EATERSTARTTE EN HARVARD UNIVERSITY. I BERFATRIG OF THE MUSEUM OF COMPARATIVE ZOOLOGY. u \4 A . » . I . “ . x B . . D . “ ö B ö ö nr 04 7 [ “ ‘ . a, ‘ ’ D ’ . . . ” 7 > EoR . D \ + * Pr . = y3R3 | Physiologische Abteilung. 1908. Supplement-Band. / \ 2 En ee £ % N a je f N N ARCHIV FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. FORTSETZUNG DES von REIL, REIL v. AUTENRIETH, J. F. MECKEL, JOH. MÜLLER, REICHERT v. DU BOIS-REYMOND HERAUSGEGEBENEN ARCHIVES. i | I | eg ET ER PRESETAIE | | I HERAUSGEGEBEN | VON | Ds. WILHELM WALDEYER, PROFESSOR DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN, UND Dr. TH. W. ENGELMANN, | PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN, JAHRGANG 19028. —— PHYSIOLOGISCHE ABTEILUNG. — SUPPLEMENT-BAND. MIT FÜNFUNDVIERZIG ABBILDUNGEN IM TEXT UND DREIZEHN TAFELN. LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COMP. | sm 1908 .- Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes. (Ausgegeben am 24. Dezember 1908. Inhalt. A. SamoJLorr, Aktionsströme bei summierten Muskelzuckungen. (Hierzu TERASIVI NEN RR N ee en a ARRIGO VIsEnTINnı, Über das Verhalten des Pankreas nach Untgrbindung und Durchschneidung seiner Ausführungsgänge. (Experimentelle Beiträge zur Kenntnis der Physiopathologie der Bauchspeicheldrüse.) (Hierzu Taf.Vu.VI.) 2: K. F. WeneresacH, Beiträge zur Kenntnis der menschlichen Herztätigkeit. Dritter Teil. (Hierzu Taf. VI—IX.).. . .... | G. F. Nıcozar, Beiträge zur. Anatomie und Pi oloete es Sefpenkeriene (FierzurTat-X (us XL) a Be}; Dimitri Prernew, Über den Einfluß a: ae ernse in: de 'Synergie beider Herzkammern. .-. 148 VITTORIO ScArrıDI, Über die aktıcn den ORTE ann der fettig enkorieien H Herzvorhöfe, en, Schwellenwert, en Refraktär- stadium.) . . Ar. 515% \. Norz, Über Röttsynthese im Dame de Hehe bei dr Boltresorption 14: Fr. Krem, Das Wegreiben des Druckphosphens und seine Bedeutung für die Theorie des Sehens en 4 : E. A. Bocpanow, Über die Auhansikkeit, de Wachehains Mer Hirn von Bakterien und Fermenten und über die Variabilität und ee bei den Pleischliegen.“ (Hierzu Taf. XII u: XI.) 22; 1% WILHELM TRENDELENBURG, Weitere Mitteilung zur Konnte des or a E Skelettmuskulatur . . . : 20' Krert, Zur Beeinflussung der hdtob open Bpithelrenktion | in Ar krsschrekns durch Adrenalin . . RR El Fr. Krein, Nachbilder, Übersicht nd Nomenklatur EREER 21! Fr. Kreis, Die deformierenden Größenschwankungen der «- ichhilder a pri- mären, sekundären und tertiären Bildes‘. Ein Beweis für die Beteiligung einer oder mehrerer den Stäbchen und Zapfen VOrRDEFIEN Netzhaut- schichten "beim Sehen un. t 4. nel les 2 Nee Die Herren Mitarbeiter erhalten wzerzig Separat-Abzüge ihrer Bei: träge gratis und 30 &# Honorar für den Druckbogen zu 16 Seiten. Beiträge für die anatomische Abteilung sind an Professor Dr. Wilhelm Waldeyer in Berlin N.W., Luisenstr. 56, Beiträge für die physiologische Abteilung an Professor Dr. Th. W. Engelmann in Berlin N.W., Dorotheenstr. 35 portofrei einzusenden. — Zeichnungen zu Tafeln oder zu Holzsehnitten sind auf vom Manuskript getrennten Blättern beizulegen. Bestehen die Zeich- nungen zu Tafeln aus einzelnen Abschnitten, so ist, unter Berücksichtigung der Formatverhältnisse des Archives, eine Zusammenstellung, die dem Lithographen als Vorlage dienen kann, beizufügen. -. an na Zu. Dr: : SNTEDHA tr ae VE u ö * ER Mh .i ; Kt ke, Rene HICHBURE HERE MER. BETRETEN IN DEREN 4 ame on, IZADEN A, R D G ApKSCEE Varl- Eurer H vele a 4. Rh, JuerT ’ En ur Er ER Be | RT HumERHRLR Let GEIMTEREIIT UA 2 VASE: ap f Pr u. ur Y Kan yo ha MUEREN rs a 2 HEN En - IR ERBEN BanrmWai) g® An # FR va r in = F re . ESCHE PÄMTERTTE INN Aa 3a KENT, : “ ET B u P j Bar ö on ang Bu NMTenTeEN. m rE KONNEURDTE N ET a rue FaRreIyS Bu ri Sfr“ FERRE: SORT res e Rz 2; Be er Pin Ber he 5 er Ex - os) rn u Te 3.0, FETTE GHAE- © ERUATTER, Ri Ars E z ‘ AT] s Di 5 i ern FaNDe ar ul PER ö > j i ‚ z i . ee N eine AN. a £ u u j De . e 0 n ur nn = u a Hr ni : ARCHIV FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE FORTSETZUNG DES von REIL, REIL v. AUTENRIETH, J. F. MECKEL, JOH. MÜLLER, REICHERT vw. DU BOIS-REYMOND HERAUSGEGEBENEN ARCHIVES, HERAUSGEGEBEN VON Dr. WILHELM WALDEYER, PROFESSOR DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN, UND Dr. TH. W. ENGELMANN, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1908. SUPPLEMENT-BAND ZUR PHYSIOLOGISCHEN ABTEILUNG. LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COMP. 1908 ARCHIV FÜR PHYSIOLOGIE. PHYSIOLOGISCHE ABTEILUNG DES ARCHIVES FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. UNTER MITWIRKUNG MEHRERER GELEHRTEN HERAUSGEGEBEN VON De. TH. W. ENGELMANN, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1908. SUPPLEMENT-BAND. MIT ABBILDUNGEN IM TEXT UND DREIZEHN TAFELN. d LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COMP. 1908 u D I rt N Te Per (#6 Sale az ROWUBListı Ke ach SE Ex a FENSIITTEER FErK TE # “ er F Fri f hl Eee LOL 0 Are SIMGT & Se FATATIRTEITN TarT B 1 Y3 Ü KarWTil . Erg Ri us ‚Mi X EN AG RR “ EI RATSSAU VEN REG A y 1} "4 s in, Dr von? Metzger & Wittig i in Ge ur „TauV Inhalt. A.SAMOJLOFF, Aktionsströme bei summierten Muskelzuckungen. (Hierzu Taf. I—IV.) ARRIGO VISENTINI, Über das Verhalten des Pankreas nach Unterbindung und Durchschneidung seiner Ausführungsgänge. (Experimentelle Beiträge zur Kenntnis der Physiopathologie der Bauchspeicheldrüse.) (Hierzu Taf. V u. VI.) K. K.F. WENOKEBACH, Beiträge zur Kenntnis der menschlichen Herztätigkeit. Dritter Teil. (Hierzu Taf. VII— —IX.) . i G. F. Nıcouaı, Beiträge zur Anatomie und BR stolneie de Baißehlerzene. Guierzu Val X Dex T) Dimitri PLernew, Über den Einfluß a Varumezune aut die Snergie Vader Herzkammern . VITTORIO ScAFFIDI, Über die Kanon er Portalen, and er feltisentarfeten Herzvorhöfe. a Schwellenwert, a Refraktär- stadium.) A. Nort, Über Fettsy nihere im DAmmenıthel des Krosehen bei der Fottresor Min Fr. Krems, Das Wegreiben des Druckphosphens und seine Bedeutung für die Theorie des Sehens . 2 E. A. Bocpanow, Über die Abhangiskeh ie: Wahre der He Senlarvonke von Bakterien und Fermenten und über die Variabilität und Vererbung bei den Fleischfliegen.: (Hierzu Taf. Xll u. XIIL) . . . .., WILHELM TRENDELENBURG, Weitere Mitteilung zur Kenntnis des Tonad alas Skelett- muskulatur . KLETT, Zur Beeinflussung ge holoepen Eyithelrenktion in 2 Ko eankahns durch Adrenalin . RR er FR. Kreis, Nachbilder, Übersicht nd Nolan PNA Fe. Kreis, Die deformierenden Größenschwankungen der «- "Nachbilder de ir mären, sekundären und tertiären Bildes.) Ein Beweis für die Beteiligung einer oder mehrerer den Stäbchen und Zapfen vorgelagerten Netzhautschichten beim Sehen Seite 131 145 161 173 201 213 219 223 - ‚ Be > u 4 E nr r ‚il Besen ” rn KV aarrarion FR it nn ehe Pe Aktionsströme bei summierten Muskelzuckungen. Von Prof. Dr. A. Samojloff. (Aus dem physiologischen Laboratorium der physiko-mathematischen Fakultät der K. Universität in Kasan.) (Hierzu Taf. I—IV.) In der Lehre von den mechanischen Äußerungen des Muskels bildet das Kapitel über die Superposition und Summation der Muskelzuckungen einen vielfach und vielseitig bearbeiteten Teil. Bereits Helmholtz (1) führte mit der von ihm ausgearbeiteten Methode für die Aufzeichnung der Einzelzuckung des quergestreiften Muskels einige Versuche aus über die Kontraktionsart des Muskels bei Reizung mit zwei rasch aufeinanderfolgenden Reizen und schilderte die Hauptmerkmale der Superposition. In einer langen Reihe darauf folgender Arbeiten verschiedener Forscher wurden die vielen Einzelheiten des Vorganges aufgedeckt, sowie mit den Erscheinungen der tetanischen Kontraktion in Zusammenhang gebracht. Anders verhält es sich mit denjenigen Äußerungen der Muskeltätigkeit, die nicht in Verkürzung, sondern in Wärme- und Elektrizitätsproduktion bestehen. Die Untersuchung der Wärmeentwicklung bei der Aktion des Muskels, die schon durch ihre prinzipiell weittragende Bedeutung wegen der Relation zwischen Wärme und mechanischer Arbeit die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich lenken mußte, bezieht sich fast ausschließlich auf die Einzelzuckung und auf den Tetanus. Was die Produktion der Wärme bei zwei eine Summation bewirkenden Reizen anbetrifft, so sind wir bloß durch die ältere Arbeit von Nawalichin (2) und durch die Untersuchung von Schenk und Bradt (3) unterrichtet. Archiv f, A. u. Ph. 1808, Physiol. Abtlg. Suppi. 1 2 A. SAMOJLOFF: In bezug auf die elektrische Äußerung des quergestreiften Muskels ist die Frage nach der Wirkung zweier rasch nacheinander folgenden Reize noch weniger bearbeitet. Die umfangreiche Literatur über die Muskel- elektrizität ist bloß der Einzelzuckung bzw. dem Tetanus gewidmet. Der mehr natürliche Weg der Untersuchung von der Einzelzuckung durch Sum- mation zweier, dreier usw. Reize zum Tetanus, wie er bei der Untersuchung der mechanischen Tätigkeit des Muskels mehrfach betreten wurde, ist hier in bezug auf den Aktionsstrom außer Acht gelassen worden. Wir besitzen keine einzige Arbeit, in der man die Behandlung der Frage nach den Aktionsströmen bei summierten Zuckungen in systematischer Weise finden könnte. Das ist in der Tat merkwürdig, denn gerade hier, auf dem Gebiete der elektrischen Muskeläußerung, ist die Untersuchung der Summation distinkter, rasch einander folgender Reize ganz besonders am Platze, weil man hier in ganz unmittelbarer Weise die Erscheinung der Summation in- folge des äußerst raschen Verlaufes des Einzelaktionsstromes bedeutend tiefer zu analysieren imstande ist, als es auf Grund der trägeren Muskel- zuckung möglich sich erweist. Eine Untersuchung des betreffenden Gegen- standes hätte man um so mehr erwarten dürfen, als wir in der Photographie der Kapillarelektrometerausschläge bzw. der Ausschläge des Einthoven- galvanometers eine dafür sehr geeignete Methode besitzen. Eine Be- merkung über die Aktionsströome summierter Zuckungen, allerdings ohne Kurven- und Versuchsangaben, findet sich in einer bekannten Arbeit über die Genese des Tetanus von F. Hofmann (4). Es werden die Resultate einiger gemeinschaftlich mit S. Garten angestellten Versuche in folgenden Worten mitgeteilt: „Am markhaltigen Nerven ist trotz der großen tech- nischen Schwierigkeiten der Untersuchung dieser Versuch schon ausgeführt worden. Wenigstens zeigen die Kurven von Gotch (1899) deutlich, daß die zweite Erregung um so kleiner ist, je kürzer das Reizinterval. Am Skelettmuskel haben Kollege Garten und ich ineiner gemeinsam begonnenen Untersuchung am Kapillarelektrometer übrigens schon Belege für diese Tat- sache in der Hand.“ Vor einigen Jahren habe ich (5) selbst einige Ver- suche über die in Rede stehende Frage angestellt, war aber äußerer Um- stände halber nicht imstande, dieselben in systematischer Weise durchzu- führen. In der letzten Zeit habe ich den Gegenstand mit besseren technischen Hilfsmitteln noch einmal aufnehmen und wenigstens in betreff einiger Punkte bestimmte Resultate erhalten können. Die Beschreibung der über die Aktionsströme bei summierten Muskelzuckungen ausgeführten Versuche bildet den Gegenstand der vorliegenden Mitteilung. ÄKTIONSSTRÖME BEI SUMMIERTEN MUSKELZUCKUNGEN. 3 Sämtliche Versuche sind am indirekt maximal gereizten Froschgastro- cnemius angestellt. Es wurde die Kontraktionskurve und die Kurve des entsprechenden Aktionsstromes gleichzeitig photographisch aufgenommen. In den Versuchen mit zwei rasch aufeinander folgenden Reizen bemühte ich mich der vollkommeneren Übersichtlichkeit wegen auf einer und der- selben Filmplatte drei Kontraktions- und die drei entsprechenden Aktions- stromkurven nacheinander zu photographieren: zwei Kurven als Resultat der alleinigen Wirkung des ersten Reizes, zwei Kurven — des zweiten Reizes und zwei Kurven als Resultat der kombinierten Wirkung beider Reize nacheinander. Ich verfuhr also genau in derselben Weise, wie man es bei Aufschreibung summierter Zuckungen auf berußtem Papier zu tun pflegt. Dieses Verfahren, welches man das Verfahren mehrfacher Photo- _ graphie nennen könnte (5) und welches beim Studium mancher Fragen ungemein nützlich sich erweist, habe ich in ganz systematischer Weise an- wenden können. Es sei hier bemerkt, daß sich bereits bei Garten (6) in der Arbeit über die rhythmischen Reize zwei nacheinander auf derselben Platte photographierte Kurven in zwei Fällen wiedergegeben finden. Das benutzte Kapillarelektrometer hatte eine verhältnismäßig sehr kurze Einstellungszeit. Ich beobachtete, daß man durch Verkürzung der Kapillare die Einstellungszeit sehr bedeutend verringern kann. Leider verliert dann der Verlauf der mit einem so schnell reagierenden Kapillareiektrometer gewonnenen Eichungskurven diejenigen Eigentümlichkeiten, die die Korrektur derselben nach der Einthovenschen Methode ermöglichen; es wurden deshalb solche Kapillaren nicht benutzt. Langsam reagierende Kapillaren, deren Kurven sich gut korrigieren lassen, habe ich aus dem Grunde nicht an- gewandt, weil die damit geschriebenen Kurven überhaupt wenig Wert be- sitzen, wenn man dieselben nicht korrigiert, ganz besonders, wenn es sich um rasch verlaufende Vorgänge handelt. Es wurde deshalb eine Kapillare gewählt, deren Eichungskurven expotential verliefen und dabei eine möglichst rasche Einstellung aufwiesen. In Fig. 1, Taf. IL! ist eine derartige Eichungs- kurve, die man bei Einführung einer Potentialdifferenz von 20-0” Y erhielt, wiedergegeben. Wie zu ersehen, entspricht hier 1°” Ordinate der elektro- motorischen Kraft von 5-0” 7 und die Einstellungszeit für 20-0” 7 ist so gering, daß nach Verlauf von 0-04 Sekunden bereits 92 Prozent der Gesamtablenkung erreicht sind (jede Welle der oberen Zeitkurve entspricht 0.01 Sekunden). Die vom Bogenlicht beleuchtete Kapillare wurde vermittelst Achromat C und Projektionsokular 2 Zeiss, bei Tubuslänge 18°“, in 1-5” Distanz auf die lichtempfindliche Filmplatte projiziert. Das angewandte Kymographion !S. am Schlusse: Bemerkungen zu den Abbildungen. je 4 A. SAMOJLOFF: war nach dem Modell des Engelmannschen Pantokymographions mit manchen Umänderungen konstruiert. Bewegt wurde die Trommel durch Federkraft; sie besaß eine Arretierungsvorrichtung, so daß sie bloß eine Umdrehung ausführen konnte. Ein großer Teil der Umdrehung geschah mit einer genügenden Gleichmäßigkeit, so daß man bequem die Filmplatte (Größe 13 x 18°) an denjenigen Teil der Trommel befestigen konnte, der mit gleichmäßiger Geschwindigkeit vor dem Spalte des Trommelkastens vorbeilief. Das Instrument hatte alle guten Eigenschaften des Engelmann- schen Pantokymographions; es deckten sich die Spuren eines Reizmarkierers bei Öffnung des entsprechenden Stromes durch die vermittelst Federkraft in Bewegung gesetzte Trommel bei vielen Umdrehungen absolut genau. Selbstverständlich kommt es auf diesen Punkt bei Versuchen über Sum- mierung der Reize sehr an. Ich machte keinen Gebrauch vom Polyrheotom, das am Instrumente sich befand, sondern benutzte zwei Kontakte, die in die Näpfe des Polyrheotoms paßten und in gewünschter gegenseitiger Ent- fernung sich fixieren ließen; die Trommel öffnete bei ihrer Bewegung die beiden Kontakte nacheinander. Die ganze Versuchsanordnung gestaltete sich also folgendermaßen. Jede der zwei primären Spiralen stand in Verbindung mit je einer Kontakt- vorrichtung. In den Strom jeder primären Spirale war je ein Deprezscher Signalmarkierer eingeschaltet und die Schreibspitzen der beiden Apparate untereinander und dicht vor dem Trommelkastenspalt aufgestellt. Das untere Signal schrieb mit seinem Schatten den Reizmoment des ersten Reizes, das obere den des zweiten Reizes. Vor dem Spalt oberhalb der beiden Signalapparate befand sich noch der Hebel des Myographions. Die aufgezählten drei Schattenbilder kamen auf den hellen Teil des aufrecht projizierten Bildes der Kapillare zu liegen, so daß die Grenze des nach unten konvexen Hg-Meniscus oberhalb des Hebelschattens zu liegen kam. Bei jedem Einzelversuch wurde die an der Trommel befestigte Filmplatte viermal nacheinander vor dem Spalt vorbeigeführt: 1. Der erste Kontakt ist geschlossen, der zweite offen gelassen. Beim Los- lassen der Trommel (wobei im selben Momente der zuvor den Spalt verdeckende Verschluß sich löste) schreibt der Meniscus die Aktionsstromkurve, der Myo- graphionhebel die isotonische Verkürzungskurve, der untere Signalschatten eine Reizmarke und der obere Signalschatten eine Linie ohne Reizmarke. 2. Nach vollendeter erster Umdrehung (der Spait wiederum vam Licht durch den Verschluß abgehalten) wurde nun das ganze Kapillarelektrometer vermittelst Drehung einer Schraube etwas nach oben bewegt, weshalb die He-Kuppe etwas höher zu liegen kam. Der erste Kontakt blieb offen, der zweite wurde geschlossen. Es wird nun die Trommel in Bewegung gebracht und die Aktionsstromkurve sowie die Muskelkontraktionskurve entsprechend AXKTIONSSTRÖME BEI SUMMIERTEN MUSKELZUCKUNGEN. 5 dem zweiten Reize registriert. Vom oberen Schatten wird hierbei eine Reiz- marke geschrieben, vom unteren bloß eine Linie. Die Elektrometerkurve beginnt von einer neuen, die Muskelkurve von der früheren Abszissenlinie. 3. Es wird jetzt das Kapillarelektrometer wiederum etwas gehoben, die beiden Kontakte geschlossen und die Trommel in Bewegung gesetzt. Man bekommt bei dieser dritten Umdrehung die kombinierte Aktionsstrom- kurve wiederum von einer neuen und die kombinierte Muskelkurve von der früheren Abszissenlinie. Beide Signalschatten schreiben jetzt je eine Marke, die aber infolge des exakten Funktionierens der gesamten Kombi- nation von Apparaten sich absolut mit den früher geschriebenen decken, so dab, wenn man die Entstehungsgeschichte der Kurven nicht kennt, man . glauben könnte, es sei bloß je eine Marke registriert worden. 4. Das vierte Mal wurde die Filmplatte vor dem Spalt nur behufs Aufzeichnung der Stimmgabelkurve und des Gartenschen Netzes vorbei- geführt. Vor allem wurde dabei das Kapillarelektrometer vermittelst Schraube so weit zur Seite geschoben, daß das Bild des Hg-Meniscus nicht auf den Spalt zu liegen kam; der Spalt war also gleichmäßig in seiner ganzen Länge beleuchtet. Vor dem oberen Teil des Spaltes kam darauf die Schreibspitze eines Chronographen, welcher in den Kreis einer elektromagnetisch ge- triebenen Stimmgabel von 100 Schwingungen pro Sekunde eingeschaltet war, zu stehen. Die vertikalen Linien des Gartenschen Netzes wurden in üblicher Weise durch die Schattenbilder der Speichen eines auf die Achse eines sich rasch drehenden elektrischen Motors aufgesetzten Rades hergestellt. Die horizontalen Linien wurden durch die Schatten feiner Striche auf einer dieht am Spalt befestigten Glasplatte geschrieben. Diese Platte wurde während der drei vorhergehenden Trommelumdrehungen wie überhaupt an ihrem Platze belassen, so daß die horizontalen, um 1°“ voneinander ab- stehenden Linien durch viermaliges Schreiben übereinander entstanden sind; wie zu ersehen ist, sind die Linien trotzdem haarscharf, was selbstverständ- lich für das tadellose Funktionieren sämtlicher Apparatteile spricht. Die Hebel der Signale und des Myographions wurden bei der vierten Umdrehung an ihren Stellen unverändert gelassen. Bei der vierten Umdrehung wird also die Zeitlinie, das Netz, die Abszisse der Muskelkurve und die mit den früheren zusammenfallenden horizontalen Linien der Signale geschrieben. Aus der Fig. 2, Taf. I ist zu ersehen, wie die Bilder, die man durch das geschilderte Verfahren erhält, aussehen. Die Fig.2 stellt eine Platte aus einer ganzen Serie von sechs Versuchen dar, in welchen der Abstand zwischen den Reizmomenten, in dem der Kontakt für den ersten Reiz an derselben Stelle blievd, während der zweite verschoben wurde, immer größer gemacht wurde. Was das zu den Versuchen gebrauchte Präparat anbetrifft, so wurde bereits eingangs erwähnt, daß die Aktionsströme vom indirekt gereizten 6 A. SAMOJLOFF: Froschgastrocnemius abgeleitet wurden. Zur Ableitung der Aktionsströme bediente ich mich der gewöhnlichen unpolarisierbaren Tonfadenelektroden. Der Muskel wurde in der Mitte des Bauches und nahe dem Achillessehnen- ende mit einer Nadel durchstochen und je ein mit physiologischer Koch- salzlösung getränkter Faden hindurchgezogen und senkrecht zur Längsachse rund um den ganzen Umfang des Muskels in der Höhe des Stichkanales umschlungen und durch einen Knoten befestigt. Die herabhängenden Enden der Fäden wurden darauf auf den Ton der Elektroden gelegt und um- schlungen. Auf diese Weise konnte man absolut sicher sein, daß die Elek- troden während der Verkürzungen des Muskels ihre Berührungsstelle mit dem Muskel nicht änderten. Ich bin mir wohl bewußt, daß man gegen die Wahl des Gastrocnemiuspräparates sowie gegen das Durchstechen des- selben mit der Nadel manches einwenden könnte; es schien mir aber, daß die Vorzüge der gewählten Versuchsanordnung (leicht zugänglicher und bequem zu reizender Muskelnerv, Unverschieblichkeit der Elektroden), weit die Nachteile, die mit der Wahl eines kompliziert gebauten und teilweise verwundeten Muskels verknüpft sind, überzukompensieren imstande waren. Der Muskel zusammen mit den Elektroden befand sich in der feuchten Kammer eines Myographions; hier war auch ein kleiner Trog mit zwei Platinelektroden zur Reizung der Nerven mit Induktionsströmen angebracht. Die Belastung des Muskels bei isotonischer Kontraktion war etwa 6.5 sm, Das Gewicht 50 8%, war 2m weit von der Hebelaxe aufgehängt und der Muskel- haken 15mm weit von derselben befestigt; der Hebel war sehr leicht. Die erste Frage, die man sich bei der Untersuchung der Aktionsströme summierter Zuckungen vorzulegen hat, ist naturgemäß die nach der Leistungs- fähigkeit des Muskels in bezug auf den elektrischen Effekt kurz nach dem ersten Reiz. Die Serie aus den sechs sukzessive aufgenommenen Platten liefert in den Hauptzügen eine ganz bestimmte Antwort auf die betreffende Frage. Es wurde hier der zweite Reiz in verschiedenen Zeitdistanzen vom Momente des ersten Reizes bei möglichster Einhaltung aller übrigen Ver- suchsbedingungen appliziert. Beim Vergleich der sechs Figuren (s. Figg. 2, 3, 4, 5, 6, 7, Taf. I und I) miteinander erkennt man leicht, daß bei der kürzesten Distanz (Fig. 2), in unserem Fall 0-002 Sekunden zwischen beiden Reizen, der elektrische Effekt, der dem zweiten Reize entspricht, - äußerst gering erscheint und bloß eine leichte Erhebung in der Dekreszente der ersten Aktionsstromkurve bewirkt. Dieser geringe Effekt wächst aber mit der Zeitdistanz rasch an, so daß bereits in Fig. 4 der zweite Aktionsstrom den ersten in bezug auf die Größe des Ausschlages übertrifft, um dann bei noch weiterem Verschieben des zweiten Kontaktes wieder kleiner zu werden. AKTIONSSTRÖME BEI SUMMIERTEN MUSKELZUCKUNGEN. {' Die kombinierten Aktionsstromkurven der sechs Figuren wurden nach der Methode von Einthoven korrigiert. Die korrigierten Kurven sind ent- sprechend in den Fige. 2’, 3°, 4‘, 5’, 6°, 7’ (im Text) dargestellt; auch an diesen Kurven läßt sich die erwähnte Änderung des zweiten Stromes in demselben Sinne übersehen. Betrachten wir genauer die Fig. 2, Taf. I. Die Zeitdauer zwischen beiden Reizen beträgt hier 0.002 Sekunden. Diese Zeitdauer kann hier dreimal an verschiedenen Teilen der Figur abgelesen werden: 1. die Zeitdistanz zwischen den Erhebungen der Reizsignale, 2. die Zeitdistanz zwischen den Erhebungen der Aktionsstromkurven bei alleiniger Wirkung des ersten und r — REN 7 . \ ? | i | Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5.. zweiten Reizes, 3. die Zeitdistanz bestimmt durch den Abstand der Kres- zenten der Muskelkurven entsprechend der alleinigen Wirkung der beiden Reize. Die Ausmessung ergibt, wie man sich durch einen Blick auf die Fig. 2, Taf. I überzeugen kann, eine und dieselbe Größe, nämlich drei Zeitdistanzen des Gartenschen Netzes (eine Einheit — 0-00068 Sekunden). Die latente Periode des Muskels in bezug auf die erste Muskelkurve beträgt, gerechnet vom Moment der Nervenreizung, 0-0136 Sekunden. Es sei hier hervorgehoben, daß die Latenz des Deprezschen Signales ungemein kurz war und praktisch hier kaum in Betracht kommt; diese Promptheit der Wirkung war dadurch erreicht, daß die Feder, die den Anker vom Magneten entfernt, sehr stark angezogen war (beim Stromschluß vermochte der Magnet den Anker nicht anzuziehen und man mußte denselben mit dem Finger 8 A. SAMOJLOFF: dem Magneten nähern). Die gefundene Dauer 0-0136 Sekunden kann man sich folgendermaßen verteilt denken: ungefähr 0.001 Sekunde beansprucht die Leitung des Erregungsvorganges im Nerven von der Reizstelle bis zur Endplatte des Muskels, ungefähr 0.003 Sekunden für das Passieren der Endplatte und der Rest als latente Periode des Muskels selbst. Daß diese Schätzung der Zeitabschnitte nicht allzuweit von den wirklichen Verhält- nissen abweicht, ist daraus zu ersehen, daß die Zeitdifferenz zwischen der ersten Reizmarke und dem Moment der Erhebung der ersten Muskelaktions- Fig. 6. Fig. 7. stromkurve, d.h. die Zeit der Leitung im Nerven und in der Muskelendplatte, wie unmittelbar an der Hand der Fig. 2, Taf. I, abzulesen ist, 0-0048 Se- kunden beträst. Der Verlauf der Aktionsstromkurve zeigt erstens, daß der größte Teil des elektrischen Vorganges auf die latente Periode des Muskels fällt; im übrigen ist der Verlauf im ganzen und großen gleich dem, wie er von verschiedenen Autoren eingehend geschildert worden. Durch die Korrektion nach Einthoven erweist sich der Aktionsstrom (s. die Korrektion der AKTIONSSTRÖME BEI SUMMIERTEN MUSKELZUCKUNGEN. 9 kombinierten Kurven bei längerer Zeitdistanz zwischen den Reizen, also in Figg. 3, 4, 5’, 6, 7’) als deutlich zweiphasischh Wie oben erwähnt erscheint in der kombinierten Kurve der hinzukommende zweite Aktions- strom von unbedeutender Stärke. Immerhin dürfen wir aber sagen, daß in dem vorliegenden Fall der Muskel nach Verlauf von 0.002 Sekunden nach dem ersten Reize bereits aktionsfähig ist, was übrigens nicht nur am Aktionsstrom, sondern ganz deutlich auch an der kombinierten Muskelkurve, die deutliche Summation aufweist, sich dokumentiert. In dem vorliegenden Versuche war also die Refraktärperiode des Muskels kleiner, als 0-002 Se- kunden. Davon daß der quergestreifte Muskel in bezug auf den Aktions- strom eine refraktäre Periode besitzt, konnte ich mich mehrmals über- - zeugen. Sehr oft bekommt man solche kombinierte Kurven der Aktionsströme bei Reizung des Muskels mit zwei rasch aufeinanderfolgenden Reizen zu sehen, die in nichts von den einfachen Kurven sich unterscheiden; man kann hier sagen, daß der zweite Reiz unbeantwortet blieb (s. Fieg. 10 und 11 und Figg. 12 und 13, Taf. IV). Man darf hier bestimmt von einer re- fraktären Periode reden, was übrigens für den quergestreiften Muskel eben- falls auf Grund der Versuche vermittelst des Kapillarelektrometers von F. Hofmann und S. Garten (4) behauptet wurde. Die Bestimmung der Dauer der Refraktärperiode war nicht speziell das Ziel meiner Versuche; aus den Kurven, die ich während der Versuche bekam, ergibt sich die Dauer dieser Periode als sehr variierend, 0-001 bis 0-004 Sekunden. Was aber hier weiter als eine konstante Erscheinung zu bezeichnen ist, ist folgendes: die ersten Zeichen der Beantwortung des zweiten Reizes durch den Aktionsstrom bestehen nicht darin, daß die Erhebung der Kurve, wie sie durch den ersten Reiz hervorgerufen, durch den zweiten Reiz etwa noch mehr verstärkt wird, sondern immer nur darin, daß (unter Voraussetzung, daß man nicht allzu große Sprünge bei der Vermehrung der Zeitdifferenz der beiden Reize macht) an dem sinkenden Teil der ersten Aktionsstromkurve eine Unebenheit oder ein kleiner Höcker sich bemerkbar macht, der dann weiter immer tiefer beginnend, zu größerer Höhe ansteigt. Bevor wir die Schilderung der Eigentümlichkeiten der Kurven, wie dieselben bei noch weiterem Auseinanderrücken der zwei Reizmomente ge- wonnen werden, fortsetzen, wäre es am Platze, noch einen Punkt zu be- rühren. Beim genauen Betrachten nämlich der oben bereits erwähnten Unebenheit bzw. Höcker an der Dekreszente der ersten Aktionsstromkurve bemerkt man, daß der Beginn dieses Höckers nicht mit dem Anfangspunkt der selbständigen zweiten Aktionsstromkurve (bei der zweiten Durchführung der Platte vor dem Spalt) zusammenfällt, sondern etwas später einsetzt. Diese Verspätung tritt mit der Zunahme der Entfernung des zweiten Reiz- momentes zurück, so daß dieselbe an denjenigen kombinierten Kurven, in 10 A. SAMOJLOFF: welchen die zweite Komponente von der Nullinie beginnt, nicht mehr zu sehen ist. In der Serie von sechs Filmplatten, von denen augenblicklich die Rede ist, ist die Verspätung nur in zwei Fällen, nämlich in Figg. 2 und 3, Taf. I und II zu sehen. Der Übersicht wegen sei hier eine kleine Tabelle angeführt, die unter anderem auch die Angaben über die erwähnte Verspätung des Auftrittes des zweiten Aktionsstromes in der kombinierten Kurve enthält. Die I. Kolumne gibt die Nummer der Figur an; die II. die Dauer (in Sekunden) zwischen zwei benachbarten vertikalen Linien des Gartenschen Netzes; die III. die Zeitdistanz zwischen beiden Reizen (berechnet aus den Reizmarken); die IV. latente Periode (gezählt vom Momente der Nerven- reizung); die V. die Zeit vom ersten Reizmoment bis zum Beginn der ersten Erhebung in der kombinierten Aktionsstromkurve; die VI. die Zeit vom zweiten Reizmoment bis zum Beginn der zweiten Erhebung in der kombi- nierten Aktionsstromkurve. In der letzten Kolumne befinden sich also die Angaben über die oben erwähnte Verspätung. In Klammern sind neben den Zahlen der Sekundenteile auch die Zahlen der Netzelemente hinzugefügt. I II III IV | V | vI 2 0-00068 0-0020 (3) | 0-0136 (20) | 00048 (7-0) | 0-0109 (16) 3 000069 0-0048 (7) | 0-0131(19) | 0.0048 (7-0) 00069 (10) 4 0-00074 0-0155 (21) | 0-0133 (18) | 0.0048 (6-5) | 0.0044 (6) 5 0-00071 0-0320 (45) | 0-0131 (18-5) | 0.0046 (6-5) | 0-0050 (7) 6 0-00067 0:0549 (82) | 0.0134 (20) | 0.0047 (7-5) | 0-0047 (7) r 000068 0-0782(115) | 0-0136 (20) | 0-0048 (7) 0.0048 (7) Da die beschriebenen Versuche am indirekt gereizten Muskel angestellt sind, so ist es unmöglich zu sagen, welcher Teil des Nervmuskelpräparates an dem verspäteten Auftreten des zweiten Aktionsstromes schuld ist. Es wäre weiter noch zu erwägen, ob diese Verspätung des zweiten Aktionsstromes in Figg. 2 und 3 nicht die Ursache für die Verspätung des Gipfels der kombinierten Verkürzungskurve des Muskels abgibt. Wenn wir die sechs Figuren miteinander vergleichen, so sehen wir, daß die Verspätung des Gipfels der kombinierten Kurve nur in denjenigen Figuren vorhanden ist, wo wir das verspätete Einsetzen des zweiten Aktionsstromes fanden, d.h. in Figg. 2 und 3, Taf. I und II. Natürlich dürfen wir nicht erwarten, daß der Betrag der Verspätungen des Gipfels der Muskelkurve und des Beginnes des Aktionsstromes, falls dieselben miteinander in Zusammenhang ständen, ganz genau gleich groß sein müßten. Die Verspätung des Gipfels in Fig. 3 ist, in Übereinstimmung mit der des Aktionsstromes, geringer als in der Fig. 2. In den folgenden Figuren geht diese Verspätung in eine Ver- frühung über. Seit der bekannten Untersuchung von J. v. Kries (7) über die sum- AKTIONSSTRÖME BEI SUMMIERTEN MUSKELZUCKUNGEN. 11 mierten Zuckungen wissen wir, daß die kombinierte Kurve immer eine Verfrühung des Gipfels im Vergleich zum Gipfelpunkt der zweiten Kurve aufweist. Wie man sich auf Grund der Figg. 2 bis 7, Taf. I und II leicht überzeugen kann, war die Verfrühung bei meinen Versuchen nur dann vor- handen, wenn die Zeitdistanz zwischen beiden Reizen schon ziemlich groß war. Ist dagegen die Zeitdistanz kurz, so haben wir, wie oben erwähnt, keine Verfrühung, sondern eine Verspätung. Es ist das eine ganz beständige Erscheinung. Ich bin derselben zum ersten Male bei Gelegenheit der Unter- suchung der Aktionsströme summierter Zuckungen begegnet und habe später die anfängliche Gipfelverspätung durch extra angestellte Versuche bestätigen können. Als ein Beispiel hierfür sei der Versuch Fig. 8, Taf. III angeführt. Der Froschgastroenemius wurde durch zwei rasch aufeinander folgende Reize in der früher beschriebenen Weise indirekt gereizt und die Kontraktions- kurven auf der Trommel des Engelmannschen Pantokymographions auf- gezeichnet. Von den zehn geschriebenen Kurven ist die erste diejenige, die bei Einwirkung bloß des zweiten Reizes resultiert, die übrigen neun sind summierte Kurven und wurden in der von J. v. Kries geübten Weise durch Vorwärtsverschiebung des Kontaktes für den ersten Reiz, und also bei sukzessiver Vergrößerung der Zeitdistanz erhalten. Die erste (untere) Linie stammt vom Reizmarkierer für den zweiten Reiz, die zweite wellige Linie von der Stimmgabel (100 Schwingungen in 1 Sekunde), die dritte vom Reizmarkierer für den ersten Reiz; an der dritten Linie können wir die Größe der Verschiebung des ersten Reizkontaktes abschätzen. Gemäß der angewandten Versuchsanordnung ist es klar, daß die untere Linie durch zehnmalige Übereinanderschreibung erhalten wurde. In der Fig. 8, Taf. III sehen wir deutlich, wie beim sukzessiven Verschieben des ersten Reiz- kontaktes zunächst eine Verspätung des Gipfels der summierten Zuckung eintritt, indem die Gipfel nach rechts sich verschieben und wie darauf die Verspätung wiederum geringer wird, so daß an der zehnten Kurve bereits eher eine Verfrühung zu konstatieren ist. Zur Erklärung der Tatsache, daß in den von Kriesschen Versuchen die erste Verspätung des Gipfels nicht hervortritt, könnte folgendes angeführt werden. Erstens ist es mög- lich, daß v. Kries, da es ihm bloß auf die Gesetze der Superposition ankam, absichtlich die Zeitdistanz zwischen beiden Reizen nicht allzu kurz wählte. Etwas Bestimmteres läßt sich aber in dieser Beziehung nicht sagen, da bei seinen Versuchen die Zeit- und Reizmarkierung fehlt. Andererseits muß auch erwähnt werden, daß J. v. Kries an direkt (jedoch nicht kurare- sierten) gereizten Muskeln seine Versuche anstellte, während ich die Mus- keln indirekt reizte. Wir gehen nun weiter zur Besprechung der Aktionsströme summierter Zuckungen bei Vergrößerung des Reizintervalles über. Von der Fig. 4, 12 A. SAMOJLOFF: Taf. II an sieht man schon nicht mehr das verspätete Einsetzen des zweiten Aktionsstromes. Die Höhe des zweiten Ausschlages nimmt sehr rasch zu und in den Fige. 3 und 4, Taf. II ist die Höhe, bis zu welcher der Menis- cus beim zweiten heize emporsteigt, größer, als beim ersten Reize. Ob die Verhältnisse, wie sie in bezug auf diesen Punkt durch die Figg. 3 und 4 gegeben sind, dem wirklichen Verlauf der Ströme entsprechen, ersehen wir beim Vergleich der Kurven dieser Figuren mit den korrigierten in Figg. 3° und #. Wir finden, daß in der Tat auch in Fig. 4° der dem zweiten Reize entsprechende Ausschlag größer, als der auf den ersten Reiz folgende ist; in Fig. 3° ist das Verhältnis umgekehrt. Es ist also zu ersehen, daß es Momente im Zustande des gereizten Muskels gibt, in welchen er einen zweiten maximalen Reiz mit einem stärkeren elektrischen Effekt als den ersten heiz beantwortet. Es wird hier auf diese Tatsache, die ich, wenn auch nicht immer, so doch meistens auch in anderen Versuchen zu sehen bekam, besonders hingewiesen, weil dieselbe eine Ausnahme, und wie wir vorgreifend hinzufügen können, eine einzige Ausnahme in der Analogie zwischen der Beantwortung des Muskels durch Elektrizität- und Wärme- produktion bei summierten Zuckungen bildet. In den Figg. 5, 6 und 7, Taf. II wird der zweite Ausschlag wiederum kleiner als der erste. Würde man den Versuch mit der Vergrößerung des Reizintervalles noch weiter führen, was in diesem Falle nicht geschah, so müßte man eine zweite Verstärkung des zweiten Ausschlages bis zur Norm beobachten. Die Hauptmomente der geschilderten Verhältnisse lassen sich sehr schön an der Hand der Kurven eines anderen Versuches Fig. 9, Taf. IV demon- strieren. Diese Figur ist wie die vorhergehenden in der Weise gewonnen worden, dab die Filmplatte viermal vor dem Spalt vorbeigeführt wurde. Während der ersten drei Umdrehungen waren drei summierte Zuckungen mit den entsprechenden (zweimaliges Verschieben des Kapillarelektrometers nach oben) Aktionsstromkurven registriert; der erste Reiz (untere Reizmarke) blieb an einer und derselben Stelle, der zweite Reiz (obere Reizmarke) wurde verschoben. Der dem ersten Reize entsprechende Aktionsstrom ist in der zweiten und dritten kombinierten Kurve identisch mit der unteren kombi- nierten Kurve. In dieser unteren Kurve kommt die Wirkung des zweiten Reizes als elektrischer Effekt gar nicht zum Ausdruck, weil er wahrschein- lich in die refraktäre Periode des Muskels fällt. In der zweiten kombi- nierten Kurve ist der zweite Ausschlag bedeutend größer als der erste, und in der dritten kombinierten Kurve ist er schwächer wie derselbe. Die korrigierte Kurve 9° ergibt dasselbe. Hier ist also, wie in dem früher besprochenen Versuch, sehr rasch nach dem ersten Reize im Muskel ein Zustand eingetreten, in welchem ein zweiter Reiz mit verstärktem elek- trischem Effekt beantwortet wird. AKTIONSSTRÖME BEI SUMMIERTEN MUSKELZUCKUNGEN. 13 Ein hierher gehörender und viele Phasen des Vorganges umfassender Versuch ist in den Fige. 10 und 11, Taf. IV dargestellt. In diesen zwei Figuren ist eine Reihe von kombinierten Muskelaktionsstromkurven, die 15 Doppelreizungen mit sukzessive länger werdenden Reizintervallen ent- sprechen, dargestellt. In diesem Versuch waren die Muskelkontraktionen nieht mitregistriert, weil bei jeder Trommelumdrehung nur ein schmaler Streifen von bloß !/, der ganzen Höhe der Filmplatte benutzt war. Der Spalt des Kastens war dreimal kürzer gemacht. Nach dreimaliger Um- drehung der Trommel wurde dieselbe auf !/, der Filmhöhe gesenkt. Auf jedem schmalen Streifen waren drei kombinierte Kurven auf- ‚genommen, indem jedesmal das Kapillarelektro- meter ein wenig gehoben und die Reizintervalle vergrößert wurden. Der Reizmarkierer gibt nur die Momente des zweiten Reizes an. Nach- dem in dieser Weise auf einer Platte neun Kurven registriert waren, führte man darauf die Trommel bei Spaltenlänge von 13m noch einmal vor den Spalt, um das Gartensche | Netz und die Stimmgabelkurve aufzutragen. l In den Figg. 10 und 11 sehen wir deutlich den ganzen Vorgang, der uns hier interessiert. | Nach einer refraktären Periode beginnt die | Wirkung des zweiten Reizes. Der zweite Aus- j \ schlag ist zuerst sehr klein, wird darauf immer a N stärker und sogar stärker als der erste In N der vierten Triade ist der zweite Ausschlag | ' noch stärker wie der erste, in der fünften Triade dagegen ist er bereits schwächer. In den Kurven 17 und 18 wird der zweite Ausschlag wiederum stärker. Die Kurven waren nicht nach Einthoven korrigiert. Es sei auch bemerkt, ; e. daß sich in diesem Versuch eine deutlich aus- Fig. 9. gesprochene Ermüdung (5) bemerkbar macht. Es ist also auf Grund der angeführten Versuche möglich, eine folgende Vorstellung von der Änderung der elektrischen Reaktion seitens eines unter den Bedingungen der isotonischen Tätigkeit zuckenden Muskels sich zu bilden. Gleich nach der Einwirkung des indirekten ersten Reizes bleibt der Muskel refraktär; die Reaktionsfähigkeit kehrt gleich zurück und wächst rasch an, so daß bald auf einen zweiten Reiz meistens ein stärkerer Ausschlag erzielt werden kann, als der durch den ersten Reiz bewirkte. Im weiteren Ver- 14 A. SAMOJLOFF: laufe wird die elektrische Reaktion wiederum bedeutend geschwächt, bis dann alles zur Norm zurückkehrt. Dieses Resultat gewinnt bedeutend an Interesse, wenn wir dasselbe mit den Erfahrungen, die in bezug auf die Wärmeproduktion des Muskels unter analogen Versuchsbedingungen, d. h. bei summierten Zuckungen, ge- wonnen sind, vergleichen. Bereits J. Nawalichin fand, daß der quer- gestreifte Muskel in bezug auf die Beantwortung eines Reizes mit Wärme- produktion eine Periode aufweist, in der er inaktiv bleibt. Dieser Autor konstatierte, daß der Erfolg des zweiten Reizes bei Doppelreizungen Null sein kann, wenn das Zeitintervall zwischen beiden Reizen Null ist, oder eine kleine Dauer bis zu 0-004 Sekunde besitzt. Die Analogie mit den oben geschilderten Erscheinungen des elektrischen Effektes geht noch weiter: Nawalichin fand nämlich, daß, wenn der Erfolg des zweiten Reizes bloß minimal, aber deutlich positiv ist, sich die Wirkung des zweiten Reizes auch in dem mechanischen Effekte dokumentiert, es tritt eine Summation, eine Verstärkung der Verkürzung ein (vgl. unsere Fig. 2, Taf. I). Zahlreiche Versuche über die Wärmeproduktion bei summierten iso- tonischen Zuckungen finden sich in der Arbeit über den betreffenden Gegen- stand von Schenk und Bradt.! Diese Autoren fassen die Resultate ihrer Versuche folgendermaßen zusammen: „Die bei zwei isotonischen summierten Zuckungen gebildete Wärme ist immer kleiner als die doppelte Wärmemenge der Einzelzuekung. Mit wachsendem Reizintervall nimmt die Wärmebildung zuerst zu bis zu einem relativen Maximum — das 1!/,fache der Einzelzuckung, das bei der Aus- gangshöhe in der Mitte des aufsteigenden Schenkels erreicht wird, dann wieder ab bis zu einem relativen Minimum — das 1!/,fache der Einzel- zuckung — das dann erreicht wird, wenn die zweite Zuckung auf den Gipfel der ersten ansetzt und weiter wieder zu, bis bei völliger Trennung der beiden Zuckungen das Doppelte der Wärmebildung einer Einzelzuckung erreicht ist.“ Die Art, wie der Muskel zwei rasch aufeinander folgende Reize in bezug auf die Wärme- bzw. Elektrizitätsproduktion beantwortet, unterscheidet sich also nur in dem Punkte, daß die doppelte Erwärmung (im Vergleich zu der bei Einzelzuckung) nur dann beobachtet wird, wenn der zweite Reiz am Ende der ersten Zuckung den Muskel trifft, sonst resultieren kleinere Wärmegrößen, die elektrische Reaktionsfähigkeit wird dagegen rasch nach dem refraktären Stadium so stark erhöht, daß die zweite Schwankung in vielen Fällen die erste an Höhe übertrifft. Übrigens sind die Erscheinungen der Wärmeproduktion und Elektrizitätsentwicklung gerade in bezug auf die Wirkung des zweiten Reizes schwer in allen Punkten miteinander zu ver- > A..350:284150,.151: ÄAKTIONSSTRÖME BEI SUMMIERTEN MUSKELZUCKUNGEN. 165) gleichen. Abgesehen von vielen anderen Momenten, die einen solchen Vergleich im Prinzipe unsicher zu machen imstande sind, können die ent- wickelten Wärmemengen nicht rasch nach außen abfließen, sie werden vielmehr gespeichert, so daß man nicht den Gang der Erscheinung, sondern nur den summarischen Effekt beider Reize zu verfolgen imstande ist; der rasche Abiluß der elektrischen Schwankung ermöglicht dagegen gerade die zeitliche Folge der Erscheinung aufzuzeichnen. Abgesehen von dem eben erwähnten Punkte zeigt der Verlauf der Änderung der Muskelerregbarkeit nach Einwirkung eines maximalen Reizes in den Versuchen von Schenk und Bradt und in den meinigen gleichen Gang. Wie wir gesehen haben, besitzt die Kurve der Erregbarkeitsänderung ein relatives Minimum. Nach Schenk und Bradt fällt dieses relative Minimum zeitlich mit dem Zustand der stärksten Verkürzung des isotonisch zuckenden Muskels zusammen. Auch an meinen Kurven läßt sich im ganzen und großen dieselbe Beziehung feststellen. Schenk und Bradt führten eine Reihe von Versuchen mit Doppel- reizen am isometrisch aufgespannten Muskel aus. Das kesultat der Versuche fiel bei dieser Versuchsanordnung anders als bei der vorher be- sprochenen aus. Mit der Steigerung des Reizintervalls stieg die Produktion der Wärme immer in die Höhe ohne vorübergehende Schwächung; jedoch war auch in diesem Falle die Wärmemenge bei Doppelreizungen immer kleiner als die doppelte im Vergleich zur Wärmemenge beim Einzelreiz. Eine Reihe von Versuchen mit Aufzeichnung der Aktionsströme des Muskels bei Einwirkung von Doppelreizen unter den Bedingungen der Iso- metrie zeigte ebenfalls manche Analogien mit den Resultaten der Versuche von Schenk und Bradt. Die Versuchsanordnung war im übrigen die gleiche, wie die vorher beschriebene, nur wurde der Muskelhebel, nachdem der Muskel mit 10: belastet war, unbeweglich gemacht. In den Figg. 12 und 13, Taf. IV, die genau in derselben Art, wie die früher be- sprochenen Figg. 10 und 11, Taf. IV gewonnen sind, sehen wir eine re- fraktäre Phase (die erste Triade), ein rasches Anwachsen der Wirkung des zweiten Reizes (zweite Triade) und darauf stetes Größerwerden des zweiten Aktionsstromes in den übrigen zwölf Kurven; vom relativen Minimum ist in diesem Versuch nichts zu sehen. Die Verkürzung des Muskels bei der isotonischen Zuckung desselben übt also einen hemmenden Einfluß auf die Größe der elektrischen Schwan- kung. Es ist dies vielleicht damit in Zusammenhang zu bringen, daß der durch den ersten Reiz in Kontraktion versetzte Muskel im Moment der Einwirkung des zweiten Reizes im Zustande der Selbstunterstützung sich befindet. Verhindern wir die Kontraktion, so fällt damit auch das die Schwankung hemmende Moment fort. 16 A. SAMOJLOFF: Es ist aber hier zu erwägen, daß außerdem beim Verhindern der Kontraktion des Muskels ein neuer, die elektrische Schwankung begünstigender Einfluß geschaffen wird, nämlich die verstärkte Spannung des Muskels im Laufe des Erregungsprozesses. Daß die verstärkte Muskelspannung die elektrische Reaktion des Muskels steigert, ist bereits von vielen Autoren konstatiert worden. Bei meinen Versuchen, die ich! über diese Frage an- stellte, ergab sich, daß für die Größe des Ausschlages des Hg-Meniscus nur die Spannung im Momente der Muskelreizung maßgebend ist. Von = diesem Standpunkte aus versuchte ich die Erklärung für die Tatsache zu geben, daß bei (indirekter) Reizung des Gastroenemius man in bezug auf den Verlauf der Aktions- stromkurve keinen Unterschied zwischen den Fällen der isotonischen und isometrischen | Muskeltätigkeit (bei gleicher Anfangsspan- ) | nung) findet. Man muß aber bedenken, daß ein derartiger Unterschied bei Doppel- | reizen in bezug auf den Anteil des Aktions- stromes, der vom zweiten Reiz herrührt, wohl eintreten muß, weil bei Doppelreizen im Momente der Einwirkung der zweiten Reize die Spannung des isometrisch tätigen Muskels bedeutend größer, als die des ceteris paribus sich isotonisch verkürzenden Muskels ist. Einige Versuche, die ich in dieser Angelegen- heit vor einigen Jahren ausführte, ergaben aber nicht das erwartete Resultat, und zwar, | wie ich jetzt glaube, deshalb nicht, weil das N Zeitintervall zwischen beiden Reizen nicht . N Ge groß genug war; der zweite Reiz wirkte zu — 7.02. früh ein, so daß die Steigerung der Span- Fig. 14. .. nung des isometrisch tätigen Muskels im Momente der Einwirkung des zweiten Reizes noch keinen bedeutenden Grad erreichte. Um diesen Punkt aufzuklären, stellte ich jetzt einige diesbezügliche Versuche noch einmal an und über- zeugte mich, daß die wachsende Spannung des nach einem Einzelreiz iso- metrisch tätigen Muskels in der Tat einen günstigen Einfluß auf die Größe des elektrischen Effektes, der auf den zweiten Reiz erfolgt, ausübt. Fig. 14, Taf. IV stammt von einem Versuch, der einen unmittelbaren "A&.2.0. 5, hier auch d ° reflende Literatur angeführt. AKTIONSSTRÖME BEI SUMMIERTEN MUSKELZUCKUNGEN. 1:7 Vergleich der elektrischen Beantwortung eines Doppelreizes unter den Be- dingungen der isotonischen und isometrischen Tätigkeit eines Muskels erlaubt. Der Muskel war belastet mit 10-6s® und schrieb während der ersten Umdrehung der Trommel eine isotonische summierte Kurve, deren letzter Teil auf der Filmplatte keinen Platz fand; zu gleicher Zeit war die ent- sprechende kombinierte Aktionsstromkurve (untere Linie) registriert. Darauf wurde der Myographionhebel festgeklemmt, die Kontakte eingestellt und die Trommel zur Ausführung der zweiten Umdrehung losgelassen. Der Hebel schreibt jetzt eine gerade Linie und der Hg-Meniscus die (in Fig. 14, Taf. IV, obere) kombinierte, dem isometrisch tätigen Muskel entsprechende Aktionsstromkurve. Die beiden Reizsignale schreiben zweimal auf ein und - derselben Stelle. Jetzt wurden die Reizsignale zur Seite geschoben und die dritte Umdrehung der Trommel zum Auftragen des Netzes und der Stimmgabelkurve bewirkt. In der Fig. 14, Taf. IV sehen wir erstens, daß tatsächlich der erste Aktionsstrom in der oberen und unteren kombinierten Kurve keinen nennenswerten Unterschied aufweist. Es entspricht das der Ansicht, daß der elektrische Effekt beim Einzelreiz von der Spannung des Muskels im Momente der Reizung abhängt. Der zweite Reiz des Doppel- reizes in Fig. 14, Taf. IV wird dagegen vom isotonisch und isometrisch tätigen Muskel verschieden beantwortet. Der zweite Aktionsstrom der unteren kombinierten Kurve ist in Übereinstimmung mit dem früher Mitgeteilten niedriger, wie der erste, da hier der zweite Reiz den isotonisch sich kontra- hierenden Muskel fast auf der Höhe der Verkürzung trifft. Der zweite Ausschlag der oberen Kurve ist bedeutend stärker, wie der zweite der unteren kombinierten Kurve und wie der erste beider kombinierten Kurven. Der Aktionsstrom, der dem zweiten Reize entspricht, ist also bei Isometrie größer, als bei Isotonie. Die Fig. 14° (im Texte) ist das Resultat der Korrektion der Kurve in Fig. 14, Taf. IV. Der Inhalt der vorliegenden Mitteilung kann in folgenden Worten re- sumiert werden: Es wird unter systematischer Anwendung der Methode der mehrfachen Photographie der Kapillarelektrometerausschläge gezeigt, daß im indirekt gereizten Froschgastrocnemius nach Applikation eines Einzelreizes folgende Änderungen der elektrischen Reaktionsfähigkeit des Muskels auftreten: 1. Sofort nach dem Reiz entwickelt sich eine bloß einige Tausendstel Sekunde dauernde refraktäre Periode. 2. Gleich darauf wächst die Reaktionsfähigkeit des Muskels einem zweiten Reize gegenüber sehr rasch an. Archiv f. A.u. Ph. 1908, Physiol. Abtlg. Suppl. 2 18 A. SAMOJLOFF: 3. Falls der Muskel unter den Bedingungen der Isotonie gereizt wird, entsteht nach der Phase 2 ein temporäres Sinken der elektrischen Reaktion mit einem relativen Minimum zur Zeit der stärksten Verkürzung des Muskels. 4. Diese temporäre Schwächung des zweiten Aktionsstromes fehlt, wenn der Muskel isometrisch tätig ist. In diesem Falle bildet die wachsende Spannung des Muskels ein die Größe des zweiten Ausschlages begünstigendes Moment. 5. Die geschilderten Veränderungen der elektrischen Reaktionsfähigkeit des Muskels nach Applikation eines Einzelreizes stimmen mit den Ver- änderungen in bezug auf die Wärmeproduktion nach einem Einzelreiz überein, die von Nawalichin und Schenk und Bradt festgestellt sind. Anhang. Die Kurven in den Figg. 2, 3, 4, 5, 6, 7, 9 und 14, Taf. I bis IV sind nach der Einthovenschen Methode! korrigiert und die korrigierten Kurven entsprechend in Figg. 2’, 3, 4, 55, 6, 7, 9 und 14° (im Text) wieder- gegeben. Als Eichungskurve diente die Kurve der Fig. 1, die beim plötz- lichen Auftreten von 20 mV im Elektrometerkreise resultierte. Die Korrektion geschah nach der Formel: ’ land Men in welcher y’ die wahre E.K. und y die unmittelbar durch die Kurve ge- gebene E.K., ausgedrückt durch die für den betreffenden Punkt der Kurve zu ziehende Ordinate. c ist eine Konstante, die für jede Eichungskurve in bestimmter Weise gefunden werden muß. Für die Kurve in Fig. 1, Taf. II war der Wert ce gleich — 0-1 festgestellt. = ist gegeben durch die Tan- gente des Winkels 4, welcher durch die an einem bestimmten Punkte gezogene Berührungslinie mit der Abszisse gebildet wird. Die Größe = wurde immer durch das Verhältnis der Längen entsprechender Katheten bestimmt, was durch das Gartensche Netz sehr leicht ausführbar war. In den Figg. 2’, 3°, 4, 5, 6°, 7, 9 und 14° sind die Originalkurven in sehr verkleinertem Maßstabe wiedergegeben und durch Sternchen die Lage derjenigen Punkte angegeben, an welchen man Tangenten gezogen und die wahre elektromotorische Kraft berechnet hat. | ‘ Siehe Einthoven, Lippmanns Kapillarelektrometer zur Messung schnell wechselnder Potentialunterschiede. Pflügers Archiv. Bd. LVI. 8. 528. AKTIONSSTRÖME BEI SUMMIERTEN MUSKELZUCKUNGEN. 19 Kurve der ae 2aundı 2% Nr. des FR | ehe Y 1 Ordinate Punktes| Abszisse (gemessen) 54 Us Er (berechnet) 1 1-1 2-7 59-6: 13-1 | 45-5 48-2 2 2-6 13-0 69-9: 12-0 | 58-3 | 71-3 3 3-0 22-9 79-8: 114 699 92-8 4 51 22-8 — 69-4: 19-0 — 36+5 — 18-7 5 6-4 19.0 — 76-1286-5 |. —20-9. | —' 19 6 7-9 17-5 —14.2:462 00 — 161 1-4 7 9-1 13-1 — 70-0: 2102 3926, | 119.5 S 10-0 | 8-2 — 75.5: 19-8 —38.1 | —29-9 9 11-9 | 3-1 — T1+4: 59-0 a ed 10 40000016 — 69-4:127-0 = (Die 3.9 Kurve der Figg. 3 und 3 Nr. des : Ordinate y 1 | Ordindte y Punktes Abszisse | (gemessen) | tg 4 | 54 7 | (berechnet) 1 1-6 10-5 49-5: 5+7 86-8 97-3 2 2.7 21°2 59-5: 7-9 75-4 96-6 3 5+5 21-0 59-5:16-0 ala 10 4 7-0 21-0 59-5::10-5 56 77-6 5 1-8 24-1 93-0:19-0 49-0 73-1 6 9-6 24-1 93-0:21-0 — 44-3 — 20.2 7 10-5 21-0 59-5: 11*5 — 51-7 — 30-7 S 11-3 16-1 75-5:11-6 — 65-1 — 49-0 9 12+5 7-9 66-4:13*5 49.2 |. —41-3 10 136 3-0 41-0: 370 a Kurve der Figg. 4 und 4. Nr. des say DR | B re | Ordinate y' Punktes Abszız2 _ (gemessen) J 103 | tg 9 en | (berechnet) 1 1-1 4-7 45-0: 81 | 56+2 60-9 2 2-6 19+2 59-7: 6-1 97-9 117-1 3 5-0 19-2 loan — 39-3 4 6-7 9-5 RE ee — 182 5 9-0 3-9 — 44:0:48:.7 | — 9-0 1689 6 14-1 9-5 59:8: 6-5 | 92-0 101-5 7 14*5 19-2 69-6: 65 | 107-0 126-2 8 17-9 19-2 — 69-6:12-5 = 591 — 36+5. 9 19-6 9-5 — 59-8: 18-2 np: 93-3 10 22-8 4-5 — 54-5: 75+5 re on 20 A. SAMOJLOFF: Kurve der Figg. 5 und 5”. des | Ordi | | 1 ’ Dede | Ani | ordnen | a | on 1 1-2 3-5 39:6: 6-7 59-1 62-6 2 2-9 18-8 54:9: 5+0 109-0 127-8 3 5-4 19-0 — 55-0: 11°2 — 49-1 —. ao! 4 6-6 13-5 — 49:8: 10:0 — 49-8 — 36-3 5 8-0 6-6 — 42-9191 — 22-4 — 15-8 6 10:6 3.3 — 29-6:64*5 — 2486 u 7 28.4 3-4 39:6: 60 66-0 69-4 8 29-7 13-5 49:9: 4+6 109-0 122-5 9 32-2 17-6 — 53-9: 141 — 38.2 — 20-6 10 34-1 11»5 — 47-6: 15-0 — Sslen — 20-2 11 36-2 6-9 — 43-2:41°5 — 10+4 —. 85 12 39.6 5-1 — 11-6: 34-5 st 1-7 Kurve der Figg. 6 und 6‘. | I | r | i ' Ordi 1 | Ordinate y' DE | Abszisse ee 13% Eos ee 1 0-7 | 2-5 42.2: 7-0 60.3 85-8 2 | 2-5 | 16.7 56-7: 45 125-7 142-4 3 4.2 | 182 — 58-0: 7.8 — 74:3 — 56-1 7 6-2 10.0 — 49-9: 12-0 Ale = 3e6 5 | 7-3 6-1 — 45-9:29°8 — 15-4 5 6 10-0 3.8 — 43:2: 85-3 N Bei! on 7 46-1 6-5 | 56-2: 8-3 + 67-7 7142 gene, 10.9 Toro] 61-5:13-5 + 45-6 57-8 9 | 49.2 12-1 E16: 32:5 859 _— 68 10 | 509 9-1 — 58:6: 63*5 — si 11 56-2 6-6 — 16-3: 50-5 or 3.4 12 67-0 3-5 — 13-4: 60+0 22 1-3 Kurve der Figg. 7 und 7. Nr. des | ä | Ordinate Ordinate y' Punktes Abszisse | ee) ig 9 | ig4.— (hereelineh) 1 0+7 2.5 39.6: 6-5 | 60:9 63-4 2 2-0 12-8 50-0: 5-1 | 98-1 110-9 3 3.2 19-3 56-3: 8-0 70-4 89-7 4 4-5 19.4 — 56°2:16-0 — 35-1 et 5 5-9 13-0 — 50-0: 9-0 — 55:6 — 42:6 6 8-2 5.2 — 42.3: 36-5 lo Bo 7 64+5 7-9 45-0:11-2 40-1 48-0 8 65-1 12-9 498: 10-0 49-8 62-7 9 67-3 13-0 — 49.9:26-5 — i8=8 = 10 69-1 10-0 — 47:0: 51-0 —_ 92 038 AKTIONSSTRÖME BEI SUMMIERTEN MUSKELZUCKUNGEN. 21 Kurve der Figg. 9 und 9. Nr. des - | Ordina 1 "di i Fanta] Abi | mer | 0 | uno-t | rim a3 1-6 1-0 22.1:20-0 11-0 12-0 | 3.0 5.7 26-3: 4-8 54-8 60-5 3 4.1 10.0 31-2: 7:0 44-6 54-6 4 | 65 10-3 — 31-3:183-0 294.1 1328 5 s-1 de — 28-0: 11-5 — 24-3 =D 6 10:0) 9-0 30:0: 4-0 70:0. | 84.0 De 7210>9 18-5 39.5: 4-6 85.9 1044 s | 14-0 18-7 — 39.6: 8-0 — 49.5 — 30-8 92%] 15*6 9-0 — 29:9: 85 — 35.2 — 26-2 10 17-9 3.1 — 24.0:25+5 12986 — 65 11 63-0 3.3 70-0:31+5 22.2 25«5 12 63+8 5+4 72-4: 22-5 32.2 37-6 13 66-4 6.5 — 73>1:60-5 RL; 14 | 68-9 4-1 — 40:9: 67:0 = .60 En) Kurve der Figg. 14 und 14. Nr. des j j | | 1 Ordinate y' Punktes Abszisse en | send EN (bereahten) Er 1-6 3.2 29-2:10*5 27-8 31-0 2 | 3-0 9.1 35-6: 6-1 58-3 67-4 Sa s6 | 15 | 50-4: 9-1 55-3 69-8 A 49:0: 10:5 — 38.0 — 23.5 5 6-4 11-7 — 34:9: 12-2 — 28-6 A) 6 10-4 7-0 13-2: 50-4 2:6 9-6 7 82-5 2-0 29-5:20-1 147 16-7 8 34:0 12-5 40-0: 3-9 102-5 115-0 9 84-6 19-5 47-1: 44 114-2 133-7 10 86+5 19-5 2A: 9:9 oe sn) 11 88:5 12-7 — 40:0:10-0 — 40:0 — 87-3 12 89-6 8-8 — 36-1: 37-0 Reh N) 13 83-5 1.8 40-0: 215 18-6 20-4 14 84-9 7-6 45-0:11-6 38-8 46-4 15 S5+5 11° 50°:0:12-9 38.7 50-2 16 87-5 11-5 40-8: 16-0 Eu 2n:5 = 11:0 17 39-0 8-9 37-5:50-5 te 1-5 22 A. SAMOJLOFF: AKTIONSSTRÖME BEI SUMMIERTEN MUSKELZUCKUNGEN. Literaturverzeichnis. 1. Helmholtz, Wissenschaftliche Abhandlungen. Bd. Il. S. 883. 2. J. Nawalichin, Myothermische Untersuchungen. Pflügers Archw. 1877. Bd. XIV. S. 293. 3. F. Schenk und G. Bradt, Über die Wärmebildung bei summierten Zuckungen. Ebenda. 1894. Bd. LV. S. 148. 4. F. Hofmann, Studien über den Tetanus. 11I. Pflügers Archiv für die gesamte Physiologie. 1904. Bd. CIH. 8. 291. 5. A. Samojloff, Einige elektrophysiologische Versuche (in russ. Sprache im Jubelband für J. Pawlow). Arch. biologique. St. Petersburg 1904. Eine teilweise gekürzte deutsche Übersetzung in Physiologiste russe. 1907/8. T.V. Nr. 86—90. 6. S. Garten, Über rhythmische, elektrische Vorgänge im quergestreiften Skelett- muskel. Des XXVI. Bandes der Abhandlungen der math.-physik. Klasse der Königl. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften. Nr. V. Leipzig 1901. S. Taf. VI, Fig. 34 und Taf. VIII, Fig. 45. 7. J. v. Kries, Untersuchungen zur Mechanik des quergestreiften Muskels., Dritte Mitteilung. Über den zeitlichen Verlauf summierter Zuckungen. Dies Archiv. 1888. Physiol. Abtlg. S. 537. Bemerkungen zu den Abbildungen. (Taf. I-IV.) Die Originalkurven sind schärfer, wie die reproduzierten. Von den 14 Figuren der vier Tafeln sind Fig. 2, Taf. I und Fig. I, Taf. II in Originalgröße dargestellt; die Figg. 3, 4, 5, 6 und 7 sind auf °/, und die Fige. 8, 9, 10, 11. 12, 13 und 14 auf */. verkleinert. Über das Verhalten des Pankreas nach Unterbindung und Durchschneidung seiner Ausführungsgänge. (Experimentelle Beiträge zur Kenntnis der Physiopathologie der Bauchspeicheldrüse.) Von Dr. Arrigo Visentini. (Aus dem Laboratorium für allgemeine Pathologie und Histologie der kgl. Universität Pavia [Direktor: Prof. C. Golgi.]) (Hierzu Taf. V u. VI.) Auf Grund der Untersuchungen zahlreicher Beobachter müssen wir heute das Pankreas nach zwei Seiten hin betrachten, die sich vom ana- tomischen und aller Wahrscheinlichkeit nach auch vom funktionellen Stand- punkte aus unterscheiden: 1. der drüsige Teil im eigentlichen Sinne und 2. die Langerhansschen Inseln. Der erstere umfaßt den größten Teil des Organes. Er besteht aus epithelialen Acini, die die letzten Verzweigungen des Ausführungssystems darstellen. Die Bereitung des Pankreassaftes, welcher durch die Ausführungs- gänge sich in den Zwölffingerdarm entleert, wo er eine wichtige Rolle in dem Verdauungsprozesse spielt, geschieht in den Zellen der Acini. Zwischen den drüsigen Acini finden sich jene eigenartigen Zellhäufchen, die 1869 von Langerhans beschrieben, und mit dem Namen des Be- obachters belegt sind, der als erster die Aufmerksamkeit auf sie gelenkt hat. Um ein wenig genauer auf die Bedeutung und die Ansichten, die über diese charakteristischen Zellhäufchen nacheinander formuliert sind, einzu- gehen, werde ich daran erinnern, daß Langerhans, obwohl er sie mit größter Genauigkeit beschrieben hat, doch erklärt hat, sich jedweder Hypo- these über ihren Charakter und ihre Bedeutung zu enthalten. 24 ARRIGO VISENTINT: Die nachfolgenden Untersuchungen mit Einspritzung der Ausführungs- sänge des Pankreas, die von verschiedenen Autoren (v. Ebner, Kühne und Lea, Lewaschew, Vassale und anderen) wiederholt worden sind, haben übereinstimmend gezeigt, daß diese eigenartigen Bildungen unabhängig von den Acini und von den Ausführungsgängen des Pankreas sind. Die Zellhaufen von Langerhans (intertubuläre Zellhaufen von Kühne und Lea, Pseudofollikel von Podwyssotzky, points follieulaires von Renaut, secondary cell grupps von Harris und Gow, ilöts de Langer- hans von Laguesse) werden in verschiedener Weise aufgefaßt. Der größte Teil der über ihren morphologischen und funktionellen Wert aufgestellten Hypothesen hat jedoch heute nur noch geschichtliches Interesse. Kühne und Lea (25) meinten, daß die Langerhansschen Inseln Lymphoidorgane seien. Diese Ansicht wurde auch von Sokoloff (62), Mou- ret (41), Pischinger (53), Dickhoff (7), Schlesinger, Pugnat (54), Orrü (44) geteilt, trotzdem der epitheliale Charakter der Inselzellen (Renaut [55, 56]), und der embryologische Ursprung der primitivsten pankre- atischen Tubuli anerkannt wurde (Laguesse [26, 27)). Nach Gibbes stellen die Langerhansschen Inseln embryonale Überreste und nach Giannelli (9—11) einen rudimentären Teil des Pankreas dar, der eine wichtigere Funktion bei den niederen Wirbeltieren habe. Dieser Auffassung schließen sich auch Oppel (43) und Zamboni (73) an. Lewaschew (33) beschäftigte sich mit den Langerhansschen Inseln während der Tätigkeit und der Ruhe und sah sie als erschöpfte drüsige Aecini an, die fähig sind, in den ursprünglichen Bau und zur ursprünglichen Funktion nach einer Ruheperiode zurückzukehren. Diese Ansicht ist auch von Mankowski (37) geteilt worden. Dogiel (8) dagegen sah sie als tote Punkte an, d. h. als Teile des Pankreas in rückschreitender Metamorphose. Ich erinnere endlich an die von Harris und Gow (15), Wildt (72), Giannelli und Giaco- mini (9) angenommene Hypothese, daß die Langerhansschen Inseln an der Ausarbeitung eines im Pankreassaft befindlichen Stoffes teilhaben, und daher für die äußere Ausscheidung bestimmt seien. Die embryologischen Untersuchungen von Laguesse (27), Pearce (47), Küster (24) haben gezeigt, daß die Langerhansschen Inseln aus den ursprünglichen pankreatischen Tubuli entstanden sind. Es ist also bewiesen, daß die epitheliale Natur dieser Bildungen jetzt von den meisten Autoren angenommen wird. Auf Grund der genauen Kenntnis des Baues der Inseln meinten Laguesse (1893) und Schäfer (1895), daß sie eine Rolle bei der inneren Ausscheidung spielten. 1889 hatten Mering und Minkowski gezeigt, daß das Pankreas eine Funktion besitzt, welche den Stoffwechsel der Kohlehydrate reguliert. Nach der experimentellen Ausschneidung des ÜBER DAS VERHALTEN DES PANKREAS. 25 Pankreas bei Tieren folgt in der Regel ein schwerer Diabetes, welcher die- selben Symptome wie der menschliche Pankreasdiabetes hat. Die Deutung, die Laguesse und Schäfer über die Langerhans- schen Inseln gegeben haben, gründet sich, wie oben gesagt, wesentlich auf die Morphologie dieser Bildungen. In der Tat ist schon mit Sicherheit festgestellt, daß sie den Bau sogenannter innerer Ausscheidungsdrüsen, der genau dem der Nebenschilddrüse analog ist, zeigen. Schon Renaut (56) und Schultze (59) haben an ihnen einen solchen gefäßdrüsigen Bau ge- funden. Dieser Ansicht auf anatomischem Gebiete sind Diamare (4—6), Massari (40), Marchioni, Jarotzki (25), Levi (32), Perdigeat und Tribondeau (öl), Pensa (50), Marassini (38) und andere, überhaupt .der größte Teil der modernen Autoren. Die Theorie der inneren Ausscheidung hat überdies, ohne jedoch zu einem endgültigen Beweise zu gelangen, eine Unterstützung gefunden, in zwei Gruppen von Tatsachen: 1. in den zahlreichen Beobachtungen der mensch- lichen Histopathologie (Veränderungen der Inseln bei dem Diabetes, Fehlen des Diabetes bei Pankreaskrankheiten mit Verletzungen der Acini und nicht der Inseln) und 2. in den Resultaten des künstlichen Verschlusses der Aus- führungsgänge des Pankreas bei Tieren. | Diese experimentellen Untersuchungen führen gerade auf die Frage über die Bedeutung der Langerhansschen Inseln. Überdies sind sie auch noch für andere sehr wichtige Probleme in der pathologischen Physiologie des Pankreas interessant. Die ersten Erfahrungen über den Abschluß der Ausführungsgänge des Pankreas gehen auf Cl. Bernard, Schiff, Schmitt u. a. zurück, die Atrophie, Sklerose, Nekrose des Pankreas nach der Injektion der Aus- führungsgänge mit Paraffin, Öl und anderen fremden Substanzen beobachteten. Pawlow (46), Arnozan und Vaillard (1) beschrieben nach Unter- bindung des Wirsungschen Ganges bei den Kaninchen perilobuläre und periacinöse Sklerose, Zerstörung der drüsigen Acini. Die sehr genauen Beobachtungen von Arnozan und Vaillard umfassen auch das Studium des Pankreas eines Kaninchens, das 1 Jahr 3 Monate nach Unterbindung des Ausführungsganges des Pankreas getötet wurde. Nach diesen Autoren folgt nach Unterbindung des Wirsungschen Ganges beim Kaninchen zuerst eine Erweiterung der Ausführungsgänge und der Acini, und sofort beginnt eine überreiche Neubildung des Binde- gewebes, die von Zerstörung des drüsigen Parenchyms begleitet ist. Die Zellen, die übrig bleiben, nebmen einen embryonalen Charakter an. Im Pankreas des Kaninchens, das 1 Jahr 3 Monate nach der Operation getötet wurde, kam der Kanal dem Volumen einer Gänsefeder durch Ver- 26 ÄARRIGO VISENTINT: dickung der Wände gleich. Nach der Erweiterung war eine vollständige Sklerose und Verstopfung des Ausführungsganges die Folge. (Die Autoren versuchten auch, jedoch vergeblich, eine Einspritzung zu machen.) Das acinöse Parenchym war vollständig verschwunden, und an dessen Stelle war Fett- und Bindegewebe getreten, zwischen welchen kleine Zellhaufen blieben, über deren Natur die Autoren nichts sagen. Sie haben überdies von neuem anerkannt, wie schon Pawlow, daß das Bindegewebe zuerst hypertrophisch, dann in einen Zustand des Rückschrittes bei der Neubildung des Bindegewebes in Fett überging. Nach dieser Operation hielten sich die Tiere bei guter Gesundheit. Bei keinem zeigte sich weder Albuminurie noch Glykosurie. Ich habe mich über die zum größten Teil in Vergessenheit geratenen Resultate von Arnozan und Vaillard ausführlicher geäußert, weil sie ein so genaues Bild von den Veränderungen im Pankreas des Kaninchens nach Abschluß seines Ausführungsganges geben, so daß auch die Autoren der neuesten Zeit, die mit Kaninchen experimentierten, nur den größten Teil der von obigen Autoren beschriebenen Befunde wiederholt haben. Vassale (67) hat 1891 zuerst die Aufmerksamkeit auch auf das Ver- halten der Langerhansschen Inseln nach Unterbindung des Wirsung- schen Ganges gelenkt. Er hat die Atrophie, das Verschwinden des acinösen Parenchyms, die Neubildung des Bindegewebes im Pankreas der vom 4. bis 115. Tage nach der Operation getöteten Kaninchen beschrieben, während die Langerhansschen Inseln gut erhalten blieben. Nie hat er Glykosurie gefunden. W. Schultze (59), der daran dachte, ein Stück des Pankreas zu iso- lieren, indem er in toto die Drüse unterband, und Sobolew (63), nachdem er beim Kaninchen zwischen beiden Unterbindungen den Wirsungschen Kanal durchschnitt, haben gesehen, daß die Langerhansschen Inseln auch dann noch erhalten blieben, nachdem das Parenchym verschwunden war. Sie haben diese histologischen Befunde beim Fehlen der Glykosurie bei den Tieren mit dem so veränderten Pankreas verglichen. Schultze und noch mehr Sobolew haben auf Grund anderer Befunde histologischer Unter- suchungen, über die ich unten berichten werde, geschlossen, daß in den Langerhansschen Inseln die Funktion des Pankreas, die durch innere Sekretion auf den Kohlehydratstoffwechsel wirkt, sich lokalisiere. Laguesse und Gontier de la Roche (31) wiederholten mit ana- logem Resultat die Erfahrungen von Schultze am Meerschweinchen. Im Jahre 1902 hat Tiberti(64), ohne das Verhalten der Langerhansschen Inseln zu beobachten, die Folgen des Abschlusses des Wirsungschen Kanales in bezug auf die Sekretion untersucht. Tiberti beobachtete zuerst eine Stockung der Ausscheidungsprodukte im Inneren der Zellen und am dritten Tage ÜBER DAS VERHALTEN DES PANKREAS. DU. eine Erweiterung der Acini und ein Aufhören der Produktion der Proto- plasmakörnchen. Die Folge war, daß der größte Teil der Zellen verschwand. Einige dagegen nahmen den Charakter embryonaler Zellen an, die Zellen- nester bildeten, die immer mehr die Struktur wahrer Acini annahmen. 2!/, Monate nach der Unterbindung hat Tiberti in dem neugebildeten Bindegewebe Acini gefunden, die aus körnerreichen Zellen bestanden. Diesen Acini hat er den Wert regenerierter drüsiger Acini beigelegt. Tiberti hat jedoch nur ein einziges Kaninchen 2!/, Monate nach der Operation untersucht. Das Überleben der Langerhansschen Inseln in dem nach Unter- bindung des Wirsungschen Kanales atrophisch gewordenen Pankreas und ‚das gleichzeitige Fehlen der Glykosurie beim Kaninchen wurden von Sauer- beck (58), Lombroso (35), Tschassownikow (66), Laguesse (29), Marassini (38) und anderen bestätigt. Laguesse (29) hat das Pankreas eines Kaninchens, ‘69 Tage nach Unterbindung und Durchschneidung des Ausführungsganges, beschrieben. In diesem Falle war das Drüsenparenchym vollständig zerstört, die Haupt- und Nebenausführungsgänge waren verstopft, nur die Langerhans- schen Inseln blieben unverändert. Diese erschienen ein wenig verschieden von den normalen, viele sehr klein, jedoch nach Laguesse zahlreicher. Sie waren von Bindegewebe und von reicher Menge Fettgewebe umgeben. Der Befund von Laguesse ist also im ganzen jenem von Arnozan und Vaillard 1 Jahr und 3 Monate nach Abschluß des Ausführungsganges beschriebenen sehr ähnlich. Laguesse hat vernachlässigt, den Harn seines Kaninchens vor der Tötung zu untersuchen. Doch für ihn konnte der Gesundheitszustand des Tieres die Existenz der Diabetes ausschließen. Diesen von vielen Autoren fast einstimmig erhobenen zahlreichen Be- funden stehen einige Beobachtungen entgegen, aus denen man den Schluß zieht, daß nach Unterbindung des Wirsungschen Kanales sich die Langer- hansschen Inseln verändern, und man Glykosurie haben kann. So verursacht nach Pende (48, 49) in Übereinstimmung mit Man- kowski (37) beim Meerschweinchen nach Unterbindung der Drüse in toto der Prozeß der Pankreassklerose, die auf die Unterbindung des Ausführungs- ganges folgt, außer dem vollständigen Verschwinden des acinösen Gewebes auch noch jenes der Langerhansschen Inseln. 300 Tage nach der Opera- tion hat Pende noch einige Inseln gefunden, aber so verändert, daß er sie nicht mehr als funktionierende ansehen konnte. In diesem Zustande war bei den Tieren, die zum Experiment gebraucht wurden, keine Glykosurie vorhanden, und die Kraft, den unter die Haut injizierten Zucker zu zer- stören, war nicht vermindert. 28 ARRIGO VISENTINI: H&don (16—20) machte bei den Kaninchen eine Öleinspritzung in den Wirsungschen Kanal vor der Unterbindung zum Zwecke der voll- ständigen Zerstörung des Pankreas, die man an die Stelle der chirurgischen Ausschneidung setzen könnte, die beim Kaninchen bei derselben Disposition dieser Drüse unmöglich ist. Hedon hatte erkannt, daß der einfache Ab- schluß des Ausführungsganges zur Atrophie des Pankreas ohne Glykosurie führt, und daß immer viele epitheliale Reste die Drüse überleben. An den Tieren, bei welchen infolge der Einspritzung des Wirsungschen Kanales mit Olivenöl eine vollständige Zerstörung des Pankreas geglückt war, hat He&don gezeigt, daß auch bei den Kaninchen ein experimenteller Diabetes auftritt, der durch eine Störung des Kohlehydratstoffwechsels verursacht wird. Die Glykosurie erschien in der Tat nur, wenn die Kaninchen mit Kohlehydraten ernährt wurden. Derselbe Verfasser teilte später mit, daß die Glykosurie nach einiger Zeit verschwunden war. Diese Beobachtungen sind von ihm nicht mit den histopathologischen Befunden des Pankreas . der so operierten Tiere verglichen worden: H&don sagt nur, daß auch nicht eine Spur von Pankreas blieb. In jener Zeit war noch nicht die Rede von der Beziehung der Langerhansschen Inseln zum Diabetes mellitus. Hedons Versuche sind von Ssobolew an drei Kaninchen wieder- holt worden, ohne Glykosurie zu erhalten. In einem Falle, in welchem das Tier nach 2 Tagen starb, hat Ssobolew gefunden, daß die Ölinjektion auch Nekrose, welche Acini und Inseln zerstört hatte, in einem Teile des Pankreas hervorgebracht hatte. Daß man nach der einfachen Unterbindung des Wirsungschen Ka- nales manchmal Glykosurie haben kann, zeigt uns Sauerbeck (58), der feststellte, daß in einigen Fällen gegen den 30. Tag die Tiere anfingen, Zucker im Urin auszuscheiden, und die histopathologische Untersuchung erwies das hiermit korrespondierende Verschwinden der Langerhansschen Inseln. Sauerbeck (58) ist nicht mehr, wie er versprach, auf dieses Argument zurückgekommen, nachdem er 1904 in Kürze über seine Be- obachtungen in Form einer vorläufigen Mitteilung berichtet hatte. Diese wurden jedoch kontrolliert durch Tschassownikow (66) an 14 Kaninchen, die nicht später als 75 Tage nach Unterbindung des Pankreas- kanales getötet wurden. Mit größter Sorgfalt hat dieser Autor vom 20. Tage an fast täglich den Harn der so operierten Kaninchen nach der Trommer- schen Methode auf Zucker untersucht und ohne Ausnahme hat er ein negatives Resultat erhalten. Neuerdings hat Tiberti (65) noch die Wirkung der Unterbindung des Pankreaskanales studiert. Im besonderen beschäftigte er sich mit dem Verhalten der Langerhansschen Inseln nach der Operation. ÜBER DAS VERHALTEN DES PANKREAS. 29 Tiberti bestätigte im großen und ganzen in der Beschreibung und Abbildung seiner histopathologischen Befunde die Beobachtungen der Autoren, welche ihm auf dem Felde dieser Untersuchungen vorangingen. Er hat in dem Pankreas der Kaninchen nach 1, 2, 3, 4, 5 Monaten nach der Unter- bindung des Wirsungschen Kanales außer dem schon bekannten histo- logischen Befund, der sich auf das Drüsengewebe bezieht, auch noch ge- drängt stehende epitheliale Zellhaufen beobachtet, die größtenteils keine Blutkapillaren hatten und die um so gedränster erschienen, je mehr sie sich von dem Zeitpunkte der Unterbindung der pankreatischen Ausführungs- gänge entfernten. Tiberti glaubt wahrscheinlich nicht, daß diese ge- drängten Zellhäufchen, die sich im sklerotischen Pankreas vom ersten bis fünften Monat nach der Unterbindung des Wirsungschen Ganges bildeten, mit den Langerhansschen Inseln eine gemeinsame Natur haben. Dagegen andere Zellhaufen, die einige Charaktere haben, die sich von denen der normalen Inseln unterscheiden, muß man nach Tiberti mit Recht als Langerhanssche Inseln ansehen. Auch ich habe vor einiger Zeit einige Erfahrungen bei der Unter- bindung des pankreatischen Ausführungsganges beim Kaninchen gemacht, die ich nicht veröffentlicht habe. Meine mikroskopischen Präparate, die denen Lombrosos, die ich gesehen habe, analog sind, wiederholen das, was von Tiberti und dem größten Teil der Autoren, welche vor ihm an Kaninchen experimentierten, beobachtet wurde. Tiberti hat mit großer Sorgfalt den Harn der Kaninchen nach dem Abschluß des Wirsungschen Ganges untersucht. Bei zweien von ihnen, die 5 Monate nach Unterbindung des pankreatischen Ausführungssganges getötet wurden, hatte den Körper ein Siechtum ergriffen und ihr Urin enthielt einige Tage vor dem Tode etwa 3 Promille Glykose. Die Tatsache, die zusammen mit jener Beobachtung von Sauerbeck eine Ausnahme bildet, bezieht sich nur auf die beiden Kaninchen, die Tiberti in lebendem Zustande bis zum 5. Monate nach der Operation erhalten hat, Ein größeres Interesse bieten die Resultate desselben Versuches bei Hunden. Nach der alleinigen Unterbindung des Hauptausführungsganges hat Vassale (67) bei Hunden, ohne Glykosurie hervorzurufen, Atrophie des- jenigen Teiles der Drüse erhalten, aus dem nicht mehr Pankreassaft aus- fließen konnte. Eine andere Reihe von Erfahrungen, die an Wert der Unterbindung der Ausführungsgänge gleich gehalten wurde, ist an Hunden wiederholt von v. Hansemann (14) gemacht worden, der nach den erhaltenen Resultaten geglaubt hat, in sicherer Weise darauf schließen zu können, dab im 30 ARRIGO VISENTINT: Pankreas infolge des Abschlusses der Ausführungsgänge nur und unver- ändert die Langerhansschen Inseln blieben. v. Hansemann hat be- obachtet, daß, wenn man das Pankreas in toto mit einem dünnen Seiden- faden unterbindet, und ihn so stark zuschnürt, daß der Ausführungsgang der Drüse abgeschlossen ist, dann nur ein Teil des Pankreasgewebes hinter dem Knoten zugrunde geht, ein guter Teil dauernd unverändert bleibt. Ein Jahr nach der Unterbindung hat v. Hansemann in dem’abgebundenen Pankreasstück reichlich Drüsengewebe gefunden, das von Bindegewebe um- geben war. Daraus schloß er, daß der pankreatische Ausführungsgang für die Existenz der Drüse nicht absolut notwendig sei. Kein Autor hat daran gedacht, daß die Erfahrungen v. Hansemanns und ihre Resultate abhängen könnten von Unvollkommenheiten in der Technik, wie ich unten zeigen werde. Diese Beobachtungen v. Hanse- manns sind nämlich völlig wertlos. Wie beim Kaninchen, so auch beim Hunde und bei der Katze, atro- phiert nach Ssobolew (a. a. O.), nach Unterbindung und Durchsehneidung der Ausführungsgänge des Pankreas der drüsige Teil in Verbindung mit den Ausführungsgängen und die Langerhansschen Inseln bleiben erhalten. Ssobolew hat gefunden, daß bald ein atrophischer und sklerotischer Prozeß des Pankreas beginnt, der von Zerstörung des Parenchymgewebes begleitet ist. Die Atrophie beim Hunde und bei der Katze schritt langsamer vor- wärts als beim Kaninchen; nach 50 Tagen der ersten Periode, in der die Beobachtungen dieses Autors beim Hunde angestellt wurden, blieben noch Läppchen der drüsigen Acini neben zahlreichen gut erhaltenen Langer- hansschen Inseln. In einigen Fällen fehlten die Veränderungen des Pankreas, weil sich die Durchgängigkeit der Ausführungsgänge wiederhergestellt hatte. Keines der von Ssobolew gebrauchten Tiere zeigte Glykosurie; jedoch magerten die Hunde und die Katzen, bei welchen nicht Wiederherstellung der durchschnittenen Gänge erfolgte. ab, und ihr Gewicht verringerte sich.- Bei ihnen war außerdem konstant Verlust des aufgenommenen Nahrungs- fettes durch den Kot vorhanden. U. Lombroso (34, 35) hat dieselben Experimente bei Abschluß der Ausführungsgänge des Pankreas beim Hunde wiederholt und hat den Schluß gezogen, daß mit der Unterbindung und Durchschneidung der beiden Aus- führungsgänge des Pankreas beim Hunde der Bau des Pankreas nicht sehr verändert wird. Das Pankreas zeigt sich bei der histologischen Prüfung sehr wenig modifiziert. Nicht nur die Langerhansschen Inseln blieben erhalten, sondern auch gut die Acini. Auch erhält sich das Pankreas nach Unterbindung und Durchschneidung eines einzigen Ausführungsganges bei- nahe normal wie in den Fällen, in denen beide Ausführungsgänge unter- bunden und durchschnitten sind. Lombroso stellt daher fest, daß die 2 g ’ ÜBER DAS VERHALTEN DES PANKREAS. 3t Unterbindung und Durchschneidung der pankreatischen Ausführungsgänge beim Hunde nicht notwendigerweise zur Atrophie und Sklerose des Organs führen müssen, obgleich sich einige dieser Phänomene finden können. Diese Beobachtungen betrafen eine Zeitperiode von längstens 140 Tagen. In keinem Falle erschien Zucker in dem Urin. Lombroso hat auch analoge Versuche bei Tauben gemacht. Er sagt, daß das Pankreas der Tauben aus drei wohl geschiedenen Teilen besteht, von denen jeder ein unabhängiges Ausführungssystem be- sitzt, so daß jeder als ein Organ für sich angesehen werden kann. Nach der Unterbindung und Durchschneidung der Ausführungsgänge des ventralen Pankreas bei der Taube beobachtete Lombroso, daß das drüsige Epithel sich zeitlich umbildet, indem es sich demjenigen des platten Typus nähert, und sich mehr oder weniger das Lumen der Ausführungs- gänge und der Acini erweitert, ohne daß daraus eine cystische Umbildung des Organs folgt. Später hat man eine Rückkehr zum Bau des Organs, der dem normalen ganz ähnlich ist. Diese Rückkehr darf man nicht für eine Regeneration halten, sondern sie besteht in der vollständigen Wieder- herstellung des spezifischen Charakters der vorherigen Elemente, welche diesen Zustand überlebt haben. Diese morphologischen Untersuchungen sind aufs engste mit einer anderen Reihe von experimentellen Versuchen Lombrosos über den Stof- wechsel verbunden, welche zum größten Teil das Fett betreffen. Wenn das Pankreas bei den Hunden verhindert wird, in den Darm abzusondern, entweder durch Unterbindung und Durchschneidung seiner Ausführungsgänge, oder indem man einen Teil des Pankreas unter die Haut nach Ausschneidung des Übrigbleibenden bringt, oder indem der Pankreassaft nach außen durch eine Fistel nach Pawlow und Unterbin- dung des Nebenganges abfließt, geschieht nach Lombroso die Nahrungs- ausnutzung fast in dem Maße wie bei dem normalen. Wenn man im Gegenteil nach einiger Zeit das so operierte Pankreas, welches nicht mehr in die Därme ausscheidet, exstirpiert, so treten sogleich oder in kurzer Zeit Störungen bei der Ausnutzung der Nahrung auf, die ähnlich denjenigen sind, die gewöhnlich nach Ausschneidung des normalen Pankreas beobachtet werden. Dies beweist, so sagt Lombroso, daß die Gegenwart des Pankreas für die Ausnutzung der Nahrung notwendig ist. Auf Grund aller dieser Resultate der morphologischen Untersuchungen beim Hunde und bei Tauben sowie diejenigen, die sich auf den Stoffwechsel beziehen, schließt Lombroso, daß das Pankreas Teil hat an einer inneren Funktion, welche Einfluß auf die Nahrungsausnutzung hat und zwar bei Hunden vermittelst ihrer acinösen Elemente. Das drüsige, acinöse Paren- 32 ARRIGO VISENTINT: chym erhält sich nach Abschluß der Ausführungsgänge, weil es Teil hat an der vorhergenannten inneren Funktion. Andere Experimente am Hunde sind von Zunz und Mayer (74) an- gestellt worden, welche nach Unterbindung und Durchschneidung der Aus- führungsgänge konstant Atrophie und Sklerose beobachtet haben. Nach diesen Autoren sind die Veränderungen von Tier zu Tier sehr verschieden, und gewöhnlich bleibt eine bemerkenswerte Anzahl von drüsigen Acini noch mehrere Monate nach der Operation bestehen. Einige der Langerhans- schen Inseln zeigen jedoch Verletzungen einiger Zellen, Verletzungen, welche der Zeit voraufgehen, welche auf die Unterbindung folgt, aber viel lang- samer, als diejenigen der Acini. Zunz und Mayer haben die Drüse nach kurzer Zeit untersucht (6 bis 38 Tage), nach Abschluß der Ausführungs- gänge, in drei Fällen nur töteten sie die operierten Tiere nach 247, 236, 444 Tagen. Sie haben auch beobachtet, daß die Unterbindung. der Aus- führungsgänge des Pankreas beim Hunde eine mehr oder weniger große Verminderung des ursprünglichen Körpergewichtes hervorruft, welche für verschiedene Zeitperioden veränderlich ist. In den meisten Fällen erlangten die Hunde nach der Verminderung mehr oder weniger schnell ihr normales Gewicht wieder zurück, und sie konnten alsdann in guter Gesundheit leben. In anderen Fällen dagegen nimmt der Verlust des Gewichtes zu, und mit größerer oder geringerer Schnelligkeit führt er das Tier zum Tode. In keinem dieser Fälle hat die Durchschneidung der pankreatischen Aus- führungsgänge Glykosurie hervorgerufen, auch nicht einmal in dem Falle, wo 27 Tage nach der Operation im atrophischen Pankreas wenige Acini und Langerhanssche Inseln blieben. Neuerdings hat Hess (21, 22) in Verbindung mit Sinn (60) feststellen können, daß das Pankreas der Hunde in der Mehrzahl der Fälle mehr als zwei Ausführungsgänge besitzt. Auch hat er gefunden, daß die Unter- bindung aller Ausführungsgänge schon nach wenigen Wochen zu einer totalen oder fast totalen Sklerose des Pankreasgewebes, zu einer reichlichen perikanalikulären inter- und intralobulären Neubildung des Bindegewebes führt, in welchem größere und kleinere Inseln gut erhaltenen Drüsengewebes sichtbar sind. Die Beobachtungen von Hess umfassen nur eine Zeit von höchstens einem Monat. Bei schneller Durchsicht obiger Seiten über die zahlreichen experi- mentellen Arbeiten, welche das Verhalten des Pankreas nach Abschluß seiner Ausführungsgänge behandeln, sieht man, daß im großen und ganzen eine Übereinstimmung zwischen dem größten Teil der Verfasser herrscht, welche zu ihren Versuchen Meerschweinchen und Kaninchen benutzten, ÜBER DAS VERHALTEN DES PANKREAS. 33 während man beim Hunde und bei der Taube verschiedene und wider- sprechende Befunde erhielt. Trotzdem es seltene Ausnahmen gibt, welche eine zu kleine und für zu kurze Zeit beobachtete Zahl von Fällen betreffen, so scheint mir doch, daß es beim Kaninchen feststeht, daß die Atrophie des acinösen Parenchyms des Pankreas nach Unterbindung des Wirsungschen Kanales gewöhnlich nicht von dem Erscheinen von Zucker im Urin begleitet ist, und daß die Langerhansschen Inseln die einzigen epithelialen Elemente des Pankreas sind, welche, obgleich etwas in ihrem Bau verändert, inmitten des neu- gebildeten Bindegewebes nach Absperrung des äußeren Pankreassaftes lebend blieben. Die erhaltenen Resultate beim Kaninchen erlauben daher nicht, in absoluter Weise festzustellen, daß bei den Tieren mit dem so veränderten Pankreas die überlebenden Langerhansschen Inseln die einzigen Organe sind, welche das Auftreten der Diabetes verhindern. Da sich infolge seiner speziellen anatomischen Lage das Pankreas mit seinen zahlreichen Ver- zweigungen zwischen den Blättern des Mesoduodenunis verteilt, so ist: beim Kaninchen eine vollständige Ausschneidung dieser Drüse und die daraus eventuell erfolgende Hervorbringung eines experimentellen Diabetes nicht möglich. Eine noch größere Wichtigkeit für die funktionelle Bedeutung der Langerhansschen Inseln würden dieselben Experimente der Unterbindung und Durchschneidung der Ausführungsgänge des Pankreas heim Hunde haben, da, wie bekannt, die. Ausschneidung des Pankreas beim Hunde möglich ist und beständig Diabetes hervorruft. Jedoch sind bei diesem Tiere die Resultate des Abschlusses der pankreatischen Ausführungsgänge nicht übereinstimmend gewesen. Die Frage des histologischen Verhaltens des Pankreas, nachdem der Ausfiuß seines äußeren Sekrets verhindert ist, ist nicht nur morphologisch, sondern auch für die Kenntnis der Langerhansschen Inseln von Wichtig- keit. Wie ich oben gezeigt. habe, sind andere Probleme damit eng ver- bunden, welche die Physiologie des Stoffwechsels im allgemeinen und die Funktionen des Pankreas bei dem Verdauungsprozeb und der Ausnutzung der Nahrung betreffen. Sie hat daher eine grundlegende Wichtigkeit in der Physiologie dieser Drüse des Verdauungssystems. Seit 1905 habe ich eine große Reihe von Versuchen — Unterbindung und Durchschneidung der Ausführungsgänge des Pankreas — beim Hunde angefangen. In letzter Zeit habe ich dieselben durch Untersuchungen am ‚Pankreas der Taube erweitert. wo Archiv f. A.u.Ph, 1908. Physiol. Abtlg. Suppl, 34 ARRIGO VISENTINI: Unterbindung und Durchschneidung der beiden Ausführungsgänge beim Hunde. Ich habe die doppelte Unterbindung und Durchschneidung zwischen den beiden Ligaturen am Haupt- und Nebenausführungsgang des Pankreas an 27 Hunden vollzogen, wobei ich nur diejenigen zähle, bei welchen ich die Operation machte, ohne Verletzung der Drüse und des Bindegewebes zwischen ihr und dem Zwölffingerdarm, und ohne postoperative Zwischenfälle. Zu den verschiedenen Zeitperioden nach dem Abschluß der Kanäle habe ich von den ersten Tagen bis zum 212. Tag das Pankreas der so operierten Tiere untersucht. Einige sind getötet, andere von selbst ge- storben. Ich habe zur Prüfung Pankreasstücke von verschiedenen Stellen der Drüse genommen und mich dabei zur Fixierung der Zenkerschen Flüssigkeit und der starken Mischung von Flemming bedient, indem ich die Einbettung in Paraffin nach der Methode der histopathologischen Technik machte. ei Für die Färbung der Schnitte habe ich die gewöhnliche Methode ge- braucht, außerdem die von v. Gieson und Mallory, um besser das Binde- gewebe in Erscheinung treten zu lassen, die von Galeotti für die Diffe- renzierung der endozellulären Zellkörnchen usw. Bei der Beschreibung der erhaltenen Befunde erscheint mir wichtig, einige Winke über die von mir befolgte Methode zu geben. In der Chloroformnarkose öffnete ich mit der größten aseptischen Vor- sicht die Bauchhöhle über der Linea alba "mit einem Schnitt von dem Bauchnabel bis zum Processus Xyphoideus des Brustbeines und holte den Zwölfingerdarm hervor, welcher beim Hunde genug beweglich ist, und welchen man zur Rechten der Wirbelsäule an der Rückenwand der Bauch- höhle findet. Die Ausführungsgänge des Pankreas raünden in jenes Stück des Duo- denums, wo der Pankreaskörper in einer Länge von 5 bis 10m sich eng an der Wand des Darmes findet. Die beiden Enden der Drüse entfernen sich dann vom Darm, der Kopf, gewöhnlich kurz, in kaudaler Richtung; der Schwanz, der mehr lang ist, in kranialer und transversaler Richtung unter dem Ductus choledochus und dem Magen bis zur Milz. Das Hundepankreas hat gewöhnlich zwei Ausführungsgänge; den’Haupt- gang isoliert man mit Leichtigkeit auf der Ventraloberfläche der Schlinge des Duodenums in dem Punkte, in dem der Kopf des Pankreas die Darm- wand berührt. Der zweite Gang, dünner, manchmal ganz fein, mündet zu- sammen mit dem Duetus Choledochus in die Vatersche Ampulla, in welcher sie sich rechtwinkelig vereinigen. ÜBER DAS VERHALTEN DES PANKREAS. 35 In allen Fällen habe ich beide Gänge isoliert und sie fest mit einem starken Seidenfaden unterbunden und dann zwischen beiden Unterbindungen durchschnitten. Nachdem man sich einige Übung erworben hat, kann man die Ope- ration in wenigen Minuten ausführen und gewöhnlich ohne die Gefäße zu lädieren. Während der Operation glaubte ich in einigen Fällen einen dritten noch feineren Ausführungsgang zu finden und zu unterbinden. Jedoch fehlt mir ein sicherer Beweis dafür. Nachdem ich die Schlinge des Duodenums in die Bauchhöhle getan, nähte ich schnell in drei Schichten die Bauchwand zu. In den ersten Tagen nach der Operation (2.—3.—5.) kann man makro- skopisch beobachten, daß das Pankreas in einem gewissen Grade hyperämisch ist, und an den histologischen Präparaten findet man eine allgemeine Stau- ung des Saftes in den Ausführungsgängen und in den Acini. Das Proto- plasma der pankreatischen Zellen zeigt deutlich zwei Zonen, die innere, helle, an Körnchen reiche bildet fast den ganzen Zellenkörper; die äußere ist intensiver gefärbt und bildet eine dünne Protoplasmaschicht an der Basis der Zellen, wo man auch den Kern findet. In dem interstitiellen Bindegewebe beobachtet man eine leichte kleinzellige Infiltration. Tötet man die Hunde 8 bis 10 Tage nach der Unterbindung und Durchschneidung der Ausführungsgänge, so findet man in ihrem Pankreas anfänglich eine lebhafte perilobäre und perilobuläre Bindegewebsneubildung, welche manchmal auch periacinös ist. Die Tatsachen, welche von der Stauung des Saftes abhängen, werden auffallender. Einen Befund von größtem Interesse habe ich 20 bis 22 Tage nach der Operation erhalten. Das Pankreas war verkleinert und hatte eine körnige Oberfläche von derber Konsistenz. Im Querschnitt erschien der zentrale Duktus der Drüse sehr erweitert und angefüllt mit einer Flüssigkeit, welche den Charakter des Pankreassaftes hatte. Bei der mikroskopischen Prüfung habe ich außerdem die enorme Verbreiterung der Haupt- und Nebenausführungsgänge bemerkt und auch eine starke Erweiterung des größten Teiles der drüsigen Acini. In den abgeplatteten Zellen war der Kern gegen die Basis gedrückt, das Protoplasma war vollgepfropft mit fuchsinophilen Körnchen. Die Neubildung des Bindegewebes war sehr stark, das junge Bindegewebe umgab die pankreatischen Lobuli und wand sich zwischen den Acini, besonders da, wo die Stauung des Saftes und die Er- weiterung der drüsigen Acini größer war. Auf den Gefrierschnitten, gefärbt mit Sudan III, habe ich um die noch gut erhaltenen pankreatischen Gewebs- inseln eine sehr deutliche Zone beobachten können, besetzt von Zellen in fettiger Degeneration, liegend zwischen den Bindegewebselementen, welche Dt 36 ÄARRIGO VISENTINT: die Lobuli umgaben und sich zwischen ‚den drüsigen Acini befanden. Diese in fettiger Degeneration begriffenen Zellen waren etwas klein, von ver- schiedener Form, nicht klar begrenzt, mit homogenem Protoplasma und Vakuolen. Der Kern färbte sich schlecht und stellte Veränderungen von Chromatolisis dar. Diese Zellen waren nur in der so beschriebenen Zone, umgeben von pankreatischen Lobuli, und in dem reichlichen Binde- gewebe fand man nicht andere Zellen, welche Fett enthielten. Ich habe geglaubt, diese in Degeneration begriffenen Elemente als pankreatische Zellen erklären zu können, welche im Bindegewebe infolge des Prozesses fort- schreitender Sklerose, welcher in die Lobuli durch ihre Peripherie eindrang, geblieben und bestimmt waren, zugrunde zu gehen. Bei den später als 45 bis 50 Tage getöteten Tieren hatte das Pankreas an Volumen und Gewicht sehr abgenommen. Die Sklerose war vermehrt, die Lobuli des pankreatischen Gewebes mit normalem Bau blieben, die Langerhansschen Inseln erhielten sich unverändert. Später (80—100—120—130 Tage) fand man, daß die Atrophie und die Vermehrung des Bindegewebes immer größer wurden, die pankreatischen Lobuli geringer; einige von den Zellhäufchen von Langerhans, immer von normalem Bau, bleiben in den Lobuli inmitten der überlebenden pan- kreatischen Acini, andere sind in der Zone zwischen den pankreatischen Lobuli und dem reichlichen neugebildeten Bindegewebe; andere endlich sind vollständig isoliert im Bindegewebe. Diese letzte Tatsache, von der ich nötig finde, die Aufmerksamkeit auf sie zu lenken, zeigt sich um so deutlicher, je weiter man sich bei den getöteten Hunden von der Zeitperiode der Unterbindung und Durchschneidung der Ausführungsgänge entfernt, wenn auch die überlebenden Drüsenlobuli geringer sind, und einige von ihnen nur aus wenigen Acini bestehen. In dieser Periode (80 bis 100 Tage) finden sich neben den Langerhansschen Inseln normalen Baues andere von solidem Bau, Zellhaufen, in denen die Gefäße fehlen oder wenig zahl- reich sind, und dies besonders in den Inseln, welche sich an der Peripherie der kleinen pankreatischen Lobuli finden und zwischen den Acini und dem diese umgebenden Bindegewebe sind. In der Folge stellen die Langerhans- schen Zellhäufchen, welche sich im neugebildeten Bindegewebe isoliert finden, wieder ihren normalen Bau her. Es scheint, daß der chronische und fort- schreitende Skleroseprozeß, wie oben gesagt, von der Peripherie her:in die Lobuli eindringt, indem er die Acini zerstört und die Langerhänsschen Inseln unverändert läßt. Während man noch nach 80 bis 100 Tagen eine sehr bemerkenswerte Erweiterung der Ausführungsgänge fand, umgaben später die Bindegewebs- bündel auch die Ausführungsgänge, und es schien, daß sie einen Druck auf sie ausübten, so daß ihr Lumen vermindert ist. 1 os r r ÜBER DAS VERHALTEN DES PANKREAS. Zwei Fälle, welche ein sehr großes Interesse und einen gleichen histo- logischen Befund haben, verdienen besondere Beachtung. Das eine Versuchs- objekt wurde nach 160 Tagen getötet und das andere starb von selbst 212 Tage nach Unterbindung und Durchschneidung der Ausführungsgänge. Das Pankreas war bei diesen Hunden ein dünner Faden von fibrösem Gewebe mit körniger Oberfläche geworden; bei dem Tiere, das 160 Tage nach der Operation getötet wurde, wog das Pankreas 78m, es war etwa 5 m lang und hatte einen Durchmesser von höchstens 3!1/,"”, Bei der histo- logischen Prüfung ist der Überrest des Pankreas im Durchschnitt fast ganz .aus Bindegewebe zusammengesetzt; zahlreiche durchgängige Blutgefäße, starke Arterien und Venen, die alten Gefäße des Pankreas, haben sich in den Schnitten besonders gegen die Mitte hin vereinigt und stellen nur eine leiehte Verdiekung der Wände dar. Inmitten der Schnitte findet man einen Haufen von Bindegewebe, in welchem man zwei Schichten unterscheiden kann, eine helle, zentrale Schicht, welche wie schleimiges Gewebe aussieht, pyknotische Kerne und chromatische Fragmente enthält und eine um- gebende Schicht von faserigem Bindegewebe, intensiver gefärbt, reich an Gefäßen, von welchem Bindegewebsbündel ausgehen, die sich auf der Peri- pherie verteilen. Identische kleinere Häufchen findet man an anderen Stellen der Schnitte. Ich glaube, daß man diese Bindegewebsbildungen ihrer Lage im atrophischen Pankreas, ihrem Bau und dem Fehlen an anderer Stelle nach, welche die alten Ausführungsgänge der Drüse darstellen, mit Recht ansehen muß als Reste von verschwundenen Pankreaskanälen, um so mehr, da ihr Bau vollkommen demjenigen ähnlich ist, welcher die Aus- führungsgänge des Pankreas des Kaninchens unter identischen Bedingungen darstellt, beschrieben von Laguesse, nach mehr als 2 Jahre nach der Operation. Die Bindegewebsbündel begrenzen mit ihren Verzweigungen Gewebs- inseln, welche in deutlicher Weise mit den alten Lobuli korrespondieren, und in ibnen findet man die epithelialen Reste der Drüse, welche aus- schließlich, und das verdient ganz besondere Beachtung, als Zellhäufchen angesehen werden müssen, welche ihrem Bau und ihrem Charakter nach nicht von den normalen Langerhansschen Inseln unterschieden werden können. Im Pankreas des Hundes, der 212 Tage nach der Operation getötet wurde, sind die Bildungen vielleicht weniger zahlreich und deutlich. Neben den genau typischen Langerhansschen Inseln gibt es andere von Binde- gewebe durchdrungen, welche sich zwischen die Zellen schlängeln. An einigen Stellen findet man Zellen, welche durch ihre Anordnung auf sehr veränderte pankreatische Zellen schließen lassen; in einem einzigen Falle ist es mir bei den zahlreichen Serienschnitten gelungen, einen noch ziemlich 383 ARRIGO VISENTINI: gut erhaltenen Acinus zu beobachten. Umgeben von Bindegewebe blieben auch Nerven und nervöse Ganglien in ihrer Beschaffenheit so, wie man sie im normalen Pankreas findet. Bei dem nach 160 Tagen getöteten Hunde wie auch bei den anderen existierte keine Glykosurie, bei jenem nach 212 Tagen gestorbenen fand man Zuckerspuren im Harn (5 bis 6 Promille). Bei meinen Hunden war außerdem eine sehr deutliche Steatorrhöe vorhanden; die Menge des durch den Kot verlorenen Fettes war groß (40 bis 50 bis 60 Prozent des Nah- rungsfettes) und bestand zum größten Teil aus Neutralfeit (70 bis 80 Prozent). Gleich nach der Operation fingen die Tiere an, an Gewicht abzunehmen, gewöhnlich war die Abmagerung schon nach 30 bis 40 Tagen sehr bemerk- bar und sehr schwer erschien sie bei den Hunden nach 100 Tagen. Bei sieben Hunden jedoch ist das Resultat verschieden von den jetzt beschriebenen gewesen, als Folge der Unterbindung und Durchschneidung der Ausführungsgänge. Bei mehreren von diesen Tieren, selbst auch lange Zeit nach der Ope- ration (185 Tage) hat man nicht eine Spur von Abmagerung finden können, keinen Gewichtsverlust und bei einigen von ihnen habe ich keine makro- skopische Atrophie des Pankreas beobachtet; bei anderen war eine Ver- minderung des Volumens der Drüse entstanden, jedoch nicht in dem Maße, wie in den oben beschriebenen Fällen. Die mikroskopische Prüfung hat mir erlaubt, das Vorhandensein größerer normaler, acinöser Gewebeinseln zu konstatieren, welche umgeben und getrennt waren von in geringem Grade vermehrtem Bindegewebe. In zweien dieser Fälle habe ich bei der Obduktion das Vorhandensein eines durchgängigen Ausführungskanales feststellen können, und ich habe gedacht, daß er mir bei der Operation entgangen wäre. Bei anderen drei Fällen neuester Zeit habe ich gefunden, daß der Hauptausführungsgang, welchen ich ohne Zweifel durchschnitten hatte, 60, 65, 135 Tage nach der Operation soweit wieder hergestellt war, daß eine in den zentralen Gang der Drüse eingespritzte Flüssigkeit unter sehr geringem Druck in den Darm gelangen konnte. Bei sieben Fällen also, welche ein von der Norm verschiedenes Bild darstellten, kann man in fünf Fällen außer Zweifel setzen, daß der Pankreas- saft noch wenigstens einen Ausflußweg hatte (den Hauptweg); bei den anderen beiden Fällen habe ich keinen Befund, welcher mich zu einer ähnlichen Behauptung autorisiert, ich bin jedoch verleitet, sie als wahr- scheinliche Hypothese anzunehmen, um so mehr, da solche Fälle, welche bei den zuerst operierten Tieren vorkamen, nicht jener genauen Kontrolle unterlagen, welche ich in genauer Weise später angestellt habe. ß UBER DAS VERHALTEN DES PANKREAS. 39 Abschließend scheint mir, dab das Ganze meiner Beobachtungen, ein- schließlich jenes negativen Resultates, sich zum Ende in ein neues günstiges Argument auflöst und mich autorisiert, zu behaupten, daß „nach der Unter- bindung und Durchschneidung der beiden Ausführungsgänge des Hunde- pankreas gewöhnlich eine starke und vorschreitende makro- und mikroskopische Atrophie des Organes folgt, die Drüse wird der Sitz eines lebhaften und stufenweisen Sklerosepruzesses mit fortschreitender Zerstörung des acinösen Gewebes. In einigen Fällen geschieht später das vollständige Verschwinden der drüsigen pankreatischen Acini und die sklerotische Verstopfung der . Ausführungsgänge; die Langerhansschen Inseln behalten den morpho- logischen Charakter, welchen sie gewöhnlich im Hundepankreas besitzen. Die Gefäße erhalten sich zahlreich“. Unterbindung und Durchschneidung der beiden Ausführungsgänge des vorderen Teiles des Pankreas bei den Tauben. Bej meinen Untersuchungen an den Tauben habe ich mich an die Ex- perimente Lombrosos über Unterbindung und Durchschneidung der Aus- führungsgänge des vorderen Taubenpankreas angeschlossen, dessen Befunde, obwohl sie feststehen könnten, doch eine schwerwiegende Einwendung bei den Resultaten, welche ich am Hunde gehabt, und bei dem Schluß über sie, zulassen würden. Bevor ich bei der Taube mit der Unterbindung und Durchschneidung der Ausführungsgänge anfing, schien es mir unumgänglich, mit Genauigkeit die Morphologie des Pankreas bei diesem Tiere und die Beziehungen zwischen den bei ihm beschriebenen verschiedenen Teilen des Pankreas zu unter- suchen. Es war nötig, daß ich bei diesem Punkte verweilte, da die An- sichten darüber verschieden waren. Pugnat meint, daß bei der Taube drei verschiedene Pankreasteile existieren, von denen jeder einen unab- hängigen Ausführungsgang besitzt. Diese anatomische Anordnung und die Beziehungen der Teile zueinander waren für die Versuche von Lombroso grundlegend, da er sie als richtig ansah. Bei anderen Vögeln (Sperling) hat Giannelli (12) festgestellt, daß diese anatomische Unabhängigkeit zwischen den verschiedenen Teilen des Pankreas nicht existiert. Zu diesem Zwecke habe ich eine große Anzahl von Bauchspeicheldrüsen einer genauen makroskopischen Prüfung unterworfen. Bei den Serien- schnitten der ganzen Drüse mit der Schlinge des Duodenums, in welcher sie und ihre Ausführungsgänge stehen, habe ich genaue mikroskopische Beobachtungen angestellt. Bei meinen Untersuchungen über die Morphologie des Pankreas bei Columba livea (70) habe ich gefunden, daß das Pankreas bei diesem Tiere 40 ARRIGO VISENTINT: aus einem vorderen und einem hinteren Teil besteht. Der letztere zieht sich nach oben bis in die Nähe der Leber und der Milz, senkt sich nach vorn und bildet gewöhnlich einen kleinen Teil, welcher nach Giannelli Juxtasplenicus genannt wird. Dieser geht in mehreren Fällen oft in den vorderen Teil des Pankreas über. Der vordere Teil hat wahrscheinlich seinen Ursprung in der Vereinigung der beiden embryonalen vorderen An- lagen des Pankreas (mit jedem von ihnen korrespondiert ein Ausführungs- gang). In einigen Fällen kann er mit dem Teile Juxtasplenicus des hinteren Pankreas und auch direkt mit dem hinteren Pankreas selbst durch Brücken des pankreatischen Parenchyms vereinigt sein, in welchen man oft Aus- führungsgänge findet, die von einem Teil in den anderen gehen; in einem solchen Falle hat man auch bei der Taube ein vereinigtes Pankreas. In anderen Fällen dagegen bleiben die beiden Teile des Pankreas voll- ständig unabhängig voneinander. Diese anatomischen Varietäten im Pankreas der Tauben finden ihre logische Erklärung in der Art und Weise, nach welcher sich das Pankreas der Vögel entwickelt. Diese Varletät in ihrem Wesen läßt sich auf eine mehr oder weniger vollständige Vereinigung der drei ersten embryonalen Anlagen der Bauchspeicheldrüse zurückführen. Die Unterbindung und Durchschneidung der beiden Ausführungsgänge des vorderen Teiles des Pankreas bei den Tauben ist vom technischen Standpunkte sehr leicht. Die Ausführungsgänge sind so lang, daß es mög- lich ist, sie an zwei Stellen zu binden und ein Stück des Kanales zwischen den Ligaturen zu durchschneiden, gewöhnlich ohne ein Gefäß zu verletzen. Die Tauben vertragen diese Operation sehr gut. Ich habe diese Operation an 17 Tauben vollzogen, welche alle lebend blieben und von mir zu verschiedenen Zeiten (genau 5, 6, 8, 12 [2], 14, 16 [2], 18, 25, 35, 53, 66, 90, 138, 155, 176 Tagen) nach der Operation, der Unterbindung und Durchschneidung der vorderen Ausführungsgänge, getötet wurden. In jedem Falle habe ich große Sorgfalt auf die Beobachtung der An- ordnung und der verschiedenen Beziehungen der Pankreasteile zueinander im Augenblick der Operation verwendet. Bei einigen nur habe ich, nach- dem sie getötet waren, eine aufmerksame makroskopische Prüfung angestellt. Kleine Stücke der Drüse habe ich zumeist mit Zenkerscher Härtungs- - flüssigkeit fixiert. Bei den letzten 5 Tieren habe ich für nötig gehalten, durch das ganze Pankreas Serienschnitte zu machen, fixiert und eingebettet in toto mit der Schlinge des Zwölffingerdarmes, welcher es umeibt. Die Resultate, welche ich bei der Taube nach Abschluß der Ausfüh- rungsgänge des vorderen Teiles des Pankreas erhalten habe, sind nicht immer dieselben, man kann sie jedoch hinsichtlich ihrer von Exemplar zu Exemplar ÜBER DAS VERHALTEN DES PANKREAS. 41 verschiedenen anatomischen Anordnung, welche ich beschrieben habe, in zwei Gruppen vereinigen. Wie ich oben gesagt habe, ist das vordere Pan- kreas der Taube manchmal mit dem hinteren vereinigt, und manchmal gänzlich isoliert, und entsprechend dieser doppelten anatomischen Varietät ist auch das makro- und mikroskopische Verhalten des vorderen Pankreas- teiles nach der Unterbindung und Durchschneidung seiner beiden Aus- führungsgänge ein verschiedenes. Wenn der vordere Teil des Taubenpankreas unabhängig ist vom Reste des Pankreas, so daß man es als eine einzige Drüse ansehen kann, so be- obachtet man nach einigen Tagen eine immer stärker werdende Erweiterung der Ausführungsgänge und der drüsigen Tubuli. 8 bis 12 Tage nach der Operation ist die Drüse stark verändert, in den Schnitten sieht man, daß das Pankreas aus zystischen, oft sich vereinigenden, von Zellen ausgekleideten Höhlungen besteht. Erstere sind die exokrinen Elemente der Drüse, ab- geplattet, fast lamellenartig, mit klarem, chromatinarmem Kern. Zwischen den so veränderten pankreatischen Tubuli bemerkt man eine leichte kleinzellige Infiltration, an einigen Punkten Häufchen von Lymphoid- gewebe, welche der Regel nach sich sehr häufig im Pankreas der Vögel finden. Die Langerhansschen Inseln haben nicht gänzlich teil an der so starken Veränderung des drüsigen Parenchyms, sie behalten ihren nor- malen Bau. Bei den nach mehr als 16 bis 18 Tagen nach der Operation getöteten Tauben sah man schon mit bloßem Auge den vorderen Teil des Pankreas, etwas verringert an Volumen, von bleicherer Färbung und vermehrter Kon- sistenz. Die Stummel der unterbundenen und durchschnittenen Ausführungs- gänge waren bemerkenswert verbreitert. Bei den Schnitten hatte man im ganzen die Tatsache der vorauf- gegangenen Stadien, jedoch jetzt noch deutlicher. Das intertubuläre und perivasale Bindegewebe war vermehrt, zahlreicher und vergrößerter waren jene Gewebshäufchen von Iymphoidem Bau, welche oben erwähnt sind. Während dieser Periode findet man schon isolierte Langerhanssche Zellhäufehen von normalem Bau, andere blieben noch in den Resten des exokrinen Gewebes, welches immer geringer wurde. Nach 25 Tagen ist die Atrophie des Pankreas noch bemerkbarer, die Verbreiterung der Ausführungsgänge und Tubuli am größten, das Lymphoid- gewebe umgibt Gewebszonen, welche aus zystischen Höhlungen bestehen, die manchmal von den Wänden gefallene Zellen enthalten. Diese Höhlungen sind mit Zellen ausgekleidet, welche abgeplattet sind, mit homogenem Proto- plasma, mit vesikulösem, hellem, chromatinlosem Kern. Dieses stark ver- änderte pankreatische Gewebe ist zumeist von einer Bindegewebsschicht umgeben, welche sich zwischen die so veränderten Tubuli schlängelt. 42 ARRIGO VISENTINT: Die von den Tubuli unabhängig gebliebenen Langerhansschen Inseln zeigen sich in ihrem Bau und ihrem Verhalten zu den Farbstoffen voll- ständig identisch mit den normalen Inseln; diejenigen dagegen, welche von pankreatischen Tubuli umgeben sind, erscheinen zusammengedrückt durch das Gewebe, in welchem sie stehen. Die epithelialen Säulen liegen dicht nebeneinander und sind durch feine Kapillargefäße getrennt, in welchen nur wenige rote Blutkörperchen sind. Das Protoplasma der Zellen ist klar hydropisch und färbt sich weniger intensiv, als das der isoliert gebliebenen Langerhansschen Zellhäufchen. Andere Inseln finden sich an der Peripherie der Reste des exokrinischen Gewebes und zeigen fast normalen morphologischen und chromatischen Charakter. Nach 53 Tagen nach der Durchschneidung der Ausführungsgänge ist das Volumen des vorderen Pankreasteiles so weit verringert, daß es ein kleines Gewebsstreifehen von derber Konsistenz ist, das an einigen Stellen durch die Verbreiterung des Ausführungsganges eine kleine Cyste bildet. Bei der mikroskopischen Prüfung der Pankreasschnitte sieht man, daß noch kleine Gewebeinseln bleiben, welche aus erweiterten und sklerotischen Pankreastubuli -bestehen und die beinahe den oben beschriebenen Charakter behalten. Dieses durch die Absperrung des äußeren Saftes so stark ver- änderte exokrine Gewebe wird um so geringer, je weiter man sich von der Operation entfernt; nach 138 bis 176 Tagen blieben nur noch an einigen Stellen wenige von diesen erweiterten Tubuli, welche zu Gruppen vereinigt waren. Bei einigen von ihnen waren die abgeplatteten Zellen, welche die Wände bekleiden, verschwunden. Das atrophische Pankreas (53—66—138—176 Tage) zeigt sich in den äußeren Teilen hauptsächlich bestehend aus Gewebe von Iymphoidem Bau, reich an Gefäßen, in welchen man zahlreiche Langerhanssche Inseln findet, die sich nieht unterscheiden lassen von denen des normalen Pankreas. Dies kann man in klarer Weise an meinen Präparaten sehen, bei denen eine solche Vergleichung möglich ist, weil man bei den Schnitten neben dem vorderen atrophischen Pankreas noch das hintere, nicht operierte und von normalem Bau gebliebene Pankreas findet (vgl. nebenstehende Figg. 1 und 2). Im mittleren Teil ist das vordere Pankreas oft fast gänzlich auf eine zystische Höhlung zurückgeführt durch die enorme Erweiterung des zentralen Pankreasganges. Jedoch findet man leicht normale Langer- hanssche Inseln im Bindegewebe, das immer größer wird, je weiter man sich von der Operation entfernt und diesen so erweiterten Ausführungs- gang umgibt. Es ist nötig, daß ich daran erinnere, daß ich bei den 66, 138, 176 Tage nach der Operation getöteten Tauben die Bauchspeicheldrüse ÜBER DAS VERHALTEN DES PANKREAS. 43 in toto mit der Schlinge des Duodenums, welches sie umgibt, eingebettet und von dem ganzen Stück Serienschnitte gemacht habe, so daß ich sicher feststellen konnte, daß bei ihnen der vordere Teil des Pankreas unabhängig vom hinteren war. Ganz verschieden von obigem ist das histologische Verhalten des vorderen Pankreasteiles bei der Taube nach Unterbindung und Durchschneidung der Ausführungsgänge, wenn es sich mit dem hinteren vereinigt. #91. Fig. 2. Duodenalschlinge bei Columba livea (Linn.). Duodenalschlinge bei Columba livea (Linn.). Normal. a) Vorderer Pankreasteil mit 66 Tage nach Unterbindung und Durch- b) seinen Ausführungsgängen. ce) Lobulus schneidung der Ausführungsgänge des juxtasplenicus des hinteren Pankreasteiles. vorderen Teiles des Pankreas. d) Aufsteigender Ast des Duodenums. a) Vorderer Pankreas — atrophisch. e) Absteigender Ast desselben. c, d, e) wie bei Fig. 1. Die Tauben, die ich 12, 14, 16, 35, 90, 155 Tage nach der Opera- tion getötet habe, zeigten schon makroskopisch eine geringe Verminde- rung des Volumens der Drüse, und noch stärker erschien sie im unteren Teil des vorderen Pankreas, welcher oft, wie oben gesagt, geteilt ist von dem oberen Teil desselben Pankreas durch eine mehr oder weniger tiefe Spalte. Bei diesen Tauben war der vordere Teil des Pankreas mit dem hinteren entweder durch den sogenannten Juxtasplenicus lobulus oder direkt durch 44 ARRIGO VISENTINT: pankreatische Parenchymbrücken vereinigt. Dies habe ich in einigen Fällen mit aufmerksamer makroskopischer Prüfung während der Operation und nach dem Tode der Taube, in anderen Fällen durch Serienschnitte des ganzen Pankreas mit der Duodenalschlinge, die es umgibt, beobachtet. Bei den Tauben dieser zweiten Gruppe, getötet nach 12—14—-16 Tagen, habe ich bemerkt, daß jene stärkste Erweiterung der pankreatischen Tubuli, die man schon nach 6 bis 12 Tagen nach dem Abschluß der Gänge erhielt, wenn das vordere Pankreas isoliert ist, hauptsächlich in dem unteren Teile des Vorderpankreas vorhanden war, je weiter man sich von dem Punkte entfernte, in dem das vordere Pankreas sich mit dem hinteren vereinigte. In dem ihm benachbarten Teile war die Fktasie dagegen viel weniger deutlich und nur in wenigen Tubuli, bei anderen Tauben fehlte sie gänzlich. In dem ganzen Pankreas war eine geringe Sklerosis und parvizelluläre Infiltration. Ich habe Serienschnitte durch das ganze vordere Pankreas bei zwei Tauben gemacht, von denen die eine 90, die andere 155 Tage nach der Operation getötet wurde: auch bei diesen habe ich in den mehr unteren und von der Gewebsbrücke entfernteren Punkten des Pankreas, welche die beiden Teile des Pankreas verband, eine ziemlich starke Ektasie der drüsigen Tubuli mit Vermehrung des interstitiellen Bindegewebes beobachtet. Diese Veränderung verschwindet an der Stelle, an der jene Spalte ist, die, wie ich mehrere Male wiederholt habe, gewöhnlich das vordere Pankreas in zwei Teile teilt, die durch den Pedunculus vereinigt werden. Der Rest des Pankreas stellt histologisch normalen Bau vor. Im ganzen kommt man zu dem Schluß, daß das vordere Pankreas aus zwei Teilen sich zusammensetzte; der eine bestand aus ein wenig verbreiterten und ver- änderten Tubuli, der andere aus normalem Parenchymgewebe. Bei diesen beiden Fällen existiert in den Parenchymbrücken, welche den vorderen und hinteren Pankreasteil verbanden, wie auch bei den nor- malen Tauben, ein Kanal, welcher die Ausführungsgangssysteme der beiden Teile verband; in einem Falle zeiet dieser Kanal eine sehr starke Ver- breiterung. Diese Befunde wiederholen sich immer wieder, und mir scheint, daß sie ohne Zweifel ein sicheres Merkmal sind, um das verschiedene Verhalten des vorderen Pankreasteiles nach der Durchschneidung seiner Ausführungs- sänge bei den verschiedenen Exemplaren von Columba livea zu erklären. Man kann daraus schließen, daß „mit jeder Wahrscheinlichkeit die pan- kreatischen Tubuli unverändert bei Tauben nur dann bestehen, wenn sie das Produkt ihrer Funktion nach außen schicken können. Wird dagegen sicher und dauernd das Abfließen des Pankreassaftes verhindert, so entsteht auch bei den Tauben Atrophie des Pankreas, Veränderungen und Ver- ÜBER DAS VERHALTEN DES PANKREAS. 45 schwinden des exokrinen Gewebes und das Bleiben der Langerhansschen Zellinseln mit normalem Bau.“ Die Tatsachen, welche ich aus meinen Versuchen bei Tauben gezogen habe, beweisen, daß der Bestand der pankreatischen Tubuli eng mit der Möglichkeit des Ausflusses des Pankreassaftes verbunden ist. Andererseits habe ich bei Hunden feststellen können, daß bei einer ziemlich großen Zahl von Tieren, bei welchen nach Unterbindung und Durchschneidung der Ausführungsgänge vollständige Atrophie des Pankreas nicht die Folge war, diese Drüse einige Zeit nach der Operation noch ihre äußere Sekretion in die Därme ergießen konnte. Durch diese neuen Tatsachen bin ich von der Notwendigkeit einiger weiterer Versuche überzeugt, um festzustellen, welche Fehler es sind, die man bei der Technik solcher Versuche — bei der Unterbindung und Durchschneidung der Ausführungsgänge des Pankreas beim Hunde — begeht. Um einen Punkt der Frage zu erklären, habe ich zuerst die Versuche v. Hansemanns an 4 Hunden wiederholt. Ich habe feststellen können, daß die Unterbindung des Pankreas in toto gewöhnlich 'nicht zum dauernden Abschluß der Ausführungsgänge der Drüse führt, und deshalb konnte nicht in sicherer Weise der Abfluß des Sekretes aus dem Teil des Pankreas, welcher hinter der Unterbindung steht, verhindert werden. In allen Fällen, in denen ich diesen Versuch gemacht habe, habe ich durch eine sorgfältige Injektion der Ausführungsgänge feststellen können, daß nach einiger Zeit der zentrale Kanal der Drüse von neuem durchgängig geworden war. Das- selbe hat man auch bei einer anderen Drüse, der Leber, beobachtet. Dies würde in der Tat beweisen, daß die einfache Unterbindung der Ausführungs- gänge nicht genügt, um den Ausfluß der Galle in den Darm zu verhindern. Schon nach 8 Tagen ist es möglich, daß die Durchgängigkeit sich hergestellt hat (Sisto, 61). Ein anderer Faktor, der beim Hunde das histologische Verhalten des Pankreas nach Abschluß der beiden Ausführungsgänge verändern lassen kann, ist das eventuelle Vorhandensein eines dritten Ausführungsganges. Rosenberg (57) bezweifelt auf Grund der Resultate seiner Unter- suchungen die Existenz von Nebenausführungsgängen im Hundepankreas, Hess (21, 22) hat neuerdings von einigen Hunden die Röntgenphoto- graphie des Pankreas hergestellt, nachdem er die Ausführungsgänge mit 331/, prozentigem Bromipin injiziert hatte. Und er hat so elegante Photo- graphien des Ausführungsgangsapparates der Drüse erhalten. Mit dieser 46 ÄARRIGO VISENTINT: Methode ist es Hess geglückt, zu beweisen, daß das Pankreas des Hundes auch einen dritten Ausführungsgang besitzen kann. Er behauptet außer- dem, daß diese Eventualität häufig ist und daß man in einigen Fällen auch vier Ausführungskanäle finden kann. Ich habe bis jetzt an 8 Hunden dieselben Versuche wiederholt; es besaß kein Pankreas, bei dem ich die Ausführungsgänge injiziert hatte, einen akzessorischen Ausführungskanal, wenigstens kommunizierend mit dem Ausführungsgangssystem der Drüse. Aber ich hatte die Möglichkeit einiger Varietäten der anatomischen Anordnung der beiden Haupt- und Nebenkanäle, welche erwähnt werden müssen, feststellen können. Der Hauptausführungsgang ist in den meisten Fällen einzeln und teilt sich kurz vor seiner Mündung in den Zwölffingerdarm im pankreatischen Parenchym in zwei Hauptäste, die beinahe bis in die Mitte der Drüse laufen. Der kürzere verteilt sich über den Kopf, der längere über den Schwanz des Pankreas. Auf dem ganzen Laufe verzweigen sie sich in Nebenäste, die sich abermals verzweigen und endlich in den Acini ver- schwinden. Am Hauptzweig, welcher bis an das Ende des Schwanzes geht, entspringt gewöhnlich ein kleiner Kanal, der Nebengang, der sich gegen den Darm wendet, wo er zusammen mit dem Choledochus in die Vatersche Ampulla mündet. Der Hauptausführungsgang kann nicht nur allein sein, sondern auch aus zwei Zweigen bestehen. Der Nebengang kann sehr fein sein und in einigen Fällen gänzlich fehlen, außerdem kann er sich mit dem Ast des Hauptganges, der sich über den Kopf des Pankreas verteilt, vereinigen; auch kann er selbst einen der beiden zentralen Zweige des Ausführungs- gangssystemes der Drüse bilden, endlich kann er aus zwei Zweigen, die zusammen in die Vatersche Ampulla münden, bestehen. Eine solche Verschiedenheit der anatomischen Anordnung erklärt, wie ein Fehler in der Technik bei der Operation manchmal möglich ist. Das Vorhandensein eines dritten akzessorischen Ausführungsganges ist jedoch nach meinen Beobachtungen selten. Auch Ssobolew hat einen dritten Ausführungsgang auch nur einmal bei 14 von ibm operierten Tieren gefunden. Ich habe die Gelegenheit gehabt, einige Male die voll- ständige Ausschneidung des Pankreas beim Hunde zu machen und ich habe niemals akzessorische Ausführungsgänge getroffen. Ich glaube, daß alle Forscher, die noch mehr als ich diese Erfahrungen bei Hunden wiederholt haben, würden anerkennen können, daß die Existenz eines dritten pan- kreatischen Kanales eine sehr seltene anatomische Varietät ist. Ich glaube, daß man die größte Wichtigkeit einer anderen Ursache, die den Abfluß des äußeren Sekrets in das Duodenum nach der Unter- bindung und Durchschneidung der Ausführungsgänge möglich macht, zu- ÜBER DAS VERHALTEN DES PANKREAS. 47 geben muß, nämlich die Möglichkeit einer anatomischen und funktionellen Wiederherstellung der Ausführungsgänge selbst. Diese sehr häufige Even- tualität, die auch Ssobolew mit kurzen Worten berührt, ist durch meine Beobachtungen bewiesen worden. Auf diesen Punkt der Frage, der für die experimentelle Physiopatho- logie des Pankreas sehr wichtig ist, und auf die Modalität dieses Wieder- herstellungsprozesses durchschnittener Ausführungsgänge behalte ich mir vor, In einer nächsten Mitteilung zurückzukehren. Schluß. Über die von mir an Hunden und Tauben gemachten experimentellen Untersuchungen lassen sich die folgenden Sätze aufstellen: A. Die beim Hunde durch die Unterbindung und Durchschneidung des Hauptausführungsganges und des akzessorischen des Pankreas erhaltenen Resultate kann man in zwei Gruppen vereinigen. I. In die erste Gruppe gehört der größte Teil der Fälle (20), bei denen auf den Abschluß der Ausführungsgänge makro- und mikroskopische Atrophie des Pankreas, eine starke Sklerose und fortschreitende Zerstörung des acinösen Gewebes gefolgt ist. In einigen Fällen habe ich das voll- ständige, an anderen fast vollständige Verschwinden der drüsigen Acini und die Verstopfung der Ausführungsgänge durch Sklerose angetroffen. Die Langerhansschen Inseln bewahrten zum größten Teil ihren normalen Bau und blieben infolge des Atrophie- und Sklerosierungsprozesses vereinigt, vollständig isoliert im neugebildeten Bindegewebe. Bei allen Hunden war eine sehr deutliche Steatorrhöe vorhanden, und es fehlte jede Spur von Zucker im Harn, auch wenn man im atrophischen Pankreas inmitten des reichlichen Bindegewebes keinen Lobulus gut er- haltenen pankreatischen Gewebes fand, und die einzigen überlebenden epithelialen Elemente nur Zellhäufchen waren, welche man durch das Ge- meinsame ihres Charakters als Langerhanssche Inseln erkennen konnte, Nur in einem einzigen Falle habe ich eine sehr leichte Glykosurie (5 bis 6 Promille) angetroffen. Diese ist sehr viel kleiner als beim eigentlichen Pankreasdiabetes nach Exstirpation des Organs. II. Zur zweiten Gruppe gehören einige Hunde (7), bei welchen ich nur einen kleinen Fettverlust durch den Kot und eine geringe und nicht immer vorhandene Abmagerung beobachtet habe. Bei der mikroskopischen Prüfung des Pankreas, das manchmal eine Verkleinerung des Volumens zeigte, habe ich das Vorhandensein großer normaler acinöser Gewebeinseln festgestellt. 48 ARRIGO VISENTINI: Also habe ich beim größten Teile dieser Fälle zeigen können, daß das Pankreassekret noch frei in das Duodenum abfließen konnte. Andere Ver- suche haben mich autorisiert, zu sagen, daß diese Tatsache entweder von einem Fehler der operativen Technik, der infolge der häufigen anatomischen Varietäten des Ausführungsgangssystemes der Drüse nicht schwer ist oder von dem seltenen Vorhandensein eines akzessorischen Ausführungsganges, am häufigsten jedoch von einer anatomischen und funktionellen Wieder- - herstellung der unterbundenen und durchschnittenen Ausführungskanäle abhängig ist. B. Das Panlıreas der Taube besteht aus zwei Teilen, einem hinteren und einem vorderen, die bei einigen Tieren vollständig geschieden sind, so daß jeder ein Organ für sich bildet. In anderen Fällen dagegen sind sie vereinigt und bilden ein einziges Pankreas. In bezug auf die doppelte anatomische Anordnung steht auch bei der Taube das Verhalten des vorderen Teiles des Pankreas nach der Unterbindung und Durchschneidung zwischen den beiden Knoten seiner Ausführungsgänge nicht fest. Die Resultate dieser Operation lassen sich zu zwei Gruppen vereinigen. I. .In der ersten Gruppe finden wir die Fälle, bei welchen nach Ab- schluß der Ausführungsgänge Atrophie des vorderen Pankreas mit starker und andauernder Veränderung, und später vollständiges Verschwinden der drüsigen Tubuli folgt, während die Langerhansschen Inseln in zahlreichem Maße ihren normalen Bau bewahrt haben. Dies habe ich bei den Tauben gefunden, bei denen der vordere Teil des Pankreas sich vollständig iso- liert fand. ll. In den Fällen dagegen, in denen der vordere Teil des Pankreas mit dem hinteren vereinigt war, war die Reduktion des Volumens des Organs gering und auber den Langerhansschen Inseln blieben zahlreiche unveränderte pankreatische Tubuli erhalten. Ich habe hier bewiesen, wie die von mir bei den Tauben erhaltenen Resultate nach Abschluß der Ausführungsgänge des vorderen Pankreas den irfahrungen entsprechen, die ich beim Hundepankreas gemacht habe, und wie die einen die anderen reziprok unterstützen können. Mir scheint, daß solche Resultate in sicherer Weise als bisher festzustellen gestatten, wie das Verhalten des Pankreas nach andauerndem Abschluß seiner Ausführungs- gänge Ist. „Beim Hunde und bei der Taube tritt im Pankreas Atrophie auf, wenn dauernd der Abfluß seines äußeren Sekretes verhindert wird, das acinöse Parenchym verändert sich und endet mit Verschwinden. Die Langerhansschen Inseln behalten ihren normalen Bau. Ohne Zweifel gibt es Fälle, in denen Atrophie des Pankreas nicht stattfindet, aber diese IT: In ÜBER DAS VERHALTEN DES PANKREAS. 49 Tatsache ist wahrscheinlich verbunden mit der Möglichkeit, daß das Sekret einen Weg nach außen findet.“ Diese Tatsachen stimmen in ihren letzten Folgen überein mit denen, die zahlreiche Forscher beim Kaninchenpankreas nach Unterbindung des Wirsungschen Kanales beschrieben haben. Mir scheint, daß sie ein Argu- ment zugunsten der Hypothese sind, die den Langerhansschen Inseln die innere Funktion des Pankreas zuspricht, welche den Kohlehydratstoffwechsel reguliert. Diese Resultate stimmen überein mit den histopathologischen Beobachtungen (68) (ich hebe dies hervor), welche in der Tat zu der An- sicht führen, daß die anatomische Grundlage des Diabetes mellitus in den Langerhansschen Inseln zu suchen ist. Archiv f. A.u.Ph. 1908, Physiol, Abtlg. Suppl. 4 50 ARRIGO VISENTINT: Literaturverzeichnis. 1. Arnozan et Vaillard, Archives de Physiol. normale et pathol. 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Lille 1907. 31. Lagnesse et Gontier de la Roche, Compt. Rend. de la Soc. de Biol. de Paris. 1902. T. LIV. 32. G. Levi, Anatomischer Anzeiger. 1904. Bd. XXV. Nr. 12 u. 13. 33. S. Lewaschew, Archiv für mikroskopische Anatomie. 1886. Bd. XXVI. ÜBER DAS VERHALTEN DES PANKREAS. 51 wo ie U. Lombroso, Archivio di Fisiologia. 1906. Vol. III. Fase. 11. Derselbe, Torino Tipografia Sacerdote. 1906. Derselbe, Gazzetta Med. Ital. 1907. A. LVIIL. No. 48. Mankowsky, Nachrichten der kaiserl. Universität Kiew. 1900. Marassini, ZAiv. di Fisica, Matemat. e Scienze Naturali. (Pavia) 1907. > 5 IH a 0 wm 0 an A. VI 39. Martinotti, Giornale della R. Acc. med. di Torino. 1888. 40. Massari, Pendie. della R. Accad®. dei Lincei. Vol. VII. F.5. Roma 1898. 41. Mouret, Oompt. Rend. de la Soc. de Biol. 1894. Ann. XLVI 42. Derselbe, Journ. de U’ Anat. et de la Physiol. 1895. Ann. XXXI. 43. A. Opel, Lehrbuch. Jena 1900. 44. E. Orrü, Bollett. R. Acc. Med. di Roma. 1899. A. XXV. Fasc. 3—7. 45. Ottolenghi, Affi della R. 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Erklärung der Abbildungen. (Taf. V u. VI) Tafel V. 2 Fig. 1. Hund. — Verbreiterte pankreatische Acini. 22 Tage nach der Unter- bindung und Durchschneidung der Ausführungsgänge. — Galeottische Methode — Mikroskop. Koristka. Ok. komp. 4. Obj. om Imm. !/,,- Fig. 2. Hund. — Pankreas nach 75 Tagen nach dem Abschluß der Ausführungs- gänge. — Hämalaun-Orange G. — Ok. komp. 4. Obj. 5 Kor. Fig. 3 Hund. — Pankreas nach 104 Tagen nach dem Abschluß der Aus- führungsgänge. — v. Gieson-Färbung. — Ok. komp. 4. Obj. 5 Kor. Fig. 4& Hund. — Pankreas nach 160 Tagen nach dem Abschluß der Aus- führungsgänge. — v. Gieson-Färbung. — Ok. komp. 4. Obj. 5 Kor. Tafel VI. Fig. 5. Taube. — Vorderer Teil des Pankreas nach 12 Tagen nach der Unter- bindung und Durchschneidung der Ausführungsgänge. — Färbung nach v. Gieson. — Ok. komp. 4. Obj. 7* Kor. Fig. 6. Taube. — Durchschnitt der Duodenalschlinge. — a) Hinterer Teil des Pankreas — normal. — 5) Atrophischer, vorderer Teil des Pankreas nach 138 Tagen nach Abschluß seiner Ausführungsgänge. — Hämalaun-Eosin. — Vergrößerung ?),. Fig. 7. Taube. — Vorderer Teil des Pankreas nach 176 Tagen nach Abschluß seiner Ausführungsgänge. — Hämalaun-Eosin. — Ok. 3. Obj. 5 Kor. Beiträge zur Kenntnis der menschlichen Herztätigkeit. Dritter Teil.! Von K. F. Wenckebach in Groningen, (Hierzu Taf. VII—IX,) Fortgesetzte Beobachtungen am kranken Menschen zeigen immer mehr, daß die klinisch wahrnehmbaren Störungen der Herztätigkeit mit denjenigen, welche im Experimente durch die verschiedensten Eingriffe hervorgerufen werden, eine sehr große Ähnlichkeit haben. Die Feinheit des natürlichen Experimentes beim Menschen und die relativ große Genauigkeit und Viel- seitigkeit der jetzigen klinischen Untersuchungsmethoden verleihen der ge- nauen Analyse der beim Menschen beobachteten Störungen der Herztätigkeit nicht nur einen klinischen, sondern auch einen rein physiologischen Wert. Mir scheint es deshalb noch immer wünschenswert, diese Beobachtungen unter die Augen der Physiologen zu bringen. Um so mehr, als sich aus der genauen Analyse dieser Störungen therapeutische Fragestellungen er- geben, welche von der Physiologie und der Pharmakologie noch nicht be- antwortet werden können. Immer dringender tut sich bei der täglichen Arbeit am Krankenbette die Frage bei mir vor, welche Mittel imstande wären, die einzelnen Faktoren der Herztätigkeit und des peripheren Gefäß- systems in positivem oder negativem Sinne zu beeinflussen. Auch die hier folgenden Beobachtungen, welche für den Menschen neue Formen von Arhythmie betreffen, geben zu solchen therapeutischen Fragestellungen Anlaß. Sie seien deshalb den experimentellen Forschern zur Kenntnisnahme empfohlen. ! Siehe dies Archiv. 1906. Physiol. Abtlg. S. 297 und 1907. 8. 1. 54 K. F. WENCKEBACH: XI. Über einfache Störung der Reizleitung mit emanzipierter Kammertätigkeit. Die Kurven Figg- 1, 2, 3 stammen von einer 35jährigen Frau, welche vom 30. Dezember 1905 bis zum 20. Dezember 1906 wegen chronischer, interstitieller Nephritis mit urämischen Anfällen und zeitweiliger Herzinsuf- fizienz in meiner Klinik verblieb. Die anfänglich auf Myokarditis gestellte Diagnose haben wir fallen lassen. Das Herz zeigte zwar die verschiedensten funktionellen Störungen unter Einfluß der urämischen Intoxikation und auch der Medikation, erholte sich aber immer wieder bei Besserung der Nieren- tätigkeit. Es handelte sich somit um funktionelle Störung der Herztätigkeit, der Herzmuskel selbst war noch in ziemlich gutem Zustande und die Pa- tientin verließ schließlich in verhältnismäßig gutem Befinden die Klinik. Während ihres Aufenthaltes in der Klinik war es manchmal möglich, die gestörte Einzelfunktion des Herzens mit Sicherheit nachzuweisen. Von den klinisch äußerst wichtigen Krankheitserscheinungen wird hier nur die gestörte Herztätigkeit und zwar diese nur während einer kurzen Periode beschrieben werden, weil es hier eine besondere Form von Störung der Reizleitung betraf. In den Kurven sind Kardiogramm, Venenpuls der rechten Jugularvene, Radialpuls und die Zeit in !/,, Sekunden registriert. Das Kardiogramm, welches in Fig. 3 die bekannte Vorhofszacke am Anfang der Erhebung zeigt, bietet in den Figeg. 1 und 2 eine Einziehung (negative Welle) während der Vorhofsystole (A,). Ob eine positive oder eine negative Welle erhalten wurde, hing von der Lagerung der Patientin während der Aufnahme ab, sowie von der Stelle der Brustwand, an welche der Aufnahmetrichter angesetzt wurde. Es ist klar, daß diese negative Welle, welche ich später in vielen Kardiogrammen wiederfand (siehe auch Figg. 12 und 13), dadurch verursacht wird, daß die Vorhöfe bei ihrer Kon- traktion die Kammer auf- und von der Brustwand wegziehen. Wie das möglich ist, ja sogar erwartet werden könnte, geht aus den in dem ersten Teil dieser Arbeit (20, Seite 306) zitierten Untersuchungen von Keith hervor: die Muskeln der Vorhöfe ziehen bei ihrer Kontraktion die Basis der Ventrikel herauf und rückwärts. Wir haben somit in dieser negativen a-Welle den Ausdruck der Muskelbewegung selbst der Vorhöfe zu sehen. Die positive Welle scheint wohl mehr ein Pulsphänomen zu sein, verursacht durch das Hineinströmen des Blutes in die Kammer. Wir dürfen deshalb den’ Moment des ersten Auftretens der negativen a mit mehr Recht als zeitbestimmenden Punkt für den Anfang der A, betrachten, als die oft sehr mangelhaft aus- gebildete und auch etwas später kommende positive a-Zacke des Kardiogramms. Bemerkenswert ist die Einziehung des systolischen Plateaus des Kardio- gramms, falls die Vorhofsystole bei dissoziierter Kammertätigkeit mit der BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER MENSCHLICHEN HERZTÄTIGKEIT. 55 Y, zusammentrifit. In Fig. 2 ist diese Erscheinung im Kardiogramm der 12., 19., 26., 29. Systole zu sehen. Genau die nämliche Erscheinung fanden wir in einem Falle von Herzblock, welcher demnächst von einem meiner Sehüler veröffentlicht werden wird. Hier ist der Effekt der A, auf das Kardiogramm, solange 4, und V, nicht zusammentreffen, eine hohe, zu- gespitzte Erhebung. Sobald aber A, und V, zusammentreffen, findet sich eine scharfe Einziehung des systolischen Plateaus im Augenblicke der 4,. Hier findet sich also der positive und der negative Effekt der A, in der nämlichen Kurve. Das Pulsphänomen des durch die Vorhöfe in die Kammer . geworfenen Blutes kann sich natürlicherweise nicht ausbilden, falls die Kammer gerade in Kontraktion verkehrt. In diesem Augenblicke kommt daher nur die die Kammer von der Brustwand wegziehende Verkürzung des Vorhofsmuskels zum Ausdruck. In der Kurve des Venenpulses ist die Vorhofswelle a.gut ausgebildet; eine kleine c-Welle, welche durch ihre Form ihre Herkunft von der arteriellen Carotiswelle verrät, ist als Zeichen der Tätigkeit des linken Ventrikels vor- handen, von den diastolischen Wellen ist wenig zu sehen. Ende Oktober 1906 hatte Patientin eine stark urämische Periode durch- gemacht. Es waren chlorfreie Diät, Diuretin, Tet. Strophanti, auch Coffein verordnet und Patientin erholte sich wieder. Diurese, Herztätigkeit und Allgemeinbefinden besserten sich augenfällie. Der Puls, dessen Frequenz bis über 100 pro Minute gestiegen war, wurde weniger frequent, kräftiger, zugleich aber unregelmäßig. Aus dieser Periode stammt allererst die Fig. 1. Der Radialpuls zeigt regelmäßige Intermittenzen, welche kürzer sind als die doppelte Herzperiode. Die erste Periode nach diesen Intermittenzen ist bedeutend länger als die folgenden. Wir finden hier somit die Zeichen gestörter Reizleitung, welche ich vor mehreren Jahren in der allerersten Publikation über diesen Gegenstand schon beschrieben habe (18). Die Beweise für die Annahme dieser Störung finden wir im Venenpulse, noch deutlicher aber im Kardiogramm. Die a-Wellen des Venenpulses und die mit denselben korrespondierenden Einziehungen im Kardiogramm treten ganz regelmäßig auf in einer Perioden- länge von 20-5 bis 21 dreißigstel Sekunden. Nach jeder vierten A, bleibt eine V, aus. Daß Leitungsstörung die Ursache dieses Ausfallens ist, geht hervor aus der Verlängerung des A— V-Intervalles bei jeder Systole. Bei der ersten Systole nach der Pause ungefähr 4 dreißigstel Sekunde, wird es bei der zweiten schon auf 7.5, bei der dritten bis auf 9.5 verlängert; bei der vierten Systole wird der Reiz überhaupt nicht mehr oder nicht in ge- nügender Intensität weitergeleitet, der motorische Impuls erlöscht und die V, bleibt aus. 56 K. F. WENCKEBACH: Die Besonderheiten der Leitungsstörung in diesem Falle entsprechen vollkommen der Beschreibung, welche ich in meiner eben erwähnten Arbeit von derselben gegeben habe. Bei vorhandener Störung schadet die erste nach einer Pause und nach daraus erfolgter Erholung des Herzens ein- tretende Systole der Leitung so sehr, daß bei der zweiten Systole dieselbe schon viel langsamer vor sich geht, das Intervall A,—V, daher schon be- deutend verlängert erscheint. Die nachfolgenden Systolen vermögen dann das Intervall nur wenig mehr zu verlängern. Gerade diese Eigentümlichkeit ist es, welche die erste V,-Periode nach der Pause länger macht, als die späteren Perioden; ein Verhalten, welches den Nachweis dieser Störung aus dem Radialpulse allein möglich machte. Es ist vielleicht nicht überflüssig, nochmals darauf aufmerksam zu machen, daß dieses besondere Verhalten der Reizleitung nicht nur dem jetzt so populär gewordenen A—V- Bündel und dem Tawaraschen Reiz- leitungssystem eigen ist, sondern eine Eigenschaft des ganzen Herzmuskels ist. Die von mir (a. a. O.) zitierten und abgebildeten Engelmannschen Kurven des Froschherzens zeigen die nämlichen Besonderheiten auch für jeden beliebigen Teil des Herzens. Und in dieser Hinsicht scheinen mir ganz rezente Untersuchungen von Biggs (1) von Bedeutung, in welchen nachgewiesen wird, daß zwar das Übergangsbündel den einzigen Weg von den Vorhöfen zu den Ventrikeln darstellt, sofort aber nach dessen Zwei- teilung nach rechts und links die Durchschneidung der einzelnen Äste die Reizleitung durch den ganzen Komplex beider Ventrikel nicht im geringsten stört. Die Leitung findet also auch innerhalb des Herzmuskels in allen Richtungen statt und ist nicht an den Verlauf der Verzweigungen des Reizleitungssystems gebunden. In Fig. 1 ist das Verhalten von Vorhöfen und Ventrikeln bei der ein- fachen Leitungsstörung zwischen A und V sehr deutlich ausgeprägt. In anderen und zwar den meisten der in dieser Periode bei der Kranken auf- genommenen Kurven ist die Sache etwas mehr kompliziert. In Fig. 2, wo übrigens die Kurven die nämliche Form als in Fig. 1 zeigen, ist die Herz- tätigkeit etwas ruhiger, die Frequenz etwas geringer (Periodendauer 22 bis 25 dreißigstel Sekunde). Durch diese geringere Frequenz wird das Leitungs- vermögen weniger schnell erschöpft als in Fig. 1 und treten. daher längere Gruppen von Systolen auf, bevor Ausfall einer 7, eine Pause hervorruft. Eine solche längere Reihe von ununterbrochenen Systolen findet 'sich am Anfang und auch am Ende der Fig. 2. In den acht Systolen der ersten Gruppe wächst das Intervall A,—YV, von 5 bis auf 10 dreißigstel Sekunden. Auch hier ist nach der ersten Systole schon die Hälfte der Verlängerung des Intervalles erreicht. Nach der neunten A, wird der Reiz nicht mehr geleitet, eine V, fällt BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER MENSCHLICHEN HERZTÄTIGKEIT. 57 aus: bei der zehnten wird er wieder auf die Ventrikel übertragen, nach der elften aber wieder nicht. Bevor jetzt die zwölfte A, auftritt, ziehen sich die Kammern, wie es scheint spontan, zusammen und erst während dieser spontanen Kammerkontraktion erscheint im richtigen Augenbliek die nächste A,» Diese macht sich im Kardiogramm in der eben beschriebenen Ein- ziehung des systolischen Plateaus kennbar, im Venenpulse durch eine «a- Welle, welche besonders hoch erscheint, durch den der rechte Vorhof jetzt nicht imstande war, seinen Inhalt in die kontrahierte rechte Kammer hinein zu pressen, daher die Muskelapparate an den Venenveränderungen forzierte und eine Blutwelle in die Venen zurückwarf. Die Frage, welcher Natur diese unerwartete V, ist, ob eine spontane oder eine vielleicht nach sehr verzögerter Leitung doch noch vom normalen Reize hervorgerufene, läßt sich aus dem weiteren Verlaufe der Kurve leicht entscheiden. Von der 13. Systole an finden wir wieder drei Schläge mit normaler Schlagfolge von A und Y. Bei der 16. fällt V, aus und dann folgen nicht eine, sondern zwei von diesen unerwarteten Ventrikelsystolen, denn offenbar wird bei der 17. die eben angefangene, noch nicht beendete 4A, zu früh von einer 7, unterbrochen. Das nämliche findet sich bei den 24., 25. und 27., bei der 29. und bei der 35. Systole. Berechnen wir nun an der chronoskopischen Kurve die Zeit, welche zwischen der letzten normalen und dieser unerwarteten V,, und die Zeit zwischen den einzelnen abnormalen V, ab, so finden wir, daß diese fraglichen Ventrikel- systolen einen eigenen, festen Rhythmus zeigen, und zwar von 39, 395, einmal von 40 dreißigstel Sekunden Periodendauer. Diese Rhythmi- zität zeigt, daß es sich hier um spontane, rhythmisch im Ventrikel selbst ausgelöste Systolen handelt. Sobald die normalen Reize durch Leitungs- störung die Ventrikel nicht erreichen und dadurch für diese eine Pause entsteht, welche länger als 39 dreißigstel Sekunden dauert, finden die Kammern Gelegenheit, ihre eigene Automatie zu entfalten, und fangen, genau so wie beim Herzblock, in eigenem langsamen Rhythmus zu schlagen an. Es entsteht dadurch eine Interferenz zwischen der Tätigkeit der Vor- höfe mit derjenigen der Kammern, eine Interferenz, welche aus den hier abgebildeten Kurven sehr schön hervorgeht. Sobald der normale Reiz so fällt, daß das Hissche Bündel sich zur Leitung des Reizes durch genügend lange Pausen wieder erholt hat, werden die Ventrikel derselben wieder ge- horchen. Betrachten wir noch einmal das Kardiogramm von der 16. Systole an, so finden wir, daß die 17. 4, schon angefangen hat, die Kammern aber nach 39 dreißigstel Sekunden spontan schlagen. Die 18. A, folgt jetzt so schnell, daß der Reiz nicht geleitet wird. Nach abermals 39 dreißigstel Sekunde ziehen sich aber die Kammern wieder zusammen, und erst nach dem Anfang dieser V, erfolgt die 19. A, Nach 27 dreißigstel Sekunden 58 K. F. WENCKEBACH: kommt die 20. A,. Diese Periode war offenbar lang genug, um die Leitung von A nach / genügend herzustellen, der Reiz wird wieder geleitet, (4,—V/,; = 4-75 dreißigstel Sekunde) und sogar noch zwei normale Sys- tolen folgen. Der Fall zeigt also eine Kombination von einfacher Leitungsstörung mit dissozierter Kammertätigkeit und bietet ein hübsches Paradigma der Unterordnung des immer vorhandenen, langsamen Kammerrhythmus unter den von den proximalen, venösen Herzabschnitten hergeleiteten Sinus- ıhythmus. Bei der genaueren Analyse wird man finden, mit welcher fast mathematischen Präzision der Herzmechanismus arbeitet und wie deutlich hier die bekannten Gesetze der Reizleitung, so die Abhängigkeit der Leitungs- geschwindigkeit von der vorhergehenden Ruhezeit und der Anzahl vorher- gehender Systolen, illustriert sind. Die myogene Selbstregulierung des Herzens findet in diesem Falle ebenfalls ein hübsches Beispiel. Das Besondere dieses Falles ist offenbar die bei der bestehenden Leitungsstörung vorhandene stark entwickelte Automatie der Kammer. Beim Herzblock, wo die Leitung zwischen A und 7 gänzlich aufgehoben ist, findet man für gewöhnlich eine Kammerfrequenz von 33—43 pıo Minute. Hier ist die eigene Kammerfrequenz 46 pro Minute, eine Frequenz welche meines Wissens für Herzblock nicht beschrieben worden ist. Dieser hohen Frequenz der emanzipierten Kammer verdankt dieser Fall die be- schriebene Eigentümlichkeit. Es ist klar, daß bei schnellerer Folge der normalen Reize, bei höherer Vorhofsfrequenz, die Kammern nicht die Ge- legenheit finden werden, ihre eigene Automatie zu entfalten. weil bei V;- Ausfall der nächste normale Reiz ihr immer wieder zuvorkommen wird (vgl. Fig. 1). Der weitere Verlauf dieser Funktionsstörung bei unserer Patientin bot noch mehrere bemerkenswerte Erscheinungen dar, wovon hier eine erwähnt zu werden verdient. Bei der Verbesserung des allgemeinen Zu- standes der Patientin verschwanden bald die Leitungsstörung und die oben beschriebene Interferenz von A, und V,. Nur dann und wann trat die Erscheinung nochmals zutage. Dann aber blieb es in den ersten Wochen möglich, durch Druck auf die Halsvagi eine ähnliche Störung hervorzurufen. Sehr verschiedene Vaguseffekte wurden aufgezeichnet. Von diesen wird hier nur die Fig. 3 besprochen. Das Kardiogramm zeigt hier, wie schon her- vorgehoben wurde, eine positive a-Zacke. Die Herzperiode mißt 20°— 22 dreißigstel Sekunden. Druck auf beide Halsvagi, welcher bei der dritten der hier abgebildeten Systole anfing, hatte nach wenigen Sekunden erstens einen negativ-chronotropen Eflekt, wie aus der Verlängerung der a-Periode hervor- BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER MENSCHLICHEN HERZTÄTIGKEIT. 59 geht: von 25 stieg sie bis auf 35 dreißigstel Sekunde. Zu gleicher Zeit aber macht sich ein negativ-dromotroper Effekt geltend. Trotz der längeren Periodendauer, welche eher geeignet wäre, die Leitung von A nach V zu verbessern, verlängert sich das Intervall 4— V, wie bei der neunten Systole schon aus der Betrachtung des Kardiogramms allein hervorgeht. Die zehnte 4, hat, wie Kardiogramm und Venenpuls zeigen, keinen Fffekt auf die Kammern, die Leitung ist hier aufgehoben, und es tritt eine lange Pause in der Kammertätigkeit auf. Die Kammern aber warten nicht, bis wieder eine 4, kommt, sondern ziehen sich automatisch zusammen, in einer Periodendauer von 46°, einmal von 42° dreißigstel Sekunde. 4, folgt auf Y, oder fällt mit ihr zusammen, bis beim Aufhören der Vaguskompression die 13. 4, wieder eine V, und zwar die 12. V, hervorruft; dann nehmen chronotrope und dromotrope Einflüsse gleichmäßig ab und die normale Schlagfolge stellt sich wieder her. Drei A, hatten keinen Efiekt auf die Kammern, zwei automatische Kammersystolen treten statt dessen auf und der Radialpuls folgt natürlich der Schlagfolge der Kammern und zeigt somit anfänglich den langsamen Rhythmus des ganzen Herzens, später den automatischen Rhythmus der Kammern. In physiologischer Hinsicht ist es interessant, daß die automatischen Kammerschläge hier nicht genau rhythmisch sind und die Periode eine längere ist als in Fig. 2, wo der Vagus nicht gereizt wurde; es scheint somit, daß dieser Eingriff auch auf die dissoziierten Kammern einen Einfluß ausübt. Bei der sehr verlangsamten Schlagfolge der Vorhöfe hatten die Kammern natürlich mehr als sonst die Gelegenheit, ihre automatische Tätigkeit zu entfalten. Es könnte die Frage aufkommen, ob nicht auch ein negativ-inotroper Effekt vorhanden war, weil die Höhe des Kardiogramms während der Vaguswirkung stark abgenommen hat. Es ist aber meines Brachtens nicht erlaubt, diesen Schluß aus den an der Thoraxwand genommenen Kardio- grammen allein zu ziehen, dazu ist die Größe derselben zu sehr von anderen Einflüssen, von der Lage des Herzens und ganz besonders von der Atmung abhängig. In allen drei hier abgebildeten Kurven ändert sich die Höhe des Kardiogramms mit den Respirationsphasen. Während der Inspiration schiebt sich die Lunge etwas zwischen Brustwand und Herz hinein und wird das Herz durch die Hebung der Rippen und die Senkung des Zwerch- fells in eine andere Lage zur Brustwand gebracht. Während der Vagus- kompression hielt die Kranke vielmals den Atem in Inspirationsstellung an, daher könnte das Kardiogramm weniger hoch erscheinen. Aus der Radialis- kurve läßt sich von einer kleinen Blutwelle als Folge einer schwächeren Herzikontraktion auch nichts erkennen. 60 K. F. WENCKEBACH: Mit diesen Bemerkungen nehme ich von diesen Kurven, welche noch andere Besonderheiten zeigen, Abschied und wende mich zur Beantwortung der Frage, ob eine ähnliche Emanzipation der Kammern bei nur mäßig gestörter Reizleitung in der Literatur beschrieben worden ist, wenn viel- leicht auch nicht als solche erkannt. v. Tabora (17) hat diese Störung im Experimente wiederholt gesehen. So beschreibt er unter anderem auf Seite 504 Experimente, in welchen zunächst vereinzelte Kammerausfälle auftreten; „der einer ausgefallenen T’,, also nach der Pause, folgende Schlag ist meist unabhängig vom Vorhof, automatisch, die weiteren dagegen wieder abhängig; der Vorhofsrhythmus erfährt dabei keine Änderung.“ In seinen Versuchen finden sich mehrere solehe Beobachtungen, welche mit den hier beim Menschen gefundenen Tatsachen gut übereinstimmen. Hierbei verdient aber hervorgehoben zu werden, daß unsere Patientin nur vereinzelt Digitalis oder Strophantus genommen hat, und während der Leitungsstörungsperiode sicher nicht unter Einfluß dieser Medikamente stand. Zwei klinische Fälle sind bis jetzt beschrieben worden, welche sich in der oben geschilderten Weise deuten lassen. Der erste ist ein von Mackenzie 1902 beschriebener Fall (14), den ich in meinem Buche über die Arhythmie (19, Seite 92 und 93) zu deuten versuchte. Nachdem ich den hier beschriebenen Fall kennen gelernt habe, zweifle ich nicht, daß es sich in diesem Mackenzieschen Falle um die nämliche Störung handelte und in seinen Figg. 2 und 3 wirklich A, und V, zugleich sich kontrahierten, wobei die /, dann eine automatische war. Der stringente Beweis läßt sich hier aber nicht beibringen, weil die Erscheinung jedesmal nur einmal auftrat und somit der eigene Rhythmus der Kammer sich nicht nachweisen ließ, wie in meinem Falle. Den zweiten Fall hat neulich Joachim veröffentlicht (8), denselben aber nicht richtig gedeutet. Joachim spricht von einer paroxysmellen Leitungsstörung, plötzlich unter Nerveneinfluß auftretend und nur einige wenige Pulsschläge überdauernd. Dabei nimmt er dann eine solche Ver- zögerung der Leitung zwischen A und 7 an, wie noch nie, weder beim Menschen noch im Tierexperimente zur Beobachtung kam. Die beigegebenen Kurven sind zu kurz, um mit Sicherheit entscheiden zu können, was hier vorgeht; sie lassen sich aber ungezwungen aus Kammerausfall ‘mit dissozi- ierter Kammertätigkeit erklären, und einen Beweis dafür könnte man in den in gleichen Distanzen liegenden langsamen V, sehen, welche im Anfang der zweiten Kurve zu finden sind. Ich zweifle kaum, daß beim Nachsuchen seiner Kurven Joachim Stellen finden könnte, wo die Rhythmizität der emanzipierten Kammersystolen deutlicher hervortritt und eine Abhängigkeit BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER MENSCHLICHEN HERZTÄTIGKEIT. 61 der so spät auftretenden 7, von der Vorhofstätigkeit, wie Joachim diese annimmt, sich mit Sicherheit ausschließen läßt. Die Frage, ob es sich in diesem Falle überhaupt um Leitungsstörung handelt, kann an den beigegebenen Kurven nicht mit Sicherheit entschieden werden. Zwar ist das Intervall a—c etwas zu lang, es fehlt aber die Ver- zögerung der Leitung vor, die schnellere Leitung nach den eingetretenen Pausen. Es bleibt also die Möglichkeit offen, daß der Kammerausfall infolge von Reizbarkeitsstörung stattfindet. Solche Fälle sind von Hay (4) und von mir (20) beschrieben worden. Endlich die paroxysmelle Steigerung der Leitungsstörung (oder Reiz- barkeitsstörung?) durch Nerveneinfluß, welche von Joachim angenommen wird. Wer mehrere Fälle von Leitungsstörung wahrgenommen hat, weiß, daß nach Ablauf der Periode typischer Leitungsstörung mit regelmäßigem Systolenausfall oft noch viele Tage lang nur dann und wann einzelne Schläge ausfallen können. Schon in dem allerersten von mir beschriebenen Falle (18) dieser Art ließ sich diese Erscheinung nachweisen. Ich vermag deshalb nicht einzusehen, weshalb hier paroxysmeller Nerveneinfluß im Spiele sein sollte. Zwar scheint es, als ob auch eine Verzögerung der Vorhöfe und somit des ganzen Herzens vorhanden ist. Beim genauen Aus- messen der Kurve läßt sich aber eine Verzögerung nicht mit Sicherheit nachweisen und es wäre wünschenswert, diese Frage an größeren Kurven- reihen zu kontrollieren. Schließlich läßt sich also der Joachimsche Fall vorläufig nicht als paroxysmelle Leitungsstörung erklären, sondern als einfache Leitungsstörung mit zeitweise automatischer Kammertätigkeit. XII. Vorhofsextrasystole infolge von Dissoziation durch Leitungsstörung. Die hier beschriebenen Kurven stammen von einem 16jährigen Mädchen, welches in schwerkrankem Zustande in die Klinik eingeschickt wurde. Es war ein Fall von akuter Infektion des Herzens, welche in wenigen Monaten zum Tode führte und, wie klinisch und anatomisch festgestellt wurde, sub- akute Perikarditis, Myokarditis und Endokarditis verursacht hatte. Als sie des elenden Zustandes wegen unter anderem mit Cardiotonica behandelt wurde, wurde der äußerst frequente Puls langsamer, zugleich aber unregelmäßig oder vielmehr allorhythmisch. Diese Allorhythmie war von einer sehr eigentümlichen Form. (Figg. 4 bis 6.) Nach Gruppen von meistens 4 bis 6 Schlägen trat eine kurze Pause ein. Während der Gruppe aber nahm man bei der Auskultation eine bedeutende 62 K. F. WENCKEBACH: Zunahme der Intensität der Herztöne wahr, besonders die letzten Töne vor der Pause waren sehr laut und paukend. Beim Palpieren des Spitzenstoßes fiel es auf, daß ebenfalls die Stöße im Verlaufe jener Gruppe stärker wurden, nach der Pause wieder schwächer waren und dann wieder stärker wurden. Eine dritte, offenbar hiermit in gewisser Beziehung stehende Erscheinung wurde an den Halsvenen beobachtet. Die Pulsationen in denselben waren nach der Pause, also im Anfang einer Gruppe, kaum wahrnehmbar, im Verlaufe der Gruppe aber wurden sie immer größer, bis heftige Pulsationen auftraten. So deutlich war dieses Symptom, daß man bei Beobachtung der Halsvenen sofort feststellen konnte, ob die Allorhythmie vorhanden war oder nicht. Dieses Anwachsen der Herzstöße und der Halsvenenpulsationen ließ sich leicht graphisch registrieren und zeigt sich sehr deutlich in Fig. 4. In der Spitzenstoßkurve (card.), wo eine kleine positive Vorhofszacke mit der a-Welle im Venenpulse (jug.) zusammenfällt, wird gewöhnlich von der ersten Systole einer jeden Gruppe an die Erhebung der Ventrikelsystole größer. Auffallend ist hier der starke diastolische Rückfall des Herzens nach dem Ende des systolischen Plateaus. Die Analyse des Venenpulses war hier sehr erschwert durch die hohe Frequenz des Herzens (133 pro Minute), welche die Wellen der einzelnen Schläge ineinander drängte Die in Figg. 4 bis 6 mit a bezeichneten, teilweise hohen, spitzen Wellen stammen von der Vorhofssystole her, wie aus den weiteren Ausführungen hervorgehen wird. Man sieht hier, wie auch diese Wellen nach dem Ende der Gruppe zu an Höhe stark zunehmen. Diese Wellen treten rhythmisch auf. Nur kommt fast immer (Ausnahme in Fig. 5) die letzte hohe Welle zu früh. Zur genauen Feststellung der Herztätigkeit in diesem Falle war es notwendig, zahlreiche andere, mit größerer Trommelgeschwindigkeit ge- schriebene Kurven zu analysieren. Zwei Beispiele dieser Analyse gebe ich in Figg. 5 und 6. In Fig. 5 sind die Gruppen bis zu zwei Schlägen verkürzt. Nach je zwei Systolen folgt eine Pause, das landläufige Bild eines Pulsus bigemi- nus. Wie wir jetzt wissen (siehe 19), kann diese Pulsform von sehr ver- schiedenen Vorgängen am Herzen verursacht werden. Hier läßt sich mit Sicherheit nachweisen, daß infolge von Leitungsstörung jede dritte 7, aus- fällt. Das Kardiogramm ist in dieser Kurve weniger schön ausgebildet. Trotzdem lassen sich die a-Zacke und Anfang und Ende der Y, ziemlich genau ausmessen. Im Venenpulse ist die «- Welle rhythmisch vorhanden, V, läßt sich durch Auftreten einer c-Welle, welche in festem zeitlichem Verhältnis zum Radialispulse auftritt, erkennen, das Ende von Y, durch den Anstieg der protodiastolischen Welle @’. BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER MENSCHLICHEN HERZTÄTIGKEIT. 63 Bei genauer Betrachtung dieser Kurven findet man, daß nach jeder dritten 4, eine 7, ausfällt. Dieser Ausfall erfolgt durch Leitungsstörung, welche hervorgeht aus der starken Verlängerung des Intervalls A—YV, wenn der Anfang von 4, im Venenpulse, der von 7, am Kardiogramm bestimmt wird. Bei der ersten Systole 2%/, bis 3, wird er schon bei der zweiten auf 6 bis 6°/, dreißigstel Sekunden gebracht. Der dritte Reiz bringt zwar die Vorkammer zur Kontraktion, wird aber nicht auf die Ventrikel weiter geleitet. Die a-Welle im Venenpulse der dritten 4, erscheint hier besonders groß. Wenn man das übrigens im richtigen Augenblicke erfolgende Auf- treten dieser A, im Kardiogramm ausmißt, bemerkt man, daß sie stattfindet während des Rückfalls des Herzens, im Abfall des Kardiogramms und zu- sammenfällt mit der protodiastolischen Welle d’. Durch dieses Zusammen- fallen beider Wellen kann eine große Welle entstehen, welche dann meistens noch deutlich ihre Zusammensetzung aus zwei Wellen durch eine kleine Ausbuchtung zeigt (siehe XIII und XIV). Hier ist aber die a-Welle viel größer als die d’- und a-Welle zusammen, ihr Anstieg viel steiler. Ich glaube denn auch als Erklärung annehmen zu müssen, daß während des Rückfalls des Herzens die Tricuspidal- (und Mitral-)klappen noch nicht geöffnet sind (wie auch aus der d-Welle im Venenpulse hervorgeht), der Vorhof deshalb seinen Inhalt noch nicht in die Ventrikel treiben kann und deshalb eine große Blutwelle in die Venen zurückwirft. Wie wir sehen werden, ist hierin die Ursache der beschriebenen starken Pulsationen am Halse gelegen. Fig. 5a ist eine schematische Abbildung von dem, was hier am Herzen geschieht. Ihre Anordnung ist die nämliche wie in meinen vorigen Ab- handlungen in diesem Archiv. Aus ihr geht besonders deutlich hervor, wie durch die Verspätung jeder zweiten 7, die nächste A, fast mit dieser zusammenfällt. Die Verhältnisse in Fig. 5a entsprechen, was Intervalle und Systolendauer betrifft, so genau wie möglich der Fig. a. Die Dauer der A, entspricht dem Anstieg (ohne den Abstieg) der a-Welle des Jugular- pulses, die Dauer der V, ist am Kardiogramm vom ersten Anstieg bis zum Ende des systolischen Plateaus berechnet. Nur die Tätigkeit der Sinus- reste ist aus dem Verhalten des übrigen Herzens konstruiert. Diese zweischlägigen Gruppen waren sehr selten, meistens zählten die Gruppen vier oder fünf Schläge. Fig. 6 (6a) ist ein Beispiel dieser Grup- pierung. Auch hier läßt sich das Verhalten der Reizleitung und ihre Störung leicht nachweisen. Infolge der geringern Frequenz wird die Reizleitung nieht so schnell erschöpft und findet das Intervall A,—V, Gelegenheit, von 3 bis auf 10 dreißigstel Sekunden anzuwachsen. 64 "wg Sıg Y\ N H \ TU ATIANRUNENN I\ N NN N AAN N TNTT = NN h SINN BUNENENNNE Unuı \ "RAN N, EN FRA! RNIIENNEN NR RRRNÄIKERNN ANSHSRRANT RE ST, fa: IN NUN AERTNANNNRNUN INN) 1). NRTIENEN An RSUANN! F. WENCKEBACH: "Tg "Sud UN Ay! N vn SER N NUN N RU AOSSTSIESE ET a] \\ N. RIES U 1 RISSRRSIRRUN SRREN O1 ES \ Y N I Va \ IN IR IN ESSEESSEESTT Y NINA \ \ III STANTETNTTT N KALUANUN NENNEN. Ni MÜTTERN. RER, NN AN \ IN \ van RS ESSIISSSEESST IRTEITERIRENUNN N RTRUNENNNS IRSSERRURRSUHRN Di KERILASUINNINUSNT URN IEN \ SANDAN \ir NR! NN "INN NUUUNLLLN KRRIRNN UN BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER MENSCHLICHEN HERZTÄTIGKEIT. 65 Hier aber (und in Fig. 4) finden wir eine Besonderheit, welche mit nur ganz seltenen Ausnahmen immer am Ende jeder Gruppe auftritt: nach der fünften A,, welche nach sehr langem Intervall noch eine 7, hervor- ruft, kommit noch während dieser 7, eine sechste hohe Welle. Über die Natur dieser hohen Welle läßt sich folgendes sagen: Sie gleicht genau den den Vorhofskontraktionen entsprechenden «-Wellen; sie fällt während der 7,, kann also nicht von einer erneuten Kontraktion der Kammer herrühren. Sie muß deshalb von einer vorzeitigen Vorhofsystole, und zwar des rechten Vorhofs verursacht werden. Ob die linke Vorkammer mitschlug, ließ sich bei der äußerst debilen Kranken, welche die Einführung des Ösophaguskardiographen gewiß nicht vertragen hätte, nicht entscheiden. Wir haben also mit einer Extrasystole des rechten (und linken?) Vorhofs zu tun. Diese Extrasystole beschränkt sich auf den Vorhof, weil sie die Kammer noch in Kontraktion findet, wie besonders aus der Fig. 6a deut- lich hervorgeht. Es fragt sich nun, ob diese Extrasystole im Vorhof oder an den Ur- sprungsstellen der Herztätigkeit, in den Sinusresten an den großen Venen, entstanden ist. (Eine Zurückleitung von der Kammer her scheint mir in diesem Augenblicke schlechtester Reizleitung ausgeschlossen). Wie ich in einer vorigen Abhandlung ausgeführt habe (20 Seite 4f.), sind wir imstande, diese Frage zu lösen durch Ausmessen der Vorhofsperiode nach der Extra- systole. Ist eine längere Periode vorhanden, so muß die Extrasystole im Vorhof, ist eine. verkürzte vorhanden, so muß die Extrasystole anderswo als im Vorhofe, in dem Sinus ihren Ursprung genommen haben. Indem ich auf meine oben zitierten früheren Ausführungen verweise, kann ich hier mitteilen, daß der am Ende jeder Gruppe auftretenden Extrasystole des Vorhofs immer eine längere Periode folgt, was beweist, daß es sich hier um eine im Vorhofe selbst entstandene Extrasystole handelt. Es ist auffallend, daß diese A, immer am Ende einer Gruppe auf- treten, also gerade in dem Momente, wo die Reizleitung im Heızen am schlechtesten ist. Das legt die Frage nahe, ob vielleicht die geschädigte Leitung die Ursache des Auftretens dieser Exstrasystole sein könnte. Wirk- lich läßt sich vieles für einen solchen Erklärungsversuch anführen. Frühere Untersuchungen, sowohl experimentelle (Muskens u. a.) als klinische (20) haben den Gedanken nahe gelegt, daß infolge von Störungen der Reiz- leitung oder Reizbarkeit Dissoziationen im Bereiche der einzelnen Herz- abteilungen oder der Herzabteilungen untereinander auftreten können. Solche Dissoziationen können dann zu allerlei Störungen, auch zu Extra- systolen führen. So haben wir die Dissoziationen zwischen Vorhöfen und Ventrikeln, zwischen Sinusresten und Vorhöfen, zwischen den beiden Vor- höfen, solche im Bereiche der Sinusmuskulatur und sulche innerhalb der . Archiv £A,u. Ph, 1908. Physiol. Abtlg. Suppl. 9 66 K. F. WENCKEBACH: Ventrikelmuskulatur tatsächlich nachweisen oder höchst wahrscheinlich machen können. Ich möchte hier die Vermutung aussprechen, daß auch in diesem Falle die gerade in dem Augenblicke der schlechtesten Reizleitung immer wieder auftretenden Vörhofsextrasystolen in einer durch die Leitungsstörung hervor- serufenen Dissoziation im Bereiche der Vorhofsmuskulatur ihre Ursache finden. Das sehr auffallende Zusammentreffen des Momentes der stärksten Lei- tungsstörung mit dem Auftreten der Extravorhofssystole, in vielen hunderten Gruppen beobachtet, macht einen solchen Zusammenhang höchst wahr- scheinlich. Wenn auch ein Beweis für diese Erklärung nicht beigebracht werden kann, so schien mir doch der Fall interessant genug, denselben an dieser Stelle zu publizieren. Kehren wir nun zu den im Anfange aufgezählten Erscheinungen bei unserer Patientin zurück, so finden wir allererst Leitungsstörung als die Ursache der Gruppenbildung in der Herztätigkeit und zwar eines regel- mäßigen Ausfalles von Kammersystolen. Die Leitungsstörung wurde durch die sehr hohe Frequenz, durch den schlechten Zustand des Herzmuskels und durch Digitalisverabreichung verursacht. Die Leitungsstörung ist wahr- scheinlich Ursache des regelmäßigen Auftretens von Vorhofextrasystolen am Ende jeder Gruppe. Die starken Pulsationen der Halsvenen in der letzten Hälfte der Gruppe werden verursacht durch das immer mehr verspätete Auftreten der V,. Hierdurch nähert diese sich so sehr der nachfolgenden A,, daß der Vorhof seinen Inhalt nicht in die noch nicht in Diastole getretene Kammer hinein- treiben kann. Dadurch wird das Blut bei jeder A, am Ende der Gruppe in die Venen zurückgeworfen. Die am Ende der Gruppe stärker werdenden Spitzenstöße und Herz- töne, auf welche im Anfang dieses Abschnittes hingewiesen wurde, lassen sich wen'ger leicht erklären. Was im Verlaufe der Gruppe sich ändert, ist die Füllung der Ventrikel; denn daß die Vorhöfe, wenigstens der rechte, ihren Inhalt teilweise in die Venen zurückwerfen, kann nicht ohne. un- günstigen Einfluß auf die Füllung der Kammern sein. Vielleicht liegt hier der Schlüssel des sonderbaren Phänomens. Es ist bekannt, daß Extra- systolen der Kammern, welche in einem Augenblicke auftreten, wo die Kammern sich noch sehr ungenügend gefüllt haben, das Kardiogramm oft einen sehr hohen systolischen Ausschlag gibt, und die Herztöne dieser Extra- systolen sind oft ungewöhnlich laute. Ohne Analogie wären also lautere Herztöne und stärkerer Spitzenstoß bei weniger gefülltem Herzen nicht. BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER MENSCHLICHEN HERZTÄTIGKEIT. 67 Klinisch und therapeutisch stellt uns ein solcher Fall vor zahlreiche ungelöste Fragen. Wie können wir die das Herz erschöpfende hohe Frequenz herab- setzen? Bislang nur durch Digitalis. Digitalis aber setzt zugleich das Leitungsvermögen herab und würde in dieser Weise die Kranke schädigen. Tatsächlich wurden Digitalis und Strophantus nur in sehr geringer Dosis vertragen. Wie könnten wir die Reizleitung verbessern? In schwereren Fällen hat sich Atropin dabei vorzüglich bewährt. Atropin aber erhöht die Frequenz sehr beträchtlich und konnte deshalb nicht in Anwendung kommen. Wir brauchen also Mittel, welche die einzelnen Herzfunktionen in positivem oder negativem Sinne zu beeinflussen imstande sind. Wer sich nicht auf die übliche Diagnostik der Herzkrankheiten beschränkt, sondern funktionelle Herzdiagnostik treibt, wie eine solche immer mehr möglich wird, stößt immerfort auf solche Fragen, welche nicht in der Klinik, sondern hauptsächlich durch systematische Bearbeitung im Laboratorium einer Lösung zugeführt werden könnten. XII. Über am menschlichen Herzen beobachtete Lucianische Perioden. Bekanntlich schlägt das Froschherz bei langsamer Erstickung in Perioden, welche nach dem Entdecker allgemein „Luciani“sche Perioden genannt werden. Im ersten Stadium der Erstickung wird die Herztätigkeit eine perio- dische, durch den dann und wann, sehr oft in vollkommen regelmäßiger Weise, einzelne Systolen ausfallen. Diese erste Stufe Lueianischer Perioden kommt auch beim Menschen vor, wie ich schon vor vielen Jahren nach- gewiesen habe (18). Das Ausfallen von Systolen, und zwar von solchen des ganzens Herzens oder von Abteilungen desselben, beruht meistens auf Störung der Reizleitung des Herzmuskels, besonders der Verbindungsbündel zwischen den einzelnen Abteilungen, oder auf Störung der Reizbarkeit. Im ersten Falle erreicht der Kontraktionsreiz die betreffende Herzabteilung nicht, weil jener nicht oder in nicht genügender Intensität zugeleitet wird. Im zweiten Falle ist zwar der Reiz vorhanden, die Reizschwelle aber durch abnormale Herabsetzung der Reizbarkeit des Herzmuskels oder der Ver- bindungsbrücken zu hoch, der Reiz hat keinen Effekt. Bei solchen Störungen, welche beim Menschen mit Sicherheit nachgewiesen sind, bleibt der ur- sprüngliche Rhythmus und bleiben die normalen Vorgänge an den Ursprungs- stellen der Herztätigkeit erhalten. 68 K. F. WENCKEBACH: Es gibt aber ein zweites Stadium der periodischen Herztätigkeit, welches bis jetzt nur im Experimente beobachtet worden ist. Die höchst eigentüm- lichen Perioden, in welchen der Urrhythmus des Herzens öfters gänzlich verschwindet, lange Pausen mit gruppenweise auftretenden Herzschlägen in immer verschiedener Weise abwechseln, haben lebhaftes Interesse erweckt, eben weil sie ein Problem bieten, dessen Lösung für unsere Kenntnisse der Herztätigkeit vielversprechend ist. Luciani (9. 10), Kronecker (13), Langendorff (11. 12), Oehrwall (16) u.a. haben sich bemüht, die Vor- gänge im Herzen zu deuten. Diese Deutungsversuche erhalten ein höheres Interesse durch den hier zu liefernden Nachweis, daß auch beim Menschen eine periodische Herztätigkeit vorkommen kann, welche der Lucianischen vollkommen ähnlich sieht. Wie leicht begreiflich, sind längere Pausen und - bedeutende Frequenzschwankungen der Herztätigkeit für die Zirkulation nicht gleichgültig. Es erwachsen dem behandelnden Arzte hieraus klinische und therapeutische Indikationen, welche eine genauere Kenntnis. solcher Zustände dringend erheischen. Diese genaueren Kenntnisse fehlen bislang, weshalb mir die Mitteilung und genaue Analyse einschlägiger Fälle und genaue therapeutische Fragestellung notwendig erscheinen. „Eine 26jährige Krankenschwester, aus nervöser Familie, war nie ernst- lich krank, litt aber früher an leichten, wahrscheinlich rheumatischen Gelenk- affektionen, welche keine Spuren hinterließen. Sie war nie recht kräftig, hat aber mehrere Jahre im Rotterdamer Kinderspital sich der Krankenpflege gewidmet. Vor anderthalb Jahren war sie sehr müde, fing an über Schwindelanfällen zu klagen. Sie wurde ins Bett gesteckt und als der behandelnde Arzt ihr den Puls fühlte, machte er ein ernstes Gesicht und stellte die Diagnose auf Myokarditis. Sie erholte sich bald, wurde wieder angestellt, wurde nach einigen Monaten wieder unwohl und wurde schließlich, der ernsten Prognose wegen, aus ihrem Dienste entlassen. | Sie kam dann nach Groningen zur Observation, wo sie, nachdem ernstere Herzsymptome nicht nachgewiesen werden konnten, auf den Kindersälen an- gestellt wurde. Früher soll sie einen „gewöhnlichen Puls“ gehabt haben. Bei der Untersuchung wurden die Herztöne vollkommen rein, das Herz leicht vergrößert gefunden. Besonders der rechte Vorhof machte den Eindruck etwas vergrößert zu sein. Das Ungewöhnliche an diesem Falle war der Rhythmus des Herzens. Der Puls war klein und so schnell, daß er kaum zu zählen war. Auf- fallend war aber, daß in regelmäßigen Intervallen eine kurze Pause eintrat. Beim Aufschreiben von Puls, Venenpuls und Herzstoß kam heraus, daß diese Pause fast ausnahmslos nach 18 Schlägen eintrat, es wurden ein paar Mal 17, 19 und 20 ununterbrochene Schläge aufgeschrieben. Diese Gruppen- bildung hielt immerfort an, solange nicht Medikamente ihren Einfluß BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER MENSCHLICHEN HERZTÄTIGKEIT. 69 geltend machten. Iu der ersten Woche der Beobachtung habe ich Patientin ein paar Tage ins Bett gesteckt, auch ein paar Tage sie starker Ermüdung ausgesetzt, allein der Herzrhythmus mit den 18 schlägigen Gruppen blieb immer der nämliche, Analyse der Herztätigkeit. Fig. 7 ist den Kurven dieser ersten Tage entnommen. und illustriert die Besonderheiten der Herztätigkeit sehr deutlich. Sie fängt kurz vor dem Ende einer Gruppe an, dann folgen eine Pause, eine Gruppe von 10 Schlägen, eine zweite Pause und der Anfang einer neuen Gruppe. Im Kardiogramm ist die Dauer der Ventrikelsystole deutlich ausgeprägt. Im ersten Kardiogramm nach einer Pause ist die positive Zacke der Vor- hofsystole immer vorhanden. Der Venenpuls ist nur am Anfang und am Ende einer Gruppe sofort analysierbar. Am Anfang der Gruppe ist die a-Welle deutlich vorhanden, dann folgt die negative Phase des Venenpulses mit der c-Welle. Für den diastolischen Teil des Venenpulses dagegen müssen wir die letzte Systole einer Gruppe betrachten. Hier finden wir nach der c-Welle und der negativen Phase die protodiastolische Welle d’, den Abfluß ‘des Blutes in das Herz (y), und die zweite diastolische Welle d”. Innerhalb der Gruppe sind die verschiedenen Wellen des Venenpulses weniger leicht zu erkennen, weil dieselben infolge der hohen und vom An- fang der Gruppe an noch bedeutend zunehmenden Frequenz sozusagen ineinander geschoben werden und sich vermischen. Diese Erscheinung macht sich bereits am Ende der ersten Systole einer Gruppe bemerklich. Statt der relativ kleinen d’-Welle, welche wir auf Grund der an der letzten Systole vor der Pause beobachteten Welle erwarten könnten, finden wir eine sehr starke und hohe Welle. Offenbar handelt es sich nicht um die einfache d-Welle, es hat sich etwas hinzu- gesellt. Dieses Etwas kann nur, wie die Vergleichung mit dem Kardio- gramm zeigt, die a-Welle der zweiten Systole sein. Die hohe Welle ist aber d’+a, oder vielmehr a+d’, denn sie tritt ganz kurz vor dem Ende der ersten V,ein. Wir haben also mit der nämlichen Summierung von d’ und a zu machen, welche wir im vorigen Falle kennen gelernt haben. Dort war sie Folge des verspäteten Eintretens von Y,, hier ist sie Folge der hohen Frequenz des Herzens, also des schnellen Folgens von A;. Aus dem Kardiogramm und dem Radialpulse geht hervor, daß die Frequenz, anfänglich schon hoch, bald stark zunimmt und bis auf mehr als 200 pro Minute steigt. Gegen Ende der Gruppe nimmt sie wieder langsam ab. Der Einfluß dieser in jeder Gruppe steigenden und abnehmenden Frequenz auf den Venenpuls ist ein sehr merkwürdiger und läßt sich in Fig. 7 gut 70 K. F. WENcKEBACH: verfolgen. Es kommt nämlich die schon am Ende der ersten Systole be- merkte hohe Welle immer früher nach der c-Welle, und es ist klar, daß diese hohe Welle nicht a’ ist, welche am Ende von V, kommt, sondern eine zu der erstfolgenden Systole gehörige: sie geht der erstfolgenden 7, bedeutend voran, muß also-die erstfolgende A, sein. Es läßt sich nun be- obachten und genau ausmessen, wie die erstiolgende a-Welle erst die d’- Welle der vorhergehenden Systole in sich aufnimmt, dann bei Steigerung der Frequenz sich immer mehr der c-Welle nähert und schließlich auch diese Welle in sich aufnimmt. Die Stelle, welche 4, im Kardiogramm einnimmt, ist, soweit sie sich genau bestimmen ließ, im Kardiogramm mit a angegeben. Hiermit hat sich das Bild des Venenpulses voll- ständig geändert. Statt der einzelnen a, c und d’ Wellen hat sich eine hohe Welle gebildet, welche ungefähr gleichzeitig mit der Y, kommt, sehr starke Pulsationen in den Halsvenen ver- ursacht, also scheinbar einen echten positiven Venenpuls dar- stellt, in Wirklichkeit aber aus diesen drei genannten Wellen zusammengesetzt ist. Noch deutlicher als aus dem oben geschilderten Aufbau dieser großen pseudo-positiven Venenwelle geht ihre Zusammensetzung aus drei Wellen hervor aus dem Abbau der Welle, sobald die Frequenz gegen Ende der Gruppe wieder abnimmt. Dann kommt die «-Welle wieder später, die c- Welle wird mehr und mehr von der großen Welle getrennt und schließlich, am Ende der Gruppe, zeigen sich c und a’ wieder in ihrer wahren Gestalt, ungestört von der nächstfolgenden «-Welle, welche infolge der eingetretenen Pause erst viel später zum Vorschein kommt. Nach der Pause wiederholt sich das nämliche Spiel mit fast mathematischer Präzision und es muß hier ausdrücklich betont werden, daß die Zusammenstellung der Gruppen, die innerhalb der Gruppen immer hohe, dann zunehmende und schließlich wieder abnehmende Frequenz in allen Gruppen, und es wurden viele Hunderte von Gruppen registriert, immer in der nämlichen Weise vorhanden war, daß auch das Verhalten des Venenpulses immer wieder das nämliche war. Der hohe Wert einer genauen Analyse des Venenpulses ergibt sich in diesem Falle in sehr prägnanter Weise, denn sie erlaubt uns, mit Sicher- heit festzustellen, daß es sich hier nicht um teilweise Kontraktionen des Herzens, nicht um in regelmäßiger Weise auftretende Extrasystolen handelt, sondern daß hier das ganze Herz in dem oben beschriebenen eigentüm- lichen Rhythmus schlägt. Auch ist die Schlagfolge der einzelnen Herz- abteilungen die normale. Dieser Nachweis war an erster Stelle notwendig zum richtigen Verständnis dieser eigentümlichen Herztätiekeit; auf die Fusion der Wellen bei hoher Frequenz werde ich im nächsten Abschnitt noch zurückkommen. BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER MENSCHLICHEN HERZTÄTIGKEIT. zal Die Ursache der periodischen Herztätigkeit. Da wir nun wissen, daß das ganze Herz hier periodisch schlägt, und nicht irgend ein abnormaler Vorgang einen regelmäßigen Herzrhythmus stört oder verdeckt, ist es geboten, zu untersuchen, welche Ursache dieser sonder- baren Schlagfolge des Herzens zu grunde liegt. Umsomehr, weil der Rhyth- mus des Herzens die Zirkulation ungünstig beeinflußte. Die sehr hohe Frequenz ist an und für sich geeignet, die Herzmuskelkraft zu erschöpfen, wenigstens sie für stärkere Körperanstrengung ungenügend zu machen. Besonders nachteilig ist sie dadurch, daß in den frequentesten Perioden die Vorhofssystolen noch in die Zeit der vorigen Ventrikelsystole fallen. Die Vorhöfe können deshalb bei ihrer Kontraktion ihren Inhalt nicht in die Ventrikel hineintreiben und werfen große Blutwellen in die Venen zurück. Die üblen Folgen bleiben nicht aus, die Venen erscheinen erweitert und zeigen während des schnelleren Rhythmus sehr starke Pulsationen, der Radialpuls verschwindet fast gänzlich. Beide Erscheinungen sind in Fig. 7 gut ausgeprägt; und ich könnte noch prägnantere Kurven abbilden, in welchen, noch stärker als in Fig. 7, die schlechte Füllung des arteriellen Systems sich durch ein Kleinerwerden der Pulswellen und ein Sinken der ganzen Kurvenebene bemerklich macht. Die bei anstrengender Arbeit nicht ganz genügende Zirkulation muß denn auch nicht einer Myocarditis oder irgend einem anderen Herzfehler zugeschrieben werden, sondern dem sehr unregelmäßigen Rhythmus des Herzens, welcher die Pumpwirkung desselben beeinträchtigt. Es ist also nicht nur ein rein wissenschaftliches, sondern auch ein direkt praktisches Interesse mit der Frage verknüpft, welcher Natur diese Gruppenbildung der Herztätigkeit, und wie sie eventuell zu bekämpfen sei. Der Fall erinnert an eine in diesem Archiv (20, Seite 342 bis 343, Taf. III, Fig. 3d) beschriebene Pulsform. Hier traten nach jeder normalen Periode ein, zwei, drei oder mehrere, bis zu 20 Systolen auf, welche alle in festem zeitlichem Verhältnisse zueinander standen. Es war eine Bi-, Tri- und Polygeminie vorhanden, welche immer in einer normalen Periode endete. Man darf aber den hier beschriebenen Puls nicht zu dieser Poly- geminie rechnen; das wird aus den folgenden Beobachtungen hervorgehen. Dagegen spricht auch schon die Tatsache, daß zwar die Rhythmusänderungen hier regelmäßig auftraten, das feste zeitliche Verhältnis der Systolen unter- einander aber nicht in der Weise vorhanden war, wie in dem oben zitierten Falle von Polygeminie. ! Pal hat vor kurzem (Wiener med. Worchenschr. 1908. Nr. 14) auf die Blutdruck- senkung bei Tachykardie hingewiesen. Bei der Erklärung dieses Symptoms soll die hier beschriebene eigentümliche Störung der Herztätigkeit nicht außer Acht gelassen werden. 72 K. F. WENCKEBACH: Es mußte also eine andere Erklärung gesucht werden, und es lag auf der Hand, dazu solche Medikamente zu reichen, welche im stande sind, die Funktionen des Herzmuskels zu ändern. Namentlich sollte versucht werden, einen vielleicht verdeckten Normalrhythmus wieder hervorzurufen. Schon jetzt darf hervorgehoben werden, daß dieser Versuch nicht gelang. Mit allerlei wirksamen Herzmitteln wurde ein Versuch gemacht, ein nor- maler Rhythmus war nicht zu erzielen. Anfänglich wurde Digitalis gereicht, weil sich von diesem Mittel am ehesten eine günstige Wirkung als Bremse des Herzens erwarten ließe. Der Effekt dieses Mittels war ein sehr überraschender. Es wurden vom 29. Januar 1908 an 0,58” fol. dig. in Infus täglich gereicht. Nach zwei Tagen änderte sich der Rhythmus folgendermaßen: Die Frequenz nahm im allgemeinen etwas ab, sowohl die langsameren Teile der Gruppe als die schnelleren Teile wiesen etwas längere Periodendauer auf, dann wurde die Systolenzahl der Gruppen eine andere. Es wechselten solche von 3 und 5 Systolen mit solchen von vielen, bis zu 40 Systolen ab. Außerdem aber wurden die Pausen verlängert, und zwar bis zu einer solchen Länge, daß bewiesen wurde, daß die Pause nicht, wie in dem oben zitierten Falle von Poly- geminie, eine Normalperiode sein könnte, also einer wirklichen Herzpause entsprach. Die Länge der jetzt auftretenden Pausen zwang mich auch, das Mittel nach wenigen Tagen auszusetzen, trotzdem merkwürdigerweise die Patientin die langen Herzstillstände nicht bemerkte. Ein Beispiel der Herztätigkeit unserer Kranken während dieses ersten Digitalisversuches ist in Fig. 8 abgebildet. Die letzte Periode der Gruppe, also die Zeit zwischen Beginn der letzten Systole der einen und Anfang der ersten Systole der folgenden Gruppe, ist hier 66 dreißigstel Sekunden, also mehr als zwei Sekunden. Bei einem zweiten Versuche (Fig. 9) wurden Pausen von sogar 81 dreißigstel Sekunden, also von fast drei Sekunden verzeiehnet. Wie man sieht, hat der Venenpuls den nämlichen Charakter behalten, und ist dieser durch die etwas geringere Frequenz leichter analy- sierbar. In der langen Pause steht das Herz vollständig still. Auch sind die Pausen sehr verschiedener Länge, was beweist, daß ein regelmäßiger Sinusrhythmus während derselben nicht vorhanden ist, denn sonst würden die Pausen eine gesetzmäßige Länge haben. Nach dem Aufhören der Medikation verschwand der oben beschriebene Effekt in wenigen Tagen, nur zeigten die Gruppen noch längere Zeit eine viel größere Systolenzahl, bis 30 und 40 Schläge. Es wurde dann Strychnin verordnet, welches gänzlich ohne Effekt blieb. Später Camphora monobromata, welches die Gruppen zu verlängern, die Pausen weniger frequent zu machen schien; die starke Tachykardie aber BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER MENSCHLICHEN HERZTÄTIGKEIT. 168: blieb und ebenso das Steigen der Frequenz am Anfang, das Zurückgehen der Frequenz am Ende der Gruppe. Dann wurde ein zweiter Digitalisversuch gemacht. Kleine Dosen (100"8 fol. dig. in Pulverform täglich) hatten anfänglich keinen Effekt. Als die Dosis verdoppelt wurde, traten schon nach 24 Stunden wieder längere Pausen auf. Zugleich aber wurde der Rhythmus noch mehr geändert. Sehr lange Gruppen wechselten ab mit sehr unregelmäßigen Perioden, Fig. 9, 10, 11 sind Beispiele dieser periodischen Herztätigkeit. Der Venen- puls, welcher sich immer gleich blieb, ist hier weggelassen, um für die Reproduktion Platz zu gewinnen. Ausdrücklich darf aber hervorgehoben werden, daß die Rhythmusschwankungen immer das ganze Herz betrafen, nie Extrasystolen auftraten. In Fig. 9 ist die außerordentliche Länge und auch die verschiedene, unregelmäßige Länge der Pausen deutlich illustriert. In Fig. 10 ist eine unregelmäßige Strecke abgebildet, welcher sehr lange und frequente Strecken vorangingen und folgten. Innerhalb der unregel- mäßigen Strecke wird trotzdem ein gewisses Regelmaß nicht vermißt, die vorangehende ununterbrochene Gruppe geht hier nicht auf einmal in einen sehr Jangsamen Rhythmus über. Erst folgt eine Gruppe von 4 Systolen, dann einzelne Systolen, dann Gruppen von 2, 3 und 4 Systolen und erst dann folgt wieder eine ununterbrochene Tachykardie. Viele unregelmäßige Strecken, welche dieser Kurve fast genau ähnlich sahen, wurden von mir verzeichnet, so daß wir diese Form mehr oder weniger als einen Typus ansehen dürfen. In Fig. 11 ist die Gruppenbildung wieder viel stärker ausgeprägt. Sie ist nur ein Stück einer sehr lange dauernden, unregelmäßigen Strecke. Auch hier ist irgend eine Gesetzmäßigkeit in der Länge der Pausen, oder irgend ein festes Verhältnis zwischen Länge der Pulsperioden und Länge der Pausen nicht vorhanden. Als der Einfluß der längeren Digitalisdarreichung mehr und mehr im Abklingen begriffen war, verschwanden diese unregelmäßigen Perioden und wurden die Pausen immer seltener. Es wurden dann oft bis 300 und 400 Schläge gezählt, bevor wieder eine Pause eintrat. Immer aber blieb die Frequenz auf 140 pro Minute und höher. In dieser Zeit war es nun möglich durch Druck aufeinen der Halsvagi, oder durch starke manuelle Kompression des Bauches nach kurzer Latenzzeit die unregelmäßige Periode hervorzurufen und zwar meistens in der Form, welche der Fig. 10 entspricht. Das Krankenbett und das Ableben des Vaters der Patientin entzog sie meiner Beobachtung; es war deshalb nicht möglich, weitere Verstche womöglich zur Aufhebung dieses abnormalen Rhythmus anzustellen. Die gemachten Beobachtungen an sich sind aber schon genügend, um die Be- 74 K. F. WENCKEBACH: antwortung der Frage, um welche Störung es sich hier handelt, zur Hand zu nehmen. Ein anatomischer Herzfehler muß hier ausgeschlossen werden. Die Töne wurden normal, die Herzgröße nahezu normal gefunden. An eine Myokarditis oder an eine Degeneration des Herzfleisches zu denken, ist nicht gestattet. Offenbar sind es nur die hohe Frequenz und der durch diese hervorgerufene unzweckmäßige Mechanismus des Herzens, welche die schlechte Füllung des arteriellen Systems verursachen. Aus den Kurven geht deutlich hervor, daß sobald nur dem Herzen eine gehörige Ruhepause nicht versagt wird, die Pulswelle von durchaus normaler Größe ist. Es fehlt somit nicht an Kraft, an Kontraktilität und wir haben keinen Grund, den guten Zu- stand des Herzmuskels zu bezweifeln. Auch die Reizleitung ist eine nor- male, sie versagt nie, nur ist bei der hohen Frequenz das Intervall A—V vielleicht etwas zu lange, 4 bis 5-5, nach Digitaliswirkung 4 bis 7 dreißigstel Sekunden. Es ist denn auch eine echte Arhythmie vorhanden, welche in be- stimmter Weise immer wieder zurückkehrt und somit zu den Allorhythmien gerechnet werden muß. Die Ursache muß gesucht werden in jedesmal wiederkehrendem abnormalem Verhalten derjenigen Faktoren, welche die Auslösung der Systole und somit die Herzperiode beherrschen. Diese Fak- toren sind einerseits der motorische Reiz, andererseits die Reizbarkeit der Herzmuskelfasern an denjenigen Stellen, wo die Herztätigkeit anfängt, also an den Sinusresten des Herzens. Die Schwankungen in der Herzperiode entsprechen also Schwankungen entweder der Reizbildung, oder der Reiz- barkeit oder von beiden Faktoren. Die Ursache des Herzschlages. Um in dieser Sache so weit möglich entscheiden zu können, ist es not- wendig, einen Augenblick bei dem Ursprung der Herztätigkeit still zu stehen. Unter den verschiedenen Theorien über den Ursprung der rhythmischen Kon- traktionen des Herzens hat die von Engelmann aufgestellte die größte Wahr- scheinlichkeit für sich, und ist diese am meisten geeignet, uns eine Vorstellung über die Vorgänge zu verschaffen. Nach Engelmann werden nicht nur die Reizbarkeit (Anspruchsfähigkeit), die Kontraktilität und das Vermögen, den Reiz weiter zu leiten, bei jeder Systole vernichtet, sondern auch das vorhandene Reizmaterial wird bei der Kontraktion verbraucht. Sofort nach Aufhören der Systole fängt eine Regeneration dieser vier Eigenschaften des Herzmuskels an. Hierbei müssen wir bedenken, daß die Kontraktion des Ventrikels ziemlich lange dauert, die des Vorhofs. viel kürzer, die der Sinus- reste wahrscheinlich noch kürzer, daß die verschiedenen Abteilungen des Herzens also ungleich lange Ruhepausen zur Regeneration ihrer Eigen- BEITRÄGE ZUR NKENNTNIS DER MENSCHLICHEN HERZTÄTIGKEIT. 75 schaften haben, den Ventrikeln die kürzeste, den Ursprungsstellen der Herz- tätiskeit die längste Ruhe gelassen wird (vgl. Fig. 5a, 8. 64). Es ist des weiteren aus Engelmanns Untersuchungen bekannt geworden, daß die verschiedenen Eigenschaften des Herzens nicht ebenso schnell oder in der nämlichen Weise, nicht parallel wieder anwachsen. Um sich eine gute Vorstellung der Vorgänge im Herzmuskel zu machen, kann man dieselben in einer graphischen Figur darstellen. In Fig. A. ist die Abszisse die Zeit, die Ordinaten stellen die Intensitäten der verschiedenen Herzqualitäten dar. S ist eine Systole. Nach der Systole wachsen das Reizmaterial (o), die Kontraktilität («) und die Reizleitung (7) von Null ab in der ihr eigentümlichen Art an, die Reizbarkeit wird als Reizschwelle (3) dargestellt, welche anfänglich unendlich hoch, bald in der ihr eigenen TR / 2 3 7 5 6 7 Fig. A. Weise herunter kommt. Die in Fig. A. abgebildeten Kurvenlinien, welche das Anwachsen von ı, o und 4 und das Abnehmen von ? darstellen, sind fantasiert, nicht nach experimentellen Daten konstruiert, Eine solche genaue Konstruktion dieser Kurven hat noch nicht stattgefunden, und ‚nur einzelne Daten zu dieser Konstruktion sind hier und da, besonders in den Engel- mannschen Schriften, vorhanden. Auch in einer wenig berücksichügten Arbeit meines jetzigen Assistenten Hekman (5) ist der Versuch gemacht, solche Kurven, speziell für die Größe der Kontraktion, aus experimentellen Daten zu konstruieren. . Ich möchte die genauere Konstruktion dieser Kurven den Fachgenossen, welche sich den bezüglichen Experimenten widmen können, wärmstens empfehlen. An der Hand solcher Kurven wird man die gegenseitige Unabhängigkeit dieser Eigenschaften beweisen, vielleicht auch aus ihrer Form auf die Art des vorgehenden Prozesses schließen können, 76 K. F. WENCKEBACH: auch den Einfluß der Nervenwirkung auf die einzelnen Qualitäten studieren können. Hekman hat in dieser Weise wahrscheinlich machen können, daß ein positiv inotroper Nerveneffekt nicht die Höhe, zu welcher die Kon- traktilität anzusteigen vermag, sondern nur die Schnelligkeit des Anwachsens der Kontraktilität nach Ablauf der Systole positiv beeinflußt. Sollten sich für die übrigen Qualitäten des Herzens ähnliche Befunde erzielen lassen, so würde der Nerveneinfluß als einfach katalytische (beschleunigende) oder hemmende Wirkung aufgefaßt werden können. Kehren wir nach dieser Abschweifung zu unserer Fig. A. zurück, so ist es klar, daß die nächste Systole auftreten wird, sobald der motorische Reiz so weit angewachsen und die Reizschwelle so niedrig geworden ist, daß beide sich begegnen. In demselben Augenblick wird der Funken in das Pulver geworfen und die Explosion, die Systole, findet statt. Die in Fig. B. diesem Augenblicke vorhandene Kontraktilität wird die Kraft (die Größe) der Systole bestimmen, und die Intensität, zu welcher das Leitungsvermögen angewachsen ist, wird die Schnelligkeit bestimmen, mit welcher der Reiz (und hiermit die Kontraktionswelle) im Herzmuskel fortschreitet. Sehen wir nun von Kraft und Leitung ab, so finden wir, daß der Zeit- punkt der Systole, also die Herzperiode und der Rhythmus, beherrscht wird von dem gegenseitigen Verhalten von Reiz und Reizschwelle Nimmt nach jeder Systole die Reizvarkeit schnell zu, dadurch die Reizschwelle schnell ab, so wird die Systole in schnellerem Tempo erfolgen; das nämliche wird der Fall sein bei schnellem Anwachsen des Reizes. Änderungen in dem Kurven- verlauf der einzelnen oder beider Faktoren werden Änderungen im Reiz- rhythmus hervorrufen. Solche Änderungen sind, bei gleichbleibender Reizbildung, in Fig. B. für die Reizbarkeit (Reizschwelle) konstruiert, ihr Einfluß auf den Herz- rhythmus ergibt sich aus der Figur. BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER MENSCHLICHEN HERZTÄTIGKEIT. rür Die Lueianischen Perioden und ihre Ursache. Wenden wir jetzt die hier erörterten Betrachtungen auf unseren Fall von periodischer Herztätigkeit an, so kommen wir zu dem Schlusse, daß die hier vorhandenen Schwankungen des Herzrhythmus ihren Ursprung finden müssen in regelmäßigen Schwankungen der Reizbarkeit, der Reiz- intensität oder beider Qualitäten. Im Experimente läßt sich die Frage, welche Qualität die Ursache liefert, wohl entscheiden, indem man die Reiz- schwelle in bestimmten Phasen der Herzperiode mit Hilfe eben wirksamer elektrischer Reize bestimmen kann. Beim lebenden Menschen läßt sich eine solche Versuchsanordnung nicht machen und sind wir auf Analogie- schlüsse angewiesen. Es fragt sich also, sind im Experimente Störungen der Herztätigkeit, welche den hier beschriebenen vergleichbar sind, be- obachtet worden? Periodische Herztätigkeit wie die hier beschriebene kommt vor beim Absterben (Erstickung) des Froschherzens, und zwar in dem zweiten Stadium der im Anfang dieses Abschnittes genannten Lucianischen Perioden. Von den verschiedenen Autoren, welche nach Luciani (13) diese eigentümliche Herzperiodik studierten, nenne ich Langendorff (11 und 12), Kronecker (9 und 10) und Oehrwall (16). \Wenn wir von den theoretischen Betrachtungen über die mögliche Entstehung periodischer und doppelperiodischer Organtätigkeit, welche von Langendorff und von Vehrwall diskutiert werden, absehen, bleiben zwei Erklärungsversuche übrig. Kronecker hat in der periodischen Herztätig- keit den Ausdruck gesehen von einem ungewöhnlichen, dem normalen sogar entgegengesetzten Verhalten des Herzens, speziell der Reizbarkeit. Norma- liter wird die Reizbarkeit (mit den anderen Qualitäten des Herzmuskels) durch die Arbeit des Herzens herabgesetzt, Ruhe erhöht sie. Im Stadium der Lucianischen Periodik sollte das Umgekehrte vorkommen: Ruhe setzt die Reizbarkeit herab, Arbeit erhöht sie Kronecker sagt: „Ein Herzpuls erleichtert für einige Zeit das Entstehen des nächsten; Herzruhe erschwert die Erregung.“ Es soll sich somit um eine Änderung des normalen Verlaufs der in Fig. A abgebildeten Anwachsungskurve von £ handeln. Oehrwall hat, im Lichte der Engelmannschen Betrachtungsweise und Methodik, diese Gedanken Kroneckers experimentell geprüft und kommt zu folgenden uns hier interessierenden Schlüssen (16, Seite 53): „L. Die Reizbarkeit der Herzspitze nimmt normal auch nach dem Ende der Diastole so lange zu, daß bei Reizung mit sehr schwachen In- duktionsschlägen von einer Frequenz, welche etwa der gewöhnlichen des Herzens entspricht, das Aussetzen eines Pulses die Empfindlichkeit des Muskels dem nächsten Reize gegenüber steigert. Diese Erhöhung der 78 K. F. WENCKEBACH: Reizbarkeit kann sich auf die folgenden oder mehrere der folgenden Schläge erstrecken. III. Die Reizbarkeit nimmt im ganzen während des vollen Verlaufes der Erstickung außer gegen Ende derselben zu. Betreffs des Einflusses der Pulse und der Pausen auf die Reizbarkeit gilt anfangs dieselbe Regel wie unter den normalen Verhältnissen (vgl. 1). Anfangs sieht man dem- nach keine andere Wirkung der Erstickung, als eine Steigerung der Reiz- barkeit (erstes Erstickungsstadium). IV. Früher oder später treten aber die zuerst von Kronecker be- obachteten Reizbarkeitsveränderungen während der Ruhe und der Arbeit ein, welche dadurch gekennzeichnet werden, daß das Eintreten einer Pause die Reizbarkeit vermindert, während umgekehrt das Auftreten von Pulsen sie steigert (zweites Erstickungsstadium). Die Reizbarkeit erreicht dabei ihr Maximum nach 5 bis 7 Schlägen und ihr Minimum nach einer dem ent- sprechend langen Pause. Man hat also hier zwei Schwellen, eine höhere während der Gruppe (abgesehen von den ersten Schlägen) und eine niedrigere während der Pause (abgesehen deren Anfang).! V. Nach einer längeren Pause beginnt die Reizbarkeit langsam wieder in die Höhe zu gehen. Sie wird im allgemeinen während der Pausen rascher gesteigert als während der Arbeit. VI. Der Abstand zwischen den beiden Reizschwellen wird während des Erstickungsverlaufes allmählich vermindert, bis sie schließlich zusammen- fallen (drittes Erstickungsstadium).“ Wenden wir diesen Erklärungsversuch der Periodik auf die Herztätig- keit unserer Patientin an, so ergibt sich, daß wir imstande sind, mit Hilfe derselben die hier auftretenden Perioden ungezwungen zu deuten. Die Pausen sind hier im allgemeinen kürzer als die Gruppen, auch hier aber wird die höchste Frequenz (die größte Reizbarkeit) nach 5 bis 7 Schlägen erreicht ‚(siehe Fig. 7, Taf. VIII), dann verbleibt die Reizbarkeit auf ihrem Höhepunkte, um wieder in sechs oder mehreren Schlägen abzunehmen, bis eine Pause eintritt. Auch ist die Reizbarkeit, genau wie in dem zweiten Erstickungsstadium, dauernd erhöht, wie aus der hohen Frequenz hervorgeht. Der überraschende Einfluß der Dieitalisdarreichung scheint für diese Erklärung zu sprechen. Wie bekannt, setzt Digitalis die verschiedenen Qualitäten des Herzmuskels herab. Ob durch Vagusreizung oder durch Wirkung auf den Herzmuskel (vgl. Cushny [2] u. a.) möge dahingestellt bleiben. Aus experimentellen sowohl als aus klinischen Befunden geht hervor, daß die hemmende Wirkung des Digitalis u. a. durch Herabsetzung ! Es soll wohl umgekehrt heißen: eine niedrigere während der Gruppe, eine höhere während der Pause. W. BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER MENSCHLICHEN HERZTÄTIGKEIT. 719 der Reizbarkeit und des Leitungsvermögens zustande kommt. Hier geht eine Herabsetzung der Reizbarkeit durch die Digitaliswirkung allererst aus der allgemeinen Abnahme der Frequenz des Herzens hervor. Die Schwan- kungen in der Reizbarkeit aber blieben bestehen, nur wurden die Wellen alle auf tieferes Niveau gestellt. Demnach wurden die Pausen verlängert; während der Pause sank die Reizbarkeit bis auf eine tiefere Stufe herab als vorher, es dauerte länger, bevor sie sich soweit erholte, daß wieder Schläge eintreten konnten. Sobald dies der Fall war, wiederholte sich das Spiel der Lucianischen Perioden, die Reizbarkeit nahm wieder zu (höhere Frequenz), erreichte aber nicht die vorher erreichte höchste Stufe, hielt sich infolge der geringeren Frequenz länger auf ihrer höchsten Stufe (längere Gruppen), um dann schließlich wieder abzunehmen und wieder eine längere Pause zu veranlassen. Oehrwall hat die Schwankungen der Reizschwelle (der Reizbarkeit) graphisch veranschaulicht durch eine Wellenlinie, welche jedesmal über eine mittlere Schwelle steigt und dann wieder unter diesen mittleren Wert sinkt (a. a. 0. 8.74). Eine solche Wellenlinie könnte auch für unseren Fall konstruiert werden. Sie würde von der Oehrwallschen nur abweichen in der kürzeren Dauer der Strecke, welche unter dem mittleren Wert verläuft (kürzere Pausen). Digitalis würde dann die ganze Wellenlinie herunter- drücken; dadurch würde dieselbe von selbst länger unter dem mittleren Niveau bleiben (längere Pausen). Wir sehen demnach, daß unser Fall nicht nur eine oberflächliche, sondern eine sehr tiefgehende Ähnlichkeit mit den Lucianischen Perioden der Spitze des Froschherzens bietet und für die nämliche Erklärung zu- gänglich ist. Langendorff (12) hat nun in einer rezenten Arbeit die Erklärung Oehrwalls in der Weise modifiziert, daß er die von Kronecker und von Oehrwall für die Reizbarkeit supponierten Schwankungen nicht dieser Qualität, sondern der Reizbildung (dem automatischen Apparate) zuschreibt. Ich habe schon Seite 77 bemerkt, daß sich die Frage, ob Änderungen in der Reizbildung oder in der Reizbarkeit angenommen werden müssen, ex- perimentell wohl entscheiden läßt, durch Reizung mit eben wirksamen Reizen während der Ruhe des Herzens. In dieser Weise hat Langen- dorff auch für die Lucianischen Perioden die Reizschwelle untersucht. Er kommt zu dem Ergebnis, daß auch in den Pausen die Reizbarkeit eine solche bleibt, daß an tiefes Herabsinken derselben während der Pausen nicht gedacht werden dürfte. Die Schwankungen und das eigentümliche paradoxe Verhalten während Arbeit und Ruhe würden also nicht für die Reizbarkeit, sondern für die Reizbildung gelten. Daß dabei der Effekt auf den Herzrhythmus der nämliche bleiben wird, geht aus der Betrachtung s0 K. F. WENCKEBACH: der Fig. B, Seite 76 hervor. Die Änderungen im Verlaufe der Kurve ß werden dann auf Kurve o übertragen werden müssen. Ob aber Langen- dorffs Untersuchungen eine Entscheidung in dieser Frage schon möglich machen, kann ich nicht entscheiden. Höchst wünschenswert bleibt es, den Verlauf der Reizbarkeitskurve während der Pause sowohl in normalen Ver- hältnissen, als während der langen Pausen der Lucianischen Periode näher zu untersuchen und genau festzustellen (siehe Seite 75). Bei unserer Patientin war es natürlich nicht möglich, eine solche Ent- scheidung zu treffen. Trotzdem kommt auch dieser klinischen Beobachtung ein gewisser physiologischer Wert zu. Es verdient Beachtung, daß sich infolge Digitalisdarreichung die Periodik von einer einfachen zu einer viel komplizierteren gestalten ließ, genau so wie im Eıstickungsversuch die Periodik immer schwieriger zu enträtseln wird (Fig. 9, 10 und 11, Taf. IX). Nicht ohne Bedeutung scheint mir ferner die Tatsache, daß auf reflek- torischem Wege, durch Druck auf den Halsvagus und durch starke Kom- pression des Bauches ein Wiederauftreten der Periodik auf kurze Zeit hervor- gerufen werden konnte. Es wird diese Erscheinung wohl auf einen negativ bathmotropen oder negativ chronotropen Einfluß des Nervensystems zurück- geführt werden können. Welcher pathologische Faktor schließlich bei unserer Patientin die eigentümliche Periodik des Herzens hervorrief, kann ich vorläufig nicht ent- scheiden. Von einer Erstickung war natürlich nicht die Rede. Sie war sehr leicht zyanotisch; es war aber etwas Überfüllung der Venen vorhanden, welche diese Zyanose erklären könnte. Sauerstoffmangel war gewiß nicht vorhanden. Ein Versuch mit Sauerstoffinhalation soll noch gemacht werden als Analogon des Experimentes, wo Sauerstoffzufuhr dem Erstickungsstadium und dem Lucianischen Perioden ein Ende machen kann. Wir haben schon gesehen, daß ein sehr schlechter Zustand des Herzmuskels nicht als Ursache herangezogen werden darf. Es war übrigens merkwürdig, wie gut sich die Patientin bei dieser Herztätigkeit fühlte. Sie war eigentlich gar nicht Patientin, nur war sie eben „nicht sehr stark“. Ich habe mir dann die Frage vorgelegt, ob Sauerstoffmangel des Herzens trotzdem vorhanden sein könnte, infolge von etwa vorhandener Methaemoglobinaemie, wie solche von Stokvis, Talma, Hymans van der Bergh, Gibson u. a. beschrieben worden ist. Eine solche Met oder Sulfhaemoglobinaemie kann unter Einfluß einer oft enterogenen Intoxikation entstehen, kann also als bleibender Zustand bestehen. Allein eine Methaemoglobinaemie war nicht vorhanden. Die Patientin war zweifellos nervös, und zwar auf Grund sowohl erb- licher Veranlagung als äußerer Umstände. Es mag aber mit Recht be- zweifelt werden, ob wir in der periodischen Herztätigkeit einen Ausdruck „nervöser“ Störung zu sehen haben. Auffallend war, daß, bevor Medi- BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER MENSCHLICHEN HERZTÄTIGKEIT. S$1 kamente gereicht wurden. die Periodik immer die nämliche war, von Ruhe und Arbeit nicht merklich beeintlußt wurde. Man könnte also eher geneigt sein, die Ursache der Periodik ganz in das periphere Organ zu verlegen, das heißt in den Herzmuskel; ob die Schwankungen die Reizbarkeit oder die Reizbildung betreffen, bleibt dahingestellt und ändert auch die ge- gebene Auffassung nicht für diejenigen, welche mit Engelmann u. a. die Bildung des Reizes in die Herzmuskelfaser selbst verlegen. Auch ändert an dieser Auffassung das oben beschriebene reflektorische Hervor- rufen der Periodik in der Nachperiode der Digitalisbehandlung nichts; wir dürfen annehmen, daß die Nervenwirkung nicht die Schwankungen selbst hervorrief, sondern durch Änderung der Reizbarkeit oder der Reizbildung dem Herzmuskel die Gelegenheit bot, diese Schwankungen, und damit die Periodik, wieder zu entfalten. Es geht aus diesen Betrachtungen hervor, daß viele wichtige Probleme mit der periodischen Herztätigkeit sich verknüpfen lassen. Diese Probleme gewinnen an Wichtigkeit durch die Tatsache, daß Lucianische Perioden sich am menschlichen Herzen nachweisen lassen. So stark ausgeprägt als in dem hier beschriebenen Falle waren diese Rhythmusschwankungen noch nicht zur Beobachtung gekommen. So ganz selten aber sind sie, weniger stark ausgeprägt, nicht. In XIV. wird über einen Fall mit sehr starken, auch mehr weniger periodischen Schwankungen gehandelt werden. Für die Therapie erwächst daraus sofort die Frage, wie solche Störungen zu be- seitigen wären. Digitalis ist dazu nicht imstande, muß sogar als viel- leicht gefährlich betrachtet werden, weil längere Pausen, bis von nahezu drei Sekunden, sogar nach kleinen Dosen zur Beobachtung kamen. Strych- nin, Brom, Kampher u. a. mehr bleiben in unserem Falle unwirksam. Neue Untersuchungen sind hier unbedingt notwendig, nur diese werden zu einer rationellen therapeutischen Indikation führen können. XIV. Über den pseudo-positiven Venenpuls bei Tachykardie. Im vorigen Abschnitte dieser Arbeit (XIII) haben wir mit einem Falle Bekanntschaft gemacht, in welchem die Analyse des Venenpulses ergab, daß sehr hohe Frequenz der Herztätigkeit die einzelnen Wellen des Venen- puises zu einer großen Welle zusammendrängen kann. Diese große Welle ist dann aus a, c und d’ aufgebaut, wobei dann die a-Welle derjenigen Systole gehört, welche der c und d’ liefernden Systole folgt. In diesem Falle war die Erscheinung besonders deutlich zu verfolgen, weil die Tachykardie nicht immerfort andauerte, sondern weniger frequente Strecken ihr vorhergingen und folgten, und die eintretenden Pausen Ende und Anfang des Venenpulses in ihrer wahren Gestalt zeigten. Oft aber ist Archiv £ A.u. Ph. 1808. Physiol, Abtlg. Suppl. 6 82 K. F. WENCKEBACH: die Zusammensetzung der einen großen Welle aus mehreren kleinen nicht so klar, und namentlich, wenn die Tachykardie andauert, kann es sehr schwierig oder sogar unmöglich werden, die große Welle richtig zu deuten. So mag es gekommen sein, daß von einigen Autoren bei Tachykardie ein positiver Venenpuls beschrieben wurde während des Auftretens der höchsten Frequenz. An die Erscheinung einer großen Welle, welche ungefähr in den Bereich der Ventrikelsystole fiel, ist dann eine nicht unbedeutende Schlußfolgerung geknüpft, nämlich daß durch die hohe Frequenz sich das Herz ungenügend entleeren sollte, demnach eine akute Erweiterung dieses Organes auftreten und die Trikuspidalklappen schließunfähig werden sollten. Ich bestreite nun nicht, daß bei paroxysmaler Tachykardie eine be- deutende Herzerweiterung entstehen könnte; solche Fälle habe ich jetzt wiederholt beobachtet. Ich bestreite aber, daß man, wie Mackenzie (15), Goteling Vinnis (3) u.a. getan haben, eine bei Tachykardie in den Venen erscheinende große Welle als positive Venenpulsation deutet und aus der- selben auf eine Schlußunfähigkeit der Trikuspidalklappen schließt (vgl. auch A. Hoffmann [7)). An einem zweiten Beispiele will ich zeigen, daß bei hoher Frequenz die Wellen des Venenpulses zu einer großen Welle verschmelzen können. Um falsche Deutungen zu vermeiden, scheint mir dieser Nachweis wichtig, besonders wo jetzt die klinische Methode der Untersuchung des Venen- pulses auch in das Experiment eingeführt worden ist (Hering 6). Fig. 12 und 13 stammen von einer 45jährigen Frau, welche an einer schweren organischen Herzkrankheit litt und an mehreren Tagen sehr bedeutende Schwankungen des Herzrhythmus aufwies; namentlich wechselten sehr frequente mit bedeutend langsameren Strecken in ihrem Pulsbilde ab. Während der stärksten Tachykardie traten starke Pulsationen in den Halsvenen auf. In Fig. 12, wo Venenpuls und Kardiogramm besonders deutlich lesbar sind und die Frequenz nicht zu hoch war, lassen sich beide leicht analy- sieren. Es findet sich im Kardiogramm hier die negative Welle der Vor- hofssystole, welche oben beschrieben wurde (Seite 54). Sie fällt mit einer gut ausgeprägten «-Welle im Venenpulse zusammen. Der Anstieg und das Ende des systolischen Plateaus als Ausdruck der Ventrikelsystole sind im Kardiogramm gut ausgeprägt. Im Venenpulse finden wir als durch die V, verursachten Wellen die c-Welle, eine bei Stauung oft vorkommende Welle vor dem Ende der /,, welche früher und auch in dieser Kurve von mir mit © bezeichnet wurde, und wohl mit Herings v, (Ventrikel-Stauungs- welle) übereinstimmt, und die protodiastolische Welle d’. Die Schwankungen der Periodenlänge sind hier deutlich genug, allein sie kommen nieht so weit, daB die a-Welle im Venenpulse mit der vorhergehenden d’-Welle BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER MENSCHLICHEN HERZTÄTIGKEIT. 83 verschmilzt.e. Die Figur ist denn auch mehr als Beispiel der langsamen Herztätigkeit bei dieser Patientin gegeben und um die Analyse der Fig. 13 zu erleichtern. In Fig. 13 findet man den Übergang einer sehr frequenten Strecke in einen viel weniger {requenten Rhythmus. Es kommt auch in dieser Figur wieder darauf an, genau den Moment der Vorhofs- und der Ventrikel- systolen festzustellen. Das sehr komplizierte Kardiogramm läßt sich mit Hilfe von Fig. 12 deuten, man erkennt in der langsamen Strecke die sehr deutlich ausgeprägte negative a-Welle vor dem Herzstoße. Die Ventrikel- systole macht hier nicht ein schönes systolisches Plateau, die auch in Fig. 12 angedeutete Einsinkung nach dem ersten Anstieg ist in Fig. 13 eine sehr tiefe und könnte leicht zu falschen Deutungen Anlaß geben. Die Pulsationen des Venenpulses sind hier sehr bedeutende, die Kurve ist in einer Periode starker venöser Stauung aufgenommen worden. In der langsamen Strecke läßt der Venenpuls sich aber leicht deuten als einen von normalem Typus. Die Vorhofsystole (a) geht voran, dann folgt eine tiefe negative Phase während Y/,, (Mackenzies x), dann dieam Ende der V, fallende protodiastolische Welle d’, welcher ein tiefer diastolischer Kollaps folgt (Mackenzies y). Wir finden somit jeder Systole entsprechend zwei Wellen und zwei Einsenkungen. In den sehr frequenten Strecken ändert sich dieses Verhalten. Hier kommt auf jede Systole nur eine Welle, nur eine Einsenkung. Die Wellen werden außerdem viel größer und verursachen sehr starke Pulsationen in den Halsvenen, welche als positive, aus der rechten Kammer, durch schluß- unfähige Trikuspidalklappen hindurch, zurückgeworfene Blutwellen imponieren. Eine genaue Analyse aber lehrt, daß auch hier die einzelnen Wellen des Venenpulses zusammengedrängt werden, daß die normale Schlagfolge von A, und V, erhalten bleibt, ein positiver Venenpuls nicht vorliegt. Vergleichen wir die d’- Welle der langsamen Strecke, auch die d’ der letzten Systole der frequenten Strecke, in ihrer absteigenden Linie mit der näm- lichen Stelle in der frequenten Strecke, so finden wir hier eine Welle (a), welche den ersteren fehlt. Diese Welle kann nur die a-Welle der nächsten Systole sein. Gehörte sie zur vorhergehenden Systole, so sollte sie bei x nicht fehlen. Sie gehört also der nächstfolgenden Systole an, fällt vor deren Y,„ muß also der nächsten A, entstammen. Was hier geschieht, kann man sich am leichtesten deutlich machen durch den Venenpuls der ersten Systole nach der längeren Pause nach vorn zu bewegen. Dann wird die Einsenkung y immer kleiner werden und es wird so weit kommen, daß y gänzlich verschwindet und « mit der vorhergehenden d’ zusammenfällt oder ihr als kleine Welle sozusagen auf dem Rücken sitzt. Auf diese Weise verschwindet y und fallen die Wellen 6* 84 K. F. WENCKEBACH: d und a zusammen. Daß dabei sowohl der Wellenhügel höher als das Wellental tiefer wird, läßt sich leicht einsehen. Es kommt hier nicht so weit wie im in XIII. beschriebenen Falle, wo die erstfolgende a-Welle sogar der vorhergehenden c-Welle voranging. Allein der scheinbare Übergang eines normalen in einen sogenannten positiven (ventrikulären) Venenpuls ist auch hier sehr deutlich vorhanden. Man sei also bei der Deutung großer, scheinbar ventrikulärer Wellen bei sehr frequenter Herztätigkeit sehr vorsichtig und bedenke, daß ein Zusammenfließen der einzelnen Venenwellen unter solchen Umständen leicht zu Täuschungen führen kann. BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER MENSCHLICHEN HERZTÄTIGKEIT. 85 Literaturverzeichnis. 1. L.N. Hesketh Biggs, Investigation of the bundle of His in rabbits exeised hearts perfused with Locke’s fluid. The British Medical Journal. 1908. I. S. 1419. 2. A. R. Cushny, On the action of substances of the digitalis series on the 7 eireulation in mammals. The journal of experimental medicine. 1897. Vol. II. 8. 233. 3. E. W. Goteling Vinnis, De aanhoudende verdubbeling van den hartslag. Dissertatie. Leiden 1905. 4. J. Hay, Bradycardia and cardiac arrhythmia produced by depression of certain functions of the heart. Zancet. 1906. S. 139. 5. J. J. Hekman, Over de onderlinge onafhankelykheid der invloeden enz. Ver- handelingen der Kon. Academie v. Wetenschappen te Amsterdam. Deel IX. No. 6. 1903. 6. H.E. Hering, Das Wesen des Herzalternans. Münchener medizinische Wochenschrift. 1908. 8. 1418. 7. A. Hoffmann, Arbeiten über Herzjagen. Siehe u.a. Zeitschrift für klinische Medizin. Bd. LIII. 1904. 8. G. Joachim, Ein atypischer Fall von Störung der Reizleitung im Herzmuskel. Berliner klinische Wochenschrift. 1908. S. 911. 9. H. Kronecker, Das charakteristische Merkmal der Herzmuskelbewegung. Ludwigs Festgabe. 1875. 10. Derselbe, Die Unfähigkeit der Froschherzspitze elektrische Reize zu sum- mieren. Dies Archiv. 1879. Physiol. Abtlg. S. 363. 11. ©. Langendorff, Studien über Rhythmik und Anatomie des Froschherzens. Ebenda. 1884. Physiol. Abtlg. Suppl. S. 57. 12. Derselbe, Untersuchungen über die Natur des periodisch aussetzenden Rhyth- mus, insbesondere des Herzens. Pflügers Archiv. 1907. Bd. CXXI. 8. 54. 13. Luciani, Eine periodische Funktion des, isolierten Froschherzens. Arbeiten aus der physiologischen Anstalt zu Leipzig. 1873. 14. J. Mackenzie, The cause of heart irregularity in influenza. British Medical Journal. Nov. 1 1902. 86 “ K. F. WENCKEBACH: BEITRÄGE ZUR KENNTNIS USW. 15. Derselbe, New methods of studying afleetions of the heart. Zbenda. 1905. S. 814. 16. Hj. Oehrwall, Über die periodische Funktion des Herzens. Skandinavisches Archiv für Physiologie. 1898. 8.1. 17. D. von Tabora, Über die experimentelle Erzeugung von Kammersystolen- ausfall und Dissoziation durch Digitalis. Zeitschrift für experimentelle Pathologie und Therapie. 1906. Bd. III. S. 429. 18. K. F. Wenckebach, Zur Analyse des unregelmäßigen Pulses. III. Zeit- schrift für klinische Medizin. 1899. Bd. XXXVII. 19. Derselbe, Die Arkythmie als Ausdruck bestimmter Funktionsstörungen des Herzens. Leipzig 1903. 20. Derselbe, Beiträge zur Kenntnis der menschlichen Herztätigkeit. I. und II. Dies Archiv. Physiol. Abtlg. 1906 und 1907. Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Salpenherzens. Von G. F. Nicolai. (Aus der physiologischen Abteilung der zoologischen Station in Neapel und aus dem physiologischen Institut in Berlin.) (Hierzu Taf. X u. XI) 51. Untersuchungsplan und Material. Die folgenden während eines Neapeler Aufenthaltes geplanten Unter- suchungen an Salpenherzen sind deshalb fragmentarisch geblieben, weil gerade in diesem Jahre die Salpenschwärme überhaupt im ganzen Mittelmeer nicht _ erschienen sind, so daß ich nur an 5 Tagen in den Besitz von jedesmal 1 bis 10 (im ganzen 26) Salpen (Salpa africana) gelangen konnte. Hiervon konnten aber nicht einmal alle wirklich ausgenutzt werden, weil ein einzelner Ver- such mit einer Salpe 3 bis 4 Stunden dauerte, es also unmöglich war, 10 Salpen an einem Tage aufzuarbeiten. Eine Konservierung bis zum nächsten Tage gelang aber selbst in den großen Bassins der Neapeler Station nicht, und, wie mir der erfahrene Lo Bianco versicherte, soll dies über- haupt nicht wohl möglich sein. Ich konnte dementsprechend einen Teil des so schon spärlichen Materials nur zu Injektionszwecken verwenden. Wenn ich trotzdem diese fragmentarischen Studien der Öffentlichkeit übergebe, so geschieht dies, weil ich voraussichtlich in der nächsten Zeit nicht wieder Gelegenheit haben werde, ans Mittelmeer zu kommen, und weil die im folgenden mitgeteilten Ergebnisse vielleicht einen oder den anderen veranlassen, mit ähnlichen Untersuchungsmethoden dieses inter- essante Objekt zu untersuchen. 88 G. F. NiıcouA1: Meine Untersuchungen zerfallen in zwei Teile. _ 1. habe ich die Anatomie des Gefäßsystems untersucht und hierbei genauer, als es bisher geschehen ist, den Verlauf der Gefäße und in Ver- bindung damit die jedesmalige Richtung des Blutstromes in den einzelnen Abschnitten zu bestimmen gesucht. Dies schien um so nötiger, als der letzte Untersucher der Salpen, Enriques! (1904), den Kreislauf bei diesen Tieren überhaupt geleugnet hatte. 2. habe ich den physiologischen Mechanismus des abwechselnden Herz- schlages untersucht. Zu dem Zwecke war es vor allem nötig, den Einfluß der Temperatur, sowie des Sauerstoffgehaltes näher zu bestimmen. Dies schien deshalb ge- boten, weil L.S.Schultze?! (1901) in seinen ausgezeichneten Untersuchungen über den Herzschlag der Salpen den Einfluß dieser verschiedenen Faktoren nicht scharf voneinander getrennt hatte. Um dies aber zu können, er- schien es vorteilhaft, eine exaktere Methode als dieser Forscher anzuwenden, der immer nur die Zahl der Herzschläge in den einzelnen Pulsationsreihen sowie deren Gesamtdauer bestimmt hatte. Weiter waren entsprechend dem allgemeinen Schema biologischer Untersuchungen überhaupt Reizungs- und Exstirpationsversuche anzustellen, um den eventuellen Ursprungsort der Herzpulsationen zu eruieren. Alle diese Versuche sind ausgeführt und haben teilweise eindeutige Ergebnisse ergeben, auf denen ein Weiterarbeiten möglich ist. Teilweise aber war die Anzahl der Versuche zu gering, um zu einwandsfreien Resultaten zu gelangen. Anatomie. g.2L Die Anatomie des Salpenkreislaufs. Der eigenartige Körper der Salpen bildet eine Röhre, deren eine Öffnung man als Mund, deren andere man als After bezeichnen kann. Da die Röhre der Länge nach bilateral symmetrisch ist, und auf der einen Seite das Gehirn, auf der anderen Seite aber das Eingeweideknäuel liest, kann man bei diesen Tieren, die man ja überhaupt in Verbindung mit den Wirbeltieren gebracht hat, von einem Rücken und von einem Bauch sprechen. Zwischen dem Eingeweideknäuel (dem Nucleus), der auf der ab- dominalen Seite nahe dem After liegt, und dem Gehirn, das auf. der dor- salen Seite, nahe dem Munde liegt, zieht sich schräg durch die Höhle der Röhre, in welcher das Meerwasser mehr oder weniger frei flottieren kann, ein Strang, den die Zoologen seiner Struktur nach als Kieme ansprechen. ! Den genauen Titel der zitierten Schriften siehe in dem Literaturverzeichnis am Schlusse der Arbeit. BEITRÄGE ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE DES SALPENHERZENS. sg Weitere anatomische Daten über den Salpenkörper erwähne ich nicht, da dieselben keine nachweisbare Beziehung zum Kreislauf haben und da die gegebene Beschreibung zur Feststellung der Topographie genügt. Das Schema der Fig. 1 zeigt diese Verhältnisse, zugleich kann man daraus die in der vorliegenden Arbeit verwendeten Bezeichnungen der einzelnen Gefäße ersehen; da diese Darstellung in wesentlichen Punkten von der Schultzeschen Darstellung abweicht, konnte ich auch die Schultzesche Nomenklatur nicht völlig verwenden, der ich mich im übrigen möglichst angeschlossen habe, indem auch ich die schwerfälligen Doppelnamen nach Möglichkeit vermieden habe. Da eine Einteilung nach Arterien.und Venen nicht angängig ist, sind die aus dem Herzen entspringenden Gefäße als „trunci“ bezeichnet, alle übrigen Gefäße aber unter dem Namen „vasa “ zusammengefaßt. Vom Herzen entspringen zwei Gefäßstämme, die in entgegengesetzter Richtung verlaufen und in funktionellem Gegensatz zueinander stehen; durch den einen wird der ganze Körper mit Gefäßen versorgt, und dieser wäre als Körperstamm (Truncus corporalis) am sinngemäßesten zu bezeichnen (dieser wird übrigens niemals durch einen, sondern immer durch mehrere Stämme repräsentiert, oder besser gesagt, der Körperstamm zerfällt gleich nach seinem Austritt in mehrere Gefäße). Von der anderen Seite des Herzens geht ein Gefäßstamm aus, der meist gleich beim Austritt einen unten näher zu erwähnenden Ast abgibt, dann aber sich erst nach längerer Zeit teilt und sich ausschließlich im Eingeweideknäuel verbreitet. Dieser Stamm wäre sinngemäß als Eingeweidestamm (Trune. visceralis) zu be- zeichnen. Andere Verbindungen des Herzens mit Gefäßstämmen existieren nicht. Insonderheit existiert, wie unten genauer auseinandergesetzt werden soll, keine Verbindung zwischen dem Herzen und der Kieme. Weder, wie es Vogt und Yung (1889/94) wollen, an der korporalen Seite des Herzens, noch, wie es Schultze beschreibt, an der visceralen Seite des Herzens. Die Hauptgefäße am Salpenkörper selbst sind nun in der Weise ver- teilt, daß man sie am besten mit den Umschnürungen eines Paketes ver- gleichen kann. Von mehrfachen Ringen — in dem Schema auf der folgenden Seite sind nur drei gezeichnet — ist der Salpenkörper umgeben, und am Rücken, am Bauch, sowie an beiden Seiten werden diese Ringe durch längs- verlaufende Gefäße verbunden. Hierbei imponieren das Rücken-, sowie das Bauchgefäß (letzteres ist immer doppelt) durch Größe, Konstanz und Regel- mäßigkeit, und vor allem auch dadurch, daß sie gegen den Mund zu unter- einander direkt verbunden sind, während die lateralen Längsgefäße mehr den Charakter von Anastomosen zwischen den einzelnen Ringgefäßen auf- weisen. Die Namen für diese Gefäße dürften sinngemäß folgende sein: 90 G. F. NıcoLa1: Für die beiden großen Längsstämme sind die Namen Bauchgefäß (v. abdominal.) und Rückengefäß (v. dorsal.) zu wählen, Namen, die schon Milne-Edwards (1841 S. 4) diesen Gefäßen gegeben hat. Für die Ringgefäße existiert kein gebräuchlicher Name; es dürfte die Bezeichnung Ringgefäße (v. circul.) passend und eindeutig sein. Auch der Ausdruck „laterale Anastomose“ (v. lateral.) wird nicht mißzuverstehen sein. Die am nächsten dem Munde gelegenen Ringgefäße sind als Mund- ring (v. oral.) von den anderen Ringgefäßen zu unterscheiden, weil sie Abdomen Dorsum Fig. 1. tv. = Trune. visceral. = Eingeweidestamm. Lac: = .,„ corpor. = Körperstamm. v. a. — Vasa abdom. = Bauchgefäße. v.d.a = ,„ dors. ant. = vorderes Rückengefäß. v.d.p UN: » post. = hinteres ER v.C. — Au 8 circul. — Ringgefäße. v.l. —ıe ls later. — Seitenanastomosen. v.0. —n oral. = Mund-Ring. v.b. = ,„ branch. = Kiemgefäß. v.com.an. = „ communice. = anale Kommissuren. Schema des Salpenkreislaufs. Getönt ist der Medianschnitt; der Körper der Salpe ist punktiert angedeutet; die me- dialen sowie die nach vorn gelegenen Gefäße sind ausgezogen, die rückwärts gelegenen punktiert. nicht so senkrecht wie die anderen 'Ringgefäße verlaufen, und vor allem, weil sie nicht in das Rückengefäß einmünden, sondern wie aus der Figur hervorgeht, mundwärts von der Vereinigungsstelle des Rückengefäßes mit dem gleich zu beschreibenden Kiemengefäß einmünden. Wie unten gezeigt werden wird, ist dabei der Blutstrom in diesem Gefäß dem des vorderen Teiles des Rückengefäßes entgegengesetzt gerichtet; da nun auch der Blut- strom im vorderen und hinteren Teil des Rückengefäßes immer entgegengesetzt BEITRÄGE ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE DES SALPENHERZENS. 91 fließt, tut man gut, beide Gefäßstrecken auch im Namen zu unterscheiden (v. d. a. und v. d. p.). Das Körpergefäßsystem hängt in der beschriebenen Weise mit dem Herzen zusammen. Weiter existieren zwei ganz verschiedene Verbindungen des Körpersystems mit dem Viszeralsystem, und zwar, wie aus dem Schema deutlich hervorgeht, erstens durch Vermittlung des Kiemengefäßsystems und zweitens durch zwei Gefäße, die rein topographisch den Ringgefäßen homolog zu sein scheinen, funktionell aber im Gegensatz zu ihnen stehen, was auch daraus hervorgeht, daß, wie weiter unten gezeigt werden wird, der Blutstrom in ihnen immer dem Blutstrom in den Ringgefäßen ent- gegengesetzt gerichtet ist. Da sie außer dem Kiemengefäß die einzigen direkten Verbindungen zwischen Salpenkörper und Eingeweideknäuel dar- stellen, bezeichnen wir sie als Vasa communicantia (v. com.) oder, weil sie dem After nahe gelegen sind, als anale Kommissuren. Diese Beschreibung des Kreislaufsystems weicht in wesentlichen Punkten von den bisherigen Beschreibungen ab. Die auffälligste Verschiedenheit besteht darin, daß ich die von allen anderen Untersuchern gesehene direkte Verbindung zwischen dem Herzen und dem Kiemengefäß niemals nach- weisen konnte. Auffällig mußte es allerdings erscheinen, daß die Ver- bindung zwischen Kieme und Herz von den einen Autoren (nach dem Vor- gange von Vogt und Yung) an das korporale Ende des Herzens, von den anderen (vor allem von Schultze) an das viscerale Ende des Herzens ver- legt wurde. Da es kaum glaublich erscheint, daß in bezug auf einen so wesentlichen Umstand tatsächliche Verschiedenheiten bei einer und derselben Salpenspezies vorkommen sollten, so muß einer der beiden Autoren sich so wie so getäuscht haben, und ich wage daher umso eher, auf Grund meines quantitativ nicht zahlreichen Materials, diesen abweichenden Modus zu be- haupten, als ich glaube, topographische Umstände aufzeigen zu können, die leicht eine Täuschung in dem Sinne hervorrufen können, wie sie Schultze, dem neusten gründlichen Untersucher, mit unter gelaufen zu sein scheinen. Diese abweichende Meinung stützt sich sowohl auf Injektionsversuche, als auch auf Zeichnungen, die ich am lebenden und toten Material mit Hilfe der Zeißschen Doppellupe von den in Betracht kommenden Gefäßen entworfen habe. Ich habe nun bei einer Injektion vom Abdominalgefäß aus leicht das Herz und den Truncus visceralis, d. h. jenen Gefäßstamm, welcher zum Eingeweideknäuel (Nucleus) führt, nie aber die Branchialarterie injizieren können. Andererseits habe ich von der Branchialarterie aus niemals das Herz injizieren können, es sei denn, daß die Injektionsflüssigkeit auf dem Umwege durch die Ringgefäße und das Abdominalgefäß in das Herz ein- 92 G. F. Nıcouar: drang. Dagegen injizierte sich immer vom Branchialgefäß aus eine Auf- splitterung der Gefäße um den und in den Eingeweideknäuel hinein. Eine direkte Injektion ins Herz habe ich nicht häufiger ausgeführt, weil es sich dabei, wie ich aus den ersten Versuchen sah, schwer vermeiden läßt, daß Injektionsflüssigkeit durch den Stichkanal hindurch in den Herz- beutel eindringt. Dann aber wird die ganze Topographie der Herzgegend verwischt. Auch scheint es, daß der Herzbeutel, der überhaupt mit lakunären Bluträumen in Verbindung steht, auch eine wenn schon unbedeutende Kommunikation mit dem Branchialgefäß besitzt. Jedenfalls scheint aus den gelungenen, vielfach wiederholten Injektions- versuchen mit Sicherheit hervorzugehen, daß eine irgendwie nennenswerte Verbindung zwischen Herz und Kiemengefäß keinesfalls existiert, wenn schon es bei dem weiter unten zu besprechenden diffusen Charakter, den das Salpengefäßsystem überhaupt zeigt, nicht ausgeschlossen sein dürfte, daß hin und wieder direkte lakunäre Verbindungen vorkommen, die aber dann ohne praktische Bedeutung sein dürften. Ich habe dann weiter die Gefäßverbindungen teils an lebenden Tieren in Neapel, teils an gehärtetem Material in Berlin, unter der Zeißschen Lupe gezeichnet, und habe auch hierbei niemals jenes Gefäß, das Schultze (1901) als Truneus branchio-visceralis bezeichnet und abbildet, sehen können. Es bildet dies bei Schultze eine mehr oder weniger dicke direkte Verbindung zwischen Herz und Kieme. Die Fig. 2, Taf. XI, stellt ein derartiges Injektionspräparat vor, wobei in der Branchie selbst nicht alle Gefäße gezeichnet sind. Man sieht hier das breite Branchialgefäß (ein Ast liegt in der Figur über der Kieme und einer unter der Kieme) und man sieht, wie der obere Ast sich vornehmlich um den Gefäßknäuel aufsplittert, wobei einzelne Gefäße auch in den Gefäb- knäuel eindringen. Man sieht nun einen ziemlich konstanten Ast (in der Figur mit 5 bezeichnet) sich gegen das Herz wenden, doch dringt dieser Ast nicht in das Herz ein, sondern splittert sich (bei dem abgebildeten Tiere jenseits des Nucleus, und daher punktiert gezeichnet) auf. Dieser häufig nicht un- beträchtliche Ast imponiert auf den ersten Blick durchaus als eine Ver- bindung zwischen Kiemenarterie und Herz, vor allem, weil auch von dem Visceralstamm häufig ein Ast abgeht (2’ in Fig. 2 und Fig. 4, Taf. XD, der dem eben beschriebenen Ast entgegenstrebt. Doch geht — wenigstens bei den von mir untersuchten Tieren — niemals ein Gefäß in das andere über, immer enden beide in einer Aufsplitterung, und es ist nicht einmal zu sagen, ob sie etwa direkt durch Kapillaren oder Lakunen in Verbindung stehen. Hätte ich nicht, auf Grund meiner Injektionsversuche, eine derartige Ver- bindung für sehr unwahrscheinlich gehalten und deshalb genauer zugesehen, so wäre auch ich getäuscht worden. BEITRÄGE ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE DES SALPENHERZENS. 93 Nach dem Gesagten ist also der Truncus visceralis die einzige Fort- setzung des Herzens in der Richtung gegen den Nucleus; er läuft immer auf der rechten Seite des Tieres in der in der Fig. 6 auf S. 96 ge- zeichneten Weise um den Eingeweideknäuel herum und splittert sich erst nach dieser halben Kreistour in seine Endverzweigungen auf. Vom Nucleus wird das Blut dann durch zwei Gefäßstämme weitergeführt — eben durch jenes Kiemengefäß und die Vasa communicantia, die wir schon vorhin als zuführende Gefäße zum Nucleus erwähnt hatten, denn bei dem umkehr- baren Salpenkreislauf sind ja alle efferenten Gefäße zeitweilig auch afferente. Hiermit wäre also die Beschreibung der geschlossenen Salpenkreis- laufbahn vollendet. $ 3. Die mikroskopische Struktur des Lakunennetzes. Wie später in $5 noch genauer gezeigt werden sull, wird das Blut entweder vom Herzen in die Eingeweide hineingetrieben, löst sich dort eventuell in Kapillaren auf und kehrt dann durch den Körper wieder zum Herzen zurück. Oder aber, das Blut fließt durch den Körper in die Eingeweide und kehrt dann von dort aus direkt zum Herzen zurück. Nach dem Gesagten könnte es scheinen, als wenn das Blut auf seinem Wege vom Herzen bis wieder zurück zum Herzen jedesmal zwei Kapillar- systeme zu passieren hätte, das in den Eingeweiden und das im Körper. Aber während in den Eingeweiden ein wirkliches Kapillarsystem zu existieren scheint, kann hiervon bei dem Gefäßsystem des Körpers gar keine Rede sein. Schon aus dem makroskopischen Schema der Fig. 6 auf S. 96 sieht man deutlich, daß zwischen Nucleus und Herz zahlreiche große Gefäße vor- handen sind, die ohne Unterbrechung durch etwaige Kapillargebiete vom Herzen bis zum Nucleus führen. Diese großen Gefäße bilden ein wahres Netz. Diese netzförmige Struktur setzt sich dann auch weiterhin fort. Nirgends sieht man eigentlich zu- und abführende Gefäße, sondern auch die kleinsten derselben bilden immer wieder ein Netzwerk. Die Abbildung Fig. 3 auf Tafel X (die mit dem von H. Levy konstruierten Zeichenapparat, der sich für die Wiedergabe großer Objekte ausgezeichnet eignet, gezeichnet ist), gibt das Bild eines Injektionspräparates aus der Umgebung des Mundes _ wieder und dürfte eine ausführlichere Beschreibung erübrigen. Wenn einzelne dieser kleinen Gefäße blind zu endigen scheinen, so ist dies nur dadurch bedingt, daß die Injektionsmasse nicht überall gleichmäßig ein- gedrungen war. Bei näherem Zusehen ergibt sich immer, daß die Gefäße nicht endigen, sondern daß sie das beschriebene Netzwerk bilden. Über die Bedeutung dieses Netzwerkes vergleiche den $& 6. 94 G. F. NicoLar: $4. Die Anatomie des Herzens. Das Herz ist bei den Salpen ein einfacher, gekrümmter, muskulöser Schlauch, an dem auch in der Ruhe, sowie nach dem Tode auf der kon-- kaven Seite Falten vorhanden sind, wie sie die Fig. 4, Taf. XI, deutlich zeigt. Dab diese Falten an bestimmten Stellen präformiert sind, kann man, glaube ich, nicht ohne weiteres sagen, wenn auch Schultze, ganz mit Recht, zugunsten dieser Meinung hervorhebt, daß, wenn das Salpenherz mehr- fach stillsteht, diese Falten — wenigstens meist — immer wieder an derselben Stelle auftreten. Doch macht dieses Phänomen auf den Unbefangenen ganz den Eindruck, als wenn man einen etwas aufgeblasenen dünnwandigen Gummischlauch biegt. Auch dieser wird dann auf der konkaven Seite in Falten gelegt erscheinen, die im übrigen auch bei Wiederbolung des Ver- suches an identischen Stellen auftreten werden, ohne daß man deshalb doch von einer Präformation (höchstens von zufälligen Ungleichmäßigkeiten) sprechen könnte. Dementsprechend liegen denn auch diese Falten bei ver- schiedenen Individuen an ganz verschiedenen Stellen. In ähnlicher Weise, d. h. auf Grund des Umstandes, daß es sich um einen gebogenen Schlauch handelt, kann man, wie ich glaube, auch die Tatsache erklären, daß die Kontraktionswelle scheinbar nur auf der einen Seite, nämlich auf der inneren konkaven entlang läuft. Wenn man nämlich um einen mäßig aufgeblasenen Schlauch aus dünnem Gummi einen Faden bindet, der den Schlauch an dieser Stelle einschnürt, so ist diese Ein- schnürung, wie zu erwarten, rings herum gleichmäßig stark. Wenn man nun aber diesen aufgeblasenen und eingeschnürten Gummischlauch als Ganzes biegt, dann verstreicht die Einschnürung auf der konvexen Seite mehr oder weniger ganz, während sie auf der konkaven Seite verstärkt wird. Es liegt also wohl kaum ein Grund vor, nach besonderen Ursachen zu suchen, warum die Kontraktionswelle nur auf der konkaven Seite sicht- bar wird. Der Grund hierfür dürfte vielmehr in der Gestalt des Salpen- herzens als eines gebogenen Schlauches begründet sein. Wir könnten daher annehmen, daß eine einfache, an sich an allen Stellen gleich starke Kon- traktionswelle peristaltisch über das gesamte Herz abläuft. Ich möchte hervorheben, daß ich, abgesehen von den letzten Schlägen einer Pulsations- reihe, bei der man häufig den Kampf zweier entgegengesetzt gerichteter peristaltischer Wellen direkt beobachten kann, überhaupt niemals etwas anderes als eine allerdings mit nicht ganz konstanter Geschwindigkeit fort- schreitende peristaltische Welle gesehen habe. Es scheint daher, als ob die von Schultze regelmäßig beobachteten „antiperistaltischen Zuckungen“ unter Umständen auch fehlen können. BEITRÄGE ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE DES SALPENHERZENS. 95 Die Fig. 4 und 5 geben das naturgetreue Bild des Herzens, das in seinem sehr weiten Perikard gelegen ist. Die Fig. 5, Taf. XI, gibt gleich- zeitig das detailliertere Bild des Abgangs der Abdominalgefäße. Man sieht, daß dieselben aus einer konstant vorhandenen bulbusartigen Erweiterung des Herzens entspringen und daß sie auch dann einen verhältnismäßig komplizierten Verlauf einschlagen, wobei man auch hier das erkennt, was überhaupt für den Salpenkreislauf so charakteristisch ist — nämlich die starke Anastomosenbildung. Hinweisen möchte ich dabei auf die innige Verbindung, welche offenbar die Hypobranchialrinne mit dem Gefäß, an das sie sich vollkommen anschmiegt (siehe die Fig.), einzugehen scheint. Ob dies zufällig ist oder eine funktionelle Bedeutung besitzt, läßt sich nicht ohne weiteres sagen. Physiologie des Salpenkreislaufes. $ 5. Die Riehtung des Blutstromes in den einzelnen großen Gefäßen. Ehe ich auf die eventuell funktionelle Bedeutsamkeit des Fehlens einer direkten Verbindung zwischen Herz und Kieme eingehe, möchte ich kurz die Richtung des Blutkreislaufs in den einzelnen Gefäßen an der Hand des Schemas schildern, das in Fig. 6 auf folgender Seite auf Grund aller Be- obachtungen aufgestellt ist, dem aber die genaue Wiedergabe der ana- tomischen Gefäßverteilung bei einer bestimmten Salpe zugrunde liegt. Dieses Schema des Kreislaufs ist in der Weise gewonnen, daß die Tiere in einem Glasgefäß in dem durchfallenden Lichte einer Bogenlampe beobachtet wurden. Hierbei sieht man sehr deutlich (selbst ohne Lupe, besser noch mit einer großen Leselupe) die Riehtung des Blutstroms in den größeren Gefäßen. In ein, vorher auf Grund der anatomischen Untersuchungen oder der vorausgegangenen direkten Beobachtungen des Kreislaufs gezeichnetes Schema wurde nun durch Pfeile die Richtung des Blutstromes in allen einzelnen Gefäßstrecken jedesmal eingezeichnet, und da das Herz mehrere Minuten in einer Richtung schlägt, so war es möglich, jedesmal in einer einzigen Pulsationsreihe sämtliche Pfeile einzu- zeichnen, und es ergab sich in keinem Falle irgend eine Abweichung von dem gezeichneten Schema (oder von dessen völliger Umkehrung). Überhaupt ist der Kreislauf ein absolut regelmäßiger, und es ist nicht zu verstehen, wie manche Untersucher, vor allem Enriques (1904) zum ent- gegengesetzten Resultat kommen konnten. Unregelmäßigkeiten habe ich nur in folgenden Punkten vorbemerkt: In den starken Verbindungen, welche an beiden Seiten des Körpers die Ringgefäße verbinden (in den Lateralanastomosen), zeigt sich häufig — u eine hin und her pendelnde Bewegung, was ja aus der Natur der Sache 96 G. F. NıcoLa1r: heraus selbstverständlich erscheint. Auch in den Vasa oralia, welche durch ihre Einmündung hinter dem Kiemengefäß sowie durch den Umstand, daß sie in großem Bogen in den Schwanz hineingehen, eine besondere Stellung einnehmen (in dem Mundring), zeigte sich manchmal (aber allerdings selten) nicht die durch den Pfeil angedeutete, sondern die umgekehrte Richtung. Endlich muß noch auf eine Besonderheit des Rückengefäßes hinge- wiesen werden: man sieht aus der Fig. 6, daß das Blut bei abvisceraler Blutstromrichtung durch die Ringgefäße vom Bauchgefäß zum Rücken- gefäß hinströmt, von hier fließt es entweder durch das Kiemengefäß. oder durch die analen Kommissuren zum Nucleus; daher kommt es, daß das Blut in der Mitte des Rückengefäßes häufig still steht (in der Fig. 6 durch = bezeichnet), während das Blut nach beiden Seiten hin abströmt (bzw. bei advisceraler Blutstromrichtung von beiden Seiten her zuströmt). Hier kommt es nun ebenfalls häufig vor, daß der durch = bezeichnete Indifferenzpunkt sich verschiebt und daß abwechselnd das Blut aus einem bestimmten Ringgefäß bald durch die Kieme, bald durch die analen Kommissuren zum Nucleus hingeleitet wird. Auch dies ist aus der Anord- nung des Gefäßsystems leicht als selbstverständlich zu begreifen. Das Schema ist übrigens außerordentlich vereinfacht; es gibt in Wirklichkeit immer zwei Abdominalgefäße, es gibt immer mehrere Kiemen- gefäße, und auch sonst zeigen sich oft eigenartige Verhältnisse, z. B. an der Zusammenflußstelle des Dorsalgefäßes mit der Kiemenarterie, also dort, wo etwa das Ganglion liegt. Diese Verhältnisse sind hier nicht berück- sichtigt, doch dürfte sich diese Methode zur Untersuchung des Gefäßsystems empfehlen. Man bekommt viel vollkommenere und dabei viel übersicht- lichere Bilder, als bei Injektionspräparaten. Eine Injektion am lebenden Tiere hat aber — wenigstens mir — niemals befriedigende Resultate er- geben. Flüssige Farbstofllösungen (also vor allem Methylenblau) diffun- dierten aus den Gefäßen heraus, und körnige Substanzen, Berliner Blau und BEITRÄGE ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE DES SALPENHERZENS. 97 chinesische Tusche, klebten immer sofort an den Wandungen an. Es scheint dies auch anderen nicht gelungen zu sein, wenigstens Enriques (1904) eibt an, daß er gefärbtes Öl in die Arterien gespritzt hatte, ein Verfahren, das so wenig aussichtsvoll erscheint, daß man es sicher erst anwendet, nachdem die gebräuchlichen Verfahren versagt haben. In der Tat ist er denn auch mit diesem Verfahren dazu gekommen, den oben dargestellten Kreislauf zu leugnen und zu behaupten, daß der Inhalt der Gefäßsysteme durch das Herz überhaupt nicht in nennenswerter Weise fortbewegt würde, was zweifellos nur daran liegt, daß eben das Öl zu stark an den Gefäß- wänden adhärierte, als daß es fortbewegt würde. Es ist dies umso leichter zu erklären, als das Blut ja immer noch andere weite Gefäßwege zur Ver- fügung hat, so daß ein geringes Hindernis sicher nicht überwunden werden kann. Hierzu kommt, daß, wenn man an dem Dorsalgefäß beobachtet, man in der Tat ein echtes Hin- und Herpendeln sehen kann. Es geht aber aus der Beschreibung von Enriques nicht mit Sicherheit hervor, an welchem Gefäß er beobachtet hat. Macht doch schon Schultze darauf aufmerksam, wie leicht und wie oft bei den Salpen eine Verwechselung von Rücken und Bauch vorgekommen ist. $ 6. Der arterielle und venöse Kreislauf der Salpen. Als advisceral hat Krukenberg (1880) diejenige Richtung bezeichnet, in der das Blut vom Herzen auf dem kurzen Wege zu dem Eingeweideknäuel strömt, und als abvisceral die entgegengesetzte Richtung, d. h. diejenige, bei der das Blut vom Eingeweideknäuel zum Herzen hinströmt. Diese Be- zeichnung ist prägnant, denn, wie wir gesehen haben, entspricht es den Tatsachen, wenn man unter den „viscera“ den Eingeweideknäuel versteht. Krukenberg selbst hat aber wohl auch die Kieme als Teil, und vielleicht sogar als wesentlichen Teil, der Eingeweide mit angesehen. Jedenfalls ist in der Folge diese Bezeichnungsweise immer dahin interpretiert worden, daß es darauf ankomme, ob das Blut von oder zu der Kieme strömt. In dieser Weise hat man gesagt, das Breez könne als venöses oder als arterielles Herz tätig sein. Diese modifizierten Vorstellungen sind wenigstens dann nicht richtig, wenn man in funktioneller Beziehung nur dasjenige als Kieme bezeichnet, was von den Zoologen so genannt wird. Zwischen dieser und dem übrigen Körper besteht in bezug auf die Kreislaufrichtung kein Gegensatz. Ein Gegensatz besteht nur zwischen dem Eingeweideknäuel und dem gesamten übrigen Körper, zu dem auch das Kiemengefäß in dieser Beziehung zu rechnen wäre. Dasselbe nimmt nur insofern eine gesonderte Stellung ein, als es direkt zum Nucleus zurückführt, und es würde in dieser Archiv f. A.u. Ph. 1908. Physiol. Abtlg. Suppl. 7 98 G. F. NiıcoLAar: Beziehung in Parallele stehen zu den analen Kommissurgefäßen, die ebenfalls zum Nucleus direkt führen. Durch eines dieser Gefäße muß das Blut hindurch, wenn es zwischen Körper und Eingeweiden kommunizieren soll. Im Körper dagegen stehen ihm, wie in den $$ 2 und 3 auseinander- gesetzt worden ist, sowohl makroskopisch als mikroskopisch zahlreiche Wege zur Verfügung. Eine solche Bildung läßt sich in funktioneller Beziehung nicht mit dem Kapillarsystem der Säugetiere vergleichen. Bei diesen wird in langen Kanälen (den Arterien) das Blut den einzelnen Körperregionen unverändert zugeführt, dort verbraucht und dann in den Venen zurückgeführt, Hier aber strömt dasselbe Blut, das schon anfangs durch das kapilläre Lakunen- system geflossen ist, immer wieder von neuem durch andere kapilläre Lakunengebiete, und dieser Modus wäre, wie schon Roule (1885) hervor- hebt, außerordentlich ungünstig für die Ernährung, weil die zuletzt durch- flossenen Lakunengebiete ein sehr viel sauerstoffärmeres Blut erhalten würden als die zuerst durchflossenen. Hierin aber einen Grund für die Umkehr des Blutstroms sehen zu wollen, wie Roule (1885) (und Schultze wenigstens teilweise) dies tut, geht deshalb nicht, weil die Annahme, daß erst eine Umkehr des Blutstromes diesen Mangel dadurch kompensiert, daß es den zuletzt durchströmten Gebieten jetzt das Blut zuerst zuführt, auf einer direkten Kommunikation zwischen der sogenannten Kiemenarterie und dem Herzen beruht. Existiert diese direkte Verbindung nicht, so fällt die ganze Argumentation deshalb zusammen, weil ja das Abdominalgefäß doch nur Blut enthält, das vorher schon durch andere Körperregionen geflossen ist, entweder durch die dorsalen Körperpartien, oder durch die Eingeweide. Zudem wäre es nötig gewesen, einen Grund anzugeben, warum die ka- pillar lakunäre Beschaffenheit im Tunikatenmantel die Umkehr der Strömungs- richtung bedingen soll, warum aber die Wundernetze, die auch sonst bei wirbel- losen Tieren beobachtet werden, niemals zur Ausbildung einer Umkehr des Kreislaufes geführt haben. Wenn man jedoch unbefangen den großen Blutreichtum des Tunikaten- mantels, wie ihn die Abbildung 3 auf Taf.X zeigt, betrachtet, so fragt man un- willkürlich, wozu er eigentlich da ist, da doch der Mantel selbst eine intensive Lebenstätigkeit sicherlich nicht entfaltet, und zumal, da die wenigen in ihm liegenden Muskelbündel eine gesonderte und andersartige Blutyersorgung besitzen. Der schon von Wagner (1866) ausgesprochene Gedanke, daß dem gesamten Mantel respiratorische Eigenschaften zukämen, erscheint nicht so absurd, wie ihn Schultze (S. 292) hinstellen möchte. Daß unter diesen Umständen die kapillar lakunäre Beschaffenheit der Gefäße kein Nachteil, sondern ein Vorteil ‘wäre, da den einzelnen Muskelbündeln dann immer das frisch arterialisierte Blut der entsprechenden Lakunenbezirke zugeführt BEITRÄGE ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE DES SALPENHERZENS. 99 würde, leuchtet ohne weiteres ein. Überhaupt erscheint diese nicht eigentlich kapillare sondern lakunäre Gefäßverteilung zwar für die Abgabe von Stoffen recht ungünstig, für die Aufnahme von Stoffen ist sie aber gar nicht un- günstig. Es kann auf eine theoretische Begründung dieses leicht ein- zusehenden Satzes verziehtet werden, dagegen ist darauf hinzuweisen, daß wir eine ähnliche Anordnung auch bei den Kiemengefäßen der wasser- lebenden Tiere finden, und daß auch der Bau des Kapillarsystems in der Froschlunge mit vollem Recht als ein Mittelding zwischen einem eigent- lichen Kapillarsystem und dem hier abgebildeten netzförmigen Lakunen- system angesehen werden darf. In diesem Falle wäre die Anordnung noch als ganz besonders günstig zu bezeichnen, weil die im Salpenmantel in be- stimmten Gruppen, aber.in verschwindender Menge angeordneten Muskel- bündel alle Blut erhielten, das in dem zugehörigen lakunären Bezirke frisch arterlalisiert wäre. Ein weiterer Grund für die Annahme, daß dem Salpenmantel respira- torische Funktionen zukommen, wäre in der oben nachgewiesenen Tatsache zu erblicken, daß der Körperkreislauf mit dem, was man bisher als Kiemen- kreislauf bezeichnet hat, ein einheitliches Kontinuum bildet.. Die vergleichende Physiologie zeigt aber, daß überall dort, wo ein lokaler Gegensatz zwischen dem Sauerstoff verbrauchenden Körper und gewissen Organen, die Sauerstoff aufnehmen, besteht, das Herz immer in die Gefäß- bahn eingeschaltet ist, welche jene beiden Gebiete verbindet. Da der Kreis- laufring bei den Salpen durch den Eingeweideknäuel, das Herz, das Mantelsytem, die Kieme (und wieder den Eingeweideknäuel) gebildet wird, so würden die Salpen von obigem Gesetz eine Ausnahme machen, falls man nicht annimmt, daß das Mantelsystem ebenso wie die Kieme respiratorische Eigenschaften hat. Physiologie des Salpenherzens. SET: Methodik der Herzuntersuchungen. L.S. Schultze (1901), von dem die genauesten Untersuchungen über den Herzschlag der Salpen stammen, hat die Untersuchung in der Weise vorgenommen, daß er Anfang und Ende jeder Pulsationsreihe, deren einzelne Schläge gezählt wurden, laut angab, während ein Assistent den Stand der Sekundenuhr im Augenblicke jeder lauten Zählung notierte. | Auf diese Weise konnte dreierlei festgestellt werden: 1. die absolute Zahl der Pulsationen und das Verhältnis dieser Pul- sationszahlen in den ad- und abvisceralen Reihen; 2. die durchschnittliche Frequenz der Pulsationen; 3. Die Dauer der Wechselpausen. . ls 100 G. F. NicoLar: Schultze irrt jedoch meiner Meinung nach, wenn er S. 225 sagt, daß durch diese drei Dinge der Charakter der zusammengesetzten Herz- periode bestimmt sei. Schon eine oberflächliche Beobachtung zeigt, daß die Pulsationen in einer Pulsationsreihe durchaus nicht von Anfang bis zum Ende im selben Rhythmus erfolgen, und man kann daher mit dieser Methode auch nicht die wirkliche Frequenz der einzelnen Pulsationen, sondern nur die durchschnittliche Frequenz bestimmen. Es kommt also darauf an, jede einzelne Pulsation zu verzeichnen. Nun ist jedoch eine graphische Selbstregistrierung unausführbar, denn wenn selbst die Freilegung des Herzens in der schlüpfrigen Gallerte ge- lingen sollte, über deren Schwierigkeit schon Schultze (S. 264) spricht, so erscheint die Anbringung irgend eines Instrumentes an dem äußerst zarten Herzen vollkommen ausgeschlossen. Eine Einführung von Kanülen in die Gefäße dürfte zwar äußerst schwierig sein, da die Gefäße keine einiger- maßen kräftigen bindegewebigen Hüllen besitzen, sondern fast wandungslos in die Gallertmasse des Körpers eingebettet liegen, doch spricht Enriques von erfolgreichen Versuchen in dieser Beziehung. Mir ist ein diesbezüglicher Versuch nicht gelungen, und ich wollte durch derartige Experimente mein so schon spärliches Material nicht verbrauchen. Hinzu kommt, daß die geringste Bewegung, Berührung oder Verletzung einen nachweisbaren Ein- fluß auf die Herzperiodik hat, so daß schon aus diesem Grunde eine Unter- suchung am unverletzten Tier erstrebenswert erscheint. Immerhin wäre es möglich, auf dem genannten Wege zu einem Resultat zu kommen, indem man eine Kanüle in die Gefäße hineinbringt, und den Druck in der Kanüle eventuell photographisch registriert. Ich habe mich einer anderen Methode bedient, die, wenigstens in bezug auf die Frequenz, durchaus einwandsfreie Resultate gibt. Ich habe den Herzschlag der Salpen einfach beobachtet, wobei ich zwei Finger der linken Hand auf je zwei Druckknöpfen von Morsetastern liegen hatte. Bei jedem advisceralen Herzschlag drückte ich auf den einen, bei jedem abvisceralen Herzschlag auf den anderen Taster. Dadurch wurde ein Strom geschlossen, der einen Hebel mittelst eines Elektromagneten nach oben bzw. nach unten zog; in dieser Weise erhielt man beliebig lange Kurven, welche die Frequenz absolut treu wiedergeben. Beliebig lange ist natürlich auch cum grano salis zu nehmen. Nach ‘ mehr oder weniger langer Zeit ermüdet der Beobachter. Längere Reihen, als höchstens zwei Stunden, konnte ich nicht aufnehmen, und wenn es sich um die minimalen Schläge absterbender Herzen handelte, so trat eine Er- müdung, die eine sichere Beobachtung unmöglich machte, oft schon nach ° viel kürzerer Zeit ein. Dies sind Nachteile der Methode, die in den Kauf genommen werden müssen. BEITRÄGE ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE DES SALPENHERZENS. 101 Noch auf ein weiteres Moment, das die Kurven unter Umständen etwas verändert, möchte ich hinweisen. Es kam besonders bei den ersten Versuchen trotz der größten darauf verwendeten Aufmerksamkeit vor, daß man am Ende einer Reihe einen Schlag zu viel zählte. Besonders war dies nach langen Reihen der Fall, die in vollkommen gleichem Rhythmus erfolgten. Natürlich kommt ein identischer Fehler leicht zustande, wenn nach einer langen gleichmäßigen Pulsationsreihe plötzlich eine Pause zwischen zwei Pulsen länger ist, als gewöhnlich — dann drückt man leicht den Taster etwas zu früh. Es zeigt sich hier die außerordentliche Schnelligkeit, mit der wir uns an eine rhyth- mische Bewegung gewöhnen. Da dies trotz der darauf verwendeten Aufmerksam- keit nicht völlig schwand, habe ich später das Kymographion so gestellt, daß ich jedesmal dort, wo ein derartiger Fehler mit untergelaufen war, mit der rechten Hand, die frei war, an der Kurve ein Zeichen anbringen konnte. Begünstigt wird diese Fehlermöglichkeit dadurch, daß am Schlusse einer Periode dann, wenn eben der nächste Herzschlag wegfällt, doch noch eine geringe Bewegung des Herzens nachweisbar ist. Es läuft in diesem Fall ein leises Beben über das Herz hin. Überhaupt ist es ein Nachteil dieser Methode, daß man über die Größe der einzelnen : Kontraktionen nichts aussagen kann. Um dieses zu können, reicht allerdings die Be- obachtung in keinem Falle aus. Hierzu bedürfte man zweifellos der graphischen Selbstregistrierung. Versuchsanordrung. Die Versuche sind sämtlich an Salpa africana angestellt. Das Tier befand sich in einem durch einen Glasdeckel verschlossenen kleinen Glas- trog von etwa 10 x 5 «m Bodenfläche. Man beobachtet am besten in der Art, daß man den Apparat auf eine weiße Fläche stellt, durch deren reflektiertes Licht die Salpe von unten beleuchtet wird, jedoch legt man ein kleines Stückchen schwarzes Papier so unter das Gefäß, daß das be- obachtende Auge das Salpenherz gegen den dunklen Hintergrund sieht. Der kleine Glastrog war so eingerichtet, daß man leicht durch ihn hindurch Gase leiten und das Wasser außerdem schnell und völlig erneuern, bzw. das Tier auch in einem permanent durchfließenden Flüssiekeitsstrom beobachten konnte. | Ein im Innern des kleinen Trogs angebrachtes Thermometer erlaubte, die Temperatur abzulesen; der Trog stand in einem großen Gefäß mit Wasser, das entweder stubenwarm gewählt wurde, um bei möglichst un- veränderlicher Temperatur zu beobachten, oder durch das ebenfalls Wasser hindurch geleitet werden konnte. 102 G. F. NicoLa1: g 8. Die Frequenzänderung in den Pulsationsreihen. Schon Schultze (S. 305) hält die experimentelle Inangriffnahme der Frage nach der Frequenz in einer Pulsationsreihe für erwünscht. Er meint, dadurch würde die von ihm theoretisch geforderte Verlangsamung am Ende der Pulsationsreihe sich erweisen lassen. Wie unten genauer gezeigt werden soll, hatten meine Versuche das entgegengesetzte Resultat. Um nicht nur die mittlere Frequenz bestimmen zu können, sondern auch deren Änderung in der einzelnen Pulsationsreihe, wurden die Kurven in der Weise verwertet, wie es die untenstehende Tabelle zeigt. Abvisceral | Advisceral „| 2 jeone| a Is Is | rn | % n ö Bo A "Eur | fı ar 23,52, 27 2 |s0 ser) 3ı |a7 |20 |a8 31 su sı |so |s33 |»2 ss |72| 32:27 |ss |se | 30) 63 | 29 I28 |830 |35 2 a5| 97| 28 |25 |28 |32 |33 46, 92| 29 126 130 132 |38 4,9 32 00 2 8 a 52 101] 31 126 |31 |34 |34 |86 3867| 34 128 86 |85 571106| 33 26 31 135 |85 35 45|81| 34 ||a7 |82 |87 |s8 | 9a 3a 121 SE Se 49\|85]| 35. |28 |s6 [a7 en: 51 94 32 128 [30 135 35 |3 4888| 5 so Isı : |e7 37 57 1038| 34 2 32 3380 734 54108) 35 |a2 35 |as |99 98 [991081 35 er 32 124 |sr iss 55!\9e 36 Iso as ler Iss |ao .[58laorl| ss ar |a0. |ss a2 so so!loell 38 Iso ar laı \sı |ae |[erj1os| 37 eo |s5 |ar lauf ze ss\|ss\| ss |e9 |ss |so |aı |äo | 34 |28.6\33-8|36-0| 38-7| 39-8 29 |sa |se |s7 |37 98 37 |27 |88 42 39, |39 | | 5198 32 26-7 31-3) 34-6] 35-4| 35-9 a7 |sı |sı |s6 |s6 In dieser Tabelle sind die advisceralen und abvisceralen Pulsationsreihen einzeln angeführt. Die erste Kolumne (») enthält jedesmal die Zahl der Schläge einer einzelnen Pulsationsreihe. Die zweite Kolumne (?) enthält die Dauer der Pulsationsreihe in Sekunden, und in der dritten Kolumne findet sich die aus diesen beiden Zahlen berechnete mittlere Frequenz. (Die Zahlen bezeichnen dabei die Zahl der Pulsationen in einer Minute.) In den folgenden 5 Kolumnen (f, bıs f,) sind diese Minutenfrequenzen für die ersten, zweiten usw. zehn Schläge einzeln angegeben. Bei der Be- rechnung der Mittelwerte von f, bis f, war zu berücksichtigen, daß nicht in allen Pulsationsreihen 50 Schläge vorhanden waren, und daß dies einen BEITRÄGE ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE DES SALPENHERZENS. 103 einsinnigen Fehler deshalb bedingen würde, weil die mittlere Frequenz in den ersten Pulsationsreihen, die gleichzeitig die kürzesten sind, eine geringere ist, als später. Unterhalb der Tabelle sind die wirklichen Mittel, sowie darunter die unter Rücksichtnahme auf obige einsinnige Fehlerquelle korri- gierten und auf ganze Zahlen abgerundeten Mittel angegeben. Die Kurve der Fig. 7 stellt das Ergebnis dieses einen Versuches graphisch A „oSchläge pro Minute. E55 | ! IE | we u eng T ee = Bee ee T 7 x” lau! e. en rel ee Be) EEE (ee Er BE | o abıtiscerale Schläge: ae al ! ji | jez] | x adviscerdde | | ü Ga | j j 5 ar een | < 30 1Min. 30 Ser Fig. 7. dar. Man sieht hierbei deutlich (was man auch aus der Betrachtung jeder Einzelreihe erkennt), daß jede Pulsationsreihe mit geringer Frequenz beginnt, um dann verhältnismäßig schnell zuzunehmen und nach 20 Pulsationen annähernd stabil zu werden. Nur eine geringe Steigerung der Frequenz ist dann noch selbst in Pulsationsreihen von bis zu 100 Einzelpulsen zu bemerken. Ein identisches Ergebnis ergab die Ausmessung der 5 weiteren Versuche, die in derselben Weise bearbeitet und verwertet worden sind, doch unterlasse ich eine ausführliche Mitteilung derselben, da sie nichts Neues bieten, und da bei dem kleinen, mir zur Verfügung stehenden Material doch nichts Genaueres über die eventuell verschieden starke Steigerung der Frequenz in den beiden Pulsationsreihen angegeben werden kann. Allerdings scheint es, als ob meist — in dem mitgeteilten Beispiel ist dies nicht deutlich erkennbar — die Frequenzzunahme in der ab- visceralen Pulsreihe ausgesprochener ist. san: Der Einfluß der Temperatur. Der Einfiuß der Temperatur wurde in der Weise bestimmt, daß der kleine Glastrog mit den Salpen, in welchem ein Thermometer die Tempe- ratur auf zehntel Grad zu bestimmen gestattete, in ein größeres Gefäß hineingestellt wurde, dessen Temperatur durch Hineinwerfen von Eis- stücken und dauerndes Umrühren, eventuell durch langsames Zutröpfeln 104 G. F: NiIcoLar: heißen Wassers, reguliert werden konnte, und zwar so, daß der untersuchte Bezirk von etwa 7 bis 20° bei jedem Versuch in einer halben bis zu dreiviertel Stunde durchlaufen wurde. Notiert wurden die Pulsationen in der in $ 7 beschriebenen Weise graphisch; außerdem wurde jedesmal, wenn das Thermometer um 1° gestiegen war, die Temperatur mittels eines zweiten elektrischen Signals auf der Trommel direkt notiert. Da nun häufig während einer längeren Beobachtungsreihe, wie schon Schultze (1901, S. 236) angegeben hat, sich die Länge der Pulsations- reihen und die Frequenz möglicherweise ändert, so wurde in jedem Versuch an einem Tiere mindestens einmal bei steigender und dann bei sinkender Temperatur beobachtet, um diese Fehler nach Möglichkeit zu eliminieren. Falls das Tier noch frisch schien, was sich durch normalen Ablauf der Herzperistaltik äußerte, wurde noch ein zweiter, dritter und vierter auf- oder absteigender Temperaturversuch angeschlossen. Auf diese Weise sind an vier Tieren 12 Versuchsreihen angestellt. Es ergab sich dabei, daß die Temperatur einen nachweislichen Einfluß hat: 1. auf die Frequenz der einzelnen Pulsationsreihen, 2. auf die Länge der einzelnen Pulsationsreihen und deshalb auch 8. auf die Zahl der Schläge während einer Pulsationsreihe. Einfluß der Temperatur auf die Frequenz. Der Einfluß der Temperatur auf die Frequenz ist sehr ausgesprochen und läßt sich aus meinen Versuchen mit genügerder Sicherheit zahlen- mäßig festlegen. Bei einem Vergleich der Frequenzen mußte vorerst definiert werden, was unter der Pulsfrequenz zu verstehen sei, denn dieselbe wechselt, wie im $ 8 gezeigt worden ist, in jeder Pulsationsreihe in nicht unbeträchtlicher Weise und ist deshalb keine bestimmte Größe. Das Naheliegendste wäre gewesen, die mittlere Frequenz zum Vergleiche heranzuziehen, doch wurde hiervon abgesehen, weil die Temperatur auch die Länge der Pulsationsreihen beeinflußt (siehe unten), und weil deshalb ein direkter Vergleich der Mittel- zahlen nicht angängig ist; bei kurzen Pulsationsreihen wäre die mittlere Frequenz nach dem in $ 8 Gesagten verhältnismäßig zu niedrig. Es wurde deshalb in allen Fällen immer die Minutenfrequenz aus der Frequenz der ersten 10 Schläge berechnet und diese Zahl dem Vergleich zugrunde ge- legt. Richtiger wäre es vielleicht noch gewesen, nicht die Frequenz aus den ersten 10 Schlägen, sondern aus den ersten während einer be- stimmten Zeit erfolgten Schlägen zu berechnen; doch ist zu bemerken, daß die Verschiedenheit der Rechnung nur einen Unterschied von wenigen Prozenten bedingt, und daß das Resultat im großen und ganzen, wie es die Kurve in Fig. 8 zeigt, davon abhängig ist. BEITRÄGE ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE DES SALPENHERZENS. 105 In der Kurve der Fig. 8 sind die Resultate eines Versuches für ab- viscerale und adviscerale Schläge in den punktierten Linien angegeben. Man sieht, daß die Frequenzzunahme für beide Pulsationsreihen durchaus dieselbe ist. Auch die anderen Versuche hatten ein identisches Resultat. Es ergibt sich hieraus gleichzeitig eine Bestätigung dessen, was schon L. Schultze (1901, S. 233) mitteilt, daß nämlich die Frequenz der ab- visceralen und der advisceralen Pulsation im allgemeinen die gleiche ist und zwar, wie jetzt hinzugefügt werden darf, gleich unter allen Temperaturbedingungen. Die stark ausgezogene Linie stellt das Resultat A aa . \Schläge in. der Minute. +0 z st \ — zralen) „ „ N 10° 7ER 20°C Fig. 8. der Mittelwerte aus allen Versuchen dar. Man sieht, daß die Frequenz in dem Intervall von 7 bis 17° dauernd steigt, und zwar im Mittel um 31/, Schläge pro Grad. Es scheint, als ob die Frequenz zuerst langsamer und dann schneller stiege. Es würde dies mit dem von anderer Seite beschriebenen Verhalten von Reaktionen gegenüber der Temperatur übereinstimmen, jedoch nicht mit der von mir seiner Zeit sehr genau bestimmten Abhängigkeit der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Reizwelle im Nervus olfactorius des Hechtes (hier war der Anstieg ein durchaus geradliniger und nur bei höheren Temperaturen gegen die Abszisse hin konkav.) Diese Konkavität, welche bedeutet, daß die Frequenzsteigerung nicht ins Ungemessene gehen kann, 106 G. F. NıcoLar: ist selbstverständlich und macht sich auch in den Salpenversuchen deutlich bemerkbar. Höchstwahrscheinlich wird auf das Plateau bei noch höheren Temperaturen wiederum eine Senkung folgen, doch ist dieser Bezirk nicht mehr untersucht. Einfluß der Temperatur auf die Länge der Pulsationsreihen. Der Einfluß auf die Länge der einzelnen Pulsationsreihen scheint nicht sehr auffällig zu sein. Erschwert wird die Beobachtung dadurch, daß auch noch viele andere und oft unkontrollierbare Einflüsse, wie schon Schultze hervorgehoben hat, die Länge der Pulsationsreihen beeinflussen. Immerhin scheint aus der Gesamtheit meiner Versuche hervorzugehen, daß mit steigen- der Temperatur die Pulsationsreihen kürzer werden, d. h. ebenso wie die einzelnen Pulse dann schneller einander folgen, folgen auch die einzelnen Richtungswechsel schneller, doch scheint hierfür das Maximum bei einer tieferen Temperatur zu liegen: während, wie oben genauer gezeigt worden ist, die höchste Frequenz erst bei 17° oder 18° erreicht wird und bis zu 20° noch nicht wieder abgefallen ist, scheinen die kürzesten Pulsations- reihen bei 14 bis 16° zu liegen und bei 20° schon wieder länger geworden zu sein. Da meine Versuche nicht zahlreich genug sind, um in dieser Beziehung einwandsfreie Mittelzahlen zu geben, verzichte ich auf detaillierte Angaben, sollten jedoch ausgedehntere Versuchsreihen diesen Unterschied bestätigen, so wäre dies ein wichtiger Hinweis darauf, daß die Entstehung der einzelnen Kontraktionsreize und die Gründe für die Umkehr des Herz- schlages an verschiedenen Punkten ausgelöst werden. Der Einfluß der Temperatur auf die Zahl der Schläge in den einzelnen Pulsationsreihen ergibt sich aus dem Gesagten: Die Zahl der Schläge nimmt mit der Temperatur stetig zu. $ 10. Der Einfluß von Reizungen. Schultze gibt als allgemeines Resultat seiner Reiz- und Exstirpations- versuche an (1901, S. 274), daß „im Gegensatz zum Wirbeltierherzen der Herzschlag der Salpen vom Zentralnervensystem direkt unabhängig ist“. Zwar sah er sofort nach Exstirpation des Ganglions meist unvermittelt eine Verkürzung der Pulsationsreihen auftreten, doch da er dieselbe Folge nach allen möglichen Verletzungen des Salpenkörpers auftreten sah, so meint er, daß nur die relative Größe des Substanzverlustes das Sinken der Pulsations- reihen bedingt. Es ist schwer zu sagen, was mit diesem Ausdruck gemeint ist, der zudem durch die Tatsachen nicht gerechtfertigt erscheint, denn es geht aus den Schultzeschen Reihen nicht hervor, daß etwa größere Sub- stanzverluste ein stärkeres Sinken bedingten. BEITRÄGE ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE DES SALPENHERZENS. 107 Jedenfalls erscheint bereits durch dieSchultzeschen Versuche bewiesen, daß der Herzschlag der Salpen von außerhalb gelegenen Partien des Herzens beeinflußt werden kann. Es liegt am nächsten, hierbei an eine Beein- flussung durch das Nervensystem zu denken. Wenn Schultze das nicht tut, so stützt er sich dabei auf seine Reizversuche. Er hat das Kopfganglion mit faradischen Strömen gereizt und dabei zwar häufig eine Verkürzung der Pulsationsreihen, häufig aber auch gar keinen Erfolg gesehen. Ich möchte nur auf einen Umstand hinweisen, der möglicherweise diesen Gegensatz zwischen den Exstirpations- und Reizungsversuchen erklärlich er- scheinen läßt. Bei den Salpen bewirkt nämlich jeder Reiz, wo und wie er auch immer appliziert sein mag, eine Verkürzung der Pulsationsreihen. Wenn man die Tiere mit einem Glasstäbchen an irgend einer Körperstelle berührt oder sie vorsichtig aus einem Bassin in das andere füllt, wenn man Luft- bläschen (gleichgültig, ob Sauerstoff oder Wasserstoff) so durch das Bassin treibt, daß sie den Salpenkörper streifen, so sieht man immer eine Verkürzung der Pulsationsreihen auftreten, natürlich nur unter der Voraussetzung, daß das Tier längere Zeit vorher nicht ähnlichen Reizen ausgesetzt war. Ich meine, daß hierauf (zum Teil wenigstens) der Umstand be- ruht, den Schultze angibt, und den auch ich durchweg bestätigen konnte, daß während einer Beobachtungsreihe sich so gut wie immer die Pulsations- reihen verlängern. Das Tier war eben im Anfang der Pulsationsreihe zum mindesten dadurch, daß es mit Glasstäbchen in eine zur Beobachtung günstige Lage gebracht worden ist, oder durch ähnliches gereizt worden, und die Pulsationsreihen waren demzufolge relativ kurz. Allmählich klingt dieser Reiz ab, und die Pulsationsreihen verlängern sich. Vollends bei der Art und Weise, in der Schultze bei seinen Reizungs- versuchen am Ganglion voreing, wobei er nach teilweiser Freipräparation des Ganglions die Tiere mit Nadeln festgesteckt hatten, erscheint es möglich, und sogar wahrscheinlich, daß die Tiere sich iu einem Reizzustand befanden, in welchem die Pulsationsreihen an sich schon verkürzt waren, so dab die Ganglionsreizungen keinen sichtbaren Erfolg haben konnten. Durch die häufig wiederholte Reizung wurde dann diese relativ kurze Pulsationsreihe dauernd erhalten. Interessant ist in dieser Beziehung, daß die einzige Tabelle, die Schultze auf S. 268 als Beweis dafür gibt, daß durch die Reizung des Ganglions weder die Länge der Pulsationsreihen noch die Frequenz der Schläge irgendwie beeinflußt wird, die einzige längere Tabelle des ganzen Buches ist, wo (abgesehen von absterbenden Herzen) die Pulsationsreihen im Laufe des Versuches nicht ver- längert, sondern um 15°/, bei den abvisceralen Reihen, um 25°, bei den advisceralen verkürzt sind. Nimmt man nun noch dazu, daß Schultze selber sagt, daß er nicht selten eine Verkürzung der Pul- 108 G. F. NicoLa1: sationsreihen — die offenbar dann doch immer größer war als diese von ihm zum Beweis der Konstanz angeführte Reihe mit 15 bis 25°/, Ver- kürzung — beobachtet hat, so meine ich, daß aus den Schultzeschen Angaben mit Sicherheit hervorgeht, daß auch in seinen Versuchen der Erfolg einer Reizung immer in einer Verkürzung der Pulsationsreihe be- stand. Dieses bestätigen meine Versuche vollauf. Die Kurven der Fig. 9 geben 3 typische Beispiele derartiger Versuche an drei verschiedenen Tieren wieder. LEFEREFSRERRERERFR = Brett u Set, | T TTIheteet > B Be tt a. re peter 0 | | | —ı- 1 | | | | 1 — | T so = [ al SEIEN En BR \ | ] a ” “u 4 | POLL Fine 7% = | ! Are 2 L- #0 n A | 71 Jen | Ti zu \ | ! az FR 77 aan = - - \ 30 mern Feen Fe + En: Ta ee \ I \ 70 E | 2 LEE! 3 \ | AT Ho a U 1,7 NE \ ee k \ % | T \ 7 r 56) 27 r= dl ee — Ja le reed 7 Ze leenli Sele R C JE i AL EA ru >| MBtizele 1 I hi l I & 7 7 Tmmerlız 0 | BI" | | | Irterbreiiunng Fig. 9. Reizversuche wurden nur angestellt, wenn nach längerer Ruhe der Herzschlag der Salpen regelmäßig geworden war, und zwar wurde als Kriterium dafür angesehen, wenn die Zahl der Schläge in den einzelnen Pulsa- tionsreihen während einer längeren Dauer höchstens um etwa 10°/, schwankte, d.h. bei kurzen Reihen von etwa 10 Schlägen die Differenz höchstens einen Schlag und bei längeren Reihen dementsprechend mehr betrug. Die me- chanische Reizung dauerte in allen Fällen nur wenige Sekunden. In der Kurve 4 ist ein Versuch graphisch dargestellt, bei dem jede . Pulsationsreihe aus 7 (bzw. 6) Pulsen bestand. Der Einfluß der Reizung dokumentiert sich in einem sofortigen Heruntergehen der Schlagzahlen; nach etwa 5 Wechseln ist die Störung wieder gehoben. Ä In Kurve 2 ist ein ähnlicher Versuch dargestellt. Ein ebenfalls schnell wechselndes Herz, das außerordentlich regelmäßig schlug, wurde durch Klemmen mit einer Pincette in der Bauchgegend mechanisch gereizt. Die Störung ist sofort manifest, doch erfolgt diesmal das Absinken lang- samer, auch dauert die Störung länger an (etwa 10 Wechsel). BEITRÄGE ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE DES SALPENHERZENS. 109 In Kurve C handelt es sich um eine Salpe mit langen Pulsationsreihen, bei der die Zahl der advisceralen Schläge 53 und 58, die der abvis- ceralen Schläge zwischen 55 und 61 schwankte. Auf die Reizung hin er- folgte promptes Absinken auf 10 (bzw. 11) Schläge, dann begann ein lang- sames kontinuierliches Ansteigen der Dauer der Pulsationsreihen, das auf einen neuen Reiz hin jüh unterbrochen wurde. Diesmal sank die Kurve noch stärker auf 4 (bzw. 2) Schläge, und der relativ schnelle Wechsel der Pulsationsreihen blieb längere Zeit bestehen. Erst nach über !/, Stunde (dieser Teil der Kurve ist ausgelassen) ‚war der ursprüngliche Zustand an- nähernd wieder erreicht (vgl. die letzten 6 Pulsationsreihen in der Kurve). Ähnlich verliefen alle 26 von mir angestellten Reizversuche, bei denen der Körper der Salpen gereizt wurde. Eine mechanische Reizung des Knäuels erwies sich in dieser Beziehung viel weniger wirksam, was besonders deshalb bemerkenswert erscheint, da die auf S. 112 mitge- teilten Versuche darauf hindeuten, daß das Zentrum, das den Wechsel bedingt, ebenfalls auf der korporalen Seite des Herzens liegt. Der Umstand, daß die Reizung an jeder Stelle des Körpers angebracht werden kann und gleichmäßig eine Verkürzung zur Folge hat, legt den Gedanken nahe, daß es sich dabei um eine Reflexwirkung handelt. Denn da die Reizwirkung auch bei verhältnismäßig leisen Berührungen auf- tritt, dürfte es schwer sein, sich vorzustellen, daß es sich dabei um eine direkte Folge einer eventuellen Blutdruckänderung handelt. Auch hat ja Hunter (1903) an einer anderen Salpenart (Molgula) einwandsfrei nach- gewiesen, daß regulierende Nerven vorhanden sind. Wo dieses Reizzentrum gelegen ist, ob es insonderheit in dem Hirn- ganglion gelegen ist, dürfte fraglich sein. Besonders mahnen zur Vorsicht die Versuche Schultzes, der (im Gegensatz zu seinen Reizversuchen) nach der Exstirpation des Ganglions gleichfalls eine Verkürzung der Pul- sationsreihen auftreten sah. Überhaupt dürfen die Versuche nicht etwa als abgeschlossen gelten. Das eine, was mit Sicherheit aus ihnen hervorzugehen scheint, ist das, daß der Herzschlag von außen her reguliert werden kann, und daß jeder Reiz, wo er auch auftritt, eine Verkürzung der Pulsationsreihen bewirkt. Dieser Umstand ist nicht nur an sich wichtig, sondern wird auch als Fehlerquelle bei allen künftigen Untersuchungen an Salpenherzen zu be- rücksichtigen sein. Es ist zu bemerken, daß die geschilderte Reizwirkung in einem gewissen Gegensatz zu der Angabe von Carlson (1903) steht, der bekanntlich be- hauptet hat, daß bei Tunicatenherzen nur hemmende Fernwirkungen nach- weisbar sind. Es dürfte aber schwierig sein, sich eine Beschleunigung des Rhythmuswechsels als eine Hemmung vorzustellen. 110 G. EINICOEAT: g.11. Isolierungsversuche. Isolationsversuche, bei denen das Herz mehr oder weniger aus seiner Umgebung losgelöst und dann beobachtet wurde, sind von Krukenberg und Schultze angestellt worden. Insonderheit hat Schultze, der sehr ausführlich über seine Versuche berichtet, feststellen können, daß an den beiden Herzenden zwei wirksame Zentren für die Herzbewegung gelegen sind, und daß jedes dieser Zentren eine Periodizität in der Erzeugung der gleichgerichteten Pulsationen aufweist. Diese Angaben werden durch meine Versuche im wesentlichen bestätigt. Da ich aber die weiteren Angaben von Schultze über die Frequenzänderung innerhalb der einzelnen Pulsationsreihen, auf die Schultze seine Analyse und Theorie der Umkehr aufbaut, nicht bestätigen konnte (vgl. hierüber $ 8), und andererseits glaube, meinen graphischen Verzeichnungen in dieser Beziehung mehr Wert beilegen zu dürfen als seinen Beobachtungen, so meine ich, auf eine ausführliche Diskussion der älteren Versuche verzichten zu dürfen. Wirkliche Isolierungsversuche, bci denen ich das Herz ganz aus dem Körper herausgelöst hatte, habe ich nicht angestellt, die dazu nötigen Manipulationen scheinen für den spinneweben -zarten Herzschlauch zu ein- sreifend zu sein; jedenfalls habe ich danach nur regellose und belanglose Resultate erhalten, wenn ich auch die Angabe Krukenbergs, nach der das Herz nach Eröffnung des Kreislaufs still steht, nicht betätigen kann. Daß das Herz bei einigen Synascidien außerordentlich widerstandsfähig ist und selbst dann noch schlägt, wenn der ganze übrige Körper verfault ist, wurde neuerdings von Pizon (1902) angegeben. Meist begnügte ich mich damit, entweder auf der korporalen oder auf der visceralen Seite die Gefäßstämme nahe dem Herzen abzuschneiden; und zwar anfangs in größerer Entfernung vom Herzen; erst, wenn dies keinen Erfolg gab, wurden sukzessive weitere Gefäßstückchen abgetragen, bis end- lich jedesmal der unten näher zu beschreibende Erfolg eintrat. Höchstens habe ich das Stück des Mantels, in welchem das Herz liegt (in Fig. 1 auf S. 90 durch die beiden punktierten Linien x und y angedeutet) in toto exstirpiert. Auch diese Versuche ergaben, wenn das Herz überhaupt weiter schlug, die charakteristischen Resultate. Am einwandsfreiesten’ aber er- scheinen einige Versuche, die in der Weise angestellt wurden, daß die Gefäße an der Einmündungsstelle in das Herz mit einer starken Pincette zusammengedrückt wurden. Es gelang auf diese Weise, manchmal die Leitung zu unterbrechen, ohne die Zirkulation zu unterbrechen, und den charakteristischen Erfolg zu erzielen, ohne das Gefäßsystem zu eröffnen. BEITRÄGE ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE DES SALPENHERZENS 111 Als konstantes Ergebnis der Versuche darf betrachtet werden, daß, wenn man nur nahe genug dem Herzen die Gefäße abtrennt!, die peri- staltischen Wellen, welche von der betreffenden Seite aus ihren Ursprung nehmen, aufhören. Daß anfangs nach dem Schnitt oder nach der Abklemmung fast immer einige peristaltische Wellen von der Schnittstelle ausgehen, darf als die Wirkung einer direkten Reizung durch den Schnitt oder die Ab- klemmung angesehen werden. Die Tatsache aber, daß nach dem Ab- klingen dieser anfänglichen Reizung die peristaltischen Wellen in der Rich- tung von der Schnittstelle weg dauernd aufhören, weist darauf hin, daß der Schnitt oder die Abklemmung die Erregungsleitung zwischen den auto- matischen Zentren und dem übrigen Herzen zerstört hat, daß also, ähnlich wie bei den uns bekannten Herzen, auch beim Salpenherzen die Erregung von bestimmten präformierten Punkten ausgeht, welche in der Nähe der venösen Ostien gelegen sind. Nur, daß natürlich beim Salpenherzen ent- sprechend der doppelten Richtung der peristaltischen Welle zwei derartige Stellen vorhanden sind, die an den beiden zeitweiligen venösen Ostien liegen. Dafür, daß die Zentren in der Nähe der Ostien oder im Herzen selbst liegen, sprieht der Umstand, daß der Wegfall der einen Pulsationsrichtung erst dann auftritt, wenn man mit den Schnitten dem Herzen sehr nahe kommt bzw. es erreicht. Natürlich wäre es bei unserer Unkenntnis von der genaueren Salpenanatomie trotzdem möglich, daß die Erregungen dem Herzen durch Nerven zugeleitet werden, die so gelegen sind, daß sie durch einen Schnitt erst in der Nähe des Herzens getroffen werden. Wenn das geschilderte Phänomen zwar, je nachdem man das eine oder andere Herzende abschneidet, entgegengesetzt, aber dem Sinne nach gleichartig ist, so ist in anderer Beziehung das Resultat ein durchaus ver- schiedenes, wenn man das korporale oder das viscerale Ende des Herzens abschneidet. Während nach der Exstirpation des korporalen Endes die von der anderen Seite des Herzens ausgehenden, also advisceralen Schläge sich fast immer in ziemlich regelmäßigem Rhythmus folgten, bis das Herz nach ! Da das Salpenherz noch ganz die Form eines verdickten Gefäßes gewahrt hat und besonders auf der visceralen Seite ganz allmählich in den Gefäßstamm übergeht, ist es natürlich mehr oder weniger willkürlich, ob man sagt, daß man die Gefäße nahe dem Herzen abtrennt, oder daß man ein Stück Herz (ein etwaiges Analogon des Wirbeltiersinus) herausschneidet. ® Auch nach Exstirpation des korporalen Endes treten manchmal, wie schon Schultze beobachtet hat, Perioden größerer und geringerer Frequenz auf, doch ist dies in den meisten Fällen nicht ausgesprochen und deutlich. Man konnte zum min- desten immer durch weiteres Abschneiden einen gleichmäßigen Rhythmus erzielen. “ Weitere Versuche, welche den genaueren Sitz des Zentrums für den Periodenwechsel bestimmten, wären sehr erwünscht. 112 G. F. Niıcorar: mehr oder weniger langer Zeit abstarb, trat nach Exstirpation des visceralen WORUM Oh & N Pal SZ. % S & — S I m IN) N Q S N n. S IN Endes ein eigenartiges Phä- nomen ein, von dem Fig. 10 eine graphische Darstellung gibt. Es tritt eine deutliche Gruppen- bildung auf, und zwar bilden sich die Gruppen. in ähnlicher Weise, wie sie auch beim nor- malen Herzen entstehen, nur daß jetzt die dazwischen liegen- den, entgegengesetzt gerichteten Pulsationsreihen weggefallen sind. Die Pulsationen beginnen lang- sam, werden dann schneller und schneller und brechen plötzlich ganz ab. Nun kommtesallerdings selten zu einem ebenso langen Stillstand, wie er der dann ein- setzenden abvisceralen Pulsa- tionsreiheentsprechen würde, doch ließe sich dies leicht durch die An- nahme erklären, daß das normal pulsierende Herznurdeshalbnicht auf die auch dann vorhandenen selteneren, vom korporalen Ende ausgehenden, also advisceralen Pulsationsreize reagiert, weil diese Reize eben während dieser Zeit seltener sind, als die an sich immer gleichmäßig frequenten, vom visceralen Ende ausgehen- den, also abvisceralen Reize, und deshalb nicht zur Geltung kom- men können. Auf Grund dieser Versuche liest es also nahe, anzunehmen, daß am Salpenherzen zwei Zen- tren vorhanden sind, von denen das eine, auf der visceralen Seite gelegene, dauernd Erregungen ' von annähernd gleichmäßigem BEITRÄGE ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE DES SALPENHERZENS. 113 und verhältnismäßig langsamem Rhythmus aussendet, während das andere, auf der korporalen Seite gelegene, automatische Zentrum periodenweise sehr . langsame und dann wieder schnelle Reize erzeugt. Dadurch, daß das Herz immer auf den frequenteren Rhythmus reagiert, würde der Pulswechsel zustande kommen. Dürften wir unsere am Säugetierherzen gewonnenen Vorstellungen auf das Salpenherz übertragen — was trotz den scheinbar entgegenstehenden Angaben von Carlson 1903 nicht ausgeschlossen er- scheint — so würde der nachweisbare Frequenzunterschied auch für die Er- klärung des Wechsels der Ursprungsorte genügen, denn es ist ja bekannt, daß, wenn man zwei Stellen des Herzens mit verschiedener, nicht gar zu hoher Frequenz reizt, das Herz den frequenteren Rhythmus annimmt, d.h. daß eben jener Ort zum Ausgangspunkt der Erregungswellen wird. Die geschilderte Erklärung vom Zustandekommen des Mechanismus des Richtungswechsels beim Salpenherzen ergibt sich aus dem Gesagten so natürlich, daß ich geglaubt habe, sie hersetzen zu dürfen, wenn schon eine eingehendere Nachprüfung außerordentlich erwünscht wäre, und vor allem eine Ergänzung dieser Befunde durch entsprechende Reizungsversuche am Herzen selbst. Ein sehr schöner Versuch, der das Phänomen in sehr eleganter Weise zeigen müßte — die Teilung, zum mindesten die Leitungsunterbrechung in der Mitte des Herzens — ist mir bisher nicht geglückt. $ 12. Schlußfolgerungen und Zusammenfassung. Im vorigen Paragraphen ist darauf hingewiesen, in welcher Weise möglicherweise der Mechanismus des abwechselnden Rhythmus zustande kommt. Selbst wenn diese Erklärung des Mechanismus angenommen werden sollte, ist dies keine Erklärung für den Vorgang selbst. Die mannig- fachsten Hypothesen sind aufgestellt worden, um auch das Warum zu er- klären.” Man kann sie in zwei Gruppen teilen: nach der einen Ansicht sind Druckverhältnisse, nach der anderen Stoffwechselvorgänge, insonder- heit Respirationsvorgänge die Hauptsache. Daß die Erklärung der Umkehr des Kreislaufes auf Grund respiratorischer Verhältnisse hinfällig ist, habe ich schon in $ 6 auseinandergesetzt, aber auch jede Erklärung der Umkehr auf Grund von Druckverhältnissen scheitert daran, daß die Kreislaufgebiete, die auf beiden Seiten des Herzens liegen, und deren Druckverhältnisse die Umkehr bedingen sollten, beide grundverschieden voneinander sind, obgleich doch die Wirkung, die aus ihrer Struktur resultieren sollte — nämlich eben die Umkehr — in beiden Fällen identisch ist: denn auf der einen Seite ! Siehe die historische Darstellung dieser Frage bei Schultze, S. 284—302. Archiv f,A.u, Ph. 1908, Physiol. Abtlg. Suppl, 8 114 G. F. NicoLar: des Herzens liegt der Mantel mit seinem Netz von weiten durchlaufenden Gefäßen, die gar keinen erheblichen Widerstand bieten, und auf der anderen Seite liegt der Nucleus mit seinen Aufsplitterungen der Gefäße, die, wie die Injektionspräparate beweisen, einem mäßigen Druck einen unüberwind- lichen Widerstand entgegensetzen. Es ist daher unmöglich, auf dieser Basis eine einheitliche Erklärung zu finden, den wenn wir durch die Struktur des Gefäßnetzes die Umkehr der Schläge erklären wollen, so können alle jene Erwägungen, die für die eine Seite passen, auf keinen Fall für die andere Seite auch richtig sein. Es scheint daher, daß alle Erklärungsversuche nicht genügend fundiert sind. Vorläufig ist unser tatsächliches Wissen in dieser Beziehung auch noch zu gering, als daß man mit Aussicht auf Erfolg an die Erklärung des Phänomens herangehen könnte. Zudem erscheint es durchaus nicht notwendig, daß man überhaupt einen vernünftigen Grund für alle Vorgänge in der Natur auffindet. Bei den niedersten Tieren ist das Verteilungssystem im Körper — und als solches stellt sich das Zirkulationssystem in funktioneller Beziehung dar — durch die blindsackförmigen Ausstülpungen des Darmes repräsentiert; in ihnen erfolgt die Bewegung mit Notwendigkeit in abvisceraler und ad- visceraler Richtung. Möglicherweise ist nun die Bewegung und der Mechanis- mus des Salpenherzens nichts als ein Rudiment jenes ursprünglichen Zu- standes, den alle übrigen Tiere wegen seiner Unzweckmäßiskeit aufgegeben haben. Möglicherweise hängt hiermit die außerordentlich niedrige Organi- sationsstufe zusammen, auf welcher die Salpen in bezug auf Sinnesorgane und Tätigkeit stehen geblieben sind, trotzdem diese Tiere morphologisch doch dem höchsten Tierstamme, dem der Vertebraten, nahe stehen. Bezeichnend ist es in dieser Beziehung, daß die Tunicaten und Lepto- kardier (die niedrigsten Gruppen der Chordonier, mit welchem Namen man Tunikaten und Wirbeltiere zusammengefaßt hat) ein unzweckmäßiges oder ein rudimentäres Kreislaufsystem besitzen. Mit der Zweckmäßigkeit des Kreislaufsystems hängt aber die Schnelligkeit des Stoffwechsels, von ihm die Intensität des Lebens und hiervon wieder die Entwicklungsmöglich- keit ab. Daß ein Verteilungssystem mit hin- und herpendelndem Blutstrom für die Verteilung der Nahrungs- und Stoffwechselprodukte ungünstig ist, ist leicht einzusehen. Aber noch in einer anderen Beziehung ist die Umkehr unzweckmäßig. Durch eine peristaltische Bewegung kann der Inhalt einer in sich selbst geschlossenen Röhre nur dann fortgeschafft werden, wenn auf der einen Seite von der Kontraktionsstelle die Röhre mehr oder weniger verschlossen ist. Dieser Verschluß kann, wie beim Salpenherzen, durch eine sehr starke Kontraktion der Wandung und dadurch bedingte Ver- BEITRÄGE ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE DES SALPENHERZENS. 115 engerung des Lumens bedingt sein. Er kann aber auch durch Klappen oder Ventile hergestellt werden. Letzterer Modus ist deshalb außerordent- lich viel ökonomischer, weil er ohne Verbrauch von Muskelkraft, also ohne jede chemische Umsetzung erfolgen kann. Es wird also hierbei im Gegensatz zum Salpenherzen Arbeit gespart. Ein solcher Klappenmechanismus ist aber deshalb bei einem Salpenherzen unmöglich, weil ein Ventil nicht so konstruiert sein kann, daß es ohne weiteres einmal als Verschluß nach der einen Seite, und dann wieder als Verschluß nach der anderen Seite wirk- sam ist. Ein Herz, das nach beiden Seiten arbeiten kann, muß also mit Not- wendigkeit unökonomischer arbeiten, als ein Herz, das nur nach einer Seite hin das Blut treibt. Es ist daher nicht wunderbar, daß ein derartig unzweckmäßiger Mecha- nismus, wie ihn das Salpenherz aufweist, in der Natur sonst nicht vor- kommt, aber andererseits ist es erklärlich, daß alle Versuche, die Umkehr als eine zweckmäßige Anpassungserscheinung darzustellen, gescheitert sind. Die Ausführung dieser Arbeit wurde mir durch die Überlassung eines Arbeitsplatzes des preußischen Kultusministeriums in der. Neapler zoo- logischen Station ermöglicht. Hierfür, sowie für die liebenswürdigste Unter- stützung in der Station selbst möchte ich dem Ministerium und Herrn Geheimrat Dohrn sowie ganz besonders Herrn Professor Mayer und dem Abteilungsvorstand der physiologischen Abteilung Herrn Dr. R. Burian auch an dieser Stelle meinen Dank aussprechen. Zusammenfassung. ‚Das tatsächliche Ergebnis der im Vorstehenden geschilderten Versuche war folgendes: 1. Der Salpenkreislauf vollzieht sich in einem geschlossenen Kreise, der vom Herzen bis wieder zurück zum Herzen verläuft und durch folgende Gefäßsysteme gebildet wird: Herz — Mantelsystem — Kiemengefäß oder anale Kommissur — Gefäßsystem des Nucleus — Herz. Diese geschlossene Bahn kann in der angegebenen abvisceralen oder in der umgekehrten ad- visceralen Richtung durchflossen werden. 2. Die Gefäßbildung des Mantelsystems ist keine kapilläre, sondern eine netzförmig lakunäre, und spricht dafür, daß es sich dabei um eine Respirationszwecken dienende Bildung handelt, eine Anschauung, die auch durch den Platz, welchen dieses System in der Kreislaufreihe einnimmt, gestützt wird. g#* 116 G. F. NıcoLa1: 3. Das Herz ändert nicht nur die Richtung seiner peristaltischen Wellen, sondern in jeder einzelnen Pulsationsreihe ändert sich die Frequenz der Schläge dauernd, und zwar beginnt jede Pulsationsreihe langsam und wird dann allmählich schneller und schneller, um plötzlich abzubrechen. 4. Die Temperatur hat einen nachweislichen Einfluß auf die Frequenz der Herzschläge, und zwar scheint sie in dem untersuchten Bezirk (7 bis 20°) eine annähernd geradlinige Funktion der Temperatur zu sein und sich gegen die höheren Temperaturen hin einem Maximum zu nähern. Ein Einfluß der Temperatur auf die Länge der Pulsationsreihen geht aus den angeführten Versuchen weniger deutlich hervor, doch scheint durch Erhöhung der Tempe- ratur auch die Schnelligkeit des Wechsels erhöht zu werden. 5. Sensible Reizungen verkürzen in ausgesprochenstem Maße die Länge der Pulsationsreihen, rufen also einen schnelleren Wechsel hervor. 6. An den beiden Enden des Salpenherzens sind automatische Zentren für die Reizerzeugungen. der peristaltischen Wellen. Es scheint, als ob das auf der visceralen Seite gelegene Zentrum die Erregung in dauernd gleichartiger Frequenz erzeugt, während das an der korporalen Seite des Herzens gelegene die Erregungen in periodisch wechselnder Frequenz erzeugt. Es liegt nahe, diesen Umstand für das Zustandekommen des Mechanismus des Richtungswechsels im Salpenherzen heranzuziehen. Inhalt. Seite Untersuchungsplan und Material. S 1 .. .. en ve een 2. a 7 Anatomie . . . a et hen a 2 Be ee a EEE > Die Anatomie Gier Sale lenfs. SU en cc. 8 Die mikroskopische Natur des Lakunennetzes. S3 .. 2 2 2 222..898 Die Anatomie des Herzens. S4.... ... . 0. le Sen 2 Me Physiologie des Salpenkreislaufs. . . . . ER RL, Gh Die Richtung des Blutstromes in den Ele Ben Gefäßen. SCH a 95 Der arterielle und venöse Kreislauf der Salpen. 86. . . 2.2.2... 9 Physiologie des Salpenherzens. . . ee lieh ee en Te 3 I Methodik der nen ST ae Ta ee SG Die Frequenzänderung in den Pulsationsreihen. SS. . . 2 .2.2.2.....102 Der Einfluß der Temperatur. 8 9... 12 0. ent 10 Der Einfluß der RunEen 8:10, u. len wulrksengeh A ee Ba 06 Isolierungsversuche. S 11 . .. ee ee eg ee a a er 6\C) Schlußfolgerungen und a SZ ne ee, Ni: BEITRÄGE ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE DES SALPENHERZENS. 117 Literaturverzeichnis. Von der älteren Literatur ist nur das wichtigste genannt. Weitere Angaben finden sich in dem sehr ausführlichen Literaturverzeichnis der unten zitierten Arbeit von L. S. Schultze. “ E.van Beneden und Ch. Julin, Recherches sur la morphologie des Tuniciens. Gand 1SS6. A. J. Carlson, The response of the hearts of certain molluses, decapods and tunicales to electrical stimulation. Science. 1903. Enriques, Della eireulazione sanguinea nei Tunicali. Archiv. zool. II. p. 11. 1904. Heine, Bau und Entwicklung des Herzens der Salpen. Zeitschrift für wissen- schaftliche Zoologie. Bd. LXXII. S. 429. 1908. G. W. Hunter, Notes on the heart action of Molgula manhattensis (Verill.). Amer. Journ. of physiol. X. p. 1. 1908. C. Fr. W. Krukenberg, Vergleichend-physiologische Studien zu Tunis, Mentone und Palermo. 3. Abtlg. Heidelberg 1880. Edwards Milne, Observations sur les Ascidies composees des cötes de la Manche. Paris 1841. G. F. Nicolai, Über die Leitungsgeschwindigkeit im Riechnerven des Hechtes. Pflügers Archiv. Bd. LXXXV. S. LXV. Pizon, Physiologie du coeur chez les colonies de Diplosomes. CO. RK. de !’ Acad. CXXXY. p. 1528. 1902. L. Roule, Recherches sur les Ascidies simples des cöles de Provence. Annal. Muses d’hist. nat. Marseille. T. II. 1884. L. S. Sehultze, Untersuchungen über den Herzschlag der Salpen. Jenaer Zeit- schrift für Naturwissenschaften. Bd. XXXV. 8.221. 1901. (Auch als Sonderabdruck bei Fischer, Jena, erschienen.) C. Vogt und E. Young, Lehrbuch der praktischen vergleichenden Anatomie. Bd. II. Braunschweig 1889 —1894. Nic. Wagner, Recherches sur la eireulation du saug chez les Tunicaires. Bull. de U’ Accad. de St. Petersburg. T. VI. 1866. 11S G. F. NıcoLaı: BEITRÄGE ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE USW. Erklärung der Abbildungen. (Taf. X u. XI) Fig. 2. Endigung des Kiemengefäßes in und am Nucleus. (Nach einem Injektions- präparat gezeichnet. — Zeißsche Lupe.) Fig. 3. Darstellung des kapillariformen Lakunennetzes (aus der Umgebung des Mundes). (Nach einem Injektionspräparat. — B. Levys Zeichenapparat für makro- skopische Objekte. Vergr. 10:1.) Fig. 4. Das Salpenherz von der linken Seite und etwas abdominal gesehen, in dem schlaffen, gekörnelt erscheinenden Herzbeutel, der nach Angabe der Autoren auf der konvexen Seite des Herzens angewachsen ist. Vergr. Y;.». Fig. 5. Einmündungsstelle der groBen abdominalen Gefäßstämme in das Salpen- herz, nach einem anderen Exemplar in ähnlicher Lage gezeichnet, demonstriert gleich- zeitig den topographischen Zusammenhang zwischen Herz und Hypobranchialrinne. Über den Einfluß der Vagusreizung auf die Synergie beider Herzkammern. von Dimitri Pletnew, Privatdozent und Assistent der medizinischen Kiinik zu Moskau. Noch vor kurzer Zeit galt der Satz vom absoluten Synchronismus beider Herzkammern als unerschüttert. „Si l’on compare,“ schreibt Marey, „au point de vue de leurs rapports chronologiques, les phases systoliques de deux ventriceules, on constate que toutes deux commencent et finissent en m&me temps; il y a donc synchronisme parfait entre les systoles de deux ventricules.“* Die von mehreren Autoren veröffentlichten Beobachtungen!, in denen sie die an den Herzen der Patienten gefundenen Erscheinungen als halb- seitige Kontraktion des rechten Ventrikels oder Hemisystole deuteten, waren nicht überzeugend für die Physiologen, um die Lehre vom absoluten Synchronismus zu erschüttern. In den Lehrbüchern der Physiologie findet man jedoch diese Erscheinung immer noch angeführt. In der neuesten Zeit sind aber genaue Arbeiten erschienen, in welchen die Autoren sich gegen diesen bis jetzt gültigen Satz wenden. So weist Arloing darauf hin, daß in der Norm bei absolut gesunden Herzen die Kontraktion des linken Ventrikels etwas vorzeitiger eintritt, als die des rechten — er sagt: „Nor- malement ou dans des conditions suppos&es normales l’association fonetionelle dans les deux ventricules n’est pas absolue, comme on serait tent& de croire.“ ! Die ersten Beobachtungen stammen von Pressat und Charcelay im Jahre 1837 und 1838. 120 DiMITRI PLETNEW: Die späteren Arbeiten von Frederieg, Schmidt-Nielsen, Fau- connier und Stassen konnten eine gesetzmäßige Aufeinanderfolge der Kontraktion verschiedener Herzkammern feststellen; ja, es konnte sogar der zeitliche Unterschied in der Aufeinanderfolge der betreffenden Kontraktionen bestimmt werden. Stassen führt in seiner Arbeit folgende Reihen- und Zeitverhältnisse an: 1. Kontraktion des rechten Vorhofes. 2. Kontraktion des linken Vorhofes, die 0-02 bis 0O- 03 Sek. nach dem Beginn der Systole des rechten Vorhofes anfängt. 3. Ein Intervall von 0-08 bis 0-1 Sek., während welchem der Reiz das Übergangsbündel passiert. 4. Kontraktion der linken Kammer. 5. Kontraktion der rechten Kammer, die 0-03 bis 0-04 Sek. nach dem Beginn der linken anfängt. Es existiert also ein Gesetz der normalen Sukzession der ver- schiedenen Phasen des Herzschlages. Nicht einmal die einzelnen Kammern ziehen sich in ihrer Masse gleichzeitig zusammen, sondern es ist in ihnen ein Fortschreiten der Kontraktionswelle wahrnehmbar, die von der Basis zur Spitze verläuft. (Fauconnier.) In dieser Sukzession ist eine physiologische Grundlage gegeben zum weiteren Ausbau der Lehre von der Inkongruenz der beiden Herz- kammern. Es ist für den Kliniker eine außerordentlich wichtige Frage, Um- fang und Grund der Dissoziation der beiden Herzkammern zu bestimmen. Unter dem Begriff Dissoziation verstehe ich gewisse zeitliche und auch kontraktile Verschiedenheiten im Systolenablauf — phasische! und dynamische Asynergie beider Herzkammern. Als Mittel zur Beobachtung zeitlicher und dynamischer Ventrikel- dissoziationen war es bequem die Beobachtung der Kontraktionen des Her- zens unter dem Einflusse der Vagusreizung zu wählen. Coats hat im Jahre 1869 darauf hingewiesen, daß der N. vagus außer Verlangsamung der Herztätigkeit auch gewisse Beziehungen zum Tonus des Herzmuskels hat. Es folgten später die Arbeiten von Roy, Sewall and Donaldson, Gaskell, R. Heidenhain, Dastre et Morat, Francois- Franck, De - Hotmana, in denen diese Vermutung vesb ua und einer genauen Analyse unterzogen wurde. Gaskell differenziert auf Grund seiner genauen Untersuchungen an Schildkrötenherzen den Einfluß der Vagusreizung in folgende Elemente: ! Ich gebrauche nicht den Ausdruck „rhythmische“ Dissoziation, da unter dem Begriff dieses Ausdruckes zwei verschiedene Rhythmen der Herzkammern zu ver- stehen sind. EINFLUSS DER VAGUSREIZUNG AUF DIE SYNERGIE DER HERZKAMMERN. 121 Veränderungen im Rhythmus, in Kontraktilität und in der Leitungsfähigkeit der Herzteile. Pavlow hat bewiesen, daß beim Hunde verschiedene Äste des N. vagus auf das Herz eine verlangsamende, beschleunigende, abschwächende und verstärkende Wirkung üben. F. B. Hofmann hat seinerseits im Vagus außer den die Herzfrequenz ändernden Fasern noch solche, die die Kontraktionsstärke und den Tonus des Ventrikels beeinflussen, nachgewiesen. Letztere verlaufen beim Frosch in den Scheidewandnerven. Im Anschluß an diese Angaben schien es geeignet, die Wirkung der Vagusreizung auf den Rhythmus und die Dynamik beider Herzkammern in ihren gegenseitigen Verhältnissen, d. h. ihre phasische und dynamische Dissoziation zu verfolgen. Methodik. Alle Versuche wurden an Kaninchen angestellt. Ein Teil der Tiere wurde zuerst kurarisiert, ein anderer Teil stand unter dem Einflusse von Urethan. Letzteres wurde in die Bauchhöhle eingespritzt und zwar 12m auf 1% Gewicht. Der Thorax wurde in der Medianlinie unter Ver- meidung von Blutverlusten gespalten und auf diese Weise das Herz entblößt. Die Registrierung der Herztätigkeit geschah auf doppeltem Wege. In einer Reihe von Fällen wurde sie in der Form eines Myokardiogramms ausgeführt. Die Wände der Herzkammern wurden mit Klemmen gefaßt und durch direkte Verbindung mit Schreibhebeln auf dem fortlaufenden berußten Pa- pier des Kymographions die Kurven (von links nach rechts) aufgezeichnet. In der anderen Reihe der Versuche wurde die Herztätigkeit vermittelst Endokardiogrammen wiedergegeben. Es wurde nämlich ein Glasröhrchen durch die V. jugularis dextra in den rechten Ventrikel, ein anderes durch den linken Vorhof, der mit einer Öffnung versehen wurde, in den linken Ventrikel vorgeschoben. Diese Glasröhren wurden durch Kautschukschläuche . mit Gummimembran verbunden, deren Schwankungen ein an ihrer oberen Fläche befestigter Schreibhebel wiedergab, der wie vorher die Kurven auf berußtem Papier registrierte. Zur Vermeidung von Blutgerinnung waren die in das Herz eingeführten Röhrchen mit Hirudinlösung gefüllt. Der Einfluß der freigelegten Nn. vagi wurde auf folgendem Wege studiert: 1. Reizung des peripheren Teiles des rechten und linken N. vagus nach ihrer Durchschneidung. 2. Reizung der Nasenschleimhaut mit Rauch und Chloroformdämpfen bei unversehrten Nn. vagi. "oyLıuoA A9pIoq uajogsÄg op 93[0J1apueurpny aydıyylaz ALp SEM SOZION Sop ZunyargsıoA AM 'PIIM AleysıoA Sunziog Iop opmef WE orp ‘ Zunzroisusern Oy9eMypg "omwwıdoıpIeyoAN "91Rın,) it -ToyLıqua‘ PpIaq Me yosıommks yaımwoız Zunursyssiy 9soIp DIS 99917819 Offeg WIOSOIP UT "u9J0JsÄg 9yıajs pun ayoeMmyds pupssyaamgYy -ZUNZIIISNIEA IYABIS[OIIM "HulmeısoıpieyoÄN "9IBın,) gs 214 -ZunzIeisnse SyDeMyS DWwmeısorpıeJoAN "Olzın) "sd DimITRI PLETNEW: "ZUNZIIISnIE A IUIEMYS 9Wmuwısorpıeyopug 9soyTeuurypıf] "I SL 122 123 YNERGIE DER HERZKAMMERN. N kA AGUSREIZUNG AUF DIE INFLUSS DER V y 4 F "sj991 (3) 91fogsÄsy "sıogsksod{y "Sunzieusnser Ayıeyg HwweidorpieyoÄm Pwınd ‘8 arg "syur (2) orogsisy "9T[oJs £s od£äH "UOIFEIZOSSI(] Oyosımeukl "SUNZIOISNI® La A PA.1098 HWWEILSOIPIBYOPUT "UOLYBIZOSSI(T AYOSITUBUÄ(T "SUNZIWAISNIBA YLBIS ‘9 17 Drang ak "HULTIBISOIPACHOAÄN AWınd k mA DR mW "[OyTIyu9AZIOH Ppıaq ne gosrıyoumuÄs Jyoıu YOIS I]TOJ19A Sunfosyoomqy oLlT "[OyLIyu9A AopIoq uaJogsÄg uap uATSIMZ SITWAALDJULNTOZ SOP FUNAOgTOADIO A "ZUNZION] .ın “Go ald "uo9fogsäg DHAOUOBMIIS pun oy.ıns "uuggaıj puppsyoomgy SION PWMBLSOIPIBNORW "OAm.ın; so 1 Ip-IEN 0) « Stärke der Kammersystolen und Ergebnisse, gie festgestellt werden: Ü Aus den Versuchen mit direkter Reizung der Nn. vagi konnten folgende Änderungen in bezug auf Frequenz und deren Syner 124 DMITRI PLETNEWw: Bei schwacher Reizung (Figg. 1 und 2!) werden die Kammerkontrak- tionen seltener, aber umfangreicher, die zeitliche Aufeinanderfolge beider Kammersystolen bleibt entweder unverändert oder ist kaum vergrößert. Diese Ergebnisse stimmen mit den Beobachtungen von früheren Autoren: Mc. William, Johanssohn und Tigerstedt,Cyon überein. Mc. William gibt auch eine Erklärung dieser Erscheinung. Seiner Meinung nach wirkt eine schwache Vagusreizung im allgemeinen auf die Vorhöfe. Die Schlag- folge des Herzens wird langsamer. Bei schwacher Vagusreizung bleiben die Kammern selbst unbeeinflußt. Deshalb folgen sie dem Vorhofrhythmus ohne Verminderung ihrer eigenen Leistungsfähigkeit. Infolge Verlangsamung des Rhythmus strömt bei jeder Kammerdiastole mehr Blut in die Ventrikel und sie müssen deswegen bei jeder Systole mehr Blut in die Gefäße aus- treiben. Dies ist der Grund zur Verstärkung der Kontraktionen. Bei genauer Ausmessung der Ordinaten der Ventrikelkontraktionen stellte ich in verschiedenen Versuchen folgenden zahlenmäßigen Zuwachs fest. Linker Ventrikel. Rechter Ventrikel. Vor d. Vagusreiz. Während d. Vagusreiz. Vor d. Vagusreiz. Während d. Vagusreiz. cm em cm cm 0+5 0.7 0375 0.4 0+3 0+5 0-7 0.9 0-35 0-4 0+3 0.4 0-5 0-65 0+3 0-45 usw. Werden die Vagusreizungen stärker (Figg. 3, 4, 5), so treten ab- wechselnd starke und schwache Systolen hervor. Der Wechsel der Kon- traktionsgröße erstreckt sich nicht auf beide Kammern in gleichem Sinne. Einmal ist die Erscheinung an einem Ventrikel, das andere Mal an dem anderen mehr ausgesprochen. In diesen Fällen tritt auch ganz deutlich eine Verzögerung in der Aufeinanderfolge beider Kammerkontraktionen hervor. Das Intervall zwischen dem Anfang der betreffenden systolischen Elevationen wächst in verschiedenen Fällen von 0-01 bis 0.015 Sek. auf 0.05 bis 0-04 Sek. Es tritt eine dynamische und gleichzeitig eine phasische Dissoziierung ein. (Quantitative Unterschiede dieser Er- scheinungen werden immer klarer mit Verstärkung des Stromes. Werden noch stärkere Reize (Figg. 6, 7, 8) am Vagus appliziert, so tritt eine ausgesprochene dynamische Dissoziation ein. Die Kurven bzw. ! Alle Zeichnungen sind von links nach rechts zu lesen. Die obere Linie ent- spricht der Reizmarkierung, die zweite von oben — der Zeit. Es werden Fünftel- sekunden markiert. Von den Kurven entspricht die erste von unten dem rechten Ven- trikel, die zweite dem linken. Die Kurven sind auf den sechzehnten Teil der wahren Größe reduziert. EINFLUSS DER VAGUSREIZUNG AUF DIE SYNERGIE DER HERZKAMMERN. 125 einzelnen Systolen entsprechenden Rlevationen werden langgezogen, beinahe flach. Manchmal scheint es, als ob der betreffende Ventrikel sich nicht auf einmal kontrahiere, sondern die Kontraktion läuft langsam, allmählich, peristaltisch (Fig. 7) ab, das systolische Plateau der Kurve wechselt ihre Form. Die Veränderungen erstrecken sich nicht in ein und demselben Grade auf beide Herzkammern. Die Hyposystolie erscheint in beiden ver- schieden groß. Einmal ist es die linke, das andere Mal die rechte Kammer, deren Hyposystolie mehr ausgesprochen ist, im Gegensatz zu Arloing, der diese Erscheinung als konstant bis zu voller Asystolie bei der rechten Kammer beschreibt. Ich konnte auch in meinen Kurven manchmal scheinbare Asystolie (rechts und links) beobachten. Es bleibt aber immer fraglich, ob es sich in solchen Fällen um echte oder scheinbare Asystolie handelt. Mit Recht lest H. E. Hering das Hauptgewicht auf die Hyposystolie, denn unter Umständen sind die Hebel nicht empfindlich genug, um sehr schwache Kontraktionen zu verzeichnen. Sicher kann man in gewissem Sinne sagen, daß es sich auch in diesen Fällen um Asystolie handelt, da wir in der Kurve keine nachweisbare Erhebung feststellen konnten — unsere Methoden geben jedoch nicht immer die betreffenden Kontraktionen wieder. Klinisch könnte man deshalb vielleicht von Asystolie reden, denn es handelt sich in solchen Fällen um eine nach außen wenig erfolgreiche Zusammenziehung. Betrachten wir aber die Erscheinung nicht vom klinischen, sondern vom rein physiologischen Standpunkt aus, so bezeichnen wir als Kammerkontraktion nicht eine erfolgreiche Zusammen- ziehung der ganzen Kammer in toto, sondern die Verkürzung der sie bildenden Muskelfasern, ungeachtet der Frage nach der Anzahl und dem Kontraktionsumfange der sich zusammenziehenden Muskelfasern. Bei dieser Auffassung bleibt es immer fraglich, ob bei der von mir beobachteten Asystolie einzelne Muskelfasern sich nicht kontrahieren. Wäre letzteres der Fall, so hätten wir es zu tun mit einer Hyposystolie, die mit unseren jetzigen Methoden nicht wiederzugeben ist. Jedenfalls halte ich die Frage von der Asystolie noch für offen stehend. Es bleiben bei Beobachtung und bei Bestimmung dieser Er- scheinung immer Bedenken, die nicht zurückgewiesen werden können. Wird der Vagusreiz noch verstärkt, so kommt es zum Ausfall der Kontraktionen der beiden Ventrikel. Was die phasische Dissoziation in Fällen der letzten Gruppe betrifft, so kann sie nicht so genau verfolgt werden, wie in den Fällen der früher beschriebenen Versuchsgruppen. Es ist auch verständlich, denn die Kurven werden flach, manchmal ziehen sie sich bis auf Null aus, so daß der Systolenanfang oft kaum zu bestimmen ist. 126 Dimitri PLETNEW: F. Kraus und Nicolai haben den Kontraktionsablauf an normalen Hundeherzen im Vagusstillstand, wenn einzelne Herzabschnitte elektrisch gereizt waren, verfolgt. Dabei konnten sie beobachten, daß die Kontraktions- welle von den Atrien sich bloß auf eine Kammer, oder manchmal auch erst auf einen, dann auf den zweiten Ventrikel fortsetzte. In ihrer Arbeit bezeichnen die Autoren nicht die Aufeinanderfolge der Ventrikelkontrak- tionen, d. h. sie geben keine Auskunft darüber, ob der Reiz vom Vorhof immer zuerst zur linken Kammer, später zur rechten übergeht, oder ob es auch umgekehrt vorkommt. Ebenso konnten die genannten Autoren an ermüdeten, abgekühlten Herzen nach schwacher Vagusreizung alle möglichen Kombinationen der Folge und der relativen Mächtigkeit der verschiedenen Phasen ein und derselben Pulsation sehen. Die Versuchsanordnung von Kraus und Nicolai war eine andere, als bei meinen Experimenten, doch ist auch aus ihrer Mitteilung die Variabilität der funktionellen Solidarität beider Herzkammern unter dem Vaguseinfluß zu erkennen. In den Versuchen zweiter Reihe wurde die Vagusreizung erzielt auf reflektorischem Wege durch Einblasen von Tabakrauch und Chloroform- dämpfen in die Nase, bzw. durch Reizung der sensiblen Nerven der Nasen- schleimhaut. Auf diese Weise wird die Wirkung auf das Herz nicht nur durch den Vagus, sondern auch durch mechanischen Erfolg der Atmungs- bewegung (in den Fällen, wo die Tiere ohne Ourareeinfluß standen) und durch Erregung des Vasomotorzentrums sowie die damit verbundene intra- kardiale Druckerhöhung erzielt. In allen Fällen dieser Gruppe wurde eine Verlängerung der Herzpausen und eine Verstärkung der Kammerkontrak- tionen erzielt. Manchmal kamen auch ventrikuläre Extrasystolen vor. Eine größere Zeitdilfferenz in ihrem Hervortreten in beiden Herzkammern als in der Norm war nicht zu bemerken. Wenn man die auf analogem Wege von Hering gewonnenen Kurven! betrachtet, so findet sich bei ihm eine größere Vorzeitigkeit im Auftreten der Extrasystolen der linken Kammer im Vergleiche mit dem der rechten Kammer, als bei mir. Worauf der Unterschied unserer Ergebnisse zu be- ziehen ist, ist mir nicht völlig klar. Vielleicht war der von Hering appli- zierte Reiz stärker, als bei mir, vielleicht sind aber die Schwankungen auf individuelle Unterschiede zu beziehen. Es gibt Tiere, die bei Reizung: der Nasenschleimhaut keine Arhythmie aufweisen, während andererseits einige Tiere auf denselben Reiz mit ausgesprochenen Extrasystolen reagieren. Ich konnte in meinen Fällen entweder rhythmische Tätigkeit des Herzens oder ! Siehe Pflügers Archiv. Bd. LXXXL. EINFLUSS DER VAGUSREIZUNG AUF DIE SYNERGIE DER HERZKAMMERN. 127 nur einzelne Extrasystolen verfolgen. In dieser gewissermaßen stabilen Rhythmizität des Herzens in meinen Fällen ist auch vielleicht der Grund für das Fehlen einer Kammerdissoziation zu suchen. Die beschriebenen Erscheinungen am Herzen wurden beobachtet bei Reizung sowohl des rechten als des linken N. vagus, wobei jedoch kein bestimmter Unterschied in der Wirkung hervortrat. Pavlow hat bei seinen Versuchen in bezug auf die Wirkung der dynamischen Äste des N. vagus gefunden, daß „in seltenen Fällen der starke innere Zweig rhyth- mische Kontraktionen der Ventrikel en masse bewirkt. In der Regel ruft der rechte Zweig lokale (rhythmische oder peristaltische) Bewegungen des rechten Ventrikels und des vorderen kleinen Abschnittes des linken hervor, während der linke entsprechende Zweig dasselbe in bezug auf die Haupt- masse des linken Ventrikels bewirkt.“ In den von mir beobachteten Fällen gibt es keine Anhaltspunkte zum Beweise für derartige Anschauungen, wobei ich jedoch damit gar nicht Pavlows sorgfältige Beobachtungen bezweifeln will. Der Unterschied liegt wahrscheinlich in der Versuchsanordnung. Während Pavlow seine Er- gebnisse bei Reizung isolierter Vagusäste gewann, habe ich den ganzen Vagusstamm gereizt, wodurch zur gleichen Zeit alle seine funktionell ver- schiedenen Äste in Erregung gesetzt wurden. Bei solcher Versuchsanord- nung kombinieren sich die Wirkungen aller dieser Äste in unberechenbarer Weise, worauf auch die Verschiedenheiten der Erscheinungen zu beziehen sind. Was speziell die Dissoziation beider Herzkammern betrifft, so ist zu bemerken, daß sie bei schwacher Vagusreizung nicht stattfindet. Wächst die Stärke der Vagusreizung, so kommt die dynamische Dissoziation, die Ungleichheit in der Kraft der Kontraktion beider Herzkammern in den Vordergrund, die phasische Dissoziierung tritt dagegen zurück. Es verlängert sich die Zeit der Kontraktionsfolge der beiden Ventrikel um einen nicht bedeutenden Wert. Ich konnte niemals sehen, daß die Verlängerung mehr als auf 0-04 Sek. anwächst, d.h. sie nähert sich der Norm, den Bedingungen, unter welchen das Herz bei unversehrten Vagi (Vagustonus) steht. Die Reizung des peripheren Teiles des durchschnittenen Vagusstammes stellte das normale Intervall wieder her, ohne ihn zu verleihen. Diese Ergebnisse erlauben die Vermutung, daß auch in Fällen echter oder scheinbarer — wie gesagt, kann diese Frage mit den bis jetzt geübten Untersuchungsmethoden nicht entschieden werden — Asystolie der Ven- trikel diese auf ein Versagen des Kontraktilitätsvermögens zu beziehen ist. 128 Dimitri PLETNEW: Resume. 1. Bei schwacher Reizung des peripheren Teiles des durchschnittenen Vagus ändern sich die Kammersystolen symmetrisch. Sie werden lang- samer, aber umfangreicher als vor der Reizung. 2. Bei etwas stärkerer Reizung treten wenig frequente, abwechselnd starke und schwache Systolen der beiden Ventrikel ein. Diese dynamischen Erscheinungen erstrecken sich nicht symmetrisch auf beide Herzkammern — dynamische Dissoziation. Mit der dynamischen Dissoziation kann auch eine Verspätung im Eintreten der rechten Kammerkontraktion be- obachtet werden — phasische Dissoziierung. 3. Bei noch stärkerer Reizung werden die Kanmeisystolke schwach und wenig frequent. Diese Hyposystolie geht manchmal in eine schein- bare, vielleicht echte Asystolie über. Letztere Erscheinung ist durchaus nicht symmetrisch, so daß man den Eindruck gewinnt, daß von Zeit zu Zeit eine Herzkammer (links oder rechts) in ihrer Kontraktion ganz versagt — dynamische Dissoziation. Über die phasische Dissoziierung kann in diesem Falle kein sicheres Urteil abgegeben werden. Da aber bei Vagus- reizung es sich hauptsächlich um Kontraktilitätsänderungen handelt, so tritt jedenfalls die phasische Dissoziierung in den Hintergrund. Wird die Vagus- reizung noch stärker, so gewinnt man an beiden Ventrikeln die Erscheinung der Asystolie. 4. Bei Reizung des Vagus auf reflektorischem Wege (die Vagi selbst bleiben unversehrt) durch Reizung der sensiblen Nerven der Nasenschleim- haut — wo auch noch andere Wirkungen hinzukommen — erzielt man eine Dissoziation der Herzkammern. Am Ende dieser Arbeit sei es mir gestattet, Hrn. Geheimrat Professor v. Kries meinen ergebensten Dank auszusprechen für die Freundlichkeit, mit der er mir die Hilfsmittel des Freiburger physiologischen Instituts zur Verfügung gestellt hat, wie auch Hrn. Privatdozent Dr. Trendelenburg wegen der mir in jeder Beziehung erwiesenen Bereitwilligkeit und Hilfe. EINFLUSS DER VAGUSREIZUNG AUF DIE SYNERGIE DER HERZKAMMERN. 129 Literaturverzeichnis. P. Arloing, Modifications rares ou peu connues de la contraction des cavites du coeur sous l’influence de la section et des exeitations des nerfs pneumogastriques. Arch. de physiol. norm. et pathol. 5 Serie. T. VI. 1899. Charcelay, Memoires sur plusieurs cas remarquables de defaut de synchronisme des battements et des bruits des ventrieules du coeur. Arch. gener. de medecine. 1838. J. Coats, Wie ändern sich durch die Erregung des N. vagus die Arbeit und die inneren Reize des Herzens. Berichte der kgl. sächs. Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig. 1864, und Arbeiten aus der physiol. Anstalt zu Leipzig, EN durch C. Ludwig. Jahrg. 4. 1870. E. de Cyon, Coeur dans le dictionnaire de Physiologie publi& par Ch. Richet. 92. 1V..,1900. Dastre et Morat, Sur les nerfs du coeur. These d’agregation de P. Raynies. Paris 1880. Fauconnier, Sur l’onde de contraction de la systole ventriculaire. Arch. internat. de physiol. V. 1907. Z. Frederieq, La pulsation du coeur du chien etc. Ebenda. IV. 1905—1906. Francois-Franck, Recherches experimentelles sur l’atonie cardiaque produite par le nerf pneumogastrique. Zbenda. V Serie. T. III. 1891. W.H. Gaskell, On the rhythm of the heart on the frog and on the nature of the action of the vagus nerve. Abstr. Proceedings of the royal Society. 1881. Derselbe, On the innervation of the heart, with especial reference to the heart of the tortoise.. The Journ. of Phys. IV. 1884. R. Heidenhain, Untersuchungen über den Einfluß des N. vagus auf die Herz- tätigkeit. Pflügers Archiv. 1882. Bd. XXVII. H. E. 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Pressat, These de Paris. 1837. Ch. Roy, On the influences modifying the work of the heart. Journ. of Phys. 1879. Schmidt-Nielsen, Du pretendu synchronisme de la systole ventriculaire et de la systole de deux oreillettes. Arch. intern. de Physiol. IV. 1906. H. Sewall und F. Donaldson, On the influence of variations of intracardiac pressure upon inhibitory action of the Vagus Nerve. Journ. of Physiol. 1882. M. Stassen, De l’ordre de succession des differentes phases de la pulsation cardiaque chez le chien. Arch. intern. de phys. V. 1908. Mc. William, On the rhythm of the mammalian heart. Journ. of Physiol. IX. 1888. Über die Funktion der normalen und der fettig entarteten Herzvorhöfe. (Kontraktionskurve, Schwellenwert, Latenzperiode, Refraktärstadium.) Von Dr. med. Vittorio Scaffidi, Assistent und Privatdozent. (Aus dem Institut für allgemeine Pathologie der Universität zu Neapel, geleitet von Prof. Dr. G. Galeotti.) Die Vorhöfe des Herzens von Emys europaea wurden zum Gegenstand zahlreicher Untersuchungen namentlich von Fano und Bottazzi aus- gewählt, an denen sie hauptsächlich die Tonusschwankungen studierten. Wenn sie gut entwickelt sind, so können sie leicht mit dem Schreibhebel nach dem Engelmannschen Verfahren verbunden werden. Sie zeigen außerdem eine beträchtliche Widerstandsfähigkeit, wenn sie mehrere Tage hindurch noch funktionieren können, selbst nach Abtragung des Kammerabschnittes des Herzens. Bei Emys kann man schließlich den Vagus und den Sym- pathikus leicht freilegen, was bei den sonstigen für derartige Untersuchungen in Betracht kommenden Kaltblütern sehr schwer oder überhaupt nicht ausführbar ist. Die Fettentartung des Herzens, bzw. der Vorhöfe wurde durch sub- kutane Injektionen 1°/, iger Mandelöllösungen von Phosphor herbeigeführt, die ich in 4 oder 5 Gaben während etwa 20 Tagen verabreichte. Während dieser Zeit erhielten die Tiere im ganzen 7 bis 122 P,, eine Menge, welche zum Herbeiführen einer mehr oder minder starken Fettentartung der Herz- muskelzellen ausreichte.e Bei den, den wiederholten Phosphorinjektionen unterworfenen Tieren ist es dann leicht, Entartungszeichen durch eine Reihe deutlicher Erscheinungen festzustellen, wie z. B. ausgesprochene Langsam- keit in den Bewegungen, Ausbleiben des Lagereflexes, träge Reaktionen auf mechanische Reizungen der Pfoten oder des Kopfes. 9* 132 VITTORIO SCAFFIDI: Durch Ausbohrung des Rückenmarks wurden die Tiere bewegungslos gemacht. Nach Abtragung des Bauchschildes wurde das Herz freigeleet und hierauf der eine Vorhof mittels eines isotonischen (Guelfischen) Schreibhebels suspendiert. Mitunter wurden zu gleicher Zeit die Kontraktions- kurven eines Vorhofes und der Herzkammer, durch zwei Schreibhebel einzeln suspendiert, aufgenommen; in der Mehrzahl der Fälle wurde jedoch bloß die Kurve des Vorhofes verzeichnet, indem der Kammerabschnitt des Herzens entweder mittels einer Ligatur an der Arterioventrikularfurche oder durch vollständige Abtragung desselben, ausgeschlossen war. Manchmal wurde die Herzkammer geschont, die dann durch das Filum terminale an der Wand des Herzbeutels fixiert blieb. Die Zeit war an den Kurven unter Anwendung eines Bernsteinschen Unterbrechers markiert, welcher Schwankungen von 0-06 Sek. vollzog. Zu gleicher Zeit führte ich ähnliche Untersuchungen an normalen Vorhöfen aus, so daß ich die bei den entarteten Vorhöfen erhaltenen Versuchsergebnisse stets mit denjenigen der letzteren vergleichen konnte. Von allen verwendeten Herzen, sowohl von den normalen wie von den entarteten, habe ich schließlich mikroskopische Präparate hergestellt, nach Fixierung durch Osmiumsäure enthaltende Flüssigkeiten. Auf diese Weise konnte ich die bei den fettdegenerierten Vorhöfen beobachteten funktionellen Störungen auf die Intensität der morphologischen Läsionen der Muskelzellen beziehen. Kontraktionskurve. Aus den Vorhofskurven, die man bei den von mir oben summarisch erwähnten Versuchsbedingungen erhält, ergibt sich, daß in der Kontraktions- kurve des Vorhofs folgende Abschnitte unterschieden werden können: a) eine Präsystole des Vorhofs, die der Sinuskontraktion entspricht, b) eine „Kontraktionsphase“ oder Systole des Vorhofs, c) eine „Expansions- phase“ oder Diastole des Vorhofs und d) eine lange Pause, welche einen Teil der Systole, die ganze Diastole der Herzkammer, sowie den, dem Ruhe- stadium des ganzen Herzen entsprechenden Zeitabschnitts, oder Perisystole, umfaßt. Diese Pause belege ich mit dem Namen „Vorhofsruhe“, und zur Vermeidung jeglichen Mißverständnisses, werde ich als „Kontraktionsphase‘“ und „Expansionsphase‘“ des Vorhofs die Zeitabschnitte 5 bzw. c, und als „Vorhofskontraktion“ die Summe dieser beiden Zeitabschnitte bezeichnen. (Siehe Tabelle T). Aus dieser Tabelle ergibt sich, daß die mittlere Dauer des ganzen Herzzyklus 1-30 Sek., während diejenige der Vorhofskontraktion allein 0.89 Sek. beträgt. FUNKTION DER NORMALEN UT. DER FETTIGENTARTETEN HERZVORHÖFE. 133 Tabelle st. RZ taitıt, = 5 = u Dauer in Sekunden 25 7 = ae S S:a5 2 |, o@ | oM ES |=s$7 = E58 es ‚as | ı2® 4.2 a as Ss | 858, | 35 |s32 |333 | 55 | &s | sS |888 2 en ae (a5 |Baeı| @$ 23 Sr == © =5 DErlsne | Ban s- | HR . = S ie >»5 5 —E: = —— m = us | —— Zi ——— ei _ _ — = = 1 24 0-33 0.80 0-22 1-02 0-48 1-83 | 383 2 20 0-09 0-60 0-24 0-84 1-02 195 | 31 3 23 _ 0.72 0-30 1-02 1-02 2-04 29 4 13 = 0.69 0:36 | 1-05 1:06 2-11 28 5 18 = 0-60 0-36 0-96 0-96 1-92 31 6 S = 0-60 0-30 0-90 1-08 | 1.98 30 7 13 = 0-48 0-30 0.78 0-96 1-74 35 S S = 0-45 0-27 0-72 1:08 1-80 33 N) 15 —: .|.:0+54 0-24 | 0-78 1-02 1-80 33 Von den einzelnen Zeitabschnitten der Vorhofskontraktion beträgt die durchschnittliche Dauer der Kontraktionsphase 0-61 Sek., dagegen dauert die Expansionsphase etwa 0-28 Sek. Die Vorhofskontraktion erstreckt sich also auf eine Zeitperiode, die nur wenig kürzer ist, wie die Hälfte der Dauer der ganzen Revolutio cordis; die Kontraktionsphase des Vorhofs eines normalen Herzens zeigt dabei eine Dauer, die etwa dreimal länger ist, wie die der Expansionsphase. Vergleicht man diese Werte mit denen der folgenden Tabelle II, so kann man die Veränderungen wahrnehmen, die die Vorhofstätigkeit eines fettdegenerierten Herzens erfährt. Tabelle-II = Se Dauerin Sekunden ER Ei Be f Me SS 1022 au | sam Sa sz# a S 3 Ss >» 52 |#3 238 as ee > > SE 1 15 — | 0-54 | 0.42 | 0-96 6-32 7-28 8.2 2 8 = 40-439, 1150236% 1750°78 3.24 4-02 14-9 3 19 —412.0-49%12.0:344 1540-66 3-06 3.72 14-5 4 9 — 0-38 0-36 0-74 verschieden verschieden 12-4 5 8 3 111.0248.5120-2001117.0°88 “ F 19-5 6 4 — 10-54 | 0-34 | 0-88 x ei 13-8 7 5 — |= 0-36 | 0-30 | 0-66 6-54 7-20 8-3 8 | :12% 0 | °0-30.0| ©0-36° | 0-66 2-88 3.44 | 169 9 7 — | 0.30 | 0.42 | 0-72 | 7-26 798 | 75 10 4 — | 0.30 | 0-36 | 0-66 | 5-22 5.88 10-2 11 7 — | 0:27 | 0-33 | 0-60 2-10 2-70 22-2 12 5 —. | 0-54. .| 0.36: |-20-90.-|. 2-12 3.02 19.19 134 VITTORIO SCAFFIDI: Aus dieser Tabelle ergibt sich zunächst, daß der Rhythmus eines fett- entarteten Herzens mehr oder minder verlangsamt erscheint, in Überein- stimmung mit den Versuchsergebnissen von Ducceschi! und von Di Cristina? sowie mit den klinischen Beobachtungen. Die Vorhofskontraktion erreicht eine mittlere Dauer von 0.75 Sek., während die Dauer der ganzen Revolution etwa 5-06 Sek. beträgt. Die von der Vorhofskontraktion gezeigte mittlere Dauer von 0-75 Sek. wird für 0.40 Sek. von der Kontraktionsphase und für 0-35 Sek. von der Expansionsphase bestritten. Aus der Vergleichung dieser mittleren Werte mit denjenigen am normalen Vorhof beobachteten, wie sie in der Tabelle III zusammengestellt werden, ergibt sich, daß die Dauer der Vorhofskontraktionen bei entartetem Herzen von 0.89 Sek. des normalen Herzens auf 0-75 Sek. heruntersteigt und daß diese Verkürzung ausschließlich auf die Kontraktionsphase zurück- zuführen ist, welche sich beim fettdegenerierten Vorhof auf 0-40 Sek. er- niedrigt, während hingegen die Expansionsphase bis auf 0-35 Sek. zunimmt, der mittleren Dauer von 0-28 Sek. bei normalem Herzen gegenüber. Tabelle II. | Normales | Fettentartetes Herz Herz ı Sekunden Sekunden Mittlere des Herzzyklus 1-90 5-06 5 der Vorhofskontraktion 0-89 0-75 B ‚„ Kontraktionsphase | 0-61 0-40 > » Expansionsphase 0.28 0-35 Beim fettdegenerierten Herzen erscheint also die Kontraktionskurve des Vorhofs ganz anders verändert, als die Kontraktionskurve der Herz- kammer. Während in der Tat bei letzterer die Dauer beider Zeitabschnitte, die der Systole bzw. der Diastole entsprechen, verlängert erscheinen, wie es sich aus den Untersuchungen Di Cristinas am Froschherzen ergibt, be- obachtet man hingegen bei ersterer eine konstante, verhältnismäßig beträcht- liche Verkürzung, welche ausschließlich von der Verminderung der Dauer der Kontraktionsphase abhängt. Aus der Vergleichung der Werte, die dem Verhältnis zwischen der Dauer des Herzzyklus und der Dauer der Vorhofskontraktion, sowie zwischen der letzteren und beiden Zeitabschnitten der Kontraktionsphase und der Expansionsphase beim normalen und beim degenerierten Herzen entsprechen, 1 Lo Sperimentale. 1898. ” Journal de physiologie et pathologie gen. T. X. FUNKTION DER NORMALEN U. DER FETTIGENTARTETEN HERZVORHÖFE. 135 ergibt sich, (vgl. Tab. IV), daß es beim degenerierten Herzen zwischen der mittleren Dauer des Herzzyklus und der mittleren Dauer der Vorhofs- kontraktion ein dreimal größeres Verhältnis gibt, als dasjenige beim nor- malen Herzen. Tabelle IV. | Normales | Fettentartetes Herz | Herz Sekunden | Sekunden Verhältnis zwischen der mittleren Dauer der Vorhofs- | kontraktion und des Herzzyklus . . . . 2... 1:2°13 1:6-74 Verhältnis zwischen der mittleren Dauer der Kontrak- tionsphase und der Vorhofskontraktion . . . . 1:1-43 121#87 Verhältnis zwischen der mittleren Dauer der Expansions- | phase und der Vorhofskontraktion . . . 2... | 1:3.29 1:2°14 Dies hängt zum Teil von der Dauerzunahme der Kontraktionskurve der Herzkammer ab, hauptsächlich aber von der beträchtlichen Verlängerung des Ruhestadiums, welches beim degenerierten Herzen im Durchschnitt 4-19 Sek., beim normalen Herzen bloß 1.07 Sek. beträgt. Fig. 1. Beim degenerierten Herzen nimmt dann, mit dem normalen Herzen verglichen, das Verhältnis zwischen der Kontraktionsphase und der Vorhofs- kontraktion zu, während das Verhältnis zwischen der Expansionsphase und derselben Vorhofskontraktion wegen der von der Expansionsphase beim de- generierten Herzen gezeigten längeren Dauer, abnimmt. N E ” EEE TEEN Kun 1111111111111 11HmHr) Fig. 2. Aus der Untersuchung der Vorhofskurven (vgl. die Kurven 1 u. 2) er- gibt sich schließlich, daß die kürzere Dauer der Kontraktionsphase des de- generierten Vorhofs (vgl. Kurve 2) auf das Ausbleiben des Plateaus zurück- 136 VITTORIO SCAFFIDT: zuführen ist, das im allgemeinen am Gipfel des aufsteigenden Schenkels der Kontraktionskurve eines normalen Vorhofes (vgl. Kurve 1) beobachtet wird. Bei degenerierten Vorhöfen zeigt dieser Schenkel fast immer eine schrägere Richtung als bei den normalen, infolge der langsameren und trägeren Zusammenziehung der Muskelzellen der Wände Auf dem auf- steigenden Schenkel folgt dann aber rasch der absteigende Schenkel der Expansionsphase, welche sich wiederum mit größerer Langsamkeit vollzieht, ohne daß der Kontraktionszustand derart verharrt, daß jenes Plateau der normalen Kurve entsteht. Schwellenwert, Latenzperiode und Refraktärstadium. Zur Prüfung der Reizbarkeit der normalen, sowie der degenerierten Vorhofswände verwendete ich dasselbe allgemeine Verfahren, wie zur Unter- suchung der Kontraktionskurve. Der elektrische Reiz wurde mittels zweier dünner Platinelektroden appliziert, welche von zwei dünnen und biegsamen Eisenfäden getragen waren, so daß die Elektroden, ohne sich von der Applikationsstelle zu entfernen, die Bewegungen der Vorhofswände folgen konnten. Hierzu verwendete ich die Ströme, die von drei Leclanche- Elementen, mit einem Du Bois-Reymondschen Schlitteninduktorium ver- bunden, geliefert waren. Zunächst wurde die Reizschwelle ermittelt, die in den folgenden Tabellen als Millimeter-Abstand zwischen beiden Induktionsrollen angegeben wird; sodann stellte ich die Latenzperiode und das Refraktärstadium fest, unter Anwendung von Reizen, die entweder so stark waren, wie etwa die Reizschwelle, oder aber etwas verstärkt wurden, durch Näherrücken beider Rollen um 5 bis 10 "m, Auf diese Weise suchte ich immer unter denselben Versuchsbedingungen zu experimentieren und dabei die Folgen der Anwendung von Reizen aus- zuschließen, welche in bezug auf die Reizschwelle jedes Vorhofes verschieden stark wären. Die dabei erzielten Ergebnisse wurden in der Tabelle V (S. 137) für normale Vorhöfe, und in der darauffolgenden Tabelle VI (S. 137) für die fettdegenerierten Vorhöfe zusammengestellt. Aus diesen Tabellen ergibt sich, daß die Reizschwellen bei vielen nor- malen Vorhöfen von einem Minimalwert von 115"m R.-A. bis zu einem Maximalwert von 135 "m R,-A. schwankt, im Durchschnitt also den Wert von 127m R.-A. zeigt, während sie hingegen bei zehn fettentarteten Vor- höfen von einem Minimalwert von 105"” R.-A. bis zu einem Maximalwert von 125wm R.-A. schwankt, im Durchschnitt also den Wert von 116,5 =” R.-A. beträgt. FUNKTION DER NORMALEN U. DER FETTIGENTARTETEN HERZVORHÖFE. 157 Tabelle V. = E- m Te = Ing a e 333 Sa E S ei E S Er 20 | Moment der Vorhofskontraktion, S SE 382 = | a g a2 in dem die Erregbarkeit | SSR I2S8Em| SE | 20 35382 erscheint lan. S”s.| Zr | 3. Asa. > | re | 5 - | B= 1 1.74 0-90 135 | 0-09—0-24 | 0-72 Beginn der Expansionsphase. 2 1-95 | 0.90 130 0-.09— 0-20 0-66 “ » » 3 | 174 | 0-78 120 | 0-09—0-18 | 0-54 ERBE? ;% 4 1-50 1-14 115 0-09— 0-15 0.72 ;s e R 5 1-56 0-72 115 0-09— 0.24 0-60 2. Periode der > 6 1.50 0-72 120 0-10—0.22 | 0-42 Beginn ss on 71.76 | 0-78 | 130 | 0-10-0-24 | 0-36 ss i = Tabelle VI. Z|a223 |, 2315, | EB: ee S >35 Sass Sa s® = 82 Moment der Vorhofskontraktion, E S SE Sagt gr | S 2 383= in dem die Erregbarkeit A| sa sen SE un 3852 erscheint S|AREa AR Sal S” Ei ze - 1 | 2-22 0-90 125 0-24—0-60 0-72 2.Periode der Expansionsphase. 2| 402 0-78 115 | 0-20—0-24 | 0-70 |Letzte Periode der „, 3 3-54 0-66 115 | 0-20—0-30 , 0-42 |2.Periode der rn 4; » 2-70 0-60 115 | 0-15—0-24 | 0-54 Letzte Periode der „, 5 2.64 0.66 115 0-.18—0-.24 | 0-60 » „ En » 6 6-78 0-66 105 0.24 0-66 | Beginn der Pause. 7| 6-18 | 0-84 | 125 | 0.30—0-60 | 0-84 N En 8 7:98 0-72 115 0:20 0-72 Rs B 5 9 | 5.88 0-66 115 | 0-.12—0-30 | 0-90 Nach dem Beginn der Pause. 10 | 1:80 0-54 120 0.30 | 0-04 | Beginn der Pause. Durch nähere Betrachtung der bei 115 «n verblieb. den einzelnen Fällen beobachteten Werte überzeugt man sich ferner, daß bei den sieben normalen Vorhöfen der Maximalwert von 135"= R.-A. zweimal erreicht wurde, während bei den zehn degenerierten Vorhöfen der Maximalwert von 125m R.-A. nur einmal zur Beobaehtung kam, indem die Reizschwelle fast konstant auf Das am Vorhof von Loven! entdeckte und später von Engelmann? bestätigte Refraktärstadium erstreckt sich bei den von mir untersuchten normalen Vorhöfen vom Zeitabschnitt der Latenzperiode, die der Kontraktions- ! Mitteilungen vom physiol. Lab. des Carol. med.-chir. Institut in Stockholm. 1886. 2 Archives Neelandaises. 1. 29. 138 VITTORIO SCAFFIDI: phase vorangeht, bis auf den ganzen Zeitabschnitt der vollendeten Vorhofs- systole. Oft ist jedoch der letzte Augenblick der Systole reizbar. Bei den degenerierten Vorhöfen erstreckt sich das Refraktärstadium im allgemeinen auf die ganze Vorhofskontraktion. Es beginnt nämlich mit dem Zeit- abschnitt der Latenzperiode und dauert bis zum Ende der Expansionsphase. In der Tat beobachtete ich, wie es aus den zwei vorangehenden Tabellen hervorgeht, daß bei normalen Vorhöfen in den Fällen, bei denen die Vor- hofskontraktionen 1°14, 0-90, 0-72, 0-78 Sek. dauerten, das Refraktär- stadium bzw. 0-72, 0-66, 0-42, 0-48 betrug, während hingegen bei den entarteten Vorhöfen den Fällen, bei denen die Kontraktionen 0-84, 0.78, 0-72, 0-66 Sek. dauerten, Refraktärstadien von der Dauer von bzw. 0-84, 0.70, 0.72, 0-66 Sek. entsprachen, welche also fast immer die ganze Dauer der Vorhofskontraktion, ja sogar mitunter noch eine kurze Strecke der Pause umfaßten, wie im Versuch 9, bei dem das Refraktärstadium um 0.24 Sek. das Ende der Expansionsphase überdauert. Bei den fetidegenerierten Vorhöfen wird eine längere Dauer der Latenzzeit beobachtet, welche innerhalb noch weiterer Grenzen, als bei den normalen Vorhöfen, schwankt. Von einer Minimaldauer von 0-12 Sek., die bloß einmal zur Beobach- tung kam, kann eine Dauer von 0-60 Sek. erreicht werden. Bei den de- generierten, ebenso wie bei den normalen Vorhöfen stehen die Schwankungen in Zusammenhang mit dem Zeitabschnitt des Herzzyklus, bei dem der Reiz . statthat. Die Latenzzeit ist jedoch im allgemeinen kürzer, wenn der Reiz während der Ruhe den Vorhof trifft, sie ist länger, wenn derselbe ihn während der Expansionsphase trifft, falls letztere reizbar ist. So beobachtete ich z. B. beim Vorhof des Versuches 1 (Tab VI), bei dem die äußersten Werte zutage traten, daß die geringste Dauer von 0-24 Sek. während der Pause auftritt, die größte Dauer von 0-60 Sek. hingegen, wenn der Reiz den Vorhof bei der 2. und 3. Periode der Expansionsphase trifft. Bei den Fällen, wo nur die Pause reizbar ist, erhält man die größte Dauer der Latenzperiode nach Reizungen, welche am Beginn der Ruhe- pause statthaben, desto kürzere Dauer hingegen, je mehr die Reizung sich der darauffolgenden Kontraktion nähert. Die in den Tab. V und VI wiedergegebenen, die Dauer der Latenz- periode betreffenden Werte wurden dadurch erzielt, daß man die Vorhofs- wand bei der Untersuchung des Refraktärstadiums mittels ’eines sehr schwachen Reizes reizte, von einer Stärke, die, wie gesagt, der Reizschwelle jedes Vorhofs plus 5 und 10" R.-A. entsprach. Durch Anwendung stär- kerer Reize, d.h. bei um 20 bis 30” näher gerückten Rollenabständen, war nicht nur eine Verkürzung des Refraktärstadiums bemerkbar, da dann Zeitabschnitte der Vorhofskontraktion reizbar wurden, die für Minimal- FUNKTION DER NORMALEN U. DER FETTIGENTARTETEN HERZVORHÖFE. 139 reize unerregbar sind, sondern dieselbe Latenzperiode erscheint bei normalen, sowie bei degenerierten Vorhöfen verkürzt. Aus meinen Untersuchungen geht ferner hervor, daß die Art und Weise des Antwortens seitens der Vorhofswand auf dem elektrischen, eben wirksamen Schwellenreiz kompliziert sind. Die beobachteten Tatsachen können im allgemeinen folgenderweise kurz zusammengefaßt werden: RD EES N ERDE D DD UL 1 11777 7 IETETHBIREN EI HE 17 1107117777717 7177 Bios 3. 1. Auf Reize, die den Vorhof während /der Expansionsphase treffen, kann nach einer veränderlichen Latenzzeit eine ausgiebige Zusammenziehung folgen, welcher eine Kompensationspause derart nachgeht, daß die von der gereizten Kontraktion, und von der darauffolgenden Antwortskontraktion zusammen beanspruchte Zeit den Wert von zwei normalen Herzzyklen er- reicht (vgl. die Kurvenfigur 3). Mitunter folgt jedoch auf die Reizung erst die vollständige Expansion der Vorhofswand und dann eine kleine niedrige Zusammenziehung (vgl. Kurve4) und eine langdauernde Kompensations- Fig. 4. phase. Wird am Ende der letzteren der Wert von zwei Herzzyklen nicht er- reicht, so folgt dann eine dritte längere Revolution, die so lange andauert, daß an ihrem Ende der Wert von drei’normalen Herzzyklen erreicht wird. Der Ausgleich findet auf Kosten der Pause statt, da die Kontraktions- phase ebenso wie die Expansionsphase normalerweise ablaufen. Besonders wenn der Reiz den Vorhof am ersten Stadium der Expansions- phase trifft, kann auch Hemmung der Expansion der Vorhofswand erfolgen, 140 VITTORIO SCAFFIDI: der Vorhof behält dann für einen sehr kurzen Zeitabschnitt jenen Tonus-_ srad bei, den er im Augenblick erwies, in dem er zu erschlaffen aufhörte. Hiernach erschlafft er langsam, so daß immer die vollständige Erschlaffung am Beginn der neuen Kontraktion auftritt (vgl. Kurve 4). 2. Trifft der Reiz den Vorhof während der Ruhepause, so erfolgt em Beschleunigung der neuen Kontraktion, d. h. also Verkürzung der ge- reizten Ruhepause. Danach folgt eine in bezug auf die Dauer normale, doch etwas niedrigere Kontraktion. Die Verkürzung der Pause kann mehr oder minder erheblich sein, im allgemeinen ist sie mehr beträchtlich, wenn der Reiz in ihrem ersten Stadium erfolgt (vgl. Kurve5). Das Wiederauftreten des normalen automatischen Rhythmus kann nach einer Zeit beobachtet werden, die der Dauer von zwei oder drei Herzzyklen entspricht. N Annan aınnanananına hub) an Fig. 5. Trifft der Reiz jedoch den Vorhof am Beginn der Pause, d. h. nahe dem Ende der Expansionsphase, so erhält man im allgemeinen eine ähn- liche Antwort, wie wenn der Reiz während dieser Phase erfolgt, d. h. eine geringe niedrige Zusammenziehung, der eine Kompensationspause nachgeht. Bei der Vorhofskurve wird der Linie entlang, die die Pause zeigt, oft eine schwache negative Schwankung beobachtet, infolge einer rasch auftretenden schwachen Verminderung des zweiten Tonuszustandes der Vorhofswand, die im. Augenblick der Reizapplikation erfolgt. 3. Die letzte, schon von Loven und Engelmann hervorgehobene Weise der Beantwortung besteht darin, daß auf den einzelnen Reiz geringster Stärke zwei oder mehrere schwache und unregelmäßige Zusammenziehungen zutage treten. Aus meinen Untersuchungen ergibt sich, daß dies dann erfolgt, wenn der Reiz am Ende der Kontraktionsphase und am Beginn der Expansionsphase statthat. Auf den unregelmäßigen Zusammenziehungen folgt dann eine langdauernde Pause. Der automatische normale Rhythmus tritt im allgemeinen nach einer Zeit wieder ein, die der Dauer von 3 bis 5 Revolutionen entspricht. Diese schon von Loven beobachtete Erscheinung wurde von diesem Autor durch die Annahme erklärt, «aß möglicherweise in den Vorhofs- wänden zerstreute Nervenganglien mit gereizt werden. In dieser Annahme FUNKTION DER NORMALEN U. DER FETTIGENTARTETEN HERZVORHÖFE. wurde er um so mehr durch die Beobachtung bestärkt, daß diese Erscheinung leichter vorkommt, wenn die Elektroden an den Grenzen zwischen Sinus und Vorhof appliziert werden. Dagegen nimmt Engelmann, der im allgemeinen die Beobachtungen Lov&ns bestätigte, an, daß dabei die Mitreizunge dünner Endfädchen des Vagus die Hauptrolle spielt. Er erklärt eben die nie- drigeren Zusammenziehungen, die, wie schon oben er- wähnt wurde, auf die Reizung der Vorhofswand folgen, indem er auf die Beobachtungen von Coats und Nüel hinweist, die die Tatsache feststellten, daß die Vagus- reizung ihre Folgen auf den Herzmuskel entfalten kann, ohne daß dabei der Rhythmus modifiziert wird. Aus den von mir oben erwähnten !Untersuchungen scheint hervorzugehen, daß die Antwort der Vorhofs- wände auf den elektrischen Reiz mit dem Zeitabschnitt der Kontraktion, in dem der Vorhof vom Reiz getroffen wird, eng verbunden ist. Dies wird von der Tatsache bewiesen, daß derselbe Vorhof mit den verschiedenen, oben erwähnten Weisen auf Reize sukzessive antworten kann, die ihn immer an derselben Gegend seiner Wand (was ich durch den Gebrauch von Elektroden erzielte, die die Bewegungen der Zusammenziehung und der Erschlaffung des Herzens mitmachen konnten), doch in verschiedenen Zeitabschnitten seiner Revolution trafen (vgl. Kurve 6). Dieser Reaktionsunterschied bei gleichstarken und an demselben Punkt der Vorhofswand angebrachten Reiz schließt zwar nicht die Möglichkeit aus, daß irgend welcher kleiner, event. unter den Elektroden liegender Ganglienzellenhaufen oder irgend welches Vagusfädchen gereizt wird, führt uns doch zur Annahme, daß auf jeden Fall die Reaktionsweise mit dem Zeitabschnitt in enger Beziehung steht, während dessen der Vorhof gereizt wird. Dieselben Erscheinungen, die man hinsichtlich der Effekte der elektrischen Reize auf die fettdegenerierten Vorhöfe beobachtet, stützen diese Annahme. Aus meinen Untersuchungen geht nämlich hervor, daß die ent- arteten Vorhöfe auf elektrische Reize hin in derselben Weise reagieren, wie die normalen Vorhöfe, indem sie “ 1 6. Fig. 142 VITTORIO SCAFFIDI: dieselben Varietäten in bezug auf den Zeitabschnitt des Herzzyklus, während dessen der Reiz trifft, zeigen. Da sich in der Tat das Refraktärstadium bei den degenerierten Vor- höfen auf die ganze Kontraktionsphase und außerdem noch auf die erste Periode der Expansionsphase erstreckt, beobachtet man nie bei ihnen das Auftreten mehrerer unregelmäßiger Zusammenziehungen (wie bei den nor- malen es der Fall sein kann) infolge von Reizen, die sie während der Zeit- grenze zwischen der Kontraktions- und der Expansionsphase, oder, genauer gesagt, während der Zeitgrenze zwischen dem Refraktär- und dem Nicht- refraktärstadium treffen. Werden dagegen die entarteten Vorhöfe während der Zeitabschnitte der Revolution gereizt, auf die sich das Refraktärstadium nicht erstreckt, d.h. während der letzten Periode der Expansionsphase und während der Pause, so antworten sie auf den Reiz beständig wie die normalen Vorhöfe. Wenn der Reiz die degenerierte Vorhofswand während der Expansions- phase trifft, dann reagiert sie entweder mit einer schwachen Zusammen- ziehung, der eine lange Pause nachfolgt, oder aber mit Hemmung ihrer automatischen Funktion (mitunter von einer schwachen Schwankung unter- brochen) für eine, nicht nur von Vorhof zu Vorhof, sondern bei auf einander folgenden, selbst nach langen Zeitabständen an demselben Vorhof und genau zu demselben Zeitabschnitt der Revolution applizierten Reizen, veränderliche Zeitdauer. So. z. B. reagiert der Vorhof des Versuches 8 (vgl. Tab. VI) auf eine erste Reizung, die 0-09 Sek. vor dem Ende der Expansionsphase er- folgt, mit einer niedrigeren und kürzeren Zusammenziehung, auf die eine Pause von 1-56 Sek. folgt. Auf einen zweiten Reiz, der nach dem Wieder- auftreten des normalen Rhythmus in demselben Augenblick angebracht wird, reagiert er mit einer kleinen Zusammenziehung, welcher eine Pause von 2-94 Sek. nachfolgt. Ein dritter Reiz schließlich, der ihn ebenfalls zu demselben Zeitpunkt einer neuen Revolution, d. h. 0-06 Sek. vor dem Ende der Expansionsphase trifft, ruft eine kleine Kontraktion hervor, auf der eine Pause von 3-30 Sek. folgt. Dieselbe ausgesprochene Veränderlichkeit in der Dauer der auf die Reizung folgenden Pause äußert sich auch dann, wenn der elektrische Reiz die Vorhofswand während der Ruhepause trifft. Im letzterem Falle be- obachtete man ausnahmslos, sofort nach der Reizanbringung, eine schwache Verminderung des Tonus der Vorhofswand, die in der Kurve als eine leichte negative Schwankung hervortritt. Hierauf folgt das raschere Auftreten der neuen Kontraktion, die zwar auch normalerweise ablaufen kann (vgl. Kurve 7), der jedoch immer eine längere Pause, wie in der Norm, nachfolgt, ohne daß dabei die Summe der verschiedenen Zeitabschnitte am Ende dieser Pause der Dauer von zwei oder mehreren normalen Herzzyklen entspricht, FUNKTION DER NORMALEN U. DER FETTIGENTARTETEN HERZVORHÖFE. 143 wie es mir bei den normalen Vorhöfen der Fall zu sein schien. Bei den degenerierten Vorhöfen tritt nämlich der gewöhn- liche, vor der Reizung bestehende Rhythmus erst nach einer veränderlichen Zeit wieder auf, die der Summe mehrerer normalen Revolutionen nicht entspricht. So z.B. vollführte der Vorhof des Versuches 10 (vgl. Tab. VI) seine Revolution während 1-80 Sek. im Augenblick als er von einem Reiz 0-36 Sek. nach dem Beginn der Pause ge- troffen wurde. Auf der schwachen vorübergehenden Tonus- abnahme folgt eine Reihe von Revolutionen, die bzw. 1.08, 1-62, 1-62, 1-50, 1-44, 2-04, 1.80 Sek. andauerten, wo- nach er sich mit seinem anfänglichen Rhythmus zu kon- trahieren fortfährt. Der ursprüngliche Rhythmus tritt also nach einer verschiedenen Kontraktionszahl wieder auf, deren Gesamtdauer einem mehrfachen Dauerwerte der vorangehen- den Herzzyklen nicht entspricht, wie bei den normalen Vor- höfen. Die normale, ebenso wie die entartete Vorhofswand reagiert mithin auf elektrische Reize mit einer komplizierten Weise, die sich etwas von dem unterscheidet, was man über die Reizbarkeit des Kammerabschnittes des fettentarteten Herzens beobachtet hat. Beim degenerierten Vorhof treten in der Tat jene sehr ausgiebigen Schwankungen der Dauer des Refraktionsstadiums nicht auf, die Di Cristina am Kammerabschnitt des Froschherzens sah, bei dem die Dauer der Refraktärperiode zwischen 0-02 und 7-50 Sek. schwankt. Beim degenerierten Vorhof haben wir gesehen, daß sich die Refraktärperiode auf die ganze Kontraktion, sowie auf einen Teil der Pause erstrecken kann und daß sie selbst bei Herzen, deren Revolution 7-98 Sek. beträgt, nicht die Zeit von 0-99 Sek. überdauert, während die unterste Grenze des Re- fraktärstadiums 0-54 Sek. beträgt. Die Dauer des Refraktär- stadiums bei fettdegenerierten Vorhöfen schwankt infolge- dessen innerhalb Grenzen, die denjenigen bei normalen Vorhöfen sehr nahe stehen. Denn bei letzteren "betragen die extremen Werte 0-36 bzw. 0.72 Sek. (vgl. Tab. V), bei den ersteren tritt also die Erregbarkeit beinahe so rasch wie bei den letzteren wieder auf. Die die Reizschwelle betreffenden, an normalen und an degenerierten Vorhöfen beobachteten Veränderungen unter- scheiden sich wesentlich nicht von denjenigen, die man am Fig. 7. 144 VITTORIO SCAFFIDI: FUNKTION DER NORMALEN USW. Kammerabschnitt des Herzens unter denselben Versuchsbedingungen be- obachtet. Das gleiche gilt für die Latenzzeit. Dagegen unterscheidet sich der Vorhof, wie oben gesehen, vom Kammer- abschnitt, was die Art und Weise der Reaktion auf elektrische Reize be- trifft. Die verschiedenen Weisen, mit denen der Vorhof auf minimale elektrische Reize antwortet, scheinen auf Grund meiner Untersuchungen mit dem Zeitabschnitt eng verbunden zu sein, währenddessen er vom Reiz betroffen wird. Die gleichen an degenerierten Vorhöfen angestellten Unter- suchungen stützen auch diese Ansicht. Über Fettsynthese im Darmepithel des Frosches bei der Fettresorption. Von A. Noll in Jena. (Aus dem physiologischen Institut zu Jena.) Geraume Zeit, bevor in der Lehre von der Fettresorption über die Art, wie sich der Übergang des Fetts in die Darmwand vollzieht, gesicherte Beobachtungen vorlagen, waren schon Beweise dafür erbracht, daß der Organismus die Fähigkeit hat, ebenso wie aus Fett auch aus verfütterten Seifen bzw. Fettsäuren Neutralfett synthetisch zu bilden. Bereits im Jahre 1868 hatte Radziejewski! beim Hund, welcher mit Seife und Fleisch gefüttert war, reichlichen Fettansatz im Körper festgestellt. Kühne? hielt es damals für möglich, daß die Fettzellen es seien, welche aus der ihnen zugeführten Fettsäure und dem Glyzerin die Synthese vollziehen. Aber spätere Experimente entschieden anders. J. Munk? fand bei Hunden bereits in der Lymphe des Ductus thoraeicus während der Resorption dar- gereichter Fettsäure Neutralfett. Daß das Neutralfett im Lymphbrust- gang das Triglyzerid der betreffenden Fettsäure ist, dafür brachte erst 1S. Radziejewski, Virchows Archiv. 1868. Bd. XLIIL S. 268. ® W. Kühne, Lehrbuch der physiologischen Chemie. 1868. 8. 377. ®J. Munk, dies Archiv. 1879. Physiol. Abtig. 8. 371. — Verhandlungen der Berliner physiologischen Gesellschaft. Ferner Virchows Archiv. Bd. LXXX. S. 10. Archiv f.A.u.Ph. 1908. Physiol. Abtlg. Suppl. 10 146 A. NouL: Frank! den exakten Nachweis. Frank gab Hunden Palmitinsäure- oder Stearinsäure- Äthylester oder ein Gemisch von beiden zugleich mit Semmeln und Fleischextrakt und fand im Ductus thoracicus die betreffenden Trigly- zeride, aber keinen Alkohol. Das Tripalmitin konnte kristallinisch darge- stellt werden. Nach Frank sind also die Ester im Darm vollständig zer- legt worden, ein Teil der abgespaltenen Fettsäure hat sich mit Glyzerin verbunden und erschien als Neutralfett im Chylus. Moore? wies das Neutralfett in den mesenterialen Chylusgefäßen nach und zeigte, daß die resorbierende Darmschleimhaut bedeutend mehr Neutralfett als Fettsäure enthält. Diese Versuche weisen darauf hin, daß die Darmschleimhaut die Fähigkeit hat, aus dem gespaltenen Fett oder der verfütterten Fettsäure und Seife des Darminhalts wieder Neutralfett aufzubauen. Der Vorgang der Fettsynthese in der Darmschleimhaut scheint aber an die Vitalität ihrer Zellen gebunden zu sein. Die ursprüngliche Be- hauptung von Ewald? sowie von Hamburger, daß auch überlebende Darmschleimhaut aus Seife Fett bilden könne, ist wegen nicht einwands- freier Methodik von Moore® sowie Frank und Ritter® als nicht stich- haltig zurückgewiesen. Diese Autoren konnten das Resultat bei Verwendung der Köttsdorferschen Methode der Fettbestimmung nicht bestätigen. Damit fällt also die Annahme, daß die überlebende Darmschleimhaut zur Fettsynthese befähigt sei, und die etwaige Folgerung, es handle sich dabei um einen enzymatischen Prozeß. Die Annahme aber, daß in der Mukosa des lebenden Darms die Synthese vor sich gehe, bleibt zu Recht bestehen, und man muß schließen, daß sie an die lebenden „in situ“ befindlichen Zellen (Moore), welche vom Blut versorgt sind, gebunden ist. Es fragt sich nun weiter, ob bereits im Darmepithel, welches er- wiesenermaßen bei der Fettresorption sehr stark beteiligt ist, eine Fett- synthese stattfindet. J. Munk’ hatte dies vermutet, und es wird bis in die neueste Zeit von vielen, so auch von Pflüger®, an dieser Möglichkeit festgehalten. Ein sicherer Beweis dafür aber fehlt bis jetzt. Mit Gewiß- heit läßt sich die Entscheidung nur mit dem Mikroskop unter Anwendung mikrochemischer Reaktionen treffen; denn nur diese Methode ermöglicht eine genauere Lokalisierung in dem Gewebe der Schleimhaut. ! Frank, Zeitschrift für Biologie. 1898. Bd. XXXVI S. 568. ® Moore, Proc. Royal Soc. 1903. T. LÄXI. S. 134. : 30. A. Ewald, dies Archiv. 1883. Physiol. Abtlg. Suppl. S. 302. * Hamburger, ebenda. 1900. Suppl. 8. 433. 5 Moore, a.2.0. ® Frank und Ritter, Zeitschrift für Biologie. 1906. Bd. XLVI. S. 251. 'J. Munk, a.a. O. und Virchows Archiv. Bd. XCV. 8. 407. ® Pflüger, Pflügers Archiv. Bd. LXXXIL S. 303. ÜBER FETTSYNTHESE IM DARMEPITHEL DES FRosSCHES. 147 Die bisherigen mikroskopischen Beobachtungen des Darmepithels während der Fettresorption haben zwar ergeben, daß sich die Zellen reichlich mit Fettropfen beladen, aber woraus diese Tropfen bestehen, insbesondere ob aus Fettsäure oder Neutralfett, läßt sich nicht sagen. Der Grund liegt darin, daß die Osmiumsäure, das gebräuchlichste histologische Reagenz auf „Fette“, ebenso Neutralfett schwärzt wie Fettsäure, und der Farbstoff Sudan III, welcher „Fett“ intensiv rot färbt, verhält sich ebenso. Eine mikrochemische Analyse dieser Fettropfen existiert also bis jetzt noch nicht. Dagegen hat im vorigen Jahre Rossi! zwei Färbemethoden zum Nachweis von Fettsäure im Darmepithel angegeben und bei Fröschen angewandt, welchen er Olivenöl in den Darm gebracht hatte. Seine Untersuchungen beziehen sich hauptsächlich auf die Frage, in welcher Form das Fett in die Zellen hineingelangt, weisen aber auch nebenbei daraufhin, daß die- jenige Region der Zelle, in welcher sich bekanntermaßen die Tropfen ab- lagern, mehr oder weniger frei von Fettsäure, im speziellen Falle also Öl- säure, ist. Bei meinen eigenen, im folgenden mitzuteilenden Versuchen hatte ich mir im Anschluß an eine frühere Arbeit? die Aufgabe gestellt, beim Frosch über die Zusammensetzung der Fettropfen des Darmepithels Klarheit zu gewinnen. Im Hinblick auf die fragliche Bedeutung dieser Zellen für die Fettsynthese war zu entscheiden, ob die Tropfen aus Neutralfett oder Fett- säure bestehen, und zwar sowohl nach Verfütterung von Fett wie von Fettsäuren. Die Versuche stellte ich an Eskulenten an. Sie beziehen sich auf die Resorption von Triolein, Ölsäure, ölsaurem Natron, Palmitinsäure, Stearin- säure, Tripalmitin, Tristearin und Olivenöl. Zunächst machte ich eine Reihe von Versuchen mit Olivenöl, Ölsäure und ölsaurem Natron und behandelte die Därme nach einer von Fischler? ausgearbeiteten Methode zum Nachweis von Fett, Fettsäure und Seife im Gewebe. Diese Methode geht von der von Benda* angegebenen Färbung von Fettsäure und Seife mittels Küupferacetats aus. Fischler wendet das Kupfersalz zum Nachweis der Fettsäure so an, daß er die Gewebsstücke vorher in Formol fixiert, zum Nachweis der Seife aber derart, daß er dem Formol Cale. salicyl. zusetzt, um die Seife als unlösliche Kalkseife zu fällen, und färbt in beiden Fällen mit Weigerts Hämatoxylin. Beide Methoden 1 G. Rossi, Archiv. di Fisiologia. 1907. Vol. IV. p. 429. ” A. Noll, dies Archiv. 1907. Physiol. Abtlg. S. 349. ® Fischler, Zentralblatt für allgemeine Pathologie. Bd. XV. S. 913. Ferner Fischler und Gross, Zieglers Beiträge. Festschrift für Arnold. 1905. 8. 326. * Benda, Virchows Archiv. Bd. CLXL S. 199, « 10* 148 A. NoLtr: nebeneinander an Stückehen desselben Objekts verwendet, gestatten dann den Schluß, ob nur Seife oder Fettsäure oder beides da ist. Neutralfett gibt die Reaktion nicht; dieses wird also an dem negativen Ausfall erkannt. — Gegen diesen Nachweis der Seife hat Rossi! den Einwand gemacht, die Seifen könnten bei der Behandlung des Gewebes in Fettsäure und saure Seife übergehen. Gegen den Nachweis der Fettsäure dagegen scheint mir kein Bedenken vorzuliegen, und da es mir darauf ankam, zwischen Fett- säure und Fett zu unterscheiden, wandte ich die Fischlersche Methode an. Das Resultat war: weder nach Eingabe von Olivenöl noch Ölsäure oder ölsaurem Natron ergab die 24 Stunden später vorgenommene Untersuchung ein positives Resultat, nirgends war das Epithel gefärbt, und dasselbe war auch an Gefrierschnitten der Fall, welche vorher nicht mit Formol behandelt waren. Das würde also besagen, daß die Fettropfen in dem Epithel nicht aus reiner Ölsäure bestanden. Nach diesen Versuchen ging ich zu anderen mikrochemischen Prüfungen : über, welche genauere Schlüsse auf die Art des Fetts gestatten. Ich prüfte vor allem die Löslichkeit der frischen Tropfen in einer Anzahl fettlösender Medien und ferner ihre Löslichkeit nach Behandlung mit Osmiumsäure (Osmiumtetroxyd). ‘Über diese Untersuchungen und ihre Ergebnisse be- richte ich im folgenden. Was zunächst die weitere Methodik betrifft, so erhielten die Frösche die flüssigen Fettsubstanzen in der früher beschriebenen Weise? direkt in den Darm, die festen dagegen wurden in den Magen eingeführt; hierüber finden sich unten noch genauere Angaben. Nach wenigstens 48 Stunden wurden die Tiere getötet, der Darm wurde der Länge nach aufgeschnitten, sein Inhalt herausgelassen und die Darmschleimhaut durch leichtes Ab- tupfen mit Fließpapier gereinigt. Daran schloß sich die Anfertigung frischer Zupfpräparate der Schleimhaut zur mikroskopischen Untersuchung mit oder ohne Zusatz von 0,6°/, Kochsalzlösung. In den meisten Fällen genügte eine 220 fache Vergrößerung zur Betrachtung der Präparate. Versuche mit Triolein (Kahlbaum). Die Tiere erhielten etwa 2°” Triolein in den Darm injiziert. Nach 48 Stunden fand sich im Darm meist nur wenig Inhalt, eine wässerige öfters grünlich gefärbte Flüssigkeit mit Ööligen Fettropfen. Ausnahmslos reagierte der Inhalt wie die Schleimhautoberfläche gegen Lackmus stark alkalisch. Die Schleimhaut sah infolge der intensiven Fettresorption weiß und geschwellt aus. 1 Rossi, a.a. O. ” Dies Archiv. 1907. Physiol. Abtlg. S. 349. ÜBER FETTSYNTHESE IM DARMEPITHEL DES FRoSCHES. 149 An Zupfpräparaten bekam man schon bei mäßiger Vergrößerung einen guten Überblick über die Stärke der Fettanhäufung im Epithel, welches als stark lichtbrechender Saum erschien. Bei stärkerer Vergrößerung ließen sich die einzelnen Fettropfen ohne Mühe in den Zellen lokalisieren und auch andere Details, wie z. B. der Kutikularsaum der Zellen deutlich erkennen. Läßt man vom Rande des Deckglases her absoluten Alkohol zu- fließen, so bleiben die Tropfen in den Zellen eine Zeitlang gut sichtbar, auch wenn man den Alkohol öfters erneuert. Man sieht sie auch dann noch, wenn schon eine deutliche Alkoholwirkung an den Zellkernen vor- handen ist. Allerdings verringert sich dann zusehends ihr Lichtbrechungs- vermögen, wobei man erkennen kann, daß die Tröpfehen nicht rund kon- turiert bleiben. Schließlich wird das Bild undeutlich, so daß man im un- gewissen ist, ob die Tropfen noch da sind. Setzt man nun aber destilliertes Wasser zu dem Präparat, so tauchen Tröpfchen wieder hervor, ein Zeichen dafür, daß bis dahin eine Lösung nicht stattgefunden hat. Faßt man frei- liegende Tröpfchen ins Auge, welche bei der Präparation aus den Zellen herausgelangten, so sieht man auch diese, und zwar die kleineren ebenso wie die größeren, trotz der Einwirkung des Alkohols nicht verschwinden. Es besteht also eine bedeutende Resistenz der Tropfen gegen absoluten Alkohol. Ich kann noch anführen, daß man auch an Schleimhautstückchen, welche stundenlang in kaltem Alkohol gelegen haben, noch eine ganze An- zahl Tropfen findet. Nach 24-stündigem Liegen in Alkohol sind jedoch fast alle fort. Diese Beobachtungen ergeben also, daß die fraglichen Fettropfen erst durch lange Einwirkung von kaltem absolutem Alkohol gelöst werden. Viel leichter löslich aber sind sie in erwärmtem absoluten Alkohol. Ich beobachtete öfters Präparate, welche in der beschriebenen Weise her- gerichtet waren, auf dem heizbaren Öbjekttisch. Als bei allmählicher Er- wärmung das Thermometer 40° C anzeigte, trat eine langsame Lösung der freiliegenden Tröpfehen ein. Es war deutlich zu verfolgen, wie die einzelnen Tröpfehen immer kleiner wurden, bis sie nur noch als Punkte erschienen, und dann ganz verschwanden. Aus der Langsamkeit dieses Vorgangs zu schließen, handelt es sich bei dieser Temperatur des absoluten Alkohols auch noch nicht um eine leichte Löslichkeit. Hat der warme Alkohol genügend lange auf das Präparat gewirkt, wobei er natürlich stets erneuert werden mub, so sind auch die in den Zellen liegenden Tröpfehen in Lösung ge- gangen. Im Laufe der Untersuchung fand ich als sehr geeignete Methode, um die Fettröpfchen in möglichst großer Zahl isoliert außerhalb der Zellen beobachten zu können, die zu anderen Zwecken in der histologischen Technik schon verwandte Behandlung des Gewebes mit 5°/, wässeriger Kalilauge. 150 A. NoLL: Ich legte die Darmstückchen für !/, bis 1 Stunde in die Lauge, bis die Schleimhaut stark gequollen und als ein zäher Schleim erschien, breitete diesen auf dem Objektträger aus und gewann so zum Teil die Fettröpfchen isoliert umherschwimmend, zum Teil noch mehr oder weniger von Proto- plasma umhüllt, zusammenliegend. Nach öfters erneuertem Zusatz von destillierttem Wasser ließ ich dann das zu untersuchende Lösungsmittel zu- fließen, dessen Wirkung man so in außerordentlich deutlicher Weise ver- folgen kann. Auch bei so hergerichteten Präparaten ließ sich nach Zusatz von kaltem absolutem Alkohol keine Lösung der Tropfen wahrnehmen. Wirkte der Alkohol (in der feuchten Kammer) mehrere Stunden auf die Tropfen ein, so fanden sich danach noch eine große Anzahl ungelöst, nach 24- stündiger Einwirkung jedoch waren fast alle fort. Bei der Erwärmung der Präparate auf dem heizbaren Objekttisch ließ sich der Vorgang der Lösung gerade so verfolgen wie bei den nicht mit Kalilauge vorbehandelten Prä- paraten; auch hier erfolgte die Lösung ziemlich langsam. Diese Beobachtungen zeigen also übereinstimmend, daß die unter- suchten Fettröpfehen in kaltem absolutem Alkohol sehr schwer, dagegen in warmem Alkohol leichter löslich sind. Weiterhin untersuchte ich die Wirkung von Äther, Chloroform, Petroläther und Xylol. Die Präparate waren vorher mit kaltem ab- solutem Alkohol entwässert, nachdem sie teils mit Kalilauge behandelt, teils ohne diese zerzupft waren. In sämtlichen vier Flüssigkeiten lösten sich die Tröpfchen, wenn für reichlichen, stets erneuten Zusatz gesorgt war, ziemlich rasch auf, jedenfalls schneller als bei Zusatz von warmem absolutem Alkohol. Schließlich prüfte ich noch die Wirkung von Eisessig, deshalb näm- lich, weil er ein gutes Lösungsmittel für Ölsäure ist. Bei Zusatz von Eisessig zum frischen Präparat schienen die Tröpfchen zum Teil aus den Zellen auszutreten und dann zu konfluieren. Aber eine Auflösung der Tropfen konnte ich nicht beobachten. Auch an Schleimhautstückchen, welche 24 Stunden in Eisessig gelegen hatten, konnte ich noch zahlreiche Tropfen, die übrigens stark lichtbrechend waren, nachweisen. Das Lösungs- vermögen des Eisessigs gegen die Tröpfchen ist also, wenn überhaupt vor- handen, ein sehr geringes, jedenfalls geringer als das des kalten absoluten Alkohols. Das Ergebnis der bisher geschilderten Versuche ist also folgendes: Nach Eingabe von Triolein in den Darm der Frösche sind die im Darmepithel befindlichen Tröpfehen löslich in Äther, Petrol- äther, Chloroform, Xylol und warmem Alkohol, schwer löslich ÜBER FETTSYNTHESE IM DARMEPITHEL DES FROSCHES. 151 in kaltem Alkohol und nicht oder sehr schwer löslich in Eisessig. Mit diesen Eigenschaften stimmen nun diejenigen des Trioleins im ganzen überein, diejenigen der Ölsäure dagegen weichen in wesentlichen Punkten ab. Das Triolein ist, wie bekannt und wie ich es auch an dem von mir benutzten Präparat fand, in kaltem absolutem Alkohol sehr schwer, beim Erwärmen leichter löslich, und löslich in Äther, Chloroform, Petrol- äther und Xylol. Die Ölsäure aber (mein Präparat stammte von König- Leipzig) ist schon in kaltem absolutem Alkohol leicht löslich, ebenso auch in Eisessig. Die Löslichkeit in den vier anderen Medien teilt sie mit dem Triolein. Vergleicht man diese Verhältnisse mit denen der untersuchten Tropfen, so ist es sicher, daß die Tropfen nicht aus freier Ölsäure bestehen. Ich prüfte weiterhin noch die Löslichkeit der Tropfen nach 24 stündiger Behandlung mit I prozentiger wässeriger Lösung von Osmiumsäure. Zunächst wurden kleine Stückchen der Därme 24 Stunden in die Osmiumsäure ge- lest, dann 24 Stunden ausgewaschen und für 48 Stunden in 96 prozentigen Alkohol gebracht. Danach zeigten die Tropfen keine Veränderung durch den Alkohol, es trat also keine Lösung der braunschwarzen Tropfen ein; der Alkohol blieb farblos. Nach weiterem, 6 Stunden langem Aufenthalt in absolutem Alkohol kamen die Objekte in Xylol, Chloroform, Äther und Terpentinöl für 18 Stunden. Nach der Einbettung in Paraffin zeigte sich folgendes: Xylol und Chloroform hatten die nunmehr intensiv schwarzen Tropfen nicht nachweislich verändert. Der Äther hatte einen Teil der im Epithel der Kuppen der Schleimhautleisten liegenden Tropfen gelöst, während in den tieferen Partien dies nicht der Fall war; das Terpentinöl hatte in sämtlichen Epithelzellen die Tropfen gelöst. An ihrer Stelle befinden sich häufig runde Lücken im Protoplasma; dabei fällt auf, daß der übrige Zell- inhalt und auch das Gewebe der Schleimhaut und die Muskulatur einen braungelben Ton angenommen haben. Hier beim Terpentinöl liegt also eine kräftig extrahierende Wirkung vor, wie sie ja den Histologen schon bekannt ist. — Demnach sind die osmierten Tropfen in kaltem Alkohol, Xylol und Chloroform beständig, etwas löslich in Äther und leicht löslich in Terpentinöl. Untersucht man in ganz derselben Weise das osmierte Triolein und die osmierte Ölsäure, welche man beide durch Mischung von Triolein und Ölsäure mit 1 prozentiger Osmiumsäure gewinnt, so kan man folgendes feststellen. Ersteres — ich will das Produkt kurz Triolein-Osmium nennen — ist tiefschwarz und von harter, etwas spröder Beschaffenheit. Es löst sich weder in 96 prozentigem noch absolutem Alkohol, soweit man mit bloßem Auge beurteilen kann, wird von Xylol und Chloroform kaum, 152 A. NoLr: von Äther mehr extrahiert, löst sich aber vollkommen nur in Terpentinöl. Die osmierte Ölsäure verhält sich anders. Schwarz, der Konsistenz nach eine pechartige weiche Masse, welche leicht an Glas anhaftet, geht sie, in 96 prozentigen Alkohol gebracht, sogleich in diesen über; dabei wird der Alkohol tintenschwarz. Es handelt sich dabei zweifellos um eine richtige Lösung, was schon Altmann angab, denn bei Zusatz von Wasser trübt sich der Alkohol. Indessen ist die Lösung nicht klar, sie enthält vielmehr äußerst feine schwarze Körnchen, welche sich allmählich‘ am Boden des (Gefäßes absetzen. Ich kann nicht entscheiden, ob in diesen Körnchen wirklich ungelöste Fettsubstanz enthalten ist, oder ob sie nicht nur sehr fein verteiltes Osmium darstellen. Für letzteres spräche, daß sie sich auch nach Zusatz von Xylol, Chloroform und Äther nicht lösen. Eine genauere Feststellung, wie überhaupt bei der Osmierung die Bindung des Osmiums an die Ölsäure stattfindet, und desgleichen bei dem Triolein, wäre sehr notwendig. Vergleicht man die letzteren Befunde mit denen an den osmierten Fettröpfehen des Epithels, so stimmt die Löslichkeit der letzteren ziemlich überein mit der des Triolein-Osmiums, nicht aber mit der osmierten Öl- säure, da diese in Alkohol unbeständig ist. Dies Ergebnis ist dasselbe wie bei der Untersuchung der frischen, nicht osmierten Tropfen. Ich komme also zu dem Schluß, daß die Tröpfchen des Darmepithels des Frosches, welchem Triolein in den Darm gegeben wird, keine freie Ölsäure sind, sondern eine Verbindung der Ölsäure, welche hinsichtlich ihrer Löslichkeit mit dem Triolein übereinstimmt. Es bedarf noch besonderer Erwähnung, daß die Tröpfchen auch nicht eine Mischung von dieser Verbindung mit freier Ölsäure darstellen. Denn die letztere hätte sich als der leichter lösliche Anteil bei allen vorgenommenen Prüfungen verraten müssen. Versuche mit Ölsäure (König-Leipzig) und ölsaurem Natron (Kahlbaum). 1. Ölsäure. 48 Stunden nach Eingabe der Ölsäure in den Darm war stets nur wenig Darminhalt vorhanden. Er bestand hauptsächlich aus klarer wässeriger Flüssigkeit, welche ölige Beimengung und weiße Flocken enthielt; die Re- aktion war gegen Lakmus alkalisch. Bei der Untersuchung der Fettröpfehen des Epithels in der im vorigen Abschnitt geschilderten Weise fiel sofort auf, daß sie viel leichter löslich waren als ir den Versuchen mit Triolein. Ich konnte das ebenso an den ÜBER FETTSYNTHESE IM DARMEPITHEL DES FROSCHES. 153 frischen Zellen wie an den mittels 5 prozentiger Kalilauge isolierten Tröpf- chen wiederholt feststellen. Der absolute Alkohol löste bereits in der Kälte den größten Teil der Tröpfchen auf, was bei den meisten ziemlich schnell geschah. Nur in einem Versuch fanden sich Tropfen, welche dem Alkohol länger widerstanden, so daß sie noch nach !/, Stunde darin nach- weisbar waren; diese lösten sich dann in Äther glatt auf. Ein gleiches Lösungsvermögen zeigte kalter Eisessig, auch hier konnte ich teils rasche teils langsamere Lösung der Tropfen beobachten, sobald der zugesetzte Eis- essig mit den Tropfen richtig in Berührung gekommen war. Nach der Behandlung mit Osmiumsäure zeigten sich die Tropfen voll- kommen beständig in Alkohol. In den anderen Lösungsmitteln aber waren sie zum Unterschied von den Triolein-Versuchen leichter löslich. Das fiel hauptsächlich beim Äther auf, welcher aus den Epithelzellen auf ganzen Strecken der Schleimhaut die Tropfen löste und an ihrer Stelle Lücken im Protoplasma zurückließ. Auch in Xylol fand eine Lösung statt; diese Präparate zeigen besonders an den oberflächlichst gelegenen Zellen, daß ein Teil der Tropfen vollständig verschwunden, andere stark verkleinert mit einem hellen Hof umgeben, also in allmählicher Auflösung begriffen sind. An den Chloroformschnitten ist etwas derartiges nicht zu bemerken. Das Terpentinöl aber hat auch hier das osmierte Fett vollständig extrahiert. 2. Ölsaures Natron. Ich verwandte frisch bereitete 2,5 prozentige Lösungen in destilliertem Wasser. Hiervon erhielten die Frösche 2 ccm in den Darm. 48 Stunden darnach war die Fettaufnahme in den Epithelien nicht so stark wie bei der Resorption des Trioleins und der Ölsäure, woran der ge- ringere Gehalt der Seifenlösung an Ölsäure mit die Ursache sein kann. Die Tröpfchen der Epithelzellen zeigten dieselbe relativ leichte Lös- lichkeit wie in den Ölsäure-Versuchen. In kaltem Alkohol waren die meisten leicht, andere etwas weniger leicht löslich. Bei Zusatz von Eis- essig verhielten sie sich ebenso. Die gleiche Übereinstimmung ergab sich nach Behandlung mit Os- miumsäure. Wie zu erwarten war, haben also in diesen beiden Versuchsreihen die Fettröpfehen dieselben Eigenschaften gezeigt. Charakterisiert sind die Tröpfchen, abgesehen von dem geringen Anteil schwer löslicher Tropfen (in dem einen Versuch mit Ölsäure) durch ihre Löslichkeit in kaltem ab- solutem Alkohol und Eisessig. Während es dahingestellt bleiben muß, ob die erwähnten schwer löslichen vielleicht identisch sind mit den Tröpfehen 154 A. NoLL: der Triolein-Versuche, sind auf alle Fälle die an Zahl vorherrschenden und, um es nochmals zu betonen, in den meisten Versuchen ausschließlich be- obachteten leichter löslichen von diesen durchaus verschieden. Man kann bestimmt erklären, daß diese Tröpfchen nicht aus Triolein be- stehen. In Anbetracht ihrer Löslichkeit in kaltem Alkohol und Eisessig könnte man denken, sie bestünden aus Ölsäure. Dagegen aber spricht ent- schieden ihr Verhalten im osmierten Zustand. Denn in diesem sind sie alkoholbeständig, die osmierte Ölsäure aber, wie oben gezeigt worden, ist es durchaus nicht. Einen zweiten entscheidenden Beweis gegen die Annahme ihrer Ölsäurenatur entnehme ich dem Verhalten der Zellen bei der Be- handlung mit 5 prozentiger wässeriger Kalilauge. In diesem Reagens blieben die Tröpfehen stets unverändert, während das Protoplasma schon längst sich gelöst hatte. Um diese ihre Resistenz in der Lauge nochmals ganz sicher zu beweisen, ließ ich etwas zerzupfte frische Schleimhaut in 5 pro- zentiger Kalilauge in der feuchten Kammer eine Stunde lang liegen. Danach fand sich nicht die geringste mikroskopisch nachweisbare Veränderung an den Tröpfehen. Hätten sie aus reiner Ölsäure bestanden, so hätten sie unbedingt infolge des beginnenden Verseifungsvorganges ihre ursprüngliche Form und Beschaffenheit verlieren müssen. Daß dies bei Behandlung von reiner Ölsäure-Emulsion mit 5prozentiger wässeriger Kalilauge der Fall ist, habe ich mehrere Male beobachten können. Mithin bestehen die in kaltem Alkohol und Eisessig löslichen Tröpfehen, auch die leichtest löslichen, nicht aus reiner Ölsäure. Es tritt vielmehr auch in diesen Versuchen die Ölsäure in gebundener Form in dem Epithel auf, und zwar fast ausschließlich in einer Form, welche sich von dem Triolein beziehungsweise von dem nach Triolein-Fütterung erscheinenden Fett durch größere Löslich- keit unterscheidet. Versuche mit Palmitinsäure (König-Leipzig) und Stearinsäure (Kahlbaum). Um diese festen Fettsäuren den Fröschen bequem einzuführen, füllte ich die Substanz in Glasröhrchen, welche den Ösophagus leicht passierten, und drückte mittels eines Casa den Inhalt in den en Narkose war dabei nicht nötig. Gleich bei den ersten Versuchen, welche in den Monaten Rn Mai und Juni angestellt wurden, zeigte sich, daß die Resorption dieser Sub- stanzen in ungleich geringerem Maße erfolgte als die der flüssigen Fette. Tiere, welche innerhalb 2 bis 4 Tagen täglich 0-3—0-4g in der be- schriebenen Weise bekamen, resorbierten in dieser Zeit so wenig, daß nur ÜBER FETTSYNTHESE IM DARMEPITHEL DES FROSCHES. 155 kleine Tröpfehen im Epithel waren, welche zu genaueren Beobachtungen ungeeignet waren. Ich mußte deshalb die Fütterungen 7 bis 8 Tage vor- nehmen. Erst dann erschienen die Tröpfchen einigermaßen groß, sie waren aber immer noch kleiner als in den vorigen Versuchen. Da der Darminhalt stets reichlich feste Fettmassen enthielt, stand dem Darm immer genügend Material zur Verfügung; die Epithelzellen konnten es aber offenbar nur schwer aufnehmen. Der Grund liegt vermutlich darin, daß die Verdauungs- säfte nur langsam die verfütterten festen Säuren in resorbierbare gelöste Form überzuführen vermochten, und man wird hierbei an die Beobachtung Pflügers! denken dürfen, derzufolge — beim Warmblüter — die Galle ein bedeutend größeres Lösungsvermögen für Palmitinsäure hat, wenn Ölsäure zugegen ist. Es ist hier auch anzuführen, daß nach Biedermanns? Versuchen an einem wirbellosen Tier, nämlich der Larve vom Mehlwurm, ebenfalls die festen Fettsäuren schlechter als Öl vom Epithel des Mittel- darmes aufgenommen werden. Wenn man nun in gelungenen Versuchen das Epithel der Froschdärme frisch betrachtet, so sieht man es streckenweise als stark lichtbrechenden Saum, und bei starker Vergrößerung erkennt man die Fetteinlagerungen in den einzelnen Zellen. Der unbefangene Beobachter wird diese ohne weiteres als Tropfen bezeichnen. Schon Will3, welcher Froschdärme nach Fütterung mit verschiedenen Fettsubstanzen mikroskopisch untersucht hat, beschreibt sie auch als „Fettröpfchen in den Epithelien“. Trotzdem möchte ich nicht mit Sicherheit behaupten, daß es sich dabei wirklich um Tropfen, also um ein flüssiges Fett handeln muß. Es kann meiner Ansicht nach sehr wohl ein für gewöhnlich kristallinisches Fett, bzw. eine kristallinische Fettsäure in Form von Fettgranula innerhalb der Zellen erscheinen, wenn die Bedingungen zum Auskristallisieren nicht vorhanden sind, und dann ebenso aussehen wie Fettropfen. Denn schließlich ist es, abgesehen von der Form, nur das starke Liehtbrechungsvermögen, welches wir sehen können, aber bestimmte Anhaltspunkte für die Konsistenz dieser äußerst kleinen runden Gebilde haben wir nicht. Die Möglichkeit also, daß es sich in meinen Versuchen, wie auch bei Will, um ein tropfbar flüssiges Fett handelt, kann ich nicht leugnen, aber das ist nicht sicher. Ich gehe über zur Beschreibung meiner Befunde über die Löslichkeit der Fett,,tropfen“, zunächst bei der Resorption der Palmitinsäure. Bei Zusatz von kaltem absolutem Alkohol unter dem Deckglas konnte ich nie eine Spur von Veränderung an den Tropfen wahrnehmen. Selbst : Pflüger, Pflügers Archiv. Bd. LXXXI. S. 303. ®2 Biedermann, ebenda. Bd. LXXI. S. 105. 3 A...Will, ebenda. XX:. S. 255: 156 A. NoLL: hei Erwärmung auf 60° blieben sie beständig. Da Palmitinsäure schon bei Zimmertemperatur in absolutem Alkohol etwas, bei Erwärmung auf Körper- temperatur leichter löslich ist, darf man schon schließen, daß reine Palmitin- säure in den Epithelzellen nicht vorliegt. Um dies ganz augenfällig zu beweisen, setzte ich dem mikroskopischen Präparat feinste Stäubchen reiner Palmitinsäure zu und erwärmte dann unter Alkoholzusatz, indem ich Stellen beobachtete, wo Palmitinsäure unmittelbar neben den Fettropfen lag. Ich konnte so zu wiederholten Malen sehen, daß bei 30° die Palmitinsäure an- fing sich zu lösen, während das Fett, wie gesagt, noch bis 60° standhielt. Ich halte es demnach für ganz sicher, daß diese Tropfen nicht aus reiner Palmitinsäure bestehen. Um zu entscheiden, ob vielleicht das schwerer lösliche Tripalmitin vorläge, wiederholte ich den eben ge- schilderten Versuch mit Tripalmitin. Dieses iöste sich bei 50 bis 60° C noch nicht, schmolz aber dann, während die Tröpfehen unverändert blieben. Danach ist es unwahrscheinlich, daß die letzteren Tripalmitin gewesen sind. Ich will noch anführen, daß sie in Äther löslich waren. Das Tri- palmitin ist in kaltem Äther schwer, erst bei Erwärmen leichter löslich. Das ließe den gleichen Wahrscheinlichkeitsschluß zu. | Bei der Stearinsäure fanden sich ‘ähnliche Verhältnisse, nämlich Resistenz gegen warmen absoluten Alkohol und Löslichkeit in Äther. Hieraus kann man ebenfalls nur folgern, daß die Tropfen nicht aus reiner Stearinsäure bestanden. Es mußte also in den Versuchen mit beiden Säuren ge- bundene Fettsäure in den Zellen abgeschieden sein. Bei der Prüfung mit Osmiumsäure traten besondere Verhältnisse zutage, welche die beiden festen Säuren in gleicher Weise betreffen. Mit sehr ge- ringen Ausnahmen nämlich schwärzten sich die Tröpfehen der Epithelzellen in der Osmiumlösung nicht. Nach 24stündigem Wässern und 48 stündigem Verweilen in 96 prozentigem Alkohol änderte sich das Bild im wesentlichen nicht, nur in dem Falle der Stearinsäure waren reichlicher geschwärzte Tröpfehen zu sehen. Da dieser letztere Befund vereinzelt blieb, muß ich ihn als Ausnahme betrachten, bei den Versuchen mit Palmitinsäure war es nicht der Fall. In sämtlichen Schnittpräparaten — sie waren nach der Alkoholbehandlung durch Xylol gegangen — fehlte bis auf verschwindend wenige Stellen immer die Osmiumreaktion. Das fertige Balsampräparat zeigt bei diesen Versuchen in keinem Falle geschwärzten Epithelsaum, trotzdem, wie hervorgehoben sei, durchweg die frischen Zellen reichlich mit Tröpfehen angefüllt waren. Es liegt sonach eine Fettsubstanz vor, welche sich mit Osmiumsäure nicht schwärzt. Die Erscheinung ist bereits bekannt und wurde auch ÜBER FETTSYNTHESE IM DARMEPITHEL DES FROSCHES. 157 schon zu erklären versucht. Altmann! hat als erster gefunden, daß von den im Organismus vorkommenden Fettsubstanzen nur das Olein und die Ölsäure die bekannte Reaktion mit Osmiumsäure geben, nicht aber Palmitin- säure, Stearinsäure und ihre Triglyzeride „Das Osmium ist mithin nicht ein Reagenz auf Fette im allgemeinen, sondern nur auf freie Ölsäure und Olein.“ Danach entdeckte Starke? die Fähigkeit des Alkohols, osmierte, aber nicht geschwärzte Fettkörner nachträglich noch zu schwärzen, indem er seinerseits erst das in den Körnern gebundene Osmiumtetroxyd reduziert. Unter diese Fette fallen nach ihm Palmitin- und Stearinsubstanzen. Hand- werck? findet ein neues Moment, nämlich dab Palmitinsäure, Stearinsäure und Tristearin in kristallinischem Zustande zwar nicht, wohl aber in ge- schmolzenem die Osmiumsäure reduzieren können. Er hält den Aggregat- zustand der Fette für mit ausschlaggebend, ob die Osmiumschwärzung ein- tritt oder nicht, um so mehr, als er findet, daß erstarrte Ölsäure sich auch nicht schwärzt. Indessen schiebt Handwerck auch den positiven Ausfall der Reaktion bei den geschmolzenen Fetten auf eine Verunreinigung mit Ölsäure; diese genüge dazu schon in ganz geringen Beimengungen. Was hiernach die Beurteilung meiner Resultate betrifft, so könnte man die Ansicht Starkes für die Erklärung des einen Falles in Anspruch nehmen, wo die Tröpfchen erst durch die Alkoholbehandlung eine Schwarz- färbung gewonnen haben. Das bezöge sich aber immerhin nur auf einen geringen Teil, denn die meisten wurden auch da nicht sekundär durch den Alkohol geschwärzt. Bezüglich der im wesentlichen in betracht kommenden, mit ÖOsmium gar nicht reagierenden Tröpfchen halte ich es aber für un- zulässig, eben weil sie sich nicht schwärzen, zu schließen, sie bestünden aus einem festen Fett, solange es nicht ausgeschlossen ist, daß es auch flüssige Fette gibt, welche sich mit Osmium nicht schwärzen. Und hierzu möchte ich auf die Bemerkung Altmanns (a.a.0. S. 117) hinweisen, daß das flüssige Butyrin durch Osmiumsäure nicht geschwärzt wird. In diesen Versuchen wurde also eine Fettsubstanz in den Zellen nachgewiesen, welche keine freie Palmitinsäure be- ziehungsweise Stearinsäure ist, und welche die Eigenschaft hat, sich bei Behandlung mit Osmiumsäure nicht zu schwärzen. U R. Altmann, Die Elementarorganismen usw. 2. Aufl. S. 117. 2 J. Starke, dies Archiv. 1895. Physiol. Abtlg. S. 70. 8 C. Handwerck, Zeitschrift für wissensch. Mikroskopie. 1898. Bd. XV. 8.177. 158 A. NoLL: Versuche mit Tripalmitin und Tristearin (Kahlbaum). Diese Versuche führten zu keinem positiven Ergebnis. Es gelang nämlich in keinem Falle, mit Sicherheit Fettröpfehen in den Zellen nach- zuweisen, selbst nicht nach ausgiebiger Fütterung während einer Woche. Die Epithelzellen enthielten keine für Fett charakteristischen Körnchen und waren schmal, wie es nicht resorbierende Zellen sind. Diese Versuche wurden im Juni angestellt. Da zur selben Zeit die Resorption von einge- führter Palmitinsäure gelang, kann der Grund des Versagens nicht in einer während der heißen Jahreszeit bestehenden Unfähigkeit des Epithels, feste Fettsubstanz zu resorbieren, liegen. Wohl aber darf man annehmen, daß die Frösche nicht die Fähigkeit besaßen, das Triglyzerid durch die Verdauungssäfte resorbierbar zu machen. Versuche mit Olivenöl. Die Resorptionserscheinungen am Epithel waren hier wiederum sehr deutlich und ausgiebig, wenn die Untersuchung 48 Stunden nach Eingabe von 2° m Ö)] in den Darm geschah. Die Schleimhaut sah dann milchig weiß aus, mikroskopisch waren die Epithelzellen allenthalben von Tröpfehen erfüllt. In kaltem absolutem Alkohol waren die Tröpfchen beständig, lösten sich aber beim Erwärmen auf 50° C. In Äther und Xylol waren sie eben- falls löslich. Ihrer Löslichkeit in erwärmtem Alkohol nach stehen diese Tröpfehen zwischen denen der Triolein- und Palmitinsäure-Versuche. Da- raus wird man schließen dürfen, daß sie aus einer Fetisubstanz bestehen, welche die beiden im Olivenöl als Triglyzeride vorkommenden Fettsäuren, nämlich die Ölsäure und Palmitinsäure, beide aber in gebundener Form, enthält. Im osmierten Zustande verhielten sie sich den Lösungsmitteln gegenüber etwa wie die Tröpfchen der Trioleinversuche. Zusammenfassung. Die geschilderten Versuche beziehen sich alle auf vorgeschrittene Stadien der Resorption nach ausgiebiger Darreichung der betreffenden Fettsubstanzen. Dabei zeigte sich, daß die Epithelzellen die flüssigen Fette, nämlich Triolein und Olivenöl, die Ölsäure und die Seifenlösung (ölsaures Natron) viel besser als die feste Palmitinsäure und Stearinsäure resorbierten. Eine Aufnahme des Tripalmitins und Tristearins fand überhaupt nicht statt. ÜBER FETTSYNTHESE IM DARMEPITHEL DES FROSCHES. 159 Was die Zusammensetzung der Fettropfen in dem Epithel betrifft, so hat sich nachweisen lassen, daß niemals eine freie Fettsäure vorlag, weder bei der Resorption der eingeführten Triglyzeride (Olein, Olivenöl), noch, was das Wichtigere ist, der eingeführten Säuren (Ölsäure, Palmitin- und Stearin- säure) sowie auch des Öölsauren Natrons. Damit ist für den Frosch der exakte Nachweis erbracht, daß das Darmepithel auch die verfütterten freien Fettsäuren nur in gebundener Form in seinem Protoplasma abscheidet. In den Zellen findet also tatsächlich eine Synthese statt. Wie sich aus den Versuchen mit Triolein und Ölsäure ergibt, unterscheiden sich aber die Fette, je nachdem eine Säure oder ihr Triglyzerid in den Darm gegeben wird. Nach der Ein- führung von Triolein ist es ein Fett, welches im ganzen die gleiche Löslichkeit wie das Triolein hat, es ist also möglich, daß es reines Triolein ist. Das nach Einführung der Ölsäure aber erscheinende Fett ist abgesehen von einem verschwindend kleinen Anteil viel leichter löslich, weshalb es ganz ausge- schlossen ist, daß dieses mit ersterem identisch ist. Dieser Unterschied ist von großer Wichtigkeit. Er besagt nämlich folgendes: Wenn im Darm Glyzerin zugleich mit der Fettsäure vorhanden ist, wird das Glyzerin von den Zellen bei der Syn- these mitverwendet. Ist es nicht im Darm, dann gibt die Zelle ihrerseits kein Glyzerin zur Synthese her, sondern sie liefert eine andere Komponente zur Bindung der Fettsäure. Dabei ist die Intensität der Fettablagerung von der Anwesenheit des Glyzerins nicht abhängig; denn die Menge des Fettes war bei der Resorption der Fettsäure mindestens ebenso groß wie bei der Resorption des Triglyzerils. Interessant an diesem Ergebnis ist vor allem der Befund, daß die meisten Zellen ohne weiteres kein Glyzerin zur Verfügung hatten. Daraus wird man aber noch nicht den Schluß ziehen dürfen, daß das Glyzerin den Fröschen zu allen Zeiten ganz und gar fehlt. Ich muß vielmehr darauf hinweisen, daß meine Versuche in den Monaten März und April an Fröschen gemacht wurden, welche bereits seit Beginn des Jahres im Keller des Instituts ohne Nahrung gehalten waren. Die Möglichkeit besteht, daß die Verhältnisse bei frisch im Herbst eingefangenen Exemplaren doch etwas günstiger liegen könnten. Um das Verhalten des Frosches mit dem des Säugetieres vergleichen zu können, müßte bei letzterem ebenfalls auf mikrochemischem Wege erst entschieden werden, was für Fett bei der gleichen Versuchsanordnung sich 160 A. NoLL: ÜBER FETTSYNTHESE IM DARMEPITHEL DES FROSCHES. in dem Epithel der Zotten findet. Ich verfüge über einen Versuch am Meerschweinchen. Das Tier hatte nach 24stündigem Fasten Ölsäure in den Magen bekommen und wurde 36 Stunden danach getötet. Zur Unter- suchung nahm ich Schleimhaut einer Dünndarmschlinge, deren Chylus- gefäße ın charakteristischer Weise mit Fett gefüllt waren. Die Unter- suchung des Epithels ergab, daß die Tröpfchen in Eisessig ebenso resistent waren wie in kaltem und 40° warmem absolutem Alkohol. Äther brachte sie zum Verschwinden. Nach den vorstehenden Beobachtungen ist es sicher, daß auch hier keine freie Ölsäure vorlag. Genauere Untersuchungen, besonders am Hund, wären aber nötig, um zu erkennen, ob es wirklich das Triglyzerid war. Wenn es sich dann zeigen sollte, daß die Epithelzellen des Säuger- darmes zu allen Zeiten ein glyzerinhaltiges Fett aus Fettsäure zu bilden vermöchten, dann bestünde ein auffallender Unterschied zum Frosche, dem dies bestenfalls nur temporär, vielleicht sogar nie, gelingt. In allen Fällen von Resorption verfütterter Fettsäure, bei denen die Epithelzelle Glyzerin zur Bildung von Neutralfett liefert, bestehen zwei Möglichkeiten. Entweder ist alles Glyzerin von vornherein in der Zelle, oder aber es wird ihr erst während der Resorption ganz oder zum Teil von außen in dem Maße geliefert, als die Fettsynthese fortschreitet. Das letztere ist für Zustände starker Fettresorption das Wahrscheinlichere. Denn die Fettropfen liegen dann so massenhaft in den Zellen, daß deren etwaiger Glyzerinbestand bzw. der Vorrat an der Muttersubstanz des Glyzerins zur Synthese kaum hinreichen dürfte. Das Wegreiben des Druckphosphens und seine Bedeutung für die Theorie des Sehens. Von Fr. Klein. (Aus dem physiologischen Institut zu Kiel.) 1. Ergebnisse und Fragen. Die Untersuchung des Druckphosphens hat zu zwei Feststellungen geführt:! Erstens: Das Druckphosphen beruht nicht auf einer direkten mechani- schen Reizung oder Lähmung der Sehzellen. Zweitens: Der Druck führt zur Zersetzung (Dissimilation) einer oder mehrerer Substanzen, deren Aufbau (Assimilation) quantitativ von der Be- lichtung abhängt, jedoch langsam auch im Dunkeln erfolgt. Hieraus ergeben sich weitere Fragen: Sind jene Prozesse normale Vorgänge? Und wenn, welchesist ihre physiologische Bedeutung? — Beruht der dunkle und der helle Fleck (der helle Rand des dunklen Flecks) auf einem und demselben oder auf verschiedenen chemischen Prozessen? Verlaufen die Prozesse in den Seh- zellen selbst oder nicht? Und wenn richt, wirken sie auf die Sehzellen auf chemischem oder auf nervösem Wege? Sind die Sehzellen überhaupt mechanisch reizbar oder nicht? Auf diese Fragen sollen die Antworten gesucht werden. ! Vgl. dies Archiv. 1908. Physiol. Abtlg. S. 445. Archiv f£. A.u. Ph. 1908. Physiol, Abtlg. Suppl. 11 162 Fr. KLEem: 2. Liegen dem Druckphosphen normale Vorgänge zugrunde? Die durch Druck ausgelösten Prozesse beruhen (sicher) auf der Dissi- milation einer (unbekannten) Substanz, deren Assimilation (sicher) unter dem Einfluß des Lichtes erfolgt. Nun wird aber das Auge normal nicht gedrückt, sondern belichtet. Es ist also ein sehr hoher Grad von Wahrscheinlichkeit dafür vorhanden, daß die Prozesse normal durch Licht ausgelöst werden. Ich sehe keine Möglichkeit dieser Folgerung auszuweichen. Wir müssen uns dann vorstellen, daß die Prozesse an Substanzen ge- bunden sind, die in doppelter Hinsicht vom äußeren Licht abhängig sind, nämlich sowohl was den Verbrauch, als auch, was die Neubildung betrifft. (Und zwar muß, wie später deutlich wird, die Abhängigkeit in beiden Beziehungen eine quantitative sein, derart, daß bei jeder Stärke des Außen- lichtes die Neubildung mit dem Verbrauch gleichen Schritt hält.! Wenn aber nach dem Gesagten die Abhängigkeit jener Prozesse, sowohl der Assimilation als auch der Dissimilation, vom Licht nicht zu bezweifeln ist, so muß ihnen mit derselben Notwendigkeit eine physiologische Be- deutung für das Sehen zugesprochen werden, und zwar unabhängig davon, ob es gelingt, diese Bedeutung nachzuweisen. | 3. Die Folgen schwachen und starken Druckes in physiologischer‘ und chemischer Beziehung. Schwacher und starker Druck haben ganz verschiedene physiologische Folgen! Schwacher Druck gibt einen hellen, starker Druck einen dunklen Fleck (dessen heller Rand dem schwächeren Druck entspricht). ! Die strahlende Lichtenergie übt chemische Wirkungen nach einem sehr ein- fachen, von Bunsen und Roscoe festgestellten Gesetze aus: die chemische Wirkung ist in gleicher Zeit der Lichtintensität proportional. Dabei kann das Licht zersetzend wirken wie im photographischen Prozeß und bei der Jodwasserstoffsäure, oder die Synthese vermitteln, wie beim Chlorknallgas und den Assimilationsvorgängen in der Pflanze. Die absorbierte strahlende Lichtenergie wird entweder in chemische Energie umgewandelt oder sie wirkt als Katalysator. Das Licht vermittelt u. a. bei passend gewählten Stoffpaaren sehr leicht gleichzeitige Oxydationen und Reduktionen. — In einigen besonders günstigen Fällen erfolgen unter dem Einfluß des Lichtes entgegen- gesetzte Vorgänge an einem und demselben Stoff: Der o-Nitrobenzaldehyd ‘verwandelt sich im Licht in o-Nitrosobenzo&säure, und die Umlagerung findet mit einer solchen Geschwindigkeit statt, daß sie fast jener des gewöhnlichen photographischen Prozesses an die Seite zu stellen ist. Vgl. G. Ciamician, Aufgaben und Ziele der heutigen organischen Chemie auf eigenem und biologischem Gebiete. Zeitschrift des österr. Ing. u. Arch.-Vereins. 1907. LIX. Nr. 26. S. 469—475. Referat: Sklarek, Nat. Rundschau. XXU. S. 453, 469 f. Das WEGREIBEN DES DRUCKPHOSPHENS. 163 Liegen nun hier zwei verschiedene chemische Prozesse vor, von denen nur der eine die Sehzellen erregt? Oder handelt es sich in chemischer Beziehung etwa nur um quantitative Unterschiede eines und desselben Vorgangs? Sieht man einstweilen von den entgegengesetzten Folgen schwachen und starken Drucks für das Sehen ab, so würde die einfachere Annahme die sein, daß das Auftreten des hellen und des dunklen Flecks auf einem und demselben Prozeß beruht. Verfolgen wir diese Annahme weiter, so ist es höchst wahrscheinlich, daß dem stärkeren Druck die stärkere Zersetzung entspricht. Wenn aber schon die schwächere Zersetzung die Empfindung „Hell“ gibt, so würde man erwarten, daß die stärkere Zersetzung die Empfindung blendender Helligkeit gäbe. Das Gegenteil ist der Fall; sie gibt gar keine Helligkeitsempfindung. Wenn demnach wirklich der dunkle Fleck einer gesteigerten Zersetzung entspricht, so muß noch ein anderer (nicht chemischer) Unterschied zwischen den beiden Vorgängen bestehen, derart, daß der eine zu einer Erregung führt, der andere nicht. Dieser Unterschied läßt sich aus den allgemeinen Gesetzen der Nerven- erregung ableiten. 4. Nerv und Sinnesepithel. Die Erregung eines Nerven erfolgt normal von seinem zentralen oder peripheren Ende aus. Aus dem rhythmisch verlaufenden Aktionsstrom des willkürlich kontrahierten Muskels hat man den Schluß gezogen, daß auch der zentrale Antrieb rhythmisch erfolgt, und daß der Rhythmus nicht erst im Nerven (oder gar erst im Muskel) entsteht. Es ist nun die Frage, ob und inwieweit sich dieser Schluß rechtfertigen und verallgemeinern läßt. Darf man behaupten, daß jeder Nerv normal, sei es vom Zentral- organ oder von der Peripherie her, ausschließlich rhythmische Antriebe erhält? — Die Fragestellung läßt sich vereinfachen: Ein rhythmischer An- trieb setzt sich aus einer Reihe von „Änderungen der äußeren Be- dingungen“ zusammen; schon eine einzige Änderung stellt ein wesent- liches Merkmal des Rhythmus dar. Man kann also zwischen Änderung und Konstanz der äußeren Bedingungen unterscheiden und die weitere Frage stellen: Wird ein Nerv überhaupt (an irgend einer Stelle) nur durch Zustandsänderungen erregt und wird er dauernd nur durch (rhythmisch) sich wiederholende Zustandsänderungen erregt, oder kann er auch eITegt, erregungsleitend sein, während konstante Bedingungen herr- schen? 11* 164 FR. KLeix: Die experimentelle Antwort läßt an Schärfe zu wünschen: Denn wenn auch im allgemeinen schwacher Druck oder eine mäßige Stromstärke den Nerven in seinem Verlauf nur bei plötzlicher Änderung der Intensität erregen, so wirkt doch in vielen Fällen (leichter bei zentri- petalen, als bei motorischen Nerven) auch der konstante Strom während der Dauer der Durchströmung. Darf nun hieraus auf das Verhalten des Nerven gegenüber dem adäquaten Reiz geschlossen werden? Soll man annehmen, daß ein gleichbleibender Zustand, z. B. ein kontinuierlich in gleicher Stärke (im Sinnesepithel oder in einer motorischen oder sekretorischen Ganglienzelle) ablaufender chemischer Prozeß den Nerven dauernd er- regungsleitend macht und das Erfolgsorgan dauernd in Tätigkeit versetzt? Ich bin nicht dieser Meinung: Der vom konstanten Strom durch- flossene Nerv befindet sich unter abnormen Bedingungen; der Strom wirkt zersetzend und Jonen verschiebend, um so mehr, je stärker er ist, Ich halte es durchaus für möglich, daß diese Vorgänge an sich und unabhängig von den besonderen physiologischen Eigenschaften des Klara diskontinuierlich oder rhythmisch verlaufen. Zur Erläuterung kann die Flamme einer Petroleumlampe dienen: Luft und Gas strömen ihr kontinuierlich zu, und dementsprechend ist auch der Verbrennungsprozeß kontinuierlich und gleichmäßig. Schraubt man nun den Docht weit in die Hülse zurück, so werden die Bedingungen für die Verdampfung des Petroleums ungünstiger, aber an und für sich darf für kürzere Zeiträume angenommen werden, daß der Strom sowohl des Gases, als auch der Luft ein gleichmäbiger ist. Dennoch nimmt der Ver- brennungsprozeß sehr leicht, sei es von selbst oder nach schwachem An- blasen, einen rhythmischen Charakter an. In regelmäßigen Intervallen leuchtet die Flamme für einen Moment hell auf, in den Pausen ist sie kaum sichtbar. Ist einmal der Rhythmus eingeleitet, so ist auch Gas- und Liehtzufuhr rhythmischen Änderungen unterworfen, und der Vorgang setzt sich bis zum Erlöschen der Lampe fort.! Die Bedingungen im lebenden Gewebe sind insofern ähnliche, als auch hier ein kontinuierlicher Zu- und Abfluß stattfindet. Es ist denkbar, daß die durch den konstanten Strom verursachten Jonenverschiebungen, d. h. Konzentrationsänderungen, unter einem zweiten Einfluß einen rhythmischen Charakter annehmen. Wenn wir danach mit der Möglichkeit rechnen müssen, daß der kon- stante Strom rhythmische Vorgänge auslöst, und uns ferner erinnern, dab ! Physikalische Beispiele der Umwandlung konstanter Bewegung in rhythmische unter dem Einfluß anderer an sich konstanter Kräfte sind eine angeblasene Zungenpfeife und ein tropfender Wasserhahn. DAs WEGREIBEN DES DRUCKPHOSPHENS. 165 ein Nerv durch nicht normale Einflüsse leichter erregungsleitend wird, wenn diese Einflüsse selbst in einem oder mehreren Stößen bestehen, also einen intermittierenden, rhythmischen Charakter haben (Schluß und Öffnung, Induktionsstrom, Tetanomotor), so dürfen wir mit ziemlicher Sicherheit schließen, daß unter normalen Verhältnissen ein Sinnesnerv, wenn er er- regungsleitend ist, vom Sinnesepithel rhythmische Antriebe erhält. Aber woher stammt der Rhythmus im Sinnesepithel? Entsteht er an Ort und Stelle? Oder ist das Sinnesepithel auf zugeführte rhythmische Impulse angewiesen ? Für das Gehörsepithel liegt es auf der Hand, daß es ausschließlich durch Stöße (rhythmische Impulse) erregt wird, denn wir „hören“ nur die Schwankungen des Luftdruckes, nicht etwa seine absolute Höhe. Wie verhält sich aber der Opticus! und die Sehzellen? Nimmt der Optieus eine Ausnahmestellung ein, oder soll man annehmen, daß auch dieser Nerv nur durch rhythmische Impulse erregt, d. h. erregungs- leitend wird? Ich meine, wir sind gezwungen, diese letztere Annahme zu verfolgen, um sie le zu widerlegen oder zu beweisen. Wenn aber der Optieus sich analog verhält, wie de motorischen Nerven, wenn er dauernde Lichtempfindung nur infolge von rhythmischen Antrieben vermittelt, so muß er normal vom Sinnesepithel in den Fällen rhythmische Antriebe empfangen, wo wir dauernd Hell empfinden. — Die Schwingungen des Lichtes kommen dafür nicht in Betracht; daß sie 4—800 Billionen getrennter chemischer Prozesse aus- lösen sollten, ist ausgeschlossen. Angenommen, es bestände in der Netzhaut keine Einrichtung, um konstantes Licht in intermittierendes umzuwandeln, so würden wir erwarten, daß jede Schwankung der Helligkeit eine momentane Erregung setzt, gleichbleibende Helligkeit dagegen überhaupt nicht erregt! Tatsächlich empfinden wir jedoch Licht von konstanter Helligkeit (wenn auch nicht ohne Einschränkung) dauernd als hell! Das ist aber, wenn die allgemeinen Gesetze der Nervenerregung auch für den Sehnerven gelten, nur möglich, wenn der Nery rhythmische Impulse erhält! Konstantes äußeres Licht kann aber an sich unmöglich rhythmische Impulse erteilen. ! Er würde gelegentlich der direkten Untersuchung zugänglich sein; man würde prüfen können, ob schwächere konstante Ströme den Opticusstumpf nur bei Schluß und Öffnung, oder dauernd erregen, ob nur ein Aufblitzen oder dauernde Helligkeit auftritt. ® 166 FR. KLei: An irgend einer Stelle der Netzhaut und auf irgend eine Weise muß also das an sich nicht erregende ! konstante Licht entweder in eine Reihe einzelner Impulse zerlegt und dadurch wirksam gemacht werden, oder es muß eine Reihe wirksamer Impulse auslösen. Wir haben also nach einer diesem Zweck dienenden Hilfseinrichtung zu suchen: Den Zweck kennen wir, die Einrichtung nicht. Andererseits haben wir durch das Druckphosphen unter abnormen Bedingungen die An- zeichen einer Einrichtung mit unbekanntem Zweck kennen gelernt. — Dies könnte die gesuchte Hilfseinrichtung sein. 5. Die gesuchte Hilfseinrichtung und das Druckphosphen. Aus den allgemeinen Gesetzen der Nervenerregung habe ich die For- derung diskontinuierlicher (rhythmischer) Impulse für den Sehnerven ab- geleitet für den Fall, daß wir Hell empfinden. Da aber auch eleich- mäßige (kontinuierliche) Belichtung als Hell empfunden wird, so führt die erste Forderung zu der zweiten, daß irgendwo in der Netzhaut die kontinuierliche Belichtung in einen intermittierenden Vorgang um- gewandelt wird. Dazu würde ein Hilfsapparat erforderlich sein. Wir wollen jetzt untersuchen, ob die beobachteten Tatsachen sich mit der Annahme decken, daß das Druckphosphen auf einer Tätigkeit dieses gesuchten Apparates beruht Es ist wohl nicht zu bezweifeln, daß wir im Druckphosphen eine an sich normale, aber abnorm gesteigerte Funktion vor uns haben. Keinesfalls aber hat der Druck eine direkte mechanische Wirkung auf die Stäbchen und Zapfen (Reizung oder Lähmung). Je schwächer der Druck, um so weniger dürfte der dadurch ausgelöste Vorgang von dem normalen abweichen. Wir sehen bei leisem Druck einen hellen Fleck auftreten. Also findet unter diesen Bedingungen eine dauernde Erregung des Sehnerven statt, die nur durch immer wiederholte (rhythmische) Antriebe zustande kommt. Wir haben uns also vorzustellen, daß immer, wenn ein helles Druck- phosphen sichtbar ist, irgendwo in der Netzhaut rhythmische, inter- mittierende, Ds ablaufen, deren jeder dem Sinnesepithel direkt oder indirekt einen Anstoß erteilt. Stärkerer Druck gibt einen dunkeln Fleck: Wenn, wie zu ver- muten, dem stärkeren Druck auch die stärkere Zersetzung entspricht, so ı „Nicht erregend“ ist nicht zu verwechseln mit „chemisch unwirksam‘; che- mische Wirkung des Lichtes in den Sehzellen braucht nicht mit Nervenerregung ver- bunden zu sein. Das WEGREIBEN DES DRUCKPHOSPHENS. 167 kann man sich ungezwungen vorstellen, daß eine Reihe durch Pausen ge- trennter Einzelprozesse bei Verstärkung des Druckes, indem jeder derselben verstärkt und verlängert wird, zu einem einzigen lange anhaltenden Prozeß verschmelzen. Ein solcher an Stärke gleichbleibender Prozeß kann aber weder direkt rhythmische Antriebe erteilen, noch auch indirekt durch rhythmische Unter- brechungen kontinuierliches Licht in intermittierendes verwandeln. Darnach würde der dunkle durch stärkeren Druck entstehende Fleck auf dem Mangel jeglicher Erregung (dem Fehlen diskontinuier- licher Prozesse), aber nicht auf dem Fehlen chemischer Prozesse überhaupt beruhen. Schwacher und starker Druck würden nicht zwei qualitativ verschiedene chemische Vorgänge auslösen, sondern einen und denselben. Aber nur, wenn er diskontinuierlich verläuft, würde er physiologisch wirksam sein. Ein Verschmelzen der Einzelprozesse kann aber nur so lange erwartet werden, als ein Vorrat an zersetzbarer Substanz vorhanden ist. Ist dieser aufgebraucht, so kann weiteres Reiben nur die gleichzeitig neu gebildete Substanz zersetzen. Die Einzelprozesse, nun wieder weniger stark, ver- schmelzen nicht mehr, sie verlaufen wieder intermittierend. Damit sind aber die Bedingungen für das Sehen trotz fortgesetzten Reibens wieder vorhanden. Damit ist also bis zu einem gewissen Grade eine Erklärung der hellen und dunkeln Anteile des Druckphosphens, sowie des Wegreibens, durch einen und denselben chemischen Prezeß gegeben. Über diesen Prozeß selbst wissen wir bis jetzt folgendes: Ein (unbekannter) Körper wird unter der Einwirkung des Lichtes sicher neu gebildet, sehr wahrscheinlich auch zersetzt. Die Zersetzung erfolgt sicher auch durch Druck, die Neubildung nicht. Die Neubildung erfolgt sehr langsam auch ohne Licht. Wesentlich ist, daß Neubildung und Zersetzung durch Licht erfolgen. Normal ist die Zersetzung höchst wahrscheinlich diskontinuierlich, unter abnormen Bedingungen auch kontinuierlich. Auf die Sehzellen wirkt nicht die Neubildung, sondern nur die Zer- setzung, und nur, wenn die Zersetzung diskontinuierlich erfolgt, erregt sie den Sehnerven. Auf das Wesen der diskontinuierlichen Zersetzung kann erst eingegangen werden, nachdem ihr Ort in der Netzhaut bestimmt ist. 168 Fr. KLem: 6. Der Ort der Druckwirkung. Als Ort der primären Druckwirkung, d.h. als Träger der Zersetzung, die sekundär zu einer Erregung der Sehzellen führt (wenn sie diskontinuier- lich verläuft), kommen die Sehzellen selbst, das Pigmentepithel und die den Sehzellen vorgelagerten Netzhautschichten in Betracht. Wenn wir nur die Kenntnis des Druckphosphens zugrunde legen, so könnte die in Rede stehende Zersetzung ganz wohl in den Stäbchen und Zapfen selbst vor sich gehen. Aus Untersuchungen, die ich in Kürze ausführlich mitteilen werde !; geht aber überzeugend hervor, daß die Nachbilder auf Prozessen be- ruhen, die nicht in den Stäbchen und Zapfen ablaufen, daß diese Prozesse erst sekundär die Stäbchen und Zapfen erregen und daß diese Erregung nicht durch Nervenleitung erfolgt. Auch für diese Prozesse muß aus theoretischen Gründen ein intermit- tierender Verlauf gefordert werden. Es ist aber kein Grund ersichtlich, die beim Druckphosphen und bei den Nachbildern ablaufenden Prozesse als verschieden anzusehen. Ich nehme deshalb, (indem ich den Beweis dafür hier schuldig bleibe) an, daß die primäre Wirkung des Drucks nicht in den Stäbchen und Zapfen selbst erfolgt. Dann kommt entweder das Pigmentepithel, die einzige hinter den Sehzellen liegende Schicht in Betracht, oder die vor den Sehzellen liegenden Netzhautelemente. Das Pigmentepithel läßt sich ausschließen (vgl. S. 171), so daß der Ort der primären Druckwirkung vor den Stäbchen und Zapfen liegen muß. Hier, in einer oder mehreren der den Sehzellen vorgelagerten Schichten, haben wir also den Hilfsapparat zu suchen, der unser Auge verbessert, in- dem er, als Unterbrecher wirkend, es befähigt, auch gleichbleibende Hellig- keit zu empfinden. ‘. Das Wesen der durch Druck bewirkten Zersetzung. Auf der (noch zu beweisenden) Annahme fußend, daß die primäre Druckwirkung in dem den Sehzellen vorgelagerten Netzhautgebiet statt- findet und daß sie nicht durch Nervenleitung auf die Sehzellen übertragen wird (vgl. oben), fragen wir jetzt, auf welche Weise die sekundäre Wir- kung, die Erregung, zustande kommt. Daß überhaupt eine Zersetzung durch Druck erfolgt, haben wir be- ! „Die deformierenden Größenschwankungen von Nachbildern und Netzhaut- bildern‘; vgl. auch Münchener med. Wochenschrift. 1908. Nr. 34. (Referat.) Das WEGREIBEN DES DRUCKPHOSPHENS. 169 weisen können; daß sie intermittierend sein muß, haben wir aus den all- gemeinen Gesetzen der Nervenerregung geschlossen. ! Aber worin besteht das wirksame Moment? Würde jeder beliebige chemische Prozeß auf die Sehzellen wirken? Das ist wohl nicht anzunehmen. Wir haben im Gegenteil die Vor- stellung, daß jedes Sinnesepithel oder ganz allgemein jedes Organ”? nur auf einen, den adäquaten Reiz reagiert. Dies auf die in Rede stehende Zersetzung angewandt, so müßte sie, um wirksam zu sein, mit Lichtentwicklung verbunden sein. Dies ist das letzte Glied einer Kette, in die kein rein willkürliches Glied eingefügt ist. An sich würde ein solches Leuchten kein Novum darstellen, kennen wir doch Tiefseetiere, deren Augen Leuchtapparate enthalten; (ob sie über- haupt oder ausschließlich die ihnen zugeschriebene Bedeutung haben, nach außen zu leuchten, kann zweifelhaft erscheinen). Man wird aber doch an den Gedanken, daß unsere Netzhaut Licht produziert, mit größter Vorsicht herangehen. Die nächste Frage ist die, ob die am Druckphosphen zu beobach- tenden Erscheinungen sich mit jener Annahme vereinigen lassen. Das helle Phosphen (heller Fleck oder Ring) bietet keine Schwierig- keiten; es ist ohne weiteres, auch für den Fall der Abwesenheit äußeren Lichtes, unter der Annahme verständlich, daß den Sehzellen vorgelagerte Netzhautelemente selbst leuchten; nur müßte das Leuchten intermittierend erfolgen. Nicht so einfach liegt die Frage bei dem dunklen Fleck. Daß er selbst keine Lichtempfindung gibt, weder im Hellen noch im Dunkeln, habe ich mit der Annahme begründet, daß der durch stärkeren Druck hervorgerufene Prozeß kontinuierlich ist. Wohl würde dieser Prozeß, falls er mit Lichtentwicklung einhergeht, auf die Sehzellen eine chemische Wirkung ausüben, aber diese Wirkung würde kontinuierlich sein, wie der Prozeß selbst; die Bedingungen für die physiologische Wirkung, die Erregung des Nerven, wären also nicht erfüllt. Aber der dunkle Fleck gibt nicht nur selbst (im Dunkeln) keine Licht- ! Ein direkter Beweis für ein „Oszillieren des Erregungsvorganges“ läßt sich aus der regelmäßigen Streifung des primären Nachbildes herleiten; vgl. Nagels Handbuch. Bd. III. S. 222 unten; ferner dies Archiv. 1905. Physiol. Abtlg. 8. 178 ff. Seitdem - sind neue Ergebnisse gewonnen, die in einem anderen Zusammenhange demnächst mit- geteilt werden sollen. ® Eine Zelle kann mehrere räumlich getrennte Organe (chemische Werkstätten) haben; vgl. Hofmeister, Die chemische Organisation der Zelle. Braunschweig 1901. Ss. 25 ff. 170 FR. KLEm: empfindung, sondern verhindert auch (im Hellen), daß die Außendinge gesehen werden. Das kann darauf beruhen, daß die geriebene oder gedrückte Netz- hautstelle für die Dauer der Zersetzung (bis zum Verbrauch des Materials) undurchlässig für Licht ist. Wenn es gelingt, andere Möglichkeiten auszuschließen, so ist die Un- durehlässigkeit für Licht eine starke Stütze für die Ansicht, daß der durch Druck hervorgerufene Prozeß selbst mit Lichtent- wicklung einhergeht. Denn jeder leuchtende Körper, einerlei welchen Aggregatzustandes, hat die Eigenschaft, dieselben Strahlen zu absorbieren, die er aussendet. (Das bekannteste Bei- spiel bieten die Fraunhoferschen Linien). — Auf den ersten Blick erscheint es überflüssig, die Undurchlässigkeit des dunkeln Flecks für Lieht noch besonders beweisen zu wollen. Man wird sich aber durch folgende Überlegung leicht vom Gegenteil überzeugen: Belichtung der Sehzellen, auch wenn sie stark ist, ist nicht unter allen Umständen mit Hellempfindung verbunden. Denn wenn jene durclı Druck angeregten in der Norm diskontinuierlichen Prozesse durch stärkeren Druck zu einem einzigen kontinuierlichen Vorgang zusammenfließen (vgl.S.166f.), so fehlt die Vorbedingung der Erregung. Weder kann der kontinuierliche Vorgang den Sehzellen rhythmische Anstöße erteilen, noch auch kann er kontinuierliche Helligkeit in rhythmisch unterbrochene oder wechselnde umwandeln. Nun werde angenommen, jene Prozesse verlaufen ohne Lichtentwick- lung, und die betreffende Netzhautstelle bleibe durchlässig für Licht. Unter diesen Voraussetzungen würden, wenn wir im Tageslicht, also bei gleichbleibender Helligkeit irgendwo das dunkle Druckphosphen erzeugen, die dort befindlichen Sehzellen zwar vom äuberen Licht getroffen, aber nicht erregt werden, denn dieses Licht kann, weil selbst kontinuierlich, nur kon- tinuierliche chemische Vorgänge auslösen, die eben deshalb ungeeignet sind, dem Sehnerven die nötigen rhythmischen Anstöße zu erteilen. Der Fleck ist also dunkel wegen mangelnder Erregung, auch wenn die Sehzellen von außen (kontinuierliches!) Licht erhalten. Mache ich die entgegengesetzte Annahme, daß die Prozesse selbst mit Liehtentwicklung einhergehen und infolgedessen kein (äußeres) Licht durch- lassen, so sind die Bedingungen für die Stäbchen und Zapfen dieselben, wie vorher. Sie erhalten bei stärkerem Druck ebenfalls kontinuierliches (nicht er- regendes) Licht, nur daß es diesmal aus der Netzhaut selbst stammen würde. Die Entscheidung, ob der dunkle Fleck undurchlässig für Licht ist oder nicht, muB also auf andere Weise herbeigeführt werden: Man kann von vornherein intermittierendes Licht ins Auge eintreten lassen. Das WEGREIBEN DES DRUCKPHOSPHENS. 1-71 S. Das Druckphosphen bei intermittierendem Licht. Ich habe mit Hilfe einer mit Ausschnitten versehenen, langsamer oder schneller rotierenden Scheibe intermittierendes Licht hergestellt. Die höchste Zahl der Unterbrechungen betrug mehr als 300 in der Sekunde. (Ich werde bei einer späteren Gelegenheit begründen, daß noch größere Ge- schwindigkeiten keinesfalls in Betracht kommen.) Der dunkle Druckfleck blieb bei jeder Umdrehungsgeschwindigheit dunkel, er erwies sich also für intermittierendes Licht ebenso undurchsichtig, wie für kon- tinuierliches; (solange die Scheibe flimmert, ist die Beobachtung etwas erschwert). Die durch Druck hervorgerufenen Prozesse haben also in der Tat das mit dem Lichte gemein, daß sie für Licht undurchlässig sind.! 9. Ausschluß des Pigmentepithels als Ort der primären Druckwirkung. Der soeben beschriebene Versuch entscheidet auch die Frage, ob für die primäre Druckwirkung das Pigmentepithel in Betracht kommt oder nicht. Das helle Druckphosphen liefert die Entscheidung nicht. Denn angenommen, das Druckphosphen habe nichts mit der geforderten Umwandlung konstanten Lichtes in intermittierendes zu tun, beruhe also auf einem abnormen, nur durch Druck auslösbaren, aber auf die Sehzellen wirkenden Prozeß, so würde das helle Druckphosphen, wie es wirklich tut, das Netzhautbild verschlechtern, einerlei ob es vor oder hinter den Sehzellen entsteht; etwa wie Nebenlicht ein auf Leinwand projiziertes Bild undeut- licher macht, einerlei ob es von vorn oder von hinten kommt. Das dunkle Druckphosphen kann aber nicht im Pigmentepithel seinen Sitz haben: Es wirkt an sich nicht erregend auf die Sehzellen. Es würde den Zutritt äußeren Lichtes zu diesen nicht hindern, wenn es im Pigmentepithel entstände, und es ist nicht einzusehen, wie es in diesem Fall die Erregung durch intermittierendes und deshalb (wie ich annehme) wirksames Licht hindern sollte. 10. Unerledigte Fragen. Betreffs des noch ausstehenden Beweises dafür, daß die durch Druck hervorgerufenen Prozesse nicht in den Stäbehen und Zapfen selbst verlaufen, vgl. S. 1638 und Anm. ! Ich habe schon früher (dies Archiv. 1905. Physiol. Abtlg. S. 150) im Anschluß an die erste Mitteilung über das Wegreiben in wenigen Worten eine Erklärung des dunklen Druckphosphens versucht, die nur teilweise genügt. Manche der vorhandenen Schwierigkeiten habe ich damals nicht erkannt. E72 FR. KLein: DAs WEGREIBEN DES DRUCKPHOSPHENS. Der Unterschied des Druckphosphens im Hellen und im Dunkeln soll in einem anderen Zusammenhange (Theorie der Nachbilder) begründet werden. Eine Untersuchung des Druckphosphens bei farbigem Licht scheint nieht ohne Interesse. Es ist unentschieden, ob die Stäbchen und Zapfen nur unter den beim Druckphosphen vorliegenden Bedingungen oder überhaupt nicht mechanisch reizbar sind.! 11. Schlußbemerkung; Arbeitshypothese. Nachdem die bisherigen Auffassungen, die mit einer primären Zu- standsänderung der Sehzellen (Pressung, Zerrung, Anämie) rechnen, durch die beim Wegreiben gemachten Erfahrungen hinfällig geworden sind, hat die Frage nach dem Wesen der Erscheinung eine erhöhte Bedeutung ge- wonnen. Über die normalen Funktionen eines Organs erhalten wir vielfach wichtige Auskunft durch seine Beobachtung unter abnormen Bedingungen, sei es, daß diese auf Krankheit beruhen, oder im Wege des Experiments hergestellt sind. Als ein solches Experiment ist auch das Druckphosphen aufzufassen. Die Funktion, die es uns enthüllt, dient nach meiner im Vor- stehenden begründeten Auffassung zu einer Verbesserung des Sehvermögens. Ein Nerv bedarf, um erregungsleitend zu werden, rhythmischer An- stöße. Licht von gleichbleibender Stärke kann an sich solche Anstöße nicht erteilen. Es löst aber in dem den Sehzellen vorgelagerten Netzhaut- gebiet intermittierende Vorgänge aus, welche bei geeigneter Stärke das Licht absorbieren, in den Pausen aber durchlassen, und so das „gleichhelle“ Licht in „wechselhelles“ verwandeln. Theorie und Beobachtung würden mit der Annahme stimmen, daß jene Prozesse selbst mit Lichtentwicklung einhergehen. (Sie haben mit dem Lichte das gemein, daß sie für sich allein die Sehzellen erregen können und daß sie Licht absorbieren.) Das Druckphosphen bietet zu einer eingehenderen Prüfung der hier skizzierten „Arbeitshypothese‘ keine Gelegenheit; ich verweise dieserhalb auf die demnächst folgenden Abhandlungen.? ! Eine geringe Aussicht, die Frage zu lösen, scheint die Verwendung von Stimm- gabeln zu eröffnen. Wenn deren Stöße, was wenig wahrscheinlich ist, sich durch die Sklera getrennt auf die Sehzellen übertragen lassen, so würde bei passendem Tempo nach dem Wegreiben des Druckphosphens im Dunkeln die Empfindung Hell auftreten, falls die Sehzellen direkt mechanisch reizbar sind, andernfalls nicht. ? Vgl. Referat in der Münchener med. Wochenschrift. 1908. Nr. 34. („Die Be- deutung der den Stäbchen und Zapfen vorgelagerten Netzhautschichten für das Sehen und die Rolle des Pigmentepithels.‘“) Über die Abhängigkeit des Wachstums der Fliegenlarven von Bakterien und Fermenten und über Variabilität und Vererbung bei den Fleischfliegen. Von E. A. Bogdanow, Dozent am Moskauer Landwirtschaftlichen Institute, (Hierzu Taf. XII u. XIII.) Während meiner Untersuchungen über die Fettbildung aus Eiweiß! habe ich Gelegenheit gehabt, manche Studien über Biologie und Physiologie der Ernährung der Fleischfliege (Calliphora vomitoria) zu machen, weil eben die Larve dieser Fliege ein klassisches Objekt zum Studium obengenannter Frage darstellt. Einiges darüber habe ich schon einmal kürzlich zusammen- gefaßt”, indem ich ganz besonders die Methodik der Züchtung der Larven in sterilen Nährsubstanzen und teilweise auch die wichtigsten Tatsachen, welche die Notwendigkeit der Bakterien für die ungestörte Larvenentwick- lung beweisen sollen, beschrieben habe. In den letzten zwei Jahren habe ich die Möglichkeit gehabt, die besonders interessanten und wichtigen Erschei- nungen eingehender zu untersuchen und außerdem meine Beobachtungen über die Variationsfähigkeit derselben Fliege zu Ende zu führen. Da es mir schon seit 1898 klar geworden ist, daß das Züchten der Fliegenlarven, wenn man eine größere Menge normaler Fliegen bekommen will, keineswegs leicht ist, so fange ich mit diesbezüglichen Angaben an. ! E. Bogdanow, Zur Frage über Fettproduktion aus Eiweiß (und zugleich über die Methodik der Fettbestimmung). Journal für Landwirtschaft. 1908. ® E. Bogdanow, Über das Züchten der gewöhnlichen Fleischfliege (Calliphora vomitoria) in sterilisierten Nährmitteln. Archiv für die gesamte Physiologie. 1906. 174 E. A. Bospanow: 1. Methode der Fliegenzüchtung in normalen Verhältnissen. Man bekommt am leichtesten eine beliebig große Menge Eier der Fleischfliege, wenn man ungefähr 50 bis 60 Fliegen fängt und einige Zeit in größeren Gazebehältern! mit Zucker in kleinen Stückchen und mit Milch (oder Wasser) füttert. Damit die Fliegen in der letzteren Flüssigkeit nicht untersinken können, habe ich Milch entweder in dünner Schicht auf kleine Glasplatten oder in kleine Teller mit etwas Baumwolle gegossen. Wenn man in solche Gazebehälter Gläser mit frischem Fleische stellt, so bekommt man bald darauf Hunderte von Eier von genau bekannter Abstammung. Eine etwas weniger zuverlässige Methode besteht einfach darin, daß man gewöhnliche Glasgläser, welche frische Fleischstücke enthalten, mit Eisen- draht teilweise bedeckt (um das Herausnehmen des Inhaltes den Katzen zu erschweren) und an Baumästen neben dem Hause und womöglich im Schatten aufhängt. Es ist bekannt, daß verhältnismäßig wenige Fliegenarten ihre Eier neben unseren Wohnungen in frisches Fleisch ablegen können; ich habe wenigstens neben unserem Laboratorium fast ausschließlich Calliphora Eier ablegen gesehen — nur sehr selten habe ich auch Lucilialarven ge- züchtet und außerdem einige Larven von Sarcophaga carnaria, welche be- kanntlich lebendgebärend ist. Es scheint. aber, daß die Eier, welche man von freilebenden Fliegen bekommt, viel seltener steril sind, was aus den Ernährungsverhältnissen ziemlich leicht zu erklären wäre. Dieser Punkt muß aber eingehender studiert werden, als ich es bis jetzt machen konnte. Gesetzt nun, wir wollen fast aus jeder jungen Larve einmal die Fliege bekommen. Es wäre in solchem Falle vollständig verkehrt, das Fleisch mit den Eiern in ein mit Glasplatte bedecktes Glas zu legen; damit die Larven sich ungestört entwickeln können (worüber unten eingehender ver- handelt wird), darf man ihnen keineswegs faules Fleisch als Nahrung bieten — ihre Nahrung muß ganz bestimmte und ziemlich einfach zusammen- gesetzte Bakterienflora enthalten, welcher freier Luftzutritt notwendig ist. Man lege darum ein größeres Stück Fleisch mit den Eiern in eine gewöhn- liche Porzellanschale und lasse sie entweder offen oder bedecke sie nach ! Solche Gazebehälter kann man sehr leicht und meist in nur 30 bis 40 Minuten herstellen, wenn man eine größere Pappschachtel nimmt, in drei Seiten größere Fenster herausschneidet und den Rest mit Leim bestreicht — es genügt dann, ein passendes Stück Gaze darauf zu legen, um einen genügend hellen Raum zu bekommen. Auch in der vierten Seite habe ich gewöhnlich eine viereckige Offnung ausgeschnitten; wenn man ein Stück Papier darauf legt und mit Reißbrettstiften befestigt, so bekommt man eine bequeme Tür, um verschiedene Gläser und Nahrungsbehälter ungestört hineinzu- stellen und herauszunehmen. WACHSTUM DER FLIEGENLARVEN. 175 einiger Zeit mit einem Stückchen Tuch; mit feinen Stricken kann das letztere in der Weise an die Porzellanschale gebunden werden, daß die Larven nicht entfliehen können. Im den ersten Tagen versuchen sie es übrigens nicht (wenn alles in beschriebener Weise in Ordnung gehalten wird), doch stellt sich bei ihnen später (ungefähr nach einer Woche) fast unüberwindliche Wanderlust ein, sie sammeln sich in großer Menge oben am Schalenrande, nehmen keine Nahrung zu sich und würden jedenfalls entfliehen, wenn irgendwo eine kleine Spalte vorhanden ist. Man kann sie in dieser Zeit in verschiedener Weise beruhigen; man nimmt sie z. B. aus der Porzellanschale heraus und lest sie in ein großes Glas, wo in genügender Menge gesiebte reine Erde vorhanden ist — sie kriechen sofort oder bald in dieselbe ein und bleiben einige Zeit in Ruhe, ehe sie zu Puppen werden. Erde kann man mit einem etwas feuchten Baumwollelappen ersetzen; ich habe aber diese Methode nur beim Züchten einer kleinen Anzahl Larven angewandt. Das Glas kann mit einer Glasplatte oder mit einem Tuchstückchen bedeckt werden — beides steht offen, nach Belieben. Wo es darauf an- kommt, keine anderen Fliegen als zufällige Gäste zu bekommen, muß man die Glasplatte mit Hilfe von Gipsbrei überall mit dem Glase vereinigen, damit keine Spalten offen bleiben. Sonst kommt es öfters vor, daß einige Fliegenarten ihre Eier entweder am Glasrande ablegen, wo irgendeine kleine Spalte vorhanden ist, oder sie sogar in solche Spalten glücklich ein- schieben. Ich erinnere mich oft, wie ich ehemals in meinen Studienzeiten erstaunt war, als ich in einigen geschlossenen Gläsern eine fremde Fliegenart entdeckte. Wie man sieht, konnte der bekannte Versuch des berühmten Redi sehr leicht ganz entgegengesetzte Folgerungen gestatten und den Glauben an freie Neubildung von höheren Lebewesen aus den faulen Substanzen für einige Zeit bestärken. Sonst ist es sehr bequem, sich einen Kasten aus Holz und Glas konstruieren zu lassen und ihn innen und außen mit Vaselin zu bestreichen — in ihm können unsere Gläser sogar vor Staub und Bakterien vorzüglich geschützt werden.! Das Übertragen der Larven in ein großes Glas kann auch unterlassen werden in dem Falle, wenn man das Fleisch aus der Porzellanschale herausnimmt und etwas Erde hineinschüttet. Nach der beschriebenen Methode konnte ich zu jeder Zeit Hunderte von wohlgenährten Fliegen bekommen. Früher aber, als ich die Larven in verschlossenen Gläsern zu züchten versuchte, hatte ich öfters Unglück damit und bekam keine Fliegen oder nur unten beschriebene Hungerformen. ! Diese letztere Methode wurde von mir bei allen wichtigen Versuchen an- gewandt. 176 E. A. BoGDAnow: 2. Ob die Sterilisation der Fliegeneier möglich ist? Da ich die Absicht hatte, die bekannten Untersuchungen von F. Hof- mann über die Fettbildung bei Fliegenlarven! zu wiederholen, habe ich nach langen und mühsamen Vorprüfungen die Methode gefunden?, welche es wohl gestattet, vollständig von den von außen anhaftenden Bakterien befreite Eier zu bekommen und sie in steriler Nahrung zu züchten.? Die Aufgabe war aber damit keineswegs gelöst. Es hat sich zunächst herausgestellt, daß normale Calliphoraeier keineswegs immer steril sind; bei meinen Fütterungsversuchen, bei denen gewöhnlich 70 bis 100 Eier in einem Glase vereinigt waren, habe ich fast jedesmal in den Nahrungsresten Bakterien (nämlich Mikrokokken, s. unten) entdeckt, nur einmal bis 1906 habe ich einige vollständig sterile Larven bekommen. Lange Zeit versuchte ich diese Tatsache eher durch irgendwelche (allerdings unbekannte) Fehler der Methode, als durch Ansteckung der Fliegeneier mit bestimmten Bak- terien zu erklären. Als ich aber mehrmals aus den Exkrementen der soeben aus den sterilisierten Eiern ausgeschlüpften und von außen vollständig sterilen Larven ebenfalls ähnliche Mikrokokken gezüchtet habe (Figg. 1, 2, 3, Taf. XII u. XIII), war es für mich außer jeden Zweifel gestellt, daß wir es in diesem Falle mit einer solchen Erscheinung zu tun hatten. Die Sache schien zuerst so befremdend, daß ich meine ersten Beobachtungen darüber im Bakteriologischen Laboratorium unseres Instituts unter der Kontrolle des Hrn. Dr. J. Nikitinsky ausgeführt habe. Wir haben zusammen die Entwicklung der sterilisierten Eier auf Nährgelatine in den Petrischen Schalen beobachtet (Agar-Agar ist noch besser dazu geeignet); die Exkre- mente der auskriechenden Larven enthielten reine Kultur der Mikrokokken. Im Jahre 1907 untersuchte ich genauer, ob vollständig sterile Eier- massen öfters vorkommen und welchen Prozentsatz die mit Bakterien ver- sehenen Eier ausmachen. In den Jahren 1902 bis 1905 war unter 40 bis 50 Kulturen nur eine vollständig steril, was von Dr. J. Nikitinsky in 1 Zeitschrift für Biologie. 1872. ° Die von mir dabei angewandte Methode wurde von mir schon am zitierten Orte ausführlich beschrieben. Sie besteht darin, daß man 70 bis 100 Eier in einem besonders dazu konstruierten Apparate mit Sublimatlösung (5:1000; zweimal je 1'/, Minuten) sterilisiert, mit destilliertem und sterilisiertem Wasser gut auswäscht und in sterilisierte Reagenzgläser, wo passende Nahrung vorhanden ist, rasch überträgt. Um diese Sterili- sierung bequemer zu machen, habe ich die Eier mit Glaswolle zusammen sterilisiert, indem ich aus ihr zunächst durch Übergießen mit Wasser eine Platte und dann ein Röhrchen herstellte (s. Fig. 4, Taf. XIII). Das Übertragen der Glaswolle mit den Eiern in die Nahrung geschah gewöhnlich in dem vorher erwähnten, speziell dazu konstruierten Kasten, welcher außen und innen mit Vaseline bestrichen war. ® Siehe meine oben genannte Arbeit. WACHSTUM DER FLIEGENLARVEN. 17 unserem Bakteriologischen Institute außer jeden Zweifel gestellt wurde (ich habe dieses schon früher erwähnt); es entwickelten sich aber damals nur wenige Larven in dem Reagenzglase und es war noch darüber Zweifel vor- handen, ob jemals die ganze von der Fliege abgelegten Eiermasse steril sein kann. Im Jahre 1907 habe ich sterile Eier etwas öfter gesehen und einmal sogar alle genommenen 100 Eier, welche etwa !/, einer und derselben Eier- masse ausmachten, vollkommen steril gefunden. Im ganzen habe ich bis zum Jahre 1908 dreimal solche von Mikrokokken freie Eiermassen gesehen. Zweimal untersuchte ich weiter, ob alle Eier mit Mikrokokken versehen sind in dem Falle, wenn die Exkremente der von außen sterilen Larven, welche aus derselben Eiermasse stammen, solche Mikrokokken in reiner Kultur enthalten. Das war in folgender einfacher Weise ausgeführt. Ich sterili- sierte 100 bis 200 Eier in gewöhnlicher Weise, übertrug sie unter ein- fachen Vorsichtsmaßnahmen in eine sterilisierte Petrische Schale und legte dann 15 bis 20 von ihnen einzeln mit reiner und jedesmal vorher in der Gasflamme sterilisierter Pinzette in ebenfalls sterilisierte Reagenzgläser mit Nährgelatine oder Agar-Agar. Ungefähr !/, der auskriechenden Larven war mit Mikrokokken versehen. Erster Versuch. Juni. 14 Eier genommen, 5 mit Mikrokokken versehen gefunden oder 35-7 Proz. Zweiter Versuch. August. 19 Eier genommen, 7 mit Mikrokokken versehen gefunden oder 36-8 Proz. Im Durchschnitt machen mit Mikrokokken versehene Larven 36-25 Prozent aus. Es ist viel schwieriger Mikrokokkenkulturen aus sterilen Eiern zu be- kommen, welche mit sterilisierten Pinzetten gequetscht wurden. 14 von derselben Fliege in derselben Zeit abgelegte Eier, wie im ersten Versuch im Juni, haben sich vollkommen steril erwiesen, obgleich das Quetschen der Eier keineswegs leicht ist und verhältnismäßig sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Nach mehreren vergeblichen Versuchen gelang es mir endlich, auch aus solchen Eiern Mikrokokkenkulturen in folgender Anzahl zu bekommen: 12 Eier genommen (von derselben Fliege in derselben Zeit abgelegt wie im oben erwähnten Versuch im August); 4 mit Mikrokokken versehen gefunden, oder 33-33 Prozent. Es scheint, daß in den Eiern gewisse Stoffe vorhanden sind, welche die Entwicklung der Mikrokokken hemmen, was sehr zweckmäßig wäre, um alle Störungen, welche für die Eierentwicklung von Mikrokokken verursacht werden können, fernzuhalten. Archiv f, A. u. Ph. 1908. Physiol. Abtlg. Suppl. 12 178 E. A. BoGDAanow. Es geht aus dem Gesagten deutlich hervor, daß man sich ohne be- sonderer Mühe vollständig sterile Calliphoralarven verschaffen kann. Es ist auch möglich, daß sogar sterile Calliphorarasse speziell für physio- logische Versuche herausgezüchtet werden kann. In der Tat habe ich im Jahre 1908 vorzügliche Resultate bei folgender Anordnung der Versuche bekommen. Die sterilisierten Eier legte ich ein- zeln in kleine Reagenzgläser mit sterilisierter Nährgelatine und ließ sie 5 bis 6 Tage in Ruhe. Die vollständig sterilen und gleich großen Larven wurden dann unter gewöhnlichen Vorsichtsmaßregeln auf Platindraht in andere Reagerzgläser (welche Nahrung enthielten) übertragen. Welcher Art ist nun der sonderbare Mikroorganismus, welcher in den normalen Callipboraeiern so oft enthalten ist? Zusammen mit Dr. J. Nikitinsky habe ich im Jahre 1905, wie ge- sagt, Mikrokokken und zuweilen Diplokokken bei Zimmertemperatur gesehen und in Präparaten zum gleichen Vergleiche aufbewahrt. Bei meinen späteren Untersuchungen (1908) enthielten die Larven- exkremente auf Nährgelatine bloß Kokken, aber aus den Resten der Larven- nahrung erhielt ich außerdem zuweilen kleine Ketten, deren Glieder eben- falls fast kugelig waren. Im Jahre 1907 hat Dr. L. Budinow! eine von meinen Kulturen be- sonders genau untersucht; nämlich eine von jenen, welche ich im Anfang Juni während meiner Beobachtungen über den Prozent der mit Mikro- kokken versehenen Eier bekommen habe; diese Kultur erwies sich wie ge- wöhnlich als rein. Bis jetzt konnte man aber nicht mit Sicherheit fest- stellen, ob dieser Mikroorganismus spezifisch ist oder nicht. In Nährbouillon und auf Agar-agar (bei 30°) fand Dr. Budinow hauptsächlich kurze Stäbchen, welche mit Bacillus acidi lactiei große Ähn- lichkeit hatten, aber auch Ketten, deren Glieder fast kugelförmig aussahen; auf Kartoffeln entwickelten sich sogar mittelgroße feine Stäbchen mit stumpfen Enden. Milch wurde von genannten „Stäbchen“ nach 3 Tagen bei 30° dem äußeren Anscheine nach nicht verändert, sie war aber schwach sauer. Gelatine ward nicht verflüssigt, was auch ich bei meinen „Mikrokokken“kulturen niemals beobachten konnte. Diese Tatsachen sind kaum anders zu deuten als in dem Sinne, daß der betreffende Mikroorganismus bis zu einem gewissen Grade variabel ist und in allen Formen von Mikrokokken und Ketten bis zu mittelgroßen Stäbchen erhalten werden kann, was übrigens keine seltene Erscheinung ist. Nach der Messung des gefärbten Präparates war dieser Mikrokokk 0,6 bis 1 u groß. ! Bakteriologisch-Agronomisches Laboratorium der K. Akklimatisationsgesellschaft, Moskau. WACHSTUM DER FLIEGENLARVEN. 179 Früher habe ich geglaubt, daß diese Mikrokokken eine große Rolle beim Larven-Stoffwechsel spielen könnten, es stellte sich aber im Jahre 1908 heraus, daß vollständig sterile Calliphoralarven sich ganz gut ohne sie ent- wickeln, wenn die andere, später genannte gelatineverflüssigende Bak- terienart in ihre Nahrung künstlich geimpft wird. Eine von diesen Larven wurde z.B. am 21. Juni im Ei sterilisiert und blieb bis zum 24. Juni auf Nährgelatine (welche länger aufbewahrt und nach genauer Untersuchung steril gefunden). Am genannten Tage übertrug ich sie in sterilisiertes Fleisch und machte die nötige Impfung. Am 5. Juli erreichte die Larve schon die maximale Länge und nahm keine Nahrung zu sich; am nächsten Tage wurde sie in Baumwolle übertragen, und um 20. Juli habe ich schön ausgebildete Calliphoraweibchen aus der Puppe bekommen. Solche Ver- suche habe ich viermal wiederholt. Außerdem habe ich kein einziges Mal beobachten können, daß die mit Mikrokokken versehenen Larven irgendwie besser entwickelt aussahen, als die anderen gleichen Alters. 3. Sind die sterilen Calliphoralarven entwicklungsfähig? Aus vielen Dutzend von Züchtungsversuchen habe ich schon im Jahre 1905 den Schluß gezogen, daß solche Larven, welche vollkommen steril oder nur mit „Mikrokokken“ versehen sind, sich im sterilisierten Fleische sehr langsam und niemals bis zur vollen Größe entwickeln; meistens erreichen sie nur ungefähr 0.9” Länge und 0.16 = Breite, sehen mager und ziemlich durchsichtig aus, später hören sie auf zu fressen und sterben. (Die Sterilisation der Nahrung wurde gewöhnlich im Auto- klav bei zwei Atmosphären Druck zweimal je 25 Minuten, aber auch im Kochschen Apparate ausgeführt.) Bei den meisten von diesen Züchtungsversuchen bis zum Jahre 1908 war zu dem Fleische vor der Sterilisation eine geringe Quantität Ammoniak hinzugefügt (für ungefähr 12 == Fleisch — 5 *® ca. 1 prozentiger Lösung und außerdem 2 bis 3 Tropfen der 20 prozentigen Lösung) und zwar aus dem Grunde, weil ich empirisch gefunden habe, daß solcher Zusatz keines- falls schädlich, eher günstig sein kann.! Ausführlichere Beobachtungen darüber, ob der Amınoniakzusatz zu dem Fleische wirklich nötig ist, konnte ich erst im Jahre 1908 machen. Die ! Im Jahre 1902 beobachtete ich außerdem, daß sterilisierte, aber in unsterilisierter Albumosenlösung (,„Pepton“ nach Adamkiewicz) gezüchtete Larven überhaupt nicht wachsen wollen; wenn man aber etwas Ammoniak hinzufügt, so geht ihre Entwicklung eine Zeit lang ziemlich gut vonstatten. — Vergleichende Versuche mit NaOH- Zusatz zu dem Fleische haben keine günstigeren, aber auch keine schlechteren Resultate geliefert. 122 150 de ar BOGDANow: sterilisierten Calliphoraeier wurden einzeln nacheinander in kleine Reagenz- gläser mit Nährgelatine gelegt und einige Zeit in Ruhe gelassen, um voll- ständig sterile und mit ähnlicher Wachstumsenergie versehene Larven aus- zuwählen; später wurden sie auf dem Platindrahte in neue Reagenzgläser, welche Nahrung enthielten, übertragen. In einigen Fällen wurde ihnen einfach sterilisiertes Fleisch, in anderen Fleisch mit Ammoniakzusatz ge- boten und überall wurde jene Bakterienart, welche für die schnelle und gute Larvenentwieklung nötig ist, geimpft. In solchen Fällen wenigstens konnte ich keinen günstigen Einfluß des Ammoniakzusatzes konstatieren; aber auch im einfach sterilisierten Fleische (ohne Impfung) entwickelten sich die Larven in derselben Zeit zuweilen nicht schlechter, als im Fleische mit Ammoniak (ebenfalls ohne Impfung). Ich muß also jetzt annehmen, daß der Ammoniakzusatz keinesfalls so dringend nötig ist, wie ich früher geglaubt habe; ob hier die individuellen Eigenschaften der Larven oder indirekter Einfluß des Ammoniaks! von ent- scheidender Bedeutung ist, konnte ich noch nicht konstatieren. Eine schäd- liche Wirkung besitzt aber Ammoniakzusatz auch nicht. Der genaue Vergleich der Entwicklungsgeschwindigkeit und maximaler Larvengröße bei verschiedenen Ernährungsbedingungen wird aber von einer merkwürdigen und wichtigen Erscheinung erschwert; es spielt dabei die Individualität eine nicht zu unterschätzende Rolle. Man beobachtet das am leichtesten, wenn man sterile Eier in sterili- sierte Reagenzgläser mit Nährgelatine oder Agar-agar einzeln hineinlegt und sich selbst überläßt. Die meisten von ihnen sterben, wenn sie die Länge von ungefähr 0-3 °® erreichen; es gibt aber immer eine gewisse Quantität (z. B. 15 auf 100), welche in denselben Bedingungen 0-4 ® lang sein können, und einige (1 oder 2), welche sogar 0-7 bis 0-8 ©® groß werden. Analoge Erscheinungen kann man übrigens fast in jeder normal sich ent- wickelnden Eiermenge beobachten; nur die Zahl der Eier muß genügend groß sein (100 bis 200). Ich habe einmal eine Larve 0-5 ““ lang (und entsprechend dick) gefunden; in derselben Zeit waren 3 nur 0-35 bis 0.4 «m ang und alle übrigen erreichten nur die Länge von ungefähr 0-3 ., Nach einem Tage waren die größeren Larven mehr als 1 °® lang, während die meisten 0.4 m, höchstens 0-6 ® Jang waren. Solche Differenzen konnte ich bei meinen Untersuchungen durch verschiedene Reife der ab- gelegten Eier nicht erklären. Einen ganz besonders bemerkenswerten Fall habe ich schon früher beschrieben: im sterilisierten Kasein konnte näm- lich nur eine aus hundert Larven groß gezogen werden, weil alle sehr bald starben, diese wurde aber ganz besonders groß und fett. ! Indem er z. B. die physikalischen Eigenschaften des Fleisches ändert, was nicht immer nötig sein kann usw. WACHSTUM DER FLIEGENLARVEN. 181 Es spielt zuweilen dabei noch diejenige Erscheinung eine gewisse Rolle, daß die stärkeren Larven die kleineren fressen können. Die individuellen Verschiedenheiten der Larven kann man sehr deutlich konstatieren, wenn man sie in ungünstigen Existenzbedingungen wachsen läßt; nach einiger Zeit zeichnen sich jene Konstitutionsformen, die für gegebene Verhältnisse besonders günstig sind, durch besseres Wachstum der betreffenden Larven aus. Ich legte z. B. am 29. Juli 1908 100 sterilisierte Calliphoraeier in sterilisiertes Fleisch, doch wurde das letzte zufällig durch eine nicht näher bestimmte Bakterienart angesteckt, was diesmal für die Larvenentwicklung ‚keineswegs günstig war. Am 3. August wurden gleichzeitig Larven folgender Länge gefunden: von 1-3 bis 0.4 m! Am 5. August wurden noch größere Längenverschiedenheiten konstatiert (2.4 =, 1.2 m, 0.7 m 0.6 und 0.4 =, Einige Larven können also in denselben Entwicklungsbedin- gungen 5 bis 6 mal länger sein, als die anderen desselben Alters. Man kann außerdem in sehr einfacher Weise beweisen, daß diejenigen Larven, welche längere Zeit irgendwelche ihnen wenig zuträgliche Nahrung bekommen haben, die Fähigkeit ihre normale Nahrung gut auszunutzen verlieren und wiederum in verschiedenem Grade, je nach der Individualität. Ich füge einige solche Beobachtungen hinzu. Am 8. Juli sterilisierte ich eine Anzahl Eier und legte sie einzeln in Reagenzgläser mit Nährgelatine; diese letztere wurde bald überall flüssig, weil die Larven tryptisches Fer- ment ausschieden (s. unten). Bis zum 19. Juli schwammen die Larven sehr geschickt in der Flüssigkeit und waren ziemlich munter. Am 19. Juli legte ich sie in ein kleines Gefäß mit nicht sterilisiertem Fleische und goß außerdem die verflüssigte Gelatine hinzu, um einen schroffen Nahrungswechsel zu vermeiden. Trotzdem starben viele Larven schon am nächsten Tage. Am 21. Juli habe ich die Fleischreste durch neue Fleischstücke ersetzt — auch starben einige Larven. Die anderen Larven fraßen das Fleisch ziemlich diesmal gut, doch wuchsen siesehr ungleichmäßig: einige erreichten am 26. Juli schon die Länge von 2 ®, die anderen aber nur 1-3 ® und sogar 0-8“. In der Periode zwischen 26. Juli und 4. August starben wiederum ziemlich viele und zwar aus der Zahl schlechter wachsender Larven und nur wenige erreichten die normale Ausbildung der erwachsenen Larve. Es wäre sehr interessant, chemisch und morphologisch zu untersuchen, worin eigentlich dieser Mangel an Lebenskraft bei jungen Larven, welche längere Zeit keine passende Nahrung bekommen haben, besteht. Versuche solcher Art wiederholte ich noch später einige Male. Eine Larve blieb in der durch Bakterien verflüssigten Gelatine vom 21. Juni bis 5. Juli ı Es versteht sich von selbst, daß diese Zahlen nur annähernd richtig sind; die Larven können mehr oder weniger genau nur am Ende des Versuches im toten Zustande gemessen werden. 182 E. A. BoapAnow: und erreichte dabei für solche Nahrung nicht ganz gewöhnliche Länge von 0.6 °®, doch war sie mager und schlank. Am 5. Juli übertrug ich sie in Fleisch, am 7. Juli hörte sie auf zu fressen, obgleich sie fast gar nicht zugenommen hatte und war am 8. Juli schon tot. Ich kehre jetzt wieder zu der Frage zurück, ob die Calliphoralarven sich gut in sterilisiertem Fleische entwickeln können. Ich habe bis jetzt schon mehrere Dutzend Versuche angestellt, um die Entwicklung der Larven im sterilisierten Fleische mit und ohne Mikro- kokken zu studieren. Kein einziges Mal bis zum Jahre 1908 konnte ich in solchen Bedingungen gute Entwicklung der Larven beobachten: sie wuchsen außerordentlich langsam und erreichten nicht die Länge und das Gewicht der erwachsenen Larve. Etwas andere Resultate habe ich im Juli 1908 erhalten, als ich die vollständig sterilen Larven einzeln oder je zwei aus der Nährgelatine in sterilisiertes Fleisch übertrug. Ihr Wachstum war zwar langsamer als bei normalen Bedingungen, einige von ihnen (8) er- reichten aber doch das volle Gewicht und die normale Länge der gut er- nährten und zur Verpuppung bereiten Larve. Ich fing die Beobachtung am 15. Juli an, am 20. Juli erreichten einige Larven schon die Länge von 1-1 °® (die anderen waren nicht länger, als 0.6 °®). Am 26. Juli war eine Larve schon 1-9 ® Jang und konnte vollständig erwachsen genannt werden, die anderen waren etwas kleiner. Am 4. August fand ich schon eine Puppe, am 7. August eine andere; am 20. August fand ich schon eine ziemlich gut ausgebildete Fliege. Die Kontrollimpfungen haben gezeigt, daß die Kulturen vollständig steril geblieben sind. Die beschriebene Aus- nahme ist nur scheinbar und gibt meiner Meinung nach einigen Aufschluß über die Existenzbedingungen der Larve. Gerade in derselben Zeit habe ich einige Beobachtungen gemacht, welche kaum anders gedeutet werden können, als in dem Sinne, daß diese Larven besonders viel oder be- sonders energisches tryptisches Ferment ausschieden. Bis zum Jahre 1908 beobachtete ich nämlich schon viele Male die Entwicklung der sterilisierten Larven auf Nährgelatine, doch niemals habe ich bemerkt, daß die letztere schnell und bedeutend verflüssiet wird. Zum ersten Male konstatierte ich dieses und zwar einige Male nacheinander gerade im Juli 1908. Diese Erscheinung kann damit zusammenhängen, daß die Fliegen, welche mir solehe Eier lieferten, ausnahmsweise gut ernährt wurden (bekamen längere Zeit frische Milch und Zucker; ich erhielt wenigstens sofort normale Eier, als ich die Fliegen teilweise durch neue ersetzte und ihnen nur Wasser und Zucker als Nahrung bot. Natürlich konstatierte ich ganz genau, daß die verflüssigte Gelatine absolut keine Bakterien enthielt. Man kann also vermuten, daß nur solche Larven sich ziemlich gut in sterilisierttem Fleische entwickeln können, welche energisches tryptisches WACHSTUM DER FLIEGENLARVEN. 183 Ferment ausscheiden. Sogar unter solchen Larven, welche die Nährgelatine ziemlich gut und schneil verflüssigen, sind viele vorhanden, die im sterili- sierten Fleische gewöhnliche Länge und Ausbildung der erwachsenen Larve trotzdem nicht erreichen können. Am 27. Juli legte ich sterile Larven solcher Art teilweise in sterilisiertes Fleisch, teilweise in Fleisch, welches später genannte besonders gut wirkende Bakterienart enthielt. Am 1. August erreichten die Larven in letzterem Falle schon die Länge von 1.3. bis 2 ®; die Länge der anderen war aber nur 0-4 bis 1®. Am 7. August waren die erstgenannten Larven schon 2.1 °“ lang, und ver- 'puppten sich bald, die anderen aber waren nicht länger als 1-3 °= oder wuchsen überhaupt nicht mehr. Die sterilisierten Larven sind also nur bis zu einem ge- wissen Grade im sterilen Fleische entwicklungsfähig; normale Größe (geschweige denn normale Entwicklungsgeschwindigkeit) erreichen sie gewöhnlich nicht. 4. Eine gelatineverflüssigende Bakterienart ist für normale Entwicklung der Calliphoralarven nötig. Schon früher, nämlich im Jahre 1905, habe ich die wichtige Beobach- tung gemacht, daß ungenügend sterilisiertes Fleisch, in welchem außer den „Mikrokokken“ noch eine und zwar gelatineverflüssigende Bakterienart entdeckt wurde, für die Entwicklung der Larven besonders geeignet war: die Larven wurden viel schneller als gewöhnlich groß und fühlten sich alle mehr oder weniger gut; sogar zwei Puppen erhielt ich, aber keine normalen, sondern „längliche“, welche ich später beschreiben werde. Vollständig gut entwickelte Larven habe ich damals nicht züchten können. Auch bei gröberen Vorversuchen wurden ähnliche Beobachtungen ge- macht: jede Erneuerung der Nahrung war z. B. den Larven im Anfang stets unangenehm (sie gingen aus dem Fleische! heraus und sammelten sich längere Zeit oben am Glase). Gekochtes oder gebratenes Fleisch fraßen sie überhaupt viel weniger gern, als rohes usw. Im Jahre 1907 konnte ich viel genauere eepeendneen anstellen, in- dem auch diesmal der glückliche Zufall eine gewisse Rolle spielte. Am 22. Juli wurde eine gewisse Menge Eier in zwei Portionen geteilt und sterili- siert, um weiter in denselben Bedingungen steril gezüchtet zu werden (es handelte sich diesmal darum, ob Ammoniak durch Ätznatron ersetzt werden könnte). Eine von diesen Kulturen fiel schon nach einem Tage durch aus- gezeichnetes Wachstum ins Auge. Nach wenigen Tagen waren die Larven ı Welches in diesem Falle gehackt und gebraten war. 184 E. A. Bo6DAanow: groß, fett und wunderbar energisch — man konnte sogar beim Vergleiche mit den in normalen Bedingungen sich entwickelnden Kulturen keinen Unterschied feststellen. Die andere Larvenportion entwickelte sich wie gewöhnlich sehr langsam. Ich vermutete sofort, daß die erste Kultur durch irgendwelche Bakterien zufällig angesteckt worden war, das war auch wirk- lich der Fall; die andere Kultur erwies sich vollkommen steril — so- gar Mikrokokken entwickelten sich nicht. Die treu nach den Präparaten gemachten Abbildungen zeigen deutlich, wie kollosal die Unterschiede zwischen sterilen und angesteckten Larven — desselben Ursprungs und Alters — sind. (8. Fig.5 und 6, Taf. XIII.) Noch genauere Resultate habe ich im Jahre 1908 bekommen. Zunächst hatte ich die Absicht, jene Bakterienform, welche für die gute Larvenentwicklung im Fleische nötig ist, näher zu bestimmen. Zu diesem Zwecke erhielt ich von der Bakteriologisch - Agronomischen Station der K. Akklimatisations-Gesellschaft (dank der Liebenswürdigkeit des Herrn Dr. L. Budinow) reine Kulturen einiger oft vorkommenden und gelatine- verflüssigenden Bakterien nämlich: 1. Bacillus megatherium De Bary. . Bacillus subtilis Ehrenberg. . Bacillus mesentericus vulgatus Flügge. . Bacillus mycoides Flügge. . Eine Bakterienart mit Bacterium pseudanthracis nahe verwandt, welche von Dr. S. Severin aus Pferdekot gezüchtet und näher beschrieben worden ist („Kultur Nr. I“ s. die Abhandlungen obengenannter Station in russischer Sprache). Jede von diesen Bakterien wurde in sterilisiertes Fleisch geimpft, und in dem letzten züchtete ich dann die sterilisierten Larven. Diese Impfung wurde wiederholt. Alle Bakterien vermehrten sich im Fleische sehr gut, doch war nur eine Art für die Larvenentwicklung nützlich nämlich die Severinsche Kultur Nr. I; die anderen Bakterien schienen das Wachstum der Larven eher zu stören (wenigstens in den beschriebenen Bedingungen bei großer Menge des Impfmaterials und schneller Vermehrung der Bak- terien). Erste Versuche dieser Art wurden am 17. Juni ausgeführt. Am 22. Juni wurden schon große Verschiedenheiten in der Länge der Larven gleichen Alters konstatiert; wenn Severinsche Bakterie da war, erreichten die Larven die Länge von 1-7 °® und waren sehr munter und energisch; in anderen Reagenzgläsern waren die Larven überall nicht länger als 0.9 °® und meistens nur 0.7 = lang. Am 26. Juni waren die erstge- nannten Larven schon vollständig erwachsen, die anderen aber nicht länger geworden, was auch am 29. Juli konstatiert wurde. Am 5. Juli waren fast alle Larven, die erstgenannten ausgeschlossen, schon tot. Analoge Versuche a om WACHSTUM DER FLIEGENLARVEN. 185 stellte ich noch im Juli und August an. Immer war das Larvenwachstum in Anwesenheit der Severinschen Bakterien ausgezeichnet; es wurde nur bemerkt, daß sehr energische Vermehrung dieser Bakterienart für die Larvenernährung nicht günstig ist: die Larven sahen kleiner und schlechter als gewöhnlich aus. Die Kontrollimpfungen und mikroskopischen Unter- suchungen haben ergeben, daß jene Reagenzgläser, welche Severinsche Bakterien enthalten sollten, diese Form wirklich in reiner Kultur ent- hielten. Sehr überzeugende Versuche dieser Art wurden am 27. Juli begonnen. Die beschriebene Erscheinung scheint merkwürdiger und wichtiger zu sein, als man zunächst vermuten konnte. Ich untersuchte einige Male, was für eine Bakterienflora in dem Fleische, das den Larven als Nahrung diente, vorhanden war. Die erhaltenen Bilder waren geradezu über- raschend; es entwickelten sich dort überhaupt keine Schimmelpilze, Bak- terienarten waren auch nur wenig vorhanden: eine Mikrokokkenart, eine gelatineverflüssigende Art — vielleicht noch eine, die Gelatine nicht ver- flüssigt. Mehr als drei Kolonienarten habe ich in solchen Fleischstücken nicht entdeckt. Es handelte sich um ziemlich kleine Fleischmengen, welche von den Larven größtenteils schon angesteckt waren, ehe sie der Fäulnis unter- liegen konnten. Es können natürlich manchmal gewisse zufällige Bei- mengungen da sein, besonders aber geschieht das dann, wenn man größere Stücke Fleisch einer kleinen Anzahl Larven zur Nahrung gibt. Zu schneller Ansteckung der Nahrung scheinen viele Larvengewohn- heiten angepaßt sein; sie führen bis zu einem gewissen Grade gesellschaft- liches Leben — sind gewöhnlich in großen Massen nebeneinander zu finden, indem sie sich beständig mit Exkrementen und verflüssigten Nahrungsteilen bestreichen; einen Teil der Larven kann man beim beständigen Wandern beobachten; sie bohren sich in frische Fleischteile ein und verändern bald das Fleisch in eine netzartig durchbohrte dunkle und elastische Masse mit starkem Ammoniakgeruch. Es ist nach alledem nicht wunderbar, daß die den Larven nötigen Bakterien niemals fehlen, und daß das Fleisch, in welchem Larven leben, nur jene Zersetzung durchmacht, welche der Larvenernährung günstig ist. Aus dem Fleische bereiten sich dann die Larven ziemlich leicht ein vollständig bestimmtes Nahrungsmittel — dem Käse analog. 5. Es ist wahrscheinlich, daß die Bakterien für die Larve hauptsächlich Fermentträger sind. Es wurde in vorher beschriebener Weise nur ein Teil der gestellten Aufgabe gelöst: es galt noch festzustellen, welche Rolle jene gelatine- verflüssigenden Bakterien in der Larvenentwicklung spielen können. 186 E. A. Bo@panow: Ziemlich bald stellte sich aber heraus, daß jene Bakterien einfach‘ gewisse Fermente liefern. Schon jene Tatsache, daß die im Kochschen Apparate oder anders sterilisierten Reste des Fleisches, welches den Larven als Nahrung gedient hatte, für die sterilisierten Larven keineswegs besseres Futter darstellen im Vergleiche mit den frischen Fleischstücken, ist für uns von großem Interesse und Werte. Sehr oft beobachtete ich, daß diejenigen Reagenzgläser, welche solche Kulturen enthielten, von den mit dem frischen Fleisch gefütterten nicht zu unterscheiden waren. In keinem Falle bis jetzt konnte ich die entschiedene Überlegenheit dieses Nahrungsrestes vor dem frischen Fleische zweifellos konstatieren. Ich füge einige faktische Angaben hinzu. Am 27. Juli 1908 wurde ein vergleichender Versuch in der Weise angefangen, daß ein Teil der sterilen Larven mit sterilisiertem, gewöhnlichem Fleische ernährt wurde, die anderen aber bekamen ebenfalls in sterilisiertem Zustande jenes Fleisch, in welchem schon zahlreiche, aber noch nicht vollständig ausgebildete Larven vorhanden waren. Beim Kontrollversuche wurde Severinsche Bakterie geimpft. In derselben Zeit, als die letzten Larven schon vollständig aus- gebildet und 2 bis 1-4°® lang waren (am 1. August), erreichten die Larven in frischem Fleische nur die Länge von 0-9 bis 0-4” und in dem „faulen“ Fleische von 0-8 bis 0-6°®. Ein anderes Mal (Versuch vom 4. Juli 1908) sterilisierte ich eine Kultur (Fleisch mit den Larven zusammen), welche zufällig mit irgendwelcher, den Larven ebenfalls nützlichen gelatineverflüs- sigenden Bakterienart angesteckt wurde. Im solcher Nahrung wuchsen die Larven sehr schlecht und waren am 11. Juli nur 0.8" lang, am 13. Juli wurden sie nicht länger gefunden und starben am 16. bis 17. Juli. Kontroll- impfungen haben gezeigt, daß diese Kultur nur gewöhnliche Mikrokokken in reiner Kultur enthielt. Bei einem anderen analogen Versuche ent- wickelten sich die Larven überhaupt nicht. Ich habe außerdem sehr viele Versuche angestellt, um die passende Nahrung für die Calliphoralarven aus den einfachen Nahrungsstoffen künst- lich zusammenzustellen. Auch diese Beobachtungen sprechen mehr für die Annahme, daß die für die Larven wichtigste Bakterientätigkeit eben die Bildung der Fermente ist. Den Ausgangspunkt dieser Versuchsreihe bildete folgende Beobachtung, welche von mir schon im Jahre 1898, als ich gröbere Vorversuche an- gefangen hatte, gemacht wurde. Wenn man nichtsterilisierte kleine Calliphoralarven nimmt, so können sie ausschließlich mit Albumosenlösung („Pepton“ nach Adamkiewicz; etwa 10 prozentige oder etwas dünnere Lösung) großgezogen werden, wenn man diese sogar jeden Tag er- WACHSTUM DER FLIEGENLARVEN. 187 neuert.! Zu diesen Versuchen sind Petrische Schalen (doch etwas höhere als gewöhnlich) vorzüglich geeignet. Man legt, wie gewöhnlich, etwas Baum- (oder Glaswolle) hinein und belegt die Schalendeckel rundherum mit Gipsbrei, damit die Larven nicht entfliehen können. (Sterilisierte Larven entwickeln sich in soleher Lösung so gut wie gar nicht.) Im Jahre 1907 hatte ich die Absicht, durch einen direkten Versuch festzustellen, welche Nährstoffgruppen, wenn sie mit den Albumosen zu- sammen verfüttert wurden, die Entwicklung der Larven günstig beeinflussen. Es könnte das auch der Weg sein, die von den Bakterien abhängenden Zersetzungen künstlich nachzuahmen. Zu diesem Zwecke wurden verschiedene Nährstoffmischungen zusammen- gestellt und in den Petrischen Schalen, wie früher beschrieben, ohne Sterili- sation (nur nach ungefähr 5 Minuten dauerndem Aufkochen) den Larven zur Verfügung gestellt. Auch die Sterilisation der Larven wurde für gröbere Vorversuche als nicht unbedingt nötig unterlassen. Die in der beschriebenen Weise gewonnenen Resultate genügen, um sich einen allgemeinen Überblick über die Möglichkeit der künstlichen Syn- these der Larvennahrung aus den einzelnen Nährstoffgruppen zu verschaffen. Unten sind die wichtigsten Ergebnisse dieser Versuchsreihe kurz zu- sammengefaßt. Zunächst sollte die passende Alkalimenge und die beste Konzen- tration der Peptonlösung empirisch gefunden werden. Die Larven wuchsen am schnellsten und fühlten sich besonders gut und behaglich, wenn man ihnen 5 prozentige „Pepton“lösung (Pepton nach Adamkiewicz), welche zugleich lprozentige NaOH enthielt, zur Verfügung stellte. 10 prozentige Lösung wirkte auch ziemlich gut, 21/, prozentige und 20 pro- zentige erwiesen sich als ungeeignet. Die Alkalimenge kann etwas kleiner sein; ich habe gute Resultate auch mit einer Peptonlösung, welche 5 Prozent Pepton und !/, Prozent NaOH enthielt, bekommen. Die erstgenannte Lösung wurde für spätere Versuche als Ausgangspunkt gewählt. Unter den verschiedenen Zusätzen wurden zunächst gleichzeitig unter- sucht: Traubenzucker, Asparagin, Liebigscher Fleischextrakt, buttersaures Ammonium, Seife, Traubenzucker + Asparagin, Traubenzucker + Asparagin + buttersaures Ammonium, Traubenzucker + Asparagin + buttersaures Am- monium + Liebigscher Fleischextrakt. Im Vergleiche wurde dieselbe ! Einem glücklichen Versuche mit ‚Pepton“lösung gingen im Jahre 1898 (in Is- mailowo bei Moskau) drei unglückliche voran. Die Larven waren anfangs 2 Tage alt. Am 18. August erreichten sie die Länge von ungefähr 1°”, am 24. August waren sie schon 1-8 bis 2°= lang und fraßen nicht mehr; diese Länge erreichten sie in Eier- albumin schon am 22. August. Noch einen glücklichen Versuch habe ich im Jahre 1899 auf einem Gute des Moskauer Gouvernements ausgeführt. 188 E. A. Bo6DAnow: Peptonlösung gewählt, welche mit dem Reste des gewöhnlichen Larven- futters (Fleisches) infiziert wurde. (Traubenzucker und Asparagin waren in allen Versuchen, bei welchen sie gegeben wurden, in der Menge von 0.25 em zu 25 °® der Peptonlösung zugesetzt; Liebigscher Fleischextrakt von 2 grm (ungefähr!), Seife (gewöhnliche) 0-5 sm, buttersaures Ammonium Ins), Es fiel sofort ins Auge, daß von allen untersuchten Substanzen keine so kolossale Wirkung als Entwicklungserreger hatte, als der Liebigsche Fleischextrakt; bei dessen Verfütterung entwickelten sich die Larven nicht schlechter als jene, welche mit infiziertem Pepton gefüttert wurden. Am schlechtesten entwickelten sich die Kulturen mit Asparagin und butter- saurem Ammoniak, Traubenzucker allein wirkte besser als mit Asparagin- zusatz oder mit buttersaurem Ammoniak. Jene Kultur, welche alle unter- suchten Stoffe enthielt, entwickelte sich auch nicht besser als die Kultur mit Traubenzucker allein. Ich habe darum für weitere Versuche folgende Mischung gewählt: Für 25 °® 5 prozentiger Pepton Lösung: 0.258 m NaOH 2 grm Fleischextrakt. Jetzt erprobte ich verschiedene Zuckerarten und reine Reisstärke als Zulagen zur Lösung oben angegebener Zusammensetzung. Irgendwelche günstige Wirkung der Zuckerzulagen habe ich bis jetzt nicht entdecken können. (Traubenzucker wurde in folgenden Mengen ge- prüft [auf 25 = der Peptonlösung]: 0-25 em, 1] sm, 3 stm; Rohrzucker und Fruchtzucker je 3 8%.) Traubenzucker, bis zu 1 8% zugegeben, war aller- dings nicht schädlich, aber alle Zuckerarten in Mengen von 3 S’® wirkten sehr ungünstig und die betreffenden Larven starben. Ganz anders wirkte die Reisstärke: jene Kultur, welche 3 gm Stärke als Zulage bekommen hatte, entwickelte sich von allen anderen am besten und schnellsten. Dasselbe, was von den Zuckerarten gesagt wurde, kann man auch von verschiedenen Fettzulagen sagen; ihre Wirkung war sehr gering — kaum zu entdecken — allerdings nicht schädlich, vielleicht mit alleiniger Aus- nahme des geschmolzenen Schweinefettes, welches mit Peptonlösung sehr feine Emulsion gibt: diese letzte Kultur schien am schlechtesten zu sein. Fett wurde in folgenden Mengen zu 25 “ der Peptonlösung (außer der gewöhnlichen Menge Alkali und Fleischextrakt) zugelegt: ! Größere Mengen Fleischextrakt (5 =” auf 25 ®® der Lösung) wirkten etwas schlechter. Wenn man aber 11:8" nimmt, so sterben die Larven. WACHSTUM DER FLIEGENLARVEN. 189 1. 2sr® Leinöl mit 0.5 Seife (Zusatz der Seife ist für Emulsionbildung bekanntlich sehr nützlich) 1m Butter 2srm Butter 35m Butter 22m oeschmolzenes Schweinefett 2sm Butter mit 0.5 8m Seife. ID m sp Aus allen bis jetzt beschriebenen Versuchen habe ich den Schluß ge- zogen, daß reine Reisstärke in normale Futtermischung einzuführen ist. Um endeültig die nötige Stärkemenge zu bestimmen, änderte ich die Zulage von 1!/, bis 5 &m und versuchte dann außer Stärke verschiedene andere Substanzen einzuführen und zwar wie folgt: Überall 25 «= der 5 prozentigen Peptonlösung, 0-25 NaOH, 2 sm Fleischextrakt. Außerdem: Versuch Nr. 1. 1!/, 3” Stärke B) „ 2. 5) er ” ” ” 3. 3 Sa ” r „4 3 gm Stärke + 0-25 °"% Rohrzucker > ‚5. 3 sm Stärke + 0.5 2m Rohrzucker FE „6. 38 sm Stärke +2 sm Schweinefett (geschmolzen) > „1.83 em Stärke +1 gm Schweinefett + 0.5 8m Seife 8. 3 gm Stärke +1 srm Schweinefett + 0-5 srm Seife -+ 0.25 8m Rohrzucker. Die besten Resultate waren mit 3 =” und 5 gm Stärke bekommen; in solchen Bedingungen (und besonders bei 5 g Stärke) entwickelten sich die Larven entschieden besser, als im infizierten Pepton; in allen anderen ging die Entwicklung viel langsamer. Nach solchen Beobachtungen habe ich endlich folgende Nährstoff- mischung als am besten gegeignet für folgende Versuche gewählt: Auf 25 °= 5 prozentiger Peptonlösung 0.25sm Na0H 2.00 gm Fleischextrakt 3-00:2m Reisstärke.! ! Zunächst wird Ätznatron gelöst, dann Fleischextrakt, endlich fügt man noch Reisstärke hinzu und läßt gut aufkochen. 190 E. A. Bo@panow: In dieser Nahrungsmischung entwickelten sich die Calliphoralarven in. der Anwesenheit der Bakterien ziemlich gut, doch jedenfalls langsamer, als im frischen Fleische und nicht bis zur vollen Größe. Man sollte noch verschiedene andere Amide, Eiweißpräparate und noch Nährsalze prüfen; das habe ich zurzeit nicht planmäßig ausführen können. Nur einige Tatsachen können hier erwähnt werden. Von der Zusammensetzung der Fleischasche ausgehend, habe ich nach einigen Vorversuchen folgende Salzenmischung als ziemlich geeignet ge- funden: auf 100 °® destillierten Wassers: Ca(NO,), — 0.02 gm MgSO, — 0.03 gr -MeCl, — 0.03 8m H,KPO, — 0.148 m KClI — 0.02 8” KOH — 0.07 gm NaOH — 0.92 sm Fe,Cl, 1 Tropfen 5 prozentiger Lösung. Vor dem Gebrauche schüttelte ich diese Mischung kräftig, um den vor- handenen Niederschlag fein zu zerteilen, und gebrauchte sie anstatt destil- liertem Wasser, um darin gewöhnliche Mengen Pepton, Fleischextrakt und Reisstärke zu verteilen. Die Beimengung der Salze schien nicht ohne Wirkung zu sein, ich konnte aber keine gut übereinstimmende Resultate bekommen. Besonders gute Wirkung der Salze beobachtete ich noch nie. Das wichtigste aber, was ich konstatieren konnte, bestand darin, daß dieselbe Nährstoffmischung, welche in der Bakterienanwesenheit für die Larven als ziemlich gut anerkannt wurde (Pepton, Fleischextrakt, Stärke und Alkali) in sterilen Versuchen! sich als völlig ungeeignet erwies: die Larven entwickelten sich überhaupt nicht und starben in den aller- jüngsten Entwicklungsstadien. Wenn man aber dieselbe Mischung mit jener „gelatineverflüssigender“ Bakterienart infiziert, welche ich im Jahre 1907 zufällig bekommen habe, so geht die Entwicklung eine Zeit lang vorwärts, aber immerhin noch sehr schlecht. | | Wenn auch diese Beobachtungen keinen vollständigen Beweis liefern, daß es eben Fermente sind, was die Larven brauchen, so scheint es aber, daß diese Vermutung doch die wahrscheinlichste bleibt. | ! Sterilisation wurde im Kochschen Apparate ausgeführt. WACHSTUM DER FLIEGENLARVEN. 191 Im Jahre 1908 wiederholte ich solche Versuche, und die Resultate waren nicht günstiger. Es hat sich aber außerdem herausgestellt, daß die Larvenentwicklung sogar in dem Falle keine gute war, als ich diejenige Bakterienart, welche für die schnelle Entwicklung in sterilisiertem Fleische nötig ist, geimpft hatte. Der Versuch wurde am 4. Juli angefangen; die Larven starben zwischen dem 12. und 19. Juli und waren nicht länger als 0.85%, Dieselben Resultate wurden auch mit 5 prozentiger „Pepton“lösung allein und mit dem Liebigschen Fleischextrakt zusammen in Anwesenheit derselben Bakterien erhalten. Der Versuch wurde am 23. Juli begonnen und am 7. August waren schon alle Larven tot; indem sie bei reiner „Pepton“nahrung nur ungefähr 0-4 ®® lang und in Pepton mit dem Fleischextrakt ungefähr 0-6 °® lang waren. Besonders auffallend war jene Tatsache, daß sterilisiertes geronnenes Eieralbumin viel bessere Re- sultate geliefert hat, als dasselbe bei der Impfung der Severinschen Kultur. (Versuch vom 29. Juli 1908.) In dem letzten Falle starben die Larven meistens schon am 4. August, indem sie 0-5 °® lang waren, im sterilen geronnenen Eieralbuminin waren sie am 4. August fast 1°” lang und munter, sie wuchsen aber auch in letzterem Falle nicht mehr und starben am 6. August oder etwas früher. Endlich in der letzten Zeit konnte ich die ausgesprochene Ansicht über die Bedeutung der Fermente schon außer jeden Zweifel stellen. Zu- nächst erhielt ich nach der gewöhnlichen Methode kleine Mengen jener Fer- mente, welche in den Larven vorhanden sind; doch ehe ich sie prüfen konnte, war der gesuchte Beweis ganz wunerwarteterweise auf leichterem Wege erhalten. Bei mehreren nacheinander folgenden Versuchen setzte ich dem sterilisierten Fleische einige Kubikzentimeter 1 prozentiger Trypsin- lösung! (mit 3 pro 1000 Gehalt von Na,Co,), welche durch Chamberland- sche Filtrierkerze filtriert wurde und vollkommen steril war, hinzu. Die Calliphoralarven entwickelten sich in solchem Fleische so schnell und gut, daß sie jedermann von den Kontrolllarven leicht unterscheiden konnte. Ich führe hier einige Einzelheiten des Versuches vom 3. August an. Überall wurde 15 == Fleisch und dieselbe Zahl der Eier (60) genommen. Schon am nächsten Tage waren jene Larven, zu deren Nahrung Trypsinlösung zu- gesetzt wurde (2?/, °=), größer und energischer; am 7. August waren sie schon 0-8 bis 1 = ]Jang, indem die anderen nur 0-4 ‘“ und weniger lang waren. Am 9. August erreichten die erstgenannten Larven 1-3 ©“ Länge, die anderen nur 0-7 ®“,. Am 12. August wurden alle Larven getötet und möglichst genau gemessen. ! Trypsin erhielt ich vom Moskauer Geschäft W. Ferrein (10=®= für 5 Rubel); es war deutscher Herkunft (Merck, Darmstadt). 192 E. A. BoGDAnow: Ich erhielt dabei folgende Resultate: 1. Bei Trypsinzusatz: Länge der Larven Zahl der Larven 1.9—2:0 © 11 Stück 1-7—1-8 302%, 1:4—1+5 ON 0:8 1 > 0-7 1 „ 0:6 1 2. Ohne Trypsinzusatz: Länge der Larven Zahl der Larven 1-6°® (und unverhältnismäßig dünn) 1 Stück N N j; Ar HlR 1:0 A 0-.6—0+7 1a 0:5 Da 0.4 2 Bei allen meinen Versuchen (1902 bis 1908) konnte ich niemals be- obachten, daß so große Wachstumsverschiedenheiten zufällig wären. Aus den Einzelheiten des Versuches ist besonders bemerkenswert, daß einige, wenn auch nur sehr wenige, Larven vorkommen, die gewöhnliches Trypsin nicht ausnutzen können und bei dessen Zusatz nicht größer als in gewöhn- lichem sterilisierten Fleische werden (0-6 bis 0-8 ®). Kontrollimpfungen haben ergeben, daß in allen Reagenzgläsern nur gewöhnliche Mikrokokken in reiner Kultur vorhanden waren. Ungefähr dieselben Resultate ergab der Versuch vom 6. August. Es waren diesmal zwei Kontrollreagenzgläser vorhanden; beide enthielten sterili- siertes frisches Fleisch, aber in einem wurde das Fleisch mit der Severin- schen Kultur geimpft. Schon am 7. August waren die Larven in jenem Reagenzglase, wo Trypsinzusatz gemacht wurde, ungefähr 0.02 = Jänger als die anderen. Am 9. August war die Differenz noch größer; die erst- genannten Larven waren ungefähr 0-45 °® lang, die anderen meistenteils 0.2 bis 0-3 ®, nur einige von ihnen erreichten die Länge von 0.35 ", Am 15. August waren jene Larven, welche unter 'Trypsinzusatz gezüchtet wurden, fast alle 1-5 bis 1-85 = lang; diejenigen aber, deren Nalırung mit der Severinschen Kultur geimpft wurde, waren auch ziemlich groß, doch meistens nur 1-2 °® lang; endlich waren die Larven in „sterilem“ Fleische (ohne Trypsin) nicht länger als 0.7 °® und nur wenige erreichten die Länge von 0-9 =, Kontrollimpfungen zeigten leider, daß jene Kultur, WACHSTUM DER FLIEGENLARVEN. 193 welche einfach sterilisiertes Fleisch bekommen hatte, mit einer nicht näher bestimmten aber Gelatine nicht verflüssigender Bakterienart schwach ange- steckt wurde. Nichtsdestoweniger ist der Versuch beweisend, wenn man die zwei anderen Kulturen in Vergleich zieht. (Außerdem habe ich bis jetzt niemals bemerkt, daß schwache Ansteckung des Fleisches irgendwie den Larven schädlich sein sollte — eher umgekehrt.) Die nächstfolgenden Versuche stellte ich am 8. August in der Weise an, daß ich die vollständig sterilen, einige Zeit nur von Gelatine ernährten Larven einzeln oder je zwei in Reagenzgläser, welche Nahrung enthielten, übertrug. Der Vergleich wurde, wie ziemlich oft, von den individuellen Verschiedenheiten erschwert, doch waren die größten Larven nur bei Trypsin- zugabe zu beobachten. Jene Kulturen, welche dieselbe Menge von er- wärmter Trypsinlösung (25 Minuten im Kochschen Apparate) erhielten, waren von den gewöhnlichen in sterilisiertem Fleische (ohne Trypsin) nicht zu unterscheiden. Am 18. und 19. August wurden neue Versuche derselben Art, wie die ersten angestellt aber mit schwächerer Trypsinlösung (sie enthielt 1 Prozent Trypsin, doch wurde zweimal durch Chamberlandsche Kerze filtriert). Auch diesmal waren die Larven bei Trypsinzugabe in derselben Zeit größer. » Nur ein Versuch (vom 30. August) ergab für Trypsin keine günstigeren Resultate, aber die Larven wuchsen überhaupt schlecht (sogar im Ther- mostat), weil die günstigste Zeit der Larvenentwicklung schon vorbei war; der Vergleich wurde auch dadurch gestört, daß viele Larven im ersten Ent- wicklungsstadium in Trypsinlösung untersanken, was überhaupt ziemlich schwierig zu vermeiden ist. Die angeführten Tatsachen sind aber schon genügend, um den Schlub zu ziehen, daß Trypsinzugabe für Larvenentwicklung einen sehr günstigen und oft sogar entscheidenden Faktor darstellt. Wie ist die Trypsinwirkung zu erklären? Die einfachste Vorstellung ist die, daß die Larve Trypsin nur für die Verdauung des Fleisches ver- langt. Es scheint mir aber auch eine andere Erklärung möglich. Man kann sich vorstellen, daß Trypsin wirkliches Wachstumsferment ist, was theoretisch wohl zu verteidigen wäre, wenn man annimmt, daß die Trypsinwirkung (gleich der Lipase und anderer Fermente) umkehrbar ist. Stellen wir die wichtigsten Beobachtungen zusammen: 1. Im einfach sterilisierten Fleische wächst die Calliphoralarve ge- wöhnlich sehr schlecht. 2. In sterilisierten Resten der Larvennahrung wächst sie nicht besser. 3. Für die gute Larvenentwicklung sind ‚meistens gelatineverflüssigende Bakterien oder Trypsin nötig. Archiv f.A,.u.Ph. 1908. Physiol. Abtlg. Suppl. 13 194 E. A. Bo@DAnow: Demgegenüber kann man einwenden, daß bei der Sterilisation der genannten Fleischreste gewisse Zersetzungen vorkommen können, welche der Larvenentwicklung vielleicht ungünstig sind. Das scheint aber keine große Bedeutung zu haben, wenn man daran denken will, wie groß die Anpassungsfähigkeit der Calliphoralarve ist, welche von 'verschiedenster Nahrung (von reinen Albumosen bis zum Fleische) ernährt werden kann, wenn gewisse Mikroorganismen da sind. Das gibt die Möglichkeit, die Hoffnung auszusprechen, daß es jemals gelingen wird, durch künstliche Trypsinzufuhr (ins Blut oder anders) manche Wachstumsstörungen zu heilen und das Wachtum überhaupt energischer zu machen. In nächster Zeit habe ich die Absicht einige Versuche solcher Art anzustellen. 6. Beobachtungen über die Variationsfähigkeit der Fliegen. Die kolossale Wachstumsgeschwindigkeit der Fleischfliege führt zu der Annahme, daß Calliphora gewissermaßen als eine der Fleischformen vielen anderen Fliegen — etwa wie englische Fleischrassen dem Landvieh — gegenübergestellt werden darf. Außergewöhnlich rasches Wachstum — „Frühreife“ — ist der Calliphoralarve nicht minder als dem Shorthorn gemein, nur ist sie in einem Falle Resultat der künstlichen Ernährung und Pflege (durch Züchtungsmaßnahmen unterstützt), in anderem Falle Resultat der engen Abhängigkeit von gewissen Bakterien. Es schien sehr verlockend, durch künstliche Entwicklungshemmung jene ursprüngliche Form, welche vielleicht als Urahne der Calliphora aufzufassen wäre, wieder herzustellen. Auf verschiedene Weise suchte ich dieses Ziel zu erreichen und nicht ohne Erfolg. Es macht keine besondere Schwierig- keit, ausgesprochene „Hungerform“ aus normaler Calliphora zu erzeugen (s. Figeg. 7 und 8, Taf. XIII). Man nimmt zu diesem Zwecke ein kleines Stück Fleisch (etwa 28"), legt eine größere Menge Calliphoraeier (etwa 150 bis 200 Stück) darauf und läßt alles in einem Glase ruhig liegen (damit die Larven nicht entfliehen können, legt man auf das Glas ein Stückchen Tuch und bindet es mit ihm fest zusammen). Während der warmen Sommertage legt man noch, ein Stückchen nasse Baumwolle ins Glas. Man bekommt nach einigen Tagen sehr schmale kleine Tierchen, die etwas dunkler als gewöhnlich aussehen und deren Segmente besonders scharf und deutlich ausgeprägt sind. Wenn einige von ihnen ziemlich groß und gut ernährt aussehen, so nimmt man sie sofort heraus und läßt nur diejenigen Larven, welche ungefähr derselben Größe sind, im Glase. Jetzt wartet man den Zeitpunkt ab, wenn einige Larven sterben und gibt WACHSTUM DER FLIEGENLARVEN. 195 den anderen von Zeit zu Zeit sehr kleine Fleischstückchen mit der Absicht, sie nur vor dem Hungertode zu retten, wobei allerdings eine gewisse Anzahl stirbt. Nach 10 bis 12 Tagen sollen die Larven nicht länger als 0-7 bis 0.83% sein. Jetzt wollen sie gewöhnlich keine Nahrung mehr zu sich nehmen und verpuppen sich bald, zu welchem Zwecke man ihnen noch etwas (trockene) Baumwolle hineinlest. Die in solcher Weise bekommenen Puppen sind ziemlich durchsichtig, von hellgelber oder hellbrauner Farbe, während die normalen Calliphorapuppen viel größer, von mehr eiförmiger Gestalt und viel dunkler sind. Sehr interessant sind auch die nach einiger Zeit auskriechenden Fliegen: sie sind ungefähr von der Größe, welche der gemeinen Stubentliege eigen ist und sind auffallend träge, während sich die gewöhnliche Calliphora von vielen anderen Fliesen durch besonders leb- haftes Temperament unterscheidet und wie ein starkes energisches Geschöpf aussieht. Sonst sind bei der Hungerfliege alle zoologischen Merkmale der Calliphora vollkommen normal entwickelt — es ist eine kleine Calliphora- ausgabe und nichts mehr. Mein Kollege, Prof. Dr. W. Zykoff, untersuchte diese Hungerfliegen besonders genau und hat auch keine Unterschiede finden können nur sind bei ihnen, nach seiner Angabe, die Tasthaare an der Fühlerborste verhältnismäßig kürzer und in geringerer Zahl vorhanden. Diese Hungerfliegen können in gewöhnlicher Weise gefüttert werden, paaren sich in Gefangenschaft und legen Eier, aus welchen vollständig normale Calliphoralarven von gewöhnlicher Größe bekommen werden können, wenn man ihnen normale Nahrung zur Verfügung stellt. Die erworbenen Zwergformen werden also nicht so leicht durch Vererbung fixiert; mehrere Generationen hindurch untersuchte ich diese Hungerformen noch nicht.! Aus den Eiern der zweiten Hungergeneration habe ich im August 1908 ebenfalls normale Fliegen bekommen (bei reicher Fütternng natürlich). Ich versuchte außerdem Calliphoralarven im Kot, auf Agar-Agar, Nähr- gelatine usw. zu züchten, aber überall starben die Larven, ohne sich zu verpuppen, obgleich sie zuweilen vollständig genügende Zeit dazu hatten. Wenn die Ernährung der Larven unzureichend oder unzweckmäßig zu- sammengesetzt ist, so scheinen nur zwei Möglichkeiten vorhanden zu sein: entweder sterben die Larven oder eg entwickelt sich die Hungerform, obgleich theoretisch noch andere Entwicklungsformen möglich sind — es könnte sich nämlich eine niedriger organisierte Imagoform, etwa eine Mücke, aus 1! Fliegen scheinen überhaupt ziemlich konstante Formen zu sein. Vgl. E.Bogda- now, 10 Generationen der Fliegen in veränderten Lebensbedingungen. Versuche an- gestellt von Frl. N. J. Polevaeff. Illustrierte Zeitschrift für Allgemeine Ento- mologie. Itzehoe 1903. 13% 196 E. A. BogpAaxnow: Mangel an plastischem Material entwickeln — dazu ist aber Calliphora augenscheinlich zu viel spezialisiert. Aus allem, was bis jetzt beschrieben ist, geht hervor, daß jene ver- mutete Urahne, aus welcher sich im Laufe der Zeit die jetzige Calliphora entwickelte, dieser Form in allen zoologischen Merkmalen sehr nahe stehen und etwa wie eine Übergangsform zwischen Hungerform und normaler Calliphora aussehen sollte. Versuchsweise habe ich noch andere wichtige Faktoren auf die Ent- wicklung der Calliphoralarven einwirken lassen, indem ich mich jedesmal bemühte, die äußerste Grenze der Einwirkung, welche die Larven noch ertragen konnten, zu erreichen. Ich züchtete sie z. B. im Thermostat bei 39° und erwärmte sie außerdem jeden Tag wenigstens eine Stunde lang auf einem Pappenblatte neben der Gasllamme in der Weise, daß die Larven während der ganzen Erwärmungsdauer sehr erregt und von Zeit zu Zeit sogar bewegungslos waren (im letzteren Falle ließ ich sie einige Zeit in Ruhe, damit sie sich erholen konnten, und erwärmte sie dann weiter). Außerdem mischte ich zu ihrer Nahrung in anderen Versuchsreihen alle möglichen Stoffe, wie Säuren, Salze, Farbstoffe usw.; manche von diesen Substanzen ertrugen sie in größeren Mengen, von den Farbstoffen wurden sie teilweise gefärbt; doch überall war das Endresultat dasselbe: entweder starben die Larven oder gaben normal gefärbte und geformte Calliphora- fliegen. Dieser Fall dürfte ein allgemeines Interesse erwecken. Wir haben hier ein ungemein kräftiges Tier vor uns, es besitzt größte Lebensenergie und kolossale Anpassungsfähigkeit; trotzdem sind seine Variationsformen sehr scharf begrenzt: aus normaler Calliphoraform züchtet man sehr leicht eine Hungerform oder irgendwelche Zwischenform, außer diesen Grenzen bekommt man keine lebensfähigen Formen. Große Variationsfähigkeit in der Größe ist mit zäher Beständigkeit in zoologischen Merkmalen verbunden. 5 Diese Tatsachen sind vielen tierzüchterischen Erfahrungen vollständig analog. Es ist keine besonders schwierige Aufgabe, aus dem normalen Fleischtypus des Rindviehes (etwa aus einem Shorthorn) einen übertriebenen („überbildeten“) Fleischtypus auf einer Seite, einige „Milch“- und Hunger- formen andererseits zu züchten; vom „Zufall“ unterstützt kann der Züchter eine kurzköpfige (,„Niata“) oder schwanzlose!, oder sonst eine andere patho- logische Form beständig (konstant) machen. Diese Variationen gehen aber ! Solche schwanzlose Form wird jetzt im Moskauer Landwirtschaftlichen Institute von Prof. N. M. Kulagin untersucht. WACHSTUM DER FLIEGENLARVEN. 197 nicht über festgesetzte Grenzen hinaus: sogar diejenigen Typen, die den Grenzen nahe sind, stellen keine besonders lebensfähige Formen’ dar, sie sind gewöhnlich wenig fruchtbar, neigen sich zur Fettdegeneration oder Tuberkulose usw. Mit anderen Worten sind jene Variationen, die der Züchter kennt, keine vorwärtsgehenden, keine Anfänge der neuen Arten (wie man früher zu glauben geneigt war), sondern nur Oszillationen, die sich nicht weit vom normalen Mitteltypus entfernen dürfen. Artbildende Variabilität kann mit solchen „pendelnden‘“ Variationen nichts gemein haben; diese können aber ihr letzter Ausdruck sein. Wie groß die Lebensenergie der Fliegenlarven ist, zeigen besonders deutlich meine folgenden Beobachtungen. Wenn man ziemlich erwachsene Calliphoralarven in Sublimatlösung (5:1000 bis 1:1000) legt, so bewegen ‚ sie sich ungefähr 1 Stunde sehr lebhaft — das beobachtete ich z. B. am 9. Juli 1908; nach einer Stunde fingen die Bewegungen an schwächer zu werden, doch wurden die Larven 5 Stunden in Sublimatlösung (1: 1000) gelassen — später spülte ich sie mit destilliertem Wasser und trug sie in Baumwolle über (eine von ihnen bewegte sich noch, aber sehr schwach). Am nächsten Tage waren die Larven munter und eine von ihnen verpuppte sich sogar. Am 23. Juli erhielt ich eine Fliege. Dasselbe wiederholte sich am 12. Juli in Gegenwart meines Kollegen Prof. Gurin bei Anwendung von Sublimatlösungen anderer Provenienz. Am 13. Juli habe ich die ver- gleichenden Beobachtungen mit destilliertem Wasser, Sublimat (2: 1000) und Karbolsäure (3:100) angestelit. Die Larven fühlten sich in Sublimat und destilliertem Wasser ungefähr gleich gut. In Karbolsäure bewegten sie sich 1 Stunde lang sehr energisch und eine schwamm noch (an der Oberfläche) nach 5 Stunden. Man muß sich natürlich vorstellen, daß Sublimat aus irgendwelchem Grunde die Zellen nicht zu benetzen vermag (die Eiweißkörper dieser Larven werden wie gewöhnlich von Sublimat leicht gefällt). Außerdem beobachtete ich, daß die Larven in Alkohol (95°) ungefähr 2!/, Stunden sich bewegen können; man kann einen Teil derselben mehrere Tage nacheinander in gewöhnlichen Äther 10 Minuten lang legen — sie verlieren bald die Beweglichkeit, doch sterben sie nicht. Acidum aceticum glaciale ertragen die erwachsenen Larven ungefähr 3 Minuten, ohne die Beweglichkeit zu verlieren, 30 prozentiger NaOH — 5 bis 6 Minuten. Meine allgemeinen Schlüsse über die Varibilität der Fleischfliege können auch von anderen Beobachtungen unterstützt werden. Zufällig habe ich schon vor vielen Jahren interessante pathologische Calliphorapuppen bekommen (zuerst im Jahre 1893, dann 1898). Sie waren von länglicher Form, gewöhnlich etwas krumm und sahen geradezu wie Larvenleichen aus (s. Fig. 9, Taf. XIII) — ich habe sie zuerst für solche gehalten, 198 E. A. Bo6eDAanow: sah aber beim Zerbrechen, daß innen vollständig gesunde Gewebe vorhanden waren; bei genauer Beobachtung entdeckte ich auch, daß deren Farbe, Glanz und Konsistenz deren der normalen Puppen und keineswegs der Larvenleichen ähnlich waren. Die Erscheinung konnte in dem Sinne er- klärt werden, daß diese Larven aus unbekannter Ursache keine Kraft hatten, sich zu verkürzen, was für die Fliegenbildung aus langgestreckten Larven nötig ist. Ich vermutete damals, daß solche Puppen dann öfters vor- kommen, wenn sie mit einer verhältnismäßig trockenen und hauptsächlich weniger nahrhaften Nahrung gefüttert werden; ich habe sie nämlich bei Calliphora in einem Gemisch aus Fleisch mit gehackten Pflanzen (Asarum europaeum), bei Musca domestica in Stärkekleister beobachtet. Im Jahre 1905 erhielt ich wiederum solche Puppen und diesmal aus sterilisierten Larven, aber aus solchen Kulturen, in welchen zufällig eine gelatinever- flüssigende Bakterienart vorhanden war. Kein einziges Mal konnten aber aus solchen Puppen Fliegen be- kommen werden, obgleich alles in der dazu nötigen Weise eingerichtet war; aus normalen Puppen erhielt ich aber wie gewöhnlich Hunderte von Fliegen in derselben Zeit und unter ähnlichen Bedingungen. Diese Erscheinung schien genügend interessant zu sein, um genauer verfolgt zu werden: Man könnte doch erwarten, aus normalen Fliegen- larven irgendwelche Stammart — etwa eine Mücke — künstlich heraus- züchten. Jene Faktoren, welche die beschriebene Erscheinung verursachten, waren von mir schließlich erkannt; ich konnte nach Belieben Dutzende solcher Puppen verschiedener Größe bekommen — doch starben sie alle ohne Fliegen zu geben. Es scheint wieder nur eine Erklärung der Tat- sachen möglich zu sein, nämlich, daß untersuchte Form eben die Fähigkeit, irgendwelche Ahnenmerkmale zu entwickeln verloren hat. Die nächste Ursache in der beschriebenen pathologischen Erscheinung ist weder Trockenheit der Nahrung, noch Armut derselben an Nährstoffen; sie ist einfach die Folge der langsamen Narkose, welche durch giftige Gase verursacht wird. Ammoniak wirkt sehr deutlich und ziemlich sicher, doch bekommt man solche Puppen am leichtesten, wenn man die Larven einige Tage nacheinander einfach in Äther auf 10 bis 15 Minuten legt; die meisten von ihnen sterben, einige ertragen aber sehr starke und lange dauernde Narkose und aus solchen können pathologische Puppen bekommen werden. Es bleibt mir noch zu erwähnen übrig, daß ich bei gröberen Vorver- suchen im Jahre 1898 noch einige interessante Beobachtungen bei Züch- tung der gemeinen Stubenfliege gemacht habe. Wenn Calliphoralarven bei WACHSTUM DER FLIEGENLARVEN. 199 Anwesenheit von Bakterien nur von Albumosenlösung ernährt werden können, so können die Larven der Musca domestica umgekehrt mit Stärkekleister oder mit Gelatine ohne Zusatz anderer Stoffe gefüttert werden, aber, soviel ich beobachtet habe, nur dann, wenn Schimmelpilze und Bakterien da sind. Daß diese letzteren für diese Form unbedingt nötig sind, scheint sehr wahrscheinlich zu sein, doch noch nicht genau festgestellt. Ich habe nur noch die angenehme Pflicht, meine größte Dankbarkeit Herren Prof. N. Chudiakow, Dr. J. Nikitinsky, Prof. N. Kulagin, Dr. L. Budinow, Prof. G. Gurin und Prof. W. Zykoff für ihre liebenswürdige Unterstützung und Ratschläge auszusprechen. 200 E. A. BoGDAnow: WACHSTUM DER FLIEGENLARVEN. Erklärung der Abbildungen. (Taf. XII u. XIII.) Tafel XII. Fig. 1. Ein Teil der Nährgelatine mit Larvenexkrementen, welche reine Kultur der Mikrokokken darstellen. Lineare Vergrößerung 10mal. Gezeichnet von W. W.Anu- frieff. Fig. 2. Larvenexkremente unter dem Mikroskop. Mikrophotographie von R.S.Mag- nitzky. (Größe des Mikrokokkes ist im Text angegeben.) Tafel XIII. Fig. 35. 4A und B Stichkulturen von Mikrokokken aus den Eiern. C Larven- exkremente auf schräger Nährgelatine. Fig. 4. Reagenzglas mit der Nahrung und sterilisierten Eiern. « Baumwolle, b Glaswolle, ce Röhrchen mit den Eiern, d Fleisch, e Baumwolle (die austretenden Fleischsaft einsaugen soll). Gezeichnet von J.M. Bugoslavsky. ('/, der natürl. Größe.) Figg. 5 und 6. Calliphoralarven desselben Alters; Fig. 5 bei Ansteckung mit gelatineverflüssigenden Bakterien, Fig. 6 vollkommen steril. Treu nach den Präparaten gezeichnet von J. M. Bugoslavsky. Lineare Vergrößerung 2mal. Figg. 7 und 8. Normale Calliphora. (Fig. 7) a Imago, b „Puppe“; Hungerform. (Fig. 8) a Imago, 5 „Puppe“. Treu nach den Präparaten gezeichnet von J.M. Bugo- slavsky. Lineare Vergrößerung 2 mal. Fig. 9. Zwei pathologische Calliphorapuppen (bei Athernarkose erhalten). Treu nach Präparaten gezeichnet von W. W. Anufrieff. Lineare Vergrößerung 2mal. Weitere Mitteilung zur Kenntnis des Tonus der Skelettmuskulatur. Von Dr. Wilhelm Trendelenburg, Privatdozent und Assistent am Institut. (Aus dem physiologischen Institut zu Freiburg i. B.) Unter Tonus der Skelettmuskulatur verstehen wir einen Zustand ‘ von Dauerkontraktion, welcher in den hier in betracht kommenden Fällen von einer Tätigkeit des Zentralnervensystems abhängt, die nicht durch be- sondere experimentelle Reize hervorgerufen ist. Nimmt dieser Tonus in den Ausbreitungen irgendwelcher zentripetalen Nerven seinen Ursprung, so wird er als Reflextonus bezeichnet. Hier sind zunächst wieder zwei Fälle möglich: die beteiligten zentripetalen Nerven gehören derselben Extremität . oder Gegend des Körpers an, an dessen Muskulatur sich der Tonus ab- spielt, oder der Ursprungsort ist von dem Erfolgsort getrennt, ist aber als umschriebener Bereich des Körpers angebbar. Man könnte hier von einem isogenen und allogenen Reflextonus sprechen.! Selbstverständlich sind mannigfache Übergänge und Kombinationen dieser beiden Formen möglich; ein Tonus z. B. der Oberschenkelmuskulatur könnte an der Haut der Fuß- sohle entstehen, oder ein Tonus der Vorderbeinmuskeln nicht nur im Ver- breitungsgebiet etwa der Wurzeln des Zervikalplexus entspringen, sondern durch im Hinterbein entstehende Erregungen unterstützt werden.” Die vor- geschlagene begriffliche Trennung wurde zunächst hier nur vorangestellt, ! Mit diesen Ausdrücken soll, wie ersichtlich, kurz bezeichnet werden, daß der Tonus am gleichen bzw. an einem anderen Orte entsteht, als derjenige, an dessen Mus- kulatur er sich abspielt. ® Wegen einer weiteren Form von Reflextonus vgl. den Schluß. 202 WILHELM TRENDELENBURG: um in den vorhandenen Streitfragen jedes auf einer verschiedenen Nomen- klatur beruhende Mißverständnis unmöglich zu machen. Während meiner Feststellung nach bei der Taube ein Beugetonus der Beinmuskulatur sich als ein isogener Reflextonus erwies!, war dies für zwei Arten von tonischen Flügelhaltungen nicht der Fall. Diese waren vielmehr nach Durchschneidung der Hinterwurzeln des Flügelgebiets nicht aufge- hoben.” Baglioni? hatte nun gegen meine Ansichten behauptet, daß die normale Flügelhaltung der Taube gar nicht durch eine Dauerinnervation der Muskulatur bedingt ist, sondern der Leichenstellung entspricht und vorwiegend durch die Spannung der Gelenkbänder bestimmt wird. Zu dieser Anschauung war er auf Grund von Durchschneidungen an den Armnerven gekommen. Demgegenüber konnte ich aber nachweisen*, daß bei der normalen Flügelhaltung der Taube sowohl im Stehen, als auch im Hängeversuch tat- sächlich ein echter Muskeltonus vorliegt, und konnte wahrscheinlich machen, daß Baglioni durch unvollkommene Durchschneidungen der Armnerven zu seiner irrigen Ansicht kam. Die Richtigkeit meiner Beweisführung und damit wohl auch meiner Erklärung für seinen Irrtum hat Baglioni für die Flügelhaltung beim Stehen und Gehen in einer neueren Mitteilung® zugegeben, was hier aus- drücklich hervorgehoben werden muß. Mir ist nicht klar, warum Baglioni nicht auch für den Fall des Hängeversuches die Richtigkeit meiner Auf- fassung, nämlich, daß die Muskulatur in diesem tonisch innerviert ist, zu- gibt, nachdem ich in den Abbildungen meiner vorigen Arbeit* den meiner Ansicht nach bündigen Beweis für diesen Tonus gegeben habe. Was nun zunächst den Fall der normalen Flügelhaltung im Stehen und Gehen angeht, so hat Baglioni sich zwar, wie gesagt, von dem Vor- handensein eines Tonus überzeugt, er kommt aber auf Grund von Ver- suchen, auf deren Anordnung gleich zurückzukommen ist, zu folgender Er- klärung dieses Tonus. Wenn ich die oben aufgestellte Bezeichnungsweise hier benutze, so läßt sich die neue Ansicht Baglionis dahin angeben, daß im Stehen und Gehen ein allogener Reflextonus vorliegt, der in der hinteren Extremität seinen Ursprung nimmt, und welcher durch isogene Erregungen, im Flügelgebiet entstehend und in dessen Hinterwurzeln geleitet, unterstützt wird. ı Dies Archiv. 1906. Physiol. Abtlg. Suppl. 8. 243. ° Dies Archiv. 1906. Physiol. Abtlg. S. 55. ® Luciani, Physiologie des Menschen, ins Deutsche übertragen und bearbeitet von Baglioni und Winterstein. Jena 1907. Bd. II. S. 314—315. * Dies Archiv. 1907. Physiol. Abtlg. S. 499. ° Dies Archiv. 1907. Physiol. Abtlg. Suppl. 8. 71. ZUR KENNTNIS DES TONUS DER SKEDETTMUSKULATUR. 203 Würde diese Ansicht richtig sein, so wäre damit im wesentlichen nur eine Lücke ausgefüllt, die ich noch lassen mußte, nämlich die Erklärung des Flügeltonus seiner Entstehung nach. Ich selbst würde diese Ergänzung sehr begrüßen und die Frage damit für erledigt ansehen, wenn ich die Richtigkeit der Beweisführung Baglionis nicht wiederum bestreiten müßte. Die von Baglioni diesmal benutzte Anordnung besteht darin, daß er bei einer Taube auf der rechten Seite den Armplexus, auf der linken Seite die Hinterwurzeln des Flügelgebiets (11 bis 15 einschl.) ausschaltete. In der Tat ist diese Kombination an sich sehr geeignet, die hier in Rede stehenden Verhältnisse anschaulich zu machen. Muß doch jetzt ein Unter- schied der Flügelhaltung sehr deutlich Auskunft geben, ob in dem der zen- tripetalen Nerven beraubten Flügel noch ein Tonus vorhanden ist. Allerdings sind gegen die Art, wie Baglioni diesen Eingriff ausführte, von vornherein schwere Bedenken zu erheben. Über die eingeschlagene Technik erfahren wir, von Unwesentlichem ‚abgesehen, nur, daß die Hinter- wurzeln abgerissen wurden. Bei der starken Ausbildung einiger der in Frage kommenden Wurzeln verglichen mit der Zartheit des Marks ist aber klar, daß dieser Eingriff des Ausreißens durchaus ungeeignet ist, in diesen Fragen zu einwandfreien Ergebnissen zu führen. Wer sich die Mühe ge- geben hat, in zahlreichen Versuchen mit größter Sorgfalt in der von mir ausführlich beschriebenen Weise! die Wurzeln zu durchschneiden und das Ergebnis der Eingriffe in Serienschnitten anatomisch zu untersuchen, der wird mit mir finden, daß es selbst bei diesem Verfahren nicht immer ge- lingt, Nebenverletzungen ganz zu vermeiden.? Die Ansicht über die Unzulänglichkeit auch dieser neuen Versuche Baglionis wird durch seine Beschreibung der Symptome bestätigt. An dem wie oben angegeben operierten Tier findet er im Stehen und Gehen den linken Flügel, auf dessen Seite also die Hinterwurzeln durchschnitten waren, zwar nicht mit den Federn den Boden berührend, aber doch tiefer stehend, als den Flügel einer unversehrten Taube. Demgegenüber fand ich in meinen neueren Versuchen ausnahmslos, daß der Flügel der Operations- seite (Hinterwurzeldurchschneidung) im Stehen und Gehen ganz so gehalten wird, wie derjenige der normalen Seite; jedenfalls so, daß an der Haltung des Flügels die Operationsseite unter den genannten Bedingungen nicht zu erkennen ist. In Baglionis Versuch ist daher der motorische Apparat durch Nebenverletzungen geschwächt worden. ! Eine Zusammenfassung mit einigen Zusätzen wird in Tigerstedts Handbuch der physiologischen Methodik gegeben werden. ® Dies gilt besonders für die beiden hier verwendeten Fälle. Doch kommt es für meine Beweisführung nur auf die vollständige Durchschneidung der Hinterwurzeln an. 204 WILHELM TRENDELENBURG: Obgleich ich mithin von vorneherein dem neuen Baglionischen Ver- such keine Beweiskraft zuerkennen konnte, habe ich dennoch auch meiner- seits die Untersuchungen wieder aufgenommen, um den direkten Beweis für die Richtigkeit des Gesagten zu liefern. Ich habe bei zwei Tauben mit den früher geschilderten Methoden auf der einen Seite (rechts) die Hinterwurzeln des Flügelgebiets (in einem Falle (a) die 11. bis 15. Wurzel, beide einschließlich, im anderen (5) die 9. bis 16. Wurzel, ebenfalls beide einschließlich) durchschnitten und auf der anderen Seite den Armplexus durchschnitten. Während im ersten Falle die Operation in einer Sitzung vorgenommen wurde, habe ich im zweiten die Hinterwurzeldurchschneidung 3 Tage vorausgehen lassen.” Nach 9 bzw. 12 Tagen seit der Wurzeloperation wurden die Tiere getötet und die Durch- schneidungsstellen der Wurzeln auf Schnittserien mikroskopisch untersucht (Marchi-Methode). Hierdurch wurde die Vollständigkeit der Durchschnei- dungen erwiesen. Ehe ich die bei diesen Tieren erhaltenen Ergebnisse schildere und ab- bilde, seien die im vorigen nur kurz skizzierten Befunde Baglionis in ihren wesentlichen Punkten wörtlich wiedergegeben. „Die Beobachtung dieses“ (in der angegebenen Weise operierten) „Tieres, als es auf dem Boden stand oder ging, ließ nun erkennen, daß sich tat- sächlich die zwei Flügel nicht gleich verhielten. Während der rechte völlig herabfiel und so dauernd gehalten war, so daß die Flügelkante den Boden berührte, blieb der linke immer höher und niemals kamen seine Federn mit dem Boden in Berührung, obwohl er etwas tiefer stand, als der Flügel einer unversehrten Taube. Es war also ein wesentlicher Unterschied zwischen dem anästhetischen und dem gelähmten Flügel nicht mehr zu bestreiten. Die Beobachtungen Trendelenburgs treffen mithin bisher zu. Durch diese Versuchsergebnisse wird aber noch nicht bewiesen, daß der anästhetische Flügel seine Haltung einem wahren Tonus verdankt, wie Trendelenburg ohne weiteres annimmt. Hingegen zeigt das folgende Experiment, wie mir scheint, daß diese Annahme unbegründet ist. Wurde diese Taube mit oder ohne Kopfkappe in den Händen derart gehalten, daß das Tier mit seinen Füßen auf dem Finger stand, und der linke Flügel ausgebreitet, d.h. nach unten gezogen, so sah man unfehlbar, daß der Flügel, sich selbst über- lassen, in der passiv angenommenen Stellung verharrte und ‚sich ganz gleich verhielt, wie der rechte völlig gelähmte Flügel.“ Zur Veranschau- lichung werden zwei Abbildungen gegeben, welche erkennen lassen, dab ! Beide Verfahren führen zu dem gleichen Ergebnis; trotzdem möchte ich das zweite empfehlen, besonders wenn man noch wenig Übung auf dem Gebiete der Hinter- warzeloperationen hat. ZuR KENNTNIS DES TONUS DER SKELETTMUSKULATUR. 205 beide Flügel etwa die gleiche Stellung einnehmen. Dem wird das bekannte Verhalten normaler Tauben gegenübergestellt. Um nun zu erklären, warum der anästhetische Flügel in dem zuletzt besprochenen Versuch doch tiefer steht, als beim Stehen und Gehen des Tieres, nimmt Baglioni, wie schon oben kurz angedeutet, eine Beeinflussung von den Beinen her an. Er geht davon aus, daß sich bei den genannten Lokomotionszuständen ein kom- binierter Reflexvorgang im Rückenmark abspielt, der sich im vorderen Teil als Flügeltonus äußert. Sind die Flügel hierdurch erst in die normale Haltung gebracht, so werden sie nach Baglioni in dieser durch die Reibung der Federn festgehalten. Fig. 1. Taube 5. Rechtsseitige Durchschneidung der Hinterwurzeln des Flügels, linksseitige des Armplexus. Das Tier auf einen Holzpfahl gestellt und sich selbst überlassen. Die Tonushaltung des rechten anästhetischen Flügels entspricht der normalen. Der linke völlig gelähmte hängt der Schwere folgend herab. Den Beobachtungen Baglionis gegenüber habe ich an den von mir operierten Tieren, für beide übereinstimmend, folgendes festgestellt: Im Stehen und Gehen streift der völlig gelähmte Flügel mit den Schwung- federn den Boden, vorn hängt das Handgelenk tief herab. Der andere Flügel ist in seiner Haltung von der normalen Haltung nicht zu unter- scheiden (Fig. 1. Wenn nach Baglioni für den Flügeltonus die im Bein- gebiet bei der Ortsbewegung entstehenden Erregungen maßgebend sind, so lag es nahe, folgenden Versuch auszuführen. Die Füße des Tieres werden 206 WILHELM TRENDELENBURG: mit einer Schlinge zusammengehalten!, das Tier wird in eine an das Ende eines Holzstabes befestigte Gabel aus Blechstreifen (vgl. d. Abb.) so gelegt, daß es mit der Brust aufruht und die Beine überhaupt nicht belastet sind. Wenn keine weiteren Manipulationen vorgenommen werden, zeigt sich auf Fig. 3. Figg. 2 und 3. Gleiches Tier, in der Blechgabel liegend. Beide Flügel wurden nach unten abgezogen und dann losgelassen. Der rechte, anästhetische Flügel geht wieder in die Tonushaltung zurück, die, wie besonders das Bild von der Seite zeigt, fast der normalen entspricht. Man beachte dagegen den beträchtlichen Unterschied gegen den völlig gelähmten Flügel. z das deutlichste wiederum die Verschiedenheit in der Haltung beider Flügel. Während der völlig gelähmte ebenso herunterhängt, wie im ersten Ver- such, ist der anästhetische in annähernd normaler Haltung, letztere ist also ! Dies hat nur den Zweck, die Fluchtversuche des Tieres zu verhindern. ZUR KENNTNIS DES TONUS DER SKELETTMUSKULATUR. 207 unabhängig nicht nur von dem FErhaltensein der Hinterwurzeln desselben Flügels, sondern auch von einer motorischen Tätigkeit der Beine. Der Versuch kann dann in der Weise variiert werden, daß bei der gleichen Lagerung des Tieres die Flügel genau gleichweit nach abwärts gezogen und dann losgelassen werden. wobei das Tier nicht unruhig werden darf. Wäh- rend der völlig gelähmte Flügel tief herabhängen bleibt, bewegt sich der anästhetische langsam nach aufwärts, so daß dann nach wenigen Sekunden ein großer Unterschied in der nunmehr eintretenden Haltung beider Flügel im gleichen Sinne wie erst vorhanden ist (Fie. 2 und 3); nur bleibt der ‚anästhetische Flügel ein wenig unter der normalen Lage. Werden nun beide Flügel vorsichtig in die normale Lage an den Körper :gelegt und darauf losgelassen, so fällt der völlig gelähmte wieder in seine vorige Lage zurück, während der nur anästhetische die ihm gegebene Lage kaum verläßt. Da ich in meinen Versuchen die Vollständigkeit der Hinterwurzel- durchschneidungen, wie erwähnt, mikroskopisch feststellte, ist hierdurch das Ergebnis Baglionis widerlegt. Die Hypothese von der Reflexkombination zwischen Lendenmark und Zervicalmark scheidet aus der Diskussion aus, weil die Beobachtungen, zu deren Erklärung sie herangezogen wurde, hin- fällig sind. Aber auch abgesehen davon ist Baglionis Erklärung schon an sich nicht haltbar. Er sagt (8.78): „Daß — — der anästhetische Flügel beim Stehen dauernd seine Haltung behaupten kann, dies kann ich mir durch das verhältnismäßig kleine Gewicht des Flügels und durch die Federreibung erklären, die das Herabfallen des Flügels verhindern.“ Niemals bleibt aber der totalgelähmte Flügel nach Anlegen in die normale Lage in dieser beharren, wie dies bei dem — nach Baglioni ebenfalls tonuslosen — anästhetischen Flügel der Fall ist! Selbst wenn die Spitze des totalgelähmten Flügels gelegentlich auf den Schwanzfedern hängen bleibt, so ist doch vorn die so charakteristische Tiefstellung des Gelenkes immer vorhanden. Es ist ganz unmöglich, den totalgelähmten, also tonuslosen, Flügel durch bloßes Anlegen so in die normale Haltung zu bringen, daß er diese nach Loslassen einhält; wie sollte es also möglich sein, daß der anästhetische Flügel die Normallage dauernd beibehält, ohne einen Tonus zu besitzen? Die Kombination von Hinterwurzeldurchschneidung der einen und totaler Lähmung der anderen Seite ist weiterhin sehr geeignet zur Beant- wortung der Frage, ob der von mir behauptete Tonus stark genug ist, um sich der fühlenden Hand bei passiver Bewegung des Flügels bemerklich zu machen. Daß er ohne weitere Vergleichsmöglichkeit nicht besonders als merklicher Widerstand auffällt, geht aus meinen früheren Angaben schon hervor. Nach der angegebenen kombinierten Operation, welche sich auch 208 WILHELM TRENDELENBURG: Fig. 4. Fig. 5. Figg. 4 und 5. Gleiches Tier, Hängeversuch. In Fig. 4 wurden beide Flügel an den Körper gelegt und wieder losgelassen; während der linke, völlig gelähmte weit herunterfällt, bleibt der rechte, anästhetische in senk- rechter Richtung stehen. In Fig. 5 wurden hingegen beide Flügel gleichweit nach unten gezogen und dann los- gelassen. Wiederum ist der Haltungsunterschied deutlich, der rechte Flügel läßt noch Tonus erkennen. (Der photographische Aufnahmeapparat stand genau in der Höhe der Mitte des Tieres, die Plattenebene stand parallel zur Sagittalebene desselben.) ZUR KENNTNIS DES TONUS DER SKELETTMUSKULATUR. 209 hier wiederum als sehr vorteilhaft erweist, war nun aber ein deutlicher Unterschied an den Flügeln zu fühlen, wenn man sie nach oben bewegte. Auch auf der Seite der Hinterwurzeldurchschneidung traten dabei die früher behandelten Gegenbewegungen natürlich nicht ein, aber es war deutlich zu fühlen, daß der dem Ausbreiten sich entgegenstellende Widerstand größer war, wie an dem totalgelähmten Flügel." Auch in diesem Punkte läßt sich also der Beweis des Tonus liefern. Wir kommen nun zum Verhalten des Flügels im Hängeversuch.? Über dessen Ergebnisse bei den erwähnten Tauben geben die Fig. 4, 5 und 6 Auskunft. Während in Fig. 4 beide Flügel an den Körper gelegt und Fig. 6. Taube a. Operation entsprechend wie bei voriger. Unterschied der Flügelhaltung. im Hängeversuch; man beachte nicht nur die Richtung des ganzen Flügels, sondern auch unten die Stellung der Handgelenke. Da der linke Flügel des Tieres weit nach der Bauchseite vorhängt (vgl. Fig. 4), verkürzt er sich im Bilde. dann wieder losgelassen wurden, sind in dem in Fig. 5 wiedergegebenen Fall beide Flügel gleichweit tief heruntergezogen und dann, ebenfalls los- gelassen, sich selbst überlassen worden. In beiden Fällen geht aus der Haltung des rechten anästhetischen Flügels die tonische Innervation seiner Muskulatur hervor. Daß er in beiden Fällen nicht die gleiche Stellung einnimmt, ist durch die Reibung, hauptsächlich wohl der Federn, zu erklären. ! Da der total gelähmte Flügel, wie ich schon in der vorigen Mitteilung angab, im Verlauf der ersten Woche steif wird, sind diese Beobachtungen (ebenso wie über- haupt alle über den Tonusunterschied der beiden Flügel bei dieser kombinierten Ope- ration) nur in den ersten Tagen von Wert. ® Es ist darauf zu achten, daß die Tiere nicht ermüden. Archiv f. A.u. Ph, 1908. Physiol. Abtlg. Suppl. 14 210 WILHELM TRENDELENBURG: Fig. 6 gibt einen entsprechenden Versuch für das andere Tier, vom Rücken her aufgenommen. Hierdurch ist auch für den Hängeversuch ein Unterschied in der Haltung des anästhetischen Flügels gegen den völlig gelähmten und mithin auch für diese Körperlage das Vorhandensein eines Muskeltonus nach Durchschneidung der Hinterwurzeln nochmals nachgewiesen. Ich komme somit auch hier zum Ergebnis, daß die Ansichten Baglionis den Tatsachen nicht gerecht werden. Es ist noch die Frage aufzuwerfen, ob die in dem Flügel selbst ent- stehenden Erregungen an dem normalen Tenus ganz unbeteiligt sind oder nicht. Es kommt hier zunächst darauf an, was man unter Tonus und unter den Wegen zu seiner Feststellung versteht. Baglioni rechnet die- jenigen Muskelspannungen, welche erst bei einer Passivbewegung des Flügels neu entstehen, zu dem fraglichen Muskeltonus hinzu, ohne an- zugeben, daß er damit eine von der meinigen abweichende Nomenklatur einführt, da ich diese Erscheinungen für sich als Gegenbewegungen behandelt habe. Daß sie nach Durchschneidung der Hinterwurzeln fehlen, habe ich selbst in meinen Arbeiten erwähnt. Rechnet man diese erst durch eine Passiv- bewegung ausgelösten Muskelspannungen mit zu den charakteristischen Merk- malen desjenigen Tonus, der vorhanden ist, wenn die Extremität sich selbst überlassen ist, so ist ohne Zweifel der Tonus nach Durchschneidung der Hinterwurzeln verändert. Mir schien es aber in diesen prinzipiellen Fragen richtiger zu sein, die Gegenbewegungen abzutrennen, da sie in keiner \Weise ein Maß für den Grad der Muskelspannung sind, die vor der Passivbewegung während der Ruhe des Tieres bestand. Denn durch die Passivbewegung werden am normalen Flügel ja sofort neue Spannungen hervorgerufen, so daß es hierbei gar nicht möglich ist festzustellen, wie viel Spannung schon vorher bestand. Dies läßt sich bei dem Vergleich anästhetischer Flügel mit normalen nur an der Ruhestellung der Extremität erkennen.! Man wird hier- gegen nicht einwenden können, daß z.B. in der klinischen Bezeichnungsweise die bei Passivbewegung sich bietende Muskelspannung als ein Maß des Tonus angesehen wird. Das mag in praktischer Hinsicht zweckmäßig sein; für die hier vorliegenden Fragen ist aber durch eine dem Wesen der Dinge gerecht werdende Bezeichnungsweise dafür zu sorgen, daß die Diskussion sich nicht um Worte, sondern um die Sache dreht. | Schaltet man also die Gegenreaktionen unter den Erscheinungen des hier in Frage stehenden Tonus aus, so kommt man zu dem Schluß, daß dieser Tonus am Flügel nach Durchschneidung der Hinterwurzeln jeden- ! Bei dem Vergleich des anästhetischen Flügels wit dem total gelähmten kann die Passivbewegung natürlich benutzt werden (vgl. oben), da sie nun keine Gegen- bewegungen auslöst. ZUR KENNTNIS DES TONUS DER SKELETTMUSKULATUR. lat falls im wesentlichen erhalten ist!, und wird darauf verzichten müssen, den Grad der etwa vorhandenen Abschwächung anzugeben, da am normalen Flügel jede Manipulation ja sogleich die tonusverstärkenden Gegen- bewegungen hervorruft. Daß die von Baglioni angenommene Reflexverknüpfung zur Er- klärung des Tonus an den Flügeln nicht dienen kann, ist oben schon ge- sagt worden. Gewiß ist es deshalb noch nicht nötig einen automatischen Tonus etwa im Sinne der Blutreizlehre anzunehmen. Man wird vielmehr auch daran denken müssen, daß im Zentralnervensystem stets eine gewisse ‘ Summe von Erregungsvorgängen abläuft, die in den verschiedensten Sinneseinwirkungen ihren Ursprung hat, so daß es durch die Ausschaltung nur einzelner Sinnesgebiete nicht möglich ist, diese Erregungen ganz zu unterbinden. Diese Summe von Erregungsvorgängen kann als Quelle des Flügeltonus angesehen werden, so daß man diesen demnach etwa als panto- genen (oder polygenen) Reflextonus bezeichnen könnte.” Es ist jedoch ein Nachteil aller Definitionen, daß sie nur zu leicht die Mannigfaltigkeit der Erscheinungen in beengende Schemen hineinzwängen, und ich bin mir dieses Nachteils bei den von mir lediglich zur Verdeutlichung benutzten Bezeichnungen wohl bewußt. Jedenfalls darf man aber nicht von vorn- herein von der Ansicht ausgehen, daß es nur eine Art von Reflextonus gebe, den isogenen, nur weil dieser bis jetzt die häufigst gefundene und bestbekannte Form ist.? ! Dies gilt in vollem Umfange für die Haltung des Tieres im Stehen und für die meisten der bisher von mir operierten Tiere auch im Hängeversuch. Auch in diesem ist meist kein Unterschied zwischen dem normalen Flügel und dem anästhetischen vorhanden, während andererseits beide sich durchaus von dem Verhalten bei Narkose oder Plexus- durchsehneidung unterscheiden. Bei der Taubeb hingegen, über welche hier berichtet wurde, war zwischen dem normalen und anästhetischen Flügel im Hängeversuch ein Unterschied derart vorhanden, daß ersterer ein wenig höher gehalten wurde; nach der Plexusdurch- schneilung war das Verhalten das oben näher geschilderte. In diesem Falle war also in der Tat der Tonus im Hängeversuch durch die Hinterwurzeldurchschneidung etwas ge- schwächt, wenn auch durchaus nicht aufgehoben. Es ist aber darauf aufmerksam zu machen, daß diese Schwächung auch auf der Nebenverletzung beruhen könnte, die sich leider nicht vermeiden ließ; jedenfalls muß ich auf die zahlreichen Beobachtungen, welche nach Hinterwurzeldurchschneidung der einen Seite keinen Unterschied der Flügelhaltung im Hängeversuch darboten (vgl. z. B. Fig. 5 der ersten Arbeit) den größeren Wert legen. ® „Allerorts‘“‘ bzw. „an vielen Orten‘ entstehender Reflextonus. Es sei offen ge- . lassen, ob jedes Sinnesgebiet an seiner Entstehung beteiligt ist. ® Baglioni übersieht übrigens den von mir schon in der ersten Arbeit zitierten Fall der tonischen Innervation des Hundeschwanzes, der von Merzbacher (Pflügers Archiv. 1902. Bd. XCII. S.585) untersucht wurde. Hier liegt kein isogener Reflex- tonus vor; und das ist eben prinzipiell wichtig, auch wenn in anderen Fällen andere Tonusformen gefunden werden. 14” 212 WILHELM TRENDELENBURG: ZUR KENNTNIS DES ToONUs Usw. Überhaupt ist auch für bekannte Fälle des Reflextonus zu bemerken, daß sie nicht stets isogen auftreten. Als Beispiel möchte ich den Beuge- tonus der Beinmuskulatur der Taube anführen. Nach einseitiger Durch- schneidung der Hinterwurzeln des Beingebietes wird, wenn man das Tier in die Hand nimmt!, nur das Bein der normalen Seite angezogen, das andere gerät nicht in Tonus; dieser ist also für den genannten Fall er- sichtlich ein isogener Reflextonus. Ebenfalls ein Beugetonus tritt nun auf, wenn die normalen Tauben fliegen; die Beine werden an den Leib gezogen und die Zehen gekrümmt. Dieser Beugetonus ist, wenigstens bei einiger- maßen hohem Flug?, auch am anästhetischen Bein vorhanden, auch dieses wird an den Leib angezogen; der Tonus ist jetzt also nicht isogen veranlaßt. Dieses Beispiel dürfte nochmals deutlich zeigen, wie unrichtig es ist, ale Tonusformen unter ein Schema vereinigen zu wollen. Ich habe mich im vorigen bemüht, den Stand der Frage wiederzugeben, wie er sich nach den neu hinzukommenden Versuchen darstellt; hingegen habe ich es noch unterlassen, auf die Bemerkung Baglionis über eine meiner früheren Angaben betrefis des Flügelverhaltens einzugehen. Wenn ich in meiner zweiten Mitteilung angab, daß im Hängeversuch der anästhe- tische Flügel nach Herabziehen in der neuen Haltung bleibe, so gebe ich zu, mich nicht ganz entsprechend ausgedrückt zu haben, da es mir dort vor allem auf das Fehlen der aktiven, durch die Passivbewegung ausgelösten Gegenbewegung ankam und ich auf den selbständigen Tonus nicht genügend achtete. Da im übrigen nunmehr das Tatsächliche in Worten und besonders in zahlreichen von mir gegebenen Abbildungen genügend festgelegt ist, sehe ich von weiteren Erörterungen ab. Die in bezug auf die Tatsachen zwischen Baglioni und mir noch bestehenden Differenzen muß ich auf das ungeeignete Operationsverfahren Baglionis zurückführen. Nur die sorgfältigste Durchschneidung mit der von mir angegebenen oder einer besseren Methode mit nachfolgender Fest- stellung des Operationsresultates durch mikroskopische Serienuntersuchung kann hier zu einwandfreien Ergebnissen führen. ! Dies Archiv. 1906. Physiol. Abtlg. Suppl. 8. 244, Fig. 2. ? Fliegt die Taube nur wenige Meter weit flach über die Erde, so wird nur das normale Bein angezogen, während das anästhetische herabhängt. Vielleicht hängt der Unterschied gegen den höheren Flug von der Intensität der beim Flug eintretenden Erregungsvorgänge ab. (Wegen Einzelheiten vgl. dies Archiv. 1906. Physiol. Abtlg. S. 84 und 1906. Suppl. 8. 238.) Zur Beeinflussung der phototropen Epithelreaktion in der Froschretina durch Adrenalin. Von Dr. Klett, Assistent am physiol. Institut der Universität Berlin, Eingehende Untersuchungen von Lieben! und Kahn? haben gezeigt, daß Injektion einer wässerigen Lösung von Adrenalin Bourough Wellcome eine sehr deutliche pigmentballende Wirkung in den Pigmentzellen, wie sie beim Frosch in den verschiedensten Organen vorkommen, hervorruft. Diese Abwanderung der im Protoplasma suspendierten Pigmentkörnchen aus den feinen Fortsätzen in den Zelleib läßt sich gleichmäßig in den entsprechenden Elementen der Schwimm- und der Niekhaut, wie der Gefäße und des Peri- kards beobachten. Diese Ermittlungen legten die Frage nahe, ob Adrenalin eine analoge Wirkung auch auf die Pigmentkörnchen in den Zellen des Pigmentepithels der Retina beim Frosch ausüben könne, und in welcher Weise gegebenen- falls die unter dem Einfluß der Belichtung stehende Pigmentstellung bei diesen Tieren durch Adrenalin zu beeinflussen wäre. Die Grundlage für derartige Untersuchungen bildet die sogenannte „phototrope Epithelreaktion“ bei Amphibien (Kühne), das ist die mit der Belichtungstärke wechselnde Stellung der Pigmentkörnchen in den Zellen des Pigmentepithels der Netz- haut. Bei längerem Aufenthalt im Dunkeln findet nämlich bei Fröschen eine Rückwanderung des Pigments aus den Fortsätzen in den eigentlichen Zellkörper hinein statt, so daß Stäbchen und Zapfen in ihren Umrissen klar und deutlich siehtbar werden. (Maximale Dunkelstellung des Fuseins.) Unter der Einwirkung des Belichtungsreizes kommt es umgekehrt zu einer Abwanderung der Pigmentkörnchen aus dem Leib der Epithelzellen in die Fortsätze dieser Elemente hinein, die zwischen die Stäbchen und ! Lieben, Zentralblatt für Physiologie. Bd. XX. H. 4. ®” Kahn und Lieben, dies Archiv. 1907. Physiol. Abtlg. S. 104. ® Corona e Moroni, La Riforma medica. 1898. 214 KLETT: Zapfen reichen. Diese Erscheinung nimmt mit der Stärke des Lichtreizes zu und findet bei intensiver Belichtung mit der Bildung einer kompakten Pigmentschicht, deren Lage etwa dem Verlauf der Limitans ext. entspricht, ihren Höhepunkt (maximale Lichtstellung des Fuscins). Nach den Angaben von Calvil! haben gewisse Substanzen auf das Zustandekommen dieser Licht- und Dunkelreaktion einen besonderen Einfluß; so soll Einträufelung von Holocain Lichtstellung des Pigments herbeiführen, Eucain und Tropa- kokain Dunkelstellung verursachen. | Der Entscheidung der Frage, ob Adrenalin zu diesen Mitteln gehöre, die die phototrope Epithelreaktion zu beeinflussen vermögen, dienen die folgenden Versuche, deren technische Seite ich zunächst erörtern möchte. Zwecks Prüfung der Brauchbarkeit des zur Verfügung stehenden Materials — Rana esculenta — wurden die Frösche durchweg 24 Stunden in absolutem Dunkel gehalten und nach dieser Zeit einige von ihnen ein- seitig durch ein Bogenlicht (15 Ampere) in ca. 25 = Entfernung vom Auge des Tieres belichtet. Unmittelbar darauf wurde der Öberkiefer ab- geschnitten und in ein bereitstehendes Glas mit 10 prozentiger Salpetersäure gebracht. Ich wählte dieses Fixationsmittel deshalb, weil es sich bei den jahre- langen Untersuchungen von Gehr. Gustav Fritsch an Wirbeltieraugen und menschlichem Material vorzüglich bewährt hatte, besonders im Hinblick auf die Erhaltung des ursprünglichen Situs der einzelnen Teile. Nach einem 6 bis 8 stündigen Aufenthalt in der Salpetersäure wurde das Material auf 24 Stunden in Müllersche Flüssigkeit übertragen, dann gründlich ausgewaschen, wie üblich in Alkohol steigender Konzen- tration erhärtet und schließlich in Celloidin eingebettet. Die Augen- wurden erst bei dem Übertragen von Alkohol/Äther in dünnes Celloidin aufgeschnitten. Von beiden Augen jedes Frosches wurden 40 bis 50 Schnitte an- gefertigt, immerhin in nächster Nähe des Sehnerveneintritts, nach der Me- thode Obregias aufgeklebt und entsprechend der Konservrierungsweise mit Eisenhämatoxylin (Benda) gefärbt. Das Resultat dieser Versuche zur Feststellung der Belichtungsdauer läßt sich dahin zusammenfassen, daß eine Belichtung von 10 Minuten Dauer, durch ein Bogenlicht (15 Ampere) in 25 = ZJintfernung genügt, um mit Sicherheit die maximale Lichtstellung bei meinem Versuchsmaterial zu erzielen. Um nun die Wirkung des Adrenalin auf das Zustandekommen der phototropen Epithelreaktion richtig beurteilen zu können, war es vonnöten, ı Calvi, Arch. di oftalmolog. 1899. PHOTOTROPE EPITHELREAKTION. 215 erst ganz allgemein die ja hinlänglich bekannten Vergiftungssynptome durch Adrenalin, ihren Eintritt, ihre Dauer bei Verwendung der wässerigen Lösung (Adrenalin Takamine Y,,00) festzustellen und dann die toxische Dosis zu ermitteln, nach deren Injektion wohl deutliche Vergiftungserscheinungen nach relativ kurzer Zeit eintreten, aber andererseits die Störungen nicht zu sehr den Allgemeinzustand des Versuchstieres beeinträchtigen durften. Diesem Zweck entsprach eine Injektion von 3 ”s Adrenalin in den Lymph- sack am besten. Spätestens nach 10 Minuten setzten bei dieser Dosierung deutlich Vergiftungserscheinungen unter profuser Hautsekretion — im Ein- klang mit den Beobachtungen Ehrmanns! — erheblich gestörter Zirku- lation und etwas alterierter Atmung ein. Von da an nahmen die Störungen an Stärke zu und erreichten nach etwa !/, Stunde und mehr ihren Höhe- punkt in Gestalt eines stundenlang andauernden Kollapses, aus dem der Frosch sich aber langsam erholte. Nach diesen Ermittlungen begann ich mit den eigentlichen Experi- menten, und zwar in zwei Versuchsreihen, die zusammen 27 Frösche um- faßten, die alle vorher 24 Stunden absolut dunkel gehalten wurden. Dabei erhielten die Tiere der ersten (l.) Gruppe erst eine Injektion von 3 “8 Adrenalin in den Lymphsack und wurden unmittelbar nach dem Eintritt der ersten Vergiftungserscheinungen */, Stunde lang belichtet; die zur Gruppe II gehörigen wurden erst 5 Minuten belichtet, bekamen dann die gleiche Dosis Adrenalin und wurden nun abermals 10 bis 15 Minuten dem Licht derselben Bogenlampe ausgesetzt. Dabei möchte ich nicht unerwähnt lassen, daß nur solche Frösche der Gruppe I und II zur Belichtung verwendet wurden, bei denen die deut- lichen Zeichen einer Adrenalinvergiftungen bestanden. Die Augen dieser Frösche kamen in der oben beschriebenen Weise zur Untersuchung, und zwar bei jedem Frosch auch das unbelichtet ge- bliebene Auge, um dadurch die Einwirkung des Adrenalin auf die Pigment- stellung an einem schwach belichteten Auge kennen zu lernen. Diese Versuchsreihe mit subkutaner Anwendung des Adrenalin hatte nach jeder Richtung ein negatives Resultat. Es ließ sich” keinerlei Beeinflussung der Stellung der Pigmentkörnchen feststellen; die Lichtreaktion trat ebenso prompt bei dem mit Adrenalin vergifteten Frosch wie bei dem normalen Tiere ein. Wegen des negativen Ergebnisses verzichte ich daher auf eine detaillierte Wiedergabe des Versuchsprotokolls. Anders gestaltete sich das Resultat bei lokaler Wirkung, d. h. in diesem Falle bei intraokularer Applikation des Adrenalin. Dazu benutzte ich eine stärkere Stammlösung (1 Prozent), deren Giftigkeit erst bei subkutaner Ein- ! Ehrmann, Archiv für experimentelle Pathologie. Bd. LIII. S. 137. 216 KLrtT: verleibung festgestellt worden war. Nachdem sich gezeigt hatte, daß bei subkutaner Injektion von 38 Adrenalin in 1 prozentiger Lösung sich genau das gleiche Vergiftungsbild, sicherlich wegen der langsameren Resorption etwas später als bei Verwendung einer 1 °/,, Lösung erzeugen ließ, in- jizierte ich einem Frosch vorsichtig unter Vermeidung von Nebenverletzungen nach Abfließenlassen des Kammerwassers durch eine möglichst feine Kanüle langsam die ermittelte Dosis von 3 ”s in die vordere Augenkammer. Nach dem prompten Eintritt der Vergiftungserscheinungen zu urteilen, konnten bei dem angegebenen Verfahren nur geringe Spuren verloren gegangen sein. Die Zahl der verwandten Frösche beläuft sich hier auf 12; davon gehören 4 der Gruppe I und 8 der Gruppe II an. Von den Versuchstieren wurden also die einen (I) nach 24 stündigem Aufenthalt im Dunkeln erst mit Adrenalin vergiftet und dann einseitig belichtet, die anderen (II) zweimal dem Bogenlicht ausgesetzt und zwischen beiden Belichtungen ihnen 3 =® Adrenalin in die vordere Augen- kammer injiziert. Auch hier kamen beide Augen jedes Frosches zur Unter- suchung. Das unbelichtet gebliebenene Auge ist im Versuch zwar der Lichtquelle abgekehrt, wohl aber diffusem Licht ausgesetzt. Ich glaubte auf diese Weise besonders gute Kontrollpräparate erzielen zu können; denn auf diese Weise hatte ich ja stets einen Maßstab für Lichtempfindlichkeit der Retina des Versuchstieres, die sich wenigstens für meine Zwecke in der Pigmentstellung bis zu einem gewissen Grade spiegelt. Im folgenden gebe ich das Protokoll wieder: Die einzelnen Frösche sind mit Buchstaben des Alphabets bezeichnet und tragen als Index das Zeichen „I“ oder „II“, je nachdem sie der Ver- suchsgruppe I oder II angehören, die sich ja ihrerseits durch die Art der Belichtung unterscheiden. Der erste Frosch, der eine intraokulare Injektion von Andrenalin er- hielt, trägt den Buchstaben I. Frosch I; vakat. Für Voruntersuchung benutzt. Frosch In. Nach Entfernung der Nickhaut des rechten Auges wird der Frosch 5 Min. belichtet, erhält dann intraokular 3"”8& Adrenalin und wird weiterhin 10 Min. dem Bogenlicht ausgesetzt. A Mikroskopische Untersuchung. Zentral: ausgesprochene Lichtretina. Peripher: geringgradige Pigmentabwanderung. Frosch K.. Nach Injektion von 3"® Adrenalin in die vordere Augenkammer nach kurzem Warten (2 Min.) Belichtung von 10 Min. und zwar des linken Auges = Kjıl., des rechten Auges = Kır. PHOTOTROPE EPITHELREAKTION. 217 Mikroskopische Untersuchung: K; links belichtet: Linkes belichtetes Auge: Peripher: äußerst geringe Pigmentabwanderung. Zentral: Stäbchen und Zapfen von Pigment überlagert. Unbelichtetes Auge, rechts: Unvollkommene Dunkelstellung. Kr rechts belichtet: An beiden Augen unvollkommene Lichtstellung. Frosch Lir. 3 Nach 15 Min. andauernder Belichtung Injektion und darauf abermalige Belichtung von 10 Min. Dauer. Mikroskopische Untersuchung: Lır links belichtet: Linkes = belichtetes Auge: Die Gefäße sind strotzend gefüllt. Das Pigment liegt zusammengeballt als dieker brauner Saum, nur durch einen schmalen Zwischenraum von der Reihe der Pigmentzellen getrennt. Inseln von Pigment lassen sich stellenweise an der Grenze der äußeren Körner- schicht beobachten. Rechtes = unbelichtetes Auge: Fast maximale Lichtstellung. Lır rechts belichtet: Rechtes = belichtetes Auge: Gefäße sehr stark gefüllt. Teilweise maxi- male Lichtstellung. Oft Ziekzaeklinie des Pigmentsaums. Linkes = unbelichtetes Auge: Zentral und peripher unvollkommene Lichtstellung. Gefäße leer. Frosch Mn. 15 Min. andauernde Belichtung. Injektion und abermalige Belichtung von 10 Min. Dauer. Mır links belichtet: Linkes = belichtetes Auge: Teilweise fast maximale Dunkelstellung. Nirgends maximale Lichtstellung. Gefäße sehr stark gefüllt. Rechtes — unbelichtetes Auge: Zentral: mäßige Lichtreaktion. Peri- pher: beginnende Abwanderung des Fuseins nach der Lichtstellung hin. Mrr rechts belichtet: Rechtes = belichtetes Auge: Teilweise maximale Dunkelstellung und zwar auch zentral; zum Teil annähernd maximale Lichtstellung; doch ist der Pigmentsaum nicht kompakt. Beide Zonen gehen an einzelnen Stellen rasch ineinander über. Gefäße strotzend gefüllt. Linkes = unbelichtetes Auge: Zu ?/, nahezu maximale Lichtstellung; doch ist der Pigmentsaum sehr schmal. Frosch N]. Belichtung von 10 Min. Dauer, dann 3”® Adrenalin intraokular, und weitere Belichtung von !/, Stunde. Nır links belichtet: Linkes = belichtetes Auge: Peripher: Dunkelstellung und beginnende Wanderung des Fuscins in die Fortsätze. Zentral: Teils unvollkommene, teils maximale Lichtstellung. Pigmentsaum schmal. Gefäße strotzend gefüllt. 218 KLETT: PHOTOTROPE EPITHELREAKTION. Rechtes = unbelichtetes Auge: Peripher: beginnende Vorwanderung des Pigmentes. Zentral: nieht ganz maximale Lichtstellung. Nır reehts belichtet: Rechtes = belichtetes Auge: In !/, der Schnitte herrscht das Bild mäßig belichteter Retina. An der Grenze der äußeren Körnerschicht fehlt ein Pigmentsaum. Sonst unvollkommene Dunkelstellung. Starke Füllung der Gefäße. Linkes = unbelichtetes Auge: In allen Schnitten zentral: maximale, peripher: fast maximale Lichtstellung. Frosch R\. 24 Stunden im Dunkeln. Intraokulare Injektion von 3 ”® Adrenalin. Nach 10 Min. Belichtung von 10 Min. Dauer. R; links belichtet: Linkes = belichtetes Auge: Auf der einen Seite vom Optikus maximale Lichtstellung, auf der anderen unvollkommene. Gefäße stark gefüllt. Rechtes = unbelichtetes Auge: Bild mäßig belichteter Retina. R; rechts belichtet: Rechtes = belichtetes Auge: Fast durchweg annähernd vollkommene Dunkelstellung. Stellenweise schwache Verwanderung des Pigmentes in die Fortsätze hinein. Gefäße stark gefüllt. Linkes = unbelichtetes Auge: Verloren gegangen. Ergebnis: Adrenalin übt wie auf die Pigmentkörnchen in den Pigmentzellen der Haut, der Gefäße usw. des Frosches, auch auf die analogen Gebilde in den Pigmentepithelien der Retina eine zusammenballende Wirkung aus, jedoch nur bei lokaler Applikation. Dieser kontrahierende Einfluß vermag sogar die durch den Lichtreiz hervorgerufene Vorwanderung des Pigments bis zu einem gewissen Grade zu hemmen und da, wo sie bereits erfolgt ist, eine nachträgliche Ballung und Zusammenziehung des Pigments natür- lich in wechselnder Stärke herbeizuführen. Diese Erscheinung tritt nach Einführung des Adrenalin in die Blutbahn nicht ein, wahrscheinlich weil die Konzentration zu gering ist, in der es dabei auf das Pigmentepithel der Retina wirken kann. Außerdem habe ich noch einen Einfluß des Adrenalin auf die Schleim- drüsen der Nickhaut feststellen können. Läßt man zu einem Nickhaut- präparat in physiologischer Kochsalzlösung eine 1 promillige Adrenalin- lösung zufließen, so kann man in 90 Prozent eine deutliche Kontraktion der Schleimdrüsen dadurch hervorrufen, so wie sie sonst durch einen elek- trischen Induktionsschlag auszulösen ist. Zum Schluß erlaube ich mir Herrn Geheimrat Th. W. Engelmann für die Anregung zu dieser Untersuchung meinen ergebensten Dank aus- zusprechen. Nachbilder, Übersicht und Nomenklatur. von Fr. Klein. (Aus dem physiologischen Institute zu Kiel.) Für eine Anzahl demnächst ausführlicher mitzuteilender Beobachtungen an Nachbildern ist es notwendig, kurze Bezeichnungen einzuführen, welche vor Verwechselungen schützen. Ich habe dazu die Buchstaben « bis ö gewählt und benutze sie, soweit schon Bezeichnungen vorhanden sind, neben diesen. In der folgenden Zusammenstellung sind die wichtigsten der später zu besprechenden Beobachtungen kurz angedeutet. I. Spontan auftretende Nachbilder (« und ?). «-Nachbilder. Unter dieser Bezeichnung fasse ich die nach kurzer Belichtung im wiederverdunkelten Auge auftretenden Nachbilder zusammen. 1. Das primäre positiv-gleichfarbige Nachbild, das bei bewegtem Objekte Streifungen oder Unterbrechungen zeigt. 2. Das sekundäre, Purkinjesche, positiv-komplementäre Nachbild. 3. Das tertiäre positiv-gleichlarbige Nachbild. (Zuweilen tritt im [sekundären?] positiven Nachbilde ein dunkler Blut- gefäßast auf.) 4. Ein negatives Nachbild, das bei geringerer Helligkeit des Objektes an Stelle des sekundären Nachbildes auftreten oder darauf folgen kann. In diesem Nachbild können helle (leuchtende) Gefäßäste auftreten; außerdem kann es einen schmalen, scharfen (oder auch nach außen mehr verschwommenen) hellen (leuchtenden) Rand haben. 220 FR. KLEI: 5. Größenschwankungen. An den «-Nachbildern lassen sich höchst auffallende „deformierende“ Größenschwankungen beobachten: Einem Kleiner- werden der hellen Teile entspricht ein gleichzeitiges Größerwerden der dunklen Teile und umgekehrt. In einigen Fällen ließ sich beobachten, daß eine bestimmte Größenänderung mit dem Auftreten eines bestimmten Nachbildes zusammenfällt. Die «-Nachbilder laufen innerhalb der ersten zwei Sekunden nach Be- ginn der Belichtung ab. 3-Nachbilder. 1. Nach 30 bis 40” langem Fixieren eines recht hellen (oder 5” langem Fixieren eines blendend hellen) Objektes treten im völlig verdunkelten Auge bis zu etwa 25 durch Pausen unterbrochene Nachbilder auf. Anfangs sind sie hell, dann mehr oder minder lebhaft (brillant) gefärbt, endlich dunkel; zuletzt können ein oder zwei schwache helle Nachbilder auftreten. 2. Die einzelnen Teile des #-Nachbildes treten meist nicht gleichzeitig, sondern nacheinander auf, so daß abwechselnd oben, unten, links oder rechts Stücke der Nachbilder fehlen. (Unter Umständen geht das $-Nachbild in einen schon von Purkinje beobachteten periodischen Vorgang anderer Art über, den ich als „periodische Lichtentwicklung‘“ näher beschrieben habe.) 3. Durch Belichtung des (geschlossenen) Auges lassen sich die #-Nach- bilder beeinflussen: z.B. kann starke Belichtung unter Umständen (blendend helles Objekt) ein dunkles $-Nachbild in ein helles umwandeln. Dieser Erfolg fäilt nicht mit dem Beginn der Belichtung zusammen, sondern tritt etwas später ein. | Die $-Nachbilder laufen im Mittel innerhalb der ersten drei Minuten ab. II. Nicht spontan auftretende Nachbilder (y und Ö). „Wiederbelebte Nachbilder.‘“ Wenn im vollkommen verdunkelten Auge die spontanen /-Nachbilder abgelaufen sind, so lassen sich durch Licht oder Druck von neuem Nach- bilder hervorrufen: „Wiederbelebte Nachbilder.“ y-Nachbilder. a) Wiederbelebung der y-Nachbilder durch Licht. Kurze Belichtung (etwa !/,”) des geschlossenen Auges. 1. Wird sie bald (wenige Minuten nach Aufhören der spontanen £-Nach- bilder) ausgeführt, so tritt regelmäßig ein Nachbild auf. NACHBILDER, ÜBERSICHT UND NOMENKLATUR. 221 2. Wartet man länger (5 bis 10 Minuten) oder macht man eine größere Pause, so pflegen die ersten Belichtungen erfolglos zu sein und das Nachbild tritt erst nach mehrfacher Wiederholung (bei der zweiten bis zehnten Be- liehtung) auf. 3. Wartet man mit der ersten Belichtung zu lange (etwa 15 Minuten), so pflegt kein Nachbild mehr aufzutreten. 4. Bei rechtzeitig begonnener und in kürzeren Pausen wiederholter Belichtung ist noch nach 15 bis 45 Minuten ein Nachbild zu erhalten. 5. Latenzzeit. Der Erfolg der Belichtung tritt mit einer anfangs un- merklichen, mit dem Alter des Nachbildes steigenden Latenzzeit auf. Nach- weis durch Belichtung des offenen Auges mittels Momentverschlub. 6. Einfluß der Belichtungsstärke. Bei Variation der Belichtung (des geschlossenen Auges) steigt und fällt die Helligkeit des übrigen Gesichts- feldes mit dem äußeren Licht. Das Nachbild dagegen weist bei einer be- stimmten mittleren Belichtung ein Helliskeitsminimum auf; es ist dann samtschwarz, darüber und darunter weniger dunkel. Bei einer bestimmten sehr geringen und bei sehr großer Lichtstärke ist kein Nachbild zu sehen (Nachbild und Grund sind gleichhell). | 7. Beim Wiederverdunkeln nach vorausgegangener Belichtung kann ein helles Nachbild auftreten. 8. Größenschwankung. Das durch kurze Belichtung wiederbelebte dunkle y-Nachbild macht im Moment des Auftretens eine Größenschwankung: Es zieht sich schnell zusammen und dehnt sich langsamer wieder aus. Auch an dem beim Wiederverdunkeln erscheinenden hellen Nachbilde läßt sich manchmal eine Größenänderung erkennen. b) Wiederbelebung der 7-Nachbilder durch Druck. 1. Allgemeine Wirkung des Druckes aufs Auge; Druckbilder. Drückt man vorn auf das (vollkommen verdunkelte) Auge, so. treten anfangs meist helle und dunkle Wellenzüge auf; bei fortgesetztem Druck erscheinen leuchtend helle oder dunkle vom blinden Fleck ausgehende mehr oder minder verzweigte Gefäßzüge oder Teile von solchen. Außerdem sieht man, besonders deutlich im mittleren Teil des Gesichtsfeldes, feine Zeich- nungen, die wie Projektionen mikroskopischer Schnitte aussehen. Eine Anzahl solcher Bilder wechselt miteinander ab. Ein und dieselben Bilder kehren bei verschiedenen Versuchen wieder, auch wenn sie jahrelang aus- einander liegen. 222 Fr. Kıein: NACHBILDER, ÜBERSICHT UND NOMENKLATUR. 2. y-Nachbild im Druckbild. Ruft man diese Druckbilder wenige Minuten nach Ablauf der spontanen ?-Nachbilder hervor, so treten in günstigen Fällen in der Reihe der Druck- bilder solche auf, in denen das dunkle oder helle Nachbild sichtbar ist. (Das helle Nachbild erscheint meist beim Aufhören des Druckes.) Andere vor- und nachher erscheinende Druckbilder sind frei von jeder Spur des Nachbildes. Zugleich mit dem dunkeln Nachbilde tritt eine Zeichnung auf, die durch Büschel welliger Linien charakterisiert ist (in mehreren Fällen be- obachtet). In einem anderen besonders auffallenden Druckbilde — es weist gebogene Linien auf, die aus kettenfürmig aneinandergereihten Punkten bestehen — wurde niemals ein Nachbild beobachtet. Durch Druck sind Nachbilder nur einigemale hintereinander zu erzielen. An den durch Druck erzeugten Nachbildern sind keine Größen- schwankungen beobachtet. Nach Erschöpfung durch Druck werden durch Belichtung von neuem Nachbilder erhalten. ö-Nachbilder. Der letzte Erfolg der Belichtung ist oft erst beim Wiederverdunkeln zu erkennen: Beim Belichten erscheint entweder kein Nachbild oder seltener ein schwaches helles Nachbild, beim Wiederverdunkeln ein meist ver- waschenes dunkles Nachbild. Durch Druck sind im ö-Stadium keine Nachbilder zu erzielen. Die deformierenden Größenschwankungen der a-Nachbilder (des primären, sekundären und tertiären Bildes). Ein Beweis für die Beteiligung einer oder mehrerer den Stäbchen und Zapfen vorgelagerten Netzhautschichten beim Sehen. Von Fr. Klein. (Aus dem physiologischen Institute zu Kiel.) Einleitung. Vor kurzem habe ich begründet, daß das Druckphosphen nicht auf mechanischer Reizung der Stäbchen und Zapfen beruht! und daß durch den Druck ein Prozeß ausgelöst wird, der erst sekundär zur Erregung der Sehzellen führt (und zwar nur, wenn er diskontinuierlich verläuft ?). Was den Ort der primären Druckwirkung betrifft, so konnte das Pigmentepithel ausgeschlossen werden‘. Es blieben also die Sehzellen selbst und die ‘ihnen vorgelagerten Netzhautschichten. Die Entscheidung zwischen diesen beiden Möglichkeiten, die das Druck- phosphen selbst nicht liefert, wird durch die vorliegende Mitteilung herbei- geführt. Wegen der Bezeichnung „«-Nachbilder“ usw. vgl. S. 219. I. Beobachtungen. 1. Größenschwankungen von Netzhautbildern und Nachbildern; Übersicht. Wenn auf der Netzhaut plötzlich ein helles oder dunkles Bild oder Nachbild auftaucht, so sieht man es in vielen Fällen seine Größe ein oder mehrere Male, sei es rapide, sei es träge, mehr oder minder deutlich 1 Dies Archiv. 1908. Physiol. Abtlg. S. 445. ? Dies Archiv. 1903. Physiol. Abtlg. Suppl. 8. 167. 27023. 0.8.10, 224 Fr. KLEm: ändern. Die Änderung kann im höchsten Grade auffallend oder auch äußerst geringfügig sein; sie kann auch ganz fehlen. Die Helligkeit des Objekts und der Zustand des Auges spielen dabei eine Rolle. Der Erlangung zuverlässiger Beobachtungen pflegen sich anfangs Schwierigkeiten entgegenzustellen: Man erkennt, wenn erst einmal die Aufmerksamkeit darauf gerichtet ist, wohl leicht genug, daß ein Bild oder Nachbild beim Auftauchen eine zuckende Bewegung macht, aber ihre genaue Analyse ist oft schwierig, um so schwieriger, je schneller die Bewegungen verlaufen und je komplizierter das Objekt ist. Ein plötzlich auftauchendes helles Netzhautbild (z. B. ein nicht zu kleines Viereck) sieht man bei mittleren und höheren Helligkeits- graden im allgemeinen sofort (lange bevor die Pupille auf Licht reagiert) energisch kleiner, darauf etwas langsamer wieder größer werden, doch kann die zweite Bewegung auch fehlen. Bei geringer Helligkeit geht dem Kleinerwerden sehr regelmäßig ein Größerwerden voraus, so daß man das Objekt „größer, kleiner, größer‘, oder nur „größer, kleiner“, selten nur „kleiner“ werdemsieht. Ein Größerwerden für sich allein ist nicht beobachtet. Ein dunkles Objekt auf hellem Grunde zeigt die umgekehrten Änderungen. ! Die durch Belichtung des geschlossenen Auges wieder hervorgerufenen „wiederbelebten“ negativen y-Nachbilder heller Objekte werden im Moment des Erscheinens energisch (mit einem Ruck) kleiner, darauf lang- samer wieder größer.” Dies ist die Regel. Doch sind auch andere und mehr Bewegungen (bis zu sechs) beobachtet. An dem beim Wiederverdunkeln nach vorausgegangener Belichtung auftretenden positiven „-Nachbild sind ebenfalls Größenänderungen beobachtet, selten auch am ö-Nachbild. Abgesehen von den letzten beiden Fällen, die für die Beobachtung wenig geeignet sind, bieten die bis jetzt erwähnten Größenänderungen in theoretischer Beziehung Komplikationen, die bei den «-Nachbildern nicht vorliegen. Besonders die Netzhautbilder können durch Änderungen des Objekt- abstandes oder des dioptrischen Apparates eine Größenänderung erfahren. Diese Einflüsse sind bei den Größenschwankungen der «-Nachbilder, die unter vollkommenem Ausschluß des äußeren Lichtes zu beobachten sind, nicht vorhanden. ! Bisher liegen 27 Versuchsreihen von 6 Beobachtern vor. ? An den wiederbelebten y-Nachbildern sind die Größenschwankungen zuerst ge- sehen worden; es liegt darüber ein ziemlich umfangreiches (später zu veröffentlichendes) Beobachtungsmaterial vor. DIE DEFORMIERENDEN GRÖSSENSCHWANKUNGEN DER &-NACHBILDER. 225 2. Die deformierenden Größenschwankungen der «-Nachbilder (des primären, sekundären Purkinjeschen und tertiären Nach- bildes) bei Ausschluß des äußeren Lichtes. Zur Beobachtung wurden nur ruhende Objekte verwendet, Fenster mit einer oder zwei Mattscheiben und Fenster mit mehreren Scheiben. Die Augen wurden meist mit einem vielfach zusammengelegten schwarzen Tuch liehtdicht bedeckt und das eine, selten beide, mit einer schnellen Hand- bewegung für höchsten 0.3” freigegeben ..! In andern Fällen (Prot. 78, 80, 83, 79, 81) wurde ein Momentver- schluß verwendet, der mit einer lichtdichten Maske verbunden war. Entweder wurde nur eine Größenänderung gesehen, oder auch mehrere, bis zu 4 (oder 5). Mehrere Bewegungen lassen sich leichter an einfachen Objekten (eine Mattscheibe) feststellen. In Tabelle I sind sämtliche beobachteten Bewegungen zusammen- gestellt, in Tabelle II die Fälle, wo es gelungen ist, die Verteilung der Größenschwankungen auf die einzelnen Nachbilder zu erkennen, in Tabelle III die Fälle, wo eine rohe Schätzung der Zeit ausgeführt ist (vgl. S.226 und 227). Man ersieht aus den Tabellen, daß nahezu ausnahmslos ein Kleiner- werden des hellen Nachbildes beobachtet ist, sei es allein oder mit anderen Bewegungen. Diese am meisten auffallende Bewegung scheint wesentlich dem sekundären Nachbilde zuzukommen. Für das primäre Nachbild scheint ein anfängliches Größerwerden, für das tertiäre nur ein Größerwerden charakteristisch zu sein. Zweimal (Prot. 77 und 82) ist während des (Größerwerdens eine nochmalige ruckweise Zunahme beobachtet. Stellt man die Versuche mit beiden Augen an, so sieht man das Nachbild nicht „größer“ und „kleiner“ werden, sondern näher kommen und zurückgehen (Prot. 75, 77). Die drei positiven Nachbilder laufen innerhalb der ersten zwei Se- kunden ab. 3. Varianten des sekundären Nachbildes. Anstatt daß drei positive Nachbilder erscheinen, ein gleichfarbiges, ein annähernd komplementäres und wieder ein gleichfarbiges, kann bei geringer Helligkeit des Objekts auch ein negatives Nachbild in der Reihe auftreten, und zwar anstatt des sekundären positiv-komplementären Nachbildes (Prot. 64, 65) oder darauf folgend. In diesem negativen Nachbilde können leuchtend- helle Gefäße auftreten (Prot. 71) und es kann auch mit einem scharfen leuchtenden Rande umgeben sein. Auch an diesem Nachbilde sind Größen- änderungen beobachtet. ! Ich habe die Bewegung 10mal hintereinander in 2-7” ausgeführt. Archiv f. A.u.Ph. 1908, Physiol. Abtlg. Suppl. 15 226 FR. KLEix: Weitere Einzelheiten nebst den zugehörigen Protokollen und Zeich- nungen werden später mitgeteilt. 4. „Deformierende“ Größenschwankungen. Den offenbar nicht ganz einfachen Ursachen der Größenschwankungen soll an dieser Stelle nur insoweit nachgegangen werden, als nötig ist, um den eingangs erwähnten Beweis für die Beteiligung einer oder mehrerer den Stäbchen und Zapfen vorgelagerten Netzhautschichten beim Sehen zu erbringen. (Forts. S. 228.) Tabelle I. Größenschwankungen der «-Nachbilder (des primären, sekundären und tertiären Nachbildes). k = kleiner; g = größer; .... = Größenänderung, nicht erkannt, ob g oder Ak. Die Angaben beziehen sich auf die hellen Teile der positiven Nachbilder. Belichtungs- ol Objekt 5 ee Art der Größenschwankung L: Sekunden . 68 Eine Mattscheibe 0:3 kg, K; 20...,2.0, KH osram 70 s | 5 men kg, g,Kkya 713 ss = ARE 76 25 | 5 k, 9, k. 77 » » 9% 9 ky 9. 78 RS eo eng. 80 | ” | u 3 bis 5 Bewegungen. 82 „ hs 9k,9,9; 9, k. 83 | s | ie 22020 050.103 020: 84 R | Blitz 9, k. 85 offenes Fenster „ g. 66 die Sonne | en k. 62 heller Fleck | 0-3 k. 60 zwei Mattscheiben a k. 63 is 5 MIC, 64 H a k. 69 s * 9,.0,39: 71 a ni Gelesen: 58 drei Scheiben 5 k. 59 „ » k. 61 sn 5 k. 65 3 s k. 72 » » Hk; hg; kg 74 „ ” k, I- 75 : s k, g. 67 Li » k. 19 9 "ıs 9 k. 81 a um BR LUNG 86 Gelbrote Mattscheibe 0-3 eseg! DIE DEFORMIERENDEN GRÖSSENSCHWANKUNGEN DER &-NACHBILDER. Tabelle II. 227 Verteilung der Größenänderungen auf die einzelnen ı | Belich- Profpkal 'tungsdauer, | Sekurden | Primäres Nb. a-Nachbilder. T Sekundäres ‚ (Purkinje- | sches) Nb:| 0-3 q 9 (%) g%k Dre keine Bewegung. zu sehen Tertiäres Nb. PR k Tabelle III. keine oder äußerst ‚kurze Übergangs- periode keine Pause ° keine Pause Zeitlicher Verlauf der «-Nachbilder. Die Zeit ist geschätzt durch Zählen im Viertelsekundentempo. Die Belichtung beginnt zur Zeit Null. ıl °('’ 0-5” wieder Anfangs- größe Q 1:5” ee Belichtung n 'pos. sek.Nb. TEENS ist g Belichtung % pos. Nb. neg. Nb.! kein Nb. os. Nb. Belichtung | k pP (Lächtnehel) pos. Nb. g 1 Zt | Belichtung pos. Nb. Belichtung 1 g! k! (träge) Belichtung % pos. NE Bel. keine Bewegung | pos. Nb. sekundäres pos. Nachbild | I pos. Nb. I | k \ Bel. durch Blitz | positives Nachbild 84 t Endzeit nicht bestimmt. alles dunkel pos. Nb. g! Zt 228 FR. KLEm: Dazu genügt die Feststellung einer einzigen Größenänderung an einem Objekt, welches erkennen läßt, daß die Größenschwankung defor- mierend ist: Am bequemsten stellt man den Versuch an, wenn der Himmel noch hell ist und im Zimmer die Dämmerung eben beginnt. Fig. 1a. Man richte das verdeckte Auge auf ein Fenster mit mehreren Scheiben und gebe es einen Augenblick frei. Man sieht dann bei geeigneter Wahl des Fixationspunktes die hellen Fensterscheiben kleiner werden, während gleichzeitig das dunkle Fensterkreuz breiter wird. (Fig. 1 und 2.) Der Vorgang hatte für mich anfangs etwas Verwirrendes, ‚und noch immer sehe ich bei gelegentlichen Versuchen mit einer gewissen Ver- wunderung das Fenster einen völlig anderen Charakter aunehmen. DIE DEFORMIERENDEN GRÖSSENSCHWANKUNGEN DER @-NACHBILDER, 229 Zarte Ranken, die sich dunkel von den hellen Scheiben abheben, sehe ich dieker und gröber werden. Der Eindruck, den die Bewegung macht, ist stärker, als man aus dem bloßen Vergleich der Stadien a und b schließen würde: Kleine Bewegungen, die an vielen Punkten der Netzhaut gleich- Fig. 1b. zeitig auftreten, werden sehr leicht als solche erkannt, während die Verschiebung weniger Punkte kaum oder gar nicht bemerkt wird. Viele gleichzeitig sichtbare ganz langsam ziehende Wolken machen den lebhaften Eindruck der Bewegung, während ein einzelnes ebenso schnell ziehendes Wölkchen stillzustehen scheint. (Ich habe mich überzeugt, daß die Größenschwankung auch von anderen Beobachtern nach wenigen Vorversuchen erkannt wird.) 230 FR. KLEM: „Deformierend“ nenne ich die Größenschwankungen, weil die ver- schiedenen Formen des Fensters einander geometrisch nicht ähnlich sind. Wenn dagegen ein Netzhautbild seine Größe ändert infolge wechseln- den Abstandes des Objekts, so sind alle Bilder einander geometrisch ähnlich. ; II. Folgerungen. 5. Das äußere Licht ist nicht die direkte Ursache der 6rößen- schwankungen. Da die Größenschwankungen auftreten, während beide Augen licht- dicht verdeckt sind, so kann das äußere Licht keinesfalls die direkte Ur- Fig. 2a. sache dafür sein. Es kommen also Vorgänge im Gehirn und solche in der Netzhaut in Betracht. 6. Die Ursache der Größenschwankungen liegt nicht im Gehirn. Es läßt sich mit großer Sicherheit zeigen, daß das Gehirn beim Zu- standekommen der deformierenden Größenschwankungen nicht beteiligt ist. Man kann sich allerdings vorstellen, daß wir, etwa unter reflektorischer Beteiligung des Akkomodationsapparates, ein Nachbild verschieden weit in den äußeren Sehraum verlegen und damit seine Größe wechseln sehen; aber die verschieden großen Bilder würden einander geometrisch ähn- lich sein! DIE DEFORMIERENDEN (RÖSSENSCHWANKUNGEN DER &-NACHBILDER. 231 Das Gehirn verarbeitet die ihm zugeführten Netzhautbilder unter Be- nutzung der Erfahrung. Es ist aber gegen ‚alle Erfahrung, daß die Scheiben eines Fensters plötzlich kleiner werden, während gleichzeitig das Fensterkreuz breiter wird. Man vergleiche die Figuren 2a und 2b. Ich glaube, man wird sie für zwei verschiedene, im Charakter gar nicht zusammen passende Fenster halten; und doch sind es zwei Stadien eines Nachbildes, die, durch Übergänge miteinander verbunden, nur um den Bruchteil einer Sekunde voneinander abstehen. Wer sich die Mühe nimmt, diese Versuche selbst anzustellen, wird, daran zweifle ich nicht, ebenso wie ich anfangs eine Art ungläubigen Stau- Fig. 2b. nens empfinden, wenn er das Fenster im Nachbilde sich in so seltsamer Weise verändern sieht. Also können diese Veränderungen ihren Ursprung nicht im Gehirn haben. 7. Die Größenschwankungen beruhen auf Vorgängen in der Netzhaut. Da die Ursache der deformierenden Größenschwankung, wie soeben gezeigt ist, nicht im Gehirn liegen kann, so müssen der Schwankung Vor- gänge in der Netzhaut zugrunde liegen, und es ist zu untersuchen, 232 FR. KLEm: welche Netzhautelemente dafür in Betracht kommen, ob nur die Stäbchen und Zapfen oder auch andere Schichten. 8. Die deformierenden Größenschwankungen beruhen nicht aus- Schließlich auf Vorgängen in den Stäbchen und Zapfen. Die wenigstens scheinbar einfachste Annahme in bezug auf das Wesen des Nachbildes ist die, daß in den Stäbchen und Zapfen die Erregung noch sozusagen nachklingt, ohne daß andere Netzhautschichten dabei be- teiligt sind. Aber diese Annahme ist mit den Größenschwankungen nicht in Ein- klang zu bringen. Ihre Unzulänglichkeit ergibt sich, sobald wir sie etwas weiter verfolgen: Wir dürfen als sicher annehmen, daß den Sinnesepithelien der Netz- haut ein Gebiet des Gehirns Zelle für Zelle entspricht. Sehen wir also nach vollkommener Verdunkelung des Auges noch ein Bild, und beruht das auf einer Fortdauer des Reizzustandes in den Stäbchen und Zapfen, auf einem „Nachklingen“ der ursprünglichen Er- regung, so ist es ganz unmöglich, daß die Form des Nachbildes im ver- dunkelten Auge eine Änderung erfährt. Wir können uns diese Stäbchen und Zapfen nach dem Verdunkeln beliebig verschoben und völlig anders gruppiert denken: Auf die Form des gesehenen Nachbildes würde das ganz ohne Einfluß sein. Wir müssen uns auch notwendigerweise die Zellen, welche die Projek- tion der Netzhaut im Gehirn bilden, physiologisch isoliert denken. Aber selbst wenn wir diese ganz unerläßliche Forderung fallen lassen und die Möglichkeit einer Ausbreitung des Reizes im Gehirn in Betracht ziehen wollten, so würden wir doch der wirklich beobachteten „deformierenden“ Größenschwankung, bei der mit größter Regelmäßigkeit, und ohne daß die Grenzen an Schärfe einbüßen, die hellen Teile für eine meßbare Zeit kleiner, die dunkeln größer werden, völlig ratlos gegenüberstehen. Ich wiederhole: Deformierende Größenschwankungen von Nach- bildern bei völlig verdunkeltem Auge können nicht aus Vorgängen im Gehirn hergeleitet werden. Ihr Ursprung muß also in der Netzhaut liegen. Ihr Auftreten ist nicht vereinbar mit der Annahme, daß die Nach- bilder auf einer Fortdauer der Erregung in den Stäbchen und Zapfen ohne . Beteiligung anderer Netzhautschichten beruhen. Somit ergibt sich als notwendige Folgerung, daß am Zustande- kommen der in Rede stehenden Größenschwankungen außer den Stäbehen und Zapfen noch andere Netzhautbestandteile beteiligt sein müssen. DIE DEFORMIERENDEN GRÖSSENSCHWANKUNGEN DER &-NACHBILDER. 233 Auf diesem sicheren Ergebnis gilt es weiter zu bauen. Der Weg ist vorgezeichnet. 9. Die Beteiligung anderer Netzhautelemente beim Zustande- kommen der deformierenden Größenschwankungen. Die Beteiligung jener andern Netzhautbestandteile können wir uns nicht anders vorstellen, als daß die vorausgegangene Belichtung in ihnen Prozesse erregt und auslöst, welche erst sekundär zur Erregung der Stäb- ‚chen und Zapfen führen. Und zwar kann diese sekundäre Erregung keinesfalls durch Nervenleitung erfolgen, denn diese läßt, wie schon ausgeführt, keine Möglichkeit offen, aus einem Nachbild von gegebener Form ein solches von abweichender Form entstehen zu lassen. — Im großen und ganzen habe ich bisher nur gezeigt, wie die defor- mierenden Größenschwankungen nicht zustande kommen können. Eine später folgende Mitteilung wird eine einfache, auf bekannten Tatsachen fußende Erklärung der Schwankungen bringen. 10. Anwendung der Resultate auf das Druckphosphen. Das Druckphosphen beruht auf einem Prozeß in der Netzhaut, der erst sekundär zur Erregung der Sehzellen führt; der Prozeß verläuft nicht im Pigmentepithel (vgl. die Einleitung). Die «-Nachbilder beruhen primär auf Prozessen, die in der Netz- haut, aber nicht in den Sehzellen verlaufen, sondern diese erst sekun- där erregen. Ich mache die Annahme, daß die beiden primären Prozesse, beim Druckphosphen und beim Nachbild, identisch sind und also in demselben Netzhautgebiet verlaufen. Diese Annahme wird gestützt durch die schon kurz mitgeteilte Tat- sache, daß ein Nachbild, das im verdunkelten Auge von selbst nicht wieder auftritt, von neuem hervorgerufen werden kann sowohl durch Licht als auch durch Druck.! 11. Folgerungen für das normale Sehen. Ich habe nachgewiesen, daß beim Druckphosphen sowohl, wie bei den a-Nachbildern Prozesse auftreten, die nicht in den Stäbchen und Zapfen selbst, sondern in anderen vor diesen liegenden Schichten verlaufen, und daß diese Prozesse die Sehzellen erregen. ! Vgl. Nachbilder, Übersicht und Nomenklatur. Dies Archiv. 1908. Physiol. Abtlg. Suppl. S. 219. Später ausführlich. 234 FR. KLeis: Dieselben Prozesse müssen auch beim Sehen von Netzhautbildern eine Rolle spielen. Diese Annahme ist unvermeidlich. Sie wird gestützt durch die mit größter Sicherheit beobachteten Größen- schwankungen der Netzhautbilder, die, wie sich zeigen läßt, unabhängig von der Akkommodation und Puppillenweite auftreten. ! Die gleiche Erscheinung muß aber die gleiche Ursache haben: Also muß auch beim gewöhnlichen Sehen noch eine andere Schicht mitwirken. Die Ansicht, daß diese Mitwirkung in der Umwandlung kontinuier- lichen (nicht erregenden) Lichtes in intermittierendes (erregendes) Licht be- steht, habe ich bereits kurz begründet. ? Ich werde später zeigen, daß mit dieser Anschauung alle an Nach- bildern beobachteten Erscheinungen (z. B. auch das Auftreten eines nega- tiven sekundären Nachbildes mit scharfem hellen Rande und hellen Ge- fäßen) in vollem Einklang stehen. — In der folgenden Mitteilung soll jedoch zunächst noch weiteres Beweis- material dafür beigebracht werden, daß beim Sehen außer den Sehzellen noch andere Schichten beteiligt sind. Handelt es sich also beim Druckphosphen und beim Nach- bild um einen und denselben primären Prozeß, so bleibt, da so- wohl das! Pigmentepithel, wie auch die Sehzellen selbst ausge- schlossen sind, als Ort für diesen Prozeß nur das den Stäbchen und Zapfen vorgelagerte Netzhautgebiet. | III. Protokolle. Vorbemerkung: Einige in den Protokollen enthaltene Abgaben, die sich auf andere Untersuchungen beziehen, sind im Text nicht berück- sichtigt. Die Nummern der Protokolle schließen sich an die früher beim Druck- phosphen mitgeteilten an (vgl. dies Arch. 1908, 445). 58. F. K., 2. Juli 1906. Wenn ich das offene mit schwarzem Tuch verdunkelte Auge gegen das Fenster richte und mit der Hand für etwa 0.3” freigebe, so sehe ich beim Verdunkeln ein positives Nachbild, das sich ohne Unterbrechung an das direkt gesehene anschließt. Ich meine, das Fenster war direkt gesehen, etwas rötlich gelb, im Nachbild etwas grünlich gelb. In diesem positiven Nachbild ziehen sich die hellen Teile zusammen, die dunkeln dehnen sich aus. ' Vgl. oben S. 224; später ausführlich mitzuteilen. * Das Wegreiben des Druckphosphens und seine Bedeutung für die Theorie des Sehens. Dies Archiv. 1908. Physiol. Abtlg. Suppl. S. 161. DIE DEFORMIERENDEN (FRÖSSENSCHWANKUNGEN DER &-NACHBILDER. 235 SITERR 10 Juhe1I900 er Das linke, vorher verdunkelte Auge für etwa 0-3” gegen das Fenster geöffnet. Ich sehe das Fenster, dann bei Schluß gleichsam von außen her Überflutung mit Licht und Zusammen- ziehung von außen nach innen; zuletzt sehe ich die dunkeln Sprossen breiter werden. 60. F. K., 26. Juli 1906. 7!/, Uhr a. m. Ich habe die Augen ein paar Stunden mit schwarzem Tuch bedeckt. (Ich öffne ein Auge gegen die Decke, sehe den dunkeln Fleck, keine Gefäße). Ich richte das verdeckte Auge gegen das Fenster in der Tür (zwei Mattscheiben nebeneinander), gebe . einen Augenblick frei und verdecke wieder. Ich sehe aufs deutlichste das positive Nachblld.e In mächtiger, nicht gar zu schneller Bewegung ziehen sich die hellen Scheiben zusammen, während das dunkle senkrechte Holz breiter wird. 61. F. K., 29. Juli 1906, nachmittags. Augen längere Zeit mit schwarzem Tuch verdeckt. (Schwache Lichtentwicklungen.) Ich gebe das linke vorher unter dem Tuch geöffnete Auge für einen Moment gegen ein sonniges Fenster (mit drei Scheiben) frei. Ich sehe trotz Blendung ein scharfes Bild. Nach dem Verdecken zieht sich ein „riesiges“ helles Fenster gewaltig zusammen, bis es als ein ruhiges positives Nachbild steht. (Dann „taucht“ ein Teil, dann erscheinen seharfkonturierte Lichtent- wieklungen, Tempo etwa 0-2”). 62. F. K., 2. November 1906. Heller Kreis an der Decke über der Lampe. Auge 0-3” freigegeben. Das helle positive Nachbild zieht sich schätzungsweise in 0-2” auf die Hälfte linear zusammen und verschwindet dann. 63. F. K., 5. April 1907, 8 Uhr a. m. Augen vorher geschlossen, nur für Augenblicke geöffnet. — Ich öffnete das linke Auge hinter der deckenden Hand und gab für etwa 0-3” frei. Das Auge war auf ein Fenster, zwei Mattscheiben nebeneinander, gerichtet. Im Moment der Freigabe sah ich das Fenster in einem gelblichen Ton mit einem Stich ins Grünliche. Beim Wiederverdeeken war sofort ein helles, aber zart rosafarbenes Nachbild da, welches eine höchst charakteristische Bewegung machte: Die hellen Scheiben wurden kleiner, zogen sich zusammen, sowohl von rechts nach links, wie von oben nach unten, und die dunkle Leiste wurde breiter. — Ein Zweifel an der Bewegung konnte nicht aufkommen. — Dann verschwand das Nachbild, und unmittelbar darauf tauchte ein heller (gelblichgrüner) Fleck auf. Mit dem rechten Auge erhielt ich im übrigen genau dasselbe, aber das hellrosa Nachbild ging, nachdem es sich zusammengezogen hatte, direkt (vielleicht mit einer äußerst kurzen dunkleren Übergangsperiode) in ein helles scharfes gelbliches (also ungefähr gleichfarbiges) Nachbild über, das auch wieder die relativen Dimensionen des mit offenem Auge gesehenen Bildes annahm. Vom Beginn der Belichtung an gerechnet war die Zusammenziehung der hellen und die Ausdehnung der dunkeln Teile schätzungsweise nach 0-6” zu Ende; nach 1-2” war Form und Farbe wieder dem Original ähnlich und das Nachbild verschwand. 236 FR. Kueix: Die Schätzung (durch Zählen) wurde einigemale wiederholt. — Die Beobachtungen wurden mit beiden Augen oft wiederholt, im ganzen vielleicht 30 mal, stets mit demselben ganz zweifellosen Erfolg. Nach Beendigung der Versuche sofort niedergeschrieben. 64. F. K, 8. April 1907, 8 Uhr a. m. Zwei Mattscheiben nebenein- ander. Wetter etwas trübe. Fenster nicht vorher fixiert. Offenes Auge, mit der Hand verdeckt, jedesmal etwa 0-3” belichtet. Sofort an die Be- liehtung anschließend positives helles Nachbild. Anfangs erkenne ich schwer, was dabei geschieht, bei den späteren Versuchen sehe ich sehr deutlich das Helle von oben und unten her sich zusammenziehen. Besonders in den ersten Versuchen macht ein heller Schimmer die Grenzen unscharf. Ob und was mit der dunkeln Mittelleiste geschieht, kann ich nicht ausmachen. Das positive Nachbild schlägt nach ca. !/,” plötzlich, wie mir scheint ohne nach- bildfreie Pause, in das negative Nachbild (Scheiben dunkel, Mittelleiste hell) um; an diesem negativen Nachbild habe ich keine Bewegung gesehen. Es verschwindet, und nach einer Pause tritt allmählich ein meist recht schwaches positives Nachbild auf. Zeit durch Zählen taxiert. 0.0”—0.3” Bild 0-3 —0-.6 pos. Nachbild 0-6 -- ? neg. „ ? —1:.5” kein „ 1-5 — ? pos. es 65. F.K., 10. April 1907, 7 Uhr 20° pm. Nordostfenster mit 3 Scheiben. Himmel wolkenlos und hell. Im Zimmer beginnt die Dämmerung. Das rechte Auge bleibt geschlossen und verdeckt. Ich verdecke das offene linke Auge und belichte für je 0-3”. Das Auge ist dabei auf den Punkt des Fensterkreuzes gerichtet, wo Quer- und Längsholz zusammenstoßen. In diesem Fall, (besser als wenn ich auf die Mitte der oberen Scheibe sehe) sehe ich an dem ersten positiven Nachbilde (das etwas anders gefärbte heile Scheiben hat) aufs deutlichste ein sehr erhebliches Diekerwerden der dunkeln Holzteille und ein ebenso deutliches Kleinerwerden der sämtlichen drei hellen Scheiben. Dem ersten hellen Nachbilde folst ein zweites helles Nachbild. Als es (10 Minuten später) dunkler war, folgte an zweiter Stelle ein negatives Nachbild, doch auch gelegentlich ein positives. 66. F. K., 5. Mai 1907, 3 Uhr 10’ pm. Durch Momentverschluß !/,, die Sonne angesehen. Sehr große Sonne (gleichzeitig mit blendend hellen Linien). Die Sonne zieht sich schnell zu- sammen bis auf ein kleines rundes Nachbild. 67. F. K., 13. Juli 1907, 8°/, Uhr pm. Fenster mit 3 Scheiben, mit einem Auge etwa 0-3” angesehen. Positives Nachbild; das Dunkle wird größer, das Helle kleiner. 68. F. K., 19. April 1907, 7 Uhr 20’ a. m. Eine Mattscheibe, Sonnen- schein. Auge mit der Hand bedeckt, für je 0-3” freigegeben. (Auf der hellen Mattscheibe erscheinen ein paar blendend helle Gefäße, solange das Auge offen ist.) Unmittelbar nach Schluß sehe ich in einigen Fällen eine Art Lichtnebel, der um das Fenster herum sich befindet, von außen DIE DEFORMIERENDEN (FRÖSSENSCHWANKUNGEN DER &-NACHBILDER. 237 beginnend verschwinden: es zieht sich somit die im Gesichtsfelde herrschende Helligkeit auf das Bild bzw. Nachbild zurück. Dann sehe ich das positive helle Nachbild der Mattscheibe scharf und deutlich. Vom Verdecken des Auges bis zu diesem Moment vergeht eine merkliche Zeit (vielleicht !/,”). Im Moment, wo ich das helle positive Nachbild scharf (ohne Hof) sehe, also etwa 0-3” nach dem Wiederverdecken des Auges, wird es ganz deutlich erst größer, dann kleiner. 7 Uhr 45’ a. m. (Wiederholung.) Auge mit schwarzem Tuch oder mit der Hand bedeckt. Ich schätze durch Zählen die Zeit in Viertelsekunden und finde, daß das Größerwerden vom Moment des Freigebens an gerechnet erst etwa nach 1’ beginnt; das Kleinerwerden ist träger. Vorher, im allerersten Moment des Auftauchens, vielleicht auch des Verdeckens, scheint noch etwas anderes schwer definierbares vorzugehen; ich habe zuweilen den Eindruck, als sei es ein rapides Größerwerden beim Auftauchen. (Die vielen sich zum Teil deckenden verschiedenfarbigen Nach- bilder dürften stören. Nach oft wiederholter Belichtung war das oft an dieselbe Stelle fallende Nachbild immer sofort stark gefärbt.) Das rechte Auge war, während ich mit dem linken experimen- tierte, verdunkelt. Ich belichtete das rechte Auge jetzt ein einziges Mal etwa 0-3” und sah deutlich nach dem Verdecken: „Größer, kleiner, größer, kleiner.“ 69. F. K., 20. April 1907, morgens. Fenster mit 2 Mattscheiben. Im Zimmer Dämmerung. Augen vorher nicht geöffnet. Rechtes Auge, etwa 0.3” belichtet: Das helle positiv-komplementäre Nachbild wurde „größer, kleiner“; das unmittelbar anschließende helle positiv-gleichfarbige Nachbild wurde wieder „größer“ 70. F. K., 20. April 1907, 7 Uhr 5’ pm. Eine Mattscheibe Auge mit der Hand verdeckt, für ca. 0-3” freigegeben. Zwei bis dreimal sehe ich - deutlich „größer, kleiner, größer.“ Mehrere Male kann ich das, was zuerst geschieht, nicht ausmachen, sehe aber, daß etwas passiert, und sehe darauf folgend deutlich: „kleiner, größer“. Einmal sah ich auch noch eine Schwankung mehr, kann aber nicht mehr genau angeben, wie dieser Fall verlief. 71. F.K., 21. April 1907, 7 Uhr 30’ a. m. Fenster mit 2 Mattscheiben. Belichtung etwa 0.3”. Bild gelb, erstes positives helles Nachbild blau. Ich habe die Schwankungen etwas verschieden gesehen: Immer leicht das (öfter beschriebene) Kleinerwerden des Hellen und Größerwerden des Dunkeln. Ziemlich regelmäßig habe ich heute auch vor dem Kleiner- werden des Hellen ein Größerwerden des Hellen gesehen. Die folgenden Formen des Verlaufs wurden beobachtet: a. Einigemale schien das helle positiv-komplementäre Nachbild „größer, kleiner“ zu werden. b. In andern Fällen schien das Bild größer, das genannte Nachbild kleiner zu werden. 238 Fr. KLEIN: c. In wieder andern Fällen schien das Bild größer und dann un- bedeutend kleiner, das helle positiv-komplementäre Nachbild unbedeutend größer und dann kleiner zu werden. Später (9 Uhr a. m.) sah ich mehrere Male in dem Augenblick, wo das helle positiv-komplementäre Nachbild verschwindet und das negative (Scheiben dunkel) kommt, ein leuchtend helles Stück der Gefäßfigur. Die Gefäßfigur war das Hellste im Bilde. Ich meine, das Nachbild war im Um- schlagen von Hell zu Dunkel. 72. F. K., 23. April 1907, 4 Uhr 40’ pm. Weißlicher Himmel, keine Sonne, Fenster mit 3 Scheiben nach N. W. Belichtung etwa 0-3”; schwarzes Tuch. Alle Angaben beziehen sich auf die hellen Scheiben des Bosiliyn Nachbildes. : Größer, kleiner, : Blitzschnell größer, kleiner, größer. : Gr., kl., gr.; bei dieser (dritten) Bewegung das Nachbild rosa. : Gr., kleiner, (gr.); das Kleinerwerden sehr deutlich; das Größer- werden unbedeutend, das erste sehr schnell. Pause. Kl (mach 25 ); gr. (nach 1”.) Nach häufiger Wiederholung: Kl. (nach 2,0 ser. s(nach a): Die Zeit vom Beginn der Belichtung an gerechnet, durch Zählen geschätzt. 73. F. K., 24. April 1907, 7 Uhr 45’ pm. Eine Mattscheibe. Himmel bewölkt. Belichtung etwa 0-3”. Augen mit der Hand verdeckt. L. A.: Größer, kleiner; sehr deutlich, etwa zehnmal wiederholt. R. A.: Größer (schwerer zu sehen); kleiner (sehr deutlich). 74. F. K., 25. April 1907, 7 Uhr 35’ pm. N. O.-Fenster mit 3 Scheiben. Himmel klar. Augen mit den Händen verdeckt. Belichtung etwa 0-3”. Das Helle des Nachbildes wird sehr deutlich kleiner, größer; das Dunkle gleichzeitig gr., kl., und zwar findet das Kleinerwerden des Hellen am sekundären positiv- komplementären (Purkinjeschen) Nachbild statt, das Größerwerden des Hellen am tertiären positiv-gleichfarbigen Nachbild. Eine dunkle Pause ist weder vor noch nach dem sekundären Bilde vor- handen; der Übergang des schwach rosa gefärbten sekundären Bildes in das sehr schwach blau gefärbte tertiäre Bild ist meist kein plötzlicher; aber doch kann ich wohl immer sicher sehen, daß beim Größerwerden die hellen Scheiben nieht mehr rosa, sondern schwach blau sind. 75. F. K., 30. April 1907, 3 Uhr 15’ pm. N. W.-Fenster mit 3 Scheiben. Beide Augen offen, verdeckt und für je 0-3” freigegeben. Die hellen Scheiben des positiven Nachbildes gehen zurück und kommen wieder näher. Obwohl ich weiß, daß sie „kleiner, größer“ werden, ‘kann ich (in der ersten Versuchsreihe) den Eindruck des Weggehens und Wieder- kommens nicht loswerden. 76. F. K., 13. Juli 1907, 9 Uhr pm. Eine Mattscheibe, 0-3”. Die Scheibe, die nach dem Verdecken als positives Nachbild sichtbar ist, kommt mir von Anfang an kleiner vor, als die mit offenen Augen direkt gesehene. Sie wird von Anfang an kleiner. Dies Kleinerwerden ist außer- ordentlich deutlich; nachdem sie viel kleiner geworden ist, verschwindet sie Ab FHHR I lee DIE DEFORMIERENDEN GRÖSSENSCHWANKUNGEN DER &-NACHBILDER. 239 ziemlich plötzlich (etwa, als würde zuerst von einer, dann von allen Seiten etwas Dunkles schnell darüber geschoben). Nach einer minimalen Pause tritt wieder ein größeres helles Nachbild mit unbestimmten Umrissen auf. Ich sah nieht, daß es sich aus kleineren Grenzen zu dem größeren Bilde entwickelte, sondern hatte den Eindruck, daß — anfangs matt und unbestimmt, dann deutlicher werdend — ein zweites helles Nachbild da war, das mindestens dieselbe Anfangsgröbe hatte, wie das erste. Dies zweite positive Nachbild wurde ebenfalls kleiner und dabei deutlicher, um dann zu verschwinden. — Oft wiederholt. 77. F.K. 18. Juli 1907, 5 Uhr 30° pm. Eine Mattscheibe. Beide Augen offen, mit den Händen verdeckt, für etwa 0.3” freigegeben. Das positive Nachbild „kommt näher“, erst langsamer, dann mit einem Ruck; dann geht es zurück; dann kommt es wieder. D. h. „größer, größer, kleiner, größer“. 78. F. K. 5. Mai 1907, 8 Uhr 30 pm. Eine Mattscheibe, Moment- verschluß !/,,': 1. Helles Nachbild, 2. dunkle Pause, 3. größeres helles Nachbild. TIIZRER..13. Juli von 9FUhr. 10 pm. N. O.-Fenster, noch leidlich hell, im Zimmer Lampen. Momentverschluß. Das positive Nachbild zeigt ein ganz schnelles kurzes Größerwerden, dann wird es kleiner. S0. F. K., 15. Juli 1907, 4 Uhr pm. Eine Mattscheibe. Momentver- schluß ?/,,”. Mit sehr großer Sicherheit ließ sich sehen, daß allermin- destens drei, wahrscheinlich vier, vielleicht fünf Schwankungen da waren. Nicht sicher konnte ich sehen, ob die erste Bewesung, „größer“ oder „kleiner“ war. 81. F. K., 15. Juli 1907, 6 Uhr 15’ pm. N. W.-Fenster, 3 Scheiben, recht hell. Momentverschluß !/,,”. Was in der ersten Zeit passierte, konnte ich nicht sehen. Dann, nach Ablauf einer ziemlich erheblichen Zeit, wurden die hellen Scheiben des positiven Nachbildes sehr deutlich „..... größer, kleiner“. 6 Uhr 30°. Ich konnte soeben ziemlich sicher sehen, daß diesem „größer, kleiner“ ein „kleiner“ vorausging und einigemale ein „größer“ folgte, also: „kleiner, größer, kleiner, größer“. 82. F. K., 16. Juli 1907, 6 Uhr 30 a.m. Eine Mattscheibe S.O. Mo- mentverschluß !/,,”. Die Zeit auf Viertelsekunden geschätzt durch Zählen, 0-.0”—0.07 Belichtung —0.5 an dem hellen, dauernd vorhandenen gelblichen Bilde ist Bewegung nicht sicher zu sehen 0-5 „größer“; rötlich violett 0-75 -„kleiner“; „ 1295 1.75 „größer“, langsam; "ich meine, recht spät die Größe mit einem Ruck en weiter zunehmen zu sehen. Etwa 10 Versuche. — Wiederholung nach !/, Stunde. Das erste Bild, an dem ich keine Schwankungen erkenne, ist gelblich, manchmal vielleicht grünlich; das folgende, ohne Pause und ohne plötzlichen Farbenwechsel sich anschließende ist etwas 240 FR. KLEIN: Die DEFORMIERENDEN GRÖSSENSCHWANKUNGEN USW. rötlich violett; dies rötlich violette ebenfalls sehr helle Bild schwankt „größer, kleiner“. 83. F. K., 18. Juli 1907, 7 Uhr 15’ a. m. Eine Mattscheibe. Moment- verschluß !/,;”. Positives Nachbild. Erste Zeit unsicher, dann „....gr,, a 84. F. K., 31. August 1907, Mitternacht. Eine Mattscheibe, von einer fernen Gasflamme beleuchtet. Starkes Gewitter. Ich fixiere die Scheibe; sie erscheint mir recht hell im Gegensatz zu dem sehr dunkeln Zimmer; die Scheibe kann also nur wenig hell sein. Ich beobachte mit großer Sicherheit sehr oft folgendes: 1. Ein Blitz erhellt die Scheibe sehr stark. 2. Dunkle Pause; ich sehe die Scheibe gar nicht, trotzdem meine Augen offen auf sie gerichtet sind. 3. Ich sehe die Scheibe blaß mit höchst auffallender Bewegung zuerst viel größer, dann wieder kleiner werden. Ob in dem Moment, wo ein Blitz die Scheibe erhellt, eine plötzliche Größenänderung eintrat, konnte ich nicht sicher feststellen; das über- raschende Auftreten des Blitzes ist der Beobachtung nicht günstig. Ich wurde nicht geblendet durch den Blitz. Die dunkle Pause kommt und geht recht plötzlich. (Eine halbe Stunde nach der Beobachtung schätze ich den - Beginn der dunkeln Pause auf 0-5”, das Auftreten der blassen Scheibe auf 1’ nach dem Blitz.) 85. F. K., 2. Oktober 1907, 1 Uhr nachts; niedergeschrieben am folgen- den Morgen. Ein Fenster des Schlafzimmers ist offen und nicht verhängt. Sehr starkes Gewitter. Ich sehe durch das Fenster nur den Himmel; die Blitze selbst sehe ich nicht. Das Fenster ist ohne Blitz sehr deutlich und scharf; wenn es blitzt, ist es von manchmal gewaltiger, gleich- mäßiger Helligkeit. Sehr oft habe ich gesehen, daß das Fenster zu- erst eine kurze Zeit in äußerster Helligkeit sichtbar ist, daß dann eine dunkle Pause folgt, in der vom Fenster überhaupt nichts zu sehen ist, und daß endlich das Fenster blabbläulich und scharf wieder auftaucht. Folgendes habe ich mir sorgfältig eingeprägt. 1. Blitz; große Helligkeit des Fensters. 2. Vollkommene Dunkelheit, gar kein Fenster. 3. Blaßblaues Fenster, wird mächtig größer. Auf (oft gesehene) kleinere Bewegungen ist hierbei keine Rücksicht genommen; die Erinnerung daran ist unsicher. 86. F.K., 17. September 1908. Gelbrote Mattscheibe. Belichtung etwa 0-3”. Ein mehr purpurrotes (!) Nachbild zieht sich deutlich zusammen. Oft, aber nieht immer, dehnt sich darauf ein bläuliches Nachbild aus. Tat. Suppl. Pliystolog. Abtlg. 1908. Archiv f. Anat. u. Phys. Verlag von VEIT & COMP. in Leipzig. N N DIN er Archiv f. Anat, u. Phys. 1908. Physiolog. Abtlg. Suppl. Taf. II. Fig. 5. al Ei 1X je ERS Fig. 6. Verlag von VEIT & COMP, in Leipzig Archiv f. Anat. u. Phys. 1908. Physiolog. Abtlg. Suppl. Taf. I1I. N N i Verlag von VEIT & COMP. in Leipzig. Kıpa Ey er Archiv f. Anat. u. Phys. 1908. Plrysiolog. Abilg. Suppl. Taf. IV. LEN ara 11 Jar ? a Fe LIES LEST are Tal 5 | 4 Mai "ERGEBEN. ana Zn at EN PER | - — nn | Fig. 14 Fig. 10, Verlag von VEIT & COMP, in Leipzig, 2/8 a. a u iu Archiv f. Anat. u. Phys. 1908. Physiolog. Abtlg. Suppl. i | Taf. V. Lit lanlinardi e Forari-Fanar Verlag von VEIT & COMP. in Leipzig a “u r A he u e Wee 2 Den u u an . ı hr . 1 R | E 4 . . - 7 ‚ 5 Fi M h ne 4 u ne 5 . 1 u . . 2 2 re Er . 7 In RR FG Fu \ u . ö r or En . { 1a " u - 3 i . Be ur Eu En . . = 2 . e l 5 Er 5 u au = An Fe en Ir 1 2 u er Prrmie 5 Bi En ı18 ö 2 u > ar , . N 5 Kr ö on I en Be Er ? 7 Mur Archiv f. Anat. u. Phys. 1908. Physiolog. Abtlg. Suppl. Taf. VI. AH A ng Verlag von VEIT & COMP, in Leipzig Iulanfınarai e Prrari-Faria en - Br =) » U , Anat. u. Phys. 1908. Physiolog. Abtlg. Suppl. ww lv E72 BRERRORRLLORUN RAR) NOTARFRR. AATIAERRMAEN Mk ze a Aa 1 60 BTL la Au al R | |V A| ıV A a 2» 2 zı a 20a | ee fol mn nun tan a Le \ wa 39° IN | ala Yan “ Yale c | 3 se \ 4 a a . /\c a ac c { ö © a. ;€ ” J ; NANAUNA \r u | en AN j \| > 1 AA a L a ger 4 Arch lei 97 227 24 24 B2unag 22 22 | 22 WERE 0 BAER EL ME „e EI RB AENBLELN ee ? "78 6 1, 7 Verlag von VEIT & COMP, in Leipzig um Archiv f. Anat. u. Phys. 1908. Physiolog. Abtlg. Supp FI a a > via Yu Ki 4 8 73 n \ 16% vom Aayeo 10 y I 15% \ u mv VÄNVVY wwwwYmAnf Y N NUN BR N vyv AnwwivwimmamINMIMVWTRAnRaRn AZrNN [ 54V BV v Er WW An nd YYvvwW\ ana vn VW NAVY. % a %q 26% lana 10%a. ySa atya 1, ya 4 a la 2 VÄNANNAINNVNVV NN NN U N \ N W IN Ir nn Ten 1: \ 730" a "a 63, (re f a E | “ # INSERIERT RENERN Dark SURINAPAPEPRRRERRRREEECH vwwWN A mw vv WW N | ;’ Fam ON n N hm N = N A NN N INUVVUVVVUNUNVNVANNNNVUVAVNVUNN Verlag von VEIT & COMP, in Leipzig. D | i Fa in « « ; er a r . i T “ r ur . Y i URtERn i NR, ü 7 R f Far 7 . i 2 h Mn 3 s h { D Te NN Mh rt 25 E haha RAEVAR win AREA VAN Verlag von VEIT & COMP, in Leipzig. Archiv f.Anat. u. Phys. 1908. Phys. Abtlg.Supptl. Tal. X. Terlac Veit SC omp. Leiv i q. Lith Anst.v.E. AFurike Leipzig. J Archiv f.Anat. u. Phys. 1908. Phys. Abtlg.Suppl. Taf Al. BT Verlag Veit &Comp. Leipzig. Lih.Anst.vE.A Funke Leipzig. Taf: X. ys.1908. Phys. bt. Suppl. RE aesn SI se RE Pie es oe, er sie ao ® N & “2, £ er © & =, E w vo IE EN PR os 48 “sg KA SER. Se Bo uck 6° .r oh Lith Anst:v.E.A Funike,Leipzig. g. i Leipz Verlag Veit &Comp. T \ Anat.u.Ph 2) Archürt Ir ys. Abt.Suppl. q 8. Ph 210227 EOS TERRORRERRE FG kr S — Sy 2 ES ar) NS N S iS = = N ' Arch ce,Leiprig. E.AFunt IthAnstv. Trf Be ie Zeitschriften aus dem Verlage von VEIT & U0MP. in Leipzig. Skandinavisches Archiv für Physiologie. Herausgegeben von Dr. Robert Tigerstedt, o. ö. Professor der Physiologie an der Universität Helsingfors. Das „Skandinavische Archiv für Physiologie“ erscheint in Heften von 5 bis 6 Bogen mit Abbildungen im Text und Tafeln. 6 Hefte bilden einen Band. Der Preis des Bandes beträgt 22 #. Centralblatt für praktische AUGENHEILKUNDE. Herausgegeben von Prof. Dr. J. Hirschberg in Berlin. . Preis des Jahrganges (12 Hefte) 12 #4; bei Zusendung unter Streifband direkt von der Verlagsbuchhandlung 12 .# 80 2. Das „Üentralblatt für praktische Augenheilkunde“ vertritt auf das Nachdrück- . lichste alle Interessen des Augenarztes in Wissenschaft, Lehre und Praxis, vermittelt den Zusammenhang mit der allgemeinen Medizin und deren Hilfswissenschaften und gibt jedem praktischen Arzte Gelegenheit, stets auf der Höhe der rüstig fortschrei- tenden Disziplin sich zu erhalten. i DERMATOLOGISCHES CENTRALBLATT. INTERNATIONALE RUNDSCHAU AUF DEM GEBIETE DER HAUT- UND GESCHLECHTSKRANKHEITEN. Herausgegeben von Dr. Max Joseph in Berlin. Monatlich erscheint eine Nummer. Preis des Jahrganges, der vom Oktober des einen bis zum September des folgenden Jahres läuft, 12 .%. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes, sowie direkt von der Verlagsbuchhandlung. Nenroiogisches Gentralbilatt. Übersicht der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie und Therapie des Nervensystems einschließlich der Geisteskrankheiten. Begründet von Prof. E. Mendel. Herausgegeben von Dr. Kurt Mendel. Monatlich erscheinen zwei Hefte. Preis des Jahrganges 24 .%. Gegen Einsen- dung des Abonnementspreises von 24 4 direkt an die Verlagsbuchhandlung erfolgt regelmäßige Zusendung unter Streifband nach dem In- und Auslande. Zeits e hrift Hygiene und Infektionskrankheiten. Herausgegeben von Prof. Dr. Robert Koch, Wirkl. Geheimen Rat, Prof. Dr. C. Flügge, und Dr. G. Gaffkv, Geh. Medizinalrat und Direktor Geh. Obermedizinalrat und Direktor des Hygienischen Instituts der ; des Instituts für Infektionskrankheiten Universität Breslau, zu Berlin, Die „Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten“ erscheint in zwanglosen Heften. Die Verpflichtung zur Abnahme erstreckt sich auf einen Band im durchschnitt- liehen Umfang von 30—35 Druckbogen mit Tafeln ; einzelne Hefte sind nicht käuflieh. ARCHIV für ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE, Fortsetzung des von Reil, Reil und Autenrieth, J. Fe Meckel, Joh. Müller, Reichert und du BoisBermmenıl herausgegebenen a, erscheint jährlich in 12 Heften (bezw. in en at Abbildungen im. | Text und zahlreichen Tafeln. 6 Hefte entfallen auf die Kalb nieche Kplerkung und 6 auf die shyeidle, A gische Abteilung. ) | Der Preis des Jahrganges beträgt 54 M. Auf die anatomische Abteilung (Archiv für Anatomie und Entwicke- . lungsgeschichte, herausgegeben von W. Waldeyer), sowie auf die physio- logische Abteilung (Archiv für Physiologie, herausgegeben von Th.W. Engel- mann) kann besonders abonniert werden, und es beträgt bei Einzelbezug der - Preis‘ der anatomischen Abteilung 40 c%#, ne Preis der Payelolosechen R Abteilung 26 M. Bestellungen auf das vollständige Archiv, wie auf die einzelnen Ab- teilungen nehmen alle Buchhandlungen des In- und Auslandes entgegen. Die Verlagsbuchhandlung: Veit & Comp. in Leipzig. Druck von Metzger & Wittig in Leipzie. Da 2 u . E j & 1 F 3 {} .” y k R ; R N - ® B ’ a) N SE > ai . , > B EN 3 2044 093 332 351