FZ ph RG . BAD IL . I Ei AR De E, I u. Ba Dibrarn of the Museum OF COMPARATIVE ZOÖLOGY, AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS, Dounded bp private subscription, In 1861, ER u 93 ’ Be | or 4 \ En H Ba: zei vw r , n a 2 yo Eur E Der | Dir vH EUR, N - ‚a | | Pal, \f 5 Ran R ’ Bi “ “og HERR, 4 9A ann 2 IE BR . > Dei | SR Em T, En a z 4 ER Fe a en DIV EU Dr ENIKTSRERRE Eee 57 BIER EN! a AU ji NEE BIRATATRETE u a Er: N Be 4 rk 73: IN, 9% wo al r j EE SKERGE ei AmsH En ey = NE RL A a en: IwU aim er 4 nun KArodum BR | ax „A 33 rar, or mat. 4 un ke an PIOH-Da IM ad % £ > { 4 Ban", FAT! PupT er ” 477 j „an IL f o ETmeAr 3 Bi | Susr DYADSHAL x | Baar HInBihoIayH“ Er EL \ f SISNTEd HEBEN KON na 13 ae a = a a ”* Ya ARCHIV FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. FORTSETZUNG DES von REIL, REIL v. AUTENRIETH, J. F. MECKEL, JOH. MÜLLER, BEICHERT v. DU BOIS-REYMOND HERAUSGEGEBENEN ARCHIVES. HERAUSGEGEBEN D». WILH. HIS und Dr. WILH. BRAUDIB, PROFESSOREN DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITAT LEIPZIG, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITAT BERLIN. JAHRGANG 1884. PHYSIOLOGISCHE ABTHEILUNG, LEIPZIG, 7422 VERLAG VON VEIT & COMP. SE 1884. ARCHIV PHYSIOLOGIE 4 PHYSIOLOGISCHE ABTHEILUNG DES | ARCHIVES FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. UNTER MITWIRKUNG MEHRERER GELEHRTEN HERAUSGEGEBEN VON D=z. EMIL DU BOIS-REYMOND, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1884, “MIT ABBILDUNGEN IM TEXT UND 7 TAFELN. LEIPZIG, | VERLAG VON VEIT & COMP. | /m1884. EEE EEE = erneuert Een a => ardun.KiN DEREN RL BE: Tara" ra \ are. lET, | In: Vie A ne FI h pe Wr 2 € ci R AROMTAN- art BER a Y- Mira a zus fa “5 ne m, ri j - - - . \ e Be b Zee 2 7 b er ’ s Ri 2 x rar DEI! + % . Er. y “ u f 2‘ y Tr 27 e LT TUR h. | s$E an = P ’ PIALIERT £ RUF 8: TIErT E07 Na IT er Wiek ki Metzger & Wittig in Leipzig. j al Inhalt. E. pu Boıs-Beymosp, Ueber secundär-elektromotorische Erscheinungen an Mus- keln, Nerven und elektrischen Organen . . E. pu Boıs-Beymosp, Auszug aus dem Protocoll de fünften ER we internationalen Congresses der Elektriker zu Paris . . Gustav Ferrsch, Bericht über eine Reise zur Untersuchung ER in ai a Englands und Hollands vorhandenen Torpedineen . Gustav Ferrsch, Bericht über die Fortsetzung der Uiliiiesisieen an elektri- schen Fischen. (Hierzu Tafel L) . . . S. Dasınro, Darf die Grosshirnrinde der hinteren Fan a Ursprungstätte eines epileptischen Anfalls betrachtet werden? . . A Ar N. W. JasTBEBoFF, Ueber die Contraction der Tora bei Kin e E. Buppe, Ueber metakinetische Scheinbewegungen und über die Willuluenp der Bewegung . . DösHorr, Ueber die Entstehung dar en 2 Mällenhof f ne Dakpin n Feerv. Kıvs, Ueber die Hautathmung des Frosches . Pıurus MıTRopHanow, Ueber die Endigungsweise der Nerven im Epithel dir Kaulquappen. (Hierzu Taf. II.) u: H. Krause, Ueber die Beziehungen der RE zu | Kehlkopf er ei (Hierzu Taf. II) . . Leo v. Brasor, Wie entledigt 7 Fe Blut von einem er OR RE an Seil zucker? . . CoNxRAD GOMPERTZ, Babe ie a Blutkreislauf ve BEER Amphibien files BEN... AR Er R. Meave SuıtH, Die Be den Eiche Büngeikietuincikike. L. C. WooLDRiDse, Ueber einen neuen Stoff des Blutplasma’s . az . Ta. Weyr, Physiologische und chemische Studien an Torpedo. (Fortsetzung) Pau Bonsers, Beobachtungen über die Athmung des Igels während des Winter- schlafes . . . v. Krızs, Ueber die nsickeit: a ORTEN EN von dem zeitlichen Verlaufe der zur Reizung dienenden Elektrieitäts-Bewegungen. (Hierzu Taf. V.) Joa. Dosıer, Zur Physiologie der Lymphkörperchen. (Hierzu Taf. Va.) j N. Zunzz, Ueber die Benutzung eurarisirter Thiere zu Stoffwechseluntersuchungen. (Hierzu Taf. VI) - G. Kempxer, Neue Versuche über den Einfluss ‚die Buhiustoffgehalten der Ein- athmungsluft auf den Ablauf der Oxydationsprocesse im thierischen Organismus Max MarcKwaALD, Ueber die Wirkungen von Ergotin, Ergotinin und Sklerotin- säure auf Blutdruck, Uterusbewegungen und Blutungen . Ei R. Meıpe Smith, Die Resorption des Zuckers und des Eiweisses im Minen i RoBERT TiGeRsTEDT, Ueber die Bedeutung der Vorhöfe für die ER der Ven- trikel des Säugethierherzens. (Hierzu Taf. VII.) Bar Se F. C. Doxvers, Farbengleichungen MARGARETHE TRAUBE-MENGARINI, Kräeriinehtelle Beiträge : zur 1 Physiologie dee Fischgehirns nr vI INHALT. Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft zu Berlin 1883—84: Marrıus demonstrirte am Capillarelektrometer die negativen Schwankungen des unversehrten Kaninchenherzens v. KIREEFF, Ueber arterielle Blutungen . Ev. AronsoHn, Beiträge zur Physiologie des , JASTREBOFF, Ueber die Bewegungen der Vagina des Kaninchens . HERMANN Munk, Ueber cerebrale Epilepsie . ; JAcug, Ueber die rhythmischen Bewegungen des Kaninchenuterus KogGaneı, Ueber die Histiogenese der Retina . FALk, Beobachtung von tödtlicher eng BrascH#ko, Zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte der Oherbatt: G. SauLomon, Ueber die chemische Zusammensetzung des Schweineharns . . , A. Bacınsky, Vorläufige Mittheilung über toxische Substanzen im diphtherischen Harn . KosseL, Ueber Nuclein Ä : W. WouLrr, Die Nerven des Ten : W. Wourr, Ein Beitrag zur Lehre vom Knochenwachsthum . W. Wourr, Ueber die elektrische Platte von Torpedo i Moeu1, Ueber in der Grosshirnrinde nach Derek, = dual interna. . BenpAa demonstrirt eine "Reihe von Pansndtarch a 2 a ve Koch schen Bacillus in den Nieren ; ie LucAe, Zur Lehre und Behandlung der rn Cchütsenpfiedunen . J. @ad, Ueber Centren und Leitungsbahnen im Rückenmark des Frosches KosseL, Ueber Pepton . ; S. LuKkJAanow, Ueber die Aufnahme de ‚Batlrelafis be schökiem Pronautschirt den. selben in der luft . . .. a SCHMEY, Ueber Modificationen der Tastempfindung ie F. Far berichtet über Fortführungen seiner früheren Versace über Beriei der Hautnerven zur Athmung. . MM: A. Bacınski, Ueber das Verhalten von. Xanthin, en Be RER MARTIUS de te eine Methode zur absoluten Frequenzbestimmung der Flimmer- bewegung auf stroboskopischem Wege ; Ep. ArRonsoHn, Ueber elektrische Geruchsempfindung , ARTHUR CHRISTIANI, Zur Physiologie des Gehirns Hermann Munk, Ueber Grosshirn-Exstirpation beim Kannches H. Krause, Zur Kenntniss von Stimmbandeontractionen A. AusrgacH, Ueber die Säurewirkung der Fleischnahrung . JASTREBOFF, Ueber fortschreitende Bewegungen der Kaninchenvagina ; JASTREBOFF, Ueber den Einfluss operativer Eingriffe in der Bauchhöhle auf din Blutdruck . "Er ; RATIMOFF, Ueber die Mürketig des ‚GHiogofinge er Hirs er Aneerli Heımann, Ueber die Wirkung des Drucks auf die Grosshirnrinde . Seite 156 156 163 167 169 170 172 173 173 175 176 (RER 108 179 180 182 300 301 304 307 308 309 455 456 456 460 465 470 566 70 572 573 976 978 Ueber secundär-elektromotorische Erscheinungen an Muskeln, Nerven und elektrischen Organen. Von E. du Bois-Reymond.!' $. 1. Einleitung. Ich halte die Zeit für gekommen,. das Schweigen zu brechen, welches ich bisher über gewisse thierisch-elektrische Versuche beobachtete, mit denen ich seit bald vierzig Jahren beschäftigt bin, und denen ich grosse Wichtig- keit beilege. Gern hätte ich diese Untersuchung nach Kräften vollendet, ehe ich deren Ergebnisse veröffentlichte. Da neuerlich die Elektrophysio- logen von mehreren Seiten her dem Gebiete sich nähern, auf welchem ich so lange der einzige Anbauer war, mehrere sogar es schon betraten, wenn auch ohne die Hauptsache zu gewahren, so liefe ich bei längerer Zurück- haltung Gefahr, für meinen Theil die Frucht einer Arbeit einzubüssen, bei welcher ich das Nonum prematur in annum mehr als vervierfachte. Ich will deshalb heute die vornehmsten Gesichtspunkte aufdecken, zu denen ich gelangte. In mehreren Abhandlungen werde ich dann das hier Gesagte weiter ausführen. Die elektromotorischen Erscheinungen der Muskeln und Nerven habe ich vor längerer Zeit in drei Classen vertheilt.” Die einen werden im Zu- stand der Ruhe oder der Thätigkeit ohne Mitwirkung eines fremden Stromes ! Aus den Sitzungsberichten der kgl. Preuss. Akademie der Wissenschaften vom 5. April (ausgegeben am 12. April) 1883. Bd.I. S. 343—404. — Die Sätze zwischen viereckigen Klammern sind jetzt hinzugefügt. — Der mir von mehreren Freunden als Festschrift gewidmete Supplementband zum vorigen Jahrgange des Archivs enthält schon eine Abhandlung des Hrn. 8. Tschirjew ‘zur Lehre vom Elektrotonus’, welche auf den im vorliegenden Aufsatze mitgetheilten Thatsachen weiterbaut, und einige der hier angeregten Fragen, beispielsweise die in $ XIX gestellte, entscheidet. ” Untersuchungen über thierische Elektrieität. Bd. 1I. Abthl. IL. S. 377, Archiv f. A. u. Ph. 1884. Phys. Abthlg. 1 4 E. pu Boıs-Reymoxp: wahrgenommen. Dahin gehört der Strom des ruhenden Muskels und Nerven mit seiner negativen Schwankung, auch wenn diese elektrisch hervorgerufen wurde, sofern der tetanisirende Strom durch jeden anderen Reiz ersetzbar ist. Wollen wir die Classification auch über die elektrischen Organe aus- dehnen, so werden wir in dieselbe Classe deren schwache elektromotorische Wirkungen in der Ruhe, die ich den ‘Organstrom’ nenne,! und den irgend- wie ausgelösten Schlag der Organe einzureihen haben. _ In die zweite Classe brachte ich die während der Dauer eines fremden Stromes extrapolar auftretenden Elektrotonusströme der Nerven, zu welchen der Muskel und das elektrische Organ kein sicheres Seitenstück bieten. ? Zu diesen beiden, länger gekannten Classen kündigte ich noch eine dritte an, die der secundär-elektromotorischen Erscheinungen. Darunter verstand ich elektromotorische Erscheinungen, welche ein fremder Strom in der durchflossenen Strecke selber erzeugt, und die daher meist nur erkannt werden, sofern sie den fremden Strom überdauern. Dies sind die grossen- theils neuen Thatsachen, von welchen hier die Rede sein soll. Doch wird sich, wie ich gleich sagen will, finden, dass eine Scheidung zwischen den beiden letzten Classen kaum aufrecht erhalten werden kann (s. unten S. 39). Die secundär-elektromotorischen Erscheinungen stellen sich zunächst unter dem Bilde von Polarisationsströmen dar. Ich ziehe jenen Ausdruck vor, welcher auch auf die gewöhnlichen Polarisationserscheinungen passt, für den möglichen Fall, dass es bei der scheinbaren Polarisation der Muskeln und Nerven sich noch um etwas von der galvanischen Polarisation Ver- schiedenes handeln sollte. Doch halte ich nicht pedantisch an jenem Namen fest, sondern nenne gelegentlich den durch secundär-elektromotorische Kraft erzeugten Strom den Polarisationsstrom, auch wohl den Nachstrom, den ihn erzeugenden primären den polarisirenden Strom. Auch finde ich es zuweilen ! Dr. Carl Sachs’ Untersuchungen am Zitteraal, Gymnotus electricus, nach seinem Tode bearbeitet von E. du Bois-Reymond u.s. w. Leipzig 1881. 8. 171 ft. ° Hr. Eckhard versuchte am Organ des Zitterrochen, Sachs an dem des Zitter- aales durch dauernde Durchströmung der elektrischen Nerven elektromotorische Wir- kung zu erhalten, Hr. Eckhard vergeblich, Sachs mit zweifelhaftem Erfolge (Unter- suchungen am Zitteraal u. s.w. 8.188 ff.). Auch wenn diese Versuche gelungen wären, könnte man nicht vom Elektrotonus des elektrischen Organes sprechen. An den Muskeln will Hr. Hermann jetzt endlich eine Spur jener Elektrotonusströme gefunden haben, welche er früher so wenig wie ich nachweisen konnte, da doch seine Theorie ihrer so dringend bedarf (Handbuch der Physiologie. Leipzig 1878. Bd.1II. S. 168; — Die Er- gebnisse neuerer Untersuchungen auf dem Gebiete der thierischen Elektrieität. Separat- Abdruck aus der Vierteljahrsschrift der naturforschenden Gesellschaft in Zürich. 1878. S. 21. 22... Er gedenkt nicht der Möglichkeit, dass die wahrgenommenen Wirkungen von den intramusculären Nerven herrühren. Schon 1849 hatte ich vor dieser Täuschung gewarnt (Untersuchungen u.s. w. Bd.Il. Abth.I. S. 330). SECUNDÄR-ELEKTROMOT. ERSCHEINUNGEN AN MUSKELN, NERVEN U. S.w. 3 bequem, von den zu polarisirenden Körpern als ‘Polarisations-Object’ zu sprechen. Negativ heisst eine dem primären Strom entgegen-, positiv eine ihm gleichgerichtete Polarisation. $. II. Geschichtliches. Eine hierher gehörige Erscheinung fand ich beim Beginn meiner Unter- suchungen in der Wissenschaft vor. Peltier beschrieb 1836 an durch- strömten Froschgliedmaassen eine negative Polarisation, welche er der Polari- sation der Metalle in Ritter’s secundärer Säule verglich. Sitz der Polari- sation waren nach ihm die in das stromzuführende Wasser tauchenden Theile des Praeparates. Als er den dazwischen gelegenen, durchströmten Strecken Multiplicatorenden anlegte, blieb in seinen Versuchen jede Wir- kung aus. Für die Ursache der Polarisation hielt deshalb Peltier die Ausscheidung von Wasserstoff und Sauerstoff an den eingetauchten Theilen, welche er dort, jedoch ohne irgend Etwas der Art nachzuweisen, nach Ana- logie metallischer Elektroden annahm. ! Peltier’s Wahrnehmung wurde der Ausgangspunkt meiner eigenen Arbeiten über diesen Gegenstand. Bei Wiederholung seines Versuches mit Kochsalzlösung statt mit Wasser fand ich wirklich die Stelle, wo der Strom in das Praeparat eindrang, alkalisch, die, wo er es verliess, sauer reagirend.? Schien dies Peltier’s Erklärung günstig, so zeigte sich mir andererseits, seiner ausdrücklichen Behauptung entgegen, jede durchströmte Strecke des Praeparates nach Art einer secundären Säule negativ elektromotorisch. Ein Theil der negativen Polarisation also rührt möglicherweise von den an der Aus- und Eintrittsstelle des Stromes angesammelten Ionen her, deren grösster und weitaus wichtigster Theil aber hat seinen Sitz im Inneren der Gewebe, unstreitig zunächst in den Muskeln. ! Untersuchungen über thierische Elektrieität. Bd. I. 8. 377; — Bd. II. Abth. II. 8. 378. ®? Schon Humphry Davy sah Säure und Alkali sich aus Muskelfleisch, aus lebenden Pflanzentheilen, ja aus den Fingern entbinden, welchen destillirtes Wasser den Strom zuführte (Philosophical Transactions for the Year 1807. P.I. p. 52. 53; — Gilbert’s Annalen der Physik. 1808. Bd. XXVII. 8. 196. — Vergl. Simon in Gilbert’s Annalen u. s. w. 1801. Bd. VIII. 8.28; -- Ritter ebenda. Bd. IX. S. 329). — Auch an einem mit veilchenblauem Lackmuspapier bekleidetem Wasserbausch zwischen Kochsalzbäuschen sah ich Säure und Alkali frei werden (Gesammelte Abhandlungen zur allgemeinen Muskel- und Nervenphysik. Leipzig 1875. Bd.I. 8.11). Als ich hier sagte, dass dies Davy’s Behauptungen zuwider sei, wonach Reagenspapiere durch Ionen nur an metallischen Elektroden sich verfärben, waren mir obige Versuche Davy’s nicht gegenwärtig. By 4 E. pu Boıs-REyMmoxD: $. III. Vorstudien: von der inneren Polarisation feuchter poröser Körper. So gelangte ich zum Begriff einer inneren Polarisation der Mus- keln. Bald aber fand ich auch andere feuchte poröse Körper innerlich polarisirbar, und nun verfolgte ich die neue Erscheinung zuerst rein physi- kalisch durch eine lange Reihe feuchter poröser Körper. Diese waren ent- weder unorganischer oder organischer Natur, und im letzteren Falle ent- weder nicht organisirt oder organisirt; im letzteren Falle wieder entweder todt, wie Holz, oder lebend, wie frisches Pflanzengewebe.! Im Allgemeinen kann man sagen, dass jeder poröse Körper, dessen Stoff nicht zu schlecht leitet, mit einem Elektrolyten getränkt, der im Ver- gleich mit ihm nicht zu gut leitet, negativer innerer Polarisation fähig. ist; d. h. nach der Durchströmung wirkt jede zwischen zwei iso@lektrischen Flächen begriffene Querscheibe elektromotorisch im umgekehrten Sinne des polarisirenden Stromes. Dies erklärt sich bei der Annahme, dass dieser Strom sich theilt zwischen der tränkenden Flüssigkeit und dem porösen Gerüst, und dass letzteres nach Art metallischer Zwischenplatten sich durch daran ausgeschiedene Ionen polarisirt. Jedes der unzähligen Zwischen- plättchen wirkt elektromotorisch im umgekehrten Sinne von dem, in welchem es durchflossen wurde. Der dadurch erzeugte Partialstrom gleicht sich theils auf dem ihm durch den innerlich polarisirbaren Körper dargebotenen un- mittelbaren Rückwege, theils durch den diesem Körper angelegten Bussol- kreis ab. Seine Stärke im letzteren hängt ab von den Dimensionen des Polarisations-Objectes, der Lage des Zwischenplättchens in dessen Innerem, von der stofflichen Natur des porösen Gerüstes und der tränkenden Flüssig- keit. Aus der Superposition aller Partialströme geht dann der totale Strom im Bussolkreise hervor, dessen Stärke aber selbstverständlich auch noch eine unbekannte, verwickelte Function der Stärke und Dauer des polarisirenden Stromes, und der seit seiner Oeffnung verflossenen Zeit ist. Nur im All- gemeinen sieht man ein, dass sie mit dem Wachsen der beiden ersten Veränderlichen bis zu einer gewissen Grenze wachsen, mit dem der dritten abnehmen müsse. Ein durchsichtiges Beispiel innerer Polarisation bietet ein der Axe nach durchströmter Cylinder wohl ausgeglühter, mit verdünnter Schwefelsäure getränkter Holzkohle. Sie leitet stofflich gut genug, damit trotz der guten Nebenleitung durch die verdünnte Säure ein Theil des Stromes seinen Weg durch sie nehme. Jede gleich lange Strecke des Kohlencylinders wirkt i na über thierische KElektrieität. Bd.I. Abth. I. 8. 380. 381; Gesammelte Abhandlungen u.8.w. A.a.0. 8. 13—28: ‚Ueber innere Polarisation poröser, mit Elektrolyten getränkter Halbleiter.“ (4. August 1856.) a SECUNDÄR-ELEKTROMOT. ERSCHEINUNGEN AN MUSKELN, NERVEN U. S.w. 5 gleich stark secundär-elektromotorisch; die Wirkung des ganzen Öylinders ist gleich der Summe der Wirkungen aller einzelnen Strecken. Auch Holz nimmt sehr starke innere Polarisation an. Nur darf es, da die Holzfaser schlecht leitet, nicht mit besser leitender Flüssigkeit getränkt werden. Mit Kochsalz- und Kupfersulphat-Lösung erhält man nur schwache Wirkung am günstigsten ist destillirtes Wasser. An Holzprismen studirte ich den Einfluss von Länge und Querschnitt des innerlich polarisirbaren Körpers auf die Stärke des Polarisationsstromes unter sonst gleichen Umständen. Zunächst versteht es sich von selbst, dass bei der inneren Polarisation nicht die Stromstärke, sondern die Strom- dichte in Betracht kommt. In Uebereinstimmung mit der Theorie zeigte sich aber ferner, dass die Stärke der inneren Polarisation eine Function des Widerstandes des feuchten porösen Körpers ist, sofern dieser Wider- stand durch die Dimensionen bestimmt wird. Die Function besitzt ein Maximum, welches in einem gegebenen Kreise bei beständiger Länge des innerlich polarisirbaren, Körpers mit um so grösserem Querschnitt eintritt, je schlechter die tränkende Flüssigkeit leitet. ! $. IV. Fortsetzung der Vorstudien: von der Polarisation an der Grenze ungleichartiger Elektrolyte. Gewisse Wahrnehmungen bei den Versuchen über innere Polarisation führten mich zur Kenntniss einer zweiten Art von Polarisation an feuchten Leitern, nämlich der Polarisation an der Grenze ungleichartiger Elektrolyte. Im Gegensatz zur inneren Polarisation bietet sie die Eigen- thümlichkeit, dass sie auch positiv sein kann. Befindet sich gleichzeitig im Kreise ein innerlich polarisirbarer Körper, so erhält man oft, was ich ‘doppelsinnige Wirkung’ nenne, d. h. einen Ausschlag erst im einen, dann im anderen Sinne.” Wird beispielsweise ein Wasserbausch zwischen Koch- salzbäuschen durchströmt, so erfolgt nach Öffnung der polarisirenden Kette und Schliessung des Bussolkreises zuerst ein negativer ‘Vorschlag’, dem eine länger anhaltende positive Ablenkung auf dem Fusse folgt. Der negative Vorschlag rührt von innerer Polarisation des Wasserbausches her, die posi- tive Ablenkung von der Summe der positiven Polarisationen an den Grenzen von Salzlösung und Wasser, Wasser und Salzlösung. Die innere Polarisa- ! Gesammelte Abhandlungen u.s. w. Bd. I. S. 29—41: „Ueber den Einfluss, welchen die Dimensionen innerlich polarisirbarer Körper auf die Grösse der secundär- elektromotorischen Wirkung üben.“ (13. Januar 1859.) ? Ebenda. Leipzig 1877. Bd. II. 8. 407. 6 E. vu Bois-REYMonD: tion ist stärker, aber flüchtiger, die äussere schwächer, aber nachhaltiger, woraus sich der negative Vorschlag, gefolgt von einem positiven Haupt- ausschlag, erklärt. Aehnlich dem Wasserbausche verhalten sich zwischen Kochsalzbäuschen alle von mir untersuchten frischen thierischen Gewebe: ein Stück Rippe, Rippenknorpel, Sehne, elastisches Gewebe, Froschhaut, Haut vom Menschen, Stücken Lunge, Leber, Milz, Niere vom Kaninchen, endlich Muskeln und Nerven. Sie nehmen positive äussere Polarisation an, welche sich mit in- nerer negativer Polarisation algebraisch summirt. Letztere tritt unter sonst gleichen Umständen um so stärker hervor, je länger die durchströmte Strecke.! In einem Bogen aus Zinkbäuschen, physiologischem Kochsalzthon und thierischen Theilen macht sich unter den gewöhnlichen Umständen die äussere Polarisation wenig bemerkbar.” Doch empfiehlt es sich, um bei Versuchen über innere Polarisation der Muskeln und Nerven ganz sicher zu gehen, die secundär-elektromotorischen Wirkungen nicht mittels derselben Bäusche, Thonspitzen u. d. m. abzuleiten, welche den primären Strom zu- führen, oder, wenn diese Anordnung aus gewissen Gründen geboten sein sollte, wenigstens nicht zu vergessen, dass dabei Polarisation an der Grenze der ungleichartigen Elektrolyte sich einmischen kann. $. V. Weitere Fortsetzung der Vorstudien: vom äusseren und vom inneren Widerstande feuchter poröser Körper. Als ich diesen Punkt erreicht hatte, glaubte ich von den Vorgängen bei Durchströmung einer Reihe feuchter poröser Körper genug zu wissen, um in der Erforschung der secundär-elektromotorischen Erscheinungen der Muskeln und Nerven ungefährdet fortzuschreiten. Doch fand ich mich arg getäuscht. Nachdem ich nämlich schon zahlreiche Versuche der Art an- gestellt hatte, entdeckte ich einen neuen Quell des Irrthums, durch wel- chen meine bisherige Arbeit, wenn auch nicht werthlos, doch für strengere Ansprüche unzureichend wurde. Dies war der von mir sogenannte secun- däre Widerstand der feuchten porösen Körper, welchen ich nun zum Gegenstand einer ausgedehnten und mühseligen Versuchsreihe machte.? ! Ebenda. Bd.1I. S.1—12: „Ueber Polarisation an der Grenze ungleichartiger Elektrolyte.“ (17. Juli 1856). — Vergl. unten 8. 27. ? Ebenda. Bd. U. S. 189 ft. ’ Gesammelte Abhandlungen u.s. w. Bd.I. S. S0—130: ‚Ueber den secundären Widerstand, ein durch den Strom bewirktes Widerstandsphaenomen an feuchten porösen Körpern.“ (20. December 1860.) SECUNDÄR-ELEKTROMOT. ERSCHEINUNGEN AN MUSKELN, NERVEN U. S.w. 7 Ich verstehe darunter einen Widerstand, der durch den Strom selber er- zeugt, nach Aufhören des Stromes allmählich etwas abnimmt, bei dessen Umkehr allmählich schwindet. Der in geronnenem Eiweiss zwischen Zink- bäuschen sich entwickelnde secundäre Widerstand kann den Strom einer zwanziggliederigen Grove’schen Säule so schwächen, dass nur ein Zehntel der ursprünglichen Stärke übrig bleibt. Der secundäre Widerstand über- wiegt also weit die Erhöhung der Leitungsgüte in Folge der Erwärmung der feuchten Leiter durch den Strom. Wenden des Stromes in feuchten porösen Körpern, in welchen secundärer Widerstand herrscht, bringt nicht, wie Wenden des Stromes in polarisirten Leitern, einen plötzlichen positiven Sprung der Stromstärke hervor, sondern es bietet sich das merkwürdige Schauspiel ihres minutenlangen langsamen Wiederanwachsens bis fast zur ursprünglichen Höhe, worauf das Sinken von vorn anfängt, um bei er- neutem Wenden abermals mit langsamem Wachsen abzuwechseln. Es giebt zwei Arten secundären Widerstandes, nämlich entsprechend der äusseren und der inneren Polarisation feuchter poröser Körper, einen äusseren und einen inneren secundären Widerstand. Des ersteren Sitz ist die Eintrittsstelle des Stromes, und obschon Manches dunkel bleibt, erklärt er sich aus der kataphorischen Wirkung des Stromes, aus dem Forttreiben der im Kreise befindlichen Flüssigkeiten von der Anode zur Kathode. Wo ein Zinkbausch thierischen Geweben den Strom zuführt, entwickelt sich ein sehr starker äusserer secundärer Widerstand, doch ist es leicht, seiner Ent- stehung durch die von mir angegebenen Mittel vorzubeugen. Der innere secundäre Widerstand, welcher überall im feuchten porösen Körper seinen Sitz hat, ist in bedeutendem Grade bisher nur im lebenden Pflanzengewebe beobachtet, und kommt daher bei den hier in Rede stehenden Versuchen minder in Betracht.! Die Untersuchung der äusseren und der inneren Polarisation, des äusseren und des inneren secundären Widerstandes der feuchten porösen Körper, die mich mehrere Jahre festhielt, war somit nur ein Glied in der Reihe von Forschungen, in welchen ich den secundär-elektromotorischen Erscheinungen der Muskeln und Nerven nachging. Wenn ich im Verfolgen dieses Hauptzweckes durch jene Vorstudien über die Gebühr aufgehalten wurde, so beschwichtigte meine Ungeduld nicht bloss die offenbare Noth- wendigkeit, hier solche sichere Grundlage zu schaffen, sondern auch die Einsicht, dass dieselbe Grundlage für alle physiologisch-elektrischen Ver- suche gleich unentbehrlich sei.? ! Ueber den secundären Widerstand ist ferner nachzusehen: H. Munk, Ueber die kataphorischen Veränderungen der feuchten porösen Körper. In diesem Archiv, 1873. S. 241 ff. ” Vergl. Gesammelte Abhandlungen u.s. w. Bd. Il. S. 191 ff. 8 E. pu Boıs-Reymoxv: Leider wurde ich noch fast zwei Jahrzehnde lang durch andere Auf- gaben davon abgehalten, die errungene Stellung auszunutzen. Etwa um dieselbe Zeit war ich in den Besitz der unpolarisirbaren Elektroden gelangt, ich hatte im physiologischen Kochsalzthon ein unschätzbares Material zum Ab- und Zuleiten der Ströme in physiologisch-elektrischen Versuchen ent- deckt, dem Poggendorff’schen Compensationsverfahren die richtige Ge- stalt gegeben, und etwas später diesen Fortschritten in.der Methode noch die Erfindung der aperiodischen Bussole hinzugefügt. So entstand für mich die Nöthigung, mit diesen neueren, den älteren so weit überlegenen Hülfs- mitteln fast alle meine Versuche zu wiederholen, in welchen jetzt Messung der elektromotorischen Kräfte an Stelle der Schätzung von Stromstärken trat. Auch die mir vom Auslande zur Untersuchung anvertrauten Zitter- welse aus Westafrika lenkten mich vom Wege ab, und noch jüngst kostete mich die Bearbeitung des Sachs’schen Nachlasses fast zwei Jahre. Die letzteren Zwischenfälle hatten aber die wichtige Folge, dass ich über die secundär-elektromotorischen Erscheinungen an den elektrischen Organen einigen Aufschluss erhielt. $. VI. Einiges von Vorrichtungen und Versuchsweisen. Die ausführliche Beschreibung meiner jetzigen Vorrichtungen und Ver- suchsweisen in diesem Gebiete bleibt späteren Mittheilungen vorbehalten. Doch mag Einiges davon schon hier gesagt werden, damit das Folgende bestimmte Vorstellungen erwecke. Zu den Versuchen an Muskeln dienten gewöhnlich die in ihrem natür- lichen Zusammenhänge gelassenen, im Muskelspanner! ausgestreckten Mm. gracilis und semimembranosus vom Frosch, wie ich sie seit langer Zeit anwende, wo es gilt, an regelmässigen immobilisirten Muskeln zu arbeiten. Zunächst den Elfenbeinplatten des Spanners werden den Muskeln von der inneren (femoralen) Seite her die Schneiden von. Keilbäuschen? angelegt, welche den polarisirenden Strom zuführen; dazwischen, von der äusseren Seite her, die Schneiden von Keilbäuschen, welche den Polarisationsstrom ableiten. Des Widerstandes der Sehnen wegen, die sich erhitzen und aus- trocknen würden, kann man nicht, was sonst grosse Vorzüge hätte, den Muskeln den Strom durch die den Knochenstücken ausserhalb der Elfenbein- platten angelegten gewöhnlichen Bäusche zuführen. Die beiden Paar ' Untersuchungen über thierische Blektrieität. Bd. II. Abth. I. S. 86; — @e- sammelte Abhandlungen u.s. w. Bd. I. 8. 118. 119; — Bd. II. 8. 313. ” Gesammelte Abhandlungen u. s. w. Bd.I. $. 88. 89, SECUNDÄR-ELEKTROMOT. ERSCHEINUNGEN AN MUSKELN, NERVEN U. S. w. 9 Schneiden, welche im Folgenden kurz Säulenschneiden und Bussol- schneiden heissen, sind mit oft erneutem Thone bekleidet; bei der geringen Dauer der meisten Versuche sind Störungen durch äusseren secundären Widerstand wenig zu fürchten, jedenfalls sind sie stets leicht erkennbar. Der Muskelstrom war durch einen mittels des runden Compensators ge- wonnenen Zweigstrom einer Raoult’schen Kette eompensirt.! Zu den Versuchen an Nerven dienten gewöhnlich die beiden als ein Nerv zusammengefassten Ischiadnerven desselben Frosches. Sie wurden sanft ausgespannt zwischen zwei an einem wagerechten Glasstabe verschieb- baren Korkstücken, auf deren oberer Fläche sie mit Insectennadeln fest- gesteckt waren; und die beiden Paar Keilbäusche wurden ihnen wie den Muskeln von beiden Seiten her genähert. Für Versuche an Spinalnerven- wurzeln dienten theils die unpolarisirbaren Zuleitungsröhren mit Thonspitzen,? theils besondere Vorrichtungen. Eine nicht leicht zu erfüllende Bedingung sicherer Erfolge bei diesen Versuchen ist so vollkommene Isolation des Säulenkreises vom Bussolkreise, dass auch bei sehr grossen elektromotorischen Kräften, wie denen einer fünfziggliederigen Grove’schen Säule, bei offenem Säulen- und Bussolkreise keine Ablenkung an der Bussole entsteht. Das Mittel dazu gab ich schon früher kurz an bei Beschreibung der Versuche über äussere Polarisation an feuchten Leitern.” Es besteht darin, jeden der beiden Kreise an zwei Stellen zu unterbrechen. Die Vorrichtung, welche dies leistet, erfüllt zugleich noch einen anderen Zweck. Sie dient auch zur Beherrschung der Zeit, während welcher der polarisirende Strom durch das Polarisations-Objeet gesandt wird, oder der Schliessungszeit. Ich besitze mechanische Mittel, um diese Zeit stetig I Untersuchungen am Zitteraal u.s. w. 8. 141. ? Seit meiner letzten Veröffentlichung experimentellen Inhalts stiess ich an den unpolarisirbaren Zuleitungsröhren mit “Thonstiefeln’ auf eine Erscheinung, welche nicht nur bei deren Gebrauch Beachtung verdient, sondern auch noch sonst interessirt. Hat man ein Paar solcher Röhren, das sich bei Schliessung des Kreises durch gegenseitige Berührung der Spitzen der Thonstiefel so gleichartig wie möglich verhält, und man berührt mit der Spitze des einen Stiefels den dickeren oberen Theil des anderen, dessen “Wulst, so entsteht ein Strom in der Richtung aus der Spitze in den Wulst. Die Wirkung ist minder deutlich bei frischen als bei schon länger zusammengesetzten Röhren. Sie würde sich durch die Annahme erklären, dass feuchter und minder feuchter Thon miteinander elektromotorisch wirken, jedoch so, dass für eine Reihe immer feuchterer Thonschichten keine Spannungsreihe gilt. — Feuchter und minder feuchter Thon einander zwischen Zinkbäuschen berührend liefern eine Kraft bis zu 0-014 Raoult. — Die Beziehung der elektromotorischen Wirkung zwischen ungleich feuchtem Thon zu den Nobili’schen Thon-Thermoströmen ist noch nicht aufgeklärt. ° Gesammelte Abhandlungen u.s. w. Bd.I. S. 2. 10 E. pu Bors-Reymoxp: von 0-001 bis 0-100 Secunde, dann in passenden Abständen von ungefähr 0-3 bis 20’ Secunden zu verändern. Darüber hinaus kommen die Fehler nicht mehr in Betracht, die man bei Schliessen und Oeffnen mit der Hand - nach der Uhr begeht. Dieselbe Vorrichtung besorgt endlich auch die Schliessung des Bussolkreises nach Oeffnung des Säulenkreises nach mög- lichst kurzer und gleicher Zeit, welche die Uebertragungszeit heisst. Die zum Polarisiren angewandten galvanischen Apparate waren eine Daniell’sche Kette von der gewöhnlichen (Trinkglas-) Grösse, deren ver- dünnte Schwefelsäure bei 19°.4 1-03 Dichte besass, und eine Grove’sche Säule aus den bekannten kleinen Elementen, deren ich fünfzig besitze.! Um von dem veränderlichen Widerstand der Bäusche, Schneiden, Mus- keln u. s. w. unabhängig zu sein, wurde der gute Zustand der Säule mit einer metallischen Schliessung controlirt. Andere Elektromotore werden be- sonders erwähnt. Die secundär-elektromotorischen Wirkungen wurden an der aperiodi- schen Bussole beobachtet. Da diese Wirkungen oft doppelsinnig sind, leistet die Aperiodieität hier ganz besonders werthvolle Dienste; sie macht Vor- kehrungen unnütz, wie ich sie ursprünglich anwendete, wodurch der Bussol- kreis anstatt möglichst schnell nach Oeffnung des primären Kreises, erst nach kürzerer oder längerer Uebertragungszeit geschlossen wurde. Endlich versteht es sich von selbst, dass wie bei Elektrotonus-, so auch bei Polarisations-Versuchen stäte Ueberwachung des primären Stromes an einer besonderen Bussole unerlässlich ist. Mit keiner anderen als der Wiedemann’schen Bussole wäre dies hier möglich, wo es sich darum handelt, in aufeinanderfolgenden. Versuchen vielleicht die dauernde Ab- lenkung durch den Strom von dreissig Grove, und den fast zehntausend- mal schwächeren Ausschlag durch einen nur wenig Tausendstel einer Se- cunde anhaltenden Stromstoss von Einem Daniell messend zu vergleichen. Ich verlor viel Zeit und Mühe mit dem Versuche, die Bussole (7) für den primären oder polarisirenden und die (S) für den secundären Strom im nämlichen Fernrohr abzulesen. Abgesehen von technischen Schwierig- keiten wird der Beobachter dabei mit zu vielen Geschäften auf einmal be- lastet, und ich kehrte zur einfachsten Art zurück, einen Gehülfen die zweite Bussole ablesen zu lassen. ‘ Im Jahre 1849 hatte die Akademie, der ich noch nicht die Ehre hatte anzu- gehören, die Güte, mir auf meine Bitte für diese Untersuchung eine hundertgliederige Daniell’sche Säule von Siemens und Halske zur Verfügung zu stellen. Ich kehrte aber bald zu den kleinen Grove zurück, die bei grösserer Leistung so viel handlicher sind, ) { SECUNDÄR-ELEKTROMOT. ERSCHEINUNGEN AN MUSKELN, NERVEN U. S.w. 11 $. VII. Die secundär-elektromotorische Wirkung der Muskeln in ihrer Abhängigkeit von Dichte und Dauer des primären Stromes. Man stelle sich das Muskelpaar, bestehend aus Gracilis und Semi- membranosus, im Muskelspanner so unbeweglich ausgestreckt vor, dass es bei der Zuckung sich nicht merklich verschiebt, die beiden Paar Keilbäusche den Muskeln in der beschriebenen Art angelest, und den Muskelstrom compensirtt. Bei symmetrischer Lage der Schneiden pflegt dieser in den Muskeln aufzusteigen, mit einer Kraft, welche, oft nur unbedeutend, manch- mal bis zu 0-017 Raoult beträgt. Wird nun bei doppelt geöffnetem Bussolkreise den Muskeln ein Strom während kürzerer oder längerer Zeit zugeführt, und wird unmittelbar nach doppelter Oeffnung des Säulenkreises der Bussolkreis geschlossen, so gleicht sich durch letzteren die etwa in den Muskeln erregte secundär-elektro- motorische Wirkung ab, und kommt an der Bussole rein zum Vorschein, unter der Bedingnng, dass die Compensation ungestört blieb. Bei längerem Säulenschlusse, nachlassender Spannung der Muskeln, heftiger Zuckung ist diese Bedingung nicht immer sicher erfüllt; wozu noch kommt, dass, wenn ein stärkerer Muskelstrom zu compensiren war, die Zuckung Nachwirkung hinterlässt. Inzwischen sind die secundär-elektromotorischen Wirkungen meist zu bedeutend, um mit solchen Strömungen verwechselt zu werden. Sie rühren allein von innerer Polarisation der Muskeln her; selbst wenn an den Säulenschneiden äussere Polarisation in merklichem Grade sich ent- wickelte, könnte diese sich nicht durch den Bussolkreis abgleichen. Auch überzeugt man sich leicht, dass jede Strecke der Muskeln secundär-elektro- motorisch in demselben Sinne wirkt, daher, bei ausreichendem Widerstand des Bussolkreises, die Stärke der Wirkung mit dem Abstand der Bussol- schneiden wächst. Bei gleicher Beschaffenheit aller Strecken müssten diese auch gleich stark secundär-elektromotorisch wirken. Abgesehen von der Unmöglichkeit die Schneiden zweimal nacheinander gleich anzulegen, trifft dies an unserem Muskelpaare schon deshalb nicht ein, weil der Semimem- branosus sich nach unten verjüngt.! Wir werden aber noch einen anderen Grund kennen lernen, weshalb die beiden Hälften eines Muskels nicht gleich stark secundär-elektromotorisch wirken (s. unten S. 21). Schiekt man verschieden starke Ströme verschieden lange Zeit durch die Muskeln, so stellen sich die secundär-elektromotorischen Wirkungen anfangs sehr verworren dar. Man erhält bald negative Ausschläge wie von einem gewöhnlichen innerlich polarisirbaren feuchten porösen Körper, bald \ Gesammelte Abhandlungen u.s. w. Bd. II. S. 161. 315. 575. 2 E. pu Boıs-REeymoxp: dagegen auch positive Ausschläge, als mischte sich äussere Polarisation ein. Wie bemerkt, ist diese hier durch die Anordnung ausgeschlossen, und es zeigt sich denn auch, dass die positive secundär-elektromotorische Wirkung auf positiver innerer Polarisation beruht, ein Verhalten, von welchem die Reihe der von mir auf innere Polarisirbarkeit geprüften Körper kein Bei- spiel bot. Diese positive innere Polarisation des Muskelgewebes ist also hier das Neue und Interessante,! und es handelt sich vor Allem darum, die Bedingungen ihres Auftretens festzustellen. Dies zu erreichen giebt es keinen anderen Weg, als eine Tabelle mit doppeltem Eingange zu entwerfen, in deren einem Kopfe, etwa dem wage- rechten, die Schliessungszeiten stehen, während im senkrechten Kopfe sich die Zahl der Säulenglieder findet. In dem zu einer bestimmten Schliessungs- zeit und einer bestimmten Stromdichte gehörigen Felde sind einzutragen erstens die Ablenkungen, welche der polarisirende Strom an der Bussole (P) erzeugt; zweitens die secundär-elektromotorischen Wirkungen, welche er an der Bussole (S) hinterlässt; und zwar beides sowohl bei auf- als bei absteigender Richtung des polarisirenden Stromes. Das Herstellen solcher Tabelle ist ein sehr mühsames Geschäft. Die durch irgend stärkere und längere Ströme erzeugten secundären Wirkungen sind meist so nachhaltig, dass man fast für jeden Versuch ein frisches Praeparat nehmen muss. Ausgenommen sind nur die Fälle, wo ganz schwache Ströme einen kleinen Bruchtheil der Secunde dauern, da dann die Polari- sation flüchtig genug ist, um gleich darauf andere Versuche, insbesondere mit stärkeren und längeren Strömen, folgen zu lassen; so wie, im Gegen- satz dazu, die Fälle, wo ein länger dauernder Strom so nachhaltige Polari- sation erzeugt, dass man, ohne den Polarisationszustand merklich zu ändern, kurze Zeit den Säulenkreis öffnen, und den Bussolkreis schliessen kann. In den anderen Fällen, wo eine erst schnell, dann langsam sinkende Polarisation hinterbleibt, könnte man nun zwar leicht von Neuem compensiren und so Gleichgewicht im Bussolkreise herstellen. Allein man wäre dann doch nicht sicher, bei wiederholten Versuchen am selben Praeparat die nämliche secun- däre Wirkung zu erhalten, wie am frischen Muskel. Wili man warten bis die Polarisation sich zerstreute, so verfliesst auch wieder zu lange Zeit, um darauf rechnen zu dürfen, dass der Muskel wie ein frischer sich verhalte. ! Ich gab zuerst Nachricht davon in meinen ‘ Untersuchungen’, Bd. I. 1848. S. 240 und Bd. II. Abth. I. 1849. S. 331. — 1852 machte ich darüber der British Association zu Belfast eine ausführlichere Mittheilung (Report of the twenty-second Meeting of the British Association ete.; held at Belfast in September 1852. London 1853. Notices and Abstracts etc. p.78). Später spielte ich wieder darauf an in dem Vortrag über die Zitterwelse aus Westafrika (Monatsberichte der Akademie u s.w. 1858. S. 106) und in den Untersuchungen am Zitteraal u.s. w. S. 206. SECUNDÄR-ELEKTROMOT. ERSCHEINUNGEN AN MUSKELN, NERVEN U. S.w. 13 Wegen der Nothwendigkeit, dem Muskelpaare das Becken zu lassen, liefert jeder Frosch nur ein Paar, daher jeder Versuch, der nicht unter jene beiden Ausnahmen gehört, einen neuen Frosch kostet. Sollen aber die Ergebnisse vergleichbar sein, so müssen die Frösche erstens der Grösse nach sich nicht zu sehr unterscheiden, zweitens sich in möglichst gleichem Zustande befinden. Erwägt man nun, dass, um zu einer einigermaassen vollständigen Kenntniss der Erscheinung zu gelangen, mindestens etwa zehn Schliessungszeiten und ebensoviel Stromdichten in beiden Richtungen durch- zuprobiren sind, was zweihundert Versuche giebt; dass diese zweihundert Versuche möglichst hintereinander an fast ebensoviel möglichst gleich frischen und grossen Fröschen angestellt sein wollen; rechnet man hinzu die unver- meidlichen Fehlschläge und Wiederholungen, so sieht man, dass eine Tabelle, wie die verlangte, die Arbeit vieler Wochen ist, zu der eine grosse Menge günstiger Umstände sich vereinigen muss, und man wird sich nicht wundern, dass ich in so langer Zeit mich nur zweimal daran wagte. Das erstemal, im Herbst, 1855, besäss ich noch keine der neuen Vor- richtungen und Versuchsweisen und ich wusste noch nichts vom secundären Widerstande. Ich entdeckte ihn vielmehr erst, leider zu spät, bei dieser Gelegenheit, und die ganze Arbeit, die übrigens jetzt auch sonst veraltet wäre, musste verworfen werden (vergl. oben S. 6). Erst im vorigen Sommer, 1882, kam ich dazu, eine neue Tabelle aus- zuarbeiten. Die Schwierigkeiten waren mittlerweile nicht vermindert, denn in dem Maasse, wie die Hülfsmittel vervollkommnet waren, hatten auch die Ansprüche an Genauigkeit sich gesteigert. Als Normalmaass der Frösche setzte ich jetzt 22°” zwischen Nasenspitze und längster Zehe fest; grössere Abweichungen als !/, °® liess ich nicht zu. Ich wendete vierzehn Schliessungs- zeiten an, von 0.006 bis 25, und neun Stromstärken, von einem Daniell bis zu vierzig Grove. Ohne die Fehler und Wiederholungen betrug die Zahl der Versuche 198. Es würde dem Charakter der gegenwärtigen Mit- theilung nicht entsprechen, diese Tabelle hier vollständig abzudrucken; nur eine Probe will ich davon geben. nn — | 07-006 | 0”-076 | 0”-320| 1".122| 47.626 | 10.022] 14"-75420”-018 | 1 | 5 SI +80 +133 | +109 | +84 | +73 | 66 | —9 | —12 | — 170 | — 119 . | | . | 1669 | 1824 | 180 109 400 | 305 | 1250 | 2020 | 2100 | 2216 |,;, 1894| bis 1962 S| +79 | +ı1ı | +160 | + 164 u ee as 100: — 22 | | ae Tine er | BR || 1657 Sl P - | : | 337 / F rt b Pr| 14 178 298 | 865 | 2129 | 1837 | 2s12 | 1777 | neolpispıst 14 IEMDE Boıs-Reymonp: Wie nicht gesagt zu werden braucht, zeigt der wagerechte Kopf die Schliessungszeiten, unter Einer Secunde vor dem ersten, unter Einer Minute vor der zweiten senkrechten Doppellinie. Die X bedeutet, dass der polari- sirende Strom von zehn Grove herrührte. Die Pfeile geben die Strom- richtung in den Muskeln an. Die wagerechten Reihen $ enthalten die Ablenkungen durch den secundären Strom; das Pluszeichen bedeutet posi- tive, das Minuszeichen negative Polarisation. Die Empfindlichkeit der Bussole (S) war vermindert; es wurde nur eine Rolle in 3em Abstand an- gewendet. Zwei Zahlen hinter einer Klammer zeigen doppelsinnige Polari- sation an. In den wagerechten Reihen 7 finden sich die Ablenkungen durch den primären Strom. Wegen 47.626 > !max! erreicht für diese und für jede grössere Schliessungszeit der durch den primären Strom abgelenkte Spiegel der Bussole (7°) die Ablenkung, in welcher er durch den beständigen Strom gehalten werden würde. Die Grösse der hier vorkommenden Zahlen rührt daher, dass die Ablenkungen reducirte sind. Die Bussole war näm- lich graduirt, d. h. von 5 zu 5" des Geleises war das relative drehende Moment der Rolle bekannt. Je nach der Stromstärke wurde die Rolle so weit vom Spiegel entfernt, dass sie eine passende Ablenkung A erzeugte. Es heisse m das relative Moment für den Rollenabstand von 20%”, ».’ das Moment für den jedesmal gewählten Abstand, so ist die reducirte Ablenkung A, = A-m/m’. Bei den grössten hier angewandten Stromstärken kamen redueirte Ablenkungen von fast 10000 °° heraus (vergl. oben S. 10). An den Zahlen 7 der Tabelle erkennt man übrigens sofort die grosse Unvoll- kommenheit, welche diesen Versuchen, trotz allen meinen Bemühungen, noch immer anhaftet. Von der Schliessungszeit 4’.626 an sollten sämmt- liche Ablenkungen durch den primären Strom dieselben sein; sie schwanken im Verhältniss von 100:180, zum Theil wegen der Unmöglichkeit, den Widerstand des Muskels und der Keilbäusche mit ihrer Thonbekleidung in mehreren aufeinanderfolgenden Versuchen gleich gross zu machen, zum Theil, da diese Erklärung kaum genügt, aus anderen, unbekannten Gründen. Das Wachsen der Stromstärke, wenn die Schliessung Eine Minute und darüber dauert, rührt von Erwärmung der Keilbäusche, ihrer Schneiden und der Muskeln selber her. Bei noch grösserer Stärke und längerer Dauer des Stromes wird diese Wirkung durch äusseren secundären Widerstand an der Eintrittsstelle des Stromes in die Muskeln überwogen (s. oben 8. 7). Die Polarisation nach 1’ Schluss war so stätig, dass kurze Zeit der Säulenkreis geöffnet, der Bussolkreis geschlossen werden konnte, ohne den Polarisationszustand merklich zu ändern, so dass kein neues Praeparat ge- nommen zu werden brauchte (s. oben S. 12). ' Gesammelte Abhandlungen u.s.w. Bd.]. 8. 302. SECUNDÄR-ELRKTROMOT. ERSCHEINUNGEN AN MUSKELN, NERVEN U. S.w. 15 $. VIII. Graphische Darstellung und Discussion der Polarisa- tionscurven bezogen auf die Schliessungszeit. Wie unvollkommen diese Versuche auch noch seien, es lässt sich ihnen doch schon eine Anzahl wichtiger Schlüsse entnehmen. Die nebenstehende Fig. 1 zeigt zunächst den allgemeinen Gang der Erscheinung. Nennen wir 7 die Schliessungszeit, A die Dichte des primären Stromes, £ s die Stärke der secundär-elektromotorischen Wirkung, so ist die perspecti- +5 Fig.i. visch gesehene, gleichsam gedielte Ebene die 7-A-Ebene. Auf den, be- stimmten Schliessungszeiten und Stromdichten entsprechenden Punkten dieser Ebene sind parallel der S-Axe die secundären Wirkungen aufgetragen, die positiven über, die negativen unter der Ebene. Doch sind nicht die Ördinaten s selber gezeichnet, sondern die Curven, welche die zu einer bestimmten Stromdichte gehörigen Ordinaten verbinden, und also die Stärke der durch diese Stromdichte erzeugten secundären Wirkung als Function der Schliessungszeit vorstellen. Obschon im Allgemeinen von ähnlichem Verlaufe, ändern sich diese Curven doch stätig mit wachsender Strom- dichte. In folgenden allgemeinen Eigenschaften kommen sie überein. Der Schliessungszeit Null entsprieht natürlich secundäre Wirkung gleich Null. Die Curven gehen also von der A-Axe aus. Sie erheben sich schnell zu 26 E. pu Boıs-REeymonD: einem positiven Maximum, und senken sich dann minder steil, doch immer noch sehr rasch, der Z-A-Ebene zu. Bis zu dem Punkte, wo sie diese Ebene schneiden, sind sie in der Figur ausgezogen; weiterhin, in ihrem negativen Verlaufe, sind sie punktirt. Hier zeigt sich, in grösserer Ent- fernung vom Schneidepunkt als das positive Maximum, aber um so früher, je grösser die Stromdichte, ein meist: schwächer ausgeprägtes negatives Maximum: bei einem Daniell erst nach 15’, einem Grove nach 10’, zwei Grove nach 5’, fünf Grove nach 1’ u.s. w. Bei I’ liegt es auch in dem oben mitgetheilten Stück der Tabelle, welches mit zehn Grove gewonnen wurde, und man sieht klar, dass es nicht auf Schwächung des primären Stromes durch secundären Widerstand beruhen kann. Ueber dies nega- tive Maximum hinaus habe ich die Polarisationscurven bezogen auf die Schliessungszeit noch nicht weiter verfolgt. Doch bieten sie vermuthlich nichts Besonderes mehr dar, sondern nähern sich sehr allmählich der Axe der Schliessungszeiten, bis, bei übermässiger Dauer des Versuches, das Er- gebniss zuletzt durch allerlei Nebenwirkungen getrübt wird. Bei Stromdichten unter der von zwei Grove und bei ganz kurzer Schliessungszeit erscheint überhaupt keine an der Bussole bemerkbare Polarisatin. Die ersten Spuren, welche man bei einem Daniell und 1” Schliessungszeit auftreten sieht, sind negativ; negative innere Polarisa- tion der Muskeln erhält man auch, wie ich dies schon vor langer Zeit be- schrieb, durch längeres Hindurchleiten eines Stromes von der Ordnung des Muskelstromes.! Die ersten positiven Spuren dagegen kommen erst bei zwei Grove und ungefähr 0”.3 Schliessungszeit zum Vorschein. Die Schliessungszeit, für welche die positive Polarisation in die nega- tive übergeht, mag die kritische heissen. In der Figur sind die Punkte, an welchen die Polarisationscurven bezogen auf die Schliessungszeit die T-A-Ebene schneiden, durch eine gestrichelte Curve verbunden. Diese Curve ist also die der kritischen Schliessungszeiten bezogen auf die Axe der Stromdichten als Abscissenaxe.e Wie man sieht, hat die Curve der kritischen Schliessungszeiten ein Maximum: in meinen Versuchen lag dies Maximum etwa bei der durch zwei. Grove erzeugten Stromdichte, und die kritische Schliessungszeit betrug dann etwa 5”. Bei zwanzig Grove war sie nur etwa 1”. Verbindet man die positiven Maxima der einzelnen Polarisationseurven bezogen auf die Schliessungszeit durch eine Curve, so zeigt auch diese wieder ein Maximum bei etwa zwanzig bis dreissig Grove; und ebenso zeigt eine Curve, welche die negativen Maxima verbindet, ein Maximum, aber dies schon bei nur einem Grove. I Gesammelte Abhandlungen u.s. w. Bd. II. 8. 191. 192. SECUNDÄR-ELEKTROMOT. ERSCHEINUNGEN AN MUSKELN, NERVEN U. S.w. 17 Es bleibt übrig, von der Grösse dieser Maxima im Vergleich mit dem Muskelstrom eine Vorstellung zu geben. Liess ich durch den Bussolkreis, in welchem das Muskelpaar wie bei einem Polarisationsversuche sich befand, eine elektromotorische Kraft von etwa 0-.045—0-055 Raoult, entsprechend der Kraft eines mit dem ganzen! künstlichen Querschnitt aufgelesten Gra- cilis oder Semimembranosus, wirken, so erfolgte, bei der verminderten Empfindlichkeit der Bussole, eine Ablenkung von 235—285°. Die stärkste negative Polarisation beobachtete ich bei 10° Minuten langer Schliessung eines Grove, und sie gab 423°. Die stärkste positive Polarisation erhielt ich durch 0°.075 lange Schliessung von zwanzig Grove; sie betrug 239°, und blieb also an elektromotorischer Kraft scheinbar etwas hinter dem Muskelstrome zurück. Abgesehen davon, dass der Polarisationsstrom in den ersten Augenblicken schnell sinkt, ist dies noch aus einem anderen Grunde, den wir bald kennen lernen werden, eine trügliche Schätzung. Wie sich die secundär-elektromotorischen Wirkungen der Muskeln der Grösse nach zu denen anderer feuchter poröser Körper verhalten, ist noch nicht untersucht. Sofern obige Zahlenwerthe für die Lage der Maxima u. d. m. von der Dichte des primären Stromes abhangen, gelten sie natürlich nur für das Muskelpaar von 22°” langen Fröschen bei unserer Art der Zuleitung. Uebrigens darf man nicht erwarten, das Verhältniss zwischen diesen Zahlen- werthen in Fig. 1 treu wiedergegeben zu finden. Räumliche Rücksichten machten dies unmöglich. Da beispielsweise die kritische Schliessungszeit in unseren Versuchen höchstens 5” beträgt, das Maximum der negativen Polarisation aber erst nach 10— 15’ eintritt, so müsste die Figur drei bis vier Meter lang sein, um bei den für die ersten Secunden der Schliessung ange- . nommenen Maassen jenes Maximum an der richtigen Stelle zu zeigen; die Strom- dichten müssten einen mindestens fünfmal breiteren Raum einnehmen u. d. m. An die Versuche mit galvanischen Strömen von veränderlicher Stärke und Dauer schliessen sich solche mit Elektromotoren, welche ihrer Natur nach kurze Stromstösse erzeugen; diese geben ohne Weiteres positive Pola- risation. Ich fand noch nicht Zeit, derartige Versuche mit den neuen Vorrichtungen und Versuchsweisen anzustellen, und muss mich begnügen, ältere Ergebnisse anzuführen, die im Wesentlichen richtig sein werden. Im December 1846 erhielt ich allem Anschein nach positive Polarisation an den Beinen eines lebenden Frosches mit einer Saxton’schen Maschine, deren Schläge durch einen Stromwender gleichgerichtet werden konnten. Da diese von Oertling für Dove gebaute Maschine? in den Besitz des ' Vergl. Gesammelte Abhandlungen u.s. w. Bd. Il. 8.193. 243. ° Untersuchungen über thierische Elektrieität. Bd. Il. Abth. I. 8. 398 1; - Wiedemann, Die Lehre vom Galvanismus und Elektromagnetismus. Bd. ll. 2. Aufl. Braunschweig 1874. 8. 236. Archiv f. A.u. Ph. 1884. Phys. Abthlg. 2 18 E. pu Böıs-Reymonxp: physiologischen Institutes überging, bin ich in der Lage, jene noch mit sehr unvollkommenen Einsichten und Versuchsweisen angestellten Versuche zu controliren. Schon unter etwas besseren Bedingungen sah ich im November 1855 positive Polarisation am Muskelpaare durch Oeffnungs- schläge des Schlitteninductoriums. Endlich auch schon im December 1846 beobachtete ich positive Polarisation an Fröschen, die ich mit einer stark geladenen Leydener Batterie von etwa 0.31 Quadratmeter Belegung erschlug. Die Muskeln sahen blutrünstig aus, und reagirten nur noch spurweise auf weitere Schläge. ! $. IX. Von den Polarisationscurven bezogen auf die Zeit ze. Oeffnung des primären Stromes. Die Polarisation der Muskeln kann nun noch in Bezug auf ihren zeit- lichen Verlauf nach Oeffnung des primären Stromes studirt, und dieser Verlauf durch eine auf die seitdem verflossene Zeit bezogene Curve dar- gestellt werden. Diese Zeit heisse die Veffnungszeit. Im Allgemeinen erscheint sowohl die positive wie die negative Polarisation sehr nachhaltig, und schon oben S. 13 wurde der Schwieriekeiten gedacht, welche daraus jedesmal erwachsen, dass man an demselben Muskel mehrere Versuche nach einander anstellen will. Nachdem der Muskel stärkere positive Polarisation annahm, können zwanzig Minuten und mehr vergehen, bis er sich seinem ursprünglichen Zustande wieder soweit genähert hat, dass man den Unterschied vernachlässigen kann. Da auch ohne polarisirt, zu sein, der Muskel während dieser Zeit seinen elektromotorischen Zustand nicht unverändert bewahrt haben würde, ist es nicht einmal möglich zu sagen, ob und wann die Wiederherstellung vollendet ist. Ebenso verhält es sich mit der negativen Polarisation. Allein die Polarisationscurven bezogen auf die Oefinungszeit bieten andere, wichtige Besonderheiten dar. Geschieht die Oefinung um die niche Zeit, so erfolgt sehr oft doppelsinnige Ablenkung, zuerst negativer, dann positiver Polarisation entsprechend. Der Uebergang rein positiver Polarisation in rein negative durch solche doppelsinnige Wirkung lässt sich auf die in Fig. 2 dargestellte Art erklären. Man hat sich nicht zu denken, dass von der Oeflnung des primären Kreises bis zum Umschlagen der Polarisation diese einfach positiv, darüber hinaus einfach negativ sei. Viel- mehr sind vom Augenblick der Schliessung an beide Polarisationen vor- handen, und wachsen nach verschiedenem Gesetz, indem die negative Pola- ı Vergl. Untersuchungen a. a. 0. 8. 181. 182. SECUNDÄR-ELEKTROMOT. ERSCHEINUNGEN AN MUSKELN, NERVEN U. S.w. 19 risation mehr der Schliessungszeit proportional zunimmt, die positive zuerst schnell, dann langsam ansteigt. In der Figur ist dies auf der senkrechten Ebene dargestellt, welche sich, perspectivisch gesehen, von vorn und links nach hinten und rechts erstreckt. In dieser Ebene ist die Abseissenaxe 0 7’ die wachsende Schliessungszeit, die gestrichelte Curve 0 (+ P) ist die der positiven, die punktirte 0 (— P) die der negativen Polarisation für eine bestimmte Stromdichte bezogen auf die Schliessungszeit. Denkt man sich die Ordinaten dieser componirenden Curven! algebraisch summirt, und deren Unterschied je nach seinem positiven oder negativen Werth ober- + . - en F - = . \ ng . A + I 2 ni x ei - r „ . . r . h' > N „ x \ N x \ 02 oder unterhalb der Abscissenaxe aufgetragen, so entsteht die ausgezogene resultirende Curve 0 (+m) 7, (— m), welche bei 7,;, der kritischen Schliessungszeit, die Abseissenaxe 0 7’ schneidet, und in der That nichts ist, als eine der Polarisationscurven bezogen auf die Schliessungszeit, wie sie in Fig. 1 vorkamen. Das negative Maximum bei längerer Schliessungs- zeit erklärt sich durch die Annahmen, dass entweder die Curve der nega- ' Vergl. Untersuchungen am Zitteraal u. s. w. 8. 215. 1% 20 E. pu Boıs-Reymoxp: tiven Polarisation zu sinken, oder langsamer als die der positiven zu steigen, oder dass diese schneller zu steigen anfängt (s. unten 8. 27, 57). Auf senkrechten Ebenen, welche unter einem rechten Winkel an die S-T-Ebene der Polarisationscurven bezogen auf die Schliessungszeit stossen, sind nunmehr die componirenden Polarisationscurven bezogen auf die Oeff- nungszeit dargestellt; die Abseissenaxen Z,2,, 425, Z,2, sind jedesmal die wachsende Oeffnungszeit. Die Polarisationscurven bezogen auf die Oeffnungs- zeit sind entsprechend behandelt wie die bezogen auf die Schliessungszeit, aus welchen sie gleichsam hervorgehen: die componirenden positiven sind gestrichelt, die componirenden negativen punktirt, die resultirenden sind ausgezogen. Dabei ist die Annahme gemacht, dass die positive Polarisation langsamer, die negative schneller in der Zeit abfällt. Nun zeigt ein Blick auf die Figur, dass beim Oefinen des primären Stromes zur Zeit 7, die Polarisation stets positiv bleiben werde. Beim Oeffnen zur Zeit 7;, wenn man sie träfe, wäre die Polarisation Null im ersten Augenblick, nachher positiv. Beim Oeffnen zur Zeit zZ, aber erfolgt doppelsinnige Wirkung, zuerst negativ, dann positiv. Weiterhin, bei 2,, ist die negative Polarisation, welche mehr der Schliessungszeit proportional wächst, so hoch über die von Anbeginn mehr auf gleicher Höhe verharrende positive gelangt, dass trotz dem steileren Abfall der negativen Curve die Curven sich nicht mehr schneiden, und rein negative Polarisation erscheint. Ausser den doppelsinnigen Wirkungen, welche so sich befriedigend er- klären, kommen in dem zeitlichen Verlaufe der Polarisationsströme noch manche Besonderheiten vor, die, da sie nicht gesetzmässig unter bestimmten Umständen auftreten, schwer mit Sicherheit zu deuten sind. In seltenen Fällen erfolgt doppelsinnige Polarisation mit positivem Vorschlage, nega- tiver Hauptablenkung. Oft steigt die Polarisation sehr langsam an, was wohl auf Schwinden der entgegengesetzten beruht. Manchmal sind die Wirkungen zwar einsinnig, aber doppelt sofern die Ablenkung erst ein Maximum erreicht, dann zu einem Minimum sinkt, und nun abermals zu einem Maximum anschwillt, welches manchmal sogar über dem ersten liegt. iin Fall der Art findet sich in der obigen Tabelle bei absteigendem Strom und 14.754 Schliessungszeit. Dies erklärt sich durch einen Gang der componirenden Curven bezogen auf die Oeffnungszeit, bei welchem die eine vollständig über der anderen verläuft, aber stärker gegen die Abseisse convex ist, so dass sie sich der unteren Curve erst nähert, dann von ihr entfernt, wie Fig. 3 zeigt. Es ist unmöglich, diesen noch sehr unvollkommen erforschten Einzel- heiten hier weiter nachzugehen. Das Wichtige, was schon jetzt daraus sich ergiebt, besteht in der Nöthigung, die Coöxistenz der beiden Polari- SECUNDÄR-ELEKTROMOT. ERSCHEINUNGEN AN MUSKELN, NERVEN U. 8.w. 21 sationen im Muskel anzunehmen, woraus sogleich folgt, dass die scheinbare Grösse, in welcher uns die resultirende positive oder negative Polarisation entgegentrat, über die wahre Grösse der componirenden Polarisationen nichts lehrt; denn man bekommt nur den Unterschied letzterer zu sehen, welche sehr viel grösser sein können, als ihr Unterschied (s. oben 8. 17). $. X. Vom Einflusse der Richtung des primären Stromes auf die secundär-elektromotorischen Wirkungen der Muskeln. Ich übergehe die zufälligen Wahrnehmungen und die lange Reihe vorbereitender Untersuchungen, welche mich schliesslich zur Einsicht führ- ten, dass an einem regelmässigen Muskel, beispielsweise unserem Muskel- paare, die obere Hälfte in aufsteigender, die untere in absteigender Rich- tung stärkere positive Polarisation zeigt. Die beste Art, dies darzuthun, besteht darin, den primären Strom abwechselnd in beiden Richtungen erst durch die eine, dann durch die andere Muskelhälfte zu senden, indem man zwischen den einzelnen Stromstössen einen stets gleichen Zeitraum lässt, welcher die Zerstreuung der Polarisation bis auf einen kleinen Rest ge- stattet, den man dann compensirt. Will man deren völliges Verschwinden abwarten, so wird man zu einer so langen Pause zwischen den einzelnen Versuchen gezwungen, dass daraus grosse Uebelstände erwachsen. Will man, ohne sich an die Zeit zu kehren, jedesmal warten, bis die Polarisa- tion einen gewissen relativen oder absoluten Werth erreichte, d. h. bis sie entweder auf einen gewissen Bruchtheil ihres ursprünglichen Betrages oder auf eine gewisse Zahl von Scalentheilen oder Compensatorgraden sank, so geräth man auch in allerlei Ungewissheiten. Bei kurzer Schliessungszeit eines stärkeren Stromes leistet erstere Versuchsweise immer noch die besten Dienste. Jedenfalls ist sie der statistischen Methode vorzuziehen, welche darin besteht, einen mittleren Werth für die positive und für die negative Polarisation an beiden Hälften aus Versuchen an stets erneuten Muskeln \ | ) 22 E. pu. Boıs-REYMmonxD: zu gewinnen, so dass jede Muskelhälfte nur einmal in Einem Sinne durch- flossen wird. Die durch die Ungleichmässigkeit der Zuleitung bedingten Schwankungen in der Stärke des primären Stromes sind, wie wir schon oben 8. 14 erfuhren, trotz aller Sorgfalt so bedeutend, dass zu ihrer Aus- | gleichung eine ganz ausserordentliche Zahl von Versuchen gehören würde. Aber auch wenn einer und derselben Hälfte des Muskelpaares die Säulenschneiden unverrückt anliegen, ist nicht darauf zu rechnen, dass der primäre Strom in beiden Richtungen gleich stark sei. Für den elektrischen Strom gilt bekanntlich kein solches Gesetz der Reciprocität wie für den Lichtstrahl. Durch dieselbe Reihe von Leitern in entgegengesetzter Rich- tung wirkend, erzeugt dieselbe elektromotorische Kraft oft sehr verschieden starken Strom. Die Nothwendigkeit, über die Bedingungen der irreciproken Leitung elektrischer Ströme klar zu sehen, gab die Veranlassung zu einigen Versuchen von Hrn. von Beetz und mir, welche wiederum der Keim von Hrn, Prof. Christiani’s gründlichen Untersuchungen über diesen (Gegen- stand wurden. Ich habe mich davon überzeugt, dass durch einen Thon- stab, dem der Strom wie einem Muskel zugeführt wird, völlig genügende Reciprocität der Leitung stattfindet. Doch wird man sich selbstverständlich nicht auf diese allgemeine Er- fahrung verlassen, sondern gerade hier am meisten darauf bedacht sein, die Stärke des primären Stromes neben der des secundären aufzuzeichnen. Hr. Prof. Georg Quincke, damals noch in Berlin, hatte die grosse Güte, mir bei den älteren Beobachtungen der Art behülflich zu sein, während neuerlich Hr. Prof. Christiani mir zur Seite stand, dem ich überhaupt für seine Unterstützung bei der jetzigen Organisation meiner Versuche zum wärmsten Danke verpflichtet bin. Folgende Tabelle giebt ein Bild davon, um wie grosse Unterschiede es sich an den beiden Muskelhälften handelt. Man hat sich zu denken, dass von den Bussolschneiden stets die eine dem Aequator des Muskelpaares anliegt, die andere unmittelbar entweder über der unteren, oder unter der oberen Säulenschneide. Zehn Grove. Schliessungszeit 0”-320. 1. Obere Hälfte. Muskelstrom: 189°, 21er |, : St + 118 ee + 64 | P| 171°, 169 153 y 159° 180, 190 ' Arthur Christiani, Beiträge zur Elektrieitätslehre. Ueber irreciproke Lei- tung elektrischer Ströme u. s. w. Berlin 1876. “ Di ee ee ie ee nn. SECUNDÄR-ELEKTROMOT. ERSCHEINUNGEN AN MUSKELN, NERVEN U.S.w. 23 2. Untere Hälfte. Muskelstrom:. 214°°, 22 ,5esrA. y\ | RI 1 Af— 9 Be HP et +25, 92 Py 200.) 160y 160 169y 185 | 180 3. Nochmals obere Hälfte. Muskelstrom: 264°, 27°. | et. 97 Be 210| 220 4. Nochmals untere Hälfte. Muskelstrom: 285°°, laine A(— 16 S pi 25 + 142 r 190y 190 - Die Summe der aufsteigenden positiven Polarisationen in der oberen Muskelhälfte ist 504, die der absteigenden 272. Für die untere Hälfte sind die entsprechenden Zahlen 976 und 465. Die Zahlen an sich sind, nebenbei gesagt, nicht mit denen oben S. 13 zu vergleichen, da diesmal die Rolle der Bussole auf Null stand. Ein Blick auf die Tabelle lehrt, dass nicht daran zu denken ist, die Ueberlegenheit der positiven Polarisation von Schwankungen in der Stärke des primären Stromes abzuleiten. Diese Schwankungen, welche zum Theil von Fehlern der die Schliessungszeit regelnden Vorrichtung herrühren, sind zuweilen unmerklich, zuweilen haben sie den verkehrten Sinn von dem, welchen sie haben müssten, um Verdacht zu erregen, und wenn sie dazu den richtigen Sinn haben, sind sie viel kleiner, als dass der Verdacht ge- gründet erscheinen könnte. ÖOhnehin sprechen gegen solche Erklärung die Fälle, deren die Tabelle drei bietet, wo bei der für die positive Polarisation minder günstigen Richtung des polarisirenden Stromes ein negativer Vor- schlag erscheint, vollends die nicht seltenen Fälle, wo die Polarisation rein negativ wird, da bei gleicher Schliessungszeit doppelsinnige Wirkung oder negative Polarisation vielmehr stärkeren polarisirenden Strom voraussetzen- Diese Fälle schliessen auch die Vorstellung aus, dass es sich um ein Widerstandsphaenomen handele. Eine andere Vermuthung, welche sich hier darbietet, verdient dagegen ernstliche Erwägung. Die ganze Erscheinung könnte nämlich auf Täu- schung beruhen. Wie sich nach dem Gesetze des Muskelstromes von selbst versteht, und wie auch für den vorliegenden Fall aus der Tabelle erhellt, I: E. pu Boıs-Reymoxp: herrscht in der oberen Muskelhälfte ab-, in der unteren aufsteigender Muskelstrom. Die negative Schwankung, und deren Nachwirkung, stellt sich also in der oberen Hälfte als aufsteigende, in der unteren als ab- steigende elektromotorische Wirkung dar. Demnach wird sich die Nach- wirkung in der oberen Hälfte bei aufsteigendem polarisirendem Strome der positiven Polarisation hinzufügen, bei absteigendem davon abziehen. In der unteren Hälfte wird, mutatis mutandis, dasselbe geschehen. Da nun beim Durchgang des polarisirenden Stromes der Muskel zuckt, so wäre, ohne irgend Neues zu Hülfe zu nehmen, Alles aus Altbekanntem erklärt. Auf doppelte Art glaube ich bewiesen zu haben, dass diese Erklärung, obwohl denkbar, nicht richtig ist. Erstens verschaffte ich mir eine Vorstellung davon, welche Grösse denn die Nachwirkung hier erreichen könne. Statt der polarisirenden Säule liess ich den die Schliessungs- und die Uebertragungszeit regelnden Mechanismus (s. oben 9. 10) den primären Kreis: des Schlitteninductoriums schliessen. Am Muskelpaare hing noch der Nerv, und lag den Platin- blechen der ‘stromzuführenden Vorrichtung’ auf." Bei dem Spiele jenes Mechanismus wurde also der Muskel, statt polarisirt, während eines Bruch- theiles einer Secunde tetanisirt, und zwischen Ende des Tetanus und Schliessen des Multiplicatorkreises verfloss dieselbe Uebertragungszeit, wie zwischen Ende des polarisirenden Stromes und demselben Augenblick. Es ergab sich in mehreren nach den damaligen Ansprüchen untadelhaften Versuchen, dass bei dieser Versuchsweise die Nachwirkung nur spurweise sichtbar wird, und keinenfalls im Stand ist, die beobachteten Unterschiede der Polarisation zu erklären. Eigentlich liess sich dies vorhersehen, da die Nachwirkung mit der Dauer des Tetanus wächst, dieser aber hier nur ganz kurze Zeit anhält. Zweitens schnitt ich die Muskeln am Aequator bis etwa zur Hälfte ihrer Dicke ein, so dass eine klaffende Wunde entstand, die sich als künst- licher Durch verhielt. Der Wunde zunächst wurde der sonst am Aequator befindliche Keilbausch angebracht. Der Muskelstrom hatte nun in beiden Hälften die verkehrte Richtung, und folglich musste sie auch die negative Schwankung haben. Dennoch hatte nach wie vor die auf- steigende positive Polarisation in der oberen, die absteigende in der unteren Muskelhälfte die Oberhand. Wenn ich demnach als ausgemacht betrachte, dass die positive Polari- sation in den beiden Muskelhälften in der Richtung vom Aequator nach den Enden stärker ist als in der anderen, so soll doch dieser Ausdruck ' Untersuchungen über thierische Elektrieität. Bd. I. S. 350. — Es war im März 1857, vor der Zeit des physiologischen Thones und der unpolarisirbaren Elektroden. Der Muskelstrom wurde am Nervenmultiplicator beobachtet. SECUNDÄR-ELEKTROMOT. ERSCHEINUNGEN AN MUSKELN, NERVEN UT. 8. w. 25 nur die unmittelbare Erscheinung wiedergeben, denn keineswegs ist diese eindeutig. Nennen wir die durch aufsteigenden Strom erzeugte positive und negative Polarisation beziehlich PA, II A; die entsprechenden Polari- sationen durch den absteigenden Strom ebenso P \ u Y ,‚ so ist der That- bestand, dass nicht Pı—HU A= 72 9 — UI \ sondern dass in der oberen Muskelhälfte das linke, in der unteren das rechte Glied das grössere ist. Natürlich kann dies durch viele Combinationen von positiven und negativen Veränderungen der vier Termen zu Stande kommen, von welchen aber zwei besonders in’s Auge zu fassen sind. Entweder es ist Pı= P,, oder HI=UuN\; das obere Zeichen gilt in der oberen, das untere in der unteren Muskel- hälfte. Welcher Fall in Wirklichkeit stattfinde, wird sich unten mit einiger Wahrscheinlichkeit entscheiden lassen. Eine merkwürdige Thatsache, welche sich auch in der Tabelle aus- spricht, ist die grössere Stärke aller secundären Wirkungen in der unteren Muskelhälfte Lässt man die negativen Vorschläge bei Seite, so beträgt die Summe dieser Wirkungen in der oberen Hälfte 776, die in der unteren 1341“. Die entsprechenden Zahlen für den primären Strom sind 1452 und 1434°. Der Unterschied der secundären Wirkungen erklärt sich nicht aus der abwärts verjüngten Form des Semimembranosus, denn ich habe ihn auch am symmetrisch gebauten Gracilis wahrgenommen. Mit symmetrisch dem Muskelpaar angelegten Bussolschneiden müsste man, bei abwechselnd auf- und absteigendem polarisirenden Strome, in absteigender Richtung stärkere positive Polarisation erhalten, als in aufsteigender. Dies habe ich schon im Januar 1857, zwar mit minder vollkommenen Hülfs- mitteln, doch mit genügender Schärfe, in der That beobachtet. Wichtig ist die Bemerkung, dass bei längerer Dauer der hier be- schriebenen Versuchsreihen deren Erfolg unsicher wird, und zuletzt sich oft in das Gegentheil verkehrt, so dass beispielsweise in der oberen Muskel- hälfte nicht nur die absteigende positive Polarisation stärker ausfällt, son- dern sogar bei aufsteigendem primären Strome negative Polarisation er- scheint. Ein Umstand verdient endlich noch Erwähnung, der in der Tabelle so entschieden hervortritt, dass ich trotz seiner Paradoxie ihn als vollgültig betrachten muss. Bei sehr starken absteigenden Strömen nämlich wird nach der kritischen Schliessungszeit, die sich wie gewöhnlich durch doppel- sinnige Ausschläge kennzeichnet, die Polarisation im ganzen Muskelpaar wieder positiv. Bei zwanzig Grove war von diesem Verhalten erst eine Spur da; bei dreissig Grove war es stärker, bei vierzig aber so stark aus- 26 E. pu Boıs-REyYmoxD: geprägt, dass ich bei 20”; 1’; 5” Schliessungszeit durch den aufsteigenden Strom beziehlich erhielt: — 125; — 112; durch den absteigenden: + 165; + 166; + 117. Ob und wie dies mit der verschiedenen Polarisirbarkeit der beiden Muskeihälften in beiden Richtungen zusammenhänge, ist noch ganz dunkel. Um das Verhalten in Fig. 1 aufzunehmen, hätten die Curven ‚auch jenseit der 7-Axe, von der (— A)-Axe aus, entworfen werden müs- sen. Dies lohnte sich um so weniger, als, wie man jetzt sieht, eigentlich für jede Muskelhälfte solche Doppelfigur nöthig wäre: Polarisationsversuche bei querer Richtung des primären Stromes im Muskel stossen auf grosse Schwierigkeiten, und sind noch nicht befriedigend durchgeführt. $. XI. Vom Einflusse verschiedener Umstände auf die Polarisation der Muskeln. Vor allen Dingen ist hervorzuheben, dass die positive innere Polarisa- tion der Muskeln nur im Zustand des Lebens wahrgenommen wird. Von der negativen inneren Polarisation hatte ich früher berichtet, dass sie auch an gekochten Muskeln noch vorhanden sei.! Dies war ein Irr- thum, wie ich später erkannte, als ich statt an ganzen Gliedmaassen, an einzelnen Muskeln experimentirte. Die innere Polarisirbarkeit der Frosch- muskeln wird durch Abbrühen, vollends durch Kochen, vernichtet. Den- noch findet man, wie ich richtig gesehen hatte, an einem ganzen gesottenen Froschbeine starke innere negative Polarisation. Bei näherer Untersuchung zeigt sich aber, dass während die Muskeln selber völlig unwirksam wurden, diese Polarisation im Kniegelenk, also in Knochen oder Bändern oder beiden, ihren Sitz hat. Auch das Fussgelenk eines gesottenen Unterschenkels findet man stark polarisirbar. Im Fall des ganzen Beines dienen also die Muskel- massen der Gliedmaassen nur den Gelenken als Zuleitung. Auf andere Weise abgestorbene Muskeln — Rindfleisch vom Schlächter, Froschmuskeln, welche 48 Stunden in der feuchten Kammer oder in Wasser lagen, oder über Chlorcaleium getrocknet und wieder aufgeweicht wurden — zeigten am Nervenmultiplicator noch schwache Reste negativer innerer Polarisirbarkeit durch den Strom von fünfzig Grove. Abbrühen und Kochen der Muskeln üben demnach auf die innere Polarisirbarkeit einen besonders verderblichen Einfluss. Bei derselben Ge- legenheit fand ich (im September 1855) die seitdem von Hrn. Joh. Ranke genauer untersuchte Thatsache, dass Kochen den eigenthümlichen Wider- ! Untersuchungen über .thierische Elektricität. Bd.I. 8. 378. 379. SECUNDÄR-ELEKTROMOT. ERSCHEINUNGEN AN MUSKELN, NERVEN U. Ss.w. 27 stand der Muskeln erheblich vermindert.’ Ob diese Thatsache und die Vernichtung der inneren Polarisirbarkeit der Muskeln durch Kochen mit einander zusammenhängen, werden wir später erwägen (s. unten S. 55. 56). Ich glaube bemerkt zu haben, dass auch der längere Hindurchgang eines sehr starken Stromes die Polarisirbarkeit vernichtet. Dies würde erklären, warum sich ein Maximum der negativen Polarisirbarkeit, und zwar um so früher einstellt, je dichter der Strom. Wie dem auch sei, in meinen Tagebüchern sind Fälle verzeichnet, wo trotz der Vernichtung der Polarisirbarkeit durch einen starken Strom die Muskeln noch zuckten; bel der Unvollkommenheit meiner älteren Versuche bin ich aber dieser Dinge nicht gewiss, und führe sie nur an, um anzudeuten, was es hier wohl Alles noch zu ermitteln gebe. Zwischen Kochsalzlösung und Muskelfleisch entwickelt sich, wie zwischen derselben Lösung und anderen thierischen Geweben (s. oben S. 6), positive Polarisation. Eine Scheibe Rindfleisch, in welcher der Strom nur mässige Dichte erlangt, giebt zwischen Salzbäuschen nur positive, ein langer dünner Streif doppelsinnige oder rein negative Polarisation in geringem Betrage, weil dann die negative innere neben der positiven äusseren Polarisation zum Vorschein kommt. Dass die Gliedmaassen eines lebenden Frosches positive innere Polari- sation annehmen, sahen wir oben 8. 17. 18. Ich habe solche Versuche aber auch schon früh am lebenden Menschen angestellt. In den Jahren 1845 und 1846 hatte ich mir eine kräftige Volta’sche Säule ursprüng- lichster Einrichtung, bestehend aus 150 Zinkkupfer-Plattenpaaren, verschaftt. Von diesen Paaren waren 100 kreisrund bei 1!/,” Durchmesser, 50 vier- ‚eckig bei 21/,” Seite. Sollte die Säule gebraucht werden, so kamen als feuchte Leiter zwischen den Plattenpaaren Pappscheiben getränkt mit ziem- lich concentrirter warmer Salmiaklösung zu liegen. Mit der letzten Zink- platte verbunden tauchte eine Kupfer-, mit der letzten Kupferplatte ver- bunden eine Zinkplatte in je ein Becken mit gesättigter Kochsalzlösung. Zuerst wurden die Zeigefinger in den Zuleitungsgefässen des Muskelmulti- plicators auf ihre Gleichartigkeit geprüft. Dabei stiess ich natürlich auf dieselben, seitdem durch die Compensationsmethode überwundenen Schwierig- keiten, wie bei den Versuchen über negative Schwankung durch willkür- lichen Tetanus.”? Nun wurden die Finger in die Säulenbecken getaucht, ‘Joh. Ranke, Tetanus. Eine physiologische Studie u. s. w. Leipzig 1865. 8.10. 19 ff. ® Monatsberichte der Akademie u.s. w. 1852 8. 111; — Moleschott’s Unter- suchungen zur Naturlehre des Menschen und der Thiere u. s. w. 1857. Bd. U. S. 247; — Untersuchungen über thierische Elektrieität. Bd. Il. Abth. I. S, 186 ff. 238 | E. pu Boıs-REeYymoxp: um den Schlag zu nehmen, und darauf wieder in die Zuleitungsgefässe, um die secundär-elektromotorische Wirkung zu beobachten. Die Schläge der Säule waren keine Kleinigkeit. Mit voller Hand ge- nommen spürte man sie bis in die Schultern, und während des dauernden | Schlusses hatte man jene Empfindungen von Wärme und Kälte, welche im Anfange des Jahrhunderts Joh. Wilh. Ritter zum Gegenstand seiner naturphilosophischen Constructionen machte.' Meine Jugendfreunde Wilh. Beetz, Ernst Brücke, Karl v. Erlach, J. @. Halske, Gustav Karsten theilten damals mit mir die Beschwerden dieser Versuche; ich bin glücklich, nach fast vierzig Jahren ihnen hier meinen Dank abstatten zu können. Das Ergebniss war zunächst ein regelloses Durcheinander positiver und negativer Ausschläge; doch gelang es bald, die Erscheinungen zu beherr- schen. Nach kurzem Säulenschlusse erfolgte positive, nach langem (15” waren Alles, was man aushalten konnte) negative Polarisation; nach mässig langem Schlusse bei schnellem Uebertragen der Finger aus dem Säulen- becken in die Zuleitungsgefässe, negative, bei langsamem Uebertragen posi- tive Polarisation. Die Wirkungen waren stark genug, um zu versuchen, ob sie nicht am stromprüfenden Schenkel sich würden sichtbar machen lassen. Wirk- lich war dies der Fall. Auf Humboldt’sche Weise? wurden dem Nerven zwei Stücke Rindfleisch als Zuleiter angelegt: berührte ich diese mit den Fingern, nachdem ich mich im Säulenkreise polarisirt hatte, so zuckte der Schenkel auf das Lebhafteste. Da es nicht gelingt, durch willkürlichen Tetanus den Froschschenkel zum Zucken zu bringen, ist es von einigem Interesse, dass man es durch secundär-elektromotorische Wirkung vermag. Versuche, den menschlichen Körper mittels des Schlages der Leydener Batterie zu polarisiren, blieben erfolglos. Im Ganzen erscheinen diese That- sachen in völliger Uebereinstimmung mit denen an den Froschmuskeln und lebenden Fröschen. Leider sind sie mit einer Unsicherheit behaftet, welche sie bis auf Weiteres entwerthet. Ich kannte damals noch nicht die Polarisation an der Grenze von Elektrolyten. Ich achtete nun wohl darauf, ob die Finger nach dem Schliessen der Säule in der Art wie die Enden eines durchströmten Frosches sauer und alkalisch reagirten, und fand auch, bei längerer Dauer des Schlusses, einmal Spuren saurer Reaction an dem einen Finger, doch erschienen sie mir zu unbedeutend, um weiter Etwas darauf zu geben, um so mehr, als absichtliches Verunreinigen der Finger mit verdünnter Salpetersäure und Kalilauge keine mit den zu erklärenden I Untersuchungen u.s. w. Bd.I. 8. 356. 357, ? Versuche über die gereizte Muskel- und Nervenfaser u. s. w. Posen und Berlin 1797. Bd.I 8. 35£. 3 SECUNDÄR-ELEKTROMOT. ERSCHEINUNGEN AN MUSKELN, NERVEN U. S.w. 29 vergleichbare Wirkungen hervorbrachte. Ich begreife aber heute nicht, warum ich nicht den Versuch so abänderte, dass beispielsweise mit den Zeigefingern der Schlag genommen, von den Mittelfingern die secundär- elektromotorische Wirkung abgeleitet wurde. Bis der Versuch in dieser oder einer ähnlichen Form geglückt ist, bleibt der Verdacht auf ihm ruhen, dass es sich darin nur um äussere positive Polarisation in der Haut, nicht um innere positive Polarisation der Muskeln handele. Dagegen ist kein Grund vorhanden zu bezweifeln, dass die in diesen Versuchen beobachteten negativen Ausschläge auf ächter innerer Polarisation beruhten, und diese neue Wirkung des Stromes im menschlichen Körper scheint mir der Aufmerksamkeit der Elektrotherapeuten einigermaassen werth zu sein. | Ob die Froschzuckungen durch die polarisirten menschlichen Glied- maassen von positiver oder negativer Polarisation herrührten, kann ich noch nicht angeben. $. XTHI. Die positive innere Polarisation der Muskeln im CGonfliet mit Tetanus. Ä Eine der merkwürdigsten Beziehungen, welche die positive innere Polarisation der Muskeln zeigt, besteht darin, dass sie durch deren Thätig- keitszustand beeinflusst wird, und zwar nimmt der tetanisirte Muskel we- niger starke Polarisation an, als der ruhende. Der Versuch ist schwierig wegen der sich einmischenden und nicht immer sicher in Rechnung zu ziehenden negativen Schwankung. Die Bussolschneiden müssen dem Muskelpaare, dem der Nerv gelassen ist, so angelegt sein, dass der Muskelstrom möglichst schwach ist; dann ist es auch die negative Schwankung. Wegen des asymmetrischen Baues des Semimembranosus herrscht bei symmetrischer Lage der Schneiden gewöhn- lich mehr oder minder starker aufsteigender Strom (s. oben 8. 11). Man erhält daher das gesuchte Gleichgewicht, indem man mit der unteren Schneide höher am Muskel hinaufrückt. Das Muskelpaar muss so stark gespannt sein, dass es beim Tetanisiren sich nicht merklich verschiebt. Man verzeichnet Betrag und Richtung der noch übrigen Schwankung. Darauf sendet man alle anderthalb bis zwei Minuten einen polarisirenden Stromstoss von kurzer Dauer durch das Muskelpaar, indem man es ab- wechselnd das eine Mal in Ruhe lässt, das andere Mal tetanisirt. Man wählt die Richtung des Stosses so, dass die negative Schwankung sich zur secundär-elektromotorischen Wirkung addirt. Trotzdem fällt diese Wirkung regelmässig während des Tetanus kleiner aus, als bei Ruhe des Muskels. Folgende Tabelle giebt ein Beispiel dieses Verhaltens. \ 30 E. DU | Bo1s-REYMonND: 11. September 1855. Muskelmultiplicator, Platinelektroden in gesättigter Kochsalzlösung. Kochsalzkeilbäusche mit Eiweisshäutchen. Zwanzig Grove. Schliessungszeit etwa 1”. Anderthalb Minuten- zwischen den Versuchen. ee | Aufsteigender No. ii polarisirender Stromstoss A Ba | allein. mit Tetanus. 1.) 504 m ih R 2. _— +99°.5 — +18°.5 6) — +35°.0 = Er 4. _ +36-0 zr +19-.5 5, 2=. = +16-5 2 6. | Ze = + 9 ® 5 | — 9.0 a je An dr a 1.57 nlEr Man FES ei? N Die Stärke des primären Stromes wurde nicht verzeichnet; doch nimmt nach meinen Versuchen der Widerstand des immobilisirten Muskels im Tetanus um eine kleine Grösse ab.! Das Tagebuch berichtet von keiner Vorkehrung, damit stets der Te- tanus gleich lange dauere und der Stromstoss gleich lange nach dem Beginn des Tetanus eintrete. Mit den heutigen Einsichten und Hülfsmitteln wird es natürlich leicht sein, ungleich vollkommenere Zahlenreihen als obige zu gewinnen. Wie sie sind, scheinen sie an dem hingestellten Satze keinen Zweifel übrig zu lassen. Ich habe ähnliche Versuche auch mit negativer Polarisation gemacht. Aus gewissen Gründen dachte ich mir, dass diese Polarisation durch den Thätigkeitszustand des Muskels nicht verändert würde. Wegen der Schwächung der davon sich abziehenden positiven Polarisation müsste sie dann stärker erscheinen. Leider stösst man bei der Prüfung, ob dem so sei, auf die Schwierigkeit, dass eine Schliessungszeit von mindestens 10” nöthig ist, um ' Untersuchungen über thierische Blektricität Bd. II. Abth.I. 1849. 8. 74 ff. — Als diese Bogen meines Werkes gedruckt wurden, war Hrn. Helmholtz’ Arbeit ‘Ueber die Wärmeentwickelung bei der Muskelaction’ (in diesem Archiv, 1848, 8. 144 ff.) noch nicht erschienen. Ich hätte sonst Grund gehabt, die Möglichkeit zu erwägen, dass die von mir beobachtete Widerstandsverminderung auf Erwärmung des Muskels beruhe. Auch die Säuerung des Muskels bei der Zusammenziehung entdeckte ich erst viel später. SECUNDÄR-ELEKTROMOT. ERSCHEINUNGEN AN MUSKELN, NERVEN U. S.w. 831 die passende negative Polarisation zu erhalten. Da der Tetanus früher an- fangen, und länger dauern muss, als der polarisirende Strom, so wird der Muskel dermaassen angegriffen, dass man meist nichts zu sehen bekommt, als schnelles Sinken aller Wirkungen. Doch glaube ich in meinen Zahlen- reihen Spuren des erwarteten Verhaltens vor mir zu haben, welche kaum auf blossem Zufall beruhen dürften. | Schliesslich sei bemerkt, dass eigentlich nicht recht zu verstehen ist, worin ein gewöhnlicher Versuch über positive Polarisation und ein Versuch über positive Polarisation im Conflict mit Tetanus sich von einander unter- scheiden. Denn auch im Versuch ohne Tetanus ist während der kurzen Durchströmung der Muskel in Zuckung begriffen. Es ist noch nicht an der Zeit, diese Frage zu erörtern. Vielleicht beruht die scheinbar geringe positive Polarisirbarkeit des tetanisirten Muskels darauf, dass der den Säulen- schluss überdauernde Tetanus die positive Polarisation zum Theil aufhebt. $. XIII. Von den secundär-elektromotorischen Erscheinungen der Nerven. Als ich im Herbst 1852 der British Association zu Belfast eine Mit- theilung über secundär-elektromotorische Wirkungen der Muskeln und Nerven machte (s. oben S. 12), war es mir noch nicht gelungen, von den Nerven positive innere Polarisation zu erhalten. Im Zusammenhang mit meiner Hypothese über den Elektrotonus, und in Hinblick auf die Thatsache, dass Muskeln keinen extrapolaren Elektrotonus zeigen (s. oben S. 2 Anm.), ver- glich ich damals die Muskeln mit hartem Stahl, die Nerven mit weichem Eisen.! Die mittlere Strecke einer Stahlstange, von durchströmten Windungen umgeben, wird magnetisch, und bleibt es nach Aufhören des Stromes; aber nur durch Fernwirkung breitet sich der Magnetismus zeitweise über die unmittelbar betroffene Strecke aus. Besteht die Stange aus weichem Eisen, so wird sie in ihrer ganzen Länge maenetisirt, wenn auch mit abnehmender Kraft von der Rolle nach den Enden zu; aber nach Aufhören des Stromes ist der Magnetismus überall verschwunden. In derselben Art verschieden schienen sich mir damals Muskeln und Nerven in Bezug auf die Polarisation ihrer elektromotorischen Molekeln zu verhalten. Aber ich hatte zu früh theoretisirt. Als ich im Winter 1852 auf 1853 mit verbesserten Hülfsmitteln zur Erforschung der secundär- elektromotorischen Wirkungen der Nerven und Muskeln zurückkehrte, fand ich alsbald, dass auch die Nerven positive innere Polarisirbarkeit, also im ! Untersuchungen über thierische Elektrieität. Bd. II. Abth. I. 8. 326. 32 E. pu Boıs-REymoxp: Sinne des obigen Vergleiches, Coörcitivkraft besitzen, nur dass, aus leicht erklärlichen Gründen, ihre Polarisation etwas schwerer aufzufassen ist, als die der Muskeln. Bei der grossen Bedeutung, welche diese Erscheinung für die Lehre vom Elektrotonus zu haben schien, nahm ich deren Untersuchung seitdem wiederholt auf in dem Maasse, wie meine Einsichten und Methoden fort- schritten, und zahllose Versuche über Polarisation der Nerven lagern seit Jahren in meinen Tagebüchern. Unter Anderem hatte ich schon einmal in den Jahren 1857 und 1858 eine Tabelle ausgefüllt, welche die secundär- elektromotorischen Wirkungen der Nerven für eine Reihe von Schliessungs- zeiten, und von Stromdichten in beiden Richtungen, darstellte. Die Ver- suche wurden am Nervenmultiplicator mit den zusammengelegten beiden Ischiadnerven vom Frosch angestellt. Für jede Schliessungszeit und Stromdichte in jeder Richtung wurde ein neues Paar Nerven genommen. Hr. Pflüger, damals noch in Berlin, hatte die grosse Gefälligkeit, mir bei diesen Versuchen beizustehen. Wie die zwei Jahre vorher für die Muskeln entworfene Tabelle (s. oben S. 13) leidet die Tabelle für die Nerven an allen Gebrechen, welche vor Erfindung der unpolarisirbaren Elektroden, des physiologischen Kochsalzthones, der Methode der Compensation und der aperiodischen Bussole meinen Ergebnissen anhafteten; auch wurde die Stärke des primären Stromes nicht regelmässig und nicht scharf genug bewacht. Dennoch muss ich hier auf diese ältere Tabelle mich stützen, da es mir noch nicht möglich war, wie im Fall der Muskeln, sie durch eine mehr fehlerfreie zu ersetzen. Da aber die Ergebnisse der älteren Nerventabelle denen der neuen Muskeltabelle sehr gleichen, ist das Uebel vielleicht nicht SO gTOss. | In der That können die in Fig. 1 und 2 gegebenen graphischen Dar- stellungen der Polarisationscurven bezogen auf die Schliessungs- und auf die Oeffnungszeit fast ebenso gut für die Nerven gelten, wie für die Muskeln. Stromdichten unter einer gewissen Grösse geben nur negative Polarisation. Bei beträchtlicheren Stromdichten, von fünf bis fünfzig Grove, und sehr kurzer Schliessungszeit erscheint rein positive Polarisation. Bei etwas längerer Schliessungszeit, welche vielleicht 0”.2 Secunde betrug, wurde aber hier die Polarisation schon doppelsinnig, d. h. einem negativen Ausschlage folgte ein positiver auf dem Fusse, Beträgt die Schliessungszeit mehr als eine Secunde, so wird die Polarisation rein negativ. Die stärkste positive Polarisation erhielt ich bei ganz kurzer Schliessung von fünfundzwanzig bis dreissig Grove; die Kraft blieb wie beim Muskel scheinbar unter der des Stromes des ruhenden Nerven. Die stärkste negative Wirkung erfolgte, auch ganz wie beim Muskel, nach längerem Hindurch- leiten verhältnissmässig schwacher Ströme. Nach 45’ gaben fünf, nach 15° SECUNDÄR-ELEKTROMOT. ERSCHEINUNGEN AN MUSKELN, NERVEN UT. S. w. 33 sieben, nach 5’ zehn Grove Anschlagen an die Hemmung des Nerven- multiplicators, also stärkere Wirkung, als der Nervenstrom. Auch hier gilt aber natürlich, wie bei den Muskeln (s.oben 8.17.21), die Bemerkung, dass die resultirende Polarisation, als Unterschied der beiden componirenden Polarisationen, kein Maass für deren Stärke abgiebt, welche ein Vielfaches des beobachteten Unterschiedes sein kann. Denn, wie nicht gesagt zu werden braucht, die verschiedenen Erscheinungsweisen der Nervenpolarisation führen unausweichlich zur Annahme, dass in den Nerven, wie in den Muskeln, zwei Polarisationen gleichzeitig vorhanden sind: eine plötzlich fast in voller Höhe auftretende, nur noch langsam wachsende, sehr nachhaltige positive Polarisation, und eine mit der Schliessungszeit wachsende, mehr und mehr über jene sich erhebende, aber nach Oeffnung des Säulenkreises schneller schwindende negative Polarisation. Oeffnungsschläge des Schlitteninductoriums geben bei hinreichender Stärke rein positive Polarisation. Hinsichtlich der feineren Züge der Erscheinung, der verschiedenen für die Muskeln erkannten Maxima der Polarisationscurven, und deren Lage nach Stromdichte, Schliessungszeit und Oeffnungszeit, wird es rathsam sein, weitere Beobachtungen abzuwarten, obschon auch in dieser Beziehung die ältere Nerventabelle, bei aller Unvollkommenheit, eine gewisse Aehnlichkeit mit der neuen Muskeltabelle erkennen lässt. Ueber die verhältnissmässige Stärke und Nachhaltigkeit der Polarisation in den Muskeln und in den Nerven bei gleicher Stromdichte u. s. w. wissen wir noch nichts, und dürfte es sehr schwer sein, sich eine sichere Vorstellung zu verschaffen. $. XIV. Matteucci’s Versuche über Nervenpolarisation. Von der negativen inneren Polarisation der Nerven gab ich zuerst Nachricht 1856 in meiner Abhandlung über diese Erscheinung in feuchten porösen Körpern überhaupt.’ 1867 kam ich darauf zurück als auf einen Umstand, welcher sich der Beständigkeit von Strömen in nervenhaltigen Kreisen widersetzte.”? Dass die Nerven daneben positive innere Polarisation besitzen, habe ich auch schon wiederholt, gelegentlich der secundär-elektro- motorischen Wirkungen der elektrischen Organe, freilich auf eine nur für den Kundigen durchsichtige Weise angedeutet. ® 1 Monatsberichte u.s. w. 4. August 1856. 8.457; — Gesammelte Abhandlungen u.8.w. Bd.1. 8. 19. ? Dies Archiv, 1867. 8. 262; — Gesammelte Abhandlungen u. s. w.. Bd. U. S. 192. % Monatsberichte u. s. w. 1858. 8. 106; — Untersuchungen am Zitteraal U. 8. W. S. 206. Archiv f. A. u. Ph. 1884. Physiol. Abthlg. 3 | 34 E. pu Boıs-Reymoxp: Obschon meine Abhandlungen über Polarisation von Elektrolyten und von feuchten porösen Körpern auch in französische und italienische Zeit- schriften übergingen,! beschrieb Matteucci 1860, also vier Jahre nach mir, - ohne mich zu nennen, ähnliche Phaenomene, als hätte er sie entdeckt, und bemächtigte sich bei dieser aan auch der inneren negativen Polari- sation der Nerven. Auch die Bezeichnung der Wirkungen als secundär-elektromotorischer hat er mit mir gemein. Seine Versuchsweise freilich erinnert nicht an die meinige. Er legt die beiden Enden eines Nerven zuerst auf die Platin- elektroden einer zwei- bis achtgliederigen Säule aus Zink-Kohle-Salzwasser- Elementen, lässt den Strom zwei Secunden bis drei Minuten hindurchgehen, und überträgt den Nerven auf die Multiplicatorbäusche. Man finde dann in der intrapolaren Strecke negative Polarisation, positive aber in den beiden extrapolaren Strecken, und zwar stärker in der an die Kathode grenzenden. Diese Versuche wurden nicht bloss an den Nerven von Fröschen, sondern, und sogar mit Vorliebe, an denen von Warmblütern, Schafen, Kaninchen, Hühnern, angestellt. In der That überdauere die negative Polarisirbarkeit viele Stunden lang den Verlust der Lebenseigenschaften; nur Siedhitze und Druck (compression) machen ihr ein Ende. Matteucei bringt die secundär- elektromotorische Wirkung auf Rechnung der an den Platinelektroden aus- geschiedenen Säuren und Alkalien.? In einer zweiten Mittheilung ändert er aber, in der ihm eigenen Art, seine Aussagen mannigfach ab, ohne zu sagen, ob die früheren falsch waren oder nicht. Nun werden die Nerven „in den meisten Fällen“ nicht mehr unmittelbar mit Platinelektroden in Berührung gebracht, sondern durch Streife mit Quellwasser getränkten Wollenzeuges. Die Säule besteht aus acht bis zehn Grove, und die Schliessungszeit beträgt 25—80 Minuten. Es ist auch nicht mehr die Rede von Polarisation der extrapolaren Strecken, sondern jetzt heisst es, dass der an die Anode grenzende Abschnitt der intrapolaren Strecke an negativer secundär-elektromotorischer Kraft den an die Kathode grenzenden Abschnitt übertreffe, und dass dieser Unterschied beträchtlicher sei, wenn der Strom im Nerven auf-, als wenn er darin ab- stieg. Matteucci will sich davon durch Entgegensetzung der beiden Ab- schnitte im nämlichen Kreise überzeugt haben. Diese Art von Wirkungen schreibt er der Verunreinigung des Nerven mit Ionen zu. Zwischen den der- gestalt elektrochemisch wirksamen Endabschnitten des Nerven unterscheidet ! Il nuovo Cimento ec. t. V. Maggio e Giugno. Pubbl. il 9 Luglio 1857. p. 338. — Annales de Chimie et de Physique. 3 me Serie. 1860. t. LVIIL p. 314. 318. ” Comptes rendus ete. 21 Fevrier 1860. t.L. p. 412; — Archives des Sciences physiques et naturelles. Fevrier 1860. t. VIL p. 173. SECUNDÄR-ELEKTROMOT. ERSCHEINUNGEN AN MUSKELN, NERVEN U. S.w. 85 er, wie es scheint, einen mittleren Abschnitt, von welchem jeder Punkt schon nach sehr kurzer Schliessung negativ secundär-elektromotorisch wirkt.! In einer dritten Mittheilung kommt Matteucci dann wieder auf die extrapolaren Elektrotonusströme zurück, und so hat er, wie er pflegte, seine Angaben über diesen Gegenstand noch viele Mal mit allerlei Varianten wiederholt,? in welche ihm zu folgen nutzlos wäre. Auf die Polarisirbarkeit der Nerven aber gründete er seine Auffassuug der extrapolaren Elektro- tonusströme als Stromschleifen, welche von der Anode aus der anelektro- tonisirten Strecke entlang sich äusserlich verbreiten, durch die Axencylinder zur katelektrotonisirten Strecke gelangen, und dieser entlang äusserlich zur Kathode zurückkehren, was er an einem mit einer feuchten Hülle bekleideten Platindraht nachmachte. Wird solchem Draht ein Elektrodenpaar angelegt, so erhält man extrapolare Stromschleifen nach dem Gesetze des Elektro- tonus; mit Zinkdraht in einer mit Zinksulphatlösung getränkten Hülle bleiben sie aus. Das ist bekanntlich die Theorie, welche seitdem Hr. Hermann sich zu eigen machte, zu dessen Versuchen über innere Polarisation der Nerven wir nun kommen. $. XV. Hrn. Ludimar Hermann’s Versuche über Nerven- polarisation. In seiner Schrift vom Jahre 1867, in welcher er seine Absterbehypo- these zuerst entwickelte, gab Hr. Hermann vom Elektrotonus eine mit jener Hypothese zusammenhängende naturphilosophische Erklärung, wonach in der intrapolaren Strecke ein dem polarisirenden Strom entgegengesetzter Strom herrschen sollte, vergleichbar dem Peltier’schen Gegenstrom in einer von einem fremden Strome durchflossenen Thermokette. In diesem vermeintlichen Zusammentreffen sah Hr. Hermann einen schlagenden Er- folg seiner Speculation, und eine neue Stütze seiner Anschauungen.® In meiner „Widerlegung“ begnügte ich mich, einen Fehler in der Reihe von Schlüssen aufzudecken, durch welche Hr. Hermann geglaubt hatte, seine " Comptes rendus etc. t. LIl. 1861. 11 Fevrier p. 231; — 13 Mai p. 954. ?” Oomptes rendus ete. 16 Septembre 1861. t. LIII. p. 503; — 20 Avril 1863. t. LVI. p. 760; — 22 Juillet 1867. t. LXV. p. 131. 195; — Annales de Chimie et de Physique. 3ume Serie. t. LIX. p. 385; — Kleetro-Physiological Researches. Eleventh Series. Philosophical Transactions ete. 1861. p. 368; — Proceedings of the Royal Society. vol. XI. p. 384; — The... Philosophical Magazine ete. 4th Series. vol. XXIV. October 1862. p. 311; — Corso di Elettro-Fisiologia in sei Lezioni date in Torino ee. Torino 1851. p. 59. | ® Weitere Untersuchungen zur Physiologie der Muskeln und Nerven. Berlin 1867. 8. 49. 5* 36 | E. pu Boıs-Reymonp: Construction an das Gesetz von der Erhaltung der Kraft festknüpfen zu können.! Ich hatte Gründe, von dem nur mir und einigen Eingeweihten, wie Hrn. Pflüger, bekannten Gebiet der secundär - elektromotorischen Wirkungen der Nerven den Schleier noch nicht hinwegzuziehen. Im all- gemeinen Interesse wäre es wohl besser gewesen, hätte ich gleich damals Hrn. Hermann herausgesagt, dass in der intrapolaren Strecke positive Polarisation herrscht. Der Gang der Wissenschaft an dieser Stelle wäre ein anderer, und vielleicht mehr erspriesslicher geworden. Das Jahr darauf trug Hr. Hermann, indem er einige in meiner Widerlegung’ enthaltene Winke benutzte, seine Hypothesen etwas mehr durchgearbeitet von Neuem vor, und diesmal liess er es sich angelegen sein, seine Elektrotonustheorie durch Versuche zu stützen.” „Die Kette be- „stand aus zwei bis sechs ganz kleinen Daniells; der Nervenstrom wurde „vor der Durchströmung stets genau auf Null compensirt. Die Durch- „strömung dauerte durchgehends eine Minute.“ Unter diesen Umständen bekam Hr. Hermann in der intrapolaren Strecke natürlich nichts zu sehen, als negative Polarisation. Da dies Ergebniss mit seiner Hypothese von der „durch die Kathode erhöhten, durch die Anode herabgesetzten Spaltungs- „geschwindigkeit der Nervenmolecüle“ zu stimmen, und meine Molecular- hypothese zu widerlegen schien, so blieb er befriedigt dabei stehen. Hrn. Hermann’s Versuche umfassten auch die extrapolaren Strecken, mit welchen sich, nach Matteucci, auch schon Hr. Adolph Fick be- schäftigt hatte? Er und Hr. Hermann gelangten schliesslich zum näm- lichen Ergebniss, doch ist letzterer in der Priorität, sofern Hrn. Fick’s erste Anzeige den Thatbestand nicht ganz richtig wiedergab. ‚Dieser lautet in Hrn. Hermann’s Worten: „Beide extrapolare Strecken wirken nach der „Oeffnung für kurze Zeit in einem von der durchflossenen Strecke weg ge- „tichteten Sinne,“ aber der anelektrotonische, dem polarisirenden Strom ent- gegengerichtete Nachstrom ist der stärkere. * | Inzwischen liess Hr. Hermann seine Hypothese von der verschiedenen ‘Spaltungsgeschwindigkeit’ als Ursache der Elektrotonusströme zu Boden gleiten, und nahm an ihrer Stelle Matteucci’s oben erwähnte Erklärung der extrapolaren Elektrotonusströme durch Stromschleifen auf, deren ge- nauere Begründung er sich fortan zu einer Hauptaufgabe machte. Seine ! Gesammelte Abhandlungen u. s. w. Bd.II. 8. 341. ae e Untersuchungen zur Physiologie der Muskeln und Nerven. Berlin 1868. 3. Heft. ° Centralblatt für die medieinischen Wissenschaften. 1867. 8.436; — Unter- suchungen aus dem physiologischen Laboratorium der Züricher Hochschule. Wien 1869. 1. Heft. 8. 129. * Handbuch der Physiologie u.s. w. Bd. II. S. 164. SECUNDÄR-ELEKTROMOT. ERSCHEINUNGEN AN MUSKELN, NERVEN U. S.w. 87 Versuche über intrapolare negative Polarisation dienten ihm jetzt zum Beweise für Matteucci’s Hypothese,! wie früher für die seinige. Vor dieser hat Matteucci’s Hypothese unläugbar das voraus, dass sich Etwas dabei denken lässt. Es ist eine gute, discutable Vorstellungsweise, mit welcher zu rechnen ich um so eher bereit bin, als deren Grundgedanke mir gehört. | Schon in meinen Untersuchungen vom Jahre 1849 erwog ich aus- drücklich und prüfte ich mit allen damaligen Hülfsmitteln die Möglichkeit, die extrapolaren Elektrotonusströme durch die zu jener Zeit vielfach beliebte Annahme zu erklären, dass der Axencylinder leite, die Markscheide isolire. Dann würde ein Stromzweig von der Anode dem Perineurium entlang zum nächsten Querschnitt, den Axencylindern entlang zu dem der Anode näheren Querschnitt, und zurück durch das Perineurium zur Kathode fliessen. In dieser Form indess zeigte sich die Hypothese nicht stichhaltig.? Dass sie es in der Form werde, die ihr Hr. Hermann auf Grund der von ihm entdeckten schlechteren Querleitung der Nerven gab, zögere ich einigermaassen ihm auf’s Wort zu glauben, und ich hatte noch nicht Zeit, mich davon durch eigene Untersuchung zu überzeugen. Sollte mir dies gelingen, so werde ich es frei bekennen. Sicher ist einstweilen, dass die intrapolare Strecke neben der immerhin mehr physikalischen, negativen Polarisation, von der auch die extrapolaren Ströme abhängen mögen, jene gleichsam mehr physiologische, positive Polarisation besitzt, welche meine Hypothese verlangt. Sicher ist, dass, auch wenn die extrapolaren Elek- trotonusströme nur auf Stromschleifen beruhen, das Wesen des Elektrotonus, als in positiver Polarisation bestehend, dadurch nicht berührt würde. Nur der misslichen Verpflichtung, dessen Ausbreitung über die Elektroden hinaus zu erklären, wäre man los. Sicher ist ferner, dass, während ich die positive Polarisation der intrapolaren Strecke zu einer Zeit entdeckte, wo ich noch keines der heutigen Hülfsmittel besass, Hr. Hermann, der diese Hülfs- mittel bereit fand, seit 1867 bis heute die grundlegende Thatsache des Gebietes übersah, auf dem er als Reformator auftrat. Sicher endlich ist, dass Alles, was er sich über Elektrotonus ausdachte, und mit so grosser Zuversicht vortrug, vor dieser Thatsache vorläufig zu Spreu wird, und dass, von dieser Thatsache ausgehend, die Erforschung des Elektrotonus überhaupt von vorn anzufangen hat. Hr. Hermann giebt an, dass ein lebender und ein in heissem Wasser- dampf getödteter Nerv keinen scheinbaren Unterschied des Leitvermögens zu Gunsten des ersteren erkennen lassen, wie es sein müsste, wenn der ı Pflüger’s Archiw u.s. w. 1872. Bd. VI. 8.357; — Handbuch der Physio- logie. Bd. II. S. 164. 165. ®?A.a.0. Bd.II. Abth.I. 8.229. 275—282. 347—350. 38 E. pu Boıs-REyYMmonxp: Strom im lebenden Nerven gleichgerichtete elektromotorische Kräfte befreite, und er sieht in diesem, übrigens von mir! vorgeschlagenen, aber theore- tischer Schwierigkeiten wegen nicht ausgeführten Versuch ein Eixperimentum crucis wider die Moleculartheorie des Elektrotonus.? Gegen Hrn. Hermann’s Berechnung der elektromotorischen Kraft, die in einem Nerven thätig würde, dessen dipolare Molekeln sämmtlich ihre gleichnamigen Pole nach derselben Seite kehren, kann ich im Princip um so weniger Etwas einwenden, als ich durch ähnliche Berechnungen die Leistungen der elektrischen Organe erkläre? Dass keine mit der berech- neten vergleichbare Kraft im Nerven auftritt, liesse sich durch die von mir schon in den „Untersuchungen“ gemachte Annahme rechtfertigen, dass die in Bezug auf den polarisirenden Strom falsch gerichteten Molekeln nicht um 180°, sondern nur um einen kleinen Winkel sich drehen.* Was der Hermann’sche Versuch sonst an Schwierigkeit darzubieten scheint, schwindet vor den nun bekannten Thatsachen der Nervenpolarisation. Bei längerer Schliessungszeit übertrifft die negative Polarisation die positive, und da die Siedhitze beide vernichtet, sollte der lebende Nerv sogar schein- bar schlechter leiten als der todte, nicht besser, wie Hr. Hermann er- wartete. Um den lebenden Nerven besser leitend zu finden als den todten, müsste der Versuch mit sehr kurzer Schliessungszeit angestellt werden. Selbst dann erhält die positive Polarisation die Oberhand über die negative erst bei so ansehnlichen primären Stromstärken, dass wenig Hoffnung ist, den geringen Ueberschuss der positiven über die negative Polarisation neben der primären Kraft wahrzunehmen. Doch giebt es einen Versuch, den man in diesem Sinne deuten könnte. Schliesst ein Nerv den secun- dären Kreis des Inductoriums, dessen abwechselnde Schläge nach bekannten Grundsätzen sich sonst an der Bussole aufheben, so überwiegen nach Hrn. von Fleischl die schnelleren und kürzeren Oeffnungsschläge; auch ein einzelner Oeffnungsschlag lenkt durch den Nerven hindurch stärker ab als ein Schliessungsschlag.° Sofern der Oeffnungsschlag stärker erregt als der Schliessungsschlag, sieht Hr. Hermann hierin nichts als einen besonderen ! Untersuchungen über thierische Elektricität. Bd. II. Abth. I. 8. 328. ” Untersuchungen zur Physiologie der Muskeln und Nerven. 3. Heft. 1868. S. 67; — Pflüger’s Archiv u.s. w. 1872. Bd. VI. 8. 328; — die Ergebnisse neuerer Untersuchungen auf dem Gebiete der thierischen Elektrieität. Sep.-Abdr. aus der Vierteljahrsschrift der naturforschenden Gesellschaft zu Zürich. 1878. 1. Heft. S. 17; — Handbuch der Physiologie. 1878. Bd.1I. S. 172. ’ Untersuchungen am Zitteraal u.s. w. 8.275. * Untersuchungen über thierische Elektrieität. Bd. I. Abth. I. S. 325. > Sitzungsberichte der Wiener Akademie der Wissenschaften. 1878. III. Abth. DU: LEXYIL ».1089, SECUNDÄR-ELEKTROMOT. ERSCHEINUNGEN AN MUSKELN, NERVEN U. S.W. 39 Fall seines ‘Satzes vom polarisatorischen Inerement’ (vergl. unten 8. 47).! Nach dem jetzt von mir über Nervenpolarisation Mitgetheilten muss aber bei dem Fleischl’schen Versuche die positive Polarisation die negative im Falle des Oefinungsschlages um eine beträchtlichere Grösse übertreffen, als im Falle des Schliessungsschlages, und die Möglichkeit, dass dies bei dem Ergebniss mit im Spiele war, ist mindestens im Auge zu behalten. | Wenn die negative Polarisation sich. nicht extrapolar ausbreitete, — was ich bis auf Weiteres nicht für bewiesen halte, — während die positive es thäte, — was ich für meine Person nie als ausgemacht ansah, — so wäre sogar denkbar, dass die extrapolare positive Polarisation die gleich- namige intrapolare bedeutend überträfe. Doch es ist meine Absicht nicht, mich hier in die Erörterung dieser dunklen und verwickelten Fragen einzulassen. Sofern die extrapolaren Elektrotonusströme die Oefinung des polari- sirenden Stromes überdauern, die intrapolare Polarisation aber nothwendig auch während des Säulenschlusses vorhanden ist, sieht man jetzt, dass die Grenze zwischen der zweiten und der dritten der oben 8. 1. 2 unter- schiedenen Classen elektromotorischer Erscheinungen an Muskeln und Ner- ven sich verwischt, und es wird besser sein, nur zwei Classen, die der selbständigen oder primären, und die der secundären Erscheinungen zu unterscheiden, indem man unter letzteren, ohne Rücksicht auf die Zeit ihres Hervortretens, alle diejenigen versteht, welche ein fremder Strom als Strom, nicht als blosser Reiz, an Muskeln und Nerven erzeugt. $. XVI. Hrn. Robert Tigerstedt’s Versuche über Nerven- polarisation. Im vorigen Jahre beschrieb Hr. Tigerstedt in Stockholm Versuche über innere Polarisation der Nerven. Aus bestimmten Gründen leitete er den Nachstrom durch dieselben Elektroden ab, welche den polarisirenden Strom zuführen (s. oben S. 6). Er wendete keine stärkere Säule an, als drei Meidinger. Die Schliessungszeit regelte er mit der Hand nach dem Metronom; die kürzeste betrug 1”, die längste 240”. Die Uebertragungs- zeit wurde mittels des Marcel-Deprez’schen elektromagnetischen Signal- schreibers bestimmt, uud schwankte zwischen 0.”02 und 0.”04. Auch Hr. Tigerstedt erhielt nur negative Polarisation. Seine Ergebnisse for- mulirt er folgendermaassen: „1. Bei Anwendung von bis zu drei Mei- ı Pflüger’s Archiw u.s. w. 1879. Bd. XIX. 8. 416. 40 E. pu Boıs-Reymoxp: „dinger’schen Elementen ist die Polarisation auf’s nächste direct proportio- „nal der Stärke des polarisirenden Stromes. 2. Wenn der polarisirende „Strom während ungleich langer Zeit auf den Nerven bei übrigens unver-. „änderten Verhältnissen einwirkt, so nimmt die Polarisation zu; dieselbe „steigt im Beginn schneller und später immer langsamer, schliesslich „äusserst langsam ihrem Maximum sich nähernd. 3. Wenn der polari- „sirende Strom geöffnet wird, erreicht die Polarisation augenblicklich ihren „höchsten Werth und sinkt darnach unaufhörlich herab; dieses Herabsinken „geschieht im Beginn sehr schnell, später aber immer langsamer, so dass „die Polarisation noch lange Zeit nach dem Oeffnen des polarisirenden „Stromes anhält und nur asymptotisch sich dem Nullpunkte nähert.“! Hr. Tigerstedt wäre bei seinen sorgfältig geleiteten Versuchen sicher auf die innere positive Polarisation der Nerven gestossen, wenn er grössere Stromdichte und kürzere Schliessungszeit angewendet hätte. So aber blieb er, gleich seinen Vorgängern, jenseit der kritischen Schliessungszeit stehen. Weder Hr. Hermann, noch Hr. Fick, noch Hr. Tigerstedt hatten ein Galvanometer im Säulenkreise. Ich glaube nicht, dass dies in ihren Versuchen von Bedeutung war, möchte aber davor warnen, sich ohne diese Maassregel in Versuchsreihen mit grösseren Stromstärken und längeren Schliessungszeiten einzulassen (s. oben S. 10). $. XVII. Vom Einflusse der Richtung des primären Stromes auf die secundär-elektromotorischen Wirkungen der Nerven. Wunsch und Hoffnung über die Abhängigkeit der inneren positiven Polarisation der Nerven von der Richtung des polarisirenden Stromes etwas Sicheres mittheilen zu können, hielten mich vorzüglich von einer Veröffent- lichung meiner Untersuchungen in ihrem gegenwärtigen Zustande ab. Die merkwürdige Thatsache der grösseren Stärke der positiven Polarisation der Muskeln in der Richtung vom Aequator, wo auch ungefähr der Hilus liegt, nach den Enden zu (s. oben S. 21), liess mich eine Zeit lang ver- muthen, dass die intramusculären Nerven dabei im Spiele seien, und dass sie in centrifugaler Richtung stärkere positive Polarisation annehmen. Dies brachte mich auf den Gedanken zu versuchen, wie sich in Bezug auf innere Polarisation die motorischen und sensiblen Wurzeln der Spinalnerven verhalten möchten. ' Mittheilungen vom physiologischen Laboratorium des Carolinischen Medico- chirurgischen Instituts zu Stockholm. Herausgegeben von Prof. Dr. Chr Loven. Stockholm 1882. 2. Heft. 8.3 ff. SECUNDÄR-ELEKTROMOT. ERSCHEINUNGEN AN MUSKELN, NERVEN U. S.w. 41 Polarisationsversuche an Wurzeln werden natürlich sehr erschwert durch deren Kürze. Das Erste ist daher, sich möglichst grosse Frösche zu ver- schaffen. 1857 maass ich eine R. esculenta von 298 und eine von 305" zwischen Nasenspitze und längster Zehe. Aber auch Wurzelbündeln klei- nerer Thiere gelang es mir damals vier mit Eiweisshäutchen überzogene Keilbäusche anzulegen. Wenn auch nicht gerade nöthig, ist es doch sehr wünschenswerth, dass bei diesen Versuchen der Experimentator seine Auf- merksamkeit ungetheilt der Handhabung der Vorrichtungen zuwenden könne, und ihm die Mühe der Praeparation abgenommen werde. Abermals habe ich mich hier Hrn. Pflüger’s aufopfernder Hülfleistung mit innigem Danke zu erinnern. Manchen Juli-Nachmittag des tropischen Sommers 1857 prae- parirte er, während ich am Nervenmultiplicator Alles bereit hielt, Bündel bald vorderer, bald hinterer Wurzeln; was, wenn es ohne Quetschung, Ver- lagerung und Verwechselung der Wurzeln möglichst rasch geschehen soll, nicht so leicht ist, wie man sich vielleicht denkt. Die Säule bestand bei diesen Versuchen aus nur wenigen Grove; die Schliessungszeit betrug ungefähr 0”.2. Der etwa vorhandene Nervenstrom war mittels einer primitiven Vorrichtung compensirt, aus der später der runde Compensator ward.! Die Wurzeln befanden sich mit den vier Keil- bäuschen auf einem kleinen Gestell, dem ‘“Wurzelträger’, das, um eine senkrechte Axe drehbar, sie zwischen den Zuleitungsgefässen umzukehren erlaubte, ohne die Keilbäusche an ihnen zu verrücken. Dies hatte zum Zweck, Ungleichartigkeiten dieser Gefässe und etwaige Irreciprocität der Leitung (s. oben S. 22) möglichst unschädlich zu machen. Alle andert- halb Minuten wurde der Strom abwechselnd in der einen und in der an- deren Richtung durch die Wurzeln gesandt. Nach je vier Versuchen wurden sie umgedreht. So entstanden Reihen wie folgende. Drei Grove. Schliessungszeit ungefähr 0-2. Motorische Wurzeln. Ag—11 c — us ylrıc |%+105 | +165 yl+10 Wurzeln umgedreht. ‚ale Deren 42 | yo12 It+125yl\#+115 |l +18 yl+ı18 Wurzeln umgedreht. 4-12 age Bee Al 12 vl+2 |lywsyl+ı |l+1 " Gesammelte Abhandlungen u.s.w. Bd.I. 8. 176. 177. 42 E. pu Boıs-ReyMmonxD: Sensible Wurzeln. Bier Ig--1n er Da I|i+rı yerzıas|i+ıs yl+ı2 Wurzeln umgedreht. BE AT 41. A Aner Br BE es | Wurzeln umgedreht. Kar Ele ei: nz +16 yl+165 | l+165 y1l + 17. Um diese Zahlen richtig zu beurtheilen, muss man sich erinnern, dass die Ströme noch auf die- ältere Art durch Platin in Kochsalzlösung zum Nervenmultiplicator abgeleitet wurden. Nach einem augenblicklichen Strom- stoss würde die zurückkehrende Nadel über den Nullpunkt fort in den anderen Quadranten schwingen, und hier durch die Ladungen der Platin- platten vielleicht über ihre Ablenkung im ersten Quadranten hinausgeführt werden. Der Polarisationsstrom der Nerven ist aber nicht solchem augen- blicklichen Stromstosse gleich zu stellen. Selbst die negative Polarisation, obschon die flüchtigere, sinkt mehr oder minder allmählich. Der Schwin- gungsmittelpunkt für die ungedämpfte Nadel wird dadurch zeitweise in den negativen Quadranten (wie wir ihn nennen wollen) verlegt. In ihrem Rückschwunge kann die Nadel wohl den Nullpunkt überschreiten, aber nicht im positiven Quadranten über ihre Ablenkung im negativen hinaus- gehen. Geschieht dies dennoch, so ist auf doppelsinnige Wirkung zu schliessen. Wo daher in obigen Tabellen einer kleineren negativen eine grössere positive Zahl folgt, fand doppelsinnige Wirkung statt, d. h. ein negativer Nachstrom schlug alsbald in einen positiven um, und der Unterschied der Zahlen giebt ein ungefähres Maass ab für die vergleichsweise Stärke des letzteren. Danach war in beiden Tabellen bis zum Zeichen || hin der Erfolg der erwartete. Das Eintreten des verkehrten Erfolges von da ab erinnert an das Umschlagen des gesetzlichen Verhaltens in den beiden Hälften eines regelmässigen Muskels (s. oben S. 25). Fast ohne Ausnahme fingen die Reihen an den Wurzeln richtig an, aber öfter erfolgte das Um- schlagen schon beim zweiten oder dritten Stromstoss. Besonders an den motorischen Wurzeln war dies der Fall, wie denn auch in den angeführten Beispielen die sensiblen länger als die motorischen Wurzeln das in Rede stehende Verhalten zeigen. Erwägt man jedoch, dass in diesen Versuchen beiderseits abgeschnittene Wurzeln mit Hühnereiweiss berührt und mit elektrischen Schlägen misshandelt wurden, so wird man kaum sich des SECUNDÄR-ELEKTROMOT. ERSCHEINUNGEN AN MUSKELN, NERVEN U. S.w. 43 Eindruckes erwehren, dass sie, bei aller Unvollkommenheit, den Satz wahr- scheinlich machen: In den motorischen Wurzeln überwiegt die positive Polarisation in absteigender, in den sensibeln in aufsteigender Richtung, beidemal im Sinne der physiologischen Innervationswelle Freilich gilt dabei, bis auf Weiteres, dieselbe Bemerkung, wie bei den beiden Muskel- hälften. An Stelle stärkerer positiver kann man auch schwächere negative Polarisation setzen, und sagen, in den motorischen Wurzeln überwiege die aufsteigende negative Polarisation, in den sensibeln die absteigende. Schon bei den Muskeln wurde auf einen. später anzugebenden Grund für die dort wie hier vorangestellte Auffassung verwiesen. Verschiedene Umstände, unter anderen die Ankunft der westafrika- nischen Zitterwelse, zwangen mich damals, diese Versuche abzubrechen, und erst zweiundzwanzig Jahre später, im Herbst 1879, kam ich dazu, sie wieder aufzunehmen: ausgerüstet mit allen seitdem erfundenen Hülfsmitteln, und diesmal freundlich unterstützt durch Hrn. Prof. Gustav Fritsch, dessen anatomische Geschicklichkeit um so willkommener war, als auch unter einer Sendung ungarischer Frösche, welche ich Hrn. Prof. Jendrässik in Budapest verdankte, keine solche Riesen sich befanden, wie vordem die mär- kischen Gewässer sie zuweilen lieferten. Auch diese Versuchsreihe gedieh noch nicht zur Reife. Sie in den Winter hinein fortzusetzen, nachdem die grösseren Frösche verbraucht waren, schien nicht räthlich. Dazu trat die Nothwendigkeit, mich der Bearbeitung der Sachs’schen Ergebnisse zu widmen. Immerhin lässt sich diesen neueren Erfahrungen manches Wich- tige entnehmen. Zunächst prüfte ich jetzt das Verhalten eines gemischten Nerven- stammes bei der Versuchsweise, welcher die Wurzeln ‚unterworfen werden sollten. Hier zeigte sich kein sicherer Unterschied zwischen den Wirkungen bei auf- und bei absteigender Richtung des Stromes, wie sich aus folgenden Beispielen ergiebt. Fünf Grove. Schliessungszeit 0”. 037. Stück des Ischiadnerven zwischen Wirbelsäule und Abgang der Oberschenkelmuskeläste. — 5eij— 2 Be u Be. | Er} 23 [+26 uIrgo 4 9 W Schliessungszeit 0”. 031. Anderes ähnliches Stück. R- 05 A(— 05 (7 aller 1 |J— 054) 1 7 ET sin u.8 w vI+r23 |1+15 yl#zaı | De +17yl+ı7 |\+17yl+21 Mittleres Stück des Nerven. EP ee Re Fe AJ—5 Een . u le H - Us 3: Ws I\+zısylrıs/ii+ıysy +155 | 1+185yl+ 8 | 44 E. pu Boıs-Reymoxp: Schliessungszeit 0”. 076. Unteres Stück, mit den Nn. peronaeus und tibialis. de Ar Bir 2 ht 3 a tr ER EN +145y1V+ 14 i +15 u. S. W. Die Wirkungen sind stets doppelsinnig, was an der Bussole ohne Weiteres einleuchtet, doch beschränkt sich der negative Vorschlag zuweilen auf einen kaum bemerkbaren Zuck. Die Ungleichmässigkeiten in den ein- zelnen Reihen rühren unstreitig von Unvollkommenheit der die Schliessungs- und Uebertragungszeit regelnden Vorrichtung her. In der Gesammtheit meiner bisherigen Versuche an gemischten Nerven zeigt sich ein leises Uebergewicht der aufsteigenden positiven Polarisation; nach unten zu scheint es abzunehmen, ja in das Gegentheil sich zu verkehren. Doch sind die Versuche zu unvoliständig, um schon solche Verallgemeinerung, vollends eine Erörterung der Frage zu gestatten, ob dies mit dem Verhältniss zu- sammenhänge, in welchem die beiden Fasergattungen im Nervenquerschnitt enthalten sind. Vergleicht man mit den vorigen Reihen den Erfolg an sensibeln Wur- zeln, so zeigt sich ein schlagender Unterschied zu Gunsten des vermutheten (Gesetzes. Drei Grove. Schliessungszeit 0”. 037. Sensible Wurzeln. Bin Au EI —] Ma een Wurzeln umgedreht. Date a ee Sen irıyl+rzl|l ren Fiiyl zeit Auffallend ist nun aber, dass auch jetzt wieder die motorischen Wur- zeln ein minder günstiges Ergebniss lieferten. Fünf Grove. Schliessungszeit 0”. 015. Motorische Wurzeln. ne , ee 2 Kim) Ei af ab ee yl+23 |l+17y ee + 22 Id ee al +16] | +17 Ike Bis zum Zeichen || spricht sich das vermuthete Gesetz ziemlich deut- lich aus; aber meist war dies nicht einmal in diesem Grade der Fall. Auch mit den Oberschenkelmuskelnerven war ich nicht glücklicher. SECUNDÄR-ELEKTROMOT. ERSCHEINUNGEN AN MUSKELN, NERVEN U. S.w. 45 - Wenn somit das Gesetz noch nicht für bewiesen gelten kann, so ist andererseits auch noch nicht ausgemacht, dass es keine Geltung habe. Möglicherweise verlangt es, um an den motorischen Wurzeln klar hervor- zutreten, eine Combination von Stromdichte und Schliessungszeit, die ich zufällig nicht traf. Um hier aus der Stelle zu kommen, bedürfte es einer. Sendung Bullfrogs (R. mugiens, auch Catesbyana) aus Nordamerika. Meine Bemühungen, eine solche zu erhalten, blieben bisher vergeblich. Für die physiologisch centripetal leitenden Fasern müsste der Sehnerv eines grossen Knochenfisches ein vortrefflliches Object sein. Ich fand noch nicht Zeit, dies zu erproben. Für die physiologisch centrifugal thätigen Fasern scheint es kaum etwas Besseres geben zu können, als die elektrischen Nerven von Torpedo. Von einer Fülle anderer Versuche, auf die man hier geleitet wird, schweige ich. Aber schon die mitgetheilten Erfahrungen scheinen in hohem Grade die Aufmerksamkeit der Physiologen zu verdienen. Sie bieten das erste Beispiel eines elektromotorischen Unterschiedes zwischen centrifugal und centripetal thätigen Fasern dar. Man dürfte wohl auf ‘diesen Fall den Ausdruck anwenden, dessen Paul Erman sich in Bezug auf das Gesetz der Zuckungen bediente: „Die blosse Ahnung eines solchen Unterschiedes „tHösst Ehrfurcht ein“.! Um so vorsichtiger gilt es zu sein. Selbst wenn das vermuthete Gesetz erwiesen wäre, bliebe zu erwägen, ob man darin eine Wirkung der physiologischen Innervationswelle zu sehen habe, oder eine Einrichtung, um ihren Fortschritt in einem bestimmten Sinne zu för- dern, wie ich deren Dasein, ja Möglichkeit, einst aus theoretischen Gründen bezweifelte. 2 s XVII. Vom Einflusse verschiedener Umstände auf die Pola- risation der Nerven. Ueber die Frage nach den Umständen, welche die Polarisirbarkeit der Nerven beeinflussen, habe ich erst sehr wenige, und noch fast keine metho- disch gesammelten Erfahrungen. Dass Nerven, die der Siedhitze ausgesetzt waren, keinen negativen Nachstrom mehr zeigen, wusste schon Matteucei (8. oben 8. 34). Lässt man aber Nerven vor Trockniss geschützt bei niederer Temperatur allmählich absterben, so bleiben sie sehr lange mit äbnehmender Stärke secundär-elektromotorisch wirksam. Von der positiven ‚Polarisation kann man noch nach einundzwanzig Stunden eine Spur sehen. Beispielsweise gaben nach dieser Zeit sensible Wurzeln, welche unverrückt — E Untersuchungen über thierische Elektrieität. Bd. I. S. 334. ® Ebenda. Bd.II. Abth. I. 8. 574. 575. | 46 E. pu Boıs-REyYMmoxp: in der feuchten Kammer gelegen hatten, mit zwei Grove und 07.031 Schliessungszeit: a ul A | — 11 | R A | — 12 oh ERRER r | . Die Versuche gehören zur selben Reihe wie die zuletzt mitgetheilten. Nach siebenundzwanzig Stunden aber erfolgte nur noch rein negative Pola- risation : TEE CC RET NT a a a) und jeder Unterschied zwischen auf- und absteigender Polarisation war verschwunden. Von der negativen Polarisation war noch nach 55!/, Stun- den eine Spur, im Betrage von etwa einem Scalentheile, zu erkennen. ‘Wenn sie allein übrig bleibt, ist also die negative Polarisation in .den sensiblen Wurzeln nach beiden Richtungen gleich. Folglich ist der Unter- schied, den lebende Wurzeln hinsichtlich der Polarisation durch den auf- und durch den absteigenden Strom bieten, der positiven Polarisation zu- zuschreiben; in beiden Fasergattungen, wenn auch minder ausgesprochen in den motorischen Fasern, ist nicht die negative Polarisation schwächer, sondern die positive Polarisation stärker im Sinne der physiologischen Inner- vationswelle. Damit ist für die Nerven, versprochenermaassen, die oben S. 25. 43 aufgeworfene Frage entschieden, und die von mir gewählte Art der Darstellung gerechtfertigt. | Ohne den Versuch an den beiden Muskelhälften angestellt zu haben, zweifle ich nicht, dass sich daran dem Beweise dieselbe Gestalt geben lasse. Ein weiterer, im gleichen Sinne sprechender Grund wird uns noch begegnen. | Von Interesse wird es sein, Polarisationsversuche mit einem Bündel Nervenfasern ohne Perineurium anzustellen, wie man es auf die von Emil Harless angegebene Art gewinnt.! $. XIX. Die positive innere Polarisation der Nerven im CGonfliet mit Tetanus. Der Gedanke lag nahe, den oben S. 29 an den Muskeln angestellten Versuch auf die Nerven zu übertragen, und zu untersuchen, welchen Ein- * Moleculäre Vorgänge in der Nervensubstanz. II. Abhandlung. Voruntersuchungen. Aus den Abhandlungen der K.bayer. Akademie der Wissenschaften. II. Cl. VIII. Bd. 11. Abth. München 1858. 4. 8.538 ff. — Vergl. Charles E. Morgan in diesem Archiw, 1863. 8.340; — Klectro-Physiology and Therapeutics etc. New York 1868. p- 464. r SECUNDÄR-ELEKTROMOT. ERSCHEINUNGEN AN MUSKELN, NERVEN U. S.w. 47 fluss der Thätigkeitszustand der Nerven auf ihre positive innere Polarisation haben würde. Obwohl dieser Versuchsplan seit 1857 unter meinen Agen- dis sich befand, war ich nicht dazu gekommen, ihn zu verwirklichen. Mittlerweile wurde von anderer Seite her eine Thatsache bekannt, welche zwar die hier gestellte Frage nicht unmittelbar beantwortet, aber doch er-. laubt, die Antwort mit ziemlicher Gewissheit vorauszusehen. Es ist die von Hrn. Grünhagen gefundene Thatsache, dass die Stärke eines durch den Nerven geleiteten Stromes beim Tetanisiren des Nerven wächst. Hr. Grünhagen deutet diese Zunahme auf Verminderung des Widerstandes des Nerven.” Es giebt ein Maass der Vervollkommnung unserer Versuchs- weisen, dass Hın. Grünhagen ein Nachweis gelang, um welchen ich mich im October 1844 vergeblich bemühte, obschon nach unseren da- maligen Einsichten meine Anordnung tadellos war.” Hr. Hermann, der den Grünhagen’schen Versuch mehrere Jahre später selbständig fand, zeigte, dass es sich dabei nicht um Widerstandsabnahme, sondern um eine in der intrapolaren Strecke rege werdende elektromotorische Kraft handelt, welche er das ‘polarisatorische Increment’ nennt.? Hrn. Hermann’s Theorie der Erscheinung zu prüfen, dürfte kaum an der Zeit sein, da die positive Polarisation der intrapolaren Strecke ihn voraussichtlich zu einigen Aenderungen seiner Construction zwingen wird. Die Thatsache an sich hat für uns die Bedeutung, dass, wenn der positive Polarisationsstrom während der Dauer des polarisirenden Stromes durch Tetanus des Nerven verstärkt wird, dies wahrscheinlich auch mit dem positiven Nachstrome der Fall sein wird. Dann bestände zwischen den secundär-elektromotorischen Wirkungen der Muskeln und denen der Nerven der Unterschied, dass der Thätigkeitszustand den positiven Nachstrom in den Muskeln schwächt, in den Nerven stärkt. $. XX. Von den secundär-elektromotorischen Erscheinungen der elektrischen Organe. Ueber die secundär-elektromotorischen Erscheinungen am elektrischen Organe des Zitterwelses habe ich schon in meiner ‘Experimentalkritik der ! Henle’s und Pfeufer’s Zeitschrift für rationelle Medicin. 3.R. 1769. Bd. XXX VI. 8. 140. ? Untersuchungen über thierische Elektriecität.. 1849. Bd. II. Abth. I. S. 444. 8 Pffüger’s Archiv u. s. w. 1872. Bd. VI. S. 561; — 1873. Bd. VU. 8.323 ff; — 1874. Bd; VII. 8.254; — 1875. Bd. X. 8.215; — 1876. Bd. XII. 8.151; — 1879. Bd. XIX. 8. 416; — 1881. Bd. XXVL 8.246; — Handbuch der Physiologie u. 8. W. 1878. Bd, UI. S. 165; — Die Ergebnisse neuerer Untersuchungen u. s. w. Sep.-Abdr. aus der Züricher Vierteljahrsscehrift u.s.w. 1878. Heft 1. 8. 32. 48 E. pu Boıs-REeymoxD: Entladungshypothese’ berichtet.” Aus dem Vorigen erhellt, wie ich zu diesen Versuchen geführt wurde. Man erkennt jetzt zwischen den Polari- sationsströmen der Muskeln und Nerven, und denen des Zitterwels-Organes die Uebereinstimmung, auf welche ich in meinem Vortrag über die west- afrikanischen Zitterwelse im Januar 1858 hinwies.? Ein der Länge des Fisches nach geschnittener Streif verhält sich secundär-elektromotorisch wie ein Muskel oder ein Nerv. Bei mässiger Dichte, und bei grosser Dichte aber langer Schliessungszeit, erfolgt in beiden Richtungen negative Wirkung, jedoch schwächer in der Richtung des Schlages. Bei grösserer Dichte und kurzer Schliessungszeit tritt positive Wirkung hervor, aber stärker in der Richtung des Schlages. Da der Schlag im Zitterwels-Organe vom Kopf nach dem Schwanze gerichtet ist, können wir den ihm gleichgerichteten polarisirenden als absteigend, den entgegengerichteten als aufsteigend bezeichnen. Einem aufsteigenden Strom- stoss also folgt oft ein rein negativer Nachstrom, während schon der ab- steigende einen starken positiven Nachstrom erzeugt. Von einem etwa ausgelösten Schlage des Organs unterscheidet sich letzterer durch längere Dauer. Während der Schlag die Nadel nach Art eines voltaölektrischen Stromstosses ablenkt, hält sie der positive Nachstrom förmlich eine Zeit lang an die Hemmung gedrückt. Dabei fällt auch der primäre Strom in der Richtung des Schlages stärker aus, als in der anderen. Bei der grossen elektromotorischen Kraft, welche dem primären Strom zu Grunde liegen muss, um positive Polarisation zu erhalten, folgt hieraus verhältnissmässig bedeutende Kraft dieser Polarisation. Da es wohl noch lange dauern wird, bis Jemand wieder Gelegenheit zu solchen Versuchen findet, will ich noch einige Einzelheiten, und damit man sehe, um welche Grössen es sich han- delt, einige Zahlen mittheilen. | Schon an dem am 23. November 1857 getödteten kleinsten der drei mir von Goodsir übergebenen Fische hatte ich Polarisationsversuche an- gestellt, bei welchen aber der primäre Strom nicht beobachtet wurde. Doch überzeugte ich mich schon dabei von der Uebereinstimmung des secundär-elektromotorischen Verhaltens des Organes mit dem der Muskeln und Nerven. Zu den weiteren Versuchen dienten Streife des Organes des grössten, 233%" Jangen Fisches. Dieser wurde am Morgen des 12. Januars 1858 todt gefunden, doch schlug das Organ noch reflectorisch bei Reizung der Haut mit einer Pinzette, so dass ein Froschschenkel zuckte, dessen Nerv dem Fisch anlage. Da der Tod des Fisches unerwartet kam, waren die nöthigen galvanometrischen Vorrichtungen leider nicht bei der Hand. ! Gesammelte Abhandlungen u.s. w. Bd. II. 8. 718. ” Monatsberichte u.s. w. 1858. 8. 106. SECUNDÄR-ELEKTROMOT. ERSCHEINUNGEN AN MUSKELN, NERVEN U. S. w. 49 Die einzige verfügbare Bussole musste dem primären Strome vorbehalten werden. Für die secundären Wirkungen wurde der Nervenmultiplicator genommen, der sich bald als viel zu empfindlich erwies, nachdem aber die Versuche damit angefangen waren, nicht mit einem anderen Instrumente vertauscht werden konnte, ohne die Vergleichbarkeit der Ergebnisse preis- zugeben." Hätte ich schon damals die erstaunliche Lebenszähigkeit des Organes gekannt, die sich mir vielmehr erst bei dieser Gelegenheit kund- gab,” so hätte ich mich nicht davon abhalten lassen, eine neue Versuchs- reihe wenigstens am Muskelmultiplicator zu beginnen. Da ich nicht wusste, ob nicht jede beobachtete Wirkung die letzte sei, konnte natürlich nichts geschehen, als ein Bild der Erscheinung in grossen, wenn auch noch so rohen Zügen sich zu verschaffen; an systematische Ausfüllung einer Tabelle mit doppeltem Eingange, wie ich sie für Muskeln und Nerven schon besass (s. oben 8. 13. 32), war nicht zu denken. Die aus dem Organ mit der Scheere geschnittenen Streife waren etwa 30m Jang und 5—8""” breit; die Dicke des Organs mag 5” betragen haben, so dass, unter der Voraussetzung gleicher Leitungsgüte, die Streife ungefähr denselben Widerstand hatten, wie unser Muskelpaar. Die Versuchsweise war die nämliche, wie für die Muskeln, nur dass, da das Organ nicht zuckt, der Spanner und die Keilbäusche zum Zuleiten des polarisirenden Stromes entbehrlich waren. Den beiden Enden des Streifes wurden gewöhnliche, mit Kupfersulphatlösung getränkte und mit Eiweisshäutchen bekleidete Zuleitungsbäusche angelegt;? die ableitenden Keilbäusche waren mit Kochsalzlösung getränkt, gleichfalls mit Eiweiss- häutchen bekleidet, und bildeten die Fortsetzung der gewöhnlichen alten Zuleitungsgefässe mit Platinplatten in Kochsalzlösung. Endlich die ab- wechselnde Schliessung des primären und des secundären Kreises, die Iso- lirung beider Kreise von einander, die Beherrschung der Schliessungszeit u. Ss. w., geschahen mittels derselben Vorrichtung, deren ich mich für Muskeln und Nerven noch heute bediene. Abgesehen davon, dass sich die äussere Hautfläche gegen alle anderen Begrenzungen eines Streifes Organ schwach positiv verhielt, war am ruhenden Organe von elektromotorischer _ Wirkung nichts zu spüren. * Die folgenden Angaben werden, nach allem Vorigen, ohne Weiteres verständlich sein. Die römischen Zahlen sind Grove, die Zeiten die Schliessungs- zeiten. 90° + x bedeutet Anschlagen an die Hemmung. Die Ablenkungen ! Gesammelte Abhandlungen u.s.w. Bd. II. 8. 718. ?® Vergl. Untersuchungen am Zitteraal u.s. w. $. 188. ° In der ‘Experimentalkritik’ steht durch ein Versehen, dass auch die zuleitenden Bäusche Keilbäusche waren (a. a. 0. 8.717). * Ebenda 8.718; — Untersuchungen am Zitteraal u. s. w. ». 172. Archiv ff. A,u.Ph. 1884. Physiol. Abthlg. 4 50 E. pu Boıs-ReymonD: an der Bussole sind nur innerhalb eines Versuchspaares mit auf- und ab- steigendem Strome sicher vergleichbar, da der Abstand der Rolle mehrfach geändert wurde, um die Ablesung des Ausschlages zu erleichtern. | RER x RX mn frisch | ermüdet | erschöpft 8 |, 00% | ,—90., |. 08. 0 En P En 25 118 44 57 SI — 90 — 90 1+(0+2) + 70 — 50 RB 15 25 132 | 44 52 AS Eh. a Sell; = 80.5 (beständige Ablenkung) 10 | S _ — 90 yP — 81 (beständige Ablenkung) eng 7 T ar: u. | Sl BT ot Wie man sieht, liegt die Schwelle für das Hervortreten der positiven Polarisation sehr hoch, zwischen zwanzig und dreissig Grove, und der primäre 'absteigende Strom erscheint gegen den aufsteigenden verstärkt im Verhält- hältniss von 112:100. Die Tabelle zeigt auch sogleich, dass am nämlichen Streif, in dem Maasse, wie durch wiederholte Versuche seine Leistungs- fähigkeit erschöpft wird, die positive Polarisation wieder zurück-, die negative wieder hervortritt. In demselben Maasse verschwindet der Unterschied in der Stärke des auf- und absteigenden polarisirenden Stromes. Schneller und vollständiger wird die Polarisirbarkeit des Organes bis auf einen kleinen Rest vernichtet durch die Siedhitze, welche zugleich, wie beim Muskel, den Widerstand des Organes bedeutend herabsetzt, — so in einem nicht auf Beobachtung der Polarisation gerichteten Versuche im Verhältniss von 100:42. XXX frisch gesotten ASI 7° — 90° (bis) | — 24; — 20 P! 45; 48« 176; 176 S| +90-+.z(bi | 84: 96.5. P 61; 80 186; 186 SECUNDÄR-ELEKTROMOT. ERSCHEINUNGEN AN MUSKELN, NERVEN U. S.w. 51 Da zugleich stärkere negative Polarisation erfolgte, hatte die grössere Stärke des absteigenden primären Stromes am gesottenen Stücke nichts zu schaffen mit dem Uebergewicht, welches sich an frischen Stücken im gleichen Sinne zeigt, sondern es fand aus irgend einem Grunde eine Störung der Recipro- cität statt (s. oben S. 22). Dass jenes Uebergewicht von der positiven Polarisation herrührt, und dass das Ueberwiegen dieser in Richtung des Schlages kein bedeutungsloser Zufall ist, folgt ferner daraus, dass bei querer Durchströmung Nichts der Art sich kundgiebt. 4 Quer geschnittener Streif vom Rücken. Zwanzig Grove. << r\d >r y S + 900 + 90 Sn: T6se 16 BT op Fo Een 1999." 104 98 r, l bedeuten rechts und links. Durch die Dicke des Organs hindurch, von der äusseren Haut zur inneren Sehnenhaut gaben selbst vierzig Grove bei 0”.2 Schliessungszeit nur etwa 25° in beiden Richtungen. Die so- genannte Hautschwarte gab mit dreissig Grove bei derselben Schliessungs- zeit nur — 2° nach beiden Richtungen. Von einem Stück Organ praeparirte ich Haut und Sehnenhaut ab; es fuhr fort secundäre Wirkungen, wenn auch in ziemlich regelloser Art zu geben, nicht zu verwundern, da es jede Regel- mässigkeit des Baues eingebüsst hatte. Der Fettflosse liess sich weder mit dreissig Grove bei 0”.2, noch mit dreissig Grove bei 20”, noch mit zwanzig Grove bei 15” Schliessungszeit secundär-elektromotorische Wirkung entlocken. Freilich war dies schon am Tage nach dem, an welchem der Fisch todt gefunden worden war. Doch konnte nicht hierin der Grund der Unwirk- samkeit der Fettflosse liegen, wenn sie polarisirbar wäre wie das Organ, da dies um dieselbe Zeit noch kräftige secundär-elektromotorische Wirkungen gab. In der That, bei einer Temperatur von wenig über 0° in der feuchten Kammer aufbewahrt behält das Organ, gleich einem absterbenden Nerven (8. oben 8. 45), erstaunlich lange ein geringes Maass von Polarisirbarkeit, wie folgende Tabelle zeigt, in welcher die primäre Wirkung nur ausnahms- weise vorkommt, da ein zweiter Beobachter nicht immer zur Hand war. XXX Jan. 13, 14, 15, 16, 'yi 18, 1858. u: Ze eirree —-" I 0 u a 0.2 : | j.2 14 f Ba a B 8 +90 u Fr \+ 12 \+6 , 0 _ _ _ — 38 52 E. pu Boıs-Reymoxp: Ein auf die Seitenlinie senkrechter quer durchströmter Streif gab am 16. Januar in der einen Richtung — 55, in der anderen — 59°. Noch am sechsten Tag also nach dem Tode des Fisches ist spurweise . Polarisation nach demselben Gesetze wie am frischen Organe vorhanden. Schliesslich ging sie mit den Lebenseigenschaften verloren: das Organ fing an, eieenthümlich fade zu riechen. Von einem gewissen Zeitpunkt an werden die durch den absteigenden Strom erzeugten Wirkungen doppelsinnig. Dies ist wichtig, denn es lehrt, dass auch am Organ diese Wirkungen die alge- braische Summe sind zweier Polarisationen, einer negativen flüchtigeren, und einer positiven langsamer absinkenden Polarisation. Ueber die Polarisirbarkeit des Zitteraal-Organes stellte der verstorbene Dr. Sachs in Venezuela auf meine Veranlassung Versuche an, deren Er- gebnisse ich schon so vollständig nach seinen Tagebüchern mittheilte, und auch discutirte, dass ich zu dem in den “Untersuchungen am Zitteraal’! Gesagten Nichts hinzuzufügen habe. Dort zeigte ich, dass diese Ergebnisse sich befriedigend herleiten lassen unter der Voraussetzung, dass im Organ des Zitteraales, wie in dem des Zitterwelses, zwei Polarisationen, eine positive und eine negative, nebeneinander bestehen, deren algebraische Summe in jedem Augenblick man zu sehen bekommt; dass auch dort die positive Polarisationscurve bezogen auf die Oeffnungszeit die minder steile, die negative die steilere ist. Wenn Dr. Sachs nie rein positive Ausschläge sah, so erklärt sich dies nur zu sicher aus einem Mangel in seiner Aus- rüstung und Anleitung, an dem ich selber Schuld bin. Er hatte nur zwanzig kleine Grove bei sich, von denen drei zerbrochen ankamen, ein Unfall, auf den ich hätte rechnen sollen. Dann hatte ich ihm nicht hin- länglich eingeprägt, weil ich es mir selber nicht genügend vergegenwärtiet hatte, dass er zu diesen Versuchen die kleinsten Thiere nehmen, und vom Organ die dünnsten Streifen schneiden müsse. Bei der ausnehmend hohen ‘Schwelle’ welche das elektrische Organ für die positive Polarisation besitzt, und welche beim Zitteraal möglicherweise noch höher liegt als beim Zitter- wels, ist es kein Wunder, wenn Dr. Sachs mit siebzehn Grove an Organ- stücken von 6—7°® Querschnitt keine rein positiven Ausschläge erhielt. Inzwischen ersetzt die Discussion der Sachs’schen ‚empirisch resul- tirenden’ Curven einigermaassen die verfehlte unmittelbare Beobachtung, indem sie an der Coeöxistenz der beiden Polarisationen auch im Zitteraal- Organ keinen vernünftigen Zweifel lässt. Auch überzeugte sich Dr. Sachs, dass Siedhitze die Polarisirbarkeit des Organs vernichtet. Es scheint also Alles wie beim Zitterwelse vor sich zu gehen. Leider besteht aber zwischen ı A.a.0. 8. 205—221. — Die Curven auf Taf. II des Werkes sind, wie man leicht erkennt, in unserer jetzigen Redeweise, Polarisationsceurven bezogen auf die Oeff- nungszeit. : SECUNDÄR-ELEKTROMOT. ERSCHEINUNGEN AN MUSKELN, NERVEN U. S.w. 53 Dr. Sachs’ und meinen Versuchen in einem anderen Punkte ein bedenk- licher Unterschied. Nach ihm wäre nämlich am Zitteraal-Organ die nega- tive Polarisation stärker im Sinne des Schlages, während es am Zitterwels- Organ die positive Polarisation ist. Man könnte dabei an die bei beiden Fischen verschiedene Beziehung der Nervenendigung zur Richtung des Schlages denken." Aber schon in den “Untersuchungen am Zitteraal’? ent- wickelte ich die Gründe, aus welchen ich Dr. Sachs’ Beweise für seine Angabe nicht für ausreichend erachte. Dr. Sachs selber hatte sichtlich keine Ahnung von dem tiefen Widerspruch, in welchen er hier zu mir gerieth, und er begnügte sich auf diesem schwierigen Gebiete mit einer einzigen Versuchsreihe, bei welcher er nicht einmal den primären Strom beobachtete, also ohne jede Sicherung gegen etwaige Irreeiproecität der Lei- tung blieb. Unter diesen Umständen muss ich die Frage, welche Polari- sation im Zitteraal-Organ die stärkere in der Richtung des Schlages sei, ob, wie im Zitterwels-Organ, die positive, oder ob, wie Dr. Sachs berichtet hat, die negative, für eine noch offene erklären. Ueber die Polarisirbarkeit des Zitterrochen-Organs ist noch Nichts bekannt, nur dass ich einen Versuch Configliachi’s aus dem Jahre 1805 auffand, in welchem, wie es scheint, mehrere auf einander geschichtete Organe von Zitterrochen nach Art einer Ritter’schen secundären Säule geladen, also negativ polarisirt wurden.’ Dass es bei den secundär-elektromotorischen Wirkungen der elektrischen Organe um die Summe der Wirkungen der einzelnen elektrischen Platten sich handelt, braucht nicht gesagt zu werden. Man könnte auf die Vor- stellung gerathen, dass beim Polarisiren des Organes nur die elektrischen Nerven im Organ der Sitz der Polarisation würden. Gerade beim Zitter- welse tritt die Masse dieser Nerven so zurück gegen die des elektrischen Gewebes, dass diese Vorstellung ganz unhaltbar erscheint. Von der Teleologie der Polarisation der elektrischen Organe, d. h. von der Rolle, welche sie möglicherweise im Mechanismus des Zitterfisch-Schlages spiele, habe ich schon wiederholt gehandelt.‘ $. XXI. Theoretisches. Schlussbemerkungen. Aus der Gesammtheit der mitgetheilten Erfahrungen ergiebt sich, dass Muskeln, Nerven und elektrische Organe nach einem gemeinsamen, bisher ' Vergl. Gesammelte Abhandlungen u.s.w. Bd. II. 8. 618. 2 A.2.0. 8.218. 219. ® Gesammelte Abhandlungen u.s.w. Bd. II. S. 719. Anm. * Gesammelte Abhandlungen u. s. w. 8.722; — Untersuchungen am Zitteraal u. 8. w. 8. 220. 54 E. vu Boıs-Reymoxp: nur bei ihnen beobachteten Gesetze polarisirbar sind. Neben innerer nega- tiver Polarisation, welche sich beim ersten Anblick nicht von der anderer feuchter poröser Körper unterscheidet, jedoch an die Lebenseigenschaften der Gewebe geknüpft ist, nehmen sie auch innere positive Polarisation an, welche bisher sonst nirgend wahrgenommen wurde; und bei allen dreien zeigt sich die positive Polarisation nachhaltiger, die negative flüchtiger, woraus doppelsinnige, erst negative, dann positive Wirkungen entspringen. Freilich versuchte ich noch nicht bei vielen, und nicht bei den wich- tigsten Objecten, wie den Drüsen, ob sie bei grosser Stromdichte und kleiner Schliessungszeit vielleicht positive Polarisation zeigen. Die Untersuchung der secundär -elektromotorischen Wirkungen ist eben noch in einem ganz unfertigen Zustande, in welchem ich sonst nicht gewohnt bin, Ergebnisse zu veröffentlichen. Doch glaube ich kaum, dass ich bei längerer Fort- setzung dieser Arbeiten in der Verborgenheit ihnen die erstrebte Vollendung ertheilt hätte. Wer der obigen Darlegung folgte, wird einsehen, dass hier eine überwältigende Masse neuer Thatsachen und Beziehungen vorliegt, zu deren erschöpfender Behandlung selbst jetzt, nach Eröffnung der vornehm- sten Gesichtspunkte und Auffindung der a Versuchsweisen, fast ein neues Forscherleben gehört. - Sollte sich aber auch noch bei anderen feuchten porösen Körpern positive innere Polarisation finden, so bliebe doch die an den Muskeln, Nerven und elektrischen Organen hervortretende ausgezeichnet durch ihre besondere Beziehung zu den Lebensthätigkeiten der Gewebe. In den regel- mässigen monomeren Muskeln! ist die positive Polarisation in der Richtung vom Aequator nach den beiden Enden stärker als in der entgegengesetzten. Leider fehlt es, um Schlüsse aus dieser Thatsache zu ziehen, an einer wesentlichen Grundlage, der sicheren Kenntniss nämlich, wie in solchen Muskeln die Nervenendigungen vertheilt sind. Ich will diese schon einmal? von mir erörterte Frage hier nicht wieder aufnehmen, sondern begnüge mich mit der Bemerkung, dass, gleichviel ob jede Muskelfaser, wie Hr. W. Krause behauptet, nur an einer einzigen oder, wie Hr. Kühne will, an mehreren Stellen innervirt wird,? im Ganzen doch immer eine Con- I Gesammelte Abhandlungen u.s. w. Bd. II. 8. 570. 2 Ebenda, 8. 568 ff. ® Ich weiss nicht recht, was Hrn. Kühne’s neuere Ansichten über diesen Punkt sind. Seine Angaben von sechs bis acht Nervenendigungen an Sartoriusfasern (Ueber die peripherischen Endorgane der motorischen Nerven. Leipzig 1862. 4°. Taf. III. Fig. XIV. F), weist er, als auf unvollkommene Untersuchung gegründet, jetzt von der Hand, und als Beweis für die Innervation der Muskelfaser an mehreren Stellen bildet er einzelne Nervenendigungen von Amphibien ab, in welchen die Nervenfaser sich in mehrere parallele Terminaläste auflöst, die aber in seiner !eigenen Theorie doch zu- sammen nnr Eine Innervationsstelle ausmachen (Untersuchungen aus dem physiologischen „PIE Ze N, N EEE SECUNDÄR-ELEKTROMOT. ERSCHEINUNGEN AN MUSKELN, NERVEN U. S.w. 55 tractionswelle von der Mitte des Muskels nach seinen Enden laufen werde. In den sensiblen, weniger sicher in den motorischen Nervenfasern über- wiegt die positive Polarisation im Sinne der physiologischen Innervation, In der elektrischen Platte des Zitterwelses überwiegt sie im Sinne des Schlages. | Auch hier ist beiläufig kein Zweifel, dass die positive Polarisation die stärkere ist, nicht die negative Polarisation die schwächere. Wenn die polarisirende Stromdichte nur klein ist, erscheint die dann allein vorhandene negative Polarisation in beiden Richtungen gleich. Ebenso wenn die Sied- hitze dem Organe von beiden Polarisationen nur ein geringes Maass nega- tiver Polarisation übrig lässt, ist dies, wie an absterbenden sensiblen Wur- zeln, in beiden Richtungen das nämliche. Da es somit für die elektrische Platte und für die Nervenwurzeln für erwiesen gelten darf, dass es die positive Polarisation ist, welche in der einen Richtung stärker auftritt, nicht die negative, welche zurücktritt, können wir dieselbe Deutung, durch einen Analogie-Schluss, wohl getrost auf das Verhalten der beiden Polarisationen in der oberen und unteren Hälfte regelmässiger monomerer Muskeln übertragen, wo es an einem unmittelbaren Beweise für diese Deutung noch fehlt. | In allen drei Gebilden also, Muskeln, Nerven und elektrischer Platte, stellt sich die positive Polarisation stärker dar in der Richtung, in welcher der diesen Gebilden eigenthümliche physiologische Vorgang — Contractions- welle, Innervationswelle, elektrischer Schlag — in ihnen vorschreitet. Ein Einblick, dessen Bedeutung, wenn er sich ferner bewährt, wohl kaum eine kleine sein kann. Denn die oben S. 45 erwogene Möglichkeit, dass das Ueberwiegen der aufsteigenden positiven Polarisation in den sensiblen Wur- zeln nur eine Wirkung der physiologischen Innervationswelle sei, die sich häufig in diesem Sinne fortpflanzt, wird dadurch unwahrscheinlich, dass man dann drei ganz verschiedenen Vorgängen, der Contractionswelle, der Innervationswelle, dem elektrischen Schlage, dieselbe Wirkung zuschreiben müsste. Versucht man nunmehr, sich ein Bild von dem zu machen, was in einem jener drei Gebilde bei der Polarisirung vor sich gehe, so ist man, was die negative Polarisation anlangt, zunächst natürlich geneigt, sie mit der inneren Polarisation der porösen feuchten Körper auf eine Linie zu stellen. Es liegt nahe, die Vernichtung der inneren Polarisirbarkeit der Muskeln und des‘. elektrischen Organes durch die Siedhitze mit dem ver- Institute der Universität Heidelberg. Sonderabdruck.“ Heidelberg 1879. 8. 115. 129; — Untersuchungen am Zitteraal u.s. w. 8.416. 417). Man begreift nicht, was dies mit der Frage zu thun habe, ob jede Muskelfaser an mehreren makroskopisch aus- einandergelegenen Stellen, oder ob sie nur an einer einzigen Stelle innervirt werde. 56 E. pu Boıs-ReymonD: minderten Widerstand der Binnenflüssigkeit! in Verbindung zu bringen (s. oben S. 4); deren allmähliches Schwinden im Verlaufe des Absterbens mit der Säuerung,? welche nach Hrn. Ranke den Widerstand der Muskeln - noch 2.4 Mal stärker herabsetzt, als die Siedhitze.? Damit würde stimmen, dass, gleichfalls nach Hrn. Ranke, die Bindesubstanzen, welche durch die Siedhitze ihre innere Polarisirbarkeit nicht einbüssen (s. oben S. 26), da- durch auch keine Verminderung ihres Widerstandes erfahren. Dunkel dagegen bleibt, dass die Siedhitze der Polarisirbarkeit mehr schadet, als das Absterben, da doch letzteres den Widerstand bedeutend mehr ver- ringert, als die Siedhitze; und es fragt sich überhaupt, ob eine so geringe Verminderung des Widerstandes der Binnenflüssigkeit, wie sie beim Kochen des Muskels stattfindet, einer Wirkung fähig sei, zu welcher bei anderen porösen Körpern, beispielsweise Fliesspapier, die Leitungsgüte von Essig- säure, Ammoniak, Kupfer- und Zinksulphatlösung nicht ausreicht.* Unter den Geweben, welche durch die Siedhitze und beim Absterben ihren Widerstand nicht ändern, führt Hr. Ranke auch die Nerven auf.’ Daraus erwachsen weitere Schwierigkeiten. Nach Analogie mit der weissen Hirnsubstanz werden allem Ermessen nach die Nervenstämme durch die Siedhitze sauer. Das würde die Vernichtung der inneren Polarisirbarkeit durch die Siedhitze erklären, nur dass man nicht verstände, weshalb die gesottenen Nerven nicht auch an Widerstand abnehmen, und weshalb ab- sterbende Nerven, welche sich nicht säuern, ihre Polarisirbarkeit einbüssen. Noch ein Hinderniss scheint sich der Auffassung der negativen Pola- risation der Muskeln und Nerven als eines einfach physikalischen Vor- ganges, ähnlich der inneren Polarisation von Holz, Leder u. d. m. zu wider- setzen. Die Abhängigkeit jener negativen Polarisation von Stromdichte und Schliessungszeit stimmt zwar heim ersten Anblick gut mit solcher Auffas- sung. Die negative Polarisation wächst dem Product aus diesen Variablen anfangs, wie es scheint, einigermaassen proportional. Sie nähert sich dann ! Diesen Namen hat Hr. Munk für die interstitielle Flüssigkeit der feuchten porösen Körper vorgeschlagen, sofern sie secundären Widerstand zeigen; er passt auch sehr gut auf dieselben Körper als Polarisations-Objecte (dies Archiv. 1873. 8. 254). ? Hinsichtlich der Säuerung des gesottenen und. des absterbenden elektrischen Organes s. die Gesammelten Abhandlungen u. s. w. Bd.Il. 8. 646; — Untersuchungen am Zitteraal u. s. w. 8.70. 3 Tetanus. Eine physiologische Studie. Leipzig 1865. 8. 35 ff. * Gesammelte Abhandlungen u.s. w. Bd.I. S. 25. 26; — Bd. U. 8. 190. PAR: 3 0,78, 33,,88, 6 Gscheidlen in Pflüger’s Archiv u.s. w. 1874. Bd. VIII. S. 171 — Ueber die Reaction der gesottenen Nervenstämme scheint es seltsamer Weise keine Versuche zu geben. Vergl. Hermann in seinem Handbuch, a.a. 0. 8.139. a A a SECUNDÄR-ELEKTROMOT. ERSCHEINUNGEN AN MUSKELN, NERVEN UT. S. w. 57 langsam einer Grenze. Dies ist ganz das Verhalten, welches wir an Pola- risationsströmen überhaupt gewöhnt sind, und welches sich aus dem Wesen der Polarisation leicht erklärt. An den Muskeln aber, und, wenn ich meinen älteren Beobachtungen trauen darf, auch an den Nerven, tritt mit wachsender Schliessungszeit ein Maximum der negativen Polarisation ein. Dies passt schlecht zur Vorstellung, dass es um gewöhnliche innere Polari- sation sich handele. Die Deutung des Maximums auf ein um diese Zeit eintretendes Wachsthum der positiven Polarisation (s. oben S. 20) leuchtet um so weniger ein, als das Maximum vielmehr mit der Vernichtung der Polarisirbarkeit durch längere Einwirkung sehr starker Ströme zusammen- zuhängen scheint (s. oben 8. 27). Hat es demgemäss sogar für die negative Polarisation der Muskeln, Nerven und elektrischen Organe seine Schwierigkeit, sie mit der gewöhn- lichen inneren Polarisation zu identificiren, so fehlt es vollends an solchem Anhalt für Erklärung der positiven Polarisation. Angenommen, die nega- tive sei gewöhnliche innere Polarisation, so würde sie sich mit dem physi- kalischen Vorgang an den oben 8. 4 fingirten Zwischenplättchen decken. Dafür, dass an denselben Elektroden negative und positive Polarisation stattfinde, giebt es nur ein einziges, von mir beobachtetes Beispiel, näm- lich bei Eisen und eisenhaltisem Zink in Zinksulphatlösung.! Obschon diese Doppelpolarisation von Schliessungs- und Oeffnungszeit ähnlich abhängt, wie die welche uns beschäftigt, wird man sich zur Erklärung letzterer schwerlich darauf berufen wollen. Um die Polarisation der Mus- keln, Nerven, elektrischen Organe auf bekannte physikalische Thatsachen zurückzuführen, müsste man also in der Richtung des Stromes noch eine andere häufig wiederkehrende Discontinuität annehmen, welche, wie die Grenze gewisser Elektrolyte,? der Sitz einer positiven Polarisation würde. Wenn man auch in den Muskeln, zur Noth in den Nerven, solche Dis- continuitäten namhaft machen könnte, so würde es doch daran in der elektrischen Zitterwels-Platte fehlen. Auch würde es sehr bedenklich, in allen drei so verschiedenen Gebilden einerlei Abwechselung von Stoflen, oder eine Abwechselung von Stoffen vorauszusetzen, welche einerlei secun- där-elektromotorische Wirkungen hervorbrächte. Ohnehin ist die positive Polarisation des elektrischen Organes wohl zu stark, um sie auf diese Weise zu erklären. Dazu kommt die besondere Art, wie die positive Polarisation von Stromdichte, Schliessungszeit und Oeffnungszeit abhängt. Abgesehen von dem Maximum bei längerer Schliessungszeit hat für die negative Polarisa- ' Gesammelte Abhandlungen u.s.w. Bd.I. 8. 57—60. ” Ebenda. Bd.1. 8. 6. | 58 E. pu Boıs-ReymoxD: tion diese Abhängigkeit doch wenigstens ähnliche Form wie für die innere Polarisation der feuchten porösen Körper. Nicht so für die positive Pola- risation. Für diese giebt es eine Schwelle der Stromdichte, unterhalb wel-. cher sie nicht erscheint. Sie tritt dann plötzlich mit einer zwar noch mit der Stromdichte, aber mit der Schliessungszeit vergleichsweise wenig, wenn überhaupt noch wachsenden Stärke auf. Die Schwelle liegt für die elek- trische Platte höher als für Muskeln und Nerven. Während die negative Polarisation nach Art der inneren Polarisation der porösen Körper mit wachsender Oeffnungszeit schnell schwindet, zeigt die positive Polarisation eine Nachhaltigkeit, welche auf eine andere Art von Mechanismus deutet. Doch soll nicht unerwähnt bleiben, dass auch die negative Polarisation an der Grenze gesättigter Zinksulphat- und physiologischer Kochsalzlösung sehr lange nachhält.! | [Auf alle Fälle verbietet die Beharrlichkeit der positiven Polarisation an einen anderen möglichen Ursprung für sie zu denken. Man könnte sich vorstellen, dass der polarisirende Strom die Binnenflüssigkeit in Bewe- gung setze, und dass diese einen Quincke’schen Diaphragmenstrom er- zeuge, wie ich denn sogleich daran dachte, Hrn. Quincke’s Entdeckung zur Erklärung der Elektrotonusströme zu verwerthen.”? Man sieht aber, dass von solcher Deutung des positiven Nachstromes so wenig die Rede sein kann, wie etwa davon, ihn für einen Endinductionsstrom, hervorge- bracht durch das Verschwinden des primären Stromes, ausgeben zu wollen.] Obsehon sodann die positive Polarisation sich an den in der Kälte absterbenden Nerven und elektrischen Platten lange spurweise nachweisen lässt, ist sie doch vom Lebenszustand der Gewebe abhängiger, als die nega- tive Polarisation. Die Siedhitze macht ihr sofort und unbedingt ein Ende, wenn sie von der negativen Polarisation noch einen Rest bestehen lässt; und die verderbliche Wirkung starker Ströme auf die Polarisirbarkeit über- haupt trifft in erster Linie die positive Polarisation. Zu dem Allen kommt noch, um letztere als Phaenomen besonderer Würde und Tragweite zu kennzeichnen, die schon erwogene Beziehung zur Richtung der Contraction, der Innervation und des Fischschlages, endlich die nicht: minder wichtige Beziehung zum Thätigkeitszustand der Gewebe. Ich glaube nicht, dass ein physikalisch geschulter Kopf, der sich die Gesammtheit dieser Thatsachen heute unbefangen vor Augen hält, zu einem anderen Schlusse gelangen wird, als dem, zu welchem ich mich schon vor langen Jahren gedrängt sah. Es.ist der Schluss, dass in den positiv pola- risirbaren Gebilden nicht dem primären Strome gleichgerichtete elektro- I Gesammelte Abhandlungen u. s. w. Bd. II. S. 190. ? Dies Archiv, 1860. 8.542. Anm. SECUNDÄR-ELEKTROMOT. ERSCHEINUNGEN AN MUSKELN, NERVEN U. 8. w. 59 motorische Kräfte erzeugt, sondern dass die Träger schon vorhandener elektromotorischer Kräfte dem primären Strome gleichgerichtet werden. Fügt man hinzu, dass im natürlichen Zustand der Gebilde die Träger durch gewisse Kräfte in anderer Lage festgehalten werden, aus welcher sie immerhin durch beliebig schwache Ströme abgelenkt, jedoch erst durch Ströme von einer bestimmten Dichte dauernd entfernt werden können, so versöhnt diese einfache und naturgemässe Annahme die für die positive Polarisation erkannte Schwelle mit dem elektrotonisirenden Vermögen auch der schwächsten Ströme. Dass die grosse Nachhaltigkeit der positiven Pola- risation gleichfalls zu dieser Anschauung passe, bedarf nicht der Erwähnung. Da ich mit der positiven Polarisation der Muskeln kurz nach Ver- öffentlichung meines ‘vorläufigen Abrisses’ (1843), und lange vor Heraus- gabe des ersten Bandes meiner ‘Untersuchungen’ (1848) bekannt wurde, so sieht man jetzt, wie ich zu meiner Auffassung der elektromotorischen Erscheinungen der Muskeln und Nerven in jenem Werke kam. Die Ver- allgemeinerung, wodurch ich von der positiven Polarisation der Muskeln auf die der intrapolaren Nervenstrecke schloss, war vielleicht jugendlich kühn, allein die Natur gab mir Recht, als ich, wenige Jahre später, in dem positiven Nachstrom der Nerven das Zeichen der während des primären Stromes herrschenden positiven Polarisation entdeckte. Sofern es keine andere vernünftige Erklärung der positiven Polarisation geben dürfte, als die durch das Richten schon vorhandener Kräfte, leistet der Nachweis dieser Polarisation zugleich noch einen anderen Dienst. In meinen Augen wurde und wird dadurch der in Ermangelung eines natürlichen Nervenquerschnittes fehlende Beweis für das Vorhandensein elektromotorischer Kräfte im unver- sehrten Nerven geliefert. Der aus umsichtiger Prüfung des natürlichen Muskelquerschnittes sich ergebende Beweis des Daseins solcher Kräfte im Muskel wird ebendadurch verstärkt. Auf demselben Wege hoffte ich die elektromotorischen Kräfte der ruhenden Muskeln im lebenden Menschen nachzuweisen, deren Wahrnehmung durch die Hautströme, die Parelek- tronomie und die Nebenschliessung durch die Haut unmöglich gemacht wird. Bei den oben S. 27—29 erzählten Versuchen hatte ich dies im Auge, und in diesem Sinne sollten die ‚secundär-elektromotorischen Er- scheinungen den Schluss des achten Capitels meiner “Untersuchungen’ bilden, welches ‘Von dem Muskelstrome und seinen Bewegungserscheinungen am lebenden unversehrten Thiere’ handelt.! Da ich nun ferner die Möglichkeit einsah, durch physiologische Pola- risation von Trägern elektromotorischer ‘Kräfte den Schlag der elektrischen Organe zu erklären; da ich das Glück hatte, auch hier positive Polarisation ’A.2.0. Bd.I. 8.240; — Bd. II. Abth.I.' 8.331; — Abth. I. 8.1. 377. | 60 E. pu Boıs-Reymonp: im grössten Maassstabe und in unzweifelhafter Beziehung zum Schlage der Organe darzuthun; endlich da delle Chiaie’s und Hr. Babuchin’s Satz von der Praeformation der elektrischen Elemente in den Organen der Zitterfische an säulenartiger Verstärkung des Schlages in der Platte keinen Zweifel lässt: so wird man es erklärlich finden, dass ich noch immer auf dem rechten Wege zu sein glaube, und dass ich der von Hrn. Hermann seit sechzehn Jahren gegen meine Anschauungen geführten Polemik, welche mehr neue Kunstausdrücke als Thatsachen zu Tage förderte, bis auf Weiteres ruhig zusehe. Wiederholt, und von zwei ganz verschiedenen Grundhypo- thesen aus, hat Hr. Hermann demonstrirt, dass in der intrapolaren Strecke ein dem polarisirenden Strom entgegengesetzter Polarisationsstrom herrschen müsse (s. oben 8. 37). Ich bin neugierig, durch welche Hülfshypothese er jetzt mit dem wirklich darin herrschenden gleichgerichteten Polarisations- strom fertig werden wird. Jene richtbaren Träger elektromotorischer Kräfte in den Muskeln, Nerven und elektrischen Organen nannte ich bekanntlich elektromotorische Molekeln, und ohne zunächst etwas über ihre Natur auszusagen, schema- tisirte ich sie in einfachster Weise! Die Entdeckung der Neigungsströme setzte mich später in den Stand, über die Anordnung der in den Muskeln praeexistirenden elektromotorischen Kräfte Bestimmteres anzugeben. An Stelle der halb elektropositiven, halb elektronegativen Kugeln traten elek- tromotorische Flächenelemente,? während ich zugleich die unvollständig ge- bliebene Darstellung in den “Untersuchungen’ dahin ergänzte, dass ich mir diese Elemente als Herde eines chemischen Processes denke, desselben etwa, welcher die Athmung der Gewebe ausmacht. Die diesen Vorstellungen entgegenstehenden Schwierigkeiten kenne ich besser als irgendwer. Hier ist die Frage, wie man sich das Richten der elektromotorischen Molekeln durch den Strom zu denken habe. Um es zu erläutern, hatte ich an die Grothuss’sche Theorie der Elektrolyse erinnert. Hr. Hermann schrieb mir fälschlich die Meinung zu, dass der Strom die Molekeln elektrodynamisch drehe, und er suchte diese Drehung aus dem Ampere’schen Grundgesetze herzuleiten, mdem er der zu richtenden Mo- lekel ein drehbares Stromelement, und dem Gesammtstrom einen durch die Mitte des Elementes gehenden Stromfaden substituirte.? Später bemerkte wohl Hr. Hermann, dass er mich mit einer mir fremden Theorie be- schenke, aber er glaubt doch meine Elektrotonus-Hypothese in dieser Form vortragen zu sollen, in der er sie schlechthin die ‘elektrodynamische Theorie’ ı Untersuchungen über thierische Elektrieität u. s. w. Bd. U. Abth.1I. S. 323. ? Gesammelte Abhandlungen. u.s. w. Bd. II. 8. 122. 291. 671. 672. 3 Untersuchungen zur Physiologie der Muskeln und Nerven. Berlin 1866. 3. Hft. S. 66. SECUNDÄR-ELEKTROMOT. ERSCHEINUNGEN AN MUSKELN, NERVEN U. S.w. 61 nennt, weil er meint, dass auf die durch eine Zwischenflüssigkeit getrennten elektromotorischen Molekeln die Grothuss’sche Anschauung nicht über- tragbar sei.! Ich hatte gute Gründe, keine elektrodynamische Theorie der Art zu versuchen. Hrn. Hermann’s Betrachtung ist ganz unzulänglich. Die Aufgabe, die elektrodynamische Wechselwirkung zwischen einer elektrischen Strömung und einer elektromotorischen Molekel zu bestimmen, führt zwar auf mehrere haikle Punkte, allein so weit die elektrodynamischen Kräfte sicher bekannt sind, lässt sich schon jetzt behaupten, dass durch solche Kräfte keine Drehung der Molekel möglich sei. [Und es ist von Wichtig. keit, dass sich dies so verhält. Hr. Hermann hat sich nicht überlegt, dass, wenn seine Vorstellung richtig wäre, ein Nerv durch einen ruhenden Maenet oder einen in der Nähe kreisenden Strom elektrotonisirt werden müsste. Die Fabeln von der Fernwirkung von Magneten auf das Nerven- system lebender Menschen hätten dann einen sicheren Boden. Ich habe mich aber früh durch scharfe. Versuche überzeugt, dass dem nicht so ist. Man kann in unmittelbarer Nähe eines Nerven die stärksten magnetischen Kraftlinien entstehen und vergehen lassen, oder in dichtgedrängten Win- dungen, denen ein Nerv anliegt, einen mächtigen Strom herstellen und abbrechen, ohne dass Zuckung erfolgt.?] Sofern in ihrer ursprünglichen Gestalt die Grothuss’sche Theorie voraussetzt, dass Sauerstoff- und Wasserstoffatome durch den in elektro- chemischer Zerlegung begriffenen Leiter zweiter Classe eine Art molecularer Kette bilden, passt freilich dies Bild nicht strenge auf die Polarisation der Muskeln, Nerven und elektrischen Organe durch den Strom. Um indess das sich Richten der Molekeln so plausibel zu machen, wie es mit der- gleichen Molecularvorgängen überhaupt gelingt, scheint mir meine Aus- einandersetzung in den ‘Untersuchungen’ noch heute genügend. Sie hat sogar seitdem noch eine Stütze gewonnen an der Entdeckung der anapho- rischen Wirkungen des Stromes durch Hın. Jürgensen? und deren Er- klärung durch Hrn. Quincke.* Wenn in einer Flüssigkeit schwebende, durch Berührung damit negativ elektrisirte Theilchen vor unseren Augen zur Anode wandern, scheint der Schluss nicht allzu gewagt, dass eine halb elektropositive, halb elektronegative, nicht verschiebbare, aber frei drehbare ! Pflüger’s Archiv u.s. w. 1874. Bd. VIII 8.268; — Handbuch der Physio- logie. 1878. A.a.0. 8.171. 172, ? Untersuchungen über thierische Elektrieität u.s.w. Bd.II. Abth.I. 8. 23. 24 Anm.; — Gesammelte Abhandlungen u.s. w. Bd. II. S. 297. ® Dies Archiv. 1860. 8. 673, * Poggendorff’s Annalen der Physik und Chemie. 1861. Bd. CXIH. S. 565. 62 E. Du Boıs-REYMoOND: SECUNDÄR-ELEKTROMOT. ERSCHEINUNGEN U. 8. W. Molekel ihren positiven Pol der Kathode, ihren negativen der Anode zu- wenden würde. Doch ich lege auf solche Speculationen geringen Werth. Mir genügt - es vor der Hand, zu wissen, dass in Muskeln, Nerven und elektrischen Organen Träger elektromotorischer Kräfte vorhanden sind, welche der Strom irgendwie richtet, welche zu den Lebensthätigkeiten dieser Gewebe in Be- ziehung stehen, beim elektrischen Organe sogar dessen räthselhafte Wirkung einigermaassen erklären, Gegenüber der Fülle thatsächlicher Fragen, welche hier noch der Antwort harren, halte ich es für verlorene Mühe, sich weiter in Vermuthungen zu ergehen. Erst nachdem das Gebiet der secundär- elektromotorischen Erscheinungen nach jeder Richtung ergründet sein wird, kann man hoffen, in den Molecularmechanismus der elektromotorischen Gewebe etwas tiefer einzudringen. Auszug aus dem Protocoll der fünften Plenar-Sitzung des internationalen Congresses der Elektriker zu Paris am 28. September 1881. (Presidence de M. Ad. Cochery, Ministre des Postes et des Telegraphes.)! [Ich habe geglaubt, dass. der hier abgedruckte, den deutschen physio- logischen Lesern sonst nicht leicht zugängliche Bericht ein gewisses Interesse beanspruchen darf, sofern aus ihm der Standpunkt der Einsicht erhellt, auf welchem damals die nicht deutschen Mitglieder der Subcommission noch verharrten. In einer nur aus deutschen Physiologen und Elektrikern zusammengesetzten Versammlung dürften sehr verschiedene Fragen von den in Paris zur Sprache gekommenen erörtert worden sein. Doch gehört zur Vervollständigung dieses Eindruckes _ noch die Kenntniss einer Schrift, welche mehrere französische Gelehrte im Auf- trage des Post- und Telegraphen-Ministeriums unter dem Titel herausgaben: ‘L’Electrieit6 et ses Applications. Expose sommaire et Notices sur les differentes Classes de l’Exposition etc. Paris 1881. Der Artikel ‘“Electro-physiologie et Electro-therapie’ ist aus der Feder eines der grössten lebenden Physiologen Frankreichs, des Hrn. Paul Bert. Die kurze Uebersicht über die Lehre vom Muskel- und Nervenstrom ist ein merkwürdiges Beispiel kecker Oberflächlich- keit und naiver Unwissenheit an so hervorragender Stelle. Es genüge bei- spielsweise anzuführen, dass Hr. Paul Bert die negative Schwankung des Muskelstromes bei der Zusammenziehung auch von todten Muskeln, nach Lösung der Starre, erhält, und dass er vom Elektrotonus sagt: „Duboys-Reymond a decouvert egalement qu’un nerf qui est travers6 par un courant devient plus excitable et produit un courant &@lectrique. Il donna a cet 6tat particulier du nerf le nom d’etat &lectro-tonique et en arriva & l’expliquer par une propriete inconnue du nerf vivant. Pflüger reprit ces exp6riences et cerda la theorie de l’eleetro-tonus. Ramenons cette theorie dont on a fait un casse-tete chinois aux faits qui Jui ont donn& naissance etc.“ Die Worte Anelektrotonus und Katelektrotonus sind Gambetta’s Unterrichts-Minister chinesisch vorgekommen. Was den vom Congress so nachdrücklich empfohlenen, ja gewissermaassen von ihm bei Strafe der Excommunication anbefohlenen Gebrauch der theoretisch begründeten Maasseinheiten für elektromotorische Kraft, Widerstand, Stromstärke * Aus: Ministere des Postes et des Telögraphes. — Congres international des Eleetrieiens, Paris 1881. Comptes rendus des Travaux, Paris 1882. p. 69 et suiv. 64 RAPPORT DE LA SOUS-COMMISSION D’ELECTRO-PHYSIOLOGIE Es u. d. m. betrifft, so würde er meines Erachtens für die Elektrophysiologie vor- läufig eine Luxusconsumption an ‘Exactheit’ darstellen. Ich denke, wir bleiben fürs Erste ohne Schaden bei dem Raoult (Daniell mit Zinksulphatlösung statt der verdünnten Schwefelsäure) als Einheit der elektromotorischen Kraft, und bei der Siemens’schen Quecksilbereinheit als Einheit des Widerstandes. Zwar haben wir in unserem Gebiete noch nicht soviel gemessen, dass wir uns durch die Masse der vorhandenen, umzurechnenden Daten bestimmen lassen könnten, bei den alten Einheiten zu bleiben, wie in der Meteorologie Dove glaubte, deshalb die Reaumur’sche Scale beibehalten zu sollen. Allein jene empirischen Maasseinheiten haben für den Hausgebrauch des Laboratoriums doch den un- läugbaren Vorzug, wohlbekannte erfahrungsmässige Vorstellungen zu erwecken. Die Sünde wider den fortschreitenden Geist der Wissenschaft, welche in ihrer Anwendung liest, ist ohnehin nicht grösser als die, deren die strenggläubigsten Physico-Mathematiker sich schuldig machen, wenn sie Temperaturen statt vom absoluten Nullpunkte, vom Eispunkte aus messen; besonders wenn man sich er- innert, dass auch das (.-G.-8.-System eine ganz willkürliche Bestimmung, die des Meters, in sich schliesst. Wie im Fall der 'Temperaturgrade mittels einer additiven Constanten, kann man übrigens, wo es Einem nützlich scheint, jeden Augenblick das empirische in das theoretische Maass mittels eines Coöfficienten umrechnen. Die dazu dienlichen Coöfficienten findet man in Wiedemann’s Lehre von der KElektrieität, als dritte Auflage der Lehre vom Galvanismus u. 8. w., Bd. I. Braunschweig 1882. S. 329. S 342 zusammengestellt. An die liebenswürdige Zuvorkommenheit, mit welcher die deutschen Gelehrten von den französischen Collegen aufgenommen wurden, und die soweit ging, dass mir der Vorsitz der elektrophysiologischen Subeommission übertragen wurde, werden wir stets mit wärmstem Dank zurückdenken. — E.d. B.-R.] M. du Bois-Reymond (Allemagne), president et rapporteur de la Sous-Commission d’electro-physiologie nommee par la 1° Section, donne lecture du rapport suivant: " Conelusions adoptees par la Sous-Commission d’&lectro-physio- pele nommö6e par la premiere Section du congr&s international des &lectriciens. M, E. du Bois-Reymond, rapporteur. Membres: MM. d’Arsonval, E. du Bois-Reymond, Christiani, Gariel, Helmholtz, Joubert, Lippmann, Marcel Deprez, Marey, Mascart, Rossetti, Terquem, de Ziemssen. Necessite de definir d’une facon scientifique les courants dont on fait usage dans les operations medicales, et d’en rattacher la mesure aux unites electriques. Elle a cru devoir scinder cette question en deux, l’une se rapportant aux operations mödicales proprement dites, c’est-a-dire au traitement des DU ÜONGRES DES ELECTRICIENS (PArıs, 1881). 65 maladies par les courants continus ou discontinus, l’autre aux exp6riences de laboratoire faites sur les muscles et les nerfs des animaux dans un but sceientifique. Les courants continus employes dans les operations therapeutiques ne peuvent ätre mesurds quaprös que le courant aura subi la diminution d’intensite resultant de la resistance de l’&piderme, etc. Il sera utile aux praticiens de se servir, & cet eflet, de galvanometres gradues en unites se rattachant au systeme C, G. S., comme M. d’Arsonval l’a propos6, et comme cela se fait deja & Munich. L’electro-therapeute, des lors, pourra dire qu’il a cru obtenir tels et tels efiets a l’aide d’un courant de telle et telle inten- site absolue. La Sous-Commission recommande aussi, pour les operations medicales, l’emploi des electrodes impolarisables de M. Hitzig, construites sur le modele de celles de M. du Bois-Reymond, dont il va &tre question tout & l’heure. Avec ces Electrodes plus de douleurs et plus d’eryth&me. Quant & la definition des courants discontinus, il ne semble gu£ere n6&- cessaire en Electro-therapie de la donner autrement que par la distance des deux bobines de l’appareil a traineau de M. du Bois-Reymond, pourvu qu’on veuille se conformer, comme cela se fait assez generalement en Allemagne, a un certain modele, et se servir, dans le circuit inducteur, d’une pile tou- jours identique, par exemple d’un el&ment de Daniell. La Sous-Commission recommande le mod£le adopt® apres une longue experience dans le labo- ratoire de physiologie de l’Universit& de Berlin.! Passant a la seconde partie de la premiere question, la Sous-Commis- sion a pense que dans les cas ordinaires d’exeitation tels qu’ils se rencon- trent en physiologie experimentale, l’appareil & traineau, modele du Bois- Reymond, suffira &galement. Il sera diffieile de trouver quelque chose de plus commode pour tetaniser, par exemple, le nerf vague, la portion cer- vicale du nerf sympathique, etc. On pourra, dans les experiences de ce genre, se servir sans inconvenient d’electrodes en platine recourbees en erochet, sur lesquelles on placera l’extr&mite des filets nerveux coupes. Pour commencer et pour terminer instantanement l’action des courants sur le nerf, et pour se mettre A l’abri des contractions unipolaires, il conviendra d’avoir recours & Yartifice indiqu& par M. du Bois-Reymond, qui consiste & ouvzir et & fermer aux instants voulus une de ses clefs, intercalde dans le circuit de maniere que le levier en constitue, pour le nerf, un eircuit deri- vateur d’une resistance insensible au point de vue pratique. Mais qu'il s’agisse des effets du courant sur les nerfs isoles de la grenouille, les conditions d’une experimentation rigoureuse deviennent beau- coup plus difficiles & remplir. » Ces appareils sont fabriques par M. Krüger, 20, Simeon-Str., [jetzt 57, Ritterstr. S.W.] a Berlin. Archiv f. A, u. Ph, 1884. Physiol. Abthig. 5 66 RAPPORT DE LA SOUs-CoMMISSIOoN D’ELECTRO-PHYSIOLOGIE Le trembleur de Yappareil a traineau dans sa forme primitive est loin d’offrir les garanties necessaires d’uniformite d’action. Il faudra le rempla- cer par un diapason vibrant, muni d’un style en platine, plongeant dans du mercure au-dessous d’une couche d’alcool sans cesse renouvelee par le tube laveur de M. Kronecker. M. d’Arsonval a aussi indiqu& un procede pour conserver nette la surface du mercure. Pour regulariser l’action de l’interrupteur, M. Helmholtz a muni l’ap- pareil & traineau d’un dispositif qui met fin, ou a peu pres, A la difference qui, avec le dispositif ordinaire, subsiste entre le courant induit par la clöture et celui induit par la rupture du circuit inducteur. Le modele de /’appareil & traineau recommande plus haut est muni du dispositif Helmholtz. Toutefois, en faisant usage de l’appareil A traineau ainsi modifie, l’ex- perimentateur se trouvera toujours restreint a l’usage d’un certain nombre, plus ou moins considerable, mais peu ou point variable, d’exeitations &le- mentaires dans l’unite de temps, et m&me chacune de ces excitations sera definie d’une maniere tres imparfaite. Or, pour l’&tude exacte de Y’action des couränts sur les nerfs, voiei les conditions qu’il faudrait pouvoir realiser & volonte. Il faudrait: 1° Disposer d’une courbe d’intensite de forme connue, et aussi simple que possible, lineaire si cela pouvait se faire, ou, pour le moins, sinusoidale; 2° Pouvoir faire varier le parametre de cette courbe, ou la tangente de la droite dans le cas quelle füt lin£aire; 3° Pouvoir reproduire l’exeitation el&mentaire ainsi definie a des inter- valles de temps plus ou moins longs, sans que le caractere de l’excitation elementaire s’en ressente; | 4° Pouvoir aussi faire a volonte alterner le sens des decharges conse- cutives passant par le nerf. Plusieurs dispositifs sont propres a satisfaire au moins a une partie de ces conditions. M. de Fleischl, de Vienne, & decrit un appareil qu’il nomme Rheonome, et dans lequel une lame de zine amalgam& parcourt une rainure circulaire remplie d’une solution saturee et neutre de sulfate de zinc.e La colonne liquide formant un circuit derivateur par rapport au nerf, et cer- taines conditions de resistance &tant remplies, la courbe d’intensite du cou- rant dans le nerf devient une droite dont la tangente est proportionnelle & la vitesse de rotation imprimde a la lame. Deux autres projets d’experimentation qui se proposent un but sem- blable, ont &te presentös a la Sous-Commission. L’un, suggere par M. Jou- bert et modifie dans le cours de la discussion par M. Helmholtz, consiste- rait a imprimer un mouvement rotatoire ou d’oscillation A un barreau aimante plac6 en presence d’une bobine. Il sera aise de faire en sorte que DU CONGRKES DES ELECTRICIENS (Parıs, 1881). 67 la courbe d’intensit& des courants soit sinusoidale. La bobine restant sta- tionnaire, il n’y aurait pas & se pr&occuper des variations de resistance. I] est vrai que les variations d’intensite du barreau aimante constitueraient une nouvelle cause d’erreurs. En ayant recours au champ maenötique du globe terrestre, on renoncerait A l’avantage de maintenir constants les con- taets dans le eireuit induit; d’ailleurs il faudrait, en ce cas, employer des bobines de dimensions tr&s consid&rables. M. Helmholtz a encore concu le projet d’une methode reposant sur un principe tout & fait different. Qu’on s’imagine un disque metalligue immobile, decoupe d’apres un certain patron, et communiquant avec un N des pöles d’une pile. Dans un plan parallele & celui de ce disque, et trös pres de l’une de ses faces, se mouvrait un second disque, decoupe & son tour d’apres un certain patron, et communiquant par le nerf, soit avec la terre, soit avec l’autre pöle de la pile. Il sera facile de donner aux deux disques une forme telle que les charges et decharges resultant de l’induction electro-statique exercee par Yun des disques sur P’autre se fassent d’apres une loi voulue. La Sous-Commission croit devoir recommander aux phy- siologistes occupes de la physiologie generale des muscles et des nerfs, l’essai de ce procede qui lui parait susceptible d’une grande pr&eision. Quel que soit le mode d’exeitation qu’on emploie, le plus grand soin devra &tre apporte & la maniere dont le nerf sera place dans le circuit. Il ne faut jamais, dans des exp6riences tant soit peu exactes, toucher les nerfs avec des 6lectrodes meötalliques. Non seulement il y a polarisation au contact de tous les metaux, mäme du zinc pur ou amalgame, mais aussi les nerfs sont alteres chimiquement par les produits electrolytiques. La seule maniere irr&prochable d’introduire le nerf dans le circuit, c’est de faire usage: 1° du zince amalgame plongeant dans une solution concentree et neutre du sulfate de zinc; 2° d’interposer entre cette solution, qui atta- querait egalement la substance du nerf, de l’argile plastique des ssulpteurs, petrie avec une solution de chlorure de sodium & ®/,, p- 0/0 d’eau. Cette solution, dont l’usage a ete introduit par M. de Kölliker, me£rite le nom © de solution physiologigue qu’on lui donne en Allemagne, en tant que les muscles et les nerfs y conservent l’&tat de survie aussi longtemps que s’ils etaient restes dans le corps de l’animal tue. Ceci möne & la seconde question proposee & la Sous-Commission, savoir: Quels sont les meilleurs moyens üä employer pour determiner la nature des phenomenes £lectriques qui se produisent chez les animau«. Dans toutes les experiences d’electrieit6 animale, il faut faire usage, pour deriver les courants, d’eleetrodes impolarisables telles qu’elles viennent d’tre deerites. On leur donnera, en gön6ral, deux formes diflörentes; pour les muscles ou pour les parties d’organes 6lectriques, on se servira des 5%* 68 RAPPORT DE LA SOUS-ÜOMMISSION D’ELECTRO-PHYSIOLOGIE vases rheophores en zinc (modele du Bois-Reymond); pour V’ötude de la variation negative du courant nerveux ou de l’electro-tonus, on preferera les electrodes se terminant en pointe d’argile, qui sont aussi les meilleures - pour introduire dans les nerfs les courants excitateurs. Il n’y a que les poissons electriques a l’&tat de vie et de sante, chez qui les differences de potentiel soient assez considerables pour n’avoir pas ä tenir compte du manque d’homogeneite des Electrodes. Quant aux appareils propres a etudier et & mesurer les effects &lectri- ques des tissus animaux et vegetaux, il faudra faire usage a tour de röle, suivant la nature des questions & traiter,' de tous les instruments capables de fournir des renseignements sur lintensite et les variations des courants electro-physiologiques, dans differentes circonstances. Pour /’&tude des courants continus ou & varlations lentes, le meilleur moyen & employer est la boussole a miroir, modele [Wiedemann modifie par M.] du Bois-Reymond, rendue aperiodique par l’addition du barreau compensateur de Haüy.! On y joindra le compensateur ceirculaire de M. du Bois-Reymond, qui, a l’aide d’une simple mesure de longueur, permet d’evaluer en dix milliemes de Daniell les differences de potentiel a la surface des electromoteurs organiques. En general, si les courants sont d’intensite variable, la boussole ne fournira que l’aire de la courbe des intensites, mais combinde avec le rheotome differentiel de M. Bernstein, ! On appelle aperiodique le mouvement d’une aiguille aimantee qui n’oscille plus, mais va occuper sa nouvelle position d’equilibre sous Pempire d’un courant, sans la depasser visiblement, et retombe de möme vers le zero, qu’en theorie elle n’atteint qu’apres un temps infini. Cet tat commence & se manifester des qu'il existe un certain rapport, tres facile a etablir en pratique, entre la force amortissante et la force directrice diminuee par le barreau compensateur de Haüy. Dans ces conditions le temps de la chute, si Pon peut l’appeler ainsi, de Paiguille aimantee vers une nouvelle position d’equilibre, est un minimum, qui, dans de bonnes conditions, ne depasse pas 5 secondes. [Diese Anmerkung war nicht unnütz, da die oben 8.63 angeführte Schrift “Electrieite et ses Applications’ in dem Abschnitt “Eleetrometrie” aus der Feder des Hrn. J. Ray- naud (Ingenieur des Telegraphes) auf 8. 66 folgende Definition der Aperiodieität bringt. Von Hrn. Marcel Deprez’s zum Messen der Ströme von Dynamomaschinen ange- gebenem Galvanometre ü arete heisst es: „‚Lorsque le courant passe, Vaiguille saute „brusquement & sa nouvelle position d’equilibre, o% elle vibre nn instant comme un „diapason.“ Dazu bemerkt der Verfasser: „Ce galvanometre est done aperiodigue. Un „instrument devient aperiodique quand la periode des vibrutions propres de la partie „mobile est tres petite par rapport & la duree du phenomene ä enregistrer. D’ou la „regle pratique quwil faut donner a la partie mobile (l’aiguille ou ’aimant et le miroir) „une masse tres faible et employer une force directrice tres grande. Cette regle a deja „ete appliqude par M. Thomson dans son dead beat speaking galvanometer.“ Meine Abhandlung ‘Ueber aperiodische Bewegung gedämpfter Magnete’ erschien im November- heft 1869 der Monatsberichte der Berliner Akademie und in den Archives des Scien- ces physiques et naturelles, 1812. t. XLIV. p. 312 et XLV. p. 84).] DU CONGRES DES ELECTRICIENS (PArıs, 18831). 69 elle donne les ordonndes successives de la courbe, par exempie, dans le cas de la variation negative du courant musculaire ou nerveux, apres une irri- tation instantanee. I n’y a pas jusqw’&a la decomposition de l’iodure de potassium qui ne puisse ©tre utilisee, dans certains cas, pour l’etude des courants &lectro- physiologiques. Dans d’autres cas, lorsqu'il s’agit de variations plus ou moins instan- tanees, il faudra substituer a la boussole des appareils a indications plus rapides. C’est ainsi que, des le debut de ses recherches d’electrieite ani- male, M. du Bois-Reymond, en developpant une möthode due a Galvani et a Matteucci, a fait usage de la preparation que l’on nomme grenouille rheoscopique. Le genie inventif de M. Lippmann a dot6 la science d’un appareil tres precieux pour l’exploration des courants & variation rapide, et qui pourra etre d’une grande utilit6 dans l’ötude soit des decharges des poissons &lec- triques, soit des variations brusques des courants musculaires et nerveux. L’electrometre capillaire est d’un usage sür et facile, et d’une sensibilite egale, sinon sup6rieure, a celle de la meilleure boussole. Avec les precau- tions necessaires, on pourra, avec son aide, mesurer entre certaines limites les differences de potentiel des &lectromoteurs organiques. En photographiant ces indications, comme le propose M. Marey, on parviendrait möme & con- naitre la forme de la courbe des intensites, et & fixer l’image des pheno- menes. Quant & la meilleure forme a& donner & l’electrometre capillaire, il faudra des essais ulterieurs. Le modele de M, Christiani est probablement, a P’'heure qu’il est, le plus recommandable pour les physiologistes. Il y a des cas enfin, comme celui des poissons @lectriques, otı le tele- phone, en vertu de son application facile, de sa sensibilit@ exquise et de la rapidite instantanee de ses indications peut rendre d’excellents services. Est-il necessaire d’ajouter que les meilleures möthodes d’observation et d’experimentation resteront infructueuses sans une critique experimentale vigilante et consciencieuse, aussi eloignee d’une ceredulit6 aveugle que d’un pyrrhonisme non moins prejudiciable au progres des connaissances humaines. Bericht über eine Reise zur Untersuchung der in den Museen Englands und Hollands vorhandenen Torpedineen. Von Prof. Gustav Fritsch.! Der Königlichen Akademie der Wissenschaften erlaube ich mir folgenden Bericht über die während des Monates August d. J. in England und Holland ausgeführten Arbeiten vorzulegen. Da es keinem Zweifel unterliegen konnte, dass die Sanımlungen des British Museum in London die grösste Aussicht auf Förderung meiner Auf- gaben darbieten würden, so reiste ich am Sonnabend 5. August direct nach London, und hatte bereits am folgenden Montag das gewünschte Material unter den Händen, da Hr. Dr. Günther mir dasselbe in freundlicher Berücksichtigung der schriftlich geäusserten Wünsche hatte zurecht stellen lassen. Es fand sich unter den Torpedineen das typische Exemplar von Torpedo hebetans Lowe, dessen anderweitige Merkmale mir die Verwandtschaft mit ! Aus dem Sitzungsbericht der kgl. Preuss. Akademie der Wissenschaften vom 23. November (ausgegeben am 30. November) 1882. Bd. II. S. 1007—1010. — Prof. Fritsch’s Reise hatte zum Zweck, an noch mehr Torpedineen-Species, als Hr. Prof. Peters ihm im hiesigen zoologischen Museum zur Verfügung stellen konnte, die Rich- tigkeit des Schlusses zu prüfen, den ich aus dem von mir sogenannten delle Chiaie- Babuchin’schen Satze gefolgert hatte, dass nämlich jeder guten Torpedineen-Speeies eine gewisse mittlere Säulenzahl als diagnostisches Merkmal zukomme. $. meinen „Vor- läufigen Bericht über die von Prof. Gustav Fritsch in Aegypten und am Mittelmeer angestellten neuen Untersuchungen an elektrischen Fischen“ (Zweite Hälfte). In diesem Archiv, 1882. S. 394 ff. | Gustav Fritsch: BERICHT ÜBER TORPEDINEEN. 71 T. oceidentalis Storer, sowie mit T. californica. wahrscheinlich machten, und damit die Ueberzeugung erweckten, dass nach dem Gesetz der Corre- lation auch die Säulenzahl der elektrischen Organe eine besonders grosse sein werde. Es verdient die dankbarste Anerkennung, dass mir auf dringendes Bitten Hr. Dr. Günther gestattete, die betreffende anatomische Unter- suchung an dem typischen Exemplar vorzunehmen, welche Untersuchung die Richtigkeit der ausgesprochenen Vermuthung rechtfertigte und die drei genannten Arten: T. occidentalis, californica und hebetans auch durch den Bau der elektrischen Organe als eng verwandte Species hinstelltee Nun- mehr wird es nur nothwendig sein, auch bei Exemplaren der immer zweifel- hafter gewordenen Species T. nobiliana Bon. die Säulenzählung vorzunehmen, um ihr Verhältniss zu den anderen sicher zu stellen. Die angedeutete Vergleichung bestätigt in erfreulicher Weise die auch durch Hrn. Dr. Günther selbst schon auf anderweitige Untersuchungen hin behauptete Uebereinstimmung der Meeresfauna der atlantischen und der pacifischen Küsten, sowie die Verbreitung amerikanischer Thierformen des Meeres bis an die europäischen Küsten. Ausser diesem besonders wichtigen Ergebniss galt es nun aus dem Material des Museums bei einer Reihe seltener oder anderswo gar nicht zugänglicher Arten den Bau der elektrischen Organe, das Verhältniss der beiden Seiten des Körpers sowie das Mosaik der Säulen festzustellen. Diese Untersuchungen wurden ausgeführt an folgenden Species, von denen mir der grössere Theil noch neu war und mit grösster Wahrschein- lichkeit überhaupt bisher auf die elektrischen Organe nicht untersucht wurde, nämlich: Hypnos subnigrum A. Dum., Narcine tasmaniensis (erwachsen und embryonal), Nareine lingula, Narcine timlei, Torpedo fuscomaculata, Astrape dipterygia, Astrape capensis. Von den freigelegten Organen sowie ihrem Verhältniss zur Körper- gestalt wurden zur späteren Vergleichung mit anderweitigem Material Skizzen entworfen; die Säulenzahl wurde bei allen festgestellt und die mit Copirtinte auf Glas entworfenen Diagramme der Zählungen auf Papier übertragen. Ausser der Torpedo nobiliana, deren ich trotz allen Bemühungen noch nicht habhaft werden konnte, existirt nunmehr in den europäischen Museen keine Art, welche in den von mir zusammengestellten Tabellen nicht ver- treten wäre, und ich verdanke diese erfreuliche Vervollständigung zum er- heblichen Theile dem freundlichen Entgegenkommen im British Museum.' ! Ob Diseopyge Tschudii irgendwo in europäischen Sammlungen existirt, weiss ich nicht. 78 GUSTAV FRITSCH: Unter angestrengter Arbeit konnte ich im Laufe einer Woche die er- wähnten Arbeiten beendigen, und wendete mich nun nach dem Royal College of Surgeons, um nachzuforschen, ob dort nicht von den durch - Hunter beschriebenen, 1773 bei Torbay gefangenen riesigen Exemplaren etwas vorhanden sei; im Hinblick auf meine in Wien an T. oceidentalis ausgeführten Zählungen im Vergleich mit den Hunter’schen hatte ich dieselben als zu letzterer Species gehörig ansprechen müssen. Obgleich im College of Surgeons wie im British Museum die Samm- lungen sich im Stadium der Umstellung und Renovirung befanden, wurde ich von den Beamten der Anstalt doch in den Nachforschungen freund- lichst unterstützt, und fand als Rest der erwähnten Fische ein noch wohl- erhaltenes Praeparat (Descriptive Catalogue No. 2176), welches die Schädel- kapsel eröffnet, Gehirn und Rückenmark, sowie das System der Kopfnerven und elektrischen Nerven freigelegt zeigt; von dem einen (rechten) Organ ist der innere Randtheil, wo die Nerven sich einfügen, erhalten. Dies äusserst interessante, historische Praeparat, welches in England wohl völlig der Vergessenheit anheimgefallen war, wurde von mir in natürlicher Grösse skizzirt, so gut dies bei uneröffnetem Glase thunlich war. Nach Beendigung dieser Arbeiten verliess ich England, da keine Hoff- nung blieb, in anderen Städten nennenswerthes Material aus Gebieten zu finden, die selbst im British Museum nur durch Unica vertreten waren, und zwar wendete ich mich nach der alterthümlichen Universitätsstadt Leyden, wo die Hoffnung, weiteres Material zu finden, noch am günstig- sten schien. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt, indem die Armuth der Leydener Sammlung in diesem Gebiet sich als unerwartet gross erwies. Wenige Stunden genügten, um die Liste der vorhandenen elektrischen Fische auf- zunehmen und zu constatiren, dass, selbst wenn die Frlaubniss zum Praepa- riren derselben gegeben worden wäre, was schon wegen Abwesenheit der Beamten nicht erreichbar war, auch nicht eine wesentliche Lücke der Tabelle ausgefüllt werden konnte. Es bestätigt sich nur wieder die Thatsache, dass die elektrischen Fische trotz manchen bahnbrechenden Untersuchungen von der Mehrzahl der Forscher sehr stiefmütterlich behandelt werden. Es blieb nun noch eine schwache Aussicht, vielleicht zu weiterem Material zu gelangen, nämlich den Versueh zu machen, ob vielleicht Naturalienhändler der Hauptstadt solches verkäuflich hätten. Ich verliess daher Leyden noch am Abend des nämlichen Tages, wo ich angelangt war, wieder und wendete mich nach Amsterdam. (regen meine Erwartung erwies sich auch diese Hoffnung als eitel, da sich dort das Interesse augenblicklich völlig auf lebende Thiere und Pflanzen zu con- sa ec EEE — EEE u... Ze ee Zu ee lie BERICHT ÜBER TORPEDINEEN. ia centriren scheint. Ich konnte keinen Naturalienhändler in Amsterdam aus- findig machen, und somit konnte es nichts nützen, einen kostspieligen Aufenthalt unnöthig zu verlängern. Am 17. Vormittags traf ich wieder in Berlin ein. Aus diesem letzten Theil der Reise ergiebt sich als wichtigstes Resultat die Ueberzeugung, dass es äusserst wünschenswerth ist, Reisende der Akademie sowie anderweitige, gebildete Personen im Aus- lande direct für Beschaffung des in den Sammlungen so auf- fallend seltenen Materials zu interessiren. Der Besuch ander- weitiger Städte Europa’s zum Zweck der Vergleichung conservirten Mate- rials dürfte sich, Hamburg vielleicht ausgenommen, kaum lohnen. Bericht über die Fortsetzung der Untersuchungen an elektrischen Fischen. Beiträge zur Embryologie von Torpedo. Von | Gustav Fritsch. F (Hierzu Tat. 1.) Die Untersuchung der Torpedo-Embryonen ergab bisher folgende Re- sultate: 1) Die Entwickelung der elektrischen Organe bestätigt durchaus ihre phylogenetische Herleitung aus umgewandelten Muskeln in der von Hrn. Babuchin angedeuteten Weise. | 2) Es ergiebt sich, dass es sich bei dieser Umwandlung um die äussere Gruppe der besonderen Kiemen- und Kiefermuskeln handelt, welche vor- wiegend ventral entwickelt sind, während die tiefer gelegenen dorsal ent- springenden Kiemenmuskeln mit dem Homologon des Digastricus am Kiefer’ der Muskelfunction ganz erhalten bleiben. Abgesehen von den Muskeln, welche den Kiemenkorb als Ganzes be- wegen, schafft bei Torpedo die völlige Einrahmung desselben durch die sich“ aneinander legenden Kopf- und Flossenknorpel den übrig bleibenden Mus- keln so viel günstigere Stützpunkte, dass sie einer erhöhten Anforderung an ihre Leistung wohl genügen können. Die geschwächten Beissmuskeln entsprechen der Schwäche des Kieferapparates überhaupt; da der Fisch durch die furchtbare Waffe des elektrischen Schlages die Kiefer als Waffe weniger benöthigt, bewältigt und verschlingt er trotz dieser Schwäche an. dere Fische von unglaublich scheinender Grösse. ! Aus dem Sitzungsbericht der kgl. Preuss. Akademie der Wissenschaften vom 15. Februar (ausgegeben am 22. Februar) 1883. Bd. I. S. 205—209. GUSTAVY FRITSCH: EMBRYOLOGIE VON TORPEDO. 75 3) Die Musculatur von fünf Visceralbögen hat das Material für die elektrischen Organe zu liefern, wobei der Kiefer-Zungenbeinbogen als der erste zählt, während der letzte Kiemenbogen an der Bildung un- betheiligt ist. Da die zu den Bögen gehörigen Nerven stets in den Bogenzwischenräumen verlaufen und es selbstverständlich zwischen diesen fünf Bögen nur vier Zwischenräume‘ giebt, zeigt der Embryo (wie der erwachsene Fisch) nur vier elektrische Nerven. 4) Der Process der Umbildung embryonaler Muskelanlagen in elek- trische Säulen erscheint makroskopisch als ein Schwellungsvorgang an den äusseren, unteren Winkeln der Bögen, mikroskopisch als ein Quellungs- process der Muskelscheiden bei starker Kernvermehrung (Nu- eleation, Virchow) der embryonalen Muskelelemente. 5) Sobald die wuchernden Theile der Visceralbögen an den Berührungs- stellen mit einander verschmelzen, leitet sich die Anlage der elektrischen Säulen ein, welche von der Peripherie her in der Weise entstehen, dass die aus indifferenten embryonalen Zellen sich herausbildenden Muskelfasern zu allmählich sich vergrössernden Gruppen oder Primitivbündeln verkleben, welche durch die peripherisch neu hinzukommenden Gruppen mehr und mehr medianwärts gedrängt werden. | Diese elektrischen Säulenanlagen sind embryonalen Muskelprimitiv- bündeln durchaus ähnlich, sie gruppiren sich um die elektrischen Nerven und stellen für einen ganz kurzen Zeitraum (im Uebergang zum Stadium rajiforme) demnach vier gesonderte Provinzen dar. Der beste Beweis, wie ähnlich die Säulen alsdann noch embryonalen Muskeln sind, ergiebt sich daraus, dass de Sanctis eine fünfte Provinz solcher Säulen mit einem fünften elektrischen Nerven darstellt, während diese angeblichen elektrischen Säulen Muskelbündel sind und bleiben. Die Säulen sind in dieser Zeit längsfaserig mit länglichen Kernen ohne eine Spur von Plattenbildung; der Faserinhalt zeigt schwache Querstreifung ähnlich wie in den gleichzeitigen Muskelelementen. 6) Unter rapider Vermehrung der Säulenzahl geht der Embryo in das Stadium torpediniforme über. Sobald dies erreicht ist, zeigen die Organe nicht nur die normale Säulenzahl, sondern auch die wesentlichen Eigen- thümlichkeiten, welche das Mosaik der entwickelten Organe erkennen lässt, nämlich: verhältnissmässig grosse Säulen der Scheibe und des inneren Ran- des, kleine und unvollkommen entwickelte an der Peripherie, welche letz- teren der umhüllenden Schicht eng anhaften. Da sich der Differenzirungs- process von hier aus entwickelt, so sind diese unvollkommenen Säulen, welche beim Erwachsenen so leicht Unsicherheit in die Zählungen tragen, als ein Zeichen der definitiven Erschöpfung des Säulenbildungsmaterials aufzufassen. Wenn sie sich bei besserer Ausbildung der Organfascie später 76 GUSTAY FRITScH: auch etwas mehr abrunden, lässt sich die Abplattung derselben gegen die Peripherie selbst am entwickelten Fisch nachweisen. 7) Als weiterer Rest embryonaler Bildung, welche sich noch im aus- gewachsenen Thier nachweisen lässt, ist die eigenthümliche, reihenweise _ Anordnung der Säulen im Organ zu bezeichnen. Es markirt sich, beson- ders nach dem inneren Rande zu, eine radiäre, ungefähr auf die Medulla spinalis unterhalb des Lobus electricus gerichtete Reihenstellung der Säulen; diese rührt her von den Begrenzungen der embryonalen Provinzen des Organs, sowie von dem Verlauf der ausstrahlenden elektrischen Haupt- nervenstämme; ausserdem aber eine reihenweise Anordnung parallel dem Organumfang der äusseren Peripherie: diese bezeichnet die gleichzeitige Loslösung hier gebildeter Säulen von der Matrix. 8) Die selbständige Bedeutung der Quellungsprocesse für die Organ- bildung macht sich in diesem Stadium auf höchst eigenthümliche Weise bemerklich, indem die durch bindegewebige Scheiden gebildeten, prisma- tischen Fächer für die Säulen bereits angelegt werden, lange bevor die Säulen im Stande sind, diese Fächer auszufüllen. Der Organlängsschnitt (Querschnitt der Säulen) zeigt also die rund- lichen Säulen in weitem Abstande von polygonalen Höfen umzogen, den Zwischenraum, abgesehen von Nerven und Gefässen, mit unreifem, sehr gequollenem Bindegewebe erfüllt. Diese Beobachtung ist bei dem gewöhn- lich erst spätem Erscheinen festerer Scheiden meiner Ueberzeugung nach nur so zu deuten, dass der dem Perimysium externum der embryonalen Säulen eigene Quellungsvorgang an der weiteren Säulenperipherie die Binde- gewebselemente zu anfangs unvollständigen Scheiden zusammendrängt, in- dem jedem Säulenindividuum dadurch gleichsam der später erforderliche Raum gesichert wird (vergl. Taf. 1.). Die definitive prismatische Gestaltung der Säulen, resp. der elek- trischen Platten entsteht also nicht durch das Aneinanderdrängen der wachsenden Platten, sondern durch das Aneinanderdrängen der gequollenen Perimysien. Die anfänglich noch gleichwerthig erscheinende Provinz des letzten Kiemenbogens ist jetzt bereits von dem verbreiterten Organ vollständig überflügelt und erscheint als ein schmales, etwa dreieckiges Muskelfeld am hinteren, inneren Winkel des Organs (x der Taf. 1.). 9) Zu dieser Zeit ist die Plattenbildung bereits in vollem Gange, da sie im vollendeten Stadium rajiforme sofort ihren Anfang nimmt. Charak- teristisch ist für die Einleitung des Processes die Häufigkeit der Kern- theilungsfiguren, wobei die ursprünglich längliche Figur des Kernes an den Tochterkernen in eine regelmässige runde übergeht. Die gebildeten Kern- gruppen ordnen sich reihenweise neben einander in querer Richtung zur BEITRÄGE ZUR EMBRYOLOGIE VON TORPEDO. 77 Säulenaxe an, während der zugehörige Zellkörper unter Vermehrung des Protoplasma’s ihnen in gleicher Richtung folgt und dicke, kuchenförmige Körper (Babuchin’s „Plattenbildner‘) darstellt, als die erste Anlage der elektrischen Platten. | Birnförmige „Plattenbildner“, wie sie nach Hrn. Babuchin’s Abbil- dung des Säulenlängsschnittes die embryonalen Zellen hier und da aus- einander drängen, kann ich an meinen Praeparaten nicht finden, doch glaube ich gern, dass durch Maceration isolirte Elemente solche Gestalt annehmen können. Auch habe ich mich nicht davon überzeugen können, dass der Process der Kernvermehrung nur vom Bauchende der embryo- nalen Faser seinen Ursprung nimmt. Die je nach dem Alter der Säule längeren oder kürzeren (uerreihen der proliferirenden Kerne sind so dicht gestellt, dass das zu ihnen gehörige Protoplasma nur an dünnsten Schnitten überhaupt zu umgrenzen ist, zumal zwischen den runden Kernen der ent- stehenden Platten sich noch Babuchin’s „innere Belegzellen“ einschieben. Demnach erscheint mir der Vorgang der Kernvermehrung als das wesent- liche Moment der Plattenbildung, die Wucherung des Protoplasma’s nur ein untergeordnetes, was auch der weitere Verlauf bestätigt, nämlich Zurückbildung des Protoplasma’s der Platte bei Erhaltung der Kerne, welche an den ausgebildeten Platten von einem fast leer erschei- nenden Hof umgeben sind. 10) Mit der Kernvermehrung geht bei steigender Regelmässigkeit der Plattenanordnung ein Untergang der musculären Längsfaserung einher, von welcher nur die früher von mir beschriebenen, von der „Couche dorsale“ (Ranvier) ausgehenden, bindegewebigen Verbindungen zwischen den Platten übrig bleiben. Je weiter die Nucleation vorschreitet, um so stärker wird der Säulendurchmesser; ob dabei auch Verschmelzungen benachbarter Kern- gruppen, resp. der umhüllenden Protoplasmamassen vorkommen, ist schwer festzustellen, doch erscheint sie mir unwahrscheinlich. Während im ersten Stadium der Säulenbildung die Kerne der embryonalen Muskelfasern im Allgemeinen länglich, die der bindegewebigen Zwischensubstanz rundlich sind, hat sich jetzt das Verhältniss umgekehrt, indem die Plattenkerne rundlich, die Scheidenkerne länglich, platt oder unregelmässig geworden sind. Die weiteren Veränderungen der zum nervösen Glied gehörigen „in- neren Belegzellen“, sowie der „äusseren Belegzellen“ der Säulen, welche ebenfalls hauptsächlich zu den Nerven und Gefässen in Beziehung treten, hat Hr. Babuchin mit ebenso grosser Sorgfalt als Geschicklichkeit ver- folgt, und habe ich zur Zeit dazu Nichts hinzuzufügen, sondern bestätige sie vollkommen. | 11) Ausser diesen histologischen Elementen der Organe selbst ist noch die Entwickelung der elektrischen Nerven zu berücksichtigen. Auch in 1 diesem Kapitel schliesse ich mich Hrn. Babuchin vollständig an; beson- ders hervorheben möchte ich aber dabei, dass es leider vollkommen richtig ist, wenn der genannte Autor klagt, wie schwierig oder unmöglich es sich- erweist, die sehr früh in dichten Bündeln auftretenden Nervenfibrillen ihrer Entstehung nach auf Zellen zurückzuführen, so plausibel solche Herleitung auch erscheint. Hierin müssen wir aber weiteren Aufschluss von der Zu- kunft erhoffen. £ Ä Es exsciebt sich aus der Summe der vorstehend verzeichneten Be- obachtungen, dass die ganze Entwickelung der elektrischen Organe in allen ihren einzelnen Phasen unverträglich ist mit der Annahme, es fände sich am ausgebildeten Thier noch eine Vermehrung der Säulen. Die Betrach- tung lehrt gleichzeitig, welche Anforderungen man hinsichtlich des Nach- weises im extrauterinen Leben entstehender Säulen histologisch zu stellen hätte. An dieser Stelle sei mir vergönnt auf die grosse Zuvorkommenheit hin- zuweisen, mit welcher mich sowohl die zoologische Station zu Neapel als auch die Österreichische zu Triest, und endlich die französische zu Villa- franca mit reichlichem Material versorgt haben. Den Leitern dieser Sta- tionen, den HH. Prof. Dohrn, Prof. Claus.und Dr. Barrois, spreche ich hierdurch meinen herzlichsten Dank aus, zumal demjenigen der französischen Station, der mich in liebenswürdigster Weise unterstützte, obwohl die Um- stände mich leider verhinderten, mit ihm persönlich in Verbindung zu treten. 18 GUSTAY FRITSCH: EMBRYOLOGIE VON TORPEDO. Zeichenerklärung zu Taf. 1. Horizontalschnitt durch das rechte elektrische Organ von Torpedo ocellata. O. = elektrisches Organ. Br. = Kiemen. L, IL, III, IV. = die durchschnittenen elektrischen Nerven. 1—6 = die durchschnittenen Visceralbögen. a—f = die tieferen Kiemenmuskeln. x = äusseres Muskelfeld des letzten Bogens. Darf die Grosshirnrinde der hinteren Partie als Ursprungs- stätte eines epileptischen Anfalls betrachtet werden? Experimentelle Untersuchung von Dr. S. Danillo aus St. Petersburg, Seit den bekannten Untersuchungen von Hitzig und Fritsch über die elektrische Erregbarkeit der Grosshirnrinde haben sich allmählich die heutigen Ansichten über die Localisation in derselben entwickelt. Spätere - Untersuchungen bewiesen, dass ausser den motorischen Functionen die Hirnrinde gewisser Partien eine engere Beziehung zu speciellen Sinnes- wahrnehmungen hat, deren corticale Centra in gewissen Bezirken der Gross- hirnrinde projieirt sind. Es schien also, dass die Localisation der verschiedenen Functionen in entsprechenden Gebieten der Grosshirnrinde gewissermaassen als eine auf festen Grundlagen ruhende Thatsache betrachtet werden konnte. Besonders überzeugend für die specielle Beziehung der hinteren Partie zu den Sinnes- wahrnehmungen sind die Untersuchungen über die Seh- und Hörsphären bei Säugethieren und Vögeln (Munk, 1). In der letzten Zeit erschien aber eine Arbeit von Unverricht (2), in der der Verfasser mit grosser Bestimmtheit behaupten zu können glaubt, dass ein epileptischer Anfall durch die elektrische Reizung der Sehsphäre erzeugt werden kann, und dass dieselbe als Ursprungsstätte eines solchen Anfalles angesehen werden muss (a. a. 0. S. 233). Diese Meinung berührt eine Frage von so wichtigem Interesse, dass wir mit Vergnügen den Vorschlag des Hrn. Prof. H. Munk annahmen, die Beziehung des hinteren Gehirnlappens zur elektrischen Reizung einer experimentellen Prüfung zu unterziehen. 80 S. DANILLO: Die Frage, die uns hier zur Entscheidung vorliegt, ist, kurz gefasst, diese: Unter welchen Umständen kann die elektrische Reizung der hinteren Hirnrindenpartie einen allgemeinen Krampfanfall erzeugen? Hängen diese Reizeffecte von directer Erregung dieser Partie oder von anderen Umständen ab, die erst noch eruirt werden müssten? Die Stellung der Frage ist in dieser Form nothwendig, weil man ausser der oben angeführten Arbeit von Unverricht noch eine Angabe von Eckhard aus dem Jahre 1872 findet, die im schroffen Gegensatz zu Unverricht’s Meinung steht. Nach Eck- hard’s Meinung gelingt es niemals, durch elektrische Reizung einen epi- leptischen Krampf von der hinteren Hirnoberfläche aus hervorzurufen (Kussmaul, Störungen der Sprache. 1881. II. Auflage. $. 121). Openchowski (8) endlich hat manchmal epileptoide Anfälle bei Hunden in Folge der Erfrierung der hinteren Hirnregion bis zur Brett- härte beobachtet. Er meint, dass ein epileptiformer Krampfanfall durch die Reizung der verschiedensten Partien der Grosshirnrinde hervorgerufen wer- den könne. Zuletzt kommt jedoch der Verfasser, welcher seine Schlüsse "mit aller Vorsicht zieht, zu dem Ergebniss, dass für die Localisationsfrage die’ Methode der Erfrierung nicht zu empfehlen sei. Die Gründe nun, welche Unverricht zu dem oben angeführten Schlusse führen, sind folgende. In seinen Versuchsprotocollen findet man über die Reizungseffeete der hinteren Region folgende Angaben: Im Ver- suche 1 war auf diese Reizung ein Aufreissen beider Augen gefolgt (a. a. O. S. 236). Da aber sofort darauf das Orbiculariscentrum gereizt war, so kann man vermuthen, dass die Wirkungen des früheren Reizes mit denen des nachfolgenden summirt seien. Die Ergebnisse dieses Versuches sind für die uns beschäftigende Frage unverwerthbar. Das Gleiche gilt von einem anderen Versuche an demselben Thiere, wobei die inneren Partien der hin- teren Region gereizt wurden. Hier sind weder Reizdauer, noch Stromstärke angegeben, Umstände, die, wie wir später zeigen werden, von der grössten Wichtigkeit sind. Aehnliches gilt ferner auch vom zweiten Versuche (a. a. O. S. 239). Hervorzuheben ist nur hier, dass die Reizung an mehreren Stellen von keinem sichtbaren Effect gefolgt war; erst später brach ein Anfall aus, der als ein spontaner angesehen werden darf, da an demselben Thiere schon früher ein solcher Krampfanfall beobachtet war. Im Versuche 8 (a. a.0. 8.247) wurde die Reizung des mittleren Wulstes nach Freilegung der rechten Hälfte einen Tag später, als die der linken, vorgenommen. Dieser Umstand ist auch von Wichtigkeit, da bekanntlich entzündliche Vorgänge im ersten Stadium die Erregbarkeit der Grosshirnrinde erhöhen. Dass sie sich unter diesen Umständen entwickelten und dann auf die an- dere, frisch blossgelegte Seite übergreifen konnten und mussten, ist selbst- verständlich, da die Gefässe der Dura und der Pia beider Gehirnhälften ÄNGEBLICHE EPILEPSIE VON DER. HINTEREN GROSSHIRNRINDE Aus. 81 anastomosiren. Dass ein solches Uebergreifen stattgefunden hat, ersieht man auch aus der Schilderung des Verfassers (a. a. 0. 8. 248). Reiz- effectte können in diesem Falle nicht als reine angesehen werden. Von Versuchen 9, 14 und 15 gilt dasselbe, was wir früher vom 1. und 2. Ver- suche gesagt haben. Hervorzuheben ist nur im 15. Versuche, dass längere Reizung der hinteren Partien keinen Krampf erzielen liess. Die Schlüsse des Verfassers sind durch seine Versuchsprotocolle also nicht völlig be- stätigt. Um nun eingehender die Frage der Ergebnisse nach elektrischer Reizung der hinteren Hirnrindenpartie zu behandeln, haben wir im physio- logischen Laboratorium von Prof. Munk eine Reihe von Versuchen an- gestellt. Zu den Versuchen wurden ausschliesslich Hunde, 4:5 bis 7 ker schwer, gebraucht. Die Trepanation und Blosslegung der Oberfläche einer ganzen Hirnhälfte wurde unter schwacher Aethernarkose vorgenommen, vorher aber wurde eine subeutane Einspritzung von Morphiumlösung von 1 bis 3" pro Kilo des Gewichts gemacht. Wie bekannt, ist bei solcher Morphiumnarkose die Erregbarkeit der Grosshirnrinde nicht herabgesetzt, sondern etwas erhöht. Die elektrische Reizung wurde in allen Fällen nicht früher als 25 bis 30 Minuten nach der Beendigung aller vorbereitenden Operationen vor- genommen, also erst dann, wenn die Aethernarkose vollständig gewichen war. Zur Reizung gebrauchten wir Platinknopfelektroden mit einem Schlitten- inductorium von du Bois-Reymond, von einem Daniell getrieben. ! Der Beginn und das Aufhören der Reizung geschah durch einen Schlüssel von du Bois-Reymond. Nach der Anlegung von Elektroden in verticaler Richtung wurde der Schlüssel geschlossen und von diesem Moment die Reizdauer in Secunden bestimmt. Der Kürze wegen werden wir in der weiteren Beschreibung die Stärke der Ströme — den Rollenabstand in Centimetern und ihren Bruchtheilen durch RA mit betreffenden Ziffern (1,2...), die Reizdauer durch RD bezeichnen. Wie bekannt, ruft die Tetanisation eines gewissen sogenannten moto- rischen Feldes durch kurze und schwache Ströme eine entsprechende Be- wegung hervor. Vor Allem war also die Aufmerksamkeit darauf zu richten, ob sich dieselben Effecte bei denselben Reizen von der hinteren Partie der Rinde aus hervorbringen lassen. Es erwies sich, dass, während man vorn einen sehr deutlichen Krampfanfall bei einem gewissen Reizwerthe erzielt, derselbe ! Da es sich in der vorliegenden Untersuchung nur um summarische Wirkungen der Ströme handelte, so nahmen wir Abstand, uns der unpolarisirbaren Elektroden zu bedienen, wie sie von uns für eine frühere Arbeit (Archives de physiologie, 1882) mit einigen Modificationen nach Heidenhain und Bubnoff eingerichtet waren. Archiv f. A. u. Ph. 1884. Physiol. Abthlg. 6 82 S. DANILLO: subminimal für verschiedene Punkte der hinteren Lappen (Sehsphäre in ihrem ganzen Umfange, Hörsphäre und andere Stellen) bleibt. Versuch I. Hund von 7*%e" Gewicht ungefähr, 6%" Morphium. Tre- panation links. Tetanisation des Vorderbeincentrums. RA=8 RD=5. Schon nach 2 bis 3 Secunden ergiebt sich eine tonische Zuckung mit Hervorstreckung in der entgegengesetzten Pfote, dann gehen die Zuckungen auf das Hinterbein über, und laufen endlich in einen halbseitigen Klonus aus, der die Reizung mehrere Secunden über- dauert. Jetzt werden die Elektroden auf die Sehsphäre gestellt. Keine motorischen Aeusserungen bei demselben Reizwerthe. 10 Minuten später wird derselbe Versuch mit demselben Erfolge wiederholt. Nach 10 Minuten wieder Reizung RA=5, RD=5): keine motorischen Aeusserungen. Nach 10 Minuten dasselbe bi RA= 3, RD=5. Nach 10 Minuten bi RA=1, RD=5: leises Winseln, tiefere Athmungs- bewegungen, die jedoch allmählich verschwinden. Nach 18 Minuten bei RA=0, RD=5 dasselbe Die Reizung aber einer beliebigen Stelle der vorderen Partie bi RA=0, RD=1-—2 ruft einen heftigen doppelseitigen Krampfanfall hervor, dessen einzelne Phasen schwer zu verfolgen sind, und der die Reizung einige Minuten überdauert. Es erwies sich also, dass man durch kurze Reizung mit Inductionsströmen, sogar von hochgradiger In- tensität, keinen Krampfanfall von der hinteren Hirnrindenpartie aus be- kommen kann. Um nachsehen zu können, wie sich die Erregbarkeit der betreffenden Partien bei entzündlichen Vorgängen verhalten würde, wurde demselben Hunde am folgenden Morgen die rechte Hirnhälfte blossgeleet. Die Dura wie die Pia zeigten die bekannten Erscheinungen des ersten Stadiums der Entzündung (Röthe, Trübung u. s. w.). Nach vollständigem Aufhören der Narkose (Aether ohne Morphium) wurde der gestrige Versuch wiederholt, mit den oben angeführten Resultaten. Es wurden noch einige Versuche in derselben Richtung angestellt, mit denselben Resultaten; sie hier zu wieder- holen, wäre überflüssige. Es erwies sich nämlich, dass trotz der entzünd- lichen Vorgänge kurze Reizungen doch subminimal für die hintere Partie bleiben. Da es schon früher von Prof. Munk angegeben war, dass die Er- zeugung eines Krampfanfalles durch Reizung ausserhalb der motorischen Zone stattfinden kann, aber nur bei hinreichender Verstärkung des Stromes, und der Effect auf Stromschleifen beruhen kann (s. bei Wernicke, a.a. 0. S. 230), so griffen wir zu höheren Reizwerthen, um einen solchen Anfall von der hinteren Partie aus hervorrufen zu können. Da diese Versuche uns die wichtigsten Resultate EL so werden wir sie etwas genauer darstellen. ÄANGEBLICHE EPILEPSIE VON DER HINTEREN (FROSSHIRNRINDE Aus. 83 Versuch II. Hund von 5%*s" Gewicht ungefähr, 4° Morphium, Blosslegung der rechten Hirnhälfte. Nach 30 Minuten Pause bekommt man von der Sehsphäre keinen Anfall bei RA = 9, RD = 30. Nach 15 Minuten dasselbe bi RA=6, RD= 30. Nach 15 Minuten bei RA=4, RD= 50 keine Bewegungen in den Gliedern, sowie in den Muskeln des Kopfes. Dasselbe auch bei RA=1, RD = 30, Von der vorderen Partie dagegen bekommt man bei diesem Reizwerthe dieselben Ergebnisse, wie im Versuche 1. Versuch III. Hund von 6-5 ker Gewicht ungefähr, 7 °" Morphium. Blosslegung der linken Gehirnhälfte. Reizung der hinteren Partie (Seh- sphäre; Stelle A. Wernicke, a. a. O0. S. 210, Fig. 70), ki RA=[7, RD= 60 hat keinen Erfolg. Dasselbe wurde noch viermal mit demselben Erfolge in Zeitabständen von 10 zu 10 Minuten wiederholt. Bei höherem Reizwerthe (RA = 4, RD = 60) bekommt man von der Stelle A Zuckungen im entgegengesetzten Ohre, die den Reiz fast nicht überdauern. Vor diesen Zuckungen bemerkt man Winseln des Thieres und Athmungsbeschleunigung. 15 Minuten später, da das Thier ganz ruhig liegt, bekommt man bei RA = 2, RD = 60 von derselben Stelle aus einen Krampfanfall. Diesem Anfalle gehen folgende Erscheinungen voraus: Zusammenfahren des Thieres, Winseln und Zuckung im durchschnittenen M. temporalis derselben Seite. Der Krampfanfall fängt an, wie früher, mit Zuckungen im entgegen- gesetzten (rechten) Ohre, dann im M. orbieularis derselben Seite. Zu diesen gesellen sich klonische Zuckungen im linken Orbicularis, jedoch sehr schwach ausgeprägt; dann werden die Zunge, die Vorderpfote, die Hinter- - pfote rechts von Zuckungen ergriffen, dann gehen die Krämpfe auf die linke Seite über, von der hinteren Pfote anfangend, und lösen sich in einen allgemeinen Klonus auf, der die Reizung noch ungefähr 2 Minuten über- dauert. 15 Minuten später wurde dieser Versuch mit demselben Resultate wiederholt. Es ist noch hervorzuheben, dass man bei schwächerem Reiz- werthe (RA = 3, RD = 60) nur klonische Zuckungen im entgegengesetzten ÖOhre und Auge zu sehen bekommt. Die oben angeführten Versuchsprotocolle bestätigen also die Meinung von Munk und zeigen, dass man, um einen Krampfanfall von der hinteren Hirnrindenpartie aus erzeugen zu können, zu solchen Reizmitteln greifen muss, bei welchen von einer engbegrenzten Wirkung der Ströme keine Rede sein kann. Dass es sich hier um Reizung durch Stromschleifen handelt, ersieht man schon daraus, dass dem Anfalle Symptome der Reizung der Dura und der benachbarten Muskeln vorangehen, zu welchen erst später sich Zuckungen in verschiedenen Muskelgruppen des Kopfes und der Extremitäten gesellen. g* 84 S. DANILLO: Beobachtet man nun genauer, wie die verschiedenen Muskelgebiete vom Krampfe ergriffen werden, so sieht man, dass er in derselben Reihenfolge eintritt, wie sie von hinten nach vorn in der Grosshirnrinde projieirt sind. Ferner glauben wir uns zu dem Schlusse berechtigt, dass dem RD nicht, . wie es Unverricht will (a. a. O. S. 233), eine grössere Rolle, als der Stromstärke, zugeschrieben werden kann. Nehmen wir die Zahl der Unter- brechungen während einer gewissen Zeitdauer als constant an, so zeigen unsere oben angeführten Versuche, dass von den beiden Componenten des Reizwerthes (RD und RA), wenn der eine (RD) sich subminimal für die hintere Partie erwies, er doch vollständig wirksam für die vordere war. Die Reizeffecte hängen also nicht nur vom RD ab, sondern auch von dem Orte, wo derselbe angewandt wird. | Da die Reizung in dem Rindengebiete geschah, das mit dem unteren Längsbündel im Zusammenhange ist, und ausserdem die Symptome .der Reizung der Dura und benachbarten Muskeln zeigten, dass die Stromschleifen sich in allen Richtungen fortpflanzen, so musste nun die Frage gelöst werden, auf welchem Wege diese Wirkung der Stromschleifen gehemmt werden könne Um den Weg zum unteren Längsbündel auszuschalten, wurde folgender Versuch angestellt. Versuch IV. Hund von ungefähr 7-5 ker Gewicht, 6 Morphium. Abtragung beider Schädelhälften mit Zurücklassung einer knöchernen Brücke über dem Sinus longitudinalis. Von der Stelle A der Sehsphäre rechts bekommt man bei RA=4, RD=15 einen bekannten Anfall, der doppelseitig verläuft. 15 Minuten später bekommt man bei demselben Reizwerthe wieder einen Anfall. Wäh- rend nun bei demselben die Zuckungen im linken Ohre beobachtet wer- den, wird ein tiefer Schnitt horizontal von hinten nach vorn durch die Mitte des Hinterhauptslappens geführt. Der Anfall wird dadurch weder verändert noch gehemmt. Er dauert fort und hört ca. 3 Minuten nach den ersten Zuckungen im entgegengesetzten Ohre auf. 15 Minuten später wird mit demselben Reizwerthe von derselben Stelle der Oberfläche mit demselben Erfolge ein Anfall, wie der frühere, hervor- gerufen. Eine halbe Stunde später wird derselbe Versuch (Reizung, Schnitt- führung und abermalige Reizung) links mit demselben Resultat wiederholt. Nach der Erhärtung des Gehirns in Alkohol sieht man, dass der Schnitt rechts etwas tiefer geführt ist, als links. Rechts erstreckt er sich 1-.5°® von hinten nach vorn, dicht unter der Sehsphäre anfangend, in einer Tiefe von ungefähr 2-5°®. Links ist er bei derselben Breite der Schnitt- fläche nur 1°® tief. In dieser Breite ist die unten liegende weisse Sub- stanz völlig von den oberen Schichten abgetrennt. ri ANGEBLICHE EPILEPSIE VON DER HINTEREN GROSSHIRNRINDE AUS. 85 Dieser Versuch lehrte uns also, dass die Uebertragung des Reizes durch tiefer liegende Faserschichten nicht vermittelt wird, denn nach der Aus- führung des Schnittes konnte man doch wieder einen Krampfanfall erzeugen. Da also die Reizung hauptsächlich durch die Hirnoberfläche sich fort- pflanzen muss, so wurde, um einen directen Nachweis davon zu bekommen, folgender Versuch gemacht, um die hintere Partie von der vorderen ab- zutrennen. Versuch V. Hund von ungefähr 58" Gewicht, 5%" Morphium. Blosslegung beider Halbkugeln. Bei RA=3, RD=30 bekommt man von dem mittleren Theile der hinteren Partie rechts nur Winseln und Zusammenfahren des Thieres. Bei RA = 2, RD = 60 bekommt man Bewegungen in der Musculatur der entsprechenden Hälfte des Kopfes und klonische Zuckungen im ent- gegengesetzten Ohre. 15 Minuten später bi RA= 1:5, RD = 75 tonische und dann klonische Zuckungen im Ohre, Auge der entgegengesetzten Seite, dann im Kiefer, in der Zunge, Vorder- und Hinterpfote, dann dasselbe in aufsteigender Richtung auf der anderen Seite des Körpers. Die Krämpfe überdauern den Reiz ungefähr zwei Minuten. 10 Minuten später wird mit RA = 1, RD = 9% wieder ein Anfall her- vorgerufen. Während desselben wird, als die Zuckungen sich im linken Vorderbeine zeigen, vertical zu der Fissura longitudinalis dicht vor der Sehsphäre ein Schnitt auf eine 1-5 ® lange und 5-.6"m tiefe Strecke ge- führt. Der Krampfanfall dauert jedoch fort, wie vor der Ausführung des Schnittes. Die Wunde der Hirnrindenoberfläche wird mit Feuerschwamm bedeckt, und der Hund in Ruhe gelassen bis zum Aufhören der Blutung, was 20 Minuten später geschieht. Jetzt wird die Hirnoberfläche von Blutgerinnseln gereinigt, der Feuer- schwamm abgenommen und abermals dieselbe Stelle, wie vor dem Schnitte, bei demselben Reizwerthe wie früher, gereizt. Man bekommt nur sehr lautes Winseln und Heulen des Hundes und Zusammenfahren, aber keine anderen motorischen Vorgänge. Fünf Minuten später bei RA = 0, RD = 120 dasselbe. Diese Reizung wurde noch einige Male mit demselben Erfolge wiederholt.‘ Zwei Stunden später wird der obige Versuch mit Reizung, Schnitt- führung und abermaliger Reizung derselben Stelle auf der linken Seite ausgeführt. Ausser diesem Versuche wurden noch einige solche angestellt, ‚die alle zeigten, dass ein querverlaufender seichter Schnitt von 4 bis 4-5 "m Tiefe durch die Hirnrinde der hinteren Partie einen bestehenden Krampf- ‘ Dieser Versuch wurde zusammen mit Prof. Munk ausgeführt. 86 | S. DANILLO: anfall nicht aufhalten kann, nach der Anlegung eines solchen Schnittes aber sogar maximale Reizwerthe vollständig wirkungslos bleiben, um einen Krampfanfall durch die Reizung der hinter einem solchen Schnitte be- findlichen Rindenpartie hervorrufen zu können. Die Einwirkung solcher Reize documentirt sich nur durch Reizerscheinungen der Dura und Zuckun- gen benachbarter Kopfmuskeln. Bei solchen Gehirnen, die in Alkohol gehärtet sind, sieht man, dass nach einem Schnitte von 4 bis 6" Tiefe und 1-5 und sogar 1°” Breite die Reizung der hinteren Partie erfolglos blieb, dass also schon durch sehr seichte Schnitte das Entstehen der Krämpfe gehemmt wird. Was den Mechanismus der Hemmung betrifft, so glauben wir, ihn auf folgende Weise erklären zu können. Die Stromschleifen, die vor dem Schnitte ungehindert weitergreifen und also eine entsprechende Modification der Elemente der vorderen Partie her- vorrufen können, sind nach Anlegung eines solchen Schnittes, der von einer Blutung in die Wunde begleitet ist, anstatt weitergreifen zu können, durch das Blut als guten Leiter von der vorderen Partie abgeblendet. Zu diesem Umstande gesellt sich selbstverständlicher Weise auch das rein mechanische Moment der Abtrennung von Associationsfasern, die, wie es Exner (5) nachgewiesen hat, in verschiedensten Richtungen die graue Substanz der Grosshirnrinde durchflechten. Diese beiden Ursachen, also Blutung und Durchtrennung der Bahnen, erklären genügend die Erscheinung, dass nach solchem Schnitte die Krämpfe bei Reizung ausbleiben. Dass der Schnitt den bestehenden Krampfanfall nicht aufhalten kann, erklärt sich durch den Umstand, dass vor dem Schnitte schon eine entsprechende Modification der vorderen Partie durch die Stromschleifen und die Associationsfasern er- folgt war. | Solche Modification, die sich durch einen Krampfanfall documentirt, _ kann auch durch den folgenden Versuch bewiesen werden. Wie bekannt, hebt die Exstirpation des gereizten motorischen Rinden- bezirkes nach Entstehen des Krampfanfalles denselben auf (Munk bei Wer- nicke a.a.0. 8.241). Durch diesen Eingriff wird also die Fortpflanzung des Reizes gehemmt und ausserdem die Ursprungsstätte der Reizung ent- fernt. Diese Thatsache spricht also für die selbständige Erregbarkeit ge- wisser Stellen der Grosshirnrinde der vorderen Partie. Macht man aber denselben Versuch an einer beliebigen Stelle der hinteren Partie, so dauert doch der Krampfanfall, wie früher, fort. Als Beispiel geben wir hier einen solchen Versuch: Versuch VI. Hund von ungefähr 5*s" Gewicht, 3°" Morphium. Blosslegung beider Gehirnhälften. ANGEBLICHE EPILEPSIE VON DER HINTEREN GROSSHIRNRINDE Aus. 87 Von der Sehsphäre (Stelle A) erzeugt man einen Krampfanfall mit RA=5, RD = 120, der während drei Minuten alle seine Phasen doppel- seitig durchmacht. Eine halbe Stunde später wird von derselben Stelle (rechts) wieder ein Anfall hervorgerufen, mit demselben Reizwerthe. Wäh- rend der Periode der klonischen Zuckungen im entgegengesetzten Ohre wird durch einen von vorn nach hinten mit einem krummen Messer geführten Schnitt eine möglichst grosse Partie der Sehsphäre abgetragen. Die Krämpfe greifen jedoch weiter auf Orbicularis, Kiefer, Zunge u.s. w. Der ganze Krampf- anfall unterscheidet sich gar nicht von dem früheren. Eine halbe Stunde später. wird derselbe Versuch auf der anderen Seite mit denselben Resultaten wiederholt. Die abgetragenen Rindenpartien haben ca. 1-5. im Durchmesser und sind in ihrer Mitte ca. 5 bis 6" diek. Die Schnitte greifen also ziemlich tief in die weisse Substanz ein. Man ersieht also, dass die Modi- fication der Elemente der Hirnrinde nicht durch die Enfernung der ge- reizten Stelle verändert wird, die nur als leitende Substanz anzusehen ist, aber keineswegs als Ursprungsstätte der Muskelzuckungen, wie das mit vollem Rechte für die vordere (sogenannte motorische) Partie behauptet und nachgewiesen war. Die Thatsache, dass Reizwerthe, die für die vordere Partie vollkommen wirksam sind, für die hintere subminimal bleiben, kann ausserdem als experimentelle Erklärung einiger klinischen und pathologisch-anatomischen Befunde der Grosshirnrinde angesehen werden. Es ist nämlich bekannt, dass manche Neoplasmen und entzündliche Vorgänge in der Rinde des Hinterhauptslappens beim Menschen während des Lebens latent bleiben, und nur die Section zeigt ausgesprochene pathologische Veränderungen, deren Anwesenheit von keinen Motilitätsstörungen begleitet war, während in anderen Fällen wieder dieselben Laesionen mit Krampfanfällen ver- bunden waren. Durch die oben angeführten experimentellen Thatsachen über die Ver- schiedenheit der Einwirkung derselben Reizwerthe nach dem Orte, wo sie angewandt wurden, erklärt sich dieser scheinbare Widerspruch zwischen latenten und nicht latenten Laesionen der hinteren Partie der Grosshirn- rinde. In den Fällen, wo der Reiz subminimal blieb, hat sich auch die Laesion durch keine Störung documentirt. In anderen Fällen wieder stieg der Reiz zu solcher Schwellungshöhe, dass dadurch eine entsprechende Modification der motorischen Zone hervorgerufen wurde, die sich auch dann durch eine Motilitätsstörung documentirte, welche experimentell und kli- nisch nur ausschliesslich durch Weitergreifen des Reizes und nachfolgende Summationswirkungen desselben erklärt werden kann und muss. Für diese letzte Ansicht sprechen, wie wir glauben: das Ausbleiben 88 S. Danınno: des Krampfanfalles beim Hunde nach querer oberflächlicher Abtrennung der vorderen Partie der Hirnrinde von der hinteren, bei nachfolgender elektrischer Reizung der letzteren, und das Fortdauern der Krämpfe nach der Exstirpation der hinteren Partie, wie auch nach einer horizontalen Abtren- nung der oberflächlichen Schichten der Gehirnsubstanz an derselben Stelle. Zum Schluss wollen wir uns erlauben, einige Bemerkungen über die | Arbeit von Hrn. Unverricht betrefis des Typus der Krämpfe und des Ein- flusses von Narcoticis beizufügen. Obgleich der Verfasser meint, dass die Krämpfe, die durch Absinth- essenz hervorgerufen sind, nicht mit denen der gemeinen Epilepsie identi- fieirt werden können (a. a. O. S. 184), so war dennoch die Form der Motilitätsstörung, die er als einen recidivirenden Krampfanfall bezeichnet, schon früher von uns (a. a. 0. Fig. 6) in einer gewissen Periode der Ver- oiftung durch Absinthessenz graphisch als ein recidivirender Klonus. dar- gestellt. Unter Umständen geben also verschiedene Reize dieselben Erfolge. Was ferner den Einfluss von Chloral und Aether betrifft, so ist doch die krampfstillende Wirkung des Chlorals seit langer Zeit bekannt. Uyon und mehrere andere Forscher haben gezeigt, dass die Einwirkung des Chlorals einer Ausschaltung der Grosshirnrinde gleich ist. Strychninkrämpfe werden bekanntlich durch Chloral-Injectionen aufgehalten; endlich werden Krämpfe, die durch Absinthessenz hervorgerufen sind, auch durch Chloral- Injectionen in’s Blut aufgehalten, wie wir (a. a. 0. S. 588) es gezeigt haben. Diese krampfstillende und anaesthesirende Wirkung des Chlorals sollte also eigentlich den Verfasser gar nicht überraschen, wie er auf S. 214 seines Aufsatzes sagt, wenn ihm nur litterarische Angaben mehr bekannt wären. Und was die Einwirkung des Aethers betrifft, so ist auch seine krampfstillende Wirkung seit Hitzig’s Untersuchungen bekannt. Später wurde dasselbe noch durch die Untersuchungen von Braun und Albertoni bestätigt, obgleich diese Forscher von diesem Standpunkte von Hrn. Unverricht dort nicht ceitirt worden sind, wo er über den Einfluss des Aethers auf Krämpfe spricht. Sämmtliche Gehirnpraeparate und die wesentlichsten Versuche unserer Untersuchung wurden Hrn. Prof. Munk demonstrirt, dem wir unseren besten Dank für seine freundliche Hülfe aussprechen. r wen, ri DR e z T 2 u, _ ÄNGEBLICHE EPILEPSIE VON DER HINTEREN @ROSSHIRNRINDE AUS. 89 bj Litteratur. m. H. Munk, Gesammelte Abhandlungen über die Physiologie der Grosshirnrinde. 3erlin 1881. — Sützungsberichte der Berliner Akademie der Wissenschaften. 1883. 5. 793— 827. “ 1.2, Unverricht, Experimentelle und klinische Untersuchungen über Epilepsie. Irchiv für Psychiatrie. 1883. Bd. XIV. 8. 175—262. 3. Openchowski, Action localisee du froid ä la surface eortieale du cervean. Jomptes rendus de la Societe de Biologie. 1883. p. 38—48. a: 4. S. Danillo, Influence de Yalcool ethylique et de P’essence d’absinthe sur les jnetions motrices du cerveau etc. Archives de physiologie. 1832. 5. 8. Exner, Ueber den feineren Bau der Grosshirnrinde. Sitzungsberichte der Viener Akademie der Wissenschaften. 1881. Februar. 6. Wernicke, Lehrbuch der Gehirnkrankheiten. 1881. Bd. 1. Ueber die Contraction der Vagina bei Kaninchen. Von Dr. med. N. W. Jastreboff aus St. Petersburg. (Früher 1. Assistent an der geburtshülflichen und gynaekologischen Klinik des Hrn. Prof. Slaviansky in der medicinisch-chirurgischen Akademie.) (Aus der speciell-physiologischen Abtheilung des physiologischen Instituts zu Berlin.) Seit der Arbeit von Frommel,! die unter Leitung des Hrn. Professor H.Kronecker ausgeführt worden ist, hat die Untersuchung über Innervation und Contraction des Uterus mit Anwendung der graphischen Methode einen neuen Boden gewonnen. Ich will damit die Bedeutung der ganzen \ Reihe von Arbeiten, welche bis dahin über diese Frage von vielen Gelehrten ausgeführt worden sind, nicht mindern, da die von ihnen constatirten Thatsachen ihren Werth behalten. Der Charakter aber und die Form der normalen Contractionen, ebenso wie ihre Veränderung unter verschiedenen Bedingungen, in welche das Thier bei der Untersuchung gebracht wird, sind nur bei der Anwendung einer solchen Methode genau zu erforschen, welche die Subjectivität des Autors ausschliesst. Wir haben also aus den Arbeiten der Frommel’schen Vor- gänger treffliche Fingerzeige erhalten, konnten aber durch dieselben Keine genaue und vollständige Einsicht in die ungestörten physiologischen Vor- gänge im Uterus erwarten. Bei der Frommel’schen Untersuchung war die Beobachtung des Be von derjenigen der Vagina nicht vollkommen getrennt, denn das ! Ueber die Bewegungen des Uterus. Zeitschrift für Geburtshülfe und Gynae- kologie. 1882. Bd. VIII. Hft. 2. S. 205. — Auszug auch in den Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft. 9. Febr. 1883. Dies Archiv. 1883. 8. 259. ÜBER DIE ÜONTRACTION DER VAGINA BEI KANINCHEN. 91 über den Muttermundstrichter gebundene Stück vom Scheidengewölbe konnte oft sogleich, oder nachdem es etwas gedehnt war, Contractionen ausführen, welche sich zu den Impulsen des Uterus auf die Flüssigkeitssäule im Luftkapselrohre zu addiren vermochten. Daher war es sehr wünschenswerth nunmehr die Bewegungen der Vagina und diejenigen des Uterus ganz ge- sondert zu untersuchen. Die Bewegungen der Vagina sind in der Litteratur über die Physiologie _ der weiblichen Geschlechtsorgane meist nur ganz nebenbei beachtet worden bei Untersuchung des Uterus. Dieser Mangel ist um so auffallender, als die Mehrzahl der Unter- suchungen über die Innervation und Contraction der Gebärmutter an Kaninchen gemacht worden ist, deren Uterus im Sinne der physiologischen Thätigkeit dem menschlichen nicht ähnlich ist; denn beim Kaninchen dient er eigentlich nur als Fruchtbehälter und hat nachher, bei der beginnenden Geburt nur die Aufgabe, die Frucht in die Vagina hineinzutreiben; diese letztere erst spielt beim Gebäract die thätige Rolle, d. h. sie presst; die reife Frucht, vermöge ihrer Contraction, durch den Beckenring. Nach dem Gesagten ist anzunehmen, dass die Vagina, der eine so wichtige complicirte Function zugewiesen ist, im Vergleich zu der Gebär- mutter mit grösserer Kraft und jedenfalls nicht minder genauen Regulatoren _ ausgestattet sein muss. Demzufolge hat vom Standpunkte der vergleichenden Anatomie und - Physiologie die Kaninchen-Gebärmutter zusammen mit der Vagina diejenige Bedeutung, welche bei dem Menschen der Gebärmutter allein zukommt, hier nur unwesentlich unterstützt von der Scheide. Deshalb habe ich den Vorschlag des Hrn. Prof. H. Kronecker, die - Contractionen der Vagina an Kaninchen zu untersuchen, dankbar angenommen. Cap. I. Historisches. Ich erwähnte schon, dass in der Litteratur Untersuchungen über die Contraction und Innervation der Vagina fast ganz fehlen. Unter den mir zugänglichen einschlägigen Werken habe ich nur eine Arbeit über diesen Gegen- stand von Dr. Ferd. Ad. Kehrer gefunden, die unter dem Titel „Ueber die Zusammenziehung des weiblichen Genitalcanals“ (Giessen 1864) erschienen ist. Ich erlaube mir auf die Einzelheiten dieser gründlichen Arbeit und seiner Untersuchungsmethode näher einzugehen, da die aus meinen Versuchen hervorgegangenen Resultate im Widerspruch zu denen des genannten Autors stehen. | 993 N. W. JASTREBOFF: Die beste Versuchsmethode ist seiner Meinung nach folgende (a. a. O. S. 11 und 12): | „Man bindet das Kaninchen, mit dem Rücken nach unten, auf ein Brett, und lässt es dann bis zur Beendigung der Operation durch Aether vollständig betäuben. Dann wird die Bauchhaut etwas unterhalb des Nabels in eine (Juerfalte gehoben und gerade über der Linea alba in der Länge von 10—14® eingeschnitten“ ...... „Die vorgefallenen Därme lässt man durch einen Gehülfen mittels eines Schwammes im oberen Theil der Bauchhöhle zurückhalten. Die Geni- talien werden nun dadurch allmählich der Betrachtung zugänglich gemacht, dass man mit feinen Häkchen die Wundränder nach aussen und nöthigen- falls die Harnblase nach unten ziehen lässt. Die Aetherisation wird ge- wöhnlich schon beim Beginn der eigentlichen Beobachtung unterbrochen.“ Kehrer fand bei seinen Beobachtungen der Contraction der Vagina drei bestimmt ausgeprägte Formen der Bewegung, welche alle darin überein- ° stimmen, dass sie aus der Verkettung zweier, so zusagen primärer Zusammen- ziehungen: aus einer Längscontraction (Verkürzung) und aus einer Quer- contraction (Verengerung des Genitalcanals sich hervorbilden (8. 12). „Er- greifen die beiden letzteren Bewegungen eine Zone des Canals nach der anderen, so entsteht nach Kehrer die fortschreitende Zusammen- ziehung oder die Progressiv-Contraction, welche die Richtung vom (rewölbe zum Eingang der Vagina peristaltisch oder umgekehrt antiperistaltisch einnimmt (S. 14). Erscheinen die zwei genannten Formen der Contraction örtlich beschränkt, so erzeugt sich eine andere Form der Contraction, die stationäre Einschnürung oder Strictur. Verfällt der ganze Genital- canal oder ein Uterushorn oder die Scheide in gleichzeitige allgemeine Zu- sammenziehung, so bildet sich eine Form aus, die Starrkrampf oder Tetanus genannt werden kann“ (S. 12). Kehrer giebt den Vorzug vor der Bezeichnung Spontancontractionen: dem Namen „rhythmische Contractionen“, welche entweder schon nach blosser Eröffnung der Bauch- höhle sich einstellen oder..... durch einmalige Reizung angeregt“ (S. 27). Er formulirt seine Ansicht darüber in folgenden Worten (S. 25): „Auf jede einmalige Reizung, welche nach Eröffnung des Peri- tonealsackes auf die bis dahin ruhigen Genitalien einwirkt und stark genug ist, eine kräftige fortschreitende Zusammenziehung zu erregen, folgt eine Summe fortschreitender Contractionen, die regelmässig periodisch in der Scheide, weniger regelmässig in den Eileitern und der nichtträchtigen Gebärmutter, längere Zeit hindurch bis zum Eintritt gewisser Veränderungen in den vitalen Eigenschaften dieser Theile sich wiederholen.“ Als noth- wendige Bedingung des Zustandekommens dieser Contractionen giebt er ÜBER DIE (ÜONTRACTION DER VAGINA BEI KANINCHEN. 93 an, dass die Rr. sacrales der Plexus hypogastriei posteriores nicht verletzt und getrennt sein dürfen; auch darf das Blut der Genitalien nicht ent- leert sein. Auf die Frage, durch welche auf die Genitalien unmittelbar einwir- 'kenden Reize Bewegungen angeregt werden, giebt Kehrer folgende Antwort: „Durch den galvanischen Strom, durch chemische Mittel, wie Säuren, Al- kohol u. s. w., durch Wärmeentziehung oder Zufuhr, mechanische Reize, wie Berühren oder Streichen der Aussen- oder Innenfläche, durch Ein- spritzungen von Flüssigkeiten (destillirttem Wasser!) in die Genitalhöhle u. s. w.“ (S. 37). „Nach einer grossen Masse von eigenen Beobachtungen“ stellt Kehrer (S. 24) die Behauptung auf, dass in einer Reihe von Fällen die Geschlechts- theile reizlos genug sind, um gegen die mit ihrer Blossstellung nothwendig verbundenen Einflüsse: Luftzutritt zu den Theilen, Erkalten und'Lageverände- rung derselben nach Verschiebungen der Gedärme, nicht zu reagiren, dass man Viertel- und halbe Stunden die blossgelegten, aber weiter nicht be- rührten Genitalien beobachten kann, ohne mehr als Spuren einer Bewegung zu sehen. Aber, sagt Kehrer (8. 24), „es giebt ebenso unzweifelhaft Fälle, in denen, zumal bei Kaninchen mit massigen Genitalien und namentlich ‚bei trächtigen Thieren, die mit der Entblössung der inneren Geschlechts- theile nothwendig verknüpften Einflüsse, bei sorgfältiger Vermeidung ander- weitiger Reize hinreichen, kräftige Contractionen der Scheide und Gebär- mutter zu erwecken“. Seine vielfachen Versuche führen Kehrer zu fol- genden Schlusssätzen (S. 28): I. „Die rhythmischen Bewegungen der Scheide erlöschen nach der Trennung aller Sacraläste der Plexus hypogastrici posteriores entweder sofort ‚vollständig, oder man beobachtet nachher noch 1—3 regelmässig fortschrei- tende Contractionen.“ II. „Exstirpation des Plexus hypogastricus magnus und Trennung der Nn. spermatici interni und uterini anteriores lässt die rhythmischen Utero- Vaginal-Contractionen fortdauern.“ HI. „Die Fähigkeit, auf einen angewendeten Reiz in eine einmalige fortschreitende Bewegung zu verfallen, überdauert die Durchschneidung aller genannten Nervenbahnen“ (S. 28). IV. AufGrund seiner Versuche kommt Kehrer ferner zu dem Schluss, dass die Öentren für die rhythmischen Vaginal-Contractionen weder in den Ganglien des Pl. hypogastr. poster. oder magnus, noch in denen des Pl. mesentericus, noch in den Ganglien der Scheidewände selber zu suchen sind, sondern im Rückenmark oder Gehirn (8. 29). | 94 N. W. JASTREBOFF: V. Weiter, auf S. 30, sagt Kehrer: dass die vollständige Ablösung der Scheide von ihrer Umgebung ihre Bewegung vollständig aufhebt. „Derselbe Erfolg wird nach Eröffnung der Genitalgefässe bei unverletzten Nerven ebenfalls beobachtet“ (S. 30). VI. „Durch elektrische, chemische und mechanische Reizung des Pl. hypogastr. magnus lassen sich in den ruhenden Genitalien nicht mit Sicher- heit Contractionen auslösen und Charakter und Rhythmus der eingeleiteten Bewegungen nicht verändern“ (S. 30). VD. „Elektrische Reizung der Rr. sacrales eines Pl. hypogastr. post. erregt Contractionen in den nach dem Tode ruhig gewordenen Genitalien“ (S.31). VII. Nach Unterbrechung des Genitalkreislaufes durch einfache Unter- bindung der Aorta abdominalis oder der Cava inferior oberhalb des Abgangs der Vasa spermatica oder durch gleichzeitige Ligatur beider Gefässe treten zunächst keine oder nur sehr schwache Zusammenziehungen in dem ruhenden.- Genitalcanal auf, und dauern die bereits angeregten rhythmischen Bewe- gungen gewöhnlich noch eine gewisse Zeit unverändert fort, während später deren Energie vermindert und deren Rhythmus verlangsamt wird“ (S. 32). IX. „Nach dem asphyktischen Tode treten gewöhnlich rhythmische Contractionen in den bis dahin ruhigen Genitalien ein und überdauern denselben gleich den schon vorher beobachteten Bewegungen noch eine gewisse Zeit. Sie halten länger an bei trächtigen als bei nichtträchtigen Thieren“ (8. 34). X. „Injection von Flüssigkeiten in die Bauchaorta erregt in den ruhigen Genitalien rhythmische Contractionen und vermehrt vorübergehend die Fre- quenz und Energie der bereits eingetretenen rhythmischen Bewegungen“ Kehrer betont dabei, dass nicht die Qualität des Gefässinhaltes die wesent- liche Ursache der nach der Injection erwachten, bezw. kräftiger auftretenden Muskelbewegungen sei, wie Brown-Sequard nach der verschiedenen Wir- kung von venösem und arteriellem Blute in den Uterusgefässen angenommen hatte, sondern der verstärkte Druck im Gefässsystem (S. 35). Dabei aber bedient er sich zur Injection blossen (!) Wassers und ganz indifferenter (?) Leimlösung, welche ihm heftige Reizerscheinungen verursachen. XI. „Nach Durchschneidung sämmtlicher Genitalgefässe, d. h. nach dem Eintritt einer vollkommen acuten Anaemie verfallt die Vagina ın einen vorübergehenden Tetanus, wonach alle rhythmischen Bewegungen aufhören.“ (8. 35.) Inwieweit die Ergebnisse meiner eigenen an 64 Kaninchen angestellten Untersuchungen mit den Kehrer’schen Resultaten übereinstimmen, ne die folgende Darstellung a ÜBER DIE (ÜONTRACTION DER VAGINA BEI KANINCHEN. 95 Cap. II. Versuchsanordnung. Jedes Kaninchen wurde rücklines auf dem Czermak’schen Halter ‚befestigt und während des ganzen Versuchs in einen schon von Frommel! gebrauchten, unten (S. 105) näher beschriebenen Wärmeapparat gebracht, weil sich Kaninchen in unveränderlicher Rückenlage abzukühlen pflegen. Die Temperatur des Kaninchens wurde durch ein im Rectum gehaltenes Thermometer gemessen. Durch den Wärmeapparat floss aus einem Wasser- bade beständig Wasser von 38—39° C. und der Durchfluss wurde so re- gulirt, dass das Thier stets seine normale Temperatur behielt. Niemals, nicht vor Beginn und nicht im Anfange des Versuches wurde das Thier durch irgend welche narkotische Mittel betäubt, es blieb also in denjenigen Fällen, welche zur Erforschung der normalen Contraction dienten, ‚das Thier während der ganzen Versuche, in den anderen während einer ganzen, etwa 50 Minuten dauernden Umdrehung des Kymographion-Cylinders, auf welchem die Contractionen sich aufzeichneten, unter den oben angegebenen allgemeinen Bedingungen. Wir nennen diese Bedingungen normal, da ‚sie nicht von denjenigen abweichen, unter welchen überhaupt ES ecche Versuche mit messenden Methoden ausgeführt werden. Ein Blutdruck- ‚versuch am nicht aufgebundenen Thier würde auch vielleicht andere Resultate geben, als wir gewohnt sind als normale anzusehen. In einer Reihe von "Versuchen habe ich folgendermaassen operirt: Mit Hülfe einer gebogenen Glassonde habe ich einen sehr dünnwandigen Gummibeutel (Condom) oder eine ‚Fischblase ohne jede Operation in die Vagina eingeführt. Nachdem ich die Sonde so vorsichtig entfernt hatte, dass der Ballon in der Vagina an seiner Stelle blieb, band ich das offene Ende des Ballon über einen Katheter a double courant mit zwei gabelförmig auseinandergehenden Röhrchen. Mit dem einen Ende des Gabelrohres war ein Glasröhrchen (Steigrohr) in ‚Verbindung, das an einem Stativ vertical befestigt war; durch das andere Röhrchen wurde Wasser von 38°—838-5°C. in den Beutel eingeleitet: solange bis es im Steigrohr eine Höhe von 5—10 m über dem Niveau der Scheide erreicht hatte. Die Menge der Flüssigkeit, welche hierzu nöthig war, hing Natürlich von der Grösse der Vagina ab, welche bei starken, schwangeren Kaninchen manchmal 20°” Länge und 5°” Breite erreicht. Wenn die Wandungen der Vagina genügend entfaltet waren, so wurde das zweite Röhrchen des Katheters abgeschlossen und das obere Ende des Steigeröhr- chens mit der Marey’schen Luftkapsel verbunden, deren Schreibhebel die Yaginalen Contractionen auf dem langsam rotirenden (in 50 Minuten eine — 2372.0. 8. 208. 96 N. W. JASTREBOFF: Umdrehung) Cylinder eines Ludwig’schen Kymographions! Baltzar’scher Construction zeichnete. — Die Zeichenkapsel war so gestellt, dass die Mem- bran mit dem horizontalen Schreibhebel nach unten gerichtet war, also mit vermehrter Luftspannung die Feder nach unten gedrückt wurde. Da- her bedeuten in den Curven die Senkungen: Contractionen der Vagina, die Erhebungen: Erschlaffungen. Die Anwendung des Katheters & double courant war unumgänglich nöthig, erstens, damit man beim Ein- spritzen des Wassers in den Beutel die Luft aus demselben entfernen und überhaupt (wie beim Herzen) alle Perfusionen verschiedener und verschieden temperirter Flüssigkeiten bequem bewerkstelligen konnte. Das in den Ballon eingebundene Ende des Katheters wurde durch den Vorhof bis 1 tief in die Vagina hineingeschoben, um von den Muskelcontractionen des Beckenausganges die Schrift der Vaginalbewegungen nicht stören zu lassen. Zu diesen Versuchen wurden 39 Kaninchen gebraucht, die auf verschiedenen Stufen des geschlechtlichen Lebens standen. Eine andere Reihe von Versuchen - wurde in folgender complicirterer Weise ausgeführt: Den Kaninchen wurde in der Linea alba die Bauchhöhle geöffnet, eine Gebärmutter eingeschnitten und durch diese Oeffnung ein gekappter elastischer Katheter bis in die Vagina eingeführt und durch den Vaginalvorhof nach aussen gebracht. Hier band man über sein Ende einen sehr dünnwandigen Gummischlauch, x dessen andere Oeffnung mit einem neusilbernen Katheter & double courant verbunden wurde. Darauf wurde der elastische Katheter zurückgezogen, bis der Schlauch in der Vagina zum äusseren Muttermund gelangt war und der Katheter & double courant 1°“ tief im dem hierdurch festge- schlossenen Scheideneingange steckte. Das freie Ende des elastischen Kathe- ters wurde mit dem Steigröhrchen nebst Luftkapsel in Verbindung ge- bracht. Nachdem endlich die Wunde der vorderen Bauchdecken zugenäht war, wurde das Kaninchen in den Wärmeapparat gebracht. | - Diese Versuchseinrichtung verursacht natürlich, im Vergleich zu der‘ vorhergehenden, eine Reihe von abnormen Bedingungen. Erstens sinkt während dieser Vorbereitungen bei geöffneter Bauchhöhle die Temperatur des Kaninchens bis auf 35° C., zweitens könnte das Oeffnen der Bauch- höhle und Einschneiden in die Gebärmutter reizend wirken, und drittens könnten Contractionen der Scheide in den ersten Stunden nach der Lapa- rotomie durch die beginnende reactive Entzündung des Bauchfells beein- flusst werden. Aber auf Grund einer Reihe von 20 Versuchen kann ich behaupten, dass die letzten zwei Momente keine Wirkung auf die Contractionen ! Im Verlaufe dieser Untersuchung wurden abwechselnd Kymographien gebraucht, von denen das eine einen rechtsdrehenden, das andere einen linksdrehenden Cylinder hat, daher ein Theil der Curven von links nach rechts, der andere von rechts nach links (wie die Pfeile der Figuren zeigen) zu lesen ist. wr, ÜBER DIE ÜONTRACTION DER VAGINA BEI KANINCHEN. 97 der Vagina ausüben; nur das Erkalten des Thieres bleibt nicht indifferent und für die Contractionen während der ersten Stunden ist die Temperatur _ bis zu welcher das Thier erkaltet, maassgebend. Erwärmt man das Kanin- chen bis 38°C, so bekommt man wieder die normalen Contractionen. Endlich habe ich fünf Versuche ausgeführt, bei denen das Thier ganz in der soeben beschriebenen Weise vorbereitet wurde; nur zum Aufschreiben der vaginalen Contractionen habe ich zwei an Länge und Durchmesser gleiche Kapseln und zwei Glasröhrchen gebraucht. Das untere Ende eines der Glasröhrchen habe ich mit dem äusseren Ende des Katheters, der durch den Uterus in die Vagina eingeführt wurde, vereinigt, wie ich es in der zweiten Reihe der Versuche schon gemacht habe, während ich das untere Ende des zweiten Glasröhrchens mit dem ersten Röhrchen des Katheters ä double courant vereinigt habe, wie es in der ersten Reihe der Versuche ge- schah. Das Wasser wurde in den Ballon durch das zweite Röhrchen des Katheters a double courant eingespritzt, wie in den beiden vorhergegangenen Versuchsreihen. Wir können also mit Hülfe dieser Methode zwei Curven bekommen, welche die Contraction der Vagina verdeutlichen, da das Wasser aus dem Ballon während der Contractionen in die beiden endständigen Glasröhrchen hereingetrieben wird, so dass also während der Contraction die Federn der beiden Kapseln sinken und während der Erschlaffung beide Federn empor- steigen. So erhalten wir zwei übereinander gezeichnete Curven. Cap. III. Die rhythmischen automatischen Bewegungen der | Scheide des Kaninchens. Bevor ich mich mit dieser Arbeit beschäftigte, habe ich beim Operiren der Bauchhöhle zu anderen Zwecken den Uterus und die Vagina stets in Bewegung gesehen. Ich wusste aber dann nicht, ob diese Contraetionen nicht als Resultate der ausgeführten Operation, die als ein starkes Reizmittel ist, zu betrachten sind, oder vielleicht durch den Luftzutritt zu den Ge- schlechtstheilen veranlasst. Aber als ich die zweite Versuchsreihe der vorliegenden Arbeit anstellte, habe ich nicht selten beim Oeffnen der Bauchhöhle bis zum Einschnitt in den Uterus, um den Katheter in die Vagina einzuführen eine 0.6 procen- tige Kochsalzlösung von 38-5°C. in die Bauchhöhle gegossen und be- obachtete dabei, dass die Contractionen der Vagina und des Uterus fort- dauerten. Bei den 60 Versuchen, von welchen manche ganz, während einiger Stunden, dem Beobachten der ungestörten Contractionen gewidmet Archiv f. A. u. Ph. 1884. Phys. Abthlg. 7 98 N. W. JASTREBOFF: wurden, alle anderen wenigstens während einer !/, bis ?/, Stunde (ent- sprechend einer halben oder ganzen Umdrehung des Kymographioncylinders) habe ich in der ersten Versuchsreihe, wie ich schon angegeben habe, gleich am Anfange normale Contractionen, bekommen und in der zweiten und dritten Reihe, nach Erwärmung des Thieres bis zur normalen Tem- peratur. Ich muss dabei bemerken, dass vom Moment der Einführung des Ballon in die Vagina — ein Act, welchen man als einen heiz be- trachten könnte, bis zum Aufschreiben der Contractionen nicht weniger als 20 Minuten vergingen. Die normalen Contractionen folgen einander in ziemlich regelmässigen Zwischenräumen und gewöhnlich auch in ziemlich gleicher Intensität bei einem und demselben Thiere. Als Beispiel der nor- malen Contraction diene die Curve Nr. 1. (Fig. 1). —_—_ 5 7 Fig. 1. Normale automatische Contractionen der Vagina eines Kaninchens. Contractionsfrequenz: 2 pro 1 Minute. Hier wie in allen folgenden Abbildungen entspricht 1 em Abseissen- länge 1 Minute. Die zeitliche Folge der Curven zeigt der Pfeil an. Die Contractionen sind stets nach unten geschrieben, die Erschlaffungen nach oben. Ich kann folglich auf Grund der 60 Versuche, von welchen manche im Laufe von einigen Stunden, bei ständiger Unterhaltung der normalen Temperatur, und ohne irgend welche künstliche Veränderung im Organis- mus durchgeführt wurden, sagen, dass die Vagina im normalen Zu- stande immer spontane, rhythmische Contractionen macht. Jetzt wollen wir die Form der Contractionen der Vagina und ihre gra- phische Darstellung bei Anwendung verschiedener Hülfsmittel des Auf- zeichnens näher prüfen. Um mir die Uebersetzung der vaginalen Contractionen in ihre gra- phischen Zeichen klar zu machen, habe ich beim Oeffnen der Bauchhöhle während des Versuches den Verlauf der Zusammenziehungen sorgfältig be- obachtet und hiermit die gleichzeitigen Aufzeichnungen verglichen. Weiter habe ich bei den Versuchen der zweiten Reihe an laparoto- mirten Thieren Contractionen direct gesehen. Diese Beobachtungen sind für mich darum von grosser Wichtigkeit, weil ich Contractionen von Va- oinen gesehen habe, in deren Höhle kein Ballon und keine Flüssigkeit sich befanden. Ich hatte folglich nachher bei der Oeffnung der Bauch- höhle während des Versuches, als der Ballon und die Flüssigkeit in der ÜBER DIE CONTRACTION DER VAGINA BEI KANINCHEN. 99 Scheide waren, die Möglichkeit, die Formen der Contractionen zu vergleichen, und bin mit Hülfe vieler Beobachtungen zu dem Schlusse gekommen, dass die Form der Contractionen der Vagina durch das Einführen des Ballons und des Aufblähen desselben mit Flüssigkeit in keiner Weise geändert wird. Beim Beobachten der Scheidenzusammen- ziehungen in dieser Weise ergiebt sich, dass sie ziemlich complieirt sind. - Die Vagina theilt sich nämlich bei ihren Contractionen in einige Abschnitte, deren Zahl 3—9 und noch mehr erreichen kann, meist wachsend mit der Länge des Organs. Die Länge der Abschnitte schwankt zwischen 1/,—2°”, Um diese stückweisen Contractionen kürzer zu beschreiben, wollen wir den einfachsten Fall einer von mir beobachteten kurzen Vagina anführen, welche sich in drei Abschnitte theilte: den vorderen an den Gewölben, hierauf _ einen mittleren, und den hinteren am Eingang der Vagina. Von den Gewölben beginnend durchlaufen die Contractionen ausser- ordentlich schnell den vorderen Abschnitt und sistiren einen Moment, während dessen dieser ganze Abschnitt in einer Periode vollständiger Con- traction erscheint. Hiernach durchläuft die Contraction ebenso schnell wie ‘den ersten auch den mittleren Abschnitt und erhält ihn in diesem Zu- stande während einer kurzen Zeit. Nach diesem Aufenthalte geht die Con- traction in derselben Weise in den hinteren Abschnitt über. Die Erschlaf- fung geht in folgender Weise vor sich. Wenn der zweite Abschnitt sich zu contrahiren beginnt, erschlafft der vordere in derselben Folge, wie er ‚sich früher contrahirte; nachher, wenn der hintere Abschnitt sich zu con- trahiren beginnt, erschlafft der mittlere. Darauf erschlafft auch der hintere Abschnitt und wenn er denjenigen Grad der Erschlaffung erreicht hat, welcher zu dieser Zeit in den vorhergehenden besteht, bleibt das ganze Organ nor- maler Weise eine kleine Anzahl von Secunden im Zustande allgemeiner Erschlaffung. Hiernach beginnt die folgende Contraction der Vagina in derselben Ordnung. Ausser diesen peristaltischen Contractionen, beobachtet man auch solche in der entgegengesetzten Richtung vom Eingang zu den Gewölben, ver- laufende, d. h. antiperistaltische Contractionen. Was die von Kehrer beschriebenen Einschnürungen oder Strieturen betrifft, so habe ich sie in normalen Fällen nicht beobachtet, nach dem "Tode aber, oder beim Leben, als das Thier bei geöffneter Bauchhöhle bis 30°C. erkaltete und die Scheide bedeutend austrocknete, also in solchen Fällen, in denen die spontanen Contractionen der Vagina ausblieben, gelang es mir auf jeder beliebigen Stelle der Vagina, wo ich Nadelelektroden an- legte, Einschnürungen hervorzurufen. — Auch einen Tetanus der Vagina habe ich in der Form, wie ihn Kehrer beschreibt, d. h. als gleichzeitige m ‘ 100 | N. W. JASTREBOFF: Contraction des ganzen Organs, nicht gesehen, sondern habe beı geöffneter Bauchhöhle nur folgende Contractionsformen beobachtet: Nach einem gewissen Reiz in der Vagina erscheinen Zusammenzie- hungen, die entweder von dem Gewölbe oder von der entgegengesetzten Richtung anhebend, durch das Organ verlaufen; aber von den ebenbeschrie- benen normalen peristaltischen oder antiperistaltischen sich dadurch unter- scheiden, dass der erste Abschnitt nicht erschlafit bevor die Contraetion des zweiten Abschnittes beginnt, sondern im contrahirten Zustande verharrt. Auf diese Weise, bleibt, wenn die Contraction das Organ durchlaufen hat, die ganze Vagina eine gewisse Zeit im Zustande allgemeiner Contraction, d. h. eines Tetanus. Cap. IV. Deutung der graphischen Darstellung der Vagina- Contractionen. Wir wollen wieder den einfachsten Fall nehmen, welchen ich öfters zu beobachten Gelegenheit hatte: wenn nämlich die Vagina bei ihren Con- tractionen sich in drei Abschnitte theilt. In der ersten Reihe meiner Ver- suche, wenn der Ballon mit seinem blinden Ende am Gewölbe lagert, er- halten wir bei peristaltischen Contractionen Folgendes: Bei der Contraetion des vorderen Abschnittes, wird das Wasser aus diesem durch die zwei folgenden Abschnitte in das Glasröhrchen verdrängt, in welchem das niedrige Niveau der Flüssigkeit steigt; demzufolge stürzt die Luft in die Kapsel und ihre Feder zeichnet auf der sich drehenden Trommel eine fast verticale absteigende Linie. Wenn die Contraction im ersten Abschnitte geendet hat, bleibt die Feder für einen Moment stehen. Nachher, wenn der mittlere Abschnitt sich contrahirt, stürzt erstens die Flüssigkeit in den. erschlafften ersten Abschnitt zurück und zweitens geht ein allerdings unbedeu- tender Theil von ihr in den hinteren Abschnitt und von hier nach dem Röhrchen über, daher in diesem das Niveau der Flüssigkeit nur wenig weiter steigt, was vielleicht auch durch den Gegendruck der Flüssigkeit im Glasröhrchen bedingt ist, in dem das Niveau bei der Contraction des ersten Abschnittes gestiegen war. Dem Ebengesagten zufolge wird die Feder bei der Contraction des mittleren Abschnittes nur wenig weiter herabgedrückt und bleibt hierauf wieder für einen Moment stehen. Bei der Contraction des hinteren Abschnittes endlich geht die Flüssigkeit in einer noch grösse- ren Quantität in die erschlafften mittleren und vorderen Abschnitte über und nur ein unbedeutender Theil von ihr geht in das Röhrchen über, wo- durch die Feder nur ganz wenig mehr sinkt und dann wieder stehen bleibt. ÜBER DIE ÜONTRACTION DER VAGINA BEI KANINCHEN. 101 Bei der Erschlaffung des hinteren Abschnittes steigt die Feder nach oben bis zum Niveau der Ausgangslinie, auf welcher sie während der Er- schlaffungsperiode des ganzen Organs horizontal verläuft. Nachher zeichnet sich in gleicher Weise die folgende Contraction auf. Bei den antiperistaltischen Contractionen sehen wir dieselben Erschei- nungen, wie die bei den peristaltischen Bewegungen beschriebenen, wenn das blinde Ende des Ballons am Eingang der Vagina und das offene Ende an ihren Gewölben liegt, also am entgegengesetzten Ende wie in dem vori- gen Versuchen. Dabei ist Folgendes zu bemerken: Der vordere Abschnitt contrahirt sich derart, dass er die Flüssigkeit zumeist in den mittleren und hinteren - Abschnitt verdrängt, während nur ein kleiner Theil in das Glasröhrchen übergeht, das Niveau seiner Flüssigkeit nur unbedeutend hebend. Darum sinkt die Feder in diesem Falle bei der Contraction des vorderen Ab- schnittes sehr unbedeutend. Wenn hierauf der mittlere Abschnitt sich eontrahirt, findet die Flüssigkeit Widerstand im hinteren Abschnitte, weil dieser bei der Contraction des vorderen überfüllt worden, und dringt daher durch den erschlafften vorderen in das Glasröhrchen. Dadurch steigt in ihm schnell und beträchtlich das Niveau der Flüssigkeit, die Feder sinkt darum vertical und bleibt nachher einen Moment stehen. Bei der Con- _ traction des hinteren Abschnittes sinkt die Feder wenig, da sein flüssiger Inhalt hauptsächlich im mittleren und vorderen Abschnitten bleibt und nur ein kleiner Theil von ihm in das Glasröhrchen übergeht, zumal in diesem auch der Gegendruck beträchtlich gewachsen ist. Wenn der hintere Abschnitt zu erschlaffen beginnt, steigt die Feder in die Höhe. Um diese Beobachtungen zu controliren, habe ich Versuche angestellt, in welchen der in die Vagina eingeführte Ballon an seinen beiden Enden offen war. Bei der Peristaltik (siehe Curve Nr. 2) rückt, während der Contraction des vorderen Abschnittes die Flüssigkeit in das hintere, d. h. in das mit dem Eingang der Vagina vereinigte Röhrchen, und der Schreib- hebel der (unteren) Kapsel wird steil fast vertical herabgedrückt. Während - der Contraction dieses Abschnittes strömt die Flüssigkeit nicht in das vordere Röhrchen, weswegen die Feder der zweiten (oberen) Kapsel noch in Ruhe bleibt. Bei der Contraction des mittleren Abschnittes geht die Flüssigkeit aus ihm in das vordere Röhrchen über und darum sinkt die Feder ihrer Kapsel. Bei Beginn der Contraction des hinteren Abschnittes dringt die Flüssigkeit zunächst in das hintere Röhrchen, sodann in grösserer Menge hauptsächlich in den mittleren und vorderen Abschnitt, so dass nur wenig “mehr in das vordere Röhrchen des Gewölbenendes (obere Kapsel) tritt. Wenn der hintere Abschnitt erschlafft, steigen beide Schreibhebel. Bei der Antiperistaltik haben wir die umgekehrte Darstellung der 102 N. W. JASTREBOFF: Contractionen (siehe Ourve Nr. 3). Wir sehen also bei allen drei Methoden des Aufschreibens, dass die Feder so lange fällt, bis die Contraction das ganze Organ durchlaufen hat und sich nur dann zu erheben beginnt, wenn die Erschlaffung des letzten contrahirten Abschnittes anfängt. WA DV a NT nl) Big. 2. 1 Peristaltische Contraction der Vagina. Der an beiden Enden offene Schlauch in der Vagina ist am Vorhofende mit der unteren Schreibkapsel verbunden (untere Curve), am Gewölbeende mit der oberen Kapsel (obere Curve). In dieser Weise geschehen die Contractionen in den einfachen Fällen. Diese Fälle aber kommen selten vor. Gewöhnlich kann man bei einer grösseren Länge des Organs auch eine grössere Zahl der Abschnitte unterscheiden, welche die Contraction schnell durchläuft. Die Contraction des einen Abschnittes ist von der Con- traction des anderen durch eine kurze Pause geschieden. Es ist selbstver- ständlich, dass die resultirende Contractionscurve ausserordentlich complieirt werden muss, ohne ein Bild der componirenden Vorgänge zu geben; deshalb haben wir darauf verzichtet, die kurzdauernden kleinen Schwankungen auf der Curvenzeichnung durch Auseinanderziehen der Curven (also schnelle Rota- tion des Kymographioneylinders) bestimmbar zu machen, sondern haben es vorgezogen, die groben charakteristischen Differenzen deutlich zu machen, indem wir bei langsamer Rotation der Trommel viele Contractionseurven nahe neben einander in ein Gesichtsfeld brachten. ÜBER DIE CONTRACTION DER VAGINA BEI KANINCHEN. 103 Bevor wir die Beschreibung der Methode verlassen, will ich noch be- merken, dass es wichtig ist, beim Einspritzen der Flüssigkeit in den Beutel die Aufmerksamkeit darauf zu richten, dass die Vagina genügend gefüllt Fig. 3. Antiperistaltische Contraction der Vagina. Von beiden Enden gezeichnet. Obere Curve vom Vorhofende, untere Curve vom Gewölbeende. sei, aber nicht ausgedehnt werde. Bei einer nicht genügenden Füllung und bei einem grossen Organ entleert sich die Flüssigkeit während des Contrahirens nur aus einem Abschnitte in den anderen und kommt so nicht in das Steigröhrchen. Bei übermässiger Füllung, wenn das Organ stark ausgedehnt wird, finden keine Contractionen statt. (Gewisse Grade der Ausdehnung verstärken die Contractionen, oder machen sie unregel- mässig.. — Um dies zu vermeiden, darf man die Beutel nur soweit füllen, bis die Wand des Organes während seines Ruhezustandes nicht mehr ge- faltet ist. Zu solcher Füllung genügt es in den meisten Fällen, dass die Flüssigkeit im Steigröhrchen auf 5—10® über das Niveau der Vagina steigt. 104 N. W. JASTREBOFF: Cap. V. Vagina-Contraetionen in verschiedenen Lebensphasen der Kaninchen. Mehrere meiner Versuche sind an Thieren ausgeführt, die nicht ge- boren haben, unter welchen junge, nicht ganz erwachsene und vollständig erwachsene waren; ausserdem viele an solchen Thieren, die schon geboren haben, die sich aber ausserhalb der Trächtigkeits- und Nachgeburtsperiode befanden; weiter sind Versuche an trächtigen Thieren in ihren verschiedenen Schwangerschaft-Perioden angestellt worden; und endlich Versuche an sol- chen, die kurz nach der Entbindung waren: an verschiedenen Tagen dieser Periode. Die Untersuchung der Curven, welche von Vagina-Öontractionen dieser Thiere bei normalen Bedingungen des Versuches gewonnen wurden, lehrten, dass die Vagina in allen Phasen des geschlechtlichen Lebens des Thieres spontane, rhythmische CGontractionen macht. Was die Frequenz betrifft, so zeigt sie keine Schwankungen, welche für diese oder jene Periode des individuellen und Gattungslebens des Thieres charakteristisch wäre. Die Schwankungen, welche im Rhythmus beobachtet wurden, haben. eher einen individuellen Charakter. Fig. 4. Vaginacontractionen eines unerwachsenen jungfräulichen Kaninchens. Fig. 5, Vaginacontractionen eines ausgewachsenen jungfräulichen Kaninchens. Ganz Anderes kann man in Bezug auf die Kraft der Contractionen sagen: Diese verändert sich bedeutend auch bei solchen Thieren, die nicht geboren haben, ihrem Alter gemäss. Die Vagina-Contractionen eines Thieres, das noch nicht geboren hat und nicht ganz ausgewachsen ist, sind schwach, nur im Stande, die Flüssigkeitssäule im Glasröhrchen wenig zu erheben, weswegen die Feder bei den Contractionen nur wenig sinkt. (Fig. 4). Bei einem Thiere, das noch nicht geboren hat, das aber vollständig ausge- n | | R ÜBER DIE ÜONTRACTION DER VAGINA BEI KANINCHEN. 105 wachsen ist, sind die Zusammenziehungen der Scheide stärker (s. Curve Nr. 5). Bei Kaninchen, die schon geboren haben, (s. Curve Nr. 6) sind die Contractionen schon stark genug, um das Niveau des Wassers im Glas- Fig. 6. Vaginacontractionen eines curarisirten Kaninchens, welches bereits geboren hat, aber weder schwanger noch im Puerperium ist. röhrchen auf 10° und manchmal noch mehr zu heben, was von der Grösse des Thieres, und folglich auch der Vagina abhängig ist. Die stärksten Contractionen der Vagina werden während der Trächtig- keit (vgl. Fig. 7 auf der nächsten Seite) und in ähnlicher Grösse in der Nachgeburtsperiode beobachtet. Cap. VI. Einfluss der Temperatur. Zunächst. sei die Einwirkung der Temperatur besprochen, da deren Veränderung während jeden Versuches in Betracht zu ziehen ist. Um die Temperatur des Thieres zu verändern, habe ich mich des von Hrn. Prof. Kronecker angegebenen, schon von Frommel gebrauchten Wärmeapparates bedient. Dieser Apparat besteht aus zwei wärmeflaschenartigen Halbeylindern aus Zinkblech mit doppeltem Mantel, zwischen deren Wänden warmes oder kaltes Wasser eirculirt, dessen Temperatur in einem Wasserreservoir mit Wärmeregulator constant erhalten wird. Aus diesem Reservoir fliesst das Wasser mit regulirbarer Geschwindigkeit in den einen (unteren) Halbeylin- der, und aus diesem, vermöge einer Rohrverbindung in den anderen (oberen), von wo die Ableitung in das Ausflussgefäss geschieht. Die eine Wärme- ylinderhälfte wird unter den Rücken des Thieres gelegt, die andere über dessen Bauch, doch so, dass sie den Bauch nicht drückt. 106 N, W. JASTREBOFF: So hatten wir die Möglichkeit, das Thier schnell oder langsam bis zu einer beliebigen Temperatur abzukühlen oder zu erwärmen. Speciell zur Erforschung der Einwirkung der Temperatur habe ich zwölf Kaninchen in verschiedenen Phasen des geschlechtlichen Lebens verbraucht. N. Fig. 7. Vaginacontractionen eines trächtigen Kaninchens bei normaler Temperatur. Bei der langsamen Erwärmung des Thieres, von 38°C. beginnend, beobachten wir, dass, wenn die Temperatur 39°C. erreicht, die Contractionen stärker werden und das ganze Organ sich in einem gewissen Tonus erhält, ÜBER DIE CONTRACTION DER VAGINA BEI KANINCHEN. 107 was sich auf den Curvenzeichnungen durch die Erniedrigung der Ruhelinie kund giebt, welche vom Schreibhebel während des erschlafften Ruhezustandes der Vagina geschrieben wird. Bei der weiteren Erwärmung sehen wir, dass mit Annäherung der Temperatur des Thieres gegen 40°C. der Tonus der Vagina und die Kraft der Contractionen sich vermindern, und diese zugleich sehr frequent werden. Zwischen 40° und 41°C. hören die Contrae- tionen entweder ganz auf, oder werden seltener, aber unregelmässig und sehr schwach. In einem Falle beobachtete ich, dass bei sehr langsamer Erwärmung des Thieres, während sechs Stunden von 38° bis 44-6 °C., die unregelmässigen Contractionen bis zu 44-2° fortdauerten, dann aber ver- schwanden. Bei 44.6°C. ging das Thier zu Grunde. Wenn wir die Thiere bis etwas über 40°C. erwärmt haben, so dass die Contractionen entweder verschwinden, oder unregelmässig und schwach geworden sind, sie hierauf abkühlen, so verändern sich Kraft und Rhyth- mus der Contractionen in der umgekehrten Ordnung, und bei der Abküh- lung bis 38°C. bekommen wir Contractionen, die sich von den zuvor bei dieser Temperatur erhaltenen in nichts unterscheiden. Wenn von der normalen Temperatur (38°) die Kaninchen abgekühlt werden, so erscheinen bei 37°C., die Contractionen verstärkt, aber ihr Rhythmus und der Tonus der Vagina bleibt unverändert; weiter zwischen 37° und 36 ° nimmt die Frequenz ab. Bei einer noch grösseren Abkühlung werden die Contractionen entweder immer seltener und gegen 31°C. folet eine nach der anderen manchmal erst nach Pausen von drei Minuten, in Ausnahmefällen sogar nach fünf Minuten, oder sie folgen schnell nach einander, aber jede Contraction und Erschlaffung geht ausserordentlich lang- sam vorüber. Hierfür kann Fig. 12 als Beispiel dienen, welche zur Erläuterung ‚anderer Vorgänge später ihren Hauptplatz finden soll. Fig. 12. Contractionen der Vagina bei Zimmertemperatur, etwa 20°C. Wenn wir das Thier, nachdem wir es langsam abgekühlt haben, zu erwärmen beginnen, bekommen wir die Veränderungen in den Öontractionen in der umgekehrten Ordnung, und wenn die Temperatur ihre Norm wieder . 108 N. W. JASTREBOFF: erreicht, erhalten wir wieder Contractionen, die sich von den früheren nor- malen in diesem Falle nicht unterscheiden. Bei der schnellen Erwärmung des normal temperirten (38°) Thieres, wenn alle eben beschriebenen Ver- änderungen binnen einer Stunde ausgeführt wurden, haben wir bis 39°C, denselben Effect, wie bei der langsamen in diesen Grenzen. Jenseits 39° werden die Contractionen schon unregelmässig und bei 40° hören sie ge- wöhnlich ganz auf. Wenn wir hierauf schnell abkühlen, so beobachten wir, dass, sobald die Temperatur etwas niedriger als 39°C. geworden, die Contractionen von Neuem erscheinen und sich nicht von den früher bei dieser Temperatur gewonnenen unterscheiden. Bei der Abkühlung des Thieres bis 35°C. sind die Contractionen zwar stark, aber werden sehr selten. Hiernach lassen sich folgende Sätze aufstellen: a) Erwärmung des Thieres über die Norm tonisirt das Or- gan und verstärkt die Contractionen; wenn die Temperatur im Rectum über 40°C. gestiegen ist, sind die Contractionen ge- wöhnlich schwach und unregelmässig oder verschwinden ganz. b) Abkühlung bis 37°C. macht die Contractionen stärker, ohne den normalen Tonus des Organs zu ändern. Bei weiterer Temperaturerniedrigung werden die Contractionen ausser- ordentlich langsam, dabei seltener, oder auch frequenter, so dass das Ende einer Contraction in den Anfang der nächsten ohne Pause übergeht. Cap. VII. Wirkung der Asphyxie und Anaemie. Wenn wir bei Beginn einer normalen Vagina-Contraction die Athmung aufhoben, indem wir nicht curarisirten Thieren die Trachea zuklemmten, oder bei curarisirten die künstliche Respiration unterbrachen, so sahen wir Vorgänge, wie sie die folgende Figur (Fig. 8) illustrirt. Die be- gonnene Contraction wird nicht unterbrochen; aber die Erschlaffung er- folgt schneller und wird nicht selten ausgiebiger, als bei den vorher- gehenden Contractionen. Darauf bleibt das Organ eine gewisse Zeit in einem erschlafften Zustande, welchem einige starke Contraetionen folgen; manchmal erhält sich das Organ auf der Akme der ersten begonnenen Contraetion während eines ziemlich langen Zeitabschnittes (bis 1”) — macht dann einige kleine Remissionen und erreicht bei den inzwischen erfolgenden Contractionen nahezu die Akme der ersten Contraction, worauf sie in eine längere Erschlaffung verfällt, welche viel ausgiebiger ist, als diejenige der | vorhergegangenen normalen Contractionen. Während dieser Erschlaffung sind ÜBER DIE ÜONTRACTION DER VAGINA BEI KANINCHEN. 109 entweder gar keine Uontractionen vorhanden, oder sie sind schwach. Wenn wir die künstliche Respiration wieder herstellen, so erfolgt eine starke Con- traction, und darnach wird der normale Typus der Contractionen allmäh- lich wieder hergestellt. Fig. 8. Contractionen der Vagina eines Kaninchens, dessen Athmung unterbrochen worden. Wenn wir beim curarisirten Thiere die künstliche Respiration absperren, so macht die Vagina entweder gar keine Contractionen, oder die letzteren sind sehr schwach. — Diese schwachen Contractionen dauern einige Minuten auch nach dem Tode und hören dann ganz auf. Wenn das Organ ganz aufgehört hat sich zu contrahiren und in einem Zustande der starken Erschlaffung erscheint, finden nach der Oeffnung der Bauchhöhle unter der Einwirkung des Luftzutritts keine Contractionen statt. Wenn wir, nach Oeff- nung der Bauchhöhle, die Vena cava durchschneiden,aus welcher dabei viel asphyktisches Blut ausfliesst, so beobachten wir, dass die Vagina gleich darauf sich zu contrahiren beginnt und einige starke Contractionen macht. Wenn wir die Respiration während der Pause der Contractionen unter- brechen (wir verwenden hierzu die seltenen Contractionen bei niedriger Temperatur des Thieres), so dauert die Pause eine gewisse Zeit, oder es entsteht sogar eine grössere Erschlaffung, worauf wieder eine oder einige starke Contractionen erscheinen; dem folgt wieder eine starke Erschlaflung, zuweilen unterbrochen von schwachen Contractionen, welche aber gleich nach dem Tode aufhören. Diese Erscheinungen können wir in folgenden Satz zusammenfassen: Wenn die Athmung unterbrochen ist, so wird die begonnene Contraction unverändert zu Ende geführt; vor der nächsten 110 N. W. JASTREBOFF: { | b bleibt die Vagina zwei- oder dreimallänger als zuvor erschlafft. Darauf erfolgt eine sehr starke Contraction und auf der Höhe derselben bleibt die Vagina lange (bis 1’) tonisch zusammen- gezogen. Hiernach macht sie eine Reihe von Contractionen und verfällt endlich in lang andauernde Erschlaffung. Zuweilen ist diese Reihe von Erscheinungen dahin abgewandelt, dass die erste Pausenverlängerung wegfällt und ebenso die tonische Anfangs- contraction. Die Erscheinungen bei Anämie sind denen bei Asphyxie etwas ähn- lich, — nur sind die Contractionen nach der Anämie stärker und beginnen in dieser Art nach kürzerer Anfangspause. Sogleich nach der Anämie, die entweder durch Eröffnung der Art. carotis oder des Herzens oder der Aorta und der Vena cava herbeigeführt worden ist, beginnt schnell eine Verstärkung und grössere Frequenz der vorhandenen Contractionen und nachher eine mehr oder weniger bedeutende Erschlaffung der Vagina, während deren die Contractionen seltener und schwächer werden. Wenn wir die Anämie während der Pause zwischen den Contractionen herbeiführen, indem wir uns dabei des Kälte-Rhythmus bedienen, dauert die Pause einige Secunden, und es beginnt nachher eine Reihe von oftwieder- holten und stärkeren Contractionen. Es macht also die Anämie die vaginalen Contractionen für eine gewisse Zeit stärker und fre- quenter. Cap. VIII. Fehlerquellen der Versuche. Jetzt hatten wir die Mittel, zu prüfen, ob unsere Versuchsweise die- selben oder andere Mängel enthält, wie die frühere (vor Frommel) geübte Beobachtungsmethode. Zunächst lag die Frage: wie verändern sich die vaginalen Contractionen nach der Oeffnung der Bauchhöhle während des Versuches? Am Ende jedes Versuches, der ohne vorherige Laparotomie angestellt wurde, haben wir die Bauchhöhle geöffnet, um uns zu überzeu- gen, ob der dünne Beutel in der Vagina gut liegt, d. h. ob er bis zum äusseren Muttermunde heranreicht, und ob genügend Flüssigkeit in ihn eingeführt worden. In manchen normalen Versuchen aber haben wir die Bauchhöhle früher, als das Thier noch nicht ermüdet und die Temperatur normal war, geöffnet, um erstens die Einwirkung des Luftzutritts zur Va- gina auf ihre Contractionen, und zweitens die Einwirkung der verschiedenen Reizmittel auf die unmittelbar an die Vagina grenzenden Organe zu er- forschen. > E- | ÜBER DIE (ONTRACTION DER VAGINA BEI KANINCHEN. 111 Weiter haben uns die Versuche gezeigt, dass die Bauchpresse bei der ruhigen Lage des nicht curarisirten Thieres, und die Athembewegungen keine Einwirkung auf die Contraction der Vagina haben; d. h. beiderlei Bewegungen erfolgen unabhängig von einander. Wenn wir die Bauchhöhle unter den obengenannten Bedingungen wäh- rend des Versuches Öffnen, ist der erste Effect der Entblössung der Vagina, Beschleunigung und Verstärkung ihrer Contractionen. Diese Erscheinungen werden in ausgeprägterer Weise bei trächtigen Thieren beobachtet. Diese Verstärkung und Beschleunigung aber dauern nicht lange: gewöhnlich gegen 1’ und in Ausnahmefällen bis 4 Minuten. Nachher ändern sich die Contractionen im Vergleich zu den normalen, d. h. wie diejenigen, welche vor der Oeffnung der Bauchhöhle bestanden, ähnlich wie bei Abkühlung: sie werden nur seltener oder zugleich länger. Endlich, ungefähr nach Ver- lauf einer halben Stunde nach Oeffnung der Bauchhöhle, werden die Con- tractionen unregelmässig, d. h. sie schwanken um eine Ruhestellung des Organs, welche bald der Erschlaffung, bald dem mehr oder minder voll- kommenen Tonus entspricht, und folgen einander in regellosen Zeitab- schnitten. Die erste dieser Erscheinungen, d. h. die Verstärkung und öftere - Wiederholung der Contractionen können wir durch die reizende Einwirkung der Luft bei Zimmertemperatur erklären. Die zweite Veränderung, d. h. die Verzögerung des Rhythmus oder die Langsamkeit des Verlaufes der Contractionen erklärt sich natürlich durch die Abkühlung, welche bei geöffneter Bauchhöhle schnell eintritt. Alle weiteren Veränderungen erklären sich durch die Vereinigung zweier Einwirkungen: der starken Erniedrigung der Temperatur des Thieres und der Austrocknung der Vagina. Diese Erfahrungen lassen sich in folgenden Satz zusammenfassen: Wenn man die Bauchhöhle geöffnet hat, folgen während einiger Minuten sehr frequente und verstärkte vaginale CGontractionen. Hiernach verändert sich der Rhythmus wie bei der Abkühlung. Schliesslich werden Rhythmus und Stärke der ÜContractionen ungleichmässig. Cap. IX. Einfluss mechanischer, thermischer und elektrischer Reize auf die normale oder experimentell lädirte Vagina. Wenn nach Oeffnung der Bauchhöhle erhebliche Veränderungen in den Contractionen eingetreten waren, was, wie ich schon sagte, nicht früher als in einer halben Stunde nach der Oeffnung der Bauchhöhle geschieht, 112 N. W. JASTREBOFF: und die Pause zwischen den einzelnen Contractionen oder ihren Abschnitten grösser werden, haben wir die Wirkung der verschiedenen Reize geprüft, welche das Bauchfell, die vordere oder die hintere Oberfläche der Vagina trafen. Von diesen Reizerregern zeigt sich die mechanische Reizung als die wirksamste. Es ist genügend diese oder jene Stelle der Oberfläche der. Vagina mit einem Glasstäbchen zu berühren, um die eingetretene Pause zwischen den spontanen Contractionen durch eine oder mehrere Zusammen- ziehungen zu unterbrechen. Wenn wir die Vagina ungereizt lassen, treten nach mehr oder weniger langer Pause eine oder mehrere spontane Contractionen auf. Wenden wir aber während der Pause wieder die mechanische Reizung an, so beantwortet die Vagina jeden Reiz mit einer Contraction; aber jede folgende Contraetion wird kleiner, als die vorhergegangene. Nicht weniger Positives lehrt von den örtlich angewendeten Reizmitteln die Wärme. Wenn wir die Vagina während der Pause mit kalter oder bis 40° C. erwärmter, 06 procentiger Kochsalzlösung übergossen haben, bekamen wir sofort eine oder mehrere Contractionen. Der Stärke nach waren diese Contractionen schwächer, als die nach der mechanischen Reizung erfolgenden. | Diese Reizmittel sind im Stande Contractionen auch nach dem Tode hervorzurufen, wenn die spontanen Contractionen aufgehört hatten. - Reizt man mit Hülfe eines du Bois-Reymond’schen Schlitteninduc- torıums verschiedene Stellen der vom Peritoneum bedeckten Vagina, so kann man durch einen einzelnen Schlag eine Contraction derselben hervor- rufen mittels tetanisirender Inductionsschläge eine Reihe von Zusammen- ziehungen. Wenn wir mechanische oder elektrische Reize beim lebenden Thiere, I; auf die freigelegte etwas ausgetrocknete Vagina einwirken liessen, oder nach Ablauf einer gewissen Zeit nach dem Tode, in welchen Fällen keine spontane Contractionen mehr vorhanden waren, so sahen wir nicht das ganze Organ, sondern nur die gereizte Stelle, in Form einer Ein- schnürung sich contrahiren. Diese locale Contraction war niemals auf der Trommel verzeichnet, weil die Flüssigkeit dabei von benachbarten Theilen der Vagina aufgenommen wurde, daher nicht in das Steigröhrchen überging. Ferner haben wir mehr als einmal den Uterus von der Vagina ab- gesondert und danach die Vagina sich weiter contrahiren sehen, und die Reizungen, der man sie während der Pause zwischen den spontanen Con- tractionen aussetzte, beantworten. Gelegentlich will ich noch bemerken, dass die von der Vagina abgesonderte und sogar ganz aus dem Körper entfernte und auf den Tisch gebrachte Gebärmutter ohne Reizanwendung ÜBER DIE CONTRACTION DER VAGINA BEI KANINCHEN. 113 oder in einer 0-6°/, Kochsalzlösung von 38° sich rhythmisch zu contra- hiren fortfuhr. Um nunmehr die indirect wirkenden Erregungen zu prüfen, wandte ich mich zuvörderst an die Nachbarorgane. Mechanischen und elektrischen Reizen, welche der vom Bauchfell überzogenen Harnblase applicirt wurden, folgten gewöhnlich zuerst Contractionen des getroffenen Organs und bald darauf der Vagina (und des Uterus). Dieselben Reizmittel, an den Uterus applieirt, bringen diesen selbst zur Contraction, dagegen die Vagina nicht so häufig zur Contraction wie im vorigen Falle. Der elektrischen Reizung des einen oder des anderen Eierstocks folgt seltener Contraction der Va- gina. Diese Erfahrungen lassen sich folgendermaassen formuliren: Während der Pause lassen sich Contractionen der Vagina erwecken ent- weder durch mechanische, elektrische oder thermische Reizung der Vagina oder der Blase oder weniger sicher des Uterus und der Eierstöcke. X, Wirkung der bei Experimenten gebrauchten Lähmungs- und Betäubungsmittel. Nunmehr ist unsere Erfahrung so weit gediehen, dass wir die Wir- kungen einiger toxischer Stoffe auf die Bewegungen der in normaler Weise geschützten Vagina prüfen konnten. Diese Stoffe sind: Curare, Chloroform, Aether und Morphium. Speciell zur Erforschung der Wirkung des Curare habe ich drei Versuche angestellt und diesen Stoff nachher in 29 Ver- suchen, welche dem Studium der Einwirkung verschiedener Abschnitte des _ Nervensystems auf die Contractionen des uns interessirenden Organs ge- ‚widmet waren, als experimentelles Hülfsmittel verwendet. Um die Wirkung des Curare zu prüfen, habe ich es in steigenden Dosen gegeben: wo es als vorbereitendes Mittel diente in kleinen, so viel zum verfolgten Zwecke gerade nöthig erschien. Curare war bei den Versuchen darum von Werth, weil es die willkürlichen Bewegungen der Bauchpressmuskeln aufhob, hier- mit auch die unberechenbaren äusseren Druckimpulse auf die registrirende Flüssigkeit in der Vagina, wodurch active Zusammenziehung der Scheide vorgetäuscht werden konnten. Es blieben dann nur diejenigen passiven Bewegungen des Vagina-Inhaltes, welche durch die künstliche Respiration veranlasst wurden. Diese aber waren durch ihre regelmässige Folge in den Vaginalcurven ebenso erkennbar, wie bei kymographischen Versuchen auf den Blutdruckeurven. Curare, das in der Quantität von 1°” in 1 procentiger Lösung in die Vene injieirt, die Thätigkeit der willkürlichen Muskeln des Thieres aufhebt, Archiv f. A.u. Ph. 1884. Physiol, Abthlg. 8 114 N. W. JASTREBOFF: verändert weder die Kraft noch den Rhythmus der Vagina- Contrastionen (s. oben Curve Nr. 6, Seite 105). Wird Curare in grossen Dosen, nämlich je 1m der obengenannten Lösung, in ungefähr halbstündigen Pausen gegeben, so sehen wir nach Auf- nahme von 0-03” die Kraft der Contraction sich vermindern. Stieg ich bis zu 0-05, so beobachtete ich kein Aussetzen der Contractionen; nur ihre Stärke verminderte sich bedeutend, der Rhythmus blieb indessen derselbe, wie vor den Curare-Injectionen. Wir können folglich auf Grund dieser Versuche behaupten: Curare in Dosen, wie sie zu physiologischen Zwecken genommen wer- den, verändern weder die Intensität, noch den Rhythmus der Vagina-Öontractionen; in grossen Dosen aber verringert es die Intensität, ohne auf den Rhythmus zu wirken. Von Interesse war uns nunmehr, kennen zu lernen, wie das zur Nar- kose zumeist gebrauchte Chloroform auf die Vagina-Contractionen wirkt. Kaninchen gehen bekanntlich schnell zu Grunde, wenn man sie Chloro- formdämpfe auf gewöhnliche Weise einathmen lässt. In meinen Versuchen machte ich am tracheotomirten Thier künstliche Athmung, mittels eines von Hrn. Prof. Kronecker construirten, von Hm. Dr. Lamb zuerst im hiesigen Institute angewandten Respirations- apparates. Vor der Trachea schalteten wir einen Apparat ein, um die Narkose mit Chloroform oder Aether genau abstufen zu können. Der Apparat besteht im Wesentlichen aus einer doppelhalsigen Waschflasche, die bis zur Hälfte mit Chloroform gefüllt ist. Ein System aus gegabelten und mit Hähnen versehenen Glasröhrchen ermöglichte ein in beliebigem Verhältnisse gemischtes Gemenge von reiner Luft und von solcher, die mit Chloroformdämpfen gesättigt war, dem Thiere zuzuführen. Unter solchen Bedingungen konnte man das Kaninchen ungefähr eine # Stunde lang ohne Schaden chloroformiren. Zur Erforschung der Wirkung 3 des Chloroforms beschränkte ich mich auf drei Versuche, da die Resultate die gleichen waren. | Geben wir dem Thiere nur solche Luft, die das Chloroform passirt hat, so werden sogleich die Contractionen stärker und häufiger und der Tonus \ der Vagina wächst. Nach etwa drei Minuten, wenn das Thier schon ein- geschlafen ist, beginnt die Vagina schnell zu erschlaffen und die Vagina- Contractionen werden immer schwächer. Endlich hören die Contractionen ganz auf. Wenn wir jetzt dem Thiere reine Luft geben, so kommen in kurzer Zeit Contractionen von bedeutender Stärke zur Erscheinung, die aber langsam sind und selten. Allmählich gelangt das Organ zum nor- malen Tonus und zum normalen Typus der Contractionen. Als wir einem solehen Thiere nun wieder Luft gaben, welche durch Chloroform gestrichen ÜBER DIE (ONTRACTION DER VAGINA BEI KANINCHEN. 115 war, aber mit einer kleinen Menge reiner Luft vermengt, so wurden zunächst die Contractionen (s. Curve Nr. 9) bei unveränderter Kraft etwas häufiger; darauf erschlafite das Organ und vollbrachte in dieser Zeit einige sogar stärkere Zusammenziehungen; nachher trat eine noch grössere Erschlaffung der Vagina ein und die Kraft der Contractionen verminderte sich; zugleich wurde ihr Rhythmus unregelmässig und schliesslich hörten sie ganz auf. Tödten wir das Thier durch Chloroform, so finden wir nach Oeffnen der Bauchhöhle die Vagina erschlafft und der Luftzutritt zu ihr ruft keine Zusammenziehung hervor. Wird die Vena cava durchschnitten, wobei ziem- lieh viel Blut ausfliessen kann, so sehen wir gleich darauf einige Con- tractionen der Vagina auftreten. Fig. 9. Während der vierten der hier aufgezeichneten Vaginacontraetionen begann die Narkose des Kaninchens durch ein Gemenge von Chloroformdampf und etwas Luft. Hiernach können wir den Satz aufstellen: Chloroform mit Luft gemengt erhöht anfänglich die Thätigkeit der Vagina, hierauf nimmt zunächst der Tonus ab und später auch die Kraft der Contractionen, während die Vagina immer mehr erschlafft, bis endlich alle Thätigkeit erlischt. Doch ist die Lähmung nicht letal. Zur Untersuchung der Aethereinwirkung stellte ich fünf Versuche an. — Geben wir den Aether in derselben Weise wie Chloroform, so be- obachten wir folgende Wirkung auf die Vagina-Öontractionen. Wenn wir dem Thiere Luft geben, die durch Aether ging, zur Hälfte mit reiner Luft vermengt, so verstärken sich sofort die Contractionen der Vagina und fol- gen ausserordentlich häufig (s. Curve Nr. 105). Nach etwa 15 Minuten beginnen die Contractionen seltener zu werden (Curve Nr. 10a). Ver- mindern wir den mit Aether gesättigten Antheil der Luft, so können wir starke und häufige Contractionen beliebig lange erhalten. gr 116 N, W. JASTREBOFF: (eben wir nur solche Luft, die durch Aether gestrichen war, so erhalten wir nach einer bestimmten Zeit zwar gleichstarke Contractionen, die sich aber "PWMWOI USHOUTUEYH WIOA UOTIOU]L UOTOIW]S nz 9JwT our. pum 97UT 94319ges05 JAmeproupYy IM er © ar} = Pr E u og je) Ss 3 = & < {%) > B & @ © =} Br SM) © Er © B & = zZ ar) m © S rt or ka =. je} s = [@>) je} un ze) ©: ar © I! “IN "ol Surjuy 4 .. . . .. | in grossen Pausen folgen. Führen wir ferner nur reine Luft zu, so können = wir nach einer gewissen Zeit die Contractionen zu dem früheren normalen 7 Typus bringen, worauf wir wieder, wenn wir ätherisirte Luft geben, ihre ÜBER DIE ÜCONTRACTION DER VAGINA BEI KANINCHEN. 117 Veränderungen je nach der Concentration der Aetherdämpfe beobachten können. Aber auch die Wirkung des Aethers kann man nur bei dem Gebrauch des oben beschriebenen Apparates beobachten. Geben wir Aether einfach C 11 Nr. (Siehe den Text auf folgender Seite.) kis, 11: Normale Vaginacontractionen; Nr. 115. Nach Injection von 0-01 grm Morphium. Nach Injection von 0-02 grm Morphium. 11a. Nr. durch ein vor die Schnauze gehaltenes getränktes Tuch ohne Tracheotomie und ohne künstliche Athmung, das heisst ohne die Möglichkeit seine Quantität zu reguliren, so beobachten wir dem Chloroform ähnliche Wir- kungen, nämlich anfangs Verstärkung und öftere Wiederholung der Con- 118 N. W. JASTREBOFF: tractionen, nachher Erschlaffung der Vagina und Kraftverminderung der Contractionen und Verlängerung der Intervalle. Also: Aetherdampf mit Luft verdünnt verstärkt anfangs die Contractionen, macht sie sodann seltener, ohne ihre Kraft zu vermindern. Mit Aetherdampf gesättigte Luft lähmt nach kur- zer Zeit die Vagina. Zur Untersuchung der Morphiumwirkung stellte ich fünf Versuche an. (Geben wir Morphium in gesteigerten Dosen, so bemerken wir, dass nach einer Gabe von 0-01 8m (in Iproc. Lösung) die normalen Contractionen (Fig. 11, Nr. 11a auf vorh. Seite) kleiner werden und ungleich stark (Nr. 11). Nachdem 0.028» Morphium gegeben worden, beginnen die Contractionen (Nr. 11c) seltener zu werden; die schwachen werden vorherrschend und die starken selten. Nachdem das Kaninchen 0.03 8” erhalten, sind die Vagina- Contractionen seltener geworden und alle schwächer (Fig. 12, Nr. 11.d). Nachdem 0-04:8m oegehen worden, erscheint nur etwa alle 4—6 Minuten eine sehr schwache Contraction (Fig. 12, Nr. Ile). Endlich etwa 1!/, Stun- den nach dem Einnehmen der ersten Dose Morphium, hören die Contrac- tionen ganz auf. In diesem Falle kann weder Abkühlung des Thieres bis 355° C. und nachher Wiedererwärmung bis zur Norm noch subcutane Aethereinspritzung die Contractionen wieder hervorrufen. Fig. 12. Vaginacontractionen Nr. 11 d. nachdem das Kaninchen im Ganzen 0-03 srm Morphium erhalten; Nr. 11e nachdem im Ganzen 0-04 rm injieirt worden sind. Das zeigt also: Mässige Dosen Morphium verkleinern etwas die Vagina-Öontractionen, grössere Dosen vermindern zugleich die Frequenz, stärkste Dosen lähmen sowohl die Musculatur als auch die Innervationscentren. Nachdem ich so die Veränderungen der Vagina-Contractionen unter verschiedenen die Vagina auch unmittelbar treffenden Bedingungen, be- sprochen habe, gehe ich zur Untersuchung der Abhängigkeit dieser Con- tractionen von den verschiedenen Abschnitten des Nervensystems über. ÜBER DIE CONTRACTION DER VAGINA BEI KANINCHEN. 119 Cap. XI. Modification der Vagina-Contractionen durch Reizungen nervöser Centren. Zuerst wollen wir bei der Erklärung ihres Charakters stehen bleiben, d. h. wir wollen sehen, ob diese Contractionen durch die im Organe selbst belegenen nervösen Centren bedingt sind, wie wir es beim Herzen und den Verdauungsapparaten finden, oder nur durch Centren, die in irgend wel- chem Abschnitte des Gehirns oder Rückenmarks gelegen sind. Um zu der Lösung dieser Frage zu gelangen, habe ich Durchschneidungen des Rücken- marks in verschiedener Höhe, ausgehend vom verlängerten Marke oberhalb - des Haupt-Gefässnervencentrums bis zum Lendenmarke in der Gegend des vierten Lendenwirbels, vorgenommen. Ferner habe ich einige Male das Lendenmark vom letzten Brustwirbel aus durch eine Sonde zerstört. Auf Grund einer Reihe solcher Versuche kann ich behaupten, dass die rhythmischen automatischen Contractionen der Vagina nach Durchschneidung des Rückenmarks auf verschiedener Höhe und endlich nach Zerstörung des ganzen Lendenmarks noch fortdauern. Weiter habe ich vielmals Durchschneidungen der sämmtlichen sym- pathischen Zweige, d. h. der beiden Grenzstränge, der Zweige der Aorta- geflechte und der Plexus hypogastrici magni ausgeführt, sodann auch die sympathischen Ganglien und die ganzen Geflechte entfernt. In einem Falle hatte ich das Gang. mesent. infer. und den Plexus hypogastricus magnus vier Monate vor dem Versuche weggenommen. — In diesem viermonat- lichen Zeitraume hatte das Kaninchen zwei Schwangerschaften durchge- macht und jedesmal fünf Junge geworfen, aber jedes Mal etwas vor der Fig. 13. Contractionen einer vom Kaninchen ganz losgelösten Vagina. Zeit. Mich auf diese Versuche stützend, kann ich sagen, dass nach der Durchschneidung aller sympathischen Zweige, die nach dem kleinen Becken gehen, die Contractionen der Vagina fortdauern. Endlich zerstörte ich das Lendenmark und schnitt alle sympathischen Zweige durch und habe gesehen, dass die Contractionen der Vagina fort- - 120 N. W. JASTREBOFF: fahren, ohne besondere Veränderungen in Rhythmus und Stärke im ver gleich zu den früheren normalen zu zeigen. Schon auf Grund dieser Versuche allein könnte man den Schluss ziehen, dass die Vagina ihre CGontractionen automatisch zu Stande bringt, d. h. vermöge der Centren, die in ihrer eigenen Wandung ge- legen an Um diesen Satz experimentell nike festzustellen, musste man die zunächst dem Organe gelegenen Ganglien, also diejenigen, welche an den Vereinigungsstellen der sympathischen Zweige mit denen der Kreuzbein- nerven liegen, sowie die auf den Seitenflächen des Mastdarms und etwas nach vorn von ihm ausgebreitet sind, ausschalten. — Darum stellte ich weitere fünf Controlversuche mit ausgeschnittener Vagina an. Ich begann die Versuche in einer der vorher beschriebenen Weisen, indem ich die nor- malen Curven in der früheren Art registriren liess und eröffnete nach einiger Zeit die Bauchhöhle in der Linea alba, durchtrennte die Symphyse, fasste eine der beiden Gebärmütter und schnitt mit einer Scheere die Vagina sammt der Harnblase, dem Mastdarm und den Gebärmüttern aus. Alle diese Organe legte ich entweder in eine 0-6 procentige Kochsalzlösung von 38°C., oder ein- fach auf den Tisch, oder liess schliesslich die so abgesonderten Organe an ihrer Stelle im Becken liegen. Die erste. Lage, (in Salzlösung) ist am meisten einwandsfrei, weil dabei jede Möglichkeit von Reizung ausgeschlossen ist und die Temperatur des Organs normal bleibt; die zweite ist die un- günstigste, weil das Organ schnell erkaltet und austrocknet; die dritte bringt das Organ in keine schlimmeren Bedingungen als beim ersten Falle. Das Einzige, wäs im letzten Falle die Fortsetzung der Beobachtung stört, ist die Erkältung des Organs, aber von Reizen ist hier keine Rede, .da das Organ sich in Berührung mit denselben Geweben befindet, mit denen es zuvor im Zusammenhange stand und von Blut getränkt wird, welches aus den durchschnittenen Gefässen ausfliessend sich im Becken ansammelt. Solche Vagina, die mit den umgebenden Organen zusammen ausgeschnitten war, fuhr fort, sich rhythmisch zu contrahiren. Darauf wurden von der Vagina der Mastdarm, die Harnblase und beide Gebärmütter losgetrennt. Auch diese von ihren umgebenden Organen isolirte Vagina fuhr fort, rhythmische Contractionen zu machen. Die Contractionen dieser im Becken offen gelagerten, also auch abgekühlten und vom Blutlauf ab- oelösten Vagina sind sehr träge (Nr. 12, Fig. 13), ähnlich wie diejenigen normal gelagerter Vaginen von abgekühlten Thieren. Im Anfange eines solchen Versuches habe ich einen kleinen Ballon in die Vagina eingeführt, so dass er nur die obere Hälfte des Organs einnahm, und nachher, als ich die Vagina ganz von den sie umgebenden Theilen und Organen losgelöst hatte, Contractionen des oberen Theiles der ausgeschnittenen Vagina be- ÜBER DIE (ONTRACTION DER VAGINA BEI KANINCHEN. 121 obachtet; dann rückte ich den Ballon nach der hinteren Hälfte der Vagina und schnitt die obere Hälfte ab und auch die abgesonderte hintere Hälfte der Vagina fuhr fort, rhythmische Contractionen zu - machen, so stark, wie die des ganzen aus dem Körper entfernten Organs. Die Vagina vermag selbst unter diesen ungünstigen Bedingungen sich länger als eine halbe Stunde rhythmisch zu contrahiren. Demgemäss kann ich nach diesen Versuchen schon behaupten, dass die Vagina ihre rhythmischen Contractionen automatisch vollzieht, d. h. ver- mittelst des in ihren eigenen Wandungen ausgebreiteten Ner- vensystems. | Jetzt war es an der Zeit zu untersuchen, wie die (elektrische) Reizung der verschiedenen Innervationsgebiete der Vagina, deren normale Contrac- tionsart veränderte. Zuvörderst beobachtete ich den Effect der directen elektrischen Reizung der Vagina. Zu diesem Zwecke verband ich ein Ende des Drahtes der secundären Spirale eines mittelgrossen du Bois-Reymond’schen Schlitteninductoriums mit dem in den Vorhof eingeführten neusilbernen Katheter & double courant, das andere Ende des Drahtes wickelten wir um eine der Gebärmütter, gleich über dem Scheidengewölbe. Dieser bis an sein blankes metallisches Ende mit Kautschuk umwickelte Draht wurde in _ das untere Ende der Bauchwunde eingenäht, so dass der Abschnitt, wel- cher sich in der Bauchhöhle und in der Bauchwunde befand, von den um- gebenden Organen und Muskeln isolirt war. Zwischen das Thier und die secundäre Spirale schalteten wir den du Bois-Reymond’schen Vor- reiberschlüssel ein, welcher den elektrischen Strom von der Vagina ab- lenkte, wenn er geschlossen, die Inductionsströme zufliessen liess, wenn er geöffnet war. Wir bedienten uns entweder des intermittirenden Stromes mit dem Hammerunterbrecher an du Bois-Reymond’s Schlittenapparat (40—60 Reize pro 1 Secunde), oder führten den Kronecker’schen Unterbrecher - ein, von welchem eine beliebige Zahl von Reizen in der Secunde erhalten werden konnte. | Ferner, um die Wirkung einzelner elektrischer Schläge zu prüfen, hatten wir in der primären Strombahn einen du Bois-Reymond’schen (Quecksilberschlüsse. Wenn wir für eine Secunde die Vagina tetanisirten bei verschiedenen Abständen der Inductionsspirale (von 5084 Drahtwin- dungen), so antwortete die Vagina gewöhnlich mit einer und manchmal mit zwei Contractionen, welche stärker waren als die vorausgegangenen automatischen. Dieser Contraction folgte für einige Zeit ausgiebigere Er- schlaffung.. Wenn wir während dieser Erschlaffung die Vagina auf eine längere Zeit in den Stromkreis einschalteten, so machte sie während der ganzen Zeit der Reizung ausserordentlich starke und häufige Contractionen 122 N. W. JASTREBOFF: von ganz regelmässigem Rhythmus, nach dem Aufhören der Reize begann sie schwächere Contractionen zu machen (s. Fig. 14, Nr. 13). Diese schwachen Contractionen kehrten allmählich, wenn man das Thier ohne Rei- zung bei normaler Temperatur mehr oder weniger lange Zeit gelassen, zum Anfangs starke Vaginacontractionen, während directer intermittirender Reizung mittels Schlitteninductorium, darauf ohne Reizung keine Contractionen der mässig erschlafften Vagina. Typus der normalen zurück. Wenn wir die Vagina wieder in den Induc- tionsstromkreis einschalteten, so folgte wieder eine Reihe von starken Con- tractionen, während der ganzen Zeit der Reizung. Doch muss man die Reize verstärken. Liessen wir einzelne elektrische Schläge einwirken, so ÜBER DIE ÜONTRACTION DER VAGINA BEI KANINCHEN. 123 sahen wir auf jeden einzelnen Schlag eine oder zwei stärkere Contractionen erfolgen, welche stärker waren als die früheren normalen. Ein Doppelschlag ruft eine stärkere Contraction hervor als die Einzelschläge. Auf einzelne elektrische Schläge reagirt die Vagina am besten bei normaler Temperatur des Thieres. Ich kann also auf Grund einer Reihe ähnlicher Versuche sagen, dass die Vagina auf elektrische Reize nicht wie ein Muskel reagirt, sondern wie ein mit nervösen Öentren versehenes Organ. Nun gehe ich zu der Einwirkung der Reize des centralen und peri- pherischen Nervensystems auf die Contractionen der Vagina über, und be- ginne mit dem letzteren. Zu diesem Zwecke haben wir kurze oder lange Zeit das centrale Ende des durchschnittenen Nervus ischiadicus oder Nervus ceruralis gereizt. Das Centralende des einen oder des anderen Nerven wurde dazu auf Ludwig- Basch’sche Elektroden gelegt. Wir reizten die obengenannten Nerven, sowohl bei unversehrtem RKückenmark, als auch, wenn dasselbe in verschie- dener Höhe durchtrennt war und endlich bei zerstörtem Lendenmarke. Kurze Reizung des centralen Endes eines durchtrennten Nervus ischiadicus bei unversehrtem Rückenmarke hat verschiedenen Effect auf die Contractionen der Vagina. Wenn wir während des Anfangs einer spontanen Contraction Fig. .15. Aenderung der Vaginacontractionen, während das centrale Ende eines Nervus ischiadicus tetanisirt wird. Dauer der Reizung von dem einfachen Strich | rechts bis zum doppelten Striche links ||. reizen, so bekommen wir verstärkte Contraction. Der Reiz während des Beginns der Erschlaffung der Vagina verlangsamt diese Erschlaffung. Fällt der Reiz während einer Pause ein, so verlängert er diese Pause. Während langer Reizung (5 Minuten) des centralen Endes der Nervi ischi- adici sind die Contractionen der Vagina verstärkt und seltener und auch die Dauer jeder Contraction verlängert sich um das zwei- oder dreifache der normalen. Diese lange Dauer ist hauptsächlich auf Rechnung der ver- 124 N. W. JASTREBOFF: langsamten Erschlaffung zu setzen (s. Fig. 15, Nr. 14). Ueberhaupt kann man sagen, dass die Reizung des centralen Endes vom N. ischiadicus bei unversehrtem Rückenmarke den Umfang der Contractionen vermehrt, den Rhythmus verlangsamt. Die Rei- zung der centralen Enden der Nervi ischiadici hat den gleichen Erfolg, nachdem das verlängerte Mark oberhalb der Gefässnervencentren durch- trennt ist. Nach der Durchschneidung des Rückenmarks in der Gegend des ersten Lendenwirbels, ebenso wie nach der Zerstörung des ganzen Lendenmarks übt die Reizung des Nervi ischiadici keine Einwirkung auf die Vaginacontractionen mehr aus. Jetzt wollen wir untersuchen, wie die Contractionen der Vagina sich verändern bei directer Reizung der Medulla oblong. oder des Rückenmarks. Fig. 16. Vaginacontractionen eines Kaninchens, nachdem dessen Medulla oblongata durch einen Schnitt vom Mittelhirn abgetrennt worden. (Nr. 15a). Während dessen ist die Temperatur des Thieres im Rectum immer auf 38° erhalten. Die Curven während kurzer elektrischer Reizung der Medulla sind fortgelassen. Ueber Nr. 15 5 sind die Effecte dauernder Tetanisirung der verlängerten Marke illustrirt. Wenn wir das verlängerte Mark über allen vitalen Centren durchschnitten haben und die Schnittstelle während einer Pause zwischen den spontanen Contractionen kurze Zeit elektrisiren, so wird die Pause verlängert und darauf folgt verstärkte Contraction. Hierauf bleibt noch eine etwas verlängerte Pause, worauf Contractionen mit normaler Kraft und Frequenz auftreten. Wenn wir die Medulla oblongata längere Zeit hindurch reizen, so erschlafft, nach einer starken Contraction, die Vagina nicht bis zu den normalen Grenzen, sondern macht, mit Beibehaltung eines gewissen Tonus, eine ganze Reihe schnell folgender Contractionen (s. Fig. 16, Curve Nr. 15b); or ÜBER DIE (ONTRACTION DER VAGINA BEI KANINCHEN. 12 sobald wir die Reizung unterbrechen, entsteht eine Erschlaffung der Vagina und nach kurzer Zeit folgen Contractionen von normalem Typus. Dauernde elektrische Reizung des verlängerten Markes wirkt auf die Vagina-Contrac- rklärung auf nächster Seite.) F \ 4J (S. Zuvor war aber das Lendenmark in der Gegend des dritten Juenden- wirbels durchtrennt. | tetanisirt. Während normaler Vaginacontraction wird die Medulla oblongata zweimal für kurze Zeiten jedesmal vom bis zum Zeichen Zeichen tionen in ähnlicher Weise, wie Asphyxie, und ebenso können wir am ent- hirnten Thiere durch Aufhebung der Athmung Effeete erzielen, ähnlich wie durch Tetanisirung der Medulla obloneata. 126 N. W. JASTREBOFF: DiE CÜONTRACTION DER VAGINA U. S. W. Wenn wir nach Durchschneidung des verlängerten Marks einen Durch- schnitt durch das Lendenmark machten (in der Gegend des dritten Lenden- wirbels), ro trat als Resultat der Reizung des verlängerten Marks eine ganz andere Erscheinung auf: sie bewirkte nämlich, wie das auf der Öurve Nr. 16 (Fig. 17) zu sehen ist, weder Verstärkung, noch grössere Frequenz der Con- . tractionen der Vagina, noch einen Tonus der letzteren; sondern im Gegentheil folgte gleich auf die Reizung eine verlängerte Pause. Hierbei scheint der Effect grösser zu sein, wenn die Reizung in die Zeit der Erschlaffung der Vagina fällt, als wenn wir das verlängerte Mark während der Contraction der Vagina reizen. In einem Falle habe ich nach in kurzen Intervallen wiederholten Tetanisirungen des verlängerten Marks bei durchschnittenem Rückenmarke eine 8 Minuten lange Pause bis zur nächsten spontanen Contraction er- halten. Wenn wir das Mark in der Nähe des ersten oder zweiten oder dritten oder vierten Lendenwirbels durchschnitten hatten und die Schnitt- stellen während der Pause zwischen zwei Contractionen reizten, so haben wir gesehen, dass die Pause verlängert wird, dass darauf eine einfache oder doppelte verstärkte Contraction folgt, nachher die Vagina bis zu den normalen Grenzen erschlafft und dann eine längere Pause entsteht. Wenn wir aber die Elektroden an das hintere Ende des Marks anlegten, ohne das obere Ende mitzureizen, oder das Mark nach oben von dem Durch- schnitte auf eine Strecke von einem Wirbel zerstörten, so zog die Reizung des Lendenmarkes bald starke und häufige Contractionen nach sich, deren Zeichnungen denen auf Curve Nr. 155 (Fig. 16) ähnlich sind. Wenn wir das Rückenmark auf einer der angegebenen Höhen durchschnitten hatten und hierauf die Elektroden im Marke oberhalb des Durchschnittes an- brachten, oder nachdem wir sie angelegt hatten, das Mark ‚unterhalb der Durchschnittsstelle zerstörten, so wurden in Folge der Reizung des vorderen Endes des Rückenmarks die Pausen zwischen den Contractionen verlängert, wie dies in Nr. 16, (Fig. 17) abgebildet ist. Auf Grund dieser und der durch Reizung der Nerviischiadicei gewonnenen Resultate kann man sagen, dass im Lendenmarke ein Erregungs- centrum, im verlängerten Marke ein Hemmungscentrum und vermuthlich auch ein Erregungscentrum für die Bewegungen der Vagina liegt. Was die Bahnen betrifft, welche diese Centren und die automatischen Centren der Vagina vereinigen, so habe ich je einen Versuch gemacht, in welchem die Reizung der Medulla oblongata combinirt war mit Durch- schneidungen der Nervi vagi, der Nervi splanchnici und einiger Zweige der sympathischen Nerven; aber ich reihe sie nicht unter die oben angeführten Ergebnisse der anderen 64 Versuche ein, weil ihre Resultate noch der Be- stätigung bedürfen. ; E.. metakinetische Scheinbewegungen und über die | Wahrnehmung der Bewegung. Von Dr. E. Budde in Constantinopel. $ 1. Hat man eine Zeit lang in ein relativ zum Auge bewegtes Ge- sichtsfeld geblickt und fixirt dann ein anderes gegen das Auge ruhendes Gesichtsfeld, so nimmt man in diesem während einer Anzahl von Secunden scheinbare Bewegungen wahr. Auf diese bekannte, aber nicht hinreichend erkannte Erscheinung bezieht sich die folgende Studie. Ich nenne die fraglichen Scheinbewegungen metakinetische; zur Vereinfachung des Ausdrucks sei ferner von vornherein Folgendes festgesetzt: a) Beobachtung und Discussion sollen sich bis auf Weiteres auf Be- wegungen oder Bewegungscomponenten beziehen, die zu den Sehlinien recht- kliy stehen, die also wirkliche oder scheinbare Bildverschiebungen auf ler Fläche ne Netzhaut hervorbringen. Bewegungen zum Auge hin oder vom Auge weg bleiben also von der Betrachtung vorläufig ausgeschlossen. b) Ein Gegenstand soll objectiv bewegt heissen, wenn er sich relativ ım Auge bewegt, und dabei wird vorerst vorausgesetzt, dass der Beob- achter seinen Körper ruhig halte. Wir denken uns dann im Auge des Beobachters ein festes Coordinatensystem angebracht und beschreiben jede Bewegung so, wie sie relativ zu diesem Coordinatensystem stattfindet. Wenn also z. B. der Beobachter im Eisenbahnzug von Süden nach Norden fährt, 80 drücken wir das aus durch den Satz: der Bahndamm nebst dem um- liegenden Gelände bewegt sich objectiv von Norden nach Süden. Die Ge- schwindigkeiten, welche dabei auftreten, sind im Grunde immer als Winkel- geschwindigkeiten gegen das Auge zu denken, können indessen der Bequemlichkeit wegen auch als Verschiebungsgeschwindigkeiten gemessen werden, da dadurch kein Missverständniss entsteht. 128 E. Bupve: ec) Alle im Folgenden beschriebenen Beobachtungen werden in der Weise gemacht, dass man zuerst in ein Gesichtsfeld blickt, in welchem objectiv bewegte Theile vorkommen; dies Gesichtsfeld soll ein für allemal das „erste“ heissen. Dann wendet man die Augen auf ein zweites, in der Regel ruhendes Gesichtsfeld, welches das „zweite“ genannt wird. Gegen- stände im ersten Gesichtsfeld führen als Bezeichnung grosse lateinische Buchstaben A, B u. s. w. Die Stelle der Netzhaut, auf welche das Bild von A fällt, während man einen Punkt des ersten Gesichtsfeldes fixirt, heisst « u.8S.w. Wenn endlich das Auge einen Punkt des zweiten Gesichtsfeldes fixirt, so heisst derjenige Punkt dieses Feldes, dessen Bild nunmehr auf « fällt, a u. s. w. a ist also der Punkt, im dem das optische Nachbild von A bei der zweiten Stellung des Auges projicirt erscheint oder erscheinen würde. A, « und a heissen „entsprechende“ Stellen, ebenso 2, P, db u.s.w. Man denke sich als zweites Gesichtsfeld eine verticale Wand benutzt, auf welche das Auge in horizontaler Haltung blickt; die Wand zerfällt dann ° in einen oberen und einen unteren, einen rechten und einen linken Theil. Die diesem „entsprechenden“ Theile eines heliebig orientirten Gesichtsfeldes sollen gleich ihnen benannt werden. Von zwei Punkten am Fussboden z. B., die vor dem Beobachter liegen, ist der entferntere der „obere“. Von förderlicher Litteratur über die uns beschäftigende Erscheinung ist | mir nur eine kurze Abhandlung eines deutschen Autors bekannt geworden, die ich aber leider nicht habe wiederfinden können, so dass ich sie ohne Titel und aus dem Gedächtniss citiren muss. Der Verfasser hat eine wesentliche Eigenthümlichkeit des Phaenomens richtig erkannt; sie besteht darin, dass die metakinetischen Scheinbewegungen nicht nothwendig das ganze Gesichts- feld ergreifen, sondern auf einzelne Theile desselben beschränkt sein können; vergl. $ 1 Nr. 1—3; er schliesst daraus correet, dass Bewegungen des ganzen Auges keinen Erklärungsgrund abgeben. Er bringt ferner das Phae- - nomen mit folgender Beobachtung in Verbindung: nachdem er aus einiger Entfernung durch das Fenster eines bewegten Eisenbahnzuges hinausgeblickt hatte, schloss er die Augen; dann erschien an der dem Fenster entsprechen- den Stelle des leeren Gresichtsfeldes ein subjectiver Funkenstrom, dessen Richtung der früheren objectiven Bewegung der Felder entgegengesetzt war. Wäre das Auftreten eines solchen Funkenstromes allgemein verbreitet, so würde derselbe als Anzeichen eines besonderen Reizungszustandes der Retina sehr zu beachten sein. Ich bemerke aber gleich hier, dass ich z. B. keine Funken sehe, auch unter Umständen, wo die metakinetischen Schein- bewegungen deutlich hervortreten. Ich halte also das Auftreten derselben für eine individuelle Eigenthümlichkeit des Verfassers, an der vielleicht Reiseermüdung und Aehnliches einen Antheil haben kann. Dass die Funken aber, wenn sie einmal vorhanden sind, in der angegebenen Weise strömen, ÜBER METAKINETISCHE SCHEINBEWEGUNGEN U. S. W. 129 das gehört allerdings zum Phaenomen und wird weiter unten seinen Platz finden. $ 2. Ich darf als bekannt voraussetzen, dass metakinetische Schein- bewegungen erst dann in voller Grösse auftreten, wenn die objective Be- wegung, der sie folgen, eine gewisse Zeit lang auf das Auge gewirkt hat; ferner liegt auf der Hand, dass es für ihre Wahrnehmung vortheilhaft ist, wenn die objective Bewegung, aus der sie entstehen, stationär ist, d. h. wenn dieselbe Stelle der Netzhaut längere Zeit hindurch von Bildern be- strichen wird, die alle die gleiche Geschwindigkeit haben. Wir setzen zu- nächst voraus, dass beide Bedingungen erfüllt seien, und beschreiben, wie sich die Erscheinung dann an den Öbjecten, welche der Anschauung ge- wöhnlich dargeboten werden, also an Flächen, darstellt. 1. Es sei ein erstes Gesichtsfeld gegeben, welches seiner ganzen be- achteten Ausdehnung nach bewegt ist, z. B. das, was man sieht, wenn man aus dem Fenster eines Eisenbahnzuges in’s Feld blickt. Richtet man nachher die Augen auf ein ruhendes zweites Gesichtsfeld, z. B. die Wand des Waggons, so treten in diesem metakinetische Scheinbewegungen auf. Es sieht aus, als verschöben sich die Gegenstände im zweiten Gesichtsfeld, _ erst schneller, dann langsamer, und zwar stets nach einer Richtung, welche der früheren objectiven Bewegung entgegengesetzt ist. (Das Gesetz, dass die metakinetische Scheinbewegung der vorhergehenden objectiven Bewegung entgegengesetzt gerichtet ist, findet sich immer, insbesondere bei den später zu erwähnenden relativ bestimmten Bewegungen, wieder; wir betonen es von jetzt ab nicht mehr besonders.) Bei etwas genaueren Zusehen findet man, dass die scheinbare Ver- schiebung nicht alle Theile des zweiten Gesichtsfeldes gleichmässig ergreift. Hat man vorher das Auge auf einen Punkt nahe dem Horizont gerichtet, so war der untere Theil des ersten Gesichtsfeldes in der stärksten objec- tiven Bewegung begriffen. Man sieht dann im zweiten Gesichtsfeld die unteren Partien der Waggonwand schneller und weiter sich bewegen, als die oberen, und man findet bald, dass das, was man wahrnimmt, nicht sowohl eine absolute scheinbare Bewegung der ganzen Wand ist, als die relativ stärkere Bewegung ihrer unteren Partien. Dies deutet schon an, dass das relative Verhältniss der Bewegungen, welche an verschiedenen Gegenständen im ersten Gesichtsfeld stattfanden, durch die metakinetische Scheinbewegung im zweiten Gesichtsfeld der Art nach reprodueirt wird. Vollkommen deutlich tritt nun diese Thatsache in folgender Beobachtung hervor: | 2. Ein Theil X des ersten Gesichtsfeldes sei objectiv in Ruhe, ein anderer Y in stationärer Bewegung; die Richtung derselben bezeichnen wir Archiv f. A. u. Ph. 1884. Physiol. Abthlg. 9 130 E. BuppE t als „von links nach rechts“, einerlei, wie sie in Wirklichkeit orientirt sein mag. Man fixire einen Punkt an X, den man nahe an, am besten etwas über Y auswählt. Nachher wendet man das Auge auf ein ruhendes zweites Gesichtsfeld; der nunmehr fixirte Punkt desselben fällt nach unserer Be- zeichnung in die Partie x desselben; diese erscheint ruhend, die benach- barte Partie y dagegen, welche den früheren Y entspricht, bewegt sich scheinbar von rechts nach links. Sehr passende natürliche Objeete für diese Beobachtung sind schnell fliessende Hochgebirgsbäche. Man setzt sich, etwa 10 bis 15 Schritt vom Bach entfernt, so, dass seine Bewegung bequem in’s Auge fällt, una fixirt einen Punkt seines abgewandten Ufers; nach einiger Zeit wendet man das Auge auf eine gegenüberliegende Felswand oder dergl.; dann sieht man mehr unter den fixirten Punkt der letzteren die metakinetische Schein- bewegung, welche der Bewegung des Baches entspricht: in günstigen Fällen; wenn man die Augen recht ruhig gehalten hat, entsteht ein förmliches „metakinetisches Nachbild“ des Baches. Um obige Beobachtung künstlich nachzubilden, zog ich einen Leinwandstreifen ohne Ende von 15°“ Höhe und 2-5” Gesammtlänge über zwei um verticale Axen drehbare Trommeln. Der Streifen war, damit seine Bewegung besser hervortrete, mit nuss- bis apfelgrossen schwarzen Flecken bemalt, und mitten über seinem oberen vorderen Rande, etwa 1°” höher, eine Marke M angebracht. Der Beob- achter setzt sich etwa 1” weit vor den Apparat und fixirt M, ein Gehülfe dreht die eine Trommel, so dass der andere Theil des Streifens stationär unter der Marke vorbeirückt; die Geschwindigkeit der Drehung wird so gewählt, dass die Aufmerksamkeit den weitergleitenden Flecken noch ohne Anstrengung, unwillkürlich, folgt. Nachdem die Netzhaut genügend gereizt ist, richtet man das Auge auf ein passend gewähltes zweites Gesichtsfeld (graue Wand, kleingemusterter Teppich); man sieht dann auf diesem ein metakinetisches Nachbild des Streifens. 3. Sind im ersten Gesichtsfeld bewegte Theile vorhanden, die ver- schiedene oder verschieden gerichtete Geschwindigkeiten besitzen, so repro- dueirt die metakinetische Scheinbewegung im zweiten Gesichtsfeld annähernd die relativen Verhältnisse jene Geschwindigkeiten nach Grösse und Richtung. Am einfachsten ist das nachzuweisen, wenn man im ersten Gesichts- feld eine rotirende Scheibe anbringt und ihre Axe als einen ruhenden Punkt dicht oberhalb ihres Randes fixirt. Im zweiten Gesichtsfeld erscheint dann ein in der umgekehrten Richtung rotirendes metakinetisches Nachbild der Scheibe, | | 4, Enthält das erste Gesichtsfeld einen bewegten Theil X, dessen Bild die ganze Mitte und auch noch ein Stück vom unteren Theil des Gesichts-" ÜBER METAKINETISCHE SCHEINBEWEGUNGEN U. 8. w. 131 feldes einnimmt, so gelingt es leicht, ja es geschieht wider Willen, dass das Auge des Beobachters sich an X haftet und die sämmtlichen vorhandenen Objecte so auffasst, als wäre X in absoluter Ruhe und alles Uebrige in der- jenigen absoluten Bewegung, welche der relativen Bewegung der Objecte gegen X entspricht. So z. B., wenn man am Rande eines Stromes in’s Wasser schaut, steht bald das Wasser scheinbar still und der Beobachter _ nebst dem Ufer fährt stromaufwärts.. Ebenso, wenn man von der Lan- dungsbrücke aus dem Anfahren eines Dampfers zusieht: wenn die Spitze des Dampfers heranrückt, sieht man die Verhältnisse, wie sie sind; wenn aber seine Mitte vor dem Beobachter vorbeigleitet, kehrt sich das Bild um: der Dampfer steht scheinbar still, und die Landungsbrücke fährt ihm ent- gegen. Die Erscheinung erklärt sich einfach daraus, dass das Auge sein - Urtheil über die relative Bewegung der im Gesichtsfeld befindlichen Gegen- stände mit der geringsten Anstrengung bildet, wenn es denjenigen als ruhend annimmt, der den grössten und den am schärfsten wahrgenommenen Theil des Feldes einnimmt. Untersucht man in diesen Fällen die meta- kinetischen Scheinbewegungen, so findet man, dass sie sich gerade so ver- halten, als sei X wirklich in Ruhe und alles Uebrige gegen X in Bewegung gewesen. Macht man den Versuch, am Strome stehend, so wird er da- _ durch gestärkt, dass, wenn man die Augen vom Fluss abzieht, erst eine Periode folgt, wo man sich über die Ruhe des Sehens und des eigenen Körpers orientiren muss; deutlicher gelingt er, wenn man unter günstigen Umständen von der Landungsbrücke auf einen Dampfer springt und sofort den Boden desselben fixirt; man sieht dann die metakinetischen Schein- bewegungen, welche der früheren relativen Bewegung der Landungsbrücke entspricht. 5. Alle anstehenden Erfahrungen lassen sich, wie man leicht sieht, auf den einfachen Satz zurückführen: sind zwei Theile X und Y des ersten Gesichtsfeldes in relativer Bewegung gegen einander, so zeigen die entspre- chenden Theile x und y des zweiten Gesichtsfeldes die entsprechende rela- tive Scheinbewegung, Man kann nun die Frage aufwerfen, wie es sich mit der metakinetischen Scheinbewegung verhält, wenn das ganze erste Gesichtsfeld, so weit es beachtet wird, in gleichmässiger objectiver Bewe- ‚gung begriffen ist. Um dieselbe zu beantworten, construirte ich aus ge- flecktem Papier einen grossen Cylinder von 2” Durchmesser und 1.5” Höhe. Derselbe wurde an der Decke eines Zimmers aufgehängt und ge- dreht, während ich mich mitten hinein setzte und versuchte, die ruhig gehaltenen Augen zu stetiger Beachtung derjenigen Partie zu zwingen, welche gerade an mir vorüberglitt. Das regelmässige Ergebniss war nicht eine Beobachtung, sondern schnell wachsender Schwindel, der beim Ver- 9* 182 E. Buppe: such, das Experiment durchzusetzen, und zu völliger Unfähigkeit des Be- i obachters führte. Ich bemerke dazu, dass meine Widerstandsfähigkeit gegen i Drehschwindel auf Grund einer früheren Erkrankung sehr herabgesetzt ist; vielleicht kann ein Anderer in dem angegebenen Fall zu bestimmten Re- | sultaten gelangen. Für die in der Praxis vorkommenden Beobachtungen > von objeetiver Bewegung und Scheinbewegung ist das negative Ergebniss ; dieses Versuches ohne Belang; denn da sind im Gesichtsfeld immer objectiv H ruhende Theile vorhanden, die wir als Anhaltspunkte für die Wahrneh- mungen benutzen. 6. Die Wahrnehmung der metakinetischen Scheinbewegung wird er- leichtert, wenn die bewegten Theile des ersten Gesichtsfeldes deutlich ver- folgbare Einzelheiten enthalten; ebenso, wenn das zweite Gesichtsfeld unter- scheidbare Einzelheiten enthält, die bequem in’s Auge fallen. Das ist selbst- verständlich, weil die Einzelheiten die Beobachtung der Bewegung überhaupt erst möglich machen. Eine individuell stark hervorstehende Figur im zweiten Gesichtsfeld erschwert die Beobachtung im Allgemeinen, weil sie die Aufmerksamkeit und auch die Augenaxen auf sich zieht. 7. Es ist gleichgültig, ob das zweite Gesichtsfeld dem Auge näher oder weniger nahe liegt, als das erste. Ebenso, ob man binocular oder monocular beobachtet. Beschaut man aber das erste Gesichtsfeld mit dem. rechten, das zweite mit dem linken Auge, so tritt keine metakinetische Scheinbewegung auf. Beschaut man das erste mit einem, das zweite mit beiden Augen, so tritt die Scheinbewegung in der Regel deutlich auf. S. Metakinetische Scheinbewegungen werden in allen Theilen des Ge- sichtsfeldes wahrgenommen, am leichtesten aber namentlich von Ungeübten in der Nähe des fixirten Punktes und unterhalb desselben. Leicht a Dampfer und Eisenbahn zu verificiren. Die Erklärung dieser Thatsache” liegt offenbar darin, dass wir mit den entsprechenden Theilen der Netzhaug die Bewegung überhaupt am leichtesten wahrnehmen. Wir sind durch unseren aufrechten Gang darauf angewiesen und eingeübt, den unte Theil des Gesichtsfeldes, der ja auch grösser ist als der obere, besonde zu beachten. 9. Wenn die objective Bewegung im ersten Gesichtsfelde von kleinen Geschwindigkeitswerthen zu grösseren übergeht, so steigt anfangs auch die Stärke der metakinetischen Scheinbewegungen. Dies erreicht indessen eine Grenze, wenn die objeetive Bewegung so schnell wird, dass das Auge nicht mehr gut von den einzelnen bewegten Objecten verfolgen kann; gel ihre Geschwindigkeit so weit, dass die einzelnen Objeete undeutlich werden und endlich ganz verschwinden, so wird auch die metakinetische Scheim- ÜBER METAKINETISCHE SCHEINBEWEGUNGEN U. S. W. 133 bewegung undeutlich und hört schliesslich auf. Wird der in 3 erwähnte Streifen so schnell bewegt, dass die Flecken desselben für’s Auge ganz in- einander fliessen, so liefert er kein metakinetisches Nachbild mehr. Ebenso ein Farbenkreisel. Wird eine gefleckte Scheibe mit der Hand immer schneller gedreht, so glaube ich deutlich wahrzunehmen, dass der Radius immer kleiner wird, offenbar, weil die rascher bewegten Randtheile der Scheibe keine Scheinbewegung mehr hervorrufen. 10. Ich sehe die metakinetischen Scheinbewegungen bei jeder Accom- modation des Auges, am leichtesten aber und mit klarster Wiedergabe der Verhältnisse im ersten Gesichtsfelde, wenn die beachteten Theile des letz- teren so weit entfernt sind, dass sie bei nahe paralleler Stellung der Augen- axen deutlich gesehen werden können. Das liegt wohl daran, dass meine (leicht asthenopischen) Augen in der Stellung am leichtesten ruhend die "Vorgänge im indirecten Sehen beachten. Das „gedankenlose Hinabstarren“ _ des Beobachters in das erste Gesichtsfeld ist dementsprechend der Beobach- tung günstig. 11. Die Natur des zweiten Gesichtsfeldes hat keinen directen Einfluss ‚auf die Erscheinung. Was immer in demselben vorhanden ist, wird von der metakinetischen Scheinbewegung ergriffen. Dies gilt auch dann, wenn man als zweites Gesichtsfeld die geschlossenen Augen wählt, wenn man also in diesem bloss subjective Gebilde vor sich hat. Schuppige Differenzen im Licht des Augengrundes, Perlfiguren, subjective Fünkchen nehmen an der Scheinbewegung theil, wenn sie rechtzeitig im Gebiet derselben vor- handen sind. Hiermit ist die Strömung der Funken, welche der im Ein- gang erwähnte Beobachter wahrgenommen hat, unter einem allgemeineren _ Gesichtspunkt gebracht. 12. Wir haben bisher vorausgesetzt, dass die Betrachtung im ersten Gesichtsfelde lange genug gedauert habe, um den Reiz vollständig hervor- zurufen, welcher die spätere Scheinbewegung begründet. Ist das nicht der ‚Fall, kürzt man die Dauer der Reize ab, so wird die metakinetische Schein- bewegung schwächer; doch genügen schon wenige (bis 3) Secunden, um einen recht merklichen Antheil derselben hervortreten zu lassen. Näheres im folgenden Paragraphen. 13. Wir haben ferner vorausgesetzt, dass die objective Bewegung im ersten Gesichtsfelde stationär sei. Die eben gefundene Thatsache, dass schon eine Reizzeit von wenigen Secunden genügt, um die scheinbare Nach- bewegung hervorzurufen, lässt erwarten, dass man auch diese Bedingungen fallen lassen kann. Zur Hervorrufung der Scheinbewegung genügt es in der That, dass ein vorübergleitendes Objeet nur kurze Zeit einen bestimmten 134 E. BuUDDpE: Theil der Netzhaut in stationärem Vorübergleiten passirt: hinter einem vorüberfahrenden Wagen sehe ich die Pflastersteine in scheinbarer Bewe- gung. Ein rasch vorübergehender Mensch, aus der Höhe von 10” ange- sehen, genügt nicht mehr, um die Erscheinung deutlich hervorzurufen; sein Bild bestreicht die Theile der Netzhaut zu kurze Zeit. 14. Wir hahen endlich vorausgesetzt, dass das Auge bei der Beobach- tung im ersten Gesichtsfeld entweder ganz ruhig gehalten werde, oder sich relativ ruhend an einen grossen, langsam bewegten Gegenstand hefte. Das ist in der That diejenige Haltung, bei der die Bewegungsverhältnisse im ersten Gesichtsfeld deutlich und stationär hervortreten. Das Auge hat aber die Neigung, namentlich bei schnellen Bewegungen, z. B. in der Eisen- bahn bei Beobachtung der näher liegenden Felder, seine Axe an einzelne bewegte Gegenstände zu heften, einem derselben zu folgen, dann zu. einem zweiten abzuspringen, diesen zu verfolgen u. s. w. Lässt man ihm die. Freiheit, das zu thun, so wird die metakinetische Scheinbewegung erst unterdrückt, bekommt aber einen tumultuarischen, schwer im Einzelnen zu verfolgenden Charakter; das entspricht offenbar der mannigfachen Bewegungen relativ zum Auge, welche bei dieser Operation mit wechselnder Deutlichkeit wahrgenommen werden. 15. Zuletzt lassen wir noch die Voraussetzung fallen, dass die be- obachteten Bewegungen die Sehlinien rechtwinklig schneiden. Dann kann man alle vorkommenden Bewegungen in Componenten zerlegen, von denen die eine senkrecht zu den Sehlinien steht, die andere in die Richtung der Sehlinien fällt. Die Componenten der ersten Art wollen wir tangentiale, die der zweiten Art radiale nennen. Begiebt sich nun ein Beobachter an das hintere Ende eines Schiffes und schaut über das Kielwasser hinweg, so hat für ihn die Bewegung dieses Kielwassers eine erhebliche radiale Componente. Tritt er dann zurück und beschaut als zweites Gesichtsfeld den Fussboden, so hat die auf diesem eintretende metakinetische Schein- bewegung gleichfalls eine entsprechende radiale Componente. Ich kann nun nicht wahrnehmen, dass bei dem Versuch die metakinetische Schein- bewegung jemals von dem abweicht, was man sieht, wenn man rein tan- gentielle Bewegungen beobachtet, schliesse also, dass die radialen Compo- nenten der Bewegung sich, was metakinetische Scheinwirkung anlangt, gerade so verhalten wie die tangentialen. Daraus folgt, dass auch eine rein radiale Bewegung dasselbe thun würde. Praktisch ist eine solche natürlich nicht stationär herzustellen. $ 3. Das bisher Gesagte beschreibt unsere Erscheinung, wie sie sich an Flächen darstellt; um ihr näher auf den Grund zu gehen, redueciren ÜBER METAKINETISCHE SCHEINBEWEGUNGEN U. 8. w. 135 wir nun die Beobachtung im zweiten Gesichtsfeld auf den Anblick zweier Punkte. Ich fand Dampfschifffahrten auf ruhiger See oder grossen Flüssen, mit gut sichtbarem Ufer im Hintergrunde, am besten zur Untersuchung geeignet und habe solche hauptsächlich benutzt. Der Beobachter setzt sich so, dass er senkrecht zur Axe des Schiffes über den Rand desselben hin- wegschaut, wo er dann das objectiv (wir sagen „von links nach rechts“) bewegte Wasser und drüber das ruhende Ufer vor sich hat. Der beachtete Punkt des Ufers heisse A, die Mitte des beachteten Wasserstreifens sei B. Er hat im voraus an Bord zwei objectiv ruhende Punkte a und 5 markirt, welehe den Punkten A und B entsprechen. Er richtet die Augen auf A, _ lässt sie lange genug reizen, wendet dann den Blick schnell vom Ufer auf das Schiff und fixirt a, beachtet aber dabei das Verhalten von ). Dann erscheint 5 in Bewegung von rechts nach links, anfangs schneller, dann - langsamer, bis es nach einiger Zeit zur Ruhe kommt. Seine Bewegung sinkt so langsam unter die Schwelle der Wahrnehmung, dass sich kein bestimmter Zeitpunkt für den Uebergang in Ruhe angeben lässt. Ist die - scheinbare Ruhe einmal erreicht, so bleibt sie bestehen, wenn keine neue Reizung durch objective Bewegung dazwischen tritt. Die scheinbare Lage, welche 5 schliesslich relativ zu « einnimmt, ist also die definitive und normale; wir wollen sie mit D, bezeichnen. In diese Lage gelangt aber 5 erst durch eine Bewegung von rechts nach links, also hat es vorher eine scheinbare Lage /, eingenommen, die um eine [ tösse s nach rechts von D, abstand. Dies s nennen wir die „metakine- ‚tische Verschiebung“ von 5b zur Zeit Als Nullpunkt der Zeit £ wollen wir denjenigen Augenblick rechnen, in welchem das Auge von dem ersten Gesichtsfeld abgewendet wird; in diesem Moment hat offenbar s seinen grössten Werth s,; mit der Zunahme von 2 nimmt s fortwährend ab, und diese Abnahme der metakinetischen Verschiebung ist die meta- kinetische Scheinbewegung von db. Die Existenz der metakinetischen Verschiebung ist also das Grundphaenomen der uns beschäftigenden Er- scheinung. Die Verschiebung hat die gleiche Richtung, welche vorher die objective Bewegung im ersten Gesichtsfelde besass; die metakinetische Scheinbewegung hat also die entgegengesetzte Richtung. Bei der im Vorstehenden beschriebenen Beobachtung tritt nun sehr häufig eine lehrreiche kleine Störung ein. Führt man sie nämlich vor- schriftsmässig aus, so sieht man in den ersten Secunden der Zeit Z# die netakinetische Scheinbewegung stets so verlaufen, wie sie oben angezeigt jurde: @ ist in Ruhe und 5 rückt scheinbar von rechts nach links fort. Nach einiger Zeit aber verliert die ermüdete Aufmerksamkeit sehr häufig las Bewusstsein, dass a der ruhende und 5 der bewegte Punkt ist; sie kehrt dann das Phaenomen um (NB. bei gut festgehaltener Fixirung von a): A 136 E. Buppe: b scheint still zu stehen und a sich von links nach rechts zu bewegen. Dabei setzt aber a, soweit sich’s beurtheilen lässt, die Scheinbewegung von b mit derselben Geschwindigkeit fort, die & haben würde, wenn a in Ruhe geblieben wäre. Also: die relative Scheinbewegung von 5 gegen a bleibt bei der Umkehrung, welche in der Auswahl des ruhend gesehenen Punktes eintritt, unverändert. Hiernach kann von dem in $. 2 Nr. 1 aufgestellten Gesetz, wenn man es auf die absolute Scheinbewegung bezieht, eine Aus- nahme eintreten: die metakinetische Scheinbewegung kann, was ihre ab- solute Richtung angeht, mit der absoluten Richtung der objectiven Be- wegung im ersten Gesichtsfelde übereinstimmen; dann aber ergreift sie nicht die Theile, welche den objectiv bewegten Partien des ersten Gesichtsfeldes entsprechen, sondern die, welche den objectiv ruhenden entsprechen. Relativ ist die scheinbare Bewegung von 5 gegen a immer entgegengesetzt der objectiven Bewegung von B gegen A. Dadurch cha- rakterisirt sich die metakinetische Scheinbewegung als eine Erscheinung, die sich wesentlich auf die relativen Bewegungen im ersten, Lagen im zweiten (Gresichtsfelde bezieht. Es ist leicht, die Umkehrung der Auswahl des fest gesehenen Punktes zu erklären, das würde aber eine längere, an dieser Stelle störende Digression nöthig machen; wir begnügen uns damit, darauf hinzuweisen, dass sie das wesentliche der metakinetischen Schein- bewegung, die relative Scheinbewegung von 5 gegen a, nicht affıcirt. Der Ausdruck des Grundphaenomens der metakinetischen Scheinbewegung wird nun folgender. Im ersten Gesichtsfeld seien zwei Partien A und B gegeben, die eine relative Bewegung gegeneinander besitzen; DB habe gegen A die relative Winkelgeschwindigkeit in Bezug auf den Mittelpunkt des Auges. Dann sagen wir: die Partie # der Netzhaut wird gegen & „kine- tisch gereizt“, und wir nennen die Richtung von @ die „Reizrichtung“. Und wir haben nun den Satz: „Fallen die Bilder zweier ruhenden Punkte a und 5 auf zwei Theile der Netzhaut & und £, von denen gegen « kinetisch gereizt ist, so ertheilt $# dem Punkt 5 eine metakinetische Schein- Verschiebung gegen a, deren Richtung mit der Reizrichtung übereinstimmt. Die scheinbare Verschiebung nimmt mit der Zeit ab, und ihre Abnahme ist die metakinetische Scheinbewegung des Punktes 5.“ Dieser Satz enthält den Kern des Phaenomens; wendet man ihn auf den Fall an, wo im ersten Gesichtsfeld beliebig bewegte Flächen vorhanden sind, so erhält man, wie sofort einleuchtet, die Erscheinungen, welche in $. 2 Nr. 1 bis 4 beschrieben wurden. Die Anwendung bedarf nur einer besonderen Untersuchung über die Vorgänge, welche unmittelbar an der Grenze stattfinden, wo ein kinetisch gereiztes Gebiet an ein anderes stösst; dieselbe wird weiter unten vorgenommen. Zunächst sieht man, dass es für die Ermittelung der quantitativen - A ÜBER METAKINETISCHE SCHEINBEWEGUNGEN UT. S. W. 137 Eigenthümlichkeiten der metakinetischen Scheinbewegung genügt, die quan- titativen Eigenschaften der metakinetischen Verschiebung festzustellen. Da ist nun von vorn herein zu bemerken, dass die Untersuchung äusserst schwierig und ungenau ist. Eine objective Messung kann natürlich im zweiten Gesichtsfelde nie stattfinden, da jeder hineingebrachte Maassstab an der Bewegung daselbst Theil nehmen würde Man hat also nur das Mittel, dem Gedächtniss die Grösse der Maasseinheit (1%) oder die der gesehenen Verschiebung einzuprägen und dann subjectiv zu schätzen, wie sich die gerade vorhandene scheinbare Verschiebung zu jener Einheit ver- hält oder die gesehene Verschiebung an einem Stäbchen zu reproduciren und dann zu messen. Das wird um so schwieriger, da man keinen ruhen- den Nullpunkt hat, an dem sich die Schätzung anlehnen könnte; denn der Nullpunkt, auf welchen die metakinetische Verschiebung sich bezieht, ist die normale scheinbare Lage von 5, und die wird erst zu Ende der Be- obachtung erreicht; die langsame Abnahme der scheinbaren Bewegung, welche in den letzten Stadien der Erscheinung vorhanden ist, erschwert dabei noch das Urtheil, ob 5 zur Ruhe gekommen ist oder nicht. Von vorn herein sind also nicht genaue Zahlenangaben zu erwarten. 1) Zur Zeit Null sei die metakinetische Verschiebung s, vorhanden. _ Wendet man das Auge recht schnell auf das zweite Gesichtsfeld, so kann die Beobachtung etwa zur Zeit £= 0-5 Sec. beginnen. Man sieht dann den Punkt 5 in rascher Bewegung nach links, die allmählig langsamer wird und schliesslich unmerklich in Ruhe übergeht. Der Gesammtbetrag der Verschiebung, welche 5 in der ganzen Zeit durchmacht, also der Werth von s,, kann in günstigen Fällen 2°” bei 1” Abstand des zweiten Ge- sichtsfeldes erreichen, vielleicht auch noch übersteigen. Will man auf dem Meere so grosse Werthe von s, erzielen, so muss man A am Ufer, B mehr am Schiffe, also > ziemlich weit von a wählen. Dann ist aber die genauere Beachtung von 5 im indirecten Sehen erschwert, und es ist deshalb vor- theilhafter, sich mit kleineren Werthen von s, zu begnügen: 8 bis 10 Millimeter sind leicht zu erreichen, wenn das zweite Gesichtsfeld 120 bis 140m weit vom Auge entfernt ist (Abstand des Fussbodens an der Stelle 5 vom Auge des Sitzenden). Man sieht nun deutlich, dass sowohl die schein- bare Geschwindigkeit wie ihr erster Differentialeoöffiecient, also die schein- - bare Beschleunigung, von 5 in beständiger Abnahme des absoluten Werthes begriffen sind. Die Annäherung an die Ruhelage erfolgt, soweit es sich beurtheilen lässt, asymptotisch, und wir schätzen, dass die Ruhelage erreicht ist, wenn die Geschwindigkeit unter die Schwelle der Wahrnehmbarkeit ‚sinkt. Die einfachste Formel, welche diese Eigenschaften der Scheinbewegung ausdrücken kann, ist (1) guy em 0 138 E. Buppe: wo % eine Constante. Sie soll zunächst nur einen ungefähren Anhalt für den äusseren Verlauf der Erscheinung bieten; doch lässt sich ihr auch a priori eine gewisse Wahrscheinlichkeit züsprechen. Denn die metakine- tische Verschiebung ist offenbar die Folge eines einmal gesetzten Reizes, der eine falsche Schätzung der Lage von b hervorruft. Ihre Abnahme, also die metakinetische Scheinbewegung, ist eine im Laufe der Zeit 7 ein-° tretende Correctur des Schätzungsfehlers. Es ist nun von vorn herein am wahrscheinlichsten, dass die Geschwindigkeit, womit diese Correctur erfolgt, um so grösser ist, je grösser der gerade vorhandene Schätzungsfehler, also ds 147 ks. Gl. (1) ist also das Integral dieser Formel. dass — 2) Unter den im Eingang des Paragraphen angegebenen Umständen fixire man das Ufer A und beachte, so weit es angeht, die ganze bewegte Wasserfläche BD; dann fixire man a im zweiten Gesichtsfelde Die Partie unterhalb a, welche dem B entspricht, erscheint einige Secunden lang in Kreisdrehung um a. Ich glaube ziemlich sicher wahrzunehmen, dass diese Kreisdrehung in den Partien, die von a um weniger als 8 bis 10 Grad abstehen, recht regelmässig ist und die einzelnen Theile der betreffenden Partie um gleiche Centriwinkel gegen a vorschiebt. Daraus folgt mit der- jenigen Annäherung, welche die Beobachtung überhaupt zulässt, dass s, für die verschiedenen Theile des Gesichtsfeldes der Winkel- Geschwindigkeit der objectiven Bewegung proportional ist. | In Partien, die weiter, als eben angegeben wurde, von a entfernt sind, wird die Wahrnehmung zu undeutlich, als dass sich etwas Bestimmtes aussagen liesse. Ueberschreitet die Geschwindigkeit der objectiven Be- wegung im ersten Gesichtsfelde die Grenze, unterhalb deren die einzelnen Objecte daselbst noch deutlich wahrgenommen werden, so hört die Propor- - tionalität auf; s, bleibt hinter derselben zurück, entsprechend $. 2 Nr. 9. Ferner, wenn im ersten Gesichtsfeld zwei Objecte, von denen eins ruhend, das andere bewegt ist, mit scharfer Grenze aneinander stossen (z. B. das bewegte Wasser an den ruhenden Schiffsrand), so stösst im metakinetischen Nachbilde an der entsprechenden Grenze das scheinbar bewegte Gebiet nicht scharf abgesetzt an das ruhende, es scheint aber ein continuirlicher Ueber- gang von der Ruhe zur Bewegung stattzufinden; daraus folgt, dass an den kändern metakinetisch bewegter Gebiete die Proportionalität von s, mit nicht mehr stattfindet. Der Satz „s, ist proportional mit @“ drückt also annähernd das aus, was in den mittleren Theilen scheinbewegter Gebiete wahrgenommen wird, wenn sie nicht allzuweit vom fixirten Punkt abstehen, und wenn p die Deutlichkeitsgrenze nicht überschreitet; er erleidet eine Ausnahme im Sinne ÜBER METAKINETISCHE SCHEINBEWEGUNGEN U: 8. W. 139 der Verkleinerung von s, in der Nähe der Ränder, wenn ein bewegtes Ge- biet an ein ruhendes stösst, und es kann nicht deutlich kritisch beurtheilt werden, wenn die bewegten Theile zu weit vom fixirten Punkt abstehen. 3. Ich habe mich bemüht, den absoluten Betrag von s, für specielle, der Beobachtung günstige Fälle zu bestimmen. Für die besten Ergebnisse _ halte ich diejenigen, die auf einer kleinen Yacht im Bosporus gewonnen wurden, wo ich die nöthigen Einrichtungen für Fixirung des Kopfes, Visir- linien und Entfernungsbestimmungen treffen konnte. Der Beobachter sitzt, wie früher angegeben; als Marke zum Fixiren im ersten Gesichtsfeld dient ein am Schiffsende angebrachter Galgen, unter dem ein breiter Streifen des bewegten Wassers sichtbar wird. a und 2 sind zwei auf Deck angebrachte schwarze Punkte, senkrecht untereinander, -12°® von einander und 120°® vom Auge entfernt. Abstand der beachteten Wassertheile vom Auge, berechnet aus der Lage der Visirlinie, 9.7 Meter. Geschwindigkeit des Schiffes 4-2 Meter/Secunde. Scheinbare Verschiebung von 5 aus 10 Versuchen 0-8", Diese Schätzung gilt für den Fall,.wo der Beobachter etwa ?/, Secunde verwendet, um die Punkte « und 5 fest in’s Auge zu fassen, also hier die Zeit t=0.67. Für <= (0 wird der Werth von s, etwas grösser sein; nach dem Eindrucke, den die Schnelligkeit der Scheinbewegung in den ersten Momenten macht, schätze ich den dadurch begangenen Fehler auf 1" oder etwas mehr. In runder Summe wird also s, gleich etwas unter 1°” zu sehen sein, wobei der wahrscheinliche Fehler der Schätzung 2 bis 3” betragen mag; für grössere Genauigkeit möchte ich mich trotz der erlang- “ten Uebung nicht verbürgen. Es hat keinen Zweck, die Einzelschätzungen zur Bestimmung des wahrscheinlichen Fehlers heranzuziehen; denn dieselben haben einen systematischen Fehler: man schätzt s, anfangs zu klein, und die ersten Schätzungen prägen sich dem Gedächtniss so ein, dass die fol- genden sich unwillkürlich an sie anlehnen; nach einiger Zeit wird die Schätzung constant, und diesen constanten Werth der 6 letzten Beobach- tungen stellt die obige Grösse von Smm dar. Es ergiebt sich also aus dem Obigen für mein Auge folgendes Paar von zusammengehörigen Werthen: Winkelgeschwindigkeit y des stationär bewegten Objects im ersten Gesichtsfelde gegen das Auge, wenn der Winkel in Theilen des Radius ge- messen wird, A = 0.43. Entsprechende metakinetische Verschiebung nahe 125 — 0.008. | | 140 | E. Buppe: 4. Wegen der asymptotischen Annäherung von 5 an die Ruhe lässt sich nicht genau angeben, wie lange die metakinetische Scheinbewegung dauert. Unter den Umständen des in Nr. 3 beschriebenen Versuches scheint mir, 1) dass s in etwa 3 Secunden auf die Hälfte seines jeweiligen Werthes herabsinkt; 2) dass die letzten Reste der Bewegung noch nach‘ etwa 12 bis 15 Secunden wahrgenommen werden können. Nehme ich als zweites Gresichtsfeld das geschlossene Auge, so sehe ich die Scheinbewegung an den subjectiven Gebilden desselben noch etwas länger, unter günstigen Verhältnissen bis über 20 Secunden. Dies rührt wohl theilweise davon her, dass die Beobachtung bei geschlossenem Auge die ungestörteste von allen ist, anderntheils aber findet sich in $ 4 eine weitere Erklärung dafür. Aus der Angabe, dass s in 3 Secunden auf die Hälfte sinkt, berechnet sich das k der Gleichung (1) zu k = —n — 0.23, eine Zahl, der natürlich die ganze Unsicherheit anhängt, welche Gleichung (1) und die Zahl von 3 Secunden trifft. 9. s, hängt von der „Reizungszeit“ z ab, d.i. von der Zeit, die man zum Anschauen der objectiven Bewegung im ersten Gesichtsfelde verwandt hat. Man kann mit Sicherheit beobachten, dass der grösste Theil der meta- kinetischen Anfangsverschiebung in den ersten Secunden der Reizungszeit gebildet wird. Schaut man das erste Gesichtsfeld nur so lange an, dass das Auge dazu gelangt, ruhend die herrschende Bewegung zu übersehen (!/, bis 1?/, Secunde), so ist schon unmittelbar nachher ein merklicher Werth von s, vorhanden; nach 3 Secunden ist die metakinetische Schein- bewegung ganz deutlich, und nach 6 bis 8 Secunden ist sie so weit ent- wickelt, dass ich es schwierig finde, die bei längerem Reiz noch hinzutre- tenden Ineremente von s, wahrzunehmen. Für die Deutung dieser Angabe. kommt uns die Bemerkung zu Hülfe, dass das Gesetz, nach welchem das Auge sich eine falsche Schätzung aneignet, sehr wahrscheinlich dasselbe sein wird, wie dasjenige, nach dem es sich später die falsche Schätzung wieder abgewöhnt. Also wird s, als Function von r gerade so zunehmen, wie es als Function von 2 abnimmt. Bezeichnen wir mit S den Maximal- werth, den s, bei einer gegebenen objeetiven Bewegung annehmen würde, wenn man das Auge unbegrenzt lange reizen liesse, so wäre hiernach die a priori wahrscheinliche Gleichung für s, = DD er (2 Damit stimmen die vorstehenden Angaben der Art nach überein. 6. Wir wenden uns noch einen Augenblick zu dem, was an den Rändern scheinbewegter Gebiete vor sich geht. Dort ist, wie gesagt, die ÜBER METAKINETISCHE SCHEINBEWEGUNGEN U. 8. W. 141 Grenze zwischen bewegtem und unbewegtem Gebiet im zweiten Gesichtsfeld unscharf, und das deutet darauf, dass s, an den Rändern kleinere Werthe annimmt, als in einiger Entfernung von denselben; deshalb verlangsamt sich an den Rändern der bewegten Gebiete die metakinetische Schein- bewegung, so dass der Uebergang zum ruhenden Gebiet continuirlich wird. Ueberdies findet am Rande eines scheinbewegten Gebietes noch ein beson- ders störender Umstand statt, nämlich ein Conflict zwischen der Schein- bewegung und der bereits vorhandenen Kenntniss, dass die Gegenstände des zweiten Gesichtsfeldes dort ruhen und continuirlich zusammenhängen. Wenn das Auge sich dem zweiten Gesichtsfeld zuwendet, um dort den Fixirungspunkt a aufzusuchen, so kann es nicht umhin, die Umgebung dieses Punktes gewissermaassen zu betrachten, und wenigstens von einer Seite her zu der bewussten Kenntniss, die wir schon vorher von der Ruhe des Gesichtsfeldes haben, auch noch die unbewusste Erfahrung hinzuzu- fügen, dass in der Nähe von a continuirliche Ruhe vorhanden ist. Wird diese Wahrnehmung durch die Configuration des zweiten Ge- sichtsfeldes stark unterstützt, so kann sie so sehr überwiegen, dass die ganze Erscheinung der metakinetischen Nachwirkung unsicher wird. Z. B. man bringe im ersten Gesichtsfeld eine rotirende Scheibe an. Im zweiten Gesichtsfeld tritt ihr metakinetisches Nach- bild immer mit undeutlichem Rande auf. Nun nehme man aber als zweites Gesichtsfeld eine verticale graue Wand und ziehe über dieselbe einen kräftigen, geraden, verticalen Strich, der beiderseits k bis an die Grenzen des Gesichtsfeldes reicht. Dann müsste der- selbe zur Zeit t—=0, wenn der obere Theil der Scheibe sich vorher von links nach rechts gedreht hat, so verbogen erscheinen, wie Fig. 1 es in übertriebenem Maasse darstellt. Ich kann nun nicht bloss diese Verbiegung nicht deutlich wahrnehmen, sondern finde, dass die ganze Wahrnehmung der Scheinbewegung durch den Strich gestört und unsicher wird. Lasse ich aber den Strich Fig mitten im Gesichtsfelde, etwa bei der mit k bezeichneten Stelle, endigen und führe die Augen von oben auf ihn hin, so sehe ich ihn sich ‚in der angegebenen Art verbiegen, offenbar, weil dann die Kenntniss von seiner Geradlinigkeit sich dem Auge nicht von vornherein so sicher ein- prägt, als wenn er nach oben fortgesetzt ist. < Schmale bewegte Streifen im ersten Gesichtsfeld liefern die metakine- tische Scheinbewegung weniger deutlich als breite, offenbar, weil sie nur _ aus Randgebiet bestehen. 7. Wir nehmen endlich an, das zweite Gesichtsfeld sei nicht in Ruhe, sondern selbst in langsamer Bewegung begriffen. Dann kann man beob- 142 E. BupveE: achten, dass die metakinetische Verschiebung und Scheinbewegung bestehen bleibt und sich der realen Bewegung superponirt. Das Quantitative der Erscheinung lässt sich aber dann nicht mehr verfolgen. Vielleicht würde das gelingen, wenn man als zweites Gesichtsfeld grosse, sehr regelmässig und langsam bewegte Streifen benutzte; mir standen keine solche zur Verfügung. - $4. Es fragt sich nun, ob die im vorigen Paragraphen beschriebene Grunderscheinung, die metakinetische Verschiebung, noch weiter erklärt, d.h. auf physiologische oder psychologische Abweichun- gen vom Normalzustande zurückgeführt werden kann. Da lassen sich zwei prin- cipiell verschiedene An- nahmen zur Lösung des Problems heranziehen: I. Der Kreis (Fig. 2) sei irgend ein Meridian- schnitt des Auges, 0 sein Fig. 2. optischer Mittelpunkt. &und 7 seien zwei Partien der Netzhaut, deren Endorgane, Stäbchen der‘ Zapfen durch die Linien x4, &« u. s. w. in übertriebener Grösse dargestellt werden. | In der Partie & sollen diese Organe ihre normale Stellung haben, in 7 dagegen sollen ihre empfindenden Theile so verschoben sein, dass die Richtung der Verschiebung für einen von aussen in das Auge schauenden Beobachter von links nach rechts geht. Um das in der Zeichnung bequem schematisch ausdrücken zu können, nehmen wir an, die Punkte £, y etc. seien die empfindenden Niveaux der Endorgane, und wir drücken ihre Ver- schiebung gegen den Platz $, y, an dem sie normaler Weise ihre Empfin- dung dem Nerven übermitteln, durch Schiefstellung der Linien #5 u.s. w. aus. Fällt nun von aussen das Bild eines Punktes a in die Partie &, so wird der in « gefühlte Reiz in «, abgeliefert und seine Ursache wird in die Verlängerung der Linie «,&0, nach a verlegt. Fällt aber das Bild eines anderen Punktes 5 nach £, so wird der dadurch entstandene Reiz an 5, und an die Nervenfasern abgeliefert. Nehmen wir an, dass die Schlüsse der Centralorgane durch vorangegangene ee nicht ge- stört sind, so halten sich diese Schlüsse einfach an die Thatsache, dass der Reiz von /, aus angemeldet wird. Sie sind gewohnt, jeden Reiz, der von ß, aus ankommt, so zu localisiren, als ob das Endorgan £,ß gerade stände, suchen also die Ursache eines jeden von #, aus gemeldeten Empfindungs- reizes auf der Verlängerung der geraden Linie 5,0; d. h. sie verlegen diese F Ursache nach 5, statt nach d. Wir sehen also den Punkt 5 unter den - angegebenen Bedingungen um den Gesichtswinkel 9 nach links verschoben. | Die metakinetische Scheinverschiebung kann also physiologisch erklärt “werden durch die Hypothese: Ist eine Partie »; der Netzhaut kinetisch ge- reizt, so sind in ihr die Endorgane verschoben, und zwar in derjenigen “ Richtung, die für einen von aussen in das Auge schauenden Beobachter _ die der Reizrichtung entgegengesetzte Benennung führt. Um das quanti- _ tative Verhalten der metakinetischen Verschiebung zu erklären, muss man “die Nebenannahme machen, dass die Verschiebung der Endorgane den in -$ 3 aufgestellten Gesetzen für s, und s gehorcht. Da die metakinetische Scheinbewegung auch für radiale Bewegungen gerade so eintritt, wie für tangentiale, und da radiale Bewegungen aus der stereoskopischen Deutung kleiner lateraler Verschiebungsdifferenzen erkannt werden, so folgt, dass die _ quantitativen Gesetze der Netzhautverschiebungen für sehr kleine Bewegungs- grössen noch scharf gültig sein müssen, insbesondere das Gesetz, dass die " metakinetische Verschiebung der vorangegangenen objectiven Geschwindig- _ keit proportional ist; denn sonst wären die radialen Scheinbewegungen nicht den tangentialen gleichartig. Die Randerscheinungen würden sich daraus erklären, dass an den Rändern eines kinetisch gereizten Gebietes die Con- tinuität der Netzhautmosaik aufrecht erhalten werden muss, wenn nicht - einerseits eine klaffende Trennung , andererseits eine Quetschung der End- _ organe eintreten soll. Die Grösse der Verschiebung, welche die Endorgane ‚erleiden, muss offenbar dem an der betreffenden Stelle vorhandenen Ge- sichtswinkel 9 der metakinetischen Scheinverschiebung entsprechen. Die -Scheinbewegung entsteht selbstverständlich dadurch, dass die verschobenen "Endorgane wieder an ihren normalen Platz zurückkehren. i Die gegebene Erklärung lässt sich hiernach so ausführen, dass sie die Erfahrung leidlich gut wiedergiebt. Aber sie unterliegt offenbar dem Ein- "wurf, dass sich nicht angeben lässt, wie die Verschiebung der Netzhaut- theile zu Stande kommen soll; wir kennen keinen Mechanismus, der sie bewerkstelligen könnte, und können auch einstweilen keinen Zweckmässig- keitssrund für einen solchen Mechanismus angeben. Ferner kann der Ge. sichtswinkel :* auf einen ganzen Grad ansteigen (vergl. $ 3), die absolute "Verschiebung der Endorgane müsste also nahe 0.2 mm erreichen können, ein unwahrscheinlich grosser Betrag. Endlich ist die Frage, ob die Per- ception in der Partie 7 aus ungestörten Schlüssen hervorgeht, noch offen nd muss besonders untersucht werden; das geschieht im Folgenden und es wird sich dabei herausstellen, dass in der That der Eintritt einer Stö- fung wahrscheinlich ist; dann bedarf die vorstehende Erklärung noch der Nebenannahme, dass diese Störung entweder die gleiche Richtung des Schätzungsfehlers hervorruft, wie die Netzhautverschiebung, oder dass sie ÜBER METAKINETISCHE SCHEINBEWEGUNGEN U. 8. W. 143 2) 144 E. Buppe: dagegen verschwindet. So sind bei dieser Erklärung einige Unwahrschein- lichkeiten nicht zu vermeiden. — Entscheiden könnte freilich nur die directe Beobachtung an der lebenden Retina, die zur Zeit wohl nicht mit Sicher- heit gemacht werden kann. Vergl. übrigens unter JO, Nr. 5. II. Zweitens kann die metakinetische Verschiebung als Pseudoskopie aufgefasst werden, d. h. als eine (in unserem Fall temporäre) Fälschung der Schlüsse, welche im Centralorgan aus richtig angemeldeten Empfin- dungen gezogen werden. Zu dem Ende analysiren wir die Vorgänge, mit- tels deren die Bewegung wahrgenommen wird, so viel, dass sich beurtheilen lässt, ob diese Wahrnehmung Elemente enthält, die zu einer nachfolgenden Pseudoskopie führen, oder nicht. Ich. lehne dabei die Untersuchung an einen bequemen Specialfall an, um den Ausdruck zu vereinfachen; die Er- weiterung der Betrachtung ist so leicht, dass sie keiner besonderen Aus- führung bedarf; jeder Einzelfall kann in gleicher Weise behandelt werden. In einem ersten Gesichtsfeld sei inmitten ruhender Partien ein Strei- fen X gegeben, der sich stationär von links nach rechts bewegt; er soll ein- zelne unterscheidbare Objecte A, X, u. s. w. enthalten, die an seiner ob- jectiven Bewegung Theil nehmen. Irgend zwei ruhende Marken, die man in den ruhenden Theilen des Gesichtsfeldes wählt, sollen mit A und € bezeichnet werden. Bewegt sich der Streifen X mit äusserster Langsamkeit, so führen wir die Operation, durch welche wir seine Bewegung erschliessen, mit Bewusst- sein aus. Wir wählen zur Zeit 2, eins der Objecte X, aus und beobach- ten seine Stellung gegen die Marken A und C. Am liebsten und am sichersten geschieht das durch directes Visiren, sonst durch Messung des Winkels AX,„C bei festgelegtem Auge u. s. w. Zu einer späteren Zeit t, wiederholen wir die Operation; findet sich eine Aenderung gegen zZ, so ist die Bewegung erkannt und kann durch quantitative Ausbildung des Ver- | fahrens gemessen werden. Die ganze Untersuchung wird, wenn es angeht, im directen Sehen vorgenommen, Bewegung des Auges, bez. des ganzen Körpers giebt uns dabei das Mittel, X, visirend in die gerade Linie AC zu bringen, oder ein Instrument auf X, u. s. w. zu richten. Sie kann aber auch im indirecten Sehen gemacht werden. Wir können z. B., bei ruhen- dem Körper und ruhendem Auge angenähert beurtheilen, ob X, zur Zeit t, in der Ebene ACO liegt, wo O der Mittelpunkt des Auges. Die Schätzung ist schlecht, aber nicht principiell unausführbar. Wir können eben so später constatiren, ob X, von der genannten Ebene abweicht, bez. ein | ungefähres Urtheil über die Grösse der Abweichung bilden, können also, obgleich wir es in der Praxis bei sehr langsamen Bewegungen nicht leicht thun, im indirecten Sehen die Elemente wahrnehmen, aus denen wir die 4 ÜBER METAKINETISCHE SCHEINBEWEGUNGEN U. 8. W. 145 Bewegungen erschliessen. Es ist wichtig, hierbei auf einen Vorgang zu achten, der die Vergleichung zweier Oerter, ein A und X, im indirecten Sehen begleitet. Ist das Auge bei der Operation beweglich, so fixirt es erst A dann X, springt zwischen beiden hin und her und orientirt sich da- durch über die Richtung und Grösse des Sprunges, d. h. über die relative - Lage von X, gegen A. Zwingen wir das Auge, sich ruhig zu verhalten, so springen nicht seine Muskeln aber wohl seine Aufmerksamkeit zwi- schen A und X, hin und her. Die Aufmerksamkeit concentrirt sich erst auf den einen, dann auf den anderen Punkt und schätzt die Grösse als von ihm zurückgelesten Weges. Sind beide Punkte weit von einander entfernt oder schwer sichtbar, so geschieht dieses Hin- und Herspringen der Aufmerksamkeit langsam, weil sie jeden Punkt erst suchen muss, und es kommt dann deutlich zum Bewusstsein. Es wird auch verlangsamt und bewusst wahrnehmbar, wenn man die beiden Punkte mit besonderer Schärfe zu beachten versucht; denn dann verweilt die Aufmerksamkeit länger bei - jedem einzelnen. Mit einiger Uebung im Selbstbeobachten kann man die Sprünge der Aufmerksamkeit auch dann noch an sich verfolgen, wenn die linken Öbjecte mehr am fixirten Punkt liegen und gut beleuchtet sind. - Ich schliesse, dass das „Wandern der Beachtung“ eine Erscheinung ist, die sich immer einstellt, wenn wir mit ruhendem Auge ein Gesichtsfeld beach- ten; lassen wir die Augen beweglich, so schliessen sie sich bekanntlich der Wendung an. Ruhen die Augen kurze Zeit auf dem Gesichtsfeld, so stellt sich das Gefühl ein, dass wir in demselben orientirt sind und mit Leich- tügkeit die Umgebung des fixirten Punktes überschauen; das dürfte darauf beruhen, dass die Aufmerksamkeit ihre Wanderungen mit einer gewissen Regelmässigkeit über den Umkreis der Beachtung vertheilt. z Wir nehmen nun an, der Streifen X bewege sich so schnell, dass sein Fortschreiten unwillkürlich und ohne Anstrengung „in’s Auge fällt“, und werde stationär, also im indirecten Sehen, angeschaut. Dann läuft die ganze Schlussreihe, deren wir zur Erkenntniss seiner Bewegung bedürfen, so ‚schnell ab, dass ihre einzelnen Theile nicht mehr deutlich zum Bewusstsein kommen. Sie sind aber dennoch, wie bei allen ähnlichen Operationen, un- ‚bewusst vorhanden; die Aufmerksamkeit springt hin und her zwischen festen Marken A,C und den bewegten Objecten X,„, fortwährend ihre Beziehungen zu einander vergleichend. Dabei nimmt sie nach jedem Sprung eine Aende- zung dieser Beziehungen wahr, und so erschliesst sie die vorhandene Be- wegung. Sie hielt sich dabei natürlich nicht an zwei individuelle Punkte als Marken A, C, sondern wählt diese, nach Bedürfniss wechselnd, im gan- zen ruhenden Gesichtsfeld. Als eine Marke dient ihr dabei meist indirect die eigene Position des Beobachters, indem sie die gerade Linie vom Auge zu einer Marke A als Ausgangspunkt nimmt. Archiv f, A. u. Ph, 1884. Physiol, Abthlg. 10 146 E. BuDDpe: Zwischen der Empfindung, die in den Netzhauttheilen entsteht, und der Wahrnehmung liegt also als Zwischenstufe die „Beachtung“. In dieser erscheinen die Objecte X, sprungsweise, also discontinuirlich, und sie liefert _ eine discontinuirliche Kenntniss an dem jeweiligen Ort derselben. Mit dieser wird die continuirliche Bewegung der A,„ erschlossen. Daraus, ‘ und nicht ohne dieses, erklärt sich die bekannte Thatsache, dass die dis- continuirlich bewegten Bilder, welche das Stroboskop liefert, in der Seele den Eindruck continuirlicher Bewegung hervorrufen. Auf jedem einzelnen der discontinuirlich auftretenden Bilder, bez. auf seinem positiven Nach- bild, welches ja kurze Zeit deutlich bleibt, springt die Aufmerksamkeit um- her, ihre Theile vergleichend; dabei ändert sich die Lage dieser Theile | gegeneinander ganz ähnlich, wie wenn sie continuirlich bewegt wären, und so vermag die Seele des Dargebotenen nicht an dem Bild einer continuir- lich vor sich gehenden Bewegung zu unterscheiden. Nimmt man nicht an, dass die bewegten Objeete überhaupt discontinuirlich beachtet werden, so bleibt keine Erklärung für jenen Vorgang übrig. Die Aufmerksamkeit richtet sich nun, wenn sie .X beachtet, immer wieder auf die einzelnen Objecte X, X, u.s. w. und sucht sowohl ihre Lage gegen andere Objecte A, C u. s. w. wie ihre Beziehung zur Position des Beobachters zu bestimmen. Das ist angeübt, weil das Auge überhaupt im Interesse des Gesammtorganismus ganz wesentlich die Aufgabe hat, Einzelheiten jeder Art zu ersetzen; es liegt ferner in der Natur der Be- wegungswahrnehmungen selbst. Denn die Objecte X, dienen ja als Marken zur Erkennung der Bewegung von X; sie können diesen Dienst nur dann leisten, wenn sie einzeln währgenommen werden. Das Bedürfniss, über ihren Standort gegen ruhende Punkte unterrichtet zu bleiben, und das Ur- theil über die Position des Beobachters an die Beobachtung der ruhenden Marken anzulehnen, ist so unabweislich, dass seine Nichtbefriedigung Schwindel und Unbehagen hervorruft. Ich erinnere an den leicht erkennbaren optischen Antheil der Seekrankheit. Um nun ihren Bedürfnissen gerecht zu werden. bezieht die Aufmerksamkeit die vorübergleitenden Objecte im Streifen X auf feste Orientirungslinien, die sie vom Auge zu den ruhenden Theilen des Gesichtsfeldes construirt, verfolgt also die temporären Lagen, die ein Object gegen eine Marke A einnimmt, wobei die Stellung des eigenen Auges O das an- dere Ende der Linie O A festlegt. Dabei muss sie nothwendig darauf Rück- sicht nehmen, dass sie X, und A nicht gleichzeitig beachtet, sondern durch Sprünge, die eine gewisse Zeit beanspruchen. Wir nehmen, zunächst will- kürlich, an, dass die Dauer eines solchen Sprunges einen bestimmten Durch- schnittswerth At besitze. Bewegt sich dann X, mit der Winkelgeschwin- digkeit p gegen das Auge, so legt es in der Zeit At den Winkelweg Agt zurück. u # ÜBER METAKINETISCHE SCHEINBEWEGUNGEN T. S. w. 147 Die Sprünge, welche das Auge zwischen X, und A ausführt, sind nun 1) von X,, nach A, 2) von A nach X, gerichtet. Zwischen ihnen besteht ein Unterschied, der so deutlich hervortritt, dass er sogar an einer ‚bloss in der Phantasie vorgestellten Bewegung sich klar machen lässt. Der Leser denke sich, dass er an einem Flusse steht, in dem ein Objeet X, vorbeischwimmt, und dass er zu irgend einer Zeit die Lage dieses Objects gegen eine am gegenüber befindlichen Ufer vorhandenen Marke A be- stimmen will. Dann kann er 1) von X, zu A, 2) von A zu X,, über- gehen, wobei es ihm freigestellt sein möge, ob er den Sprung bloss mit der Aufmerksamkeit oder auch mit den Augenaxen machen will. Bei der der ersten Richtung des Sprunges wird er X,, an einem bestimmten vor- ‚her gewählten Punkt der Netzhaut genau erkennen, dann rasch zu _A über- gehen und dies A gleichfalls an einem bestimmten Fleck vorfinden; die Sprungzeit At hat eine kurze gut bestimmbare Dauer, das gesuchte Ur- theil ist leicht zu bilden, und durch kurzes Verweilen bei A zu verificiren. Führt er aber die Bewegung der Augen in der umgekehrten Richtung aus, so sieht er X,, in Bewegung, muss es erst suchen; während dessen wird die Sprungzeit unsicher, will es kurze Zeit bei X,, verweilen, so ist keine Verification der Lage möglich; die Lage von A wird, wie ich deutlich zu fühlen glaube, in der Vorstellung unsicher, kurz der Sprung in der zweiten Richtung liefert das gesuchte Urtheil weniger bequem und weniger sicher. In der Praxis wendet man ihn. deshalb fast nicht an; er wird zwar gemacht, aber übersehen, und das Urtheil knüpft sich hauptsächlich an den Sprung von X,, nach A. Dieser erfüllt dann auch ein weiteres Bedürfniss: die Lage von X, gegen A will in einem bestimmten Zeitpunkt vorgestellt sein, denn ohne das hat sie ja keinen bestimmten Werth. Als ein solcher Zeitpunkt aber bietet sich von selbst der Moment dar, wo das Auge, resp. die Aufmerk- keit in A anlangt; denn der ist scharf wahrzunehmen, und die Lage an X, ist dabei frisch im Gedächtniss. Wir werden also beim Verfolgen derjenigen Operationen, durch welche man die Zustände eines bewegten Feldes wahr- nimmt, die Sprünge von der Richtung X,, nach A als die maassgebenden betrachten und in erster Linie berücksichtigen. Was die Dauer derselben angeht, so ist zu bedenken, dass die Auf- merksamkeit wohl kaum als eine träge Masse aufgefasst werden darf. Die Schnelligkeit, womit sie von einem Punkt zum anderen übergeht, wird also weniger von der Distanz der beiden Punkte abhängen, als von der Leichtig- keit, mit welcher die Aufmerksamkeit den zwischenliegenden Weg feststellt und das Wahrgenommene in das System ihrer Beobachtungen einreiht. Uebersehen wir ein grösseres bewegtes Feld, namentlich ein solches, welches sich mehr um einen Punkt dreht, wie das Gesichtsfeld von Eisenbahn und 10* 148 E. BuDDE: Dampfschiff, so wird die ÖOrientirung in den mittleren Theilen desselben überall gleich leicht sein; dort kann man also- wirklich einen Durchschnitts- werth von At annehmen, von dem sich die einzelnen Sprünge nicht weit entfernen. Beachten wir aber die Vorgänge an einer Grenze, wo bewegtes Gebiet X scharf an unbewegtes A stösst, so ist in der Nähe dieser Grenze die Bewegung kesonders auffallend, sie kann durch Sprünge erkannt werden, die nicht bloss geometrisch sehr klein sind, sondern psychologisch durch die Schärfe der Trennungslinie und die rasche relative Winkelverschiebung unterstützt werden. Auch im bewussten Beobachten erschliessen wir die Be- wegung am schnellsten an derartigen Grenzen. Dort also wird die Zeit At kürzer sein können, als für die Mitte des bewegten Feldes. Wir halten uns zunächst an die Erscheinungen in der Mitte, also an das mittlere At. Da muss nun das beobachtende Organ wahrnehmen, dass die Objecte zur Zeit 2 -+ At nicht mehr den Ort inne haben, den sie zur Zeit t inne hatten. Und wenn es nun ihre temporäre Localisirung auf den Moment bezieht, wo es in A ankommt, wie es das ja thun muss, um der Seele eine einheitliche Darstellung von ihrem Verhältniss zu einer bestimmbaren Zeit zu liefern, so muss es berücksichtigen, dass X,, zu dieser Zeit nicht mehr den Ort im Raum und auf der Netzhaut einnimmt, den es hatte, als es gesehen wurde, sondern dass es inzwischen um @4At nach rechts gerückt ist. Der Beobachter! welcher in der eben analysirten Weise die Bewegung von X,, verfolgt, muss also, um sie mit A vergleichen zu können, die Gewohn- heit annehmen, diese Objeete bei ihrer Localisirung um den Betrag p At weiter nach rechts zu schätzen, als dem Punkte der Netzhaut entspricht, auf dem ihr Bild gerade fiel; denn dann localisirt er X,, an der Stelle, wo er es mit A zu vergleichen hat. Da diese Gewohnheit, wie der Ver- gleich selbst, unbewusst eintritt, so heisst das: In den affieirten Partien & der Netzhaut sehen wir zur Zeit £ das bewegte Object X,, nicht da, wo sein Bild wirklich zur Zeit 2 steht, sondern scheinbar um den Gesichts- winkel p At nach rechts verschoben; denn dann kann es zur Zeit + At ! Ich trenne absichtlich das „beachtende Organ“ von der bewussten „Seele‘‘, ob- gleich diese Trennung für das Obige nicht erforderlich wäre. Es scheint mir nämlich schwer annehmbar, dass ein und dasselbe Individuum „Seele“ gleichzeitig zwei einander widersprechende Urtheile fällen kann, und doch kommt es jeden Augenblick vor, dass die Wahrnehmung von einem Object dem bewussten Urtheil über seine Beschaffenheit direct widerspricht (Pseudoskopien, Sehen mit Prismenbrille u. s. w.). Man kann nur nachweisen, dass das „Schliessen“ in seiner allgemeinsten Form eine mechanische Operation ist, zu der nicht nothwendig Bewusstsein gehört, sondern nur dann, wenn der Schluss von „Begriffen“ vollzogen wird. Ich halte es deshalb für möglich, dass die unbewussten Schlüsse der Wahrnehmung in besonderen unbewussten Organen voll- | zogen werden, eine Annahme, die den oben erwähnten Widerspruch der Urtheile ein- fach erklärt. ÜBER METAKINETISCHE SOHEINBEWEGUNGEN U. S. w. 149 richtig mit der Marke A verglichen werden. So weit die Sprünge der Aufmerksamkeit von A auf X,, überhaupt zur Beurtheilung der Lage von X, herangezogen werden, können sie diese Gewohnheit nur unterstützen, denn auch sie ergaben für die Sprungzeit At eine Lagenveränderung At der Punkte A und X,, gegen einander, die, wenn sie von X,, localisirt wird, nach rechts gerichtet ist. Doch glaube ich, wie gesagt, dass diese Sprungrichtung nicht wesentlich in Betracht kommt. Hat nun das Auge im objectiv bewegten Feld die Gewohnheit er- worben, alle bewegten X,, um @4At nach rechts verschoben zu taxiren, und wendet es sich dann auf ein zweites Gresichtsfeld mit den ruhenden Punkten x,, und a, so behält es, bis es eines besseren belehrt wird, seine Gewohnheit bei, und taxirt auch ®,, gegen a um At zu weit nach rechts. Das aber ist die in 43 beschriebenen Grunderscheinung, die - metakinetische Verschiebung von z,. Allmählich lernt es dann, das zweite Gesichtsfeld als ruhend zu betrachten und corrigirt dementsprechend seine Schätzung: diese Correctur ist die metakinetische Scheinbewegung. Die ganze Procedur lässt sich im bewussten, langsamen Beobachten nachahmen. Man gebe einem Beobachter eine ruhende Marke a und einen - Punkt p, der sich gleichförmig mit der Geschwindigkeit v nach „rechts“ bewest. Er sehe aber a und p nicht gleichzeitig, sondern nach einander durch Drehung eines Fernrohres, für welche ihm die Zeit At vorgeschrieben wird. Nun stelle man ihm die Aufgabe, zu einer Zeit, die er willkürlich wählen darf, die Stellung von p gegen a zu bestimmen. (Erstes Gesichts- -feld:) Er wird, wenn er erst erkannt hat, dass » sich bewegt, es am be- quemsten finden, das Fernrohr erst auf p zu richten, den Moment abzu- warten, wo p den Kreuzfaden passirt, dann in der Zeit At das Fernrohr _ auf a zu wenden und seine Messung auf den Moment zu beziehen, wo es in a anlangt. Wiederholt er die Operation, so wird er die Rückbewegung des Fernrohres von a zu x„ nicht benützen, denn da kann er die Zeit At nicht innehalten, oder er ist nicht sicher, » vor dem Kreuzfaden zu finden. Er wird also bei jeder Repetition von =, zu a gehen und dabei offenbar lernen müssen, x, um v At nach rechts verschoben zu rechnen, wenn er in a anlangt. (Zweites Gesichtsfeld:) Nachdem er dies Verfahren eingeübt hat, lasse man » ohne sein Wissen zur Ruhe kommen. Dann wird er offenbar bei der ersten Wiederholung der Messung dem p eine unrichtige, „metakinetische“ Verschiebung vAt nach rechts ertheilen. Aus der gegebenen Erklärung folgt nun für die metakinetische Ver- Sehiebung: | 1) Sie ist relativer Natur; denn die Ortsbestimmung bezieht sich auf die relative Lage von Punkten X, gegen /, also thut das auch der Schätzungsfehler. 150 E. Buppe: 2) Sie trifft bei monocularer Beobachtung nur das gereizte Auge; die Schätzung des anderen wird nicht gefälscht. Beobachtet man im ersten Gesichtsfeld monocular, im zweiten binocular, so tritt in diesem Wettstreit der Sehfelder ein; dabei überwiegt das scheinbewegte Feld, offenbar weil es das auffallendere ist. 3) Die Deduction umfasst radiale, wie tangentiale Bewegungen; dem entsprechend verhalten sich beide gleichartig. 4) Die falsche Schätzung kommt um so leichter und schärfer zu Stande, je leichter die bewegten Einzelheiten wahrgenommen werden; vergl. $. 2, Nr. 6, 8, 10. 5) Sie trifft Alles, was vom beobachtenden Organ auf der Netz- haut localisirt wird, also auch Perlfiguren. Sie kann auch solche Licht- erscheinungen subjectiver Art affieiren, die hinter der Netzhaut in den Fasern des optischen Nerven verursacht werden. Dadurch weicht die Er- klärung II von I ab; letztere beschränkt die Existenz der Scheinverschiebung auf Gebilde, die in oder vor, nicht hinter der Netzhaut liegen. Dieser Umstand bietet ein Mittel, zwischen beiden Erklärungen wenigstens inso- fern zu entscheiden, dass sich herausstellt, ob der Grund der Erscheinung in der Netzhaut oder im Gehirn zu suchen ist; man müsste Personen "untersuchen, die in Folge von Tumoren u. d.m. am optischen Nerven subjective Lichterscheinungen besitzen. Mir fehlt bis jetzt die Gelegenheit dazu. 6) Hat At im ersten Gesichtsfeld, wie oben wahrscheinlich gemacht wurde, einen bestimmten Durchschnittswerth, so ist derselbe leicht zu be- rechnen. Ist 9 der Gesichtswinkel der metakinetischen Scheinverschiebung, so ist nach dem obigen | = gpÄAl. (3) Setzt man in diese Gleichung das nach $ 3 Nr. 3 zusammengehörige Werthe paar p = 0-43, 9 = 0.008, so findet sich rund | At= 0.02 Secunden. Dieser Werth bietet eine beachtenswerthe Annäherung an die all- gemeine Erforschung, dass die Zeit, welche zwischen zwei discontinuirlich auf einander folgenden Eindrücken vergehen darf, wenn sie für die Wahr- nehmung vollkommen continuirlich erscheinen sollen, höchstens etwa !/so Secunde beträgt. Er zeigt, dass der Betrag der metakinetischen Verschie- bung sich ungezwungen erklären lässt, wenn wir annehmen, dass die Sprünge der Aufmerksamkeit mit derjenigen Geschwindigkeit geschehen, womit die Centralorgane überhaupt die Empfindung verfolgen. 7) Im ersten Gesichtsfeld stosse der objectiv bewegte Streifen X mit scharfem Rand an eine ruhende Partie. In der Nähe des Randes kann _ ÜBER METAKINETISCHE SCHEINBEWEGUNGEN U. 8. w. 151 dann die Aufmerksamkeit gelegentlich durch schnellere Sprünge hin und her die Verhältnisse verfolgen; deshalb wird dort At kleiner uud dem entsprechend die metakinetische Verschiebung kleiner. Zwischen die klei- nen Sprünge fallen auch grössere vom bewegten x„ zu Theilen des ruhenden Gesichtsfeldes, die weiter abstehen als der Rand. Aber die Beobachtung in der unmittelbaren Nähe des Randes ist offenbar überzeugender für die Wahrnehmung, die grösseren Sprünge können höchstens eine gewisse Un- sicherheit in die dort gemachte Schätzung von At bringen. Demnach wird gAt am Rande bewegter Flächen kleiner und unsicher. Vergleiche hiermit $ 3, Nr. 6. 8) Bewegt sich das zweite Gesichtsfeld im indirecten Sehen mit der Geschwindigkeit w, wo ı positiv oder negativ sein kann, in der Richtung des ersten, so wird der Schätzungsfehler bezüglich der Punkte des zweiten Gesichtsfeldes offenbar (p — w) At. Näheres Eingehen darauf ist zwecklos, da, wie in $ 3 gesagt, die Erfahrung den Dienst der Controle versagt. 9) Für An- und Abgewöhnung des Schätzungsfehlers gAt ist Zeit erforderlich. Beide entstehen dadurch, dass das Auge seine Schätzung der Lage von X, und x, so lange corrigirt, bis sie der Wirklichkeit, im ersten Fall der Bewegung, im zweiten Fall der Ruhe von X, und x, entspricht, bis also der Schätzungsfehler At im ersten Fall angelernt, im zweiten verlernt ist. Daher die Gleichartigkeit beider Processe in $ 3, 1 und 5. 10) Kann man das zweite Gesichtsfeld so einrichten, dass es dem Auge, während dies sich in ihm den zu fixirenden Punkt aussucht, die Ueberzeugung von seinem ruhenden Zusammenhang mit aussergewöhnlicher Deutlichkeit einprägt, so wird die Abgewöhnung des Schätzungsfehlers in kürzerer Zeit als gewöhnlich erzwungen, die metakinetische Scheinbewegung also geschwächt, die Scheinverschiebung vermindert, ehe das Auge zur Per- ception der Scheinbewegung gelangt. Daher z. B. das Verhalten des in $ 3, 6 erwähnten Gesichtsfeldes mit dem langen Verticalstrich. Je cha- rakterloser das zweite Gesichtsfeld ist, desto mehr Zeit beansprucht die Abgewöhnung; das geschlossene Auge ist das charakterloseste aller Gesichts- felder; dem entspricht, dass in ihm die Scheinbewegung am längsten dauert. Dazu kommt, dass man speciell bei diesem Gesichtsfeld keine vorherige unbewusste Kenntniss von seiner Ruhe erwirkt, da bei ihm keine Einführung des Auges von irgend einer Seite her stattfindet. Die ganze Erscheinung der metakinetischen Verschiebung kann somit als Pseudoskopie gedeutet werden, wenn man die Grundlage unserer Be- trachtung, die annähernd regelmässig vertheilten Sprünge der Aufmerksam- keit über das Gesichtsfeld, zugiebt. Diese Sprünge sind, wie oben gesagt, nur die Anwendung einer Erfahrung, welche im bewussten Beobachten 152 E. BUDDE: ÜBER METAKINETISOHE SCHEINBEWEGUNGEN U. 8. w. deutlich herantritt, auch das unbewusste Betrachten des indireeten Seh- feldes. Sie können nicht entbehrt werden, wenn man nicht mit der psycho- logischen Grundthatsache in Conflict gerathen will, dass die Seele in einem gegebenen Moment ihre Thätigkeit auf je eine Handlung, in unserem Fall also auf je eine Beachtung concentrirt. Beachten wir eine Fläche mit frei beweglichen Augenaxen, so nimmt Jedermann an, die Configuration der ganzen Fläche komme dadurch zu unserer Kenntniss, dass die Augen- axen an ihr entlang gleiten, obgleich diese Bewegung der Augen nur aus- nahmsweise zum Bewusstsein gelangt; ganz ähnlich verhält es sich, wenn wir eine Fläche im indirecten Sehen überschauen; auch da gleitet etwas an ihr entlang, und das ist die Aufmerksamkeit. Ich halte demnach die A oben angenommenen Sprünge der Aufmerksamkeit für etwas wirklich Exi- stirendes; dann ist die Erklärung II der metakinetischen Scheinbewegung ausreichend und Nr. I wird überflüssig. Doch bleibt allerdings zu be- | denken, dass, wenn die Netzhautorgane einen Verschiebungsmechanismus besässen, die Erklärung II möglicherweise den Zweckmässigkeitsgrund für das Eintreten einer Verschiebung gemäss I abgeben könnte, auf deren Rechnung dann ein Bruchtheil der metakinetischen Scheinverschiebung zu setzen wäre. Ehe man sich endgültig entscheidet, wird man daher ab- warten müssen, was die weitere Erfahrung über das Verhalten der am Nervus opticus applicirten Reize und womöglich über das Verhalten der objectiv beobachteten Retina selber lehrt. Ueber die Entstehung der Bienenzellen nach Müllen- hoff und Darwin. Von Dr. Dönhoff in Orsoy- Buffon behauptete, dass die Bienenzellen durch den Druck entstehen, den die Bienen gegeneinander ausüben, wie quellende Erbsen durch den gegenseitigen Druck eine sechsseitige Form annehmen. Müllenhoff hat diese Theorie in einem interessanten Artikel in Pflüger’s Archiv, Jahr- gang 1883, weiter ausgeführt. Die Bodenpyramide, sagt er, entsteht da- durch, dass von der einen Seite eine Biene gegen ein Wachsblöckchen - drückt, und dass von der anderen Seite drei Bienen gleichzeitig einen Gegen- druck ausüben, so zwar, dass die erste Biene in den Zwischenraum, den die anderen einnehmen, sich hineinpresst. Hierdurch entsteht neben der Bodenpyramide zugleich der Anfang des Zellenprismas. Dasselbe wird ver- - längert dadurch, dass eine Biene in der Zelle und sechs andere, die herum- lagern, gegen den verdickten Rand drücken und denselben abplatten. Diese Theorie halte ich aus folgenden Gründen für irrig. 1) Wenn der Druck und Gegendruck der Bienenleiber die Zelle for- men soll, so ist die nothwendige Vorbedingung, dass diese selbst die Form der Zelle annehmen. Wie ist es nun möglich, dass der Kopf und das j Bruststück der Biene die Form einer Pyramide mit den ebenen Flächen "und den scharfen Winkeln annehmen. Wenn dieselben einen zusammen- hängenden Cylinder bildeten, so wäre die Pressung des Chitinskelets zu einer Pyramide nicht möglich. Nun sind aber Kopf und Bruststück ge- sondert, die Kiefer lassen sich nicht zusammenpressen, an dem Kopf sitzen noch die Fühler. Liesse sich wirklich der Kopf mit seinen Augen zu einer 154 DÖNHorFF: regelmässigen mathematischen Figur formen, so hätte dies sicher den Tod des Thieres zur Folge. 2) Ein Weibchen der Papierwespe baut im Frühjahr ihr Nest allein, wie ich dies selbst mehreremal beobachtet habe. Es stellt eine Menge sechsseitiger Zellen her. Von einem Druck und Gegendruck mehrerer‘ Wespen kann hier nicht die Rede sein. 3) Die Bienen bauen sechsseitige Bienen- und sechsseitige Drohnen- | zellen. Letztere sind weiter. Die Herstellung zweier Zellenarten von un- gleicher Weite lässt sich durch den Druck der Bienenleiber nicht erklären. 4) Die Bienen graben auf den Zellen, in welchen die Königinnen er- | brütet werden, gewöhnlich Vertiefungen ein. Dies sind angefangene Boden- pyramiden; an manchen erkennt man schon deutlich die Rhomben. Ein Gegendruck vom Inneren der Zelle hat nicht stattgefunden, da die Innen- fläche cylindrisch ist. 5) Ich hatte einen Beobachtungsstock mit Glaswänden, in welchem, wegen der Enge, nur eine Wabe gebaut werden konnte. Der Stock wurde mit einem schwachen Volke besetzt. Die Bienen bauten in 14 Tagen etwa 8000 Zellen. Es hätten während der Zeit beständig Bienen drückend und gegendrückend in den Zellen sein müssen. Hiervon sah ich nichts, obgleich | ich täglich Stunden lang beobachtete. - | 6) Die verdickten Ränder einer im Bau begriffenen Zelle werden nach Müllenhoff zu dünnen Zellenwandungen auseinandergepresst. Wäre dies richtig, so müsste man Zellen finden, die erst oben auseinandergepresst und deshalb ohne Rand wären. Eine solche Zelle findet sich nie. 7) Zellen, in welche ich frisch getödtete Bienen gesteckt hatte, er- wärmte ich durch Eintauchen in warmes Wasser. Unter Wasser drückte | ich die Bienen kräftig gegeneinander. Selbst bei 40° C. und mehr gelang es mir nicht, den Wabenrand auseinanderzupressen und zu verdünnen. | Selbst wenn ich zwei Messer gegen den Rand drückte, gelang es mir nicht. Die Bienen gehören zu den Nestmaurern wie die Schwalben, kleben Wachs an, und glätten dies mit den Kiefern, ähnlich wie die Schwalbe ihr Nest mit dem Schnabel formt. 4 Darwin hat folgende Theorie aufgestellt. Er meint, die Bienen stellen sich in bestimmten Entfernungen auf, beschreiben Kreise. Die Durch- | schnittspunkte werden durch ebene Flächen verbunden. Der Irrthum Darwin’s besteht darin, dass er glaubt, die Zellen hätten von Anfang an die Grösse und Form, welche sie später haben. Die Bienen graben, wenn sie in eine leere Wohnung gebracht werden, in ein Wachsblöckchen Ver- ÜBER DIE ENTSTEHUNG DER BIENENZELLEN U. S. w. 155 tiefungen ein. Anfangs sieht man nur ganz kleine Rhombenanfänge, die allmählich vergrössert werden. Auf den fertigen Rhomben erhebt sich erst die prismatische Säule. An einer im Bau begriffenen Wabe sind am ganzen unteren Ende der Wabe Zellen, deren unterer Theil noch nicht fertig ist. Eine solche Zelle besteht aus zwei fertigen Rhomben und aus einer im Bau begriffenen. Der verticale Rand dieser Rhomben bildet mit den Prismen- anfängen der beiden anderen Rhomben die junge Zelle, die noch nicht die gehörige Form hat. Richtige Grösse und Form bekommt die Zelle allmählich. Auf den Holzwänden, welche die Waben einschliessen, führen die Bienen im Anschluss an die Zellen der Wabe zuweilen kurze sechsseitige Säulen auf, denen die Bodenpyramide fehlt. Hier besteht der Boden der Zelle aus nacktem Hölz. Diese Zellen haben gleich die richtige Grösse. Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft zu Berlin. Jahrgang 1882—83. XVII. Sitzung am 20. Juli 1883. 1. Hr. MaArrıus demonstrirte in der speciell-physiologischen Abtheilung des physiologischen Instituts am Capillarelektrometer die negativen Schwankungen des Muskelstromes des unversehrten Kaninchenherzens zum Beweis der einfachen (nicht tetanischen) Natur der Systole. — Ferner zeigte derselbe ein auf Hrn. Prof. Kronecker’s Vorschlag construirtes elektromagnetisches Vibrations- Stroboskop, welches dazu dient, die Frequenz schnell aufeinander folgender, durch ein Capillarelektrometer sichtbar gemachter, regelmässiger Stromschwankungen genau A Bel. Die ausführliche Veröffentlichung wird im Arch für Physiologie erfolgen. 2. Hr. H. KRoNEckER trägt eine Arbeit: „Ueber arterielle Blutungen“ von Hrn. Dr. D. von Kireeff aus St. Petersburg vor, welche derselbe in der speciell physiologischen Abtheilung des physiologischen Institutes auf Vorschlag des Vortragenden ausgeführt hat. „Nach den Erfahrungen vieler Physiologen ist es häufig nicht möglich, Hunde durch Verblutung aus einer Art. carotis zu tödten. Ich habe einen Hund sogar nicht verbluten können dadurch, dass ich ihm eine Art. cruralis und beide Carotiden in längeren Zeitintervallen durchtrennte; erst nach Oeffnung der Bauch- aorta starb das Thier. So scheinen sich aber nur längere Zeit aufgebundene Hunde zu verhalten; bei frischen Hunden gelang es, wie es auch den Chirurgen von Menschen bekannt ist,” jene aus einer grossen Arterie (Carotis oder Cru- ralis) zu verbluten. ’ Umstehende Tabelle I giebt eine Uebersicht über den Verlauf tödtlicher Verblutungen aus verschiedenen Arterien von Hunden. 1 Aus den ersten vier Fällen dieser Tabelle ist ersichtlich, dass kräftige Hunde durch eine geöffnete Art. carotis oder eine Art. cruralis durch ununter- brochene Hämorrhagie sich zu Tode verbluten können. Sie verlieren dabei etwa : 65 bis 74°/, ihres Gesammtblutes. 4 Es ist bekannt und wir haben es wiederum bestätigt, dass in denjenigen Arterien, welche überhaupt noch zu Blutdruckmessungen geeignet sind, der Druck ungefähr ebenso hoch ist, wie in den grössten Arterien (vergl. Versuch 4, 10 und in Tabelle VI Versuch 21). Dennoch fliesst aus den kleinen Arterien nur verhältnissmässig wenig Blut aus, dann steht die Blutung, obwohl der Druck nicht oder unbedeutend sinkt. So haben wir in Versuch 11 190 Cm Blut aus der Art. tibialis postica ausfliessen sehen, und zwar bald tropfenweise und I Sie ist seitdem erfolgt, s. Jahrgang 1883, S. 542—594. ? Prof. E. Rose, Ueber Stichwunden der Oberschenkelgefässe und ihre sicherste Behandlung. (Vorgetragen im cantonalen Verein Züricher Aerzte in Zürich am 9. Nov. 1874.) VERHANDLUNGEN U. S. w. — MARTIUS. — v. KiIREEFF. 157 zeitweise wieder im Strahle (also ohne Gerinnung). Diese Blutung dauerte eine halbe Stunde, dann stand sie spontan, während der Blutdruck auf dem anfäng- lichen Werthe 126"® Hg blieb. Hierauf wurde die Art. thyreoidea sinistra geöffnet und entliess in kurzer Zeit 430 °m,. Hiernach floss kein Tropfen mehr ab (ohne Gerinnung). Der Blutdruck (in der Cruralis dextra gemessen) war nun auf 30 ®m gesunken. Dann entliess die Art. cruralis sinistra aber noch 180 Cm Blut, und als auch diese versiegte, die Art. cruralis dextra noch 65 Cam“ worauf das Thier starb. Aber nicht nur das Caliber der Arterien ist maassgebend für die Grösse der Blutung. Wir sahen ja soeben, dass das Blut aus der Curalis dextr. noch ausfloss, nachdem es aus der Cruralis sin. nicht mehr entleert wurde. Auch Versuch 7 und 8 zeigen, dass wenn aus einer Cruralis Nichts mehr ‚ausfliesst, die andere noch Blut hergeben kann. Ebenso zeigt Versuch 5, dass nach Versiegen der Cruralis die Carotis noch ergiebig ist. Weshalb hört die Blutung aus einem angeschnittenen Gefässe auf? Ge- rinnsel verstopft das Lumen nicht, der Blutdruck ist noch mächtig, das Gefäss selbst ist noch gefüllt und pulsirt. Der Ausfluss kann also nur durch Con- ‚traction des Gefässes verhindert sein. Diese nachzuweisen und den Bedingungen nachzuforschen, unter welchen ‚sie zu Stande kommt, habe ich ferner unternommen. 4 Dafür, dass ein Tonus auch einer grossen Arterie bis zu dem Grade wachsen kann, dass das Lumen sich völlig schliesst, spricht die Erscheinung der Nach- blutung. In Versuch 6 stockte z. B. die Blutung aus der Cruralis, als 350 Cm ausgeflossen waren, darauf wurde die Arterie zugeklemmt, der Hund abgebunden "und lief, wenn auch schwach, im Zimmer umher. Als ihm nach einer Stunde ‚dieselbe Cruralis wieder eröffnet war, flossen nochmals 110 Cm aus derselben ab. Ebenso stellte sich in Versuch 8 nach 15 Minuten eine Nachblutung aus der . eruralis dextra ein. Dieser Tonus ist nicht centralen Ursprungs, denn in Versuch 12 stand, auch nach Abtrennung des Rückenmarkes, die Blutung aus einer Cruralis, nach- dem 133 Cem abgeflossen waren, während 5 Minuten danach noch 49 Con aus ‚der anderen entleert werden konnten. Als auch diese Quelle aus der Cruralis versiegt war, gab eine Carotis noch 13 Cem her. Der Tonus ist local, denn die gleichnamigen Gefässe der anderen Seite werden nicht contrahirt. Es ist also das Ausfliessen, welches die Contraction des offenen Gefässzweiges veranlasst. Aus Mosso’s Erfahrungen über die Con- traction der künstlich durchströmten Nierengefässe ergab sich, „dass der Blut- strom während seiner Dauer Widerstände schafft, die nach einer Unterbrechung desselben schwinden.“ ! Schneller strömt das Blut in’s Freie als gegen den Druck der Blutsäulen in den Gefässen. Ist nun wirklich der schnelle Strom die einzige Ursache der Gefässverengerung? Vielleicht mindert sich der Druck während eines Ader- lasses sehr schnell, um nach demselben wieder schnell zur Norm zurück- zukehren ? Wir fanden aber in den Versuchen 14 und 15, Tabelle II, folgende zu- Sammengehörige Werthe für Blutdruck und Geschwindigkeit des Ausflusses aus der Art. cruralis dextra eines Hundes mit praesumtiv 311 “m Blutgehalt. ! Arbeiten aus der physiologischen Anstalt zu Leipzig. 1875. 8.178, 158 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Tabelle I. # | Blntgehalt Blutdruck Geöff Entleeı j i \ utgehalt Blutdruc eöffnete ntleerte Nummer. | Gewicht. !Jı, des Kör- in Mm. Hg; Arterie Blutmenge pergewichts. A 4 i 3600 277 | = Carotis d. / 2 2 | 4500 346 132.0 Carotis Ss. | > Su 6920 7 7455 re 33 Cruralis 140 4 7410 = Thyreoidea 120 E 37 Carotis 120 | ; Cruralis d. 250 = 5 4740 365 2 Carotis d. 20 i 2 0 Cruralis d. 350 6 6300 485 — eis. 110 46 } Cruralis d. 370 0 7 | 9700 745 | el: Cruralis d. 95 E 3 46 | Carotis 152 Cruralis d. 330 d. 90 8 7050 535 ls we 10. a | Carotis 142 | Thyreoidea s. | 1708 9 | 3950 304 | „ 36 | ” d. | 203 A | 3% | Thyreoidea d. | 240 Prof. fem. 122 Cruralis ss | 140 10 92 | ” | Ir Cruralis 122 1, 20 7 | ; | d. 126 Tibialis p. s. | 190 | Cruralis d. 126 Thyreoidea s. 450 11 | 1870 1438 30 Cruralis E '2 | 0 „ . 3 | | 865 | Cruralis d. 1335 a5 S. 495 .- 3665 282 Se Carotis 8. 13% Cruralis s. | 105° Carotis d. 159 13 2860 220 n— „8 5 Aorta 5 | | | PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — V. KIREEFF. 159 utverlust in] Zahl [Lebensdauer ocenten des der nach rec neten | Ader- | letzter Bemerkungen. gehaltes. | lässe. | Verblutung. Alle Versuchsthiere (Hunde) sind in der Regel vor der Operation schwach morphinisirt, dann in Rückenlage auf den Tisch gebunden. Blutdruck in Art. cruralis s. vor der Verblutung 132mm, am Ende derselben 0. Während des Blutflusses starke Krämpfe. Thier nicht narkotisirt. 1 |Verblutung ohne Narkose. Erste Messung des Druckes in Art. cruralis; zweite und dritte !/, Stunde später. iM dem Blutstillstande ist der über der Ligatur liegende Theil der Arterie blutleer. Nach der ersten Blutung von 350 Cem kann der Hund noch gehen; die zweite Blutung von 110 Cem eine Stunde 1 später. Stillstand des Herzens und keine Athembewe- gungen. Transfusion von 460 Cem Kochsalzlösung. Das Thier lebt noch 4 Stunden. / !/, Stunde nach dem Stillstande der Blutung fliessen noch 30 95 Cem aus. Transfusion von Kochsalzlösung (0:6°/,). Nach dem Stillstande der Blutung aus der Art. erur. d. wird diese abgeklemmt und das Thier 15 Min. liegen gelassen. Alsdann öffnete man die Klemme, wonach noch 90 Cem aus derselben Art, und 10Cem aus der | Art. ceruralis s. ausgeflossen sind. Nach dem Aderlasse von 170 Cem ist 1-5 grm Chloral sub- cutan eingeführt. Keine neue Blutung aus der Art. thyreoidea s. zu erhalten; aus der Art. thyr. dextra noch 20 Cem Blut. | Um die Cruralis sinistra ist eine Ligatur gelegt. Nach Während der Verblutung aus der Art. cruralis sind zeit- weilig beide Vagi gereizt. Bei jeder Reizung fliesst weniger Blut aus, als in den Reizpausen. unregelmässig: bald strömend, bald tropfenartig. Das Aus der blossgelegten Art. tibialis postica fliesst das Blut Ausfliessen dauert in solcher Weise !/, Stunde. r Durchschneidung der Medulla oblongata oberhalb des Athmungscentrums; Verblutung '/, Stunde später. Um die Cruralis dextra ist eine Ligatur angelegt. Nach E er Verblutung ist das Gefäss oberhalb der Ligatur | utleer. | | E. » Ei: = 160 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Tabelle II. > B FEIERTE Salasle, ao an | & Bo Ana oa|ı, >E og = oH & rnr|los|>5 er|loals 809" € So OT gg 2a, ue& > |, 3 FEICHI-Ie) FEICHI-EE u ER: SE-ISE SB-ISEI:E Nr. 14. Hund von 4050 grm| 20 |ı2 [156 | Nr. 15. Hund von 4740grm| 25 | 10 | 120 h Körpergewicht mit 311 Cem) 380 | 6 1146 | Berechn. Blutgehalt 365 Cem,| 35 | 15 | 140 praesumptivem DBlutgehalte| 20 |21*) 1140 || verblutet aus der Art. eru- 20 | 9 | 120 wird aus der Art. cruralis d.| 25 13*) 132 | ralis sin. Nach jedem Ader-| 20 | 11 | 120 verblutet. Nach jedem Ader-| 20 | 7 1122 | lasse Pause von 5 Minuten.| 20 | 10 | 110 lasse Pause von 45 Sec. bis 20 | 5 1120 | 68%, der Gesammtblut-' 20 11 | 90 2Min. Gesammter Blutverlust, 20 | 6 104 || menge verliert das Thierim) 20 | 12 | 80 62°/, des berechneten Blutge-| 20 |30 | 60 || Ganzen. 20 ı 40 | 50 haltes. | 20 |95 56 70 |100 195 250 *) Wahrscheinlich gestörter Abfluss. Hieraus, wie aus anderen Versuchen, ergiebt sich, dass die Ausflussgeschwindig- keit unabhängig vom Blutdrucke sich ändert.! Wenn nun der beschleunigte Ausfluss den Tonus mehrte, so war es wahr- scheinlich, dass ein verlangsamter Strom ihn minderte. Darum wurde der Aus- fluss vor, während und nach Vagusreizung geprüft. Es zeigte sich in einigen Fällen sehr eclatant: beschleunigter Ausfluss nach Vagusreizung. Es liefen aus der Art. cruralis 50 Cm in 6-5”, darauf während Reizung der Vagi 50 m in 10.5”, danach ohne Reizung 50 °“® in 3”. - Continuirliche Abnahme der Aus- flussgeschwindigkeit stört solche Beobachtungen. Tabelle II. #8ls$ S8lss 398% aa F= AB= 2Alue Een En "7, EEE Er z03 ae[l© 5 i u we SEISE sEn# 5 _ Nr.16. Hund von 184008grm| 150 Nr. 17. Hund von 6500grm| 30 | 2-5 - mit 1415 Cem berechnetem 50) 6-51 | mit 500 Cem berechn. Blut-| 30 | 6-5 V.R. Blutgehalte ist verblutet aus 5010 |V.R.| gehalt ist verblutet aus der| 30 | 2 : der Art. cruralis s. 50 3 Art. crur. sin. Zuerst Ader-| 30 | 2-5 # V.R. heisst Vagusreizung 50) 4 lass ohne Reizung, dann mit| 15 10 |V.R. durch grossen Schlittenappa-| 5010 |V.R.| Vagusreizung und 15” spä-| 30 | 4 3 rat mit zwei Daniell’schen 50 5 ter wieder. ohne Reizung.| 30 | 6 : Elementen bei 10m Rollen-| 250 Nach jeder Vagusreizung| 30 120 ı abstand. Blutverlust 58°, 50,45 2—3 Min. Pause. Die Reiz-| 10 |30 V.R des Gesammtblutes. 5060 |V.R.| stärke wie im Versuch 16.| 10 | 8 4 50 55 Blutverlust 66°, der Ge- 10 10 » sammtblutmenge. 10 11 e 020 VE 10 112 » 10 |14 “4 40 5 850 425 E 7 on ! Aehnliches hat L. v. Lesser bei seinen Transfusionsversuchen gesehen. Arbeiizze aus der physiologischen Anstalt zu Leipzig. 1874. 8. 88. FF PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — V. KIREEFF. 161 Entgegengesetzten Erfolg musste Beschleunigung des Ausflusses haben. Wir wollten diesen durch Steigerung des Blutdruckes mittels Reizung der Me- dulla erreichen, aber bei kräftiger Reizung nahm nur in den ersten Secunden die Ausflussgeschwindigkeit zu, darauf sank sie, um erst nach Aufhören der Reizung wieder zu steigen. Hiernach scheint es, dass durch Reizung der Me- dulla auch der Stamm der Cruralis sich stark verengt, wie es Ludwig und Thiry! an deren Aesten beobachtet haben. | Tabelle IV. EI: EEIF IE Komm 85 BoOmn|ı $ z 2 215.8 eh) 38 Kal 2,5 - — Im [o=} Ang" ga Sau 5.8 Si, Da EEE Fee BAN#|l & SB-ISbEN-- Bir. ‚18, Hund von 30 30 Nz..495 1, Hund: von! 10) 30 -99008rm mit 766Cem Blut. 30 34 115 R.M.|3630 srm Körpergewicht,| 10 | 15 12R.M Verblutet aus der Art.cru- 10 4 mit 280 Cem Blut. Ver- 10 | 4 ralisd., nachdem !/, Stunde| 10 | 3 blutung aus Art. cruralis 10 | 16 zuvor die Medulla oblong. 10 14 10R.M.isinistra. Versuch ange-| 10 | 10 |12R.M. durchschnitten war. 10 | 2-5,12R.M.|stellt wie der vorher-| 10 | 15 R.M. = Reizung des; 10 | 4 |12R.M.|sehende. Thier sehr 5 | 10 |11R.M Rückenmarkes wieimVer- 20 | 6 10R.M.schwach, Arterien con-' 5 | 25 suche16. Zwischen je zwei| 20 | 5 trahiren sich wenig. Reizungen 5 Min. Pause. 25 10 |10R.M. Aderlässe vor, während der Reizung und 30 Secunden danach. Reiz bei 12cm Rollenabstand bald wir- | kungslos. Ob nach Aufhebung des Gefässtonus (Durchtrennung der Medulla oblon- 'gata) der Ausfluss des Blutes so bleibt, wie er bei normalem Tonus gewesen, ist noch nicht genügend festgestellt. Wichtiger war es nachzuforschen, ob die- jenigen Mittel, von denen man voraussetzt, dass sie auf die peripheren Gefäss- nervennetze lähmend oder erregend wirken, die oben beschriebene Selbstregu- lirung des Blutausflusses zu stören geeignet sind. Wir haben als wichtigsten und bekanntesten Vertreter solcher Mittel das Chloralhydrat untersucht. Wenn ein Thier mit starken Dosen von Chloral vergiftet ist, so vermag die Reizung des Gefässnervercentrums, wie Cyon nachgewiesen hat, nicht mehr den Blut- druck zu erhöhen. Mosso hat gezeigt, dass dabei die peripheren Gefässe ge- lähmt werden und hierdurch der Blutdruck zum Sinken gebracht wird, auch die von den Gefässnervencentren getrennten Arteriengebiete (der ausgeschnittenen Niere) durch chloralisirtes perfundirtes Blut erweitert werden. Hiernach war anzunehmen, dass Thiere in der Chloralnarkose profusere Blutungen erleiden und diese schwerer stehen als unter normalen Verhältnissen. Das folgende Versuchsbeispiel bestätigt die Voraussetzung. I Wiener Akademische Berichte. Februar 1864. Bd. XLIX. 8. A. 8.5. Archiv f. A.u, Ph. 1884. Physiol. Abth. 1l 162 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Eule [25 HIER MO | „a Mu moı ma 22 57 58 2258 saI38| To EEE Es Be #8 =a#5 | DB EB 2) = DA ss Be Nr. 20. Hund von 8550grm Körper- | 30 | 184 | 3-5 30 | 5 gewicht, mit 642 grm praesumptivem , 30 | 190 | 3-5 30 ji Blutgehalte, wird verblutet aus der Art. | 30 80 | 4 Chloral 2-5 grm, || 30 8 cruralis sin. Zuerst zwei Portionen Blut | 30 — | 2-5 30° >13 von 30 Cem ohne Chloral, die Anderen | 30 |! 100 8 } 30 | 15 vier mit 2-5grm Chloral in die Vena | 30 | 130 | 4 Chloral 1 grm, 30-.).29 saphena. 10 Minuten später noch 1 grm | 80 49 15 30 | 43 Chloral und hierauf noch 10 Aderlässe. | 30 4-5 15 | 60 Nach dem Stillstande dieser Blutung | 940 Tas fliesst auch aus anderen Arterien kein ——————— Tropfen B.ut mehr. Blutverlust 72°). Total 465 Hier bleibt also die Ausflussgeschwindigkeit, während der Blutdruck sinkt. Be- sonders bemerkenswerth ist hierbei, dass, nachdem kein Blut mehr aus der Cruralis ge- flossen ist, auch die Carotiden blutleer sind. Weitere Versuche müssen noch darüber belehren, wie der Einfluss der Caliberungleichheiten durch Chloral aufgehoben wird. Nach Mosso’s Erfahrungen (a. a. O0. S. 184ff.) verengert asphyktisches Blut die Arterien, durch welche es fliesst. Ich habe die Versuche an ersticken- den Thieren nicht angestellt, hingegen haben wir durch zuvor längere Zeit (5 Minuten) blutleere Arterien die Verblutung erfolgen lassen und beobachtet, dass die Ausflussgeschwindigkeit durch zuvor blutleere Gefässe be- deutend kleinerist, als durch blutgefüllte. Aus der auf 8°® Länge ab- geklemmten Art. cruralis sin. eines Hundes flossen 200 Cm Blut nm 2754”; aus der möglichst wenig berührten A. cruralis dextr. 200 °® in 2°7” (Versuch 21, Tabelle VI). Natürlich war der Versuch so angeordnet, dass beide Arterien unter analogen Verhältnissen bluteten, aber das Blut bald aus der einen, bald aus der anderen absatzweise floss. In einem zweiten analogen Versuche (Versuch 22) brauchte eine Blutmenge von 30 Cm zum Ausflusse aus normaler Arterie 35 Se- cunden, dasselbe Quantum Blut aus zuvor blutleerer Arterie 45 Secunden. Tabelle VI. möhın 25 Az >28 g3alsg Hz re => , 2 on | a © 50 on False 3 #8 SE-Kkasln SB-B She Nr. 21. Hund von 9950srm |8.59| 14 | Nr. 22. Hund von 3720 gm |$. 30) 35 Körpergewicht, mit berechnetem | D.50| 10 || Körpergewicht, mit berechn. |D.30) 45 Blutgehalte von 765 Cem, Blut- |S. 50| 15 | Blutgehalte von 286 Cem, Ver- |S. 30| 35 druck in Art. carotis 120mm |D.50| 14 | such angestellt wie der vor- D.30 45 Hg, in Art. saphena sin. 116mm |S. 50) 40 | hergehende, nur war die Art. |8. 30 75 Hg. Beide Arterien waren frei- |D.50| 30 | eruralis dextr. auf grösserer |D.15, 90 gelegt. Cruralis dextra (D) 1em |S. 501105 | Strecke blossgelegt, die Sin. |S. 15100 lang, Cruralis sin. (S.) Sem. |D.50| 73 | wenig frei. Blutverlust 630%/,° Die letztere blieb während der |. 75/165 Verblutungspausen ganz oben abgeklemmt. Aderlässe in Pau- 475 180 sen von 5 Min. Blutverlust 62°/,. m > PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — V. KIREEFF, — Ep. ARONSOHn. 163 Mehrere der vorstehenden Versuche sind mit Hinblick auf die räthselhafte Frage angestellt: warum nach dem Tode die Arterien blutleer sind. Harvey und Schwenke geben, wie Haller! berichtet, an, dass bei er- stiekten und zu Tode gehetzten Thieren, ebenso wie auch bei in Trunkenheit und an malignen Krankheiten gestorbenen Menschen die Arterien Blut enthalten. Valentin erwähnt in seinem Lehrbuche,? dass frisch amputirte Glieder von den Arterien aus nicht injieirt werden können, wegen des grossen Widerstandes, welchen sie leisten. Nach einiger Zeit erschlaffen dieselben wieder. Die oben erwähnte Beobachtung von Mosso, dass Arterien sich verengen, wenn das Blut, welches sie enthalten, asphyktisch wird, erklärt dies Factum. In welcher Richtung aber contrahiren sich die Gefässe? Die Arterien entladen sich nicht nur nach der Peripherie, sondern auch centralwärts (Versuch 13, Tabelle I). Wir haben dabei gesehen, dass verschiedene Gebiete verschiedene Contractilität haben können, welche abhängig ist von der Blutbewegung, die zu- vor darin stattgefunden hat. So z. B. waren nach Verblutung aus beiden Crurales die Art. hypogastricae blutleer, die Art. iliacae propriae und ebenso die Aorta abdo- minalis bluthaltig, die Carotiden dagegen leer. Die Art. cruralis auch unterhalb der Stelle, wo sie einfach angeschnitten war, blutleer bis zu dem Abgangsoıte einer A. eircumflexa ilei. In einem anderen Falle war eine Art. cruralis unterbunden, aus der anderen Arterie das Thier verblutet. Nach dem Tode war auch das unterbundene Stück centralwärts leer. Es entleeren sich also kräftige Arterien nach beiden Seiten. Wir müssen nun annehmen, dass solche Contractionen verschiedene Strecken der Arterien ungleichzeitig ergreifen. Was in die Capillaren gepresst ist, gelangt in das widerstandlose Venengebiet. Ein Theil des Blutes, der bis in die aller- grössten Arterien zurückgedrängt ist, bleibt dort. So fanden Lancisius, Morgagni, Haller den Truncus aortae immer bluthaltig. Also nur die aller- grössten Stämme contrahiren sich nach dem Tode nicht vollständig. Die Reize zur Contraction bilden sich höchst wahrscheinlich in Folge der Blutleere. Wir ‚haben aber schon gesehen, dass ebenso wie Blutleere auch schneller Blutausfluss die ausführenden Arterien verengt. In diesem Falle muss man wohl annehmen, dass die überreiche Sättigung mit O-haltigem Blute die Erregbarkeit steigert, so dass früher unwirksame Reize nunmehr Bewegungen auslösen. Jedenfalls ve AUS ER sind beide Vorgänge sehr nützlich. Durch die Widerstände seitens der durch- strömten offenen Gefässe wird die Blutströmung nach den geschlossenen Ge- bieten hingeleitet, durch die Contraction anaemischer Bezirke das centrale Gefäss- system, welches dem kleinen Kreislauf das Blut zuleitet, gefüllt erhalten“. XIX. Sitzung am 27. Juli 1883. 1 Hr. Cand. med. Ep. AronsoHn hielt den angekündigten Vortrag: „Bei- träge zur Physiologie des Geruchs.“ ' Haller, Elementa Physiologiae ete. 1757. t.I. p. 197. ® Bd. II. 1847. 8. 467. 164 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Der Vortragende prüfte auf Vorschlag des Hrn. H. Kronecker während dieses Semesters in der speciell-physiologischen Abtheilung des physiologischen Instituts zunächst den E. H. Weber’schen Lehrsatz: dass duftende Flüssig- keiten, direct mit der Nasenschleimhaut in Verbindung gebracht, keine Geruchs- wahrnehmung veranlassen können. ! Mit der Weber’schen Anschauung sind folgende Erfahrungen unvereinbar: 1) Eine gehörige Anfeuchtung der Nasenschleimhaut ist für die Geruchs- perception nothwendig und selbst profuse Schleimsecretionen der Drüsen stören die Geruchsempfindung nicht (Fröhlich). 2) Auch die Wasserthiere riechen. Dies ist freilich, mit Rücksicht auf den Weber’schen Satz, angezweifelt worden. Aber das Geruchsorgan der Fische ist mit demjenigen der in der Luft lebenden Thiere übereinstimmend gefunden worden. Um diese Frage zu entscheiden, untersuchte der Vortragende das Geruchs- vermögen von Goldfischen. Wenn diesen eine willkommene Speise (Ameisen- eier) dargereicht wurde, so wandten sie sich von denselben, wenn sie mit Nelkenöl parfümirt waren, schon aus einer Entfernung von einigen Millimetern mit den ausgesprochensten Erscheinungen des Unwillens ab. Eine Wiederholung des Weber’schen Versuches nach der von ihm an- gegebenen Methode mit einem Theil Eau de Cologne auf eilf Theile Wasser rief schon in den ersten Secunden die schmerzhaftesten Erscheinungen in der Nase hervor, so dass von einer Geruchswahrnehmung keine Rede sein konnte. Da diese unmöglich gemacht wurde durch das deletär auf die Riechzellen ein- wirkende Wasser, so galt es in dem neuen Versuchsplane, das schädliche Wasser durch die physiologisch indifferente, O-6procentige Kochsalzlösung zu ersetzen. Die Injection dieser Flüssigkeit geschah mittels der Nasendouche. Die Versuche ergaben, dass der Weber’sche Satz falsch ist, da rie- chende Flüssigkeiten, auch direct in die Nase gebracht, Geruchs- empfindung veranlassen. Dieses Resultat wurde von acht anderen Personen, die sich dem Versuche unterzogen, in 16 Fällen bestätigt; nur zwei Personen konnten die injicirte Flüssigkeit gar nicht, eine Person nur beim Hinausfliessen (nicht auch wäh- rend des Hineinfliessens) riechen. Die folgende Tabelle soll eine Uebersicht über die von mir angestellten Versuche und erhaltenen Resultate im Einzelnen gewähren. Günstigste Bein Zahl der Concentration Minimalgrenze der iechende angestell- der gerochenen| Geruchsempfindung. Substanz. ten reinen Temperatur. Substanzen | Concentration der ge- Versuche. in O-6procent.| rochenen Substanzen. Pr Be: Kochsalzlösg. Nelkenöl 25 24—50°C., 0-05— 0-1 0-000 01 Campher 7 20—62 0-5 0-001 Eau de Cologne 8 21—44 0:8—1:0 0-2 | Cumarin 10 24—48 0-5 0000 01—0:000 001 (Lösg. v. 0+1:50) Vanilin. 25 23— 49 0-05—01 0-001 (Lösg. v. 1-0:20) ı E. H. Weber in diesem Archiv, 1847. 8. 342. Te on U u PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — ED. ARONSOHN. 165 Die Temperatur der injieirten Flüssigkeit muss über 37° C. erwärmt sein, um deutliche Geruchsempfindung zu veranlassen. Am meisten scheinen Temperaturen von etwa 44° C. den Geruch zu begünstigen. Die Geruchsdauer ist zwar individuell verschieden, scheint aber bei Durchspülung im Allgemeinen geringer zu sein, als wenn man dieselbe Substanz in der Luft ohne Unterbrechung riechen würde. Durch diese neuen Erfahrungen ist: i 1) auch der letzte Grund genommen, den Fischen das Geruchsvermögen abzusprechen; 2) jedes Bedenken geschwunden, Bidder’s! Erklärung anzunehmen, dass die Geruchsperception auf dem Wege der Endosmose stattfindet. 3) eine weite Perspective für die Erkenntniss der Functionen des Geruchs- organs gewonnen. Beim Hinausfliessen der riechenden Flüssigkeit aus der Nase macht sich bei stärkerer Concentration der angeführten Mischung ein intensiver Nach- geruch, bei schwacher Concentration eine geringe Schwächung des Geruchs be- merkbar. Für die erste Erfahrung ist die nächstliegende Erklärung: das Ver- dampfen der in der Nase zurückgebliebenen Feuchtigkeit bei gleichzeitiger stär- kerer Secretion der gereizten Schleimdrüsen. Eine zweite, vielleicht richtigere ‘ Erklärung könnte darin gefunden werden, dass der N. olfactorius, wie es sich bei Fröhlich’s Vergiftungsversuchen mit Strychnin gezeigt hat, auch dnrch diese Substanzen eine grosse Empfänglichkeit für Geruchsstoffe erhalten hat. Es gelang mir in der That, die toxische Wirkung des Nelkenöls, Eau de Co- logne und Vanilins (vom Cumarin und Campher ist sie schon bekannt) an Fröschen nachzuweisen. Der Geruch wird demnach dann geschwächt, wenn durch die Verdampfung der zurückbleibenden Flüssigkeit die Geruchsschleimhaut von der allgemeinen Eintrocknung mit betroffen wird, ohne dass gleichzeitig die Drüsen zu einer stärkeren Secretion gereizt sind, oder der Olfactorius empfind- licher gemacht ist. Die Ermüdung und Erholung des N. olfactorius lässt sich an ein- fachen Riechstoffen schwer studiren, da die Geruchswahrnehmung meist mit Erregung der Trigeminusenden verknüpft ist. Inspirirt man z. B. Citronenöl ununterbrochen durch eine Nasenhöhle, während man durch den Mund exspirirt. so tritt nach 5—15” ein sich immer mehr steigernder, längs der Nasen- scheidewand sich hinziehender intensiver Schmerz auf. Dieser Versuch spricht einerseits gegen Fröhlich’s? Eintheilung der Geruchsstoffe (nämlich in solche, welche gar keine Affection der Schleimhaut hervorbringen, ätherische Oele u. s. w., und solche, welche die Schleimhaut afficiren), andererseits kann es auch als physiologischer Beweis für den von E. Paulsen? gefundenen Satz gelten, dass beim Inspiriren durch die Nase die Hauptmasse des Luftstromes am Septum entlang fliesst. Wie schnell die Geruchsschärfe abnimmt, davon kann man sich überzeugen, s ! Bidder, Art. Riechen in Wagner’s Handwörterbuch für Physiologie, Bd. Il. . 923. ® Fröhlich, Sitzungsberichte der Wiener Akademie. Math.-naturwissenschaftl. Classe. 1851. Bd. VI. ® Paulsen, Hbenda. Bd. LXXXV. Abth. III. S. 362. -166 VERHANDLUNGEN DER BERLINER wenn man zwei gleich stark riechende Blumen (Rosen) nimmt, zuerst etwa 15” an Rose A riecht und sogleich darauf an Rose B; die Rose B wird dann jedes- mal ganz bedeutend schwächer riechen als A. Um ein annäherndes Urtheil über die Geruchsdauer zu gewinnen, liess Verfasser von neun Personen ununterbrochen Citronenöl und Pomeranzenöl bis zur eintretenden Ermüdung riechen. Es ergaben sich hierbei folgende Re- sultate für die Dauer des Geruchs: Durch beide Nasen- 1 höhlen gleichzeitig Allein rechts. Allein links. gerochen. als Maximum 141% 57 3 10" als Minimum 3-30 1.5 | 30” als Durchschnittszahl 3 1-18307 2 50”—60” Wurde Citronenöl und Pomeranzenöl jede Secunde gewechselt, so hörte man schon nach. circa 20” auf, die Gerüche zu unterscheiden; wenn man in Intervallen von 5’ wechselte, so unterschied man 50° lang. Ausserdem wurde die Abnahme der Riechzeit an drei Personen in mehreren Versuchsreihen ge- prüft, in denen sowohl die Pausen zwischen den Riechperioden genau gleich — drei Minuten — lang gehalten wurden, als auch gut dosirbare Stoffe (Cumarin, Eau de Cologne bestimmter Qualität) gewählt. wurden: Stoffe, von denen man wusste, dass sie die Trigeminusausbreitung gar nicht oder kaum merklich beeinflussten. Es ergaben sich aus den Versuchen mit 2promilliger Cumarinlösung und 1 procentiger Eau-de-Cologne-Lösung (wobe inatürlich stets 6promillige Kochsalz- lösung als Verdünnungsflüssigkeit diente) folgende Resultate: 1) Die wahre Geruchsdauer ist geringer als die allgemeine Empfindung, wie solche sich beim Riechen von Geruchssubstanzen ergiebt, welche auch die Schmerzempfindung veranlassen. 2) Das Maximum der Riechzeit tritt, wie schon Valentin! erwähnt, nicht gleich bei dem erstmaligen Riechen, sondern erst bei dem zweiten oder dritten Versuche ein. 3) Die Geruchsempfindung erhält sich, wie es auch ‚schon Valentin beobachtet hat, auf einer gewissen niedrigen Stufe lange Zeit. Der Bidder’sche Lehrsatz.” „dass riechende Substanzen vom Munde aus aufgenommen und durch die Nase exspirirt, keine Geruchsempfindung geben“, ist nicht richtig. Bidder konnte nicht riechen, weil seine riechende Substanz sich in der geschlossenen Mundhöhle befand und die Partikelchen gar nicht in die Nasenhöhle gelangen konnten. Macht man eine kurze, kräftige Inspiration, während man eine offene Flasche in den Mund steckt, dann diesen über der I Lehrbuch der Physiologie, 1848. Bd. II. Abth. 2. 8. 283. 2 Bidder, a.a.0. Bd.1l, Hit. 8. 8. 922: “ PHYSIOLOGISCHEN (GESELLSCHAFT. — ED. ARONSOHN. — JASTREBOFF. 167 Flasche schliesst, und exspirirt man hierauf sofort durch die Nase, so wird man sehr wohl den Geruch der Eau de Cologne wahrnehmen. Somit fällt Bidder’s Hauptbeweis für die Wichtigkeit der unteren Muschel für die Ge- ruchsperception und andererseits kann Paulsen darin eine physiologische Be- stätigung für seine Versuche finden, nach denen der Exspirstionsstrom im Wesentlichen denselben Verlauf durch die Nase nehme, wie der Inspirationsstrom. 2. Hr. H. KRoNEcKER theilte die Ergebnisse von Versuchen mit, welche Hr. Dr. Jastreboff in der speciell-physiologischen Abtheilung des physiolo- gischen Institutes unter Leitung des Vortragenden: „Ueber die Bewegungen der Vagina des Kaninchens“ angestellt hat. Hr. Jastreboff bediente sich einer ähnlichen graphischen Methode wie Hr. Frommel bei seinen Untersuchungen „Ueber die Bewegungen des Uterus“ _ (diese Verhandlungen, 9. Febr. 1883'), vermochte aber auch ohne blutige Ope- ration die gefüllte Wasserblase, welche die Bewegungen übertrug, in die Vagina einzuführen. ' Hr. Jastreboff erhielt folgende -wesentliche Resultate: Die Vagina macht im normalen Zustande immer spontane rhythmische Contractionen. Die Form dieser Contractionen wird durch das Einführen des Ballons und durch Aufblähen desselben mit Flüssigkeit in keiner Weise geändert. Die Con- tractionen beginnen gewöhnlich am Gewölbe und schreiten nach dem Vorhof der _ Vagina vor. Aber dieses Vorschreiten erfolgt nicht continuirlich (peristaltisch), sondern abschnittsweise (wie es Kronecker und Meltzer am Oesophagus ge- funden haben). Solcher Abschnitte finden sich an den Vaginen 3 bis 9. Seltener beobachtete Hr. Jastreboff auch in entgegengesetzter Richtung verlaufende Contractionen (analog den antiperistaltischen Bewegungen). Dagegen scheint gleichzeitig beginnender Tetanus der gesammten Vagina nicht vorzukommen. - Die Frequenz der Contractionen zeigt keine für eine bestimmte Lebens- oder Entwickelungsperiode der Kaninchen charakteristische Eigenthümlichkeiten. Sie hat mehr individuellen Charakter. Die Intensität der Contractionen steht in naher Beziehung zur Ausbildung - der Vagina. Pr. > a. Ä Die Contractionen bei einem Thiere, das noch nicht geboren hat und nicht ganz ausgewachsen ist, sind schwach; bei jungfräulichen, aber völlig erwachsenen _ Thieren etwas stärker; viel beträchtlicher bei Thieren, die schon geworfen haben; _ die stärksten Zusammenziehungen geben die Scheiden von trächtigen oder in der Nachgeburtsperiode befindlichen Thieren. Erwärmung des Thieres etwas über die Norm tonisirt das Organ und verstärkt die Contractionen. Wenn die Tem- peratur im Rectum über 40° C. gestiegen ist, so werden die Contraetionen ge- wöhnlich schwach und unregelmässig oder verschwinden ganz. Abkühlung bis 37° macht die Contractionen stärker, ohne den normalen Tonus des Organs zu ändern. Bei weiterer Temperaturerniedrigung werden die - Contractionen seltener, dann aber ausserordentlich träge und dabei frequenter, 80 dass das Ende einer Contraction ohne Pause in den Anfang der nächsten übergeht. Wenn die Athmung unterbrochen ist, so wird die begonnene Contraction 1 S. Jahrgang 1883 des Archivs, 8. 259. 260. 168 VERHANDLUNGEN DER BERLINER PHYSIOLOGISCHEN unverändert zu Ende geführt; vor der nächsten bleibt die Vagina 2 bis 3 Mal so lange wie zuvor erschlafit. Darauf erfolgt eine sehr starke Contraction und auf der Höhe derselben bleibt die Vagina lange (bis 1 Minute) tonisch zusammen- gezogen. Hiernach macht sie eine Reihe von Contractionen und verfällt endlich in langandauernde Erschlaffung. Anaemie macht die vaginalen Contractionen für eine gewisse Zeit stärker und frequenter. Abkühlung und Anaemıe machen sich geltend, wenn man bei geöffneter Bauchhöhle die Vagina beobachtet. Schliesslich aber werden Rhythmus und Stärke der Contractionen ungleichmässig. Während der Pausen zwischen den spontanen rhythimischen Contractionen der Vagina veranlassen mechanische oder thermische Reize, der Vagina oder der Blase oder (weniger sicher) dem Uterus zugeführt, Zusammenziehungen. Curare in Dosen, welche gerade die Athembewegungen aufheben, veränderu weder die Intensität noch den Rhythmus der vaginalen Contractionen; in grossen Dosen schwächt es die Zusammenziehungen, ohne deren Frequenz zu ändern. Chloroform mit Luft geathmet erhöht anfänglich die Thätigkeit der Vagina, hierauf nimmt zunächst der Tonus ab und später auch die Energie der Con- tractionen, während die Vagina immer mehr erschlafft, bis endlich alle Thätig- keit erlischt. Doch ist die Lähmung nicht letal. Aetherdampf mit Luft verdünnt verstärkt ebenfalls anfänglich die Con- tractionen, macht sie sodann seltener, ohne ihre Kraft zu mindern. Mit Aether- dampf gesättigte Luft lähmt nach kurzer Zeit die Vagina. Mässige Dosen (0 - 028”) Morphium verkleinern etwas die Vaginacontractionen, grössere (0.038”) vermindern zugleich die Frequenz, stärkste Dosen (0 - 048") lähmen dauernd sowohl die Musculatur als auch die Innervationscentren. Die rhythmischen automatischen Contractionen der Vagina dauern fort, nachdem das ganze Rückenmark zerstört worden ist, ebenso nach Durchschneidung aller sympathischen Nervenzweige, die nach dem kleinen Becken gehen. Auch die von ihren Umgebungen ganz abgelöste Vagina fuhr fort, rhythmische Con- tractionen zu machen. Freilich waren diese (am abgekühlten ve anaemischen Organe) sehr träge und hörten allmählich auf. Hr. Jastreboff hat selbst bei der abgesonderten hinteren Hälfte der Vagina rhythmische Contractionen beobachtet. Man muss also annehmen, dass die Vagina, wie das Herz, in seiner Wand die Centren für diese geordneten Bewegungen trägt. — Ebenso wie das Herz (Kronecker und Stirling) kann die Vagina nicht tetanisirt werden, sondern macht unter dem Einflusse intermittirender Inductionsströme stärkere und häufigere Contractionen. Aber ebenso wie das Herz ist die Vagina in seinen Bewegungen nicht unabhängig vom cerebrospinalen Nervensysteme. Wenn man bei Kaninchen mit unversehrtem Hirn und Rückenmark die centralen Enden der durchtrennten Nervi ischiadici tetanisirt, so werden die Con- tractionen der Vagina stärker und seltener. Diese Wirkung bleibt, wenn die Medulla vom Mittelhirn getrennt wird, sie fällt aus, wenn das Rückenmark in Höhe des ersten Lendenwirbels durchschnitten oder das Lendenmark zerstört ist. Dauernde Tetanisirung des verlängerten Marks beschleunigt und verstärkt die Contractionen und erhöht den Tonus der Vagina, ähnlich wie die Asphyxie. Ist aber zuvor das Lendenmark durchtrennt, so werden durch Reizung die Pausen GESELLSCHATT. — JASTREBOFF. — HERMANN Munk. 169 verlängert. Tetanisirung einer Schnittstelle im Lendenmark während einer Pause verlängerte diese oftmals um ein vielfaches eines einfachen Intervalls — worauf einfache oder doppelte vertiefte Contraction folgt. Reizt man aber nur das hintere Ende des durchtrennten Rückenmarkes, nachdem das vordere isolirt worden, so werden die Contractionen bald stark und häufig. Hieraus kann man schliessen, dass im Lendenmarke ein Erregungscentrum, und im verlängerten Marke auch ein Hemmungscentrum für die Bewegungen der Vagina liegt.! Jahrgang 1883 —84. I. Sitzung am 26. October 1883.” Hr. HERMANN Munk theilt eine Untersuchung: „Ueber cerebrale Epi- lepsie“ von Hrn. Dr. S. Danillo aus St. Petersburg mit. Nach der Fritsch-Hitzig’schen Untersuchung war es bald allgemein anerkannt, dass durch elektrische Reizung beliebiger Stellen innerhalb der sogenannten motorischen Zone der Grosshirnrinde epileptische Anfälle sich hervor- rufen lassen; aber es war auch behauptet worden, dass von der hinteren Gross- _ hirnrinde aus Gleiches nicht gelinge. Dem entgegen hatte Wernicke?® als Mittheilung von H. Munk veröffentlicht, dass auch Reizung ausserhalb der motorischen Zone bei hinreichender Verstärkung des Stromes einen epileptischen Anfall auslöst; dieser Effect könne auf Stromschleifen beruhen. Es war daher nur eine Bestätigung von bereits Bekanntem, was Unverricht* neuerdings _ als ein Hauptergebniss seiner Untersuchung anführt, und was aus seinen mangel- haften Versuchen nicht einmal mit Sicherheit zu erschliessen ist, dass „elek- trische Reizung auch der hinteren, nach anderweitigen Untersuchungen mit dem Sehvermögen in Beziehung stehenden Partien epileptische Anfälle erzeugt“. Aber Unverricht ist noch weiter gegangen, indem er sagt: „Ich erhielt von so weit nach hinten gelegenen Punkten aus epileptische Anfälle, dass ich mit grosser Bestimmtheit auch die Munk’sche Sehsphäre als Ursprungsstätte epileptischer Anfälle bezeichnen darf“; — und damit ist er trotz der Warnung, welche die Veröffentlichung Wernicke’s enthielt, in einen Irrthum verfallen. Denn gegenüber der sogenannten motorischen Zone — der Fühlsphäre — be- darf es, um von der Sehsphäre aus einen epileptischen Anfall zu erzeugen, ausser- ordentlich viel stärkerer Inductionsströme und längerer Dauer der Einwirkung; und nicht bloss machen dann die Erscheinungen der Dura-Reizung und die Zuckungen der in der Wunde blossgelegten Muskeln, welche vor dem Anfalle sich einstellen, die weite Verbreitung wirksamer Stromschleifen offenbar, son- dern das Wirken dieser Stromschleifen auf die der Sehsphäre zunächst gelegenen Regionen der Fühlsphäre thut sich auch geradezu in den Bewegungen der Ohr- ! Die vollständige Untersuchung ist oben $. 90 ff. abgedruckt. * Ausgegeben am 2. November 1883. % Lehrhuch der Gehirnkrankheiten. 1881. Bd.I. S. 239. * Archiv für Psychiatrie. 1883. Bd. XIV. 8. 233. . 170 VERHANDLUNGEN DER BERLINER „| nnd Augenmuskeln kund, welche den Anfall einleiten. Während ferner der von einer motorischen Rindenpartie aus herbeigeführte Anfall durch die Exstirpation der Rindenpartie sich unterbrechen lässt,! ist eine Unterbrechung des durch die Reizung der Sehsphäre veranlassten Anfalles durch die Exstirpation der Seh- sphäre nicht zu erzielen. Endlich, wenn auch weder ein Frontalschnitt durch die Sehsphäre, nahe ihrer vorderen Grenze gegen die Fühlsphäre geführt, noch ein tiefer Horizontalschnitt an der Grenze von Hinterhaupts- und Schläfenlappen den Anfall zu unterdrücken vermag, der auf Reizung der Sehsphäre bereits zum Ausbruche gekommen ist, so hemmt doch der erstere — nicht der letztere — Schnitt das Entstehen eines neuen gleichen Anfalles in Folge wiederholter Rei- zung der Sehsphäre. Auch bei der elektrischen Reizung der Sehsphäre ist also die Ursprungsstätte des Anfalles die sogenannte motorische Zone der Gross- hirnrinde, die in diesem Falle nur indireett — durch die von der Sehsphäre her kommenden Stromschleifen und die Reizung der von ebendaher nach vorn ziehenden Associationsfasern — in solche Erregung versetzt wird, wie sie sonst durch die Durchströmung bei directer Reizung veranlasst ist.? III. Sitzung am 23. November 1883.’ Hr. KronEck&r theilte in der Sitzung am 27. Juli 1883 die Resultate von Versuchen mit, welche Hr. Dr. Jacub aus Moskau in der speciell-physiologischen Abtheilung des physiologischen Instituts unter Leitung des Vortragenden „Ueber die rhythmischen Bewegungen des Kaninchenuterus“ ausgeführt hat. Hr. Frommel hat bei seinen ebenfalls hier angestellten Untersuchungen über die Bewegungen des Kaninchenuterus (diese Verhandlungen, 9. Febr. 18853) die Uterushörner von den höheren Vaginaltheilen nicht getrennt, so dass die Contractionen des Scheidengewölbes zu denjenigen der Uterushörner sich addirten. Da, wie Hr. Jastreboff gleichzeitig mit dieser Untersuchung hier nachgewiesen hat (8. oben S. 167), die Vagina des Kaninchens normaler Weise rhythmische Bewegungen ausführt, welche viel energischer sind, als diejenigen des Uterus, kann leicht der Verdacht aufsteigen, dass manche von den Frommel’schen Curven den Contractionen des Scheidengewölbes zu danken sind. Aus diesem Grunde hat Hr. Jacub die Frage wiederum in Angriff ge- nommen und bei seiner sonst der Frommel’schen nachgebildeten Untersuchungs- methode darauf geachtet, dass lediglich ein isolirtes Uterushorn mit den Schreib- apparaten in Verbindung gebracht wurde. | Hr. Jacub kam bei Anwendung dieser Methoden zu folgenden Ergebnissen: 1) Der Uterus eines Kaninchens kann sich in jedem Stadium seiner Ent- wickelung rhythmisch contrahiren. 2) Die kräftigsten und regelmässigsten rhythmischen Contractionen macht ein Uterus, aus welchem seit ein paar Tagen die Foeten ausgestossen sind. Die schwächsten aber ebenfalls regelmässigen giebt der Uterus von jungfräulichen ! H. Munk, s. Wernicke, 2.2.0. 8. 240—41. ? Die vollständige Untersuchung ist oben 8. 79 ff. abgedruckt. 3 Ausgegeben am 29. November 1883. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — JACUR. Tr Kaninchen. Zwischen diesen zwei Kategorien stehen die Contractionen des völlig involvirten Uterus und diejenigen eines in den ersten Tagen der Schwangerschaft begriffenen Uterus und zwar giebt der erstere regelmässigere und kräftigere Con- tractionen als der letztere. 3) Die Contractionen werden in ihrer Frequenz nicht geändert, wenn man innerhalb normaler Grenzen die Uterushöhle unter höherem oder minderem Drucke - mit indifferenter Flüssigkeit füllt. 4) Es ändert sich Höhe und Frequenz nicht, ob man den Uterus mit er- nährendem Blutserum oder mit 0-6 procentiger Kochsalzlösung ausspült und füllt. 5) Intensität und Frequenz der normalen Contractionen ändern sich, wenn man die Temperatur des Thieres ändert; doch können bei 35° die Contractionen noch ganz normal sein, wie dies Frommel ebenfalls gefunden hat. 6) Rasche Verblutung hebt die Contractionen der Gebärmutter auf, ohne dass der Lähmung eine stärkere Contraction vorausgegangen wäre. 7) Curare, Morphium und Chioralhydrat in Dosen, die für den Haupteffect der Gifte hinreichend sind, haben auf die Uterusbewegungen noch keinen Einfluss. Grössere Dosen verlangsamen die Contractionen. Chloral vermindert auch die - Intensität der Bewegungen. 8) Aethernarkose hat auf die Uterusbewegungen einen sehr eclatanten Ein- fluss: Wenn dem Thiere durch Luft verdünnte Aetherdämpfe (1:1) zugeführt _ werden, so wächst der Tonus des Uterus, so dass die Contractionen von einem partiell verengten Zustande anheben. Hierauf folgt ein Stadium übernormaler - Erschlaffung. Wird dem Thiere mit Aetherdämpfen gesättigte Luft zugeführt, so erschlafft der Uterus schon im Anfange der Narkose. 9) Strychnin verstärkt die Uteruscontractionen. 10) Auch ein vom Thiere ganz isolirter Uterus behält unter günstigen Be- dingungen lange Zeit die Fähigkeit, regelmässige, rhythmische Contractionen zu machen, ohne dass ihm merkbare Reize zugeführt worden wären. Ja sogar ein Stück eines Uterushornes, und zwar sowohl das ovarielle Ende wie das vaginale vermag für sich rhythmische Contractionen auszuführen. 11) Intermittirende elektrische Reizung des Uterus verstärkt die vorhan- _ denen Zusammenziehungen und ruft neue hervor. Ebenso auch bei einem aus- geschnittenen Uterus. Durch stärkere Tetanisirung werden die automatischen - Contractionen beeinträchtigt. Auch mechanische Reizung hat ähnlichen Effect. Die Bewegungen des Uterus werden aber durch centrale Innervation be- | einträchtigt. 12) Elektrische Reizung der Medulla oblongata, so ne dieselbe mit dem - Hals- und Rückenmarke in Zusammenhang steht, hat gewöhnlich auf die Uterus- contractionen keinen merklichen Einfluss oder einen wechselnden: während der Reizung sieht man neben einer Erregung die Contractionen bald stärker bald schwächer werden. 13) Elektrische Reizung der Medulla oblorgata, nachdem eine zweite Durch- schneidung des Rückenmarks in der Höhe des ersten Brust- oder zwischen dem ersten und zweiten Halswirbel gemacht worden ist, hemmt die Uteruscontractionen. 14) Elektrische Reizung des Rückenmarkes nach Abtrennung der Medulla - oblongata von demselben verstärkt die vorhandenen Uterusbewegungen oder ruft neue hervor. 15) Am wirksamsten ist die Reizung des Lendenmarkes, welche die Con- tractionen des Uterus vertieft und verlängert. 2 VERHANDLUNGEN DER BERLINER PHYSIOLOGISCHEN 16) Elektrische Reizung der centralen Stümpfe der durchtrennten Nn. ischia- dici bei unversehrter Verbindung der Medulla oblongata mit der Medulla spinalis hat auf die Uteruscontractionen einen wechselnden oder gar keinen Einfluss. 17) Elektrische Reizung der Nn. ischiadiei hat eine Verstärkung der Con- tractionen zur Folge, wenn die Nerven mit dem oberhalb abgetrennten Lenden- marke, oder auch mit dem Rückenmarke, oder mit dem Halsmarke, nach Ab- trennung der Medulla oblongata in Verbindung geblieben waren. 18) Ein Erregungscentrum für die Uterusbewegungen liegt also im Lenden- marke, das Hemmungscentrum in der Medulla oblongata. IV. Sitzung am 7. December 1883." Hr. WALDEYER referirt über die in seinem Laboratorium angestellten Unter- suchungen des Dr. med. Koganei bezüglich der Histiogenese der Retina. Schon im Stadium der primären Augenblase lassen sich zwei Schichten der Retinalanlage unterscheiden. Die eine besteht aus spindelförmigen Zellen (Uranlage-Zellen, Löwe, Würzburg), die andere proximal gelegene zeigt eine Schicht mehr rundlicher Zellen, an denen fast überall karyokinetische Figuren wahrzunehmen sind: „proliferirende Schicht“ So weit Koganei’s Unter- suchungen reichen, geht die gesammte Weiterentwickelung der Netzhaut von dieser Schicht aus, indem hier eine lebhafte Zellenproduction stattfindet, deren Abkömmlinge zunächst in der Gestalt der spindelförmigen Uranlage-Zellen er- scheinen und von diesen aus sich zu den verschiedenen Retinalelementen um- wandeln. Als weiteres Ergebniss der Untersuchung ist hervorzuheben, dass die Differen- zirung der einzelnen Retinaschichten in ununterbrochener Folge von der distalen zur proximalen Fläche vor sich geht. Zunächst erscheinen die Anlagen der Müller’schen Fasern, indem ein Theil der Uranlagezellen besonders in die Länge wächst und schärfer hervortritt. Die distalen Enden dieser Zellen verbreitern sich und treten zur Membrana limi- tans interna zusammen. Bald darauf sieht man die Opticusfaserschicht deutlich werden; Dr. Koganei leitet dieselbe aus den Ausläufern der Ganglien- zellenschicht ab, welche fast gleichzeitig sichtbar werden. Sonach würde ein Vorwachsen der Opticusfasern aus dem Gehirn zur Retina nicht für alle diese Fasern gültig sein; ein Theil derselben würde primär in der Netzhaut entstehen und zum Hirn weiter wachsen. Die Molecularschicht folgt zunächst. Ihre Elemente, ein feines Reticulum darstellend, bilden sich aus dem Protoplasma der Uranlagezellen. Wahrscheinlich geschieht dieses in der Weise, dass die überall im Protoplasma der Uranlagezellen vorhandenen Fädchen sich schärfer differenziren, während die zwischen ihnen befindliche Zellsubstanz (Paraplasma, Kupffer) nebst den Kernen schwindet. Beim Hühnchen und auch beim Kaninchen bleibt in der Mitte der Molecular- schicht eine Zellenreihe so lange bestehen, als die Molecularschicht wächst; diese ! Ausgegeben am 28. December 1883. GESELLSCHAFT. — KOGANEI. — FALK. — BLASCHKO. +73 muss als Bildungslager der Molecularschicht bezeichnet werden, wie auch Ogneff angiebt. Mit dem Auftreten der Zwischenkörnerschicht sind auch die beiden Körnerschichten gegeben; doch eilt die innere Körnerschicht der äusseren Lage immer im Wachsthum und in der Differenzirung voran, sodass das vorhin aus- gesprochene Gesetz keine Aenderung erleidet. Es sei hier in dem Referat nur noch der Thatsache gedacht, dass sowohl die exquisit nervösen als auch die Stützsubstanzen der Netzhaut aus derselben Quelle ihren Ursprung nehmen. Die Müller’schen Fasern u. s. w. sind also von derselben Anlage abzuleiten, wie die Ganglienzellen der Retina und deren Ausläufer. Bindesubstanzen giebt es in der Retina nur insoweit, als etwa Blut- gefässe in dieselbe eintreten. Neuroglia und echt nervös functionirende Substanz des Nervensystems ge- hören daher zusammen und darf die Neuroglia nicht als Bindegewebssubstanz, sondern muss als ein Nervengewebe aufgefasst werden, welches jedoch nicht nervös fungirt. Schliesslich sei noch erwähnt, dass Dr. Koganei der Ansicht derer bei- tritt, welche bezüglich der Entwickelung der Stäbchenzapfenschicht annehmen, _ dass aus den Anlagezellen der äusseren Körner zunächst die Innenglieder und aus diesen dann in letzter Instanz die Aussenglieder hervorsprossen. V. Sitzung am 21. December 1883." 1. Hr. Fark theilt eine Beobachtung von tödtlicher Kohlendunstvergiftung mit, die eine Gravida und ihr 1!/, Jahre altes Kind betraf; an beiden Leichen war die Kohlenoxyd-Intoxication deutlich anatomisch zu diagnosticiren, während im Blute der 8 Monate alten Frucht weder bei der Natronprobe noch durch das Spectroskop Kohlenoxyd sich wahrnehmen liess. 2. Hr. BrascHko hielt den angekündigten Vortrag: „Zur Anatomie und - Entwickelungsgeschichte der Oberhaut“. Der Vortragende berichtet über Untersuchungen, die derselbe zum grössten Theil schon im Jahre 1878 angestellt hat und zu deren Wiederaufnahme er durch die Arbeiten von Kollmann ‚Ueber den Tastapparat der Hand der menschlichen Rassen und der Affen“ und von Lewinski „Zur Physiologie des Rete Malpighi“ veranlasst worden ist. Nach Lewinski ist das Rete eine weiche Platte, deren Gestalt von den in jedem Augenblick herrschenden Druck- und Spannungsverhältnissen abhängig ist, der also, so muss man schliessen, eine constante, typische Form nicht zukommen kann. Letzteres ist aber nicht der Fall, vielmehr besitzt die Oberhaut eine höchst regelmässige Gliederung, zu deren Erkenntniss man bis jetzt nur deshalb in so unvollkommenem Maasse ge- langt ist, weil man stets am erwachsenen Menschen untersucht hat, wo diese Regelmässigkeit schwerer zu erkennen ist, hauptsächlich aber, weil man in der — freilich schon von Auspitz bekämpften — Meinung, die Cutis sei der " Ausgegeben am 28. December 1883. 174 VERHANDLUNGEN DER BERLINER formgebende Theil, sich statt mit der Epidermis immer nur mit dem Cutis- ausgusse derselben beschäftigt hat. Der Vortragende, welcher die Epidermis an Händen und Füssen von Affen genauer studirt hat, findet ausser den an der Oberfläche ebenso wie beim Men- schen vorhandenen Riffen und Furchen an der inneren, der Cutis zugekehrten Seite eine bienenwabenähnliche Structur, hervorgerufen durch die Kreuzung von längs- und querverlaufenden Epithelialleisten. Unter den Längsleisten, welche gerade doppelt so zahlreich sind als die Riffe an der Oberfläche, sind zwei ver- schiedene Arten zu unterscheiden, die Drüsenleiste und die Falte. In der ersteren, welche in ihrem Verlauf den Riffen entspricht, finden sich die Schweiss- gänge, und in der Mitte zwischen zwei in regelmässigen Abständen stehenden Drüsenleisten verläuft eine andere, der Furche entsprechende Leiste, welche da- durch zu Stande kommt, dass die Oberhaut mit allen Schichten nach innen ein- gefaltet erscheint: die Falte. Zwischen den langen Drüsenleisten und Falten sindin regelmässigen Zwischenräumen kurze Querleisten ausgespannt, welche mit ihnen die bekannten kegel- oder pyramidenförmigen Hohlräume bilden, deren Ausgüsse man Papillen genannt hat. Die Drüsenleiste sowohl, wie die Falte, haben nach unten hin eine glatte Contour, und nur solche Längsschnitte, welche ‘ durch die Querleisten gehen, zeigen wellige Contour. Die Falte reicht an der Fusssohle tiefer hinab als an der Hand und den Fingern; ihre Tiefe ist ausser- dem von augenblicklichen Spannungsverhältnissen abhängig. Beim Menschen sind die Verhältnisse die gleichen und beim Neugebornen und beim Kinde auch leicht nachweisbar, späterhin wird die Drüsenleiste sehr dünn und nimmt einen stark gezackten Verlauf an, wodurch die Orientirung erschwert wird. Auch finden sich häufiger als beim Affen secundäre Querleisten, namentlich an den Fingerspitzen. | : Gegenüber der alten Anschauung, dass die papilläre Begrenzung der Cutis durch Hervorwachsen von Gefässen gegen das Rete entstehe, hat zuerst Auspitz angenommen, dieselbe werde hervorgerufen durch das Vorschieben zapfenartiger Fortsätze aus der Epidermis in die ihr in toto entgegenwachsende Lederhaut. Neuerdings hat Kollmann die hierbei zu Grunde liegenden mechanischen Be- dingungen klargelegt. Der Vortragende, welcher ebenfalls der Epidermis vor- wiegende Bedeutung für das Zustandekommen der verschiedenen Oberhaut- gebilde vindieirt, sieht dieselben in folgender Reihenfolge entstehen: Drüsen- — leiste (4. Monat), Drüsen (4—5. Monat), Falte (6. Monat), Querleisten (7 — 8. Monat). Drüsenleiste, Drüsen und Querleisten entstehen durch Wucherung der Epidermis nach innen, diese Wucherung ist bedingt durch den „Seitendruck der in ihrer Keimschicht activ sich ausdehnenden Epidermis“ (Kollmann). Die Falte (und mit ihr die Sonderung von Riffen und Furchen) wird hervorgerufen durch Fal- tung aller Oberhautschichten nach innen; als Causalmoment wirkt ebenso wie bei der Bildung der Drüsenleiste das gesteigerte Wachsthum in, der Längs- richtung. Die Verdickung der Hornschicht über der Drüsenleiste (Kollmann) ist nur scheinbar und wird vorgetäuscht durch die beginnende Einsenkung der Oberhaut zwischen den Drüsenleisten; auch beim Erwachsenen ergeben Messungen gleiche Dicke der Hornschicht in den Furchen wie auf den Riffen. Die Papillen entstehen nicht, wie Kollmann angiebt, durch glockenförmige Erhebungen der tiefsten Epidermisschichten nach aussen, ihre Bildung ist viel- mehr mit der der Drüsenleisten und Falten zur Hälfte schon gegeben, sie wird vollendet durch die spätere Wucherung der Querleisten in die Tiefe. er PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — BLASCHKO. — G. SALOMON. 175 Verfasser stellt weitere Mittheilungen über die Haut am übrigen Körper und über die histologischen Details der Wachsthumsverhältnisse in Aussicht und bespricht zum Schluss noch eine zur Anwendung gekommene Tinetionsmethode, eine Doppelfärbung mit Haematoxylin und Picrocarmin, bei welcher die ver- hornten Epithelialgebilde eine saftgrüne Färbung annehmen und welche sich für normale und pathologische Objecte von der Haut, den Schleimhäuten, sowie von Arterien vorzüglich bewährt hat. So behandelte Praeparate aus dem Jahre 1878 wurden in der Sitzung demonstrirt. 3. Hr. G. SaLomox macht eine Mittheilung: „Ueber die chemische Zu- sammensetzung des Schweineharns“. Bisher hat man auf Grund älterer Untersuchungen als feststehend an- genommen, dass der Harn der Schweine keine Harnsäure enthalte. Diese Meinung ist indessen irrthümlich und beruht auf einem Fehler der gebräuchlichen Dar- stellungsmethode, auf den E. Salkowski, R. Maly und K. B. Hoffmann die Aufmerksamkeit gelenkt haben. Der Zusatz der Salzsäure bewirkt nämlich bei manchen Harnen trotz ganz beträchtlichen Harnsäuregehaltes keine Spur einer Ausscheidung. Unter solchen Umständen bewährt dann die von E. Salkowski angegebene Methode der Silberfällung ! ganz besonders ihre Zuverlässigkeit; sie ist es auch, die mir in dem hier vorliegenden Falle den Nachweis der Harn- säure ermöglichte, während der Zusatz von Salzsäure ohne jeden Erfolg blieb. _ Der Harn (5!/, Liter) wurde beim Schlachten aus den Blasen von 40 Schweinen ausgepresst; er war klar, sauer, vom specifischen Gewicht 1021. Alle Thiere hatten 16—22 Stunden vor der Tödtung gehungert, nachdem sie als letztes « Futter einen Trank von Roggenkleie erhalten hatten. Die thierärztliche Unter- suchung hatte durchweg einen normalen Gesundheitszustand ergeben. Zur Dar- stellung der Harnsäure wurde die gesammte zur Verfügung stehende Harnmenge mach Salkowski’s Vorschrift behandelt und auf diese Weise eine Ausbeute von 0-.658"” erzielt. Die Elementaranalyse ergab folgende Resultate: ‘ 0.2480 Substanz gaben 0.3290 CO, =36-17°/,C und 0-0674H,0—=2-72°/,H. % 0-1020 Substanz gaben nach Dumas 29.5 Cem Stickstoff bei 18. 8° und 754.0 m = Druck (= 33-07), N | Um über das Verhältniss der Harnsäure zum Harnstoff Aufschluss zu er- halten, benutzte ich eine neue auf dieselbe Weise und unter genau denselben hrungsrerhäinisen gesammelte Harnportion. Die Reaction war wieder sauer, das specifische Gewicht betrug 1024. Ich erhielt für die Harnsäure 0 02670|,, für den Harnstoff den hohen Werth von 4'1°/,, woraus sich ein Verhältniss der Harnsäure zum Harnstoff von 1:150 ergiebt. Aus dem Filtrat von der Harnsäure erhielt ich durch nochmalige Fällung mit ammoniakalischer Silberlösung einen Niederschlag, der, nach Neubauer’s Vor- ! E. Salkowski und W. Leube, Die Lehre vom Harn. 'Th. I. 8. 96. er Berechnet. Gefunden. C, In dt 36-17°/, 4 H, 2,38 a DR % N, 33-35 33-07, ” Ö, 2858 — Er 176 VERHANDLUNGEN DER BERLINER schrift in heisser Salpetersäure gelöst, beim Erkalten sich zum Theil in Form büschelförmiger Krystalle ausschied. Aus den letzteren wurde nach bekannter Methode die reine, in makroskopischen Nadeln und Platten krystallisirende Basis dargestellt. Die Eigenschaften dieses Körpers stimmten in jeder Beziehung mit denen des Guanins überein; er war fast unlöslich in Ammoniak, gab mit Pikrinsäure den von Capranica beschriebenen intensiv gelben Krystall- niederschlag, zeigte starke Reaction mit Salpetersäure und Natronlauge, keine Rothfärbung mit Chlorwasser, Salpetersäure und Ammoniak u. s. w. Ich würde mich daher, trotzdem die geringe Menge der Substanz (0-02 8%) eine Analyse nicht gestattete, unbedenklich für das Vorkommen von Guanin im nor- malen Sclıweineharn aussprechen, wenn nicht eine sehr auffällige Abweichung vorhanden wäre. Der guaninähnliche Körper des Schweineharns entwickelt nämlich beim Erhitzen einen starken Isonitrilgeruch, was beim Guanin nicht der Fall ist. Ich kann also den Befund von Pecile, der im Harn eines anschei- nend gichtkranken Schweines Guanin mittels Analyse der Silberverbindung nach- wies,! nicht schlechtweg für den normalen Harn bestätigen, sondern muss mich mit der Annahme eines dem Guanin nahestehenden Körpers begnügen. Aus der salpetersauren Lösung erhielt ich, wie auch Pecile, Xanthin . und zwar in Gestalt sehr kleiner mikroskopischer Krystallbüschel. Von ander- weitigen Ergebnissen der Untersuchung erwähne ich nur den Nachweis kleiner Mengen von Kreatin, die sich wohl aus ursprünglich vorhanden gewesenem Kreatinin gebildet haben haben mochten. Die Anwesenheit von Milchsäure, die von mehreren älteren Autoren zu den Bestandtheilen des Schweineharns ge- rechnet wird, konnte ich mit Sicherheit ausschliessen. Hippursäure habe ich zwar bisher nicht gefunden, halte jedoch ihre Gegenwart noch nicht für un- bedingt ausgeschlossen. 5. Hr. A. Bacınsky machte in Anschluss an den Vortrag des Hrn. Salo- mon die folgende „vorläufige Mittheilung.“ Von der Idee ausgehend, dass man bei den, der Diphtherie nachfolgenden Affeetionen der Kinder, Myocarditis, Nephritis, und den Lähmungen, toxische Substanzen supponiren müsse, welche in den afficirten Geweben zur Wirkung kommen, wandte ich mich behufs Auffindung derselben zunächst dem Harn zu. — Von einem dreijährigen Kinde, welches seit acht Tagen einen schweren diphtheritischen Fall überwunden hatte, jetzt an frischer acuter Nephritis, an Lähmung des Gaumensegels und heftigen Herzpalpitationen litt, wurde der, nach 24stündiger Anurie aufgefangene, stark sedimentirende Harn zur Unter- suchung genommen. Nachdem die im Ganzen 100m ausmachende Harnmenge mit Salzsäure und Phosphorwolframsäure ausgefällt, der Niederschlag mit Baryt zersetzt war, fiel aus dem, vom Baryt auf’s genaueste befreiten Filtrat, beim Ein- engen ein hellbräunlicher Körper, zum Theil krystallinisch zum Theil amorph heraus. Nachdem von dem Filtrat zu einem Thierversuche die Hälfte verbraucht worden war, betrug die aus der zweiten Hälfte gewonnene Masse des Körpers noch 0-18652””%, Der durch mehrmaliges Auskrystallisiren gereinigte Körper zeigte folgende Eigenschaften: ! Liebig’s Annalen u.s. w. Bd. CLXXXIL. 8. 141. _ PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — G. SALOMON. — A. Bacınsky. 177 1) Er löste sich schlecht in kaltem Wasser. 2) Er iöste sich leichter beim Erwärmen. 3) Zusatz von Ammoniak war auf die Löslichkeit ohne Einfluss. 4) Mit Ammoniak und salpetersaurem Silber gab derselbe einen hellen, dieken gallertigen Niederschlag. | 5) Derselbe giebt die Weidel’sche Reaction. 6) Die Silberverbindung ist in heisser Salpetersäure löslich, und scheidet sich der Körper beim Erkalten wieder aus; die ausgeschiedenen Krystalle ent- hielten 40°56 Procent, nach nochmaligem Umkrystallisiren 384 Procent Ag. 5 7) Bei der volumetrischen Stickstoffbestimmung ergab derselbe 43-8 Pro- cent Stickstoff. Nach Allem nähert sich der Körper dem Guanin, dessen Stickstoffgehalt 46-3 Procent beträgt. — Mit dem Nachlass der Symptome der Nephritis, und dem Schwinden der Erscheinungen, verschwand der Körper aus dem Harn des _ Kindes, so zwar, dass aus den relativ geringen, für die Untersuchung zur Dis- _ position stehenden Mengen desselben, welche indess immerhin auf im Ganzen 700°® jm weiteren Verlaufe sich sammelten, auch nur annähernd gleiche - Mengen des betreffenden Körpers nicht gewonnen werden konnten. In einem zweiten Falle, in welchem es sich um eine nach Scharlach auf- _ tretende frische, mit mässiger Albuminurie einhergehende Nephritis bei einem - dreijährigen Kinde handelte, konnte aus 170m Harn, bei directem Ausfällen des Harns mit Ammoniak und salpetersaurem Silber, in relativ beträchtlichen "Mengen ein Körper genommen werden, welcher alle Eigenschaften des Xanthin ‚darbot. 1) Derselbe gab mit Ammoniak und salpetersaurem Silber einen gelatinösen Niederschlag. 2) Mit Salpetersäure eingedampft, hinterliess derselbe einen gelben Rück- stand, welcher sich auf Zusatz mit etwas Kalilauge schön roth färbte. 3) Gab derselbe prachtvoll die Weidel’sche Reaction. | Sind die erwähnten Thatsachen auch nur als erste Ergebnisse zu be- trachten, so enthalten sie doch zwei positive, vielleicht wichtige Beobachtungen: i 1) Das Auftreten von Guanin und Xanthin ähnlichen Körpern in reich- licher Menge unter pathologischen Verhältnissen, speciell bei acuter Nephritis der Kinder. 2) Das Verschwinden derselben bei Abheilung der Nephritis. Die Untersuchungen sind in der chemischen Abtheilung des hiesigen phy- 8iologischen Instituts, welches unter Leitung des Hrn. Dr. Kossel steht, ge- macht, und ich bin in der Fortsetzung derselben begriffen. VI. Sitzung am 11. Januar 1834. 1. Hr. Kosseu hielt den angekündigten Vortrag: „Ueber Nuclein“.? b Der Vortragende hat unter den Spaltungsproducten des Nucleins neben Hypoxanthin und Xanthin auch das Guanin aufgefunden.? E. ! Ausgegeben am 18. Januar 1884. E: ° Die ausführliche Mittheilung erfolgt in der Zeitschrift für physiologische Chemie, _ herausgegeben von Hoppe-Seyler. | * Zeitschrift für physiologische Chemie. Bd. VI. 8.7. | Archiv f. A. u. Ph. 1884, Physiol. Abthlg. 12 178 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Diese Thatsache führt zu der Folgerung, dass bei der Einwirkung sieden- der verdünnter Säuren auf thierische Gewebe Guanin entsteht. Versuche be- stätigten diese Vermuthung und zeigten, dass die Quantität des Guanins in Be- ziehung steht zur Menge des Nucleins. Während der Muskel des erwachsenen Thiers arm an ra ist, enthält der embryonale (kernreichere) Muskel eine bedeutend grössere Quantität dieses Stoffs. Das normale Blut enthält kaum nachweisbare Mengen, das leukämische (an kernhaltigen Elementen reiche) Blut. viel Guanin. Einen hohen Guanin- gehalt zeigten Sarkome, ferner das Gewebe der Leber und Milz. Die Resultate sind in folgender Tabelle zusammengestellt. In 100 Theilen des feuchten In 100 Theilen des trockenen b Organs Organs Bezeichnung des Organs | Guanin. AED Xanthin.| Guanin. | Bine Xanthin. Leber (Rind). - . . . .| 0-057 | 0.039 | 0-035 | 0-197 | 0-134 | o-ı121 Muz (Rind) ... .. 222220808 0.074 0-038 0.295 0-306 0-165 Pankreas (Rind) . . . .| 0.055 | 0-095 | 0-195 || 0-178 | 0-304 | 0-626 Muskel (Rind) . . . . .| 0.005 | 0-053 | 0-012 | 0-020 | 0-230 | 0-053 Muskel (Hund) . . . . .| Spuren | 0-055 | 0.023 || Spuren | 0+230 0:096 Embryonäler Muskel (Rind) | 0-044 | 0-088 | 0-012 || 0.412 | 0-359 0.111 Leukaemisches Blut . . .| — E= — 0201 | 0-072 | misslung. Sarkom des Oberarms we: | — = .— 0:196 | 0.137 (gering) Sarkom der Bauchhaut einer _ A u 0:283 | 0-272 nicht a en bestimmt 2. Hr. W. Wourr hielt die angekündigten Vorträge: 1) „Die Nerven des Froschlarvenschwanzes“. Die Nerven spriessen als feine Protoplasmafortsätze aus dem Centrum her- vor und streben der Peripherie zu; auf diesem Wege verästeln sie sich ziem- lich häufig, jedoch immerhin nur so wenig, dass bei der geringen Anzahl von Hauptstämmen der bei weitem grösste Raum des Schwanzes ohne Nerven ge- lassen ist. Am Ende werden sie so dünn, dass sie bei den stärksten Objectiven eben noch zu erkennen sind, um schliesslich als feinste Spitzen zu enden. Die Endigungen liegen im Schleimgewebe unterhalb des Epithels. Die Schwann’sche Scheide oder das Neurilemma bildet sich secundär, indem sich Zellen aus der Bindesubstanz um die Nervenfaser herumlegen; darauf entsteht das Mark ebenso wie das Neurilemma vom Centrum nach der Peripherie zu. Diese Untersuchungen stehen mit den neueren über diesen Gegenstand im Widerspruch, zumal mit denen von Pfitzner (Morphologisches Jahrbuch, Bd. VI) | und Canini (Dies Archiv, 1883, S. 149 ff), welche ein reichliches subepithe- liales Geflecht annehmen, von dem in eine jede Epithelzelle Nervenfasern hinein- gehen sollen. Man erkennt aus den Abbildungen von Canini unschwer, dass derselbe die feineren Nervenfasern in dem Schleimgewebe verloren und die Fortsätze der Zellen desselben für ein nervöses Netz betrachtet hat. Die von den Autoren in den Epithelzellen beschriebenen verschieden geformten Pseudo- nervenendigungen sind wahrscheinlich Reste der schlecht erhaltenen Kernstructur, | Er PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — KossEeL. — W. Worrr. 179 Die bezüglichen Praeparate waren durch Behandlung mit !/,,°/, Goldchlorid- kaliumlösung hergestellt und wurden in der Sitzung demonstrirt. 2) „Ein Beitrag zur Lehre vom Knochenwachsthum‘“. Von der Voraussetzung ausgehend, dass sich die Grundgesetze des Knochen- wachsthums am leichtesten bei den Knochen finden liessen, die den einfachsten Bau auch im ausgebildeten Zustande besässen, wurden die Knochen von 1!/,” langen Fröschen untersucht. Der Knochenbildung geht häufig eine Verkalkung der Knorpelgrundsubstanz voran, doch ist dies nicht als eine Einleitung zur Knochenbildung zu betrachten, sondern wohl nur als Substitut des Knochens zum Zwecke der grösseren Festigkeit des Knorpels. An den Phalangenknorpeln der Zehen bildet sıch die erste Knochensubstanz nun folgendermaassen. Es ent- steht eine feine Knochenlamelle in der Mitte der Längsaxe des Phalangenknor- pels um den Knorpel unterhalb des Perichondriums, das jetzt füglich Periost senannt werden muss; durch Anlagerung immer neuer Knochensubstanz wird diese Knochenlamelle immer dicker und länger und erhält alsbald auf einem _ Längsschnitte des Phalangenknorpels die Form zweier sehr stumpfwinkliger mit den Spitzen einander zugewandter Dreiecke. Zu gleicher Zeit mit der ersten Bildung von Knochensubstanz finden im Inneren des Knorpels verschiedene Vor- gänge statt. Es vergrössern sich die Knorpelzellen in der Mitte des Knorpels ausserordentlich auf Kosten der Knorpelgrundsubstanz, so dass sie zu grossen blasigen Gebilden werden und die Knorpelgrundsubstanz schliesslich ganz ver- zehrt wird; diese Vergrösserung der Knorpelzellen und in Folge dessen das Schwinden der Grundsubstanz findet hauptsächlich in der Richtung der Längs- _ axe des Knorpels statt. Auf diese Weise entsteht im Knorpel eine längliche Höhle, die Markhöble, die in der Mitte vom neugebildeten Knochen, nach den beiden Enden zu jedoch von Knorpel begrenzt ist. Die Knorpelzellen scheinen, nachdem sie ihre Aufgabe vollendet und die Knorpelgrundsubstanz aufgezehrt ' haben, dem Untergange geweiht zu sein, indem keine Uebergänge zwischen ihnen und den jetzt in der Markhöhle vorhandenen kleinen Markzellen beobachtet werden konnten; es scheint somit die Ansicht, dass letztere von aussen her in die Markhöhle eingedrungen seien, die richtige zu sein. Um den weiteren Vor- gang der Knochenbildung zu beobachten, bedient man sich der Längsschnitte vom Femur desselben Thieres; diese Praeparate unterscheiden sich von den obigen nur insofern, als hier eine ausgebildete Epiphyse vorhanden ist und zwar ist die Diaphyse wie ein Locheisen in den Epiphysenknorpel eingeschlagen, so dass die Diaphyse ein beträchtliches Stück in die Epiphyse hineinragt und auf einem Querschnitte des unteren Epiphysentheiles stets auch bei alten Fröschen als ein Knochenring in der durch das ganze Leben des Frosches knorplig blei- bende Epiphyse zu sehen ist. Die Diaphyse ist auch in ihrem, in die Epiphyse eingesenkten Theile von Periost umgeben und besteht an ihrem äussersten Ende aus zelligen Elementen, die man als Periostzellen oder Osteoblasten bezeichnen kann. Von diesen Elementen her wird am Ende der Diaphyse immer neue Knochensubstanz angelagert. Entsprechend diesem Längenwachsthum der Dia- -physe verlängert sich die Markhöhle, indem in der oben angegebenen Weise der in die Markhöhle hineinragende Theil der Epiphyse sich stetig aufzehrt. Die Röhrenknochen alter Frösche unterscheiden sich von diesem Bilde nur dadurch, dass die Diaphyse in ihrer Dicke aus mehreren übereinander gelagerten Knochen- 12% - 180 VERHANDLUNGEN DER BERLINER lagen zusammengesetzt erscheint. Diese Knochenlagen sind erstens bei den ver- schieden alten Fröschen in verschiedener Zahl vorhanden und zweitens an ein und demselben Knochen in den verschiedenen Höhen an Zahl variirend und zwar in Folge des Resorptionsprocesses vom Mark her. Diese Lagen sind wohl der Ausdruck des periodischen Wachsthums des Frosches.. Es wächst also die Diaphyse des Froschknochens durch Anlagerung vom Periost her, sowohl in die Länge, als auch in die Breite und ist hier weder eine Knochenbildung vom Marke, noch von der (stets knorplig bleibenden) Epiphyse aus zu beobach- ten. Vergleichen wir hiermit einen Längsschnitt des Femur vom Säugethier, z. B. eines etwa fünf Monat alten menschlichen Foetus, sö haben wir in den Hauptzügen dasselbe Bild. Wir sehen auch hier vom Periost her, sowohl in der Längsaxe, als auch in der Queraxe der Diaphyse sich neue Knochensub- stanz bilden. Es reicht auch hier der Epiphysenknorpel ein beträchtliches Stück in die Diaphyse hinein und bildet die obere und untere Begrenzung der Markhöhle. Die Unterschiede bestehen darin, dass erstens die Anlagerung des neuen Knochens nicht wie beim Frosche in concentrischen Lagen um die ganze Dia- physe herum stattfindet, sondern in Form der bekannten Haversischen Systeme. Ferner ist der Resorptionsprocess des Knorpels ein etwas anderer. Während nämlich beim Frosche die Knorpelgrundsubstanz durch die nach allen Richtungen hın gleichmässige Vergrösserung der Knorpelzellen resorbirt wird, tritt bei den Säugethieren zuvor eine Vermehrung der Knorpelzellen auf und dann erst eine Vergrösserung derselben und zwar beide Processe in einer zur Längsaxe der Diaphyse parallel stehenden Richtung, so dass zwischen den resorbirten Höhlen, die nun selbstverständlich mit der Markhöhle communiciren, parallel zur Längs- axe der Diaphyse gerichtete Knorpelwände stehen bleiben, die im Zusammen- hange mit dem Epiphysenknorpel stehen. Um diese Knorpelwände bildet sich 5 neuer Knochen. So sehen wir scheinbar auch vom Marke aus Knochen gebildet, doch dürfen wir nicht vergessen, dass diese Knorpelwände zur Epiphyse gehören und mit derselben im Zusammenhange stehen und nur in die Markhöhle der Diaphyse hineinreichen. Diese Neubildung von Knochen hat vor der Hand noch keine Bedeutung und wird im Laufe des Wachsthums des Knochens im Marke wieder resorbirt; sie wird erst für die bleibende Form des Knochens von Be- deutung, sobald sich vom Kerne der Epiphyse aus Knochen gebildet hat und dieser mit der Diaphyse in Verbindung tritt. 3 Die bezüglichen Praeparate wurden in der Sitzung demonstrirt und waren die jüngeren Knochen vom Frosch in schwachen Lösungen von Goldchloridkalium gefärbt und ohne vorherige Entkalkung geschnitten; die übrigen Praeparate waren nach vorheriger Entkalkung in on zuerst in Wasserblau (Anilin- farbe) und dann in Saffranin gefärbt. VII. Sitzung am 1. Februar 1884." 1. Hr. W. Worrr hielt den angekündigten Vortrag: „Ueber die elek- trische Platte von Torpedo.“ Das elektrische Organ der Torpedo besteht aus nebeneinander gelagerten gewöhnlich sechsseitigen Prismen, die durch Scheidewände von lockerem Binde- ! Ausgegeben am 8. Februar 1884. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — W. WOouFrF. 181 gewebe, das sehr reich an elastischen Fasern ist, getrennt sind, nach oben und unten werden sie von der äusseren Haut bez. der darunterliegenden Fascie, die ihre Herleitung von den zum Organ umgebildeten Muskeln nimmt, abgeschlossen. Die einzelnen Prismen bestehen aus übereinander gelagerten Platten von 0.012” Dicke, sie erscheinen structurlos und homogen. In der Platte liegen im Abstande von circa 0-03" runde granulirte Kerne, die meist von einem Hof umgeben sind. Die untere der Bauchseite des Fisches zugewandte Fläche der Platte erscheint bei mittleren Vergrösserungen fein punktirt. Bei starken Vergrösserungen ergiebt sich, dass diese Punktirung der optische Ausdruck von lauter, das Licht stark brechenden dicht nebeneinander gelagerten kleinen Körnchen ist, die in einer das Licht fast gar nicht brechenden halbflüssigen Substanz liegen, welche die untere Fläche der Platte überzieht. Diese feinkörnige Substanz ist sehr klebrig und scheint sehr reich an -Nuclein zu sein; denn abgesehen davon, dass die Körnchen im All- gemeinen mit den Kernen des Gewebes dieselben Reactionen - gegen Farbstoffe zeigen, ergab auch die directe Untersuchung derselben auf Nuclein positive Resultate. Das elektrische Organ einer jungen Torpedo zeigte eine ausserordent- liche Kernvermehrung in der Platte, so dass an einigen Stellen gegen zwanzig Kerne auf einem Haufen gezählt werden konnten; es lässt sich schwerlich an- ehmen, dass diese starke Kernvermehrung allein auf Rechnung des: Wachs-, thums der Platte zu setzen ist. _ Die Gefässe und Nerven verlaufen in den Scheidewänden der Prismen biegen sich von hier aus häufig an den Eeken der Platten auf dieselben um. Es treten stets nur einzelne Nervenfasern auf die Platte über, dieselben ver- lieren nach mehrfacher Verästlung ihr Mark um nach wiederum mehrfacher Theilung, bei der eine stetige Theilung in zwei neue Fasern vorherrsehend ist, schliesslich in einer Dicke von ungefähr 0-0025—-0-.002 "m Dicke an der unteren Fläche der Platte zu enden; am Ende verschmilzt die Schwann’sche Scheide mit der Membran der Platte. Ausser den Nerven und Capillaren sind zwischen den Platten noch ausserordentlich spärliche Bindegewebszellen vor- handen, die zwei oder drei sehr feine und lange Ausläufer besitzen; diese Zellen folgen beim Isoliren sowohl der unteren, als auch der oberen Fläche der atte und sind wahrscheinlich für die Function des Organes von sehr unter- eordneter Bedeutung. Die Platten, die mit den Scheidewänden der Prismen entweder gar nicht oder jedenfalls nur sehr lose verbunden sind, werden erstens ‚durch die Gefässe, Nerven und Bindegewebszellen in ihrer Lage gehalten; haupt- S ichlich jedoch verbindet die an der unteren Fläche der Platte befindliche fein- örnige Substanz, die, wie schon oben erwähnt, sehr klebrig ist, die Platten mit inander. Diese Substanz macht auch die Isolirung der Platten so mühselig. Die von den Autoren beschriebenen verschiedenen Zeichnungen der unteren Bläche der Platte sind Gerinnungserscheinungen der halbflüssigen feinkörnigen bstanz. Die Quadrate und Rhomben entstehen sehr leicht aus der ursprüng- ch gleichmässig vertheilten Masse, während die baumförmigen Verästlungen : durch gröbere Eingriffe hervorgerufen werden können und durch Zerreissung Glieder des Netzes entstehen. Man findet häufig die verschiedenen Ueber- zänge von der normalen gleichmässig punktirten Platte bis schliesslich zu den baumförmigen Verästlungen. Die Praeparate wurden auf verschiedene Weise angefertigt: die Platten ürden sowohl frisch mit Carmin und mehreren Anilinfarben gefärbt, als auch nach vorheriger Härtung mit Chromsäure oder Sublimat, sie wurden sowohl 182 VERHANDLUNGEN DER BERLINER PHYS. GES. — W. WouLFrF. — MoeELI1. mit verdünntem Holzessig, als auch mit den verschiedenen Metallen (gewöhnlich in schwachen Lösungen) behandelt. Die bezüglichen Praeparate wurden in der Sitzung vorgelegt. 2. Hr. Dr. Moeuı (a. G.) hielt den angekündigten Vortrag: „Ueber De- generation in der Grosshirnrinde nach Durchschneidung der Capsula interna“. Vortr. durchschnitt bei Meerschweinchen die an der Aussenseite des Thalamus opticus liegende Faserung welche, der Capsula interna der-höheren Thiere analog, ausser der Fortsetzung des Pedunculus namentlich die aus dem Thalamus opticicus austretenden Fasermassen enthält. Der Thalamus optieicus wurde dabei in seinen äusseren Partien mitverletzt. Auf der Seite des Eingriffs trat danach ein Zerfall eines Theiles der Nervenfasern, welche in die Rinde einstrahlen, bis in das Stirnhirn hinein auf, wie ihn Vortr. schon früher beschrieben hat. Es waren die aus dem Rande der Markleiste austretenden, in der Rinde ein feines Netz bildenden Fasern zum grossen Theile körnig zerfallen, während die unteren (centralen) Fasermassen- der Marksubstanz intact waren. Auch fand sich eine Veränderung an bestimmten Zellen. Während die Zellen der Basalganglien sowohl als die sehr grosse Mehrzahl der Zellen in der Rinde ganz unverändert blieben, waren in der Hirnrinde zwei Arten von Zellen befallen. Dieselben unterscheiden sich von den übrigen zahlreicheren Zellen der Rinde dadurch, dass ihr Zellkörper sich im Ganzen und sehr viel intensiver (mit Nigrosin und Carmin) färbt: Die erste Art ähnelt in der Form sehr den sogen. Riesenpyramiden der höheren Thiere und liegt wie diese ungefähr in der Mitte zwischen Markleiste und freier Oberfläche der Hemisphaere; sie ist kleiner als die grössten schwanzförmig ausgezogenen der sich nur ganz blass färbenden Zellen. Die andere Art der veränderten Zellen ist erheblich kleiner, mit kurzem, dickem oft gekrümmten Fortsatze, dieselben liegen am dichtesten nahe der Markleiste. Auf der Seite des Eingriffs schwinden die erstgenannten pyramidalen Zellen in der Mitte der Rinde grösstentheils, einige scheinen in kleine klumpige Ge- bilde verwandelt, ganz wenige sind, zum Theil verkleinert, noch erkennbar. Die Zellen nahe der Markleiste sind gleichfalls viel weniger zahlreich, zum Theil sind sie kleiner ohne deutlichen Kern und Fortsatz, jedoch sind noch immer relativ mehr erhalten als von den grossen Pyramiden. | Es fand sich sonach Zerfall nur eines Theils der Nervenfasern und nur ganz bestimmter Zellkörper, welche sich morphologisch uud nach Tinctions- fähigkeit von der grossen Mehrzahl der Rindenzellen (welche letztere intact bleiben) unterscheiden. Vortr. schliesst hieraus, dass diese Gebilde nicht direct, infolge des Trauma’s verändert sind, vielmehr in besonderer Beziehung zu den im Mittel- hirn durchschnittenen Theilen, namentlich also zur Thalamusfaserung, bez. den aufwärts degenerirenden Fasern stehen. Ob die eine Zellform, welche eine Veränderung erfährt, den sogen. „Riesen- pyramiden‘“ der höheren Thiere, mit welchen sie die grösste Aehnlichkeit dar- bietet, analog ist, lässt Vortr. dahingestellt. Ueber die Hautathmung des Frosches. Von Ferd. Klug. er { (Aus dem physiologischen Institut zu Klausenburg.) Während die von Menschen und Säugethieren durch die Haut aus- geschiedene Kohlensäure im Vergleich .mit der durch die Lungen ausgeath- e* en Menge derselben eine verschwindend kleine ist, herrscht bezüglich les Gaswechsels der Frösche allgemein die Ansicht vor, dass bei diesen Th ieren die Kohlensäure in bei Weitem grösserem Maasse durch die Haut s durch die Lungen exspirirt wird. Als besonders maassgebend in letz- terer Beziehung werden die Untersuchungen von Spallanzani und von Regnault und Reiset angeführt. Allein weder die Untersuchungen dieser Forscher, noch die vorliegenden Resultate anderer Autoren, bieten Belege, welche eine solche Rolle der Haut der Frösche beweisen würden. Die Untersuchungen geschahen auf die Weise, dass man die Lungen En oder die Haut mit irgend welchem für a undurchdringlichen Firniss überzog und dann beobachtete, wie lange die Frösche diese Eingriffe üb Beten, oder es wurde auch die exspirirte Kohlensäure bestimmt. Auf solche Weise sind die Untersuchungen von Spallanzani,'! Edwards,? Regnault und Reiset,? sowie die von W. Berg* durchgeführt worden. Das Ausschliessen der Lungenathmung durch Zusammenschnüren des . a ses, durch Ausreissen oder Ausschneiden der vorher unterbundenen I Memoires sur la respiration par L. Spallanzani, traduits en frangais d’apres on manuseript inedit par J. Senebier. Geneve an XI (1803) p. 71 ff. ® W.F. Edwards, De l’influence desagens physiques sur la vie. Paris 1824. p. 12. ® Annales de Chimie et de Physique. UI. Serie. t. XXVL p. 473 ff. * Waldemar Berg, Untersuchungen über die Hautathmung des Frosches. Dorpat 1868. BA FERD. Kıve: Lungen ist ein Eingriff, welcher voraussichtlich den Gaswechsel des Frosches beeinflussen muss; die Verwundung, wie auch der Blutverlust sind nicht gering, selbst bei der grössten Vorsicht geht doch das in den Lungen be- findliche Blut verloren. Diese Einwendungen behalten natürlich auch dann ihre volle Gültigkeit, wenn die Lungen durch die offene Stimmritze hervor- gezogen und mit oder ohne vorgängiger Unterbindung ihrer Wurzeln mit der Scheere abgetragen werden, wie dies Schiff und nach ihm Fubini gethan haben." Eben daher können auch auf diese Weise gemachte Ver- suche nicht ohne Weiteres genügen „den Antheil zu bestimmen, der unab- hängig vom Lungenathmen dem Hautathmen unter der Einwirkung von Licht und Dunkel zukommt“, wie denselben Fubini feststellen wollte.? Bidder?® eliminirte die Lungenathmung dadurch, dass er den Frosch curarisirte und kam zu dem Schluss, dass der Gaswechsel zum grössten Theil durch die Haut besorgt wird, bei Winterfröschen zu ®/,, bei Sommer- . fröschen zu ?/,. Dies Verfahren konnte aber auch keine brauchbaren Re- sultate geben, da ja das Curare als solches den Stoffwechsel herabsetzt; wenn also der Gaswechsel curarisirter Frösche vermindert gefunden wurde, so beweist dies noch durchaus nichts betrefis der Rolle der Haut und der Lungen im Gaswechsel normaler, nicht curarisirter Frösche. Gar keinen Erfolg weisen die auf das Ausschliessen der Hautathmung gerichteten Bestrebungen auf. Wenn Spallanzani die Haut der Frösche mit einem spirituösen Firniss überzog oder dieselben in mephitische Gase brachte und darauf die Thiere rasch sterben sah, so war dies gewiss nur eine Folge der Einwirkung des Spiritus bezüglich der Gase, nicht aber der Unterdrückung der Hautathmung. Als grausam und auch zwecklos muss jener Vorgang von Spallanzani und Edwards bezeichnet werden, bei welchem zur Ausschliessung der Hautathmung die Haut direct entfernt wurde Edwards und Berg brachten, um die Hautrespiration zu elimi- niren, Frösche bis an den Hals unter Wasser, später auch unter Oel. Man ging hierbei von der Annahme aus, dass wenig Wasser, wenn es nicht er- neuert wird, die Hautathmung ausschliesst; doch es zeigte sich, dass nun das Wasser selbst einen Theil der ausgeathmeten Kohlensäure absorbirte. Das Oel schien direct schädlich auf die Haut einzuwirken. Thatsache ist es, dass ein jeder Frosch, der einmal zu einem Oelversuch gebraucht wor- den war, am andern Tag starb; auch waren die Resultate, welche Berg erhielt, widersprechend; einmal trat Verminderung, ein andermal bedeutende Vermehrung der ausgeschiedenen Kohlensäure auf. In gepulvertem Gummi 1 J. Moleschott, Untersuchungen zur Naturlehre des Menschen und der Thiere. Bd. XI. S. 103. Ze 2.0. 8:20 ® Citirt nach W. Berg’s Untersuchungen u.s. w. 8. 24. ÜBER DIE HAUTATHMUNG DES FRoScHES. 185 arabicum gewälzte Frösche verloren zur Lösung des Gummipulvers so viel Wasser, dass die Circulation beeinträchtigt wurde. Als nicht weniger un- brauchbar erwies sich das Ueberziehen des Frosches mit Spirituslack, mit Wasserglas, mit einer Auflösung von Dammarharz in Terpentinöl, mit Col- lodium und anderen ähnlichen Stoffen. | Aus den Ergebnissen der auf die angegebene Weise gemachten Ver- suche könnten als für die wichtige Bedeutung der Haut im Gaswechsel des Frosches nur hervorgehoben werden die Erfahrung, dass Frösche auch nach dem Entfernen der Lungen noch mehrere Tage lebten, und der Umstand, dass die ausgeschiedene Kohlensäuremenge nach Exstirpation der Lungen nur um !/, bis !/, geringer ward. Doch der Beweiskraft dieser Resultate lassen sich viele Bedenken entgegenstellen. Denn abgesehen von unseren gegen das Versuchsverfahren selbst erhobenen Einwänden ist ja bekannt, - dass vollkommen entblutete Frösche noch 1—2 Tage leben, auch kann man nicht aus dem Vergleiche der Quantität der durch den unversehrten Frosch ausgeschiedenen Kohlensäure mit jener desselben Thieres nach Exstirpation der Lungen einen Schiuss auf die Rolle der Haut bei der Kohlensäure- ausscheidung unter normalen Verhältnissen, bei unversehrten Thieren und functionirenden Lungen ziehen. Ueberhaupt ist es nicht richtig, den Antheil der Lungen und der Haut beim Gaswechsel durch Versuche bestimmen zu wollen, bei welchen das eine oder andere der beiden Organe von der Athmung ausgeschlossen wurde. Denn alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass die Menge der durch die Haut bezüglich durch die Lungen ausgeschiedenen Kohlensäure eine wesent- lieh verschiedene sein wird, wenn beide Organe zugleich functioniren, als wie wenn das eine von beiden functionsunfähig gemacht oder sogar ganz entfernt worden ist; eine Ausnahme könnte nur in dem Falle stattfinden, _ wenn die Kohlensäure in überwiegendem Maasse durch das eine der beiden Organe exspirirt werden möchte, zum Beispiel durch die Haut. Ich glaube, dass der Antheil der Hautathmung beim Gaswechsel des Frosches nur durch solche Versuche festzusetzen ist, bei welchen die durch die Lungen und die Haut ausgeathmete Kohlensäure gesondert, doch zu gleicher Zeit, an ein und demselben Thiere bestimmt wird. Diese Versuche könnten dann wohl noch durch Beobachtungen ergänzt werden, bei welchen man die durch die Haut ausgeschiedene Kohlensäure bestimmt, während durch die Lungen kein Gasaustausch erfolgt; natürlich muss hierbei der Ausschluss der Lungen ohne jede Verletzung derselben geschehen. Wir haben zu diesem letzteren Zweck eine gute Methode in der Durchschnei- _ dung der beiden N. vagi, wie wir dieselbe bereits an einer anderen Stelle ' ı Centralblatt für die medicinischen Wissenschaften. 1881. Nr. 53. 186 FerpD. Kıve: beschrieben haben, gefunden und die im Wesentlichen darin besteht, dass man die beiden N. vagi unmittelbar an der Stelle wo dieselben das For. condy- loideum verlassen durchtrennt. Nach diesem Eingriff hört nämlich die Lungenathmung ganz auf und man findet die Lungen nach wenigen Tagen bereits vollkommen luftleer. | Zur Ausführung der Versuche habe ich den in der beistehenden Figur abgebildeten Respirationsapparat benutzt. Die mit a,a,, bezeichneten Glas- kölbchen waren mit Kalilösung, das a,, Kölbchen mit Barytwasser- lösung gefüllt. Die Aussenluft gelangte durch diese Kölbchen , gereinigt von ihrer Kohlensäure, in den eigentlichen Respirationsapparat. Dieser Respirationsapparat besteht im Wesentlichen aus einer äusseren (c) und inneren (d) Glocke. Die unteren freien Ränder beider Glocken stehen in Na r gr. 4 je einer entsprechend kreisrunden Rinne eines Tischchens, welche mit Quecksilber ausgefüllt ist; hierdurch ist ein luftdichter Verschluss gesichert. Die äussere Glocke ist 20°® hoch und 12°® tief und endet oben in einen 3m weiten Hals; die innere (d) Glocke ist eigentlich ein Glascylinder von 12m Höhe und 8°" Tiefe. Zwei Glasröhren führen durch den Kautschuk- pfropf, welcher die äussere Glocke verschliesst; das eine führt die kohlen- säurefreie Luft in den äusseren Glockenraum, das andere aus diesem in den Aspirator. Zu dem gleichen Zweck sind zwei andere Glasröhren durch die Tischplatte in den inneren Glaseylinder geleitet. Je eines dieser Glas- rohrpaare, jenes das die Luft in den betreffenden Raum einführt, durch- zieht das Innere des bezüglichen Glockenraumes, während das ausführende = schon nahe seiner Eintrittsstelle endet; die Luft muss also den ganzen Hohlraum durchfliessen, um den Respirationsraum verlassen zu können. Nahe am oberen Rande des inneren Cylinderglases befindet sich rund- herum eine Furche, die dazu dient, damit diese obere Oeffnung mit einer starken Kautschukplatte luftdicht verbunden werden könne. In diesem Cylinder ist ferner noch ein Rahmen (AR), auf welchem das Versuchsthier befestigt wird. In der Mitte der Kautschukplatte befindet sich eine kleine Oeffnung, durch welche der Kopf des Frosches in den Hohlraum der äusseren ° Glocke gesteckt ist, so dass, während die Luft des inneren Glascylinders ÜBER DIE HAUTATHMUNG DES FROSCHES. 187 den Körper und die Extremitäten umspült, der Kopf mit der Luft der äusseren Glocke in Berührung steht. Da die Kautschukplatte stark, die Oefinung in derselben aber klein ist, so schmiegt sich die Kautschukplatte fest um den Frosch an und schliesst die Luft der beiden Glockenräum e vollkommen von einander ab. | Die aus dem Respirationsapparat durch die beiden Aspiratoren g, und g, ausgesogene Luft zieht entweder direet in die Aspiratoren, oder durch die e,e,,e,, und die f,f,,f,,, mit abgemessenen Mengen von Barytwasser gefüllten Kölbchen. Damit der ganze Apparat in allen seinen Theilen luftdicht schliesse, hatten wir die Stöpsel und deren Seiten, sowie die verbindenden Kautschuk- schläuche und ihre Enden nach dem Vorgang Anderer mit einer Mischung von Wachs und Colophonium bestrichen ; auch versäumte ich niemals, mich vor Beginn eines jeden Versuches noch besonders von dem allseitigen guten - Verschluss, sowie davon, dass zwischen der Luft der beiden Glocken keine Communication besteht, zu überzeugen. 5 Wenn der Apparat auf diese Weise zum Versuch vorbereitet und das Versuchsthier eingestellt worden war, dann liess ich die Luft der beiden Glocken durch die Kautschukrohre ;, i,, direct in die Aspiratoren streichen, und erst nachdem die ursprünglich in den Glocken gewesene Luft auf diese | Art entfernt und durch kohlensäurefreie Luft ersetzt worden. war, verschloss ich die Kautschukrohre ;, z,, und leitete die Luft aus den Glocken durch das im den Kölbchen e, e, e,, und f, ff, befindliche Barytwasser in die Aspiratoren. Der Versuch dauerte stets 3 Stunden. & Nachdem der Versuch beendet war, bestimmte ich die von dem Frosch ausgeschiedene und von dem Baryumhydrat absorbirte Kohlensäure nach der maassanalytischen Methode in bekannter Weise. Da das von mir hier- ei befolgte Verfahren dasselbe gewesen, welches unter Anderen auch R. Pott in sehr ausführlicher Weise beschrieben hat, so wäre es ganz über- flüssig, auf eine Beschreibung desselben hier näher einzugehen; ich bemerke nur, dass ich mich der Rosolsäure als Indicator bediente. Die Versuche führte ich in den Monaten November und December aus, an Fröschen, die mehrere Tage zuvor aus dem kalten Zimmer, in "welchem wir dieselben aufzubewahren pflegen, in ein warmes Zimmer ge- bracht worden waren. Das Resultat derjenigen meiner Versuche, die durch ‚keinen Unfall gestört wurden, führe ich in nebenstehender Tabelle auf. Aus diesen Versuchen geht ohne Zweifel hervor, dass die Haut in der That ein sehr wichtiges Respirationsorgan des Frosches ist, ja dass die- ‚selbe wenigstens während der Zeit, binnen der ich meine Ver- Suche machte — also in den Wintermonaten — die Kohlen- Säureausscheidung sozusagen allein besorgt. Eu Aug Y urch IS Re HR ee | | A PEN PIFINND f C. } | a Koblen ar d Kohle ai A, 1 Er: vo aueh der Versuche des Frosches Eolleie ee auf Peanag en Kohlen. sähe auf 3a Etnaflen e:f. Bemerkungen. säure in24 Stunden quf 100 grm|;säure in24 Stunden/quf 100grm | (Anl | Milli- | berechnet | Körper- | Milli- | berechnet | Körper- Stun- | Gram- gramm. in gewicht in gramm. in gewicht in | den. | men. | Milligrm. Milligrm. Milligrm. | Milligrm. 1 ©. Dee, 1883 3 TT männ!. 5-6 44.8 | 58.1 1892. 14526 159.7 11392 u Be 2 17. Dec. 1883) 3 18 männl. || 13:0 | 104-0 19343 Baah rn: 26858 344,6: 1325 B. 3=| 2. Jan. 1884 3 .1111 männl. eh 60-0 54.0 26-4, 21122 190-2 ||1:3-5 rn 5 4 29. Nov. 1883| 3 || 92_ | weibl. | 9.281 74-24 | 80-7 | 25:9 | 207.2 | 219-8 |1:2.7 1 hutshethns 2 5 |4. Dee. 1883| 3 | 84-30| weibl. | 4-9 | 39-2 | 46-5 | 19.7 | 157.6 | 186-9 |1:4-0 ; = 6 ı12. Dec. 1883| 3 83-5 männl. DeT 45.6 54.7 20=6=, 164-8 197.3 1123-6 en = Beide N. vagi = 711. Dee. 1883| 3 104-5 jmännl.| 3.5 | 28-0 | 26-8 | 12.2 | 99-2 | 94-9 |1:3.5 mucnsehnder | | während des \ Versuches. (Frosch unver- sehrt, die Kaut- schukmem- bran schliesst 8 31. Dec. 1883| 3 82 weibl. 5.5 44.0 53-6 24425 199-6 236 LE: 11:44 genau über den Augen den inneren Raum |von dem äusse- | Sren ab. (Beide N. vagi durchschn., die 2 924. Nov. 1883| 23 °.177 weibl. 3:88. 31.04 Tsd 11-4: 199-2 78-6 1:4-46 Kautschuk- = en a ei Nr. 8. L ÜBER DIE HAUTATHMUNG DES FROSCHES. 189 Bei den Versuchen, die mit Nr. 1—3 bezeichnet sind, umschloss die Kautschukmembran den Hals des Frosches unmittelbar unter dem Mund- winkel und dem Trommelfell. In diesen Fällen verhielt sich die durch die Kopfhaut und eventuell auch durch die Lungen ausgeathmete Kohlensäure zu der durch die übrige Körperhaut ausgeschiedenen wie 1:3-2, 1:2-5 und 1:3.5, also im Mittel wie 1:3-.07. Wenn die Lungenathmung durch die Durchtrennung der beiden N. vagi ausgeschiossen wurde, wie dies bei den Versuchen Nr. 4—6 der Fall war, so erhielt ich das Verhält- niss wie folgt: 1:2-.7, 1:4.0 und 1:3-6, im Mittel 1:3-43. Wie man sieht, ist die Abweichung der Ergebnisse beider Versuchsreihen höchst gering. Wie wenig Kohlensäure überhaupt durch die Lungen ausgeathmet wird, ist am besten zu ersehen, wenn man die während der beiden Ver- suchsreihen durch die Kopfhaut, bezüglich die durch Kopfhaut und Lungen binnen 24 Stunden, auf 1008” Körpergewicht berechnet, ausgeschiedenen Kohlensäuremengen mit einander vergleicht. Nach den Resultaten der Versuche 4—6 beträgt die allein durch die Kopfhaut ausgeschiedene Kohlen- ‚säure 80-7, 46-5 und 54-7, in Summa also 181.9 ern, während nach den Ergebnissen der ersten drei Versuche (1—3) die durch Kopfhaut und "Lungen zusammen ausgeathmete Kohlensäure 58-1, 133-3 und 54, zu- ‚sammen 245.4 "ern ausmacht. Es war also die durch die Kopfhaut allein ausgeschiedene Kohlensäure der drei ersterwähnten Fälle (4—6) in Summa nur um 63.5 mem geringer, als die jener drei Fälle (1—3), in welchen die Lungen auch mitgewirkt hatten; demnach betrug die durch die Lungen ‚ausgeathmete Kohlensäure nur etwa 1/, der durch die Kopfhaut allein aus- geschiedenen. Aehnliches zeigen auch die unter 7—9 angegebenen Versuche an. In dem Versuch 7 starb der Frosch, dessen N. vagi durchschnitten waren, während des Versuches, daher derselbe überhaupt sehr wenig Kohlensäure aussonderte. Auch in diesem Falle verhielt sich aber die durch die Kopf- haut ausgeschiedene Kohlensäure zu der durch die übrige Körperhaut ab- gesonderten wie 1:3°5. Die Versuche 8 und 9 waren von den übrigen dadurch wesentlich verschieden, dass die Kautschukmembran in denselben den Kopf unmittel- / bar über den Augen umschloss, demnach um ein Bedeutendes höher als in den anderen Fällen, bei welchen dieselbe unter dem Mundwinkel und dem Trommelfell hinzog. In diesen Versuchen befand sich also nur ein Theil und zwar der kleinere Theil der Kopfhaut in dem äusseren Glockenraum. Dabei unterschieden sich beide Versuche auch von einander dadurch, dass ‚der Frosch in Versuch Nr. 8 unversehrt war, während jenem in. Nr. 9 die ‚beiden N. vagi acht Tage vor dem Versuche durchschnitten worden waren. “ l “ ED LU . & In dem Versuch Nr. 9 verhielt sich die durch die Haut des freien Kopf- endes ausgeschiedene Kohlensäure zu jener, welche die Haut des übrigen Körpers aussonderte, wie 1:4.46, während dasselbe Verhältniss in dem Versuch Nr. 8, bei welchem die Lungenathmung nicht gestört war, sich j wie 1:4.40 verhielt. In beiden Fällen war also die durch die Kopfhaut ausgeschiedene Kohlensäuremenge um ein Bedeutendes geringer, als in den y vorangegangenen Versuchen (1—7); der Mangel der Lungen in dem einen Falle war durch einen so geringen Unterschied der ausgeathmeten Kohlen- säure angedeutet, so dass er gar nicht in Betracht gezogen werden kann (0:06). Es ändert also eine geringe Veränderung der Grösse der respirirenden Hautfläche die Menge der ausgeschiedenen Kohlensäure in viel auffallenderer Weise als das Ausschliessen beider Lungen, daher müssen wir auch die Haut als ein sehr wichtiges Respirationsorgan des Frosches bezeichnen. 1 Dieselbe bestreitet im Winter den Gaswechsel beinahe ganz allein. Im Sommer, wenn sich die Frösche gut nähren, im Freien reichlich Bewegung 3 machen, demnach ihr ganzer Stoffwechsel ein reger ist, mag auch der Lungengaswechsel ein lebhafterer sein. Doch wird nach meinen bisherigen Erfahrungen zu urtheilen die Lungenathmung im Vergleich zur Hautath- mung immer nur eine geringe bleiben; ein regerer Gaswechsel dürfte durch 4 die Lungen nur dann stattfinden, wenn die Frösche durch lebhaftes Quaken \ die Lungenluft in rascherem Tempo erneuern. Nach den zwischen Haut- a und Lungenathmung von uns beobachteten Verhältnisse wird auch zur Erhaltung des Lebens die Hautathmung allein bei weitem früher genügen als die Lungenathmung, ja,man kann mit Bestimmtheit sagen, dass die Lungen allein zur Erhaltung des Gaswechsels bei Fröschen end wären; — der Frosch ist bei dem Mangel eines Diaphragmas und Brust“ ns nicht im Stande, die Luft seiner Lungen in solchem Maasse zu era neuern, als dies zur Erhaltung seines Lebens nöthig wäre. “ 190 Ferv. KLUG: ÜBER DIE HAUTATHMUNG DES FROSCHES. ADEr KR em sei Bu: x eher die Endigungsweise der Nerven im Epithel der Kaulquappen. 2 Von f Paulus Mitrophanow, ; Assistenten am histologischen Kabinet der Universität zu Moskau. # ZT x (Hierzu Taf. II.) Schon längst wurde die Aufmerksamkeit der Histologen auf die Haut- erven der Kaulguappen und vorzüglich auf die der Schwanzflossen gelenkt. ier wurden zuerst die Nervenendigungen im Inneren der Epithelzellen ezeigt. Eberth,! der im Jahre 1866 die Entwickelung der Gewebe im ıwanze der Froschlarven studirte, gab uns eine höchst getreue und aus- ihrliche Beschreibung besonderer Gebilde, welche er zuerst in der unteren ‚Schieht eylindrischer Basalepithelzellen des Froschlarvenschwanzes bemerkte. E hielt dieselben für ein Product der Zellsubstanzmetamorphose, bestimmte ihre Entwickelung und betrachtete sie als Gebilde sui generis; Aehnliches wird im Epithel der Fische (Petromyzon, Myxine) beobachtet. Eberth hielt sich nicht für berechtigt, diese Gebilde positiv für Nervenendigungen änzunehmen, obgleich dieser Gedanke nahe lag und ihm vorschwebte. - Bedeutend später beschrieb Leydig? Zellen mit gleichen Gebilden fadige Bildungen) im Epithel der Larve von Pelobates fuscus und Hyla ärborea und, indem er ihnen eine besondere Rolle in der Hautsecretion zurechnet, belegte er sie mit dem Namen Byssuszellen. en. ! Eberth, Zur Entwickelung der Gewebe im Schwanze der Froschlarven. Archw # mikroskopische Anatomie. Bd. II. S. 490. Taf. XXII, A. B. Taf. XXV ff. 1, 2, 7—25. ! Fr. Leydig, Neue Beiträge zur anatomischen Kenntniss der Hautdecke und Hautsinnesorgane der Fische. Festschrift zur Feier des hundertjährigen Bestehens der naturforschenden Gesellschaft in Halle. 1879. “ 192 - PAULUS MITROPHANOWw: In der Litteratur des vorigen Jahres finden wir wieder einen Hinweis auf die intracellulären Gebilde von Eberth in W. Pfitzner’s Arbeit,! nm welcher derselbe, nach einer neuen von ihm selbst empfohlenen Methode die Haut der Froschlarven beobachtend, beweisen wollte, dass die Gebilde nichts Anderes, als intraepitheliale Nervenendigungen seien, obgleich seine Abbildungen, wie es scheint, schematisch sind, und sehr von Eberth’s und Leydig’s Zeichnungen und Beschreibung abweichen. Der Gedanke einer Nervenendigung im Inneren der Epithelzellen wurde zum ersten Mal von Hensen? auf Grund seiner Beobachtungen geäussert. Nach seiner Meinung enden im Kernkörperchen jeder Epithelzelle des Froschlarvenschwanzes feine Nervenfäden. Dieselben Thatsachen dienten ihm unter Anderem zur Begründung seiner bekannten Theorie der Nerven- entwickelung. Leider erfreuten sich Hensen’s Beobachtungen keines grossen Beifalls, um so weniger, als im Gefolge der fast gleichzeitigen Untersuchungen von Hoyer und von Cohnheim,? eine ganze Reihe von Arbeiten über die Nerven der Cornea erschien, welche bewiesen, dass hier die Nervenfasern zwischen den Zellen frei mit kleinen Anschwellungen enden (Ranvier).* Demzufolge ist es verständlich, dass die von Pfitzner kategorisch ausgesprochene Meinung ein grosses Interesse erregte. Er be- hauptet:5 „In jede dieser Basalzellen treten von der Basis her zwei Fasern ein, meistens ziemlich weit entfernt von einander. Die Fasern enden mit einer leichten knopfiörmigen Anschwellung“ u. s. w. Diese Beobachtung” führte zu folgenden Resultaten: erstens, dieselbe Nervenendigungsweise wurde durch Pfitzner nicht nur bei anderen Thieren, sondern auch im Stratum Malpighii der menschlichen Haut constatirt, und zweitens wurde ihm die Möglichkeit gegeben, eine neue Hypothese über die Nervenendi- gung in der Haut zu begründen, eine Hypothese, welche Anspruch auf, eine allgemein physiologische Bedeutung macht. Dieser Arbeit wurde einer seits mit einer sehr grossen Vorsicht und mit Misstrauen begegnet ı W. Pfitzner, Nervenendigung im Epithel. Morphologisches Jahrbuch. 1882. Bd. VI: 8.726. Taf, XXXIIL ?° Hensen, Ueber die Entwickelung des Gewebes und der Nerven im Schwanze der Froschlarven. Virchow’s Archiv. 1864. Bd. XXXI. 8. 51—75. Taf. I, I. — Der- selbe, Ueber die Nerven im Schwanze der Froschlarven. Archiv für mikroskopische Anatomie. 1868. Bd. IV. 8. 111—128. Taf. VIIL, IX. f ® Hoyer, Ueber den Ausstritt von Nervenfasern u. s. w. Dies Archiv, 1866 und Archiv für mikroskopische Anatomie Bd. IX. — Cohnheim, Ueber die Endigung der sensiblen Nerven in der Hornhaut. Virchow’s Archiv. 1867. Bd. XXXVIU. 8. 343. Taf.XI ur XH. * Ranvier, Traite technique d’histologie. (1882. 6 Fasc.) Russ. Ausgabe. 1883. S. 1039. | > A, 2. 0..9:.782: ENDIGUNG DER NERVEN IM EPITHEL DER KAULQUAPPEN. 193 (Schwalbe),' andererseits hielt man dieselbe für eine glaubwürdige Unter- _ suchung, welche durch Prof, Unna’s Abhandlung?” einen noch grösseren - Werth bekam. | Derselbe constatirte, dass je zwei Nervenendigungen in jeder Zelle des | Rete Malpighii sich befinden, und obendrein beschrieb er noch Nerven- _ endigungen, die frei zwischen den Zellen liegen.’ | In einem unlängst erschienenen Artikel, den Dr. Canini unter Dr. _ Gaule’s Mitwirkung schrieb, finden wir einige Bemerkungen und Ergän- zungen zur Frage über die Endigungen und Verbreitung der Nerven in der - Haut des Froschlarvenschwanzes. Dr. Canini,* welcher nach Pfitzner’s Verfahren arbeitete, zeigte im Epithelium der Kaulquappe Gebilde, die aber durch ihre Verbreitungsweise und Form von denjenigen von Pfitzner beschriebenen bedeutend differiren. Dessen ungeachtet hält Canini dieselben für identisch und denkt, dass man die intracellulären Gebilde und die Nerven mit Hülfe feinster Fasern, welche die sogenannte Basalmembran, das embryonale Corium, durchbohren, in Verbindung bringen kann. Gerade darin sieht Canini sein Verdienst, da bei Pfitzner die Verbindung der intracellulären Gebilde mit den Nerven "noch dem Zweifel unterliegt; dieser Meinung stimmt auch W. Flemming;? ‘der Pfitzner’s Praeparate sah, bei. Dr. Gaule, der CGanini’s Arbeit vollenden wollte, bemüht sich durch die Beschreibung des Nervenverlaufs im Schwanze der Kaulquappen die I Schwalbe, Lehrbuch der Anatomie der Sinnesorgane. 1883. 8. 35. ® Unna, Die Nervenendigung in der menschlichen Haut. Monatshefte für prak- tische Dermatologie. 1882. Bd.I. S. 225. 8 3 Ueber die Arbeit des letztgenannten Forschers machte Dr. Wolf einige Be- merkungen. (Die Blkanperthen, Monatshefte für praktische Dermatologie. 1883. Bd. II. Nr. 1, 2 und: Ueber Tastkörper und einige andere Nervenendigungen, in den Verhandlungen der Physiologischen Gesellschaft zu Berlin, Sitzung am 12. Januar 1883. In diesem Archiv, 1883. 8.128. Indem er kritisch die existirenden Methoden der Untersuchung der Hautnerven durchnimmt und indem er sein eigenes Verfahren, ‘welches in der Anwendung recht schwacher Goldehloridlösungen besteht, empfiehlt, kommt er zu der Ueberzeugung, dass die Nerven nicht nur in die Zellen, sondern über- haupt in das Epithel nicht eintreten; folglich kommen die Tastnerven unter das Epi- thelium in den Bindegewebspapillen zu liegen. Diese seine Ueberzeugung war so Sicher, dass sie ihn zwang, seine früheren Untersuchungen der Corneanerven als irrig anzuerkennen. (Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. XX. S. 373.) * A. Canini, Die Endigungen der Nerven in der Haut des Froschlarvenschwanzes. Dies Archiv. 1883. 8.148, Taf. IH. 5 W. Flemming, Zellsubstanz, Kern und Zelltheilung. S. 174 in der Anmer- kung 1: „Zusammenhänge dieser Wake mit Nerven in der GCutis waren an den Objecten, die ich gesehen habe, nicht deutlich erkennbar“... u. s. w. | Archiv f. A, u, Ph. 1884. Physiol. Abthlg, 15 jo 194 PAuLus MITROPHANOW: Widersprüche, welche in Eberth’s! und Hensen’s? Beschreibungen hin- sichtlich desselben Objects existiren, auszugleichen. Seiner Meinung gemäss giebt es einen Fundamentalplexus mit gröberen Maschen und einen secun- dären Subepithelialnervenplexus mit engerem Maschennetz, das sich in Ver- bindung mit den Fortsätzen der Bindegewebszellen setzt. Die Maschen des secundären Nervenplexus entsprechen den Grenzen der Epithelialzellen; aus kleinen knopfförmigen. Anschwellungen des secundären Plexus steigen zum Epithelium Fasern hinauf, welche von Canini entdeckt wurden und in einer Verbindung mit den intracellulären Gebilden stehen. So könnte man denken, dass durch die eben angeführten Arbeiten über die Endigung der Nerven in der Haut die Frage ganz gelöst sei; in- dem aber diese Forscher die Anwesenheit von zwei Nervenfädchen in der Epithelzelle und die Art des Durchdringens der Nerven in dieselbe nach Pfitzner verneinen, lassen sie diese Frage unbeantwortet und sind im Zweifel, ob eine Verbindung der intracellulären Gebilde von Eberth mit den Nerven existiren und ob überhaupt diese Fäden nervöser Natur seien. Als ich diesen Sommer meine Arbeit begann, konnte ich mich bald von der Anwesenheit der so mannichfaltig von vielen Autoren beschriebenen Gebilde in den Basalzellen des Froschlarvenschwanzes der Rana esculenta überzeugen. Einige Abweichungen in Eberth’s und Leydig’s Abbildungen liessen sich durch die Verschiedenheit der untersuchten Thiere leicht er- klären. Was aber Pfitzner und Canini, welche allem Anscheine nach dieselbe Thierart wie ich benutzt haben, anbetrifft, so haben beide die intra- cellulären Gebilde in einem höchst deformirten Zustande und, wie es scheint, in verschiedenen Perioden ihrer Entwickelung abgebildet. Auf Grund eines langen Studiums meiner zahlreichen Praeparate, welche nach den verschiedensten Methoden hergestellt wurden, finde ich, dass die- selben vollständig mit Eberth’s und Leydig’s Abbildungen und Beschrei- bung stimmen; auch was ihre mannigfaltige Erscheinungsweise anbelangt, habe ich nichts Neues hinzuzufügen. (S. den Holzschnitt und Fig. 4 auf Taf. I.) Wie konnte aber Pfitzner es wagen, diese Gebilde in einer so be- stimmten Form darzustellen und dieselben für Nervenendigungen auszu- geben, da andere erfahrenere Forscher dazu nicht den Muth hatten? Hier kann ich ganz dreist behaupten, dass Pfitzner durch seine Methode irregeleitet wurde. Er gebrauchte Goldchlorid nach Chromsäure, und dabei wurden die intracellulären Gebilde violett gefärbt; da nun das 'A.a.0. Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. U. ”A.2.0. Virchow’s Archiw. Bd. XXXI; — Archiv für mikr Ana- | tomie. Bd. IV. r ; ENDIGUNG DER NERVEN IM EPITHEL DER KAULQUAPPEN. 195 Goldehlorid nur das Nervengewebe electiv färbt, mussten seiner Meinung nach jene Gebilde Nerven sein. (8. Taf. II, Fig. 4 «.) Wenn wir noch den von Eberth aufgestellten Satz in’s Auge fassen, dass das Goldchlorid die von ihm beobachteten Gebilde nicht tingirt, so wird schon dies allein in uns Zweifel über die Tauglichkeit von Pfitzner’s _ Verfahren für die Untersuchung von Nerven erwecken. Und in der That - zeigt es sich, dass nach Chromsäure Gold mehr oder weniger fast alle Gewebe- bestandtheile, die Nerven aber am schwächsten electiv färbt. Nachträgliche Färbung mit Safranin bringt die Kerne, Nerven, Bindegewebsfädchen und die intracellulären Gebilde deutlicher zum Vorschein. Aus dem oben Ge- sagten folgt, dass Pfitzner’s Verfahren überhaupt als eine wunderschöne elective Färbung der animalischen Gewebe empfohlen werden kann, aber in keinem Falle als eine speciell die Nerven elegirende Tinction. Der Hauptfehler dieses Verfahrens bestand darin, dass es unmittelbar zur Untersuchung eines unbekannten Objectes benutzt wurde, ohne vorerst an einem gut bekannten Objecte geprüft worden zu sein. | Alles Gesagte passt vollständig auch für Canini’s Arbeit, aber nur mit dem Zusatz, dass man mit der von ihm angeführten Methode seine - Fäden, welche die Basalmembran durchdringen, höchst selten zur Ansicht bekommt; geschieht es einmal, so gelingt es doch nicht, eine Verbindung zwischen diesen Fäden und den intracellulären Gebilden zu beobachten. Sie sind folglich nichts Anderes, als senkrechte Fasern derselben Basal- -_ membran. Alles über die Eberth’schen intracellulären Gebilde? Gesagte zusam- menfassend, erhalten wir folgende Resultate: 5 1) Diese Gebilde kommen nur in den basalen Cylinderzellen der un- ‚teren Epidermisschicht der Kaulquappe vor. 2) Man trifft sie hauptsächlich in dem Falle, wo das Epithelium der _Kaulquappe nur aus zwei Schichten: den oberen flachen Zellen und den unteren Basalzellen, besteht. | 3) Kommen diese Gebilde in einigen Fällen in der Mehrzahl der Cylinderzellen vor, so können sie andere Male in vielen Zellen vermisst werden, was in den spätesten Stadien der Entwickelung sogar die Regel ist. I 4) Die Zellen, in deren Innerem diese Gebilde sich finden, zeichnen sich stets durch einen ganz bestimmten Charakter aus. Sie erscheinen immer mehr hell und durchsichtig, da ausser dem Kern, der hier haupt- sächlich in dem oberen, der Peripherie zugekehrten Theile der Zelle sich ! Ich erlaube mir diese Gebilde nach dem Namen ihres ersten Endeckers zu nennen, 13* 196 PAutLus MITROPHANOW: befindet, und den genannten Gebilden in den Zellen nichts Anderes existirt, was den Farbstoff aufnehmen könnte. Diese Zellen sind von. bedeutender Grösse. Mit dem einen Ende sitzen sie der Basalmembran (dem embryo- nalen Corium) an; mit dem anderen, gewöhnlich etwas erweiterten, den Kern tragenden Ende berühren sie”die flachen Zellen der oberflächlichen Hornschicht. 5) Diese Gebilde zeigen die von Eberth angegebenen Formverschie- denheiten. Der obere Theil der Bildung scheint nicht- selten den Kern zu umfassen, der untere, grösstentheils verschmälerte Theil strebt der binde- gewebigen Schicht der Haut zu, die er aber oft nicht erreicht. 6) Es können diese Gebilde zu zweien in derselben Zelle vorkommen. Allem Anschein nach war es dieser Fall, der Pfitzner den ersten Anstoss zur Gründung seiner glänzenden Theorie der doppelten Nervenendigungen in Epithelialzellen gab. (Taf. IL, Fig. 4.) 7) Nach einer Bearbeitnng mit schwachen Chromsäurelösungen werden die Gebilde durch Goldehlorid, Haematoxylin, Alaunearmin, Safranin und andere Farbstoffe tingirt. 8) Frisch untersucht brechen die Gebilde das Licht mehr als alle anderen Zellbestandtheile. ® 9) Im frischen Zustande genommen werden die Gebilde von Goldchlorid 4 gar nicht tingirt. Mit schwachen Essigsäure- und Ameisensäurelösungen bearbeitet quellen sie etwas auf. 10) Die Fäden, welche von Canini beschrieben sind und velohr zur Verbindung der Eberth’schen Schilde mit den Nerven dienen sollen, ” haben weder mit Nerven, noch mit den Gebilden etwas zu thun. Es sind M einfach senkrecht aufsteigende Fasern der bindegewebigen Basalmembran. 11) Dem Obengesagten zufolge müssen wir den Eberth’schen Ge- bilden eine Nervennatur absprechen. Wie sie zu deuten seien, wissen wir nicht. | Gewiss haben wir hier mit einem von den räthselhaften Gebilden, von welchen auch Leydig spricht und welche in anderen Fällen - unter verschiedenen Namen (Nebenkerne, Dotterkerne u. s. w.) beschrieben worden sind, zu thun. Mit einem Wort, Pfitzner’s und Canini’s Angaben über 3 Nervenendigungen im Epithelium und im Inneren der Zellen sind zurück- zuweisen. Was von diesen Forschern als Nervenendigungen gedeutet wOr- den ist, hat mit den Nerven Nichts zu thun. Freilich erhebt sich nun die Frage, wo sind hier die echten Nerven zu finden und in welchen Be- ziehungen stehen sie zu den Epithelialzellen ? Be ENDIGUNG DER NERVEN IM EPITHEL DER KAULQUATPEN. 197 Wolf! entscheidet in seiner oben eitirten Arbeit die Frage über die Nerven im Epithelium ziemlich einfach, da er überhaupt intraepitheliale Nerven leugnet. Diese Auffassung. scheint mir aber eine ebenso übertrie- bene zu sein, wie die entgegengesetzte von Nervenendigungen im Inneren _ der Epithelialzellen. | | Auf die Analogie der freien Nervenendigungen, die im Epithelium der Hornhaut beschrieben sind, sowie der Nervenendigungsweise in den speci- ellen Nervenendapparaten (Meissner’schen, Paeini’schen, Grandry’- schen u. a. Körperchen) mich stützend, hoffte ich etwas Aehnliches auch im Epithelium der Kaulquappe zu finden. Diesen Stand der Dinge im Auge, entschloss ich mich die Nerven des Kaulquappenschwanzes durch eigene Untersuchungen nochmals zu verfolgen, indem ich eine bei Untersuchung von Nerven schon vielfach bewährte Me- thode wählte, nämlich die Bearbeitung des Gewebes im frischen Zustande mit Goldchlorid. Jeder, der mit diesem Reagens gearbeitet hat, weiss wohl, von welch einer Menge ganz besonderer Bedingungen hier der glück- liche Erfolg abhängt. Was die Lösung des Goldchlorides selber betrifft, so _ wirkt das Reagens, wenn es rein ist, auf das frische Gewebe immer con- - stant, indem es hauptsächlich Nerven elegirt. Die Unbeständigkeit der Re- sultate wird bedingt: a. durch Unsauberkeit der Manipulation; d. durch ‚Verschiedenheit der reducirenden Medien; dieselben sind für verschiedene Gewebe verschieden; c. endlich durch Verschiedenheit der Lösungen und der Zeit, während welcher das Object im Reagens verbleibt. Was die letzten zwei Bedingungen betrifit, sie lernt man nur durch lange Erfahrung sie zu beherrschen. Am besten bedient man sich einer !/,procentigen (wie auch !/, und 1procentigen) Goldchloridlösung; zum Redueiren nehme man eine !/,—!/, procentige Essigsäure und 5—16procentige Ameisensäurelösung. | Da die Kaulquappenschwänze so dünn und durchsichtig sind, so hoffte ‚ich das Problem auf Flächenpraeparaten zu lösen, weil es dabei möglich ist, das Object in 2oto zu beschauen. Ich meinte auch, es würde rationeller sein, das Gewebe ganz frisch mit Goldchlorid zu bearbeiten, ohne es vor- her ein wenig zu säuern. Eine vorhergehende Säurung ist bei mehr com- pacten Geweben zu empfehlen. Zum Reduciren musste ich daher das am meisten aufklärende Medium wählen. Dem Öbengesagten zufolge wurde die frisch abgeschnittene Schwanz- osse der Kaulquappe, nachdem sie etwas in destillirtem Wasser gewaschen worden war, in eine !/,procentige Goldchloridlösung in einem Uhrgläschen mit einem Tropfen Salzsäure dazu eingelegt; hier verblieb sie während etwa einer Stunde. Danach wurde das Object nochmals in destillirtem Wasser nenn ! W. Wolf, a.a. 0. Monatshefte für praktische Dermatologie, Bd. 1. 198 PAULUS MITROPHANOW: gewaschen und in eine Lösung von Ameisensäure (1 Theil Säure auf 6 Theile Wasser) eingelegt. Bei dieser Concentration wird das Gold prachtvoll re- dueirt; das Gewebe wird dabei aufgehellt, ohne zu sehr macerirt zu werden. Wenn man zwei Tage nachher das Praeparat in Glycerin einbettet, so kann man es bequem mikroskopisch untersuchen. Dabei ist es möglich, wenn man will, die Flosse in Zoo mit allen ihren Epithelialschichten zu unter- suchen; man kann aber auch die oberste Schicht der flachen Epithelzellen beseitigen, oder das ganze Epithel abnehmen, um es, so wie auch das binde- gewebige Gefüge, getrennt zu untersuchen. Nach dieser Methode bearbeitet, wird das Object im Ganzen violett röthlich gefärbt. Das Protoplasma der Epithelialzellen wird dabei sehr schwach tingirt; ihre Kerne kommen zum Vorschein hauptsächlich wegen der aufhellenden Wirkung der Ameisensäure. Die Hornschicht bekommt eine schwache bläuliche Färbung. Karyokinetische Fäden, sowie auch die Eberth’schen Gebilde bleiben farblos. Die Körper der Bindegewebe- zellen, sowie auch der Wanderzellen werden intensiv violett gefärbt, wobei sie eine etwas rosenrothe Schattirung annehmen. Die Bindegewebsfasern, sowie auch die Gefässe bleiben durchaus ungefärbt. Die Nerven, die sich mehr als. alle anderen Gewebe intensiv violett gefärbt haben, treten sehr scharf hervor. | Nehmen wir das Epithel ab und untersuchen wir nur das bindegewe- bige Gefüge der Schwanzflosse, so haben wir vor uns das ganze Bild der Nervenvertheilung, bez. des Nervengeflechtes, das von Eberth und Hensen so ausführlich beschrieben fund von Dr. Gaule nach der von BRanvier gebrauchten Terminologie als Fundamentalplexus bezeichnet ist. Es ist das einzige hier zu findende Geflecht (Taf. I, Fig. 2), da das secundäre Gaule’sche (als ein Nervengeflecht) in Wirklichkeit nicht existirt. Es scheint, dass dieser Forscher dasjenige Netz gesehen hat, welches die Fort- sätze der verzweigten Bindegewebezellen bilden, die unter der Basalmembran liegen, und nach Babuchin in vielen Fällen die Rolle von Nervenscheiden spielen, wie es bei der Bildung der Schwann’schen Scheide auch leicht zu beobachten ist. Ebenso verfehlt ist sicher die Darstellung der Nerven- eintheilung im Schwanze des Bombinator igneus seitens Götte.! In den Praeparaten, wo ausser dem Bindegewebe auch das Basal- epithel erhalten ist, geben die dünneren Nervenfasern, welche die kleinsten Maschen des Geflechts bilden, äusserst feine violette marklose Nervenfäden mit nadelknopfförmigen Anschwellungen auf den Boden ab, die durch die ganz durchsichtige Basalmembran in das Epithel eindringen? (Taf. II, ı Al, Götte, Entwickelungsgeschichte der Unke. 8. 518. Taf, XIL, Fig. 218, 220 ? In einigen Fällen findet man in dem Nervengeflechte dort, wo die Nervenend- fäden absteigen, kleine knotige Verdickungen. Diese Erscheinung ist jedoch nicht constant. ENDIGUNG DER NERVEN IM EPITHEL DER KAULQUAPPEN. 199 Fisg.1 u.2 n, on’). Diese Anschwellungen liegen hauptsächlich in dem Ni- veau der Basalzellenkerne, also dem oberen Ende dieser Zellen näher, bei- nahe unmittelbar unter der Hornschicht. Von einer und derselben Stelle des Nerven können auf einmal ein, zwei, drei Nervenendfäserchen abgehen (Taf. II, Fig. 1 von oben), die eben die echten Nervenendigungen des Kaulquappenepithels sind. Um es näher zu prüfen, ist es nützlich das Epithel allein ohne das Bindegewebe zu studiren. Bequemer ist es das Epithel so zu legen, dass die oberflächliche Hornschicht dem Objectträger, die Basalschicht dem Deckgläschen zugekehrt ist. In diesem Falle (Taf. II, Fig. 3) sieht man bei der allerhöchsten Einstellung des Mikroskoptubus nur die Grenzen der Basalzellen mit violetten Punkten, die hier und da zwi- schen ihnen eingestreut sind (Taf. II, Fig.3 rn). Senkt man den Tubus, so bekommt man die Kerne der Basalzellen zu sehen. Die obengenannten - Punkte verschwinden nicht bei der Senkung des Tubus, im Gegentheil sie werden dabei grösser. Ohne Zweifel sind diese Punkte nichts Anderes als optische Querschnitte der senkrecht zwischen den Zellen stehenden Nerven- endfasern mit Endknöpfchen. . Hier und da sind die Nervenendchen etwas _ eingesenkt, so dass das interepitheliale Nervenfäserchen auf einmal mit dem - Endknöpfchen zu sehen ist. Senkt man den Tubus noch mehr, so bekommt F man die Zellen der Hornschicht zu sehen (Taf. II, Fig. 3 a). Die Nerven- _ endehen verschwinden dabei allmählich und es bleiben keine Fortsetzungen von ihnen." Auf solchen Praeparaten sieht man in den Cylinderzellen gleichzeitig mit den intercellulären Nervenendigungen auch die optischen j Durchschnitte der Eberth’schen Gebilde; dieselben sind bei der genannten - Bearbeitung kaum sichtbar, und sehen wie intracelluläre, mehr das Licht - brechende Vacuolen aus (Taf. II, Fig. 3 x). Sie treten schärfer an den Stellen des Praeparates auf, welche stärker der Säurewirkung unterworfen waren, und daher eine bläuliche Schattirung angenommen haben (Taf. II, Fig. 3). Nach einem genauen Studium der eben beschriebenen Praeparate bleibt kein Zweifel mehr über die Beziehungen der sensibeln Nerven zum Epi- thelium. Sogar Querschnitte durch die Haut der Kaulquappe, wie man dies aus er Vertheilung der Nervenendigungen sieht, konnten von keinem beson- deren Nutzen beim Studium derselben sein, da man nur durch Zufall aus der grossen Zahl von Schnitten auf ein Praeparat, welches den Zusammen- hang der intercellulären Nervenendigungen mit den echten Nerven demon- Strirt, gelangt. ! Alle oben genannten Einzelheiten kann man mit Hartnack’s Obj. Nr. 7 Ocul. Nr, 3 beobachten; ich stellte meine Untersuchungen mit Hartnack’s Obj. Nr. 9 ein. 200 PAauLus MiTROPHANOowW: Der allgemeine Eindruck, den das Studium dieser Praeparate macht, ist folgender: je zwei oder drei Zellen schliessen an ihrer Berührungsstelle eine oder zwei Nervenendigungen zwischen sich ein, so dass jede Zelle der Basalschicht an einer ihrer Seiten mit dem Nerven in Berührung kommt. Die Klarheit des Bildes ist so frappant, dass, wie mir scheint, wir die En- digungen der Nerven nicht im Inneren der Zelle zu suchen brauchen. Ein schematischer Schnitt durch die Haut der Karflquappe mit den intercellulären Nervenendigungen. - a — Epidermis. b — Corium. Hie und da bemerkt man die senkrecht aufsteigenden Bindege- websfasern (Canini’sche Fasern). ce — Öberflächliches Plattenepithel. $ d — Cylindrische Basalzellen mit ihren Kernen hauptsächlich im oberen Theile und mit den intracellulären Eberth’schen Gebilden — x. f # d' — Basalzellen mit den doppelten Eberth’schen Gebilden; ganz gewiss war es ein solcher Fall, der von W. Pfitzner beobachtet wurde. e — Bindegewebszellen mit ihren grossen Kernen und gezweigten Fortsätzen. Von der Seite gesehen. n — Nervenfasern des Plexus mit den Kernen der Schwann’schen Scheide (f). ”» — Interepitheliale Nervenendigungen. Die oben beschriebene Thatsache: das Verhalten der Nerven zu den Epithelzellen in der Haut der Kaulquappe und intercelluläre Nervenendigung im Epithel der Cornea und der Haut der höheren Thiere, ebenso die Nerven- endigungsweise in den speciellen Tastkörperchen (von Meissner, Pacini, Grandry u. A.) berechtigen uns zu folgendem Schlusse: der Nerv dringt nicht in eine Epithelzelle ein, er kommt mit derselben nur in Berührung. | DIsung DER NERVEN ım Eprruen DER Kaunguarpen. 201 | Resultat oestattet den Schluss, dass Unna’s Beobachtungen über S Verhalten der Nervenenden zum Stratum Malpighii des Menschen irrig ind, und dass man einen allgemeinen Typus der Endigung sensibler Haut- ver annehmen muss: nämlich frei endende Nerven mit Endknöpfchen, : entweder von Bindegewebe, oder von Zellen epithelialer Natur um- eN sind. ie ırch dieselben Thatsachen wird ein für allemal eines der Funda- ntalargumente, welche Hensen zur Begründung seiner bekannten Theorie 7 Yervenentwickelung dienten, beseitigt. M oskau, am 15. September 1883. Br: 202 PAuLus MITROPHANOW: ENDIGUNGEN DER NERVEN IM EPITHEL. Erklärung der Tafel IL, =; Fig. 1. Ein Theil der Schwanzflosse der Kaulquappe; das oberflächliche Platt- epithel ist entfernt von der oberen und unteren Fläche; das Bindegewebe der Flosse ist auch nicht dargestellt, so dass hier der optische Schnitt der Basalzellen der Ober- fläche (aa) und der Basalzellen der Unterfläche (db 5), welche eine blassere Schattirung haben, gezeichnet ist. Zwischen jenen und diesen Zellen (« und 5) verbreiten sich die Nerven (n), welche feine Endnervenfädchen von sich geben (n'), die zwischen den Basal- zellen auf der Höhe ihrer Kerne mit kleinen Endknöpfchen enden: bei a* zwischen den ‚Zellen der Oberfläche; bei 5* zwischen den Zellen der Unterfläche. Aur. chlor., ac. form. Glycerin. Fig. 2. Ein gleiches Praeparat. Im optischen Schnitte sind nur die Basalzellen der Oberfläche (« a) dargestellt; unter ihnen ziehen die Nerven (») hin, bildend mit ihren Zweigen (np) eine Masche des Plexus; n’ die Nervenendigungen mit den End, knöpfehen. N ein grösseres Nervenstämmchen. Fig. 3. Ein Theil des abgetragenen Epitheliums der Schwanzflosse. Oben im optischen Durchschnitte sieht man Basalzellen (@), unten — die oberflächlichen Platt- epithelzellen (a). Zwischen den Basalzellen beobachtet man die abgerissenen Nerven- endigungen (”') mit ihren Endknöpfehen. In den Zellen selbst über den Kernen der optische Schnitt der intracellulären Eberth’schen Gebilde (X). Die letzteren sind durch Gold nicht tingirt und unterscheiden sich dadurch, dass sie das Licht stärker brechen. AnCl,, ac. form., Glycerin. Fig. 4. Ein senkrechter Schnitt durch die Haut der Schwanzflosse der Kaul- quappe (5 em lang und ohne Vorderglieder). Ac. chrom. '/,%/, An Cl, "/,°/, mit Spuren von NaCl; Ac. form; Safranin. Canadabalsam. a a — Basalzellen. $. a — Plattepithel. "3 ce — Corium. d — Bindegewebezellen. ; x — Eberth’sche intracelluläre Gebilde und bei er Behandlung des Prae- parates keine Nervenendigungen. Sämmtliche Zeichnungen sind nach meinen Praeparaten von meinem Bruder De- metrius Mitrophanow hergestellt. Ueber die Beziehungen der Grosshirnrinde zu Kehlkopf und Rachen.' Von f Dr. H. Krause in Berlin. (Hierzu Taf, IIl,) Nach den Ergebnissen der elektrischen Reizversuche an der Grosshirn- zinde haben wir uns die letztere als in verschiedene Bezirke oder Regionen getheilt vorzustellen, auf welche die Körpertheile nach unserer jetzigen - Kenntniss mit grosser Regelmässigkeit projieirt erscheinen.” Zu den wenigen der Willkür unterstehenden motorischen Leistungen des Körpers, für welche ein entsprechender Rindenbezirk bisher noch nicht nachgewiesen worden ist, gehören die Bewegungen des Kehlkopfes und des Rachens. Nachdem nun Hr. Prof. H. Munk die laterale Partie der Nacken- region als jene Rindenstelle bezeichnet hatte,? bei deren Reizung er Bewe- ‘ Im Auszuge bereits mitgetheilt in: Sitzungsberichte der kgl. preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. 1. Nov. 1883. Bd. I. 8. 1121 ff. * Zu wie willkürlichen Combinationen die gefundenen Thatsachen der Localisations- lehre Anlass gegeben haben, erhellt aus einer Arbeit von Lauder Brunton: On the position of the motor centres in the brain in regard to the nutritive and social functions. Brain. Vol.IV. 1882. p.431ff. Lauder Brunton unterscheidet zwischen nutri- tiven und socialen Functionen des Grosshirns und stellt die Behauptung auf, die motorischen Centren beim Affen, Hunde, Wolf und bei der Katze seien um den Suleus eruciatus derart angeordnet, dass diejenigen, welche den Zwecken des Ernährungs- triebes dienen, zunächst dem Sule. eruc. liegen, die übrigen erst nach diesen in den angrenzenden Windungen. Die Stimme diene den socialen Instincten, — zu- erst den sexuellen — da sie die Thiere zur Mittheilung untereinander befähige, für die Erlangung von Nahrung aber nieht unbedingt nothwendig 'sei. Dieses Raisonne- ment veranlasst ihn zu behaupten, dass das Centrum für ‘die Stimme von dem Sule. eruc. weiter entfernt liege als die motorischen Centren mit nutritiven Funetionen. (!) ® Sitzungsberichte der kgl. preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. 20. Juli 1882, Bd. II. S. 774. Ueber die Stirnlappen des Grosshirns. Reizversuche. 204 | H. Kravse: gungen der vorderen Halsmusculatur beobachtete, während vom medialen Theile derselben Region aus Bewegungen der hinteren Halsmusculatur er- folgten, so glaubte er in der ersteren Partie auch das Rindengebiet für die Kehlkopfbewegungen vermuthen zu dürfen. Ich habe die Vermuthung auf Anregung und unter Leitung des Hrn. Prof. Munk im physiologischen Laboratorium der hiesigen Thierarzneischule experimentell geprüft und richtig befunden. | Zu den Versuchen wurden ausschliesslich Hunde verwandt. In tiefer Narkose wurde die Rindenoberfläche des Scheitellappens, in welchem wir die zu reizende Partie, Gyrus praefrontalis (Owen), zu suchen haben, frei- gelegt. Zur Inspection des Kehlkopfes habe ich in der ersten Zeit den Kehl- kopfspiegel und künstliches Licht benutzt, oder den Kehlkopf vermittelst der Pharyngotomia subhyoidea unter sorgfältiger Vermeidung der Nervi recurrentes aus seinen Verbindungen bis auf den Zusammenhang mit der‘ Trachea herausgelöst, um so möglichst ungehindert die Wirkungen auf die Kehlkopfmuseulatur beobachten zu können. Diese beiden Untersuchungs- methoden gab ich indessen bald auf, nachdem ich ein bequemeres und zweckmässigeres Verfahren gefunden hatte. Denn die Anwendung des Kehl- kopfspiegels führt, zumal bei grösseren Thieren, nicht immer zum Ziel, weil‘ es selbst bei Benutzung grosser Spiegel (Nr. 4 und 5) häufig nicht gelingt, von der durch die Grösse der Aryknorpel beträchtlich ausgedehnten Glottis des Hundes ein vollkommenes Spiegelbild zu erhalten. Die Herauslösung des Kehlkopfes aus seinen Umgebungen wiederum ist sehr blutig und zeitraubend.. Am einfachsten und besten ist folgendes Verfahren: Fasst man mit einer dünnen, an der Spitze gekrümmten Sonde, ” oder besser Nadel, den Kehldeckel dicht unter dem oberen Rande seiner laryngealen Fläche und zieht ihn vor das schlaff herabhängende und ihn verdeckende Gaumensegel, so gelingt es bei gleichzeitiger kräftiger Hervor- ziehung der Zunge ohne weiteres, bei Tageslicht den vollen Einblick in die Kehlkopfhöhle zu erlangen. | | Nach Beendigung dieser Vorbereitungen wird der Gyrus praefront. an seiner steil nach unten abfallenden Fläche (s. die schraffirten Partien der Fig. 1 und 2), welche seitwärts gewöhnlich durch ein von dem lateralen | Endpunkte des Suleus cruciat. nach vorn und unten ziehendes ansehnliches Blutgefäss begrenzt wird, mit Inductionsströmen gereizt. Bei Anwendung ! schwacher Ströme — ca. 11°” Rollenabstand des du Bois-Reymond’schen Schlittenapparates mit einem kleinen Daniell’schen Elemente — treten oft | | zuerst sich häufig wiederholende Schluckbewegungen auf. Weiter beobachtet ! man je nach der angewandten Reizstärke, welche zwischen 11—7 “” Rollen- abstand varlirt, ausser schwächerer oder stärkerer Zusammenziehung der voI- Dis BEZIEHUNGEN DER GROSSHIRNRINDE ZU KEHLKOPF UND RACHEN. 205 deren Halsmusculatur! mit Hebung des Kehlkopfes: Hebung des Gaumen- ‚segels, Contractionen des oberen Rachenschnürers, wie auch des hinteren on. Theiles des Zungenrückens und der Arcus palato-glossi, endlich partiellen - oder totalen Verschluss der Glottis und des Aditus laryngis. Um einige Modificationen des soeben geschilderten Vorganges genauer beschreiben zu können, will ich aus der ganzen Reihe der Beobachtungen einige wichtigere Beispiele hervorheben. Versuch vom 20. Juni 1882. Völliger Schluss der Glottis bei 9°" Abstand. Gleichzeitig wird Verkürzung des Gaumensegels, Contraction des oberen Rachenschnürers (Senkung und Abflachung des Rachendaches), des hinteren Theiles des Zungenrückens, sowie der Arcus palato-glossi beobachtet. Versuch vom 26. Juni 1882. Wirkung erfolgt erst bei 7!/,®. Bei den ersten Reizüngen völliger Schluss, bei den späteren bleibt die Glottis cartilag. mehr oder weniger weit geöffnet. Einmal wird bei augenschein- licher Spannung der gesammten Kehlkopfmusculatur diejenige Mittelstellung der Stimmbänder zwischen Phonation und tiefster Inspiration beobachtet, welche als Folgeerscheinung der Lähmung des Nervus recurrens von Ziems- 3 sen „Cadaverstellung“ benannt wurde, bei Spannung der Gesammtmus- eulatur aber als ein Zustand völliger. Aequilibrirung aller Muskelkräfte, welche an den Giesskannenknorpeln wirken, aufzufassen ist. Versuch vom 4. Juli 1882. Rollenabstand 8“. Fester Schluss der Glottis in ihrer ganzen Länge. Während der Dauer des iReizes ist die Respiration völlig aufgehoben. Nach dreimal erneuter Reizung treten Con- _wulsionen ein. An diesen nimmt ausser Nacken- und Vorderbeinmusculatur die des Kehlkopfes in der Art Theil, dass auf eine unbeträchtliche Oeffnung jedes Mal sofort fester Schluss der Glottis folgt, etwa so, wie dies beim Lachen des Menschen laryngoskopisch zu beobachten ist. Die freigelegten Musculi ericothyreoidei nehmen sichtbar an dieser Action Theil.? " Anlässlich einer bezüglichen Frage des Hrn. Prof. Kronecker in der Discussion der physiologischen Gesellschaft über das vorliegende Thema wurde nachträglich bei einem wiederholten Versuche constatirt, dass an diesen Contractionen auch der Musc. mylohyoideus theilnimmt. ” Bei einem anderen Versuchsthiere wurde der Muse. crieothyr. der rechten Seite durchschnitten, nachdem vorher die gleichmässige Action beider Stimmbänder festgestellt war. Der Versuch hatte hier den Zweck, den willkürlichen Vorgang der Phonation machzuahmen und an den Veränderungen der Stimmband-Functionen die Bestimmung ‚des durchschnittenen Muskels zu studiren. Es zeigte sich Folgendes: bei Contraction der Stimmbänder erscheint das rechte schlaff, leicht excavirt, der Rand nicht scharf, ‚sondern rund, walzenförmig; das ganze Stimmband steht niedriger und ist kürzer als das gegenüberliegende. Bei dem Zurückgehen in Ruhe fällt der Aryknorpel, während das linke Stimmband in Mittelstellung steht, schnell gegen die Larynxwand ab, das Stimmband legt sich dicht an die letztere an. Hierbei entsteht eine Wellenform des 206 H. Krause: Versuch vom 12. Juli 1882. Eröffnung der Schädelhöhle rechts und Durchschneidung des linken Recurrens. Es erfolgen Bewegungen des rechten Stimmbandes, welches über die Mittellinie hinaus dem in Cadaverstellung befindlichen linken Stimmbande angenähert wird. | Versuch vom 15. Juli 1882. Bei dem Wechsel der Lage der Elektro- den, und zwar nach oben dicht an das laterale Ende des Sulcus cruciat., tritt wieder unter gleichzeitiger Gontraction der wiederholt erwähnten Muskel- gruppen die Mittelstellung der Stimmbänder zwischen Phonation und tiefster Inspiration ein. Es ist in diesem Falle möglich, sie vier Mal hintereinander hervorzurufen. Versuch vom 21. Juli 1882. Anwendung verschiedener Reizstärken. 1) 10% Rollenabstand: Schluckbewegung, schwache Contractionen. Die Stimmbänder einander genähert, fahren immer wieder schnell auseinander. Respiration erfolgt ungehindert. 2) 8°® Abstand. Die Aryknorpel werden bei der Inspiration nur sehr wenig von einander entfernt, die Stimmbänder schlagen hierauf sofort wieder zusammen. 3) 7°” Abstand. Die Stimm- bänder liegen fest aneinander. Inspirationen nur noch angedeutet. Nach diesen Ergebnissen der Reizversuche haben wir in der bezeich- neten Rindenpartie die Region der Fühlsphäre ausser für die vor- dere Halsmusculatur auch für die Bewegungen des Kehlkopfes und des Rachens zu suchen, und haben sie ausserdem als bei der Auslösung des ersten und willkürlichen Theiles des Schluck- actes mitbetheiligt anzusehen. Den Ergebnissen der Reizversuche entsprachen die Erfolge der Exstir- pationsversuche. Nach den vorhergegangenen Beobachtungen waren als Folge dieser Operation wesentliche Veränderungen der Stimme zu erwarten. Da nun auf diese ausschliesslich unsere Aufmerksamkeit gerichtet werden musste, so wurden für die Exstirpationsversuche nur solche Thiere ausge- wählt, die sich im Gebrauche ihres Stimmorganes als gut veranlagt er- wiesen. Nach mehrfachen Verlusten ist es gelungen, zehn derartig ope- rirte Hunde am Leben zu erhalten, und sie 4—5 Monate hindurch zu be- obachten. Die Operation wurde in allen Fällen zuerst linksseitig, 4 bis 5 Wochen später nach völliger Vernarbung der äusseren Hautwunde auf der entgegengesetzten Seite ausgeführt. Nach der ersten (linksseitigen) Operation trat keine wesentliche und dauernde Störung der Stimmfunction Stimmbandes, das Thal der Welle liegt vor dem Proc. vocal. des einwärts rotirten Knorpels. Im Wellenthal zeigt sich auch Faltung des Stimmbandes, welches sieh weiter nach vorn gegen die Mitte und obere Fläche vorwölbt. Bis zum Ablauf der Bewegung sieht man fibrilläre Zuckungen durch die ganze Fleischmasse (Musc. thyreo- aryt. int. und ext.) des Stimmbandes. Der Versuch bestätigt, dass der Muse. cricothyr. der eigentliche Längsspanner des Stimmbandes ist. - Dee BEZIEHUNGEN DER GROSSHIRNRINDE ZU KEHLKOPF UND RACHEN. 207 in Einige Hunde bellten schon am Tage nach der Operation oder wenige _ Tage später wie vorher, bei anderen klang die Stimme schwächer und er- folgte die Phonation ündat dem Eindrucke der Luftverschwendung, bei zweien war die Inspiration stenotisch. Ein Hund zeigte vertiefte, rauhere Stimme. Nach Ablauf mehrerer Wochen aber war eine Werindoiiäie der - Stimme gegen früher bei keinem der Thiere mehr bemerkbar. Dauernde Enioeische Erscheinungen konnten bei acht von den zehn operirten Thieren erst nach der beiderseitigen Exstirpation beobachtet werden. Schon der “erste Hund, dessen Prüfung, da er die Folgen der Narkose wie der Ope- “ration schnell überwand und auf den geringsten Reiz mit wüthendem Bellen reagirte, bereits am nächsten Tage möglich war, konnte nur schrille, krei- ‚schende Töne hervorbringen; von dem früheren, kraftvollen Brusttone war keine Spur mehr vorhanden. Gleiche oder ähnliche Wahrnehmungen wurden bei fortgesetzter Prüfung an acht nach Ausweis der Sectionen glücklich operirten Thieren gemacht, die sich aber, wie ausdrücklich hervorgehoben werden soll, bezüglich aller übrigen Körperfunctionen vollkommen .normal gelten. ölne Hunde bellten überhaupt nicht mehr. Andere, in dem offenbaren Bemühen zu bellen, brachten es nur zu vergeblichen Oeffnen ‚und Schliessen der Schnauze, ehe hin und wieder zu leisem Winseln. wieder anderen trat statt des Bellens ein kraftloses Quietschen oder eischen ein. Endlich zwei Hunde, welche anscheinend noch kräftig an- schlugen, bellten unter äusserster Anstrengung und auffallender Luftver- chmendung in kreischender Fistelstimme anstatt der früher mühelos ‚geleisteten Bruststimme. Im Gegensatze zu diesen hatten zwei andere Ver- ‚suchsthiere ihre alte Stimme ohne wesentliche Aenderung bewahrt. Hier erwies die Section die Exstirpation als unzureichend ausgeführt. Während nämlich bei den acht glücklich operirten Hunden die Rindennarbe, welche ‚sich an Stelle des gesetzten Defeets gebildet hatte, auf mehreren — in der Regel drei — Windungsfalten breit aufsitzend mehr oder weniger tief durch die ganze Schicht der grauen Substanz hindurch bis in die weisse Substanz ineinreichte, — ohne dass im übrigen gröbere Veränderungen wahrnehm- bar waren — liess sich bei jenen beiden Hunden ein hiervon abweichender Befund feststellen. In dem einen Falle nämlich sass linkerseits die Narbe flach, und durchdrang nicht die ganze Dicke der grauen Substanz, die aller- ‚dings ausnahmsweise stark entwickelt erschien. In dem anderen Falle drang, während die linke Narbe auch hier ziemlich stark medialwärts dag, die rechte wohl tief genug in die weisse Substanz ein, wär aber sehr schmal und lag auf nur einer Windungsfalte. Sehen wir von diesen beiden Fällen ab, so hatten offenbar die acht 2 208 H. Kravse: Hunde, bei welchen die Exstirpationen unserer Absicht entsprechend gelungen waren, die Bewegungsvorstellungen für die zur Phonation er- forderlichen Einstellungen der Stimmbänder eingebüsst, ge- blieben war einem Theile von ihnen die refleetorische grobe Einstellung der Stimmbänder, wie sie schon das neugeborene Thier für seine quietschenden, kreischenden Laute besitzt. Es ist bemerkenswerth, dass sich schon in einer Arbeit vonO.Soltmann! eine die Stimme betreffende, der unsrigen ähnliche, Beobachtung findet. Solt- mann zerstörte an neugeborenen Hunden beiderseits die ganzen Lobi prae- und postfrontales durch Exstirpation oder Glüheisen, und versuchte die Thiere am Leben zu erhalten. Dies gelang ihm indessen nur ein einziges Mal. Dieser Hund „zeigte 8 Wochen alt keine Spur irgend welcher Störung in der Motilität. Das Einzige, was auch hier auffiel, war absolute Kleinheit Dabei war der Hund plump, bellte nieht seinem Alter entsprechend, | sondern quietschte wie ein Neugeborenes und benahm sich sehr wunderlich“. # Beobachtungen über Veränderungen am Schluckmechanismus sind tu, die auf die wiederholt bezeichnete Rindenpartie beschränkten Exstirpationen nicht ermöglicht worden; dazu hätten die letzteren ein viel en Rindengebiet umfassen müssen. Ich habe schliesslich noch die nach einseitiger Exstirpation auftretenden secundären Degenerationen verfolgt, zu welchem Zwecke die Thiere 8 bis : 11 Wochen nach der Operation oekädte wurden. Von den in 1 procentiger Chromsäurelösung gehärteten Gehirnpartien wurden Schnittreihen mit dem Mikrotom hergestellt. Es fanden sich bei der Untersuchung der Schnitte von den Hirnschenkeln in dem medialen Theile des Hirnschenkels der ope- rirten Seite Lücken, durch den Ausfall von Nervenfasern bedingt, und Degeneration des Are an ziemlich vielen Fasern, ausserdem Ver- kleinerung des Peduncul. corp. mamm. derselben Seite. Bei der Fortführung der Schnittreihen in die Corpora mammill. zeigten sich die wesent Veränderungen in dem aufsteigenden Fornixschenkel, sowie geringeren Grades” an dem Vicq-d’Azyr’schen Bündel (s. Fig. 3). In dem Fornixschenkel stellt sich die Degeneration schon bei mässiger Vergrösserung (15—20) dar. als ein helleres Segment des normal annähernd kreisförmigen oder ovalen Nervenbündels. In diesem Segment fehlt die normale Structur des Nerven- bündels, welches dadurch um !/,—!/, seines Umfanges verkleinert erscheint; ein grosser Theil seiner Fasern ist undeutlich contourirt oder völlig g0- schwunden. An der Umfangsverkleinerung nimmt auch das Vieq-d’Azyr’- sche Bündel und das ganze Corpus mammillare Theil. Bei starker Ver- ! Experimentelle Studien über die Functionen des Grosshirns bei Neugeborenen. Jahrbuch für Kinderheilkunde. Bd. IX, | Dies BEZIEHUNGEN DER GROSSHIRNRINDE ZU KEHLKOPF UND RACHEN. 209 grösserung lassen sich in dem ungefärbt gebliebenen Gewebe Körnchen- zellen, sowie Maschen und Lücken erkennen. Weitere genauere Angaben über die Natur dieser degenerativen Vor- gänge sind leider dadurch unmöglich gemacht, dass die betreffende Partie, _ wie bereits erwähnt, an der Färbung des Praeparates mit verschiedenen _ Reagentien nicht theilnimmt. Indessen genügt schon der angeführte Be- fund, um das Corpus mammill. zu einem wesentlichen Theile als Durchgangsstation der von der lateralen Partie des Gyrus praefront. herkommenden Fasern gelten zu lassen. Es darf hier nicht unerwähnt bleiben, dass das Resultat der Unter- _ suchung über die secundäre Degeneration mit den Ergebnissen von Expe- rimenten im Widerspruche zu stehen scheint, welche Gudden! zu dem Zwecke angestellt hatte, nachzuweisen, dass die bisher im Corpus mammill. angenommene Schleife auf Täuschung beruhe, und dass auf- und absteigender Fornixschenkel von einander getrennte und unabhängige Faserbündel seien. Gudden fand nämlich nach Fortnahme der Hauptmasse einer Grosshirn hemisphäre mit Erhaltung des Ammonshorns Atrophie des gleichseitigen Vieq-d’Azyr’schen Bündels, dagegen bei Fortnahme des Ammonshorns bez. Aufhebung seiner Verbindung mit der Fornixsäule Degeneration und Schwund des gleichseitigen Fornixbündels. Gudden experimentirte an neugeborenen "Kaninchen, deren einzelne Gehirntheile noch nicht zur Entwickelung ge- kommen waren, während zu unseren Versuchen völlig ausgewachsene, mehrere Jahre alte Hunde verwandt worden sind. Ich bin ausser Stande zu ent- scheiden, inwieweit die Verschiedenheit der angeführten Befunde etwa in | der Verschiedenheit der Versuchsanordnung ihre Erklärung findet. Eine bessere Stütze erhalten unsere Befunde durch einige Angaben ‚yon C. v. Monakow,! welcher nach Exstirpation der Hirnrinde des rechten Scheitellappens den rechten Fornixschenkel und dessen Wurzeln sowie das rechte Ammonshorn etwas kleiner, das Vicq-d’Azyr’sche Bündel gut er- halten und kaum kleiner als das linke fand. Zum Schlusse kann ich nicht unterlassen, Hrn. Prof. Munk für die ‚ jederzeit bereitwillige Unterweisuug, wie überhaupt für die liebenswürdige und wohlwollende Förderung der vorliegenden Arbeit meinen aufrichtigsten Dank auszusprechen. Ebenso fühle ich mich Hrn. Dr. Wernicke für die freundliche Durch- sicht und Begutachtung meiner anatomisch-histologischen Praeparate zu be- sonderem Danke verpflichtet. ! Beitrag zur Kenntniss des Corpus mamm. und der sog. Schenkel des Fornix. Archiv für Psychiatrie. Bd. XI. 2 Weber einige durch Exstirpation eircumscripter Hirnregionen bedingte Entwicke- lungshemmungen des Kaninchengehirns. Archiv für Psychiatrie. Bd. Xu. Archiv f. A. u. Ph. 1884. Physiol, Abthlg. 14 210 H: KRAURE: DIE BEZIEHUNGEN DER (GROSSHIRNRINDE U. S. Ww. Figg. 1 und 2. Rindenoberfläche des Hundegehirns. Die schraffirten Partien be- zeichnen die laterale Partie der Nackenregion. Fig. 3. Exstirpation der lateralen Partie der Nackenregion. Der Schnitt ist nicht vollkommen ausgeführt. Nur die Pedunculi und die Corpora mammillaria mit Fornixschenkel und Vicq-d’Azyr’schen Bündel sind genauer wiedergegeben. Erklärung der Abbildungen. C. g. Vierhügel. C. gen. int. Corpus geniculatum internum. Agd. S. Aquaeductus Sylvii. H. Haube. P. C. Hirnschenkelfuss. C. m. d. Rechtsseitiges Corp. mammill. B. V.d. Rechtsseitiges Vieg-d’Azyr’sches Bündel. ©. F. d. Rechtsseitige normale aufsteigende Fornixwurzel. C. m.s. Linksseitiges etwas verkleinertes Corp. mammill. B.V.s. Linksseitiges wenig verkleinertes Vieq-d’Azyr’sches Bündel. C. F. s. Linksseitiges zum Theil degenerirtes Fornixbündel. Wie entledigt sich das Blut von einem Ueberschuss an Traubenzucker? Von Dr. Leo v. Brasol. Aus dem physiologischen Institut zu Leipzig. Zur Ergänzung der Ueberschrift dieser Abhandlung diene die Bemer- ‚ dass unter überschüssigem Traubenzucker derjenige verstanden ist, E er auf künstlichem Wege beispielsweise durch Einführung in eine Vene in das Blut gelangt ist. Zieht man nur den Umfang der Litteratur | Betracht, die von den Folgen handelt, welche die Einspritzung von Zucker in das Blut bedingen, so könnte es erscheinen, als ob das Gebiet erschöpft 2]; zu einer anderen Meinung führt jedoch eine genauere Durchsicht ihres haltes. Hierbei erfahren wir aus den Abhandlungen von Ph. Falk-Limpert! ıd Forster,? dass der kleinere Bruchtheil des eingespritzten Trauben- ickers mit dem Harn ausgestossen wird, der grössere dagegen innerhalb s Körpers zurückbleibt. Von dem letzteren wird, wie die Beobachtungen n Luchsinger,? Forster,‘ Külz® und Heidenhain® darthun, ein * jeil in der Leber nach seiner Umwandlung in Glykogen angesetzt. Da och pr Menge des neuentstandenen Leberglykögens im Verhältniss zu + Virchow’s Archiv u.s. w. Bd. IX. * Zeitschrift für Biologie. Bd. XI. 3 Pflüger’s Archiv u.s. w. 1883. * Sitzungsberichte der Münchener Akademie. 1876. ® Pflüger’s Archiv u.s. w. Bd. XXIV. ® Maly’s Jahresbericht. 1874. 14* 212 Leo v. BrAsorL: der des zurückgehaltenen Zuckers nach übereinstimmenden Angaben nur geringfügig ist, so muss der grössere Rest des letzteren eine andere Ver- wendung finden. Ob er sich in den Muskeln zu Glykogen oder in den entsprechenden Zellen zu Fett umgestaltet, oder ob er bis zu seiner schliesslichen Oxydation als Zucker in dem Blute und anderwärts vertheilt bleibt, darüber empfangen wir keinen Aufschluss. An und für sich unzweifelhaft sehr werthvoll, lassen doch die bisher angestellten Versuche mehrere Seiten des Vorganges unberührt, die Frage namentlich, wie sich die Zusammensetzung des Blutes nach dem plötzlichen Hereinbrechen grosser Zuckermengen ändert, und durch welchen Process sich das Blut seines Zuckerüberschusses entledigt. Würde die Aufhellung des erstgenannten Punktes vielleicht von beschränkter Bedeutung sein, so dürfte doch die des zweiten unsere Beachtung in höherem Grade verdienen, weil wir durch sie über den Grund Aufschluss erhalten können, weshalb sich der. Zuckergehalt des Blutes auf einer unveränderlichen Höhe hält, wenn in Folge einer reichlichen Fütterung mit Amylon oder Zucker sich ein rascher Strom des letzteren aus der Darmhöhle in das Blut hinein ergiesst, ein Verhalten, dessen Bestehen nach den Untersuchungen von Bleile! nicht mehr bezweifelt werden kann. Durch Hm. Prof. C. Ludwig ange- regt, fasste ich den Entschluss, das eben -hingestellte Problem in Angriff zu nehmen. — Hrn. Dr. Anderson, der schon vor mir im hiesigen Institute nach einem ähnlichen Ziele hingearbeitet hatte, und Hrn. Dr. Ch. Bohr, ! bin ich für die Mittheilung einiger Beobachtungen, die ich gehörigen Ortes | in die folgende Abhandlung einflechten werde, zu Dank verpflichtet. | Beschreibung der in den Versuchen angewendeten Methoden. | Mein Vorhaben verlangte die Verwendung nüchterner, vor 24 Stunden zuletzt gefütterter Thiere, deren Blut ausser der künstlich gesetzten keine weitere Zuckerquelle zur Verfügung stand; den Hunden ein längeres Hungern ! aufzuerlegen, ist deshalb unnöthig, weil ohnehin der Gehalt des Blutes an Zucker vor der Einspritzung desselben geprüft werden muss; der dabei ge-' fundene lässt sich dann von dem künstlich erzeugten Zuwachs abziehen. ! Vor der Einspritzung des Zuckers wurde den Thieren in die linke Carotis } und in die rechte Jugularvene je eine Glascanüle eingebunden. Aus der f ersteren sollte das zur Analyse nöthige Blut entnommen, in die letztere’ ı Dies Archiv. 1879. AUSWANDERUNG DES BLUTZUCKERS. 213 der Zucker eingeführt werden. — Zur Einspritzung wurde eine Lösung chemisch reinen Traubenzuckers verwendet, die entweder mit reinem Wasser, oder unter Zusatz von 0-5 Procent NaCl bereitet war. In der Regel wurde eine möglichst concentrirte Zuckerlösung hergestellt, die aus einer genau ausgemessenen und eingetheilten Burette in die Vene eingelassen wurde; mit einer solchen konnten, ohne das im rechten Herzen fliessende - Blut ungebührlich zu verdünnen, in kurzer Zeit grosse Zuckermengen ein- geflösst werden. — Mehr Vorsicht als beim Hunde erfordern die Einspritz- ungen beim Kaninchen. Bei der geringen Räumlichkeit seines Herzen be- dingt ein rasches Zuströmen der Zuckerlösung eine lebensgefährliche Ver- dünnung seines Blutes; das rechte Maass für die Geschwindigkeit des durch die Vene zufliessenden Zuckers muss aus dem Verhalten des Kanin- chens und namentlich aus dem Takt und der Tiefe seiner Athembewegungen entnommen werden; bei dem Eintritt dyspnoetischer Erscheinungen soll ‚die Einspritzung bis zur Wiederkehr ruhiger Respiration unterbrochen bleiben. Aus dem Unterschied des mit dem Harn entleerten und des in die Vene eingeführten Zuckers ergiebt sich die im Organismus selbst verwen- dete Menge. Insofern es nur auf die Kenntniss des gesammten Restes an- kommt, genügt das Aufsammeln des in 12 bis 24 Stunden gebildeten Harns, was bequem erreicht wird, wenn der Hund in einen Blechkasten eingesperrt wird, dessen siebartiger Boden über einen glasirten Thontrichter ausgespannt ist. Die Beschreibung des im hiesigen Institute gebrauchten giebt Spiro.! Erweist es sich als nöthig, den in kürzerer Zeit nach seiner Einführung von der Niere ausgestossenen Zucker zu ermitteln, so muss man um Ver- luste zu vermeiden die Vorhaut wasserdicht zubinden, und zur verlangten Zeit die Blase mit dem Katheter entleeren; bei männlichen Hunden leistet das Verfahren von Panum sichere Dienste; bei weiblichen wird das Ka- 'theterisiren durch die Spaltung des Scheideneinganges nach dem After hin, ‚wie es Ph. Falk? vorschreibt, sehr erleichtert. Die Wunde des Dammes Muss, wie sich von selbst versteht, vor dem weiteren Gebrauch vollkommen ‚ausgeheilt sein. | In dem Blute muss zur Lösung der vorgesteckten Aufgabe zu ver- ‚schiedenen Zeiten bestimmt werden: sein Gehalt an Zucker, der relative oder absolute an Farbstoff und der des Serums an Eiweiss; das hierzu nö- thige Blut wurde aus der Carotis entnommen. Für die Bestimmung der Zucker- und Farbstoffprocente bedarf es geringer Blutmengen, so dass wenn nur diese beiden gefordert werden, mässig grosse Hunde zur Durch- \ Dies Archiv, 1880. Supplementband. 18.80. 214 Leo v. BraAsorL: führung des Versuchs ausreichen; aber nur an grossen, über 20 er schweren, mit einer. reichlichen Blutmenge ausgestatteten Hunden kann ohne merk- liche Störung die Bestimmung des Eiweissgehaltes im Serum ausgeführt werden. — Aus Gründen, welche aus den späteren Mittheilungen ersicht- lich werden, wurden die genannten Bestimmungen an dem. Blute unmittel- bar vor und möglichst rasch nach der vollendeten Zuckerinjection ausgeführt. Auf die Aenderung, welche in dem Blute mit der wachsenden Zeit vor sich geht, musste aus einer Analyse desselben zu schliessen sein, die eine, zwei und mehr Stunden nach der vollendeten Einführung des Zuckers ab- gelassen war. Nach Bedürfniss wurden die Aderlässe; doch mit der steten Rücksicht darauf vorgenommen, dass die entzogene Blutmenge im Verhält- niss zu der hypothetisch vorhandenen nicht allzu merklich wurde. Un- leugbar würde der Verlauf der Aenderung sich genauer ergeben haben, wenn eine Häufung des Aderlasses erlaubt gewesen wäre. Bei der voll- kommenen Unbekanntschaft mit den Wirkungen der Blutentziehung an sich auf die Aenderung im Zuckergehalt des Blutes glaubte ich auf eine gedrängtere Anstellung derselben namentlich dann verzichten zu müssen, wenn der Eiweissgehalt des Serums ausgewerthet wurde. Einer der Wege, auf welchem das aus dem Blute etwa ausgetretene Ei- weiss zurückgeführt werden kann, ist durch den Ductus thoraeicus gegeben; die. Bedeutung, die ihm in diesem Sinne zukommt, ist nur dann mit Sicherheit ' zu erkennen, wenn man den Erguss seines Inhaltes in die Venen zeitweilig. unterbrechen und wieder freigeben kann. Ein sicheres und relativ ein. faches Mittel hierzu besteht in der Anwendung eines dehnbaren Kautschuk- beutelehens, das auf das Ende eines Katheters gebunden wird. Schiebt man dasselbe von einer Oeffnung in der V. jugularis sinistra aus bis in die V. anonyma, treibt in seinen Hohlraum durch Vermittelung einer Gummi- röhre von der freien Mündung des Katheters her so viel 0-5 procentige ' NaCl-Lösung ein, bis das Beutelchen den Wandungen der Vene prall an- liegt und verschliesst dann das am freien Ende des Katheters angebundene Kautschukröhrchen, so ist dem Ductus sich zu entleeren unmöglich gemacht; entlässt man dann die in das Beutelchen eingetriebene Flüssigkeit aus dem geöffneten oberen Ende des Katheters und zieht denselben zurück, so wird die Mündung des Ductus frei und die Lymphe fliesst wieder in die Venen- raume. 2 Bestimmung des Eiweisses im Blutserum. Zur Herstellung des ' Serums wurde aus der A. carotis 120 Ce® Blut in einen gut verschliessbaren Glascylinder eingelassen, und nach vollendeter Gerinnung in einem kühlen Raume centrifugir. Von dem gewonnenen vollkommen klaren Serum wurden jedesmal 25m mit einer Burette aufgesaugt, in siedend heisses Wasser eingetragen und dem Gemisch verdünnte Essigsäure tropfen- AUSWANDERUNG DES BLUTZUCKERS. 215 weise zugesetzt, bis alles Eiweiss in der Gestalt feinster Flocken geronnen war. Die Flüssigkeit wurde dann noch einmal aufgekocht und darauf, wenn die zwischen den Flöckchen vorhandene sich vollkommen klar erwies, _ auf ein bei 110 bis 120°C. getrocknetes Filter gebracht. Das auf dem letzteren verbleibende Gerinnsel wurde mit heissem Wasser rein aus- gewaschen, dann aus ihm das Wasser durch 96 procentigen Alkohol und hierauf auch dieser durch wasserfreien Aether verdrängt. Das Filter mit seinem Inhalt wurde im Trockenglas bei 120°C. bis zum unveränderlichen Gewicht getrocknet. Zucker im Serum. Das Eiweiss desselben, welches auf die eben be- schriebene Weise in feinsten Flocken geronnen war, wurde mit heissem ‘Wasser reingewaschen, die durchgegangene wasserklare Flüssigkeit wurde auf dem Wasserbade zu einem geringen Volum eingedampft und in ihm der Zucker nach der Methode von Allihn! bestimmt. Zucker im Gesammtblute. Vor der Bestimmung des Zuckers liess ich in einigen meiner ersten Versuche eine mässige Menge Blut aus der A. carotis in eine mit Glasstopfen versehene Flasche fliessen, welche reine, trockene Glasperlen enthielt; in ihr wurde das Blut bis zur vollständigen Abschei- dung des Faserstoffs geschüttelt, dann colirt und eine gewogene Menge des defibrinirten Blutes auf Zucker weiter behandelt. Vortheilhafter erwies sich eine andere Vorbereitung des Blutes, welche in der grossen Mehrzahl meiner Beobachtungen in Anwendung kam. Das Blut wurde aus der A. carotis in ein wasserdicht verschliessbares Gefässchen eingelassen, das eine con- centrirte Lösung von schwefelsaurem Natron enthielt und mit der letzteren gewogen war. Nachdem es das Blut aufgenommen hatte, wurde das Fläschchen von Neuem gewogen und sein Inhalt auf dieselbe Weise, wie es oben beim Serum beschrieben, behandelt. Unter Anwendung des geschilderten Ver- fahrens gerinnt das Blut in sehr feinen Flöckchen. Zucker in den Muskeln, Leber und Nieren wurde nur in Ka- ninchenleichen bestimmt. Unmittelbar nach dem Verblutungstode werden möglichst rasch ein grosser Antheil der Muskeln, die Leber und die Nieren -herausgeschnitten, gewogen und dann in siedendes Wasser eingetragen, unter dem Wasser mit der Scheere zerkleinert; 5 Minuten ungefähr im Sieden erhalten, dann colirt; der Rückstand in die Fleischmaschine ge- bracht, hier noch weiter bis zum Brei zerkleinert; in eine neue Quantität siedendes Wasser eingetragen; einige Minuten im Sieden erhalten, colirt; der Rückstand in der hydraulischen Presse ausgepresst. Nach dem wurden die festen Massen zum dritten Male in kochendes Wasser für einige Minuten ! Journal für praktische Chemie. N. F. Bd. XXI. 8. 52. 216 LEo v. BRAsor: eingetragen, colirt und der Rückstand zum zweiten Male in der hydrau- lischen Presse ausgepresst. Die vereinigten Flüssigkeitsportionen wurden auf dem Wasserbade auf ein kleines Volumen concentrirt und mit grossen Mengen absoluten Alkohols gefällt; der Niederschlag nach gutem Absetzen abfiltrirt und der Rückstand vielmals mit Alkohol — bei häufiger Erneuerung der aufgegossenen Alkoholmengen -— in der Reibschale zerrieben und pul- verisirt und somit der ganze Niederschlag gründlich ausgewaschen. Das Filtrat wird auf dem Wasserbad (nicht über 70°) auf ein sehr kleines Volumen eingedampft; Salzsäure und Aether hinzugefügt, in einen Scheide- trichter übergeführt; die Milchsäure durch mehrere Portionen Aether aus- gezogen, der Syrup abgegosssen, der Aetherrest verdunstet, der Syrup in Wasser gelöst, gemessen und auf Zucker geprüft. In diesem Zustande bringt die zuckerhaltige Flüssigkeit nur eine unvollständige Reduction des Kupfers in der Fehling’schen Lösung hervor: es entsteht dabei jedesmal ein reichlicher, grünlich-gelblicher Niederschlag, welcher sich sogar nach 24 Stunden nicht auf den Boden des Becherglases niedersetzt und sich nicht filtriren lässt. Darum muss der in Wasser aufgelöste Syrup mit Salzsäure angesäuert und mit Phosphorwolframsäure behandelt werden. Es entsteht dabei ein reichlicher gelblicher Niederschlag, welcher nach gutem Absetzen abfiltrirt und mehrmals mit Salzsäure ausgewaschen wird. Die wasserklare, farblose Flüssigkeit wird mit kohlensaurem Natron neutralisirt, gemessen und auf Zucker geprüft. Nun tritt in der Fehling’schen Lösung die Reduction des Kupfers (orange) richtig ein. Die Richtigkeit aller Zuckerbestimmungen wurde stets durch zwei Analysen controlirt, die mit verschiedenen Portionen derselben Flüssigkeit ausgeführt wurden. Alle später mitgetheilten Zahlen sind das Mittel aus zwei nahe übereinstimmenden Einzelwerthen. Die Entfernung des eingespritzten Zuckers durch die Niere. Die Wirksamkeit, welche die Niere zur Entzuckerung des Blutes ent- | faltet, ist ohne einleuchtende Gründe sehr unbeständig. — Fasst man den gesammten Antheil des Zuckers in das Auge, welcher vom eingespritzten ausgeharnt wird, so war, gleiches Körpergewicht der Thiere vorausgesetzt, zu erwarten, entweder dass die von der Niere in Beschlag genommene Menge des Zuckers stets in einem bestimmten Verhältniss zum (Gewicht der eingespritzten stehe, oder was wahrscheinlicher klingt, dass der mit dem Harn fortgeführte Bruchtheil mit der Menge des in der Vene eingeführten AUSWANDERUNG DES BLUTZUCKERS. 217 ‚wächst. Aus meinen und Anderson’s Beobachtungen leitet sich jedoch weder die eine, noch die andere Regel ab. Es ergab sich aus sechs Be- obachtungen, in welchen der Harn gesammelt war, vom Beginn des Ein- spritzens bis zu Stunden über die Zeit hinaus in welchen er zuckerfrei war: a re 4a. 6 An: ein Kilogr. des e grm9,1jgrm 9,9grm R,9grm 7 ,Ngrm 7, grm n ei: 5 0 ITE@ 2. 17@ 2.30,5. 28m 7.08 7.057" Zucker ee en} 922-3, 24-8, 18-7, 28.7,,28-0, 33-0, „ _ gespritzten ausgeharnt =: _ Dass der Grund, weshalb bei gleichen Mengen eingebrachten Zuckers ıngleiche Mengen desselben dem Harne übergeben werden, nicht ausschliess- "lich auf Rechnung der Individualität zu setzen ist, geht aus einer Beobach- sung Anderson’s hervor. Einem nüchtern in den Versuch eingetretenen ınd während der ganzen Dauer desselben hungernden Hunde wurde in ‚vier aufeinanderfolgenden Tagen je einmal Traubenzucker in die Vene jugu- laris eingeflösst, der in je 24 Stunden entleerte Harn gesammelt und sein Zucker bestimmt. Er $; Menge des Menge des 4 " . Dauer der \ - = Datum. Körpergewicht. BER E eingespritzten ausgeharnten A . Einspritzung. Buchen. Backers. 14. Febr. 19-1 63 Min. 100 grm 98.18 57m En „ ’ 60, 120 „ 33.34 „ B6. „ 17-4 64 „ 120 „ 40-12 „ EB „ 17-7 15, 120 „ 32.10., Auch über den zeitlichen Verlauf der von der Niere besorgten Ent- ernung des im Blute aufgehäuften Zuckers lässt sich nichts allgemein ültiges aussagen. Anfänglich, wenn der Reichthum des Zuckers am grössten b, wird allerdings auch durch den Harn vorzugsweise viel entleert, doch esteht auch hier kein festes Verhältniss zwischen dem Zu- und dem Ab- ang des Zuckers. Ueber die Veränderlichkeit der Zuckerausscheidung in ner kurzen Zeit nach der Einspritzung geben die nachstehenden Zahlen uischluss. Die Thiere, von denen sie gewonnen wurden, waren zu der gegebenen Zeit nach der beendeten Ueberführung des Zuckers in die ‘ene durch Verblutung getödtet und der Harn aus der Leiche gesammelt vorden. Um einen möglichen Verlust des Blaseninhaltes vorzubeugen war ie Vorhaut schon kurz vor der Zuckereinspritzung unterbunden worden. “ | z 218 Leo v. BrAsor: Eine Viertelstunde nach der Einspritzung getödtet. Er R . Ausgeharnt in gewicht. |Zuckermenge,| por Kilogr. | Zuckermenge, Procenten des ein 1 25.0 91.387 | 21-26 23-67 2 25.0 3Ar3.2, 3.7 2.23 „ 2.44 3 22.0 940 „ 4.3 3-00, 3-73 E: 20.5 94.0 „ 4-6 639.4 7.22 5 17.8 93 Bi ,,22 A 12-2'..5. rare Zwei Stunden nach der Einspritzung getödtet. Ausgeharnt in Körper- Eingeführte rocenten Zucker Ausgeharnte p gewicht. Zuckermenge.| per Kilogr. | Zuckermenge gespr. Zuckers, > 6 285 93.75 8m 38 10-06 E” 7 27.0 33.431, +5 17 «EBsy 8° =») - 25-5. (dal 0 u 0a 21:48 „ Die Zeit, welche verstreicht bevor der Harn zuckerfrei geworden, wech- selt ebenfalls in weiten Grenzen. Bei dem Hunde, der auf S. 217 erwähnt wurde, fand Anderson einmal den Zucker schon nach 2" 35‘, ein anderes“ ! Mal erst nach 5" aus dem Harn verschwunden. Dass aber auch der letztere Termin nicht der längste ist, der bis zum Verschwinden des Zuckers ver- strichen sein muss, ergiebt sich aus den folgenden Aufzeichnungen. 1. Körpergewicht: 39*sr. In die Vene eingeführt 38®"" Zucker. Nach Beendigung der Einspritzung werden ausgeharnt: Nach 3 Stunden; mit dem Katheter entleert: 1.68" Zucker Nach weiteren 3 Stunden: 4«D u Nach weiteren 18 Stunden: a In 24 Stunden demnach: 8-5 ” ” 2. Körpergewicht: 17*er, In die Vene eingeführt: 408" Zucker. Nach | Beendigung der Einspritzung werden ausgeharnt: In 1 Stunde und 5 Minuten: 6 Nach weiteren 3 Stunden und 55 Minuten: 0» Im Rest des Tages: 0 In 24 Stunden demnach: 7 AUSWANDERUNG DES BLUTZUCKERS. 219 3. Körpergewicht: 28-5 er. In die Vene eingeführt: 60 3m Zucker. Nach Beendigung der Einspritzung werden ausgeharnt: | In 5 Stunden: 12.048m Zucker Nach weiteren 5 Stunden: | EB. 0» Im Rest des Tages: ? Hal u Bu Be In 24 Stunden demnach: 1 2 1 Ob es zukünftig möglich sein wird, für jeden einzelnen Fall eine Er- klärung zu finden, aus der Innervation der Nieren und aus der Geschwindig- keit mit welcher andere Processe das Blut von seinen überschüssigen Zucker - befreien, bleibe dahingestellt. Gegenwärtig folgt aus den Erfahrungen über _ die nach Menge und Geschwindigkeit so sehr veränderliche Abscheidung des Zuckers durch die Nieren die Nothwendigkeit, den Harn zu fangen und seinen Zuckergehalt zu bestimmen, wenn man darüber ein Urtheil ge- ‚winnen will, ob und wieviel des einverleibten Zuckers aus dem Blute auf anderem Wege verschwindet. Der Procentgehalt des Blutes an Zucker. Da sich der Scheidekraft der Niere höchstens 33 Procent des durch die Vene eingeflössten: Zuckers als zugängig erwiesen hatten und da meist schon wenige Stunden nach der Einführung der Harn zuckerfrei abgesondert war, so liess sich vermuthen, dass das Blut noch durch andere Mittel und zwar mit einer merklichen Geschwindigkeit entzuckert worden sei. Ob und wie rasch das Blut von seinem künstlich gesteigerten auf den normalen Zucker- ‚gehalt zurückgebracht werde, konnte nur durch die unmittelbare Unter- suchung des Blutes gefunden werden. Damit war mir vorgeschrieben, Blutproben zu sammeln, eine unmittelbar vor dem Einlassen des Zuckers, eine zweite unmittelbar nach, und andere in einem um viele Minuten bez. ‚Stunden späteren Termin nach der Beendigung der Zuckerinjeetion. Die Zahl der an einem Hunde vorgenommenen Blutentziehungen durfte nicht über ein sehr beschränktes Maass hinausgehen, wenn der Eingriff nicht neue Störungen veranlassen sollte; aus der Schonung der dem Thiere zustehenden Blut- menge ergab sich somit von selbst der Verzicht auf eine genauere Ver- folgung des mit der Zeit veränderlichen Zuckergehaltes im Blute. Statt dessen schien es gerathen eine Blutentleerung möglichst rasch nach vollen- deter Zuckereinspritzung und eine andere dann vorzunehmen, wenn man nach den, aus den Harn gewonnenen Erfahrungen auf die Wiederkehr des normalen Zuckergehaltes rechnen konnte. 220 LEO v. BRASoL: Bei 14 Thieren ist die Bestimmung des Zuckergehaltes im Blute, be- ziehungsweise im Serum zwei Minuten nach der vollendeten Zuckerein- spritzung vorgenommen worden. Ihre Ergebnisse sind beistehend zusammen- gefasst. Procentgehalt des Zuckers im Serum oder im Gesammtblute kurz nach der Einspritzung. Zucker in Procentgehalt des Blutes Versuchs- | Körper- Zucker en Wasser oder Serums an Zucker. Nummer. | gewicht. | zugeführt. des Körper. zugeführt. order Nach’ deram j | | gewichts. Einspritzung. Einspritzung. 1 881,896) kan! gg su BASTnTaD il 0.805 BEN ZEN 008 281 200 „ 0162 1.770 zB 17 „| 40 USE 200 „ 0-126 1.207 ag Bere; rag ? 1-338 5aS |17-75,| 93.6 „| 5-3 | 234 „ | 0-094 1.620 13. B1 38% >400 51 9r67 1 160 Zobkindeaee 1.054 10 B |285 „|9-5,| 33 |150, | 0-089 |’ 1-134 i2 B |33° „1100. | rare, ı rin 0-921 11 -B'I27 51 99:75,1-84 150, oe 1-320 20 .B |28-3 „100.8 „| 3-5 | 150 „ | Spuren 1.343 BB 25 ae en ee 4 1:093 gllBs 195 10,2 EI Le 137 „ 0-079 1-111 1» Bl 22 U Ingand GAB aan RER 1-584 # °B 120-5 790 ZIHAsE nl oBBanT bi Vene 1-518 5bB |17-75,|9-6 „| 53 | 284 „ | 0-079 1-503 Aus doppelten Gründen sind die Zuckerprocente des Serums oder des Blutes zwei Minuten nach Vollendung oder etwa 6 bis 8 Minuten nach dem Beginn der Zuckerinjection bemerkenswerth. : Da im Verlauf von wenigen Minuten weder durch Oxydation, noch durch die absondernde Thätigkeit der Niere eine merkliche, über wenige Gramme hinausgehende Zuckermenge zerstört bez. abgeführt sein kann, so wäre unter der gewöhnlichen Annahme, dass die Blutmenge nicht über 7 Procent des Körpergewichts betrage, ein weit höherer Zuckergehalt des Blutes, das 3 bis 4 fache des gefundenen zu erwarten gewesen. — Und andererseits hätte man von vornherein kaum bezweifelt, dass die Zucker- procente des Blutes in dem Maasse höher gefunden werden müssten, m welchem es die auf die Einheit des Körpergewichtes zugeführte Zuckermenge gewesen wäre, weil man ohne Widerspruch zu finden zu unterstellen pflegt, ! B neben der Ordnungszahl der Versuche bedeutet, dass die Bestimmung des Zuckers im Blute, S dass sie im Serum vorgenommen wurde. AUSWANDERUNG DES BLUTZUCKERS. 221 dass bei Hunden zwischen Körpergewicht und Blutmenge eine bestimmte, oder wenigstens eine nur in engen Grenzen schwankende Proportion besteht. , in dieser Erwartung täuschen uns die Zahlen. Wiederum weisen die mannigfachen Schwankungen des Zuckerprocentes im Blute, bei stei- gendem Betrag des Zuckerzusatzes zu der Einheit des Körpergewichtes auf ein noch zu lösendes Problem hin. Einen Schritt weiter zu seiner Aufhellung führt die Untersuchung des Blutes, welches eine oder zwei Stunden nach - Vollendung der Zuckerinjection abgefangen wurde. Aenderung im Zuckergehalt des Serums oder Blutes mit der fort- s ;hreitenden Zeit. E 1. Körpergewicht: 39*er. Eingespritzt 388” Zucker; pro Kilogr. 0.98, In 24 Stunden ausgeharnt 8-588m Zucker. Vor der Einspritzung im Serum: 0.137 Pret. Zucker 2 Minuten nach der Einspritzung: . 0-805 „ 5 1 Stunde 7 Min. nach der Einspritzung: 0-072 „ 2 20 Stunden ER TRE: A De,.K0L. ©, R 2. Körpergewicht: 17er. Eingespritzt 408% Zucker; pro Kilogr. 2.38, In 5 Stunden ausgeharnt: 7.275s% Zucker. | Vor der Einspritzung im Serum: 0126 Pret. Zucker 2 Minuten nach der Einspritzung: 1-207 „ r 1 Stunde 5 Min. nach der Einspritzung: 0-114 „ 5 24 Stunden RUEAUT z 0.136 „ „ 8. Körpergewicht: 28.5*®”. Eingespritzt 60°" Zucker; pro Kilogr. 2. 18". In 10 Stunden ausgeharnt 14-005" Zucker. Vor der Einspritzung im Serum: 0°162 Pret. Zucker 2 Minuten nach der Einspritzung: en 2 ende. „ . a2 0.245 „ . 4. Körpergewicht: 28.25*sr, Eingespritzt 10088” Zucker; pro Klg. 35°". In 1 Stunde ausgeharnt 27-.15°" Zucker. Vor der Einspritzung im Blute: Spuren 2 Minuten nach der Einspritzung: 1-343 Pret. Zucker ende „ „ . 0.366 „ u 5. Körpergewicht: 33*er, Bingespritzt 1008"" Zucker pro Kilogr. 3.08", In 4 Stunden 15 Min. ausgeharnt 21.388 Zucker. 2 Vor der Einspritzung im Blute: 0.108 Pret. Zucker h 2 Minuten nach der Einspritzung: 1.054 „ „ 2 Stunden „ ,„ 0.159 „ 4 „30 Min. nach Ei Einspritzung: 0-054 „, 4 222 LEo v. BRASsoL: 6. Körpergewicht: 28.5*e". Eingespritzt 93.758”; Zucker pro Klg. 3.3 gm In 2 Stunden ausgeharnt 10-068" Zucker. Vor der Einspritzung im Blute: 0.089 Pret. Zucker 2 Minuten nach der Einspritzung: 1.134 „ m > Stunden „ „ „ 0. 102 ” „ 7. Körpergewicht: 27 ke". Eingespritzt 93. 758"” Zucker; pro Klg. 3.4s m, In 2 Stunden ausgeharnt 17.1887” Zucker. Vor der Einspritzung im Blute: 0.092 Pret. Zucker 2 Minuten etwa nach der Einspritzung: 1-320 , Be 2 Stunden „ „ „ „ 0108 „ ” 8. Körpergewicht: 33*er. Eingespritzt 1008" Zucker; ‚pl Kilogr. 3.08 m, In 2 Stunden ausgeharnt 19. 198m Zucker. Vor der Einspritzung im Blute: 0.101 Pret. Zucker 2 Minuten nach der Einspritzung: 09a“, r 2 Stunden „ „ „ 0- 111 „ „ Aus dem baldigen Verschwinden des Zuckers in dem Harne war auf eine entsprechende Abnahme der Zuckerprocente des Blutes geschlossen worden; die unmittelbare Untersuchung des Blutes bestätigte über alle Erwartung hinaus die Folgerung. Noch viel rascher als man nach dem Versiegen der Ausscheidung des Zuckers durch den Harn erwartet hatte, war der Gehalt desselben im Blute auf den normalen Grad herabgesunken. Obwohl die Bestimmung der Abhängigkeit zwischen dem Erscheinen | des Zuckers im Harn und seiner Dichtigkeit im Blute nicht in den Kreis meiner Aufgabe fällt, möchte ich doch die Erscheinung nicht mit Still- schweigen übergehen, dass bei gleichem Gehalt des Zuckers im Blute vor Ei und nach der Einspritzung desselben, sich sein Austritt aus den Nieren wesentlich verschieden verhält. In dem Harn fand sich, wovon ich mich öfter überzeugte, kein Zucker vor der Einspritzung desselben, er war dagegen noch vorhanden, nachdem seine procentische Menge im Blute, auf den früher vorhandenen Grad herabgekommen war. Den Beweis hierfür schöpfe ich aus den auf S. 218 und 219 angeführten Analysen des Harns und Blut- zuckers der mit 1. 2. bezeichneten Versuchen. Werden ihre Angaben ver- glichen, so ergiebt sich: In 1. betrug der Zuckergehalt des Serums vor der Einspritzung = 0.137 Procent, der abgefangene Harn war zuckerfrei. 67 Minuten nach vollendeter Einspritzung wurde der Zuckergehalt des Serums zu 0-072 Procent und 19 Stunden später zu 0-101 Procent gefunden, und dennoch enthielt der Harn, welcher in den 3. bis 20. Stunde abgesondert war, noch 6-.98W | Zucker, dessen Anwesenheit nicht auf einen früher abgeschiedenen und in jr F Ä AUSWANDERUNG DES BLUTZUCKERS. 293 der Blase zurückgebliebenen Rest zuckerhaltigen Harnes bezogen werden - konnte, weil der Harn in der 3. und 6. Stunde nach der Einspritzung des - Zuckers mit dem Katheter entleert war. | In Beobachtung 2. betrug der Zuckergehalt des Serums vor der Ein- spritzung = 0-126 Procent Zucker, der Harn war zuckerfrei. 65 Minuten _ nach der Einspritzung ward er zu 0-114 Procent und 23 Stunden später zu 0.136 Procent gefunden und doch enthielt der Harn, welcher in der 5. bis 24. Stunde erschien noch 0.28 Zucker. Mit einem hohen Grade von Wahrscheinlichkeit darf man behaupten, dass die in den erwähnten Versuchen aufgetretenen Erscheinungen keines- _ wegs vereinzelt dastehen. Denn nach den acht Bestimmungen, die vorhin - vorgelegt wurden, muss es als Regel gelten, dass 2 Stunden nach der künstlichen Bezuckerung des Blutes das ursprünglich vorhandene Zucker- - procent des Blutes wieder hergestellt ist, und doch verschwindet nur aus- nahmsweise der Zucker nach dieser Zeit aus dem Harn. — Auf die Auto- rität Cl. Bernard’s! hin, glaubt man gegenwärtig annehmen zu dürfen, _ dass die Niere sich erst den Zucker des Blutes aneigne, wenn derselbe auf 0.3 Procent gestiegen sei. Da kein Grund vorliegt an dem Ansspruch dieses genauen und erfahrenen Physiologen zu zweifeln, so würde aus meinen gegentheiligen Beobachtungen folgen, dass der Niere durch die voraus- _ gegangene Einwirkung eines zuckerhaltigen Blutes eine erhöhte Befähigung für die Abscheidung des Zuckers ertheilt worden sei. Nach dieser Abschweifung kehre ich zur Betrachtung des Zucker- -gehaltes im Blute zurück. Aus den Analysen des Serums und des Blutes hatte sich ergeben, dass schon 2 Minuten nach der vollendeten Injection - beträchtlicher Mengen der Procentgehalt des Zuckers nur die Hälfte, ja nur ein Viertel von dem betrug, welcher unter der Voraussetzung vorhanden sein musste, dass die Thiere 7 Procent ihres Körpergewichtes an Blut be- herbergen. Und noch mehr, es hatte sich herausgestellt, dass 2 Stunden nach der Einführung des Zuckers aus dem vorhandenen Procentgehalt nicht mehr ersichtlich war, welchen Zuckerzusatz das Blut empfangen hatte. Das Haemoglobin des Blutes nach der Zuckerinjection. u ee — > h Weshalb der Zuckergehalt des Blutes weit niedriger gefunden wurde, als es auf Grundlage berechtigter Annahmen nach der Zuführung so be- deutender Zuckermengen zu erwarten gewesen, konnte bedingt sein, ent- weder dadurch, dass der überflüssige Zucker ausgewandert, oder dus in die Gefässe eine das Blut verdünnende Flüssigkeit eingetreten war, oder " Bernard, Legons sur le diabete. 1876. p. 152. we D34 | Leo v. BraAsoL: aber das beides gleichzeitig stattgefunden hatte. Welche von diesen Mög- lichkeiten verwirklicht war, musste sich aus dem Verhältniss finden lassen, in welchem das Haemoglobin vor und nach der Einspritzung des Zuckers zu der Blutflüssigkeit stand. | Der Grund, welcher mich zur Bestimmung des relativen Haemeg io gehaltes oralen liess, um über eine möglicher Weise eingetretene Ver- dünnung des Blutes Fuakuinft zu erhalten, ist leicht ersichtlich. Das Blut- roth gehört, seine dauernde Befestigung an den Blutscheiben vorausgesetzt, zu denjenigen Theilen des Blutes, welche ihm bei mannigfachem Wechsel anderer Stoffe unveränderlich angehörig bleiben. Dass dieses namentlich auch dann gilt, wenn dem Blute von aussen her eine concentrirte Zucker- lösung zufliesst, ergiebt sich, weil man beim Eintritt der genannten Be- dingung nirgendswo ein rothes Extravasat findet, weil der Harn kein Ei- weiss enthält und weil das auf der Centrifuge aus bezuckertem. Blute- hergestellte Serum vollkommen farblos ausgeschieden wird. — Bei der Aus- - führung der Bestimmungen nach der Methode Welcker’s diente meistens das Haematinometer von Hoppe-Seyler, das Blut wurde nach den Vor- schriften v. Lesser’s aufgefangen. Als nach meiner Abreise von Leipzig ein Vierordt-Hüfner’scher Spectralapparat in den Besitz des Institutes kam, sind auch von Hrn. Dr. Bohr mit ihm zwei Bestimmungen ausgeführt und mir mitgetheilt worden. | Das Verhalten des Blutes, welches wenige Minuten nach der Zufüh- | rung des Zuckers entlassen war, wies deutlich auf einen verdünnten Zustand desselben hin. Seine Farbe war ein sehr helles Roth und die ! Gerinnung desselben erfolgte ungewöhnlich langsam. Die Bestätigung gewährten die Relationen der Färbekraft zwischen dem vor und zwei Mi- | nuten nach der Einspritzung entnommenen Arterienblute Zu den Zahlen der folgenden Tabelle ist zu bemerken, dass die Färbekraft der vor dem Einspritzen des Zuckers entnommenen Probe zu 100 gesetzt worden ist. Ä 5 Eingespritzt. Färbekraft des nach“ Yersuchs- Einer: Zucker per | Wasser. | der Einspritzung ge gewicht. Uckermenge, Kilogrm. des | entzogenen Blutes. _Körpergew. 1 | 28.3%er | 100-80m | 3.58m | 1505 | 81.4 2 28-5 „ 93:75 ul in 54-5 3 Dr 93 57-5 4 8... 1. 101»B.0001,3=08.,: 120, 57.5 5 25.0 „ 9a 187, 68-0 6 3810,20 N re 69-8 7 25.0 „ ae ie, 137 „ 70-9 8 330°, 41009.0% „|. 3-0, Sa 73-0 9 28:5, er Bl 02 RT 831- ÄAUSWANDERUNG DES BLUTZUCKERS. 225 Mit dem Apparat von Vierordt-Hüfner bestimmt. 4 Zucker per Färbekraft des nach Versuchs- Körper- Gesammt- p : Kilogrm. des) Wasser. | der Einspritzung nummer. gewicht. Bd _ Körpergew. entzogenen Blutes 10 14:08 | 1108m | 7-8em | 184m | 66.00 11 14-5, | 95 „ 6-6 „ DIT N, | 70-00 Beides, der Umfang und die Geschwindigkeit mit welcher das Blut nach dem Eintritt der Zuckerlösung in den Gefässraum sich verdünnt hat, wirken in hohem Grade überraschend. In einem Fall ist der Haemoglobin- gehalt von 100 auf 31 und wiederholt von der ersteren Höhe auf 50 bis 57 gesunken, was nur durch eine Vermehrung der Blutflüssigkeit auf das Doppelte bis Dreifache geschehen konnte, und der Zuwachs hat sich, wenn man vom Beginn der Einspritzung des Zuckers an rechnet, in etwa 6 bis 8 Minuten eingefunden. Genügt nun die Vermehrung der Blutflüssigkeit um den niedrigen Werth der Zuckerprocente zu begreifen, welcher 2 Minuten nach der vollen- _ deten Einspritzung im Blute gefunden wurde? Eine Antwort hierauf lässt - sich versuchen, wenn man sich über die ursprünglich vor der Zuckerein- spritzung vorhandene Blutmenge eine Annahme gestattet. Nehmen wir an, dieselbe habe für je ein Kilogr. des Hundes 70 bis 85° betragen, so lässt sich aus der gefundenen Herabminderung, welche die Farbekraft erfahren hatte, der eingetretene Verdünnungsgrad berechnen; hieraus und aus der _ für das Kilogr. des Thieres eingeführten Zucker- und Wassermengen lässt sich das Zuckerprocent ableiten, welches das Blut unter der Voraussetzung be- sitzen musste, dass kein Zucker aus dem (Gefässraum ausgetreten war, welches, insoweit der Abgang durch die Nieren in Betracht kommt, wohl angenommen werden darf. In 7 meiner Versuche waren die Unterlagen bekannt, die zur Ausführung der Rechnung nothwendig waren. 25 Relative] An pr 7 en, Oel BoRgr Ss : Er res Färbe- rentinglich ucker-Procent. uckerprocent. | E 5 |per Ker.|per Bör.| kraft. | = 70 | = 85 bei | bei 85 nach der vor der PA Br . per Kr. |per Kgr.| Einspr. | Einspr. 1 |3.5erm 5erm | 31.4 | 223 | 270 | 1-53 | 1-27 | 1-34 Spuren Be, |5,„ 54-0 .| 136 | 165 | 2-34 | 2-03 | 1-13 | 0-09 eiB4,.|6, 5030, 122 |, 1471 2:65 | 2-24 |.1.52 } 0,09 5b 136,15, |68.0| 108 | 125 |3-38 | 2.77 | 1.111] 0-08 6 12:6 „| 4, |69-8| 100 | 121 [2-60 .| 2-08 | 1-05 | 0.11 7 [3.6 „|5,„ | 70.9) 98 | 120 |3.46 | 2-88 | 1-09 |Spuren 8 |3.0,|5,„ | 73:0) 96| 116 |3.26 | 2.73 | 0.92 | 0.107 | Archiv f. A, u. Ph, 1884, Physiol. Abthlg. 15 226 | Leo v. BRASOoL: In den 5. Stab der Zusammenstellung sind eingetragen die unter der Voraussetzung, es sei dem Blute kein Zucker abhanden gekommen, berech- neten Zuckerprocente und im folgenden die wirklich gefundenen Werthe desselben. Eine Vergleichung beider beseitigt allen Zweifel daran, dass der im Blute vorhandene Zucker bedeutend hinter dem, in das Blut einge-. führten zurücksteht. Ein beträchtlicher Antheil des letzteren muss also auf irgend welche Art aus dem Blute verschwunden sein. Was zwei Minuten nach der vollendeten Einspritzung des Zuckers sich nur mit Hülfe einer Rechnung wahrnehmen liess, springt ein bis zwei Stunden später unmittelbar aus den Ergebnissen der Analyse hervor. Jetzt ist der procentische Gehalt des Blutes an Zucker vollkommen oder nahezu auf den Punkt herabgekommen, der ihm vor der Zuführung der Zucker- lösung eigen war. Und dass hieraus auf ein Zurückkommen zu der gleichen, auf die ursprünglich vorhandene absolute Menge des Blutzuckers geschlossen werden kann, beweisst das Anwachsen der Färbekraft, die nun ebenfalls wieder der vor der Einspritzung des Zuckers besessenen Stärke sich nähert, sie erreicht, oder sogar überschreitet. Im Verlauf von wenigen Stunden ist also gleichzeitig mit dem Verschwinden des Zuckers auch die Flüssig- keit vollständig oder zum grössten Theil zurückgetreten, die den relativen Gehalt des Blutes an rothen Scheiben herabgesetzt hatte. In der Zahlen- reihe, aus welcher sich die vorstehenden Angaben ableiten, ist die Färbe- kraft des Blutes vor der Einspritzung des Zuckers zu 100 angenommen worden. Selbstverständlich sind die Bestimmungen der Zuckerprocente und der Färbekraft, die m den späteren Terminen nach der Einspritzung des Zuckers vorgenommen wurden, an denselben Thieren ausgeführt, bei wel- chen dieselben Werthe, 2 Minuten nach der vollendeten Zuckerinjeetion er- mittelt worden sind. Um dem Leser die Vergleichung zu ermöglichen, — sind die Ordnungszahlen der auf S. 224 befindlichen Tabelle auch in der folgenden benutzt werden. | Vershe. | Zeit seit der „ Relative | Zuckerprocente des Blutes. Nein Einspritzung Färbekraft des Nach der Ein- Vorder | verflossen. | Blutes. spritzung. spritzung. 1 1 Stunde 450 0.366 Spuren. ) AIaN?: 99-7 0.245 0.162 2 a. | 76-6 0.102 0.089 3 DEM 72.4 0-108 0.092 4 Ben 83-0 ? ? 8 2 98-6 0.117 0.101 ba "Aa 93.0 0:159 \ 0.108 6b ar 102-7 0.054 J Mit dem Apparat von Vierordt-Hüfner. ÄAUSWANDERUNG DES BLUTZUCKERS. | Be Zeit seit der Relation der Fe Einspritzung Färbekraft | ; verflossen. des Blutes. j . : 10 2 St. 30 Min. 120.0 | a 111-0 _ Findet sich der aus dem Blute verschwundene Zucker in den kewebssäften? Wegen der Geschwindiekeit, mit der sich der Zucker aus dem Blute verliert, wird anzunehmen sein, dass:er durch die Wand aus der Höhle der Gefässe getreten sei, um so mehr, weil für die Anschauung, dass er in merklichem Umfang innerhalb des Blutstromes in seine schliesslichen ‚Oxydationsproducte zerfalle, keine der uns bekannten Thatsachen spricht. & Zur Beurtheilung der Kräfte, welche den Zucker veranlassen, aus dem Blute zu treten, würde unter anderen die Kenntniss seiner Vertheilung i ıf die in verschiedenen Geweben eingebetteten, oder sie durchtränkenden Flüssigkeiten nothwendig sein. Auskunft hierüber zu verschaffen, die vielen Schwierigkeiten zu überwinden, welche sich dem Unternehmen entgegen- setzen, dazu würde mehr Zeit als mir in diesem und den nächsten Jahren verfügbar bleibt nöthig sein. Um jedoch die vorliegende Frage nach Kräften zu fördern, entschloss ich mich zu prüfen, ob der aus dem "Blute ohne Beihülfe der Niere verschwundene Zucker in den Geweben _ wiederzufinden sei. — - Zu den Versuchen verwendete ich Kaninchen, weil bei ihnen ein grösserer Bruchtheil der Körpermaasse zur Analyse verwendbar ist. Den Thieren können im Verlauf von einer halben bis dreiviertel Stunden für je 1 Kilogr. 12 bis 182m Zucker mittelst einer sehr concentrirten Lösung durch die Jugularvene beigebracht werden, wenn man vorsichtig verfährt. Geschieht die Einverleibung des Zuckers zu rasch, so tritt alsbald unter Guckungen der Tod ein. Die ersten Anzeichen der drohenden Gefahr lie- ern die Athembewegungen. Wenn sich ihr Takt bedeutend beschleunigt, 80 muss sogleich der Zufluss der Zuckerlösung unterbrochen und mit der Zuführung gewartet werden, bis das ruhige Athmen wiedergekehrt ist; erst dann darf das Einströmen neuer Zuckermengen wieder beginnen. Während der längeren Zeit, welche somit die Einführung relativ 8 osser Zuckermengen verlangt, entleert das Thier den rascher abgesonderten Harn in der Regel mehrmals. Durch eine geeignete Lagerung des Kanin- chens über einer geräumigen Porzellanschale, ist dafür zu ae dass die 15 228 Leo v. BrAsor: gesammte Menge des abgeschiedenen Harnes aufgefangen werde, damit der in ihm enthaltene Zucker zu bestimmen ist. Endlich wird aber der weiteren Ueberführung von Zucker in die Vene Einhalt geboten, weil sich Zuckungen der Glieder einfinden, denen der Tod zu folgen pfleet. Begannen die Zuckungen, so wurde der Zufluss des Zuckers eingestellt und das Thier - durch eine schon vorher in die A. carotis eingebundene Canüle entblutet. Aus der Leiche wurde dann der in der freigelegten Blase enthaltene Harn ausgedrückt. Bei der hierzu nöthigen Eröffnung des Unterleibes liess sich erkennen, ob sich in der Höhle des letzteren seröse Flüssigkeiten angehäuft hatten. Waren sie vorhanden, so wurden sie in einer Porzellanschale sorg- fältig gesammelt und später auf Zucker verarbeitet. Darauf wurden die Leber, die Niere und möglichst grosse Mengen der Muskelmassen ausge- schnitten, gewogen und in der Weise weiter behandelt, wie es auf S. 215 angegeben wurde. Der Grund, weshalb ich rasch auf die vollendete Ein- spritzung des Zuckers die Untersuchung folgen liess, war, weil zu dieser Zeit die dem Thiere beigebrachten Zuckermengen voraussichtlich nur zum geringeren Theile der respiratorischen Oxydation anheim gefallen waren. 1. Körpergewicht 2.0 em, Während einer halben Stunde werden ein- gespritzt: 50 Cem Flüssigkeit, welche 258” Zucker und 0.258” NaCl ent halten. — Es fanden sich im entleerten Harne 10.03 sm, In 357 rm Mus- kel, Leber und Niere 0-613sm = 0-17 Procent. — In 100 Theilen Blutes, 2.030 8m Zucker. | | Nehmen wir, um nirgends zu niedrig zu greifen, an, dass die Blut- menge in Folge von Zuckerinjection 12 statt der gewöhnlichen 6 Procent des Körpergewichts betragen habe, und dass im blutfreien Körper alle Be- standtheile, Haare, Darminhalt, Knochen u. s. w. mit eingeschlossen, von dem Zucker ebensoviel enthalten haben, wie die untersuchten Muskeln, Nieren ä und Leber, so würden wir zu folgendem Ueberschlag gelangen: Im Blute 4.87 sm Zucker In 1760 sm blutfreien Thieres 2-93 „ ns Ausgeharnt 10:03, ,„ 17-853 8m Zucker Eingespritzt: 25-00 „ N Nicht wiedergefunden: 7-17srm Zucker 2. Körpergewicht: 1.9 kem, Während dreiviertel Stunden eingespritzt: 70 Cem Flüssigkeit, mit 35 sm Zucker und 0.358m NaCl. — Es fanden sich im entleerten Harne: 3.419", — In 45 m Peritonealexsudat: 1.779 em, in 100 Theilen Blutes 3-00. In 275sm Muskel, Leber und Nieren 2.275 sm = 0.82 Procent Zucker. ÄUSWANDERUNG DES BLUTZUCKERS. 229 Unter den im vorigen Versuch angenommenen Voraussetzungen wären enthalten gewesen: Im Blute 6.824 sm Zucker Im Peritonealexsudat PeLIe r In 1672 sm blutfreien Thieres 13-341 „ 3; Im Harn 83-419 „ » 25.363 8m Zucker Eingespritzt: 35-000 „, 2 Nicht wiedergefunden: 9.637 sm Zucker 3. Körpergewicht: 2.2kern, Allmählich eingespritzt: 80 Cem Flüssigkeit, welche 40 s"® Zucker und 0.4 NaCl enthalten. — Es fanden sich im ent- leerten Harne 13.86 =. In 291s"® Muskel, Leber und Nieren 1.627 = 0.56 Procent. — In 100 Theilen Blutes 3-154 8% Zucker. Unter den früheren Voraussetzungen wäre enthalten gewesen: Im Blute 8.327 sm Zucker In 1936 8% blutfreien Thieres 10°822 „, re Ausgeharnt 13860 „, “ 33.009 rm Zucker Eingespritzt: 40-000 „, RN Nicht wiedergefunden: 6.991 sm Zucker Da in den wesentlichen Punkten die Ergebnisse der drei Versuche übereinstimmten, so hielt ich die nochmalige Wiederholung derselben für überflüssig. Bei der Besprechung des Befundes wird auseinander zu halten sein das in den Geweben vorhandene Zuckerprocent und der nicht wieder- gefundene Betrag des zugeführten Zuckers. | Auf das gesammte Gewicht der Muskeln, der Leber und der Niere bezogen, fanden sich, in 1.= 0.17, in 2. = 0-82, in 3. = 0.56 Procent Zucker. Nehmen wir den Wassergehalt der Gewebe zu 75 Proceut an, so würden sich aus den Zahlen für 1=0:24, für 2=1-09, für 3=0.75 Pro- cent berechnen, ein Gehalt, welcher unzweifelhaft beweist, dass Zucker aus dem Blute in die Säfte übergetreten ist. — Unter der weiteren Annahme, dass sich der Zucker gleichmässig auf das in den Geweben enthaltene Wasser vertheilt habe, würde sein Zuckergehalt jedoch beträchtlich hinter dem des Blutes zurückstehen, denn dieser betrug in 1.=2-03, in 2.=3-00, in 3.=3.15 Procent. Unbezweifelt ist jedoch die Unterstellung nicht statt- haft, dass sich der Zucker gleichmässig über das in den Geweben haftende Wasser verbreitet habe; hierüber belehrt uns der Zuckergehalt des Bauchfell- 230 Leo v. BrAsor: exsudates im 2. Versuche, welcher 3-95 Procent, also selbst mehr als der des Blutes betrug. Daraus ist denn auch ohne Weiteres zu erkennen, dass aus dem zwischen Zucker und Gewebsmassen gefundenen Verhältniss kein Schluss auf die Dichtigkeit des Zuckers in den Flüssigkeiten gezogen werden kann, welche zunächst die Wandungen der Blutgefässe umspülen. Zur Erklärung der Fehlbeträge des in der Kaninchenleiche gefundenen Zuckers, gegenüber dem eingespritzten, wird man zunächst einen Mangel der analytischen Methode verantwortlich machen wollen. Bei der Bestim- mung der eingespritzten Menge konnte ein Fehler nur durch eine Fahr- lässigkeit beim Bereiten der Zuckerlösung und ihrer Einspritzung in die Vene entstehen. Da ich eine solche für ausgeschlossen halten muss, so wäre nur an einen Verlust zu denken, der bei dem Wiedergewinnen des im Harne und in der Leiche enthaltenen entstanden wäre. Gegen diesen Einwand wäre zu erwidern, dass der Harn mit aller Sorgfalt aufgefangen und die Weichtheile so lange mit Wasser ausgezogen und unter der hy- draulischen Presse behandelt wurden, bis sich aus ihnen kein Zucker mehr gewinnen liess. — Bei der hiernach vorhandenen Wahrscheinlichkeit oder vielleicht noch besser bei der Gewissheit, dass der Grund, weshalb nicht aller Zucker wiedergefunden wurde, keinem Mangel des analytischen Ver- fahrens zuzuschreiben sei, würden allein noch die Grundlagen der Rechnung als unzureichende anzuklagen sein. Sie sind es sicher insofern, als sich aus ihnen die wahre, in der Leiche vorhandene Zuckermenge nicht ableiten lässt, aber es ist doch sehr wahrscheinlich, dass auf die dem Ueberschlag zu Grunde gelegten Daten der Zucker sich über, nicht aber unter die in den blutleeren Geweben wirklich vorhandene Menge berechnet. Muskeln, Niere und Leber wurden, weil nicht anders möglich, noch bluthaltig zur Ermittelung ihres Zuckergehaltes verwendet; wegen dieser Beimischung musste der Gehalt der Weichtheile an Zucker über das ihnen zukommende Maass jenes Stoffes ge-' funden werden. Unter Vernachlässigung des voraussichtlich vorhandenen Ueber- schusses wurde angenommen, dass alle Bestandtheile der blutfreien Leiche gleich zuckerhaltig gewesen seien, obwohl sie von dem eingespritzten Zucker ‘gar nichts wie die Haare, Zähne, der Inhalt des Magens oder weniger als die zur Analyse verwendeten wie Knochen und Sehnen aufgenommen haben müssen. In Erwägung aller Umstände halte ich mich für berechtigt, das Bestehen des Verlustes für thatsächlich begründet zu halten, wenn ich auch ausser Stande bin eine Vermuthung darüber auszusprechen, wohin und auf welche Weise der nicht wieder gefundene Zucker verschwunden sei. | AUSWANDERUNG DES BLUTZUCKERS. 231 'Vertheilung der in das Blut gelangten Flüssigkeiten auf Plasma und Körperchen. Von der Flüssigkeit, die durch die Gefässwand hindurch zum Plasma drang, eignen sich voraussichtlich die Blutscheiben einen Antheil an, weil sie als quellungsfähige Körper ihren Wassergehalt dem Dichtigkeitsgrade _ des Mediums anpassen, in welchem sie schwimmen. Eine besondere Ver- anlassung für den Eintritt von Flüssigkeit in das Gefüge der rothen Scheiben giebt zudem noch der Zucker der zum Blut gelangt ist, weil ein Theil desselben in die Körperchen eindringt. . Den Beweis liefern die Procente des Zuckers im Serum und im Gesammtblut vor und nach einer reichlichen Zucker- - einspritzung. — In der Regel ist, wie Bleile nachgewiesen, der Procent- gehalt des Blutes an Zucker beträchtlich geringer als der des Serums, so dass der Quotient des zuletzt in den erstgenannten Werth zwischen 0.5 und 0.8 schwankt; ist aber das Blut stark bezuckert worden, so nähert sich der Quotient der Einheit. Aus meinen Beobachtungen gebe ich ein Beispiel: e Einem nüchternen 17er® schweren Hunde wurde Blut entzogen, aus _ einem Theil desselben, Serum abgeschieden und der Zucker im frischen Blüte und im Serum bestimmt. — Dann wurden dem Thiere 93.6sm Zucker in wässeriger Lösung durch die Vene jugularis eingeführt und wie vorher mit einem Antheil des nun abgelassenen Blutes verfahren. Es ergab sich: 4 u ebene KR Zuckergehalt des Blutes & ın ellenıın e1len 7A Serum. Bilntas. Zuckergehalt des Seerum. _ Vor der Einspritzung 0:094 0.079 0.84 » 1.614 1503 0-93 | Nach der Einspritzung Da sich nun bekanntlich der Quotient aus den Zuckerprocenten um so mehr von der Einheit entfernt, je mehr der Zuckergehalt des Serums über den der Blutscheiben angestiegen ist, so müssen die letzteren vor der Ein- - spritzung ärmer an Zucker als nach der Einspritzung desselben gewesen sein. Haben sich aber die rothen Scheiben mit Zucker beladen, so müssen, da dessen Vermehrung den Eintritt von Flüssigkeit in das Blut veranlasste, auch die Scheiben von ihr durchtränkt werden. In welchem Verhältniss sich die verdünnende Flüssigkeit auf die 100 Vol. Blut angehörigen Körperchen und Plasma vertheilt wird sich finden lassen; leider vergönnte mir meine Zeit nur die Ausführung einiger 232 Leo v. Brasor: und namentlich der folgenden Bestimmungen, deren Werth auf einer, wie ich voraussetze, zutreffenden Annahme beruht. — Verdünnt sich die be- zuckerte Blutflüssigkeit mit einer wässerigen aus den Geweben stammenden Lösung, so kann das in dem Plasma enthaltene gerinnbare Eisweiss nur vermehrt, keinenfalls jedoch vermindert werden. Als Colloid diffundirt das Eiweiss überhaupt nur langsam, und wenn, so wäre zu erwarten, dass in das Blut ein Antheil des auf der Aussenfläche gelegenen Vorrathes über- ginge, weil hier die Eiweisslösung dichter und dort verdünnter geworden ist. In Folge der angestellten Betrachtung ist die Annahme gestattet, ‚dass ebensowenig wie das Haemoglobin auch das gerinnbare Eiweiss den Gefässraum verlassen habe. Thatsächlich spricht hierfür, dass der Harn nach der Zuckereinspritzung niemals Eiweiss enthält. Gesetzt, es werden im Blute die Relationen der Färbekraft und die Eiweissprocente im Serum vor und nach der Zuckereinspritzung” ermittelt, so würde es für das zu findende Verhältniss zwischen den Färbekräften gleich- gültig sein, ob die verdünnende Flüssigkeit in’s Plasma oder in die Körperchen eintrat, denn das Haemoglobin wird nicht im Verhältniss zu einem, sondern zu allen Bestandtheilen des Blutes ausgewerthet; seine Verdünnung giebt damit ein Maass für die des Blutes überhaupt. Anders mit dem Eiweiss des Serums. Verfügte sich die gesammte Menge der in den Gefässraum übergetretenen Flüssigkeit in die Körperchen, so würde vor wie nach der procentische Gehalt des Serums an Eiweiss der gleiche sein. Mischt sich dagegen die Flüssigkeit dem Plasma bei, so wird das Eiweissprocent des Serums nach der Einspritzung unter das vorher vor- handene um so tiefer herabsinken, je weniger Plasma das Blut besitzt, je mehr eiweissfreie Flüssigkeit von aussen her zu ihm dringt, und je grösser der Betrag derselben, welcher unter Meidung der Körperchen dem Plasma verbleibt. | Betrüge mithin die Menge der zu 100 Theilen Blut getretenen Flüssig- keit p-+g, wäre hiervon p zum Plasma, 9 zu den Körperchen getreten, beliefe sich ferner die Färbekraft der Volumeinheit Blutes vor der Verdün- nung auf f und nach ihr auf f/ so würde das Verhältniss der Färbekräfte 7% a f durch 0 p+gq vor der Verdünnung / und nach der Verdünnung /’ Procente Eiweiss, wären endlich in 100 Theilen Blut 5 Volumina Serum enthalten, so würde A S IT 8+tp Die von mir ausgeführten Bestimmungen beschränken sich auf die Ermittelungen des Verhältnisses der Färbekräfte und der Eiweissprocente vor und nach der Verdünnung. Obwohl meine Beobachtungen nur unter gegeben sein. Fänden sich in 100 Theilen Serum sein. ne, nn un iu nn DE AUSWANDERUNG DES BLUTZUCKERS. 293 bestimmten Umständen zu einem Schluss über die Art berechtigen, nach welcher sich die zum Blute getretene Flüssigkeit vertheilte, so werde ich sie doch sämmtlich aufzählen müssen, weil den gewonnenen Zahlen nur im Zusammenhang eine Bedeutung zusteht. Das Material zu den Bestimmungen wurde von grossen, mindestens 258erm wjegenden Hunden gesammelt; unmittelbar vor der Einspritzung des Zuckers wurde ihnen die gerade hinreichende Menge Blutes aus der Art. carotis entzogen; ein zweiter Aderlass wurde 2 Minuten nach vollen- _ deter Einspritzung des Zuckers, ein dritter 1 bis 4 Stunden später ausge- führt. Ein Theil des entnommenen Blutes wurde auf die schon geschilderte Weise gefangen und zur Ermittelung der Färbekraft benutzt; der jedesmal grössere Theil auf die Centrifuge gebracht, wo sich das Serum vollkommen klar und farblos abschied. Zur Coagulation, Reinigung und Wägung des Eiweisses im Serum diente das auf S. 214 beschriebene Verfahren. Weil möglicher Weise durch die von der Anwesenheit des Zuckers bedingte Aen- derung des Blutes ein Theil der Eiweissstoffe ungerinnbar geworden war, wurde die vom Coagulum abfiltrirte Flüssigkeit auf dem Wasserbade ein- ‚geengt und mit viel 0.96 procentigem Alcohol versetzt. Aus der Gering- fügigkeit des erhaltenen Niederschlages ergab sich die Grundlosigkeit der ‚gehegten Befürchtung. Neun nach dem beschriebenen Verfahren durchgeführte Beobachtungen ergaben, als das Blut 2 Minuten nach der vollendeten Zuckereinspritzung aufgefangen war: Eiweiss kn 100 Theilen schs- Körper- een | Verhältniss | Verhältniss Bene: ren, ae en Dar, en. Fabenase. des Zuckers. | des Zuckers. 10 98.5 | 6-54 | 3-37 0-52 0-54 11 Z).,; 6-51 3:82 0:58 0-58 14 25°5 „ 7:19 2429 0-59 0.58 2uU 28:3 „ 7-01 2-45 0.35 0-31 3 28-5 „ 6-28 4-04 0-64 0-81 12 330 „ 7-02 4.17 0-60 0.73 13 38-0 „ 8-81 3-95 0-47 0:70 8 25-0 „ 6:29 2.93 0.47 0.71 9 | 250 „ | 6-90 3.19 | 0-46 | 0.68 Den 2 Minuten nach der Einführung des Zuckers lasse ich sogleich die später an sieben derselben Thiere gewonnenen Erfahrungen folgen. 234 Leo v. Brisor: Eiweiss in 100 Theilen h dp Serum Zeit nach |Verhältniss Fr e- Verhältniss Ss Körper- vollendeter der c 25 | gewicht, | „Vor der |2 Min. nach | Rinspritzung | Eiweiss- - ee =#= Einspritzung | der Einspr. | des Zuekers. procente. N des Zuckers. | des Zuckers. 60 2 Stunden 10 | 28.5ker| 6.54 6 1-01... 0:7 11 0 SO LE RR 1-02 10 14,9 85.5, 7-19 Tb 123.0 1-00 | 0.83 20.) 98-3 7-01 5.61 [1 Stunde | 0-80 | 0-45 3128-5, 6-28 ee 1:08 | 1-00 1250 3 7-02 6-73. |2 Stunden | 0-96 | 0.99 3 BD 8 1 Ar 0:90 | 0-93 ED a - 8:3 Be 0-88 | 1.02 Der Inhalt der ersteren Zusammenstellung bestätigt die Ergebnisse und befestigt die Schlüsse, die sich auf die Bestimmungen der Färbekraft grün- deten; er beweist zugleich, dass von der dem Blute zugewachsenen Flüssig- ° keit ein grosser Theil im Plasma verblieb. — Ob aber auch die Körperchen sich von ihr durchtränken liessen, darüber empfangen wir erst aus der zweiten Tabelle Aufschluss. Sie zeigt, dass die Körperchen in der That von der verdünnenden- Flüssigkeit einen reichlichen Antheil aufgenommen hatten und noch mehr, dass sie die in ihr Inneres eingedrungene Lösung, langsamer als das Plasma entlassen. Hiergegen kann bei der Uebereinstimmung, welche die einzelnen‘ Beobachtungen aufweisen, kein Zweifel aufkommen. In den Nummern 10, 11 und 14 war die Färbekraft des Blutes noch um 23—28—17 Procent unterhalb der ursprünglichen gefunden worden, der Gehalt des Serums an Eiweiss dagegen auf seinen Ausgangspunkt vor der Einspritzung des Zuckers zurückgekehrt, obwohl er, wie die Tabelle 1 zeigt, zwei Minuten nach der- selben auf 0-5, 0.6, 0.4 des ursprünglichen herabgestiegen war. In Nr. 20° hatte sich der Eiweissgehalt des Serums binnen zwei Stunden von 0.35 auf 0-80 des ursprünglichen erhoben, indess die Färbekraft nur bis auf 0.45 der normalen gestiegen war, und in den übrigen 3 Nummern hatte sich der Ausgleich der vorher bestandenen Verdünnung in Plasma und Farbstoff gleichzeitig wieder eingestellt. Dass die Körperchen bei der flächenhaften Ausbreitung ihrer Masse nicht rascher ihren Ueberschuss an Flüssigkeit an das umgebende Plasma abgeben, dass sie sich der Herstellung des ursprünglichen Gleichgewichts stundenlang widersetzen können, dürfte kaum mit der Annahme einer ein- fachen Quellung der Blutscheiben zu vereinigen sein. Ob der Zucker inner- | halb der Körperchen eine chemische Umwandlung erfahren, oder ob die AUSWANDERUNG DES BLUTZUCKERS. 235 Elastieität des Stroma’s durch die vorausgegangene Dehnung geändert wurde, sind Fragen, die sich, wenn sie sich gegenwärtig auch nicht beantworten, doch nicht ohne Weiteres zur Seite schieben lassen, denn die Erscheinungen, welche zur ihrer Aufstellung hindrängten, verdienen als eine neue Eigenschaft der Blutkörperchen die volle Aufmerksamkeit. In den zeitlichen Verhältnissen, unter welchen sich der procentische Eiweissgehalt des Plasma’s vermindert, namentlich aber unter denen er sich wieder vermehrt, liest ein weiterer Grund für die Annahme, dass das Ei- _ weiss des Plasma’s den Gefässraum unmittelbar nach der Einführung des Zuckers nicht verlassen habe. Da sich durch die Einspritzung und in deren Gefolge durch den Eintritt _ von Flüssigkeit die Blutgefässe stärker füllen, so wäre es nicht undenkbar, dass nach der Entstehung eines stärkeren Druckes auch Eiweiss in ver- mehrter Menge der Lymphe zuflösse, welches schliesslich nach der Wiederkehr des früheren Füllungsgrades durch den Ductus thoraeicus in das Blut zu- rückkehrte. Die zeitweilige Unterbrechung des Lymphstromes, welche nach - der auf $. 214 angegebenen Weise ausgeführt wurde, gab wie die sogleich mitzutheilenden Zahlen erhärten die Auskunft, dass sich trotz der Ver- stopfung des Ductus thoracicus. die Eiweissprocente im Serum und die färbende Kraft des Blutes wieder herstellen. Der Lymphstrom spielt also bei diesen _ Vorgängen keine Rolle. Der Versuch verläuft folgendermaassen. Zuerst wird der Ductus auf- gesucht, und die mit einem Kautschuckschlauch versehene Canüle in die Vene jugularis sinistra eingesetzt, durch welche das Rohr eingefügt werden sollte, mittelst dessen im gefüllten Zustand der Zufluss des Lymphstromes ' gehemmt werden konnte. Die Blosslegung des Ductus wurde nur desshalb | | | | | für nöthig erachtet, damit die Ueberzeugung von seinem wirklich einge- tretenen Verschluss zu erlangen war. — Dann wurden die Canülen in die Art. carotis gelegt und das Blut aus ihr abgelassen, das zur Bestimmung der Färbekraft und zum Gewinnen des Serums dienen musste. Hierauf wurde die Harnblase mittelst des Katheters entleert und dann die Zucker- lösung in die Jugularvene eingeführt; zwei Minuten nach Beendigung der Bezuckerung wurde abermals Blut aus der Carotis zu dem gleichen Zwecke wie vorher entnommen. Nun wurde rasch die Röhre bis in die Vene jJugularis eingesteckt und das an ihrem Ende befestigte Kautschuckbeutel- chen durch Eintreiben von 0.5°/, Kochsalzlösung so weit geschwellt, dass die Wand der Venen von etwas oberhalb der Mündung des Ductus an bis in die Vene anonyma hinein prall an dem’ Kautschuck anlag. In dieser Lage verharrte die Röhre ein bis zwei Stunden hindurch, während welcher das Thier seiner Fesseln entledigt wurde. Nach Verfluss der genannten Zeit wurde wiederum Blut aus der A. carotis und der Harn 236 LEo v. Brasor: aus der Blase genommen, die NaCl-Lösung aus der Kautschuckröhre ausge- lassen und diese selbst aus der Vene hervorgezogen. Damit war, insofern man nicht noch einmal Blut und Harn gewinnen wollte, der Versuch be- endet. Das Thier konnte dann durch Verblutung ie und der Harn aus der Leiche entfernt werden. 1. Hund, Körpergewicht: 38 kerm, — Eingeführt 100 "= Zucker in 160 Com Wasser gelöst. Eiweiss in Färbe- Zucker in | Zucker 100 Theilen Lrafl‘ 100 Theilen im Serum. Blut. Harn. Vor der Einspritzung des Zuckers | 8-31 0 0 2 Minuten nach der Einspritzung des Zuckers ... .« 3:93 „A 0-69 | 1-054 0 2 Stunden nach erh de Ductus thoracicus und der Ein- | führung des Zuckers . . . 1.49 „| 0:93 | 0.159 . 20.963 2 Stunden 15 Min. nach TE eröffnung des Ductus thoracicus und 4 Stunden 15 Min. nach Einführung des Zuckerss . . . 1.37 „| 1-02 1.0:054 1.0.4225 2. Hund, Körpergewicht: 28-3 ksrm, — Eingeführt 100s'= Zucker in 150 Cem Wasser gelöst. Eiweiss in Denk Zucker in | Zucker 100 Theilen ve ft 100 Theilen im Serum. le Blut Harn Vor der Einführung des Zuckers | 7-01°/,| 1-00 | Spuren | 0 2 Minuten nach der Einspritzung des Zuckerss . . . 2.45 „| 0-31 | 1343 0 2 Stunden nach Vorschihe ne Ductus thoracicus nach der Ein- führung des Zuckers . . . . | 5.61 „| 0-45 | 0.366 | 27-15 Der Druck in den Arterien nach der Einspritzung des Zuckers. Wenige Minuten nach dem Eintritt der concentrirten Zuckerlösung in die Vene war die Masse der von den Gefässwänden eingeschlossenen Flüssigkeit um ein Bedeutendes gewachsen; wenige Stunden nachher aber | ÄAUSWANDERUNG DES BLUTZUCKERS. 2317 auf den früheren Werth zurückgekehrt. Für die Beurtheilung der Mittel durch welche es dem Blute gelang, sich von dem überschüssigen Volum zu befreien, war es nothwendig, den Druck zu kennen, welcher während jener Zeit in den Arterien herrschte. Angesichts der Erfahrungen über die Aenderungen der Spannung, unter welcher der Inhalt der Arterien nach - der Vermehrung des Gefässinhaltes strömt, lässt sich nur durch seine Messung entscheiden, ob der Druck zugenommen und ob hierfür die Er- regung der Vasomotoren oder die in höherem Grade beanspruchte Elasticität verantwortlich zu machen sei. Jedenfalls muss unsere Vorstellung von der _ Art der Bewegung, durch welche die Flüssigkeit zu und von dem Blute geführt wird, wesentlich verschieden ausfallen, wenn der Strom in einer grösseren Zahl von Gefässen unter mässigem oder wenn er in einem be- schränkten Gebiet unter höherem Druck fliesst. Um zur Einsicht in die bestehenden Verhältnisse zu gelangen, wurde die Messung des Drucks in der Art. carotis zwei Minuten vor und zwei Stunden nach der Einführung einer concentrirten Zuckerlösung, in die Vene und gleichzeitig die Bestimmung der Färbekraft ausgeführt. Hund, Körpergewicht: 14 Ksm, Eingeführt wurden im Verlauf von sechs Minuten: 184 em Flüssigkeit, mit 1108” Zucker. Auf 1kerm des _ Thieres 7.8srm Zucker. Färbekraft | Slutäruck in e Mm. Hg. Vor der Einspritzung des Zuckers . . . . 1:00 132 1 Minute nach der Einspritzung des Zuckers . 0.69 165 2-5 Minuten nach der Einspritzung des Zuckers — 167 11 Minuten nach der Einspritzung des Zuckers 0:87 160 ‚2 Stunden 41 Min. nach der Einspr. des Zuckers 1.20 136 Hund, Körpergewicht: 14-5 ksrm, Eingeführt wurden im Verlauf von fünf Minuten 217 m Flüssigkeit mit 96-43" Zucker. Auf 1 sm des Thieres 6-.68m Zucker. x Arterieller Färbekraft un des Blutes. | an Vor der Einspritzung des Zuckers . . . . . 1:00 162.7 1 Minute nach der Einspritzung des Zuckers . 0-70 171-8 2 Stunden nach der Einspritzung des Zuckers +2 147 Die beiden Versuche wurden von Hrn. Dr. Bohr ausgeführt. 238 Leo v. BraAsoL: Trotzdem dass der herabgesetzten Färbekraft entsprechend im zweiten Versuch das Blut durch den Hinzutritt einer bedeutenden Flüssigkeitsmenge verdünnt war, hatte der Druck in der Arterie nach der Einführung des Zuckers nicht merklich zugenommen. Bei einer gleichen Aenderung des Farbstofigehaltes, war der Druck innerhalb der Arterie in der ersten Be- obachtung nach der Zuführung des Zuckers gestiegen, aber doch nicht über den absoluten Werth hinaus, welchen der zweite Versuch vor der Ein- spritzung der Lösung nachgewiesen hatte. Keineswegs waren damit die Grenzen überschritten, in welchen sich die arterielle Spannung bei einem normalen Tonus der Vasomotoren zu bewegen pflegt. -Darum bleibt es ge- stattet, die Steigerung des Druckes auf die stärkere Spannung der gefüllteren Capillaren zu beziehen. Eine weitere Berechtigung hierzu gewährte die reichlichere Blutung, welche gleichzeitig mit dem Wachsen des Druckes aus einigen kleinen kaum sichtbaren Arterien der Haut erfolgte. Wäre der Tonus der Ringfasern erhöht gewesen, so hätte das Gegentheil eintreten müssen. Eine weitere Unterstützung für die Annahme, dass die Ursache des gesteigerten Druckes in der grössern Fülle der Capillaren und Venen- wege zu suchen sei, empfangen wir durch eine Vergleichung unserer Er- gebnisse mit derjenigen Worm Müller’s! welcher bekanntlich fand, dass durch eine noch so reichliche Transfusion gesunden Blutes der arterielle Druck nie über seine höheren Normalwerthe hinauszutreiben ist. Ein Steigen des Druckes bringt die Vermehrung der Blutmasse nur dann hervor, wenn derselbe einen geringeren Werth als den zeigt welcher bei mässigem Grefäss- tonus angetroffen wird. Der Schluss, zu dem der zweite Versuch zwingend führt, darf demnach auch für den ersten gelten: durch den Hinzutritt einer Flüssigkeitsmenge, welche den Betrag der zugeführten Zuckerlösung weit überschreitet, ist der arterielle Druck nur darum erhöht, weil die mittlere elastische Spannung der Gefässwand gestiegen ist. Abschliessende Bemerkungen. So lange unsere Kenntniss von dem geschilderten Vorgange nicht weiter als dahin reichten, dass ein ungewöhnlich hoher Zuckergehalt des Blutes nach kürzerer Zeit und zwar nur zum geringen Theil durch den Harn wieder verschwindet und der Inhalt der Gefässe in seiner normalen Beschaffenheit zurückbleibt, konnte man, insofern man die Auswanderung des unveränderten Zuckers annahm, nur an eine einseitige vom Blute zu ! Arbeiten aus der physiologischen Anstalt zu Leipzig. 1873. AUSWANDERUNG DES BLUTZUCKERS. 239 den Geweben gehende Bewegung, mit einem Worte an eine Secretion des Zuckers denken. Näher liegt nach den neuen Erfahrungen der andere Gedanke, dass an der Abscheidung des Zuckers wesentlich ein Diffusions- strom betheilist sei. Zu der letzteren Vorstellung passt es, dass zwei Flüssigkeiten die durch eine mit Wasser getränkte Haut getrennt sind, sich zu einem Austausch ihrer Bestandtheile anschicken, wenn, wie es hier geschah, einer derselben eine concentrirte Lösung von Zucker beigemischt ward. Aus dem dichter gewordenen Blut tritt der ihm zugesetzte Zucker in - den auf der äusseren Fläche der Gefässe liegenden Gewebssaft und dieser sendet gleiehzeitig als Aequivalent einen Strom wässeriger zuckerfreier Flüssigkeit zurück. — Aber bei den beschränkten Maassen der Flüssigkeiten diesseits und jenseits der Scheidewand müsste der Austausch der Bestandtheile bald zu einem Gleichgewicht führen, bei dessen Eintritt das Volum des Gefäss- inhaltes und anderseits der Grad des Zuckergehaltes der Gewebssäfte über die Werthe gelangten, welche vor der Einführung des Zuckers vorhanden gewesen. Im Gegensatz mit der ausgesprochenen Erwartung stellte sich jedoch das Gleichgewicht ganz anders, nämlich auf die Weise her, dass nach einer bis mehreren Stunden das Volum und der Zuckergehalt des Blutes auf oder sogar unter den Werth zurückgekehrt waren, die ihm vor ‚der Störung seiner Zusammensetzung angehört hatten. Soll die Wieder- "kehr des ursprünglichen Zustandes aus den bekannten Regeln der Diffusion begreiflich sein, so wäre zu fordern, dass sich derselbe wie auf die Zusam- mensetzung des Blutes, auch auf die der Gewebssäfte erstreckte, mit anderen . Worten, auch die letzteren müssten auf ihren ursprünglichen Zuckergehalt zurückgegangen sein. Da meine Beobachtungen nach dieser Richtung hin keinen Aufschluss geben, so fehlt uns gegenwärtig eine sichere Grundlage ‘für die Behauptung, dass die Diffusion neben der Wasserausscheidung durch die Nieren auch an dem zweiten Theile des Vorganges an der Entfernung der Flüssigkeit einen wesentlichen Antheil besitze, die im Austausch gegen den Zucker zum Blute getreten war. Wenn nun auch der Nachweis noch ‚zu erbringen ist, dass im Verlaufe von einigen Stunden der Zuckergehalt der Gewebe auf seinen früheren Stand zurückkehre, so lassen sich mindestens einige Andeutungen für dieses Geschehen vorbringen. Zu ihnen zählt vor allem die auf S. 228—229 dieser Abhandlung mit- getheilte Erfahrung, dass sich schon bald nach der vollendeten Einspritzung des Zuckers ein geringerer Antheil dieses Stoffes in den Geweben nachweisen lässt, als er dort zu erwarten gewesen, wenn ihnen die aus dem Blute ver- schwundene Portion zugekommen und im unveränderten Zustande verblie- ben wäre. Voreilig würde es sein, auf diese und die andere Erfahrung, dass der Zucker sich in Glykogen oder in CO, und H,O umwandeln kann, weit- 240 Lro v. Brasor: gehende Schlüsse zu bauen, erwünscht, ja nothwendig dagegen sorgfältigst zu prüfen, ob der Zucker durch einen endosmotischen Process aus dem Blute entfernt wird. — Jede entscheidende Antwort würde von Bedeutung und zwar desshalb sein, weil sie uns über die sn. Eigenschaften der wichtigen ne aufklärte. Die vormals allgemein gebilligte Anschauung, dh die Diffusion bei der Wanderung der Stoffe zu und aus dem Blute eine hervorragende Rolle spiele, hat durch die genauere Beachtung der an Resorptionen und Ab- sonderungen betheiligten Kräfte eine Einschränkung erfahren, welche es gegenwärtig als zweifelhaft erscheinen lässt, ob die im Organismus ver- wirklichten Bedingungen einen ähnlichen Austausch zweier durch eine lebendige Haut getrennten Lösungen gestatten, wie wir sie bei dem Gebrauche solcher Scheidewände gewahren, wo stets ein Theil der sie durchsetzenden Flüssigkeit von den Einwirkungen des Stoffes und seinen Anziehungen un- beeinflusst bleibt, aus dem die Porenwand hergestellt ist. Die thatsächlichen Ergebnisse der vorstehenden Versuche lassen sich in den folgenden Sätzen zusammenfassen. 1. Zwischen dem Quantum des eingespritzten Zuckers und dem mit dem Haäarne ausgeschiedenen besteht kein directer Zusammenhang; über- haupt ist die Thätigkeit der Nieren mit Bezug auf die Quantität und die Zeit der Zuckerausscheidung aus dem Blute sehr unregelmässig und von der Individualität des Thieres nicht allein abhängend. 2. Unter dem Einfluss der stattgefundenen Zuckereinspritzung in’s Blut wird die Befähigung der Nieren, Zucker auszuscheiden erhöht, so dass sie bereits bei 0-1 — 0.07 °/, Zuckers im Blute diesen absondern. 3. Zwischen dem Quantum des in’s Blut eingespritzten Zuckers und J des zwei Minuten später im Blute enthaltenen Procentes desselben besteht kein directer und beständiger Zusammenhang. 4. Zwei Minuten nach Einspritzung bedeutender Quantitäten Zuckers in’s Blut ist ein bedeutendes Quantum desselben bereits aus dem Blu verschwunden. 5. Zwei Stunden nach geschehener Einspritzung des Zuckers ist der Procentgehalt desselben im Blute bereits normal. | 6. Ein Theil des aus dem Blute verschwundenen Zuckers vertheilt sich in den Gewebssäften; den übrigen Theil hat die Analyse als Zucker nicht entdecken können; vielleicht dass er sich in Glykogen oder Milchsäure verwandelt, oder eine sonstige chemische Metamorphose durchmacht. ÄAUSWANDERUNG DES BLUTZUCKERS. 241 7. Zwei Minuten nach Einspritzung des Zuckers in’s Blut findet in dem elben eine bedeutende Verdünnung statt, welche ausser allem Verhält- niss zu dem Quantum der eingespritzten Flüssigkeit steht und nach Verlauf von zwei Stunden vollkommen wieder ausgeglichen ist. : i 8. Der in’s Blut eingespritzte Zucker und das in Folge dessen ent- stehende Uebermaass von Flüssigkeit vertheilen sich zwischen Plasma und Blutkörperchen. | 9. Die Blutkörperchen behalten die in sie eingedrungene Flüssigkeit länger als das Plasma. 10. Das absolute Quantum des Eiweisses im Serum vor und nach der - Zuckereinspritzung in’s Blut bleibt unverändert. 11. Die Erhöhung des Blutdruckes in den Arterien nach der Zucker- einspritzung hängt ab von der Steigerung der mittleren Elastieität der Gefässwandungen. 12. Die Verdünnung des Blutes nach Zuckereinspritzung in die Vene und das Vorhandensein von Zucker in den Gewebssäften spricht zu Gunsten eines endosmotischen Processes. Ob die Wiederherstellung des Gleichge- _ wichtes im Blute auf dieselbe Weise vor sich geht, bleibt weiteren Prüfungen vorbehalten. | Archiv f. A, u.Ph. 1884. Physiol. Abthlg. 16 Ueber Herz und Blutkreislauf bei nackten Amphibien. Von Conrad Gompertz. Aus dem physiologischen Institut zu Leipzig. (Hierzu Taf, IV.) In seinen Untersuchungen über den Blutkreislauf der Amphibien theilt Brücke! eine Reihe interessanter Beobachtungen mit, welche darauf hinweisen, dass bei den nackten Amphibien der grosse und kleine Kreislauf nicht nur getrennt, sondern auch von ungleichen Kräften getrieben wird. Die Ein- richtung, welche die fehlende Kammerscheidewand ersetzen sollte, erkannte .er in der Function der Spiralklappe des Bulbus arteriosus. Während die anatomischen Beobachtungen Brücke’s durch spätere Arbeiten ? bestätigt wurden, sind die physiologischen Versuche, welche das Fundament seiner Theorie bilden, bisher nicht wiederholt, wohl aber von ‚Fritsch? einer Kritik unterworfen worden, die weder die Beweiskraft der Versuche noch die Berechtigung der aus ihnen gezogenen Schlüsse anerkennt. Bei der Bedeutung, welche die Kenntniss des Herzens und des Blutkreislaufs der nackten Amphibien für den Physiologen besitzt, schien eine erneute Be- arbeitung des Gegenstandes wünschenswerth. Hr. Prof. Ludwig ver anlasste mich daher, das Herz und den Blutkreislauf von Rana esculenta und Bufo cinereus einer eingehenden Untersuchung zu unterziehen. Die hesultate derselben sollen in Folgendem mitgetheilt werden. ! Brücke, Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Physiologie des Gefäss- systems der Amphibien. Denkschriften der Wiener Akademie. 1852. ? Fritsch, Zur vergleichenden Anatomie der Amphibienherzen. Dieses Archw, 1869. — Ecker, Anatomie des Frosches IV. 2 Br ON ÜBER HERZ und BLUTKREISLAUF BEI NACKTEN AMPHIBIEN 243 Praeparationsmethoden. Bei der anatomischen Untersuchung des Herzens wurden verschiedene Praeparationsmethoden angewendet. Eine Methode bestand darin, dass das Herz mit einer 4 procentigen F Lösung von chromsaurem Kali irar constantem Druck gefüllt und in die- | selbe Lösung eingetaucht, zwei Tage lang gehärtet, dann mit Wasser aus- ‚gewaschen und durch 75 procentigen Alkohol entwässert wurde. Die auf diese Weise hergestellten Praeparate konnten sowohl makroskopisch mit 'Scheere und Praeparirnadel untersucht, als auch mikroskopisch zur Her- ‚stellung ununterbrochener Schnittserien verwendet werden. Werthvolle Uebersichtspraeparate lieferte die folgende Methode. Das noch schlagende Herz wurde durch eine in die untere Hohlvene eingebun- dene Canüle einige Minuten lang mit /, procentiger Kochsalzlösung, dann - mit Carmin- oder Indigcarminhaltiger Kochsalzlösung durchspült, bis eine deutliche Färbung eintrat; darauf wurde der überflüssige Farbstoff mit reiner Kochsalzlösung ausgewaschen, die rückständige Flüssigkeit durch Einblasen ' von Luft verdrängt und das Herz nach Abbindung seiner Gefässe unter constanter Luftfüllung getrocknet. Nach 24 Stunden war das Praeparat vollkommen trocken und transparent und liess sich mit dem Messer in | frontale und sagittale Hälften zerlegen, welche in Xylol oder Nelkenöl auf- - gehellt und mit Canadahalsam in vertieften Objectträgern eingebettet wurden. | Diese Praeparate, die mikroskopisch nur mit Vorsicht zu verwerthen sind, geben bei Anwendung der Lupe oder eines stereoskopischen Oculars ein F übersichtliches Bild der Herzmusculatur. Bei allen Vortheilen, welche gehärtete Praeparate bieten, erwies sich die Untersuchung des Ehe Organs in Kochsalzlösung Hihneniie, um die Veränderungen beurtheilen zu können, welche die Gewebe durch un- gleichmässiges Schrumpfen in den rar ienieegeten erleiden. Anatomie.! Das Herz des Frosches liegt unmittelbar unter dem Kehlkopf zwischen Brustbein und Speiseröhre. Sein unteres Ende schiebt sich zwischen die beiden seitlichen Leberlappen ein. Das Herz ist von einem Beutel umschlossen, welcher durch Bänder ; an die benachbarten Theile angeheftet ist. Nach vorn setzen sich zwei ! In der folgenden Beschreibung bezeichnet „oben“ kopfwärts, „vorn“ bauchwärts. 16 + 244 CONRAD (FOMPERTZ: Bänder an die Brustwand, nach hinten an die Speiseröhre und die Wirbel- säule, nach rechts und links an die Aponeurose des M. obliquus internus, nach oben an den Kehlkopf und nach unten an die Leber an. Die hintere Fläche des Herzbeutels ist mit einer Membran verwachsen, welche zu beiden Seiten der Speiseröhre zwischen dem oberen Leberrande, der Aponeurose des M. obliquus internus und dem Hinterhorn des Zungenbeines zwerchfell- artig ausgespannt ist. In dieser Membran befindet sich eine kreisrunde Oeffnung zum Durchtritt der Lungenwurzel. Obschon die beiden Lungen- flügel den Herzraum zwischen sich einschliessen, berühren sie das Pericard nicht unmittelbar, indem sich die Leber und die beschriebene Membran, die wir als Leber-Lungenband bezeichnen wollen, zwischen beide einschieben. Wir werden später die Bedeutung kennen lernen, welche das Leber-Lungen- band für die Erhaltung des Herzraumes bei den Athembewegungen besitzt. Der Herzbeutel besteht aus einem parietalen und visceralen Blatt. Während die innerhalb des Herzbeutels liegenden Gefässe unter der Hülle des visceralen Blattes noch eine eigene adventitielle Gefässscheide besitzen, vertritt das viscerale Blatt des Pericards für den Vorhof, den Ventrikel und den Bulbus arteriosus die Stelle einer Adventitia. Die beiden Blätter des Herzbeutels sind an der Rückseite des Herzens durch ein der Länge nach gefaltetes Band mit einander verbunden, welches die Vena coronaria cordis aufnimmt und zur Basis des Ventrikels begleitet. Drei Hohlvenen führen dem Herzen das Blut des Körpers, zwei Lungen- venen das der Lunge zu. Die Hohlvenen vereinigen sich zu einem gemein- samen Sinus venosus, der zu den Abschnitten des Herzens gezählt werden darf, weil er quergestreifte Muskelfasern besitzt und weil diese Fasern nach dem Typus der Vorhofsmusculatur angeordnet sind. Von den Hohlvenen durch den Sinus venosus zum Vorhof findet ein allmählicher Uebergang vom Bau einer Venenwand zum Bau einer Vorhofswand ‚statt. Während die glatten Längsmuskelfasern der Vene in der Nähe des Sinus spärlicher werden, treten statt der glatten Ringmuskelfasern quergestreifte auf. Diese liegen jedoch nicht mehr in geschlossenen Ringen nebeneinander, sondern lassen Lücken zwischen sich und ordnen sich nach und nach zu Strängen, welche durch spitzwinkelige Anastomosen mit einander verknüpft sind. Gegen den Sinus zu wächst der Winkel der Anastomosen bis zu ca. 20° und so gleicht die Musculatur des Venensinus einem regelmässigen Netz mit rautenförmigen Maschen. In der Vorhofswand wird dieses Netz un- regelmässiger, indem Muskelzüge sich in verschiedenen Ebenen über ein- einander herschieben, so dass auch zwischen entfernter liegenden Muskel- bündeln Anastomosen entstehen, welche stets spitzwinkelig sind. Ausser- dem heben sich Fasern von der Wand ab und durchsetzen in mehr oder | weniger grossen Strecken den Binnenraum des Vorhofs. ÜBER HERZ UND BLUTKREISLAUF BEI NACKTEN AMPHIBIEN. 245 Entsprechend dem Sinus venosus der Körpervenen vereinigen sich die beiden Lungenvenen zu einem gemeinsamen Rohr, das unmittelbar über dem Sinus in den Vorhof einmündet. Die Lungenvenenmündung ist halb- mondförmig und ergänzt die ovale Mündung des Venensinus zu einem ge- meinsamen Ring, indem die sich berührenden adventiellen Gefässscheiden “mit einander verschmelzen und unmittelbar in die Scheidewand der Vor- kammer übergehen. Der ringförmige Veneneingang ist mit Muskelfasern belegt, welche einen Sphincter bilden. Die Oberfläche des gefüllten Vorhofs zeigt vier halbkugelförmige Vor- _ wölbungen (Fig. 1, a,d,c,d), welche durch Furchen von einander geschieden und dem Grössenverhältniss der beiden Vor- - fläche zu, so dass dieser die Gestalt einer con- _ der Scheidewand überbrückt das Ostium atrio- ventrieulare und theilte dasselbe in eine rechte und eine linke Hälfte; zugleich ist sie mit zwei Fig.1. sind. Die zur Linken gelegene Vorwölbung («) entspricht genau der linken Vorkammer, in- dem die Furche, welche diese Wölbung von den übrigen trennt, die Ansatzlinien des Septum atriorum darstellt. So kann man sich schon nach der äusseren Form des gefüllten Vorhofs eine Vorstellung von der Lage des Septums kammern bilden. Das Septum atriorum ist gewölbt und kehrt dem linken Vorhof eine convexe Ober- vex-concaven Linse erhält. Die untere Kante Atrioventrieularklappen verwachsen (Taf. VI, Ansicht des Froschherzens von Fig. 4). vorn, Beide Oberflächen der Vorhofsscheidewand sind mit Muskelfasern be- lest, unter denen auf der rechten Fläche drei starke Bündel deutlich her- vortreten (Taf. VI, Fig. 4). Ein vorderes Längsbündel zieht von der vor- deren Atrioventricularklappe nach oben zu der Ecke (Fig. 1%), welche der ‚vorderen, oberen und linken Vorwölbung der Vorhofswand gemeinsam ist; ein oberes Querbündel zieht von dieser Ecke nach hinten zur Einmündung des Sinus venosus und ein hinteres Längsbündel von dieser Mündung herab zur hinteren Atrioventricularklappe. Auf der Oberfläche beider Atrio- ventricularklappen strahlen die Muskelfasern der beiden Längsbündel fibrillär aus. Das obere Querbündel und hintere Längsbündel treten mit zwei halb- ‚mondförmigen Leisten in Verbindung, welche von dem oberen und unteren Rande des Sinuseinganges vorspringen und sich einerseits an die hintere T 246 ÜONRAD (GOMPERTZ: Wand des rechten Vorhofs, andererseits an die rechte Fläche der Vorhofs- scheidewand ansetzen. Beide Leisten sind mit Längsmuskelfasern belegt. Die Muskelfasern der oberen Leiste gehen in das obere Querbündel, die der unteren Leiste in das hintere Längsbündel der Scheidewandmusculatur über (Taf. VI, Fig. 4). An der Vereinigungsstelle des oberen Quer- und vorderen Längsbündels (Fig. 1%) entsteht ein dichtes Anastomosennetz, von dem starke Muskel- züge bogenförmig zu der dem Septum gegenüberliegenden rechten Vorhofs- wand hintreten. Die Nerven der Vorhofsscheidewand entsprechen in ihrem Verlauf an- nähernd den beschriebenen drei Hauptmuskelbündeln. Ihre Schilderung‘ soll jedoch nicht in den Bereich dieser Darstellung fallen. An der Grenze zwischen Vorhof und Ventrikel ist das Pericard so eingeschnürt, dass der eingeschnürte Theil einen Trichter bildet, dessen Aus- flussöffnung nach unten schaut (Taf. VI, Fig. 1). Der Trichter ist somit doppelwandig und die Umschlagsstelle der beiden pericardialen Blätter bildet den Rand des Ostium atrio-ventriculare. Die beiden Blätter sind durch” Bindegewebe miteinander verbunden und bilden eine feste Scheide, an der einerseits die Muskelfasern des Vorhofs, andererseits die des Ventrikels in- seriren. Die Musculatur der Vorkammern und Herzkammern bildet somit keinen continuirlichen Uebergang, sondern Bindegewebe schiebt sich zwischen beide ein. Die Herzkammer besitzt keine wasserdichte Muskelwand. Der bei weitem grösste Theil der Muskelfasern durchsetzt, von Endocard umgeben, den Binnenraum des Herzens. Die ee ee Fasern lassen Lücken“ zwischen sich, in denen Pericard und Endocard sich unmittelbar ber In der unteren Hälfte des Herzens bilden die Muskelfasern s gestellte Wände, welche den unteren Herzraum in 8 bis 10 med Räume theilen. Alle diese Räume, die wir Nebenkammern nennen wollen, führen in eine an der Herzbasis gelegene Hauptkammer, die von links nach rechts gegen das Ostium arteriosum hin weiter wird und von einer vor deren und hinteren frontal gerichteten Muskelwand begrenzt ist. Die beiden } Frontalwände der Hauptkammer stehen annähernd senkrecht auf den 8 bis 10 Sagittalwänden der Nebenkammern, sodass die Muskelbündel, welche von den ersteren auf die letzteren übertreten, ihre Verlaufsebene wechseln (Taf. VI, Figg. 1 u. 2). Jede Sagittalwand besteht aus drei Schichten, einer inneren Querfaser- schicht und zwei äusseren Längsfaserschichten. Die Querfasern der inneren Schicht bilden mit der sagittalen Queraxe des Herzens einen Winkel, der für jede einzelne Sagittalwand bestimmt, für verschiedene Sagittalwände verschieden ist. Denkt man sich die Faserrichtungen aller Querfaserschichten ÜBER HERZ UND BLUTKREISLAUF BEI NACKTEN AMPHIBIEN. 247 auf eine einzige projieirt, so entsteht ein System von Querfasern, die sich in verschiedenen Winkeln durchkreuzen. Die Richtungen der Längsfasern er- ‚gänzen sich in jeder Sagittalwand so, dass die Lücken, welche die eine der ‚beiden Längsfaserschichten mit der Querfaserschicht lässt, durch die andere Längsfaserschicht gedeckt werden (Taf. VI, Figg. 1 u. 2). An den Kreuzungspunkten der Haupt- und Nebenkammerwände liegen Faserbündel, welche einerseits in sagittaler Ebene ausstrahlend die der Hanptkammer zugewendeten freien Kanten der Nebenkammerwände, anderer- “seits in frontaler Ebene auseinanderweichend und bogenförmig unter ein- ander anastomosirend die vordere und hintere Muskelwand der Haupt- | er bilden. Die ersteren gehen theils in die Querfaser- theils in die _ Längsfaserschichten der Sagittalwände über, die letzteren endigen im Binde- gewebe des Ostium atrioventriculare. | Die Sagittalwände bilden in ihren peripheren Theilen Anastomosen mit mac, welche entsprechend der Mannigfaltigkeit der Faserrichtungen sehr manniefaltig sind. Es verbinden sich sowohl ganze Schichten als ein- _ zelne Faserbündel benachbarter Sagittalwände mit einander, und zwar können - ebensowohl Quer- mit Querfasern, als Längs- mit Längsfasern, als endlich 1; Längs- mit Querfasern anastomosiren. Die Mannigfaltigkeit ist jedoch da- | _ durch beschränkt, dass alle Anastomosen spitzwinklig sind (Taf. VI, Fig. 3). An dem Ostium atrioventrieulare befinden sich drei diekwandige | En zwei grössere von trichterförmiger Gestalt entspringen von dem 0 rorderen und hinteren Rande des Ostium und sind durch die Vorhofswand, welche sich in der beschriebenen Weise an sie ansetzt, in eine rechte und eine linke Hälfte getheilt; und eine kleinere Klappe ist an dem rechten ‘ Rande des Ostium venosum befestigt. Die beiden linken Hälften der - grösseren Klappen dienen zum Verschluss des Ostium venosum sinistrum, f di e beiden rechten zugleich mit der kleineren dritten Klappen zum Ver- schluss des Ostium venosum dextrum. Von den Frontalwänden der Haupt- # “ mmer heben sich, entsprechend ‚den Papillarmuskeln des Säugethierherzens, kurze > Muskelbündel ab, an welche sich Sehnenfäden ansetzen, die arcaden- ikels hinein, dass sie diesen in einen kleineren linken und einen are schten Raum theilen. Der rechte Raum führt in den Bulbus arteriosus hinein. Die Mün- | des Bulbus ist nicht symmetrisch zur frontalen Medianebene des Herzens | E: stellt, sondern liegt mehr hinter, als vor derselben. Das untere Ende des -Bulbus ragt ringförmig in den Ventrikel hinein und ist von einer doppelten pericardialen Hülle umgeben, da sich das Pericard vom Ventrikel und Vorhof auf den Bulbus überschlägt und auch das in den Ventrikel hineinragende 248 ÜCONRAD GOMPERTZ: Stück überzieht. Die zum Ostium arteriosum hintretenden Muskelfasern gehen unmittelbar in die Muskelfasern des Bulbus über, welche in zwei Spiralfaser- schichten von entgegengesetzter Windung angeordnet sind. Von seinem Ursprung in dem rechten, hinteren Viertel der Ventrikel- basis schiebt sich der Bulbus über die rechte Seite nach vorn und steigt in kurzem Bogen bis zu seiner Verästelung in zwei Schlagaderstämme auf. Diese werden durch zwei Scheidewände in drei Canäle getheilt, welche ent- sprechend den aus ihnen hervorgehenden Arterien als Canalis carotico- lingualis, C. aorticus und €. pulmo-cutaneus zu bezeichnen sind. Die Trennung in C. carotico-lingualis und C. aorticus erfolgt innerhalb der Schlagader- stämme selbst, während die Abzweigung des C. pulmo-cutaneus im oberen Theil des Bulbus eintritt, sodass die Scheidewand, welche diesen Canal von den übrigen trennt, frei in das Lumen des Bulbus hineinragt (Taf. VI, Fig. 5). Zwischen dem Bulbuseingang und dem Eingang in den Lungenhaut- canal ist eine unvollständige Scheidewand (Spiralklappe), deren Höhe ?/, vom Durchmesser des gefüllten, */, von dem des leeren Bulbus beträgt, derart an der hinteren Wand befestigt, dass das Blut auf ihrer linken Seite so-' wohl in den Lungenhautcanal als über diesen hinweg in die Körpercanäle; auf ihrer rechten Seite aber nur in die Körpercanäle fliessen kann. Diese Einrichtung ist dadurch bedingt, dass die Scheidewand eine Fläche von complieirter Krümmung darstellt, d. h. dass ihre Basis eine andere Linie be- schreibt, als ihre freie Kante. Die Basis hat die Gestalt eines langgezogenen römischen S und verbindet den linken Rand des Bulbuseinganges mit dem rechten Rand des Einganges in in den Lungenhautcanal; wäre die freie Kante der Scheidewand ebenso gekrümmt, wie die Basis, so würde der Bulbus durch sie in einen oberen und unteren Abschnitt getheilt sein. Da aber die freie Kante in ihrem unteren Theil durch elastische Kräfte nach rechts gebogen, in ihrem oberen Theil durch ein knorpelhartes, trichterförmiges | Gebilde in der Mittellinie fixirt ist, so theilt das Septum den Bulbus ın eine rechte und linke Abtheilung. Beide Abtheilungen sind jedoch nicht vollständig von einander geschieden, weil der innere Durchmesser des Bulbus- rohres grösser als die Höhe der unvollständigen Scheidewand ist. Die Scheidewand besitzt eine knorpelähnliche Consistenz und ist so durchscheinend, dass sich ihre Umrisse in einer Kochsalzlösung nur un- deutlich abheben. Ihre basale Kante jedoch hat ein glänzend weisses Aus- sehen und kann deshalb bei pigmentarmen, mit Kochsalzlösung durch- spülten Herzen durch die Bulbuswand hindurch erkannt werden. Willman die Krümmung des unteren Endes der Spiralklappe ausgleichen, so hat man eine verhältnissmässig grosse elastische Kraft zu überwinden, und die Klappe schnellt, sich selbst überlassen, sofort wieder in ihre gekrümmte Lage zurück. | ÜBER HERZ UND BLUTKREISLAUF BEI NACKTEN AMPHIBIEN. 249 Am unteren Ende des Bulbus befinden sich drei Semilunarklappen, ‚deren Ränder durch bindegewebige Fäden mit der zugehörigen Wand ver- bunden sind. Dem trichterförmigen Gebilde am oberen Ende des Septums liest eine Taschenklappe gegenüber. Im Eingang des Lungenhautcanals sind zwei kleine Semilunarklappen angebracht. Nachdem die Bestandtheile des Herzens, wie sie sich im unbewegten Organ darstellen, beschrieben sind, wollen wir ihr Verhalten im bewegten \ Organ, soweit dieses der Beobachtung zugänglich ist, mittheilen. Die all- _ gemein physiologischen Fragen der Muskelcontraction und Innervation sollen _ dabei unberücksichtigt bleiben. Physiologie. Ehe wir dazu übergehen, die Bewegungen des Herzens bei einem nicht athmenden Thiere nach Eröffnung der Brustwand zu untersuchen, müssen wir uns fragen, ob nicht durch den normalen Athmungsvorgang andere - Bewegungsbedingungen gegeben sind. Diese Frage ist bei dem Frosch und der Kröte um so eher zu entscheiden, als eine künstliche Athmung durch - eine Trachealcanüle dem Vorgang der natürlichen Athmung vollkommen entspricht. Man sollte denken, dass die Lunge, welche durch positiven “Druck mit Luft gefüllt wird, bei jeder Inspiration die benachbarten Organe und vor allem das Herz comprimiren müsse. Dieser Druck würde sich in erster Linie auf die dünnwandigen Hohlvenen äussern und eine rückläufige 2 Welle erzeugen, die sich in den dem Herzen naheliegenden Venen nach- _ weisen liesse. Legt man durch einen Hautschnitt die Portio sternalis des M. pectoralis major der linken Seite frei und praeparirt von diesem Muskel so viel ab, dass die Vereinigungsstelle der Vena subelavia und cutanea magna frei zu Tage liegt, so lässt sich eine mässig lange Canüle durch die Hautvene bis in die obere Hohlvene hineinschieben. Wird diese Canüle mit einem _ eapillaren Rohr in Verbindung gebracht, in welchem sich ein Tropfen einer beliebigen Flüssigkeit befindet, so zeigen Bewegungen dieses Tropfens Druck- -schwankungen in der Vene an. Dieser Tropfen lässt nun nach Einleitung künstlicher Athmung auch bei starken Inspirationsbewegungen keine Schwan- ‚kung erkennen. Man muss daher vermuthen, das bei den nackten Amphibien Ein- Tiehtungen getroffen sind, welche das Herz vor dem Druck der Lunge schützen. | Der knöcherne Theil des Hyposternums lässt sich aus der Brustwand ausschneiden, ohne dass das Pericard oder eines seiner Haftbänder verletzt wird. Durch ein solches Fenster kann man beobachten, dass das früher | | | | | } 250 ÜONRAD GOMPERTZ: beschriebene Leberlungenband sich um so stärker anspannt, je mehr der Luftdruck in der Lunge wächst. Bei jeder Inspiration erleidet die Leber eine Verschiebung nach unten und gleichzeitig eine Drehung nach aussen. Der zwischen den beiden Leberlappen befindliche, zur Aufnahme des Herzbeutels bestimmte keilföürmige Raum bleibt aber bei allen Be- wegungen der Leber in gleicher Form und Grösse erhalten, indem er in verschiedenen Phasen der Respiration von verschiedenen Flächenstücken der Leber begrenzt wird. Nach Durchschneidung des Leber-Lungenbandes überlaeern Lunge und Leber bei jeder Inspiration das Herz und pressen das Blut aus dem vorher blutreichen Organ aus. Wir erkennen somit, dass das Leber-Lungenband durch seine Spannung die Ausdehnung der Lunge nach dem Herzraum zu verhindert und nach dem weiten Bauch- raum hinlenkt. Diese Wirkung des Leber-Lungenbandes wird dadurch noch unterstützt, dass es sich an die Aponeurose des inneren schiefen Bauch- muskels ansetzt, der sich zugleich mit dem Bande bei jeder Inspiration spannt. Nachdem sich gezeigt hat, dass die Bewegungen des Herzens durch. die Respirationsbewegungen keine Aenderung erleiden, dürfen wir dieselben so darstellen, wie man sie an einem nicht athmendem Thier nach Eröff- nung der Brustwand beobachtet. Von den Hohlvenen pflanzt sich eine Contractionswelle peristaltisch bis zum Sinus venosus fort. Der Sinus venosus contrahirt sich und füllt den Vorhof mit Blut, während sich der Eingang des Sinus in den Vorhof erweitert. Diese Erweiterung wird dadurch bedingt, dass die beiden halb- mondförmigen Leisten, welche von dem Rande des Sinuseinganges vor- springen und an die Vorhofsscheidewand befestigt sind, mit Entfaltung der letzteren während der Diastole auseinanderweichen. Unmittelbar nach der Erweiterung des Sinuseinganges verengt sich derselbe, indem sich die früher beschriebene Sphinetermusculatur contrahirt. Gleichzeitig nähern sich die beiden halbmondförmigen Leisten einander durch Contraction ihrer Muskel- fasern und die Contraction pflanzt sich auf Scheidewand und Vorkammer- wand fort. Dabei ändert die Scheidewand, welche während der Diastole des Vorhofs die linke Vorkammer mit convexer Oberfläche begrenzte, ihr Wöl- bung, indem sich ihre Convexität im Laufe der Contraction der rechten Vorkammer zuwendet. Diese Bewegung ist auf die Contraction der Muskel- fasern zurückzuführen, welche von der rechten Fläche der Vorhofsscheide- wand zur gegenüberliegenden Vorhofswand hinüberziehen. | Diese Vorgänge kann man beobachten, wenn man ein aus dem Kör- per ausgeschnittenes Herz durch eine in die Lungenvene eingebundene Canüle mit feuchter Luft füllt. Diese Füllung, mit der das Herz über 20 Minuten lang regelmässige Contractionen ausführt, macht die Sinuswand ÜBER HERZ UND BLUTKREISLAUF BEI NACKTEN AMPHIBIEN. 251 vollkommen durchsichtig, so dass man durch sie hindurch die Bewegungen der Sinusmündung verfolgen kann. Die Bewegungen der Vorhofsscheide- wand lassen sich bei einem mit Kochsalzlösung durchspülten Herzen durch ‚die Vorhofswand beobachten. | Um die Function der Atrioventricularklappen kennen zu lernen, kann - man ein Herz, dessen Gefässe abgebunden sind, in einem mit Kochsalz- lösung gefüllten Gefäss so aufhängen, dass die Herzspitze nach unten, die obere Vorhofswand nach oben gerichtet ist. Durch ein in die obere Wand - des rechten Vorhofs geschnittenes Fenster kann das Spiel der Atrioventricular- “klappen beobachtet werden, wenn man von Zeit zu Zeit mit einer Pipette, deren Spitze in das rechte Ostium venosum eingeführt ist, Kochsalzlösung in den Ventrikel füllt und die Pipettenspitze wieder aus dem Ostium heraus- _ zieht. Bei jeder Systole legen sich die Flächen der Atrioventricularklappen fest aneinander und weichen bei jeder Diastole nur wenig auseinander, so "dass das Ostium venosum verhältnissmässig eng bleibt. | Die Wirkung der Papillarmuskeln können wir aus der früheren ana- ‘tomischen Beschreibung herleiten. Wir sahen, dass diese Muskelbündel in _ die. Frontalwände der Hauptkammer übergehen und dass sich die Muskel- fasern dieser Frontalwände mit denen der sagittalen Nebenkammerwände verbinden. Auf diese Weise entsteht ein Papillarmuskelsystem dessen Contraction die Atrioventricularklappen einander und der Herzspitze nähern muss (Fig. 2). So lange das Herz vom Pericard um- schlossen ist, bewegt sich die Basis des Ven- ‚trikels bei der Contraction gegen die Spitze _ hin, während die letztere an ihrer Stelle ver- ' harrt oder zuweilen eine leichte Hebung zeigt. Oeffnet man den Herzbeutel, ohne das Herz aus seiner Lage zu verschieben, so bleibt der Modus der Contraction noch an- nähernd der gleiche, nur bemerkt man, dass auch die Spitze kleine Excursionen nach oben / und unten ausführt. Bringt man aber das Fig. 2. Herz irgendwie aus seiner normalen Lage Schematische Darstellung der bei- _ oder nimmt man es aus dem Körper heraus, den grossen Atrioventricularklap- - um seine Bewegungen bei künstlicher Füllung Pen und des Papillarmuskelsystems _ zu beobachten, so ändert sich der Modus der RN Contraction vollkommen, indem sich nun die Spitze mehr der Basis als die ” asis der Spitze nähert. Daraus geht hervor, dass die Bewegungen der '252 ÜONRAD GOMPERTZ: Herzkammer nicht allein durch die Muskelanlage, sondern auch durch an- | dere Umstände bestimmt werden. Nach der Betrachtung der gezeichneten Herzmuskelschemata würde man erwarten, dass sich die Spitze mehr der Basis, als die Basis der Spitze nähern würde. In einem System von Muskelfasern, die sich in verschie- denen Richtungen durchkreuzen, werden sich diejenigen Punkte bei der Contraction am wenigsten von ihrer Stelle bewegen, in welchen die meisten Faserrichtungen zusammentreffen. Diese Punkte müssten in die obere Hälfte des Herzens verlegt werden an die Stellen, wo die Muskelfasern aus den Frontalwänden der Hauptkammer in die Sagittalwände der Neben- kammer übergehen. Es müsste sich demgemäss die Spitze mehr der Basis, als die Basis der Spitze nähern, falls nicht andere Umstände die Bewegung beeinflussen. Zunächst könnte man vermuthen, dass die Spitze fixirt sei, weil sich die Herzmusculatnr gegen jeden fixirten Punkt der Peripherie hin zu contrahiren vermag. Aber die Spitze liegt vollkommen frei im Herz-, beutel und auch eine Durchschneidung des an der Rückfläche des Herzens befindlichen pericardialen Bandes, das nach Fritsch die Herzspitze fixiren soll, ruft keine Aenderung in dem Modus der Contraction hervor. Dann könnte man denken, dass die Contractionswelle peristaltisch von dem Vor- hof auf den Ventrikel übergeht und daher zuerst die Basis, zuletzt die Spitze zur Contraction veranlasst. Obschon manche Erscheinungen für die peristaltische Natur der Ventrikelcontraction sprechen, fehlt uns doch die Einsicht, wie sich eine Con- rm k traetionswelle in einem so complieirten Faser- AR: BL b’ system fortpflanzt. Endlich könnte man sich vorstellen, dass der Basalraum des Ventrikels, 4 Herzen kann man deutlich zwei Phasen in - welle in den Bulbus hineinschiessen, wäh- Schematische Darstellung der Formveränderung des Vorhofs und Ventrikels im Sagittal- spiegelnd erscheint, in der zweiten Phase nimmt die Oberfläche ein mattes und ge- schnitt. kerbtes Aussehen an, was auf eine Contraction | der Muskeln in der Peripherie des Herzens hinweist. Diese Beobachtung spricht dafür, dass sich zuerst der Haupt- blutraum contrahirt, dessen Muskelwände nicht an die Herzoberfläche ' Fig. 3. rend die Oberfläche des Ventrikels glatt und o’ welcher unmittelbar mit dem Bulbus com- A, 4.......o” municirt, sein Blut früher entleeren kann, als die Spitze. Bei grossen und blutreichen - der Contraction des Ventrikels unterscheiden. In der ersten Phase sieht man die Blut- er 1 [I j ÜBER Herz UND BLUTKREISLAUF BEI NACKTEN AMPHIBIEN 253 reichen und zuletzt die Seitenkammern, deren Muskelwände bis zur Ober- fläche hinziehen. | Während der Diastole des Ventrikels liegt die Ebene des Ostium veno- sum und arteriosum (Fig. 30’) tiefer als der vordere Rand der Ventrikel- basis (5) und am Ende der Contraction liegen beide in einer Ebene oder der vordere Rand der Ventrikelbasis (5”) liegt sogar tiefer, als die Ebene der Ostien (0”). Dadurch hat es den Anschein, als krieche der sich con- trahirende Vorhof in den sich erweiternden Ventrikel hinein, oder als ziehe er den letzteren über sich hinüber. Um die Bewegungen des Bulbus arteriosus zu beobachten, ist es zweckmässig, einzelne Punkte, deren Bewegungen man mit einander ver- gleichen will, durch Auflegen von weissen Papierstückchen zu markiren und durch eine mit einer Scala versehene Glasscheibe zu betrachten. Die Oscillationen der oberen und unteren Bulbusgrenze in der Rich- tung der Längsaxe sind einander gleich, d. h. der Bulbus folgt den Be- wegungen der Ventrikelbasis, mit der er verbunden ist, wie ein fester Kör- per. Während der Ventrikel sich contrahirt, wird der Bulbus scheinbar länger, indem das während der Diastole von dem vorderen Rande der Ven- _ trikelbasis überlagerte untere Ende sichtbar wird. Der von der Ventrikel- basis auf den Bulbus ausgeübte Zug wird vollständig auf die beiden Schlag- aderstämme übertragen und durch deren Elastieität ausgeglichen. Aber auch die Elastieität der Schlagaderstämme wird in geringem Maasse in An- spruch genommen, da dieselben nicht eine gerade Verlängerung des Bulbus- rohres bilden, sondern sich von diesem in einem Winkel abzweigen, der _ bei jeder Ventrikelcontraction sich verkleinert. Da der Bulbus durch die Bewegungen des Ventrikels keine Zerrung erleidet, muss man vermuthen, _ dass sein oberes und unteres Ende in einer im Vergleich zu den übrigen Bestandtheilen der Gefässwand festen Verbindung stehen. Eine solche Ver- bindung wäre in der knorpelharten Basalleiste der Spiralklappe gegeben. - Die beiden Punkte der Bulbusoberfläche, welche dem oberen und dem unteren Ende dieser Leiste entsprechen behalten bei allen Bewegungen des Bulbus ihre gegenseitige Lage bei. Auch kann man bei pigmentarmen, mit Koch- salzlösung durchspülten Herzen durch die Bulbuswand erkennen, dass die als weisse Linie sichtbare Basalleiste des Septum bulbi ihre Gestalt nicht ‚verändert. Bei der Füllung des Bulbus bewegen sich alle Punkte der "Bulbusoberfläche von einer bestimmten Linie ab, und bewegen sich bei der darauffolgenden langsamen Contraction des Bulbus wieder derselben Linie ‚entgegen und diese Linie entspricht der Ansatzlinie des Septum bulbi. Die Basalleiste der Spiralklappe ist demnach so angelegt, dass die BElasticität der Bulbuswand nicht durch die Zerrung der Ventrikelbasis, sondern aus- schliesslich durch den Seitendruck des Blutstroms in Anspruch genommen 254 ÜCONRAD GOMPERTZ: wird, d.h. dass sich im Bulbus ein möglichst grosser Theil der lebendigen Kraft des Blutstroms in Spannkraft umsetzt. Die Beobachtung der Bulbusbewegung lehrt uns nur, wie sich die feste Basalleiste, aber nicht wie sich die freibewegliche Fläche des Septums gegen den Blutstrom verhält. Nach Brücke’s Theorie soll sie sich in der zweiten Hälfte der Contraction des Ventrikels auf die Oeffnung des Lungenhaut- canals umlegen. Die untere Hälfte des Septums kehrt der Oeffnung dieses Canals eine convexe Oberfläche entgegen und wird in dieser Stellung durch elastische Kräfte erhalten. Soll daher der Blutstrom diese Fläche auf die Oeffnung jenes Canals umschlagen, so muss er diese elastischen Kräfte überwinden. Die Grösse der Stromkraft hängt aber von dem Druckunter- schiede zu beiden Seiten des Septums ab. Der Blutstrom wird daher das Septum um so vollständiger umzulegen vermögen, je mehr sich dieser Unter- schied einem Maximum nähert. Diese Bedingung suchte ich dadurch zu erfüllen, dass ich auf der Seite des Lungenhautcanals eine Ausflussöffnung in der Bulbuswand anbrachte. Durch eine solche Oeffnung beobachtete ich die Spiralklappe eines mit Kochsalzlösung schlagenden Herzens und über- zeugte mich, dass sich dieselbe bei jeder Ventrikelcontraction aufrichtet, indem sich ihre Krümmung ausgleicht, dass sie sich aber nicht auf die Oeffnung des Langenhautcanals herüberlegt oder diese verengt. Wenn auch die Beobachtung bei geöffnetem Bulbus wegen der Complicirtheit der hydraulischen Bedingungen keinen sichern Schluss auf die Verhältnisse bei geschlossenem Bulbus gestattet, so lässt sie es doch zweifelhaft erscheinen, dass der Blutstrom die Spiralklappe auf die Mündung des Canalis pulmo- cutaneus umzulegen vermag. Wenden wir uns nun zur Darstellung der Blutströmung. Schon lange hat man die Beobachtung gemacht, dass dem Unterschied in der Färbung des rechten und des linken Vorhofs ein ähnlicher in der Färbung der rechten und linken Ventrikelhälfte entspricht, und dass nach Abschneidung der Herzspitze aus der Schnittfläche rechts dunkelrothes und - links hellrothes Blut ausfliesst. Brücke hat zuerst gezeigt, dass man solche Farbenunterschiede bis in den Bulbus und selbst bis in die Schlag- atherstämme hinein verfolgen kann. Fritsch hält den Schluss aus dem Farbenton der Wand auf den des Inhaltes der Gefässe nicht für zulässig, weil Ungleichheiten der Wand Unterschiede in der Färbung vortäuschen können. Diese Täuschungen, deren Möglichkeit nicht geleugnet werden kann, lassen sich aber vermeiden, wenn man nur diejenigen Farbenunter- schiede für maassgebend hält, die während der Athmung hervortreten und nach Unterbrechung der Athmung wieder verschwinden. Bei einer athmenden Kröte lässt sich vollkommen deutlich beobachten, dass die linke Hälfte der dilatirten Herzkammer hellroth, die rechte dunkel- Über HERZ UND BLUTKREISLAUF BEI NACKTEN AMPHIBIEN. 255 _ roth erscheint und dass die Grenzlinie zwischen beiden Färbungen in der _ Verlängerung derjenigen Furche der Vorhofswand liegt, die wir als Ansatz- linie des Septum atriorum erkannt haben (Fig. 1,ef). Der Einwand Fritsch’s, dass die linke Seite eine grössere Muskelmasse und geringere Blutmenge als die rechte enthält und daher heller erscheint, trifft nicht zu, weil der Farbenunterschied nach Unterbrechung der Athmung verschwindet und bei Durchleitung von verdünntem Kaninchenblut nicht eintritt. Im - Ventrikel findet somit keine vollständige Mischung des arteriellen und venösen Blutes statt. Die Beobachtung der Blutfarbe durch die Wand des Bulbus ist da- durch erschwert, dass das Licht auf dem sich bewegenden Bulbusrohr un- regelmässig reflectirt wird. Ich konnte dennoch Brücke’s Beobachtung bestätigen, dass die rechte Bulbusseite in der zweiten Hälfte der Contraction des Ventrikels heller wird, während die andere durchweg dunkler erscheint, als die rechte. Auch verschwand .der Farbenwechsel der rechten Seite nach - Unterbrechung der Athmung, aber die linke Seite blieb dauernd dunkler als die rechte. Wir dürfen daher nur das Farbenspiel der rechten Seite dem Blutstrom zuschreiben. Bei jungen Kröten lässtsich ferner Brücke’s Beobachtung leicht eonstatiren, dass der Canalis carotico-lingualis hellroth, der C. aorticus etwas dunkler und der C. pulmo-cutaneus am dunkelsten aussieht. Gegen das Ende der Ventrikelcontraction windet sich eine helle Welle durch den An- fangstheil des Aortencanals, welche nach Unterbrechung der Athmung nicht “mehr sichtbar ist. Aber der C. caroticus erscheint auch nach Durchleiten von verdünntem Kaninchenblut durch das Herz heller als der C. aorticus | und der C. pulmo-cutaneus dauernd dunkler, als die beiden anderen Canäle. Wir können daher nur die helle Welle im Anfangstheil der Aorta als arterielle Blutwelle auffassen. | Betrachtet man endlich unmittelbar nach einigen kräftigen Athem- jewegungen die Arteria pulmonalis und Aorta so bemerkt man keinen deutlichen Farbenunterschied. Aus diesen Beobachtungen darf man schliessen, dass sich das arterielle ind venöse Blut im Ventrikel nur unvollständig mischt und dass in der rsten Hälfte der Contraction dunkleres Blut aus dem Ventrikel ausfliesst, Is in der zweiten Hälfte. Diese Erscheinung steht mit dem anatomischen jau des Ventrikels in vollkommenem Einklang. Der Hauptblutraum an der Basis des Ventrikels ist durch die beiden grossen Atrioventri- ülarklappen in eine rechte und eine linke Abtheilung getheilt und die agittalwände in der unteren Herzhälfte sind einer Mischung des Blutes ‚hinderlich. Die dem Bulbus zunächstliegende rechte Hälfte der Kammer kanıı ihr Blut früher auswerfen, als die entfernter liegende linke Hälfte. Ein Blick auf die gezeichneten Muskelschemata lehrt jedoch,. dass die “ 256 (ONRAD GOMPERTZ: Trennung des venösen und arteriellen Blutes sehr unvollkommen sein muss, weilalle Räume zwischen den Sagittalwänden an der Peripherie communiciren. Brücke ging bei seinen Untersuchnngen von der Erwägung aus „wie es unvernünftig sei, anzunehmen, dass der grosse und kleine Kreislauf trotz der ungleichen Widerstände, welche beide darbieten, von gleichen Kräften getrieben würden“. Er beobachtete, dass 'aus einer Oeffnung in der Wand des Canalis aorticus das Blut in hohem Strahl ausspritzte und langsam wieder abfiel, dagegen aus einer Oeffnung in der Wand des C. pulmo- cutaneus in kurzem Strahl hervorquoll und schnell wieder abfiel.e Bei der Wiederholung dieses Versuchs erhielt ich je nach der Grösse der Oeffnungen so verschiedene Resultate, dass ich keine bestimmten Schlüsse aus diesen Beobachtungen zu ziehen vermochte. Das Manometer allein konnte ent- scheiden. Wenn sich, wie Brücke’s Theorie verlangt, in der ersten Phase der Ventrikelcontraction Lungen- und Körperarterien, in der zweiten Phase aber durch Anlehnen der Scheidewand des Bulbus an die Oeffnung des Lungenhautcanals nur die Körperarterien mit Blut füllen, so müssen zwei in Aorta und A. pulmonalis eingesetzte Manometer zwei verschiedene Puls- curven aufweisen. (Grossen Fröschen, deren Gehirn und Rückenmark zerstört waren, wur- den die oberen Hohlvenen und die linke A. carotis abgebunden, eine Canüle in die linke Aorta, eine zweite in die linke A. pulmonalis nach Abbinden der linken A. cutanea magna, eine dritte in die Vena cava inferior und eine vierte in den rechtsseitigen Canalis aorticus unter gleichzeitiger Unter- bindung des rechtsseitigen C. pulmo-eutaneus und carotico-lingualis ein- gebunden. Nachdem das Herz mit Kochsalzlösung sorgsam ausgespült war um jedes Gerinnsel zu entfernen, wurden die beiden Canülen der links- seitigen Aorta und Pulmonalis mit zwei Manometern in Verbindung ge- bracht, deren Schwimmer senkrecht über einander auf eine rotirende Trommel schrieben. Durch die Canüle der V. cava inferior strömte verdünntes” Kaninchenblut in das Herz ein und durch die Canüle des rechten Canalis’ aorticus bei jeder Contraction des Ventrikels stossweise in ein untergestelltes Gefäss aus. Es zeigte sich nun, dass die Pulscurven der Lungen- und Körperarterie sich nicht von einander unterschieden. Beide stiegen isochron an, blieben eine Zeit lang auf der Höhe und fielen wieder isochron ab. Der Versuch wurde so modifieirt, dass einmal in die A. pulmonalis eine engere Canüle eingebunden war, als in die Aorta, ein anderes Mal umgekehrt, so dass’ Unterschiede in den Widerständen beider Gefässe willkürlich gesetzt waren. Unter diesen Umständen stieg die Pulscurve derjenigen Arterie höher an, in welcher sich die weitere Canüle befand; die Gestalt der Curven blieb aber die gleiche. Wir schlossen daraus, dass im Herzen, dem Bulbus und ÜBeEr Herz UND BLUTKREISLAUF BEI NACKTEN AMPHIBIEN. 257 den Schlagaderstämmen keine Einrichtungen vorhanden sind, welche einen Unterschied in den Pulscurven der Aorta und Pulmonalis hervorrufen. Fig. 4b. Die jedesmal erste Curve ist von der Aorta, die zweite von der A. pulmonalis ge- schrieben. 4c wurde geliefert während das Herz durch aufgelegtes Eis abgekühlt wurde. In der Art. pulmonalis sass eine engere Canüle als in der Aorta. Wir mussten uns fragen, ob denn, wie Brücke voraussetzt, die Wider- stände in den drei Blutcanälen der Schlagaderstämme wirklich verschieden sind. | Innerhalb der Schlagaderstämme setzen sich dem Blutstrom beträcht- liche Widerstände entgegen. Das Blut des C. carotico-lingualis durchströmt, bevor es in die A. lingualis einfliesst, das cavernöse Gewebe der Carotiden- drüse; dem Blutstrom im ©. aorticus ist eine von Brücke zuerst beschrie- bene Klappe mit ihrem Lumen zugekehrt; endlich findet das Blut im C. pulmo-cutaneus einen beträchtlichen Widerstand, der dadurch bedingt ist, dass der Querschnitt dieses Canals grösser ist, als die Summe der Quer- Schnitte der aus ihm entspringenden Gefässe. Alle diese Einrichtungen Sind in gleichem Maasse geeignet, die Entleerung des Blutes aus dem Bulbus und den Schlagaderstämmen zu verzögern und lebendige Kraft in Spann- kraft umzusetzen. Sie bedingen keinen Unterschied in den Widerständen der drei Blutcanäle. Die Kreislaufbedingungen in der Lunge des Frosches unterscheiden ‚sich wesentlich von denen der Säugethierlunge, indem alle Gefässe und Capillaren unter dem positiven Druck der Lungenluft stehen. Die künst- Archiv f. A.u. Ph. 1884. Physiol, Abthlg. 17 258 ÜONRAD GOMPERTZ: liche Athmung, welche den Kreislauf der Säugethierlunge zu beeinträchtigen, ja selbst zu unterbrechen vermag, entspricht dem normalen Athmungs- vorgang der Froschlunge. Um das Verhalten der Lungengefässe während der Athmung kennen zu lernen, beobachteten wir Gestalt und Füllung der Blutgefässe an der Oberfläche der Froschlunge bei verschiedenen Graden der Luftfüllung.! Die an der Oberfläche der Lunge entsprechend den Alveolarkanten verlaufenden Venen sind bei zusammengefallener Lunge diekwandig und an allen Stellen eylinderförmig. Mit wachsender Luftfülllung wird die Gefässwand dünner und zwischen je zwei Alveolarecken bilden sich Einschnürungen des Ge- fässrohres, so dass die einzelnen Gefässstücke aus zwei abgestumpften und mit den stumpfen Flächen aneinandergelegten Kegeln zu bestehen scheinen; gleichzeitig entstehen an den Alveolarecken cavernöse Verzerrungen des Gefässrohres entsprechend der Zugrichtung der sich kreuzenden Gefässe. Die Zwischenräume zwischen den Capillargefässen gehen mit wachsender Luftfüllung von einer langgestreckten elliptischen Form nach und nach in” eine kreisrunde über. Diese Beobachtungen zeigen, dass die Elasticität .der Gefässwände bei den Respirationsbewegungen in hohem Grade in Anspruch genommen wird und dass daher die Widerstände in der a bei der Inspiration sehr gross sein müssen. Bedenkt man ferner, dass der Canalis pulmo-cutaneus, wie sein Name besagt , nicht nur die Irene! sondern auch die Hautarterie abgiebt, welche die Bauch- und Rückenhaut mit Blut versorgt, zahlreiche Anasto- mosen mit den Gefässen des grossen Kreislaufs eingeht und sich in ein Capillarnetz auflöst, dessen Venen in die oberen Hohlvenen einmünden, so muss man annehmen, dass die Widerstände im Lungenhautcanal nicht geringer sind, als in den übrigen Canälen der Schlagaderstämme. 2 Diese Erwägungen führen uns zu einer anderen Auffassung der Me- chanik des Blutkreislaufs bei den nackten Amphibien. } Aus einer Vergleichung des Durchmessers der Hohl- und Lungenvenen und der ihrem Inhalt zukommenden Drücke ergiebt sich ein bedeutendes Uebergewicht der Stromstärke des venösen über das arterielle Blut. Soll nun das letztere befähigt sein stetig in das Herz einzufliessen, so muss ihm eine besondere von der venösen getrennte Mündung offen stehen und da- mit ist die Zerfällung des Vorhofs in zwei von einander geschiedene Ab- theilungen verlangt. Der Forderung für ein ungehemmtes Einströmen des Arterienblutes in den Raum des Vorhofs ist besonders noch dadurch ge- nügt, dass die Scheidewand auch bei ihrer grössten Spannung im Zustande ! Vergl. Küstner, Beitrag zu den Kreislaufverhältnissen in der Froschlunge. Yirchow’s Archiv u.s.w. Bd. LXI. ÜBER HERZ UND BLUTKREISLAUF BEI NACKTEN AMPHIBIEN 259 der Diastole sich niemals an die freie Wand der linken Vorhofsseite fest anlegen und desshalb auch nicht den vollen Druck des venösen auf das ‚arterielle Atrium übertragen kann. Hat sich in Folge der bestehenden Ein- riehtung der diastolische Vorhof beiderseits mit Blut gefüllt, so wird beim Eintritt der Systole auf beide Abtheilungen des Vorhofs ein gleicher Druck _ ausgeübt und damit werden beide gleichzeitig entleert werden können. — An einer vollkommen gleichmässigen Mischung in der Herzkammer sind dann die Blutarten durch die geschilderten anatomischen Einrichtungen _ verhindert. Da aber in der Zeiteinheit aus den Lungenvenen weniger Blut als aus den Körpervenen zum Herzen gelangt, so darf auch keine vollkommene Trennung des Abflusses beider Blutarten ähnlich wie bei dem Warmblüter bestehen, denn diese fordert, gleichen Rhythmus der Systolen in beiden Ven- trikeln vorausgesetzt, bekanntlich Gleichheit der Stromstärke in dem kleinen und grossen Kreislauf. Mit dem Beginn der Zusammenziehung befreit sich nun die Kammer des Froschherzens zuerst von dem venösen der Aorten- zwiebel zunächst gelegenem Blute, dem in einem späteren Stadium der _ Systole das arterielle folgt. Wie sich vom Bulbus das arterielle und venöse Blut auf die sechs Bluteanäle der Schlagaderstämme vertheilt, ist noch nicht völlig aufgeklärt; nur so viel steht fest, dass in den Aortencanal, welcher vermöge seiner ventralen Lage der Beobachtung am zugänglichsten ist, im Beginn der Ventrikelsystole dunkleres Blut einströmt, als gegen Ende derselben. Die - Kräfte, welche das Blut aus dem Bulbus in die Schlagaderstämme hinein- - treiben, werden zunächst von der Kammermusculatur und nach vollendeter - Ventrikelsystole von der Bulbusmuseulatur geliefert. Das Füllungsverhältniss der sechs Blutcanäle muss von den Widerständen abhängen, welche der Blutstrom beim Uebergang von den Schlagaderstämmen in die Arterien und in den Verzweigungen der letzteren erfährt. Die Gleichheit der Puls- eurven in den aus den Schlagaderstämmen hervorgehenden Arterien lehrt, dass die Widerstände am peripheren Ende der Schlagaderstämme für alle -Bluteanäle gleich sind. Da weiterhin der physikalische Vorgang der Ath- mung bei den nackten Amphibien grosse Widerstände in den Lungen- gefässen bedingt und da nur der kleinere Theil des in den €. pulmo- eutaneus einströmenden Blutes der Lunge der grössere Theil der Bauch- und Rückenhaut zugeführt wird, so muss man annehmen, dass die Wider- Stände im Verbreitungsgebiet der aus dem €. pulmo-cutaneus hervorgehenden Arterien nicht geringer sind, als in den übrigen. Es erscheint daher die einkammerige Herzhöhle der nackten Amphibien auch in dem Sinne zweck- mässig, dass die Gleichheit der Widerstände in den aus dem Herzen ent- springenden Gefässen Gleichheit der treibenden Kräfte voraussetzt. Dass die Lehre vom Blutkreislauf der nackten Amphibien noch manche Ri Zn 260 (GOMPERTZ: KREISLAUF BEI NACKTEN AMPHIBIEN. Unklarheiten bietet, bedarf wohl kaum der Erwähnung. Der Kreislauf der Lunge und der Haut, die Vertheilung des arteriellen und venösen Blutes in den Blutcanälen der Schlagaderstämme, das Verhalten der freibeweg- lichen Fläche des Septum bulbi im unverletzten Organ — fordern zu neuer Untersuchung auf. Erklärung der Abbildungen. Taf. IV. Fig. 1. Vordere Hälfte — Frontalschnitt — rechts oben Bulbus arteriosus — links oben Ostium atrioventrieulare — im oberen Theil des Ventrikels vordere frontale Hauptkammerwand — im unteren Theil acht sagittale Nebenkammerwände (perspec- tivisch verkürzt) — die Klappen fehlen — das periphere Anastomosensystem ist nicht eingetragen. (Vergl. Fig. 3.) Fig. 2. Linke Heırzhälfte — Sagittalschnitt — oben Ostium atrio-ventrieulare — frontale Hauptkammerwände (perspectivisch verkürzt) — eine sagittale Nebenkammer- wand vollständig dargestellt — die übrigen Sagittalwände durch die erstere verdeckt. Fig. 5. Eine Nebenkammer (in perspectivischer Verkürzung) — zwei Sagittal- wände mit peripherem Anastomosensystem. | Fig. 4. Septum atriorum mit den halbmonäförmigen Leisten des Sinuseinganges und den beiden Atrioventricularklappen in einer Ebene ausgebreitet. Fig. 5. Bulbus arteriosus — Ansicht von vorn rechts — vordere Wand aus- geschnitten — unten links das Ostium arteriosum — die Spiralklappe, oben in die Trichterklappe übergehend — unter der letzteren der Eingang in den Lungenhaut- canal — über derselben Eingang in die Körpercanäle — die Schlagaderstämme durch zwei Scheidewände in drei Canäle getheilt — die Semilunarklappen fehlen. Die Wärme des erregten Säugethiermuskels. Zweite Abhandlung. ! Von R. Meade Smith. Aus dem physiologischen Institut zu Leipzig. | Ueber die contractilen, thermischen und elektrischen Wirkungen des erregten Muskels würden wir nur wenig unterrichtet sein, hätte das aus- geschnittene Praeparat des Kaltblüters der Untersuchung nicht zu Ge- bote gestanden; dass es uns aber die Leistungsfähigkeit des Muskels in seinem vollen Umfange aufzudecken vermöchte, wird Niemand behaupten wollen. Vielleicht würden wir uns auf den Gebrauch des ausgeschnittenen _Froschmuskels beschränken dürfen, wenn der Verlust an reizbaren und die Anhäufung an verbrauchten Stoffen, welche jede Erregung bewirkt, der Masse nach gegen den Vorrath des Muskels an verfügbaren Kraftmitteln ausser Betracht fielen. Hieran ist jedoch nicht zu denken; die mit der Wiederholung ler Erregung fortschreitende Abnahme aller Befähigungen spricht deutlich ür eine sehr bemerkbare Verminderung der reizbaren Stoffe und für noch yeiter greifende Aenderungen, die ungleich wachsenden Ermüdungen der ss ibfähigkeit und der Wärmebildung, welche Heidenhain aufgefunden hat. _ Wenden wir uns von dem überlebenden Praeparate, zu dem vom Blute urchströmten, lebendigen Muskel, so finden wir, dass er weit länger auernde Reize als jener erträgt, ohne seine Hubfähigkeit einzubüssen und ass er in einer auf die Ermüdung folgenden Ruhezeit sich weit rascher nd vollständiger erholt, als wenn er den Blutwechsel entbehrt. — In vücksicht auf den Umstand, dass auch der blutleere ermüdete Muskel 1 Siehe dieses Archiv, 1881. 8. 105. 262 R. MEADE SMITH: durch Ruhe einen Theil seiner Hubfähigkeit wiedergewinnt, wird man schliessen dürfen, dass im Innern des Muskels Stoffe liegen, die sich im Verlaufe der Zeit aus trägen in reizbare umwandeln. Obwohl auch sie aus dem Blute stammen, so wird doch zu ihrer Ergänzung eine stetige Berührung von Muskel und Blut nicht gefordert werden, wenn auch, wie wahrscheinlich, ihre Anhäufung oder ihre Umbildung durch das anwesende Blut begünstigt wird. Verschieden hiervon muss die Wirkung des Blutes gelten, welche - dem Muskel eine grössere Dauerhaftigkeit seiner Leistungen während einer fortgesetzten Reizung sichert; sie kann nur als eine stetige und unmittelbar eingreifende angesehen werden. In der Verschiedenheit des Gasgemisches, welches aus dem arteriellen und venösen Blute des erregten Muskels ge- wonnen wird, finden wir einen stofllichen Ausdruck für die Augenblicklich- keit des Antheils, welchen das Blut an den chemischen Vorgängen im Innern des erregten Muskels nimmt. Sollte das, was für den Hub gilt, nicht auch auf die Wärmebildung anwendbar sein? Um hierüber Aufschluss zu erhalten, musste die Tem- peratur gemessen werden, welche der gleich stark gereizte Muskel annahm, ein Mal während er von dem Blutstrom durchspült und ein anderes Mal während er aus dem Kreislauf ausgeschaltet war. Zur Lösung der Frage hatte ich schon in meiner früheren Versuchsreihe einige Beobach- tungen ausgeführt, welche ergaben, dass der stromlose Muskel sich nicht bloss weniger erwärmt, dass er auch eine geringere Wärmemenge liefert, als der durchströmte. Die damals zur Absperrung des Blutstroms ver- wendeten Operationen waren jedoch sehr zeitraubend und brachten den Nächtheil, dass wenige Minuten vor der beginnenden Reizung die schützende Umhüllung von dem zur Messsung der Temperatur benutzten Schenkel ent- fernt werden musste, so dass eine das Ergebniss des Versuchs trübende Abkühlung der Haut unvermeidlich blieb. — Reinere Resultate und eine mannigfachere Abänderung des Versuchs versprach eine neue Methode für die Unterbrechung des Blutstroms, mit welcher ich durch Hrn. Professor - C. Ludwig bekannt gemacht wurde. Ihre Anwendung beruht auf der Eigenschaft der Kautschukröhren, dass durch einen in ihrem Innern her- gestellten hydrostatischen Druck die gesammte Wand nicht gleichmässig, dass vielmehr ein beschränkter Abschnitt derselben blasenförmig auf- getrieben wird; desswegen können mit dünnwandigen und engen Kautschuk- röhren die Lumina bedeutend weiter Gefässe verstopft werden, insbesondere aber lässt sich durch die Ausweitung eines Kautschukröhrchens, welches durch die Art. subelavia in die Brustaorta eingebracht ist, die Lichtung der letzteren vollständig absperren. Zur Erzielung des beabsichtigten Er- folges diente: Aus einem biegsamen sogenannten elastischen Katheter von 2m Durch- Dıe WÄRME DES ERREGTEN SÄUGETHIERMUSKEIS. 263 messer wird ein 100mm Janges Stück herausgeschnitten, an einem seiner Enden wird ein feines dünnwandiges Kautschukrohr von 30 bis 40 wm Länge mit feinen Fäden fest angebunden und in dessen Mündung ein kleiner - konischer Metallknopf durch Einbinden befestigt. An das zweite Ende des Katheters wird ein feines Metallrohr eingeschnürt, welches nach oben in eine mit einem Hahn verschliessbare leichte Canüle ausläuft. In die Mün- dung der Canüle ist der Conus einer 4 bis 5" fassenden Glasspritze ein- seschliffen. Um die biegsamen Theile des zur Verstopfung dienenden Rohrs ‚bei seiner Einführung in die Arterie mit Sicherheit führen zu können, wird in sein Inneres bis zum Metallpfropf des Kautschukröhrchens ein feiner _ Kupferdraht eingesteckt, und dessen aus der Canüle ragende Fortsetzung mit einer Oese versehen, die mit einem Faden an den Hahn angebunden wird, so dass die Lage des Drahtes in der Röhre gesichert bleibt. Zum Aufblähen des Rohres diente !/,procentige NaQl-Lösung. Vor der An- stellung des physiologischen Versuchs empfiehlt es sich zu prüfen, welche Ausdehnung das Röhrenstück ohne zu zerreissen verträgt, und welche -Flüssigkeitsmenge hierzu nothwendig ist. _ Um die Lichtung der Aorta descendens verstopfen zu können, muss die eben beschriebene Röhre. durch die Art. axillaris sinistra des Hundes eingeführt werden. Dieses Gefäss muss deshalb in seinem Verlaufe über die erste Rippe aufgesucht, in genügender Ausdehnung freigelegt und doppelt unterbunden werden. Treten im Bereich des praeparirten Stückes grosse Aeste ab, so ist der Eröffnung des Stammes seine Unterbindung voraus- zuschicken. War nach Vollendung der operativen Vorbereitung die Röhre in die Art. axillaris eingeschoben, und glaubt man aus der Richtung und ‚der Länge ihres Fortschreitens schliessen zu dürfen, dass sich das Kautschuk- | röhrchen in der Aorta descendens befinde, so muss man sich von dem Ge- ' lingen durch weitere Prüfung überzeugen. Als Hülfsmittel dient hierbei der Nachweis, dass die Carotiden und die Schlagaderströme des rechten , Armes noch pulsiren, die der unteren Extremitäten dagegen blutleer ge- worden sind. Weil es aber ganz vorzugsweise darauf ankommt, von der vollständigen Unterbrechung des Stromes in den unteren Extremitäten über- zeugt zu sein, wird es nothwendig in eine der beiden Schenkelarterien eine Canüle und an diese ein Hg-Manometer einzufügen. Ist die Stopfröhre in die Aorta geschoben und ihre Ausdehnung durch die Einfüllung der vorher abgemessenen Flüssigkeitsmenge bewirkt, so sinkt, wenn die letztere am ichtigen Orte lag, der Druck in der Schenkelarterie während weniger Se- eunden auf Null herab und wird dann der Inhalt des Schlauches, welcher sich von der Canüle zum Manometer hinerstreckt in die Arterie hineingepresst, 80 sinkt das Hg unter seinen Nullpunkt und verharrt auf dieser Stellung 80 lange, als die Stopfröhre ihre volle Schuldigkeit thut. — Wird darauf EEE NN | —__ 264 R. MeADE Suite: der Hahn an der Canüle des Stopfrohres geöffnet, so spritzt die NaCl- Lösung im Strahle aus und fast gleichzeitig geht auch der Druck in der Schenkelarterie wieder empor. Wie es nach bekannten Erfahrungen zu er- warten war, erreicht jedoch der Druck in der Schenkelarterie meist nicht schon im Verlaufe der ersten Minute den vor dem Verschluss der Aorta innegehabten Stand; auf ihn gelangt er erst, wenn die Erschlaffung der Gefässwände aller blutleer gewesenen Stromgebiete wieder verschwunden. ist. Nach der Wiederherstellung des normalen Tonus, in seltenen Fällen erst nach Verfluss von mehreren Minuten stellt sich jedoch in der Schenkel- arterie der ursprüngliche Druck wieder ein. Einige Beispiele hierfür sind; Druck in der Art. eruralis vor der Absperrung 134”" Hg. Die Aorta war während 5 Minuten verschlossen. 30 Secunden nach Wiedereröffnung der Aorta Druck in der Schenkelarterie 65" Hg und 4 Minuten später 129%, Ho. Druck vor der Absperrung 100”® Hg. Die Aorta bleibt 15 Minuten geschlossen, 1 Minute nach Wiedereröffnung 100 ”", Jedenfalls halte ich es für nothwendig, während der ganzen Dauer ‘eines Versuches das Manometer mit der Cruralarterie in Verbindung zu lassen, um stets von den Druckwerthen Nachricht zu erhalten, welche dem Strom durch den Schenkel zur Verfügung stehen. Um so mehr halte ich dieses für geboten, nachdem ich sah, dass zuweilen das abschliessende Röhrchen, weil die Aorta ausgeweitet oder das Kautschuk geplatzt war, nicht mehr dicht hielt. Besteht die Absicht, an demselben Thier die Aortenlichtung mehrmals nacheinander zu verstopfen und wieder zu öffnen, so ist es zweck- mässig das entleerte Röhrchen liegen zu lassen. Die Stromkraft wird nicht beeinträchtigt und Gerinnungen wurden nicht bemerkt, auch wenn das- selbe mehrere Stunden hindurch in der Aorta verweilt hatte. Die Section lehrte, dass in meinen Versuchen, welche an Hunden von | 20 bis 25er Körpergewicht ausgeführt wurden, das Stopfrohr etwa in der Mitte zwischen dem Ursprung der Axillaris und dem Zwerchfell gelegen war. Aus dieser Stellung erklärten sich die öfter eingetretenen dyspnoe- tischen Anfälle der Thiere, wenn die Verstopfung durch viele Minuten hin angedauert hatte. Da ich stets die Operation während einer tiefen Narkose ausführte, die durch Injection gelösten Chloralhydrats in die Venen er- | zeugt war, so hatte ich ohnedies die Anlegung einer Luftröhrenfistel für geboten erachtet, um so lange künstliche Athmung einzuleiten, bis ein durch zu starke Vergiftung eingetretener Stillstand der natürlichen wieder gehoben war. — Die Möglichkeit, von der künstlichen Athmung Gebrauch zu machen, kam nun auch dem schweren Athem zu statten, welcher die” Verstopfung der Aorta begleitete. Im Uebrigen wurde bei diesen Versuchen ähnlich wie in den früher DıE WÄRME DES ERREGTEN SÄUGETHIERMUSKELS. 265 mitgetheilten verfahren. Von zwei miteinander verglichenen feinen in )-1 Grade eingetheilten Thermometern, war einer durch die Art. carotis dextra bis in den Aortenbogen geführt, das zweite sass stets rechterseits unter der Fascie zwischen M. vastus externus und M. vastus profundus durchweg von rothem Fleische umhüllt; dorthin war es durch einen möglichst kleinen - Schlitz durch die Haut und die Fascia gebracht worden. Der N. cruralis war hoch am Schenkel durchbunden und in die Elektroden aus Hartgummi ein- gelegt. Die Condylen des Femur waren eingeklemmt und an den freibeweg- lichen Unterschenkel ein Gewicht von stets 500” angeschnallt, welches mittels eines Zeigers seinen Hub auf einer in Millimeter getheilten Scala angab, allesin der auf S. 106 und 107 meiner früheren Abhandluug beschriebenen Weise. Auf die Umhüllung des rechten Oberschenkels mit möglichst dicken Lagen schlechter Wärmeleiter wurde die grösste Sorgfalt verwendet und besonders darauf geachtet, dass die Hülle während der gesammten nach Stunden zählenden Versuchszeit unverrückt liegen blieb. Der grösste Theil der Beobachtungen ist im Mai, Juni und Juli angestellt worden. Mehrfach habe ich mich davon überzeugt, dass nach einem längeren Bestand der Einwicklung die Temperatur der Haut im Maximum nur noch um 0-7 bis -0°8°C. unter der des ruhenden Muskels stand. Wahrscheinlich würde es gelingen, auch diesen Unterschied zu beseitigen, wenn man unter Verzicht auf die Notirung ihrer Bewegung die Pfote und den Unterschenkel in Wolle einbetten würde. | | Aus der Berücksichtigung der Verhältnisse, unter welchen die Tem- _ peratur des Muskels gemessen wurde, erwuchs die Hoffnung, dass in kurzen, wenige Minuten umspannenden Zeiten, die in seiner Masse vorhandene Wärme merklich nur durch das Blut abgeleitet werden könne. Auf diesen vichtigen Punkt hatte sich zunächst die Aufmerksamkeit zu richten; Ent- eheidung musste das Verhalten des in den ruhenden Muskel eingesenkten [hermometers bringen. Die Voraussetzung verlangte zu ihrer Bestätigung, lass die Temperatur, welche der Muskel unmittelbar vor der Unterbrechung. eines Blutstroms besessen hatte, während der Dauer der Aortensperre un- erändert blieb, dass dagegen mit der Wiederkehr des Blutstroms sich eine asche Aenderung derselben in dem Sinne einfinde, in welchem sie von dem vischen Muskel und Blut bestehenden Unterschiede verlangt wurde. Um ü erkennen, in wie weit die Thatsachen der Unterstellung entsprachen, ard es nothwendig, die Temperatur zu beachten, welche das aus dem ierzen strömende Blut während der Dauer einer Aortensperre aufzeigt. 266 R. MEADE SmimH: Die Ablesung des durch die Art. carotis bis in den aufsteigenden Schenkel des Aortenbogens eingeschobenen Thermometers ergab ausnahmslos, dass sich nach der Verstopfung der Aorta descendens das im offenen Reste des Gefässbaums kreisende Blut abkühlte. Von der Grösse und dem Ver- lauf der :Temperatursenkung gewähren die nachfolgenden Zahlen eine An- schauung; in ihrer ersten Reihe steht die fortlaufende Zeit in Minuten; bei 0 erfolgte die Verschliessung der Aorta. In der zweiten Reihe sind die Temperaturen verzeichnet, welche nach Verfluss der darüberstehenden Minute abgelesen wurden; bewegt sich die Aenderung innerhalb eines gleich- namigen Temperaturgrades, so ist die ganze Zahl nur im Anfang der Reihe, später aber nur sein Bruchtheil hingeschrieben. In der dritten Reihe finden sich die in je einer Minute stattgehabten Verluste. — Die vier mitgetheilten Beobachtungen stammen von vier verschiedenen Thieren her. I. Fortlaufende Zeit 0 1 2 3 4 5 6 Min. Temperatur des Blutes 36-15 -05 35-95 -90 .85 80 .76°C. | Verlust für je l Min. 0:10 0-10 0:05 0.05 0.05 0.04 Während einer Aortensperre vor 6 Minuten Dauer sank die Temperatur um 0°39°C. II. Fortlaufende Zeit 0 1 3 5 Y 9 11 Min Temperatur des Blutes 34.56 -42 .26 2 20 20 .20°%0° Verlust für je 1 Min. 0.14 0.8 - 0-2. 770-1 ED DEE Während einer Dauer der Aortensperre von 11 Minuten sinkt die Temperatur in den ersten 7 Minuten um 0.36°C. und verharrt in den weiteren 4 Minuten auf dem niederen Stand. III. Fortlaufende Zeit 0 1 2 5) 10 Min. Temperatur des Blutes 38-36 -15 +13 +06 06°C. Verlust für je 1 Min. 0.21::0:02:20803. 00599 Während einer Dauer der Aortensperre von 10 Minuten sinkt in den ersten 5 Minuten die Temperatur um 0.30° C und verharrt von da ab auf dem niederen Stand. IV. Fortlaufende Zeit 0 1 5, 7 5 10 15 Min. Temperatur des Blutes 39.50 -30 832.27 .25 +20 2008 Verlust für je 1 Min. 0.20 +0-.01 —0-01 +0°02 0:02 0.00 Während einer Dauer der Aortensperre von 15 Minuten sinkt unter einem vorübergehenden Ansteigen die Temperatur in den ersten 10 Minuten um 0-30°C. und verharrt von da ab auf dem niederen Stand. Die WÄRME DES ERREGTEN SÄUGETHIERMUSKELS. 267 Nachdem der Kreislauf durch Abdämmung des Abflusses in die untere auf die obere Körperhälfte beschränkt ist, stellt sich im Blute zwischen Wärmegewinn und Verlust ein neues Gleichgewicht auf einer niederen Temperaturstufe her, mit einer während der Absperrungsdauer abnehmenden Geschwindigkeit. Vorausgesetzt dass die Strömung zu und von den unterhalb des Zwerch- fells gelegenen Gefässgebieten vollständig unterbrochen ist, wird die Tem- _peratur des im oberen Bezirke kreisenden Blutes durch das Entstehen einer neuen Wärmequelle in dem unteren nicht beeinflusst werden können. Wird sine solche durch die Erregung der Schenkelmuskeln eröffnet, so verläuft die von der Carotis gelieferte Temperaturcurve genau in der beschriebenen Weise; nur zuweilen scheint eine Ausnahme von dem geschilderten Ver- halten einzutreten; die anfänglich herabgestiegene Hg-Säule des Thermo- meters geht wieder empor, wie dieses z. B. in der vierten der oben mit- getheilten Beobachtungen in der 3. Minute nach dem Aufblähen der Gummi- F führe geschah. Beachtet man, wenn sich dieses ereignet, den Stand des in lie Art. cruralis eingesetzten Manometers, so zeigt dasselbe jetzt einen über [en Nullpunkt emporgegangenen Druck an; offenbar weil der Aortenverschluss ‚undicht geworden ist. Zur Wiederherstellung der vollkommenen Sperre wird alsdann die Einführung einer weiteren Menge von NaCl-Lösung in die Röhre nothwendig. Dem Sinken der Temperatur im Carotisblut folgt ein Steigen, wenn der Aortenverschluss nach minutenlangem Bestehen wieder beseitigt wird, je zu erwarten. Ueberraschend war es dagegen, dass die Temperatur des Carotisblutes nach der Wiederherstellung des gesammten Kreislaufs über - den Grad hinaufstieg, welcher vor der Aortensperre abgelesen war, obwohl ' das Thier während der Dauer der letzteren in tiefer Narkose und unbe- - hellist von jedem reizenden Eingriff dagelegen hatte. So fand sich unter ‘Anderen bei drei verschiedenen Thieren: Vor der Herbei- nach Wegräumen ze führung am Ende des Aortenverschlusses SE Temperatur 89.18°C. 39.09°C. 39.270C. 2. M 37-97 „ 37. 70,;, 38-10, 7 39:23. ,; 89:05 „ 39-30: „ Wenn das kühler gewordene Blut, indem es die bisher stromlosen Ge- ‚biete durchsetzt hatte, mehr Wärme zurückbringen konnte, als vor der Ab- ng der Aorta, so musste sich während der stromfreien Zeit in den 'ganen Wärme angehäuft haben. Ob sich in der That in den nicht ürchströmten Geweben und Organen ein der postmortalen Temperatur- Steigerung ähnlicher Vorgang nachweisen lasse, schien mireines Versuches werth. Hi 268 R. MEADE SMITH: Der Körper des in Chloralnarkose befindlichen Hundes war von der Bauchseite her mit Watte bedeckt; die Rückenseite lag auf einer Tisch- platte aus Holz. Genau miteinander verglichene Thermometer wurden unter die Haut des Schenkels, in die Nähe des Femurs, in den Unter- schenkelstrecker, in die Vagina und durch die A. carotis dextra in den Aortenbogen gesenkt. Der Versuch ergab: Haut. Knochen. Muskel. Vagina. Aortenblut, Vor der Absperrung der Aorta 37:67 38-30 38-38 38.25 37.97°C, Drei Min. nach vollendeter . . ° . . 0 a N 37.61 38-32 38.38 38-32 37-7000, Nach der Wiedereröffnung der Aortenlichtung wurde das Thier 17 Mi- nuten hindurch sich selbst überlassen und dann die Absperrung der Aorta wiederholt. Während dieser Zeit hatten sich die Temperaturen in einzelnen ' der vorgenannten Orte verändert. Es besassen unmittelbar: Haut. Knochen. Muskel. Vagina. Aorten bin Vor der Absperrung der Aorta 37-60 38:30 38-41 38.38 .38-.13°C, 9 Min. nach vollendeter | 37:10 38-37 33.48 38.50 37-85 Absperrung J \ Die erreichten Aenderun- | unten —0°50 +0.07 +0:.07 +0.12 —0:28 , An den Orten, an welchen bis dahin ein stetiges Anwachsen der Tem- peratur sichtbar gewesen war, begann nun ein allmähliches Sinken. Als die Absperrung der Aorta noch 6 Minuten, im Ganzen also 15 Minuten angedauert hatte, standen die Temperaturen in | der Haut, dem Knochen, dem Muskel, der Vagina, dem Aortenblut. 36-85 38-35 38.42 38.45 37.80°C. Als aber der Aortenverschluss beseitigt war, fanden sich 9 Minuten später die Temperaturen in der Haut, dem Knochen,‘ dem Muskel, der Vagina, dem Aortenblute. 31.28 38.20 38:28 38.37 37-9008 Für die Absicht, in welcher er angestellt war, genügte der Versuch. | In den stromlosen Körpertheilen kann mehr Wärme als nach aussen hin abgegeben wird entstehen; kehrt der Blutstrom zurück, so führt er den auf- gehäuften Vorrath mit sich fort. , Nicht mit Stillschweigen möchte ich eine Beleuchtung übergehen, die durch das Ergebniss der Beobachtung dem Verfahren zu Theil wird, aus | mr. DıEe WÄRME DES ERREGTEN SÄUGETHIERMUSKELS. 269 der Zu- und Abnahme der Temperatur eines Körpertheils auf eine gleich- sinnige Aenderung in der Stärke des Blutstromes zu schliessen. Hier zeigt sich, dass die Verstärkung des Blutstromes je nach dem Verhältniss zwischen seiner und der Eigentemperatur eines bestimmten Körperorts sehr ‘verschieden wirken muss und wie wenig man berechtigt ist, einen Schluss, der für die Haut giltig ist, auch auf den Muskel auszudehnen. Durch einen reichlicheren Zufluss von Blut wird die kühle, starken Verlusten ausgesetzte Haut höher, der warme Muskel dagegen niedriger temperirt werden müssen. Auf Grund hiervon werden die Vorstellungen hinfällig, welche man sich über die Aenderungen des Blutstromes in den Muskeln in Folge der Durch- schneidung bestimmter Nerven gebildet hat. | Eine für den ferneren Verlauf und die Bedeutung meiner Versuche "wichtige Frage war es, ob sich die im oben mitgetheilten Falle beobachtete Erscheinung dahin verallgemeinern lasse, dass der ruhende Muskel, dessen | B utstrom unterbrochen war, stets befähigt sei, sich zu erwärmen. Vermochte er unzweifelhaft nur geringe Stoffumsatz, welcher im ruhenden stromlosen Muskel vor sich geht, eine Wirkung auf das Thermometer zu äussern, so dürfte mit Gewissheit behauptet werden, dass der Ort, an welchem die Wärme gemessen wurde, nur von höchst geringfügigen abkühlenden Ein- flüssen betroffen werde. In zahlreichen Beobachtungen an sechs verschie- denen Thieren ergaben sich die folgenden Resultate: | Temperatur des ruhenden z Temperatur des Arterien- Muskels während der Ab- | "jutes während der Ab- Dauer der = sperrung der Aorta. IN 5 Absperrung. Am Beginn. | Am Ende. ana 2 34.69 36.64 34.59 34-50 5 Minuten ’ 34.53 34-59 34:56 34-26 FE R, 34.50 3450 94.32 33'883 Se = 3431 34:34 34.18 33-79 Di: = 1. 39-07 39-11 39.18 39-09 Bin. Bi 39-91 39.94 39.60 39-37 A 38-21 38.27 38-06 37.95 TE 38-18 38-27 33 37-80 rn 36.14 86:17 3615 39 +76 rn 36-19 36-21 86:10 35-80 er 39.88 39.96 39:90 39.78 9 39-81 39.91 39-90 39.85 en 40:06 40:08 40:02 39.93 Dr il,, 39.60 39.64 39:40 39.13 Ton: „ 39:80 39.87 39.20 39.20 ) 4 39-58 39.62 39-27 39-05 270 R. MEADE SMITH: Durch die Uebereinstimmung der Ergebnisse befestigt sich die Ueber- zeugung, dass der normal temperirte ruhende Säugethiermuskel ohne die Betheiligung des Blutstroms Wärme bildet. Und im Hinblick auf die Methodik, dass, geringe Temperaturunterschiede vorausgesetzt, der Ort, an welchem das Thermometer liegt, die in ihm entstandene Wärme in der That nur langsam abgiebt, sofern dem Blute der Zufluss verwehrt ist. Unter anderen Bedingungen als der ruhende steht der tetanisirte Muskel, seine Temperatur erhebt sich bedeutend über die seiner nächsten kühler gebliebenen Umgebung; voraussichtlich ist er einem merklicheren Wärmeverlust ausgesetzt, in welchem Umfange und mit welcher Geschwin- digkeit lässt sich ermitteln, wenn man zuerst den durchströmten oder strom- losen Muskel nur so lange reizt, bis sich die Temperatur des Muskels auf. einen höheren Grad gesteigert hatte und dann während der weiter be- stehenden oder jetzt erst bewirkten Verstopfung der Aorta den Gang des Thermometers verfolgt. — Selbstverständlich musste der Letztere wesentlich von der Masse des tetanisirten Muskels und dem Unterschied seiner und der umgebenden Temperatur beeinflusst werden, so dass es, um zu einer in weiteren Grenzen als Correcturmittel anwendbaren Regel zu gelangen, er- wünscht gewesen wäre, Muskeln von verschiedenen Grössen zu beobachten, deren Temperatur in möglichst verschiedenem Grade über die vor der Reizung vorhandene emporgehoben war. Da zu allen meinen Versuchen stets an- nähernd gleich grosse Hunde ausgesucht waren, so würde ihren Forde- rungen durch die Erfüllung der letzteren Bedingung genügt worden sein. Leider ist dieses nicht im erwünschten Umfang erreichbar gewesen, wie aus der folgenden Zusammenstellung hervorgeht. Die Temperatur des Muskels ist durch den Tetanus erhöht, dann die Aorta abgesperrt und der Muskel nicht weiter gereizt. Temperatur des Muskels. ‚Höhe der Muskel- Vorl Dauer der temperatur am Ende eTSUCH. | Am Beginne Am Ende Absperrung. | der Reizung über ‚der Absperrung. | der Absperrung | die am Beginne.- +30. |js=39:93 39-93 2 Minuten 0.470, 86-70 96-65 b ® 0.49 „ 38-900 | 38.88 | EUER: 0.48 „ 38-81 | 38-80 | TG a 0.48 „ ee 39T) | 39:67 5 = 0:44 „ 99:96 39.93 | 6 e 0.49 „ 6 36:62 | 36-55 | EM 0-43 „ 7 36° 77 | 36.66 4.5 u 0.8323 Indem ich aus den Zahlen ableite, dass bei einem Temperaturunter- schied von 0-49 bis 0-43°C. zwischen dem Muskel und seiner Umgebung Die WÄRME DES ERREGTEN SÄUGETHIERMUSKELS. 271 der Abfall des Thermometers für je eine Minute 0-.01°C. und bei einem solehen von 0-83°C. für je eine Minute 0-02°C. betragen habe, bin ich mir wohl bewusst, dass diese Angaben den wahren Sachverhalt nur sehr ‚unvollkommen wiedergeben, da offenbar das Sinken mit dem abnehmenden Werthe des Wärmeunterschiedes ein langsameres werden muss, wenn nur die abkühlenden Einflüsse der Umgebung zur Wirkung kommen. An die ‘Stelle eines Mittelwerthes müsste der Verlauf der Temperaturänderung über die Zeit treten. Aus einer Durchsicht meiner Zahlen ergiebt sich jedoch, dass die Säule des Thermometers keineswegs der eben geäusserten theo- retischen Forderung entsprechend, sondern öfter anfänglich langsamer und in den späteren Minuten rascher absteigt. Aus der zu Tage tretenden Un- | zegelmässigkeit dürfte zu schliessen sein, dass sich zu der Abkühlung auch noch eine ihre Folgen ausgleichende Wärmebildung hinzugesellen kann. "Zur Schätzung des Betrages an Wärme, welche ein höher temperirter strom- loser Muskel an seine kühlere Umgebung abgiebt, musste uns darum einst- weilen die obige Angabe genügen. Allzuweit von der Wahrheit werden wir uns nicht entfernen, wenn wir der übereinstimmenden Aussage der Beobachtungen gemäss den Verlust in der Minute zu 2 Procent des Tem- peraturunterschiedes annehmen. Weit mächtiger als seine feste Umgebung temperirt den Muskel das st ömende Blut. Insofern man annimmt, dass sich der Muskel nur auf Kosten seiner eigenen Masse erwärmt, ist die Bedeutung des Blutes als Kühlungsmittel schon in meiner ersten Abhandlung klar gelegt worden. Aus den damals gleichzeitig ausgeführten Ablesungen der in den Muskel, in das Arterien- und Venenblut eingesenkten Thermometer ergab sich, dass bis zu einer bestimmten Grenze hin das Uebergewicht des venösen über den arteriellen Wärmegrad mit der Temperatur des Muskels wuchs. Zu dieser Thatsache, welche ihre einfachste Erklärung in dem Wegführen der vom Muskel stammenden Wärme durch das Blut findet, kann ich jetzt eine zweite fügen, die einwandsfrei dem strömenden Blute eine ganz hervor- ragende Rolle bei der Kühlung des erwärmten Muskels zuweist. Sie wird gewonnen, wenn man den Muskel einige Minuten hindurch tetanisirt hat, kurz vor dem Ende der Reizung die Aorta verstopft und dann einige Minuten später den Strom zu dem Unterkörper wieder freigiebt. Die im Tetanus angestiegene Temperatur des Muskels erhält sich auf annähernd gleicher Höhe während der Dauer der Aortensperre, sie bewegt sich dagegen mit der Wiederkehr des kühleren Blutes rasch abwärts. Die Geschwindigkeit nit der die Quecksilbersäule des Muskelthermometers absinkt, bemissst sich ach dem Betrage des Unterschiedes der Blut- und Muskelwärme, so dass nfangs, wenn der Blutstrom wiederkehrte, der Abfall steiler als später er- fölet. War der Muskel beispielsweise um 0-7 bis 0-8°C. wärmer als das 272 R. MEADE SMITH: Arterienblut, so sank das in ihm eingebettete Thermometer schon in der ersten Minute des wieder zugelassenen Blutstroms um 0-2 bis 0-.4°C. Wenn bei der Ausführung des geschilderten Verfahrens die Aorten- “ sperre und die Nervenreizung gleichzeitig aufhörten, und der Muskel nur um etwa 0-2°C. wärmer als das Blut war, so trat mit dem herein- brechenden Blutstrom zuweilen statt des gewöhnlichen Absinkens ein An- steigen der Muskelwärme ein. Die aufwärts gerichtete Bewegung ist ge- ring, sie geht nicht über 0-02°C. hinaus aber sie kann bis zu einer Minute lang fortdauern. Beobachtungen solcher Art sind bedeutungsvoll für die Bedingungen, unter welchen sich im Muskel Wärme bildet, der Behaup- tung, dass das Blut in der Regel abkühlend wirke, thun sie schon ihrer Seltenheit wegen keinen Eintrag. Von den Ergebnissen der Wärmemessung am erregten Säugethier- muskel lassen diejenigen die einfachste Deutuug zu, welche während des’ stromlosen Zustandes gewonnen sind. Darum wird ihre Darlegung in den Vordergrund zu stellen sein. | Reizt man, wie ich es stets gethan, den Nerven mit nahezu oder wirklich maximalen Inductionsströmen einige Minuten hindurch und lässt man nach dem Ende einer vorausgegangenen Reizung den Muskel 10 bis 15 Minuten hindurch, während er vom Blute durchsetzt wird, ruhen, so wird die Zahl der möglichen Variationen des Versuchs sehr beschränkt: Der ausgeruhte Muskel kann frisch oder schon gebraucht in den Tetanus eintreten — das erstere, wenn der Muskel nach Beendigung der Vorbereitungen sogleich vom Blutstrom abgesperrt und erregt ward, das letztere, wenn er den beiden genannten Eingriffen voraus schon einigemal im Tetanus verharrt hatte — und anderseits kann der Blutstrom mit dem Beginn der Nervenreizung oder schon einige Minuten vor derselben unterbrochen sein, so dass das in. den Muskelgefässen verbliebene Blut noch ein wenig oder gar keinen freien Sauerstoff mehr enthält. Da der tetanisirte Muskel sich nur bis zu einem gewissen Grade er- wärmt, und dieses Maximum mit verschiedener Geschwindigkeit ersteigt, so muss die Darstellung des Versuchs beide Eigenschaften berücksichtigen. Um eine Vorstellung von dem Verlauf des Ansteigens zu gewinnen, wurde das Muskelthermometer nach dem Verfluss von je 30 Secunden abgelesen. In der nachstehenden Zusammenstellung, in welcher Beobachtungen an sechs verschiedenen Hunden eingetragen sind, giebt von den zu je einem Tetanus gehörenden beiden Zahlenreihen die oberste den von je 30 | zu 30 Secunden abgelesenen Stand des Thermometers; unmittelbar vor dem G DIE WÄRME DES ERREGTEN SÄUGETHIERMUSKELS. 273 Beginn der Nervenreizung wurde die erste der in der Reihe stehenden Zahlen notirt. So lange sich von ihr ab die Schwankung innerhalb des- selben Grades bewegt, sind nur die Bruchtheile des Grades hingeschrieben. Steht an dem Orte, an welchem sich ein Temperaturgrad finden sollte, ein ?, so bedeutet dieses, dass zu jener Zeit keine Ablesung des Thermometers geschah. — In jeder zweiten Reihe sind die von halber zu halber Minute zugewachsenen Temperaturen verzeichnet in Hunderteln eines Grades. — Unter der Ueberschrift Tetanus ist angegeben, wie viel Mal der Muskel schon vorher tetanisirt wurde. Unter ‘Stromlos’ findet sich, wie viel Minuten vor dem Beginn der Reizung die Aortenlichtung verstopft worden war. Tetanus. Stromlos. 39-25 »47 -61 +63 +63 +63 | 0 seit 6 Min. 2 14 200 Sa. 0-38°C. 39-26 ? +65 +72 +71 | 0 0%; | 07. Sa. 0-46° C. ) 34-64 ? -94 +35 «01 +06 +10 +14 +20 +23 +25 +26 +27 +29 +30 N) a 3 a Aa rei Ari” Sai0b6Bo, 3) 34:59 +78 -82 -86 +92 +94 +97 35-01? +06 P +11? +11 seit 6 „ “ HE 02, 3,4: 00,5 ed Sa. 0-52°C, ») 34-50 >70 +78 -80 +82 -82 +85 +84 a AeNE, j Ze 08 ı Sa. 0.340 C. 1) 84-34 -51 +52 ? +54 P +55 Ba ae 29); 1 Sa. 0-21°C. ) 88-27 -51 -57 -59 -60 +63 +68 +68 Ba. Silo Sa.0-41°C. 88-27 -47 +57 +62 +65 +64 +66 h.52, = ie + 82.0.3900. 36-21 -41 +45 +44 Mt o, RER | Sa. 0-24° C. 39-91 40-07 -14 -17 -18 +18 +18 a | sei No! 0 Sa.0-27°C. Trotz mannigfachen Abweichungen von einander lassen die Beobach- tungen doch eine Gesetzmässigkeit erkennen. Unmittelbar nach dem Be- ginn der Tetanisirung steigt die Hg-Säule und zwar rascher als in allen späteren Zeiten empor, sodass der Zuwachs der Temperatur in der ersten halben Minute den gesammten aller späteren Minuten entweder übertriftt, oder ihm sehr nahe kommt. Da das Thermometer die Wärme der Um- / gebung nicht augenblicklich annimmt, so muss aus der Plötzlichkeit, mit ‚ Welcher seine Hg-Säule das Steigen beginnt und fortsetzt, auf eine nahezu ‚ momentane Entstehung des höheren Wärmegrades innerhalb der Muskel- Masse geschlossen werden. In den späteren, auf die erste halbe Minute Archiv f. A,u. Ph. 1884. Physiol. Abthlg. 18 274 R. MEADE SMITH: folgenden gleichen Zeiträumen steigt das Thermometer allmählicher und namentlich um so langsamer, je entfernter der Termin an welchem die Ablesung geschah, vom Beginn der Reizung liegt, bis endlich bei noch weiterer Dauer des Tetanus der Stand des Thermometers unverändert bleibt. In der Periode dieses Stillstandes, in welcher also das Thermometer das Maximum des tetanischen Zuwachses an Wärme anzeigt, wird sich zwischen der Zu- und Abnahme der Wärme ein Gleichgewicht hergestellt haben, eine Unterstellung, zu der die vorhin mitgetheilten Ablesungen des in dem ruhenden, erwärmten und stromlosen Muskel eingebetteten Thermometers berechtigen. — Da bei den Bestimmungen des Wärmeverlustes der über ihre Umgebung erwärmten, ruhenden Muskeln, der Unterschied ihrer eigenen und der Temperatur ihrer Nachbarschaft in die gleichen oft sogar-in weiter von einander abstehenden Grenzen fiel, als in den gegenwärtig betrachteten, und da die Trägheit der von mir hierauf geprüften Thermometer den Aus- gleich eines Temperaturunterschiedes von 0-01°C. in einer 10 bis 20 Se- cunden dauernden Zeit nicht verhindern kann, so wird man, wenn das Thermometer kein weiteres Steigen der Wärme anzeigt, annehmen dürfen, dass die im Verlauf einer Minute neugebildete Wärme günstigen Falls nur noch befähigt gewesen sei, die Temperatur des Muskels um 20. 01°C. empor- zutreiben. Fragen wir, ob und in wie weit sich Verlauf und Grösse der Wärme- entwickelung innerhalb des tetanisirten Muskels mit den Umständen ändere, so ergiebt sich zunächst, dass die Grösse des Temperaturzuwachses und die Art des Ersteigens nicht wesentlich durch einen im Muskel vorhandenen Rest sauerstoffhaltigen Blutes beeinflusst werde. . | Dagegen ‘macht es sich neben der noch nicht fassbaren Bisher Ä des Thieres geltend, ob der frische oder der schon gebrauchte Muskel nach - dem Verfluss gleich langer Ruhezeiten tetanisirt wurde. Als Beispiel diene die Beobachtungen an dem III. Hunde. Hier wurde der frische Muskel, nachdem er stromlos gemacht war, mit einem Reiz von annähernd maxi- maler Stärke, dann zum zweiten Male 21 Minuten später, während welcher er durchströmt war, maximal gereizt, dann zum dritten Mal nach 21 Mi- nuten Ruhe und Durchströmung gereizt und endlich zum vierten Mal nach 16 Minuten Ruhe und Durchströmung beide Mal im stromlosen Zustand gereizt. Die Maxima des Temperaturzuwachses während der Tetanisirung des stromlosen Muskels betrugen der Reihe nach 0-66, 0-52, 0-34, 0.21°C. und die Dauer des Ansteigens 7 Minuten, 6 Minuten und 4 Minuten, so dass die Steilheit und die Ausdauer des Wachsthums der Temperatur mit der Wiederholung des Tetanisirens in einer Abnahme begriffen waren. Weil der Muskel von dem Standort des Thermometers aus an seine Umgebung nur wenig Wärme verliert und sich darum die während der DiE WÄRME DES ERREGTEN SÄUGETHIERMUSKELS. 2) 'gesammten Dauer eines Tetanus entstandene Wärmemenge anhäuft, so lässt ‚sich die letztere in Wärmeeinheiten angeben, vorausgesetzt, dass die Wärme- _ eapicität des Muskelstofis bekannt ist. Nach Rosenthal beträgt sie, die ‚des Wassers zu 1 angenommen, = 0.825. Legen wir das in der vor- stehenden Tabelle enthaltene Maximum (0- 66°C.) und das Minimum (0-21°C.) der Ausrechnung zu Grunde, so würde die in je lem tetanisirten Muskels ‚gebildete Wärme sich zwischen 0.54 und 0-17 Wärmegrammen bewegt ‚haben. Um wie viel und nach welchem zeitlichen Gesetz ein maximaler Te- 'tanus von langer Dauer die Wärme: des von Blut durchströmten Muskels ändert, wurde schon in meiner ersten Abhandlung beschrieben. Während seines Bestandes stieg die Temperatur des Muskels über die des Blutes an- fänglich rasch und dann langsamer bis zum endlichen Stillstande des Wachsthums empor. Von dem Punkte an, auf welchem die Temperatur - des Blutes und Muskels ihren grössten Unterschied erreicht hatten, näherten sich beide wieder einander, indem von nun an die Wärme des Muskels tiefer und tiefer herabsank. j | Ob in einer gesteigerten Abkühlung durch den stärkeren Blutstrom oder in einer schwächeren Bildung von Wärme das Sinken der Temperatur begründet war, musste früher dahingestellt bleiben. Gegenwärtig kann wäh- rend einer durch Minuten dauernden Tetanisirung des Nerven der Blut- strom zum Muskel wechselnd zugelassen, abgesperrt und wieder zu- gelassen, dann aber nach Beendigung der Reizung die Messung der Tem- j peratur noch einige Zeit hindurch fortgesetzt werden. — Die Dauer der drei tsten Perioden des Versuchs werden zweckmässiger Weise verschieden lang “ wählen sein, so dass der Aortenschluss entweder vor oder nach dem Zink erfolgt, in welchem der Muskel das Maximum der erreichbaren lemperatur erlangt hat. Gesetzt es läge die Ursache, warum die Temperatur des durchströmten Muskels nicht weiter emporgeht, in seiner Kühlung durch das Blut, so hüsste mit dem Aortenschluss das Steigen des Thermometers von Neuem jeginnen; wo nicht, so war das Vermögen, Wärme zu bilden, beeinträchtigt; für das Maass, in welchem dasselbe noch fortbestand, liess sich dann ein Kennzeichen aus dem Stande der Eigenwärme gewinnen, die der Muskel nit und ohne Erregung noch behauptete. Zu den beschriebenen Versuchen sind vorzugsweise wärmekräftige Thiere geeignet; die beiden nachfolgend geschilderten stammen von einem solchen. In dem ersten war die Reizung bei offener Aorta so lange fort- jesetzt bis das Ansteigen der Temperatur sicher ein Ende gefunden hatte, bei dem zweiten waren die Perioden kürzer gewählt worden. | 19* = Fi ar 276 R. MEADE SMITH: Die jedesmal erste Zahl, welche in der Reihe hinter dem Wort ‘Muskel’ aufgeführt worden ist, giebt den Wärmegrad desselben unmittelbar vor Be- ginn der Reizung, die folgenden die an dem Muskelthermometer abgelesenen Stände von Minute zu Minute. Hinter ‘Blut’ sind die Stände des Carotiden- thermometers eingetragen; wegen der sehr allmählich fortschreitenden Aen- derung der Blutwärme ist die Angabe des Wärmegrades zu Anfang und zu Ende je einer Periode des Versuchs genügend. Der Versuch zerfällt in vier Abschnitte, drei mit Tetanus, im vierten Muskelruhe. I. 1. Aorta offen. Muskel 37.83 38-39 .55 -70 -76 »80°C. | Zuwachs der Muskeltemp. 56 16 15 6 4 Insgesammt 0-97°C. Blut 37.70°C. 37-75°C. 2. Aorta geschlossen. Muskel 38-80 -80 .80 +80°C. Zuwachs 0 0 0 0 3. Aorta geöffnet. Muskel 38.80 -55 -45 -30 -18:10 -8 .438.00 -00 -00 -00 -00 -00 Zuwachs —25 —10 —15 —12 —8 —2—4 —4 0 0 00% Insgesammt —0-80°C. Biit © 37:10 37-75." 37-72 37.70°C. 4. Aorta offen. Ohne Reizung. Muskel 38-0 37.95 -94 -92 .87 5 1-2 -5 Blut 37.70 37.70°C. Aus den Zahlen ist die Fig. 1 entstanden, die stark ausgezogene Curve entspricht dem Verlauf der Temperatur des Muskels, die schwächere der des Blutes. Am unteren Rande der Grundlinie sind durch Punkte die Minuten markirt; von den auf ihr errichteten senkrechten Linien begrenzen die punktirten die Veränderung der Versuchsbedingung, ob im Verhältniss zum Blutstrom oder zur Reizung ist aus der Unterschrift zu ersehen. — Die Länge der groben Senkrechten misst die Grösse des in der Art. cruralis vorhandenen Blutdrucks; die neben sie hingeschriebene Zahl bedeutet mm Hg. Um die Bedeutung des Versuchs vollständie zu würdigen, wird noch die Berücksichtigung der Eigentemperatur des Muskels nothwendig. Sie DIE WÄRME DES ERREGTEN SÄUGETHIERMUSKELS. 37 betrug vor Beginn des Tetanus 0-13°C., während der ersten vier Minuten desselben erhob sie sich auf 1-05°C., da sie bei fortdauerndem Blutstrom sich 30 Secunden hindurch auf diesem Standpunkt hielt, so war zu er- warten, dass nach der Abhaltung des wesentlichen Kühlungsmittels die Stromlos).. . Fig. 1. Temperatur des Muskels wieder emporgehen werde; statt dessen verharrte jedoch vier Minuten lang bei abgesperrtem Strom der bis dahin erreichte Wärmegrad, und er sank dann, wie vorauszusehen, nachdem das Blut wieder zufloss, abwärts. Als aber die Eigentemperatur auf 0-28°C. herunter- gekommen war, nahm das weitere Sinken ein Ende und sie stand von da ab vier Minuten hindurch so lange, als der Tetanus andauerte, auf gleicher Höhe. Erst als der Tetanus beendigt war gelang es dem Blutstrom, den Muskel auf die vor der Reizung vorhandene Eigentemperatur herabzudrücken. Il. l. Aorta offen. Muskel 38.37 .85 39-07 und 30 Sec. später 39-23 Zuwachs 48 22 16 Insgesammt + 0°856’C. Blut 38.08 38-08 278 R. MEADE SmiIte: 2. Aorta geschlossen. Muskel 39.23 -26 -27 .28 +30 Zuwachs 3 1 1 2 3. Aorta offen. Muke 59553804. «83 Ba rl Zuwachs a sl ’—ı ee Bis 737.955.38+21 38.17 4. Aorta offen. Ohne Reizung. | Muskel 38:74 +56 +45 +36. - 29. 29.297 DO Zuwachs —l8 —i1 -—9 —17 0 0 0 0 0 Blut 38.21 38-18 38-15 Die zu Fig. 1 gegebene Erklärung der Linien findet auch auf Fig. 2 ihre Anwendung. Zum Unterschied von dem vorhergehenden war in dem letzten Ver- suche die Aorta schon 2!/, Minuten nach dem Beginn der Reizung ver- stopft worden, zu einer Zeit, in welcher voraussichtlich das Ansteigen der Eigenwärme noch fortdauerte. Sie war in dieser ersten Periode des Ver- W DıiE WÄRME DES ERREGTEN SÄUGETHIERMUSKELS. 279 suchs von 0.29°C. auf 1-15°C. angewachsen, und als nun die Aorta ver- stopft werden, stieg die Temperatur, wenn auch in mässigem Grade noch 4 Minuten hindurch; so wie aber der Blutstrom wiederkehrte, fiel die Eigentemperatur in 2 Minuten auf 0-.63°C., verharrte dort 2 Minuten hin- - durch und sank dann noch während der Dauer des Tetanus allmählich weiter; erst als die Reizung beendet war, fiel die Eigentemperatur auf .0-14°C. herab. Dass ich zwei im Wesentlichen übereinstimmende an demselben Thier gewonnene Beobachtungen mittheile, begründet sich dadurch, dass in dem _ ersten derselben, wie aus der ihn darstellenden Fig. 1 zu ersehen, die an- fänglich vollkommene Verstopfung der Aorta unbemerkt unvollständig wurde, und in Folge hiervon der Druck in die Art. cruralis auf 30”m Hg stieg. Wenn sich dessen ungeachtet in dem Muskel die Wärmebildung ebenso ver- hielt, als ob der arterielle Zufluss gänzlich abgesperrt gewesen sei, so ergiebt sich daraus, dass bei jenem Druck in den Muskelgefässen nur ein sehr schwacher Strom bestanden habe. Auf sichere Thatsachen gestützt dürfen wir nun behaupten, dass an _ dem Verlauf der Temperaturcurve innerhalb eines vom Blut durchströmten, maximal tetanisirten Muskels die veränderliche Wärmebildung einen wesent- "liehen Antheil besitze. Während der Fortdauer des Tetanus nimmt die am Beginn der Erregung mit grosser Energie auftretende Entwickelung _ von Wärme anfangs rasch und dann fortlaufend langsamer bis zu einem dem Erlöschen nahe kommenden Grade ab. Für den aufsteigenden Schenkel der genannten Curve durfte eine gleiche Erklärung schon früher ausge- sprochen werden, weil in der Periode, in welcher die Eigenwärme des Muskels mit abnehmender Steilheit empor geht, sich die Stärke des Blutstroms zu wenig ändert, um das hieraus resultirende Wachsthum der Abkühlung für die stetige und bedeutende Abnahme des Zuwachses an Temperatur ver- ‚antwortlich machen zu können. Jetzt, da wir gesehen, dass nach dem Stillstand des Blutstroms auch in dem absteigenden Schenkel der Curve die Temperatur nicht wieder anwächst, muss der verminderten Wärme- bildung ein wesentlicher Antheil an dem Sinken der Temperatur zugeschrieben werden, welcher bei bestehendem Blutstrom bemerkbar wird. Will man entscheiden, ob der Wärme erzeugende Vorgang, welcher im tetanisirten Muskel abläuft, durch das strömende Arterienblut gesteigert werden kann, so bietet sich hierzu zunächst kein anderes Mittel, als die Vergleichung der Temperaturerhöhung, welche der stromlose und der durch- strömte Muskel durch gleich starke bez. maximale Erregung erfahren. Aus 280 R. MEADE SmITH: den vorausgeschickten und schon früher bekannten Thatsachen ergiebt sich, dass man nur dann der Wärmebildung im durchströmten Muskel ein Ueber- gewicht über die im stromlosen vorhandene zuschreiben darf, wenn die Höhe, auf welche die Temperatur steigt, und die Dauer, in der sie besteht, unter weniger günstigen Bedingungen im ersteren grösser ausfällt, als unter günstigen im letzteren. — Der aufgestellten Forderung entsprechend muss der fortschreitenden Ermüdung wegen, welche durch eingeschaltete Ruhe- zeiten nicht wieder vollkommen wegzuschaffen ist, bei der Vergleichung zweier Reizungen auf ihre erwärmende Befähigung die des stromlosen Mus- kels der des durchströmten vorausgehen. Erwärmt sich bei der so gewählten Reihenfolge der durchströmte höher und dauerhafter als der stromlose Muskel, so muss das fliessende Blut die Bildung der Wärme begünstigt haben, weil der von ihm benetzte Muskel ermüdeter und einer grösseren Abkühlung ausgesetzt war. — Auf diese Weise sind die von mir zur Entscheidung aufgerufenen Versuche angestellt. Von ihren Ergebnissen lege ich zuerst diejenigen vor, welche sich auf das Maximum des Temperaturzuwachses be- ziehen, welches durch Reizung des stromlosen und durchströmten Muskels zu erreichen waren. Hund 1. 1. Tetanus. Muskel stromfrei. Die Temperatur steigt von 39. 25°C. auf 39. 63°C. Maximum 0.38°C. 2. Tetanus. Muskel durchstr. Die Temperatur steigt von 39. 86°C. auf 39. 96°C. Maximum 0-.50°C. Eigentemperatur + 0°49°C. 3. Tetanus. Muskel stromfrei. Die Temperatur steigt von 39 65°C. auf 39. 95°C. Maximum 0.30°C. 4. Tetanus. Muskel durchstr. Die Temperatur steigt von 39 75°C. auf 40 .12°C. Maximum 0.37°C. Eigentemperatur + 0-40°C. Hund 2, 1. Tetanus. Muskel stromfrei. Die Temperatur steigt von 34-59°C. auf 35.11°C, Maximum 0-52°C. 2. Tetanus. Muskel durchstr. Die Temperatur steigt von 34- 59°C. auf 35-07°C, Maximum 0-68°C. Eigentemperatur + 0-80°C. Hund 3. 1. Tetanus. Muskel stromfrei. Die Temperatur steigt von 38. 27°C. auf 38- 68°C, Maximum 0-41°C. 9, Tetanus. Muskel durchstr. Die Temperatur steigt von 38-08°C. auf 38-8400, Maximum 0-76°C. Eigentemperatur + 0-83°C. 5 DIiE WÄRME DES ERREGTEN SÄUGETHIERMUSKELS. 281 Hund 4. 1. Tetanus. Muskel stromfrei. Die Temperatur steigt von 32 - 75°C. auf 33 13°C. Maximum 0.38°C. 2. Tetanus. Muskel durchstr. Die Temperatur steigt von 32. 10°C. auf 32. 54°C. Maximum 0.44°C. Eigentemperatur + 1:07°C. Hund 5. 1. Tetanus. Muskel stromfrei. Die Temperatur steigt von 39. 26°C. auf 39. 72°C. Maximum 0-46°C. 2. Tetanus. Muskel durchstr. Die Temperatur steigt von 39. 10°C auf 39. 50°C. Maximum 0-40°C. Eigentemperatur + 0:32°C. Das Mittel aus den Beobachtungen giebt für den weniger ermüdeten und durch Absperrung des Blutstroms vor Abkühlung geschützten Muskels eine maximale Zunahme der Temperatur von 0-41°C,, für den später unter Zulassung des um 0-65°C. kühleren Blutes gereizten eine solche von 0-53°C., woraus um so gewisser auf einen Antheil des Blutes an der Wärmebildung zu schliessen ist, als mit Ausnahme nur eines Versuches die einzelnen in das Mittel eingehenden Werthe nach der gleichen Richtung hinweisen und die Abweichung des Ausnahmefalles nur darin besteht, dass der maximale Zuwachs des durchströmten und ermüdeten Muskels um 0-06°C. hinter dem des stromlosen zurückblieb. Zur Beurtheilung für die Weise, wie das Blut wirkt, ist die Frage, zu welcher Zeit es eingreift, nicht gleichgültig. Da mit dem Hereinbrechen der Erregung die Temperatur sich sehr, man könnte sagen zu rasch ändert, - als dass dem Blut Zeit gegönnt wäre, um einen im Innern des Muskels ent- standenen Vorgang zu beeinflussen, und da der Strom auch ohne künstlich verstopft zu sein, in den ersten Secunden der Tetanisirung ! stockt, so wird für den stromlosen und durchströmten Muskel in den ersten Secunden des _Tetanus ein gleicher, und erst für die späteren Perioden ein ungleicher Grad von Wärmebildung wahrscheinlich. Hierüber durch das träge Ther- _mometer eine Entscheidung zu finden, wird nur in einem beschränkten Maasse und auch dieses nur dann möglich sein, wenn es sich um grössere Unterschiede in der Dauer der wachsenden Temperatur handelt. Solche treten in der That hervor; zum Verständniss der folgenden Zusammen- stellung diene: Mit dem Wechsel der römischen Ziffern tritt ein gleicher der beobach- teten Thiere ein. Die Zahl vor dem Tetanus giebt die Folge der während eines Versuches angestellten Reizungen an. Die erste Zahl in der hinter Tetanus stehenden Reihe bedeutet den Temperaturgrad des Muskels un- ! Gaskell, Arbeiten aus dem physiologischen Institut zu Leipzig. 1877. 282 R. MeADe SmITe: mittelbar vor dem Beginn der Reizung, die folgenden um wie viel Hundertel eines Grades das Thermometer in der je nächsten halben Minute anstieg. — Unter ‘Bemerkungen’ ist gesagt, ob der Muskel während des Tetanus durchströmt oder stromlos war. 1. 1: Ten 733230, 722 14.2 0 stromlos 2. h 226,227 1408.20 durchströmt 3, R 363... 22 6 °2 0 stromlos 1, 1. Tetanus. 34:59°%C. 14 ? 5 4 4.62 34 2 5 25 Era a “ 31.39 „. 25 1 12 a0 2750 durchströmt 3. A 34:50. 20 8 220 stromılos II. 1. Tetanus. 37.8300, 46 10° 6 10.6 951.53 0 durchsironme 2. # 38,277, 1124 (EZ stromlos 3. ii 88:08. 1,1122 1 2.6 8 555148 durchströmt 4. 1. 88.27:, 20 102151018 stromlos 1y. 1. Tetanus. 39.3806. 7. 32: 18772 7673/00 Sechs a A a9. 6A ae SE Ar stromlos 3. i, 39:27 „ 28 9 1149 !T 3° 7 De Anfangs vom Beginn bis zur 30. Secunde der tetanıschen Erregung steigt im stromlosen und durchströmten Muskel das Thermometer annähernd gleich rasch. Dagegen besteht ein merklicher Unterschied rücksichtlich der weiteren Dauer des Anwachsens.. Mit Ausnahme eines Falles wechselt die Zeit, während welcher im stromlosen Muskel das Thermometer sein Steigen fortsetzte, zwischen 1-5 und 3 Minuten, indess es im durchströmten Muskel erst nach 2.5 bis 4-5 Minuten den höchsten Punkt der Eigen- temperatur anzeigte. Aus der grösseren Ausdauer, mit welcher der durch- strömte im Gegensatz zum stromlosen Muskel seine Temperatur steigert, kann nur geschlossen werden, dass das Blut den ursprünglich mit gleicher Energie auftretenden Process zu unterstützen und in die Länge zu ziehen vermag. In irgend einer Weise macht sich demnach der Einfluss des Blutes auch während des tetanischen Bestandes geltend. - Dass es von dieser Regel Ausnahmen giebt, zeigt der Tetanus des Hundes II; hier stieg das im stromlosen Muskel eingebettete Thermometer | 6.5 Minuten hindurch, doch weicht dieser Tetanus von den anderen des- selben und denjenigen der übrigen Muskeln auffallend durch die sehr ge- ringe Geschwindigkeit ab, mit welcher seine Wärme zunahm; denn es er- reichte in der langen Zeit der Zuwachs an Temperatur nur 0-52°C., wäh- rend sich im folgenden Tetanus des durchströmten Muskels nach 3°5 Minuten die Eigentemperatur um 0-62°C. erhöht hatte. Wird die Umsetzung im tetanisirten Muskel durch den Mangel frischen Blutes am Weiterschreiten gehemmt, so liegt es im Bereich der Möglich- den Zahlen des unter III einen deutlichen Ausdruck. DıE WÄRME DES ERREGTEN SÄUGETHIERMUSKELS. 283 keit, dass das Thermometer, wenn es im Verlaufe eines vom stromlosen Muskel ausgeführten Tetanus zum Stillstand gekommen ist, sein Steigen von dem Augenblick wieder aufnimmt, in welchem die Aortensperre gelöst wurde. — Dieses ist mir einige Male begegnet. Die Bemerkungen, welche zur Erläuterung der vorigen Tabelle dienten, gelten auch hier, mit dem Unterschiede jedoch, dass diesmal zwischen je zweien den Zuwachs der Temperatur angebende Zahlen eine Minute ver- strichen war. Aorta gesperrt. retanus. 34-3470. 18 2.1 insgesammt in 4 Min. = 0-21°C. 2. I re 24 insgesammt in 2 Min. = 0. Anschaulich wird der Verlauf der Temperatur durch Fig. 3. Sie ist nach aufgeführten Versuches ent- worfen. Den Linien kommt. die in Fig. 1 erklärte Be- deutung zu. Durch die vorgelegten und die ihnen ähnlichen Beobachtungen findet die Theilnahme des Blutes an der im tetanischen Muskel ablaufendn Umsetzung Denn als der chemische Process im tetanisirten stromlosen Muskel gerade noch zur Lieferung der ‚ Wärmemenge ausreichte, um die vorhandene Tem- ‚ Peratur gegenüber einer um 0-2 ae. 30-8 D insgesammt in 3 Min. = 0.38°C. Aorta offen. Dr a a 0, insgesammt in 5 Min. = 0:-23°C. Eigentemperatur + 0°68°C. a Eu ee 2) insgesammt in 4 Min. = 0:31°C. Eigentemperatur + 0-77°C. a ee a N insgesammt in 5 Min. = 0°25°C. Eigentemperatur + 0-.70°C. -—Apterie o | | | | . 3 l | | j | Reung® & Fig. 3. bis 0-.4°C. kühleren Umgebung aufrecht zu erhalten, wurde die Umsetzung durch den hereinbrechenden Blutstrom 284 | R. MEADE SmITH: wieder so lebhaft, dass der Muskel von Neuem nicht unbeträchtlich an Wärme zanahm, obwohl er gleichzeitig von dem um 0.68 bis 0.77°C. tem- perirten Blut abgekühlt wurde. Nicht immer und namentlich nicht in gleichem Maasse tritt der eben geschilderte Erfolg nach der Wiederkehr des Blutstroms während noch fort- dauernder Reizung ein. Oefter stieg die Temperatur des Muskels nur um einige Hundertel eines Grades, und nicht selten gewann die abkühlende Wirkung des Blutes das Uebergewicht über die erwärmende der chemischen Umsetzung. Nach meinen Beobachtungen kann mit hoher Wahrscheinlich- keit auf ein Absinken der Eigenwärme des Muskels gerechnet werden, wenn die Verstopfung der Aortenlichtung aufgehoben wird, nachdem sie während einer über 6 Minuten hin andauernden Reizung bestanden hatte. Die im stromlosen Zustande gereizten Muskeln, von welchen bisher ge- sprochen wurde, waren während eines grösseren Theils der längeren Ruhe- } zeit, die auf den vorausgegangenen Tetanus folgte, vom Blut durchströmt gewesen. Sie hatten dann eine wenn auch gegen die im durchströmten - Zustand sereizten Muskeln verminderte, immerhin aber eine noch beträcht- liche Temperaturerhöhung erfahren. 4 Ueber den Antheil, welchen das zum ruhenden Muskel hintretende Blut an der Grösse der Wärmebildung genommen hat, konnte die folgende Aenderung des Verfahrens Aufschluss geben. Der Muskel wurde mit oder ohne Zufluss des Blutes gereizt und ermüdet. Nach beendeter Reizung wurde oder blieb die Aorta verstopft; nachdem der Muskel 13 bis 15 Mi- nuten hindurch geruht hatte, wurde er von neuem tetanisirt, sodass er ohne Betheiligung des arteriellen Blutes sich aus seinem ermüdeten Zu- stand erholen und dann auch von Neuem anstrengen musste. In dieser Anordnung ahmt der Versuch am Säugethier das Verfahren nach, welches” sich am ausgeschnittenen Froschmuskel als das allein mögliche ergiebt. a. Es stellte sich heraus, dass der Muskel, welcher im stromlosen Zu- stand ausgeruht und gereizt war, sich noch mit dem Eintritt in den Te- tanus erwärmte, aber bedeutend geringer, als wenn er, vom Blute durch- strömt, sich erholt hatte und nur während der Dauer der Reizung stromlos gemacht worden war. Dass der ruhende Muskel durch seine Berührung mit arteriellem Blut | im Wesentlichen zu der Wärmebildung befähigt wird, die er im Tetanus ! aufzeigt, dafür sprechen die folgenden Belege. DıiE WÄRME DES ERREGTEN SÄUGETHIERMUSKELS. 2835 I. Tetanus 1. Vor seinem Beginn eine mindestens halbstün- dige Ruhe mit offenem Strom. Mit Beginn der Reizung wird die Aorta gesperrt. Anfangstemperatur 39-26°C. Maxim. Zuwachs 0.46°C. Tetanus 2. Nach Ende des Tetanus 1 wird die Aorta gesperrt gehalten, während einer Muskelruhe von 10 Minuten und der Dauer des Tetanus 2. Anfangstemperatur 39.46°C. Maxim. Zuwachs 0.08°C. Tetanus 3. Nach Ende des Tetanus 2 wird die Aorta geöffnet, während einer Muskelruhe von 10 Minuten und der Dauer des Tetanus 3. Anfangstemperatur 39-10°C. Maxim. Zuwachs 040° Eigentemperatur + 0-30°C. Der Verlauf dieses Versuchs ist durch Fig. 4. dargestellt. Muskel a Arterie ı »Stromlos. Reizung. eizung). | Fig. 4. II. Tetanus 1. Von 7 Minuten Dauer. Vor seinem Beginn 10 Mi- nuten Ruhe, während dieser und während des Tetanus 1 ist der Blutstrom offen. Anfangstemperatur 39.44°C. Maxim. Zuwachs 1:04°C. Eigentemperatur + 1-00°C. 286 R. MEADE Samite: Tetanus 2. Von 5 Minuten Dauer. Unmittelbar nach dem Ende des Tetanus 1 wird die Aorta gesperrt und geschlossen gehalten, während einer Muskelruhe von 15 Minuten ! und der Dauer des Tetanus 2. Anfangstemperatur 39. 97°C. Maximaler Zuwachs 0.23°C, Tetanus 3. Von 5 Minuten Dauer. Unmittelbar nach dem Ende von Tetanus 2 wird .die Aorta geöffnet und offen erhalten, während einer Muskelruhe von 15 Minuten und der Dauer des Tetanus 9. Anfangstemperatur 39-48°C. Maxim. Zuwachs 0.74°C. Eigentemperatur + 0-.75°C. Tetanus 4? Von 6 Minuten Dauer. Unmittelbar nach dem Ende von Tetanus 3 wird die Aorta gesperrt und ge- schlossen gehalten, während einer Muskelruhe von 20 Minuten und der Dauer des Tetanus 4. Anfangstemperatur 39-87°C. Maxim. Zuwachs 0:34°C. Tetanus 5. Von 9 Minuten Dauer. Unmittelbar nach dem Ende des Tetanus 4 wird die Aorta geöffnet und offen er- halten, während einer Muskelruhe von 20 Minuten und der Dauer des Tetanus 5. Anfangstemperatur 39.33°C. Maxim. Zuwachs 0-8500, Eigentemperatur + 0-.96°C. | IE Tetanus 1. Von 5 Minten Dauer. Offene Aorta während der vorausgegangenen 10 Minuten Muskelruhe und des Tetanus1. 2 Anfangstemperatur 38-35°C. Maxim. Zuwachs 0-30°C. Eigentemperatur + 0-60°C. Tetanus 2. Von 5 Minuten Dauer. Nach Ende des Te- tanus 1 wird die Aorta sogleich gesperrt und geschlossen er- halten, während 10 Minuten Muskelruhe und des Tetanus 2. Anfangstemperatur 38-.71°C. Maxim. Zuwachs 0-10°C. ! Während der langen Dauer der Verstopfung hielt der Aortenverschluss nicht vollkommen dicht, sodass zeitweise der Druck in der A. cruralis auf 10 mm Hg. stieg. ? Statt des bisher immer gleichen untermaximalen wird von nun an ein maxi- maler Reiz angewendet. DıE WÄRME DES ERREGTEN SÄUGETHIERMUSKELS. 287 - Tetanus 3. Von 5 Minuten Dauer. Unmittelbar nach dem Ende des Tetanus 2 wird die Aorta geöffnet und offen er- halten, während 10 Minuten Muskelruhe und der Dauer des _ Tetanus 3. $ Anfangstemperatur 38-22°C. Maxim. Zuwachs 0.26°C. Eigentemperatur + 0-53°C. Wir sehen in einem ruhenden Muskel, welcher der Blutströmune ent- | behrte, kann: sich die ermüdete Fähigkeit zur Wärmebildung wieder erholen, ‚aber in einem weit minderen Grade, als wäre er vom arteriellen Blute be- netzt gewesen. Der stromlos ausgeruhte Muskel lässt namentlich das rasche _ und hohe Ansteisen der Temperatur im Beginn des Tetanus vermissen. So beweist das Uebergewicht des durehströmten, ausgeruhten und stromlos gereizten Muskels über den, welcher in beiden Zeiten des Arterienblutes entbehrte, dass das letztere an der Herstellung der zur Wärmeerzeugung _nöthigen Bedingungen bedeutend betheiligt ist. Wäre also die Summe der entstehenden Wärme an den Vorrath eines eigenartigen Brennstroffs ge- | "knüpft, so würde ihn der vom arteriellen Blut entblösste Muskel zwar ebenfalls, aber nur in geringerer Menge herbeischaffen können. | Wenn der ermüdete Muskel in einer stromlosen Periode die Wärme bildenden Fähigkeiten nur in geringerem Maasse wieder gewinnt, und an- _ dererseits der während der Reizung vom Arterienblut durchflossene aber mehr Wärme als der stromlose liefert, so muss es gelingen, den gewöhn- lichen Verlauf der Temperaturcurve während eines Tetanus wesentlich zu ändern. Gresetzt ein ermüdeter Muskel habe während der Verstopfung der : 4 orta geruht, und es werde dann, gleichzeitig mit einer Reizung des Nerven, die Wiedereröffnung der Aortenlichtung vorgenommen, so muss, wenn un- sere Vermuthung das Rechte trifft, die Temperatur mit dem Beginn des Tetanus wenig, dafür aber bei der Fortdauer der Erregung anhaltend steigen; zur Prüfung der Voraussetzung habe ich einen Versuch mit dem nach- ‚ folgend verzeichneten Ergebniss angestellt. | Die Thermometer wurden nach je 30 Secunden abgelesen. Tetanus 1. Der Muskel war vor und während der Reizung vom Blute Aurchströmt. Temperatur 37:.94°C. 38-17 -26 -35 +45 +54 -61 -67 -71 73 -76 »-77 Zugewachsen in 30 DICHT re eh A BT | Summe = 0-82 Die Eigentemperatur steist von — 001 auf 0-80°C. : Tetanus 2. Der ermüdete Muskel war während einer auf Tetanus 1 a genden Ruhe von 15 Minuten stromlos. Mit dem Beginn des Tetanus 2 wurde die Aortenlichtung eröffnet. 288 R. MEADE SMITH: Temperatur 38-.17°C. .16 -16 -19 -21 -24 +27 Zugewachsen in 30” —1 0+3 +4 B) Temperatur -53 +58 61 -63 +63 -63 Zugewachsen 4 5 3 2 0 0 Summe = 0-47°C. Die Eigentemperatur steigt von 0-17°C. auf 0.70°C. -1 (%) — co -1 > DD > de) Tetanus 3. Der Muskel war während einer Ruhe von 15 Minuten und während der Reizung durchströmt. Temperatur 38-08°C. .18 .28 -38 -46 .51 -54 -58 -59 .60 -60 Zugewachsen än 30° 10, 10:10: . 8 Br nBı nn ATI Te Summe = 0.51°C. Die Eigentemperatur steigt von 0-13 auf 0.54°C. Um den Unterschied des Ansteigens zu verdeutlichen wurde aus den Zahlen des Tetanus 1 und 2 die Fig. 5 construirt. Die untere Curve giebt den Verlauf der arteriellen, die obere den der Muskeltemperatur. | | | j I | j j ) j I | ) j ‚Reizung . eızung Wenn der Versuch bei seiner Wiederholung gleiche Ergebnisse liefert so würden wir durch ihn Aufschluss über die Geschwindigkeit erlangen, mit welcher das arterielle Blut in die Wärme bildende Befähigung eingreift. Ein Rückblick auf die gewonnenen Erfahrungen lehrt, dass an der Entstehung der Wärme gebenden Stoffe in dem ruhenden Muskel und an En DıE WÄRME DES ERREGTEN SÄUGETHIERMUSKEIS. 289 ihrer Zersetzung im erregten das arterielle Blut einen zu grossen Antheil nimmt, als dass er sich vernachlässigen liesse. Selbst wenn, was doch noch dahinsteht, der Unterschied des chemischen Processes im stromlosen und durchströmten Muskel nur ein quantitativer wäre, so würde man, wollte man sich auf die Beobachtung des ersten beschränken, den Tadel zu ge- wärtigen haben, der den Chemiker treffen würde, welcher den Stoffwechsel eines Thieres: dadurch erschöpfend dargestellt zu haben glaubte, dass er seine Untersuchungen nur in den Zeiten des Hungers ausführte. Möglicher Weise wird es der Zukunft gelingen, die Stoffe, welche in den Wärme liefernden Vorgang ein und aus ihm hervorgehen, zu ermitteln. Aber wäre auch diese schwerste und letzte Aufgabe der Muskelchemie ge- löst, so würde die Messung der Temperatur während der Erregung damit noch nicht überflüssig geworden sein. In der Ausdauer, mit welcher der von arteriellem Blut benetzte Muskel arbeitet und in dem eigenthümlichen Gang der Wärmebildung vom Beginn der Reizung bis zur hochgradigen Ermüdung, ist ein unersetzliches und feines Mittel gegeben, um über den _ Verlauf der Zersetzung Aufschluss zu erhalten. Und endlich, wie sollte man über den Antheil urtheilen können, welchen der ruhende und erregte Muskel am Gesammthaushalt der Wärme nimmt, wenn man sich nicht an die Untersuchung des vom arteriellen Blute durehströmten wenden wollte. Was der durchströmte im Gegensatz zum ‚stromlosen Muskel in dieser Beziehung leistet, ist schon für sich alllein ge- _ mügend, die Ausführung ähnlicher Beobachtungen, wie die meinen, als eine unumgängliche erscheinen zu lassen. Ueber die Beziehungen zwischen Hub- und Wärmebildung im tetanischen Muskel. Die Aufgabe, welche sich ein Vergleich zwischen den beiden augen- fälligsten Aeusserungen des tetanisch erregten Muskels zu stecken hat, wird sich auf die Beantwortung der Frage beschränken müssen, ob unter gleichen Bedingungen der Erregung und ‘des Blutstroms sich die Wärme bez. die Temperatur und die Umgestaltung nach derselben Richtung ändern; denn auf den Tetanus, der keine Arbeit liefert sind die scharfsinnigen Betrach- tungen und deren weittragende Folgerungen nicht anwendbar, welche Ad. Fick bei Gelegenheit seiner Untersuchungen über Zuckungen angestellt und gezogen hat. Zweckmässig, weil die Darstellung abkürzend, dürfte der Anstellung des Vergleichs die Schilderung des Einflusses vorauszuschicken sein, welchen der Blutstrom auf den Verlauf der tetanischen Verkürzung übt. Geht die Absperrung des Aortenstromes der Erregung des ausgeruhten Archiv f. A. u. Ph. 1884. Physiol. Abthlg. 19 = 290 R. MEADE SMITH: Nerven und Muskels nur um wenig Minuten voraus, oder beginnen beide gleichzeitig, so treibt der maximale Reiz den Hub ebenso hoch empor, wie am durchströmten Muskel. Aber in der Energie des Hubes, die in beiden Zuständen anfangs gleich gross erschien, treten sogleich Unterschiede ein bei der Fortdauer der Erregung. In meist steilem Abfall strebt der strom- lose Muskel aus der höchsten Verkürzung der Ruhelage zu, sodass er oft schon nach 1 bis 2 Minuten wieder auf dem Punkt angekommen ist, von dem er seine Zusammenziehung begann. Weit allmählicher ermüdet die verkürzende Kraft des vom arteriellen Blut gespeisten Muskels. Deutlicher als durch Worte werden Zahlen den Unterschied der Nachhaltigkeit beider Zustände beleuchten. a) Tetanus 1. Muskel stromlos. Hub im Beginn der Reizung = 140 "m Hub nach der Dauer des Tetanus von 1 Min. =11 "” wie 100:7 » 2. Muskel durchströmt. Hub im Beginn der Reizung 140 mm Hub nach der Dauer des Tetanus von 7 Min. = 121 "" wie 100:86 b) , 1. Muskel stromlos. Hub im Beginn der Reizung = 145 "®. Hub nach der Dauer des Tetanus von 5 Min. = 55 "” wie 100:38 - „ 2. Muskel durchströmt. Hub im Beginn der Reizung = 140 "" Hub nach der Dauer des Tetanus von 5 Min. = 106” wie 100:75 c) „. 1. Muskel durchströmt. Hub im Beginn der Reizung = 125 ıı Hub .nach der Dauer des Tetanus von 3 Min. = 105 "” wie 100:84 » 2. Muskel stromlos. Hub im Beginn der Reizung = 110 m” Hub nach der Dauer des Tetanus von 1 Min. = O0 "” wie 100:0 Nicht minder auffällig begünstigt der Blutstrom die Verkürzbarkeit des Muskels, wenn während einer dauernden Reizung die Aorta anfangs geschlossen und später eröffnet wird. War der Muskel nicht schon vor- her zur Ausführung einer grösseren Zahl von Tetani gezwungen worden und war die Aorta nach dem Beginn der Reizung nicht länger als einige Minuten hindurch gesperrt geblieben, so steigt nach der Wiederkehr des Blutstromes der bedeutend abgesunkene Hub rasch empor, niemals jedoch auf die im Anfang der Reizung erlangte Höhe. War dagegen der Muskel schon früher mehrmals tetanisirt gewesen und der Blutstrom nach Beginn der Reizung eine grössere Zahl von Mi- 'nuten hindurch unterbrochen geblieben, so wächst die Verkürzung nach | der Eröffnung der Aortenlichtung langsamer empor, anscheinend als ob sich der schwerer geschädigte und noch fortwährend gereizte Muskel unter Ver- mittelung des fliessenden Blutes nur allmählich wieder erhole. Endlich aber, wenn der Versuch in der eben beschriebenen Anordnung auf einen durch längere und wiederholte Reizungen sehr ermüdeten Muskel angewendet wird, gelangt das getragene Gewicht nach der Wiederkehr des Blutstroms nieht mehr über den am Ende der Absperrung eingenommenen — m TU DıE WÄRME DES ERREGTEN SÄUGETHIERMUSKELS. 291 Stand. Jetzt macht sich die Anwesenheit des Blutstroms nur dadurch geltend, dass die Dehnung des Muskels langsamer als im stromlosen Zu- stand fortschreitet. Vergleichen wir nun zunächst die beiden Aeusserungen der Erregung am stromlosen Muskel, so gewahren wir, dass sich im Verlaufe der Reizung Gestalt und Wärmebildung in gleichem Sinne ändern. Mit dem Beginn der Reizung ändert sich fast plötzlich die Form des Muskels und gleich- zeitig gewinnt die schon in der Ruhe bestandene schwache Wärmebildung einen starken Aufschwung. Allerdings bleibt hinter der Geschwindigkeit, mit welcher sich der Muskel verkürzt, das Ansteigen des Tihhermometers zurück, woraus jedoch auf ein langsameres Entstehen der Wärme zu schliessen keineswegs nothwendig wird, weil sich dasselbe wegen der trägen Wärme- leitung der Muskelmassen und des Glases auch dann zeigen würde, wenn momentan eine bedeutende Erhöhung der Temperatur stattgefunden hätte. Bei weiterer Fortdauer der Reizung lässt die Verkürzung des Muskels in _ den späteren Minuten nach, ein Gleiches gilt für den sichtbaren Zuwachs der Temperatur in der Zeiteinheit. Aus 20 Beobachtungen, welche an 8 verschiedenen Hunden angestellt _ wurden, gebe ich die folgenden Beispiele, die insofern als Grenzfälle an- - zusehen sind, als in dem ersten die Ermüdung langsamer, in dem zweiten dagegen sehr rasch fortschritt. In der obersten der je zu einem Versuch gehörigen Reihen finden sich die Hubhöhen in Millimetern. Die zuerst stehende giebt den maxi- malen Hub im Beginn des Reizes, die folgenden, wie hoch sich das Ge- wicht über die Ruhelage nach Verfluss von je 30 Secunden hielt. — In der zweiten Reihe verzeichnet die erste Zahl den Temperaturgrad des Muskels vor der ersten Secunde der Reizung, die folgenden um wieviel Hundertel eines Grades die Temperatur nach Verfluss von je 30 Secunden _ angewachsen war. Versuch I. | Hub 145 15 65 65 65 65 55 55 52 52 52 52um Temperaturzuwachs 34-5970. 14 5 446 2342323 Versuch L. Hub 141 1367121: 31 ze e2® Temperaturzuwachs 39-2500. 2 14 2 00 Die Befähigungen des erregten -Muskels, sich zu erwärmen und zu eontrahiren, stimmen auch insofern überein, als beide, wenn sie scheinbar in Folge einer schwächeren Reizung erschöpft sind, einen neuen Aufschwung nehmen, sowie der untermaximale durch einen neuen Reiz abgelöst wird. 19* 292 R. MEADE SMITH: Für dieses Verhalten bieten die folgenden Zahlen und Figuren ein Beispiel. Die beiden Versuche, welchen sie entnommen wurden, sind an demselben Muskel ausgeführt, während er das eine Mal vom Blutstrom abgesperrt, das anderemal von ihm durchsetzt wurde. Aus der Gegenüberstellung wird die Steigerung ersichtlich, welche die Energien des Muskels durch den Zu- fluss des Blutes erfahren. | Tetanus 1. Der ausgeruhte Muskel erhält kein arterielles Blut. Untermaximaler Reiz. Maximaler Reiz. Hub 40 10 0 0 75 55 mm Temperatur 39.8700. 87 92 95 97 2? 98 ? 98 97 40.16 40.21°C. Tetanus 2. Der ausgeruhte Muskel wird vom arteriellen Blut durchströmt. Untermaximaler Reiz. Maximaler Reiz. Hub 55 53 47 44 37 830 89 SsAmR Temperatur 39.33°C. 40 47 54 60 65 69 72 74777980 82 40.0822 30 30%C. | Stromlos | | - | Reizung [ SEEN ARE | Fig. 6. Nach den Zahlen von Tetanus 1 ist Fig. 6, nach denen des Tetanus 2 ist Fig. 7 (s. folgende Seite) dargestellt. Die gradlinig schraffirten Theile der h -das Verhältniss zwischen den DIE WÄRME DES ERREGTEN SÄUGETHIERMUSKELS. 293 Figuren entsprechen dem Verlaufe des Hubes. Die fein ausgezogene Curve verläuft entsprechend der arteriellen, die stark ausgezogene der Muskeltem- peratur. Wie stellt sich nun in dem vom arteriellen Blute durchströmten Muskel das Verhältniss der Kräfte, die auf den Hub und die Wärmebildung ver- wendet sind? Aehnlich wie im stromlosen begleitet auch im durchströmten Zustand die Bildung von Wärme die Öontraction, so dass beide gleichzeitig anheben und erlöschen; aber aus der qualitativen Ueberein- stimmung wird man noch nicht auf eine quantitative schliessen, nicht annehmen wollen, dass zur Wärmebildung und den zur Umformung aufgewendeten Kräften in dem stromlosen gleich dem im durchströmten Muskel sei. Zu der Annahme, dass sich mit dem Hinzutritt des arteriellen Blutes das Ver- hältniss zwischen Wärme- und Hubkraft ändere, werden wir noch besonders veranlasst durch die sorgfältigen DBe- obachtungen Heidenhain’s, wonach in Folge ausgeführter Arbeiten die Wärmebildung mehr als der Hub ermüdet. | Im umgekehrten Sinne MW | : - | wie die ermüdende Arbeit W | Reizung | würde doch der erfrischende Blutstrom wirken. An die | FE; ie. 6 Beantwortung der eben auf- geworfenen Frage knüpfen sich wichtige Folgerungen für den im Innern des erregten Muskels ablaufenden Vorgang. Kann der Muskel bei gleicher Arbeit eine ungleich grosse Wärmemenge erzeugen, besteht also zwischen beiden Erscheinungen ein nur bedingter Zusammenhang, so lässt sich dieses, so- weit ich sehe, nur auf zweierlei Art erklären, entweder durch eine Aende- tung der relativ trägen Massen des Muskels, oder dadurch, dass der Reiz zwei verschiedene Arten von Umsetzung einleitet, deren eine der Form- 294 ’ R. MEADE SMITH: ‘änderung, die andere aber der Wärmebildung zu Gute kommt. Gehen wir mit wenigen Worten auf die Bedeutung der beiden Unterstellungen ein. Wie alle übrigen Motoren muss auch der Muskel träge, Kraft übertragende Stücke besitzen, an welchen die in ihm entwickelten Kräfte ihren Angriffspunkt finden. Ist innerhalb der Bedingungen des Lebens eine Aenderung ihrer Kraft aufnehmenden oder übertragenden Befähigung möglich, so lässt sich auch erwarten, dass trotz einer verminderten Herstellung von freier Energie die vom Muskel geübte Arbeit gleich bleiben, ja anwachsen kann, wie es nach der Beobachtung von Heidenhain in der Ermüdung geschah. Die zweite Unterstellung, dass in dem erregten Muskel zwei chemische Umsetzungen gleichzeitig vom Reize eingeleitet, dann aber unabhängig von einander weiter schreiten sollen, hat etwas Befremdendes, aber sie ist doch nicht widersinnig. Für sie lassen sich sogar die Thatsachen m’s Feld führen, dass der Muskel, ohne eine nachweisbare Wärmemenge zu erzeugen, in dem zusammengezogenen Zustand — in der sog. Contractur — Ver- harren, und dass andernfalls auch der ruhende, vom arteriellen Blute ab- gesperrte Muskel seine Temperatur erhöhen kann. Ohne allzutiefe Eingriffe in die Reizbarkeit erlaubt die Verwendung des lebendigen Thieres ausser der Erholung durch die Ruhe und der Ermüdung durch die Arbeit auch noch beides mit und ohne die Beihülfe des arteriellen Blutes zu bewirken, sodass aus der Vermehrung der Abänderungen des Ver- suchs die Hoffnung erwächst die zwischen der Wärmebildung und der Um- formung bestehenden Abhängigkeiten vielseitiger zu beleuchten. In vollem Maasse würden die gefundenen Thatsachen jedoch erst dann fruchtbar werden, wenn ihre Deutung auf einer unangreifbaren Grundlage geschehen könnte, Zu dem beabsichtigten Vergleiche wähle ich’ zuerst je zwei maximale Erregungen, des unter Zutritt des Blutes ausgeruhten Muskels von einer Minute Dauer, die erste bei verstopfter, die zweite bei offener Aorta ein- geleitet. Da wir wissen, dass der durchströmte Muskel in der Befähigung Wärme zu bilden und in der Nachhaltigkeit der Zusammenziehung dem - stromlosen überlegen ist, so bleibt nur noch zu entscheiden, in welchem Verhältniss unter dem Zufluss des Blutes Hub und Wärme gewachsen sind. — Weil die Menge der entstandenen Wärme im durchströmten Muskel, wegen ihrer theilweisen Wegführung durch das Blut, unbekannt bleibt, so können nur die in gleicher Zeit eingetretenen Erhöhungen der Temperatur miteinander verglichen werden, und weil sich der Umfang der Zusammen- ziehung in beiden Zuständen nicht zwischen denselben Anfangs- und End- werthen bewegt, so kann nur je das Mittel aus ihnen zur Vergleichung benutzt werden, wogegen bei den mässigen Abweichungen der hier in Betracht kommenden Grenzwerthe sich keine Einwendung erheben lässt. — In den nachfolgend mitgetheilten Beobachtungen betrug die Erregungsdauer jedes DIE WÄRME DES ERREGTEN SÄUGETHIERMUSKELS. 295 Mal 1 Minute, die Reizung des vom Blut abgesperrten Muskels wurde stets - früher als die des durchströmten ausgeführt. Die Temperatur des Muskels lag immer über der des Blutes. | _ Thier I. 1. Strom gesperrt. — Am Ende der Minute war die Temperatur _ um 0.36°C. gewachsen. | Hub am Beginn der Minute 140=”, Am Ende derselben 121 "m, _ Mittel 131 mm, | \ 2. Strom offen. Am Ende der Minute war die Temperatur um 0.41°C. gewachsen. Hub am Beginn der Minute 141”". Am Ende derselben 130 m, Mittel 135m, | | _Verhältniss der Temperatur des stromlosen zum durchströmten Muskel E=1:1:14. | _ _ Verhältniss des Hubes des stromlosen zum durchströmten Muskel u 1:1:-03. | 3. Strom gesperrt. Zuwachs der Temperatur 0-28°C. Hub von 138 auf 105". Mittel 121 "m, 4. Strom oflen. Zuwachs der Temperatur 0-35°C. Hub von 134 auf 111”. Mittel 122 =n, Verhältniss der Temperatur des stromlosen zum durchströmten Muskel =1:1-25. Verhältniss des Hubes des stromlosen zum durchströmten Muskel == 1:1.00. Thier II. 1. Strom gesperrt. Zuwachs an Temperatur 0.30°C. Hub von 70 auf 30", Mittel 50m. 2. Strom offen. Zuwachs an Temperatur 0-46°C. Hub von 59 auf 61 "=, Mittel 60 "m, _ Verhältniss der Temperatur des stromlosen zum durchströmten Muskel B=1:1-53. _ Verhältniss des Hubes des stromlosen zum durchströmten Muskel "Thier III. 1. Strom gesperrt. Zuwachs der Temperatur 0:.29°C. Hub von 86 auf 55", Mittel 70.5 "m, i 4 2. Strom offen. Zuwachs der Temperatur 0.37°C., — — Hub von 85 auf 82 "m, Mittel 83.5 mm, 296 R. MEADE SıMITH: Verhältniss der Temperatur des stromlosen zum durchströmten Muskel = 1:1:27. Verhältniss des Hubes des stromlosen zum durchströmten Muskel = 1:1- 18. Könnte man statt des Quotienten aus den zugewachsenen Temperaturen den der Wärmemenge einführen, so würde das Uebergewicht der Wärme- bildung innerhalb des durchströmten Muskels jedenfalls noch stärker her- vortreten, da, wie meine früheren Beobachtungen lehren, das in der ersten Minute der Erregung aus dem Muskel wegfliessende Venenblut schon merklich wärmer als das in ihn einströmende war. Doch auch trotz der ungünstigen Berechnung sieht man, dass der ausgeruhte, vom Blute be- netzte Muskel an Wärme bildender Energie mehr als ein contrahirender gewann. Sicherlich, die vorgelegten Beobachtungen beweisen noch nicht die Behauptung, dass aus dem in der Ruhe aufgespeicherten Vorrath bei der Erregung des vom arteriellen Blut durchflossenen Muskels mehr Wärme gebildet wurde, als bei gleichem Grade der Verkürzung im stromlosen ent- 4 DIE WÄRME DES ERREGTEN SÄUGETHIERMUSKELS. 297 steht, aber sie verdienten doch darum der Erwähnung, weil sie zu neuen Versuchen auffordern. Das Verhältniss zwischen Wärme und Hub stellt sich dagegen in der Regel umgekehrt heraus, wenn statt des ausgeruhten der durch Arbeit und Ent- behrung des Blutstroms ermüdete Muskel unter dem Wiederzutritt des Blutes errest wird. — Namentlich wenn die Ermüdung der Wärmekraft bei dauernd fortgesetzter Erregung unter dem Wechsel der Zuführung und Abhaltung des Blutstroms weit fortgeschritten ist, bedingt die Wieder- kehr des arteriellen Blutes oft ein mächtiges Ansteigen des tiefgesunkenen Hubes und ein nur geringes der Temperatur. Um Anordnung und Er- gebniss des Versuchs besser, als es die alleinige Anführung der Zahlen vermag, zu veranschaulichen, schicke ich den letzteren die Fig. 8 voraus (s. vorige Seite). Die fett ausgezogene Linie zeigt den Verlauf der Muskel, die schwach ‚ausgezogene den der Bluttemperatur. Die gradlinig schraffirten Abschnitte der Figur entsprechen den Hubhöhen des Muskels. Die von der Nulllinie des Hubes senkrecht aufsteigenden fett ausgezogenen Geraden messen den Blutdruck in der A. cruralis. Unter dem Argument des Hubes ist an- ‚gegeben, wenn der Blutstrom gesperrt und wenn er zugelassen war, und wie lange die Reizung andauerte. Während der Minuten, in welchen der "Muskel gereizt wurde, ist anfänglich der Blutstrom abgesperrt, dann zu- gelassen, darauf wieder abgesperrt und endlich wieder zugelassen worden. Die Fig. 8 ist nach den folgenden Zahlen entworfen. r a) Blutstrom gesperrt. Temperatur des Blutes 39.14°C. +37 +40 Hub 141 86 11mm | b) Blutstrom im Gange. Temperatur des Blutes 39.12°C0 2? -29 :-32 -31 -30 +28 Temperatur des Muskels 89.4300. +48 .48 .44 +40 .37 837 "Hub 106 109 109 110 110 110m 2 c) Blutstrom gesperrt. Temperatur des Muskels 39.37°C. -36 39 41 +43 Hub 81 9 8 Bm ra d) Blutstrom im Gange. Temperatur des Blutes 39-34°C. -39 37 -35 ri des Muskels 39-4400. -43 40 40 a b 9 96 106 Und darauf nach Unterbrechung des Reizes g von O bis 1 Minnte, von 1 bis 3 Minuten. Temperatur des Blutes 39.40°C. 3%31°C. Temperatur des Muskels 39-3400. 39.3500. 298 R. MEADE SMITH: In der zweiten Versuchsperiode (b) sank die Eigentemperatur des. Muskels während 3-5 Minuten von 0.31 auf 0.09°C., der Hub stieg von 11 auf 110m empor; in der vierten Versuchsreihe (d) kam die Eigen- temperatur des Muskels während 2 Minuten von 0-10 auf 0-05 herab, indess sich der Hub von 9 auf 106” steigerte. In der Periode b sank die Eigentemperatur im Mittel zur Minute um 0-06°C. und in d um 0.025°C. Nach dem Aufhören der Reizung aber um 0-03°C., mithin nur einen gleichen Betrag wie in der letzten Periode der Reizung. Das Vorkommen, zu welchem die eben mitgetheilte Beobachtung gehört, dürfte den von Heidenhain am ausgeschnittenen Froschmus- kel aufgefundenen entsprechen. Unter ähnlichen Bedingungen bin ich ihm in der Regel, je- doch nicht immer begegnet. Unter den Abweichungen, bietet sich als ein auffallendes Beispiel, das in Fig. 9 dar- gestellte. Ehe die Erregung, deren Aeusserungen der Holz- schnitt wiedergiebt, eintrat, war der Muskel schon stark in Anspruch genommen ge- wesen. — Vor der letzten hier ‚Reizung. in Betracht kommenden Rei- zung hatte der MuskellO Mi- Fig. 9. | nuten hindurch unter Hinzu- tritt des arteriellen Blutes und 5 Minuten mit Absperrung desselben geruht. Dann war er 11 Minuten hindurch tetanisirt worden; während der drei ersten Minuten der Reizung wurde die Aorta noch verstopft, nachher aber bis zum Ende des Tetanus offen gelassen. [7 Im ersten Abschnitt stimmen die Erscheinungen mit den schon wie- derholt in dieser Abhandlung beschriebenen. Als dagegen die Arterien- bahn eröffnet war, stieg der Hub nicht wieder an, wohl aber wuchs die Temperatur nach einer Zögerung während der ersten Minute 6 Minuten lang Die WÄRME DES ERREGTEN SÄUGETHIERMUSKELS. 299 allmä ılich um 0-23° C. empor; etwa eben so viel, als sie im Beginn der Reizung (0-21°C.) gewachsen war. Den Bericht über die angestellten Versuche schliesse ich mit dem Bedauern, dass es mir nicht vergönnt war, die Arbeit weiter zu führen, zugleich mit der Hoffnung, dass Andere den abgebrochenen Faden auf- nel men und mit verbesserten Methoden unter vervielfältigter Abänderung der Bedingungen das Gebiet nach allen Richtungen hin durchsuchen rerden, in welches ich nur einen Streifzug unternommen habe. Der Ein- sicht in die Beziehungen des Blutes zum inneren Leben des Muskels und der Abhängigkeit der Gesammtwärme des Organismus von der Umsetzung "während der Erregung würde daraus gewiss eine Förderung erwachsen. Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft zu Berlin. i Jahrgang 1883 —84. IX. Sitzung am 15. Februar 1884." | 2 Hr. Bewpa demonstrirt eine Reihe von Praeparaten über das Vor- kommen des Koch’schen Bacillus in den Nieren und die von demselben hier erzeugten Erkrankungen. Das erste der Praeparate zeigt das Vorkommen von Bacillen in dem, wahr- scheinlich thrombotischen Inhalt einer kleineren, makroskopisch noch nicht sicht- baren Vene. Da das Praeparat einem Falle- von Nephrophthise, zu der sich später Miliartuberculose gesellte, entstammt, so bildet dasselbe einen wichtigen Beleg für die von Weigert schon vor der Entdeckung des Tuberkelbacillus constatirte Möglichkeit eines Eindringens von tuberculösem Gift in den Kreis- lauf durch Venenthromben. Eine Reihe weiterer Praeparate bezieht sich auf die Verfolgung einer der käsigen Pneumonie analogen bacillären Erkrankung der parenchymatösen Theile der Niere, die entsprechend der von Buhl für die käsige Pneumonie constatirten Ei Thatsache hervorragend in Epitheldesquamation besteht. Sie zeigt eine Aus- füllung und Erweiterung der Harncanälchen durch eine bei frischer Erkrankung fast nur aus Epithelien bestehende Masse, die in älterem Stadium verkäst und schliesslich eine fast homogene, nur wenig schollige Structur erkennen lässt. Bacillen treten darin oft in colossaler Menge auf, in den ganz verkästen Massen besonders oft in geschlängelten (ausgewachsenen) Formen. Die Erkrankung findet sich überall, wo der Bacillus in die Harncanälchen eingedrungen ist, und in allen Abschnitten der Harncanälchen: in den Sammelröhren, den Henle’schen Schleifen, den gewundenen Canälchen und den Glomeruluskapseln; gleichviel auf welche Weise der Bacillus eingedrungen ist: bei dem Uebergreifen einer Nieren- beckentuberculose auf die Niere, wo der Process in den Sammelröhren beginnt, beim Uebergreifen rein interstitieller bacillärer Erkrankungen, wie dies nament- lich an der sogenannten Grenzschicht der Niere constatirt werden kann, schliess- lich in bemerkenswerther Weise in gewissen Fällen beim Eindringen des Bacillus ı Ausgegeben am 22. Februar 1884. VERHANDLUNGEN DER BERL. PHYSIOL. GESELLSCH. — BENDA. — LuCAE. 301 von einer Embolie einer Glomerulusschlinge aus. In letzterem Falle kann man die desquamative Entzündung des Kapselepithels in der Umgebung der emboli- sirten Arterienschlinge erkennen, während der andere Theil des Kapselepithels noch intact sein kann. In den auf letztere Erkrankung bezüglichen Praeparaten findet sich eine den Glomerulus circulär oder semilunar umgebende Zellanhäufung, die so scharfe Begrenzung zeigt, dass man sie wohl für die Ausfüllung eines an der Aussen- seite der Bowmann’schen Kapsel liegenden Lymphraumes halten muss. X. Sitzung am 14. März 1884." 1. Hr. Lucar hielt den angekündigten Vortrag: „Zur Lehre und Be- handlung der subjectiven Gehörsempfindungen.“ » Bei der vorliegenden Untersuchung handelt es sich um eine bestimmte Gruppe von sehr häufig bei Schwerhörigen, seltener bei Normalhörenden vor- "handenen chronischen, nicht pulsirenden subjectiven Gehörsempfindungen, deren "Ursachen noch völlig im Dunkeln liegen. Sie sind, um keinen Zweifel an der _ Reinheit der betreffenden Beobachtungen aufkommen zu lassen, wohl zu unter- scheiden von denjenigen subjectiven Wahrnehmungen, welche auf mehr oder ‚weniger leicht zu diagnosticirende Allgemeinerkrankungen oder Affectionen des Gehörorganes selbst beruhen. Zu den letzteren gehören in erster Linie die fast ‚stets von klopfenden Gehörsempfindungen begleiteten acuten Entzündungen des äusseren und mittleren Ohres, welche hier nur insofern in Frage kommen, als nach ihrer völligen Heilung nicht selten die oben genannten subjectiven Er- ‚scheinungen zurückbleiben oder erst später auftreten. Hieran schliessen sich _ die fast ausnahmslos mit starken subjectiven Geräuschen und Klängen verbun- denen Affectionen des Labyrinthes bez. des Acusticus. Ferner sind es die so häufigen mechanischen Verstopfungen der peripherischen Ohrtheile durch fremde oder pathologische Stoffe, welche bekanntermaassen den begleitenden subjectiven Empfindungen der verschiedensten Form zu Grunde liegen; weniger beachtet sind hier die durchaus nicht seltenen Fälle, wo die in der Regel leicht zu hebende Functionsstörung gar nicht mit subjectiven Gehörsempfindungen verbunden ist. assen wir zunächst den äusseren Gehörgang in’s Auge, so kann es sogar vor- tommen, dass erst nach Entfernung von verstopfenden Massen (Cerumen, Aspergillus) sehr belästigendes, continuirliches Rauschen, Zischen u. s. w. auftritt und lange Zeit bestehen bleibt. Was speciell die wirklichen (mit Hypersecretion einher- gehenden) chronischen Mittelohrkatarrhe betrifft, so lehrt die tägliche Erfahrung, dass nach der fast immer durch sorgfältige örtliche Behandlung bewirkten Heilung die subjectiven Erscheinungen nicht immer schwinden. — Die bei ' weitem grössere Zahl der uns hier interessirenden subjectiven Gehörempfindungen findet sich in den meist mit progressiver Schwerhörigkeit einhergehenden chro- nischen Fällen, in denen in der Regel weder die Anamnese noch die objective ! Ausgegeben am 10. März 1884. Bo 302 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Untersuchung uns über den Sitz der Krankheit belehrt, das äussere und mittlere Ohr sich vollkommen frei und lufthaltig zeigt, und die Continuität des Trommel- felles vollkommen erhalten ist. Es handelt sich hier um das grosse Heer jener Schwerhörigen, die dem ÖOtologen jeden Tag die meist schwer oder gar nicht zu beantwortende Frage vorlegen, ob eine Affection des schallzuleitenden Apparates, eine Affection des Labyrinths bez. des Acusticus, oder eine gleichzeitige Er- krankung dieser beiden Ohrtheile vorliegt. Wie oben bereits erwähnt leiden auch vollkommen Normalhörende, welche sich in Bezug auf den objectiven Befund der letzteren Gruppe anreihen, an chronischen Gehörsempfindungen und bilden die letzteren andererseits einen Uebergang zu den, meist als hohes vorübergehendes Klingen auftretetenden Erscheinungen bei völlig gesunden Personen. Redner hat daher mehrere Jahre auf dieses „normale Ohrenklingen“ seine Aufmerksamkeit gerichtet und durch Selbstbeobachtung festgestellt, dass dasselbe nach mehrfachen Beobachtungen an der Grenze (h?) bez. innerhalb der viergestrichenen Octave (c?, e*) liegt, daher mit dem: Eigenton des äusseren Ohrganges zusammenfällt. Er nimmt an, dass es sich hierbei um ein durch tonischen Krampf des Tensor tympani her- vorgerufenes Selbsttönen der Luftsäule im äusseren Ohrgange handelt.! Redner sieht vorläufig ganz ab von einem Versuche, eine Erklärung für die in Rede stehenden pathologischen subjectiven Klänge und Geräusche seben zu wollen und weist nur darauf hin, dass sämmtliche objectiv ausserhalb des Ohres vorkommenden, sowohl einfache als zusammengesetzte Klänge und Geräusche in der verschiedensten Intensität auch im Ohre subjectiv beobachtet werden. Aus begreiflichen Gründen wird ferner auf eine eingehende Schilderung der unzähligen Abarten der pathologischen Gehörsempfindungen Verzicht geleistet; da- gegen werden sowohl aus physiologisch als therapeutisch wichtigem Grunde zwei Gruppen derselben aufgestellt: ; 1) Solche, welche durch äusseren Schall an Intensität zunehmen, 2) Solche, welche durch äusseren Schall an Intensität abnehmen. Da sowohl in der ersten Gruppe, als auch — in therapeutischer Hinsicht — in der zweiten Gruppe der auf äusseren Schall erfolgende Nachklang eine wichtige Rolle spielt, so muss zuvor dieser auch in der Norm sehr häufig vor- kommenden, bisher sehr wenig berücksichtigen Erscheinung, die jedoch selbst älteren Schriftstellern wohl bekannt ist, mit einigen Worten gedacht werden. Man kann das Resultat der älteren und der eigenen Beobachtungen des Redners dahin zusammenfassen, dass fast jedes normale Ohr — zumal bei leichter Erregbarkeit der betreffenden Person — nach dauernder Einwirkung eines Klanges oder Ge- räusches, diesen Schalleindruck selbst oder eine dem äusseren Schall nicht adaequate subjeetive Empfindung einige Zeit, oft Tage lang, bei gleichzeitiger „Verschleierung“ festhält. Aehnlich verhält es sich mit nur kurze Zeit anhaltenden sehr inten- siven, namentlich sehr hohen Klängen und Geräuschen; doch scheint hierzu eine gewisse „Disposition“ oder wenigstens der Umstand nöthig zu sein, dass das betreffende Ohr von dem plötzlich auftretenden Schall (Kanonendonner, Locomotiv- ! Das Nähere hierüber wird in der eingehenden Arbeit erscheinen. Vergl. in- zwischen Lucae, Ueber die Resonanz der lufthaltigen Räume des Gehör- organs, Diese Verhandlungen. 2. März 1883. In diesem Archiv, 1883, 8, 268. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — LUCAE. 303 ‚pfift, alle Arten von Detonationen, starke schrille musikalische Töne u. s. w.) in _ unmittelbarer Nähe der Schallquelle überrascht wird. % In den pathologischen Fällen hält die Nachempfindung bez. die durch den _ äusseren Schall hervorgerufene subjective Gehörsempfindung Wochen, Monate, ja selbst viele Jahre an, gleichzeitig unter starker Verminderung der Hörschärfe und mit sehr häufig — selbst bei 'Taubheit — einhergehenden Empfindlich- _ keit gegen gewisse Schallreize. Bereits anderweitig erkrankte Ohren scheinen am meisten hierzu disponirt zu sein. Zuweilen begegnet man jedoch auch hier Personen mit fast ganz gesunden Gehörorganen und normaler Hörschärfe. Andererseits kommen Fälle vor, wo die Ursache der bestehenden subjectiven _ Gehörsempfindungen dunkel ist, die letzteren jedoch nach jedesmaliger Einwir- kung von äusserem Schall regelmässig zunehmen. Die Therapie hat hier selbst- verständlich die nächste Aufgabe, die betreffenden Kranken (am häufigsten Per- sonen, deren Stand das fortwährende Anhören von starken Geräuschen, Klängen und _ Detonationen mit sich bringt) vor jedem Schallreiz möglichst zu schützen.Hierzu ge- mügt keineswegs das naive Verstopfen des Ohres mit Watte; es muss hierzu Wachs, gekautes Papier, Guttapercha oder ein ähnlicher luftdicht abschliessender Stoff gewählt werden. Vor Allem aber müssen die Kranken für längere Zeit "ihren Beruf (Musiker!) entzogen werden und sich in einem möglichst stillen Orte aufhalten. Redner hat mit diesem seit vielen Jahren streng durchgeführten Heilverfahren, dem sich freilich die wenigsten Patienten fügen, in einer nicht ‚geringen Anzahl sehr gute Resultate erzielt. Weit grösser ist die Zahl ‘derjenigen Ohrenkranken, deren subjective Ge- -hörsempfindungen durch äusseren Schall, besonders durch den Lärm von grossen "Städten, durch das Rasseln eines Wagens, in dem sich Patient befindet u. s. w. mehr oder weniger vollständig verdeckt werden. Dies sind die Fälle, welche "vorzugsweise unsere Hülfe wegen der äusserst quälenden, zuweilen zum Selbst- 'mord führenden subjectiven Gehörsempfindungen in Anspruch nehmen. Zu seinen ‚therapeutischen, auf dem oben besprochenen Nachklang basirenden Versuchen hat Redner vorläufig nur solche Fälle dieser Kategorie ausgewählt, wo in einem und demselben Ohre nur eine subjective Gehörsempfindung ihren Sitz hatte, welche je nach ihrem Charakter und ihrer Höhe als hohes Geräusch (Zischen) oder hohes Tönen (Klingen, Pfeifen), in einer anderen Zahl von Fällen als tiefes Geräusch (Sausen, Summen) oder tiefes Tönen (Brummen, tiefes Glockenläuten) nach genauester Prüfung aufzufassen war. Die eingeschlagene mit „Tonbehandlung“ zu bezeichnende Therapie fand in der Weise statt, dass das betreffende Ohr längere Zeit hindurch Stimin- gabeltönen ausgesetzt wurde, welche in der Scala von dem subjectiven Tone der Geräusche weit entfernt lagen; so zwar, dass ein hohes subjectives Zischen er Klingen mit einem tiefen Tone (c, C,), und ein tiefes. subjectives Sausen der Brummen mit einem hohen Tone (c®, c*) behandelt wurde. Es wurden zu iesem Zwecke theils einfache Stimmgabeln, theils solche mit Resonatoren, in ‚einem unzweifelhaften Falle von Taubheit nach Mumps die auf c abgestimmte elektromagnetische Unterbrechungsgabel von Helmholtz angewendet. Die Dauer ‚der Sitzungen betrug Anfangs 1 Minute mit allmählicher Steigerung auf 3 Minuten, in dem obigen Falle von Mumps sogar auf 5 Minuten. Der nächste Erfolg ' war ein allmähliches Schwinden bez. eine wesentliche Abnahme der subjectiven Gehörs- empfindungen, welche Erscheinung auch noch längere Zeit nach dem Auslöschen des äusseren Tones anhielt, während letzterer einige Minuten bis mehrere Stunden 304 VERHANDLUNGEN DER BERLINER lang in dem Ohre als lauter Nachklang zurückblieb. Die überraschendste That- sache war jedoch die, dass in einigen Fällen (auch in dem Falle von Taubheit nach Mumps) schon nach wenigen Sitzungen, zuweilen sogar bereits sofort nach einmaliger Behandlung, die stark herabgesetzte Hörweite für die Flüstersprache auf mehrere Meter zunahm, und dass diese Besserung der Function mehrere Monate lang anhielt, ja zuweilen von selbst weiter stieg, ohne dass eine regelmässige Wiederaufnahme der Tonbehandlung stattfand. Hier- mit ging Hand in Hand eine wesentliche Abnahme der subjectiven Gehörs- empfindungen, welche ausserdem fast regelmässig nach Einwirkung hoher Gabeln sich erhöhten, nach solcher von tiefen Gabeln sich vertieften. Zur Erklärung der so auffallenden Gehörsverbesserung (in einem Falle von stark herabgesetzter Perception der hohen Töne mit tiefem subjectivem Sausen sogar fast völligen Wiederherstellung der Function) stellt Redner die Hypothese auf, dass in den vorliegenden Fällen die betreffenden, den subjectiven Gehörs- empfindungen entsprechenden Fasern des Acusticus einem permanenten patho- logischen Reize unterworfen seien, und zwar auf Kosten der anderen, ausser Thätigkeit gesetzten zahllosen Nervenfasern, welche zur Perception der aus einer gar nicht zu berechnenden Zahl von Tönen und Geräuschen zusammen- gesetzten Sprache erforderlich sind. | Die weiteren Details, sowie eine eingehende Berücksichtigung der hier in. Betracht kommenden Beobachtungen älterer und neuerer Forscher (Willis, Itard, Paul Jacob, Johannes Müller, Preyer, Urbantschitschu.A) werden in einer besonderen Abhandlung veröffentlicht werden. 2. Hr. H. Munk verlas folgende Mittheilung des auswärtigen Mitgliedes Hrn. J. Gad in Würzburg: „Ueber Centren und Leitungsbahnen im Rückenmark des Frosches.“ Nach den Angaben von Sanders-Ezn, Koschewnikoff und Eckhard ist das Rückenmark des Frosches unterhalb der siebenten Wurzel unfähig, Re- flexe zu vermitteln. Da die siebente Wurzel nahe der oberen Grenze der Lumbal- Anschwellung das Rückenmark verlässt und da innerhalb dieser Anschwellung die zur aprioristischen Construction eines Reflexbogens erforderlichen Gewebs- elemente in reichstem Maasse vorhanden sind, involvirt die citirte Angabe eine principielle Schwierigkeit für das Verständniss des Reflexmechanismus. Nur von einer Seite ist bisher Material beigebracht worden, welches in einem, der An- nahme von Eckhard widersprechenden Sinne verwerthet worden ist. Masius ist dafür eingetreten, dass jedem Wurzelpaar des Lumbarmarkes des Frosches” ein in ungefährer Höhe der Austrittsstelle gelegenes, räumlich von den übrigen gesondertes Reflexeentrum entspräche. Die Versuche, auf welche Masius diese Ansicht stützt, sind aber in der That nicht derart beschrieben, dass Eckhard Veranlassung gehabt hätte, nach denselben seine Anschauung zu modificiren. Macht man nun die Versuche von Sander-Ezn, Koschewnikoff und Eckhard über den Einfluss der Rückenmarksdurchschneidung auf die Reflex- bewegungen des Frosches nach, so findet man in der That, dass unmittelbar nach einer vollkommenen Durchschneidung in der Höhe der siebenten Wurzel etwa, alle Reflexbewegungen der Hinter-Extremitäten aufgehoben sind. Hat man aber mit genügender Schonung der unteren Partie des Rückenmarks operirt, wozu unter Anderem gehört, dass man bei der erforderlichen Eröffnung des Rücken- m PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — LuCAE. — H. Munk. 305 markscanales von hinten das Rückenmark unterhalb der achten Wurzel über- haupt nicht freilegt, und hat man den, die Rückenmarkswunde gut bedeckenden Hautlappen sorgfältig genäht, so tritt nach kürzerer oder längerer Zeit eine theilweise Restitution der Reflexerregbarkeit der Unter-Extremitäten ein. Das „theilweis“ bezieht sich nicht immer auf die Intensität der Bewegungen, denn diese kann unter Umständen sehr bedeutend gesteigert sein, stets aber auf den Umfang der Reflexe in Bezug auf die betheiligten Muskeln und in Bezug auf die betheiligten Reizstellen. Mir und Hrn. stud. Hirsch, welcher im Laufe des verflossenen Semesters unter meiner Leitung sich mit diesen und ähnlichen Versuchen beschäftigt hat, ist es gelungen, theilweise Restitution der Reflexe nach vollkommener Durchschneidung an der Austrittsstelle der achten hinteren Wurzel zu erzielen. Die wirksamen Reizstellen sind dann auf die Ausbreitungsgebiete der neunten und zehnten hinteren Wurzel, also namentlich auf Fusssohle, Hacke und Analgegend beschränkt. Die Reflex- erregbarkeit für hier angebrachte Reize ist oft bedeutend erhöht — aber natür- lich nur vorübergehend, d. h. etwa in der zweiten und dritten Stunde nach der Operation. Die am häufigsten auftretende Reflexbewegung besteht in Auswärts- Rollen und Rückwärts-Grätschen der Beine. Bei Reizung der Analgegend be- obachtet man ausserdem ziemlich regelmässig Contraction des M. ileococceygeus. _ Letzteres zu beachten ist darum wichtig, weil in sitzender Haltung durch die 4 Contraction dieses Muskels das Vorderthier bewegt und so indirect zu eigenen Bewegungen veranlasst werden kann, in welchem Fall die Reflexe auf das Vorder- thier überzugreifen scheinen. In diesen Stadien der Restitution ist der hinterste _ Theil des Rückenmarks für Strychninwirkung empfänglich. Die spontan wieder- gekehrte Reflexerregbarkeit erlebt selten den nächsten Tag. Es handelt sich überhaupt um ein Phaenomen, welches wegen der Unregelmässigkeit in den Einzelnheiten des zeitlichen Verlaufes ohne systematisch wiederholte Prüfungen leicht der Aufmerksamkeit entgehen konnte. Obgleich nun weder Hr. Hirsch noch ich von Durchschneidungen, welche erheblich unterhalb der Austrittsstelle der achten hinteren Wurzel ausgeführt _ wurden, positive Resultate zu verzeichnen haben, so glaube ich doch, dass dies einen ähnlichen Grund hat, als der ist, den wir für die bisherigen Misserfolge nach Durchschneidung im Bereich der siebenten Wurzel kennen gelernt haben. Je tiefer man durchschneidet, um so grösser wird das Verhältniss der durch den Schnitt geschädigten zu der intacten Substanz, so dass die Bedingungen für eine wenigstens zeitweise Restitution immer ungünstiger sich gestalten. Ich möchte mir deshalb den Schluss erlauben, dass ebensowenig, wie die Austritts- stelle der siebenten, diejenige der achten Wurzel eine natürliche Grenze für die Existenz der Bedingungen für das Zustandekommen der Reflexe darstellt und dass die kurzen Reflexbögen, bei denen der reflectirende Centralapparat in der ungefähren Höhe der aus- und eintretenden Nervenwurzeln gelegen ist, wesent- liche Glieder in dem gesammten Reflexmechanismus ausmachen. Ergänzend hierzu ist es mir nun allerdings, und zwar ebenfalls in Gemein- schaft mit Hrn. Hirsch, gelungen, Reflexbögen von erheblich grösserer Länge ım Rückenmark des Frosches nachzuweisen. Es sind dies solche, bei denen die aus- und eintretenden Nervenbahnen in den Wurzeln des Lumbarmarkes ent- halten, die reflectirenden Centralapparate aber etwa in der Gegend der zweiten "Spinalwurzel gelegen sind. Den Nachweis dieser Bögen kann man mit Hülfe localer Strychnisirung Archiv f. A.u. Ph. 1834. Physiol. Abth. 20. 306 VERHANDLUNGEN DER BERLINER der oberen Partien des von der Medulla oblongata getrennten Rückenmarks führen. Behufs localer Strychnisirung dieser Partien stellt man ein gewöhn- liches Reflexpraeparat, am besten von Rana temporaria her, legt das Rückenmark im Bereich des ersten bis einschliesslich vierten Wirbels vollkommen frei und befestigt das Praeparat auf einer Unterlage derart, dass der Rest der Wirbel- säule vor Verschiebungen gesichert und dass der freipraeparirte Theil des Rücken- marks durch die Luft hindurch zu einem Polster aus angefeuchtetem Fliess- papier gebrückt ist. Auf dem Polster kommt die Gegend der ersten bis dritten Wurzel zu liegen, welche mit einem feuchten Fliesspapierstreifen bedeckt wird. Ist das Praeparat so hergerichtet, so überzeugt man sich von dem Vorhanden- sein der gewöhnlichen Reflexe in gewöhnlicher Stärke und giesst dann auf das Fliesspapier, welches bis dahin mit physiologischer Kochsalzlösung angefeuchtet war, einige Tropfen einer Mischung von 1 procentiger Strychninlösung mit !/, procentiger Kochsalzlösung zu gleichen Theilen. Im Laufe der nächsten 10 Minuten, während deren man den frei durch die Luft gespannten Theil des Rückenmarks vor Vertrocknung zu bewahren hat, verstärken sich allmählich die gewöhnlichen Reflexe; bis dahin unempfindliche Hautstellen werden empfindlich, namentlich zeigt das Eintreten reflectorischer Zusammenziehungen in der Flanken- musculatur auf Berührung der Haut der Flanken ein Vorschreiten der Strychnin- wirkung an. Dann kommt eine Zeit, in der jede Berührung an irgendwelcher ° Hautstelle von einem intensiven Beugetetanus der Beine beantwortet wird. Für Jemand, der an die ermüdende Einförmigkeit der reflectorischen Streck- krämpfe gewöhnt ist, welche das so charakteristische Symptom der Strychnin- vergiftung bilden, hat das Eintreten dieser reflectorischen Beugekrämpfe etwas ungemein Ueberraschendes. Bis auf den Umstand, dass es sich hier eben um Beugung statt um Streckung handelt, gleichen diese Krämpfe in allen Einzeln- heiten den bekannten Strychninkrämpfen. Bei weiter fortgesetzter localer Ein- wirkung des Strychnins gehen übrigens die Beugekrämpfe in Streckkrämpfe über. Trennt man aber im Stadium der Beugungen oder in dem der Streckungen den der Strychninwirkung ausgesetzten Theil des Rückenmarks durch einen Schnitt im Bereich der vierten Wurzel ab, so überzeugt man sich durch das: Aufhören aller Krampfanfälle und durch die Rückkehr der gewöhnlichen Reflexe, dass es sich in der That um eine auf den Bereich der ersten bis dritten Wurzel locali- sirte Strychninwirkung gehandelt hat. | Ich brauche wohl kaum zu erwähnen, dass der Erfolg der localisirten hohen Strychninvergiftung sehr an den des ersten Theils des Engelhardt’schen Ex- perimentes erinnert. In der That bin ich durch letzteres zur Anstellung meines Versuches angeregt worden. Aber man sieht auch sofort, dass mein Versuch insofern über den Engelhardt’s hinausgeht, als die bei hoher Rücken- marksdurchschneidung auftretende Beugung auf Reizung intramedullärer sensibler Bahnen des Armgeflechtes bezogen werden konnte, während das Resultat meines Versuchs auf reflectirende Apparate hinweist, die gewisse aus dem Lumbar- plexus bis in die Gegend der zweiten Wurzel EBRUSERFRNG Erregungen nach dem Lumbarplexus zurücksenden. Ich will nicht verhehlen, dass ich Anfangs geneigt war, aus dem Erfolg meines Versuches auf eine Ausbreitung der, den motorischen Fasern des Lumbar- plexus zugehörigen motorischen Ganglienzellen, bis in den obersten Theil des Rückenmarks hinein, zu schliessen. Es hat mir aber durchaus nicht gelingen wollen, bei elektrischer Reizung des oberen Theiles des Froschrückenmarkes Be- Zi ah 5 PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — H. Munk. — Kossen. 307 wegungen der Beinmusculatur zu erhalten, deren Eintreten nur um die Fort- _ pflanzungszeit in gewöhnlichen motorischen Fasern verzögert gewesen wäre. Die in meinem Versuch durch Strychnin veränderten Reflexapparate müssen also in verwickelterer Weise, als durch einfache motorische Leitungsbahnen mit den Muskelfasern des Beines zusammenhängen. Der zuletzt erwähnte Misserfolg scheint mir übrigens mit ziemlicher Sicher- heit auch die Existenz von solchen motorischen Leitungsbahnen im Rückenmark des Frosches auszuschliessen, die aus dem Hirn oder der Medulla oblongata stammend mit Vermeidung motorischer Ganglienzellen zu austretenden Wurzeln _ gelangten. Bekanntlich hat neuerdings Birge unter Gaule’s Leitung Zählungen der motorischen Zellen und der motorischen Wurzelfasern vorgenommen, deren Resultat er in gleichem Sinne deutet. Er zählte eine wesentlich gleiche Anzahl von Zellen und Fasern und wäre zu seinem Schlusse berechtigt, wenn von vorn- herein feststände, dass jede Zelle nur einer Faser zum Ursprung diente Nun hat er überdies nachweislich, weil die Schnitte dünner waren als die Längen- _ ausdehnung der Zellen, eine beträchtliche Anzahl der letzteren doppelt gezählt. Da ich nun gezeigt habe, dass in der That keine durchgehenden Fasern existiren, - so würde hieraus und aus der an der Zählung anzubringenden Correctur folgen, dass ein Theil der grossen motorischen Ganglienzellen mehr wie je einer mo- torischen Wurzelfaser zum Ursprung dient. Ich möchte die Aufmerksamkeit der - Histologen auf diese schon jetzt ziemlich zwingende Schlussfolgerung lenken. Eine genauere Beschreibung der hier angedeuteten Versuche und eine ein- gehende Discussion der sich daraus ergebenden Schlüsse werde ich demnächst in den Verhandlungen der Würzburger physikalisch-medicinischen Gesellschaft veröffentlichen. Thatsächlich möchte ich nur noch erwähnen, dass es mir auch - bei Kaninchen und Katzen nicht gelungen ist, im — blutleer gemachten — _ Rückenmark durchgehende Fasern nachzuweisen. XI. Sitzung am 28. März 1884.' Hr. Kossen spricht: „Ueber Pepton.“? Werden die durch Senkung isolirten rothen Blutkörperchen des Gänseblutes in Wasser bei Gegenwart von Aether gelöst, so bleibt eine flockige, lockere Masse zurück, welche durch Auswaschen vom Blutfarbstoff befreit werden kann. Dieselbe besteht hauptsächlich aus den Zellkernen. Auf Zusatz von verdünnten Säuren schrumpft diese Masse, zugleich geht ein Stoff in Lösung, welcher zur Gruppe der Albumosen (Kühne) gehört. Derselbe, durch Fällung mit Steinsalz und durch Dialyse der wässrigen Lösung rein dargestellt, zeigte fol- gende Reactionen. Er ist fällbar durch Essigsäure und Ferrocyankalium, durch _ Vebersättigung mit Steinsalz (auch in neutraler Lösung), durch Salpetersäure (die Fällung löst sich beim Erwärmen, erscheint beim Erkalten wieder), fällbar durch Alkohol, die Alkoholfällung löst sich vollkommen in Wasser auf, ferner ! Ausgegeben am 4. April 1883. | ° Die ausführliche Mitteilung erfolgt in Hoppe-Seyler’s Zeitschrift für physio- logische Chemie. 20*. 308 VERHANDLUNGEN DER BERLINER fäilbar durch kohlensaures Natron und durch Natronlauge, letztere Fällung ist im Ueberschuss löslich. Durch Zusatz von wenig Ammoniak zu der neutralen, salzfreien wässerigen Lösung wird der Körper vollständig in eine unlösliche den coagulirten Ei- weissstoffen ähnliche Masse umgewandelt. Die Elementaranalyse ergab (im Mittel) folgende Zahlen: Lösliche durch Alkohol Unlösliche durch Ammo- und Aether gefällte Substanz.| niak coagulirte Substanz. C 50°67 52-81 H 099 7.09 age Er 18.28 S 0-50 — (Asche 0.47) (Asche 0:50) Da das Waschwasser der Kernsubstanz keine Spur dieses Körpers enthielt, so ist derselbe erst durch die Einwirkung der verdünnten Säure entstanden oder aus einer unlöslichen Verbindung in Freiheit gesetzt. XIII Sitzung am 3. Mai 1884.' Hr. E. Harrer theilt die Resultate von Versuchen mit, welche Hr. Dr. S. Lukjanow in seinem Laboratorium: „Ueber die Aufnahme des Sauer- stoffs bei erhöhtem Procentgehalt desselben in der Luft“ angestellt hat. Die Versuchsthiere (Ratte, Meerschweinchen, Hund, Katze, Taube und Kanarienvogel) athmeten in einem nach dem Prineip von Regnault und Reiset construirten Respirationsapparat bald normale, bald in verschiedenem Grade sauerstoffreichere (bis circa 90 °/,) Luft. Das allgemeine Verhalten der Thiere, ihre Körpertemperatur und ihre Respiration liessen keine bestimmte Wirkung der erhöhten Sauerstoffspannung erkennen. Die Sauerstoffaufnahme war ebenfalls nicht in regelmässiger Weise beeinflusst. Das Mittel der Werthe für die Versuche in sauerstoffreicheren Gasgemischen war zwar um ein weniges höher als das Mittel für die Controlversuche; dieser geringen Differenz ist aber ein principieller Werth kaum beizulegen, da die Sauerstoffaufnahme auch bei Athmung in atmosphärischer Luft bedeutenden physiologischen Schwankungen unterliegt. In einer kleineren Anzahl von, Experimenten wurden pathologische Zustände herbeigeführt, in denen eine bessere Ausnutzung des in höherer Spannung dargebotenen Gases eher erwartet werden konnte, als unter normalen Verhältnissen; durch Erzeugung von septischem Fieber wurde der Sauer- stoffbedarf gesteigert und andererseits durch Blutentziehungen die Sauer- | stoffaufnahme in den Lungen beeinträchtigt, doch liess sich auch in diesen Ex- perimenten ein vermehrter Verbrauch bei Erhöhung der Spannung des Sauer- stoffs in der Athmungsluft nicht sicher constatiren. (Die ausführliche Mittheilung erfolgt in der Zeitschrift für physiologische C'hemie. Bd. VIII.) ! Ausgegeben am 23. Mai 1884. PHYSIOLOGISCHEN (GESELLSCHAFT. — SCHMEY. 309 XIV. Sitzung am 16. Mai 1884.‘ Hr. Schmey (a. G.) las einen Auszug aus seinem angekündigten Vor- trage: „Ueber Modificationen der Tastemp findung.“ Es liest eine Reihe von Beobachtungen vor über die Veränderungen der _ Feinheit des Raumsinnes einer bestimmten Hautstelle unter dem Einflusse ver- schiedener Bedingungen. Diese Beobachtungen stammen unter Andern von den HH. Lichtenfels,’ Klug,? Brown-S&quard, Alsberg,* Rumpf,° Kremer, _Stolmikoff.” Zu diesen Beobachtungen kann ich eine Reihe anderer hinzu- > fügen, die ich in letzter Zeit über die Bedingungen, welche die Feinheit des Raumsinnes zu verändern im Stande sind, gesammelt habe. Ich habe die Ver- suche alle an mir selber von einem Freunde anstellen lassen; und ich konnte constatiren, dass Vexirfehler bei mir fast gar nicht mehr vorkamen, nachdem ich mehrere Wochen hindurch fast täglich an mir hatte experimentiren lassen. An ungeübten Personen dagegen kann man dergleichen Versuche gar nicht an- stellen, da der Raumsinn bei ihnen beständig in weiten Grenzen schwankt. Ich bediente mich des bekannten Sieveking’schen Aesthesiometers und der Methode der eben noch merklichen Unterschiede; d.h. ich liess an mir die Spitzendifferenz bestimmen, bei der ich nicht mehr oder eben noch zwei Spitzen % unterscheiden konnte. Uebrigens habe ich in den Fällen, wo die eingeführten Bedingungen sehr grosse Aenderungen hervorriefen, den Schwellenwerth nicht absolut genau zu bestimmen gesucht, sondern mich dann meist begnügt, ihn in Grenzen von 3—5 = einzuschliessen, und von den Grenzwerthen das arith- _ metische Mittel zu nehmen. | Vorerst habe ich mich davon zu überzeugen gesucht, dass der Raumsinn innerhalb der Zeit, die ein Experiment beansprucht, 30—40 Minuten, sich nicht spontan ändert. Ich habe öfter 4—5 Stunden lang unter gleichmässigen Ver- hältnissen constante Werthe erhalten. Uebrigens habe ich vor Einführung einer jeden neuen Bedingung den normalen Schwellenwerth neu ermittelt. Ich gehe nun über zur Besprechung meiner Experimente. I. Wenn ich einen Arm ermüde oder auch nur anstrenge, so erleidet die Feinheit des Raumsinnes eine beträchtliche Herabsetzung. So fand ich einmal die Schwelle für den linken Unterarm bei 42 ”%%, nachdem ich ihn aber durch 2 Minuten lang fortgesetzte Pronation und Supination mit einem Gewicht von 2 87 angestrengt hatte, stieg der Schwellenwerth auf 60 "m, Bei einem anderen Ver- suche lag die Schwelle auf der Haut über dem linken Biceps bei 44 "m, stieg aber dann nach Ermüdung, die durch mehrere Minuten lang fortgesetztes Heben eines Gewichtes hervorgebracht wurde, auf 55 m, Bei diesen Versuchen zeigte es sich, dass der Raumsinn an meinem linken Arm viel feiner ist, als an meinem rechten. Ich eitire drei Versuche, die an den Oberarmen angestellt sind und die dies erweisen. ! Ausgegeben am 23. Mai 1884. ®? Hermann’s Handbuch der Physiologie. Bd. III. Abth. 2. S. 374. * Arbeiten aus der physiologischen Anstalt zu Leipzig. 1876. XI. 8.168. * Centralblatt für die mediceinischen Wissenschaften. 1864. S. 66. ° Verhandlungen des zweiten medicinischen Congresses zu Wiesbaden. 8 Pflüger’s Archiv u.s.w. Bd. XXIL S 273. "St. Petersburger medieinische Wochenschrift 1879. 310 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Links. Rechts. Differenz. 1» Ju Ba m 2a am 108 3. Juli 2375 41 „ 19% 22. Juli I, 44 ie Man ist nun leicht geneigt, diese Erscheinung als ein Analogon der Thatsachen, die auf eine innate höhere Sensibilität der linken Seite sich beziehen, anzusehen. Doch spricht gegen diese Auffassung, dass an den Oberschenkeln ein solcher Unterschied nicht wahrzunehmen ist. Von vier Versuchen, die ich in diesem Sinne anstellte, war bei zweien die Feinheit des Raumsinnes an den ent- sprechenden Stellen beider Oberschenkel absolut gleich, bei den beiden anderen Versuchen war der Raumsinn sogar rechts ein wenig feiner. . Links. Rechts. Differenz. 3. Juli A A Zen — 6. Juli a“ ;, 13,5 ae 8. Juli 13.05 14, er 22. Jul Van, 12, — Wahrscheinlich werden durch die Ermüdung. die Nerven irgendwie alterirt, sei es durch Lymphstauung, sei es durch chemische Einflüsse, oder auch nur durch die Hautspannung, und da der rechte Arm diesen Einflüssen der Muskeler- müdung mehr ausgesetzt ist, als der linke, während die Verhältnisse an den beiden Oberschenkeln ungefähr dieselben sind, so würden sich so die Versuchsresultate erklären lassen. Es findet sich ferner, dass diese Differenz zwischen dem rechten und linken Arm eine Periodieität zeigt der Art, dass die Raumsinnsdifferenz am Morgen geringer ist als am Abend. Diese Erscheinung ist nicht zurück- zuführen auf centrale Differenzen, etwa darauf, dass die Wahrnehmung am Morgen frischer ist als am Abend; es werden nämlich die rechte und die linke Extremität ungleichmässig beeinflusst, überhaupt scheint der Raumsinn an beiden Extremitäten am Morgen feiner zu sein als am Abend. | Abends. Morgens. Rechts. Links. Differenz. Rechts. Links. Differenz. JB. an OT gm 3: Aüli 2m a 2 ug 6:3" 234 ,, WR, Tat 22. Juli 26% 3E; 5 28. 3ul! 38", Ten: 10% 29. Juli 19, 23. 5 45, II. Wenn man auf eine Körperstelle, z. B. auf den Unterarm, ein Senf- pflaster auflegt, so verändert sich die Feinheit des Raumsinnes in eigenthüm- licher Weise. Wenn das Pflaster ein paar Minuten gelegen hat, bis zum Ein- treten starker Röthung und heftigen Brennens, so zeigt sich nach Abnahme des Pflasters der Raumsinn wesentlich verfeinert; das dauert aber nur kurze Zeit; während noch das Gefühl des Brennens und die Hautröthung bestehen, verringert sich die Feinheit des Raumsinnes wieder und sinkt schliesslich auf oder unter die Norm. So fand sich in einem Falle der Schwellenwerth auf meinem linken Unterarme vor Auflegen des Pflasters bei 20 ””, Nachdem es aber aufgelegt und einige Minuten lang liegen geblieben war, sank die Schwelle bis auf 10”, um nach circa 20 Minuten bis auf 35 "m zu steigen. Zur Erklärung dieser Thatsache ist man versucht, an die Cohnheim’sche Entzündungslehre zu denken, da die beiden Stadien der Raumsinnschwankungen sehr schön den beiden Entzündungs- stadien entsprechen: Erweiterung der Blutgefässe erst mit Beschleunigung, dann ! 4 mit Verlangsamung des Blutstromes, also dem Aufeinanderfolgen von arterieller und venöser Hyperaemie. Im zweiten Stadium ist wohl auch von Einfluss das Auftreten des entzündlichen Transsudates. II. Wenn man mehrere Tropfen Amylnitrit einathmet und so eine Hyperaemie des Gesichtes erzeugt, so erhält man eine ziemlich beträchtliche - Verfeinerung des Raumsinnes auf der Haut der Wangen. Bei einem Versuche - beobachtete ich den Schwellenwerth auf meiner linken Wange vor dem Einathmen dieses Gases bei 13% und nach dem Einathmen bei 7%®, Bei einem Versuche, bei dem ich mir mehr wie gewöhnlich, circa 8 Tropfen, auf mein Taschentuch gegossen hatte, trat eine eigenthümliche Gesichtswahrnehmung auf: einige _ Minuten nach dem Einathmen des Gases sah ich nämlich plötzlich bei offenen _ Augen zuerst einen, dann mehrere hellgelblich-grüne Kreise auf hellem Hinter- grunde, die ihre Farbe nicht veränderten, wohl aber allmählich grösser wurden; nach circa 5 Minuten war diese Erscheinung ziemlich plötzlich vorbei. In welcher Weise die Verfeinerung des Raumsinnes erklärt werden kann, ist nicht sicher. Die Hyperaemie ist nach den Untersuchungen von Gaspey, Jolyet und Regnard, und namentlich von Filehne! eine exquisit venöse. Möglicherweise haben wir es hier mit einer direct centralen Einwirkung des Amylnitrits zu thun, _ wenigstens hat ein vorläufiger Versuch ergeben, dass beim Einathmen dieses ' Gases auch am Unterarm, wo doch keine Hyperaemie auftritt, der Raumsinn nicht unbeträchtlich verfeinert wird. Nach den Untersuchungen von Alsberg erzeugt. venöse Hyperaemie eine Verschlechterung des Raumsinnes, allerdings sind seine Versuche nicht ganz rein, da er sich zur Erzeugung der venösen Hyperaemie einer Aderlassbinde bedient und so auch einen Nervendruck ausübt. N IV. Wenn man den Nervus ulnaris da, wo er zwischen Condylus internus _ humeri und Olceranon hindurchgeht, mit den Fingern stark drückt, und dann den Raumsinn am kleinen Finger untersucht, so zeigt er sich bedeutend ver- -schlechtert. So lag in einem Versuche die Schwelle vor Anwendung des Druckes bei 4”, und stieg während des Druckes auf 9m, Dieses Versuchsergebniss ‘steht in Einklang mit den Resultaten von Zederbaum,? wonach die Reflexer- ‚regbarkeit bei Anwendung von Druck auf den Nerven fällt. Im Gegensatz dazu erhöht nicht zu starke mechanische Spannung der Haut die Feinheit des Raum- sinnes; so habe ich in einem Falle den Schwellenwerth am Unterarm durch -2 Minuten langes Spannen der Haut von 35 auf 23” sinken sehen. In Ueber- einstimmung damit stehen Versuche, die von A. Paulus? im Vierordt’schen "Laboratorium angestellt worden sind. Derselbe fand, dass der Raumsinn am Oberschenkel und Unterschenkel verfeinert wird, wenn die Haut in eine jeden- falls nur mässige Spannung durch Flexion im Kniegelenk ersetzt wird. Dagegen fand G. Hartmann* in demselben Laboratorium, dass, wenn man den Kopf so stark nach hinten überbeugt, dass die Entfernung zweier Hautpunkte am oberen Theil des Schildknorpels verdoppelt wird, die Feinheit des Raumsinnes der be- treffenden Stelle etwas sinkt; es handelt sich hier jedenfalls um eine sehr starke Dehnung der Haut. In der That haben auch Versuche von Haber, Ranke und Cornet, Schleich, Tutschek, Conrad und Tigerstedt ergeben, dass PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — SCHMEY. all ! Loebisch, Neuere Arzneimittel. 8.63. * Archiv für Anatomie und ge: en Abth. 1883. 8. 169. % Zeitschrift für Biologie, B. VII. S. 2 * Ebenda. Bd. XI. S. 98. 312 VERHANDLUNGEN DER BERLINER PHYSIOL. GESELLSCHAFT. — SCHMEY. mässige Dehnung die Erregbarkeit sensibler Nervenfasern erhöht, während nach denselben Autoren und nach P. Vogt stärkere Dehnung dieselbe herabsetzt. V. Wenn man auf eine Hautstelle ziemlich intensive Kälte einwirken lässt, so vermindert sich die Feinheit des Raumsinnes in beträchtlichem Masse. Bei meinen Versuchen goss ich auf die betreffende Hautstelle Schwefeläther, und in Folge dessen stieg der Schwellenwerth z. B. in einem Falle von 32 auf 62 mm, sank aber allmählich wieder und erreichte nach 20 Minuten die Norm. Viel- leicht ist hierbei das Wesentliche die Hautanaemie; wenigstens haben Versuche von Alsberg ergeben, dass Anaemie den Raumsinn verschlechtert. Lange nach Beendigung dieser Versuche theilte mir Hr. Dr. Stolnikoff mit, dass er das Gleiche schon früher gefunden und auch in einer russischen Zeitschrift ver- öffentlicht hat. In ähnlicher Weise hat Nothnagel! gefunden, dass das Unter- scheidungsvermögen der Haut für Temperaturdifferenzen bedeutend geschwächt wird, wenn man die betreffende Stelle stark abkühlt. Diese Versuche ergeben also, dass man die Feinheit des Raumsinnes sehr bedeutend nach beiden Richtungen hin verändern kann, wenn man entweder die Nerven direct afficirt, oder indirekt durch Veränderung der Circulationsverhält- nisse. Jedenfalls aber ist dieses letztere Moment noch nicht vollkommen unter- sucht, besonders da über die Wirkung der arteriellen Hyperaemie noch nichts Gewisses bekannt ist. Ausserdem haben auch meine Versuche ergeben, dass von einer Constanz der physiologischen Empfindungskreise im Weber’schen Sinne nicht die Rede sein kann. ! Hermann’s Handbuch der Physiologie. Bd. III. Abth. 2. S. 435. Ueber einen neuen Stoff des Blutplasma’s. Von Dr. L. C. Wooldridge. Aus dem physiologischen Institut zu Leipzig. Unter Peptonblut verstehe ich ein Blut, welches kurz nach Injection von Pepton einem Hunde entzogen worden ist. Dieses Blut gerinnt be- a tanntlich nicht, und man erhält aus ihm durch wiederholtes Centrifugiren ' ein ganz klares Plasma. ee; Wird dieses Plasma auf 0° abgekühlt, so entsteht eine zunehmende _ Trübung und beim längeren Stehen scheidet sich ein flockiger Nieder- schlag aus. Wieder auf 30° erwärmt, wird das Plasma wie früher vollkommen klar. Neuerdings abgekühlt tritt die Trübung von Neuem auf. Mikroskopisch stellt sich der trübende Stoff dar als eine grosse Menge rundlicher blasser durchsichtiger Kügelchen, welche grosse Neigung haben sich zusammen- ' zuballen, und organisirten Gebilden, wie z. B. kleinen gequollenen Blut- ' körperchen, sehr ähnlich sehen. | Ist das Plasma durch Erwärmen wieder klar geworden, so sind diese Kugeln verschwunden, um bei der Abkühlung wieder aufzutreten. Es muss bemerkt werden, dass die Auflösung des Niederschlags durch Erwärmen nur dann leicht von statten geht, wenn derselbe erst vor kurzem ausgefallen war; dauert die Abkühlung, so gewinnt die Trübung einen flockigen Charakter; erwärmt quellen die Flocken, aber sie lösen sich nicht völlig auf. Der Niederschlag lässt sich auf der Centrifunge sammeln, er hat dann das Aus- sehen eines durchsichtigen Häutchens, das sehr an Faserstoff erinnert. Folgende Eigenschaften werden aber genügen, um zu zeigen, dass er nit Fibrin nicht identisch ist. Zunächst ist seine Consistenz ausgesprochen schleimig, er quillt in 4 procentiger NaCl-Lösung auf zu einem dünneren "Schleim, löst sich aber nicht auf. 5 . D . j i 3 ’ 5 . \ ‘ * 314 WOOLDRIDGE: In verdünnter Essigsäure schrumpft er und wird opak. Ebenso in verdünnter Salzsäure, in welcher er jedoch nach längerem Stehen wieder durchsichtig wird. Sehr stark quillt er in verdünnten Alkalien und löst sich schliesslich auf. Unter gewissen Umständen jedoch, besonders nach langem Stehen im Plasma kann der Stoff dem Fibrin sehr ähnliche Eigenschaften gewinnen. Zumeist aber erinnert er an jenen eigenthümlichen, Schleim ähnlichen Körper, der sich, wie ich ! beschrieben habe, aus Leukocyten darstellen lässt. Sehr bemerkenswerth sind die Beziehungen dieses Stoffes zur Ge- rinnung. Es lässt sich nämlich ganz zweifellos zeigen, dass das Pepton- plasma durch CO, oder durch Verdünnung mit Wasser nur dann zur Ge- rinnung gebracht werden kann, wenn dieser Stoff in ihm enthalten ist. Je vollständiger der Niederschlag aus dem Peptonplasma entfernt wurde, um so schwieriger lässt sich die Gerinnung durch die genannten Mittel herbei- führen. — Durch Zufügung der Substanz gewinnt das Plasma seine leichte Gerinnbarkeit wieder. Nicht dass es dem Plasma an gerinnungsfähigem Stoffe mangelte, denn 2 es enthält grosse Mengen von Fibrinogen, sondern weil das Vorhandensein unseres Körpers nothwendig ist, um das Fibrinogen des Plasma’s zur Ge- rinnung zu bringen, und zwar wirkt es auf folgende Weise: Voraus muss bemerkt werden, dass das Peptonplasma kein Fibrin- ferment enthält. Hat man dagegen bei Vorhandensein unseres Körpers durch CO, Gerinnung herbeigeführt, so enthält das Serum von dieser Ge- rinnung Fibrinferment, welches auf die gewöhnliche Weise mittels Fällung durch Alkohol u. s. w. nachgewiesen werden kann. Ist dagegen unser Körper entfernt worden, so entsteht bei CO,-Durch- leitung kein Ferment und um Gerinnung hervorzubringen, muss ein Zusatz gemacht werden von Ferment oder von Leeithin.” Daraus.folgt, dass wäh- rend der Durchleitung von CO, der Körper Fibrinferment entweder bildet oder zu seiner Bildung Veranlassung giebt. Es muss aber weiter geschlossen werden, dass bei dieser Gerinnung ein zweiter im Serum löslicher Körper entsteht. Denn da das genannte Serum in neuen Mengen von Peptonplasma ohne die Beihülfe der CO, Gerinnung herbeizuführen im Stande ist, so muss” offenbar ausser dem Ferment noch ein an Wirkung die CO, ersetzender Stoff vorhanden sein, denn Peptonplasma gerinnt, wie ich am angeführten Orte zeigte, mit Fibrinferment allein nicht, wohl aber mit Ferment und 00, 1 Dies Archiv, 1881. 2 Wooldridge, Zur Gerinnung des Blutes. Dies Archiv, 1883. ’A.2.0. ÜBER EINEN NEUEN STOFF DES BLUTPLASMA’S, 315 - Was die Herkunft unserer Substanz anlangt, so sprechen verschiedene Grün de dafür, dass wir in ihr ein Umwandlungsproduct weisser Zellen zu erblicken haben. | _ Auf diesen Ursprung weist hin seine oben berührte Aehnlichkeit mit dem Zerstörungsproduete von Leukoeyten und ausserdem ist sein Verhalten - zur Gerinnung des Peptonplasmas ganz ähnlich dem der Leukoeyten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass dieser Stoff nicht ausschliesslich eine Eigenthümlichkeit des Peptonplasma’s ist. Denn in dem Plasma, welches gewonnen ist durch Auffangen des Blutes in 10 procentiger Na Cl-Lösung, findet sich ebenfalls ein Stoff, aus welchem bei Verdünnung mit Wasser “unter Bildung von Gerinnseln Fibrinferment entsteht. Auf das weitere Verhalten des hier beschriebenen Körpers werde ich r3 demnächst in einer ausführlicheren Abhandlung über Blutgerinnung ein- gehen. = > Physiologische und chemische Studien an Torpedo. Von Dr. Th. Weyl in Berlin. IX. Einiges über den Stoffwechsel des elektrischen Organs." (Fortsetzung.) $ 2. Stoffwechsel des thätigen Organs. 3. Das Alkohol-Extraet des Organs in Ruhe und Thätigkeit. Die grundlegenden Versuche von Helmholtz über den Stoffverbrauch bei der Muskelaction auf das elektrische Organ zu übertragen, war der Zweck nachfolgender Experimente. | Zunächst verglich ich die Alkohol-Extracte, dann die Wasser-Extracte des gereizten mit denen des nicht gereizten Organs an demselben Indi- viduum. | Ich habe lange gezögert, die Versuche über das Alkohol-Extract mit ihren inconstanten Ergebnissen zu veröffentlichen.” Da ich selbst aber n der nächsten Zeit kaum in der Lage sein werde neue Erfahrungen auf diesem Gebiete zu sammeln, glaubte ich einem etwaigen Nachfolger durch Mittheilung meiner Versuche nützen zu können. I Meine Versuchesind beiAuschluss derCirculation unge Fi Die anatomische Grundlage hierfür wurde von J. Hyrtl erkannt. Nach | seinen Untersuchungen * sind die Gefässe, welche (bei Torpedo Narke) dem 1 Vergl. die früheren Abschnitte in diesem Archiv 1883 und in der Festschrift | für E. du Bois-Reymond 1883. — Ferner Zeitschrift für physiologische Chemie. | 1883. Bd. VII. ?2 Dies Archiv, 1845. 8. 72. ® Dies Manuscript ist seit länger als Jahresfrist druckfertig. * J. Hyrtl, Das arterielle Gefässsystem der Rochen. Denkschrift der Wiener Akademie. Mathem.-Naturw. Classe. 1858. 15. 1. äi elektrischen Organe das arterielle Blut zuführen, arterielle Verlängerungen der Kiemenvenen. Jedes Organ erhält aus dieser Quelle drei Arterien. Die vordere ist die stärkste. Aus ihr entstehen am Innenrande des Organs zwei Zweige, welche mit dem ersten und zweiten elektrischen - Nerven ziehen und sich mit ihnen verästeln. Die mittlere Arterie folgt dem dritten, die hintere Arterie — die schwächste — begleitet den vierten „letzten“! elektrischen Nerven. Jede dieser drei Arterien ist von einer Vene begleitet, welche sich in das System der Bronchialvenen entleert. Von den übrigen Ergebnissen der Untersuchungen Hyrtl’s hebe ich noch folgende hervor. | Nachdem die Arteria subelavia einen Fortsatz der Clavicula durch- bohrt und drei — uns hier nicht interessirende — Zweige abgegeben hat, spaltet sie sich in einen schwächeren Ramus dorsalis und einen stärkeren Ramus volaris der Brustflosse. Ersterer verläuft an dem vorderen Ab- schnitte des inneren Flossenrandes, welcher mit seiner concaven Krümmung - den Aussenrand des elektrischen Organs umfasst. Er versorgt”nur die Ur- sprünge der dorsalen Flossenmusculatur und endigt schon nach kurzem Verlaufe. Alles übrige dorsale Fleisch der Brustflosse und die Gesammt- masse der ventralen Musculatur versieht der Ramus volaris. Dieser zerfällt in einen hinteren und einen vorderen Zweig. Ersterer ist für einen Theil _ der Brustflosse bestimmt. Letzterer folgt dem concaven Flossenende bis zu einer Verbindung mit dem Schädelknorpel hin, umkreist somit den ganzen convexen Aussenrand des elektrischen Organs, und anastomosirt zu- _ letzt mit dem ihm entgegenkommenden Endaste der Carotis externa. Merk- würdig ist es, dass dieser, obwohl er in so naher örtlicher Beziehung zum elek- trischen Organe steht, dennoch nicht das feinste Zweigchen in das- ‚selbe gelangen lässt, welches somit seinen Gesammtbedarf an Blut aus der Kiemenvene bezieht.“ ? Das ist der wesentliche Punkt! Wir sind also durch Unterbindung der mit den elektrischen Nerven verlaufenden Blutgefässe in der Lage das Organ aus dem Kreislauf auszuschalten. Der Versuch gestaltet sich demnach folgendermaassen. Einem mögf lichst grossen, lebenskräftigen Fische, welcher durch einen Gehülfen au- _ dem Tische fixirt wurde, wird mit einem einzigen Schnitte das Organ der rechten Seite abgetrennt. Dieses befreit der Gehülfe von der Hautbedeckung, zerhackt es möglichst fein und bestimmt sein Gewicht in einem vorher ge- PHYSIOLOGISCHE UND CHEMISCHE STUDIEN AN TORPEDO. 317 — I Vergl. Dies Archiv, 1883. Festschrift. S. 106. 0. 8. 11. 318 Ta. Weyr: wogenen Stöpselglase von ungefähr 2?/, Liter Inhalt. Sobald das geschehen, wird das zerhackte Organ mit der zehnfachen Menge seines Gewichts ab- soluten Alkohols übergossen und tüchtig durchgeschüttelt. Während dessen praeparirte ich, vor dem Schlage durch Kautschuk- handschuhe geschützt, die ee Nerven und die sie begleitenden Gefässe von der Bauchseite her frei. Die Operation beginnt mit einem Hautschnitte einige Millimeter aus- wärts von den Kiemenlöchern. Der Schnitt wird dem äusseren Rande des Kiemenkorbes parallel, aber immer einige Millimeter von diesem Rande entfernt, nach dem Kopf- und Schwanzende zu verlängert, sodass zuletzt der äussere Contour des Kiemenkorbes von diesem Schnitte eingerahmt ist. Nachdem jetzt die Haut ungefähr einen Centimeter weit allseitig abpraeparirt ist,’ schimmern durch das durchsichtige Gewebe meist schon drei von den vier elektrischen Nerven oder wenigstens die Blutgefässe, welche jene begleiten, hervor. Jedenfalls ist es leicht die Nerven mit einer stumpfen Nadel freizulegen. Sie werden mit den Gefässen doppelt unterbunden und zwischen den Unterbindungsstellen durchschnitten. Auf diese Weise war das Organ dem Willen und dem Kreis- laufe entzogen. Nachdem der Fisch wieder auf den Bauch gelegt war, wurden die kammförmigen Elektroden ? tief in das Organ eingestossen, und zwar die eine am inneren Rande der Brustflosse, die andere am äusseren Rande des Kiemenkorbes. | Bei dieser Anordnung wurde ein möglichst grosser Theil des Organs von den Strömen durchflossen. Ich begann die Reizung mit Hülfe der Wechsel- ströme des Inductoriums,? welches durch ein grosses Flaschenelement nach Grenet getriehen wurde. Die Elektroden befanden sich als Nebenschliessung im secundären Kreise. Die Anzahl der Unterbrechungen war eine maxi- male, die Stromstärke liess ich allmählich anwachsen. Der Fisch lag während der Reizung ausser Wasser auf dem Tische. - Kiemen und Spritzlöcher wurden durch ein mit Meerwasser getränktes Tuch feucht erhalten. | Die Reizung dauerte meist über eine Stunde. Der Fisch schien sich um den Reiz wenig zu kümmern. Auf unsanfte Berührung mit einem Glasstabe antwortete er mit einer Entladung. Bei Beendigung des Ver- suches war er am Leben, aber nur schwache Schläge zu ertheilen im Stande. ! Um Blutungen zu vermeiden hüte man sich vor Verletzung des Kiemenkorbes! ? Dieselben waren der Grösse der Fische entsprechend grösser als die oben (dies Archiv, Festschrift, 1883, S. 121) beschriebenen, ihnen sonst aber durchaus ähnlich. 3 Dies Archiv, Festschrift. 1883. 8. 122. * Dies Archiv, Festschrift. 1883. 8. 122. PHYSIOLOGISCHE UND CHEMISCHE STUDIEN AN TORPEDO. 319 Ich praeparirte dann, nachdem ich dem Fische nach Abtrennung des Hirns mit einem stumpfen Instrument Gehirn und Rückenmark zerstört hatte, das Organ heraus, zerkleinerte es und übergoss es, nachdem sein Gewicht festgestellt war, mit seinem zehnfachen Gewicht absoluten Alkohols. Niemals habe ich die Reaction des Organs bei einem grossen Fische sauer gefunden.! Die Organe blieben mit dem Alkohol unter häufigem Umschütteln acht Tage in Berührung. Dann wurde der Alkohol abgezogen und durch die gleiche Menge frischen absoluten Alkohols ersetzt. Nach acht Tagen wird dieselbe Procedur zum dritten Male wiederholt. Die extrahirte Masse presste ich erst im ganzen im Colirtuch, dann noch in einzelnen Portionen mit der Hand tüchtig aus. Das gesammte Alkohol-Extract wird bei mässiger Temperatur _ auf dem Wasserbade bis auf ca. 100m eingedampft. Diese werden dann in kleinen Portionen in ein gewogenes Bechergläschen eingetragen und zuletzt bei 50° auf dem Wasserbade verdampft. Der Rückstand wird bei 50° getrocknet und gewogen. Die Resultate dieser Versuche zeigt folgende Tabelle I. In derselben bedeutet: n = nicht gereizt, g = gereizt. Tabelle 1. | Zustand Organ a = ee | m‘. in Proc. d | BL Arbeit. °| absolut "ascchen Bee Bemerkungen. MI grm grm Organs. Seite. Bin 28 2-2948 | 8.19 |+0 g 29.5 | 2-4164 | 8-19 2 n 70 5.5787 Pr Oculata von 1156 grm, g 76 6.1877 | 8-14 3 n 117 8.724 7-45 |—-0-98(l) g 93.5 | 7.8820 | 8-43 4 n | 92 7:1619 | 7:84 |+0°24 Fisch von 1100grm 9 Oeul. g |113 8.5254 | 7-54 | 5 n 65 | 4.98 7:66 |+0-831 | | g 92 6:766 | 7:35 |. 6 n 65 5-5115 | 8:47 +0-84 | Oculata von 829 grm 9 | g 59 | 4.502 | 7.63 ı A.a.0,, 8. 121 ff. 320 Th. Wexı: Leider ergeben die Versuche kein constantes Resultat. Da ich immer nach der gleichen Methode arbeitete, glaube ich bei den chemischen Mani- pulationen keinen Fehler gemacht zu haben. Vielleicht wird diese Inconstanz durch spätere anatomische Unter- suchungen seine Erklärung finden, wenn sich nämlich zeigen sollte, dass das Organ häufig noch auf anderem Wege, als Hyrtl auf Grund weniger Injectionen annahm, mit Blut versorgt wird. Für diesen Fall müsste nach. Analogie mit den Muskeln! auch für das Organ bei Aufhebung und bei Bestand der Circulation ein verschiedenes Resultat erwartet werden müssen.? 4. Das Wasser-Extract des gereizten Organs. Nachdem das gereizte und das nicht gereizte Organ, wie eben be- schrieben, mit Alkohol extrahirt waren, wurden aus dem Rückstande die Wasser-Extracte auf folgende Weise gewonnen. Die mit der Hand ausgepresste Masse trug ich in kleinen Portionen in 400 “m kochendes Wasser ein und kochte sie damit unter Umrühren 5 Minuten lang. Nach dem Erkalten wurde das Wasser abgegossen und der Rückstand im Mörser tüchtig zerrieben. Er kam dann in eine der ersten gleiche Portion kochendes Wasser und wurde wie das erste Mal be- handelt. Dieselbe Operation wiederholte ich noch ein drittes Mal. Die Reaction des ausgekochten Gewebes, wenn sie unter ge- wissen Vorsichtsmaassregeln geprüft wurde,? war stets alkalisch, mochte das Organ vorher gereizt worden sein oder nicht. Die beiden ersten Wasser-Extracte dagegen reagirten in allen Fällen deutlich sauer. Die einzelnen Portionen der zusammengehörigen Wasser-Extracte wurden in gewogener Schale eingedampft, bei 110° getrocknet und gewogen. Die trockne Substanz verkohlte ich dann, extrahirte die Kohle mit Wasser, ver- 1 Helmholtz (a.a 0.) und J. Ranke (Tetanus, S. 139), welche bei Ausschluss der Circulation arbeiteten, erhielten aus den tetanisirten Muskel mehr Alkohol-Extract als aus dem ruhenden. Dagegen fand Astaschewsky (Zeitschrift für physiologische Chemie. 1880. Bd. IV, $S. 401), der während der Versuche die Bluteirculation bestehen liess, das umgekehrte Resultat. 2 Früher (Monatsberichte der Berliner Akademie. 1881. 8. 386) standen mir nur Versuche zu Gebote, in welchen das Alkohol-Extraet der nicht gereizten Seite schwerer war. Bei der Wichtigkeit des Gegenstandes stellte ich während eines zweiten sehr kurzen Aufenthaltes in Neapel (März 1882) neue Versuche an, die mir das um- gekehrte Resultat lieferten. 3 Vergl. dies Archiv, Festschrift, 1883. 8. 112 ff. GB PHYSIOLOGISCHE UND CHEMISCHE STUDIEN AN TORPEDO. 321 aschte den Rückstand, fügte zu diesem das Wasser-Extract der Kohle,! dampfte ab, trocknete, veraschte und wog die völlig weisse Asche. Zuletzt bestimmte ich in der Asche die Phosphorsäure durch Titration mit Uran- lösung. Auf diese Weise gewann ich für das gereizte und nicht gereizte Organ je drei Werthe, welche bei Umrechnung in Procente direct vergleichbar waren. Die Resultate zeigt Tabelle 2.° In derselben bedeutet n: nicht gereizt, g: gereizt. Tabelle 2. R, Wasser-Extract in Procenten des s Ben Eh frischen Organs. Bemerkungen. z Organs Arbeit. Rückstand. | Asche. | 22.07 2 n |) m | 1-64 |0-34 | 0.1056 | Oculata von 1156 sm. f | BUNTE 1.97 ? 0.118 3 Bon 117 1-314 | 0:362 | 0.068 g 93.5 1-65 0.34 0.1069 4 n 92 1:58 0:356 | 0:-0706 | 2 Ocul. von 1100grm, | g 113 1:367 | 0.342 0.093 . 6 n 65 1-747 | 0-321 | 0-125 2 Ocul. von 829 grm, g 59 1:75 0.315 0.137 Aus dieser Tabelle ergiebt sich: 1) Das Wasser-Extract des gereizten Organs nimmt gegen das nicht gereizte zu (Ausnahme Nr. 4g). _ 2) Das Wasser-Extraet des nicht gereizten Organs enthält mehr Salze als das gereizte. Wahrscheinlich ist also ein Theil der Salzbasis benutzt worden, um _ die während der Thätigkeit des Organs entstandene Säure zu sättigen. 8) Im gereizten Organ findet sich constant mehr in Wasser lösliche („anorganische“) Phosphorsäure. ! Da ein Theil der „löslichen Salze“ jedenfalls in das Alkohol-Extract über- | gegangen war, hatte die Trennung der unlöslichen von den löslichen Aschenbestand- ‚ theilen bei diesen Versuchen keinen Sinn. Vergl. Asche des Organs. Zeitschrift für ‚ Physiologische Chemie. 1883. Bd. VII. 8. 544. ® Vergl. Analytische Belege 8. 322 ff. | ® Die Nummern entsprechen den Versuchsnummern auf Tabelle 1 (S. 319). | Archiv f. A, u. Ph, 1884, Physiol, Abthlg. al” . | 322 Ta. Weytr: Dieses Resultat scheint von besonderem Interesse, weil sich das gleiche auch für den Muskel ergeben hat.! Wahrscheinlich stammt die bei der Thätigkeit des Organs neugebil- dete anorganische Phosphorsäure aus dem Nuclein oder Leecithin des Organs, welches an beiden Stoffen reich ist. Hierüber müssen weitere Versuche Aufschluss eben, Ich gedenke sobald als möglich meine Studien über den Stoffwechsel des elektrischen Organs weiterzuführen. Zweierlei muss aber zunächst seine Erledigung finden. Vor allem ist die rein analytische Untersuchung des Organs zu fördern, damit wir im Stande sind, das Verhalten der einzelnen Componenten des wässe- rigen und des alkoholischen Extractes beim Stoffwechsel zu studiren, wie dies für den Muskel bereits geschehen ist. Das zweite — es liegt ausserhalb meiner Macht. Es fehlt für Studien wie die vorliegenden ein völlig armirtes physio- logisches Laboratorium, wie es die Franzosen bereits besitzen. Hoffentlich gelingt es Hrn. Dohrn’s bewundernswerther Energie ein derartiges Institut in Neapel in’s Leben zu rufen! Berlin, April 1884, Privatlaboratorium. Analytische Belege zu den Bestimmungen des Wasser-Extractes. (Vergl. S. 318). Jeder Cubikcentimeter Uranlösung entspricht 0.005 8m P?O?, Versuch 2. A. Nicht gereizt: 1) 708m frisches Organ = 1-1488 Wasser-Extract bei 110° = 1.64 Proc. 2) 70srm frisches Organ = 0-2382 Asche 0.34 Proc. 3) 80 em Aschenlösung : 5 a) für 40 Cem Aschenl. verbr. 7.4 Uranl. = 7:4 x 0-005 = 0:037 ps b) für 80 Cem Aschenl. verbr. 2 x 0:-037 = 0.074 P?O° = 0: 1056 Proc. B. Gereizt: 1) 768m frisches Organ = 1.4992 sn Wasser-Extraet bei 1109 = — 1.0 Pro 2) 768m frisches Organ = 2 Asche. a 3) 50 Cem Aschenlösung: * Vergl. Th. Weyl und Zeitler, Zeitschrift für piysiologische Chemie. Bd. VI. | S. 557. e . % PHYSIOLOGISCHE UND CHEMISCHE STUDIEN AN TORPEDO. 323 a) für 25 Cem Aschenl. verbr. 9.0 = Uranl. = 9 x 0.005 = 0.045 em P?O°. b) für 50 C® Aschenl. verbr. 2x 0.045 Uranl. = 0:090 = 0.118 Proc. P?O?. Versuch 3. ‚A. Nichtgereizt: - 1) 117 8m frisches Organ = 1-5384 8m Wasser-Extr. bei 110° = 1314 Proc. 2) 117 "m frisches Organ = 0.4246 m Asche = 0362 Proc. 3) 70 Cem Aschenlösung: a) für 35 Cm Aschenl. verbr. 8.0 Cm Uranl. = 8 x 0-005 = 0.040 8m P?O°, a) für 70 Cem Aschenl. verbr. 2 x 0:04 = 0:08 8m P20° = 0.068 Proc. B. Gereizt: 1) 93.5 8= frisches Organ = 1.5469 Wasser-Extr. = 1-65 Proc. Wasser-Extr. 2) 93.5 srm frisches Organ = 0-31885”" Asche = 0.34 Proc. Asche. 8) 70 Cem Aschenlösung: #) für 35 Cem Aschenl. verbr. 10 °® Uranl. = 10 x 0-005 = 0-05 e= P20°, - b).also in 70 Cem Aschenlösung verbraucht 2 x 0.058= P?05 = 0.1 = \ 0.1069 Proc. P?O?, | Versuch 4. A. Nichtgereizt: 1) 92 sm frisches Organ = 1.4544 sm Wasser-Extr. = 1-58 Proc. Wasser-Extr. 2) 92 sm frisches Organ = 0.3282 em Asche — 0.356 Proc. Asche. 3) 50 Cem Aschenlösung. a) für 25 Cem Aschenl. verbr. 6.5 ° = Uranl. = 6-5 x 0.005 P?O? = 0.0325 am P2O°. 5 also in 50 Cem Aschenl. verbr. 2 x 0.0325 e®= P20° = 0650 sm P?05 — 0.0%06 Proc. P?O°. | B. Gereizt: | 1) 113 erm frisches Organ = 1.5459 8m Wasser-Extr. 1-36% Proc. Wasser-Extr. ‚=2) 113 gm frisches Organ = 0.3873 sm Asche = 0.342 Proc. Asche. 3) 50 Cem Aschenlösung. a) für 25 Cm Aschenl. verbr. 10.5 Cm Uranlösung = 10:5 x 0.005 = 0-0525 em P20®°, D) also in 50° ® Aschenl. verbr. 2 x 0.0525sm P?05 = 0:1050 = 0.093 Proc. P?O?. A. Nichtgereizt: | Versuch 6. | I) 655m frisches Organ = 1-136sm Wasser-Extract = 1-747 Procent. 21,” | | ” Ta. WeyL: PhaYysioL, U. CHEM. STUDIEN AN TORPEDO. 2) 65 grm frisches Organ = 0.209 sm Asche 08944 Prost, 3) Die Aschenlösung entsprach 0-08125 sm P?0° = 0.125 Procent P?O®. 324 B. Gereizt: 1) 59 erm frisches Organ = 2) 598m frisches Organ = 3) Die Aschenlösung entsprach 0.0815 P?05 = 0.137 Procent P?O®. 1.034 sm Wasser-Extract = 1:75 Procent. 0.315 Procent. 0.186 gm Asche = = _ Beobachtungen über die Athmung des Igels während des Winterschlafes. | Von a | | Paul Bongers, stud, med. (Aus dem physiologischen Institut zu Königsberg.) ve TE Die periodisch aussetzende Athmung, die unter pathologischen Be- _ dingungen bekanntlich in der Form des Cheyne-Stokes’schen Phaenomens E-' kann auch unter physiologischen Verhältnissen, ohne vorherige Ver- letzung des Organismus, beobachtet werden. So sahen dieselbe: A. Mosso! ' beim tief schlafenden Menschen und bei dem seinen Winterschlaf haltenden -_Myoxus avellanarius L. und Fano? bei der gleichfalls schlafend überwin- ternden Schildkröte. Im Winter des vorigen Jahres machte Hr. Dr.. Langendorff mich darauf aufmerksam, dass ein in Winterschlaf versunkener Igel (Erinaceus _ europaeus L.) ebenfalls jenen seltsamen Respirationsmodus zeigte, und trug mir auf, die Athmung des Thieres einer genaueren graphischen Unter- ' suchung zu unterziehen. Das Thier schlief anfangs November 1883 ein und verharrte bis in den Mai 1884 hinein in seinem Schlafe, der nur wenige Male durch ganz kurze Pausen unterbrochen wurde. Das Thier lag im ungeheizten Zimmer auf einem Heulager auf der Seite, mässig zusammengerollt, so dass der Kopf deutlich zu sehen war. Zur Registrirung seiner Athmung wurden ! Deber die gegenseitigen Beziehungen der Bauch- und Brustathmung. Dies Archiv. 1878. S. 451 ff. ? Sulla respirazione periodica ec. Lo Sperimentale. 1883. 326 PAuL BoNGERS: ihm die Spitzen seiner stark gespreizten Stacheln an einer Stelle der Ab- dominalgegend abgeschnitten, so dass ein einigermaassen ebener Fleck her- gestellt wurde. Auf diesem ruhte eine schmale Glasplatte, die an den Hebel einer Marey’schen Trommel angekittet war. Letztere war durch einen Schlauch mit einer zweiten Marey’schen Trommel verbunden, die den Schreibhebel trug. Dieser (ein mit Aluminiumspitze versehenes Stück- chen Schilfrohr) zeichnete mit geringer Reibung auf eine Baltzar’sche Trommel von 50°= Umfang und einer, wie öftere Controle zeigte, gleich- mässigen Umdrehungsgeschwindigkeit von 12’. In mehreren Fällen wurde eine selbstthätige Senkung der Trommel eingeschaltet. Auf diese Weise erhielt ich zahlreiche Athmungsbilder, von denen ich eins hier (Fig. 1) in a Ee 12630' > } m N | A un IT Au | Ur 46 UL — a Fig. 1... Athmungscurven des winterschlafenden Igels. Ausschnitt aus einer grösseren Zeich- nung. Die Curve ist in der Richtung der beiden Pfeile von links nach rechts und von unten nach oben zu lesen. Trommelumfang 500 mm, Umdrehungsgeschwindig- keit 12°. Unter jeder Gruppe ist die Zeit des Eintritts derselben verzeichnet. verkürzter Form mittheile. Auf allen Zeichnungen sieht man Gruppen, an denen sich niemals die aufsteigende, sehr selten die absteigende Treppe beobachten lässt. In einem Falle erhielt ich Gruppen, in denen die in der Mitte befindlichen Athemzüge die niedrigsten waren, während sie auf beiden Seiten an Höhe zunahmen, so dass sowohl die Anfangs- als auch die Schlussathmungen als die tiefsten erschienen. Das eigentlich Bemerkenswerthe an diesen Curven ist aber die ausser- ordentliche Länge der die einzelnen Gruppen trennenden Pausen. A. Mosso'! beobachtete beim Siebenschläfer Pausen von 12—16”, längere Pausen sah z. B. Hr. Dr. Langendorff? bei Fröschen, deren 1 A.2.0. 8.451. ? „Studien über die Innervation der Athembewegungen.“ Dritte Mittheilung: „Ueber periodische Athmung bei Fröschen.“ Nach Versuchen von Dr. G. Siebert. Dies Archiv. 1881. 8. 252. | A EEE Eee ÜBER DIE ATHMUNG DES IGELS IM WINTERSCHLAF. 327 Blut durch 0-75 °/, NaÜl-Lösung ersetzt war und bei denen die Thätigkeit der Respirationsmuskeln bis 3° aussetzte. Der untersuchte Igel zeigte je- doch Athmungspausen von 32—45 Minuten. Worauf die innerhalb dieser Grenzen vorkommenden Schwankungen der Pausendauer beruhten, liess sich nicht ermitteln. Am 8. Januar 1884 ergab die Beobachtung Pausen von eirca 40° und Gruppen von 17—18 Athemzügen bei einer Zimmer- temperatur von 10°C. Tags darauf sah ich Pausen von 33—34’ bei 15 bis 17 Athemzügen und 10°C. Am 4. April dauerten die Pausen 38 bis 40’ bei 12—13 Athemzügen in der Gruppe und 10°C. Man sieht aus diesen drei Beispielen, in denen zufällig die Temperatur die gleiche ist, dass man weder die Zahl der Athemzüge in der Gruppe noch die Jahres- zeit mit der Länge der Pausen in Beziehung zu setzen vermag. Doch ist ja überhaupt der Unterschied in der Dauer der Pausen kein so bedeutender, besonders wenn man die grosse Länge, die einer Pause allein zu kommt, berücksichtigt. Geradezu wunderbar ist es aber, wie genau innerhalb kür- zerer Zeiträume, z. B. während eines Tages die Pausenlängen einander Hu mv = MANN A ie ANMAM_ ÄMN 1 Mm Ah NM vır. 2, entsprechen. So beobachtete ich am 9. Januar den Igel ca. 4 Stunden lang und fand, dass in dieser Zeit die Pausen 32—34’ dauerten; und so exact traten die einzelnen Gruppen ein, dass ich nach Beendigung einer Gruppe die Zeichentrommel anhalten und sie während 31’ ruhen lassen konnte, Setzte ich nach dieser Zeit den Apparat wieder in Bewegung, so erschien nach ungefähr 1’ die folgende Athemgruppe. Ich theile die so erhaltene Zeichnung mit und füge die für die einzelnen Se geltenden Zeitangaben bei (Fig. 2.) I. 830° Gruppe von 15 Athemzügen | 1 ET 2 „+16 ” IIES285:38 15 ,, er Ti H 108 1051117", verpasst IV. 10%442’ Gruppe von 16 Athemzügen m..TeeReee L, .516 ” YoAPAssun ash ii 328 Pauu BoNGERs: Da auch bei angehaltenem Uhrwerk der Zeichenhebel mit der be- russten Cylinderfläche in Berühung war, so ist es ausgeschlossen, dass die eine oder die andere Gruppe übersehen wurde. Nur einmal, als ich das Versuchszimmer verlassen musste, fiel eine Gruppe aus und diese markirt sich auf der Figur durch einen senkrechten Strich (vor IV.) Nun liegt es in der Hand des Experimentators die Dauer der Pausen durch ganz einfache Mittel zu modificiren. Verkürzen kann man sie zu- nächst dadurch, dass man das Thier allmählich in schonender Weise er- wärmt. Dies versuchte ich mehrere Male mit dem besten Erfolge am 18. Januar. Ich begann etwa um 11" 30’ das Thier zu beobachten. Die Gruppen zeigten 22—23 Athemzüge, die Pausen dauerten ca. 30° bei einer Zimmertemperatur von 10.5°C. Um 1” wurde der Ofen, in dessen Nähe das Thier schlief, tüchtig geheizt, zwei im Zimmer befindliche Gasflammen angezündet und die Thür zum gut geheizten Nebenzimmer geöffnet. | Bis gegen 4" war die in der Nähe des Thieres abgelesene Temperatur - allmählich auf 17°C. gestiegen. Die Dauer der Athemgruppen hatte sich unterdessen noch nicht merklich verändert; sie betrug noch immer ca. 30". Doch waren die Gruppen wesentlich anders geworden. Die Zahl der Athem- züge in der Gruppe, die zu Beginn des Versuches 22—23 betragen hatte, stieg allmählich auf 40—45 pro Gruppe. Nach 4" veränderte sich plötzlich das ganze Respirationsbild. Die Dauer der Pausen sank von einer Gruppe zur anderen von 23° 30” auf 2130”; die Zahl der Athemzüge innerhalb der Gruppe von 50 auf 26. Bis 6" 30’ erhob sich die Temperatur auf 19°C. Unterdessen war die Länge der Pausen und die Zahl der Athemzüge sehr schwankend. Die Dauer der Pausen wechselte zwischen 22’ und 8. Die Zahl der Athemzüge zwi- schen 26 und 9 und zwar so, dass meist eine lange Pause und Gruppe mit einer kurzen Pause und Gruppe alternirten. Um !/,7 Uhr schien eine neue Phase des Schlummers zu beginnen. Es trafen schnell hintereinander kleine Gruppen ein, auf die in längeren Zwischenräumen grössere Gruppen folgten. Kurz nach 8 Uhr zeigten sich fünf Gruppen von fünf bis sechs‘ Athemzügen, die durch Pausen von 2-5—3’ getrennt waren. Dann wurde das Thier unruhig und fing an, rhythmisch zu athmen, jedoch in Athem- zügen von unregelmässiger Höhe. Schliesslich gegen 10% holte das Thier tief und regelmässig Athem. — Als ich am nächsten Morgen das Ver- suchszimmer betrat, war das hingestellte Futter zum Theil verzehrt. Der Igel schlief aber bereits wieder, trotzdem die Zimmertemperatur noch immer eine beträchtliche Höhe hatte (ca. 18°C.) Ein zweites Mittel, die Dauer der Pausen zu verändern, bietet eine - kurz dauernde leichte Reizung des Thieres während der Athmungsruhe. Die in diesem Sinne angestellten Reizversuche lieferten folgende Tabelle: ÜBER DIE ATHMUNG DES IGELS IM WINTERSCHLAF. 329 | Zeit bis zur Versuch. Zeit. Reizung nach | Gruppe von nächsten Gruppe. 1, 9h 38’ 15 Athemzügen 38 10h 8 16 A (13')1 N 13° | 15 = 46’ 3 20 R- 35° 42’ 13 “ (6) 48’ I. 16 = 49’ u. 10» 35’ 17 £ 34’ ze; 9 16 r (4') 13’ 4’ 14 an 49’ Ye DL A 33 | 36 15 „ Ce Gleich darauf it 34’ Aus diesen Angaben geht hervor, dass 1. durch Reizung in der Pause refleetorisch Gruppen ausgelöst werden, 2. dass die denselben folgenden Pausen abnorm lang sind. Es scheint also die künstliche Verkürzung einer Pause durch Verlängerung der folgenden compensirt zu werden. Was nun den ersten Punkt anlangt, so sind die durch Reizung her- - vorgerufenen Gruppen den gewöhnlichen in Betreff der Zahl und Tiefe der Athemzüge wesentlich gleich, nur werden sie stets durch einen bedeutenden Ausschlag des Zeichenhebels eingeleitet, der auf einer reflectorischen Zuckung ‚des gereizten Thieres beruht. Wie aus der Tabelle hervorgeht und wie ' ich auch sonst zu constatiren Gelegenheit hatte, rufen Reize 13’, 6, 4’ ja sogar 3° nach Beendigung einer Gruppe eine neue Gruppe hervor. Tritt der Reiz jedoch noch früher ein, so bleibt er vollständig wirkungslos, höchstens ist er von einem bis zwei schwachen Athemzügen begleitet. Dies Resultat stimmt sehr gut zu den Beobachtungen des Hın. Dr. Langen- dorff? an Fröschen mit unterbundener Aorta. Auch bei diesen Thieren traten nach Reizen, die nicht zu bald auf eine Gruppe folgten, ganze Gruppen von Athemzügen auf. Doch in einem dem hier geschilderten viel ähnlicheren Falle, nämlich bei winterschlafenden Schildkröten, erhielt ! Die eingeklammerten Zahlen der 5. Reihe, die denen der dritten entsprechen, bedeuten die durch den Eintritt des Reizes verkürzten Pausen; die fetten Zahlen sind die durch die Wirkung des Reizes verlängerten Pausen. EEEO, 8,247. 330 PaAuu BoNGERS: ATHMUNG DES WINTERSCHLAFENDEN IGELS. Fano durch mechanische Reizung weder eine Gruppe noch überhaupt einen Athemzug. Wie schon berichtet, erwachte der Igel zu Anfang Mai aus seinem Winterschlafe, starb jedoch nach ein paar Tagen, ohne dass weitere Ver- suche an ihm hätten vorgenommen werden können. Die Section gab über die Todesursache keinen Aufschluss. Zu derselben Zeit wurden dem Institute zwei Igel alte ein ganz junges Thier, das sich noch im winterschlafenden Zustande befand und die Men Gruppen zeigte, und ein alter männlicher Igel, der völlig munter war. Um nun zu sehen, ob bei Winterschläfern durch narkotische Mittel ein dem Winterschlaf ähnlicher Zustand erzeugt werden könne, wurden dem letzteren Thiere 0. 4—0.53'm Chloralhydrat subceutan gegeben. Der so erzeugte Zustand wich vom natürlichen Winterschlaf um ein Beträchtliches ab. Während das überwinternde Thier zusammengekugelt und mit ge- sträubten Stacheln dagelegen hatte, fehlte bei dem vergifteten Igel jeder Muskeltonus. Die Körperhaltung war schlaff, die Stacheln lagen dem’ Körper glatt an. Die Reflexerregbarkeit des Thieres war in den ersten Stunden der Narkose eine sehr geringe. Doch reagirte es sehr exact und lebhaft auf akustische Reize, während bei dem winterschlafenden Igel durch hohe Töne keinerlei Reflexe hervorgerufen werden konnten. Später ver- schwanden alle Reflexe. Doch die Hauptsache ist, dass das Thier nicht periodisch, sondern rhythmisch athmete. Freilich sank die Frequenz in wenigen Stunden auf sechs, vier und weniger Athemzüge in der Minute. Sechs Stunden nach Beginn der Narkose waren die einzelnen Athemzüge durch Pausen von 90” getrennt. Nach weiteren 18 Stunden war die Respiration rhythmisch, sehr frequent, flach und röchelnd. Die Körpertemperatur war sehr niedrig (24°C.). Schliesslich erholte sich das Thier vollständig. Aus all’ den hier angeführten Merkmalen geht hervor, dass der Zustand des Igels in der Narkose vom Befinden im Winterschlafe sehr abweicht, und dass eine Eigenthümlichkeit des letzteren die periodische Athmung ist. Königsberg, im Mai 1884. Ueber die lähmende Wirkung des Strychnins. Von Paul Bongers, - stud. med. (Aus dem physiologischen Institut zu Königsberg.) Neben der bekannten Eigenthümlichkeit des Strychnins, die Erregbar- keit des Rückenmarks zu steigern, eventuell dasselbe zu erregen, hat eine andere nicht minder wichtige Eigenschaft dieses Giftes bislang nicht die - genügende Beachtung gefunden, nämlich seine Fähigkeit, in grossen Gaben, _ ähnlich wie das Curare, die Endigungen der motorischen Nerven zu lähmen. Die Aufgabe der vorliegenden Abhandlung ist es nun, einmal die bis jetzt | über die angedeutete Eigenschaft des Giftes gemachten Beobachtungen kurz zusammenzustellen, sodann die Richtigkeit derselben experimentell zu be- stätigen. Einer der ersten, der die Endigungen motorischer Nerven durch Strych- nin gelähmt werden sah, war wohl Johannes Müller,! der in folgender Weise verfuhr: Er entfernte alle Muskeln und Gefässe von einem Ober- schenkel eincs Frosches und liess nur den Nerven intact. Sodann vergiftete er das Thier mit Nux vomica. Bald stellten sich Krämpfe ein, die nach einiger Zeit vollständig erloschen, ausser in dem präparirten Bein, dessen _ Unterschenkel noch immer die lebhaftesten Zuckungen zeigte, trotzdem er vom Kreislauf ausgeschlossen war und also ungünstigere Existenzbedingungen hatte, als der übrige Körper. Dasselbe konnte durch ganz ähnliche Expe- rimente W. Arnold? in seinen „Versuchen über die Wirkung der Krähen- augen auf das Nervensystem‘ constatiren. " Handbuch der Physiologie des Menschen. Coblenz 1844. Bd. I. S. 549—550. ® Hygiea. Bd. XIV. Hft.3. (Nach Kölliker eitirt). 332 PAUL BoNGERS: Auch Matteucei! fand, dass nach einer Strychninvergiftung die Er- regbarkeit der motorischen Nerven vollständig verschwunden war, während die Muskeln auf die gewöhnlichen Reize reagirten. Dies bestätigte A. Mo- reau. 1857 veröffentlichte Hr. Prof. v. Wittich? einige Versuche, die an dieser Stelle erwähnt werden müssen und die ich im Folgenden in möglichst wortgetreuer Uebersetzung wiedergeben werde: „Meine Versuche mit Strychninlösungen wurden in der Art unternommen, dass unter Scho- nung des ganzen übrigen Organismus auf der einen Seite der N. ischiadi- cus, auf der anderen Seite Knochen und Muskeln ohne den Nerven durch- schnitten wurden. Bisweilen wurden auch Haut, Muskeln und Nerv durch- trennt, Knochen und die grossen Gefässstämme erhalten. Es ist wohl allgemein beobachtet, dass schon durch kleine Strychnindosen bei Fröschen die Vergiftungserscheinungen erzeugt werden; dennoch bediente ich mich bei meinen Versuchen nur grösserer Giftmengen, die den Thieren bald per os, bald per anum beigebracht wurden. Der Tetanus tritt sogleich ein, nach grossen Dosen geht er auch gleich vorüber; die Thiere befinden sich dann in einem lethargischen Zustande und selbst die stärksten Reize lösen keinerlei Reflexbewegungen aus. Legt man hierauf die Spinal- nerven frei und reizt sie mechanisch oder elektrisch, so er- zeugen sie keinerlei Muskelcontractionen, während hingegen die Muskeln selbst bei leisesten Reizen sich lebhaft zusammen- ziehen. Gewöhnlich nimmt man als Grund hierfür das vom Centrum zur Peripherie sich ausbreitende Absterben des Nervensystems an; ausserdem glaubt Koelliker,3 dass das Gift durch das Blut nicht direct auf die peri- pheren Nerven wirke, sondern dass dieselben nur durch das Centrum be- einflusst würden. Was nun grosse Gaben salpetersauren Strychnins anlangt, so muss ich hiergegen nachdrücklichen Widerspruch erheben; meist jedoch - wird auch schon durch 0.0038” Strychn. nitr. jener Erfolg erzielt. Ob- gleich der vor der Vergiftung durchschnittene Nerv seine Reizbarkeit etwas länger bewahrt als der Nerv der anderen Seite, der mit dem Centrum in Zusammenhang steht, so bleibt er doch nicht so lange erregbar als ein un- vergifteter, und nach kurzer Zeit, meist schon nach 15’, ist der zu Beginn des Experimentes durchschnittene Nerv vollständig todt und weder mecha- nische noch elektrische Reizung desselben kann die von ihm versorgten Muskeln zur Thätigkeit anregen.“ Ganz ausführlich und jeden möglichen Einwand widerlegend behandelten ı Traite des phenomenes Electro-physiologiques. Paris 1844. p. 213. ? Experimenta quaedam ad. Halleri doctrinam de musculorum irritabilitate pro- bandam instituta. Regiomonti Pr. 1857. p. 11—12. ® Kölliker’s Ansicht wird von mir weiterhin noch ausführlicher besprochen. ÜBER DIE LÄHMENDE WIRKUNG DES STRYCHNINS. 333 dann im Jahre 1860 Martin-Magron und Buisson! den in Rede stehen- den Gegenstand. Ich lernte ihre Mittheilungen erst nach Beendigung der vorliegenden Experimente kennen. Die Anordnung letzterer stimmt mit der, welche die französischen Forscher ihren Versuchen gegeben haben einiger- maassen überein, auch sind meine Ergebnisse den ihrigen durchaus ähnlich. In neuester Zeit erschien noch ein Aufsatz von Vulpian,? in welchem er darthut, dass auch bei Säugethieren durch grosse Strychnindosen die motorischen Nervenendigungen gelähmt werden. Dass nun eine von so zahlreichen Forschern vertretene Ansicht keine allgemeine Anerkennung gefunden hat, beruht wohl zum Theil darauf, dass auch ihre Gegner zahlreich sind. Als der hauptsächlichste unter denselben ist Koelliker? zu nennen; nach diesem wirkt das Strychnin durch das Blut nicht im mindesten auf die motorischen Nerven, sondern lähmt sie ‚ durch Ueberreizung beim Tetanus derart, dass sie entweder nur schwach oder gar nıcht wirksam sind. Derselben Ansicht ist Pelikan,* der bei Hunden und Kaninchen einen N. ischiadieus durchschnitt, die Thiere mit Strychnin vergiftete und noch 25°, nachdem alle übrigen Nerven unerregbar waren, durch Reizung des durchschnittenen N. ischiadicus Zuckungen erzeugte. (Dies Experiment erklärt sich vielleicht dadurch, dass minimale Strychninmengen angewandt _ wurden). Um nun die lähmende Eigenschaft des Strychnins zu beweisen, unter- nahm ich auf Anregung und unter Leitung des Hrn. Dr. Langendorff die folgenden Versuche, zu denen ich mit einer !/, procent. Lösung salpeter- ' sauren Strychnins vergiftete Frösche (Rana esculenta) verwandte. Das Gift wurde den Thieren mittelst einer 1m fassenden Pravaz’schen Spritze theils in den Lymphsack, theils in centripetaler Richtung in die Vena abdominalis media injieirt. Im letzteren Falle wurde nach der Einspritzung das Gefäss unterbunden und die Bauchwunde zugenäht. Die Nerven wur- den mechanisch (durch Abbinden) und mittelst pineettenförmiger Elektroden geprüft, die den Strom von der secundären Rolle eines du Bois-Rey- mond’schen Schlittenapparates erhielten , der durch ein Daniell’sches Element in Thätigkeit gesetzt war. Ich habe nun nachzuweisen, einmal dass auf Strychninvergiftung Läh- —_ ! Action comparde de la Strychnine et du Curare. Journal de la Physiologie de P’homme et des animauz, publie par Brown-Söquard. Paris 1860. Tome III. p. 342355. 2 Comptes rendus etc. 1882. T. XCIV. p. 555 et suiv. .® Virchow’s Archiv u.s. w. Berlin 1856. Bd.X. S8.239— 241. * Ebenda. Berlin 1857. Bd. XI. S. 405. 334 PAuL BoNnGERS: mung der motorischen Nerven erfolgt, sodann dass dieselbe nicht auf Ueberreizung durch den Strychnintetanus beruht. Demgemäss zerfallen meine Versuche in folgende Abtheilungen: I. Nachweis, dass auf Strychninvergiftung Lähmung folgt. II. Nachweis, dass dieselbe durch das Strychnin direet erzeugt ist. A. Durch Ansschliessung des Tetanus. 1) Nach Durchschneidung beider Ischiadici. 2) Nach Durchschneidung eines Ischiadieus. 3) Nach Zerstörung des Rückenmarkes. B. Durch Vergleichung der vergifteten Extremität eines Thieres mit der von der Circulation ausgeschlossenen. Die Experimente aller Abtheilungen sind wiederholt angestellt und haben stets den hier mitgetheilten Ausgang gehabt. I. 4. April 1884. 1243‘. Ein Frosch wird durch Einführung des Giftes in den Lymph- sack vergiftet. | 12447. Krämpfe, die sogleich verschwinden. Nun wird ein N. ischiadieus freigelegt und abgebunden. Die dazu gehörigen Muskeln bleiben dabei unbeweglich. 12h52°. Der Nerv wird elektrisch gereizt; erst bei 10°® Rollenabstand er- folgt eine Zuckung. i 12458. Der Nerv ist selbst durch die stärksten Ströme nicht erregbar. E Gleichzeitig wird der andere Ischiadicus, der unterdessen praepa- | rirt war, untersucht; er ist vollständig unerregbar. Darauf wurden i die Muskeln einer Prüfung durch den elektrischen Strom unter- worfen. Sie wurden durch ganz schwache Ströme zur u Contraction gebracht. # Also höchstens 15° nach erfolgter subcutaner Vergiftung haben de motorischen Nerven ihre Erregbarkeit eingebüsst, während die Muskeln dieselbe bewahrt haben. Handelte es sich dabei um eine Lähmung aus i | Erschöpfung, so wäre zu erwarten gewesen, dass die Muskeln früher er- müden würden, als die dazu gehörigen een da die Erschöpfbarkeit ersterer nach den Untersuchungen Bernstein’s grösser ist, als die der letzteren. Dazu kommt, dass die Krämpfe durchaus nicht immer der Lähmung vorausgehen müssen, sondern sie können, wie sich leicht zeigen lässt, voll- ständig fehlen, ohne dass darum die Lähmung ausbleibt. | u ÜBER DIE LÄHMENDE WIRKUNG DES STRYCHNINS. 335 1 Da | 1) 26. März 1884. Einem Frosche werden beide Nn. ischiadiei durch- ‚schnitten. 12%» 50'. Injection des Giftes. 12453’30°. Die Krämpfe stellen sich ein. 1255‘. Beide Nerven erregbar. 12458. Beide Nerven unerregbar. 2) 5. April 1884. Einem Frosche wird ein Ischiadieus durchschnitten. 10% 28. Vergiftung. Sofort Krämpfe, die bald vorübergehen. -10%40'. Der unverletzte Nerv wird praeparirt. Die Unterbindung bewirkt keine Zuckung. 10443’. Der periphere Stumpf ist gegen elektrische Reizung ini lich. Der vor der Vergiftung durchschnittene Nerv ist schwach E erregbar (bei 8°“ Rollenabstand). 1045. Er ist gleichfalls unerregbar. So hatten die vorausgegangenen Krämpfe eine Differenz von ca. 2’ bewirkt. 3) 5. April 1884. Einem Frosche wird ein Einstich in’s Schädeldach gemacht und von da aus das Rückenmark vorsichtig ausgebohrt. In die so entstandene Oeffnung wird ein Stückchen Holz gesteckt, um eine grössere Blutung zu verhindern. 11% 2°. Der Frosch wird vergiftet. 11» 9, Der Ischiadicus wird abgebunden; das Bein zuckt nicht. -11"11‘., Der Nerv ist schwach elektrisch erregbar (bei 11°” Rollen- B: . abstand). 1% 19. Der Nerv ist völlig unerregbar. Der andere Nerv wird praeparirt; b: er verursacht gleichfalls keine Zuckung beim Abbinden. 11422. Er ist elektrisch unerregbar. - Aus diesen Experimenten ergiebt sich wohl unzweideutig, dass nicht die Krämpfe an dem raschen Absterben der Nerven schuld sind, sondern dass das Gift primär wirkt. ° Wären die Krämpfe überhaupt im Stande, ‚die nervösen Elemente in einer oder einigen Stunden zu zerstören, wie wollte man es dann erklären, dass Frösche, die in eine ganz verdünnte Strychninlösung gesetzt werden, darin acht Tage lang unter fast; fortwäh- renden Streckkrämpfen erhalten werden können und dass schwach ver- giftete Frösche zuweilen bis 15 Tage lang am Leben bleiben und während | der ganzen Zeit bei geringen äusseren Reizen in Tetanus verfallen, wie dies von Pelikan gesehen und mitgetheilt worden ist! Wie kommt es, dass der nervöse Apparat in einem Falle dem ertödtenden Einfluss der 336 Pauu BoNGERS: ÜBER DIE LÄHMENDE WIRKUNG DES STRYCHNINS. Krämpfe länger als zwei Wochen widersteht, in dem anderen Falle dem- selben schon nach wenigen Minuten unterliegt?! I Der folgende Versuch zeigt, dass ein Nerv ohne wesentliche Einbusse seiner Erregbarkeit am Strychnintetanus theilnehmen kann, wenn nur seine . peripheren Endigungen vor der Berührung mit dem vergifteten Blute ge- schützt werden. 4. April 1884. Um einen Oberschenkel eines Frosches wird ein starker Faden geschlungen und zwar so, dass derselbe unter dem emporgehobenen N. ischiadieus hinweg zieht; dann wird die Schlinge zugezogen und die Extremität abgeschnürt, ohne dass der Nerv dabei irgendwie alterirt wird. 10% 31’. Injection des Giftes. Sofortiges Auftreten der Krämpfe. 10% 34’, Die tetanischen Zukungen des abgeschnürten Beines überwiegen bereits. 10%40°. Das nicht unterbundene Bein liegt schlaff da. Das andere zeigt schwachen Tetanus und andauernde Einzelzuckungen. 1050‘. Die Einzelzuckungen dauern fort. Man sieht unter der Haut das Spielen der Wadenmusculatur. Das andere Bein liegt regungs- los da. Dies Experiment beweist ausserdem noch, dass die Erregbarkeit des Rückenmarks und der sensiblen Nerven die der motorischen Nerven und deren Endapparate überleben kann, da ja sonst in .der vergifteten Extre- mität der Ruhezustand nicht hätte früher eintreten können, als in der dem Kreislauf entzogenen. Die Krämpfe würden also viel länger dauern, als es in der That der Fall ist, wenn das Verschwinden derselben durch die Er- müdung des Rückenmarks und die Ueberreizung der motorischen Nerven bedingt wäre. 4 So wäre der lähmende Einfluss des Strychnins auf die motorischen Nerven dargethan und neben seiner Eigenschaft, die Erregbarkeit des Rückenmarks zu steigern, eine neue erwiesen. Königsberg, im Mai 1884. Anmerkung des Herausgebers. Die oben gegebene Litteratur ist dahin zu vervoll- ständigen, dass H. Roeber in seiner letzten Arbeit die Ueberlegenheit des Pikrotoxins als tetanisirenden Giftes darauf zurückgeführt hat, dass es nicht wie Strychnin die Nervenendigungen lähmt. (Dies Archiv, 1870. 8. 615). _ Ueber die Abhängigkeit der Erregungs-Vorgänge von dem zeitlichen Verlaufe der zur Reizung dienenden Elektrieitäts-Bewegungen.! Von Prof. v. Kries. Aus dem physiologischen Institut zu Freiburg i. B. (Hierzu Taf, V.) Als charakteristische Eigenthümlichkeit der Art und Weise, wie der elektrische Strom auf die Nerven erregend wirkt, ist seit langer Zeit be- kannt, dass nicht die gleichmässige Dauer desselben, sondern seine zeit- lichen Veränderungen als Reize in Betracht kommen. „Nicht der absolute Werth der Stromdichtigkeit in jedem Augenblicke ist es, auf den der Be- "wegungsnery mit Zuckung des zugehörigen Muskels antwortet, sondern die Veränderung dieses Werths von einem Augenblick zum andern, und zwar ist die Anregung zur Bewegung, welche diesen Veränderungen folgt, um so bedeutender, je schneller sie bei gleicher Grösse vor sich gingen, oder je grösser sie in der Zeiteinheit waren.“ In dieser Form sprach du Bois- BReymond das Gesetz im Jahre 1845 aus. Bei der prineipalen Stellung, welche der elektrische Strom als Er- regungsmittel für Nerven aller Art von jeher eingenommen hat, lag der * Die wichtigsten Ergebnisse der im Folgenden mitgetheilten Untersuchung sind bereits im April d. J. unter gleichem Titel in den Berichten der naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. B. Bd. VII. in kurzer Zusammenstellung gedruckt worden. Bei allen Versuchen hatte ich mich der dankenswerthen Unterstützung meines Assi- stenten, des Hın. cand. med. Bartenstein, zu erfreuen. Archiv f. A.u. Ph. 1884. Physiol. Abthlg. 22 338 vw. Kerr namnüch zuch wmaniiati,. formuiiren zu können. und ebenso» die Hof Erfahrung zu brimsen. Die Berscherung unserer Kenntzisse, welche die set damals verfossenen Jahrzehnte rehracht haben, ist aber keine sehr erhebliche zu nennen. Gewisse Falle sind bekannt zeworden, m welchen des ganze Gesetz nicht vollkommen zutrefend ist, vielmehr zuch der som- stanı: Direm während semer Iauer anhaltende Erresunsen vermar. Esmar venüren ner a0 üie Beobachtungen von Grätzner! u Frer? zu ermmern Durch den Nachweis einer Anzahl von si missen die Bediewime des da Bois-Rermond'schen Grund- peseizes selbsiversändbeh meh vernneeri, und die Aufvabe eines ge- naneren Sindimms dessen weder selöst noch bessürt Für die eigeni- che Haupifrare zer, we sch de Abkänsıskeit der Bazwirkungen von dem zeilüchen Verlauf der elektrischen Bewerung gesialie, haben wir zur wenise Beiiräpe zu verzeiekmen. ra mansäindem Interesse sondern wielmshr in der meihoäischen 5 STI9- a. erzu- stellen. Die insherieen Ermiiieiımsen zehen daher auch so weil als es dee bekamen Hilismiiiel) vesiaiken Wir köiten ier zmächsi eine Anz von Arbeiten zu erwähnen, welche die verschiedenen Wirkungen des Oeff zum» und Schhessine:-Indusünms-Schlasss zus den Versaäinsdenheiten ihres zeithchen Verlaufes zu verstehen iihrien? Sodamm sind ner die Cnxie sucinmsen ven Fick * zu erwähnen, bei weichen sehr kurz dauernde Sira sorenammte Siromsiöss, zur Beizıme verwendet wurden. WE Buben üissen Versuchen ame wirkhche Varjirung des zeichen Verlaufe, 2 frech micht m der voramssichtiheh wicktirsien Beriehıms, der Stelle der Veränderme: die leiriere »t vielmehr nicht mabkänsis von der orrschenden Siromintensität varırbar, sımdern bleibt allemal die emen 2 P. Grüizeer, Ueber verschiedene Arien der Nerven Errsrongen. Piläger Arcsr u5.w. 1878 Bi III e MW w Fress, Leber Ge veianische Errsgung von Froschsersen durch dem cm sianien Siram. Diss Archır. 1853. 3 43 = Na du Beis-BZermond (Monatsberschte der Berliner Akademie 1562) zusrsi Jos. Hzunrr Ge Verschiedenheit in der pirsiolssischen Wirkung der De und Schliessungs Tnönrtionsschläge dm De Einmischung der Erirasisome erkia Die genaue Besummunz des zeilichen Verlaufes der Inünctonssirüms verdanken ® sekannäicn Helmhsliz. Prggenünrffs Annalen 1851 Bi LEERE * Firk, Umersuchungen Über ldkirische Nervenräzung. 1864. wine (sdmme IB Een 2 Tome EEE “7 FG zen zf se Ve ms u res = , den zuiiee Veisuf url == Somwermiiere Keme_i—=— JB —e ni Em sehe (are zum m Dem Ve Ikeries newer 1er Veiwes 105 De dermrmmr mc wer ke Vaizuf == Smse> mer > u Se m Den m mn br bersimes vers mE= ma m ser Dee mer es = Sa wa Ws sm zen De zer ES mE Sei 27 Seinem ma > Ser en = Se mer ner BER Laer Bar all Air kr m wi ms Sen se De ve ur Er um Sim” Diem Fame = Ze See m we wen Hinifemiten mei See zw) se 2 Sm "ZERR en: Smile wei nee Zee ze Ve ummswre Te E dr Fing>® züre mir miese NE ze ze Vımme Aulssise=- Feguper ermir mise SmommunEer SUmERT | FE a a ®: her Ge Siem zunelen SE und ZU zen Se em Sam. em Sum: mike mr Mer em BE CE VE 3 pen 1 zefengureggl = Zur nn ee ee ee MEER 340 v. Keies: Bohr! und Bernstein?, welche den Einfluss der in der Zeiteinheit appli- cirten Zahl gleichartiger Reize (Inductionsschläge) auf die Reizwirkungen feststellten. Indessen handelt es sich hier vorzugsweise um die Ermittelung einer Eigenschaft des Muskels, so lange vorausgesetzt werden darf, dass jeder einzelne Reiz im Nerven dieselbe, von der Frequenz unabhängige Wirkung hervorbringt. Sobald diese Voraussetzung nicht mehr zutrifft (was z. B. immer der Fall ist wenn die Dauer des einzelnen Reizes im Vergleich zu dem Intervall eine erhebliche ist) wird die Deutung der Resultate eine sehr schwierige werden müssen, weil die Wiederholung gleich- artiger Reize mehr und mehr in einen Oscillationsvorgang übergeht. Als den wichtigsten methodischen Fortschritt auf dem ganzen Gebiet muss wohl Fleischl’s Erfindung, das Orthorheonom, betrachtet werden.® Dasselbe gestattet in mässigen Zeiten die dem Nerven zugeführte Strominten- sität in einer der Zeit genau proportionalen Weise und innerhalb gewisser Grenzen mit beliebiger Geschwindigkeit wachsen oder abnehmen zulassen. Die Versuche mit dem Rheonom haben denn auch sofort eine Anzahl wichtiger und interessanter Resultate ergeben. Gleichwohl ist das Fleischl’sche Instrument nicht geeignet zur Beantwortung gerade derjenigen Fragen, welche am meisten und unmittelbarsten interessiren. Da man nämlich schon weiss, dass es wesentlich auf die Steilheit der Stromanstiege ankommt, so ist die nächstliegende Aufgabe die, den Anstieg zu einer bestimmten Strom- intensität in einer beliebig zu vergrössernden oder verkleinernden Zeit und überdies gradlinig zu bewirken, also Stromverläufe von dieser Art _ / her- zustellen. Ausserdem kommt es bei der Beschaffenheit des Nerven voraus- sichtlich darauf an, die Zeiten des Stromanstiegs zuvörderst in ziemlich kleinen Zeitwerthen zu halten, sie etwa von !/,.. bis !/, Secunde zu ver- ändern. Dies ist ebendieselbe Aufgabe, welche zu lösen schon mehrfach versucht worden ist‘, aber ohne befriedigenden Erfolg. Für dieselbe ist auch das Fleischl’sche Rheonom nicht geeignet, theils weil es zu schwer beweglich ist, theils weil es als Rotationsapparat nicht zur Erhaltung eines - | dauernden constanten Stromes nach der Schwankung geeignet ist. Es läge nahe, den Apparat leichter zu construiren und ihn aus einem rotirenden in einen Schiessapparat, der nach einer ganzen oder theilweisen Umdrehung gefangen wird, zu verwandeln. Um indessen der gestellten Aufgabe wirk- ! Bohr, Ueber den Einfluss der tetanisirenden Irritamente auf Form und Grösse der Tetanusceurve. Dies Archiv. 1882. 8. 233. ® Bernstein, Ueber den Einfluss der Reizfrequenz auf die Entwickelung der Muskelkraft. Festschrift, du Bois-Reymond gewidmet. Supplementband dieses Archivs. 1883. ®E. v. Fleischl, Wiener Sitzungsberichte. 1877. Bd. LXXVL 3. Abth. * Vgl. Hermann, Handbuch der Physiologie. Bd. IL. 8. 33 u. 53. En ABHÄNGIGKEIT DER ERREGUNG VOM ZEITLICHEN VERLAUF DER STRÖME. 341 lich gerecht zu werden, genügt dies noch nicht. Es ist vielmehr hierzu das Prinzip der beweglichen zweiarmigen Brücke überhaupt nicht geeignet. Das Verfahren, welches ich benutzte, geht von einer Anwendungsweise des Rheochords aus, welche von der in der Physiologie und Elektrotherapie zur Stromabstufung gebräuchlichen etwas abweicht, dagegen übereinstimmt mit der du Bois-Reymond’schen Methode der Compensation zur Mes- sung elektromotorischer Kräfte. Es wird sich empfehlen, mit der Darlegung dieses sehr einfachen Prineips der Stromabstufung zu beginnen. Wenn ein elektrischer Strom einen linearen Leiter, z. B. einen Draht von überall gleichmässiger Beschaffenheit durchfliesst, so nimmt auf der ganzen Länge dieses Leiters das Potential gleichmässig ab oder zu, da sowohl Stromintensität als Widerstand überall gleich sind. Es gilt das sowohl für Flüssigkeitsfäden als für Drähte und es gilt auch für pris- matische Leiter von beliebig grossem Querschnitt, falls nur die Zu- und Ableitung des Stromes an dem ganzen (Querschnitt gleichmässig statt- findet. Wenn «2 (Fig. 1) ein solcher von einem constanten Strom durch- - flossener Leiter ist, und man irgend zwei Punkte ce und d desselben mit den Quadranten eines Elektrometers ver- bindet, so erhält man demgemäss eine Ira Potentialdifferenz angezeigt, welche der Fan; Länge c d direct proportional ist. Das- 7 wg selbe findet auch dann noch statt, wenn 1 Z man statt des Elektrometers einen Lei- a b 4 tungsbogen, W, anwendet, dessen Wider- a) stand im Vergleich zu dem der Strecke | & cd sehr gross ist. Der Leitungsbogen Fig.1. wird alsdann von einem Strome durch schema der Stromabstufung durch flossen, dessen Intensität der Länge variable Entfernung der Contacte e - proportional ist.” Man kann auf diese und d auf einem Draht. Weise mit Benutzung eines Drahtes 2. B. die durch einen motorischen Nerven zu schickenden galvanischen Ströme genau und in einer zahlenmässig angebbaren Weise abstufen, da der Widerstand im Nerven gegen den eines Drahtes jederzeit sehr gross ist. Bei der üblichen Anwendung des Rheochordes als Nebenschliessung ist dies dagegen bekanntlich nicht möglich, wenn man nicht weiss, in wel- chem Verhältniss die Widerstände in der Längeneinheit des Rheochord- drahtes und in den benutzten galvanischen Elementen stehen. ! Hierauf beruht z. B. die Methode für die Calibrirung eines Drahtes, welche jüngst von Braun empfohlen wurde. Centralzeitung f. Optik und Mechanik 4. Bei- blätter zu Wiedemann’s Annalen Bd. VII. S. 776. 342 v. KrIES: Von diesem Prineip der Stromabstufung ausgehend, ist nun leicht ersicht- lich, dass man einen im Nerven linear ansteigenden Strom erhält, wenn die eine Elektrode etwa mit dem Punkte ce jenes Leiters in Verbindung steht, die andere dagegen mit constanter Geschwindigkeit an demselben entlang gleitet. Hierbei entsteht als erste technische Schwierigkeit die, dieses Gleiten mit genügender Geschwindigkeit und ohne Gefährdung des Contacts auszuführen, eine zweite aber, wenn die Aufgabe gestellt wird, dass der Strom nur bis zu einem gewissen Werth linear anwachsen und sodann aber auf der erreichten Höhe sich constant erhalten soll. Beide Schwierigkeiten lassen sich überwinden, wenn man als linearen Leiter eine mit einem Elektrolyten angefüllte Rinne verwendet, in welcher entlang eine eintauchende Metallspitze sich bewegt, gerade wie es auch bei dem Fleischl- schen Rheonom geschieht. Man kann sich leicht davon überzeugen, dass hierbei selbst recht erheblicheGeschwindigkeiten der Spitze ertheilt werden können, ohne dass Störungen des Contactes ein- treten und auch ohne dass das unbequeme Spritzen und Schleu- dern der Flüssigkeit sich bemerk- lich macht. Inunseren Versuchen, bei welchen eine Spitze von etwa j um Durchmesser in einer Rinne ‚von Smm Breite und 1°“ Tiefe lief, konnte man der Spitze Ge- Fig. 2. Schema der Herstellung einer linearen Bo Eee mr 3 Stromschwankung durch eine Flüssigkeits- schwindigkeiten von 1500 ®" pro rinne mit drei festen Elektroden abc und Necunde ohne Störungen erthei- einer beweglichen d, welche durch diese len. Die gewöhnlich benutzte hindurchgeleitet. betrug nahe 800 m pro Secunde. Die zweite der soeben erwähnten Anforderungen würde erfüllt werden, wenn es möglich wäre diesich bewegende Spitze an einer bestimmten Stelle der Rinne plötzlich festzuhalten. Dies gelingt selbstverständlich nicht in befriedigender Weise. Manerreicht aber dasselbe, indem man nur einen Theil der Rinne vom galvanischen Strom durch- fiessen lässt und der Spitze eine Bewegung über die zuleitenden Elektro- den hinaus gestattet. Obwohl, wie vorher erwähnt, es wünschenswerth ist, dass die zuleitenden Elektroden den ganzen Querschnitt der Rinne ausfüllen, so schadet es doch nicht, wenn dieselbe einen kleinen Ausschnitt besitzen, welcher der Spitze den Durchgang gestattet. Wenn also (Fig. 2) AB die | Rinne, ad die zuführenden Elektroden wären, so stellten die nicht durch- flossenen Stücke «A und 5 B sozusagen todte Arme dar, welche mit der Umgebung von a bezw. 5 durchweg auf gleichem Potentialniveau sich be- finden. Wird nun die eine Nervenelektrode mit dem festen Stück ec ve ABHÄNGIGKEIT DER ERREGUNG VOM ZEITLICHEN VERLAUF DER STRÖME. 348 bunden, die andere aber mit der, durch d angedeuteten beweglichen Spitze und gestatten a5 und c dieser Spitze freie Passage, so wird der den Nerven durchsetzende Strom = 0 sein bis die Spitze bei a ankommt, von da ab linear ansteigen, bis sie 5 passirt und sodann, wenn der Widerstand 5 B gegen W vernachlässigt werden darf, auf constanter Höhe bleiben, so lange die Spitze sich irgendwo in dem Stück 5.B befindet. Man hat somit in den Stücken Aa und 5 B sehr bequem die Möglichkeit, unbeschadet der _ gewünschten Strombewegung, der Spitze ihre Geschwindigkeit zu ertheilen und allmählich wieder zu rauben. Nach dieser Darlegung des benutzten Prineips kann die mehr tech- nische Beschreibung des benutzten Apparates sehr kurz gehalten werden. Die Hartgummiplatte A (Fig. 1, Taf.5)ist auf einem mit Stellschrauben ver- sehenen Dreifuss fest aufgeschraubt. In dieselbe ist eine Rinne B CD einge- dreht, welche S"® breit und 10" tief ist. Ein Theil derselben, ca. ?/, der Peripherie bei Dist abgeschlossen und mit Kittmasse ausgefüllt. Ueber der . Mitte dieses Stückes erhebt sich das solide Messingstück #, mit der Hartgummi- - platte fest verschraubt. Dasselbe dient wesentlich dazu um die Vorrichtung zu tragen, mittels welcher eine Zinkspitze längs der Rinne geschossen werden kann. Man erkennt leicht die Axe G, den an dieser befestigten horizon- talen Arm und die Zinkspitze J, welche in der Rinne einläuft. Das Schräub- chen X dient dazu, um die Spitze nach aussen oder innen zu verstellen, so dass sie, ohne anzustreifen, durch die Ausschnitte der Elektroden hin- durchfahren kann. Diese, drei an der Zahl Z, Z, Z, bestehen jede aus einer Messingklemme, welche auf dem Rande der Hartgummischeibe ent- lang verschoben werden kann und einem Zinkstück, welches mit einem hinteren Theil auf der Messinsklemme aufgesetzt und angeschraubt wird, mit einem vorderen platten in die Rinne eintaucht. Die Schiessvor- richtung erkennt man auf der linken Seite der Figur; der Ring M wird _ über den Messingstab N hingeschoben, die Spiralfeder O comprimirt, ein stark federnder Messingbügel mit dem Vorsprung 7° hält den Apparat in dieser Stellung fest. Ein leichter Zug an diesem Bügel setzt die Feder in Freiheit, die Feder schnellt den Arm vor sich her, derselbe fährt bei sehr geringer Reibung mit annähernd constanter Geschwindigkeit _ herum. Auf der anderen Seite wird er durch eine, näherer Erläuterung nicht bedürftige Fangvorrichtung allmählich ohne einen heftigen Anprall arretirt und festgehalten. Die Zinkspitze steht in leitender Verbindung mit der Klemme & nicht bloss durch den Contact des Axenlagers, sondern auch durch das sehr dünne Drähtchen Z, welches die Bewegung des Apparates nicht beeinflusst. Die Zuleitung des Stromes geschieht durch die beiden Elektroden Z, und Z,, die Ableitung zum Nerven durch Z, und @. Beim Abschiessen des Appa- 344 * v. KRIES: rates ist der Strom = 0, so lange bis die Spitze Z, passirt, dann steigt er gleichmässig an, bis sie Z, passirt um sodann auf dieser Höhe zu ver- harren. Der Apparat soll im Anschluss an Fleischl’s Bezeichnung als Feder- Rheonom bezeichnet werden. | Um den Strom abzustufen, wird nach demselben Princip verfahren. Die zur Reizung dienende Batterie B (vier, zuweilen auch nur zwei kleine Grove’sche Elemente) werden mit den beiden Enden eines langen Eisendrahts verbunden, zyFig.3. AB stellt wieder B die, der Einfachheit halber gerade gezeichnete Rinne des Rheonoms dar; der in die = Elektroden ad geschickte Strom wird von x und einem längs des Drahtes verschieblichen Schieber z geliefert und ist proportional der Länge x z, da | der Widerstand in der Zink- Schema der Abstufung linearer Stromschwankungen. „inne immer gross gegen den B Fig. 3. des Drahtes ist. Es betrug näm- lich der Widerstand in den ganzen Draht 2 S. E., somit der Widerstand der eingeschalteten Strecke in der Regel nur Bruchtheile einer S. E. Der Wider- stand der Zinklösung betrug für 100 "= Abstand der beiden Elektroden nahe 600 8. E., somit bei dem gewöhnlich gebrauchten Abstand zwischen 60 und 900 S. E. Endlich war erforderlich, dass der Widerstand im Nervenkreise wiederum gross sei gegen den in der Zinkrinne. Er beträgt im Allgemeinen ca. 20000 S. E. Man überzeugt sich durch einfache Rechnung, dass die hierdurch bedingten Abweichungen von der streng linearen Form der Schwankung äusserst geringfügig sind. Die Art der Abhängigkeit, welche die Reizungserscheinungen von der Varürung der Steilheit zeigte, machte nicht nothwendig, auf diese Rücksicht zu nehmen. Durch Einschaltung grosser Widerstände in den Nervenkreis und Verstärkung der Batterie würde sich sonst, wie leicht ersichtlich, die Genauigkeit leicht noch weiter treiben lassen. Um die Geschwindigkeit zu bestimmen, mit welcher die Spitze ge- schossen wird, verfuhr ich folgendermaassen. Es wurde ein platter Messing- ring angefertigt, welcher 'genau auf den äusseren Ring der Hartgummi- platte passt. An dem Arm A wurde ferner ein Drähtchen befestigt, ne = Zu nn nn ABHÄNGIGKEIT DER ERREGUNG VOM ZEITLICHEN VERLAUF DER STRÖME. 345 welches bei dem Abschiessen seine nach unten gewendete Spitze dicht über der Oberfläche jenes Ringes hinbewegt. Durch eine Einrichtung, deren Details anzuführen nicht erforderlich ist, springen von dieser Spitze zu dem Messingringe Inductionsfunken in Intervallen von !/,, Sec. über, indem der primäre Strom eines Stöhrer- schen Inductionsapparates durch eine Stimmgabel von 30 Schwingungen unterbrochen wird. Wenn der Messingring berusst ist und die Spitze ab- geschossen wird, so .springen während der Bewegung eine Anzahl von Funken auf den Ring über, und aus den Abständen derselben ist die Ge- schwindigkeit der Spitze leicht zu ermitteln. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Abstände von der Drehungsaxe des Apparates erhält man somit auch leicht die Geschwindigkeit der Zinkspitze, welche in der Mitte der Rinne läuft. Eine besondere Aufmerksamkeit erfordert noch die Regulirung der Stromintensitäten. Zunächst kann als Maass für die durch den Nerven ‚gesandte Stromintensität (wenn die Spitze zwischen 5 und B (Fig. 3), also hinter Z, (Fig. 1, Taf. V) steht), die Potentialdifferenz verwandt werden, welche stattfindet zwischen den beiden Punkten der Zinklösung, die an die Elektroden a und 5 (Fig. 3) unmittelbar anstossen. Als Maass für ‚diese Potentialdifferenz kann man wieder die Spannweite ®z betrach- ten, welche die Verbindungen dieser beiden Elektroden auf dem Drahte des Rheochords umfassen, falls der Widerstand dieses ganzen Kreises zabz wesentlich durch den Widerstand der Zinkrinne gegeben ist und alles andere gegen ihn sehr klein ist. Hier darf nicht übersehen werden, dass, wenn das auch für den Draht zz und Zuleitungen der Fall ist, deren Widerstand nach Bruchtheilen einer S. E. im Allgemeinen zählt, noch der Uebergangswiderstand zwischen den Zink - Elektroden und der Flüssigkeit in Betracht kommt. Dieser kann sehr wohl Werthe haben, welche gegen die Widerstände der Zinkrinne in Betracht kommen, und man erhält in diesem Falle nicht den vollen, nach den Drahtlängen berechneten Strom in die Zinklösung, somit auch nicht in den Nerven.! Natürlich ist die hierdurch bewirkte Verminderung um so bedeutender, je kleiner der Abstand der zwei Elektroden ad ist und je mehr somit der Uebergangswiderstand gegen den zwischen ihnen gelegenen Widerstand der Lösung in Betracht kommt. Die ganze Erscheinung documentirt sich sehr deutlich dadurch, dass man bei Schliessung des Stromes, während die ! Wegen dieses Uebergangswiderstandes ist es auch nicht zulässig, die eine Nervenelektrode direct mit « zu verbinden. Man erhält dann schon einen Strom, auch wenn die Spitze sich zwischen « und A befindet. 346. v. KRrIEs: Spitze sich in 5B befindet, verschiedene Reizerfolge erhält, je nachdem der Abstand der Elektroden grösser oder kleiner gemacht wird (um so grössere, je grösser der Abstand ist. Man kann bekanntlich den Ueber- gangswiderstand dadurch beseitigen, dass man die Zink-Elektroden einige Stunden in Zinklösung kocht und sie dann (mit möglichst kurzer Luft- berührung) schnell in die Flüssigkeit bringt, in welcher sie verwendet werden sollen. Indessen ist es nothwendig, sich jedesmal davon zu über- zeugen, dass man die Fehlerquelle wirklich eliminirt hat. Einfacher ist es und ebenfalls zulässig, sie nicht zu eliminiren, aber jedesmal zu berück- sichtigen; dies geschieht, wenn man nur Stromintensitäten mit einander vergleicht, welche bei gleichem Abstand der Elektroden a5 erzeugt werden; hier dürfen die Drahtlängen dann ohne Weiteres als Maass benutzt werden. In dieser Weise bin ich in der Regel verfahren, nachdem ich noch durch eine Anzahl directer Messungen an der Bussole mich überzeugt hatte, dass’ die zum Nerven gehenden Stromintensitäten bei bestimmtem Abstand der Elektroden ab in der That den Drahtlängen proportional wuchsen. | Was das reizbare Praeparat anlangt, so habe ich bis jetzt systematische Versuche nur am Frosche (Rana esculenta) ausgeführt, und zwar wurde entweder der Ischiadicus gereizt und der Erfolg am Gastrocnemius beob- achtet, oder aber der ganze Nervenplexus im Becken neben dem Kreuz- bein gereizt und die Erfolge am Semimembranosus und Gracilis beobachtet. Die letzteren Muskeln benutzte ich in denjenigen Versuchen, wo die nega- tive Schwankung des Längs-Querschnittstromes untersucht werden sollte. Die Reizung geschah vermittelst unpolarisirbarer Elektroden und zwar von ähnlicher Form, wie sie Grützner! beschrieben hat und welche sich mir als sehr zweckmässig bewährte. Das Centralnervensystem wurde stets zer- stört, keinerlei Vergiftung und auch keine Kochsalzausspülung vorgenommen. Ich wählte dies Verfahren, weil es mir vor Allem darum zu thun war, an einem Praeparate zu arbeiten, welches seinem normalen Verhalten so nahe als möglich stände. Die Befürchtung, dass die Gleichmässigkeit der- Reizerfolge keine so genaue sein werde, wie sie bei Kochsalzausspülung oder bei Chloralvergiftung mit erhaltenem Centralnervensystem zu erreichen ist, ı und dieser Mangel die Versuche stören werde, zeigte sich nicht begründet; die Gleichmässigkeit war vielmehr stets eine sehr befriedigende. Für wesent- lich halte ich dabei, dass die Reizung am undurchschnittenen Nerven statt- findet und von diesem auch nur eine kleine Strecke, und zwar eine solche ohne stärkere Aeste, freigelegt wird. Unterhalb der Mitte des Oberschenkels kann man den Ischiadicus sehr bequem in dieser Weise behandeln; unter ! Grützner, Beiträge zur allgemeinen Nervenphysiologie. Pflüger’s Archiv u.8s.w. Bd. XXVIII. 8.138, Fr ABHÄNGIGKEIT DER ERREGUNG VOM ZEITLICHEN VERLAUF DER STRÖME. 347 das frei gemachte Nervenstück von etwa 6—7“m Länge wird ein Gummi. blättehen geschoben, die Elektroden aufgesetzt und was vom Nerven dann noch sichtbar ist, mit kleinen Gummiblättchen zugedeckt. Der ganze Frosch lag hierbei auf einem horizontalen Brett, der Gastroenemius übertrug seine Bewegung mit starker Vergrösserung (acht- bis zehnfach) auf eine Sehreibspitze, welche auf der langsam rotirenden Trommel des Baltzar’schen Kymographions schrieb. Es sei gestattet, gleich einige Ausdrücke einzuführen und zu erklären deren wir uns im Folgenden oft bedienen werden. Der Anstieg eines Stromes von OÖ auf einen gewissen Werth, kann als eine allmähliche Schliessung dieses Stromes betrachtet werden, im Gegensatz zu der gewöhnlichen, welche durch Contacte hergestellt wird. Wir wollen die letztere, bei welcher die Dauer des Anstieges (falls keine Rollen im Kreise sind) äusserst klein ist, eine Momentanschliessung, die nach unserer Methode bewirkte allmähliche dagegen eine Zeitschliessung nennen. Ebenso wollen wir von Momentanreizen! und Zeitreizen sprechen. Eine Schwankung, welche in der Zeit ® die Höhe is erreicht und dann auf dieser verharrt, ist charakterisirt durch den Werth is, welchen ich einfach als ihre Intensität bezeichne und die Anstiegsdauer 8. "Zur Bestimmung ihres Reizeffeets dient immer die Ermittelung einer Inten- sität 2m, welche bei Momentanschliessung den BEIONEHER Effect giebt. Für jede Anstiegsdauer $ kann so ein Verhältniss —- gefunden werden, welches der Reizungsdivisor für diese PRERENEEREEEN 3 heissen mag. In der That stellt diese Zahl den Werth vor, mit welcher eine in der Zeit % erreichte "Stromstärke dividirt werden muss, um die Stromstärke zu finden, welche bei momentanem Entstehen die gleiche Reizwirkung giebt; sie liefert also ein Maass für die durch zeitliche Ausdehnung der Schwankung bedingte Schwächung des Reizeffeetes. Der Reizungsdivisor wird für steigende Anstiegsdauern natür- lieh immer grösser. Man kann auch von Reizungscoöfficienten sprechen, welche die reeiproken Werthe jener Reizungsdivisoren wären; doch eignet sich für die Beurtheilung der meisten Verhältnisse der Reizungsdivisor mehr, weil die Reizungsdivisoren verschiedener Anstiegsdauern unmittelbar die gleich wirksamen Intensitäten, und mit $ dividirt die gleich wirksamen Steilheiten ' darstellen. Der ner einer Anstiersdauer kann für verschiedene | | | E Reizstärken, z. B. für Schwellenwerthe, oder für eine bestimmte mittelgrosse Zuckung ermittelt werden und es ist nicht nothwendig, dass er hierbei die- ! Ich glaube diesen kurzen Ausdruck vorläufig auch auf die Momentanschlies- sungen schwacher Ströme anwenden zu dürfen, obwohl diese streng genommen keine Momentanreize sind. 348 v. KRIES: selben Werthe zeige. Die Ermittelung von Reizungsdivisoren für verschie- dene Anstiegsdauern giebt somit immer einen Vergleich mit Momentan- reizen und zwar mit der plötzlichen Schliessung eines Kettenstromes; sie sind‘ vorläufig die einfachsten numerischen Angaben durch welche die Reizwirkung beliebiger Steilheiten ausgedrückt werden kann. Bei den Versuchen wird natürlich stets ©, sodann ©s und dann wiederum „m festgestellt und der Reizungsdivisor berechnet aus dem arithmetischen Mittel der beiden Werthe im welche vor und nach is, sich herausstellten. Die Reizungsdivisoren sind, dem Fundamentalgesetz zufolge, stets Zahlen die grösser als 1 sind.! Abhängigkeit des Reizungsdivisors von der Anstiegsdauer. Die erste Aufgabe, welche ich in Angriff nahm, bestand darin die Stromintensität zu suchen, welche bei Momentanschliessung einerseits, bei Zeitschliessungen andererseits erforderlich ist, um eben noch eine minimale Zuckung vom Muskel auszulösen. Es werden also die Divisoren verschiedener Anstiegsdauern für die Schwellenwerthe ermittelt; die Resultate dieser Versuche sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt. Während jeder einzelne Versuch bei mehrfacher Wiederholung sehr gut übereinstimmende Resultate liefert, bemerkt man so- gleich, dass die einzelnen Versuche unter einander nicht unerheblich differiren. In dem Versuche vom 6. December z. B. erreicht der Divisor erst bei “einer Anstiegszeit 0.187 Sec. den Werth 2-1. In einem Versuche vom 23. Juni beträgt er 2-6 schon für eine Anstiegsdauer 0-01. Einen Auf- schluss darüber, worin diese Differenzen begründet sind, vermag ich vor läufig nicht zu geben. Die Versuche vom 16., 17. und 18. Juni zeigen sehr nahe übereinstimmende Werthe; der Versuch vom 23. und der vom 24. Juni dagegen wieder stark abweichende, nämlich viel grössere Divisoren. Aus der Zeit, welche seit der Einfangung der Thiere verstrichen war, habe ich keinen Anhalt für die Aufklärung der Unterschiede finden können, ebenso- wenig ergiebt sich ein solcher, wie aus der Tabelle unmittelbar ersichtlich, ohne Weiteres aus der Jahreszeit, auch nicht, wie ich gleich bemerken will, ! Hiervon habe ich eine Ausnahme nur in besonderen Fällen beobachtet; oft nämlich liefern die Zeitreize bei gewissen grossen Stärken grössere Zuckungen als sie bei Momentanschliessungen überhaupt (bei irgend welcher Stärke) erhalten werden können. In diesem Falle ist also kein Reizungsdivisor angebbar. ABHÄNGIGKEIT DER ERREGUNG VOM ZEITLICHEN VERLAUF DER STRÖME. 349 etwa aus den kleinen Differenzen der Temperatur während des Versuchs. Wir können also vorläufig nur von individuellen Differenzen sprechen, deren Zusammenhang mit Ernährungszustand und Alter des Thieres festzustellen vielleicht einer eigens darauf gerichteten Untersuchung gelingen würde. Datum des | Betrag der Reizungsdivisoren oder äquivalenten Strom- ches. | intensitäten für eine Anstiegsdauer (in !/,ooo Secunde) | Bemerkungen. 12-5 | 250 |49-9 | 99-8 |187-5| 99-8 | 49-9 | 25-0 | 12-5 30. Nov. 83. | 1-5 | 2-1 | 3-7 4-6 1:9 14 |y 3. Dec. 83. | 1-2 | 1-6 | 3-4 | 7-2 73 |3-9 [15 Y 6. Dee. 83. | 1-1 1-3 1.4 | 17/21/19 1-6 1.3 11:1 | Y 13. Dee. 83. | 1-3 | 1-7 | 3-2 | 8-7 3.6 | 2-0 | 1-4 | \Zimmertemperat. Ders. Versuch. 11 1-2 | 1-3 | 2-6 14 | 1-2 Nerv abgekühlt. 14. Dec. 83. | 1-9 | 2-8 | 5-3 2-8 | 1-8 | YLange Nervenstr. Ders. Versuch.| 1-8 | 3-4 1-8 Y Anode am Kopf. Ders. Versuch. 1-8 | 2-5 | 5-0 Y Kurze Nervenst. 17. Dec. 83. | 1-3 15 11.9 |2:0|24| 17 171123 |11-2|Y ‚Ders. Versuch. 1-3 | 1-6 | 1-6 | 2-5 Y ‚18. Dee. 83. | 1'3 | 1-5 | 3-0 | 5-8 > 12:6.|1.6.|1-4 |y Ders. Versuch.| 1°5 | 1-7 | 3-0 | 4-2 2:5/17| 1-5 A 17. Jan. 84. | 15 | 2.0 | 2-5 | 3-2 25/1915 |% Ders. Versuch. 1°5 | 2-0 | 2-7 | 4-0 27/18 | 1-4 | # 21.Jan.84. | 16 92.3 | 3.8 | 7.5 3.6 |2-5|1-7| 8 Ders. Versuch. 1'8 | 2.3 | 4-5 40 25 | 18 | Y. 16. Juni84. |1°3 1-5 [1-6 | 1-8 | 3-5 1.5.|.1°4.| 1-3 | Ders. Versuch.) 1°6 ] Ah ONE EBITESEZERZESERTZERZEIZED EN 18. Juni ga. | 1-4 | 1-4 [1-5 1-7 1291-8 11-3 1-3 11-3 || ' 93. Juni 84. | 1-8 | 2-1 | 3:0 | 5-8 3.3 12-4 1-9 E 1-7 | 1-9 | 2-6 | 56 3-0 | 2-1 | 1-9 \4 mittelst. Zuck. 24. Juni 84. 2-7 ie >5 | In vielen Fällen sind die Divisoren für längere Anstiegsdauern nicht ‚ festzustellen, weil wir schon früher die Grenze der Giltigkeit des Funda- mentalgesetzes erreichen, nämlich die Stromstärken, welche tetanische 350 v. KrIES: Erregungen geben. In diesen Fällen ist man auf die kürzeren Anstiegszeiten beschränkt. Alle mitgetheilten Zahlen liegen innerhalb dieser Grenze und es gilt also auch für alle angegebenen Stromstärken noch, dass sie bei noch längerer Anstiegszeit wirkungslos waren, dass man durch eine langsamere Bewegung der Spitze den ganzen Strom „einschleichen“ konnte, ohne eine Bewegung des Muskels zu erzielen. Die Zahlen geben also sowohl die In- tensität welche bei einer gegebenen Anstiegsdauer, als auch die Anstiegs- dauer, welche bei einer gegebenen Intensität eingehalten werden muss, wenn eine Reizung erfolgen soll. Was nun zunächst die Grössenordnung der erhaltenen Zahlen anlangt, so sieht man, dass. bei Anstiegsdauern von 0-01 bis 0-1 Sec. die Intensität von der Grössenordnung der bei Momentanschliessung erforderlichen ist. Bei der Anstiegsdauer 0-0125 Sec. erhalten wir Divisoren, welche von 1.1 bis 1-9 schwanken, in der Regel 1-3 bis 1-5 betragen. Erwägt man, dass die Anstiegsdauer bei der normalen Schliessung jedenfalls enorm kurz ist, so sieht man, dass innerhalb dieser Grenzen die Steilheit noch nicht sehr erheblich in’s Gewicht fällt; diese ist vielmehr bei dem Momentanschluss unvergleichlich grösser, als bei den Zeitschliessungen, wenn der Erfolg derselbe ist. Man kann also sagen: ob der Strom in !/,ooo Dec. oder in !/,oooooo Dec. seinen Werth er- ‘ reicht, macht für die Reizwirkung noch fast keinen Unterschied, wohl da- gegen ob in Y/ooo oder in !/,, Sec. In dieser Feststellung liegt, wie man sieht, eine Ermittelung über das, was man die Beweglichkeit der Nerven- molecüle nennen könnte, eine Ermittelung die von Bedeutung werden kann, sobald es gelingt, sie mit physikalischen Eigenschaften des Nerven in Be- ziehung zu bringen. In den Figg. 2 und 3 der Tafel 5 sind einige der Versuche graphisch dargestellt, in der Weise, dass die Anstiegsdauern als Abseissen, die Divi- soren (oder die gleich wirksamen Stromintensitäten) als Ordinaten aufge tragen sind. Eine besondere Aufmerksamkeit verdient das Schlussstück der Curve. Von vornherein lässt sich nämlich vermuthen, dass das Ansteigen des Stromes mit gleichmässiger Steilheit nur eine gewisse Zeit hindurch | erregend wirkt. Wenigstens geht das schon daraus hervor, dass man als Ausdruck der Erregung doch immer nur Zuckungen erhält, welche sich ' von den durch Momentanreizen zu erhaltenden nicht wesentlich unter- | scheiden, wie dies für sein Rheonom auch schon Fleischl angegeben hat. Wenn nun dies der Fall ist, so muss von einer gewissen Anstiegsdauer ' an die erforderliche Intensität proportional der Anstiegsdauer wachsen. ' Findet man z. B. bei einer Anstiegsdauer !/,, Sec. die Intensität 3, bei einer Anstiegsdauer !/,, Sec. die Intensität 6 erforderlich, um eine minimale ' Reizung hervorzubringen, so hat man in beiden Fällen die gleiche Steilheit des Ansteigens. Man kann daraus entnehmen, dass ein Anstieg von dieser ' F’ ABHÄNGIGKEIT DER ERREGUNG VOM ZEITLICHEN VERLAUF DERSTRÖME. 351 Steilheit nach !/,, Sec. schon seine Erregungswirkung vollbracht hat, dass die Fortsetzung eines gleich steilen Ansteigens während einer weiteren !/,, Sec. keine Wirkung mehr ausübt. Diese Grenze ist in der That in einer Anzahl von Versuchen erreicht. So finden wir, dass die Intensitäten zuletzt den An- stiegsdauern proportional wachsen im Versuch vom 30. XI, 3. XII, 13. XI, 14. XII, 18. XII, schon von 0.025 Sec. an, im Versuch vom 21. Januar von 0-049 an, während in zahlreichen anderen Versuchen die betreffende Grenze nicht erreicht worden ist. Es geht hieraus hervor, dass die Reiz- wirkung, welche ein Stromanstieg von gewisser Steilheit besitzt, nur über ziemlich kurze Zeiten andauert. Es wird auf diese Frage der Dauer der Erregung gleich nochmals zurückzukommen sein. In der graphischen Darstellung zeigt sich das sehr einfach, da man die Steilheit jeder gleich wirksamen Stromschwankung erhält, wenn man die einzelnen Punkte der Curve mit dem Anfangspunkte der Coordinaten verbindet. So sieht man in Fig. 4 der Tafel, wo diese Verbindungslinien gezogen sind, die Steilheit anfangs abnehmen, beim Uebergange von 0.0499 zu 0.0998 aber gleich bleiben. Was die sonstige Natur unserer Curven angeht, so scheint mir eine theoretische Deutung nicht nur, sondern auch der Versuch sie in einer Formel auszudrücken, verfrüht. Da die Curven für die verschiedenen Prae- parate sich zuweilen schneiden, so würde eine solche Formel 2 Parameter "enthalten müssen, welche je nach Beschaffenheit des Praeparates variiren könnten. Erst in (der Anknüpfung an irgend welche bestimmten theore- tischen Vorstellungen kann ein solcher Versuch werthvoll werden. Bemerkenswerth ist, dass fast alle Curven von O ab einen steilen An- ‚stieg nehmen, dann ein Stück geringster Steilheit zeigen und dann wieder ‚steiler in die Höhe gehen; sie besitzen also einen Wendepunkt. Wenn einzelne (z. B. 30. Nov. 1883) ihn nicht zeigen, so liegt doch die Ver- "muthung nahe, dass nur wegen der zeitlichen Zusammendrängung der ganzen "Curve die untersuchten Punkte nicht zahlreich genug sind, ihn zu zeigen, und dass er bei genauerer Untersuchung der kürzesten Zeiten auch sich herausstellen würde. Eine unerwartete Schwierigkeit stellt sich der nächstliegenden Ver- ‚wendung dieser Versuchsresultate entgegen, wenn wir die Frage aufwerfen, 0b es auch wirklich dieselben Elemente des Nerven und des Muskels sind, welche bei Momentanschliessung und bei den verschiedenen Zeitschliessungen in Thätigkeit gesetzt werden. Diese Frage ist besonders durch die Mit- An theilung Grützner’s nahe gelegt, nach welcher in jedem Muskel zwei ver- schiedene Elemente sich vorfinden sollen, welche isolirt zu reizen „durch gewisse Kunstgriffe der elektrischen Reizung“ gelinge. Wenn dies bei der von mir angewandten Reizungsart der Fall wäre, so würde jede Serie von 35 v. KRIES: Reizungsdivisoren in zwei Stücke zerfalleh, welche nicht zusammen gehören; es wäre denkbar, dass z. B. bei Momentanschluss andere Elemente gereizt würden als bei Zeitschliessungen. Zu einer absolut sicheren Entscheidung würde hier zu gelangen sein, wenn man in der Weise wie Sachs that, die Reizerfolge unter dem Mikroskop beobachtete. Es erscheint indessen kaum möglich, bei diesem Verfahren in ähnlich systematischer Weise längere Beobach- tungsreihen mit Reizvariirungen anzustellen, wie es für unseren Zweck noth- wendig ist. Eine Entscheidung scheint aber auch einfach danach möglich zu sein, ob die Minimalzuckungen bei der einen und anderen Art der Rei- zung verschiedenen zeitlichen Ver- lauf nehmen. Wie weiter unten mitgetheilt wird, finden sich solche Fig. 4. Differenzen zuweilen in geringem Zeitlicher Verlauf minimaler Zuckungen bi DBetrage, sehr häufig auch gar Momentan- und bei Zeitreizungen. keine, bei stärkeren Zuckungen; diese dürfen aber aus den ‚dort erörterten Gründen nicht ohne Weiteres als Zuckungen verschiedener Muskelelemente gedeutet werden. Bei Minimalzuckungen habe ich einen Unterschied des zeitlichen Verlaufes nicht bemerkt; durch die Grütz- ner’sche Arbeit wurde ich veranlasst ihn auch mittels Aufzeichnung der Minimalzuckungen genauer zu vergleichen. Ich gebe nebenstehend unter- einander gezeichnet die Minimalzuckungen desselben Muskels, gleich nach- einander aufgezeichnet, bei Momentan- und Zeitschliessung (Fig. 4 m und 2). Sie stimmen, wie man sieht, völlig überein. Ich sehe daher vorläufig keinen Grund zu der Annahme, dass bei Momentan- und Zeitschliessung von Ketten- strömen nicht dieselben Elemente gereizt würden. | Man kann nun ferner die Divisoren bestimmen, welche für mittelgrosse‘ und für annähernd maximale Zuckungen die gleiche Bedeutung haben, wie die soeben mitgetheilten für die Schwellenwerthe. Allgemein zeigt sich hier- bei, dass mit zunehmender Intensität der Reizung das Verhältniss aequi- valenter Intensitäten bei Momentan und Zeitschliessung zunimmt. Ist also z. B. bei einer bestimmten Anstiegsdauer die Momentanschliessung des Stromes 1 aequivalent der Zeitschliessung 2, indem beide Minimalzuckungen ergeben, so wird regelmässig die Momentanschliessung des Stromes 1-2 eine stärkere Zuckung ergeben als die Zeitschliessung von 2-4. Es wachsen also die Erfolge der Momentanreize und der Zeitreize nicht nach dem- selben Gesetze. In einer für verschiedene Anstiegszeiten ganz durchge- führten Reihe erhielt ich so: E ABHÄNGIGKEIT DER ERREGUNG VOM ZEITLICHEN VERLAUF DER STRÖME. 353 Anstiegsdauer in !/yooo Sec. 12-5 25.0 49.9 99.8 49.9 25.0 12-5 Reizungs- | für mittelstarke z. 1-8 2-1 3.0 5.8 3.3 2.4 1.9 sc hyellenwertieiioke Zend 9-25 ee Wie man sieht, liegt der Divisor für die mittelstarken Zuckungen stets über dem für die Minimalzuckungen; doch ist die Abhängigkeit des- selben von den Anstiegszeiten eine in beiden Fällen ganz ähnliche. Dasselbe zeigt sich in weiteren Grenzen, wenn wir für eine bestimmte Anstiegsdauer die Divisoren für mehrere verschiedene Zuckungsgrössen be- stimmen. Einen solchen Versuch gebe ich nachstehend. Es fand sich der Divisor für eine Anstiegsdauer 0-025 Sec.: 1) bei minimalen Zuckungen (Schwelle) = 2.2 2) bei Zuckungsgrösse Dun = 2A 3); „ IR = 3.0 4) „ IS = 3.3 (annähernd maximale Zuckungen) 5) bei minimaler Zuckung. wieder = de Etwas anders eruppirt erhält man dieselbe Erscheinung wenn man ein- mal für Momentanreize, sodann für Zeitreize die Abhängigkeit der Zuckungs- grösse von der Reizstärke ermittelt. Es zeigt sich dann das Resultat in der bemerkenswerthen Form, dass das Verhältniss der Stromstärken welche en m m u se en nenn einen minimalen und einen maximalen Reiz darstellen, für die Momentan- reize ein kleineres ist, als für die Zeitreize. Als Beispiel eines solchen Ver- suches führe ich die folgenden Zahlen an. 1) Momentanschliessungen. an Fe Nr Zuckungshöhe 0-5 6-2 9-2 11-3 12-0 11-5 95 4-5 0-5. 2) Zeitreize; Anstiegsdauer 0.05 See. Stromstärke 17 18 20 22 4 36 28 32 28 26 24 22 20 18 17 Zuckungshöhe 3-0 3-0 5-5 6-0 9-0 10-0 10-2 11-1 10-7 10-1 8:8 7:0 5-5 2-6 2-6. 3) Momentanschliessungen. re 10. 11:12. 18 14 18 12: 11. 10 Zuckungshöhe 0-2 2-5 8-5 11-0 12-1 11-1 7-6 0-8 0 Man kann auch hier durch Interpolation einige Divisoren berechnen und erkennt, dass sie von etwas weniger als 1.7 bis auf etwas mehr als 2.5 steigen. Eine Varirung der Reize im Verhältniss von 1 zu 1-4 umfasst bei Momentanreizen den ganzen Spielraum von minimal Archiv f. A. u. Ph, 1884. Physiol, Abthlg. 23 354 v. Krıes: zu maximal; eine Variirung der Zeitreize im Verhältniss 1 zu 1-9 er- reicht weder die obere, noch die untere Grenze. Dies Resultat scheint mir insofern wichtig, als es zu dem Schlusse führt, dass, wo es sich um feine Abstufung der Contractionsgrösse handelt, die Zeitreize einen gewissen Vorzug vor den Momentanreizen besitzen würden. Vielleicht ist dieser Vorzug bei noch grösserer zeitlicher Ausdehnung ein noch bedeutenderer, und vielleicht stehen die Inductionsschläge hierin noch ungünstiger, als die Schliessungen der Kettenströme. Variirungen im Praeparat. Da man den für eine bestimmte Anstiegsdauer geltenden Divisor als einen Zahlenwerth betrachten darf, welcher den Zustand des Praeparates in einer wichtigen Beziehung wenigstens einigermaassen charakterisirt, so lag es nahe, die Aenderungen derselben unter verschiedenen Umständen in’s Auge zu fassen. Vor Allem war hier die Var der Temperatur geboten. In der oben eitirten Arbeit zeigte ich, dass bei Stromosecillationen ein Unterschied sich in der Weise bemerklich macht, dass sich derselbe Nerv erwärmt für Oscillationen hoher Frequenz, abgekühlt dagegen für Öseillationen geringer Frequenz relativ empfindlicher erweist; dagegen wurden diese Verhältnisse durch eine Veränderung der Temperatur des Muskels nicht beeinflusst. Um die Temperatur des Nerven an der gereizten Stelle zu variiren, ohne eine andere Vorbereitung des Praeparates einzuführen, verfuhr ich folgender- maassen. Es wurde aus einem platten Glasrohr ein __-_förmiges Stück- chen gebogen, von solcher Grösse, dass es sich der Rundung des Ober- schenkels anschliesst. Dasselbe stellt also ein hohles Band von etwa Gum Breite dar; dieses wird statt eines Gummiblättchens unter den Ischiadicus’ geschoben und passend befestigt, so dass der Nerv nicht gezerrt wird. Die Elektroden werden von oben auf den Nerven aufgesetzt und zwar auf die dem Glase aufliegende Partie desselben. Durch das Glasrohr kann als dann ein Wasserstrom von beliebiger Temperatur geleitet und dadurch die Temperatur des Nerven in weiten, wenn auch nicht ganz präcise be- stimmbaren Grenzen variirt werden. Die Veränderung der Reactionsweise durch die Temperatur ist nun eine höchst frappante Erscheinung. Die Divisoren ändern sich im Sinne der Temperatur, sind bei hoher Temperatur grösser und bei niedriger kleiner. Dies heisst mit anderen Worten, dass der kalte Nerv gegen die lange, der warme gegen die kurze Anstiegsdauer besser reagirt, oder wie man es wohl auch ausdrücken darf, dass für den warmen | Gi ABHÄNGIGKEIT DER ERREGUNG VOM ZEITLICHEN VERLAUF DER STRÖME. 355 Nerven eine kleinere Zeit, für den kalten eine grössere, bezw. analoge Be- deutung habe. Da die Erscheinung, wie gesagt, sehr ausgesprochen ist und ich vor- läufig nur eine qualitative Feststellung derselben zu geben im Stande bin, so genügt die Mittheilung weniger Zahlen. Versuch vom 13. December 1883. Anstiegsdauer (in Yo Sec.) 12-5 25.0 49-9 99.8 49.9 25.0 12-5 Reizungs- { Beremarap 1.9 '1.2.,..,20 8.7 36 :2.0 1-4 divisoren een 1.4 1.9 - In einem anderen Versuch (am 24. Juni 1884) fand ich den Divisor für die Schwellenwerthe bei Anstiegsdauer 0-025 Sec. zuerst bei Zimmer- temperatur = 2-7; sodann nach Abkühlung = 2.0; nun wurde auf etwa 30°C. erwärmt, dabei blieb der Schwellenwerth für Momentanschliessung unverändert, die Zeitschliessungen wurden dagegen selbst bei Einschaltung der ganzen Rheochordlänge unwirksam und es lässt sich daraus entnehmen, dass der Quotient grösser als 9 war. Hierauf wurde abgekühlt auf nahe 0° und der Quotient = 1-4 gefunden. Wie man sieht, ändern sich die Zahlen durch die Varirung der Temperatur äusserst beträchtlich. Man könnte hierdurch auf die Vermuthung kommen, dass die Differenzen der verschiedenen untersuchten Praeparate durch die kleinen Veränderungen in der Temperatur des Beobachtungsraumes ihre Erklärung fänden. Das ist aber keineswegs der Fall. So sieht man z. B. schon, dass die soeben ‚mitgetheilten Divisoren des auf nahe 0° abgekühlten Nerven vom 13. De- cember doch noch diejenigen im Versuch vom 6. December bei Zimmer- temperatur übertreffen. Und der Quotient des abgekühlten Nerven vom 24. Juni ist sogar ein höherer, als die meisten anderen Versuche bei Zimmer- temperatur ihn zeigen. Die Varürung der Muskeltemperatur bewirkte ich nach derselben Methode, welche ich früher beschrieb.! Sie zeigt sich auch hier auf die Ver- hältnisse der relativen Erregbarkeit ohne Einfluss. So fand sich z. B. der Divisor für Anstiegsdauer 0.025 Sec. bei Zimmertemperatur = 3-2, bei Erwär- ıA.a.0.8.29. Um den Muskel unabhängig: vom Nerven zu erwärmen oder abzukühlen wurde er in einen kleinen Glastrichter mit doppelter Wand eingesenkt, dessen Innenraum nur eben so gross war, um dem Muskel bequemen Spielraum für seine Bewegungen zu gestatten. Ueber dem Trichter wurde der Oberschenkel fest- geklemmt, von der Achilles-Sehne dagegen ging ein Faden nach unten zu aus dem Trichterrohr hinaus und zum Myographionhebel. Ein sehr dünnwandiger Kautschuk- schlauch ist auf das Trichterrohr geschoben, umgiebt nach unten zu jenen Faden und wird auf ihn fest aufgebunden. Der Muskel befindet sich somit in einem Raum, der 23* 356 v. KRIES: mung auf etwa 35°= 3-4, Abkühlung auf nahe 0°= 3.9, Erwärmung = 4.2. Man sieht, dass ein Einfluss der Temperatur nicht besteht, dass nur im Verlaufe des Versuches die Zahlen allmählich wachsen, ein Ver- halten, auf das ich sogleich noch zu sprechen komme. In anderen, ähnlichen Versuchen ergab sich der Reizungsdivisor: 1) Bei Zimmertemperatur = 3-3 2) Abgekühlt (nahe 0%) . =3-1 3) .Erwäriütb . a2. wesen 4) Abgekühli . ... . =3-5 5) Erwärmt . d.8 und: 1) Bei Zimmertemperatur = 2.5 2), Abgekühlt un) ki Ed 3) Erwärmt . a re 4) Abgekühlk „yet 5) Erwärmt . Ro) In dem letzteren Falle war etwas anders als gewöhnlich verfahren, nämlich der Nerv ganz frei praeparirt und oben abgeschnitten und der Gastrocnemius mittels des Oberschenkelknochens befestigt. Man kann bei einem solchen Praeparat den Muskel vollständiger abkühlen und erwärmen, weil man besseren Spielraum hat, ihn ganz in den Trichter zu versenken. Die Reizerfolge sind aber nicht so constant und daher stimmen auch die Divisoren nicht so gut überein, wie sonst, wegen der ungünstigeren Behand- lung des Nerven. In Bezug auf sonstige Variirungen kann ich vorläufig nur ganz spär- liche Mitteilungen machen. Die Divisoren erweisen sich im Allgemeinen bei einem bestimmten Praeparat sehr constant. Weder von einer Verlänge- rung oder Verkürzung der vom Strom durchflossenen Nervenstrecke erhielt: ich eine merkliche Veränderung, noch auch dann, wenn nur die Kathode auf den Nerven, die. Anode dagegen (als „indifferenter Pol“) am Kopf an- gebracht wurde. Meine Erfahrungen sind nach dieser Richtung hin nicht zahlreich; jedenfalls aber dürfte keine erhebliche Abhängigkeit bestehen. nach unten zu zwar flüssigkeitsdicht abgeschlossen ist, aber doch die Uebertragung der Bewegungen des Muskels ohne Widerstand gestattet. Der zwischen den doppelten Wänden des Trichters befindliche Raum besitzt zwei Ansatzröhren und kann daher wieder mit Wasser von beliebiger Temperatur durchspült werden; der innere Raum, in dem der Muskel steckt, wird mit !/, procentiger Kochsalzlösung gefüllt, in welche eventuell auch direct Eisstückchen hineingebracht werden können. Die Temperatur des Muskels kann auf diese Weise in weiten Grenzen regulirt werden. en ABHÄNGIGKEIT DER ERREGUNG VOM ZEITLICHEN VERLAUF DER STRÖME. 357 Was die Ermüdung des Praeparates anlangt, so scheint auch diese inner- halb mässiger Grenzen ohne Einfluss zu sein, wie sich erwarten lässt, wenn die bei gewöhnlichem Verfahren sich darstellenden Ermüdungs- erscheinungen in der That ausschliesslich auf den Muskel und gar nicht auf den Nerven zu beziehen sind, Im Allgemeinen verändern sich die Divisoren im Laufe eines länger dauernden Versuchs gar nicht oder sehr wenig und im letzteren Falle bald’ zu- bald abnehmend. Solche Verände- rungen, wie sie die obigen Tabellen mehrfach zeigen, dürfen wohl auf all- mähliche Veränderungen der Temperatur bezogen werden. So war z. B. der Versuch von 24. Juni, dessen erheblich ansteigende Divisoren (von 3°2 bis 4.2) auf voriger Seite mitgetheilt wurden, nach Mittag an einem der Sonne ausgesetzten Fenster, nur durch einen Vorhang geschützt, also höchst wahrscheinlich bei steigender Temperatur des Nerven ausgeführt worden. Belangreicher ist die ‚Stromrichtung. Ich habe fast immer mit ab- steigendem Strom gearbeitet, dessen Wirkungsweise ja theoretisch einfacher ist. Gelegentliche Versuche mit aufsteigendem Strom zeigten meist, dass dieser letztere weniger wirksam war und gleichzeitig grössere Divisoren ergab, d. h. also das Uebergewicht der günstigeren Stromrichtung tritt bei Zeitschliessungen in noch stärkerem Grade hervor als bei Momentan- schliessungen. Mehrfach aber wurden ganz nahe übereinstimmende Divi- -soren für beide Stromrichtungen gefunden auch wenn der Nerv für die eine erheblich empfindlicher war als für die andere. Von grösstem Interesse würde offenbar die Ausdehnung der Versuche auf andere Praeparate, als die motorischen Froschnerven sein, so z. B. auf die motorischen Nerven des Warmblüters, auf den (curarisirten oder nicht curarisirten) Muskel u. s. w. Es scheint die Hoffnung nicht zu kühn, dass in der Ermittelung unserer Reizungsdivisoren eine schärfere Charakteri- ' sirung verschiedener irritabler Substanzen gefunden werden kann, als sie “R EERRREE ER bisher möglich war. Auch nach dieser Richtung kann ich vorläufig nur wenige Orientirungsbeobachtungen mittheilen, welche mitzutheilen nur des- halb gestattet sein möge, weil vielleicht Andere dadurch zur Aufnahme derselben veranlasst werden. Ein Reizungsversuch, der an einem gesunden Menschen ausgeführt wurde, ergab, bei Application der Kathode am N. ulnaris, der Anode im Nacken, für die Kathodenschliessung einen Zeit- divisor ganz ähnlicher Grösse wie sie sich an Froschnerven finden, näm- lich 2.4 für Anstiegsdauer 0-075 Sec.; bei directer Application auf die " Musculatur des Unterarmes fand sich für die gleiche Anstiegsdauer der Werth 1-9. Bei einem Muskel dagegen, welcher ausgebildete Entartungsreaction darbot, fand sich (bei directer Muskelreizung) gar kein Unterschied zwischen 358 v. Krıes: Momentan- und Zeitschliessung. Die Divisoren waren also = 1, selbst für Anstiegsdauern von 0-125 Secunden. Aehnlich scheint sich auch der curari- sirte Muskel des Frosches zu verhalten. Die Dauer der Erregungswirkungen. Wie oben gezeigt wurde, wirkt die einsinnige lineare Stromschwankung immer nur ziemlich kurze Zeit auf den Nerven erregend ein. Die Frage der Erregungsdauer ist nun aber von einem hervorragenden theoretischen Interesse und diese ist es, welche ich zunächst genauer studirt habe. Aus den oben mitgetheilten Resultaten ergiebt sich, wie man leicht sieht, nur eine obere Grenze für die Zeit, während welcher die Stromschwankung wirk- sam ist. Denn wir konnten nur aus dem proportionalen Wachsen der Intensität mit der Anstiegsdauer folgern, dass die länger dauernden Strom- Fig. 5. Höhe der Zuckungen bei Stromschwankungen gleicher Steilheit und ungleicher Dauer. rin een schwankungen in ihrem späteren Theile ganz unwirksam sind. Anderer- seits findet sich innerhalb engerer Grenzen, dass die länger dauernde Stromschwankung einen grösseren Effect giebt, als die kürzere, wenn beide von gleicher Steilheit sind. Dies tritt bei mittelstarken Zuckungen hübscher hervor, als wenn man die eine minimal und die andere Null macht. Fig.5 zeigt z. B. Zuckungen, welche dasselbe Praeparat bei gleicher Steilheit der Stromschwankung lieferte, wenn dieselbe einmal 0-125 und 0.187 Sec. dauerte (1 und 2 der Figur bei 7’), das anderemal 0.100 und 0:150 (1 und | 2 der Figur bei G). Oft fand sich aber ein solcher Unterschied selbst bei kleineren Anstiegszeiten als den angeführten nicht mehr. Es wäre indessen voreilig, wenn man hieraus ohne Weiteres die Dauer, während welcher Er- regung des Nerven stattfindet, abnehmen wollte. Vielmehr ist denkbar, ' dass die Erregung erst beginnt, nachdem die Schwankung eine gewisse Zeit | gedauert hat, und sehr kurze Zeit danach auch schon wieder zu Ende ist. | Wenn man der Schwankung sehr geringe Steilheit giebt, so ist es sogar sehr wahrscheinlich, dass es sich so verhält; ein Theil des Stromanstieges ist dann so zu sagen als ein vorbereitender anzusehen; erst von einer ge- ‚ | | | | | | ABHÄNGIGKEIT DER ERREGUNG VOM ZEITLICHEN VERLAUF DER STRÖME, 359 wissen Zeit an beginnt die Erregung, um eine zunächst nicht bestimm- bare, vielleicht äusserst kurze Zeit anzudauern. So sieht man, dass die bisherigen Zahlen für’s erste nur obere Grenzen für die Dauer der Erre- gung abgeben können. Weiter gelangt man indessen durch eine andere Vergleichung. Sucht man z. B. für eine Anstiegsdauer 0-1 Sec. eine Steil- heit, welche annähernd maximale Zuckungen ergiebt, so kann man nun bei allmählicher Verkürzung der Anstiegsdauer aber unverminderter Steilheit (somit Verminderung der überhaupt erreichten Intensität) sehen, wie lange die Zuckungsgrössen abnehmen und bei welcher Dauer sie Null werden. Findet sich nun, dass die Schwankungen bestimmter allemal gleicher Steilheit zuerst bei der Dauer a ganz kleine Zuckungen ergeben und dass diese bei zunehmender Schwankungsdauer wachsen bis zu einer Dauer ß, so lässt sich jetzt mit mehr Recht behaupten, dass die Stromschwankung von der Dauer 3 während einer Zeit ß— a wirksam ist, und man kann vermuthen, dass die Erregung des Nerven über eine solche Zeit protrahirt stattfindet. In einem derartigen Versuche fand ich: Dauer des Anstiegs in eegleicher 75 50 25 18-7 15-0 12.5 25 50 75 e ilheit. Zuckungshöhe in Millim.| 38,8 37.3 24.2 21-2 9-6 0 26-0 37.3 38.2 (ca. 8 fach vergrössert). Die Dauer der Erregung wäre hier auf 0.06 Sec. zu veranschlagen. Es kann indessen hier eingewendet werden, dass bei den kurz dauernden Schwankungen auch die gleichmässige Dauer des Stromes noch für die Erregung in Betracht kommen kann, und somit der Beginn derselben viel- leicht erst hinter das zeitliche Ende der Schwankung zu legen ist. Danach wäre die Gesammtdauer der Erregung doch kürzer. Andererseits ist aber auch möglich, dass sie länger wäre, als es hiernach den Anschein hat. Denn es könnte ja recht wohl die länger andauernde Erregung keine Er- höhung der Muskelzuckung, sondern nur eine Streckung ihres zeitlichen Verlaufes bewirken. Untersucht man den zeitlichen Verlauf der Zuckungen ‚bei Momentanreizen und Zeitreizen, so findet man zunächst auch hierdurch sofort bestätigt, dass die Erregungswirkung immer eine kurzdauernde ist. Die Zuckung zeigt in den meisten Fällen bei der Beobachtung mit freiem Auge keinen Unterschied, ob sie auf die eine oder die andere Weise aus- gelöst sei. Es stimmt dies mit den Angaben von Fleischl! überein. Die genauere Untersuchung, welche die Aufzeichnung der Zuckung auf schnell rotirender Trommel gewährt, zeigt indessen in vielen Fällen zwar ! v, Fleischl, Untersuchungen über die Gesetze der Nervenerregungen. 6. Abh. Wiener Sitzungsberichte. 1880. Bd. LXXXII. 3. Abth. 8.6 des Sep.-Abdr. 360 v. KriIes: immer nur geringfügige, doch aber deutliche Unterschiede. Erwägt man, dass, wie wir oben sahen, manche Nerven, wenn ich mich so ausdrücken darf, nach einer kürzeren, andere nach einer längeren Zeiteinheit rechnen, so kann es nicht befremden, wenn in zahlreichen Fällen die Erregungs- dauer zu kurz ist, um in der Muskelzuckung sich noch geltend zu machen. Als äusserstes Beispiel eines Unterschiedes im zeitlichen Verlauf gebe Fig. 6. Zeitlicher Verlauf der Zuckung bei Momentan- und Zeitreiz. (m und z) 1 mm = 0.012 Sec. ich in Fig. 6 die übereinander gepausten Zeichnungen je einer von demselben Muskel bei Momentanreiz und bei Zeitreiz ausgeführten Zuckung. Da 1m der Trommelperipherie !/,, Sec. entspricht,. so ist der Zuckungsgipfel gegen den Zuckungsanfang um etwa !/,,. Sec. verschoben. Oft ist auch nicht die geringste Spur einer solchen Differenz wahrzunehmen. Einen solchen Fall zeigt Fig. 7, wo die beiden Zuckungen nebeneinander gepaust sind, weil sie sonst vollständig zusammenfallen würden. | Auch diese Erscheinung deutet sich am ungezwungensten, wenn wir uns vorstellen, dass die Er- einsinnige Stromschwankung eine gewisse Zeit hindurch andauere, welche unter Umständen gegen Kıe, T. Zeitlicher Verlauf derZuckung bei Momentan- ch, el- und bei Zeitreiz. (Versuch vom 15. Jan. 84). das zeitliche Maass der Musk zuckung nicht mehr verschwindend klein ist. — Man wird auch hier kaum daran denken können, dieser Deutung die andere entgegenzustellen, dass es sich um eine Thätigkeit verschiedener Muskelelemente bei den Momentan- und Zeitreizen handle. Wenn schon die Gleichheit des Verlaufs bei minimalen Reizen dagegen spricht, so wird auch der sehr kleine Unterschied des Zuckungsverlaufs, wie wir ihn hier finden, eher dagegen als dafür sprechen, um so mehr da er oft ganz fehlt. reeung des Nerven durch die ° oO . | | ABHÄNGIGKEIT DER ERREGUNG VOM ZEITLICHEN VERLAUF DER STRÖME. 361 Ganz unmöglich erwiese sich aber diese Vorstellung der Thatsache gegenüber, dass in erheblicher Breite mit zunehmender Dauer einer Schwankung von bestimmter Steilheit die Zuckungsgrössen zunehmen. Denn man kann natürlich nicht die Grössenzunahme der Zuckung ausschliesslich dahin deuten, _ dass successive immer mehr und mehr Elemente in Thätigkeit gerathen. Weit correcter als die bisher besprochenen Methoden, welche über die Dauer der Erregung nur indirect Aufschluss geben, erschien natürlich die Untersuchung der elektromotorischen Erscheinungen, welche ja schon z. B. bei der gewöhnlichen Tetanisirung des Muskels durch Inductionsströme den . zeitlichen Verlauf der Erscheinungen so viel genauer zu verfolgen gestatten als die mechanische Erscheinungsweise. Ich habe mich zunächst der Unter- suchung der negativen Schwankung des Muskelstroms zugewandt, und zwar aus mehreren Gründen; erstlich weil sie leichter ausführbar ist, besonders für einmalige Reize, als die analoge für den Nerven, welche noch durch die Einmischung der elektrotonischen Erscheinungen complicirt wird; zweitens, weil wir hierdurch zugleich über die Art und Weise Aufschluss erhalten, wie die Erregung auf den Muskel übertragen wird, ein Punkt, der ja von ebenso grossem Interesse ist als die Erscheinung am Nerven selbst. Zur Untersuchung der Stromschwankung benutzte ich zwei Rheoskope, nämlich das physiologische (den stromprüfenden Schenkel), und das Capillarelektrometer. Bezüglich der Einrichtung des letzteren muss ich er- wähnen, dass ich die Anwendung sehr feiner Capillaren erforderlich fand; nützlich ist es, die Capillaren so kurz als möglich zu machen und das Quecksilber beinahe in die Spitze zu drängen, um den Widerstand mög- _ liehst zu verringern. Eine Einrichtung, den Druck zu varliren, ist zu | | | FT —— diesem Zwecke nothwendig. Will man den Apparat nicht zur Messung elektromotorischer Kräfte, sondern nur zur Beobachtung kleiner Ausschläge benutzen, so ist er mit den in jedem Institut zur Verfügung stehenden Hülfsmitteln leicht in sehr befriedigender Weise zusammengestellt.! Fleischl? hat schon mitgetheilt, dass bei der Erregung durch sein ! Vortheilhaft fand ich es häufig, namentlich für die Beobachtung schneller Aus- schläge, den Quecksilberfaden nicht in durchfallendem Licht zu beobachten, sondern dieses ganz schwach zu machen, so dass die Theilung des Ocular-Mikrometers noch gerade deutlich zu erkennen ist, und die Quecksilbersäule von vorne her scharf zu be- leuchten. Sie erscheint dann als ein scharf begrenzter, sehr glänzender Lichtfaden; die Zuckungen desselben lassen sich gut bestimmen, auch wenn sie schnell verlaufen, besonders wenn man mehrere gleiche nach einander ausführen lässt. Da die beleuch- tende Gaslampe bei dieser Methode dem Kopfe des Beobachters sehr nahe aufgestellt sein muss, so ist es nothwendig, sich, etwa durch einen Thonceylinder, gegen die strah- lende Wärme zu schützen und nur in der Richtung zum Capillar-Elektrometer den Strahlen durch einen Spalt den Ausweg frei zu lassen. ® Fleischl, a.a. 0. 8.22 des Sep.- Abdr. 362 v. Krıes: Rheonom keine secundären Zuckungen oder Tetanisirungen erhalten zu seien; erst bei sehr stark übermaximalen Reizungen treten dieselben auf. Ich kann nach meinen Erfahrungen diese wichtige Differenz der Momentan- und der Zeitreizungen hinsichtlich der secundären Wirkungen durchaus bestätigen, muss dieselbe aber doch ein wenig anders formuliren. Die secundäre Unwirksamkeit der Zeitreize war, wenigstens bei den von mir angewandten Steilheiten, keine absolute, sondern nur eine relative im Ver- gleich zu den Momentanreizen. Nehmen wir als Maass für die Stärke . eines Momentan- und eines Zeitreizes die Grösse der Zuckung, welche im primären Praeparat ausgelöst wird, so zeigt sich, dass‘ gleicher Stärke der beiden Reize sehr ungleiche secundäre Wirkung entspricht, andererseits dass gleiche secundäre Wirkung erst erzielt wird, wenn der Effect des Zeitreizes im primären Praeparat ein stärkerer ist. Ein solches Verhalten illustrirt der folgende Versuch; es betrug die Anstiegsdauer 0-037 Secunde; die Zuckungen des primären Gastrocnemius wurden aufgeschrieben, die des secundären Praeparates nur mit freien ‘Auge beobachtet; der N erv des- _ selben war dem primären Muskel direct aufgelegt und natürlich Sorge ge- tragen, dass von Versuch zu Versuch keine Verschiebung eintrat. Die Tabelle ist ohne Weiteres verständlich. Versuch vom 21. Januar 1884. Reizungsart. Stromstärke. Zuckung des primären Zuckung des secundären Muskels. Muskels. Momentan 7.0 15.2 um 0 4 7.5 1Zealuy deutlich Zeitreiz 45.0 20:0 „ on > 99.0 22-0, 0 Momentan 7:5 16-0 „ 0 ” 8.0 16-0, deutlich Zeitreiz 55.0 22.4 „ 0 4 65.0 23-8 „ 0 Momentan 8.0 16-4 „ 0 ” 8.5 17-0 „ deutlich Zeitreiz 75.0 24.4 „ minimal Jede Horizontalreihe stellt das Resume von drei Reizungsversuchen dar; für die Zuckungsgrösse des primären Muskels ist hier der Durch- schnitt der sehr wenig differirenden Einzelwerthe genommen. Die Angabe der ersten und dritten Columne treffen für jede einzelne Reizung zu. | | | ABHÄNGIGKEIT DER ERREGUNG VOM ZEITLICHEN VERLAUF DER STRÖME. 363 Man sieht, dass bei den Momentanreizen die secundäre Wirksamkeit bei einer Zuckungshöhe des primären Muskels von ca. 17 mm beginnt, bei den Zeitreizen dagegen erst bei über 24"m spurweise auftritt. Zum Zwecke genauerer Ermittelung wurde zunächst zur Benutzung eines anderen Praeparates übergegangen. Der Semimembranosus und Gra- eilis (oder auch nur einer der beiden Muskeln) wurde zur Reizung und Beob- achtung der negativen Schwankung verwendet. Sie wurden an ihrem unteren Ende mit thermischem Querschnitt! versehen und sodann dieser und der natürliche Längsschnitt des Muskels mit unpolarisirbaren Elektroden aus- gerüstet. Die Ableitung geschah so, dass die Bewegungen der Muskeln gar nicht durch dieselbe beeinträchtigt wurden und auch aufgezeichnet werden konnten. Führt man diesen ableitenden Bogen zu dem Ischiadicus eines anderen Froschschenkels, so hat man ein indirect angelegtes secundäres Praeparat. Die Erscheinungen an demselben sind ganz dieselben wie bei directer Anlegung des Nerven an den Muskel. Andererseits kann der Strom bequem compensirt und seine Veränderungen im Elektrometer beobachtet werden. Hier zeigt sich zunächst, dass bei den Zeitreizen ebenso wie bei den Momentanreizen ein einfacher, schnell verlaufen- der Ausschlag des Elektrometers eintritt, welcher die negative Schwankung des Längsquerschnittsstromes anzeigt. Derselbe dauert jedenfalls nur einen Bruchtheil einer Secunde. Ein Intermittiren oder eine Discontinuität, etwa eine Zusammensetzung aus mehreren An- stössen ist nicht wahrzunehmen. Auch wenn mit Hülfe des strobosko- pischen Verfahrens der einfache Ausschlag in eine Bogenlinie auseinander gezogen wurde, war nichts derartiges zu entdecken. Ein wichtiger Aufschluss über die zeitlichen Verhältnisse der nega- tiven Schwankung lässt sich nun zunächst gewinnen, wenn man dieselbe Schwankung abwechselnd auf den Nerven eines secundären Praeparates und auf das Capillarelektrometer einwirken lässt. Es ist leicht ersichtlich, dass man in der gleichzeitigen oder abwechselnden Anwendung zweier Rheoskope von verschiedener Beschaffenheit sich das denkbar feinste Reagens auf Differenzen im zeitlichen Verlauf kurz dauernder Ströme verschaffen kann. So zeigt sich ja der Unterschied in dem zeitlichen Verlauf der Oeffnungs- und Schliessungs-Inductionsschläge leicht darin, dass beide auf den Nerven verschieden, auf die Bussole dagegen gleich stark wirken. Allgemein werden, wenn man Rheoskope benutzt, von denen wenigstens das eine hinsichtlich ‚seiner Beweglichkeit den Zeitwerthen der zu beobachtenden Stromstösse vergleichbar ist, zwei Stromstösse verschiedenen zeitlichen Verlaufs, wenn sie auf das eine gleich stark wirken, auf das andere ungleich starke Wir- ! E. du Bois-Reymond, Gesammelte Abhandlungen. Bd. Il. S. 408. 364 v. KRIES: kung üben. Von diesem Princip ausgehend, wurde nun eine Einrichtung getroffen, um die negative Schwankung des Längsquerschnittstromes durch Umlegen einer Wippe nach Belieben auf ein secundäres Praeparat oder auf das Capillarelektrometer wirken zu lassen. Hierbei zeigte sich nun auf’s Deutlichste, dass in den Ausschlägen des Capillarelektrometers gerade die entgegengesetzte Differenz, wie in den Reactionen des secundären Prae- parates, zwischen den durch Momentanreiz einerseits und Zeitreiz anderer- seits hervorgerufenen negativen Schwankungen auftritt. Ich beobachtete also bei Zeitreizen stärkere Ausschläge am Capillarelektrometer, aber geringere Wirkung auf das secundäre Praeparat, als bei Momientanreizen. In be- weisender Form zugespitzt gestaltet sich der Versuch so, dass man sich eine möglichst kleine Stromstärke sucht, welche bei Momentanschliessung eine deutliche secundäre Zuckung hervorruft und sodann eine andere, mög- lichst grosse, welche bei Zeitschliessungen noch keine secundäre Zuckung ergiebt. Sofort wird die Wippe umgelegt und die, dem einen und dem anderen Reize entsprechenden Ausschläge am Capillarelektrometer beob- . achtet; hierauf zur Controle wieder das secundäre Praeparat beobachtet. In einem Versuche fand ich so bei Momentanreiz drei Theilstriche Ausschlag des Elektrometers und deutliche secundäre Zuckung; bei Zeitreiz (Anstiegsdauer 0-06 Sec.) sieben bis acht Theilstriche Ausschlag und keine secundäre Zuckung. — Ein anderer Versuch verlief folgendermaassen: | Ausschlag am Secundäres Intensität Anstiegsdauer Elektrometer Praeparat des Reizungsstromes Moment. 1 Zuckung 16 0.037 3—4 0 5) Moment. 1 Zuckung 11-5 n 1-5 2 14-0 0.037 Sec. 2.5—9 0 * wo Moment. 1-0 Zuckung 13 0.062 1.5—2.5 0 6) Es geht hieraus mit voller Sicherheit hervor, dass die negative Schwan- kung in dem einen und anderen Falle (bei Momentan- und bei Zeitreizung) einen verschiedenen zeitlichen Verlauf.nimmt. Ueber die Art dieses Unter- schiedes lässt sich von vornherein schon aussagen, dass die der Zeitreizung entsprechende, durch geringere Steilheit und gestreckteren zeitlichen Ver- lauf charakterisirt sein wird. Vermuthlich ist der Integralwerth bei dem Zeitreiz grösser, doch lässt sich weder diese, noch auch die andere Frage, ob die überhaupt erreichte grösste Intensität der Schwankung in beiden Fällen verschieden ist, mit Sicherheit beantworten. Da indessen diese Ver- gleichungen ohnehin je nach der relativen Stärke beider Reize verschieden ABHÄNGIGKEIT DER ERREGUNG VOM ZEITLICHEN VERLAUF DER STRÖME. 365 ausfallen müssen, so erschien es zunächst als die Hauptsache, dass das zeitliche Verhalten sicher ein verschiedenes ist. Ueber dieses, bloss qua- litative Resultat gelangt man durch die vergleichende Anwendung zweier Rheoskope schwer hinaus; wenigstens würden dazu ziemlich verwickelte Betrachtungen und eine genauere Kenntniss der Bewegungsgleichung für das gerade angewandten Elektrometerröhrchen erforderlich sein. Es erschien deshalb wünschenswerth, den zeitlichen Verlauf der nega- tiven Schwankung bei Zeitreizen in directer Weise und unter Anwendung bloss physikalischer Hülfsmittel zu verfolgen. Die Repetition der Reize, welche bei dem Bernstein’schen Differentialrheotom die Untersuchung so wesent- lich erleichtert, stand hier zunächst nicht zu Gebote; übrigens wird ihrer Anwendung nichts im Wege stehen, sobald man im Besitze eines Rotations- apparates ist, welcher die geeigneten Stromschwankungen liefert und zu- gleich als Differentialrheotom wirkt. Bei der grossen Beweglichkeit des Capillarelektrometers gelingt aber die Verfolgung des zeitlichen Verlaufs einiger- massen auch schon bei einer einzelnen negativen Schwankung. Es ist nur noth- wendig, bei einzelnen Reizungen den Muskelstrom nur während eines sehr kurzen und im Verhältniss zu der reizenden Stromschwankung beliebig gelegenen Zeitraumes auf das Capillarelektrometer einwirken zu lassen. Zu diesem Behufe wurde das Federrheonom mit einem Schieber versehen, welcher der Peripherie der kreisförmigen Rinne entlang gleiten konnte. Dieser trägt eine metallische Schliessung, welche als Nebenschliessung zum Capillarelektrometer angebracht, die Einwirkungen des Muskelstromes auf dasselbe vollkommen abblendet. Der erwähnte metallische Contact bestand in einem dünnen Kupferdraht, welcher, schwach nach unten convex ge- bogen, sich von oben her auf eine Messingkuppe auflehnt; beide Theile sind zur Sicherung des Contacts amalgamirt. Dieser Contact wird nun bei jeder Abschiessung des Apparats einmal auf ganz kurze Zeit (etwa !/,,, Dec.) unterbrochen, indem ein sehr dünnes Glimmerblättchen zwischen dem Kupferdraht und der Messingkuppe durchfährt und jenen von dieser - trennt. Das Glimmerblättchen wird von einem horizontalen Arm der Axe G (Fig. 1 der Tafel; dieser horizontale Arm ist in der Figur nicht gezeichnet) getragen und somit ebenso wie die Zinkspitze abgeschossen. Auf diese Weise gelangt der Muskelstrom jedesmal während kurzer Zeit zur Einwirkung auf das Elektrometer und wird sofort darnach wieder abgeblendet. Die kleine Einrichtung functionirte sehr befriedigend. Es ist natürlich hierbei erforderlich, dass der Ruhestrom des Muskels genau com- pensirt ist. Ermittelt man nun bei Zeitreizung zuerst den Totalausschlag des Capillarelektrometers, indem man die erwähnte Abblendung nicht schliesst, also die ganze negative Schwankung in das Capillarelektrometer bekommt, so findet man alsdann, dass bei Einschaltung der Abblendung, wo der 366 v. KRIES: Muskelstrom nur während !/,,, Sec. auf das Elektrometer wirken kann, stets nur Bruchtheile jenes Totalausschlages erhalten werden, im günstigsten Falle etwa ein Drittel, welche Stellung man auch dem Schieber geben mag. Hieraus geht schon hervor, dass die Dauer der negativen Schwankung ein Mehrfaches dieses Zeitwerthes umfassen muss. Durch öftere Wiederholung des Versuches und Varürung der Schieberstellung gelingt es sodann, An- fang und Ende der negativen Schwankung und einigermaassen ihren zeit- lichen Verlauf festzustellen. Ich fand bei Anstiegsdauern von ?/,, Sec. für die negative Schwankung eine Dauer von etwa 0-.02—0.03 Sec. Und es liess sich auch nachweisen, dass die Dauer derselben durch Vermin- derung der Anstiegsdauer verkürzt wird, wie dies zu erwarten ist. Als Beispiel theile ich das ausführliche Protokoll eines solchen Ver- suchs mit. Semimembranosus und Gracilis werden vom Plexus aus gereizt und der Strom vom Längsschnitt zum thermischen Querschnitt abgeleitet und compensirt. Die Breite des Glimmerblättchens beträgt 6.2", die Anstiegsdauer des Reizungsstromes ist = 0.039 Sec. ; die Zeit, während welcher . der Muskelstrom einwirkt etwa 0.0059 Sec., der Totalausschlag beträgt 3-0 Theilstriche. Bei Einschaltung des Schiebers findet sich Folgendes (dabei ist die Entfernung des Schiebers danach gemessen, um wie viel Millimeter der Zinkstift die erste Elektrode passirt hat, wenn die Einwirkung des Muskel- stromes auf das Elektrometer beginnt). Schieberstellung. Ausschlag des Elektrometers. 9 | deutlich 8 0 15 deutlich 27 deutlich 30 deutlich 38 HRG 31 deutlich 9 deutlich Der Spielraum, innerhalb dessen ein Ausschlag zu beobachten ist, be trägt hier 23m = 0.0286 Sec. | Es wird darauf die Anstiegsdauer auf 0-0052 Sec. vermindert. Nun- mehr findet sich: | Schieberstellung. Ausschlag. 9 deutlich dal 0 17 Spurweise 4 deutlich 2 Spur 1 0 er | | | | | ABHÄNGIGKEIT DER ERREGUNG VOM ZEITLICHEN VERLAUE DER STRÖME. 367 Der Spielraum beträgt hier 15” = 0.0195 Sec. Es ist nun leicht zu sehen, dass die Differenzen in Wirklichkeit noch er- heblicher sind, als es hiernach scheint. Die Zeit der Stromeinwirkung ist näm- lich keineswegs, wie es eigentlich sein sollte, sehr klein gegen die Dauer der ganzen negativen Schwankung. Berücksichtigt man dies, so sieht man dass die Dauer der Schwankung, wenn ihre Intensität gross ist, kleiner sein muss als der Spielraum der Schieberstellung, da es genügen wird wenn die Unter- brecehungszeit auch nur zum Theil mit der Zeit der negativen Schwankung sich deckt. Man würde von der letzteren die Unterbrechungsdauer noch in Abrechnung zu bringen haben, um die erstere zu finden. Das zeigte sich sofort bestätigt, als die Breite des Glimmerblättchens auf 2.5 ””, die Unter- brechungszeit somit auf 0.0023 Sec. vermindert wurde. Bei der kurzen An- stiegsdauer 0.0052 blieben die Grenzen sehr gut bestimmbar und waren bei mittleren Schieberstellungen kräftige Ausschläge sichtbar, der Spielraum verminderte sich aber von 15 auf 9 mm, entsprechend 0-0117, also um 0.0078 See.; die negative Schwankung ist also hier vielleicht noch kürzer als 0.0117 Sec. Als Partialausschlag waren Hier noch 1-5 Theilstriche zu erhalten (bei Schieberstellung 5) während der Totalausschlag 3 Theil- striche betrug. Anders nun bei der längeren Anstiegsdauer. Bei dem schmalen Glimmerblättchen, Unterbrechungsdauer 0.0023 Sec., konnte hier im äussersten Falle nur !/, Theilstrich als Partialausschlag erhalten werden, _ obwohl der Gesammtausschlag nach wie vor 3 Theilstriche betrug, die Grenzen konnten jetzt nicht mehr scharf bestimmt werden. Hieraus ist ersichtlich, dass die Schwankung überhaupt nur geringere Werthe erreicht, und es wird auch anzunehmen sein, dass bei den Versuchen mit längerer Unterbrechungszeit nur dann noch Ausschläge beobachtet wurden, wenn nahezu die ganze Unterbrechungszeit in die Zeit der negativen Schwankung hineinfällt. Hiernach wäre die Dauer der letzteren noch grösser, als dem ‚Spielraum der Schieberstellung entspricht. Wie man sieht ist die Feinheit der zu Gebote stehenden Methoden der zu beantwortenden Frage nur eben gewachsen und es soll das Mitge- theilte keineswegs als Präcisionsmessung der in Rede stehenden Zeitwerthe gelten. Mag man indessen die Unsicherheit in der Beobachtung kleiner - schneller Ausschläge noch so hoch veranschlagen, man wird doch immer nur daraus folgern können, dass die Dauer der Schwankung noch grösser sei, als sie angegeben wurde. Aber soviel kann als ganz sicher gestellt ange- sehen werden, dass sie weit über die von Bernstein gefundenen Werthe hinausgeht, und dass sie von der Steilheit des Anstiegs abhängig ist. Wir sind also berechtigt zu resumiren, dass man durch lineare Strom- Schwankungen von endlicher Steilheit Nerv und Muskel zwar nur in kurz dauernde Erregungszustände versetzen kann, doch aber, und nach Allem 368 v. KRIEs: was man weiss, in stetiger Weise, in erheblich längere als durch Momen- _ ‚tanreize. Der Erregungsanstoss, welchen der Nerv dem Muskel er- theilt, ist nicht ein stets gleichmässiger, fest praeformirter Vor- gang, der nur durch verschiedene Intensität und durch mehr oder weniger frequente Wiederholung verschiedene Wirkungen hervorbringt, erist vielmehr selbst ein Vorgang von bedeutender Variabilität des zeitlichen Verlaufs. Demgemäss kann die Dauer der negativen Schwankung das sechsfache des von Bernstein für momentane Reize gefundenen Werthes erreichen. Die physiologische Innervation. Diese Thatsachen werfen, wie ich glaube, ein bemerkenswerthes Licht auch auf die physiologische 'Innervation.. Dass die physiologischen Con- tractionen im Allgemeinen oscillatorischer Natur sind, kann als sicher- gestellt betrachtet werden. Die Beobachtung des Muskeltons und nament- lich des Mitschwingens! waren die ersten, welche dies nachwiesen; diesen gesellte sich später das bei günstiger Beleuchtung unter der Haut sichtbare Flimmern hinzu, welches Brücke? beschrieb. Endlich gelang es in jüngster Zeit Loven? sowohl bei Strychnintetanus als bei normaler Willkürinner- vation die Oscillationen des Muskelstromes mit Hülfe des Capillarelektro- meters zu beobachten. Ich habe, wie ich gleich bemerken will, diese Versuche mit genau gleichem Erfolg wiederholt.* War man nun bisher geneigt, anzunehmen, dass die physiologische Innervation in einer Anzahl einzelner Anstösse bestünde, für deren jeden der Bernstein’sche Werth von !/,,, Necunde als maassgebend zu be- trachten sei und die in bestimmtem Rhythmus aufeinander folgten, so ergaben sich eine Anzahl von Schwierigkeiten. Erstens, warum lieferte die ‘ Helmholtz, Verhandlungen des naturhistoricch-medicinischen Vereins zu Heidelberg. 1866. Bd. IV. Gesammelte Abhandlungen. Bd. I. S. 929. ? Brücke, Wiener Sitzungsberichte. Bd. LXXVI. 3. Abth. 3 Centralblatt für die medicinischen Wissenschaften 18831. 4 Die Möglichkeit, dass diese Oseillationen durch fehlerhafte Reactionsweise (Ei- genschwingungen) des Capillarelektrometers vorgetäuscht seien, scheint mir absolut aus- geschlossen. Denn das Capillarelektrometer ist ein vollkommen aperiodischer Apparat. Wenn es daher eine grosse Anzahl von Oscillationen, welche durch eine ganze Anzahl Secunden ungeschwächt andauern, anzeigt, so ist für diese eine andere Ursache als Osecillationen der einwirkenden elektromotorischen Kraft ganz undenkbar. ABHÄNGIGKEIT DER ERREGUNG VOM ZEITLICHEN VERLAUF DER STRÖME. 369 physiologische Contraction im Allgemeinen keinen secundären Tetanus? Zweitens, wie war zu erklären, dass ein Froschmuskel schon durch acht Anstösse in der Secunde in vollkommen stetigen Tetanus versetzt werden konnte, während Inductionsschläge zu dem gleichen Effect in erheblich srösserer Frequenz einwirken müssen? Hierzu kann noch die Beob- - achtung Wedenskii’s! gefügt werden, dass die beim physiologischen | Tetanus mittels des Telephons wahrzunehmende akustische Erschemung eine ganz andere ist, als die durch Reizung mit 18—20 Inductionsschlägen per _ Seeunde zu erzielende. Die Vermuthung Loven’s, dass der physiologische Einzelreiz zeitlich viel gedehnter sei, als der durch den Inductionsschlag zu erzielende Momentanreiz, erklärt alle diese Erscheinungen auf’s Einfachste; und sie findet, glaube ich, in den oben angeführten Ermittelungen über die Wirkung linearer Stromschwankung eine werthvolle positive Stütze. In der That ist es nicht unberechtigt zu sagen, dass die elektrischen Zeitreize eine Vermittelung zwischen dem Momentanreiz und dem physiologischen Reiz darstellen. Diese Vermittelung wird wohl eine noch vollständigere werden, wenn Beobachtungen über stetige Tetanisirung durch Stromoseillationen von geringerer Frequenz und endlicher Steilheit vorliegen. Es wird bei dieser _ Auffassung der physiologischen Innervation die andere Vorstellung entbehr- lieh, welehe von Brücke erörtert wurde, und welche, wie bekannt, das ‚Ausbleiben des secundären Tetanus durch die Ungleichzeitiekeit der Er- regungsvorgänge in den einzelnen Muskelfasern erklären wollte. Diese "Vorstellung scheint bei dem gegenwärtigen Stande der Kenntnisse keines- _ wegs wahrscheinlich, aber doch unwiderleglich und sie macht es, wie ich glaube, unmöglich, so lange die Beobachtung einzelner Muskelelemente nicht gelingt, über die physiologische Innervation etwas Bestimmtes zu be- weisen. Unwahrscheinlich ist sie deswegen, weil es nicht einzusehen ist, weswegen bei der ungleichzeitigen Thätigkeit der einzelnen. Elemente eine Beobachtung der Actionsströme an sehr vielen Elementen zugleich doch noch immer einen regelmässigen Rhythmus erkennen lässt, während man ‚doch erwarten sollte, die khythmik hier durch die grosse Zahl der ver- ‚schiedenen Phasen ganz verschwinden und durch eine scheinbare Stetigkeit ersetzt zu sehen. Wie dem auch sein mag, jedenfalls lässt sich, so viel ich sehe, aus Beobachtungen über die physiologische Innervation die Exi- stenz der protrahirten Erregungsanstösse niemals mit Sicherheit nachweisen. Aus demselben Grunde bleibt die nun zunächst sich darbietende Aufgabe mit einer, gar nicht zu beseitigenden Unsicherheit behaftet, die nämlich, die Dauer des physiologischen Reizanstosses zu bestimmen. Selbst bei der erwähnten Unsicherheit der Deutung schien es mir aber doch von grossem ı Dies Archiv. 1883. 8. 324. Archiv f. A,u. Ph, 1884. Physiol. Abthlg. 24 370 v. KRrıks: Interesse, über die Dauer der einzelnen Schwankung bei physiologischer In- nervation etwas zu ermitteln. Es gelang dies ganz von selbst bei Wieder- holung der Lov@n’schen Versuche über den Strychnintetanus. An einem enthirnten Frosch wird der Semimembranosus und Gracilis mit thermi- schem Querschnitt und mit Ableitungselektroden versehen, und sodann eine kleine Dosis Strychnin in die Lymphsäcke eingespritzt. Im Beginn der Stryehninwirkung erhält man nun bei mechanischer Reizung sehr mannich- faltige Bilder der Bewegung im Capillarelektrometer, indem die einzelnen Innervationsanstösse sich in kleinerer oder grösserer Zahl eombiniren. Eine sehr häufige Erscheinung aber bilden einzelne Ausschläge, welche keiner- lei Discontinuität oder Intermittenz erkennen lassen, und welche relativ langsam verlaufen, so dass man sie auf den ersten Blick von den durch elektrische Momentanreize hervorgerufenen Einzelschwankungen unterschei- den kann. Ich schätze ihre Dauer auf '/, Secunde. Was den Tetanus anlangt, so bemerkt man bei den mässig lange andauernden Anfällen im Anfang die grösste Frequenz der Oseillation, welche 8 bis 9 per Secunde nicht überschreitet. Gegen Ende des Anfalls werden die Osecillationen lang- samer und hören in der Regel mit einem Rhythmus von 3 bis 4 in der Secunde auf. Da auch hierbei keine Auflösung der Contraction in einzelne Zuckungen, sondern ein langsames Nachlassen zu beobachten ist, so erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass die Dauer des physiologischen Reizanstosses '/, Secunde erreichen kann.- Ganz ähnliche Ausschläge von einfachem, aber gestrecktem Verlauf (ca. !/, Secunde) erhielt ich auch am unvergifteten Frosch bei Reizung des Rückenmarkes mittels einzelner In- duetionsschläge. Da man hierbei bekanntlich durch Stromschleifen sehr leicht die vorderen Wurzeln direct reizen kann, so sieht man häufig im Elektrometer den kurzen Ausschlag, welcher er elektrischen Reiz ent- | spricht, gefolgt von dem langsameren, welcher den durch das Rückenmark übertragenen Reiz darstellt. Macht man den Strom stärker, so wird der letztere oseillirend. Dass die Dauer des physiologischen Innervationsanstosses bis '/, Seeunde betragen könne, erscheint mir nicht unwahrscheinlich; doch bleibt dabei zu beachten, dass wir vorläufig keine Veranlassung haben, dem physiologischen Binzelreiz eine bestimmte, allemal gleiche Dauer zuzu- schreiben. Der letztere Punkt, die Mannichfaltigkeit der physiologischen In- nervation, erscheint mir noch in anderer Beziehung wesentlich. Wenn, wie Loven angab und ich bestätigen kann, die Oseillationsfrequenz der physio- logischen Innervation innerhalb einer gewissen Breite variabel ist, so kann es auch so sehr nieht auffallen, wenn bei elektrischer Tetanisirung des Rückenmarkes eine noch höhere Frequenz erreicht wird. Helmholtz sagt a.2.0.: „dagegen sah ich schwache Schwingungen der Feder, welche der natürlichen Vibrationszahl des Froschrückenmarkes zu entsprechen schienen, = ABHÄNGIGKEIT DER ERREGUNG VOM ZEITLICHEN VERLAUF DER STRÖME. 371 wenn ich den Inductionsapparat auf 120 Schwingungen einstellte, und die mitschwingende Feder auf 16 Schwingungen.“ Weder Loven noch ich konnten im Capillarelektrometer bei physiologischer Innervation eine Oseil- lation über S bis 9 per Secunde beobachten. Wenigstens kann wohl auf Grund dieser Differenz bezüglich der Frequenz noch nicht die jedenfalls sehr unwahrscheinliche Annahme gemacht werden, dass die von Helm- holtz beobachtete mechanische und die von uns beobachtete elektrische Oseillation verschiedene Frequenz zeigen. Als wesentliches Ergebniss der im Vorstehenden mitgetheilten Ver- suche betrachte ich einerseits den Nachweis der von der bisher studirten abweichenden Form, in welcher die Erregungsanstösse vom Nerven auf den Muskel übertragen werden; vor Allem aber die Gewinnung bestimmter Er- gebnisse, welche die Bedeutung der Steilheit für die Erregungswirkung ziffernmässig darzulegen gestatten. Ein oft ausgedrückter Wunsch ist hier- mit wenigstens zum Theil befriedigt; und es ist leicht zu sehen, dass einer sehr mannichfaltigen Ausdehnung der Versuche nach wesentlich gleicher Methode keine Schwierigkeit entgegensteht. Ein theoretisches Interesse knüpft sich, wie mir scheint, vorzugsweise daran, dass in unseren Divisoren ein sehr leicht festzustellendes Charakteristicum des Nervenzustandes ge- wonnen ist, welches auf die Erregbarkeit Bezug hat und experimentell durch Veränderung der Temperatur varıırt werden kann... Erwägt man, dass auch die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Erregung durch die Tem- peratur variirt werden kann, so drängt sich nunmehr die Frage auf, welche physikalische Eigenschaft des Nerven durch die Temperatur direct beein- flusst wird, und der Wunsch, die sämmtlichen in diesem Zusammen- hange stehenden Erscheinungen unter einen einheitlichen Gesichtspunkt zu bringen. Anmerkung. Das Federrheonom, mit welchem ich arbeitete, war von - Hrn. Baltzar & Schmidt in Leipzig gearbeitet; ich bin gegenwärtig noch mit einigen Abänderungen beschäftigt, welche namentlich die bequemere Variirung und Messung der Elektrodenabstände betreffen; sobald eine defini- tive Form vereinbart ist, werde ich dies, sowie den Preis, für welchen das Instrument von ihnen bezogen werden kann, bekannt geben. © = “= ee DE EZ nr N u’ R - j m. I Das I] Sm - 5 372 v. KrıEs: ABHÄNGIGKEIT D. ERREGUNG V. ZEITLICHEN VERLAUF U.8.W. Erklärung der Tafel. Fig. 1. Abbildung des Feder-Rheonoms. Figg. 2. und 3. Graphische Darstellung der zu verschiedenen Anstiegsdauern an Reizungsdivisoren Een wirksamen Strom-Intensitäten) 1 Mm, der Abeiss. = 1000 Dee. Fig. 4. Graphische nie der Reizungsdivisoren (ausgezogene Curve) und der gleichwirksamen Stromscehwankungen. Zar Physiologie der Lymphkörperchen. Von ‚Joh. Dogiel. (Hierzu Taf. Va.) Die weissen oder farblosen Blut-, Chylus-, Eiterkörperchen, Leucocxthen und die sogenannten Wanderzellen werden gegenwärtig identifieirt. Diese von Hewson! zuerst bemerkten, geformten Elemente bilden sich in der _ adenoiden Substanz von His, oder in der eytogenen Bindesubstanz von Kölliker, in den Lymphdrüsen, in der Milz und verschiedenen anderen Organen und ebenfalls im Blute und in der Lymphe durch Theilung (L. Ranvier,? Permeschko°). M. Schultze* unterscheidet zwei Arten der Lymphkörperchen: die grobgranulirte und die feingranulirte Form. Erwägt man aber, dass die lebenden Lymphkörperchen ihre Form wechseln können, so lässt sich ihre beständige Form sehr schwer feststellen. So - überzeugt uns ein Blick auf die sub a in der beigelegten Tafel hingezeich- - neten 33 Lymphkörperchen des Frosches, dass, so lange die Bewegungs- fähigkeit derselben sich erhält, eine Angabe einer beständigen Form gar nicht möglich ist. Natürlich muss man sich ihre Form noch mannich- faltiger, als die Zeichnung hier angiebt, denken. Ueber die Form der Lymphkörperehen überhaupt lässt sich nur sagen, dass jedes von ihnen eine mehr oder weniger körnige Protoplasmamasse darstellt, in welcher ein stärker contourirter Theil, der sogenannte Kern, bemerkbar ist. Auch letzterer kann sich im lebenden Lymphkörperchen verschieden gestalten: ‘ Hewson, Philosophical Transactions, 17170 and 1773. ” Ranvier, Recherches sur les ölöments du sang. Archives de Physiologie nor- male et pathologique. 1875. ° Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. XVII. 8.170. * Archiv für mikroskopische Anatomie, Bd.1. 8. 15. 374 | JoH. DOGIEL: bald als ein Kern mit einem Kernkörperchen, bald als ein Aggregat von zwei oder mehreren Kernen erscheinen. Aggregirte Kerne sind besonders beim Absterben und bei der Vermehrung der Lymphkörperchen constatirbar. Ebensowenig lässt sich etwas Bestimmtes über die Grösse der Lymph- körperchen angeben, obwohl Kölliker, M. Schultze, L. Ranvier u. A. Grössenangaben machen; man ersieht jedoch eine Differenz in denselben, wenn man die angegebenen Zahlen vergleicht. Die Lymphkörperchen des Menschenblutes sind nach Kölliker und Virchow kleiner als die rothen Blutkörperchen. Nach Ranvier! zeichnen sich die Lymphkörperchen beim mexikanischen Axolotl durch ihre Grösse besonders aus: in der Ruhe ist ihr Mittel 25 u; zuweilen aber erreicht er den Werth von 50 u mit einem Kern von 30 « Durchmesser. Die Schwierigkeit einer genauen Grössenbestimmung der Lymph- körperchen entspringt ebenfalls aus ihrer Bewegungsfähigkeit. Die körnige Lymphkörperchenmasse erinnert in ihren Eigenschaften an das Pflanzen- (Diatomeen-) und Thierprotoplasma (Rhizopoden; Beale’s Germinal matter; Sarcode Dujardin’s). Diese Aehnlichkeit zeigt sich besonders in der gleichen Fähigkeit auf Reize sich zusammenzuziehen und die Form ver- schieden zu wechseln. Nachdem Lieberkühn? zuerst die selbständige Bewegung der Lymphkörperchen im Blute bei Wirbelthieren und Menschen beobachtet hatte, sah Häckel dasselbe beim Flusskrebs und dann Lieber- kühn selbst noch in der Lymphe von Fröschen und in der Aseitesflüssig- keit eines Kranken. Brücke,? Virchow,‘ Wittich? u. A. fanden, dass die Pigmentzellen in der Froschhaut, und Recklinghausen, ® dass einige Bindegewebszellen im Kaulquappenschwanze und in der Cornea gleichfalls ” contractil sind. In der Cornea sah Recklinghausen Zellen, welche gleich den Lymph- und Eiterkörperchen sich bewegen und ihre Form verändern 7 können. Ueberhaupt kommt dem Protoplasma jugendlicher Zellen Beweg- lichkeit zu. Während der Circulation sieht man in den Blutgefässen die Lymphkörperchen gewöhnlich im Wandungsstrom, während die rothen Blut- körperehen im Axenstrom sich befinden. Den Grund sucht man nicht nur in grösserer Klebrigkeit und geringerer Elasticität der Lymphkörperchen, sondern auch in der verschiedenen specifischen Schwere der farbigen und farblosen Blutzellen.’? ıA.2.0. . * Dies Archiv. 1854. 8.12. 3 Dies Archiv. 1854. 8.51. ! Virchow’s Archiv. Bd. IV. >. 266. 5 Dies Archiv. 1854. 8. 41. 6 Virchow’s Archiv. Bd. XXVIIL Hft. 1—2. ’ Pflüger’s Archiv u. s. w. 1868. Bd.1. 8. 603. G UI ZUR PHYSIOLOGIE DER LYMPHKÖRPERCHEN. 37 Die Lymphkörperchen bleiben oft an der Gefässwand kleben, bis sie ein neuer Blutstromstoss weiter treibt. Bei verlangsamtem Blutstrom können sie sich in bedeutender Menge im Grefässe anhäufen. Ausserdem können die Lymphkörperchen die Gefässwand durchsetzen, wie es Waller,! Addison,? Cohnheim? u. A. beobachtet haben. Aus dem Gefäss ge- langt, setzen sie ihre Wanderung fort oder häufen sich an einer Stelle an. Die Klebrigkeit und Contractionsfähigkeit der Lymphkörperchen setzt eine gewisse Consistenz ihres Protoplasma voraus. Da eine Membran ihnen vollkommen abgeht, können sie bei ihrer Formveränderung feinzertheilte Substanz in sich aufnehmen und mit sich bei ihrer Wanderung in mehr oder weniger entfernte Orte tragen, wie es von verschiedenen Beobachtern angegeben ist und ich es gleichfalls constatiren konnte, als ich fein zertheilte Farbstoffe (Carmin) in den Lymphsack eines Frosches brachte und das Blut des Thieres hernach unter dem Mikroskop betrachtete. M. Schultze* sah Lymphkörperchen, welche Milchkügelchen enthielten, wenn man sie mit letzteren in Berührung brachte. Prof. Zawarykin? dand in neuester Zeit, dass die Lymphkörperchen bei der Fettverdauung im Dünndarm thätig sind. Alles das zeigt, dass die Lymphkörperchen an den verschiedensten physiologischen wie pathologischen Vorgängen des "T'hierorganismus sich betheiligen können und sich auch wirklich betheiligen. Dieser Aufgabe genügen die mehr beweglichen und ihre Form verändernden Lymph- körperchen natürlich in höherem Grade. Hiernach erhält die Ein- theilung der Lymphkörperehen von M. Schultze® nicht nur nach ihrer Form, sondern auch darnach, ob sie energisch oder schwach sich be- wegten, einiges Interesse. Er sagt: „Im Allgemeinen sind die grob- sranulirten viel weniger geneigt zur Aufnahme fremder Körper als die feingranulirten“. Ausserdem konnte er vermittelst eines heizbaren Object- - tisches eine Abhängigkeit der Bewegung der Lymphkörperchen von der Temperatur nachweisen. Er fand, dass die Lymphkörperchen bei 88—42°C. in drei Stunden vollkommen ihre Bewegungsfähigkeit verlieren, während sie bei 3—5°C. letztere mehrere Stunden beibehalten. Die Temperatur ist jedoch nicht das einzige Agens, welches die amoeboiden Bewegungen ! Wiener medieinische Wochenschrift. 1868. Nr. 56 u. 57. ® Addison, On healthy and diseased structure. London 1849. » Berliner klinische Wochenschrift. 1867. 8. 27. *A.2.0. ° Zawarykin, Ueber die Fettresorption im Dünndarme. Pflüger’s Archwv u. S. Bd. XXXL. E20. 376 JoH. DoGIEL: der Lymphkörperchen beeinfitsst. Richardson! und Stricker? sahen, dass farblose Blutkörperchen nach Einwirkung von Wasser kugelig wurden und darnach auf Zusatz von Y,—1 Procent NaQl-Lösung ihre Bewegungen wieder aufnahmen. Thoma° bahauptet, dass die Concentration des Blut- plasına’s einen Einfluss auf die Bewegung der farblosen Blutkörperchen hat; im concentrirteren Plasma bewegen sie sich weniger als im verdünnteren. Sauerstoff begünstigt, CO, behindert die Bewegung der farblosen Blut- körperchen. Paul Bert constatirte, dass die Lymphkörperchen des Frosches ihre Bewegung einstellten, wenn sie in, unter einen Druck von 3 bis 6 Atıno- sphaeren kamen. Golubew * konnte den Einfluss der elektrischen BKeizuug auf die Bewegung und Formveränderung der Lymphkörperchen feststellen. Erwägt man die Bedeutung der Bewegung und Formveränderung der Lymphkörperchen in der Physiologie und Pathologie, so wird man sich gewiss (dafür interessiren, inwiefern diese Erscheinungen von verschiedenen Arznei- mitteln und Giften beeinflusst werden können. in dieser Hinsicht liegt die Angabe von Binz’ vor, dass Chinin die Bewegung der farblosen Blut- körperchen vollkommen vernichte. Wenn das auch nicht ganz zutrifft, so hat Binz hierdurch doch den Anstoss zur weiteren Bearbeitung dieser Frage gegeben. Schtschepotjew,® welcher in meinem Laboratorium arbeitete, konnte keine Schwächung der amoeboiden Bewegung der farb- losen Blutkörperchen des Frosches bemerken, wenn letzterem 0 .06— 0.014 8" Chin. muriat. in ‚wässeriger Lösung unter die Haut geführt war. Nur bei starken Gaben (0-018— 0.025 #"") dieser Substanz, wodurch bei dem Thiere die Reflexe schon unterdrückt wurden, bleiben die farblosen Blutkörperchen 3—-5’ bewegungslos, nahmen hiernach jedoch ihre Bewegungen wieder auf. Die gleiche Erscheinung beobachtete Schtschepotjew, wenn er Blausäure oder Aethylalkohol den Thieren in die Blutbahn brachte. Vorliegende Notiz soll kurz die Veränderungen der Lymphkörperchen unter der Wirkung einer Reihe von Arzneimitteln und Giften vorführen und hierdurch einen Beitrag zum Verständniss der Wirkung verschiedener Substanzen auf das Thierprotoplasma überhaupt und dasjenige der Lymph- körperchen speciell liefern. Die Untersuchungsmethoden waren verschieden. Entweder brachte man dem Thier (Frosch) eine bestimmte Menge der betreffenden Substanz, z. B. Chinin, unter die Haut, oder auch auf anderem Wege bei und unter- ! Monthly microscopical Journal 1869. p. 147. ®? Stricker’s Handbuch der Gewebelehre. 1871. 8. 17. 3 Archiv für pathologische Anatomie. Bd. LXL. * Sitzungsberichte der Wiener Akademie. 1866. Bd. LVII. 8. 557. 5 Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmakologie. 1873. Bd. 1. 6 Pflüger’s Archiv u.s. w. Bd. XIX. 8. 54. “8 Zur PHYsioLoGIE DER LYMPHKÖRPERCHEN. 377 suchte nach einiger Zeit einen Tropfen Blut des Thieres mikroskopisch, oder, was vergleichsweise leichter ist, man verfolgte die Wirkung des einen - oder anderen Agens auf die Lymphkörperchen, indem man einen Tropfen Blut in die feuchte Kammer brachte, ein Lymphkörperchen fixirte, es zeichnete, darauf die betreffende Substanz zu dem Praeparat that und das - Lymphkörperehen jetzt weiter beobachtete und sowohl während wie nach der Einwirkung des Mittels wieder abzeichnete. Noch einfacher kann man sich über die Wirkung verschiedener Stoffe auf die Lymphkörperchen Auf- schluss verschaffen, wenn man die bestimmte Substanz zu einer geringen _ Menge Blutes bringt und nachdem dieses Blut hinsichtlich der Lymph- körperchen untersucht. Schliesslich kann man eine Spur Blut auf einen Objectträger bringen, mit einem Deckgläschen bedecken und irgend ein - Lymphkörperchen einige Zeit beobachten; hierauf legt man einen Tropfen ‚der Lösung der zu prüfenden Substanz auf den Rand des Praeparates, woher sie bald auch zu dem beobachteten Lymphkörperehen gelangt. Hat man sich das Lymphkörperchen vor und während der Einwirkung einer be- - stimmten Substanz gezeichnet, so kann man die Veränderungen leicht er- sehen. Bei meinen Untersuchungen überzeugte ich mich, dass die Form und - die Bewegungsfähiskeit der Lymphkörperchen von verschiedenen Agentien - verschieden alterirt wird, so von der Temperatur, den Metallsalzen, Säuren, _ Alkalien und Alkaloiden. Die Formveränderung war zuweilen so charak- terisirt, dass man darnach sich einen Rückschluss auf das verändernde _ Agens erlauben konnte. ; Im Allgemeinen wurde hierbei bemerkt: Verkleinerung, OContracbion, Auftreten stärkerer Granulation des Protoplasma’s der Lymphkörperchen, - schärferer Contour des Kernes, Kugeligwerden unter einer Art von Erstar- rung, oder die Lymphkörperchen hellen sich mehr auf, es treten aus ihnen _ Bläschen von verschiedener Grösse (durch Essigsäure oder Arsenigsäure- ! Anhydrid), oder die Lymphkörperchen verschwinden vollständig, wie z. B. bei der Einwirkung von Aetzkali oder Aetznatron oder Nicotin. | Interessant ist der Umstand, dass die Form der Lymphkörperchen durch die Alkaloide unvergleichlich stärker, als die der rothen Blutkörper- chen verändert wird. a. > no“ PR Zuweilen schien es mir, als ob die aus den Lymphkörperchen tretenden Bläschen gefärbt wären (Fig. 18). Es würde uns sehr ermüden, wollten wir die Wirkung eines jeden von mir angewendeten Mittels auf die Lymphkörperchen speciell beschreiben, ; weshalb ich vorziehe, hier diese Wirkung in einer Reihe von Abbildungen zu demonstriren, wodurch man viel schneller und besser, als durch eine — . er 378 A | JoH. DoGIEL: noch so genaue beschreibung sich über die Veränderungen der Lymph- körperchen unter der Einwirkung verschiedener Agentien instruirt. Hat man sich über die Veränderungen, welche die Lymphkörperchen durch verschiedene Agentien erfahren, einen Einblick verschafft, so wird man begreifen, wie wir durch dieselben Agentien verschiedene physiologische und pathologische Processe, an denen die Lymphkörperchen thätigen An- theil haben, beeinflussen können. Erklärung der Abbildungen. Alle Zeichnungen sind in zwei Columnen angeordnet, unter « und b. Unter « sieht man das Lymphkörperchen, wie es normal zur Beobachtung gelangt, unter b sieht man die Veränderung, welche es unter einem bestimmten Agens erfahren hat. Die Lymphkörperehen sind bei Syst. 7 und Oeul. 3 Hartnack beobachtet und gezeichnet worden. Fig. 1. Veränderungen des Lymphkörperchens durch Erwärmung auf ca. 40°C. Fig. 2 = er = » 5 proc. Sublimatlösung. Fig. 3 f 5 = » 5 proc. Blei-Acetatlösung. Fig. 4. is 2 „ gesättigte wässrige Alaunlösung. ‚22963 a ER 3 ” „ gesättigte wässrige K Cl. Fig. 6 EN 55 4 „ gesättigte wässrige NH, Cl. Fig. 7 k b5 4 „ 30 proc. Actzkalilösung. Fig. 8. m . 5 » Harnstofflösung. Fig. 9. in = ” » 1a proc. Essigsäurelösung. Fig. 10. E: ” ut » '% proc. Salpetersäurelösung. Fig. 11. > h 7 „ 'h proe. Salzsäurelösung. Fig. 12. 4 > > „ starke Schwefelsäure. Fig. 13. B e e „» Y, proc. Schwefelsäurelösung. Fig..i14... - 5 % ‘ » gesättigte Tanninlösung. Fioo, 154,16, ,, y 1 „ > proc. Phenollösung. Fig. 17. > PN “ » "Y, proc. Phenollösung. } lig. 18. Bi I ni „ gesättigte wässrige Lösung von Arsenigsäure- Anhydrid. Bige. 19,20: 2; r r „ arsenige Säure. Fig. 21. = 5 S „ tproc. Osmiumsäure. Fig. 22. er R 2 » 30 proc. Aethylalkohol. Fig. 23. :ö > m » 20 proe. Aethylalkohol. Figg. 24 u.25. „ 7 £ » . Chloroform. Fig. 26. e * er „ gesättigte wässrige Chininsulfat- lösung. Fig. 27. r ir en „ gesättigte wässrige Lösung von Strychn. sulf. Fig. 28. % A 7 „ gesättigte wässrige lösung von Atrop. sulf. n „ ER) . Az „ » - Er Er >’ Ei} i E7) Er) » i IR Kir” i Pr} „ > „ j ER) ER PR) LERSSS » „ 33 ER) „ „ »„ Hs; E53.) er Brig v PLZ B . fi hh,;; Br ” ya i, or % van 4: ve u Liuld gi DRIN ; # i Mi Jr yırınl is Feahaa] 7 Jon. DogıEL: Zur PHysIoLOGIE DER LYMPHKÖRPERCHEN. 379 änderung des Ernpkerjeeie durch gesättigte, wässrige Lösung von Pilocarp. muriat. „ gesättigte, wässrige Lösung von Morph. acet. „ gesättigte, wässrige Lösung von Muscar. sulf. „» gesättigte, wässrige Lösung von Aconit. sulf. „ gesättigte, wässrige Lösung von Eosin sulf. » Veratrin. » 10 proe. Digitalinlösung. ya ini; in der Chloroformnarkose beim Frosch. durch Nicotin. Ueber die Benutzung curarisirter Thiere zu Stoffwechsel- untersuchungen. Von N. Zuntz. (Aus dem thierphysiologischen Laboratorium der landwirthschaftlichen Hochschule in Berlin.) (Hierzu Taf. VI.) Die Grösse des Sauerstofflverbrauches und der Kohlensäureausscheidung der Thiere wird bekanntlich in hervorragendster ‚Weise beeinflusst durch die Thätigkeit der Muskeln. Lavoisier und Seguin fanden, dass der stündliche Sauerstoflverbrauch des ruhenden Menschen von 38-38" durch Arbeit bis auf 91-23” gesteigert werden kann. Pettenkofer und Voit! sahen den Verbrauch während der 12 Tagesstunden beim hungernden Menschen durch angestrengte Arbeit von 435 auf 922 "m, beim normal sich nährenden von 443 auf 795 8m steigen. Noch viel erheblicher wächst der Sauerstoffverbrauch, wenn man kurze Zeitperioden, während deren natürlich intensiver gearbeitet werden kann, als im Durchschnitt eines ganzen Tages, in’s Auge fast. So fand Smith Steigerungen des O-Verbrauches bis auf’s Jehnfache der Norm; Speck? solche bis fast auf’s Vierfache. Besonders beachtenswerth sind aber die erheblichen Wirkungen, welche schon geringe und kurzdauernde Muskelthätigekeit hervorruft; so fand Speck? den Sauer- stoffverbrauch schon um ca. 11 Procent gesteigert, wenn er nur 2 bis 3 Mal y BEP ae rn N Ge EROR 7 17 Wan RE I Zeitschrift für Biologie. 1866. Bd. II. 8. 538. ? Speck, Untersuchungen über Sauerstoffverbrauch u. s. w. des Menschen. Cassel 1871. 3 Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmakologie. Bd. XII. 3. 28. ee: N. Zuntz: ÜBER DIE BENUTZUNG CURARISIRTER THIERE vs. w. 381 in der Minute einen Arm bis über den Kopf emporhob. Ich selbst hatte bei den zahlreichen Respirationsversuchen, welche in meinem Laboratorium an Kaninchen angestellt wurden, wieder und wieder Gelegenheit, diese Erfahrung zu bestätigen. Jede erheblichere Bewegung des Thieres, wenn sie auch nur den Bruchtheil einer Minute andauerte, steigerte den Sauerstoff- verbrauch und die CO,-Ausscheidung merklich und dieser Einfluss ist ein so bedeutender, dass er wohl geeignet ist, die Wirkung vieler anderer Fac- - toren auf den Gaswechsel zu verdecken oder wenigstens ihre Erkennung sehr mühsam zu machen. — Die Gefahr der Täuschung, welche durch die schwer ihrer Grösse nach abzuschätzenden Muskelbewegungen entsteht, hat z. B. in den Versuchen, welche in meinem Laboratorium die Einwirkung der Nahrungsstoffe und der Darmarbeit auf die Grösse der thierischen Oxy- dation klar lesen sollten, zur Anstellung sehr langer mühsamer Versuchs- reihen und zu zahlreichen Wiederholungen der Versuche gezwungen, ehe das -Gefühl der Zuverlässigkeit der gewonnenen Resultate erlangt war. — Ohne die Intervention der Muskelbewegung hätten sich viel leichter und rascher sichere Ergebnisse gewinnen lassen. — So entstand der Wunsch, ein Mittel zu besitzen, welches die willkürliche Muskelaction des Thieres bei Stoffwechseluntersuchungen ausschliesst und dadurch den Respirations- _ untersuchungen an Thieren eine ähnlich zuverlässige Unterlage, ähnlich ‚eonstante Normalwerthe sichert, wie sie Speck bei seinen Selbstversuchen durch die vollständige Beherrschung seiner Muskeln, welche er durch die langjährige Uebung in derartigen Versuchen erworben hat, besitzt. Die meisten Verfahrungsweisen, an welche man als geeignet für unseren Zweck denken konnte, erwiesen sich bei näherer Prüfung als unbrauchbar Man könnte nach dem Vorgange von Traube die Thiere des Gross- ' hirns berauben, oder wie dies Pflüger in einigen seiner Versuche über die Abhängigkeit des Sauerstoffverbrauches von der Körpertemperatur aus- ‚seführt hat, das Rückenmark oberhalb oder unterhalb der Medulla oblon- 'gata durchschneiden. — Diese Verfahrungsweisen sind deshalb einer all- gemeineren Anwendung nicht fähig, weil die Verletzungen sehr häufig Reiz- zustände im Gefolge haben, namentlich aber auch, weil sie eine tiefgreifende ‚Störung der Bluteireulation durch Schädigung der vasomotorischen Nerven bedingen. | Man kann ferner daran denken, die Versuchsthiere durch irgend em Narcoticum, wie Morphium, Chloralhydrat, Aether u. s. w. derart zu be- ‚täuben, dass sie in gleichmässig somnolentem Zustande daliegen. “ Noch die jüngsten Versuche von Rumpf! haben gezeigt, wie wenig auf diesem Wege ein gleichmässiger Stoffwechsel zu erzielen ist. Die ı Pflüger’s Archiv u.s. w. Bd. XXXIIL S. 538. Ei Erklärung hierfür ergiebt sich aus der Unmöglichkeit eine gleichmässige Nar- cose durch viele Stunden zu unterhalten, ohne die Innervation des Herzens und der Blutgefässe tiefgreifend zu stören. | Von diesen Fehlern ist die Untersuchung des Gaswechsels curarisirter Thiere frei. Man kann durch die Curarenarcose viele Stunden lang ab- solute Muskelruhe herbeiführen, ohne dass der Kreislauf und‘ die übrigen Functionen des Körpers, abgesehen von der will- kürlichen Bewegung, merklich leiden. Um diesen Satz zu begründen, müssen wir einige ihm entgegenstehende Angaben der Literatur einer kritischen Besprechung und zum Theil ex- perimenteller Controle unterwerfen. Traube! spricht sich sehr bestimmt über die Kreislaufsstörungen, welche das Curare veranlasse, aus. Er giebt als Folge der Curarevereiftung Abnahme der Spannung im Aortensystem und erhebliche Verminderung der Pulsfrequenz an. „Nach kleinen Dosen hebt sich der Druck allerdings bald - wieder bis zur Norm, nach grösseren bleibt er lange erniedrigt.“ Traube hat das Gift stets in die Jugularvene injieirt. Mit Traube’s Be funden harmoniren die Angaben von Kölliker und Claude Bernard, dass Curare frühzeitig die Hemmungswirkung des Vagus auf’s Herz und die vasomotorische Wirkung des Sympathicus aufhebe. — Alle diese An- gaben konnte Bidder? nicht bestätigen. Er findet in Uehereinstimmung mit Vulpian und Meissner die Hemmungswirkung des Vagus nach voll- ständiger Lähmung der willkürlichen Musculatur bei Fröschen, Kaninchen und Hunden erhalten. Erst solche Dosen, welche die motorischen Stämme in ihrem Verlaufe lähmen, heben auch den Effeet der Vagusreizung am Halse auf. — Bidder findet ferner, im Gegensatz zu den vorgenannten Autoren, nach vollständiger Lähmung der willkürlichen Museulatur die En- wirkung des Halssympathicus auf die Ohrgefässe ungeschwächt. Er läugnet vermehrte 'Thränenseeretion, ebenso vermehrte Speichelabsonderung, Schleim- rasseln in der Trachea und vermehrte Harnabsonderung. Es bestehe nur Lähmung des Sphineter vesicae, welche den Urin, bei erhaltener Detrusor- wirkung, leicht abfliessen lasse. Auch die Hemmungsfunction des Splanch- nicus auf die Bewegung der Gedärme, welche Pflüger aufgehoben fand, sah Bidder fortbestehen. Als regelmässige Wirkung der Vergiftung giebt dagegen Bidder an: Hervordrängung des Bulbi und Erweiterung der Pu pillen. E Die Erklärung dieser Widersprüche, deren Aufzählung sich noch er- heblich häufen liesse, dürfte in der ausführlichen Experimentalarbeit von 382 N. Zuntz: I Traube, Gesammelte Abhandlungen. Bd.1. S. 295. ? Dies Archiv. 1865. 8. 337. Mi ÜBER DIE BENUTZUNG CURARISIRTER THIERE U. S. W. 385 Couty und de Lacerda! gegeben sein. Diese Autoren, welche in Rio-de- Janeiro Gelegenheit hatten, nicht nur eine grosse Auswahl der bei den verschiedenen Indianerstämmen gebräuchlichen Pfeilgifte, sondern auch die Pflanzenarten, welche zu ihrer Darstellung dienten, zu untersuchen, finden sowohl verschiedenartige Wirkungen des Extraets verschiedener zur Her- stellung von Curare benutzter Pflanzen, als auch die giftigen Stoffe der Rinde verschieden von denen der Blätter und Früchte, endlich finden sie dass die Art der Herstellung, namentlich anhaltendes Kochen des Extractes, seine Wirkung ändert. — Die typischste Curarewirkung zeigte die Rinde der Stengel und Wurzeln von Strychnos triplinervia und Strychnos Castel- noei. Bei intravenöser Injection steigender Mengen beobachteten Vfr. erst Aufhören der willkührlichen Bewegungen und der Athmung, dann Wirkungs- losigkeit der elektrischen Reizung motorischer Nerven, erst bei weiterer Steigerung der Dosis Vaguslähmung, endlich Absinken des Blutdrucks durch Lähmung der Ringmuskeln. — Das vielen Pfeileiften beigemengte Extract der Rinde von Coceulus toxicoferus (Weddee) wirkt wesentlich auf das Gentralnervensystem. Seine Injection bewirkt starke Blutdrucksteigerung mit Pulsverlanesamung (Vagusreizung), dann Vaguslähmung und Absinken des Blutdrucks bis Null. Die Rinde von Strychnos Gardnerii lässt den Vagus intact, setzt aber den Blutdruck enorm herab, bei erhaltener Reaction des vasomotorischen Centrums auf sensible Reize und erhaltener willkürlicher Bewegung. — Die Blüthen und Früchte fast aller Pflanzen, welche in ihrer Stengelrinde _ Curare enthalten, liefern eine stryehninähnliche Substanz. — Durch mehrstündiges Kochen in wässeriger Lösung erleiden fast alle normalen Curaresorten eine starke Absehwächung, jedoch derart, dass die Wirkung auf die willkürliche Museulatur viel mehr leidet, als die auf die glatten Muskeln. Während vor dem Kochen die zur Erschlaffung der willkürlichen Muskeln nöthige Dosis um das 3- bis S-fache überschritten werden musste, ehe Gefässlähmung eintrat, bewirkten die gekochten Prae- parate zum Theil den Tod durch Gefässlähmung bei noch erhaltener spon- taner Athmung. Die mitgetheilten Befunde erklären genügend alle Widersprüche der älteren Litteraturangaben auf welche wir vorher aufmerksam machten, sie zeigen ferner die Nothwendigkeit jedes Curare speciell auf seine physiolo- gischen Qualitäten zu prüfen, ehe man es bei Untersuchungen, welche ' normales Fortbestehen des Kreislaufes voraussetzen, verwendet. Bei den Untersuchungen des Gaswechsels curarisirter Thiere, welche bisher im County et de Lacerda, Le Curare. Archives de Physiologie normale et pa- thologique. 1880. t. XII. p. 555 et 697. 334 N, Zuntz: hiesigen Laboratorium vorgenommen wurden, dienten uns zwei Curaresorten, eine aus Schering’s Apotheke und eine von Dr. Grübler in Leipzig be- zogene; beide erfüllten die Aufgabe den Kreislauf bei Lähmung aller will- kürlicher Muskeln intact zu lassen, in vollkommen befriedigender Weise. Jederzeit konnte man durch Aussetzen der künstlichen Athmung starke Vagusreizung produeiren; auch wenn die Lähmung 12 Stunden gedauert hatte war schon 10 bis 15 Secunden nach Stillstand der Athmung der Herzschlag stark verlangsamt. Die Circulationsverhältnisse habe ich im einigen besonderen Versuchen mit Hülfe des Kymographions geprüft und mich überzeugt, dass unser Gurare dieselben in-den verwendeten Dosen und bei der von mir ausschliesslich in Anwendung ge- brachten subeutanen Application absolut ungestört lässt. Der einzige Unterschied, welchen ich bei den curarisirten Thieren beobachten konnte, war eine etwas grössere Erregbarkeit der gefässregulirenden Nerven. Im Laufe mehrstündiger Beobachtung zeigten die curarisirten Thiere häufiger rasch vorübergehende Steigerungen und Senkungen des Blutdruckes, bei constant bleibendem Mitteldruck, als Thiere aus demselben Stalle und denselben Fütterungsverhältnissen, welche einfach aufgebunden und vor Abkühlung geschützt zur Blutdruckmessung dienten. Auch Hauft- reizungen und akustische Eindrücke schienen auf die eurarisirten Thiere etwas stärker zu wirken, wie auf die normalen. Ich gebe einige Aus- messungen des Blutdruckes als Beleg in folgender Tabelle, zu welcher noch bemerkt sei, dass sich das tracheotomirte Thier, wie bei den Respirations- versuchen, im warmen Bade befand, dessen Temperatur nur zwischen 37.9 und 38-05 °C. schwankte. | Die im Mastdarm gemessene Thiertemperatur war 11" 15’= 38.7°C, 117 401=188475° G., 122-3606; Zeit. Des Blutdrucks Bemerkungen. 2 Min. | Max. ‘| Mittel | 11" 20—35 86 126 | 102-5 | Spontane Athmung durch die Trachealeanüle. 35—45 89 115 | 101-5 | 11®35 beginnt künstliche Athmung mit der Leh- mann’schen Pumpe; das Thier wird bald ap- noisch, nur bei Sträubungen Athembewegungen, 45—55 90 130 | 110-0 | Wiederholte Sträubungen mit Drucksteigerung. 5512410 | 86 | 110 | 98-9 | 11%56 werden 20 mer Curare subeutan injieirt. 12"10 Lähmung absolut. — Gerinnung. 12" 20—48 86 152 | 106-9 48-531), 713 149 | 111-5 | Druckschwankungen durch Eintritt von Soda- lösungen in die Arterie. 531/,—1"22 92 122 | 105-0 ÜBEr DIE BENUTZUNG CURARISIRTER THIERE U. $. w. 385 Die normale Beschaffenheit des Kreislaufes wird aber nicht nur durch die Constanz des Druckes, sondern mehr noch durch die unveränderte Be- schaffenheit der puls- und respiratorischen Wellen desselben documentirt. Die gleichbleibende Höhe der Pulswelle bei Constanz der Frequenz und des Blutdruckes gestattet offenbar einen ziemlich sicheren Schluss auf Gleich- bleiben der Circulationsgeschwindigkeit, auf die es ja wesentlich ankommt. Wenn aber die Untersuchungen am curarisirten Thiere zu brauchbaren Schlüssen auf das Verhalten in der Norm verwerthet werden sollen, muss zu dem Nachweis des Fortbestehens eines normalen Blutkreislaufes die Ueberzeugung kommen, dass die Gewebe ihre normalen Eigenschaften und damit ihren normalen Stoffwechsel unversehrt erhalten. Gerade für das Gewebe, auf welches sich die Wirkungen des Gurare am unmittelbarsten erstrecken, und dessen Alteration man am ehesten befürchten möchte, für den Muskel, ist dieses in befriedigender Weise erwiesen, und zwar auf - doppeltem Wege. Wir wissen, dass jede Störung der normalen Umsetzungen im Muskel seine Erregbarkeit und Arbeitsgrösse alterir. Wenn nun Pflüger, v. Bezold und Andere angeben, dass die Zuckungscurve des curarisirten Muskels von der des normalen durchaus nicht verschieden sei, wenn ferner Farner unter Hermann’s! Leitung findet, dass die abso- lute Kraft von Curaremuskeln nur innerhalb der Fehlergrenzen von der normaler verschieden sei, so ist diese Unversehrtheit der mechanischen Leistungen nicht denkbar, wenn ihre Quelle, die chemischen Umsetzungen gestört wären.? Es liegt aber auch der directe Nachweis von Colasanti? vor, dass beim Durchleiten durch überlebende Muskeln curarisirtes Blut genau ebenso - viel Sauerstoff abgiebt und CO, aufnimmt, wie unvergiftetes. — Pflüger’s* ausgedehnte Untersuchungen haben ferner gezeigt, dass der Stoffwechsel curarisirter Thiere in ganz derselben Weise wie der normaler, bei denen - die Innervation der Muskeln auf anderem Wege ausgeschlossen ist, mit der Eigenwärme steigt und fällt. Mit der Behauptung, dass die Oxydationsprocesse im curarisirten Thiere normal verlaufen, stehen jetzt nur noch die Angaben über die durch Curare ! Hermann, Kirperimentelle Toxicologie. Berlin 1874. S. 304. ?2 Die Angabe von Couty und Rochefontaine (Socieid de Biologie, 1819), dass Curare die Muskeln in einen der Ermüdung ähnlichen Zustand versetze, welche nicht nur mit den Befunden der oben genannten Autoren, sondern auch mit denen von Funke, Valentin, Rosenthal, Röber in direetem Widerspruch steht, dürfte wohl pur auf Nichtbeachtung der Thatsache beruhen, dass curarisirte (nervenlose) Muskeln viel stärkerer Reize zu ihrer Erregung bedürfen, als nervenhaltige. 3 Pflüger’s Archiv u.s.w. Bd. XVL S. 157. * Pflüger’s Archiv u.s. w. Bd. XVII. 8. 247. Archiv f. A,u. Ph. 1884. Physiol. Abthlg. 95 ” 386 N. Zunsz: veranlasste Glykosurie in Widerspruch. Bernard’s! Angabe, dass bei curarisirten Thieren nach einiger Zeit Zucker im Harne auftrete, wurde von vielen Seiten bestätigt. Ich nenne nur Winogradoff (Virchow’s Archiv, Bd. XXVI, 8. 533), Saikowski (Centralblatt für die medicinischen Wissenschaften 1865, S. 769), Schiff (Monographie über den Diabetes), Dock (Pflüger’s Archiv, Bd. V, 8. 571). — Es werden aber auch Aus- nahmen angegeben, so sahen Penzöldt und Fleischer (Virchow’s Ar- chiv, Bd. LXXXVII, S. 210) bei gleichmässig mit Fleisch gefütterten Hunden, - die während der Curarenarkose in vollständiger Apnoe erhalten wurden, die Glykosurie zuweilen fehlen. Wenn man bedenkt, dass curarisirte Thiere meist einer Reihe von accessorischen Schädlichkeiten ausgesetzt sind, welche an und für sich leicht zu Glykosurie führen, so liest der Gedanke nahe, diesen und nicht der Curarewirkung an sich den Diabetes zur Last zu legen. — Die in Frage kommenden Schädlichkeiten sind: Reizung von sensiblen Nerven, Störungen des Kreislaufes durch Anwendung schlechter Curaresorten, nament- lich aber durch ungeeignete künstliche Ventilation, vielleicht auch durch starke Abkühlung der Versuchsthiere, zeitweilie auftretender Sauerstoff- mangel. — Wie leicht sensible Reizung Zucker im Harn erscheinen lässt, haben Bernard, Eckhard, Külz? gezeigt. Es genügt Reizung und selbst einfache Durchschneidung eines Vagus oder des Ischiadiecus. Hierher ge- hört auch wohl der von Böhm und Hoffmann? genau studirte Fesselungs- diabetes. Sauerstoffmangel scheint zu Glykosurie Anlass zu geben: ich erinnere — nur an den Befund bei Kohlenoxydvergiftung. Die Curarevergiftung führt aber leicht zu Sauerstoffmangel, theils dadurch dass die künstliche Respi- ration ungenügend ist, resp. die natürliche bei unvollkommener Vergiftung nur noch mangelhaft erfolgt, theils dadurch, dass übermässige Luftein- blasungen die Circulation in der Lunge schädigen. Sicher kommt Sauerstoffmangel bei allen Versuchen an Fröschen in : Frage, bei denen nach eingetretener Lähmung die Hautdiffusion allein die Athmung besorgen muss. Milne Edwards und Andere haben gezeigt, dass sie nur bei einer Temperatur unter 12°C. dieser Aufgabe einigermaassen genügen kann. Dem entsprechend fand Winogradoff bei eurarisirten Fröschen im Winter niemals, im Sommer regelmässig Diabetes. — Bei Kaninchen erzeugte Saikowski den Curarediabetes dadurch, dass er das Gift unter die Haut eines Schenkels spritzte und, sobald heftige Dyspnoe ı Cl. Bernard, Physiologie experimentale. Paris 1855. t. I. p. 342. ? Vgl: Pflürer’s Archiv u:s. w. Bd. XXIV. 8. 97. ’ Archiv für experimentelle Pathologie. Bd. VII. S. 295. ÜBER DIE BENUTZUNG GURARISIRTER THIERE V. S. w. 387 und Muskelschwäche aufgetreten war, diesen Schenkel umschnürte, um die weitere Resorption des Giftes zu hindern; sobald die Vergiftungserscheinungen _ nachliessen, wurde die Ligatur gelöst und so eine Reihe von Stunden fort- gefahren. In diesen mit starker Dyspnoe complicirten Versuchen trat sehr rasch und reichlich Glykosurie auf. Wie weit in Dock’s Versuchen Sauerstoffmangel ausgeschlossen war, lässt sich aus seiner Abhandlung nicht erkennen. In denjenigen Versuchen von Penzoldt und Fleischer, in welchen Zucker im Harn erschien, war entweder absichtlich Dyspnoe erzeugt worden, oder durch die foreirte künst- liehe Athmung der Kreislauf derart behindert, dass die Gewebe wahrschein- _ lieh Mangel an Sauerstoff hatten. — Es leiden überhaupt fast alle älteren Versuche an eurarisirten Thieren unter der Mangelhaftigkeit der zur künst- lichen Athmung dienenden Methoden, die zur Schädigung des Kreislaufes führten und dadurch eine Reihe secundärer Wirkungen veranlassten, die man fälschlich dem Curare zur Last legte In den in Pflüger’s Labora- - torium ausgeführten Arbeiten von August Ewald! und von Finkler und Oertmann? ist die starke Schädigung des Kreislaufes dargethan, welche die durch einseitige Einblasung von Luft unterhaltene künstliche Respiration bewirkt. Sie ist wesentlich durch Behinderung des Eintrittes des venösen . Blutes in den Thorax bedingt.” Schon in den ersten Versuchen welche ich mit Röhrig an curarisirten Thieren anstellte, wurde dieser Fehler vermieden, wir liessen die Exspiration nicht durch die elastischen Kräfte des Thorax erfolgen, sondern unterstützten sie durch Aussaugen der Luft. So wurde wie in der Norm während jeder Athmung vorübergehend nega- tiver Druck im Thorax erzeugt, der nur in die Exspirationsphase, statt, wie normal, in die der Inspiration fiel. — Pflüger hat als das beste Kriterium des normalen Kreislaufes bei künstlicher Ventilation die hellrothe Farbe des Venenblutes bezeichnet; diese ist stets bei unserer Art der Ventilation zu beobachten. Nur durch die venöse Stauung ist die von Bidder beob- achtete Hervordrängung der Bulbi zu erklären; ich habe dieselbe bei meinen Versuchen fast nie gesehen, sie hat also mit der Curarewirkung an sich nichts zu thun. Nach dem Gesagten war es nothwendig geworden, die Frage, ob Curare Diabetes erzeuge, auf’s Neue zu untersuchen. Ich habe mehrere Kaninchen eine Reihe von Stunden bei regelmässiger Ventilation mit dem zu beschrei- w ! Pflüger’s Archiv u.s. w. Bd. VII. S. 57. ?2 Ebenda. Bd. XIV. S. 62. 3 Vgl. Kowalewski, Ueber die Einwirkungen der künstlichen Athmung auf den _ Druck im Aortensystem. Dies Archiv. 1877. 8.416 und meine Abhandlung über den Ein- fluss des Athemdrucks auf den Blutdruck. Pflüger’s Archiv u.s.w. Bd. XVII. 8. 374. 25” 388 N. Zuntz: benden Apparate in Curarelähmung erhalten und dabei für Constantbleiben der Körpertemperatur gesorgt. Der Urin blieb vollkommen frei von Zucker. Die Harnsecretion schien weder merklich vermehrt noch ver- mindert zu sein. — In einem Versuche wurden im Laufe von zwei Stunden dem Kaninchen etwa 60 “m physiologischer Kochsalzlösung langsam in eine Vene infundirt; auch hier blieb der reichlich gelieferte Urin zuckerfrei — als aber in einem Versuche die Ventilation durch Wasser, welches sich in der Exspirationsleitung in grösserer Menge condensirt hatte, gestört wurde, fand sich zuckerhaltiger Urin. So weit sie der Beobachtung zugänglich sind, zeigten mir die anderen Drüsen ebensowenig eine Störung ihrer nor- malen Thätigkeit wie die Nieren. — Die von Ol. Bernard beobachtete Hypersecretion der Speicheldrüsen war durch Einfuhr einer unverhältniss- mässig grossen Giftmenge direct in die Drüsensubstanz produeirt, widerlegt also nicht unseren Befund normaler Speichel- und Thränensecretion. Auch die Darmperistaltik erscheint ungestört, die Versuchsthiere entleeren, wie unvergiftete, normalen Koth. | Der Zerfall der stickstoffhaltigen Körperbestandtheile wird ebenfalls durch Curare nicht geändert; Voit! hat dies zuerst durch Versuche an einem Hunde dargethan; Penzoldt und Fleischer haben zwar eine ge- ringe Steigerung der Harnstoffausscheidung gefunden, doch ist darauf kein Werth zu legen, da sie ihre Versuchsthiere schweren Schädigungen, die mit der Curarewirkung nicht nothwendig verbunden sind, aussetzten (vgl. die Kritik von Fränkel und Geppert: Ueber die Wirkungen der verdünnten Luft, S. 87). Ich brauche nur daran zu erinnern, dass die Thiere nicht nur Zucker, sondern auch Blut im Urin zeigten. — Ich hoffe bald durch eigene Untersuchungen eine Bestätigung der Angaben Voit’s liefern zu können. 5 + Der Beweis der Brauchbarkeit curarisirter Thiere für Stoffwechsel- untersuchungen dürfte nunmehr erbracht sein und erübrigt nur noch die Beschreibung des Apparates, durch dessen Gebrauch die vorher entwickelten Fehlerquellen ausgeschlossen werden. | Der im thierphysiologischen Laboratorium der landwirthschaftlichen Hochschule aufgestellte Respirationsapparat ist durch allmähliche Vervoll- kommnung aus demjenigen, welchen ich mit Röhrig? bei unseren Ver- suchen über Wärmeregulation benutzt hatte, hervorgegangen. — Er ist dm Respirationsapparate, welchen wir bei spontan athmenden tracheotomirten Thieren benutzen, in der Weise angefügt, dass es nur der Lösung weniger a Er u, ı Zeitschrift für Biologie. Bd. XIV. 8. 147. ? Pflüger’s Archw für die gesammte Physiologie. Bd. IV. 8. 57. ÜBER DIE BENUTZUNG CURARISIRTER THIERE U. S. w. 389 Sehlauchverbindungen bedarf, um den Apparat im einen oder anderen Sinne benutzen zu können. — Die Form, welche der Apparat bei Unter- suchung der spontanen Respiration hat, und die Art, wie er in diesem Falle funetionirt, ist im letzten Jahre in mehreren aus meinem Laboratorium hervorgegangenen Mittheilungen so ausführlich besprochen worden, dass hier einfach auf dieselben verwiesen werden darf. ! Die Untersuchung am curarisirten Thiere gestaltet sich ziemlich einfach, wenn es gleichgültig ist, welchen Sauerstoffgehalt die inspirirte Luft hat. Man lässt dieselbe dann zweckmässig aus möglichst reinem Sauerstoff be- stehen, so dass der Inhalt des Apparates vom Versuchsthiere aufgebraucht werden kann, ohne dass Sauerstoffmangel entsteht. — Zu dem von Wol- fers und Lilienfeld beschriebenen Apparate, dessen wesentliche Theile das graduirte und nach dem Pflüger’schen Prineip durch Quecksilber aequilibrirte Spirometer A und die zur Absorption der Kohlensäure, zugleich aber zur Sonderung des In- und Exspirationsstromes dienenden Ventile I und Z sind, treten dann nur die durch den Lehmann’schen Vacuum- motor C getriebenen Quecksilberpumpen © und @” und die Voit’schen Quecksilberventile vo und v” als neue Theile hinzu? Hr. Dr. Lehmann hat den von ihm construirten Motor in den Verhandlungen der Berliner physiologischen Gesellschaft? beschrieben und durch einen Holzschnitt er- läutert. Indem ich auf diese Beschreibung verweise, möchte ich hier nur erwähnen, dass der Apparat sich nun schon länger als zwei Jahre bei stetem Gebrauche auf’s Beste bewährt hat. Zahl und Grösse der künst- lichen Ventilationen lässt sich auf’s Vollkommenste reguliren, und dieselben erfolgen, einmal eingestellt, während langer Versuchsreihen mit absoluter Regelmässigkeit. Um die Luftbewegung im Apparate während der Phasen dieser Ath- _ mung zu verfolgen, wollen wir mit dem höchsten Stande des Pumpen- kolbens beginnen. Die mit der Gabelcanüle 2 communicirende Lunge des Thieres befindet sich dann in Exspirationsstellung. Bei dem jetzt erfolgen- den Niedergange des Kolbens drücken die Pumpen & und @” ihren Inhalt durch die einzige Oeffnung, welche sie besitzen, durch die von unten bis über das Quecksilberniveau aufragenden Röhren r’ und r” in die gläsernen Leitungen s’ und s” welche zu.den Quecksilberventilen VY’ und V” führen. Die Verbindung mit diesen ist durch den senkrechten Theil eines + förmigen ! Siehe die Aufsätze von Mering und Zuntz, Wolfers und Alb. Lilienfeld, Archiw für die gesammte Physiologie. Bd. XXXU. p. 173. Der Aufsatz von Wolfers, ist mit einer Abbildung des Apparates illustrirt. * Vgl. die Zeichnung Taf. VI. ü Dies Archiv. 1883. 8. 456. 390 | N. Zuntz: - Glasstückes vermittelt, dessen horizontale Schenkel zu den beiden Sauerstoff- spirometern führen, von denen hier nur das eine A gezeichnet ist. Da diese Spirometer abwechselnd functioniren, ist immer der eine von dem + Stück abzweigende Weg gesperrt. Der aus der Pumpe @” ausgetriebe- nen Luft ist nun durch die Stellung des Ventils V” der Weg durch dieses nach der Trachealcanüle verlegt; sie tritt durch die lange Leitung g” und das mit starker Kalilauge beschickte Müller’sche Spritzflaschenventil £ in das Spirometer A. Die gleichzeitig aus @& verdrängte Luft gelangt durch das Ventil V’ in die Trachea des Thieres, der Weg zum Spirometer ist ihr durch das Ventil J verlegt. Beim Hochgehen der Pumpen saugt @” durch V” Luft aus der Lunge; @’ durch J Luft aus dem Spirometer. So wird in regelmässigem Spiele der Pumpe die Ventilation derart besorgt, dass @’ dem Spirometer Sauerstoff entnimmt, um ihn dem Thiere zuzu- führen; @” die Exspirationsluft aus der Lunge aussaugt und in das Spiro- meter zurückdrückt. Die Kalilauge der Ventile J und E bindet alle exspirirte Kohlensäure und wird nach dem Versuche in der von Wolfers beschriebenen Weise analysirt. Nachdem die Athmung längere Zeit aus einem Spirometer erfolgt ist, wird behufs Ueberleitung derselben auf das andere inzwischen neu mit Sauerstoff beschickte und abgelesene Spirometer die Pumpe in tiefster Stellung arretirt. Dies geschieht einfach durch Oeffnen eines du Bois-Reymond’- schen Vorreiberschlüssels, welcher in den Stromkreis des die Steuerung der Pumpe besorgenden Elektromagnetes eingeschaltet ist. So wie dies ge- schehen ist, zieht man die Quecksilberkugel A” nieder, wodurch die am anderen Ende der über die Rolle « laufenden Schnur hängende Kugel % emporgehoben wird. Das Quecksilber aus A’ tritt in f’” und f” ein und sperrt so der Athemluft den Weg zum Spirometer A. Aus der analogen Sperrung des anderen nicht gezeichneten Spirometers fliesst das Quecksilber in die Kugel A” und so wird dieser Weg, von dem die Zeichnung nur den Anfang w’, w” zeigt, frei. — Sobald dieses geschehen, wird der Vorreiber- schlüssel geschlossen und die Ventilation geht ungestört ihren Gang an dem anderen Spirometer. Inzwischen wird am Spirometer A der Sauer- stoffverbrauch abgelesen, wobei die Communication e zwischen In- und Ex- spirationsleitung geöffnet wird um gleichen Druck in allen Theilen des Apparates zu haben; hierauf die Lauge durch die Oeffnungen A und A” aus den Ventilen entleert, durch m’ und m” welche mit einer grossen hochstehenden Flasche voll ausgekochten Wassers communiciren, Spülwasser in die‘ Ventile dreimal eingelassen und dieses dann mit der Lauge ver- einigt; hierauf durch 7’ und 2” neue Lauge in den Apparat eingeführt und endlich durch den Hahn n, welcher zu einem grossen Gasometer mit reinem Sauerstoff’ führt, dieser zugeführt und das Volumen am Spirometer abge- = ÜBER DIE BENUTZUNG CURARISIRTER THIERE U. S. w. 391 lesen. Alle diese Proceduren dauern fünf bis sechs Minuten, so dass bequem alle 10 Minuten ein Wechsel des Spirometers vorgenommen werden kann. — Das Thier befindet sich bei allen derartigen Versuchen in einem sorgfältig regulirten Wasserbade, dessen Temperatur so abgestuft ist, dass die Thier- temperatur constant auf normaler Höhe bleibt. | In dieser Form hat der Apparat unter Anderem mir zum Nachweis der Thatsache gedient, dass die Steigerung des Verbrennungsprocesses im Fieber bei curarisirten Thieren nicht zu Stande kommt.! Da die Belege für jene Thatsache erst später veröffentlicht werden sollen, erlaube ich mir jetzt nur zu erwähnen, dass jene Versuchsreihe nebenbei gezeigt hat, dass bei eurarisirten Thieren der Sauerstoffverbrauch und die Kohlensäureproduec- tion durch viele Stunden keine Aenderung erfahren, wenn die Ventilation eine regelmässige ist und die Körpertemperatur constant bleibt. Der beschriebene Apparat reichte nicht mehr aus, als Hr. Kempner an curarisirten Thieren seine Entdeckung, dass schon mässige Verarmung der Athemluft an Sauerstoff die Oxydationsgrösse herabsetze, controliren wollte? Es war jetzt die Aufgabe gestellt, das Thier normale atmosphae- rische Luft oder ein willkürlich zu wählendes Gemisch von Sauerstoff und Stickstoff athmen zu lassen, welches Gemisch während längerer Versuchs- perioden in seiner Zusammensetzung unverändert bleiben sollte. Ich wählte zur Erfüllung dieser Aufgabe das Regnault’sche, resp. Lavoisier’sche Prineip, dem Athemraume in demselben Maasse reinen Sauerstoff zuströmen zu lassen, wie sein Inhalt durch den Sauerstoffverbrauch seitens des Thieres und die Absorption der gebildeten CO, abnahm. Die Spirometer A konnten jetzt nicht mehr zur Messung des verbrauchten Sauerstoffes dienen, da sie durch stetig nachströmenden Sauerstoff in gleicher Füllung erhalten werden « mussten, wenn der O-Gehalt der Inspirationsluft nicht beständig abnehmen sollte. Der Sauerstoff musste vor seinem Eintritt in den Apparat m m ——_U U un Un = ee EEE gemessen werden; er musste ausserdem vollkommen rein sein, durfte also nicht mehr wie bisher in einem Wassergasometer vorräthig gehalten werden. Diese Forderungen wurden in folgender Weise erreicht: 1) Die Leitungswege der in- und exspirirten Luft, welche sich früher gleich jenseits der Ventile J und # vereinigten um sich in ein einziges Kohr fortzusetzen, welches im Spirometer A mündete, mussten jetzt getrennt in das Spirometer geführt werden, weil nur so eine gleichmässige Mischung der gesammten im Apparate enthaltenen Luft erzielt werden konnte. 1 Oentralblatt für die medicinische Wissenschaften. 1882. Nr. 32. ® Vgl. den folgenden Aufsatz von Kempner, 392 N. Zuntz: Die Inspirationsluft geht nunmehr durch das innere, die Exspirations- luft durch das äussere der beiden concentrischen, nirgend communicirenden Glasröhren, welche von unten in den Luftraum des Spirometers A aufragen. Die innere Röhre wurde durch ein aufgesetztes Kautschukrohr von gleichem Caliber noch soweit verlängert, dass sie dieht unter der Kuppe des Spiro- meters mündet. — Einige erste Versuche, welche Kempner anstellte ehe diese Aenderung angebracht war, wurden dadurch ungenau, dass die Luft des Spirometers die Zusammensetzung nicht rasch genug mit der durch die Ventile und die Lungen des Thieres eirculirenden ausglich. 2) Die Zufuhr des Sauerstoffes wurde wie folgt bewirkt: Die Aequilibrirungsröhre X, welche früher nur dazu diente, bei wechselndem Stande des Spirometers A entsprechend Quecksilber aus dem ihm aufge- setzten Trichter aufzunehmen, resp. demselben zuzuführen und dadurch den Druck des Athemgases constant zu erhalten, regulirt nunmehr auch die Sauerstoffzufuhr zum Spirometer. Zu diesem Behufe ist X oben mit einem doppelt durchbohrten Kork verschlossen. In der einem Bohrung steckt, gleich unter dem Korke endend, die Röhre @””, welche den Sauerstoff zu- führt, in der anderen die Röhre p, welche ihn, durch Vermittelung des beständig geöffneten Hahnes n in die Bahn der Exspirationsluft eintreten lässt. Die Röhre p reicht in X etwa bis zur Mitte, so dass ihre Mündung durch das aequilibrirende Quecksilber gesperrt wird, wenn das Spirometer etwa zur Hälfte gefüllt ist. Ist nun das Spirometer zu Beginn des Ver- suches soweit mit Luft gefüllt worden, dass bei höchster Stellung der Pumpen @ die Mündung von p noch eben durch das Quecksilber gesperrt ist, so wird diese Sperrung aufhören, so bald das Thier nur ein wenig Sauerstoff verbraucht, und dadurch das Spirometer zum Sinken gebracht hat: sofort strömt dann ein dem Verbrauchten gleiches Sauerstoffquantum durch p in’s Spirometer nach, letzteres steigt empor und stellt die Sperrung im Inneren von X wieder her. So bewahrt die Luft im Spirometer un- verändert ihre Zusammensetzung, vorausgesetzt, dass der nachströmende Sauerstoff vollkommen rein ist.! Der Sauerstoff wird, um jede Verunreinigung aus der Luft auszu- schliessen, in dem Maasse, wie er gebraucht wird, aus reinem chlorsaurem Kali ohne Zusatz von Braunstein frisch bereitet. Er wird der Regulirungs- röhre durch die etwa 10” lange Leitung G, @', G”, @” zugeführt. Diese Leitung besteht aus mehreren dünnen Glasröhren, welche durch ! Von den brennbaren Gasen, welche das Thier exhalirt, kann abgesehen werden, da ihre Menge während (ler Dauer eines Versuches zu unbeträchtlich ist, um das Re- sultat zu beeinflussen. wr Br => 4 ÜBER DIE BENUTZUNG CURARISIRTER THIERE U. S. w. 393 Nowak’sche Quecksilberdichtungen, ähnlich den bei d, d’ etc. am Apparat abgebildeten, mit einander verbunden sind. Sie führt zunächst zur Gas- uhr U, an deren Zifferblatt einzelne Cubikcentimeter mit Sicherheit abzu- lesen sind. Zwei Thermometer und ein mit Chlorcalciumlösung gefülltes Manometer, welches den Ueberdruck misst, unter welchem das Gas durch die Uhr strömt (in der Zeichnung fortgelassen), sichern die Genauigkeit der Messung des Sauerstoffverbrauches. Je nachdem die Spirometerglocke sich mit etwas mehr oder weniger Reibung bewegt, sieht man bei jedem einzelnen oder bei jedem zweiten, dritten Hube der Pumpe den Zeiger der Gasuhr - sich vorwärts bewegen. | Zur Entwickelung des Sauerstoffes dient die horizontal liegende fast 1m lange eiserne Röhre #, welche ca. 700®"" chlorsaures Kalı fasst.! Sie verjüngt sich vorne in eine 80% lange senkrecht herabsteigende Gasleitungs- röhre, deren hakenförmig aufgebogenes Ende in ein breites mit Quecksilber gefülltes Cylinderglas taucht. Ueber dieser Mündung steht das zu einer Glocke von etwa 200m Capacität erweiterte Ende der zur Gasuhr führenden Röhre @, welches etwa 30m stärkster Kalilauge enthält, durch welche der Sauerstoff hindurchstreichen muss. — Damit der Sauerstoff bei wechseln- der Stärke der Entwickelung in: dem Röhrensystem unter stets gleichem Drucke stehe, was natürlich Bedingung ist, wenn die Angaben der Gasuhr richtig sein sollen, communicirt das Innere der Glocke @” mit dem etwa 750m fassenden kleinen Quecksilbergasometer 7, in welchem der über- schüssig entwickelte Sauerstoff sich ansammelt, um bei ungenügender Ent- wickelung unter die Glocke @ zurückzutreten. — Das Gasometer ist ebenso eingerichtet wie das Spirometer A und wie dieses nach dem Pflüger’schen "Princip durch Quecksilber aequilibrirt. Durch seine Einschaltung werden die Druckschwankungen in der Sauerstoffleitung auf den Werth von wenigen Millimetern Quecksilber reducirt. Das oben erwähnte Chlorcaleiummano- meter gestattet es, auch diese geringen Druckschwankungen in Rechnung zu ziehen. Das Aequilibrirungsrohr Y am kleinen Gasometer dient zugleich zur ‚ automatischen Regelung der Sauerstoffentwickelung. Zu diesem Behufe ist es oben durch einen Kork verschlossen, durch welchen ein Leuchtgas zu- führendes Glasrohr so weit herunterragt, dass es von dem aufsteigenden Quecksilber gesperrt wird, sobald das Gasometer // etwa zur Hälfte mit Sauerstoff gefüllt ist. So lange der Gasstrom frei ist, tritt er durch das dicht unter dem Kork abzweigende Seitenrohr zu einem grossen unter dem eisernen Rohre stehenden Maste-Brenner. Ein neben demselben als Zünd- GE h ! Vgl. die eben erschienene Abhandlung von Tacke: Ueber die Rolle der brenn- ‚baren Gase im Darmcanale. I/naug.- Dissert. Berlin 1884, 3 394 | N. ZUNTZ: flamme stehender Bunsen-Brenner, entwickelt nicht genug Wärme für die Sauerstoffentwickelung, hält aber das Eisenrohr auf solcher Temperatur, dass die Entwickelung sehr rasch durch den grossen Brenner in Gang ge- bracht wird. — Man hat durch die beschriebene Anordnung stets vollkommen reinen Sauerstoff zur Verfügung sobald erst einmal die atmosphaerische Luft aus der Gasuhr und der übrigen Leitung verdrängt ist. Da alle Unter- brechungen in der Continuität der Glasröhren durch Quecksilber nach dem Nowak’schen Princip gedichtet sind, bleibt der Apparat auch nach Wochen frei von Verunreinigung durch diffundirenden atmosphaerischen Stickstoff, es bedarf nur des Anzündens der Flammen um vollkommen reinen Sauer- stoff in der nöthigen Menge zur Disposition zu haben. { Sehr leicht ist es, statt atmosphaerischer Luft ein anderes Gasgemenge dem Thiere zuzuführen. Soll dasselbe reicher an Sauerstoff sein, so drückt man vor Beginn des Versuches das Spirometer A mehr oder weniger tief unter das Niveau bei welchem der Zutritt des Sauerstoffes durch das Rohr K frei wird, hinab. Es tritt dann eine entsprechende Menge Sauerstoff gleich zu Beginn des Versuches in den Apparat ein. So lässt sich der Sauerstoffgehalt der Athemluft leicht auf jeden beliebigen Werth bis etwa 35°/, bringen, soll er noch weiter steigen, so muss vor dem Versuche ein Strom reinen Sauerstoffes durch den Apparat getrieben werden, und dann durch Analyse einer Probe ermittelt werden, welche Zusammensetzung das Gasgemisch dadurch erlangt hat. Die Gasprobe wird aus der Röhre & welche In- und Exspirationsleitung verbindet, entnommen. | Wenn der Sauerstoffgehalt in der Athemluft unter dem der Atmosphaere sein soll, wird das Spirometer A vor dem Versuche bis über die Stelle bei welcher der Sauerstoffeintritt erfolet, mit Luft gefüllt. Das Thier verbraucht dann anfangs Sauerstoff ohne dass dafür neuer nachströmte. Da der Ge- sammtinhalt des Apparates genau bekannt ist, lässt sich die so erzielte Verminderung des Sauerstoffgehaltes ziemlich genau berechnen; wir haben aber stets diese Rechnung durch eine zu Ende des Versuches angestellte Analyse controlirt, was ja mit der Hempel’schen Methode sehr bequem und rasch ausführbar ist. | Ehe die Kempner’sche Arbeit ganz vollendet war, wurde eine Re- paratur an der Gasuhr nöthig. Ich improvisirte zu ihrem Ersatz einen Messapparat, welcher im Wesentlichen aus zwei je etwa 100°" fassenden Cylindern bestand, von denen immer der eine mit Sauerstoff aus dem Ent- wickelungsapparate beschickt wurde, während der Inhalt des anderen durch Wasser, das aus einer Mariotte-Flasche unter constantem Druck zuströmte, in den Athemapparat getrieben wurde. Die zur Entleerung jeden Cylinders gebrauchte Zeit wurde notirt. Das Manipuliren an dem Apparate wurde E Eh DIE BENUTZUNG CURARISIRTER THIERE U. S. Ww. 395 h en erleichtert, dass die beiden Cylinder durch einen eigen- , gebohrten Glashahn derart mit den Gasleitungsbahnen verbunden ss eine Drehung um 120° den Cylinder, welcher vorher mit der leitung communicirte, mit dem Spirometer in Verbindung setzte ir dem anderen der bis dahin mit dem Spirometer in Verbindung ir, den Sauerstoffeintritt ermöglichte. Ei praktische Brauchbarkeit des Apparates hat sich in der nach- enden Arbeit von Kempner bewährt. \ Bi Bi Neue Versuche über den Einfluss des Sauerstoffgehaltes der Einathmungsluft auf den Ablauf der Oxydations- processe im thierischen Organismus. Von Dr. G. Kempner, prakt. Arzt in Berlin. (Aus dem thierphysiologischen Laboratorium der landwirthschaftlichen Hochschule zu Berlin.) Während fast alle Detailfragen aus dem Gebiete der Respirations- physiologie in den letzten Jahrzehnten eine mehr oder minder erschöpfende Bearbeitung gefunden haben, hat die Beantwortung einer Frage von prinei- pieller Wichtigkeit innerhalb dieses Zeitraums die Aufmerksamkeit de Forscher nur in sehr geringem Maasse auf sich gelenkt: der Frage näm- lich nach dem Einfluss des Sauerstoffgehaltes der Einathmungsluft auf de Sauerstoffverbrauch und auf den Ablauf der Oxydationsprocesse im Thieı körper. Diese scheinbare Vernachlässigung erklärt sich nur daraus, das diese Frage auf Grund älterer Versuche und wohlbegründeter theoretische Anschauungen eben für definitiv erledigt galt, und zwar in dem Sinne, das der Sauerstoffgehalt der Einathmungsluft innerhalb weiter Grenzen, d.1 nach oben bis zu 100 Procent, nach unten bis zu einem Drittel des Normalet schwanken könne, ohne den Sauerstoffverbrauch zu beeinflussen. Das hatteı schon Lavoisier und Seguin gelehrt, und das schien eine glänzende Bestätigung zu finden in den klassischen Versuchen von Regnault un Reiset, welche in ihrem Apparate Thiere eine abnorm sauerstoffr eiche Luft athmen liessen und dabei den Sauerstoffverbrauch nicht steige sahen. — Nach diesen Autoren hat W. Müller in seinen „Beiträgen N PS rue: DES OÜ-GEHALTES DER LUFT AUF DIE THIERISCHE OXYDATION. 397 _ Theorie der Respiration“! auch diese Frage berührt. Er suchte den Grenz- _ werth zu ermitteln, bis zu welchem der Sauerstoffgehalt der Einathmungs- luft herabgedrückt werden kann, ohne das Leben der Thiere zu gefährden. Aus den zu diesem Behufe angestellten Versuchen schloss er, dass erst bei 7 Procent O-Gehalt der Einathmungsluft eine Herabsetzung der Sauerstoff- aufnahme erfolge, weil er erst bei diesem Werthe das Auftreten von Dys- _ pnoe bei seinen Versuchstlieren constatiren konnte. — Im Jahre 1865 unternahm Dohmen unter Pflüger’s Leitung eine Untersuchung „über den Einfluss, den die Blutgase auf die Respiration ausüben“? Er fand bei einem Sauerstoffdruck von 750 bis 120m (entsprechend 100 bis 18 Pro- cent O) nur eine sehr geringe Beeinflussung der Athemmechanik, die aber in dem Sinne wirkte, als ob die grössere Diehte des Sauerstoffs seine Auf- nahme begünstige. Bei 75 wm (10.5 Procent O) beginnt eine bedeutendere "Steigerung der Athembewegungen; bei 37 "m (5 Procent O) ist die Athmung f äusserst forcirt, bald aber erlahmt sie und das Thier geht zu Grunde. — _Friedländer und Herter haben sich in ihren Untersuchungen „über die ü "Wirkung des Sauerstoffmangels auf den thierischen Organismus“? wesent- lieh nur mit dem Einfluss sehr sauerstoffarmer Luft beschäftigt; in einem _ beiläufig ausgeführten Experiment mit 12.7 Procent O- Gehalt der Ein- “athmungsluft, fanden sie die procentische Abnahme des Sauerstoffgehalts in _ der Exspirationsluft zwar vermindert, andrerseits aber die Athemgrösse so bedeutend vermehrt, dass sie auf Grund dieses Versuches eine Herabsetzung des Sauerstoffverbrauches nicht annahmen. Die CO,-Ausscheidung blieb in den Versuchen dieser Autoren auch bei bedeutend herabgesetztem O-Verbrauch ' annähernd normal. — Paul Bert hat in seinem Buche: „La pression Jarometrique“* zwei ziemlich rohe Versuche mitgetheilt, die an dieser elle erwähnt werden müssen. Er liess zwei Hunde aus einem Kautschuck- sack von ca. 150 Litern Inhalt durch Kalilaugeventile athmen. Während nun die Thiere eine durch ihren Respirationsprocess mehr und mehr an Sauerstoff verarmende Luft athmeten, bestimmte er an von Zeit zu Zeit entnommenen Proben den Gasgehalt des arteriellen Blutes. Er fand schon nach einer halben Stunde bei einem Sauerstoffgehalt der Inspirationsluft von 18-1 Procent den Sauerstofigehalt des Blutes um 2 Procent niedriger ls bei Beginn des Versuches. Aus den mitgetheilten Zahlen habe ich die Grösse des Sauerstoffverbrauches während der ersten Periode des Versuches berechnet; die Berechnung ergiebt eine beträchtliche Herabsetzung des Ver- jrauches schon bei mässiger Sauerstoffverarmung der Einathmungsluft. ı Annalen der Chemie und Pharmacie. Bd. CVIII. * Arbeiten des Bonner physiologischen Instituts. 1865. % Zeitschrift für physiologische Chemie. Bd.1lI. S. 19. * Paul Bert, La pression barometrique. Paris 1878, 8. 671. 398 G. Kempner: In seinen Versuchen mit Einathmung mechanisch verdünnter Luft hat Bert wiederholt schon bei einem Druck von ca. 57 ® einen Mindergehalt des arteriellen Blutes an O gefunden.” — Speck? hat eine Reihe von Ver- suchen mitgetheilt, in denen er bei Athmung einer Luft von wechseln- dem Sauerstoflgehalt den Sauerstoffverbrauch per Minute. schwanken sah von 0.823 srm hei 9.2 Procent O-Gehalt bis zu 0-786 erm hei 63-5 Pro- cent. Diese mächtigen Schwankungen bezieht Speck auf die verän- derte Zusammensetzung der Residualluft und auf Verschiedenheiten in der Menge des vom Plasma absorbirten Sauerstofls. Dass der Sauerstoff- verbrauch der Gewebe von diesen Veränderungen nicht betroffen wird schliesst er daraus, dass die CO,-Ausscheidung nicht parallel za der O-Aufnahme, — sondern im entgegengesetzten Sinne sich verändert. — Endlich haben Fraenkel und Geppert? bei Anwendung mässiger Luftverdünnungen den Sauerstoffgehalt des arteriellen Blutes bei ihren Versuchsthieren nicht sinken sehen. F Alle diese Versuche nun scheinen mir nicht geeignet die vorliegende Frage definitiv zu erledigen, und sie hätten wohl auch kaum eine so un- bestrittene Aufnahme gefunden, wenn nicht die Lösung, welche sie (die Versuche Bert’s ausgenommen) befürworteten, so ausserordentlich mit den herrschenden theoretischen Anschauungen harmonirte. Denn seit es erwiesen war, dass der Sauerstoff im Blute nicht einfach absorbirt, sondern in Form einer lockeren chemischen Verbindung vorhanden sei, hatte sich allgemein die Anschauung Bahn gebrochen, dass die Unabhängigkeit der O-Aufnahme vom Partiardruck des Gases eine nothwendige Consequenz dieses Verhaltens sei. — Was nun zunächst die Versuche von Regnault und Reiset au langt, so erscheinen mir dieselben durchaus nieht beweisend für das, was man aus ihnen geschlossen ‚hat. Regnault und Reiset haben nur mit abnorm sauerstoffreicher Luft gearbeitet und, weil sie dabei den O-Ver- brauch nicht steigen sahen, auch auf die Belanglosigkeit mässiger O-Ver- armung der Luft geschlossen. Dieser Schluss ist aber in keiner Weise zwingend. Denn die Annahme liegt ziemlich nahe, dass bei derjenigen Zusammensetzung der Luft, die auf dem Meeresniveau gegeben ist, für die in dieser Höhe lebenden Wesen ein Optimum liegt, so dass sie gerade bi diesem Sauerstoffgehalt unter den verschiedensten Verhältnissen, deren En- fluss ja durch die Mechanik der Athmung in bekannter Weise compensirt 4 wird, ihr Blut in ausreichendem Maasse mit Sauerstoff’ sättigen. Geht man ı A.2.0. p. 637 = ? Speck, Kritische und experimentelle Untersuchungen über die Wirkungen | des veränderten Luftdrucks auf den Athemprocess. Cassel 1878. zz ®» A. Fraenkel und J. Geppert, Ueber die Wirkungen der verdünnten Luft | auf den Organismus. Berlin 1883, EB Zu EINFLUSS DES Ü-GEHALTES DER LUFT AUF DIE THIERISCHE OxYDATIon. 399 von dieser Annahme aus, so ergiebt sich als nothwendige Folgerung, dass _ eine noch so hohe Steigerung des O-Gehalts der Luft keine Steigerung des O-Verbrauches, dass aber eine auch nur unbedeutende Verminderung des O-Gehalts eine Verminderung des Sauerstoffverbrauches zur Folge haben muss. In den Versuchen von W. Müller und Pflüger-Dohmen liegen wirkliche Messungen des O-Verbrauches überhaupt nicht vor; in beiden wurde eine Verminderung der Q-Aufnahme erst dann angenommen, wenn _ eine merkliche Veränderung der Athemmechanik vorlag. Pflüger recht- fertigt dieses Verfahren dadurch, dass er die Athemmechanik für das feinste Reagens auf den Gasgehalt des Blutes erklärt. Diese Behauptung ist ge- wiss richtig; aber gerade in diesem Sinne sprechen die Versuche Dohmen’s für die Abhängigkeit der O-Aufnahme vom Partiardruck des Gases. Die Athemgrösse erfährt nämlich schon eine geringe Steigerung beim Uebergang von reinem Sauerstoff zu atmosphaerischer Luft, eine bedeutendere, sobald der O-Gehalt unter die Norm herabsinkt. Die Menge der in reinem OÖ ex- spirirten Luft verhielt sich zu der in normaler Luft exspirirten wie 93: 100, bei 16 Procent O-Gehalt der Luft war das Verhältniss 117:100. — Der oben erwähnte Versuch von Friedländer und Herter ist vereinzelt und kann schon deshalb für die vorliegende Frage eine entscheidende Bedeutung “nieht beanspruchen, weil die Vff., denen es nur auf die Vergleichung der Einwirkung sehr O-armer Luft mit derjenigen mässig an O-verarmter ankam, den Normalverbrauch des Versuchsthieres in atmosphaerischer Luft gar nicht bestimmt haben. — Auch die beiden Versuche Bert’s konnten ‚eine definitive Lösung der Frage nicht bringen. Dazu ist einerseits ihre Zahl zu gering, andrerseits aber befanden sich die Thiere, denen von Zeit zu Zeit Blutproben entnommen wurden, nicht in constanten Verhältnissen. Die Versuche Speck’s scheinen mir mit Entschiedenheit für eine weitgehende Abhängigkeit der O-Aufnahme vom Partiardruck des Gases in der Ein- athmungsluft zu sprechen. Wenn der Verf. die gefundenen Verschiedenheiten auf Schwankungen in der Zusammensetzung der Residualluft und in der Menge des im Plasma absorbirten Gases zurückführt, so pflichte ich dieser Deutung bei für die bei Athmung O-reicher Luft gefundene Steigerung, nicht aber für die bei O-Verarmung der Luft gefundene Abnahme des Verbrauches. Die Gründe für meine abweichende Auffassung werde ich im letzten Theile dieser Abhandlung discutiren. — Was endlich die Versuche von Fraenkel und Geppert betrifft, so kann ich in der Deutung der mit- getheilten Zahlen mit den Verfassern nicht übereinstimmen. Ich finde die Schwankungen, welche der Gasgehalt des Blutes unabhängig von der Druck- veränderung zu verschiedenen Zeiten zeigt, so bedeutend, dass sie wohl ge- eignet erscheinen, die Abhängigkeit der O-Aufnahme von geringeren Druck- veränderungen zu verdecken. 400 . G. KEMPNER: Bei diesem Stande der Sache, da über eine Frage von fundamentaler Wichtigkeit für die Lehre von der Athmung und vom Stoffwechsel Klar- heit noch nicht herrschte, ergriff ich 1880 mit Freuden eine sich mir dar- bietende Gelegenheit, um durch eigene Versuche wenn möglich zur Klar- heit zu gelangen. Ich wurde damals aufgefordert, mich an therapeutischen Versuchen mit dem Treutler’schen Stickstoff-Inhalationsapparat zu be- theiligen. Der höchst sinnreich erdachte Apparat gestattet es, sich in jedem Moment durch einfache Drehung eines Hahnes in einem pneumatischen Doppelapparat eine beliebig O-arme und entsprechend N-reiche Luft dar- zustellen. Ich beschloss damals, die günstige Gelegenheit zunächst zur Ent- scheidung der Vorfrage zu benutzen, ob man denn damit, dass man Patienten eine um einige Procente an Sauerstoff ärmere Luft athmen lässt, überhaupt — irgend etwas in dem Ablauf der Respirations- resp. Stoffwechselvorgänge ändert. Nach den herrschenden physiologischen Anschauungen musste ich 3 das verneinen. Bei meinen Versuchen verfuhr ich so, dass ich aus dem Treutler’schen Apparat Luft von wechselndem O-Gehalt inspirirte und in ein Spirometer exspirirte. Ich arbeitete immer mit foreirten Respirationen, deren ich in jedem Versuche 8 machte; das Volumen der in- und exspirirten | Luft war in allen Versuchen das Gleiche. Die Analyse der In- und Ex- spirationsluft ergab mir den O-Verbrauch in Eitovenden, Ich gelangte auf diese Weise zu folgenden Werthen:! O-Gehalt der Insp.-Luft. O-Verbrauch. 20-9. 00... 2.0. Zee 16—17 „ en REEL 15—16 „ Dee ne DEOEARMELN 0 12—14 „ ae. 10.8—11-8 „ a Se . 3-2—9.6 „, ee: 15; 05 Die Werthe sind Mittel aus je 10 Versuchen. Ich habe selbst in ad betreffenden Publication nachdrücklich hervorgehoben, dass diese Rosuitall nur einen relativen Werth beanspruchen können, da sie unter entschieden abnormen, aber genau gleichen Verhältnissen gewonnen wurden; ferner dass 3 dieselben nur Geltung haben für die kurze Zeitdauer, auf welche ich wegen der Kleinheit meiner Apparate meine Versuche beschränken musste (80 Se- cunden). Es blieb somit unentschieden, ob bei längerer Einwirkung der O-armen Luft nicht etwa eine Ausgleichung erfolgt. Ein fernerer Einwand liess sich aus der am Anfang und am Ende eines jeden Versuches mit ı Kempner, Ueber den Sauerstoffverbrauch des Menschen bei Athmung sauer- stoffarmer Luft. Zeitschrift für klinische Mediein. Bd. IV. 8.391. ; EINFLUSS DES Ü-GEHALTES DER LUFT AUF DIE THIERISCHE OXYDATIon. 401 O-armer Luft verschiedenen Zusammensetzung der Residualluft herleiten. Dieser Einwand, den Speck! erhoben hat, ist theoretisch vollkommen richtig; dass er aber praktisch für meine in Rede stehenden Versuche nicht in Be- tracht kommt, möchte ich an dieser Stelle gegenüber der von Speck auf- gestellten Berechnung nachweisen. Speck nimmt an, ich habe in meinen 8 Respirationen 8000 °m geathmet. Demnach hätte ich bei Athmung atmosphaerischer Luft (3-6 Procent Verbrauch) 288 m O., bei 16-8 Pro- cent O 240m O und bei 8-9 Procent 128 m Ö verbraucht. Die Residual- luft, die Speck auf 1600 °°® veranschlagt, enthielt aber am Ende des Ver- suches: bei atmosphaerischer Luft 20-.9—3-6 = 17.3 Procent = 277 °m, bei 16-3 Procent 213 Cm, bei 8-9 Procent 117 Cem O, Wenn man nun die bei _ Athmung O-armer Luft am Ende des Versuches aus der Residualluft fehlende, und in den Spirometer d. h. in die analysirte Exspirationsluft übergegangene O-Menge in Rechnung zieht, so ergebe sich, dass der von mir gefundene Minderverbrauch sich vollkommen durch die veränderte Zusammensetzung der Residualluft erkläre. Die Rechnung ist ganz richtig; die Voraussetzung aber ist falsch, und mit dieser fällt natürlich die ganze Rechnung. Ich habe nämlich in 8 forcirten Respirationen nicht 8000 em, sondern ca. 17500 Cem geathmet. Diesem Luftquantum gegenüber kann man nun wohl sagen, dass ein Theil des von mir gefundenen Minderverbrauches sich durch die veränderte Zusammensetzung der Residualluft erkläre; das Factum aber, | _ dass schon bei mässiger O-Verarmuug eine Herabsetzung des O-Verbrauchs ' eintritt, bleibt sicher bestehen. Noch gesicherter erscheint dieses Ergebniss ' wenn man die Menge der Residualluft nicht mit Grehant und Speck auf 1600 em veranschlagt, sondern den Werth von ca. 500 m für dieselbe annimmt, welchen Kochs in seinen nach einer von Pflüger angegebenen Methode angestellten Untersuchungen neuerdings gefunden hat.? — Immerhin konnten schon ihrer kurzen Zeitdauer wegen diese Versuche zur definitiven Entscheidung einer so wichtigen Frage nicht ausreichend erscheinen. Ich ent- schloss mich daher im Jahre 1882 den Gegenstand von einer anderen Seite ausin Angriff zu nehmen. Ich unternahm (im Laboratorium des Hrn. Dr. Herter) eine Reihe von Thierversuchen, in denen ich nicht die procentische Abnahme des Sauerstoffs in der Exspirationsluft gegenüber der Inspirationsluft be- stimmen, sondern den in der Zeiteinheit verbrauchten O direct messen . wollte” Das geschah mit Hülfe eines dem Regnault-Reiset’schen nach- gebildeten Apparates, der abwechselnd mit atmosphaerischer und mit mässig 1 Deutsches Archiv für klinische Medicin. Bd. XXXIU. 1. S. 55. ® Zeitschrift für klinische Mediein. Bd. VII. S. 487. ® Kempner, Ueber den Einfluss mässiger Sauerstoffverarmung der Einathmungs- luft auf den Sauerstoffverbrauch der Warmblüter. Virchow’s Archiv u. s. w. Bd. LXXXIX. S. 290. Archiv f. A.u. Ph. 1884. Physiol. Abth. 26 402 (&. KEMmPpNER: O-armer Luft gefüllt wurde, und in welchem kleine Thiere sich vollkommen frei bewegten. Durch geeignete Ventilation wurde die Kohlensäure ent- fernt, der nachströmende Sauerstoff wurde direct gemessen. Die ziemlich grosse Versuchsreihe, die an Säugethieren und Vögeln angestellt wurde, er- gab für die Säugethiere eine ausnahmslose Bestätigung der vorher für den Menschen gefundenen Resultate. Schon bei mässiger O-Ver- armung der Einathmungsluft ergab sich in 16 Versuchen an Ratte, Kanin- chen und Hund immer, in 10 Versuchen an Taube und Canarienvogel 7 Mal eine Herabsetzung des Sauerstoffverbrauches. Diese Versuchsreihe nun erschien mir allerdings beweisend und einwandsfrei; es müsste denn Jemand auf die sonderbare Befürchtung verfallen, dass in den 26 Doppel- versuchen die Thiere sich immer bei normaler Athemluft viel bewegt, in O-armer Luft aber ruhig verhalten haben. Der Einwand ist sehr unwahr- scheinlich; immerhin aber könnte er von Jemand erhoben werden, der etwa eine narkotisirende Einwirkung der O-armen Luft annimmt, von der beim Menschen ja schon vielfach die Rede gewesen ist und die für höhere Grade der O-Verarmung schon Lavoisier und S&guin beobachtet haben. Jeden- falls schien es mir bei einer so wichtigen Frage gerathen, lieber Beweis auf Beweis zu häufen als irgend einen Zweifel bestehen zu lassen; und ich ergriff daher gern die sich mir darbietende Gelegenheit, durch eine dritte, abermals ganz verschiedene Methode die schon auf zwei anderen Wegen gewonnenen Ergebnisse zu bestätigen. So entstand die Versuchsreihe, zu deren Beschreibung ich nunmehr übergehe. Vor Kurzem hat Lehmann! einen Apparat zur Unterhaltung der | künstlichen Respiration beschrieben, der mit einer bisher ungekannten Voll- kommenheit den natürlichen Gang der Athmung nachahmt und daher viele Stunden lang angewandt werden kann, ohne die Störungen der Circulation hervorzurufen, welche die meisten früheren Methoden der künstlichen Ven- tilation so unangenehm complicirten. Die Beschreibung dieses Apparates legte mir den Gedanken nahe, mit seiner Hülfe nun einmal die Einwirkung Ö-armer Luft in zeitlich möglichst ausgedehnten Versuchen an Thieren zu prüfen, bei denen die Selbstthätigkeit bei der Athmung ebenso wie jede Muskelaction überhaupt vollkommen ausgeschlossen war, d. h. an künstlich ventilirten und curarisirten Thieren. Das war gewissermaassen das Pendant zu meinen früheren Versuchen, in welchen die Thiere sich vollkommen frei und unbehindert bewegt hatten, und wo allen etwa vorhandenen nervösen und musculären Einflüssen freier Spielraum gegeben war. Falls sich am curarisirten Thiere ein anderes Ergebniss herausstellte, als am freien, spontan ı Verhandlungen der Berliner physiologischen Gesellschaft. Dies Archiv, 1883. S. 456. - en EINFLUSS DES Ö-GEHALTES DER LUFT AUF DIE THIERISCHE OXYDATION. 403 athmenden, so konnten dadurch die früher gewonnenen Resultate zwar nicht erschüttert werden, wohl aber musste eine Bestätigung der früheren Ergebnisse am eurarisirten Thiere dieselben um so beweiskräftiger erscheinen lassen. Und für die Deutung der Befunde, für die Theorie der Einwirkung sauerstoffarmer Luft schienen mir gerade die Versuche am curarisirten - Thiere bedeutungsvoll. Handelte es sich nämlich dabei um eine rein phy- sikalisch-chemische Einwirkung, so musste die am normalen Thiere ge- fundene Herabsetzung des O-Verbrauches sich auch am curarisirten Thiere, und hier sogar in noch verstärktem Maasse finden; denn hier fallen die Compensationsbestrebungen durch die Veränderung der Athemmechanik, auf die ich in meinen früheren Thierversuchen aufmerksam geworden war, fort. War dagegen das primäre Moment etwa eine unter dem Einfluss des O-Mangels auf nervösem Wege erzielte Herabsetzung der Oxydations- processe innerhalb der Gewebe, die erst secundär eine Heraksetzung des O-Verbrauchs bedingt, so konnte die am freien Thiere beobachtete Vermin- derung des O-Verbrauches durch die Einwirkung der Curarenarkose fortfallen. Zur Ausführung meiner Versuche diente mir der im vorstehenden Auf- satze beschriebene Apparat, welcher direct für diese Versuche auf meine Veranlassung von Hrn. Prof. Zuntz zusammengestellt wurde. Die Compli- eirtheit des Apparates und die grosse zeitliche Ausdehnung der Versuchs- reihen brachten so grosse Schwierigkeiten mit sich, dass die Durchführung _ der Versuche mir nicht möglich gewesen wäre ohne die opferfreudige Unter- stützung, die Hr. Prof. Zuntz mir dabei angedeihen liess, und für welche ich demselben zu dauerndem Danke verpflichtet bleibe. Während ich von einer Beschreibung des Apparates vollkommen ab- sehe und: in dieser Beziehung lediglich auf den vorstehenden Aufsatz ver- weise, will ich hier einige wenige Worte über den zeitlichen Gang der Versuche einfügen. Nachdem das Kaninchen, welches stets 24 Stunden vor Beginn des Versuches keine Nahrung erhalten hatte, tracheotomirt war, ‚wurde es in ein warmes Wasserbad versenkt, dessen Temperatur während ‚der ganzen Dauer einer Versuchsreihe mit Hülfe eines Thermoregulators ‚ auf ca. 38.6°C. erhalten wurde. Alsdann wurde es mit demjenigen der beiden Spirometer, der atmosphaerische Luft enthielt, verbunden. Sobald die Temperaturverhältnisse constant geworden und andere etwa vorhandene Störungen beseitigt waren, stellte sich stets eine ziemlich grosse Constanz des O-Verbrauchs, der an der Gasuhr alle zehn Minuten abgelesen wurde, heraus. Nachdem das Thier hinreichend lange atmosphaerische Luft ge- athmet hatte, wurde in der von Zuntz geschilderten Weise umgeschaltet und das Thier mit dem anderen Spirometer verbunden, in welchem durch ' geeignete Einstellung der Spirometerglocke dafür gesorgt war, dass das | Thier den O-Gehalt der Luft bis auf einen bestimmten Procentgehalt 26* 404 G. KEMPNER: herunterathmen musste. Während nun das Thier die O-arme Luft athmete, wurde der Verbrauch in derselben Weise wie vorher controlirt. Sobald der Versuch lange genug gewährt zu haben schien, wurde abermals um- geschaltet und das Thier wieder mit atmosphaerischer Luft in Verbindung gesetzt. Dieser Wechsel wurde so lange fortgesetzt, bis entweder das Ver- halten des Thieres oder die Ermüdung des Experimentators demselben ein Ziel setzte. — Der O-Gehalt der Luft wurde nach Beendigung eines jeden Einzelversuches an einer aus dem Apparate entnommenen Probe nach der Hempel’schen Methode bestimmt. — Die Kohlensäure wurde in den Expirationsventilen durch Kalilauge absorbirt. In einigen Versuchsreihen wurde die Menge der in jedem Versuche ausgeschiedenen Kohlensäure bestimmt. Zu diesem Zwecke wurde die Lauge, sowie das ausgekochte Wasser, das zur zweimaligen Ausspülung der Ventile gedient hatte, in einem Kolben gesammelt und auf 500 “m mit ausgekochtem Wasser auf- gefüllt. Mit Hülfe einer Normalsäure wurde dann der Grad der Alkalescenz in dieser verdünnten Lauge und in einer Mischung derselben mit gleichem _ Volumen Chlorbaryum durch Titrirung bestimmt. Die Differenz ergiebt den Kohlensäuregehalt der Lauge. — Hervorgehoben sei noch, dass wäh- rend der ganzen Dauer der Versuche die Lehmann’sche Pumpe zur Unter- haltung der künstlichen Respiration vorzüglich functionirte. Der Gang der- selben war so geregelt, dass in der Minute 30 Respirationen erfolgten, Den Gang der einzelnen Versuche werde ich durch Mittheilung der ausführlichen Protocolle am Schlusse dieser Arbeit veranschaulichen. Ich will aber auch an dieser Stelle eine Zusammenstellung der Resultate geben, indem ich den O-Gehalt der Inspirationsluft und den auf 0° und 760 "m Druck reducirten Werth des O-Verbrauches pro Minute für jeden einzelnen Versuch gegenüberstelle, den Ablauf der Versuchsreihe graphisch darstelle! und einige epikritische Bemerkungen an die Mittheilung jeder Versuchs- reihe anschliesse. Il. Versuch vom 29. November 1883. 1),,22.0 Proc.HQ, a 1.0%#5.. |,14-57 Cm. pro4Minute DAN ann Si: re 12 % 3,20. On A aid ? 4, euer Te ABEED h ! In den Curven bedeutet die ausgezogene Linie den Procentgehalt der Inspira- tionsluft an O, die gestrichelte den Sauerstoffverbrauch, die punctirte die CO,-Ausschei- dung in Cubikcentimeter für die Minute berechnet. Be: n»\ 772 a u = 5 - a ee H EINFLUSS DES O-GEHALTES DER LUFT AUF DIE THIERISCHE OXYDATION. 405 Bei dem mächtigen Abfall, welchen der O-Verbrauch im vierten Ver- suche zeigt, ist offenbar neben der O-Verarmung der Luft auch das all- mähliche Erlahmen des Thieres, das am Ende des Versuches abstarb, ' betheilist. Die letzten, augenscheinlich pathologischen Werthe sind bei Ku Vor /Z 9. Fig.1. der Berechnung des Verbrauches ausser Acht gelassen worden. Jedenfalls aber verdient es als auffallende Thatsache hervorgehoben zu werden, dass das curarisirte Thier nach vielstündiger Einwirkung der Narkose in diesem Falle schon bei einem Sauerstoffgehalt der Luft von 13-5 Procent zu Grunde ging. ll. Versuch vom 3. December 1883. 2728°8 Proc. O0; . .:. 12.42%m pro Minute Een 0.050,10 50 si 2 a Kı 92 > INES “ N N: on, 1086.00 £ en 0 0. 10-89, , “ 6) 29-5 „ „ er LER Offenbar hat auch dieses Thier unter der Curarenarkose gelitten und sich während der letzten Versuche unter pathologischen Bedingungen be- funden. Die absolute Grösse des O-Verbrauches sinkt allmählich ab, aber immer noch macht sich das Gesetz geltend, dass der O-Verbrauch sich in derselben Richtung bewegt wie der O-Gehalt der Inspirationsluft; nur tritt in Folge der gesunkenen Lebensenergie dieses Verhalten weniger deutlich hervor. 406 Zeit.: 12 42% 1 192 22% 3.:.3% 4 u 5 5% 66% 1 7% 8 8% 9. N ı Ill. Versuch vom 28. December 1883. (4. KEMPNER: Fig. 2. Thier nicht eurarisirt, spontan athmend. 1) 14-6 Proc. 2) 14-5 > 3) 11-8 ;; 4) 0-00, A BD). DI ae 6) a. 13.75 5 b. 19:0 5 c. 11-0 R d. 18.0 r e. 10-8 > fi 77 2 7) 28.8 I 10:0 em pro Minute 9-22 9-30 8-29 10-86 11-14 11-16 11:06 12-58 10-95 8-8 13-51 ” Dieser Versuch bietet in mehrfacher Hinsicht ein besonderes Interesse dar. Zunächst zeigt er, dass das nicht curarisirte Thier den O-Mangel viel besser verträgt, als das curarisirte. Selbst bei dem O-Gehalt von 6 Procent war der O-Verbrauch wohl bedeutend verlangsamt, aber vol- kommen regelmässig und der Puls zeigte keine abnormen Erscheinungen. EINFLUSS DES Ö-GEHALTES DER LUFT AUF DIE THIERISCHE ÜXYDATION. 407 Gerade an diesem Tage erhielten wir, vermuthlich durch eine Ver- unreinigung unserer Sauerstoffquelle, immer niedrigere Ö-Werthe, als wir beabsichtigten, und -athmete das Thier elf Stunden lang ununterbrochen eine mehr oder weniger O-arme Luft. Ich glaube, dass die abnorme Steigerung, welche der erste Werth des sechsten Versuches gegenüber dem im fünften Versuche erhaltenen zeigt, sich hieraus erklärt, dass unter | el Zeft. 2 2» ı m 2 3 u 4 5 53% 6 6%" 7 TR 83 8% 9 9% 0 Wem Fig. 3. Einwirkung einer Luft von 17 Procent O sich das Thier erst einigermaassen von der Einwirkung des stärkeren O-Mangels erholte, dem es Stunden lang vorher ausgesetzt gewesen war, und dass dabei der Stoffwechsel sich all. mählich hob. — Der sechste Versuch zerfällt, wie in der Tabelle angedeutet, in sechs Abtheilungen, da ich in diesem Falle, während das Thier an einem Spirometer athmete, sechs verschiedene Luftmischungen herstellte. Nachdem das Thier über eine halbe Stunde an dem Spirometer geathmet hatte, entnahm ich mit der Hempel’schen Gasbürette 80 Cem Gas aus dem Apparat, das einen Ö-Gehalt von 13.75 Procent aufwies. Da für das ent- nommene Gas natürlich O in den Apparat nachgeströmt war, so hob sich jetzt der Ö-Gehalt auf 19 Procent (berechneter Werth). Nachdem das Thier zwanzig Minuten lang diese Luft geathmet hatte, wurden 80 “em atmosphaerische 408 (4. KEMPNER: Luft in den Apparat eingeblasen. Eine Stunde später wurden 99 Cem Gas aus dem Apparat genommen und zeigten einen Sauerstoffgehalt von 11 Pro- cent. Durch den nachströmenden Sauerstoff änderte sich jetzt wieder die Zusammensetzung der Luft im Apparat so, dass dieselbe 18 Procent O ent- hielt (berechneter Werth). Nach einer halben Stunde wurden die in den entnommenen 99m enthaltenen 88 Cem Stickstoff in den Apparat zurück- injieirt und dadurch der O-Gehalt in demselben auf 10-8 Procent herab- gedrückt. Durch nochmalige Injection von 27 Cm Stickstoff wurde schliess- lich ein O-Gehalt von 7-7 Procent erzielt. — Wie die Tabelle zeigt, folgte der O-Verbrauch mit mehr oder weniger deutlichen Ausschlägen den Schwan- kungen des O-Gehaltes. Dem Umstande, dass während der ersten Versuche das Thier sich noch von der langen, vorhergehenden Einwirkung starken O-Mangels erholt, ist es wohl zuzuschreiben, dass die Differenz zwischen Versuch 6a und b so gering ausfällt. Immerhin verläuft die Curve des O-Verbrauches in demselben Sinne, wie die des O-Gehaltes, und der Ver- such beweist, dass das gefundene Verhalten auch in kürzeren Experimenten, als ich sie anzustellen pflegte, nachweisbar ist. Der ganze Versuch 6 hat von 7% 4’ bis 10% 50 gedauert. — Eine besondere Beweiskraft erlangte der Versuch noch dadurch, dass es mir nach Beendigung desselben gelang, zum ersten Male an diesem Tage eine sauerstoffreiche Luft von 28.8 Pro- cent darzustellen und dabei den Verbrauch von 8.8 Cm auf 13.51 m pro Minute ansteigen zu sehen. Nach diesem Versuche musste ich, da die Gasuhr undicht wurde, mich der von Zuntz beschriebenen Modification des Apparates bedienen, bei welcher der nachtretende Sauerstoff in calibrirten Cylindern gemessen wurde. Von diesen Cylindern waren zwei vorhanden, so dass, während der eine sich . entleerte, der andere gefüllt werden konnte. Auf diese Weise wurde eine _ Unterbrechung der Sauerstoffzufuhr zum Zwecke der Füllung des Cylinders vermieden. Was jetzt gemessen und protocollirtt wurde, war also nicht die Sauerstoffmenge in Cem, die in einer bestimmten Zeit in den Apparat eintrat, sondern die Zeit, innerhalb welcher ein bestimmtes Quantum O in den Apparat nachströmte. Ich habe über zwei Versuchsreihen, die mit dem so abgeänderten Apparat angestellt wurden, zu berichten. IV. Versuch vom 25. Februar 1884. CO,-Ausscheidung. 1).18..0. Proc. Outer ri, Min. ie ee ereee Delhi, ee ee 14-39 A Be, a RETTET ee ren 13-408 LI EINFLUSS DES O-GEHALTES DER LUFT AUF DIE THIERISCHE ÜXYDATION. 409 6) 15-0 Proc. OÖ . . . . 12.52Cm pro Min. 11.09 5, eg, 7-76 en ee . 10-70 eV nlaeiae. na an A, 5.76 z + / 212 12a1ı 1% 2 2a2 3% 4 4% 5 5% 6 6% 7 7a 8 PR > Fig. 4. Die ersten 6 Versuche dieser Reihe zeigen einen dem bisher gefun- denen Gesetze entsprechenden Verlauf; in Versuch 5 und 6 aber erscheint schon die absolute Grösse des O-Verbrauchs des in dieser Versuchsreihe wieder curarisirten Thieres gegen die ersten Versuche verringert. Von Versuch 6 ab macht die Erlahmung des Thieres unter der combinirten Einwirkung sechsstündigen O-Mangels und der Curarenarkose so rapide Fortschritte, dass der daraus resultirende Abfall des O-Verbrauchs die Ein- wirkung des wechselnden O-Gehalts der Luft vollkommen verdeckt. Während der Ö-Gehalt in vier Versuchen zwischen 21 Procent und 14.8 Procent schwankt, fällt der O-Verbrauch in grader Linie ab (s. Curve IV). Wir stossen hier auf eine Fehlerquelle, durch deren Einfluss unter Umständen das Resultat verdeckt werden kann; ein unberechenbarer Factor, die Ermüdung des Thieres, tritt in Wirksamkeit und stört den Ablauf des Experimentes. Der Zeitpunkt, wann das geschieht, ist natürlich von der Individualität abhängig und in keinem Einzelfalle vorauszusagen. Von der Unberechenbarkeit dieses Factors habe ich mich durch eine stattliche Reihe . missglückter Experimente überzeugen müssen, die daran scheiterten, dass das curarisirte Thier schon in den ersten Stadien des Versuchs bei mässiger O-Verarmung zu Grunde ging. — In dieser Versuchsreihe ist auch eine 410 G. KEMPNER: Anzahl von CO,-Bestimmungen ausgeführt und mit einer punktirten Linie in die Curve eingezeichnet worden. V. Versuch vom 3. März 1883. CO,-Ausscheidung. 1283-5, PD... ...4u420.99 Ru neo Min. 23.93 Com 2), 2 2 TE 17.4024; 3) 18:7 Bl 2: Sram 15-27 4 4) 22.8 BR. 16:65 „ 5) 153 Der 6) 21-2: BEE! =... ee er 16-09 „, 7) 148 BE ee 18:91, | 2% 3: IB EN 5560 7 ENT x Fig. 5. In dieser Versuchsreihe zeigt die Curve einen fast vollkommenen Parallelismus zwischen O-Gehalt und O-Verbrauch. Die CO,-Ausscheidung ist auch hier bestimmt und in die Curve eingezeichnet worden. — Zur Erklärung des abnorm hohen CO,-Werthes in Versuch 1, wo der respi- ratorische Quotient auf 1-14 steigt, muss ich bemerken, dass vor Beginn des regulären Versuches durch ein Versehen bei der Handhabung des Apparates ein starker Minusdruck in demselben entstanden war, wodurch der O-Verbrauch des Thieres enorm sank. Zugleich hatte wahrscheinlich eine CO,-Anhäufung im Blute stattgefunden, und als nun das Thier in einer Luft von 23-5 Proc. O normal zu respiriren anfing, entstand auf diese Weise die abnorme Steigerung der CO,-Ausscheidung, die mit der CO,-Bildung wohl nicht zusammenhängt. Aus vorstehenden Versuchen ergiebt sich als Resultat für die Sauer- stoffaufnahme: dass dieselbe zwischen 20 und 30 Procent O-Gehalt der Inspirationsluft eine Abhängigkeit vom Partiardruck des Sauerstoffs nicht erkennen lässt. Innerhalb dieser Breite finden _ EINFLUSS DES Ü-GEHALTES DER LUFT AUF DIE THIERISCHE ÖXYDA'IoN. 411 sich irreguläre Schwankungen, für welche ich eine Erklärung nicht zu geben vermag. Sobald aber der O-Gehalt auch nur um wenige Pro- cente unter die Norm sinkt, so sinkt auch der Sauerstoffver- brauch; dieses Verhalten ist schon bei einem O-Gehalt der In- spirationsluft von 18 Procent unverkennbar deutlich ausgeprägt. Dass eine absolute Proportionalität zwischen O-Gehalt und O-Verbrauch sich innerhalb der einzelnen Versuchsreihen nicht nachweisen liess beruht wohl darauf, dass selbst das curarisirte und künstlich ventilirte Thier noch immer nicht einer Maschine gleichzusetzen ist, sondern in verschiedenen Phasen des Versuches sich unter verschiedenen Lebensbedingungen befinden kann, wobei besonders an Aenderungen der Circulation sowie der Thätigkeit der auch beim curarisirten Thiere vom Centralnervensystem noch abhängigen glatten Musculatur und der Drüsen gedacht werden muss. — Das erklärt es, dass einem O-Gehalt von z. B. 15 Procent in einem Falle ein stärkerer, im anderen Falle ein schwächerer Abfall des Verbrauchs entspricht; immer aber bleibt das Gesetz bestehen, dass bei Athmung O-armer Luft niemals der Verbrauch auf die Höhe steigt, die er unter an- nähernd gleichen Lebensbedingungen bei Athmung normaler Luft erreicht. — Dieses Verhalten entspricht durchaus der Ueberlegung, die ich in der Einleitung an Jie Versuche von Regnault und Reiset an- geknüpft habe; es unterstützt die Annahme, dass die normale Zusammen- setzung der Atmosphaere auf dem Meeresniveau für die in dieser Höhe lebenden Organismen einen Grenzwerth darstellt, jenseits dessen eine Zu- nahme des O-Gehalts den Verbrauch nicht steigert, eine Abnahme aber ihn sofort verringert. Immerhin ist aber die erstere Folgerung cum grano salis aufzufassen. Der O-Verbrauch wird allerdings gegenüber der Norm nicht gesteigert, wohl aber wird die O-Aufnahme eine vorübergehende Steigerung erfahren, weil die vom Plasma absorbirte Menge proportional dem Drucke wachsen muss. Jedenfalls ist das hier in Betracht kommende Plus von Sauerstoff in Folge des niedrigen Absorptionscoöfficienten des Plasma’s für O (0.0262 nach Zuntz) nur sehr unbedeutend und kommt für den Stoffwechsel nicht in Betracht. Für O-Spannungen zwischen 20 und 30 Procent ergiebt sich das aus meinen oben mitgetheilten Versuchen; für höhere Steigerungen des Procentgehaltes an O beweisen es die inzwischen von E. Herter mitgetheilten Versuche von Lukjanow!. Die Steigerung der O-Aufnahme, die Speck bei seinen kurzdauernden Versuchen mit Ein- athmung Ö-reicher Luft fand, führt dieser Autor daher gewiss mit Recht wesentlich auf die veränderte Zusammensetzung der Residualluft zurück. Für die Erklärung der verminderten O-Aufnahme in O-armer Luft, 1 Fortschritte der Medicin. Bd.II. Heft 8. 412 G. KEMPNER: die ich in den vorstehenden und in meinen früheren Thierversuchen ge- funden habe, kann natürlich die Residualluft nicht herangezogen werden, denn in beiden Versuchsreihen ist der O-Verbrauch durch directe Messung der in der Zeiteinheit nachströmenden Gasmenge, nicht durch die Bestim- mung der procentischen Zusammensetzung der Exspirationsluft ermittelt worden. (Gregenüber den von mir beobachteten, theilweise gewaltigen Aus- schlägen können auch Verschiedenheiten der Menge des im Plasma absor- birten Sauerstoffs nicht in Betracht kommen, wie sich durch eine einfache Ueberschlagsrechnung beweisen lässt. Ein Kaninchen von 13008" Gewicht enthält etwa 100m Blut und weniger als 900 em Gewebsflüssigkeiten. Von den 100 em Blut sind etwa 25 Cm arteriell, 75 Cem venös; erstere ent- halten etwa 14 Procent O (s. Walter, Arch. f. exp. Path. VIL S. 148), letztere etwa 9 Procent. Die Gewebsflüssigkeiten können höchstens diejenige Menge O enthalten, welche Wasser bei Sättigung mit atmosphaerischer Luft besitzt, d. h. 0-5 Procent; factisch enthalten sie viel weniger; so fand O. Hammersten bei curarisirten Thieren 0.1 Procent im Mittel von 9 Ana- lysen. Summiren wir diese Werthe, so finden wir: 25 Cem arterielles Blut enthalten höchstens 3-5 m 0 75 „ venöses „ „ „ 675, 900 „ Gewebsflüssigkeit ,, > Be Das ganze Thier enthält höchstens 1475, „ Wie man sieht, kommt der ganze O-Vorrath des Körpers nicht in Betracht gegenüber den von mir gefundenen Herabsetzungen des O-Ver- brauchs. Man ist daher zu der Annahme genöthigt, dass die Oxydations- processe im Körper thatsächlich herabgesetzt werden. Natürlich kann das nur dadurch vermittelt werden, dass der O-Gehalt im Blute, d. h. der O-Reichthum der Blutkörperchen sinkt. — Für die Erklärung dieses Sinkens sind zwei Möglichkeiten gegeben. Die eine Erklärung, auf welche ich in meinen früheren Arbeiten über den Gegenstand hingewiesen habe, beruht 5 auf einem von Hoppe-Seyler (Physiol. Chemie IIL. S. 552) entwickelten Gedankengang. Da die Diffusionsgeschwindigkeit eines Gases durch eine Membran proportional ist dem Drucke, den das Gas auf die Membran ausübt, so wird bei vermindertem O-Druck weniger O als in der Norm in der Zeiteinheit aus der Lungenluft in das Blut übertreten. Bei gleichblei- bendem Haemoglobingehalt des venösen Blutes und gleichbleibender Ge- schwindigkeit der Circulation wird also unter der Einwirkung O-armer Luft eine Herabsetzung der O-Aufnahme eintreten müssen, die ihrerseits eine Verminderung der Oxydationsprocesse bewirken kann. — Dieser Theorie steht ein Bedenken gegenüber. In der Norm werden an die Geschwindig- keit der Diffusion so geringe Anforderungen gestellt, dass nach einer von EINFLUSS DES O-GEHALTES DER LUFT AUF DIE THIERISCHE OXYDATION. 413 Zuntz! angestellten Berechnung durch den Quadratcentimeter Alveolenfläche nur 0-0003 ©® OÖ in der Minute hindurchtreten, während Exner durch seine Seifenlamellen ein 2000 mal grösseres Volumen diffundiren sah. Es ergiebt sich daraus, dass es nur minimaler Spannungsdifferenzen zwischen dem O-Gehalt des Blutes und der Luft bedarf, um dem ersteren noch eine volle Sättigung mit Sauerstoff zu ermöglichen. — Man wird daher vielleicht mit mehr Recht an eine andere Erklärungsmöglichkeit denken: In Berührung mit O-armer Luft wird immer noch eine vollkommene Spannungsausgleichung zwischen Lungenluft und Plasma stattfinden; unter Einwirkung des geringeren O-Gehalts im Plasma aber wird eine vollständige Sättigung der Blutkörper- chen mit O nicht mehr möglich sein. Nach den bisher stets als maass- gebend angeführten Versuchen Worm Müller’s erscheint eine solche An- nahme allerdings nicht statthaft, da dieser Autor die Bindung des O durch das Haemoglobin vom Partiardruck des O unabhängig fand. Indessen sind gegen die Beweiskraft dieser Versuche von Zuntz wohlbegründete theore- tische Einwendungen erhoben worden, und gewisse Versuchsresultate von Paul Bert und von Fraenkel und Geppert erscheinen mit der Lehre Worm Müller’s nicht vereinbar. | Wenn auf diese Weise die Entstehung eines geringeren O-Gehaltes im Blute erklärt ist, so entsteht die weitere Frage, weshalb und auf welche Weise dieses bei geringer O-Verarmung der Luft doch gewiss nur unbedeutende Minus an O _ im Blute eine Herabsetzung der Oxydationsprocesse bewirkt. Denn es ist ja bekannt, dass normaler Weise auf dem Wege durch die Gewebe nicht aller OÖ dem Blute entzogen wird, dass vielmehr das venöse Blut noch recht be- trächtliche Quantitäten von O enthält. — Auch diese Frage ist einer dop- pelten Beantwortung fähig. Denn einerseits ist das eben Gesagte wohl richtig für das mittlere Venenblut, wie es in den grossen Hohladern dem rechten Herzen zuströmt; das führt noch reichliche Mengen von O. In bestimmten Organen aber, so namentlich in der Leber, enthält das Venen- blut schon im normalen Zustande nur äusserst geringe Quantitäten von O. Wenn nun diese Organe ein auch nur wenig sauerstoffärmeres Blut er- halten, so kann sehr wohl der Fall eintreten, dass der vorhandene O ver- zehrt und doch der Bedarf nicht vollständig gedeckt wird, womit sich ein Absinken der Gesammtoxydationen im Körper erklären würde. — Die zweite Erklärungsmöglichkeit beruht darauf, dass gewisse Oxydationsvorgänge im Organismus offenbar an eine relativ hohe Sauerstoffspannung im Blute gebunden sind. Die schlagendste Analogie für dieses Verhalten bietet der bekannte Fundamentalversuch mit dem glimmenden Spahn, der in atmosphaerischer Luft, d.h. bei einem Partiardruck des O von 150", eben ! Zuntz, Physiologie der Blutgase und des respiratorischen Gaswechsels. 8. 9%. 414 (4. KEMPNER: nur glimmt, in reinem O aber mit heller Flamme brennt. Ein dem ent- sprechendes Verhalten hat Alex. Schmidt im Erstickungsblut nachgewiesen. Dasselbe enthält stets eine Menge oxydabler Substanzen neben mehreren Volumprocenten O. Trotzdem finden in demselben keine Oxydationen statt; dieselben treten aber sofort ein, sobald man dem Blute einen Ueberschuss von O hinzufügt. Man könnte demnach die Herabsetzung der Oxydations- processe bei Athmung O-armer Luft darauf zurückführen, dass gewisse ÖOxydationen, die bei normal gesättigtem Blute auftreten, fortfallen, sobald die Sauerstoffspannung im Blute unter die normale Höhe herabsinkt. Für die Herabsetzung der Oxydationen, die ich bisher schon aus’ der Grösse der Herabsetzung des O-Verbrauchs als erwiesen angesehen habe, sprechen auch die allerdings nicht zahlreichen Werthe, welche ich für die CO,-Ausscheidung in O-armer Luft ermittelt habe. Die Betrachtung der Curven lehrt, dass durch den O-Gehalt der Luft die CO,-Ausscheidung in demselben Sinne, aber in geringerem Maasse wie der O-Ver- brauch beeinflusst wird. — Das Factum kann vielleicht eine Stütze ab- geben für die Lehre, dass im Organismus, ganz unabhängig von der O-Auf- nahme, Spaltungsprocesse verlaufen, welche zur CO,-Bildung führen. Denn das geschilderte Verhalten würde sich ungezwungen durch die Annahme. erklären, dass in O-armer Luft zwar die vom Ö-Zutritt abhängigen Oxy- dationen Einbusse erleiden, die Spaltungsprocesse aber ruhigen Fortgang nehmen. Unter diesen Verhältnissen müsste die Curve der CO,-Bildung zwar gleichgerichtete, aber geringere Ausschläge zeigen als die des O-Ver- brauchs. — Andererseits aber darf nicht vergessen werden, dass das beob- achtete Verhältniss zwischen beiden Curven bei herabgesetzter 0O,-Pro- duction auch aus rein physikalischen Gründen erklärt werden kann. Bei verminderter CO,-Production und gleich bleibender Ventilations- grösse muss der Procentgehalt der Lungenluft an CO, natürlich sinken; dadurch werden die Ausscheidungsbedingungen der CO, aus Blut und Ge- weben günstiger und es wird — während der Periode verminderter CO,- Production — ein gewisses Quantum CO, zur Ausscheidung gelangen, welches schon praeformirt in den Geweben vorhanden war. Daher wird während dieser Periode ein Absinken der ausgeschiedenen CO,-Menge wohl zu beob- achten sein, aber nicht in dem Maasse, wie es der Herabsetzung der Pro- duction entspricht. — Genau die entgegengesetzte Ueberlegung gilt für die Zeiten gesteigerter CO,-Production, in welchen wieder eine Anhäufung von CO, in Blut und Geweben stattfindet. Auch diese physikalischen Gründe sind vollkommen ausreichend, um unter der Annahme einer dem vermin- derten O-Verbrauch proportionalen Herabsetzung der CO,-Ausscheidung: das Verhalten der beiden Curven zu einander zu erklären. — Das hohe theoretische Interesse, das der durch die vorstehenden m EINFLUSS DES Ö-GEHALTES DER LUFT AUF DIE THIERISCHE OXYDATION. 415 Versuche neu bestätigten Thatsache innewohnt, bedarf wohl keiner besonderen Darlegung; durch dieselbe ist der Nachweis erbracht, dass trotz der che- mischen Bindung des Sauerstofls durch das Haemoglobin, die Sauerstoff- aufnahme vom Partiardruck des Gases abhängig ist, sobald die Spannung desselben unter die in der normalen Atmosphäre gegebene herabreicht. Aber auch vom praktischen Gesichtspunkte aus dürfte dieses Factum einige Beachtung verdienen. Zunächst für das Verständniss der vielumstrittenen und vielerklärten Bergkrankheit. Wenn schon bei einem O-Gehalt der Luft von 18 Procent die O-Aufnahme herabgesetzt gefunden wird, so ist man allerdings berechtigt, die Symptome der Bergkrankheit als Folge- erscheinungen des O-Mangels aufzufassen. Dass die Bergkrankheit schon in relativ geringen Höhen häufig mit grosser Heftigkeit auftritt, erklärt sich aus den mit jeder Bergbesteigung verbundenen Muskelanstrengungen, die den O-Verbrauch enorm steigern, und dadurch ein weit schrofferes Miss- verhältniss zwischen O-Bedarf und ÖO-Aufnahme schaffen, als es jemals in der Ruhe vorhanden ist. Möglich ist es immerhin, dass auch manche der anderen, als Veranlassungen der Bergkrankheit beschuldigten Momente als Hülfsursachen bei der Entstehung derselben betheiligt sind, so die Ueber- anstrengung der Muskeln, die Blendung auf Schneefeldern u. s. w., das wesentliche Moment werden wir aber mit P. Bert in der O-Verarmung des Blutes und der Gewebe suchen müssen. — An diese Erörterung schliesst sich - von selbst die Frage, wie sich denn die eingeborenen Bevölkerungen hoch- gelegener Gebirgsländer in Bezug auf ihre Sauerstoffaufnahme verhalten? Soll man in der That annehmen, dass diese Leute, an deren körperliche Leistungsfähigkeit das Leben doch hohe Anforderungen zu stellen pflegt, im Vergleich zu den Bewohnern des Flachlandes eine Herabminderung der | | 2 Oxydationsprocesse in ihrem Organismus zeigen? Jourdanet hat auf Grund einer langjährigen ärztlichen Praxis in den Hochplateaus von Mexico diese Behauptung aufgestellt. Er giebt an, dass die dortige Bevölkerung eine abnorme Blässe, geringe Widerstandsfähigkeit gegen Erkrankungen und im Ganzen eine verminderte Lebensenergie zeigt; auch will er constatirt haben, dass das arterielle Blut dieser Menschen zwar nicht weniger rothe Blutkörperchen enthält, aber weniger hellroth gefärbt ist, so dass die Farben- differenz zwischen arteriellem und venösem Blut weniger auffallend ist, als wir es zu sehen gewöhnt sind. Er bezeichnete diesen Zustand, der ganz dem entspricht, was auf Grund meiner Ergebnisse zunächst zu erwarten steht, mit dem sehr treffenden Namen der Anoxyhemie. Die Existenz des von Jourdanet gezeichneten Krankheitsbildes ist aber dadurch zweifel- haft geworden, dass dasselbe von keiner anderen Seite eine Bestätigung ge- funden hat, dass vielmehr im Gegentheil eine Reihe widersprechender An- gaben in der Literatur vorliegt. In der That ist auch das Auftreten dieser 416 G. KEMPNER: Anoxyhaemie keine nothwendige Folgerung aus meinen Versuchsergebnissen ; denn die Annahme liegt nahe, dass die Bergbewohner im Laufe der Zeiten sich den gegebenen Existenzbedingungen angepasst und eine Compensation für den mangelhaften O-Gehalt der Luft gewonnen haben. Es würde mich zu weit aus dem Rahmen meiner heutigen Arbeit hinausführen, wenn ich an dieser Stelle die verschiedenen Möglichkeiten, wie eine solche Compen- sation stattfinden könnte, ausführlich erörtern wollte; ich will daher hier nur darauf hindeuten, dass man in Anbetracht der verschiedenen, oben entwickelten Theorien über das Zustandekommen der Herabsetzung der Oxydationen, an Vertiefung der Athmung, Beschleunigung der Cireulation und Vermehrung der rothen Blutkörperchen denken kann. In Bezug auf den letzteren Punkt liegen keine beweisenden Beob- achtungen vor; über das Verhalten von Athmung und Circulation auf mässiger Höhe hat Mermod an sich selbst eine grosse Reihe von Ver- suchen mit äusserster Sorgfalt angestellt! Er untersuchte in zwei aus- gedehnten Versuchsreihen unter möglichst gleichen Lebensbedingungen das Verhalten der Puls- und Athemfrequenz, der Temperatur, der Athemgrösse und der Kohlensäureausscheidung in Strassburg (143") und in St. Croix (1100”). Er gelangt zu folgendem Resultat: die Pulsfrequenz ist auf der Höhe beschleunigt, die Athemfrequenz bleibt unverändert, ebenso die Tem- peratur. Das Volumen der exspirirten Luft ist grösser auf der Höhe als in der Ebene; reducirt man aber beide Volumina auf 0° und 760"m, so _ findet sich die Gewichtsmenge der durch eine Exspiration ausgeathmeten Luft grösser in der Ebene als auf der Höhe. Die Kohlensäureausschei- ‘ dung erweist sich auf der Höhe gesteigert. Einen definitiven Aufschluss über das Verhalten der Oxydationen in einer Höhe von 1100” geben die Versuche Mermod’s nicht, da der Verf. leider aus äusseren Gründen be- hindert war, den maassgebendsten Factor, die Sauerstoffaufnahme, zu messen. Weder die Constanz der Temperatur noch die Steigerung der CO,-Aus- scheidung liefert einen entscheidenden Beweis gegen eine etwaige Herab- setzung der Oxydationen, da beide. Momente bekanntlich in weit höherem Maasse von den Abgabe- als von den Productionsbedingungen abhängig sind. Immerhin sehen wir unter den beobachteten Erscheinungen eine Be- schleunigung des Pulses und eine — freilich nicht ausreichende — Ver- mehrung der Athemgrösse figuriren; das scheint auf ein compensatori- sches Bestreben der Natur hinzudeuten. Ob diese Compensationsbestrebungen ausreichend sind oder nicht, dass ist eine offene Frage, deren Beantwortung erst möglich sein wird, wenn einwandfreie Stoffwechseluntersuchungen oder ! A. Mermod, Nouvelles recherches physiologiques sur P’influence de la depression atınospherique sur l’habitant des montagnes. Inaug. Dissertation. Lausanne 1877. ä EINFLUSS DES Ü-GEHALTES DER LUFT AUF DIE THIERISCHE ÜXYDATION. 417 Blutgasanalysen in den uns interessirenden Höhen angestellt sein werden. — Es sei kurz darauf hingewiesen, dass auch die Gewerbehygiene vielleicht aus den vorliegenden Versuchen eine fruchtbare Anregung schöpfen könnte. Bekanntlich sind beim Bergwerksbetriebe die Arbeiter mitunter der Ein- wirkung einer Luft von:15 bis 16 Procent O-Gehalt ausgesetzt, deren Schäd- lichkeit noch durch die gleichzeitig bestehende CO,-Anhäufung erhöht wird. Auf Grund der eben erörterten Anschauungen muss man annehmen, dass der Stoffwechsel der Leute, die dauernd diesem O-Mangel ausgesetzt sind, ernstlichen Schaden leidet. Es erwächst daraus den berufenen Or- ganen der öffentlichen Gesundheitspflege die Pflicht, für eine Abhülfe dieser, durch den Gewerbebetrieb gesetzten Schädlichkeit zu sorgen; eine solche zu finden dürfte auch nicht allzu schwer sein, nachdem P. Bert bereits in der pneumatischen Glocke bei starker Luftverdünnung die wohlthätigen Folgen der Einathmung reinen Sauerstoffgases constatirt hat. — Für die klinische Medicin dürften die vorstehend geschilderten Ver- suche insofern eine besondere Bedeutung beanspruchen, als sie eine neue Anregung zu experimentellen Arbeiten geben, deren Fehlen schon lange als eine wesentliche Lücke in unseren Kenntnissen von der Pathologie des Stoffwechsels empfunden wird. Was in meinen Versuchen die mässige Herabsetzung des O-Gehalts der Inspirationsluft bewirkt, das kann und muss auch ein starker Katarrh der Bronchen, eine Infiltration der Lunge, ein Herzfehler, eine schwere Anaemie oder Leukaemie bewirken. In allen diesen Krankheitszuständen muss ebenfalls eine Herabsetzung des O-Verbrauchs vorhanden sein. Allerdings treten in allen diesen Fällen Compensationsbestrebungen in Thätigkeit; aber es lässt sich schon a priori annehmen, dass dieselben zur Erreichung einer vollständigen Aus- - gleichung ebenso wenig ausreichend sein werden, wie das bei meinen Ver- suchen an frei athmenden und sich frei bewegenden Thieren der Fall war. Veit steht auf einem entgegengesetzten Standpunkt, dem aber meines Er- achtens die hinreichende experimentelle Stütze fehlt; er behauptet, „dass auch bei grosser Athemnoth, wenn sie längere Zeit ertragen wird, nicht weniger Sauerstoff in den Körper aufgenommen wird, und rasch der Tod unter Asphyxie eintritt, sobald dies nicht mehr möglich ist“! Ich glaube, dass diese ganze Anschauung durch meine Versuche widerlegt ist; übrigens erscheint mir dieselbe auch aus theoretischen Gründen schon unhaltbar. Als Ursache der Athemnoth können wir nur den O-Mangel im Blut und den Geweben betrachten; wenn nun in der That, vermöge der dyspnoischen Respiration, welche übrigens ihrerseits wieder eine abnorme Steigerung des ! Voit, Physiologie des allgemeinen Stoffwechsels und der Ermährung. Her- mann’s Handbuch. Bd. VI. Th. 1. 8. 224. Archiv f. A.u.Ph. 1884. Physiol. Abthlg. 27 418 G. KEMPNER: ÖO-Verbrauchs bewirkt, eine ganz normale Sauerstoffaufnahme stattfände, so würde die Ursache der Athemnoth und damit diese selbst beseitigt sein, und es ist nicht abzusehen, wie unter diesen Umständen eine ununter- brochen längere Zeit audauernde Dyspnoe zustande kommen sollte. — Aber wenn man auch die Herabsetzung des O-Verbrauchs unter den er- wähnten pathologischen Verhältnissen zugiebt, so entsteht die zweite Frage, welchen Einfluss dieselbe auf den Ablauf der Lebensprocesse ausübt. Eine erschöpfende Beantwortung dieser ebenso wichtigen wie schwierigen Frage ist durch meine vorstehenden Versuche noch nicht geleistet. Ich habe keine vollständigen Stoffwechseluntersuchungen gemacht; die Mitberück- sichtigung der Stickstoffausscheidung hätte eine ganz andere, für mich un- durchführbare Anordnung der Versuche erfordert. Aber schon das Factum, dass die CO,-Ausscheidung in meinen Versuchen sich herabgesetzt fand, beweist, dass durch die geringere Sauerstoffaufnahme der Stoffwechsel eine Einbusse erleidet. Welche Elemente des Stoffwechsels von dieser. Schä- digung betroffen werden, wie sich besonders unter diesen Verhältnissen die Zersetzung des N-haltigen Materials verhält, das ist eine Frage, zu deren Lösung die Arbeiten A. Fraenkel’s wichtige Beiträge geliefert haben. Zur endgiltisen Beantwortung dieser Frage für die Verhältnisse der mensch- lichen Pathologie und ganz besonders für die vielleicht mögliche Ver- werthung derselben zu den Zwecken der Therapie sind noch weitere Studien erforderlich, die hoffentlich eine nahe Zukunft zeitigen wird. Die in den folgenden Protocollen mitgetheilten Tabellen erfordern einige erklärende Vorbemerkungen. Die erste Columne bezeichnet in allen Tabellen die Zeit der Ablesung. In der zweiten findet sich in den ersten 3 Ver- suchsreihen der Stand der Gasuhr zu der willkürlich gewählten Ablesungs- zeit notirt. Im Allgemeinen fand alle 10 Minuten eine Ablesung statt. In den beiden letzten Versuchsreihen ist in der ersten Columne der Zeitpunkt notirt, wo nach Entleerung des einen Messcylinders der andere geöffnet wurde. In der zweiten Columne findet sich hier die Angabe, ob der rechte oder der linke Oylinder zu der notirten Zeit in Thätigkeit trat. Die Cylinder waren nicht ganz gleich; nach genauer Calibrirung fasste der rechte 100.72 Cm, der linke 99.47 em, — In der dritten Columne ist der Ueberdruck angegeben, unter welchem der O in den Apparat eintrat, gemessen an einem vor der Gasuhr resp. den Messcylindern in die Leitung eingeschalteten Manometer. Das Manometer war mit einer Chlorcaleiumlösung von genau !/,, des Gewichtes des Quecksilbers gefüllt. Die 4. und 5. Rubrik geben die Temperatur des Wassers und der Luft in der Gasuhr. In den beiden letzten Versuchsreihen ist die Temperatur des Wassers notirt, welches den N Br ei % EINFLUSS DES Ö-GEHALTES DER LUFT AUF DIE THIERISCHE OXYDATIoN. 419 Br ganzen Messapparat beständig umgab. Endlich ist noch die Temperatur 3ades, in welchem sich das Thier befand, und in einigen Versuchen auch die Thiertemperatur notirt. In denjenigen Versuchen, in welchen der Stand de Mr genau calibrirten Spirometerglocke vor Beginn und nach Beendigung ss Versuches notirt ist (Anfangsablesung — Endablesung), ist die in die er 2 eingetretene resp. aus derselben entnommene O-Menge vom ammtverbrauch abgezogen, bezügl. zu demselben hinzu addirt worden. Wo Witiene Angaben fehlen, sind nur diejenigen Werthe zur Berechnung des Verbrauches angezogen worden, die einen constanten, sicher auf die Respi- wi; ration des Thieres zu beziehenden Werth darböten. % - 2 ak e ei + a Ir EN; Tabellen. Versuchsreihe vom 29. November 1883. V ersuch I. O-Gehalt der Inspirationsluft 22.0 Procent. Barometer 772.0. Spirometer II. Anfangsablesung 29.65. Endablesung 26-75. E- Zeit | Stand der Druck Wasser- Luft- Temperatur, Temperatur i .. Gasuhr. Mm. Hg. temperatur. temperatur.) des Bades. | des Thieres. 3 5 | 23038 | 12.8 | 10.8 | 19:2 | 38.2 | 15 398 | 9.4 19.8 38-2 25 524. -|ı 9.0 20.0 38-3 35 re | 18.3 | 20.0 | 19.2 | 88.3 45 828 | 10.0 | 50 | „ "Versuch II. O-Gehalt 18-0 Proc. Spirometer 1. Anfangsablesung 38-50. 2 Endablesung 37.95. 3h 52 Umschaltung bei gesperrter Regulation. O-Zutritt beginnt: Stand der Druck Wasser- Luft- Temperatur ET Gasuhr. Mm. Hg. temperatur.\temperatur. des Bades. | des Thieres. EB | 23906 46 992 | — 16 24140 9-5 20.0 19.4 38-9 — 30 366 12-5 20-0 — 48 610 9-9 20-0 — 58 761 11-3 20-1 | 38-2 39-1 u 8 907 8.8 20.2 a7” 420 G. KEMPNER: Zeit Stand der Druck Wasser- Luft- Temperatur, Temperatur Fr Gasuhr. Mm. Hg. |temperatur.|temperatur. des Bades. | des Thieres. 5.121. 25007 9.6 20.2 38-3 — N 040 | 39.35 — 22 116 9.5 - — 32 271 8.9 — 42 425 10-1 20.2 19.8 38-15 39. 4 — 52 572 11-8 Versuch III. O-Gehalt 20.0 Procent. Bei Beginn des Versuches O-Zufluss irrthümlich gehemmt. Versuch kommt erst richtig in Gang: Temperatur, Temperatur Zeit Stand der Druck Wasser- Luft- i Gasuhr. Mm. Hg. |temperatur.|temperatur.| des Bades. | des Thieres. Th 30 | 26648 11-8 20.3 20.4 38.4 38-9 — 41 825 11-8 20.3 20.4 38-4 38.9 — 52 979 9.6 20.4 20.6 38.5 38-8 Bas 2,1. 27141 13-5 20.4 20.3 38.4 38-9 — 12 264 85 20.4 20-3 38.3 38-8 — 22 397 Versuch IV. 0O-Gehalt 13-5 Proc. Spirometer I. Anfangsablesung 44-0 Endablesung 37.4 Das Thier athmet herunter bis St 38, dann beginnt Ö-Zutritt: Stand der Druck Wasser- Luft- Temperatur, Temperatur Gasuhr Mm. Hg. |temperatur.|temperatur.| des Bades. | des Thieres. 27424 10.9 20.4 20.3 38-3 38°6 496 8.3 20-5 20.6 589 9.7 20.5 20.6 98-4 39.0 667 9.2 20.4 20.6 762 9.2 20.4 20.5 38.4 382 837 9.1 20.4 38-3 38-1 866 Thier ab- sterbend. 1 1 grm Qurare. u urufein DEE re N EINFLUSS DES O-GEHALTES DER LUFT AUF DIE THIERISCHE OXYDATIOnN. 421 Versuch I. O-Gehalt 28.8 Proc. Zeit. 12% 42 52 lu .-2 12 22 32 Versuch DO. 0O-Gehalt 17°9. Zeit. 1b 58 =. 9 19 29 39 49 | Stand der Gasuhr 3. December. Barometer 750-8. Druck Mm. Hg. Wasser- temperatur. Spirometer II. Anfangsablesung 22.00. 33-9. Temperatur des Thieres. 31162 298 428 964 692 844 Endablesung Luft- Temperatur temperatur.| des Bades. 16-7 36-6 86-9 17.0 37.4 17.0 81-9 17.2 81.6 17.2 38-6 38-9 38-9 38-9 38-5 38.4 Spirometer I. Anfangsablesung 42.20. Endablesung ? Bei gesperrter Regulation athmet das Thier herunter bis etwa 1" 50. Stand der Druck Wasser- Luft- Temperatur) Temperatur Gasuhr. Mm. Hg. temperatur. temperatur.| des Bades. des Thieres. 32110 9.4 37-8 38.4 235 9.6 18-2 17-5 37.8 38.4 376 11-8 482 9.0 18-2 17-5 37+T 98.4 608 9.2 89.4 122 9.2 38.4 785 94 en Spr. Curare. Endablesung Zeit . Stand der Druck Wasser- Luft- Temperatur j Gasuhr. Mm. Hg. temperatur. temperatur.| des Bades. Br 32928 9-3 18.4 17.8 97-7 — 12 33086 10-9 37-7 — 22 210 9-5 18-6 18-0 — 32 850 | 37.7 — 42 486 11:6 18.8 18.2 91.65 — 52 616 9-5 a 740 9-5 — 12 855 9-5 Versuch III. O-Gehalt 18-2. Spirometer II. Anfangsablesung 27-55. 29.95. Temperatur des Thieres. 38-3 38.2 38.3 38.31 38.25 38.251 422 G&. KEMPNER: Versuch IV. O-Gehalt 10-9 Procent. Spirometer Anfangsablesung 42.05. 36-69. Temperatur des Thieres. 38-0 Endablesung Das Thier athmet bei gesperrter Regulation herunter bis etwa 4 23. Zeit Stand der Druck Wasser- Luft- |Temperatur " Gasuhr. Mm. Hg. temperatur.\temperatur.| des Bades. 4h 27 | 33942 9.7 19.0 - —. 2 aa) 10.9 19-2 18-9 37+5 — 47 198 9.5 19.3 — 57 310 9.5 ; Banz 425 11-4 19.4 19.0 317.6 17 520 9.5 19.4 — 80 670 10-6 19.4 — 40 1784 10-5 19:6 37.6 | — 42 814 11-3 19.6 Versuch V. O-Gehalt 18.5. Spirometer II. Anfangsablesung 27.00. Endablesung 23-80. Zeit Stand der Druck Wasser- Luft- Temperatur Temperatur : Gasuhr, Mm. Hg. temperatur. temperatur.) des Bades. | des Thieres. 5.48 34814 — 593 | 966 9.5 19-7 19.2 37.55 DE.0B 35085 I.0 19.7 19.2 — 1 .200 6-7 19.8 31.45 37.65 — 281 408 13.4 19.9 19.4 — 38 523 10.2 20-0 19.4 — 48 630 9.8 20.0 37-6 — 54 716 9.8 — 58 756 10.0 20-0 37.4 37-6 Versuch VI. O-Gehalt 29.5 Proc. Spirometer I. Anfangsablesung 20-2. Endablesung 36-9. Zeit Stand der Druck Wasser- Luft- Temperatur! Temperatur r Gasuhr. Mm. Hg. temperatur. temperatur.| des Bades. | des Thieres. 7%: D.| "Bn8B 11-6 | 20-2 | 19 13 10.6 20-2 37.3 31.69 — | 2 ee — 39 554 12.0 — 49 664 9.6 20.2 37.3 37.6 BR, 3 872 11-3 20.3 37.8 37.50 9 972 12.6 — 19 36062 11-8 20-3 20.0 371.85 37.6 — 29 188 10.8 20.2 — 39 308 9.8 20-3 20.0 37.35 37.6 — 43 360 9.6 gi: ee ee E77 Be ur dia hen kü Re SE 2 ee _ EIsFLUss DES Ö-GEHALTES DER LUFT AUF DIE THIERISCHE ÜXYDATIoN. 423 28. December. _ Kaninchen, 10108 schwer, nicht ceurarisirt, spontan athmend. Versuch I. O-Gehalt 14-6 Proc. Spirometer I. Anfangsablesung 35-40. Endablesung 34.95. Zeit, c Stand der Druck Wasser- Temperatur | Respirations- Gasuhr. Mm. Hg. temperatur. | des Bades. frequenz. ar | 60 | 13.0 18-1 37-4 44 — 44 | 152 13-0 18-1 3T+4 — 54 860 13.2 18-1 12 4 I60 13.4 18.3 - 97.65 46 — 14 65064 14.5 094 er 196 Thier zappelt heftig. Versuch Il. O-Gehalt 14-5 Proc. Spirometer II. Anfangsablesung 30.00. Endablesung 26-50. - 1% 24 beginnt das Thier herunter zu athmen. Uhr beginnt zu gehen: Zeit Stand der Druck Wasser- Temperatur- | Respirations- i Gasuhr. Mm. Hg. temperatur. | des Bades frequenz. 12 30 | 65200 15-2 18-4 37.65 44 — 40 313 14 ir: 18-5 37.99 Rn — & 378 — 50 415 14-2 18-6 31.6 90 2 — 512 13.7 187 37.5 62 — 1 612 13-5 18-8 ‚37.6 54 — 21! 715 — 30 810:;. 14-0 18-8 37.6 60 — 40 909 13-7 18.9 37.6 50 — 50 66007 | | Versuch IH. O-Gehalt 11-8 Proc. Spirometer I. Anfangsablesung 35-10. Endablesung 34-70. Zeit. Stand der Druck Wasser- Temperatur | Respirations- r 7; Gasuhr. Mm. Hg. temperatur- | des Bades frequenz. an 50 | Ko 50 6600 — 52 047° 14.2 19.0 37» 96 3ı 2 134 | — 12 236 | 14.0 19.0 37.6 60 flach. — 22 | 345 14-4 19.0 37.6 ' 2h 22, Lauge im Inspirationsventil erneuert. 424 G. KEMPNER: Zeit Stand der Druck Wasser- Temperatur | Respirations- - Gasuhr. Mm. Hg. temperatur. | des Bades. frequenz. — 32 | 66450 14-0 19-2 37-7: .D8 — 42 542 13-8 19.0 871+7 — 22 638 14-0 19-2 31-7 60 Ad 138 14-0 19.2 31-8 — 12 845 13-6 19.2 37.7 64 flach. — 22 946 14-1 37.2 — 28 67003 Versuch IV. O-Gehalt 6 Procent. Spirometer II. Anfangsablesung 31-20. Endablesung 26-20. Barometer 75-57. Temperatur 19.0. Beginn des Versuches 4" 28. Das Thier athmet aus dem Spirometer, 44 36 Uhr beginnt zu gehen, kurzes Zappeln des Thieres. Zeit Stand der Druck Wasser- Temperatur | Respirations- ; Gasuhr. Mm. Hg. temperatur. | des Bades. frequenz. 4h 38 67030 14-8 19-2 31.55 56 — 45 116 14.0 19-2 87:65 — 58 211 14.0 19.4 37-50 10 323 14.0 19.4 97.60 58 tief — 18 396 13-6 19.4 37.60 > — 80 496 14.2 19.4 37.4 57 | — 38 305 | 14.0 19.6 37.6 — 48 Ce 14-3 Versuch V. O-Gehalt 17 Procent. Spirometer I. Anfangsablesung 29-90. Endablesung 34.90. SE Zeit Stand der Druck Wasser- Temperatur | Respirations- j Gasuhr. Mm. Hg. temperatur. | des Bades. frequenz. 5h 48 67880 -..) 0.422 — 1 8 20 al bh m2 898 | I-d2r2 19.6 37-6 48 flacher — 12 68026 | 16-5 19.7 By) — 22 168 -: zasel 19.7 3T+d — 32 276 - | @ilSED 19.8 37-5 48 — 42 490 | 7:0 19.8 37-7 — 54 580 | wii 49.8 7 4 648 | 14.0 19.8 37-7 | ur E w ü 2 EINFLUSS DES O-GEHALTES DER LUFT AUF DIE THIERISCHE OXYDATION. 425 Versuch VI. O-Gehalt wechselnd. Spirometer I. Th 4 Beginn des Versuches. Uhr beginnt zu gehen 7" 10°/,. Zeit. Stand der Druck Wasser- Temperatur | Respirations- Gasuhr. Mm. Hg. temperatur. _ des Bades. frequenz. u71 68653 113 a a ae 2 re 376 60 tief. — 21 112 20 20.0 3155 — 31 904 13.0 20.0 3745 — 36 962 7 58 80 Cm Gas entnommen. O-Gehalt 13-75 Procent. 4 | see | 13-4 20-0 37-3 56 tief, E51 28 | 15-2 20.0 37-3 |, 56 1 | 364 | 15.5 20.0 375 8: 4 Lauge im Fxspirationsventil erneuert. 80m Luft eingeblasen. 8h 14 69418 30194 545 15-5 20.0 3715 E.:94 660 14-5 20-0 37.6 2.545 800 14*0 20-0 37-6 60 ee E..54 908 13-5 20-1 37.4 gen 9h 9 70093 9613 99Cem Gas entnommen. O-Gehalt 11 Proc. Lauge erneuert. 9h 17 | 70320 13:0 | 20+1 37.5 62 E22 | 366 lee \..v208 | Ba |. 488 2081 Be | 598 1122... 790.2 37-6 9 39 88 Cem Stickstoff in den Apparat injieirt. Uhr steht. Beginnt zu gehen: 9% 46. 9h 47 70635 14-5 20.211 87-5 56 ungleich. Thier Be 57 752 15-0 20.2 37.5 so Be 10% 7 880 14-6 20.2 37-5 s6 en 71000 13-0 37.45 un 072 12.8 20:2 10% 23 bis 24!/, 27 Cm N injieirt. 28'/, beginnt die Uhr zu gehen. 10% 29 | 71104 13.9 20.3 31+d 56 Thier en 934 154 zappelt. Fe 40 210 14.6 20.3 31+d 66 — 44 254 | _ 0 | 320." 0-Gehalt 7.7 Procent. 426 Versuch VI. O-Gehalt 28.8 Proc. Spirometer I. Anfangsablesung 20-00. 34-95. G. KEMPNER: Endablesung Beginn des Versuches 10® 50. Zeit, Stand der Druck Wasser- Temperatur Gasuhr. Mm. Hg. temperatur. | des Bades. 102753 71618 13-0 20.4 37.5 1125 748 13-0 20:4 37.4 — 11 946 13-9 20.4 37.6 — „21 72118 14-6 20.4 37.6 — 37 272 | - a 442 Thier zappelt. 25. Februar 1884. Kaninchen 1650 2% schwer, curarisirt. | Versuch I. 11% 24 2 Spritzen Curare. O-Gehalt 16 Proc. Spirometer I. Zeit. Cylinder. Druck. Temperatur. | Badtemper. 11% 54 r. 15-5 17-4 38.6 : 1225 0.30 l. 16-5 17-8 38-8 ı — 6-20 r. 15-6 18.0 = — 12.20 l. 13-5 18-0 38-65 . — 18.20 i | # — 24.45 l. Umschaltung. 3 Versuch Il. Ö-Gehalt 15°6 Proc. Spirometer II. Anfangsablesung 29.20. Endablesung 29-95. Zeit. Cylinder. Druck. Temperatur. | Badtemper. 12: 25-10 l. Oeffnung des Hahnes. 12% 29.45 T, 15-5 18-0 — 81.25 l. 14-0 18-0 39.0 — 44:50 vr 15-0 18-0 38.8 — 51-50 iR 15-0 18:0 38-55 58.40 T, 14.0 I8’2 38.7 1b 5.50 1% 15-0 18:2 12.10 T. 13-0 18-2 ——, 1845 l. 15.0 18-2 38.7 — 25.35 in — Be) l. Umschaltung. Par - Versuch III. O-Gehalt 16-5 Procent. Spirometer 1. u Zeit. ‚ Cylinder. Druck. | Temperatur. Badtemper. Re —— : — — I —— — 1 32-40 J 15-0 18.5 38°6 — 37:50 D, 150 18-5 — 44:0 l. 145 18:9 38°6 — 47:50 I 160 189 — 54:10 r 17.0 18-9 38°5 N | 1 16:0 19-0 Thier erhält - 620 1 16°0 19760 6), ,Spr.Curare — 13:0 r. 16-0 19:0 — 18:30 l. 16.0 19:0 — 24'535 T. su) 19-0 er 10 -Unnschaltung! CO,-Bestimmung: 20°em ungemischter Lauge . . . ie 50 „ Lauge, gemischt mit gleichem Yon CIBa = 6%. Bo ansemischter Lauge ". . We = 19-25. enwischter-bauge- 7:77, 27777 77277712000. 16°25. C0,-Ausscheidung pro Minute = 14-39. Respiratorischer Quotient . . . = 14:39 WIE EB eg 15:36 V ersuch IV. O-Gehalt 13:3 Proc. Spirometer II. Anfangsablesung 32-55. Beginn des Versuches 2° 3110. O-Zutritt beginnt: Zeit. ' Cylinder. Druck Temperatur. | Badtemper. 2u734-50 l. 10 19-0 4 — 39.0 E 1.8 19-1 38-1 oo 45°45 R 14°5 Be _ 52-20 r. 15-5 19-3 38-5 — 59-15 l. 15:0 Bande 1.0 le) 1,7 16.0 — 12°40 1, 16°5 19:4 38-7 — 1.29 30 T. Umschaltung! CO,-Bestimmung verunglückt! EINFLUSS DES Ö-GEHALTES DER LUFT AUF DIE THIERISCHE ÖXYDATION. 427 E Endablesung 29.80. 428 G. KEMPNER: Versuch V. O-Gehalt 16 Procent. Spirometer I. 29.80. Zeit. Cylinder. Druck. Temperatur. | Badtemper. erw 2 \2 vP 22 Web Er EEE | 3. 19730 ® 16°3 19-4 — 25:10 1 16-8 19-4 39.2 — 30:50 r 19.8 388 — 37:40 ik 16°2 19° 388 — 44-10 5 17 1978 — 50'100 1. 15°0 1993 — 56°25 ; 16°0 19°9 388 44 3-45 l. 14*1 — 10:0 T, 141 Umschaltung. CO,-Ausscheidung pro Minute * — 13.084 em, Respirator. Quotient een = 0:94 nn raid 3850 | Versuch VI. O-Gehalt 15 Proc. Spirometer II. Anfangsablesung 34.85. Endablesung 4" 10.6 Beginn des Versuches. O-Zutritt beginnt: Zeit. Cylinder. Druck. Temperatur. , Badtemper. 4h 15-0 r — 22.25 l. 16:3 — 29-20 L. 14°5 19:9 388 — 36.40 F 16:3 20-0 8-1 — 43.50 T, 15.8 38°5 — 51.30 k 16.4 19-3 3865 — 58.37 Tr; 15°7 198 Bl Bone l. 16:2 18 38-7 13-30 T. Umschaltung. CO,-Ausscheidung pro Minute . =. .11.09 92 ’ 11-09 Respirator. Quotient = 9.5 = 317: Versuch VO. O-Gehalt 21 Proc. Spirometer 1. Endablesung. Zeit. Cylinder. Druck. Temperatur. | Badtemper. 32. 19:30 1% 15°5 19-9 387 — 16’ l. — 23°20 ” 162 19-9 38:75 Anfangsablesung 33'830. 38.35. Zeit. Bu 90-57 | — 38:07 — 45-48 | — 5253 602 7:30 | CO,-Ausscheidung pro Minute . Respirator. Cylinder. ] E 1 r l T. Quotient Druck. 16.0 16°5 161 13.0 16°5 EINFLUSS DES Ü-GEHALTES DER LUFT AUF DIE THIERISCHE OXYDATION. 429 Versuch VIH. O-gehalt 14.8 Proc. Spirometer II. Anfangsablesung 35° 65. Beginn des Vöruchel 6% 7:30. O-Zutritt beginnt. Zeit. 6" 140 — 22'395 — 2850 — 3640 — 44°15 — 41:35 — 50.20 — 59.50 17 23-40 —. 19:25 — 2320 Co, ae pro Minute . Quotient Respirator. ı Cylinder. | le ee | mHuoktmn Versuch IX. O-Gehalt 21 Proc. Zeit. Cylinder. ee 2320 l — 25°30 | 1: — 33.12 k — 41°15 r — 49:40 l. — 51:55 r. Br #30 L L Druck. 16.0 16°3 16°5 Temperatur. | Badtemper. 19:9 38:75 19.9 3875 20:0 388 20-0 38-7 20.0 — 7-76 Cm, 176 Endablesung Temperatur. | Badtemper. 38°5 20.0 88°5 20:0 Jar schen Flasche. unterbrochen behufs Neufüllung der Mariotte’- 14:0 20:0 16°5 20:0 38.7 16:4 20-0 38°5 168 20:0 389 Umschaltung. a FR (U 10.70 IT-78 ZN RI: Druck. 15° 15° 16 16° 16° OUO OL OTUCO Spirometer I. Endablesung | Temperatur. | Badtemper. 200 38'6 20-0 20-0 387 20.0 ..20°0 38-9 auge verloren gegangen. Anfangsablesung 3330. Versuch X. O-Gehalt 14-8 Procent. Beginn des Versuches 8" 6:30. Ö-Zutritt beginnt: G. KEMPNER: Zeit. Cylinder. Druck. - | Temperatur. | Badtemper. | 1. 13.0 20-0 38-9 — 23 T. 16?2 20.0 — 32:30 l. 15°5 20.0 38.8 — 42:10 Tr 16°3 | — 52.30 1, 164 20.2 388 3 2750 r- CO,-Ausscheidung pro Minute . - BrTbo Respirator. Quotient = - - | = —= 0:64. Da die Endablesung am Spirometer fehlte, so wurden der Berechnung 1 i des O-Verbrauches nur die Werthe von 84 23 bis 9% 2-50 zu Grunde gelegt. 3. März 1884. Kaninchen, 1950 ®'% schwer, curarisirt. Versuch I. O-Gehalt 23-5 Proc. Spirometer II, Anfangsablesung 35:2. Br: Endablesung 30:25. Barometer 7655. Zeit. Cylinder. Druck. Temperatur. Badtemper. 1: 56.30 T; 18:0 19-3 38-5 a 22 r 18°5 Re — 5-10 fr 17-4 15-8 — 9.45 l. 17:5 15:8 — 14.20 T: 11°8 38-5 — : 19.0 l. 1126 16:0 — 24.40 T, 1175 16-0 — 28.50 Ik IT — 34.0 ie 17,2 16°2 38-55 — 39.0 l. 11-5 162 — 44.5 f, 17»... 16-2 u ia l. Umschaltung. CO,-Ausscheidung pro Minute . | Respirator. Quotient = a — 1.14. 20-99 au) Versuch: DH. O-Gehalt 25.2 Proc. Spirometer I. Anfangsablesung 32.90. Endablesung 38.55. E> Zeit | Cylinder. | Druck. Temperatur. | Badtemper. 2b 49-15 lı 18 | — 51:20 Tr; 16-5 16-4 — 54:20 l. 17.9 16-4 38-6 — 59-20 E 10:2 16.5 3b 3.40 k 17-2 16-5 8.40 # 18.0 16-6 — 13°5 k 17:5 16:6 | 1038:6 — 18.0 2. #135 16:6 | — 22-25 r 10-3 Iren] — 2710| T. 17-4 1646. °) — 31-40 l. 17-8 16:6 | 38-6 — 86:15 | T. 18-0 6-6 - 3 Al.) 4. Umschaltung. CO,-Ausscheidung pro Minute . . . = 117m, ’ Bi 17.70 Respirator. Quotient = 19.87 rt, — Versuch IIL O-Gehalt 18.7 Proc. Spirometer II. Anfangsablesung 34-50. | Endablesung 31-00. Beginn des Versuches 3% 41. O-Zutritt beginnt: Zeit. | Cylinder. Druck. | Temperatur. | Badtemper. 3b 44-20 ' 18.0 16-6 838°6 — 49:10 Tr, +82 16-6 — 54°45 l. 1740 16-6 — 59:30 Eu 1.6. 9.. 16-6 4b 4-14 E 24@7 16-6 38.61 3. 8 E 16-7 16-6 — 14:28 L 17-5 2 19:25 T. Umschaltung. CO,-Ausscheidung pro Minute en 2 15.27 Respirator. Quotient = TEE =..0.83, 1 1grm Qurare. 432 (4. KEMPNER: Versuch IV. O-Gehalt 22-8 Proc. Spirometer I. Anfangsablesung 34-05. | Endablesung 39.00. Barometer 773.09. | Zeit. Cylinder. Druck. Temperatur. | Badtemper. 44 19-95 r. Kae ae — 21-10 r 13-9 — 26: 4 AP 17-6 — 35:0 l. 17-5 — 536-0 r. | — 37:20 l. Mariotte’sche Flasche neu — 498430 r. gefüllt. — 40-18 l. 8 r. 1784 I. 1797 — 49-58 . 1a rd — 54:50 1 1742 17.8 — 59-55 L 14-4 a T, = vOrAd l. Umschaltung. CO,-Ausscheidung pro Minute . = 110. Da Ian 16-65 Respirator. Quotient = 50.07 ° —= 0.808. Versuch V. O-Gehalt 15°3 Proc. Spirometer II. Anfangsablesung 36-35. Endablesung 30:25. Beginn des Versuches 5b 9-44. O-Zutritt beginnt: Zeit. Cylinder. Druck. Temperatur. | Badtemper. 5h 14 I 18-0 — 20.35 f: 17:40 — 26.35 ® 176 18-1 38°5 — 32.8 L: 17:6 — 38.0 L 14:3 18.1 ne T. Umschaltung. 12430 I CO,-Ausscheidung pro Minute . 14:13 Respirator. Quotient = aa: 0: 857. EinFLUSs DES ÖÜ-GEHALTES DER LUFT AUF DIE THIERISCHE ÜXYDATION. 433 Versuch VI. O-Gehalt 21-2 Proc. Spirometer II. Anfangsablesung 34-90. Endablesung 38-65. Zeit. | Oinder. | Druck. | Temperatur. | Badtemper. bh 48.4 | r. 17-4 — 45-43 1? 1710 18°2 — 49.00 Pr 17-0 — , 54.20 l. 17:20 18:3 38°5 — 59.20 T. 17:10 6? 4.30 {if 17-10 18°5 9.32 r. 17-8 — 14.38 L 11:8 CO,-Auscheidung pro Minute rg, Can, 16:09 Respirator. Quotient = a a 0702. _ Versuch VII. Ö-Gehalt 14-8 Proc. Spirometer II. Anfangsablesung 36 55. & Endablesung 3045. Beginn des Versuches 6" 14-38. O-Zutritt beginnt. Zeit. Cylinder. Druck. Temperatur, | Badtemper. 6% 20. Rent, 18-7 38-4 — 26-30 ; 17-6 18-7 38.4 — 32-42 l 11,2 u shi | — 88-37 T 17.60 38-6 “44-832 l 47 -Birtı YOAsoR — 50-10 \ ER — 55-50 l HEINE» 18-7 2 Wera a Ders CO,-Ausscheidung pro Minute . . . — 13.91 Cm, Respirator. (Quotient = Inad . Eeo10 88 " Archiv f. A.u. Ph. 1884. Physiol, Abthlg. 28 Ueber die Wirkungen von Ergotin, Ergotinin und Sklerotinsäure auf Blutdruck, Uterusbewegungen und Blutungen. Von Max Marckwald (Kreuznach), (Aus der speciell-physiologischen Abtheilung des physiologischen Instituts zu Berlin.) Die Mutterkornpraeparate gehören zu. den wichtigsten, ja unentbehr- lichen Mitteln unseres Arzneischatzes, wenn es sich darum handelt, Blutungen aus inneren Organen zu stillen, besonders im Bereiche der Genitalsphäre des Weibes, Contractionen der Gebärmutter zu erzielen und für die Fälle von Störungen im Bereiche der vasomotorischen Apparate. Trotzdem dieselben aber seit mehr als fünfzig Jahren fortwährend Gegen- stand chemischer, physiologischer und praktischer Untersuchung zahlreicher Forscher gewesen, hat man bisher vergeblich angestrebt, den wirksamen Bestandtheil des Mutterkorns zu isoliren und krystallinisch darzustellen, somit einen constanten chemischen Körper zu erhalten, dessen Gebrauch sichere und einheitliche Resultate am Krankenbette zu geben im Stande wäre. Aus der Verwendung sehr differenter Praeparate erklärt es sich auch zum Theil, dass noch heute über die physiologischen Haupteigenschaften des Mutterkornes: die Wirkung auf den Blutdruck, auf die Bewegungen der Gebärmutter und auf Blutungen die widersprechendsten Ansichten herrschen. Zum anderen Theil beruhen diese verschiedenen Resultate der Forschung aber darauf, dass die bisher benutzten toxikologischen Methoden nicht ge- nügten, die einzelnen Elemente qualitativ wie quantitativ zu zergliedern. Sehen wir vom Ecbolin und der Ergotsäure ab (Wenzell 1864,' Hermann ı Wittstein’s Vierteljahrschrift für Pharmacie. 1864. Bd.XIV. 5 MARCKWALD: WIRKUNGEN VON ERGOTIN U. S. w. 435 1869, Ganser 1870),' deren Existenz im Mutterkorn von anderen For- schern (Manassewitz,”?Haudelin,?®Blumberg‘) geleugnet und mit Ergotin und Ameisensäure identifieirt wurde, ebenso von dem von Dragendorff und Podwissotzky° (1876 und 1877) neben der Sklerotinsäure gefundenen Skleromuein, sowie von den verschiedenen Farbstoffen derselben Forscher, dem Sklererythrin, Sklerojodin, Skleroxanthin, Sklerokrystallin, welche alle, als in zu geringer Menge im Mutterkorn enthalten, und auch aus prak- tischen Gründen therapeutisch nicht verwendet werden, so sind es haupt- sächlich drei Praeparate, welche in Frage kommen: 1. Das Extractum sec. corn. aquos, ein von Bonjean® schon im Jahre 1841 gewonnener wässriger Auszug des Mutterkorns, den er leider als Ergotin bezeichnete, und mit dem von Wiggers’ 1831 dargestellten alkoholischen Extracte identificirte, ein Extract, das in Deutschland heute nach der von Wernich® gegebenen Vorschrift durch zweimalige Behandlung mit Alkohol und durch Diffusion ge- reinigt, als Ergotinum dialysatum oder besser Extractum sec. cornut. bis - purificatum offieinell ist. 2. Ein von Tanret? im Jahre 1875 aus dem ‘Mutterkorn dargestelltes, nicht flüchtiges, in feinen weissen Nadeln krystal- lisirbares Alkaloid: das Ergotinin. 3. Die von Dragendorff und Podwis- sotzky!? (1876 und 1877) gefundene stickstoffhaltige Säure: die Sklerotin- säure. Das bisher am meisten angewendete Praeparat ist das Extract. sec. corn. aquos. Die Arbeiten über dasselbe sind äusserst zahlreich, meist all- gemein bekannt und dem Forscher leicht zugänglich. Daher will ich weder ein ausführliches Litteraturverzeichniss geben, noch eine kritische Sichtung des Materials versuchen. Wie weit die Ansichten über das Ergotin in physiologischer Beziehung auseinander gehen, erhellt aus folgender kurzen Betrachtung einiger ein- schlägiger Arbeiten: Eine Reihe Forscher fand nach Einverleibung des Mittels in den Organismus eine Erhöhung des Blutdrucks (so A. Holmes, ! Archiv der Pharmacie. 18710. 8.144. ?2 Manassewitz bei Haudelin. Dissertation. 8.11. ® Ein Beitrag zur Kenntniss des Mutterkorns. Dissertation. Dorpat 1872. * Ein Beitrag zur Kenntniss der Mutterkornalkaloide. Dissertation. Dorpat 1878. ° Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmacie. 1877. ® Bonjean, TraitE theorique et pratique de U Ergot de seigle. Paris 1845. " Inquisitio in Sec. corn. Göttingen 1836. comm. r. p. ornat. ® Berliner Klinische Wochenschrift. 1874. Nr. 13. ® Rapport de Pharmacie. 1875. t. III. 10 Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmacie. 1877. Bd. VI. " Holmes, These inaugurale. Paris 1870. | 28* 436 Max MARCKWALD: Vogt,! Köhler,? Eberty,? Wood‘; eine andere Reihe, wie Haudelin,? Boreischa,® Hermann und Wernich’ dagegen eine Erniedrigung des Blutdrucks. — Während Eberty für eine active Verengerung der Arterien plaidirt, glaubt Wernich an eine passive; an eine Verminderung des To- nus der Venen, eine Ueberfüllung derselben mit Blut (besonders im Mesen- terium, in Uterus und Blase), so dass das Herz in der Zeiteinheit weniger Blut in die Peripherie pumpe, als im Normalzustande. Vulpian® hält den gefässverengenden Einfluss des Ergotins noch nicht für sicher gestellt, während Brown-Sequard? zwei Perioden der Ver- giftung mit Ergotin unterscheidet 1. einen vasomotorischen Krampf und 2. eine vasomotorische Paralyse. — Holmes sah in den meisten Fällen zuerst ein Sinken, dann ein allmähliches Steigen des Blutdrucks und schloss aus seinen weiteren Versuchen, dass die Veränderung des arteriellen Drucks nicht abhängig sei von der Wirkung des Gifts auf das Herz. Vogt da- gegen sah ein directes Steigen des Blutdrucks, ebenso Eberty und zwar aus centralen Ursachen. Wood erklärt die erste Erscheinung des Abfalles als eine directe Wirkung auf den Herzmuskel; führe man die Drogue all- mählich in den Organismus ein (hypoderm.), so trete dieses Sinken nicht ein. Das Steigen des Blutdrucks beruhe auf einer Erregung des vasomo- torischen . Centrum. Boreischa dagegen, welcher einen entsprechenden Blutdruckabfall constatirt, schloss auf eine vasomotorische Lähmung. Eine Beschleunigung des Pulses fand z. B. Boreischa (bei toxischen Dosen); eine Verlangsamung beobachteten: Bailly,!° Arnal,!! See,!? Gibbon, 3 Briesemann,'!* Eberty u. A. — Eberty konnte das Froschherz durch Injection grosser Ergotinmassen in die Bauchvene zum diastolischen Still- ! Voot, Berliner klinische Wochenschrift. 1872. Nr. 10. ? Virchow’s Archiv u.s.w. 1874. Bd. LX. 3 Ueber die Wirkung des Mutterkorns auf die Herzthätigkeit und der Biutdruck. Dissertation. Halle 1873. 4 Treatise on Therapeuties. Philadelphia 1873. Im Centralblatt für die medi- cinischen Wissenschaften. 1874. 5 Haudelin, 4.2.0. | 6 Boreischa, Arbeiten des pharmacol. Laboratoriums zu Moskau. Schmidt’s Jahrbücher. Bd. CLXXIN. ” Virchow’s Archiv u. s. w. 1872. Bd. LVI. Centralblatt für die medieinischen Wissenschaften. 1873. 8 Yulpian, Lecons sur l’appareil vaso-moteur. Paris 1875. Bd. II. 9 Brown-Sequard, Archives de physiologie. 1870. p. 434. 10 Bulletin general de therapeutique. 1870. 11 Bulletin de therapeutique. 1849. Juin. 12 Gaz. medie. de Paris. 1846. (31—33). 13 American Journal of medical science. 1844. Jan. 14 Briesemann, Dissertation. Rostock 1869. ed De” m WIRKUNGEN VON ERGOTIN, ERGOTININ U. S. W. 437 stand bringen, welchen er auf Erregung der Vagusendigungen zurückführt. Rossbach! sah zwar die Schlagzahl des Ventrikels des Froschherzens ab- nehmen, diejenige der Vorhöfe aber bestehen bleiben; die Füllung des Ventrikels ‚war eine unvollkommene, die Contraction der einzelnen Herzmuskelfasern geschah nicht gleichzeitig, sondern abwechselnd, nach Art peristaltischer Bewegung. Aehnliches beobachtete Wernich. Während aber Rossbach diese Einwirkung von ‚einem Einflusse des Giftes auf die Musculatur des Herzens ableitete, hielt sie Wernich für einen Einfluss auf das Gefäss- system, Boreischa auf die Herzganglien. — Boreischa glaubte die Be- schleunigung der Herzaction nach Ergotingaben theils auf Erregung der Nn. accelerantes, theils auf Lähmung der Hemmungselemente zurückführen zu können. Gleichzeitig paralysire es auch die. excitomotorischen Fasern des Herzens. Dass die Angaben der Autoren über die Wirkung der Mutterkorn- praeparate auf die Gebärmutter spärlich und ungenau sind, darf nicht Wunder nehmen — ist doch die Methode messender graphischer Aufzeich- nung der Uteruscontractionen jüngsten Datums. Nachdem Schatz sie am Weibe versucht hatte, übte sie Frommel? auf H. Kronecker’s Vorschlag am Kaninchen, und zeigte, dass die Zusammenziehungen der Gebärmutter spontan rhythmisch erfolgen und dass gewisse Einflüsse die Grösse, Dauer und Frequenz derselben ändern. Ich versuchte, wohl zum ersten Male, Blutdruck und Uteruscontractionen gleichzeitig aufzuschreiben und war hierdurch in den Stand gesetzt zu beobachten, in welcher Weise die Ver- änderungen der Circulation die Bewegungen der Gebärmutter beeinflussen. Auch in Bezug auf die allgemein vorausgesetzte haemostatische Wirkung der Mutterkornpraeparate habe ich an Stelle der Theorien das physiologische Experiment gesetzt. Wir wollen nun die physiologischen Wirkungen der aus dem Mutterkorn dargestellten wichtigsten Praeparate betrachten. Das Ergotinin ist im Mutterkorn nach Tanret’s Angabe nur in sehr geringen Mengen vorhanden. Aus einem Kilo frischen Mutterkorns erhält man 1-2 Ergotinin, von dem aber nur !/, krystallisirt, ?/, amorph und unrein bleibt. Gegen das Ergotininum Tanret wurde von Dragendorff und Podwissotzky der Einwand erhoben, dass dasselbe nicht als ein ungemisch- ter Körper anzuerkennen sei; sie fanden Beimengungen von Sklererythrin und Sklerojodin, auch Zersetzungsproducte des ersteren darin, und sprachen die Vermuthung aus, dass die Schwefelsäurereaction, welche Tanret be- schreibt, diesen letzterwähnten Beimengungen zuzuschreiben sei. In einem ! Rossbach, Pharmacologische Untersuchungen. Bd. I. S. 214 ff. ®? Frommel, Zeitschrift für Geburtshülfe und Gynaekoloyie. 1882. Bd. VII. 8. 205. 438 MAx MARCKWALD: späteren Aufsatze suchte Tanret! diesen Einwand zu entkräften. Trotz persönlicher Bemühung ist es mir nicht gelungen, das krystallinische Prae- parat von Hrn. Tanret zu erhalten. — Die Litteratur über das Ergotinin ist eine sehr spärliche; eine ausführliche physiologische Arbeit über dasselbe existirt bis jetzt nicht. Mole? aus Troyes und Chabbazian,? Chefarzt der geburtshülflichen Abtheilung des Rotunda-Hospitals zu Dublin, berich- ten über sehr günstige Erfolge mit diesem Mittel am Krankenbette und zwar besonders gegen Gebärmutterblutungen, bedingt durch Wehenschwäche. Fünf Tropfen der Lösung, (welche auf 18” Flüssigkeit 0.001 Ergotinin enthält) genügten zur Stillung der Blutung. 15 Tropfen durften ohne Ge- fahr nicht überschritten werden. Auch wirkten kleine Dosen sicherer als grosse. Uhabbazian rühmt im Vergleich zum Ergotins, die weit schnellere, sicherere und constantere Wirkung des Ergotinins auf die Gebärmutter, das Fehlen jeder Art localer Störung bei seiner subcutanen Anwendung, die ge- nügende Wirksamkeit einer sehr kleinen Dosis, den Erfolg bei secundärer Gebärmutterblutung, und empfiehlt es auch prophylaktisch gegen Blutungen post partum. Gosselin hat dagegen bei Blutungen eine höchst inconstante Wirkung des Ergotinins beobachtet. Dujardin-Beaumetz* beobachtete, sobald er die Dosis von 0.005 überschritt, stets Koliken und Erbrechen. Die Wirkung auf die Blutung war keine augenblickliche, sondern offen- barte sich erst nach 12 bis 24 Stunden. Nach Budin und Galippe? muss man einem grossen Hunde 0-08 8” subecutan injieiren, um eine be- merkenswerthe Wirkung zu erzielen (Erbrechen, Koliken, geringe Tem- peraturerniedrigung). Bei einem kleinen Hunde erfolgte nach interner An- wendung der Tod erst durch 0.105 8%, — Laborde und Peton® fanden bei Kaninchen die Dosis 0-01, bei Hunden 0-02 genügend, um Anaemie des Ohres bei dem einen, Erbrechen, Unruhe und Erweiterung der Pupille bei dem anderen zu erzielen. Die vasomotorischen Wirkungen waren sehr wenig ausgeprägt. Blumberg”’ aus Dorpat hat in seiner Dissertation vom Jahre 1878 einige Experimente mit Ergotininum Tanret angestellt, aus denen hervor- ging, dass dasselbe bei Fröschen Lähmung der Sensibilität und Motilität zur Folge hatte und nach 10 Minuten der Tod eintrat. In Deutschland ! Bulletin general de therapeutique. Vol. 93. ” Academie de Medecine. Seance 21. Aoüt. 1877. ® Journal de Medecine. 1883. Vol. V. No. 18. * Bulletin general de therapeutique. Vol. 94. 5 Societ€ de biologie. 18718. 9. Mars. 6 These de Paris. 1878. A.9.0, WIRKUNGEN VON ERGOTIN, ERGOTININ U. S. w. 439 wurde das Ergotinin erst 1883 mehr bekannt, als es Gehe & Co. in Dresden gelang, das, wie sie sagen, äusserst zersetzbare Alkaloid, welches durch al- kalische Reagentien und schon durch eine mässig hohe Temperatur schnell alterirt wird, darzustellen und als Ergotininum ceitricum in den Handel zu bringen. Dr. Kober! aus Strassburg theilt in einem Briefe an Gehe & Co. die Resultate einiger Versuche mit diesem Praeparate an Fröschen, Meer- schweinchen und Kaninchen mit, aus denen hervorgeht, dass Kaninchen schon auf Dosen von 0-1 "srm bei Injection in’s Blut prompt reagiren, in- dem nach vorübergehender Reizung des Herzvagus ein Stadium folgt, in welchem der Blutdruck erhöht ist. „Es sei dies von ungemeiner Wichtig- keit, da man schon seit 20 Jahren das Mutterkorn im Verdacht habe, den Blutdruck zu erhöhen und dadurch auf die Gebärmutter zu wirken.“ Bei grösseren Dosen sinkt der Blutdruck der Kaninchen dauernd; es treten stundenlang anhaltende Krämpfe ein und durch Athemlähmung erfolgt der Tod. — Eulenburg? wandte das Ergotininum citricum bei Kranken an und fand dasselbe in Gaben von 0-2 bis 0-7 (auch von 1.0 Merm) bei erwach- senen Personen unschädlich. Die Injection dieser Dosen hat ausser einer mehr oder minder beträchtlichen vorübergehenden Abnahme der Pulsfrequenz und Spannung, so wie öfters auch einer geringen Temperaturerniedrigung von 0-.1—0.3°C. (!) keine bemerkbaren physiologischen Wirkungen. Trotz- dem meint Eulenburg, dass es zur Abkürzung und Coupirung von Anfällen mit ausgesprochen hyperaemischem, vasoparalytischem Charakter augenschein- lich am wirksamsten sei (!) — ausserdem schien es einen palliativen und symptomatischen Nutzen bei den vasomotorischen Neurosen (Cephalalgien, Neuralgien, Morb. Basedowii u. s. w.) zu gewähren. Auch bei herab- gesetzter Leistungsfähigkeit und Tonicität des Sphincter vesicae (Enuresis, Incontinenz aus spinaler Veranlassung) kann durch das Ergotinin eine ge- wisse Besserung herbeigeführt werden. In den von Eulenburg zu sub- cutaner Injection benutzten Gaben von 0-2 bis 0-8 =erm war das Mittel voll- kommen schmerzlos, hinterliess local keine Störungen und war für den Or- ganismus durchaus unschädlich. — Die Wirkungen des Ergotinins auf die Gebärmutter sind in Deutschland bisher weder physiologisch, noch praktisch geprüft worden. In neuester Zeit ist dann auch von Bombelon (Neuenahr) ein Ergo- tininum solutum dargestellt worden, welches ebenfalls 1 "sm Ergotininum auf 1.08m Lösung enthalten soll. Ueber die Sklerotinsäure erschien im Jahre 1879 eine sehr gründliche ı Handelsbericht von Gehe & Comp. April 1883. ? Deutsche medicinische Wochenschrift. 1883. Nr. 44. 440 Max MARCKWALD: experimentelle Arbeit von Nikitin! aus Petersburg, auf Grund deren Verf. zu dem Schlusse gelangt, dass die Sklerotinsäure alle physiologischen und therapeutischen Wirkungen des Mutterkornes besitze und deswegen als dessen wirksamster Bestandtheil angesehen werden müsse. Er fand bei Warmblütern die Reflexerregbarkeit des Rückenmarks herabgesetzt, die Herz- thätigkeit, selbst bei verhältnissmässig grossen Gaben unverändert. Der Blutdruck sinkt nach kleinen Gaben vorübergehend, nach grösseren dauernd. Die Athembewegungen werden immer verlangsamt. Die Gebärmutter wird sowohl im trächtigen, wie im nicht trächtigen Zustande zu Contractionen ange- regt, vorhandene Contractionen derselben werden verstärkt; nie trat ein Tetanus auf, sondern es entstanden von oben gegen den Ausgang fortschreitende Zu- sammenziehungen. (Diese Beobachtungen wurden mit blossem Auge gemacht, nachdem die Bauchhöhle geöffnet, mit warmer Kochsalzlösung gefüllt (Con- centration?) und durch eine Glasplatte wieder gedeckt war). Hinsichtlich der blutstillenden Wirkung der Sklerotinsäure war Nikitin nicht im Stande directe Beweise für oder wider zu bringen, glaubt aber die von Anderen beobachtete blutstillende Wirkung bei Gebärmutterblutungen durch den Nachweis wissenschaftlich begründet zu haben, dass nach dem Gebrauche des Mittels der Uterus blass und blutleer wird in Folge einer activen Ge- fässcontraction; die blutstillende Wirkung der Sklerotinsäure bei Lungen- blutungen ‚dagegen, könne durch das Sinken des Blutdruckes erklärt werden (!) — Ein Vorzug der Sklerotinsäure vor den anderen Mutterkorn- praeparaten bestehe darin, dass sie als Hauptbestandtheil des Mutterkorns, in viel kleineren Dosen zur Erzielung einer guten Wirkung gegeben werden könne, und dass sie, als Pulver an trockener Stelle liegend, beliebig lange aufzubewahren sei. Zur subcutanen Einspritzung tauge aber weder die Skle- rotinsäure noch eines ihrer Salze, weil solche Injection zu schmerzhaft sei; am geeignetsten sei der innerliche Gebrauch von sklerotinsaurem Natrium. Stumpf’s? Erfahrungen im Münchener klinischen Institute über die theils subcutan, theils innerlich verabreichte Sklerotinsäure bei zahlreichen Fällen von Blutungen verschiedener Art sprechen für die Anwendbarkeit, während andererseits Kobert? wenig günstig urtheilt und Ganguillet* in Bern zu dem Ausspruche gelangt, dass die Sklerotinsäure in der Geburtshülfe keine Zukunft habe. Charles S. Seltzer? leugnet ebenfalls auf Grund physiologischer Versuche, dass die Sklerotinsäure die Wirkung des Ergotins ! Rossbach, Pharmaceutische Untersuchungen. 1879. Bd. III. ? Deutsches Archiv für klinische Mediein. 1879. Bd. XXIV. 3 Oentralblatt für Gynaekologie. 1879. Bd. III. * Archiv für Gynaekologie. 1880. Bd. XVI. 5 Wood, Treatise on therapeutics. Philadelphia 1883. WIRKUNGEN VON ERGOTIN, ERGOTININ U. S. w. 441 repraesentire. Auch Rennert! urtheilt ungünstig — Sotschau? (Charkow) dagegen zieht Einspritzungen von Acid. sceleroticum dem Ergotin vor. Eine Betrachtung dieses kurzen historischen Ueberblicks rechtfertigt zur Genüge eine erneute sorgsame Prüfung und Vergleichung der drei wesentlichen Mutterkornpraeparate mit den heutigen vervollkommneten Unter- suchungsmethoden. Es galt im Folgenden sich hauptsächlich über drei Punkte Klarheit zu verschaffen: 1) Ueber die Wirkung der Mutterkorn- praeparate auf den Blutdruck, 2) auf die Gebärmutter und 3) über den haemostatischen Einfluss dieser Mittel, und somit womöglich eine sichere Grundlage für Anwendung derselben in der Praxis zu gewinnen. Unter- sucht habe ich das Extract. sec. corn. aquos. bis purificatum (sive Ergotin. dialysat.), das Ergotininum Tanret, das Ergotininum citricum (Gehe), das Ergotininum solutum (Bombelon) und das Acidum scleroticum. Das Extract. sec. corn. wurde stets aus der hiesigen Apotheke des Hrn. Dr. Friedlän der bezogen, die drei verschiedenen Ergotininpraeparate direct von den betreffenden Fabrikanten und zwar in einer Lösung, welche stets auf 1,0 Flüssigkeit 0,001 Ergotinin enthielt, da letzteres in krystal- linischer Form nicht zu erhalten war. Die Sklerotinsäure war von Witte aus Rostock geliefert, und wurde vor dem Gebrauche in 0,6°/, Kochsalzlösung gelöst und mittels kohlensaurem Natron neutralisirt. Die Versuche wurden an Kaninchen und Hunden beiderlei Geschlechts ausgeführt. — Behufs Auf- zeichnung des Blutdruckes wurde die eine Art. carotis des Thieres mit einem Kymographion verbunden, welches endloses Papier bei dem Schwimmer des Blutdruck messenden Quecksilbermanometersvorbeiführte. DieFuess’sche Modification des Schwimmers gestattete, ein Manometer von etwa 2” Lumen zu benutzen, so dass selbst bei starker Blutdruckerhöhung nur wenig Blut aus dem Thiere in das mit kohlensaurer Natronlösung (1080 spec. Gewicht) gefüllte Manometerverbindungsrohr übertreten konnte und so die Gerinnung oft stundenlang hintenan gehalten wurden. — Gleichzeitig wurden bei den weiblichen Thieren die spontanen rhythmischen Gebärmuttercontractionen nach dem hier üblichen Verfahren? auf einem zweiten, langsam rotirenden Kymographioncylinder mittels einer kleinen Marey’schen Kapsel (Tambour inseripteur) verzeichnet, nachdem die Gebärmutter durch eine grosse Per- fusionscanüle im Muttermunde einerseits, und eine Glascanüle in dem entsprechenden Horne andererseits (s. Frommel,a.a.0.) mit 06 procentiger Kochsalzlösung von 39°C. mässig gefüllt worden war. — Gebärmutter und Hörner wurden dann zwischen Bauchfell und Bauchdecken zurückgelagert, ! Centralblatt für Gynaekologie. 1880. Bd. IV. ?” Ebenda. ® Dies Archiw. 1884. 8. 90. 442 MAx MARCKWALD: während der in Dr. Jastreboff’s! Arbeit beschriebene Wärmeapparat das Thier auf normaler Temperatur erhielt. Die zu gleicher Zeit aufge- zeichneten Blutdruckveränderungen und Uteruscontractionen erlaubten somit einen directen Vergleich des Ablaufes beider Phaenomene vor und nach Einverleibung der Mitte. Die künstliche Athmung der Thiere wurde mittels des von Lamb gebrauchten Kronecker’schen Respirationsapparates (Wassertrommelgebläse mit Schieberhahn) unterhalten, wobei der Wechsel des Respirationsdruckes und in Folge dessen auch der Blutdruck ohne andere Einflüsse sich während des ganzen Erperimentes constant erhielt.? In den Fällen, wo der Einfluss der Gifte auf die Athmung studirt werden sollte, wurde die Med. oblong. oberhalb des Athmungscentrums im IV. Ventrikel durchtrennt, und es wurden die Zwerchfellbewegungen mittels des vom Verf.” schon früher gebrauchten Zwerchfellhebels auf einen rotirenden Kymographioncylinder verzeichnet. Um über die haemostatische Wirkung der Mutterkornpraeparate einen Aufschluss zu erhalten, benutzte Verf. das von v. Kireeff* in diesem Institute ausgebildete Verfahren, die Aenderung des Lumens eines grösseren Gefässes durch methodische, zeitlich gemessene Aderlässe zu bestimmen. Die Einführung dieser Methode in den Versuchsplan war darum noth- wendig, weil, wie v. Kireef gefunden (a. a. O. 8. 55), die Geschwindigkeit des Blutflusses sich keineswegs dem Blutdrucke proportional oder auch nur im gleichen Sinne ändert; so erhält man z. B. in Folge der Vagusreizung nach- träglich beschleunigten Ausfluss. Reizung der Med. oblong. (Steigen des Blut- druckes), giebt dagegen in den ersten Secunden vermehrtes, darauf aber bedeu- tend geringeres Ausfliessen, bis nach Aufhören des Reizes. — Ebenso wie durch centrale Einflüsse kann auch durch periphere das Gefässlumen bei gleicher Stromgeschwindigkeit verändert werden und somit die Ausflussmenge; so fand v. Kireef: „dass es das Ausfliessen selbst ist, welches die Contraction des offenen Gefässzweiges veranlasst.“ Nach diesen und anderen Erfahrungen (Mosso), war es also geboten die haemostatische Wirkung der Mutterkorn- praeparate durch direete Beobachtung der Blutung zu prüfen, nicht aus Blutdruckversuchen zu schliessen. Es wurde deshalb die eine Art. cruralis bei Hunden möglichst wenig freigelegt und eine Ausflusscanüle in das centrale Ende des durchtrennten Gefässes eingebunden. Die Einzelentlee- rungen wurden so klein gewählt, dass eine Reihe vergleichbarer Bestim- mungen möglich war, ohne im Ganzen mehr als die Hälfte des Gesammt- ! Dies Archiv. 1884. 8. 105. ?2 Dies Archiv. 1883. S. 32. ® VerhandInngen der physiologischen Gesellschaft zu Berlin. Dies Archiv. 1879. S. 592. 4 Dies Archiv. 1883. 8. 51. WIRKUNGEN VON ERGOTIN, ERGOTININ U. S. w. 443 blutes des Thieres zu entziehen, wobei nach den in Ludwig’s physiologischer Anstalt gewonnenen Erfahrungen der Blutdruck im Wesentlichen unver- ändert bleiben kann. Die Dauer der Blutentleerung wurde auf die gleich- zeitig registrirte Blutdruckcurve markirt, so dass man stets das Verhältniss von Ausflussgeschwindigkeit in der Oruralis zum Blutdrucke im Carotiden- systeme constatiren konnte. — Der erste Aderlass wurde am unvergifteten Thiere zeitlich bestimmt; der zweite unmittelbar nach Beendigung der In- jeetion des Mittels, der dritte, nachdem die Wirkung des Mittels auf den Blutdruck unmerklich geworden war. Hierdurch konnte die von v. Kireeff beobachtete verlangsamende Wirkung der Aderlässe selbst in Rechnung gezogen werden und die etwaige Giftwirkung unabhängig davon aufgefun- den werden. Mit Ausnahme der Fälle, in welchen die Athmung oder die haemosta- tische Wirkung studirt werden sollte, wurden die Thiere bis zur Aufhebung der selbständigen Athmung curarisirt, die ersteren während der Operation morphinisirt. Die Mittel wurden in den meisten Fällen durch eine Vena jug. ext. in das Herz gespritzt und zwar in indifferenter Kochsalzlösung vertheilt und so langsam, dass man eine vollkommene Mischung mit dem übrigen venösen Blute vor Eintritt in’s Herz annehmen konnte; ein paar Mal auch durch die Art. cruralis centralwärts. Zur Aufzeichnung der Gebärmuttercontractionen eigneten sich am besten Kaninchen vom fünften bis achten Tage nach dem Wurfe; doch wurden auch trächtige und jung- fräuliche benutzt. Von den weiblichen Hunden erwiesen sich nur die puerperalen brauchbar, bei den anderen gelang es nicht, die. Gebärmutter so mit Flüssigkeit zu füllen, dass die Volumenverminderung ihres Inhaltes aufnotirt werden konnte. I. Wirkung der Ergotinpraeparate auf den Blutdruck. Die Wirkung des Extract. sec. corn. auf den ‚Blutdruck ist eine an- scheinend sehr complieirte und inconstante. Sie setzt sich in der Regel bei kleinen und mittleren Gaben (0-25 bis 1-0 8"®), ein oder mehrere Mal wieder- holt, aus drei Phasen zusammen, einer anfangs schnell vorübergehenden Blutdrucksteigerung, einer oft ziemlich beträchtlichen Blutdrucksenkung und einer darauf folgenden lange andauernden, allmählichen Blutdruck- erhöhung. (Fig. 1.) Das Anfangsstadium wird oft unmerklich, zumal bei Kaninchen; das zweite Stadium kann in seltenen Fällen (beim Hunde) eben- falls unmerklich werden. Das dritte Stadium, welches meistens erst nach Beendigung der Injection beginnt, ist häufig so wenig ausgeprägt, dass es nur wie ein Ausgleich der Giftwirkung erscheint, führt aber doch gewöhn- lich zu einer geringen übercompensirenden Blutdruckerhöhung. In seltenen 444 | Max MARCKWALD: Fällen tritt aber dieses Stadium so in den Vordergrund, dass es sich zeit- lich an Stelle des zweiten Stadiums schiebt und vorherrschend bleibt, ohne dass diese Aenderung etwa von der Grösse der Dosis abhängig erscheint. Die Pulsfrequenz sinkt bei Kaninchen gewöhnlich mit dem Drucke, steigt dann selten über die Norm; bei Hunden steigt die Pulsfrequenz in der Regel, und zwar sowohl, wenn der Druck sinkt, als wenn er steigt, nur zuweilen ändert sich die Pulsfrequenz in gleichem Sinne mit dem Drucke. Als Beispiel diene folgendes Versuchsprotokoll, Tabelle I. Es ist zu be- achten, dass bei Hunden häufig ein sehr ausgeprägter Vagus-Tonus besteht, ee EEE Se re EN er ST EEE FEB TE WET Ef Be 200 3 FEIERTE ES a En DR a ER ER TIER EB 200190 180 170 160 150 140 180 120 110 100 90 80. 70.60 50 40 30 20 10..0 Sec. Fig. 1. Puerperales Kaninchen. Curve des mittleren Blutdrucks (halbe Höhen) während und nach Vergiftung mit 1-08” Ergotinum dialysatum (Injection von | bis ||). Die Puls- und Respirationsschwankungen sind fortgelassen. Die Zahlen unter der Abseissenlinie bedeuten Secunden. Die Zeichen | und || an der Curve bezeichnen Anfang und Ende der Giftinjection. bei Kaninchen nicht; so dass bekanntlich Durchtrennung beider Vagı bei Kaninchen die Pulsfrequenz kaum ändert, bei Hunden sie oft mehr als verdoppelt. Daher werden die atonisirenden Einflüsse wohl beim Hunde, nicht aber beim Kaninchen sich geltend machen können, während die tonisirenden bei Hunden mit starkem Vagus-Tonus weniger merklich werden als bei Kaninchen. — Nach Durchtrennung beider Vagusstämme am Halse fällt die Wirkung des Ergotins auf den Puls in den meisten Fällen weg, in einigen aber (bei Kaninchen). war eine eclatant erregende Wirkung der Herzvagi nach Durchtrennung der Stämme merklich. Elektrische Reizung WIRKUNGEN VON ERGOTIN, ERGOTININ UT. S. w. 445 Tabelle I Kaninchen. Durchtrennung der Med. obl. in der Höhe des Athemcentrums. Blutdruck in der Carotis vor und nach Injection von Ergotinum dialysatum, während künstlicher Athmung und nach Suspension derselben. Höhe des Isfı Blutdrucks in a in 1 Min. Zeit. Bemerkungen. h, Min, See, Mm. Hg. 42 12 224 Suspension der künstlichen Athmung. 2 32 228 4 30 228 | Injeetion von Ergotinum dialysat. 40 36 | 1-8 + 5Cem C1Na Sol. 0-6°),. 45 20 32 178 46 28 Künstliche Athmung. BB... 1 34 198 Suspension der künstlichen Athmung. 8 70 216 48 28 Künstliche Athmung. 51 20 174 50 40 174 Suspension der Athmung. 8 66 198 15 62 Künstliche Athmung. 17 40 192 51 42 192 Injeetion von Ergotin. dialysatum 1-2. 15 32 52 36 184 Schluss der Injection. 10 36 184 Suspension der Athmung. 16 52 186 46 14 186 Künstliche Athmung. 54 34 164 55 62 216 Suspension der Athmung. 6 82 | 216 2 56 | 18 Künstliche Athmung. 20 16 59 50 202 Suspension der Athmung. Ergot.dialys. 1:0. 8 80 186 | | der peripheren Vagusenden stellte das Herz, wie gewöhnlich, in Diastole still. Tabelle II mag diese Erscheinungen numerisch darstellen. — War durch grosse, oder sehr häufig wiederholte kleinere Dosen der Blutdruck dauernd stark gesunken, so vermochte auch Durchtrennung der Vagi am Halse ihn nicht mehr, oder nur sehr wenig, zu heben. Nach Abtrennung der Gefäss- nervencentren in der Med. obl. war in einer Reihe von Fällen keine Ein- wirkung des Mittels mehr auf den Blutdruck zu sehen; in anderen beob- achtete man noch ein Absinken des Blutdruckes, zuweilen nach schnell 446 Max MARCKWALD: Tabelle I. Kaninchen (leicht morphinisirt). Blutdruck in der Carotis vor und nach Injection von Ergotinum dialysatum. Durchtrennung der Vagi und erneute Injection von Ergotinum dialysatum. Reizung der peripheren Vagi. Höhe des - Pulsfrequenz Zeit. Blutdrucksin , An * Bemerkungen. h. Min. See. | Mm. Hg. in 1 Min. 11 90 | 120 200 | Injection von Ergotinum dialysatum 2-0. 51 123 10 78 96 51 50 124 Schluss der Injection. 52 65 220 Durchtrennung der Vagi. 57 118 228 Injection von 1-5 Ergotinum dialysatum. 58 48 120 Schluss der Injection. 10 70 40 96 230 12 121 1 130 216 ERBEN... | 070, es 206 iernach auf Reiz der peripheren Vagus- enden Stillstand des Herzens. vorübergehender Hebung desselben; nur ausnahmsweise waren alle drei Phasen noch angedeutet. Eine Suspension der künstlichen Athmung ver- mag während der Ergotineinwirkung den Blutdruck nicht annähernd so zu steigern, wie ohne dieselbe; nach starker Ergotinvergiftung zeigt auch die Asphyxie keinen Einfluss auf den Blutdruck mehr. Die Wirkung des Ergotinum dialys. auf die Athmung ist eine stark beschleunigende. — Es scheint, dass die Thiere sich dem Mittel gegenüber sehr verschieden wider- standsfähig verhalten; auch vertragen Kaninchen dasselbe im Allgemeinen besser als Hunde; bei letzteren geben schon kleine Dosen einen viel ecla- tanteren Erfolg (Vagustonus?). Dosen bis zu 1-0 haben eine schnell vor- übergehende Wirkung und können dieselben gut innerhalb zwei Stunden drei bis vier Mal wiederholt werden. — Selbst bei Dosen bis zu 6.0 ®"" in toto wurde eine direct tödtende Wirkung von Ergotin nicht beobachtet; doch ist zu bedenken, dass bei diesen Thieren stets künstliche Athmung unter- halten wurde. Die drei Ergotininpraeparate wirken in mehr vorwiegendem Grade als Ergotin blutdrucksteigernd, aber auch hier macht sich häufig eine Blutdruck erniedrigende Wirkung geltend. — Der Unterschied der drei Mittel auf den Blutdruck zeigt sich darin, dass bei dem Ergotininum eitri- WIRKUNGEN VON ERGOTIN, ERGOTININ U. S. w. 447 cum (Gehe) (Fig. 2) die Blutdrucksteigerung reiner ausgeprägt und be- deutender ist, als beim Ergotininum solutum (Bombelon) (Fig. 3), und dort wieder reiner als beim Ergotininum Tanret; letzteres tritt in seiner Wirkung auf den Blutdruck dem Ergotininum dialysatum näher, dessen ee a RT I N u ne Be Fee Hear alu U nein Hrn 160 150 140 130 120 110. 100 90 80 70. 60 50 40 30 20 10. 0° Sec. Fig. 2. Kaninchen. Curve des mittleren Blutdrucks (halbe Höhen) vor, während und nach Injection von 0-25 mgrm Ergotininum ceitricum (Gehe). Puls- und Respirationsschwan- kungen fortgelassen. Die Zahlen unter der Abscissenlinie bedeuten Secunden. Die Zeichen | und || an der Curve bezeichnen Anfang und Ende der Giftinjection. > 100 150 140 4130 4120 110 100 90.80 70.60 50 40.30 ‘20 10 0 Sec. Fig. 3. Säugende kleine Hündin. Blutdruckscurve (halbe Höhen) vor, während (| — ||) und nach Injection von 1 mgrm Ergotininum Bombelon. drei Phasen es nicht selten wieder, wenn auch nicht so ausgeprägt, zeigt. Die Pulsfreguenz wird durch diese Praeparate bei Kaninchen so wie bei Hunden gemindert. Bei letzteren kann die Vaguswirkung, zumal bei grossen Dosen, so stark werden, dass hierdurch vorübergehend bedeutende Blutdruck- 448 Max MARCKWALD: erniedrigung erfolgt. Nach Durchtrennung der Vagusstämme am Halse hört diese (central tonisirende) Wirkung des Giftes auf. Solche Vorgänge mögen durch Tabelle III verdeutlicht werden. Nach Abtrennung des Tabelle II. Injection von Ergotininum Bombelon in sehr grossen Dosen in die Vena jug. Durch- trennung der Vagi. Höhe des ; fi Zeit Blutdrucks in Be wi Bemerkungen. h. Min. See. | Mm. He. in 1 Min. \ 12 102 210 Injection von 0- 005grm Ergotininum Bombel. 5 106 54 15 40 30 25 62 48 1 56 106 2 122 104 3 130 104 Injection von 0-002 Ergotininum Bombel. 10 60 24 15 36 20 106 66 40 108 12 4 110 10 168 66 Rechter Vagus durchschnitten. 10 186 96 Linker Vagus durchschnitten. 15 196 168 ri 228 168 20 250 ; 45 236 Injection von 0-003 Ergotininum Bombel. 41 212 198 10 216 198 Gefässnervencentrums in der Med. obl. vermag Ergotinin nicht mehr den: Blutdruck zu erhöhen. Ein Einfluss des Ergotininums auf die Athmung war wenig ausgeprägt; es schien ein wenig verlangsamend auf dieselbe zu wirken. Die Dosirung betrug bei Kaninchen 0-5 bis 2.0"s" mehremal wieder- holt, bei Hunden 0-5 bis5-0, in toto 1-5 bis 10er, Die Giftwirkung schien, mit Ausnahme der ganz grossen Dosen (von 3 bis 58”), eine wenig intensive und schnell vorübergehend zu sein; aber auch bei den grössten Dosen wurde eine direct tödtende Wirkung des Mittels nicht beobachtet, wobei jedoch immer zu bedenken ist, dass das curarisirte Thier künstlich respirirt wurde. | Die Sklerotinsäure hat im Allgemeinen eine blutdruckerniedrigende Wir- kung (Fig. 4); zuweilen (besonders bei Kaninchen, aber auch bei Hunden) (Fig. 5) schiebt sich eine geringe Anfangserhöhung ein. In der Regel ist zugleich die Pulsfrequenz vermindert. In einem Falle war allerdings die Pulsfrequenz erhöht, aber nur für die Zeit der intensiven Giftwirkung. — (Dosirung: 0:1 bis 0:58" mehrere Mal wiederholt). WIRKUNGEN VON ERGOTIN, ERGOTININ U. S. w. 449 Ueberblicken wir nun die Wirkung der drei Mutterkornpraeparate auf den Blutdruck im Grossen und Ganzen, so finden wir für die doppelte und entgegengesetzte Wirkung des Ergotins leicht eine Erklärung. So- wohl das Ergotinin mit seiner wesentlich blatdruckerhöhenden Wirkung, wie die Sklerotinsäure mit ihrer im Allgemeinen blutdruckerniedrigenden Fa [EEE BE TEE 1 TREE el BRRRÄERRL Decke WESEN TERRERTE N TEEN SEN EEE "BE (ERBE ST FREE Ve EEE 2 le 200 Mei 210 200 190 180 170 160 150 140 130 420 110 100 90 80 70 60 50 40 80 20 10Sec. Fig. 4. Kaninchen, Curve des mittleren Blutdrucks (halbe Höhen). Während der Zeit von Zeichen | bis Zeichen || an der. Curve Injection von sklerotinsaurem Natron (ent- sprechend 0-5 Sklerotinsäure). er] DE Was DER] VERRATEN WEBRGER A LA SZCN UEBE ENG LEI N SEGEL VEREIN | SR RN RR u ie Yu nn on lo 170 160 150 140 4130 120 10 4100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 .0 Sec. Fig. 5. Hund. Blutdruckseurve (halbe Höhen) während (von | bis ||) und nach Einspritzung von 0-17 grm sklerotinsaurem Natron. Eigenschaft, sind Bestandtheile des Extract. sec. corn. aquos. Das Resultat, welches diese beiden im Ergotinum dialysatum in verschiedenen Mengen vereinigten, qualitativ und quantitativ verschieden wirkenden Körper geben, ist jene vorhin geschilderte sowohl blutdruckerhöhende wie blutdruckernie- drigende Wirkung des Ergotins. Die ungleichen Resultate des Ergotininum Archiv f. A.u. Ph. 1884. Physiol. Abthlg. 29 450 MaAx MARCKWALD: Tanret finden vielleicht eine Erklärung in der Angabe von Dragendorff und Podwissotzky, dass sich in demselben Beimengungen von Sklererythrin und Sklerojodin finden, Farbstoffe, welche analog der Sklerotinsäure, nur schwächer als diese wirken sollen. 1I. Wirkung der Ergotinpraeparate auf die Bewegungen der Gebärmutter. Der Einfluss des Ergotin. dialys. und der Sklerotinsäure auf die Gebär- muttercontractionen war ein sehr ausgesprochener und constanter: Es wurden Fig. 6. Hündin. Die obere Curve stellt den (halben) Blutdruck dar mit Athemschwankungen, die an einer Stelle von tiefen seltenen Vaguspulsen abgelöst werden. Die untere Curve giebt facsimilirt die gleichzeitig aufnotirten Uterusbewegungen wieder, deren Hebungen Contractionen bedeuten. Von Marke | bis Marke || Injection von 1-0 grm Ergotin. dialys. WIRKUNGEN VON ERGOTIN, ERGOTININ U. S. w. 451 die spontanen rhythmischen Zusammenziehungen des Uterus enorm verstärkt und verlängert. Einige Secunden nach Beginn der Injection des Mittels und lange bevor dieselbe beendet war, gleichzeitig mit dem Beginne der Blutdruckänderung oder auch schon zuvor, traten lang andauernde, sehr kräftige Zusammenziehungen der Gebärmutter auf, welche an Grösse die ‚vorangegangenen um das Fünffache und mehr übertrafen (Fig. 6); dann wurden oft die vorher unregelmässigen Contractionen regelmässig, tiefer und frequenter; dagegen wurde nie‘ ein wirklicher Tetanus uteri beobachtet, sondern nur, wie auch Nikitin bei der Sklerotinsäure gefunden, eine von oben nach unten fortschreitende Bewegung. Jedoch war diese Wirkung auf die Gebärmutter vorübergehend, ebenso wie die Wirkung des Ergotins und der Sklerotinsäure auf den Blutdruck; eine, zwei bis drei sehr ver- Fig. 7. Trächtiges Kaninchen. Uterusreizung durch Injeetion (| — |) von sklerotinsaurem Natron (0-2 grm Sklerotinsäure). stärkte, lang andauernde Zusammenziehungen folgten der Einspritzung, dann kehrten die Bewegungen zur Norm zurück (Fig. 7); nur in denjenigen Fällen, in welchen die Frequenz vermehrt und besonders dort, wo die vor- her unregelmässigen Contractionen durch die Einverleibung der Mittel regelmässig geworden waren, war die Wirkung auf lange Zeit hin ausge- prägt. Auch nach Abtrennung der Gefässnervencentren in der Med. oblong., welche die spontanen rhythmischen Gebärmuttercontractionen fortbestehen lässt, blieb der Einfluss des Ergotins und der Sklerotinsäure auf die Be- wegungen ebenso deutlich, wie bei erhaltener Med. oblong. Die Wirkung der- selben zeigte sich ferner nicht allein bei trächtigen Thieren, sondern auch bei jungfräulichen und puerperalen. — In Bezug auf Dauer, Grösse und Verlauf der Contractionen liess sich zwischen den beiden Mitteln kein Unter- schied bemerken, ebensowenig bei verschiedenen Gaben des einzelnen Mittels in den mittleren Grenzen (1 bis 22”), Es war aber mit absoluter Sicher- heit zu entscheiden, dass die Uteruscontractionen unabhängig von der Blutdruckänderung waren. Sie traten erstens, wie schon 29* 452 Max MARCKWALD: erwähnt, unmittelbar nach Einverleibung des Mittels in den Organismus ein, zu einer Zeit, wo die Aenderung des, Blutdruckes eben erst anfing sich geltend zu machen; sie zeigten sich weiterhin sowohl im Stadium der Blut- druckerhöhung, wie im Stadium der Blutdrucksenkung, als auch, nachdem die den Blutdruck regulirenden Systeme bereits erschöpft waren, oder wo, wie nach Durchtrennung der Med. oblong., der Einfluss derselben zum grossen Theile ausgeschlossen war. Die durch Anaemie hervorgerufenen sehr verstärkten Gebärmuttercontractionen treten, wie ausserdem Frommel und Jacub! gezeigt haben, erst bei sehr vollkommener Anaemie und ferner viel längere Zeit nach Bestehen der Blutleere auf und verschwinden ebenfalls nicht so schnell nach Aufhören derselben. Dass andererseits Blutdruckerhöhung nicht Gebärmuttercontractionen auslöst, beweist weiter, wie wir gleich sehen werden, auch das Ergotinin. Wir müssen somit die den Uterus zusammen- ziehende Wirkung des Ergotin. dialys. und der Sklerotinsäure auf unmittel- bare Erregungen der bewegenden ÜOentren der Gebärmutter zurückführen. Das Ergotinin dagegen, sowohl das von Tanret wie das von Gehe und Bombelon, zeigte, in welcher Form und Dosis es auch gegeben, bei welchen Zuständen es angewendet, ob bei trächtigen, puerperalen oder jung- fräulichen Thieren, absolut keine Wirkung auf die Zusammenziehungen der Gebärmutter, weder auf Grösse, Dauer noch Frequenz oder Rhythmus derselben, trotzdem, wie wir gesehen haben, das Ergotinin den Blutdruck deutlich steigert. Ill. Wirkung der Mutterkornpraeparate auf die Blutungen. Was zum Schlusse die allgemein haemostatische Eigenschaft der drei verschiedenen Mutterkornpraeparate anbelangt, so will ich jetzt noch keine endgiltige Ansicht darüber abgeben, da die Versuche nach dieser Richtung hin noch nicht zahlreich genug sind. Doch glaube ich mit Sicherheit voraus- sagen zu dürfen, dass der von mir vorgeschlagene und betretene Weg zum Ziele führen wird. Aus den Blutentziehungsversuchen ergab sich vor- läufig, dass weder Ergotinum dialys., noch Ergotinin im Stande waren, den Blutfluss in gegebener Zeit zu verlangsamen, während die Sklerotinsäure allerdings eine solche Wirkung hervorbrachte Mit dem Ergotiningebrauche schien umgekehrt sogar eine gewisse Beschleunigung des Blutausfiusses Hand in Hand zu gehen. — Wenn man die Ausflussgeschwindigkeiten in der Zeiteinheit (d. h. die Blutmengen, welche in je einer Secunde ausflossen) untereinander verglich: und zwar diejenigen Mengen, welche vor der Ver- 1 Dies Archiv. 1884. 8.170. x WIRKUNGEN VON ERGOTIN, ERGOTININ U. S. W. 453 giftung und direct nach der Vergiftung ausflossen, mit denjenigen, welche sich entleerten, ohne dass eine Vergiftung dazwischen lag, so zeigte sich, dass 1) beim Ergotin diese Werthe gleich waren; das Mittel somit keinen - Einfluss auf die Geschwindigkeit des Blutausflusses auszuüben im Stande war. — Es flossen z. B. vor der Vergiftung 4°" in 1 Sec., direct nach der Vergiftung 2-6Ce®m in 1 Sec. und später (nach Ausgleich der Wirkung des Mittels auf den Organismus) 0-9" in 1 Sec. ab. Die Differenzen zwischen erster und zweiter und zwischen zweiter und dritter Blutentziehung verhalten sich somit wie 1°5:1°6, sind nahezu gleich. 2) Ergab sich, dass beim Ergotinin die Ausflussgeschwindigkeit während der Vergiftung zunahm. Denn vor Einverleibung des Mittels flossen 16-4 Cm in 1 Sec. ab, direct nach derselben 166°", später 14-3Cem in 1 Sec. Die Differenzen zwischen erster und zweiter und zwischen zweiter und dritter Blutmenge verhalten sich somit wie —0°2 zu +23. | 3) Bei der Sklerotinsäure flossen z. B. vor Vergiftung 20m in 1 Sec. ab, direct nach Vergiftung 16-2°em in 1 Sec., später 13-3Cm in 1 Sec. Die Differenzen verhielten sich demnach, wie 3:8:2-9 d.h. der Blutausfluss war während der Wirkung des Mittels auf den Organismus verlangsamt. Fassen wir somit die Resultate zusammen, welche sich aus diesen - Untersuchungen ergeben, so kommen wir zu folgenden für die Praxis wich- tigen Schlussfolgerungen: 1) Das Ergotinin ist weder zur Erzielung von Gebärmuttercontractionen, noch als blutstillendes Mittel in irgend einer Weise zu gebrauchen. 2) Das Ergotinum dialysatum und die Sklerotinsäure sind in gleicher Weise geeignet, Zusammenziehungen der Gebärmutter hervorzurufen, können daher auch hierdurch Blutungen aus diesem Organe zum Stillstand bringen. 3) Der Sklerotinsäure scheint neben der Blutdruck herabsetzenden eine allgemeine haemostatische Wirkung zuzukommen. Es erscheint demnach die Behauptung Nikitin’s gerechtfertigt, dass die Sklerotinsäure ein haupt- sächlich wirksamer Bestandtheil des Mutterkorns sei. Trotzdem dieselbe aber bereits in kleineren Dosen, als das Ergotin (zu 0-2 bis 0-38") sich wirk- sam erweist, steht ihrer allgemeinen Verwendung für geburtshülfliche und gynaekologische Zwecke der Umstand hindernd im Wege, dass weder die Sklerotinsäure noch die sklerotinsauren Salze sich zu subcutaner Injection eignen. So wird man denn stets wieder zum Ergotinum dialysatum die Zuflucht nehmen müssen, dessen Wirkung auf die Gebärmutter der Wir- kung der Sklerotinsäure gleichkommt. Die Vorwürfe, welche man gegen die subcutane Anwendung des Ergotins früher erhoben, sind heute meist hinfällig. Ein aus zuverlässiger Quelle bezogenes Praeparat, welches doppelt 454 MARCKWALD: WIRKUNGEN VON ERGOTIN U. S. w. gereinigt und dialysirt worden, ist gut haltbar und von ziemlich constanter Wirkung. Bei einiger Vorsicht und Reinlichkeit wird man nie Abscesse beobachten. Freilich ist auch beim Ergotin in grösseren Dosen die Schmerz- . haftigkeit, wenn auch individuell sehr verschieden, doch häufig nicht unbe- deutend; ebenso wie nicht selten local empfindliche Beulen längere Zeit hindurch bestehen bleiben. Zur Minderung aller dieser Uebelstände rathe ich an, das Ergotinum dialysat. rein zu verschreiben und dasselbe erst beim Gebrauche in der Pravaz’schen Spritze zu verdünnen und zwar mit 0:73 °/, Kochsalzlösung. Die 0:73 °/, Kochsalzlösung hat nach den soeben ver- öffentlichten Untersuchungen von Aronsohn! diejenige Concentration, welche für die menschlichen Schleimhäute absolut reizlos ist, wogegen destillirtes Wasser die letzteren, wie bekannt, sehr verändert und unter die Haut ge- bracht, starke Schmerzempfindungen hervorruft. — Bei der Anwendung des Ergotin. dialysat. in dieser Mischung habe ich beobachtet, dass nicht allein die Injectionen weniger schmerzhaft sind, sondern dass auch die Resorption des Mittels vom Unterhautzellgewebe eine viel vollkommenere ist, somit viel seltener Beulen zurückbleiben. Im Allgemeinen wird die für den Menschen wirksame Gabe des Ergotins zu niedrig gegriffen. Für einen längeren Gebrauch, z. B. zur Beförderung der Resorption von Uterus- fibroiden, muss die Einzelgabe mindestens 0-58” des reinen Ergotins be- tragen, während zur Stillung von Blutungen 1-0 bis 2:0g"= pro dosi, selbst wiederholt nöthig sind. Die Experimente zu vorliegender Arbeit wurden in der speciell-physio- logischen Abtheilung des physiologischen Instituts zu Berlin, unter Leitung des Hrn. Prof. H. Kronecker, ausgeführt, dem ich für reiche Anregung zu grossem Danke verpflichtet bin. 1 Vergl. Dies Archiv. 1884. $S. 164. Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft zu Berlin. Jahrgang 1883 —84. XV. Sitzung am 30. Mai 1884.' 1. Hr. F. Fark berichtet über Fortführungen seiner früheren Versuche über Beziehung der Hautnerven zur Athmung. Er erörtert, welchen Ein- fluss thermische Reizungen der Haut, Untertauchen und kalte Begiessungen, auf die Respirationsbewegungen erkennen lassen. Er erwähnt dabei u. A., wie gewisse forensische Erfahrungen gegen die Bedeutung der Hautabkühlung für die Auslösung der ersten extra-uterinen Athembewegung sprechen können. Was ferner die wiederbelebende Wirkung kalter Begiessungen betrifft, so können diese bei Asphyktischen nur dann wesentlichen Nutzen erhoffen lassen, wenn sie auf Brust oder besser auf Nacken applicirt werden. Begiessungen auf die Brust wirken, wie Beobachtungen an asphyktisch gemachten Thieren, welchen die Acupuncturnadel in’s Herz geführt, lehren, dadurch, dass sie, direct oder durch Vermittelung vasomotorischer Einflüsse, das Herz zu ergiebiger Thätigkeit an- regen; in nebensächlicherem Grade tritt Reizung des Zwerchfells hinzu. Die Wirkung auf’s Herz ist auch besonders deutlich, je mehr von den Thorax- bedeckungen, Haut, Musculatur, vor den Begiessungen entfernt worden ist. Begiessungen des Nackens verdienen namentlich Berücksichtigung, indem sie in erster Reihe auf die Athmung einwirken. Sie veranlassen Inspirationen, und auch dies ist um so prägnanter, je mehr von den weichen Schädelbedeckungen zuvor abgelöst worden ist, je intensiver danach der Reiz für das verlängerte Mark wird. Schliesslich wird auch der Einfluss der Hautnervenreizung bei den Vor- gängen des Ertrinkungstodes kurz beleuchtet. ! Ausgegeben am 27. Juni 1884. 456 VERHANDLUNGEN DER BERLINER 2. Hr. A. Bacınskı hält den angekündigten Vortrag: „Ueber das Ver- halten von Xanthin, Hypoxanthin und Guanin“. Redner führt aus, dass er im 'Thee und Theeextract einen Körper gefunden habe, dessen Silbersalz 33.6°/, Ag enthalte. Derselbe stimme mit dem Silber- gehalt des Xanthins, welches 33°5°/,Ag in seiner salpetersauren Silberverbin- dung verlange; ein zweiter Körper habe 35-4°/, Silber enthalten, und das stimme mit dem Silbergehalt des salpetersauren Hypoxanthinsilbersalzes. Xanthin und Hypoxanthin kommen also im Thee vor. Bei dem Versuch über die Widerstandsfähigkeit von Xanthin, Hypoxanthin und Guanin gegenüber der Fäulniss, stellte sich heraus, dass das Guanin am schnellsten und ausgiebigsten zerstört werde, am widerständsfähigsten sei das Hypoxanthin. Nahezu verhielt sich die Zerstörbarkeit der drei Körper Guanin, Xanthin und Hypoxanthin der Reihe nach wie 3:2:1. Im Stoffwechsel konnte Redner von einer einem Hunde verfütterten Menge von Hypoxanthin Nichts wieder finden. — Endlich hat Redner in Formen von acuter Nephritis nach Diphtherie und Scharlach eine nicht unerhebliche Vermehrung des Xanthins im Kinderharn ge- funden. Während im normalen Harn in 100 “em nur 0-003 Xanthin zu finden wären, hat Redner im nephritischen Kinderharn bis 0-028 Xanthin gefunden. Ein Versuch über die Wirkung des Xanthins auf das Herz liess in dem- selben ein herzkräftigendes Mittel erkennen. Nachträge. 1. Hr. MArrıus demonstrirte am Schlusse der Sitzung vom 14. März d. J. in der speciell-physiologischen Abtheilung des Instituts eine Methode zur ab- soluten Frequenzbestimmung der Flimmerbewegung auf strobosko- pischem Wege. Nachdem es mir mit Hülfe eines von Hrn. H. Kronecker angegebenen, in du Bois-Reymond’s Archiv, Jubelband 1883, beschriebenen, einfachen elektro- magnetischen Vibrationsstroboskops — des statt mit einer Schreibspitze mit einem Papierblättchen versehenen Pfeil’schen Chronographen — gelungen war, auf sehr bequeme Weise die periodischen Oscillationen des Meniscus eines von unter- brochenen Strömen durchflossenen Capillarelektrometers zu analysiren und in ihrer Frequenz genau zu bestimmen, lag der Gedanke nahe, dieselbe Vorrichtung zu dem Versuch zu benutzen, die bislang unbekannte Frequenz der Flimmer- bewegung endgiltig festzustellen. Der Gedanke an sich, dass die stroboskopische Methode eine zeitliche Analyse der Flimmerbewegung ermöglichen werde, ist indess keineswegs neu. Schon Doppler, der bald nach Plateau, und, wie es scheint, unabhängig von diesem, in einer intermittirenden Beleuchtung das Mittel fand, „periodische Bewegungen von ungemeiner Schnelligkeit noch wahrnehmbar zu machen und zu bestimmen“, nennt 1845 unter den periodischen Vorgängen, deren Zeitdauer mit Hülfe der neuen Methode zu messen sein müsse, die Flimmer- bewegung. Es muss auffallend erscheinen, dass trotzdem bis heute jede be- PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — MARTIUS. 457 stimmte Angabe über die Frequenz der normalen Flimmerbewegung fehlt. Valentin schätzte dieselbe auf 2—3 Oscillationen in der Secundee Engelmann wies nach, dass diese Zahlen sicher viel zu niedrig gegriffen seien. Während er selbst in seiner ausgezeichneten und sorgfältigen Monographie „Ueber die Flimmer- bewegung“ (Leipzig 1868. S. 22) sagt: „wie schnell das Tempo ..... .. bei noch nicht verlangsamter Bewegung sei, lässt sich nicht genau angeben, doch möchte nach einer Schätzung die Schwingungszahl im Maximum mindestens 12 sein,“ drückt er sich in seiner neuesten Bearbeitung der Flimmerbewegung in Her- mann’s Handbuch der Physiologie, Bd. I, Th. 1, S. 387 noch vorsichtiger und hypothetischer aus: „Die Schwingungen folgen sich (unter normalen Bedingungen) so schnell, dass ein continuirlicher Gesichtseindruck entstehen kann. Wenn sie soweit verlangsamt sind, dass ein Zählen eben möglich, beträgt ihre Frequenz 'in der Regel immer noch 6—8 in der Secunde, wird also im günstigsten Falle erheblich grösser sein.“ Obgleich also der richtige Weg zur Lösung dieses theoretisch wie praktisch gleich interessanten Problems schon vor nahezu 40 Jahren angegeben ist, so konnte man doch bis heute über eine unsichere Schätzung nicht hinauskommen. Diese auffallende Thatsache weist wohl von vornherein darauf hin, dass die auf so einfacher theoretischer Basis beruhende strobo- skopische Methode in ihrer Anwendung gerade auf die Flimmerbewegung ihre eigenthümlichen praktischen Schwierigkeiten haben müsse. In der That finden wir bei Harting (Das Mikroskop. 1866. Bd. II. S. 109) die Mittheilung, dass Dr. A. van Beek schon im Jahre 1845 längere Zeit sich mit dieser Frage be- schäftigt hat, ohne zum Ziele zu gelangen. Er benutzte eine mit Löchern ver- sehene Scheibe, der durch ein Räderwerk eine schnell drehende Bewegung ge- geben werden konnte. Diese Scheibe kam zwischen die Lichtquelle und den Objecttisch eines horizontal stehenden Mikroskopes.. Das beobachtete Object waren Flimmerzellen der Froschzunge. ‚Aller angewandten Mühe ungeachtet, gelang es doch nicht, die Cilien in solche Ruhe zu bringen, dass sie distinct zu unterscheiden gewesen wären, mag nun die Geschwindigkeit der Flimmer- bewegung selbst zu ungleich sein, als dass die Geschwindigkeit der Scheiben- umdrehung ihr genau correspondiren könnte, oder mag ein anderer uns un- bekannter Umstand an diesem verfehlten Resultate Schuld sein.“ Mach (Optisch- akustische Versuche. 1873. S. 71) meint, dass derartige Versuche wohl noch _ öfter vorgenommen, ihrer Schwierigkeit wegen aber wieder aufgegeben seien. „Solche negativen Resultate werden dann nur ausnahmsweise bekannt.“ Die Ueberwindung dieser in der That vorhandenen, nicht geringen Schwie- rigkeiten ist nun auf folgende Weise möglich gewesen. Während bei Anwen- dung der rotirenden Scheibe die technischen Uebelstände schon bei dem Versuche beginnen, die Zahl der Lichtblitze in der Zeiteinheit innerhalb sehr enger Grenzen einerseits beliebig zu variiren, andererseits wiederum beliebig lange constant zu erhalten, ist bei Anwendung des elektromagnetischen Stroboskops die Lösung dieses Problems von vornherein gegeben. Der schwingende Metallstab des mit” dem Stroboskop verbundenen akustischen Stromunterbrechers von Bernstein braucht nur an verschiedenen Stellen festgeklemmt zu werden, um sehr regel- mässige Schwingungen des das Licht periodisch vom Object abblendenden Papier- blättchens und zwar von jeder beliebigen Frequenz hervorzurufen. Das schwingende Papierblättchen des Stroboskops befindet sich zwischen Lichtquelle und Dia- phragma des Mikroskops. Es erwies sich auch bei diesen Versuchen, wie bei denen am Capillarelektrometer, als vortheilhaft, nicht wie ursprünglich versucht 458 ' VERHANDLUNGEN DER BERLINER wurde, das Blättchen mit einem Schlitz zu versehen, durch welchen ein Licht- blitz auf das Object fällt, jedesmal, wenn der Schlitz bei den Oscillationen des Blättchens am Diaphragma vorbeischwingt, sondern den periodischen Licht- abschluss durch das ganze unversehrte Blättchen dadurch besorgen zu lassen, dass dasselbe aufwärts schwingend das Diaphragma deckt, abwärts schwingend mit seinem oberen Rande die untere Peripherie desselben überschreitet. Der Vorzug des letzteren Verfahrens erhellt aus folgenden Betrachtungen. Wenn der Schlitz bei der Ruhestellung des Blättchens genau vor dem Mittelpunkt des Diaphragma’s sich befindet, so wird das Object bei je einer ganzen Schwingung des Blättchens zweimal beleuchtet. Ist der Schlitz in der Ruhestellung nicht genau vor die Mitte des Diaphragma’s eingestellt, sondern befindet sich unterhalb oder oberhalb desselben, dann können die Verhältnisse so liegen, als ob gar kein Schlitz da wäre. Der eine Rand desselben bewirkt, wie der freie Rand des unversehrten Blättchens, den periodischen Lichtabschluss. In diesem Falle aber wird, wie eine leichte Ueberlegung zeigt, bei jeder ganzen Schwingung des Blättchens das Object nur einmal beleuchtet. Da nun bei den starken Ver- grösserungen, die die vorliegenden Versuche erfordern, sowie im Interesse eines möglichst vollkommenen periodischen Lichtabschlusses die Anwendung eines sehr engen Diaphragma’s geboten ist, so tritt auch bei genauer Einstellung des Schlitzes in der Ruhelage bei den Schwingungen des Blättchens doch leicht eine Ver- schiebung derart ein, dass der Schlitz lediglich wie der freie Rand wirkt. Man kann daher bei Anwendung des Schlitzes nie von vornherein wissen, ob während einer ganzen Schwingung der Unterbrecherfeder das Object zweimal oder nur einmal blitzartig erleuchtet wird, während man bei Anwendung des freien Randes sicher ist, dass jeder ganzen Schwingung der Unterbrecherfeder ein Beleuchtungs- blitz entspricht. Dazu kommt noch ein anderer Vortheil. Während die Be- leuchtungsdauer innerhalb jeder Schwingungsphase bei Anwendung des Schlitzes lediglich von der Breite des letzteren abhängt und bei gleichbleibender Schwingungsfrequenz unveränderlich ist, lässt sich dieselbe bei der anderen Einrichtung durch eine einfache Schraubenvorrichtung stets beliebig variiren. Dies geschieht in der Weise, dass man durch eine Stellschraube das ganze Stroboskop und damit das Papierblättchen senkt oder hebt. Je vollkommener nun durch das letztere das Diaphragma in der Ruhelage bedeckt wird, desto kürzer ist die Beleuchtungsdauer. Um nun einen in derselben Periode, wie das Blättchen sich bewegenden Gegenstand ruhig und scharf zu sehen, muss die Beleuchtungsdauer so kurz sein, dass der untersuchte Gegenstand während derselben keinen merklichen Weg zurücklegen kann, damit er immer genau in derselben Lage erblickt wird. Auf der auderen Seite aber nimmt mit zuneh- mender Kürze der Lichtblitze die Beleuchtungsintensität im Ganzen ab, so dass namentlich bei höheren Frequenzen bald eine Grenze erreicht wird, bei derdie Lichtintensität zu schwach wird, um überhaupt die untersuchten Ohjecte noch | -deutlich erkennen zu lassen. Hieraus folgt, dass durch die angegebene Schrauben- vorrichtung die Möglichkeit gegeben ist, bei jeder gegebenen Oscillationsdauer des stroboskopischen Blättchens ein Optimum der Einstellung zu erreichen, bei der einerseits die Lichtintensität noch genügend gross ist, um die untersuchten Objecte deutlich zu erkennen, andererseits die Beleuchtungsdauer hinreichend klein ist, um ein scharfes Bild des scheinbar ruhenden Gegenstandes zu erhalten. Bei den ersten Versuchen nun, mit Hülfe dieses Apparates die Flimmer- bewegung — und zwar die der Cilien von der Gaumenschleimhaut des Frosches PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — MARTIDS. 459 — zu analysiren, stellte es sich bald heraus, dass es sehr schwer sei, zu einer Ueberzeugung zu gelangen, ob und bei welcher Frequenz des Unterbrechers die Wimpern wirklich ruhig gesehen werden. Einen wesentlichen Theil der Schuld hieran trug offenbar der Umstand, dass es nicht möglich war, während der Be- obachtung die Schwingungsfrequenz des stroboskopischen Blättchens zu variiren, um unmittelbar den Uebergang von Interferenzen zur scheinbaren Ruhe wahr- nehmen zu können. Die zur Veränderung der Schwingungsfrequenz jedesmal nothwendige Neueinklemmung der Unterbrecherfeder nahm soviel Zeit in An- spruch, während welcher das beobachtende Auge das Mikroskop verlassen musste, dass es nicht recht gelingen wollte, vergleichbare Eindrücke bei je zwei ver- schiedenen stroboskopischen Frequenzen zu erhalten. Um diesem Uebelstande abzuhelfen, wurde die Einklemmungsvorrichtung der Unterbrecherfeder derartig abgeändert, dass dieselbe im Ganzen während des Schwingens der Feder an der letzteren verschoben werden konnte, ohne dass diese zu fibriren aufhörte. Auf diese Weise konnte, während das Auge am Mikroskop blieb, durch langsame Verschiebung der Einklemmungsvorrichtung die Frequenz des schwingenden Blättchens ganz allmählich und ganz continuirlich beliebig vermehrt oder ver- mindert werden. Diese Einrichtung ermöglicht folgende Beobachtung. Man suche durch allmähliche Verschiebung diejenige Einstellung der Unterbrecher- feder, bei der man einen im Profil betrachteten, flimmernden Saum relativ am vollkommensten in Ruhe zu sehen glaubt. Wie bereits bemerkt, ist es mir ' nicht gelungen, einen flimmernden Saum durch das Stroboskop so zur schein- baren Ruhe zu bringen, dass ein Bild entsteht, wie bei der wirklichen Ruhe | nach völligem Erlöschen der Flimmerbewegung. Einmal treten die durch den stroboskopischen Saum gesehenen Cilien nie in so scharfen Contouren hervor, wie bei der wirklichen Ruhe. Jede einzelne erscheint auch bei den kürzesten, durch unsere Vorrichtung erreichbaren Beleuchtungsblitzen immer noch mehr oder weniger verwaschen. Andererseits bleibt in dem ganzen beobachteten Saume der Eindruck einer gewissen Unruhe zurück, der wohl daher kommt, dass nicht alle gleichzeitig beobachteten Cilien mathematisch genau in derselben Periode schwingen. Hat man also die Schwingungsfrequenz des Stroboskops gefunden, bei der man den beobachteten Saum relativ am ruhigsten zu sehen glaubt, so schiebt man die Einklemmungsvorrichtung ganz allmählich vor, so dass die Schwingungs- frequenz des Stroboskops grösser wird, als die supponirte der beobachteten Cilien. Bald sieht man nunmehr Interferenzen auftreten, die wie langsame dunkele Wellen über den ganzen Saum hinlaufen. Diese werden bei weiterem 'Vorschieben immer schneller, bis schliesslich der Eindruck entsteht, als flimmere der ganze Saum wieder und werde ohne Stroboskop betrachtet. Bestimmt man die Frequenz des schwingenden Blättchens, bei der dieser Eindruck zuerst auftritt, so findet man genau das Doppelte der Frequenz, bei welcher die Cilien am _ ruhigsten erschienen. Der Grund dieses Verhaltens liegt auf der Hand. Da- durch, dass jede Cilie, während sie eine ganze Schwingung ausführt, zweimal beleuchtet wird, erscheint sie an zwei verschiedenen Punkten ihrer Bahn, die günstigen Falls an den Endpunkten der letzteren liegen. Wäre nun die perio- dische Bewegung jeder einzelnen Cilie absolut regelmässig und die aller gleich- zeitig beobachteten Cilien durchaus isochron, so würde bei doppelter Frequenz des Stroboskops jede Cilie zweimal und der ganze Saum ruhig gesehen. Da _ jedoch, wie wir bereits sahen, die Flimmerbewegung im Ganzen an einer ge- wissen Unregelmässigkeit leidet, so verwischen sich die doppelten Bilder jeder 460 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Cilie etwas und gehen in einander über, so dass annähernd derselbe unruhige Eindruck entsteht, den der flimmernde Saum ohne Stroboskop hervorruft. Jeden- falls lässt sich dieser Kunstgriff der Beobachtung bei doppelter Frequenz des Stroboskops benutzen, um in jedem einzelnen Falle zu einer Ueberzeugung über den wahren Werth der Schwingungszahl einer beobachteten Wimperreihe zu gelangen. Die beiden Beobachtungen der Cilien in scheinbar völliger Thätigkeit und in scheinbar nahezu erreichter Ruhe controliren eben einander und man wird bei unbefangener Beobachtung stets finden, das die Frequenzen des Stroboskops, bei denen sie auftreten, im Verhältniss von 2 zu 1 stehen. Die auf diesem Wege gewonnenen Resultate nun sind folgende. Als Object diente vorzugsweise die flimmernde Gaumenhaut des Frosches. Ein eben frisch dem lebenden Frosche entnommenes Praeparat lässt schon bei der Durchmuste- rung ohne Stroboskop erkennen, dass an verschiedenen Stellen sehr verschie- dene Frequenzen nebeneinander vorkommen. Am häufigsten und wohl als die Regel in der Norm findet man eine Frequenz, bei welcher die einzelnen Cilien zwar noch zu unterscheiden sind, die Zahl ihrer Schwingungen jedoch ohne die angegebenen Hülfsmittel nicht mehr sich zählen lassen. Diese Frequenz variirt in den Grenzen von 10 bis 14 ganzen Schwingungen in der Secunde und be- trägt meist 11 oder 12. Viel seltener sieht man die Flimmerhaare in so schneller Bewegung, dass die einzelnen Härchen — im Profil gesehen — nicht mehr er- kennbar sind, sondern der continuirliche Gesichtseindruck eines zarten, überall gleich hohen Schattenstreifs an. der Oberfläche des Epithels entsteht. In diesem Falle liegt die Frequenz über 14 in der Secunde, während als äusserste Grenze, die in meinen Beobachtungen nie überschritten wurde, die Frequenz von 16 bis 17 Schwingungen in der Secunde sich ergab. Bei diesen hohen Fre- quenzen gelingt es sehr schön, ganz langsam ablaufende, stroboskopische Wellen zu sehen, wenn die Schwingungsperiode des Unterbrechers mit der der Cilien nahezu, aber nicht ganz übereinstimmt (am besten, wenn beide etwa um eine Schwingung in der Secunde abweichen). Durch Erwärmen bis auf 40°C. lassen sich diese Frequenzen jederzeit auch bei solchen Praeparaten hervorrufen, die dieselben von vornherein nicht zeigen. Aber auch bei Anwendung der Er- wärmung gelang es nicht, höhere Frequenzen, als die angegebenen hervorzu- bringen. 2. Hr. Card med. Ep. AronsoHn hielt in der Sitzung vom 28. März 1884 a. G@. einen Vortrag: „Ueber elektrische Geruchsempfindung.“ Den Olfactorius auf elektrischem Wege zu reizen, haben seit Entdeckung des Galvanismus viele Forscher versucht, von denen Volta, Pfaff, Fowler, A. v. Humboldt, Grapengiesser und I. Rosenthal entweder gar keine oder nur Tast- oder Schmerzempfindungen hatten, Ritter ein Mal einen ammoniaka- lischen Geruch, Cavallo und Backmann einen fauligen wahrgenommen zu haben behaupten; endlich hat Althaus bei einem Manne mit beiderseitiger Trigeminuslähmung beobachtet, dass bei Application eines gehörig starken con- stanten Stromes (37 Elemente) auf die Schleimhäute der Nase eine phosphor- artige Geruchsempfindung entstand. Mit Ausnahme von I. Rosenthal, der sich die Nase mit Wasser füllte und so den Strom zur Regio olfactoria leitete, haben die genannten anderen Forscher durch Einführen eines Stückes Reissblei und eines Stückes Zink in die Nase den Olfactorius zu reizen versucht. Es wäre über- flüssig, die historischen Angaben zu mehren, weil v. Vintschgau in seiner _ PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — ED. ARONSOHN. 461 Physiologie des Geruchs (Hermwann’s Handbuch der Physiologie, Bd. III) eine ausführliche Geschichte der Entwickelung dieser Disciplin gegeben hat. Als ich auf Anregung des Hrn. Prof. Kronecker die Versuche wieder aufzunehmen beschloss, ging ich von den Erfahrungen aus, welche ich gewonnen hatte, als ich im Widerspruche mit dem Weber’schen Lehrsatze: „Riechende Flüssigkeiten mit der Riechschleimhaut in Verbindung gebracht, erzeugen keine Geruchsempfin- dungen“ fand:! 1) dass, um reine Geruchsempfindungen zu erhalten, alle die Geruchsauffassung störenden Nebenerscheinungen, also besonders Erregungen der Nasenzweige vom Trigeminus, vermieden werden müssen, 2) dass von den auf den Olfactorius einwirkenden Reizen jedesmal nur ge- ringe Mengen in Anwendung gebracht werden dürfen. Auf Grund dieser Erwägungen brauchte ich für die elektrische Reizung des N. olfactorius folgende Anordnung: ich fülle die Nase mit einer indifferenten Flüssigkeit und leite durch sie zum Olfactorius einen constanten Strom von ge- ringer Intensität, indem ich die eine Elektrode in die Nase führe, die andere in Form einer grossen mit feuchtem Lederüberzug versehenen Metallscheibe an _ die Stirn setze. - Als die zum Versuche geeignetste Flüssigkeit durfte ich eine 0°73 pro- centige auf circa 38°C. erwärmte NaCl-Lösung wählen, da ich nach vielen hierauf bezüglichen Versuchen gefunden hatte, dass eine Chlornatriumlösung, deren Procentgehalt an reinem ClNa zwischen 0.7 und 0-75 liegt, sich so vollkommen indifferent gegen die Geruchsschleimhaut verhält, dass ihre An- wesenheit in der Nase überhaupt nicht gespürt wird. Da mir daran gelegen war, auch eine bequeme Nasenelektrode anzuwenden, so liess ich an das vordere Ende einer Eichel, wie sie bei der Nasendouche gebraucht wird, ein ziemlich hartes, circa zwei Zoll langes Kautschukröhrchen anbringen, um es recht hoch in die Nase hinaufführen zu können, und durch die Eichel und das Röhrchen einen Platindraht so durchführen, dass das eine Ende bis an das Ende des Kautschukröhrchens reichte, das andere leicht mit der Batterie in Verbindung gesetzt werden konnte. Das hintere Stück der Eichel brachte ich durch ein Kautschukrohr in Verbindung mit einer Flasche, welche die 0:73 procentige auf Körpertemperatur erwärmte Na Cl-Lösung ent- hielt. So konnte durch die Eichel einerseits die Flüssigkeit, andererseits auch der galvanische Strom in die Nase gelangen. Zur Ausführung meines Plans stelltemir Hr. Dr. E. Remak nicht allein seine trefflichen Apparate bereitwilligst zur Verfügung, sondern unterstützte mich auch während der Ausführung meiner Arbeit mit freundlichem Rath und wirksamer Hülfe. Denn während ich in nach vorn übergebeugter Stellung die Nase mit der Flüssigkeit gefüllt erhielt und — mit der einen Hand die eine, mit der anderen die an- dere Elektrode haltend — die etwaigen Empfindungserscheinungen beachten und eventuell angeben musste, übernahm Hr. Dr. Remak die Handhabung der Apparate und die Zuleitung der Ströme und richtete es so ein, dass ich weder \ Diese Verhandlungen. 1882— 83. Dies Archiv, 1884. 8. 163. 462 VERHANDLUNGEN DER BERLINER wissen konnte, welche Richtung der Strom gerade nehme — ob aufsteigend oder absteigend — noch ob Schliessung oder Oefinung des Stromes stattfinde. Was die benutzten Apparate und Hülfsmittel betrifft, so will ich hier nur kurz erwähnen, dass wir den constanten galvanischen Strom aus einer Batterie von 60 Siemens’schen Elementen erhielten, und zwar in gewünschter Stärke durch den Stromwähler, welcher die Einschaltung jedes beliebigen Theiles der genannten Zahl von Elementen gestattet. Der in den Schliessungsbogen eingeschaltete Stromwender (Commuta- tor) ist so eingerichtet, dass nicht allein Wechsel der Stromrichtung, sondern auch Oefinung und Schliessung in jeder bestimmten Stromrichtung und Umkehr der Stromrichtung mit Leichtigkeit ausgeführt werden kann. Um ein genaueres Maass für die zur Wirkung kommenden Stromstärken zu gewinnen, als es die Bestimmung der Elementenzahl durch den Stromwähler oder die eingeschalteten Rheostatenwiderstände gewähren, bedienten wir uns eines Galvanometers, der nach sogenannten absoluten Einheiten (Milli-Ampere) eingetheilt ist. Nach einigen Vorversuchen zur Orientirung über die Wirkungsart elektrischer Ströme auf die Geschmacksnerven, auf den Opticus und Acusticus, schritten wir, nach Einstellung der genannten Hülfsmittel und sorgfältig getroffenen Vorberei- tungen, zur elektrischen Reizung des Nervus olfactorius. Gleich am ersten Versuchstage hatte ich bei Anwendung ziemlich starker Ströme (etwa 6 Elemente, 2M.A) die lebhafteste Geruchsempfindung, ohne jeden Schmerz und ohne jede Nebenerscheinung. Bestimmte Gesetze der Geruchs- empfindung konnten an diesem Tage deshalb nicht constatirt werden, weil die Geruchsauffassung von anhaltenden starken Geschmacksempfindungen gestört wurde, so dass Verwechselungen und falsche Angaben nicht vermieden werden konnten. Denn der Charakter des elektrischen Geruchs ist ähnlich demjenigen des elektrischen Geschmacks — eine Eigenthümlichkeit analoger Wirkung, wie ich sie auch bei vielen anderen Körpern, die zugleich Geruchs- und Geschmacks- empfindungen zu erregen vermögen, gefunden habe, und wofür die Erklärung in centralen Erregungen zu suchen sein wird, da erfahrungsgemäss bei Leuten mit Atrophie des Olfactorius auch die feinere Geschmacksempfindung verloren geht, so dass z. B. Chocolade von Zucker nicht unterschieden wird. Die Geschmacks- erregung kam bei unserem Versuche deshalb zu Stande, weil, der Analogie der Versuchsanordnung bei anderen Sinnesorganen zu Liebe, die zweite indifferente Elektrode in den Nacken gesetzt wurde, so dass starke Stromschleifen auch zu den Geschmaksnerven drangen, welche durch die voraufgegangene directe elek- trische Reizung sich noch in einem gewissen Erregungsstadium befanden. Am zweiten Versuchstage, acht Tage nach dem ersten, an welchem auch die letzte Fehlerquelle vermieden wurde, d. h. die zweite Elektrode nicht mehr in den Nacken, sondern an die Stirne gesetzt wurde, trat nicht allein derselbe charakteristische Geruch wieder wie am ersten Tage auf, sondern Hr. Dr. Remak konnte sogar in den Geruchserscheinungen einen gauz bestimmt formulirbaren Modus erkennen, der jeden Zweifel, ob die Geruchsempfindung von einer directen Reizung des Olfactorius oder von elektrolytischen Processen in der injieirten Flüssigkeit herrühre, ausschliessen musste. Denn so oft wir auch die Versuche wiederholten, es zeigte sich immer, dass die Geruchsempfindung auftrat nur bei Stromschwankungen, also, je nach der Richtung, in der der N. olfactorius durchflossen wurde, — bald bei Schliessung, bald bei Oeffnung des Stromes. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — ED. ARONSOHN. 463 Konnte schon die subjective Empfindung der Geruchsqualität, die von dem Ozongeruch völlig verschieden ist, mir die Ueberzeugung aufdrängen, dass eine wirkliche directe Reizung des Olfactorius durch den galvanischen Strom statt- gefunden habe, und nicht eine Erregung der Nervenfasern durch den sich am positiven Pol entwickelnden Sauerstoff — so’ war nunmehr in der vollkommen gesetzmässigen Weise der Olfactoriusreaction auch der objective Beweis für die erhaltene Thatsache geliefert. Dennoch verfehlte ich nicht auch mit einer un- polarisirbaren Elektrode die Versuche zu wiederholen. Es ergaben sich aber auch jetzt, wenn auch bei viel stärkeren Strömen, entsprechend den bedeutenden Widerständen, welche der mit NaCl und der mit Zinksulfat durchfeuchtete Thon bot, und der geringeren Stromdichte, die durch die unvollkommene Zu- leitung bedingt war, alle die Gesetze der Olfactoriuserregung wieder, welche wir schon bei Anwendung der bequemeren Platinelektrode gefunden hatten. Bezeichnen wir, je nachdem sich die Kathode oder die Anode in der Nase befindet, nach Pflüger den an der Kathode auftretenden nervösen Zustand mit dem Namen des Kathodengeruchs, den an der Anode auftretenden mit dem- jenigen des Anodengeruchs —- so lässt sich das Reactionsgesetz des Ol- factorius folgendermaassen aussprechen: I. Kathodengeruch entsteht nur bei Schliessung der Kette, nicht aber bei der Oeffnung der Kette. IH. Anodengeruch entsteht nur bei der Oeffnung der Kette, nicht aber bei der Schliessung; er ist bei schwachen Strömen nur momentan und fällt bei starken Strömen langsam ab. II. Der Anodengeruch bei Oeffnung der Kette tritt um so stärker auf, je länger der Strom geschlossen war. IV. Die der Anode entsprechende Reaction ist ceteris paribus schwächer, als die der Kathode. V. Anodenöffnungsgeruch wird durch Anodenschliessung sofort zum Ver- schwinden gebracht. VI. Sowohl die Kathodenreaction als die Anodenreaction wächst mit der Stärke des Stromes. VII. Zur Erregung einer Geruchsempfindung reichen schon Stromstärken _ von 0-1— 0-2 M. A. aus und zwar erfordert das Minimum des AOG etwa 0.1 M.A. mehr als das Minimum des KSG. VIII. In gleichem Sinne wie Schliessung des Stromes bei Kathodenreaction _ wirkt Verstärkung des Stromes (wenn die Kathode sich in der Nase befindet), und wie Oeffnung des Stromes bei Anodenreaction wirkt plötzliche Abschwächung des Stromes (wenn die Anode sich in der Nase befindet). IX. Noch wirksamer als Schliessung des Stromes bei Kathodenreaction wirken rasch ausgeführte Wendungen des Stromes. Zum näheren Verständniss über die erhaltenen Resultate will ich nur eins von den aufgeschriebenen Protocollen hier verzeichnen: 0-2 M. A. KSGeruch KO — AS— AO— 0-3 M. A. KSG KO — AS — AOGeruch 1-0 M. A. KSG > 374°ee., KO — AS — AOG 5-0 M. A. KSG oo > KO — AS— AOG > 464 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Bemerken will ich noch, dass es bei richtiger Füllung der Nase gleich- gültig ist, ob die indifferente Elektrode an der Stirn oder an der Nase sich befindet; wenn sie aber in der Hand gehalten wird, so tritt neben dem Geruch auch jedesmal Geschmacksempfindung auf. Die Qualität der Geruchsempfindung hängt inet von der Strom- richtung ab; die Geruchsqualität zu beschreiben wird mir ebenso schwer, wie einem die Aufgabe gestellt würde, eine von den Grundfarben zu beschreiben. Es. ist nämlich ein ganz specifischer und zugleich äusserst prägnanter Geruch, den die elektrische Reizung des Olfactorius hervorbringt und eine Aehnlichkeit mit dem Phosphorgeruch, die ich selbst anfangs vermuthete, ist kaum zu finden. Der elektrische Geruch konnte von einem Versuchstage bis zum anderen nur schwächer und mit etwas verändertem, mehr unangenehmen Charakter am häufigsten und deutlichsten in der linken Nasenhälfte willkürlich sowohl durch starke Inspirationen als durch Injection der indifferenten Kochsalzlösung hervor- gerufen werden, dauerte einige Secunden und nahm daun allmählich ab; roch ich an irgend einem Riechstoff z. B. Terpentin, oder injieirte ich eine riechende Flüssigkeit in die Nase, so war die neue Geruchsempfindung durch den gleich- zeitig erwachten elektrischen Geruch etark modificirt, so dass dann nur ein Mischgeruch wahrgenommen werden konnte. Versuche, die ich in der speciell-physiologischen Abtheilung des physiologischen Institutes unter Leitung des Hrn. Prof. Kronecker an- stellte, um den Einfluss zu beobachten, den die in ihrer Frequenz variirenden Unterbrechungen (12 und 18 in der Secunde) eines zum Olfactorius in der oben angegebenen Weise geleiteten constanten Stromes bei veränderlicher Stromstärke und wechselnder Stromrichtung auf die Erregung einer Geruchsempfindung aus- üben, haben zu negativen Resultaten geführt. Es waren im Maximum nur drei Daniell’sche Elemente gebraucht und in den Schliessungskreis nach und neben einander ein elektrischer Metronom mit Spülcontact, ein Stromwender (Pohl’sche Wippe) ein Rheochord und Vorreiberschlüssel eingeschaltet. Auch Inductionsströme, durch Vermittelung des du Bois-Reymond’schen Schlitteninductoriums gewonnen, erzeugen nur Kribbeln oder Schmerz, aber keine Geruchsempfindung. Dass aber auch diese negativen Resultate für die Richtigkeit der angege- benen Olfactoriusreaction auf elektrische Reize sprechen, beweist der Vergleich mit den Erscheinungen, die man bei den anderen Sinnesnerven, besonders dem Acustieus, erhalten hat. Die Gesetze des Olfactorius stimmen fast vollkommen mit denjenigen des Acusticus überein und somit auch mit den Zuckungsgesetzen, welche Pflüger für die motorischen Nerven aufgestellt hat. Den Vergleich hier im Einzelnen durchzuführen, halte ich für überflüssig. Dagegen will ich nicht unerwähnt lassen, dass ich auch zwei Collegen bewogen habe, sich dem Versuche zu unterziehen. Der eine hat überhaupt nichts gerochen, sondern bei starkem Strome Stechen in der Nase, sonst jedesmal nur Lichterscheinungen gehabt, was darauf hindeutet, dass die Nase nicht ordentlich gefüllt war und der Strom, ohne zur Regio olfactoria zu gelangen, von der Nase durch das Auge zu der Schläfe ging. Der andere Herr hat bei den ersten Versuchen auch keine Geruchsempfindungen bemerkt und erst später machte er ebenso bestimmte wie ganz und gar unseren Gesetzen widersprechende Angaben. Ist aber einerseits auf diese Angaben um so weniger Werth zu legen £ BR a TEE PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — ARTHUR ÜHRISTIANI. 465 als die Prüfung nur an einem Tage vorgenommen wurde, so steht uns anderer- seits auch hier die bei den anderen Sinnesorganen gemachte Erfahrung zur Seite, ‚dass bei manchen Personen überhaupt alle Versuche, den einen oder den anderen - Simnesnerv zu reizen, missglücken, bei manchen nur bei hinreichender Geduld und Ausdauer seitens der Untersuchten ein Erfolg zu erzielen ist. Ich schliesse mit den Worten des Begründers elektrischer Versuche am thierischen Körper. In der Vorrede, S. XVII, zu seinen Untersuchungen über thierische Elektrieität sagt du Bois-Reymond: „Endlich nur mit geringer Zuversicht getraue ich mir zur eigenen that- sächlichen Prüfung meiner Behauptungen aufzufordern, den Versuch als Schieds- richter anzurufen zwischen dem Vorurtheil und dem Ergebniss der Untersuchung... Es ist hier so viel leichter, verneinende oder zweideutige Antworten zu erhalten, als klar bejahende. Es ist so viel bequemer, für ein Spiel der Einbildung aus- zugeben, was in Wirklichkeit zu setzen Einem nicht gelingen will.“ XVI. Sitzung am 20. Juni 1884. Hr. ARTHUR CHRISTIAN hielt den angekündigten Vortrag: „Zur Physio- logie des Gehirns“. Anknüpfend an früher von mir gemachte Mittheilungen? über experimen- telle Beobachtungen an enthirnten Kaninchen, sei es mir gestattet, einige von mir noch nicht veröffentlichte neuere Befunde am Kaninchen- und am Hunde- gehirne mitzutheilen, auch eine genauere Beschreibung der von mir beobach- teten enthirnten Kaninchen bezüglich des Ausweichens und Ueberwindens von _ Hindernissen zu geben. Zunächst möchte ich daran erinnern, dass bei normalen, wie bei enthirnten Thieren Einwirkungen der höheren Sinnesnerven, des Opticus und des Acusticus, auf Herzbewegung und Athmung statt- finden. Man hat zu unterscheiden die Athmung anregende und die Athmung hemmende Nerven und Üentren. Zu den inspiratorischen Nerven treten ausser den genannten die Sinnesnerven der Haut und gewisse Fasern des Vagus, zu den Athmung hemmenden nächst den übrigen Vagusfasern die schmerzführenden Nerven, allen voran der Trigeminus. Von höheren Athmungscentren fand ich in den Basalganglien drei, nämlich: 1) ein Inspirations- und Hauptreflexcentrum am Boden des dritten Ventrikels; 2) ein schon vor mir, von Martin und von Booker ? beschriebenes In- Spirationscentrum auf dem Schnitt zwischen vorderen und hinteren Vierhügeln; ! Ausgegeben am 27. Juni 1884. ® Monatsberichte der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Februar 1881. 8. 213— 227. En ® Johns Hopkins, University Studies from the biological laboratory Baltimore. 9. | Archiv f. A. u. Ph, 1884. Physiol. Abthlg. 30 466 VERHANDLUNGEN DER BERLINER 3) ein Exspirations- und Hemmungscentrum am Eingange des Aquaeductus Sylvii. Während die Wirkung auf die Athmung vom Nervus opticus oder vom Inspirationscentrum aus regelmässig in genanntem Sinne erfolgte, war auf elek- trische Reizung dieser Stellen die Beeinflussung des Herzens nicht eindeutig: immer zwar sah ich bei genügenden Reizen (ein Daniell, du Bois-Reymond'- sches Schlitteninductorium, gewöhnliche Anordnung, 100 ®”® Abstand) Stillstand des Herzens und darauf veränderte Schlagfolge; aber bald stand das Herz systo- lisch, bald diastolisch still und es folgten in ersterem Falle beschleunigte, in letzterem ‚verlangsamte Schläge. Wenn ich von einem systolischen Stillstande des Herzens spreche, so darf derselbe wohl nicht als ein tetanischer Zustand aufgefasst werden, sondern nur als Ausdruck so schnell aufeinander folgender Impulse, dass zu einer vollständigen Wiederausdehnung des Herzens keine Zeit bleibt. Auch die Pupillen der Kaninchen wurden, wie ich es schon früher be- schrieb, verengert, wenn man nahe den Vierhügeln; erweitert, wenn man mehr nach vorn den Boden des dritten Ventrikels reizte. Endlich entdeckte ich, vor dem Inspirationscentrum des dritten Ventrikels gelegen, das Coordinationscentrum, d.h. eine circumscripte Stelle, an deren Integrität „die zur Ortsveränderung und zur Erhaltung des Gleichgewichtes beim Sitzen und Stehen nöthige Coordination gebunden“ ist! und deren Zerstörung sofortige und andauernde Aufhebung des normalen Gebrauches der Gliedmaassen für das Sitzen, Stehen und Gehen zur Folge hat: die vorher des Grosshirnes bis zu den Sehhügeln hin beraubten Thiere nahmen sofort nach der Zerstörung und dauernd die Seitenlage ein, während sie vorher sassen, standen und gingen wie normale Thiere. Als weitere Beobachtung kann ich hinzufügen, dass, auch wenn, einige Zeit nach der Abtragung der Hemisphaeren und der Streifenhügel, das kleine Gehirn total entfernt worden war, die Thiere Erhaltung der Coordi- nationsfähigkeit zeigten; ihr Gang war allerdings etwas’ schwankend und ihre Haltung matt, allein sie sassen und gingen doch. Wiederum nahmen auch diese Thiere sofort mit der Zerstörung der genannten Stelle im dritten Ventrikel dauernd die Seitenlage ein. Die immerhin merkliche Beeinträchtigung der Co- ordination und des Gleichgewichtes bei Kleinhirnentfernung schreibe ich dem Umstande zu, dass bei der Operation venöses Blut, das übrigens sofort zu ent- fernen ist, die Medulla oblongata benetzt und vergiftet; hierdurch, sowie durch das erforderliche Abtupfen werden natürlich Störungen gesetzt. Hr. Bechterew, den wir heute als Gast der Gesellschaft unter uns be- grüssen, hat ein Jahr nach meiner Mittheilung im Januar 1882 (St. Peters- burger med. Wochenschr. Nr. 12 und: „Klinitscheskaja Gazeta“) und später im Juliheft des Pflüger’schen Archives von 1883 Versuche unter der Ueberschrift: „Zur Physiologie des Körpergleichgewichtes“ veröffentlicht, welche sich auf die Func- tion der centralen grauen Substanz des dritten Ventrikels beziehen. Hr. Bechterew fasst (a. a. 0. 8. 512—513) seine Beobachtungen folgendermaassen zusammen: „In Berücksichtigung aller Ergebnisse der oben angeführten Versuche an der centralen grauen Substanz des dritten Ventrikels lässt es sich nicht daran zweifeln, dass das in Rede stehende Gebiet des Nervensystemes eine sehr wich- 1 A:.8-.0, 8. 224, PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — ARTHUR ÜHRISTIANI. 467 tige Rolle bezüglich der Erhaltung des Körpergleichgewichts spielt. Die Un- versehrtheit desselben bildet eine der unumgänglichen Bedingungen zur regel- rechten Ausübung der Function des Körpergleichgewichtes, während die geringste Verletzung irgend eines Abschnittes dieser Region bei den verschiedensten Thier- arten deutliche Störungen desselben und verschiedenartige Zwangsbewegungen, begleitet von Ablenkung der Augäpfel, hervorruft, und bilaterale Laesion der Ventrikelwände (bez. Durchtrennung beider Hälften des centralen Höhlengrau’s in transversaler Richtung) vollständigen Verlust des Gleichgewichts herbeiführt, indem das Stehen und die Locomotion dem Thiere unmöglich wird.“ Da Hr. Bechterew bei sonst sehr genauer Litteraturberücksichtigung meine Mittheilung über die Auffindung des Coordinationscentrums in besagter Gegend am Boden des dritten Ventrikels übersehen hat, so benutze ich diese Gelegenheit, ihn darauf aufmerksam zu machen. Uebrigens hat Hr. Bechterew den Vorzug, mein Coordinationscentrum auch am Hunde und zwar mittels einer originellen Operationsmethode — durch Einstich vom Rachen aus — nachgewiesen zu haben. Auch hat Derselbe Schlüsse über die functionelle Beziehung zwischen Vorgängen in und am Auge und jenem Gleichgewichtserhaltungsorgan zu ziehen nicht ver- fehlt (a. a. 0. 519—524). Schliesslich giebt Hr. Bechterew (a.a. 0.8.527—530) eine sehr interessante Aufzählung von pathologischen Fällen, darunter einen von ihm selber beobachteten, welche auf das Vorhandensein des Coordinationscentrums (oder wie Hr. Bechterew es nennt, „des Gleichgewichtsorganes“) an dieser Stelle auch beim Menschen schliessen lassen. So ist namentlich die von Hrn. Wernicke in seinem Lehrbuche der Gehirnkrankheiten, Bd. II. S. 229 ff., beschriebene „acute haemorrhagische Poly- encephalitis superior“ in ihrer Verbreitung scharf auf die bezeichnete Gegend begrenzt und hat Störungen der Coordination zur Folge. Ich kehre nunmehr wieder zur Berichterstattung über meine eigenen Be- obachtungen zurück. Während nach Entfernung der Hemisphaeren, vorausgesetzt, ' dass keine Blutung dabei erfolgte und dass die Thiere nach der Operation ent- fesselt wurden, die Temperatur derselben in normaler Höhe erhalten blieb, fand ich neuerdings einen Abfall von 3 bis 5°C. in der ersten Viertelstunde nach der Exstirpation der Sehhügelcentren, wenn die Thiere diesen gefährlichen Schnitt überhaupt überlebten.! Ferner waren nach der Sectio ante corpora quadrigemina epileptiforme Erstickungskrämpfe durch Trachealunterbindung oder Carotidenverblutung gar nicht oder nur schwach angedeutet zu erhalten; dieselben traten aber nach solchen Eingriffen in gewohnter Weise in Erscheinung bei Thieren, die nur bis zu den Sehhügeln hin enthirnt waren. Der Einfluss des Grosshirnes bei normalen aufgebundenen Thieren und bei Abhaltung von Sinnesreizen scheint compensirt zu sein; denn wenn man auch nach der Enthirnung bis zu den Sehhügeln hin vorübergehend leichte Vertiefung der Athmung und Pupillenerweiterung ab und zu wahrnimmt, so rührt dies doch wohl nur von dem unvermeidlichen leichten Druck auf die Sehhügel beim Ent- hirnungsschnitte her. An einem dreijährigen Hunde konnte ich, da derselbe ungeachtet des starken Blutverlustes bei der Enthirnung bis zu den Sehhügeln hin, noch zwei und eine viertel Stunde lebte, Inspirations- und Exspirationscentrum im dritten Ventrikel 2.2.0. 8. 219. 30* 468 VERHANDLUNGEN DER BERLINER und in den vorderen Vierhügeln, wie beim Kaninchen, beobachten. Reizte ich die vordere Grenze des Sehhügels mechanisch, so winselte der Hund. Auch fanden Schluckbewegungen statt. Die reflectorische Beweglichkeit der Pupillen und der Augenlider war er- halten, ebenso das Gehör. Ob auch noch Gesichtseindrücke vorhanden waren, konnte ich mit Sicherheit nicht ermitteln. Auf Anruf bewegte der Hund die Augen. Im Uebrigen war wegen des starken Blutverlustes das Coordinations- vermögen aufgehoben. In Uebereinstimmung hiermit zeigte sich auch das In- spirationscentrum des dritten Ventrikels wenig erregbar, ich erhielt, wie bei anämisch gemachten Kaninchen,! keinen Inspirationstetanus mehr, sondern nur noch schwach beschleunigte und gleichmässig vertiefte Athmung. Bis zur Schnittführung durch das Coordinationscentrum, bezüglich bis zur Zerstörung desselben durch Druck oder Ausstanzen konnten, so ‚schrieb ich,? die des Grosshirnes und der Streifenhügel beraubten Kaninchen auch spontan? in Bewegung gerathen. Gleichviel ob sie durch äussere oder durch innere Reize zur Ortsbewegung angeregt worden waren: die Thiere waren im Stande Hinder- nissen auszuweichen, auch ohne dieselben zu berühren. Wiederholt habe ich z.B. solche enthirnte Kaninchen im glatten Laufe, d.h. ohne dass sie stolperten und ohne dass sie Pausen für einen Auf- und Abstieg machten, in welchen Pausen sie hätten tasten können, über eine ganz jähe um 10°” aus dem Fussboden emporsteigende Marmorplatte (Platte eines Isolirpfeilers im physikalisch-physio- logischen Arbeitssaale) hinweglaufen sehen. Ich habe beobachtet, wie enthirnte Kaninchen sich zwischen einen Tischfuss und einen Stuhlfuss hindurch zwängten, oder wie sie sich zwischen den Füssen der Studirenden frei bewegten, als ich gelegentlich einer Vorlesung die Thiere zeigte. Ich habe ferner beobach- tet, dass enthirnte Kaninchen sich ganz anders verhalten, je nachdem ich ihnen die Optici unverletzt erhalten oder durchschnitten hatte. Die so völlig blind gemachten Thiere vermieden nicht in gleichem Maasse, wie die anderen, den Sonnenschein, der in das Zimmer fiel und suchten nicht mit Vorliebe dunkle Ecken auf. Um Wärmestrahlung auszuschliessen trugen hierbei die Thiere Stan- niolkappen. Ein Kaninchen in einen offenen Korb gesetzt und dann durch Kneifen oder durch Stossen mit einem Stocke gereizt, verliess den Korb in ganz anderer Weise vor, als nach der Durchschneidung der Optici; ‘vor derselben sprang es, ohne Zwangsbewegungen zu zeigen, über die Wand des Korbes fort, nach der Durchschneidung gelang ihm dieses nicht eher, als bis es die Wand mit den Vorderfüssen erklettert hatte. Ein anderes enthirntes Kaninchen mit in- tacten Optieis sprang auf Reizung durch Kneifen des Schwanzes über den Tisch, 7A. 5, 215, 2A, m. 0, D. 228. 3 Unter „spontan“ verstehe ich, wie aus der Vergleichung von Zeile 11 mit Zeile 23 (von oben) auf S. 224 meiner Abhandlung hervorgeht, soviel wie „von selbst“ oder was dasselbe: „ohne äussere Anregung“. Nicht aber wie Hr. H. Munk in seinen Angriffen gegen meine Arbeit (Sitzungsberichte der Königl. Akademie zu Berlin. 8. Mai 1884. 8.557, 558 u. 566) annimmt, setze ich „spontan“ gleich „willkürlich“. Der Ausdruck „willkürlich“ kommt in dem ganzen in Rede stehenden zweiten Theile meiner Arbeit ebensowenig vor, wie darin die Angabe enthalten ist, dass die ent- hirnten Thiere so sehen können, wie die normalen. Ueberhaupt kommt auch das Wort: „sehen“ bei mir gar nicht vor. Allerdings glaube ich, dass die Thiere optische Eindrücke erhalten und zweckmässig reflectorisch ver- werthen. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — ARTHUR ÜHRISTIANT. 469 ‚auf welchem es sass, fortlaufend auf einen benachbarten Tisch, auf dem es dann ‚sitzen blieb: die übersprungene Kluft hatte etwa einen halben Meter Breite. Man kann andererseits auch enthirnte Thiere bei intacten Opticis mit dem Kopf gegen die Wand rennen oder vielfach gegen Hindernisse stossen sehen. Das sind aber entweder nachweisbar schlecht operirte oder sonst verunglückte Fälle, mit Zwangsstellungen oder Zwangsbewegungen, unter denen namentlich auch ein Vorwärtsstürzen als besonders auffallend zu erwähnen ist, welches nicht selten bei Nachblutungen, vor allen Dingen aber dann auftritt, wenn vom Corpus striatum grössere Reste stehen geblieben, also der von mir neuerdings! beschriebene Enthirnungsschnitt incorrect ausgefallen war;? oder es handelt sich um gut operirte, auch bestgelungene Fälle, die aber durch zu häufig wiederholte Reizungen in der ersten Zeit nach der Operation, namentlich durch Kneifen in den Schwanz, wobei heftige Exspirationsschreie, venöse Stauung und Blutung auftreten, nachweislich zu üblen Beobachtungsobjecten umgeschlagen sind. Endlich. stossen auch wohl geradezu „bestgelungene Fälle“ hin und wieder an Hindernisse, wie solches ja auch dem in Gedanken versunkenen Spaziergänger, dem gehetzten Hunde, dem gehetzten Kaninchen, dem durchgehenden Pferde u. s. w. und zwar Allen, obwohl sie nicht enthirnt und nicht blind sind, passirt. Dass dies bei gehetzten im übrigen normalen, nicht enthirnten Kaninchen vorkommt, davon habe ich mich durch besonders darauf hin angestellte Versuche überzeugt. So blieb z. B. ein solches Thier, anstatt sie zu umgehen oder zwischen ihnen hindurchzuschlüpfen, gerade mit der Schnauze vor meinen ihm entgegengesetzten Füssen stehen. Ich will die weitere Aufzählung solcher Beobachtungen hier unterlassen. Nur eine Notiz aus Brehm’s “Thierleben’ möchte ich noch an- führen: „Lenz that einmal fünf sehr zahme Kaninchen zusammen in einen Stall, aus welchem soeben ein Fuchs genommen worden war. Sobald er sie losliess, waren alle wie rasend und rannten mit den Köpfen geradezu an die Wand.“ Nun die enthirnten Kaninchen sind, wie ich mitgetheilt habe,* einerseits merklich überempfindlich, andererseits ermüden sie schnell; sie befinden sich ausserdem mit ihren Retinis meist in circulatorisch veränderten Verhältnissen u. s. w.; kein Wunder also, dass sie, wenn sie dabei noch gereizt werden, nicht unter allen Umständen und nicht jedes Mal Hindernissen so geschickt ausweichen, und solche so elegant überwinden, wie ich es unzweifelhaft und in Gegen- wart von glaubwürdigsten Zeugen wiederholt beobachtet habe, und zwar eben im Ganzen so häufig und unter so überzeugenden Umständen, 1 Sitzungsberichte der Akademie. 1884. S. 636. 2 Hr. Munk sagt (a.a. 0. S.550) „Zum Schlusse trennt man mit dem Messer die Grosshirnhemisphaeren vom übrigen Hirne ab, dicht vor den Thalami optiei oder ein wenig weiter nach vorn — darauf kommt es für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung nicht besonders an, Ich habe in der Regel unmittelbar vor den sicht- baren vorderen Rändern der Thalami optiei einen Frontalschnitt etwas schief nach vorn und unten bis zur Schädelbasis geführt, so dass das Messer auf das hintere Ende der vorderen Schädelgrube stiess,“ Nun bei meinen Versuchen beobachtete ich, wie gesagt, dass es gerade recht sehr darauf ankam, dass von den Streifenkörpern nicht grössere Fetzen stehen blieben. 3 Brehm’s Thierleben. 1817. Bd. II. S. 480. * A.2.0. 8.224. Hr. Heidenhain konnte durch Knipsen mit den Fingernägeln die Ohren eines von mir enthirnten Kaninchens zum Zucken bringen (März 1881). 470 VERHANDLUNGEN DER BERLINER - dass ich mich, ich sage nicht zu dem „Schlusse“,! sondern zu der Aus- sage berechtigt sah und noch sehe: enthirnte Kaninchen können Hinder- nissen ausweichen, auch ohne dass der Zufall sein Spiel treibt und auch ohne dass sie dieselben berühren; sie können Anhöhen erspringen und erklettern, auch ohne zu stolpern u. s. w. Die anderen beiden Theile des Vortrages, in denen die Frage von der Lo- calisation der Sehfunction historisch-kritisch und die functionellen Beziehungen des Grosshirnes zu den Basalganglien theoretisch behandelt wurden, können, weil sie zu umfangreich und dabei nicht gut abkürzbar sind, an dieser Stelle nicht wiedergegeben werden. Die im vorstehenden Vortrage mitgetheilten Thatsachen über das Aus- weichen enthirnter Thiere vor Hindernissen u. s. w., im Vereine mit der Mit- theilung, welche ich am 29. Mai d. J. der königl. Akademie einsandte,! darf ich vor der wissenschaftlichen Welt als vollständige, sachliche Widerlegung des von Hrn. H. Munk gegen meine Arbeit vom Jahre 1881 gerichteten Angriffes ansehen. XVI. Sitzung am 4. Juli 1884. Hr. HermAnn Munk sprach: „Ueber Grosshirn-Exstirpation beim Kaninchen“. M. H., meine heutige Mittheilung ist durch den Vortrag veranlasst, mit welchem Hr. Christiani die letzte Sitzung unserer Gesellschaft ausgefüllt hat. Doch wollen Sie nicht fürchten, dass ich Sie mit alledem behellige, was wir damals zu hören bekamen: mit dem bunten Durcheinander von Respirationscentren im Mittelhirn, welche doch wiederum keine Centren sein sollten, von dem Vermeiden von Hindernissen, das doch eigentlich kein Vermeiden wäre, von Coordinations- centren, von optischen und akustischen Reflexen, vom Wesen des Schlafes, von der „Magazinirung vorräthiger Energie im Grosshirn und deren von dort aus erfolgenden Dispersion nach den verschiedenen Enden“, von physiologischer, me- chanischer und noch mehrfach andersartiger Enthirnung, von „äquilibrirenden und nicht äquilibrirenden Schnitten“ am Hirn, von Hrn. Eckhard’s Aeusserungen ! Wie Hr. Munk will (a.a. O. 8. 564). Da es dem Sprachgebrauche nicht zu- widerläuft, wenn man auch bei anderen sich bewegenden Gegenständen das Wort „Aus- weichen“ gebraucht, so kann ich in meiner einfachen Aussage nicht nothwendig einen Schluss sehen, vor allen Dingen keinen „falschen Schluss“, als welchen Hr. Munk meine Aussage deshalb hinstellen möchte, weil die aus seinen Beobachtungen von ihm gezogenen Schlüsse ihm als richtig gelten. ? Ausgegeben am 25. Juli 1884. FE 3 1 Be 50 Sr IE Se : PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — HERMANN Munk«k. 471 aus dem Jahre 1878 über die bedeutung des Grosshirns für das Sehen und des Strassburger Candidaten Löb neuesten Meinungen darüber, von der soge- nannten Localisationsfrage u. s. w. Vielmehr werde ich nur den Kern der Sache 'ausschälen, auf den es ankam, und streng auf diesen mich beschränken. Sie werden sich der Reihe meiner Mittheilungen aus den Jahren 1877—79 erinnern, in welchen ich Ihnen anzeigte, dass ich mit immer umfangreicherer Exstirpation gewisser Partien der Grosshirnrinde den Hund in immer grösserer Ausdehnung auf einer oder beiden Retinae hatte blind machen können. Endlich gelang es mir im Jahre 1880, durch die vollkommene Exstirpation beider Seh- sphären vollkommen blinde Hunde zu gewinnen und dieselben durch Monate am Leben zu erhalten. Nicht lange nachdem ich darüber der Akademie berichtet hatte, trat Hr. Christiani, der bis dahin mit der Untersuchung von Respirations- centren bei enthirnten Kaninchen sich beschäftigt hatte, hier vor uns mit der Angabe auf, dass das grosshirnlose Kaninchen noch sehe und höre; und er wieder- holte dann dieselbe Angabe, nur mit anderen Worten — das grosshirnlose Ka- ninchen gehe ohne jede Abnormität umher, vermeide Hindernisse, erspringe An- höhen u. s. w. —, in einer im Februar 1881 der Akademie vorgelegten Mit- tbeilung. Damit war meinen Ergebnissen direct widersprochen. Freilich sagte dies Hr. Christiani in seiner Mittheilung nicht aus, wie er überhaupt um die reiche Litteratur des Gebietes und sogar um die vielen gegentheilisen Be- obachtungen, welche von den früheren Untersuchern des Kaninchens vorlagen, sich gar nicht weiter kümmerte. ‘ Aber darum war doch bei der physiologischen Ver- wandtschaft von Hund und Kaninchen der Widerspruch ganz offenbar, und er wurde auch von anderer Seite richtig hervorgehoben. Wie immer, wenn mir ein thatsächlicher Widerspruch entgegentritt, ging ich sogleich an die experimentelle Prüfung, und noch in demselben Jahre hatte ich die Beweise in Händen, dass Hrn. Christiani’s Angabe nicht zutreffend war, dass sie nur auf willkürlicher Deutung der Beobachtungen beruhte. Indess er- schien mir nach den vielen nicht genügend ausgedehnten Untersuchungen, welche bereits vorlagen, eine möglichst umfassende Untersuchung wünschenswerth, und eine solche beanspruchte eine längere Zeit. Endlich als ich meine Aufgabe er- schöpft sah, legte ich im Sitzungsberichte der Akademie vom 8. Mai dieses Jahres (Stück XXIV) meine Ergebnisse dar, nach welchen das grosshirnlose Kaninchen nicht Hindernissen ausweicht, nicht Anhöhen erspringt u. s. w., sondern voll- kommen blind ist, nach welchen es auch nicht, wie Hr. Christiani gleichfalls angegeben hatte, spontane Ortsveränderungen zeigt, gelegentlich aus dem Schlafe erwacht, ohne jede Abnormität umhergeht u. s. w., sondern keine anderen Be- wegungen macht, als unwillkürliche — Reflex- oder Zwangsbewegungen. Ich hatte geglaubt, dass der in die Augen springende grosse Umfang meiner Untersuchungen vor einem etwaigen Widerspruche zu neuen Versuchen Anlass geben würde; aber darin hatte ich mich getäuscht. Noch war das Papier meiner Abhandlung nicht trocken geworden, als schon Hr. Christiani einen Artikel gegen mich der Akademie hatte übergeben lassen. Ausführlich mich widerlegen wollte Hr. Christiani dort nicht, wie er sagte; er beschrieb nur sein Versuchsver- fahren, warf mir unrichtige Angaben, bezw. gefälschte Citate vor und knüpfte ganz kurze, aber dafür seiner Meinung nach recht entscheidende Widerlegungen an (Stück XXVIII). Ich habe diese Widerlegungen, wie jene Vorwürfe an der- selben Stelle gebührend zurückgewiesen, meine Erwiderung liegt auch bereits ge- 472 VERHANDLUNGEN DER BERLINER druckt vor (Stück XXX), und ich brauche deshalb hier nicht weiter darauf ein- zugehen. $ Die „ausführliche Widerlegung meiner Behauptungen“ hatte sich Hr. Chri- stiani „für die Gelegenheit einer anderen Mittheilung und für ein Feld vorbe- halten, auf welchem er mir mit gleichen Vortheilen entgegentreten könnte“. So schwer verständlich auch das letztere war, man konnte nur annehmen, dass das - erwünschte Feld diese unsere Gesellschaft sein sollte; und dem entsprach auch, dass Hr. Christiani bald nach der Drucklegung jenes Artikels einen Vortrag „zur Physiologie des Gehirns“ hier auf die Tagesordnung brachte. So habe ich mich zu unserer letzten Sitzung eingefunden, die in Aussicht gestellte „ausführ- liche Widerlegung“ entgegenzunehmen. Nun hat in der That Hr. Christiani „bei Gelegenheit der anderen Mittheilung“ die Dinge, um welche es sich unter uns handelte, des ausführlichsten erörtert und dazu noch, ganz in der Weise von Goltz und Löb, alle Sünden, die ich am Grosshirn beging, mir vorgehalten. Aber wie ich schon sogleich nach seinem Vortrage constatirte, hat Hr. Chri- stiani nur einfach wiederholt, was er vorher veröffentlicht hatte, und nicht eine einzige neue Thatsache, nicht eine einzige neue Beobachtung, nicht ein einziges neues Argument zur Sache beigebracht und gegen mich in’s Feld geführt. : Ja, Hr. Christiani, der hier früher soviel vom Sehen und Hören des grosshirn- losen Kaninchens gesprochen hatte, der, so oft ich seit 1881 Hrn. Blaschko’s oder meine Untersuchungen hier mittheilte, regelmässig die Frage mir vorgelegt hatte, wie es denn damit stimmte oder stände, dass doch das enthirnte Kaninchen sehe, hat sogar in seinem neulichen Vortrage nie etwas von „Sehen“ oder „Hören“ verlauten lassen; und ebensowenig hat er je in seinem Vortrage das Wort „will- kürlich“ gebraucht, während er doch noch in der Discussion unserer vorletzten Sitzung das „von ihm am dritten Ventrikel entdeckte willkürliche Respirations- centrum des enthirnten Kaninchens“ dem Vortragenden in Erinnerung gebracht hatte. Die von Hrn. Christiani angekündigte „ausführliche Wider- legung“ ist also ausgeblieben; und ich schätze unsere Zeit zu sehr, als dass ich meine Kritik jener Christiani’schen Angaben hier nochmals vorführen sollte. ! ! Nachträgliche Anmerkung. Wie meine früheren Mittheilungen an die Physiologische Gesellschaft, so kommt auch dieser Vortrag vom 4. Juli d.J. nach dem Stenogramm, nur hier und da in der Form gebessert, zur Veröffentlichung. Er war schon für den Druck vorbereitet, als mit Nr. 15—16 dieser „Verhandlungen“ — deren Ausgabetag nicht, wie es nach dem Kopfe des Blattes scheinen kann, der 27. Juni, sondern erst der 26. Juli war — ein von Hrn. Christiani verfasster Artikel über seinen Vortrag vom 20. Juni erschien. Nach dem Statut unserer Gesellschaft ist der Vortragende nicht an seine mündliche Mittheilung für die Drucklegung gebunden und ist für die letztere volle Freiheit gegeben. Man wird es danach verstehen, dass mein Vortrag hin und wieder auf Hrn. Christiani’s Artikel nicht streng zu passen scheint. Doch lag andererseits für mich kein Grund vor, meine Mittheilung zu verändern. Ich finde nur eine neue Angabe von Hrn. Christiani noch zu con- statiren und führe sie, um jedes Missverständniss auszuschliessen, wörtlich an. „Ich habe ferner beobachtet“, sagt Hr. Christiani (oben S. 468), „dass enthirnte Kaninchen sich ganz anders verhalten, je nachdem ich ihnen die Optici unverletzt erhalten oder durchschnitten hatte. Die so völlig blind gemachten Thiere vermieden nicht in glei- chem Maasse, wie die andern, den Sonnenschein, der in das Zimmer fiel und suchten nicht mit Vorliebe dunkle Ecken auf. Um Wärmestrahlung auszuschliessen, trugen hierbei die Thiere Stanniolkappen.““ Diese Angabe, dass enthirnte Kaninchen den Sonnenschein vermeiden und mit Vorliebe dunkle Ecken aufsuchen, charakterisirt an sich ohne weiteres Hrn. Christiani’s Untersuchung; und ich kann PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — HERMANN MUnNK«k. 473 Dass ich mir für heute das Wort erbat, hat denn auch einen anderen Grund. Ich hatte hinsichtlich des groben Verhaltens der Thiere in den gelungenen Ver- suchen angegeben, dass der Grosshirnexstirpation zunächst ein Erschöpfungssta- dium von ungefähr einer halben Stunde Dauer folgt, in welchem die Thiere wohl auf Reizung stehen und laufen, ungereizt jedoch in jeder Lage mit ausreichen- der Unterstützung unbewegt verharren. Dem entgegen hat Hr. Christiani schon in jenem Artikel und wiederum in seinem Vortrage hervorgehoben, dass bei seinem Versuchsverfahren die Thiere „ohne initialen Erschöpfungszustand“ sich erhalten lassen, unmittelbar nach der Operation stehen, sitzen und gehen; nur bei den nicht gelungenen Versuchen trete „günstigsten Falles“ eine länger dauernde Er- schöpfung ein, haben sich die Thiere „im besten Falle“ nach ungefähr einer Viertelstunde erholt, können sie wieder sitzen, später auch stehen und gehen, aber mit der Reinheit der Beobachtungen nach der Enthirnung sei es dann unbe- dingt vorbei. So hat Hr. Christiani kurzweg meine Versuche zu dis- creditiren unternommen; und ich gedenke heute zu zeigen, was es mit dieser Discreditirung auf sich hat. Handelte es sich bloss um die Abwehr, so wäre die Sache rasch abgethan. Ist es ja bei den Versuchen am Centralnervensysteme eine ganz gewöhnliche Erfahrung, und zwar eine Erfahrung, die man nicht nur am Säugethiere und Vogel, sondern sogar an dem sonst so resistenten Frosche macht, dass Eingriffe, mit welchen nicht geradezu Reizungen verbunden sind, zunächst ein Erschöpfungs- stadium mit sich bringen. Muss ja auch schon Jeder, der nur die grundlegen- den Versuche der Nervenphysiologie am Frosche ausgeführt hat, den Bell’schen Versuch, die Reflexversuche, die Grosshirnexstirpation, es wissen, dass nicht un- mittelbar nach der Operation die Prüfungen sich vornehmen lassen, sondern dass erst eine Zeit lang zu warten ist, bis die Thiere, wie man gemeinhin es nennt, sich von der Operation erholt haben. Nur der Laie, der Neuling in der Phy- siologie könnte daher der Täuschung verfallen, dass, weil bei mir die Kaninchen zu allererst ein Erschöpfungsstadium zeigten, bei Hrn. Christiani nicht, Letzterer besser operirt und dementsprechend bessere Beobachtungen gemacht habe. Doch dieser Laie, dieser Neuling müsste noch dazu meine Abhandlung gar nicht ge- lesen haben. Venöse Blutungen sind es nach Hrn. Christiani, welche die Ver- suche so missglücken lassen, dass es zum Erschöpfungsstadium kommt; und dann ‘ sollen die Thiere immer Schwäche und schlechte Haltung in den Extremitäten, Schiefstellung des Kopfes, Zwangsbewegungen, wiederholte Blutungen, tetanische Sätze und Krämpfe, vorwärtsstürmende Bewegungen und dergleichen mehr zeigen; sie sollen noch längere Zeit leben können — Hrn. Christiani’s Beobachtungs- zeit betrug in maximo zwölf Stunden —, wenn man nur dafür sorgt, dass die Blutcoagula von der Basis cranii immer wieder entfernt werden.” Ich habe aber ausdrücklich die Versuche, bei welchen Blut die zurückgebliebenen Hirntheile umfliesst, für ganz unbrauchbar erklärt? und von meinen gelungenen Versuchen nur bedauern, dass Hr. Christiani die Angabe nicht schon in seiner ersten Mitthei- - lung vom Jahre 1881 gemacht hat, da ich mich alsdann trotz seinen „glaubwürdigsten Enger“ „vor der wissenschaftlichen Welt“ jeder Widerlegung überhoben geglaubt ätte, I Sitzungsberichte der Akademie. 8. 6386. 2 Ebenda 8. 636—37. ® Ebenda. 8. 556. 474 VERHANDLUNGEN DER BERLINER angegeben, dass die Schädelbasis frei von Blut war und blieb!; ich habe die Thiere meiner gelungenen Versuche dahin beschrieben, dass sie nach Ablauf des Erschöpfungsstadiums die normale hockende Stellung annahmen und aus dieser heraus von Zeit zu Zeit normale Bewegungen machten?; ich habe endlich von ebendiesen Thieren angeführt, dass sie, sich selbst überlassen, bis 50 Stunden lebten und während der ersten Stunden, öfters durch so lange Zeit, wie Hr. Chri- stiani überhaupt in maximo beobachtete, und noch länger durchaus in Ruhe verharrten, nur dass hin und wieder, im ganzen sehr selten, einzelne rasch ab- laufende Reflexbewegungen eintraten.” Wer dies gelesen, könnte sich. unmöglich dazu verstehen, meine gelungenen Versuche mit jenen Christiani’schen miss- lungenen Versuchen in Verbindung zu bringen, geschweige denn, wie Hr. Chri- stiani es wollte, zu identificiren. Indess um eine andere, ich könnte sagen, positive Lösung meiner Aufgabe ist es mir hier zu thun. Was Hr. Christiani in seiner ersten Mittheilung über sein Operationsverfahren und seine Versuchsthiere ausgesagt hatte, war so dürftig, dass ein sicheres Urtheil über die Qualität seiner „bestgerathenen Fälle“ nicht zu gewinnen war. Unter diesen Umständen meinte ich dem Gegner, den ich zu bekämpfen hatte, die günstigste Position einräumen zu sollen, ihm trotz manchem, das dagegen sprach, die besten, in meinem Sinne ganz gelungene . Versuche zuschreiben und so seine Angaben widerlegen zu sollen. Von einer umfassenden Besprechung der unbrauchbaren Versuche sah ich infolge dessen ab, und damit liess ich in meiner Abhandlung die Lücke offen, welche Hr. Chri- stiani zu seinem Discreditirungsversuche benutzt hat. Ich werde jetzt die Lücke ausfüllen, indem ich mit Hülfe der weiteren Angaben, welche Hr. Christiani neuerdings über seine Versuche gemacht hat, die beiderseitigen Versuche ver- gleiche, und den wirklichen Werth von Hrn. Christiani’s „bestgelungenen Fällen“ darthun. Sollen die Folgen der Ausschaltung des Grosshirns an einem Thiere rein hervortreten, so muss das Grosshirn vollkommen exstirpirt, aber das Thier nicht noch anderweitig geschädigt sein; insbesondere darf kein wesentlicher Blutver- lust stattgehabt haben und müssen die hinter. dem Grosshirn gelegenen Him- theile unversehrt sein. Wo diese Bedingungen erfüllt sind und so lange sie er- füllt bleiben, sind die Versuche gelungen, und müssen sich in allen Versuchen an derselben Thierart die reinen Folgen der Entfernung des Grosshirns ganz gleich- mässig zeigen. Auf dieser Grundlage bin ich an die Untersuchung des Kanin- chens gegangen und habe ich dieselbe durchgeführt. Und diese Grundlage müssen wir offenbar auch festhalten, obwohl Hrn. Christiani „als Kriterien für eine gelungene Operation stets“ noch andere „Dinge galten“, wie z. B. „die vollständige Erhaltung der Coordination für Stand und Locomotion unmittelbar nach der Operation und in der Folge“ oder „die sehr bald nach der Operation nachweis- bare Erhöhung der Reflexerregbarkeit“* Denn dass mit derlei Kriterien, wie ich schon an anderer Stelle bemerkte’, anticipirt war, was erst das Ergebniss der Untersuchung sein konnte, das ist doch zu einfach und klar, als dass ich dabei verweilen sollte. 2 FEbenda. 8. 553 3 Ebenda. 8. 551—53. * FHbenda. 8. 638. 5 Ehenda. S. 659. vw un} j i PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — HERMANN MunK. 475 Unsere Versuchsverfahren stimmen nun darin überein, dass das Grosshirn von hinten nach vorn umgeklappt wird. Ich habe diesen Weg für einen zu nahe liegenden erklärt, als dass er nicht von den vielen Forschern, welche vor mir Grosshirnexstirpationen am Kaninchen unternommen haben, schon öfters einge- schlagen sein sollte!; und wer einmal ein conservirtes Kaninchenhirn genauer betrachtet oder nur z. B. die Gudden’schen Figg. 5 und 9 auf Taf. VI Bad. I (1870) des Archivs für Psychiatrie mustert, wird mir beistimmen. Aber Hr. Chri- stiani scheint Werth darauf zu legen?, dass er vor mir das Umklappen vor- genommen hat, und ich bedauere deshalb, dass ich dies nicht wusste und darum in meiner Abhandlung nicht erwähnen konnte. An unserer Sitzung vom 14. Mai 1880, in welcher Hr. Christiani sein Enthirnungsverfahren demonstrirt zu haben angiebt, hatte ich nicht theilgenommen — ich war nach Ausweis meines Tagebuches schon am Morgen dieses Freitags vor Pfingsten abgereist —, und das von Hrn. Christiani verfasste Protokoll besagte nur, dass „der Vortragende an einem Kaninchen, dem er die Grosshirnhemisphären exstirpirt hatte, in situ das von ihm aufgefundene Inspirationscentrum des dritten Ventrikels demon- strirte.“” Auch habe ich zu den „zahlreichen Fachgenossen“, welchen Hr. Chri- stiani seitdem sein Enthirnungsverfahren vorgeführt haben will, nicht gehört trotz meiner ausgesprochenen Bereitwilligkeit, die Versuche zu sehen. Ich denke, das unbewusst Versäumte wird hiermit genügend nachgeholt sein. Des weiteren aber gehen unsere Versuchsverfahren auseinander und bieten neben vielen unwesentlichen einzelne wesentliche Abweichungen dar. Hr. Christiani verlangt für den guten Erfolg, dass „die Thiere weder durch Narkotica oder sonst irgendwie künstlich vorbereitet, noch in ihrer nor- malen Lebensweise gestört“ seien; er „legt ein ganz besonderes Gewicht darauf, dass die ganze Operation so schnell wie möglich ausgeführt werde und nament- lich die das Thier erfahrungsgemäss am meisten aufregende Eröffnung des Schädels nicht lange dauere“; er giebt auch genau vor, wie das Grosshirn freizulegen sei.* Indess sind alle diese Anforderungen wohl geeignet, von der im Grunde einfachen Operation abzuschrecken; aber sie brauchen durchaus nicht erfüllt zu sein, damit man Versuche erhalte, wie sie von Hrn. Christiani und von mir als gelungene beschrieben worden sind. Das hatte ich durch die mannigfachste Modifieirung des Versuchsverfahrens ermittelt, bevor Hr. Christiani sein Vor- gehen veröffentlichte, und deshalb hatte meine Abhandlung in allen jenen Stücken dem Operateur freies Spiel gegeben °; sie hatte nur die Vorfütterung mit trockenem Futter, die Torsion des Sinus longitudinalis, die Exstirpation ausserhalb der Nar- kose empfehlen mögen®, um durch die Einschränkung der Blutungen eine grössere Zahl von Versuchen gelingen zu lassen. Geradezu warnen muss ich sogar vor der Eile; denn wer die ganze Operation mit den vielen einzelnen Acten, welche Hr. Christiani aufzählt, in zwei Minuten auszuführen suchen wird — soviel betrug, wie Hr. Christiani sagt’, die Gesammtdauer bei ihm „in günstigen I Sitzungsberichte der Akademie. 8. 550. ? Ebenda. S. 636. ® Diese Verhandlungen 1819/80. Nr. 13. 8.81. — Archiv für Anatomie und Physiologie. Physiologische Abtheilung. 1880. S. 295. * Sitzungsberichte der Akademie. 8. 636—37. ° Ebenda. 8.550. 6 Ehenda. 8. 551. ” Ebenda. 8. 637. 476 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Fällen“ —, wird alles eher leisten, als eine zuverlässige wissenschaftliche Ope- ration, und wird sicher mindestens der Spaltung der Dura sich überhoben sehen. Die Herausnahme der Hemisphären macht sich naturgemäss sehr rasch, und man wird auch auf die Abtragung des Schädeldaches und die Spaltung der Dura nicht mehr Zeit als nöthig verwenden, so dass in weniger als 10 Minuten die Operation gut durchgeführt sein kann; aber das vorsichtige Vorgehen ist viel wichtiger als die Eile, die hier durch nichts geboten ist, weil es zu einem grösseren _ Blutverluste gar nicht zu kommen braucht. Will man die Aufregung des Thieres, welche die Eröffnung des Schädels und noch mehr die Spaltung der Dura ver- anlasst, ganz ausschliessen, so lege man das Grosshirn in der Aethernarkose frei und exstirpire die Hemisphären erst nach einiger Zeit, erst nach einer halben Stunde oder noch später; man kommt auf diese Weise unter den gleichen son- stigen Bedingungen zu ebensolchen Versuchen, wie wenn man ohne Narkose die ganze Operation ununterbrochen durchführt. Unwesentlich ist es weiter, ob die een mit meinen Holzstäbchen oder mit dem Christiani’schen Schielhäkchen herausgehoben werden, und ob man die Wundöffnung durch einige Nähte, wie ich, oder durch einen Wattebausch, wie Hr. Christiani, schliesst. Dass Hr. Christiani, um den Hirnstock vor Trockniss zu schützen, noch ein neutrales flüssiges Fett (Hundefett) einführt !, will mir nicht unbedenklich erscheinen; doch habe ich über die Bedeutung dieser Maassnahme keine Erfahrungen, und jedenfalls tritt dieselbe zurück gegen die Bedeutung der letzten Abweichungen, welche wir noch zu betrachten haben. Während? ich, um das Grosshirn abzutrennen, unmittelbar vor den sicht- baren vorderen Rändern der Thalami optici einen Frontalschnitt etwas schief nach vorn und unten bis zur Schädelbasis führe, läuft Hrn. Christiani’s Schnitt jederseits „oben genau der (nach hinten sich krümmenden) Stria cornea ent- sprechend, unten hart am vorderen Rande des Tractus opticus bis zum Winkel des Chiasma nervorum opticorum hin sich erstreckend“. Hr. Christiani trägt also noch eine Portion Hirnsubstanz von im Mittel 1—2"" Breite ab, die ich zurücklasse. Dieses Mehr der Exstirpation ist für die früheren, die Hauptsache betreffenden Verhandlungen zwischen Hrn. Christiani und mir ohne Belang ge- wesen, weil, wenn mein enthirntes Kaninchen nicht andere als unwillkürliche Bewegungen macht, nicht Hindernisse vermeidet u. s. w., das Gleiche erst recht für Hrn. Christiani’s Kaninchen gelten muss, das noch ein wenig mehr Hirn- substanz verloren hat; hier jedoch wili das Mehr wohl beachtet sein, insofern Hrn. Christiani’s Trennungsflächen eng an die vorderen äusseren Flächen der Thalami sich anschliessen, meine Trennungsfläche von den Thalami weiter ent- fernt bleibt. Während ich ferner zweitens die Abtrennung mit einem einfachen Messerschnitte vornehme, vollzieht dieselbe Hr. Christiani „jederseits mit einem einzigen sehr schnell, aber mehr drückend als ziehend, geführten Schnitt mittels eines zugeschärften, sieben Millimeter breiten hölzernen Scalpellstieles“. Dadurch sollen sich „unter dem leichten, quetschenden Drucke des Messerstieles die kleinen durchtrennten Arterien bereits geschlossen haben“, so dass „keine arteriellen Blutungen auftreten.“ Indess wird man schwerlich bei dem „sehr schnellen“ Schnitte dem „zugeschärften“ Messerstiele eine andere Wirkung auf die Arterien zuschreiben dürfen, als dem Messer selber; und in der That bleiben auch dann, ı Sitzungsberichte der Akademie. 8. 638. 2 Ebenda. 8.550—51 und 636—37. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — HERMANN Munk. 477 wenn man das Messer verwendet, die arteriellen Blutungen aus. Dagegen bietet der Messerstiel, der für dünne Hirntheile, wie z. B. den Pedunculus der Taube, sehr wohl brauchbar ist, hier, wo es sich um die Durchschneidung einer ver- hältnissmässig dicken Hirnmasse handelt, den Nachtheil, dass er, weil er mehr quetschend und zerrend auf die Nervensubstanz wirkt, die zurückbleibenden Hirn- theile in höherem Grade schädigt, als das Messer: wofür die grob unebene Tren- nungsfläche, die besonders am unteren Ende oft geradezu lappige Begrenzung, die man mit dem Messerstiele erhält, den schlagendsten Beweis liefert. Endlich lässt drittens Hrn. Christiani’s Versuchsverfahren dem meinigen gegenüber eine auf den ersten Blick unscheinbare, in Wahrheit jedoch bedeutsame Lücke. Mag auch, wie Hr. Christiani sagt, „in günstigen Fällen bei Eröffnung des Sinus longitudinalis das einzige Blut abfliessen‘“, immer bedeckt sich bei der Herausnahme der Hemisphären, infolge der Zerreissung von kleinen Gefässen, die Schädelbasis mit Blut; und dieses Blut bleibt an der Schädelbasis liegen, wenn nicht für seine sofortige Beseitigung Sorge getragen ist. Deshalb habe ich es als unbedingt empfehlenswerth hingestellt, was ich bei vielem Suchen als das einzige Hülfsmittel fand, dass man dem Kopfe des Thieres eine möglichst verticale Stellung giebt, die Schnauze nach unten, das Hinterhaupt nach oben; dann fliesst das Blut, sowie es zur Schädelbasis gekommen, sogleich auf der schiefen Ebene nach vorn hin ab, und der Schädel bleibt in der ganzen Länge des erhaltenen Hirnstieles frei. von Blut. Im der Hinsicht aber lässt Hr. Chri- stiani, trotz der sonst so peinlichen Beschreibung seines Versuchsverfahrens, jede Bemerkung vermissen; und wenn selbst bei seinen Versuchen stets sofort nach der Exstirpation jede Blutung stand, so muss doch, infolge des Auftretens von Blut am Schädelgrunde während der Exstirpation, eine dünnere oder dickere Blutschicht unter den erhaltenen Hirntheilen und zu ihren Seiten verblieben sein. Durch diese drei Abweichungen im Versuchsverfahren erweist sich die Ver- schiedenheit der Schilderungen bedingt, welche Hr. Christiani und ich vom groben Verhalten der enthirnten Kaninchen gegeben haben. Mein Versuchsver- fahren liefert Thiere, wie ich sie als „ganz gelungene Versuche“ beschrieb, welche nach einem etwa halbstündigen Erschöpfungsstadium durch Stunden in normaler Ruhestellung verharren, nur dass hin und wieder einzelne rasch ablaufende Re- flexbewegungen eintreten, und welche erst danach Laufbewegungen machen, an- fangs mit grossen, dann mit kürzeren Ruhepausen;, — von der schliesslichen Abnahme der Laufbewegungen vor dem Tode sehe ich, um die Darlegung zu vereinfachen, hier überall ab. 'Irennt man jedoch die Hemisphären auf die Weise wie Hr. Christiani ab, und unterlässt man es, dem Kopfe des Kaninchens bei der Operation die verticale Stellung zu geben, so erhält man unter sonst gleichen Umständen Thiere, wie sie Hr. Christiani als „bestgerathene Fälle“ oder neuer- dings als „gelungene Versuche“ beschrieb, Thiere, welche, ohne ein Erschöpfungs- stadium zu zeigen, sogleich nach der Operation normal sitzen und von Zeit zu Zeit Laufbewegungen machen, — wie ich hinzufügen kann, zuerst nur seltene, später häufigere Laufbewegungen. Ja, solche Thiere zu gewinnen, genügt es schon in der Regel, dass man nur in einer einzelnen Richtung der letztbe- sprochenen Abweichungen mein Versuchsverfahren verlässt, dass man nur den Striae corneae mit dem Messerschnitte folgt oder nur meinen Frontalschnitt vor den Thalami, statt mit dem Messer, mit dem Messerstiele ausführt oder endlich nur die Stellung des Kopfes bei der Operation vernachlässigt. Diese letzten Ab- weichungen im Versuchsverfahren sind also in Betracht zu ziehen, wenn es sich 478 | VERHANDLUNGEN DER BERLINER um die Frage handelt, ob die von Hrn. Christiani oder die von mir als „ge- lungen“ hingestellten Versuche wirklich in dem oben definirten Sinne gelungene waren. Ueber die Antwort kann dann kein Zweifel sein. Beidemal war das Gross- hirn vollkommen entfernt; beidemal war das Thier durch Blutverlust nicht ge- schädigt; beidemal waren auch die hinter dem Grosshirn gelegenen Hirntheile bei der Operation nicht gröblich verletzt, so dass abnorme Stellungen oder Reit- bahnbewegungen und dgl. die Folgen gewesen wären. Aber bei Hrn. Chri- stiani’s Versuchen waren und blieben die letzteren Hirntheile nicht so unver- sehrt, wie bei meinen Versuchen: sie waren gequetscht und gezerrt durch die Abtrennung mit dem Messerstiele; sie unterlagen, infolge der grösseren Nähe der Trennungsfläche, früher und mehr den sogenannten schädlichen Wirkungen des Querschnittes; sie waren seitens des ihnen anliegenden Blutes dem Drucke und noch mehr der Durchtränkung ausgesetzt. Daher kam es, dass die Thiere in Hrn. Christiani’s Versuchen bald nach der Operation ein solches Verhalten zeigten, wie es in meinen Versuchen erst nach Stunden zu beobachten war, wenn die Entzündung der Hirntheile sich eingestellt hatte; und daher sind Hm. Chri- stiani’s „bestgelungene Versuche“ in Wahrheit nicht gelungene Versuche ge- wesen. Wo möglich noch schärfer, weil in gewisser Hinsicht mit einem tieferen Verständnisse verknüpft, tritt dasselbe hervor in der methodischen Entwickelung der Untersuchung, welche mich das Versuchsverfahren hat finden lassen, das ich als zu gelungenen Versuchen führend beschrieb. Gelungene Versuche von langer Dauer, wie bei Fröschen und Tauben, welche die Grosshirnexstirpation durch Monate überleben können, zeigten sich bei Ka- ninchen dadurch ausgeschlossen, dass diese Thiere infolge der Grosshirnexstir- pation unter allen Umständen und ausnahmlos in der nächsten Zeit zugrunde- sehen. Aber auch für die Lebensdauer der Kaninchen konnte von gelungenen Versuchen nicht die Rede sein, weil, wo ungehörige Blutungen oder Verletzungen weder bei noch nach der Operation vorgekommen waren, nach dem Tode doch immer eine Entzündung der dem Grosshirn benachbarten Hirntheile, der Thalami optici und manchmal auch der Corpora quadrigemina, durch die. Section aufge- deckt wurde. Mithin stand der Erwerb gelungener Versuche bloss noch für die erste Zeit nach der Operation, bis jene Entzündung eintrat, in Aussicht, wofern die Entzündung nicht sogleich mit der Operation einsetzte und ihr Beginn sich bestimmen liess. Die Kaninchen, deren Grosshirn ohne wesentlichen Blutverlust und ohne gröbliche Schädigung der niedereren Hirntheile vollkommen entfernt war, führten nun sämmtlich Laufbewegungen in wachsender Frequenz aus; aber desto häufigere und desto stürmischere Laufbewegungen kamen zur Beobachtung, je rascher der Tod des Thieres eintrat. Hinwiederum erwiesen sich die entzündlichen Verände- rungen der Thalami desto beträchtlicher, je kürzer die Lebensdauer des 'Thieres gewesen war. Danach war nur anzunehmen, dass eine ursächliche Beziehung der Entzündung zu den Laufbewegungen bestand; und das fand auch in der Folge seine Bestätigung. Denn nicht nur ergab sich weiter, dass die Laufbe- wegungen desto eher nach der Operation eintraten und desto rascher an Fre- quenz und Intensität wuchsen, je früher das Thier erlag; sondern es liessen sich auch regelmässig, sobald das Thier mehrmals gelaufen und die Verkürzung der Ruhepausen deutlich geworden war, durch die Section des Thieres anatomische PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — HERMANN MunNK. 479 Veränderungen der Thalami constatiren, während zu einer früheren Zeit nach der Operation die Thalami normal erschienen. Die Laufbewegungen waren also durch die abnorme Beschaffenheit der Thalami bedingt und zeigten eine solche sogar feiner an, als die grobe anatomische Prüfung. Nunmehr war das Versuchsverfahren offenbar dahin auszubilden, dass es erst möglichst spät in den Versuchen zu Laufbewegungen kam. Bisher waren diese, wenn nicht bald nach der Operation, immer doch in den ersten Stunden eingetreten, und die Thiere waren innerhalb 24 Stunden gestorben. Jetzt schaffte ich das Blut von der Schädelbasis fort, weil die Verfärbung, welche die unteren Partien der Thalami erfuhren, das Verbleiben desselben verdächtig machten. Ich verwarf für die Abtrennung des Grosshirns den Messerstiel, der mir vom Herausheben der Hemisphären zur Hand und vom Pedunculus der Taube her geläufig gewesen war, und zog den scharfen Schnitt mit dem Messer vor. Ich hielt endlich auch den Schnitt etwas von den 'Thalami entfernt, weil ich dadurch die gerade gewünschte, nicht aber noch eine andere Veränderung der Versuchs- ergebnisse veranlasst sah. So gewann ich Thiere, bei welchen die Laufbewe- gungen erst 4—20 Stunden nach der Operation eintraten und der Tod erst nach 30—50 Stunden erfolgte. Das Erschöpfungsstadium, welches diese 'Thiere zu- nächst nach der Operation für etwa eine halbe Stunde darboten, konnte mich natür- lich nicht irre machen. Wohl aber durfte ich darin, dass diese Thiere bis zum Eintreten der Laufbewegungen dasselbe Verhalten zeigten, wie der grosshirnlose Frosch und die grosshirnlose Taube, dass sie, von seltenen kurzen Reflexbe- wegungen abgesehen, so lange ruhig in normaler Haltung verblieben, die volle Gewähr sehen, dass ich erreicht hatte, was hier zu erreichen war. Dass einer solchen Entwickelung gegenüber, welche die Untersuchung nehmen musste, Hrn. Christiani’s Vorgehen ein rein willkürliches war, dass er durch die längstens zwölfstündige Beobachtung der Thiere und die Vernachlässigung der Sectionsbefunde sich durchaus der Mittel entschlug, die Versuche im ganzen wie die Beobachtungen im besonderen richtig zu beurtheilen, das werde ich nicht mehr zu besprechen brauchen. Ich habe nur hinzuzufügen, dass, wie durch die Verfolgung der Laufbewegungen, so auch durch die der Reflexerregbarkeit, aller- dings etwas schwieriger, die richtige Einsicht zu gewinnen war. Denn um die Zeit, zu welcher die Laufbewegungen auftreten, macht sich zugleich eine Er- höhung der Reflexerregbarkeit bemerklich, und diese wächst dann in demselben Maasse an, wie die Laufbewegungen zunehmen!: so dass für die Laufbewegungen und das Ansteigen der Reflexerregbarkeit die gleiche Beziehung zu den ana- tomischen Veränderungen der Thalami sich ergiebt. Und wenn Hr. Christiani ein Kriterium für eine gelungene Operation gerade darin sah, dass sehr bald nach der Operation die Erhöhung der Reflexerregbarkeit nachweisbar war?, so thut das eben nur von neuem dar, wie Hrn. Christiani’s „bestgelungene Fälle“ nichts anderes als misslungene Versuche waren. Hiermit habe ich die Aufgabe gelöst, welche ich mir für heute gestellt hatte, und zu meiner Abhandlung die Ergänzung geliefert, welche Hrn. Chri- stiani’s neuere Veröffentlichung möglich machte und wünschen liess. Noth- wendig war die Ergänzung nicht; denn wie in den gelungenen, so erst recht auch in den misslungenen Versuchen und überhaupt in allen Versuchen stellt ! Vgl. Sitzungsberichte der Akademie. 8. 558. ” Ebenda. 8. 638. 480 VERHANDLUNGEN D. BERL. PHYSIOL. GESELLSCH. — HERMANN MUunNK. es sich heraus, was ich in meiner Abhandlung darlegte, dass die Kaninchen, welchen das Grosshirn exstirpirt ist, nicht ohne jede Abnormität umherspazieren, nicht Hindernissen ausweichen, nicht Anhöhen erspringen u. s. w. Ich will darum zum Schlusse auch gern noch gestehen, was ich schon in meiner Abhandlung andeutete, dass mich zu der weiten Ausdehnung der für meine Zwecke sogar im Grunde überflüssigen ® Untersuchung des Kaninchens gerade mit der Umstand bewog, dass ich einmal an einem Beispiele, und zwar in einem nicht eben ein- fachen Falle, die Angaben und die Beobachtungsweise kennzeichnen wollte, deren man sich auf unserem Gebiete zu erwehren hat.“ Wenn in der Physiologie des Gehirns so viele Widersprüche vorkommen, so trägt die Schuld nicht, wie es dem Fernerstehenden scheinen mag, die Unzugänglichkeit des Untersuchungsob- jectes: es liegt nur an der oft unzureichenden Beobachtung und der noch öfter mangelhaften Methodik der Untersuchung, es liegt an den Untersuchern. 1 Sitzungsberichte der Akademie. 8. 568. ” Ebenda. 8. 567. Die Resorption des Zuckers und des Eiweisses Im Magen. Von R. Meade Smith. Aus dem physiologischen Institut zu Leipzig. In dem Grade, in welchem die Ueberzeugung Boden fand, dass sich mit Filtration und Endosmose die Resorption im Dünndarm nicht ausreichend erklären lasse, und man dann, in Ermangelung anderer Gründe, das beweg- liche Protoplasma der Epithelien für die Ueberführung der Nährstoffe in das Schleimhautgewebe verantwortlich machte, musste die Frage, was und wie die Magenwand aufsauge, an Bedeutung gewinnen. Alle Unterschiede, welche nach Art und Geschwindigkeit in den aufsaugenden Befähigungen des Magens und Dünndarms zur Erscheinung kommen, beleuchten, wenn die Epithelien das Geschäft der Resorption in erster Linie besorgen, wesentlich die Eigen- schaften dieser wichtigen Gebilde. Und da gegenwärtig keine Veranlassung vorliegt, an der Uebereinstimmung des Protoplasma’s der an verschiedenen - Standorten befindlichen Cylinderzellen zu zweifeln, so würde es auf Rechnung D Msn [U a ua I > su A au der Säume kommen, durch welche die Epithelien an ihrer freien Fläche begrenzt werden, wenn sich an verschiedenen Orten des Verdauungsschlauches die Resorption wässeriger Lösungen nach Verlauf und Ergebniss ungleich gestaltet. An den Epithelien des Magens und des Dünndarms bestehen nun bekanntlich Unterschiede im Bau dieser Grenzschichten. Zu einer Untersuchung über die resorbirende Thätigkeit des Magens liegt auch noch von einer anderen Seite her eine Aufforderung vor. Viele Stunden hindurch ist täglich die Oberfläche des Magens mit einer Flüssig- keit bedeckt, deren Säuregehalt hinreichen dürfte, um das Protoplasma der Epithelien abzutödten. Da man hiervon, namentlich aber von einer Selbst- verdauung der Magenwand, kein Anzeichen findet, so bildete sich die Ansicht Archiv f. A.u.Ph. 1884. Physiol. Abth. 31 482 R. MEADE SMITH: aus, dass der in die Schleimhaut eindringende saure Saft durch das Alkali der Lymphe und des Blutes neutralisirt werde. In Anbetracht der anato- mischen Verhältnisse könnte diese Erklärung für den Schutz des Gewebes ‚unterhalb der Epithelien, schwerlich aber für den ausreichen, dessen das Protoplasma der Epithelien bedarf. Bewahrt das Protoplasma der Magen- epithelien seine Lebendigkeit trotzdem, dass es von dem verdauenden Saft nur durch die dünne Schicht porösen Schleims getrennt ist, so ist ihm entweder die Magensäure ungefährlich im Gegensatz zu anderen protoplasma- tischen Körpern, oder die Säure verdichtet den Schleim im Deckel der‘ Epithelien bis zu einem Grade, welcher das Eindringen von Flüssigkeit verhütet. Im letzteren Falle würde zu erwarten sein, dass die Magenwand nur dann zur Aufsaugung geschickt sei, wenn der Säuregehalt des Saftes unter gewisse Grenzen herabgesunken wäre. Abgesehen von mannigfachen älteren Beobachtungen, durch welche der Uebergang zahlreicher Arzneistoffe und Gifte in die Magenwand wahr- scheinlich wurde, haben neuerdings Tappeiner! und Anrep? mit einwurfs- freien Methoden die Resorption des Zuckers und Peptons im Magen nach- gewiesen. Doch fanden Beide, namentlich aber der Erstere, die Wand des Magens zur Aufsaugung nur wenig geschickt, sodass sich der Magen des Säugethieres nur wenig zur genaueren Darlegung der Erscheinungen geeignet erwies, unter welchen die genannten Stoffe verschwinden. Nach einigen früher von ihm unternommenen Versuchen schien es Hrn. Prof. C. Ludwig möglich mit dem Magen des Frosches deutlichere Erfolge zu erzielen. Da der Magen des Frosches mit einem Epithelium ausgekleidet ist, welches im Wesentlichen dem Ueberzug des Säugethier- magens gleicht, so entschloss ich mich zu erneuten Beobachtungen an dem in Vorschlag gebrachten Orte. Ein Theil der letzteren ist von mir in Leipzig während des Hochsommers, ein anderer in Philadelphia während des Octobers 1883 nach dem folgenden Plane angestellt worden. An Fröschen, die seit mindestens acht Tagen gefastet hatten, wurde der Magen blossgelegt, diesseits des Pylorus unterbunden, und darauf die Bauchwunde sorgfältig mit Nähten verschlossen. Nachdem ihnen alsdann vom Munde oder dem Oesophagus aus eine gewogene Menge Nahrung von bekannter Zusammensetzung zugeführt war, wurden sie auf Glastellern unter Glasglocken aufbewahrt und nach Verfluss verschieden langer Zeiten durch Zerstörung der Nervencentren getödtet. Aus dem Körper wurde der Magen herausgenommen, von aussen gereinigt, eröffnet und mit einem Spatel von seinem Inhalt befreit. Die aus dem Magen genommene Masse wurde auf ihre Reaction geprüft, gewogen, getrocknet und verascht. War 01 Zeitschrift für Biologie. Bd. XVI. ?2 Dies Archiv. 18831. Pr Die RESORPTION DES ZUCKERS UND DES EIWEISSES IM MaAGen. 483 Traubenzucker in den Magen eingeführt worden, so wurde vor der Ver- aschung der trockene Rückstand mit einer abgemessenen Menge Wassers ausgelaugt, der Auszug filtrirt und in einem gemessenen Bruchtheil des- selben mit Fehling’scher Lösung titrirt. — Zu einem der eben beschriebenen Versuche wurde öfters statt nur eines einzigen, eine grössere Zahl von Fröschen verwendet, denen zu gleicher Zeit der Magen unterbunden, und mit gleicher Speise gefüllt war. Die grössere Menge des zur Verfügung stehenden Mageninhaltes versprach für die Ergebnisse einen grossen Grad von Sicherheit. | Dem Plane konnte ein Gelingen nur durch den Nachweis versprochen werden, dass die Frösche, die zu der Entblössung des Magens nöthige Operation und die Unterbindung des Pylorus ohne sichtbare Beeinträch- tigung ihrer Gesundheit eine Reihe von Tagen hindurch zu überstehen - vermochten. | An einigen Dutzenden von Fröschen ging die Unterbindung des Magens ohne sichtbaren Schaden für ihr sonstiges Wohlbefinden vorüber, sodass aus der Operation auch keine Störung der Magenthätiekeit zu erwachsen schien. Obwohl nun der Magen hungernder Frösche bis auf einen geringen schleimigen Ueberzug seiner Oberfläche leer gefunden wird, so liess sich doch nicht voraussagen, ob ein gleiches auch nach der Unterbindung des Pylorus gelte; hierüber mussten also die Versuche erst Aufschluss bringen. Fastende Frösche wurden, nachdem der Magen unterbunden war, von einem bis zu sechs Tagen am Leben erhalten und nach dem Tode der Inhalt ihrer Magen untersucht. Mit einer einzigen Ausnahme fand sich in ihnen ein trüber zähflüssiger, Lakmus röthender Inhalt, welcher sorg- fältig von der Magenwand abgestreift, und nachher feucht, getrocknet und nach der Veraschung gewogen wurde. Als Mittelwerthe aus mehreren ergaben sich für je einen Frosch: Seit 24 Stunden unterbunden Gesammtinhalt des Magens . 504 "sr in Proc. 100:00 ee |: ER 98-40 an verbrennlichen Stoff . . . Lane. Zu ;, 1°49 2 Tr Er su 0-07 Vor 48 Stunden unterbunden Gesammtinhalt des Magens . 407 wer in Proc. 10000 N AR an Ms Abstan BAD! senken Dzin 97-00 an verbrennlichen Stoff . . „1 „u 9 2.83 ee een! ii 0-11 81* 484 R. MEADE SumıtH: Vor 72 Stunden unterbunden Gesammtinhalt des Magens . 8395 wer in Proc. 10000 (I N ‚000, er 96-97 an verbrennlichen Stoff . . . 114, 2 m 2-88 DSH N... Da 0-12 Vor 96 Stunden unterbunden (resammtinhalt des Magens . 552 mer in Proc. 100°00 Bear . 0.0. 0 VOBBB Sm 97-46 an werbrennlichen Stoff. . . "182%, 2-35 SE besruugr ka r e a ei ee 0:27 Als Mittelwerth aus den vorstehenden Beobachtungen ergiebt sich, dass der Magen des Frosches nach Unterbindung des Pylorus eine Flüssigkeit mit 2-35 Proc. an organischen Stoffen enthält. Vor 120 Stunden unterbunden Gesammtinhalt des Magens . 1040 mer in Proc. 100.00 Aa Wasser Er EDER 96.99 an verbrennlichen Stoff . . Pe a 2.22 SCHE, I 1. DUBIENOSIE OL ee ni 0-58 Vor 144 Stunden unterbunden Gesammtinhalt des Magens . 311 "ser in Proc. 100.00 Barasser ZUR Tr VERSOERIEF E 97.75 an verbrennlichen Stoff . . VARBPEHRNG 2.22 Asche asia: Viper, DIUM, 0:35, BES 0.10 Ein Magen, dessen Pylorus vor 144 Stunden unterbunden war, fand sich vollkommen leer. Die im unterbundenen Magen vorgefundene Flüssigkeit besitzt vom ersten bis zum sechsten Tag, einen in engen Grenzen veränderlichen Wassergehalt — zwischen 97.4 und 98-5 Procent schwankend. — Aehn- lich dem Wasserprocent ist auch die absolute Menge der angesammelten Flüssigkeit einem nur geringen Wechsel unterworfen; meist belief sie sich auf 300 bis 500 "se", nur einmal stieg sie auf 1000 "2" und einmal sank sie auf den geringen Betrag herab, welcher im Hungermagen bei offenem Pylorus vorkommt. Dass mit der Dauer des Verschlusses sich die Menge des Saftes und sein Wassergehalt nicht wesentlich und namentlich nicht gesetzmässig ändern, verdient an und für sich eine Untersuchung, um zu prüfen, ob sich die absondernde Thätigkeit des leeren Magens kurz - ta Io 0 DiıE RESORPTION DES ZUCKERS UND DES EIWwEISSES IM MAGEn. 485 nach der Unterbindung erschöpft und der abgeschiedene Saft der Resorption widersteht, oder ob die letztere mit einer entsprechenden Absonderung Hand in Hand geht. Auf die Lösung dieser Fragen leistete ich Verzicht, zu- frieden mit der Erfahrung, dass dem von mir zu untersuchenden Geschäfte des Magens für die Dauer von mindestens sechs Tagen durch eine reich- liche und abnorme Absonderung kein Hinderniss bereitet werde. Die Aufsaugung des Traubenzuckers. Dem Magen wurden in drei verschiedenen Versuchsreihen der Zucker entweder trocken oder in 28.5 procentiger oder in 16-8 procentiger wäs- seriger Lösung überliefert. Zur Vermeidung an Verlusten und der grösseren Reinheit des Versuchs wegen wurde, wenn trockener Zucker eingeführt ' werden sollte, nach der Unterbindung des Pylorus ein kleiner Schnitt durch die Wand der Speiseröhre geführt; von ihm aus mit entfetteter Baumwolle der Magen getrocknet, dann die gewogene Menge des Zuckers eingesteckt und nachträglich die Speiseröhre unterbunden, sodass der Zucker innerhalb der nach beiden Seiten hin abgeschlossenen Höhle lag. Es fanden sich: 1. Drei Stunden nach der Einführung des Zuckers Trockener Zucker. | Zucker in 28-5 proc. Lösung. ‚Zucker in 16-8 proc. Lösung. . Zucker Zucker | Zucker | FE FE E FE £ Be | S I Wasser = R= Wasser = = ı Wasser = = br = = ER [eb] oS [eb] ba) © o | 80 7 | 80 = | 80 7) = [eb] =) (eb) = o 2 ii 5 Far PET Def | 2 EEE A FE | 173 mer | 103mer | TT5mgr | 200mgr | Tämer | 801 mer| 182 mer | 6hmer | 1275mer 2. Sechs Stunden nach der Einführung des Zuckers Trockener Zucker Zucker in 40*4 proc. Lösung. [Zucker in 16-8 proc. Lösung. Zucker | Zucker Zucker | | | Wasser A 1049mer | 200 mer | 150 mer | 1923mar | 189 mer e Timgr | 14777mgr | Wasser Wasser ngeführt. resorbirt | | eingeführt. resorbirt. ingeührt, resorbirt 200 mgr 161 mgr 486 R. MEADE SMITH: 3. Neunzehn Stunden nach der Einführung des Zuckers Trockener Zucker. Zucker in 28-5 proc. Lösung. |Zucker in 16-8 proc. Lösung. Zucker Zucker Zucker Ser Es les z "öl Ente] = B= Wasser = = Wasser Ss = Wasser Z _ = = A = &n = & 7 &n S 3-0 ee. | E | o® - od - © - | 200 mer |1T5mer | 8775mer | 400 mer | 175 mer 12088 mer | 182 mer | 170 mer 1587 mer 4. Zweiundzwanzig Stunden nach der Einführung des Zuckers Trockener Zucker. Zucker | Wasser eingeführt. | resorbirt. | 200 mgr | 150 mer | 4089 mer 5. Vierundzwanzig Stunden nach der Einführung des Zuckers Trockener Zucker Zucker in 16-3 proc. Lösung. Zucker Zucker eingeführt. | resorbirt. | eingeführt. resorbirt. | 200 mgr | 186 mgr ABA | 182 mgr | 82 mgr 5 mgr Wasser. Wasser. 200 „ E27 .*2:916-,, 6. Achtundvierzig Stunden nach der Einführung des Zuckers war derselbe aus dem Magen vollkommen verschwunden, dagegen fanden sich zu dieser Zeit und selbst noch in der zweiundsiebenzigsten Stunde 1000 bis 2000 mer Wasser vor. | Jedenfalls hatte eine Resorption von Zucker stattgefunden, jedoch mit - ungleicher von der Dichtigkeit der Zuckerlösung abhängigen Geschwindig- keit. Einer Einsicht in die mit der Concentration veränderliche Aufnahme gewährt folgende Zusammenstellung: | Trockener Zucker. | In 28-5 proc. Lösung | In 16-8 proc. Lösung. Zeit nach _ Ver- Procent- | Ver- Procent- | Ver- Procent- Einführung schwunden| gehalt der schwunden gehalt der |schwunden gehalt der in Stunden. inProc. | Magen- in Proc. | Magen- in Proc. Magen- des Ein- | flüssigkeit | des Ein- | flüssigkeit _ des Ein- | flüssigkeit ‚geführten. |an Zucker. geführten. | an Zucker. | geführten. | an Zucker. 3 60 | 9.08 38 15-60 30 9-78 6 | Ss0 7 8498 75 2-60: | 39 7-51 20 37 | 0-66 87 1.20 0°, 076 24 12108 086 97 0-12" 27.44 2.98 Die RESORPTION DES ZUCKERS UND DES EIWEISSES IM MAGEN. 487 Aus der gegebenen Zusammenstellung springt hervor, a. dass bei gleicher Aufenthaltsdauer des Zuckers im Magen die Menge des resorbirten mit der Concentration des eingeführten wächst, und infolge dieses _ Verhaltens, dass die Geschwindigkeit der Aufsaugung umsomehr sinkt, je weiter sich die im Magen vorhandene Zuckerlösung durch die dorthin aus- geschiedene Flüssigkeit verdünnt. Ueberraschend wird man diese Erfahrungen nicht finden, weil, wie auch die Mechanik der Resorption beschaffen sein mag, sie stets den hier gefundenen Erfolg bezeugen müsste. b. Dass der im Aufsaugungsgeschäft begriffene Magen mehr Flüssig- keit enthält, als in ihn mit dem Zucker eingeführt worden war. Die Menge und Art der Flüssigkeit, welche der Magen hergegeben hat, wird zunächst in’s Auge zu fassen sein. Zu dem Ende muss man das mit dem Zucker eingeführte Wasser von dem des Mageninhaltes und ebenso den im trockenen Rückstand vorhandenen Zucker von dem Gesammtbetrage des letzteren ab- ziehen. Das Verfahren liefert folgendes Resultat: Menge und Zusammensetzung der von der Magenwand abgeschiedenen Flüssigkeit. | Trockener Zucker. Verhältniss zwi- | schen ausgeschie- Abgeschie- Zuckerfreier Verschwundener, denem Wasser denes Wasser.| Rückstand. Zucker und resorbirtem Zucker, das Br | . _,. h En: pa Wasser = 1. Nach 3 Stunden 175mer 2:32 Proc. | 103.87 , . 0-13 un. “ 1049 „, 2:30. | Eule. | 0.04 E10 ® N 5 zB m Or, ar 5 4089 „, a 150", „ 24 yy 2589 „, 2.34 „ | 183617:8, „ 24 m 516 „ 5 a EN | 184 „ Zucker in 28°5procentiger Lösung. Verhältniss zwi- schen ausgeschie- Abgeschie> Zuckerfreier Resorbirter denem Wasser denes Wasser. | Rückstand. Zucker. und resorbirtem Zucker, das Wasser = 1. 3+65; Proc. Dar 0-25 ” 6 ” 1423 „ 2 F 60 2 150 „ 0 F 1 0 „20 , 1588 „, 2.08 „ | 105 „ | 0-11 488 R. MEADE SmITH: Zucker in 16-8procentiger Lösung. Verhältniss zwi- schen ausgeschie- Abgeschie- Zuckerfreier Resorbirter - | denem Wasser deres Wasser, Rückstand. Zucker. und resorbirtem - Zucker, das BL ar £adil 22 A ee Wasser =1. Nach 3 Stunden 375 mer 2.93 Proc. 65 mer 0-17 „ 6 „ 577 ” ? 71 „ | a: 687 „ 3.35 „ age Dal 2451 „ ? 82 ;, Regelmässig nimmt mit der Dauer der Resorption die Menge der aus- geschiedenen Flüssigkeit zu; je mehr Zucker aus der Höhle des Magens verschwand, um so grösser war das Volumen des in ihr enthaltenen Wassers. Und der Antheil, welchen der Magen selbst zu seinem flüssigen Inhalt geliefert hatte, fiel um so grösser aus, je geringer die mit dem Zucker eingeführte Wassermenge gewesen war. Nicht minder beständig war das Verhältniss zwischen dem verschwundenen Zucker und dem ausgeschiedenen Wasser insoweit, als das Gewicht des hinzugetretenen Wassers bedeutend diejenige des in die Magenwand eingegangenen Zuckers übertraf, In ihrer Gesammtheit gleichen die Erscheinungen so sehr denjenigen eines endosmotischen Vorganges, dass man geneigt sein könnte nach dem Aequivalenten des Austausches zu fragen. Zur Vorsicht mahnt jedoch die Erwägung, dass die ausgetretene Flüssigkeit kein Wasser, vielmehr eine Lösung verschiedener Stoffe darstellt, wie die in der obigen Tabelle an- gemerkten Procente des zuckerfreien Rückstandes beweisen, welche auf das nicht mit der Nahrung eingebrachte, also jedenfalls vom Magen hergegebene Wasser berechnet sind. Die für die verschiedenen Thiere berechneten zuckerfreien Rückstands- procente liegen nicht weiter voneinander ab, und sie stimmen, was beachtens- werth, im Wesentlichen mit denjenigen, welche nach S. 484 in dem Safte des leeren zugebundenen Magens gefunden wurden. In Anbetracht dessen könnte man sich vorstellen, dass während und durch die Anwesenheit des Zuckers die Thätigkeit der Drüsen angeregt worden sei. Nach dieser An- schauung hätten im Magen zwei voneinander unabhängige Vorgänge statt- gefunden, eine Ausscheidung von Drüsensäften und eine Aufnahme des Zuckers durch die Epithelialzellen. Wer sich der dualistischen Erklärung hingiebt, muss jedoch beachten, dass der abgesonderte Saft nicht mit dem Secret der Labdrüsen übereinstimmte, denn es reagirte niemals stark sauer, zuweilen sogar alkalisch. DIE RESORPTION DES ZUCKERS UND DES EIWEISSES ım Macen. 489 Aus der Anwesenheit der zuckerfreien festen Stoffe kann jedoch selbst- verständlich kein Beweis gegen das Bestehen einer Diffusion entnommen werden. Denn in den Orten, nach welchen der Zucker hinstrebt, ist kein reines Wasser, sondern Blut oder Lymphe enthalten, deren sämmtliche Stoffe in den endosmotischen Process hineingezogen werden müssen. Zur Vervollständigung des Berichtes über die von mir gefundenen Thatsachen muss ich noch hinzufügen, dass auch nach dem Verschwinden des Zuckers, 48 bis 72 Stunden nach seiner Einführung, der Magen noch ‘weit mehr Flüssigkeit enthält, als zu derselben Zeit im leeren Magen ge- funden wird. Nach 48 Stunden traf ich einmal 1967 we’ mit 3-4 und nach 72 Stunden 2440 "er mit 3-3 Procent festem Rückstand an. Einer Auf- hellung dieser beachtenswerthen Erscheinung bin ich nicht weiter nach- gegangen. Aufsaugung der Eiweissstoffe. Als Futter empfahl sich frischer Froschmuskel, er enthält von einem hungernden Thiere genommen, wenig Fett und einen nahezu gleichen Wassergehalt. Aus mehrfachen Bestimmungen erhielt ich 78-24 Procent Wasser und in dem Rückstande 20.83 Procent verbrennlichen Stoff; diese Werthe, welche nahezu mit den von Bibra gefundenen übereinstimmen, lege ich meinen Ausrechnungen zu Grunde. Die Berechtigung hierzu scheint mir für die Vergleichung der in Leipzig ausgeführten Versuche gesichert, weil sich alle Thiere vor ihrer Abtödtung längere Zeit hindurch in demselben Wasserbassin, also unter möglichst gleichen Bedingungen aufgehalten hatten. Ob die Zahlen auch für die in Philadelphia benutzten Froschmuskeln vollgültig zu betrachten sind, muss freilich dahingestellt bleiben; keinenfalls aber werden die aus den Abweichungen des Wasser- gehaltes möglicherweise sich ergebenden Fehler auf die von mir gezogenen Schlüsse einen wesentlichen Einfluss üben. Bevor Frösche, deren Pylorus unterbunden war, mit Fleisch gefüttert und weiteren Vergleichen unterzogen wurden, brachte ich erst einer grösseren Zahl unversehrter Thiere je 200 ”& des Muskels ein. Als dieselben 48 Stun- den später getödtet waren, wurde der Magen ganz leer gefunden, woraus ich schloss, dass die genannte Futtermenge von der Verdauung leicht zu bewältigen sei. Als jedoch nach diesen Vorversuchen der Pylorus unterbunden und darauf etwa 200 "es" des Muskels von den Fröschen verschlungen waren, ergab sich ein weit langsamerer Fortschritt der Auflösung, und der Ent- fernung des Futters. 48 Stunden reichten zur vollkommenen .Verflüssigung 490 R. MEADE SMITH: von 200 "8" Muskel niemals aus, öfter selbst 72 Stunden nicht, erst nach 96 Stunden war die Auflösung sicher vollendet; grössere Gaben des Fleisches von 500 und 1000 ®8” aber waren erst nach 96 bis 120 Stunden nahezu, wenn auch noch nicht vollkommen, aufgelöst. Nach den Beobachtungen von E. v. Brücke mit künstlichem Magensaft lässt sich die langsame Verdauung innerhalb des abgebundenen Magens aus der Anhäufung von Verdauungsproducten erklären, welche die Wirksamkeit eines künstlichen Labsaftes‘ herabzusetzen im Stande sind. Mindestens liegt nach meinen Beobachtungen keine, Veranlassung zum Aufsuchen eines anderen Grundes vor, da mit der wachsenden Aufenthalts- dauer des Fleisches im Magen die von dem letzteren abgesonderte Flüssig- keit in einer Zunahme begriffen war und ihre Reaction bis zur vollendeten Auflösung des Fleisches stark sauer gefunden wurde. Da die Zeit, welche zur vollständigen Verflüssigung gleicher Gewichts- mengen des Muskels sich bei verschiedenen Fröschen ungleich gross heraus- stellte, so kann sie nicht als Maassstab für den Fortschritt der Verdauung benutzt werden, es müssen vielmehr die Versuche je nach dem Verhalten des Mageninhaltes zusammengestellt werden. | Mit einer einzigen Ausnahme enthielten alle Magen mehr Wasser, als ihnen mit der Nahrung zugeführt war, an organischen Stoffen war dagegen in einer Anzahl von Magen mehr, in einer anderen weniger als im Futter anwesend. Dass eine Verminderung des verfütterten organischen Stoffes nur durch eine Resorption bedingt sein konnte versteht sich von selbst, «nicht aber dass ihre Grösse dem Gewichtsunterschiede des Verfütterten und des im Magen Gefundenen gleich sei. Auch die Befunde, in welchen der organische Rückstand des Mageninhaltes den des Futters überbot, brauchen keineswegs als Beweise für eine unterbliebene Aufsaugung angesehen zu werden. Und zwar darum nicht, weil der Magen nicht bloss die Nahrung enthielt, sondern sich ausserdem mit dem: Eintritt der Speisen auch mit Magensaft füllte, wie durch die Auflösung des Muskels, durch die saure Reaction des Speisebreis und durch den Ueberschuss des Wassers bewiesen wird, welchen der Mageninhalt über den des verschluckten Fleisches aufwies. Nach den Erfahrungen an dem Safte, der im nüchternen Zustande und nach der Fütterung mit Zucker abgeschieden wurde, darf mit hoher Wahr- scheinlichkeit angenommen werden, dass von dem in Fleischverdauung be- griffenen Magen ein Secret mit 2-5 bis 3-0 Procent organischen Rück- standes gebildet worden sei. Unter der Annahme des Procentsatzes und der weiteren sicher unverfänglichen, dass mindestens der über das ein- gebrachte vorhandene Ueberschuss an Wasser von dem abgesonderten Labsaft herstamme, gewinnen wir ein Mittel zu einer weiteren Beleuchtung der unmittelbaren Versuchszahlen. Die RESORPTION DES ZUCKERS UND DES EIWEISSES ım MAGEN. 491 Aus meinen Beobachtungen theile ich in erster Linie diejenige mit, in welchen unzweifelhaft ein Theil des genossenen Eiweisses aufgesaugt war, denn der Mageninhalt war ärmer an organischen Stoffen als das ver- - fütterte "Fleisch. Die Ordnungszahl der einzelnen Versuche ist nach der _ Grösse des Gewichtsunterschiedes zwischen dem organischen Rückstand des Fleisches und des Mageninhaltes gewählt. Tabelle. a h | - Verfüttert | Im Magen gefunden | Ss - | 2:2 Verdaungszeit. | an orga- DEWAE ı Verdauungsgrad. 3 S | nischen - |an Wasser. a: Wasser. oO Stoffen. ! 120 Stunden 35 mer | 185 mer | 97 wer | goT wer | vollständig 1 2 24 „ 24, ©, 306 '% 89 „ | 758 „ | unvollständig 3 12%, 104. 5 | 396 ;; Sei ® 4 a 15; 104 „ | 396 „ SR Pe 1 pn vollständig BIT IA „ a eye 13:4. 1.870. z. 6 rn, 42 vu M 1 ur BIRSE N Be, -| ‘41 „ | 156, Be AN, " 8 96 ” 42 ” 158 ” 6 „ 514 ” ” I 48 ” 42 158 „ 6 „ 928 ” ” 10 90°, 421.158, Al LAN 5 1| 48 „ |o20s „ |792 , |ı145 „1608 ‚„, | unvollständig N 1908 „Ir. [142 „ 114 , £ 20 179, f Da der Unterschied der Gewichte organischen Stoffes im Futter und im Speisebrei jedenfalls ein fehlerhaftes Bild von der Grösse der stattgehabten | Resorption entwirft, so sollen weiteren Betrachtungen voraus erst die Ver- besserungen an den Zahlen vorgenommen werden, welche sich auf Grund der ' vorhin aufgestellten Annahme an ihnen anbringen lassen. Zu der Tabelle, welche die corrigirten Zahlen enthält (s. folg. Seite), ist zu bemerken, dass die früher gebrauchten Ordnungsnummern der Versuche auch hier beibehalten wurden; im zweiten Stabe findet sich der Ueberschuss an organischen Stoffen des Futters über die des Mageninhalts. Im dritten Stabe steht um wieviel Wasser der Magen mehr enthielt als das verfütterte Fleisch zu- gebracht hatte. Unter der Voraussetzung, dass das Wasser mit einem Gehalt von 2-5 Procent organischer Stoffe abgeschieden wurde, sind die Zahlen be- rechnet, welche der vierte Stab aufweist. Werden die Zahlen des vierten Stabes der Tabelle 2 zu denjenigen des dritten Stabes in Tabelle 1 addirt, so ergeben sich daraus die Gewichte organischen Stoffes, welche der Magen hätte enthalten müssen, wenn keine Resorption stattgefunden hätte. Zieht man von der gebildeten Summe den im Magen: vorgefundenen 492 R. MEADE SMITH: | organischen Stoff ab, so erhält man das Maass der wirklich stattgefundenen Aufsaugung. Die hieraus sich ergebenden Zahlen sind in dem fünften Stab der Tabelle 2 unter der Ueberschrift „vermuthlich resorbirt“ ein- getragen. | | Tabelle 2. Ördnungs- . . h ‚ Der Ueberschuss des nummer I ee N Wassers als Saft Sonach vermuth- en Er Nahrung. Nahrung. mit _ er lich Her a gm | 769 mer 19 mer 97 mer 2 150, 654 „ I © are 3 15; 1389 „ SR, a 4 ER 1019 „ 25 5 48 „ 5 29 “= 415 „ 10 m Bdl.ie: 6 30° ie Ben Bu, 28 7 st“, ja Sid Bd 8 Bee 356 „ ER 44 „ 9 Se 370. gmN 45 „ um 19 mgr we- 10 38 u niger als eingef. 3 4l „ 11 Gar 8117), 20 „ 83 „ 12 66 , 457 5 irC% 07, 13 127 „ 536 „ 1340, 140.., Unter den in der Zusammenstellung auf S. 491 aufgeführten Fröschen enthielten die nach dem Tode eröffneten Magen der Thiere, welche mit 500 "87 Fleisch und mehr gefüllt worden waren, noch unaufgelöste Muskel- stückchen. Desungeachtet hatte eine Aufsaugung der in Lösung über- gegangenen Antheile der verfütterten Stoffe stattgefunden; hierüber kann nach dem Vergleich des organischen Rückstandes im Futter ‘und in dem Mageninhalt kein Zweifel bestehen. Denn es wurde im Mageninhalt an organischen Stoffen weniger als verfüttert waren gefunden: In 2 = 15mwgr und zwar 24 Stunden nach der Fütterung von 500 mer Muskel Er) 3 — 17 Ei] Ei] EL) 72 bi „ „ „ „ Er) „ 2) „ 11 — 63 2) EL EL 48 Er) ER] E} >) EL) 1000 > Er) er: Be A EP se ee B Die Unterschiede der Gewichte sind zu gross, um aus Wägungsfehlern abstammen zu können. Dazu ist unzweifelhaft der Antheil des aus ver- brennlichem Stoff bestehenden Mageninhaltes nicht sämmtlich von dem Muskel eingebracht worden, sondern theilweise dem von den Drüsen ab- gesonderten Safte angehörig, sodass die resorbirten Gewichte des Futters in Wirklichkeit noch grösser ausgefallen sein müssen, als sie von den obigen Zahlen angegeben werden. 124 LE Li „ >’ Er Er) El Ei Die REsoRPTION DES ZUCKERS UND DES Eıweisses ım MAGEn. 493 Da die stark saure Reaction des Speisesaftes auf die Fortdauer der “ Verdauungsarbeit schliessen lässt, so ergiebt sich aus den vorgelegten Be- obachtungen, dass die aufsaugende und absondernde Thätigkeit der Schleim- _ haut nebeneinander bestehen können, oder wenn man hierfür noch einen strengeren Beweis forderte, zum mindesten mit Gewissheit, dass durch die Anwesenheit einer stark sauren Reaction der Schleimschicht des Magen- epitheliums die Fähigkeit für verdautes Eiweiss durchgängig zu sein nicht geraubt wird. Da schon vor der vollständigen Auflösung des eingeführten Muskels die Aufsaugung beginnt, so lässt sich erwarten, dass mit oder kurz nach der vollendeten Verdauung grössere Mengen des eingebrachten Fleisches resorbirt worden seien. Betrachten wir in der Zusammenstellung auf S. 491 die Nummern 1. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10., in welchen die Lösung des Futters voll- kommen war, so finden wir, dass der Unterschied des verbrennlichen Stoffgewichtes im Magen und im Futter betragen hat: In 1= 8wer nach der Fütterung mit 35"s" organischen Muskelstoffs „ 4=23 „ „ „ „ „ 104 „ „ „ „9=29 „ „ „ 2) all Ah „ „ „ 6=30 „ „ „ „ ” 42 „ „ ” 1=31l ” „ „ ” wa „ „ „ „ 8=86 „ 2) ” „ „ 42 „ „ „ „ 9=36 „ „ „ „ a 3 „ „ „ 10=38 „ „ „ „ wie” „ ” „ Selbst wer behauptet, dass die im Mageninhalt vorhandenen organischen Stoffe einzig und allein von dem verzehrten Fleische stammen, wird sich zu der Annahme gezwungen sehen, dass in den Nummern 8. 9. 10 das verdaute Eiweiss nahezu vollständig von der Magenwand aufgesaugt sei; wer sich dagegen der Einsicht nicht verschliesst, dass ein wesentlicher Antheil der organischen Stoffe des Chymus aus der Säftemasse des Frosches abzuleiten sei, und die von mir gemachte Annahme gutheisst, wonach das in den Magen eingetretene Wasser etwa 2.5 Procent organischer Stoffe mit - sich geführt habe, wird auch 1.5.6.7 zu den Fällen rechnen, in welchen die Aufsaugung des verzehrten Eiweisses eine vollkommene war. Siehe in der Tabelle 2 auf S. 492 die Zahlen in der Spalte “Vermuthlich resorbirt.’ Ich gehe zur Betrachtung der Versuchsnummern über, in welchen der _ Magen der todten Frösche mehr Wasser, zugleich aber auch mehr organische | Stoffe enthielt als die lebenden Thiere mit dem verzehrten Muskel empfangen hatten. Was diesem Vorkommen von vorneherein eine Bedeutung zuspricht ist der in ihm liegende Beweis für unsere Annahme, dass das von der Magenwand abgeschiedene Wasser organische Stoffe mit sich geführt habe. 494 R. MEADE SMITH: Die Ergebnisse der Beobachtung finden sich in der folgenden Tabelle zusammengestellt: Tabelle 3. 55 Verfüttert Im Magen | E : Verdauungszeit. organische a organischer ae Verdauungsgrad. 3 = ol. ; | ol. Fabi a | 48 Stunden | 42mer | 158wr | 4gmer | 821er | unvollständig b Aue! 42, OBER Dee n A ke 271 40. „7%. 184, ee R: d ” 1, 52 „1 200 RE e ze, 5%, 1219, ab „ro f EI AR auf 6 2 Ile Be „ zul des > 104 .;, 896,3 1 bl 9 MAG SR z galt. > 42 ,„ |158, | 51, 11412 „ | vollständig DET BED, 30. lu De. LIDO, we 7. 433° 5 28.5720 06% 51 „ 11146 „ |schwachsauer Dan >; 2... 52... 11905 „ neutral. Weil nach der Einführung der Nahrung ein mit organischen Stoffen beladener Saft in die Höhle des Magens übergegangen ist, lässt sich aus der Vergleichung des Futters und des Speisebreies nicht unmittelbar ein Für oder Wider in Bezug auf die Aufsaugung sprechen. ‘Wendet man aber auf die eben mitgetheilten Zahlen das bei den früheren benutzte Verfahren an, unterstellt man, dass die Wassermenge, um welche der Mageninhalt mehr als das Futter enthielt, 2-5 Procent organischen Stoffes übergeführt habe, so sieht man, wie die folgende Tabelle lehrt, dass auch die Beob- achtungen, in welchen die organischen Bestandtheile des Speisebreies mehr als die des Muskels betrugen, für eine stattgehabte Aufsaugung sprechen. Tabelle 4. Im Magen Berechnet den Ueber- : Versuchs- g schuss an Wasser | Berechnet die re- mehr organ. mehr Wasser “TO birte Menge des pe Su He in der a der le oe Mn organischen Krk ahrung. ahrung. i - a Im | 668 mer 17 mer 16 mer e Be: Te 19 „ 16 „ 6 eu De Sn 30 „ f Bi 625 „ . our 10% d 6, 568 „ 14 „ 8, A Ing 12586; ,, | BU 22, b iD. sr 20 „ a g 1 I, „ | 21 12,2 B 8 ” 957 ” | 24 ” 8 ” Ü Din ı "1040 „ 26%; 3 D ai, 1826 „ 46 „ 1255 u EV Yen d VA ei ae B Die RESORPTION DES ZUCKERS UND DES EIwWEISSES IM MAGEn. 495 Die unter den bisherigen Voraussetzungen berechneten Werthe der ‚aufgesaugten Mengen fallen für die Nummern A, B, © und D klein aus, obwohl in ihnen die mässige Menge des verzehrten Muskels während der langen Verdauungszeit vollständig aufgelöst war. Danach tritt ihr Ergeb- niss in einen Widerspruch mit den entsprechenden der früheren Reihe auf S.493. Aher auch dieser kann sich auf Grundlage einfacher Erwägungen als ein scheinbarer erweisen; nach der vollkommenen Aufsaugung des Zuckers entleerte sich der Magen nicht wieder, es blieb vielmehr in ihm eine mit 3-3 bis 3-4 organischen Rückstandes behaftete Flüssigkeit zurück. Warum sollte sich dasselbe nicht nach der vollständigen Aufsaugung des Fleisches ereignen? Und wenn, so wird man den in dem Inhalt des Magens gefundenen organischen Stoff auf die gesammte Masse des dort vorhandenen Wassers zu beziehen haben. Die nach dieser Unterstellung ausgeführte Rechnung ergiebt, dass der Procentgehalt des Mageninhaltes an organischen Stoffen in A 3-62, in B 4.54, in 6 4-45 und in D 2.73 betragen habe, Werthe, die sich den nach vollendeter Aufsaugung des Zuckers vorhandenen so eng anschliessen, dass von dieser Seite her kein Widerspruch gegen das vollkommene Verschwinden des verfütterten Eiweisses zu ‚befürchten wäre. Darüber, ob die ebenbesprochene Möglichkeit der Wahrheit entspricht, und noch mehr über die Kräfte, welche sich an der Ueberführung des verdauten Eiweisses in die Schleimhaut betheiligen, wird sich ein helleres Licht erst verbreiten lassen, wenn die Hülfsmittel der Chemie gestatten werden die quantitative Scheidung der Bestandtheile des Magensaftes und der Abkömm- linge des verdauten Fleisches vorzunehmen. Gegenwärtig scheint allerdings die Annahme, dass die Resorption der Eiweissstoffe im Magen als ein Diffusionsvorgang aufzufassen sel, die wahr- scheinlichere. Für sie sprechen mehrfache Erscheinungen: zunächst die langsame Resorption, welche, wenn sie in einer Diffusion besteht, erst dann zu beginnen vermag, wenn das Eiweiss in Pepton oder überhaupt in einen Stoff umgewandelt wurde, der in der Lymphe oder im Blute nicht vorhanden ist. Für einen endosmotischen Vorgang spricht ferner, dass sich zum Tausch für das übergetretene Eiweiss der Magen mit Flüssig- keit füllt. Und endlich bildet der Bau des Epithels für die Annahme eine weitere Stütze, denn die Schicht, welche dasselbe der Magenhöhle zuwendet, ist aus quellbarem Schleim hergestellt, dem schwerlich eine selbständige Beweglichkeit zugeschrieben werden darf. Wollte man den Bewegungen des Protoplasma’s einen Antheil an der _Ueberführung des verdauten Eiweisses zuerkennen, so würde man anzu- nehmen haben, dass durch sie der von eingetretener Lösung gequollene Eiweisspropf des Zelldeckels ausgedrückt und gegen die Schleimhaut hin 496 R. MEADE SmitH: Die RESORPTION DES ZUCKERS T. S. W. befördert werde, ein Vorgang, welcher sich so oft zu wiederholen hätte, als der Schleimpfropf sich von neuem vollgesaugt hätte. Die in dem Magen aufgespeicherte Flüssigkeit würde man dann nicht für ein Aequivalent des verschwundenen Eiweisses anzusehen haben, sie vielmehr ausschliesslich auf Rechnung der thätigen Drüsen setzen müssen. Unabhängig von jeder Hypothese weisen dagegen meine Untersuchun- gen auf einen wesentlichen Unterschied hin, der zwischen der Resorption im Magen und in den Gedärmen besteht. Nach der vollendeten Verdauung nimmt der Darm die umgewandelten Speisen zugleich mit dem grössten Theil der abgeschiedenen Drüsensäfte auf, so dass ein fester mit wenig Flüssigkeit durchsetzter Rest übrig bleibt; im Magen dagegen findet sich auch noch viele Stunden nach der Resorption des Zuckers oder der Ver- dauung des Eiweisses eine reichliche Menge von Flüssigkeit. Einwenden kann man freilich, dass die Erscheinungen, welche der am Pylorus unter- bundene Magen darbietet, nicht glatt auf den unversehrten anwendbar seien. Ueber die Bedeutung der Vorhöfe für die Rhythmik der Ventrikel des Säugethierherzens. Von Dr. Robert Tigerstedt, Assistenten am physiologischen Laboratorium in Stockholm. Aus dem physiologischen Institut zu Leipzig. (Hierzu Taf. VII.) “ Seitdem Stannius im Jahre 1852 seine berühmten Versuche über das Froschherz veröffentlichte, sind die Bedingungen für die rhythmische Schlagfolge des Herzens von einer grossen Anzahl Forscher untersucht worden. Diese Arbeiten beziehen sich aber fast ausschliesslich auf das Herz der Kaltblüter. Ueber die im Säugethierherzen selbst liegenden Be- dingungen für die rhythmische Schlagfolge liegen dagegen äusserst wenige Untersuchungen vor. Meines Wissens besitzen wir nur drei derartige Arbeiten, nämlich diejenigen von Einbrodt, Wooldridge und Kro- necker-Schmey. Unter Ludwig’s Leitung untersuchte Einbrodt den Einfluss der directen Herzreizung auf die Bewegungen des Herzens." Er constatirte dabei die schon früher von Ludwig und Hoffa gemachte Beobachtung, ? dass durch Inductionsströme, welche direct die Herzkammern treffen, der Rhythmus des Herzens verändert wird und zwar solcher Art, dass die ein- zelnen Muskelbündel nicht mehr gleichzeitig zucken, sondern das eine er- schlafft, während sich ein anderes benachbartes verkürzt (Delirium). Ferner beobachtete Einbrodt, dass die Empfindlichkeit des Herzens für ! Einbrodt, Wiener Sitzungsberichte. Mathematisch- naturwissenschaftliche Classe. 1859. Bd. XXXVIIL 8. 344. 2? Ludwig und Hoffa, Zeitschrift für rationelle Mediein. 1849 Bd. IX. Archiv f, A, u, Ph. 1884. Physiol, Abthlg. 32 498 ROBERT TIGERSTEDT: Inductionsströme ausserordentlich gross ist. Bei Anwendung eines du Bois- Reymon d’schen Schlitteninductoriums, welches durch ein Grov e’sches Element gespeist war, trat selbst bei grossen Hunden der Tod ein, wenn die Rollen bis auf 90m genähert wurden. Bei jeder Reizung sank der Blutdruck beträchtlich. : Bei Anwendung constanter Ströme mässiger Stärke fand Einbrodt eine Beschleunigung des Herzschlages und eine Erhöhung des Blutdruckes; mit steigender Stromstärke erreichte diese Erhöhung bald ein Maximum; mit noch weiter fortwachsender Stromstärke nahm der Blutdruck wieder ab, und zwar so weit, dass endlich das Herz in Diastole stille stand und das Thier starb. Endlich entdeckte Einbrodt eine Art von Antagonismus zwischen Vagusreizung und directer Herzreizung, indem nämlich bei gleichzeitiger Reizung des Vagus und der Herzoberfläche, die Herzschläge nicht vollkommen zum Stillstand gebracht werden konnten, die Zahl derselben aber nicht bis zu der Höhe sich erhob, die vor der Reizung vorhanden war. Der Blut- druck stand dem entsprechend gewöhnlich niedriger, als während des noch unberührten Herzens. Dieser Antagonismus zwischen Vagus und direeter Herzreizung wurde auch durch die Beobachtung bestätigt, dass es durch Vagusreizung möglich war, die Rollen des Inductoriums viel mehr als sonst zu nähern, bis auf 30", ohne dass die directe Herzreizung tödtlich wurde Das Herzzittern (Delirium) konnte durch die Vagusreizung zum Stillstand gebracht werden. Bei einer, im hiesigen physiologischen Institut ausgeführten Untersuchung, über die Kammernerven machte Wooldridge bei Hunden und Kaninchen den Versuch, die nervöse Verbindung zwischen den Vorhöfen und den Kammern aufzuheben, d.h. den Versuch von Stannius am Säugethier- herzen auszuführen.! Hierbei bediente er sich folgender Methode. Zwischen der vorderen Fläche der Vorhöfe und der Hinterfläche der grossen Arterien - wurde eine geöhrte Sonde durchgeschoben und mittelst ihr eine festgedrehte seidene Schnur. Eines ihrer Enden wurde um die Herzspitze herum bis auf die hintere Fläche der Vorhöfe geführt, und dann die beiden Enden derselben durch einen Schlingenschnürer fest zusammengezogen. Durch dieses Verfahren gelang es öfter die Muskelmasse der Vorhöfe vollkommen zu zerquetschen, ohne das Pericard zu zerreissen. Der nächste Erfolg dieser Ligatur war jedoch nicht immer der erwünschte; oft war die Schnur nicht fest genug und andere Male war sie zu fest durch die Schraube angezogen worden und deshalb blieben entweder noch unzerstörte Brücken der Muskel- wand übrig, oder die gesammte Wand war theilweise zerrissen, so dass nun ı Wooldridge, Dies Archiv. 1883. 8. 522—541, BEDEUTUNG DER VORHÖFE F. D. RHYTHMIK DER VENTRIKEL DES HERZENS. 499 das Blut hervorstürzte. Die vollständige Zerquetschung der Muskeln ohne gleichzeitige Zerreissung des Pericards gelang beim Kaninchen besser als beim Hunde. Zuweilen lief ein Theil der Schlinge in der queren Herz- furche, so dass Aeste der Kranzarterien von ihr zusammengeschnürt wurden; dieser Fehler liess sich jedoch bei einiger Aufmerksamkeit vermeiden. Lange durfte der Verschluss der Vorhöfe nicht andauern, ohne die Reizbarkeit der Kammern zu beeinträchtigen. Nach der in dieser Weise angelegten Ligatur erwies sich, dass die Kammern ebenso wie die Vorhöfe ihre Schläge fortsetzen, jeder Theil jedoch in einem besonderen Rhythmus. Bei Reizung von Vagus oder Accelerans wurde der Rhythmus der Kammern nicht verändert. Die direct (nicht durch die Vorhöfe) zu den Kammern gehenden Nerven erwiesen sich sämmt- lich als centripetal leitend. Ueber die Untersuchung von Kronecker und Schmey liegt nur eine ganz kurze Mittheilung vor;! in derselben geben sie die Entdeckung eines Coordinationscentrums für die Musculatur der Herzkammer bekannt. Wenn sie eine kleine, noch nicht umgrenzte und anatomisch bestimmte Stelle an der unteren Grenze des oberen Drittels der Kammerscheidewand verletzten, so hörten nämlich momentan, wie gelähmt, die Herzkammern zu pulsiren auf und verfielen, diastolisch erweitert, in fibrilläre Zuckungen; dabei waren die Kranzgefässe unverletzt. Die Vorhöfe pulsirten normal weiter. Dieses Ergebniss beobachteten die Verf. ohne Ausnahme bei acht Hunden, und auch bei Kaninchen, obgleich bei diesem Thiere, wie es scheint, nicht constant. Das interessante Ergebniss, welches Wooldridge durch seine Ligatur gefunden hatte, machte es wünschenswerth, die Trennung der nervösen Verbindung zwischen Kammern und Vorhöfen nach einer strengeren Methode zu wiederholen, denn gegen die seine könnte geltend gemacht werden, dass noch einige Nervenfasern von den Vorhöfen nach den Kammern trotz der Ligatur gelangt seien, und dass also der bemerkenswerthe Unterschied, den er zwischen den Herzen der Kaltblüter und der Säugethiere aufgefunden hatte, nur davon bedingt wäre. Weil Wooldridge durch andere Arbeiten verhindert war mit dieser Frage sich zu beschäftigen, schlug Hr. Professor Ludwig mir vor, diese Aufgabe in Angriff zu nehmen. Nach mannigfachen zum Theil vergeblichen Versuchen ist es mir gelungen eine, wie es scheint, ziemlich befriedigende Methode zu diesem Zweck auszubilden. Leider war die Zeit, die mir gestattet war in Leipzig zu verweilen, zu kurz, um ausführlichere Studien über diesen ! Kroneeker und Schmey, Sitzungsberichte der Berliner Akademie. Physik.- math. Classe. 1884. 8. 87—89. 32* 500 ROBERT TIGERSTEDT: Gegenstand zu machen. Weil aber die Frage von der Innervation des Herzens fortwährend mit einem grossen Interesse studirt wird, schien es mir nicht unzweckmässig, diesen Beitrag zur Methodik der Herzversuche zu veröffentlichen, in der Hoffnung, dass meine Erfahrungen anderen Forschern möglicherweise von Nutzen sein könnten. | Die Aufgabe, welche zunächst zu lösen war, war die folgende: es soll die nervöse Verbindung zwischen den Vorhöfen und den Kammern voll- ständig und einwurfsfrei aufgehoben werden. Das Atriotom. 1 der Stab; 2 eine Schiene von der Seite; 3 eine Schiene von unten; 4 und 5 die Schrauben; 6 Schienen für die theilweise Abklemmung. Ein Stab, welcher in natürlicher Grösse in Fig. 1 abgebildet ist, wird in die Vorhöfe eingeführt und dort eingebunden; dabei wird natürlicher Weise die Vorhofsscheidewand zerstört. Durch das Loch a bis 5 kann das Blut von den Vorhöfen nach den Kammern ungehindert strömen. An die beiden Seiten des Stabes werden, ausserhalb des Herzens, zwei Schienen von der Form der Fig.2 festgeschraubt, welche genau nach dem Maasse geformt sind. Ich will dieses kleine Instrument Atriotom nennen,! Schon die be- deutende Klemmung, welche durch das Anschrauben der Schienen erzielt wird, scheint an und für sich genügend zu sein, um alle in den Vorhofswänden laufenden Nerven zu zerstören. Um dieses noch sicherer zu erreichen, hat jede der beiden Schienen in ihrer Mitte einen Schlitz (Fig 3); mittelst eines in den- selben eingeführten Messers können jetzt die Vorhofswände vollständig durch- geschnitten werden. Theils durch das feste Anschrauben der Schienen, theils ! Hr. Mechanikus W. P.etzold in Leipzig, Albertstrasse 11, liefert das Atriotom in vorzüglicher Ausführung für 20 Mark. BEDEUTUNG DER VORHÖFE F. D. RHYTHMIK DER VENTRIKEL DES HERZENS. 501 durch einige an den Schienen befestigte kleine Stiftchen, welche den im Stabe befindlichen kleinen Löchern entsprechen, ist das Herausgleiten der Vorhofswände und somit jede Blutung gänzlich vermieden. In dieser Weise ist also die nervöse Verbindung zwischen Vorhöfen und Kammern vollständig aufgehoben. Es muss noch bemerkt werden, dass der durch- löcherte Stab dicht an die Grenze zwischen den Vorhöfen und den Kammern von selbst sich anlegt; unterhalb des Atriotoms haben wir daher nur die Kammern und die Atrioventricularklappen sammt einem unmittelbar daran liegenden ganz kleinen Theil der Vorhofswände Tiefer nach den Kammern die Vorhofswand zu zerstören ist, meines Erachtens, ganz un- möglich. Ich erlaube mir noch einige Bemerkungen über die Operation zu machen, weil für ihr Gelingen die Beobachtung gewisser Handgriffe von grosser Bedeutung ist. Ich habe nur an Kaninchen gearbeitet. Nachdem das Thier vollkommen betäubt ist, wird der Brustkasten geöffnet und zwar so, dass man zuerst an den beiden Seiten des Proc. xiphoid. Einschnitte macht, in diese die Branchen einer starken Pincette einführt, den Schwertfortsatz mit der Pincette fasst und ihn abbricht. In die hierdurch entstandene Oeffnung wird die eine Branche einer krummen Scheere eingeführt und von hieraus das Brustbein in der Mittellinie durchschnitten. Die Blutung aus den Art. und Ven. mammariae wird durch schnelle Unterbindung gestillt. Die obere Oeff- nung des Brustkastens wird ganz freigelegt und dann an beiden Seiten die sechs obersten Rippen sowie das Schlüsselbein ziemlich weit nach hinten ab- geschnitten. Zu diesem Zweck werden die Rippen und das Schlüsselbein vorher mit starken Fäden umbunden. Die Thymus wird umbunden und dann entfernt. Das Pericardium wird in der Mittellinie geöffnet und mit sechs bis acht Fäden an die Wände des Brustkastens genäht. Hierdurch bildet man einen Teller, auf welchem das Herz ziemlich unberührt von den Bewegungen der Lungen liegen bleibt.! Jetzt kommt die Anlegung des Atriotomes. Die Einführung des Stabes muss von dem linken Vorhof aus geschehen; von dem rechten Vorhof aus dies zu thun ist viel schwieriger, weil der Stab in diesem Falle gar leicht in die linke Vena cava superior gelangt. In zwei um ®/, bis 1°” von einander entfernte Punkte des lateralen Randes des linken Vorhofes wird je ein Faden gebunden. Diese beiden Fäden dienen dazu, bei der Einführung des Stabes den Vorhof festzuhalten. Um den linken Vorhof wird dann eine Schleife gebunden in solcher Weise, dass das zwischen den Fäden liegende Stück und der angrenzende Theil — —_ ı Vgl. Waller, Dies Archiv. 1878. 8. 525-534, 502 ROBERT TIGERSTEDT: des Vorhofes vom übrigen Theile desselben abgetrennt sind. Der Rand des Vorhofes wird zwischen den beiden erstgenannten Fäden eingeschnitten, die Trabekeln mit grosser Vorsicht lospraeparirt und die Spitze des Stabes in den so geöffneten Raum eingeführt und dort eingebunden. Die Schleife wird gelöst, der Stab mit sehr leiser Gewalt in die Vorhöfe geschoben, die Scheidewand, durchgestossen und der Stab noch weiter in den rechten Vorhof vorge- schoben, bis seine Spitze gegen die laterale Wand des rechten Vorhofes drückt. Dann wird um diese Spitze ein Faden stark gebunden und die Wand über der Spitze durchgestossen. Der nicht durchlöcherte Theil (5 bis c) des Stabes liegt jetzt in den Vorhöfen. Es gilt nun den Theil a bis d einzuführen; dies geschieht dadurch, dass ein Gehülfe den Faden am linken Vorhof löst und der Operateur die beiden zuerst eingebundenen Fäden mit seiner rechten Hand fasst und mit der linken den Stab vorwärts schiebt, bis das Loch des Stabes in den Vorhöten liegt. Dies lässt sich sehr rasch vollbringen und man braucht dabei nicht mehr wie !/),—1 “m Blut zu verlieren. Dann bindet man mit feinen Fäden links und rechts die Vorhofswände um den Stab und schneidet alle anderen, jetzt überflüssigen Fäden weg. Es ist selbstverständlich, dass der Stab so gestellt werden muss, dass das Loch a bis 5 in der Richtung des Blutstromes liegt und die ausgebogenen Kanten gegen die vorderen und hinteren Wände der Vorhöfe gekehrt sind. - Das Anschrauben von Schienen ist mit keiner Schwierigkeit verbunden. Um ganz gut auf den Stab zu passen, haben sie nahe an ihren Enden Stiftchen, welche in die entsprechenden Löcher im Stabe gehen. Wenn das Herz in dieser Weise abgeklemmt ist, so wird hierdurch die Blutströomung nur insofern verhindert, als durch das. Atriotom die Mündung der linken Vena cava superior zugedrückt wird; sonst ist die Strömung des Blutes nur insofern beeinträchtigt, als dass das Blut des rechten mit demjenigen des linken Herzens in Folge der Zerstörung der Scheidewand gemischt wird. Die Durchschneidung der Vorhofswände geschieht am besten mittelst eines rechtwinkelig gebogenen Messers mit scharfer Schneide. Bei der Durchschneidung der vorderen Wand müssen die grossen Gefässe mittelst eines stumpfen Hakens abgehoben werden. Im Beginn meiner Versuche transfundirte ich nach der Operation defibrinirtes Kaninchenblut durch die Vena jugularis externa, um den Blutverlust zu decken. Später fand ich jedoch, dass dieses ganz unnöthig ist, denn bei einiger Uebung kann man die ganze Operation, einschliesslich der Anlegung des Atriotomes, beendigen, ohne dass das Thier einen be- deutenderen Blutverlust erleidet. BEDEUTUNG DER VORHÖFE F. D. RHYTHMIK DER VENTRIKEL DES HERZENS. 503 Um die Herzschläge zu registriren, benutzte ich anfangs eine Marey’- sche Luftkapsel; später lernte ich, dass der Druck im arteriellen Systeme auch beim abgeklemmten und durchschnittenen Herzen genügend gross ist, um die Anwendung des Manometers zu gestatten. Vollständig be- stätigend die Ergebnisse Wooldridge’s zeigen also meine Versuche, dass der vollständig von dem nervösen Zusammenhang mit den Vorhöfen abgetrennte Theil des Herzens, d. h. die Herz- kammern und die Atrioventricularklappen sammt dem nächst daran stossenden ganz kleinen Theil der Vorhöfe sich in rhyth- mischer Schlagfolge contrahiren können, und also in sich selbst alle Bedingungen für die rhythmische Thätigkeit besitzen. Nachdem das Atriotom angelegt ist, setzen die Herzkammern ihre Be- wegungen ruhig fort; die Stärke der Herzschläge scheint dadurch nicht erheblich vermindert zu sein und wenn nicht äussere schädigende Einflüsse dazwischen kommen, können die Herzkammern noch sehr lange rhythmisch pulsiren. Ihr Rhythmus wird aber durch die Anlegung des Atriotoms verändert: die Herzschläge werden seltener und ihre Zahl nimmt allmählich, jedoch im Allgemeinen sehr langsam, ab. Als Beispiele theile ich die fol- genden Versuche mit; um eine Vorstellung von der Kraft der Herzschläge zu geben, habe ich auch die zugehörigen Mittelwerthe des Blutdruckes auf- genommen. | Versuch 3. 27. März 1884. Vor Anlegung des Atriotomes. Blutdruck. Pulsfrequenz. Mm. Hg. in 5". 16-5 bis 17.5 74 Atriotom angelegt. | Be Aaneuz Be He ; Bemerkungen. Nach 10”? 13 98 70” 11-5 110 130” 15 90 40" früher Athmungssuspension y während 15”. 170” 12 76 ! In diesem, sowie in den zwei folgenden Versuchen wird in der Columne „Blut- druck“ der Mitteldruck während der entsprechenden Periode von 5" angegeben. ® Sämmtliche Zeitangaben beziehen sich auf die ganze Zeit seit der Anlegung des Atriotomes, bez. der Durchschneidung. 504 ROBERT TIGERSTEDT: Vorhöfe durchgeschnitten. Hinten vollständig, vorn bleiben noch zwei kleine Brücken, jede von weniger als 0-3 mm Breite. eu en Be. Bemerkungen. Nach 38” 12 62 88” 10-5 62 138” 11 66 188” 10-7 34 288” 9.5 40 388” 10:5 86 Versuch 2. 8. März 1884. Vor der Anlegung des Atriotomes. Blutdruck. Mm. Hg. Pulsfrequenz. in je 5° 21 bis 22 | 86 Atriotom angelegt. A re Bemerkungen. Unmittelbar| 7 i 44 Nach 40” 7 48 | 120° 7 60 20” früher Athmungssuspension 900” - 46 während 60". 215° 75 46 | Vorhöfe durchgeschnitten. Vorn vollständig; hinten bleibt eine kleine, höchstens 0-3 "” breite Brücke. Blutdruck 5 Pulsfrequenz in je 5”. m. Hg. Unmittelbar 7.5 | ml A I Nach 35” | 6-5 | 36 Thier verblutet. BEDEUTUNG DER VORHÖFE F. D. RHYTHMIK DER VENTRIKEL DES HERZENS. 905 Versuch 4. 29. April 1884. Vor der Anlegung des Atriotomes. Pulsfrequenz Blutdruck in je 5° Mm. Hg. 18.5 bis 92 . Atriotom angelegt. Pulsfrequenz Blutdruck in arg Mm. Hg. Bemerkungen. Die Pulsfrequenz kann nicht an Unmittelbar ? 94 gegeben werden, weil die Zeit nicht geschrieben ist. Nach 180” | 15 66 60 früher Athmungssuspension während 40”. 200” 15 64 Vorhöfe durchges chnitten; vollständig. ee N. Unmittelbar | 14 50 Nach 125” 13-5 58 65 2 a RB 295” 15 76 40” früher Athmungssuspension während 45”, „ in der Zwischenzeit mehrere 425 14 68 Mal Delirium in Folge directer Herzreizung. 595” 14 60 do. 675” 13-5 54 do. 15" Thier verblutet. Ich möchte die Aufmerksamkeit speciell auf den Versuch 4 lenken. Trotzdem dass das Herz durch direete Reizung mehrere Mal in Delirium gebracht worden ist, fahren die von den Vorhöfen vollständig abgetrennten Kammern im alten Rhythmus fort zu schlagen, sobald das Delirium vorüber ist. Dies zeigt, dass die Bedingungen für die rhythmische Schlagfolge, ob- wohl sie durch eine starke Herzreizung momentan gestört werden können, denn doch eine nicht unbedeutende Widerstandsfähigkeit haben und bald nach dem Ende der Reizung wieder hergestellt werden. 506 ROBERT TIGERSTEDT: Bei allen drei Versuchen sinkt nach der Abklemmung die Zahl der Herzschläge mehr oder weniger und nimmt während des Versuches fort- während ab, obgleich nicht bedeutend. Beim Versuch 2 sinken die Herz- schläge ım Zeitraum von ungefähr 250° nur von 7 auf-6-5 in 5”. Dabei muss bemerkt werden, dass die Abnahme der Herzschläge gleich nach der Anlegung des Atriotomes eine sehr starke ist (von 21 auf 7). Bei den an- deren Versuchen ist diese anfängliche Herabsetzung lange nicht so gross, nämlich von 16-5 bis 17-5 auf 13 (Versuch 3) und von 18-5 bis 19-5 auf 15 (Versuch 4). Im Versuch 4 sinken die Herzschläge von 15 auf 13-5 nach 325”, steigen dann wieder auf 15 und gehen erst nach 875” auf 13-5 zurück. Die Variationen im Rhythmus beim abgeklemmten Herzen sind also nicht sehr bedeutend. Mit Rücksicht auf die Construction des Atriotomes ist es von vorn herein zu erwarten, dass schon das Anschrauben der Schienen gegen den Stab die nervöse Verbindung aufheben wird. Diese Voraussetzung wird auch durch die Versuche bestätigt. Bei den Versuchen 2 und 3 ist die Zahl der Herzschläge unmittelbar vor und unmittelbar nach der Durchschnei- dung vollkommen unverändert; beim Versuch 4 ist die Zahl der Herz- schläge freilich um 1 kleiner nach der Durchschneidung; doch variirten die Herzschläge sogar vor der Anlegung des Atriotomes um ebensoviel. Die kleinen. Brücken, welche in den Versuchen 2 und 3 nach der Durch- schneidung stehen geblieben sind, bedeuten natürlich nichts, denn durch das starke Anschrauben, welches nöthig ist, damit die Vorhofswände nicht aus dem Atriotom gleiten, ist es nicht wohl möglich, dass ein Nervenstamm darin unversehrt hätte passiren können. Wir wenden uns jetzt zu den Blutdruckschwankungen, Nur im Ver- such 2 sinkt der Blutdruck gleich nach der Anlegung des Atriotomes ganz entschieden (von 86 auf 44 "®); dieser Versuch ist aber derselbe, in dem die grosse Verminderung der Pulsfrequenz stattgefunden hat. Bei den übrigen - Versuchen ist der Druck im Beginn unverändert, beim Versuch 3 sogar erhöht. Allmählich weicht jedoch der Druck, freilich langsam, aber stetig. Eine Ursache dazu liegt natürlicher Weise in der abnormen Communication zwischen den beiden Vorhöfen, in Folge dessen ein grösserer Theil des Blutes in die rechte Kammer fliessen muss, weil da die Widerstände kleiner sind als in der linken. Es ist ja nicht unmöglich, dass dieser abnorme Kreislauf sich allmählich ausbildet. Dann bekommt das linke Herz immer weniger Blut und der arterielle Druck sinkt fortwährend. Dass die Ernäh- rung des Herzens dabei leiden muss, ist selbstverständlich. . Jedenfalls ist es sehr bemerkenswerth, dass bei meinem Herzpraeparat noch ungefähr 1000” nach der Abklemmung ein Druck von 54mm Quecksilber im arteriellen Systeme bestehen kann (Versuch 4). Noch muss bemerkt werden, dass die BEDEUTUNG DER VORHÖFE F. D. RHYTHMIK DER VENTRIKEL DES HERZENS. 507 respiratorischen Schwankungen des Blutdruckes sehr wenig, oft fast gar nicht ausgeprägt sind und allmählich mehr und mehr abnehmen, eine natür- liche Folge der Zerstörung der Scheidewand. Als Beispiel, wie lange ein Herz, wenn es gröberen Angriffen nicht ausgesetzt ist, seine rhythmische Schlagfähigkeit nach der Abklemmung bewahrt, möge der folgende Versuch dienen. Die Aufzeichnung der Herz- schläge geschah mittelst einer Marey’schen Luftkapsel. Die Zahl der Herz- schläge vor der Abklemmung ist leider nicht angegeben. Versuch 1. 26. Februar 1884. Atriotom angelegt. Pulsfrequenz in je 5”. 60” nach der Abklemmung. 12.5 Nach 165” 13 200” 12.5 250” 13 350” 12-5 600” 12.5 Vorhöfe durchgeschnitten; vorn vollständig; hinten bleibt eine Brücke von weniger wie 0-3”, en Bemerkungen. Unmittelbar 13 Die Er ist 1175” 12-5 ER a x 11:5 klemmung 1600” 11 gerechnet. Später directe Reizung der Herzoberfläche, Delirium, Tod. Die Beobachtung von Wooldridge, dass beim abgeklemmten Herzen der Vagus keine Wirkung hat, kann ich vollständig bestätigen. Bei allen Versuchen prüfte ich vor der Abklemmung die Functionsfähigkeit des Vagus ‚und vermisste nie eine sehr ausgeprägte Wirkung; nach der Abklemmung war aber die stärkste Reizung ganz erfolglos. Der Vagus sendet also Fäden nach den Kammern nur durch die Vorhöfe, Ich eitire folgende Versuche: 508 ROBERT TIGERSTEDT: Versuch 1. 26. Februar 1884. (Siehe oben). Atriotom angelegt; Vorhöfe nicht durchgeschnitten. Bulsfreguenz. in... ........D’ .12r5;j., Puls. in 17725 Vagus gereizt . . 8’ 18-5; er Unmittelbar nachher 5” 115; 57.122 5.1120; 5" 13-0; En ı 8} Vagus gereizt . . 57 12.0; Unmittelbar nachher 5” 12-5; 5 ..12»B; DDyNDNDNDMNM or HE: er Tersuch 8 3a lebt Atriotom angelegt. Blutdruck ! Mm. Hg. Pulsfrequenz. ins .«ı«\..,57 11-5; „Puls. in’ 23; Bunker. Vagus. >3+.,6%,7 1525: a A . Unmittelbar. naehher. 8” 7.0; vusg Su. 2m | 57 I10; ee 5 11 5; UHR NR 2.3; 54 Vorhöfe durchgeschnitten; vollständig. Pulsfreguenz in =... 5%6d275%" Puls. n I 2.5, sa Linker "Vagus : . 8-5 21°0; 3 VAN GODS Unmittelbar nachher 27.5 6-5; RAIL 51285; re Rechter Vagus . ..6°/,7 16:7; „UHR DEE Unmittelbar nachher 21/,” 5.5: 5 nn 2-4 54 5° 12.5; 1 N ae 96 5" 11.5; a RN > 2.5; 57 5" 12.5; a ; S }; 2.5; 34 Linker Vagus . 14”.5 36-0; ee En 2 amachhernn... ; Y HLB; lg a, Na 5” 12.0; ‚2.4; 54 Er x se ne ne nr} er Die Vagusreizung hat also keinen Einfluss, weder auf die Zahl der Herzschläge, noch auf die Höhe des Blutdruckes. ! Mitteldruack der entsprechenden Periode. BEDEUTUNG DER VORHÖFE F. D. RHYTHMIK DER V ENTRIKEL DES HERZENS. 509 Die directe Reizung der Herzkammern mittels Inductionsströme habe ich mehrere Male ausgeführt, entweder nahe der Mündung der Arteria pul- monalis oder in der Mitte der Herzoberfläche. Eine schwache Reizung ruft keine merkbare Veränderung hervor, weder in der Zahl der Herzschläge, noch im Blutdruck; eine stärkere Reizung hat Delirium zur Folge. Wenn die Reizung aber nicht zu stark ist, so erholt sich das Herz nachher; der Blutdruck steigt und erreicht zuweilen sogar einen höheren Stand, wie vor der Reizung, Diese Erhöhung dauert jedoch nur kurze Zeit und der Blutdruck sinkt allmählich wieder, Ist die Reizung zu stark, so stirbt das Herz. Obwohl diese Ergebnisse schon für das unversehrte Herz grössten Theils bekannt sind, erlaube ich mir jedoch einige Auszüge aus meinen Versuchsprotokollen mitzutheilen, weil diese Versuche die ersten am ab- geklemmten Herzen angestellten sind. Betrefis der Versuche muss ich noch bemerken, dass jede folgende Reizung immer stärker als die vorhergehende gewesen ist. Versuch 4. 29. April 1884. (Siehe oben). Vorhöfe durchgeschnitten. Blutdruck am Anfang der ent- sprechenden Periode. Mm. Hg Paeauenz n'. . 5 .15;: Puls in 1’ 3; 76 5° 15; Bin mu 14 9,14 20 50 Nach 4” Pulmonalis gereizt . 3”°/, 10; a Unmittelbar nachher 37-5 10; in Bu, 2.0: 56 Pulmonalis ger. . . 6”-5 18; ae ee RT Unmittelbar nachher 57 14; RS 1, Pulmonalis ger. 4”; Delirium; kleinster Druck 44 Nach 2 70 Balrosuenz in,» 57 14; Pus.im 172.8, 74 b.-18; lm 26 72 5° 14; „ 9 2.8; 68 DB 14; „ Le} 2.8; 66 5" 14.5; ” „m 29; 64 Nach 34" Blutdruck 38 Pulmonalis ger. 4’; Delirium; kleinster Druck 22 Nach 3° 510 ROBERT TIGERSTEDT: Blutdruck am Anfang der ent- sprechenden Periode. Mm. Hg. Pulsfreguenz in: .: .5’.13;_ „Pols in 17.2.0: Zzs 5. It Sie 5 12; 3 li Di Pulmonalis ger. 5-5”; Delirium; kleinster Druck 24 Nach 4-5 Pulsfrequenz in. . 5”13; Puls. in 17 2.6; 32 5° 13; 1) „on 2.6; 62 Pulsfreguenz in . '. "57.1825" "Pula 128,708 3. 18 „ en 20, Pulmonalis ger. 5”; Delirium; kleinster Druck 28 Nach 5” Pulsfrequenz n . . 5714; Puls ia 17 28, 5 > 185.5. 2 Tee 5° 13°5; ” m. 2.7; 66 5" 14; ” Ze, 2:8; 56 5° 14; „nn 28 52 u. S. w. In ähnlicher Weise wie beim unversehrten Herzen steigt beim ab- geklemmten durch Erstickung der Blutdruck. Bei der Erstickung bleibt die Zahl der Herzschläge fast unverändert, obgleich der Druck dabei sehr beträchtlich steigen kann. Dies ist übereinstimmend mit der Erfahrung Marey’s, welcher fand, dass bei durchschnittenen Vagis eine Drucksteigung nicht wie sonst von einer Verminderung der Herzpulsationen begleitet wird. Beispiel: Versuch 4. 29. April 1884. (Siehe oben). Vorhöfe durchgeschnitten. Blutdruck am Anfang Pulsfrequenz in je 5’. | der entsprechenden Periode. M m. Hg. 14 50 14 50 r 14-5 50 14-5 52 Athmung | 14-5 62 suspendirt. | 14-5 76 14 92 15 102 ı Marey, La circulation du sang. Paris 1881. p. 348. BEDEUTUNG DER VORHÖFE F. D. RHYTHMIK DER VENTRIKEL DES HERZENS. 511 Nachdem ich soweit gekommen war, wollte ich untersuchen, in welcher Art partielle Zerstörungen der die Vorhöfe und die Kammern verbindenden Theile auf die Bewegungen der letzteren einwirken. Zuerst stellte sich die Frage, wie die Zerstörung der Scheidewand allein den Rhythmus der Kam- mern, ihre Abhängigkeit von Vagus u. s. w. beeinflusst. Es ergab sich, dass die Scheidewand in dieser Beziehung keine sehr grosse Bedeutung hat, denn die durch ihre Zerstörung bedingten Veränderungen sind im All- gemeinen lange nicht so gross, wie diejenigen, welche wir bis jetzt kennen gelernt haben. Die Zahl der Herzschläge ist unerheblich vermindert; der Vagus ist fortwährend wirksam, obgleich, wie es scheint, weniger kräftig wie sonst; der Blutdruck sinkt aber in Folge der abnormen Verbindung zwischen den beiden Vorhöfen. Die folgenden Versuche sollen diese That- sachen beweisen. Versuch 7. 8. Mai 1884. Vor Anlegung des Atriotomes. Blutdruck am Anfang Pulsfrequenz in je 5”. | der entsprechenden Periode. BR Mm. Hg. 19 88 19 104 19.5 | 100 | u.8 w Stab durchgeführt. 18 42 18-5 60 18 12 Nach 8” (Vagusreizung; siehe unten). 16-5 62 15 64 14 64 Nach 12” (Vagusreizung; siehe unten). 175 70 18 68 18 62 512 ROBERT TiGERSTEDT: Versuch 8. 22. Mai 1884. Vor der Anlegung des Atriotomes. Blutdruck am Anfang Pulsfrequenz in je 5’. | der entsprechenden Periode. Mm. Hg. 22 | 158 21 176 22.5 170 21-5 168 Stab durchgeführt. 19 150 Nach 15” 5 19 124 19 128 18-5 126 18-5 124 18 122 18 126 Nach 8° (Vagusreizung; siehe unten). 18 134 18-5 114 18.5 118 18 120 18 150 Nach 10” (Vagusreizung; siehe unten). 18 112 18-5 156 20 138 Um den Einfluss der Vagusreizung zu zeigen, stelle ich die hierher | gehörigen Beobachtungen aus denselben Versuchen hier zusammen. Versuch 7. 8. Maı 1884. Blutdruck am Anfang der ent- Stab durchgeführt. sprechenden Periode. Mm. Hg. Pulsfrequenz n . .5 18: = Puls, in Dia 12 3.5 13; 7 18 BEDEUTUNG DER VORHÖFE F.D. RHYTHMIK DER V ENTRIKEL DES HERZENS. 513 Blutdruck am Anfang der ent- sprechenden Periode. Mm. Hg. Linker Vagus 31,25. day. bulsyr nad” 12-1; 56! Unmittelbar nachher 2” Dies nal 238; 64 5° 16.55 5» 4» 9.35 62 5” 15; „ ar) 3-0; 64 5° 14; „nn 2.8; 64 8”.5 20; sch Anke 4 72 (starke Arhythmie) Rechter Vagus . 3:25” 6; 7 ch 56} Unmittelbar nachher 6-5 20-5; „ » „ %1; 70. Versuch 8. 22. Mai 1884. Stab durchgeführt. Pulsfrequenz in 54 18, „Paul in Asa 126 Linker Vagus Pe > Du: ER a L0: 98 (tiefster Stand). Unmittelbar nachher 5.25 15-5; „ „ „ 2-9; 110 5” 18; RE RER 2 FRE 5" 18; ” „9 3.6; 150 Rechter Vagus . . 27.8 5; 240 sel! (tiefster: Stand). Nach 1-5” y 0 FR ER re Wr 2 RER | Dr 18; ; Pd ;.: v) 7 Endlich habe ich einige Versuche angestellt über die Folgen einer partiellen Zerstörung der äusseren Vorhofswände, inclusive der Scheidewand. Leider sind diese Versuche nicht zahlreich genug gewesen, um die Frage vollständig zu beantworten. Weiläber die Ergebnisse, so wie sie jetzt vorliegen, doch nicht ganz ohne Interesse sind, erlaube ich mir dieselben hier mitzu- theilen, in der Hoffnung einmal diese Beobachtungen vervollständigen zu können. Um eine partielle Abklemmung auszuführen liess ich mir Schienen zum Atriotom machen, welche aus je zwei Stücken bestanden und genau auf den Stab passten (vgl. Holzschnitt 6). Die beiden Stücke liessen in der Mitte einen grösseren oder kleineren Raum frei. Ich habe nur ein Paar benutzt; dieses liess die Mitte des Herzens in einer Ausdehnung von 6 "" frei. Durch zweckmässige Combination von Schienen verschiedener Grösse ! Bei Vagusreizung ist der tiefste Stand des Blutdruckes angegeben. Archiv f. A, u. Ph. 1884. Physiol. Abthg. 58 514 ROBERT TIGERSTEDT: kann man natürlich verschiedene Stellen der Vorhofswände beliebig ab- klemmen. Die partielle Abklemmung in der Ausdehnung, wie ich sie bis jetzt geübt habe, scheint in ganz derselben Weise wie die totale Abklem- mung zu wirken. Die Zahl der Herzschläge wird ungefähr in demselben Maasse herabgesetzt, der Vagus hat nunmehr keine deutlich ausgesprochene Wirkung u. s. w. Ich brauche daher nicht noch weiter über diese Erschei- nungen zu handeln, sondern verweise den Leser auf die folgenden Versuchs- beispiele. Es ist klar, dass man durch zweckmässige Variationen der par- tiellen Abklemmung dem Verlauf der Vagusfäden am Vorhof sehr genau nachgehen kann. In der Mitte der Vorhofswand scheinen keine bedeuten- deren Aeste zu laufen. a. Vorhöfe hinten vollständig abgeklemmt, vorn die Mitte in einer Ausdehnung von 6"”"” frei. Versuch 6. 1. Mai 1884. Vor der Anlegung des Atriotomes. Blutdruck am Anfang der entsprechenden Periode. Pulsfrequenz in je 5”. Mm. Hg. 17.5 96 11:5 106 Atriotom angelegt. Nach 30" Blutdruck Pulsfrequenz in . 5” 9; Tuls. in,.T- ao, 0 5° 8; ” 7:9 Ir 6; 66 ; 3° 8.5; ” A} 1.7; 64 Linker Vagus . . 11.5” 22; » nn ».1-9; _56 (tiefster Stand). Pulsfrequenz in . 5 9.5; Pt, oe; ni 5° 10.5; RL: BI) ; 2.1; 70 D-10000; Br re Linker Vagus . . 6.5” 12-5; » 9» ».1°9; 68 (tiefster Stand). 5° 11.0; ee ze 5° 10-5; 2) ER) 2.1; 12 5. ‚10-0; 2 Dana BEDEUTUNG DER VORHÖFE F. D. RHYTHMIK DER V ENTRIKEL DES HERZENS. 515 Eelefreguenz n . 5” 8.8; Puls in 17 1.8; 68 5" 8.5; ler ı BE 1-7; 68 Einker Vagus . . 37 5-5; ».»» 1-8; 64 (tiefster Stand). 4" 1.5; er 1.9; 66 Rechter Vagus . . 5” 9.5; +9; 62; (tiefster Stand), 5 10; Mi aa 2.0; 96 Versuch 7. 8. Mai 1834. (Beginn siehe oben.) Atriotom angelegt; Blutdruck am Anfang der ent- Nach 32” sprechenden Periode. Mm. Hg. Pulsfrequenz n . 5” 9-5; Puls. m 17 1.9; 44 I Ei re ee N 9; 50 binker Vagus . . 3:75” 7; nt Hör a 40 ltiefeter Stand). a eg. a Ze Ze an A BD UREENEHE 1 00 0.201, 630 Pulsfreguenz n . 5” Sn Day FARB 5" 8:9. ut m 88 Linker Vagus . . 4° 8; PIE EEE: 40 (tiefster Stand). | 3 rt ae Pe ee Sr Eee: EEE LEE) 5" 1-5; 2) 39 ak. 9; 34 Bechter Vagus . .. 3-75 5.755 „u 9 1°5; ° 34 (tiefster Stand). | 7-5” 10-5; 1-4; 46 - se Er} ns > ns Er} Versuch 8. 22. Mai 1884. (Beginn, siehe oben.) Atriotom angelegt. Blutdruck am Anfang der ent- Nach 105” sprechenden Periode. Mm. Hg. efreguenz n . 5” 14; Puls. in 1” 2.8; 102 5” 13.5. 4112-7; 0102 5-75” .15; u ee Linker Marus .. 0:16” 39; ”» » » 2.5; 84 (tiefster Stand). BuVs ud, 5 yo pl2.hrt 82 5" 12; a eK FE 83" 516 ROBERT TIGERSTEDT: Blutdruck am Anfang der ent- sprechenden Periode. Mm. Hg. Pulsfrequenz in . 5” 12-5; Pulse. mn. 1 72.5;,,..78 Se u Pe Be 2000: 5" il, ” „ ” 2.2; 80 Rechter Vagus . . $° 17°55 9 in 225, 168 (biebterrnnd, 5" 113 ” 2.2; 68 Vorhöfe vorn vollständig abgeklemmt; hinten die Mitte in einer Ausdehnung von 6" frei. Versuch 6. 5. Mai 1884. Vor der Anlegung des Atriotomes. Blutdruck am Anfang Pulsfrequenz in je 5". der entsprechenden Periode. Mm. Hg. 18 102 17-5 106 Atriotom angelegt. Nach 90". Blutdruck. Pulsfrequenz n . 5° 12-8; Puls. nm 172-6; 54 5° 12:55, 2 UEEE 2 Linker Vagus 3. 6.8; „0m 02*45) 46 (tiefster Stand). Nach 2”. 32 3 Ba | 5° 15; ee 5° 1a a a a 5° 13d 1,0 wa Linker Vagus Dieb 13:05. „ 1, Zu 4A (tiefstpr Eisar, Nach 1” . 57 14-0: 257. Be 5° TA); „ 2.8; 50 Pulsfrequenz m . 5” 130: u rer Linker Vagus . . 3° Id, 0 2, 44 (tiefster Stand). Old, 5 RED 5" TBB: 5, ee de Rechter Vagus . . 4.5 11; 9 52-4: A 50 dbiester Stand; BEDEUTUNG DER VORHÖFE F. D. RHYTHMIK DER V ENTRIKEL DES HERZENS. 517 Die Erstickung und die direete Reizung der Kammern wirken in ganz derselben Weise, wie auf das vollständig abgeklemmte Herz. Wie der Rhythmus der Vorhöfe nach der Abklemmung sich verhält kann ich nicht bestimmt angeben, weil ich wegen der grossen Schwierig- keiten bei diesen Versuchen meine ganze Aufmerksamkeit auf die Be- wegungen der Kammern concentriren musste. Auch betrachte ich den ganzen Inhalt dieser Mittheilung nur als eine Vorarbeit für ein eingehenderes Stu- dium der Innervation des Säugethierherzens. Die Thatsachen, die ich hier mitgetheilt habe, zeigen jedenfalls, dass man in ganz ähnlicher Weise wie am Froschherzen auch am Säugethierherzen den Functionen der einzelnen Theile nachgehen kann. Ein Vergleich zwischen Froschherz und Säuge- thierherz wird, bis wir ein reicheres thatsächliches Material besitzen, meines Erachtens, obwohl sehr nahe liegend, vorläufig nicht sehr ausgiebig sein. Die Tafel bildet einige Theile der Versuche 3 und 8 ab, um zu zeigen, wie die Curve des Blutdruckes am abgeklemmten Herzen sich darstellt. Stockholm, 30. September 1884. Farbengleichungen. Von F. ©. Donders. 1. Mischungen von Roth (3 0.6705) und Grün (} 0.535). A. Vergleichungen mit Spectralgelb (A 0.589). (Unter Mitwirkung von Dr. Waelchli, Dr. Sulzer und Dr. Burnham.) | Bei den Vergleichungen von Gelb mit Mischungen von Roth und Grün, hatte Lord Rayleigh! bemerkt, dass das hierzu nöthige Verhältniss dieser Componenten bei verschiedenen Personen sehr variabel war. Die Mischung, ‘ die ihm selbst und den meisten Personen Gelb ergab, war für andere „ho- pelessly too red, almost as red as red sealing wax.“ Um Gelb zu erhalten, musste die Proportion von Roth stark verkleinert werden und für das ge- wöhnliche Auge war dann die Farbe entschieden grün. Die Untersuchung wurde an 23 Männern, meist Studenten des Labo- ratoriums, vorgenommen. Von diesen 23 kamen, innerhalb der Fehler- grenze, 18 mit Lord Rayleigh überein. Bei fünf wurde eine Abweichung im genannten Sinn gefunden: bei drei Brüdern (ein vierter Bruder und eine Schwester waren normal) und beinoch zwei anderen. Lord Rayleigh nenntes: „an interesting peculiarity of colour vision, quite distinct of colourblind- ness“ und sagt ausdrücklich, dass ihr Farbensinn übrigens normal war. | Dieses Resultat war sehr überraschend. Sollte es zwei Classen von Augen geben mit normalem Farbensinn, verschieden allein hinsichtlich des Verhältnisses von Roth und Grün erforderlich zur Bildung von Gelb? Bei der Wiederholung der Gleichungen machten wir Gebrauch von meinem früher beschriebenen Spaltapparat? mit drei Spalten: zwei neben- ı Nature. 1881. Vol. XXV. p. 64; — mitgetheilt in der British Association. 1881. Sept. 2. ?28.v. d. Weyde, Graefe’s Archiv. Bd. XXVIUIL 2: Abth. 8.1. F. ©. DonDERS: FARBENGLEICHUNGEN. 919 einander liegenden, gekoppelten, und einem unmittelbar unter den gekop- pelten: liegenden, in horizontaler Richtung verschiebbaren, einfachen. Der einfache Spalt gab uns das spectrale Gelb (auch jede andere beliebige Farbe), die gekoppelten die beiden einander deckenden Componenten, Roth und Grün. Die Schrauben. beider befinden sich. innerhalb des Bereiches des: Beobachters: durch Drehen an der der gekoppelten erhält er gleiche Farbe, an der des einfachen gleiche Intensität. So wurde nicht allein das Verhältniss der Componenten, sondern auch, (in der erforderlichen. Weite des einfachen Spaltes) die Intensität der Mischung gefunden. Die Summe der Weite der gekoppelten Spalte brachten wir auf 1” = 100 Scalen- theilen. Als Lichtquelle diente eine starke Gasfllamme (Brenner von Sugg, in einem Cylinder von 80m Höhe und 30” Durchmesser einge- schlossen), von welcher Spitze und Basis durch ein Diaphragma abgeschnit- ten wurden, so dass allein der constante 2°” hohe Mitteltheil Licht zu dem matt geschliffenen: weissen Glase, das als Lichtquelle diente, aussandte. Auf einem zweiten Spalt folgte nun ein kurzes plattes Rohr, das mit einer sammtenen Hülle dem Spaltapparat direct analog ist. Das Licht stellte sich als eonstant heraus, und es wurde dafür gesorgt, dass von jedem Punkt der Spalte die Strahlen ungehindert die gesammte Fläche der Collimatorlinse und von jedem Punkte des Prisma’s die Collectivlinse er- reichten.” Zwischen Prisma und Collectivlinse, unmittelbar vor der letzten, sind noch die Zwillingsprismen von v. Kries und v. Frey? angebracht: zwei sehr dünne Prismen mit ihrem brechenden Winkel in einer Horizon- talen vereinigt. So liefern die drei Spalte sechs Spectren: zwei einfache und zwei einander deckende Paare; und von diesen Spectren fällt ein einfaches und ein paariges in den Ocularspalt und zwar das untere der einander decken- den Paare und das obere der einfachen Spectra. Die anderen drei kommen ausserhalb des Ocularspaltes zu liegen. Das unmittelbar vor dem Spalt ge- brachte Auge empfängt nun das gesammte durchtretende Licht der drei erstgenannten Spectren, das des einfachen etwas von unten her, das der gekoppelten etwas von oben her, welches Licht divergent bleibt und auf der Retina einen Kreis bildet (Fig. 1) entsprechend der Form der Collectiv- linse, dessen untere Hälfte y das einfach und dessen obere Hälfte g° das gemischte Licht zeigt, beide allein durch eine horizontale Linie, die Ver- bindungslinie der Zwillingsspeetren getrennt. Der Unterschied in der Rich- ! Wurde das Spectroskop bis zu einem Centimeter oder selbst melr parallel zu dem matten Glase verschoben, mehr oder weniger gehoben, oder nicht vollkommen senk. recht auf das matte Glas gerichtet, so blieb dies ohne Einfluss auf die Gleichungen. Das Glas war also als Lichtquelle vollkommen geeignet. 0° Dies Archiv. 1881. 8. 336. 520 F. ©. DonDERs: tung der grünen und rothen Strahlen ist die Ursache, dass die Kreise einander nicht genau decken und dass daher an der einen Seite grün gr, an der anderen Seite roth r etwas vorsteht. Lord Rayleigh hatte als Componenten nicht näher bestimmtes Roth und Grün benutzt und als Spectralgelb auch nur ungefähr D genommen. Um feste vergleichbare \erhältnisse zu erhalten, wünschten wir von bestimmten Wellenlängen auszugehen und fanden die der Li-, Na- und TI-Linie ent- sprechenden, bez. A = 0:6705, A = 0'589 und A = 0535 sehr geeignet. Li-roth Li und Tl-erün Tl liefern eine Mischung von Gelb Na’, dessen Farbe dem Na-gelb Na vollkommen gleich ist und bei mittlerer Intensität in Sättigung wenig nachsteht, so dass die Gleichung leicht einzustellen ist. Die gewählten Farben haben noch den Vortheil, dass sie leicht zu finden und zu controliren sind. Auf die genaue Bestimmung des Li-rothkommt sehr viel an: die Lichtstärke verändert sich hier so rasch, dass eine Abweichung in der Wellenlänge von 0.0005 u in dem erforderlichen Verhältniss schon merkbar ist. Durch Drehen an der Schraube der gekoppelten Spalte er- hält man die Mischungen von Roth und Grün in allen Verhältnissen, von reinem Roth mit Grün = 0 bis zu reinem Grün mit Roth = 0. Der Beobachter stellt die Farbe ein von Na und macht darauf die Intensitäten gleich durch Drehung an der Schraube des einfachen Spaltes, und ändert nun, wenn nöthig, wiederum abwechselnd die Farbe und die Intensität bis beide gleich sind. Auf der Trommel der gekoppelten Spalte ist nun das Verhältniss der Componenten, auf der des einfachen, die Intensität des der Mischung entsprechenden Na’ abzulesen. Das Resultat war, dass es wirklich zwei Kategorien giebt, wie Lord Rayleigh gefunden hat. Von den untersuchten Personen gehörten 56 zur ersten Kategorie, 48 männlichen, 8 weiblichen Geschlechtes, erstere grössten Theils Studenten der Mediein und Docenten. Von den meisten wurden beide Augen (OD und OS) verglichen, und, wo ein deutlicher Unterschied war, die Gleichungen einzeln bestimmt. Sie erhielten von: 31 T 69 Li = 24:8 Na bis Dell km itdBslta ‚im Mittel 27-4 72.6 = Fig. 1. FARBENGLEICHUNGEN. 521 Der durchschnittliche Fehler m’ (mittlere Abweichung vom Mittelwerth) bei einer Reihe von zehn Beobachtungen war: Donders pi Waelchli Burnham Sulzer | 08.24] oD | os | oD | 08 | op | 08 für TI und Li 0. . 1.76 0-31 0.38)0:4810.42 für Na 1: > ee 291 11-6 10.7 ‚0.4 Also offenbar grösser für die Bestimmung von gleicher Intensität Na’ = Na als für gleiche Farbe TILi = Na‘. In zehn verschiedenen Tagen, eine Bestimmung per Tag, betrugen die Mittelwerthe und die Abweichungen: Fun-va Eos ine mmol lTE, m Donders 1’20.8.| 70.2 | .0. | 24-6 | 1-2. Engelmann 25-7 174.3 |..0-.9 | 23-4 1-8 In diesen Zahlen liegen alle Fehlerquellen, auch die der Zusammen- setzung des Lichtes an verschiedenen Tagen. Um auch bei weniger Geübten eine brauchbare Einstellung zu be- kommen, wurde ihnen Fig. 1 erklärt und im Spectroskop gezeigt, während g und g’ wenigstens ungefähr gleich waren. Sie mussten jetzt bei lang- samer Drehung an der Trommel der gekoppelten Spalte sagen, in welchem Stand g röthlich, in welchem grünlich wurde, und hatten nachher selbst so einzustellen, dass g’= gelb war als „. Lag nun die Einstellung ungefähr in der Mitte zwischen beiden Einstellungen, wobei y’ grünlich und röthlich wurde, dann wurde die Beobachtung als genügend erachtet; wurde darin gefehlt, dann wurde sie verworfen. In gleicher Weise wurde gehandelt mit der Einstellung der Intensität von Na‘. Bei weitaus den meisten liegt das verlangte Verhältniss von Tl und Li zwischen denen von Donders und Engelmann. Wir fanden: Tl 917,20, 20.7:38,.37..20,257,.24. 23 22 en. 6 UBS 0: 6 -.6: 6.2: 53 L, | Aus diesen Zahlen geht hervor, dass es für die Anzahl der Personen - nur ein Maximum giebt, entsprechend an 28-6, und dass alle also zu einer - und derselben Kategorie gehören, wiewohl sie unter einander mehr variiren, als der Durchschnittsfehler für eine und dieselbe Person beträgt. 522 F. C. Donpers: Unter 68 Personen war nur bei Dr. Sulzer ein sehr bedeutender Unterschied vorhanden zwischen: OD 30. T169-5 Li und 05 19.8 TI 80.2 Li. Der Farbensinn dieser Augen soll unter IV durch Dr. Sulzer be- sonders behandelt und verglichen werden. Neben dieser ersten Kategorie fanden wir unter unseren Studenten schon sogleich eine Vierzahl, wo das verlangte Verhältniss von TI und Li ein ganz anderes war. Sie folgen als 57 bis 60 zur Vergleichung mit l und 2 der ersten Kategorie. Sie bilden offenbar die zweite Kategorie von Lord Rayleigh. Ti Na Li: TI 57. Blonk, stud. 53. 46- 12%. 2 0.88 58. Snel, stud. 48:75 53 26: 8:70 99. vanDugteren,stud. 51-6 48-4=29.5 0.94 60. Persyn, stud. 99:6 46-4= 29.6 0:87 1. Donders 29.8 70-2 = 24.6 2.34 . 2. Engelmann a Hz 2.89 Man sieht, dass die vier ersten Fälle ziemlich übereinstimmen, aber weit verschieden sind von den beiden letzten. Dieselben bilden also ohne Zweifel eine zweite Kategorie und zwar die zweite von Lord Rayleigh. Ist aber ihr Farbensinn im Uebrigen normal, wie Lord Rayleigh für seine Fälle annimmt? Wir fanden das Gegentheil: alle vier hatten einen herabgesetzten Farbensinn. Dies trat beim Entziffern der pseudo-isochro- matischen Tafeln von Stilling sofort zu Tage und wurde auf andere Weise bestätigt. Hieraus liess sich vermuthen, dass im Allgemeinen die . Fälle, für welche die gefundene Proportion galt, herabgesezten Farbensinn besitzen würden. Um hierüber Gewissheit zu erlangen, untersuchten wir einige Personen, deren herabgesetzter Farbensinn uns schon von früher her bekannt war, und einige andere, die unter den Studirenden leicht ge- funden wurden. Im Allgemeinen bestätigten diese Fälle unsere Vermuthung. Nämlich: Til - 1; =Nary WR 61. Verhoeff 67.9 32:1=26-1 ° 0-47 62. s’Jacob 9 5 = 1.04 63. Fränkel 57:5 42.5=30.3 0-74 64. Koningsbergen 59-8 46-5 =26-6 0.26 65. van Andel 57:7 42.3 = 26-7 0-73 -FARBENGLEICHUNGEN. 523 Wir fanden aber auch einige Fälle von unvollkommenem Farbensinn, bei welchem das Verhältniss mit dem beim normalen Auge übereinkam. Nämlich: TILi — Na Li: Tl 66. Goetsch 24 16. aD = 67. van den Broek 28-3 71-7 24-5 2.53 68. van Arkel DIE 20 2.9 und umgekehrt in einem Falle (bei Prof. Schäfer, University College, London) fanden wir bei Ni =-N Lin 58.2 41-8 20-4 0-72 ERTERTEEETEEENT ET den Farbensinn so gut als normal. Er stand im Allgemeinen und speciell in Bezug auf die Uebergänge zwischen Gelb und Grün dem von Prof. Donders kaum nach, und nur für das Sehen ausserhalb des gelben Fleckes wurde etwas schnellere Abnahme des Farbensinns constatirt. Für die drei Gebrüder B., die Lord Rayleigh untersuchte, möchte dasselbe der Fall gewesen sein: übrigens wird ein schwacher Farbensinn, wovon der Betreffende fast nie eine Ahnung hat, gewiss in vielen Fällen übersehen. Bei wirklich Farbenblinden mit reinem Zweifarbensystem ist die Ver- gleichung Lord Rayleigh’s nicht mehr ausführbar. Roth, Gelb und Grün gehören alle drei für sie zu ein und derselben, zu ihrer warmen Energie, und die Vergleichung zwischen diesen Farben und ihren Mischungen betrifit daher allein Intensität und Saturation. Der Spielraum ist dann so gross, dass die Vergleichungen wenig oder keinen Werth besitzen. Und dies gilt sogar für Fälle, wo bereits etwas mehr als ein reines Zweifarbensystem vorhanden ist. So fanden wir bei Scheltema und B. Snellen, bei denen im Ophthalmospeetroskop von Glan aus Roth und Blau kein reines Weiss erhalten werden konnte, für die Vergleichung mit Spectralgelb 7TOTI 30 Li ebenso befriedigend als 7OLi 30 TI. Bei gleicher Lichtstärke ist für sie der Unterschied zwischen TI und Na sehr gering und das letztere kann auch in einem grösseren oder kleineren Theil durch Li ersetzt werden, ohne dass die Gleichung darunter leidet. Dass sie auch wenig empfindlich sind für Uebergänge von Gelb und Grün hatte sich mir schon früher auf andere Weise gezeigt.! um ı Vgl. Onderzoek. physiolog. Laborat. Utrecht. 5. Serie. Bd. VII. 3. 95, 524 F. ©. DonDers: B. Vergleichungen von Mischungen vonLithiumroth und Thallium- grün mit den dazwischenliegenden Spectralfarben. (Unter Mitwirkung von Dr. Waelchli, Dr. Sulzer und Dr. Burnham.) Auf gleiche Weise wie für die Vergleichungen mit Na bestimmten wir die Verhältnisse, in welchem Li und TI erforderlich sind für die Ver- gleichungen mit allen zwischen der Li und Tl-Linie gelegenen Spectral- farben. Unser Spectroskop war auch hierfür eingerichtet: an den Compo- nenten hatten wir nichts zu ändern, sie blieben Li und TJ, und jede Ver- gleichungsfarbe erhielten wir durch Verschiebung des einfachen Spaltes. Wir fanden als Resultat einer einzelnen Serie von Bestimmungen für: 1 Donders Engelmann Blonk 71 Li |Intens. Tl Li | Intens. 71 Li | Intens. 0.6705 | 0 | 100| 100| 0 100 100 0 100 | 100 0:660 | 2-5/97:5,68°9| 1-4 |98-.6 169-9 2.25 |97-95|54-25 0.633 | 5:21 94.8 |22-6| 3-85 | 96-15 [23-1 | 12.8 187.2 [19.65 0:610 114-7 |85°3/19-8| 11-2 |88-8 |17-95] 32-7 [67-3 |25-9 0:588 132-4 |67:6/19-8]| 26-05 | 73-95 118.85 | 58 42 23-5 0568 157 .|43 133-2145-8 154-2 130.1 | 77.9. |22.1 136-8 0.549 178-2 24-4 | 52-31 67-33 | 32.66 |44-8 | 88-5 |11-5 |60-6 0541 91.4, 8-6|71-5]| 84-05 | 15-95 |66-2 | 93-6 6-4 81 0.535 100, :.0,.\.10 100 0 100 100 0 100 Fig. 2. Diese Resultate liessen sich leicht durch Curven ausdrücken und zwar die für Li und TL, deren Summe constant = 100 ist, beide durch eine und dieselbe Curve (Fig. 2). FARBENGLEICHUNGEN. 525 Die Abseisse der Curven ist das Interferenzspectrum und erstreckt sich von Li mit A 0:6705 bis TI mit X 0.535; auf derselben sind die interme- diären Wellenlängen und die Fraunhofer’schen Linien Cund D angegeben. Die Verticale links, von unten nach oben in 100 Theile getheilt, ist die Li-Ordinate, die punktirte rechts von oben nach unten eingetheilt, ist die Tl-Ordinate, welche die obere (punktirte) Horizontale, die der unteren gleich ist, zur Abscisse hat. Die von jedem Punkt der Curve nach oben und nach unten gerichteten Ordinaten entsprechen daher den Mengen Li und Tl, wie sie mit den respectiven Weiten der gekoppelten Spalte gegeben sind. Man kann sie leicht, der Abscisse entsprechend, auf das Interferenzspectrum redueiren. Die Dispersion in unserem dioptri- schen Spectrum bei Tl verhält sich zu der bei Li ungefähr =1-9:1. Wäre sie 1:1, wie im Interferenzspectrum, so würde der Lichtspalt 1.9 mal kleiner sein müssen. Behufs Reduction soll sie deshalb durch 1.9 getheilt werden und sodann muss die Summe dieses reducirten Werthes und des Werthes von Li noch auf 100 berechnet werden. Die Curven wurden für eine grosse Anzahl Personen entworfen. Die- jenigen von Augen mit normalem Farbensinn liegen grösstentheils zwischen der von Donders und Engelmann, die für Augen mit schwachen Farben- sinn in der Nähe derjenigen von Blonk. Die Resultate von Dr. Sulzer, die in mehr als einer Hinsicht wichtig sind, werden später (unter D) besonders mitgetheilt werden. Aus dem oben Gesagten folgt, dass die Vergleichungen von Mischungen von Tl-Grün und Li-Roth mit Na-Gelb bestimmend sind für alle zwischen der Li und Tl-Linie gelegenen Spectralfarben. Dies gilt (soweit die Beobach- 526 F. ©. Donpers: tungen reichen) sowohl für die Gurven einer und derselben Klasse als für die der beiden Klassen in Beziehung zu einander, — unabhängig von der Störung des Farbensinns, der den verschiedenen Fällen eigen ist. Alle Curven kehren die convexe Seite nach oben (vgl. Figg. 2 und 3), woraus hervorgeht, dass, von der Li-Linie ausgehend, die Proportion für TI- grün um so schneller steigt, je mehr man sich der Tl-Linie nähert. Wo die Curve nach oben etwas concav wird, verschwindet doch die Concavität bei Reduction des dioptrischen auf das Interferenzspectrum. Die Regelmässigkeit der Curven einer einzelnen Reihe von Beobach- tungen von Do und En (Fig. 1) und die Uebereinstimmung der zwei ' Serien einer aufsteigenden und einer absteigenden von Dr. Sulzer, die unter D folgen werden, zeugen von der Exactheit der Methode. C. Grund der VerschiedenheitderbeidenKategorienvonRayleigh. Bei unseren Bestimmungen (s. oben) von xTlyLi=9Na fanden wir in der ersten Kategorie, der der normalen Augen, x:y von 69. 53 eı3 bis 77:-8:22:-2 = 3-33:1 mittel 72-6:27-4=2-65:1 in der zweiten Kätegorie, überhaupt Fälle von schwachen Farbensinn von 51-3 :48-7 1-0 l bis 32-1 2:69:29 = 0:-473>1 mittel 45: 55=0-82721 1 Auf 1 TI kommt sonach bei normalen Farbensinn 2°65 Li, bei schwachem Farbensinn nur 0-82 Li, m. a. W. bei normalem Farbensinn wird 1 TI neutralisirt durch 2-65 Li, bei schwachem Farbensinn durch 0-82 Li. | Die Frage ist, worauf dieser enorme Unterschied beruht. In erster Linie dachten wir an einen Unterschied der bezüglichen Intensitäten von Li und Tl. Bei Grünblinden ist wirklich die Intensität des Grün im Speetrum relativ gering, und da schwacher. Farbensinn auf dem Wege nach der Grünblindheit liest, war Grund zu der Vermuthung vorhanden, dass das Verhältniss der Intensitäten zwischen Li und TI auch dabei zum Nachtheil von TI ausfallen würde. Die Untersuchung bestätigte dies aber nicht. Für 10 Augen mit normalem und 10 mit schwachem | FARBENGLEICHUNGEN. 527 Farbensinn wurde das Verhältniss der relativen Intensitäten von Na:Li und Na:Tl bestimmt und aus diesen beiden das Verhältniss von Tl:Li berechnet. Folgende Tabelle enthält die Resultate: Für normalen Farbensinn. Für schwachen Farbensinn. Na 10 pm] Na 10 m] aeane -u|=-n| = u Bann | -u|=-n|=-u B aaa | Be. 5 |23-6 | 1-9 D 60°8 | 19-8 | 3 ve): 68:8 | 20-4 3-4 B 49-701 121 9) 23 Su 72’2 \,32-8 12:3 N 92:5°\121-2 | 2.5 Ve, 12 26 2-8 D.T ka 69.9 | 20-4 | 3-4 16 50-5| 30-6 [2 I. . 81 a 3 E 53 25-4 .\ 2°] .r. 61=1:.19:5).3°1 K 26°9 | 17-3. | 1-6 Re T1°2,293-5 3-4 H 32-An: nA N NR V.H 66 26 25 V 43-2 | 21-£ 32 AN 74 67 Sue Mittel . . | 48-7 | 22-7 | Wir sehen hieraus, dass bei normalem Farbensinn die Intensität von 1 TI im Mittel gleichkommt der von 2-14 Li, bei schwachem Farbensiun der von 2-79 Li. Ferner lehrt die Tabelle, dass der Unterschied zwischen den beiden Kategorien nicht sowohl in dem Intensitätsverhältniss Na:Tl als in dem von Na:Li liegt. DD -14 | Mittel . [8% 1 Ne) 68.5 | 24-9 | Das Intensitätsverhältniss Tl:Li ist, wie wir sahen, auf indirecte Weise erhalten, indem Li und TI jedes für sich mit Na verglichen wurde. Die directe Methode lieferte gleiche Resultate. Bei 15 Personen mit normalem Farbensinn fanden wir: YJ Lie: g’ yyi Methode: min. max. Mittel | m, mirecte .ı. .: 0.0. 1001°94 33 2.53 | 0:44 en | 118 FETT) rt Wie für normalen und schwachen Farbensinn haben wir das Intensi- tätsverhältniss von Tl:Li bestimmt bei 10 Grünblinden und 10 Roth- blinden, wovon die Ergebnisse zur gegenseitigen Vergleichung hier mit- - getheilt werden: 528 F. ©. DonDErs. Für Rothblinde. Für Grünblinde. NAME ic ir NAME 7 Be I - Ei | 2 ar De 360 | 13.1 | 27.5 | va.$ 65-2 | 32-6 12 Fa 232 | 16-4 | 14:1 | K.. 68-2 | 26-8 | 2-5 BH.; 327 | 11-1 |29-4| B.S. 66-9 37-1 0 8 Bee a Ta 62.5 26 | 2-4 T.K . 977/15 |18A| vdvV 66-7.| 26-3 12-5 FEW 3052| 8.7 | 83:9. Ik 65: 110. OB E. 240! 8 |30 Te: 68-5 | 23-5 | 2-9 W. 296 | 10-4 | 28-4 | I. 59.5 | 17-5 | 3-4 if HT. 11 19-71 R 31.%| 17:2 | 8 H. 240 | 14-2 | 16-9 | v.D 84-2 | 19-6 | 4-3 Mittel . * 976 | 12.191 23.85| Mittel . . | 63-84 24.56 2.7 Wir finden so für Rothblinde Li: TI im Mittel = 23-8 „’ Grünklinde gm 7, Mur m er Daraus erhellt, dass für Grünblinde das Intensitätsverhältniss sowohl von Na:Li als von Na: Tl, und demnach auch von Tl:Li, mit dem bei normalem Farbensinn ziemlich übereinstimmt. Einen starken und con- stanten Gegensatz liefern dagegen die Intensitätsverhältnisse bei den Roth- blinden. In der That sind die relativen Lichtintensitäten von Li, Tl und Na ausreichend, um die Roth- und Grünblinden zu charakterisiren. Geht daraus hervor, dass der Unterschied zwischen x. und y in den beiden Kategorien nicht abhängt von dem Intensitätsverhältniss TI:Li, so lässt sich die Erklärung schwerlich in etwas Anderem suchen als in - einer relativ geringen Entwickelung der grünen Valenz in TI, verglichen mit derjenigen der rothen im Li. Von dem Verhältniss der Valenzen hängt es dann ab, welche Mengen Tl und Li einander neutralisiren. Nachdem sich mir ergeben hatte, dass für Augen der ersten Kategorie x:y mit dem Orte des einfachen Gelb im Spectrum in Beziehung steht (s. unten, D), habe ich untersucht, inwiefern die Lage des Gelb auch bei schwachem Farbensinn auf x:y von Einfluss ist. Das Resultat war, dass eine ähnliche Beziehung hier nicht oder kaum zu bemerken ist. Personen der zweiten Kategorie geben im Farbenzirkel das nämliche Gelb als das einfache an und, mit einer einzigen Ausnahme, im Spectrum ein Gelb, das von der Linie D nicht sehr entfernt ist. FARBENGLEICHUNGEN. 529 D. Erklärung der individuellen Abweichungen in der ersten Kategorie des normalen Farbensinns. Die Abweichungen, welche bei normalem Farbensinn (in der Gleichung xLiyTl = qNa) in dem Verhältniss x:y vorkommen, erstrecken sich von 69:31 zu 77.8:22.2, welche Ooöfficienten fast sich zu einander ver- halten wie 2:3. Wir haben nun zu untersuchen, womit diese individuellen Ab- weichungen in Verbindung stehen. Der Weg dazu wurde uns gezeigt durch die Fälle, in denen bei den nämlichen Personen für die beiden Augen ein verschiedenes x:y gefunden wurde. Vor allen wichtig war aus diesem Gesichtspunkt der Fall von Dr. Sulzer, dessen Augen ziemlich die äussersten Grenzen für den nor- malen Farbensinn darstellen. a. Nota von Dr. Sulzer. „Bei Herstellung der Gleichung x TI=y Li=q Na zeigten sich für die beiden Augen wesentliche Abweichungen der Grössen x und y, eine Erscheinung, die vielleicht bei der Mehrzahl der normalen Beobachter vorhanden war, jedoch bei keinem anderen auch nur von fern ein so beträchtliches Maass erreichte, was eine vergleichende Untersuchung der beiden Augen von Werth erscheinen liess. Wurden Spectralgelb und ge- - mischtes Gelb, die für das rechte Auge nach Tinte und Intensität voll- kommen gleich waren, mit dem linken Auge betrachtet, so erschien das - gemischte Gelb zwar etwas lichtschwächer und etwas weniger saturirt, ve aber von gleicher Tinte wie für das rechte Auge; das Spectralgelb aber contrastirte durch deutlichen Orangeton auffallend mit dem gemischten. Um die Gleichung für das linke Auge herzustellen, musste die Propor- tion 80-5 TI 69-5 Li = 23-04 Na’ verändert werden in 19-8T1- 80-2 Li = 19.95 Na. Ein ähnlicher Unterschied zwischen beiden Augen be- steht in abnehmendem Maasse nach beiden Seiten hin für die Gleichungen aller zwischen Li und TI gelegenen Farben, welches Verhältniss durch die beiden Curven o. s. und o. d. der Fig. 3 veranschaulicht wird. Eine nähere Untersuchung zeigte, dass der Grund dieser Erscheinung darauf beruhte, dass im warmen Theil des Speetrums gleichen Wellen- längen Empfindungen entsprechen, die in den beiden Augen nach Tinte, Intensität und Saturation verschieden sind, während im kalten Theile des Spectrums die Abweichung sich auf Intensität und Saturation beschränkt. Die gleiche Erscheinung zeigte sich für die Flammen der entsprechenden Archiv f A.u. Ph. 1834. Physiol, Abthlg. 54 530 F. ©. DoNDERS: Metalle (Li, TI, Na), sowie für durch entsprechend gefärbte Gläser fallen- des Licht gültig, während gleiche undurchsichtige Pigmentfarben in beiden Augen gleiche Empfindungen hervorriefen. Die in beiden Augen gleichen Empfindungen entsprechenden respec- tiven Wellenlängen wurden auf drei Arten zu bestimmen versucht: 1) Durch Bestimmung der Lage der einfachen Farben, für jedes Auge, an dem einfachen Spalte des Doppelspectroskops. 2) Durch Bestimmung der, gleichen Mischungen von TI und Li ent- sprechenden zwischenliegenden einfachen Spectralfarben, für jedes Auge, vermittelst des Doppelspectroskops. 3) Durch Verschiebung zweier neben einander auf einem Schirm projleirter, durch ein in der Sagittalebene befindliches Diaphragma ge- trennter gleicher Spectren (eines entsprechend einem der gekoppelten, das andere dem einfachen Spalte des um 90° gedrehten Doppelspectroskops), derer eines im rechten Auge, deren anderes im linken Auge sein Bild entwarf, sowie durch Verschiebung der über einander liegenden Doppel- bilder eines und desselben Spectrums, die durch vor beide Augen gebrachte, mit dem brechenden Winkel je nach oben bez. unten stehende gleiche Prismen hervorgebracht waren. a Die mittleren Werthe der durch die erste Versuchsreihe gewonnenen Resultate zeigt die folgende Tabelle: Einfaches Gelb. | Einfaches Grün. Einfaches Blau. w Ir Rechtes Kot! Linkes Auge. Rechtes Auge.| Linkes Auge. |Rechtes Auge. Linkes Auge. 4 0587 9.510,40 0.532 0.4855 0485 Die mittlere Abweichung von dem Mittelwerthe betrug dabei beim einfachen Gelb 0.0005 A für das rechte, 0-001 A für das linke Auge, beim einfachen Grün 0.002 A für das rechte, 0-0009 A für das linke Auge, beim Blau endlich 0-002 A für beide Augen. Die mittleren Werthe der Vergleichung von verschiedenen Mischungen von TI und Li mit den zwischenliegenden Spectralfarben, für beide Augen gewonnen aus einer absteigenden und einer aufsteigenden Reihe, giebt folgende Tabelle. Die Zahlen der dritten und fünften Columne zeigen das gegenseitige Verhalten der Intensitäten der Mischungen zu den ihnen nach Farbe gleichstehenden Wellenlängen für die beiden Augen. FARBENGLEICHUNGEN. 531 | Rechtes Auge. | Linkes Auge. 10 | 90 20.3 0615 17.5 06085 20 80 15-3 0602 1647 0:593 30 70 22.0 0:5892 20.2 0-578 40 60 21-5 0.581 22.6 0.573 50 50 31.2 05745 29.5 0.563 60 40 31-0 0567 85-0 05585 70 30 44.3 0-5585 44.6 05525 80 20 47.0 05525 53-1 0547 90 10 53-5 0-547 65 0543 Die directe Vergleichung zweier neben einander gelegener Spectra und die Vergleichung der Doppelbilder, vorgenommen für gleiches Roth, Gelb, Grün und Blau, ergab Resultate, die die Ergebnisse der indirecten hungen bestätigten, jedoch in Folge der weniger genauen Messungs- methoden (directe Messung der erforderlichen Einstellung zur Nebenein- anderstellung gleicher Farben) mit grösseren mittleren Fehlern behaftet waren. a wy>» Die Intensität des spectralen Gelb ist für beide Augen annähernd dieselbe. Von hier aus fällt sie für das linke Auge nach beiden Seiten hin rascher als für das rechte, und zwar nach der warmen Seite hin bis zum Ende des Spectrums, nach der kalten bis zu ungefähr A 0:5325, - wo die Intensitäten für das linke Auge erst gleich und sodann um ein weniges grösser werden. Für TI und Li betragen die mittleren Werthe der 10 Na entsprechen- den Quantitäten, gewonnen aus einer grossen Zahl zu verschiedenen Zeiten _ vorgenommener Wahrnehmungen: 30-8 Li o. d. 10 Na = 25- t 56-6 „, rue = Ro wm ou Tg! Das Verhalten der Intensitäten im übrigen Spectrum zeigt die folgende Tabelle, aus welcher durch Reduction das Verhalten der ver- schiedenen Intensitäten gegenüber Na gefunden werden kann. Bis zum Grünblau besteht kein Unterschied der Saturation für beide - Augen; hier beginnt die Saturation für das linke Auge geringer zu werden als für das rechte, um im Indigo auf ?/, bis !/, der Saturation des rechten Auges zu sinken. Das Verhältniss der Intensitäten einer Mischung von Tl und Li zur Summe der Intensitäten der Componenten ist für beide Augen ungefähr 34* 532 F, ©. DonDers: dasselbe, wie aus der in F S. 546 enthaltenen Zusammenstellung der Coöffieienten für die zwischen TI und Li gelegenen Wellenlängen her- vorgeht. 10 TI (A 0.535) = ) OD. 0.8 Y ' Ba Y r gem. 0692 110.8 110.8 110°8 149.2 148-5 148-4 0660 39.0 43.2 41°1 63.4 65.8 64:6 0633 14.9 14.7 148 18.9 180 18-45 0-610 84 87 8:55 11-2 II-V 11-3 0.5892 23 8-1 80 9.8 10-2 10.0 0:5884 7.5 7.8 7-69 8:9 8:9 8.9 0.5685 9.1 8-7 8:9 10.6 10-8 10-7 05495 8-5 8:3 8.4 9.0 8-3 8-65 0.5325 10-8 10.9 10-85 9.8 9-4 9-6 0.5195 17.2 16-1 16°65 13-1 12-7 12,9 0506 23°9 24.2 2405 19.8 21.1 20-45 0.495 48:6 46°2 474 41°2 38-1 39-65 0.485 74-1 78.2 10215 64-1 618 62-95 Bei gleicher Intensität (einfacher Spalt des Doppelspectroskops = 100 = 1 Mm.) beginnt das Spectrum an der warmen Seite für das rechte Auge früher sichtbar zu werden als für das linke. Der Unterschied be- trägt ungefähr 0-010 A. An der kalten Seite beginnt das Spectrum mit derselben Wellenlänge für beide Augen zu verschwinden. Beide Augen besitzen, bei einer Myopie von 3-5 rechter- und 2 linker- seits, volle Sehschärfe und zeigen auch im übrigen normale Verhältnisse. Die Empfindlichkeit für geringe Unterschiede von Gelb und Grün ist für beide Augen grösser als gewöhnlich; mehrere Reihen hierauf bezüg- licher Prüfungen (mit den doppelten Flüssigkeitsprismen, also nicht mit Spectralfarben, Donders) zeigen eine etwas grössere Empfindlichkeit des linken Auges für kleinste Unterschiede, in der Weise jedoch, dass bei binoculärer Fixation die Unterscheidung noch leichter wird als bei mono- culärer linksseitiger. Die obenstehenden Untersuchungen zeigen uns, dass für die beiden Augen eines Individuums die durch gleiche Wellenlängen hervorgebrachten Lichtempfindungen nach Ton, Intensität und Saturation verschieden sein können. Da sich dieselben Verschiedenheiten in der Vergleichung von Tl und Li mit Na sowohl für diese Augen als für die Augen verschiedener FARBENGLEICHUNGEN. 533 Individuen zeigen, so ist es wahrscheinlich, dass dieselben Abweichungen auch für die Augen verschiedener Individuen vorkommen.“ | Das Verhalten der beiden Augen von Sulzer ist, kurz zusammenge- fasst, dieses: Das für das rechte Auge etwas früher als für das linke beginnende Spectrum erreicht bei der Lithiumlinie für das rechte Auge eine beinahe doppelt so grosse Intensität als für das linke Auge. Die Intensitäten werden ungefähr gleich bei der Natriumlinie, wo sie zugleich ihr Maximum erreichen; von hier fallen die Intensitäten für das linke Auge rascher als für das rechte bis zum Blaugrün, wo nach einer Zone von gleicher Intensität das linke Auge die Farben etwas lichtstärker empfinde. Das umgekehrte Verhältniss hat für die Saturationen statt. Einem kleinen Unterschied zu Gunsten des rechten Auges im warmen Theile des Spectrums steht eine vom Blaugrün rasch zunehmende und in der Umgebung der Strontiumlinie das doppelte der Saturation des linken Auges erreichende Saturation für das rechte Auge gegenüber. Das Ueber- raschendste ist aber wohl der Unterschied im Ton, der das reine Gelb des rechten Auges von A 0.589 dem linken Auge Orange erscheinen lässt, während das reine Gelb des linken Auges bei A 0.577 liegt. | Das Verhalten des Tones in der warmen Seite des Spectrums des linken Auges, relativ zum Spectrum des rechten, lässt sich kurz so charakterisiren, dass für das linke Auge die warme Seite des Spectrums nach der kalten Seite hin verschoben ist, wobei die grösste Verschiebung bei der Na-Linie liegt. Das individuelle Spectrum des linken Auges zeigt bei der Vergleichung von gemischten Farben mit Spectralfarben in Bezug auf die erforderlichen Quantitäten der Componenten, ein dem schwachen Farbensinn diametral entgegengesetztes Verhalten, ein Verhältniss, das sich auch in der Empfind- _ liehkeit für Unterschiede von Grün und Gelb bestätigt findet. b. Die Lage des Gelb im Spectrum. Von den vier einfachen Farben Lionardo da Vinci’s ist Gelb, welches im Spectrum nur einen schmalen Streifen bildet, auf den Grenzpunkt zwischen Roth und Grün am schärfsten charakterisirt. Die Wellenlänge, welche Gelb giebt, lässt sich dann auch hinreichend präcis einstellen. Ver- - schiedene Methoden wurden geprüft und verglichen: | a. Spectroskop, mit Ocular, wobei das Auge den Farben folgt, welche, bei Bewegung des Lichtspaltes, im Ocularspalte sichtbar werden. | b. Spectroskop, ohne Ocular, das Auge an den Ocularspalt angelegt, bei Bewegung des Lichtspaltes den Farbenänderungen im unteren Halb- kreise folgend (Fig. 4 g,). 534 F. C. DonDers: c. Ebenso wie d, dabei aber das Gelb g, des beweglichen Spaltes ver- gleichend mit einem zuvor frei bestimmten Gelb g, von einem der ge- koppelten Spalte. Der Methode 5 gaben wir im Allgemeinen den Vorzug; c ist um- ständlicher, ohne viel präciser zu sein. «a ist weniger genau als 4. Methode c diente jedoch zu der Untersuchung, in wiefern die Intensität, welche für die beiden Halbkreise in entgegengesetztem Sinne abgeändert werden konnte, Einfluss habe!. Methode « empfiehlt sich, wo die Lichtquelle schwach ist. Bei der Bestimmung der Lage des Gelb kommt es in erster Linie an auf eine neutrale Stimmung der Netzhaut. Ein kurzes Verweilen im dunkeln oder in einen halb- dunkeln Zimmer, welche aus- schliesslich durch matt ge- schliffenes weisses Glas Licht von dem bewölkten Himmel empfängt, muss der Bestim- mung vorausgehen. Alles fremde Licht, auch das Licht der Gasflamme, welche das Spectrum liefert, muss sorg- . fältig aus dem Raume fern- gehalten werden. Des Abends, beim Aufenthalt in künst- Fig. 4. licher Beleuchtung, stellt man falsch (zu roth) ein. Bei neutraler Stimmung wird so das mittlere Gelb (ungefähr A 0-581 1) im Speetroskop gezeigt. Viele nennen dasselbe nun rein Gelb, Andere grün- lich oder röthlich. Durch langsames Hin- und Herbewegen mit kleineren und kleineren Spielraume finden alle die Grenzen, wo es einigermaassen dem Roth oder Grün ähnlich wird, und setzen dazwischen ihr Gelb ein. Erweist sich dann, nach Ruhe von einer halben Minute, die gewählte Farbe zusagend, so wird die Bestimmung angenommen. Bemerkenswerth ist, wie stark während der Bewegung der Contrast sich hierbei fühlbar macht, nicht bloss gegenüber einem Vergleichungsgelb wie in Methode c, das dann abwechselnd nach dem Grün und nach dem Orange hinneigt, sondern auch als Veränderung der Farbe — ganz in sich selbst. Ist sie grünlich, und dreht man bis zum wirklichen Gelb, dann nimmt sie einen Stich in’s ! Der Einfluss der Intensität ergab sich als unbedeutend: ein kräftiges Gelb er- hält man nur bei grosser Intensität; bei geringer wird der Ton grau, ohne eigentliche Farbenänderung; bei grosser Intensität wird die Grenze gegen die grüne Seite hin weniger scharf. FARBENGLEICHUNGEN. 535 Orange an, um erst nach einem Augenblick Pause dem Gelb Platz zu machen, und umgekehrt in’s Grüne, wenn sie ursprünglich zum Orange hinneigte. Auf das Eine und das Andere hat man Acht zu geben, um ge- nau einzustellen. Die Hauptsache ist: langsam drehen und, nach einigen Augenblieken Ausruhens oder Auffrischung an dem weissen Mattglas, con- troliren. Auf diese Weise gewonnene Bestimmungen geben nur eine kleine Ab- weichung von dem Mittel. Bei mir betrug sie in verschiedenen Reihen von A 0:0002 bis A 0°0009; bei Engelmann von A 0-0004 bis A 00008, bei Anderen nicht viel mehr. Die an verschiedenen Tagen erhaltenen Mittel gehen mehr auseinander, offenbar weil gleiche Stimmung auf ver- schiedene Zeiten nicht vollkommen erzielt wird. Sie differirten aber nicht weiter, als bei mir von A 0.5885 bis A 0.5903, bei Engelmann von * 0.5795 bis A 0°5812, resp. nicht mehr als X 0-0012 bis A 0-0013 vom Mittel abweichend, so dass sie für unseren Zweck allenfalls brauchbar sind. Viel grösser nun ist der Fehler nicht, der den Bestimmungen auch bei den meisten weniger geübten Beobachtern anhatftet. Auf die beschriebene Art geschah die Bestimmung an 111 Augen von 76 Personen. Als kleinste Wellenlänge findet sich A 0.572, als grösste %” 0.594, im Mittel A 0582. Öbenstehende Figur 5 giebt eine Uebersicht der Resultate. Die Ab- scisse zeigt die Wellenlängen an, die Ordinaten die Anzahl Fälle, von denen des Maximum fällt auf X 0-579, weil die mittlere Wellenlänge = X 0-5821. Offenbar bilden sie eine einzige Kategorie. Hierbei sei erinnert, dass bei Dr. Sulzer das Gelb für das rechte Auge bei A 0-589, für das linke Auge bei A 0.577 gefunden wurde — für die beiden Augen also nicht weit von den bezw. Grenzen der Öurve. 536 F. ©. DoNnDERS: c. Beziehung zwischen der Lage von Gelb und dem Verhältniss von 71 zu bi, &:Y%: Nach den von Dr. Sulzer erhaltenen Resultaten (vgl. a. S. 529) wurde in Fällen von gleichem Farbensinn beider Augen die Lage von Gelb bestimmt unter der Voraussetzung, dass x:y auch hier mit der Lage von Gelb in Beziehung stehen werde. Diese Voraussetzung wurde sofort be- stätigt, als wir die Lage von Gelb bei einigen Personen feststellten, deren x:y uns bereits von früher (S. 522) bekannt war. So hatte W. bei Li 69: TI 31., Gelb bei A 0.5911 »„ „ 69: „38lr, » » » 0.5910 ”„» 70.2 „ 29:8 „ LIEEE 0.5892 ee er „meer 74:3 „ 259.7 ne 74,8. 3225. Dal 11.41. SE 0 2) 77.8 ) 22.2 2) u 0.572 BZBBDOR Bei 8 Personen machten wir nun noch die beiden Bestimmungen in einer und der nämlichen Sitzung und fanden: I 17 GE | III ee Name, ÜOTI=N® |Gb | LOT = Geb 10 Na | | r\ = Li -T Se 69:3 | 30:7 | 25-9 |0:590 | 71-1 | 28:9 | 23:9 70 119:2 2. 10:5 | 29:5 |, 24-5 0.587 | 70 30 24 "ID „en v.L. 71-1 | 28.9 | 94-2 |0-5845| 68-3 | 57-7 | 22:6 14571255 Hixı;a 71:9 | 28-1 | 24-9 10.584 | 67:7 | 32-7 | 27-6 52 °719°3 F. E. 3 2 22:4 /0:586 | 69 3l 24:3 |46 9.4 P.E 1325.07 202 0:5825| 69-1 | 30:9 | 26-6- 167-5116 HR 75 24.8 |.21°1: 0-.585 :| 71:8 | 82 22.9 2.143 D. K. 21291 | 23'171 0.983.172 | 28 23:4 29 01 2 Die Stäbe I und II beweisen auf’s Neue die Beziehung x:y in der Na-Vergleichung zu der Lage von Gelb. Bei oberflächlicher Betrachtung erscheint eine solche Beziehung nothwendig: je mehr das Gelb nach der grünen Seite zu liegt, desto mehr wird das Na sich dem Orange nähern, und desto weniger TI bei Na-Gleichung gefordert werden. So einfach ist das Verhalten aber nicht. Wenn bei der veränderten Empfindung von Na die von Li und Tl gleich bleiben, würde die Schlussfolgerung stich- FARBENGLEICHUNGEN. 337 halten. Aber auf die Gleichheit ist nicht zu rechnen. Im Gegentheil, in- dem, wie Sulzer fand, mit Gelb zugleich Grün den Ort ändert, wird die Farbe von Tl, welche zwischen Gelb und Grün liegt, ebensowenig au ihren Platz gebunden bleiben; und eine Verschiebung von Li, wobei, wenn nicht die Farbe, doch die Intensität sich sehr schnell ändert, ist ebenfalls zu erwarten, wenn das einfache Gelb nicht mit Na zusammenfällt. Und daraus müssen Abweichungen in dem Verhältniss entspringen, welche auch in den Tabellen (S. 536) nicht vermisst werden. Machen wir nun weiter die Gelbgleichung, d.i. TI <= Li = Gelb, — dann ist das Ergebniss bedeutsam genug. Ersichtlich nämlich nähert sich dabei der Quotient x: yjenem Werth, wobei Gelb ziemlich mit Na zusammenfällt, d.i. dem 30:70. Wir sehen dies bei Sulzer, der in der Na-Gleichung für sein rechtes - Auge 31, für sein linkes nur 21 TI hatte, und laut der Curve (Fig. 3) in der Gelb-Gleichung für sein rechtes (bei Gelb auf A 0.588) 33.5, für sein linkes (bei Gelb auf A 0-577) 33-2 TI erhielt. — Das Nämliche lehren für Donders und Engelmann die Curven Do und En der Fig. 2. Für Na sind die Mengen TI = 29 und 26, für ihr bezw. Gelb (4 0:589 für Do, 0.581 für Zn) = 29 und 30: also Reduction des Unterschiedes auf (30 — 29) = 1. Directe Versuche, mit abwechselnden - Beobachtungen unter gleichen Umständen, ergaben als Mittel aus 5 Be- stimmungen: | TO Li=Na | Gelb bei | TO Li = Gelb Donders . 29-71 70:29 = Na 0.589 29-71 70-29 = Gelb Engelmann | 25:75 — 74:25 =Na | 0581 30 QaR 2 Wie aus den Ziffern folgt, ist in Engelmann’s Na-Gleichung die Mischung für mein Auge grün im Vergleiche zum spectralen Gelb von - Na, und in seiner Gelb-Gleichung die Mischung dagegen gelb, neben der für mich grünen spectralen Farbe sogar Goldgelb, während Engelmann in meinen Gleichungen von Na und Gelb (beide einander gleich) das Gemisch _ gleichfalls gelb und die Spectralfarbe daneben orange sieht. - Gleiches Zeugniss gaben die Beobachtungen (III verglichen mit I) auf der zweiten Tabelle S. 536, die auf grosse Genauigkeit Anspruch machen können. Wie man sieht, gleichen hier (bei einer Lage des Gelb von -ı 0.59 bis A 0:5825) für die Na-Gleichungen die Quotienten auseinan- - der von 30°7:69-3 bis 23-.7:76.3, für die Gelbgleichungen (abgesehen von Hamburger, mit 32.7) nur von 31-.7:68-3 bis 28:72, und ent- “fernen sich nicht allzuviel von 30 Tl, die ungefähr erreicht werden, wo Gelb ziemlich mit Na zusammenläuft. | 538 F. ©. DoNDeErs: Dies Resultat nun ist wichtig, sofern es Rechenschaft giebt von der überraschenden Thatsache, dass in erster Linie Sulzer, dem Na für das eine Auge orange, für das andere gelb war, undurchscheinende gelbe Pig- mente mit beiden Augen so gut wie gleich sah, und dass ferner Alle, wo sie auch im Spectrum kein Gelb anweisen, doch in meinem Kreis von Pigmentfarben, aus strahlenförmigen Streifen von eben merklichen Unter- schieden gebildet, ohne Ausnahme den nämlichen Streifen als das beste Gelb erklärten. Ich sage —- davon wird durch die erhaltenen Resultate Rechenschaft gegeben: denn die genannten Farbstoffe enthalten relativ wenig spectrales Gelb, vielmehr ein Gelb, aus Mischungen von grünlicher und röthlicher Farbe gebildet, und für die Mischungen haben Alle Augen, wie die Tabelle zeigt, ziemlich gleiche, einige (Huijghens und D. Kage- naar) selbst eine compensirende röthliche Farbe. E. Die kleinsten merkbaren Abweichungen von Gelb und von daran grenzenden Farben bei normalem und abnormem Farbensinn. Wie oben (8.528) schon mit einem Worte gesagt ward, steht der Co&fl. Li:Tl der zweiten Kategorie nicht in Beziehung zur Lage von Gelb. Auf dem Farbenkreis geben die zu dieser Kategorie gehörenden den näm- lichen Streifen als gelb an, wie die der ersten. Und als spectrales Gelb wählten sie, mit Ausnahme einer einzigen Person (die in Tl ihr Gelb suchte), ihr Gelb in der Nähe von D. Die Abweichung m, ist bei ihnen aber grösser, und auch die mittleren Abweichungen an verschiedenen Tagen gehen mehr auseinander. So fand ich bei Blonk, st. med., welcher, un- geachtet seiner Gleichung Li 46.7 T153-3 = Na’, einen nahezu voll- kommenen Farbensinn hat, an verschiedenen Tagen von A 0.595 bis * 0-583, ım Mittel 2 0-590, und am nämlichen Tage für eine Reihe Bestimmungen m, = X 0.0022. Dies Alles gilt für die freie Einstellung des reinen Gelb. Eine andere Bestimmung ist die des kleinsten merklichen Unterschiedes, womit wir uns hier beschäftigen werden. Mandelstamm! und Dobrowolsky? be- stimmten es Jeder für sich selbst und fanden, in Bruchtheilen der ent- sprechenden Wellenlängen, für ! Archiv für Ophthalmologie. Bd. XIII. 2. 8. 399. ? Ebenda. Bd. XVIII. 1. 8.72, wo auch die corrigirten Ziffern von Mandel- stamm zu finden sind. Die Bestimmung von B, deren Richtigk:it-Dobrowolsky selbst bezweifelt, ist weggelassen. FARBENGLEICHUNGEN. 539 Mandelstamm. Dobrowolsky. C 1:106 1:248 zwischen C und D 1:331 D 1:465 L.712 zwischen D und E 1:139 1:246 E 1:214 1:340 zwischen E und F 1:400 1:615 F 1:409 1:740 G 1:270 1:429 zwischen G und H 1: 320. Wie man sieht, erhielt der letztere viel kleinere Werthe als der erstere; aber die bezüglichen stimmen doch ziemlich überein. Beide finden sie am kleinsten bei D und bei F. Zur Herstellung der Unterschiede bedienten sie sich der Ophthalmometerplatten, die sie mit eigener Hand unter dem Winkel einstellten, bei welchem sie eine Differenz zwischen den beiden Farben zu constatiren vermeinten. — Mein Spectroskop entstprach der- artigen Bestimmungen ausnehmend. Die feste Farbe (z. B. Na oder ein- faches Gelb) wird eingesetzt mit dem einfachen Spalt, die veränderliche mit einem der paarigen, und diese kann durch eine Mikrometerschraube (Farbenänderung) verschoben, durch eine andere (Intensitätsänderung) ver- engert oder erweitert werden. Uebrigens folgten wir der Methode der richtigen und unrichtigen Fälle, mittels Bestimmung des Minimums, wobei ein Unterschied erkannt, und des Maximums, wobei keiner erkannt wurde, und Berechnung des Mittels aus beiden.! Die Unterschiede, über die man zu urtheilen hat, werden von fremder Hand eingestellt, die dabei die Intensität beliebig veränderte: dadurch hat der Wahrnehmende erst die Intensitäten gleich zu machen und dann über den eingestellten Farbenunterschied zu urtheilen. Der Einfluss der Intensität auf das Urtheil lässt sich nicht eli- miniren, wenn der Wahrnehmende selbst den Farbenunterschied herstellt, — was überdem nicht erwünscht ist, weil dabei Contrast in’s Spiel kommt (S. 534). Nach dieser Methode bekam ich an verschiedenen Tagen als kleinsten merk- baren Unterschied A 0:0004 bis A 0-0006.? In vergleichenden Bestim- mungen mit dem Hrn. Straub stellten wir es beide für A 0-589 und für 0-581, das ist für sein und für mein einfaches Gelb fest, und dabei kam es an den Tag, dass er empfindlicher war für Unterschiede des letzteren, ich für die des ersteren. Man hat also Grund anzunehmen, dass ! Vgl. G. E. Müller, Zur Grundlegung der Psychophysik. 1881. S. 63. ? Um die schnellen Farbenübergänge in Gelb und anderweitig zur Geltung zu bringen, muss, bei starker Lichtquelle, der Spalt eng sein: bei weiterem Spalt ver- theilen die wahrnehmbaren Unterschiede sich auch über die angrenzenden Farben. 540 F. ©. DoxDErs: man am empfindlichsten ist für Veränderungen des einfachen Gelb. Bei D, in jedem Falle also in der Nähe des einfachen Gelb, fanden auch Mandelstamm sowohl als Drobowolsky, wie wir sahen, den kleinsten merkbaren Unterschied, und darnach ein zweites Minimum bei F, im oder nahe dem einfachen Blau. Es kann nicht befremden, dass gerade an den Wendepunkten, wo die einfachen Farben zu beiden Seiten in einander ent- gegengesetzte übergehen, die grösste Empfindlichkeit für Unterschiede an- getroffen wird. Im Blau fanden auch Koenig und Dieteriei ein Mini- mum für den Fehler m,, das zweite Minimum Koenig nahe bei D, Dieterici in gewissem Abstande von D bei. etwa A 0°570. Sollte für Dieterici das einfache Gelb nicht eine abweichende Lage haben? Uebrigens ist m, kein zuverlässiger Maassstab für den kleinsten merkbaren Unterschied. Ebenso wie das Urtheil über Gelb, ist bei Personen, welche zu der zweiten Kategorie gehören, selbst wenn der Farbensinn kaum herabgesetzt ist, die Empfindlichkeit für kleine Unterschiede vermindert. So bei: 1. Blonk. Nach Personen der zweiten Kategorie suchend, gab ich die pseudo-isochromatischen Tafeln von Stilling zu entziffern, und es kam mir vor, dass Blonk hierbei Etwas hinter den Normalen zurückblieb (vgl. S. 522). In Uebereinstimmung damit erforderte die Natriumgleichung Tl 53 3: Li 46°7. Doch ergab sich später, dass er sämmtliche Tafeln Stilling’s (zweite Ausgabe) entziffern konnte, dass er auch mit Holmgren’s Proben kaum herabgesetzten Farbensinn zeigte und mit den doppelten Flüssigkeitsprismen, welche Mischungen von Gelb und Grün geben, nicht oder kaum mir nachstand. ° Auch vermeinte er sich im Besitze eines vortrefflichen Farbensinns. Aber mit den spectralen Farben, nach der so eben beschriebenen Methode, war der kleinste merkbare Unterschied bei ihm doch ansehnlich grösser als normal. Während sein Gelb auf A 0.5902 gefunden wurde, betrug der kleinste merkbare Unter- schied reichlich 0-0013, für mieh, bei der nämlichen Gelegenheit bestimmt, nur 0°00051. 2. Einen übereinstimmenden Fall lieferte der Stud. med. van Dugteren. Mit einiger Anstrengung entzifferte er sämmtliche Tafeln von Stilling, weiss aber, dass er, vor Allem bei Abendlicht, Grüngelb und Gelb nicht so leicht unter- scheidet als Andere. Die Gleichung TI 51°6 Li 48°4 = Na’29.5 reiht ihn unter die zweite Kategorie. Als einfaches Gelb bezeichnet er 4 0°5906; 0°5926 ist ihn zu roth, 0'589 zu grün. Der mittlere Fehler m,, bei dem Versuch die beiden Farben vollkommen gleich zu machen, betrug 4 00003. Die kleinsten merkbaren Unterschiede von seinem Gelb, nach der Methode der richtigen und unrichtigen Fälle, stiegen auf 12°5 Skalentheile, während sie für mich selbst, der ich sie mit ihm abwechselnd für mein Gelb bestimmte, nur 4-8 betrug. 3. Viel grösser war der kleinste merkbare Unterschied bei Snel, stud. med,, der als Na-gleichung TI 48°7 ZLi51-3 = Na’26'8 gefunden hat, aber die FARBENGLEICHUNGEN. 541 Tafeln von Stilling mühsam und nur zum Theil entzifferte, und dessen schwacher Farbensinn sowohl bei den Holmgren’schen Proben als mit den Flüssigkeitsprismen zu Tage getreten war. Im Farbenzirkel zeigt er das richtige Gelb an, aber aus den Spectral- farben ist seine Wahl unsicher und schwankt zwischen 2 0-5736 und A 0.543, im Mittel A 0.555. Bei Vergleichung mit 4 0-5892 Na findet er 4 0-596 damit vollständig übereinstimmend, aber 2 0-6, bei gleicher Intensität, bestimmt röthlich und 0-589 durch Contrast, nach grün neigend, ferner 4 0-584 vollkommen gleich Na, A 0.573 etwas grünlich, 0-55 grüner und bleicher und daneben, durch Contrast, 0-589 jetzt röthlich. Auf die merkbaren Unterschiede hat die Lichtintensität einen grossen Einfluss. Bei Spaltbreite von 0:15 ®%® ist 2 0.589 gelb, 0°58 bereits grün- lich, 0,578 deutlich grün, wobei 0-589 durch Contrast wieder röthlich wird; bei Spaltweite von 0:62 "m ist 0°578 noch vollkommen gleich mit 0.589 und ist erst 0-552 unzweifelhaft bleich und grün. Der hier sichtbar sehr grosse Einfluss der Intensität fehlt auch bei normalem Farbensinn nicht, wo bei grosser Intensität das Gelb sich auf Kosten des Grün ausbreitet (Chodin). Nach der Seite des Roth ist, sowohl bei schwachem als bei normalem Farbensinn, der Einfluss der Intensität viel geringer. Man verliere übrigens nicht aus dem Auge, dass Verschiedenheiten der Intensität, ohne Unterschied der Wellenlänge, bei sehr schwachem Farben- sinn viel eher als bei normalem, wie Farbenunterschiede aufgefasst werden: man lasse also, um sichere Resultate zu erhalten, bei Unterschieden der Wellenlänge erst dann über die Farbe urtheilen, nachdem die Intensitäten gleich gemacht sind. Und auch nun könnte noch Sättigungsunterschied im Spiele sein. Darin liegt also, in Fällen wie der von Snel, wohl ein Hinweis zu der Vermuthung, dass es sich um mehr als schwachen Farben- sinn handelt, dass man mit vollkommener Farbenblindheit, d. h. mit einem rein dichromatischem System zu thun hat. Allein das Gegentheil ergab sich hier, indem aus einem Gemenge von spectralem Roth und Blau kein neutrales Weiss oder Grau, sondern allein Purpur und Rosa zu erhalten war, und im Spectrum der neutrale Streifen fehlte. Der Rothblinde, mit rein zweifarbigem System, zeigt im Spectrum auch noch sein Gelb an — bisweilen sogar mit kleiner mittlerer Abweichung. So kam 4. der Stud. med. Wenckebach, ein vollständig Rothblinder: bei mässiger Intensität (Spaltweite 02%) auf 4 0.5763 mit m, = 0005, bei grösserer Intensität (Spaltweite 0,8%) auf A 0°5794 mit m, = 0.005. 542 F. C. DonDERrs: Ausgehend von A 0:589 als Vergleichsfarbe, nannte er A . 596 (bei gleicher /) damit vollkommen gleich, ” etwas kräftiger in der Farbe, Ei 0-62 feuriger, „0°63 bis A 0-65 röther und röther. Wurden die Vergleichungen bei viel grösserer oder viel kleinerer Intensität gemacht, so waren die Unterschiede weniger merkbar. Wieder ausgehend von 40'589, bei Vergleichung mit kleineren Wellen- längen, lautete das Urtheil: 4) 0584 vollkommen gleich damit. „0.573 etwas bleicher: 0589 hat mehr Gluth. „056 bleicher. „0.589 erkennt er sofort wieder als gleich. „056 ist bleicher. „ 0-54 bis 0°52 immer bleicher. Den Grünblinden lässt auch das Urtheil über Sättigung im Stiche. Ein Beispiel: 5. van der Vlies (st. med.), ein Grünblinder, mit rein zweifarbigem System. Ausgehend von A 0'589 werden Vergleichungen gemacht mit grösseren Wellenlängen, bis A 0'63, 0°66, 0,69: bei gleicher Intensität sind dann 0-589 (typisch gelb) und 0°69 (typisch roth) vollständig gleich, — A 069 bei geringer Intensität vielleicht etwas „farbiger“ (gesättigter). Bei Vergleichung mit kleineren Wellenlängen ist A 0584 noch völlig gleich mit A 0°59, aber, zu beginnen mit 0-578, wird es etwas bleicher und bei 0-52 spricht er von einem schmutzigen Weiss, wonach A 0'589 ihm durch Contrast roth vorkommt. Seine Neutrale liegt auf ungefähr A 0'497. Doch wusste er im Spectroskop das Gelb ungefähr anzuweisen. In 10 Be- stimmungen wählte er Mitt. 4 0:594, als Maximum 0.607, als Minimum 0° 587, mit mittlerer Abweichung vom Mittel m, = 4 0-0053. Bei den Bestimmungen wurde er durch die Intensität geleitet. Wo auch der Fingerzeig dieser fehlt, wie beim Aufstellen der Gleichung Li ” Tl = Na, ist ihm jede Mischung gleich gut von Farbe, indem er Na nach "der Intensität von Li — Tl einstellt. Obenstehende Fälle bilden eine Reihe, worin die Unterscheidung der Farben in der warmen Zone des Spectrums sich mehr und mehr verliert. F. Das Verhalten der Intensitäten von Mischungen zur Summe ihrer Componenten. (Unter Mitwirkung von Dr. Sulzer.) Bei den Vergleichungen der Mischungen von Li Tl mit Na oder mit Gelb, bestimmten wir nicht bloss die Proportion von Li:Tl (x:y), sondern zugleich die Intensität des erhaltenen Na (oder wirkliches Gelb), Nun f 3 { £ } 4 4 3 FARBENGLEICHUNGEN. 543 - drängte sich die Frage auf, in welchem Verhältniss die Intensitäten dieses - Gemisches JLL—Tl zu denen der Componenten JLi und JTl, und be- stimmter zu der Summe der Componenten JLi+JTl. Es galt die Be- - stimmung des Coöfficienten Ju Tl:JLi+JTl. Die Gleichungen selbst geben uns schon unmittelbar die Intensitäten der Mischung als Ji—JTI=QNa. Wir haben, um den Coöffieienten zu finden, nun auch lediglich JLi und JTI sowie JNa zu berechnen. Für diese Berechnung wurde Gebrauch gemacht von den bereits früher bei den hier aufgeführten Personen bestimmten 10Na=xTl und 10Na=yLi In untenstehender Tabelle findet man die solchermaassen erhaltenen Resultate und zwar für Fälle von normalem Farbensinn. 1 See an de anlknieet ab 0 Baur Pe im AB JLi a Coöft. 4 | | ka... .| 69 131 127.7 o.s | 17:5 | 97-7 | 38-3 0.2 | 68-9 | 31-1 | 24-8 [19.5 | 24.5 | 24.8 | 44 0.564 69 ol 23-5 [14-1 10.2.1235 33-3 0.706 Su 0.D 69:5 | 30:5 | 23-0 120-7 23:6 | 23 44.3 10.52 70:2 | 29-8 | 24.6 [12-5(?)| 14-3 | 24-6 | 26-8 [0-!1(?) ‚Spätere Bestimm.| 69-6 | 30-4 | 24-9 [17-8 | 14-5 24.9 | 32-3 -0-77 ; 71 29 22 20 17:8) |!22 37:8 0.582 21>1.1,.28:9 126-2177 20.8 | 26-2 | 38-5 [0.68 11.2 | 28°8 | 23-2 [14-8 13-5 | 23-2 28:3 .0-82 #1=T | 288, | 19-6-117.7 11-8 | 19.6 29:5 ‚0.664 7 aa Ha 21-4 115-2 | 18.8 | 21.4 | 34. 10-63 2.3.4257. | 21,6n117.2 8 21.6 | 80-4 10-71 ‚Spätere Bestimm. 15-4 | 246 | 22.3 116°7 | 18-2 | 22.3 | 34.9 0.64 Ef 71-1 122-9 | 19.7 114-6 | 12.2 | 19.7. | 26-8. 0.735 #71 122-8 7923 05.597105 119-3 |. 26 0.742 Su 0.8 80-2 | 19-8 | 20 17-3 13-9 | 20 31:2 |0°64 el. 25.1 72.4 | 27° | 22-6 0687 j oberste | 69.8 30.2 | 24-6 0.649 J T unterste] 74-9 | 25-1 | 20-7 | 0706 ! Bei der Berechnung der Mittelzahlen ist die erste Bestimmung von Do, worin R; Stab d offenbar unrichtig ist, und die zweite von En nicht in Betracht gezogen worden. 544 F. ©. DoxDers: a, b, c sind die Mengen, entlehnt der grossen Tabelle: ! d, e, f die correspondirenden Intensitäten: f gefunden, d, e berechnet als Na. g die Summe von d und e. Der letzte Stab giebt den gesuchten Coöfficienten. Diese Tabelle lehrt: uns, dass die Intensität des Gemisches (Stab c und f) constant kleiner ist als die Summe der Intensitäten der Componenten g: Der Coöfficient wechselt 0°52 bis 0-82, ist im Mittel um 0.678. Die Fälle sind gereiht nach der Menge Li (a) in der Na- Gleichung: mit dem Steigen von Li nimmt nun ersichtlich die Intensität der Mischung (c) ab. Auch in dem Coöfficienten (h) lässt sich der Einfluss, wenn schon minder deutlich, spüren: für die 7 obersten beträgt er im Mittel 0.649, für die 7 untersten 0.706. Gegen die für die Tabelle angestellte Berechnung von JLi und JTI (d und e), nach den früher bei den aufgeführten Personen fürl0OD=xTlund - 10D=yVLi erhaltenen Resultaten, gilt indessen das Bedenken, dass auf das Verhältniss der Intensitäten von Na zu Li und Tl die absolute Inten- sität, bei welcher die Vergleichung geschieht, nicht ohne Einfluss ist. Wir beschlossen deswegen, die Mengen Na auch direct zu bestimmen durch Vergleichung mit den in jedem Falle gefundenen Mengen Li und Tl. Dies geschah in 9 Fällen. Die Ergebnisse sind in die untenstehende Tabelle vereinigt, — sofern dieselben Personen hier wieder vorkommen, unter gleichen Nummern als auf der vorigen Tabelle: a, b, c sind wieder die Ziffern der Na-Gleichung, für diese Tabelle auf’s Neue bestimmt (darum einigermaassen abweichend von den vorigen), und zwar zugleich mit d, e, f, denIntensitäten, — für 6 und 10 alles zugleich für die beiden Tabellen. Wie man sieht, ist der Coöfficient, ohne Anmaım), in dieser Tabelle noch kleiner als in der vorigen: | Das Maximum hier 0-73 ist dort 0-77 „- ‚Minimum „0449 „205 70:52 „ Mittel 4: 0583 3,0, 0887 Und in den beiden Tabellen fällt der grösste Coöfficient auf Do, und kommen im Allgemeinen auch die kleineren Coöfficienten bei den näm- lichen Personen vor. Dass das Gemisch von Li <= Tl an Intensität weit hinter der Summe der einzelnen Intensitäten von Li und TI bleibt, kann, bei der Constanz der Resultate, keinem Zweifel unterliegen. ! Onderzoekingen, gedaan in het physiol. Labor. der Utrechtsche Hoogeschool Bd..VIIL .8. 178. FARBENGLEICHUNGEN. 545 Rue : Das ich wer hrs ı| ir | ie: Ir fdenmnn No. Namen | ouiogam=qn« | m | m Imionlmi+m|coer Eee Tabelle 1.Ka ..| 707 | 293 | 98-4 | 22-8 | 19-5 28-4 | 42:3 0671| 072 2.|Wa....|69 |31 256 1305 212 | 256 | 51-7 050 | 0.564 4 705 | 29-5 | 25-8 | 227 287 | 256 514 0.502 0-52 5.Do. ... 697 | 303 | 239 | 148 | 178 | 23:9 | 32:6 0:73 | 0-77 6.lEr. ..[7ı |29 22 189 |192 | 22 | 381 (0-577| 0-582 .iv.L...|zrı [289 |27 121 |22 [27 | 48 |o-603| 0-68 10. 75-4 | 24-6 | 20-4 | 16:72] 182 | 22-3 | 349 0-64 071 14.|Su. 08.180 |20 |21:3|209 193 | 213 | 402 053 0:64 Mittel | 725 |275.|240 | — | — | — | — |o:5ssl 0-646 Bi, EB 27 214 | 19:6 | 24 214 | 436 ,0°49 | 0:63 Indem wir, wie mit Na, in den Gleichungen von Li Tl mit den übrigen zwischen Li und TI gelegenen Spectralfarben jedesmal die ent- sprechende Intensität bestimmten (S. 524 Fig. 2), können wir nun auch a | b c d | e f g Farbe 8 QLi 2 QTI = Qs 1 a A 5 N ee Im | | ö 0-6705 100, 0 |100 | 100| 0 100 200° | 1 (Li) 0-660 |99-5 0-570-2 1-213,70-2 0-654 |99 1-0162-7|57-4| 1-9| 62-7 59-3 0-642 |98-2 1-8138-1137-1| 3-6|. 38-1 40:7 0.936 0-633 !96-60-3 | 3-427-7|27.8| 6-5 | 97-7 34-3 | 0.808 0-610 |87-611-15112-420-7 16-7 10-3 20-7 | 97 0.767 - 0-590 |70-711-7 |29-923-9|14-4 19 23-9 | 33-4 |.0.716 0-5685 43-51-5 156-536 |10.9!32 36 42-9 | 0.839 -0-5495 20-70-1 79-359 | 8.2|60-4, 59 68-6 | 0-86 0-542 | 3-811-4 \ge-alzs | 1.7177-8| 78 19-5 | 0.981 0-55 0 100 | 100 | 100 | 1.000 (TI) | Stab a giebt die Wellenlängen der Vergleichungsfarben an, beginnend mit Li 4 0.6705 und endigend mit TI A 0-535. b die Mengen der Componenten Li und Tl, nebst m,. e die der gemischten Farbe. „ d die Intensitäten des Stabes b, ausgedrückt in Intensitäten von 8. e die Intensität der Mischfarbe. f die Summe der Intensitäten, die unter d vorkommen und endlich g den verlangten Coöfficienten. Archiv £. A,u. Ph. 1884. Physio]. Abthlg. 35 546 F. ©. DoNnDers: für jede dieser Farben den Coöfficienten JLiL< TI : JLi + JTl berechnen, und zwar bei direeter Bestimmung von JLi und JTl aus dem in jedem Falle gefundenen q’ Li und q Tl. Ein Beispiel davon giebt vorstehende Tabelle, die mein rechtes Auge betrifft. Für % 0-660 und 0.654, wobei in der Gleichung noch kaum TI vor- kommt, verdient der Coöfficient noch kein Vertrauen und ist darum weg- gelassen. Wir sehen ihn nun sinken bis bei 0.590, nahezu dem Na-Gelb, um weiterhin wieder zu steigen bis 0.535, wo er für blosses Tl, gerade wie oben für blosses Li, gleich 1 wird. Der Coöfficient ist also am kleinsten, wo das Roth von Li und das Grün von Tl einander voll- kommen neutralisiren und bloss das Gelb übrig bleibt. Man kann die Mengen (die Spaltweiten), in Uebereinstimmung mit der Abscisse, auf das Interferenz-Spectrum zurückführen; weil aber bei dieser Reduction der Coöfficient der Intensitäten g der nämliche bleibt, habe ich es für überflüssig erachtet. Von gleichen Bestimmungen bei anderen Personen findet man die Resultate auf nachstehender Tabelle: I | III IV V V SE Be} | = = = = =) 2 > = 7 7 | 0.D. | o.D. 0.D. | 0.D 0.D.. |:0,8. WoD 0.6705. 1:000|1 1 1 1 1 1 2 (Li) | 0'633 '0:808 0.858 | 0:93 | 0:77 | 0-88 0-88 | 0:96 | 0:93 0-8 0:610 | 0-767 0.783, 0-75 , 0-57 |! 0-63 |0:78 | 0.75 ? 0-77 0.5895 0-716 0.712 0:63 | 0.64 | 0-66 0-44 | 0.45 0:54 |0- 0.5685) 0:8391| 0.798 | 0-73 | 0:69 | 0-73 1 0-723| 0-63 | 0:69 10-67 0.5495 0:86 |0-833, 0:81 | 0-89 | 0-88 |0-833| 0:78 ! 0:90 |0-79 0-542 10-981) 0-951 | 0-95 | 0-96 | 0-96 | 0.996 | 0-92 | 0-87 [0-90 0:535 |1-000|1 Dr 1 1 1 1 1 1 (TI) | In allen Vergleichungen finden wir den Coöffieienten < 1, die Mischung also von geringerer Intensität als die Summe der Intensitäten der Compo- nenten. Mit einer einzigen Ausnahme (III), fällt der kleinste Coöfficient auf 40.589, d. h. gerade wie bei mir auf das Na-Gelb: er wird hier bei Dr. Waelehli und auf einem der Augen des Dr. Sulzer selbst kleiner als 0-5; das Maximum 0.716 wird bei mir gefunden. Bei I, II, V sind FARBENGLEICHUNGEN. 547 die Bestimmungen zweimal angestellt zu verschiedenen Zeiten. Für die beiden Augen des Dr. Sulzer geschahen die Bestimmungen an einem und dem nämlichen Tage, später noch einmal ausschliesslich für das rechte Auge. Die Genauigkeit ist grösser, als man erwarten sollte, wenn man bedenkt, dass von den drei Vergleichungen, welche den Coöfficienten liefern müssen, bloss eine (( Lig Tl= Qs) isochromatisch, zwei ((Li= © s und q TI=@'s) heterochromatisch sind. In der Ausführung einer hetero- chromatischen Vergleichung liegt ein Schein von Willkür. Es ist als ob man ebensogut ein anderes Verhältniss wählen könnte. Aendert man aber die Intensität der einen der beiden Farben, dann hört schnell aller Zweifel auf und heisst es: nun bestimmt zu dunkel, nun bestimmt zu hell. Sucht man sich von seinen Empfindungen Rechenschaft zu geben, dann findet man die eine Farbe ihrer Natur nach heller, die andere dunkler, Na z. B- heller als TI, beide heller als Li. Bei der Vergleichung nun muss die helle wie durch einen Flor gemässigt werden — so wird ein umflortes Gelb gleich einem helleren Roth —, und anfänglich ist. man geneigt, den Liehteindruck des ersten zu gering zu schätzen. Um richtig zu urtheilen, darf das Auge nicht auf einer der beiden Farben verweilen, muss vielmehr mit gleichen Zwischenpausen immer von der einen auf die andere über- gehen und mehrmals auch die Grenze zwischen den beiden Farben, wo Intensitäts-Unterschied durch Conträst sich am stärksten ausspricht, hin und wieder durchlaufen. Vor Allem hüte man sich vor Vergleichung bei excentrischem Sehen: die Ergebnisse sind dann durchaus andere, und um diese ist es uns hier nicht zu thun. Um indessen jeden Zweifel auszuschliessen, liess ich, neben der ge- wöhnlichen, in den meisten Fällen auch derartige Vergleichungen anstellen von JLi= Js und JTl = Js, wobei die Intensität von s entschieden zu gross eingestellt wurde, und jedesmal stellte sich heraus, dass in der Nähe von D der Coöfficient auch dabei noch unter 1 blieb. Nur in der Nähe von TI und von Li, wo bei den gewöhnlichen Vergleichungen der Coöfficient sich schon der Einheit nähert, wurde er dann >1. | Noch sei erwähnt, dass stets mindestens zwei volle Reihen von Wahr- nehmungen gemacht wurden, eine aufsteigende und eine absteigende, mit Vermehrung der Anzahl, wo grosse Genauigkeit verlangt wurde, und dass für jede einzelne der Coöffieient berechnet und erst aus den Coöfficienten das Mittel gezogen ward. Um eine richtige Vorstellung von den Wahr- nehmungen und Berechnungen zu geben, sei mir erlaubt, hier eine einzelne Bestimmung im Ganzen aufzunehmen: "85" F. ©. DonDERS 948 Mengen von Intensitäten von Coöfficienten von A . |Mitt. : Dr Dr T1coL| | TI | Li T] 2. NSH| =T | mn Li | ) 232) 87 | 55 1233 | 218) 320 | 27:3 | 0725 0.849 0.610 [127 | 873 |j9.3 I 4 | 2981159 2411| | 400 0:745 | 11:9 | 881 29:6|13.3 [11:0 |240 | 22:4| 37:3 | 33:4 | 0:7940-769 |0-0245| 0.886 | 1295 | 70-5 | 2201271 128-5 | 556 0:432 EaR 0:5892]29-8 | 702295 02 | 263 301 194 195 | 161) 495 | 35:5 | 0,528 0-503 |0-047 | 0741 0:733 00085 29:2 | 70:8 Es 27.0290 |20-5 20-1 168 491 | 873 | 0:549| | 0.724 | ‚9094| 340 | 66:0 | 237|316 | 199 51-5 0As0le nn | 502 | 698° ® 2831381 12-9 |20-9 sl 49-0 | 40:6 [05.6 ODE DIET [gan | 572 | 42:8 | 37-9414 190 | | 604 0:626 | 0.5685[57-1 | 42-9 |57-43 36:2|36-0 |27-4 149 | 89| 50:9 36:3 | 0711 0:673 [0032 | 0.998 \y.g980-110 58-0 | 42:0 12 35-8|81-4 |28:5 [21-0 | 176| 52:4 461 | 0:683 0:777 | 84-2 | 15:8 0500, a6 75:9 0776 |). : | ee A a a Tal 8 | 6895| ser 19800 ESS emnde | 41. 1911 89 | or | 7983| 82-1 57 858 0.924 |. | SE 08 | g7 >12 9 180,915 685 96 | 481015 | 73:3 0867 Br 12005 FARBENGLEICHUNGEN. 549 Ist der Intensitäts-Coöfficient des Gemisches kaum mehr denn 0-5 bei Sulzer (rechtes Auge) und bei vielen Anderen, dann muss die Inten- sität der einen Componenten grösser sein können als die der Mischung beider. So lehren auch die Zahlen: J-Mischg. Pi». JLi Für Sulzer O. D. bei A 0.5892 27-1 28-5 Ö.S. = - 1 22.9 23.9 Später Ö.S. 1 21-3 19.3 20.9 Waelchli 5 24:6 22.8 26°6 Früher E | 25.6 | 21-2 30.5 | Für Andere gilt Solches nicht. So fanden: Donders bei A 0.5892 | 24.88 17.1 Kıerenaar- „ .y 5 30.25 21.4 Dies Ergebniss kann nun auch auf mehr directe Art geprüft werden. Hat man die Na-Gleichung eingestellt, dann schliesst man den Li-Spalt und bringt den einfachen auf Tl, mit gleicher Intensität als den TI-Spalt. Während diese also einander gleich sind, wird der Li-Spalt wieder geöffnet. Der erste Eindruck bei Sulzer, rechtes Auge, war der, dass die Mischung röther und heller war als das Tl; aber nach einigen Secunden verschwand das Roth und sank die Helligkeit auf und selbst unter die vom Tl. Das Nämliche fanden Dobberke und vor Allem Waelchli. Auch für mich wurde beim Oeffnen des Li-Spaltes die Farbe röthlich, um dann schnell dem Na-Gelb Platz zu machen, das nun gleichwohl sehr bestimmt licht- stärker war und blieb als das TI, — in Uebereinstimmung mit meinem grösseren Intensitäts-Coöfficienten des Gemisches. Dasselbe galt für Ka- genaar. Aber bei diesem kommt es vor, dass die Li-Componente die Mischung an Intensität übertrifft, nämlich bei A 0.61, wobei die von Li 26-5, die der Mischung 25 beträgt, und bei A 0'633, mit bezüg- lichen Intensitäten von 35-5 und 31.5: Kagenaar aber hatte, wie wir früher sahen, JLi:JNa besonders gross. Wie die Ziffern ausweisen, muss bei Sulzer und Waelchli auch der Li-Spalt durch das zutretende ‘ TI etwas an Intensität verlieren. — Sehr überraschend ist die Schnelligkeit, womit das Ueberwiegende der hinzutretenden Farbe verschwindet und dabei zugleich die Intensität des Gemisches abnimmt. Der Vorgang verdient ein näheres Studium. — Die Experimente wurden nicht nur mit dem Verhältniss Li: TI der Na-Gleichung angestellt, sondern. für alle die 550 | F. ©. DonDErs: übrigen Vergleichungen, über die die Tabellen Aufschluss geben. Von geringeren (Quantitäten Li, die zum TI gefügt wurden, konnte ich im Augenblick selbst den Einfluss auf Farbe und Intensität noch deutlich wahrnehmen, aber beim Verschwinden des Einflusses auf die Farbe wurde der auf die Intensität auch zweifelhaft. Im Allgemeinen entsprechen auch bei Anderen die Ergebnisse dem, was sich aus der Tabelle vor- hersehen liess. Das hier über die relative Intensität von Farben-Mischungen Mitge- theilte hat ausschliesslich Bezug auf den normalen Farbensinn. Hier findet man nun weiter die von Blonk und Snel erhaltenen Resultate auf- geführt, von denen der Erste einen herabgesetzten, der Zweite einen sehr schwachen Farbensinn hat. Von beiden besitzen wir zwei Reihen von Be- obachtungen, gleich ausführlich wie die von Sulzer (Tab., 8. 548); aber es wird genügen, hier die Resultate von den als richtig erkannten Einstel- lungen und die Mittelwerthe anzugeben. Blonk Snel + Reihe 1 | Reihe 2 Mittel | Reihe 1 | Reihe 2 Mittel 0.633 0-68 0:62 0:65 0:79 0.88 0835 0610 0°65 0:54 0.595 | 0.61 0:72 0.665 05895 0:49 0-61 0:55 093 0.85 0:89 05685 0:88 0-70 0.79 1.03 0:93 0:98 05495 1:00 1) 0:95 ‘9 0.86 0:89 0'542 0.98 1:01 0:995 | 0-89 0:97 0.93 Man sieht, dass bei Blonk die Vergleichungen ziemlich mit denen des normalen Farbensinnes stimmen, im Allgemeinen mit etwas grösseren Coefficienten; dass sie aber bei Snel sehr unregelmässig sind und viel mehr der Einheit sich nähern. Sie bilden als solche den Uebergang zu den Coefficienten bei Roth- und Grünblinden, die so wenig von der Einheit abweichen, dass wir kein Recht haben anzunehmen, dass die Intensitäten der Mischungen von denen der Summen der Componenten abweichen. Dies ergiebt sich aus nachstehender Tabelle, die uns die Coöfficienten giebt von einem Normalen und fünf Farbenblinden: indem die Letzteren die Farben nicht unterscheiden, konnte nicht, wie oben, von einfachen Farben ausgegangen, sondern mussten bestimmte Mengen TI und Li den Gleichungen zu Grunde gelegt werden. FARBENGLEICHUNGEN. | 12,8, 8 | Ll._r'8 — a ELTA SE . Genderen Stort nor- | 90 10 .|34-1 90 133.9 10 | 254.130. 944 u. pet 30 | 70 [26-1 | 80. 21.7 | 70 19-1 |0-688 y. Elfrinkhof . jroth- 90 |- 10 167-0 | 90 |6T-4 | 10 0-8 | 0.982 | blind.| 90 | 70 a9-2 | 30 27-2 | 70 |2-6 | 0-976 10 | 90 145 | 10 111-8 | 90 13-5 | 0.947 >| 95 121 | 5 |68 | 95 4-9 | 1.086 Ba. Weide . „| 5 95 [1106| 5 17.62 | 95 | 3.94 | 0.007 Wenckebach . | „ Da us 328,08 | 2.4 21 .0-988 ya 9 05 | 05 9-8, | 1-06 Ed. Zip grün) 90 | 10 Jao-4 | so Ia0-7 | 10 |2-3 | 1.924 RE: blind. 30 | 70 |a8-3 | so 18 | 70/81 11-11 inkert . E1480.,1.,70,..02.8 30 [12.1 | 70 11-2 0.978 - | Bei van Genderen Stort allein, der normalen Farbensinn hat, ist der Coöfficient von 8070 Li weit unterhalb Eins, nämlich 0.638, also übereinstimmend mit denen von mir und Anderen mit normalem Far- bensinn. Bei den drei Folgenden, sämmtlich Rothblinden, hat der grosse Coefhi- cient nur bei Li 90 und Li 95 Bedeutung, weil dabei erst die Intensität von Li gegenüber der von Tl in Betracht kommt: dabei schwanken die Coöfficienten nur zwischen 0.947 und 1.036 und bewegen sich also um die Einheit. Bei den zwei Letzten, Grünblinden, hat man nur auf das 70 Li>30TI zu achten, eine Combination, welche bei Normalen einen Coöfficienten von ungefähr 0-6 giebt und hier in beiden Fällen > 1 ist und so jedenfalls als 1 angesehen werden darf. Es liegt auf der Hand, dies Ergebniss mit der Gleichheit des Cha- rakters der beiden Farben Tl und Li, welche beide für Farbenblinden zur warmen Farbe gehören, in Verbindung zu bringen. Nach Allem, was mitgetheilt worden, kann wohl kein Zweifel über - das Resultat bestehen, dass, wenn Roth und Grün einander neutralisiren, die Intensität ansehnlich geringer ist als die Summe der Intensitäten beider. Dies Ergebniss überraschte mich. 552 F. ©. DonDErRs: FARBENGLEICHUNGEN. Bei schon früher mit Dr. Waelchli angestellten Experimenten hatte sich uns ergeben, dass Weiss, welches aus Gelb und Indigo oder Purpur hergestellt wird, die Componenten von Gelb weit übertraf und an Inten- sität gleich geschätzt werden durfte mit der Summe der Intensitäten von Gelb und Purpur. Zuvor hatte Weinhold! bei gleichartigen Versuchen - schon ein gleiches Resultat gewonnen und auch Brücke? fand, dass nicht-speetrale Farbenpaare (er sagt es ausdrücklich von Roth und Blau) eine Mischung bilden, welche an Intensität gleich steht mit der Summe derjenigen der Componenten. | Ueber die Bedeutung der, für Mischungen von TI und Li jetzt sicher festgestellten Thatsache werde ich mich nicht verbreiten, bevor ich ähnliche Vergleichungen für die Combination an den verschiedenen Spec- tralfarben, sowohl der an einander grenzenden einfachen, als der weiter auseinander gelegenen mit der erforderlichen Genauigkeit angestellt haben werde. Vorläufig möge hingewiesen werden auf meine Mittheilung®, dass, ebenso wie für Mischungen von Li-Roth und Tl-Grün, die Intensitäten von Mischungen von Na-Gelb (A 0.5892) und Blaugrün (A 0.503) geringer sind als die Summen der Intensitäten der Componenten (Waelchli, Straub, Donders). Später hat sich ergeben, dass für Mischungen von Na und Li und von Li und TI der Coöfficient nicht oder kaum von der Einheit ab- weicht. Für Mischungen von Roth und Blau oder Indigo (die in Sättigung stets weit unter dem entsprechenden Violett bleiben) ist der Coefficient viel niedriger (Donders, Straub). ı Poggendorff’s Annalen. Bd.H. N. F. 1877. 8. 631. 2 Sitzungsberichte der Wiener Akademie der Wissenschaften. 1882. Bd. LXXXIV. Abth. 3. 8. 440. 3 Kon. Akad. van Wetenschappen. Zitting van 20. December 1883. ; Experimentelle Beiträge zur Physiologie des Fischgehirnes. Von Dr. Margarethe Traube-Mengarini. (Aus dem physiologischen Institut der Berliner Universität.) Auf Veranlassung des Hrn. Prof. Arthur Christiani und unter dessen Leitung stellte ich seit dem November vorigen Jahres an den mir in Berlin zugänglichen Süsswasserfischen, die hier nachstehend mitgetheilten Untersuchungen an, die ich späterhin an Seefischen zu verfolgen gedenke. Da die verschiedenen Forscher bisher über die Benennung der mitt- leren Theile des Fischgehirnes sich nicht haben einigen können, will ich, um durch die Namengebung nicht zu praejudiciren, von den Fischgehirnen Abbildungen geben (Figg. 1 bis 4), und durch die lateinischen Ziffern II, II, IV die bei meinen Untersuchungen in Frage kommenden Theile bezeichnen. Soweit aber auch sonst die Ansichten über die Bedeutung der Theile des. Fischgehirnes auseinander gehen, darüber ist man einig, dass die letzte, über dem vierten Ventrikel (IV) gelegene Anschwellung als Cerebellum zu bezeichnen ist. Diese Benennung behalte ich deshalb bei. Von physiologischen Untersuchungen am Fischgehirn existiren, soweit ich es ermitteln konnte, nur die von Vulpian und Philipeaux! und die von Ferrier.? Ferrier, der mit den erstgenannten Forschern bis auf einen unten (s. S. 557) näher zu besprechenden Punkt in den Hauptsachen übereinstimmt, stellt folgende Behauptungen auf: 1) Die Entfernung der Grosshirnhemisphaeren zieht keine Gleichgewichts- störungen nach sich. ! Lecons sur la physiologie generale et comparde du systeme nerveux. Paris 1866. 2 Die Functionen des Gehirnes. Uebersetzt von Obersteiner, Braunschweig 1879. 554 MARGARETHE TRAUBE-MENGARINI: 2) Oberflächliche Verletzung der Vierhügel (Lobi optici) hat deutliche Unregelmässigheiten in der Aequilibration zur Folge. Vollständige Abtra- gung derselben macht die Aequilibration und Locomotion gänzlich unmög- lich. Die Action der Lobi optici ist keine directe, d. h. mit der Reizung gleichseitige. | 3) Verletzungen des Kleinhirnes machen coordinirte Schwimmbewe- gungen nicht unmöglich; jedoch schwimmen die Thiere nach einer Verletzung desselben auf einer Seite oder auf dem Rücken und halten niemals wieder ihre normale Stellung und Gleichgewichtslage ein. | 4) Die Fähigkeit der Fortbewegung ist dem Fische, der nur noch das Kleinhirn besitzt, verloren. 5) Die Lobi optici sind zum Unterschiede von den Grosshirnhemi- sphaeren gegen die verschiedenen Reizformen sehr empfindlich. Was meine Untersuchungen betrifft, so bediente ich mich des von Hrn. Prof. Christiani angegebenen höchst einfachen Verfahrens, die Schädelhöhle in kürzester Zeit durch Absprengung der Deekknochen mittels der Knochenzange freizulegen. Bei den Fischen mit dünner Kopfhaut wird sogar diese nicht einmal erst abgetrennt; bei den anderen, z. B. bei Silurus und Lota wird die leder- artige Kopfhaut in der Medianlinie aufgeschnitten und zur Seite geschlagen. Am zweckmässigsten geht man mit der Zange dicht hinter dem Auge ein. Dann gelingt es mit einem oder zwei Ansätzen, die dünnen Parietal- knochen des Fisches weit genug abzusprengen, um das die Schädelhöhle bekanntlich sehr unvollständig, namentlich nach obenhin, ausfüllende Ge- hirn freizulegen. Es galt zunächst festzustellen, ob diese Operation, vor allen Dingen aber die erzielte Offenlegung der Schädelhöhle, nicht allein schon genügte, um den Fisch in einen abnormen Zustand zu bringen und dadurch die darauf folgenden Versuche zu entwerthen. Dass die Operation als solche für den Fisch ohne besondere Gefahr verläuft, wird wohl Niemand bezweifeln, der je mit Fischen experimentirt hat. Nur ist möglichst schnell zu operiren, einmal, um den Fisch nicht zu lange in der Luft zu behalten, andererseits aber auch, um venöse Stauungen und Blutungen zu vermeiden. Ein schädlicher Einfluss von dem Contacte des Gehirnes mit Luft und Wasser erscheint von vornherein zwar als das am schwersten zu Vermeidende; allein ein solcher ist, wie meine Unter- suchungen mir ergaben, keineswegs vorhanden, indem das der Schädeldecke EXPERIMENTELLE BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES FISCHGEHIRNES. 555 beraubte Gehirn mit beiden Medien zunächst gar nicht in Berührung kommt, sondern völlig isolirt bleibt. Die Isolirung wird durch eine Fett- masse bewirkt, welche die, wie oben bemerkt, für das Gehirn viel zu grosse 'Schädelhöhle im Uebrigen ganz ausfüllt. Diese Fettmasse ist völlig durch- sichtig und farblos bei all’ den Fischen, welche ich daraufhin untersucht habe, mit Ausnahme des Karpfens. Bei diesem ist sie grau, undurchsichtig und mit pigmentirtem Bindegewebe durchsetzt. Ich habe es deshalb sehr ‚bald aufgegeben, diesen Fisch als Versuchsthier in den Fällen zu benutzen, die einen Einblick in das lebende Gehirn fordern, da eine Entfernung dieser Fettmasse nicht zulässig erscheint. Pinselt man nämlich äusserst vorsichtig diese Masse aus und bringt so das Gehirn in Contact mit Wasser, so werden die Thiere sehr bald matt und verlieren das Gleichgewicht schon ohne Weiteres Zuthun des Experimentators, offenbar durch den schädlichen Einfluss der directen Berührung der nervösen Gebilde mit dem Aufenthalts- wasser. Setzt man einen operirten Fisch, dem die Fettmasse erhalten ist, in das Wasser zurück, so schwimmt er hurtig davon, macht einige heftige Bewegungen, um sich der lästigen Luft zu entledigen, und kehrt dann zu seinem gewöhnlichen Verhalten zurück. Wie lange ein solcher Fisch sich zu halten vermag, habe ich nie ab- gewartet. Ich kann nur sagen, dass er länger, als es für die sämmtlichen Beobachtungen nöthig ist, ganz wohl und munter bleibt und sich in seinem Verhalten von dem nicht operirter Fische durchaus nicht unterscheidet. Als Versuchsthiere dienten mir hauptsächlich: Esox lucius, Lota vulgaris, Silurus glanis. Ausserdem: | Cyprinus carpio, Cyprinus carassius, Tinea chrysitis. Die Resultate waren bei allen dieselben. Anstatt die Schädelhöhle frei zu legen, und dann zu operiren, ist es in Fällen, in denen es sich um einmalige Einstiche in vorher bestimmte Punkte handelt, zweckmässig, mit einer starken Nadel in die geschlossene Schädelhöhle einzugehen. Ich bediente mich daza einer an der Spitze leicht abgestumpften Pfrieme. Es ist leicht an der äusseren Haut der verschiedenen Fische Punkte festzustellen, bei deren Durchbohrung man eine bestimmte der hinter einander liegenden Anschwellungen des Gehirnes in der Medianlinie und seitlich trifft. Als solche Anhaltspunkte für die 956 MARGARETHE TRAUBE-MENGARINTI: Lage der verschiedenen Anschwellungen dienen die Augen und die hinter ihnen gelegenen Knochenvorsprünge. | Da für einige der Operationen einfache Nadelstiche genügen, die nach- her wohl im Knochen, nicht aber im Gehirn wiederzufinden sind, muss man diese vor der Section durch nochmaliges Eingehen in die Stichwunde etwas vergrössern, um sie überhaupt sichtbar zu machen. Ich ging in meinen Untersuchungen folgweise von den hinter den Bulbi olfactorii gelegenen Anschwellungen bis zum Cerebellum vor. Was die gänzliche Abtrennung der sogenannten Grosshirnhemisphaeren betrifft, so kann ich Ferrier’s Resultate nur bestätigen. Die Thiere halten sich nach wie vor auf dem Bauche und ihre Locomotion bleibt normal. Gleich negativen Erfolg hat die mediane Trennung dieser Anschwellung. Seitliche Verletzungen ergeben Reitbahnbewegungen nach der gesunden Seite. Ebenso kann ich die Behauptung Ferrier’s, dass gänzliche Ab- trennung der Lobi optici den Fisch dauernd aus dem Gleichgewicht bringe, nur bestätigen. Nicht ein Gleiches ist der Fall mit folgender Angabe Ferrier’s:! „In einer Reihe von ähnlichen Versuchen (wie die am Frosche) welche ich an Fischen anstellte, habe ich gefunden, dass oberflächliche Verletzung der Lobi optici deutliche Unregelmässigkeit in der Bewegung hervorruft, in der Weise, dass das Thier bald auf der einen, bald auf der anderen Seite, oder auf dem Rücken schwimmt, oder sich um seine Längsaxe rollt, aber niemals im Stande ist, in seiner normalen Stellung zu schwimmen.“ Mit dieser Angabe Ferrier’s kann ich meine Befunde nicht in Ein- klang bringen. Es genügt hier, einige Versuche anzuführen, aus denen hervorgeht, dass oberflächliche Verletzungen, d. h. solche, die nicht die Basis von III trafen, nichts weiter als die gewöhnlichen reitbahnartigen Zwangsbewegungen bewirkten, und dass diese Störungen durch symmetrische Verletzungen corrigirt werden konnten. Auch die Rollbewegungen um die Längsaxe ergaben sich mir als Fol- gen seitlicher Verletzungen und zwar wahrscheinlich seitlicher Verletzungen der Basis von III, die ebenfalls symmetrisch corrigirt werden konnten. Ich habe wenigstens Rollbewegungen um die Längsaxe nach seitlicher Ver- letzung von III stets nur dann beobachtet, wenn die Basis mit verletzt war. Versuch 4. Einem Silurus soll nach Blosslegung der Schädelhöhle mit einer kleinen Trocarthülse die Mitte von III ausgestochen werden. Der Durchstich fällt aber seitlich ein und trifft nur die über der Basis gelegenen Theile. Das Thier bleibt auf dem Bauche und macht Reitbahnbewegungen. : 7A. OU EXPERIMENTELLE BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES FISCHGEHIRNES. 557 Versuch 7. Eine kleine Lota wird auf der linken Seite von III an- gestochen. Sie macht Reitbahnbewegungen nach rechts. Correction durch symmetrischen Einstich rechts. Das Thier schwimmt darauf, wie im ge- sunden Zustande. Versuch 34. Einem Hecht wird die Schädelhöhle blossgelegt. Das nervöse Gebilde, welches als Dach von III Jedem verständlich bezeichnet werden darf, wird abgetragen, so dass die Basis mit ihren ganglienartigen Anschwellungen freiliegt: Das Thier schwimmt weiter auf dem Bauch. Versuch 17. Einer Lota wird ein Einstich in die geschlossene Schädel- höhle gemacht. Es erfolgen Rollbewegungen mit Seitenlage wechselnd. Die Section ergiebt, dass der Einstich seitlich in III En, ist und den gleich- seitigen Lobus inferior durchbohrt hat. Ich führe nun einen der Fälle an, in denen die auf eine seitliche Ver- letzung erfolgte Rollbewegung durch symmetrische Verletzung wieder auf- gehoben wird. Der Versuch führt gleichzeitig ein anderes Phaenomen ein, nämlich die für Zerstörung einer ganz bestimmten mittleren Stelle charak- teristische Seitenlage des Fisches, worauf ich später zurückkomme. Versuch 10. Einstich in die geschlossene Schädelhöhle einer Lota: Seitenlage, die durch Rollbewegung unterbrochen wird. Durch Correetion des etwas seitlich ausgefallenen Stiches Seitenlage ‚ohne Rollbewegung; ver- langsamte und vertiefte Athmung. Ich komme jetzt zu den auf Verletzung des Cerebellums eintretenden Störungen. Ferrier hält im Gegensatz zu Philipeaux und Vulpian, die dem Cerebellum jeden Einfluss auf die Locomotion und Aequilibration absprechen, aufrecht, dass zwar „Verletzungen des Kleinhirns die coordinirten Schwimm- bewegungen nicht unmöglich machen,“ doch habe er „regelmässig beobach- tet, dass die Thiere nach einer Verletzung desselben entweder auf der Seite oder auf dem Rücken schwimmen, und niemals ihre normale Stellung und Gleichgewichtslage einhalten.“ Hierzu kann ich nur bemerken, dass, soweit man aus der Untersuchung an zwei verhältnissmässig nahe verwandten Fischen allgemeine Schlüsse ziehen darf, die von Vulpian und Philipeaux gemachte Angabe zu Recht besteht, indem nach meinen Versuchen durch Entfernung des Cerebellums der Fische weder Locomotion noch Aequilibration beeinflusst wird. Meine hierauf bezüglichen Versuche beschränkten sich auf Esox und Lota, da bei den anderen mir zu Gebote stehenden Arten eine gänzliche Abtragung des Cerebellums ohne Verletzung der directen Verbindung zwischen 558 MARGARETHE TRAUBE-MENGARINI: _ der Medulla und den übrigen Hirntheilen mir unmöglich schien. Bei Esox und Lota hingegen liegt das Cerebellum frei über dem vierten Ventrikel und ist nur an der vorderen Seite mit dem übrigen Gehirn ver- wachsen, so dass es ein Leichtes ist, jegliche Operation an demselben aus- zuführen oder es auch gänzlich abzutragen. Ich führe hier einige Versuche an, die zeigen, dass dem Fische nicht nur die Locomotion, sondern auch die Aequilibration nach Abtragung des ganzen Cerebellums erhalten bleibt, wie auch, dass die durch Verletzung desselben herbeigeführten Zwangsbewegungen durch seine gänzliche Abtra- gung corrigirt werden können. Versuch 14. Einem Hecht wird die Schädelhöhle blossgelegt. Nach gänzlicher Abtragung des Cerebellums schwimmt das Thier in seiner ge- wöhnlichen Lage weiter; zuerst aufgeregt, später normal. Es nimmt auch nicht einmal vorübergehend Seiten- oder Rückenlage ein. Versuch 32. Einer kleinen Lota wird die Schädelhöhle geöffnet. Ein- seitige Verletzung des Cerebellums hat Reitbahnbewegung zur Folge. Diese hört mit der gänzlichen Abtragung des Öerebellums auf, ohne dass das Thier aus seiner Bauchlage irgendwie aufgestört oder in seinen Schwimm- bewegungen gehemmt wurde. Ich gehe jetzt zu den Operationen an-III über, die von den bisher erwähnten dadurch streng geschieden sind, dass ihre Folgen weder durch corrigirende Stiche oder’ Schnitte, noch durch Abtragung der ganzen An- schwellung aufzuheben sind. Zunächst fällt es auf, wie viel heftiger der Fisch auf jeden in III applieirten Reiz reagirt. Ich komme später noch auf die Reizerscheinungen der verschiedenen Centren zurück. Hier spreche ich von den allgemeinen Erscheinungen, die sich darbieten, wenn man die Basis III mit einer elek- trischen Pincette berührt, oder sie durch leichte Stiche mit einer ganz feinen Nadel reizt. Derartige Reize auf die anderen Anschwellungen haben gar keinen sichtbaren Erfolg. Jeder Reiz auf III hingegen, bringt bei dem Fische Abwehrbewegungen mit dem Kopfe hervor, als suche er ihm etwas äusserst Unangenehmes zu beseitigen. Besonders charakteristisch ist dann auch sein Schnellen an die Oberfläche und das Bedürfniss, von Zeit zu Zeit Luft zu schnappen. Dieses Schnappen von Luft und das Ausstossen min- destens eines Theiles derselben durch die Kiemen kann man an jedem in - Athemnoth versetzten Fisch beobachten!; und dies spricht schon an und ı Vgl. Dr. C. Sachs’ Untersuchungen am Zitteraal. Herausgegeben von E. du Bois-Reymond. Leipzig 1881. 8. 98. EXPERIMENTELLE BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES FISCHGEHIRNES. 559 für sich für den Zusammenhang von III mit der Respiration, wie das auch der gröbste der angestellten Versuche zeigt. Trägt man nämlich die Lobi optiei gänzlich ab, so liegt nicht nur, wie Ferrier ganz richtig sagt, das Thier auf der Seite und ist unfähig, sich vorwärts zu bringen, sondern es kann zuerst die Athmung bis eine halbe Stunde und wohl noch länger aussetzen, um schliesslich ganz unregel- mässig wieder zu beginnen: es wechseln dann minutenlange Pausen mit kurzen, ganz schwachen Athemzügen, die nicht mehr durch Aufreissen des Maules, sondern nur noch durch Zucken der Kiemendeckel hervorge- bracht werden. In diesem Zustande befindet sich ein Fisch, dem ausser der Medulla nur noch das Cerebellum erhalten ist. Es ist ganz unmöglich, die mitt- lere Anschwellung völlig ausser Spiel zu bringen, ohne zugleich die Ver- bindung zwischen Medulla und den vorderen Anschwellungen (II) zu zerstören. Dieser Umstand, dass gleichzeitige Abtrennung der Grosshirnhemis- phaeren die völlige Fortnahme von III nothwendig begleitet, erschüttert jedoch die Behauptung nicht, dass auch die alleinige Ausschaltung von III Aequilibration und Locomotion aufheben und die Athmung hemmen würde. Denn erstens haben wir schon gesehen, dass die sogenannten Grosshirnhemisphaeren dem Thiere genommen werden können, ohne diese Functionen zu beeinträchtigen, und zweitens werde ich gleich zeigen, dass es sogar nicht einmal nöthig ist, die ganze Basis zu zerstören, — das Dach der Anschwellung kommt, wie ich schon oben S. 557 gezeigt habe, überhaupt nicht in Betracht — sondern dass es sich hier um Stellen von sehr geringer Ausdehnung handelt, deren Zerstörung allein genügt, den Fisch um gewisse Functionen zu bringen. Charakteristisch, wie die Folgen dieser localisirten Zerstörungen, sind auch die Folgen von Reizen an den betreffenden Stellen. | Diese Stellen, („Centren‘“) finden sich an der Basis von III und zwar genau auf der Medianlinie.e Sie entsprechen denen, die Hr. Professor Christiani am Boden des dritten Ventrikels im Kaninchengehirne ge- funden hat und zwar in etwas verändeter Reihenfolge. Sie liegen so nahe hintereinander, dass ihre isolirte Zerstörung nur unvollkommen gelingt. Ich führe deshalb zuerst die Reizversuche an, die ihre ganz specielle Natur am klarsten zeigen. Die Reize wurden haupt- sächlich durch die elektrische Pincette und einen ganz schwachen Induc- tionsstrom bewirkt, der eben noch auf der Zunge fühlbar ist. Aber auch mechanische Reize, bestehend in leicht auf die unterliegenden Theile drückenden Nadelstichen, wurden angewendet. Ausserdem versteht es sich von selbst, dass auch jeder zerstörende Stich oder Schnitt als mit einem 560 MARGARETHE TRAUBE-MENGARINI: | augenblicklichen, vorübergehenden Reiz der betreffenden Stelle verbunden, berücksichtigt wurde. Versuch 14: Einer Lota wird die Schädelhöhle blossgelegt. Leichtes Einstechen kurz vor Anfang der Medianlinie von III und Reizung mit der elektrischen Pincette beschleunigen die Athmung. Versuch 30. Dieselbe Operation. Der Inductionsstrom wird ange- wendet. Als Elektroden dienen feine und nur durch eine dünne Schicht von Seidenfäden getrennte Nähnadelspitzen. Auf Reizung des Beginns der Medianlinie steigt die Athemfrequenz von 22 auf 30 in der Minute, Eingehen in der Mitte hat Stillstehen der Athmung zur Folge. Vorsuch 32: Dasselbe Verfahren. Ein Einstich am Beginn der Me- dianlinie hat heftige Inspirationen zur Folge. Versuch 35: Einem Hecht wird durch Stich mit der Pfrieme in die geschlossene Schädelhöhle eingedrungen. Er wird dunkel und fällt auf die Seite; bewegt noch die Flossen, ohne sich vorwärts zu bringen. Athmung beschleunigt, aber regelmässig. Elektrische Reizung in die Einstichsstelle hat Tetanus sur Folge. Der Stich fiel, wie die Section ergab, in III auf die Grenze zwischen erstem und zweitem Drittel. Aus diesen Versuchen geht hervor, dass ein Reiz am Beginn der Medianlinie von III die Respiration beschleunigt, dass in der Mitte von III auf denselben Reiz Hemmung der Athmung eintritt, und schliesslich, dass zwischen beiden Stellen eine Stelle ist, deren Reiz Tetanus bewirkt. Wenn ich beim Fische von Inspirationen und Exspirationen spreche, so geschieht das im Sinne von Flourens’, der als Kennzeichen für stattfindende Inspi- ration Aufreissen des Maules und Ausdehnung des Kiemenkorbes hinstellt, und als Exspirationszeichen Aufreissen der Kiemenspalten. Bei Reizung des ersten Centrums machen sich besonders tiefe Inspirationen geltend, bei Reizung des dritten steht die Athmung mit Aufreissen der Kiemen still. Unter Annahme der von Flourens gegebenen Kennzeichen stimmen meine Beobachtungen, wie man sieht, mit denen von Hın. Prof. Christiani! am Kaninchen gemachten Befunden über im Mittelgehirn gelegene Athem- centren überein. Wenn auch zum Theil die drei beschriebenen Centren in einander überzugehen scheinen, so bleiben sie doch insofern von einander trennbar, als die Wirkung des durch den Ort des Einstiches direct Gewählten stets in ganzer Grösse auftritt, während die von dem nur in Mitleidenschaft gezogenen beobachteten Centrum ausgehende unvollständiger ausfällt. 1 Monatsberichte der Berliner Akademie. 1881. 8. 213. EXPERIMENTELLE BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES FISCHGEHIRNES. 561 Ich führe zuerst die Versuche an, in denen gleichzeitig alle drei Centren durch einen Schnitt längs der Medianlinie ausgeschaltet werden. Versuch 1: Einem Silurus wird die Schädelhöhle blossgelegt. Nach- dem ihm die mittlere Anschwellung der Länge nach gespalten ist, geräth er dauernd in die Seitenlage. Die Bewegungen der Flossen haben auf- gehört. Nur der Schwanz bewegt sich noch. Mit dem Schnitt haben die Athembewegungen aufgehört. Während der Schnittführung Tetanus. Auf Reiz des vierten Ventrikels stellen sich dann wieder schwache und unregelmässige Respirationen ein. Der Längsschnitt in der Medianlinie von III hat stets denselben, eben berich- teten Erfolg. Ich führe nun ein Beispiel an von unvollkommen gestörter Coordination, d.h. von Erhaltung der Locomotion bei Auf- hebung der Aeguilibration. In diesen Fällen ist die Verletzung mehr nach vorn gefallen. Versuch 3: Einem Silurus wird mit einer kleinen Trocarthülse das in Fig. 1 kreisförmig punktirte Stück ausgestochen. Er athmet beschleunigter, schnappt an der Oberfläche Luft; schwimmt aber nur noch in der Rückenlage, aus der er sich bei der Fortbewegung nicht mehr umzuwenden Fig: 1. vermag; wenn er still liegt, liegt er auf Gehirn von Silurus glanis. der Seite. Rückenansicht. In diesem Falle, in dem der Fisch noch der zur Locomotion nöthigen Bewegungen mächtig ist, scheint er allein die Herrschaft über seine Schwimmblase verloren zu haben, die für seine Aequilibration hauptsächlich in Betracht kommt. Vergleichsweise entleerte ich einem Fische nach dem Vorgehen Armand Moreau’s die Schwimmblase mit dem Trocart. Die Aehnlichkeit im Verhalten eines Fisches mit von Gas entleerter Schwimm- blase mit einem gleicher Art, der die Herrschaft über die gasführende Schwimmblase verloren hat, ist frappant bis auf den Umstand, dass der eine an den Boden gebannt ist, während sich der andere an der Oberfläche halten kann. Beide athmen beschleunigt, beide machen die äussersten Anstrengungen, von Zeit zu Zeit Luft zu schnappen. Der Archiv f. A.u.Ph. 1884. Physiol, Abthlg. | 36 562 MARGARETHE TRAUBE-MENGARINT: Fisch ohne Gas in der Blase schnellt sich zu diesem Behufe im Sprunge in die Höhe und kann so bei geringer Tiefe die Oberfläche erreichen. Beide Fische sind aufgeregter, als es gewöhnlich ihre Fischnatur zulässt, und sind unfähig, sich in der Bauchlage zu halten, auch wenn ihnen von aussen dazu verholfen wird. Ich gehe jetzt zu den Fällen über, in denen direct das mittlere Centrum zerstört und die vor oder die hinter liegende Stelle gleichzeitig leicht mitgereizt wurde. Der erste anzuführende Fall gehört zwar zum Theil in die corrigir- baren Verletzungen; er ist aber so schlagend, dass ich ihn hier nicht auslassen mochte. Versuch 7: Einer kleinen Lota wird auf der linken Seite von II auf der Grenze zwischen erstem und zweitem Drittel ein Einstich gemacht. Es folgt Reitbahnbewegung nach rechts. Durch symmetrischen Einstich rechts wird corrigirt. Das Thier schwimmt wie in gesundem Zustande. Darauf wird auf der transversalen Linie zwischen beiden Einstichen ein dritter genau in der Mitte gemacht. Es erfolgt dauernde Seitenlage und die Athmung wird beschleunigt. Diese Seitenlage ist das wahrhaft Charakteristische eines seiner Coordinationsbewegungen auf die angeführte Weise beraubten Fisches. Das Thier bildet, auf einer Seite liegend, einen Bogen; der die vordere Abtheilung der Schwimmblase enthaltende Körper- theil kommt dabei am höchsten zu liegen; der Kopf liegt ein wenig tiefer und der übrige Körper hängt ganz tief herab in der Weise, dass das Thier bei geringer Wassertiefe sich mit der Schwanzflosse gegen den Boden des Bassins stemmt; die Flossen spielen noch. Wie man sieht, ist der Anblick des so operirten Fisches von dem todter oder kranker, gleichgewichtsloser Fische noch sehr verschieden. Aber noch unter anderen Umständen, als nach der operativen Zer- störung, kann die für die Verletzung der mittleren Stelle charakteristische Lage eingenommen werden. So habe ich dieselbe beobachtet: erstens einmal bei einer Lota, die ganz mit Saprolegnien bedeckt war. Sie lag in der operirten Fischen charakteristischen Lage; die Athmung war lang- sam und unregelmässig. Zeitweilig Schnappen nach Luft. Die Section ergab eine merkwürdige Veränderung des Gehirnes. Nur die Medulla hatte ein normales Aussehen. Die übrigen Anschwellungen waren ungemein blass und von gallertartiger Consistenz. Der zweite Fall betrifft Goldfische. Dieselben hielten sich ungefähr in der Lage der operirten Lota. Ein Goldfisch, dem ich die vordere Schwimmblase entleert hatte, stand darnach stundenlang Kopf. Diese gezwungenen Stellungen müssen also jedenfalls ihren Grund in einer unpassenden Vertheilung der Schwimmblasgase haben. Ich führe EXPERIMENTELLE BEITRÄGE ZUR PHYSioLOGIE DES FISCHGEHIRNES. 563 noch einige Beispiele an, welche noch eine andere Wirkung der Zerstörung des mittleren Centrums kennen lehren. Versuch 35: Einem hellolivengrünen Hecht wird in die geschlossene Schädelhöhle eingestochen. Er fällt auf die Seite; bewegt noch die Flossen, ohne sich vorwärts zu bringen; Athmung beschleunigt, aber regelmässig. Mit dem Eintreffen des Stiches wurde das Thier sofort tiefdunkel. Es wird aus dem Wasser genommen und an der Einstichsstelle elektrisch gereizt. Der Erfolg ist Tetanus, Hellwerden und Erweiterung der Pupille. Bei elektrischer Reizung etwas mehr nach hinten vom ersten Stich geht die Aufhellung weiter; die Pupille verengert sich. Dieser in Verdunkelung bestehende Farbenwechsel ist für die Verletzung der genannten Stelle charakteristisch bei Esox und Lota; weniger auffallend, wenngleich auch stets nachweisbar, zeigt sich die Erscheinung bei Silurus. Einstiche in das sogen. Grosshirn (II) bleiben in dieser Hinsicht resultatlos. Hingegen kann man eine Verdunkelung auch bei Zerstörung des kückenmarks beobachten. Seitliche Verletzung von III hat halbseitiges Dunkelwerden des Kopfes zur Folge, wie aus folgendem Versuche hervorgeht: Einem Hecht wird seitlich in das erste Viertel von III eingestochen. Es folgt Reitbahnbewegung und halbseitige Verdunkelung des Kopfes, der Fisch war hellolivengrün und sein Kopf wird nun auf einer Seite dunkelgrün, fast: schwarz. Psychische Reize, welche, wie leicht beobachtbar, den normalen Hecht ganz hell werden lassen, vermögen den durch Zerstörung des mittleren Centrums dunkel gewordenen Fisch nur noch unvollkommen aufzuhellen. Er wird im Allgemeinen nicht mehr gleichmässig einfarbig hell, sondern fleckig und streifig. Ich führe nun einige Versuche an, in denen das mittlere Centrum zerstört wurde und zwar mit Reizung der dahinter liegenden Stelle. Versuch 13: Einer Lota wird die Schädelhöhle blossgelegt. Halbi- rung der Lobi optici in frontaler Richtung ergiebt dauernde Seitenlage, Aufhebung der zweckmässigen Schwimmbewegungen und Verlangsamung der Athmung. Das Thier ist noch nach einer Stunde am Leben.- Versuch 24: Einem Hecht wird in die geschlossene Schädelhöhle eingestochen. Der Stich fällt fast in die Mitte der Lobi optiei und hat Seitenlage, verlangsamtes Athmen und Dunkelwerden der Haut zur Folge. In allen Fällen von Zerstörung des mittleren Centrums gerathen die Thiere im Augenblicke der Einführung des zerstörenden Instrumentes im tetanischen Zustand. 36* 564 MARGARETHE TRAUBE-MENGARINT: Einstiche in die hintere Hälfte der Lobi optici haben Athemhemmung — die Athmung setzt dann eine halbe Stunde und länger ganz aus — und Verlust der Aequilibration zur Folge. Versuch 380: Einem Hecht wird in die geschlossene Schädelhöhle eingestochen. Auf dem ersten Stich folgt Schwanken und Verdunkelung der Haut. Das Thier erholt sich und wird wieder hell. Es wird ein zweiter Stich hinter dem ersten applieirt. Das Thier fällt zur Seite; tiefe Dunkelheit der Haut; die Athmung ist gehemmt; das Thier thut nur noch in langen Pausen ganz unregelmässige Athemzüge: tiefe Inspirationen Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Gehirn von Lota vulg. Gehirn von Esox lueius. (sehirn von Esox lucius. Rückenansicht. Seitenansicht. _ Rückenansicht nach Abtragung des Daches von III. und ungemein weite Exspirationen (durch Aufreissen der Kiemen). Das Thier ist unter Wasser -operirt worden und lässt dennoch in diesem Zu- stande Luft durch die Kiemen austreten. Der Fisch ist noch fähig zu schwimmen, aber nur in der Rückenlage. Es schien mir, als ob der Fisch in diesem Zustande Luft aus der Schwimmblase entliess, um das verlorene Gleichgewicht wieder zu erlangen. Der zweite Stich fiel etwas hinter die Mitte von III in die Medianlinie. Ich fasse zum Schluss die gewonnenen Resultate kurz zusammen: Nicht die gesammten, sogenannten Lobi optici haben zu der Aequilibration und Locomotion eine besondere Beziehung, sondern nur eine an ihrer Basis befindliche eireumscripte Stelle C in Fig. 3 und 4. Vor und hinter derselben befinden sich zwei in Beziehung zur Respiration stehende Stellen. A EXPERIMENTELLE BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES FISCHGEHIRNES. 565 _ Elektrische Reizung des vorderen dieser „Centren“ beschleunigt die Ath- mung; elektrische Reizung des anderen hemmt sie; die elektrische Reizung der mittleren Stelle bewirkt tetanische Krämpfe. Zerstörung aller drei Stellen durch einen Längsschnitt in der Medianlinie von III bedingt Athemhemmung und Aufhebung der Aequilibration und der coordinirten Bewegungen. Zerstörung der mittleren Stelle allein bewirkt während der Zerstörung Tetanus, dem dauernde Aufhebung, sowohl der Aequilibrations- als auch der Locomotionsfähigkeit, sowie ein Farbenwechsel des Thieres und zwar Verdunkelung der Haut folgt. Ein Einstich dicht vor dieser mittleren Stelle, welche im Anschluss an die Christiani’schen Befunde am Kaninchen „das Coordinationscentrum“ zu nennen ist, beschleunigt die Athmung, ein Einstich dicht hinter derselben hemmt die Athmung; beide Stiche heben bei Erhaltung der Locomotionsfähigkeit nur die Aequili- bration auf. Berlin, 1. August 1884. Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft zu Berlin. Jahrgang 1883 —84. XVII. Sitzung am 18. Juli 1884. ' Hr. H. Krause hielt den angekündigten Vortrag: „Zur Kenntniss von den Stimmbandecontracturen.“ i Zuerst im Jahre 1863 wurde von Gerhardt eine Krankheit beschrieben, welche im Wesentlichen in einer dauernden Glottisverengerung (Adductions- oder Medianstellung der Stimmbänder) bestehend zu hochgradiger Athemnoth und Er- stickungsanfällen und, wenn nicht rechtzeitig eingeschritten wird, zum Tode führt. Später bestätigten andere Autoren das Vorkommen der Krankheit, meistens bei Aortenaneurysmen, Strumen u. Ss. w., doch galt sie bis vor Kurzem als selten. Man suchte das Wesen der Krankheit ausschliesslich in eimer Lähmung der Mm. cricoaryt. postici, oder der zu ihnen führenden Nervenfasern des N. laryng. inf. Neuerdings wurde die Häufigkeit dieses Leidens nachgewiesen und die Ur- sache desselben bei centralen oder peripheren Laesionen des Vagus, Accessorius und Recurrens in einer „Vorneigung der Abductorfasern eher als die Adductor- fasern des Laryng. inf. oder sogar ausschliesslich zu erkranken“, gesucht (Semon). Die meisten Autoren aber, wie Türck, Riegel, Penzoldt, geben zu, dass mit der Annahme der Lähmung der Erweitererfasern oder der Erweiterer selbst als Ursache der Krankheitserscheinungen eine ausreichende Erklärung derselben nicht erbracht sei. Trotzdem halten sie Mangels einer anderen Deutung daran fest. Gerhardt glaubt, myopathische Lähmung der Mm. postieci als Ursache an- nehmen zu müssen. Riegel, obgleich er das ausschliessliche Betroffenwerden der zu den Erweiterern führenden Nervenfasern als ein „besonderes Spiel des Zu- falls“ bezeichnet, ist doch überzeugt, dass eine andere Deutung als primäre Lähmung der Erweiterernervenfasern nicht zulässig sei. Penzoldt, welcher die Krankheit als ein Symptom bei syphilitischer Gehirnsklerose beobachtete, hält ebenfalls die Erweitererlähmung aetiologisch für ungenügend, acceptirt sie aber doch, und sucht die Erklärung dafür in der isolirten Stellung der Postici gegen- über den übrigen Muskeln, welche durch ihre Synergie an Kraft überwiegen. ! Ausgegeben am 25. Juli 1884. u - . ‘ I Tre RE at de VERHANDL. DER BERLINER PHYSIOL. GESELLSCHAFT. — H. KRAUSE. 567 Rosenbach und Semon urgiren die Analogie der Erweiterer mit den Exten- soren und Abductoren der Extremitäten, welche nach ihnen bei Lähmungen in weit stärkerem Maasse afficirt zu werden pflegen als die Beuger und Adductoren. Semon postulirt ausserdem die Existenz eines eigenen Gangliencentrums für die Erweiterer zur Erklärung der Lähmung dieser Muskeln bei centralen Läsionen. Für periphere Läsionen acceptirt er die Deutung Penzoldt’s und hält es auch für möglich, dass die mehr automatische Thätigkeit der Abductoren sie zu Er- krankungen geneigter mache als die Adductoren. Mir schienen diese Erklärungen keinen befriedigenden Aufschluss über das eigentliche Wesen des Leidens zu geben, und ich ging deshalb an die experi- mentelle Prüfung der Frage, deren Ausführung im physiologischen Laboratorium der hiesigen Thierarzneischule mir Hr. Prof. Munk gütigst gestattet hat. A. Reizversuche am Recurrens, Laryngeus superior und Vagus. Zu den Angaben Rosenthal’s (Die Athembewegungen, 1862) möchte ich nur einige Nebenumstände, die Rosenthal übergeht, hinzufügen. Auf Reizung des peripheren Endes des Recurrens erfolgt Adduction des gleichseitigen Stimmbandes und zwar derart, dass es sich an das gegenüberliegende, das letztere mag in welcher Stellung immer sich befinden, dicht anlegt. Befindet sich z. B. das gegenüber- liegende Stimmband in Inspirationsstellung, so geht das gereizte über die Mittellinie hinaus, um sich an das erstere anzulegen. Der Aryknorpel der nicht gereizten Seite aber macht deutlich mit dem der gereizten Seite eine Bewegung zur Mitte, ohne dass jedoch, wie schon erwähnt, sein Stimmband daran theilnimmt. [M. interaryt. wird von beiden Seiten her und von beiden Kehlkopfnerven in gleicher Weise versorgt (Exner)]. 2) Reizung des Laryng. sup. mit Erhaltung seines äusseren Astes ergiebt festen Glottisschluss, gleichzeitig sphinkterartige Verengung des Aditus laryng. 3) Reizung des durchschnittenen Vagus giebt Inspirationsstellung des gegen- überliegenden Stimmbandes, wenn keine Stromschleifen auf den Laryng. sup. übergehen. B. Versuche, in welchen unter Nachahmung des Vorganges in der Natur auf Recurrens, oder auf Vagus ein peripherer Druck behufs Studiums der dadurch erzeugten Erscheinungen ausgeübt wurde. Ich übergehe hier Versuche, welche bezweckten die Affeetion plötzlich und unter den Augen des Beobachters hervorzurufen, und welche ich, da einige in überraschender Weise gelangen, später ausführlich mittheilen werde, und komme gleich zu denjenigen, welche ich als beweisend ansehe. — Zuvor möchte ich nur noch Einiges anführen, was uns die Physiologie über die mechanischen Ein- wirkungen auf den Nerven lehrt. Man weiss, dass jeder gröbere mechanische Eingriff den Nerven erregt, bei motorischen Nerven Zuckung, bei sensiblen Schmerz hervorruft. Es scheint, dass hier eine gewisse Plötzlichkeit Bedingung der Er- regung ist. (Hermann, Allgemeine Nervenphysiologie).,. — Nach Fontana macht eine sehr allmählich gesteigerte Compression die betreffende Nervenstelle zwar für die Erregung undurchgängig, erregt aber nicht. Jede Durchschnei- dung, Quetschung, Zerrung, Erschütterung durch Schlag wirkt erregend. Nach Harless, Ranke u. A. wird durch mässigen Druck und mässige Dehnung die 568 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Erregbarkeit vorübergehend gesteigert. Von Anderen wird das letztere bestritten. — Die Inspection des Larynx habe ich auch hier, wie ich dies bereits in meinem Vortrage: Ueber die Beziehungen der Grosshirnrinde zu Kehlkopf und Rachen angegeben habe, unter Hervorziehung der Zunge und des Kobldooaelt bei ein- fachem Tageslichte ausgeführt. Zu meinen Versuchen verwandte ich, nachdem complieirte Apparate sich nicht bewährt hatten, ein dünnes Korkstück und ein Gummiband oder eine in Wasser erweichte Violindarmsaite.e Gummiband oder Darmsaite wurden unter den vorsichtig isolirten Recurrens, — gleichgültig an welcher Stelle seines Ver- laufes, ich variirte die ganze Strecke vom Manubrium sterni bis hinauf zum Ringknorpel, bevor er in die einzelnen Zweige ausstrahlt, — geschoben, und um diesen wie um den Kork ganz locker, so dass der letztere bequem ver- schieblich in der Schlinge lag, gebunden. Bald oder einige Stunden nach der Operation zeigen sich einige von der Norm abweichende Erscheinungen. Bei nor- malen Excursionen des Stimmbandes treten schon jetzt bei intendirter Adduction vibrirende Zuckungen auf, zuweilen bleibt das Stimmband schon etwas länger als vor der Operation in Adductionsstellung, immer aber erfolgen noch die Aus- wärtsbewegungen regelmässig und kräftig, häufig bis zu weitester Oeffnung der Glottis. Bereits 8—10 Stunden später beginnt das Thier stridulös zu athmen und unruhig zu werden. Dies geht bald vorüber, und 24 Stunden nach der Operation athmet der Hund in der Ruhe oder bei ruhiger Bewegung ohne sehr auffällige Veränderung. Laryngoskopirt man jedoch, so sind die eingetretenen Veränderungen sofort in die Augen springend: die Stimmbänder stehen dauernd fest in Medianstellung. Die letztere ist auffälliger ausser als in der Narkose, in welcher die Stimmbänder mehr auseinander weichen, und ist am ausgesprochensten während der Inspiration. Hierbei macht das enge Zusammen- treten der Stimmbänder den Eindruck einer durchaus activen Function derselben, und scheint nicht bloss der Verdünnung der Luftsäule unter der Glottisenge zu- zuschreiben zu sein, sondern wird in seiner Verstärkung wahrscheinlich mitbe- dingt durch die nach der Theorie Hitzig’s bei Contracturen der Muskeln auf- tretenden abnormen Mitbewegungen. Mehrere Male hatte es sich ereignet, dass der Kork aus der Schlinge herausgefallen war. "Trotz hochgradiger Entzündungs- erscheinungen am Nerven und seinen Hüllen trat dann das bemerkenswerthe Factum ein, dass nun die Bewegungsfähigkeit des betreffenden Stimm- bandes nach aussen oder innen gar nicht oder doch — nach beiden Seiten gleichmässig — nur in sehr geringem Maasse behindert war. Wurde der Kork wieder eingelegt, so trat die tonische Contraction sehr bald wieder ein. Von 12 nach dem oben angegebenen Verfahren operirten Hunden zeigten 11 die gewünschte pathologische Erscheinung in völlig einwandfreier Weise. Das Misslingen des einen Versuchs lag an einem technischen Missgeschicke. Das gleiche Experiment wurde nun am Vagus vorgenommen. Wir mussten er- warten, dass wie die erzielte dauernde Adductionsstellung des Stimmbandes dem durch elektrische Reizung des Recurrens hervorgerufenen Effecte entsprach, ana- log der Reizwirkung am isolirten Vagus eine Inspirationsstellung des Stimmbandes eintreten werde. Auch dieser Versuch gelang. Bei fünf von sechs der- artig operirten Thieren zeigte sich das Stimmband der operirten Seite in dauernder ruhiger Inspirationsstellung; der Aryknorpel war PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — H. KRAUSE. 569 nach aussen rotirt, das Stimmband nirgends schlaff, war scharfrandig, glatt aus- gezogen. Um keiner Täuschung zu unterliegen, durchschnitt ich jedesmal, wie den Recurrens in den ersten Versuchen, hier den Vagus nachträglich. Das Stimmband war nun mehr nach der Mitte vorgerückt, schlaff, breitraudig und vorgewölbt. Das Stimmband der gegenüberliegenden Seite bewegte sich vollkommen frei ein- und auswärts. Eine Einwirkung auf Athmung und Bluteirculation habe ich hierbei mit Sicherheit nicht constatiren können. An beiden Nerven konnten die beschriebenen Erscheinungen 2 bis 5 Tage andauernd beobachtet werden, nach welcher Zeit totale Lähmung der Stimm- bänder eintrat. Die Gewebsveränderungen am Nerven waren: tiefdunkle Röthung und Schwel- lung des umgebenden Gewebes, trübes Aussehen des Nerven, in den späteren Tagen gelblichrothe Färbung des Perineuriums, der Nerv grauroth. Histologisch: Blutextravasate und Lymphzellen zwischen den einzelnen Nervenfibrillen, starke Füllung und Erweiterung der Blutgefässe, sehr beträchtliche Kernquel- lung und Kernwucherung des Neurilemms und beginnender Zerfall des Markes und Axencylinders einzelner Nervenfasern. In den späteren Tagen an der umschnürten Stelle vorgeschrittener Zerfall vieler Nervenfasern, neben wohl- erhaltenen solche, welche zu feinkörnigem Detritus zerfallen waren. Ober- und unterhalb dieser Stelle der Zerfall geringer. Sehr ähnliche Befunde sind die von Riegel und Penzoldt mitgetheilten. Der von mir künstlich erzeugte Process ist als eine primäre neu- ropathische Contractur im Sinne Erb’s, Eulenburg’s, Seligmüller’s u. A. anzusehen, d.h. als eine primär entstandene andauernde Verkür- zung (tonische Contraction) der Glottisverengerer, hervorgerufen durch einen den Recurrens treffenden peripheren Reiz, wie sie an anderen Nerven beschrieben sind als Folgen von Neuritis, Neuro- men, Fremdkörpern, Schussverletzungen und ähnlichen trauma- tischen Laesionen des Nerven. Bei centralen Laesionen sind diese Contracturen beschrieben als: Contracturen der Hemiplegischen, oder bei Erkrankungen der Medulla und des Rückenmarkes (bei letzteren beiden häufig bilateral), primär entstehend durch Reiz- zustände der Centralorgane und die absteigende secundäre Degene- ration (Charcot, Eulenburg, Erb, Hitzig, Seligmüller). Zudieser Kategorie gehören der Fall Penzoldt und andere, z. B. bei Bulbärparalyse wurden Fälle von doppelseitigen Contracturen beobachtet. (Bei einseitiger Contractur wäre die Möglichkeit der isolirten Lähmung der Erweitererfasern nicht absolut auszu- schliessen.) Als Beweise für meine obige Auffassung kann ich nach dem Ge- sagten anführen: 1) die ununterbrochen bis zu 5 Tagen betragende Dauer des Zustandes, 2) den sehr charakteristischen pathologisch-anatomischen Befund, 3) die Identität der Processe am Recurrens und am Vagus, 4) die Identität der erzielten Wirkung unseres Reizes mit der des elektrischen Reizes, bei welchem, wie Rosen- thal (Athembewegungen S. 212) bemerkt, der Glottisverschluss nur die Folge des Uebergewichts der Verengerer über die Erweiterer ist, und 5) einen regel- mässigen Befund in der Todtenstarre des Muskeln: nämlich das feste Ge- schlossensein der Glottis in ihrer ganzen Länge. Wir haben also gesehen, das der gewünschte Reizeflect an den frischen, in seiner Ernährung noch nicht wesentlich veränderten Nerven nicht oder nur 570 VERHANDLUNGEN DER BERLINER erst momentan, vorübergehend auftritt. Ist der Nerv aber erst entzündlich oder regressiv verändert, so bedarf es eines nur mässigen Druckes, um die Contractur hervorzurufen. Die Neuritis allein aber genügt, wie wir uns bei dem Heraus- fallen des comprimirenden Korks überzeugt haben, hierzu nicht. Entsprechend der obigen Wahrnehmung habe ich beobachtet, dass der entzündlich ver- änderte Nerv auf ungleich schwächere elektrische Reize rea- sirt als der frische, sofort nach seiner Herauspräparirung ge-- reizte Nerv. Die Grenze dieser Reize liegt für den ersteren bei einem Rollenabstande von 360”", für den letzteren bei 180 "m, Der Vorgang, wie wir ihn uns auch beim Menschen vorzustellen haben, ist also der: Ein mässiger Druck setzt entzündliche und regressive Verände- rungen im Nerven. Dadurch steigt die Erregbarkeit des letzteren. Derselbe Druck, welcher am normalen Nerven keinen Effect hervor- rief, wird jetzt schon im Stande sein, eine Erregung des Nerven zu erzeugen, welche mit der in Folge des andauernden Druckes zu- nehmenden Erregbarkeit desselben steigt. In diesem Stadium bleibt die tonische Contraction der Muskeln stationär. Dieser Zustand hat seine Grenze. Er geht entweder in Lähmung über, oder es ent- wickeln sich secundäre Veränderungen (Degeneration, Atrophie) der Muskeln, der antagonisischen oder der gereizten, welche die er- worbene pathologische Stellung fixiren. Die directen Laesionen der Mm. postici oder der sie versorgenden Nervenästchen durch Oesophaguscarcinome u. s. w. werden durch die Ergebnisse dieser Versuche nicht berührt. Eine ausführliche Mittheilung wird in Virchow’s Archiv erscheinen. XIX. Sitzung am 1. August 1884. ' Hr. A. Auzrsach hält den angekündigten Vortrag: „Ueber die Säure- wirkung der Fleischnahrung.“ Die Frage der Säurewirkung bezw. der Alkalientziehung, für den Pflanzen- fresser besonders durch E. Salkowski’s und Walter’s, für den Fleischfresser durch Walter’s Arbeiten erforscht, ist nicht bloss für das theoretische Ver- ständniss des Lebensprocesses von hervorragender Bedeutung, sie kann vielmehr auch ein praktisches Interesse in Anspruch nehmen. Denn theils führen wir mit unserer Nahrung direct Säuren ein, theils bilden sie sich aus derselben im Organismus. Dass die Fleischnahrung im Allgemeinen zu solcher im Körper eine Säurewirkung ausübender Nahrung gehört, ist sicher (Coranda). Es ist aber von Wichtigkeit zu erfahren, welchen Bestandtheilen des Fleisches diese Säurewirkung zukommt. Von den hierbei in Betracht kommenden Componenten (Schwefelsäure, Harnsäure, Hippursäure u. s. w., Fleischsalze) ist die Wirkung ! Ausgegeben am 8. August 1884. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — A. AUERBACH. 571 des einen, der aus dem Schwefel des Eiweisses herstammenden Schwefelsäure, be- kannt: sie wird dem Körper des Fleischfressers und des Menschen unzweifelhaft Ammoniak entziehen. Ob aber auch die, hauptsächlich aus phosphorsauren Al- kalien bestehenden, Salze des Fleisches wie eine Säure wirken, ist bislang nicht festgestellt. Der fast allgemein gültigen, zuerst durch Liebig nachdrücklich vertretenen Ansicht, dass die Salze des Fleisches sehr viel überschüssige, nicht gebundene Phosphorsäure enthalten (und daher dann auch sicherlich eine Säure- wirkung ausüben), ist E. Salkowski entgegengetreten, welcher hervorgehoben hat, dass die Salze des Fleisches fast keine überschüssige Säure enthalten und dass die Asche des bluthaltigen Fleisches nicht sauer, sondern neutral oder selbst alkalisch reagirt. Seiner Meinung nach üben daher die Salze des Fleisches keine Säurewirkung aus, können vielmehr noch unter Bildung saurer phosphorsaurer Salze zur Bindung der aus dem Schwefel des Eiweisses her- stammenden Schwefelsäure, der Harnsäure, Hippursäure u. s. w. beitragen, diese Säuren in ihrer Wirkung gleichsam compensiren (wie dies die vielen Alkalien der Pflanzennahrung thun). Dabei war jedoch stillschweigend vorausgesetzt, dass die aus den Fleischsalzen neu entstehenden sauren phosphorsauren Salze nicht selbst wie eine Säure wirken. Theoretisch wie praktisch war es demnach von Bedeutung, dies experimentell zu prüfen und der Vortragende hat dies im Laboratorium des Hrn. Prof. Salkowski gethan. Die erste Versuchsreihe wurde im Jahre 1879 an einer in Körper- und relatives Stickstoffgleichgewicht versetzten Hündin von 31” Körpergewicht angestellt. Im Harn wurde täglich der Gesammtstickstoff (nach Schneider- Seegen) und die Ammoniak-Ausscheidung (nach Schmiedeberg) bestimmt. Die N-Ausscheidung blieb während der Vorperiode, Salzfütterungs- und Nach- periode nahezu constant; nicht so die NH,-Ausscheidung. Diese betrug in der 4 tägigen Vorperiode, während deren das Thier sein normales Futter erhielt, durchschnittlich 0.863 8% täglich. Als darauf dem Thiere an 5 aufeinander folgenden Tagen (an den ersten 3 Tagen je 62”%, an den beiden letzten je 8 Em) saures phosphorsaures Kali (KH,PO,) mit der übrigen Nahrung ge- reicht wurde, stieg die NH,-Ausscheidung gleich in der der ersten Salzfütterung folgenden 24 stündigen Harnperiode auf 1.028”m und betrug im Durchschnitt während der 5 Tage 1.29188'" täglich, also 50°/, mehr als in der nor- malen Vorperiode. In der 3 Tage lang beobachteten (normalen) Nachperiode schied das Thier im Mittel täglich 1.546®8”% NH, aus. Aus diesen Versuchen geht hervor, dass beim Hunde nach Fütterung mit KH?PO, die NH,-Aus- scheidung erheblich zunimmt und dass diese Zunahme auch noch andauert, nachdem die Salzfütterung, welche sie hervorgerufen hat, längst beendigt ist. Man darf annehmen, dass die Ammoniak-Entziehung durch das KH,PO, stattfindet unter Bildung eines Salzes von der Zusammensetzung KNH,HPO,, d. h. desjenigen, dem gefütterten nahestehenden Salzes der Phosphorsäure, durch welches dem Organismus dasjenige Minimum von NH, entzogen wird, das zur Sättigung der Säure im KH,PO, eben ausreicht. Quantitativ lässt sich zeigen, dass das KH,PO, dem Organismus des Hundes eine aequivalente Menge NH, entzieht. 1 Mol. KH,PO, (136.1) er- fordert 1 Mol. NH, (17) zur Sättigung. Da in der (ersten) Versuchsreihe 348m KH,PO, verfüttert worden sind, so verhält sich 138712177 = 345. x = 4.24, 572 VERHANDLUNGEN DER BERLINER 4.248'm NH, müssten demnach mehr als in der Norm ausgeschieden wer- den, wenn die NH,-Entziehung durch das KH,PO, auch quantitativ volle Gel- tung haben soll. 'Thatsächlich wurden nun nach der Salzfütterung 4.193 8” mehr als normal ausgeschieden, also fast genau so viel wie die Rechnung erforderte. In einer zweiten (1882 ausgeführten) Versuchsreihe schied das Thier, eine Hündin, in der Vorperiode durchschnittlich 0.80758'" NH, täglich aus. Es wurden dem Thier nunmehr täglich je 88%. KH,PO, mit seinem Futter gereicht; es . vertrug das Salz sehr schlecht, bekam Diarrhoen, konnte Faeces und Harn bald nicht mehr halten, so dass der Versuch nach 3 Tagen Fütterung und 1 Tag Nachperiode abgebrochen werden musste. Während der 3 den Salzfütterungen folgenden 24stündigen Harnperioden schied der Hund 1.065 2% NH, im Mittel täglich aus, also 31.88°/, mehr, und an dem einen Tage der Nachperiode sogar 78.1°/, mehr als in der Norm. Alle hier mitgetheilten Versuche ergeben somit unzweideutig, dass durch Fütterung mit. sauren phosphorsauren Salzen ebenso wie durch Mineralsäuren dem Organismus des Fleischfressers Ammoniak in erheblicher Menge entzogen wird. Die Salze des Fleisches tragen demnach nichts dazu bei, die aus dem Fleisch bezw. Eiweiss anderweitig entstehenden Säuren zu neutralisiren, üben sonach nicht eine Compensation :der Säurewirkung aus, welche der aus dem. Schwefel des Eiweisses entstehenden Schwefelsäure, der Harnsäure, Hippur- säure u. Ss. w. zukommt, wie dies in der Pflanzennahrung mit ihrer fast durch- gängig alkalischeren Asche der Fall ist. Die näheren Details dieser Untersuchung werden demnächst in Virchoyw’s Archiv veröffentlicht werden. (Nachträglich zur Sitzung vom 1. August.)' 1. Hr. H. Kronscker berichtete über Versuche, welche Hr. Dr. Jastreboff aus St. Petersburg auf seinen Vorschlag und unter seiner Leitung „Ueber fort- schreitende Bewegungen der Kaninchen-Vagina“ angestellt hat. Im Wesentlichen bediente sich Hr. Jastreboff zu dieser Untersuchung der Methoden, welche er in seiner Arbeit „Ueber die Contraction der Vagina bei Ka- ninchen“ (s. oben S. 97) beschrieben hat, doch brachte er wie Hr. v. Swiecizki zwei Ballons in die Vagina. Ein mit Wasser gefüllter Ballon war vom Uterus her in den Gewölbetheil der Scheide eingeführt, der andere in den Eingangs- theil der Vagina. Mit den zwei Ballons standen zwei Luftschreibkapseln in Verbindungen, welche die Bewegungen der obersten und der untersten Vaginal- partie auf das Cylinderkymographion registrirten. Es ergab sich Folgendes: 1. In der Wand der Vagina sind automatisch wirksame nervöse Centren vertheilt, welche rhythmische Contractionen einzelner Abschnitte veranlassen. 2. Eine directe elektrische Tetanisirung der Vagina, resp. ihrer automa- tischen Centren giebt peristaltische Contractionen, d. h, Contractionen in der ! Ausgegeben am 1. November 1884. Se un ri A u Are re 1 te a lo ai im nes ui PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — JASTREBOFF. 573 Richtung von den Gewölben zum Eingang, oder bei dem durchgeschnittenen Organe manchmal Contractionen des oberen Abschnittes allein. 3. Die schwache Reizung der centralen Enden der am Oberschenkel durch- trennten Nn. ischiadiei ruft antiperistaltische Contractionen hervor und die starke Reizung derselben gleichzeitige Contraction beider Abschnitte der Vagina. 4. Die Tetanisirung des verlängerten Marks bei unversehrtem Rückenmarke nach der Durchschneidung in der Gegend des ersten bis dritten Lendenwirbels giebt Contractionen der Vagina antiperistaltischer Natur, oder manchmal, bei durchschnittenem Organe, Contractionen des unteren Abschnittes allein. 5. Die Reizung der Medulla oblongata nach Durchschneidung des Rücken- marks hat keine Contractionen zur Folge. 6. Starke Asphyxie des Thieres hat antiperistaltische Contractionen zur Folge. 7. Hochgradige Anaemie bewirkt eine Verstärkung der peristaltischen Con- traetionen der Vagina. 2. Hr. H. KRonEcKEr theilte in Kürze die Resultate von Versuchen mit, welche Hr. Dr. Jastreboff nach eigenem Plane in der speciell physio- logischen Abtheilung des hiesigen physiologischen Instituts „Ueber den Ein- fluss operativer Eingriffe in der Bauchhöhle auf den Blutdruck“ angestellt hat. Hr. Jastreboff hat zum Drucke in den Verhandlungen folgendes Manu- script eingereicht: „Obwohl die Wirkung von Reizungen sensibler Nerven auf den Blutdruck schon oft untersucht worden ist, so scheint es mir von Interesse, die Intensität der circulatorischen Wirkungen, welche die verschiedenen bei der Laparotomie nothwendigen Eingriffe ausüben, vergleichend zu untersuchen. Die Versuche wurden an Kaninchen und Hunden gemacht. Da die Ver- suche an den letzteren von den an Kaninchen angestellten nicht wesentlich ver- schiedene Resultate ergaben, so werde ich im Folgenden nur über diese sprechen. Ich habe die Veränderungen des Blutdruckes in der Carotis beobachtet unter der Einwirkung verschiedener Momente der Laparotomie bei curarisirten Thieren, sodann bei solchen, die in tiefer Morphium- oder Chloroformnarkose lagen. Hierbei zeigte sich, dass kein Moment der Operation ohne jede Einwirkung auf den Blutdruck ist. Bei dem Hautschnitt längs der Linea alba, der niemals weniger als 10" Länge hatte, stieg der Blutdruck entweder sofort nach dem Anfang oder nach dem Ende des Schnittes. Bei curarisirten Thieren stieg er im Mittel von 93 "m auf 120m", bei mit Morphium narkotisirten Thieren stieg er von 99 "m auf 124m, und end- lich von 91" auf 114” bei chloroformirten. Nachdem der Blutdruck bis zu den angeführten Höhen gestiegen war, schwankte er eine gewisse Zahl von Secunden auf und nieder und verblieb dann auf der früher gewesenen Höhe. Die Dauer der Zeit, während welcher der Blutdruck schwankte, betrug im Durchschnitt bei Curare 38”, bei Morphium muriaticum 27” und bei Chloro- form 44”, 574 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Die Durchschneidung der Sehnen, welche häufig nicht genau längs der Linea alba erfolgte, sondern bis zum Bauchfell die Muskeln durchdrang, führte gleichfalls zu einer Steigerung des Blutdruckes von 98 auf 103"mM, mit Schwan- kungen in der Dauer von 17” bei Curare, — von 106 auf 122"M mit Schwan- kungen während 25” bei Morphium muriaticum — und von 95 auf 112 mm mit Schwankungen während 27” bei Chloroform. Ferner gab die Durchschneidung des Bauchfells ebenfalls eine Se erung des Blutdruckes von 95 auf 99 "m mit Schwankungen während 18” bei Curare, — von 107 auf 125"m mit Schwankungen während 60” bei Morphium muriaticum — und endlich von 85 auf 102” mit Schwankungen von 23” bei Chloroform. Sofort nach der Durchschneidung des Bauchfells, als ein Theil der Darm- oberfläche freigelegt war, stieg in Folge der mit dem Zutritt der Zimmerluft verbundenen Abkühlung der Blutdruck. Diese Steigerung wurde immer bemerkt, wenn wir eine gewisse Zeit lang die Wunde der Bauchwand geschlossen hielten und dann wieder öffneten. In diesem Falle stieg der Blutdruck bei Curare von 83mm auf 117m mit Schwankung von 32”, — bei Chloroform von 94 mm auf 111 ”®, Schwankung 29”. Wenn wir die Laparotomie unter dem Lister’- schen Spray bewerkstelligten, in der Weise, dass ein breiter Strahl von Wasser- dämpfen über die Bauchwunde hinwegging, so wurde bei jeder Oeffnung der Wunde und Entblössung der Eingeweide eine noch stärkere Schwankung des Blutdruckes beobachtet: nämlich bei Chloroform stieg er von 65 "m auf 157 mm und dann nach Schliessung der Wunde schwankte er während 90”. Ferner führte die behufs Hervorziehung der Ovarien oder des Uterus er- folgte Berührung und Zurückschiebung des Darmes zu einer Erhöhung des Blutdruckes von 74 "m auf 96 "m (Schwankung 26”) bei Curare, — von 9ımm auf 106 MM (Schwankung 55”) bei Morph. muriat. — und von 88 "m auf 108 "m (Schwankung 18”) bei Chloroform. Die Einführung eines mit Wasser getränkten Schwammes, dessen Tempe- ratur die des Thieres um 2° bis 3° übertraf, zeigte sich nicht ganz ohne Ein- fluss; nämlich bei chloroformirten Thieren rief sie eine Steigerung des Blut- druckes von 77 "m auf 113 "m hervor und es entstand nach Schliessung der Bauchwunde eine Schwankung während 30”. Wenn wir den Schwamm statt in Wasser in 2 proc. Lösung von Carbolsäure bei der oben genannten Temperatur eintauchten, so bekamen wir eine weniger ausgesprochene Wirkung, nämlich eine Steigerung von 63 ”® auf 69 ®” mit einer Schwankung vor. 20” bei Chloroform, — von 78 "m auf 98 "m und Schwankung von 25” bei Morphium und endlich von 88"m auf 92 "m mit einer Schwan- kung von 27” bei Curare. Die Einführung des in Wasser oder in 2proc. Lösung von Carbolsäure getauchten Schwammes, dessen Temperatur entweder niedriger als die des Thieres oder um mehr als 3° höher war, gab stärkere Schwankungen des Druckes. Die Entfernung des Schwammes, der in eine Flüssigkeit von der oben sesagten Temperatur getaucht war, rief bedeutende Schwankungen hervor: näm- lich, wenn der Schwamm in einfaches Wasser getaucht war, so erfolgten sie sofort nach der Entfernung aus der Bauchhöhle, die aber dabei: geöffnet blieb, und zwar stieg der Blutdruck bei Chloroform von 76 M® auf 200 ”® — Schwan- kung 40” —. Nach der Entfernung eines Schwammes aber, der in eine 2 proc. Lösung von Carbolsäure getaucht war, stieg der Blutdruck bei Chloroform von 90mm auf 100mm — Schwankung 10” — bei Morph. muriat. von 91" auf PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — JASTREBOFEF. 575 100 mm — Schwankung 20” — und endlich bei Curare von 88m” auf 108 mm — Schwankung 30”. | Die Reinigung des Bauchfelles mit einem Schwamm, der in eine 2 proc. Lö- sung von Carbolsäure getaucht war, gab bei mit Morphium narkotisirten Thieren eine Steigerung von 78 "® auf 110 %X®, wobei die Schwankungen des Blutdruckes noch 20” länger anhielt. | Die mechanische Reizung der Ovarien und des Uterus, die mit der Um- greifung des Organs zum Anlegen einer Ligatur verbunden ist, ruft im ersten Falle eine Erhöhung des Blutdruckes von 32”"” auf 46” mit Schwankungen während 28” bei Curare hervor, — von 96" auf 117" mit Schwankungen während 25” bei Morph. muriat —- und endlich von 98"m auf 119 "m mit Schwankungen während 32” bei Chloroform; im zweiten Falle eine Erhöhung von 76 7m auf 98mm (Schwankung 40”) bei Curare, — von 78”"m auf 103 mm (Schwankung 30”) bei Morphium — und endlich von 98 "m auf 108 mm (Schwankung 35”) bei Chloroform. Die Einsteckung von Nadeln in das Collum uteri und in die Bänder der Övarien, um Ligaturen durchzuführen, gab eine Erhöhung des Druckes: im ersten Falle von 94 "m auf 108"m (Schwankung 15”) bei Chloroform, — von 85 mm auf 91 Wm (Schwankung 35”) bei Morph. muriaticum — und endlich von 66 ®” auf 96 MM (Schwankung 30”) bei Curare; — im zweiten Falle eine Erhöhung von 92 "m auf 111%” (Schwankung 30”) bei Chloroform, — von 102 "m auf 120mm (Schwankung 28”) bei Morph. muriaticum. Die Zusammenziehung der Ligatur am Collum uteri rief eine Erhöhung hervor: bei Curare von 54m auf 63 "m (Schwankung 57”) bei Morph. muriat. — von SOMM auf 98mm (Schwankung 30”) — und bei Chloroform von 98 mm auf 120"m (Schwankung 23”) —. Die Zusammenziehung der Ligaturen des Ligamentum latum erhöhte den Druck bei Curare von 46"M auf 54mm (Schwan- kung 46”) bei Morph. muriaticum —, von 78”"m auf 96” (Schwankung 25”) bei Chloroform —, von 68 "m auf 104”” (Schwankung 33”). — Die Zusammen- ziehung der Ligaturen der Eierstocksbänder bewirkte eine Erhöhung des Blut- druckes. bei Curare von 55"m auf 59 "m (Schwankung 30”) bei Morph. muriaticum —, von 82"m auf 94 "m (Schwankung 80”) — und endlich bei Chloroform von 65 "Mm auf 78mm (Schwankung 32”). Die Ausschneidung des Uterus und der Ovarien mit einem Messer rief in Folge des Umstandes, dass hierbei Theile unter der Ligatur zusammengezogen wurden, ebenfalls eine Erhöhung des Blutdruckes hervor: im ersten Falle bei Curare von 38"m auf 52 "m (Schwankung 16”) —, bei Morph. muriaticum von 7gmm auf 84mm (Schwankung 10”) — bei Chloroform von I8”” auf 108"" (Schwankung 12”) —; im zweiten Falle eine Erhöhung bei Curare von 73" auf 76” (Schwankung 10”) —, bei Morph. muriaticum von 84" auf 86 W" (Schwankung 15”) —, bei Chloroform von 101 "” auf 104m (Schwankung 8”). Die Abtrennung der Ovarien und des Uterus durch ein glühendes Kisen, wobei die umgebenden Theile durch feuchte Compressen schlecht geschützt waren, gab wiederum eine Steigerung des Blutdruckes, im ersten Falle bei Chloroform von 95 "m auf 154 "m (Schwankung 110°) —; im zweiten Falle ebenfalls bei Chloroform von 97mm auf 127 mm (Schwankung 120)”. Bei sorgfältigem Schutz der umgebenden Theile durch feuchte Compressen giebt sich indessen in Folge der Abtrennung des Uterus und der Ovarien eine 576 VERHANDLUNGEN DER BERLINER geringere Erhöhung kund, da in diesem Falle zu berücksichtigen ist die Reizung des Bauchfelles durch Compressen und Zusammenziehung der Theile unter der Ligatur. So sehen wir auf Grund des oben Angeführten, dass keiner der bei der Laparotomie im Allgemeinen und Hysterotomie und Ovariotomie im Speciellen sich geltend machenden Momente das Leben gefährdende Veränderungen des Blutdruckes bedingt, obgleich ein jeder bedeutende Schwankungen des Blutdruckes hervorruft. Zum Schluss nehme ich Gelegenheit, Hm. Prof. Dr. Kronecker für den Rath und die Anleitung, die er mir immer während meiner Arbeit hat zu Theil werden lassen, meinen herzlichsten Dank auszusprechen.“ 3. Hr. Prof. H. KrRonEcker theilte die Resultate von Versuchen mit, welche Hr. Dr. Ratimoff aus St. Petersburg auf seinen Vorschlag über die Wir- kung des Chloroforms auf Herz und Athmungsorgane ausgeführt hat. Die Herzsynkope während der Chloroformnarkose, welche trotz aller Vor- sicht so viele Opfer fordert, hat Kliniker und Physiologen veranlasst, Mittel . aufzusuchen, um die Gefahr beim Gebrauche des unentbehrlichen Miktele zu ver- meiden. Von Clover, Snow, Sibson, Gansom, Colemann, Junker, Teuffel u. A. sind Chloroforminhalationsapparate angegeben worden, welche durch Mi- schung der Chloroformdämpfe mit Luft die Gefahr der Narkose abwenden soll- ten. Ausser dem Clover’schen Sacke, der nur einen beschränkten Vorrath eines während der Narkose nicht veränderlichen Gemenges enthält, sind die von den erwähnten Chirurgen angegebenen Apparate, wie es scheint, nicht ge- eignet, die Quantitäten der eingeblasenen Luft und des beigemischten Chloro- forms genau zu bestimmen. Nachdem der Vortragende das Wassergebläse zur künstlichen Athmung eingerichtet hatte, verband er mit diesem Apparate, welcher rhythmische Ath- mung beliebiger Frequenz unter constantem Drucke, also Einblasung messbarer Luftmengen gestattete, eine Vorrichtung zur controlirbaren Anaesthesirung. Hr. Dr. Jastreboff hat diese Anordnung verbessert und in seiner Arbeit mit fol- senden Worten beschrieben: „Der Apparat — um die Narkose mit Chloroform oder Aether genau ab- stufen zu können — besteht im Wesentlichen aus einer doppelhalsigen Wasch- flasche, die bis zur Hälfte mit Chloroform gefüllt ist. Ein System aus gegabelten - und mit Hähnen versehenen Glasröhrchen ermöglichte, ein in beliebigem Verhält- nisse gemischtes Gemenge von reiner Luft und von solcher, die mit Chloroform- dämpfen gesättigt war, dem Thiere zuzuführen.“ 1 Hr. Jastreboff hat sodann zu diesem Zwecke ein Gabelrohr mit weiten Hähnen anfertigen lassen, deren Stellungen an einem getheilten Kreisbogen ab- gelesen werden konnten. — Diesen Apparat benutzte Hr. Ratimoff zu seinen ersten Versuchen mit gutem Erfolge. Um aber die Verhältnisse, in denen Chloro- formdampf und Luft dem Thiere zugeführt wird, genau bestimmen zu können, wandte er anstatt der Drehhähne Schieberverschlüsse an, welche in der mecha- nischen Werkstatt des Hrn. Dr. Müncke gut schliessend gefertigt worden sind. Jede der beiden Röhren hat in ihrer Wand einen 20 ”" langen, 1" breiten Schlitz und einen geschlossenen Boden. In dem etwa 1°” weiten Rohr 1 a Archiv. 1884. S. 115. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — RATIMOFF. 57 Men ist ein zweites, den Schlitz luftdicht schliessend, verschiebbar. Dieses innerste Rohr nimmt die Luft auf. Ein drittes weiteres Rohr umhüllt das (mittlere) Schlitzrohr, so dass ein hohler Mantel bleibt, welcher die durch den Schlitz g etriebene Luft aufnimmt und durch das weite (äussere) Rohr dem Thiere zuführt. Eine auf dem innersten Rohr angebrachte Millimetertheilung lässt erkennen, in welcher Länge dasselbe den Schlitz zudeckt. Diese beiden Röhren- systeme waren zwischen zwei gläserne Gabelröhren vermittelst Kautschuk- 'schläuchen geschaltet. Der unpaare Schenkel des einen Gabelrohrs stand mit dem ‚Respirationsapparate im Verbindung. Aus dem einen Schlitzrohre strömte die Respirationsluft durch einen Kautschukschlauch direct in die eine Röhren- 'zinke des trachealen Gabelrohres; aus dem anderen Schlitzrohre wurde sie durch einen verstöpselten Maasscylinder geleitet, welcher Chloroform enthielt. So konnte man die Anzahl von Cubikcentimetern Chloroform ablesen, welche die durchgeleitete Luft mitgerissen hatte. Das zuführende Luftrohr muss immer dieht über dem Chloroformniveau gehalten werden. Wenn es eintaucht, so setzt - die Flüssigkeit Widerstände, welche das Verhältniss zwischen freier Luft und Chloroformluft in den Respirationswegen zum Nachtheile der Chloroformdämpfe ändert; strömt die Luft hoch über dem Chloroform durch den Maasscylinder, so wird sie nicht vollkommen mit den Dämpfen gesättigt. Die Ausathmung- ge- schah in den Pausen zwischen den Einblasungen meist durch ein Schlauchventil. Be 5 Bestimmung der Zeit, während welcher das 6600 °” fassende Spirometer vom 'Respirationsapparate durch jedes der zwei gleichen Schlitzrohre bei verschie- dener Stellung der schliessenden Schieber mit Luft gefüllt wird: _ Länge der Schlitzöffnung in Millim.: 20 15 10 1) 3 1 Zur Füllung des Spir. erforderl. Zeit: | 2'715” | 2’20” | 325” |5’25”| 65° |9’15” "Während einer Min. durch die Schieber ‚strömende Luftmenge in Cubikem.: | 2933 2828| 1932| 1218 1'080 713 j EL, Bestimmung des Verhältnisses, in welchem reine Luft und mit Chloroformdampf & gesättigte durch die beiden Schlitzrohre strömt: 4 Schlitzöffnung Schlitzöffnung |Während 1 Min.)Während 1 Min. Mit je 100 Liter der Chloroform- | der Luftleitung | ausgeströmte verdampftes Luft ausgetrieb. leitung in Mm. in Mm. Mischluft in Cm. Chloroform Cem. ChtoeoE 2, 20 0 1800 0.38 20 8 10 0 954 0.19 20-2 5 0 | 786 0-15 20-0 20 | 3 1740 0.25 17-2 20 | 5 | 1810 0-25 16-6 20 10 | 1981 0-25 13-0 10 | 10 2142 0-21 10-0 20 | 20 2800 0*25 8.9 ; 20 2262 0-17 7-5 5 20 | 2028 0-15 7-5 2 20 2000 0.10 5-0 | hi: Archiv f. A. u. Ph. 1884. Physiol, Abth, 37 578 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Hr. Ratimoff hat die Quantität verdampften Chloroformes gemessen, welche von einer bestimmten Luftmenge bei verschiedener Geschwindigkeit des Luft- stromes mitgenommen wurde. Er liess zu diesem Zwecke vom Respirations- apparate durch das köhrensystem die Luft anstatt in die Lunge des Thieres in ein Spirometer strömen und bestimmte die in obigen zwei Tabellen zu- sammengestellten Werthe. Die Herzpulse werden, wie in den Versuchen von Hm. v. A durch Vermittelung einer in’s Herz gestochenen Nadel auf eine Marey’sche Aufnahme-Luftkapsel übertragen, die mit einer entsprechenden Schreibkapsel am Kymographioncylinder durch einen Kautschukschlauch verbunden war. In ana- loger Weise bewegte ein Zwerchfellhebel ein zweites Luftkapselpaar. So wurden Pulse und Respirationen registrirt, während der Kymographion- eylinder mit bekannter Geschwindigkeit rotirte. Mit Hülfe dieser Methode kam Hr. Ratimoff zu folgenden Versuchs- ergebnissen: Mit Chloroformdampf gesättigte Luft (20 bis 30 Cm auf 100 Liter Luft) eingeathmet, tödtet das Herz von Kaninchen spätestens nach einer Stunde. Chloroformdämpfe, welche mit Luft verdünnt sind (7 bis 10 ©® auf 100 Liter Luft), sind nicht unmittelbar tödtlich, aber werden nicht auf längere Dauer (mehr als zwei Stunden) vertragen. Mit verdünntem Chloroformdanıpf (5 bis 6 Cem auf 100 Liter Luft) kann das Thier viele Stunden lang (6 Stunden lang ver- sucht) völlig narkotisirt gleichmässig leben. Natürlich muss man das aufgebun- dene Kaninchen erwärmen, um die deletäre Abkühlung zu verhüten. Luft, in welcher weniger als 5 Cem Chloroform auf 100 Liter Luft enthalten sind, ver- anlasst keine vollkommene Narkose oder solche nur für einige Minuten. Der Herztod erfolgt bei Einathmung concentrirten Chloroformdampfes derart, dass das Herz flimmert. Von diesem Flimmern kann es nicht mehr gerettet werden, während H. Kronecker und Schmey das Coordinationscentrum des Kaninchenherzens nach Verletzung durch Stich oder nach Lähmung durch Ligatur der Coronararterie (Bezold, Samuel, Cohnheim, und von Schult- hess-Rechberg) abweichend von dem unrettbar sterbenden des Hundeherzens wieder sich erholen sahen. Manchmal tritt dies Flimmern erst nach Kneten ein, während das Herz zuvor in vollkommener Diastole ruhte. Dies ist analog dem Vorgange bei asphyktisch-absterbenden Hundeherzen, bei denen die zuvor gelähmten Muskeln wieder belebt werden konnten, während das Coordinations- centrum nie wieder fungirt. Wenn das Herz durch kurze Einwirkung concentrirter Dämpfe oder lange Einwirkung verdünnter schwach geworden ist, so kann es durch Athmung reiner Luft wieder hergestellt werden, aber es bleibt leicht afficirbar, so dass danach kürzere Narkose es zu tödten vermag und zwar stirbt. es dann nicht selten ohne die Erscheinung des Flimmerns ab, indem die Schläge seltener und kleiner werden, endlich aufhören. Wenn man die Temperatur des Thieres auf normaler Höhe hält, so verliert eine Anfangs vollkommen narkotisirende Dampfmischung (5 bis 6 °°” auf 100 Liter # Luft) nach einiger Zeit (zwei Stunden) schon ihre Wirksamkeit und man muss die Concentration erhöhen (6 bis 7 Cm), um die Narkose vollkommen zu unter- halten. Aber die concentrirte Lösung behält ihre deletäre Wirkung. Das ab- gekühlte Thier kann mit der anfangs ausreichenden Dampfdichte lange narkoti- sirt bleiben. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — (. HEIMANnN. 579 Respiration. Das Athmungscentrum wird durch concentrirten Chloroformdampf ebenfalls gänzlich gelähmt und zwar vor dem Herzen. Vor der vollkommenen Lähmung ist ein Stadium zu beobachten, in welchem das Diaphragma gelähmt ist, aber die Thoraxmusculatur noch ganz normal fungirt. Bei vollkommener Chloroform- narkose mit mässigen Dampfdichten bleibt die Athmung noch völlig abdominal, während nach Mosso’s Erfahrung sie: bei tiefem Schlafe oder im a beim Menschen gänzlich thoracal wird. 4. Hr. Dr. C. Heımann theilte a. G. die Ergebnisse von Versuchen „Ueber die Wirkung des Drucks auf die Grosshirnrinde“ mit. | In dem Wunsche, die Ursachen der Schwindelerscheinungen unter einfachsten Bedingungen zu studiren, habe ich mit Erlaubniss und Rath von Hrn. Professor H. Kronecker in der speciell physiologischen Abtheilung des physiologischen - Instituts die Störungen, welche bei Thieren infolge der Drehung auftreten, unter- sucht. Bei diesen Versuchen fiel mir ein bemerkenswerthes Syiirkkön auf, das, soviel ich weiss, nirgends besonders hervorgehoben ist. Ich schicke voraus, dass ich, um dieses Symptom zu erhalten, die Thiere der Länge nach in die Peripherie einer kreisförmigen Scheibe mit hohem Rande, nahe demselben, in Bauchlage aufband und zwar die Beine nach vorn und hinten gestreckt, den Kopf mit dem Unterkiefer auf der Scheibe lagernd, so dass eine Schädelhälfte peripher die andere central lag. Die Scheibe, welche 550 Mm. Durchmesser hat, wird 2—300 Mal in 1 Minute, jedesmal 3 bis 4 Minuten lang durch einen Gasmotor gleichmässig rotirt und diese Rotation in Pausen von 1 Minute 3—4 mal wiederholt. - Die Versuchsthiere waren Hunde und Frösche. Kaninchen und Meerschwein- chen benutzte ich nur, um die Veränderungen des Kreislaufes während des Drehens zu untersuchen. Wenn ein Thier auf die oben beschriebene Weise behandelt wurde, so zeigte es, nachdem die schwersten Schwindelerscheinungen: Speichelfluss, Nystagmus u. Ss. w. geschwunden waren, eine Lähmung einer oder beider Extremitäten derjenigen Seite, die dem Mittelpunkt des Kreises, in dem es gedreht worden, zugewendet - war. Die Lähmung charakterisirte sich im ersten Stadium dadurch, dass das SS A un a Du ai u Be N Thier, wenn es aufgehoben wurde, die betreffenden Extremitäten schlaff herunter- hängen liess; auf den Boden gesetzt, auf die gelähmte Seite fiel, indem es nicht die Kraft zu haben schien, sich mit diesen Extremitäten aufrecht zu er- halten; im weiteren Verlauf bewegte es sich mit den nicht gelähmten Extremi- täten fort. Im zweiten Stadium versuchte das Thier, auch die gelähmten Ex- tremitäten zum Stehen zu gebrauchen, fiel aber dabei zuerst gewöhnlich auf die- selben. Bald wurden auch diese Extremitäten zum Gehen benutzt, doch war der Gang mit denselben zuerst unsicher; das Thier fiel noch ab und zu auf die- selben, schien den Fussboden zu suchen, nicht recht fest aufzutreten, lief manches Mal wie ein Pferd in der Gangart des sog. spanischen Tritts, erinnerte ab und zu an den Gang eines Tabikers und zeigte schliesslich noch längere Zeit eine gewisse Ungeschicklichkeit beim Gebrauch dieser Extremitäten. — Die Intensität der Läh- mungen wie die Dauer der einzelnen Stadien und auch die der ganzen Erscheinungen waren bei verschiedenen Thieren sehr verschieden (und variirte von Minuten bis Stunden). Bei einem und demselben Thiere schienen sie abhängig zu sein so- 37 * 2 580 VERHANDLUNGEN DER BERLINER wohl von der Zeitdauer der Einzeldrehung und der Zahl der Wiederholungen derselben, als auch von der Geschwindigkeit, mit welcher es gedreht wurde, d. h., wie wir weiter unten sehen werden, von der Stärke des Druckes, dem die Corticalis ausgesetzt war. Die Annahme, dass eine Gefässzerreissung mit Blutaustritt in die Hirnmasse das veranlassende Moment für die Erscheinung sein könnte, musste von vorn- herein ausgeschlossen werden, da die Symptome von zu kurzer Dauer waren. Sicherlich wird die Vertheilung von Blut und Cerebrospinalflüssigkeit inner- | halb der Schädelhöhle durch die Drehung verändert: die Centrifugalkraft drängt das Gehirn nach der peripher gelagerten Seite des unnachgiebigen Schädels. Die incompressible Masse des Gehirns verdrängt das verschiebbare Blut aus den Ge- fässen und die Cerebrospinalflüssigkeit von den mehr gedrückten Theilen der Dura mater fort. So werden also die Gefässe der Corticalis, die am meisten in der Peri- pherie liegen, durch die nachdrängende Gehirnmasse comprimirt, und es entsteht hier eine Anaemie, welche wohl eine Ernährungsstörung in den Nerven-Elementen setzen könnte. Zugleich wird aber auch durch die Centrifugalkraft Blut aus den dem Centrum der Drehung näher gelagerten Hirmtheilen nach der zen. pherie getrieben. Legte ich z. B. ein Thier der Art in den Kasten, dass die rechte Seite i in die Peripherie zu liegen kam, sc entstand in der rechten Grosshirnhemisphaere, mit Ausnahme der periphersten Theile Hyperaemie, in letzteren, wie in der linken Grosshirnhemisphaere Anaemie. Um dies sehen zu können, liess ich die Thiere drehen, bis sie gestorben waren und beobachtete die natürliche Injection. Die Veränderung der Circulation konnte ich auch wahrnehmen, in dem ich eine In- jecetion von Farbstoff in die Blutwege während der Rotation machte. Dies ge- schah folgendermaassen: Im Centrum der gedrehten Scheibe war ein Blecheylinder von 1.5 Meter Höhe und 10 Ctm. Durchmesser befestigt und mit wässriger Lösung von Berliner Blau gefüllt. Nahe dem Boden des Cylinders führte aus demselben ein Tubulus mit Kautschukschlauch die Injectionsmasse durch ein Gabelrohr in die peripheren Enden der beiden Carotiden des in der oben beschriebenen Weise tanggalE ge- lagerten Thieres. Beim Beginn der Rotation wurde der Zufluss geöffnet und es wurde die Injectionsmasse durch den hydrostatischen Druck und mehr noch durch die Cen- teifugalkraft in den Kopf des Thieres (Kaninchen oder Meerschweinchen) ge- trieben. Die bleibende Vertheilung der Injectionsmasse zeigte in der That Anaemie der‘ peripher gelagerten Hirnrindentheile, darunter aber Hyperaemie; relative Anae- mie der central gelagerten Hirntheile. Um die Bedeutung der Circulationsveränderung als aetiologische Momente für die Folgeerscheinungen der Rotation kennen zu lernen, suchte ich zu eruiren, ob die corticale Anaemie die Drehung überdauere. Als ich die Hirnrinde sogleich nach der Drehung freilegte, fand ich sie von normaler Färbung. Eben- so sah ich die Hyperaemie, welche an einer Trepanöffnung der peripher ge- lagerten Schädelseite während der Rotation sehr beträchtlich wurde, bald nach dem Stillstande schwinden. Bei Fröschen war es möglich, den Einfluss der Circulation ganz auszu- schliessen. Ich drückte grossen Exemplaren möglichst viel Blut aus der ange- PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT, — Ü. HEIMAnN. 5l schnittenen grossen Bauchvene. Die Tbiere waren hierauf sehr matt, reagirten träge, zogen aber, wenn auch langsam, die ausgestreckten Extremitäten wieder ein. Nach der Drehung hingegen, die in derselben Weise, wie an den anderen Thieren vorgenommen worden ist, nur dass 500 Umdrehungen per Minute ge- macht wurden, zeigten sie deutliche Lähmungen derjenigen Extremitäten, welche von der peripher gelagerten Hirnseite innervirt werden Schliesslich entzog ich einem Hunde die Hälfte seines praesumptiven Blut- gehalts. Derselbe zeigte die besprochenen Folgen der Drehung in keiner Weise stärker, als vor dem Aderlass, was doch zu erwarten gewesen wäre, wenn die Hypothese richtig sein solle, dass die Anaemie den grössten Theil der Schuld an den Erscheinungen habe. Somit war ich gezwungen anzunehmen, dass das veranlassende Moment zu den betreffenden Lähmungserscheinungen vornehmlich der directe Druck auf die Nervenelemente der Corticalis sei. Diese Voraussetzung wurde durch folgenden Versuch bestärkt. Ich trepanirte einem Hund die eine Seite des Schädels an verschiedenen Stellen, lagerte ihn so in den Drehkasten, dass die durchbrochene Schädelseite peripherwärts lag. Nach der Drehung erhielt ich nun keine Lähmungserscheinungen; als ich aber die andere Seite in die Peripherie legte, waren die Symptome sehr ausge- sprochen. Ich versuchte nun den Druck zu localisiren. Drückt man durch eine Tre- panöffnung mit einem Stabe auf, das Hirn, so verschiebt man die ganze Hirn- masse und verursacht allgemeine Erregungen. Es gelang mir jedoch der Druck auf eine begrenzte Stelle der Hirnrinde recht gut, wenn ich durch eine Trepanöffnung im Schädel einen festschliessen- den Stöpsel etwa 5 Millimeter tief eindrückte, ohne die Dura zu verletzen und nunmehr durch die Centrifugalkraft das Gehirn gegen den Stöpsel andrängen liess. | Wenn ich das Thier so in den Kasten lagerte, dass das verstöpselte Trepanloch die peripherste Stelle einnahm, und nun rotiren liess, so wurden die- ‚jenigen Theile isolirt gelähmt, welche von der gedrückten Stelle innervirt werden. So ist es mir gelungen, an der vorderen oder hinteren Extremität einzeln die oben erwähnten Lähmungserscheinungen hervorzubringen. Ich erwähne noch, dass die Einsenkung des Korks vor der Drehung den ‚Gang des Thieres in keiner Weise beeinflusst hat und dass ebenso die Erschei- nungen nach der Drehung weder an Intensität, noch an Dauer von der Heraus- nahme des Korks abhängig waren. Diese Methode gewährt also die Möglichkeit, ebensolche Ausfallserscheinungen zu erhalten, wie man sie bisher durch Ausschneiden einzelner Hirnrindenpartien er- reichte. Da sich die Erscheinungen bald wieder ausgleichen, so kann man sie oft wiederholen und nach Wunsch die Begrenzung der gedrückten Partie, durch Aenderung der Pelottenform, variiren. Wenn die Lähmung vorüber ist, so ist die gedrückte Partie auch wieder reizbar und löst auf elektrische Erregung die von Fritsch und Hitzig be- Schriebenen Bewegungen aus. Wenn es gelänge, ein prominentes Knochen- oder Metallstück in die 'Tre- panöffnung einzuheilen, so würde man solchen Thieren durch fortgesetzte Dre- hung vielleicht den gedrückten Theil definitiv lähmen können. N fi 7 Bu Zi er 1. at un RE DE m £ ur, v R r - { 2 h e i 1 Hate N a Pu" . Ir, “ Er Syn 2 ”2 ö x INT - f Eh SE La | a FR % " ; 7 u . e - .. ö B £ ’ HM Pr f N ri ’ PEN N errEII DE . ri PT 2 i rs v . 5 v ‘ - r r, = 4 mo. J 2 7 chi li u. ! Je EZ 277 Ba? . ‘ Kr. art Bu 4 = Yu iu ie + } % N C - aM area oe RAR r% wit” on SITE a (30705 (DET, „Br ‚BAR et yauf = 6 F 4 Be —] er ' Bye h u : Ei & j var. SE ir ° ul N cleetigite) an A Re 9 „ : ib. ae ı 15 Mao: Binz Bu opA „ab Yan E 5 j f ; f ‘sr BRAD. GE erh BR ’ r £ ee x e Ä - a eh 1 Jr 13 h ” #. u € f 1 ‚ ie; oc % lands Wa, fo Br X u a en na rn * no ’ y 4; } y y v Ll Calz sr WESEN Bin Zur, 2 %, AR 7 Saat ‚a 'Eilamı PInER, ns e f x ! R Mt 457 l a Ar Bir I. re Ni " a je Er £ „Od Sr Nulsoy: ai, ii De al rt, „iR ar Me, A ut tal a vo * Zu . Ei tor Kits it aa Ur Ela. log DR ; ‘ a ses wrech. Sud Ste hllse Yes nes Ed =: et 3 d DT CHE a“ geist Thale "ana in vie A IN ie Bil | Bad a ie } Anllalmus el | (HL Ö, yet a ' ‚ist ee A | | MR es b Tar® % : i - ri N EHts 2791 r | 96 INOICY der: kl 2 2 ü | 3 $ Sr 3 f wahr? . ia Aa : ET l n Jul 2 ONSERTE . 4 4 ’ un 9a s 1: Ren B; Fels, VERRLION; ht, [e aa ah 30 Hari an Tab Sau 10h Y sr | | 12 h Br de u2 a0) y 4 f r z + »7 n { ” 10; 4 RU \ 3 } f 4 Ina : AR air . . a: ) Po u 1 . kelial KaBT-NR . A, 2 Pi 4url T 4} ARE? E .- u . .. r x et A ” ur f E - \ } , 4: F * ’ 2 fi x ci D sr R ’ ' 1 * + “ ” ’ - r « » ” 1 " a ii Er H; Archiv f. Anat. u. Phys. 1884. Physiol. Abthlg. Taf. 1. Horizontalschnitt durch das rechte elektrische Organ vom Embryo des Torpedo ocellata. Vergröss. 16. VERLAG vVoN VEIT & Comp. In Leipzie. a TT —— — Leipzig unke, F Lin Anst.v. EA ze. ip Verlag Veit & Comp. u y f. Anat.u.Phys.1884. Phys. Abihlg, Taf. Il. th.Ansiv. BE. A Fin ko ,Lein | 3: Verlag Veit & Comp. Leipzig sn * er 4 - er x ns . en "ai, he) > v u E } Be % > ‘ « Hi “ - > > Ye Eis In “ r fi Se er Ey E a A 3% id € ei ‘ ä ?* Ä ö k } a a! - “ u “ iM \ pr “_ u; ’ h B 5 j k y 6 2 RP: Re ß rt ff - oa Bw 27) ef f 5 En, ‘ f e3 Ei Id N ; . ’ u r r k ” | r I nn Be “ x = H : [3 A ng . ” rs PR = ] E F L . % ö un R L 5 f s 1 l E - . ‘ ı } i E “ 1 5 war B & 7 . er: Pad r u m a el “ « ze. Du Y „u a‘ rin. v F, . D #L- E 5 f ki er 5 er - Le - r, P f i ü P: . ” “ {, . € v “ . x pP ” 2-8 a - " r j * Een ı 5 ” “ 5 I Pe, ar z r ’ > » = € * N 5 Pi as Ku ie - m 3 > ’ b e Fr y = - | zor.e Rn, ji 2 A re ee A erg 0 t t B FR ee ee en ne ie er ae? a 18:16 r - ar Ta ET- Mi Dr wi En te I we Er A ET Me “ - > %) LE a e > nr a . 1 y ; ° WERE . f 3 . / ’ v hr ’ r = ” D r - % _ * “ u r > j b h e 1 - r -_ » P E u ed + B a“ und u ? En x 2 0 ech 2 E n N { . x s e E be ar - r - . = = x 1.4 5 6 s EN . - vr ri a #4 She; > r Bu r Pi MT a u a a . Be) = [N h u n 7 . in . u a ehe Bee en a EA Ani Saal ie m ö le er a aan 7 ap a a m - | — - nn nn nn nn — —— — ———— - nn nn u ur = — nn - | Archir KAnat.:u.Phys.1884. Phys. Abthig. ”ez. von Ü. Gompertz. Verlag Veit & Comp.Leipzig Archir £nat.u. Phys 1804. Phys Abthlg. Taf Taf Vz. 2 . 7 ” - -30XI Fig.2 m: Fig. 14. 7 > 0 XI83 Ark = Fig. 7 E 79 : 5 Fıg.?7. g 4% Y. ae, ; EN 26: h © En = 77 XI 83 a4 2% : = t es ) . = TE ea ee are eh re si >] | Fig Fig. Ib 98 ___23 VIB% a8 = — he ae at ®; Fig. I. M(O m Ca Verlag Veit & Comp, Leipzig. rchiv [. Anat.u.Phys. 1984 Phys. Abthlg. | | In | Te | 2 ZA Taf: W. I 1 I N | (e/ N N N Verlag Veit & Comp. Leipzig. Lith.Anst.v. E,A.Eunke, Leipzig, Archiv f.Anat. u. Phys. 158%. Phys. Abthlg. I ahnen neh ran Linker Vagus a: een Versuch 3.1. 38"nach der Durchschne idung po re BZ 1 AG IT III Las a REN so in eo His 10 E 5 \ Abseisse |\des Manometers ) nn Mn Mt A nl 8 ne m nl ne nem m ne ml Fl ! Zeit: Seeunden —nl N Fe An Fa Ip N! N Verlag Veit & Comp. Leipzig. Versuch 8. J/ 00 Taf. Stab durchgeführt Abscisse des |Manometers u U V Y Atriotom angel egt On m! Var Am Zeit:Secunden s Abscisse des | Manometers z mn N \ In hl Versuch 3.J. u VI. 60 Pas 0) Zeit: Secunden Lith.Anst.v.E.A ‚Funke, Leipzig Lepz wr‘T “ } . ER nr nn? 2 = ö x Be IP N ”- K ec ü „ , vE y 4? 7% EP DeR f L 8 ” IS 5 AP! re DE rs; 2 Fer AR | > er £ Er RE ar UL Fe 3 ARCHIV Foo UND PHYSIOLOGIE. Bonzsunzuxe DES von REIL, REII, v. AUTENRIETA, J. F. MECKEL, JOH. MÜLLER, | ‚ REICHERT D. DU BOIS-REYMOND HERAUSGEGEBENEN ARCHIVES. nr HE RAUSGEGEBEN VON "Di WILH. HIS- UND Eh WILH. BRAUNE, WE PROFESSOREN DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT LEIPZIG, UND nn Da EMIL DU BOIS-REYMOND, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1884, . — PHIYSIOLOGISCHR ABTHEILUNG. — i ERSTES UND ZWEITES HEFT. MIT ZWEIUNDZWANZIG ABBILDUNGEN IM TEXT UND EINER TAFEL, LEIPZIG, | VERLAG VON VEIT & COMP. Pe 1884. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Austandes. (Ausgegeben am 7. März 1884.) : ü f ; ; = fr Es DE ysiologische Abtheiluns. | 1884. I. u. II. Heft. N wu > Ä vi Eu PR EEE N +47 en A U, N \ „) , s Y In DA “. " . \ y ’ 2 \ Pr BETT s . h L Pf | W 53 a 4 \ . AN ‘ u . A Y kr 7 L Ai BEL ) \ [ P v Melk r “ Be } - a 9 f \, EL A A Be ET N Pa N % BEN ' J De er a . EL a a 5 A Ar, \ } . hl TE EN Th ö £ i A 3 d \ : “ Y r ft ER / 2 N RR i 2 j . J . Ve in, J } u - 4 u; u , . 2 | h N un tr Y Yu u ’ t ya :E. pu Boıs-Reymonp, Breker Yekundär:ldktrorstonkehe Kirscheinungen an wi Me. keln, Nerven und elektrischen Organen . . . RES Auszug aus, dem Protocoll der fünften Plenar-itzung des internationalen Con- A WR gresses der Elektriker zu Paris ı.... 68: 7223 (@ustav Fritsch, Bericht über eine Reise zur Unteksnchung det in den 1 Miseon ee Englands und Hollands vorhandenen Torpedineen . .. . ER Gusrav Frrvson, Bericht über die Fortsetzung der Untersuchungen an ecktri a schen /Fischen, (Hierzu "Tafel I.) 2.7202. % BL S. DaxıLro, Darf die Grosshirnrinde der hinteren Prtie) as Ürsprangsstäte ci eines... 0%, epileptischen Anfalls betrachtet werden? . . .. U EN A N.:W. JasTREBoFr, Ueber die Contraction der, Vagina bei Kaninchen ee E. Buppe, Ueber metakinetische POLEN SEHR und Uppr die Wahrnehmung, Kr ‘.der Bewegung . . RT DÖNHOrF, Ueber die kntstehnne der Bichenzöllen Bach Müllen hoff had Bat win ‚158. a: Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft. zu Berlin 1883-84... ... 56 MaArTIıUs demonstrirte am Capillarelektrometer die negativen Schwankungen. le des unversehrten ‚Kaninchenherzens. — v. KIREEFF,. Ueber arterielle Blu- . tungen, .— Ep. Aronsoun, Beiträge zur Physiologie des Geruchs, E— JASTREBOFF, Ueber die Bewegungen der Vagina des Kaninchens. — HERMANN . Musk, Ueber cerebrale Epilepsie. — Jacus, Ueber die rhythmischen Bewe- gungen des Kaninchemuterus. — KoGanzı, Ueber die Histiogenese der Retina. — FALK, Beobachtung von tödtlicher Kohlendunstvereiftung. — BLASCHKO, Zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte. der Oberhaut. — G. SALOMON, ı, Ueber die chemische Zusammensetzung. des Schweineharns. — A. BAGINsKY, Vorläufige Mittheilung. — KosseL, Ueber Nuclein. — W.’Worrr, 1) Die Nerven .des Froschlarvenschwanzes. 2) Ein Beitrag zur Lehre vom Knochen- wachsthum. — 'W. Worrr, Ueber die elektrische Platte‘ von Torpedo. — Moetı, Ueber Degeneration in der Grgnatunmnde nach DEchBERBORUIE der ‚Capsula interna. ; Die Herren. Mitarbeiter erhalten vierzig 'Separat - Abzüge ihrer ' Bei- E träge gratis. | | SET Beiträge für die anatomische Abtheilung sind an ‚Professor Dr. W. His oder Professor Dr. W. Braune 188 | in Leipzig, beide Königsstrasse 17,2% ER Re Beiträge für die physiologische Abtheilung an Professor Dr. E. du Bois- Reymond in Berlin, N.W., Neue Wilhelmstrasse 15, portofrei einzusenden. — Zeichnungen. zu. Tafeln oder ‚ZU Holzschnitten ind! R auf vom Manuscript getrennten Blättern beizulegen. Bestehen die Zeich- 3 nungen zu Tafeln aus einzelnen Abschnitten, so ist, unter Berücksichtigung der Formatverhältnisse des Archives, denselben eine Zusammenstellung, die dem Kupferstecher oder Lithographen als Vorlage dienen ı kann, heizufügens h 44 Pe: ar 1884. III. Heft. Er Br ARCHIV ER | Ronreenzune D DES von REIL, REIL v. AUTENRIETA, J. F. MECKEL, JOH. MÜLLER, REICHERT U. DU BOIS-REYMOND HERAUSGEGEBENEN ARCHIVES. Be | Fre Der . HERAUSGEGEBEN VON Dr WILH. HS und Dr. WILH. BRAUNE, Ye PROFESSOREN DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT LEIPZIG, 4 r Pa! .. | Se, ZURD | es De. EMIL DU BOIS-REYMOND, . "PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. ES JAHRGANG 1884. Be ac PHYSIOLOGISCHE ABTHEILUNG. —- a > DRITTES HEFT. 0° MIT FÜNFZEHN ABBIEDUNGEN IM TEXT UND DREI TAFELN. 1 VERLAG VON VEIT & COMP. ER 1884. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes. | (Ausgegeben am 17. Juli. 1884.) ae N Rn: N Wi a un BR n | gelte | Pa: ee Ueber. die Endigungsweise der Nerven. im Epithel ‚der BE! Kaulquappen. (Hierzu Taf. IL) . >. . AOLRENN H. Krause, Ueber die Benikinngen; der Grdsähieneihdern zu Kehlkopt dad Rachen, NR (Hierzu Taf. IIL) RR, KO Leo v. BrasoL, Wie ontledigt zu he Blut von einem | Ueberschuss & an n Trauben. ER Zucker? 3% u .. | ve BR; “a ÜONRAD GOMPERTZ, Toben Herz und Blutkreislauf bei nackten EN, (Hierzu . Yo ELITE SEN ER ae. R. MEADE Sina, Die Wärme ie Starken Kangeihidriiels a ae a, 792 3 12614. ° Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft zu Berlin 1883—84 . . u... Ri 300 5 5 BexpA demonstrirt eine Reihe von Präparaten über das Vorkommen. des Sur Koch’schen Bacillus in ‚den Nieren. — Lucar, Zur Lehre und Behandlung ri der ‘'subjectiven Gehörsempfindungen. — J. Gad, Ueber Centren und Lei- A .„"tungsbahnen. im Rückenmark des Frosches. — KossEL, Ueber Pepton. — 8 8. LUKJANOWw, Ueber die Aufnahme’ des Sauerstoffs bei erhöhtem Proceutgehalt I desselben in der Luft. — Scumey, Ueber Modificationen der Tastempfindung. SR ; Die Hetren Mitarbeiter erhalten , vierzig Separat - Abzüge ihrer Bei- 4 ‚träge gratis. nt BR“ KR RR REED EN Beiträge für die anatomische Abtheilung sind‘ an 3 Professor Dr. MW. His oder Professor Dr. W. Braune 4 13 Pi } in ‚Leipzig, beide Königsstrasse, 17, Beiträge für die physiologische Abtheilung an Professor Dr. E. du Bois- Reymond | RR in Berlin, N. W., Neue Wilhelmstrasse DER RE: = a 5 portofrei Auzufendeh: — Zeichnungen zu Tafeln oder zu Hölzöchnitien: ide 4 auf vom Manuscript getrennten Blättern. ‚beizulegen.. "Bestehen die Zeich- nungen zu Tafeln aus einzelnen Abschnitten, so ist, unter Berücksichtigung. 3 . der Formatverhältnisse des Archives, denselben eine Zusammenstellung, die dem Kupferstecher oder Lithographen als Vorlage dienen kann, ‚beizufügen. ıysiologische Abtheilung. 2 1884. IV. u. V. Heft. 1 er Nov: 41887 Ka ARCHIV FÜR x y do 2\ mn Vz J | FortserzunG ops von REIL, REIL u. AUTENRIETH, J. FÜ MECKEL, JOH. MÜLLER, w REICHERT v. DU BOIS-REYMOND unnausceorsenen ArcHıves. ERENUSSSEEREN 'vVoN se WILH. HIS uno Da. WILH. BRAUNE, PROFESSOREN DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT LEIPZIG, UND er EMIL DU BOIS-REYMOND, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1884, = PHYSIOLOGISCHE ABTHEILUNG. — VIERTES UND FÜNFTES HEFT. AUT EINUNDZWANZIG ABBILDUNGEN IM TEXT UND ZWEI TAFELN. LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COMP. 1884. ’ 4 Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes. (Ausgegeben am 30. September 1884.) Inhalt. Ba en 0 ARE. we Ueber einen neuen Stoff des Blutplasma’s . . BR ir WARNEN Kr 818% Tu. Wevr, Physiologische und chemische Studien an Torpedo. (Kortsetzung) . 316 Pavut Bongers, Beobachtungen über die Athmung des Igels während des Winter- schlafes . ... 325 # v. Krıes, Ueber die Abhängtekalt der Ehreruaen orainen von eng Zeitlichen 1 .... ‚Verlaufe.der zur Reizung dienenden Elektricitäts-Bewegungen. (Hierzu Taf. V.) 337 © or Dosier, Zur Physiologie der Lymphkörperchen, (Hierzu: Taf. 'V a.) ..; ; 4.7373, u N. Zuntz, Ueber die Benutzung curarisirter 'Thiere zu Stoffwechseluntersuchungeni E (Hierzu Tat, VEN, 380° G. Kempner, Neue Versuche über Re Einfuss Mes Sanerstoffeähuftes Hier Ein. eh 'athmungsluft auf den Ablauf der Oxydationsprocesse im thierischen Organismus 396 Max MARCKWwALD, Ueber die Wirkungen. von Ergotin, Ergotinin und Sklerotin- » | säure auf Blutdruck, Uterusbewegungen und Blutungen ee EN Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft zu Berlin 1883—84 . her. 455 r F. Fark berichtet über Fortführungen seiner früheren Yersnche über Be- N & ziehung der Hautnerven zur Athmung. — A. Basınskı, Ueber das Verhalten von Xanthin, Hypoxanthin und Guanin, — Marrıus demonstrirte eine Me- ‚thode zur absoluten Frequenzbestimmung der Flimmerbewegung auf strobo- skopischem Wege. — Ep, ARONSOHN, Ueber elektrische Geruchsempfindung. — ARTHUR CHrıstıanı, Zur Physiologie des ‚Gehirns. — HERMANN Munk, . ‚Ueber Grosshirn-Exstirpation beim Kaninchen. Fern. Kuus, Ueber die Hautathmung des Frosches . .. .. "2... 00. ..188 y (Ist beim Binden. des Jahrganges- an der-betr, Stelle einzuschalten.) Ra, Die Herren Mitarbeiter erhalten vierzig er Abzüge ‚Ahrer Bei- 2 träge gratis. a Beiträge für die anatomische Abtheilung sind an Professor Dr. W. His oder Professor Dr. W. Braune. in Leip zig, beide. ‚Königsstrasse 11, ” Beiträge für die ‚physiologische Abtheilung an Professor Dr. E. du Bois- Reymond in Berlin, ‚N.W., Neue Wilhelmstrasse 15, portofrei einzusenden. — Zeichnungen zu Tafeln oder zu Holzschnitten na | auf vom Manuser ipt getrennten Blättern. beizulegen. “Bestehen. die Zeich- nungen zu Tafeln aus einzelnen Abschnitten, so ist, unter Berücksichtigung 2 der Formatverhältnisse des Archives, denselben eine Zusammenstellung, die dem Kupferstecher oder Lithographen als Vorlage dienen kann, beizufügen. 2 5 3 Tr GT "hysiologische Abtheilung. 4 ‚1884. VI. Heft. ARCHIV gu UND PHYSIOLOGIE, # 5 | Forsemraue DES -VON REIL, REIL. v; AUTENRIETH, J. F. MECKEL, JOH. MÜLLER, REICHERT u. DU BOIS-REYMOND HERAUSGEGEBENEN ARCHIVES. HERAUSGEGEBEN voN D win HIS uso Da. WILH. BRAUNE, a 2 | N un. D-. EMIT DU BOIS-REYMOND, - = PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. ee JAHRGANG 1884. = PHYSIOLOGISCHE ABTHEILUNG. — 3 | SECHSTES HEFT. MIT ZEHN ABBILDUNGEN IM TEXT UND EINER TAFEL. ® LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COMP. 1884. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes, (Ausgegeben am 29. December 1884.) en 14; R. TER Smitn, Die Resorption des Zuckers und des Eiweisses im Magen . . 481 Rosert Tieerszeor, Ueber die Bedeutung der Vorhöfe für die Se der Ven- Sr trikel des Säugethierherzens. (Hierzu Taf. ne ee Re AT F. €. DoNDers, Farbengleichungen . . 2: DIR MARGARETHE TRAUBE-MENGARINI, Espermonell Bafhrägera zur Physiologie des ee Fischgehirnes . . er ho Verhandlungen der Phyaioinpischee "Besellschaft zu Berlin 1883-84 HOUSE SDEDE : H. Krause, Zur Kenntniss von Stimmbandeontractionen, — A. AUERBACH, ee. Ueber die Säurewirkung der Fleischnahrung. — JASTREBOFF, Ueber fort- schreitende Bewegung der Kaninchenvagina. — JASTREBOFF, Ueber den Einfluss operativer Eingriffe in der Bauchhöhle auf den Blutdruck. — RATIMorF, ‘Ueber die Wirkung des Chloroforms auf Herz und Athmungsorgane, Er 5 Heımann, Ueber die Wirkung des Drucks auf die, Grosshirnrinde. : Titel und Inhalt zum Jahrgang 1884. Ga ee Rt RER Be | Die Herren Mitarbeiter erhalten vier 7E ss Abzüge ihrer. Bei-- 3 3 träge gratis. ; | SE Beiträge sind an den Hörausäher Professor Dr. E. du Bois- Behand in Berlin, N. W., Neue Wilhelmstrasse 15, portofrei einzusenden. — Zeichnungen zu Tafeln oder zu Holäschnitien sind 3 auf vom Manuscript getrennten Blättern beizulegen. Bestehen die Zeich- ‚nungen zu Tafeln aus einzelnen Abschnitten, so ist, unter Berücksichtigung der Formatverhältnisse des Archives, denselben eine Zusammenstellung, die E dem Kupferstecher oder MuNOSEapEEn als Vorlage dienen KEN beizufügen, E Acme Bookbinding Co., Inc. 300 Summer Street. Boston, Mass. 0° ID 3 2044 093 332 732 % # li ‚ “ Du er . P Ar ar a . ! Por ‚ B A . .. er . i.# , i Dr | 2 ’ 5 .. Fa, 0 . . Ka, Pe RT An: ; d geh F. er Dr PRIOR v. ' ER oA BE SE PUR IT ERRROEER F JE a ” ’ N‘ ar ee nr; . 3 . Bw R F ET na ‘ B D ! u . 2 y r . rı we . ’ R P DR +’ Fin “ ' , ' 2 ‘ Pr . D re an D f 2 er ' a e 3 3 J re . .. . ‘ t° ; . sn; . A FR 4° a FÜR r . r r " 2 AL & B ö . " [a5 Gr) f s Der ” Ir R PR R y . “ ’ 2 ; var-dır ... J Pr er er er D .. en 26 5 ” .# .cr rd PR er Pre) . ’ * tt». ». #r ’ . 14 “ va De IHR“ | 94 RT u r Pr : PR Eu & e R .: PR? SRRNICLSF . . 5 . ; er rt B + . . ’ ’ ia) ‘ a Pen PR , 5 RE SR zer Fur ® . .. ur, . " 5 . ae r .. B AR WIE SFRRe ’ \ B # ur “4 2 . 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