sogleich die Gefäss- wand wieder zusammen, wenn sie von dem Erstickungsblut berührt wird. Sonach erweist sich der Umfang des Gebietes, welchen das Blut mit Sauerstoff versorgt, veränderlich gross, je nach seinem Gehalte an Sauer- stoff. Besonders deutlich tritt der Unterschied der Strecken, auf welchen dder Sauerstoff belebend hinauswirkt, in der Periode der Erholung hervor. Dies Verhalten passt sich gut der herrschenden Vorstellung an, wonach der Sauerstoff in Folge seiner Spannung auswandert. Denn sie fordert für oleiche Leistung nach Ueberwindung eines längeren widerstandsreicheren Weges grössere Spannungsunterschiede als nach einem kürzeren. Nachdem es nachgewiesen ist, dass die Muskeln, welche den Strom des Blutes umsäumen, sich einen Antheil des Sauerstoffs aneignen, wird es auch erklärlich, warum das Blut verhältnissmässig rasch auch dann noch seinen Sauerstoff ausgiebt, wenn die Spannung desselben auf wenige Milli- meter herabgekommen ist. Bei der weiten Verbreitung der Gefässmuskeln, ihrer stetigen, nur dem Grade nach veränderlichen Thätigkeit dürfte die Grösse ihres Sauerstoffverbrauchs nicht allzu niedrig zu schätzen sein. Ihnen dürfte es namentlich zu verdanken sein, dass das Blut der Venen auch dann noch ärmer an Sauerstoff als das der Arterien angetroffen wird, wenn selbst die Umgebung der Capillaren, wie beispielsweise das Bindegewebe, nur geringe Ansprüche an den Sauerstoff erhebt. — Andere bekannte Eigenschaften des Erstickungsblutes zeigen jedoch daraufhin, dass der Sauerstoff geringer Spannung nicht ausschliesslich durch die Gefäss- ' Centralblatt der medieinischen Wissenschaften. 1868. rd STROM- U. SAUERSTOFFDRUCK IM BLUTE BEI FORTSCHREIT. ERSTICKUNG. 501 muskeln aufgenommen wird. Dahin gehört, wie Siegfried! gefunden hat, dass die letzten Reste Blutsauerstoffs an Pseudohaemoglobin gebunden sind, was sich nur dann ereignen kann, wenn dem Haemoglobin ein grosser Theil des Sauerstoffs durch unmittelbare Berührung mit einem redueirenden Körper entzogen wurde. — Für den Verbrauch des Sauerstofis innerhalb des Blutes spricht ferner, dass die von A. Schmidt? und gleichzeitig von E. Pflüger? beobachtete Befähigung des Erstickungsblutes redueirend zu wirken, was sich ausschliesslich an seine geformten Bestandtheile knüpft. Denn nach Afonassiew* wird nur der zum Erstickungsblute, nicht aber der zum Erstickungsserum zugesetzte Sauerstoff zur Bildung von CO, verwendet. — Auf eine fortlaufende Oxydation der körperlichen Elemente, ausser im er- stickten auch im beathmeten Blut wird man gegenwärtig aber um so mehr zu schliessen geneigt sein, seit es bekannt wurde, dass die leicht vergäng- lichen Plättehen nur im Blute vorkommen, und dass ein dem lebenden Blute zugesetzter Ueberschuss an rothen Scheiben im Innern der Gefässe zu Grunde gehen muss, da sich bei den mit Blut überfüllten Thieren weder ein Austritt von unversehrten Scheiben, noch von Haemoglobin findet.’ Nachstehend gebe ich eine kurze Uebersicht der ausgeführten Versuche: Erste Reihe. Der Zutritt der Luft bis nahe zum Tode gesperrt, dann wieder freigegeben. : ng gestattet nach Vers.- Athmung. verweigert Bemerkungen ee Frstickune Bl ee da ©. Zei Druck 1 00.60, Sec. mmsEle \ 22-5 Körperg. 21.Xl | 0 62 14-0—38-0 |Vagi durchschnitten] 145 | 98 | 8:5 40-0 60 104 8:1—44:0 Curare 120 135 — Atropin 0008 140 113 2:-3—49-0 | Morphin 0-01 ! Dies Archiv. Physiol. Abthlg. 1890. S. 399. ? Leipziger Berichte. 1867. 3 Pflüger’s Archiv. I. 1868. * Leipziger Ber. 1812. 5 Eine im hiesigen Institut nach anderen Zielen gerichtete Untersuchung ver- schaffte mir die Gelegenheit zu Bestimmungen des veränderlichen Haemoglobingehaltes von Hunden, deren Gefässe durch lebendige Transfusion mit Blut überfüllt waren. Die Bestimmung geschah nach der Methode von Hoppe-Albrecht. I. Einem Hund von etwa 8® Gewicht wurden aus der A. carotis eines grösseren 500 &” Blut durch die V. jugularis zugeführt. Vier Tage nachher wurden ihm einige Cubikcentimeter Blut ntzogen, sie enthielten 15-6 Proc. Haemoglobin. Drei Tage später wurden 14-3 Proc. Haemoglobin gefunden. II. Einem Hund von 7-5 wurden wie beschrieben 400 «m lebendigen Blutes zugeführt. Unmittelbar nach der Transfusion wurden 11-8 Proc., zwei Tage nachher 11-6 Proc, sechs Tage nach vollendeter Transfusion 8-0 Proc. und acht Tage nach der letzteren 8-7 Procent Haemoglobin gefunden. Dem Thiere waren nsgesammt 26—28 m Blut entzogen. $ Künstliche Athmung. 502 MANILLE IDE: (Fortsetzung.) 3 Er: ir: Athmung gestattet nach Vers.- Athmung verweigert Bemerkungen vorgängiger Erstickung Nr. | zeit| Druck 0 co, Zeit |Druck 0 CO, Sec. mnäklo, 5311.00 85 17:6—48-5 | 30* Körpergewicht 60 128 8-3—54-5 Vagi durchschnitten 240 18 3-0— 64:0 Unvergiftet 15. 2.) 0 — 24-5—26-2 29% Körpergewicht 90 — 3-7 -47-0 |Vagi durchschnitten 140 — 2-2 -47-9 Unvergiftet Haemogl. 13-1 Proc. 19.XIl.| 0 69 16-0— 36-0 | 32% Körpergewicht | 20!| 117 111-0— 34-4 30 34 15°6—36-0 To > 130 11-5— 40-0 Unvergiftet 50!!! 120 |16-1—34-2 Vagi durchschnitten Haemogl. 12-2 Proc. 9.1 0 _ 12-6—34-2 | 36% Körpergewicht| 80 | — ,13-4—31-4 70 _ 7-4—41-5 |Vagi durchschnitten] 110 | — |15-4—28-6 ‚Unvergiftet 12.1. a 30* Körpergewicht | 25 97 |10-0—45-5 b Vagi durchschnitten] 60 96 |11-0— 40-4 Curare 45 99 | 9-5—43-0 Haemogl. 13-0 Proe. 17-1: 0 78 11-4—38-9 | 26% Körpergewicht | 20 92 | 57-454 90 22 Spuren50-1 ‚Vagi durchschnitten| 25 59 | 4-.2—46-4 Curare Haemogl. 12-0 Proc. 25.1 0 mit O0 gesättigt| 21-7—35-8 | 40* Körpergewicht 0 100 —_ Curare 38 119 12-6— 43-7 |Vagi durchschnitten 125 | im absterben 1-6—51-8 Haemogl. 13-5 Proc. 31.1. 00 | A unvolle s künstl. Athm. Vagi erhalten unvollk. Erst. Aarara 40 | nach besserer | 15-.5—44 2 Athmung Haemogl. 14-0 Proc. 220 \vollk. Erstick.| 4-2—53-5 ' Sehr kräftige natürliche Athmung. STROM- U. SAUERSTOFFDRUCK IM BLUTE BEI FORTSCHREIT. ERSTICKUNG. 503 Zweite Reihe. Der Zutritt der Luft gesperrt bis nahe dem Tode, dann wieder kurze Zeit gestattet und abermals gesperrt. 21. Februar. Körpergewicht 12-9 ®. Vagi durchschnitten. Curare. — Das Blut enthält 12-9 Proc. Haemoglobin und mit Luft geschüttelt 20.5 Proc. O und 25.4 Proc. CO,. — Dreimal wurde die Belüftung zwischen die Athem- sperre eingeschaltet. Nach Beendigung eines jeden dieser drei Versuche I, II, III war dem Thier 10 Minuten hindurch, bis zur vollkommenen Er- holung, Luft eingeblasen worden. I II III Stromdruck unmittelbar vor dem Zutritt der Luft. 3 45 mu Hg 40 mm Hg 29 am Hs Dauer des wiedergestatteten Luft- zutritts . RN le 16 Sec. 12 Sec. 10 Sec. Zeit nach erneutem Verschluss der Athemwege ; 0 Sec. 20 Sec. 24 Sec. Stromdruck . 114 mu Hg 105 »= Hg 77 am Hg Damals vorhanden } Sauerstoff 8-1 Proc. 4-3 Proc. 3-8 Proc. | Kohlensäure 45-8 Proc. 49-0 Proc. 45-3 Proc. 2. Mai. Körpergewicht 41®. Vagi durchschnitten. Curare. — Haemo- globin 14-0 Proc. Blut mit Luft geschüttelt 23.9 Proc. OÖ und 24-5 Proc. CO,. Der Versuch wird zweimal wiederholt. Nach Beendigung des zweiten Versuchs bleiben die Luftwege verschlossen und es wird noch einmal Blut aufgefangen als der auf die höchste Stufe gelangte Stromdruck wieder zu sinken begann. I | II Bemerkungen Stromdruck unmittelbar vor dem In dem Blute das ent- Zutritt der Luft. 56 zusEig 36 m Hg |nommen war als der Dauer der Belüftung . 12 Sec. 18 Sec. Stromdruck im erstick. Zeit nach erneutem Verschluss 25 Sec. 20 Sec, Then vonze1 San | So age | Tıamu me | 16, (nerabee, romdruck . zu BE ale Damals vorhanden Sauerstoff 4-5 Proc. 6-2 Proc. Sangengpwar Ayuzden Kohlensäure 53-1 Proc. 51-3 Proc. | gefunden 4-4 Proc. O CO, 49-7 Proc. Ueber die Thätigkeitsvorgänge ungleich temperirter motorischer Organe. Von Dr. Titus Verwe). (Aus dem physiologischen Institut zu Freiburg i. B.) Die Fortpflanzung der Thätigkeitszustände in Nerven und Muskeln ist ungemein häufig mit der Ausbreitung einer Wellenbewegung verglichen worden. Dass dieser Vergleich in manchen Beziehungen zutreffend ist, unter- liegt auch keinem Zweifel. Wie weit aber die Uebereinstimmung geht, das muss doch (darüber ist wohl auch die Mehrzahl derjenigen, die sich des Vergleichs bedienten, nicht im Unklaren gewesen) zunächst als sehr frag- lich bezeichnet werden und es hängt dies mit sehr wichtigen Problemen über die Natur jener Vorgänge zusammen. Es zeigt sich dies sogleich, wenn wir ein vorzugsweise wichtiges Merkmal in’s Auge fassen. Wir wollen uns, um Verhältnisse zu haben, die den Nerven- und Muskelfasern mög- lichst ähnlich sind, an die Schlauchwellen halten. Parallelisirten wir die Fortpflanzung des Erregungsvorganges der Ausbreitung einer Gleichgewichts- störung, die an einer Stelle des Schlauches hervorgerufen worden ist, so würde wohl namentlich zu beachten sein, dass der an jeder einzelnen Stelle des Schlauches sich vollziehende Vorgang durch Art und Umfang jener Gleichgewichtsstörung bestimmt ist und, sofern diese beliebig modi- fieirt werden kann, selbst in mannigfaltigster Weise varürbar ist. Bezüg- lich der Erregungsvorgänge nun bieten sich, wenn wir sie derart in’s Auge fassen, mancherlei Möglichkeiten des Verhaltens. Nehmen wir an, dass die eintretende Negativität jedes Querschnitts ähnlich einer von aussen zu ge- leiteten elektrischen Stromschwankung auf den Nachbarquerschnitt erregend einwirkt, so wird es denkbar erscheinen, dass, ganz im Gegensatze zu den Wellenbewegungen, jeder Querschnitt von seinem Nachbarn nur die Anre- T, VERWEJ: THÄTIGKEITSVORGÄNGE UNGLEICH TEMPERIRTER ORGANE. 505 gung zu einem Vorgange erhält, der sich aber alsdann in einem zeitlichen Verlauf vollzieht, der von der Beschaffenheit des Anstosses ganz unabhängig ist. Anderseits könnte man sich wohl auch denken, dass zwischen den einzelnen Querschnitten einer Nerven- oder Muskelfaser ein derartiger Zu- sammenhang bestände, dass die Thätigkeit des einen auch den angrenzenden in Thätigkeit nicht bloss zu versetzen sondern auch zu erhalten vermag und zwar ebenso lange als sie in dem ersten andauert. Wie dem nun auch sein mag, jedenfalls ist sicher, dass die genaue Durchführung des Vergleiches mit der Welle auf eine Anzahl Fragen bezüglich des einfachen thatsäch- lichen Verhaltens in den betreffenden Gebilden führt, die zum grössten Theile noch der Beantwortung harren. „Was pflanzt sich eigentlich fort?“ könnte man beim Muskel geradezu fragen: „ist es die gesammte Thätig- keit, insbesondere auch die äusserlich sichtbare Contraction, oder ist es die Negativität, oder ist es nur ein Anstoss, welcher jene beiden Vorgänge auslöst, während diese dann in jedem Theilchen selbständig, durch die be- nachbarten unbeeinflusst, ablaufen ?“ Die Erwägung dieser, im Ganzen nicht neuen Fragen, drängte sich mit besonderer Lebhaftigkeit auf bei Gelegenheit von Versuchen über die Actionsströme am Herzen, besonders des Frosches, über deren noch nicht publieirte Ergebnisse Hr. Prof. v. Kries mir Mittheilungen machte. Jene Vorgänge nämlich, mittelst des Capillarelektrometers und photographischer Registrirung zur Anschauung gebracht, zeigten eine Anzahl auf den ersten Blick auffälliger Ungleichheiten, die sich jedoch alsbald darauf zurückführen liessen, dass die Herzen in ihren verschiedenen Theilen ungleiche Tempe- ratur besassen und demgemäss auch, indem solche Temperaturungleichheiten willkürlich hergestellt würden, beliebig hervorgerufen und abgeändert werden konnten. Es steht dies durchaus im Einklange mit den Beobachtungen von Page und Burdon-Sanderson,! welche auch bereits in der soeben ange- deuteten Weise die Verschiedenheit der vom Herzen abzuleitenden Actions- ströme mit Temperaturdifferenzen der einzelnen Theile des Organs in Ver- bindung brachten. Mit Bezug nun auf die vorhin erwähnten allgemeinen Fragen ist gerade die Gestaltung der Vorgänge an einem in seinen ver- schiedenen Theilen ungleich temperirten motorischen Organe deswegen von besonderem Interesse, weil wir in der Variirung der Temperatur ein ein- faches Mittel besitzen, um die Thätigkeitsvorgänge in ihrem zeitlichen Ver- lauf stark zu beeinflussen. Bezüglich des Herzens würden uns in der That die soeben angeführten Thatsachen berechtigen den Satz aufzustellen, dass der zeitliche Verlauf der Negativität an jeder einzelnen Stelle " On the Electrical Phenomona of the Exeitatory Process in the heart of the Frog and of the Tortoise. Journal of Physiology. IV. p. 327, 506 Tırus VERWESJ: lediglich durch die Temperatur eben dieser Stelle bedingt wird. Dagegen wird ein selbst warmer Punkt nicht in längere Nega- tivität versetzt, auch wenn ihm der Thätigkeitsanstoss von einer abgekühlten Stelle des Herzens zugeht, an welcher die Negativität eine zeitlich viel ge- dehntere ist. Ob das Gleiche auch für die Zusammenziehung gilt, steht vor der Hand nicht fest, ist aber wohl von vornherein sehr wahrscheinlich. — Ein noch erhöhtes Interesse gewinnen diese für das Herz giltigen Sätze im Hinblick auf gewisse seit langer Zeit etablirte Sätze der allgemeinen Nerven- und Muskelphysiologie. Schon in den grundlegenden Versuchen von Helmholtz nämlich wurde festgestellt, dass die Zuckung des Muskels in die Länge gezogen wird, wenn der Reiz eine abgekühlte Nervenstrecke trifft oder der Erregungsvorgang eine solche zu durchlaufen hat. Verhält sich dies so, so wird zu folgern sein, dass hier der zeitliche Typus, in den die Vorgänge sich in einem bestimmten Stück des motorischen Apparates ab- spielen, nicht nur durch die Temperatur eben dieses Theiles bedingt sind, sondern auch von der Temperatur jener Theile abhängt, welche den Erre- gungsvorgang auf ihn übertragen. Zwischen dem Herzen einerseits, und dem aus quergestreiftem Muskel und Nerv sich zusammensetzenden motorischen Apparat anderseits schien also hier eine ganz bestimmte Differenz vor- handen zu sein. Eine genauere Untersuchung der einschlägigen Verhältnisse erschien schon aus dem Grunde wünschenswerth, weil von den zahlreichen sich darbietenden Fragen nur eine durch die Helmholtz’schen Versuche als be- antwortet gelten konnte. Geht man davon aus, dass der Thätigkeitsvorgang an der gereizten Stelle durch Abkühlung derselben in die Länge gezogen wird und berücksichtigt man, dass als Ausdruck des Thätigkeitsvorganges im Nerven die Negativität, im Muskel einerseits die Negativität, anderseits die Zusammenziehung in Betracht kommen, so ergeben sich die folgenden Fragen. Wird durch Abkühlung der gereizten Nervenstrecke in seinem zeit- lichen Verlauf beeinflusst 1. die Negativität an einem entfernten Nerven- querschnitt; 2. die Negativität im Muskel; 3. die Zusammenziehung des Muskels. Hierzu kämen die analogen Fragen, die sich auf die Verhältnisse des isolirten und direct gereizten Muskels beziehen; auch hier wird zu prüfen sein, ob durch Abkühlung der Reizstelle der Verlauf der Nega- tivität und der Zusammenziehung in entfernten Punkten modifieirt wird, eine Frage, die an Muskeln z. B. von der Beschaffenheit des Froschsartorius wohl lösbar erscheint. Auf Vorschlag von Hın. Prof. v. Kries und unter seiner Mitwirkung und Berathung habe ich die soeben auseinandergesetzten Fragen während des Winters 1892/3 zu lösen versucht, insoweit, glaube ich mit positivem Erfolge, dass wenigstens die meisten derselben mit hinlänglicher Sicherheit beantwortet werden können. THÄTIGKEITSVORGÄNGE UNGLEICH TEMPERIRTER ÜRGANE. 507 I. Es wurde mit der Wiederholung der Helmholtz’schen Versuche be- sonnen. Zu denselben wurde das gewöhnliche Nervmuskelpraeparat, Gastro- knemius mit Hüftnerv, von Esculenten benützt. Als Reize dienten stets Oeffnungsinductionsschläge (meist maximale; doch wird über diesen Punkt später noch Einiges zu bemerken sein). Die myographische Einrichtung war derart, dass die Zuckungen isotonisch verliefen. Zu der Aufzeichnung der Zuckungen verwendeten wir zuerst die von Hrn. Rheinbold! benützte Gewichtstrommel, später ein von Zimmermann in Heidelberg gearbeitetes Pendelmyographion. Dieses bot, abgesehen von der wohl noch grösseren Praecision und Gleichartigkeit der Bewegung bei successiven Versuchen na- mentlich noch den Vortheil einer ausgiebigeren Höhenverstellung der Schreib- fläche, so dass mit Leichtigkeit eine grosse Anzahl von Curven hinter- einander auf dieselbe Tafel geschrieben werden kann. Der Temperatur- Fig. 1. Zuckungen eines Muskels bei Erwärmung und Abkühlung seines Nerven nach dem gewöhnlichen Verfahren (der Contact ist bei der letzteren Zuckung um ein weniges verstellt, so dass die Anfänge der Zuckungen zusammenfallen). wechsel des Nerven geschah zunächst in der Weise, dass der Nerv auf ein kupfernes Kästchen aufgelegt wurde, welches mit Wasser von verschiedener Temperatur durchflossen werden konnte. Der Nerv war dabei mit einem Stück Gummi zugedeckt um ihn vor Vertrocknung zu schützen. Da es zu- nächst auf eine genauere Bestimmung der Temperaturen nicht ankam, so begnügten wir uns, einerseits ein mit Eis gut gekühltes Wasser, anderseits solches von einigen 30° aus grösseren Reservoirs fliessen zu lassen. Natür- lich lag, schon wegen des Wärmeausgleichs in den zuleitenden Gummi- schläuchen, die Temperatur des Nerven um mehrere Grade über, bezw. unter den Temperaturen in den Reservoirs; doch liess sich natürlich leicht ein hinreichend ausgiebiger Temperaturwechsel erzielen. Es gelang ohne Schwierigkeit, hier Ergebnisse zu erhalten, welche den Befunden von Helm- holtz entsprechen. Ein Beispiel hierfür bietet Fig. 1. 1 Dies Archiv. 1892. 8.1. 508 Tırus VERWEJ: Wir schritten indessen bald zu einer Abänderung des Verfahrens, Wenn, wie zunächst vermuthet wurde, für die Verzögerung des Zuckungs- verlaufs die Temperatur der Reizstelle und die Protrahirung der an dieser eingeleiteten Thätigkeit entscheidend war, so musste es gelingen, dies in noch einfacherer Weise dadurch zur Anschauung zu bringen, dass an dem- selben Nerven abwechselnd eine dem Muskel nahe gelegene warme und eine entfernter gelegene gekühlte Strecke gereizt wurde. Diese Anordnung bot überdies den Vortheil, dass der Reizungserfolg von der kalten und von der warmen Stelle in unmittelbarer Aufeinanderfolge, nur durch Umlegen einer Wippe verglichen werden konnte, ohne den erheblichen Zeitverlust, welcher bei dem anderen Verfahren den Vergleich etwas unsicher machte. Es wurde also ein passend gestalteter Hartgummiklotz mit zwei kleinen Kupfergefässen versehen, welche je 1 ® breit auch um 1 = von einander abstanden. War der Nerv über diese Einrichtung gebreitet, so konnte nun eine kalte und eine warme Nervenstrecke, jede von 1 °“ Länge und getrennt durch ein ebenfalls 1 ®® langes Stück etwa von Zimmertemperatur erhalten werden. Ein genauer Vergleich stösst nun hier, wie übrigens auch schon Big. 2. Uebereinstimmende Zuckungen eines Muskels bei Reizung von einer unteren erwärmten und von einer oberen gekühlten Nervenstelle aus (untermaximale Reize). bei den erst erwähnten Versuchen, auf die bekannte Schwierigkeit, dass es nicht ganz leicht gelingt, Zuckungen von genau gleicher Grösse zu erhalten. In der Regel waren von der kalten Reizstelle nicht so hohe Zuckungen zu erhalten, wie die warme maximal gereizt sie liefert; also musste die kalte maximal gereizt, für die warme aber ein Reiz gesucht werden, der gleich hohe, für diese nicht voll maximale Zuckungen erzielte. Sehr bald zeigte sich nun zur Evidenz, dass unter diesen Umständen der Verlauf der Zuckung nicht den mindesten Unterschied bietet, mag nun die warme oder die ge- kühlte Stelle des Nerven gereizt werden. Ein Beispiel hierfür bietet Fig. 2. Es ist bei dieser Versuchseinrich- tung allerdings an eine Fehlerquelle zu denken. Man wird nämlich fragen müssen, ob auch wirklich die gekühlte Nervenstrecke gereizt wird und nicht etwa durch Stromschleifen der Reiz die benachbarten ungekühlten Nerven- stellen trifft und erregt. Mit absoluter Sicherheit dürfte sich dieser Ein- wand hier kaum ausschliessen lassen; indessen ist seine Richtigkeit wohl im hohen Grade unwahrscheinlich, da das erwähnte Verhalten für schwache TBHÄTIGKEITSVORGÄNGE. UNGLEICH TEMPERIRTER ÖRGANE. 509 Reize (auch die in Fig. 2 mitgetheilten Zuckungen sind untermaximale) zutrifft. Dass es sich um Stromschleifen im gewöhnlichen Sinne nicht handelt, liess auch die übliche Prüfung, Durchschneidung und Aufeinander- legung des Nerven, wobei die Reizerfolge ausblieben, jedesmal erkennen. Jedenfalls also wurde sehr wahrscheinlich, dass der Zuckungsverlauf durch die Temperatur der Reizstelle nicht nothwendig beeinflusst wird. Hält man nun diese Versuche mit den vorigen zusammen, so kann man leicht folgende Ueberlegung anstellen. Da, wie die zweite Gruppe zeigte, die Temperatur der Reizstelle allein für den Zuckungsverlauf ohne Bedeutung ist, so wird anzunehmen sein, dass die in der ersten Gruppe bemerkten Veränderungen darauf zurückgeführt werden müssen, dass der Erregungsvorgang eine längere Strecke sehr niedrig temperirter Nerven- fasern zu durchlaufen hat. Diese Erwartung bestätigt der Versuch auch. Sobald wieder möglichst lange Nervenstrecken gekühlt wurden, liess sich auch die Verlängerung der Zuckung wieder beobachten und zwar gleich- giltig ob der Reiz das oberste Ende des kalten Stückes traf oder noch ober- halb desselben eine der Temperaturveränderung nicht mehr ausgesetzte Stelle. Konnte nun hiernach als sicher gelten, dass es überhaupt nur darauf ankam, ob der Erregungsvorgang eine längere Strecke niedrig tempe- rirter Nervensubstanz zu durchlaufen hatte, während die Kühlung der Reiz- stelle allein, wobei nur ein kurzes Stück abgekühlter Fasern zu durchlaufen ist, ohne Einfluss war, so drängte sich mit Nothwendigkeit der Gedanke auf, dass die ganze Erscheinung vielleicht nur auf einer ungewollten Compli- kation der Versuche beruhen möchte, darauf nämlich, dass von den sämmt- lichen Fasern des Nerven nicht alle in gleichem Maasse, sondern manche mehr, manche weniger abgekühlt werden. Da die Fortpflanzungsgeschwin- digkeit der Erregung durch die Abkühlung sehr stark herabgesetzt wird, so müsste ein solcher Umstand sich in der Weise geltend machen, dass verschiedene Theile des Muskels nicht gleichzeitig, sondern successive ihre Anstösse erhalten, wodurch nothwendig der Verlauf der Zuckung gestreckter werden muss. Anderseits müssen ohne Zweifel solche Temperaturdifferenzen innerhalb des Nervenquerschnittes entstehen, wenn derselbe, wie bei den zuerst benutzten Verfahren, nur von der Unterlage aus abgekühlt wird. Schwierig ist natürlich zu schätzen, wie bedeutend dieselben etwa sein mögen. Jedenfalls aber erschien nun vor Allem geboten, die Versuche mit sorgfältigstem Ausschluss dieser Fehlerquelle zu wiederholen. Ich verfuhr zu dem Ende so, dass ich zwei ganz gleiche Kupfergefässe anwandte, zwischen deren Platten der Nerv zu liegen kam, von jeder nur durch ein sehr dünnes Gummiblättchen getrennt. Durch die Kupfergefässe liess ich, um die Abkühlung so stark als irgend wünschbar machen zu 510 Tırus VERWEJ: können, nicht mehr Wasser, sondern einen stark verdünnten Alkohol fliessen, welcher ein in eine Kältemischung eingesenktes kupfernes Schlangenrohr passirt hatte. Der Strom wurde mittelst eines Gabelrohres zwischen den beiden, den Nerven einschliessenden Kupfergefässen getheilt und konnte für jedes unab- hängig durch eine Schlauchklemme geregelt werden. Die Abflüsse. waren gesondert, so dass die Stärke der Strömung auch mit dem Auge direct controlirt werden konnte. In beide Leitungen war unmittelbar am Austritt aus dem Kupfer- gefäss ein Thermometer eingefügt. Die blosse Herstellung gleich starker Strömungen genügt im Allgemeinen nicht um gleiche Temperaturen zu erhalten, hauptsächlich wohl wegen des für die beiden Gefässe niemals genau übereinstimmenden Wärmeaustausches mit der Umgebung. Dagegen gelingt es nach einiger Uebung recht gut, die Strömungen so zu regeln, dass beide Thermometer genau gleich, oder doch um weniger als !/, Grad ver- schieden stehen. Abwechselnd mit den Kühlungen waren die Zuckungen bei höherer Temperirung des Nerven zu beobachten. Zu diesem Zwecke wurde mittelst eines Dreiweghahnes die Verbindung gewechselt und erwärmtes Wasser durch die Kupfergefässe geleitet, im Uebrigen in gleicher Weise zu Werke gegangen. Bei der beschriebenen Versuchsanordnung erfordert der Temperatur- wechsel eine nicht ganz kurze Zeit. Aus diesem Grunde ist es nothwendig, mit besonderer Sorgfalt darauf zu achten, dass nicht der Muskel selbst ebenfalls in seiner Temperatur verändert wird. Um dies zu erreichen, wurden erstlich aus einem 1 °® starken Filz passende Stücke so ausge- schnitten, dass sie zu einer die Kupfergefässe fast vollständig einschliessenden Kapsel zusammengefügt werden konnten. Gegen den Muskel hin wollten wir, um eine möglichst lange Strecke des Nerven dem Temperaturwechsel zu unterwerfen, keine so dicke Zwischenschicht einschalten. Um gleichwohl möglichst sicher zu gehen, bewirkten wir den Abschluss ausser durch die die Kupfergefässe tragende Hartgummiplatte, noch durch ein dünnes doppel- wandiges Blechgefäss, welches von einem Wasserstrom von Zimmertempe- ratur dauernd durchflossen wurde. Dasselbe stellt eine etwas quadratische Platte von 5 = Seite und 5 == Dicke dar, welche so zu sagen eine feste Scheidewand zwischen dem Muskel und den gesammten den Nerven um- sebenden Einrichtungen bildete. In ihrer Mitte war ein kleines Röhrchen eingesetzt, durch welches der Nerv hindurch ging. Probeversuche, bei denen wir an die Stelle des Muskels ein Thermometergefäss brachten, lehrten, dass daselbst Temperaturschwankungen nur von wenigen Zehntelsgraden auftreten. Die Temperaturveränderungen im Muskel dürften übrigens noch THÄTIGKEITSVORGÄNGE UNGLEICH TEMPERIRTER ÜRGANE. 51l geringer gewesen sein; denn man sieht meist, offenbar wegen der bedeu- tenden Anhäufung schlechter Wärmeleiter, das Thermometer noch eine Zeit lang ansteigen, wenn bereits nach der Erwärmung wieder zur Durchleitung kalter Flüssigkeit übergegangen ist, und umgekehrt. In denjenigen Zeit- punkten also, in denen die entscheidenden Versuche angestellt wurden, sind die Temperaturdifferenzen in der den Muskel umgebenden Luft noch nicht die grössten überhaupt daselbst vorkommenden. Die Reizung geschah bei diesen Versuchen entweder oberhalb der dem Temperaturwechsel ausgesetzten Nervenstrecke oder aber (in der Regel) in derselben und zwar nahe ihrem oberen Ende. In letzterem Falle geschah die Zuleitung der Inductions- schläge durch Stanniol- oder Lamettastreifen, öfter auch durch Faden- elektroden; ! die einen wie die anderen konnten zwischen den Kupfergefässen eingebettet werden, ohne dass dadurch ein für den Versuchszweck schädi- gender Abstand zwischen denselben bewirkt worden wäre. Auch hier wurde, wie schon oben erwähnt, so zu Werke gegangen, dass bei gekühltem Nerven ein maximaler Reiz gesucht wurde. Meist war dann bei dem erwärmten eine etwas kleinere Reizstärke erforderlich, um die gleiche Zuckungshöhe zu liefern. Im Uebrigen wurde in der Regel so zu Werke gegangen, dass auf dieselbe Abscisse eine Zuckung vom warmen und eine vom kalten Nerven aus gezeichnet wurde. War hier die vom kalten die letzte, so wurde die Tafel verschoben und auf eine etwas höhere Abseisse noch eine kalte gezeichnet, sodann erwärmt und nun wieder eine warme auf die gleiche, und eine auf eine abermals verschobene Abseisse dargestellt. Auf diese Weise erhält man auf jeder Abseisse zwei Zuckungen zum Vergleich, von denen immer das eine Mal die vom kalten, das andere Mal die vom warmen Nerven erzeugte Zuckung die der Zeit nach vorauf- gehende ist. Eine Anzahl nicht verwendbarer Zuckungen (bei denen die für den Vergleich erforderliche Uebereinstimmung der Höhe fehlt) schieben sich natürlich stets ein. Das übereinstimmende Ergebniss aller dieser Versuche war nun, dass in dem Zuckungsverlaufe durch die Abkühlung oder Erwärmung der ge- reizten und der vom Erregungsvorgang durchlaufenen Nervenstrecke absolut kein Unterschied hervorgebracht wird. Als Beleg hierfür diene Fig. 3, bei welcher die Reizung an dem oberen Ende der dem Temperaturwechsel unterworfenen Nervenstrecke lag, ferner ' Eine im hiesigen Institut neuerdings viel benutzte und für manche Zwecke sehr angenehme Art unpolarisirbarer Elektroden. Sie sind im Grunde nichts anderes als Fleischl’sche Pinselelektroden, bei welchen aber statt des Haarpinsels Baum- wollfäden in die Glasröhre eingegypst sind. 512 TıTus VERWEJI: Figg. 4 und 5, bei welchen dicht oberhalb dieser Strecke gereizt wurde. In allen Fällen war die abgekühlte bezw. erwärmte Strecke 3 m lang. Dass zwischen den zwei Zuckungscurven irgend erhebliche Differenzen nicht bestehen, lehrt der Augenschein. Um einen möglichst exacten Ver- gleich zu erhalten, liessen wir die Curven auf Glas photographiren und von dem erhaltenen Negativ ein Diapositiv anfertigen. Man kann nun leicht das Negativ und das Diapositiv so auf einander legen, dass die Curve 2 des einen sich mit der Curve 1 des anderen deckt, was sich, bei Fig. 3. Uebereinstimmende Zuckungen eines Muskels bei Erwärmung (linke Curve) und Ab- kühlung (rechte Curve) einer 3 °® langen Nervenstrecke. Reizung in der temperirten Strecke, nahe dem oberen Ende. Temperaturen + 25° und — 2°. Fig. 4. Uebereinstimmende Zuckungen eines Muskels bei Erwärmung (linke Curve) und Ab- kühlung (rechte Curve) einer 3 *® langen Nervenstrecke; Reizung oberhalb der tempe- rirten Strecke. Fig. 5. Uebereinstimmende Zuckungen eines Muskels bei Erwärmung (linke Curve) und Ab- kühlung (rechte Curve) einer 3 *® langen Nervenstrecke; Reizung oberhalb der tempe- rirten Strecke. der Durchsichtigkeit beider Platten, vorzüglich controliren lässt. Unter- sucht man auf diese Weise, so findet man, dass in allen drei hier mit- getheilten Fällen die aufsteigende Zeit der Curven auf Genaueste zusammen- fallen. In der absteigenden ist eine minimale Differenz in dem Sinne zu bemerken (besonders bei Fig. 4), als ob die Zuckungseurve bei gekühlten Nerven um ein Minimum steiler verlief als die bei erwärmten. Indessen muss man beachten, dass die Geschwindigkeit des Pendelmyographions THÄTIGKEITSVORGÄNGE UNGLEICH TEMPERIRTER ÜRGANE. 513 keine gleichförmige ist. Es macht dies zwar wenig, doch aber für Ver- schiebungen der beiden Zuckungseurven um einige Millimeter grade so viel aus, um merkbar zu werden. ! Il. Nach Gewinnung dieses Ergebnisses bezüglich des Verhältnisses von Muskel und Nerv wandten wir uns zu der analogen Frage bezüglich des Muskels selbst, von welcher sich erwarten liess, dass sie durch ähnliche Hilfsmittel zu beantworten sein werden. Es galt also zu prüfen, ob der zeitliche Verlauf der Thätigkeit in einer Muskelstelle abhängt von dem Verlauf in derjenigen andern, von dem sie den Anstoss zur Thätigkeit erhält. Als zu beobachtender Vorgang kam auch hier zunächst die Zuckung in Betracht. Da indessen der Ablauf der Thätigkeit an einzelnen Theilen des Muskels zu untersuchen war, so konnte natürlich die gewöhnliche Methode, welche die Verkürzung des gesammten Muskels zur Anschauung bringt, nicht verwendet werden. Am nächsten lag es, den gewünschten Zweck durch Registrirung der Verdickungen zu erreichen; indessen sind die meisten für eine derartige Aufzeichnung brauchbaren Froschmuskeln wieder dadurch ungeignet, dass ihre Fasern zu kurz sind, bezw. der Muskel durch eine Inscription unterbrochen ist. Da es jedenfalls wünschenwerth war, ! Die Geschwindigkeit des Pendels ist für unsern Zweck hinreichend genau in einem Abstand a von der tiefsten Stellung a 2 = Ü V 1— (5) wenn ( die maximale Geschwindigkeit, A die maximale Excursion bedeutet. Die Stellen der absteigenden Zuckungsschenkel, die noch einen guten Vergleich gestatten, liegen etwa 5 °® von der Reizstelle entfernt, bei welcher letzteren die Maximalgeschwin- digkeit des Pendels statt hat. An einer solchen Stelle war also die Geschwindigkeit, da die ganze Excursion 13-5 °@ beträgt RN le a a Haben die Curven also an ihrem Anfang einen Abstand von 4 ==, so müssen sie bei genau gleichem Verlauf an der erwähnten Stelle des absteigenden Theils einen Abstand von etwa |, == weniger besitzen, oder sie müssen hier um so viel auseinander liegen, wenn man ihren Anfangstheil zur genauen Deckung bringt. Dies ist in der That gerade noch wahrnehmbar, wenngleich es sich einer quantitativen Bestimmung bereits entzieht. Die geringe Verkürzung der Curve bei gekühlten Nerven, namentlich bei den etwas grösseren Abständen der beiden Curven (Fig. 4 und 5) dürfte sich also wohl hieraus erklären. Ueberhaupt aber können wir natürlich nicht behaupten, absolut identische Zuckungscurven erhalten zu haben, und es ist das auch nicht zu erwarten. Sicher ist nur, dass die Abkühlung des Nerven keine Veränderung ergiebt, welche die minimalen, selbst bei der besten Technik unvermeidlichen Unsicherheiten überträfe. Archiv £. A,u.Ph. 1893. Physiol. Abthig. 33 514 Tırus VERWEIS: recht lange Muskeln zur Verfügung zu haben, so war schliesslich der Sar- torius der geeignetste. Aus den Versuchsanordnungen, welche Hering und Biedermann eingeführt haben, ist bekannt, dass es ganz wohl ge- lingt, diesen Muskel so festzuklenımen, dass die Einklemmung als Fixation dient, und somit die Verkürzungen lediglich desjenigen Theiles, welcher auf der einen Seite der Klemme liegt, aufgeschrieben werden, anderseits aber der Erregungsanstoss sich ungehindert über die Klemmstelle aus- breiten kann. Hierdurch ergab sich als für unsere Zwecke am besten die folgende Anordnung. Der Sartorius wurde senkrecht auigehangen; etwa 1 e® unter seinem oberen Ende lief eine horizontale schmale Leiste, welche durch eine einfache Schraubenvorrichtung leicht gegen ein Brettchen an- gedrückt werden konnte; das untere Ende des Muskels war an den Myo- graphionhebel befestigt. Das oberhalb der Klemme gelegene Stück war zu reizen und andererseits dem Temperaturwechsel auszusetzen. Wir hatten Fig. 6. Ungleiche Zuckungen des unteren Stückes eines Sartorius bei einseitiger Abkühlung (linke Curve) und Erwärmung (rechte Curve) des oberen Endes und Reizung in diesem Stücke. Gewichtstrommel. Von rechts nach links zu lesen. schon ganz zu Anfang, ehe wir auf den Einfluss einer ungleichmässigen Abkühlung am Nerven aufmerksam geworden waren, einige Versuche mit einseitiger Abkühlung des Sartorius in diesem oberen Stück gemacht. Auch hierbei zeigte sich sehr deutlich die Modification des Zuckungsverlaufes (Fig. 6). Auch hier war nun geboten, den Temperaturwechsel so zu bewirken, dass mit Sicherheit alle Fasern des Sartorius gleichmässig von demselben betroffen wurden; ausserdem war noch Sorge zu tragen, dass das ganze untere Stück des Muskels vor Temperaturschwankungen bewahrt bliebe. In der Hauptsache erwies sich hierfür das gleiche Verfahren als geeignet, welches beim Nerven zum Ziel geführt hatte. Ohne auf die nicht wichtigen technischen Details einzugehen, mag es genügen, anzuführen, dass auch hier der Sartorius zwischen zwei Kupfergefässen gekühlt bezw. erwärmt wurde, welche in übereinstimmender Weise Ströme kalter oder warmer Flüssigkeit passirten; die Gleichheit der Temperatur in beiden wird direct THÄTIGKEITSVORGÄNGE UNGLEICH TEMPERIRTER ÖÜRGANE. 515 durch Thermometer controlir. Auch war der Sartorius durch das oben- erwähnte platte Blechgefäss hindurch gezogen, welches von einem in allen Fällen gleich temperirten Wasserstrome durchflossen war und (in diesem Falle horizontal liegend) den ganzen oberen Theil der Anordnung, in welchem der Temperaturwechsel Statt hatte, von dem unteren Theile des Sartorius, dessen Contractionen zu beobachten waren, abschloss. Fig. 7. Uebereinstimmende Zuckungen des unteren Stückes eines Sartorius bei gleichmässiger Abkühlung und Erwärmung des oberen (gereizten) Endes. Das Ergebniss war nun hier ganz das nämliche wie für die Reizung vom Nerven aus. Die Zuckung verändert sich in keiner Weise, mag nun die Reizstelle warın oder kalt sein. Als Beleg diene Fig. 7. Die starke Verspätung, welche durch die Abkühlung der Reizstelle hervorgerufen wird, ist zugleich Beweis, dass nicht etwa durch Stromschleifen ein ungekühltes Stück des Muskels gereizt worden ist. ING Die beiden mitgetheilten Versuchsgruppen lehren, dass der Vorgang der Contraction für jedes Muskelstück einen nur durch seine eigene Tem- peratur bestimmten zeitlichen Verlauf besitzt. Die nächste Frage war, ob das Gleiche auch für den zeitlichen Verlauf der Negativität gilt. Es er- schien uns am besten, diese zunächst für den Nerven in Angriff zu nehmen, weil in diesem die Erscheinungen zwar von wesentlich geringerer Stärke als im Muskel, dafür aber wahrscheinlich viel weniger durch Er- müdung veränderlich sind. Es wird erforderlich sein, zuvörderst einiges über die benutzten technischen Hilfsmittel anzugeben. Das Verfahren war im Wesentlichen das von Bernstein zur Beobachtung der negativen Schwan- kung eingeführte, dessen Hauptbestandtheile also das Galvanometer und das Differenzialrheotom waren. Das Galvanometer war ein von Edelmann angefertigtes Rosenthal’sches sog. Mikrogalvanometer mit Rollen von 10000 Q Widerstand. Der Apparat ist für Untersuchungen, wie die hier in Frage kommenden wegen seiner hohen Empfindlichkeit sehr geeignet. Wir erhielten ohne Astasirung einen Auschlag von 19 Se. für einen Strom von 33* 516 Tırus VERWEJ: as Amp. (Abstand der Scala 2-7 ®); durch Anwendung des Hauy’schen Stabes liess sich die Empfindlichkeit auf 120 Se. für die gleiche Strom- stärke steigern. Einer noch weiteren Steigerung fanden wir dadurch eine Grenze gesetzt, dass die Einstellungen übermässig langsam werden und ausserdem unregelmässige Veränderungen des Nullpunkts in störender Weise auftraten. Der letztere Uebelstand rührt hauptsächlich von den Einflüssen der wechselnden Temperatur und Feuchtigkeit auf den Auf- hängefaden her; er verminderte sich auf ein geringes Maass, nachdem wir den dem Instrument beigegebenen Coconfaden durch einen Quarzfaden er- setzt hatten. Bei den Versuchen verwandten wir schliesslich eine "Asta- 1 . 50-106 Amp. entsprachen. Dabei be- trug die Einstellungszeit bereits etwa 25 Sec., so dass es nicht räthlich schien, die Empfindlichkeit noch weiter zu vermehren. Die Bewegung des Magnetes war dabei nahezu oder vollständig aperiodisch. Dass in der etzteren Beziehung keine ganz bestimmte Angabe gemacht werden kann, liest an der dem Mikrogalvanometer eigenthüm- GHEEEEEEEEEREEGEEBE lichen Dämpfungs-Einrichtung. Dieselbe besteht === s=n@ nämlich in einem ziemlich grossen Glimmerblatt, welches in verticaler Stellung am Magnete befestigt ist und in der aus Fig. 8, einem ‚Anordnung d. a ls Horizontalschnitt, ersichtlichen Weise an der im Rosenthal’schen Mikro- ton Wand der unteren Rolle schwingt; aa ist galvanometer. Horizontal- ; ? 0 ) schnitt. aa Glimmerblatt. das Glimmerblatt, 55 die Messingwand der Rolle, bb Messingwand der unteren = die Axe der Drehungen. Die Dämpfung varlirt Rolle. x Axe der Drehung. also erstlich erheblich, je nach dem die Glimmer- scheibe der Messingplatte etwas mehr oder weniger angenähert ist; zweitens aber ist die Dämpfung weit stärker, wenn die Glimmerplatte so steht, dass ihre breitere Hälfte der Rolle angenähert ist, also bei Abweichungen im Sinne des Uhrzeigers, als bei den entgegen- gesetzten." Dieser Umstand (der übrigens ohne grosse Schwierigkeit zu beseitigen sein würde) macht den Apparat für die Beobachtung von Aus- schlägen untauglich. Für unsern Zweck war er unschädlich, da ohnehin die Beobachtung dauernder Ablenkungen vorzuziehen war. Das Differenzialrheotom wurde durch einen Helmholtz’schen elektro- magnetischen Rotationsapparat in Rotation versetzt, mit der bekannten, diesem letzteren Apparate eignen ausserordentlichen Constanz. Wir wählten, sirung von dem Grade, dass 80 Sec. Fig. 8. ' Stellt man so auf, dass bei Nullstellung die Glimmerscheibe der Rolle parallel steht, so kann man demgemäss häufig seben, dass ein und derselbe Strom in der einen Richtung eine aperiodische Einstellung, in der entgegengesetzten aber eine sehr merk- liche Schwingung bewirkt. THÄTIGKEITSVORGÄNGE UNGLEICH TEMPERIRTER ÜRGANE. 517 um möglichst deutliche Wirkungen zu erhalten, eine ziemlich hohe Rotations- geschwindigkeit, etwa 19 pro Sec. für das Rheotom. Was die Einrichtung des letzteren anlangt, so war dieselbe ein von Petzold in Leipzig nach den Angaben v. Frey’s construirtes. Dasselbe beruht bekanntlich, im Gegen- satz zu der Bernstein’schen Form, darauf, dass nicht die zur Bussole führende Leitung während bestimmter kurzer Zeittheilchen geschlossen, sondern vielmehr eine gute Nebenschliessung, die die Ströme von der Bussole abblendet, vorübergehend unterbrochen wird. Dieses Verfahren wurde zuerst (soweit mir bekannt) von v. Kries benutzt, um den zeitlichen Verlauf der Actionsströme im Muskel bei Momentan- und Zeitreizen zu studiren,! jedoch nicht an einem rotirenden Apparat, sondern am Feder- rheonom, wobei dann zur Beobachtung auch nicht die Bussole, sondern das Capillar-Elektometer diente. Das rotirende Differenzialrheotom nach gleichem Princip wurde von Frey construirt und zuerst von Lee? gleichfalls zur Beobachtung von Muskelströmen benutzt. Derselbe Gedanke liegt endlich auch dem von Schönlein ? gebauten Apparate zu Grunde. Ob die Leistungs- fähigkeit des Apparates oder die Verwendbarkeit des ganzen Princips sich auch auf die viel schneller verlaufenden Actionsströme im Nerven er- streckte, erschien von vornherein nicht ganz sicher. Es kommt dabei in erster Linie darauf an, dass die Nebenschliessung thatsächlich immer nur während der gewünschten sehr kleinen Zeittheilchen unterbrochen wird und sich hinreichend prompt wieder schliesst. Die Einrichtung ist bekannt- lieh derart, dass eine federnde Stahllamelle gegen eine Platinspitze sich andrückt; ein an dem Rande des Rheotoms befestigtes Elfenbeinröllchen drückt bei seinem Vorübergange die Feder um ein weniges zurück und öffnet so den Contact. Natürlich würde es fehlerhaft sein, zu glauben, dass die Unterbrechung nur genau so lange dauert, als die Stellung des Röllchens das Anliegen der Feder verhindert; vielmehr muss immer eine, bei schnellen Rotationen wohl kaum mehr zu vernachlässigende Zeit vergehen, bis die von den Röllchen freigegebene Feder sich der Spitze wieder anlegt. Wie sich dies thatsächlich verhält, ist sehr leicht durch das‘ Experiment festzu- stellen. Man braucht nur einen Strom auf die Bussole einwirken zu lassen, der eine Ablenkung von passender Grösse, z. B. 600 Se., bewirkt; schaltet man alsdann den betreffenden Contact des Rheotoms als Abblendung ein und erhält eine Ablenkung von 6 Sc., so ist zu schliessen, dass der Contact stets während des hundertsten Theiles eines Umlaufes geöffnet ist. Die 1 Dies Archiv. 1884. S. 365. ° Dies Archiv. 1887. S. 206. ® Ptlüger’s Archiv. 1889. Bd. XLV. * Dabei ist natürlich Bedingung, dass bei Schliessung des Contacts die Ablenkung gleich Null wird, also vollständige Abblendung stattfindet. 518 Tırus VERWEJ: Versuche, die wir in solcher Weise anstellten, zeigten nun allerdings für unsere Zwecke die Nothwendigkeit, die dem Apparat beigegebenen Federn durch erheblich stärkere zu ersetzen. Nach Anbringung solcher aber arbeitete der Contact sehr befriedigend mit einer Unterbrechungszeit von der eben erwähnten Grösse, welche sich also, da das Rheotom stets 19—20 Umläufe pro Secunde machte, sich auf etwa !/ 900 — "/so0. Dec. belief. Die Correctheit der Einstellung des Contacts auf diesen Zeitwerth haben wir sehr häufig, fast vor jedem Versuche, controlirt, eine Sache von wenigen Minuten, da der Nervenstrom selbst dazu sehr gut benutzt werden kann. Ein zweiter Punkt, der grosse Aufmerksamkeit erfordert, ist der folgende. Da die Absicht der Versuche eine Verschiebung jenes als Neben- schliessung dienenden Contacts längs der Peripherie des Apparats erfordert, so ist es von principaler Bedeutung, dass sich bei dieser Verschiebung die Unterbrechungsdauer nicht ändert. Bei der gegebenen Construction des Contacts kann dieser Fehler eintreten, sobald er nicht ganz genau centrisch zur Achse des Rades sich verschiebt und demgemäss der Abstand der Feder von der Radperipherie sich ändert. Bei unserem Apparate war dieser Mangel in merklichem Betrage vorhanden; es ist uns auch durch Correctur der Stellung der Achse nicht gelungen, ihn ganz zu beseitigen, doch liess er sich soweit einschränken, dass Verschiebungen um die für uns in Frage kommenden Beträge (!"/ 0 —'”/}.. der Peripherie) in der soeben geschilderten Weise geprüft, keine Aenderungen der Unterbrechungszeit mehr bemerken liessen. Was endlich die Anordnung des für die Reizgebung bestimmten Con- tacts anlangt, so ist bei dem Apparat die Einrichtung derart getroffen, dass für diesen Zweck noch zwei, ganz in ähnlicher Weise durch anschlagende Röllchen zu unterbrechende Contacte zur Verfügung stehen; der eine dient zur Unterbrechung und Schliessung eines primären Stromes, der andere um entweder die Oeffnungs- oder die Schliessungsschläge von dem Prae- parat abzublenden. Wir verzichteten indessen auf die Benutzung dieser Vorrichtung und zogen vor, statt dessen nur einen Contact anzuwenden, dessen Unterbrechungszeit aber möglichst kurz gemacht wurde.! Die Zeit der Unterbrechung dürfte hier weniger als '/,oo0o Sec. betragen haben. Dieser Contact wurde als Nebenschliessung zur primären Spirale eines kleinen Inductionsapparates eingeschaltet. Der Nerv erhielt also bei jeder Unterbrechung eine doppelte Stromoseillation von sehr geringer, aber aller- dings nicht ganz genau zu bestimmender Dauer. Um elektrotonische Er- ! Es ist zu diesem Zwecke nur nöthig, die durch das Röllchen des Rades abzu- drückende Platte sehr schmal zu machen. THÄTIGKEITSVORGÄNGE UNGLEICH TEMPERIRTER ÜRGANE. 519 scheinungen mit Sicherheit zu vermeiden, wurde stets der Längsquerschnitt- strom von zwei neben einander gelagerten Nervenstämmen verwendet und die Reizungsströme durch den einen atterminal, durch den anderen abter- minal applicirt, wie das aus der Fig. 9 zu ersehen ist, in der r, und r, die Reizungselektroden, e, und e, die ableitenden sind. Mit Hilfe der genannten Vorrichtungen gelang die Beobachtung des zeitlichen Verlaufs der negativen Schwankungen in sehr befriedigender Weise, trotz des störenden Umstandes, dass für die Versuche gegen Ende des Winters nur noch kleine und wenig kräftige Frösche zur Verfügung standen. Ueber die Ausführung der Versuche ist sonst nur wenig zu bemerken. Es wurde natürlich der Nervenstrom zunächst sorgfältig compensirt und zwar unter Ausschaltung der am Rheotom befindlichen Nebenschliessung. Nachdem dies geschehen, wurde das Rheotom in Bewegung versetzt, die Nebenschliessung eingeschaltet, die Reizströme aber zunächst, unter der Nerv üblichen Verwendung einer Neben- schliessung vom Nerven abgeblendet. Der eigentlich in Betracht kommende Versuch geschah dann stets so, dass bei laufendem Rheotom zunächst bei einer Schieberstellung gereizt und die a N nelpene oe Dobaen: ung der negativen Schwankung. Ablenkung beobachtet wurde. Es r,r, Reizungs-, e,e, Ableitungselektroden. wurde nie unterlassen, auch die Ein- stellung des Galvanometers nach Aufhören der Reizung wieder zu beob- achten und zu notiren; als die der betreffenden Schieberstellung ent- sprechende Ablenkung kam dann in Rechnung die Differenz zwischen der bei der Reizung stattfindenden und zwischen dem arithmetischen Mittel aus der vor- und nachher ohne Reizung beobachteten Einstellung.' Der gleiche Versuch wurde sodann mit den folgenden Schieberstellungen wiederholt; wir gingen dabei stets um einen ganzen Theilstrich (!/,, der Peripherie), entsprechend !/,,,. Sec., vorwärts und, sobald man in das End- stadium der Schwankung gelangt war, wieder zurück. Im Uebrigen war dann in die Versuche die den eigentiichen Gegenstand bildende Temperatur- Varürung einzuführen. In einem Theile erfolgt diese so, dass die abge- leitete Strecke (nicht aber die Reizstelle) gekühlt wurde; in anderen so, Fig. 9. ! Die kleine Differenz, welche in der Regel zwischen der Galvanometereinstellung vor und nach der Reizung zu bemerken ist, rührt theils von der Abnahme der elektro- motorischen Kraft des Nerven her, zum Theil aber auch von dem oben erwähnten lang- samen Wandern des Nullpunkts. 520 Tırus VERWEIS: dass die Temperatur der abgeleiteten Strecke unveränderlich blieb, da- gegen ein noch möglichst langes Stück des Nerven oberhalb derselben ge- kühlt und erwärmt wurde, wobei die Reizung entweder oberhalb oder in dieser verschieden zu temperirenden Strecke stattfand. Das Ergebniss war nun mit aller wünschenswerthen Deutlichkeit und Praecision das, dass sich die Negativität genau analog dem Contractions. vorgang verhält; auch ihr zeitlicher Verlauf hängt an jeder Stelle bei den hier benutzten Reizen nur von der Temperatur eben dieser Stelle selbst ab, nicht von der Temperatur der Reizstelle, oder derjenigen Nervenstrecken, durch die der Erregungsvorgang zu der beobachteten hingeleitet worden ist. Die folgenden Tabellen bringen dies zur Darstellung. Tabelle I. Tabelle I. e Ablenkung bei ö | Ablenkung bei Schieber: warmer i kalter Schieber | warmer | ; kalter au lung; Reizstelle stellung | Reizstelle 08 1.60 0 N 0 0 1 3-5 3 1 4 1.25 2 7-5 5 2 ® 6-5 3 3-5 2°5 3 7 BorE, 4 2 1 4 3 2-5 5 1-5 0.5 5 0 1 6 1 0-25 6 —_ 0 7 0:5 0-25 7 — | _ 8 | 0-25 0-25 8 _ | — 9 0 0 9 — | — Tabelle II. Tabelle IV. e Ablenkung bei { Ablenkung bei Schieber: warmer - kalter Schieber Erwärmung | Auen alla Reizstelle stellung | yon Reizstelle und Leitung 0 0 0 0 0 0 1 7 6-5 1 5 0 9 10 9 2 13-5 3 3 5*5 3.5 3 14 5 4 0 0 4 11-25 7 5 en an 5 4-75 7 6 2 4-25 Ü 1:75 2 8 0-5 1:25 9 0-5 0-5 10 0 0-25 — _ 0 THÄTIGKEITSVORGÄNGE UNGLEICH TEMPERIRTER ÜRGANE. 521 Tabelle V. Tabelle VI : Ablenkung bei R | Ablenkung bei Senlaben: Erwärmung | Abkühlung Sense Erwärmung | Abkühlung nz von Reizstelle und Leitung Srcllung von Reizstelle und Leitung DE, 0 0 0 0 0 1 3-5 0) 1 5 0 2 4*5 3 2 la 2 3 6-5 3.75 3 7-75 3-25 4 1l100%) 5-25 4 5 3 d 11 3+5 5 1.75 2-25 6 | 9 2 6 1 1-5 7 | 5-5 1 7 0-5 0-5 8 | 3 0.75 S 0 0-25 g 1 0-5 9 — 0 10 0 0°5 11 = 0 Tabelle VII. Schieber- stellung Ablenkung bei Erwärmung | Abkühlung der abgeleiteten Stelle DO DD uU oO ° er SO MD vor o o Qt Von denselben stellen Nr. I—-VI den Verlauf der negativen Schwankung bei abgekühlten bezw. erwärmten Reizstellen dar; Nr. VII dagegen bringt die (aus älteren Versuchen schon bekannte) bedeutende Protrahirung der negativen Schwankung zur Anschauung, welche sich zeigt, wenn die abge- leitete Stelle selbst abgekühlt wird. Zur Erläuterung der Tabellen wäre nur noch anzumerken, dass Schieberstellung O diejenige ist, bei welcher die Ein- wirkung des Nervenstromes auf das Galvanometer mit der Reizung zeitlich zusammenfällt. Dass die Vorrückung des Schiebers um einen Theilstrich immer einem Zeitwerth von Y/,g0u Sec. entspricht, wurde schon erwähnt. 522 Tırus VERWEJ: Da die Versuche stets nur eine discontinuirliche Darstellung des Ver- laufs geben, so ist natürlich die Unabhängigkeit des Actionsstromes von der Temperatur der Reizungs- und Leitungsstrecke nicht in absoluter Schärfe demonstrirbar. Man sieht indessen doch sehr deutlich, dass eine Veränderung von irgend ähn- Figg. 10 und 11. Graphische Darstellung des zeitlichen Verlaufs der negativen Schwankung bei Ab- kühlung und Erwärmung der Reizstelle und eines Stückes der Leitungsstrecke, während die Temperatur der abgeleiteten Stelle constant bleibt. In Fig. 10 ist die Curve X zum Zweck grösserer Deutlichkeit um zwei Theilstriche nach rechts verschoben. Fig. 12. Graphische Darstellung des zeitlichen Verlaufs der negativen Schwankung im Nerven bei Abkühlung und Erwärmung der abgeleiteten Stelle. lichem Betrage, wie sie durch wechselnde Temperirung der Ableitungsstelle bewirkt wurde, nicht statt hat. Ist die ab- geleitete Stelle auf Zimmertemperatur, so sieht man in der Regel, dass wenn der Schieber um einen, höchstens zwei Theilstriche von derjenigen Stelle ver- schoben wird, die die grösste Ablenkung giebt, dieselbe schon auf weniger als die Hälfte der maximalen herabsinkt. Bei der Abkühlung der abgeleiteten Strecke finden wir in einer Erstreckung von mehr als sieben Theilstrichen noch relativ starke Ablenkungen (mehr als 50 Proc. der maximalen) und bei drei THÄTIGKEITSVORGÄNGE UNGLEICH TEMPERIRTER ÜRGANE. 523 Tbeilstrichen annähernd dieselbe, also einen sehr gestreckten Gipfel des Actionsstromes. In gewissem Maasse wird der Vergleich noch dadurch erschwert, dass meist der absolute Betrag des Actionsstromes sich bei Temperaturwechsel der Reizstelle verändert, und zwar durch die Abkühlung verkleinert. Es war nicht wohl möglich, diesen Fehler durch eine Variirung der Reizstärke zu vermeiden, da die Aufsuchung einer passenden untermaximalen Reiz- stärke für die erwärmte Nervenstrecke sehr zeitraubend gewesen wäre und das Gelingen der ohnehin sehr verwickelten Versuche in Frage gestellt haben würde. Am übersichtlichsten gestaltet sich der Vergleich, wenn man die unter den verschiedenen Bedingungen erhaltenen Actionsströme in gewöhnlicher Weise graphisch darstellt, dabei aber die Werthe des ab- solut kleineren sämmtlich mit einem solchen Coefficienten multiplieirt, dass die absoluten Beträge annähernd gleich werden. Figg. 10 und 11 zeigen die solcherart ausgeführte graphische Darstellung der Tabellen 1 und 6. Fig. 12 die für Tabelle 7 (Abkühlung der abgeleiteten Strecke selbst). Man sieht sehr deutlich, dass nur in dem letzten, nicht aber in den beiden ersten Fällen die Temperatur-Variirung einen Unterschied in dem Verlaufe der negativen Schwankung bewirkt hat. V. Durch die mitgetheilten Versuche ist von den Eingangs gestellten Fragen nur ein Theil beantwortet; die Behandlung der übrigen musste vorderhand unterbleiben, da ich durch die äusseren Verhältnisse genöthigt war, die Versuche abzuschliessen. Indessen gestatten die thatsächlichen Befunde wohl, einiges andere wenigstens mit grosser Wahrscheinlichkeit zu folgern. So kann zunächst wohl als sicher betrachtet werden, dass die Abkühlung der gereizten Nervenstrecke, wenn sie schon die Vorgänge in den entfernteren Theilen des Nerven selbst nicht beeinflusst, auch die Er- scheinungen im Muskel in keiner Weise modificirt, also nicht bloss (wie die Versuche der Gruppe I lehrten) die Contraction, sondern auch der Ablauf der Negativität im Muskel dabei unverändert bleibt. Es bliebe dann nur noch die Frage übrige, ob die wechselnde Temperirung der Reizstelle im Muskel den Verlauf der Negativität in den entiernteren Theilen be- einflusst. Nach Analogie der gesammten übrigen Erscheinungen wird sich vermuthen lassen, dass auch dies nicht der Fall ist. Im Ganzen dürfte hiernach zu sagen sein, dass unsere Versuche eine vollständige Analogie des Verhaltens zwischen dem Herzen und dem quer- gestreiften Muskel sammt seinem Nerven herausstellen und dass sie den Gegensatz, in welchem die Helmholtz’schen Beobachtungen hierzu zu 524 WVERWEJ: THÄTIGKEITSVORGÄNGE UNGLEICH TEMPERIRTER ÜRGANE. stehen schienen, auf eine besondere Complication (die ungleiche Temperi- rung der verschiedenen Nervenfasern) zurückführen. Will man das Er- gebniss auf eine einfache Formel bringen, so würde etwa zu sagen sein, dass die Fähigkeit, sich auf Nachbartheile zu übertragen, in welchem die Leitung besteht, nur dem Anstoss zu den Thätigkeitserscheinungen, nicht aber diesen selbst in ihrer Dauer, und zwar weder der Negativität noch der Zusammenziehung zukommt. Im Uebrigen ist klar, dass die aus den mitgetheilten Thatsachen zu ziehenden Folgerungen wesentlich dadurch bestimmt werden, welche theore- tischen Vorstellungen man sich in sonstigen Beziehungen von den Nerven- und Muskelprocessen macht. Bezüglich der letzteren kann es wohl als sicher gelten, dass der zeitliche Verlauf der Thätigkeit durch den Gang zweier Processe bestimmt wird, von denen der eine den Muskel aus den ruhenden in den contrahirten Zustand überführt, während der andere wieder die Ueberführung in den erschlafften Zustand bewirkt, eine An- schauung, die von Fick wohl am schärfsten formulirt, von zahlreichen Autoren ihren theoretischen Erörterungen zu Grunde gelegt worden ist,! dürfte wenigstens eine naheliegende Vermuthung sein. Nach den Unter- suchungen von Gad und Heymans? hätte man anzunehmen, dass im Muskel sowohl der Vorgang I wie der Vorgang II durch wechselnde 'Tem- perirung stark modifieirt wird. Stellt man sich auf diesen Standpunkt, so ergiebt sich aus unseren Versuchen, dass es keinem dieser Vorgänge eigen ist, sich von einer Stelle auf die benachbarte nach Maassgabe seiner Dauer ‘zu übertragen. Vielmehr müsste angenommen werden, dass überhaupt nur ein Anstoss übertragen wird, dass aber der Anlauf beider Vorgänge an jeder Stelle nur durch deren eigene Temperatur beeinflusst wird. ı A. Fick, Mechanische Arbeit und Wärmeentwickelung bei der Muskelthätig- keit. 1882. 8. 197. —.v. Kries, Untersuchungen zur Mechanik des quergestreiften Muskels. Dies Archiv. 1880. 8. 371. — Gad und Heymans, Ueber den Einfluss der Temperatur auf die Leistungsfähigkeit der Muskelsubstanz. Dies Archiv. Suppl. 1890. S. 98. 27.N.2.20) Ueber die centralen Organe für die Temperaturempfindungen der Extremitäten. Von Max Dessoir. 1. In dem ersten Haupttheile meiner Abhandlung über den Haut- sinn! habe ich mit vielfältigen Gründen nachzuweisen versucht, dass die Temperaturempfindungen einen einheitlichen Sinn mit zwei Qualitäten darstellen. Wenn nun in der That Kälte- und Wärmeempfindung zu- sammen gehören, so wird wahrscheinlich der zu ihrer Entstehung nöthige Gehirnprocess auf einer und derselben Region der Grosshirnrinde sich ab- spielen; es ist also möglich, durch Untersuchungen über die Localisation der Temperaturempfindungen das erwähnte Problem seiner Lösung näher - zu bringen. In dieser Beziehung liegen bereits einige Experimente von A. Herzen? vor. Einer Katze wurde der linke Gyrus sigmoideus voll- ständig exstirpirt. „Das Eintauchen der anaesthesirten Hinterpfote in kaltes Wasser wird ohne jede Reaction ertragen, das der anderen dagegen ist un- möglich, da das Bein bei der ersten Berührung mit dem Eiswasser sofort zurückgezogen und krampfhaft in Flexionsstellung gehalten wird.“.... „Dagegen gelingt das Eintauchen auch der normalen Pfote in lauwarmes Wasser ohne jede Schwierigkeit; es ist also offenbar die Kälte, welche auf der einen Seite die Reaction auslöst und auf der anderen wirkungslos bleibt.“ Alsdann wurde einem Hunde die unmittelbar hinter dem linken Gyrus sigmoideus gelegene Windung sammt einem kleinen Theile des hinteren Randes des Gyrus weggenommen. Zur Zeit, als die taktile Anaesthesie noch deutlich ausgesprochen war, gaben die Versuche mit Eiswasser dasselbe Resultat wie bei der Katze. Hr. Herzen schliesst aus diesen seinen Er- 1 Dies Archiv. 1892, 8. 175—339. 2 Pflüger’s Archiv. Bd. XXXVII. S. 96. 526 Max Dessoir: fahrungen, dass der Gyrus sigmoideus das Centrum oder die zu ihm führenden centripetalen Leiter für Tast- und Kälteempfindungen enthalte, „die Wärmeempfindlichkeit aber in anderen Hirncentren entstehe“. Weder die Experimente im Einzelnen, noch die aus ihnen gefolgerte Spaltung des Temperatursinnes in zwei unabhängige Modalitäten schienen mir einwandsfrei zu sein. Ich machte daher eigene Versuche, die gleich- zeitig auch als Ergänzung zu Munk’s neuesten Mittheilungen über die Fühlsphäre dienen können. Wenn Hunden die Extremitätenregionen der linken Seite vollkommen exstirpirt werden, so zeigt sich — nach Munk! — an den Füssen rechts Unempfindlichkeit für Berührungen und Mangel der „Berührungsreflexe“: „kurze und schwache Bewegungen, mit wachsendem Reize von den unteren zu den oberen Gliedern der Extremität fortschreitend“. Erhalten jedoch, wenngleich Anfangs abgeschwächt, sind die „Gemeinreflexe“: „lange und starke Bewegungen mit wachsendem Reize von den oberen zu den unteren Gliedern der Extremität fortschreitend“. Daraus folgt, dass an die Rinde des Scheitellappens die Druckempfindungen und Wahr- nehmungen gebunden sind. Nicht so einfach liegt es für den Schmerz, der den Gemeinreflexen entspricht, da sein Schwellenwerth zwar sehr herab- gesetzt scheint, er selber aber nicht für die Dauer eingebüsst ist. Die Schmerzempfindlichkeit der Beine ist demnach nur in der Hauptsache an die Extremitätenregion der Grosshirnrinde geknüpft. Die nähere Beziehung werden wir vortheilhaft erst nach dem Bericht über die eigenen Versuche erörtern. 2. Vom August 1891 bis zum August 1893 habe ich die Temperatur- empfindlichkeit von Hunden untersucht, denen Hr. Prof. Munk die Vorder- bein- und Hinterbeinregion exstirpirt hatte. Die Beobachtung hatte mit Schwierigkeiten zu kämpfen, die ich zum Theil schon in der Abhandlung über den Hautsinn erwähnt habe. Die Hauptschwierigkeit besteht darin, dass es grosse Mühe kostet, die Temperaturreaction von der Schmerzreaction mit Sicherheit unterscheiden zu lernen. Jedes Thier zeigt in dieser Be- ziehung Eigenheiten, die erkannt werden müssen. Im Allgemeinen aber entsprechen die Bewegungen bei Reizung durch mässige Temperaturen völlig den Munk’schen Berührungsreflexen, die Bewegungen bei Reizung durch schmerzhaft starke Kälte oder Wärme den Gemeinreflexen. Stellt man einem normalen Hunde die Hinterpfoten mit Gewalt in mässig tempe- rirtes Wasser, so zieht er langsam eines der beiden Beine heraus und setzt es nach einiger Zeit wieder hinein, um das andere herauszuziehen und ab- kühlen zu lassen; berührt man ihm mit einem ziemlich kalten Gegenstand ' Sitzungsberichte der königl. Preussischen Akademie der Wissenschaften. 14. Juli 1892, 2. Hlbbd. S. 679—723. (FEHIRNLOCALISATION DER TEMPERATUREMPFINDUNGEN. 527 unversehens die Sohlen, so zuckt er mit einer kurzen und schwachen Bewegung zurück. Die Schmerzreaction bei dauernder Einwirkung starker Wärme und nach Verhinderung frühzeitigen Wegziehens, spricht sich aus in Zuckungen des ganzen Körpers, Schreien, Fluchtversuchen, krampfhaftem Herausschleudern eines Fusses und dem Bemühen, den anderen wenigstens auf den Rand des Gefässes zu bringen; bei anhaltender Einwirkung starker Kälte besteht sie in langen und starken Bewegungen der betroffenen Extremität, an die sich ein Zittern des ganzen Körpers, Unruhe und irgend welche anderen Ausdrucksbewegungen anschliessen. Am deutlichsten wird der Unterschied bei der folgenden Versuchsanordnung. Ein Hund werde vom Gehülfen so gehalten, dass die linke Hand den nach vorne kommenden Bauch umspannt, die rechte den Kopf nach oben drückt, um die Möglich- keit des Sehens auszuschliessen. In dieser Lage sind alle vier Beine frei und leicht beweglich. Wenn man nun mit irgend einem Gegenstande vor- sichtig unter die Sohle kommt und den Fuss etwas hebt und senkt, so lässt sich das Thier das in grösster Ruhe gefallen; sobald aber der Gegen- stand sehr kalt oder warm ist, zuckt es sofort zurück und ist durch keine Wiederholung der Application zu bewegen, den Fuss auf dem Reizobjecte zu lassen. Hält man ihn dennoch darauf fest, so fügt sich der Hund in sein Schicksal, bleibt eine Weile hindurch ganz ruhig und zeigt erst nach einiger Zeit die heftigen Bewegungen des Schmerzreflexes. Mittels des Ausschliessungsverfahrens ist demnach erwiesen, dass die an zweiter Stelle erwähnten Bewegungen die Antwort auf den Temperaturreiz und nur auf diesen sind: weder durch die blosse Berührung noch etwa durch Schmerz sind sie hervorgerufen worden. Eine zweite Schwierigkeit für die Untersuchungen lag in der wechselnden Art, wie Hunde auf Temperaturreize von flüssiger und auf solche von fester Beschaffenheit reagiren. Fast alle Thiere fahren erschreckt zurück, sobald sie die ersten paar Male unvermuthet in Wasser anstatt auf festen Boden treten. Manche Thiere behalten diese Empfindlichkeit für die Dauer bei und zeigen schon bei mittleren Temperaturgraden das lebhafte Bemühen, die Beine aus dem Wasser heraus auf den Rand des Gefässes oder an den Boden zu bringen. Hieran kann nicht die mässige Wärme oder Kühle, sondern nur die feuchte, flüssige Beschaffenheit des Wassers Schuld sein. In der That verhält sich ein solcher Hund ganz anders, wenn er auf leid- lich feste Unterlagen gestellt wird: alsdann bleibt er bei lauer Wärme oder schwacher Kühle der Unterlage ganz ruhig stehen und reagirt erst auf höhere Temperaturen der einen oder der anderen Richtung. Viele Thiere jedoch gewöhnen sich bald an das Eintauchen der Pfoten in Wasser, so dass auch diese Verfahrungsweise angewendet werden kann. 528 MıAx DessoIk: 3. Für gesunde Hunde liegt die Schmerzgrenze im Durchschnitt, bei einer Minute Temperatureinwirkung, nach oben bei +59°C, nach unten bei — 10°C; Hunde, denen der linke Gyrus sigmoideus exstirpirt ist, zeigen die Schmerzreflexe an den linken Extremitäten bei denselben Graden, an den rechten Extremitäten aber erst bei etwa +70°C und — 18°C. Die Empfindlichkeit ist also rechts nicht nur, wie Hr. Munk festgestellt hat, für Schmerzen aus starken Druckreizen herabgesetzt, sondern auch für den Temperaturschmerz. Die Reaction besteht — namentlich in der ersten Zeit nach der Operation — in kräftigem Fortziehen des Beines, ohne dass der Hund winselt oder Fluchtversuche macht. Dasselbe Thier das bei schmerz- hafter Reizung links alle Merkmale des Unbehagens zeigt, macht in der Zeit von der dritten bis etwa zur sechsten Woche nach der Operation bei Application schmerzhafter Temperaturreize an den rechten Füssen nur die geschilderte Reflexbewegung. Es scheint daher, dass neben der zweifellosen Herabsetzung der Gemeinreflexerregbarkeit auch ein vorübergehender Aus- fall des Unlustgefühles eingetreten ist, das sonst fast immer mit Schmerz verbunden ist. Denn Schmerz und Unlust ist zweierlei. Wir kennen Schmerzen von so geringer Intensität, dass sie unmöglich als „die durch übermässige Stärke des Reizes“ (Lotze, Wundt u. A.) erzeugte Unlust bezeichnet werden können, und wir wissen von Menschen, bei welchen gewisse Schmerzen von stärkster Lust begleitet sind. Für gewöhnlich freilich ist unsere subjective Stellungnahme zu dem Bewusstseinsinhalt „Schmerz“ die einer ausgesprochenen Unlust; es ist indessen sehr wohl denkbar, dass unter besonderen Umständen der Schmerz als indifferenter Inhalt im Bewusstsein auftritt, und dies scheint in den ersten Wochen nach der Exstirpation der Fühlsphaere für die zugehörigen Extremitäten der Fall zu sein. Hrn. Munk’s Ermittelungen haben eine Betheiligung der Extremitäten- regionen bei der Entstehung des Schmerzes an den Füssen sicher gestellt: „denn nach der Totalexstirpation der linken Extremitätenregionen finden sich die Veränderungen der Schmerzempfindlichkeit bloss an den rechten Extremitäten ... und wiederum erfährt die Schmerzempfindlichkeit der rechten Extremitäten bloss dann die Veränderungen, wenn die linken Extremitätenregionen exstirpirt sind“. Das kann für den Temperaturschmerz durchaus bestätigt und es darf hinzugefügt werden, dass die erst bei stärkster Reizung auftretenden Reflexbewegungen ohne vorausgehende Unlust sich einstellen. Die Extremitätenregionen sind für gewöhnlich der Ort für das Schmerzgefühl an den gegenseitigen Extremitäten, weil in der Norm die auf schmerzhafte Reizung antwortenden Bewegungen an den Unlustcharakter des „Schmerz“ genannten Bewusstseinsinhaltes anknüpfen. Die Extremi- tätenregionen enthalten ferner das körperliche Substrat für die Localzeichen (GEHIRNLOCALISATION DER TEMPERATUREMPFINDUNGEN. 529 der Hautempfindungen, damit also auch für die Localzeichen, in dem Falle dass Hautempfindungen (Druck, Wärme, Kälte u. s. w.) wegen ihres Stärke- grades Schmerzgefühle wachrufen. Diese Localzeichen gehören eben nicht dem Schmerz als solchem zu, sondern den in ihn eingehenden Empfindungs- elementen des Druckes oder der Temperatur; sie gehen daher durch die Totalexstirpation der Extremitätenregionen verloren und stellen sich in der Regel nicht wieder her. Ein links operirter Hund leckt nur die linken Pfoten, wenn sie ihn auf heissen oder sehr kalten Gegenständen geschmerzt haben, niemals! die rechten, sofern diese angegriffen worden sind. 4. Ueber die eigentliche Temperaturreaction habe ich bereits früher angegeben, dass rechtes Vorder- und Hinterbein von links operirten Hunden, auf warmen Sand bezw. eine Kältemischung gesetzt, noch bei + 55°C bezw. — 9° auf Temperatureinwirkung in der Dauer einer Minute nicht reagiren. Die 55°C gelten durchschnittlich auch für Wasser, denn die Thiere scheinen an den unempfindlich gewordenen rechten Beinen das unangenehme Gefühl des Flüssigen nicht zu haben. An einem Thier beispielsweise, das am 25. Februar 1592 operirt worden war, zeigte sich in den letzten Märztagen regelmässig Folgendes. Es war in eine Schale Wasser von + 35°C, in eine andere solches von + 60°C gegossen worden und nach einigen Versuchen wurde das inzwischen etwas abgekühlte Wasser wieder auf die ursprüngliche Temperatur erhöht. Während der Gehülfe das Thier so hielt, dass es nichts sehen konnte und seine Hinterpfoten über dem Boden schwebten, schob ich die Schalen derart, dass bald der linke, bald der rechte Fuss beim Niedersetzen in das Wasser und zwar entweder in das laue oder das heisse eintauchen musste. Der Hund zog nun aus der mässig temperirten Flüssigkeit den linken Fuss nicht heraus, sondern stellte ihn, höchstens mit kleinen Zuckungen, hinein. Bei dem heissen Wasser dagegen zog er sofort heraus, sobald die Sohle nur ein wenig eingetaucht war, ohne indessen Zeichen von Schmerz von sich zu geben; auch bei uns ist ja ein solches kurzes Einstippen bloss von Wärmeempfindung und nicht von Schmerzgefühl begleitet. Rechts dagegen stellte der Hund seine Extremität ruhig in das Wasser von + 60°C hinein und nahm sie erst nach langer Zeit mit starker Reflexbewegung heraus. Dasselbe Thier reagirte übrigens auf Temperaturreize, die durch Anlegen erwärmter Metall- stücke an die Sohlen erzeugt wurden, in anderer Form. Hierbei nämlich wurden linkes Vorder- und Hinterbein auch erst nach Eintreten des Schmerzes ‘ Einige Zeit nach der Operation kommt es indessen vor, dass der Hund bald hier, bald dort leckt und schliesslich auch das rechte Bein, das gereizt worden war; ja, die Unsicherheit des Findens kann nach Monaten ganz fortfallen. In diesem Falle handelt es sich wohl um eine Stellvertretung durch andere Localzeichen; möglicherweise auch um eine Ungenauigkeit in der Operation. Archiv f£. A.u. Ph. 1893. Physiol. Abthlg. 34 530 Max DessoiIr: zurückgezogen, und das begreift man, wenn man das Experiment mit den eigenen Händen wiederholt: Wärme- und Schmerzempfindung sind bei heissem Eisen zeitlich nicht so von einander getrennt wie bei heissem Wasser. Noch am 11. Juni 1392 waren die Verhältnisse für dieses Thier nicht wesentlich verändert. Ein anderer Hund hingegen, der im Mai 1892 zur Beobachtung kam, bewährte sich am besten bei den Reizversuchen mittelst erwärmter oder abgekühlter Metallinstrumente. Wurde er in der oben beschriebenen Stel- lung vom Assistenten derart gehalten, dass seine Vorderpfoten frei beweg- lich herunterhingen, so konnte man ihm das Instrument, das etwa die Temperatur der Haut hatte, links wie rechts unter die Sohle schieben und er liess die Füsse darauf liegen. War das Eisen jedoch warm oder kalt, dann zog er bei der Berührung links die Pfote sofort weg: wie man auch immer mit dem Eisen den Beinbewegungen folgte, immer wusste er die Pfote zu entfernen und er liess sie lieber in der unbequemsten Stellung, als dass er sich zum Aufsetzen entschloss. Ein ganz anderes Bild boten die rechten Extremitäten. Diese blieben auf demselben Eisen, das soeben links solche Erscheinungen hervorgerufen hatte, regungslos und auf beliebige Zeit hin ruhen, ja selbst eine noch stärkere Erhitzung oder Abkühlung des Instrumentes konnte rechts keine Reaction hervorrufen. Um noch einen dritten Fall anzuführen, sei von einem Hunde berichtet, der vom 2. November 1891 bis zum 13. Juni 1892 unter Beobachtung stand. Am 9. December 1891 wurde er operirt; die fünf Wochen vorher waren dazu benutzt worden, um sein Verhalten in normalem Zustande möglichst genau festzustellen. Rechts wurde genau so reagirt wie links und die Bewegungen bei Temperaturwahrnehmung waren von denen bei Schmerz so deutlich und durch so viele einzelne Züge unterschieden, dass eine Ver- wechselung völlig ausgeschlossen war. Nachdem die Heilung der Operations- wunde per primam verlaufen war, zeigten sich zuerst Gehstörungen: der Hund läuft zwar leidlich, steht aber rechts nicht fest und kippt daher leicht nach dieser Seite um. Die Gehstörungen erschweren natürlich die Unter- suchung, aber bereits am 18. December ist Mancherlei mit Sicherheit fest- zustellen. Wird z. B. die linke Hinterpfote auf Sand von der Wärme auf- gesetzt, bei der früher die Temperaturreaction eintrat, so setzt zunächst der Hund das rechte Bein nach, zieht darauf das linke heraus und lässt das rechte darin, sobald es ihm gelingt den linken Fuss ausserhalb des Gefässes fest aufzustellen; gelingt das nicht, so wird das rechte fortgezogen oder kippt um. Stellt man zuerst das rechte Hinterbein herauf, so wird sehr bald auch das linke aufgesetzt, aber nach kurzer Zeit wieder abgenommen und nur das rechte bleibt unverändert stehen. Noch Ende April 1892 sind die Erscheinungen an den hinteren Extremitäten geradezu typisch, während (#EHIRNLOCALISATION DER TEMPERATUREMPFINDUNGEN. 531 an den vorderen Extremitäten mit Sicherheit und regelmässig keine Unter- schiede festgestellt werden können. Die angeführten Beispiele dürfen nicht zu dem Glauben verleiten, als sei die Untersuchung der Temperaturempfindlichkeit an Thieren sehr ein- fach. Die meisten Hunde sind vielmehr so unempfindlich gegen locale Wärme- und Kältereize, dass sie überhaupt nur durch ihre Steigerung bis zum Schmerz zu Bewegungen veranlasst werden. Ich habe im August 1891 einen Hund beobachtet, der, ohne zu zucken, die normalen linken Extremi- täten in eine Kältemischung von — 20°C. stellte und sie 2—3 Minuten darin liess; der Mensch vermag seinen Finger höchstens eine Minute in solcher Kältemischung zu halten. Es kommt ferner vor, dass die Thiere durch ihre Unruhe unbrauchbar zu derartigen Versuchen werden, dass sie sich unfähig zeigen, ein paar Minuten lang ruhig zu bleiben. Erst durch unausgesetzte Bemühungen gelang es einmal, einen im Februar 1892 ope- rirten und sehr unruhigen Hund in günstige Versuchsbedingungen zu bringen. War vorher jede Beobachtung unmöglich gewesen, so konnte von Ende März 1892 bis Mitte August 1895 dann in der That das typische Verhalten an den Vorderpfoten beobachtet werden. Der Unterschied zwischen links und rechts bei Application einer beliebigen Temperaturqualität war nament- lich im letzten Jahre so augenfällig und so ständig, dass über die gleiche - Wirkung von Wärme und Kälte kein Zweifel sein konnte. 5. Auf Grund dieser Ermittelungen erscheinen die Extremitätenregionen als der Rindenbezirk, an dessen Unversehrtheit das Zustandekommen von Temperaturwahrnehmungen (von Kälte wie von Wärme) an den zugehörigen Extremitäten wesentlich geknüpft ist. Zu beweisen bleibt freilich noch, dass nach der Totalexstirpation der Extremitätenregionen nur die Extremitäten die Fähigkeit zur Wärme- und Kälteempfindung verlieren; wir fragen jetzt: sind nach der von Hrn. Munk ausgeführten und beschriebenen Operation bloss die rechten Beine am Temperaturverlust betheiligt oder etwa noch andere rechtsseitige Körperpartieen? Mit dieser Frage beschäftigen sich Untersuchungen, die ich im April 1593 angestellt habe. Mehrere Hunde, welche die Verschiedenheit der Temperaturreaction an rechten und linken Extremitäten deutlich zeigten, wurden auch an anderen möglichst haarfreien Körperstellen geprüft, gewöhnlich an der unteren Bauchgegend (die, wenn nöthig, abgeschoren war) und an den Ohren. Am besten eigenen sich die Ohren, weil der Hund sie leicht bewegen kann, und von den Öhrlappen namentlich die Mitte der Innenfläche. Anfangs zuckt das Thier bei jeder Berührung an dieser Stelle mit den Ohren, später bloss bei Berührung mit warmen oder kalten Gegenständen. Die Zuckung ist aber völlig gleich auf der rechten wie auf der linken Seite, mag nun die Temperatur des be- rührenden Gegenstandes mässig oder so hoch sein, dass Gemeinreflexe aus- 34* 532 MıAx Dessoik: gelöst werden. An Bauch und Öhren ist demnach sicherlich durch die Exstirpation der Extremitätensphaere keine Veränderung in Temperatur- und Schmerzempfindlichkeit hervorgerufen worden, und man darf wohl voraus- setzen, dass es sich mit den anderen Körpertheilen — ausgenommen die Extremitäten — ebenso verhält. Endlich bleibt die Frage der Restitution zu erwägen. Wer die oben gegebenen Daten durchsieht, wird finden, dass die Untersuchungen an dem- selben Thiere sich meist über Monate, ja bis zu dem Zeitraum von 17 Monaten erstrecken. Ein Wiederentstehen der Temperaturempfindlichkeit liess sich aber niemals feststellen. Demnach wäre es überflüssig, auf diese mit unserem sesammten Wissen übereinstimmende Thatsache ausdrücklich hinzuweisen, wenn nicht eine Beobachtung des Hın. Goltz wider sie zu streiten schiene. Hr. Goltz hat zu verschiedenen Zeiten eine Herabsetzung der Temperatur- empfindlichkeit in Folge von Eingreifen in das Grosshirn gesehen, ohne dass diese Eingriffe schärfer localisirt gewesen wären. Ich stelle die haupt- sächlichen Ergebnisse kurz zusammen. Nach beiderseitiger Verstümmelung des Grosshirnes zeigt der Hund „eine Abstumpfung aller Hautempfindungs- qualitäten.... er beachtet Temperaturschwankungen weniger“.! „Die Hunde treten bald mit diesem, bald mit jenem Fuss, bald mit beiden zugleich im Näpfe mit kaltem Wasser und bleiben lange darin stehen.“?” Tritt ein Hund mit sehr grossem Substanzverlust beider Hälften des Grosshirns in eine Schaale mit kaltem Wasser, so bleibt er längere Zeit in dem Wasser stehen, „während ein gesunder Hund sofort die betreffende Pfote heraus- zieht“.? Dasselbe wird von einem Hunde berichtet, „dem der bei weitem grösste Theil der Rinde beider Halbkugeln zerstört ist“. Ein anderes Thier, dem die ganze linke Hälfte des Grosshirns abgetragen war, zeigt noch 15 Monate nach der Operation rechts eine „Abstumpfung des Wärmesinnes“. Sie geht daraus hervor, „dass der Hund sich nicht scheut, gelegentlich mit den rechtsseitigen Pfoten im kalten Wasser stehen zu bleiben, während er die linksseitigen Pfoten sofort heraushebt, sowie er mit ihnen zufällige in Wasser tritt“.° Der Hund dagegen, dem das ganze Grosshirn seit 13 Monaten fehlt, beantwortet Temperaturreize, die seine Haut treffen, durch zweck- mässige Bewegungen. „Stellt man deu Hund mit der einen Vorderpfote in einen Napf mit kaltem Wasser, so zieht er die Pfote augenblicklich heraus und setzt sie neben den Napf oder bleibt eine Weile auf drei Beinen stehen.“ ® ı Pflüger’s Archw. Bd. XIV. S. 438. 2 Ebenda. 8. 415. ® Ebenda. Bd. XX. S. 11. * Ebenda. Bd. XXVI. S. 9 und Bd. XXXIV. 8. 464. 5 Ebenda. Bd. XLII. S. 422. 6 Ebenda. Bd. LI. S. 576. GEHIRNLOCALISATION DER TEMPERATUREMPFINDUNGEN. 533 Die beiden letzten Beobachtungen lassen sich schwer mit einander ver- einigen. Könnte man annehmen, dass es sich im letzten Falle um Kälte- grade handelte, bei denen Schmerz auftritt, so wäre der Widerspruch leicht zu lösen. Denn das Hauptergebniss der erwähnten Untersuchungen Munk’s über die Fühlsphaere ist ja folgendes: an die sogenannten Extremitätenregionen sind die Druckempfindungen und die Berührungsreflexe der zugehörigen Extremitäten gebunden; die Schmerzempfindlichkeit der Beine aber hängt von diesem Rindenbezirk nur derart ab, dass sie nach dessen völligem Unter- gang zunächst stark herabgesetzt ist und allmählich sieh wiederherstellt. Angenommen nun, es dürften die Temperaturwahrnehmungen auf gleiche Stufe mit den Berührungswahrnehmungen gestellt werden, so liesse sich das meist von Hrn. Goltz beobachtete Stehenlassen des Fusses in kaltem Wasser durch den Verlust der Extremitätenregionen, das gelegentliche Herausziehen durch schmerzhaft wirkende Kälte erklären. Indessen liegt, wie wir ge- sehen haben, die Schmerzgrenze für die Beine des Hundes oberhalb des Kältegrades, den Wasser erreichen kann; die angedeutete Erklärung trifft also nicht zu und der Widerspruch in den Goltz’schen Erfahrungen ist wohl nur auf eine andere Weise zu lösen, die zugleich unsere bisherigen Resultate völlig sicherstellt. 6. Wir hatten gesehen, dass nach der Exstirpation eines bestimmten Rindenbezirkes die Temperaturempfindlichkeit an den Extremitäten für alle Zeit erloschen ist. Das Verhalten der solcherart operirten Thiere muss in Bezug auf die Temperaturempfindlichkeit dem Verhalten von Thieren gleich sein, in deren Gehirn wegen einer Unterbrechung der zuleitenden Bahnen ein Temperaturreiz überhaupt nicht gelangen kann. Wenn nun das Lenden- mark eines Hundes quer durchschnitten ist, so kommt doch sicherlich an den hinteren Extremitäten keinerlei Empfindung zu Stande. Benimmt sich ein solcher Rückenmarkshund (sit venia verbo!) ebenso wie eins unserer früheren Versuchsthiere, sobald wir an den Hinterbeinen experimentiren, dann ist von einer ganz anderen Seite her ein Beweis für die Richtigkeit unserer Aufstellungen geliefert. Die Reactionen auf höchste Temperatur- grade freilich werden einen Unterschied aufweisen. Die Reflexerregbarkeit des Lendenmarkes nämlich steigt nach der Querdurchschneidung an und bleibt Monate hindurch auf einer Höhe, die oberhalb der Norm liegt.! Diese Zunahme zeigt sich darin, dass schon durch schwaches Drücken der Zehen Beinbewegungen herbeigeführt werden, dass ferner das eigenthümliche ‚„Takt- schlagen“ und eine am unversehrten Thiere nicht vorkommende Kratz- bewegung der Hinterbeine auftreten. Nun liegt der Gedanke nahe, die Wirkung von Kälte und Wärme an einem solchen Thiere zu prüfen. Sehen ı H. Munk, a. a. 0. 534 Max Dessoir: wir bereits bei Temperaturgraden, die unter der Schmerzgrenze liegen, einen Erfolg, so kann die Kälte und Wärme nur als einfach sensibler Reiz gewirkt haben, und die Vermuthung drängt sich auf, dass die gelegentlich am grosshirnlosen Hunde beobachtete „Temperaturreaction“ ein blosser Reflex gewesen ist. Was Hr. Goltz das eine Mal gesehen hat, kann keine Schmerz- reaction gewesen sein, da die Schmerzgrenze nicht erreicht war, es kann keine Temperaturreaction gewesen sein, da ein grosshirnloser Hund Tem- peraturempfindungen nicht hat: es handelt sich also um einen einfachen Reflex auf Grund eines lediglich physiologisch wirkenden Reizes. In der That haben Untersuchungen, die ich im Juli und August 1893 an einem Rückenmarkshund vornahm, gezeigt, dass dessen Temperatur- erregbarkeit an den Hinterbeinen die Mitte hielt zwischen der normalen Empfindlichkeit für Wärme bezw. Kälte und für Schmerz. Dem Thiere war am 28. December 1892 das Rückenmark in der Höhe des letzten Brust- wirbels quer durchschnitten worden; die Wunde war ausgezeichnet verheilt, kein Geschwür war aufgetreten, und von der Mitte des Februar an zeigte sich das Taktschlagen, das augenfälligste Symptom der erhöhten Erregbar- keit, gut ausgebildet. Dieser Hund zog — ein halbes Jahr nach der Operation — die hinteren Extremitäten in die Höhe, wenn auf die Fuss- sohlen ein Reiz von + 54° bezw. — 8°C während der Zeit einer Minute eingewirkt hatte. Da von einer Empfindung der Wärme oder Kälte keine Rede sein kann, und die Abweichung von der normalen Schmerzgrenze (+ 59° bezw. — 10°C) durch die erhöhte Erregbarkeit hinreichend erklärt ist, so dürfen wir hieraus wohl entnehmen, dass es sich bei den Bewegungen unserer Gehirnhunde wirklich um Bewegungen gehandelt hat, die durch die Wahrnehmung einer Temperatur und nicht durch einen Schmerz ver- anlasst sind. Sehr deutlich tritt der geschilderte Thatbestand hervor, sobald man die Reflexe der hinteren mit den Bewegungen der vorderen Extremitäten oder die Reflexe des Rückenmarkhundes mit den Bewegungen eines am Gehirn operirten Thieres vergleicht. Ob man Wärme oder Kälte benutzt, ist auch hier wieder ganz gleichgültig. Aus der Fülle der Versuchsmöglich- keiten nur noch zwei Proben. Man stelle sich eine Kältemischung her aus einem Theil zerkleinerten Eises und drei Theilen von krystallisirtem Chlor- calcium. Die Temperatur dieser Mischung beträgt einige Zeit hindurch etwa — 25°C. Setzen wir die normal empfindenden Vorderpfoten des Hundes mit durchschnittenem Rückenmark auf das Gemenge, so werden sie sofort zurückgezogen: das ist die Temperaturreaction; halten wir sie darauf fest, so fangen sie nach einer knappen halben Minute an, sehr heftig zu zucken: das ist die Schmerzreaction; setzen wir die fühllosen Hinter- beine auf, so gehen diese mit einer gemessenen Ruckbewegung nach LOCALISATION DER TEMPERATUREMPFINDUNGEN. 535 etwa 15 bis 20 Secunden in die Höhe: das ist der einfache Reflex. — Oder wir machen folgendes Experiment. Nachdem wir festgestellt haben, dass ein Gehirnhund die normale linke Hinterpfote bei Berührung mit einem etwa + 60° warmen Metallinstrument sofort wegzieht, weil er die Wärme fühlt, gewöhnen wir ihn im Laufe von Wochen daran, die Extremität auch auf warmer Unterlage ruhen zu lassen. Sie wird nunmehr erst nach dem Zeitraum einer Minute zurückgenommen, in Folge von Schmerz. Der Rückenmarkshund dagegen hebt die hintere Extremität bereits nach 45 Secunden, das heisst der Reflex tritt früher ein als die normale Schmerz- reaction. An dem rechten Hinterbeine des Gehirnhundes endlich erzielen wir mit einer Temperatur von 60° keinen Erfolg; wir müssen die Tempe- ratur des Eisens auf 70° erhöhen, um nach einer Minute die Schmerz- reaction eintreten zu sehen. — So gelingt es demnach, in der bunten Fülle von Bewegungen ein gesetzmässiges Verhalten zu erkennen und bindende Rückschlüsse zu ziehen. Aber allerdings kommt es darauf an, dass die individuellen Abweichungen vom Typus in jedem einzelnen Falle durch- schaut und die Versuchsbedingungen möglichst gleichmässig gestaltet werden. Die geschilderten Beobachtungen sind im physiologischen Laboratorium der kgl. Thierärztlichen Hochschule zu Berlin gemacht worden. Dem Leiter desselben, Hrn. Prof. Hermann Munk, bin ich für seine Anregung und Unterstützung zu aufrichtigem Danke verpflichtet. Versuche über die Empfindung des Widerstandes. Von Dr. A. Goldscheider und Dr. A. Blecher. Stabsarzt und Privatdocent, Assistent an der Klinik. (Aus der I. medie. Klinik des Hrn. Geh. Rath Leyden.) Der sogenannte „Muskelsinn“ umfasst mehrere verschiedenartige Empfindungen, welche Goldscheider einer genaueren Analyse und Untersuchung unterzogen hat.! Hierbei wurde als eine Empfindung besonderer Art die Widerstands-Empfindung hingestellt. Es wurde von derselben angegeben, dass sie in ihrer Qualität eigenartig sei und am meisten mit einer Druckempfindung Aehnlichkeit habe; dass sie beim Tasten vielfach von uns verwendet werde, wobei sie als Marke für die Beendigung der einzelnen Tastbewegungen diene, welche die Ermittelung der Gestalt des Objectes zum Zwecke haben; dass ferner die Intensität der Widerstands- empfindung als Maassstab der Consistenz des Objectes benutzt werde. Das erregende Moment fand Goldscheider im Wesentlichen in dem Stoss, welchen das tastende Glied erleidet; als das empfindliche Substrat, innerhalb dessen die Stosswirkung die sensiblen Nerven erregt, sprach er die Gelenkenden? an und schloss auf Grund verschiedener Beob- achtungen und Ueberlegungen ausdrücklich die Sensibilität der Haut als irrelevant aus. Unter den Momenten, welche denselben hierzu be- stimmten, erschien von besonderer Bedeutuug eine von ihm als „paradoxe Widerstandsempfindung“ bezeichnete Erscheinung. Da dieselbe den Gegen- stand der in Folgendem mitgetheilten Untersuchungen bildet, so möge zu- nächst hier gesagt werden, was unter derselben zu verstehen ist: Wenn ! Untersuchungen über den Muskelsinn. Dies Archiv. 1889. ” Ueber die Empfindlichkeit der Gelenkenden. Verhandlungen der Physiologischen Gesellschaft, 1889/90. (FOLDSCHEIDER U. BLECHER: VERSUCHE UT. S. W. 937 man in der Hand. einen mit irgend einem Gegenstande belasteten Faden hält und nun dieselbe eine langsame Abwärtsbewegung machen lässt, bis der Gegenstand auf einer Unterlage zum Aufsetzen kommt, so hat man in diesem Augenblick das deutliche Gefühl eines Widerstandes, welches der Raumlage des schweren Gegenstandes entsprechend nach aussen localisirt wird. Hat letzterer eine genügende Schwere, so entsteht der Eindruck, als ob man mit einem festen Stabe unten aufstosse. Die Erscheinung ist eine alltägliche, ohne doch eine dem Interesse derselben entsprechende physiologische Würdigung gefunden zu haben. Setzt man die Abwärts- bewegung mit der Hand fort, so hat man im ersten Augenblick die Empfindung, als ob man eine Federkraft zu überwinden habe, und die Hand hat die Neigung, nach oben zurückzuschnellen (paradoxe Schwere- empfindung). Die Bezeichnung „paradox‘ rechtfertigt sich im Hinblick auf das Unerwartete der T’hatsache, dass im Augenblicke der Entlastung Widerstand und weiterhin Schwere gefühlt wird. Die Erscheinung er- klärt sich dadurch, dass die das Object haltenden Finger durch Muskel- spannung aequilibrirt sind, welche letztere bei der Entlastung noch fort- dauert. In Folge dessen treffen die in Fortbewegung begriffenen Finger im Momente der Entlastung auf einen Widerstand von der Grösse der Muskelspannung, d.h. des bis dahin wirkenden Gewichtes. Ein von aussen kommender Stoss findet also hierbei gar nicht statt, vielmehr spielen sich die mechanischen Momente, welche zur Entstehung der Widerstands- empfindung führen, von vornherein unterhalb der bedeckenden Haut ab. Hiernach schien es, dass es zur Auslösung der Widerstandsempfindung eines von aussen her auf die Haut wirkenden Druckes oder Stosses nicht bedürfe. Diese paradoxe Widerstandsempfindung haben wir nun einer näheren Untersuchung unterzogen, einmal um die Erscheinung und die früher von Goldscheider vorgetragene Anschauung eingehender zu prüfen, und ferner, um die Schwellenwerthe der Widerstandsempfindung zu messen. Unsere Beobachtungen haben zu Ergebnissen geführt, welche es nöthig machen, die früher von Goldscheider ausgesprochene Anschauung von der Bedeutungslosigkeit der Hautsensibilität für die Wahrnehmung des Widerstandes zu modifieiren. Die von uns vorgenommenen Messungen betrafen einige Gelenke des rechten Armes und wurden an uns selbst als Versuchspersonen ausgeführt. Die jedesmalige Versuchsperson hatte mit jedem von dem Gehülfen auf- gegebenen Gewicht je acht Senkungen — eine Versuchsserie — auszu- führen; das nach jeder Senkung abgegebene Urtheil wurde vom Gehülfen notirt, wobei das Ausbleiben der Widerstandsempfindung mit O, eine un- deutliche mit ?, eine deutliche mit ! bezeichnet wurde. Die Versuchsreihen 538 (GFOLDSCHEIDER UND BLECHER: wurden gewöhnlich mit untermerklichen Werthen begonnen, letztere wurden dann allmählich vergrössert, bis die Mehrzahl derselben merklich war und dann wieder in absteigender Reihe verkleinert. Als Ausdruck des Schwellenwertbes wurden diejenigen Werthe betrachtet, bei welchen zur Hälfte undeutliche Empfindung angegeben wurde; als Grenzwerth der deutlichen Empfindung diejenigen, bei welchen zur Hälfte undeutliche, zur Hälfte deutliche Empfindung angegeben wurde. Was die Hülfsmittel betrifft, welche wir anwendeten, so liessen wir zur Verhütung von Seitenschwankungen den Faden, welcher das Gewicht trug, über zwei Rollen laufen, welche an einem schweren auf den Fuss- boden aufgestellten Stativ befestigt waren. Die Befestigung des Fadens geschah mittelst eines Bandes, welches um den Arım gelest und mit einer Schnalle geschlossen wurde. Das Band lag aber nicht unmittelbar der Haut an; vielmehr bedienten wir uns der mit Wasser gefüllten Gummi- manschetten, welche Goldscheider schon früher bei seinen Versuchen verwendet hatte und welche über den betreffenden Gliedtheil, an welchem das Gewicht aufgehängt werden soll, gestreift werden; erst über die Man- schette kommt dann das Band zu liegen. Diese Manschetten stumpfen die Einwirkung der Druck- und Zugschwankungen des Gewichtes auf die Haut ab und vertheilen dieselben gleichmässiger auf die gesammte von der Manschette bedeckte Hautoberfläche. Sie stellen andererseits insofern eine Complication dar, als sie ein nicht unerhebliches Gewicht besitzen. Es wog die Fingermanschette: 14 erm, die Handmanschette: 106 „ die Unterarmmanschette: 440 ‚, die Oberarmmanschette: 700 ,, Als Gewicht wurde eine mit Schrot gefüllte Aluminiumschale benutzt. Um das überaus störende Geräusch, welche beim Aufsetzen des Gewichtes auf den Boden entsteht, zu vermeiden, verwendeten wir eine den Schall gut dämpfende Unterlage, aus einem mit Plüsch überzogenen Brettchen bestehend, auf welchem ein mit einer Plüschdecke belegtes Sandsäckchen ruhte; in einigen Fällen (bei schwereren Gewichten), wo diese Vorrichtung noch nicht genügte, behalfen wir uns dadurch, dass wir das dumpfe Ge- räusch des zum Aufsetzen kommenden Gewichtes übertäubten, indem wir dem Strahle der Wasserleitung einen stark plätschernden Fall gaben. Das durch das Aufsetzen des Gewichtes entstehende Geräusch störte nämlich den Versuch in einer bemerkenswerthen Weise: man glaubte meist, sobald man das Geräusch hörte, auch Widerstand empfunden zu haben, bezw. man konnte sich nicht sicher darüber aussprechen, ob Wider- VERSUCHE ÜBER DIk EMPFINDUNG DES WIDERSTANDES. 539 stand gefühlt wurde oder nicht; schwache Geräusche wurden geradezu mit Widerstandsempfindung verwechselt. Die Senkungen erfolgten mit einer Geschwindigkeit von ca. 6°® in der Secunde, welche nach unseren Erfahrungen eine optimale für die Er- zeugung der Widerstandsempfindung ist. Das Band wurde stets um die Mitte der Manschette gelegt, und letztere wurde so applieirt, dass das Band an den Fingerphalangen je der Mitte der betreffenden Phalanx, an der Hand dicht central von den Metacarpophalangealgelenken der vier Finger, am Oberarm dicht central von den Condylen gelegen war; am Unterarm wurden verschiedene Stellen gewählt, deren Entfernung vom Os naviculare der Handwurzel gemessen wurde. Die Senkungen wurden mit dem rechten Arme ausgeführt. Bei den Bewegungen im Schulter- und Ellbogengelenk war. der Handrücken nach rechts (aussen) gedreht; war das Gewicht am Zeigefinger befestigt, so waren die anderen Finger eingeschlagen, sonst leicht gestreckt. Im Folgenden sind die gewonnenen Schwellenwerthe kurz zusammen- gestellt, von denen jeder einzelne das Ergebniss einer Versuchsserienmasse repraesentirt, welche, wie oben mitgetheilt, je in auf- und absteigendem Typus angestellt wurde. A) Senkung im Schultergelenk. Der Arm wird von einer über die Horinzontale erhobenen Stellung aus gesenkt, so dass das Gewicht bei ungefähr horizontaler Richtung des Armes zum Aufsetzen kommt („horizontale Entlastungsstellung‘“). a) Band an der Endphalanx des Zeigefingers. I. Versuchsperson: Sol er, Sr ee Durchsehnittswerth: 8-1 „, II. Versuchsperson: 5:4 „ 6-4 „ 8-5 „ Durchschnittswerth: 6-8 „ 5) Band an der II. Phalanx. I. Versuchsperson: 11.8 m, 11-0 em, 10.9 sm, 10.4 em, Durehschnittswerth: 11-0 „ II. Versuchsperson: 112360, 10730252.10207, Durehschnittswerth: 10-6 c) Band an der I. Phalanx. I. Versuchsperson: 199 s20,716.6 2:0 213.08 15.228: Durehschnittswerth: 15-1 ” ” ı Jeder Werth gehört einem anderen Sitzungstage an, was auch für die Folge bezüglich der für eine und dieselbe Situation angegebenen Werthe gilt. 540 (HOLDSCHEIDER UND BLECHER: II. Versuchsperson: 3.9 &u°16.. 2,82u Durchschnittswerth: 15-1 2 d,ı Band um die Hand. I. Versuchsperson: 25.0 gm, 30-8 grm, 20.9 erm, 25.9 Bm, Durehschnittswerth: 25-3 „ II. Versuchsperson: 25-1 „ 22:2, 28.08 Durchschnittswerth: 23-6 e) Band 10 «® central vom Handgelenk. Bei den ersten Versuchen dieser und der folgenden Abtheilung hatte die Unterarmmanschette nicht das oben angegebene Gewicht, sondern war etwas leichter. 1. Mit leichterer Manschetite. I. Versuchsperson: 46.5 gm, 48.1 em, Durchsehnittswerth: 47-3 „ II. Versuchsperson: 45.0 „ 44-4 ,„ Durchschnittswerth: 44-7 PR) 2. Mit der Manschette von 440 em Gewicht. I. Versuchsperson: 57.0 em, 59.0 sm, Durchschnittswerth: 58-0 „, II. Versuchsperson: 59207, ‚61-07, Durchschnittswerth: 60-0 „, f) Band 20 m central vom Handgelenk. 1. Mit leichterer Manschette. I. Versuchsperson: 42.0 gu, 47.7 em, Durchschnittswerth: 44-8 „, II. Versuchsperson: 44-3 „ 2. Mit der Manschette von 440 &” Gewicht. I. Versuchsperson: 55.5 erm, 61.5 gm, Durchschnittswerth: 58-5 , II. Versuchsperson: D322, 59-805, Durchschnittswerth: 56-5 ,„ g) Band um den Oberarm. I. Versuchsperson: Tarbiam, 74.8885. 8 Durehschnittswerth: 77-4 „, II. Versuchsperson : OJ=u0 1183.80, Durchschnittswerth: 74-7 ,„ VERSUCHE ÜBER DIE EMPFINDUNG DES WIDERSTANDES. 541 B) Senkung im Ellbogengelenk. 1. Der Oberarm hängt senkrecht herab und wird an den Oberkörper fest angedrückt. Bei der Entlastungsstellung befindet sich der Unterarm ungefähr rechtwinkelig zum Oberarm. a) Band an der Endphalanx des Zeigefingers. I. Versuchsperson: 10.9 gm, 8.8 erm, 9.3 gm, Durchsehnittswerth: 9-7 „, II. Versuchsperson: Sell. Kerl Sen, Durchschnittswerth: 8-2 „ b) Band an der II. Phalanx des Zeigefingers. I. Versuchsperson: 10.020 711.889, 12.3 em, Durchschnittswerth: 11-4 „, Il. Versuchsperson: Ball, JUloe) 5 lalaay rn Durchschnittswerth: 11-2 „ c) Band an der I. Phalanx des Zeigefingers. I. Versuchsperson: oa, rm Seren 922 Term Durchschnittswerth: 17-8 „ ll. Versuchsperson: 16-6 „ : 22:0 „ Durchschnittswerth: 19-3 „, d) Band um die Hand. 1. Versuchsperson: a) Bu a Bil ejore) Baur Durchschnittswerth: 31-2 „, Il. Versuchsperson: 34.0 „ 30.8 „ 835-5 „ Durchschnittswerth: 33-4 e) Band 10 “® central vom Handgelenk. 1. Versuchsperson: 20-0 En 0a 19. 4.eum Durchsehnittswerth: 71-9 „, II. Versuchsperson: SEO 102277 155.805 672.0, 28 Durchschnittswerth: 69.8 , 2. Der Oberarm wird im wagerechter Haltung mittelst einer gepolsterten auf einem Dreifuss ruhenden Krücke fixirt. Es wurde darauf geachtet, dass bei der Senkung der Unterarm in der Entlastungsstellung nicht gestreckt zum Oberarm stand, vielmehr mit letzterem einen stumpfen Winkel bildet, da bei ersterem Verfahren die Widerstandsempfindung sehr undeutlich ist. Der Winkel wurde bei allen Versuchen möglichst gleich hergestellt und betrug etwa 170°. a) Band an der Endphalanx des Zeigefingers. I. Versuchsperson: SS ET 10H Durchschnittswerth: 10-7 „ 542 II. Versuchsperson: Durchschnittswerth: (FOLDSCHEIDER UND BLECHER: 10:0 em, 1089, „ 10.3 gm, 192.4 sm, 6) Band an der I. Phalanx des Zeigefingers. I. Versuchsperson: Durchschnittswerth: ll. Versuchsperson: Durchschnittswerth: 14.5 gm, 17.2 gm, 18.9 sm. 1646°, Se, 16.5... 16230, Klo c) Band an der I. Phalanx des Zeigefingers. I. Versuchsperson: Durchschnittswerth: II. Versuchsperson: Durchschnittswerth: d) Band um die Hand. I. Versuchsperson: Durchschnittswerth: II. Versuchsperson: Durchschnittswerth: 22 gm 20 sm, 24.4 gm, Da 9349, ,..29083 5, 05.100 23.5 „ 35 em 55 gm 47 m, 45.6 „ 5l.5.....A551 Aloe ABB „ e) Band 10 °® central vom Handgelenk. I. Versuchsperson: Durchschnittswerth: II. Versuchsperson: Durchs:hnittswerth: C) Senkung im Metacarpophalangealgelenk des Zeigefingers. Der Ellbogen ruht auf einem schmalen Tische; dem vorderen Rande desselben entsprechend liegt die Hand, den Rücken nach oben gekehrt, auf einem Gypsblock, welcher nach der Form der Hand angefertigt ist und eine bequeme Lagerung derselben und der Finger gestattet. Unterhalb des Zeigefingers ist eine tiefe verticale Rinne ausgehöhlt, welehe dem Finger nebst seiner Adjustirung freie Bewegung nach unten gestattet. Beim Auf- setzen des (@ewichtes befindet sich der Finger unter die Horizontale geneigt. a) Band an der Endphalanx. I. Versuchsperson: Durehschnittswerth: II. Versuchsperson: Durehschnittswerth: d) Band an der II. Phalanx. I. Versuchsperson: Durehschnittswerth: II. Versuchsperson: Durehsehnittswerth: 115.5 sm, 98.5 sm, 102.2 sum, 105-4 „ 106.0, „98.0 ,, 100088 103.9 23 gm, 24.6 5m, 31-0 5m, 26.2 „ Ol LI 2 DA, 58.3 em, 83 em 57.6 8m, 66-3 „ Boll, ‚68806 Gl VERSUCHE ÜBER DIE EMPFINDUNG DES WIDERSTANDES. 543 Die Einflüsse der Uebung sowohl wie der Ermüdung machten sich in hohem Maasse geltend und erzeugten die bekannten Erscheinungen. Die Werthe sind bei beiden Versuchspersonen durchgängig ausser- ordentlich übereinstimmende. Auch die aus den einzelnen Versuchsserien gewonnenen Werthe entfernen sich meist nur wenig von einander. Beim aufsteigenden Verfahren ergab sich zuweilen ein etwas niedrigerer Schwellen- werth als beim absteigenden Verfahren; es wurde in solchen Fällen der niedrigere Werth angerechnet. Die Abgrenzung der Zone der Schwellen- werthe von derjenigen der unter- und übermerklichen war meist eine ziemlich scharfe. Die Fehlerquelle, welche aus einem erheblicheren Wechsel der Ge- schwindigkeit erwachsen würde, glauben wir dadurch vermieden zu haben, dass wir die passende Geschwindigkeit nach den Schlägen des Metronoms sorgfältig einübten. Man könnte ein Bedenken in dem Umstande suchen, dass die Höhe der Unterlage nicht verändert wurde und folglich die Ver- suchsperson alsbald eine bestimmte Vorstellung erwarb, an welchem Punkte der Bewegung der Widerstand zu erwarten sei; jedoch sind Selbsttäuschungen daraus kaum erwachsen, wie schon aus der Uebereinstimmung der Werthe der verschiedenen Serienmassen und Sitzungen hervorgeht. Eine Veränderung der Höhe der Unterlage ohne Wissen der Versuchsperson war deshalb un- thunlich, weil dadurch die Entlastungsposition des Armes, der Hand u. s. w. geändert worden wäre, was eine bedenkliche Inconstanz wesentlicher Be- dingungen zur Folge gehabt hätte. Wichtig und bemerkenswerth ist nun an den oben zusammengestellten Werthen, dass sie eine bestimmte durchgehende Abstufung zeigen, derart, dass mit der Verschiebung des Aufhängepunktes nach der Peri- pherie die Schwellenwerthe sich mehr und mehr verkleinern. Es ist nunmehr das nahe liegende Bedenken zu erledigen, ob etwa die Abstufung der Werthe dadurch bedingt sein könnte, dass an den mehr peripherischen Befestigungsstellen leichtere, an den mehr centralen schwerere Manschetten angewendet worden waren, das heisst durch die Verschieden- heiten der Anfangsbelastung. Hiergegen sprachen folgende ad hoc an- gestellte Versuche: 1. Die Senkung findet im Schultergelenk statt. Es sind gleichzeitig zwei Manschetten applieirt, nämlich die Hand- und die Oberarmmanschette. Bei dieser doppelten Belastung wird einmal der Schwellenwerth bei Befesti- gung des Bandes an der Hand und ferner bei Befestigung desselben am Oberarm ermittelt. a) Band um die Hand. I. Versuchsperson: 36.6 5, 08 „ 40.0 „ 544 GOLDSCHEIDER UND BLECHER: b) Band um den Oberarm. I. Versuchsperson: 98 sm, I. h, 1067, 2. Die Senkung findet im Schultergelenk statt. Es sind die Oberarm- manschette und 10 ““ central vom Handgelenk die 440 Em schwere Unter- armmanschette angelegt. a) Band am Unterarm. I. Versuchsperson: 74-7 sm, b) Band am Oberarm. I. Versuchsperson : 98 &". Hieraus folgt, dass auch bei gleichen Belastungsbedingungen die Ab- stufung der Werthe und zwar nahezu in demselben gegenseitigen Verhält- niss vorhanden ist. Jedoch sind die Werthe durchgängig absolut grösser, eine Erscheinung, welche aus der grösseren Anfangsbelastung des Armes resultirt. Es liegt nunmehr die Frage nahe, ob die Abstufung der Werthe lediglich durch die statischen Momente bedingt ist. Die Werthe verfeinern sich für ein und dasselbe bewegende Gelenk, um so mehr, je mehr der Aufhängungspunkt des Gewichtes nach der Peripherie hinrückt; thatsächlich wirkt es dann an einem um so längeren Hebelarm. Dieser Umstand ist zweifellos von grosser Bedeutung, genügt aber für sich allein nicht zur Erklärung der gewonnenen Ergebnisse Schon die früher von Goldscheider mitgetheilte Beobachtung legt dies dar: dass nämlich bei Hebung mit abstehender am centralen Segment befestigter Schiene in dem Augenblick des Anhebens keine Widerstandsempfindung auftritt, während bei gleichem Gewicht, sobald die peripherischen Segmente der Schiene angelegt werden, sofort deutliche Widerstandsempfindung vor- handen ist.! Ein neuer Beweis lässt sich aus unseren Versuchen ableiten. Bei den mit dem Ellbogengelenk ausgeführten Senkungen hatten sich je nach der Haltung des Armes differente Resultate ergeben, nämlich bei stumpfwinkliger Entlastungsstellung erheblich höhere Werthe als bei recht- winkliger. Wenn nun die Widerstandsempfindung ausser von dem bewe- senden Gelenk ledielich von der Länge des Hebelarmes abhängig wäre, so müsste die Erhöhung der Schwellenwerthe bei der erstgenannten Stellung sich für jeden Aufhängepunkt in gleicher Weise geltend machen. Dies ist aber nicht der Fall, wie folgende Zusammenstellung zeigt, in welcher mit 4 die rechtwinklige, mit 5 die stumpfwinklige Entlastungsposition be- zeichnet ist. 2,02 1516 VERSUCHE ÜBER DIE EMPFINDUNG DES WIDERSTANDES. 545 Aufhängepunkt. des | 1. Versuchsperson | II. Versuchsperson Gewichtes | A B | A | B Endphalanx Zr | geHT | Wo 8-2 10-9 II, Phalanx u | 11-4 16-6 11-2 | 16°5 ir s A FRE | 17-8 | 22.0 | 19-3 | 23-5 ana. ea 3, 45-6 ae 465 Unterarm, 10 eem central | | vom Handgelenk . . 71-9 105-4 69-8 103-9 Das Verhältniss der Werthe für A und 3 zu einander, welches an den peripherischen Segmenten 9:10 bezw. 4:5 ist, fällt centralwärts auf 2:3, das heisst es geht von 27 bezw. 24 auf 20 herab. Die hieraus ersicht- liche nach der Peripherie hin. zunehmende Verfeinerung der Werthe kann nur die Folge der fortschreitend zunehmenden Betheiligung der peripheri- schen Gelenke sein, welche ja von den mechanischen Momenten, durch welche im Ellbogengelenk die Differenz der Werthe bedingt wurde, nicht unmittelbar betroffen wurden. Auch entsprechen die Werthe nach ihrer absoluten Grösse nicht den Verhältnissen der Hebelarme, wenn man sich die Entfernung zwischen bewegendem Gelenk und den Aufhängepunkten als starr denkt, und zwar hat sich ein passendes Verhältniss der Werthe auch bei gleichen Belastungs- bedingungen nicht ergeben. Andererseits jedoch sind die statischen Momente keineswegs gleich- gültig und es wäre weit gefehlt, wenn man glauben wollte, dass, da die Empfindlichkeit nach der Peripherie hin wächst, lediglich das am meisten peripherisch gelegene von den in Betracht kommenden Segmenten maass- sebend sei. Man vergleiche z. B. die Ergebnisse, welche sich auf das an der Nagelphalanx des Zeigefingers aufgehängte Gewicht beziehen. Bei Senkung im Schultergelenk ergab sich: 8-1 =”, bei Senkung im Metacarpo- phalangealgelenk dagegen ein viel höherer Werth, nämlich 26-2 sm, Die Manschette war dabei die gleiche und das Anfangsgewicht bei ersterem - Modus insofern erheblich grösser als dabei der ganze Arm, bei letzterem Modus aber nur der Finger bewegt wurde. Dies kann nur durch den Ein- fluss mechanischer Momente erklärt werden. Eine andere Art der Gegenüberstellung der Werthe lehrt aber un- zweideutig, dass ausserdem in der That die Empfindlichkeit für Widerstand an den peripherischen Segmenten wächst: Senkung im Schultergelenk. (Gewicht an der II. Phalanx: I. Versuchsperson 11.8 sm, u, MB, Archiv f. A.u. Ph. 1893. Physiol. Apthig. 35 546 GOLDSCHEIDER UND BLECHER: Senkung im Ellbogengelenk. Gewicht an der Endphalanx: I. Versuchsperson 9.7 sm, II. a Sea In beiden Fällen wurde mit einer gleichen Anzahl von Segmenten gearbeitet, aber im zweiten Fall ist ein centrales Segment aus- und ein peripherisches dafür eingeschaltet: das Resultat ist ein besseres als im ersten Fall. (sanz dasselbe lehrt die folgende Zusammenstellune: Senkung im Schultergelenk. (Gewicht an der I. Phalanx: I. Versuchsperson 15.1 gm, 11. n aan, Senkung im Ellbogengelenk. (sewicht an der II. Phalanx: I. Versuchsperson 11.4 em, M:. R 11225, Durch das Einfügen peripherischer Segmente wird also die Empfind- lichkeit vergrössert und zwar in höherem Maasse, als der Verlängerung des Hebelarmes, vom bewegenden Gelenk aus gedacht, entspricht. Die Empfind- lichkeit der peripherischen Segmente für Widerstand ist feiner als die der grösseren (rliedabschnitte, tritt aber, wenn die peripherischen Segmente mit letzteren gleichzeitig bewegt werden, mehr hervor, als wenn sie für sich allein bewegt werden. Alle diese Erscheinungen sind wahrscheinlich ledig- lich durch die äusserst complieirten Verhältnisse der Muskel- und Gelenk- mechanik bedingt, welche noch nicht genügend aufgeklärt ist, um den Versuch einer mechanischen Herleitung unserer Werthe zu wagen; jeden- falls besteht keine Nöthigung, die höhere Empfindlichkeit der peripherischen Segmente als eine Eigenthümlichkeit des nervösen Substrates aufzufassen. Wahrscheinlich hängt die Stärke der Widerstandsempfindung sowohl von dem bewegenden wie von den fixirenden Gelenken der bewegten Seementreihe ab. Es handelt sich um eine Summe von Erregungen, welche in uns einen einheitlichen Gesammteindruck hervorrufen. Dass verschiedene Gründe dagegen sprechen, dass wir den Widerstand mittelst der Hautsensibilität wahrnehmen, wurde schon angeführt; hier sei im unmittelbaren Anschluss an die eben vorgetragenen Versuchsresultate bloss darauf hingewiesen, dass bei einem und demselbeu Aufhängepunkt des Gewichtes die Widerstandsempfindung eanz verschieden ausfällt, je nachdem die Senkung in dem einen oder anderen Gelenk stattfindet. So schwankte der Schwellenwerth z. B. an der zweiten Phalanx von 11-2 bis 66.3 em VERSUCHE ÜBER DIE EMPFINDUNG DES WIDERSTANDES. 547 Wir versuchten demzufolge nun auch die Widerstandsempfindung ohne die Anwendung der Cautelen zu prüfen, welche den Zweck hatten die Hautsensibilität möglichst auszuschliessen. Wir legten das Band un- mittelbar der Haut an und zwar mässig fest, so dass es weder drückte noch locker lag. Hierbei ergab sich nun ein unerwartetes Resultat: Gleich- gültig, ob das Band um die Hand, um den Unterarm oder Oberarm lag, ob im Schulter- oder Ellbogengelenk bewegt wurde, es entstand stets bei 10-6 bis 12.8 8m Gewicht in dem Moment der Entlastung eine Empfindung. Die nähere Beobachtung führte uns nun zu der Erkenntniss, dass beim Aufsetzen des Gewichtes zwei verschiedene Empfindungen entstehen; die eine ist die eigentliche Widerstandsempfindung, welche wir dort localisiren, wo das Gewicht die Unterlage berührt; daneben aber nehmen wir noch dort, wo das Band die Haut berührt, eine cutane Sensation wahr, welche mit derjenigen eines leichten Druckes Aehnlichkeit hat. Deutlich ge- schieden erscheinen diese beiden Empfindungen jedoch nur bei grösseren Gewichten; je mehr wir uns dem Schwellenwerthe nähern, um so mehr fliessen beide zu einer untrennbaren Empfindung zusammen. Die Haut- nerven werden in doppelter Weise gereizt: das Band wird durch das Ge- wicht gespannt, daher drückt es oben auf die Haut, während es unten von derselben abgezogen ist; im Augenblicke der Entlastung hört die Spannung auf, daher lässt an seinem oberen Theile der Druck gegen die Haut nach, während der untere Theil sich gegen dieselbe anlegt und eine Berührungs- empfindung erzeugt. Um zu prüfen, ob bloss letztere oder ob auch die am oberen Theil stattfindende Druckabnahme perecipirt werde, bedienten wir uns folgender Vorrichtung: Zwei etwa 20 ® lange Pappstreifen wurden an ihren Einden durch ebenso lange Fäden verbunden; auf der unteren Fläche des oberen Pappstreifens wurde ein Korkstück, auf der des unteren Streifens ein Haken angebracht, an welchem der das Gewicht tragende Faden befestigt wurde. Das System wurde dann mit dem Korkstück auf die Haut aufgesetzt, so dass das betreffende Gliedsegment sich zwischen den beiden Pappstreifen befand und ausser von dem Kork nirgends berührt wurde. Wenn also unter diesen Umständen beim Aufsetzen des Gewichtes eine Hautempfindung wahrgenommen wurde, so konnte es nur eine durch Druckabnahme ent- standene sein. In der That entstand eine Empfindung in der Haut und zwar bei 18-7 bis 19.5 Sm Gewicht (Senkung im Schultergelenk, Auf- hängepunkt 14°“ central vom Handgelenk). Nachdem in die betreffende Hautstelle eine Coeaininjection gemacht worden war, zeigte sich diese Empfindung abgestumpft, so dass sie erst bei 35-1 bis 36.28 Gewicht auftrat. Somit entsteht bei der Entlastung sowohl eine Empfindung der Druck- mx A 35 548 GOLDSCHEIDER UND BLECHER: zunahme wie der Druckabnahme in der Haut, welche in den für die Wahr- nehmung des Widerstandes maassgebenden Empfindungscomplex mit ein- sehen. Diese cutanen Empfindungen werden jedoch in der Haut localisirt und man kann sie bei einiger Aufmerksamkeit neben der nach aussen ver- legten Widerstandsempfindung fühlen. Sie treten in verschiedener Stärke hervor, je nachdem die Art der Befestigung des Gewichtes geeignet ist, die Hautsensibilität zu betheiligen. Die folgenden Versuche geben ein Bild hiervon und zeigen zugleich, wie die Wahrnehmung des Widerstandes offenbar von der Hautsensibilität beeinflusst wird. Zum Verständniss der Ergebnisse ist es nöthie, hervorzuheben, dass lediglich auf das nach aussen localisirte Widerstandsgefühl, nicht auf die locale Hautempfindung ge- achtet wurde. Bei allen Senkungen ist das Gewicht an der ersten Phalanx des Zeige- fingers befestigt. Bei A ist der Faden des Gewichtes unmittelbar und zwar fest um den Finger geschlungen ; die Berührung mit der Haut ist also hier von möglichst geringer Ausdehnung. Bei 2 liegt das Band und zwar locker um. Bei € ist das Gewicht an einer innen gefütterten, oben aufgeschnittenen Metallhülse aufgehängt, welche über den Finger gestreift und mittelst Schraube äusserst fest angedrückt wird. ———— m = Te = = m Senkung im A B | (0) Metacarpophalangealgelenk . 60-0 47+3 über 300 Handgelenen u. 20227 45-0 | 17-8 | 33-8 Ellbogengelenk . . .. 10-0 | 13-8 | 20-5 Schultergelenk . . .. . . 9-4 | 13-4 | 14-5 | Bei jeder Art der Befestigung tritt also die Abstufung der Werthe hervor, ein genügender Beweis für die Bedeutung der statischen Momente segenüber der Hautsensibilität. Andererseits aber wird doch ein deutlicher Einfluss der letzteren ersichtlich aus der Abhängigkeit der Werthe von der Art der Befestigung. Bei locker angelestem Bande, der für die Erregung der Hautnerven günstigsten Bedingung, sind dieselben am kleinsten und tritt gleichzeitig der Einfluss der statischen Momente ganz erheblich zurück. Bei € (comprimirende Hülse) entsprechen die Werthe am meisten der mit der Manschette unter sonst gleichen Bedingungen gewonnenen. Hiernach kann es nicht mehr zweifelhaft sein, dass sich die Haut- sensibilität an dem Zustandekommen der Wahrnehmung des Widerstandes betheiligt. Die Gründe, welche früher (von Goldscheider) dafür angeführt worden sind, dass die Widerstandsempfindung durch eine Stosswirkung auf die knöchernen Theile entstehe und ihr Substrat wahrscheinlich in den VERSUCHE ÜBER DIE FEMPFINDUNG DES WIDERSTANDES. 549 (relenkenden habe, bleiven zwar bestehen; aber es ist hinzuzufügen, dass ausser «lieser Sensation noch eine Hautsensation sich beimischt, welche theils auf Druckabnahme, theils auf Druckzunahme in der Haut zu be- ziehen ist. Die Hautsensation trägt zur quantitativen Verfeinerung, sowie zur Localisation der Widerstandsempfindung und damit zur deutlicheren Gestaltung des Gesammteindruckes und der resultirenden Widerstands- vorstellung bei. Die Empfindung des Widerstandes erscheint uns, wie sie uns unmittel- bar entgegentritt, als etwas Einfaches. Wir bemerken, wenn wir uns naiv dem Eindruck hingeben, nichts von Hautsensation, nichts von Erschütterung der Gelenkenden; vielmehr lediglich die eigenthümliche Empfindung, welche wir nach aussen projieiren, welche in uns die Vorstellung eines äusseren, an einer bestimmten Stelle angreifenden Widerstandes hervorruft. In Wirklichkeit concurriren, wie wir gesehen haben, Sensationen von ver- schiedener Herkunft und Art; sie bilden ein Aggregat, indem sie vereinigt eine Empfindung von besonderer und scheinbar einfacher Qualität hervor- bringen. Und insofern erscheint uns das Phaenomen der Vorstellung des Widerstandes auch von allgemeinem sinnesphysiologisch-psychologischem Interesse zu sein. Nachtrag. Nach Uebergabe vorstehender Abhandlung an die Redaction hatte Hr. Geheimrath EB. du Bois-Reymond die Güte uns mitzutheilen, dass ihm die von uns behandelte Erscheinung in einer anderen Form längst bekannt sei, welche in der That in ihrer Einfachheit überraschend ist, uns jedoch entgangen war. Man nehme eine elästische Schnur, wie man sich deren z. B. für den „Kneifer“ zu bedienen pflest, und ziehe ein Stück von ziemlich beliebiger Länge elastisch spannend auseinander, so wird man, wenn man mit dem Zuge nachlässt, sobald die elastische Spannung auf- hört, einen Stoss empfinden, welcher zweifellos die nämliche subjective Er- scheinung ist, wie die Widerstandsempfindung, welche beim Auftreffen eines an einem Faden getragenen Gewichtes auf die Unterlage entsteht. Wir beeilen uns, indem wir von der Erlaubniss der Publication dank- barst Gebrauch machen, diesen schätzenswerthen Beitrag zur Phaeno- menologie der Widerstandsempfindung unserer Arbeit hinzuzufügen. Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft zu Berlin. Jahrgang 189%—93. XII. Sitzung am 21. April 1893." Hr. Dr. M. Krücer hielt den angekündigten Vortrag: „Ueber die Constitution des Adenins und Hypoxanthins“. Schon vor längerer Zeit hatte ich die Ehre, der Gesellschaft die ersten Resultate meiner auf die Constitution des Adenins und Hypoxanthins hin- zielenden Versuche mitzutheilen. Dieselben sind jetzt so weit zum Abschluss gebracht, dass ich glaube, mit grosser Sicherheit bestimmte Formeln für Adenin und Hypoxanthin angeben zu können. Die von anderer Seite mit Hypoxanthin angestellten Versuche sind, soweit sie für die Ermittlung der Constitution etwas beitragen können, die folgenden. Nach Strecker und Rheineck soll durch Reduction der Harn- säure mit Natriumamalgam Xanthin und Hypoxanthin entstehen; umgekehrt soll Hypoxanthin durch Oxydation mit Salpetersäure in Xanthin übergehen. Obwohl die Möglichkeit der gegenseitigen Umwandlung von Xanthin und Hypoxanthin nicht geleugfet werden kann, scheinen doch die Resultate der genannten Forscher nicht allseitig anerkannt zu werden. Sie sind nur in manchen Lehrbüchern erwähnt; in anderen, selbst ausführlichen Hand- büchern der Chemie fehlen sie ganz. Auf die Aehnlichkeit des Hypoxanthins mit den Xanthinbasen wurden Strecker und Scherer durch die übereinstimmenden Eigenschaften nament- lich ihrer Silberverbindungen und durch das gleichzeitige Vorkommen von je 5 ©- und 4 N-Atomen in ihren Molecülen, aufmerksam gemacht. Ein vollgiltiger Beweis für die Zugehörigkeit des Hypoxanthins, bezw. des Adenins zur Harnsäuregruppe kann nur durch die Feststellung ihrer Constitution und durch Vergleichung ihrer Spaltungsproducte mit denen der Harnsäure und der Xanthinbasen erhalten werden. Ich habe nun schon früher gezeigt, dass Hypoxanthin beim Erhitzen mit conc. Salzsäure auf 180—200° qualitativ dieselben Spaltungsproduete ! Ausgegeben am 16. Juni 1898. VERHANDLUNGEN D. BERL. PHYSIOL: GESELLSCHAFT. — M. Krüger. 551 liefert, wie Xanthin und Harnsäure. Die Zersetzung Ser genannten Körper findet nach folgenden Gleichungen statt. C,H,N,O, + 5H,0 = 3NH, + C,H,NO, + 3C0, Harnsäure C-H,.N,O, + 6H,0 — 3NH, + C,H,NO, 2 OF CH,O, Xanthin C,H,N,O + 7H,O — NH, + C,H,NO, -- 1C0, -4 2CH,O, Hypoxanthin. Uebereinstimmend geben alle drei Körper bei der Spaltung mit Salz- säure 3 Mol. Ammoniak und 1 Mol. Glykocoll. Unterschiede treten nur auf in dem Mengenverhältniss von Kohlensäure zu Ameisensäure. Bei der Spaltung der Harnsäure entstehen 3 Mol. Kohlensäure, keine Ameisensäure; bei dem nur ein O-Atom ärmeren Xanthin, 2 Mol. Kohlensäure, 1 Mol. Ameisensäure, bei Hypoxanthin endlich 1 Mol. Kohlensäure und 2 Mol. Ameisensäure. Es lässt sich nun leicht zeigen, dass die Kohlensäure aus den im Moleeül der zu spaltenden Verbindungen enthaltenen CO-(Carbonyl)Gruppen, die Ameisensäure dagegen aus CH-(Methenyl)Gruppen entstanden sein muss, Hiernach muss die Constitutionsformel der Harnsäure 3CO-Gruppen, das Moleeül des Xanthins, 2CO- und 1CH-Gruppe enthalten, das Hypoxanthin endlich 1C0- mit 2CH-Gruppen. In der That trifft dies bei den bekannten Formeln der Harnsäure und des Xanthins ein. NH_CO CONH 2 C-NH vr Bo en NEE HZ NE Wie die Formel des Xanthins aus der der Harnsäure durch Umwand- lung einer CO- in eine CH-Gruppe entstanden ist, so kann auch in gleicher Weise die Formel des Hypoxanthins aus dem Xanthin abgeleitet werden. Da nun Xanthin 2CO-Gruppen enthält, so sind, je nachdem man die eine oder die andere in eine CH-Gruppe verwandelt, drei Constitutionsformeln für Hypoxanthin möglich, wie schon vor einer Reihe von Jahren E. Fischer erwähnt hat. Es würden dies die folgenden sein: NH-CH co /NH-CH Rz: 1 CR a DU CH“ C=NH\ \ Nur \ Im >00) en SSHION Ebenso sind für Adenin zwei Constitutionsformeln möglich, welche aus denen des Hypoxanthins durch Umtausch des O-Atomes gegen eme NH- Gruppe abgeleitet werden können. 552 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Die mit Adenin und Hypoxanthin, bezw. ihren Methylderivaten ange- stellten Spaltungsversuche gestatten nicht eine engere Wahl zwischen Formel 1 und 2 vorzunehmen, welche übrigens nur eine geringe, unwesentliche Ver- schiedenheit zeigen. Die Resultate der chemischen Experimente sind mit beiden Formeln gleich gut in Einklang zu bringen. Dagegen ist es mir gelungen, die Formel 3 auszuschliessen. Das Hypoxanthin enthält 2NH-Gruppen, in welchen der Wasserstoff durch Silber oder Alkyle vertretbar ist. Bei der Spaltung durch Salzsäure werden nun 3 Atome N des Hypoxanthins als Ammoniak abgespalten, das 4te bleibt mit 2C-Atomen im Glykocoll verbunden, die in dieser Form austretenden C- und N-Atome sind in den Formeln durch eine Curve um- hüllt. Ersetzt man nun die beiden H-Atome durch Methyl (CH,) und lässt bei 180-—200° cone. Salzsäure, welehe die Bindung der Methylgruppen mit den N-Atomen nicht zerreisst, auf das erhaltene Dimethylhypoxanthin ein- wirken, so muss, falls Formel 1 oder 2 die richtige ist, eine Methylgruppe als Methylamin, die zweite als Methylglykocoll abgespalten werden: kommt dem Hypoxanthin dagegen die Formel 3 zu, so müssen beide Methylgruppen als Methylamin unter den Spaltungsprodueten sich finden, während daneben, wie bei Hypoxanthin selbst, Glykocoll auftritt. Das von mir dargestellte Dimethylhypoxanthin liefert nun bei der Spaltung mit Salzsäure Methylamin und Methylglykocoll. Hiernach ist die Formel 3 ausgeschlossen, und es bleiben nur die Constitutionsformeln 1 und 2 übrig, welche, wie erwähnt, nur eine geringe Verschiedenheit zeigen. XIII. Sitzung am 5. Mai 1893." 1. Hr. Av. Schmivr (a. G.) hielt den angekündigten Vortrag: „Ueber Farbenreactionen des Auswurfs“. Ich erlaube mir, der Gesellschaft im Anschlusse an den von Hrn. Lilien - feld in der Sitzung vom 7. April gehaltenen Vortrag einige Färbungen zu demonstriren, welche an verschiedenen Sputumarten mittels der Ehrlich- schen neutralen Farbstoffmischung, der sogenannten Triacidlösung, ausge- führt sind. Diese Färbungsversuche, welche schon vor dem Bekanntwerden der Untersuchung des Hrn. Lilienfeld zum Abschluss gebracht waren,? hatten für mich zunächst ein praktisches Interesse insofern, als durch dieselben ge- wisse chemische Unterschiede in der Zusammensetzung verschiedener Sputum- arten, welche nicht immer ohne Weiteres erkennbar sind, leicht deutlich gemacht werden können. Doch hatte sich auch mir bereits die Vermuthung aufgedrängt, dass es sich hier um eine chemische Verbindung der Eiweiss- und Schleimsubstanzen mit denjenigen Farbstoffen, welche sich diese Körper aus den Farbstoffgemischen auswählen, handeln möchte. ! Ausgegeben am 16. Juni 1893. ” Berliner klinische Wochenschrift. 1893. Nr. 10 IT >} (eb) PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — AD. SCHMIDT. Durch die Untersuchungen des Hrn. Lilienfeld ist diese Vermuthung jetzt als richtig erwiesen worden, und zugleich eine Erklärung dieser und ähnlicher Gewebefärbungen angebahnt worden. Meine Untersuchungen gingen von Beobachtungen aus, welche ich bei der Färbung von Schnitten durch gehärtete Sputa machte. Es zeigte sich, dass, wenn man Schnitte durch verschiedene Sputumarten in der gleichen Farbmischung (Ehrlich’sche Lösung) färbt, dieselben verschiedene Farben- töne annehmen, deren Extreme roth bei pneumonischen und grün bezw. srünblau bei bronchitischen Sputis waren. Diese Unterschiede sind an ein paar älteren Praeparaten, welche hier vorliegen, makroskopisch deutlich zu erkennen. Betrachtet man diese Schnitte unter dem Mikroskop, so zeigt sich, dass die Färbung der Zellen und ihrer Bestandtheile in beiden Prae- paraten die gleiche ist, dass die Farbenunterschiede nur die structurlose Zwischensubstanz betreffen, die aber in diesen Sputumarten die Hauptmasse ausmacht. In den zellreichen Sputis verwischen sich demgemäss diese Unter- schiede. Man kann nun eine makroskopische Färbung der verschiedenen Sputa leicht ausführen, indem man einen kleinen Ballen durch kräftiges Schütteln mit sublimathaltigem Alkohol in feinste Flocken zertheilt, decantirt und den Bodensatz in derselben Weise färbt, wie es Hr. Lilienfeld hier demon- strirt hat. Dabei ergeben nun die verschiedenen Sputumarten ganz verschiedene Mischtarben. An dem einen Ende der Reihe steht das pneumonische Sputum, welches einen leuchtend rothen Farbenton annimmt, an dem anderen der rein schleimige Auswurf, welcher mehr oder weniger deutlich grün bezw. blaugrün erscheint. Je nachdem der Auswurf sich in seiner Zusammen- setzung mehr der einen oder anderen Art nähert, nimmt er eine mehr bläu- liche oder mehr röthliche Zwischenfarbe an. Man kann sich davon an den hier vorliegenden Praeparaten, an denen der Charakter des Sputums (sehleimig-eitrig, eitrig-schleimig u. s. w.) verzeichet ist, überzeugen. Was nun die Ursache dieser Färbungsunterschiede angeht, so lässt sich durch die vorliegenden Untersuchungen über die chemische Zusammen- setzung der verschiedenen Auswurfsarten und durch den Vergleich mit den mikroskopischen Färbungen leicht erweisen, dass der mehr oder minder grosse Mueingehalt den Ausschlag giebt. Es ist bekannt, dass das pneu- monische Sputum (abgesehen vom serösen Sputum) den grössten Gehalt an Eiweiss und den geringsten Mueingehalt aufweist, während auf der anderen Seite das bronchitische Sputum, besonders die zähe Form, sehr wenig Ei- weiss, aber viel Mucin enthält. Während aber das Eiweiss das Fuchsin aus der Ehrlich’schen Mischung auswählt, zieht das Muein das Methylgrün an. Es bleibt nun noch ein Punkt aufzuklären, welcher scheinbar mit dieser Erklärung im Widerspruch steht. Hr. H. Kossel hat versucht, die zäh- schleimige Consistenz des pneumonischen Sputums, welche nicht auf den geringen Schleimgehalt zurückgeführt werden kann, durch den grossen Nuclein- gehalt dieser Auswurfsart zu erklärrn. Wie Hr. Lilienfeld gezeigt hat, färben sich aber die Nucleine in dem Ehrlich’scehen Farbstoffgemisch blaugrün und es ist wohl anzunehmen, dass ein solcher Nucleingehalt des pneumonischen Sputums sich in der Gesammt- 554 VERHANDLUNGEN DER BERLINER färbung geltend machen wird. Die Erfahrung lehrt aber, dass sich pneu- monisches Sputum regelmässig leuchtend roth färbt. Danach scheint es mir erlaubt, einige Zweifel in die auf chemischem Wege gewonnenen Re- sultate zu setzen, um so mehr, als andere Forscher (Bamberger) umgekehrt einen geringeren Phosphorgehalt des pneumonischen Sputums gefunden haben. Jedenfalls bedarf die Frage nach der Ursache der zähen Consistenz des pneumonischen Auswurfs einer erneuten Untersuchung. Zum Schluss erlaube ich mir noch ein Praeparat vorzulegen, welches zeigt, dass auch das Pepsin aus dem Ehrlich’schen Gemisch die Kernfarbe, das Methylgrün, an sich zieht. Andere Fermente habe ich noch nicht zu untersuchen Gelegenheit gehabt. 2. Hr. LILIENFELD spricht „Ueber die Farbenreactionen des Mueins“. In dem Ehrlich’schen Gemisch färbt sich das Muein in der That grün, also mit dem basischen Farbstoff (Methylgrün). Nichtsdestoweniger ist es mir auch gelungen, eine Mucin- und Nucleinstoffe scharf unterscheidende Electionsfärbung ausfindig zu machen. Wenn man nämlich Mucin in die Benda’sche Mischung (Liehtgrün S und Safranin) bringt, so reisst es den sauren Farbstoff an sich und färbt sich wieder grün, während sich Nucleine darin roth tingiren. Aus dieser regellosen Farbstoffwahl möchte ich schliessen, dass es sich bei der Mucinfärbung nicht um chemische Erscheinungen handelt, um so mehr, als sich hierbei der Farbstoff durch lange Wasser- behandlung zum grossen Theile auswaschen lässt. Ich benutzte zu meinen Versuchen Muein aus der Achillessehne des Rindes. 3. Hr. Frrrsch hielt den angekündigten Vortrag: Zur Innervation der elektrischen Organe unter Vorführung von Laternenbildern. Hr. Fritsch unterbreitet der Gesellschaft eine gedrängte Uebersicht der nervösen Elemente, welche sich bei den elektrischen Fischen zur Versorgung der elektrischen Organe ausgebildet haben, indem er die nach der Natur aufgenommenen Photosraphien mittelst Kalklicht im Sitzungssaale selbst projieirt. Der Vortragende erläutert die einfache und bequeme Einrichtung des Projeetionsapparates, welche ohne besondere Schwierigkeit und Kosten überall Verwendung finden kann. Er begründet alsdann die Wahl des Gegenstandes unter dem Hinweis auf gewisse Ausschreitungen der Golgi’schen Schule, unter deren Anhängern einzelne erst an der nervösen Bedeutung der Protoplasmafortsätze, dann an derjenigen der Axeneylinder im Sinne älterer Autoren und endlich an der specifisch nervösen Bedeutung der Ganglienzellen selbst zu rütteln suchten. Man wurde auf die Weise allmählich dahin gedrängt, die nervösen Blemente ausserhalb des Centralnervensystems zu suchen. In der Vergleichung des Aufbaues der nervösen Centren für die elek- trischen Organe glaubt der Vortragende eine zu wenig gewürdigte Wider- legung solcher Ausschreitungen sehen zu müssen und protestirt an der Hand dieser Thatsachen gegen dieselben, indem er sich weitere eingehendere Ein- wände für die Zukunft vorbehält. Ueberall wo bei diesen Fischen die besondere Leistung des Central- [by | ex PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — Fritsch. — Av. Lokxwy. nervensystems zur Erscheinung kommt, sind besondere Ganglienzellen in vorzüglicher Entwickelung als Träger dieser Leistung zu beobachten, seien es deren viele, wie bei Torpedo, Gymnotus, Mormyrus, oder nur zwei, aber riesige, wie bei Malopterurus. Ueberall sind an den Ganglienzellen typische unverzweigte Axen- eylinderfortsätze im Sinne Deiters’ festzustellen, die von den Zellen in die elektrischen Wurzeln austreten (Projeetionssystem III. Ordnung nach Meynert). Wie sich Nervenfasern der centraleren Projeetionssysteme, die echten Axeneylindern ähnlich sind, in dieser Hinsicht verhalten, kann und soll aus diesen Befunden nicht gefolgert werden. Die Protoplasmafortsätze zeigen sich an den elektrischen Ganglien- zellen als essentielle Bestandtheile, denn an den beiden Riesenganglienzellen des Malopterurus verbinden sich die unverkennbaren Protoplasmafortsätze auf der ventralen Seite der Zelle zu einer durchbrochenen Platte und setzen so den Axeneylinderfortsatz zusammen. Bei den elektrischen Zellen im Rückenmark des Mormyrus verbinden die Protoplasma- fortsätze die Nachbaren untereinander in ausgiebigster Weise zu einem System von Zellen. Es ist unberechtigt zu sagen, breite Protoplasma- fortsätze seien etwas anderes als schmale, bei welchen letzteren allerdings aus technischen Gründen die Verbindung nicht mit Sicherheit erweislich ist. Mit viel besseren Gründen lässt sich dagegen die auf Golgi’sche Prae- parate gegründete Behauptung der freien Endigungen bekämpfen, gleich- viel, ob solche wirklich vorkommt oder nicht. Da das vorliegende Material über diesen Punkt weitere Aufschlüsse, als die angedeuteten nicht bietet, so soll hier auch nicht weiter auf die Be- rechtigung solcher Angaben eingegangen werden, vielmehr behält sich der Vortragende es vor, an der Hand weiteren Beweismaterials später darauf zurückzukommen. XV. Sitzung am 9. Juni 1893.' 1. Hr. An. Lozwry hält den angekündigten Vortrag: „Zur Methodik der Bluttitration.“* Der Vortragende theilt zunächst ausführlich die Thatsachen mit, die ihn dazu führten, an der Zwecekmässigkeit der Titrirung decekfarbigen Blutes zu zweifeln, erörtert die Vorzüge der Titrirung lackfarbigen Blutes und widerlegt an der Hand von speciell darauf gerichteten Versuchen Einwände, die gegen die Benutzung lackfarbigen Blutes sich etwa erheben liessen. Die Hauptpunkte dieser Mittheilungen sind bereits in einer vorläufigen Notiz im Centralblatt f. klin. Med. 1892 Nr. 34 enthalten. Sodann wendet sich Vortragender zu den Ursachen der Unsicherheit der am deckfarbigen Blute gewonnenen Titrirergebnisse und zeigt, dass sie durch die Langsamkeit bedingt ist, mit der das Alkali der Blutkörperchen den Titrirsäuren zugänglich wird. Bei der eigenthümlichen Art der Bindung der Alkalien in den Blutkörperchen wird diese Langsamkeit erhöht durch ‘ Ausgegeben am 16. Juni 1893. 556- VERHANDLUNGEN DER BERLINER niedere Temperatur, und auch unzulängliche Mischung zwischen den Blut- elementen und der zugesetzten Titrirsäure ist darauf von erheblichem Ein- fluss. Höhere Temperatur, besonders Körpertemperatur, und innige Durch- mischung beschleunigen den Ausgleich und ergeben Resultate, die denen nach der Zerstörung der Blutkörperchen gleich werden. Die Alkalescenzwerthe, die man bei der Titration lackfarbigen Blutes erhält, und mit denen die des deckfarbigen, langsam titrirten, auf ungefähr Körpertemperatur erwärmten übereinstimmen, sind sehr hohe; sie sind so bedeutend, dass sie durch das in anorganischen Verbindungen im Blute ent- haltene Alkali nicht erklärt werden können. Man ist vielmehr genöthigt anzunehmen, dass durch die Titrirsäure Alkali noch aus anderen Verbindungen frei gemacht wird. Es wird dabei auf die — in der folgenden Mittheilung von Zuntz erwähnten — Versuche C. Lehmann’s hingewiesen, die solche Annahme nicht nur rechtfertigen, sondern beweisen. Zum Schluss wird des Näheren auf die Consequenzen, die sich aus diesem Verhalten ziehen lassen, eingegangen. 2. Hr. N. Zuntz hielt den angekündigten Vortrag: Ueber die Natur und die Bindung der Basen und Säuren im Blute. Die Versuche des Hrn. Loewy, von denen soeben Kenntniss gegeben wurde, lehrten uns die überraschende, bisher unbekannte Thatsache, dass bei erhaltenen Blutkörperchen eine zugesetzte Säure nur sehr allmählich von den basischen Affinitäten derselben gebunden wird, so zwar, dass in der Kälte 24 Stunden und mehr zur vollen Absättigung der zugesetzten Säure durch die basischen Bestandtheile der Blutkörperchen nöthig sind. Die Bindung der Säure wird sehr beschleunigt durch Wärme und durch kräftiges Schütteln. Ich möchte im Namen meines heute am Erscheinen verhinderten Collegen Lehmann an einige ähnliche von ihm vor Jahren, als er noch in meinem Laboratorium thätig war, gemachte Beobachtungen erinnern, welche bis jetzt nicht publieirt sind. Er ging bei diesen Untersuchungen von meiner Beobachtung der durch Kohlensäure bedingten Ueberwanderung von Alkalien aus den Blutkörper- chen in’s Serum aus. Ich hatte diese Ueberwanderung aus der Vergleichung meiner Beobachtungen über die Grösse der Kohlensäurebindung in Serum und Blutkörperchen mit denen Alex. Schmidt’s und Frederieq’s er- schlossen und dann durch Titrirungen nach meiner Methode bestätigt. Lehmann ging der Erscheinung genauer nach, indem er sie bei demselben Blute nach drei verschiedenen Methoden studirte: durch Titriren der Alkales- cenz, durch Bestimmung der Menge der gebundenen Kohlensäure und durch Aschenanalyse. Diese letztere ermittelte direet den Gehalt an Ca, Mg, Na, K und Cl. Die Schwefelsäure, welche bekanntlich aus dem Schwefel des Eiweiss entsteht, wurde natürlich ausser Rechnung gelassen und ebenso die Phosphorsäure, weil sie der Hauptmasse nach organischen Verbindungen angehört. Trotz dieser für die durch Mineralien bedingte Alkalescenz einen maximalen Werth liefernden Rechnungsweise, ergab die Aschenanalyse einen geringeren Werth für die Alkalescenz des Blutes als die Prüfung mit Kohlensäure, und diese wieder einen erheblich’ge- vingeren als die Titration mit Weinsäure. Beispielsweise lieferten <ı PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — N. ZUNTZ. 55 in einem Versuche mit Pferdeblut die drei Methoden folgende Alkalescenz- werthe ausgedrückt in Mgr. Na,O auf je 100 °® Blut: 240, 276, 832. Hieraus folgt zunächst, dass die Alkalescenz des Blutes, wie sie sich durch die Bindung der Kohlensäure äussert, noch mehr aber die stärkere durch Titriren mit Weinsäure gefundene Alkalescenz zum grossen Theil durch organische Substanzen bedingt sein muss. Es ist ferner klar, dass diese organischen basischen Affinitäten grösstentheils sehr schwache sind, so zwar, dass sie nur bei hohem Partiardruck Kohlensäure zu binden vermögen. Die sehr viel grössere Bindung der stärkeren Weinsäure ist nach Lehmann dadurch am einfachston zu erklären, dass man annimmt, sie mache erst durch ihre Gegenwart basische Affinitäten aus ursprünglich neutralen Stoffen in den Blutkörperchen frei. Schon Kohlensäure hat, allerdings in schwächerem Grade, dieselbe Wirkung, wie Lehmann durch folgenden Versuch beweisen konnte. Von zwei Portionen desselben Pferdeblutes wird die eine mit einem Strom reiner Kohlensäure, die andere mit CO,-freier Luft einige Zeit be- handelt und dann verschlossen in Eis 24 Stunden aufbewahrt. Dann wird mit gewissen Cautelen die Aufnahmefähigkeit beider Blutportionen für reine Kohlensäure oder auch für ein Gemisch von CO, und Luft geprüft. Es ergiebt sich ausnahmslos, dass die Blutportion, welehe 24 Stunden lang unter Einwirkung der Kohlensäure gestanden hat, erheblich mehr Kohlen- säure bindet, als die andere. Die Kohlensäure hat also durch ihre längere Einwirkung basische Affinitäten frei gemacht. Gleichartige nur stärkere Wirkung dürfte die Weinsäure bei der Titrirung haben. Es ist analog vielen bekannten chemischen Reactionen leicht verständ- lich, dass die durch Säurezusatz bewirkte Abspaltung der basisch reagirenden Substanz durch Wärme und Schütteln beschleunigt wird. Es ist ferner bekannt, dass alle Dissociationsprocesse durch Verdünnung der Lösung ge- fördert werden. Nun sind die rothen Blutkörperchen die wasserärmsten organischen Gebilde unseres Körpers, kein Wunder daher, dass in ihnen die durch die Säure ausgelösten Dissociationsprocesse sehr langsam ablaufen, und dass diese Processe ausserordentlich beschleunigt werden, wenn man durch Wässern die Blutkörperchen zerstört und die reagirenden Substanzen so in stark verdünnte wässerige Lösung überführt. Ich habe, als ich in Hermann’s Handbuch der Physiologie unser damaliges Wissen über die Bindung der Kohlensäure im Blute zusammenfasste, in erster Linie die Bindung der Alkalien durch schwach saure nicht diffu- sible Stoffe in den Blutkörperchen betont und das Haemoglobin als einen solchen Stoff charakterisirt. Seine saure Natur ist von Pflüger und Preyer dadurch bewiesen worden, dass sie mit seiner Hülfe Kohlensäure aus einer Sodalösung frei machten. Die Bedeutung dieser Stoffe für die Beziehungen zwischen Blut und Kohlensäure und für das Gleichgewicht der Alkalienver- theilung im Blut und Geweben ist in jüngster Zeit durch Jaquet! ein- sehend gewürdigt worden. Er fasst sie unter dem Namen der „subaciden“ Stoffe zusammen. Nicht glücklich scheint mir aber die weitere Annahme Jaquet’s (8. 332), dass die subaciden Stoffe das gleichzeitige Vorhanden- sein schwach basischer organischer Affinitäten ausschliessen. In diesem Sinne bekämpft er die Richtigkeit der Versuche von Bohr und Torup, ! Jaquet, Archiv f. erperimentelle Pathologie u. Pharmakologie. 1892. Bd. XXX. 558 VERHANDLUNGEN DER BERLINER welche zeigen, dass reines von Alkali freies Haemoglobin Kohlensäure in schwacher Bindung aufnehmen kann. Die Eiweisskörper und die Proteide sind eben so complexe Molecüle, dass sie sowohl der Anlagerung von Basen als der von Säuren Raum gewähren; zeigen doch auch ihre verhältnissmässig einfach constituirten Spaltungsproduete, die Amidosäuren und Amide, das gleiche Verhalten; man denke nur an die beiden wohl charakterisirten Ver- bindungen, salzsaures Glykocoll und Glykocollkupfer. Wie weit man die bei der Absättigung der dem Blute zugesetzten Säuren wirksamen Affinitäten als praeformirt anzusehen hat, wie weit sie erst bei der Einwirkung der Säure durch Dissociation entstehen, lässt sich nicht scharf entscheiden; dass aber eine solehe Entstehung vorher latenter basischer Affinitäten stattfindet, zeigt der Erfolg der von Lehmann studirten längeren Einwirkung von Kohlensäure. Von grossem Interesse ist noch der Versuch Loewy’s, welcher zeigte, dass die Bindungsfähigkeit der Blutkörperchenbestandtheile für Säuren auch ohne dass solche vorher zugesetzt waren, in deckfarbenem Blute in einigen Tagen zum Maximum anwächst, wenn das Blut mit neutraler Salzlösung stark verdünnt worden ist. Indem dann ein Theil der Alkalien der Blut- körperehen in die neutrale Flüssigkeit hinüberdiffundirt, finden die alkali- schen Affinitäten des Haemoglobins die Bedingungen zum Freiwerden. — Ich habe schliesslich noch Versuche zu erwähnen, welche ich in Gemein- schaft mit Hrn. Loewy unternommen habe, um die Vorgänge des Stoff- austausches zwischen Blut und Gewebe zu erläutern. — Wir füllten Blut bezw. Serum in Dialysirschläuche, welche wir in beschränkte, gemessene Mengen von reinem Wasser oder auch von Salzlösungen bestimmter Con- centration brachten, um zu ermitteln, wie die Osmose der Salze des Blutes in Folge der Einwirkung der organischen nicht diffusiblen Moleeüle verändert ist, im Vergleiche zu einer rein mineralischen Lösung derselben Salze. Die Ergebnisse sind kurz folgende: Bringt man ein Blut bezw. Serum nach titrimetrischer Ermittelung seiner Alkalescenz mit einer gleichwerthigen Lösung von kohlensaurem Natron oder Kali in osmotischen Verkehr, so zieht es erhebliche Mengen des Salzes an sich, seine Alkalescenz nimmt zu, während die der Aussenflüssigkeit abnimmt. Erst wenn man der letzteren im Verkehr mit Serum etwa den halben Alkali- gehalt, im Verkehr mit Blut ein Viertel von dessen Alkaligehalt giebt, be- steht Gleichgewicht, insofern beide Flüssigkeiten ihre Alkalescenz behaupten. Dies entspricht der schon anderweitig festgestellten Thatsache, dass ein Theil der Alkalescenz in Serum und Blutkörperchen durch organische nicht diffusionsfähige Stoffe repraesentirt ist, und dass ferner ein Theil der mine- ralischen Alkalien an „subaeide“ ebenfalls diffusionsunfähige Stoffe gebunden und dadurch der Theilnahme am Diffusionsverkehr entzogen ist. Dieser letztere Theil muss durch Sättigen des Blutes mit Kohlensäure in bewegliche Form übergeführt werden. Dieser Voraussetzung entsprechend bewirkte Ein- leitung von CO, in Blut, welches aus Sodalösung von !/, seiner Alkalescenz noch ein wenig Alkali aufnahm, dass es nunmehr solches abgab; erst wenn man die Concentration der äusseren Lösung verdoppelte, trat bei Gegenwart von CO, wieder nahezu Gleichgewicht ein. Um in diesen Versuchen die mechanischen Bedingungen gleich zu ge- stalten, wurde durch das Vergleichsblut ein Luftstrom hindurch geleitet. Die PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — N. Zuntz. — B. Bacınsky. 559 dureh das Gas bewirkte beständige Bewegung der Flüssigkeit beschleunigt die Osmose in hohem Grade. Die Methode der Dialyse gestattete auch eine Prüfung der Bedeutung der geformten Bestandtheile des Blutes für die Bindung der Alkalien. Zu diesem Behufe wurde von einem Blutkörperbrei die eine Hälfte durch Ge- frieren und Wiederaufthauen lackfarben gemacht und dann beide Portionen denselben Alkalilösungen gegenübergestellt. Dabei wurde, um ein Auflösen der Blutkörperchen während des Diffusionsversuches zu vermeiden, die Soda- lösung mit soviel Traubenzucker versetzt, dass sie mit dem Blute isotonisch war. Es ergab sich, dass das lackfarbene Blut mit einer Sodalösung von !/, seiner Alkalescenz, das deckfarbene dagegen mit einer solchen von !/; derselben annähernd im Gleichgewichte war. Das Alkali wird also in den intacten Blutkörperchen fester gehalten als nach deren Auflösung, wenn diese auch ohne Wässerung des Blutes bewirkt wird. Die osmotische Methode sollte uns ferner über die vielbesprochenen Eigenthümlichkeiten der Salzvertheilung im Blute Aufschluss geben, welche darin bestehen, dass das Plasma sehr reich an Natrium, die Blutkörperchen meist ganz frei von diesem, dagegen reich an Kalisalzen sind. Werden die genannten Salze an ihrem Orte durch feste Verbindung mit einem der Diffusion unzugänglichen Molecül (Eiweiss, Haemoglobin) zurückgehalten ? Wenn das z. B. für das CINa des Serums der Fall wäre, müsste letzteres aus einer Kochsalzlösung von seinem Gehalte gleicher Concentration ClNa aufnehmen, gerade wie es aus einer Sodalösung unter gleichen Verhältnissen Alkali aufnimmt. Das ist aber nicht der Fall; so wie die dem Serum gegenübergestellte Kochsalzlösung auch nur ein wenig hinter dessen ClNa- Gehalt zurückbleibt, geht CINa in dieselbe über; das Serum verhält sich in Bezug auf Kochsalzdiffusion genau so wie eine Salzlösung gleichen Gehalts. Ebenso negativ fielen die Versuche aus, eine stärkere Anziehung der intacten Blutkörperchen oder des Haemoglobins für Kalium nachzuweisen. Aequivalente Lösungen von K,CO, und von Na,CO, verhielten sich sowohl einem Blutkörperchenbrei als auch reinem, möglichst aschefreien Haemoglobin gegenüber vollkommen gleich. XVI. Sitzung am 7. Juli 1893." Hr. B. Basınsky hielt den angekündigten Vortrag: „Ueber das Ver- halten von Nervenendorganen nach Durchsehneidung der zu- sehörigen Nerven“. Ueber das Verhalten der Nervenendorgane nach Durehschneidung der zugehörigen Nerven sind die vorliegenden Angaben ausserordentlich wider- sprechend; es erschien deshalb wichtig, diesen Fragen von neuem die Auf- merksamkeit zuzuwenden, um so mehr, da die Frage nach den Nerven- endigungen im Verlaufe der letzten Jahre wiederholt zum Gegenstande ! Ausgegeben am 28. Juli 1898, 560 VERHANDLUNGEN DER BERLINER erneuter Studien gemacht wurde und die Degenerationsmethode für dieselbe Verwerthung fand. Vortragender berichtet über seine Untersuchungen, welche er am Nervus glossopharyngeus und olfactorius des Kaninchens aus- geführt hat. Bekanntlich hatten v. Vintschgau und Hoenigschmied nach Durchschneidung des Glossopharyngeus eine Degeneration der Schmeck- becher beschrieben. Die Untersuchungen des Vortragenden erbrachten, wie die vorgelegten Praeparate beweisen, keine Bestätigung der von v. Vintsch- sau und Hoeuigschmied behaupteten Thatsachen; eine Degeneration der Schmeckbecher war in keinem Falle nachweisbar und Vortragender ist auf Grund seiner Untersuchungen zur Ueberzeugung gelangt, dass alle nach v. Vintsehgau und Hoenigschmied nach Durchschneidung des Glosso- pharyngeus angeblich aufgetretenen Veränderungen bereits normal vor- kommen. — Anders verhält sich die Riechschleimhaut nach Exstirpation des Bulbus olfactorius in der Schädelhöhle; hiernach wird die ganze Riech- schleimhaut atrophisch und zeigt sich diese Atrophie verschieden loealisirt und in verschiedener Ausdehnung in den verschiedenen Versuchen. Besonders atrophisch erscheinen die Riechzellen, aber auch die Epithelien sind in Mitleidenschaft gezogen, ebenso die Nerven der Schleimhaut, letztere eben- falls in verschiedenem Grade. Die variirenden Befunde glaubt Vortragender beziehen zu müssen nicht allein auf die Zerstörung des Olfaetorius, sondern auch auf die Mitalteration der im Bulbus verlaufenden Gefässe (Art. eth- moidalis posterior), so dass durch die etwaigen Variationen innerhalb der Gefässvertheilung und den sich verschieden herstellenden Collateralkreislauf nach der Operation eine Erklärung für die differirenden Anschauungen ge- geben werden kann. Es würde unter diesen Verhältnissen weiterhin die Degenerationsmethode nicht verwerthbar sein für das Studium der Nerven- endigungen in den sensorischen Endapparaten. XVII. Sitzung am 21. Juli 1893. 1. Hr. Leon Litienrenn hielt den angekündigten Vortrag: „Weitere 3eiträge zur Kenntniss der Blutgerinnung“. Seit zwei Jahren schon beschäftige ich mich im Laboratorium meines verehrten Lehrers, des Hrn. Prof. Kossel, experimentell mit der Blut- serinnungsfrage. Schon mehrere Male hatte ich Gelegenheit, hier die Er- sebnisse meiner Versuche mitzutheilen. Um das nun Folgende geläufiger zu machen, erlaube ich mir, die Resultate meiner Arbeiten älteren Datums kurz zusammenzufassen. Ich fand in erster Linie, dass die sogenannten 3lutplättehen nicht, wie man früher annahm, aus Eiweiss, sondern aus einem Nuceleoproteid bestehen. Dieser Befund, sowie die Thatsache, dass frühere Autoren und speciell die Forscher der Dorpater Schule, ohne es selbst zu wissen, immer mit sehr nueleinreichen Gebilden Gerinnungsversuche an- stellten, legten mir den Gedanken nahe, dass vielleicht eine Beziehung zwischen den Substanzen des Zellkerns der Leukocyten und dem Gerinnungs- ! Ausgegeben am 28. Juli 1893. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — L. LILIENFELD. 561 processe besteht. Um diese Vermuthung einer experimentellen Probe zu unterwerfen, machte ich mich an das Studium der chemischen Zusammen- setzung des Zellkerns der Leukocyten. Es hat sich hierbei herausgestellt, dass derselbe seiner Hauptmasse nach aus einem Nucleoproteid besteht, dem ich den Namen „Nucleohiston“ verliehen habe. Das Nucleohiston setzt sich aus zwei Haupteomponenten zusammen: dem Leukonuclein, einem sehr phosphorreichen, in verdünnten Mineralsäuren leicht löslichen Körper, und dem Histon, einer eiweissartigen Substanz mit ausgesprochen basischen Eigenschaften. In diesem Nucleohiston ist nun sowohl die gerinnungerregende als die gerinnunghemmende Substanz vorhanden. Die erstere ist das Leukonuclein, mit welchem man jede entsprechend zubereitete Fibrinogenlösung zum Ge- rinnen bringen kann, die zweite ist das Histon, welches sowohl intravasculär ‚dem Blutgefässsystem einverleibt, als extravasculär schnell mit gewöhnlichem Aderlassblut vermischt dem Blute für immer seine Gerinnungstendenz raubt. Dem entsprechend ruft das Nucleohiston als Ganzes in das Blutgefässsystem gebracht einerseits ausgedehnte Thrombosen hervor, andererseits macht es den Rest des Blutes ungerinnbar. Es wird im Thierkörper in seine beiden Componenten gespalten, welche auf diese Weise ihre Wirksamkeit entfalten können. Heute will ich mich einer anderen Frage zuwenden, nämlich der- jenigen von der Beschaffenheit des Fibrinogens. Wenn man eine ganz reine Fibrinogenlösung nach Hammarsten’s Methode dargestellt mit Pepsin-Salzsäure versetzt, so entsteht nach kurzer Zeit eine milchige Trübung, welche sich allmählich als ein gut filtrirbarer Niederschlag zu Boden setzt. Schmilzt man denselben mit Soda und Sal- peter, so kann man reichliche Phosphormengen in ihm nachweisen. Dass es sich hier nicht um Verunreinigungen mit Lecithin handelt, erhellt aus dem Umstande, dass das in künstlichem Magensaft unlösliche Spaltungs- product des Fibrinogens auch nach andauerndem Behandeln mit warmem Alkohol reichliche Phosphormengen enthält. Folgender Versuch möge dies illustriren: Aus 300 “= Magnesiumsulfatplasma vom Hunde wird mit dem gleichen Volumen einer gesättigten Kochsalzlösung das Fibrinogen ausgefällt und der Niederschlag mittelst der Centrifuge gesammelt. Die Flüssigkeit wird ab- gegossen, der Bodensatz in wenig Wasser mit Zuhülfenahme des am Fibri- nogen haftenden Kochsalzes gelöst und die Lösung wieder mit gesättigter Kochsalzlösung gefällt. Dieselbe Procedur wird dreimal wiederholt und schliesslich der resultirende Niederschlag in 0-2 procentiger Salzsäure gelöst. Hierzu wird das gleiche Volumen künstlichen Magensaftes gefügt und das Ganze in den Brütofen gestellt. Nach 24 stündiger Verdauung resultirt ein Niederschlag, welcher gewaschen und getrocknet 1-45 S’® beträgt und mit Soda und Salpeter verascht starke Phosphorreaction liefert. Hiernach ist entweder das Fibrinogen ein Nucleoproteid oder ist dem Fibrinogen ein Nucleoproteid beigemengt, welches sich auch durch die Hammarsten’sche Methode der dreimaligen Lösung und Fällung nicht herausbringen lässt. Was geschieht nun mit dem Fibrinogen während des Gerinnungsprocesses? Ich theile 50 °”% einer reinen Fibrinogenlösung in zwei gleiche Theile. Archiv f. A.u. Ph. 1893. Physiol. Abthlg. 36 562 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Theil 1 wird mit Pepsinsalzsäure angesetzt. Nach zwanzigstündiger Verdauung resultirt ein Niederschlag, welcher mit Wasser, kaltem und warmem Alkohol ausgewaschen und nachher mit Soda und Salpeter verascht, deutliche Phosphorreaction giebt. Theil 2 wird mit dem gleichen Volumen einer kräftigen Fibrinferment- lösung gemischt. Die Flüssigkeit gerinnt nach zwölf Minuten zu einem festen Kuchen. Es wird noch einige Stunden gewartet, um eine möglichst voll- ständige Gerinnung zu erzielen, und nachher der ganze Fibrinkuchen fein zerkleinert und zusammen mit dem Serum mit 30 ° künstlichen Magen- saftes versetzt und in den Brütschrank gebracht. Am nächsten Morgen finde ich das Ganze vollständig wasserklar gelöst und auch nach längerem Stehen scheidet sich kein Niederschlag ab. Dieser Versuch, welcher in ähnlicher Weise schon von Wooldridge ausgeführt worden ist, zeigt, dass es sich bei der Gerinnung nicht nur um eine Umwandlung eines löslichen in einen unlöslichen Eiweisskörper, und auch nicht nur um eine Spaltung des Fibrinogens in Fibrin und das Fibrin- globulin handelt, sondern dass sich dazu noch eine merkwürdige Umwand- lung eines Nucleoproteids vollzieht, welche die Abspaltung des Nucleins durch künstlichen Magensaft verhindert. Sowohl aus Histonplasma, als aus Peptonplasma und aus Oxalatplasma kann man durch starke Ansäuerung mit Essigsäure eine Substanz ausfällen, welche die Eigenschaft besitzt, spontan zu gerinnen. Fällt man allmählich diese Substanz mit Essigsäure aus, sammelt sie auf dem Filter oder durch Centrifugiren, wäscht mit Wasser gründlich aus und löst sie in verdünntem Alkali, so gerinnt sie in kurzer Zeit zu einem festen Kuchen. Dieses gilt für Histonplasma und Peptonplasma. Stellt man diesen Körper aus Oxalat- plasma dar, so muss man noch eine Spur Caleiumchlorid hinzufügen, um sie im Handumdrehen gerinnen zu machen. Als ich diese Thatsache fand, dachte ich zuerst, dass ich das bekannte Plasmin von Denys in der Hand habe, allein durch sorgfältige Versuche habe ich mich überzeugt, dass erstens die Menge der zugesetzten Essigsäure ausreicht, um viel grössere Mengen von Serumglobulin in Lösung zu halten, als sie in dem Plasma vorhanden sein können; zweitens dass in dem durch Essigsäure gefällten Körper keine Spur von Serumglobulin nachzuweisen ist. Die zweite Möglichkeit, welche in Betracht kommt, ist diejenige, dass die mit Essigsäure ausgefällte Sub- stanz ein Gemenge darstellt von Fibrinogen und Nucleoproteid, welches letztere auf Zusatz von Kalk, wie ich schon früher Gelegenheit hatte, zu zeigen, die Fähigkeit erlangt, Faserstoff aus Fibrinogen zu erzeugen. Gegen letztere Annahme steigt nun das schwerwiegende Bedenken auf, dass doch das Histon- und Peptonplasma für sich allein nicht gerinnt, während die durch Essigsäure aus demselben ausgefällte Substanz sehr schnell für sich gerinnt. Nun könnte es ja allerdings möglich sein, dass in den erwähnten Plasmaarten noch ein dritter Körper vorhanden ist, welcher die Fibrin- entstehung verhindert, und dass die Essigsäurefällung das Gerinnungssubstrat von demselben befreit. Um diese schwere Frage zu entscheiden, musste ich natürlich prüfen, ob man aus einer reinen Fibrinogenlösung mit Essigsäure einen Körper ausfällt, welcher auf blossen Zusatz von Kalk nieht gerinnt. In diesem Falle würde die Frage dahin entschieden sein, dass der aus dem Plasma PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — L. LILIENFELD. 563 mit Essigsäure gefällte Körper ein Gemenge darstellt. Ich habe auch dieses Resultat erwartet. Allein zu meinem grössten Erstaunen stellte sich das Gegentheil heraus. Aus einer reinen, weder für sich allein, noch auf Zusatz von Kalksalzen gerinnenden Fibrinogenlösung, er- hielt ieh mittelst Essigsäurefällung immer einen Niederschlag, welcher mit Zuhilfenahme einer Spur von Alkali in Wasser ge- löst, bei Zusatz eines Tropfens einer fünfprocentigen Calcium- chloridlösung im Verlauf eines blos Seeunden zählenden Zeit- raumes, zu einem festen, den Wandungen des Glases anhaftenden Kuchen gerinnt. Diese merkwürdige Thatsache, dass das durch Kochsalz gefällte Fibrinogen mit Caleiumchlorid ungerinnbar, während der aus demselben Fibrinogen mit Essigsäure gefällte Körper durch ein wenig Caleiumchlorid sofort zum Gerinnen gebracht werden kann, kann nun wieder, soviel ich sehe, in zweifacher Weise gedeutet werden. Entweder existirt das Fibrinogen in zwei Modificationen, einer durch Kochsalz und einer durch Essigsäure gefällten, von welchen die erstere zur Umwandlung in Faserstoff ausser des Kalksalzes noch des Fibrinfermentes bedarf, oder aber wird durch die Essigsäure ein die Gerinnbarkeit des Fibrinogens verhindernder Körper abgespalten. Obzwar ich mir nicht erlaube, heute schon einen Spruch in dieser Frage zu fällen, so will ich doch nicht verschweigen, dass ich nach vorläufigen Versuchen zur letzteren Anschauung neige. Wie dem auch sei, die Thatsache steht fest, dass es im Blute eine Substanz giebt, welche mit Essigsäure fällbar ist, welcher weder Fibrinferment noch Serumglobulin beigemengt ist, und welche ein blosser Zusatz von Kalk in typisches Fibrin umwandelt. Dieser Körper ist zweifelsohne ein Nucleoproteid: er enthält Phosphor und mit Pepsinsalzsäure zur Verdauung angesetzt, liefert er einen phosphor- reichen Rückstand. Zur Erklärung des Gerinnungsvorganges brauchen wir also mithin nicht mehr den complieirten Apparat von Ferment, Serumglobulin und Fibrinogen. Wie auch der Einfluss des Fibrinferments und des Serumglobulins auf die Fibrinbildung sein mag, wir wissen jetzt ganz bestimmt, dass es im Blute ein durch Essigsäure fällbares Nucleoproteid einerseits, Kalksalze anderer- seits giebt und dass der Zusammentritt dieser zweier Substanzen schon voll- ständig genügt, um Faserstoff zu erzeugen. Was nun die Abstammung dieses Nucleoproteids anlangt, so glaube ich annehmen zu dürfen, dass es sowohl aus den Leukocyten als auch von ihren Derivaten, den Blutplättchen, stammt. Sehr belehrend dafür ist folgen- der Versuch: Wenn man einem Hunde Histon injieirt, so gelingt es manch- mal, ein Plasma zu bekommen, welches weder mit Essigsäure noch mit gesättigter Kochsalzlösung einen Niederschlag giebt, — und zwar ist es gewöhnlich solches Histonblut, in welchem die Leukocyten und die Blut- plättehen am besten erhalten sind und die ersteren am längsten amoeboide Bewegungen ausführen. Um der Sache auf den Grund zu kommen, stellte ich folgendes Experiment an: einem Hunde wird in die Jugularis die ent- sprechende Histonmenge injieirt und in dem Moment, wo der Stempel der 36* 564 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Spritze die Ausgangsöffnung erreicht, eine Portion Blut aufgefangen. Nach- her wird die Klemme an der Carotis geschlossen, 15 Minuten gewartet und wieder Blut aufgefangen, die Klemme wieder geschlossen, wieder 15 Minuten gewartet, Blut gelassen und so fort vier oder fünf Mal nacheinander. Nach- dem nun alle Portionen Blut centrifugirt wurden, bekommt man mehrere Plasmaportionen, welche sich sowohl in ihrer Gerinnungstendenz als in ihrem Verhalten Reagentien gegenüber von einander unterscheiden. Die erste, zweite und dritte Portion gerinnt überhaupt nicht, die vierte erst nach Ab- lauf von 24 Stunden und die fünfte nach einigen Stunden (5—6). Unter- sucht man nun die erste Portion, so findet man, dass sie weder mit Essig- säure noch mit gesättigter Kochsalzlösung einen Niederschlag giebt, die zweite giebt mit Kochsalz eins ganz geringe Trübung, welche sich erst nach stundenlangem Stehen zu einigen Flöckehen zusammenballt, die dritte giebt einen stärkeren Niederschlag, die vierte einen der Grösse, Aussehen und Löslichkeit nach normalen Fibrinogenniederschlag, die fünfte dagegen giebt mit dem gleichen Volumen einer gesättigten Kochsalzlösung kein Fibrinogen mehr, sondern typisches Fibrin, eine gleichmässige Gallerte, welche in ver- dünnter Salzsäure aufquillt, ohne sich zu lösen und auch in verdünnten Alkalien unlöslich ist. Setzt man diese Gallerte mit Pepsinsalzsäure an, so löst sie sich darin ganz klar auf. Wir haben es also hier schon nicht mehr mit Fibrinogen, sondern mit einem Körper zu thun, welchen Hammarsten sehr treffend als lösliches Fibrin bezeichnet. Untersucht man die fünf Blut- portionen reihenweise mikroskopisch, indem man sich von jeder mehrere Praeparate anfertigt, so findet man, dass in der ersten alle Leukocyten, auf welche man im Gesichtsfelde stösst, vollständig gut erhalten sind und alle ohne Ausnahme noch 24 Stunden nach dem Aderlass lebhafte amoeboide Bewegungen ausführen. Die Blutplättehen sind ebenfalls durchweg in ihrer ursprünglichen Form wohl erhalten: rund, homogen und nicht klebrig. In der zweiten Blutportion findet man die Zahl der Leukocyten um ein ge- ringes vermindert und man findet vereinzelte Leukocyten im Zerfall be- griffen. In der dritten und vierten Blutportion ist die Zahl schon um ein Bedeutendes verringert, ebenso und noch bedeutender in der fünften Portion. Eine vergleichende Zählung, mit deren Einzelheiten ich hier nicht belästigen will, ergab, dass die Zahl der Leukocyten in der ersten, zweiten, dritten und vierten Portion sich verhält wie 10:9:5:4:3-.5. Es fand also ent- sprechend der Fibrinogenbildung ein Schwund um etwa 60 Procent der farb- losen Elemente des Blutes statt. Dieser Versuch ist auch insofern lehrreich, als er den Beweis liefert, dass das Fibrinogen als ein im Plasma gelöster Stoff im kreisenden Blute nicht vorhanden ist, eine Anschauung, der sich auch Alexander Schmidt in seiner letzten Publication zuneigt. Einen directen Beweis, dass die Zellkernsubstanz der Leukocyten, das Nucleohiston, unmittelbar in Fibrin umgewandelt werden kann, lieferte ich dadurch, dass ich quantitative Fibrinbestimmungen in Gerinnungsmischungen anstellte, welche aus einer gemessenen Menge einer spontan nicht gerinnenden Peritoneal- flüssigkeit vom Pferde, einer gemessenen Menge einer kräftigen Fibrin- fermentlösung einerseits und in einer vollkommen gleich zusammengesetzten Geiinnungsmischung, der noch eine gewogene Menge Nucleohiston hinzu- gefügt wurde, anstellte. Es stellte sich dabei heraus, dass das Nucleohiston die Menge des gebildeten Fibrins in sehr hohem Grade vergrössert. Was PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — L. LILIENFELD. 565 die Einzelheiten und Zahlen betrifft, muss ich auf die ausführliche Publication meiner Arbeit, welche in der Zeitschrift für physiologische Chemie erscheinen wird, verweisen. Wenn auch diese Thatsachen die Entstehung des Fibrins aus den Zell- kernsubstanzen der Leukocyten über jeden Zweifel erheben, so habe ich doch noch versucht, direet mikroskopisch den Uebergang der Zellkerne in Fibrin zu studiren. Ich wählte dazu eine Methode, welche schon im Jahre 1883 von Jaroslav Hlava beschrieben wurde, mit einer Modifieation der Fixirungs- und Färbungsmethoden. Blut aus der Carotis wird in kleinen Glasschalen aufgefangen und mit feinen Fäden geschlagen, und zwar durch 10, 15, 20, 25, 30 u. s. w. Seeunden. Die Fäden werden in Hermann- sche Lösung oder Osmiumsäure gelegt und nachher gefärbt. Diese Ver- suche ergaben immer das gleiche Resultat. Bei 10 bis 15 Secunden dauern- dem Schlagen findet man am Faden gar keine Formelemente, nur manchmal 1 oder 2 gut erhaltene Leukocyten. Nach 25 bis 30 Secunden sieht man, dass der Faden von einer feingekörnten Masse eingehüllt ist, in welcher ganz nackte Leukocytenkerne liegen. Je mehr man sich vom Faden nach der Peripherie zu nähert, um so mehr gut erhaltene Leukocyten findet man. Schlägt man das Blut 25 Secunden, so sieht man, dass die Leukocyten vollständig zu einer granulirten Masse und nackten Kernen zerfallen sind. Je länger man das Blut schlägt, um so mehr nimmt die körnige Masse zu, um so mehr nimmt die Zahl der Kerne ab. Nach 60 Secunden, also einer Minute, ist das Bild ganz frappant, indem die Mehrzahl der Kerne ver- schwunden ist. Die gekörnte Masse hat sich stark verdichtet und nach 65 Secunden hat sich die granulirte Masse in eine beinahe ganz homogene hie und da kleine Körnchen aufweisende verändert. Man kann also mit dieser Methode den direeten Uebergang der Zellkerne der Leukocyten in Fibrinsubstanz beobachten. Was dabei auch sofort auffällt, ist der Umstand, auf welchen auch schon Hlava aufmerksam macht, dass die Zellkerne mit dem Fortschreiten des Gerinnungsprocesses ihre Tinetionsfähigkeit in erheb- lichem Maasse verlieren. Nachdem es mir in meiner Arbeit über die Wahl- verwandtschaft der Zellenelemente zu verschiedenen Farbstoffen gelungen ist, zu zeigen, dass die Zellkerne ihr Färbevermögen den in ihnen ent- haltenen Nucleinsubstanzen verdanken, kann ich mich dem Gedanken nicht verschliessen, dass der Verlust der Tinetionsfähigkeit der Leukocytenkerne während der Gerinnung eine Abgabe der Nucleoproteide an das umgebende Plasma bedeutet. Zum Schluss will ich noch auf einen Gegenstand eingehen, der eben- falls zu der Blutgerinnung in engen Beziehungen steht. In seinem Buche unter dem Titel: „Zur Blutlehre* zeigt Alexander Schmidt, dass sich aus zelligen Gebilden mittelst Extraction durch Alkohol eine Menge von Substanzen gewinnen lässt, welche die Fähigkeit besitzen, Blutserum, welches durch Stehen an der Luft oder Dialyse unwirksam gemacht worden ist, wieder wirksam zu machen. Er nennt diese Körper „zymoplastische Sub- stanzen.“ Ich stellte mir die Aufgabe, die wirksame Substanz aus dem Ge- menge zu isoliren. Im Alkoholextraet der Leukoeyten findet sich nun eine ganze Reihe von Stoffen. Es ist mir gelungen, neben Fetten, Lecithin und Cholesterin in demselben Protagon und einen kephalinartigen Körper nach- 566 VERHANDLUNGEN DER BERLINER zuweisen. Ausserdem fand ich in demselben ecarbaminsaures Ammon, Amido- valeriansäure, Inosit und Monokaliumphosphat. Es stellte sich nun heraus, dass dem Monokaliumphosphat die sogenannten zymoplastischen Eigen- schaften anhaften. Bringt man eine Spur davon in vollständig unwirksames Pferdeblutserum, so erlangt letzteres schon nach 10 bis 15 Minuten seine Wirksamkeit auf Fibrinogenlösungen wieder. Merkwürdiger Weise ist es mir nicht gelungen, dasselbe Resultat mit Mononatriumphosphat zu erzielen. Es ist natürlich gleichgültig, ob das Monokaliumphosphat aus den Zellen stammt oder synthetisch dargestellt wird. Da bei der Gerinnung immer Leukocyten zu Grunde gehen, so müssen auch kleine Mengen von Monokaliumphosphat in das alkalische Plasma gelangen. Ich kann den Gedanken nicht zurückweisen, dass vielleicht diese Thatsache eine Erklärung für die von Zuntz entdeckte interessante Er- scheinung liefern könnte, welcher zufolge die natürliche alkalische Reaction des Blutes während des Gerinnungsprocesses abnimmt. Das in das Plasma aus den Leukocyten gelangende Monokaliumphosphat muss sich naturgemäss mit den darin gelösten Carbonaten zu einem Dialkaliphosphat und Bicar- bonat umsetzen, nach der Gleichung: NaH,PO, +Na,C0,=Na,HPO, +NaHCO,. 2. Hr. PAuL SrrassmAann (a. G.) hielt den angekündigten Vortrag: „Ueber den Mechanismus des Verschlusses des Ductus arteriosus (Botalli)“. Für das Zustandekommen des Verschlusses des Duct. art. beim Neu- geborenen bestehen eine Anzahl Erklärungen. Einzelne derselben (wie Thrombose, Contraction, Verlagerung durch die Athmung, Compression durch benachbarte Organe, Veränderungen der Wandung u. s. w.) sind von ver- schiedenen Forschern geprüft und als auf irrigen Voraussetzungen beruhend nachgewiesen. Andere kommen nur für die definitive Obliteration, nicht für den Verschluss in Frage. Vor allen Dingen ist bisher die Frage ausser Acht gelassen, wieso nicht der in Folge der Athmung bald steigende Aortenblutdruck den Ductus entfaltet, und eine Strömung nach der unter vermindertem Drucke stehenden Pulmonalis in Gang bringt. Es muss, worauf B. Schultze (Scheintod des Neugeborenen) bestimmt hingewiesen hat, ein mechanischer, momentaner Verschluss des Ganges gegen die Aorta hin stattfinden. Es galt zu prüfen, ob ein solcher Verschluss durch die Art der Ein- mündung des Ductus in die Aorta möglich sei. In Folge der schiefen Durchsetzung der Aorta bildet in der That die vordere Wand des Duetus einen klappenähnlichen Fortsatz in der Aorta, der, an dem Uebergange des Arcus in die A. descendens gelegen, im Stande ist, bei Ueberwiegen des Blutdrucks auf der Seite der Aorta den Zugang zu dem Ductus zu ver- legen, ähnlich wie die Valvula foram. ovalis nach der Geburt das Eindringen von Blut aus dem linken in den rechten Vorhof verhindert. Dieses von Hrn. Prof. Zuntz zuerst an Schaffoeten beobachtete Verhalten der Ductus- mündung liess sich in gleicher Weise beim Foetus von Mensch, Hund und Katze nachweisen. Es werden dies beweisende Gefrierschnitte durch mensch- liche Neugeborene demonstrirt, zu denen der Vortragende das Material der PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — P. STRASSMANN. — JAcoB. 567 geburtshülflichen Charite-Poliklinik mit gütiger Erlaubniss des Hrn. Geh. Rath Gusserow benutzte. Durch Injeetionen, die im thierphysiologischen Laboratorium von Hrn. Prof. Zuntz mit seiner gütigen Unterstützung vorgenommen wurden, liess sich feststellen, dass, während der Ductus noch von der Pulmonalis aus leicht injieirt werden kann, dies von der Aorta aus nicht gelingt und zwar selbst dann nicht, wenn der Ductus durch einen vom rechten Herzen aus- gehenden, unter niederem Druck fliessenden Strom offen gehalten wurde. Der Aortendruck konnte bis 100 ®% Hg gesteigert werden, ohne dass die Injeetionsflüssigkeit in den Gang eindrang; erst wenn der Aortendruck über 100 "m Quecksilber stieg, wurde der Ductus, nachdem erst das gesammte übrige Aortensystem injieirt war, auch injieirt und zwar so, dass in den ersten drei Tagen des Lebens die Ductusmündung auseinandergedrängt wird, später der klappenähnliche Fortsatz invertirt wird. Dieser mechanische Verschluss beginnt beim menschlichen Foetus vom 5. Monate der Schwangerschaft an sich zu entwickeln und ist im 8. meist genügend ausgebildet. Zum Nachweis desselben mittelst Injection sind daher Früchte vor dem 8. Monate nicht geeignet, ebensowenig solche, bei denen in Folge vorzeitiger Athmung u. s. w. eine Ueberdehnung der grossen Gefässe mitsammt dem Ductus art. stattgefunden hat. Injeetionen der Aorta in cordipetaler Richtung (von der Art. umbilicalis aus) eröffnen den Ductus gleichfalls. Der erwähnte, durch anatomischen und experimentellen Nachweis be- stätigte mechanische Verschluss des Ductus steht mit den bisherigen klinischen und pathologischen Beobachtungen in Uebereinstimmung. Er erklärt u. A. den Befund einer geringen Durchgängigkeit des Ductus im späteren Lebens- alter ohne Kreislaufstörung, die auscultatorischen Phaenomene am Herzen des Neugeborenen u. s. w. Schliesslich werden die Bedingungen eines pathologischen Offenseins des Duetus kurz besprochen und für gewisse Fälle auf die Wahrscheinlichkeit einer Insufficienz des Ductusverschlusses, wie ähnliches beim Foramen ovale bekannt ist, aufmerksam gemacht. Eine ausführliche Mittheilung der Arbeit erfolgt im Archiv für Gynaekologie. 3. Hr Jacog (a. G.) hielt den angekündigten Vortrag: „Ueber artifi- cielle Hyper-Leukocytose“. Nachdem durch die zahlreichen neueren Untersuchungen und Zählungen, die sich an die älteren von Moleschott, Donders, Welcker und Pohl anschliessen, zuverlässige und im Allgemeinen ziemlich übereinstimmende Angaben über die Anzahl der Leukocyten sowohl unter normalen wie patho- logischen Verhältnissen vorliegen, steht augenblicklich von allen Blutfragen wohl hauptsächlich die der künstlichen Erzeugung der Hyperleukocytose im Vordergrunde des wissenschaftlichen Interesses. Und in der That würde auch die definitive Lösung dieser Frage einen unschätzbaren Aufschluss bei so vielen noch dunklen Punkten geben können, welche zur Zeit in den meisten Blutbefunden bestehen, Befunden, die uns sowohl beim gesunden Individuum wie vor Allem in den verschiedensten Krankheiten begegnen. Dieser Umstand hat denn auch eine Reihe von Klinikern und Bakteriologen veranlasst, das Krankheitsbild der entzündlichen Hyperleukocytose behufs 568 VERHANDLUNGEN DER BERLINER weiteren Studiums künstlich zu erzeugen. Zu den bekanntesten Unter- suchungen, welche in dieser Richtung unternommen wurden, gehören die Injeetionsversuche von Limbeck’s; dann aber namentlich die Buchner- Römer’schen. Es sei mir gestattet, auf diese Versuche mit einigen Worten näher einzugehen, um das Folgende verständlicher zu machen. Limbeck experi- mentirte an Hunden, indem er denselben, nachdem sie 24 Stunden gefastet hatten, Bakterieneulturen im Kniegelenke injieirte und dadurch zweierlei Wirkungen erzielte: einmal eine allgemeine, eine örtliche Reaction durch Exsudation, dann aber vor Allem eine locale, eine Hyperleukocytose, deren Grad er von der Natur der injieirten Cultur abhängig macht Er fand nämlich, dass die verschiedenen Mikroorganismen auf die Leukocytose auch verschieden einwirken; und zwar hält Limbeck als die wirksamsten Pilze hierfür die Staphylococcen, mit denen er eine Hyperleukocytose um 500 bis 600 Procent erreichte. Eine den Staphylococcen ähnliche Wirkung erzielte er mit Culturen von Streptococcus pyogenes und dem Friedländer’schen Pneumobacterium, wogegen er nach Injection einer Reihe anderer Pilze, wie z. B. Pyocyaneus, Diplococcus pneumoniae, Micrococcus prodigiosus, Asper- gillus niger gar keine oder nur eine geringe Hyperleukocytose constatiren konnte. Die Praeparate stellte sich Limbeck in der Weise her, dass er die betreffenden Pilze auf schwach alkalischem Bouillon im Thermostaten bei 37 bis 30° ©. züchtete und nach 5 bis 6tägigem Verweilen der Cul- turen im Brutofen dieselben injicirte. Was nun die Buchner-Römer’schen Versuche anbelangt, so stellten diese beiden Forscher ihre Experimente erstens mit sterilisirten Bakterien- proteinen an, dann auch mit Glutencasein und Legumin, Leim- und Alkali- albuminat. Sie fanden, dass alle Leukocytenreizstoffe bei intravenöser In- jection eine mehr oder weniger starke Hyperleukocytose hervorriefen, welche nach 6 bis 8 Stunden auftrat, etwa 24 Stunden anhielt und durch weitere Injecetionen noch erheblich gesteigert werden konnte. So erreichte Buchner nach wiederholter Injection von Pyocyaneusprotein, das er überhaupt für das wirksamste hält, eine Hyperleukocytose, die das siebenfache der Norm betrug. Ich möchte hier vorläufig auf die Theorieen, welche v. Limbeck, Buchner, Römer auf ihre Versuche hin aufbauten, nicht näher eingehen, sondern werde bei einer späteren Mittheilung noch darauf zurückkommen. Gleichwie Rieder und Schulz in München habe auch ich im Verlaufe des letzten Jahres die Buchner-Römer’schen Versuche auf dem Labora- torium der I. medieinischen Klinik nachgeprüft und bin im Allgemeinen zu denselben experimentellen Resultaten gekommen, wie die genannten Forscher; doch waren die Schlüsse, welche ich aus diesen Resultaten ziehen konnte, zum Theil andere und hiervon abweichende. Diese Verschiedenheit wurde nun hauptsächlich durch diejenigen experimentellen Untersuchungen herbei- geführt, deren Ergebnisse ich mir gestatten wollte, heute kurz mitzutheilen. Es handelt sich um die Versuche, im Thierkörper eine Hyperleukocytose durch Injeetionen der verschiedensten Drüsenextracte herbeizuführen. Die meisten der angeführten Forscher, welehe eine Hyperleukocytose experimentell hervorriefen, haben dies auch vereinzelt durch Pflanzencaseine und Umwandlungsproducte aus thierischen Geweben erreicht. Ich erwähnte PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — JACOB. 569 schon die Stoffe, welehe Buchner und Rieder hierzu verwandten. Hor- baczewski erzielte durch Nuclein aus Milzpulpa, welches er per os verab- reichte, eine relativ intensive Hyperleukocytose. In neuester Zeit bringt sogar Hammonds in New-York eine Mittheilung über Darreichung von Extract aus Herzfleisch. Doch ist bisher eine systematische Untersuchung über die Wirkung der Drüsenextracte auf das Blut noch nicht ausgeführt worden. Bevor ich nun in medias res eintrete, möchte ich auch von dieser Stelle aus meinen Dank Hrn. Geheimrath Leyden für das gütige Interesse aus- sprechen, das er den Arbeiten, die ich in den Laboratorien seiner Klinik ausführte, stets entgegengebracht hat. Dann aber bin ich Hrn. Stabsarzt Dr. Goldscheider zu allerhöchstem Danke verpflichtet; denn er hat mir nicht nur so manche Anregung zu den experimentellen Untersuchungen gegeben, sondern mich darin auch stets mit der grössten Bereitwilligkeit unterstützt und dadurch meine Arbeiten überhaupt ermöglicht. Ich will nun zunächst mittheilen, in welcher Weise ich die Extracte bereite. Zur Verwendung kamen bisher Niere, Pankreas, Leber, Schilddrüse, Milz, Thymus und Knochenmark. Die Organe werden Morgens ganz frisch vom Centralviehhof in’s Laboratorium geschiekt und schon innerhalb der nächsten Stunden verarbeitet. Ich brauche wohl an dieser Stelle kaum zu erwähnen, dass, da es sich um Injectionsversuche handelt, sämmtliche in Gebrauch kommende Gegenstände, sowohl Instrumente wie Gefässe, voll- kommen steril sein müssen. Das betreffende Organ wird zunächst im Wasser gründlich abgespült und alsdann von allem umgebenden Fett und Binde- gewebe sorgfältigst gereinigt. Nachdem dies geschehen ist, erfolgt nochmals eine Reinigung mit Wasser und darauf mit einer verdünnten Sublimatlösung. Nun wird das Praeparat auf eine Glasplatte gelegt und seine ganze Ober- fläche möglichst durch einen einzigen Schnitt mit einem langen scharfen Messer abgetragen. Sofort werden jetzt aus dem frei zu Tage liegenden Inneren mittelst Scheere und Pincette Stücke herausgeschnitten und in einen Porzellanmörser geworfen. Dieser ist schon vorher mit der erforderlichen Menge eines Gemisches von Glycerinum purissimum und !/, procentiger wässeriger Carbollösung gefüllt. Darin werden nun die Stücke ausgequetscht; und zwar ist es vortheilhaft, solches unter Zuhülfenahme von Glasscherben zu thun, da die Substanz dadurch äusserst fein zerkleinert wird. Das so erhaltene Extract wird in ein Glasgefäss umgefüllt und kommt gut ver- schlossen 24 Stunden in den Eisschrank. Nach Verlauf dieser Zeit wird der Inhalt durch ein reines, durch mehrmaliges Auskochen vollkommen sterili- sirtes Leinwandläppchen in ein anderes Glasgefäss mit den Händen ausge- quetscht, vor welcher Procedur dieselben besonders aseptisch gemacht sein müssen. Sollten die Extracte noch nicht klar genug sein, so müssen sie durch ein zweites bezw. drittes Leinwandläppchen nochmals filtrirt werden. In dieser Weise kann man sich sämmtliche Extraete herstellen, abgesehen vom Knochenmark. Um dies zu gewinnen, säge ich den Knochen der Länge nach durch und schäle mittelst scharfen Löffels das Mark heraus. Dies wird dann in derselben Weise wie die anderen Fxtraete verarbeitet. Dieselben werden im Risschrank aufbewahrt. Vor Beginn der Injeetionsversuche streiche ich gewöhnlich auf festem Nährboden und in Bouillon etwas von den Extracten 570 VERHANDLUNGEN DER BERLINER aus und beginne die Versuche erst dann, wenn nach 2 bis 3 Tagen nichts gewachsen ist, die Praeparate also vollkommen steril sind. Als Versuchsthiere dienten mir bisher ausschliesslich Kaninchen. Sie bieten den Vortheil, dass die Anzahl der Leukocyten bei ihnen periodischen Schwankungen nicht unterworfen ist. Den Grund hierfür suchen die einen darin, dass, da die Thiere beständig fressen, sie sich gleichsam fortwährend im Stadium der Verdauungsleukocytose befinden; andere meinen — und dies ist eigentlich die ältere, schon von Pohl aufgestellte Lehre — dass Pflanzen- fresser überhaupt keine digestive Leukocytose haben. Um jedoch ein mög- lichst genaues Urtheil über den Leukocytenbefund des jeweiligen Versuchs- thieres zu haben, zähle ich stets 24 oder 48 Stunden vor Beginn des Experiments zu bestimmten Zeiten, da sowohl nach den Beobachtungen von Sehulz, wie auch nach den meinigen, gerade Kaninchen in der Anzahl der Leukocyten sehr untereinander differiren. Der durchschnittliche Werth ist 10.000. | Auf die Art und Weise der Zählung mittelst des Thoma-Zeiss’schen Melangeurs und der Mischung des Blutes mit !/, proc. Essigsäure brauche ich wohl hier nicht näher einzugehen; beides dürfte jetzt allgemein bekannt sein. Ich möchte nur bemerken, dass ich zu meinen Untersuchungen stets die Verdünnung 1:20 wähle, da nach Rieder’s wie auch meinen Beob- achtungen bei der Verdünnung 1:10 erstens eine überaus grosse Menge Blutes erforderlich ist, zweitens aber auch bei derselben die in der Zähl- kammer angehäuften Schatten der rothen Blutkörperchen leicht einige weisse verdecken können, wodurch letztere der Zählung entgehen. Schliesslich er- wähne ich noch, dass ich bei den gewöhnlichen Zählungen das Blut aus der Ohrvene des Kaninchens entnehme und stets mindestens zwei Zählungen vornehme, indem ich zu zwei verschiedenen Malen, bezw. mit zwei Melangeurs das Blut aus demselben Gefässe aufsauge und die 400 Quadrate der Zähl- kammer durchzähle. Ich erachte Unterschiede bis zu fünf Leukocyten, welche also mit 200 multiplieirt, in den Grenzen von 200 bis 1000 liegen würden, als unvermeidliche und nicht zu berücksichtigende Fehlerquellen; ich werde demnach, falls keine grössere Verschiedenheit zwischen zwei Zählungen vor- liegt, stets den Mittelwerth angeben. Ich komme nun zu den Injeetionsversuchen, welche stets subeutan unter die Bauchhaut des Thieres ausgeführt wurden. Es würde zu weit führen, wenn ich hier die einzelnen Experimente alle mit Zahlen an- und ausführen wollte; ich erlaube mir daher, vielmehr von jeder Gruppe eine oder zwei Typen mitzutheilen. Der Uebersicht halber muss ich nun die Versuche von vornherein in zwei grosse Gruppen scheiden; denn während der eine Theil der Extraete eine wirkliche Hyperleukocytose im Thierorganismus hervor- rief, hatte der andere ein negatives Ergebniss. Eine Hyperleukocytose wurde erzielt durch Injeetion von Milz-, Thymus- und Knochen- mark-Extract; Leber-, Niere-, Pankreas-, Thyreoidea-Extract bewirkten das nicht. Was zunächst die letztgenannten Extracte anbelangt, so konnte ich die Wirkung des Thyreoidea-Extraets in Bezug auf das Blut erstens apud homi- nem beobachten, da ein geeigneter Casus auf unserer Klinik, ein Myxoedem, aus anderen Gründen Veranlassung zu diesen Injeetionen gab. Gleichwie Murray, Davies, Shaw, Better, Carter, Mackenzie, Fox, Bouchard, PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — JACOB. 571 Mendel, Wiehmann u.s. w. habe auch ich keinen Einfluss des Extraets auf das Blut, speciell auf die Leukocyten, bemerken können. Ein gleich negatives Ergebniss lieferte die Injection beim gesunden Thier. Beim Leberextraet war das Verhältniss folgendes: Die vorher angestellte Zählung ergab beim gesunden Thier 10500 Leukocyten. Nachdem Mittags 12!/, Uhr zwei Spritzen Leberextraet injieirt waren, zählte ich um 4 Uhr 11200, um 7 Uhr 12000, am nächsten Morgen 10900 Leukocyten. Selbst bei einer Dosis von fünf Spritzen Leberextract konnte ich keine Hyper- leukocytose erzielen. Ein gleich negatives Ergebniss hatte die Injection vom Nierenextract. Ich zählte Morgens 10 Uhr vor der Injection von zwei Spritzen 6900 Leuko- cyten, um ?/,3 Uhr 7000, Abends 6!/, Uhr 7800, am nächsten Morgen 6700 weisse Blutkörperchen. Ich habe somit nach Injection der vor- genannten Extracte niemals eine Zunahme der Leukocyten be- obachten können; auch zeigten sich in keinem Falle an den In- Jeetionsstellen irgend welche Schwellungen noch Eiterbildungen. Ganz anders waren nun die Resultate, welche ich durch Injeetionen von Milz-, Thymus- und Knochenmarkextract erzielte. Meine Versuche mit dem Milzextract waren zeitlich die ersten; und erst durch die überraschenden Wirkungen, welche nach Injeetion desselben auftraten, wurde ich veranlasst, auch Extracte anderer Organe herzustellen, um nachzuprüfen, ob dieselben gleiches hervorriefen. Dass der eine Theil ein negatives Ergebniss hatte, führte ich im Vorhergehenden aus; ich komme nun zu dem zweiten Theil. Ich injieirte bei einem Kaninchen, welches vorher 9500 Leukoeyten hatte, Morgens 9 Uhr 1!/, Spritzen Milzextract. Die Zählung um 12 Uhr ergab 7200, um 5!/, Uhr aber 29000, am nächsten Morgen noch 18000 Leukoeyten. Erst nach 60 Stunden war der ursprüngliche Leukocytenbefund wieder erreicht. Bei einem anderen Thier mit 8900 Leukocyten injieirte ich Morgens 10 Uhr drei Spritzen Milzextract; ich zählte um !/,1 Uhr 6900, um 31/, Uhr 15800, injieirte nun nochmals drei Spritzen und fand am nächsten Morgen 37 000 Leukocyten; auch hier war das Thier nach ungefähr 60 Stunden auf seine anfängliche Leukoeytenzahl zurückgelangt. Bei einem Versuche, die Dosis ad maximum zu steigern, bekam ein Thier mit 10400 Leukoeyten bei der achten Spritze Collaps und Krämpfe. Es wurde in warme Tücher gehüllt und erholte sich, hatte am nächsten Morgen 29000 und auch noch nach 48 Stunden 26000 Leukocyten. Trotzdem injieirte ich nochmals sechs Spritzen. Diesmal vertrug das Thier die Injeetion sehr gut. Ich hatte bei dem vorhergehenden Versuche wohl zu schnell hintereinander injieirt und war es dadurch zum Collaps gekommen, eine Erscheinung, welche auch Murray bei zu schnell aufeinanderfolgenden Injeetionen von Thyreoidea- extract apud hominem beobachten konnte. Das letzthin erwähnte Versuchs- thier, dem ich bei einer Hyperleukoeytose von 26000 noch sechs Spritzen injieirt hatte, kam nach 18 Stunden auf 45000; nach 22 Stunden zählte ich noch 44000 weisse Blutkörperchen. Eine Stunde darauf starb das Thier plötzlich, ohne dass ich bei der sofort angestellten Section die Todesursache feststellen konnte. Es ist dies der einzige Versuch gewesen, bei dem ein Thier in Folge von Injeetionen zu Grunde ging; alle anderen haben die- selben stets gut überstanden und war danach weder eine Gewichtsabnahme noch verminderte Fresslust zu beobachten, 572 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Ich komme nun noch zu den Injeetionsversuchen mit Thymus- und Knochenmarkextraet. Ein Thier mit 7100 Leukocyten erhielt Morgens '/s11 Uhr zwei Spritzen Thymusextract; um °?/,4 Uhr zählte ich 16400, um 6!/; Uhr 15800, am nächsten Morgen 7200 Leukocyten. Einem anderen Thier mit 8000 weissen Blutkörperchen injieirte ich Mittags 12 Uhr fünf Spritzen; es hatte um 6!/, Uhr Abends 17000, um 8 Uhr Abends 19800, am anderen Morgen 7 Uhr 9200 Leukocyten. Was schliesslich die Versuche mit Knochenmarkextract anbelangt, so gelang es mir auch hierdurch eine, wenn auch mässige, Hyperleukocytose herbeizuführen. Ich zählte bei einem Thier vor der Injection 8900, gab ihm 9!/, Uhr zwei Spritzen, zählte um 4 Uhr 14600, am nächsten Morgen 8 Uhr 11000 Leukocyten. Bei einem anderen Kaninchen stieg die Anzahl der weissen Blutkörperchen nach Injectionon von vier Spritzen Knochen- markextract innerhalb 7 Stunden von 9000 auf 19200, um nach 20 Stunden auf 12800, nach 26 Stunden auf die ursprüngliche Anzahl zu fallen. Dies die Ergebnisse meiner Injeetionsversuche. Man ersieht daraus, dass es mir gelang, durch drei Extracte, das des Knochenmarks, der Thymusdrüse und der Milz, eine Hyperleukocytose im Thier- organismus herbeizuführen. Nur hei einem Extracte, dem der Milz, konnte ich gleichwie Römer, Rieder, Schulz und vor Allem Löwit nach ihren Versuchen mit Proteinen, sowie Mlle. Everard, Demoor, Massart, welche die Ergebnisse einer grossen Reihe solcher mit Proteinen aus- geführten Injectionsversuche im vorletzten Heft der „Annales de l’Institut Pasteur“ veröffentlicht haben, eine Hypoleukocytose, d. h. eine Herabsetzung der Leukocytenanzahl innerhalb der nächsten 3 bis 4 Stunden post injectionem beobachten. Mit all diesen Resultaten konnte ich mich aber nicht begnügen, nach- dem die Arbeit von Schulz im „Archiv für Klinische Mediein“ erschienen war. Er erkennt darin weder Limbeck’s Theorie an, nach der die blut- bereitenden Organe nach Infecetion des Organismus mit Bakterien zu ver- mehrter Zellbildlung angeregt werden, noch die Römer’sche Anschauung, der einen direct formativen Reiz der Proteine auf die Leukocyten annimmt. Desgleichen bestreitet er die Löwit’sche Lehre von der Leukocytose; dieser fasst dieselbe „als eine vorübergehende Zunahme der Leukocyten im ge- sammten Blute über die Norm auf, welche nach einer vorausgehenden, durch verschiedene Momente auslösbaren Verminderung derselben infolge eines ver- mehrten Zuflusses jugendlicher leukoeytärer Elemente aus den die Blutzellen bildenden Organen bedingt wird“. Schulz glaubt nun vielmehr, „dass die weissen Blutkörperchen in allen Zuständen, die man für leukocytische hält, nicht vermehrt sind, sondern nur eine andere Vertheilung im Gefässsystem erfahren haben, dass das Wort Leukocytose auf die Gesammtblutmenge be- zogen, überhaupt falsch ist, und dass die bei Leukocytose mehr gefundenen Zellen sich schon längst in der Blutbahn befinden, nicht erst von den blut- bereitenden Organen produeirt und aus diesen ausgeführt werden“. Nach Schulz wäre es demnach weder v. Limbeck, Buchner, Römer, Rieder, Löwit u.s. w. mit ihren Proteininjectionen, noch mir selbst mit den Ex- tracten gelungen, eine wirkliche Hyperleukocytose herbeizuführen, sondern es wäre nur eine andere Vertheilung der weissen Blutkörperchen in den Gefäss- bahnen dadurch erzielt worden. Eine Deutung für diese Erscheinung erklärt PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — JACOB. 573 sich Schulz ausser Stande zu geben. Mir erschien seine Theorie wenig glaubhaft. Doch war damit die Frage, ob eine wirkliche Hyperleukocytose im Thierorganismus durch die Injectionen erzeugt werde, noch nicht gelöst. Um ihr näherzutreten, musste der Nachweis erbracht werden, dass zur Zeit der durch Injectionen künstlich herbeigeführten Hyperleukocytose dieselbe nicht nur in den peripheren Gefässen, d.h. der Ohrvene, aus der ich bisher Blut zu den Zählungen entnommen hatte, bestehe, sondern sich auch in den centralen Gefässen, also im ganzen Kreislauf finde. Dieser Nachweis soll nun durch die folgenden Versuche erbracht werden, welche Hr. Stabsarzt Dr.Goldscheider und ich gemeinschaftlich unternahmen. Wir untersuchten die verschiedensten peripheren und centralen Gefässe, sowie die Ventrikel zunächst bei Kaninchen, bei welchen ich nach Injection in der Ohrvene eine Hyperleukoeytose constatirt hatte, alsdann bei ganz gesunden Thieren und schliesslich auch bei denen, die im Höhestadium der Hypoleukocytose nach der Injection waren. Ich erwähne hierbei, dass die Thiere für diese Ver- suche natürlicherweise auf dem Kaninchenhalter gefesselt wurden. Doch wurden hierdurch keine Fehlerquellen bedingt, welche nach Löwit bei Fesselung der Thiere und gleichzeitiger Abkühlung entstehen, indem ein von ihm benannter Zustand, die Leukopenie, eintritt. Denn einmal sorgten wir dafür, dass während der Dauer der Versuche keine Abkühlung erfolgte, andererseits aber überzeugten wir uns auch durch Controlzählungen, die wir im Verlaufe des Versuches zu wiederholten Malen in der Ohrvene anstellten, dass keine Veränderung der Bedingungen eingetreten sei. Ich komme nun zunächst zu den an injieirten Thieren ausgeführten Versuchen. Ein Kaninchen mit 7200 Leukocyten hatte nach Injection von sechs Spritzen Milzextract, Morgens 9 Uhr, d. h. nach 18 Stunden 24000 Leukocyten in der Ohrvene, Mittags !/,2 Uhr bei Beginn des Versuchs noch 16500. Wir entnahmen zunächst Blut aus der Arteria femoralis. Aus sechs angestellten Zählungen, welche unter einander nur zwischen zwei und sechs differirten, ergab sich im Mittel 8200. Im Blute, das einer peripheren Unterschenkelvene entnommen war, zählten wir 13400, in dem aus der Vena femoralis 10200 Leukocyten. Nach der letzt vorgenommenen Zählung be- kommt das Thier Collaps und stirbt kurze Zeit darauf. Bei noch ungefähr 20 Minuten später angestellter Zählung fanden wir im rechten Herzen 19400, im linken 64000 Leukoeyten; die letzten beiden Befunde erachten wir als durch die Agone verschuldet. Ein anderes Thier mit 9400 Leukoeyten hatte nach Injeetion von drei Spritzen Milzextract bei Beginn des Versuchs in der Ohrvene eine Hyperleukocytose von 19200 erreicht. Wir fanden in einer peripheren Unterschenkelvene 17800, in der Arteria femoralis links 10600, rechts 10200, in der Vena femoralis 11000, in der Vena cava in- ferior 3200, in der Aorta 7200, in der jetzt zur Controle angestellten Zählung aus der Ohrvene 20400, darauf im linken Ventrikel 8200, im rechten Ventrikel 7400 weisse Blutkörperchen. Die Ergebnisse dieser Ver- suche stimmen im Allgemeinen mit den Rieder’schen überein; denn während er in der Ohrvene nach Proteininjeetionen einmal 30000, bei einem zweiten Versuche 59400 fand, waren in der Vena cava 7300, im linken Ventrikel 8400 Leukoceyten vorhanden. Im Vergleiche zu den injieirten Thieren untersuchten wir nun ganz gesunde In dem aus der Ohrvene entnommenen Blute eines Kaninchens 574 VERHANDLUNGEN DER BERLINER zählten wir 11000, in einer peripheren Unterschenkelvene 10600 Leuko- eyten. Das Blut aus der Vena femoralis enthielt 7200, das aus der Arteria femoralis 6300 weisse Blutkörperchen. Bei einem anderen Thiere fanden wir 7200 Leukocyten in der Ohrvene, 4200 in der Arteria femoralis. Nach dieser Zählung erhielt der Versuch eine Störung, indem das Thier Collaps bekam und starb. Die darauf angestellten Zählungen ergaben der Reihe nach: Vena femoralis 11000, Lebervene 56000, Nierenvene 85000, rechter Ventrikel 12400, linker Ventrikel 29600 Leukocyten. Die Befunde aus den letzten Zählungen sind. wie wir glauben, wieder durch die Agone veranlasst. Bei einem anderen Thiere stellten sich die Verhältnisse folgendermaassen: Ohrvene 10800, Arteria femoralis 6700, Vena femoralis 7300, Vena cava 2800, Arteria renalis 3200, linker Ventrikel 2900, rechter Ventrikel 2600. Auch in diesen an gesunden Thieren angestellten Zählungen finden wir uns in Uebereinstimmung mit Rieder. Er zählte hei einem gesunden Control- thier in der rechten Ohrvene 8200, in der linken 7700, in der Vena cava dagegen nur 2400 Leukocyten. Schliesslich unternahmen wir auch Zählversuche an Thieren, welche im Stadium der Hypoleukocytose waren. Ein Thier, welchem ich bei einem Leukocytengehalt von 8200 fünf Spritzen Milzextract injieirt, hatte nach 2!/, Stunden nur 5400 weisse Blutkörperchen im Blute der Ohrvene. Wir fanden ferner in der Arteria femoralis 3800, in der Vena femoralis 4600, in der Vena cava inferior 1800, in der Aorta abdominalis 2100, im linken Ventrikel 2200, im rechten 4600 Leukocyten. Das letzte Resultat weicht von den übrigen etwas ab, doch ist gerade hier die Wahrscheinlichkeit vor- handen, dass ich eine Fehlerquelle verursachte, indem ich das Blut mög- lichst schnell und dadurch vielleicht etwas zu viel in den Melangeur auf- sog; denn ich wollte gerade bei diesem Versuche möglichst die durch. die Agone bedingten Zahlenveränderungen, welche manche unserer Zählungen am Schlusse beeinträchtigt hatten, vermieden wissen. Bei einem anderen Thiere war nach zwei innerhalb 24 Stunden zu je drei Spritzen gegebenen Injectionen, vier Stunden nach der letzten, die Leukocytenanzahl in der Ohr- vene von 10200 auf 3400 gesunken. Wir zählten in der Arteria femoralis 2300, in der Vena 2400, in der Aorta 1800, der Vena cava 2100, im rechten Ventrikel 1600, im linken 2400 Leukocyten. Die an Thieren im Stadium der Hyperleukocytose unternommenen Zählungen bestätigen also vollkommen die Löwit’sche Behauptung, dass die Verminderung der weissen Blutkörperchen nieht nur in den peripheren Gefässen sich finde, sondern im ganzen Kreislauf zu constatiren sei. Aus den vorangehenden Versuchen möchten wir nun in Kürze folgende Schlüsse ziehen: Die Schulz’sche Auffassung vom Wesen der Hyper- leukocytose ist nicht anzuerkennen. Die Behauptung von der verschiedenen Vertheilung der Leukocyten in der Blutbahn ist allerdinge richtig; doch ist diese Ungleichheit der Vertheilung auch unter normalen Verhältnissen vor- handen; und zwar findet sich constant in den peripheren Gefässen eine grössere Anzahl vonLeukocyten, alsin den centralen. Während wir, wie auch Rieder, bei gesunden Thieren im Ohrvenenblut Zahlen wie 12000, 10800, 8200 u. s. w., in den centralen Gefässen dagegen 4400, 3600, 2800 gefunden haben, zählten wir bei injieirten Thieren, die im Ohrvenen- blut 25000, 30000 Leukoeyten hatten, in den centralen Gefässen eine dem PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAET. — JACOB. 575 entsprechend grössere Anzahl weisser Blutkörperchen, 7600, 8000, 10000. Was ferner die Schulz’sche Auffassung über die Hypoleukocytose anbelangt, so können wir dieselbe gleichfalls nicht bestätigen; unsere wie auch Löwit’s Versuche stehen dem seinigen diametral entgegen; denn während er im Ohr- venenblute eine Verminderung, in den centralen Gefässen dagegen eine Ver- mehrung constatirte, fanden wir die Verminderung in den centralen Gefässen sowohl wie in den peripheren. Wir erklären uns den Schulz’schen Befund da- durch, dass er die Ohrvene beim noch lebenden Thier untersuchte, dagegen aus den centralen Gefässen das Blut erst post mortem entnahm. Schulz aber folgert aus diesem seinem einzigen im Stadium der Hypoleukocytose angestellten Versuche, dass die Hypoleukocytose in den peripheren Gefässen durch eine Hyperleukoeytose in den centralen compensirt werde, die Löwit- sche Anschauung von einer Leukolyse demnach gleichfalls zu verwerfen sei. Wir sind nun weit entfernt, uns aus den bisher mitgetheilten Versuchen eine Theorie über das Wesen der Hyperleukocytose bilden zu wollen oder zu entscheiden, welche der drei jetzt vorliegenden Theorien, die v. Limbeck- sche, die Römer’sche oder die Löwit’sche, indem wir naturgemäss die Schulz’sche ausser Betracht ziehen, die richtige sei. Ich wollte mir heute nur erlauben, die Thatsache eines wirklichen Hervorrufens der Hyperleuko- eytose durch Injection von Extracten aus Milz, Thymusdrüse und Knochen- mark vorzuführen. Es soll der Gegenstand weiterer Untersuchungen sein, aus diesen Organen diejenigen Substanzen chemisch rein zu gewinnen, welche die Hyperleukocytose im Thierorganismus bewirken; denn da ich mit Niere-, Leber-, Pankreas-, Thyreoidea-Extract keine Hyperleukoeytose er- zielen konnte, mit dem der Milz, der Thymusdrüse und des Knochenmarks dagegen zu positiven Resultaten gelangte, so scheint die Annahme wohl ge- rechtfertigt, dass in den letztgenannten Organen chemische Sub- stanzen vorhanden sind, welche die Erscheinung der Hyper- leukocytose bewerkstelligen. Zum Schluss möchten wir uns noch ein Wort über die Nomencelatur erlauben, deren wir uns im Vorgehenden bedienten. Wir sprachen stets von Hyper-, Hypo- und Leukocytose. Da, wie aus den mitgetheilten Versuchen ersichtlich ist, die Anzahl der Leukoeyten in centralen und peripheren Ge- fässen des Kreislaufs, sowohl unter normalen wie pathologischen Verhält- nissen erheblich verschieden ist, so möchten wir uns den Vorschlag gestatten, mit dem Namen Leukocytose einfach den jemaligen Befund an weissen Blut- körperchen zu bezeichnen; denn einestheils liegt bisher hierfür kein Name vor, andererseits ist aber auch in dem Worte Leukocytose der Begriff einer gesteigerten Anzahl weisser Blutkörperchen gar nicht vorhanden. Diesen würde man vielleicht passend mit dem Namen Hyperleukocytose belegen, und die verminderte Anzahl weisser Blutkörperchen Hypoleukocytose be- nennen, eine Nomenclatur, deren sich auch die französischen Forscher bedienen. Anmerkung. Ich möchte mir nachträglich noch erlauben, mit einigen Worten auf die Michelson’sche Arbeit einzugehen, deren Kenntnissnahme mir bei der reichen Litteratur, welche über Blutuntersuchungen vorliegt, leider entgangen war, und auf die mich Hr. Prof. Dr. Zuntz bei der 576 VERHANDLUNGEN D. BERLINER PHYSIOL. GESELLSCHAFT. — JACOB. sich dem Vortrage anschliessenden Discussion freundlichst aufmerksam machte. Aus dieser Arbeit geht hervor, dass Michelson zur Beobachtung der Hypo- und Hyperleukocytose, Extracte von Krebsmuskeln und Leibern von offieinellen Blutegeln, die nach dem Heidenhain’schen Principe bereitet waren, meist intravenös injicirte. Er kam dabei, iu Bezug auf die Frage der Leukocytenzahlveränderungen, zu ganz ähnlichen Resultaten, wie ich mit den Extracten der Milz, des Knochenmarks und der Thymusdrüse; auch er constatirte zunächst eine starke Hypoleukocytose, die sich dann nach etwa sieben Stunden in das Gegentheil, die Hyperleukocytose, umkehrte. Auf seine theoretischen Schlussfolgerungen möchte ich, gleichwie auf die der vor- erwähnten Forscher, v. Limbeck, Buchner, Römer, Rieder, Löwit u.s. w., auch nicht näher hier eingehen, sondern diese alle gemeinschaftlich, gelegent- lich einer späteren Mittheilung über die von mir mit Proteinen angestellten Versuche abhandeln. Tafl. Anchiv fAnaku.Phys.1893. Phys AbUulg. | Fig.l. 70 Verlag Veit &Comp. Leipzig PER = De r % = 5 { ö = 2 = 3 ae si * x r i x = = Ü 7 ee: E E ven > 1 h u Bi 5 = ; 2 PR rs R = Ü 3 > , Br 5 \ 3 Te : I i F RZ A N . F * D R " Ss 3 P a ‘ ls > D x 5 \ 5 = re TR - r ' i LER {dl er { £ Ü 1 P ve 1 ‚ £ © s : \ 5 , 2 5 r 1 \ > ‘ ei E u Bu % & £ £ Fe = E, 2 1 ; = N y wi: % = = r Archiv £Anat.u.Phys.1803. Phys.Abthlg. TafH, Ang Fig.2. a. b. b 0 /| N) dd. b. c. Fig.A. Fig.3. i e£ | | ai. A 6 > Fig.6. (0 D. c. u 30 ‚2 2 8 EI — Fig. 9. Fig. 8. Fıg.7. 0-10 === a 3 7, FE FE EEE Fig.. Fig.10, 3 13 6 rt 16 17 Se Zr 70 I ee — 18 Verlag Veit &Comp. 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DU BOIS-REYMOND sERAUSGEGEBENEN ARCHIVES. HERAUSGEGEBEN vor. R Dr. WILHELM HIS, ERSOrBERGE DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT LEIPZIG, UND Ds. EMIL DU a a PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UByaEnLe 7 AERBANG 1898. — — PHYSIOLOGISCHE ABTHEILUNG. — ERSTES UND ZWEITES HEFT. R ‚MIT ACHTUNDSECHZIG ABBILDUNGEN IM TEXT nn SECHS TARRLN. ee! LEIPZIG, Br). 2, SWERLAg von wars CoMP. Fo. N ar 11808, N “ Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In-: und Auslandes. (ausgesehen am 17. März a Inhalt. M. v. Frey, Das Plateau des Kammerpulses . . . RE M. v. Feey, Die Bas absoluter Werthe für . Leistung von Puls schreibern . 5 OscAR KoHNSTANM, Di Muskelprocesse im Lichte de vergleichend isotönisch- isometrischen Verfahrens G. Grisns, Die Temperatur des in die Niere anna Bintes s und de aus ihr abfliessenden Harnes . W. H. Tuompson, Ueber die Abhängigkeit Ar Gliedervenen von en st NEEVEn J. HoRBACZEWSKI, Bemerkungen zum Yorlıage da Hrn, Albr. Keen „Ueber Nucleinsäure“ ö _ SCHIERBECK, Die Kohlen aure and Wasserausscheidung der Haut hei Tempera turen zwischen 30° und 39° OscAR KoHNSTAMM, und Untersuchungen, zur Analyse des Tetants (Hierzu Taf. I-_ VI.) Ä RT Verhandlungen der oben Gesellschait zu Berlin 1898-93 A. Kosser, Ueber die Nucleinsäure. — J. GAD, Zur Theorie der Erregungs- vorgänge im Muskel. — Gap, Ueber das Athmungscentrum in der Medulla oblongata. — LoEwy, Kurze Mittheilung zur Kenntniss des Einflusses der „oberen Bahnen“ auf die Athmung. — Ren&£ pu Boıss-ReymonD, Ueber che- mische Reizung des Temperatursinnes. — E. nu Boıs-Revmonp, Ueber einige Versuche an ganz jungen Zitterrochen. — TreıteL, Ueber die Lebens- fähiskeit der Gartenschnecke. — A. Bacınsky, Ueber die Coceidienkrank- heit der Kaninchen. — Sıem. Exner, Ueber den Nervus laryngeus medius _ und Demonstration desselben. — HAnsEMAnN, Ueber stereoskopische Ver- einigung mikroskopischer Photogramme. — Hıraarp, Ueber den Einfluss einiger klimatischer und Bodenverhältnisse auf die ältere Cultur. — A. Kosser und A. Raps führen eine selbstthätige Blutgaspumpe vor. — BEHRINg, Ueber. den gegenwärtigen Stand der Blutserumtherapie. — WERNICKE demonstrirt über den in der vorigen Sitzung gehaltenen Vortrag. des Hrn. Behring. M. v.-FREY, Zur Theorie der-lutttonographen) „2... .102 109 116 21257 157 ...204 Die Herren Mitarbeiter erhalten vierzig Separat-Abzüge ihrer Bei- träge gratis. Beiträge für die anatomische Abtheilung sind an Professor Dr. Wilhelm His in Leipzig, Beiträge für die physiologische Abtheilung an Professor Dr. EE du Bois-Reymond in Berlin, N.W., Neue Wilhelmstrasse 15, portofrei einzusenden. — Zeichnungen zu Tafeln oder zu Holzschnitten sind auf vom Manuscript getrennten Blättern beizulegen. Bestehen die Zeich- nungen zu Tafeln aus einzelnen Abschnitten, so ist, unter Berücksichtigung der Formatverhältnisse des Archives, denselben eine Zusammenstellung, die dem Kupferstecher oder Lithographen als Vorlage dienen kann, beizufügen. Physiologische Abtheilung. 1893. II u. IV. Heft. nn nn na een a er an an nenn | EN < N y g, f a ARCHIV un FÜR f ANATOMIE. UND PHYSIOLOGIE. 438 FORTSETZUNG DES von REIL, REILL v. AUTEN RIETH, J. F. MECKEL, JOH. MÜLLER, REICHERT vw. DU BOIS-REYMOND HERAUSGEGEBENEN ARCHIVES. h HERAUSGEGEBEN : a VON 2 - De. WILHELM HIS, PROFESSOR DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT LEIPZIG, u UND Dz. EMIL DU BOIS-REYMOND, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1893. = PHYSIOLOGISCHE ABTHEILUNG. — DRITTES UND VIERTES HEFT. MIT ACHT TAFELN. LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COMP. S. 1898. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes. (Ausgegeben am 25. Mai 1893.) Inhalt. Seite Gustav PIoTROwsKı, Ueber die Trennung der Reizbarkeit und ee des Nerven. (Hierzu Taf. VH—XIL). .. ... 205 VaucnAn Harvey, Leber und Galle während dauernden Veischlunes. von Gallen. und- Brustgang. (Hierzu Taf. XH u. XIUL). . .. . ee en u CLAuDE ou Bois-RevMmoND, Der sichtbare Puls der Netzhanigefähee a 303. J. Jacog, Ueber Beziehungen der Thätigkeit willkürlicher Muskeln zur Treguanz und Energie des Herzschlags und über Curarewirkung . . 305 R. Moses, Die. Herstellung wägbarer Mengen von Blutplättchen. en Taf, XIV. ) 352 Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft zu Berlin 1892—93... . . . 371 von NooRDEn, Beiträge zur Ernährungslehre. — N. Zuntz, Ueber die Na bildung von Kohlehydraten im hungernden Organismus. — A. Kosser, Ueber die Nucleinsäure. — BEHurıng, Ueber die Natur der Immunität verleihenden Körper. — Max Levy-Dors, Ueber den Absonderungsdruck der Schweiss- drüsen und über das Firnissen der Haut. — von NooRDEn, Ueber die puer- perale Laktosurie nach dem Genuss von Traubenzucker. — S. EngEL, Zur Entstehung der körperlichen Elemente des Blutes. — A. KosseL, Ueber das Dulein. — EwaAup, Ueber Versuche mit Dulein. — HeymAans, Ueber Inner- vation des Froschherzens. — LEON LILIENFELD, Ueber die Wahlverwandt- schaft der Zellelemente zu gewissen Farbstoffen. Die Herren Mitarbeiter erhalten vierzig Separat - Abzüge ihrer Bei- träge gratis. ) Beiträge für die anatomische Abitheilung sind an Professor Dr. Wilhelm His in Leipzig, Beiträgs für die physiologische Abtheilung an Professor Dr. E. du Bois-Reymond in Berlin, N.W., Neue Wilhelmstrasse 15, portofrei einzusenden. — Zeichnungen zu Tafeln oder zu Holzschnitten sind auf vom Manuseript getrennten Blättern beizulegen. Bestehen die Zeich- nungen zu Tafeln aus einzelnen Abschnitten, so ist, unter Berücksichtigung der Formatverhältnisse des Archives, denselben eine Zusammenstellung, die dem Kupferstecher oder Lithographen als Vorlage dienen kann, beizufügen. Physiologische Abteilung. 1893. V. Heft. R 4 MR l 7883: | 7. ARCHIV v ; Ka DES von REIL, REIL v. AUTENRIETH, J. F. MECKEL, JOH. MÜLLER, ‚REICHERT v. DU Bu abuan HERÄUSGEGEBENEN ARCHIVES. u ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE HERAUSGEGEBEN | De. WILHELM HIS, PROFESSOR DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT LEIPZIG, BR UND | - Da. EMIL DU BOIS- ‚REYMOND, PROFESSOR ger EHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT SERDIN. | TAHRGANG 1888. a on — PIIYSIOLOGISCHE ABTHEILUNG. — — 1 \ FÜNFTES HEFT. Se BR MIT SEHE ABBILDUNGEN IM TEXT. LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & comP. 1893. = Zu beziehen dur ch alle: Buchhandlungen des In- und Auslendes ‚(Ausgegeben : am 30. August 1893.) Inhalt. 3 Seite O. LANGENDORFF, Mittheilungen zur Athmungslehre . . . . 2.022... 839 O0. LAnGENnDoRFF, Bemerkungen über die Erstickung des Herzens . . . .. . 417 F. Rönmann, Ueber den Stoffumsatz in dem thätigen elektrischen Organ des Zitterrochen nach Versuchen an der zoologischen Station zu Neapel. . . 423 C. G. Santesson, Bemerkungen ‘gegen Hrn. O. Kohnstamm’s Abhandlung: „Die Muskelprocesse im Lichte des vergleichend isotonisch-isometrischen Verfahrens... u. ee Le ee dee PER re Die Herren Mitarbeiter erhalten vwerzig Separat - Abzüge ihrer Bei- träge gratis. Beiträge für die anatomische Abtheilung sind an Professor Dr. Wilhelm His in Leipzig, Beiträge für die physiologische Abtheilung an Professor Dr. E. du Bois-Reymond in Berlin, N.W., Neue Wilhelmstrasse 15, portofrei einzusenden. — Zeichnungen zu Tafeln oder zu Holzschnitten sind auf vom Manuscript getrennten Blättern beizulegen. Bestehen die Zeich- nungen zu Tafeln aus einzelnen Abschnitten, so ist, unter Berücksichtigung der Formatverhältnisse des Archives, denselben eine Zusammenstellung, die dem Kupferstecher oder Lithographen als Vorlage dienen kann, beizufügen. ie cs yör Physiologische Abtheilung. 1893. VI. Heft. & ey‘ “ ARCHIV: 2 383 | FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. FORTSETZUNG DES von REIL, REIL v. AUTENRIETH, J. F. MECKEL, JOH. MÜLLER, . REICHERT vu. DU BOIS-REYMOND HERAUSGEGEBENEN ARCHIVES. HERAUSGEGEBEN VON De. WI L HELM HIS, PROFESSOR DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT LEIPZIG, UND Ds. EMIL DU BOIS-REYMOND, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. | JAHRGANG 1893. " —— PHYSIOLOGISCHE ABTHEILUNG, —- | SECHSTES HEFT. Ri MIT DREIZEHN ABBLDUNGEN IM TEXT. LEIPZIG, | VERLAG VON VEIT & COMP. 1893. 2% Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes. (Ausgegeben am 15. December 1893.) Mit einer Beilage von Georg Reimer in Berlin. Inhalt. M. v. Frey, Ein Verfahren zur Bestimmung des Trägheitsmomentes von Sehreib- hebelmax.. Se ra Sr RR ee As MANILLE Ioe, Strom- und Sauerstoffdruck im Blute bei fortschreitender Erstickung 491 Tırus VERWEJ, Ueber die Thätigkeitsvorgänge ungleich temperirter motorischer Organen se IE ee oe Max Dessoiß, Ueber die centralen Organe für die Temperaturempfindungen der Extremitäten a. an ne re er Re A. GOLDSCHEIDER und A. BLECHER, Versuche über die Empfindung des Wider- Standes ua Re ee Te ee Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft zu Berlin 1892—-93 . . . .. 550 M. Krücer, Ueber die Constitution des Adenins und Hypoxanthins. — Av. Schmidt, Ueber Farbenreactionen des Auswurfs. — LILIENFELD, Ueber die Farbenreactionen des Mueins. — Fritsch, Zur Innervation der elektri- schen Organe unter Vorführung von Laternenbildern. — An. Lorwy, Zur Methodik der Bluttitration. — N. Zuntzz, Ueber die Natur und die Bin- dung der Basen und Säuren im Blute. — B. Bacınsky. Ueber das Ver- halten von Nervenendorganen nach Durchschneidung der zugehörigen Nerven. — LEON LILIENFELD, Weitere Beiträge zur Kenntniss der Blut- gerinnung. — PauL SrrAssmann, Ueber den Mechanismus des Verschlusses des Ductus arteriosus (Botalli). — Jacoe, Ueber artificielle Hyper-Leuko- eytose. Die Herren Mitarbeiter erhalten vierzig Separat-Abzüge ihrer Bei- träge gratis. Beiträge für die anatomische Abtheilung sind an Professor Dr. Wilhelm His in Leipzig, Beiträge für die physiologische Abtheilung an Professor Dr. E. du Bois-Reymond in Berlin, N.W., Neue Wilhelmstrasse 15, portofrei einzusenden. — Zeichnungen zu Tafeln oder zu Holzschnitten sind auf vom Manuscript getrennten Blättern beizulegen. Bestehen die Zeich- nungen zu l'afeln aus einzelnen Abschnitten, so ist, unter Berücksichtigung der Formatverhältnisse des Archives, denselben eine Zusammenstellung, die dem Kupferstecher oder Lithographen als Vorlage dienen kann, beizufügen. ö } a5 N og vu A CME Bookbinding Co., Inc. 300 Summer Street Bostor Mass, 02210 nn 3 2044 093 332 575 DEN DE} ann ar ur ae) DE PR PRIRLITET TH 57? a KTELEN ET r SET une ah ”r ARLRE HER N IIIEET RE e ni er “ # 3 02 f" I RN REN Y N . { N Ns nd er . 0 R NULL) ’ Mr nr vun N k 9) “. ’ KARTEN RERN A NE b ; RITTNTENENAT ua Y ax ar * i i ur a x w ? r wen “ No . ‘ x en EN * nn, h 3 h \ “ . DER a X I 2 'ı ET h z D ı vorn x % hy rt y “ \ ’ ' 7 R f ’ DEE % TO h vw’. “ nn { . N . \ ‚s 4 x u LS s : A N ‚ vr PR hy any s , wun.