Google

This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct

to make the world's books discoverablc online.

It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject

to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books

are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover.

Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the

publisher to a library and finally to you.

Usage guidelines

Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to prcvcnt abuse by commercial parties, including placing lechnical restrictions on automated querying. We also ask that you:

+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for personal, non-commercial purposes.

+ Refrain fivm automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the use of public domain materials for these purposes and may be able to help.

+ Maintain attributionTht GoogXt "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct and hclping them lind additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.

+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe.

Äbout Google Book Search

Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs discover the world's books while hclping authors and publishers rcach ncw audicnccs. You can search through the füll icxi of ihis book on the web

at|http: //books. google .com/l

Archiv

f&r

Mibroskopisclie Anatomie

herausgegeben

▼on

Max Schnitze,

Professor der Anatomie und Direotor des Anatomischen Institata

in Bonn.

Achter Band.

Mit 28 Tafeln und 5 Holzschnitten.

Bonn»

Verlag von Max CSohen A Sohn.

1872.

<■

>•• ••.

••• •«'

I k a 1 t.

Seite Beiir&ge zur Geschichte dea Keimbläschens im Wirbelthiereie. Von Dr.

Joseph Oellacher, Prosector und Privatdocent in Innsbruck.

ffierzu Taf. I 2

Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Gewebe. Von Dr. Franz Boll. Assistenten am physiologischen Laboratorium der Universität Berlin. Zweite Abtheilung. Hierzu Taf. II. . . 28

üeber die quergestreiften Muskeln der Milben. Von J. H. L. FlögeL

ffierzu Taf. III 69

Die Pigmentschicht der Retina. Von Dr. Franz Morano aus Neapel.

(Aus dem physiologischen Laboratorium in Berlin.) Hierzu Taf. IV 81

Beiträge zur Kenntniss der Drüsen in den Darmwandnngen, insbesondere der Brunner'schen Drusen. Von Dr. G. Schwalbe, Professor in Leipzig. Hierzu Taf. V. 92

Zur Kenntniss vom Baue des Zellkerns. Von Dr. Th. Eimer, Privat- docent und Prosector der Zootomie zu Würzburg, ffierzu ein Holz- schnitt 141

Ueber den feineren Bau und die Entwickelung der Gehörschnecke der Säugethiere und des Menschen. Von Dr. J. Gottstein in Breslau, ffierzu Taf. VI, VH und VIII 145

Beitrag znr Kenntniss der Säugethierschnecke. Von Dr. Nuel aus Luxemburg. Hierzu Taf. IX und X. (Aus dem anatomischen In- stitute in Bonn) 200

Untersuchungen über die Eier der Reptilien. Von Dr. Th. Eimer.

Privatdocent in Würzburg. Hierzu Taf. XI und XII .. . 216

Der quergestreifte Muskel. Von Dr. Fr. Merkel, Prosector in Göttin- gen. Hierzu Taf. XIII 244

Ueber die Membran der Milohkügelchen. Von Dr. C. Schwalbe, Pri- vatdocent in Zürich 269

Die angeblichen Terminal körperchen an den Haaren einiger Säugethiere. Von Dr. Ludwig Stieda, Prosector und ausserordentlicher Pro- fessor in Dorpat 274

Bemerkungen über die Brunner*schen Drüsen. Briefliche Mittheüung an

den Herausgeber von R. Heidenhain 279

Nesselzellen und Samen bei Seeschwämmen. Von Dr. Th. Eimer, Pri- vatdocent zu Würzburg. Hierzu 2 Holzschnitte .... 281

Das äussere Ohr des Igels als Tastorgan. Von Dr. Jos. Schöbl in Prag

ffierzu Taf. XTV 295

Zur Kenntniss der Sinnesorgane der Schlangen. Von Dr. F. Leydig,

Professor in Tübingen. Hierzu Taf. XV und XVI . . . 817

Zur Entwickelung der eingehen Ascidien. Von G. Kupffer. ffierzu

Tafel XVII 368

4781

Seite

üntenuchungen über die Eier der Reptilien, ü. Zugleich Beobachtun- gen am Fisch- und Yogelei. Von Dr. Th« Eimer, Privatdocent zu Würzburg. Hierzu Taf. XVHI 397

Die feineren Strukturverhältnisse der Druaen im Muskelmagen der Vögel. Von Dr. Robert Wiedersheim. EQerzu Tafel XIX . . . 435

Zur Kenntniss der Nervenendigung in der Hirnrinde. Von Prof. Dr. E. Rindfleisch. Mit 1 Holzschnitt 453

Ein Beitrag zur Kenntniss der Qeschmackorgane. Von Dr. Alex. E. von Ajtai aus Peat 455

Untersuchungen über die Leuchtorgane der bei Yera-Gruz vorkommenden Leuchtkäfer. Von Dr. Carl Heinemann. Erste Mittheilung . 461

Modelle zur Krl&uterung der Form, des Volums und der Oberflachenent- faltung der rothen Blutkörperchen der Wirbelthiere. Von H. W e 1 c k e r 472

lieber die Anföüge der Speichelgünge in den Alveolen der Speicheldrüsen. Von V. von Ebner, Privatdocent in Linsbruck. Hierzu Taf. XX . 481

Zur Naturgeschichte der Vibrionen. Von Oscar Grimm in St. Petersburg 514

Ueber eine neue Süsswasser-Radiolarie. Von Oscar Grimm in St. Peters- burg. Hierzu Fig.A. Taf. XXI 581

üeber den Cysticercus taeniae gradlis, eine fireie Cestodenamme des Bar- sches. Von Dr. vonLinstow in Ratzeburg. Hierzu Fig. 1 5. Taf. XXI 535

Das Saugadersystem und die Nerven der Cornea. Von Dr. M. Lav- dowsky aus St. Petersburg. Hierzu Taf. XXII, XXm u. XXIV . 538

Untersuchungen über den lymphatischen Apparat in der Milz. Von Dr. Eduard Kyber, Assistenten am pathologischen Institute in Dorpat. Hierzu Taf. XXV und XXVI 568

Ein Beitrag zur Kenntniss des feineren Baues und der Entwicklungs- gesohiclite der Nebennieren. Von Albert von Brunn. Hierzu Taf . XXVn und XXVin 618

Ueber den Bau der rothen Blattchen an den Schwingen des Seidenschwanzes. Von Ludwig Stieda, Prosector und ausserordentlicher Professor in Dorpat. Hierzu ein Holzschnitt ........ 639

Ueber die Nervenendig^ungen in der Haut derEuhzitze. Von Dr. Th. Ei- mer, Privatdocent in Würzburg 648

Vorlaufige Mittheilungen über die Nerven vonBeroe. Vun Dr. Th. Eimer 647

Bemerkungen über die Leuchtorgane von Lampyris splendidula. Von Dr. Th. Eimer 653

Nochmals über die angeblichen Terminalkörpe-chen an den Elaaren einiger Säugethiere. (Eine Entgegnung auf Dr. Ludwig Stieda's Notiz ähnlichen Titels). Von Dr. J. Schöbl in Prag .... 655

Erklärung, die Entdeckuug des Schmeckbecher von G. Schwalbe betref- fend, von Max Schnitze 660

V

(V^^^^-^

Beitrage snr Gtoschichte des Keimbläschens im

Wirbelthiereie.

Von Dr. J»gepii #elkMlier9 Proeeotor a. Privatdooent in Imubmck.

Hienn Tat L

Schon bevor der durch Fr evosf und Dumas am Batrachier- eie entdeckte Vorgang der Dotterfurchung an den Eiern anderer Thiere beobachtet worden war, ja lange bevor man denselben sei- nem wahren Werthe nach aufzufassen begonnen hatte, interessirte die Frage nach dem endlichen Schicksale des Keimbläschens die Embryologen und Physiologen auf das Lebhafteste. Das Keim- bläschen sollte nach der damaligen Ansicht wahrscheinlich in allen Eiern, zuverlässig aber in einer grossen Anzahl, die direkt zu Unter- suchungen gedient hatten, „verschwinden," d. h. aufgelöst werden, und zwar „vor*' der Befruchtung, also unabhängig von derselben. Die Frage nach dem Schicksale des Keimbläschens gewann aber erst ein erhöhtes Gewicht, nachdem man sich über seine Bedeu- tung als Zellkern klar geworden war, nachdem der Prozess der Furchung an einer grossen Anzahl von Eiern beobachtet, als Zell- theilung interpretirt und durch Remack und Kölliker in seiner wahren Bedeutung erkannt worden war , indem die genannten For- scher die direkte Abkunft aller Embryonahsellen von den Furchungs- kngeln durch fortgesetzte Theilung bewiesen. Die damalige An- schauung verlangte, dass der Theilung jeder Zelle die Theilung des

H. SohnUw, Aitbiv f. mikroak. Anntomie. Bd. 8. 1

2 Dr. Joseph Oellaoher:

Keines vorausgehe. Diesem Dogma gegenäber musste die als erwiesen geltende Thatsache des Schwindens des Keimbläschens oder des Kernes der Eizelle vor deren Theilung um so mehr befremden, als es gerade die ersten Furchungskugeln der Batrachier und die embryonalen Blutkörperchen des Huhnes waren, an denen man die der Zelltheilung voraufgehende Kemtheilung beobachtet und erwiesen zu haben glaubte.

Datratim Jahre 1852 Johannes Müll er mit der bestimmten Behauptung auf, dass das Keimbläschen des Eies von Entoconcha mirabilis nicht schwinde, sondern sich theile und die Kerne der ersten beiden Furchungskugeln aus sich entstehen lasse.

Dieser Beobachtung folgten zunächst ähnliche von Le yd ig für die Eier der Rotatorien und nun tauchte auf dem Gebiete der Entwicklungsgeschichte der Weichthiere bis in die neueste Zeit so zu sagen eine Beobachtung nach der andern auf von Keimbläs- chen, die nicht schwinden, sondern sich bei der Furchung theilen.

Im Gegentheile hiezu sprechen sich alle jene Forscher, die an den Eiern von Wirbelthieren arbeiteten, für die Purkinje -Baer'- sche Ansicht aus, und erst in neuester Zeit wurde eine gewichtige Stimme laut für die entgegengesetzte Ansicht selbst bei dieser Thierklasse.

Gestützt auf zahlreiche eigene Beobachtungen und ebenso viele fremde bei den Eiern von Wirbellosen, so wie auf eigene Un- tersuchungen am Säugethiereie betrachtet es E. van Benedenais höchst wahrscheinlich, dass bei den Eiern aller Thiere das Keimbläs- chen die Mutter aller Zellkerne sei, sowie die Eizelle selbst die Mutter der Furchungskugeln und aller Zellen des Thierleibes überhaupt ist.

Grösstentheils stützen sich die Beobachtungen über das Ver- schwinden des Keimbläschens darauf, dass man es zu einer gewissen Zeit nicht mehr sieht, und noch weniger isoliren kann. E. van Beneden schreibt das erstere in den meisten Fällen einer Verdich- tung des Dotters zu, der sich contrahirt; er lässt es aber unent- schieden, ob nicht in gewissen Fällen am Keimbläschen selbst Ver- änderungen vor sich gehen, die bewirken, dass es sich vom Dotter nicht mehr abhebt, und ich glaube hinzufügen zu dürfen, dass es bei Isolations- Versuchen vielleicht zerstört wird. E. van Beneden stützt seine Ansichten in diesen Fällen mit der grossen Aehnlich- keit des Bläschens in Gestalt und Dimensionen vor seinem zeit- weiligen Verschwinden und nach seinem Wiederauftauchen und da-

Beiträge zur Oetohiohte des Eeimblasohenfl im Wirbelthiereie. 8

mit, dass ein neuer Kern doch erst kleiner sein müsse als das Keimbläschen war.

Ich glaube die ersteren GrQnde sind nicht stichhaltiger, als die letzteren. Wenn aber E. van Beneden vermnthet, dass das Verhalten des Keimbläschens in den Eiern aller Thiere dasselbe sei, so kann ich mich nur 2u derselben Vermuthung bekennen. Allein gerade desshalb kann ich um so weniger umhin, Thatsachen mitzutheilen, welche mir viel eher für ein Verschwinden des Keim- bläschens bei den Eiern der Wirbelthiere wenigstens zu sprechen scheinen, Thatsachen, die mit ähnlichen aus älteren Beobach- tungen resultirenden sehr gut übereinstimmen. Allerdings betreffen dieselben zumeist Thieridassen , welche E. van Beneden gar nicht untersuchte, wie Mollusken, Batrachier und Knochenfische, wesshalb er auch die hierher gehörigen Beobachtungen v. Baer's am Batrachier- undHühnereie und am Eie der Anodonta nicht er- wähnt Ich komme auf dieselben am Schlüsse meiner Abhandlung zu sprechen, indem ich meine Beobachtungen am Forellen-£ie, welche mir an und für sich und in Rucksicht auf die angewandte Methode am belehrendsten zu sein scheinen, voranstelle.

Am 10. November des verflossenen Jahres 1870 nahm ich an dem Rogen einer viertelpfündigen Bachforelle die künstliche Be- fruchtung vor.

Die Eier, die ich zum Behufe meiner Untersuchungen von Zeit zu Zeit aus dem Brütapparate nahm, präparirte ich in der folgenden Weise : Ich legte selbe in eine schwache Ghromsäure- Losung, in welcher sie nie länger als 18— 24 Stunden blieben. An sokhen Eiern kann man den Keim durch die Eihabi als einen lichten Fleck durchscheinen sehen, und ist dadurch ein hinreichen- der Anhaltspunkt gegeben, um ihn beim Abziehen der Eihaut nicht zu verletzen. Die Eihaut selbst ist noch zähe und umschliesst den erhärteten Dotter nur lose, daher es leicht gelingt, dieselbe unter Wasser mit Pincetten anzufassen, zu zerreissen und abzuziehen.

Die Konsistenz, welche die Dotterkugel sammt dem Keime durch diese Behandlung mit Ghromsäure angenonmien bat, erlaubt nun beide Theile in beliebiger Weise zu zerschneiden, und nament- lich den Keim mit dem Rasirmesser in beliebig feine Schnitte zu zerl^en. Zu diesem Zwecke schneide ich das den Keim tragende Segment der Dotterkugel gleichfalls unter Wasser mit einem kleinen Seatpdle ab. Ein solches Segment eignet sich wegen seiner Form

4 Dr. Joflepk üellaoker:

sehr gut, um die Oberfläche des Keimes, im at^allenden Lichte unter dem Microscope zu betrachten, so wie es auch aus dem> selben Grunde sich fest in eine Einbettungsmasse einschliessen lässt.

Zu diesem Behufe entwässere ich das Object in absolutem Alkohol, lege es hierauf, bis es hinlänglich durchtränkt ist, in Ter- pentin und verfahre dann in- der genugsam bekannten Weise« Erwähnen will ich nur noch, dass solche erhärtete Eier im Wasser sich Tage und Wochen lang gut aufbewahren lassen, ohne dass sie dabei irgend welche störende Veränderung erleiden, die bei der Beobachtung im auffallenden Lichte oder beim Schneiden beirren könnte.

Die Eier, die ich 2uimchst untersuchte, waren wenige Stunden nach der Befruchtung oder richtiger nach der Besaamung dem Brütapparate entnommen, oder es waren solche, die ich, ohne sie mit dem daamen in Berührung zu bringen, in die Ghromsäore gelegt hatte. Der Keim solcher Eier erschien, von der Oberfläche gesehen, als eine weissliche oder gelbliche Masse von kreirunders oder seltener zackiger Begrenzung gegen den Dotter und pro- minirte derselbe über die Dotterkugel meist nur unbedeutend oder gar nicht Die gewölbte Oberfläche des Keimes erschien meist uneben, wie von seichten engen Furchen kreuz und quer durch* zogen. (Fig. 1 u. 2 a.) Auf Durchschnitten zeigte der Keim nach aussen eine schwach convexe Begrenzung, nach innen gegen den Nahrungsdotter hin ist dieselbe sehr unregelmässig, im ganzen aber immer stark convex. Der Keim liegt also fast mit seiner ganzen Masse in einer Grübe des Nahrungsdotters. Auf den Durch- schnitten ist der Keim gegen den Dotter, wie erwähnt, sehr unregel- massig begrenzt; es ragt nämlich die Masse des letzteren in die des ersteren stellenweise tiefer hindn, so dass gewisse Partien derselben wie in rundliche Buchten des Keimes eingefügt erscheinen; häufig liegen dann noch Klumpen von Dottermasse ganz und gar in den peripheren Schichten der Keimmasse eingeschlossen, so dass dieselbe am Rande vielfach von Dottermasse durchbrochen und durchsetzt erscheint. Die Masse des Keimes selbst besteht aus einer feinkörnigen Substanz.

In der beschriebenen Weise zeigte sich der Keim an der Mehr-» zahl der in den ersten Stunden nach der Besaamung dem Brut- apparate entnommenen Eier.

Unter denselben fand sich jedoch eine nicht gerade unbebrächt-

Beitrage sor Geeohielite des KeimbÜschei» im Wirbelthiereie. 6

Bebe Aiusahl, deren Keim in der Flichenansicht sich durch ein agenthfimliites Merkmal aosseiehnete.

Mitten auf demsdben konnte man nämlich im auffallenden Lichte und bei schwacher Vergröaserung (Hartnack S4 Os) einen nrodlichen graum Fleck wahrnehmen von 0,4 mm. Durchmesser (Fig. 1 b). Dieser Fleck sdden bei genauer Besichtigung einem der Keimoberflicbe aufgelagerten Gebilde zu entsprechen; er nahm sich aus» wie ein dem Keime aufliegendes zartes Schleierchen, das sich allen Unregebnfissigheiten des Keimes innig anschmiegt, und sie somit nachahmt An den meisten solcher Keime ersduen das be- schriebene Schleierchen durchaus gleichartig, nur an einigen bemerkte man gelbe, etwas ins granliche stechende, runde Flecke, die den Ansehdn hatten, als lägen, sie in der Masse des Schleierchen selbst (Fig. 2d). In diesem Falle war die Oberfläche des Keimes i^nter dem Schlderchen meist tiefer geklflftet, so dass dieselbe deutlicher als sonst in unregelmässige, rundliche oder längliche, convex pro- minirende Felder getheilt erschien, in denen, je nach ihrer Grösse, einer oder zwei jener gelblidi grünen Flecken higen.

Das Schleierdien schien sich hier den Erhabenheiten und Vertiefungen der Keimoberfläche fast noch inniger anzuschmiegen, 90 dass ich es nur mit Mtthe als solches erkennen konnte. Was nun das in beiden Fällen vorhandene grauliche Sddeierchen anbelangt, so zeigten feine Durchschnitte durch dasselbe folgendes: An der freien Oberfläche des Keimes war in der Mitte (Fig. 3 b) ein fdner hyaliner Saum aulgelagert, dessen Ausdehnung in die Länge an Mediandurchschnitten dem Durchmesser des Schleieichens im Flädienbilde entsprach. Der Saum war in der Mitte am dick- sten 0,006 mm., yerschmächtigte sich nach beiden Seiten und endete mit scharfen, zugespitzten Rändern. In seiner ganzen Ausdehnung schmiegte sich derselbe an alle Erhabenheiten und Vertiefungen des Keimes an und zeigte daher in semem Verlaufe wellenartige Bie- gungen oder mitunter (wie in den Durchschnitten aus Fig. 2) scharfe Knickungen, entsprechend den seichtem oder tiefern Furchen der Keimoberfläche (Fig. 4 b).

Es ist kein Zweifel, dass wir es in diesem Saume mit nichts anderem zu thun haben, als mit dem Durchschnitte jenes grau- üdien Fleckes in der Mitte der Oberfläche des Keimes, und somit kann auch kein Zweifel bestehen, dass jener Fleck eine der Mitte der Kämoberfläche aufgelagerte, dünne Masse darstellte.

6 Dr. Joseph Oellacher:

Bei gewöhnlichen starken Vergrösseningen , wie Hartnack S. Nr. 7, bemerkt man in dem geschilderten hyalinen Saume eine feine senkrecht 2ur Oberfläche des Eies stehende Streifung (Fig. 3 und 4 b). Bei genauer Untersuchung sieht man , dass dunklere und hellere feine Streifen mit einander abwechseln, dass somit der ganze Saum abwechselnd aus dunkeln und hellen pallisadenförmig an- einander gereihten StUcken zu bestehen scheint. Beobachtet man an sehr dünnen Schnitten mit Hartnacks System Nr. 8 oder 10 ä Tim- mersion, so sieht man bei wechselnder Einstellung des Tubus schein* bar ein6n und denselben Streif bald dunkel, bald hell werden.

Scharfe Grenzen zwischen zwei benachbarten Stieifen konnte ich aber nur bei gewissen Einstellungen wahrnehmen, verrückte ich jedoch den Tubus, so schien es, als ob die hell^ Streifen continuir* lieh in die dunklen übergingen. Ich halte es daher Ar wahrschein- lich, dass die Streifung der Ausdruck von Porenkan&len ist, welche den hyalinen Saum und somit das dem Keime aufgelagerte Schleier- eben durchsetzen.

Im Flächenbilde gesehen zeigen Stücke des Schleierchens im durchfallenden Lichte eine äusserst feine Punktirung. Flächenbilder konnte ich nämlich auch mitunter an senkrechten Schnitte erhal- ten, indem sich ja das Schleierchen in Vertiefungen des Keimes ein- senkt, so dass es auch auf solchen Durchschnitten stellenweise seine Obei*fläche dem Beschauer zukehrt. An solchen Stellen kann man dann oft unter successiver Hebung oder Senkung des Tubus den Uebergang des Flächen - Bildes in das Durchschnitts - Bild ver- folgen.

Dadurch wird man vor einer etwa möglichen Verwechslung der feinen Punktirung im Flächenbilde des Schleierchens mit der ohnehin weniger feinen Granulation der darunter liegenden Keim- masse völlig gesichert.

Demnach glaube ich also die dunklen Streifen des Durch- schnittsbildes und die dunklen Punkte des Flächenbildes auf ein- ander beziehen und als den Ausdruck der Lumina von Poren- kanälen auffassen zu dürfen, während ich die hellen Streifen als die Wände der Kanäle ansehen zu müssen glaube.

An Durchschnitten durch Bilder wie sie Fig. 2 zeigte, erschienen die gelben Flecke als halbkugelförmige Gebilde von der Farbe der Blutkörperchen des Frosches im durchfallenden Lichte gesehen, also gelblich grün (Fig. 4).

Bolnfe an* GcMldoMe det WnlmMiirlirm im Wirbehbkreie.

Sie sdHeBai mir aa der ioflseren OboiBidie des Sdileier- chae oBd ivmr in halbkugeligai Veftiefaiigeii m lieg».

Wts das Sddderdiai bedeate, darübo* konnte ich mir for der Haid keineriei Vorstdlang mechen. Ins mir ms einer Rahe von Beobecktongen die Abstammung desselben YöUig klar wvrde. Bew ich jedoch dann gehe, diese letitere zn beschreib ben, wiO lA noch jene Thatsachen beibringen, die es alauben, die Bedeotoig nnseres Gebfldes am Forellende, woiigstens nach einigen Bidtongen hin, schon im Torans zn begroiiaiL

1) Ich find dieses Gdiilde an den Eiern der Tiertelpfändigen Fordk Yom 10. Nov. 1870 sowohl an besaamten, als an solchen Eiern, weldie ich onbesaamt erhiirtete. Das Schleier- eben fiidet sich scwiit an notorisch nnbefrachteten Eüern.

2) An andon Eiern dersdben Forelle and zwar an der Mehr- zahl fand ich es nicht oder in Anflösung begriffen. Darans

^ gdit zmiichst hervor, dass es kein Prodact der Befrnchtang des Eies iä, sondern eher mit derselben zn schwinden scheint

3) Die Eier, fie ich nntersnchte, stammten ans dem Beginne der Laichzeit , welche von An&ng November bis Ende Dezember wahrt; ich konnte daher theOweise wenigstens mit nnreiien Eiern zn thtn haben, und daf&r sprach anch die grosse An- zahl steriler Eier , die ich neben den befirachteteif durch die ganze BrAtzet hindnrdi in meinem Apparate fand. Waren es aber unreife Eier, welche das Schleierchen zeigten , so war es am wahrschoalichsten , dass das fragliche G^ilde mit den Entwicklungs- od^r Beifungsvorgangen des Eies zusammen- hing. Dafür kann ich mich auf weitere und gleich mitzu- theilende Beobashtnngen hin schon jetzt aussprechen.

Unter den Eien jener Forelle , die ich ohne sie zu besaamen, also unbefiruchtet ntersuchte, fand sich eines, dessen Keim in der Mitte seiner Obenfiche ein kleines dunkles PQnctchen zeigte. Das- selbe nahm sieh bei Oberbeleuchtung mit System 4a Ocular 3 von Hartnak wie ein kleines Loch aus, das von einem matten schmalen Saume auf der Oberfl&che des Keimes umgeben erschien. Ein durch die (jegend, in der sich jenes Loch befand, geführter etwas schräger Schnitt zeigte den Keim, ^ie ich ihn an den früheren Eiern ge- schildert hate; nur war die Oberfläche in der Mitte hier etwas eingesunken (Fjg. 5).

An di«er Stelle mündete auf der Oberfläche des Keimes ein

8 Dr. JoBeph Oellacher:

Bläschen mit rundÜGher 0,07 mm. weiter OeflEoung. Dieses Bläs- chen (Fig. 5 b) war im Uebrigen ganz vom Keime umschlossen und mass 0,18 mm. in die Quere auf 0,11 mm. Tiefe. An demselben konnte man bei verschiedener Einstellung des Tubus deutlich eine dicke, etwas faltige Membran und einen geballte tahalt unter- scheiden. Dort wo das Bläschen an der Oberfläche des Keimes mit einer runden OefEnung mündete, zeigte sich seile Membran verschmächtigt und war sie rund um die Mündung atf der Keim- oberfiäche ausgeschlagen. Die Mttndung des Bläschens tchien somit wie von einem mit scharfem Rande endigenden Saune umgeben. Wo es die Verhältnisse des Schnittes gestatteten, konnte man allent- halben im optischen Durchschnitte der Membran dieses Bläschens eine senkrechte feine Streifung wahrnehmen, ganz ihnlich jener, wie ich sie an den Durchschnitten des fräher beschrielfenen Schleier- chens beobachtete. Am Saume, den die Membran um die Miin* düng des Bläschens bildete , war dagegen, so weit sie sich stück weise im Flächenbilde zeigte, eine der Streifung entsprechende Punktirung zu sehen, ebenfalls wie sie das Schleier^hen im Fiächen- bilde aufwies. Der Gedanke, dieses Bläschen ils Keimbläschen aufzufassen, lag gewiss nahe genug und um so i^er, als wir ja wissen, dass das Keimbläschen des Hühner-, mt des Batrachier* und Säugethiereies gegen das Ende der Reife der Eier an der Oberfläche des Keimes liegt; und da andrerseüb feine Punktirun- gen in der Membran des Keimbläschens von Tischeiem schon von Koelliker (Gewebelehre 1867 pg. 18) gesehin und alsOeffhungen oder Poren gedeutet wurden

Dies veranlasste mich nur um so mehr, lie Membran jüngerer Keimbläseben au§ den Eierstockseiern der For^le auf eine ähnliche Beschaffenheit zu untersuchen.

Eine Forelle , deren Laich ich im DezemW befruchtete , bot mir hiezu Gelegenheit Ich untersuchte die Eierstcickseier derselben zuerst frisch, wobei ich aber selbst an isolirten K^mbläschen nicht sofort zum gewünschten Resultate kam. Ganz nach Wunsch jedoch fiel dasselbe aus an Eiern , die ich noch im Eierstocke in Chrom-

1) Aehnliches giebt Koelliker 1. o. von Zellkenen der Spinn- gefasse der Raupen an, femer wurde an den Kernen gewisser riesiger Zellen im Fettkörper von Phryganea grandis von Leydig ebenVlls eine feine Strichelung u. Punktirung gesehen und auf Foren-Kanale gedeut^. (Histologie 1867 pg. 14.)

sur Geachichte des KdmblMcheiis im WirbelUiiereie. 9

säure erhärtete und deren KeirnUäschen ich hierauf anf Durch- aduittea untersuchte. Die Eierstockseier, an welchen ich das, was ich sachte, iand, massen im Durchschnitte von 0,1 mm. bis 0,2 mm. Die- sdben zeigten im erhärteten Zustande auf Durchschnitten folgende Struktur: Der Follikelwand lag ringsum zunächst eine circa 0,01 mm. breite Zone einer feinkörnigen Substanz an (Fig. 6 a) , die sich in Carmin gut färbte. Stellenweise erschien sie durch einen scharfen Con- toor in zwei coneentrische Schichten getlieilt, eine äussere und eine in- nere, die sich aber in ihrem Gefflge kaum unterschieden. Mitunter waren diese Schichten auseinander gedrangt und befand sich zwischen ihnen auf kürzere oder längere Strecken ein länglicher Spalt, ein offenbar durch die Ghronusäure h^-vurgerufener Zwischenraum. Die granulirte Randmasse erinnert in ihrem Aussehen ganz an die Substanz des Keimes der reifen Eier und ich glaube sie mit derselben identisch halten zu dflrfen. Nach innen zu erscheint diese Substanz unrogelmässig begrenzt und reiht sich an sie ein eben- falls zweifdsohne künstlieh erzeugter hohler, spaltförmiger Raum (Fig. 6 g), der dieselbe von einer centralen klumpigen Masse ohne genau bestimmbare Struktur trennt. Nur nach einer Seite zu stösst diese Masse, die an die Substanz des Nahrungsdotters älterer Eier erinnert, an die feinkörnige Aussenschiehte oder die Keim- Substanz.

An dieser Stelle liegt nun stets und zwar excentrisch im Räume des Follikels das grosse schöne Keimblaschea Dasselbe wird von dem Nahrungsdotter so um&sst, dass es nur mit einer kleine Stelle seiner Peripherie der feinkörnigen Keimmasse anliegt Zwischen dem Keimbläschen und dem Nahrungsdotter konnte ich keine der Keimmasse ähnliche granulirte Schichte beobachten, so dass also das Keimbläschen oft von beiden Substanzen des Eies und zwar in bei weitem grösserer Ausdehnung vom Nahrungsdotter dirrict anischlossen erscheint

Ich wage allerdings keineswegs mit Bestimmtheit zu behaupten, dass diese Verhältnisse, wie sie sich an Chromsäure-Präparaten dar- steUten, noch vollkommen denen am frischen Eie analog sind ; allein so viel kann man auch an eben so grossen frischen Eiern ericennen, dass das Keimbläschen im höchsten Grade excentrisch sitzt, dass die f(NngTEnulirte Substanz innen die Wand des Follikels überall auskleidet, und dass sie ihrerseits das Keimbläschen sammt einem grossen Klumpen von entschiedenem Nahrungsdotter einschliesst

10 Dr. Joseph Oellaoher:

Was nun das Keimbläschen anbelangt, so erscheint es schon im frischen Zustande als ein sehr dickwandiges grosses Bläschen. An dem in Fig. 6 abgebildeten Eidurchschnitte misst dasselbe 0,079 mm. im Durchmesser, die Dicke seiner Membran beträgt 0,005 mm. An dieser Membran erkennt man nun mit Hartnacks Systemen Nr. 7 und 8 deutlich eine blasse, radiäre Streifung. Am frischen Präparate ist mir dieselbe nur einmal nachträglich einiger- massen (deutlich geworden. Ich glaube aber auch auf diese Beobachtung hin annehmen zu dürfen, dass dieselbe kein Kunstpro- dukt ist. Allein selbst wenn sie es wäre, so mfisstemich dieüeber- einstimmnng der Struktur an den Ghromsäure - Präparaten der Keimbläschen-Membran im Eierstockseie und der unseres Bläschens im frisch ausgestreiften Eie, das ja auch der Wirkung derselben Ghromsäure-Lösung ausgesetzt war, dennoch bestimmen, beide Gebilde für identisch zu erklären.

Was den Inhalt des in Rede stehenden Keimbläschens des Eierstockeies betrifft, so ist er am Ghromsäurepräparat fein gra- nulirt; die Keimflecke liegen als gelbliche, etwas glänzende Körper der Membran des Bläschens in grosser Zahl an.

Habe ich nun gezeigt, dass unser an der Oberfläche des Keimes offen mündendes Bläschen das Keimbläschen ist, so bleibt mir noch die Aufgabe, den genetischen Zusammenhang zwischen dem Schleierchen unserer Figuren 1 und 2 oder dem demselben auf den Durchschnitten in Fig. 3 und 4 aufliegenden Saume und dem an der Oberfläche offenen Keimbläschen der Fig. 5 herzustellen ; denn -dass jenes Schleierchen doch wohl die Membran des Keim- bläschens sein dürfte, wird der Leser bereits ahnen. Drei Bilder von Eiern, die ich unter vielen vergebens untersuchten fand, wer- den den ganzen Vorgang, der sich am Keimbläschen vor der völ- ligen Reife des Eies vollzieht, darthun.

Unter den Eiern, die ich kurz nach der Besaamung aus dem Brutapparate genommen hatte, zeigte eines das folgende eigen- thümliche Verhalten des Keimes: Im Flächenbilde bei Oberlicht und mit Hartn.Syst. 4 gesehen, zeigte der Keim gegen den Dotter eine unregelmässige zackige Begrenzung (Fig. 7 a). Seine Ober- fläche erschien diesmal glatt und prominirte er im Gegensatze zu den früher beschriebeneu Keimen mit stark convexer Oberfläche weit über das Niveau der Dotterkugel, üeberdies war er in der Mitte mit dem grösseren Theile seiner Masse zu einem schiefen,

Beitrage zar Geschichte des Keiublaicheni im Wirbelthiereie. 11

stampfen Hügel erhoben, an dessen Kuppe sich eine von einem zartai, wie gekräoselten Sanme umgebene Oeffhung von 0,13 mm. Durchmesser befand. Diese OefEoung führte in eine etwas weitere Höhle (Fig. 7 b') , auf deren Grunde man bei einfallendem Lichte einen kugeligen Körper (Fig. 7 e) erblickte. Ein Durchschnitt durch die Mitte dieses Hügels (Fig. 8) zeigte, dass die Masse des Keimes (a) aus jener Grube im Nahrungsdotter, die sie in der Fig. 5 erfilUt, herausgdioben i&t; der nach aussen convexe, in seiner Mitte ssum Hügel (aO erhobene Keim spannt sich mit nach dem Dotter zu con- cavem Bogen ttber die Grube hinweg, auf deren Rändern er wie eine fliegende Brücke aufliegt. Die Grube im Dotter erscheint wie von emem rundmaschigen Netzwerke erfüllt (Fig. 8 d), dessen Faden zwischen der concaven untern Fläche des Keimes und dem eben* falls concaven, aber entgegengesetzt gekrümmten Boden der Dotier- grube ausgespannt sind.

Theils scheinen diese Fäden der Keimmasse anzugehören, Uieils der Dottermasse, in deren papillenartige Erhebungen sie con- tinoirlicli übergehen. Der Keim misst in der Mitte, wo er nach aussen zum Hügel erhoben ist, circa 0,4 mm., an den Seitentheilen 15 mm. in der Dicke. Die Höhle (Fig. 8 b') im Hügel hat im Durchschnitte eine eiförmige Gestalt und misst 0,15 mm.*imQaer- nnd g^en 0,18 mm. im Längsdurchmesser. Ausgekleidet scheint dieselbe von einer Membran (Fig. 8 b), deren Durchschnitt dieselbe Streifung zeigt , wie der des Schleierchens in Fig. 3 b. Auf dem Boden der Höhle sitzt ein schwach granulirter Körper (Fig. 8 e) auf, von 0,8 mm. Durchmesser; seine Form ist annäherungsweise die einer Kugel mit faltiger Oberfläche.

Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass jenes Bläschen in Flg. 5 b und die von einer Membran ausgekleidete Höhle in Fig. 8 b' dentische Gebilde sind; beide stellen das Keimbläschen des Forellen- eies dar, das in diesem letzteren Stadium der Entwicklung d^ Eies mit einer weiteren Oeffhung an der Keimoberfläche mündet. (Früher 0,07 mm., jetzt 0,13 mm.) Auch hier schlägt sich die Membran des Keimbläschens auf die Oberfläche des Keimes um, und bildet jenen gekräuselten Saum um die Mündung der Höhle. Diese erscheint in ihrem ganzen obem Theile erweitert , so dass der Inhalt der früher bläschenförmigen Membran frei als Kugel anf dem Boden der Höhle liegt. Ein weiteres Stadium Fig. 9 zeigte an der Oberfläche des Keimes (a), der hier aber die Dottergrube erfüllte und

12 Dr. Joseph Oellaoher:

die OberHäche der Dotterkugel nur unbedeutend überragte, eine seichte, weite Vertiefung ebenfalls mit einem matten Saume umgeben. Auf dem Gründe det^Iben konnte man diesmal jedoch deutlich zwei kugelige, neben einanderliegende Körper wahrnehmen. Jeder derselben war kleiner als der in der Höhle des vorigen Stadiums und hatte der eine einen Durchmesser von 0.04 mm. der andere von circa 0.05 mm. Auf einem Durchschnitte (Fig. 9') zeigte die von der gestreiften Membran ausgekleidete Vertiefung im Keime (Fig. 9'b.) schräg nach innen abfallende Seitenwände, die im stumpfen Winkel in den Boden übergingen. Die, die ganze Vertiefung aus- kleidende Membran setzt sich auch hier als schmaler Saum mit ver- schmächtigtem Rande ^nS die Keimoberfläche fort Fig. 9' zeigt die Höhle oder Vertiefung im Keime mit dem grösseren ihrer Inhalts- körper; am Eingange misst sie 0.17 mm., am Grunde etwas weniger ; ihre Tiefe beträgt 0.05 mm. Aus diesen Maassen erhellt im Ver- gleiche mit den übrigen, dass die Oefihung des KeimblSschens sich zusehends erweitert, während die Höhle desselben an Tiefe abnimmt, der Inhalt derselben also mehr und mehr aus dem Keime heraus- gehoben wird.

Ein letztes Zwischenstadium zeigte auf der Oberfläche des Keimes den geballten Inhalt des Keimbläschens, wie aus einer fladien Schüssel hervorragend. Einen Durchschnitt durch das Keimbläschen in diesem Stadium zeigt die Fig. 10. Eine flache, 0.03 mm. tiefe und 0.15 mm. wette, von der gestreiften Keimbläschenmembran aas- gekleidete Schale enthält einen über die Bänder derselben heraus- ragenden granulirten Ballen von ungerähr 0.1 mm. Querdurch- messer. Die Membran schlägt sich auch hier als schmaler Saum auf die Keimoberfläche um.

Dies war das letzte Stadium, welches ich auffiand, in dem die Membran des Keimbläschens noch eine Vertiefung im Keime aus- kleidete und nach dem Abziehen der Eihaut sich noch eine Spur vom Inhalte des ehemaligen Keimbläschens zeigte.

Fassen wir den ganzen, in seinen einzelnen Phasen entwickel- ten Vorgang mit dem Keimbläschen zusammen, so müssen wir sa- gen: das Keimbläschen des Forelleneies liegt zu einer gewissen Zeit, in der das Ei seiner vollen Reife schon nahe ist, hart an der Ober- fläche des in einer Grube des Dotters gesammelten Ifeimes. (Fig. 5.) Dort öffnet es sich und mündet somit in den zwischen Eihaut und Keim befindlichen Baum. Seine Mündung erweitert sich nun mehr

■K -& (

^e rar Oetobiclita des Keimbtäsoheni im Wirbetthiereie. 18

und mebr, die Membian last sich nach and nach von dem Inhalte des Keimbläschens los, der dann als Kugel auf dem Boden der so entstudenen Höhle znrQckbleibt (Fig. 8.) Die Höhle verflacht sich immer mehr, so dass ihr Inhalt mehr and mehr aas dem Keime herausgehoben wird, (Fig. 9, u. 10). Wird endlich die Ver- tiefung, in der der Inhalt des ehemaligen Keimbläschens li^t, völlig ausgeglichen, ja beginnt eine förmliche DmstQlpung der auskleiden- den Membran, so erhalten wir die Bilder von Fig. 1. 2. 3. 4., die Meminran erscheint auf der convezen Oberfläche des Keimes als ein rundes schleierartiges Gebilde ausgebreitet Dass hier beim Ab- ziehen der Eihaut der aus dem Keime völlig herausgehobene Inhalt des Bläschois verloren geht, ist begreiflich lyid bedaure ich daher üh&r seine weiteren Schicksale keine Aussagen machen zu können.

Es bleiben, nachdem ich so festgestellt, dass der Inhalt des Keimbläschens des Forelleneies vor der Befruchtung aus dem Keime ausgestossen wird, einige Fragen zu discutirea

Die erste ist: Wie sind die gelblich grünen Körper in dem Schlderchen auf Fig. 2. u. 4. zu deuten?

Ich kann dies bezüglich nur die Vermuthung äussern, dass sie auf der Keimbläschenmembran zurückgebliebene Keimflecke sind. HieAlr spricht einersdts ihre Farbe und ihr Glanz, sowie auch die Lage der Letzteren im Keimbläschen des Eierstockeies; dagegen aber spräche, dass diese Flecke sich weder an den Durchschnitten der Membran des Keimbläschens von den Figg. 3. 5. 8. 9. 10., noch auf dem Inhalte des ehemaligen Keimbläschens nachweisen liessen, was auf ein früheres Schwinden der Keimflecke zu deuten scheint.

Eine zweite Frage ist die: Was bedeuten die zwei kleinen In* haltskörper in der Keimbläschen-Höhle des einen Eies? Sollte hier ein activer Theilungsvorgang stattgefunden haben?

Ich kann mich vor der Hand auf eine Entscheidung dieser Frage nicht einlassen, werde aber im Verlaufe dieser Abhandlung Ge- legenheit haben, noch einmal darauf zurückzukommen.

Näher liegt eine befriedigende Antwort auf die Frage nach den Ursachen, welche die beschriebenen Veränderungen des Keim- bläaebens bewirken. Vor allem wirft sich die Frage auf, wie ent- steht im Keimbläschen, das ich nach dem, was mir bekannt ist, doch für ein von Anfang an geschlossenes Bläschen halten muss, jene Oeffiiung? (Fig. 5.)

Man kann sich vorstellen, dass die Keimbläschenmembran

14 4>r. Joseph Oellacher:

von Seite ihres Inhaltes gesprengt wird, oder dass sie durch Druck von Aussen, von Seite des Keimes an jener Stelle zum Platzen ge- bracht wird, an der der geringste Widerstand ist. Der letztere Modus erschiene mir bei der oberflächlichen Lage des Keimbläschens und der Innigkeit, mit welcher die Membran der Keimmasse anhaftet, wenigstens ebenfalls möglich. Nur äussere Kräfte, Gontractionen im Keime z. B., können es aber sein, welche die Keimbläschenmembran auseinander zerren, auf der Keimmasse ausbreiten und bis zu ei- nem gewissen Grade umstülpen. Es fragt sich nur , haben wir ein Recht solche Gontractionen anzunehmen?

Dass der Keim kurz vor der Befruchtung sich aus der Dotter- grube erhebt, ballt und wieder ausdehnt, hat Stricker*) be- schrieben und auf active Gontractionen zurQckzufÜhren versucht, Gontractionen, wie wir sie gewohnt sind als Lebensäusserung auf- zufassen. Ich kann diese Beobachtungen nur auf das Bestimm- teste bestätigen. Aber auch der Keim auf Fig. 7. u. 8. hat eine Locomotion und Veränderung der Gestalt ei:litten, indem er sich aus der Dottergrube erhoben und zu einem Hügel zusammengezogen hat Dies spricht dafür, dass er auch zu der Zeit, in welche die besprochenen Vorgänge im Keimbläschen fallen, Gontractionen aus- führe. Können aber solche überhaupt angenommen werden, so liegt es gewiss nahe genug, die Eröffnung, sicherer aber noch die Um- stülpung und Ausbreitung der Membran des Keimbläschens auf Bech- nung solcher, wenigstens partieller Gontractionen des Keimes zu setzen. Demnach hätten wir die Elimination des Inhaltes des Keimbläschens aus dem Keime als eine Lebensäusserung desselben aufzufassen, wir könnten vielleicht mit einigem Rechte behaupten, „der Keim strebe, be- vor er befruchtet wird, sich Sigines Keimbläschens zu ent ledig en^'.

Werfen wir noch einen Blick auf den Mechanismus dieses Vor- ganges. Wir sehen die Membran des Keimbläschens erst (Fig. 5.) in der Form eines kaum geöffneten Zugbeutels. Dieser Beutel öffnet sich mehr und mehr. Die Kräile, welche diese Oeffhung bewir- ken, müssen radiär zur Mündung des Beutels gerichtet sein und centrifugal wirken. Dem entsprechend müssen die Gontractio- nen in der Keimmasse vor sich gehen. Aber auch in zur Keim- oberfläche senkrechten oder schiefen Richtungen müssen Kräfte wirken,

1) Wiener Sitzungsberichte der k. k. Akademie Bd. 51.

Beitrage zur Geichiobte des KeimbUBohens im Wirbelthiereie. 15

welche den Keim wölben , so dass die von der Membran ausgeklei- dete Höhle ausgeglichen, die Membran selbst ausgebreitet und bis zu einem gewissen Grade umgestülpt wird. Die Tendenz zu einer solchen Yorwölbung aus der Dottergrube ist aus dem Keime der Fig. 8 ersichtlich. Zum Schlüsse will ich noch auf zweierlei auf- merksam machen, nämlich auf den bedeutenden Grad von Dehnbar- keit, den eine Membran besitzen muss, die erst bläschenförmig und durchaus glatt und faltenlos, ohne irgendwo zu reissen in der ange- gebenen Weise ausgebreitet werden soll, und auf die innige Vereini- gung derselben mit dem Keime, welche fast die Vermuthung entstehen lässt, dass die Membran ein Produkt des letzteren sei und das Keim- bläschen durch sie blos abgekapselt werde.

Es scheint mir hier der Ort, die bisher von einigen Autoren über die Schicksale ies Keimbläschens verschiedener Wirbelthiereier gemachten Beobachtungen und die von ihnen daraus gezogenen Schlüsse zusammen zu fassen und sie mit dem, was ich soeben am Forellenei beschrieben habe, zu vergleichen. Ich finde mich hiezu am so mehr veranlasst, als ich denselben eigene Beobachtungen hin- zuzufügen habe, die ich zum grössten Theile zwar schon veröffent- lichte, aber damals nicht erklären konnte.

Seit Pur k inj 6^) im Jahre 1825 das Keimbläschen im Hühner- eie entdeckte, ist es auch schon bekannt, dass dasselbe vor der Be- fruchtung verschwindet. Purkinje sagt 1. c. S. 4: „Astnequein ovi- ductu ullum vesiculae vestigium aderat, quamvis initio quidem, dum adhuc ad infiindibulum haeret, coUiculi'' (sc. 1. proligeri) „residuum aderat a vitello fadlius separandum'^

Purkinje schloss daraus, Wie es in seiner Schrift gleich weiter heisst, Folgendes: „Videtur itaque vesicula, dumvitellus semifluidus ab infundibulo exdpitnr a contractionibus oviductus dirumpi, aut dissolvi atque eins lympha cum substantia colliculi ita misceri, ut inde colliquamentum illud cum granulis albis'^ (sc. 1. colliculi proligeri) „enascatur, a residuo colliculi, nucleus*' (sc. 1. Panderi) „enascatur'^

Diese Meinung, dass das Keimbläschen sich auflöse und mit dem was wir heute Keim (Stricker) oder Hauptdotter (His) nennen, vermische, stammt bei Purkinje von der Ansicht her, dass dasselbe mit einer „lympha generatrix'^ (1. c. S. 3.) erfüllt sei, weshalb er es eben Keimbläschen, vesicula germinativa, nannte. Dem Keim-

1) Symboke ad ovi avium historiam ante incabationem.

16 t)r. Jotepb Öellaoliert

bläschen also mass Purkinje eine der hervorragendsten Bedeutungen fflr die weitere Entwicklung des Eies bei. In der Anmerkung zu obigem Citate geht Purkinje sogar noch weiter, indem er glaubt^ das Bläschen wandle sich direkt in das Blastoderma um:

„Verisimilius iara nunc mihi videtur, vesicnlam blastoderma centrale umbrosum, de quo prius sermo erat, constituere, eiusque hemispheria in membranam duplicem dilatari'^

Bald darauf im Jahre 1827 erschien dann van Baer^s denk- würdige Arbeit: „De ovi animalium et hominis genesi'S in welcher er die Entdeckung des Säugethiereies niedergelegt hat. v. Baer er- weiterte unser Wissen über die Geschichte des Keimbläschens um ein Wesentliches, indem er zeigte, dass es im Hühnereie und wahr- scheinlich in den Eiern aller Thiere vom Centrum nach der Periphe- rie rQckt, wo es eben P urk i n j 6 als der Dotterhaut anhaftendes Bläs- chen zum erstenmale gefunden hatte. Der Irrtbum , in den v. Baer ge- rieth, indem er das Säugethierovulum mit dem Keimbläschen des Vogeleies verglich, es als potenzirte vesicula germinativa auffasste, ist hinlänglich bekannt, thut jedoch der Bichtigkeit seiner Beobach- tung keinen Eintrag. Jene irrthümliche Auflassung des Säugethier- ovulums rührte her von der hervorragenden Bedeutung, die auch v Baer der vesicula germinativa beilegte und von der einigermassen allerdings zu rechtfertigenden Parallelisirung des gesammten Hühner- eidotters mit dem Inhalte des Graafschen Follikels der Säugethiere. Ueber die Bedeutung des Keimbläschens aber spricht sich v. Baer (1. c.) folgendermassen aus : „Vesiculam Purkinje partem ovi efficacem esse credo, qua facultas femiuina vim exerceat, ut facultas mascu- lina semini inest virili". Nach v.Baer wird der „Discusproligerus** gegen das Stadium der Reife des Eies vom Keimbläschen durch- bohrt, und letzteres kommt daher zwischen die Dotterhaut und den Discus zu liegen, wo es allerdings aufgelöst oder verflüssigt wird, jedoch sich nicht mit der Substanz des Cumulus proligerus mi- schen soll.

Daher fährt v. Baer fort : „Vesiculae igitur protrusio et disso- utio ab ovi maturitate et forsan irritatione pendent. Post fecun- dationem Blastoderma eo locö evolvitur, quo vesiculae humor effusus est. Macula enim in ovis gallinaceis, dum in ovario continentur blastodermatis nomen non meretur, sed ejus prodromus potius vi- detur".

Aehnlich erwähnt Tomson (Artikel Ovum in Todd's Cyclopedia),

Bdtrige zur Geschichte des Keimbläschens im Wirbelthiereie. 17

dass das Keimbläschen des Hühnereies kurz vor dem Uebertritte desselb» in den Eileiter a]^ ein flacher, weicher Körper dem Dotter anfliege nnd dass es eben ein gewisser Grad von Erweichung sei, der die Isolirung des Bläschens zn dieser Zeit erschwere.

Ich habe im Hühnereie im Jahre 1870 (Strickers Laboratoriums- i^ft 1870) einen fein granulirten Körper beschrieben, der auf Median- schnitten eine trapezähnliche Figur bildet, die mit der grössten, nach aussen convexen Seite der Dotterhaut anliegt und mit ihrer klein- sten nach dem Eioentrum zu concaven, auf einer quer-elliptischen Hohle sitzt, die ausser wenigen Granulis keinerlei geformte Bestand- theile enthält ^). Ich zeigte femer in demselben Aufsatze, dass die- ser Korper kurz vor dem Uebertritte des Eies in den Eileiter homo- gen wird und die Gestalt einer flachen Linse annimmt, die mit der einen Fläche der Dotterhaut anliegt, mit der andern gleichfalls im ganzen convexen, aber in der Mitte leicht eingedrückten Fläche, in einer fdngranulirten Masse steckt, die mit v. Baers Diskus proligerus identisch ist Ich liess die Frage nach der Bedeutung dieses Kör- pers damals offen, indem sich der Wahrscheinlichkeit, dass er das Keimbläschen sei, ' an dessen Stelle er sich offenbar befindet, eine andere Wahrscheinlichkeit entgegenstellte, nämlich dass der von den beiden ersten Furchungskugeln dargestellte Körper mit jenem identisch sei. Hiefiir sprechen die Aehnlichkeit der Form und der geringe Unterschied in den Dimensionen. Ausserdem wusste ich da- mals die ovale Höhle unter dem fraglichen Körper nicht zu deuten, deren Form andrerseits wieder an die des Keimbläschens in frühe- ren Stadien erinnerte. Dies alles, wie gesagt, bewog mich die Frage nach der Bedeutung jenes Körpers offen zu lassen. Neuerdings seit- her angestellte Untersuchungen haben mich indessen belehrt, dass jener Körper mit der eigenthümlichen trapezähnlichen Durchschnitts- fignr nichts anderes, als das veränderte Keimbläschen sei. Eine Reihe von Eierstockseiem zeigte mir die Uebergänge von der ursprüng- Uchen Form des Keimbläschens zu der oben beschriebenen.

Das Keimbläschen wird nämlich von unten und aussen her zu- sainmengedrückt , wodurch es sich gegen die Dotterhaut abplattet nnd derselben mit einer immer grösseren Partie seiner Oberfläche anli^. Es bekommt dadurch im Durchschnitte eine annäherungsweise dreieckige Gestalt. Sehr bald tritt dann auch unter ihm eine kleine

1) Siehe die genaaere Beschreibang sainmt den Abbildungen I. c.

K SchQltu, AreUr f. nikrosk. Anstomle. Bd. 8. 2

18

Dr. Joseph Oellacher:

Höhle auf. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass diese Höhle nicht leer, sondern mit Flüssigkeit erfüUt^ist. Sowie aber die Höhle auftritt, bekommt auch das Keimbläschen jenen Eindruck, an der nach demEicentrnm liegenden Seite, wodurch es eben jene auf dem Durchschnitte trapezähuliche Figur annimmt.

Ich glaube die geschilderten Vorgänge nicht besser als durch Gontractionen des Keimes erklären zu können. Denkt man sich, dass der Keim in einer ringförmigen Zone um das Keimbläschen herum sich zusammenzieht, und zwar so, dass dadurch auf dasselbe ein Druck in der Richtung der Linien a b und a' b' der nebenstehenden

Figur 1 ausgeübt wird, so wird das Keimbläschen ringsum von unten und aussen her eingedrückt und mit seiner Oberfläche gegen die Dotterhant ge- presst. Die Gestaltveränderung, die es dadurch erfährt, bedingt, dass das Keim- bläschen im Keime höher hinaufrückt, indem sein Längsdurchmesser verkürzt wird. Fig. 2. Wird nun der so von ihm verlassene Raum durch Flüssigkeit erfüllt, anstatt dass die Masse des Kei- mes sich in denselben ergiesst, so muss unter dem Bläschen eine mit Flüssig- keit erfüllte Höhle entstehen. Ciontra- hirt sich der Keim hierauf auch rings um die Flüssigkeit, welche jene Höhle erfüllt, so wird durch sie die untere stumpfe Spitze des Keimbläschens ein- gedrückt, und nun sitzt dasselbe mit einer concaven Fläche auf der Höhle oder ihrem Inhalte besser gesagt. Fig. 3 u. 3'. Bei fortgesetztem Drucke wird hierauf das Keimbläschen sich immer mehr an der Dotterhaut abplatten und ausbreiten, so lange aber unterhalb des- selben ein Tropfen Flüssigkeit hegt, wird es stets unterhalb einen Eindruck behalten. Die nebenstehenden Holzschnitte Fig. 1--4 sollen diesen Vorgang versinnlichen ^).

PIg. 1-4.

1) Fig. 1. Das rundliche der Dotterhaut anliegende Koimblaschen. Die Linien a b und a' b' zeigen die Richtungen, in der der Keim auf das Keim-

Beitrage sar Oescbicbte des Keimbläschens im Wirbelthiereie. 19

Ob die Ausscheidang von Flüssigkeit, unterhalb des Keim- bläsehens, eine direkte Folge der eben geschilderten Vorgänge ist, oder mit denselben blos in einem indirekten Zusammenhange steht, ist schwer zu entscheiden. Aber wahrscheinlicher dürfte das erstere sein. WQrde nämlich der Keim unter dem Keimbläschen dem Drucke von Aussen, der seine Masse an die Stelle des nach oben verrück- ten Bläschens drängt, einen gewissen Widerstand entgegensetzen, so könnte in den nun entstehenden Zwischenraum Flüssigkeit aus dem Keimbläschen oder dem Keime nachgesaugt werden ; um so mehr wenn vielleicht der Keim durch seine Contraction ohnehin schon Flüssigkeit austriebe. Fassen wir das Resultat dieses ganzen Vor- ganges zusammen, so sehen wir, dass er, so weit ich ihn verfolgen konnte, damit endiget, dass das Keimbläschen, welches vorher von allen Seiten vom Keime umgeben war, aus demselben hinausgedrängt wurde, und als plattgedrückter Körper zwischen ihm und der Dotter- haut liegt Ich weiss allerdings nicht, ob das kugelige Keimbläs- chen im Forelleneie später ebenso platt gedrückt wird, allein das steht nun einmal fest, dass es in beiden Eiern aus dem Keime eli- minirt wird, und zwar wahrscheinlich durch active Contractionen des Keimes; darauf aber, glaube ich, ist eben Gewicht zu legen.

Was V. Baer über das Keimbläschen des Hühnereies aussagt, das giebt er an auch an dem der Eidechse gefunden zu haben, nur soll es dort später an die Peripherie gedrängt werden, als im Vogel- eie (1* c pg. 28.). Das Endresultat ist wieder dasselbe: „Postea sub membrana vitelli iacet strato granulöse perforato'^ und fort- fahrend erzählt v. Baer von den Batrachier-Eiem : „quod luce clarius vidi in ranarom ovis, ubi imo vesicula magna membranam vitelli in colliculum elevat'^ Hier zwischen Dotterhaut und Dotter wird nach Baer das Keimbläschen aufgelöst, während im Stratum nigmm des Eies eine Lücke ^) zurückbleibt, die die Stelle an-

bläachen drückt Fig. 2. 8. 3'. 4 geben die Veränderungen des Keimbläs- cfaem wieder, soweit ich sie beobachtete. In allen fünf Fig. bezeichnet K deo Keim, B das Keimbläschen, D die Dotterhaut, in Fig. 8 u. 3^ die Höhle unter dem Keimbläschen.

1) Diese Lücke hat auch van Bambeke an Eiern von Pelobates fuacus gleich nach dem Legen gesehen. (Memoires couronn6s et M. ded Sa- vants etrangers de Belgiqne, tome XXXIV.) Auch NewportOn the impregnation of theoYum in the amphibia. 1. and 2. series 1850 u. 1852.) u. M. Schnitze Observationee nonnnllae de ovorum ranarum segmentatione. Bonnae 1863.) haben sie gesehen und nennt sie letzterer fovea germinativa. (Ich bedaure diese beiden Arbeiten nicht zur Disposition zu haben.)

20 Dr. Joseph Oellacfaer:

zeigt, an der das Keimbläschen den Dotter durchbohrte, am aus demselben heraus und unter die Dotterhaut zu gelangen: ,,Punctu- lum^S sagt V. Baer „obscurum in macula lutea a fovea angusta et profunda in ipso vitello pendet. Stratum praeterea granolorum nigrum foramine pertusum esse vidi (Kg. XXVIb. s. c.) nt vitellum cum materia aliqua minus granulosa (nuclei scilicet) supra margi- nes strati dicti eminere, ut haec omnia Fig. XXVIx pinxi. Itaque Stratum nigrum ab interiore facie ad exteriorem, illaesa vitelli membrana, pertusum esse clare apparuit. Haec mense Aprili iu Rana temporaria observata optime congruunt cum vesiculae protu- berantia mense Maji exeunte in Rana esculenta observata, in qui- bus vesicula modo disparuerat'^ Ich kann an der Richtigkeit dieser Beobachtungen v. Baer's um so weniger zweifeln, als der ganze Vorgang mit jenem im Hühnereie nahezu übereinstimmt. Demnach muss ich, wie ich dies schon früher ausgesprochen (Strickers Labo- ratoriumsheft 1870) die Höhle im Hühnerkeime und die im Frosch- eie (obwohl die genaue Entstehungsweise der letzteren und nament- lich ihre Identität mit der späteren Furchungshöhle nicht ganz sicher gestellt ist), für wahrscheinlich analoge Bildungen halten und glaube ich auch für die Austreibung des Keimbläschens jedenfalls und viel- leicht auch für die Entstehung der Höhle im Froschei dieselben Ur- sachen annehmen zu dürfen, wie im Hühnereie.

Was nun endlich das Säugethierei anlangt, so scheinen mir auch hier Beobachtungen von Vorgängern vorzuliegen, die, wenn sie auch bisher von Niemandem in dem Sinne gedeutet wurden, den ich ihnen unterlegen möchte, doch mit den besprochenen Vorgängen im Batrachier-Eie zunächst aufifallende Aehnlichkeit haben. B i s c h o f f hat eine Reihe von Eileitereiem des Hundes untersucht, an denen er theils das Keimbläschen noch beobachten konnte, theils nicht. Er kommt darüber (Entwicklung des Hundeeies, Braunschweig 1845 pg. 43) zum Schlüsse, dass das Keimbläschen des Hundeeies in man- chen Fällen noch mit in den EUeiter hinüberwandere, sich aber jen- seits der Mitte desselben nie mehr finde. Er konnte nämlich in 6 Versuchen unter 24 Eiern aus der obem Hälfte des Eileiters das Keimbläschen nur 6 Mal isoliren (Versuch I.— VI.). Es ist möglich, dass in gewissen Fällen das Keimbläschen schon geschwunden ist, denn Bischoff bildet selbst ein Eierstocksei ab, an welchem das Keim- bläschen aus einer retrahirten Stelle des Dotters hervorragt; allein die negativen Befunde scheinen mir hier nicht beweisend genug, um

Beitrag zar Geschichte des Roimbläschens im Wirbelthiereie. 21

positiven Thatsachen, die das Gegentheil noch möglich oder gar wahrecheinlich erscheinen lassen, umzüstossen. Es ist nämlich von Bischoff selbst beobachtet worden, dass der Dotter des Eies sich vor der Furchung contrahirt und *zwar so, dass er zu einer gewis- sen Zeit überall von der Zona um ein Weniges absteht. Ein so con- trahirt^ und in diesem Falle wahrscheinlich verdichteter Dotter kann beim Springen des Eies das Bläschen leicht zertrümmern, am so mehr wenn es erweicht sein sollte, wie es im Hühnereie nach Thomson der Fall ist Bischoff giebt aber inderThatan, dass er aus solchen Eiern selbst mitunter ein dem Keimbläschen ähnliches Gebilde entleeren konnte. (Versuch VI— Xin. 1. c.) Ein aus einem solchen Eie entleertes Bläschen war allerdings nur halb so gross, als das Keimbläschen gewöhnlich ist, allein gerade hier fügt Bi- schoff noch ausdrücklich hinzu, dass es sogar einen Kern be- sessen habe. (Versuch X.) Ein Ei vom Meerschweinchen aber bil- det Bisehoff ab (Entwicklungsgeschichte des Meerschweinchens, Giessen 1852), dessen Dotter an einer Stelle durch ein kleines Bläs- chen von der Zona abgedrängt ist; das also wie in einer Vertiefung des Dotters liegt Das Ei stammte aus dem obersten Dritttheile des Eileiters, ein Keimbläschen sei im Innern nirgends zu bemerken ge- wesen. An diesem Ei haben Bisch off und Leukart die Rotationen des Dotters geseh^. Sollten dieselben nicht ein Effect von Contractionen gewesen sein, in denen das Ei nach der Ausstossung des Keimbläschens begriffen war? Oder sollten sich, wie Bise hoff will, Cilien entwickelt hab^? 1)

Bisch off hat allerdings schon gewusst, dass das Keimbläschen an sehr reifen Eierstockseiern excentrisch liegt, so bildet er es vom Hundeei, wie erwähnt, (1. c Tab. 1 . Fig. 5) ab, wo es aus dem retra- hirten Dotter hervorsieht, und fast ganz an der Peripherie des Dot- ters liegend (in seinem Werke über die Entwicklung des Kaninchens bildet er es aus Eierstockeiern eines Mädchens und eines Kaninchens ab). Dennoch dachte Bise ho ff am wenigsten an das Keimbläschen, dnerseits weil er sich von dessen frühem Schwinden schon ander- weitig überzeugt zu haben glaubte, und andrerseits mochte das aus dem Dotter ausgetretene Bläschen dem ursprünglichen Keimbläschen

1) Ich mache auf die ganz neue Beobachtung von N. Eleinenberger bei Hydra viridis aafmerksam, wo vor nnd während der Furohang an der Oberflache des E^es lebhaft sich bewegende Pseudopodien auftreten (Inangural- diaeertation. Jena 1871).

22 Dr. Joseph Oellaoher:

nicht mehr ganz gleich gesehen haben. So schwankt er zwischen der Ansicht Lov^ns, der dieses Bläschen für den gewachsenen Keim- fleck, undRathkes (Erichsons Archiv für Naturgeschichte 1848), welcher es für einen bedeutungslosen Tropfen hielt, der durch die Contractionen des Dotters ausgetrieben werde. Lov^n (Müllers Archiv für Anat. und Phys. 1848) stützte sich hiebei auf ähn- liche Beobachtungen bei Modiolaria marmorata Forb. und CSardium parvum. Hier soll das an der Oberfläche des Dotters gelegene Keim- bläschen den Keimfleck austreten lassen, der dann ausserhalb des Dotters während der Furchung persistirt (vergleiche Fr. Müllers Richtungsbläschen bei Pontolimax varians in Erichsons Archiv far Naturgeschichte 1848), während das Keimbläschen selbst in den Dotter zurücksinken und wahrscheinlich den ersten neuen Kern bil- den soll*).

Ich glaube, dass das Austreten eines Bläschens oder eines ahn- Uchen Körpers aus dem Säugethiereie, nach dem was ich über die Elimination des Keimbläschens bei der Forelle beobachtete, es wahr- scheinlich macht, dass auch dort der ausgetretene Körper das wenn auch veränderte Keimbläschen sei. Was mich noch mehr in dieser Ansicht bestärkt, sind weitere Beobachtungen Bise h off s zunächst beim Ei des Kaninchens. Taf. IL Fig. 19. bildet Bisch off ein Ei ab, dessen Dotter an einer Seite von der Zona zurückgezogen ist, und hier liegen in dem Zwischenräume zwischen diesem und jener zwei kleinere Körperchen mit einem schwach angedeuteten Flecke in der Mitte, zwei andere Eier (Taf. IL Fig. 17. und 20.) bildet er ab, deren Dotter in toto zusanmiengezogen erscheint, und zwischen Dotter- haut und Dotter liegen je zwei ganz ähnliche Gebilde. Diese Kör- per hielt Bischpff damals für Nachkommen des Keimfleckes. Die- selben kommen nach ihm im Reh-Eie, im Hunde-Eie und im £ie

1) Das Austreten zweier Bläschen aus dem Eie kurz vor der Furchung wurde zuerst von Dum ort i er an Eiern von Limnaeus (Memoires de l'acade- mie de Bruxelles), dann von J. P. van Beneden an den Eiern von Limax agrestis beobachtet (Müll. Arch. 1841.) Diese Autoren hielten die beiden Bläschen für Abkömmlinge des Keimbläschens, ^da sie ihnen aus dem Innern des Eies zu kommen schienen, allwo sie jedoch zu dieser selben Zeit von einem Keimbläschen nichts mehr entdecken konnten. Kölliker beschreibt ähn- liches bei Doris, wo er sogar drei Bläschen sah. Vor diesen Forschem hat schon V. Bär (1. c.) angegeben, dass er das Keimbläschen des Eies von Anodonta wie ein Hügelchen unter der Eihaut über die Oberfläche des Dot- ters hervorragen gesehen habe.

Beitrage zur Geschichte des KeimbläschenB im Wirbelthiereie. 23

des Meerschweinchens constant vor und zwar noch während der ersten Zeit der Furchang.

Ed. V. Beneden (Recherches sur la composition et la signi- ficaüon de Tocaf. Mem. cour. de Tacademie belg. 1870 tome XXXIV) bildet aof PL Xu. Fig. 1. ein Ei aus der Mitte des Eileiters eines Vespertilio murinusab. Der Dotter erscheint rings von der Zone zurückgezogen, an einer Stelle aber etwas weiter. An dieser Stelle tritt soeben aus dem Ei ein kleines Bläschen mit einem Kern aus, ein anderes ebenso grosses liegt noch im Dotter, nahe an dessen Oberfläche. Diese Bläschen (vesicules polaires) haben sehr scharfe CoQtooren. Weniger sdiarfe Contouren zeigen in der Zeichnung zwei ähnliche kernhaltige Bläschen im Innern des Eies. Diese sind um sehr wenig kleiner als die andern zwei, und hält sie van Beneden för das getheilte Keimbläschen, respective für die Kerne der zukünf- tigen ersten zwei Furchungskugeln. Das Ei von Vespertilio muri- Das eignet sich durch seine Kleinheit sehr für derlei Beobachtungen and kann ich daher um so weniger an der Richtigkeit der Beob- aditang £. van Beneden 's zweifeln. Derselbe gibt auch an, dass manchmal aus den Säugethiereiem blos ein solches Bläs- chen austrete, obwohl er nichts derartiges abbildet. Ganz ähn- liche Verhältnisse zeigt ein Ei eines Kaninchens (PI. XII. Fig. 4), das E. van Beneden im selben Stadium der Contraction im obem Drittel des Eileiters gefunden hat Es lässt so eben zwei kleine, kernhaltige Bläschen austreten, während in seinem Innern sich zwei Körperchen befinden, die nur wenig grösser sind, als die austreten- den, auf der Zeichnung aber keine Kerne zeigen. Neben den aus- tretenden Bläschen befinden sich noch einige ganz kleine Kömer, die E. van Beneden auch in s^nen Furchungsbildem neben den vesicules polaires abbildet und die von ihm für Dotterkömer gehal- ten werden.

Ich erinnere diesbezüglich an jenen Fall, in dem auch ich bei der Forelle zwei kleinere Inhaltskugeln innerhalb der von der Keim- bläschenmembran ausgekleideten Schaale beobachtete.

Demnach scheint es mir wahrscheinlich, dass der einfache oder doppelte Körper, der aus dem Säugethiereie vor dem Beginne des Furchungsprozesses austritt, das Keimbläschen sei. Es würde da- her in diesem Falle den Ersten Theil des Furchungsprozesses über- dauern, ob es aber später noch eine Rolle als integrirender Bestand- theil des Eies spielt, scheint mir trotzdem zweifelhaft Im höchsten

24 Dr. Joseph Oellacher:

Grade zweifelhaft muss es aber erscheinen, dass das Keimbläschen in irgend welcher genetischen Beziehung zu den eiisten Kernen der Furchungskugeln steht. Ich habe allerdings weder in den o^ten Furchungskageln des Forelleneies noch in denen des Hühnereies Kerne nachzuweisen vermocht, allein für das Säugethierei glaube ich E. van Beneden's so bestimmt gemachter Aussage, dass das Ei vor der Theilung schon zwei Kerne besitze, so wie auch der von Bischoff und E. van Beneden, dass die beiden Furchungskugeln ebenfalls schon Kerne im Innern zeigen, vollkommen trauen zu dürfen. Zu dieser Zeit aber bestehen die Abkömmlinge des Keim- bläschens, wenn ich jene Körperchen anders so auffassen darf, noch lange fort.

Was endlich die wenigstens fßr das Forellenei unzweifelhaft beob- achtete Theilung anlangt, so kann ich natürlich nicht beweisen, dass sie als ein Prozess aufgefasst zu werden verdient, der zur Entstehung mehrerer dem Mutterorganismus gleicher Gebilde führt und also etwa dem der Zelltheilung analog wäre. Ich kann mir allerdings nicht denken^ welche äussere Gewalt das Keimbläschen der Forelle z. B.. das von einer so dicken Membran umhüllt ist und sicher vor der Theilung seines Inhaltes schon ganz an der Oberfläche des Keimes lag, spalten sollte. Allein, abgesehen von seiner Ursache muss der Zerfall einer Kugel von organischer Substanz in zwei kleinere nicM nothwendiger Weise ein physiologischer Theilungsvorgang sein, ich halte es daher für unerwiesen, ob wir das Keimbläschen, nachdem es aus dem Keime ausgestossen ist, noch für ein lebendiges Gebilds halten dürfen.

Fassen wir die besprochenen Beobachtungen zusammen, so lassen sich aus denselben folgende Sätze ableiten :

1. Das Keimbläschen der Eier sämmtlicher Wirbelthiere rückt, während dieselben der vollen Reife entgegen gehen, immer mehr an die Oberfläche des Keimes.

2. Früher^ oder später vor der Befruchtung wird das Keimbläs- chen aller Wirbelthiereier aus dem Keime ausgestossen und gelangt dadurch zwischen diesen und die Eihaut.

3. Diese ganze Locomotion des Keimbläschens wird höchst wahr- scheinlich durch Gontractionen des Keimes bewirkt.

4. Das Keimbläschen theilt sich im Säugethiereie , während es ausgestossen wird oder kurz darnach; ebenso früher oder später

Beiträge zar Gesduchte des Keimbläachens im Wirbelthiereie. 25

vielleicht immer im Forelleneie; für die Eier der übrigen Wirbelthiere sind weitere Beobachtungen abzuwarten.

5. Im Forelleneie geht der Ausstossung des Keimbläschens die Eröffnung seiner Membran auf der Oberfläche des Keimes vor- her und bleibt diesel}>e, nachdem ihr Inhalt ausgestossen^ noch einige Zeit als auf dem Keime ausgebreitetes Schleierchen zurück, um endlich auch zu verschwinden.

6. Das Keimbläschen steht in keinem Wirbelthiereie in genetischer Beziehung zu den Kernen der ersten Furchungskugeln, viel- mehr entstehen dieselben ganz unabhängig von ihm.

Nach den Beobachtungen einer Reihe von Forschem sind an den Eiern " der Mollusken dieselben Vorgänge mit dem Keimbläs- chen als ebenso wahrscheinlich anzunehmen und lässt sich demnach vermuthen, dass vielleicht in allen. Thierklassen das Keimbläschen vor der Befruchtung dieselben Schicksale erleide, wie in den Klassen der Vertebraten; d. h. dass es ausgestossen wird und dass es sich nii^ends in die Kerne der Furchungskugeln umwandelt.

Allen gegenthciligen Behauptungen gegenüber muss ich be- tonen, dass es möglich ist, dass zwischen dem Verschwinden des Keimbläschens in gewissen Eiern und dem ersten Auftreten des ersten neuen Kernes, der durchaus nicht von Anfang an kleiner sein muss, als das Keimbläschen war, eine verschwindend kleine Zeit verstreicht, so dass der ganze Vorgang der Ausstossung leicht über- sehen werden kann.

Ich verweise daher nochmals tum Schlüsse auf alle jene Be- obachtungen, nach welchen das Keimbläschen auch an den Eiern von Wirbellosen an die Peripherie rückt, und femer auf die ver- breiteten Beobachtungen von Bläschen oder Tröpfchen, welche vor der Furchung aus dem Eie austreten.

26 Dr. Joseph Oellacher:

E^kl&niiig der Abbfldangen aiif Taf. I.

Fig. 1. Unbefruchteter Keim eines aus dem Follikel schon aasgestosseneu

Forelleneies von der Oberfläche gesehen: a. die Oberfläche des Keimes, b. das rundliche SchleieiH^hen (Membran des Keimbläs- chens), c. die Dotterhaat am Rande der Dottergrube. (H. S. 4. 0.1.)

Fig. 2. Ein unbefruchteter Keim eines Forelleneies wie in Fig. 1. a. and

c. wie vorhin, b. das weniger deutliche Schleierchen mit den gelblichen Flecken in demselben, d (vermuthlich Keimflecke) (H. S. 4. 0. 1).

Fig. 3. Medialer Durchschnitt durch den Keim der Fig. 1; der Keim

ist nur in seiner oberflächlichen Schichte, in so weit er den Saum tragt, gezeichnet (H. S. 8. 0.3). a. die Keimmasse, b. der poröse Saum oder Durchschnitt des Schleierchcns in Fig. 1.

Fig. 4. Ein Stück aus einem Mediandurchschnitte durch das Schleierchen

und die Keimmasse der Fig. 2. a. Keimmasse , b. der wellig- gebogene poröse Saum oder Durchschnitt des Schleierchens b. in Fig. 2. d. die in derselben eingebetteten geblichen Körper- chen (Fig. 2 d.) vermuthlich also die Keimflecke. (H. S. 8 0. 3.)

Fig. 6. Mittelstück eines Median-Schnittes durch einen unbefruchteten

ForeUenkeim. a. Keimmasse, b. Keimbläschen, das an der Oberfläche des Keimes mündet, c. Dottertropfen im Keime. (H. S. 4. 0. 8.)

Fig. 6. Eierstooksei einer Forelle, die eben gelaicht hatte, a. Keim-

masse, grösstentheils in 2 concentrische Schichten gespalten, b. poröse Keimbläschenmembran, d. Keimflecke, e. Inhalt des Keimbläschens, f. Follikelwand, g. Zwischenraum zwischen Nah- rungsdotter c. und Keim (b.) [H. S. 5. 0. 1).

Fig. 7. Keim eines unbefruchteten Forelleneies wie Fig. 1. a. Keimmasao

in a' zu einem Hügel erhoben, in welchem sich eine Höhle b' befindet. In derselben ist der Inhalt der Keimbläschenmembran als Kugel e sichtbar, b. der gekräuselte Saum um die Mündung der Höhle s= dem Rande der Keimbläschenmembran , c. Dotter. (H. S. 4. 0. 1.)

Fig. 8. Durchschnitt durch den Keim und die Höhle der Fig. 7.

a. Keim aus der Dottergrube herausgehoben, in dem sich die Höhle b' im Durchschnitt zeigt, b. Membran des Keimbläschens die Höhle auskleidend und sich an deren Rande umschlagend, e. Kugel im Innern der Höhle = Inhalt des Keimbläschens, c. Dotter.

d. Maschenwerk von Fäden aus Keim- theilweise auch aus Dotter- masse, welche die Dottergrube erfüllen. (H. S. 4. 0. 3.)

Fig. 9. Forellenei mit unbefruchtetem Keime, a. mit einer in ihm beflnd- lichen Höhle, b. Saum um die Mündung derselben ; e. zwei kugelige

Beiträge zur Geschichte des Keimbläschens im Wirbelthiereie. 27

Körper in der Höhle = getheilter Inhalt des Keimbläschens, c Dotter. (H. S. 2. 0. 1.)

Fig. ^. Durchschnitt dorch den Keim Fig. 9, und die Höhle desselben, a. Keim die Dottergmbe erfüllend^ b. Keimbläschenmembran, die Höhle auskleidend und sich als Saum auf den Rand der Mündung derselben umschlagend, e. die grössere der beiden Kugehi in der Höhle der Fig. 9. (H. S. 4. 0. 3.)

Fig. 10. Durchschnitt durch einen unbefruchteten Forellenkeim wie in Fig. 9 und mit derselben Bezeichnung. (H. S. 4. 0. 3.)

Untersucliungen über den Bau und die Entwickelung

der Gewebe.

Von Dr. Franz BoU,

AsBistenten am physiologischen Laboratorium der Universität Berlin.

Zweite Abtheilung.

Hierzu Taf. II.

lY. Die Entwiekelang des flbrülären Bindegewebes.

Ehe ich dazu übergehe, das vorzutragen, was meine eigenen Untersuchungen mich über die Entwickelung des fibrillären Binde- gewebes gelehrt haben, beabsichtige ich, eine kritische Uebersicht alles dessen zu geben, ^as sich in der Literatur über diesen Gegen- stand vorfindet.

Es ist eine bemerkenswerthe Thatsache, dass die ersten An- gaben, die überhaupt in der histiologischen Literatur über die- sen Gegenstand vorkommen, gleichzeitig auch die vorzüglichsten und besten sind, die überhaupt in dieser Frage existiren. Die Dar- stellung, welche Schwann^ von der Entwickelung der Fibrillen des Bindegewebes gegeben hat, ist die erste sowohl im Sinne des „primus*^ als des „princeps" der Römer. Es findet sich hier bereits eine Beschreibung, die spätere Untersuchungen vielleicht noch aus- führlicher begründen, aber kaum mehr erweitem gekonnt haben.

Bei der Darstellung meiner eigenen Untersuchungen werde ich noch oft Gelegenheit nehmen müssen, auf das Detail der Schwann*schen Lehre zurückzukommen« Für jetzt bemerke ich

') Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachstlium der Thiere und Pflanzen 1839. ' S. 135—140.

üntersuoliungen übor den Bau and die Entwickelnng der Gewebe. 29

nur, dass Schwann beschreibt, wie sich die embryonalen Binde- gewebfizellen nach zwei entgegengesetzten Richtungen hin zuspitzen und sich in ein Büschel äusserst feiner Fibrillen auflösen , bis die ganze ursprüngUche Zelle in Fibrillen zerfallen und in ein Fibrillen- bttndel umgewandelt ist. Diese Besnltate hatte Schwann durch die Untersuchung des subcutanen Bindegewebes von Schweinsem- bryonen von 4 7" Länge erhalten.

Dass die Ansicht von Schwann sich in der Wissenschaft nicht alsbald diejenige Geltung verschaffte , die ihr zukam , daran tragt im Wesentlichen der Umstand die Schuld, dass Henle's') gewichtige Autorität sich gegen dieselbe aussprach. Er erklärte, dass ihm Faserbündel als Fortsetzungen einzelner Zellen niemals vorgekommen seien, und neigt sich der Ansicht zu, dass die Binde- gewebsfibrillen durch den direkten Zerfall und die direkte faserige Differenzirung der zwischen den Zellen von vornherein vorhandenen Zwischensubstanz, ohne irgendwelche Betheiligung der Zellen ent- ständen. He nie hat seine Untersuchungen, die ihn zu dieser Ansicht fahrten, nicht wie Schwann am subcutanen Bindegewebe, sondern an embryonalen Sehnen angestellt , in der gewiss richtigen Ansicht, in den Sehnen leichter gegen die Verwechslung mit den embryonalen Formen anderer Gewebe geschützt zu sein. Ich werde zeigen, dass in der Sehne die histiogenetischen Verhältnisse wenn auch nicht anders sich darstellen, so doch sehr viel schwieriger zu erkennen sind, wie im subcutanen Bmdegewebe, und dass dieser Umstand ausreicht, die Differenzen zwischen beiden Beobachtern zu erklären. Vielleicht wäre der Wissenschaft eine lange Reihe von Irrthümem erspart geblieben, wenn Henle bei seiner PrQfung der S e h w a n naschen Angaben auch dasselbe Object consultirt hätte, das Schwann seiner Darstellung zu Grunde gelegt hatte.

Eine dritte Ansicht Ober die Entwickelnng des Bindegewebes, die gleichfalls in dieser Lehre eine grosse Rolle zu spielen berufen war, finde ich zuerst bei Valentin^) vertreten. Nach ihm geht

1) Allgemeine Anatomie 1841. S. 197 und 379.

2) R. Wagner, Handwörierbucli der Physiologie. Artikel Gewebe. Bd. I. S. 670. Taf. IL Fig. 10. 1842. Die DarsteUung Talen tin's ist nicht guiK klar; aas einzelnen Stellen könnte man eine Uebereinstiromung mit Schwann heraaalesen. Doch scheint mir besonders wenn man die Ab- bilduBgen berficksichtigt die im Text dargesteUte Anschauung als die rich- tige unzweifelhaft heryorzugehen.

/

30 Dr. Franz Boll:

das Bindegewebe allerdings aus kernhaltigen Zellen hervor, jedoch nicht so, dass wie bei Schwann die peripheren Theile der Zelle in ein Faserbttndel zerfallen, sondern in der Weise, dass die spindel- förmigen Zellen nach zwei Seiten in einzelne Fasern aaswachsen. Aehnliche Zellen hatte auch Henle^ im embryonalen Bindegewebe gefanden, doch hegte er Zweifel, ob dieselben wirklich zu Binde- gewebe und nicht vielleicht zu Gefässen oder elastischen Fasern später sich umgestalteten.

So finden sich also gleich in den ersten Anfängen unserer Wissenschaft drei Ansichten, die in dieser Frage sich gegenüber- stehen. Einmal sollen die Fibrillen des Bindegewebes entstehen ohne Betheiligung der Zellen durch fibrilläre Differenzirung der Grundsubstanz (He nie), oder sie entstehen durch VerlängeruBg einer spindelförmigen Zelle, indem dieselbe an ihren beiden Polen zu einer Faser auswächst (Valentin), oder sie entstehen durch den direkten Zerfall der Zellsubstanz in Fasern (Schwann). Im Wesentlichen sind es diese drei Anschauungen allein, die in der Histiologie bis auf die neueste Zeit sich bekämpft haben und zum Theil noch jetzt unausgeglichen und unvermittelt einander gegen- überstehen.

Die meisten Anhänger fand zunächst die Ansicht von Henle. Bruch'), Kilian"), v. Hessling^) und Drummond^) konnten bei ihren Untersuchungen der Bindegewebsentwickelung niemals eine Betheiligung der Zellen , sondern nur eine fibrilläre Difierenzirung der Grundsubstanz constatiren.

Eine vermittelnde Stellung zwischen der Ansicht von Henle

1) AUgem. Anatomie. 8. 379.

2) Die Diagnose der bösartigen Geschwülste. Mainz 1847. üeber Bindegewebe. Zeitschr. för wiss. Zoologie III. S. 151. 1854.

3) Die Struktur des Utero s bei Thieren. Zeitschr. f. rat. Medicin YIII S.67 1849. K. behandelt die Bindegewebsentwickelung in der Serosa des Uterus.

4) niustrirte med. Zeitung 1852. Münchener Gelehrte Anzeigen Bd. II. 1854. Mir unzugänglich; ich citire nach Henle (Canstatt's Jahresber. 1852 resp. 1854).

5) Besearches on the mode of development of the tissues in the mammalian body. Monthly Journal October 1853. Mir unzugänglich; ich citire nach Henle (CanstatVs Jahresber. 1853. S. 28). D. scheint daneben auch den Schwann'schen Bildungsmodus statnirt zu haben.

Untersuchungen über den Baa und die Entwickelung der Gewebe. 81

und der tod Valentin nahm Ger lach ^) ein. Derselbe sah in der Sehne die Fibrillen aus der unmittelbaren Spaltung der Grund- snhstanz hervorgehen. An anderen Stellen beobachtete er jedoch aach em Auswachsen der Zellen zu Fasern, niemals jedoch zu Faserbundeln. Die Ansicht Valentin 's fand fernere Vertreter in Steinlin^), Luschka^) und Leydig*).

Eine gänzlich isolirte und auch unter sich sogar noch durch- aus verschiedene Stellung nehmen Reichert^) und Remak®) ein. Ich verzichte darauf, die Ansichten beider Forscher zu skiz- ziren, da dieselben von Voraussetzungen ausgehen (Nicht Präfor- mirtsein der Fibrillen des Bindegewebes und Existenz einer Membran der Embryonalzellen), die längst als irrig erkannt sind, und die der jetzigen histiologischen Generation ebenso abenteuerlich wie schwerverständlich erscheinen dürften. Für die hier vorliegende Frage nach der Entwickelung der Bindegewebsfibrillen ist nur die Thatsache von Interesse, dass, wenn beide Forscher auch eine Be- theiligung der Zellen beim Aufbau des fibrillären Bindegewebes an- nahmen, sie doch ein direktes Auswachsen der Zellen in die Fibrillen

1) Handbuch der allgemeinen und BX)eciel]en (Gewebelehre des mensch- liehen Körpers. Mains 1848. S. 120.

2) lieber die GraaTschen Follikel und Eier der Saugethiere. Untersuch, der Züricher naturf. GeseUschaft 1847 S. 3. S. beschreibt das Auswachsen der Zellen zu Fasern im embryonalen Eierstock.

3) Die Anatomie der menschlichen Brustdrüsen. Müller's Archiv 1862 S. 409. L. zieht seine Schlüsse nicht aus der Untersuchung des embryonalen GewebeSy sondern aus Formen, die ihm im Bindegewebe des Erwachsenen beg^peten.

4) Beitrage zur mikroskopischen Anatomie und Entwickelungsgeschichte d. Rochen u. Haie. 1862. S. 106. L. beschreibt das Bindegewebe der Rochen- embryonen.

5) Bemerkungen zur vergleichenden Naturforschung und vergleichende Beobachtungen über Bindegewebe und die verwandten Gebilde. Dorpat 1846. Zur Streitfrage über die Gebilde der Bindesubstanz, über die Spiral- faser ond über den Primordialschädel. Müllers Arohiv 1862. S. 621. Be- richt über die Fortschritte der mikroskopischen Anatomie im Jahre 1862. Müller's Archiv 1863. S. 32.

6) Ueber die Entstehung des Bindegewebes und des Knorpels. Mülle r's Arehiv 1862. 8. 47.

82 Dr. Franz Boll:

im Sinne von Valentin oder gar von Schwann auf das ent- schiedenste leugneten. Dasselbe, was von Reichert und Remak, gilt auch von den späteren Forschem Ercolani^) und Ordonnez*).

Die grossen Umwälzungen, welche die Lehre vom Bau des erwachsenen Bindegewebes im Anfange der fünfziger Jahre erfuhr und welche in den Darstellungen von Virchbw®) und Donders^) gipfelnd dem stolzen Bau der Cellularpathologie als Grundlage dienten, konnten auch auf die Lehre * von der Bindegewebsentwickelung nicht ohne Einfluss bleiben. Nachdem derGegensatz der fibrillären Grundsub- stanz des Bindegewebes als Intercellularsubstanz gegenüber den zelligen Elementen des Bindegewebes, den anastomosirenden Binde- gewebskörperchen so scharf hervorgehoben war, war es nurerklärlich, wenn auch im embryonalen Gewebe derselbe Unterschied urgirt wurde. Dies geschah vornehmlich durch Donders, welcher die Existenz der von Schwann sowohl wie von Valentin und seinen Nach- folgern aus dem embryonalen Bindegewebe beschriebenen spindel- förmigen und sternförmigen Zellen anerkannte, im Gegensatze je- doch zu Schwann sowohl wie zu Valentin ihre Betheiligung an der Ausbildung der Bindegewebsfibrillen gänzlich leugnete, son- dern ihre Fortsätze nur in elastische Fasern sich umbilden liess. Die Bildung der eigentlichen Bindegewebsfibrillen wurde wie von Henle so auch von Don der sin die Zwischensubstanz selbst verlegt.

Virchow, der in früheren Publicationen meist bei Gelegenheit pathologischer Befunde und Vorgänge^) der Schwan n*schen Lehre

1) Osservazioni sulla struttura normale e sulle alterazioni patologiche del tesButo fibroso. Memorie deila Academia delle scienze di Bologna. 2. Serie, tom. V. 1865. 8. 257.

2) £tude sur le developpement des tissus fibrillaire (dit conjonctif) et fibreux. Journal de I' Anatomie 1866. S. 471.

8) lieber die Identität von Knochen-, Knorpel- und Bindegewebskörper- chen sowie über Schleimgewebe. Würzburger medizin. Verband]. II. S. 150. 1852. Weitere Beiträge zur Struktur d. Gewebe d. Bindesubstanz. Ebenda S. 314.

4) Zeitschr. f. wiss. Zoologie III. 348. 1853.

5) Zur Entwickelungsgeschichte des Krebses nebst Bemerkungen über die Fettbildung im thierischen Körper. Virchow's Archiv I. 97. 1847. üeber die histiologiscben Elemente in Adhäsionen. Würzburger phys. med. Yerhandl. I. S. 141. 1861.

Ünterauchnngen über den Bau und die Entwiokelang der Gewebe. 33

TOD dem Zerfall der Zellen in Fibrillen das Wort geredet hatte, verlegte nunmehr auch die entwickelungsgef^chichtliche Entstehung der Bindegewebsfibrillen in die Intercellularsubstanz ^). Er that femer den fflr die Ausbildung seiner Bindegewebstheorie unendlich wichtigen Schritt, dass er die Kluft zwischen den elastischen Faser- Det2en und den feinen Anastomosen seiner Bindegewebskörperchen wenigstens theilweise überbrückend *), die feineu Fasern , in welche die Spindel- und sternförmigen Zellen des embryonalen Bindegewebes auslaufen, als die Anlagen für die Anastomosen seiner Bindegewebs- körperchen betrachtete.

Nachdem so die unzweideutigen Beobachtungen Schwann's, Valentin's und ihrer vielen Nachfolger über das Vorhandensein Spindel- und sternförmiger Zellen im embryonalen Bindegewebe als richtig anerkannt und in solcher Gestalt mit der herrschenden Lehre vom Bau und von der Bedeutung des Bindegewebes glück- lich vereinigt waren, schien die Frage nach der Bindegewebsent- Wickelung wenigstens dem Abschluss nahe. Henle's in seinen Jahresberichten unermüdlich fortgeführte Polemik gegen die Vir- chow'sche Bindegewebsdoctrin bewegte sich mehr auf dem Boden histiologischer , wie histiogenetischer Untersuchungen. Die histio- geneüschen Differenzen, in denen sich gegenüber Donders und Virchow He nie') und mit ihm viele andere Forscher*) befanden, beziehen sich einzig und allein auf die Entwickelung der elastischen Fasern und die Beziehung der sternförmigen Zellen zu denselben. In Bezug auf die Entwickelung der Bindegewebsfibrillen schien man sich in der That dahin geeinigt zu haben, dieselbe als eine Differen- zimng der Intercellularsubstanz aufzufassen. In diesem Sinne

1) CeUularpathologie 1859. S. 40.

2) CeUularpathologie 1869. S. 93.

8) Canstatt's Jahresber. f. 1851. S. 29. Jahresber. f. 1852. S. 24. - nenle-MeiBsner, Jahresber. f. 1858. S. 50.

4) Heinrich Müller, Abhandlung über den Bau der Molen. Würz- burg 1847. S. 62. Anmerkung. Ueber eigenthümliche scheibenförmige Kör- per und deren Yerhältniss zum Bindegewebe. Würzburger phys. medizin. VerhandL X. 8. 132. 1859. Reichert, Bericht über die ForUchritte der mikrosk. Anatomie im Jahre 1851. Müller's Archiv 1852. S. 94. - Baur die Entwickelung der Bindesubstanz. Tübingen 1858. S. 25. Beueke aber die Nicht-Identität von Knorpel-, Knochen- und Bindegewebe. Archiv des Vereins für gemeinschafU. Arbeiten. lY. S. 885. 1859. Weis mann,

M. Sfhvltee. ktrWLr f. mikroik. Anatomi«. ßd. 8. 3

34 Dr. Franz Boll:

sprechen sich wenigstens nunmehr fast alle Forscher aus, sogar die, welche früher entgegengesetzten Ansichten huldigten, wie Gerlach >) und Luschka').

Eine besondere Beachtung verdient dieser Wechsel der Anschauungen bei Kolli ker, wo derselbe sich in einer f&r den geschichtlichen Gang dieser Frage sehr characteristischen Weise volbsieht. Früher, wie Virchow, ein Anhänger der Schwann'- schen Lehre*), schlug er im Jahre 1852 einen Mittelweg ein*), in- dem er einen Theil der Bildungszellen des Bindegewebes ä la Schwann die Fibrillen bilden, einen andern aber sich in „Kern- fasern^* ä la Donders umwandeln liess. Später, nachdem durch Virchow und Donders der Gegensatz zwischen Bindegewebs- zellen und Intercellularsubstanz auf das schärfste accentuirt worden war, gab er die Annahme, dass das fibrilläre Bindegewebe und die elastischen Fasern sich aus Zellen aufbauen, auf, und liess nunmehr beide in der Intercellularsubstanz sich bilden, während er im Sinne der orthodoxen Virchow'schen Anschauung die embryonalen stem- und spindelförmigen Körper als Bindegewebskörperchen persistiren liess*).

So schien jetzt mit dem Uebertritt ihres früheren bedentend-

Ueber den feineren Bau des menscblichen Nabelstrangs. Zeitschrift für ration. Medioin 8. Reihe XL S. 146. 1860. AUe diese Forscher finden, dass die Eut- wiokelung der feinen elastischen Fasernetze schon von Anbeginn an in der- jenigen Form erfolgt, den dieselben beim Erwachsenen zeigeut und stellen die von Donders zuerst behauptete Beziehung der stern- und spindeUor- migen Zellen des embryonalen Bindegewebes zu den elastischen Fasemetzen mehr oder weniger, entschieden in Abrede. Eine Betheiiigping der Zellen an der Bildung der Bindegewebsfibrillen wird jedoch von keinem einzigen dieser Forscher behauptet.

1) Handbuch der allgemeinen und speciellen Gewebelehre des mensch- lichen Körpers. Zweite Auflage. Mainz 1853. S. 96.

2) Die Ereuzdarmbeinfuge und die Sohaambeinfuge des Menschen. Virchow's Archiv Yll. S. 808. Auch diese Untersuchimgen sind, wie die friiheren, nur am erwachsenen Bindegewebe angestellt.

8) Vgl. z. B. Mikroskopische Anatomie II. 266.

4) Üeber die Entwickelung der sogen. Eemfasem, der elastischen Fasern und des Bindegewebes. Würzburger phys. med. Verhandlungen HI. S. 1. 1852.

5) Neue Untersuchungen über die Entwickelung des Bindegewebes. Würzburg 1861.

Üntennchungen aber den Bau and die Entwickelung der Gewebe. 35

sten Verfechters die alte Lehre Schwan n's ganz isolirt und auf- gegeben, als nunmehr die beröhmte Abhandlung M. Schultzens aos JAdki trat, die in mehrfacher Beziehung einen Wendepunkt in der Histiologie darzustellen berufen war^). Ich kann darauf ver- zichten, die daiTin vorgetragenen Lehren zu sldzziren. Ist doch fast jede eiaselne derselben Gemeingut der modernen Histiologie gewor- den. Mit der ZurOckfuhrung der Zwischensubstanz auf das Pro- toplasma der embryonalen Zellen, jenem Satze, der fortan das Fun- dament der Lehre vom Bindegewebe gebildet hat, war auch der von uns hier behandelten Frage nach der Entwickelung der Binde- gewebs - Fibrillen der Weg vorgezeichnet, und mit Becht wird M. Schttltze als derjenige angesehen, der die alte Schwann'- sehe Beobachtung wieder in ihre Hechte eingesetzt hat

Es ist übrigens bemerkenswerth , dass weder an dieser Stelle noch in einem etwas früher erschienenen academischen Programm, in welchem die gleiche Lehre von der Entstehung der Zwischen- substana aus dem Protophisma bereits vorgetragen wird^), eine ausführlichere Beschreibung der Entwickelung des fibrillären Binde- gewd)e8 sich findet^). Die Untersuchungsreihe, welche M. Schnitze zu der untm angezogenen Darstellung geführt hat, ist vielmehr bis jetzt noch nicht publicirt worden. Mir mag es vergönnt sein, wenn auch nur in ganz gedrängten Zügen, diejenige Anschauung an die- ser Stelle zu entwickeln, die mein verehrter Lehrer in seinen Vor- lesusgeo über mikroskopische Anatomie vorträgt, und für deren

1) Ueber Maskelkörpercben und das, was man eine Zelle zu nenuen habe. Reichert and da Bois-Reymond'B Arcbiv 1861. S. 1.

2) Obaeryatione« de Retinae struotura penitiori. Bonn. 1859, S, 14, 18.

S) »Der genannte Zustand des jangen Bindegewebes ist so zu deuten, dias die aUmählig sich fibrillär umwandelnde Orundsubstanz das Protoplasma wandungsloser und bis zur Yersohmeizung genäherter Embryonalzellen sei Aber wie bei der Entwickelang der Muskelfasern Spuren unreranderten Protoplasmas zwischen den Fibrillen übrig bleiben und sieb namentlich um die Kerne ansammeln, so bleibt auch bei den Zellen, deren Protoplasma sich in fibrillares Bindegewebe umwandelt, ausser den Kernen noch ein wenig onverändertes Protoplasma übrig, weiches erstere in freilich oft nur sehr geringer Menge umgiebt. Das sind die gleich den Muskelkörperchen wan- duogslosen Bindegewebs- oder Sehnenkörperchen.c Arch. f. Anat. u. Physio- logie 1861. S. 13.

36 Dr. t'ranz BoU:

correcte Wiedergabe der intime wissenschaftliche Verkehr, in dem ich mit M. Schnitze stehe, bürgen mag.

Das Protoplasma der Embryonalzellen bildet die Fibrillen auf seiner Oberfläche und aus seiner Substanz vermöge seiner forma- .tiven Thätigkeit, gerade so wie das Protoplasma die Cellu- lose-Membran oder die« quergestreifte Muskelfibrille bildet. Bei manchen Bindesubstanzen kann diese Bildung intraprotoplasmatisch vor sich gehen, wie sich z. B. Stärke und Fett im Innern des Pro- toplasma bilden. Ebensowenig der Natur entsprechend, wie wenn wir sagen wollten : Protoplasma wandle sich in Cellulose, in Starke, in Fett u. s. w. um, kann von einer directen und unmittelbaren U m- Wandlung des Protoplasma in Fibrillensubstanz die Rede sein. Vielmehr ist auch die Fibrillensubstanz ebensowohl wie jene eben genannten Substanzen, Cellulose, Fett, Stärke etwas Neues, durch die formative Thätigkeit des Protoplasma Gebildetes. Die Bindegewebsfibrillen sind ein Product des Protoplasma, nicht erst eine spätere Differenzirung vorher bereits vorhanden gewesener Intercellularsubstanz (R e i ch e r t). Bei dieser extraprotoplasmatischen Bildung von Bindesubstanzfasem kann das Protoplasma ziemlich vollständig aufgebraucht werden, so dass nur der Kern mit einer dünnen Protoplasma-Rinde persistirt; in anderen Fällen bleibt ein ansehnlicher Theil des Protoplasma im reifen Gewebe übrig.

Noch ehe M. Schultzens berühmter Aufsatz erschienen war, hatte Baur^) eine ausführliche Darstellung der Bindegewebsent- Wickelung veröffentlicht, die jedenfalls das Verdienst besitzt wenn wir von den wenigen Seiten abgesehen, auf welche Schwann seine Lehre von der Bindegewebsentwickelung zusammengedrängt hat die erste methodische, d. h. auf systematische Untersuchungsreihen und nicht auf einzelne mehr oder weniger zufällige Beobachtungen basirte Untersuchung der Bindegewebsentwickelung zu sein, die in der histiologischen Literatur vorkommt. Ich werde noch öfters auf das Buch von Baur zurückzukommen haben. Hier nur die Bemerkung, dass seine Beobachtungen zum grossen Theil sorgfältig und correct sind, dass Baur sich jedoch durch ein unfruchtbares Theoretisiren selber um die Früchte seiner Arbeit gebracht hat, in- dem er das Protoplasma der Embryonalzellen übersah und statt der Zellen Kerne annahm, zwischen denen die Fibrillen des Binde-

1) Die £ntwickelung der Bindesubstanz. Tübingen 1858.

üntersucbiifigren über den Bau nnä dir Entwickeliing der Gewebe. 37

gewebes sich bilden sollten. Seine Darstellung fand kaum irgend welche Anhanger ausser HenleO und etwa noch Landois'), welcher letztere jedoch nur in der Darstellung des thatsächlichen Sachverhaltes übereinstimmt, in der Deutung des Beobachteten jedoch auf das Erhebhchste von ihm abweicht, indem er dasselbe mehr den von M. Schnitze gelehrten Anschauungen zu accom-' modiren sucht Ohne weitere Consequenzen blieben auch die Darstellungen von Sich') und von Ritter^), auf deren specifische Eigenthfimlichkeiten einzugehen hier zu weit führen würde.

Von bedeutenderem Einflnss als diese war jedoch eine Lehre, die aus Br Ackers Laboratorium hervorging und die zuerst in dem bescheidenen Gewände einer blossen Modification der Schwann* H. Schultze'schen Theorie auftretend, doch alsbald in einen ge- wissen Gegensatz zu derselben gelangte. Gleichzeitig erschienen die beiden Abhandlungen von Kusnetzoff^) und von Ober- steiner*), von denen erstere das Bindegewebe der Cutis, die zweite das der Sehne behandelt Ich vermag im Wesentlichen in dieser Theorie Brücke's nur diejenige Ansicht wiederzusehen, die in den ersten Zeiten der Histiologie bereit« von Valentin aufge- stellt wurde, die aber bei dem damaligen unvollkommenen Zustande der optischen Hülfsmittel niemals zu dem scharfen Gegensatz gegen die eigentliche Schwann'sche Theorie sich herausbilden konnte, wie es jetzt bei verbesserten Hül&mitteln leicht geschah. Ich habe oben gezeigt, dass Schwann und Valentin wesentlich darin dif- ferirten , dass ersterer ein Auswachsen und Zerfallen der spindel- förmigen Zellen in ein Fibrillenbündel, h. in eine grossere Mehr- zahl von Fibrillen, letzterer nur in einzehie Fibrillen annahm, dass aber in jener Zeit bei der damaligen UnvoUkommenheit der Mikros-

1) Henle- Meissner, Jahresberiebt för 1866. 8. 41.

2) Ünteraachongen über die BindesubsUnz und Yerknöcherungsprocess denen)en. Zeitoohr. f. wiss. ZooL XYI. S. 1. 1866.

3) Z%ur Entwiokeliingsgescbiobie von Krebs, Eiter und Sarkom nebst einem Fall von Yenen-Krebs, Yircbow^s Arcbiv XXXI. S. 312. 1864.

4) Zar histiologiscben Entwickelangsgeschicbte des Auges. Arch. f. Ophtbafanotogie X. S. 61. 1864.

5) Beitrag zur Entwickelungsgeschiobte der Cutis, Wiener acad. Sit- zimgBber. LYL 1867.

6) Ueber Entwickelung und Wachstbom der Sebne. Wiener acad. SiUiingBber. YL 1867.

38 Dr. Franz Soll:

kope die Frage, ob die Fortsätze der Embryonalzellen einzelne Fibrillen oder Fibrillenbündel seien , nicht die Wichtigkeit erlangen konnte, die sie heute erlangt hat« In der That ist es beim Studium der älteren Literatur dieser Frage in jedem einzelnen Falle mit- unter schwer zu entscheiden, ob die Autoren ihre spindelförmigen Zellen sich in Fibrillenbttndel (Schwann) oder in einzelne Fibrillen (Valentin) fortsetzen lassen.

Die Arbeiten der beiden Schüler Brücke's kehren diesen Gegensatz auf das schärfste heraus , indem sie die embryonalen Zellen des Bindegewebes durch Auswachsen nach zwei entgegen- gesetzten Richtungen hin nur je eine einzige Bindegewebsfibrille erzeugen lassen, so dass auch in dem fertigen parallelfaserigen Bindegewebe jede einzelne Fibrille einer Zelle entsprechen muss. Henle schloss sich alsbald an diea^ Theorie an') und erweiterte mit Merkel') dieselbe später durch eigene Beobachtungen aus der Pia mater des erwachsenen Thieres dahin, dass an einzelnen Loca- litäteA anstatt der von Kusnetzoff und Obersteiner beschrie- benen bipolaren Zellen des parallelfaserigen Bindegewebes auch wohl multipolare Bind^ewebsadlen sich entwickelten, die sich nach verschiedenen Richtungen hin ük Bindegewebsfibrillen fortsetzten. In gleichem Sinne wie Eusnetzoff ^«d Obersteiner sprach sich auch Babuchin') nach seinen Erfahrungen über die Entwicke- lung des Gallertgewebes der Fische aus und Toung^) adoptirte die Resultate der Bräcke'schen Schüler für das fertige Bindegewebe, indem er an den durch das Oedem zerfaserten Bindegewebsbündeln des subcutanen Gewebes fast eine jede Bindegewebsfibrille auch eine spindelförmige Anschwellung, die er als Rest der Bindegewebszellc deutet, enthaltend £and.

Endlich ist noch Rollet^) zu erwähnen, der eine ausführliche Untersuchungsreihe über die Entwickelung des fibrillären Bindege- webes mittheilt und zu dem Resultate gelangt, dass die Entstehung der Fibrillen ohne Betheiligung der Zellen in der Zwischensubstanz

1) Henle - Meissner, Jahresbericht f. 1S67 S. 38.

2)Henle-Merkel, üeber die sogenannte Bindesnbstanz der Cen- tralorgane des Nervensystems. Zeitschr. f. rat. Med. dritte Reihe Bd. XXXIV. S. 67. 1868.

8) Stricker, Handbuch der Lehre von den Geweben. S. 67-

4) Zur Anat<miie der ödematösen Haut. Witeier acad. SHzber. LVK. 1868.

5) Stricker, Handbuoh der Lehre von den Geweben. S. 61.

UniersuchuDgen über den Bao und die Entwickelnng der Gewebe. 39

vor s>ichgeht Er sowohl, wie Kasnetzoff und Obersteiner haben die verschiedenen Stadien der Fibrillenentwickelang an Sänge- thierembryonen, die mit Mal 1er 'scher Flässigkeit behandelt waren, stndirt Rollet bediente sich dabei besonders der serösen Haute. Für die Entwickelnng des Bindegewebes in der Sderotica hat sich später anch Manz') an Rollet angeschlossen.

Gleichfalls mit Mülle r'scher Flüssigkeit behandelte Qbjecte liegen den aus dem Wiener Institute für experimentelle Pathologie in Wi^i hervorgegangenen Untersuchungen B r e s 1 a u e r's ') , der als das geeignetste Untersuchungsobject das Schleimgewebe der Trommelhohle von Schweinsembryonen empfiehlt» zu Grunde. Wäh- rend man den spater noch genauer zu erörternden Untersuchungs- reihen von Kusnetzoff und Obersteiner und vonRollet eine methodische Durchfuhrung und sorgfaltige Entwickelnng nicht ab- ^ledien kann, entziehen die ungenügenden Beobachtungen und die im hdchsten Grade unklar formulirten Resultate B res laueres, der »in geläutertem Sinne an die Ansduiuungen M. Schultzens und Brücke's anzuknüpfen bestrebt ist«, sich jeder sachgemässen Kritik.

Ich habe mich in der oben gegebenen Darstellung strenge aof die- jenigen literatorangaben über Bindegewebeentwickelnng beschränkt, die in der That die normale Bindegewebeentwickelnng im Embryo behandeln. Hätte ich. wie ursprünglich meine Absidit war. die Angaben ober Bindegewebs- entwiffikftinng, aodi soweit sie anf üntersaohangen über Bindegewebsneu- bildang im Erwachsenen bei Neoplasmen oder Entsündnng etc. berohten, mit in den Kreis der DarsteUnng gezogen, so wäre es mir ein Leichtes gewesen, den ümiang der oben gegebenen literatarabersicht noch weit über das Dop- pelte sa yermehren. Dieser Zweig der Literatur ist besonders durch die Bestrebungen der auf diesem domigstm P&de der ffistiologie, wie es scheint, mit ganz besonderer Vorliebe lustwandelnden Kliniker und Pathologen zu einem Umfang angeschwollen, Ton dem es schwer ist, sich eine Torstellung zu machen. Als kleine Probe mag die folgende Znsammenstellung gelten, die nicht den entferntesten Anspruch auf ToUständigkeit madit und die mehr die Fmdit gelegenthcher Lectüre ab systematisdier GoUectaneen ist.

Bruch (die Diagnose der bösartigen Geschwülste Mainz 1847) lässt in Geschwülsten als Regel die InteroellnlarBubstanz ohne Betheiligung der Zellen in Fasern zer&Uen, daneben findet er nur sehr selten in Fasern aus- wachsende Zellen. Yötsch (die Heilung der Knochenbruche per primam intentionem Heidelberg 1847) findet in dem sich regenerirenden Gewebe der

1) Das Ange d. himloeen Missgeburten. Yirchow's Aroh. l.S. 819.1870.

2) Deber die Entwickelnng des fibrilliren BindegewdMs. Ardt t mikr. Anataai. Y. 615. 1B69.

40 Dr. Franz Boll;

Knochenhaut Zellen, die in mehrere Spitzen auslaufen. Kilian (Ein fibri- nöBer Polyp des Uterus. Zeitschr. f. rat. Med. III. 158. 1848), v. Bae- reusprnng (Beiträge zur Anatomie und Pathologie der menschlichen Haut Leipzig 1848) und Köstlin (Zur normalen und pathologischen Anatomie der Lungen. Griesingcr's Arch. f. physiol. Heilkunde 1850) nehmen bei ver- schiedenen pathologischen Bindegewebspeubildimgen ein Faserigwerden des zwischen den Zellen befindlichen Blastems an. Virchow (Zur Entwick- lungsgeschichte des Krebses nebst Bemerkungen über die ^ettbildung im thierischen Körper. Virchow's Archiv I. S. 97. 1847. Üeber die hiatio- logischen Elemente in Adhäsionen. Würzburgei* phys. med. Verhandlungen I. S. 141. 1850), sowie Wedl (Grundzuge der pathologischen Histiologie Wien 1859) schliessen sich für die verschiedensten Bindegewebsnenbildungen an den von Schwann gelehrten Entwickelungsmodus an. Ebenso beobachtete P aget (Lectures on the processes of repair and reproduotion after injuries London 1849) in Pseudomembranen ein Auswachsen der Zellen in Fasern. Bennet (Oncancerous and canoroid growth*B. Edinburgh 1849) 9ah Beides, sowohl das Faserigwerden der ZeUausläufer, wie den Zerfall des intercellu- lären Blastems. A. Wagner (üeber den Heilungsprocess nach Resection und Exstirpation der Knochen Berlin 1853) lässt bei der Narbenbildung gekernte Zellen sich verlängern und reihenweise mit einander zu Fasern ver- schmelzen. Viele Forscher, von denen ich nur Joseph Meyer (üeber die Neubildung von Blutgefässen in plastischen Exsudaten seröser Häute und in Hautwunden. Gharite-Annalen FV, 89. 1858) und Luschka (Der Gallert- krebs der Leber. Virchows Archiv IV. 410. 1852) citire, lassen den ge- ronnenen Faserstoff sich direct in fibrilläres Bindegewebe umwandeln ! Förster (Beiträge zur Entwickelnngsgeschichte und EListiologie der Geschwülste. Illu- strirte med. Zeitung 1853. S. 70) betrachtet das Bindegewebe der Geschwülste als eine aus verschmolzenen Zellen hervorgegangene Substanz. Rokitansky (üeber die Entwicklung der Krebsgernste. Wiener acad. . Sitzber. März 1858) lässt strukturlose kolbige Fortsätze in ihrem Innern kernhaltige Zellen er- zeugen und Balken bilden, die sich dann in Fibrillen spalten. T hier- fei der (De regeneratione tendinum, Meissen 1852) und Schroeder van der Kolk (Over den oorsprong en de forming van tuberoula pulmonum) adoptiren für das Narbengewebe der Sehnen und das in der Umgebung tuber- culöser Ejioten vorkommende neugebildete Bindegewebe die Ansichten von Donders. Bizzozero (Sulla neoformazione del tessuto connettivo. Ga- zetta medica Italiana. Serie V. tom. IV. 1865. II Morgagni 1866. Sulla cioatrizzazione degli tendini tagliati. Annali univcrs. di Medicina 1868) l&sst nach Verwundimg des subcutanen Bindegewebes und nach Durchschneid ung der Sehnen des Frosches 1866 die Wanderzellen, 1868 die farblosen Blut- hörperohen zu spindelförmigen Bindegewebskörperchen werden. Ebenso Auf- recht (üeber die Genese des Bindegewebes nebst einigen Bemerkungen über die Neubildung quergestreifter Muskelfasern und die Heilung per primam in- tentionem. VirchoVs Archiv XLIV. S. 180. 1868^, Neumann (üeber die

^

UniersucbuDgcn über deu Bau nud die Etitwickelung der Gewebe. 41

EntwickehiDg des Bindegewebes in pleuritischen Schwarten und den Nach- weis organischer Muskel&sem in denselben. Archiv der Heilkunde 1869. S. 601) und Janovitsch Tschainski (üeber die entzündlichen Yerande- ningen der Muskelfasern. Stricker, Studien aus dem Institute für experi- mentelle Pathologie in Wien 1870. S. 94) adoptiren für die Bindegewebsneu- bildung den Entwickelungsmodus von Schwann.

Ich Stehe an dem Schlüsse einer Uebersicht, in der ich mit Sorgfalt Alles zusammengetragen zu haben hoffe , was die histio- logische Fachliteratur seit den Zeiten von Schwann in der Lehre von der Entwickelung des fibrillären Bindegewebes aufzuweisen hat. Obwohl der umfang dieser Literatur ein ausserordentlich beträcht- licher ist, ist dieselbe jedoch relativ sehr arm an methodisch durch- geführten üntersuchungsreihen, die allein in entwiclcelungsgeschicht- lichen Fragen von dieser Schwierigkeit als maassgebend angesehen werden können. Wenn auch eine grosse Anzahl von Forschem gele- gentliche Beobachtungen an embryonalen Geweben dazu benutzt hat, weitergehende Anschauungen über die Entwickelung des Bindege- webes daran zu knüpfen, sind wirkliche Untersuchungsreihen zur Entscheidung dieser Frage nur mitgetheilt von Schwann, Baur, Brücke (in den Arbeiten seiner Schüler Eusnetzoff und Ober- steiner) und von Rollet. Diese vier meiner Vorgänger sind es allein, auf deren Untersuchungsreihen näher einzugehen ich mich verpflichtet fühle bei der Darstellung meiner eigenen Untersuchungs- resultate, zu der ich nunmehr übergehe.

Meine Untersuchungen sind im Wesentlichen an Hühnerem- bryonen 1) angestellt ; doch habe ich nicht versäumt , einzelne Em- bryonen von Hunden, Kaninchen und Meerschweinchen, die der Zufall mir bei Vivisectionen absolut frisch und lebenswarm in die Hände führte, gleichfalls sehr eingehend auf die Bindegewebsent- wickelung zu untersuchen. Es stellte sich dabei heraus, dass ein Unterschied zwischen diesen beiden Classen der Wirbelthiere in

1) Ich darf es nicht unerwähnt lassen, dass ich neben den Hühnereiern aach Gelegenheit hatte, an einer grossen Menge von Möveneiem die Vor- gänge bei der Bindegewebsentwickelung zu stndiren. Ich verdanke dieselben der Yermittelung meines Freundes, Dr. Georg Reichenheim, der in der Lage war, mir dieselben von dem Kunitzer See in Schlesien stets frisch ver- schaffen zn können. Das Studium der Mövenembryonen bietet namentlich bei der grossen Pigmentarmuth dieser Thiere gegenüber den Hühnern manche sehr erhebliche Yortheile dar. Im üebrigen sind die Verhältnisse jedoch absohlt identisch mit denen der Hühnerembryonen.

42 Dr. Franz Boll:

Bezug auf die Entwiekelung der Bindegewebsfibrillen nicht zu exi- stiren scheint. Wiederkäuerembryonen mir zu besorgen habe ich verschmäht, weil ich sehr bald aus den Untersuchungen der Hühner- embryonen die üeberzeugung schöpfte, dass unmittelbar nach dem Absterben und Erkalten des Thieres schon Vorgänge in den Ge- weben sich zu entwickefai beginnen, welche die hier vorliegenden äus- serst zarten Verhältnisse bereits nicht unbeträchtlich verändern und es nicht mehr gestatten, den an diesen Objeclen erhaltenen Bildern noch irgend welche Beweiskraft zuzuschreiben. Ich habe es mir daher zum Gesetz gemacht, nur solche Embryonen zu untersuchen, deren Herz noch schlug, als sie in meine Hände gelangten.

Meme feste Üeberzeugung ist, dass alle diejenigen Unter- suchungen der Bindegewebsentwickelung als unzuverlässig zu be- zeichnen sind , die nicht auf diesem Princip basiren. Dieses durch- zuführen ist an Säugethieren fast unmöglich, und man ist also natur- gemäss auf Brütversuche von Vogeleiem angewiesen, die ausserdem noch den Vortheil bieten, dass sie viel exactere Zeitbestimmungen zulassen, als bei Säugethieren mit Hülfe der messenden und die Grössenverhältnisse vergleichenden Methode möglich ist. Vor allem aber ist hier allein die Möglichkeit vorhanden, die Stadien der Bindegewebsentwickelung durch die Bebrütungsdauer der einzelnen Eier exact zu beherrschen *)•

Die Versuchsreihe wurde in folgender Weise angestellt: Wäh- rend der Monate April bis Mitte JuU 1870 wurden täglich drei Hühnereier in den Brütofen gelegt. Die ersten 14 Tage benutzte ich dazu, mich über die passenden Localitäten und die allgemeinen Verhältnisse zu orientiren. Darauf disponirte ich folgendermassen.

Ich beschloss nach den Resultaten der vorläufigen Orientirung folgende fünf Localitäten zum Studium der Bindegewebsentwickelung zu wählen:

1) Ich mache bei dieser Gelegenheit auf die Thatsache aufmerksam» dass bei der Entwiekelung der einseinen Eier indiyidueUe Verschiedenheiten in durchaus nicht so sehr unbeträchtlicher Breite obwalten. Es ist eine Thatsache, die sich jedem, der ausgedehntere Bebrntungsversuche unternimmt, aufdrangt, dass einzelne Eier sich langsamer und andere wieder schneller entwickeln. Es hat sein Missliches , diese Differenzen , die sich einer Prä> fnng durch exacte Methoden entziehen, abzuschätzen. Doch glaube ich nicht, dass dieselben 2 bis höchstens 8 Tage überschreiten. Vgl. meine Be- obaohtungfen über die Niohtgerinnimg des embryonalen Blutes, Reichert's and Du Bois-Reymond'B Archiv 1690. S. 721.

Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Gewebe. 48

1) die Arachnoides,

2) das subcatane Gewebe der Schädelhaut,

3) das sabcntane Gewebe der iinteren Extrenitäten,

4) die Mmkelsebnen der unteren Extremitäten,

5) die Cornea 1).

Ich ratwarf mir eine Tabelle, auf welcher ich diese fOnf Ge- injbe mit je 21 Entwickelnngstagen (der Zeit, die ein Hohnchen Ton B^inn der BebrQtong bis zum Ausschlttpfen gebraucht) notirte. Nach jeder Dntersachimg füllte ich in dem Schema den betreffian* des Tag und das betreffimde Gewebe ans und zeichnete mir aus- serdem das Untersuchungsresultat kurz auf. Gewöhnlich wurde bd jedem einzelnen Ei nur eine Localitat untersucht. Jeden Tag untersuchte ich drei Eier, von denen jedoch durchschnittlidi nur zwei sich als brauchbar erwiesen.

Es ergab sich zunächst, dass an ein fruchtbringendes Studium der Bindegewebsentwickelung vor dem dritte Bebrfitungstage «ber- hanpt nicht und vor dem fünften Tage nur an der Arachnoides n denken war. Ebenso ergab sich, dass bei der Mehrzahl der oben genannten Gewebe die Untersuchung vom 18. Tage der Bebrfltung ab gleich&lls keine neunenswertken Resultate in Bezug auf die Frage nach der Entwickelung der Bmdegewebsfibrillen mehr er- geben konnte.

Nach meinem Schema habe idi nun untersucht:

1) die Arachnoides vom 4. bis zum 19. Tage der Bebrtttung,

2) das subcutane Bind^ewebe der Schädelhaut vom 5. bis 15. Tage, 3} das subcutane Bindegewebe der imteren Extremitäten vom

7. bis zum 17. Tage,

4) die Sehnen der unteren Extremitäten vom 7. bis zum 21. Tage,

5) die Cornea vom 4. bis zum 21. Tage.

1} Es war ursprünglich meine Absicht, die Entwickelungsgeschiohte der Comee, die nach der Entdeckung von Leber (ArcL f. Ophthalmologie XIV, 310) auch noch b«im erwachsenen Hahn deutlich faserig ist, dieeem Gapitel ansosehlieasen, sumal da dieselbe grosse Cebereinstiaunuiig mit der Entwiekelnng des fibriU&ren Bindegewebes zeigt. Ick habe mioh jedoch entsdüossen, die Publication dieser üntersuchungsreihe zn verbinden mit ans- fahriichen Versuchen über die Veränderungen, welche die Cornea des Frosches bei der electrischen Reizung und der Entzündung erleidet. Dieselben be- schäftigen mich bereits seit An&ng dieses Jahres, sind aber immer nooh meht iiim Abaohliuse reif.

44 Dr. Franz Boll:

Es ist selbstverständlich^ dass ich mich nicht auf diese ein- maligen Untersuchungen beschränkt, sondern besonders günstige Stadien zu wiederholten Malen studirt habe. So habe ich z. B. das mir bekannte günstigste Untersuchungsobject der Bindegewebsent- wickelung , die Arachnoides vom neunten und zehnten Tage der Bebrütung mindestens einige 20 Male untersucht.

Die Art und Weise, wie ich die Untersuchungen vornahm, war folgende : Nachdem das Ei vorsichtig eröffnet , stach ich mit einer spitz ausgezogenen Glascanüle die Amniosblase an und sog die Amniosflässigkeit auf, um mich derselben als indifferenter Unter- suchungsflüss^keit zu bedienen. Dann legte ich den Embryo auf eine mattgeschliffene Glasplatt«, praparirte das zu untersuchende Organ heraus und liess es auf der Platte in einem sehr grossen Tropfen Amniosflüssigkeit schwimmen. Die mikroskopischen Prä- parate wurden stets in der Weise angefertigt, dass das Object in einem Tropfen Amniosflüssigkeit möglichst fein und platt ausge- breitet wurde. Absolut nothwendig ist, vor dem Auflegen des Deck- gläschens einige Deckgläschensplitter um das Object herumzulegen, um den Druck auf das Object zu vermeiden. Gewöhnlich wurden die ersten Präparate, die ich von einem Embryo gewann, auf dem nach der Methode von Schklarewski^ construirten heizbaren Objecttisch untersucht Zum Studium der hier vorliegenden Ver- hältnisse sind die stärksten Vergrösserungen nothwendig. Ich habe gewöhnlich zuerst Hartnack*s System VII zur ersten Orientirung benutzt, alsdann jedoch fast ausschliesslich mit Hartnack's Sy- stem IX sec. und k rimme]*sion gearbeitet.

Ein Umstand, der durchaus Beachtung verdient und der wesent- lich die Ursache war , wesshalb ich mich entschloss , an je einem Embryo auch nur je ein Gewebe zu studiren , ist der, dass schon etwa eine Stunde, nachdem der Embryo aus dem Ei genommen ist, allmälig nicht unwesentliche Veränderungen in den Geweben vor sich gehen. Die in dem absolut frischen Gewebe klaren, bläschen- förmigen Kerne wei*den dunkler und unregelmässig contourirt, zahl- reiche Schleimfäden durchziehen das Gewebe, die jungen homogenen Bindegewebsfibrill^ verlieren ihre scharfe Zeichnung und werden kömig u. s. w. Ich habe es daher nicht gerathen gefunden , die

1) Ein neuer heizbarer Objecttisch. Dieses Archiv ly. 342. 1868.

Untersuchungen über den &au und die Entwickelung der Gewehe. 45

Gewebe des Embryo jemals länger als eine Stunde, nachdem das Ei eröffnet war, zu untersuchen.

Sehr vielfach waren meine Bemühungen, Reagentien zu finden, welche die hier vorliegenden zarten ^histiologischen Verhältnisse zu coBserviren geeignet seien. Obwohl ich eine ausserordentlich grosse Rdhe von Beagentien probirt, sind meine Bestrebungen doch ohne irgend einen nennenswerthen Erfolg geblieben. Nur die Osmium- saure in einprocentiger Concentration vermag wenigstens bis zu 2 mal 24 Stunden die zarten histiologischen Verhältnisse in einlger- niassoi erträglicher Weise zu conserviren. Alle anderen Reagen- tien — dies gilt auch speciell von der von Rollet und von Kttsnetzoff und Obersteiner angewandten Mttller'schen Flüssigkeit, wirken in höchst ungünstiger Weise, nicht so sehr da- durch , ditös sie etwa die sehr resistenzfähigen Fibrillen des Binde- gewebes zerstören oder undeutlich machen, sondern vielmehr dadurch, dass sie die Embryonalzellen bis zur Unkenntlichkeit verunstalten and von dem Verhältniss derselben zu den Bindegewebsfibrillen nur Zerrbilder liefern.

I. Das Bindegewebe der Araehnoides.

Das Studium der Bind^ewebsentwickelung an den verschie- denen Localitäten erheischt eine gesonderte Betrachtung, nicht so aehr weil die Vorgänge etwa irgendwie essentiell verschieden wären, als vielmehr desshalb, weil sehr bedeutende zeitliche Differenzen in der EntWickelung vorwalten. Man würde* sehr irren, wenn man annähme, dass in demselbem Embryo zu einem beliebigen Zeit- punkte sammtliches sich entwickelnde Bindegewebe in einem gleich Yoi^eschrittenen Zustande sich befände. Es wäre diess ein sehr gros- ser Irrthum. Die Entwickelungsintensität , die man auch als die Wachsthumsgeschwindigkeit bezeichnen kann, ist für die verschie- denen Localitäten auch eine sehr verschiedene.

Diese Thatsache ist darin begründet, dass, wenn ich mich so ausdrücken darf, das Bindegewebe sich wesentlich passiv entwickelt, dass es eben in seiner Eigenschaft als „Bindegewebe'S als die ver- bindende und umhüllende Substanz der aus den beiden anderen Keimblättern hervorgegangenen Organe genöthigt ist, seine Wachs- thumsgeschwindigkeit anzupassen der Wachsthumsgeschwindigkeit

46 Dr. Frans BoU:

der Organe, denen es als Stütze resp. Umbüllong dient. Nach dieser bekanntlich sehr verschiedenen Wachsthumsintensität der em- bryonalen Organe richtet sich stets auch die Entwickelang des dieselben begleitenden Bindegewebes.

Wenn dieses Princip richtig ist , so müssen die Thataaehen es bestätigen. In der That ist die Entwickelung des Bindegewebes am meisten vorgeschritten in der Arachnoides, deren äusserst dünne und zarte Bindegewebslage das so sehr schnell sich entwickelnde Centralorgan überzieht. Dann folgt das subcutane Bindegewebe der Schädelhaut, welches sich in einer gleichen Lage befindet wie die Arach* noides, dann die Sehnen der Extremitäten und zuletzt das subcutane Bindegewebe der Extremitäten, welche im Verhältniss zum Kopf und Rumpf nur eine äusserst geringe Wachsthumsintensität besitzen.

Von den vier Localitäten, an denen ich die Entwickelung der Bindegewebsfibrillen schildern werde, stelle ich die Arachnoides vor- an , weil in ihr die fraglichen Vorgänge am genauesten und klar- sten zu verfolgen sind. Einmal sind, wie ich schon in der Einleitung bemerkte, die Regionen, wo das Bindegewebe in unr^dmlissigen, vielfach, sich kreuzenden Bündeln auftritt, für das Studium der Bindegewebsentwickelung vorzuziehen den Gegenden , wo die Binde- gewebsfibrillen parallel angeordnet verlaufen, wie in der Sehne. Diess scheint das einstimmige Urtheil fast aller Beobachter zu sein. So hat Schwann seine Untersuchungen am subcutanen Bindegewebe, Baur und Rollet an den dünnen Platten serOser Häute und end- lich Kusnetzoff wieder am subcutanen Bindegewebe angestellt. Zweitens eignet sich diese ausserordentlich zarte Membran, die in toto unter dem Mikroskop ausgebreitet, mit den stärksten Ver- grOsserungen untersucht werden kann, viel besser zur Demonstration der fraglichen Verhältnisse als das subcutane Bindegewebe, wo brauchbare Präparate gewöhnlich nur erst nach Zerzupftmg resp. Misshandlung des Gewebes mit Nadeln zu erhalten sind und der Verdacht künstlicher Verunstaltungen niemals ganz ausgeschlos- sen bleibt.

In jedem Stadium der Entwickelung stellt die Arachnoides des bebrüteten Hühnchens eine äusserst dünne blutgefässhaltige Mem- bran dar, welche sich stets mit grosser Leichtigkeit unversehrt von der Oberfläche der Gentralorgane abziehen lässt. Bringt man dieselbe am Ende des dritten Tages der Bebrütung unter das Mikroskop, so sieht man eine von nur sparsamen Gelassen durchzogene Masse von bis

Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Gewebe. 47

zur Verschraelzang einander genäherten Embryonalzellen. Dieselben sind selten ganz rondlich, sondern lassen meist das Vorwiegen einer Läng^dimension erkennen. Gewöhnlich ercbeint schon um diese Zeit das Protoplasma der Zellen an den beiden Enden des läng- sten Zellendnrchmessers nicht mehr kömig, sondern bereits deutlich kurzÜEiserig (Fig. 1) ^).

Der weitere Verlauf der Entwickdung vom 4. Tage ab bis etwa zum 8. Tage ist dadurch charakterisirt, dass einmal die Binde- gewebszellen um vieles weiter auseinanderrücken und freie Zwischen- räume zwischen sdch lassen und dass nunmehr auf das deutlichste zu sehen ist, wie die Zellen gewöhnlich in zwei entgegengesetzten Enden in Bündel feiner und langer Fibrillen sich auflösen.

Das Bild, welches die Arachnoides in diesem Stadium bei mitt- lerer Vergrösserang betrachtet darbietet, ist etwa folgendes: Sehr reichliche Gefasse durchziehen das GesichtsfeM, längs deren eine bis mehrere Reihen spindelförmiger langgestreckter Zellen, die an ihren Enden in feine Fibrillen zerfallen, eine Art von Adventitia bilden. Ausserdem haften dieser Adventitia in grosser Menge rund- liche Zellen an, die auf dem heizbaren Objecttisch amöboide Be- wegungen und eine wenn auch nicht sehr entwickelte, meist an den Spindelzellen der Adventitia haftende und längs derselben erfolgende Locomotion besitzen. Die Zwischenräume zwischen den einzelnen Maschen des Gefässnetzes oithalten Zellen, die an beiden Längs- enden einen deutlichen Zerfall in Fibrillen zeigen. Diese Zellen li^en jedoch nicht unmittelbar neben einander, sondern sind d&rch weite Zwischenräume, die nur von der Gewebsflüssigkeit eingenom- men werden , fast ganz getrennt und hängen meist nur durch die fernen Fibrillen, die sich an die der Nachbarzellen heranlegen, zu- sammen (Fig. 3). Ausser diesen Zellen, die bereits deutlich den Zerfall in Fibrillen zeigen, befinden sich noch zahlreiche Wander- zelkn im Gewebe, jedoch nicht so reichlich, wie in der unmittel- baren Umgebung der Gefasse.

Untersucht man die die Fibrillen bildenden Zellen der Pia mater in jenem orrten Stadium, das ich etwas willkürlich mit dem

1) Niemals , so früh ich auch antersuchen mochte , habe ich weder in der Arachnoides noch in sonst einem bindegewebigen Organe £mbi7onal- seilen gefunden, die nicht bereits schon die ersten Sparen dieser Fibrillen- bildnng gezeigt b&tten. Es scheint also, als ob diese formative Thätigkeit anmittelbar söhon mit der Entstehung der Zellen beginnt.

48 Dr. Franz Bolh

A. Tage abgesteckt habe , oder in dem zweiten Stadium vom 4. bis 8. Tage mit den stärksten Vergrösserungen, so lassen sich zwar manche Details über das Verhältniss der nei^ebildeten FibriUen am Zellkörper ermitteln, im Uebrigen aber theilt auch diese Unter- suchung den allgemeinen Fluch entwickelungsgeschichUicher Studien, dass man in das Wesen dieses interessanten Vorganges selber eigent- lich um keinen Schritt weiter eindringt. Doch will ich das, was ich habe beobachten können, hier mittheilen, um wenigstes be- stimmte Stadien und Bilder festzustellen, die für das Verhältniss der neugebildeten Fibrillen zu den Zellen von wesentlicher Bedeu-^ tnxig sind.

Ich schicke voraus, dass diese Untersuchungen nur bei den allerstärksten Vergrösserungen und bei vorzüglicher Beleuchtung anzustellen sind. Immer aber wird man, eben wenn man jene stärkste Vergrösserilng auf das Zellenende, wo der räthselhafte Vorgang der Fibrillenbildung vor sich geht , auf das schärfste ein- stellt, doch stets nur das betrübende Gefühl haben, dass man hier erst am Anfange der sinnlichen Wahrnehmung steht und dass das Mikroskop auch diesesmal nur wieder neue Räthsel auf- giebt, ohne die alten zu lösen.

Betrachtet man eine Arachnoides in dem Stadium^ welches in Fig. 1 a wiedergegeben ist oder besser noch einzelne Zell^ der- selben (Fig. 1 c), die sich an den Rändern des Präparates mit grosser Leichtigkeit isoliren , so sieht man deutlich , wie an den zwei Längsenden der Zelle nicht mehr die einfache körnige St nie- tur des Protoplasma vorhanden ist, welche das letztere in der näch- sten Umgebung des stets schönen und klaren Kernes zeigt, sondern dass an die Stelle der einfachen Granulirung ein eigenthümliches rauhfaseriges Aussehen getreten ist. Dasselbe rührt her von kleinen kurzen Fäserchen, die sich an den Enden der Zelle in der Substanz des Protoplasma gebildet haben. Zwischen diesen Fäserchen sind die Kömer des Protoplasma stets noch unverändert vorhanden. Bis zu diesem Stadium zeigen die Zellen noch sehr wenig lebhafte amin boide Bewegungen ; Locomotion ist nicht wahrzunehmen.

Ein ähnliches Bild bietet Fig. 2, welches der Arachnoides eines ötägigen Embryo entnommen ist.

Untersucht man noch weiter vorgeschrittene Stadien, wie z. B. Fig. 3 vom Ttägigen Embryo , so haben sich die Verhältnisse schon etwas anders gestaltet. Vorwiegend ist auch hier noch das Ver-

UntenuotiangeD abtr den Bau and die Sntwickelang der Gewebe. 49

haltniss, dass das Auawachsen der Fibrillen meist an den zwei ent- gegCDgeaetzten Längsenden der Zellen erfolgt. Doch finden sich in diesem Stadium schon nicht mehr selten kurze Fibrillen, die senkrecht auf der Längsaxe der Zelle stehen und meist zur Ver- bindung der Zelle mit ihren Nachbarn dienen. Eine zweite Eigen- thümUchkeit besteht darin , dass die Fibrillen, die an den beiden Längsenden der Zelle von derselben abgehen , nicht mehr mit ein- ander mehr oder weniger innig zu einem Bündel verflochten sind, sondam jetzt auch getheilt und als gesonderte einzelne Fibrillen ver- laufen. Ferner sieht man jetzt, während in Fig. 1 nur die beiden Zellenpole fibrilläre Structur zeigen, das kernhaltige Gentrum aber gänzlich davon frei bleibt, nunmehr die Fibrillen durch die ganze Lange der Zelle verlaufen, so dass ein und dieselbe Fibrille jetzt nicht sdten sowohl Ober das eine wie über das andere Ende der Zelle hinausragt Idi habe mir die Frage vorgelegt, ob dieses Yer- hältniss zu Stande kommt, dadurch dass zwei Fibrillen, die an den. beiden entgegengesetzten Zellenenden angelegt werden, sich einan- der nach dem Gentrum der. Zelle zu entgegenwachsen und dort zu mec einzigen Fibrille verschmelzen, oder ob die einzelnen Fibrillen durch das Centrum dec Zelle hindurchwachsen und ohne mit einer entgegenkommenden zu verschmelzen, auch über das entgegenge- setzte Ende der Zelle hinaus sich erstrecken. Es lässt sich diese Frage, die in anderer Gestalt uns noch einmal beschäftigen wird, leider nicht durch direkte Beobachtung entscheiden. Aus dem Stu- dium einer grossen Reihe von Präparaten, die die im Gentrum der Zelle «nander entg^enwachsenden Fibrillen oft bis zur Verschmel- zung genähert zeigten, ist mir die erstere Wahrscheinlichkeit jedoch am überzeugendsten erschienen.

In Bezug auf das Verhalten des Zellprotoplasma zu den neu sich bildenden resp. weiter auswachsenden Fibrillen lehrt die Unter- suchung der vorgeschrittenen Stadien ebensowenig Thatsächliches wie die der früheren. Irgendwelche Beziehungen des Protoplasma zu den jungen Fibrillen, etwa ein Auswachsen der Protoplasmakör- ner zu Fibrillen konnte ich eben so wenig hier wie dort wahrneh- men. Deutlicher aber gestaltet sich hier als wie in jüngeren Stadien die Einsicht in ein Verhältniss, dem ich für die Lehre vom Binde- gewebe eine grosse Bedeutung zuzuschreiben geneigt bin.

Oben ist gesagt worden, dass zwischen den allerersten An- fängen der eb^ erst sich bildenden Fibrillen eine deutliche gra-

M. SchnltM, ArdriT. f. niknwk. ABatonie. Bd. g. 4

i

Dr. t*ranz BoH:

nulirte Masse TorhandeD ist, die man in jenen frQhen Stadien unbe- denklich mit dem Protoplasma identificiren wird (Fig. 1). Beob- achtungen späterer Stadien (Fig. 3) lassen gleichfalls diese granu- lirte Masse deutlich erkennen , doch scheinen hier ernste Zweifel geboten, ob man diese körnige Masse in der That als lebendes Pro- toplasma zu bezeichnen berechtigt ist.

Betrachtet man Stadien , in denen die Fibrillen der Zellen schon eine beträchtliche Länge erreicht haben (Fig. 3), so siebt man fast stets zarte Züge und Reihen feinster Kömchen, die sich in Nichts von den Körnern des Protoplasma unterscheiden, die gan- zen Fibrillen oft bis an ihr letztes Ende begleiten. Zuerst war ich der festen Meinung, hier Fortsätze der lebenden Zelle, ähnlich den Pseudopodien der Rhizopoden und Polythalamien vor mir zu haben, feinste Ausläufer lebenden Protoplasma's , die mit der den Kern umgebenden grösseren Protoplasmamenge in continuirlichem Zusam- menhang stehend an den äussersten Gränzen der Zelle die zur Bildung der Fibrillen führende formative Thätigkeit ausübten. Wer einmal am Meere das Spiel der Pseudopodien einer Polythalamie gesehen und die diesen feinsten Protoplasmastrfingen innewohnende vitale Energie bewundem gelernt hat, dem musste dieser Gedanke in der That als der natürlichste erscheinen. Ich gab mich der festen Erwartung hin, an diesen feinen Kömchensti^ngen eine deut- liche Kömchenbewegung und Protoplasmaströmung nachweisen zu können. Diese Erwartung ist getäuscht worden ; so oft ich auch auf dem heizbaren Objecttisch unter Anwendung aller möglichen Oautelen die Arachnoides beobachten mochte, niemals gelang es mir ein Fliessen dieser Körnchenreihen zu sehen. Ebensowenig zeigten auch die Körper der Zellen ii^endwelche Gestaltverändernngen. An den Zellen, welche die Fibrillen des Bindegewebes biMen, habe ich Gestaltveränderungen überhaupt nur in sehr geringem Maasse und dann auch nur in sehr frühen Stadien, niemals nach dem 4. Tage der Bebrütung nachweisen können. Es scheint hieraus hervorzugehen, dass die Fähigkeit des Protoplasma zu amöboiden Bewegungen erlischt, sobald die formative Thätigkeit desselben be- gonnen hat.

Nachdem mir dieses negative Resultat meiner auf den Nach- weis von Bewegungserscheinungen gerichteten Bestrebungen die pro- toplasmatische Natar dieser Körnchenreihen schon im hohen Grade unwahrscheinlich hatte erscheinen lassen, wurde ich bald auf eine

UnlenadniiigeB flbor den Bau und die Entwickeliing der Gewebe. 61

Thiteche anfmeiksam, die meiner Ansicht nach beweist, dass diese Komcbenreiben kein Protophisma sein können. Gegen das Ende dieses Stadinms, also etwa am 8. Tage, finden sich sehr häufig Zellen, die sich in Fibrillen umwandeln und die am äussersten Ende der Fibrillen Anhäufungen und Reihen von Körnchen zeigen, die sehr häufig mit dem 2^11körper , d. h. der den Kern umgebenden grösseren Protoplasmamenge nicht mehr in Gontinuität stehen (Fig. 4). Es sind mithin diese Kömchenhaufen und Seihen nicht mehr als pro- toplasmatisch, d. h. als TheQe oder Ausläufer ein^ vitalen ZeUe aufzufassen, sondern als etwas von der Zelle bereits Abgeschiede- nes, Fremdes, nicht mehr „germinal matter'\ sondern „formed matter" nach der Terminologie von Beale, die in diesem Falle ge- rade ganz vorzüglich geeignet ist, einen exacten Unterschied zweier Substanzen auszudrucken, die dem Aussehen nach identisch, der histiotogischen und physiologischen Werthigkeit nach jedoch durch- aus verschieden sind.

Gegen das Ende dieses Kapitels werde ich ausführlicher meine Ansicht Ober diese interfibrillären kömigen Massen begründen. Für jetzt verlasse ich dieselben und gehe dazu aber, einen Punkt zu er- örtern, der mir f&r die Theorie der Bindegewebsbildung von Wich- tigkeit zu sein scheint. Derselbe betrifft nämlich die Frage, ob man bei der Bildung einer Bindegewebsfibrille stets nur eine einzige oder auch mehrere Embryonalzellen als betheiligt anzusehen habe.

Man kann nämlich ausserordentlich oft in dem sich entwickeln- den Bindegewebe, besonders dort, wo auf längere Strecken hin eine parallelfaserige Richtung des Bindegewebes sich vorfindet, das Yer- haltniss constatiren, dass eine einzige bindegewebige Fibrille in ihrem Verlauf oft mehreren (3— 4) Embryonalzellen anliegt; resp. die Sub- stanz derselben in einer Weise durchsetzt, dass man das Verhält- niss der einzelnen Zelle zu dem ihr zunächst liegenden Stuck der IibriUe betrachtend, nicht anstehen würde, hier eine Genese dieses FibriUenabschnittes aus eben dieser Zelle anzunehmen. Wird man aber gewahr, dass dieselbe Fibrille nach zwei entgegengesetzten Bichtongen hin weiter verfolgt ganz gleiche Beziehungen auch zu den beiden benachbarten Zellen bietet, so erheben sich doch Zwei- fel, ob in der That die einzelnen Abschnitte eines so einfachen Ele- meotartheOes wie einer Bindegewebefibrille als von verschiedenen Zellen gebildet angesehen werden sollen. Es stehen der Entschei- dung dieser Frage dieselben Schwierigkeiten entgegen, die ich oben

h2 t>r. Franz Bolh

erörtert habe, wo es sich darum handelte, zu entscheiden , ob die zuerst an den entgegengesetzten Polen der Bindegewebszelle sich entwickehiden Fibrillen sich entgegenwachsen und im Gentrum der Zelle mit einander verschmelzen, oder ob sie ohne mit einander zu verschmelzen durch das Centrum der Zelle hindurchwachsen. In diesem Falle ist dieselbe Frage noch schwieriger zu ' entscheiden^ wie in dem ersten Falle, wo es sich nur um die Fibrillen einer einzigen Zelle handelte , und mit viel geringerer Zuversicht wie oben, kann ich mich auf Grund meiner Beobachtungen dieses Mal für die gleiche Ansicht aussprechen, dass nämlich in der That eine Verschmelzung der von verschiedenen Zellen gebildeten Abschnitte zu einer einzigen Fibrille stattfindet.

Die neugebildeten Fibrillen des Bindegewebes verlaufen zuerst in der Regel geradlinig und zeigen erst später eine leichte Schlän- gelung und einen etwas gewundenen Verlauf, der jedoch in den letzten Tagen der Bebrütung schon sehr deutlich hervortritt. Sehr merkwürdig ist die Thatsache , dass die jungen Bindegewebsfibrillen auf Zusatz von Essigsäure nicht sofort aufquellen und sofort un- sichtbar werden, wie die des erwachsenen Bindegewebes, sondern bedeutend resistenzfähiger sind, so dass erst eine erhebliche Zeit (gewöhnlich mehrere Stunden) vergeht, ehe die Fibrillen erst un- deutlich und dann unsichtbar werden 0- Gegen das Ende der Be- brütungsperiode erfolgt die Auflösung der Fibrillen leichter wie im Anfang.

Soweit die Thatsachen, die die Beobachtung der einzelnen Zellen und der aus denselben hervorgehenden Fibrillen über das Verhältniss der letzteren zu den ersteren ergeben. Ehe ich dieses Stadium verlasse, erübrigt es noch, zwei Punkte zu besprechen , die sich nicht mehr hierauf, sondern auf allgemeinere Verhältnisse beziehen.

Die erste Frage ist die: Welches Verhältniss besteht zwischen der Bildung des fibrillären Bindegewebes und der Entwickelung der Gefässe? Ist die erstere etwa durch die letztere bedingt und sind nicht die embryonalen Bildungszellen wahrscheinlich alle Abkömm- linge aus den Gefässen ? Hierüber ist Folgendes zu bemerken : Am

1) Dass die Fibrillen des embryonalen Bindegewebes sich beim Kochen nicht auflösen und keinen Leim geben, hat schon Schwann (Mikrosk. un- tersuch. S. 148) nachgewiesen.

ÜDienachnngen aber den Bau und die Entwickelung der Gewebe. 53

Ende des dritten Tages stellt die Arachnoides eine einfaiche Lage bis zur Verschmelzung genäherter, randlicher oder meist ellipsoidi- scher Zellen dar, die an zwei entgegengesetzten Polen bereits die allerersten Andeutungen einer beginnenden Faserbildung verrathen. Dazwischen liegen die gleichfalls erst eben sich bildenden Oefässe, die zu dieser Zeit noch keine irgendwie nennenswerthe Bedeutung und Anxahl erlai^t haben. Es ist also anzunnehmen, dass bereits gleichzeitig und unabhängig von den ersten Gefässen embryonale Zeilen »ch in Fibrillen umzuwandeln beginnen.

Andrerseits ist es mir sehr wahrscheinlich geworden, dass, nachdem einmal die ersten Gefässe angelegt sind, der grösste Theil der Bindegewebszellen der Arachnoides auch wirklich den Gelassen entstammt. Hierfür spricht ausser der sehr mächtigen Entwickelung des Gefassnetzes der Reichthum der den Gefässen anhaftenden und das Gewebe nach allen Dimensionen durchziehenden Wanderzellen sowie der Umstand , dass in der Adventitia der Gef&sse die Fibril- lenbüdung stets am energischsten vor sich geht und von dort aus allmälig gegen das Gentrum der Gefässmaschen vorschreitet

Die zweite Frage betrifift die Natur der Zwischensubstanz, von der ich oben gesagt habe, dass sie etwa vom 4. Tage ab auftritt and die einzelnen Zellen in diesem Stadium von einander trennt. Ich halte diese Substanz für flüssig, für Serum, das aus dem reichen Netz der Blutgefässe stammt und das ganze Gewebe durch- tränkt und dem nur durch den leicht nachweisbaren Gehalt an dem Gewebe entstammendem Mucin eine gewisse Klebrigkeit und Zähig- keit zukommt Hierfür spricht Folgendes: Einmal ist an den freien Rändern der Präparate niemals ein Contour sichtbar, der diese homogene ^ die Farbe des Gesichtsfeldes zeigende Zwischen- snbstanz von dem Tropfen der Amniosflüssigkeit, in dem das Gewebe der Arachnoides ausgebreitet ist , trennte. Zweitens flottiren die Embryonalzellen des Bindegewebes, wenn man Ströme unter dem Deckgläschen erzeugt, mit grosser Leichtigkeit. Mitunter reissen auch bei dieser Gelegenheit die höchst zarten auf Verschmelzung oder Apposition der Bindegewebsfibrillen beruhenden Verbindungen, die eine Bind^ewebszelle mit ihren Nachbarn zusammenhalten , ab und die Zelle wird frei von dem Strome hin weggerissen , ohne dass die Zwischensubstanz ihr einen nennenswerthen Widerstand entgegen- setzt. Aehnlich wie diese abgelösten Bindegewebszellen verhalten

54 Dr. Frans Boll:

sich im Gewebe zerstreute Wanderzellen, Blutkörperchen and künst- lich beigemengte Farbstofipartikelchen.

Soweit die Entwickelungsvorgänge bis zum 10. Tage der Be- brütung. Mit diesem Zeitpunkte beginnt eine Erscheinung in die Augen zu fallen, deren erste Anfänge sich bereits vom Ende des 7. Tages wahrnehmen lassen, deren eigentliche EntwiiSkelnng ich jedoch wie sich versteht, mehr oder minder, willküriich -— nicht von vor dem Beginne des 10. Tages herdatiren möchte. Von die- sem Zeitpunkte ab zeigt eine nennenswerthe Anzahl der Embryonal- zellen das Auftreten feiner fettartig glänzender Tröpfchen in ihrem Innern, die sich fortwährend vermehren und den Zellen endlich das vollkommene Aussehen von Körnchenzellen geben. Diese Metamor- phose betrifft eine sehr beträchtliche Anzahl sämmtlicher Zellen und zwar sowohl die Wanderzellen,, die jedoch nur wenig von ihrer Fähigkeit zur Gestaltveränderung und Locomotion dabei einzubässen scheinen, sowie die Zellen, die bereits eine vorgeschrittene Umwand- lung in Fibrillen zeigen. Ich habe grosse Mühe darauf verwandt, festzustellen, was diese Metamorphose zu bedeuten habe und bin zu der Ansicht gelangt, dass bei den Fibrillen bildenden Zellen der- selben die Bedeutung einer regressiven zukommt. Wo diese glän- zenden Tröpfchen in der Zelle sich zeigen, nimmt die körnige Masse constant an Volum ab , der Kern wird undeutlich und schwindet endlich gänzlich und an die Stelle der in Fibrillen auslaufenden Zelle tritt endlich ein blosses Bündel von Fibrillen , zwischen denen glänzende Körnchen eingestreut sind, deren Anzahl sich im weiteren Fortschreiten der Entwickelung jedoch constant vermindert (Vgl. Fig. 6). Hingegen muss ich bekennen, dass ich absolut darüber im Dunkeln bin^ was bei den Wanderzellen diese Metamorphose für eine Bedeutung hat.

Ausser durch das Auftreten dieser feinen Kömchen in den Zellen ist die Entwickelungsperiode vom 10. Tage ab noch wesent- lich dadurch charakterisirt, dass die flüssige, seröse, mucinhaltige Zwischensubstanz, die vom vierten Tage ab bis zum 10. sich con- stant vermehrte, am 10. Tage eben ihr grösstes relatives Volum er- reicht hat und nun wieder abzunehmen beginnt. Die in Fibrillen sich umwandelndei\ Zellen, die bis zum 10. Tage meist durch weite mit dieser Flüssigkeit gefüllte Zwischenräume getrennt waren und nur durch ihre feinsten Ausläufer verschmelzend oder nur verklebend (dieser Punkt blieb oben leider unentschieden) mit einander zusam-

Untenuchongen über den fiao und die Entwiokelung der C^webe. 55

menhii^en, rQcken jetzt näher zusammra bis zur unmittelbaren BerühruBg. Vom 17. Tage ab sind nur noch geringe Zwischen- räume zwischen den einzelnen Fibrillen bildenden Zellen nachzu- weiseo. Die Arachnoides, die während der zweiten Periode durch ihre herrliche Transparenz und die reichliche Flüssigkeit zwischen den einzelnen Zellen ein Object für das Studium der Fibrillenent- widcelung dargeboten hatte, dem ich kein zweites an die Seite zu stellen wusste, wird jetzt undurchsichtig, die Beziehungen der ein- zehiea Zellen zu den Fibrillen werden undeutlich und der um diese Zeit sich noch bedeutend vermehrende Reichthum an Blutgefässen hindert jede weitere Untersuchung.

Ehe ich die Arachnoides , an der ich wesentlich meine Erfah- rungen über die Entwickelung der Bindegewebsfibrillen gesammelt habe, verlasse, will ich noch in kurzer Uebersicht die von mir be- achteten Vorgänge zusammenstellen. Noch einmal bemerke ich aus- (Inlcklich, dass ich die künstliche und willkürliche Abgrilnzung in zeitliche Stadien, wie ich sie hier gebe, nur als einen traurigen Nothbehelf ansehen kann, den ich aber durch Nichts besseres zu ersetzen weiss.

I. Stadium. Bis zum fünften Tage.

Die Arachnoides stellt eine einfache continuirliche von spar- samen Gelassen durchzogene Zellenlage dar. Die einzelnen noch bis zor Verschmelzung genäherten Zellen beginnen sich an zwei ent- gegengesetzten Polen in kurze Fibrillen zu spalten.

II. Stadium. Vom fünften bis zum zehnten Tage.

Die Arachnoides wird von zahlreichen Gefässen durchzogen, V03 denen aus reichliche WanderzeUen in das Gewebe eindringen. Ziischen die einzelnen Embryonalzellen ergiesst sich eine seröse, miriiihaltige Flüssigkeit, die die Zellen auseinanderdrängt, so dass sie Dar noch durch ihre Fibrillen, die mit einander verschmekcen oder rerkleben, aneinanderhaften. Die Fibrillen erreichen in diesem Sta- tinm schnell eine höchst ansehnliche Länge.

m. Stadium. Vom 10. Tage ab.

Die Capillaren sowohl wie die Fibrillen nehmen an Masse zu, wahrend die zwischen die Fibrillen bildenden Zellen ergossene seröse, nucinhaltige Flüssigkeit in demselben Maasse abnimmt Das Ge- lobe wird mithin compacter. Gleichzeitig mit dieser Veränderung fiidet eine Metamorphose der zelligen Elemente statt, indem sowohl in Innern der Wanderzellen wie der Fibrillen bildenden Zellen glän-

68 Dr. Frans fioll:

fangt in der That an, su zweifeln, ob in der Sehne auch wirk- lich jene genetischen Beziehnngen der Zellen zu den Fibrillen, die Mch in der Arachnoides in so vollendeter Klarheit nachweisen lassen, auch in derselben Weise vorliegen. Jedenfalls ist es, wenn man dieses Object gesehen hat, sehr erklärlich, wieBaur zu seinen Ansichten über die Fibrillenbildung hat gelangen können.

Doch gelingt es auch hier, wenn auch mühsamer, die Ueber- zeugung zu gewinnen, dass in Bezug auf die Entstehung der Fibril- len aus den Embryonalzellen hier ganz dieselben Verhältnisse vor- liegen wie in der Arachnoides und im subcutanen Gewebe. Ich empfehle zu diesem Zweck, unter den Sehnen der unteren Extre- mität eine passende Auswahl zu trefifen. Wenn auch in der Mehrzahl, so sind doch nicht sämmtliche Sehnen drehrund, sondern es kom- men auch einige deutlich abgeplattete vor. Bringt man diese unter das Mikroskop und untersucht sie mit stärkerer Vergrösserung, so gewähren dieselben das Bild, welches ich in Fig. 15 wiedergegeben habe. Der Axe der Sehne parallel sieht man die Zellen an ihren zwei Enden sich ausfasern und durch die Fibrillen mit den an- stossenden Zellen zusammenhängen.

Nach meinen Untersuchungen über die Entwickelung der Sehne kann ich mich etwas zuvemchtlicher aber die Frage aussprechen, die ich in der Darstellung der Entwickelung der Arachnoides un- entschieden lassen musste, ob nämlich eine Verschmelzung der von verschiedenen Zellen gebildeten Fibrillenabschnitte zu einer einzigen Fibrille eintritt oder nicht. Zerzupft man eine Sehne aus einem etwas weiter vorgeschriebenen Entwickelungsstadinm parallel der Längsaxe, so erhält man nicht selten Fibrillenbündel , wie die bei- den Fig. 16 dargestellten, wo die conünuirlich verlaufenden parallel geschwungenen Fasern von einer Reihe von Zellen bedeckt werden, ohne dass sich in dieser Strecke eine einzige freie Endigung einer Fibrille nachweisen liesse. Ich vermag mir dieses Factum nur schwer anders zu erklären, als durch die Annahme, dass in der That eine Verschmelzung der von diesen einzelnen Zellen gebildeten Fibrillenabschnitte zu continuirlichen Fibrillen stattgefunden hat.

An den Fig. 16 abgebildeten FibrillenbQndeln ist jedoch noch etwas anderes bemerkenswerth. Man sieht, wie das Verhältuiss dieser Zellen zu dem Fibrillenbttndel insofern ein ganz identisches ist, als diese mit dem Fibrillenbündel noch im genetischen Zusam- menhange stehenden Zeilen ein ganz gleiches Lagerungsverhältniss

Uotanachungen über den Bau und die fintwickelong der Gewebe. 69

iB Bezug aaf den BindegewdiBbüadel zeigen, indem sie demselben einseitig anfliegen.

Man mnsSy wie ich glanbe, daher annehmen , dass von Seiten der Zellen der Sehne die Bildung der Fibrillen wesentlich nach einer Seite und nach einer Richtung hin erfolgt ist. In dem von mir gezeichneten Stadium besteht noch eine vollständige Gontinui« tat zwischen dem Fibrillenbandel und den aufliegenden Zellen: es gelingt nicht durch irgendwelche mechanische oder chemische Be- handlungsmethode die Zellen von dem Fibrillenbandel abzulösen. Ein Versuch, die Zellen zu isoliren, wird jedesmal auch das ganze FibriUenbflndel zerstören. Wenige Tage später, gewöhnlich nicht vor dem An&nge des 18. Tages (mitunter auch schon mit dem 16. Tage) gelingt es jedoch, die Zellen von der Oberfläche der Fibrillenbandel, mit denen die Zellsabstanz nun nicht mehr in genetischem Zusammenhange steht, abzuheben: es stellen die- selben jetzt flache unregelmässig rechteckige und rhomboidische Zellen dar, die der Oberfläche der Fibrillenbandel aufliegen. Oegen das Ende der Bebrfitung stellt sich endlich völlig der Zustand und das Bild her, welches ich im Anfange des ersten Gapitels dieser Unter- suchungen vom Gentrum tendineum der Säugethierembryonen be- schrieben and der Darstellung des Baues der Sehne zu Grunde gelegt habe, lieber die Art und Weise, wie sich dieser Process der Loslösung der Zelle von dem Fibrillenbandel vollzieht, wie diese genetische Verbindung zwischen Zellen und Fibrillenbandel gegen das Ende der BebrUtung erlischt, habe ich Bestimmtes leider nicht in Erfahrung bringen können.

Ebenso wie in den bisher beschriebenen Localitäten findet auch in der Sehne gleichzeitig mit der Formirung der Bindege- websfibrillen eine Bildung interflbrillärer kömiger Massen statt. Die aus d^ Arachnoides und dem subcutanen Bindegewebe her beschrie- benen kömchenzellenartige Degeneration der Embryonalzellen des Bindegewebes habe ich in der Sehne nicht beobachten können.

Ich stehe hier am Schlüsse der Darstellung meiner Unter- suchungsresultate aber die Entwickelung des fibrillären Bindege- webes. Mit Fleiss habe ich mich bei derselben auf die einfache Wiedergabe des Thatsächlichen beschränkt und mich dessen ent- halten, aus der Literatur oder aus anderen Erfahrungsgebieten That*

60 Dr. Frans BoU:

Sachen und Erscheinungen heranznsiehea, die geeignet wären , das von mir Beobachtete in ein helleres Licht und zu einem klareren Verständniss zu bringen. Solche mit d6r Darstellung des Beobach- teten verbundene Reflexionen haben fast immer den Nachtheil, dass man nicht weias, wo die Beobachtung aufhört und die Reflexion beginnt. Ich habe es daher vorgezogen, zum Schluss noch einmal in gedrängter Uebersicht die thatsächlichen Resultate meiner Unter- suchungen zusammenzufassen und hier erst die sich darbietenden kritischen und vergleichend histiologischen Betrachtungen anzu- schliessen.

1. Die erste Anlage des Bindegewebes bilden wandungslose Embryonalzellen, die bis zur Verschmelzung einander genähert sind.

Schwann hat dieses Stadium nicht gekannt, Baur bildete es in seiner Fig. 2 von der Sehne sehr gut ab, es gelingt ihm aber glücklich, dasselbe hinweg zu theoretisiren. Max Schultze ist der erste, der es beschreibt. Auch Obersteiner kennt es und Rollet erwähnt desselben beiläufig. Kusnetzoff hat es nicht gesehen. Es erklären sich diese Differenzen sehr einfach daraus, dass, wie ich oben gezeigt habe, an einzelnen Stellen, wie im sub- cutanen Bindegewebe und in der Arachnoides verhaltnissmassig ausserordentlich frfth eine mucinhaltige Intercellularflflssigkeit zwi- schen den Embryonalzellen auftritt, die an anderen Stellen wie- der, z. B. in der Sehne niemals erscheint. So erklärt es sich, dass Schwann und Kusnetzoff, welche ihre Erfahrungen am sub- cutanen Bindegewebe sammelten, dieses dort sehr bald schwindende Entwickelungsstadium leicht entgehen konnte, während Baur und Obersteiner, deren Untersuchungsobject wesentlich die Sehne war, dasselbe mit Leichtigkeit nachweisen konnten. Rollet ist der erste, der dieses Stadium auch in serösen Häuten gesehen bat; auch macht derselbe bereits auf den Unterschied auftnerksaro, den in Bezug hierauf die Sehnen und die serösen Häute zeigen.

2) Die Fibrillen bilden sich entsprechend der oben vorgetra- genen Lehre Max Schultzens durch die formative Thätig- keitdes Protoplasma der Embryonalzellen und gewöhnlich zu- erst an den zwei entgegengesetzten Polen der sich hierbei etwas in die Länge ziehenden Zellen im Protoplasma und aus demselben. Der Beginn dieser Umwandlung erfolgt bereits so frühzeitig , dass es nicht gelingt, ein Stadium zu beobachten, in dem nicht bereits eine grössere oder geringere Anzahl der zum Aulbau des bindege-

DotenuohiingeD aber den fiu nnd die Entwickelang der Gewebe, il

wd>igen Orgaos bestimmten EmbryonalzeUai die begimiende Zer- klOftuDg iD FibrQlai zeigt

3) Jede Embryoaalzelle wächst stets za einem Bflschel von Fibrillen, niemals nur zu einer einzigen Bindegewebsfibrille aus.

Schwann ist der Urheber dieser Ansicht nnd auch die Ab* bildfiDgen Baur's reden derselben das Wort. Ich vermuthe, dass Obersteiner und Kasnetzoff , mit denen ich dem Obigen zu- folge hier in Widerspruch stehe , ihre Ansicht nach Untersuchung frischer Gewebe ändern werden. Die MQller'scheFlässigkeit aber, deren sich beide Forscher wesentlich bei ihren Untersuchungen be*- dientra, wirkt sehr entstellend auf die zarten Verhältnisse ^ indem sie die feinen, neugebildeten Bindegewebsfibrillen mit den dazwischen gelegenen interfibriUAren Kömchen amorpher Substanz zu einer ein- zigen Masse verschmilzt Der beste Beweis, dass diese kfinsüieh aus mehreren Primitivfibrillen und interfibrillärer Substanz ver* schmolzenen derben Fasern Kusnetzoff und Obersteiner als wirkliche Bindegewebsprimitivfibrillen imponirten, ergiebt sich aus den von diesen Forschem gegebenen Abbildungen. Die von den Zellen ausgehenden einfachen Fortsätze sind stets derb und deutlich dop- pelt contourirt; während mir auch bei den stärksten Vergrösserun- gen, die ich anwandte, dieselben doch stets nur einfach contourirt erschienen.

4) Es ist sehr wahrscheinlich, dass an einzelnen Organen z. B. in der Arachnoides ein grosser Theil der bindegewebigen Embryo- nalzeUen den Ctefässen entstammt. Andrerseits ist es durchaus sicher, dass gleichzeitig mit dem ersten Auftreten der Oefässe schon bindegewebige Embryonalzellen in nicht unbeträchtlicher Anzahl vorhanden sind, und dass in manchen Organen, wie z. B. in den Sehnen die Herkunft der Embryonalzellen aus den Gefässen so gut wie ausgeschlossen ist, da dieselben die längste Zeit des Embryo- nallebens gefiteslos bleiben.

5) In den gefassreichen bindegewebigen Organen erfolgt zu einer gewissen Periode der Entwickelung stets ein mehr oder min- der reichlicher Erguss einer serdsen mucinhaltigen Flüssigkeit zwischen die Embryonalzellen, welche dieselben auseinanderdrängt und den Anschein einer homogenen Intercellularsubstanz vorspie- geln kann.

Dass diese Substanz flüssig ist und die Gonsistenz einer schlei- migen Flüssigkeit besitzt, ist oben nachgewiesen worden. Für die

69 Dr. Prmns BoU:

Richtigkeit der von mir gegebenen DarsteUung spricht u. a. auch der Umstand, dass dieselbe nur in den gefassreichen Oi^anen vor- handen ist, den gefisslosen aber fehlt.

Schwann ist der Entdecker dieser zwischen den Embryonal- zellen des Bindegewebes befindlichen Substanz. Er beschreibt sie als eine „durchsichtige structurlose Ursubstanz von gallertartiger Beschaffenheit" und nennt sie Gytoblastem, eine Bezeichnung, die in der Bindegewebsfrage eine grosse Bolle gespielt hat Der Ver- such Schwann's, dieselbe durch Jod an den Rändern des Prä- parates deutlich abgegränzt sichtbar zu machen, ist mir niemals weder an in destilUrtem Wasser noch in Amniosflttssigkeit unter* sachten Objecten gelungen. Ich erhielt stets eine diffuse, im ersteren Falle mehr auf das Präparat selbst beschränkte, im zweiten Falle ausgedehntere Färbung. Ich kann demnach dem Gytoblastem nur die Rolle einer IntercellularflOssigkeit , nicht aber die einer Inter- cellularsnbstanz im histiologischen Sinne vindiciren. Es gereicht mir zur hohen Genugthnung, dass ich für diese Ansicht die gewich- tige Autorität Brücke's citiren kann, der sich in der Arbeit seines Schülers Kusnetzoff in ganz gleicher Weise ausspricht Auch er ist der Ansicht, dass das Gytoblastem „im Leben vollkommen flüssig ist und erst nach dem Tode, sei es durch freiwillige Gerin- nung^), sei es durch die Behandlung mit chromsaurem Kali und mit Weingeist den Grad von Consistenz erreicht hat, den sie auf unseren Durchschnitten zu besitzen scheint^'

In der That besitzt das Gytoblastem der serOsen^ Membranen von Embryonen, die in Müll er 'sehe Flüssigkeit od^r Alcohol auf- bewahrt wurden, einen gewissen geringen Grad von Gonsistenz und Körperlichkeit, welcher jedenfalls auf einer Ausfällung der Eiweiss- kdrper und des Mucins beruht

1) Diese Ansicht wird wohl aufsogeben sein, seitdem ich nachgewiesen habe (Ein Beitrag znr Kenntniss der Blatgerinnnng. Arch. f. Anatom, u. Physiol. 1870. S. 718), dass dem Blute and den serösen Flossigkeiten des Embryo die Fähigkeit der spontanen Gerinnung mangelt. Sehr wahrschein- lich ist es mir dagegen, dass die von Kühne (Das Protoplasma und die Gontractilität S. 110 u. s. w. Physiologische Chemie S. 859) und Flemming (Dieses Archiv YIL S. 42) dem intermuskulären Bindegewebe des Frosches zugeschriebene glasartige und homogene Intercellularsubstanz z. Th. wenig- stens ein Gerinnungsproduct ist. Auch sehr feine echte elastische Membranen mögen in diesem Gewebe vorkommen.

Qnleimicliiiiigwi aber den Ben ani die Bntwickelung der Gewebe. Sft

«

Auf diese Wirkung der Maller'achen Flüssigkeit glaube ich aodi die AngabeD von Rollet znrQckf&hren zu niflssen. Seine Fig. 4. S. 63 gidit die Embryonalzeüen des Bindegewebes wieder in der Weise, wie sie durch die conservirenden Flüssigkeiten zu bipo- laren S^nddzdlen amgestaltet werden, ganz wie sie auch Kas- netz off und Obersteiner abgebildet haben. Rollet ist nicht in den Intlinm dieser bdden Forscher verfiülen, diese derben stets doppeltcontourirtoi Zellfortsätze mit den feinen Bindegewebsfibrillen zu identifieiren« Dagegen kann ich den Verdacht nicht unterdrücken, dasB die kurzen, geraden, feinen und unr^;elmässig in der sonst homogenen Zwischensubstanz vertheilten Striche, die Rollet für die jüngsten Stadien der Bindegewebsfibrillen in Anspruch nimmt, nichts anderes darstellen , wie Falten und Risse in der künstlich eriiirteten Grundsubstanz. Ich wiederhole, dass man an frischen Piaparaten, wo die Interodlularsubstanz deutlich flüssig ist, niemals etwas Derartiges sieht, während an in Kali bichromicum consenrirten bindegewebigen embryonalen Membranen derartige künstliche Bildun- gen dorehans nichts Seltenes sind. Die Fig. 5. S. 65 dargestellten lockig geschwungenen Fibrillen in der homogenen Gmndsubstanz sind aller- dings sicher Bindegewebsfibrillen. Es ist aber zu bemerken, dass das Priparat von einem 5monatlichen menschlichen Embryo herstammt, also ans einer Zeit herrührt, wo , wenn es erlaubt ist, meine an Saugethieren gesammelten Erfahrungen auf den Menschen zu über- tragen, der Process der Fibrillenbildung aus Zellen bereits im We- sentlichen als abgelaufen und so gut wie völlig beendet anzusehen ist *).

6) Ueber den Modus der Fibrillenbildung aus dem Protoplasma lassen sich bestimmte Angaben nicht machen. Doch ist es aus mancherlei Gründen wahrscheinlich, dass an der Bildung einer eiu- zigen Bindegewebsfibrille oft mehrere Zellen participiren , indem eine jede je einen Fibrillenabschnitt liefert und die einzelnen Ab- schnitte dann später zu einer einzigen Fibrille verschmelzen.

7) Gleichzeitig mit der Umwandlung des Protoplasma der Em- bryonalzellen in die Fibrillen bleiben stets einige Kdmer des Pro-

1) Ans der gleichen Ursache erküuren sich aach die Widerspräche, die Ewischen meiner Schilderang' der ZeUen der embryonalen Sehne and der von Kölliker (Nene Untersachangen aber die Entwicklung des Bindegewebes. Wärsborg 1861) bestehen. Die Darstellong Kölliker 's besieht sich meist auf schon sehr weit entwickelte menschliche Embryonen.

A4 l)r. Vrt^nz Boll:

toplasma zwischen den neugebildeten Fibrillen zurück, wo sie eine interfibriüäre feinkörnige Substanz darstellen.

Dieselbe scheint während des ganzen Lebens zu persistiren. Obwohl sie nach meiner Erfahrung keinem Bindegewebe ganz fehlt, ist sie doch in den meisten Fällen ein ganz verschwindender Be- standtheil. In den ersten drei Capiteln dieser Untersuchungen habe ich dieselbe gänzlich igfnoriren zu können geglaubt, da sie gerade in den drei betrachteten Geweben, der Sehne, des Achillesknorpels des Frosches und der Bindegewebsbündel des Cavum subaracbnoi- dale (am meisten noch in den letzteren) nur in ganz verschwinden- der Menge vorhanden ist. Am bedeutendsten finde ich die Menge derselben noch in serösen Membranen.

Die Existenz dieser körnigen interfibrillären Substanz ist be- sonders von HenleO und Fr. Arnold') hervorgehoben worden. Das Beste, was in der Literatur über dieselbe existirt, ist ein, wie es scheint wenig beachteter Excurs von Bruch >) , der dieselbe auch sehr vorzüglich abbildet und als strueturlose Bindesubstanz beschreibt. Auch in der bekannten classischen Abhandlung von His^) finden sich die Verhältnisse dieser Substanz sehr klar aus- einandergesetzt. Neuerdings hat Schweigger-SeideP) auf die Existenz dieser intei*fibrillären Kittsubstanz, welche er als »amorphe Eiweisssubstanz« bezeichnet, eine neue Lehre über den Bau der Hornhaut zu begründen versucht*).

8) Die neugebildeten Bindegewebsfibrillen zeigen gewöhnlich schon sehr früh den geschlängelten und lockigen Verlauf, der den- selben beim Erwachsenen eigenthümlich ist. Doch finden sich nicht

1) Allg. Anatomie S. 849. •— Henle-Meissner Jahresbericht für 1858. 8. 45.

2) Handbuch der Anatomie des Menschen 1845. I. 199. Taf. II, 1.

3) Ueber Carcinoma alveolare und den alveolären Gewebstypus. Ztsohr. f. rat. Medicin. Erste Reihe, Bd. VII. S. 376—379. 1849. Enthalt eine aas- serordentlich beachtenswerthe Schilderang des Baues der serösen Häute. Die betreffende Abbildung findet sich erst im YIII. Bande derselben Zeit- schrift. Taf. n. Figur 1.

4) Die Häute und Höhlen des Körpers, Basel 1865. S. 20.

5) Ueber die Grundsubstanz und die Zellen der Hornhaut des Angres. Leipziger physiol. Arbeiten 1870.

6) Meine Untersuchungen über die Entwickelung der Cornea des be- brüteten Hühnchens haben ergeben, dass in diesem Gewebe allerdings eine unverhältnissmässig grosse Menge interfibrillärer kömiger Substanz sich bildet.

Üpteraucbaogen über den fian nnd die fintwickelung der Gewebe. 66

unwesentliche chemische Unterschiede von den Bindegewebsfibrillen des Erwachsenen. (Greringerer Grad der Löslichkeit in Essigsäure und in kochendem Wasser.)

9) Zu einer bestimmten Zeit der Bindegewebsentwickelnng nimmt ein grosser Theil der im Gewebe befindlichen Zellen, sowohl Wanderzellen, wie Zellen, die Fibrillen bilden, durch Einlagerung feiner glänzender Körnchen ein eigenthflmliches Aussehen an, wel- ches völlig an die Kömchenzellen erinnert. Bei den die Fibrillen bildenden Zellen ist diese Ablagerung von Kömchen die Einleitung zum zu Grunde gehen^ zum Tode der Zelle. An Stelle der Zelle bleibt allein das von ihr gebildete Fibrillenbündel zurück, aus dem auch die glänzenden Kömchen sich grösstentheils bald verlieren. Was das weitere Schicksal der diese feinen Kömchen enthaltenden Wanderzellen war, war nicht zu ermitteln.

Es hat diese Beobachtung, dass Embryonalzellen ihr ganzes Protoplasma in Fibrillen, resp. interfibrilläre Substanz umwandeln, ohne dass ein mit vitalen Eigenschaften begabter Zellenrest als Bin- degewebskörperchen übrig bleibt, eine hohe principielle Bedeutung. Die Frage, ob bei der Bildung der Intercellularsubstanzen aus den Embryonalzellen, einige Zellen mit ihrer ganzen Masse, ohne einen Kest zu hinterlassen, in die Grundsubstanz übergehen, ist für den Knochen bereits von Waldeyer und Gegenbaur beiderseits mit grossem Scharfsinn erörtert worden. Waldeyer ^) nimmt an, dass in der That eine grosse Anzahl von Osteoblasten ganz und gar in der Bildung der Knochensubstanz aufgehen und dass mithin im fertigen Knochen beträchtlich weniger Knochenkörperchen vorhanden sind, als im embryonalen Knochen Osteoblasten vorhanden waren. Gegenbaur^) ist hingegen der Ansicht, das kein Osteoblast ganz untergeht, sondern das jeder Osteoblastenrest als Knochenkörper- chen persistirt Dieselbe Differenz besteht in Bezug auf das Yer- hältniss der Odontoblasten zur Grundsubstanz des Dentin 's zwischen Waldeyer*) einerseits und Kollmann*) undWenzeH)

1) Ueber den OssifioationfiprooeBs. Dieses Archiv T. S. 854. 1866.

2) üeber die Bildang des Knochengewebes. Zweite Mittheilung. Je* naiache Zeitschrift für Medioin und Natnrw. Bd. III S. 217—226.

3) Untersachungen über die Entwiokelung der Zähne. Zweite Abth. Zeitschr. f. rat. Medicin. Dritte Reihe XXIY. S. 169.

4) Entwickelang der Milch- und Ersatz-Zähne beim Menschen. Ztschr. f wiss. Zool. XX. S. 145. 1869.

5} Untersuchung, ü. d. Entwiokelung d. Zahnsubstanzen. Leipzig 1871.

M. SchnltM. ArdüY f. mikrosk. Anatomie. Üd. 8. 5

66 t)r. ti'ranz Öoll:

andererseits. Der von mir geführte Nachweis des Untergangs und des gänzlichen Aufgehens eines Theiles der zelligen Elemente in die fibrilläre Substanz des Bindegewebes würde der Ansicht Wal- deyer's zur Stütze dienen. Es ist nur dabei zu berücksichtigen, dass bei den Embryonalzellen des Bindegewebes das Aufgehen in die fibrilläre Intercellularsubstanz deutlich eingeleitet wird durch eine degenerative Veränderung des Protoplasma. Eine solche habe ich mich bei erneuten Untersuchungen der Knochen* und Zahn-Ent* Wickelung an den Osteoblasten und Odontoblasten nachzuweisen ver- gebens bemüht.

Ich schliesse hiermit die Aufzählung der von mir über die Entwickelung des fibrillären Bindegewebes ermittelten Thatsachen. Zum Schlüsse mag es mir noch vergönnt sein, noch einen Punkt zu erwähnen, welcher wie ich gestehen muss, durch meine Unter- suchungen nicht in dem Maasse aufgeklärt worden ist, wie ich an- fangs gehofft hatte. Derselbe betrifft die Frage, welche Embryonal - Zellen des Bindegewebes später noch als Bindegewebskörperchen per- sistiren, ob dieselben stets Zellen sind, die früher Fibrillen gebildet haben und deren Beste nun noch als Bindegewebskörperchen oder richtiger als Zellplatten persistiren, oder ob alle Fibrillen bildenden Zellen in die fibrilläre Substanz aufgehen und die Bindegewebskör- perchen Zellen sui generis darstellen. In der Sehne, wo die Körnchen- Zellenbildung fehlt, bin ich der Ueberzeugung, dass stets und aus- schliesslich das erste Extrem stattfindet. Auch sprechen die Beob- achtungen vom 16. Tage an bis zum Ende der Bebrütung zu deut- lich dafür, dass es dieselben Zellindividuen sind, die erst Fibrillen gebildet haben und noch in genetischem Zusammenhang mit dem Fibrillenbttndel stehen, bald aber denselben lösen und frei als platte rechteckige Zellen, die Bindegewebsbündel theilweise um- scheiden. Für das Gewebe der Arachnoides und das subcutane Ge- webe muss ich diese Frage jedoch noch ausdrücklich als eine offene bezeichnen.

Berlin, 12. JuU 1871.

Dntenaohmigea über den Bau und die Bntwiokeluiig der Gewebe. 67

Brklinig der Abbildangen auf Tat ü«

Die römitdien Zahlen «eigen die Nnmmem der Hartnack'schen Objective,

die arabieehen die der Oculare an.

Fig. 1. Ans der Arachnoidee eines 4 Tage bebrfiteten Hühnchens a. IX, 2, Ein zneanunenh&ngendes Stückchen des Membran b. IX, 2. Zwei an den Rändern des Präparates isolirte Zeilen c. IX, k rimmersion , 2. Eine isolirte Zelle.

Fig. 2. IX, 2. Drei nebeneinander liegende Zellen aas der Araohnoidee eines 5 Tage bebrüteten Hühnchens.

Fig. 3. IX, 2. Ein Stück Arachnoides einer 7 Tage bebrüteten Mö?e.

Flg. 4. X, ä Pimmersion, 2. Aas der Arachnoides eines 8 Tage bebrüteten Hühnchens, a. Eine einzige Zelle. Zwischen den Fibrillen kleine Mengen interfibrill&rer Kömchen, die bereits von der den Kern umgebenden ; Protoplasma -Masse getrennt jsind, b. zwei mit einander verbandene Zellen. Die Fibrillen beider scheinen sich continairlich in einander fortaasetsen. Zwischen den Fi- brillen gleichfalls interfibrill&re Kömchen.

Fig. 5. IX, 2. Yersehiedene isolirte Zellen aus der Arachnoides einer 9 Tage bebrateten Möye.

Fig. 6. IX, 2. Ein Stück Arachnoides eines 10 Tage bebrüteten Hühn- chens. Ein grosser Theil der Wandencellen sowie der in Fi- brillen sich umwandelnden Embryonalsellen ist von kömiger De- generation ergriffen.

Fig. 7. IX, 2. a. Ein Stück sabcatanen Gewebes der Schadelhaut eines 5 Tage bebrüteten Hühnchen, b. swei isolirte 2<ellen desselben Pr^iarates.

Fig. 8. IX ä Pimmersion , 2. Isolirte Zellen aus dem sabcatanen Gewebe der Schfidelhaut eines 8 Tage bebrüteten Hühnchens.

Fig. 9. IX, 2. Isolirte Zeilengrappen ans dem sabcutanen Bindegewebe der Sehftdelhaat eines 10 Tage bebrüteten Hühnchens.

Fig. 10. IX» 2. £än Stück des suboutanen Gewebes der Sch&delhant eines 11 Tage bebrüteten Hühnchens. Beginnende kömige Degene- ration sowohl der wandernden, wie der Fibrillen bildenden Zellen.

68 Dr. t'raneBoll: Üni^rstiohimf^n ftW den Atn der Gewebe etc.

Fig. 11. IX, 2. Isolirte Zellen und Zellengruppen ans dem subcutanen Ge- webe der Sohadelhaut eines 11 Tage bebrüteten Hühnchens.

Fig. 12. IX, 2. Ein Stück subcutanes Bindegewebe vun den untern Ex- tremitäten eines 13 Tage bebrüteten Hühnchens.

Fig. 13. Vn, 3. Eine Sehne der untern Extremität eines 10 Tage bebrü- teten Hühnchens.

Fig. 14. vn, 8. Eine Sehne der untern Extremität eines 12 Tage bebrü- teten Hühnchens.

Fig. 15. IX, 2. Ein Stück einer platten Sohne aus der untern Extremität eines 10 Tage bebrüteten Hühnchens.

Fig. 16. IX, 2. Zwei isolirte Fibrillenbündel mit denselben aufliegenden Zellen aus einer Sehne eines 14 Tage bebrüteten Hühnchens.

Ueber die quergestreiften Muskeln der Milben.

Von J. H. L. Fldi^el.

Hierzu Taf. UI.

In diesem FrüJijahr warde ich auf ein zur Gattung Trombi- d i um gehöriges Thier aufmerksam^ weil es sehr merkwürdige Mus- keln besitzt; mindestens ist mir unter den Milben, obgleich ich mich seit Jahren mit dem Studium derselben beschäftigt habe, keine Art bekannt geworden, welche eine so grosse Distanz der Querstreifen aufEUweisen hätte. Wenn die nachstehende kurze Mittheiinng über diese Muskeln auch kaum wesentlich Neues enthalten dürfte, möchte ich doch das Object denen, die sich mit der Erforschung der feineren Structorverhältnisse des Muskels beschäftigen, zur gelegentlichen Ansicht empfehlen.

läne schere Bestimmung der Species ist mir bisher nicht ge- glückt. Die Art steht Tr. holosericeum nahe, hat aber ungestielte Augen und ganz anders gebaute Haare ; sie ist sammtroth mit mehr oder weniger verloschenen weissen Querbinden (die jedoch auch ganz fehlen können), und lebt, wie erstere, auf Gartenerde.

Zwischen den Muskeln dieses Thiers, sowohl denen der Beine and Mundtfadle, als denen des Leibes, finden sich oft sehr zahlreich solche, deren Querstreifen eine Distanz bis zu 10^ besitzen. Da- neben giebt es Abstufungen bis zu etwa 3ju Distanz. Ich beschreibe zuerst die grobgestreiften genauer.

Wenn man das ganze Thier 1—2 Stunden in einprocentiger Ueber-

72 J. H. L. Flögel:

lieh. Indessen auch der ganz frische Muskel in möglichst indiffe- renten Flüssigkeiten^ wie Zucker oder Gummilösung untersucht, giebt alles Geschilderte her. Eleganter und dauerhaft kommen die Details zum Vorschein, wenn man die Thiere nach der Behand- lung mit Ueberosmiumsäure in dQnnen Alkohol wirft; diesen im Laufe mehrerer Wochen allmälich verstärkt, dann die Thiere in Terpentinöl bringt und erst in flüssiger Balsamlösung die Section vornimmt. Die durch die Chitindecken bewirkte äusserste Verlang- samung des Durchtritts dieser verschiedenen Stoffe ermöglicht es, dass die inneren Theile kaum eine merkliche Schrumpfung erleiden, was sich besonders da constatiren lässt, wo man, wie in den Mund- theilen, die Muskeln in situ vor sich hat. Ich besitze solche überaus zierliche Muskeln in dem Grundgliede der Mandibeln eines so be- handelten Thiers; sie wiederholen genau die Fig. 1 mit etwas tiefe- rer Färbung und bestehen nur aus 16—20 Muskelfächem.

Es erschien nothwendig, das Verhalten der beschriebenen Ele- mentartheile im polarisirten Lichte zu prüfen. Unter besonders günstigen Verhältnissen (man braucht sehr helles Licht und 1000 mal. Vergrösserung) erhalte ich bei gekreuzten Nicols das Bild von Fig. 3. Die doppelt brechenden Querscheiben sind von dunklen Streifen der Länge nach durchzogen. Ueberall da, wo sich in un- polarisirtem Lichte eine Mittelzooe schwächer brechender Substanz (Hensen'schc Mittelscheibe) nachweisen lässt, leuchten die Querschei- ben an dieser Stelle weniger auf. Ausser den Querscheiben giebt es nun aber ein zweites doppeltbrechendes Element in diesem Mus- kel; die Krause 'sehe Querwand nämlich ist hell leuchtend und die Intensität ihrer Doppelbrechung ist jedenfalls ebenso gross als die der Querscheiben. Selten wahrnehmbar und immer nur sehr schwach ist die Doppelbrechung des Sarcolemma. Die Kömerschich- ten dagegen müssen wohl einfach brechend sein; auch bei Anwen- dung der empfindlichsten Gypsplatten erhielt ich keine sicheren An- gaben der Farbenänderung.

Vergleicht man hiermit die Ergebnisse Brücke's am Hydro- philus-MuskeP); so wird man glaube ich sagen müssen, dass in Brücke's Fig. LA die blau punctirte Linie gleich unseren doppelt- brechenden Querwänden b ist. Allein vor der Hand bleibt dies

1) Untersuchungen über den Bau der Muskelfasern mit Hülfe des pola- risirten Lichtes. Denksohr. der kais. Acad. d. Wissenschaften Bd. XV. Wien 1858, S. 69.

Ueber die quergfestreiften Muskeln der Milben. 7S

zweifdhaft, da bei Brücke Qacrwände und Körnerschichten noch nicht unterschieden sind. Sieht man sich seine Fig. 2 A hierauf näher an, so kann es wegen der grösseren Breite der feinen Quer- bänder recht wohl denkbar sein, dass hier Querwand und die beiden anliegenden Kdmerschichten gemeint sind. Brücke deutet die ver- schiedenen Bilder als verschiedene Anordnung der sarcous elemcnts; die Pnncte in Fig. 1 A sind an Zahl ungefähr der der Fibrillen gleich. Ich bemerke hierzu, dass bei Trombidium die Krause 'sehe Querwand niemals aus Puncten zusammengesetzt erscheint (wenn man nicht wie bemerkt etwas zweideutige Bissproducte betrachtet), sondern völlig glatt. Das Ansehen einer Pnnctirung kann aber auftreten, wenn die Körnerschichten recht nahe an diese Querwand rücken. Warum bei den Köraern die Doppelbrechung nicht zur Anschauung zu bringen ist, bleibt einigermassen räthselhaft, so lange man diese für sarcous Clements ansieht. Denn da sie an Zahl den Fibrillenstücken in den Querscheiben gleich sind, dieselbe Dicke wie die ersteren besitzen und genau über einander liegen, so müsste der optische Effect auch ganz derselbe sein.

Noch sind bezüglich der Vertheilung der Elementartheile einige B^onderheiten anzumerken. Man sieht zuweilen, dass in der nach* Sien Umgebung des Kerns die Querwände beinahe strahlig nach dem Kern gerichtet sind (Fig. 4). Ein anderer beachtenswerther Fall ist der in Fig. 5 abgebildete. Links stellen die Querwände deutlich cylindrische Fächer her; aber weiter nach rechts entsteht eine wen- deltreppenartige Anordnung; die Linie, in welcher die Querwand das Sarcolemma berührt, bildet eine Schraubenlinie. Unter Umstän- den können derartige Muskeln beinahe Bilder geben, wie sie früher von Leydig') beschrieben worden sind, wenn man nämlich auf die Mitte einstellt. Aber diese schraubige Anordnung der Elemente föUt oft schon nach 3—4 Umgängen in die Scheibenordnung zurück und zeigt sich überhaupt niemals an Muskeln von der in Fig. I dai^estcUten Dickendimension, sondern nur an den allerdicksten. In der Fig. 5 habe ich gerade die Uebergangsstelle abgebildet. Bisweilen findet man an sonst sehr vollkommen conservirten Mus- keln in einigen Bündeln die gleichwertbigen Elemente der benach- barten Fibrillen so sehr gegen einander verschoben^ dass von ein^r Querstreifung gar nichts mehr auftritt.

1) Histologie S. 25.

74 J. H. L. Fiögel:

Recapitulirt man die obigen Resultate, so muss man meiner Ansicht nach den Muskel unseres Tromhidium abgesehen von Sarcolemma, Kern und peripherischen Körnern sich zusammen- gesetzt denken aus einer entweder flüssigen oder doch stark wasser- haltigen Grundsubstanz, welche sich beinahe gar nicht mit Ueberos- miumsäure färbt, und erfüllt ist mit dichteren Säulen, den Fibrillen. Jede Fibrille hat in bestimmten Zwischenräumen ein Korn und diese Kömer verbinden sich mit denen der Nachbarn (wohl vermittelst einer festen Masse) zu einer glatt erscheinenden, den ganzen Muskel durchsetzenden Querwand, wodurch also Fächer gebildet werdeti. Von Wand zu Wand hat man dann in der Fibrille zu unterscheiden : 1) eine einfach und schwach brechende (aber mit Ueberosmiumsäure sich doch merklich färbende Substanz; 2) ein Korn (c), im Verein mit den Nachbarn die Körnerschicht herstellend, in Osmiumsäure sich dunkel färbend ; 3) wie 1 ; 4) die doppelt und stark brechende Substanz (d), sich stark färbend, bisweilen aber im Mittelraum weni- ger intensiv ; 5) wie 3, 6) wie 2 ; 7) wie 1 ; worauf man 8) wieder zu der sich stark färbenden Querwand gelangt

Brücke hat^ gleichfalls sehr verschiedene Anordnung der Elementartheile des Muskels beschrieben. Es will mir scheinen, als wären die Figg. 3—11, welche diese Verschiedenheiten demon- striren, etwas zu schematisch gehalten; ich wflrde sonst sagen, dass seine Fig. 3 meiner Beschreibung und Abbildung noch am näch- sten steht.

Zwei Vortheile bietet dieser Milbenmuskel fttr die Untersuchung : die ungewöhnliche Grösse der Elementartheile und die erhebliche Kleinheit des ganzen Muskels. Letztere ermöglicht die Anwendung der sfÄrksten Objective, ohne Pressung oder Zerstückelung ; sie be- seitigt die Unreinheit der Polarisationsbilder, welche bei einem dicken (z. R Käfer-) Muskel durch das Hindurchschimmern tiefer liegender Theile hervorgerufen wird. Davon, dass die Schichten einfach brechender Substanz zu beiden Seiten der Kr ause'schen Querwand (=^ Querlinie) nur ein Resultat eigenthttmlicher Lichtreflexionen an dieser Wand seien*), kann selbstfolglich bei den geschilderten Ver- hältnissen nicht die Rede sein. (Ich bemerke zum Ueberfluss, dass man schiefes Lidit nicht anzuwenden braucht)

1) A. a. 0. 8. 75 und 76.

2) Heppner, dieses Archiv Bd. V. S. 142.

Ueber die quergestreiften Muskeln der Milben. 75

Man lausste erwarten, dass die nächsten Verwandten unseres Trombidinm AnfschlQsse darüber geben würden, wie aus der beschrie- benen Lagemng der kleinsten Theile die gewöhnliche dichtere Quer* streifimg hervorgeht Von dieser Erwägung ausgehend nahm ich Trombidium holosericeum vor. DieThiere wurden nach der- selben Methode untersucht.

Unter den Leibesrouskeln dieses Thiere findet man äusserst selten solche, welche mit Fig. 1 übereinstimmen ; allein an vereinselten habe ich doch alle Details nachweisen können. Die meisten Bündel haben viel engere Streif ung und zwar kommt durchgängig die Zwi- schensttbstanz nicht in der oben dargestellten Breite vor. Nur selten ist die Körnerschicht erkennbar. Die Querwände sieht man, einmal mit der Erscheinung bekannt, auch dann noch, wenn die Streifen- distanz etwas unter 4/u herabgeht. Fig. 6 soll einen solchen, bei- nahe extremen Fall vorstellen, wo (bei Balsampräparaten) ungefähr für mein Auge die Sichtbarkeitsgrenze derselben liegt. Mit Hülfe des polarisirten Lichtes überzeugt man sich schon bei schwächeren Veiigrösserungen davon, dass die isotrope Zwischensubstanz sich auf eine in der That äusserst schmale linie beschränkt. In noch en- ger gestreiften Muskeln vermag ich die Krause'sche Querlinie nicht mehr zo sehen. Streifendistanz von 1,2/«, wie Pagenstecher für dieses Thier beschreibt ^), gehört zu den grössten Seltenheiten.

An recht sorgfältig conservirten Muskeln kommt nicht selten eine Form vor, die unwillkührlich an Contractionswellen er- innert. Fig. 7 soll diesen Anblick wiedergeben. Jedes Primitivbündel hat an einer bestimmten Stelle eine spindelförmige Anschwellung; wenn man so präparirt, dass das eine Ende aller Bündel an dem Ansatzpunkte, einer verdickten Chitinstelle der Haut, sitzen bleibt, sieht man, dass die Anschwellungen aller Bündel in gleichen Ent- fernungen von diesem Ansatzpunkte liegen. Es mag zwar wunder* bar klingen, von derartigen „festgelegten Contractionswellen' zu sprechen ; allein der Ueberosminmsäure wird man zutrauen können, diss sie solche Wunder fertig bringe. Wenigstens zeigen auf die beschriebene Art erhärtete Thiere z. B. jüngste Eizellen mit Kern Qod Nucleolns, Alles völlig kugelig und ohne Spur von Schrumpfung, die Faaerung in den Nerven, den Sarc olemma-Kem und Nucleolus a. dgl, also Dinge, mit denen man zum TheU noch vor 10 Jahren

1) Beitrige snr Anatomie der Hüben I 8. 7 nsd Tef. I, Fig. 16,

76 J. H. L. Fiögel:

sich rechte Mühe am frischen Präparate zu macheD hatte. Nun ist es bekannt, dass die Lelbesmnskeln des Trombidiam holosericeum äusserst kräftige Contractionen des Körpers herbeiführen. Sie sind in Längsreihen vom Rücken zur Bauchseite ausgespannt und be- stehen aus einer grossen Zahl von Primitivbündeln, oft 20— 30. Die Wirkung der Muskeln ist beinahe mit unbewaffnetem Auge zu er- kennen an den Zerrungen der Rückenhaut. Der Eingriff der üeber- osmiumsäure in die Lebensthätigkeit geschieht zum Theil längs der Athmungswege (desshalb werden stets vordere Organe eher schwarz als hintere und das Gehirn färbt sich gewöhnlich früher in den den grossen Tracheenröhren benachbarten Partieen), zum Theil durch die Chitindecken allmälig nach innen fortschreitend (desshalb werden Muskeln der Beine immer früher schwarz als die Leibesmuskeln). An und für sich scheint es mir nun wohl denkbar, dass von den kurz vor dem Tode eintretenden, wahrscheinlich immer mehr ver- langsamten Contractionen die letzte überrascht wird von der ein- dringenden und plötzlich Alles starr machenden Säure. Vorläufig mag es daher gestattet sein, an der Deutung der spindelförmigen Ei'weiterung als „festgelegter Contractionswelle" festzuhalten.

Das Verhalten der Elementartheilc des Muskels an der ver- meintlichen Contractionsstelle soll mit Fig. 8, einer nach einem be- sonders günstigen Präparat angefertigten Zeichnung, noch verdeut- licht werden. Man erkennt in den Muskelfächem 1, 2, 21, 22 un- schwer unsere bekannte Anordnung wieder. Aber 3, 4, 5 sind schon viel enger, und, wie wir schon oben gesehen, erleidet eigentlich nur die Zwischensubstanz einen Verlust; man findet Kömerschichten und Krause'sche Querwand zu einer breiten Linie vereinigt. Nun kehrt bezüglich der Färbungsintensität sich sogar das Bild um : in der Anschwellung selbst ist die Krause'sche Wand, mit der Zwischen- substanz und den beiden sehr wahrscheinlich auch dort vorhandenen Kömerschichten zusammengedrängt auf einen ungemein dünnen Raum, plötzlich dunkler gefärbt als die doppelt brechenden Quer- scheiben. Dieser umstand verwirrt leicht bei schwächeren Ver- grösserungen und weniger günstigen Präparaten; man kann aber durch das polarisirte Licht sich von der Richtigkeit überzeugen. Es kommt dann die sonderbare Erscheinung zu Tage, dass sich beim Drehen des Nicols das Bild kaum ändert: die weniger gefärbten Scheiben d bleiben im dunklen Felde leuchtend, womit der Beweis geführt ist, dass d keine Zwischensubstanz, sondern Querseheibe ist

tjeber die quergestreiften Muskeln der Milben. 7?

Bei genauer Betrachtung der Fächer am Eingange der Welle findet man, dass die Länge der sarcous elements unverändert ge- blieben ist. Jedoch in der Mitte der Welle müssen sie auf etwa rerkürzt sein. Im Ganzen wäre dies eine Bestätigung, der Krause- sehen Ansicht (1. c. S. 269).

Endlieh sei es noch gestattet, zur Vergleichung die Muskeln eines sehr kleinen Krusters heranzuziehen. Wenn man Cyclops breyicaudatus ( Claus) 3—5 Minuten in Ueberosmiumsäure ver- weilen Uisst, färben sich die Muskeln schon sehr intensiv. Die weitere Präparationsweise ist wie oben angegeben ; die Theile der in Balsam secirten Thiere, welche zu den nachstehenden Beobachtungen dienten, sind in eben demselben Balsam aufbewahrt. Die meisten Muskeln haben eine Streifendistanz von 2,3— 2,6|u; ihre Fibrillen sind wie Fig. 9 angiebt. Die Querscheiben sind auch hier am in- tensivsten gefärbt; der isotrope Zwischenraum von höchstens 0,5ju Breite ist ungefärbt und von der Krause'schen Querlinie sieht man nicht eine Spur. Aber dazwischen findet man auch Muskeln von der Art der Fig. 10 und von diesen kann es kaum einem Zweifel unterliegen, dass sie das Miniaturbild unseres Trombidium-Muskels vorstdlen. Ich lasse es dabei hingestellt, ob das, was ich so eben Fibrille genumt habe, wirklich den Fibrillen des Trombidium gleich- werthig ist, oder nicht vielmehr - worauf schon die Beobachtungen Köllicker's bei Krebsen hinweisen eine Spaltbarkeit in sehr viel feinere Fibrillen vorhanden ist Aber das thut nichts zur Sache; in letzterem Falle wäre das Abbild ein vollständiges, in ersterem würde es nur in Beziehung auf die Längsaxe nicht zutreifend sein. Die Querlim'e ist in diesen Muskeln ganz deutlich; auch eine Andeutung der Hensen'schen Mittelscheibe in den Querscheiben ist gegeben. Es musste nun noch nach Uebergangsformen zwischen Fig. 9 und 10 gesucht werden. Diese sind m der That voihanden (Fig. 11). Nur mit äusserster Mtthe sehe ich die feine Querlinie noch, wenn die isotropen Bänder 0,6— 08/u breit sind. Es wirdd^n- nach die Grenze des optischen Vermögens der Mikroskope gestreift, denn bei 0,5ju Breite kann keine Linie mehr wahrgenommen werden^ aber sie wird vielleicht mit besseren Instrumenten in Zubinft zu sehen sein. Der Analogie nach kann man ihr Vorhandensein auch bei enger gestreiften Muskeln kaum bestreiten.

Uebrig^ns habe ich auch an den Muskeln des Maikäfers, die in ähnlicher Art präparirt waren, Sachen gesehen, welche es wahr- scheinlich machen, dass die Anordnuug der Elementartheile hier ebenso wie bei Trombidium ist Der Herr Herausgeber dieses Archivs hatte die Güte, mich brieflich darauf aufmerksam zu machen, dass meine Kömerschicht, wenn ich auch noch keine Doppelbrechung an derselben gesehen, gleichwohl nur aus Disdiaklasten aufgebaut sm könnte. Ich nahm hieraus Veranlassung, die Maikäfer-Muskeln, bei denen ich gelegentlich etwas von den Körnern gesehen hatte, noch- mals speciell auf diesen Punkt zu prüfen, und zwar, um gegen den Vorwurf gesichert zu sein, dass ich mit Kuustproducten gearbeitet, in durchaus frischem, contractionsfahigem Zustande, umgeben von dem Blute des Thiers. Es ist dann ziemlich leicht, die Untersu- chungen B ck e's fiir den Hydrophilus-Muskel 0 zu bestätigen , na- mentlich aber Bilder wie seine Fig. 2A zu gewinnen. Das, was hier als schmale Querbänder gezeichnet ist, sieht man im gemeinen Licht als stärker brechende Linien, aus Kömchen bestehend. Durch den Trombidium-Muskel vorbereitet, wusste ich was hier zu suchen war. Die Erforschung wird zwar recht mühsam, da man genöthigt ist, unter vielen Hunderten von Muskeln mit der stärksten Ver- grösserung sich die richtigen zu suchen. Allein die darauf ver- wendete Ausdauer ist lohnend. Muskeln, an denen eine Gontraction langsam abläuft, zeigen, wenn sie am anderen Ende irgendwo zufällig eingeklemmt sind, die von Henscn beschriebenen Dehnungser- scheinungen. Solche gedehnte Strecken enthüllen nun die Structur- verhältnisse näher. Sie lehren, dass die schmalen stärker brechen- den Linien (Brücke Fig. 2A) in der That zusammengesetzt sind aus der äusserst feinen Krause'schen Querwand, (welche wohl nicht den 4. Theil der Gesammtdicke misst) und beiderseits je einer Kömerschicht. Rückt eine Contractionswelle näher so kann man wahrnehmen, dass alle 3 Lagen wieder zu einer einzigen, kömig erscheinenden und sehr stark lichtbrechenden schmalen Lage zu* sammengedrängt werden. Bei gekreuzten Nicola ist die Gesammt- heit der 3 Lagen hell, rührte diese Helligkeit allein von der Krau- se'schen Querwand her, so müsste die Linie sehr viel schmäler sein; es muss also die Kömerschicht doch doppeltbrechend sein. In dem gereckten Zustande, wo man jedes einzelne Koro ins Auge

1) A. a. 0. S. 76U.77.

Üeber ^ quergestreiften Moikehi der tfilben. t9

fassen kann, ist ausserdem eine Beobachtung zu machen , die, wie ich glaube, mit Nothwendigkeit darauf hinweist, dass die Körner aus anderem Stoffe sind, als die doppeltbrechenden Querscheiben. Die Körner sind nämlich einzeln betrachtet mit einem viel dunk* leren Bande umzogen, als die sarcous Clements der Querscheiben. Dies könnte sich, wenn sie in Wirklichkeit nicht starker brechend wären als diese, nur unter der Annahme erklären, dass das inter« sUtielle Medium zwischen den sarcous Clements der Querscheiben dichter sei, als das zwischen den Körnern. In solchem Falle miissten aber die Querscheiben gegen die Zwischensubstanz mit einem stär- keren Schatten abfallen als sie zeigen. Es bleibt demnach nur die Annahme, dass die Kömer wirklich bedeutend stärker licht- brechend sind. In diesem Befunde der Maikäfer Muskeln liegt wahrscheinlich eine Erklärung der vielfältigen Abweichungen, welche in den letzten Jahren bei den Publicationen über Muskelstructur zu Tage gekommen sind. Ich gehe auf dieselben nicht näher ein, da es meine Absicht war, zunächst nur auf die merkwürdigen Trombidium- Mnskeln aufmerksam zu machen.

Immerhin scheint mir so viel erwiesen, dass die bei den letzte- ren nachgewiesenen complicirten Verhältnisse auch in den andern Glassen der Gliederthiere wiederkehren , der Wahrnehmung aber durch ihre Zartheit bisher entgangen sind. Die Anwendung der Ueberosmiumsäure befreit uns bei solchen Untersuchungen von einer äusserst unbequemen Fehlerquelle, den Streitigkeiten über Hell und Dunkel in einem farblosen Objecte.

Zum Schlnss bemerke ich, dass ich gern erbötig bin^ den Herren, die sich specieller für diese Fragen interessiren, meine Präparate zur Ansicht zu übersenden.

Kiel, im Juni 1871.

J. B. L. Flög:el: Üeber die ques^estreiften Muskeln dor Milben.

Erklärung der Figuren auf Taf. m.

Fig. 7 ist 160inal, alle übrigen lOOOmal vergrrössert. Sämmtlich mit einem ImmersioDssyBtem von Sehr öder, Vis" ^^- aufgenommen.

Fig. 1. Trombidium spec. ? Tbeil eines ausgezeicbnet erhaltenen MuBkelri,

2 Tage nach dem Einlegen in Glycerin gezeichnet, a Sarcolemma, b Querwände f= Krause's Querliuien), c Körnerschicht, d dop- peltbrechende Qaerscheiben, m Mittelscheibo Hensen's (?) z Zwi. Bchensubstanz zu 2 MuskelHichem gehörend. Die Buchstaben be- deuten in allen folgenden Figuren dieselben Elementartheile.

Fig. 2. Dieselbe Art. Theil eines anderen Muskels mit engerer Streif ung.

Balsampräparate zeigen das Bild genau so wie Fig. 1 u. 2.

Fig. S. Dieselbe Art. Ein Muskel wie Fig. I im dunklen Felde des Po-

larisationsmikroskops.

Fig. 4. Dieselbe Art. Theil eines Muskels mit dem Kern. In Glycerin

aufbewahrt und einige Tage nach dem Einlegen gezeichnet.

Fig. 5. Dieselbe Art. Grosser Muskel, mehrere Wochen in Glycerin ge-

wesen. Die Querscheiben d sind nur wenig durch Ueberoamium- säure gefärbt, verschwommen und zuweilen im unpolarisirien Licht recht undeutlich. Desto deutlicher sieht man die Qaer- wände. Die punktirten Querlinien ee sollen den Verlauf dieser Wände auf der abgewendeten Seite des Muskels andeuten, um zu zeigen, dass eine wendeltreppenartige Anordnung entsteht.

Fig. 6. Trombidium holosericeum. Theil eines in Balsam gelegrten Mus-

kels. Man erkennt nur schwierig die feinen Querwände und die Zwischensubstanz ist äusserst schmal.

Fig. 7. Dieselbe Art. 4 Bündel aus einem den Leib senkrecht durch-

setzenden Muskel mit Contractionswellen. In Balsam.

Fig. 8. Dieselbe Art. Eine spindelförmige Anschwellung der vorigen

Figur noch mehr vergrössert. Das Sarcolemma zeigt neben jeder Querwand am Rande Knötchen, offenbar durch den Wider- stand der festeren Wand hervorgebracht.

Fig 9. Cyclops brevicaudatns Claus. Fibrille eines Muskels von der ge-

wöhnlichen Form.

Fig. 10. Dieselbe Art. Fibrille eines etwas weiter gestreiften Muskels mit deutlichen Qnerlinion b.

Fig. 11. Dieselbe Art. Stack eines grösseren Muskels, der die Mitte zwischen Fig. 9 u. 10 hält. Dürfte die äusserste Grenze sein, wo noch die Querlinie zu erkennen ist.

Die Pigmentsohioht der Betina.

Von

Dr. FimiiB MoraiiO ans Neapel

(Ana dem phytiologisohen Laboratorium io BerHn.)

Hiersa Taf. lY.

Bks in die neueste Zeit hinein ist die Pigmentschicht der Betina ein von den Histiologen relativ yemachlässigtes Object gewesen, besonders wenn man mit den ihr gewidmeten Bestrebungen die Mühe und die Sorgüalt vergleicht, mit welcher die übrigen Schichten der Betina studirt wurden.

Die in der Wissenschaft eingebürgerte, schematische Vorstellung dieser Schicht als eines sechseckigen pigmentirten Plattenepithels wurde zuerst verdrilngtdurch die Details, welche HeinrichMüller ^) aber dieselbe beibrachte. Dieser ausgezeichnete Forscher gab zuerst dne Darstellung Über das Verhältniss der Stäbchen und Zapfen zu den P^mentzellen und specieU zu den von denselben ausgehenden Scheiden und Schnüren von Pigment, die zwischen die einzelnen Elemente der Stäbchenschicht eindringen. Auch finden sich in dieser Abhandlung sehr naturgetreue Beschreibungen der Form dieser Zdkn, die als niedrige Cylinderepithelien bezeichnet werden, ihrer Trennung in einem oberen ungefärbten und in einem unteren pig- moitirten Abschnitt, Beobachtungen über das Vorkommen olartiger gefirbter Tropfen in denselben bei emzelnen Thieren u. s. w.

1) ADatomisch phynologische Untersaohangen über die Betina bei Meoadien und Wirbelthieren. ZeitBchr. för wissenschaftl. Zoologie, Bd. VUL a 1. 1867.

IL flelmllM, AzeliiT t mlkroak. Anatomie. Bd. 8. 6

&i l)r. Fr. Moranot

Nach Heinrich Müller begrQnden die Arbeiten Max Schnitze's einen sehr wesentlichen Fortschritt und zwar besonders in entwickelangsgeschichtlicher Hinsicht. Er hat die Beobachtung Kölliker's ^), dass aas dem äussern Blatt der primären Augen- blase nicht die ganze Chorioides, sondern nur die Pigmentschicht derselben hervorgehe, ausführlich begründet und dahin erweitert, dass diese Pigmentschicht nicht zur Chorioides, sondern zur Retina zu rechnen sei, und entwickelungsgeschichtlich sowohl wie anatomisch sehr enge Beziehungen zur letzteren besitze. Aach die von Max Schnitze gegebene Schilderung der morphologischen Verhalt- nisse der ausgebildeten Zellenschicht ist an interessanten Details sehr reich *).

Ich habe in dem verflossenen Sommer mich auf dem physio- logischen Laboratorium zu Berlin auf Veranlassung und unter Lei- tung des Dr. F. Boll mit der Anatomie derselben sehr eingehend beschäftigt. Zwei Fragen sind es besonders gewesen, denen ich meine Aufmerksamkeit zugewendet habe. Einmal wollte ich emiren, ob unter allen Verhältnissen und in allen Regionen der Retina in Bezug auf die von den Pigmentzellen zwischen die Elemente der Stäbchenschicht eindringenden Fortsätze, die bald als Scheiden, bald als Schnüre beschrieben werden, ein constantes morphologisches Ver- hältniss stattfinde. Zweitens war meine Untersuchung auf das Ver- hältniss der Stäbchen zu den Pigmentzellen und auf die Entscheidung der Frage gerichtet, ob stets einer Pigmentzelle eine constante An- zahl von Stäbchen entspricht, oder ob in Bezug auf dieses Ver- hältniss verschiedene Schwankungen in den verschiedenen Regionen der Retina obwalten.

Der nachfolgenden Schilderung dieser Schicht sind im Wesent- lichen die Verhältnisse in der Retina des Frosches zu Grunde ge< legt, wo sich diese Zellen wegen ihrer bedeutenden Grösse ganz vorzüglich zum Studium eignen. Ausser dem Frosch wurde jedoch noch an einer grösseren Anzahl von Species Untersuchungen über diese Schicht angestellt und sollen die Differenzen, welche bei den einzehien Species wahrgenommen wurden, im Lauf der Darstellung noch besonders erwähnt werden. Die Methoden der Untersuchung bestanden einmal in der Erhärtung durch Osmiumsäure verschiedener .

1) Entwiokelangsgeschichte S. 284. 288.

2) Dieses ArcL II, S. 220. Die Retina, in Stricker Gewebelehre. S. 101 S.

Die Hgmentsohieht der Betina. 88

Cottoentratioii, zweitens in der Maceration durch verdünnte Chrom- utore-Losangen resp. in Jodserum.

Schon im ganz frischen Zustande Ifisst sich die brSunliche Pig- mentschicht des Frosches sehr lacht und rein sowohl von der Stäb- chen- und Z^fenschichty wie von der intensiv schwarzen Chorioides aUdsen.

Betrachtet man die isolirte, ausgebreitete Pigmentschicht von der Ghorioidalfläche, so bietet sich das schöne und regelmässige Bild dar, welches in Fig. 1 wiedergegeben ist : ein Mosaik etwas ver- längerter, sechseckiger Zellen. Die Randpartieen der einzelnen Zellen sind völlig mit Pigmentkömehen ^) angefüllt In der Mitte der Zelle befindet sich gewöhnlich ein heller Fleck, in dem der Kern zu liegen scheint Ausserdem liegen in dieser nicht pigmen- tirten Mitte der Zelle, wie schon Heinrich Maller erwähnte, ein bis zwei scharfoontourirte glänzende orangegelbe Fetttropfen. Dieses r^elmässige Bild findet sich sowohl in den centralen, wie in den peripheren Partien der Retina. Die in Fig. 1 dargestellte Mosaik ist einer Region entnommen, die von der Stelle des deutlichen Sehens nicht sehr entfernt liegt Nach der Peripherie der Retina zu werden die sechseckigen Flächen grösser und die Zahl der Fett- tropfen und Fetttröpfchen nimmt in ihnen zu. In einzelnen Zellen worden bis zu 15 Tropfen gezählt, wovon 2—3 grössere, die übrigen von sehr grosser Kleinheit

Nicht selten finden sich auch, namentlich in den peripheren Theilen der Retina Bilder, wo die von der Fläche gesehenen Epithe- lien wie echte Stachel- und Riffizellen mit zahnartigen Fortsätzen in einander greifen.

Brachtet man diese Zellenschicht im frischen Zustande von der Seite, also die einzelnen Zellen im Profil, wie derartige Präpa- rate in den Abbildungen (Figg. 2—5) dargestellt sind, so ergiebt sich mit grosser Regelmässigkeit über die morphologischen Verhält- nisse dieser Zellen folgende für alle Regionen der Retina überein- stimmende Vorstellung. Die Zellen sind nicht PlattenepitheUen, wie man so lange Zeit geglaubt hat, sondern deutliche Qylinder. Man

1) Die Pigmentkömehen des Beiiiiftpigment« rind, wie neuerdings oooh Frisch (Gestalten des Chorioidalpigments, V?iener acad. Sitzongsber. Bd. LVm, Abth. II) nachgewiesen hat, niemals rund, sondern stets st&bchen* oder nadelformig, wie krystallinisoL

84 Ür. j^ranz Moranot

unterscheidet an dem cylindrischen Zellkörper stets zwei deatlich und scharf von einander abgesetzte Partieen : eine obere der Fl&che der Chorioides zugekehrte^ farblose, aus einem blassen, feingranulirten Protoplasma bestehend, und eine untere, pigmentirte. Die Dimen- sionen dieser beiden verhalten sich zu einander durchschnittlich wie 1 zu 3. An der Grenze beider oder meist ganz im ungefärbten Theil der Zelle liegt der runde^ scharfcontourirte Kern, der stets nur ein einziges grosses Eemkörperchen zeigt Ebenso liegen die orange- gefärbten Fetttropfen meist allein in dem ungefärbten Viertel der Zelle. Die Grenze des pigmentirten gegen den nichtpigmentirten Theil ist meist unregelmässig, mitunter jedoch auch scharf, wie durch eine gerade Linie abgeschnitten. Nicht selten findet sich eine solche scharfe auf der Längsaxe der Zelle senkrechte Grenzlinie in dem farblosen Abschnitte der Zelle selbst. Der pigmentirte Thal der Zelle zeigt ein eigenthümlicheS) längsstreifiges Aussehen, als ob die Pigmentkörnchen desselben in Beihen parallel der Lftngsaxe der Zellen angeordnet wären. Die Basen der Cylinderzellen er- scheinen an frischen Präparaten stets unregelmässig contourirt, wie abgefiressen.

Ganz analog verhalten sich die Pigmentzellen auch bei anderen Amphibien (Triton taeniatus, cristatus, Salamandra maculata). Auch hier sind es Cylinderzellen mit einer oberen farblosen Kuppe und einem pigmentirten basalen Abschnitt. Nur sind bei den genannten Thieren die Cylinder etwas flacher und breiter wie beim Frosch. Bei Triton scheinen die orangegefärbten Fetttropfen zu fehlen; bei Salamandra maculata sind sie stets vorhanden und meist viel kleiner wie beim Frosch.

Bei Lacerta agilis haben die Pigmentzellen in Gestalt und Grösse die grösste Aehnlichkeit mit denen von Triton.

Aus der Klasse der Vögel wurden nur Hühnerembryonen ver- schiedener Stadien bis zum ausgebrüteten Hähnchen untersucht Auch hier sind es pigmentirte Cylinderzellen mit einer schmalen, farblosen Kuppe. Gefärbte Fetttröpfchen waren im Innern der Zellen nicht nachzuweisen. Die Grösse der Zellen gibt denen der Amphibien wemg nach.

Bei den Säugethieren sind die Zellen meist beträchtlich kleiner und die Pigmentkömehen meist etwas gröber, nicht mehr so fein und nadeiförmig, wie bei den untersuchten Amphibien, Reptilien und

Die Pigmentfloliioht der Betinm. 85

Vögdn. Doch überwiegt auch hier noch stets der eine Längen- durchinesser. Die farblose Kuppe ist ein constantes Vorkommniss.

Wieschon Heinrich Müller nnd Max Schnitze angaben, ist diese Zellenschicht auch in den Angen leukftthiopischer Thiere and solcher Thiere, die ein Tapetnm besitzen, vorhanden. Beim leokathiopischen Kaninchen, wo diese Zellen meist zwei Kerne be- sitsen, enthalten sie regelmässig eine grossere Anzahl blassgelblicher Fetttiopfen. Die Zellen des Ochsen, die dem Tapetnm aufliegen, sind nicht pigmentirt, enthalten aber kleine dunkelbraune und röth- fiche TrSpfchen.

lieber die anatomischen Verhältnisse der basalen Enden der Pigmentzellen geben den besten AufecUuss Prilparate, die nach 24stfindiger Maceration in den bekannten dünnen Ghromsäure-Lö- sangen untersucht werden, deren Max Schnitze sich zuerst zur Isolation der Nenroepithelien der Geruchsschleimhaut bediente. Die Präparate sind nur dann gut zu nennen, wenn die Orangefarbe der Fetttrdpfchen nichts von ihrem Glanz und von ihrer Intensität ein- gdiüsst hat. Erscheint dieselbe etwas matt und glanzlos, so sind die CSiromsäureMsungen entweder zu concentrirt oder zu verdünnt gewesen und man thut am besten, die Präparate ganz zu ver- werfen.

Sind die Präparate gut gelegen, so überzeugt man sich bald, dass an den basalen Enden dieser cylindrischen Pigmentzellen im wesentlichen zwei verschiedene Verhältnisse vorkommen. Einmal iasem sich die Zellen in ihren basalen Enden aus in ein überaus zahlreiches Büschel pigmentirter äusserst feiner Fasern, die Max Schnitze mit einem Walde von Flimmerhaaren vergleicht (Figg« 6--8) und die zum Theil eine sehr ansehnliche Länge erreichen können. Stets sind die Pigmentkömehen mit ihrer Längsaxe dem Verlauf der Faser parallel in dieselbe eingebettet» das letzte freie Ende der Fasern erscheint nicht selten ganz frei von Pigment. Die Anzahl derselben kann an einer Zelle 90—40 betragen; bei den kleineren Epithelien finden sich jedoch auch nicht selten weniger ab 10. Die zweite Form des basalen Zellenendes ist in den Abbil- dangen (Figg. 9—10) wiederg^eben. Hier scheint sich die Zelle an ihrer Basis meist etwas zuzuspitzen und in eine hautartige Aus- bratong, die zu einer Röhre geschlossen erscheint, überzugehen. Durch die stärksten Yergrösserungen ist an dieser hautartigen Bohre keinerlei Structur wahrzunehmen. Stets ist dieselbe mit einer

86 Dr. Frans Mörano:

grösseren oder geringeren Menge von Pigmentkörnchen besetzt, die oft in Längsreihen parallel der Längsrichtung der Röhre angeordnet erscheinen. Mitunter findet sich statt der regelmässigen Röhre eine mehr flächenhafte und fetzenartige Ausbreitung , wie sie in Fig. 10 wiedergegeben ist

Ueber das Verhalten der Pigmentzellen zu den Stäbchen geben Zerzupf ungspräparate von Netzhäuten, die 24 Stunden mit Ipro- centiger Ueberosmiumsäure behandelt wurden, den besten Aufechluss. Eine Reihe derartiger Präparate ist in Figg. 11—16 abgebildet wor- den. Am besten orientirt man sich über das einschlagende Ver- hältniss aus Fig. 1 1 , welche einen vollständigen Querschnitt der Pigmentschicht, der Schicht der Stäbchen und Zapfen, der Limitans externa und der Stäbchen- und Zapfen-Körnerschicht wiedergibt Die VeiAnderungen, die die Pigmentzellen durch das Osmium erlei* den, bestehen darin, dass die gelben Fetttropfen dunkelbraun gefärbt werden und dass die obere farblose Partie der Zelle verschwindet, entweder weil sie durch das Osmium gleichfalls braun gefärbt wird und sich nun nicht mehr von dem pigmentirten Theil der Zelle un* terscheidet, oder weil sie durch das Reagens zu Grunde geht und zerstört wird. Letzteres ist wahrscheinlicher, da die farblose Pro- toplasmakuppe, die dem pigmentirten Theil der Zelle auMtzt, auch bei der Maceration in verdünnter Chromsäure nur zu leicht auf- quillt und zu Grunde geht. Auch der Kern der mit Osmium be- handelten Pigmentzellen lässt sich selten oder nie mehr nachweisen. Die schwach gefärbten Stäbchen setzen sich scharf gegen die Pig- mentzellen ab. Auf dem dargestellten Präparat, das den peripheren Schichten der Retina entnommen ist, kommen auf die Breite der Pigmentzelle etwa 5 Stäbchen, was für die ganze Fläche einer Pig- mentzelle etwa 12—15 Stäbchen betragen mag.

Besser, wie an Fig. 11 erkennt man an Fig. 12 das Verhältniss der Fortsätze der Pigmentzellen zu den Stäbchen. Zwischen den Stäbchen steigen die Pigmentschnüre bis an das Ende des Innengliedes, also bis an die Membrana limitans externa herunter. Nicht ganz klar ist das Verhältniss dieser pigmentirten Fortsätze zu den Zapfen. Fig. 13 ist ein Stäbchen abgebildet, neben dessen Innenglied jederseits ein Zapfen steht Die Pigmentschnüre gehen zu beiden Seiten des Stäbchens herab zu dem durch Osmium hellbraun gefärbten, im frischen Zustande blass grünlichgelben Fetttröpfchen, das an der Grenze von Innen- und Aussenglied liegt. Nicht selten waren auch

Die Pigmentsohidit der Retina. 87

Bilder, iro die Pigmentschnüre ganz deutlich sich bis zwischen die bmenglieder der Zapfen und der benachbarten Stäbchen fortsetzten.

In Fig. 14 sind zwei isolirte Pigmentzellen abgebildet, an denen die zugehörigen Stabchen nur theilweise erhalten, abgebrochen oder ganz herausgefallen sind, während die basalen Fortsätze sich vor- zflglich conservirt haben. Bei diesen Zellen im optischen Durch- schnitt gehen nicht mehr 5 (wie in Fig. 1 1), sondern nur noch 3 Stäbchen auf die Breite einer einzigen Pigmentzelle. Ebenso finden sich in Fig. 15 3 Stäbchen auf je einer der beiden benachbarten Zellen. Ja, es kann sogar eine Pigmentzelle nur ein einziges Stäbchen umfas* sen. Hierfür geben Figg. 16 und 17 Belege. Die erstere ist nach Chromsäurepräparaten, die zweite nach einem Osmiumpräparat ge- stichnet. Derartige Zellen, die nur einem einzigen Stäbchen ent- sprechen, finden sich wesentlich in dem Centrum der Betina. Nach der Peripherie zu herrschen die grossen Pigmentzellen, die bis zu 15 und noch mehr Stäbchen enthalten, vor, bis an der allerilussersten Peripherie, an der Pars ciliaris Retinae die Pigmentzellen wieder sehr klein werden, wie auch Max Schnitze ^ von der Pars ciliaris des menschlichen Auges angibt

Ein eigenthümliches Verhältniss ist noch zu erwähnen, dass nämlich an den mittelst dieser Methode dargestellten Isolationsprä- paraten sehr, häufig der den Pigmentzellen zugekehrte, also äusserste Abfidmitt des durch Osmium ge&rbten Stäbchenaussengliedes eine viel blassere Färbung zeigt, wie der dem Innengliede zugekehrte innere Abschnitt. Manchmal erschienen diese beiden verschieden in- tensiv gefärbten Abschnitte scharf gegen einander abgesetzt (Fig. 16 a), so dass es nahe liegt, an eine essentielle Verschiedenheit dieser baden Abschnitte zu denken. Bald aber, nachdem man eine grös- sere Anzahl von Präparaten verglichen hat, überzeugt man sich, dass in einer Anzahl von Fällen der Uebergang des intensiv ge- fiurbten inneren Abschnittes in den helleren äusseren ganz allmälig stattfindet, wie in Fig. 16 b, und dass diese Differenz in anderen Fällen überhaupt ganz fehlt (wie in Fig. 14). Am besten erklärt sich diese Differenz in der Färbung der äusseren und inneren Parüeen des Aussengliedes wohl dadurch, dass die ersteren in dich- tere Pigmentmassen eingebettet sind wie die letzteren, so dass das Reagens in seiner Wirkung hierdurch etwas abgeschwächt wird.

1) Stricker, Gewebelehre, 8. 1026.

88 Dr. Franz Morano:

Ebenso deutlich wie an den in Fig. 16 dargestellten Präparaten sieht man die PigmentschnOre sich bis an das Ende des InnengEedes d. h. bis an die Limitans externa fortsetzen an den Präparaten Figg. 17 und 18, die durch Maceration in Jodserum gewonnen wurden.

Sehr lehrreich ist eine vergleichende Beobachtung des Ver- hältnisses der Pigmentschicht zu der Stäbchenschicht bei den ver- schiedenen Amphibien. Während beim Frosch die zwischen den Stäbchen gelegenen Fortsätze der Pigmentzellen zum grössten Theil bis an die Basis der Innenglieder deutlich pigmentirt sind, und nur einige ihr Pigment schon auf der halben Höhe der Aussenglieder einbüssen, sind bei Triton taeniatus und cristatus von der Grenze des Aussengliedes ab bis zur Limitans externa die Ausläufer , wie schon Merkel 0 angibt, fast ausnahmslos nicht mehr pigmentirt Auch bei Salamandra maculata verliert die Mehrzahl der Fasern ihre stabförmigen Pigmentkömehen schon an der Grenze von Aussen- und Innenglied.

Was das Verhältniss der von den Pigmentzellen ausgehenden Fort- sätze zu den Furchen der crenelirten Stäbchenoberfläche betrifft, so muss ich die erschöpfende Darstellung Max Schultz e's*) fiber die Stäbchenschicht der Amphibien durchaus bestätigen.

Das Thatsächliche ist, dass bei den Amphibien sowohl an Aea Aussengliedem wie an den Innengliedem eine Grenelirung der Oberfläche vorhanden ist, durchschnittlich jedoch an den letzteren, wo die Furchen meist nur noch die äusserst feinen, nicht mehr pigmentirten Fibrillen aufzunehmen haben, viel weniger deutlich ausgebildet wie an den ersteren, wo die Pigmentkömehen ent- haltenden Fibrillen tiefere Furchen erfordern. Beim Frosch, wo die Fibrillen meist bis an die Limitans externa pigmentirt bleiben, ist dieser Unterschied in der Grenelirung zwischen Innenglied und Aussenglied am unbedeutendsten. Am deutlichsten ist derselbe bei Triton, wo die auf der Oberfläche der Innenglieder verlaufenden Fibrillen fast ausnahmslos nicht pigmentirt sind. In der Mitte zwischen beiden steht Salamandra maculata, die ich wegen der Grösse ihrer Stäbchen als das geeignetste Object für das Studium

1) Zur Eenntniss der Stäbofaenschicht der Retina. Archiv, filr Anatomie and Physiol 1870. S. 647.

2) Dieses Archiv Y, S. S87— 892. YU. 8. 368.

Die Pigmentschioht der Retina. 89

dieser Verh&ltnifise bezeichnen muss. Fig. 21 sind einige Bilder ans der mit Osmium behandelten Netzhaut dieses Thieres gezeich- net a ist der optische Qaerschnitt eines Stäbchens, b zeigt zwei vollständige Stäbchen, wo sowohl Innenglied wie Aussenglied, das letztere deutlicher crenelirt sind; an der Grenze des Innengliedes gegen das Aussenglied sieht man eine Schicht von etwas dif- ferentem lichtbrechungsvermögen , ein Homologon des linsenför- migen Körpers (Max Schnitze), c zeigt endlich zwei durch das Osmium weniger intensiv gefärbte Bruchstücke von Aussenglie- dem, wo die Pigmentkömehen enthaltenden Fibrillen zum Theil Ober die Bruchmden hinausragen.

Der Grund, weshalb nicht an allen Präparaten die Creneli- niDg von Innen- und Aussenglied gleich deutlich hervortritt, liegt wesentlich in dem ausserordentlich verschiedenen Verhalten, welches die Substanzen des Innen- und des Aussengliedes zu der Osmium- saare und den verdünnten Ghromsäure-Lösungen zeigen. Es kann vorkommen, dass bei einzelnen Concentrationen die Grenelirung des einen Abechrnttes in der ausgezeichnetsten Weise hervortritt, wahrend sie an dem anderen wenig oder gar nicht ausgeprägt er- scheint.

Berlin, 22. JuU 1871.

90 Dr. Frans Morano:

Erkl&rvng der Abbildungen anf lad lY.

Sämmtliobe Abbildangen fdnd der Retina des Frosohes entnommen, mit Ausnahme von Fig. 21, welche Salamandra angehört.

Die römischen Zahlen zeigen die Nummern der Hartnaok'sohen Ob- jective, die arabischen die der Oculare an.

Fig. 1. VII, 2. Aus den Randpartieen der Retina. Flächenannoht eines Pigmentmosaiks mit den Feittropfen von der der Chorioides aagekehr- ten Fläche gesehen. Frisch untersucht.

Fig. 2. VII, 3. Frisch untersucht. Aus dem hinteren Segment der Retina. Eine Gruppe von 8 Pigmentzellen.

Fig. 3. IX, 2. Frisch untersucht. Drei isolirte Zellen aus den peri- pheren Partieen der Retina.

Fig. 4 IX, 2. Eine Reihe Yon sechs PigmenUseUen, frisch untemcht. Aus der Peripherie der Retina.

Fig. 6. IX, 2. Eine isolirte, eine grössere Ansahl von Fetttropfen ent- haltende Pigmentselle. Frisch untersucht.

Fig. 6. IX ii rimmersioni 3. Zwei isolirte Pigmentzellen aus der Pe- ripherie nach 24stündiger Maceration der Retina in Chromsäure von 82 ^/o* Die Fortsätze sind bei beiden sehr zahbeich und enthalten fast alle bis an ihr freies Ende Pigmentkömehen.

Fig. 7. IX ä rimroersion, 3. Eine durch Maceration in GhromB&ure von ^ % isolirte Pigmentzelle aus dem centralen Segment der Retina. Die letzten Enden der Ausläufer sind nicht pigmentirt

Fig. 8. IX, 2. Eine in Chromsäure maoerirte Gruppe von 6 Pigment- zellen aus den Randpartieen der Retina. Von der der Chorioides zugekehrten Fläche gesehen. Die sehr zahlreichen pigmentirten Fortsätze ragen über die Zellenränder hervor.

Fig. 9. IX, 2. Drei durch Chromsäure isolirte Zellen. Die basalen Enden zerfallen nicht in Faserui sondern setzen sich in eine membranöse mit Pigmentkömehen besetzte Röhre fort.

Fig. 10. IX, 2. Zwei durch Chromsäure isolirte Zellen« Das basale Ende derselben zeigt eine etwas fetzenartige membranöse Ausbreitung.

Fig. 11. IX, 2. Zerzupfnngspräparat einer in Chromsäure von l*Vo erhärteten Retina. Die Pigmentschicht (4 Zellen) ist in vollständigem Zu- sammenhang mit der Schicht der Stäbchen und Zapfen, der Membrana limitans externa nnd der Stäbchen- und Zapfenkömerschicht erhalten.

Fig. 12. VII, 2. Osmiumpräparat. Zwei vollständige und ein uhtoU- ständig erhaltenes Stäbchen (Anssenglied) im Zusammenhang mit Pigment- Bohicht nnd ihren Fortsätzen.

Die Pigmentschiofat der Retina. 91

Fig. 18. YII, 2. Otmiumpräparate. Ein . Yollst&ndigeB Stäbchen und iwei Zapfen in Verbindung mit den Ausl&ufem der Pig^mentschieht.

Fig. 14. IX, 2. Osmiompraparat Zwei isolirte Pigmentzellen mit wohl- erhaltenen Aoeläofem, zwischen denen die Stabchen theilweise heraosge- &llen lind.

Fig. 15. IX, 2. Zwei Pigmentzellen mit ihren AuBlaufem im Zusam- menhang mit je drei Stäbchen.

Fig. 16. IX, 2. Pigmentzellen aus dem Centrum der Retina im Zn* nmmenhang mit ihren Stäbchen durch Maceration in verdünnter Chromsäure ifloUrt. a zwei einzelne Stabchen, b drei Stabchen im Zusammenhang.

Fig. 17. IX, 2. Aus dem Centrum einer in Osmium erhärteten Retina. Drei Pigmentzellen im Zusammenhang mit ihren Stäbchen.

Fig. 18. IX, 2. a. Drei vollständige Stäbchen mit ihren Pigmentschnfi- ren Die blassere Färbung der äusseren Parthie derselben erscheint gegen dss intensive Schwarz des inneren, dem hellen Innengliede zugekehrten inne- ren Absehnittes sehr scharf abgesetzt, b. Ein einziges derartiges Stäbchen, wo die intensive Schwärze des Aussengliedes nach aussen hin aUmälig ab- nimmL

Fig. 19. IX, 2. Drei Stäbchen mit ihren Pigmentsohnfiren durch Ha- caration in Jodsemm isolirt.

Fig. 20. IX, 2. Jodserumpräparat. Zwei Stäbchen im Zusammenhang mit der Pigmentschicht und ihren Aosläafem.

Fig. 21. IX, 2. Sämmtliche Figuren sind einer 24 Stunden in Osmium- aäare von 1 7o erhärten Retina von Salamandra maculata entnommen, a. Op- tischer Querschnitt eines Stäbchens, b. Zwei Stäbchen, an denen man ^üe Grenelimng sowohl des Innengliedes wie des AussengÜedes deutlich sieht, e. Zwei Bmchstficke von Anssengliedem, wo man die pigmentirten Fibrillen in den Yertielangen der Oberfläehe lagern und som Theil aber die Bruch- enden hervomgen sieht.

^ Dr. &. Sohiralbe:

Fläche vorsichtig die Müscularis mit der Serosa ab, was wenigstens zum Theil leicht gelingt. Ist dies geschehn, so ist das Darmstück- chen durchsichtig genug, um es unter Zusatz von tTodserum oder einer Kochsalzlösung von Va% hinter dem Mikroskop selbst mit den stärksten Objectiven durchmustern zu können, wobei man gut thut, die Aussenseite des Darmstückchens auf dem Objektträger nach oben zu wenden. Stellt man nun auf die Submucosa ein, so gewinnt man einen überraschenden Anblick. In der ganzen Ausdeh- nung des Präparats zerstreut sieht man kleine traubige Drüschen, oft dicht an einander liegend, ausgebreitet. Die einzelnen Acini derselben gewähren nun ein höchst zierliches Bild (vergl. Fig. l). An frischen Präparaten sieht man in den Drüsen* Acinis von Orenzen einzelner Zellen so gut wie gar nichts ; ihr Randtheil erscheint ein- genommen von einer homogenen klaren Masse, in welcher man im ganz frischen Zustande kaum etwas von Kernen wahrnimmt Da- gegen zeigt das Gentrum eines jeden Läppchens ein höchst auffallen- des Verhalten. Es findet sich an der Stelle, wo wir den Aus- führungsgang des Läppchens zu vermuthen hätten, eine Ansamm- lung eigenthümlicher gelblich glänzender Kömer und von diesem centralen Kömerstreifen zweigen sich nach der Peripherie des Aci- nus hin Streifen derselben Kömchen ab, sodass dadurch die einzel- nen Zellen des Acinus wenigstens nach dem Ausfdhrungsgange zu mehr oder weniger abgegrenzt werden. Liegt das Präparat länger, so treten allmählig an der Peripherie der Läppchen die Keme der Drttsenzellen deutlich hervor.

Vergleicht man nun mit der eben gegebenen kurzen Darstel- lung die Beschreibung, welche Langerhans') vom Bau desPan- creas entwirft, so ist man sofort überrascht von der genauen Ueber- einstimmung beider und in der That lässt sich auch bei direkter Vergleichung des Pancreas und der eben beschriebenen Drüsen des- selben Kaninchens kein Unterschied constatiren. Das Kaninchen besitzt also ausser dem bisher bekannten Pancreas noch sehr zahl- reiche kleinere Drüsen von demselben Bau in der Wandung des Duodenum.

Ich habe oben kurz erwähnt, dass diese Drüsen m der Sub- mucosa gefunden werden. Sie liegen hier oft so dicht an einander, dass man glauben könnte, man habe es mit einer flächenhafb in I

1) 1. c. p. 8 ff.

BeitrftKe war Kenntnui der iMsen in den Dannwandongen etc. 96

der Dannwand ausgebreiteten pancreatischen DrQse zu thun. In dieser Ansicht wird man noch bestärkt durch die Betrachtung von Sdmitten durch die Häute eines in Alkohol erhärteten Kaninchen- Duodenom. Da sieht man oft an Stelle der Submucosa, dicht unter den Schlauchenden der Lieberkilhn^schen Drüsen beginnend und nach aussen bis zur Mnscularis reichend, eine einzige zusammen- hängende Masse von DrQsen-Alveolcn, sodass man hier gewisser- massen ein Pancreas zwischen die Darmhäute eingeschaltet findet Allein dass dem nidit so ist, dass vielmelir eine grosse Zahl kleiner acinoser Drüsen diese vermeintliche einzige flachenhaft ausgedehnte Drüse zusammensetzt, davon überzeugt man sich leicht, wenn man ein solches Darmstftck einige Zeit in concentrirte Weinsäure legt Es treten dann die kleinen Drüsen in dem gallertig gequollenen Gewebe der Submucosa sehr scharf hervor und man erkennt nun, dass sie von den benachbarten durch deutliche Zwischenräume ge- trennt sind.

In Betreff der Yertheilung der pancreatischen Drflschen über das Duodenum habe ich ermittelt, dass dieselben etwa 1 Ctm. vom Pylorus vereinzelt beginnen, weiter darmabwärts rasch an Zahl zu- nehmen und bald dicht an einander gelagert erscheinen; dann neh- men sie wieder langsam an Zahl ab und lassen sich bis 50 Ctm. abwärts vom Pylorus verfolgen, wo ich die letzten antraf.

Ud)er die Ausfilhrungsgänge dieser so ausgedehnten Darm- Pancreasformation habe ich leider nichts Sicheres feststellen können. Ich habe vergeblich nach grösseren Ausfilhrungsgängen gesucht und, da überdies die Zusammensetzung dieser Schicht aus vielen kleinen tranbigen Drüschen ausser aUem Zweifel steht, so muss ich anneh- men, dass dieselben je mit einem besonderen kurzen Ausführungs- gange auf der Oberfläche der Darmschleimhaut ausmünden, der aber an Schnitten durch die Darmwand nicht gut zu erkennen ist, da er ein ganz ähnliches Aussehn wie die Lieberkühn'sdien Drüsen darbieten wird.

Nachdem ich nun beim Kaninchen pancreatische Drüsen in den Darmwandungen in so grosser Zahl nachgewiesen hatte, lag es nahe zu vermuthen, es möchte sich der Darm anderer Nagethiere ähnlich wie der Kaninchendarm verhalten. Ich habe deshalb das Duodenum der Ratte, Maus und des Meerschweinchens genau durch- mustert, aber in demselben, sowie im übrigen Darme, keine Drüsen gefonden, welche in ihrem Bau mit dem Pancreas zu vergleichen

96 Dr. ff. Schwalbe:

gewesen wären. Es fanden sich bei diesen Thieren nur in einem kleinen dicht hinter dem Pyloms gelegenen Duodenalstück traubige Drttsen, die nach ihrem Baa als Brunner'sche anzusprechen waren. Weiterhin zeigten sich nur die fundi der Lieberkühn'schen DrQsen dicht an einander gereiht. Ich werde das eigenthfimliche Bild, welches dieselben hier darbieten, unten n&her besprechen und will hier nur erwähnen, dass ein jeder dieser fundi, da man bei der von mir angewandten Methode die optischen Querschnitte derselben sieht, als ein Kreis erscheint, angefüllt mit einer homogenen klaren Masse, in der man von Zellengrenzen und Kernen nichts er- kennt, wohl aber ehi kleines centrales Lumen wahrnimmt, um welches herum eigenthümliche Kömer gruppirt sind, die oft nach der Peripherie hin sich mehr oder weniger weit zwischen die Zellen erstrecken. (Vergl. Fig. 15.) So kann es kommen, dass man bd oberflächlicher Betrachtung hier ebenfalls Drüsen vom Bau des Pancreas vor sich zu haben meint. Allein eine Vergleichung mit den acinösen Drüsen des Kaninchendarms und Durchschnitte durch die Darmwandungen lehren bald, dass man es in der That nur mit einer Flächenansicht der Enden der hier besonders stark entwickel- ten Lieberkühn'schen Drüsen zu thun hatte.

Ich erwähnte vorhin, dass sich bei d^ Ratte, Maus und dem Meerschweinchen Brunner'sche Drüsen vorfinden und zwar nur in der nächsten Nachbarschaft des Duodenum. Ich muss gleich hier bemerken, dass man auch beim Kaninchen solche Drüsen, die sich wesentlich von den zahlreichen pancreatischen unterscheiden, dicht hinter dem Pyloms findet, wo sie am dichtesten stehen und von welcher Stelle aus sie sich, an Zahl rasch abnehmend, 1—1 Vt Ctm. darmabwärts erstrecken. So kommt es, dass man in einer kurzen Strecke des Duodenum beide Driisenarten neben einander vorfindet und da kann man sich dann durch direkte Vergleichung von ihrer wesentlichen Verschiedenheit überzeugen.

Wie man aus dem eben Mitgetheilten ersieht, ersetzen die Brunner'schen Drüsen keineswegs durch ein reichlicheres Auftreten die Drüsen vom Bau des Pancreas in den Darmwandungen. Gerade bei der Batte, Maus und dem Meerschweinchen, wo letztere fehlen, sind die Bmnner^schen Drüsen sehr gering entwickelt. Dasselbe gilt für eine Fledermaus (Plecotus auritus). Auffallend ist es aber, dass die genannten Thiere, besonders die Hatte, ausserhalb der Darm- wandungen ein relativ weit mächtigeres Pancreas besitzen, wie das

ßeiirige Eor Seamtnias der Druaen in den DArmwandongeD etc. 97

i. Während bei letzterem dasselbe grösstentheils zwischen den Metenterialbl&ttem flach ausgebreitet ist, findet sich bei der Ratte ausser einer ähnlichen flächenhaften Aosbreitong noch ein compacter nnd in Bezug auf die Eörpergrosse voluminöser Theil des Pancreas dicht am Anfangstheile des Duodenum gelegen. So wird durch diese compacte Anhäufung secemirender Elemente emigennassen der Mangel einer Darm-Pancreasfonnation ersetzt, sodass allen letztgenannten Thieren im Yerhältniss zur Körper- grGsse annähernd die gleiche Masse Pancreassubstanz zukonmien möchte. Der Ort, wo sich dieselbe befindet^ scheint dabei von unter- geordneter Bedeutung zu sein.

Ein analoges Verhalten, wie wir es im Eaninchendarm ganz constant finden, zeigt der Darm des Menschen in einigen seltenen Fallen. Solche Fälle sind von Elob^) und Zenker') beschrieben and haben diese Forscher die betreffenden abnormen Drflsenkörper als Nebenpancreas bezeichnet Dieselben sind stets abgeplattet, linsen- bis thalergross und li^en entweder in der Submucosa, wie die von mir beschriebenen Drüsen des Eaninchendarms oder zwischen Moscnlaris und Serosa, wie die von Gl. Bernard erwähnten kleinen Drüsen. Was ihre Yertheilung über den Darmtractus betrifft, so {and Kl ob einmal ein Nebenpancreas zwischen Muscularis und Pen- tonealüberzug des Magens; von den 7 übrigen bekannten Fällen (darunter 6 von Zenker) konunen 4 auf den Anfangstheil des Jejonum, einer auf das Duodenum und nur einmal fand sich ein Nebenpancreas sehr weit unten im Darm, 54 Gm. oberhalb der Cöcalklappe. Zenker hat sich durch die mikroskopische Unter- BQchaog überzeugt, dass diese DrQsenkörper wirklich in ihrem fei- neren Bau mit dem Pancreas übereinstimmen.

2. Die Bmiuier'scheii DrflseiL

üeber die Brunner'schen Drüsen des Darmes liegen nicht viel Beobachtungen vor. Nach ihrer Entdeckung durch den schweizeri- schen Arzt Brunner oder v. Brunn^) wurden dieselben von Böhm^) kurz beschrieben. Die erste ausführlichere Abhandlung

1) Zeitschrift der GeseUsohaft der V^ener Aerzte 1859.

2) Nebenpancreas in der Darm wand. Virchow^s Archiv. Bd. 21. 1861. 8) De glandnlis in duodeno intestino detectis. Heidelbergae 1687.

4) De glandnlarom intestinalinm stmcinra penitiori Diss. inaug.Berol.1836.

H. SchattM, AicU? f. aikrodL Autonte. Bd. 8. 7

dd Dr. 6. Sohwaibe!

über die genannten Drflsen, diejenige, welche auch heute noch das Vollständigste ist, was wir Über sie besitzen, ist eine Arbeit von Middeldorpf: Disquisi tio de glandulis Brunnianis vom Jahre 1 846.

Man findet in ihr eine gute yergleichende Darstellung des Vorkommens and der Verbreitung der DrQsen bei den einzelnen Thieren und macht schon Middeldorpf auf einige auffallende Verschiedenheiten in dieser Beziehung aufmerksam. Auf eine Unter- suchung des feineren Baues folgt sodann die Mittheilung einiger physiologischer Experimente, aus welchen jener Forscher den Schluss zieht, dass die genannten Drflsen einen Saft liefern, der zwar Ei- Weisskörper nicht zu verdauen vermöge, wohl aber Stärke in Zucker umwandle. Später gedenkt Bernard ^) gelegentlich seiner Unte^ suchungen Ober das Pancreas der Brunner'schen Driisen und kommt dabei zu dem Schlüsse, dass dieselben total verschieden sind vom Pancreas, da sie die Eigenschaft des letzteren, neutrale Fette zu spalten, nicht besitzen; sie verhalten sich vielmehr ähnlich wie die Speichel- und Schleimdrüsen. Dieselbe Ansicht, welche Bernard vor allen Dingen auf die chemische Verschiedenheit der Pancreas- Substanz und der Substanz der Brunner'schen DrQsen basirt, finden wir nun in den meisten neueren Lehrbüchern der Anatomie und Histologie wieder und zwar finden wir hier besonders die morpho- logische Aehnlichkeit der Speichel- und Schleimdrüsen mit den Brunner'- schen hervorgehoben, so in den Lehrbücheiii vonKöIliker, Ley- dig, H. Meyer, während sie Donders, Frey, Heule und Verson') zwar ganz ähnlich beschreiben, sich aber nicht näher darüber äussern, ob sie mit Schleimdrüsen zu vergleichen seien, oder was ihnen sonst für eine Bedeutung zukomme. Nur Hyrtl macht in seinem Lehrbuche der Anatomie die Angabe, dass ihr Se- kret dem des Pancreas gleiche und schliesst sich also damit an die Ansicht Brunner's^) an, welcher die Schicht der von ihm ent- deckten Drüsen geradezu als pancreas secundarium bezeichnet.

Alle bisher genannten Forscher beschi*eiben unsere Drüsen als acinöse oder traubenf&rmige. Dieser bisher allgemeinen Annahme gegenüber hat in neuester Zeit Schlemmer^) eine Beobachtung

1) L 0. p. 25 und 26.

2) In Stricker, Handbuch der Lehre von den Geweben p. 405.

8) Glandulae duodeni seu pancreas secundarium. Franoof. et Heidelb.1715. 4) Beitrag zur Kenntniss des feineren Baues der Brunner'sohen Drüsen. SitKungsb. d. Wiener Aoademie. 60. Band. 1. Abth. Juliheft 1869.

beiiragd nur Kenntoiss der Drüsen in den Darmwandungen etc. M

mitgetheüt, der zu Folge die Branner'schen Drüsen einen tabulösen Bau erkennen lassen, lieber den feineren Bau der Drfisenzellen äussert sich Schlemmer nicht weiter.

Indem ich nunmehr zur Mittheilung meiner eigenen Beobach^ toBgen flbergehe, hätte ich zunächst einige Worte über das Vor- kommen der Brunner'schen Drüsen zur Ergänzung der M i d d e 1- d 0 r p f sehen Angaben zu sagen. Wie bekannt, finden sich diese Drüsen nur bei den Säugethieren und dem Menschen und zwar in einem je nach der untersuchten Art mehr oder weniger ausgedehn- ten Abschnitte des Duodenum, unmittelbar hinter dem Pylorus be- ginnend. Middeldorpf hat bereits auf die grossen Verschieden- heiten aufmerksam gemacht, welche die einzelnen von ihm unter- suchten Arten , was Zahl und Verbreitung über den Darm betrifft, zeigen. Er fasst seine Beobachtungen hierüber dahin zusammen, dass er sagt ^), bei den Pflanzenfressern existiren sie in viel grösserer Zahl, sden sie über ein grösseres Darmstflck vertheilt, wie bei den Fleischfressern und bringt dies Verhalten in Beziehung zur Vei^ schiedenheit der Nahrung. Dieser Satz hat jedoch nur beschränkte Gültigkeit Allerdings zeigen die Wiederkäuer die Schicht der Brunner'schen Drüsen von der beträchtlichsten Flächen- und Dicken- Ausdehnung ; aber das omnivore Schwein besitzt ebenfalls eine grosse Menge wohlentwickelter Drüsen. Bichtig ist es femer, dass die Raubthiere (Hund, Katze) die betreffenden Secretionsorgane nur in einem kleinen dicht hinter dem Pylorus gelegenen Abschnitte be- sitzen, ganz so wie die Fledermäuse (Plecotus auritus) nach meinen und der Maulwurf nach Leydig's*) Beobachtungen; allein das- selbe Verhalten zeigen von den Pflanzenfressern die Nagethiere (Kaninchen, Meerschweinchen, Ratte, Maus), bei denen Brunner'sche Drüsen fiist noch spärlicher vorhanden sind, wie bei den Fleisch- fressern. Man ersieht daraus, dass das reichlichere oder spärlichere Vorkommen dieser Drüsen keinesfalls im Zusammenhange steht mit der Art der Nahrung.

Innerhalb der Darmwandungen li^en die Brunner'schen Drüsen bekanntlich in der Schichte lockeren Bindegewebes, welche die eigentliche Schleimhaut von der Muskelhaut trennt und als tunica nervea bezeichnet zu werden pflegt Bei besonders reichlich ent-

1) I c. p. 14.

a) fiUiologie p. 819.

100 Ür. 6. Soliwalbet

wickelten, dicht au einander gepressten Drüsenkörpern kommt es nicht selten vor, dass Gruppen von Alveolen yon der Nervea aus in die Schicht der Lieberkühn*schen Drttsen ziemlich weit hinein- ragen, wie ich dies beim Schweine gefunden habe und wie es Middeldorpf vom Kalbe abbildet (1. c. fig. IV). Nach aussen reichen die Drüsenkörper in vielen Fällen bis unmittelbar an die Muskelhaut des Darmes, in anderen FäUen sind sie von derselben noch durch eine Schicht lockeren Bindegewebes getrennt. Beim Schwein und bei den Wiederkäuern stehen sie ausserordentlich dicht zusammen und sind leicht aus dem umgebenden Gewebe herauszu- präpariren; beim Menschen ist das umhüllende Bindegewebe reich- licher vorhanden und derber. Das beste Mittel, um die Vertheilung und Anordnung der Brunner'schen Drüsen im Darme kennen zu lernen, ist der Holzessig. Man schneide zu diesem Zwecke das Duodenum vom Pylorus beginnend parallel seiner Längsaze in Streifen und lege dieselben in die genannte Flüssigkeit. Nach eini- gen Tagen erkennt man dann an den Schnittstellen ohne grosse Mühe mit blossem Auge die braun gefärbten Drttsenkörperchen, wie sie sich von dem glasig gequollenen Gewebe der Nervea scharf ab- zeichnen und kann nun leicht ihre weitere Vertheilung darmabwärts Studiren. Man kann die betreffenden Darmstücke später in abso- lutem Alkohol erhärten und Schnitte davon anfertigen, welche sehr klare Bilder geben.

AusfBhrungsgang; aUgemeine Anordnung der secemirenden

Fläche.

Schnitte von Holzessig-Alkohol-Präparaten eignen sich aber wenig zur Demonstration der Ausführungsgänge der Brunner'schen Drüsen, da alle drüsigen Theile sich an ihnen gleichmässig braun gefärbt zeigen, sodass man innerhalb der Schicht der Lieberkühn'- schen Drüsen den Ausführungsgang einer Brunner'schen Drüse von einem Lieberkühn'schen Schlauche kaum unterscheiden kann. Um beider Unterschiede hervortreten zu lassen, bedient man sich am besten der einfachen Erhärtung in Alcohol absolutus und färbt die Schnitte mit Karmin. An solchen Präparaten unterscheiden sich, wie ich hier gleich anführen muss, die Zellen der Brunner'schen Drüsen von den Zotten-Epithelien und dem Epithel der Lieberkühn'- schen Schläuche auffallend genug durch die verschiedengradige Earminfärbung. Während die erstgenannten abgesehen von den

Beitnge zur KenntniBS der Drüsen in den Dumwandangen etc. 101

stets roth erscheinenden Kernen nur blass rosa gefärbt werden, nebinen die beiden letzterwähnten Zellenarten eine sehr intensiv rothe Farbe an, ein Unterschied, den bereits Schlemmer er- wähnt^). Man bemerkt nun bei der Durchmusterung einer Reihe so behandelter Schnitte innerhalb der intensiv gefärbten eigentlichen Mucosa schwach gefärbte Stellen von zweierlei Art, theils Haufen ?on Alveolen, die ganz denen der in der Nervea eingebetteten Brunner'schen Drüsen gleichen und deren Vorkommen bereits oben erwähnt wurde, theils begegnet man an den entsprechenden Stellen matt roth gefärbten Schläuchen, die sich nach der Submucosa zu direct je mit einer Brunner'schen Drüse in Verbindung setzen, nach der Oberfläche der Schleimhaut zu parallel den Lieberktthn'schen Drüsen oder leicht schräg gerichtet sind und sich in der Mitte der Macosa propria zu verlieren scheinen. Wenigstens tritt hier an Stelle des hell gefärbten Schlauches ein intensiv roth gefärbtes Schlaachstück. Das Epithel der schwach gefärbten in der Schicht der lieberk&hn^schen Drüsen gelegenen Schläuche stimmt nun in allen Stücken mit dem der Drüsen* Alveolen überein % sodass hier dieselben secemirenden Elemente den Alveolen, wie dem Aus- fthrungsgange zukommen. Erst von der Mitte der Schicht der Lieberkühn'schen Drüsen an treten an Stelle der hellgefärbten Drüsenzellen intensiv roth gefärbte, den Zottenepithelien gleichende, sodass man hier den Ausführungsgang nicht mehr von den angren- zenden Schläuchen unterscheiden kann. Ueberhaupt bedarf man einer ansehnlichen Menge von Schnitten, um die beschriebenen Ver- bältnisse zur Anschauung zu bringen; nie gelang es mir aber, so deutUche Bilder zu erhalten, wie sie Middeldorpf in Fig. I, X und XI seiner Abhandlung darstellt.

In seltenen Fällen schon innerhalb der Schleimhaut, constant aber gleich bei seinem Eintritt aus der Mucosa in die Nervea zeigt sich der Ausführungsgang umgeben von den Drüsenalveolen, deren Anordnung und Verbindung mit dem Ausführungsgange wir nun kennen lernen müssen. Schlemmer ist bei der Untersuchung von Schnitten durch die in absolutem Alkohol erhärteten Darmwan- düngen zti dem Resultate gelangt, dass die Brunner'schen Drüsen keinen acinösen, sondern vielmehr einen tubulösen Bau besitzen.

1) L c. p. 4.

4) vergl. die gleichlaatende Angabe von Schlemmer 1. c. p. S.

102 Dr. G. Schwalbe:

Id der That gelingt es schon mittelst dieser Methode leicht, sich die Ueberzeugong zu verschaffen, dass die Bnmner'schen Drüsen nicht in das gewöhnliche Schema der acinösen Drüsen hineinpassen und empfehle ich in dieser Beziehung Schnitte durch die betreffenden Drüsen des Hundes. Allein Schnittpräparate können immer nur eine unvollständige Einsicht in den Bau massiger Drüsenkörper ge- währen ; ich habe deshalb mich noch anderer Methoden bedient, um die Anordnung der secemirenden Fläche innerhalb der Drüsenkörper möglichst genau feststellen zu können. Bei kleineren Thieren z. B. beim Kaninchen gelingt es sehr leicht, die Anordnung der secer- nirenden Fläche zur Anschauung zu bringen, wenn man ein dem Pylorus benachbartes frisches Duodenalstück auf dem Objektträger ausbreitet und nach Zusatz von Kalilauge unter dem Mikroskop be- trachtet Die Brunner'schen Drüsen erscheinen dann als aufge- wickelte tubulöse Drüsen etwa in der Weise, wie die Schweissdrüsen, aber mit dem wichtigen Unterschiede, dass der sich auf die mannig- fachste Weise krümmende Drüsenschlauch während seines Verlaufes zahlreiche sich wieder verästelnde und krümmende Seitenzweige ab- gibt, deren Windungen so in einander greifen, dass ein fast unent- wirrbarer Knäuel daraus resultirt.

Bei grösseren Thieren lässt sich die eben erwähnte Methode natürlich nicht ausführen, da die einzelnen Drüsen viel zu volumi- nös sind. Ich habe deshalb hier die Behandlung der Drüsen mit concentrirter Salzsäure, wie sie ja für die Isolation dar Hamkanäl- chen schon längst gebräuchlich ist, in Anwendung gebracht, ohne allerdings bei unseren Drüsen damit so schöne Präparate gewinnen zu können, wie man sie von den Nierenkanälchen erhält Es ge- lingt zwar leicht, einen ganzen Drüsenkörper unversehrt auf den Objektträger zu bringen und sich so von seiner Zusammensetzung aus secundären und tertiären Läppchen zu überzeugen; der Aus- führungsgang der Drüse zeigt sich dabei stets an der Grenze der Nervea und von der Schicht der Lieberkühn'schen Drüsen abgerissen. Will man nun aber den Verlauf der einzelnen Drüsenkanäle inner- halb der kleineren Läppchen verfolgen, so stösst man auf grosse Schwierigkeiten. Man muss zu diesem Zweck natürlich die un- durchsichtigen Drüsenkörper zerkleineren; am vorsichtigstep ge- schieht dies durch leichtes Schütteln einer Drüse in einem Wasser- tropfen auf dem Objektträger. Aber selbst nach Anwendung dieser vorsichtigen Behandlungsweise erhält man ebenso wie nach ein-

Beiirftge zur Eenntniss der DHIaen in den Darmwandungen eto. 108

fachrai Zerzupfen der Drüse nur mehr oder weniger lange Bruch- stücke der Schläuche und ihrer Verästinngen. Immerhin genügt aber die Betrachtung dieser Bruchstücke, um sich ein Bild vom gröberen Bau der Brunner'schen Drüsen construiren zu können. Ich habe denselben vorzugsweise beim Menschen und Schwein studirt and bin dabei zu folgenden Resultaten gelangt.

Eine jede Drüse zeigt zunächst eine Sonderung in eine je nach ihrer Grösse verschieden grosse Zahl von Drüsenläppchen, deren jedes wieder eine Zusammensetzung aus secondären und tertiären Läpp- chen erkennen lässt Einem jeden der letzteren gehört ein Ast des Ausführung^anges an, der nun innerhalb eines jeden Läppchens einen äusserst complicirten Verlauf besitzt, indem' er in zahlreichen Windungen das Innere desselben durchsetzt. Diese Windungen sind dreierlei Art und konmien alle drei Arten stets zusammen vor. Die erste derselben kann man als Schlängelung des Drüsenschlauchs bezeichnen: der letztere macht nämlich während seines ganzen Ver- laufes zahlreiche, kurze, alternirend nach der einen und der anderen Sdte gerichtete Krümmungen der Art, dass den Convexitäten des einen Seitencontours Goncavitäteu des anderen und umgekehrt ent- sprechen (s. Fig. 4 und 5). Man könnte dies Verhalten auch so aosdrücken, dass man sagt, der annähernd gerade verlaufende Sddauch sei alternirend mit buckelförmigen Ausbuchtungen ver- schal. In der That präsentiren sich in vielen Fällen diese Aus- buchtungen des Schlauches als kurze Seitenäste und können in diesem Falle als Seitenblasen bezeichnet werden (Fig. 3 in d, Fig. 4 b, b). Die zweite Art der Windungen , welche vor allen Dingen den Verlauf der Schläuche so complicirt macht, ist eine mehr oder weniger vollständige Drehung um die Längsaxe (Fig. 4 bei c, Fig. 6), die, wenn sie sich innerhalb einer grösseren Strecke des Schlauches dicht hintereinander wiederholt, eine förmliche Knättdung herbeiführen kann ; innerhalb des Knäuels zeigt dann der Schlauch wieder die gewöhnlichen Seitenbuckel und Seitenblasen. Die letzte Art der Windungen wird endlich durch die grösseren Bie- gungen und Knickungen des Schlauches repräsentirt (Fig. 4).

Während seines so complicirten Verlaufes gibt nun aber ein jeder der beschriebenen Schläuche abgesehen von den Seitenblasen Doch längere und kürzere Seitenzweige ab, deren Durchmesser dem des ersten Schlauches vollkommen gleich ist und die nun ganz ähn- liche Windungen machen. Letztere machen das Gewirr namentlich

104 Dr. G. Schwalbe:

dadurch noch grösser, dass sie sich zwischen die Windungen des Haupt-Läppchenschlauches hineinschieben, sich mit ihnen durchflech- ten. Schliesslich enden alle Schläuche eines Läppchens blind, aber nicht einfach, sondern der Art, dass sich ein jeder derselben in zwei oder drei blindgeschlossene kurze Endsäckchen theilt, die ich als Eod- blasen bezeichnen will. Dieselben erhalten eine Fortsetzung des Schlauchlumens, die beim Menschen und Schwein nur wenig weiter als das Schlauchlumen ist. Die gewöhnliche Lage dieser Endblasen scheint die an der Oberfläche des Läppchens zu sein. Was ihre Gestalt betrifft, so sind sie meist ebenso lang wie breit (Fig. 3 a, b^ d); in anderen Fällen ist ihre Länge eine bedeutendere und man muss sie dann als Endschläuche bezeichnen. Solche finden sich z. B. ziemlich regelmässig in der Peripherie platter linsenförmiger Brunner'scher Drüsen, wie sie bei geringer Entwicklung der Nervea vorkommen (vergl. Fig. 3 e), während die mehr traubenförmig ge- stalteten Drüsen kürzere Endblasen besitzen.

Ich sagte oben, dass das Lumen der Endblasen beim Menschen und Schwein ein wenig weiter ist, als das des benachbarten Schlauch- Stückes. Da die das Lumen umgebenden DrüsenzeUen in den End- blasen dieselbe Höhe wie in den Schläuchen besitzen, so ist dein- gemäss auch der Durchmesser der Endblasen ein wenig grösser, als der der Schläuche. Auffallender zeigen dies Verhalten die Brunner'- schen Drüsen des Hundes, deren vielfach gewundene Schläuche in breitere und mit aulfallend grossem Lumen versehene Endblas^i übergehen. Diese Endblasen könnte man dann als Alveolen oder Acini bezeichnen. Was auf Durchschnitten als Drüsenalveolen er- scheint, lässt sich jedoch auf ganz verschiedene Dinge zurückführen; denn erstlich werden die Durchschnitte der End- und Seitenblasen in den meisten Fällen als kreisförmig geschlossene Figuren erschei- nen ; femer werden viele Schnitte durch die seitlichen Buckel der Schläuche ebenfalls wie Alveolen-Querschnitte aussehen und endlich werden den letzteren die Schlauch-Querschnitte täuschend gleichen, da ja das Schlauchepithel identisch ist mit dem die Seiten- und Endblascn ausfüllenden. So werden wir dann bei den verschieden- sten Schnitten durch eine Brunner'sche Drüse stets eine überwiegende Zahl von Alveolen wahrnehmen und zwischen diesen zerstreut nur kurze mit demselben Epithel ausgekleidete Schlauchstückchen. Die zahlreichen Windungen der Schläuche machen es ja unmöglich, die- selben auf eine längere Strecke in den Schnitt zu bekommen. Dies

Beitrige bot KenniniBs der DrÜMn in den Darmwandungen etc. 105

moss ich aasdrQcklich bemerken, da die beiden Abbildungen von Schlemmer, welche reichlich längsgetroffene Schläuche darstellen, äoe irrige Vorstellung erwecken könnten. Nur den aus den se- amdären ScUäucben sich entwickelnden zum Ausfflhrungsgang werdenden Schlauch sah ich ziemlich gerade zur Schicht der lieberkäfan'schen Drflsen aufsteigen. Er zeichnet sich gewöhnlich durch eine grossere Breite vor den Qbrigen aus.

Sollen wir nun die Brunner'schen Drüsen einfach als tubulöse Drflsen bezeichnen, wie dies Schlemmer vorschlägt? Wir können dies thun, uns benifend auf die Schlauchstruktur derselben, dürfen ans aber dabei nicht verhehlen, dass die genannten Drüsen manche Eigenthümlichkeiten zeigen, welche sie den acinösen Drüsen wieder Daher bringen. So kann man die End- und Seitenblasen recht wohl den Alveolen der letzteren an die Seite stellen und würden sich dann die Brunner'schen Drüsen hauptsächlich dadurch von den adndsen unterscheiden, dass ihre Ausführungsgänge dasselbe Epi- thel tragen wie die End- und Seitenblasen, während das Epithel der Ausfflhrungsgänge der echten acinösen Drüsen sich beträchtlich von den Alveolenzellen unterscheidet. Nach allem können wir sagen, dass die Brunner'schen Drüsen einen Bau besitzen, welcher Charak- tere der acinösen und tubulösen Drüsen vereinigt zeigt, sie ge- wissennassen als Zwischenformen zwischen beiden Drüsengruppen ersehenen läset Ich habe bisher ihre den Alveolen entsprechen- den Theile mit dem indifferenten Namen der End- und Seitenblasen bezeichnet ; ich werde mich nun in der Folge wieder des gebräuch- licheren Namens der Alveolen oder Acini auch für imsere Drüsen bedienen können.

Feinerer Bau der Drflsenxellen.

«

Schlemmer bezeichnet das Epithel der Brunner'schen Drüsen kurz als ein cylindrisches, dessen Kerne sich am äusseren der Mem- brana propria zugekehrten Zellenende befinden und dessen Zellsub- stsmz sich durch Karmin nur schwach färbt Ich habe bei meinen Untersuchungen über die betreffenden Structurverhältnisse einen be- sond^^n Werth darauf gelegt, die f r isch en Drüsenzellen zu studiren. Da nun aber die frischesten menschlichen Duodena, welche ich er- halten koinnte, bereits 12 Stunden alt waren, so sah ich mich ge- Döthigt, Jtoie Stadial zunächst an den Brunner'schen Drüsen des

106 Dr. G. Sohwalbe:

Schweines anKostellen, die sich von allen von mir antereoichten denen des Menschen am ähnlichsten verhalten.

Bringt man ein Stückchen einer solchen Drüse ganz frisch in Jodsenim oder Kochsalzlösung von Vs Vo ^^^ den Objektträger und betrachtet nun solche Alveolen, welche noch ganz von ihrer glatt sich an die Drüsenzellen anschmiegenden Membrana propria um- schlossen sind, so erkennt man noch keine Andeutung von Zellen- grenzen innerhalb der Alveolen. Die ganze Blase wird von einer dichten Masse rundlicher matt glänzender Körner erfüllt, die weder die Kerne der Drüsenzellen noch den centralen Hohlraum des AI- veolus erkennen lassen. Erst nach einiger Zeit bemerkt man auf der Oberfläche der Alveolen von hellen Linien eingeschlossene poly- gonale Figuren, von deren Ecken sich ähnliche Linien gerade durch die Zellsubstanz hindurch zum Lumen verfolgen lassen. Ich werde unten ausführlich auf die Bedeutung dieser Linien zurückzukommen haben, bemerke aber gleich hier, dass dieselben nicht etwa der op- tische Ausdruck feiner den Drüsenzellenhaufen in einzelne Zellen zerlegender Membranen sind, sondern dass sie ein feines Kanal- system repräsentiren , welches den Drüsenzellenhaufen durchsetzt Zugleich mit den erwähnten Kanälchen werden nun an einigen Stellen, besonders deutlich an den Bändern des Alveolus, Kerne deutlich, die durch ihre sonderbare Gestalt ausgezeichnet sind. Während sie nämlich in der Flächenansicht kreisrund erscheinen, zeigen sie sich in der Profilansicht halbmondförmig, die convexe Seite des Halbmonds der Membrana propria, die concave dem In- nern des Alveolus zukehrend. In wie weit die beschriebene Gestalt den während des Lebens vorhandenen Formverhältnissen entspricht, kann ich nicht entscheiden, da ja Kerne in ganz frisch untersuchten Drüsenblasen überhaupt nicht wahrgenommen werden konnten. Ich kann also dur aussagen, dass die Kerne der Drüsenzellen des Schweines die beschriebene Form zeigen, sobald sie überhaupt an frisch in indifferenten Flüssigkeiten untersuchten Alveolen zur Be- obachtung kommen. Sie erscheinen dann zugleich stets homogen, ohne Spur von körnigen Niederschlägen.

Sucht man nun durch Zerzupfen frischer Drüsaistückchen in indifferenten Flüssigkeiten die Drüsenzellen zu isoliren, so gelingt dies nur höchst unvollständig. Man erhält meistens die Zellen eines Alveolus als eine zusammenhängende von der Membrana pro- pria entblÖBSte Masse, in der zunächst wieder der Beichthom an den

Beitrige cor Kenntnias der Drfiaen in den Dannwandnngen etc. 107

erwähnten kleinen Körnern auffällt (Fig. 2). Solche Zellenhaufen kssen femer nach aussen keine scharfe Begrenzung erkennen, die etwa auf Zelhnembranen zu beziehen wäre. Ebensowenig sieht man aber in ihrem Inneren Zellengrenzen oder auch nur Andeutungen eines Zerfalls in Zellen. Bd Einstellung auf die Oberfläche ist nichts von den erwähnten polygonalen Figuren zu sehen. Nur die Existenz von Kernen, welche ziemlich regelmässig auf der Ober- ffiiche des Haufens yertheilt liegen, deutet auf eine Zusammen- setzung aus Zellen hin. Die Kerne zeigen in diesem Falle aber eine andere Gestalt : sie sind biconvexe kreisrunde oder ovale Schei- ben und durch einzelne Körnchen im Innern getrabt. Wahrschein- lich ist eine leichte Quellung die Ursache dieser Formveiiln- deruDg der Kerne; eine solche Quellung wird auch bei vorsichtigster Wahl der Zusatzflüssigkeit nicht ausbleiben und betrifft auch die die Körner verbindende Substanz des Drüsenzellenhaufens in ge- ringem Masse, indem die peripherisch gelegenen Kömer mehr aus- einander gerückt erscheinen, als die im Innern des Haufens befind- lichen. Besonders sind kleinere abgelöste Stückchen Quellungser- scheinungen ausgesetzt.

Die eben beschriebenen frisch aus der Membrana propria iso- lirten Drnsenzellenhaufen dienten nun zunächst dazu, die Einwir- kung einiger Reagentien auf die frische Drüsenzellsubstanz zu Studiren.

Auf Zusatz von Essigsäure werden, wie überall, so auch hier die Kerne sehr deutlich und bildet sich in ihnen ein kömiger Nie- derschlag. Die in die ZeUsubstanz eingebetteten Kömchen verblas- sen rasch und werden schliesslich ganz unsichtbar. Während nun durch dies Verhalten der Kömer eine .bedeutende Aufhellung der Zellsubstanz erzielt wird, tritt andererseits wieder eine Trübung derselben dadurch ein, dass auf Essigsäure-Zusatz in ihr ein fein- kömiger Niederschlag entsteht, der in concentrirter Essigsäure sich nicht wieder löst Jedoch erscheinen die Zellen trotz dieses Nie- derschlages noch heller, als im frischen Zustande, da ja die Kömer verschwunden sind. Man erkennt deshalb jetzt auch in der fem- körnig getrübten Substanz leicht einige kleine glänzende Kömchen, die ich für Fettkömchen halte.

Auf Zusatz von Kalilauge zu einem frischen Drüsenzellenhau- fen qaillt derselbe stark unter bedeutender Aufhellung seiner Sub- stanz; letztere vrird wieder dadurch bedingt, dass die Kömer ver-

106 Dr. 6. Schwalbe:

blassen und schliesslich unsichtbar werden. Hat man sehr verdünnte Kalilauge einwirken lassen, so kann man durch vorsichtiges Aus- waschen des Präparats mit Wasser die Kömer wieder sichtbar machen; letztere erscheinen dann als kleine äusserst blasse Kreise, die aber in der gequollenen Grundsubstanz weiter von einander ab- stehen, als im frischen Zustande. Fettkömchen werden ebenfalls sehr deutlich sichtbar. Die Veränderungen des Kerns sind nur bei vorsichtigem Zusatz dfinner Kalilauge zu studiren. Er schwillt dabei zu einer blasscontourirten homogenen Kugel an, die bei stär- kerer Einwirkung des Alkali ziemlich plötzlich verschwindet. Eine eigenthümliche Anordnung zeigt die DrQsenzellsubstanz auf Zusatz von Kalilauge, wenn sie noch von der Membrana propria umschlos- sen ist. Der Alveoleninhalt erscheint dann eigenthQmlich streifig angeordnet ; Kern und Körner verhalten sich wie vorhin. Schliess- lich zerreisst die Membrana propria in Folge der eingetretenen Quel- lung der von ihr eingeschlossenen Substanz und es wird nun der Inhalt des Alveolus durch die entstandene Oefihung der Propria als eine feinstreifige in der umgebenden Flüssigkeit sich alsbald büschel- förmig ausbreitende Substanz entleert. Bei längerer Einwirkung des Reagens schwindet schliesslich auch die streifige Beschaffenheit wieder. Ganz ähnliche Veränderungen sah ich nach Anwendung anderer Alkalien, besonders des Ammoniaks, in den Alveolen ein- treten.

Von Mineralsäuren habe ich die Einwirkung der Salzsäure auf die Zellsubstanz der Brunner'schen Drüsen studirt. Die genannte Säure trübt in jeder Goncentration die Zellsubstanz, besonders aber wenn sie concentrirt in Anwendung gebracht wird. Eine massige Trübung der Drüsenzellen tritt femer ein beim Kochen der Drüsen. Diese Verdunkelung der Substanz rührt aber nicht her vom Ent- stehen eines feinkörnigen Niederschlags, wie lULch der Einwirkung der Essig- oder Salzsäure, sondern wird lediglich durch eine Ver- mehrung der Körner * bedingt, indem sich neben den ursprünglichen Drüsenkörnera kleine homogene Kügelchen von verschiedener Grösse abgeschieden haben.

Im Innern der die Drüsenzellenmasse durchsetzenden oben erwähnten Kanälchen findet man ebenfalls Niederschläge, auf deren Natur ich unten zurückkommen werde.

Wasser hellt bei längerer Einwirkung den Inhalt der Alveolen bedeutend auf, was auf eine Quellung der Gmndsubstahz und ein

Beitrage Eor SenntniBs der Ihibeii in den Darmwandangen eic. lOft

YerblasseD der darin eingebetteten Körnchen zurückzuführen ist, ohne dass letztere jedoch sich dabei lösten. Die Kerne erscheinen ausserordentlich klar, homogen und kugelrund, die dem Kanäkhen- netz entsprechenden polygonale Figuren einschliessenden Linien an der Oberfl&che der Alveolen sind sehr deutlich. Auf Zusatz von 6Iycerin tritt eine noch grössere Aufbellung ein, indem ein Tfieil der Körner nach längerer Einwirkung der genannten Flüssigkeit sich löst

Endlich noch einige Worte über das Verhalten der einzelnen Zellentheile zu färbenden Substanzen. Jod in (Jodkalium gelöst) färbt die Zellkerne intensiv braungelb; dieselben erscheinen dabei koglig und homogen. Die Zellsubstanz dagegen färbt sich nur hellgelb, aber in durchaus gleichmässiger Weise, während die in ihr eingebetteten Kömer sich gar nicht zu färben scheinen. Ganz ähnlich verhalten sich die einzelnen Bestandtheile der Zellen bei Tinctionsversuchen mit karminsaurem Ammoniak. Während die Kerne intensiv roth gefärbt werden, nimmt die Grundsubstanz der Zellen nur eine hdlrosa Farbe an ; die Kömer färben sich gar nicht

Weitere Aufschlüsse über den Bau der Drüsenzellen erhält man durch die Untersuchung derselben im isolirten Zustande. Eine Isolation gelingt hier, wie bei allen Drüsen, leicht durch Behand- lung mit Müll er 'scher Flüssigkeit oder dünnen Chromsäure- lösnngen.

Untersucht man noch unversehrte Alveolen von Drüsen, die in Müller 'scher Flüssigkeit aufbewahrt waren, so bemerkt man sofort sehr leicht dicht unter der Membrana propria die Kerne der einzehien Zellen, deren je einer in einer Masche des polygonalen Kanälchennetzes der Oberfläche liegt Isolirt man nun durch Zer- zupfen der Alveolen die Zellen, am besten unter Zusatz halb mit Wasser verdünnter Müller 'scher Flüssigkeit, so erscheinen die- selben als cylindrische Gebilde, oft mit scharfen Seitenkanten ver- sehen; am peripherischen Ende tragen sie den in der Seitenansicht elliptisch erscheinenden kömig getrübten Kern. Der letztere wird nach aussen häufig noch von einer dünnen Lage von Zellsubstanz fiberzogen, die aber an dieser Stelle homogen, ohne Kömchen er- scheint Der übrige Theil des Zellkörpers ist mit hellen Körnern erfüllt, die sich etwas anders verhalten, als die frischer Zel- lenhaufen. Während letztere nämlich kugUg oder ovoid und fast

110 l)r. 0. Sohwalbe:

alle von gleicher Grösse sind, besitzen die KÖmer der durch die Mttller'sche Flüssigkeit isolirten Zellen eine sehr verschiedene Grösse und sind oft auffallend eckig. Ueberdies lösen sie sich nicht in Essigsäure, sondern leisten viehnehr der Einwirkung dieses Rea- gens energischen Widerstand. Zerzupft man nun die Acini statt in halb verdünntem liquor MüUeri in Wasser, so zeigen die isoUr- ten Zellen fast sämmtlich Quellangserscheinungen. Die Zellen neh- men an Um&ng beträchtlich zu, erscheinen nicht mehr regelmässig cylindrisch, sondern unregelmässig polyedrisch; namentlich fällt es auf, dass ihr centrales dem Lumen des Alveolus zugekehrtes Ende bedeutender anschwillt, als das periphere Kerne tragende Ende, das fast unverändert bleibt (vergl. Fig. 7 b und d). Dies Verhalten lässt darauf schliessen, dass um den Kern herum die Zellsnbstanz dichter, weniger quellbar ist, als am entgegengesetzten Ende der Zelle. Bei der Quellung wird auch eine eigenthümliche Art der Vertheilung der Kömer sichtbar. Sie erscheinen häufig innerhalb der Zellsubstanz in Linien angeordnet, welche polygonale Figuren bilden, kömerfreie Maschen zwischen sich lassend (s. Figur 7 b). Solche Zellen ehnnem auffallend an Abbildungen, welche Pflü- ger*) von den Drüsenzellen der Leber gibt. In manchen Fällen zeigen sich die Kömer noch verbunden durch Stränge einer zarten Substanz, die etwas dichter erscheint, als die in den Maschenräumra befindliche.

Ein ganz besonderes Interesse muss nun ferner die Unter- suchung der Ränder und Flächen der auf die beschriebene Weise isoliiten Zellen in Anspruch nehmen. Diese lehrt zunächst, dass eine Zellmembran nicht existirt. Gegen die Existenz einer sol- chen sprach bereits das Verhalten der im frischen Zustande aus den Alveolen entleerten Zellenhaufen, die aus innig verschmoksenen Zel- len ohne Spur trennender Membranen bestehen. Nun bemerkt man zwar bei Profilansicht nach Behandlung mit Müll er 'scher Flüssigkeit isolirter DiHsenzellen sehr häufig, namentlich am Kern- ende und den in natürlicher Lage den Nachbarzellen zugekehrten Seiten, sehr scharfe Gontouren (Fig. 7 a, c, d) ; zuweilen erscheinen dieselben auch an der dem Lumen zugekehrten Seite (Figur 7 d);

1) Ueber die Abh&ngigkeit der Leber Ton dem Nerventystem. Pfiü- ger's ArduT Bd. n Fig. 2.

Beiträge lar Kenntmn der Drftsen in den Dannwandnngen etc. 111

es lisst sich aber in allen Fällen leicht zeigen, dass dieselben nicht der Ansdrack einer amhiUIenden Zellmembran sein können. Zu- nächst ftllt es nämlich anf, dass fast keine Zelle vollständig von maa scharfen Saume umzogen wird; es fehlen vielmehr fast im- mer tinige Stacke desselben, besonders häufig an der dem DrQsen- lamen sagekehrten Seite. Rollt man nun unter dem Deckgläschen die Zellen vorsichtig um ihre Längsaxe, so sieht man sehr deut- lich, dass diese scharfen Linien durchaus nicht Durchschnitte einer Membran, sondern wirklich nur schmale auf der Oberfläche der Zelle aafli^;ende Streifen einer homogenen glänzenden Substanz darstellen.* Ebenso stellt es sich heraus, dass die Linien, welche zaweilra an isolirten Zellen einen peripheren oder centralen Ab- sehluss der Zellsubstanz bilden, ähnliche schmale Streifen homoge- ner glänzender Substanz sind, welche den Rändern dieser Zellen- Endflächen sich anschmiegen. Die erwähnten Streifen sind Oberall von measbarer Breite und zerbröckeln sehr leicht, sodass man sie selten unversehrt einen ganzen Seitenrand einer Zelle einnehmen sieht, sondern meist nur Rudimente davon in Gestalt verschieden langer glänzender homogener Stäbchen der Zellenoberfläche anhaf- tend wahrnimmt (Fig. 7 b und e). Die kleinsten dieser Stäbchen gleichen ganz den eckigen Körnern im Innern der Drfisenzellen aus Maller 'scher Flüssigkeit, und vermochte ich überhaupt keinen diemischen und physikalischen Unterschied zwischen den auf der Oberfläche der Zellen befindlichen leicht zerbröckelnden Streifen und den Körnern im Innern der Zellen aufzufinden. Die grosse Resi- stenz gegen Essigsäure zeigen die Streifen der Oberfläche in nicht minderem Masse, wie die Kömer.

Für die DrQsenzellen, welche nach Maceration in Ghromsäure- lösungen von V»o% isolirt wurden, gilt nun, was die Zellsubstanz, Körner und Streifen der Ob^äche betrifft, dasselbe wie fOr die Zellen ans Müller 'scher Flössigkeit Nur der Kern verhält sich wesentlich anders; er erscheint in den Ghromsäure-Präparaten nicht körnig und ellipsoidisch, sondern homogen und kuglig (Fig. 8 b).

In den Prälaten aus Mülle rascher Flüssigkeit oder Ghrom^ nure-LSsungen traf ich nun sehr häufig Zellformen denen vergleich- bar, welche Heidenhain^) aus den Speicheldrüsen beschreibt und

1) BeiMge bot Lehre von der Speichelabsondenmg. Stadien deBphyno- logücken Instituts su Breslau. 4. Heft p. 12 n. la

lld Dr. 0. Schwalbe:

abbildet UDd BoU *) bestätigend erwähnt. Diese Zellen sind in der Profilansicht ausgezeichnet durch einen spitzen schnabelförmigen Fortsatz, welcher von der Gegend des Kernes senkrecht zur Längs- axe der Zelle abgeht, sich dicht unter der Membrana propria hal- tend; so kommt es, dass er sich dachziegelförmig über die periphe- rische Fläche der anstossenden Zelle hinflberlegt (s. Figur 8 a); diese schickt wieder einen ähnlichen Fortsatz über die folgende hin- aus u. s. f.

Nur in der Seitenansicht zeigen indessen die Fortsätze die abgebildete Gestalt. Um ihre wahre Natur zu erkennen, wird es nothwendig, sich eine Flächenansicht der peripherischeif Endfläche isolirter Zellen zu verschaffen. Dann erscheinen die erwähnten Fortsätze als breite schuppenförmige dünne Platten, die sich über einen mehr oder weniger grossen Theil des peripherischen Endes der Nachbarzellen hinüberlegen. Weil sie bei der Flächenansicht zart und glanzlos erscheinen, werden sie leicht übersehen, beson- ders dann, wenn sie noch Nachbarzellen decken; erst durch Rollen der betreffenden Zellen oder Zellengruppen unter dem Deckgläschen überzeugt man sich, dass die zarten schuppenför- migen Fortsätze der Flächenansicht vollständig den schnahelför- migen Fortsätzen der Seitenansicht entsprechen. In allen Fällen erscheinen diese Fortsätze homogen, ohne Kömchen, in der Seiten- ansicht oft so glänzend, wie die Zellkerne; oft zeigte sich sogar die Grenze zwischen Fortsatz und Kern verwischt (Figur 8 a), so- dass es den Anschein hat, als werde der Fortsatz vom Kerne ge- bildet. Er nimmt dann, wie bereits Heidenhain bemerkt, bei der Karmmtinction die intensiv rothe Farbe des Kerns an. In an- deren Fällen habe ich jedoch den Kern scharf vom Fortsatze abge- grenzt gefunden.

Es fragt sich nun, ob wir in den eben beschriebenen ZeUen- formen etwas den natürlichen Verhältnissen Entsprechendes vor uns haben.

Diese Frage glaube ich einfach bejahen zu können. Denn nach Anwendung einer ganz anderen Methode, welche geeignet ist, eiweisshaltige Formenelemente in ihrer natürlichen Gestalt isolirt

1) Beiträge zur mikroskopiachen Anatomie der acindsen Drüien. Berlin 1869 p. 28.

BeitT&ge cur Kenntnias der Drusen in den Darmwandungen eto. 118

ZOT Anschauung zu bringen, nämlich nach Behandlung der Brun- ner'scher Drasen mit Kalilauge von 85 %, habe ich ganz ent- sprechende schuppenförmige zarte Fortsätze bei einer noch grösse- ren Zahl von Zellen wahrgenommen. An einer Präexistenz dieser Fortsätze dürfte also wohl kaum noch zu zweifeln sein. Dass man an frischen Präparaten nichts von ihnen sieht, ist erklärlich genug, wenn man bedenkt, dass da die Zellen eine zusammenhängende Masse bilden. Anders steht es freilich mit der Frage, ob allen Drüsenzellen der Brunner'schen Drüsen die Fortsätze zukom- men, oder ob nur einzelne dadurch ausgezeichnet sind. Mit Rück- sicht hierauf lässt sich zunächst aussagen, dass die Zellen mit Fortsatz sich von den anderen derselben Drüsen, abgesehen vom Fortsatz, in nichts unterscheiden. Femer steht die Thatsache fest, dass man, je schonender die Zellen behandelt werden, desto mehr mit Fortsätzen versehene antrifft; so nach Behandlung mit Kali- lange von 35 o/o) ^0 die Zellen leicht auseinander fallen, während man die mit MüUer'scher Flüssigkeit oder Chromsäure behan- delten Drüsen sorgfältig zerzupfen muss, um die Zellen zu isoliren. In letzterem Falle werden die zarten Fortsätze bei der Isolation leicht abbrechen.

Aber auch noch auf eine andere Weise können die Zellenfort- Sätze unsichtbar werden. Es wurde bereits oben erwähnt, dass die Zellen aus MüUer'scher Flüssigkeit in Wasser Quellungserschei- nungen zeigen. Untersucht man solche Präparate, so wird man die isolirt liegenden Zellen verunstaltet finden ; sie haben ihre cylin- drische Gestalt verloren und von einem Fortsatz ist nichts mehr zu erkennen. Dass in der That die Untersuchung in Wasser der Beobachtung von Zellenfortsätzen hinderlich ist, beweist der Um- stand, dass letztere bei der Anwendung verdünnter MüUer'scher Flüssigkeit als Zusatzflüssigkeit viel zahlreicher beobachtet werden. Nach Allem bin ich geneigt, die beschriebenen Fortsätse allen Zellen zuzuerkennen, wobei ich jedoch die Möglichkeit nicht in Abrede stellen will, dass die Fortsätze eine verschiedene Länge besitzen können.

Der feinere Bau der Zellen der Brunner'schen Drüsen stellt sich nm nach den. bisher gemachten Angaben folgendermassen heraas. Im frischen Zustande kann man an einer jeden Zelle (resp. Zellenterritorium) drei verschiedene Bestandtheile wahrnehmen : den Kern, die homogene Grundsubstanz der Zelle und die darin

M. SdnllM. ArdilT. f. mikrotk. Anatomie. Bd. 8. 8

114 Dr. 0. Sohwalbe:

eingebetteten Körner, lieber die Beschaffenheit des Kerns habeich keine genaueren Studien gemacht. Es folgt aus den obigen An- gaben, dass derselbe zum grössten Theile aus einer (oder mehre- ren?) eiweissartigen Substanz besteht. Die Zellgrundsubstanz muss man sich dagegen nach meinen Untersuchungen zusammengesetzt denken aus einem Gemenge von mindestens drei chemisch differenten Körpern, von denen zwei in annähernd gleichartigem Gemenge die Grundlage der Zelle bilden, die dritte dagegen darin unregelmässig vertheilt ist. Die beiden gleichartig gemengten Substanzen zeigen ein dichteres GefÜge ihrer Theilchen in der Umgebung des Kerns, während sie nach der entgegengesetzten Seite hin lockerer angeord- net sind. Es sind dies eine eiweissartige Substanz (Beweis: Nie- derschlag durch concentrirte Mineralsäuren, Färbung durch Jod und Karmin etc.) und Mucin (Niederschlag durch concentrirte Essigsäure). Die eiweissartige Substanz ist selbst nach Behandlung der Zellen mit absolutem Alkohol als gleichmässig in den Zellen vertheilt nach- zuweisen, da in diesem Falle die gelbe Färbung der Grundsubstanz durch Jod, die rosa Färbung durch Karmin in derselben gleichmäs- sigen Weise eintritt. In diesem gleichmässigen Gemenge von Ei- weiss und Mucin liegen nun Theilchen einer anderen sehr differen- ten und eigenthümlichen Substanz zerstreut; dieselbe ist frisch nicht von der Grundsubstanz der Zelle zu unterscheiden, sie gerinnt aber beim Kochen, bei der Behandlung mit absolutem Alkohol zu kör- nigen Ausscheidungen, die durch Jod und Karmin nicht gefärbt werden ; sie ist ferner löslich in Kochsalzlösungen^^von 10 %. Diese Substanz ist ganz identisch mit derjenigen, welche zur Entstehung der scharfen Linien und polygonalen Netze innerhalb der Alveolen Veranlassung gibt, auf die ich im Zusammenhange unten zurückzu- kommen habe.

In der Grundsubstanz vertheilt liegen endlich die Körnchen. Dieselben sind zweierlei Natur. Der bei weitem kleinere Theil der- selben sind Fettkörnchen, die grössere Zahl dagegen Kömer, wie sie in ähnlicher Weise auch in den Speichel- und Schleimdrüsen vor- kommen; ich will sie als Drüsenkömer bezeichnen. Sie sind löslich in Essigsäure, Kalilauge, Ghromsäure und Müller'scher Flüssig- keit, scheinen sich aber nur sehr schwer in reinem Wasser zu lösen ; dagegen wirkt Glycerin entschieden lösend auf sie ein. Ob die Kör- ner, welche man an Alkohol-Präparaten in den Zellen bemerkt, noch zum Theil mit ihnen übereinstimmen, oder alle als Nieder-

Beiträge zur Kenntniss der Drüsen in den Darmwandungen etc. 115

schlag8*Körner zu bezeichnefn sind, kann ich nicht mit Sicherheit entscheiden. Welche Bedeutung den Drüsenkörnern im Haushalt der Zelle zukommt, darüber kann man bis jetzt nur Vermuthungen aussprechen. Möglich wäre es, dass wir in ihnen eine als Ferment wirkende Substanz zu erkennen hätten, wofür ihre Löslichkeit in Glycerin sprechen würde.

Das in vorstehenden Zeilen von den Drüsenzellen des Schwei- nes entworfene BiM passt nun auch in allen wesentlichen Stücken auf die Zellen der Brunner'schen Drüsen des Menschen und des Rindes. Die Brunner'schen Drüsen der anderen im Eingange genannten Thiere zeigen ebenfalls keine wesentliche Abweichung von den geschilderten Verhältnissen. Nur die Zellen der betreffenden DrOsen des Hundes verhalten sich etwas anders. Wie wir unten sehen werden, lassen sich die zelligen Elemente der Brunner'schen Drflsen des Menschen, des Schweines etc. stets sehr leicht von de- nen der Lieberkühn'schen unterscheiden; beim Hunde dagegen sind diese Differenzen nicht so auffallend, sodass man bei flüchtiger Untersuchung zu der Ansicht gelangen könnte, es seien die Branner'schen Drüsen dieses Thieres nichts weiter, wie besonders entwickelte, verästelte und zu einem Knäuel aufgewickelte Lieber- ktthn*sche Drüsen. Die Gestalt ihrer Zellen (vergl. Fig. 9 a) entspricht nämhch einem längeren Cylinder, als die der analogen Drüsenzellen des Schweins ; überdies quellen erstere viel weniger leicht, wie letz- tere, sind überhaupt von festerer Consistenz. Was aber trotzdem die Brunner'schen Drüsenzellen des Hundes leicht von denen der Lieberkühn'schen Drüsen unterscheiden lässt, ist die Thatsache, dass erstere nach längerem Liegen in MüUer'scher Flüssigkeit stets noch sehr kömig erscheinen, während letztere nach dieser Behand- longsweise homogen geworden sind.

Eine andere Eigenthümlichkeit der Brunner'schen Drüsen des Hundes besteht darin, dass in ihnen ausser der gewöhnlichen Art von Drüsenzellen noch eine zweite eigenthümliche Zellform vor- kommt. Solche Zellen liegen nur sehr vereinzelt eingekeilt zwi- schen den gewöhnlichen Drüsenzellen. Ich bin auf sie an Präparaten aus MüUer'scher Flüssigkeit aufmerksam geworden und habe in Fig. 9 b eine solche noch in ihrer Lage neben einer gewöhnlichen Drfisenzelle abgebildet. Dieselbe besitzt eine keulenförmige Gestalt und trägt in der der Membrana propria zugekehrten kopfformigen Anschwellung einen runden feingranulirten Kern. In einigen Fällen

116 Dr. G. Schwalbe:

(Fig. 9c) geht von diesem Ende noch ein kurzer spitzer Fortsatz nach aussen, in anderen ist das centrale dem Drüsenlumen zuge- kehrte Ende knotig geschwollen (Fig. 9d). Man kann diese Zellen als Keulenzellen bezeichnen. Ob auf ihre Existenz gewisse Bilder die man bei Einstellung auf die Oberfläche der Alveolen zuweilen wahrnimmt, zurückzuführen sind, oder wie letztere sonst zu erklä- ren, muss ich unentschieden lassen. Man sieht nämlich bei der Einstellung auf die Oberfläche der Alveolen zuweilen in die Mosaik der gewöhnlichen Drüsenzellen kleine polygonale, homogene glän- zende Felder eingeschaltet (Fig. 10 a und b). Es liegt nahe, die- selben in Beziehung zu den oben beschriebenen Keulenzellen zu bringen, doch ist es mir nicht gelungen^ dies mit Bestimmtheit nachzuweisen.

Das Kan&lchennetz zwischen den Drflsenzellen.

In vorstehenden Zeilen wurden wiederholt innerhalb der Al- veolen liinien erwähnt, die einerseits dicht unter der Propria ein Netzwerk mit polygonalen Maschenräumen bilden, andererseits von den Knotenpunkten dieses Netzwerkes aus sich in gerader Richtung durch die Drüsenzellsubstanz bis zum Lumen verfolgen lassen. Ich erwähnte bereits oben, dass dieselben einem Systeme feiner Kanäl- chen entsprechen und hätte ich nun hier die Beweise fär diese Ansicht beizubringen, zunächst die Ansicht zurückzuweisen, als seien die erwähnten Linien der Ausdruck die einzelnen Drüsenzellen voll- ständig von einander trennender Membranen. Instructiv sind in dieser Beziehung Schnitte in absolutem Alkohol erhärteter Drüsen.

Betrachtet man Schnitte, die nicht von besonderer Feinheit sind, bei massiger Vergrösserung, so hat es den Anschein, als wenn in der That scharf und vollständig von einander abgegrenzte Cy- linderzellen in einfacher Lage die Drüsenschläuche und Alveolen auskleiden. Man erkennt scharfe Linien, welche in der Seitenan- sicht Zelle von Zelle sondern, und bemerkt femer, sobald man auf die Oberfläche eines Schlauchstückes oder Alveolus eingestellt bat, ein schönes Netzwerk ähnlicher Linien mit polygonalen Maschen- räumen, in deren jedem ein Kern liegt. Wenn man nun aber mög- lichst feine Schnitte mit starken Objectiven betrachtet, so kommt man bald zu einer anderen Ueberzeugung. In Fig. 11 habe ich möglichst getreu ein SchnittpriLparat abgebildet, in welchem ein

Beitrmge zur Kenntniss der Drüsen in den Darmwandungen etc. 117

Schlauchstück der Länge nach getroffen erscheint, sodass die das- selbe auskleidenden Drüsenzellen im Profil zur Beobachtung kom- men. Man sieht nun hier keineswegs regelmässig abgegrenzte neben einander liegende cylindrische Zellen ; es fällt vielmehr auf, dass nur wenige schmale scharfbegrenzte Streifen in gerader Richtung von der Membrana propria bis zum Lumen ziehen, während andere vom Lumen aus nur etwa bis in die Mitte der kömigen Zellsubstanz hineindringen, noch andere von der Membrana propria ausgehend ebenfalls schon in der Mitte ihres Weges zum Lumen aufhören, da durch den Schnitt die Fortsetzung dieser Linien beseitigt ist. Ausser diesen schmalen scharfen, deutlich von zwei annähernd parallelen Contouren begrenzten glänzenden Streifen sieht man keine Spur von Trennungslinieu der Zellen innerhalb des Schlauchstücks. Der Feinheit des Schnittes entsprechend vermissen wir auch die Kerne der Zellen au einigen Stellen des Schnittes, während sie an anderen sich als elliptische oder halbmondförmige Figuren dicht unter der Membrana propria zeigen.

Es geht bereits aus diesen Präparaten unzweifelhaft hervor, dass die scharfen glänzenden Linien der Profilansicht der Drüsen- zellen nicht etwa die Durchschnittsbilder trennender Membranen oder allseitig die Drüsenzellen umgebender capillärer Hohlräume sind. Dasselbe lehren aber auch dickere Schnitte, wenn man sie bei verschiedener Einstellung betrachtet. Hat man die betrefifenden Linien scharf eingestellt und hebt oder senkt nun den Tubus nur ein wenig, so werden sie rasch undeutlich und verschwinden, eine Tbatsache, die nur mit der Annahme zu vereinbaren ist, dass die erwähnten Linien der Ausdruck fadenförmiger Gebilde sind, welche die sonst nicht getrennte Drüsenzellsubstanz in mehr oder weniger gerader Richtung von der Membrana propria nach dem Lu- men des Schlauches hin durchsetzen. Dasselbe gilt für die Linien- netze mit polygonalen Maschen unter der Membrana propria: bei Einstellung auf die Oberfläche der Alveolen und Schläuche erschei- nen sie sehr scharf, beim Senken des Tubus verschwinden sie aber viel eher, als das Lumen des Schlauches sichtbar wird. Ueberdies stimmen sie mit den zum Lumen ziehenden Linien im Aussehen vollständig überdn; beide bilden ein zusammenhängendes System, indem die die Zellsubstanz durchsetzenden Linien an den Kno- tenpunkten des oberflächlichen Liniennetzes mit diesem zusammen- hängen.

118 Dr. G. Schwalbe:

Fragen wir nun nach der Bedeutung des beschriebenen Linien- systems, so fällt uns zunächst die grosse Uebereinstimmung in der Anordnung desselben mit der Anordnung der feinsten Drüsenkanäl- chen, wie wir sie durch Gianuzzi^) und Saviotti*) in demPan- creas, durch Pflüg er 3) und Ewald^) in den Speicheldrüsen kennen gelernt haben, auffällig in die Augen. Eine vollständige Identifici- rung beider stösst aber auf gewisse Schwierigkeiten. Anstatt als leere Kanälchen erscheinen nämlich die fraglichen Gebilde als so- lide von zwei annähernd parallelen Contouren begrenzte, homogene glänzende Bälkchen, die sich gegen die verschiedensten Reagentien, gegen Säuren und Alkalien sehr resistent zeigen und darin, wie in ihrem optischen Verhalten mit einem Theil der im Innern der Drüsenzellsubstanz vorhandenen, mehr oder weniger eckig erschei- nenden Körner übereinstimmen. Alkoholpräparate zeigen also ein ganz analoges Verhalten, wie Präparate aus Ghromsäure oder Mul- ler'scher Flüssigkeit, wo die den Kanten der isolirten Zellen an- haftenden glänzenden Streifen in AUem den im Innern A&r Zellen befindlichen Körnern glichen. Ein Zerbröckeln dieser Bälkchen kann man auch an Alkohol-Präparaten beobachten. Es kommt häufig vor, dass dieselben nicht überall gleich dick sind, schmalere Stellen besitzen, und oft sind Stückchen von ihnen in Folge der Schnitt- fUhrung der Art abgelöst, dass sie frei in das Lumen des Schlauches hineinragen (Fig. 1 1 bei a). Es lassen sich also diese Gebilde i s o- liren.

Femer ist für die Beurtheilung derselben die Thatsache von Wichtigkeit, dass man auch auf der freien dem Drüsenlumen zugekehrten Fläche der verschmolzenen Drüsenzellen ähnliche solide Stäbchen oder Bälkchen findet. Hier können letztere sogar allerdings ist dies nur selten der Fall zur Entstehung ähn- licher polygonale Maschen einschliessender Netze Veranlassung ge- ben, wie man sie auf der äusseren Oberfläche der Alveolen und

1) Reoherches sur la structure intime du Pancreas. Gomptes rendug. LVIII.

2) ünterBuchungen über den feineren Bau des Pancreas. Dieses Archiv. Bd. y 1869.

3) Die Endigung der Absonderungsnerven in dem Pancreas. Nachsohrift. Dieses Archiv. Bd. Y. p. 208.

4) Beiträge zur Histiologie u. Physiologie der Speicheldrüsen des Hundes. Inaugural-Dissertation. Berlin 1870.

Beitrage zar Kenntnius der Drüsen in den Darmwandungen eto. 119

Schläuche trifft. Beide Systeme polygonaler Maschenraume corre- spondiren dann mit einander und entsprechen die äasseren den äusseren Endflächen der Drüsenzeilen, die inneren den inneren dem Lumen zugekehrten Endflächen derselben, während die Seitenflächen der Drflsenzellen mit denen der Nachbarzellen, wie bereits oben be- richtet wurde, verschmolzen sind, mit Ausnahme der Stellen, wo die von der Propria zum Lumen ziehenden radiären Kanälchen sich zwischen sie einschieben. Die auf der inneren dem Drüsenlumen zugekehrten Fläche der Zellen aufliegenden Bälkchen oder Stäbchen kommen nun für gewöhnlich höchst unregelmässig vertheilt vor, da ja hier am leichtesten Stückchen derselben abbröckeln werden; wahrscheinlich liegen sie hier in seichten Furchen. In dem in un- serer Figur dargestellten Präparat sind einige dieser Bälkchen in ihrer ganzen Länge erhalten (bei b, Fig. 11) und grenzen dann an den betreffenden Stellen die Drüsenzellsubstanz nach Art einer Membran scharf gegen das Lumen ab. An anderen Stellen dagegen ist nichts davon zu sehen, theils weil der Schnitt solche Bälkchen nicht ge* troffen hat, theils weil sie abgebröckelt sind.

Wir haben oben bereits die grosse Uebereinstimmung im Ver- laufe und in der Anordnung der beschriebenen Bälkdien mit den sogenannten Drüsengangcapillaren des Pancreas und der Speichel- drfisen hervorgehoben und als einzigen Unterschied kennen gelernt, dass an Alkohol-Präparaten die betreffenden Gebilde solide sind, während man die analogen Theile des Pancreas und der Speichel- drüsen als injicirbare Kanälchen kennt. Wir wir aber bereits im Abschnitt über den feineren Bau der Drüsenzellen bemerkt haben, erscheinen an frischen Alveolen die polygonale Maschen bildenden Netze und radiären Linien als mit Flüssigkeit gefüllte feine Kanäl- chen und stehe ich nicht an, diese den Drüsencapillaren des Pan- creas und der Speicheldrüsen gleich zn setzen, zumal da Saviotti 0 gezeigt hat, dass man den directen Uebergang der injicirten Kanäl- chen in solche nicht injicirte beobachten kann, und berufe ich mich dabei auf die Figur 4 seiner Abhandlung. Ich habe mich nun be- müht, auch für die Brunner'schen Drüsen diesen directen Beweis durch Injectionen zu liefern. Ich band zu diesem Zwecke ein fri- sches Duodenalstück an beiden Enden fest zu und injicirte gelöstes Berliner Blau durch Einstich in das Lumen des Dannstückes in der

1) L. c p. 407.

120 Dr. G. Schwalbe:

Hoffnung, es möchten auf diese Weise einige Drüsengänge der Brunner'schen Drüsen gefüllt werden. Allein nie habe ich dies Resultat erzielen können. Beim Prallwerden des Darmstückes riss die Mucosa und die Injectionsmasse breitete sich dann in der Nervea aus; nie fand ich Drüsen gefüllt. Dennoch stehe ich nach Allem nicht an, auszusprechen: Die Kanälchen, welche man an frischen Alveolen Brunner^scher Drüsen wahrnimmt, entsprechen den in- jicirbaren Kanälchen des Pancreas und der Speicheldrüsen, sowie den in ganz übereinstimmender Weise angeordneten Bälkchen, welche man an den Brunner'schen Drüsen nach Behandlung mit Alkohol, Ghromsäure oder Müller'scher Flüssigkeit beobachtet

Dies zugegeben, hätten wir nur noch zwei Punkte aufzuklären, nämlich erstens den Umstand, dass an frischen, aus der Membrana propria entleerten Drüsenzellenhaufen keine Kanälchen sichtbar sind. Ich glaube, dies lässt sich ungezwungen auf das Eintreten einer Quellung der Drüsenzellsubstanz zurückführen, für die unter der Propria gelegenen Kanälchen überdies noch auf die bei der Iso- lation unvermeidlichen Verletzungen.

Der zweite noch aufzuklärende Punkt ist die Entstehung der soliden Bälkchen der Alkoholpräparate etc. aus den Kanäldien der frischen Alveolen. Die einfachste ungezwungenste Erklärung ist nun die, dass in Folge der Einwirkung der genannten Agentien auf die frischen Drüsen der im Leben flüssige Inhalt der Kanälchen ge- rinnt und dass diese Gerinnung auch noch die Substanz ergreift, welche in den Furchen der dem Drüsenlumen zugekehrten Zellen- oberflächen sich befindet. Damit stimmt denn auch die bereits oben angeführte Beobachtung vollkommen überein, dass beim Kochen der Drüsen in den Kanälchen ein ähnlicher Bälkchen bildender Nieder- schlag entsteht, der freilich leichter in einzelne hinter einander lie- gende stäbchenförmige Stücke zerfällt, wie die resistenteren Alkohol- Bälkchen, und also darin den Bälkchen gleicht, wie ich sie von der Oberfläche isolirter Zellen aus Ghromsäure oder MülIer^scher Flüs- sigkeit oben beschrieben habe.

Schwieriger ist die Beantwortung der Frage, als was wir die die DrUsenkanälchen erfüllende bei Behandlung mit absolutem Al- kohol und beim Kochen gerinnende Substanz anzusehen haben. Am nächsten liegt da natürlich die Annahme, der fragliche Körper sei ein Eiweisskörper. Auffallend bleibt es dabei aber, dass die Bälk- chen weder bei Behandlung mit carminsaurem Ammoniak, noch mit

Beitrage zur Kenntoits der Drflsen in den Darm Wandungen etc. 121

Jod eine Färbung annehmen. Die übrigen Eigenschaften, so na- mentlich die Resistenz der Bälkchen gegen Säuren and Alkalien, lassen sich sehr wohl mit der Annahme, dass die Bälkchen aus einer coagolirten Eiweisssubstanz bestehen, vereinigen. Dazu kom- men nun noch einige merkwürdige Eigenschaften, welche der frische Kanälchen-Inhalt zeigt. Lässt man Drüsenstückchen, die frisch die zarten mit Flüssigkeit erfüllten Kanälchen erkennen liessen, in in- differenten Flüssigkeiten einige Zeit liegen, so erkennt man, dass die KanUchen viel deutlicher geworden sind, bei längerem Liegen zeigen sie fiast ganz den Olanz und die Schärfe der Contouren, wie die Bälkchen der Alkoholpräparate. Es hat jetzt den Anschein, als wenn eine feste Substanz die Kanälchen erfüllte. Dasselbe erkennt man bei Betrachtung nicht ganz frischer Präparate von Tomherein. Mir scheint diese Erscheinung nur durch die Annahme einer sog. spontanen Gerinnung eines wohl dem Myosin verwandten Eiweiss- körpers innerhalb der Drüsenkanälchen eine Erklärung zu finden. Damit frürde sich dann auch leicht die Thatsache erklären lassen, dass die Iigection der Drüsengangcapillaren nur an frischen lebens- warmen Drüsen gelingt, dass Drüsen, welche längere Zeit gelegen haben, dazu ganz ungeeignet sind. Es würden eben in letzterem Falle durch die eintretende Gerinnung die Kanälchen für die Injeo- üoDsmasse ganz unwegsam werden. Wenn die fragliche gerinnende Substanz dem Myosin verwandt ist, so dürfen wir erwarten, dass dieselbe durch Kochsalzlösungen von 10% gelöst wird, so dass wir an den Alveolen dann keine Spur mehr von den erwähnten Bälkchen finden. In der That ist dies der Fall: glänzende Linien erscheinen nach eintägiger Behandlung mit der genannten Lösung in den Al- veolen nirgends; dagegen ist überall ein vollständiger Zerfall der Drüsenzellsubstanz in ihre einzelnen Zellen eingetreten ; an letzteren ist aber keine Spur streifenförmiger Gerinnsel zu bemerken.

Die Thatsache, dass durch lOprocentige Kochsalzlösungen sich die Zellen der Brunner'schen Drüsen vollständig isoliren lassen, Döthigt uns nun weiterhm zu der Annahme, dass die fragliche Sub- stanz nicht bloss in den Kanälchen angehäuft ist, sondern eine höchst dünne, optisch nicht nachweisbare Schicht zwischen den ein- zelnen Driisenzellen bildet. Wenn wir nun diese 'Schicht als Kitt- sabstanz bezeichnen, so müssen wir folgerichtig auch die in den Kanälchen befindliche Substanz der Kittsubstanz gleichsetzen. Eine solche Annahme hat jetzt nach den Untersuchungen von Schweigger-

122 Dr. G. Schwalbe:

SeideP) nichts Auffallendes mehr, da letzterer für die Cor- nea, das glatte Muskelgewebe und andere Theile nachgewiesen hat, dass die angeblich mucinogene Kittsubstanz sich durch einen grossen Reichthum an einem dem Myosin verwandten Körper aas- zeichnet. Wenn ich somit morphologisch die Drüsenkanälchen als schmale cylindrische Anhäufungen von Kittsubstanz betrachte, so will ich damit doch durchaus nicht ihre physiologische Bedeutung als erste Anfänge der Abflusswege des Drüsensecrets in Abrede stellen. Nur dagegen muss ich mich bestimmt aussprechen, den geschilderten Inhalt der Drüsenkanälchen etwa schon als fertiges Drttsensecret anzusehen. Wäre dies der Fall, so mUsste ja das Lumen der Alveolen und Schläuche bei Behandlung mit Alkohol und beim Kochen ebenfalls von einer geronnenen Masse erfallt sein, was durchaus nicht zu beobachten ist.

£ine andere Frage ist nun die, ob die injicirbaren feinen Ka- nälchen eine besondere Membran besitzen oder nicht. Bell') und Saviotti^) haben sich bereits gegen die Existenz einer solchen in den Drüsenkanälchen der Speicheldrüsen und des Pancreas ausge- sprochen, und kann ich dieser Ansicht nur beistimmen. Gegen die Existenz einer Membran der Kanälchen der Brunner'schen Driisen sprechen vor Allem die Bilder, welche frisch aus der Propria iso- lirte Zellenhaufen gewähren, wo man doch etwas von solchen röhren- förmigen Membranen zwischen den Zellen wahrnehmen müsste, wenn sie eben vorhanden wären; beim Vorhandensein einer Membran wäre auch kaum einzusehen, wie es kommt, dass an solchen Prä- paraten die Kanälchen unsichtbar geworden sind. Auch beim Iso- liren der Zellen gelingt es nie, eine distinkte Kanälchen-Membran darzustellen. Stets sind die streifenförmigen dem Hohlraum der Kanälchen entsprechenden Gerinnsel dicht an die Zellen augepresst, und zeigen letztere höchstens eine dichtere Substanz in der Um- gebung der Kanälchen. Eine wohl isolirbare Membran existirt auf keinen Fall.

Während nun das Verhalten der radiären Kanälchen zum Dräsenausftthrungsgange überall leicht zu erkennen ist, indem die-

1) lieber die Grundsubstanz und die Zellen der Hornhaut des Auges. Berichte der Königl. sachs. Gesellsch. d. Wissensoh. Math.-phyB. Klasse. 1869.

2) L. c. p. 28.

3) L. a p. 407.

Beiträge zur Kenniniss der Drüsen in den Darmwandungen etc. 123

sdben, wie bereits erwähnt, überall in das Lumen der Alveolen resp. Schläuche einmünden, bereitet eine andere Frage mehr Schwie- rigkeit, nämlich die nach dem Verhalten des peripherischen Theiles des Kanälchensystems, der polygonalen Netze, zur Membrana pro- pria. Es scheint, als wenn letztere dicht unter der Propria liegen. Dies ist auch die Annahme der Forscher, welche sich bisher mit dem Kanälchennetz beschäftigt haben, mögen sie nun eine Membran der Kanälchen annehmen oder nicht. Im letzteren FaUe müsste dann die Membrana propria die äussere Grenze eines solchen Ka- Dälchens bilden, während die innere von zwei an einander stossenden DrOsenzellen hergestellt würde. Dann ist aber nicht einzusehen, wie es möglich ist, die polygonalen Netze so schön zu füllen ; es würde stets ein schalenförmiger Erguss der Injectionsmasse zwischen Drusenzellen und Membrana propria auftreten müssen, in der Weise, wie dies wirklich in gewissen Fällen, z. B. bei Anwendung eines starken Druckes erhalten wird und wie dies Gianuzzi^) von einem Speicheldrösen-Alveolus abgebildet hat Die Annahme einer Ka- nalchen-Membran würde allerdings zur Erklärung der Injicirbarkeit der Kanälchen genügen; aber, wie wir sahen, lässt sich eine solche nicht nachweisen, worin ich mit Boll und Saviotti über- einstimme.

Man sieht, wir müssen so nothwendig zu der Ansicht gelan- gen, dass die äussere Begrenzung der Kanälchen nicht durch die Membrana propria, sondern durch eine sich dazwischen einschiebende Schicht gebildet wird. Die Untersuchung des feineren Baues der Drüsenzellen hat uns bereits über die Natur dieser Schicht belehrt: es sind die dünnen schuppenförmigen Fortsätze der Drüsenzellen, welche die Kanälchen von der Propria trennen. Dagegen spricht nicht; dass bei Oberflächenansichten der Alveolen die polygonalen Netze dicht unter der Membrana propria zu liegen scheinen; denn wir sahen ja, dass die Zellenfortsätze dünn, homogen und äusserst zart sind, sodass sie nicht im Geringsten die Deutlichkeit der Kanälchen beeinträchtigen werden '). Anderer-

1) Yon den Folgen des beechleanigten Blutstroms for die Absonde- rang des Speichels. Berichte der sächs. Gesellsch. d. Wissensch. Math.-physik. Klasse. 1866. Fig. 8. «

2) Aefanlichee gilt von den Alkohol-Präparaten. Ich habe^ oben der Ein- &chheit wegen gesagt, dass die radiären Balkchen in gerader Richtung von

126 Dr. G. Schwalbe:

Pie von Langerhans und Saviotti im Pancreas nachge- wiesenen centroacinären Zellen, die letzten Ausläufer des Gang- epithels, existiren begreiflicherweise in den Brunner'schen Drüsen nicht. Ebensowenig ist es mir aber gelungen, eine stützende reti- culäre Bindesubstanz zwischen den Drüsenzellen nachzuweisen. Eine solche hat bekanntlich BolP) von den Speicheldrüsen, Nieren und von der Leber beschrieben. Sie bildet in diesen Drüsen nach den Angaben des genannten Forschers ein mit der Propria zusammen- hängendes Bälkchennetz innerhalb der Alveolen resp. Schläuche, in dessen Maschen die Drüsenzellen liegen. Nach meinen Unter- suchungen ist nun BolTs intraalveoläre Bindesubstanz wenigstens der Speicheldrüsen durchaus identisch mit den Gerinnungspro- dukten des Kanälcheninhalts, wie sie an Alkohol-Präparaten als solide Bälkchen erscheinen. Dies geht schon aus der Vergleichung der BolTschen Beschreibung mit meiner oben gegebenen Darstel- lung hervor, sowie aus der Betrachtung von BolVs Figuren 1, 2 und 5. Der Nachweis der intraalveolären Bindesubstanz gelang ja Boll auch nur an Alkohol- und Osmiumsäure-Präparaten, in welchen der Inhalt der Kanälchen sich zu festen, zum Theil isolir- baren Bälkchen erstarrt zeigt. In wie weit die von Boll in der Leber gefundene reticuläre Bindesubstanz in ihrer Anordnung mit dem Verlaufe der Gallengangcapillaren übereinstimmt, kann ich noch nicht mit Sicherheit entscheiden; ich vermuthe jedoch, dass ein grosser Theil derselben ebenfalls nur der Ausdruck des Gallen- gangcapillarenverlaufs ist. Uebrigens hat sich Boll in seiner be- reits oben citirten neueren Arbeit^) zu einer theilweisen Berichti- gung seiner früheren Angaben genöthigt gesehen. Er ist zweifel- haft geworden, „ob diesem System in der That in allen Drüsen eine so reiche Entwicklung zukommt und ob nicht ein Theil der dort beschriebenen reichen Verästelung anderweitig wie wir später sehen werden, in der Beschaffenheit der feinsten Ausführungsgänge eine bessere Erklärung findet."

Membrana propria; Lymph- und Blntgefässe.

Der Streit, ob die Membrana propria der Drüsen eine ge- schlossene die Zellen der Alveolen umhüllende Haut sei, oder ob sie

1) Die Bindesubstanz der Drüsen. Dieses Arohiv. Bd. V.

2) Acinö«e Drüsen, pag. 18.

zur Kenntniss der Drüsen in den Darmwandangen eto. 127

?on zahlreichen Löchern durchbrochen nur eine korbartige Umhül- lung der Alveolen vorstelle, ist in neuester Zeit zu Gunsten der erstgenannten Ansicht entschieden worden. Boll, der Hauptver- treter der letzteren Ansicht, hat sich nachträglich bei genauerer Untersuchung der sogenannten Drüsenkörbe davon überzeugt, dass die dnen solchen Korb consütuirenden platten anastomosirenden Zellen zu einer Membran geschlossen werden durch zarte, die Lücken des Korbes ausfüllende Häutchen, sodass also die Membrana propria der Speicheldrüsen aus einer zarten Haut bestehen würde, die an deD die Kerne umgebenden Stellen sternförmig verdickt ist. Bei den Brunner'schen Drüsen lässt sich nun stets mit Leichtigkeit eine allseitig geschlossene Membrana propria nachweisen, besonders leicht an Präparaten aus dünnen Lösungen von Kali bichromicum oder MüUer'scher Flüssigkeit, wo sie sich stellenweise von den ein- geschlossenen Drüsenzellen blasig abgehoben zeigt. Man erkennt dann (Fig. 14) die in der Profilansicht elliptisch erscheinenden Kerne mit grosser Deutlichkeit und constatirt auch, dass die Membran in der Umgebung der Kerne leicht verdickt ist. Doch zeigt die Mem- brana propria der Brunner'schen Drüsen nie so auffallende Ver- dickungen, wie die der Speichel- und Thränendrüsen, dass etwa Bilder sogenannter Drüsenkörbe entständen. Man vergleiche in dieser Beziehung die Fig. 9d, welche eine Flächenansicht eines Stückes der Membrana propria der Brunner'schen Drüsen darstellt. Drei der darin gezeichneten Kerne zeigen sich in der Flächenansicht und erscheinen feingranulirt, kurzoval oder fast kreisförmig, während der vierte im Profil wahrgenommen wird.

Die innere den Drüsenzellen zugekehrte Fläche der Membrana propria erscheint stets glatt, schickt n i e Fortsätze in das Innere des Alveoltts hinein. An den Präparaten aus Müller'scher Flüssigkeit findet man sie, wie bereits erwähnt, nicht selten von den Drüsen- zellen blasig abgehoben, sodass ein Raum zwischen beiden erscheint. Ich muss aber ausdrücklich hervorheben, dass ein solcher Raum während des Lebens nicht existirt. An frischen, sowohl wie an Alkohol-Präparaten liegt vielmehr die Propria der Drüsenzellsub- stanz unmittelbar an.

Die oben beschriebene und abgebildete Flächenansicht der Membrana propria erinnert auffallend an die von Endothelmem- branen, wie man sie z. B. von den Wandungen des Perichorioidal- ranms und anderen Orten isoliren kann. Diese Aehnlichkeit wird

128 Dr. G. Schwalbe:

noch dadurch vei^rössert, dass sich die Membrana propria bei Be- handlung mit SilbemitratlösuDgen auf das Schönste durch die auf- tretenden schwarzen Silberlinien in Zellenterritorien zerlegen lässt. Es ist zu diesem Zwecke so zu verfahren, dass man uach Entfer- nung der Moskelhaut von aussen her das lockere die Drüsen ein- schliessende Bindegewebe so sorgfältig, wie möglich, von ihnen ab- präparirt. Darauf wird dann das ganze Darmstückchen eine Mi- nute lang in eine Silbernitratlösung von l ^/^ gebracht und dann dem Lichte ausgesetzt. Es lassen nun immer einige Drüsenalveolen auf ihrer Oberfläche Netze schwarzer geschlängelter Linien erken- nen, die ganz denen gleichen, wie man sie nach Anwendung dersel- ben Methode auf der Oberfläche von Endothelien wahrnimmt. Di^e schwarzen Liniennetze unterscheiden sich sehr von den darunter gelegenen polygonalen geradlinigen Netzen der Drüsenkanälchen, welche, sowie das Lumen des Schlauches resp. Alveolus, eine licht- braune Farbe angenommen haben.

Diese Eigenthümlichkeiten der Membrana propria werden ver- ständlich, wenn man weiss, dass sie sich an der Begrenzung eines Lymphraumsystemes betheiligt, welches sich spaltförmig überall zwischen die einzelnen Schläuche und Alveolen der Drüsen hineiner- streckt. Ein solches System wurde zuerst von Gianuzzi in den Speicheldrüsen gefunden, später von Boll bestätigt; doch ist es bis jetzt noch nicht gelungen , dasselbe von Lymphgefässen aus zu- füllen. Bei den Bnymer'schen Drüsen habe ich es ebenfalls sehr entwickelt gefunden und ist es mir geglückt, dasselbe, wenn auch nicht von knotigen Lymphgefässen aus, so doch von Räumen zu füllen, die unzweifelhaft zum Lymphgefasssystem gehören. Wie be- reits oben erwähnt, liegen die Brunner'schen Drüsen in einem locke- ren Bindegewebe. Zerzupft man letzteres nach Behandlung mit MüUer'scher Flüssigkeit, so gelingt es leicht, grosse Stücke von En- dothelmembranen mit schönen ellipsoidischen Kernen daraus zu iso- liren. Zugleich nimmt man innerhalb der Bindegewebsfibrillen zahl- reiche elastische Fasern wahr. Es ist mir wahrscheinlich geworden, dass letztere, mit Bindegewebsfibrillen gemischt, Lamellen zusammen- setzen, welche sich meist unter sehr spitzem Winkel mit benach- barten verbinden und sämmtlich von Endothel bekleidet sind, sodass zwischen ihnen sich ein reiches Spaltensystem befinden würde. Ein solches ist nun in der That durch Einstichsinjection nachzu- weisen und kann man zu gleicher Zeit constatiren, dass es mit den

BexMge lur Konntnin der Dr&sen in den Darmwandungen etc. 129

Lymphgefisseo der Serosa im Zasammenhange steht. Injicirt man nämlich unter geringem Druck gelöstes Berliner Blau durch Ein- stich in dieses lockere Gewebe, so breitet sich die blaue Masse als- bald nach zwei Richtungen mit grosser Leichtigkeit aus, der Fläche Dach und in der Richtung der Dicke der Darmwand. Indem dabei das ganze Spaltensystem sich prall mit der Injectionsmasse füllt, er- scheint die betreffende Stelle wie ödematös. Unterbricht man nun die Injection und streicht vorsichtig mit einem Scalpellheft über die iigicirte Stelle, so gelingt es ohne die geringste Mühe, die blaue Masse weiter der Fläche nach zu verbrf^iten und es füllen sich zu- li:Ieich in der Serosa schöne knotige Lymphgefasse. Die Füllung solcher Lymphgefasse tritt aber auch immer ein, wenn man die In- jection nicht gleich im Anfange unterbricht, sondern einige Augen« blicke länger fortsetzt Es nimmt dann natürlich das blaue Oedem der Fläche und Dicke nach bedeutend zu, auf seiner Oberfläche heben sich aber schön gefüllte Lymphgefasse deutlich ab. An eine Fallung der letzteren durch Zerreissung von Gewebstheilen wird man bei dem angewandten geringen Druck kaum denken. Unter- sucht man nun solche injicirten Stellen an Präparaten, die in Al- kohol erhärtet wurden, so nimmt man wahr, dass die Injections- masse überall ein Spaltensystem erfüllt, das nach aussen mit die Moscularis durchsetzenden Lymphgefässen in direktem Zusammen- hange steht, nach innen aber sich zwischen die Brunner'schen Drü- sen fortsetzt, in die Spalten der Läppchen derselben hineindringt und schliesslich die einzelnen Alveolen resp. SAiläuche in derselben Weise umhüllt, wie es Gianuzzi und Boll beschrieben haben. So stehen also die perialveolären Räume, deren Wandun^^en von der Membrana propria gebildet werden, durch Vermittelung des in der Nervea gelegenen Spaltensystems in Verbindung mit den oberfläch- lichen Lymphgefässen des Darms. Mit den Lymphgefässen der Schleimhaut des Darmes war kein Zusammenhang zu constatiren. In Betreff des Verhaltens der Blutgefässe der Drüsen zu den Lyrophräumen und der Membrana propria kann ich den von Gia- nuzzi und Boll constatirten Thatsachen nichts Neues hinzufügen. Ebenso kann ich für die Brunner*schen Drüsen eine von Boll für die Speicheldrüsen gemachte Angabe bestätigen, betreffend die Existenz feinerer und gröberer Kerne enthaltender Bälkchen, die sich zwischen den Alveolen ausspannen. Schliesslich möge hier noch eine Bemerkung in Betreff des feineren Baues der Blutgefässe der

IL aehnltie, ArehlT 1 mikroak. Aiwtomie. Bd. 8. 9

130 Dr. 6. Schwalbe:

Brunner'schen Drüsen Platz finden. An vielen Gapillaren beoierkt man ausser den die Wand derselben constituirenden Zellen noch andere auf der äusseren Oberfläche der Gapillaren liegende, die einen vollständigen geschlossenen Zellenüberzug herstellen. Diese Zellen besitzen prominirende Kerne und gleichen ganz denen, welche an anderen Gapillaren die von His beschriebene adventitia capilla- ris zusammensetzen, oder den auf der Oberfläche der Hirn- und Rückenmark-Gefässe befindlichen, dieEberth als Perithel bezeich- net. Wir haben es in unserem Falle mit einfachen die Gapillaren einscheidenden Eudothelzellen zu thun. Doch ist es mir nicht ge- lungen, mich an allen Gapillaren von der Existenz einer zelligen Adventitia zu überzeugen ; dagegen habe ich an den gröberen Blut- gefässen der Drüsen zuweilen eine äussere Endothelbekleidung nach- weisen können.

Yer^leiehung der Brunner'teheii Drflsen mit anderen

VerdauuiLgsdrflsen.

Nachdem wir in vorstehenden Zeilen den feineren Bau der Brunner^schen Drüsen kennen gelernt haben, hätten wir noch die Frage zu beantworten, ob wir in diesen Drüsen ganz eigenthümliche in ihrem Bau von allen anderen Drüsen abweichende Secretionsor- gane zu erkennen haben, oder ^b die ihrer Function nach wenig bekannten Brunner'schen Drüsen in ihrem Bau mit anderen Secre- tionsorganen, deren Leistungen wir bereits genauer kennen, über- einstimmen. Im letSteren Falle würden wir dann von einem glei- chen Bau auf eine gleiche Function schliessen dürfen. Ich habe des- halb die Brunner'schen Drüsen mit dem Pancreas, den Lieberkühn^- sehen Drüsen, den Magenschleimdrüsen, Schleim- und Speichel- drüsen direkt verglichen und für diese Vergleichung womöglich immer die verschiedenen Drüsen ein- und desselben Thieres ge- wählt.

Wir haben bei einer solchen Vergleichung des Baues der Brunner'schen Drüsen mit dem anderer drüsiger Organe zweierlei streng zu unterscheiden, einmal die allgemeine Anordnung der secemirenden Flächen und sodann die feinere Structur der Drüsen- zellen. In Bezug auf den ersteren Punkt stehen die B r u n n e r'schen Drüsen ganz einzig da. Keine andere der von mir untersuchten Drüsen zeigt die eigenthümliche Anordnung, wie ich sie oben be- schrieben habe. Zwar lassen nach den Untersuchungen von Puky

Beitrige snr Keontnin der Drüsen in den Darmwandungen etc. 131

Akos>) die Schleimdräsen der Mnodhöhle einen ganz analogen Bau kennen, den Paky Akos als einen tubnlösen bezeichnet Allein eine wesentliche Abweichang liegt doch darin, dass die Aus- fühmngsgänge der kleinsten Läppchen der Mundschleimdrüsen stets ein anderes Epithel besitzen, wie die eigentlichen Alveolen, worauf Paky Akos selbst aufmerksam macht. Dies Epithel gleicht be- reits ganz dem des HauptausfQhrungsganges und stellt ein Cylinder- epithel dar, das sich durch Karmin viel intensiver färbt, als das der Alveolen, femer der charakteristischen DrQsenkömer entbehrt'). Bei den Brunner'schen Drüsen dagegen tragen die Ausführungs- ginge der Läppchen dasselbe Epithel, wie die Alveolen. Femer mnss ich anführen, dass man zwar die Bmnner'schen Drüsen noch ab tnbulöse bezeichnen kann, dass dies aber für die Schleimdrüsen der Mundhöhle nicht mehr angeht. Man müsste sonst auch die Speicheldrüsen tubulds nennen. Denn ich habe mich durch Zer- gliederang letzterer und der Mundschleimdrüsen nach Maceration in concentrirter Salzsäure überzeugt, dass beide Arten von Drüsen in der Anordnung ihrer secemirenden Flächen keinen wesentlichen Unterschied zeigen; ich kann mich also in dieser Beziehung ganz den AusfQhmngen Boldyrew's") anschliessen.

Weniger eigenthümlich stehen die Bmnner'schen Drüsen in der Beschaffenheit ihres secemirenden Epithels da. Nur von dem der übrigen Darmdrüsen lässt sich das Epithel der Bmnner'schen stets leicht unterscheiden, so von dem der Lieberkühn'schen Drüsen. Ich werde unten bei Besprechung der letzteren die Hauptunter- schiede beider Drüsenzellen-Arten zusammen stellen. Ebenso leicht ist es, die Zellen frischer Brunner'scher Drüsen von denen des Fan- creas zu unterscheiden, falls man eine indifferente Flüssigkeit als Zusatzflüssigkeit gewählt hat. Zwar zeigen beide Zellenarten Kömer ; allein die der Bmnner'schen Drüsen erscheinen farblos und nur matt glänzend, während die Pancreaskörnchen stets gelblich und lebhaft schimmemd erscheinen. Femer ist die Vertheilung der Kömer innerhalb der Zellen bei beiden meist eine verschiedene, in-

1) üeber die ScUeimdrüBen der Mundhöhle. Wiener acad. Sitzungs- berichte. IL Abth. Hai 1869.

2) Ich habe meine ünterBuchungen an den Sohleimdrüsen der Lippen des Menschen angestellt.

8) Üeber die Drüsen des Larynx und der Trachea. Untersuchungen aus dem Institute für Physiologie und Histologie in Graz. IL 187 L p. 241.

182 Dr. G. Schwalbe:

dem die Zellen der Bruimer'schen Drüsen stets ganz damit an- gefüllt sind, die Pancreaszellen aber gewöhnlich, wie bekamst, in ihren peripherischen Theilen frei davon erscheinen. Wo wie beim Menschen und häufig auch beim Hunde die ganze Pancreaszelle voll von Eömem ist, ist letztere von der DrQsenzelle der Brunner'schen Drüsen durch das optische Verhalten der Körner immer leicht zu unterscheiden.

Es ergibt sich aus dieser Zusammenstellung, dass im Darm die secernirenden Elemente der Brunner'schen Drüsen ganz speci- fischer Natur sind. Gehen wir nun weiter und yergleichen diesel- ben mit den Drüsenzellen des Magens, so bieten hier die Labdrüsen durch das Auftreten zweier verschiedener Zellenformen, der Haupt- und Belegzellen Heidenhain'sO oder der adelomorphen und delo- morphen Zellen Rolle t's') sofort in die Augen fallende Unterschiede dar. Auch die Magenschleimdrüsen, deren Zellen nach den neuesten Untersuchungen von Ebstein im Wesentlichen übereinstimmen mit den Hauptzellen der Labdrüsen, scheinen auf den ersten Blick

ich erinnere an die andere Anordnung ihrer secernirenden Fläche

gar nicht mit den Brunner'schen Drüsen verglichen werden zu können. Allein berücksichtigen wir den feineren Bau der Drüsen- zellen, so finden wir auffallende Aehnlichkeiten. Die frischen Drflsen- zelleu der Magenschleimdrüsen lassen ganz ähnliche Kömer in eine helle Grundsubstanz eingebettet erkennen, wie die Zellen der Brunner'schen Drüsen und man überzeugt sich leicht, dass sowohl Körner, wie Grundsubstanz in ihren chemischen Eigenschaften fast genau mit dem von den Drüsenzellen der Brunner'schen Drüsen beschriebenen Verhalten übereinstimmen. Worin beide Zellenarten verschieden sind, ist Folgendes. Die Zellen der Magenschleimdrüsen sind im Allgemeinen kleiner, als die der Brunner'schen desselben Thieres ^), sie erscheinen frisch untersucht heller, weil sie nicht so dicht mit Körnern erfüllt sind. Deshalb erkennt man auch schon im frischen Zustande den Kern der Magenschleimdrüsenzellen ganz

1) Untersuchungen über den Bau der Labdrüsen. Dieses Archiv Bd. VI. p. 368.

2) Bemerkungen zur Kenntniss der Labdrüsen und der Magensehleim- hautuntersuchungen aus dem Institute für Physiol. u. Histologie in Graz. II. p. 143.

3) Diese Untersuchung wurde an den genannten Drüsen des Schweines angestellt.

Beitrii^ mr Eeontiiiss der Drüsen in den Dannwandungen etc. 183

gut. Ib Betreff der chemischen Structnr der letzteren haben die Untersachnngen yon Ebstein^) ergeben, dass sie neben Eiweiss noch Mucin enthalten, eine Zusammensetzung, die sie allerdings mit den ZeUen der Bmnner'schen Drüsen theilen. Bei beiden entstehen auf Zusatz starker Essigsäure Mucin-Niederschläge. Allein das 6e- saromtbild der Zellen ist dann bei den Brunner'schen Drüsen ein etwas anderes, wie bei den Magenschleimdrüsen. In den Zellen der letzteren, die an sich wegen der geringeren Zahl von Drüsenköm- chen heller erscheinen, ist die Trübung auf Zusatz yon Essigsäure sehr auffaDend, während, wie wir oben sahen, die Zellen der Brunner'- scfaen Drüsen in Folge der Quellung und Lösung der Kömer bei geringerem Mucin-Niederschlag eher heller werden.

Immerhin sind die erwähnten Unterschiede gering genug, so gering, dass man zu der Vermuthung kommen könnte, als beruhen dieselben auf Verschiedenheiten im gerade untersuchten Verdauungs- znstande. Wir wissen ja durch die Untersuchungen von Heiden- hain, Rollet und Ebstein, dass die Hauptzellen der Labdrüsen, sowie die damit identischen Zellen der Magenschleimdrüsen bei der Reizung trüber, kömerreicher werden und sich intensiver durch Kar- min oder Anilinblau filrben. Bei den Brunner'schen Drüsen habe ich nun zwar keine Reizungsversuche anstellen können ; immerhin li^ aber die Vermuthung nahe, es möchte der grössere Kömer- reichthum ihrer Drüsenzellen darauf zu beziehen sein , dass ich es bei der Untersuchung mit Drüsen zu thun hatte, die im Reizungs- zostande sich befanden, während die damit verglichenen Magen- schleimdrüsen bereits das Maximum ihrer Reizung hinter sich hatten. In der That gleichen die Drüsenzellen thätiger Magenschleimdrüsen, wie wir sie durch Ebstein kennen, in hohem Grade den Zellen der Brunner'schen Drüsen.

Sodann habe ich die Zellen der Brunner'schen Drüsen des Menschen mit denen der Schleimdrüsen der Lippen direkt ver- ghchen. Zerzupft man möglichst frische Schleimdrüsen bei Zusatz von Ghlomatrium von Vs V<h so erhält man leicht ähnliche Zellen- haufen isolirt, wie bei analogem Verfahren aus den Brunner'schen Drüsen. Diese Zellenhaufen lassen ebenfalls keine Zellengrenzen erkennen, dagegen klare runde Kerne. Die Zellsubstanz enthielt ganz ähnliche Drüsenkömer, wie die der Brunner'schen Drüsen,

1) L 0. p. 636.

184 Dr. 6. Schwalbe:

aber, wie mir schien, in geringerer Menge; überdies fanden sich ziemlich zahlreich feine Fettkömchen darin vertheilt. Durch Essig- säure wurden die Zellen stärker getrübt, als die der Brunner'- sehen Drüsen. Auffallend war es, dass nach Behandlung der noch von der Propria umschlossenen Alveolen mit Kalilauge ganz ähnliche Bilder auftraten, wie bei den Brunner'schen Drüsen. Der Inhalt der AI- veolen nahm ein eigenthümlich streifiges Aussehn an, die Kömchen lösten sich, die Kerne blähten sich auf und schliesslich trat die ganze Masse nach dem Platzen der Membrana propria streifig aus dem Alveolus heraus. An Zellen, welche durch Behandlung mit Müller'scher Flüssigkeit isolirt waren, habe ich femer die oben beschriebenen schuppenförmigen Zellenfortsätze leicht wahmehmen können. Nach Allem habe ich den Eindmck erhalten, als wenn die Drüsenzellen der Mundschleimdrüsen mehr, wie alle anderen, mit denen der Bmnner'schen Drüsen übereinstimmen. Diese Ueber- einstimmung zeigen aber nur die Zellen der Alveolen, da ja wie bereits oben erwähnt, die Schleimdrüsen sich von den Brunner'- schen dadurch beträchtlich unterscheiden, dass ihren Ausführungs- gängen ein ganz anderes Epithel zukommt.

Was endlich die Alveolenzellen der Speicheldrüsen betrifft^ so habe ich nur die der Kaninchen-Submaxillaris untersucht und zeigen diese allerdings einen ganz ähnlichen Bau, wie die entsprechenden Zellen der Schleim- und Brunner'schen Drüsen. Man vergleiche nur die Angaben, welche Heidenhain ^ über den feineren chemi- schen Aufbau dieser Zellen macht, und wird die Aehnlichkeit nicht verkennen können.

Fassen wir das Beobachtete zusammen, so haben wir einer- seits eine nahe Verwandtschaft der secemirenden Elemente der Brunner'schen Drüsen zu den Zellen der Magenschleimdrüsen und Hauptzellen der Labdrüsen kennen gelernt, andererseits eine noch grössere Aehnlichkeit der Zellen der Brunner'schen Drüsen mit denen der Schleimdrüsen und einiger Speicheldrüsen. Die Aufgabe der physiologischen Forschung wird es nun sein, festzustellen, in wie weit diese Uebereinstimmung im Bau einer Uebereinstimmung in den Leistungen der genannten Drüsen entspricht. NachMiddel- dorpf) besitzt ein Infus der Bmnner'schen Drüsen das Ver-

1) Beiträge znr Lehre von der Speichelabsonderung. Stadien des phy- siologischen Instituts zu Breslau. 4. Heft. p. 8 ff.

2) 1. a p. 27.

Beitr&ge sor Kenntnis« der Droten in den Dmrmwandangen etc. 186

mögen, aus Stärke Zocker zu bilden, in hohem Grade. Mit dieser Beobachtung stimmt eine Angabe v. Wittich's*), der zu Folge der zwischen Pylorus und der Einmflndungsstelle des pancreati- schen Ganges gelegene Theil der Duodenalschleimhaut ein diastati- sches Ferment an Glycerin abgiebt Für Untersuchungen dieser Art dürften sich besonders die Brunner'schen Drüsen des Schweines oder Ochsen empfehlen, die leicht in genügender Menge aus dem Duodenum herauszupräpariren sind, sodass man hinreichendes Ma- terial für die Anfertigung eines Infüsom erhält, ein Material, das frei Ton Elemmten der Lieberkühn'achen Drüsen ist.

Die von mir beobachtete grosse Aehnlichkeit der Zellen der ftrunner'schen Drüsen mit denen der Magenschleimdrüsen legt uns femer die Vermuthnng nahe, es möchte das Sekret der erstoren sich in ähnlicher Weise an der Verdauung der Eiweisskörper be- theiligen, wie es von Ebstein für die Magenschleimdrflsen be- schrieben ist. In der That fand neuerdings Krolow (Berlin» kU- DJsche Wochenschrift 1870. N. 1. p. 8), dass durch ein wässriges Infos der Brunner'schoi Drüsen des Schweins bei einer Temperatur von 3b^ C. Blutfibrin in kurzer Zeit gelöst wird, nicht aber ooagu- lirtes Albumin.

3. BemerkiigeB tljer die Ueberkthn'sehen Drfaei.

Meine Untersuchungen über die Lieberkilhn'schen Drüsen ha- ben sich vorzugsweise mit der Frage beschäftigt, in welcher Weise die zelligen Elemente dieser Drüsen Abweichungen im Bau von dem der Zellen der Brunner'schen Drüsen erkennen lassen. In dieser Beziehung bin ich nun, wie bereits oben erwähnt, zu der Ueberzen- gung gekommen, dass beide Zellenarten total verschieden sind, dass zwischen ihnen mindestens eine so grosse Differenz besteht, wie zwischen Bel^- und Hauptzellen der Labdrüsen ^).

1) Weitere Mittheilnngen über Verdaaungsfermente. Pflüger's Ar- chiv 1870.

2; Ich «ehe dabei ganz ab von der Verschiedenheit des Baaes der in den Lieberkühn'schen Drüsen vorkonunenden Becherzellen, die nicht weiter benrorgebüben zu werden braucht, and behandle nur die nicht in Becher metamoTphosirten Zellen. Das Verhütniss der letzteran zu den Becher- Mllen ist übrigens bei den von mir untersuchten Thieren nach Anwendung ein und derselben Methode ein sehr versohiedenes. W&hrend s. B. beim

1S6 Dr. G. Schwalbe:

Zur Beobachtung der Drüsen im frischen Zustande eignet sieb am besten die Flächenansicht der Aussenseite des Darms kleinerer Säugethiere (Maus, Ratte, Fledermaus) nach Abpräpariren der Mus- calarls. Stellt man den Tubus an solchen Präparaten auf die äussersten Enden der Lieberkühn'schen Drüsen ein, so nimmt man das in Fig. 15 wiedergegebene Bild wahr. Man bemerkt klare, durch eine scharfe Linie von der Umgebung abgegi*enzte Blasen mit kleinem, runden, centralen Lumen. Der Raum zwischen letzterem und dem Bandeontour ist von einer klaren Zellenmasse ausgefüllt, die weder Kerne noch Zellengrenzen erkennen lässt, dagegen häufig fein radiär gestrichelt erscheint, das erste Zeichen beginnender Trübung. Sofort in die Augen fallen aber 3 bis 4 kleine Haufen dunkler, glänzender Kömer, die dicht um das centrale Lumen her- umgruppirt sind , wodurch dann , wie bereits oben erwähnt wurde, ein Bild zu Stande kommt, ähnlich wie es die kleinen pancreatischen Drüsen des Darms im frischen Zustande zeigen.

Bei grösseren Thieren lässt sich natürlich die eben erwähnte Methode nicht mehr anwenden. Es wird hier vielmehr nöthig, die Lieberkühn'schen Drüsen durch Zerzupfen des Gewebes in Jod- serum oder Kochsalzlösungen von Vs Vo zur Anschauung zu brin- gen. Ich habe dies beim Schwein und Rind ausgeführt und auch an ganz frischen Präparaten nicht mehr klare Drüsenzellen wahr- nehmen können, sondern körnig getrübte, so dass es hier schon schwerer wird, sie von denen der Brunner'schen Drüsen zu unter- scheiden. Ausserordentlich klar treten aber die Unterschiede beider Zellenarten an den Zellen hervor^ die mit Müller'scher Flüssigkeit bebandelt worden sind. Dem oben von den Brunner'schen Drüsen gegebenen Bilde gegenüber zeigen sich dann die Zellen der Lieber- kühn'schen Drüsen folgendermassen beschaffen (Fig. 16 c). Sie sind cylindrische Gebilde von etwas grösserer Länge, wie die Zellen der Brunner'schen Drüsen, mit breiterem peripherischen und schma- lerem centralen, dem Lumen zugekehrten Ende. Das peripherische Ende läuft bei den Zellen, welche dem blinden Ende der Drüse nahe liegen, seitlich in eine scharfe, schnabelförmige Spitze aus,

Schwein Becherzellen bis tief in die Drüsenschläuche hinab regelmässig vor- kommen, vermisse ich sie in den Schläachen des Hundes. In Betreff des Baues der Becherzellen verweise ich auf die Abhandlung von F. E. Schulze: Epithel- und DrüseuzeUen. Dieses Archiv. Bd. III, 1867, und die Figuren 19 und 27 seiner Tafel XI, 10 und 11 auf Tafel XII.

Beitrage zur KenDtiiiss der Ürftsen in den Darm Wandungen eio. 187

mittelst deren jede Zelle em wenig über die äussere Fläche ihrer Nachbarzelle hinQberragt (Fig. 16 a, c, d). Der Kern erscheint stets sehr deutlich als ovales, granalirtes Gebilde, durch einen scharfen Contour von der homogenen Zellsubstanz abgesetzt und un- weit der äusseren, dem Lumen abgekehrten Oberfläche der Zelle gelegen. Es macht oft den Eindruck, als liege der Kern nur lose innerhalb einer Yacuole der Zellsubstanz, und in der That erhält man häufig Bilder, wo der Zellkörper an der Stelle des Kernes nur eine entsprechend gestaltete Lücke zeigt (Fig. 16 f). In noch an- deren Fällen erscheint die Zellsubstanz auf eigenthümliche Weise ferstfimmelt und der Kern liegt dann frei daneben (Fig. 16 g). Die homogene Grundsubstanz der Zelle zeigt nun aber noch eine weitere Eigenthümlichkeit, indem sie sich durch Karmin mtensiv färbt, wäh- rend die Zellkörper des Epithels der Brunner'schen Drüsen stets sich nor blass rosa färben. Zuweilen findet man unter den be- schriebenen (^lindrischen Zellen noch andere kleinere und polyedrisch gestaltete, deren Zellsubstanz sich aber ganz so verhält, wie die der cylindrischen (Fig. 16 e). Vielleicht haben wir diese kleineren Zellen als Ersatzzellen anzusehen. Möglich wäre es aber auch, dass sie nar verstümmelte cylindrische Zellen vorstellen. Ich bin auf diese Frage nicht weiter eingegangen. Eine Membran besitzen die Zellen der Lieberkübn'schen Drüsen ebenso wenig, wie die der Brunner'schen, und muss ich hier ausdrücklich bemerken, dass die centralen, dem Lumen zugekehrten Enden ihrer Zellen kei- nen sogenannten Deckel tragen, wie die Epithelzellen der Zotten, sondern, ohne von einer Membran überzogen zu sein, irei in das Drüsen-Lumen hineinschauen, eine Beobachtung, welche mit einer schon von F. E. Schulze 0 ausgesprochenen Ansicht vollkommen abereinstimmt.

Das bisher über die Drüsenzellen der blinden Enden der Lie- berkühn'schen Drüsen Ausgesagte gilt nun der Hauptsache nach auch für die weiter nach der inneren Darmoberfläche zu gelegenen ZeDen derselben. Sie sind ebenfalls homogen und deckellos, zeichnen sich aber dadurch aus, dass sie senkrecht zur Längsaxe der Drüsen stehen, während die erstbeschriebenen Zellen schief gestellt sind, weil ihr peripherisches Ende dem blinden Grunde der Drüsen näher liegt, als das centrale, dem Lumen zugekehrte. Eine natürliche

1) Epitbel- und DrfisemeUen. Diese« Arohiv Bd. III. p. 191.

188 Dr. 6. Schwalbe:

Folge dieser AnordnuDg ist die bereits oben erwähnte geringeare Breite dieses letzteren Endes. Bei den senkrecht zur Schlauchaze stehenden Zellen finden wir dagegen beide Gylinderenden ziemlich gleich breit. Der Kern liegt auch hier wieder in dem dem Lumen entferntesten Theile der Zelle, rückt aber, je weiter wir die Zellen nach der Schleimhautoberfläche zu verfolgen, ganz allmählig mehr und mehr in das Innere der Zelle hinein.

Ganz anders, wie die bisher beschriebenen Zellen, verhalten sich die Zottenepithelien. Sie erscheinen nach Behandlung mit MüUer'scher Flüssigkeit stets kömig; femer liegt der Rem nicht an ihrer Basis, die dem peripherischen Ende der'^Zellen der Lie- berkühn'schen Drüsen entspricht, sondern stets in der Mitte, und endlich ist die Basis der Zottenepithelzellen nicht glatt, sondern ¥rurzelt mit Fortsätzen in der Schleimhaut. Ueberdies haben wir hier den Deckel als weiteres wichtiges UnterscheidungsmerkmaL Die erwähnt.en Unterschiede sind nun aber bedeutend genug, um jeden Gedanken an eine Identität der Zellen der Lieberkühn'schen Drttsen mit den Zottenepithelien von der Hand zu weisen. Die LieberkUhn'schen Drüsen sind nicht Einstülpungen des Zotten- epithels, sondern selbstständige ganz charakteristisch ausgestat- tete Drüsen.

Damit stimmt denn auch überein, dass sich eine selbststandige Membrana propria an ihnen nachweisen lässt, die ganz ihn- lieh gebaut ist, wie die anderer Drüsen. Eine solche überkleidet als Lsolirbare Membran einen jeden Drüsenschlauch vom blinden Ende an bis dicht unter die Zottenbasis, soweit eben der Schlauch die für die Lieberkühn'schen Drüsen charakteristischen Zellen enthält. Beim Isoliren der Schläuche bleibt die Propria oft an dem umgebenden Bindegewebe haften; in anderen Fällen und dies gelingt besonders leicht am Duodenum des Rindes nach Maceratiou in MüUer'scher Flüssigkeit lässt sie sich ihrer ganzen Länge nach mit dem Zellenschlauche isoliren und erscheint dann als eine zarte, allseitig die Drüsenzellen umschliessende, glashelle Membran, die von Stelle zu Stelle ovale Kerne erkennen lässt, wie ich es in Fig. 17 dargestellt habe.

Schliesslich möge hier noch die Bemerkung Platz finden, dass die Lieberkühn'schen Drüsen häufig Schlängelungen und zuweilen auch Biegungen ihres Schlauches erkennen lassen. So kommen zu- weilen Drüsen vcrr, deren Schlauch eine ähnliche Drehung und kno-

Beiträge snr Kenntniss der Drfiaen in den Darmwandnngen etc. 189

äge Anfwicklung an einer Stelle wahrnehmen lässt (Fig. 18), wie ich sie oben von den Schläuchen der Brunner'schen Drüsen be- schrieben habe.

Freibarg i. B., im Juli 1871.

ErkUmng der Abbfldanji^en auf Tat Y.

Fig. 1. (Zeis C II). Flftchenansioht einer kleinen penoreatisohen Drüae des Kaninchen-Duodenom.

Fig. 2. (F II). DrÜBenzellenhaufen einer Bninner'Bchen Drfiee des Schweins, friaeh durch Zerzupfen aus der Propria entleert and in KoohsalE- löfong von Vs Ve nntersnoht.

Fig. S (D n). Stücke Branner'soher Drusen des Bohweins durch Be- bsndlnng mit ooncentrirter Salssdure isolirt. a und b Endblasen, ebenso bei c. d ein Sehlauchstück mit Seiten- und Endblasen. In e sind mehrere Endsohlioche dargesteUt, wie sie am Rande flacher linsenförmiger Bninner*- icher Drusen vorkommen.

Fig. 4. SchemaÜBohe Darstellung eines SchlauohstÜcks einer Brunner- scben Druse. Man erkennt bei d eine Theilung des Schlauches in 2 gleich dicke, aber ungleich lange Aeste; ausserdem erkennt man die 8 Arten von WiDdungen, die Schl&ngelungeni Knickungen und bei c eine Drehung des Schlauches, a, a, a Endblasen, b, b Seitenblasen.

Fig. 5. Schematische Darstellung einfacher Schlängelungen des Drü* aenschlauches.

Fig. 6. Schematische Darstellung einer Drehung des Drüsensohlauches am seine Lftngsaxe.

Fig. 7 (F II). Zellen aus den Branner'schen Drüsen des Schweins nach Behandlung mit Müller'scher Flüssigkeit. Man erkennt an den Kanten der Zellen stäbchenförmige Gerinnsel, b und d seigen ein stark gequollenes centrales (dem Lumen zugekehrtes) Ende. In b ist eine eigenthümliche netz- förmige Gruppirung der Kömer wahrzunehmen.

Fig. 8 (F II). Zellen der Brunner'schen Drüsen des Schweins nach Behandlung mit Ghromsaure von Vso ^/o- & Zellen mit schnabelförmigen Fortsätzen.

Fig. 9 (F n). Aus den Brunner'schen Drusen des Hundes (Mül- ler'scbe Flüssigkeit), a gewöhnliche Drüsenzellen. b Drüsenzelle mit an- liegender Keulenzelle, c isolirte Keulenzellen, d Stück der Membrana propria.

Fig. 10. a Oberflächenansicht eines Alveolus der Brunner'schen Drüsen des Hundes. Zwischen den gewöhnlichen Drüsenzellen bemerkt man

140 Dr. 6. Sehwalbe: Beitrage zurKenntniss d.DrfiBen in d. Darmwandangen.

einen kleinen f^l&nsenden eckigen Fleok. b die betreifende Stelle stark vergrÖBsert (F II).

Fig. 11 (F II). Schnitt durch die Brunner'Bohen Drüsen des Schweins, Alkohol-Präparat. Man erkennt ein der Länge nach getroffenes Schlauch* stück mit radialen Bälkchen. Bei a ist ein Stück eines Balkchens abgelöst und ragt frei in das Lumen hinein.

Fig. 12. Schematische Darstellung des Verlaufes der radialen Kanäl- chen B bei der Annahme, dass die polygonalen oberflächlichen Netze durch den sohuppenformigen Fortsatz der Zellen von der Membrana propria ge- trennt werden; A bei der Annahme, dass jene Netze unmittelbar unter der Propria liegen.

Fig. 18 (F II). Aus den Magenschleimdrüsen des Schweins. A bei Einstellung auf die äusserste Oberfläche eines Schlauches , B bei etwas tie- ferer Einstellung gezeichnet. In letzterem Falle erkennt man ein schönes Netzwerk mit polygonalen Maschen. Bei a, a, a ist die Lage des Kernes in ihrer Beziehung zu der dazu gehörigen Masche des Netzwerks angedeutet.

Fig. 14 (D II). Alveolen der Brunner'schen Drüsen des Menschen mit kernhaltiger Membrana propria.

Fig. 16 (F n). Fl&ohenansicht der Enden der Lieberkühn'sohen Drüsen ans dem Darm der Ratte. Man erkennt um die kleinen centralen Lumin& herum kleine Kömerhaufen.

Fig. 16 (F II). Zellen aus den Lieberkühn'sohen Drüsen des Hundes Präparat aus MüUer'scher Lösung.

Fig. 17 (D II). Lieberkühn 'sehe Drüse des Rindes mit schöner kern- haltiger Membrana propria. MüUer'sche Lösung.

Fig. 18 (D II). Lieberkühn'scbe Drüse des Rindes durch con- centrirte Salzsäure isolirt, eine Drehung des Schlauches um die Längsaze zeigend.

Zur Kenntnifls vom Baue des Zellkerns.

Von Dr. Tb. Klner,

WiTAtdooeiit and Proseotor der Zootomie sa Würabarg.

Hiena ein Holsschnitt.

Vor Kurzem habe ich eine EigenthOmlichkeit im Bau der Kerne ans den Zellen der Haut der Maolwur&schnautze beschrie- ben ■)) darin bestehend, dass der helle Hof, welcher das Kemkör^ perchen jener Zellen bei Betrachtung im optischen Durchschnitt amgibty von dem äusseren, einen weiteren Ring bildenden dunkle* ren Theile des Kerns abgegrenzt war durch einen regelmässigen Kreis feiner Kömchen, die durch Einwirkung von Chlorgold ganz dieselbe Färbung erlangten, welche dieses Beagens den Nervenele- menten mittheilt Durch Wechseln der Einstellung ergab sich, dass die heUe Kugel, in deren Mittelpunkt das Kemkörperchen liegt, und welche im optischen Querschnitt als Hof erscheint, auf ihrer ganzen Oberfläche von den Kömchen besetzt ist, die eben im Quer« schnitt einen Kreis darstellen.

Seitdem ist es mir gelungen, den Kömchenkreis in fast allen Zellkernen, in welchen ich ihn suchte, mit grösserer oder geringerer Deutlichkeit nachzuweisen, und zwar in frischen Zellen ebensowohl als in Präparaten, welche mit Ghlorgold oder anderen Reagentien behandelt waren« Ich traf ihn in den Zellen der Haut verschiedener Thiere, in Bindegewebszellen, auch in den Neurogliakemen , in Granulosazellen, in den Kemen von Spinalganglien, in den sym- pathischen Ganglien des Frosches, in den Zellen der glatten Mus- kulatur, u. s. w. kurz ich überzeugte mich davon, dass das Vor-

1) In: »die SohnantEe des Maulwurfs als Tastwerkzeag.c dieses Arohiv Bd. Vn S. 189 und Taf. rTU Fw. 8.

handeDBein des KönkcheDkreisee eioe allgemeine Eigenschaft des in voller Lebensthätigkeit befindlichen KerneB sei.

o

0

0

Fig. 1 und 2 SpiDalgonglien. Fig. 8 bii 6 Kem« am OrannlotaMllen dw Natteroeiei.

Fast immer umgab das Eemkörperchen auch der schon von Anderen beschriebene helle Hof. In manchen Fällen aber schien der ganze Kern aus ein und derselben Masse zu bestehen und nur durch die Kömchen wurde er dann in eine äussere und in eine innere Abtheilung geschieden.

Der KSmchenkreis ist flberall durchaus regclmftsaig. Seine Elemente haben mit den Körnchen, welche ausserdem da und dort im Kern zerstreut liegen, nichts zu thun ; sie sind im Gegensatz zu diesen in einem und demselben Kern ziemlich voa gleicher Grösse. Verschieden ist aber ihre Grösse in verschiedenen Arten von Zeilen : in manchen messe» sie nicht einmal 0,3, in anderen bis 0,7 ft. Der Durchmesser des Körnthenkreises betrug in 20 ju. breiten Kernen aus der Orannlosa des Nattemeies 8,5, in 10 fi. breiten Kernen von Spinalganglien 5,4 fi. Der Hof bildete dort einen 3,5, hier einen 1 ft. breiten Ring um das Kemkörperchen.

Nachdem ich die allgemeine Verbreitung der beschriebenen Verhältnisse erkannt hatte, musste ich mich darüber wundem, dass dieselben bei der Deutlichkeit und Schärfe, mit welcher sie so häufig auftreten, nicht früher schon Beachtung gefunden haben. Als ich die Präparate der Sammlung der hiesigen Anstalt durchsah, fand ich jenen Bau in den Kernen der meisten derselben, ja, der Körn- chenkreis ist in den Kernen verschiedener Zellen sogar in Abbil- dungen der Lehrbücher, wahrscheinlich von Holfs -Zeichnern, ange- deutet worden, ohne dass er des Weiteren berücksichtigt worden wäre.

Selbst in den so kleinen Neurogliakernen ist der K&rachen- kras deutlich. In einem mit Chlorgold behandelten Präparat von

Zar KeimtniBs Tom Baue des Zellkerns. 148

SpioaiganglieD des Menschen aus der hiesigen Sammlung be- stand derselbe aus so feinen Elementen, dass er nur mit den stärk- sten Vergrösseningen zu erkennen war und auch das wohl nur in Folge der Einwirkung des Chlorgoldes. Er war aber hier um so schöner und man konnte sich um so unzweifelhafter von seiner Eigenschaft als einer specifischen BUdung überzeugen, weil ausser den Kömchen, aus welchen er zusammengesetzt war, keine anderen in dem feinen, gleichmässigen Keminhalt sich fanden. Ein heller Hof war hier um das Kemkörpercben nicht zu sehen. Dagegen war ein solcher deutlich in sympathischen Ganglienzellen, wo auch die Kömchen viel grösser sich zeigten.

J. Arnold hat (Strick er' s Handbuch Fig. 33, c.) Querdurch- schnitte von glatten Muskelzellen abgebildet mit dem hellen Hof um das Kemkörpercben, welch letzteren er auch im Text beschreibt. Ich sah auch hier um den Hof herum deutlich den Körnchenkreis.

In der Haut und überhaupt in geschichtetem Plattenepithel, trifit man die geschilderten Verhältnisse am schönsten in den mitt- leren und unteren Epithellagen. Schabt man sich aber Epithelien von der Oberfläche der Zunge ab, so findet man häufig einen sehr höbschen Körnchenkreis um den geschrampften Kern herum, welcher Kreis nicht zu verwechseln ist mit einer ähnlichen Anord- nuDg von Protoplasmakömchen, wie sie häufig im Körper derselben Zellen zu sehen ist. Es muss jenes Vorkommen wohl so erklärt werden, dass der Körachenkreis in seiner ursprünglichen Grösse und Gestalt bestehen blieb, nachdem der äussere Kernring sich durch ihn hindurch und in ihn hinein mit der übrigen Kemmasse und mit dem Kernkörperchen in Eins zusammengezogen hatte.

Es ist demnach der Kern der thierischen Zelle ein zusammen- gesetzteres Gebilde, als man bisher angenommen hat: das Kernkör- perchen ist von zwei in einander geschachtelten Schalen umschlos- sen, deren äussere, gewöhnlich von einer Membran umgebene, aus feinkörniger Masse zusammengesetzt ist, während die innere ent- weder ebenso beschaffen, oder aber hell und körachenlos ist und dann wohl aus einer strukturlosen Substanz besteht. Zwischen beiden Schichten liegt, wiederum schalenartig angeordnet, eine Lage feiner Kömchen.

Diese Kömchen der Goldreaction wegen als Nervenelemente hinzustellen, wage ich ohne weitere Anhaltspunkte nicht. Nähere Untersuchungen werden aber doch darauf zu richten sein, ob und in

144 Dr. Th. Eimer:

welcher Beziehung sie zu den Nervenfädchen stehen, welche man im Kern oder im Eemkörperchen endigen lässt, oder ob sie nicht die Ausgangs- oder Endpunkte noch feinerer Strukturverhältnisse sind.

Die innere Kemschale der helle Hof im Querschnitt mag, wie angegeben, gewöhnlich aus einer strukturlosen Masse bestehen; da und dort aber schien er mir einen Hohlraum dar- zustellen. Hierüber werde ich in meiner nächsten Arbeit ^) Einiges zu berichten haben.

Hier nur noch Folgendes : wenn zwei Eemkörperchen in einem Kern liegen, so ist jedes derselben von einem hellen Hof und von einem Kömchenkreis umgeben '). Man sieht nun in Bildem, wie deren eines in Fig. 4 dargestellt ist, dass die zwei Höfe und Kreise der neuentstandenen Kernkörperchen aus dem einen des Mutterkemkörperchens hervorgegangen sind durch Abschnümng. Die Abschnürung ist aber nicht zugleich eine Halbirimg, sondern der Kreis des einen der neuen Kernkörperchen schnürt sich als viel kleinerer Theil nach Art einer Ausbuchtung, einer Sprosse von dem ursprünglich vorhandenen Mutterkreis ab, um sich erst später zu erweitern, so dass das eine der neuen Kernkörperchen mit seinem Zubehör dem anderen gegenüber wie ein Stiefkind erscheint.

Schliesslich noch die Bemerkung, dass ich den Körnchenkreis auch im Keimbläschen junger Eier gesehen zu haben glaube.

1) Untersuchungen über die Eier einiger Reptilien.

2) Yergl. die Schnauize des Maulwurfs etc., 1. c.

Beriehtigungen zu Bd. 7 dieses Archivs.

S. 344 Zeile 5 statt and lies von. -861 - 18 - 1^(2) lies C

- 363 - 24 - 1 gramm lies 10 gramm.

- 366 Anm. Zeile 3 statt pag. 3 61 lies pag. 350.

367 Zeile 12 statt pag. 12 bis pag. 62 lies pag. 12, pag. 62.

- 368 1 ebenso pag. 13, p. 68.

- 362 - 16 statt deren lies daran.

. 362 30 - eingebildet lies einmal gebildet.

Ueber den feineren Bau und die Entwickelung der Gtohörsohneoke der S&ugethiere und des Menschen.

Von Dr. S. «ottstetn in Breslau.

Hierzu Taf. VI, VII und VIÜ.

Die Arbeit, die ich in Folgendem der Oeffentlichkeit übergebe, ist das Resultat von Untersachungen, die ich seit längerer Zeit in dem Institut des Herrn Professor Waldeyer und mit dessen freund- licher ünterstfltzung voi^enommen hatte. Ich habe daniber bereits im Jahre 1869 in der Innsbrucker Naturforscherversammlung be^ richtet Im vorigen Jahre war ich eben im Begriff, die Arbeit dnickfertig zu machen, als ich durch meine Einberufung zu den Fahn^ daran gehindert, mich darauf beschränken mutote, eine vor- läufige Ifittheilung (Gentralblatt f. d. med. Wissensch. 1870, Nr. 40) zu machen. Nach neunmonatlicher Unterbrechung wieder zu meiner Arbeit zurückgekehrt, war indess das Buch Böttcher' s: „Ueber Entwickelung und Bau des Gehörlabyrinths, nach Untersuchungen an Säugethieren, Dresden 1869'^ erschienen. Es musste mir um so mehr daran gelegen sein, auf diese Schrift vor Abschluss meiner Bearbeitung des Gegenstandes noch Rüchsicht zu nehmen, als Bött- cher auf Grund meiner vorläufigen Mittheilung die Priorität in Betreff des grösseren Theils meiner Angaben fdr sich reklamirte. Ich brauche wohl nicht erst noch einmal die bereits (Gentralblatt 1870, Nr. 55) gegebene Versicherung zu wiederholen, dass mir der Inhalt, der Böttc herrschen Arbeit bis dahin in keiner Weise und in keiner Beziehung zugänglich gewesen war. So erfreulich auch

M. Sdmltw. Anibiw t mikrotk. Anatomio. Bd. 8. 10

146 Dr. J. Gottstein:

unsere Ueberemstimmung in vielen Punkten ist, so ergeben sich doch der Differenzpunkte immer noch eine genügende Anzahl« Ich habe mich bemüht, jetzt, nachdem ich von Böttcher's Werk Eenntniss nehmen konnte, meine Befunde einer erneuten (Kontrolle zu unterwerfen und übergebe sie mit gutem Gewissen der Oeffent- lichkeit. Da ich davon ausgegangen war, den Bau der ausgebil- deteren Schnecke zu erforschen und auf die embryonale Entwicke- lung nur in soweit Rücksicht zu nehmen, als es zur Aufklärung der histologischen Bedeutung der Gewebe nöthig war, so ist die Zahl der Entwickelungspräparate eine relativ kleine geblieben und die Arbeit Böttcher's wird bei der Mannigfaltigkeit der Entwickelangsstadien, die er zu beobachten Gelegenheit hatte, eine der werthvoUsten Be- reicherungen der Wissenschaft bleiben. Was ich aber für meine Arbeit besonders hervorzuheben mir erlaube, ist, dass es mir ge- lungen war, mehr wie anderen Autoren, die menschliche Schnecke zu berücksichtigen und auf gewisse wichtige Unterschiede zwischen ihr und der Schnecke der Thiere aufmerksam zu machen.

Was die Zeichnungen anbelangt, so sind dieselben von Herrn cand. med. Baer unter steter GontroUe des Herrn Prof. Waldeyer und der meinigen getreu nach ' der Natur meist mit dem 0 b e r- häuser'schen Zeiohenprisma gemacht worden, und wir haben es uns augelegen sein lassen, die Wahrheit manchmal selbst auf Kosten der Klarheit des ganzeQ Bildes . wiederzugeben. Ich vermied jede Schematisirung, die ich nur für ein Lehrbuch vortheilhaft halte.

Ich will von den von mir versuchten Untersuchungsme- thoden nur diejenigen hervorheben, die ich 'als die geeignetsten gefunden habe. Für (üe frische Untersuchung eignet sich ausser dem Humor aqueus eine Chromsäurelösung von 1 : 2000 bis 3000 und die Ueberosmiumsäure 1 : 500 bis 1000. Nachdem ich die Schneckenkapsel soviel als möglich frei gelegt und an einer Stelle geöffnet habe, lege ich sie in die bezeichnete Flüssigkeit auf 24 36 Stunden, sodann suche ich ein Stückchen der lamina spiralis auf das Glas zu bringen und zerzupfe es in derselben Flüssigkeit, mit der sie behandelt worden ist. Man erhält in dieser Weise besonders die Pfeiler und die Haarzellen in gutem Zustand und kann die in Chromsäure behandelten Präparate^ wenn man sie gut zukittet, so- gar längere Zeit aufbewahren.

Um gute Flächenansichten des ganzen akustischen Endapparates, sowie besonders der lamina reticularis zu erhalten, empfehle ich

üeber den feineren Bau and die Entwiokelang der Gehörsobneoke eto. 147

das Chlorpalladiam (1 : 1000). Zur HerBtellung guter Querschnitte halte ich es f&r gerathen, die Schnecke vor der Entkalkung zu er- hartoi. Zu diesem Behuf lege ich die Schnecke auf 24 Stunden in eine Lösung von Chlorpalladium 0,1 p. c. oder Ueberosmiumsäure 0,5 bis 1 p. c, je nach der Grösse der Schnecke, sodann auf eben so lange Zeit in absoluten Alcohol, schliesslich in die Entkalkungs- flüssigkeit, wozu ich Chromsaure bis 1 % oder Chlorpalladium 0,1 p. c mit Vio Theil Salzsäure nehme. Nach der vollständigen Entkalkung wird die Schnecke, nachdem sie 24 Stunden in absolu- tem Alcohol wieder ausgewaschen worden ist, in frisches Rückenmark oder Leber eingebettet und nochmals in Alcohol gelegt. Wenn man Leber benutzt, so schneidet man ein der Grösse der Schnecke ent- sprechendes Stück aus der Mitte heraus, füllt die Höhlung mit Leim- glycerin und legt dann die Schnecke hinein. Besondere Vorzüge bietet indess diese Au^llungsmethode im Allgemeinen nicht.

Ich kann hier die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, ohne Herrn Professor Waldeyer für die Art und Weise, mit der er durch Rath und That meine Untersuchungen förderte und durch geistige Anregung meine Bestrebungen unterstützte, noch öffentlich meinen Dank auszusprechen.

Wir können histogenetisch dreierlei Gewebsarten in der Zu- sammensetzung der Schnecke unterscheiden, die sich auch in ihrer physiologischen Bedeutung mehr oder minder auseinander halten lassen, und zwar:

1) die aus Knorpelgewebe sich entwickelnde knöcherne Kapsel ;

2) die aus embryonalem Schleimgewebe hervorgehende knö- cherne Axe mit den theils knöchernen, theils bindegewebigen Wand- schichten der Schneckentreppen; und

3) die epitheliale Auskleidung des Schneckenkanals, an die sich die Endausbreitung des Gehörnerven anschliesst.

Die Sehneekeiikapsel.

Dieselbe ist bdm Menschen und den von mir untersuchten Säugethieren (mit Ausnahme des Meerschweinchens, bei dem das knöcherne Gehäuse mit seinen freien Windungen in die Bulla hin- einragt) der Art in die Knochensubstanz des Felsenbeins eingebet- tet, dass sie sich von der Umgebung nur durch ihren compakteren Bau unterscheidet Eine scharfe Grenze lässt sich in der Schnecke

148 Dr. J. GottBtein:

der Erwachsenen zwischen beiden nicht finden. Das Gewebe der die Schneckenhöhlen zunächst umgebenden Knochenkapsel ist arm an Knochenzeilen und bildet, wie bereits K öl 11 k er dargethan, eine Art Glaslamelle. Nach aussen zu nehmen allmählig die Knochen- zellen an Zahl zu, dieselben werden grösser> die Markräume mehren sich und das Knochengewebe hat den spongiösen Charakter des Felsenbeins angenommen.

Was die Entwickelung der Schneckenkapsel anbelangt, so lässt sich nicht leugnen, dass diejenige Schicht, die den inneren Hohl- raum umgiebt, am frühzeitigsten verknöchert und dass diese Ver- knöcherung relativ selbständig fortschreitet (Reichert); wenn in- dess Böttcher (1. c. S. 62) es als Fundamentalsatz aufstellt: „dass die knöcherne auch bei erwachsenen Individuen aus dem Felsen- beine ausschälbare Labyrinthkapsel aus dem ursprünglichen intra- kapsulären Bindegewebe in gleicher Weise wie die Scheidewände, die lamina modioli, die Spindelwand und die lamina spiralis sich entwickelt, dass dagegen die äussere, ebenfalls aus Knochensnbstanz bestehende Umhüllung derselben durch Metamorphose der hyalin- knorpUgen Kapsel entsteht^^ so muss ich dem widersprechen. Nach meinen Beobachtungen ist die Schneckenkapsel knorplig vorgebildet und entwickelt sich durch Schmelzung der Knorpelkapseln in der- selben Weise wie das Knochengewebe des Felsenbeins. Dafür spricht nicht nur, dass beim Meerschweinchen, wo das Schneckengehäuse nicht von dem Knochen des Felsenbeins umgeben ist, sondern frei daliegt, sich dasselbe knorplig vorgebildet findet, dass sich beim Kalbe Knorpelreste in derselben Weise wie bei der Verknöcherung der übrigen knorplig präformirten Knochen bis zu den innersten Lagen der Kapsel beobachten lassen, sondern dass ich auch an einer Schnecke, die der Leiche eines einjährigen Kindes entnommen war, die verknöchernden Reste des Knorpels bis hart anöden Rand des ligamentum spirale verfolgen konnte. Ob noch nebenbei eine Ver- knöcherung durch Ablagerung osteogener Zellen von Seiten des Pe- riostes stattfindet, kann ich nicht bestreiten, jedenfalls kann der Antheil des Periostes an der Bildung der Knochenkapsel kein wesent- licher sein.

Die Sehneckenaxe nnd die lamina spiralis ossea.

Wesentlich andere Charaktere zeigt der aus embryonalem Schleimgewebe hervorgegangene knöcherne Modiolus, sowie die la-

üeber den feineren Bau und die Bntwickelang der Gehörschnecke eto. 149

mina spiralis ossea. Dazu bestimmt, dem Stamm des nervus acusti- cas bis zu seinem Eintritt in den canalis cochlearis einen Halt und Durchgang zu gewähren, stellen sie ein System von mehr oder minder grossen Kanälchen dar, die dadurch gebildet werden, dass die Wände einer grösseren Höhlung durch Enochenbrucken nach verschiedenen Richtungen durchzogen werden (Fig. 1 R), um die Faserbändel des Nerven zwischen sich durchzulassen. Da, wo die Schneckenaxe in die knöcherne lamina spiralis übergeht, findet sich regelmässig ein solch grösserer Kanal, der canalis spiralis modioli Rosenthalii, der das ganglion spirale des nervus Cochleae enthält (Fig. 1 6). Das Knochengewebe der die Kanälchen umschliessenden Lamellen ist von zarter, leicht zerbrechlicher Beschaffenheit und hat, be- sonders deutlich beim Menschen, zahlreiche, kleine Blutgefässe fährende Bäume. In all' diesen Lücken, sowie in den Nervenkanälchen selbst findet sich ein netzförmiges Gewebe, das mit seinen feinen Maschen die Nervenbündel und GefSsse umspinnt und in seinem Aussehen am meisten dem reticulären Bindegewebe gleicht (Fig. 3 a). Es be- steht aus runden Zellen, die durch feine Verästelungen mit einander anastomisiren und das zierlichste Bild eines feinmaschigen Netz- werks darstellen.

Von anderen Autoren scheint nur Löwenberg dieses Gewebe beobachtet zu haben, indess auch nur fär die Habenula ganglionaris. Böttcher und Deiters beschreiben Bindegewebszäge , welche beide Lamellen der lamina spiralis ossea mit einander verbinden bei Embryonen und jungen Thieren; aber während Böttcher (I.e. S. 167) damit nur die Faserzüge meint, die später verknöchern und die „säulenförmigen Knochenbälkchen'^ bilden, zwischen denen die radiär verlaufenden Nervenfasern durchgehen, nimmt Deiters (Unter- suchungen über die lamina spiralis membranacea, Bonn 1860, S. 78) für ältere Individuen an, dass „die Verknöcherung kein eigentli- ches Knochengewebe, keine tela ossea mehr zu Stande bringt, son- dern eben nur eine Ablagerung kalkiger Goncretionen , welche mi- kroskopisch ganz das Ansehen der makroskopisch spongiösen Sub- stanz wiederholen. Ich habe das erwähnte intermediäre Bindegewebe nicht nur in der Habenula ganglionaris, sondern im ganzen Verlauf des Modiolus und der lamina spiralis ossea und nicht nur bei ganz jungen Individuen, sondern auch in Schnecken erwachsener Menschen beobachtet und glaube, dass es persistirende Reste des embryonalen Bindegewebes sind, aus dem, wie Böttcher zuerst angegeben

152 Dr. J. GottBtein:

nachweisen. Je weiter die Entwickelang vorschreitet, desto mehr nimmt die Grandsabstanz der crista eine homogene Beschaffenheit an, ohne, beim Menschen wenigstens, die Streifang vollständig zu verlieren. In der crista der Schnecke eines 26jährigen Mannes (Fig. 3 S) kann man eine doppelte Streifung beobachten. Zunächst sieht man eine zarte, aber ganz deutliche Streifung etwas nach Unten und Innen von der Reissner'schen Membran beginnmd (x), sich in einer wenig geschwungenen Linie, die Goncavität vestibalär- wärts, nach Aussen bis zum labium tympanicum (y) hinziehen und so die Scheidegrenze zwischen der crista und der darunter liegenden lamina ossea bilden; von diesem radiären Faserzug gehen nun in gewissen Abständen von einander fast parallel verlaufende dünne Fasern nach Oben und schliessen zwischen sich rundliche Zellen ein (z). Bei älteren Thieren lässt sich diese Streifang weniger deutlich nachweisen, nur beim Hunde fand ich sie leicht erkennbar ausgeprägt. Ich halte dieses eigenthflmliche Verhalten zur Bear- theilung der Textur der crista für nicht unwesentlich. Die Mei- nungen der Autoren über diese Bildung gehen bis jetzt auseinander. Hensen betrachtet, gestützt auf embryologische Untersuchungen, die Gehörzähne als „umgewandelte Epithelzellen'^ EöUiker ist geneigt, diese Ansicht zu adoptiren, obgleich ihn der Umstand zwei- felhaft machte dass „er an der Habenula sulcata keine Spur einer Abgrenzung der oberflächlichen Lage gegen das darunter liegende Bind^ewebe findet/' Dem entgegen rechnen Deiters und Lö- we nberg das Gewebe der crista zum Bindegewebe, ohne ihm eine bestimmte Stellung geben zu können, Böttcher endlich bezeichnet sie als knorplige Spiralleiste.

„Unter den Geweben der Bindesubstanzen, sagt Deiters (1. c S. 19) „behält das Gewebe seine selbständige Stellung ; keiner der hierher gehörigen Arten lässt es sich einfach unterordnen.^' „Der eine Umstand könnte hervorgehoben werden, dass die unterste Partie des Gewebes hier jedenfalls als Bildungsstätte der unterliegenden Knochenplättchen anzusehen ist.''

He nie lässt es angewiss, ob man die crista (limbus laminae spiralis) als eine periostale oder sabperiostale Bildung auffassen soll, deren Grewebe „eher dem Gewebe der Basalmembranen, als dem Knorpelgewebe verwandt isf Auch Böttcher präcisirt den Cha- rakter des Gtewebes nicht genau. Er spricht von der „knorpligen Spiralleiste", von einer „Zahnsubstanz'* und den damit ver-

Üeber den feineren Ben und die Entwiokelong der Gehönohnecke eto. 15S

wadmenen Epithelien. Wie er dazu kommt, die Spiralleiste knorplig zu nennen, ist mir nicht recht einleuchtend, da er selbst die Ent- Wickelung der crista aus dem intracapsulären Bindegewebe genau beschreibt, und von den Charakteren des Knorpels dieselbe nur den unwesentlichen einer eigenthümlichen Härte zeigt. An einer andern Stelle spricht er auch wieder von einem „indurirten Bindegewebe'^ Auch den Begriff der „Zahnsubstanz'' definirt er histologisch nur in soweit, als er angibt, dass „in jungen Entwickelungsstadien an ihrer Stelle bei starken Vergrösserungen feingestreifte, kernhaltige Faserbttndel erkannt werden können, welche sich aus dem Bindege- websstratum erheben".

Ich glaube, diese Unbestimmtheit hört auf, wenn wir mit Waldeyer das (rewebe der crista als eine osteoide Substanz im Mflller-Virchow'schen Sinne auffassen. Hierfür spricht nicht allein die knorpelähnliche, nahezu homogene, aber nicht knorpelgleiche Beschaffenheit der Grundsubstanz mit einge- streuten Knochenkörperchen gleichen Zellen, sondern vor Allem auch die Entwickelungsgeschichte. Embyologische Untersuchungen lassen es zweifellos, dass die crista gleichzeitig und im Zusammen- hang mit der lamina ossea aus dem intracapsulären Bindegewebe hervorgeht, so dass sie in diesem Sinne als eine periostale Bildung anfgefasst werden kann. Nach und nach entwickelt sich ähnlich, wie Virchow die Entstehung des osteoiden Gtewebes aus vruchem- den Schichten des Periostes nachgewiesen hat, indem die Orund- sabstanz eine mehr homogene Beschaffenheit annimmt und indurirt, eine der Knochenstruktur ähnliche Masse, „ein Vorgebilde des Knochens,'' „ein Aequivalent des Knorpels". Diese Umbildung ist bei den Säugethieren mit dem Aufhören des embryonalen Lebens beendet, während beim Menschen die periostale Entstehungsweise durch Erhaltenbleiben einzelner Faserbündel sich auch späterhin noch verrath.

Es scheint überhaupt, dass die Verwandtschaft der osteoiden Substanz der crista mit Knochensubstanz bei Thieren viel deut- licher hervortritt, als beim Menschen, indem sie bei einzelnen Thie* ren, wie dies Waldeyer von Fledermäusen gezeigt hat, bis auf die am meisten vestibulärwärts gelegenen Schichten geradezu ver- knöchert ist.

Als besonders wichtig müssen wir hervorheben, in welches Ver- hältoiss die Bildung der crista sich zum Epithel des ductus cochlearis

154 Dr. J. GottBtein:

stellt. Wie Kölliker bekanntlich zuerst nachgewiesen hat, ist der ganze ductus cochlearis im embryonalen Leben von einem Epithel aus- gekleidet. Indem die crista sich bildet, erhebt sich nach Böttcher^s Untersuchungen am inneren Rand des Schneckenkanals ein anftng- lieh mehr stumpfer, späterhin mehr scharfer Kamm gegen den Kanal, „durch welchen das Epithel gegen dessen Lumen vorge- schoben wird. Bei der Erhebung und Yergrösserung der Ober- fläche dieses Kammes flacht sich das' Epithel ein wenig ab und geht nun wieder continuirlich an Höhe verlierend, in die Epithellage der oberen Wand, welche sich bereits durch die hervortretende scala vestibuli zur Vorhofswand gestaltet, ohne Absatz äber*^ Von diesen Angaben Böttcher's kann man sich leicht überzeugen; dagegen können wir seinen Worten über die weitere Gestaltung des Epi- thels nicht beistimmen. Böttcher sagt: „Auf dem vorspringenden bindegewebigen Kamm ist die Grenze des aufiaitzenden Epithels an- fanglich noch scharf zu unterscheiden, sehr bald tritt aber eine innige Verschmelzung ein «und schon an dem folgenden, weiter ab- wärts liegenden Querschnitt derselben Schnecke sehen wir die Grenz- linie zwischen den Gylinderzellen der ursprünglichen Labyrmthblase und dem darunter liegenden Bindegewebsstratum verwischt Erstere sind zwar seitlich durch Cont euren noch deutlich von einander ge- schieden und . stehen wie Pallisaden auf der kammformigen Er- höhung, aber das untere Ende derselben verliert sich völlig in der Zwischensubstanz des Bind^webes und kann nicht abgegrenzt werden".

Ich muss dem aus theoretischen Gründen und nach meinen Beobachtungen widersprechen. Eine solche Verschmelzung hetero- loger Gewebe, wie des Epithels des ductus cochlearis und des osteo- iden Gewebes der crista würde im Organismus kein Analogon finden. Ebensowenig habe ich an guten, hinreichend dünnen Querschnitten eine solche Verschmelzung beobachten können. Ich fand bei em- bryonalen Schnecken und Schnecken neugeborener Thiere, die auf der crista aufliegenden Epithelien stets deutlich von allen Seiten con- tourirt (Fig. 26 und 27 S). Es gelingt auch sehr leicht, durch Maceriren in Glycerin oder Jodserum das Epithel zu entfernen, was mit der [Annahme einer Verschmelzung kaum vereinbar wäre. Eigen- thümlich wäre es auch, wenn auf derselben crista, wie es Bött- cher in Fig. 27 a und c, Fig. 24 A e und f zeichnet , an einer

Üeber den feineren Bau und die Entwickelung der Gehörschnecke etc. 156

Stdle eine Venschmelzung stattfände, während sie dicht daneben anterbläbt.

Bei älteren Individuen verschwindet auf den Vqrsprüngen der

«

Zahne das Epithel vollständig und nur in den interdentalen Furchen findet man die rundlich-eckigen Zellen, die man um so eher als die Epithelzellen zu betrachten berechtigt ist, als ihr Zusammenhang mit dem Epithel der Reissner'schen Membran, wie mit dem des solcus spiralis sich an manchen Präparaten nachweisen lässt, wie Waldeyer und ich wiederholt beobachtet haben.

Ob nun dieses eigenthümliche Verhalten 4es Epithels dadurch bedingt wird, dass, wie Waldeyer annimmt, wenn sich unter dem Epithel das mächtige Lager der osteoiden Substanz entwickelt, so- wie oberhalb desselben die dicke Guticularbildung der membrana tectoria abgelagert wird, ein Theil derselben verkOmmert und nur die in den interdentalen Furchen liegenden erhalten bleiben, oder ob, wie Böttcher angibt, das Gewebe der crista, „die Zahnsub- stanz, sich in Form von Fortsätzen zwischen die Epithelien bis an die Oberfläche von unten her hineinschiebt und dort angelangt, sich ein w^iig mehr ausbreitet^', also in dieser Weise spaltenfSrmige Trennungen des Epithels bewirkt, will ich noch unentschieden lassen, dabei aber auf die interessante und Waldeyer's Ansicht unter- statzende Thatsache aufmerksam machen, dass beim Menschen, wo, wie wir sehen, die Co rti'sche Membran nicht die ganze obere Fläche der crista bedeckt, sondern etwa in der Mitte zwischen der Ansatzstelle der Reissner'schen Membran und dem labium vestibuläre beginnt, die Umwandlung der Epithelzellen in die interdentalen rundlichen Eörperchen nur soweit stattfindet, als die Corti'sche Membran reicht und dass nach Innen davon (Fig. 3 c) ein continuirliches Lager unveränderter Epithelzellen erhalten bleibt, das in unmit- tdbarem Zusammenhange mit dem Epithel der Reissner'schen Membran steht.

Es erübrigt noch, auf einen Irrthum einiger Autoren über die Gestaltung der obern Fläche der crista aufmerksam zu machen. „Die obere Fläche des limbus spiralis", sagt Henle (Handbuch der Eingeweidelehre des Menschen, 1866, 8. 786), ,4st mit biegsamen, umgekehrt kegelförmigen, d. h. von der Basis gegen die Oberfläche an Breite zonehmendai Warzen versehen, deren kreisrunde oder der kreisrunden Form sich nähernde Endfläche sämmtlich in einer Ebene liegen''. Auch Löwenberg beschreibt solche Bildungen.

166 Dr. J. GottBt«in:

Er sagt 0- c p. 25) : „La surface sup^iieure porte des saillies et des fossettes alternantes. Ces saillies se pr^sentent sur la coupe sous forme de dentelures carr^es ou arrondies, les fossettes sous forme d^indsions dans les qaelles od voit certains corpuscaIes*^ Böttcher hat dagegen schon hervorgehoben, dass thatsächlich keine cylindri- sehen Wfllste vorhanden sind und dass Präparate, wie sie He nie (Fig. 607) und Löwenberg (Fig. 5) abbilden, nur durch Zer- störung der in den Furchen liegenden Epithelreste entstanden sein können. Ich stimme mit Böttcher ttberein, dass die obere Fläche der crista bei erhaltenem Epithel völlig eben ist und glaube nur, dass die erwähnten, dem widersprechenden Zeichnungen He nle's und Löwenberg*s daher rühren, dass die Schnitte nicht parallel den radiären Furchen oder Zähnen gemacht sind und so bei theil- weisem oder gänzlichem Verlust des Epithels bald eine Furche, bald einen Zahn abwechselnd treffen und in Folge dessen altemirende Vorspränge (dentelures) und Einschnitte (incisions) bilden. In Be- zug endlich auf die Frage, ob die crista Blutgefässe enthält, muss ich mich gegen Deiters auf die SeiteEölliker's, Lowenberg's und Böttcher's stellen. Ich habe sowohl spiral als radiär ver- laufende Gefässe in der Crista beobachtet (Fig. 4v). Diess gilt auch vom Menschen, was ich gegen Löwenberg behaupten muss, indem ich wiederholt an der Grenze zwischen Crista und der da- runter liegenden lamina ossea ein Gefäss gesehen habe, das einen Ast in die Crista selbst hineinschickte.

Membrana vestibularis (Henle). (Reissner'sche Membran KöUiker).

Ueber die Existenz dieser Membran werden wohl kaum noch heute Zweifel aufkommen können, ebenso wenig über ihre Ansatz- punkte am Anfange des obern Randes der Spiralleiste und an der äussern Schneckenwand. Trotz der Dünnheit der Membran können wir drei Gewebsstrata in ihr unterscheiden, eine bindegewebige Grundlage, eine Epithelauskleidung nach der Seite des dactus coch- learis und eine Endothelschicht nach der der Vorhofstreppe zu. Wesentlich übereinstimmend sind die Angaben der Autoren über das Epithel : es ist ein einschichtiges abgeplattetes Epithel und steht in direktem Zusammenhäng mit dem Epithel der Crista wie mit dem Epithel der äussern Wand des Schneckenkanals. Genetisch ist es nichts Andres als das Epithel, welches im embryonalen Leben

ü«ber den feineran Bau and die Entwiokelong der Gehörtohneeke eia 157

die vestibiilare Seite des Schoeckenkanals einiiiinint und ist insofern als dem letztem angehörig zu betrachten. Von der epithelialen Anskleidang des dnctas cochlearis ist es derjenige Theil, der ausser dem Epithel des sulcus spiralis extemus in der Fortentwickelung der Sdinecke die wenigsten Verändemngen erleidet Schwieriger zu erkennen sind die Verhältnisse des bindegewebigen Theils der Reiss- ner'schen Membran, und ist eine Uebereinstimmung der Autoren hierin nicht erzielt Kölliker sagt: j^Aie Reissner'sche Membran besteht abgesehen von dem Epithel aus einer dflnnen Lage ein- bcher Bindesubstanz (d. h. dichten Netzen von Bindegewebskörper- eben) mit zahlreichen Gapillaren. Bei altem Ealbsembryonen war die Reissner'sche Haut auf der Seite der scala vestibuli von einer hellen gleichartigen Lage, ähnlich einer Basement membrane, be- deckt, die auch sonst in der scala vestibuli sich fand und zur Kndesttbetanz des Periosts zu gehören schien, während bei mensch- lichen Embryonen des fünften und sechsten Monats an dieser SteDe ein deutliches Epithel zur Beobachtung kam/' Reissner lässt sie aas einer strukturlosen Lamelle bestehen. Nach H e n 1 e lässt sie sich nicht in Fasern zerlegen, enthält aber einzelne plattelliptische Kerne und weitmaschige Netze feiner Capillargefässe. Hensen unterscheidet ein Epithelium und eine Bindegewebslage, die letztere an ihren ovalen, glänzenden zerstreuten Kernen kenntlich, ebenso findet Middendorp die Membran strukturlos, glashell mit zer- streute, runden, ovalen, glänzenden Körpern, während Wini- w a r t e r sie aus feinfaserigem Bindegewebe mit engen Maschen, ein- gestreuten Kernen und elastischen Fasern bestehen lässt Der Grund zu diesen Widersprächen liegt in der grossen Schwierigkeit gate, hinreichend dünne Querschnitte zu erlangen. Meist erhält man Schnitte, in denen das Epithel oder das Endothel die Bindegewebs- schicht vollständig verdecken. Isolirte Flächenansichten der Mem- bran sind nur selten darzustellen ; dieselben rufen leicht den An- schein hervor, als würde die Bindegewebsschicht eine homogene Schidit mit dngestreuten Zellen darstellen. Behandelt man indess die Membran mit Argent nitricum, dann werden die zwei Lagen der Bindegewebsschicht deutlich erkennbar, zuerst die Mosaikzeich- onng des Endothels mit ihren Kernen, darunter die hyaline Sdiicht durch die man das Epithel des ductus cochlearis durchschimmern sieht Etwas ganz ähnliches hat offenbar auch Böttcher beob- achtet; er sagt (L c. S. 158): „der ZeDkörper der Epithelien ist

158 Dr. J. Gottfltein:

feinkörnig und die einzdnen Zellen nach Art einer Mosaik gegen- einander abgegrenzt, die Kerne der obem Lamelle liegen dagegen in einer homogenen Schicht, die indesB an gefärbten Prä- paraten auch eine Theilung in Felder, wenn auch nicht in so regelmäfisige, wie die untere, erkennen lässt. Diess erklärt sich daraus, dass die Ausläufer der Zellen sich verzweigen und mit ein- ander yerbinden, wodurch dem dünnen Häutchen eine gewisse Aehn- lichkeit mit einem Epithel verliehen wird/' Dass diese Erklärung Böttcher's nicht richtig ist, sieht man am Besten an den mit Argentum nitricum behandelten Präparaten ; man überzeugt sich an ihnen, dass diese Theilung in Felder keine theilweise, sondern eine ganz regelmässige ist und nicht von Ausläufern der Zellen her- rührt, sondern die Gontouren von Zellen selbst darstellt, und dass die homogene Substanz nicht eine hyaline Intercellularsubstanz ist, sondern wie man sich durch verschiedene Einstellung des Mikros- kops überzeugen kann -- eine besondere mittlere Schicht bildet Auch an Querschnitten, besonders an mit Prikrinsäure behandelten, tritt die hyaline Substanz als eine besondre mittlere Schicht deut- lidi hervor.

Die membrana vestibularis fUhrt zahlreiche Blutgefässe, das wird von allen Autoren bestätigt, nur Böttcher behauptet, dass die Gefässe, die er bei Schaf- und Rinderembryonen in der Mem- bran beobachtet hat, später ausnahmslos zu schwinden scheinen, wenigstens hat er in der Vorhofswand ausgebildeter Thiere nie Blut- gefässe angetroffen; er lässt aber doch insofern eine Ausnahme gelten, als er an einer andern Stelle seines Buches sagt: „vielleicht, dass auch die Yorho&wand bei erwachsenen Thieren hin und wieder gefässhaltig ist."

* Labiom vestibuläre und labiom tympanicum cristae spiralis.

Schon zu der Zeit, wo in der embryonalen Schnecke die ersten Andeutungen der crista spiralis wie Böttcher dargethan hat, durch Verdichtung des ursprünglichen Schleimgewebes sich zeigen, beobachtet man, dass einerseits die obere Fläche der Spiralleiste sich der Art in das Epithel des ductus cochlearis hineindi^ngt, dass der grössere der zwei EpithelialanhäufungeU; die wir weiterhin als die Anlagen des akustischen Endapparats kennen lernen werden, der sogenannte grosse Epithelialwulst, ein wenig überdacht wird,

Oeber den feineren Bau und die EDtwiokelnng der Gehörsolmecke etc. 159

andererseits ilffe untere Fläche sich zwischen diesen and den darunter- liegenden Nervenfasern bis zu dem Punkte hineinschiebt, wo sie etwa an der Grenze zwischen dem grossen und kleinen Epithelial- wnlst in die lamina baailaris tibergeht. Je mehr sich nun in der weitem Entwickelung der von mir oben nachgewiesene osteoide Cha- rakter der Crista ausprägt, desto schärfer springt die obere Fläche hakenförmig über den eigentlichen Körper vor und bildet das labium vestibuläre (Fig. 1 u. 2 V), und desto bestimmter tritt der untere Tlieil der Crista als Scheidewand zwischen dem grossen Epithelial- wubt und den Nervenfasern auf und bildet, indem er mit dem untern Blatt der lamina spiralis ossea zusammentrifft, das labium tympanicum (Fig. 1, u. 2 T}.

Das labium vestibuläre ist entsprechend dem obem Theil der Crista von homogener Beschaffenheit, während die Fasern des untern Theils der Spiralleiste derartig concentrisch verlaufen, dass sie sich nahezu an dem äussern Ende des obem Blattes des labium tympa- nicum treffen (Fig. 1 T, Fig. 2 T).

. So zweifellos seit Kölliker's Entdeckung der Durchtritt der Nerven durch das labium tympanicum in den ductus cochlearis feststeht, so verschieden sind die Angaben, in welcher Weise diess geschieht. Kölliker nimmt nach der Seite des Schneckenkanals anf dem labium tympanicum eine Reihe durch seichte Furchen von einander getrennte längliche Vorspränge (scheinbare Zähne), an, welche an ihren äussern Enden Spalten oder kanalförmige Lücken zum Durchtritt der Schneckennerven haben. Henlelässt den äussern Theil der vestibulären Platte des labium tympanicum dnrch radi- äre Strdfung in Wülste abgetheilt sein, an deren peripherischem Ende sich eine Beihe von Löchem finden, „die bei einer gewissen Focaleinstellung sich wie längliche, radiäre Spalten ausnehmen. Durch Aendemng des Focus werden sie zu kreisrunden Oefihungen, deren Durchmesser der Breite der Spalten gleichkommt und so ge- langt man zu dem Schlüsse, dass es kurze, die Membran schräg durchbohrende Kanäle sind, die an der einen und zwar an der mitem Fläche spaltförmig beginnen und sich zur Gylinderform verengen.^'

Löwenberg beschreibt die Nervenkanälchen als ziemlich complicirte Röhren, er lässt sie aus zwei mit ihren Spitzen ver- einigten abgestumpften Kegeln zusammengesetzt sein ; die Basis des obem Kegels bildet die spaltfBrmige Oeflhung nach dem ductus

160 Dr. J. Gottstein:

cochlearis zu^ der untere Kegel setzt sich nach Unten über die hya- line Substanz des labium tympanicum hinaus fort und seine Basis ist durch ein mit kleinen Löchern versehenes, in schräger Richtung von Innen und Oben nach Unten und Aussen gehendes Septum ge- schlossen. Böttcher endlich lässt die Nervenkanäle aus einer eigenthümlichen Verschmelzung der beiden Blätter des labium tym- panicum hervorgehen. Nach ihm befindet sich zwischen diesen Blättern, während die Zahnbildung am labium vestibuläre erfolgt (9 Gm. langer Katzenembryo, 10,5 Cm. Schafembryo), em spiraler continuirlicher Spalt, durch den die von ihnen eingeschlossenen Nervenfasern zu den Zellen des embryonalen Schneckenkanals treten. ^ „Die Verschmelzung geschieht in der Weise, dass sich in regel-

mässiger Entfernung von einander von der obem zur üntem La- melle tretende Brücken bilden, welche Nervenfasern zwischen sich fassen und dadurch in Bündel zerlegen. Die Durchtrittsstellen der letztem erscheinen dann als Löcher, welche kurz vor (d. h. nach innen zu von) der Vereinigung beider Blätter sich vorfinden.''

Nach meinen Beobachtungen kann ich keinem dieser Autoren vollständig beistimmen. Böttcher gegenüber finde ich, dass das untere Blatt des labium tympanicum, weder in der Schnecke junger, noch erwachsener Individuen, in irgend einer Beziehung zur Bil- dung der Habenula perforata beiträgt. Die Nerven treten durch das obere Blatt des labium tympanicum in einer deutlich messbaren Entfernung vor seiner Vereinigung mit dem untern Blatt (Fig. 1 u. 3 Y) in den Schneckenkanal. Ob zu einer bestimmten Zeit des embryonalen Lebens wirklich ein spiraler Spalt zwischen den beiden Blättern zum Durchtritt der Nerven besteht, wie es Böttcher annimmt, ist mir zu sehen nicht gelungen. Dieser Spalt müsste aber viel grösser sein, als ihn Böttcher in seinen Abbildungen Tafel V, Fig. 23, Tafel VI, Fig. 24a zeichnet, wenn damit die Figg. 33 und 34 seiner Tafel IX in Einklang gebracht werden sollen. Letztere Figuren zeichnen nämlich ganz richtig, und wie ich selbst es gefunden habe, den Nervendurchtritt durch das obere Blatt des labium tympanicum der Art , dass immer noch ein Theil des obern Blattes nach Aussen von der Habenula perforata zu liegen kommt, der im Verhältniss zu dem spiralen Spalt in den Fig. 23 und 24 zu gross erscheint. Ebensowenig kann ich Löwenberg beistim- men, wenn er sagt (1. c. S. 32), dass die Nervenfasern, bevor sie in das labium tympanicum gehen, ein siebförmiges Septum durch-

lieber den feineren Bau lind die Entwickeiang der Gebörschnecke eta 161

bohren ; auch sind mir niemals Bilder, wie sie dieser Autor in Figur 6 Tafel II giebt, begegnet, lieber die Beschafifenheit der NeiTen- kanäle können überhaupt Querschnitte nur sehr schwer aufklären. Dieselben sind zu klein, um als Lücken deutlich zu werden, selbst weDD der Schnitt genau radiär einen Kanal durchsetzt. £s ist mir deswegen noch viel unerfindlicher, wie Löweuberg sogar ein duithlöchertes Septum will gesehen haben. Man kann, meiner Ueber- zettgung nach, in dieser Weise nicht einmal die Frage entscheiden, ob jede Nervenfaser für sich die Substanz des labium tympanicum durchbohrt, oder ob die Nervenfasern durch einen gemeinschaft- lichen Kanal durchgehen. Erst Flächenansichten lassen die radiären Spalten sehen, von denen man um so eher annehmen kann, dass sie die Ausgangsöffnungen von Kanälen sind, als an Präparaten, bei denen zufiLllig die unterhalb der Habenula perforata liegende lamina ossea mit den zwischen ihren beiden Blättern liegenden dunkel- randigeu Nervenfasern bei der Präparation losgelöst ist, auch die entsprechende Eingangsöffnung für die Nerven zu Gesicht kommt, wie ich es ganz eklatant bei einem mit Herrscher Flüssigkeit behandelten Präparat des' Herrn Prof. Waldeyer sehen konnte. Dass sich die Wände dieser Kanäle in eine dichte Reihe länglicher Vorsprttnge im ductus cochlearis fortsetzen, wie Kölliker an- nimmt, davon habe ich mich, ebensowenig wie Löwenberg, weder an Querschnitten noch an Flächenansichten überzeugen können und ich halte es für räthlich, die Benennung der scheinbaren Zähne vollständig fallen zu lassen; wenigstens hat diese keinen Werth.

Canalis snlci spiralis (salcns spiralis internas).

Die zwischen dem labium vestibuläre und tympanicum blei- bende tiefe Furche oder Ausbuchtung ist bekanntlich beim Embryo durch den sogenannten grossen Epithelial wulst ausgefüllt. Hensen und Böttcher haben bereits die Verhältnisse studirt, die zur Bil- dung des sulcus spirahs beitragen. Sie nehmen an, dass er durch Schwund des grossen Epithelialwulstes entsteht. Es ist zweifellos, dass der Raum, der durch den allmähligen Schwund des grossen Epithelialwulstes sich bildet, zum sulcus spiralis beiträgt ; ich muss imless nach meinen Beobachtungen constatiren, dass bei neugebore- nen Hunden zu einer Zeit, wo dieser Wulst weder an Höhe, noch an Breite, noch überhaupt an seiner Conformation irgend eine

M. BdndtM, ArdüT f. mlkrotk. Anatomie. Bd. 8. H

162 Dr. J. Gottstein:

wesentliche VeränderuDg erlittexi hat, sich bereits ein beträchtlicher Kanal gebildet hat, der begrenzt wird von innen durch das Epithel des suicus, nach oben vom Zahn der crista und der Cortrschen Membran, nach aussen vom grossen Epithelialwulst und nach unten vom Epithel des labium tympanicum (Fig. 25 und 26 L). Ich glaube deswegen zu der Annahme berechtigt zu sein, dass dieser Kanal des sulcus spiralis ursprünglich dadurch sich entwickelt, dass durch Wachsen der beiden Labien, besonders des labium tympanicum, der grosse EpitheUalwulst mehr nach aussen rückt und zwischen sich und dem Epithel des sulcus eine Lücke lässt, die durch späteren Schwund des Epithelial Wulstes allmählig grösser wird. Da diese Lücke einen allseitig geschlossenen Raum darstellt, so wähle ich dafür die Bezeichnung „canalis sulci sp iralis''. lieber das P2pithel dieses Kanals werde ich später sprechen.

Lamina basilaris (lamiia spiralis membranacea der älteren

Autoren).

Die lamina basilaris (Fig. 2 G, 3 0; 5 0) ist die directe Fort- setzung des labium tympanicum und wir finden in ihr die histolo- gischen Elemente wieder, denen wir in den beiden Blättern des labium begegneten, nämlich eine zellige, tympanalwärts gelegene und eine hyaline Schicht, die dadurch zur mittleren wird, dass bei der Schnecke der Erwachäenen von der vestibulären Seite noch eine Lamelle hinzukommt, die wir wegen ihrer Beschaffenheit mit Bött- cher als Fasers tratum bezeichnen wollen. Dieses Faserstratum gehört streng genommen dem Epithel des ductus cochlearis an und tritt erst dann auf; nachdem sich aus dem kleinen Epithelialwulst der akustische Endapparat entwickelt hat. Von der Fläche aus gesehen, erscheint es bald in seiner ganzen Länge wie beim Menschen und Meerschweinchen (Fig. 5 C), bald nur in seinem äusseren Tbeil, d. h. von den Fussplatten der äusseren Pfeiler an, gestreift (Fig. 23 0) ; auch im ersteren Fall ist die Streifung des äusseren Theils deutlicher und regelmässiger ausgesprochen, als der innere und hat die Bezeichnung zona pectinata erhalten. Die Streifung rührt, wie ich mit Henle und Böttcher annehmen muss, von einer wirk- lichen Faserung her, und es ist nicht schwer, an frisch in schwacher Chromsäurelösung behandelten Präparaten das Auseinandergehen der Fasern zu beobachten. Obgleich mir ebenso wenig wie Bot t-

üeber den feineren Bau and die Ent Wickelung der Gehörschnecke etc. 163

eher der directe Beweis auf entwickelungsgeschichtlichem Wege gelungen ist, so halte ich es doch mit letzterem Autor für wahr- scheinlich, dass das Faserstratuui eine cuticulare Ausscheidung ist. Hierfar spricht nicht nur der directe U ebergang der Bogenpf eiler in das Faserstratum und der Umstand, dass, wie Böttcher sagt, „sich beinahe mit Sicherheit eine Entstehung jener Fasern aus dem Bindegewebsstratum der zona pectinata von der Hand weisen lässt^*, sondern auch meine Beobachtung, dass das Faserstratum gleichzeitig mit der Bildung des akustischen Endapparats aus dem kleinen Epithelialwulst entsteht zu einer Zeit, wo die Bindegewebsstrata der lamina basilaris ihre Entwickelung bereits vollendet haben. Weiter- hin wird allerdings die Yerklebung des Faserstratums mit der dar- unter li^enden Bindegewebsschicht der lamina basilaris eine so in- nige, dass seine Isolirung nur selten zu Stande kommt. Seine Be- stimmung scheint darin zu bestehen, den akustischen Endapparat mit der eigentlichen bindegewebigen Wandung fest zu verbinden» wenigstens ist es auffallend, wie leicht sich zu der Zeit, wo das Faser- stratum noch nicht gebildet hat, also in der embryonalen Schnecke und bei ganz jungen Thieren, der kleine Epithelialwulst in seiner Totalität von der lamina basilaris abhebt^ während späterhin meist bald der eine, bald der andere Theil des G o r t i'schen Organs haften bleibt, wenn durch die Präparaüon letzteres von der lamina basilaris losgelöst wird.

Was die beiden anderen Lagen der lamina basilaris betrifft, so ist nach den embryologischen Untersuchungen Böttcher's, die ich in den meisten Punkten bestätigen, in einzelnen ergänzen kann, ihre Bildung aus dem intracapsulären Bindegewebe als zweifellos zu be- trachten. Der Vorgang ist dabei ein ähnlicher,* wie bei der Bildung der membrana vestibularis. Während das embryonale Schleimgewebe zur Entwickelung der Scala tynipani sich allmählig verflüssigt und schwindet, bleibt an der unteren Wand des ductus cochlearis, wie Böttcher sagt, „eine breite Z^ne dichtgedrängter, kleiner, stern* und spindelförmiger Körperchen mit feinen und kurzen Ausläufern, die in eine homogene Intercellularsubstanz eingebettet sind. Diese Zellen treten anfangs unmittelbar an die epithelialen Elemente des Schneckenkanals heran. Hierauf sieht man an der Grenze zwischen beiden eine äusserst feine Membran sich bilden, gegen welche nicht selten die Ausläufer der unter ihr liegenden Körperchen gerichtet erscheinen. In dem Maasse als dann die Entwickelung fortschreitet.

164 Dr. J. Gottstein:

wird das über der zelligen Schicht liegende HÄutchen dicker und schärfer begrenzt, während diese selbst au Mächtigkeit einbUsst/'

So weit Böttcher, dessen Beschreibung auch meinen Beob- achtungen entspricht. Indess so leicht es ist, in verschiedenen Ent- Wickelungsstadien sich von der Bildung dieser mehr hyalinen Schicht zu überzeugen, so schwierig ist die Beantwortung der Frage, woraus sich dieselbe bildet, oder mit anderen Worten, ob dieselbe aus der Zone spindelförmiger Zellen hervorgeht, von denen ein Theil dauernd als tympanale Schicht der lamina basilaris übrig bleibt, oder ob sie bereits von vornherein differenzirl ist und nur der dii-ecten Beob- achtung entgeht. Böttcher nimmt das erstere an, er sagt: „Es kann nicht bezweifelt werden, dass die hyaline Lamelle der mem- brana basilaris aus dem zelligen Stratum hervorgeht^'. Ich kann dieser Meinung nicht beistimmen. Böttcher selbst hat schon da- rauf aufmerksam gemacht, dass bei älteren Embryonen, aber auch noch bei neugeborenen Katzen an Flächenpräparaten langgestreckte, spindelförmige, radiär verlaufende Körperchen in der zona pecti- nata zu seheu sind; ähnliche Beobachtungen haben auch KöUiker, Middendorp und VViniwarter gemacht. Ich kann diese Beob- achtungen dahin ergänzen, dass in Schnecken ein Jahr alter Kinder noch constant eine Lage dicht gedrängter, spindelförmiger Zellen gefunden wird, deren Ausläufer radial ziehen und die sich mit den darunter liegenden spiral verlaufenden Zellen fast rechtwinkelig ivreuzen. Middendorp (zur Histologie und Entwickelung der Schnecke, Monatsschrift der Ohrenheilkunde 1868, ^r. II), glaubt, dass die Streifen auf der zona pectinata sich aus diesen radialwärU gehenden, länglichen Zellen entwickeln. Ich habe bereits die Gründe auseinandergesetzt, weshalb das Faserstratum als eine cuticulare Ausscheidung des Epithels im ductus cochlaris anzusehen ist und ich glaube um so mehr zu der Annahme berechtigt zu sein, dass die mittlere Schicht der lamina basilaris aus dieser Lage von radial verlaufenden, spindelförmigen Zellen hervorgeht, als ich auch an ^Querschnitten von Menschenschneckeu (Fig. 3 q) eine deutliche Faserung der mittleren Schicht bei starker Vergrösserung beobachten konnte. Es ist wohl auch nicht anzunehmen, wie es nach Bött- cher*s Ansicht geschehen müsste, dass zwei Lamellen von so ver* schiedener Textur, wie die mittlere und die tympanale Schicht sind, aus demselben Bildmigsstoff hervorgehen; auch scheint mir der Schluss nicht ungerechtfertigt, dass in den Schnecken der Thiere

Ueber den feineren Bau and die Entwickelung der Gohörechnecke etc. 165

ein gleicher Vorgang stattfindet, wie beim Menschen, nur dass das Verschwinden der radial verlaufenden Spindelzellen mit dem Auf- hören des embryonalen I^ebens nahezu beendet ist. Hierbei muss ich noch auf einen Umstand aufmerksam machen, der nicht unwe- sentlich ist. Wie nämlich eine genaue Beobachtung ergiebt, ist die mittlere Lamelle nicht, wie Böttcher sagt, eine ('ortsetzung des labiam tympanicum in toto. sondern nur seines oberen Blattes; nun findet sich, dass gerade beim Menschen die Zellenkörper der crista spiralis, deren Fortsätze gleichfalls radial verlaufen, viel später ver- schwinden, als bei den Thieren, und dass beim Menschen, wie wir gesehen haben, auch in der crista eine radiale Streifung dauernd bleibt; deswegen können wir wohl behaupten, dass verwandte Ent- wickelungsvorgänge in beiden Gebilden im Spiele sind, nur dass die Endresultate in so weit differiren, als in der crista osteoide Substanz, in der lamina basilaris ein homogenes Bindegewebe gebildet wird.

Die hyaline Lamelle bildet in der ausgebildeten Schnecke die Hauptmasse der lamina basilaris, nimmt von Innen nach Aussen aUmählig etwas an Breite zu und scheint der lamina basilaris eine gewisse Festigkeit und Härte zu geben.

Die tympanale Zellenschicht, die als Fortsetzung des unteren Blattes des labium tympanicum zu betrachten ist, unterscheidet sich von der Zone spindelförmiger Zellen, denen man schon in der em- bryonalen Schnecke begegnet, nur durch ihre geringere Mächtigkeit. Bei jungen Hunden ist sie noch ziemlich bedeutend (Fig. 25, 26 and 27 Z), nimmt aber später ab; eine eigentliche Strukturverände- rung scheint mit ihr nicht vorgegangen zu sein. Von der Fläche aus sieht man sie (Fig. 5 C) als zarte Spindelzellen mit spiral ver- laufenden feinen Fibrillen, im Querschnitt erscheinen die Zellen rundlich (Fig. 3 k k).

Böttcher spricht endlich noch von einem ^ellenlager, das zwischen dem Epithel des ductus cochlearis und dem Faserstratum der membrana basilaris liegt; es soll dies eine Schicht kleiner Zellen sein, die sich vom Epithel sehr wesentlich \interscheiden. Ich muss gestehen, dass ich mich von der Existenz dieser Zellen nicht über- zeugen konnte. Böttcher vcrmuthet, dass Kölliker vielleicht dieselben Formelemente im Sinne hat, wenn er angiebt, dass er „in der letzten halben Schneckenwindnng auf der membrana basilaris and unter dem Epithel jenseits des Gorti'schen Organs ein lockeres System von queren, d. h. in der Richtung der dunkelrandigen

166 Dr. J. Gottstein:

Schneckennerven verlaufenden, varikösen Fäserchen mit eingestreuten Zellen, das viel schöner und deutlicher ist, als die ähnlichen, längs- ziehenden Elemente unier der membrana basilaris'' gesehen habe. Mir scheint es dagegen gar nicht zweifelhaft, dass Kölliker mit seiner Beschreibung die von mir oben näher bezeichneten, dernaitt- leren Lage angehörenden Zellen gemeint hat, wie es auch Mi dd en- do rp gethan. Ich muss vielmehr vermuthen, dass Böttcher einer Täuschung verfallen ist. Ich habe nämlich an guten Quer- schnitten, an denen besonders das Epithel der zona pectinata schön erhalten war, nichts dergleichen beobachtet, was zu der Annahme der vermeintlichen Zellen verführen könnte; dagegen an Präparaten, bei denen das Epithel durch die Behandlung mit gewissen Reagen- tien aufgequollen war, fanden sich Bilder, die der Böttcher'schen Zeichnung in Fig. 34, Tafel IX, vollständig glichen. Eine genauere Beobachtung ergab aber, dass die Kerne der Epithelien mit etwas dunkler gefärbtem Protoplasma in regelmässiger Reihe an der la- mina basilads haften blieben, während die blassen Zellenkörper aufgequollen waren, und es auf diese Weise den Anschein hatte, als liege unter dem eigentlichen Epithel des ductus noch eine besondere Zellenlage. Ich vermuthe, dass auch Böttcher solche Bilder vor Augen hatte, die ihn zu der Annahme dieser besonderen Zellenschicht veranlassten.

Die Küfisere Wand des Sclmeekenkanals (Stratum semilunare mihi).

(Fig. 3 H, Fig. 25 D.)

Dieselbe wird gebildet von einem Bindegewebsstratum, das im Querschnitt die Form einer Mondsichel zeigt und sich noch zum Theil als Wandung bis in die scala tympani und vestibuli erstreckt. Seine convexe 'Fläche liegt in einer entsprechenden Höhlung der knöchernen Schneckenkapsel, die concave ist gegen den Kanal ge- richtet und zeigt einige Besonderheiten, auf die wir zurückkommen. In seiner Hauptmasse besteht dieses Polster aus einem Lager grosser Zellen, die, bald mehr dicht stehend, wie beim Meerschweinchen, Hund, Fledermaus, bald mehr zerstreut, wie beim Menschen, in das feinfaserige Grundgewebe eingebettet sind. Man hat allgemein dieses Bindegewebskissen mit dem Namen eines ligamentum spirale bezeich- net, wie ich glaube mit Unrecht. Weder das Aussehen noch die Textur rechtfertigt diese Bezeichnung; ich ziehe deswegen den all-

Üeber den feineren Baa and die Entwickelnng^ der Gehörschnecke etc. 167

gemeineren Namen des Stratum semilunare für dieses Gebilde vor. Dagegen befindet sich da, wo die lamiua basilaris an die äussere Schneckenwand herangeht, in letzterer ein im Querschnitt etwa dreieckiger Vorsprung, der den Namen „ligamentum Spi- rale" verdient, weil er die Verbindung zwischen der lamina basi- laris und der äusseren Schneckenwand vermittelt und sein Aussehen dem Charakter eines Ligaments mehr entspricht. Es ist diess bei Thieren eine homogene Lamelle in der Form eines unregelmässigen Dreiecks, dessen Spitze nach Innen continuirlich in die mittlere Lamelle der lamina basilaris übergeht, dessen Basis sich in Fasern zerlegt, die sich in den Maschen des Bindegewebspolsters verlieren, und dessen« Schenkel ßreite Streifen bilden, von denen der eine grossere als hyaliner Saum unter dem Epithel des ductus cochlearis eine Strecke vestibulärwärts geht, der andere einen Theil der äus- seren Wand der scala tympani bildet. Diese Beschreibung hat in- dess nir für das ligamentum spirale erwachsener Thiere Geltung; im embryonalen Leben ist das ganze Stratum semilunare aus einem dichten Faserwerk mit eingestreuten runden Zellen gebildet und nur in dem Maasse, als die mittlere Schicht der lamina basilaris ihren homogenen Charakter annimmt, entwickelt sich das eigentliche Spi- ralband in oben beschriebener Weise. Beim Menschen endlich (Fig. 3 h) bleibt, wie wir es auch bei der crista und bei der mitt- leren Schicht der himina basilaris gefunden haben, die Fasertextur des ligamentum spirale auch in der weiteren Entwickelung erhalten ; dasselbe unterscheidet sich von dem übrigen Theil des Stratum se- milunare nur dadurch, dass das Faserwerk ein dichteres ist.

Ausser der Prominenz des Spiralbands zeigt die concave Fläche des Stratum semilunare noch zwei weniger ausgesprochene Vor- spr&nge. und zwar einen an der äusseren Ansatzstelle der membrana vestibularis und einen zweiten etwas oberhalb der äusseren Insertion der membrana basilaris; wir bezeichnen jenen als angulus vestibu- laris Henle, diesen als crista ligamenti spiralis Böttcher. Die Furche, üe zwischen der crista ligamenti spiralis und der membrana basilaris gebildet wird und die wir mit Böttcher sulcus ligamenti spiralis (Fig. 3 b) benennen, ebenso wie die etwas flachere Furche zwischen dem angulus vestibularis und der crista ligamenti spiralis sind von einem Epithel ausgefüllt, das in eigenthümlicher Weise in das Bindegewebe hineinreicht.

Das Epithel des sulcus ligamenti spiralis ist die Fortsetzung

168 Dr. J. Gottetein:

des Epithels der zona pectinata, verändert sich aber, bevor es auf die crista übergeht, in der Weise, dass es in einzelnen Fällen lange Fortsätze in das Bindegewebe des Stratum semilunare hineinsendet. Deiters hatte zuerst auf diese Fortsätze aufmerksam gemacht Löwenberg hatte dieselben geläugnet, auch die anderen Autoren haben ihrer nicht erwähnt; erst Böttcher hat diese Eigenthüro- lichkeit genauer beschrieben. Deiters sagt (1. c. S. 87) darlber: „Die eigentliche Concavität am ligamentum spirale finde ict bei ganz jungen Thieren ausgefüllt von einer regelmässigen Reiha cy- lindrischer Zellen, die Fortsätze nach Innen in das Gewebe dds li- gamentum spirale schicken und durch diese mit den Elementen der Bindesubstanz hier in Verbindung zu stehen scheinen". In der von diesem Autor Fig. 1, Tafel I, gegebenen Zeichnung sieht man von je einer unveränderten cubischen Epithelzelle des sulcus einen feinen Fortsatz in das Bindegewebe hinübergehen. Dagegen sagt Böttcher (1. c. S. 148): „Macht man einen Durchschnitt durch die ganze Schnecke eines ausgebildeten Thieres, so findet man in der obersten Windung vier bis fünf Reihen übereinander siebender, zugespitzter Zellen, welche von unten her in die crista des liga- mentum spirale steil mit leichter Wölbung aufsteigend der äusseren Schneckenwand parallel verlaufen. Ihre Basis befindet sici in der Epitheliallage, ihr zugespitztes Ende verliert sich im Gewebe des ligamentum spirale. Zum Theil besitzen sie einen einzigen, langen Fortsatz, zum Theil spalten sie sich in zwei, drei, vier md mehr Wurzelfäden, die sich im Spiralbande ausbreiten".

Bei den Verschiedenheiten der Angaben der beiden Autoren, die allein diese Gebilde beobachtet haben, muss ich mich auf die Seite Böttcher's stellen, wenn ich ihm auch nicht in allen Punkten beistimmen kann. Zunächst scheinen nicht alle Thiergittungen diese Zellen zu besitzen, wenigstens habe ich sie beispielsweise ver- geblich bei der Fledermaus, Ratte und beim Kalbe gesucht. Am constantesten, zahlreichsten und grössten sah ich sie beim Hund, sowohl beim jungen als erwachsenen, seltener beim Meerschveinchen; ausserdem fand ich sie in der Schnecke eines iVsjährigei Kindes. In allen Fällen, wo ich sie antraf, waren es nicht cylindrfeche Zel- len, die Fortsätze in das Gewebe des ligamentum spirale schickten, wie sie Deiters beschreibt, sondern (Fig. 25 R) langgestreckte, sich allmählig zuspitzende Zellen, die mit dem grössten Theil ürev Länge im Stratum semilunare liegen, ganz so wie sie Böttcher gezeichnet

Ueber den feineren Bau and die Entwickelung^ der Gehörschnecke etc. 169

hat Worin ich dagegen letzterem Autor nicht beistimmen kann, ist, dass alle diese Fortsätze „von unten her in die crista des liga- mentain spirale steil mit leichter Wölbung aufsteigend der äusseren Schneckenwand parallel verlaufen". Ich sah vielmehr diese Fortsätze nach allen Richtungen hin in das Stratum semilunare sich verlieren, auch schienen mir einzelne Cylinderzellen zwischen den Zellen mit Fortsätzen zu stehen und die Reihe zu unterbrechen. Hier muss ich auch auf einen Umstand aufmerksam machen, der leicht zu Missdeutnngen führen kann und wie mir scheint, Böttcher zu einem Irrthum verleitet hat. Man sieht nämlich nicht nur in der ^1ria vascularis, sondern auch im sulcus ligamenti spiralis einzelne Blutgefässe bis an das Epithelstratum herangehen, und es können dieselben Verwechselungen mit den eben beschriebenen Zellen her- vorrufen. Das hat meiner Meinung nach auch Böttcher veranlasst, anzunehmen, dass in einigen Fällen eine Uebereinanderlagerung von ., ungewöhnlich grossen und blassen Epithelien (Glaudius'schen Zellen) über den in das ligamentum spirale eindringenden'^ vorhan- den sei. Auch mir sind Bilder, wie sie Böttcher in seiner Figur 34 i und k wiedergibt, begegnet ; bei genauem Zusehen erkannte ich ^^olche Gebilde als kleine Blutgefässe, die mit grösseren Gefässen im Zusammenhange standen.

Ueber die Bedeutung jener mit Fortsätzen versehenen Zellen ist es schwer, eine -Meinung sich zu bilden. Ich war lange Zeit ge- neigt, sie für Nervenendzellen zu halten, die vielleicht im Gegen- satz zu den specifischen Hörzellen der lamina basilaris Druckem- pfindungen vermitteln, bin aber nicht im Stande, strikte Beweise dafür beizubringen, da ich niemals mit genügender Sicherheit den Zusammenhang derselben mit deutlich als solchen zu erkennenden Xervenfasern sah. Ebenso hypothetisch scheint mir aber auch die Aonahrae Böttcher's von der contractu en Natur dieser Zellen, denen „die wichtige Function der Accomodation im Ohre zukomme", am so mehr, als die von Böttcher supponirte Verbindung dieser Zellen mit Fasern der lamina reticularis, wie wir sehen werden, gleichfalls noch nicht sicher gestellt Ist.

Am meisten Aehnlichkeit haben wohl diese Zellen mit den von Billroth beschriebenen Epithelzellen der Froschzunge, die Harch fadige Ausläufer mit den Bindegewebskörperchen der Pa- pillen zusammenhängen, sowie mit den Epithelzellen des Gen- tralkanals der medulla und mit denen der Himventrikel, die nach

170 Dr J. Gottstein:

Hannover, Gerlach, Kölliker u. A. feine Fortsätze in das Reticulum der grauen Substanz schicken.

Der Raum zwischen der crista ligamenti spiralis und dem an- gulus vestibularis wird ausgefüllt von der Stria vascularis. Dieselbe wird dadurch gebildet, dass unter dem Epithel dieser Stelle das Bindegewebe eine Strecke weit fast ganz schwindet und statt d^^sen zahlreiche Gapillaren auftreten, die bis an das Epithel herangehen, ein Vorgang, den wir zwar bereits im sulcus ligamenti spiralis ge- sehen haben, der aber hier nur vereinzelt, in der Stria vascularis in der ausgebildetsten Weise zur Erscheinung kommt. Das Epithel ist unverändert, cubisch und geht am angulus vestibularis in das Epithel der membrana vestibularis über. Die Gefässc der Stria vas- cularis hängen zusammen mit den Gefässen des Stratum semi- lunare.

Zwischen den Gefässen der Stria vascularis findet man ausser- dem zahlreiche grosse Zellen, die in ihrem Aussehen den von Eberth als Perithelzcllen für dieGefässe des Gehirns beschrie- benen ungemein gleichen, nur dass sie hier zu einer stärkeren Aus- bildung gelangen.

Die epitheUale Auskleidung des ductus cochlearis.

Wir kommen nun zu dem wichtigeren Theil unserer Arbeit, zur epithelialen Auskleidung des Schneckenkanals.

Seit Kölliker' s schöner Entdeckung, dass im embryonalen Leben der ganze Schneckenkanal mit einer Lage epithelialer Zellen bekleidet ist, unterliegt es wohl keinem Zweifel mehr, dass, somor phologisch verschieden gestaltet die einzelnen Elemente des akusti- schen Endapparats in der Schnecke erwachsener Individuen zur Er- scheinung kommen, sie dennoch alle Derivate der Epithelien sind. Freilich, wenn wir den zierlichen Bau eines Corti'schen Bogens oder einer Haarzelle mit einer Epithelzelle der membrana vestibu- laris oder einer Glaudius'schen Zelle vergleichen und bedenken, dass diese wie jene ursprünglich sich aus Zellen entwickeln, die morphologisch ein ganz gleiches Aussehen haben, so drängt sich uns die Frage auf, ob die einzelnen Epithelzellen des embryonalen Schneckenkanals alle gleichwerthig sind und ihre differente Ent- Wickelung nur durch äussere Umstände bedingt wird, oder ob hier von vornherein Differenzen in der Anlage existiren, die nur unserem

üeber den feineren Bau and die Entwickelung der Gehörschnecke etc. 171

Auge unzugänglich sind. Bei dem heutigen Stand uiyserer Wissen- schaft ist es unmöglich, diese Frage zu entscheiden, aber ich zweifle nicht daran, dass bei weiteren Forschungen gerade das Studium der Entwickelung der Schnecke viel zur Lösung dieses Problems beitragen wird, und es scheint mir der Mühe zu lohnen, auf einzelne dahin zielende Punkte besonders aufmerksam zu machen. Wir haben bereits früher, als wir von der crista spiralts sprachen, gesehen, wie durch mecha- nische Einflüsse ein Theil des ursprünglich cylindrischen Epithels der unteren Schneckenwand zu kleinen Kügelchen wurde, so dass ihre epitheliale Natur von manchen Autoren verkannt worden ist Dass aber auch andere Einflüsse zur Geltung kommen können, da- rauf hat besonders Böttcher zuerst auim^ksam gemacht. Er sagt: „Der Schneckenkanal wird von seiner ersten Entstehung an von dem ganglion oochleare begleitet; die Cylinderzellen desselben stehen dabei in innigster Beziehung zu den nervösen Elementen'^ ,,An der dem Ganglion zugekehrten Wand des Kanals zeigen die Cjlinderzellen die grösste Entwickelung und nehmen an Höhe in der ersten Zeit beständig zu". „Bei Vergleichung der einzelnen Windungen unter einander erscheint die untere Wand des Schnecken- kanals in früheren Entwickelungsstadien am mächtigsten an seiner Spitze aasgebildet; hier finden wir auch in nächster Berührung mit derselben die grösste Masse des ganglion spirale angehäuft'^

Böttcher zieht daraus den Schluss, dass die Verbindung mit den nervösen Elementen nicht ohne Einfluss auf die Bildung und Vermehrung der Cylinderzellen des Schneckenkanals sei und dass von jenen das Wachsthum derselben an bestimmten Stellen in höherem Grade angeregt werde. Allerdings ist der Beweis für die- sen Satz kein strikter, weil der wirkliche Gausalnexus nicht erwiesen ist und weil gerade zu der Zeit, wo die Entwickelung des akusti- schen Endapparats in der ausgesprochensten und charakteristischsten Weise erfolgt, die Nervenelemente von den Epithelzellen räumlich immer mehr sich entfernen; dennoch ist es gut, die von Böttcher hervorgehobenen Beziehungen im Auge zu behalten und bei weiteren Forschungen zu verwerthen.

Bevor ich zur Beschreibung der einzelnen Elemente des Epi- thels der lamina basilaris übergehe, halte ich es für gut, die No- menclatur festzustellen und befolge dabei das Prinzip, durch keine Bezeichnung irgend etwas, sei es physiologisch, sei es histologisch zu präjudiciren.

172 Dt, J. GottBtein:

Ich fasse den Gomplex von eigenthümlich amgefomiten Epithel- zellen auf der lamina basilaris, die sich schon durch die besondere Gruppirung und Gestaltung vor dem einfachen Epithel auszeichnoii, wegen ihrer mehr oder minder directen Beziehungen zu den Nerven zu- sammen unter dem von Henle eingeführten Namen des ,;aku8 ti- schen Endapparats^ Als Centrum dieses Apparats ist der ,,Corti'sche Bogen, bestehend aus einem „inneren und äusse- ren Pfeiler^' anzusehen. Nach Innen von den Bögen, d. h. nach der Seite der Schneckenaxe (modiolus), und zwar sich auf den in- neren Pfeiler lehnend, befindet sich die „innere Haarzelle*', uro dessen Basalfortsatz eine Anzahl kleiner Zellen in einer feinkörnigen Masse „Waldeyer's Körnerschicht*Miegt. Nach Aussen von dem Corti'schen Bogen schliesst sich die Reihe der „äusseren Haar- zellen** an, an Zahl beim Menschen vier, bei den Thieren drei. denen eine Anzahl immer kürzer werdender cylindrischer Epithel- zellen, „Hensen^s Stutzzellen" folgen, die den Uebergang zu dem einfachen cubischen Epithel der zona pectinata, „Claudius'- sche Zellen**, bilden. Für die cuticulare Bildung, die sich von der crista spiralis bis zum Gorti^schen Bogen hinzieht, halte ich die Bezeichnung membrana tectoriafiir geeignet, während ich für die andere cuticulare Bildung, die sich vom Corti'schen Bogen aus über die äusseren Haarzellen hinzieht, den Namen lamina reti- cularis beibehalte.

Der Corti'sche Bogen, innere und Nassere Pfeiler

(Gort i'sches Organ im engeren Sinne, G o r t i's Faserreihen,

Gehörstäbchen Henle).

Unmittelbar nach Aussen von der Stelle, wo durch das labium tympanicum cristae spiralis die Nervenfasern in den Schneckenkanal eintreten, erhebt sich mit leicht S förmiger Schlängelung in schräger Richtung vestibularwärts der innere Pfeiler (Fig. 6, 7, 8 und 9, Fig. 2 e). Er sitzt mit nahezu rechteckigem Fussstück auf der la- mina basilaris auf, sein mittlerer Theil, „Körper** (e) ist mehr ab- gerundet und geht, allmälig sich verdickend, in den Kopf (b) über. Letzterer ist cuboid (Löwenberg), seine vestibuläre Fläche setzt sich in eine innere kleinere (d) und äussere grössere Platte ff , „Kopfplatte**, fort ; unterhalb der äusseren Platte befindet sich eine Auskehlung zur Aufnahme des äusseren Pfeilers (g).

Ueber den feiuei-en Bau uud die Bntwickelang der Gehörschneoke eto. 178

Der äussere Pfeiler (Fig. 10 und 11, Fig. 2f, Fig. 5f) steigt von dieser Verbindungsstelle mit dem inneren Pfeiler in entgegen- gesetzter Richtung, das ist also nach Aussen, zur lamina basilaris herab. Wir unterscheiden auch an ihm Fuss, Körper und Kopf. Der Fuss (Fig. 10 a) ist grösser, als der des inneren Pfeilers und breitet sich fächerartig auf der membrana basilaris aus (Fig. 5 x), der Körper (Fig. 10 e) ist cylindrisch, die S förmige Krümmung ist ausgesprochener, der Kopf (d) ist nahezu oval und hat eine nach Aussen gerichtete Kopfplatte (b), die von der Mitte des äusseren, oberen Randes mit einem langen Stiel beginnt und in eine ruder- formige Verbreiterung übergeht.

Beide Pfeiler zeigen an je zwei Stellen Reste von Protoplasma, die für die histologische Deutung derselben von Wichtigkeit sind. Das eine Stück von Protoplasma, „Henle's Bodenzelle^S liegt in dem spitzen Winkel, den das Fussstück sowohl des inneren als des äusseren Pfeilers mit der lamina basilaris macht (Fig. 2 a und b). Dasselbe ist feinkörnig, enthält einen ziemlich grossen Kern mit Kemkörpercheu und ist mit der Substanz der Pfeiler fest verbun- den. Böttcher glaubt, dass diese Verbindung dadurch bedingt wird, dass die Scheide der Pfeiler mit der der Bodenzelle ohne Unterbrechung zusammenhängt. Mir bleibt es nur bei dieser An- nahme auffallend, dass sich die Bodenzelle ohne sichtbare Einrisse in die Pfeiler von letzteren trennt.

Ausser diesen von den meisten Autoren gekannten Bodenzellen hat zuerst Waldeyer auf das Vorkommen von Protoplasmaresten an den Köpfen der Pfeiler aufmerksam gemacht. Er sagt darüber : „Hier liegen sie bei beiden Pfeilern an der Aussenseite, am inneren Pfeiler also im Gewölbe des Bogens dicht unter dem vorspringend* sten Theil des Kopfstücks, am äusseren dicht unter der Abgaugs- stelle des Plattenstiels. Mitunter habe ich auch bei jungen Thieren hier einen Kern gesehen von ähnlicher Grösse und Form wie am Fass'\ Es ist nicht schwer, sowohl an isolirten Pfeilern, als an Querschnitten der Corti*schen Bögen sich von der Existenz dieser Protaplasmareste zu überzeugen (Fig. 5 x und y), seltener gelingt es, die Kerne zu sehen, dennoch scheint mir ihr Vorhandensein zweifellos. Ich habe wiederholt auch an Pfeilern erwachsener Thiere, die ich frisch in schwacher Ghromsäurelösung untersucht habe, diese Kerne sehen können (Fig. 7x mit c, Fig. 8 c und x, Fig. 10 c, Fig. 11c) und scheint nur ihre Verbindung mit den Pfeilern nicht eine

174 Dr. J. Gottstein:

SO feste zu sein, wie die der Bodenzellen, lieber die Bedeutung der- selben, sowie über meine Auffassung der Pfeiler werde ich später, nachdem ich über das Morphologische der Haarzellen gesprochen habe, gemeinschaftlich mit den letzteren abhandeln. Hier will ich nur noch erwähnen, dass ich die Pfeiler für solide Körper halte, die aus feineren Fasern bestehen, und dass Ihre Fussstücke in das Faser- stratum der lamina basilaris übergehen. Die Zahl der inneren Pfeiler übersteigt bekanntlich die der äusseren, so dass der Kopf eines äusseren Pfeilers immer mindestens an zwei inneren ruht und dass, wie sich Waldeyer ausdruckt, „die Ungleichheit der Zahl hier ein ähnliches Verhältniss herstellt, wie wir es bei dem Gingly- mus des Ellenbogengelenks finden; seitliche Verschiebungen der Pfeiler sind unmöglich gemacht^^ Ob indess eine Bewegung um eine spirale Axe, d. h. eine Veränderung der Spannweite des Bogens möglich ist, ist schwer festzustellen, jedenfalls aber ist die Pfeiler- gelenkverbindung keine so feste, dass ihre Trennung auf Kosten der Iptegrität der Pfeilerköpfe erfolgt.

Innere Haarzelle

(innere Stäbchenzelle Hensen, innere Deckzelle Heule, innere

Hörzelle Böttcher, cellule de sommet Löwenberg).

Fig. 2M, Fig. 3e, Fig. 12 bis incl. 16.

Nach Innen von dem Corti'schen Bogen, unmittelbar vom Kopf des inneren Pfeilers abwärts nach der lamina basilaris gehend, liegt die innere Haarzelle. Es ist nicht leicht, sich über die Gestalt derselben ein klares Bild zu verschaffen, theils weil ihr Basaltheil innerhalb der weiterhin zu beschreibenden Kömerschicht liegt, theils weil sie ebenso, wie die äusseren Haarzellen, mehr wie alle Epithe- lialgebilde des Schneckenkanals durch die Härtung in den Reagen- tien Gestaltsveränderungen annehmen, die ihre ursprüngliche Form zweifelhaft machen. Wenn es irgendwo von Wichtigkeit ist. gehär- tete Präparate mit frischen Zerzupfungspräparaten zu vergleichen, so gilt diess von den inneren und äusseren Haarzellen. Die meisten Autoren haben ihrer Beschreibung Beobachtungen an gehärteten Präparaten zu Grunde gelegt und deswegen weicht ihre Darstellung von der meinigen in manchen Punkten ab. Sucht man in einer Chromsäurelösung von 0,05 p. c. die Haarzellen zu isoliren, so findet man zwei Arten derselben, die einen mit zwei, die anderen mit einem

Üeber den feineren Bau und die Entwiokelunfi^ der Oehörschnecke etc. 175

Basalfortsatz. Da man an gehärteten Präparaten, in denen der ganze akustische Endapparat erhalten ist, sich überzeugen kann, dass die äusseren Haarzellen nur einen Basalfortsatz haben, so müssen wir die Zellen mit zwei Basalfortsätzen für innere Haar- zellen ansprechen, wofür auch noch die directe Beobachtung Bött- cher's spricht, der auch bei in situ erhaltenen inneren Haarzellen dieses Verhalten bestätigen konnte. Die Zelle (Fig. 13, Fig. 15 und Fig. 16) ist von cylinderförmiger Gestalt mit einem etwa in der Mitte liegenden grossen Kern (a); das Protoplasma (b) ist fein- kömig, das vestibuläre Ende (c) hat einen dunkler erscheinenden Caticulardeckel, der mit einem dichten Saum starker Haare besetzt ist; das tympanale Ende geht in zwei Fortsätze über, von denen der eine, breitere (d), nichts anderes als der sich allmälig verschmä- lernde, gleichfolls fein granulirt erscheinende Zellenkörper, der an- dere (e) sehr zart und von heller Beschaffenheit ist An einzelnen Zellen (Fig. 12) findet sich neben diesen beiden Fortsätzen (d und e) ein feiner kurzer Fortsatz (f), von dem ich es unentschieden lassen muss, ob er von einem abgerissenen Nervenfaden herrührt, oder, was mir wahrscheinlicher dünkt, ein Rest der eingerissenen Zellen- hoUe ist. An gehärteten Präparaten erscheint die Zelle an ihrem vestibulären Ende mehr geschrumpft und die Haare, wie ich glaube, durch Yerklebung in eine Art Stäbchen verwandelt, was zu der bischen Benennung ,,Stäbchenzelle'' geführt hat

Die innere KSrnerschicht (Waldeyer). Fig. 27 A, Fig. 28 p.

An der Stelle, wo die innere Haarzelle ihre Fortsätze absen- det, befindet sich auf der lamina basilaris ein Li^er kleiner Zellen, auf deren Beziehungen zu den Nervenfasern Waldeyer zuerst aufmerksam gemacht hat. Dieselben sind rundlich, von äussert zartem Protoplasma und mit einem relativ grossen Kern versehen ; sie liegen an der Nervendurchtrittsstelle und reichen etwa bis zur Mitte der inneren Haarzelle. Wir kommen weiterhin auf ihre Bedeutung noch einmal zurück.

176 Dr. J. Gottstein:

Die äusseren Haarcellen

(Aeussere Cortfsche und D ei t er s'sche Zellen der Autoren, äussere Deckzellen (Henle), äussere Stäbchenzellen (Hensen), auf- und

absteigende Hörzellen Böttcher).

Fig, 2 P, Fig. 3 g,, g2, g8, g4, Fig. 4g„ g«, gs, Fig. 21,

Fig. 23 gl, g2, gs, g4, Fig. 22 und Fig. 24 a.

Die Schwierigkeiten der Untersuchung, die an und fQr sich schon überall im Schneckeukanal nicht unbedeutend sind, wachsen nach Aussen von den Corti'schen Bögen duirch die Coinplicirtheit der Gebilde auf beschränktem Kaum der Art an, dass man nur durch die Anwendung der verschiedensten Untersuchtingsmethodeo das Constante und Gesetzmässige von dem Zufalligen und Künst- lichen unterscheiden kann. Ich habe mich besondeis bemüht, durch Vergleicliung von Flächeuansichten mit Querschnitten und isoltrten Präparaten mir ein Bild von dieser Begion zu verschaffen und bin auf diese Weise zu Resultaten gekommen, die in wesentlichen Punk- ten von denen apderer Autoren abweichen.

Wie bekannt, hatte zuerst Corti angegeben, dass nach Aussen von den Bögen drei Reihen eigenthümlicher Zelleu aufliegen, „die sich dachziegelförmig decken und ihrem Charakter nach zum C>'- linderepithel gehören''. K Olli k er und Max Schnitze hatten diese Angaben theils bestätigt, theils modificirt, aber erst Deiters hat die Verhältnisse eingehender behandelt. £r unterschied : I) drei Reihen Cilien tragender, cylindrischer, Zellen, die er Corti'sche Zellen nannte, und 2) drei Reihen mit je zwei Fortsätzen, die er Haarzellen nannte und die später von Kölliker Deiters'sche Zellen genannt worden sind. Während die „Corti'schen Zellen* auch von den späteren Beobachtern gesehen und beschrieben worden sind, folgten die meisten Autoren in Betreff der sogenannten Dei- ters'schen Zellen den Angaben ihres Entdeckers, ,,ohne dass sie im Stande waren, dieselben vollständig zu bestätigen'* (Kölliker, Henle, Hensen, Löwenberg). In der neuesten Zeit endlich haben Böttcher und Winiwarter Deiters' Darstellung als falsch bezeichnet und hauptsächlich bestritten, dass diese Zellen einen Basalfortsatz haben. Ich selbst kann nach meinen Untersuchun- gen weder Deiters noch Böttcher und Winiwarter beistimmen, sondern finde Folgendes:

Nach Aussen von dem Corti'schen Bogen stehen bei den

üeber den feineren Bau und die Entwickelung^ der Gehörschnecke etc. 177

Thieren drei Reihen von Zellen der Art hinter einander, dass die Zellen der ersten and dritten Reihe mit einem entsprechenden äusseren Pfeiler in einer radiär verlaufend gedachten Ebene liegen, während die Zellen der zweiten Reihe in grosser Regelmässigkeit etwas seit- lich von denen der anderen Reihen stehen. Beim Menschen findet sich noch constant eine vierte Reihe, deren Zellen wiederum mit denen der zweiten Reihe in einer Ebene stehen. Jede dieser Zellen ist als eine Zwillings- oder Doppelzelle aufzufassen, in- dem je zwei in einem früheren Entwickelungsstadium getrennte Epithelzellen bei der weiteren Umbildung der Art sich mit einander verbinden, dass ihre Trennung nur auf Kosten ihrer Integrität er- folgen kann. Wir können demnach auch an jeder Zelle zwei Theile anterscheiden : den „VestibulartheiP* (Corti'sche Zelle der Autoren) Fig. 2 gl, gs, g0 und den ,,Ba8ilartheiP' (Deiters'sche Zelle der Autoren) Fig. 2hh. Welcher Art die Verbindung dieser beiden Theile ist, ob hier eine wirkliche Verschmelzung und Verwachsung oder nur eine Verklebung stattfindet, ist schwer zu sagen ; dass aber dieselbe eine sehr innige ist, beweist der Umstand, dass es auch den Autoren, die jeden Theil als besondere Zelle (Corti'sche und Dei- ters'sche Zelle) annehmen, nicht gelungen ist, sie vollständig zu isoliren. Beispielsweise zeichnet Deiters (Fig. 23, Taf. VI) die beiden von ihm supponirten Zellenarten auch ganz in der Verbin- dung, wie ich sie selbst beobachtet habe. Nur in einzelnen Fällen, wo der Basaltfaeil der Zwillingszelle, der der vergänglichere und zartere Theil zu sein scheint, durch die Präparation zerstört worden ist, erscheint d|6r andere Theil isolirt, aber auch dann fand ich oft den Kern des Basaltheils an dem Zellenrest haften; dagegen gelang es mir niemals, den Basaltheil (Deiters'sche Zelle) zu isoliren, so dass ich anfangs geneigt war, dessen Existenz überhaupt zu leug- nen. So scheint es auch allen anderen Autoren, ausser Deiters, ergangen zu sein und ich muss gestehen, dass, wenn ich sehe, was der Letztere in Fig. 24, Taf. V als „Haarzelle'' zeichnet und mit dem vei^leiche, was Böttcher, Winiwarter, Waldeyer und ich an guten Querschnitten gesehen haben, ich zu der Annahme gelange, D e i te rs habe hier eine Verwechselung mit isolirten spindelförmigen Bindegewebszellen, die der membrana basilaris angehörten, begangen. Sowohl der Vestibulartheil als der Basilartheil der Zwillings- zelle zeigt einen Kern, einen kleineren oberen und einen grösseren unteren ; nahe dem letzteren gehen vom Zellkörper zwei Fortsätze

M. SchnllM» ArabiT f. mikrotk. Äjutomie. Bd. 8. 12

178 Dr. J. Gottfltein:

ab, der längere Basalfortsatz (Fig. 24 c and Fig. 21a), welcher mit einer kleinen dreieckigen Anschwellung auf der Basilarmembran aufsitzt, und der kleinere „Phalangenfortsatz'^ (Fig. 24 b, Fig. 21b), der, nicht wie alle Autoren bis jetzt angegeben und gezeichnet ha- ben, zwischen je zwei hinter einander liegenden „Corti'schen Zellen" und parallel mit diesen (vgl. die Zeichnungen bei Kölliker, Ge- webelehre, Fig. 512, S. 721, Deiters 1. c. Fig. 19, Taf. V, Wi- niwarter Fig. 4 und 5, Böttcher Fig. 30, 31 und 32) zu einer Phalange der lamina reticularis geht, sondern einen spitzen Winkel mit dem Zellkörper bildend sich zu einer nach Aussen und zur Seite vom Zellkörper liegenden Phalange wendet (Fig. 23x, y, z). Man kann dieses eigenthümliche Verhalten des Phalangenfortsatzes besonders gut an mit Ueberosmiumsäure behandelten Präparaten beob- achten und zwar sowohl an Flächenansichten als an Querschnitten. Die Flächenansichten (Fig. 24) bekommen dadurch ein querstreifiges Aussehen, an Querschnitten (Fig. 23, Fig. 3, Fig. 4) erkennt man, dass die Fortsätze nach Aussen gehen. Es darf uns Übrigens nicht Wunder nehmen, wenn in vielen Fällen diese Verhaltnisse nicht klar zu Tage treten, weil bei der eigenthümlichen, schrägen Stel- lung der Fortsätze sie zuweilen perspectivisch . verkürzt erscheinen, zuweilen durch die Präparation aus der Lage gebracht oder zer- stört werden. Jedenfalls sind die Präparate, an denen ich die Fort- sätze genau studiren konnte, so beweiskräftig gewesen, dass die negativen Befunde nicht dagegen zur Geltung kommen konnten. Auch Deiters zeichnet in Fig. 23 den Fortsatz unter einem spitzen Winkel von der Zelle abgehend, ohne indess dieses Verhalten be- sonders hervorzuheben und ohne es in Einklang mit seiner Annahme zu bringen, dass dieser Fortsatz zwischen je zwei Gorti'schen Zellen zu der entsprechenden Phalange gehe. Die beiden Fortsätze (Basal- und Phalangenfortsatz) gehen continuirlich ineinander über, sodass man oft in Zerzupfungspräparaten, wo der Zellenkörper des Basal- theils der Zelle zerstört ist, doch beide Fortsätze erhalten findet, ein Beweis mehr für meine Annahme, dass wir es hier mit einer wirklichen Verschmelzung zweier Zellen zu thun haben. Von dem Vereinigungswinke] der Fortsätze geht der Basalfortsatz gerade am Zellkörper in die Höhe und theilt sich in zwei Arme, die den obe- ren Kern zangenartig umklammem (Fig. 21 h, Fig. 4 h). Der Zell- körper des Vestibttlartheils ist ebenso wie die innere Haarzelle mit einem Kranze feiner Cilien besetzt. Der Zellkörper des Basilartheils

Üeber den feineren Bau und die Entwickelung der Gehörschnecke eto. 179

liegt, wie Böttcher und Winiwarter bereits angenommen ha- ben, anf der lamina basilaris auf, doch scheint der breiteste Theil desselben mehr an der Mitte der Zelle zu sein, wo auch der Kern liegt.

Ich habe weiter oben bereits auf die interessante Thatsache aufmerksam gemacht, dass beim Menschen vier Reihen äusserer Haarzellen vorkommen. Es hat an Querschnitten zuweilen den An- schein, als kämen auch bei Thieren (Fig. 23 gi, g2, gs, g4) vier Reihen vor, es beruht dies aber lediglich auf einer schrägen Schnitt- richtung, die auch eine Zelle der nächsten Reihe sehen lässt; ent- scheidend sind in dieser Frage nur Flächenansichten und an solchen habe ich stets vier Reihen beim Menschen und nur drei Reihen bei den von mir untersuchten Thieren gefunden.

Die Basalfortsätze der äusseren Haarzellen lassen auf der la- mina basilaris, auch wenn sie abgerissen sind, ihre Insertion durch heller erscheinende Lücken in der Streifung der zona pectinata er- kennen; auch hier zähle ich bei Thieren drei, beim Menschen vier Reihen von Insertionsstellen.

Von der Ansicht, dass diese Lücken wirkliche Löcher der la- mina basilaris sind, scheint auch Böttcher, der sie aufgestellt hatte, abgekommen zu sein, dagegen muss ich darauf aufmerksam machen, dass ich zuweilen in der Umgebung der Insertionen schlin- genfbrmige Fäden beobachtet habe, Fig. 5 g, über deren Bedeutung ich nur anzugeben weiss, dass sie keine Varikositäten zeigen.

Der grosse und kleine Epithelialwiilst.

Fig. 25, Fig. 26, Fig. 27.

Nachdem ich den akustischen Endapparat morphologisch be- trachtet und zu schildern gesucht habe, halte ich es zum besseren Veiständniss seiner histologischen Bedeutung für gerathen, ihn jetzt entwickelungsgeschichtlich zu verfolgen. Es ist nicht schwer, die Veränderungen, die das Epithel des ductus cochlearis bis zum Ende des embryonalen Lebens erleidet, festzustellen. Dieselben bestehen hauptsächlich in Vermehrung der Zellenelemente und in Bildung der beiden Epithelialwülste auf der lamina basilaris : es sind dies zwei ungleich hohe hügelartige Anhäufungen länglich gestreckter Epithel- zellen, von denen die grössere (der grosse Epithelialwulst), die Furche zwischen den beiden Labien , der Spiralleiste ausfüllend, sich bis

180 Dr. .1. Gottsteixi!

etwas nach Aussen von. den Löchern der Habenula perforta erstreckt, die kleinere (der kleine £pithelialwalst)) sich hart an den ersteren anschliessend, in schwacher Wölbung in das niedrige Epithel der zona pectinata übergeht. Dieses Verhältniss scheint wesentlich das- selbe zu bleiben, bis zu der Zeit wo etwa gegen das Ende des em- bryonalen Lebens wie es scheint, beim Menschen am Frühesten (nach Kolli ker an fünf- und sechsmonatiichen menschlichen Em- bryonen) -;- die einzelnen Gebilde des akustischen Endapparats sich zu differenziren beginnen.

Hiermit häufen sich aber die Schwierigkeiten der Untersuchung der Art an, dass es nur wenigen Forschern (Kölliker, Hensen, Middendorp) gelungen war, einige Beobachtungen besonders über die Entwickelung der Pfeiler zu machen^ und es bleibt das unbe- streitbare Verdienst Böttcher's, die verschiedenen Entwickelungs- stufen des akustischen Endapparats zuei*st genauer und systematisch studirt zu haben.

Meine eigenen Untersuchungen betreffen lediglich die Entwicke- lun«,' des Schneckenepithels beim Hund, weichen aber in einigen wesentlichen Punkten von den Angaben Böttcher's ab.

Böttcher lässt den ganzen akustischen Endapparat aus dem kleinen Epithelialwulst hervorgehen ; er giebt an, dass aus der ersten Zelle sich die innere Haarzelle, aus der zweiten beide Pfeiler, aus den folgenden die äusseren Haarzellen entwickeln; den grossen Epithelialwulst lässt er durch Schwund immer kleiner werden und aus ihm die cubisch geformten Epithelzellen des canalis sulci spiralis hervorgehen.

Hiergegen finde ich, dass die innere Haarzelle zwar nahe der Grenze des kleinen Epithelialwulstes (Fig. 25 und 26), aber immer noch durch eine Lücke von ihm getrennt im grossen Epi- thelialwulst sich entwickelt. Zur Entscheidung dieser schwierigen Frage können überhaupt nur Präparate in Betracht kommen, deren Elemente in der natürlichen Lage erhalten sind, weil es in diesem Entwickelungsstadium nicht gut möglich ist, aus der Form der Zelle mit Sicherheit zu bestimmen, welches Gebilde aus ihr hervorgeht An solchen gut erhaltenen Situationspräparaten sehe ich die innere Haarzelle, deren Entwickelung früher als die der anderen Elemente des akustischen Endapparats beendet zu sein scheint, noch >nach innen von der Stelle liegen, wo sich der obere (vestibuläre) Rand des grossen Epithelwulstes durch eine sanfte Abdachung von dem

üeber den feineren Bau and die Entwickelung der Grehörscbnecke etc. 181

kleinen Epithelialwulst abgrenzt. Auch morphologisch angesehen moss, worauf ich allerdings weniger Werth legen will, die länglich gestreckte Gestalt der inneren Haarzelle, wie sie besonders in der ersten Zeit der Entwickelung beobachtet wird, den Zellen des gros» sen Epithelialwulstes näher stehend betrachtet werden, als denen des kleinen.

Ob die innere Haarzelle sich aus einer Zelle entwickelt, oder, wie Böttcher angiebt, aus dreien, war mir unmöglich zu ent- scheiden, weil ich sie stets dermassen in dem Zellenhaufen des Epi- thelialwulstes eingebettet fand, dass ich mir darüber kein sicheres Urthäl bilden konnte, ob die Basalfortsätze mit einzelnen Zellen des Epithelialwulstes in directer Verbindung stehen, oder ob sie zwischen den Zellen lediglich hindurchtreten. Für die Schnecke er- wachsener Thiere glaube ich indess behaupten zu können, dass die Basalfortsätze nicht mit je einer untern Zelle in Verbindung stehen, sondern dass, worauf ich später noch einmal zurückkomme, die aus den Lochern der Habenula perforata heraustretenden Nervenfasern, bevor sie in die Haarzellen eingehen, mit den eigenthümlichen, kleinen, rundlichen Zellen in Verbindung treten, die vor dem inne- ren Cor titschen Pfeiler auf dem labium tympanicum liegen und die ich mit Waldeyer als Eömerschicht bezeichnet habe. Gene- tisch betrachtet ist diese Kömerschicht und die innere Haarzelle gleichwerthig, d. h. sie gehen beide aus der Umwandlung des gros- sen Epithelialwulstes hervor. Wenn wir bedenken, dass während der ganzen embryonalen Entwickelung des akustischen Endapparats der grosse Epithelialwulst die Löcher der Habenula perforata der Art voUständig bedeckt (Fig. 25 y), dass die Nervenfasern, um überhaupt in den Schneckenkanal zu gelangen, entweder zwischen seinen Zellen durchgehen oder gar mit denselben sich verbinden müssen, so kön- nen wir von vornherein die entwickelungsgeschichtliche Bedeutung dieses Epithelialwulstes höher stellen, als es Böttcher thut, der lediglich aus ihm die cubischen Zellen des sulcusspiralis hervorgehen lässt Für die innere Haarzelle habe ich bereits nachgewiesen, dass sie sich im grossen Epithelialwulst bildet ; dass aber auch die Kömer- schicht aus ihm hervorgeht, scheint mir ebenso zweifellos. Der Vor- gang hierbei ist meinen Beobachtungen nach folgender:

Während sich die innere Haarzelle in der beschriebenen Weise differenzirt, bildet sich in der Furche zwischen den beiden Labien der Spiralleiste eine Lücke, die, allmälig grösser werdend, einen

182 Dr. J. Goitstein:

wirklichen Kanal, den canalis sulci spiralis, darstellt. Dieser Kanal entsteht anfangs nicht, wie Böttcher angiebt, durch Kleinerwerden des Epithelialwulstes, sondern durch Wachsen des labium tympani- cum bei Unverändertbleiben des Wulstes. Es ist schwer, durch Messung dieses Wachsen nachzuweisen ; aber da ich den Kanal schon von beträchtlichem Umfange finde, zu einer Zeit, wo der Epithelial- wulst an Umfang und äusserer Configüration sich gar nicht geän- dert hat (Fig. 25 und Fig. 26 L), so scheint mir diese Erklärung die einzig mögliche.

Dieses Längenwachsthum des labium tympanicum scheint mir auch das eigenthümliche Annähern der Uabenula perforata zu den Gorti'schen Bögen zu erklären. Während nämlich in früheren Bnt- wickelungsstadien die Habenula perforata etwa die Mitte der Bafiis des grossen EpitheUalwulstes einnimmt, ändert sich nach und nach das Verhältniss der Art, dass der grössere Theil des Wulstes nach innen von der Habenula perforata zu liegen kommt (vgl. Fig. 25 und 26J, bis schliesslich die Nervendurchtrittsstelle hart vor dem Fuss des inneren Pfeilers sich findet Hensen und Böttcher glauben, dass das Fussstück des inneren jPfeilers mehr nach innen tritt Hiergegen spricht aber xAer Umstand, dass der Abstand der Habenula perforata von dem Pfeiler schon zu einer Zeit abnimmt, wo das Nachinnenrttcken des Pfeilers durch den noch in der Con- figüration unveränderten gi-ossen Epithelialwulst gehindert ist Ninmit man dagegen ein Längenwachsthum des labium tympanicum, viel- leicht gleichzeitig mit einem Wachsen der ganzen lamina basihuris an, so erklärt sich die Bildung des Kanals im sulcus spiralis und die veränderte Stellung der Habenula perforata zu dem inneren Pfeiler. Was die weiteren Veränderungen des EpitheUalwulstes an- belangt, so hat sie Böttcher im Wesentlichen übereinstimmend mit meinen Beobachtungen beschrieben.

Der obere Theil der Gylinderzellen des EpitheUalwulstes, der von vorneherein keine Kerne zeigte, nimmt ein mehr helles, durch- sichtiges, und wie von blasigem, mit Flüssigkeiten gefüllten Räum^i durchsetztes Aussehen an (Böttcher), Fig. 25 und 26 U, und zwar geschieht dies von Innen nach Aussen, bis man schliessUch die in- nere Haarzelle befreit von den sie im früheren Stadium umgebenden GylinderzeUen findet und statt dieser an der Durchtrittsstelle der Nerven als Best des EpitheUalwulstes eine Anzahl kleiner, runder Zellen (Fig. 17), die Körnerschicht, und nach Innen davon eine

üeber den feineren Bau nnd die Entwickelang der Gehörschneoke etc. 188

r^eimässige Lage cnbisch geformter Epithelzellen, die das labium tympanicam and den sulcus spiralis bekleiden und mit den Epithel- zellen in den Furchen der crista spiralis im Zusammenhang stehen. Böttcher glaubt, dass diese Lage cubisch geformter Zellen das Produkt oder vielmehr der Rest des Epithelialwulstes sei. Er sagt (1. c. S. 106): „Der grosse Epithelialwulst verkleinert sich nach Aussen zu immer mehr und die niedriger und niedriger werdenden Epithelzellen bekommen schliesslich eine cubische Form und be- kleiden die Flache in einfacher Lage.'' Mir scheint es dagegen viel wahrscheinlicher, dass das Epithel durch Nachrücken von dem Epithel der Spiralleiste sich bildet, dem es auch morphologisch in diesem Entwickelungsstadium vollständig gleicht. Wenigstens finde ich zu einer Zeit, wo der ganze Epithelialwulst noch seine volle arspriingliche Höhe hat, wo also ein Schwund der Cylinderzellen noch nicht stattgefunden, bereits die cubischen Epithelzellen im sulcus spiralis. Ja in einem Falle fand ich den noch sehr kleinen canalis sulci spiralis der Art mit diesen cubischen Zellen gefOUt, dass sie bis zur Höhe des Epithelialwulstes hinaufreichten.

In anderer Art gestaltet sich die Fortentwickelung des kleinen Epithelialwulstes. H e n 1 e (Bericht über die Fortschritte der Ana- tomie und Physiologie 1870, S. 102) und Hensen (Archiv der Ohrenheilkunde Bd. 5, S. 12) haben bereits gegen Bot tcher's An- nahme, dass beide Bogenpfeiler sich aus einer Zelle entwickeln, ein berechtigtes, theoretisches Bedenken in der ungleichen Anzahl der inneren und äusseren Pfeiler gefunden. Wie ich glaube, spricht aber auch die directe Beobachtung dagegen.

Ich habe bereits bei Besprechung der inneren Haarzelle her- vorgehoben, dass in den ersten Entwickelungsstadlen die einzelnen Zellen der Epithelialwttlste sich so wenig von einander unterschei- den, dass es schwer ist, aus der Form einen bestimmten Schluss auf die später hervorgehenden Gebilde zu machen. Ist aber die EntWickelung so weit vorgeschritten, dass man aus der Gestaltung der Zellen erkennen kann, woraus sich die Pfeiler und woraus sich die Elaarzellen entwickeln, so sieht man allerdings im kleinen Epi- thelialwulst am weitesten nach Innen ein eigenthümliches Gebilde, das im Querschnitt etwa die Gestalt eines unr^elmässigen Dreiecks hat, breiter als hoch erscheint und in der Nähe der Basis gewöhn- lich zwei, zuweilen auch drei und mehr Kerne zeigt. Aus diesem Gebilde gehen, wie die weitere Beobachtung zweifellos ergiebt, beide

184 Dr. J. Goitsiein:

Pfeiler hervor. Nach Böttcher soll das in der Weise geschehen, dass erstens an der nach Innen gewandten Seite des Dreiecks und zweitens in der Nähe seines äussern Bandes sich eine Streifang ein- stellt, die den betreffenden Partien das Aussehen verleiht, »als wäre das Protoplasma daselbst in Bündel feinster Fibrillen zerfallen,« und dass das Protoplasma, das sich in dem Räume zwischen diesen Bündeln befindet, allmählich schwindet und so erst eine Trennung der ursprünglich ein Ganzes bildenden Pfeiler bewirkt.

Hiergegen muss ich bemerken, dass nicht erst in einem so späten Entwickelungsstadium, sondern bereits zu einer Zeit, wo sich im Dreieck die Differenzirung der streifigen Bündel im Protoplasma noch nicht gebildet hat, eine Scheidung der beiden Pfeileranlagen vorhanden ist. Man sieht nämlich von vom herein von der Spitze des Dreiecks nach der Mitte der Basis senkrecht eine Linie herab- gehen (Figur 25, x) oder mit andern Worten, es befinden sich hier zwei nahezu rechtwinkelige Dreiecke neben einander, die sich mit je einem Schenkel berühren (Figuren 25, 26 und 27). In jedem dieser Dreiecke liegt an der Basis ein Kern (a und b). Findet man deren mehrere, wie diess Böttcher und ich gesehen haben, so kann man sich durch verschiedene Einstellung des Mikroskops überzeu- gen, dass sie andern, darunter liegenden Zellen angehören; eine wirkliche Eemtheilnng habe ich nicht beobachtet. Die äussern Um. risse dieser beiden Dreicke bleiben längere Zeit dieselben, während im Innern das Protoplasma Veränderungen eingeht, die die Gestalt der sich bildenden Pfeiler bereits andeuten. Es bilden sich die bei- den streifigen Bündel (Figur 25 e und f), wie ich sie weiter oben nach Böttcher angegeben habe. Dieselben sind an der Basis am schwächsten, an ihrem obern Ende am stärksten entwickelt; ihre obem Enden bilden aber nicht, wie ich gegen Böttcher behaup- ten muss, ein Ganzes, sondern sind schon in ihren Anlagen deutlich von einander geschieden. Oben ist nämlich die Linie, welche die beiden Dreiecke trennt, leicht S-förmig gewunden (Figur 25 x). In- dem sich nun die obem Enden immer mehr verdicken und die Um- wandlung des Protoplasma's in Faserbündel an Breite zunimmt, kommt das Scheitelende des äussern Pfeilers in die Goncavität des innern Pfeilers zu liegen und es bildet sich die eigenthümliche Ge- lenkverbindung heraus (Figur 25 N und 0), wie wir sie am Gorti'schen Bogen kennen gelernt haben. Jetzt erst bildet sich unter den Verbindungsgliedern eine Lücke, indem das nicht umge-

Ueber den feineren Bau und die Entwickelang der Gehörschnecke etc. 1B5

wandelte Protoplasma theilweise scbrampft, um schliesslich als die beiden Bodenzellen an den Winkeln, die die Pfeiler mit der lamina basilaris bilden, übrig zu bleiben.

Endlich muss ich noch anfahren, dass ich ausser den Kernen an der Basis in einzelnen Fällen auch nach Oben, wo sich die Ver- bindungsglieder entwickeln, zwei Kerne beobachtet habe (Figur 25 cu. d); auch Böttcher giebt an, dass er einmal in ähnlicher Weise einen Kern mit ihn umhüllendem Protoplasma in dem Winkel zwi- schen den obem Gelenkenden der Pfeiler gesehen hat, wie es sich in den beiden Winkeln an der membrana basilaris regelmässig zeigt. Ich halte es nach diesen Befunden, sowie nach den Beobachtungen, die Waldeyer und ich in Betreff des Vorhandenseins von Kernen mit Protoplasma an den Kopfstücken der Pfeiler bei erwachsenen Thieren gemacht haben, für wahrscheinlich, dass sowohl der innere als der äussere Pfeiler sich aus je zwei Zellen entwickelt, von de- nen die obere durch schnellere und stärkere Schrumpfung weniger leicht zur Beobachtung kommen. Wald ey er hat die Ansicht aus- gesprochen, dass »jeder Pfeiler eine zum grössten Theile cuticular metamorphosirte Doppelzelle sei, deren einer Theii die kernhaltige Basis der membrana basilaris, der andere der lamina reticularis zu- kehrt.« Wie ich glaube, findet diese Ansicht in der von mir beob- achteten EntWickelung der Pfeiler eine hinreichende Stütze.

Viel leichter als die bisher betrachteten Gebilde des akusti- echen Endapparats ist die Entwickelung der äussern Haarzellen zu verfolgen.

Dicht hinter der Pfeileranlage befindet sieh im kleinen Epithe- lialwulst bei Thieren eine dreifache, beim Menschen eine vierfache Rtthe von je zwei altemirend liegenden Gylinderzellen, aus denen durch einen eigenthümlichen Entwickelungsvorgang die oben beschrie- benen Zwillingshaarzellen hervorgehen. Die untern Zellen li^en mit ihrem breitem den Kern enthaltenden Theil auf der lamina basilaris und gehen steil sich etwas verjüngend nach Oben ; im Ge- gensatz zu den untern Zellen liegen die obem in der Höhe des Epithelialwulstes und gehen schmäler werdend nach Unten. Die VeriLndemngen, die sie in der weitem Entwickelung erleiden, schei- nen lediglich darin zu bestehen, dass sie ihre anfänglich mehr senk- rechte Stellung in eine mehr schräge von Oben und Innen nach Unten und Aussen gehende verwandeln, und dass durch Bildung der

166 Dr. J. Gottstein:

Fortsätze und Verlöthung je einer obem und untern Zelle die ei- genthämlichen Zwillingszellen entstehen.

Man könnte die Frage aufwerfen, ob die Annahme einer sol- chen Verlöthung zweier Anfangs getrennter Zellen histologisch be- rechtigt ist. Ich glaube die Frage mit Ja beantworten /u können. Wie ich schon früher auseinandergesetzt habe, erfolgt die Verbin- dung der beiden 2^11en wesentlich dadurch, dass die Fortsätze mit einander verschmelzen und so den Zusammenhang der Zellen ver- mitteln; in gewisser Hinsicht kann man die Fortsätze mancher Epithelzellen als eine cuticulare Bildung derselben auffassen; dass aber Guticularbildungen während ihres Entwicklungsprocesses mit einander verschmelzen können, ist ja bekannt.

Nach Aussen von den Haarzellen liegen noch eine Anzahl läng- licher Zellen (Fig. UI G), von denen die erste die Höhe der letzten Haarzelle erreicht, die folgenden, inuner kleiner werd cnd, in das nie- drige, cubische Epithel der zona pectinata übergehen. Besonders schön ist diese allmählige Abdachung beim Menschen entwickelt, wo der akustische Endapparat wie in einen Halbkreis eingelagert zu sein scheint. Man hat über die Natur dieser Zellen viel gestrit- ten, Hensen hat sie Stützzellen genannt, Böttcher stellt sie den der zona pectinata und des sulcus spiralis gleich. Ich selbst betrachte sie als Zellen des kleinen Epithelialwulstes, die nicht zur vollstän- digen Entwicklung gelangt sind, gewissermassen rudimentäre Bil- dungen und finde eine Stütze für meine Ansicht darin, dass die Abdachung dieser Zellen ganz und gar der Form des kleinen Epi- thelialwulstes entspricht, dass beim Menschen und den Thieren eine ungleiche Anzahl von Zellen zur vollkommnen Umbildung in Uaar- zellen gelangen und dass die lamina reticularis, die wir als eine Cuticularbildung der Haarzellen werden kennen lernen, ebenso einen Anhang von nicht vollständig ausgebildeten Endgliedern zeigt, welche wir als Cuticularbildung jener nach Aussen von den Haarzellen lie- genden Zellen betrachten können.

Membrana tectoria Henle (Corti'sche Membran).

Obgleich die Gorti'sche Membran zu denjenigen Gebilden der Schnecke gehört, die am Leichtesten darstellbar sind, so ist doch nicht in allen Punkten über sie eine Einigung unter den Autoren erzielt. Uebereinstimmend wird angegeben, dass sie nach Innen un- mittelbar an der Ansatzlinie der membrana vesübularis beginnt,

Heber den feineren Bau and die Entwiokelung der OehörBchneoke etc. 187

aof der crista spiralis mit einer zarten Schicht aufliegt, den Raum zwischen dem sulcns spiralis und dem Anfang des akustischen End- apparats mit ihrem dicksten Theil überdacht, and so den canalis sald spiralis vestibularwärts abschliesst, dann wieder zarter and dünner werdend sich über den akustischen Endapparat hinzieht Während aber die Einen (Claudius, Kölliker, Henle, Löwen- berg) den äussern Ansatz am ligamentum spirale wollen beobachtet haben, lassen Andere (Hensen, Böttcher) sie frei in der Ge- gend der äussersten Haarzelle endigen. Ich habe mich bereits in einer voriaufigen Mittheilung (Innsbrucker Naturforscherversammlung 1869) für letztere Ansicht ausgesprochen und kann auch jetzt Allem, was Böttcher über die Täuschungen, die Henle und Löwenberg zu der entgegengesetzten Ansicht gefohrt haben, vor- bringt, nur beistimmen. Ich habe oft genug Bilder beobachtet, in denen die erschlaffte membrana vestibularis der Art auf dem Epithel der zona pectinata auflag, dass der Anschein hervorgerufen wurde, als ginge die Gorti'sche Membran bis an die äussere Schneckenwand. Da- gegen lehren Schnecken junger Thiere, bei denen die Epithelial- wOlste noch erhalten sind, dass die Membran stets auf dem kleinen Epithelialwulst endet, ebenso wie man an tadellosen Präparaten von Schnecken erwachsener Thiere niemals die Membran über die äiisserste Haarzelle hervorgehen sieht.

Man kann an der Membran drei Zonen unterscheiden, die sich sowohl durch die Textur als durch Gestalt von einander unter- scheiden. Die innere Zone geht bei den Thieren von der Ansatz- steile in der Nähe der membrana vestibularis bis zum labium vesti- buläre cristae spiralis; sie ist dünn und structurlos, nimmt nach Aussen allmählig an Dicke etwas zu und ist am labium vestibuläre durch eine feine spirale Linie von der mittlem Zone getrennt ; beim Menschen (Fig. 3 C) ist diese Zone relativ dicker und in so fem etwas kürzer, als sie etwa in der Mitte zwischen der Ansatzstelle der membrana vestibularis und dem labium vestibuläre beginnt. Die mittlere Zone, die vom labium vestibuläre bis zur innera Haar- zelle sich erstreckt, zeichnet sich durch besondere Dicke aus und ist in radialer Richtung feinstreifig. Die äussere Zone ist von der mittlem durch einen hyalinen, schmalen, spiral verlaufenden Saum getrennt und bildet ein feines netzförmiges Maschenwerk. Es ist mir weder gelungen, die Fortsätze zu sehen, die nach Böttcher von der Membran in die inneren sowohl als äussern Haarzellen

188 Dr. J. Gottstein:

geben sollen, noch mit Sicherheit die Höcker zu beobachten, die Hensen an der Grenzlinie zwischen der innem und mittlem Zone beschreibt. Jedenfalls muss ich die Annahme Böttcher 's, dass die Gilien der Haarzellen nichts Anderes, als diese von der Gorti'- sehen Membran losgerissenen und an den Zellen hangen gebliebenen Fortsätze seien, als bis jetzt unerwiesen und fQr unwahrscheinlich halten. Böttcher leugnet zwar nicht die Existenz der Haare an den Haarzellen, sondern glaubt nur, sie entstehen erst, wenn die stäbchenartigen Fortsätze von der Corti'schen Membran abreissen. Man kann es aber erstens als Regel betrachten, dass die Haare, wenn die Gortrsche Membran von dem akustischen Endapparat sich abhebt, an den Zellen haften bleibt, so dass man an Flächen- Präparaten oft kaum eine Zelle ohne Haare trifft, sodann sieht man an isolirten Zellen die Haare in so regelmässiger Anordnung den obem Saum der Zellen einnehmen, dass man nicht glauben kann, sie seien durch künstliche Zerfaserung von Stäbchen entstanden; auch kann ich der Ansicht Böttcher 's nicht beistimmen, wenn er sagt, dass die Haare »nicht auf der ganzen Endfläche der Zellen sitzen, son- dern bloss eine leichtgekrümmt« Linie einnehmen.« An sehr vielen Flächenpräparaten (Figur 21) sieht man die Ringe der lamina reti- cularios vollständig ausgefällt von den Haaren und wenn man in einzelnen Fällen (Fig. 5) die Haare in einer bogenförmigen Linie sieht, so ist dies der optische Ausdruck der perspectivisch gesehe- nen schräg gelagerten Haarzelle. Was aber entscheidend für diese Frage ist: an isolirten Haarzellen sieht man (Fig. 12, 16 und 20 die Haare derartig kranzförmig die obere Fläche der Zellen besetzen, dass ein Zweifel darüber kaum aufkommen kann.

Was die Gonsistenz der Membran anbelangt, so wurde allge- mein dieselbe als stark elastisch betrachtet; Wald eye r hält sie dagegen für vollkommen weich, fast gallertartig. So viel steht f^t dass ein Zusammenrollen der ganzen Membran nicht vorkommt und wenn Winiwarter behauptet, dass man sie oft an Schnitt- präparaten uhrfederartig eingerollt findet, so scheint mir dies nicht von der Elastizität der Membran herzurühren, sondern davon, da^s die dünneren, innere und äussere, Zonen sich auf die mittlere dicke Zone mehr oder minder umschlagen ; dass etwa die mittlere Zone durch Zusammenrollung verkürzt erscheint, habe ich nie beobach- tet, vielleicht, dass die äussere Zone eine gewisse Elasticität besitzt, weil sie zuweilen beim Loslösen von ihrer Ansatzstelle zusammen-

Deber den feineren Bau und die Entwickclung der Gehörschnocke eto. 189

^^shnellt and dadurch aach Eölliker zu der Annahme eines ein Gefiss fahrenden Kanals verleitet hat (vgl. Fig. IV x).

Die embryonale Entwickelung der Membran ist trotz ihrer gros* sen Ausdehnung nicht leicht zu beobachten. Böttcher hat bei einem 9,5 cm. langen Schafembryo ein dünnes radiär gestreiftes Häutchen beobachtet, welches der untern Wand des Schneckenkanals da auf- lag, »wo das Epithel die grösste Höhe erreichtea und hält es für die erste Entwicklungsstufe der Co rti 'sehen Membran. Ich habe ähnliche Bilder, wie sie Böttcher in seinen Figuren 16 und 17 wiedergiebt, gesehen, habe aber Anstand genommen, darin eine An- lage der membrana tectoriä zu finden, erstens weil ich die Streifen nie im Zusammenhange mit dem darunter liegenden Epithel, son- dern frei im Schneckenkanal fand, sodann, weil ich keine Textur in ihnen entdecken konnte und endlich weil ich auch an andern Stel- len des Schneckenkanals ähnliche Streifen beobachtete. Ich war in Folge dessen geneigt, sie als gerollte Schleimmassen aufzufassen und in keine Beziehung zur Co rti 'sehen Membran zu bringen. Dage- gen fand ich in embryonalen Schnecken zur Zeit, wo sich die Epi- thelialwülste bereits differenzirt haben, den obem Rand derselben von einem schmalen hyalinen Saum eingenommen , den ich als cuti- culare Ausscheidung der Cylinderzellen und als Anfang der Membran betrachten möchte. Weitere Entwickdungsstufen gelang mir nicht zu beobachten, auch sah ich stets den obem Band der Epithelial- wiilste scharf abgegrenzt und niemals, wie Böttcher angiebt, haar- artige Fortsätze aus den obem Enden der hohen cylindrischen Zel- len des grossen Epithelialwulstes hervorragen.

Lamina retieularis KSUiker.

So compUcirt das Bild dieser eigenthümlichen Netzlamelle beim ersten Anblick erscheint, so leicht wird uns ihr Verständniss, wenn wir sie mit Böttcher und W a 1 d e y e r »nicht als einheitliches Gebilde« (Böttcher), sondern im Zusammenhange mit denTheilen, aas denen sie hervorgegangen sind, betrachten. Die Lamelle be- steht aus einer eigenthümlich angeordneten Verbindung von Ringen und biscuitförmigen Platten, »Phalangen«. Dass diese Ringe keine blossen Löcher oder Lücken (Deiters, Winiwarter), gebildet durch den Abstand von je vier alternirend stehenden Phalangen, sondern ebenso, wie die Phalangen, wirkliche, körperliche Gebilde sind, davon kann man sich leicht an den Rändern von Fl&chenprä-

190 Dr. J. Gottstein:

paraten überzeugen, in denen die Ringe isolirt erscheinen (Fig. 5 gl, g2, gs, Figur 29). Waldeyer betrachtet Knge und Pha- langen als Cuticularbildungen der äussern Haarzellen und zwar der Art, dass die Ringe dein Vestibulartheile (Corti'sche Zelle der Autoren), die Phalange dem Basaltheile (Deiters'sche Zelle) ent- spricht. Ringe und Phalangen sind in regelmässiger Folge alter- nirend gestellt, in derselben Weise, wie die Haarzellen, und zählen eben so viele Reihen, wie letztere, d. h. bei den Thieren drei, beim Menschen vier. Die erste Reihe Ringe schliesst sich der Kopfplatte der innem Pfeiler an, Kölliker's sogenannte »helle Platte« ist nichts Anderes, als die Kopfplatte des innem Pfeilers. Jeder Ring erster Reihe liegt zwischen je zwei Endstücken der äussern Kopf- platten, die in dieser Weise die erste Reihe der Phalangen bilden, indem nun die innem Enden der Phalangen der zweiten Reihe sich zwischen die Endstücke je zweier Phalangen erster Reihe einschie- ben, werden die Ringe erster Reihe geschlossen. In analoger Weise setzt sich die Bildung der Rahmen fort, indem die Phalangen der dritten Reihe sich mit ihren innern Endstücken zwischen die äus- sern der zweiten Reihe einschieben, nur die Ringe der dritten Reihe werden nach Aussen, da hier die vollständig entwickelten Phalan- gen fehlen, von den sogenannten Schlussrahmen Deiters' ge- schlossen.

Diese Schlussrahmen sind, wie ich schon weiter oben erwähnt habe, Cuticularbildungen der nicht zu Haarzellen umgebildeten Epi- thelzellen des kleinen Epithelialwulstes, sie stehen zu den letztem im selben Yerhältniss, wie die Ringe und Phalangen der lamina reticularis zu den äussern Haarzellen ; sie enden da, wo die Epithel- zellen des kleinen Epithelialwulstes in das cubische Epithel der zona pectinata übergehen und vermitteln auf diese Weise die Be- festigung der lamina reticularis nach Aussen.

Die Endausbreitnng des nerviis aoastieus.

Nachdem die Faserbündel des nervus cochlearis beim Austritt aus dem cAualis centralis modioli das ganglion spirale im Rosen- thaTschen Kanal (Fig. IG) durchsetzt haben, ziehen sie mit viel- facher Anastomosenbildung zwischen den beiden Platten der lamina spiralis ossea bis zum labium tympanicum cristae spiralis. Hier er- folgt ihre Theilung in kleine Faserbündel; an gelungenen Durch- schnitten sieht man von jedem dieser Faserbündei einzelne

üebcr dsB ÜBiMra Bu und die BntwUAhiag dar Gdiönohneoke ote. 191

Fasen abgdieii «nd, nacMem sie räicn Theil ilurer Markadiride Terioren haben, durch die Kanäle der Habenola perforata in dac- tos oochkaris eintreten. Eb ist schwer su bestimmen, wieviel Md* eher Axencjlinder durch jedm Kanal in den dnctus ooddearis ein- treten. In den Schnee^enkanal eingetret^, lerfaUen sie som Theil in fänere Fibrillen und treffen auf die Zellen der Kömerschicht, die, wie wir gesehen haben, am Fasse der innem Haarteile auf der Habenokt perforata liegen. Mit diesen Zellen treten die Nerven&sem in Verbindung; welcher Art diese Verbindung ist, ist schwer zu bestimmen; ich bin geneigt sa glaubeni dass die Nerven in diese Kömer ein- und wieder austreten, weil sie, wie ich bei Be* q>rechung des Epithelialwulstes auseinander gesetzt habe, genetisch mit der innem Haarzelle gleichwerthig sind. Ob alle Nervenfasern, bevor sie weiter gehen, Kömer durchsetzen und ob umgekehrt alle Kömer von Nerv^ durchsetzt werden, ist nicht zu entscheid«!. Man trifft eine Anzahl Körner, die nicht mit Fasern in Verbindung stehen, was aber durchaus nicht beweisend ist Ein Theil der Ner- venfasem tritt in die innere Haarzelle über, »innere radiäre Nerven- faser« (Fig. 2 y). So sicher indess diese Thatsache nach meinen Beobachtungen ist, so wenig kann ich mit Bestimmtheit angeben, ob die Nervenfaser unmittelbar in den Zellkörper oder in einen der Basalfortsätze eintritt An isolirten Haarzellen sieht man zuweilen ausser den beiden Basalfortsätzen abgerissene Fädchen (Figur 12), die man für Nervenfildchen halten kann; andere Bilder sprechen gegen eine solche Deutung, wie Fig. 2 y, hier scheint es, als würde ein Basalfortsatz in direktem Zusammenhang mit der Nervenfaser stehen, oder mit andem Worten, als würde die Nervenfaser einen der Basalfortsätze selbst bilden. In weicher Weise die Nervenfaser in der Zelle selbst endet, habe ich nicht beobachten können. Wie Walde y er zuerst angegeben hat, und wie ich bestätigen kann (Flg. 2 y), zeichnen sich die innem radiären Fasern durch eine relativ grössere Dicke aus (nach Waldeyer 1,5— 2 /i.). Es scheint, als worden die aus der Habenula perforata durchtretenden Akusti- knsfosem unverändert in die innere Haarzelle gehen, wenigstens kann ich in Fig. 2 y die innere radiäre Nervenfaser in gleicher Starke bis zu ihrem Urspmng aus den dunkelrandigen Nerven in der iamina spiralis ossea verfolgen.

Ein anderer Theil der aus der Habenula perforata in den Sehneckoikanal getretenen NervenfiUlen gehen, nachdem sie die

192 Dr. J. Got'tstein:

Kömerschicht durchsetzt haben, in radiärer Riehtang zwischen zwei Innern Pfeilern etwa durch die Mitte der Gort i 'sehen Bögen, wie »Hacfensaitena ausgespannt, bis zu den äussern Haarzelien. In Fig. 2 kann man sie bis zur dritten Haarzelle verfolgen, ob sie in de- ren Basaltbeil oder Vestibulartheil eintreten, ist schwer zu sagen, ich halte das Letztere für wahrscheinlicher.

Diese »äusseren radialen Fasern« zeichnen sich durch ganz exquisit charakteristische Varikositäten aus und können zu keiner andern Deutung Veranlassung geben. Ich habe niemals so dünne Fäden unter den Corti'schen Bögen liegen sehen, wie sie Bött- cher in Fig. 33 zeichnet, so dass ich glauben muss, seine Behand- lung der Präparate mit Dammarlack trage die Schuld für dieses Verhalten. Meine Beobachtungen stimmen hierin ganz mit denen von Deiters und Löwenberg überein, nur dass diesen Autoren die Endigung der Nerven entgangen war; auch dem, was Löwen- berg über die vier Arten von radiären Fasern angiebt, kann ich nicht beistimmen; es ist freilich nicht selten, dass man Nervenfa- sern im Binnenraum des Corti'schen Bogens sieht, die nach Unten zur lamina basilaris, andere, die nach Oben zu den Pfeilerköpfen zu gehen scheinen, aber man braucht wohl nicht erst darauf aufmerksam zu machen, wie vorsichtig man in der Beurtheilung solcher Befunde sein muss, um nicht das, was durch die künstlichen Eingriffe der Präparation hervorgerufen wird, für das Gesetzmässige zu nehmen. Ich kann nur sagen, dass alle Nervenfäden, die ich bis zu den äussern Haarzellen verfolgen konnte, innerhalb des Cor ti- schen Bogens, wie Harfensaiten straff ausgespannt erschienen.

Ausser diesen sich zweifellos als Nervenfäden charakterisiren- den radiären Fasern, beobachtet man noch spirale Faserzüge, deren Natur weniger klar ist. Dieselben wurden von Max Schnitze entdeckt und von Deiters zuerst näher beschrieben.

Kölliker bestritt die Angabe Schultzens, dass diese spiralen Zttge mit bipolaren Zellen in Verbindung ständen, und glaubte, dass hier eine Verwechslung mit den spindelförmigen Faserzügen der tympanaleux Schicht der lamina basilaris vorliege; Böttcher leugnet die spiralen Züge ganz und würde auch ihr Vorkommen aus entwicklungsgeschichtlichen und theoretischen Gründen nicht fui möglich halten, wogegen He nie und Löwenborg die Deiters- sehen Angaben einfach bestätigen. Wie ich glaube, kann nach den positiven Beobachtungen von Schnitze, Deiters, Henle und

Ceber den feineren Bau nnd die Entwickelnng der Gebörschnecke etc. 193

Löwenberg, die auch Waldeyer und ich bestätigen können, die theoretischen Gründe Böttcher's gegen die Existenz dieser Spiralen Faserzfige nicht aufkommen; anders verhält es sich indess über den Ort, wo sie verlaufen und über ihre Bedeutung. Was den Ort anbelangt, so muss man sich hier vor allem, weil Flächenan- sichten nicht durch Vergleichung mit Querschnitten controllirt wer- den können, vor den Täuschungen httten, die durch Verschiebung der Gebilde unter dem Deckglase hervorgerufen werden. Waldeyer beobachtet zwei Hauptzüge spiraler Fasern, den „inneren und den äusseren Zug"; der innere und zugleich schwächste Zug entspricht der Reihe der inneren Haarzellen, der äussere Zug in drei paral- Iden Abtheilungen den drei Reihen äusserer Haarzellen. Es sind äusserst zarte Bildungen und gleichen einer feinfaserigen Neuroglia (Hensen, Waldeyer). Nach Max Schnitze und Deiters rühren diese Spiralen Fasei'züge von Nervenfasern her, die aus der Habenula perforata heraustreten und beim Umbiegen ihre Mark- scheide verlieren. In Fig. 28 o sieht man allerdings einzelne Faser- ztige, wie es scheint, direct mit den Nervenfasern, die aus den Ner- venkanälen austreten, in Verbindung stehen. Diese Figur giebt überhaupt über das Aussehen der spiralen Faserzüge ein gutes Bild, wenn auch die Lage derselben keine natürliche ist. Ob diese Spi- ralen Zflge mit bipolaren Zellen in Verbindung stehen, wie Max Schnitze behauptet hat, konnte ich nicht feststellen, nur in Figur 27 vom jungen Hund sieht man multipolare Gebilde im Zusammen- haog mit den Faserzügen, indess will ich das Präparat durchaus nicht als für diese Frage entscheidend betrachten. Ebenso muss ich es unentschieden lassen, in welcher Beziehung die spiralen Züge zn den Körnern der Eörnerschicht stehen.

M. Acbolt»*. ArclitT f. milcrosk. Anatomie. Bd. 8. 13

194 Dr. J. Gottstein:

Erkl&rung der AbMldnngen aaf Tat VI, VII n. VIII.

Taf. VL Fig. 1. Die crista spiralis und lamina spiralis osaea von Vc§perugo noctula (Ueberosmiumsänre). C crista spiralis. LL iamina spiralis ossea. 6 ganglion spiraic im Rosen thal'ichen Kanal. R Knochenbrficke zwischen den beiden Blättern der lamina spi- ralis ossea. £ dunkelrandige Nervenfasern.

Y Nervendurchtritt in den Schneckenkanal.

V labium vestibuläre, T labium tympanicum crist-ae .«spiralis.

S die in den interdentalen Furchen liegenden rundlichen Epithel- zellen, v ein radial, w ein spiral verlaufendes Gefass. Fig. 2. Querschnitt des akustischen Endapparats vom Meerachweinchen (Pikrinsäure, Hartnaok 9, Immersion, Ocular 8, Tubus 0).

R das Epithel des sulcus spiralis cristae: dasselbe ist aufgequollen

und aus der Lage gebracht, in Folge dessen erscheint L canalis sulci spiralis nicht in seiner natürlichen Form. H membrana tectoria. e innerer, f äusserer Pfeiler, a und b deren Bodcnzcllen, c und

d Pfeilerköpfe. M innere Haarzelle, y eine zur inneren Haarzelle tretende Nerven- faser. Nach Innen davon liegt eine abgerissene, an einem Korn der Kömerschicht anliegende variköse Nervenfaser. P äussere Haarzellen, g^, g,, g, deren Vestibulartheil, h, h, h deren Basaltheil; der Phalangenfortsatz ist nur an der in- nersten Zelle theilweise zu sehen, n variköse unter dem C o r t i'schen Bogen hinziehende und bis an

die erste und dritte Haarzelle gehende Nervenfasern. W vas Spirale.

N Epithelzellen nach Aussen vom akustischen Endapparat (Hen- sen's Stützzellen). Fig. 3. Senkrechter Durchschnitt des ductus cochlearis eines 26jährigen Man- nes. Die Zeichnung entspricht zweien Präparaten derselben Schnecke und zwar ist die Strecke A bis i dem einen, das Uebrige dem an- deren Präparat entnommen. Die Abbildung ist mit Vergrössemng Hartnak 7, Oberhäuser^schem Zeichenprisma, genau nach der Natur gezeichnet mit Vermeidung jeder Schematisirung. A lamina spiralis ossea.

a netzförmiges, feinmaschiges Bindegewebe im Nervenkanal der lamina ossea.

Ueber den feineren Ben und die Entwickelnngr der Gehörschnecke etc. 195

8 crista spiraliB.

B membrana vestibnlaris.

e Epithelsellen aof der. oriBta.

C membrana tectoria, die in der Mitte der vestibnlären Fläche

der crbta beginnt. X Stelle, Yon wo die radiäre Faserstreifung y abgeht, z randliche Zellen der crista «wischen parallel vestibnlärwärts

gehenden Faaem liegend. V labium yestibalare and T labiom tympan. c ein Theil des Epithels des salcns spiralis. E dunkelrandige Nervenfasern.

y Durchtritt derselben in den Binnenraum des Schneckenkanala T ein Korn der Eömerschicht. d eine Epithelzelle, die nach Innen yon der inneren Haarzelle

liegt und die Höhe letzterer erreicht, e innere Haarzelle.

f und g innerer und äusserer Pfeiler; die zwischen denselben auf der lamina basilaris aufliegenden Kerne mit Protoplasma gehören zum Theil wahrscheinlich anderen, als den hier ge- zeichneten Bögen au. 00 lamina basilaris; die tympanale Zellenlage fehlt bis auf ein- zelne Stellen EK; ihre mittlere Lage q ist deutlich längsge- streift. Si> fiTsy S»s) fi»4 ^®' Reihen äusserer HaarzeUen, mit deutlichen schräg abgehenden Phalangenfortsätzen; der Basilartheil der äusseren Haarzellen nur durch die drei Kerne b mit etwas Protoplasma angedeutet. F„ Ft lamina reticularis.

6 Hensen's Stüzzellen in das Epithel der zona pectinata i, i über- gehend; auf der vestibulären Fläche der Stützzellen sieht man noch die Andeutung einer mit der lamina reticularis zusam- menhängenden cuticularen Lamelle, h ligamentum spirale, das sich beim Menschen nur durch stärkere

Faserstreifung vom HH Stratum semilonare unterscheidet, m Epithel der stria vasoularis. n Gefass des Stratum semilunare. J Knochenkapsel. Fig. 4. Umgebung des canalis sulci spiralis, mit einem Theil des Corti'schen Organs von Yesperugo noctula (Ueberosmiumsäure). J crista spiralis. S interdentale Epithelzellen. V Blutgefiun. L canalis sulci spiralis.

196 Dr. J. Gottttein:

H membrana teotoria.

T Epithel des sulcus spiralis.

X zusammengerollte äussere Zone der membrana tectoria. einen

Kanal vortäuschend. y Nervendurchtritt. C lamina basilaris.

ec innerer Pfeiler, a deren BodenzeUe. gif STai gs äussere Haarzeilen, i Basalkem, k Phalang^^nfortsatz

nach Unten umgeschlagen, h zangenartige Umfassung des Vestibularkerns. P lamina reticularis. E dnnkelrandige Nervenfasern. K Fasern der orista concentrisch zum labium tympanicum con-

vergirend. Fig. 5. Akustischer Endapparat perspectivisoh von der Seite und oben ge- sehen (Meerschweinchen, Ueborosmiumsäure). E dunkelrandige Nervenfasern.

F Gehörzähne des labium vestibuläre von der Fläche aus gesehen. G lamina basilaris. Man sieht auf ihr die spiral verlaufenden

spindelförmigen Zellen der tympanalen Lage dnrchffchimmem,

das Faserstratum ist feinstreifig, ee innerer Pfeiler.

M Ciliensaum der inneren Haarzelle, f äusserer Pfeiler. 0 Kopf des inneren Pfeilers, d Kopf des äusseren Pfeilers, ii phalangenförmige Kop^latten der äusseren Pfeiler (Phalange

erster Reihe). Zwischen den Köpfen der äusseren Pfeiler sah

man an diesem Präparate dunkle Rippen h^ deren Deutung

nicht mit Sicherheit gegeben werden konnte. iTit fiTs» fSs Ringe der lamina reticularis, b Kerne der äusseren Bodenzellen.

zx Fussstücke der äusseren Pfeiler, pinselartig in die Streifen der G zona pectinata übergehend, y schlingenformige Fäden um die AnsatzsteUen der äusseren

Haarzellen, k einige radiär gestellte spindelförmige Zellen, wahrscheinlich der

mittleren Schicht der lamina basilaris angehörend, z isolirte Kerne, vielleicht nur angeschwemmte Bildungen. Fig. 6 bis 11 inclusive. Innere und äussere Pfeiler, isolirt, in schwacher Chromsänrelösung nach 24 Stunden untersucht, Fig. 1 vom Hund, die übrigen vom Meerschweinchen (Hartnack 9, Oberhäuser'sches Zeichenprisma). Fig. 6 Verbindung der Pfeiler mit der inneren Haarzelle.

0 und d die Köpfe der Pfeiler.

Üeber den feineren Bau und die Entwiekelung der Gehörschnecke etc. 197

b Kopfplatte des iuuareu Pfeilers.

X und y Protoplasmareste an den Köpfen der Pfeiler.

M innere Haarselle mit Cilien und

a dem Kern.

T Epithelzelle aus dem snlcas spiralis.

Fig. 7. Innerer Pfeiler, b Kopf, e Körper, f äussere Kopfplatte. d innere Kopfplatte, g Gelenkconcavitat zur Aufnahme des äusseren Pfeilers.

Fig. 8. Zwei nebeneinanderliegende innere Pfeiler, Bezeichnung wie Fig. 7.

Taf. Vll.

Fig. 9. Drei innere Pfeiler in Torschiedeuen Stellungen A^ und A' im Profil, A^ en face von Aussen gesehen.

Fig. 10 und 11. Isolirte äussere Pfeiler, e Körper, d Kopf, c kernähnliohes Gebilde in den Köpfen, b phalangenartige Kopfplatte. In Fig. 11 tritt die von Löwenberg hervorge- hobene Aehnlichkeit der äusseren Pfeilerkopfe mit einem Vo- gelkopf deutlich hervor. Fig. 12 bis 21 inclusive. Haarsellen vom Meerschweinchen, frisch in Chrom- saure untersucht.

Fig. 12. Innere Haarzelle. b 2SeUenkörper, mit a dem Kern, c Ci- lienkranz. d breiter Basalfortsats. e ein zweiter, sarterer Basal- fortsatz. f abgerissener Faden, vielleicht vomNerven herrührend.

Fig. 13, 14, 16 und 16. Innere Haarzellen mit zwei Basalfort- sätsen, einem breiteren und einem schmäleren und mit schön entwickeltem Cilienkranz. Bezeichnung wie bei Fig. 12. z Kem- körperchen.

Fig. 17, 18, 19 und 20. Haarsellen mit einem Basalfortsatz, bei denen es ungewiss, ob sie inneren oder äusseren angehören. Bezeichnung wie in Fig. 12.

Fig. 21. Aeussere Haarzellen, a Basalfortsatz. b Phahingenfort- satz. h zangenartige Umfassung des Kerns. Fig. *22. Eine Anzahl isolirter äusserer Haarzellen vom Hund (Ueberosmium- säure, Hartnack 9. OberhäuseHsches Zeichenprisma}.

aa Vestibulartheil mit den Kernen bb.

c Kern des Basaltheils. Das Protoplasma daselbst fehlt theilweise, in Folge dessen scheinen die Basalfortsätze F länger.

ff Phalangenfortsätze. Fig. 28. Akustischer Endapparat vomHund perspectivisch von der Seite gesehen.

e innerer, f äusserer Pfeiler.

gl, gt, g$, äussere Haarzellen. Man sieht hier vier Haarzellen wegen des schrägen Schnitts; daher kommt es auch, dass der Basaltheil der innersten Haarzelle dem äusseren Pfeiler näher liegt, als der Vestibulartheil; offenbar gehört diese Zelle einer anderan Reihe an.

1Ö8 Dr. J. Gottstein:

88 Bftsaltheil der äusseren Haarzellen. X, y, z Phalangenfortsätze, h Ring der lamina retioularis. C lamina basilaris. Fig. 24. Lamina basilaris mit einem Theil der äusseren Haarzellen, e äussere Pfeiler.

a äussere Haarzellen mit c Basalfortsatz und b Phalangenfortsaiz. G zona pectinata. F Epithel derselben, g losgelöstes Knochensplitterohen.

Taf. Vin. Fig. 25. Querschnitt des Schneokenkanals vom jungen Hund (Ueberosmium-

säure, ^artnak 9, Ooular S).

A lamina spiralis ossea.

B Anfang der membrana vestibularis.

k orista spiralis.

V labium vestibuläre.

T labium tympanicnm.

S Intendentale Epithelzellen der orista

in B das Epithel des sulous spiralis übergehend.

L oanälis suloi spiralis«

H membrana tectoria.

G grosser Epithelialwulst.

ü helle, glasige Masse (Rückbildung des Epithelialwulstes).

F Kleiner Epithelialwulst.

CG lamina basilaris mit W dem vas spirale.

EE dunkelrandige NervenfMern.

y Nervendurchtritt

M innere Haarzelle.

N und 0 Anlagen zur Bildung des Corti'schen Bogens.

c und d Anlagen für die Pfeilerköpfe, enthaltend kornartige Gebilde.

X Trennungslinie der beiden Pfeileranlagen.

f streifige Masse, Anlage des Basaltheils des äusseren Pfeilers.

a und b Basalkeme.

firi>8>stS»8 Anlage der äusseren Haarzellen.

P lamina retioularis.

K Hensen's Stützzellen.

Q Epithel der zona peotinata (Glaudius'sohe Zellen).

R Epithel des snlcus ligamenti spiralis, Fortsätze in D das Stratum semilunare schickend.

ZZ tympanale Schicht der lamina basilaris. Fig. 26. Weiter vorgeschrittenes Entwiokelungsstadium der Corti'schen Bögen vom jungen Hund (Hartnak 7, OGnl.3), Bezeichnung wie Fig. 25. Fig. 27. Gegend der inneren Haarzelle und der Kömerschicht, Zersupfungs- präparat vom jungen Hund.

\

Tpber den feinereu Bau und die Eni wickclung der Gehörschnecke etc. 190

Der grosse EpitheilalwulBt ist von der lamina basilaris abgehoben und bereits vollstÄndig in eine helle, glasige Masse verwandelt; die Körner der Könierschicht aus der Lage gebracht und zum Theil mit Nervenfasern durchsetzt.

T Epithel des suicus spiralis.

E dunkelrandige Nervenfasern, die bei Y durchtreten.

n, Uf n variköse Kenreufasem aus der Lage gebracht; einzelne derselben stehen mit mnltipolaren Zelleir in Verbindung.

AA Körner der Körnerschicht.

a und b Pfeileranlagen mit den Basalkernen.

gi, g,, gg, Anlagen der äusseren Haarzellen.

Q Epithel derjzona pectinata.

C lamina basilaris.

Z tympanale Zellenlage derselben, mit

W dem vas spirale intemnm. Fig. 28. Lamina basilaris mit der Körnersohicht und den Spiral verlaufenden Faserzügen (Kaninchen, Gfalorpalladium).

E dnnkelrandige Nervenfasern.

X abgerissene Fussstücke der äusseren Pfeiler in die Streifen der zona pectinata übergehend.

pp Kömerschicht.

rr Spiral verlaufende Fasern zum Theil die Kömer durchziehend, zum Theii, wie es seheint, aus der Spiralen Lage künstlich gebracht. Einige Züge c scheinen mit den dunkelrandigen Nerven in Verbindung zu stehen. Fig. 29. Akustischer Endapparat von der Fläche aus gesehen (Meerschwein- chen, Ueberosmiumsäure, Hartnak 7, Ocul. 3;.

e innerer Pfeiler.

h Cilienkranz der inneren Haarzelle.

c Köpfe der inneren Pfeiler.

d Köpfe der äusseren Pfeiler.

k äussere Kopfplatte des inneren Pfeilers (K ö 1 1 i k e r's helle Platte}.

X ein cilienartiger Saum an den Köpfen der Pfeiler.

Pj phalangenartige Kopfplatte des äusseren Pfeilers (Phalange erster Reihe).

Ps» Pi Phalangen zweiter und dritter Reihe.

Z|,z,, z^ die drei Reihen Ringe mit Haaren ausgefüllt; in einzelnen sieht man noch ein Pigment, das durch dunklere Punkte an- gedeutet ist.

q äussere Haarzellen, Fortsätze fehlen.

Die Zeichnungen sind sämmtlich von Herrn cand. med. B a e r an- gefertigt.

Beitrag zur Eenntniss der Säugethierscb necke.

Von Dr. IVuel aus Luxemburg.

Uieriu Tai IX und X. (Aus dem anatomisohen Institute in Bonn.)

In letzter Zeit erschienen zwei ausgezeichnete Arbeiten Aber die Schnecke des Gehörorgans, von Böttcher*) und Wald ey er"), ausserdem ein eiogehendes Keferat von Hensen®) Qber die Arbeit Böttcher's, so dass es als gewagt erscheinen könnte,, nach den Arbeiten so bekannter Forscher dieses Thema zu besprechen. Allein genannte Autoren werden wohl am ehesten gestehen, dass in dem Baue dieses Organes noch so manches Wichtige gar nicht, oder nur unvollkommen erklärt ist. Vor Allem war es Hensen's anregende Schrift, die mich zu dieser Veröffentlichung trieb, da ich aus einer grossen Anzahl von Präparaten die Antwort auf manche von ihm aufgeworfene Frage herausfand.

Meine Mittheilung bezieht sich auf zwei Hauptpunkte: auf die Streifung, resp. die Fasern der membr. basilaris, und den Verlauf der Nervenfasern im canalis cochlearis.

Die membr. basilar. hat in einem grossen Theile ihrer Aus-

1) Ueber Entwickebmg und Bau d. Gehörlabyrinths. Aus d. XXXV. Bd. der Act. nov. acad. caesar. nat. cur.

2) Stricker's Hdb. d. Gewebelehre. V. Liefer. (Durch die gutige Ver- mitteluug von M. Schultze erhielt ich diese Arbeit im Separatabdruok vor der Ausgabe des betreffenden Heftes.)

3) Archiv für Ohrenheilkunde. Bd. VI.

Beitrag zur Kenntnis s der Saugethiorschneckc. 201

dehnang ein streifiges Aussehen, ja der am stärksten streifige Theil, von der Ansatzstelle der äusseren Gort. Bogen bis zum lig. spir., verdankt diesem Umstände den Namen zona pectinata. Die meisten Forscher sprechen auch von einer Streifung der basilaris unter den Cort. Bögen, aber Niemandem scheint das Wesen der Streifung an dieser Stelle recht anschaulich geworden, und dürfte wohl Hensen der Wahrheit am nächsten gekommen sein.

Die Streifang rührt her von wirklichen isolirbaren Fasern oder Fäden, die einander vollständig gleich sind, deren Dicke und Selbst- ständigkeit aber an verschiedenen Stellen derselben Faser varilrt. Dicht nach aussen von den Löchern der habenula perforata begin- nen dieselben, und in gestrecktem Laufe ziehen sie, leicht divergi- rend, nach aussen, um sich am lig. spir. anzuheften. Ein Blick auf Fig. 1 und 2 wird besser als jede Beschreibung eine Vorstellung von dieser charakteristischen und äusserst regelmässigen Anordnung ge- ben. Obschon mit dem Lineal ausgezogen, bleibt doch die Abbildung eher hinter der Natur zurück, als dass sie schematisirte.

Dass es wirkliche Fasern imd nicht einfache Wülste der basi- laris sind, welche dies Aussehen bedingen, ist zuerst von Hanno- ver^), dann von He nie') behauptet worden. Dieser Meinung muss ich mich unbedingt anschliessen. Zum Belege verweise ich auf Fig. 2, wo isolirte Fasern abgebildet sind. Querschnitte der Fasern als stark Uchtbrechende , wohlbegrenzte Kreise habe ich sehr oft ge- sehen.

In der zona pectinata, die wir zuerst allein betrachten, ist das Fasersystem am ausgeprägtesten. Man kann die Fasern als äus- serst starre, glasartige Fäden bezeichnen, die einen grossen Grad von Flasticität besitzen. Wird eine Serie solcher Fasern seitwärts gezogen, so bilden sie einen regelmässigen Bogen, gleich einem elastischen Stabe, dessen beide Enden durch eine Sehne angezogen sind. Wird diese Biegung zu stark, so knicken sich die Fasern läDgs einer Linie, Fig. 2 y ; nie sieht man eine Faltung in dieser Richtung, wie bei einer Membran, die sich einfach umlegen lägst ohne zu brechen, sondern es ist ein wirkliches Gebrochensein an der KnickuDgsstelle. Ausserdem ist Fig. 2 noch lehrreich dadurch, dass sie isolirte geknickte Fasern zeigt.

1) Recherches microsc. sur le syst. nerv. Copenhagae, 1844 p. 66.

2) Eingeweidelehre, 1866 p. 762 ff.

202 Dr. Nuel:

Die Dicke der Fasern ist von Hensen auf 0,0019 mm. und deren Zahl ani 13,400 für eine basilaris von 35,50 mm. Länge ver- anschlagt worden. Ich habe gefunden, dass in dieser doppelten Hin- sicht bei verschiedenen Thieren ein beträchtlicher Unterschied ist: So beim Meerschweinchen und Kaninchen sind sie beträchtlich dicker und weniger zahlreich als bei der Katze und beim Hunde. Hensen zählte unter jedem Fussstücke der äusseren Gort Bogen vier Fa- sern. Diese Zahl ist viel zu gering: beim Meerschweinchen zähle ich deren im Mittel 7, bei der Katze 10 bis 11. Eine genaue Be- stimmung ist aber von der grössten Schwierigkeit.

Ein Punkt von hoher Wichtigkeit ist das Verhalten der Fa- sern zu dem sie tragenden und verbindenden Theile der basilaris.

Abgesehen von dem Lager querlaufender Bindegewebszellen und Fasern, die von der Pankentreppe her der basilaris ankleben, scheint mir das Verhältniss folgendes zu sein.

Zwischen je zwei Fasern bleibt eine Lücke, ausgefüllt durch eine sehr dünne, glashelle Lamelle, deren Dicke geringer ist als die der Fasern. Unter gewöhnlichen Umständen kommt sie fast nicht zur Anschauung, aber man überzeugt sich von deren Dasein an einer ausgefaserten basilaris, an der Stelle, wo die verbindende La- melle zwischen zwei Fasern abgerissen ist (Fig. 2). Ihre Wider- standsfähigkeit ist sehr gering: sie faltet sich und zerreisst mit der grössten Leichtigkeit. Während die Fasern glasstarr und selbst auf grosse Strecken in schnurgeradem, nie in geschlängeltem Verlaufe sich erhalten, ist diese Lamelle ein Verbindungsmittel der Fasern in querer Bichtung, im Leben, wie es scheint, ohne erhebliche Spannung, weil sie sonst zerreissen würde. Der Vergleich des Fasersystems mit einer Serie von gespannten Saiten, die isolirt in Schwingungen versetzt werden können, ist darum im höchsten Grade zutreffend. Es entspricht dieses Verhalten der Idee, die sich Helmholtz') gleichsam theoretisch von der basilaris gebildet hatte, um ein ana- tomisches Substrat für seine physiologischen Betrachtungen zu ha- ben. Dies ist in so hohem Grade der Fall, dass es richtiger wäre, sich auszudrücken, „die basilaris bestehe in der zona pectinata aus einem System saitenähnlicher, nur durch dünne, membranöse La- mellen verbundener Fasern", als „die basilaris sei hier eine glashelle Membran mit faseriger Ein- oder Auflagerung**.

1) TonempfinduDgen, 1870, p. 228.

Beitrag zur Kenntniss der Säiigethierschnecke. 208

Diese meine Ansicht widerspricht der gangbaren Meinung, nach welcher unter dem Faserstratum noch eine homogene Gewebs- läge von ansehnlicher Dicke sich hinziehen soll, wie z. B. Böttcher dies beschreibt und abbildet. Solche Anschauungen sind aber haupt- sächlich bei embryologischen Untersuchungen entstanden. Hier sei beiläufig bemerkt, dass ich ausschliesslich erwachsene Thiere unter- suchte. Es scheint mir übrigens nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich, dass das hier besprochene Verhältniss beim Embryo etwas verschieden sei von dem, was man beim Erwachsenen findet; nach Böttcher's Untersuchungen sollen nämlich die Fasern epi- thelialen Ursprunges sein, die Verbindungslamelle aber vom Binde- gewebe herstammen. Letztere, bei ihrer ersten Entwickelung von einer gewissen Selbständigkeit und Mächtigkeit, müsste nach und nach atrophiren, bis sie zur einfachen Verbindungslamelle würde, die ich oben beschrieben habe.

Bei älteren Thieren liessen die verschiedensten Präparate nur meine oben gegebene Auslegung zu. Querschnitte der basilaris vom Erwachsenen, wie Böttcher sie elegant gezeichnet hat, können nichts beweisen, aus dem einfachen Grunde, weil Verschiebungen nicht zu vermeiden sind. Nehmen wir an, ein Querschnitt vom modiolus nach dem lig. spir. hin begreife zwei Fasern; diese kä- men dann übereinander zu liegen, die obere zu der Höhe erhoben welche die verbindende homogene Lamelle hat. Nun ist aber diese Lamelle so widerstandlos, zwei benachbarte Fasern derartig an einander verschiebbar, dass letztere aufeinander oder nebeneinander zu liegen kommen, die Lamelle sich aber faltet und, nach rechts oder links ausweichend, den Anschein einer homogenen Schichte unter den Fasern abgeben kann.

Allerdings etwas anders ist dies Verhältniss unter den Gort. Bogen. Hier sind die Fasern feiner, die sie verbindende homogene Membran entwickelter, so dass man mit mehr Recht von einem Eingelagertsein der Fasern sprechen könnte. Letztere sind we- niger verschiebbar und sehr schwer zu isoliren. Ob hier die Dicke der Fasern durch die ganze Dicke der homogenen Membran reicht, ist mir bis jetzt unklar geblieben.

Innere und äussere Anheftung der Fasern. Nach Böttcher sollen die Fasern nicht in das lig. spir. übergehen. Zahlreiche Präparate zeigen mir das Gegentheil. Bei y in Fig. 1 sieht man deutlich einen directen Uebergang der Fasern in das ver-

204 Dr. Niiel:

filzte feinfaserige Gewebe des lig. spir. Die Uebergangsstelle sammi- licher Faseiii zieht sich prägnant als eine deutliche spirale Linie durch die ganze Schneke hin, jenseits welcher Linie die Fasern in etwas geschlängeltem Verlaufe zwischen den Gewebstheilen des lig. spir. sich verheren.

Das innere Ende, oder der Anfangspunkt bildet gleichfalls eine spirale Linie, zwischen den Löchern der habenula perforata und den Ansatzstellen der inneren Gort. Bogen gelegen, jedoch niincler linienartig, vielmehr bandartig, indem ein mehr allmählicher Ueber- gang hier stattfindet und die Fasern nicht so plötzlich ihren Cha- rakter verlieren. An dieser Stelle (Fig. 2 u) sind die zwei Lamellen des labium tympanicum sulc. spir. zu einer einzigen Gewebslamelle verbunden, die ausschliesslich aus geschlängelten, leicht durchfloch^ tenen, immer aber in radiärer Richtung verlaufenden Fasern besteht, das heisst die Richtung vom modiolus nach dem lig. spir. haben. Dicht nach innen erheben sich die WOlste der lamina perforata, die zwischen je zwei Löchern sich erheben und nach innen dem modiolus zustreben, um sich allmählich abzuflachen und zu verlie- ren. Ganz deutlich ist auch hier ein directer Uebergang der Fasern der basilaris in jene des labium tymp. sulc. spir. zu be- merken.

In Bezug auf die Streifung unter den Gort. Bogen glaube ich entschieden einen Fortschritt gemacht zu haben, indem ich fand, dass am Fusse des äusseren Gort. Bogens die Fasern nicht einfach aufhören, oder sich in den Bogen festsetzen, sondern ohne jeg- liche Veränderung, nur unter einer allmählichen Verschmälerung unter dem Bogentunnel bis dicht vor die Löcher der habenula per- forata sich hinziehen.

Die Auffassung Böttcher' s, dass die Faserung unter den Gort. Bogen von den Protoplasmastreifen herrühren, welche von den Füssen der inneren Gort. Bogen bis zu den Füssen der äusseren hinziehen, ist entschieden unrichtige wie aus dem ganzen Verlaufe meiner Darstellung hervorleuchten wird.

Hensen sagt, dass die Fäden unter den Bogen besonderseng aneinander liegen, dies sei vielleicht die Schuld, dass man sie bisher selten sah. Soll hierdurch gesagt sein, dass die Zahl der Fasern hier grösser sei, als in der zona pectinata, so muss ich widerspre- chen. Allerdings liegen hier die Fasern etwas dichter an einander,

Beitrag zur Kennini«« der Sangethieraohneoke. 205

da dieselben vom Umfange eines Kreises nach dessen Centram streben. Aber so besonders dicht li^en dieselben doch nicht, als dass dies die einzige Schuld sei, waram man sie selten sah. Die Ursache davon liegt einerseits darin, dass die Fasern von den Fuss- stücken der äusseren Gort Bogen nach innen sich beträchtlich ver- jüngen, andererseits aber nimmt der hyaline Theil der basilaris, der die Fasern verbindet, eine grössere Entwickelung an, so dass an dieser Stelle, wie schon gesagt, eher von einem Eingelagertsein der Fasern die Rede sein könnte. Diese hyaline Substanz zeigt sehr leicht eine durch feine Körnchen bedingte Trübung, und bei mangelhafter Conservirung wird schon in der zona pectinata dieses Umstandes wegen die Faserung getrübt. Unter den Gort Bogen ist dies in viel höherem Grade der Fall, wegen der grösseren Feinheit der Fa- sern, sowie der stärkeren Entwickelung der Verbindungslamelle, und nur eine äusserst gute Gonservirung vermag die Faserung an dieser Stelle zu erhalten. Also die mangelhafte Gonservirung ist Haupt- orsacbe, warum die Faserung unter den Gort Bogen bis jetzt un- vollständig gesehen wurde. Das beste Gonservirungsmittel ist eine ein- bis anderthalb-procentige Ueberosmiumsäui*elösung, in welcher man eine halbgeöffnete Schnecke einen halben Tag liegen lässt

Wie verhält sich nun aber unser Fasersystem zu den Fuss- stücken der inneren und äusseren Gort. Bogen?

In Bezug auf die äusseren Bogen bin ich im Stande, ganz be- stimmte Angaben zu machen.

An Stellen, wo der Bogenapparat abgehoben ist, kann man oft in Yerl^enheit kommen, wenn es sich darum handelt, die An- satzstelle der äusseren Bogen zu bestimmen (z. B. Fig. 2). Die Fasern der basilaris ziehen ununterbrochen von aussen nach innen, nur dass sich eine allmähliche Abnahme ihrer Dicke bemerkbar macht Betrachtet man (Fig. 1) von der Pankentreppe her eine basikris, der das Gort. Organ anheftet, so sieht man, bei gehöriger Einstellung des Mikroskopes, die Fasern über das verbreiterte Ende der Gort. Bogen hinziehen. Stellt man aber tiefer ein, so hat es den Anschein, als ob das Fasersystem der zona pectinata aus den lächerartig ausgefaserten äusseren Bogen herrührte (Fig. 3), wie Böttcher sich die Sache vorstellt

Die äusseren, sich an der basilaris anheftenden Bogen ver- breitem sich an ihrer Ansatzstelle derart, dass die verbreiterten Enden zweier Nachbarn in unmittelbare Nähe kommen, ohne jedoch

206 Dr. Kuel:

mit einander zu verschmelzen. Nach aussen hin fasert sich das verbreiterte Ende fächerartig auf, und jeder aus dieser Auffaserong hervorgehende Faden legt sich einer Faser der basilaris an und ver- schmilzt mit derselben. Zum weiteren Belege weise ich auf x in Fig. 2, wo ein äusserer Gort. Bogen halb von der basilaris getreoDt ist und nur durch einige seiner Endfäden mit derselben zusammen- hängt. Beim Meerschweinchen ist der Abstand zwischen den Enden der Bogen etwas beträchtlicher und es hat manchmal den Anschein. als ob zwischen zwei Bogen eine Faser der basilaris durchzöge, ohne von ihnen eine Auflagerung erhalten zu haben.

An der Ansatzstelle der inneren Gort. Bogen ist das Verhalten allem Anschein nach dasselbe, obschon die Verhältnisse hier weniger klar vor Augen liegen. An einer basilaris, wo der Bogenapparat entfernt ist (Fig. 2), streben die Fasern ohne Unterbrechung von aussen nach innen ihrer Umsatzstelle zu und letztere kann auch hier gänzlich verwischt sein. Andererseits aber fasert sich das un- tere Ende der Bogen auf eine Weise aus, die der soeben fOr die äusseren Bogen beschriebenen vollständig identisch ist.

Von grosser Wichtigkeit wäre es, das Verhältniss der Stiele der Gorf. Zellen zu dem Fasersystem zu ergründen. In dieser Hin- sicht bin ich aber zu keinem sicheren Resultate gelangt, indem ich manchmal glaubte, das Uebergehen des Stieles in zwei oder drei Fasern, manchmal aber auch (beim Meerschweinchen) in nur eine einzige gesehen zu haben. F(lr die Katze möchte ich die Zahl drei fflr die Norm halten. Sicher habe ich bemerkt, dass dieselbe Faser der basilaris «mit zwei Zellstielen in Verbindung stehen kann. Gegen Böttcher muss ich behaupten, dass keine einzige Faser der zona pectinata von den Stielen herstanmit; das Verhältniss der Stiele zu den Fasern ist analog dem der Gort. Bogen zu den Fasern.

Die Nervenfasern im canalis cochlearis.

Meiner Ansicht nach sind alle neueren Forscher in Bezug auf den Verlauf der Nervenfasern im canalis cochlearis weit hinter Deiters^) zurückgeblieben. Dadurch sei nicht gesagt, dass die Schilderung dieses ausgezeichneten Forschers eine ganz zutreffende sei; aber ich möchte behaupten, dass Niemand mit derselben

1) üaterauohangen ober die lam. spir. membr. Bonn 1860.

Beitrag zur Kenntniss der Säugethierschnecke. 207

Deutlichkeit die Nervenfasern gesehen und mit derselben Bestimmt- heit dieselben als solche beschrieben hat. Von ihm rührt die scharfe Trennung zwischen spiralen und radiären Fasern her. Von M. Schnitze^) entdeckt, von Koelliker') bestätigt und von Deiters^) genauer beschrieben und abgebildet, geriethen die Spi- ralen, unter den Cort. Bogen verlaufenden, blassen Nervenfäden nach und nach in fast gänzliche Vergessenheit, denn ausser Hen- sen konnte kein einziger neuerer Forscher dieselben auffinden. Ja Hessen kann sie auch nicht bestimmt als Nervenfasern deuten, und macht überhaupt nur unbestimmte Angaben. Böttcher und Waldeyer nehmen im Tunnel des Gort Organes nur radiäre Fa- sern an. Jenseits derCort. Bogen will in neuerer Zeit ausser Men- sen Niemand etwas von spiralen Nervenfasern wissen, sodass deren Existenz Oberhaupt sehr in Frage gestellt ist.

Meine Beschreibung nimmt die blassen Nervenfäden an der Stelle auf, wo sie zwischen den inneren Gort. Bogen durch in den Tunnel gelangen. Figur 1 ist ein Osmiumsäurepräparat. Die Schnecke einer alten Katze lag 10 Stunden in einer 1 V2prozentigen Osmiumsäurelösung. Die Bindegewebszellen, die von der Paukentreppe her der basilaris anliegen, so wie die Gort, membran, siifd entfernt. Das System der inneren und äusseren Hörzellen , im Präparate in situ erhalten, gibt die Zeichnung nicht wieder.

Man wird mich wohl fragen, welches Griterium ich für die Nervenfasern habe. Hierauf antworte ich mit Waldeyer: „Wer einmal diese ächten, varikösen Nervenfädchen in der Schnecke ge- sehen hat, wird nicht leicht in die Versuchung kommen, Bindege- websfibrillen filr Nervenfäserchen zu halten*^ Zur strengen Pflicht habe ich es mir gemacht, alles nur irgendwie Zweifelhafte auszu- schliessen. Ferner kann ich zu meinen Gunsten die Autorität eines Mannes anftthren, dem man die Gompetenz in solchen Dingen nicht wird absprechen können, des Geh. Rath M. Schnitze, der meine Präparate geprüft hat.

Gleich bei ihrem Eintritte in den Tunnel biegen die meisten, wo nicht alle Nervenfäserchen um, verlaufen auf eine mehr oder minder grosse Strecke in spiraler Richtung, wenden sich dann nach

1) Archiv für Anatomie and Physiologie, 1868, p. 843.

2) Handb. d. Gewebelehre. 5. Aufl. p. 714, sowie die fr&heren Auflagen.

3) loo. cit.

a08 Dr. Nuel:

aussen, um zwischen den äusseren fiogen durchzutreten, wo sie mir dann immer verschwanden. Sie verlaufen annähernd in derselben Ebene, etwas über der basilaris, nach aussen etwas näher der letz- teren als nach innen. Zwischen zwei inneren Bogen tritt sicher wenigstens eine Faser durch, und zwar nahe an der basilaris, noch zwischen den Kernen, die hier im Innern des i'uunels den Bogen anliegen. Ich habe aber auch zwei Fasern durch einen einzigen dieser Zwischenräume treten sehen. Die Austrittsstelle befindet sich ebenfalls an den Fussstücken der äusseren Bogen, in der Höhe der hier liegenden Kerne. Nie sah ich eine Faser in der Höhe der Bogen austreten.

Ich will hier eines eigenthümlichen Fundes beim Kaninchen erwähnen. Nie findet man bei diesem Thiere so glatte Contouren an den äusseren Gort. Bogen, wie dies bei der Katze der Fall ist, vielmehr scheinen sie mehr oder weniger gezackt zu sein. Ist eine Reihe dieser Bogen auf eine gewisse Art umgebogen, so sieht man zwischen den Fussstücken von zwei Bogen eine ovale, knopfloch- ähnliche Oeffnung, die nach oben, dem Gipfel des Tunnels zu, durch eine membranöse Lamelle abgeschlossen zu sein scheint. Wie weit diese Lamelle nach oben an dem Bogen sich erstreckt, vermag ich nicht anzugeben. Form und Grösse dieser OefFhung erinnert an die Löcher der habenula perforata. Ich habe bis jetzt nur beim Kaninchen derartiges bemerkt. Diese Löcher befinden sich gerade an der Stelle, wo die Nervenfasern zwischen den äusseren Bogen durchtreten und wage ich es, die Vermuthung auszusprechen, dass dies die Durchtrittsstellen der Nervenfasern sind.

Kommen wir zu den Nervenfasern im Tunnel zurück. Die grösste Verschiedenheit herrscht zwischen denselben in Bezug auf ihren Verlauf im Tunnel selbst. Manche verlaufen spiral wohl unter 60 äusseren Bogen hin, ohne dass man sie nach aussen umbiegen sieht; andere verlaufen mehr schräge, ja die meisten ziehen in einem Gesichtsfelde bei Hartnack immers. Nr, X durch die ganze Breite des Tunnels. Einige nähern sich mehr oder weniger der ra- diären Richtung, ohne dass ich wirkliche radiäre Fasern gesehen hätte. Es geschieht wohl, dass eine die Hälfte des Tunnels radiär durchsetzt, aber dann sehe ich sie doch immer von dieser Richtung abbiegen.

Theilungen der Nervenfasern im Tunnel habe ich nicht be- merkt.

Beitrag xnr Kenntniss der Säugethierschnecke. 209

Wenn der Tubus auf diese Fasern richtig eingestellt ist, so verschwinden die übrigen Theile des Gort. Organes und man hat ein Bild von der äussersten Zierlichkeit und Klarheit vor Augen. Ohne Beimischung von anderswerthigen Fasern ziehen diese elegan- ten Nervenfäden auf beträchtliche Strecken durch den Raum, gleich den Fäden, die eine Spinne auf einer Wiese hinter sich herzieht. Es giebt keine zweite Stelle, wo man blasse Nervenfäden von solcher Feinheit auf so grosse Weiten isolirt zur Anschauung brin- gen kann.

Nicht alle Osmiumpräparate zeigen die Nervenfäden mit der- sdben Evidenz; ja dies ist nur äusserst selten der Fall und ge- wöhnlich sind nur Andeutungen von denselben vorhanden. Auf wel« eben Gründen das Gelingen oder Nichtgelingen beruht, ist mir un- bekannt

Nach den Angaben Böttcher's und Waldeyer's sollen die Nervenfasern, nach aussen von den Gort. Bogen, direct in die Gort Zellen fibergehen, wenigstens was die erste Beihe dieser Zellen anbelangt. Spirale Nervenfasern an dieser Stelle, von Deiters beschrieben, an denen Hensen noch festhält, sollen nicht existiren.

Vor Allem sei bemerkt, dass in einigen Präparaten, wo alle äusse- ren Horzellen mit der M. reticularis abgefallen, der Bogenapparat aber erhalten war, ich ansehnliche Stücke von Nervenfasern nach aussen von den Bogen, der basilaris anliegend fand (Fig. 1 q), die unmög- lich durch Zerrung aus dem Tunnel hervorgezogen sein konnten; weil aber die Hörzellen weggerissen waren, liess sich weiter nichts ermitteln.

Von anderer Seite ist es mir aber gelungen, einen Schritt weiter zu thtm.

Waldeyer schildert sehr zutreffend ein System spiraler Fa- sern, die an den Stielen der inneren und äusseren Stäbchenzellen hinlaufen. Ich habe sehr oft diese äusserst feinen Fäden an Zellen, die in situ waren, gesehen. Sie sind viel dünner und feiner, als die Nervenfasern unter den Gort. Bogen, parallel von einem Stiele zun anderen laufend, so dicht an einander, dass sie eine membran- arüge Verbindung zwischen den Stielen einer Reihe herstellen. Waldeyer kann sich nicht bestimmt für oder gegen deren ner- vöse Natur aussprechen. Aus Fig. 28 und 30 von Deiters leuchtet hervor, dass dieser Forscher dieselben gesehen und als

tf. Schollse, AkU? f. Dlkraak. Anfttomto. Bd. S. 14

210 Dr. Kuel:

Nervenfasern gedeutet hat. Hensen steht auch für deren nervöse Natur ein.

Nie sehe ich dieselben weder nach den Hörzellen, noch nach der basilaris umbiegen und als Nervenfasern kann ich sie nicht an- sehen, da wohl andeutungsweise Anschwellungen, nie aber deutlidie Varikositäten an ihnen vorkommen.

Fig. 4 stellt eine Reihe von ausgefallenen Hörzellen des Ka- ninchens dar, ein Präparat, wie man sich leicht eines herstellen kann. Die Gort. Zellen sind unter der reticularis abgebrochen. Nach oben ist die innere Seite der Zellen, d. h. die den Gort. Bogen zu- gekehrte. In Bezug auf die Differenzirung der einzelnen Ele- mente dieses Gonglomerates von Zellen muss ich Waldeyer bei- stimmen, nach dessen Meinung die Deiters'schen Haarzellen mit den Gort. Zellen verschmolzen sind, obschon, wie die Fig. 4 zeigt, den Dei- ters'schen Zellen eine grössere Selbstständigkeit zukommt, als W al- deyer es behauptet. Das konische Gebilde bei b ist sicher dasjenige, was Deiters Fadenzelle, Waldeyer einfachen Stiel oder Fortsatz nennt, den die Hörzelle nach der reticularis sendet. Diese konischen Gebilde sind immer an ihrer Basis mit den Gort. Zellen zu einer Zone verbunden, in der weder von der einen noch von der anderen Zellart die Gontouren mit Sicherheit verfolgt werden können. Was als Deiters'sche Zelle gilt, steht immer schief gegen die Richtung der Gort. Zellen und die Spitze geht etwa zwei Gort. Zellen seitwärts an die reticularis sich anheften. Diese schiefe Stellung ist etwas Beachtenswerthes, um so mehr, da ich gefunden habe, dass sie schon in den äusseren Stützzellen vorgebildet ist. Diese langge- streckten Epithelialzellen stehen parallel den Hörzellen, gegen die Gort. Bogen in geneigter Stellung und wie die Hörzellen in spiralen Reihen geordnet, aber so, dass die Elemente einer Reihe in Bezog auf die Elemente einer Nachbarreihe dieselbe schiefe Stellung einnehmen, wie die Deiters'schen Zellen in Bezug auf die Gorti^schen.

In der Zone, wo die zwei Arten Zellkörper verschmolzen sind (Fig. 4), befinden sich, ausser den deutlich in den Gort. ZeUen ent- haltenen Kernen (c) noch zwei Reihen Kerne, von denen die un- tersten (d) sicher nicht in den Gort. Zellen gelegen, auch von etwas kleinerem Kaliber sind. Von den anderen (e) tiefer gelegenen mag es dahingestellt sein, ob sie etwa einer zweiten Reihe von Gort Zellen angehören.

Nach unten schliesst sich an die Gort. Zellen ein Grebilde, das

Beitng zur Kenntoiw der Säugethierachnecke. 211

man schlechthin als Stiele der Gort. Zellen bezeichnet. Ein Blick auf die Figur zeigt, dass mit diesem Namen nicht Alles abgemacht ist; es liegen vielmehr complicirtere Verhältnisse vor, deren eigent- liches Verhalten schwierig zu erkennen ist Das Ganze kann wohl mit einer Membran veiglichen werden, durch deren Querrichtung die Stiele der Gort. Zellen verlaufen. In situ kommen die un- teren Enden der Gort Zellen der basilaris sehr nahe; da nun die Stiele der Gort. Zellen eine beträchtliche Länge haben, müssen sie der basilaris fast parallel verlaufen, um zu ihrer Ansatzstelle zu gehingen. Es bildet daher das Ganze, als membranartiges Ge- bilde bezeichnete Gewebsstück einen stumpfen Winkel mit der Ebene emer Reihe Gort. Zellen.

Bei näherer Betrachtung findet man weiter, dass hier noch ver- schiedene Gebilde in mehreren Ebenen über einander liegen: vor Allem Spirale Faserzüge, dann senkrecht auf denselben Linien oder Fasern, die man für Stiele der Gort Zellen halten könnte. Nach oben ist ein System geschlängelter, wellenförmiger Linien (f), die unmögUch als Stiele der Gort Zellen aufgefasst werden können. Nach oben schei- nen sie in die Gontouren der Deiters'schen Zellen überzugehen. Es hat den Anschein, als wenn dies Grenzlinien von membranartig^n Lamellen seien, deren Gesammtheit eine wirkliche Membiran aus- macht Im oberen Theile jeder dieser Lamellen liegt constant einer Ton den Kernen kleineren Kalibers, von denen oben die Bede war.

Mehr in der Tiefe liegen andere, geradlinige Streifen (g), die in ihrer Richtung etwas von den ersteren abweichen und welche die wirklichen Stiele der Gort. Zellen zu sein scheinen.

In der Tiefe sieht man, auffallend vor allem anderen, die, wie mir scheint, von Deiters und Hensen als Nervenfasern beschrie- benen SpiraLEftsem ; es sind die emzigen von Waldeyer gesehenen Spiralfasem. Wie oben bemerkt, sieht man dieselben leicht in situ. Von ausserordentlicher Feinheit und in grosser Menge verlaufen sie in einer Ebene mit den wirklichen Zellstielen, eine membranartige qaere Verbindung zwischen letzteren in fast ihrer ganzen Länge herstellend. Nie sah ich deren in einer Ebene mit den wellenför* migen Linien (f), die man auch als Zellstiele zu deuten geneigt sein könnte ; sie treten mit diesen in gar keine Verbindung. Nirgends sehe ich dieselben, weder nach der basiluris, noch nach den Zell- körpern umbiegen ; überhaupt, wie oben bemerkt, ihr ganzer Habitus,

212 « Dr. Nuel:

das Fetalen von Varikositäten , unterscheiden sie von Nerven- fasern.

Eine Merkwürdigkeit von diesen Fasern muss ich noch erwäh* nen, nämlich auch in Bezug auf diese Fäden finden wir das System der Hörzellen in den äusseren Stützzellen vorgebildet, denn ich fand ein ganz identisches System von spiralen Fasern zwischen den Stütz- zellen, die, wie gesagt, den Hörzellen schon analog gelagert sind.

Zu alleroberst, also noch über den wellenförmigen Linien, ver- läuft ein zweites System spiraler Fasern, die ich mit Bestimmtheit für Nervenfasern erklären muss. Sie unterscheiden sich von den vorigen in Zahl, Dicke und Lauf: sie sind dicker, weniger zahlreich und zeigen Varikositäten von der ausgesprochensten Deutlichkeit; ihre Richtung ist Spiral, aber ein Umstand von der grössten Be- deutung ist, dass alle nach oben, den Hörzellen zustreben, um in der Zone zu verschwinden, wo die Zellkörper verschwömme sind. Sie liegen noch über den geschlängelten Linien (f) ; also wenn wir unser ganzes membranartiges Grebilde betrachten, liegen sie demselben auf der Fläche auf, die der basilaris zugekehrt ist

Es gelangen also auch von aussen her Nervenfasern zu den Hörzellen und jedenfalls ist die von Böttcher und Waldeyer beschriebene Endigungsweise des nervus Cochleae nicht die einzige.

Ich verweise hier noch auf Fig. 6, die ein Präparat vom Ka- ninchen darstellt. Die Ansatzstellen der zwei inneren Reihen Zell- stiele an der basilaris sind in polygonalen Feldern enthalten, die sich gegenseitig wie ein Pflasterepithel berühren. Allem Anschein nach sind es Ansatzstellen von Zellen, die nach oben in das meni- branartige Gebilde mit den Stielen der Gort. Zellen verlaufen. Die polygonalen Felder müssen mit der Zusammensetzung dieses dunkehi Gewebetheiles die innigste Beziehung haben, und sie werden vielleicht den Ausgangspunkt zu einer richtigen Deutung desselben al^eben.

Fig. 5 ist ein Querschnitt des Gort Organes von der Katze. Ich gebe hier diese Abbildung, weil das Präparat mit der grössten Evidenz manchen bestrittenen Punkt erklärt. Drei Gort. Zellen (k) sind in der Mitte abgebrochen und das obere Stück im Verbände mit der reticularis erhalten. Die Zellgrenzen dringen deutlich durch die reticularis und an dem oberen Ende der Zelle befindet sich ein Büschel von Anhängen (s), die man eher als Stäbchen, denn ab Haare bezeichnen kann. Bei s' sind dieselben Stäbchen, aber die innere Zelle ist weg. Die Stäbchen haben eine messbare Dicke

Beitrag znr Kenstniss der Säagethiersolmecke. 218

and yerjüngen sich nach oben. Ich habe dieselben unzählige Male an den bestconservirten Präparaten, sowohl an den inneren, wie an den äusseren Hörzellen und immer in derselben Form gesehen, and es kann darüber kein Zweifel sein, dass wir es hier mit wirk- lich praformirten Gebilden zu thun haben und nicht mit Kunstpro- dakten, wie Böttcher es behauptet

Ich möchte die Zeichnung Fig. 8 der Deiters'schen Fig. 32, Taf. VIII, gegenüberstellen. Die von Deiters dort gezeichneten Linien deutet dieser Autor als Stützfasersystem unter den GortBo- gen. Von diesem Stützfasersystem habe ich nie etwas gesehen. Das Präparat stammt von einer halbjährigen Katze her. DasCort. Organ ist in seiner Totalität von der basilaris abgehoben. Am Boden des Tunnels, auf der basilaris findet man eine regehnässige Zeichnung, indem gewisse Felder durch Linien abgegrenzt sind. Bei a sind die Kerne an den Füssen der äusseren Gort. Bogen ; jeder dieser Kerne ist in einem Felde (b) enthalten, das sich nach innen ausdehnt und durch eine äussere Begrenzungslinie abschliesst Nach innen schliessen sich dann sdimalere und darum zahlrrichere Felder an (c). Die äusseren Felder entsprechen an Zahl den äusseren Gort. Bogen, ja die zwei äusseren Begrenzungslinien, die noch über den Kern hinausgehen, müssen in die Contouren der äusseren Bogen übergehen« Die inneren Felder entsprechen an Zahl den inneren Gort Bogen, obschon ich ihr Verhalten zu deren Fussstücken nicht habe ergründen können. Es liegt etwas sehr regelmässiges in dem ganzen Bilde. Als Fasern kann ich die Linien nicht ansehen, son- dern als Begrenzungslinien von Feldern, die durch eine kömige Substanz ausgefüllt sind. Ich stehe nicht an, dies als eine Flächen- ansicht der Protoplasmastreifen zu erklären, die auf dem Boden des Tunnels die beiden Kerne an den Fussstücken der Gort. Bogen ver- binden und von denen bei b in Fig. 5 ein Bruchtheil gezeichnet ist Aus der Zeichnung geht hervor, dass der Protoplasmastreifen nicht ununterbrochen von einem Kerne zum anderen hinzieht, was schon darum unmöglich ist, weil die Zahl der inneren Bogen grösser als die der äusseren ist, es müsste denn eine Theilung stattfinden; es sind vielmehr zwei Arten Protoplasmastreifen, die einander entgegen- streben, ohne mit einander zu verschmelzen.

Die ganze Zeichnung schwindet bis zu einem gewissen Grade bei älteren Thieren, aber immer findet man noch Andeutungen der- sdben, so Fig. 7 von der alten Katze, wo von den Fussstücken der

2U Dp. Nuel:

äusseren Bogen die Anfänge der Begrenzungslinien erhalten sind. Ich finde dies bei allen von mir untersuchten erwachsenen S&uge- thieren.

Unter diesem Protoplasma befinden sich in der gewöhnlichen Anordnung die Fasern der basilaris. Dies möchte ich Böttcher gegenüberhalten, der bekanntlich die Streifung der basilaris unter den Ciort. Bogen von den Protoplasmastreifen herleitet. Wenn dieser Forscher die Linien f in Fig. 7 als Streifen in der basilaris erklärt, so ist ihm sicher die eigentliche Streifung unbekannt geblieben.

Vorstehende Untersuchungen machte ich während des Sommer- semesters 1871 im anatomischen Institute zu Bonn und erfülle ich eine angenehme Pflicht, dem Herrn Oeh. Rath M. Schnitze meinen innigsten Dank auszudrücken für die Freundlichkeit, mit welcher er mir in Rath und That Beistand leistete. August 1871.

Erkl&rimi; der Abbfldnngeii auf Tat IX n.

Fig. 1. Die ganze Ausdehnung der baBilaris, mit den Gort. Bogen, Hönelleo und reticularis weggerissen, a markhaltige Nervenfasern.

b Ansatzstolle der inneren Gort. Bogen an der basilaris. c Kerne an den Fussstüoken der inneren Bogen, d innere Bogen, e innere Gelenkstüoke. f äussere Gelenkstücke, g äussere Bogen, h Kerne an den Fussstüoken der äusseren Gort. Bogen.

0 AnsatzsteUe der äusseren Bogen an der basilaris.

q Nervenfasern, die nach aussen von den Gort. Bogen lagen, p Ansatzstellen der Stiele der Gort. 2ieUen. y Linie, die den Uebergang der basilaris in das lig. spir. bildet. X ligaxnentum spirale. Fig. 2. Ausgefaserte und gebrochene basilaris. Die markhaltigen Nerven- fasern sind entfernt, darum sieht man deutlich die innere AnheftoDg der Fasern in der basilaris.

1 Löcher der habenula perforata.

u Zone, wo der Uebergang der basilaris in das labium iympa-

nicum sula spir. stattfindet X halb von der basilaris getrennter Gort. Bogen, y zwei geknickte Systeme von Fasern der basilaris.

Beitrag zur Eenntniss der Säng^thiersohiiecke. 216

Fig. 8. Zwei äussere Gort. Bogen so eingestellt, dass die Fasern der zona

peotinata daraus henrorzugeben scheinen. Fig. 4. Eine Reihe losgelöster Gort. Zellen.

a Gorti'sohe Zellen.

b Deiters'sche 2iellen.

c Kerne in den Gort. iZellen.

e mittlere Reibe von Kernen.

f wellenförmige Begrenzungslinien.

g Stiele von den Gort. iZellen. Fig. 5. Querschnitt des Gort. Organee.

a innerer Gort. Bogen.

c äusserer Gort Bogen.

b Protoplasma und Kern am Fusse des inneren Gort. Bogen.

s Stäbchen der äusseren Gort. Zellen.

s' Stäbchen der inneren Gort. Zellen.

d Stiele oder Fortsätse der Deiters'schen Zellen nach der reticularis. Fig. 6. Vom Kaninchen. Polygonale Felder um die Ansatsstellen der zwei

inneren Gort Zellen an die basilaris. Fig. 7. Erwachsene Katze. Fläohenansiobt der Protoplasmastreifen auf dem Boden des Tunnels.

a zwei äussere Bogen.

k Kerne an den Fussstücken der äusseren Bogen.

f Begrenzungslinien der Protoplasmastreifen. Fig. 8l Junge Katze. Flächenansicht der Protoplasmastreifen auf dem Boden des Tunnels.

a Kerne an den Fussstücken der äusseren Bog^n.

b äussere Felder.

0 innere Felder.

d Ansatzstellen der äusseren Stützzellen.

e Ansatzstellen der Stiele der Gort. Zellen.

Untersuohungen über die Eier der Beptilien.

Von Dr. Th. Blmeri

PiivatdooeDt su Wünburg.

Das Keünblteelieii.

Daa Keimblilschen wächst in den Eiern der Beptilien rasch zu ausserordentlicher Grösse heran, so dass es sich zum Zweck genauer Untersuchung nach Anstechen des Follikels bald unschwer xsoliren lässt. Zu diesem Behufe bringt man passender Weise ein Stückchen des frischen Eierstocks auf den Objektträger und ent^ leert die grösseren Eier, um die freigewordenen Keimbläschen ohne Zusatz eines fremden Mediums in der ausgeflossenen weichen Dottermasse selbst studiren zu können.

Wir gehen von der Betrachtung der Verhältnisse aus, wie sie sich bei der grünen Eidechse finden.

In Follikeln dieses Thieres von 1,3 Mm. Durchmesser hält das Keimbläschen nicht weniger als 0,18, in solchen von 0,75 Mm. Oyl2, in Follikeln endlich von 0,31 Mm. nur 0,06 Mm. im Durch- messer.

«

Es sind die Keimbläschen helle, kugelige Körper, welche ge- gen Druck einigen Widerstand leisten, denn sie sind von einer un- zweifelhaften Membran umgeben, die sich nach einigem Missbandehi des Objekts zuweilen sogar stellenweise in leichte Fältchen legt.

Eine genauere Betrachtung des Inhalts der Keimbläschen er- gibt nun eine Reihe sehr bemerkenswerther Thatsachen. An den grösseren unter ihnen fallt zunächst ein etwas einwärts von ihrer Peripherie gelegener Kreis von hellglänzenden kugeligen Körper- chen, etwa vom Durchmesser lymphoider Zellen auf^ welche in ge-

Untersaohangen über die Eier der Reptilien. 217

wissen Abständen von einander entfernt liegen: die Keimflecke, wie sie in ähnlicher Lagerang von Gegenbaur^) beim Kaiman beschrieben worden sind. Allein es ist mittelst stärkerer Yergrösse- rangen nicht schwer zu erkennen, dass der bei oberflächlicher Be- trachtang homogen and wasserklar scheinende Inhalt des Keim- bläschens, abgesehen Yon jenen peripherisch gelegenen Keimfiecken, Yon unzähligen Körperchen, welche nur kleiner, im Uebrigen aber von derselben Beschaffenheit sind wie diese, durchsetzt ist; femer, dass diese Körperchen in der Grösse Uebergänge einerseits zu dem erwähnten Kreis von Keimflecken zeigen, dass aber ande- rerseits ebenfalls zahllose Uebergänge Ton ihnen ab zu feinsten Körnchen existiren, welche durch das ganze Keimbläschen zerstreut sind, besonders aber in dessen Mittelpunkt dicht sich anhäufen. Wenn man, um die yerschiedenen Tiefen des Objekts zu durchforschen, den Tubus des Mikroskops senkt und hebt, so bekommt man dorch die Tausende von blinkenden Körperchen, welche sich darin finden, unwillkürlich den Eindruck, als schaute man in den klaren Sternenhimmel: wie hier die kleinsten Sterne, so wollen dort die feinsten Kömchen der Kraft des Auges entweichen, und man wird za der Vermuthung gedrängt, es werden stärkere Instmmente, als diejenigen sind, welche uns jetzt zu Gebote stehen, den ganzen In- halt des Keimbläschens auflösen in eine aus dicht gedrängt lie- genden feinsten Kömchen bestehende Masse.

Etwa 20 bis 25 der erwähnten grossen Keimflecke liegen im gtosatßa optischen Querschnitt z. B. von Keimbläschen, welche ungefähr 0,2 Mm. im Durchmesser halten. Aber zwischen ihnen und der Mem- bran der letzteren kann man häufig noch einen oder mehrere con- centrische Kreise, von den kleineren Körperchen gebildet, erkennen. Eine sotehe concentrische Anordnung zeigen nun zuweilen auch die Abrigen der grösseren Körperchen, welche das Keimbläschen durch- setzen, und zwar halten dann sowohl jene gegenseitig, als auch die Kreise, zu welchen sie angeordnet sind unter sich, bestimmten Ab- stand, so dass eine höchst wunderbare Regelmässigkeit in dem scheinbaren Wirrsal des Keimbläscheninbalts sichtbar wird (Fig. 18). Nur g^en den Mittelpunkt dieses Inhalts hin scheint ein Chaos von Kömchen zu beginnen.

Aber auch hier dürfte Ordnung herrschen : wenn man Durch-

1) Gegenbanr: Ueber den Bau und die Entwicklung der Wirbelthiei^ «er mit partieller DottertheUung. Reich. Arch. 1861.

218 Tb. Eimer.

schnitte durch die Follikel macht, nach Erhärte mittelst Methoden, welche deren Inhalt und selbst denjenigen des so zarten Keimbläs- chens in keiner Weise alteriren, so glaubt man zuweilen zu er- kennen, dass die feinsten Kömchen, welche besonders im Mittei- punkte des letzteren liegen, wiederum um einen hellen centralen Punkt von der Grösse eines Lymphkörperchens herum angehäuft seien. Die innersten der Kömchen, diejenigen, welche den hellen Punkt unmittelbar umgeben, bilden wieder einen regelmässigen Kreis um diesen, und was die äussere Grenze der Kömchenansammlang betrifft, so verliert sich dieselbe allmälig in die sie umlagernden concentrischen Kömchenkreise.

In kleineren Keimbläschen traf ich die grossen Keimflecke nicht nahe der Peripherie, sondern um die centrale Körnchenan- sammlung hemmliegend, also einen engeren Kreis bildend als in den grossen (Fig. 21). Von hier rücken sie offenbar allmälig nach aussen, und neue Kreise, welche aus jener Ansammlung gebildet werden, schliessen sich ihnen von innen an, um ebenfalls zu Keimflecken zu werden.

In den Keimbläschen der Eier verschiedener Schildkröten (Gistudo Carolina, Testudo-Arten, Fig. 6), war die cen- trale Körnchenansammlung gewöhnlich ziemlich scharf von der helleren Peripherie abgegrenzt, so dass man füglich von einer Central- und einer Rindenmasse in diesen Keimbläschen sprechen k^nn. Die Centralmasse nimmt mit dem Wachsthum des Eies bis zu einem gewissen Grade verhältnissmässig sehr zu : in einem Keim- bläschen von 0,12 Mm. hatte sie 0,001, in einem solchen von 0,17, 0,07 Mm. Durchmesser, -^ die Rinde war in beiden Fällen ziem- lich gleich breit.

Bei den Schildkröten wie bei der grünen Eidechse zeigten die grossen Keimflecke oft ein helles Centmm, so dass der Eindruck eines Bläschens entstand. Unzweifelhaft aber ist die Bläschennator der grossen Keimflecke in den Eiern der Ringelnatter zu er- kennen. Man unterscheidet an diesen deutlich eine Hülle, welche einen bellen Hohlraum umgibt. Im Mittelpunkt dieses Hohlraums liegt das Schrön'sche Kom als schönes mndes Kügelchen und in den grössten Keimflecken (0,013 Mm.) enthält das Kom eine An- zahl feiner, aber scharf markirter Kömchen, Keimkörnchen oder Keimpünktchen. Nur in den grössten Keimflecken sind diese Kömchep zahlreich vorhanden ; in kleineren findet man nur einzelne

Ünieraiiohungen über die Eier der Reptilien 219

derselben eines bis zwei im Keimpunkt ; und in noch kleine- ren ist dieser homogen (Fig. 3, bes. A. n. B. u. Fig. 4).

Geht man noch weiter herab in der Stufenleiter der Grösse der Keimbläschen, so vermisst man auch das Schrön'sche Korn und zuletzt ist sogar eine Unterscheidung von HQlle und Höhle am Keimfleck nicht mehr möglich ; es hat derselbe jetzt ein fett- tröpfchenähnliches Aussehen (Fig. 3 6). Diese kleinen Keimilecke zeigen im Keimbläschen der Ringelnatter wieder zahllose Ueber- gänge zu unendlich feinen Kömchen, welche dasselbe hier durchaus zu erfbll^i scheinen. Dabei unterscheiden sich diejenigen Kömchen, welche schon den ersten Schritt im Heranwachsen zu Keimfiecken gethan haben, durch ein stärkeres Lichtbrechungsvermögen von den übrigen und dadurch, dass Osmiumsäure sie etwas dunkler &rbt als diese.

Fig. 3 und 4 zeigen Keimbläschen aus dem Nattemei mit den beschriebenen Eigenschaften, aber umgeben von einer 0,03 Mm., also unverhältnissmässig didsen, höchst eigenthümlichen Hülle, die aus sehr feinen Kömchen zusammengebacken scheint und sich durch eme schöne radiäre Streifung auszeichnet Die Streifen lassen sich an einigen Stellen der Fig. 3 noch über die Hülle hinaus in den Dotter hinein verfolgen, in welchem Verhalten wir wahrscheinlich die Anzeichen der weiter fortschreitenden Verdickung der Hülle vor ans haben. In kleineren Eiern traf ich um das Keimbläschen nur eme feine Haut (Fig. 1) wie bei der grünen Eidechse und bei der Schildkröte. Auf dieser Haut muss die dicke Hülle durch Anlage- rang von aussen entstanden sein. Die radiäre Streifung ist wohl als der Ausdruck von Poren, von feinen Röhrchen zu erklären, welche die Hülle durchsetzen. Die Wand dieser Röhrchen würde durch eine dichtere Masse gebildet sein als die übrigen Theile der Hülle, und sie bildete das Gerüste f(ir den Weiterbau der letzteren.

In grösseren Eiem war die radiär gestreifte Hülle verschwun- den und wieder nur eine einfache, feine Haut um das Keimbläschen (Fig. 8) zu sehen.

Besonders im Nattemei werden die Keimflecke ungemein gross, sie wachsen mit dem Ei bis zu einem gewissen Grade : in einem Follikel von 0,7 Mm. Durchmesser maassen die grössten nicht we- niger als 0,016 Mm., in solchen von 0,23 Mm. dagegen nur 0,002 Mm.

Es finden sich nun auch in der Färbung durch Osmiumsäure

220 Th. Eimer:

alle Uebergänge von den grössten Keimflecken an bis hinab zu den feinsten Körnchen, welche im Keimbläschen li^en, indem Mem- bran und Inhalt an jenen durch das Reagens einen braunen Tod annehmen, während diese farblos bleiben.

So scheinen die complicirt gebauten Keimflecke aus einfachen Körnchen heranzuwachsen.

Nicht principiell yerschieden von solchem Vorgang wäre der- jenige, welchen Pflüg er 0 iin Keimbläschen von Katzeneiem be- obachtet hat, wo der Keimfleck plötzlich als Niederschlag entstehen soll. Nach L. Agassiz^) dagegen würden sich »die zahlreichen Keimflecke« im Keimbläschen der Schildkröte durch Verdichtung aus der äussersten Schicht desselben bilden. Mit dieser Angabe stimmen meine Erfahrungen nicht ganz überein ; ebenso war das Keimbläschen in den von mir untersuchten Schildkröteneiern nicht zeitlebens wandständig, wie Agassiz bei diesen Thieren als allge- memes Verhalten annimmt; wohl aber traf ich dasselbe immer peripherisch gelegen in den Eiern der grünen Eidechse.

Gegenbaur^) erwähnt bei der Eidechse 4—8 Keimflecke, zwischen denen meist noch kömige Masse gelagert sei, „in älteren Eiern waren bei sehr starken Vergrösserungen kleine, stets der Wandung angelagerte Körperchen und ausser diesen feinen Elemen- ten noch im Innern einige Bläschen sichtbar, die mit den wandstän- digen in gar keiner Beziehung zu stehen scheinen.^' Er möchte daher die feinen wandständigen für die eigentlichen Keimflecke, das übrige für inconstante Inhaltsumwandlungen ansehen.

Bei der Natter hat Gegenbaur die Keimflecke vermisst

Was die radiärgestreifte HüUe angeht, von welcher das Keim- bläschen des Nattemeies während bestimmter Zeit eingeschlossen ist, so erinnere ich an eine Angabe von Kölliker^), welcher bei jüngeren Eiern von Gadus Iota um das Keimbläschen eine messbar dicke Wand und an derselben eine Streifung fand, welche er auf Poren zu beziehen geneigt ist.

1) Pflüger: Üeber die Eierstöcke der Säugethiere und des Menschen. Leipzig 1863, S. 109.

2) L. Agassiz: Embryo logy of the Turtle, in: Contributions to tbe natural history of the United States of Amerika. Boston 1857.

8) 1. c.

4) Kolli k er, Würzburger Yerhandl. YIII. Bd. Unters, zur vergl. Ge- webelehre etCp

Unterraehungen über die Eier der Reptilien. 221

Der Dotter.

In Beziehiing auf die Entwicklnng des Dotters der Reptilien- eier Bchliesse ich mich den Angaben von Gegenbaur völlig an, mit dem Rückhalt, dass nach meinen Untersuchmigen neben der von 6 e gen b aar beschriebenen Umwandlung der ursprünglich feinkörnigen Masse des Eiinhalts in Bläschen überall noch eine zweite Art der Dotterbildung vorkommt, deren Produkte sich mit denjenigen der ersten mischen. Die eine sowohl wie die andere füsst anf directer Umbildung des ursprünglichen Eiinhalts, die zweite aber hat ihren Hetd ausschliesslich in den centralen Theilen des Eies und zerstreut ihre Producte von da aus durch den ganzen Be- reich desselben und, wie wir sehen werden, noch darüber hinaus.

Aber ich traf auch mit der Bildung der Dotterelemente nach der von Gegenbaur beschriebenen Art hauptsächlich imNattemei während einer gewissen Zeit so eigenthümliche Verhältnisse in Ver- bindung, dass ich auf diese Art der Dotterbildung zuvörderst noch des Genaueren eingehen muss.

Wie Gegenbaur beschrieben hat, verändert sich das ur- sprüngliche Protoplasma des Eies bald in der Art, dass darin ein- zelne stärker glänzende Kömchen auftreten, welche sich später in Bläschen umwandeln, die grösser und grösser werden. Diese Um- wandlung des Eiinhalts beginnt in dessen Gentrum und schreitet von da aus peripherisch weiter.

Dass nun die Dotterelemente auf Kosten des Eiprotoplasmas wachsen, indem sie dasselbe gleichsam auffressen, das zeigen beson- ders deutlich erhärtete Präparate. An solchen sieht man frühe um die Bläschen, ja schon um die grösseren, stärker glänzenden Kömchen berom, welche zu diesen sich entwickeln, häufig einen hellen Ring den Ausdruck einer Lücke, in welcher dieselben liegen (Fig. 2 A u. B).

Diese Lücken nehmen zu an Grösse mit dem Wachsthum der Bläschen. Wenn diese einen gewissen Durchmesser erlangt haben, zeigen sie an den in Rede stehenden Präparaten oft Aehnlichkeit mit lymphoiden Zellen.

In Follikeln der Ringelnatter, welche 27« bis 3 Mm.^ im grössten Dickendurchmesser halten, sind schon ziemlich ausgebil- dete Dotterelemente vorhanden : sie liegen einzeln oder zu mehreren

1) Die Fonikel der Ringelnatter nehmen sehr frühe eine eiförmige Ge- stalt an; die im folgenden gegebenen Maasse beziehen sich immer aaf den gröutan Diekendorobmeeser der Follikel

222 Th. Eimer:

in den Maschen eines ungemein deutlichen Fadennetzes, dessen Elemente in den kleineren der in Frage kommenden Eier ein körniges Aussehen zeigen, während sie in den grösseren kömchenfreie Fäden darstellen. Man kann an Schnitten, welche man von erhärteten Eiern erhalten hat, die fertigen Dotterelemente aus dem Maschen- netz auspinseln; dieses letztere bleibt dann allein zurück, und an seinen Fäden hängen da und dort noch die vorhin erwähnten lymphkörperchenartigen Bildungen und Uebergänge. von diesen so- wohl zu ausgebildeten Dotterelementen als rückwärts zu den feinen Körnchen des Eiprotoplasmas (Fig. 10, 1 1 und 16^ M.). Die Fäden des Netzes trifft man um so dicker, das Netz um so engmasdiiger, je kleinere Eier man untersucht, bis man schliesslich wieder zu den Formen der Fig. 2, A. u. B. gelangt. Das Maschennetz, welches, nachdem es theilweise ausgepinselt ist, die grösste Aehnlichkeit z. B. mit dem Neurogliagewebe hat, ist also offenbar der Ueberrest des ursprünglichen Eiprotoplasmas, welcher durch den sich bildoiden Dotter au^ezehrt worden ist. Im ausgebildeten Ei ist auch dieser Ueberrest demselben Schicksal verfallen, denn in aus dem Eilei- ter genommenen Eiern findet man nichts mehr von ihm.

Das Maschennetz ist natürlich im Mittelpunkt des Eies zuerst ausgebildet und schreitet von da nach der Peripherie hin fort. Was Gegenbaur helle Bandschicht, His Zonoidschicht nennt, ist schon in ganz kleinen Eiern vorhanden und ist dann nichts als derjenige peripherische Theil des Eiinhalts, welchen die Umwandlung in Dotter noch nicht ergriffen, das Maschennetz noch nicht erreicht hat, - ich willihn imFolgendenBindenschicht nennen (Fig. 1, B). Diese Bindenschicht ninunt mit dem Wachsthum des Eies an Breite nicht zu, sondern vielmehr successive ab ; sie ist also bis dahin nichts Speci- fisches. Aber die Abnahme ihrer Breite hat eine gewisse Grenze. Die Umwandlung des ursprünglichen Eiinhalts nach der beschrie- benen Art (unter Bildung des Maschennetzes) schreitet nach der Peripherie hin nur soweit vor, bis die Bindenschicht auf etwa 0,02 Mm. Breite verschmälert ist. Das ist in Follikeln von etwa 3 Mm. Durchmesser der Fall. Die Maschen des Netzes hören jef2t plötzlich und mit scharfer Linie gegen die Bindenschicht hin aut und diese bildet eine Schale um die inneren Theile des Eies, welche noch längere Zeit aus dem ursprünglichen feinkörnigen Eiproto- plasma besteht (Fig. 8, 9, 10, 11, 12, 14, 16, B). Gegen die Dotter- haut hin ist und bleibt sie scharf abgegrenzt und nur einzelne

üntersadniiigen Aber die £2ier der BeptOien. 228

Bläschen oder lymphkörperchenartige Elemente liegen zerstreut in ihrem Inneren, an das Maschennetz grenzenden Theile (Fig. 14). Erst später wird auch ihr Protophisma in Dotter umgewandelt ; aber so viel ich bis jetzt sah, nicht unter deutlicher Bildung eines Maschennetzes. Femer wird die ganze Rindenschicht in alloi ihren Theilen ziemlich gleichzeitig von der Umwandlung in Dotter ergriffen, so dass mit einem Male durch ihre ganze Breite hindurch an Grösse nicht allzu verschiedene Dotterelemente auftreten (Fig. 16, B).

Da die Umwandlung des Eiprotoplasmas in Dotter, wie be- merkt, im Gentrum beginnt und von da nach der Peripherie zu fortschreitet, so ist die innere Grenze der Rindeoschicht so lange dne völlig unbestimmte, bis sie auf die bezeichnete constante Breite zurückgeführt ist

In Follikeln der Ringelnatter von etwa Mm. oder von noch geringerem Durchmesser traf ich innerhalb des Dotters die ersten Spuren der Entwicklung einer höchst merkwürdigen Bildung, zu deren Betrachtung ich nun übergehe.

Die äussersten Ausläufer des Maschennetzes mögen in Folli- kebi von d^ genannten Grösse Ins etwa 0,1 Mm. nach einwärts von der Zona sich erstrecken. An ihrer äusseren Grenze, also inner- halb der Rindenschicht» beginnt ein Kreis von unregelmässigen, im Mittel etwa 0,03 Mm. langen, zum Eiganzen radiär gestellten Strei- fen eines eigenthümlichen Gewebes aufzutreten.

Färbt man einen nach Erhärten in Alkohol gewonnenen Schnitt aus einem grösseren Follikel, z. B. von 3 Mm. Durchmesser in Karmin, so fällt ein schöner rother Ring von 0,03 Mm. Breite so- fort in die Augen, welcher ungefähr 0,07 Mm. nach einwärts von der Zona mit dieser parallel verlaufend im Eiinhalt liegt (Fig. 8 und 9 JR). Dieser Ring, den ich innere Rinde oder innere Rin- denschicht nennen will, erscheint mit schwächerer Vergrösserung betrachtet durchaus regelmässig und scharf gerandet Bei stärkerer Vergrösserung stellt er sich als radiär gestreift dar, die Streifen oft zu mannigfach geformten, eckigen Figuren angeordnet (Fig. 14, JR), nach aussen und nach innen unregelmässig begrenzt, indem nach beiden Seiten hin, besonders aber nach aussen, Zacken und Fortsätze von ihm ausgehen. Er ist aus einer Verschmebsung jener radiär gestellten, unregelmässig geformten Gewebstheilchen entstan- den, weldie in dem jüngeren Ei vorkommen. Das ganze Aussehen des Ringes könnte zu der Annahme führen, dass man es in ihm

324 Th. Eimer:

mit einer bindegewebigen Substanz zu thun habe. Er mnss offen- bar auf eine einfache Umbildung des Eiprotoplasmas zurflckgeffihrt werden.

Indem der Ring dichter nnd dichter wird, bildet er eine Art Schale, Rinde, um den centralen Theil des Eiinhalts. Aber diese innere Rinde ist ebensowenig Yon Bestand wie das Maschennetz. Es treten nach und nach mehr und mehr jener lymphkörpercben- ähnlichen und kernartige, in runden Lücken liegende Gebilde in ihm auf (Fig. 14), er wird allmälig aufgezehrt und ist schon in den grösseren Eierstockseiem verschwunden.

Nicht vergessen darf ich zu bemerken, dass die innere Rinde zuweilen nicht als ein Kreis, sondern in Form mehrerer, hintereinan- dergelegener Kreise, beziehungsweise ineinandergeschachtelter Schalen auftritt, welche dann aber von mehr lockerer Beschaffenheit sind.

Die bisher geschilderten Verhältnisse würden keinerlei Anhalts- punkte für die Auffassung geben, dass ein Theil des Wachsthums des Eies der Ringelnatter (wenn wir ffir jetzt von dessen frühesten Stadien absehen, welche nicht berücksichtigt worden sind) auf fremden Zusatz von aussen, auf Abscheidnngen von Seiten der Oranulosa zn setzen sei. Sie scheinen sich vielmehr nur mit der Annahme ver- einen zu lassen, dass dieses Wachsthum ganz aus dem Ei selbst heraus erfolgt. In diesem Sinne spricht insbesondere auch das Ver- halten der inneren Rinde zu der peripherisch von ihr gelegenen Region des Eies.

Der Raum zwischen der inneren Rinde und der Dotterhaut nimmt nämlich während der nach dem Auftreten jener erst in ungeheurem Maassstabe erfolgenden Massenzunahme des Organismus nicht nar nicht an Breite zu, sondern eher ab. Es fällt, wie schon bemerkt, die innere Rinde eine Zeit lang zusammen mit der äusseren Grenze der Umbildung des Eiprotoplasmas in Dotter und mit der inneren Grenze der Rindenschicht. Bald aber wird sie von den Vorläufern jener überschritten (Fig. 8 x), kleinste Dotterelemente treten jenseits von ihr auf (Fig. 12 x), die Lücken, das Maschennetz, entstehen auch dort, mehr und mehr wird der Rindenschicht Boden abge- wonnen durch deni Dotter und schliesslich ist über die EQlIfte des Raumes zwischen innerer Rinde und Dotterhaut in Maschennetz nnd Dotterelemente umgewandelt (Fig. 9 x). Jetzt tritt der schon er- wähnte Stillstand in der Verschmälerung der Rindenschicht ein; diese grenzt sich aber als feinkörnige Zone nach innen ab, oft ein&eh

ünteranohnBgeii über dk Eier der Beptilien. 226

dnrcli die SussersteD Maschen des Netses, znweQen aber durch eine helle, messbar breite Linie, welche offenbar hervorgerufen ist durch eine grössere Lockerheit des Gewebes an der betreff^Mlen Stelle.

Aber noch mehr als diese Thatsachen gegen die Annahme eines Wadisthnms des Eies durch Materialankgerung von aussen reden, spricht dafür, dass der Herd für dieses Wachsen im Ei selbst und zwar in dessen Mittelpunkt liegt, die zweite Art der Dotterbil- dung, welche Eingangs dieses Abschnittes erwähnt worden ist

Zur Grundlage meiner Schilderung nehme ich hier das Ver- halten bei der grünen Eidechse.

Im centralen Theile kleiner Eier dieses Thieres (Follikel 0,4 Mm.) traf ich einen 0,02 Mm. grossen, kugeligen Körper, welche »ch durch Osmiumsäure etwas dunkler färbte, als der ihn umge- bende noch ganz homogene Eiinhalt (Fig. 21 N) und welcher weiter keine Besonderheiten zeigte, als die, dass in seinem Umkreis einige sehr kleine, zarte, helle Bläschen gelegen waren. Das Keimbläs* eben mass schon 0,08 Mm. und lag peripherisch, wie schon be- merkt, in den Eiern der grünen Eidechse der ständige Fall.

Jener kugelige Körper aber ist offenbar nichts Anderes, als eine frühe Stufe der Entwicklung des bei anderen Thieren schon vielfach erwähnten und manchfach besprochenen Dotterkerns.

Während jetzt der Eiinhalt im Uebrigen noch keine Beson« derheiten zeigt, erleidet er später, abgesehen von seiner Umwand- lung nach der von Gegenbaur beschriebenen Art, eine ganz eigen- thümlidie DiffereBzirung. In seinem Gentrum entsteht eine helle, homogen aussehende Masse und diese geht nach aussen plötzlich über in eine ebenfalls homogene, durch Osmiumsäure aber sich etwas dunkler färbende Schicht, welche sie nach Art einer dicken Schale umgibt (Fig. 22).

Nach aussei von dieser Schale beginnt, anfangs gleichfalls mit ziemlich scharfer Begrenzung, die jetzt schon zahlreiche bläschenar- tige Elemente enthaltende ursprüngliche Dottermasse, welche offenbar durch die im Mittelpunkt des Eies entstandene homogene Substanz nach aussen gedrängt worden ist.

Der zuerst erwähnte Kern ist jetzt bedeutend gewachsen ; er li^ oft neben einem zweiten kleineren, in der hellen Gentralmasse, und beide sind von einem aus feinen Fettkömchen bestehenden Mantel umgeben. (Fig. 22, 23, 24.) Solche Fettkömchen findet man,

IC Banüm, AnUtw t nSkx^ak. Anstoml«. BA. 8. 15

226 Th« Eimer:

wenn auch sehr zerstreut und fein. Jetzt im ganzen EUnhalt» bis zur Rindenschicht

Es wächst zugleich aber auch die helle Gentralmasse bedeu- tend. Die dunkle Schale derselben wird mehr nach aussen ge- drangt und zugleich verwischen sich ihre äusseren Grenzen allmälig. Aber auch ihre Grenzen gegen die centrale Dotter- masse werden weniger scharf, während diese höchst eigenthfimliche Veränderungen eingeht : sie beginnt nämlich, und zwar zuerst in ihren peripherischen Theilen sich zu zerklüften, in einzelne unregel- mässige und ungleich grosse Stücke sich zu zerbröckeln. Diese Stücke verbreiten sich nach und nach von ihrer ursprOnglidien Lagerstätte aus über den ganzen Eiinhalt und mischen sich, indem sie ' mehr und mehr zerkrümeln, mit dem übrigen Dotter. Aber merkwürdigerweise treten sie selbst über den Bereich des Eies hinaus: man trifft sie zuletzt auch zwischen den Zellen der Granu- losa und sogar jenseits der letzteren (Fig. 24 DK).

Diese DotterÜieile zeichnen sich überall, bei der Natter, bei der Eidechse und bei den Schildkröten, durch ihren hellen, weiss- lichgelben Glanz und durch ihre unregelmässige schorfartige Form aus. Man möchte sie desshalb zuweilen vergleichen mit den Stück- chen einer zerschlagenen Eisscholle und ich will für sie im Folgen- den die Bezeichnung Dotterschorfe oder Dotterkrumen ge- brauchen.

Im Ei der Ringelnatter traf ich den Dotterkem oft von bedeutender Grösse, ebenfalls im Gentrum liegend und aus einer feinkörnigen Masse bestehend (Fig. 9, N.). Im Kern lagen einzelne Dotterschorfe; um ihn herum lagen sie dichtgedrängt und von da aus hatten sie sich durch den Inhalt des ganzen Eies und darüber hinaus verbreitet, denn man fand sie in der inneren Rinde, in der Rindenschicht, in der Zona pellucida, in der Granulosa und jenseits derselben (Fig. 8, 9, 14, 15).

In Fig. 9 sind die Schorfe innerhalb der Dotterhaut an einer Stelle in ganz eigenthümlicher Weise zusammengedrängt.

In den Eiern der grünen Eidechse und der Schildkröten trifft man etwas einwärts von der Dotterhaut eine bisher nicht er- wähnte fetthaltige Schicht an. Bei den Schildkröten besteht dieselbe aus Fetttröpfchen und umgibt, wiederum schalenartig, den Theii des Eies, welcher innerhalb der Rindensdiicht liegt (Fig. 5). Bei der grünen Eidechse ist sie aus grösseren und kleineren krümeligeo,

UntersncliaDgen aber die Eier der Reptilien. 227

aber fetthaltigen BestandtheilenzasammeDgesetzt (Fig. 21— 24). Hier liegt sie der Dotterhaut zuweilen fast innig an. Da im Granulosa- epithel bei diesem Thiere ganz ähnliche fetthaltige Krümel vor- kommen (besonders Fig. 21), so lag die Vermuthung nahe, dass die in Bede stehende Schicht, .entgegen dem bisher Behandelten, doch von der Granulosa abgeschieden werde, vielleicht in der Weise, dass die Fettmolekel aus den Epithelzellen, in deren Körper sie liegen, vor der Entstehung der Dotterhaut oder, auf später von selbst sich ergebenden Wegen, durch letztere und durch die Zona hindurch in das Innere des Eies gelangt sein möchten. Allein einmal traf ich im Schildkrötenei das Epithel stets frei von solchen Fetttröpfchen , abgesehen davon, dass hier die Fettschicht des Dotters stets in ziemlichem Abstand von der Dotterhaut lag ; zwei- tens und vor Allem aber fand es sich, dass die Fettlage im Schild- kröten- wie im Eidechsenei schon sehr frühe vorkommt, schon in Follikeln z. B. von 0,057 Mm. Durchmesser, und zwar zu einer Zeit, in welcher im Epithel der Eidechsenfollikel fettähnUche Krü- mel noch gar nicht vorhanden sind.

Im Ei der Bingelnatter dagegen traten erst sehr spät (in Follikeln von etwa 1,5 Mm. Durchmesser) innerhalb der Binden- schicht vereinzelte Fetttropfen in einer schalenartigen Lage auf, von welcher aus nach innen ungemein feine Fetttröpfchen sehr zerstreut durch den Eiinhalt zu verfolgen waren (Fig. 7). Die fetthaltigen Eömcben, welche von einer gewissen Zeit an um den Dotterkem herumliegen, entsprechen imj Aussehen und in Grösse einem Theil derselben Elemente, welche die Fettschale in der Peripherie des Eidechseneies herstellen. Ohne aus diesem Verhalten weitergehende Schlüsse ziehen zu wollen, glaube ich doch zu der Ansicht berech- tigt zu sein, dass die fetthaltige Schicht in den Eiern der Schild- kröten und der grünen Eidechse nicht für, wohl aber entschieden g^en eine Abscheidung von Dotter seitens der Granulosa spricht and zwar gegen eine solche Abscheidung auch in den nahezu frühe- sten Stadien des Eiwachsthums. Meine Untersuchungen betrafen nämlich für diesen Gegenstand bei der Eidechse Follikel von 0,057 bis 2,5 Mm. (Fig. 19—24) und bei der Schildkröte solche von unge- fähr demselben Durchmesser, aber auch in den kleinsten dieser Follikel war die Fettlage vorhanden, und soweit diese kleinsten Follikel durch passende üntersuchungsmethoden einen Einblick in die betreffenden Verhältnisse gestatteten, traf ich die Fettschicht

228 Th. Eimer:

beinahe ebensoweit von der Dotterbaut entfernt, wie in den grö^ ten, so dass sich also die Bindenschicht auch hier mit dem Wachs- thum des Eies nicht verbreitert hat. In manchen grösseren Eiern der Eidechse reichte die Fettlage aber, wie gesagt, sogar weiter an die Dotterhaut heran wie in kleineren, lag sie derselben manchmal fast unmittelbar an.

Die Rindenschicht ist im Ei der grünen Eidechse, wie ans dem Vorstehenden hervorgeht, sehr schmal. Zu einem genauen Studium derselben eignet sich viel besser das Ringelnatterei.

Hier ist die Bindenschicht, so lange sie noch feinkörnig ist und nachdem der Follikel eine gewisse Grösse erreicht hat, sehr schön radiär gestreift und zwar in zweierlei Weise: einmal ziehen gröbere, oft messbar dicke Fäden, ungleich grosse Zwischen- räume zwischen sich lassend, von der Dotterhaut an durch sie hin* durch und gehen direkt in die nach aussen schauenden Zacken der inneren Binde über, von welchen früher die. Rede war (Fig. 12, 14 As, und Fig. 8). Andererseits aber lassen sie sich zuweilen durch Dotterhaut und Zona hindurch verfolgen und es lässt sich erkennen, dass sie Fortsätze der Epithelzellen der Granulosa sind (Fig. 14).

Zweitens sieht man häufig auch die Zwischenräume, welche diese Ausläufer zwischen sich lassen, ungemein fein und fast regel- mässig radiär gestreift (Fig. 12). Die Streifung ist hier durch äusserst zarte dicht aneinanderliegende Linien hervorgebracht, die sich^ nach innen in dem innerhalb der Bindenschicht liegenden Dotter verlieren, in welchen man sie hie und da ziemlich weit hin- ein verfolgen kann. Diese Linien scheinen 'oft aus sehr kleinen aneinandergereihten Kömchen zu bestehen. Es ist wahrscheinlich dass auch sie auf Ausläufer der Epithelzellen zurückgeführt werden, müssen.

Lange bevor ich die Streifung der Bindenschicht gesehen hatte, war es mir nämlich gelungen, Granulosazellen mit ungemein langen und feinen Fortsätzen zu isoliren^ oft von der vier- und sechs- fachen Länge des Zellkörpers , mit welchen zuweilen noch Stücke des Maschennetzes, das ich ebenfalls erst später im Ei fand, im Zusammenhang waren (Fig. 17); manchmal lagen sogar noch Dotter- elemente in den mit den Epithelien in Verbindung stehenden Ma- schenstücken. Ich isolirte aber auch Zellen, deren unmessbar feine Fortsätze wie aus den feinsten aneinandergereihten Kömchen zu-

üntenuchangen über die Eier der Reptilien. 229

sammengesetzt schienen (Fig. 17, Z), und welche der feinen Strei- fdng der Eindenschicht entsprechen.

Es stehen demnach die Epithelzellen der Granulosa des Nat- terneies, worüber übrigens später noch weiter gesprochen werden soll, durch zarte Ausläufer in direkter Verbindung mit der inneren Rinde und mit dem Maschennetz im Ei. Gleich diesen beiden ver- schwinden die Ausläufer später, dann nämlich, wenn die kömige Rindenschicht in Dotterelemente verwandelt wird.

Ein Maschennetz mit scharfer Abgrenzung gegen die Rinden- schicht traf ich wie bei der Ringelnatter auch bei Goronella laevis und beiGecko platydactylus.

v. W i t tich beschreibt zuerst ^) einen aus concentrischen Schich- ten bestehenden Körper neben dem Keimbläschen im Spinnenei und bringt ihn in mögliche Beziehung zur Dotterbildung, v. Siebold*) erwähnt drei Jahre später denselben Körper im Ei verschiedener Spinnenarten als einen feinkörnigen, runden Kern von fester Beschaffen- heit, von dessen Peripherie sich eine Schicht nach der anderen los- zulösen und demEiweiss beizumengen schien. J. Victor Garus') spricht demselben Gebilde, welqhem er den Namen Dotterkem gibt, in den Eiern verschiedener Spinnenarten, sowie im Froschei die Erzeugung des Bildungsdotters mit Bestimmtheit zu. Bei anderen Spinnen soll das Keimbläschen dieselbe Rolle übernehmen, um das- selbe herum feinkörniger Bildungsdotter entstehen. Anschliessend hieran muss ich Folgendes bemerken: bei der Ringelnatter traf ich zu gewisser Zeit das Keimbläschen erfüllt mit einer kömigen Masse, deren grössere Theilchen dotterähnlich waren und Uebergänge zeig- teo zu grossen, glänzenden runden Körpern, ganz vom Aussehen der Dotterschorfe (Fig. 8), welche zu mehreren in jener Masse lagen. Ferner lagen solche in der Nähe des Keimbläschens, als ob sie aus dem- selben ausgetreten wären. Da dieses von einer deutlichen Membran umgeben war, so ist an eine Verwechslung etwa mit dem Dotter- kem nicht zu denken, wenngleich das Keimbläschen im Ringel- natterei lange Zeit central liegt wie jener.

Gegenbaur traf im Ei des Wendehalses constant „einen

1) V. Witt ich, ObservAtiones qaaedam de araneanim ex ovo eyolu- tion& DisB. Halis Saz. 1845.

2) V. Siebold, Lehrb. d. vgl Anat.d. wirbelloßen Thiere, 1848,8. 643. 8) Viotor Oaras, „üeber d. Entwicklang d. Spinneneies/* Zeitschr.

f. w. ZooL Bd. n. 1850.

230 Th. Eimer:

Klumpen grösserer Körnchen, um welchen feinkörnige Dottersub- stanz lagerte, in der, wenn auch zerstreut, von jenen Körnchen wie- derum vorhanden waren. Bei näherer Betrachtung ergab sich, dass die groben Kömchen, aus welchen der Klumpen zu bestehen schien, nur eine Binde darstellten, welche um einen fast homogenen Kör- per gelegt war/' Oegenbaur stellt dieses Gebilde zu den Dotterker- nen und meint, es werden seine peripherischen Schichten (die Kömchen) sich allmälig von ihm loslösen und den Dotter bilden helfen, wie das Gar US für den Frosch beschrieben hat. Endlich hat Fr. Gra- me rO einen Körper im HQhnerei gefunden, welchen er ebenfalls für einen Dotterkem hält und von dem er glaubt» dass er sich auch hier an der Dotterbildung betheilige.

Ich vermeide es absichtlich^ hier naheliegende Schlüsse aus den über das Reptilienei mitgetheilten Thatsachen zu ziehen oder gar an der Hand der Literatur auf Grand derselben z. B. gegen die von His') über die Entwicklung des Hühnereies aulgestellten Lehren mich zu äussern. Man nahm bisher an, dass die Entwick- lungsverhältniss^ des Reptilieneies deqenigen des Vogeleies völlig analog seien. Es ist nun allerdings als höchst wahrscheinlich anzu- nehmen, dass umgekehrt die Verhältnisse beim Vogelei dieselben sein werden wie bei den Reptilien und dass die Einzelheiten hier vielleicht nur schärfer hervortreten wie dort. Aber bevor ich selbst genauere Untersuchungen am Vogelei gemacht haben werde, will ich allgemeiner Urtheile mich enthalten. '

Um indess vollgültige Schlüsse aus dem im Vorhergehenden und im Folgenden Dargelegten ziehen zu können, scheint es mir nöthig, Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung des Eies an Repräsentanten mehrerer Thierclassen zu machen, eine Aufgabe, welcher ich mich mit Vorliebe zu unterziehen begonnen habe. Schon desshalb aber beschränke ich mich in der angedeuteten Weise, weil mir eine sehr wichtige, gerade auf diesem Princip fussende Arbeit über den Gegenstand, das Buch von Ed. van Beneden*),

1) Fr. Gramer. ,, Beitrag zar Eenntniss d. Bedeatang u. Entwicldting des Yogeleies.** Würzb. Yerbandlaiigen, 1869.

2) W. H i 8. Untersuchangen über die ersten Anlagen des Wirbelihier- leibes, Leipzig 1868.

8) Ed. vanBeneden, Reoberches sar la oomposition et la significa- tion de Toeof, (Mem. couroune par l'aoad. royale de Belgique) Brüssel, Hayez, 1870.

üntenuchimgeii fiber die Eier der Reptilien. 381

welches Ober die Eier der Sängethiere, der Vögel, der Gmstaceen und der Wflrmer handelt, and dessen Resultate offenbar in wesent- liehen Dingen manchfach mit den von mir am Reptilienei erlangten übereinstimmen, zu spät zugänglich wurde, als dass ich dasselbe noch hätte genügend benutzen können.

Die ersten EihUlei.

Die eigentliche Dotterhaut ist ein zartes Häutchen, welches ans dem peripherischen Theile des Protoplasmas der Rindenschicht entsteht Auf die äussere Fläche dieses Häutchens lagert sich, gleichfalls durch Abscheidung von Seiten der Rindenschicht, Mate- rial ab, welches die Zona pelludda bildet Jenseits der Zona liegt wiederum dne zarte Haut» welche schon vor dem Entstehen jener vorhanden ist und welche dem FoUikdepithel ihren Ursprung ver- dankt Zuerst, und zwar gldchzeitig, wird 'also das Ei von zwei feinen Membranen umhüllt, zwischen welchen sich die Zona ab- lagert

Es erschien nothwendig, eine Zusammen&ssung des Thdis der im Folgenden näher zu erörternden Ergebnisse meiner Untersuchun- gen, wdche m diesem Abschnitt übrigens fast ausschliesslich vom Ei der Ringelnatter handeb, hier vorauszuschicken, um dnen siche- ren Boden fftr die Schilderung der Thatsachen, über welche nun berichtet werden soll, zu gewinnen.

Das Auftreten der eigentlichen Dotterhaut fällt bei der Rin- gelnatter nicht zusammen mit dner bestimmten Grösse des Eies: zuweilen traf ich ihre ersten Spuren in Follikeln, welche noch nicht Vs Mm. im Durchmesser hidten, andere Male erst in solchen von bst dem dreifachen Umfang.

Diese ersten Spuren der Dotterhaut zeigten sich in folgender Wdse : das Epithel war in den betreffenden Follikeln, wie immer, gegen den Dotter hin scharf abgesetzt, von der Rindenschichte des letzteren noch dazu getrennt durch eine sehr schmale helle Linie, d^ Ausdruck eines leeren Raumes. Nach innen von diesem Räume waren die äussersten Körnchen der Rindenschicht im Begriff, sich zu einer zarten Haut zu verbinden : an einzelnen Stellen lagen diese Kömchen erst dicht nebeneinander, an anderen hatten sie schon ein Stückchen der Haut gebildet (Fig. 12, Zi). Andererseits zeigte die Basis jeder Oranulosazelle da wo sie die äussere Abgrenzung des genannten leeren Raumes bilden half, dne dünne Lage, heller

282 Th. Eimer:

wie der übrige Theil der Zelle, wie wenn sieh dort eine zarte Schicht abscheiden würde (Fig. 12, Za). Wahrscheinlich wird auf diese Weise das obere der zwei Häutdien gebildet, ans welchen die Hülle der Eier in einer wenig späteren Zeit besteht (Fig. 13, 15, Z). Bald ist nämlich die Membran, welche aus dem äusserstea Theile des Protoplasma der Rindenschicht vorhin zu entstehen im Begriffe war, fertig, eine zweite Kegt dem Epithel dicht an, beide aber sind getrennt durch den leeren Raum, der auch in Zukunft nicht schwin- det, sondern auch später die Zona, welche auf der eigraUichen Dotterhaut entsteht, von dem oberen Häutchen trennt Dieses nun erleidet gleichfalls keine Veränderungen, ja es behalt den Dieken- durchmesser, welchen es von An&ng an hat, zeitlebens bei. Dieser Durehmesser ist um ein Kleines grösser als deijenige der eigentli- che Dotterhaut, aber beide Häutehen sind so fein und sind anfangs nur durch einen so sdhmalen Zwischmraum getrennt, dass man sie dann nur durch starke Vergrösseningen in zwei Lagen auflösen kann, wie man denn auch bisher nur von einer einzigen ge- sprochen hat

In späterer Zeit aber sind die beiden Häutehen mehr ausein- ander gewichen und auf der äusseren Fläche des unteren sieht man eine dQnne Sdücht feinkörnigen Protoplasmas, ähnlich demjenigen der Rindenscbicht des Dotters aufgelagert Diese Auflagerung wird breiter und die Körnchen, aus welchen sie besteht, ordnen sich deutlich zu senkrecht auf der Dotterhaut aufstehenden Stäbduen an. Diese Stäbchen wachsen in die Länge, während zugleich die zwei ursprünglich vorhandenen Membranen noch mehr ausetnanderge- wichen sind, denn die obere derselben ist und bleibt, wie gesagt, durch den leeren Zwischenraum von der Zona pellucida getrennt (Fig. 14). Schon sehr frühe bekommt die obere Grenzlinie der Stäbchenschichte eine wellige Form, indem ihre Elemente sehr bald innerhalb bestimmter Anordnung zu ungleicher Länge heranwachsen, so dass jene obere Grenze regelmässig aufeinanderfolgende Berge und Thäler bildet

Die Stäbchen können nicht anders entstanden sein als da- durch, dass Protoplasma aus der Rindenschicht durch die eigent- liche Dotterhaut durchgetreten ist und sich auf derselben abgela- gert hat

Bei den Schildkröten und bei der grünen Eidechse vermochte ich gleichüaUs von vom herein zwei zarte Schichten an der ersten

üntenudhaogen über die Eier der Reptilien. 288

Eiholle zu anterscheiden, aber die Art der Entwicklung der Zona pellacida ist an den Eiern der Ringelnatter am deutlichsten, weil hier zwischen deren Stäbchen und dem oberen der beiden Häutchen von vornherein ein Zwischenraum vorhanden ist, so dass jene unmög- lidi von den Zellen der Qranulosa abgeschieden worden sein können. Auch bei den Eidechsen und bei den Schildkröten ist die Zona ge- streift und lässt sieh in Stäbehen zerlegen, wie schon aus den Ar- beiten von Waldeyer 1) und L. Agassi z hervorgeht.

Ich werde auf den Bau und die Entwicklung der hier kurz beschriebenen Eihülle und auf die Bedeutung ihrer einzelnen Theile in der Fortsetzung meiner Arbeit noch ausführlich zurückzukommen haben. Für heute fuge ich nur noch bei, dass ich schon an ziem- lieh kleinen Follikeln (3 Mm. Durchmesser und noch weniger) der Schildkröten (mit Agassiz) und der Ringelnatter an der inneren Fläche der Dotterhaut das aus einer einfachen Lage sechsseitiger, platter ZeUen bestehende Epithel getroffen habe, wdches Oegen- baur vermisst, das ¥on zahlreiehen anderen Forschem aber am Vogelei beschrieben worden ist.

Das Follikelepithel.

In Follikeln von 0,55 Mm. Durchmesser war das Epithel bei der Natter, welche ich auch hier zur Grundlage meiner Darstellung nehme, schon mehrschichtig. Seine Zellen scheinen von jetzt ab mit dem Wachsthume des Eies an Zahl nicht mehr zuzunehmen. Die Granulosa wird zwar breiter, aber diese Breitenzunahme kommt auf Rechnung einer Vergrösserung der Epithelzellen, welche be- sonders auffallend ist an depjenigen der mittleren Lage, welche schon in Follikeln von dem genannten Durchmesser durch ihre Grösse und durch den Umfang ihrer Kerne vor den dbrigen sich auszeich- nen (Fig. 13). Wenn man die späteren Veränderungen berücksich- tigt, welche diese ZeUen erleiden, so muss man drei Gruppen von Epithelien an der Granulosa unterscheiden : zu äusserst liegen 1), mehrfach Über und zwischeneinander, ganz kleine Gebilde, schein- bar Kerne, von welchen aber jeder in ein Minimum von Protoplasma gewöhnlich eingehüllt ist (Fig. 12, 13, 14). Diese Gebilde bleiben in der Grösse und in der Anordnung, welche sie jetzt zeigen, be- stehen bis die Granulosa überhaupt zu schwinden anfängt. 2) Die Zellen der mittleren Schichten, welche jetzt schon grösser sind, als

1) W. Waldoyer, Eieratook und £i, Leipzig 1870.

284 Th. Eimer:

alle übrigen, haben noch ganz die Gestalt der 3) unter ihnen lie- genden: beide sind verschieden geformte Zellen, die vielfach scharfe Ecken zeigen und an unbestimmten Stellen in sehr feine Ausläufer ausgezogen sind, mit welchen sie da und dort deutlich untereinan- der in Verbindung stehen. Diejenigen der unteren Lagen sind su- gleich von sehr verschiedener Grösse.

In Follikeln von etwa 1 Mm. Durchmesser haben sich die mitt- leren Zellen schon auffallend verändert : sie haben sich langgestreckt, haben Kegelgestalt, mit nach auswärts gerichteter Basis angenommen. (Fig. 14). Der Kegel wird aber häufig dadurch zur mehrseitigen Pyra- mide, dass seine Wände vielfach abgeplattet sind, % so dass oft sehr scharfe Kanten entstehen, welche an verschiedenen Stellen ihres Verlaufs sich in feine abstehende Spitzen ausziehen können (Fig. 1 7). Nach unten sind sie in eben so feine Ausläufer ausgezogen, weldie sich zwischen den Zellen der unteren Lagen hindurch bis auf die Zona hinab verfolgen lassen, an welchei* oft nach dem Abpinseln des Epithels Stücke von ihnen hängen bleiben.

Durch diese Gestaltveränderung der Zellen sind die ihrer Basis aufliegenden kleinen Gebilde nach aussen gedrängt worden und es musste so die Granulosa breiter werden: ihre Breite beträgt an Follikeln von 1,75 bis 2 Mm. Durchmesser 0,08 Mm. Von jetzt an nimmt sie wieder ab: an Follikeln von 3 Mm. Durchmesser ist sie wieder ebenso breit wie an solchen von 0,55 Mm. nämh'ch 0,023 Mm. An Follikeln von etwa dem doppelten Durchmesser ist sie auf eine einzige Lage von plattgedrückten Zellen zusammengeschrumpft.

Allein alle diese Grössen variiren sehr.

Die kegelförmig gewordenen Zellen der mittleren Gegend der Granulosa erleiden mit dem weiteren Wachsthum des Eies noch andere, höchst auffallende Veränderungen : ihr Kern wird ungemein grosS; zeigt dann entweder die Form einer Kugel oder die eines Ovals, dessen längste Axe von oben nach unten geht. Die grössten der Kerne haben einen längsten Durchmesser von 0,014 Mm. Ebenso sind die Kernkörperchen sehr gross (0,005 Mm.) und zeichnen sich durch ihren fettähnlichen Glanz aus.

An Stelle dieser Zellen findet man nun nach einiger Zeit ganz eigenthümliche meist kömige Gebilde von der Gestalt von Trompe- ten, mit nach auswärts gerichteten Schallstücken. Das äussere Ende dieser Gebilde ist folgendermassen gestaltet: In der Seitenansicht sieht man dort einen Körper von der Gestalt eines Viertelmondes

üntenuohangeD über die Eier der Reptilien. 236

mit nadi dem Zelleokörper zu gerichteter Concavität eng anschlies- send anfeitzeo. Der obere Rand dieses Körpers hat meist ein un- regelmässig zackiges Aussehen und seine Seitenwand scheint ge- streift zu sein. Im Grunde der Concavität ist häufig ein glänzen- des rundes Eörperchen zu sehen (Fig. 12, 15, 17).

Wie sind diese sonderbaren Bildungen entstanden?

Man findet zwischen ihnen je frUher desto mehr Zellen von der ursprünglichen, zuerst beschriebenen Kegelform, deren Kern, welcher von einer deutlichen Membran umgeben ist, zwei Kemkör- perchen enthält, dann solche, in welchen zwei Kerne sich finden (Fig. 15, 17). Die Kerne liegen entweder noch nahe bei einander oder aber der eine hat sich dem oberen Ende der Zelle genähert Dieser letztere Kern ist dann sehr häufig an der nach aussen liegen- den Kugelfläche durch Reissen seiner Membran geplatzt und hat sänen reichlichen feinkörnigen Inhalt nach oben ausgeschüttet, so dass derselbe über die Basis der Zelle nach allen Seiten überquillt, ihr ein ganz unregelmässiges, wie zerfetztes Ansehen verleiht (Fig. 17). Diese Basis muss also von vom herein offen gewesen sein, oder aber sie war nur durch eine so dünne Haut geschlossen, dass dieselbe dem Anprall des austretenden Kerninhalts keinen Wider- stand zu leisten vermochte. Die Membran des Kerns wird durch das Aufispringen entweder in ihrer oberen Hälfte gänzlich zerfetzt oder diese obere Hälfte fallt in die untere, der Zellenbasis noch aufliegende, hinein. So bleibt sie bestehen und durch sie hat die Zellenbasis eine Art Deckel erhalten, der die Zelle bedeckt wie eine Kaffeschale gewisser ein- fachster Form ein Kelchglas, in dessen Mündung man dieselbe ge- setzt hat. In der Seitenansicht gibt dieser Deckel das Bild eines Viertelmondes, dessen erwähnte Querstreifung nichts anderes ist, als der Ausdruck einer Faltung der Kemmembran und dessen zacki- ge oberer Band ebendaher rührt oder daher, dass die obere Hälfte der Keramembran zerfetzt worden ist. Das helle runde Körperchen im Grunde der Concavität des Viertelmondes ist nichts Anderes als das ausgetretene Kemkörperchen. Dasselbe wird in den meisten Fällen vollständig ausgeworfen und wird dann zwischen den kleinen Zellen der obersten Epithellagen freiliegend getroffen. Oft aber bleibt es im Grunde der auf so sonderbare Weise entstandenen Zellbedeckung liegen, vielleicht zurückgehalten von der oberen, ein- gefallenen Hälfte der Kemmembran.

Warn, wie in den grösseren Eiern, fjG^t alle Zellen der mitt-

236 Th. Eimer:

leren Epithellage in Trompeten umgewandelt sind und wenn sie gar keinen Kern und, wie dann immer der Fall ist, auch kein Pro- toplasma mehr enthalten, hat sich die ganze mittlere Epithellage in hohle Böhrchen umgewandelt, eine ganz eigenthamliche Art von Becherzellen (Fig. 12).

Es sei mir gestattet, hier noch einige Bemerkungen über die grossen Kerne der beschriebenen Zellen anzufahren, die sich neben- bei machen liessen. In den Kernen war der Kreis von Körnchen, welchen ich zuerst in den Zellen der Haut der Maulwurfsschnautze *) gefunden und seitdem als eine allgemeine Eigenschaft des Zellkerns erkannt habe ') meist sehr deutlich. Die Häufigkeit des Vorkommens zweier Kemkörperchen in einem Kern und der Kemtheilung gab Gelegenheit zur wiederholten Beobachtung einiger der L c. geschil- derten Thatsachen. Diesen fQge ich noch bei : Wenn zwei Kemkör- perchen sich eben von einander getrennt hatten, so waren sie hie und da wie durch etwas protoplasmaartige Masse noch zusammen- gehalten, welche offenbar durch die beiden von emander sich ent- fernenden Gebilde als weiche Masse ausgezogen wurde, um spater doch noch zwischen beiden sich zu theilen (Fig. 26, a).

Die zwei neugebildeten und noch nahe aneinanderliegenden Kemkörperchen liefen oft an einer Seite eigenthümlich spitz aus wie die zwei Teilprodukte in die man einen zähen Pechtropfen aus- einandergezogen sich denkt In der Nähe der Spitze lag dann häufig ein Ding wie eine Vakuole, lang gezogen, an der einen Seite mit der Spitze zusammenhängend (Fig. 26 b). Zuweilen traf ich aber auch im Kemkörperchen 2, 3, 3 und mehr ungemein feine Körnchen, ana- log den Kerapünktchen oder Körnchen der Keimflecke.'

Da wo der Kem nach oben auszutreten im Begriffe und ge- borsten war, zog der hervorbrechende protoplasmaähnliche Kernin- halt den hellen Hof, welcher das Kemkörperchen umgibt, oft wie gewaltsam mit sich, so dass dfeses statt in der Mitte des Hofes in dessen unterem Ende lag ; der Hof war dann oval ausgezogen und schien sich als Hohlraum darzustellen (Fig. 17, b).

In der Granulosa der Follikel der grünen Eidechse liessen sich die grossen Kemkörperchen der in Bede stehenden Zellen oft deutlich als Bläschen erkennen, gleich den Keimflecken.

1) ,,Die Schnautze des Maolwurfs als Tast Werkzeug/' dieses Arch. Bd. VII. S. 181. ff.

2) „Zur KenntnisB vomBaae des ZeUkems/' dieses Arch. Bd. Vm. S. 141.

üntennohnngen über die Eier der Reptilien. 237

Es gestalten sich nun zwar hauptsächlich die schon sehr frühe darch ihre Grösse sich auszeichnenden Zellen der mittleren Gegend des Epithels in der beschriebenen Weise um ; aber man kann auch an denjenigen der unteren zuweilen diese Veränderung beobachten, nur ist hier nicht das charakteristische Längenwachsthum vorausge- gangen und es entstehen so ganz niedere Trichterchen. Man findet solche zuweilen direkt auf der Zona aufsitzen. Gleich den grossen lassen sie sich mit langen, feinen Ausläufern isoliren.

Als Isolationsmittel habe ich Jodserum benützt, aber auch Zerzupfen nach Osmiumsäurebehandlung führte zum Ziele.

Die isolirten Zellen trugen, wie bemerkt, oft Ausläufer, welche mehrfach so lang waren, al9 ihr Körper, und die Ausläufer verzweig- ten sich nach unten manchmal wie die Wurzeln eines Baumes. Dass ich zuweilen noch Maschen des Netzes aus dem Ei an ihnen traf, habe ich gleichfalls schon erwähnt (Fig. 17).

Aber man erkannte an den isolirten Zellen auch die grosse Verschiedenheit ihrer Körperform. Neben rundlichen, eckigen und kegelförmigen Zellen traf man grosse und kleine Trichter, oft mit dem Deckel versehen, der lose ihrer weiten Mündung auflag. Oder aber es sass an dessen Stelle auf der Basis der entleerten Zelle noch die ganze, ausgedehnte leere Kernhülle (Fig. 17, c). Da- zwischen waren grosse und kleine kolbenartige Zellen anzutreffen, in deren Innerem statt des Kerns oft ein unregelmässig gestalteter Hohhraum zu liegen schien (Fig. 17, d), femer kleine Kerne, von nur ganz wenig Protoplasma umgeben, aber auch dieses mit dem feinen Ausläufer, welcher überhaupt an Repräsentanten aller der beschriebenen Zellformen, denen noch verschiedene andere zuge- fügt werden könnten getroffen wurde (Fig. 17).

Nicht alle Zellen der Granulosa sind mit ihrer Spitze nach unten gerichtet, sondern diejenigen der untersten Lage sitzen, wie schon aus dem vorigen Abschnitt hervorgeht, zum Theil mit breiter Basis der Dotterhaut auf.

Wie bei der Ringelnatter, so ist auch das Epithel an den grösseren Follikeln der grünen Eidechse mehrschichtig. (6 e gen- bau r fand es ebenso bei Eidechsen, desgleichen Waldeyer (La- certa agilis). Dagegen traf ich es bei den zur Untersuchung ge- kommenen Schildkröten stets als eine einfache Lage kurzer Zellen.

Waldeyer führt an, dass an den Eiern von Lacerta agilis, nachdem deren Epithelschicht von der Zona abgehoben war, von

288 Tli. Eimer:

ersterer äusserst feine kurze Fortsätze nach unten abgingen, welche ihm Protoplasmafortsätze der Epithelzellen zu sein schienen, die in die Eanälchen der Zona hineinragen, und eine Beobachtung, die durch das Vorstehende erläutert wird.

Die Schale des gelej^en Eies.

Mit den vorliegenden Untersuchungen beschäftigt, fand ich schon im Sommer 1869, dass die Fäden, welche die Schale des aus- gebildeten Ringelnattereies zusammensetzen, in ganz eigenthümliche Körper, meist von der Gestalt plattgedrückter Kolben, endigen, und dass diese einen wesentlichen Bestandtheil der Schale bilden. Ich zeigte dieselben schon damals u. a. meinem Kollegen Herrn Dr. Hasse. Die Ergebnisse, welche ich über ihre Natur erlangt habe, waren im Sommer 1870 wesentlich zu derselben Gestalt gediehen, in der sie im Folgenden vorgeführt werden, als der Krieg die Arbeit unterbrach. Nach Schluss desselben fand ich den Aufsatz von Na- thusius^) vor, in welchem die kolbenartigen Körper beschrie- ben sind.

Wenn nun auch meine Ergebnisse in wesentlichen Dingen mit denjenigen von Nathusius übereinstimmen, so finden sich doch wieder so mancherlei Differenzpunkte zwischen beiden, dass ich ver- anlasst bin, mich im Zusammenhang über den Gegenstand auszu- sprechen.

Die Schale des Ringelnattereies besteht, wie schon seit R ath ke') bekannt ist, aus eigenthümlichen glänzenden Fasern, zwischen deren äussere Schichten nur wenig Kalk abgelagert ist. Diese Fasern scheinen dicht untereinandergefilzt zu sein. Man kann dieselben aber schon am frischen Ei, noch besser nachdem man dasselbe in Chromsäure macerirt hat, als verschiedene zehn und mehr Lagen, gleich übereinandergelagerten Häuten, auseinanderziehen. Auf dem radiären Durchschnitt der Schale erkennt man dagegen eine wellige Anordnung der Fasern. Die Dicke dieser letzteren nimmt von innen nach aussen ab ; ebenso ist aussen ihre Lagerung eine dichtere. Die äusserste Schicht unterscheidet sich aber von allen übrigen dadurch, dass in ihr ausser den Fasern zahlreiche,

1) W. ▼. Nathusias: Üeber d. Schale d. Ringelnattereies etc., Zeit- schrift f. wiBiienBchaftl. Zool. Bd. XXI. S. 109 ff.

2) Entwicklongsgesohichte der Natter, Königsberg 1839.

Üntenaohiuigaii über die Ebr der Reptilien. 289

meist kolbenfönnige Körper von sehr verschiedenem Durchmesser and Aassehen liegen. Zwar finden sich solche Kolben auch in den abiigen Theilen der Schale, aber in sehr spärlicher Anzahl. Ich stimme mit der Beschreibung, welche Nathusius von denselben macht, überein, nur ihre Grösse gibt er, offenbar durch ir- gendwelches Versehen, viel zu hoch an, indem ihr grösster Dicken- darchmesser im Mittel nur 0,25 Mm. beträgt, - aus dem Folgenden wird abrigens von selbst hervorgehen, dass derselbe sehr variabel ist. Nathusius hat, um die Körper zu isoliren, die Schale mit der Nadel zu zerzupfen versucht. Er hat dann zuweilen Bruchstücke von Fasern mit den eigenthümlichen Körpern in Verbindung ge- troffen. Ich begreife, dass er auf diese Weise nicht zur Gewissheit darüber gelangt ist, ob der Zusammenhang der Kolben mit den Fasern ein allgemeines Vorkommen sei. Es gibt ein einfaches Mittel, durch welches sich die Eischale von selbst in ihre einzelnen Ele- mente zerlegt, oder nach dessen Anwendung sie sich leicht in die- selben zerzupfen lässt : längeres Einlegen oder minutenlauges Kochen in KaU causticum. Die Fasern werden jetzt frei, als Gebilde, so laog, dass man meistens gar kein Ende, wie Bathke fälschlich als allgemeines Verhalten annahm, an ihnen finden kann. Aber zu- weilen, wenn auch selten, trifft man doch Fasern, welche mit einem stampfen, einfach abgerundeten oder etwas aufgequollenen Ende aufhören (Fig. 25, a). Von den scharfen Bruchenden, wie sie sehr häufig vorkommen, sind jene natürlichen Endigungen sehr leicht zu unterscheiden. Ausserdem bilden die kolbenartigen Körper natürliche Endigungen der Fasern. Von jenen einfach stumpfen Endigungen nämlich bis zu den ausgebildetsten die- ser Körper finden sich alle möglichen Uebergänge : das Faserende quillt zuerst nur wenig auf, dann bekommt der aufgequollene Theil mdir und mehr eine retorten- oder kolbenförmige Gestalt, er zeigt jetzt noch ganz das weissgelbliche, stark lichtbrechende Aus- sehen der Fasersubstanz. Auf dieser Stufe bleiben die Kolben bei Lacerta agilis, deren Eischale aus denselben Fasern besteht, wie dieje- nige der Ringekatter, fast regelmässig stehen (Fig. 25, h) sie sind dort also im Durchschnitt viel kleiner als bei der Natter and es zeigen ihrer nur wenige die Eigenthümlichkeiten, welche noch ausserdem an Kolben des Nattemeies auftreten. An diesen wird das Aufquellen des Faserendes viel stärker, im Inneren des ent- standenen Kolbens zeigen sich bald früher bald später Hohlräume,

240 Th. Eimer:

rund, oval, meist scharf begrenzt, einer, zwei, häufig eine grosse Zahl ; oft bleiben diese Hohlräume kleine Löcher, oft fällt ein ein- ziger den ganzen Kolben bis auf eine dQnne Rindenschicht aus (Fig. 25). Unterdessen haben sich die Kolben durch den Druck im Eileiter meist abgeplattet und früher oder später ist ihre Substanz, die zuerst homogen war wie die Faser, kömig geworden, ihre kömige Masse setzt sich oft weit hinein jetzt in die Faser fort; man trifft aber auch Fasem, welche unabhängig vom Kolben die- selbe körnige Beschaffenheit zeigen (Fig. 25, c). In den Höhloi, welche im Kolben liegen, findet man häufig kemartige Gebilde (d,e, f); ferner trifft man eben solche zuweilen in die Fasern selbst eingebettet (K).

Die Kolben sind oft deutlich von einer feinen Haut umgeben und diese Haut ist dann in zahbreichen Fällen auf die Fasern zu verfolgen. Die Haut wird besonders deutlich nach längerem Ma- ceriren in Kali causticum, wodurch sie sich, während der Inhalt sich verändert, in Falten legt

Alles beweist, dass die Kolben ein nnd desselben Ur- sprungs mit den Fasern sind. Sollte noch ein Zweifel hierüber bestehen, so würde er durch Folgendes gehoben werden müssen : Man findet nicht selten im Verlauf der Fasem Auftreibungen der verschiedensten Form, häufig spindelförmig gestaltet, kömig oder homogen, wie die Fasem von Aussehen, ohne Yacuolen oder mit solchen ganz nacli Art der Kolben versehen, oft folgen mehrere solcher Auftreibungen nach einander in einer Faser beide Dinge, diese Auftreibungen und die Endkolben sind offenbar ein und dasselbe (f und 1).

Die Fasern zeigen wie die Kolben grosse Verschiedenheiten in der Dicke, wie schon daraus hervorgeht, dass sich die ebene^ wähnten Verdickungen derselben oft auf lange Strecken ausdehnen. Gewöhnlich werden sie von 0,005 Mm. Durchmesser angetroffen bis herab zu sehr grosser Feinheit. Sie haben ganz den gelblich- weissen Glanz, und, was wenigstens die feinere unter ihnen angeht, ganz das Aussehen von elastischen Fasern. Dass sie dem elastischen Gewebe zugetheilt werden müssen, dafür sprechen die Ergebnisse, welche ihre weitere Untersuchung liefert, deutlich genug. Ihr Ver- lauf ist nämlich geschlängelt, ganz wie der elastischer Fasem. Thei- lungen trifft man zwar niemals an ihnen ; dagegen zeigen die grösse- ren öfters eine belle Linie in ihrem Inneren, welche den Eindruck

t

üntervQchnn^exi flber die Eier der Reptilien. 241

IjBHdit lis sdcD sie feine hohle Röhfchen, eine Frage, die ja auch Ifiir die ebsftisdieQ Fasern vielfach aufgeworfen worden ist. Zu- foieB ist in der That die helle Linie im Inneren der Faser so breit, liias mu ab sicher annehmen möchte, man habe es mit hohlen 'fiAitken n than. Dafbr sprechen auch die Beobachtungen von XitliBsios, welcher nach Einwirkung von Ghlorgold krümelige MedeneUige in den Fasern gesehen hat, wie v. Recklinghau- seo an distischen Fasern nach Einwirkung von Silber. Femer ttk teh nweilen an Kalipräparaten, wie N a t h u s i u s an in Canada- iidsaD eiDgetegten, deutliche Lufteinschlüsse in den Fasern (m) ; in iflderen Fallen traf ich die kömige Masse, aus welcher zuweilen die guoe Faser besteht, nur im Centrum derselben. Ganz feine Hohl- nuBDckeD, wie runde Löcherchen, welche sich oft im Lmeren einer Faser reihenweise angeordnet fanden, muss ich auf eine Entstehungs- vase ilmlich derjenigen der Hohlräume in den Kolben zurückfüh- reo (n), ebenso den Fall, wenn die Hohlräume der Kolben sich von dieses ans oft auf weite Strecken in die Fasern hinein verfolgen Itaeo. Auf diese Weise können entschieden hohle Fasern ent*

Die Fasern zeigen häufig noch eine Eigenthümlichkeit, wel- die ich hier nicht übergehen darf: ihre Begrenzung ist zuweilen nicht glatt, sondern uneben, oft scharf gezackt, oft gekerbt, zu- fälen statt der Zacken mit knopfartigen Auftreibungen versehen (o). Was die Zugehörigkeit der Schalenhaut zum elastischen Ge- webe endgültig feststellt, ist ihr Verhalten gegen Reagentien. Sie ist aogemein widerstandsfähig, insbesondere gegen Alkalien. Man Unn die Fasem mehrere Stunden in Kali causticum kochen, ohne dass sie zerstört würden und man kann sie nach dem Kochen noch monatelang in kaustischem Kali liegen lassen, ohne dass sie irgend eine Veränderung erlitten. Nur nach sehr langem Liegen in der- selben Flüssigkeit scheinen sie etwas blasser zu werden und beson- ders werden dann die Kolben blass, die grösseren unter ihnen wer- den krümelig und fallen zusammen, die Haut legt sich auf ihnen in Falten. Die kleineren glänzenden Kolben sind aber auch jetzt nkht mehr verändert wie die Fasem. Nach dreistündigem Kochen in concentrirtem kaustischen Kali traf ich keinen der grossen Kol- ben mehr. Dieselben waren offenbar aufgelöst, dagegen waren die kleinen, der Fasersubstanz ähnlichen noch vorhanden.

Nach nur 5 Minuten langem Kochen in concentrirtem kausti-

M. Sohiütae. AiüIüt t mikroik. Anfttomie. Bd. 8. 16

242 Th. Eimer:

schem Kali waren auch die grossen Kolben noch onverilndert, nur die Körnchen in ihnen waren blasser geworden oder an ihre Stelle waren wirr durcheinanderliegende kleine stabförmige Gebilde ge- treten.

Die Eischale des Chamäleons ist ganz aus denselben Fasern gebildet, wie die Schalen des Ringelnattern- und des Eidechseneies, aber es fehlen hier die Kolben, welche, wie bemerkt, bei Lacerta agilis zeitlebens klein bleiben, gänzlich. Bei den Schildkröten endlich finden wir im Bau der Eischale den Uebergang zu demjenigen des Vogeleies, indem dieselbe aus einem dichten Filz feiner Fäden zu- sammengesetzt und stark mit Kalk getränkt ist.

In der Fortsetzung dieser Arbeit werde ich mich über die Entstehung der Eischale der KeptUien zu äussern haben. Zugleich aber werde ich suchen, die Thatsachen, welche ich hier, ohne die sich theilweise von selbst aufdrängenden Folgerungen zu ziehen, einfach nebeneinander zu stellen mich genöthigt habe, an der Hand vergleichender, besonders an den Eiern der Knochenfische gemach- ter Studien in ihrem Werthe zu beurtheilen und fftr eine allgemeine Auffassung zu benutzen.

Nur auf eine der im Vorstehenden enthaltenen Angaben will ich heute noch näher hinweisen, darauf nämlich, dass von einer gewis- sen Zeit an Dotter durch Dotterhaut und Zona pellucida, ja, wie wir sehen werden, durch die Poren sehr dicker Eikapseln, allmälig sich um das Ei herum bilden können (Ringelnatter), aus diesem hin- auswandert, — denn es handelt sich dabei offenbar um eine selbst- ständige, active Bewegung der betreffenden Dottertheile.

BrUtrug der AUUdangen.

Allgemeine Bezeiohniingeii :

G GranuloBa.

Z Erste EihüllexL

Zi Eigentliche Dotterhant

Zst Zöna pellacida.

Za AeuBseres Häutchen der EihüUe.

B Bindensohicht.

IR Innere Rinde.

üntenuohungen über die Eier der Reptilien. 243

DK Dotierkrumen.

K Eeimblaeohen.

N Doiierkern.

F Fettschicht dee Dottere.

M Muchennetz.

Aa Forts&tse der Granulosasellen.

de Dott«relemente im Maschennets.

Fig. 1—4. Aqb Follikeln der Ringelnatter (Tropidonotne natrix).

> 1. Durchschnitt durch einen erhärteten Follikel

(etwa Vt ^^- Durchmesser) zeigt u. A die 'Membran des Keim- bläschens, von welcher sich der Inhalt etwas zurückgezogen hat.

> 8 und 4. Keimbläschen, die ovale Form von seitlichem Druck herrüh-

rend. A und 6 Keimflecke mit Keimpunkt und Keimpünktchen.

> 5 a. 6. Aus Schildkröten -Follikeln von etwa Va ^m- I^i^chmesser.

> 6. Keimbläschen vergrössert, mit seiner Rinden- und Markschicht.

> 7 16. Ringelnatter, Durchschnitte von erhärteten Follikeln.

Fig. 8 u. 9 (3 Mm. Durchmesser) halbschematisch As, Fig. 8 sind Fortsätze der Granulosazellen, entsprechend As in Fig. 12 u. 14. Zwi- schen ihnen in Fig. 8 und 12 eine feinere Streif ung, wahrscheinlich gleichfalls von Fortsätzen der Granulosazellen herrührend. In Fig. 7 und 8 sieht man in der Oranulosa die Trompeten, entsprechend Fig. 12. Die Membran um das Keimbläschen in Fig. 8 durch den Schnitt in Falten gelegt

» 16. Aus der glatten Natter (Coronella laevis), die Zona pell, ge- schichtet.

»17. Ringelnatter, Granulosa-Epithel. y corrigirt einen Fehler, wel- cher in Fig. 4 des Holzschnittes in meinem Aufsatz »zur Kenntniss vom Baue des Zellkemsc sich befindet, indem dort der untere Kömchenkreis falschlich durch ein Körnchen vom oberen getrennt ist, während es sich doch um ein Absprossen des letzteren vom ersteren handelt w zeigt dann die Absprossung eben vollendet und in V ist der Kern schon in zwei getheilt

> 18 24. Aus der grünen Eidechse (Lacerta viridis).

Fig. 18. Keimfleck, frisch. 19-24 Follikeldurchschnitte. » 26. Aus der Schale des gelegten Ringelnattereies. 26. Kerne aus dem Granulosa-Epithel der Ringelnatter.

Der quergestreifte Muskel.

Von Dr. Fr. Merkel,

Prosecior in Göttingen.

I.

Das primitiYe Mnskelelement der Arthropoden.

Hierzu Tafel XLlt

Uuter der grossen Reihe ungelöster, histologischer Fragen ist die nach der mikroskopischen Zusammensetzung des quergestreiften Muskelgewebes eine der interessantesten, nicht allein weil man es hier mit einem so viel verbreiteten und wichtigen Gewebe des Körpers zu thun hat, sondern weil auch die Physiologie so lange die Aktion des Muskels im Unklaren lassen muss, bis sie ein anatomisches Substrat hat, welches die Grundlage für sichere Schlüsse bilden kann. Es ist desshalb nicht zu verwundern, dass zu allen Zeiten der mikroskopischen Forschung gerade dieses Gewebe die Aufmerk- samkeit sehr in Anspruch genommen hat. und ich kann mich aus diesem Grund auch wohl enthalten, eine historische Betrachtung voranzuschicken, welche doch nur vielbekannte und vielbesprochene Arbeiten aufs Neue wiederholen würde.

Ein wenn auch nur provisorischer Abschluss der Frage ist nicht gefunden und um ein Bild von ihrem jetzigen Stand zu geben, genügt es, die neuesten Arbeiten darüber anzuführen. Krause^) fand eine Linie in der einfachbrechenden Substanz und deutet sie als eine Querplatte, welche diese Substanz in zwei Hälften theilt Ein einfaches Muskelelement besteht nach ihm also aus 72 ein- fachbrechender. Vi doppeltbrechender, und wieder einfach- brechender Substanz. Gleichzeitig mit K's. Publikation erscheint

1) Zeitschr. f. rat. Med. HI. Reihe 33. Bd. p. 266.

Der quergestreifte MaBkel. 245

ein Aufsatz vonHeosen '), welcher ebenfalls eine neue Quei*scheibe zu constatiren vermag, die aber nicht in der einfach-, sondern in der doppeltbrechenden Substanz liegt. Er wird also ein einfaches Muskelelement construiren aus 72 doppelbrechender, Vi einfach- und wieder 7s doppeltbrechender Substanz. -- Nichts wäre nun leichter, als die beiden einander diametral entgegenstehenden Ansichten zu identificiren, man brauchte nur anzunehmen, dass einer von beiden einfach- und doppeltbrechend verwechselt habe, und das Polarisa- tionsmikroskop wurde rasch den Ausschlag geben. Nun verwahren sich aber beide gegen eine Identität ihrer Bilder und bringen Er- klärungen und Entgegnungen, welche die Fehlerquellen aufdecken sollen, die die Täuschungen veranlasst haben. Um nun die Ver- wirrung auf den höchsten Punkt zu steigern, erscheint noch ein neuer Au&atz von Heppner*), welcher beide Ansichten fdr un- richtig erklärt und die neu entdeckte Linie als einfachbrechende, alles Uebrige als doppeltbrechende Substanz hinstellt. Alle andern Zeichnungen und Streifen des Muskels sind nach ihm auf trüge- rische Spiegelbilder zurückzuführen und haben keinen Werth.

Macht ein aufmerksamer Beobachter eine mikroskopische Un- tersuchung, so wird er gewiss stets der Wahrheit näher kommen und zur Lösung der gegebenen Frage beitragen, wenn der vorwärts gemachte Schritt auch manchmal nur ein kleiner ist Durch die erwähnten Arbeiten nun sind wir in der Erkenntniss der Struktur des quergestreiften Muskels sehr gefördert worden, denn es geht aus ihnen mit Deutlichkeit hervor, dass der Muskel mindestens Eine Art querer Scheidewände enthält, die man bis dahin, wenn auch schon früher mehrfach gesehen, doch noch nicht erkannt hat, und welche vielleicht einen Schlüssel zu dem noch so räthselhaften Bau des Gewebes geben.

Jedenfalls aber war es bei einer erneuten Untersuchung des quergestreiften Muskels nöthig, auf neue Hilfsmittel zu sinnen, da ja, wie der Erfolg lehrt, durch die bis jetzt gebrauchte Untersu- chungsmethode *ein befriedigender Abschluss nicht zu erreichen war. Ich glaubte, neue Resultate nur dadurch erreichen zu können, dass ich eine l[ntersuchung des gehärteten und mit Reagentien behan- delten Gewebes in seinen kleinsten Elementen aufs Engste mit der Durchforschung des lebenden Muskels verband und jede Beobach-

1) Arbeiten des Kieler phys. Isstit. 1868. p. 1.

2) DieseB Arohiy Bd. Y. p. 137.

246 Dr. Fr. Merkel:

tung, die ich hier oder dort gemacht hatte, durch Auffindung an dem correspoudirenden Präparate bestätigte und vollkommen erwies. Ich glaube durch diese wechselseitige Controle einer Menge von Fehlerquellen aus dem Weg gegangen zu sein, die eben in der ei- genthümlichen Anordnung des Muskels liegen. Denn Nichts ist wahrer, als der vielfach ausgesprochene Satz, dass die Muskelfaser ein Convolut von spiegelnden Flächen ist ; und da diese Flächen so sehr regelmässig angeordnet sind, ist auch die Spiegelung eine äusserst regelmässige und zu Trugschlüssen auffordernde, so dass ich keine Beobachtung, die an dem unversehrten Primitivbundel ge- macht war, für richtig hielt, bis ich sie an gehärteten Fibrillen wiederholt hatte. Denn an letzteren ist die Spiegelung durch Ge- rinnung des Inhaltes aufgehoben und die Strukturverhältnisse sind natürlich an einem so feinen und durchsichtigen Element weitaus leichter zu analysiren, als es bei den relativ dicken Primitivbündeln der Fall sein kann. Bezüglich der gehärteten Muskelpräparate be- gegnet man in den bisherigen Arbeiten einena empfindlichen Mangel, es ist nämlich durchweg zu wenig oder gar keine Rücksicht auf die verschiedenen Contraktionszustände genommen worden und ich glaube darin den Grund der bisher stets vergeblichen Bemühungen suchen zu müssen.

Bevor ich nun zur Besprechung meiner eigenen Untersuchungen übergehe, will ich noch bemerken, dass als Erhärtungsflüssigkeit fast durchweg Alkohol von 50— 100<> benutzt wurde. Es wurden zwar noch andre Conservirungsmittel angewandt, wie Osmium, Pla- tinchlorid, Chromsäure, MüUer'sche Fiüssigkeit etc. etc., aber meist kehrte ich zum Alkohol zurück, den ich bald als das weitaus scho- nendste und bequemste Härtungsmittel kennen gelernt hatte, wie ja auch Bowman^ schon von ihm die Eigenschaft rühmt, die Querstreifen der Muskeln vollständig unversehrt zu erhalten.

Die Muskelsubstanz mit vollkommen und durchweg ausgebil- deten Querstreifen kommt bekanntlich besonders den zwei grossen Gruppen der Wirbelthiere und Arthropoden zu. Bei den ersteren ist die Streifung sehr gleichmässig und zierlich, bietet jedoch durch die Feinheit ihrer Struktur selbst starken Vergrösserungen mancher- lei Schwierigkeiten dar. Die Muskeln der Arthropoden haben da- gegen sehr breite bandartige Querstreifen, welche selbst bei massi- gen Vergrösserungen leicht zu untersuchen sind. Ausserdem findet

1) PhiL Transact. 1840. pt. II. p. 473.

Der quergeitreifte Muskel. 247

sich bei vielen von ihnen noch eine Art von Muskulatur, die vor Allem zu einer Untersuchung auffordert, nämlich die eigenthümlich gebauten Muskeln des Thorax, welche bekanntlich schon in frischem, noch contractionsfahigem Zustand eine bequeme Untersuchung ihrer colossalen Elemente und Fibrillen gestatten. Ich will desshalb auch mit deren Beschreibung beginnen.

L^ man eine dicke Partie solcher Muskulatur, einer eben getöteten Fliege oder Biene entnommen, ohne weitere Behandlung anter das Mikroskop, so sieht man ausser der krümeligen Masse, welche die Fibrillen umgibt, nichts weiter als eine diesen entsprechende Längsstreifung und nur selten kommt eine undeutliche Querstreifung zur Beobachtung. Der Versuch, einzelne Fibrillen zu untersuchen, misslingt stets, da die durchtränkende Flüssigkeit in so geringer Menge vorhanden ist, dass kleinere abgetrennte Partikel stets sofort trocknen und unbrauchbar werden. Es musste desshalb eine Zu- satzflflssigkeit gesucht werden, welche die Fibrillen deutlicher über- blicken liesS; ohne sie jedoch zu verändern. Wasser erwies sich als ganz ungeeignet. Die Fibrillen zeigten die Querstreifung nicht besser, verloren alle Elasticität, wurden bald undurchsichtig und starben mit iinem Worte sogleich ab. Ein Versuch mit ganz frischem, gewöhnlichem Hühnereiweiss dagegen gelang vortrefflich, und als besten Beweis für die Güte dieses Untersuchungsmittels brauche ich nur anzuführen, dass allein hierin die Contractionen ohne Schwie- rigkeit zu beobachten sind.

Das erste, was an einem solchen Präparate auffällt, ist die sehr klare und scharfe Querstreifung, welche an keiner Fibrille ver- misst wird (Fig. 1 e). Dieselbe wird erzeugt durch scharf begrenzte, glänzende, stark lichtbrechende Linien, welche in regelmässigen Abständen quer durch die Fibrillen gelegt sind. Durch Heben und Senken des Tubus und besonders an schief liegenden Fibrillen ist sehr leicht zu constatiren, dass maji Scheiben vor sich hat, welche die Faser in Abtheilungen theilen. Ausser diesen starken, zuerst in die Augen fallenden Linien findet man noch eine breite, verwaschen nach beiden Seiten auslaufende Stelle (Fig. 1 c), welche dunkler ist, als der übrige Theil der Fibrille, der im Lichtbrechungs- vermögen mit dem zugesetzten Eiweiss gleichsteht. Dies ist das Aussehen der lebenden Thoraxfibrille im Ruhezustand.

Was nun die mit Reagentien behandelten lebenden Fibrillen betrifft, so ergeben Müller'sche Flüssigkeit, Ghromsäurelösungen,

248 Dr. Fr. Merkel:

die von Hensen (1. c.) empfohlene VioVo Osmiumsäuref wie schon erwähnt, keine Resultate. Die Fibrillen zeigen sich meist ganz ho- mogen, ohne eine Spur der in Eiweiss so ausnehmend schön sicht- baren Querstreifen. Auch Alkohol versagt leider den Dienst, oder ist vielmehr im Stande, durch allerlei Trugbilder auf Irrwege zu fahren. Mit diesem Reagens behandelte Fasern sind nämlich meist ebenfalls ganz homogen, ändern aber ihre Beschaffenheit bei der geringsten Zerrung. Da nun bei der Bereitung eines Präparates durch die Manipulation des Zorfaserns eine solche Zerrung nicht zu vermeiden ist, so hat fast jede Fibrille je nach dem Grade dei Dehnung eine andere Gestalt. In Fig. 3—6 habe ich die häufigsten Formen abgebildet. Als ich erst die Entstehung dieser Bilder er- kannt hatte, war es mir leicht, sie willkürlich durch angewandtei Zug zu erzeugen. Gerade die Gewissheit aber, dass man hier ledig- lich Eunstprodukte vor sich hat, gab zu denken, denn es müssen die zwar verschiedenen aber stets äusserst regelmässigen Formen durch irgend einen stets vorhandenen Grund hervorgerufen werden. Als diese formbcstinmiende Ursache nun lassen sidi Querscheiben nachweisen, welche die Fibrillen In regelmässigen Abständen quer durchsetzen. Aber merkwürdiger Weise findet sich hier, besonders in sehr ausgedehnten Fibrillen nicht Eine Querscheibe, wie man nach dem frischen Präparat (P'ig. 1 c) hätte vermuthen sollen, son- dern deren zwei, von denen die eine stets dunkler und dicker ist, als die andere (Fig. 6 e, m). Die Scheiben stehen altemirend und zwar so, dass je zwd von einer Sorte am Ende eines einfachen Muskelelementes liegen, während je eine Scheibe der andern Sorte genau die Mitte desselben einnimmt. Es zeigt sich diess an jeder Fibrille, denn mag man nun beide, oder nur die eine der beiden Scheiben sehen, stets wiederholen sich die morphologischen Bestand- theile des Muskels so, dass der Raum von drei Scheiben erforder- Uch ist, um ein Element zu bilden. Wenn diese altemirenden Quer- scheiben auch noch nicht beschrieben sind, so sind sie doch schon mehrfach gesehen und von vorurtheilsfreien Beobachtern abgebildet Schon Kölliker zeichnet in seiner mikroskopischen Anatomie Fig. 79 b eine Fibrille, die diese Verhältnisse nicht verkennen lässt. Auch Hensens Fig. 5 A (l.c) zeigt sie aufs Beste.

Legt man eine Fliege nur auf wenige Stunden in absoluten Alkohol und macht dann in möglichst schonender Weise ein Präpa- rat, so gelingt es, Fibrillen zu isoliren, welche die beiden Arten von

Der qaergeBtreifie MuBkel. 249

Querscbeiben zeigen, während sie sonst ganz homogen sind (Fig. 7). Diese Präparate sind sehr schön, und man gewinnt die Ueberzea- gttng, dass die dicke Querscheibe des gehärteten Präparates mit der einzigen Querscheibe des frischen Präparates identisch ist. Dies lässt sich nun aber durch einen sehr einfachen Versuch auch end* giltig beweisen. Setzt man nämlich zum Aikoholpräparate verdünnte Essigsäure 0 zu, so quellen die Fibrillen in einer sehr zierlichen Weise auf, wie es in Fig. 8 wiedergegeben ist. An der Seite ent- stehen bauchige Hervortreibungen, dadurch hervorgebracht, dass die Querscheiben der Quellung stärkeren Widerstand leisten^ als die Seiten wände. Doch geschieht dies nicht in gleicher Weise, sondern die dicke Querseheibe ist widerstandsfähiger als die dünne, oder mit andern Worten, es entstehen an der Stelle der dickeren Quer- scheibe stärkere Einziehungen (e), als da wo die dünne Scheibe (m) mit der Seitenwand zusammenstösst. Behandelt man dann eine frische in l^weiss, oder da dieses durch die Säure zu leicht gerinnt, besser eine in .Wasser liegende Fibrille ebenso, so bekommt man unter Lösung der verwaschen auslaufenden Substanz (c) genau das- selbe Bild, und zwar liegt die starke Einziehung an der Stelle der scharf oonturirten Linie (e). Nur bei Zusatz von ganz ausnehmend schwacher Essigsäure kommen die beiden Linien zum Vorschein, nimmt man sie etwas zu stark, so löst sich sofort die schwache Linie auf und die zu derselben gehörige Einziehung fehlt. Ueberhaupt sind diese Fibrillen so zart, dass sie frisch auch der schwächsten Säure nur sehr kurze Zeit Widerstand leisten.

Da es nun bei der Zartheit des frischen Präparates und bei der Wichtigkeit einer vollkommen sicheren und stets möglichen ControUe wünschenswerth war, gehärtete Präparate zur Verfügung zu haben, so bemuhte ich mich, trotz der oben erwähnten ungünsti- gen Erfahrungen, doch noch ein derartiges Präparat zu bekommen and fand endlich, dass dies gelingt, wenn man nur, statt den ganz frischen Muskel zu benutzen, abwartet bis er todtenstarr ist. In diesem Zustand bekommt man die prachtvollsten ruhenden Fibrillen '), ond ist im Stande, die am frischen Muskel so schwierigen Versuche leicht und ohne Mühe zu wiederholen. Die Resultate sind absolut die gleichen, und die starke und die schwache Linie durch den Al-

1) Hat man die Essigsäure zu stark genommen, so kann man darch Zofliessenlassen von etwas Liqu. ammon. caost. leicht abhelfen*

2) Yergl. Hensen 1. a p. 2.

260 Dr. Fr. Merkel:

kohol widerstandsfähiger gemacht, besser zu sehen, als am frischen Präparat.

Die beschriebenen Versuche mit Essigsäure beweisen nun, das» die Fibrillen des Thorax von einer fest schliessenden Membran umgeben sind, die durch die Quellung zeigt, dass sie bis zu einem gewissen Grade widerstandsfähig ist. Dann ergibt sich aus den Einziehungen am Anheftungspunkt der Quermembranen, dass diese mit der Seitenmembran aufs Innigste verbunden sind. Aus der vollkommenen Gleichartigkeit des Verhaltens gegen Reagentien und das durchtretende Licht lässt sich sogar der Schluss ziehen, dass die helle Quermembran und die Seitenmembran aus Einem Stoffe gebildet sind. Dass die Elasticität der dunkelen Querscheiben eine viel geringere ist, als die der hellen, gebt aus einem weiteren Ver- suche hervor. Legt man Fibrillen auf 12—24 Stunden in eine concentrirte Lösung von Cupr. sulf., so schrumpfen sie ein, es wird also eine der Essigsäure entgegengesetzte Wirkung erzielt Hier- durch gewinnt die Fibrille ein Ansehen, welches sich am besten mit einem Bambusrohr vergleichen lässt; die Seitenmembranen sinken ein und werden nur durch die Querscheiben, wie durch Spreizen auseinandergehalten. Bei diesen Präparaten nun ist die dunkle Querlinie (e) die breitere, die helle (m) dagegen die schmalere (Fig. 9). Die entgegengesetzten Versuche mit Essigsäure und Kupfer lehren nun, dass die dunkle Querlinie ziemlich fest und starr ist, während die helle sich beweglich der jeweiligen Form der Faser anschmiegt. Es sind dies Unterschiede, welche zu beweisen schei- nen, dass man zwei völlig verschiedene Dinge vor sich hat, und doch ist dem nicht so, wie mit Leichtigkeit nachzuweisen ist. In 507oigem Alkohol eingelegte Thoraxfibrillen werden in einigen Tagen so macerirt, dass sie in einzelne Stückchen zerfallen (Fig. 10 a). Dieselben haben alle die gleiche Länge und sind sämmtlicb quer abgeschnitten. In jedem Präparat aber finden sich ausserdem genug Fibrillenstücke, wo der Zusammenhang noch zum Theil gewahrt ist, und solche die gar nicht verändert sind. Eine Essigsäureprobe gibt den deutlichen Beweis (Fig. 10 B), dass die Trennung an der Stelle erfolgt, welche der starken Querlinie entspricht. Häufig beobachtet man, wie es auch in der Zeichnung wiedergegeben ist, kurze Stück- chen, deren innere Glieder die ganz regelmässige Quellung mit der bezüglichen Einziehung zeigen, während die Endglieder glockenför- mig ausgebogen sind. Dieses Verhalten scheint mir zu dem Schluss

Der quergestreifte Muskel. 261

ZU berechtigen, dass man die starke Linie auf zwei aneinanderge- kittete Platten zurückzuführen hat, von denen jede der in der Mitte des Ifuskelelementes liegenden gleicht, und dass hauptsächlich die Eittsnbstanz, die sie verbindet, gegen Essigsäure resistent ist; wird sie auf irgend eine Art entfernt, so dass die Säure auch auf die Membran selbst einwirken kann, so verhält diese sich genau so, wie die mittlere Scheibe.

Die bis jezt besprochenen Theile kann man als accessorische Gebilde des Muskelelementes bezeichnen, die demselben als Hülle und zur Stütze dienen. Ich werde sie nun in Folgendem der Kürze wegen folgendermassen nennen:

1) Die Röhre mit rundem Durchschnitt, welche das Muskel- element an den Seiten begrenzt und durch Essigsäure hervorge- baucht wird, nenneich: Seitenmembran.

2) Für die Scheidewand, welche genau in der Mitte eines Mus- kclelementes ausgespannt ist, benutze ich den Hensen'schen Aus- druck : Mittelscheibe. D ieser Ausdruck passt auch im Hensen'- schen Sinn, wie das Folgende zeigen wird.

3) Die der Mittelscheibe analogen Membranen, welche das Mttskelelement auf beiden Seiten schliessen, nenne ich: End Schei- ben, werde jedoch der Bequemlichkeit halber bei Besprechung der unversehrten Muskelfaser die zwei zusammengehörigen Endscheiben mit der zwischenliegenden Kittsubstanz ebenfalls schlechtweg »End- scheibe« nennen.

In allen mir bekannt gewordenen früheren Publikationen, aus- genommen der von Hensen (1. c), sind nur die Endscheiben der Thoraxfibrillen als alleinige Querstreifung beschrieben und abgebildet, die eigentliche contractile Substanz ist unbekannt geblieben. Auch Hensen scheint mir den Ruhezustand nicht vollkommen richtig zu zeichnen, die Contraction aber (1. c. Fig. 5 c) ist bis ins kleinste Detail getreu wiedergegeben.

Besieht man nun eine ruhende Thoraxfibrille, so fällt ausser den beschriebenen Endscheiben noch die in Fig. 1 mit c bezeichnete, verwaschen nach beiden Seiten auslaufende Stelle auf, und sie ist es, welche man als contractile Substanz bezeichnen muss. Denn dass sie eine Substanz ist, welche sich von dem übrigen Inhalt des Muskelelementes unterscheidet, geht daraus hervor, dass sie ein an- deres Lichtbrechungsvermögen bezitzt, als die umgebende Flüssig- keit Die Substanz ist von relativ dunklem Ansehen und dokumen-

252 Dr. Fr. Merkel:

tirt ihre feste BeschaffeDheit dadurch, dass sie den Gontar der Mit- telscheibe, einer gaaz unzweifelhaft festen Substanz vollständig ver- schwinden lässt, d. h. mindestens dasselbe Lichtbrechungsvermögen besitzt, wie diese. Dass der übrige Inhalt des Muskelelementes flüssig ist) bedarf wohl keines Beweises. Die ganzen Lichtbrechungs- verhältnisse kommen in einem solchen Grad denen der umgebenden Flüssigkeit gleich, dass es sogar oft Mühe macht, die Randconturen über diese Stellen weg zu verfolgen. Nachdem nun durch die eben besprochenen Untersuchungen der Bau der ruhenden Thoraxfibriile völlig erkannt war, musste auch noch der Contractionszustand näher untersucht werden. Derselbe ist ausserordentlich schwer zu Gesicht zu bekommen, denn die Thoraxmuskulatur der Insekten enthält, wie schon erwähnt, so wenig durchtränkende Flüssigkeit, dass Prä* parate nur auf Augenblicke feucht zu erhalten sind. Dieser raschen Verdunstung sowie einem hohen Grad von Klebrigkeit, der diese Muskeln auszeichnet^ und sie auf dem Objektträger förmlich fest- kittet, sind nach meiner Meinung die negativen Resultate so vieler Beobachtungen zuzuschreiben. Kölliker') und Kühne') haben es selbst mit Elektricität versucht, aber keine Resultate erzielt, wodurch letzterer, der sogar an ganzen Thieren experimentirte, ver- anlasst wird, den Thoraxfibrillen ihre muskulöse Natur ganz abzu- sprechen. Da jedoch Weismann >) und neuerdings Hensen^) trotz aller Schwierigkeiten die Contractionen direkt beobachten konnten, so war ihre Eigenschaft als Muskelti nicht mehr zu be- zweifeln.

Es gelang mir jedoch äusserst selten, an den ganz frischen unbenetzten Fibrillen von Fliegen (Musca domestica, vomitoria) und Bienen eine Contraction wahrzunehmen und auch dann nur an der ganzen Masse und nicht an einzelnen isolirten Fibrillen. An Prä- paraten, die mit Eiweiss behandelt sind, schwinden alle Schwierig- keiten und die grösste Mehrzahl der Fibrillen zieht sich langsam und gleichmässig zusammen. Allerdings darf ich nicht verschwei- gen, dass die Fibrillen niemals wieder in den Ruliezustand zurück- kehren, sondern in Contraction absterben, und man könnte mir deo Einwurf machen, dass hier gar kein Lebensakt vorliege, sondern dass

1} Mikroscop. Anat. p. 263.

2) Peripher. Endorgane der mot. Nerv. Leipz. 1862. p. 32. Anm.

8) Zeitschr. f. rat. Med. 3. Reihe. Bd. 16. p. 72.

4) 1. c p. 8.

Der quergestreifte Muskel. 268

die Fibrillen schon vorher abgestorben waren und nur vermöge ihrer Elasticität sich allm&hlig verkürzen. Doch glaube ich diesem Einwurf mit Erfolg begegnen zu können. Erstens nämlich ziehen sich die Fibrillen nicht alle zu gleicher Zeit zusammen, sondern die einen firOher, die andern später, je nachdem die Lebensfähigkeit der einzelnen ist Dann ist bei verschiedenen Priiparaten der Unterschied in der Schnelligkeit der Contraction ein beträchtlicher. Der wich- tigste Beweis ist aber der, dass abgestorbene Fasern keine Verän- derung erleiden sondern stundenlang ganz die gleiche Grestalt bei- behalten. Einen dritten Beweisgrund werde ich weiter unten an- fügen.

Wenn nun an einer solchen Fibrille die Contraction beginnt, so nimmt man zuerst ein näheres Zusammenrücken der dunkelen, scharf conturirten Endscheiben (e) wahr, ganz allmählig lässt sich dann audi die zuerst unmerkliche Verbreiterung der Fibrille wahr- nehmen und damit zugleich eine beträchtliche Verschmälerung der verwaschenen Stelle (c), die ich als contractile Substanz bezeichnet habe. Ist die Contraction vollendet (Fig. 2), so sieht man die End- scheiben einander stark genähert, die früher verwaschene Stelle aber relativ scharf begrenzt (m) in der Mitte zwischen diesen. Bei flüch- tiger Betrachtung könnte es nun scheinen, als habe die Fibrille ein- fach das, was sie in der Längsrichtung verlor, in der Querrichtui^ ersetzt, ohne weitere erhebliche Veränderungen einzugehen. Dies ist jedoch keineswegs der Fall, sondern die verwaschene Stelle (m) hat sich abgesehen von ihrer schärferen Begränzung ganz unver- hältnissmässig verdünnt, während die Endscheiben (e e) nicht wie es zu erwarten stand, durch das Ausdehnen nach allen Seiten ver- dünnt, sondeni sogar verdickt erscheinen. Dieses äusserst räthsel- hafte Resultat, welches so vollkommen von allen bisherigen Beobach- tungen abweicht, erklärt sich, wenn man die gewöhnlichen querge- streiften Mnskel£Eisem der Arthropoden und Wirbelthiere beobachtet.

Es zeigt sich hier, dass die contrahirte Muskelfaser in ihrer histologischen Struktur verilndert ist und nicht, wie man bisher glaubte, ein gleichwerthiges, nur etwas kürzeres und dickeres Ge- bilde, als die ruhende Faser darstellt. Die Veränderung besteht darin, dass die contractile Substanz, welche in der ruhenden Faser am die Mittelscheibe eines jeden Muskelelementes angehäuft ist, bei der Contraction diesen Platz verlässt und sich an die bezüglichen Endscheiben anlegt, wie es schematisch in Fig. 22 A. B. gezeichnet

254 Dr. Fr. Merkel:

its. Anstatt dass also, wie in der Ruhe, das Element in seinerMitte einen ganzen Querstreifen enthält, zeigtes in der Thätigkeit je einen halben an beiden Enden.

Aus dieser höchst merkwürdigen Art der Contraction erkKrt sich sofort die ganze Gestaltveränderung der zusammengezogenen Thoraxfibrille und es ist dies auch gewiss der sicherste Beweis, dass ihre Verkürzung eine aktive und nicht eine passive ist.

Dieses Ergebniss der angestellten Untei^suchungen war ein so unerwartetes, dass ich längere Zeit glaubte, durch die Forderungen der Physiologie auf einen Irrweg geführt zu sein, und erst als mir vielfach wiederholte und variirte Versuche stets die gleichen Beweise für die Wahrheit der eben ausgesprochenen Ansicht gaben, war ich sicher, keiner Täuschung zum Opfer gefallen zu sein.

Das erste, was nun nachgewiesen werden musste, war die Zu- sammensetzung der Muskelelemente, denn da die Thoraxfibrillen in gar mancher Beziehung von den übrigen Muskeln verschieden sind, so konnte man durchaus nicht sicher sein, ob wirklich ein vollkommen analoger Bau des primitiven Elementes der gewöhnlichen Muskel- faser vorhanden war. Doch ist es leicht sich zu überzeugen, dass dem wirklich so ist Hier wie dort besteht der membranöse, acces- sorische Theil eines Muskelelementes aus einer in sich röhrenartig geschlossenen Seitenmembran, die oben und unten durch eine End- scheibe geschlossen ist und durch die Mittelscheibe in zwei gleiche Hälften getheilt wird. Sowohl frische, als auch gehärtete oder ma- cerirte Präparate sind für die Beweisführung brauchbar. Zieht man einem eben getödteten Insekt ein Bein aus, so reissen die Muskeln durch. Aber nie kommt es vor, dass sie an einer andern Stelle reissen, als an der Endscheibe. Stets endet beim ruhenden Muskel die Linie in der schwach Uchtbrechenden Substanz die Faser, was man besonders gut sieht, wenn man die Strukturverhältnisse durch Zusatz irgend eines Farbstoffes deutlicher macht. Viele Fasern sind freilich am abgerissenen Ende zu einer völlig homogenen Masse umgewandelt oder fetzig zerrissen, was ganz besonders an contra- hirten und sehr lebenskräftigen Muskeln beobachtet wird. Hieran ist nichts zu sehen. Am sichersten bekommt man wohlerhaltene, ruhende Fasern, wenn man wartet, bis die Beizbarkeit des Muskels etwas abgenommen hat ; hier findet man dann stets eine völlig glatte, quere Bissfläche, die mit der erwähnten Stelle zusammenfällt Einen sehr schlagenden Beweis für eine Zusammensetzung der in Rede

Der quergestreifte MuBkel. 255

Stehenden Linie fuhrt man ferner, wenn man Muskelfibrillen, die in Alkohol erhärtet sind, zerrt. Hier findet man, dass die Linie, die vorher in der gewöhnlichen Weise einfach erschien, auseinander gewichen ist, und sich in drei Theile getheilt hat, die beiden End- scheiben, die ebenso zart aussehen, wie die Mittelscheibe und die sie Terbindende Kittsubstanz welche eine dicke und stark lichtbrechende Linie darstellt (Fig. 20). Oft genug bekommt man auch unfrei- willig solche auseinandei^ewichene Endscheiben, denn eine Zerrung kommt bei der Präparation leicht vor. Mit Vermeidung jeden Zu- ges schonend herausgenommene Fasern zeigen stets nur eine einzige scharf begränzte Linie.

Mit nicht ganz concentrirtem Alkohol behandelte Fasern zer- fallen oft durch Zerzupfen oder Druck auf das Deckgläschen in ihre Elemente und auch hier überzeugt man sich von derselben Thatsache (Fig. 18). Häufig ist allerdings die freiliegende Endscheibe gar nicht oder nur mit Mühe zu sehen; der Zusatz von etwas Essig- säure genügt jedoch, um sie stets deutlich sichtbar zu machen, wenn sie vorhanden ist Hier und da kommt freilich selbst bei Säurezusatz keine Endscheibe zum Vorschein, wenn das spröde Al- koholpräparat an der Gränze der doppelbrechenden Substanz durch- gebrochen ist (Fig. 18).

Setzt man zu einer frischen Arthropodenfaser, um kein Be- weismittel zu vernachlässigen, schwache Essigsäure zu, so quillt sie ganz in derselben Weise auf, wie die Thoraxfibrillen (Fig. 11), nur mit dem Unterschied, dass die Mittelscheibe so nachgiebig ist, dass ihr fast niemals eine zweite kleinere Einkerbung des Bandes ent- spricht, wie bei den Thoraxfibrülen. Dafür ist aber die Einkerbung der Endscheiben eine um so schönere. Nur bei Bombus terrestris habe ich an den Rüsselmuskeln sehr schön die Einziehung der Mit- telscheibe gesehen. Bei dieser Behandlung ist es ganz gleichgül- tig, ob man ganze Fasern, oder kleinere Abtheilungen oder einzelne Fibrillen vor sich hat. St^ets bekommt man dieselben ausgebauchten Muskelelemente. Ganz besonders gut geeignet zur Demonstration dieser Verhältnisse ist die Scheerenmuskulatur von Astacus fluvia- tilis. Die leicht zu isolirenden Fibrillen geben äusserst zierliche perlschnurartige Bilder (Fig. 19 B).

Es ist nun bezüglich der membranösen Hülle des Muskelele- mentes im Vorstehenden der Nachweis geliefert, dass die Endmem- branen jederseits dasselbe schliessen, und dass nicht, wie Krause

256 Dr. Fr. Merkel:

behauptet, je eines immer zwei Maskelelementen gemeinsam ist Schon der negative Beweis würde genügt haben, dass man in keinem Präparat eine Faser findet, welche offen, d. h. ohne Endscheibe endigte. Wäre Krause's Ansicht richtig, so müsste ja der einen Hälfte die Endscheibe mangeln, da sie stets an der andern Hälfte hängen bliebe. Aber man kann auch ausser der oben schon erwähn- ten Zerrung einen weiteren positiven Beweis beibringen, wenn man nämUch Fasern aufsucht, welche nur halb durchgerissen sind. Hier sieht man, besonders nach Anwendung von Essigsäure (Fig. 11) mit der grössten Deutlichkeit, dass jede Rissfläche mit einer Mem* bran geschlossen ist, dass also die Endscheiben doppelt li^en 0.

Dass die membranösen, accessorischen Gebilde des gewöhnli- chen Arthropodenmaskels ganz denen der Thoraxiibrillen gleichen, kann nach dem Vorstehenden keinem Zweifel unterliegen. Was nan die eigentliche contractile Substanz anlangt, so ist sie hier be- deutend leichter nachzuweisen, als an der Thoraxmuskulatur. Die- selbe besteht an der ruhenden Faser aus einem breiten dunklen Band, welches zu beiden Seiten der Mittelscheibe liegt, und nach Brücke's bekannter Entdeckung doppeltbrechend ist. Die Mittel- scheibe selbst ist schwer zu sehen, nur an ganz frischen, dem le- benden Thier entnommenen Fasern findet man sie, hier allerdings auch ganz regelmässig. Behandelt man aber frische oder gehärtete Muskeln mit Essigsäure, und färbt sie darauf ganz schwach mit Jod- tinktur, so pflegt sie schön sichtbar zu werden ; doch muss man sich hüten, Fasern zu nehmen, die zu lange in starkem Alkohol gelegen haben, indem diese entweder ganz unempfindlich gegen Säure sind, oder nur sehr träge und unvollständig reagiren.

Ueber den Aggregatzustand dieser contractilen Substanz ist Vieles gesprochen und geschrieben worden, ohne dass man über blosse Hypothesen hinausgekommen wäre, und vollständig wird man ihn mit unseren jetzigen optischen und chemischen Hilfsmitteln wohl nie ergründen können. Was aber mit Sicherheit darüber aus-

1) Krau 8 6 'a Vermach der Maceration yon Muskelfasern in 3%iger Essigsäure beweist natürlich nur» dass man ein festes in Essigsäure un- lösliches Gebilde vor sich hat, aber durchaus nicht mehr. (Motor. End- platten. Hanooy. 1869 p. 26;. Wenn er, ohne ernstliche Isolationsversuche gemacht zu haben, diese Membran f&r einfach erklärt, so ist ihm der Vor- wurf zu machen, dass er nicht noch anders behandelte Präparate zu Rathe gezogen hat, die seinen negativen Beweis bald umgestoseen haben würden.

Der oaftTffMtteifte Muskel. 267

gesagt werden kann» ergibt sich auB der Betrachtung des Contrac- tioBSTOiganges und iob wende mich nim zn dessen Beschreibung.

Dfua erste was mir eine lange Zeit hindurch stets bei der Be- obachtung lebender sich zusammenziehender Fasern auffiel, war der Umstand, daas eine ruhende Faser anfing sich langsam zu bewegen, dass diese Bewegung dann schneller wurde und dass schliesslich der contrahirte Zustand zur Beobachtung kam. Einen Uebei^ang aus der einen Form in die andere konnte ich niemals zu Gesicht bekommen. Vergebens sah ich mich nach einem Schmalerwerden d^ Querstreifen, oder einem Zus&mmenrQcken derselben um. Immer und immer wieder entwischte dieser Moment meiner gespannten Aufinerkaamkeit und ich verzweifelte zuletzt überhaupt an dem Ge- lingen meiner Versuche. Besonders schlecht war es mir mit der Betrachtung der Gontraction an Krebsmuskeln ergangen, indem hier regelmässig ein Zeitpunkt eintrat, wo mir die ruhende Faser entschwand und nichts zu sehen war ; wenn ich dann die Faser wieder zu Gesicht bekam, war sie contrahirt und es war zu spät. Ganz ebenso ging es mir, wenn ich an einer solchen Faser die RQddEehr zur Ruhe beobachten wollte; auch hier entwischte der kritische Moment meinen Augen.

Schon wollte ich meine Beobachtungen ganz aufgeben, als mir plötzlich das gehärtete Präparat Aufschluss gab. An Krebs- scheeren, die man noch lebend in absoluten Alkohol eingelegt hati dringt nimlioh das Härtungsmittel wegen der festen Schalenbeklei- dung nur langsam ein. Dadurch kommt es, dass die zunächst der Schale gelegnen Theile der Fibrillen in contrahirtem Zustand hart werden, du der B^iz, den der Alkohol austtbt, sie zur Gontraction bringt Die weiter nach der Mitte der Scheere gelegenen Theile dagegen find acbon abgestorben, wenn der Alkohol bis zu ihnen dringt, und yerbleiben daher im Buh^zustand. Isohrt man nun kleine Theile solcher Fasern, so sieht man (Fig. 19) auf die ruhende Stelle eine yersehieden lange folgen, welche ganz homogen und glänz^id ist, aber durchaus keine Struktur zeigt, an welche sich dann wieder das sogleich zu beschreibende Bild des contrahirtcn Muskelz schUesst. Der Uebergang ist aber, wie auch auf der Zeich- nung zu sehen, kein plötzlicher, sondern ein allmähliger, sowohl an der ruhmden, wie an der contrahirten Seite. Früher hatte ich diesen Theil der Muskelfaser stets ausser Acht gelassen, und als sdilecht conserrirt flbersehen^ und ich bin gewiss, dass es vielen

M. fldraltM, ArohiT t mSkrotk, Axuitoinie. Bd. 8. 17

258 Dr. Fr. Merkel:

andern Beobachtern ebenso gegangen ist. Denn ist man erst an dieses Verhalten aufmerksam geworden, so findet man es an einer so grossen Menge von Fasern, dass es unbegreiflich erscheint, wie man dieses constante Vorkommen übersehen konnte. Eine nicht geringe Anzahl von Forschem hat auch wirklich schon erwähnt^ dass nicht selten ein vollkommen homogenes Aussehen der Moakelfasern vorkommt, ich brauche nur z. B. auf die Handbücher von KöUi- ker und Frey zu verweisen—, doch gelang es bis jetzt noch nicht, den Schlüssel zu diesem Verhalten zu finden, wesshalb es eigentlich stets nur als Curiosum erwähnt ist.

Nachdem ich nun so einen Anhaltspunkt fUr weitere Unter- suchungen am lebenden Muskel gefunden hatte, wandte ich mich wie- der diesem zu, und kam jetzt nie wieder in Verlegenheit bei der Deu- tung der bezüglichen Bilder. Stets fand ich nun, dass man die drei Stadien : Ruhe. Auflösung, Gontraction auf einander folgen sieht

Die breiten Bänder der contractilen Substanz, werden zuerst etwas schmaler und dunkler, wie es auch Hensen schon beschreibt und abbildet (1. c. p. 7 und Fig. 4), dann verschwinden sie gänzlich und mit ihnen jede Andeutung von Querstreifung. Zuletzt erst verbreitert sich die Faser und es treten die enger zusammenge- rückten Streifen des Gontractionszustandes auf. An frischen Mus- keln aber, welche von rasch sich folgenden, kräftigen Gontractions- wellen durchlaufen werden, ist das Zwischenstadium nur auf ein oder wenige Muskelelemente ausgedehnt und die Beobachtung ist sehr schwierig und erfordert viele Aufmerksamkeit und gute Mi- kroskope. Verliert die Faser dann etwas an Lebenskraft, so geht die Gontraction langsamer vor sich und es zeigt inmier eine be- trächtliche Strecke das jeweilige Stadium. Zuletzt, wenn der Mus- kel am Absterben ist, contrahiren sich nur noch einzelne TheOe, oft nur die eine Seite der Faser, und die Bilder, die man von solchen Präparaten bekommt, sind die instructivsten.

Reisst man einer Fliege ein Bein aus, so findet man oft unter den heraushängenden Fasern solche, die, wahrscheinlich durch den Reiz, den das Abreissen verursacht, nur zwischen Gontraction und homogenem Zwischenstadium wechseln, wo die breiten Bänder des ruhenden Muskels überhaupt nicht wiederkehren. Dieser Zustand wurde schon von Montgomery^) beobachtet und sehr txeSinid

1) Centralblatt f. med. WiBsensch. 1870. Nr. 411, p. 168.

Dar qaergeitreifte Miukel. 269

beschrieben. Allerdings fand dieser Autor keine Erkläning und naante den Vorgang wohl desshalb „unheimlich'*. Es hielt auch die krameligen und flockigen Massen, die hier ebenso, wie in den Thoraxmuskeln der Insekten Torkommen, flUschlich fQr sarcous ele- ments. Diese Gebilde kommen nur desshalb in dem Zwischensta- dium deutlicher zum Vorschein, weil sie nicht mehr durch die Quer- stmfung verdeckt sind.

Es könnte nun scheinen, als ob ein solches Zwischenstadium ganz nutzlos wäre, wenn doch zum Zustandekommen der schliess- lichen Gontraction die Querstreifung wieder erscheint. Um das Phänomen in seiner ganzen Bedeutung zu erklären, ist es nöthig eist den contrahirten Zustand genau zu betrachten.

Zerzupft man eine gehärtete contmhirte Faser in möglichst feine Fibrillen, so findet man ein der uncontrahirten Faser sehr ähnliches Bild. Dickere Querstreifen wechseln mit einer feineren Qnerlinie regelmässig ab. Die Querlienie halbirt hier wie dort die helle, einfach brechende Substanz; nur sind die Querstreifen weit starker lichtbrechend, schmäler und näher zusammengerückt; als im ruhenden Muskel. Benutzt man nun aber Beagentien, besonders schwache Essigsäure, so kommt man zu dem überraschenden Be- soltat, dass die Querstreifen jetzt um die Endscheiben gruppirt sind, während die Mittelscheibe vollkommen frei liegt. Wie oben gesagt, werden ja durch den Säurezusatz die Muskelelemente so aufgequellt, dass an der Stelle der Endscheiben Einziehungen, am übrigen Theil dagegen Ausbauchungen entstehen. Diese einfache aber ganz unfehlbare Probe genügt stets, um die Lage der verschie- denen Theile des Muskelelementes klar zu machen, und man sieht auf den ersten Blick, dass nun der Querstreifen nicht mehr, wie früher, in der Mitte zwischen zwei Einziehungen, sondern an der Stelle der letzteren selbst liegt (Figg. 13, 14, 19 B)^. Nun könnte man mir aber den Einwurf machen, dass die contractile Substanz ihren Ort gar nicht verändert zu haben brauchte, sondern durch die Zttsammenziehung so verdichtet worden sei, dass sie nun der Einwirkung der Essigsäure stärkeren Widerstand entgegenzusetzen vermöge, als die ttbrigen Theile und also ein Bild vortäusche, wel- ches dem früheren ähnlich sieht, ohne jedoch dasselbe zu sein. Die- ser Einwurf ist zu entkräften, wenn man Fasern aufsucht, bei

1) VergL Hensen l o. Fig. 6 C.

258 Dr. Fr. Merkel:

andern Beobachtern ebenso gegangen ist Denn ist man erst an dieses Verhalten aufmerksam geworden, so findet man es an einer so grossen Menge von Fasern, dass es unbegreiflich erscheint, wie man dieses constante Vorkommen übersehen konnte. Eine nicht geringe Anzahl von Forschem hat auch wirklich schon erwähnt^ dass nicht selten ein vollkommen homogenes Aussehen der Muskelfasern vorkommt; ich brauche nur z. B. auf die Handbücher von Ul- ke r und Frey zu verweisen , doch gelang es bis jetzt noch nicht, den Schlüssel zu diesem Verhalten zu finden, wesshalb es eigentlich stets nur als Curiosum erwähnt ist.

Nachdem ich nun so einen Anhaltspunkt für weitere Unter- suchungen am lebenden Muskel gefunden hatte, wandte ich mich wie- der diesem zu, und kam jetzt nie wieder in Verlegenheit bei der Deu- tung der bezüglichen Bilder. Stets fand ich nun, dass man die drei Stadien : Ruhe. Auflosung, Gontraction auf einander folgen sieht.

Die breiten Bänder der contractilen Substanz, werden zuerst etwas schmaler und dunkler, wie es auch Hensen schon beschrdbt und abbildet (1. c. p. 7 und Fig. 4), dann verschwinden sie ^nzhch und mit ihnen jede Andeutung von Querstreifung. Zuletzt erst verbreitert sich die Faser und es treten die enger zusammenge- rückten Streifen des Gontractionszustandes auf. An frischen Mus- keln aber, welche von rasch sich folgenden, kräftigen Gontractions- wellen durchlaufen werden, ist das Zwischenstadium nur aof ein oder wenige Muskelelemente ausgedehnt und die Beobachtung ist sehr schwierig und erfordert viele Aufmerksamkeit und gute Mi- kroskope. Verliert die Faser dann etwas an Lebenskraft^ so geht die Gontraction langsamer vor sich und es zeigt inmier eine be- trächtliche Strecke das jeweilige Stadium. Zuletzt, wenn der Mus- kel am Absterben ist^ contrahiren sich nur noch einzelne TheOe, oft nur die eine Seite der Faser, und die Bilder, die man von solchen Präparaten bekommt, sind die instructivsten.

Beisst man einer Fliege ein Bein aus, so findet man oft unter den heraushängenden Fasern solche, die, wahrscheinlich durch den Beiz, den das Abreissen verursacht, hur zwischen Gontraction und homogenem Zwischenstadium wechseln, wo die breiten Bänder des ruhenden Muskels überhaupt nicht wiederkehren. Dieser Zustand wurde schon von Montgomery^) beobachtet und sehr treffend

1) Centralblatt f. med. Wiesensch. 1870. Nr. 411, p. 168.

Der quergeitreifte Miukel. 369

beschriebe. Allerdings &nd dieser Autor keine Erklärung und nuBte den Vorgang wohl desshalb „unheimlich''. Es hielt auch die krümeligen und flockigen Massen, die hier ebenso, wie in den Thoraxmuskebi der Insekten vorkommen, fälschlich für sarcous de- menta. Diese Gebilde kommen nur desshalb in dem Zwischensta- dium denthch«: zum Vorschein, weil sie nicht mehr durch die Quer- streifung verdeckt sind.

Es könnte nun scheinen, als ob ein solches Zwischenstadium ganz nutzlos wäre, wenn doch zum Zustandekommen der schliess- liehen Contraction die Querstreifung wieder erscheint. Um das Phänomen in seiner ganzen Bedeutung zu erklären, ist es nöthig erst den contrahirten Zustand genau zu betrachten.

Zerzupft man eine gehärtete conti-ahirte Faser in möglichst feine Fibrillen, so findet man ein der uncontrahirten Faser sehr ähnliches Bild. Dickere Querstreifen wechseln mit einer feineren Querlinie regelmässig ab. Die Querlienie halbirt hier wie dort die hdle, einfach brechende Substanz; nur sind die Querstreifen weit stärker lichtbrechend, schmäler und näher zusammengerückt, als im ruhenden Muskel. Benutzt man nun aber Beagentien, besonders schwache Essigsäure, so kommt man zu dem überraschenden Be- soltat, dass die Querstreifen jetzt um die Endscheiben gruppirt sind, während die Mittelscheibe vollkommen frei liegt. Wie oben gesagt, werden ja durch den Säurezusatz die Muskelelemente so auiigequellt, dass an der Stelle der Endscheiben Einziehungen, am übrigen Theil dagegen Ausbauchungen entstehen. Diese einfache aber ganz unfehlbare Probe genügt stets, um die Lage der verschie- denen Theile des Muskelelementes klar zu machen, und man sieht auf den ersten Blick, dass nun der Querstreifen nicht mehr, wie früher, in der Mitte zwischen zwei Einziehungen, sondern an der SteUe der letzteren selbst liegt (Figg. 13, 14, 19 B)'). Nun könnte man mir aber den Einwurf machen, dass die contractile Substanz ihren Ort gar nicht verändert zu haben brauchte, sondern durch die Zttsammenziehung so verdichtet worden sei, dass sie nun der Einwirkung der Essigsäure stärkeren Widerstand entgegenzusetzen v^möge, als die übrigen Theile und also ein Bild vortäusche, wel^ ches dem früheren ähnlich sieht, ohne jedoch dasselbe zu sein. Die- ser Einwurf ist zu entkräften, wenn man Fasern aufsucht, bei

1) YergL Hensen L c. Fig. 5 C.

258 Dr. Fr. Merkel:

andern Beobachtern ebenso gegangen ist Denn ist man erst an dieses Verhalten aufmerksam geworden, so findet man es an einer so grossen Menge von Fasern, dass es unbegreiflich erscheint, wie man dieses constante Vorkommen übersehen konnte. Eine nicht geringe Anzahl von Forschem hat auch wirklich schon erwähnt^ dass nicht selten ein vollkommen homogenes Aussehen der Muakelfasem vorkommt; ich brauche nur z. B. auf die Handbücher von Kölli- ker und Frey zu verweisen—, doch gelang es bis jetzt noch nicht, den Schlüssel zu diesem Verhalten zu finden, wesshalb es eigentlich stets nur als Guriosum erwähnt ist.

Nachdem ich nun so einen Anhaltspunkt für weitere Unter- suchungen am lebenden Muskel gefunden hatte, wandte ich mich wie- der diesem zu, und kam jetzt nie wieder in Verlegenheit bei der Deu- tung der bezüglichen Bilder. Stets fand ich nun, dass man die drei Stadien : Ruhe. Auflösung, Gontraction auf einander folgen sieht.

Die breiten Bänder der contractilen Substanz, werden zuerst etwas schmaler und dunkler, wie es auch Hensen schon beschreibt und abbildet (1. c. p. 7 und Fig. 4), dann verschwinden sie ^nzlich und mit ihnen jede Andeutung von Querstreifung. Zuletzt erst verbreitert sich die Faser und es treten die enger zusammenge- rückten Streifen des Gontractionszustandes auf. An frischen Mus- keln aber, welche von rasch sich folgenden, kräftigen Gontractions- wellen durchlaufen werden, ist das Zwischenstadium nur auf ein oder wenige Muskelelemente ausgedehnt und die Beobachtung ist sehr schwierig und erfordert viele Aufmerksamkeit und gute Mi- kroskope. Verliert die Faser dann etwas an Lebenskraft, so geht die Gontraction langsamer vor sich und es zeigt immer eine be- trächtliche Strecke das jeweilige Stadium. Zuletzt, wenn der Mus- kel am Absterben ist^ contrahiren sich nur noch einzelne Theile, oft nur die eine Seite der Faser, und die Bilder, die man von solchen Präparaten bekommt, sind die instructivsten.

Reisst man einer Fliege ein Bein aus, so findet man oft unter den heraushängenden Fasern solche, die, wahrscheinlich durch den Beiz, den das Abreissen verursacht, nur zwischen Gontraction and homogenem Zwischenstadium wechseln, wo die breiten Mnder des ruhenden Muskels überhaupt nicht wiederkehren. Dieser Zustand wurde schon von MontgomeryO beobachtet und sehr treffend

1) Ceniralblatt f. med. WiBsensch. 1870. Nr. 411, p. 168.

Der qaergeitreifte Muskel. 269

bescbiiebmi. Allerdings fand dieser Autor keine Erkläning und nannte den Vorgang wohl desshalb „unheimlich*'. Es hielt auch die krümeligen und flockigen Massen, die hier ebenso, wie in den Thoraxmuskebi der Insekten vorkommen, iälschlich fQr sarcous ele- ments. Diese Gebilde kommen nur desshalb in dem Zwischensta- dium deutlicher zum Vorschein, weil sie nicht mehr durch die Quer- streifung verdeckt sind.

Es könnte non scheinen, als ob ein solches Zwischenstadium ganz nutzlos wäre, wenn doch zum Zustandekommen der schliess- liehen C!ontraction die Querstreifung wieder erscheint. Um das Phänomen in seiner ganzen Bedeutung zu erklären, ist es nöthig eist den contrahirten Zustand genau zu betrachten.

Zerzupft man eine gehärtete contrahirte Faser in möglichst f»ne Fibrillen, so findet man ein der uncontrahirten Faser sehr ähnliches Bild. Dickere Querstreifen wechseln mit einer feineren QnerMnie regelmässig ab. Die Querlienie halbirt hier wie dort die hdle, einfoch brechende Substanz; nur sind die Querstreifen weit stärker lichtbrechend, schmäler und näher zusammengerückt, als im ruhenden Muskel. Benutzt man nun aber Beagentien, besonders sehwache Essigsäure, so kommt man zu dem überraschenden Be- sultat, dass die Querstreifen jetzt um die Endscheiben gruppirt sind, während die Mittelscheibe vollkommen frei liegt. Wie oben gesagt, werden ja durch den Säurezusatz die Muskelelemente so aufgequellt, dass an der Stelle der Endscheiben Einziehungen, am übrigen Theil dagegen Ausbauchungen entstehen. Diese einfache aber ganz unfehlbare Probe genügt stets, um die Lage der verschie- denen Theile des Muskelelementes klar zu machen, und man sieht auf den ersten Blick, dass nun der Querstreifen nicht mehr, wie früher, in der Mitte zwischen zwei Einziehungen, sondern an der Stelle der letzteren selbst liegt (Figg. 13, 14, 19 B)^. Nun könnte man mir aber den Einwurf machen, dass die contractile Substanz ihren Ort gar nicht verändert zu haben brauchte, sondern durch die Zttsammmziehung so verdichtet worden sei, dass sie nun der Einwirkung der Essigsäure stärkeren Widerstand entgegenzusetzen vermöge, als die übrigen Theile und also ein Bild vortäusche, wel^ diee dem früheren ähnlich sieht, ohne jedoch dasselbe zu sein. Die- ser Einwurf ist zu entkräften, wenn man Fasern aufsucht, bei

1) VeigL Hexksen l e. Fig. 6 C.

260 Di>. R Merkel:

denen da» ZviscbeiMtadittin nur Wenige Mueldelelelnente «niaail (Fig. 19 B). Die EssigsättTe wirkt nämlich auf das Zlvisohmstadiam ebenso gut, wie &af Ruhe und Gontraoftion und man verfolgt abo an Bolehm Präpataten sehr bequem die Eindehungen durch alle drei Stadien dnreh. Stele Ueibt sie an derselben SteUe und nur die oontraotile Substanz ist es, welehe wechselt. Einen HOdi schla- genderen Beweis kann man an Fasern f&hren, welche während ei«er lebhaften Gontraetion plötzlich absterben, wie es oft beobachtet wird, wmn man Insekten, die adhon längere Zeit getödtet sind, ein Bein ausreisst. Die Lebensfähigkeit ist hier am Erlöschen. Durch den gewaltigen Reiz des Durchreissens aber, werden die Mcdccbi iu einer letzten Kraftanstrengung angeregt, die aber nur avareiobt, um einen Theil dar Huskelelemente zilr Zusammenziehung zu bringen. Plötzlich ärlisoht das Leben volUitändig und es entsteht eih Bild wie es in Fig. 13 gezaohnet ist Hier sieht man den ruhenden Zu- stand ohne Termittelnden Uebergang in den contrahirten QbergriwD. Die Endseheibe, Wekhe auf das letzte, etwas schmaler gewordene, breite Qoerband von ruhender, contractiler Substanz folgt« ist be^ reits etwas dicker und glänzender gewordeü und dann folgt sofort das Bild des contrahirten Muskels, d. h. stark glänzende Quer- streifen, die auch hier am frischen Muskel schon durch Einztehmgen der Randeontur» gekennzeichnet sind) Welche sich nath der ruhen- den Seite hit in die Einitiehungen an den Sndseheiben fortsetzen. Derartige während des Lebens beobaditete Fasern sind natflrikh gahz besonders beweisend far den Platzwechsel der contractilen Süb^ stanz bei der Zusämmenziehnng ; doch ist man bei der Anfertigung dieser Präparate so vielen Zuf&lli^eiten ausgesetzt, daas oft tage* langes Suoh^ nöthig ist, ehe sich ein brauchbares Bild findet Viel bequemer beobachtet man die veiBchiedensten Stddi^ an gdbärte- den Fasern, wo günstige Präparate einen ?otiarefflichen Einblid in diese trenn auch einfachen, doch schwierig zu demonstrirenden \et- hältnisse geben. Brauchbare Muskelfiisem verschafit man sittk gant sieher) wenn man eine Fliege der Länge nach durchschneidet and so lange liegen lässt, bis das Leben scheinbar ganz erloschen ist Dien pflegt in 1-— 2 Stunden der Fall zu Sein. Dann legt man sie in absolatra Al- kohol und untersucht nach der Härtung die im Thorax befindlichen Muskeln, welche das Bein bewegen. Diese haben sich nun meist nur in kleinen Theilen contrahirt, nur im Bereich einiger Querstreifen, oder die Gontraktion ist nur bis zum homogenen Zwischenstadinm gedie-

Der quergefltreifte Maskai. 261

hea. Einige besonders instructive Präparate sind in den Figg. 15 bte 17 wiedergegeben. In Fig. 15 si^t man die breiten, bandar- tigen Streifra oontractilcr Substanz qner dorck die ruhenden Theile der Faser gelegt Die Lftngssdiraffinmg rafart von der Andeutung der Fibrillentheiliing her. Pläftdich tritt nun in dieser ruhenden fldiBo quergestreiften Faser eine Stelle auf (a), welche die Quer- srtiteg yeittert und wo es den Eindruck macht, als seien die Strei- fen zusammengeflossen. Nicht allein die feinen punctirt^i denEnd- fldieibeB entsprechenden Linien sind verschwunden, sondern auch die bneiten StveÜBB fehlen, oder wie »an es dem Ansehen nach fichtigBr MMdrtcken Icönnte, Adles ist nur comtraetile Substanz. Wenp owi ffiese, wie .es rhier der Füll ist, die Muskelelemente ?oll- etäadig aMsMBt, so ist^es klar, daes die Endscbeiben sowohl, wie £e Mittehchflibe unatktbar sein mftaeen, da sie yon.der atärker lichtbrechenden contractilen flabstanz ivcUkommen nierdeokt «nd. fis iift diflB das homogene Zwisehenstadinm, der Beginn do^Oontrac- iion. fidhr instractiT int das .Pi&pansit auch desshalb, weil .einige QKratcßtfni Jiodi ilNttweise erhalten «wid. Das Bild maokt wiridieh den Eindruok leiner aUmäUig um eich gceifienden Auflösung. Ein «tmas weiter ^ediAenes Stadium 4er finegung zeigt eich an einer aodnmi fibiBe .dieser Fa8«r (bj). Hier sind drei QueEstreifra in den Broceae einbeaegen. Die beiden äusseren sind an der 4&C ruhenden Saite xngeiwaadten HSlIte fiedi nahezu istact, nur jetwas homogener geaiordcn. An <den SMUen jedo<)h, wo der ■nttleneiQueiHtceifeB von dm teiden fiibideiD hdier Zwisehensubatana flanhirt aein soUte, fishlt diese nicht nur, sondern ist sogar sehr .dunkelen, starit Uebt- toadiendenfStreifBn gewichen. Die Ablagenung der oontraetflen Sub- atanz an <deD Endscbeiben hat ako begonnen, dodi ist isie noch ■idit aaireiit igediehen, dass sie ausschliesslich «n -der Sndsoheibe leediaiiit wtee, isondem die ganze Masse ist ausserdem noch homo- gCB, aneh iist «noch kene 'Vleränderung in der Hohe ^und Breite der dnaelnen Elemente wahrzunehmen. Dies ist jedoch der FaU in der nüfhatnn iSgur 116. Sier ist mit einer V^breiterung ider ganzen Faser ougleich ein inüheres Znsammmrücken, wie auch eine Ver- didning der einzdnen Streifen, :die auch hier wieder an Stelle der ekemdigen ihellen Zwischensubstanz liegen, i^u bemerken. Der voll- kommen 'centnilriite Zustand ist jedoch auch hier noch >nioht einge- treten, «die ganze dm AnCEmg der Gontraction ibeindludie Putie ist tDoA durider gefilrbt» «Eret wenn zwischen den stark glänzenden,

262 Dr. Fr. Merkel:

näher aneinander gerflckten Qaerstreifen wieder die jetzt an der wohl sichtbaren Mittelscheibe befindliche helle Flüssigkeit auftritt (Fig. 17) ist die Contraction vollendet und der Muskel in grosst- möglicher Verkürzung. Noch schöner und auf einen kürzeren Baum zusammengedrängt beobachtet man diese Vorgänge an den engge- streiften Muskeln vom Schwänze oder den Beinen des Flusskrebses. Hier kann man oft Fibrillen, oder wenigstens kleine Muskelpartieen isoliren, welche ebenfalls ganz partielle vollständige Contraction zei- gen (Fig. 21), wo auch den Muskel durchlaufende Contractionswellen, durch den zugesetzten Alkohol fixirt, stehen geblieben sind. Hier sieht man die Faser an der contrahirten Stelle spindelförmig ge- schwellt und nach beiden Seiten in die ruhende Gestalt übergehen. Leider sind diese schönen Präparate so eng gestreift und von so zartem Bau, dass Mittel- und Endscheibe auch bei sehr starker Ver- grösserung meist nicht zu sehen sind.

Was nun noch die Form- und Grössenverhältnisse der Muskel- elemente in den verschiedenen Stadien betrifft, so ist es mir ge- lungen, an Thoraxfibrillen durch direkte Messung nachzuweisen, dass die dem Beschauer zugekehrte Fläche des contrahirten Elementes trotz der veränderten Form ganz dieselbe Grösse zeigt, wie beim ruhenden Muskel. Da nun die Veränderung eine in allen Theilen gleichmässige ist, so lässt sich aus dem Verhalten dieser dnen Fläche mit einiger Wahrscheinlichkeit der Schluss ziehen, dass der ganze Bauminhalt ebenfalls der gleiche bleibt, obgleich Ja natür- lich zu einer wirklich ezacten Bestimmung noch die Messung einer zwdten Dimension erforderlich ist

Die Formveränderung welche die Muskelelemente im Zwischen- stadium erleiden ist eine sehr eigenthümliche. Wenn nämlich der homogene Zustand über eine grössere Zahl derselben ausgedehnt ist, so bemerkt man eine Verschmälerung des Muskels an dieser Stelle (Fig. 14, 19 A), während man doch eigentlich erwarten sollte, dass schon hier eine die Contraction vorbereitende Verbreiterung stattfinden musste. Ich mache diese Beobachtung sehr häufig an gehärteten Fasern von verschiedenen Thieren, ob aber im Leben eine gleiche Verschmälerung stattfindet, kann ich nicht mit Sicherhdt sagen, da es mir bis jetzt noch nicht gelungen ist, eine bestimmte Stelle einer Faser während der Bewegung genau zu messen. So bedeutend ist jedenfalls der Dickenunterschied nicht, dass man ihn an einer in Bewegung befindlichen Faser, wo eben dieser Vorgang

Der quergestreifte Muskel. 268

doppelte Vorsicht nöthig macht, ohne Massstab deutlich wahrneh- men könnte. Ich ziehe es daher vor^ Deutungen dieser Beobachtung vorerst zu unterlassen, bis ich mich auch an der lebenden Faser genau unterrichtet habe.

Die Höhe eines in mittlerer Gontraction erhärteten Muskelele- mentes beträgt ziemlich genau die Hälfte des Extensionsstadiums, die Breite das Doppelte ; doch kann die Zusammenziehung so weit kommen, dass eine contrahirte Stelle nahezu homogen erscheint, indem die Querstreifen bis zum völligen Verschwinden der hellen Zwischensubstanz aneinander rücken. Diese excessive Art der Gon- traction halte ich im Leben nicht für möglich und glaube, dass sie der Wirkung des erhärtenden Reagens zuzuschreiben ist ; denn man beobachtet derartige Stellen niemals an Muskeln, die in ihrer na- türlichen Lage erhärtet sind, sondern immer an solchen, die an der einen oder an beiden Seiten abgeschnitten in die Conservirungs- flüssigkeit gebracht sind.

Was nun die Quersireifeni d. h. die Form der contractilen Substanz anlangt, so findet man sie in contrahirtem Zustand ganz erheblich schmaler und dunkler, als an der ruhenden Faser. Ihre Höhe beträgt kaum ein Viertel von der der ruhenden Querstreifen. Was nun aber die contractile, feste Substanz an Breite verloren, hat die helle, flüssige Zwischensubstanz an Mächtigkeit gewonnen. Sie erscheint breiter, als in der ruhenden Faser und gibt dadurch den beiden Stadien ein völlig verschiedenes Ansehen. Ganz sicher lassen sich diese Beobachtungen freilich nur an isolirten Fibrillen machen, indem eine unversehrte Faser hierzu viel zu dick ist. Durch nicht ganz horizontale Lagerung oder eine geringe, gegenseitige Verschiebung der einzelnen Elemente, oder irgend andre Dinge ge- täuscht, nimmt man gewöhnlich die Höhe der contrahirten Quer- streifen viel zu bedeutend an (Fig. 14). Isolirte Fibrillen, selbst schon kleinere, abgespaltene Fib rillen convolute lassen, wie gesagt, keinen Zweifel und keine Täuschung zu. Die Eigenschaft, die man hier stets bemerkt, dass die Querstreifen den Sand des Fasertheiles überragen (Fig. 19) und an einzelnen Fibrillen sogar wie knotige Anschwellungen aussehen, möchte ich für rein optisch halten, da sich an der unversehrten Faser durchaus nichts findet, was auf eine derartige Anschwellung hindeutet

Nachdem ich nun den so merkwürdigen Vorgang der Zusam- menziehung des Muskels in allen Theilen beschrieben, füge ich noch

264 Dr. Fr. Merkel:

Zürn Schluss diejenigen Folgerangen bei, welche sich bezfl^idi des AggregatzustAndes des Inhaltes der einzelnen MasikeldeiBrate tt-] geben.

Die allgemeine Ansicht lässt die contraktfleStb^ai» ans ^Bei festen Masse bestehen, und gar mandie Beobachter übersetzen die Molekulartheorie in sehr grobe Formen. Soviel ans 4er Beobadh tong hervorgeht, besteht die contractile Substanz aus eia^ gleich- artigen, qudlbaren Masse, die in verschiedenen Stadien der Action verschieden stark mit Flüssigkeit geschw&ng'ert ist, «etwa wie Lein, der auch entweder ganz trocken and hart, oder tsA Wasserauf- nahme mehr oder weniger gallertartig werden kann.

Die contractile Substanz der ruhenden Fas^ halte ich für nicht vollkommen fest, d. h. trockeb, sondern ^aube, 'dass eie ^en Theil der nebenliegenden Flüssigkeit aofgenoknmea hat and idso von einer festweichen, mdir gallertartigen Besfdiaffenheit Ist Wenn nun das Zwischenstadium eintritt, quillt die contluctüe Ookmi^sm nodh mehr und zwar so staik, dass sie die ganze in dem betreffen- den Fach befindliehe Flüsftigkeit aufhimsA. Es entsteht dadordh natürlich ein vollkommen homogenes Ansehen^der inActien itretoi- den Stelle, Welches dann allmäblig Wieder dem quergestreiften Avs- sehen weicht, wenn die eontra<9tile Substanz beginnt, sidi an der Endscbeibe zu sammeln. Sie dringt sich von beiden Seiten so dicht und fest an dieselbe heran, aus nur möglieh und sacht tnit laOgUchst vielen ihrer Moleküle mit der Endscheibe in Berührung zu kommen. Dadurcli wird erstens erreicht, dass die contracfiHe Sabstanz die ihr zu Gebote stehende Berühruii^^sfläche so weit als thanlioh, ver- grössert, es wird also eine Verbreiterung der Faser entstehen. tJad dann werden die Moleküle, die an d^ eigentlichen Berülnwngafilche keinen Platz finden, sich so viel wie möglich den begünstigtfiren anschmiegen, wodurch ein sehr vollständiges Auspressen der aufge- nommenen Flüssigkeit und eine Verdichtung und ein Festarwerden der contractilen Substanz stattfinden wird.

Die Dichtigkeit der contractilen Substanz des rüheadiai und contrahirten Muskels ergibt sich aus der oben erwähnten, aaf di- recte Messung basirten Beobachtung, dass in der Ruhe die centiac- tile Substanz die ausitlllende Flüssigkeit an Menge weit llberwiegt, während beim thätigen Muskel gerade das Gegenttheil der FaH i^.

Ein sicherer Beweis über die Art der Umwandloag des ru-

Der qoergettreifte MuskeL 266

henden in den contrahirten Zustand war damit nicht gegeben, son- dern es fehlte noch das yor Allem wichtige, homogene Zwischen- stadhnn, welches wenn es sich anders mit Sicherheit auf seinen Aggregatzustand untersuchen lässt, die besten Aufschlösse geben mnss. Es gelingt in der That durch Anwendung des polarisirten Lichtes den gewünschten Aufechluss zu erhalten. Nach Brücke's Entdeckung sind die Querstreifen d^ contractilen Substanz doppelt- brechend. Es ist dies ebenso der Fall bei den contrahirten Muskeln, wie bei den ruhenden, was sich besonders schön an sehr dünnen Lagen Yon Muskelsnbstanz und bei Einschaltung eines das GesichtsfeM färbenden Gypsplftttchens zeiget. Die Vergr5sserung, unter welcher man die Polarisatioii TorBehmen kann, muss eine relativ sehr starke sein, da sdiwachere Linsensy&rteme eine befriedigende AuiSösui^; der sdimalen contrahsrten Querstreifen nicht zulassen. Nur «die ganz Torzüglieh schSnmi, dtaifcen Systeme von Winkel in G^mgeo gaben mir Licht genug, um bei emer VergrOsserung von 600 800 mit gekreuzten Nieots arbeiten zu können. IMcke Fa6erbüiid<d kann man freilich leicht auch unter andern stalten Vergrösserungen un- tersuchen, allein diese sind durch Spiegelung oder Verschiebung der einzelnoi Etemente, oder was es sonst für Ursachen sein mö- gen, so g^eichmässig dun3h!euchtet» dass nur sehr unsichere und nicht gut verwendbafre Bilder zu Stande kommen.

Feine abgespaltene Theile einer Faser zeigen aber, wenn also, wie gesagt, das Lichf steik genug ist, «ine sehr schöne Abwechse- tang von hell und dunkeS oder wenn man das Gesichtsfeld ftrbt» von den bezüglichen Gomplementärfarben. Beim ruhenden Muskel ist, wie ebenfalls von Brücke schon beobachtet wurde, ausserdem breiten Band^der contractilen Substanz auch die Querlinie, die der Endscheibe entspricht, doppeltbrechend, und man siebt stets an dünnen Parthieen bei z. B. grünem Gesichtsfeld, breite unii schmale rosa Streifm in zierlichster Weise abwechseln. Anders ist der oontrahirte Zustand ; hier e^cheinen nur die schmalen Streifen con- tractiler Substanz hell oder complementär gefärbt, während alles üebrige dunkel resp. von der Farbe des Gesichtsfeldes ist Die Mittel- scheibe ist aucäi mit den schürfisten Systemen und bei gespannte- ster Aufinerksamkeit niemals zu sehen, man muss sie also, im Ge- gensatz zu der Endscheibe, als einfachbrechend bezeichnen ; ein Re- sultat, weldies durchaus nicht Überraschen kann, da ja erstere nur

266 Dr. Fr. Merkel:

aus einer dünnen einfachen Membran besteht, während letztere mit einer dicken Lage Eittsubstanz versehen ist.

Was nun aber das wichtige Zwischenstadium betrifft, welches Aufschluss über den Aggregatzustand der contractilen Substanz ge- ben soll, so findet man sie in polarisirtem Lichte ebenso, wie ausser- dem völlig homogen und durchaus doppeltbrechend. Da nun aber flüssige, doppeltbrechende Körper sich dadurch auszeichnen, dass sie beim Drehen der NicoVs die Farbe verändern, während feste Körper einfach zwischen hell und dunkel wechseln, so ist Nichts einfacher, als den Aggregatzustand dieses Stadiums zu bestimmen. Es findet sich ein einfacher Farbenwechsel, folglich ist man berech- tigt, eine feste resp. gallertartige Beschafifenheit dieser Substanz anzunehmen. Denn völlig fest kann ja der Inhalt des Muskelele- mentes in dem besprochenen Stadium nicht sein, da er aus einer gleichmässigen Mischung flüssiger und fester Bestandtheile besteht Noch viel weniger kann aber natürlich die contractile Substanz in der Ruhe oder Gontraction flüssig sein, da sie ja also, wie gezeigt, nach Au&ahme von Flüssigkeit noch fest genannt werden mass.

Fasse ich nun schliesslich die Resultate der vorli^enden Ar- beit noch einmal kurz zusammen^ so sind sie folgende :

1) Ein einfaches Muskelelement der Arthropoden besteht aus einer membranösen Hülle, welche sich stets gleich bleibt und einem Inhalti der seine Zusammensetzung und Lage ändert

2) Die Hülle ist röhrenförmig und jederseits durch eine End- membran geschlossen. Diese geschlossene Röhre wird durch eine mit der Seitenwand verwachsene Mittelscheibe in zwei von einander völlig getrennte Fächer getheilt.

3) Jedes dieser Fächer enthält feste, contractile Substanz und Flüssigkeit.

4) In ruhendem, wie in contrahirtem Zustand liegt immer die contractile Substanz eines Faches der contractilen Substanz eines andern Faches an. In der Ruhe berühren sich die beiden contractilen Hälf- ten eines und desselben Muskelelementes, nur durch die Mittelscheibe getrennt, während im thätigen Muskel die contractile Substanz an beide Endscheiben rückt und dadurch in Contact mit der contrac- tilen Substanz des nächstoberen und nächstunteren Elemen- tes tritt

5) Dieser Platzwechsel geschieht durch Vermittelung eines Zwischenstadiums, in welchem die sonst so scharfe Trennung von

Der quergestreifte Muskel. 267

flftssigem and festem Inhsilt aufgehoben ist, und eine innige Mengung der beiden Substanzen stattfindet.

Die Wichtigkeit der vorstehenden Beobachtungen för die Phy- siologie braucht nicht hervorgehoben zu werden und ich will es berufeneren Händen überlassen, die für diese Wissenschaft daraus resultirenden Folgerungen zu ziehen.

Bei der Gruppe der Wirbelthiere sind die Verhältnisse im Wesentlichen genau die gleichen, wie bei den Arthropoden und es werden dieselben den Gegenstand einer in Bälde erscheinenden zwei- ten Abhandlung bilden.

Erklärung der Abbildungen.

In allen Abbildangen bedeutet: e : Endscheibe, m: Mittelscbeibe.

o: contractile Substanz (doppeltbrechende Substans). Z; Zwischenstadium. R: Ruhezustand. C: Gontrahirter Zustand. Fig. 1. ThoraxfibriUe von Musoa vomitoria lebend. Ruhezustand. Fig. 2. Dieselbe contrahirt.

Fig. 8 6. Thoraxfibnllen yon Musca vomitoria frisch, noch lebend in absoluten Alkohol gelegrt, sämmtlioh gezerrt.

Fig. 7. ThoraxfibriUe von Musca vomitoria aus Alcohol, nur End- und Mittelscheiben sind deutlich.

Fig. 8. ThoraxfibriUe von Musca vom. mit Essigsäure behandelt (aus Alkohol). Die Seitenraembran ist ausgebaucht. An SteUe der Endscheiben tiefere, an SteUe der Mittelscheiben flachere Einziehungen.

Fig. 9. ThoraxfibriUe von Musca vom. mit Gupr. sulf. behandelt. Die Seitenmembranen sind eingefallen. Die Mittelscheibe hat sich verkürzt.

Fig. 10. Thoraxfibrillen von Musca vom. aus &0 ^o^gen Alkohol Isolirte Mnskelelemente. A vor, B nach Behandlung mit Essigsaure.

Fig. 11. Beinmuskelfaser von Musca vom. mit Essigsäure behandelt An zwei SteUen eingerissen. Die Endscheibe ist durch Krümeln verdeckt, die hier wie in den Thoraxmuskeln vorkommen und als Reste fötaler ZeUen nifsnfassen sind. A. ZeUenstränge,

368 Dr. Fr. Merkel: Der qneiifeitreifte MuakeL

Fig. 12. MuBoa yomit. BeinmuakeUMert lebend und in der GontnustioD begriffen. Rahe, Zwischenaiadiam und Gontrmotion «ind ro sehefi.

Fig. 13 wie Fig. 12. Das Zwiaobenstadinm fehlt, oder 'w^ beMer ana- gedrüokt, auf ein halbes Mufekelelement besohränkt.

Fig. 14. Mttsca yom. Beinmuskelfaser. Aas Alcohol. Auch hier sind die drei Stadien in grosser Aasdehnuug sichtbar.

Fig. 15. Masoa vom. Im Thorax gelegene, den Schenkel bewQgendo Maskel&ser. Aus Alkohol. Bei A ist der Ruhezustand durch das Zwischao- stadinin unterbrochen. Ebenso bei B, wo der ContnotionsrorgaBg «eben etwas weiter voigesohritten ist.

Fig. 16 wie Fig. 16. Bei A ist die Gontraotion nahem ToUandet.

Fig. 17 wie Fig. 16. Bei A ist die Gontraotion ToUendet.

Fig. 18. Masca Tom. Im Thorax befindlicher Beinmuskel. Aus WU Alkohol. Isolirte Elemente in Buhesustaad.

Fig. 19. Astaous fluviatilis. Scheerenmnskel. Aus Alkohol. Die drei Stadien von der Ruhe bis zur Gontraktion sind zu sehen. A ohne weitere Behandlung in Glyoerin liegrend. B. mit Essigs&nre behandelt.

Fig. wie 19. Ruhezustand. Gecerrt. Durch die Zerrung sind die Endscheiben auseinandergerückt und zwischen ihnen kommt als dunkler Streif die sie verbindende Kittsubstanz (K) zum Vorschein.

Fig. 21. Astacus fluv. Schwanzmuskel. Ans AJkobol. In der ruhenden Fibrille kommen spindelförmig angeschwollene contrahirte EteUen vor.

Fig. 22. Schema der ruhenden und contrahirten Mnakelelemente. A. Ruhezustand. Die zwei Hllften oontcaotUer Substanz lieg»« dar Jfittelsdieibe zu beiden Seiten an. B, die contractile Substanz hat die Mittelsclueibe ver- lassen und hat sich an die Endscheiben begeben.

Ueber die Membran der Milohkügelohen.

Von Dr. €• Btibmmähm,

Pfeiirfttdoooiiten in Zürich.

Angeregt durch die Arbeit von Kehr er über Milchcasein und Michkügelchen ^} habe ich die Frage über die Michkügelchenmem- bran der Kuhmilch einer eingehenden Untersuchung unterworfen und bin zu den folgenden Resultaten gelangt. Kehrer's Beweise für die Abwesenheit einer Membran halte ich nicht für genügend. Der ein- fache Versuch Kehrers, auf einen kleinsten Milchtropfen nach und Dach einige Tropfen Aether zu träufeln und verdunsten zu lassen, hat nur niemals deutliche Fetttropfen und Fettkrystalle gezeigt. Man sieht allerdings in der Umgebung des Milchtropfens nach dem Verdun- sten unregelmässige fettähnliche Flecke; diese sind aber Kohlen- wasserstoffe, welche in dem Aether gelöst sind und in demselben regelmassig vorkommen, wenn er nicht sehr häufig destillirt ist. Der Aether, welcher in den Laboratorien und Apotheken gewöhn- lich gebraucht wird, enthält diese Kohlenwasserstoffe. Durch die ▼OD Max Schnitze angegebene Osmiumreaction kann man die Fette von diesen Kohlenwasserstoffen unterscheiden. Die Kohlen- wasserstoffe werdein nur sehr matt gefärbt, die Fette intensiv braun bis schwarz. Auch die Fettkrystalle, welche Kehr er in der Peri- pherie eines kleinsten Milchtropfens beobachtet hat, habe ich nicht mit Sicherheit constatiren können. Man sieht allerdings häufig Büschel mit drei bis vier Strahlen, aber diese Büschel sind getrock- nete Albuminate. Bisweilen, aber selten nehmen auch die erwähnten Kohlenwasserstoffe eine büschelförmige Form an. Hat man aber dorch längere Zeit andauernde Aetherextraction Fett ausgezogen

1) ArdÜT Ar Gynäkologie II. 1871, p. 1—28.

270 Dr. G. Schwalbe:

und vergleicht die büschelförmigen Krystalle aus diesem Extract mit den nach Kehrer's Methode entstandenen, so wird man leicht den Unterschied sehen. Das Milchfett kann allerdings durch Aether allein extrahirt werden, aber nicht schnell, wie ich weiter unten zeigen werde. Nach der Aethereinwirkung sind die Milchkügelchen noch sehr gut zu erkennen und geben ihre gewöhnliche Osmium- reaction; selbst nach mehrstündigem Trockenstehen kann man durch Zusatz von Wasser noch einen grossen Theil der intacten Milch- kügelchen wieder zur Anschauung bringen.

Auch der zweite Beweis Kehr er 's für die Nichtexistenz der Milchkflgelchenmembranen ist nicht genügend. Setzt man zu einem kleinsten Tropfen Milch, welcher mit einem Deckglase bedeckt ist, Aether, so quellen allerdings die Milchkügelchen auf; sie platzen, verschwinden oder verschmelzen aber nicht, wie Kehrer meint; die Kügelchen, welche verschmelzen, verschwinden und platzen sind Luft- und Aethergasblasen. Man kann die Milchkügelchen durch die Osmiumfärbung sehr leicht von denselben unterscheiden« Wenn man die Vorsicht gebraucht, den Aetherstrom so langsam wie mög- lich einwirken zu lassen, so dass die Milchkügelchen nicht fortge- schwemmt werden, so kann man das Fortbestehen der Kügelchen stundenlang beobachten und immer durch die Osmiumreaction sicher nachweisen. Die schwierige und unsichere Beobachtung bei Zusatz von Aether ist eine allgemein bekannte; Chloroform und Schwefel- kohlenstoff zeigen dieselben Uebelstände.

Viel günstiger gestalten sich die Bedingungen für die Aether- einwirkung auf Milch, wenn man Milch und Aether in einem zu- gekorkten Fläschchen zusammenbringt und öfter umschüttelt. Untersucht man nach einigen Tagen, so findet man zwei Schichten, eine obere hauptsächlich aus Aether bestehend und eine untere ans Milch. Die Milch zeigt eine gallertartige Beschaffenheit. In den unteren Schichten des Aethers findet man zahlreiche gequollene Milchkügelchen, welche sich durch Osmiumsäure braun färben. Hie und da zeigt sich Schrumpfung der sich färbenden Fettkugel and die Membran derselben ist in deutlichen Falten sichtbar. Unter- sucht man einige Tage später, so findet man gequollene Milchkügel- chen, welche keine Osmiumfärbung geben, wo also das Fett ausge- zogen ist und wo nun die Osmiumsäure deutlich die Membran der Milchkügelchen sichtbar macht, entweder durch regelmässige, sich ganz der runden Form anpassende Conturen, oder, wenn die Kügel-

üeber die Membran der Milohkfigeloben. 271

eben ungfinstiger platzen , durch imregelmässige Membranfetzen. Man kann diesen Vorgang genau unter dem Mikroskop verfolgen und sich so überzeugen, dass die Membranreste dem betreffenden Milchkügelchen angehören. In der Milchschicht findet man dann immet noch Kügelchen, welche deutliche Fettosmiumfarbung zeigen. Nach öfterem Wechsel des Aethers hat man fast sämmtliches Fett ausgezogen, das man durch Verdunsten des Aethers leicht darstel« len kann; aber selbst nach 4 Wochen zeigen sich in dem weissUchen Milchdetritus noch einzelne MilchkOgelchen, welche Osmiumfärbung annehmen. Ausserdem sieht man in dem Detritus doppeltcontourirte Milchkögelchenmembranen und einige schön ausgebildete Büschel von Fettkrystallen. Auf die Veränderungen, welche hierbei das Gasein erleidet, will ich hier nicht näher eingehen.

Man kann sich die sämmtlichen Stadien der Aether- und Os- roiumeinwirkung auf die Milchkügelchen sehr leicht auf einmal verschaffen, wenn man in einem Fläschchen über ein Quantum Milch die gleiche Menge Aether bringt, nicht schüttelt, zustopft und nach 8—14 Tagen untersucht. Man hat dann drei Schichten, eine oberste Aetherschicht mit schon von Fett befreiten Milchkügelchen, eine gallertig gequollene Milchschicht, welche noch viele durch Os- mium sich färbende Milchkügelchen enthält, von denen ein Theil die Membranfaltungen zeigt, und eine dritte unterste nur wenig ver- änderte Milchschicht, in welcher die Milchkügelchen auch schon mehr oder weniger gequollen sind und das erwähnte Verhalten gegen Osmiomsaure zeigen. Mit der Pipette kann man natürlich aus jeder verschiedenen Schicht die Proben erhalten.

Will man sich schnell und sehr deutlich von der Gegenwart einer Membran überzeugen, so empfehle ich folgende Methode. Man nimmt 1 Vol. Milch, 3 Vol. destillirtes Wasser und setzt so viel Salzsäure zu, dass das Verhältniss der Salzsäure zur Flüssigkeit 1 : 500 betrilgt. Darauf bringt man über diese Milch ein gleiches Vol. Aether und untersucht nach 12—24 Stunden. Setzt man Os- miumsäure unter dem Mikroskop hinzu, so sieht man sehr schön, wie in der gequollenen Milchkugel die sich färbende Fettsubstanz sich zusammenzieht und eine dünne in Falten gelegte Membran auf das Deutlichste sichtbar werden lässt. Durch Erregung von schwa- chen Strömungen lässt sich das Kügelchen mit seiner Membran sehr leicht von allen Seiten betrachten.

Bringt man Milch ttber Schwefelkohlenstoff in ein geschlosse-

272 Dr. C. Sohwalbe:

nes Oefäss und schüttelt nicht, so ist nach einigen Wochen die Milch geronnen, zeigt oben die Butterschicht; aber an der Grenze zwischen Milch und Schwefelkohlenstoff eine dünne Schicht, wie Kalk- milch aussehend. Diese weisse Schicht besteht aus etwas gequolle- nen, ungemein stark lichtbrechenden Milchkügelchen, welche Schwe- felkohlenstoff aufgenommen haben, wie man durch die Jodreaction sehr leicht nachweisen kann. Schüttelt man Milch mit Schwe- felkohlenstoff in geschlossener Flasche, so ist nach einigen Tagen die ganze Milch in einen kalkmilchartigen Bodensatz und Serum umgewandelt; eine Coagulation des Gaseins hat aber nicht Statt gefunden ; noch nach mehreren Wochen kann man das Gasein durch Essigsäure etc. coaguliren.

Man kann die durch Schwefelkohlenstoff massig aufgequolle- nen Milchkügelchen durch Schütteln leicht in Wasser suspendiren und so mit geringen Quantitäten eine sehr intensiv milchweiss ge- färbte Flüssigkeit darstellen; die Kügelchen senken sich aber nach kurzer Zeit wieder zu Boden. Setzt man Osmiumsäure hinzu, so tritt Färbung ein. Setzt man Aether hinzu, so bildet sich eine gallertartige Masse, in welcher die Milchkügelchen liegen. Diese nehmen Aether auf, geben Schwefelkohlenstoff ab, verlieren ihr starkes Lichtbrechungsvermögen und sehen bald, ungefähr nach einer Stunde den Milchkügelchen gleich, auf welche nur Aether ge- wirkt hatte ; sie werden durch Osmiumsäure braun gefärbt. Nach ungefähr 12 Stunden werden die Milchkügelchen nicht mehr gefärbt; die Fette sind durch den Aether ausgezogen; es zeigt sich aber deutliche Schrumpfung der Milchkügelchenmembran. Schwefelkoh- lenstoff reducirt gleichfalls Osmiumsäure, zersetzt sich aber dabei, so dass SchwefelkohlenstoSkügelchen nicht wohl Milchkügelchen vor- täuschen können.

Wenn man die Resultate dieser Untersuchungen recapituürt, so geht ganz zweifellos aus denselben hervor, dass die Milchkügel- chen ausser aus Fett noch aus einer anderen Substanz bestehen, höchst wahrscheinlich einen Eiweisskörper. Ausserdem kann man mit Sicherheit annehmen, dass diese chemisch difierente Substanz sich auf der Oberfläche des Kügelchens befindet, dasselbe also mem- branartig umgiebt. Dafür sprechen die doppelten Gontouren, welche man an den von ihrem Fett befreiten Kügelchen nach Osmiumsäure- zusatz bemerkt; dafür spricht die in Falten gelegte Membran, welche man um das durch Osmium gefärbte Fett bei dem Versuche

Ueber die^^Membrao der Milchkügelcben. 273

mit Salzsäure und Aether beobachtet. DafUr spricht die langsame Diffasion des Fettes aus den MUchkügelchen in den Aether, da freies Butterfett vom Aether ungemein schnell gelöst wird. Dafür spricht die Diffusion des Schwefelkohlenstoffs in das Kügelchen und aus dem Kügelchen wieder zu dem Aether, ohne dass das Fett, welches doch in beiden Stoffen so leicht löslich ist, vollständig ex- trahirt ist Indess will ich immerhin die Möglickeit zugeben, da»s die vom Fett chemisch differente, wahrscheinlich eiweissartige Sub- stanz auch in das Innere zwischen das Fett sich fortsetze, obgleich alle Versuche die Existenz eines solchen Stromas, ähnlich dem der rothen Blutkörperchen, nachzuweisen ohne Erfolg geblieben sind.

Noch einmal möchte ich heiTorheben, dass die obigen An- gaben sich nur auf Kuhmilch beziehen.

Zürich, Ende September 1871.

». Scholtn, AitUv f. DiknMk. AMtomlei Bd. 8. 18

Die angeblichen Terminalkörperohen an den Haaren einiger S&ugethiere.

Von Dr. I^udwlg Stted»,

Proseotor und ausserordentlicher Professor in Dorpet.

KttrzUch hat Dr. Jos. Seh ob 1 in Prag eigenthttmlich gebaute Körperchen an den Wurzeln der Haare bei Fledermäusen und Haus- mäusen beschrieben. Er benennt dieselben bei Fledermäusen Ter- minalkörperchen , bei Mäusen Nervenknäuel und f asst sie auf als Endorgane sensitiver Nerven (dieses Archiv Bd. VIl; die Flughaut der Fledermäuse, namentlich die Endigung ihrer Nerven pag. 1—32 Taf. I— V und das äussere Ohr der Mäuse als wichtiges Tastorgan pag. 260—268 Taf. XXI— XXIV).

Schon lange mit Untersuchungen der Haut verschiedener Säuge- thiere beschäftigt, kenne ich auch die in Rede stehenden Gebilde; allein ich bin über dieselben zu einer ganz anderen Anschauung gekommen, als Schöbl. Ich habe bisher es nicht fUr nöthig er- achtet gegen die von Schöbl vorgetragene Deutung aufzutreten, allein jetzt, da seine Ansicht von anderer Seite Unterstützung findet, zögere ich nicht mehr. Es hat sich ein anderer Forscher, nämlich Boll, mit Entschiedenheit für die Resultate der Untersuchung SchöbTä und dessen Deutung ausgesprochen. Der betreffende Passus lautet im Medicinischen Gentralblatt 1871 No.34 pag. 532 sie folgt: Ref. (BoU) dem sich neulich Gelegenheit bot, diese Angaben SchöbTs zu controliren, bestätigt die mit ausserordentlicher

Die angeblichen Terminalkörperchen an den Haaren einiger S&ngethiere. 275

Exactheit gegebene Darstellung SchöbFs iii allen Puncten. Der Reichthom des Organs an Nervenfasern ist ein wahrhaft erstaun- licher. Debrigens giebt es wohl keinObject, das sich so vorzüglich und bequem zur Demonstration von Nervenverästelungen und Ner- venendkörperchen eignet, wie dieses."

Meiner Ansicht nach sind die eigenthümlichen Gebilde an den Haarwurzeln der genannten Säugethiere keine Terminalkörperchen, wie Schöbl und Boll meinen, sondern sogenannte Haarkeimfe d. h. aus Zellen gebildete Fortsätise der Haarscheide (Wurzelscheide des Haars), welche dazu bestimmt sind zu einem neuen Ersatzhaar zu werden. Es soll die Aufgabe dieser Zeilen sein, meine Be- hauptung gegenüber derjenigen von Schöbl^ und Boll, Eingang and Verbreitung zu verschaffen.

Schöbl schildert die besagten Gebilde in der Flughaut der Fledermäuse in folgender Weise: unterhalb jeder Haarzwiebel liegt ein Terminalkörperchen, umschlossen von der Glashaut des Haar- balges. Das Körperchen hat die Gestalt eines kurzen Tannenzapfens mit etwas gerundeter Spitze ; es besteht aus zwei Theilen ; der Gen- traltheil oder Kern wird zusammengesetzt aus bisweilen pigmentirten Zellen, welche ihrer Genese nach den Zellen der Wurzelscheide, d. h. dem Rete Malpighii angehören ; die Binde bilden dicht gewundene oder verschlungene dunkelrandige Nervenfasern.

Aehnliche Gebilde bat Schöbl femer am Ohr der Mäuse ent- deckt und beschrieben. Es heisst in dem oben citirten Aufsatz: 9 unter der Haarzwiebel in jedem Haarbalg befindet sich eine mehr oder weniger conische Verlängerung, welche aus deutlich kernhalti- gen Zellen besteht, die ihrer Grösse nach der Wurzelscheide ange- hören. Der ganze Fortsatz ist von der Glashaut des Haarbalges umhüllt.^ Nach Schöbrs Mittheilung ziehen nun von den den Haarbalg umkreisenden Nervenfasern 2-4 Fasern längs der coni- scben Verlängerung nach abwärts bis an das stumpf abgestutzte Ende desselben und bilden daselbst einen kreisrunden oder ovalen Nervenknäuel, welcher fast unmittelbar unter dem betreffenden Fort- satz liegt. In einigen Fällen glaubte Schöbl im Innern des Knäuels einige wenige Zellen von der Beschaffenheit der Zellen des Fortsatzes gesehen zu haben.

Es existirt nach dieser Beschreibung zwischen den Körperchen bei der Fledermaus und denjenigen der Maus ein kleiner Unterschied, während bei der Fledermaus eine Anhäufung von Zellen des Bete Mal*

276 Ludwig Stieda:

pighü von Nervenfasern umsponnen wird, befinden sich bei der Haus- maus die aufgeknäuelten Nervenfasern unterhalb des zelligen Fort- satzes der Haarscheide. Durch die den beiden Abhandlungen Schob Ts beigefügten Abbildungen wird diese Beschreibung der Gebilde in ent- sprechender Weise illustrirt.

Schöbt hält nun die beschriebenen Gebilde fär Endorgane der sensitiven Nerven, für sogenannte Terminalkörperchen und Boll schliesst sich ihm an.

Ich stimme im Wesentlichen der von Schöbl gelieferten Be- schreibung bei, seiner Deutung durchaus nicht Auch ich linde an den Haarwurzeln der Fledermäuse, der Hausmäuse und, wie ich hinzufügen kann, der Ratten und der Maulwürfe kugelige oder ovoide zellenhaltige Fortsätze der Haarscheide, welche von der Glashaut umgeben, in die Cutis hineinragen. Auch dass die Nerven- fasern (und Blutgefässe) in reichlicher Menge zu jenem Fortsatz und dem Haarbalge hinzutreten, muss ich constatiren, wenngleich ich die regelmässigen Schlingen und Aufknäuelungen nicht so deut- lich sah, als sie Schöbl zeichnet. In anderer Beziehung aber sind meine Resultate andere. Schöbl findet die Körperchen an allen Haaren der Flughaut der Fledermäuse und an allen Haaren des äussern Ohrs der Mäuse. Diesem muss ich widersprechen ; ich habe mehr als einmal die Körperchen durchaus vermisst. Dagegen finde ich dieselben Gebilde sowohl bei den genannten Säugethieren, als auch bei anderen (Ratte, Maulwurf) an beliebigen Gegenden der Körperhaut, jedoch keineswegs bei allen Individuen.

Wie stimmt dieses inconstante und das verbreitete Vorkommen zu der Deutung der Körperchen als Endorganen sensitiver Nerven?

Ich meine, es erheben sich gewichtige Bedenken gegen die Auffassung der Körperchen als nervöse Terminalkörperchen von Seiten des Haars.

Wirft man einen Blick auf die von Schöbl gelieferten Abbildun- gen der Körperchen, so fällt etwas sofort auf, nämlich der Mangel einer Haarpapille; an beiden Tafeln (Taf. IV Fledermaus, Taf. XXIV Maus) ist von einer Haarpapille nichts sichtbar, die Haar- zwiebel besitzt diejenige Form, welche man seit He nie mit dem Namen Haarkolben zu bezeichnen pflegt. Henle schreibt in seiner Eingeweidelehre pag. 21: „die Haarwurzel erscheint in zweierlei Formen: offen und hohl, so lange das Haar wächst, oder geschlossen und solid, wenn das Haar seine typische

Die angebliohen Terminalkörperoheti an den Haaren einif^er S&ugethiere. 277

Länge erreicht hat und sich zum Ausfallen anschickt/ Ich habe an einem andern Orte (Reicberts Archiv Jahrgang 1867 p. 517) auf die Richtigkeit dieser im Allgemeinen wenig gekannten und wenig berücksichtigten Thatsachen aufmerksam gemacht. Es wird nun keinem Histologen, welchem die beiden Formen der Haarwurzel aus eigener Anschauung bekannt sind, entgehen, dass in den Abbil- dungen Yon Seh ob 1 die Haarwurzel unzweifelhaft die Form des sogenannten Haarkolbens hat, d. h. eines Haars, welches sein Wachs- thum vollendet hat. Dass man an solchen mit einem Haarkolben versehenen Haaren' jene Körperchen sitzen sieht, muss ich, wie be- merkt durchaus bestätigen. Wie steht es aber mit der Anwesen- heit der Körperchen an Haaren, welche auf einer Haarpapille sitzen? Hierauf giebt Schöbl direct keine Antwort; er hat die Körperchen an allen Haarender betreffenden Körpergegenden jener Thiere gesehen. Meine Untersuchungen geben mir eine Antwort: an denjenigen Haaren, welche eine offene Haarzwiebel und eine deut- liche Haarpapille haben, finden sich niemals jene Körperchen.

Das Vorkommen der Körperchen an ausgewachsenen Haaren, das Fehlen derselben an noch wachsenden Haaren, das inconstante Vorkommen an Individuen derselben Species, und die Verbreitung über verschiedene Gegenden des Körpers spricht durchaus gegen die Auffassung der Körperchen als Nervenendorgane. Warum sollten einzelne Individuen aller Endorgane beraubt sein, während andere an jedem Haar der ganzen Körperoberfläche ein Endorgan besitzen?

In einer früheren Abhandlung über den Haarwechsel (Reicherts Archiv 1867 pag. 517—541) habe ich auf Grund angestellter Un- tersuchungen die Behauptung aufgestellt, dass beim Haarwechsel das neue Haar oder Ersatzhaar nach Atrophie der alten Haarpapille sich bilde aus einer Zellenanhäufung welche sich als ein in die Cutis hineinragender Fortsatz der den Haarkolben umgebenden Haarscheide darstellt. Wenngleich meine Behauptung von Götte angegriffen worden ist und seither noch keine Bestätigung erfahren hat, so halte ich dennoch an derselben fest ^).

Jene an der Haarwurzel befindlichen Körperchen lassen nun meiner Ansicht nach eine viel bequemere, leichtere und ungezwun-

1) Aaf die zwischen Oötte und mir existironden Differenzen in Bezug aaf die Bildung der Haare gedenkeich in einer anderen Mittheilnng einzugehn.

276 Ludwig Stieda: Die angeblichen Terminalkörperchen.

gene Erklärung zu, wenn ich sie wie in dem früher citirten Auf- satz geschehen ist mit dem Haarwechsel in directe Beziehung bringe. Damals schrieb ich (Reicherts Archiv 1867 pag. 529): »In ganz ähnlicher Weise, wie beim Rennthier, bildet sich das neue Haar beim Rind und beim Kalb, ferner bei Nagern (Mäusen und Ratten), doch sind wegen der Kleinheit der Haare bei letzteren die Voigänge schwieriger zu verfolgen. Doch deuten die kleinen stark pigmen- ti rten Anhänge, welche ich seitlich oder unten an jedem Haarbalg sitzen sah, und welche sich wie der abgeschnürte Grund des Haar- balgs ausnahmen, auf eine gleiche Entwicklungsweise/

Der aus Zellen des Rete Malpighii bestehende Fortsatz der Haarscheide bei den genannten Säugern ist eben ein Haar keim, die Anlage eines neuen Haares; diese Auffassung stimmt sehr gut mit den ermittelten Thatsachen. Hieraus erklärt es sich, dass die Körperchen nur an solchen Haaren sich finden, deren Wachsthum beendet ist und dass dieselben an noch wachsenden Haaren fehlen; hierzu passt die Thatsache , dass die Körperchen nicht allein auf die Flughaut der Fledermäuse und das äussere Ohr der Hausmäuse beschränkt sind, sondern sich auch an andern Körpergegenden und bei andern Säugern finden; hierdurch lässt es sich verstehen, warum bei einzelnen Individuen alle Haare mit jenen Körperchen versehen sind, bei anderen kein Haar ein solches Körperchen besitzt. Jene Indi- viduen sind im Begriff ihre Haare zu wechseln, bei diesen ist der Wechsel beendigt und die Anlage des neuen Haares noch gar nicht vorhanden.

Zum Schluss noch die Bemerkung, dass die von Schöbl er- mittelte Thatsache, dass Nervenfasern reichlich zu jenen Körper- chen hinzutreten welche Thatsache ich durchaus bestätigen muss, keineswegs gegen die Deutung der Körperchen als Haarkeime geltend gemacht werden darf, da der Eintritt von Nervenfasern in die Haarpapille eine unbestrittene Sache ist. Wie die Nerven in den Haarpapillen, resp. in den dieselbe umgebenden und den Haar- balg auskleidenden Zellen der Haarscheide enden, das zu unter- suchen bleibt noch der weitem Forschung überlassen.

Dorpat, den 23. October 1871.

Bemerkungen über die Brunner'schen Drüsen.

Briefliche Mittheiliuig an des HerauBgeber

▼on Meidenbain.

In seiner Arbeit über die Drüsen des Darmes, welche Schwalbe gestern mir zuzusenden die Freundlichkeit hatte, wirft derselbe (dieses Archiv Vin, 133) die Frage auf, ob die secemirenden Elemente jener Organe ihre Beschaffenheit mit dem Verdauungszustande ändern. Ich bin in der Lage, hierauf eine positive Antwort geben zu können. Im vorigen Winter beschäftigte sich auf meine Anregung Herr Dr. Ludwig Hirt in meinem Institute mit den Brunner'schen Drüsen. Die Arbeit musste leider unterbrochen werden, bevor sie ihre volle Reife erlangt ; einzelne Punkte, z. B. der Bau der membr. propria, waren noch nicht in Angriff genommen. Die bereits erlangten Er- gebnisse stimmten vollkommen mit den Angaben Schwalbe's Über- ein. Was namentlich der Letztere bezüglich der tubulösen resp. adnösen Form der Drüsen, bezüglich ihrer grossen Analogie mit den Magendrüsen der Pylorusgegend, betreffs der microchemischen Reactionen der Drüsenzellen bemerkt, ist von uns in ganz ähnlicher Weise notirt worden. Hirt hat aber auch bereits beim Hunde die Drosen im Hunger- und im vollen Verdauungzustande untersucht und dabei ganz entsprechende Veränderungen constatiren können, wie sie Ebstein von den Pylorusdrüsen des Magens festgestellt hat Die menschlichen Drüsen hat Hirt in einem Falle 4 Stunden nach dem Tode untersuchen können und sie denen des Schweines am ähn- lichsten gefunden.

So ist denn nun jetzt bereits an einer ganzen Reihe von Drü- sen (Schleim bereitende Speicheldrüsen, beide Arten von MagendrUsen, Bmnner'sche Drüsen) eine Veränderung ihrer anatomischen Be-

280 üeber die Brunner^sohen Drüsen. ~

schaffenheit während ihrer Thätigkeit festgestellt. Gestatten Sie mir bei dieser Gelegenheit zu erwähnen, dass hierher nach Beob- achtungen, welche mein Bruder Bernhard Heidenhain bereits Anfangs August 1870 in einer Arbeit der Danziger Friedensgesell- schaft vorgelegt hat, auch die Drüsen der Froschhaut gehören. Ihr Ruhezustand ist durch Eberth's Abbildung Tab. n, Nr. 3 (in der bekannten Monographie über die Froschhaut) bezeichnet ; die übrigen Formen kann man durch electrische Beizung des Rückenmarkes oder Strychninvergiftung herstellen als verschiedengradige Functionszu- stände. Wir haben unsere ziemlich ausgedehnten Erfahrungen Aber diesen Gegenstand noch nicht gedruckt, weil inzwischen Engel mann in einigen vorläufigen Mittheilungen kurz den Bau jener Drüsen in einer Weise, die uns nach unsern Bildern nicht ganz verstandlich ist, beschrieben hat. Was er „contractile Drüsenzellen^' nennt, ist uns unklar, •— wenn er nicht etwa die contractilen Faserzellen der DrüsenhttUe meint. Nach erfolgter ausführlicherer Darstellung der Engelmann'schen Ergebnisse werden wir auf die unsrigen zurück- kommen. —

Im Augenblicke beschäftigen uns nach einer ähnlichen Rich- tung hin die Nieren, von denen ich zu erwarten Anlass habe, durch Untersuchung ihrer verschiedenen Functionszustände über die bis- her nicht entschiedene Frage in's Klare zu kommen, welche Ab- schnitte der Harnkanälchen die festen Harnbestandtheile seoanireo.

Breslau, 26. Nov. 1871,

Nesselzellen und Samen bei Seesohwänunen.

Von

Dr. Th. Biaier,

PriTfttdooent su Wünsbarg.

Hiena 2 Holzschnitte-

Während eines Aufenthaltes aof Capri, welcher sich auf die Zeit Yon März bis Juli dieses Jahres erstreckte, habe ich haupt- sächlich die Schwammfauna der Insel zum Gegenstande meines Studiums gemacht, und zwar habe ich den Kieselschwämmen, an welchen das Meer um Gapri besonders reich ist, in erster Reihe die Aufmerksamkeit zugewendet. Da seit meiner Bückkehr meine ganze freie Zeit anderen, schon früher begonnenen Untersuchungen, welche Tor Allem zu einem gewissen Abschluss gebracht werden sollten, zugewendet sein musste, so ist es mir bisher nicht möglich gewesen, das an Ort und Stelle Beobachtete zu einem Ganzen zu vereinigen und das reiche Material an Kiesel- und Homschwämmen, welche ich mitgebracht habe, zu verarbeiten. Und weil diese Arbeit voraus- sichtlich eine längere Zeit in Anspruch nehmen wird, so sehe ich mich veranlasst, im Folgenden die Hauptergebnisse meiner Unter- sachongen mitzutheilen.

Das wichtigste dieser Ergebnisse ist das, dass ich mehrere Arten vonKieselschwämmen mitNesselzellen gefunden habe.

Die betreifenden Schwämme sind den Benierinen (0. Schm.) theils nahestehend, theils gehören sie in diese Familie.

282 Dr. Th. Eimer:

Der erste von ihnen hat die Form einer unten geschlossenen Röhre, und sitzt mit dem unteren, eVfis^ verdünnten Ende Steinen auf. Am oberen Ende der Röhre befindet sich, um die ck eTsch^ Bezeichnungen anzunehmen, der Mund als weite Oefihung, welche in den fast bis zum Grunde reichenden Magensack führt. Das Ge- rüste des in der Farbe sattbraunen Schwammes besteht aus nach Renieren-Typus zum Maschennetz zusammengelegten Kieselnadeb. Die meisten derselben sind leicht gebogen, zweispitzig, sehr allmälig sich verschmälernd. Dazwischen kommen zweispitzige gerade Nadeln vor, ferner aber auch gebogene an einer Seite stumpfe, und eben- solche gerade. Die Sarkode ist auffallend klebrig, eine Eigenschaft, welche den Schwamm von den eigentlichen Renieren trennt, denn sie bewirkt, dass er nicht leicht zerreisslich ist wie diese, dass vielmehr die Stückchen, wenn man ihn zerzupfen will, mit auffallender Hart- näckigkeit an den Präparimadeln hängen bleiben. Auf diese kleb- rige Beschaffenheit der Sarkode lässt sich auch schon bei ihrer Be- trachtung mittelst des Mikroskopes schliessen : als eine dichte, Men- ziehende Masse, von ungleichgrossen, gelblichen Kömchen unregel- mässig durchsetzt, gibt sie sich überall dort zu erkennen, wo sie nicht in kömige Cytoden sich differenzirt hat.

In diesem Gewebe liegen überall Nesselzellen zerstreut, einzeh oder in kleinen Häufchen, und zwar sehr zahlreich. Eine sehr be- stimmte Anordnung zeigen diese Nesselzellen nicht Sie liegen aber sehr oft um die Nadeln hemm, und umgeben am häu- figsten die Einströmungsöffnungen in deren ganzem Verlauf. In besonders grosser Menge aber kleiden sie die Magenhöhle des Schwammes aus; allein auch hier kommen sie nicht etwa in einer zusammenhängenden Lage vor, sind vielmehr zerstreut, wie im Inneren. Dagegen scheinen sie auf der Oberfläche des Thieres sich nicht zu finden. Ein Ektodeim und ein Entoderm sind übrigens als deutlich abgrenzbare Schichten an diesem nicht zu unterscheiden.

In beiden Exemplaren des Schwammes, welche mir zu Gesicht kamen, finden sich überall zwischen den ausgebildeten Nesselzellen zahlreiche in Bildung begriffene, und beide sind durch den ganzen Schwammkörper gl eich massig vertheilt so dass man in jeder Probe viele von ihnen findet. Die Nesselzellen sind kurzeiförmig wie diejenigen vieler Coelenteraten (Längendurchmesser 18, Dicken- durchmesser 10 ju.) ; dieselben sind in Fig. A, 1 abgebildet.

Nesselzellen und Samen bei Seeschwämmen.

288

Fig. A.

Der zweite Schwamm, in welchem ich Nesselzellen, und zwar in höchst interessanter Anordnung fand, steht Reniera fibulata und Desmacella vagabunda 0. Schm. dadurch nahe, dass er Kieselhacken führt, letzterer aber noch besonders dadurch, dass er von einer glatten Haut überzogen ist, deren Grundlage Maschen von Kieselnadeln bilden, zwischen welchen in der Sarkode die veränder- lichen Einströmnng8ö£fhungen sich finden. Aber diese Nadeln sind keine Stecknadeln ; sie sind zwar gerade, aber einfach stumpf am einen Ende, mit sehr allmäliger Zuspitzung des anderen. Im Inneren, unter der Oberhaut, finden sich ausser den Kieselhacken und den stumpfspitzen noch sehr feine, lange, stäbchenförmige Nadeln. Meist in papillenartigen Erhebungen münden auf die Oberfläche des Schwammes Oscula aus. Diese Oscula führen in Canäle, die von einer ungemein deutlichen Membran ausgekleidet sind, und diese Membran ist von Zellen besetzt, deren grössteZahl aus Nesselzellen und ansNesselbildungszellen in allen Entwicklungsstadien besteht.

Die ausgebildeten Nessehsellai nähern sich, im Vergleich mit dem vorigen Schwanmi, hier mehr der Kugelform und sind etwas kleiner als dort. Wenn man mittelst schwacher Yergrösserungen von aussen in die Oscula hineinsieht, so erkennt man, wie der

284 Dr. Th. Eimer:

Nesselzellenbelag da allmälig gewöhnlichen Zellen weicht, wo die Wände des Canals in die äussere Körperoberfläche umbiegen. Diese letztere trägt keine Spur von Nesselzellen und wir haben also hierin ganz dasselbe Verhalten, wie im vorigen Falle.

Der geschilderte Schwamm lebt auf denselben Krabben mit einer Anzahl anderer, welche äusserlich von ihm gar nicht oder fast gar nicht zu unterscheiden sind, zusammen. Alle haben, abgesehen von der Form sie bilden moospolsterartige Ueberzüge auf den Körpertheilen ihrer Wirthe - noch gemeinsam die leichte Zereiss- lichkeit und, die meisten, auch die Farblosigkeit. Entgegen dieser äusseren Uebereinstimmung führte die mikroskopische Untersuchung dieser Schwämme zu einer interessanten Stufenleiter von Verschieden- heiten. Durch das Mikroskop habe ich nämlich unter ihnen gegen ein Dutzend Reniera-„ Arten ^ unterscheiden können, welche von der vorigen sämmtlich darin abweichen, dass sie keine Kieselhacken und meist auch keine äussere Haut haben, und die dadurch sich wieder von einander trennen lassen, dass sie bald umspitze, bald stumpf- spitze, bald Stecknadeln, bald an beiden Enden stumpfe, oder aber verschiedene Arten von Nadeln führen, welche alle in Beziehung auf Grösse und Anordnung wieder bedeutende Verschiedenheiten zeigen können. In welchem Grade auch die weichen Gewebs- theile variiren, muss ich an einem anderen Orte zu schildern mir vorbehalten.

Für jetzt sind uns vor Allem von den erwähnten Formen zwei interessant, welche in der Gestalt der Nadeln mit lleniera informis und accomodata 0. Schm. übereinstimmen. Die eine von beiden, welche grössere und etwas unregelmässiger gelagerte Nadeln hat als die andere, ist jedoch farblos. Dieselbe schliesst sich in höchst eigenthümlicher Weise an die oben zuletzt beschriebene Art an: ohne äussere Hautschicht und ohne Kieselhacken; welche für diese charakteristisch waren, auch nur eine Sorte, und zwar leichtgebogene, spitz-spitze Nadeln führend, weist sie dagegen Ausströmungscanäle auf, welche ganz dieselbe Weite und Anordnung zeigen wie dort, welche aber nicht von einer derben, sondern von einer sehr zarten, oft kaum nachweisbaren Haut ausgekleidet sind, und diese Haut trägt in allen den zahlreichen Exemplaren, welche mir vorliegen, nicht etwa Nesselzellen^ sondern Nesselbildungszellen in allen Stadien der Entwicklung bis zum deutlichen Auf- treten des Spiralfadens im Innern. Ausgebildete Nesselzellen

Nesselzellen und Samen bei Seeschwämmen. 285

aber werden nur äusserst vereinzelt zwischen diesen ge- troffen. Die Nesselbildungszellen sind je nach dem Entwicklungs- grade kleinere oder grössere glänzende, scharfbegrenzte runde Körper- cheo, welche vollkommen mit den homologen Gebilden des vorigen Schwammes übereinstimmen.

-Wir haben also hier einen Schwamm vor uns, welcher inden wichtigst en Struktur Verhältnissen phylogenetisch eine Entwicklungsform des vorigen darstellt, indem er auf einer Stufe der Entwicklung steht, oder gewissermassen stehen geblieben ist, welche der vorige einmal durchgemacht haben muss. Höchst interessant ist aber dass gerade die Nessel- zellen ihre volle Ausbildung hier nur in vereinzelten Fällen er- langen, dass gerade sie auf einer gewissen Stufe der Entwicklung stehen bleiben, so dass ihr Träger zugleich den Uebergang vonSchwämmen ohneNesselzellen zu solchen mitNessel- zellen vermittelt.

Auch bei diesem Schwämme fehlten die Nesselzellen der äusseren Körperoberfläche.

Die zweite der zuletzt erwähnten Schwammarten, welche uns hier noch wichtig ist, zeigt keine Spur von einer Membran als Aus- kleidung der Ausströmungsröhren. Ihr Gewebe ist bei den meisten Individuen noch zarter als das der vorigen. Die Nadeln sind kleiner und zierlicher wie dort, wenn sie auch in der Grösse variiren, und werden überaU zu sehr regelmässigen Maschen durch Sarkode zusammengehalten. Der Schwamm ist farblos, wie die vorigen. Es kommen jedoch Exemplare vor, welche eine blauröthliche Färbung zeigen und diese führen auf andere, welche bis hundsveilchenblau gefärbt sind. Die Diagnosen, welche 0. Schmidt sowohl von Renierainformis, als von Reniera accomodata gibt, stimmen mit dieser blauröthlichen Varietät überein.

Unter einer grösseren Anzahl von Exemplaren dieser blauen Varietät traf ich nun solche, welche ganz durchsetzt waren von einer dritten typischen Art Nesselzellen, gänzlich verschieden von den früher beschriebenen aber wie jene mit sehr langen Fäden verse- hen (0,7 mm. lang). Ein solcher Faden ist im natürlichen Ver- bältniss zur Länge der Zelle in der Figur A, 2 abgebildet.

Die Nesselzellen belegten hier nicht etwa wie vorhin die Innen- fläche der Ausströmungsröhren, sondern sie waren im ganzen Schwamm zerstreut, mit ihnen zahlreiche Nesselbildungszellen in allen Stadien

286 Dr. Th. Eimer:

der Entwicklung. An diesen letzteren konnte man sehr deutlich sehen, dass das Wesentliche der Nesselzelle, das Nesselorgan, aus dem Zellkern entsteht (vergl. d. Fig.).

Im Gegensatze zu den drei vorigen Schwammformen, in welchen alle Exemplare derselben Art sich in Beziehung auf die Nesselzellen vollkommen gleich verhielten, wechselten hier die Zahlenverhältnisse zwischen in Bildung begriffenen und ausgebildeten Nesselzellen bei den verschiedenen Individuen sehr. In einzelnen traf ich nur Nessel- bildungszellen, in anderen auch diese nicht, gleichwie ich in der farblosen Varietät ständig Nesselzellen wie Nesselbildungszellen vermisste. Zwar gehen beide Varietäten auch in der Farbe, wie ich schon bemerkt habe, vollkommen in einander über, allein dennoch dürften die gegebenen Verhältnisse die Frage rege machen, ob die NesselzeUen in diesen Schwamm nicht zufällig hineingekommen seien.

Dagegen muss in Betracht gezogen werden, dass es nicht aufifallend erscheinen könnte, wenn das Variiren in einer Gruppe von Schwämmen, welche sich ganz besonders dadurch auszeichnet, dass in ihr geradezu nichts constant ist, wenn das Variiren sich hier in der Weise inner- halb einer Art auch auf die Nesselzellen erstrecken würde, dass die- selben bald ausgebildet, bald nur in deutlich als solche erkennbaren Entwicklungsstadien, bald nur in der Form gewöhnlicher Zellen vor- kommen. Und vielleicht besitzen die Zellen, aus welchen die Nessel- zellen hervorgehen wirklich schon sehr frühe etwas Specifisches, denn gelegentlich der Betrachtung der Entstehung der letzteren bei dem hier in Rede stehenden Schwämme, finde ich in meinen auf Capri gemachten Notizen die Bemerkung: „die Nesselzellen entstehen in letzter Linie aus dem Kerne von Zellen welche identisch zu sein scheinen mit den blassen, nur wenige Körnchen enthaltenden Zellen, welche sich so zahlreich in vielen Schwämmen finden".

Leider habe ich es versäumt, an frischen Thieren genauere Untersuchungen über diesen Punkt zu machen^ insbesondere nach- zusehen, ob sich nicht gerade bei denjenigen Renieren-Foruien, welche keine Nesselzellen und keine ausgesprochenen Nesselbildungszellen führen, vielleicht eine specifische Zellenart findet, welche man ge- Wissermassen als Urahnen der Nesselzellen ansehen darf.

Auffallend ist mir für diese vierte Schwammart noch der Um- stand, dass hier eine Form von Nesselzellen vorkommt, welche nicht verwandt ist mit demjenigen der verwandten Schwämme, während

Nesselzellen und Samen bei Seeschwammen. 287

von diesen zwar jede eine typische, aber der anderen ähnliche Nesselzellenfonn aufweist

Dagegen ist zu bemerken, dass sich auch hier wie bei den übrigen Schwämmen nie andere Arten von Nesselzellen zwischen den typischen fimden; dass diese nicht etwa in einem Theile des Thierkörpers mehr angehäuft waren, als im anderen und dann, dass ich Nesselzellen ond Nesselbildungszellen in zahlreichen Individuen antraf, und dass ich gerade hier so schön die Entwicklung jener habe beobachten, die zartesten und vergänglichsten Jugendformen der- selben habe finden kennen.

Ob endlich die eigenthamliche schüfchenähnliche Form von Nesselzellen wie ich sie bei dem in Rede stehenden Schwämme ge- fanden habe, auch in Goelenteraten beobachtet ist, ist mir un- bekannt

Allerdings ezistiren Beispiele, wonach man Nesselzellen, welche nur durch die Nahrung in einen Thierkörper gelangt si nd, als dem- selben organisch zugehörig angesehen hat Täuschungen sind hier gewiss leicht mögUch. Desshalb habe ich mir bei jedem einzelnen der behandelten Schwämme immer von Neuem die Frage gestellt, ob denn die Nesselzellen nicht doch Eindringlinge- sein könnten. Es spricht aber in Beziehung auf die drei ersten Schwammformen nichts für, Alles gegen eine Bejahung dieser Frage, für das Verhalten der vierten Form möchte die grosse Neigung aller Theile zur Verän- derlichkeit eine hinreichende Erklärung abgeben.

Wichtig für die Beurtheilung meiner Beobachtungen ist noch die Thatsache, dass man bei all den zahlreichen, mit den nesselzellen- fiihrenden auf demselben Wirthe, und meist sogar in unmittelbarster BerOhrung mit diesen vegetirenden, oben erwähnten Renieren-Arten, welche sich gewöhnlich nur durch die Form der Nadeln von ihnen antorscheiden, niemals auch nur eine einzige Nesselzelle findet Ich f&hre all das an, weil ich wohl fühle, wie von vorn- herein etwas, ich möchte sagen, Verdächtiges in der Angabe liegt, man habe eine Thatsache aufgefunden, welche auf das Eifrigste gesacht wird und welche von so grosser Tragweite ist wie die ge- meldete.

HäckeP) sagt: „derabsoluteMangel der Nesselorgane

1) Ernst Hacke 1, üeber den Organismus der Sohwamtne und ihre Yerwandtflchaa mit den Gorallen. Jen. ZUchr. Bd. Y. S. 218.

288 Dr. Tb. Eimer:

bei allen Schwämmen, die beständige Anwesenheit derselben bei allen Corallen, Hydromedusen und Ctenophoren ist gegenwärtig der einzige morphologische Charakter, welcher die ersteClasse von den drei letzteren scharf und durchgreifend trennt Ich habe daher schon in meiner Monographie der Moneren und später in meiner natQrlichen Schöpfungsgeschichte den Vorschlag gemacht, die drei letztgenannten Classen unter dem alten Namen der Acalephae oder Gnidae (Nesselthiere) zusammenzufassen.*'

Huxley fasste jene drei Klassen unter dem Namen Nema- tophora zusammen.

Die grosse Kluft also, welche zwischen Schwämmen und Goelente- raten bis jetzt noch vorhanden war, ist durch das Auffinden von Nesselzellen bei ersteren überbrQckt, und es dürften die Beziehnngeo zwischen beiden um so mehr in Zukunft als vollständige hingestellt sein, als es mir auch gelungen ist, eine weitere Lücke, welche noch zwischen beiden zu bestehen scheint, diejenige in den Fortpflanzung»- Verhältnissen, vollkommen auszufüllen. Die Brücke aber habe ich, was die Nesselzellen angeht, ganz an einer anderen Stelle geschlagen, als da wo sie geplant war: Leuckart und Häckel nehmen be- kanntlich die Kalkschwämme als Ausgangspunkt für die Bildung der Gorallen an, ich traf die Nesselzellen bei Kieselsch w ämmen.

Da ich aus naheliegenden Gründen die Ernährungs Ver- hältnisse der Schwämme sehr im Auge hatte, so machte ich auch darüber einige positive Beobachtungen. Ich vermochte oft aas dem Magen von Kiesel- und Kalkschwämmen durch deren Mund einen dicklichen Speisebrei in grösseren Massen auszudrücken, wdchen ich mikroskopisch untersuchte. Darin fand ich dann fast immer halbverdaute Theile von kleinen Crustaceeui zuweilen solche Thioe noch ganz, nur ausgesogen niemals aber lebend, so dass ich annehmen muss, die Schwämme nähren sich zum Theil von mikros- kopischen Grustaceen. Dazu will ich hervorheben, dass ich ganz dasselbe bei kleinen Polypen (Gemmaria) oft beobachtete. So erscheint es wohl als gerechtfertigt, dass ich die Bezeichnungen Mund und Magen für die Schwämme also aus physiologischen Gründen vorweg angenommen habe.

Es ist auffallend, dass Bowerbank, Johnston, Gray, 0. Schmidt nicht nur, sondern auch Häckel und Miklucho, welche beide doch wahrscheinlich nach Nesselzellen in Schwämmen suchten, solche nicht gefunden haben. Aber dass mich bei ihrem

Nesselzellen und Samen bei Seeschw&mmen. 289

Aaffinden ein guter Zufall geleitet haben konnte, beweist die weitere Beobachtung, welche ich gemacht habe, die nämlich, dass in zahlreichen Seeschwämmen Spermatozoon vorkommen.

Häckel sagt in Beziehung auf Spermatozoon bei Schwämmen ^) : ^Obwohl ich Hunderte von Calcispongien anf das Genaueste mikros- kopisch untersucht habe, so ist es mir weder bei diesen, noch bei den von mir untersuchten übrigen Schwämmen j^nals gelungen, eine Spur voD befruchtenden männlichen Formelementen, von Zoospermien, auf« zufinden. Ich bin dadurch gegen die allgemein angenommene sexuelle Differenzirung der Spongien überhaupt in hohem Grade misstrauisch geworden. Die einzigen Angaben von Zoospermien bei Schwämmen, welche einiges Vertrauen verdienen (indessen immer noch der Bestä- tigung bedürfen) sind diejenigen von Li eher kühn überSpongilla. Was dagegen Gar te r als Zoospermien der Spongillen beschreibt, sind, wie schon Lieberkühn erkannte, Infusorien, und was Huxley als Zoospermien derTethyen abbildet, sind höchst wahrscheinlich Fliffimerzellen. Nicht minder bedenklich sind die Fäden, welche KöUiker als Zoospermien bei Esperia beschreibt Das Misstrauen g^en die Existenz von Zoospermien bei den Spongien muss aber um so gerechtfertigter erscheinen, als einerseits die abgerissenen, sich lebhaft bewegenden Geissein der Geisselzellen sehr leicht für bewegliche Samenfiden gehalten werden können, andererseits aber viele der erfahrensten Beobachter, wie z. B. 0. Schmidt u. Bo« werbank, welche Tausende von Schwämmen mikroskopisch unter- suchten, gleich mir selbst ganz vergeblich nach männlichen Organen irgend welcher Art gesucht haben. Ich halte, es daher für das Vor- sichtigste und Gerathenste, vorläufig überhaupt noch die Sexualität der Spongien zu bezweifeln. Dann dürfen aber die zur Fortpflanzung dienenden Zellen, die Keimzellen, nicht als geschlechtliche Eier, sondern sie müssen als geschlechtslose Keimzellen (Sporae) be- zeidinet werden.^'

Ich fand nun aber mit aller Bestimmtheit bei zahl- reichen Gallert-, Kiesel- und Kalkschwämmen Samen.

Es fielen mir oft schon bei der ersten Betrachtung eines Schwammes unter dem Mikroskop runde oder mehr ovale, blasse, zerstreut im Ge- webe li^ende Ballen auf, deren Oberfläche ein ungemein feinkörniges

1) a. a. 0. S. 224.

>L >cbalti«» Archiv f. mikrosk. Anatomie. Dd. 8. 19

a»0 Dr. Th. Eimer:

AoBseheD zeigte. Stärkere Vergrösserang liess erketmen, dass dieses Ansehen in der That von einer Art von Körnern herrflhrte, welche aber meistens nicht rond, sondem länglich gestaltet waren. Die gewöhnlichen stärkeren Venp-össerungen liessen an diesen eigen- thiimlichen Massen nichts Besonderes erkennen. Ich musste die stärksten Mittel (H a rt na c k's Tauchlinse 10) anwenden, um zd sehen, daaa sie Million»! Köpfe von eben so vielen sich bewegenden Spermato- zoon waren, welche sämmtlitdi ihre „Schwänze" nach einwärts gerichtet hatten. Wenn ein solcher Ballen etwas zerrissen war, so konnte man die Samenfäden genaner studiren, ich traf diese tlbrigens jetzt auch vielfach vereinzelt und sich bewegend im Crewebe so. Ihre Köpfchen waren bei einzelnen Schwammarten einfache, ns- 1 3 gemein feine POnktchen. (Fig. B, 2 von

, I p„ , einem Kalkschwamm), bei anderen, und

' ^ i| zwar bei den meisten, waren sie etwas

1 grösser und liefen vom in einen relativ ^ langen Schnabel aus, welcher im Gegen- il Satz zu dem übrigen Theile des Kopfes '■f dunkel erschien. Abgesehen von der grösseren Länge des Schnabels, haben diese Köpfe ganz die Form derjenigen Fig. B. menscblicber Zoospermien (vgl. Fig.

B, 1 von Kieselschwämmen).

Die Schwänze der Schwammspermatozoön gehören zu dem Fehlsten, was das Mikroskop uns zeigen kann. Selbst bei Anwendung vonHartnack'sTanchlinse 10 musste ich oft alleKraft des Auges aufbieten, um ihren Verlaut verfolgen zu können. Aber auch dabei wurde mir klar, dass ich nicht immer die ganze Länge des Fadens zu sehen vermochte: indem er nach unten immer feiner und feiner wurde, entschwand er allmälig dem Blick. Dennoch habe ich erkennen können, dass diese Schwänze an fertigen Spermatozoen aasset^ewöhnlich lang sind : ich konnte öfters eine Länge von bis 1 50 /(. verfolgen.

Ich tiaf nun auch zahlreich Entwicklungsstadien der Sper- matozoon. Es entstehen diese aus einer Zelle mit deutlichem Kern, und zwar scheint der Kopf aus dem Kern sich zu bilden, währwid der Faden aus dem Protoplasma der Zelle entsteht E^ war nämlich zuweilen unterhalb des Kopfes der Faden durch etwas Protoplasma verdickt, noch häufiger fand sich eine durch Protoplasma hervor-

Netselzellen and Samen bei Seesohwämmen. 291

gebrachte Verdiclnuig am Mittebtäck des Fadens, wiederum eine aufEaUende Uebereinstimmang mit dem Verhalten bei höheren Thieren.

Dass in dem Geschilderten eine Verwechslung mit Wimper- körben und mit Geisseizellen vorliegen könne, einen solchen Einwand würde i<A zu berOhren gar nicht fttr nöthig halten, wenn nicht so zahlreiche Seiten meines Tagebuchs von Formen spiiUdien, welche zwisdien den Samenballen und Wimperkörben in der Mitte stehen, und wenn ich nicht auch öfters einzelne Bildungen gesehen hätte, die sowohl in Beziehung auf die Beschaffenheit des Kopfes, als in Beziehung auf die Länge des Schwanzes Mittelstufen zwischen Geissel- uSka und Samenfäden herzustellen schienen, so dass ich schliesslich dahin neigte, einen Debergang von den einen in die anderen an- zunehmen.

Indem ich aber suchte, beide aus einander zu halten, wandte ich mich an ihre Bewegungen, und da fand ich denn, dass wenigstens in einzelnen Fällen in der Art der Bewegung ausgebildeter Samen- fiden und deijenigen der GeisselzeUen ein Unterschied in so fem zu bestehen schien, als erstere mehr den Eindruck des Willkttr- lichen machten, indem sie unregelmässiger waren, als die- jenigen der Fäden der letzteren. Die Bewegungen dieser erschienen als ein regelmässiges Hin- und Herschwingen, in Verbindung mit einer Vericflrzung, welche entweder eine WellenUnie hervorbrachte oder aber geradezu eine Knickung des Fadens. An den Bewe- gongen der ausgebildeten Samenfäden war dagegen ein Hin- und Herschwingen nicht zu sehen: sie geschahen etwa nach der Art, wie eine Schlange, welche man in der Mitte des Körpers in der Hand hält, Versuche zum Entwischen macht: sie stösst den Kopf heftig nach vorwärts und zieht ihn dann wieder zurück, so dass der Körper eine WeUenlinie bildet. Diese Bewegungen fanden bei den Spermatozoon in sehr lebhafter Weise statt, allein mit oft wechseln- der Stärke und nicht gleichsam mechanisch wie bei den Geis- selzeUen.

Zugleich mit den Spermatozoon fanden sich stets zahlreich Eier in den Schwämmen, so dass man diese als Zwitter betrachten moss. Beide, Eier und Samen, waren gewöhnlich in sehr grosser Menge vorhanden: die Samenballen lagen in bedeutender Anzahl im Gewebe, so dass in einem kleinen Schwammstückchen oft wohl Milliarden von Samenfaden vorhanden sein können.

292 Dr. Th. Eimer:

Die ungemeine Feinheit der Spermatozoän der Sehwänune dürfte es erklärlich machen, weashalb dieselben bisher, auch von so sehr hervorragenden Forschen wie die vorhin genannten, nicht gesehen worden sind, es wurden wohl so starke Linsen wie die Hartnack'sche 10, vermittelst welcher ich die Sper- matozoon unzweifelhaft als solche nachweisen konnte, von jenen bei ihren Studien an der See nicht benutzt

Aus meinen Untersuchungen aber scheint mir als sehr wahr- scheinlich hervorzugehen, dass auch die von Lieberkühn bei Spongilla beschriebenen Spermatozoon keine, oder höchstens Ent- wicklungsstufen von solchen waren. Dasselbe gilt für die Zoo- spermien, welche 0. Schmidt bei Spongia adriatica vermuthetM.

In der Arbeit, welche die Schwammfauna von Capri be- handeln soll, werde ich die im Vorstehenden enthaltenen An- gaben über die nesselzellenführenden Schwämme durch Abbildungen zu erläutern und zu stützen suchen. Ich kann aber nicht umhin, schon hier Herrn Professor Panceri in Neapel für die Liebens- würdigkeit zu danken, mit welcher er mir durch Bath und Tbat Beistand geleistet hat, hat er mich doch sogar auf dem Eiland mit Literatur versorgt. Vor Allem aber bin ich Dank schuldig Herrn Dr. Cerio auf Capri, dessen Interesse für meine Arbeiten und dessen unermüdliche, freundschaftliche Hülfe im Umgang mit den Fischern, beim Sammeln und in allen Lagen überhaupt, in welchen ich irgend einer Unterstützung bedurfte, mir meine Thä- tigkeit ungemein erleichtert hat. Auf Wiedersehn im nächsten Jahre!

Würzburg, im Dezember 1871.

Nachschrift.

Nachdem Vorstehendes schon niedergeschrieben und dem Herrn Herausgeber angezeigt war, bekam ich das 4. Heft des VI. Bandes der Jenaischen Zeitschrift zu Gesicht, in welchem

1) Supplement der Spongien des adriatischen Meeres, Leipsig 1864. S. 4.

Nesselzellen und Samen bei Seeschwammen. 298

Häckel *) darüber berichtet, dasser jetzt Spennatozoen bei Schwäm- men (Kalk- und Eieselschwämmen) gefunden habe. Es hat Häc- kel seine Untersuchungen zu derselben Zeit in Dalmatien gemacht, während welcher ich auf Capri war. Sie führten ihn zu dem Schlüsse, dass die Spermatozoon nichts anderes seien, als modificirte Geissei- Zellen des Entoderms. Diese Angabe würde das oben von mir Be- merkte erklären. Ferner findet Häckel, wie ich, überall zugleich mit den Zoospermien Eier in den Schwämmen, so dass auch er diese Thiere für Hermaphroditen anspricht.

Allein es sagt Häckel, in auffallendem Widerspruch mit meinen Beobachtungen, es sei niemals möglich, das Sperma in irgend beträchtlicher Menge nachzuweisen. Da die Samen- zellen gleich den Eiern überall in der einfachen epithelartigen ZeUen- schicht des Entoderms ohne bestimmte Ordnung zerstreut liegen etc., so sei selbstverständlich nicht daran zu denken, das Sperma wie bei anderen Thieren tropfenweis zu demonstriren oder selbst nur ein mikroskopisches Samentröpfchen mit einigen Hundert Zoospermien nachzuweisen; höchstens finde man einige Dutzend der letzteren zusammen.

Femer spricht Häckel von einer Möglichkeit der Verwechslung der Zoospermien mit verstümmelten oder abgelösten Flimmerzellen, und erklärt daraus, sowie aus dem seltenen und vereinzelten Vor- kommen der Samenelemente den Umstand, dass dieselben früher nicht mit Sicherheit haben nachgewiesen werden können. Endlich sagt er, dass er jetzt die von Lieberkühn bei Spongilla ge- sehenen Bildungen, sowiedie von HuxleybeiTethya beobachteten, welche er in der vorigen Arbeit für Flimmerzellen erklärt hat, für wirkliche Zoospermien halte.

Nirgends erwähnt dagegen Häckel die grosse Feinheit der Spermatozoon, noch beschreibt er dieselben überhaupt irgend als Gebilde ähnlich den so charakteristischen, welche ich oben geschildert und abgebildet habe.

Aus Alledem geht hervor, dass man wohl annehmen muss, Häckel habe gleich Huxley und Lieberkühn ausgebildete Spermatozoon nicht vor sich gehabt, sondern nur geisselzellen- ähnliche, also noch wenig vorgeschrittene Entwicklungsformen der- selben.

1) ,,Ueber die sexuelle Fortpflanzung und das natürliche System der Schwämme.*'

M. Schnlts«, Archiv f. mikroakop. Anatomie, itd. 8. 19

294 Dr. Th. Eimer: Nesseliellen and Samen bei Seesohwämmeo.

Da aber Häckel erklärt, den Befruchtungsvorgang direkt beobachtet zu haben, wobei er die Bemerkung macht, dass er ohne diese Beobachtung vielleicht selbst die Ueberzeugung, dass die frag- lichen kleinen Geisselzellen wirklich echte Zoospermien sind, nicht gewonnen haben würde, so darf wohl im Auge behalten werden, dass es immerhin Schwammarten geben könnte, bei welchen die Sper- matozoon bleibend gewissermassen niedere Entwicklungsformen bei- behalten.

Das äussere Ohr des Igels als Tastorgan.

Von

Br. Jo«. SehSlil

in Prag.

Hiewu Taf. XTV.

Das äossere Ohr des Igels ist für die Untersuchung des feineren Verhaltens der Nerven, namentlich der Endigungen derselben ein mit besonderen Schwierigkeiten behaftetes Untersuchungsobjekt. Na- mentlich sind es zwei Dinge, welche sich der Untersuchung hindernd in den Weg stellen, nämlich vor allem der enorme Pigmentreich- thum der Cutis selbst, indem namentlich unter der Malpighi'schen Schicht zahllose sternförmige Pigmentzellen ihr Gewebe durchsetzen, ja sogar anderweitige Gebilde als feinste Nerfenfasern, Capillaren etc. ganz oder theilweise mit den hellbraunschwarzen Pigmentkömem besäet erscheinen; dann die zahllosen elastischen Fasern, welche theils einzeh, theils zu Bündeln vereinigt die Cutis filzartig durch- weben.

Es gelang mir wenigstens theilweise diese Schwierigkeiten zu umgehen dadurch, dass ich zur Untersuchung zumeist albinotische Igel mit schneeweissen Stacheln und rothen Augen verwendete. Albinotische Igel sind zwar eine seltene Erscheinung und schwer zu acquiriren, es gelingt mir jedoch fast alle Jahre einzelne aus un- seren grossen böhmischen Waldungen zu erhalten.

Zur Untersuchung eignen sich am besten halberwachsene Exem- plare. Ganz junge Thiere sind nicht brauchbar, weil die Haarbälge und d^ren Adnexa noch nicht die definitive Form erlangt haben,

M. Sdraltee. ArohiT f. milcrotk. Auatomi«. Bd. 8. 20

296 Dr. Jos. Schöbl:

alte Igel dagegen geben nie so schöne Präparate wie jugendliche. Bevor das Organ zur Untersuchung verwendet wird, ist es sehr zweckmässig eine Injektion der Capillaren mit dünDflüssiger trans- parent gefärbter Gelatinmasse vorauszuschicken. Ich verwende ge- wohnlich eine sehr dünnflüssige Lösung des Lenn^leimes mit einem ganz geringen Zusatz von carminsaurem Ammoniak.

Injektionsmassen wie man sie sonst verwendet, selbst transparente sind viel zu dunkel und decken zu viel und erschweren hierdurch die Verfolgung einzelner feiner Nervenstämmchen oder Fasern auf weite Strecken an nichtinjicirten Präparaten. Dagegen sind die leeren Capillaren wenn auch nicht hinderlich so doch sehr unbequem.

Nachdem das injicirte Organ eine kurze Zeit in £is oder Eis- wasser behufs der Erstarrung der Gelatinmasse gelegen hat, lege ich dasselbe in eine einprozentige Lösung der Ueberosmiumsäure und lasse es daselbst durch 5 bis 10 Minuten verweilen. Zur Er- langung von Querschnitten verwende ich ich dann am liebsten das ganz frische Organ und trachte mit sehr scharfem Rasirmesser solche von möglichster Feinheit zu erhalten. Will die Sache nicht redit gehen, so hilft eine Einschmelzung des ganzen Organes oder eines Theiles desselben in Paraffin.

Gute Flächenpräparate von einigermassen grösserer Ausdehnung sind ungleich schwieriger darzustellen, es muss die Oberhaut und Malpighi'sche Schicht einerseits und der Knorpel anderseits und zwar mit der allergrössten Vorsicht und Schonung abpräparirt wer- den, was immerhin einige Uebung und Geduld erfordert. Am besten verwendet man hierzu verhältnissmässig sehr junge Individuen und es ist nothwendig das betreffende Organ vorher in sehr schwachen Lösungen der Chromsäure von 0,02 bis 0,04 Prozent oder in Jodserum etwas zu maceriren. Auch eignen sich solche Präparate nur für mittelstarke Vergrösserungen weil sie selbst bei vollkommenster Präparation immer etwas zu dick bleiben.

Unmittelbar vor der Untersuchung pflege ich die Präparate für einige Augenblicke der Einwirkung eines essigsauren Alkoholge- misches von verschiedener Concentration auszusetzen.

Die Anwendung des Chlorgoldes habe ich wenigstens für dieses Organ ganz aufgegeben und von Tinctionen auch nur einen äusserst beschränkten Gebrauch gemacht.

Zur Aufbewahrung der Präparate verwende ich schwach ange- säuertes Glycerin für sehr feine Objekte, die aber in Glycerin leidit

Das äussere Ohr des Igels als TastorgaxL 297

allzu durchsichtig werden, nach dem Rathe Max Schultzens eine nahezu concentrirte wässerige Lösung des essigsauren Kali mit trefflichem Erfolg.

Die genauere Betrachtung des Ohrknorpels so wie der an der Basis des äusseren Ohres befindlichen Muskeln übergehe ich ganz, weil sie einestheils nichts Aussergewöhnliches oder von anderen Thieren Abweichendes darbieten, anderentheils mit dem eigentlichen Objecte meiner Untersuchungen in keinem direkten Zusammenhange stehen ; dagegen erscheint ein genaueres Eingehen in die feinere Struktur der äusseren Bedeckung des Ohres zum Verständniss des feineren Nervenverlaufes als unentbehrlich.

Oberhaut

Die Oberhaut besteht aus einer Lage rundlich polygonaler Plättchen, welche im Durchschnitt einen Durchmesser von 0,0185 Mm. besitzen. Jedes Plättchen der Oberhaut besitzt in seiner Mitte ein kleines Häufchen von glänzenden braunen Pigmentkömem. Bei albinotischen Igeln fehlen diese Pigmenthäufchen gänzlich, und die Oberhautplättchen sind ganz farblos und durchsichtig.

Im natürlichen Zustand ist die Oberhaut in zahlreiche Falten and Fältchen gelegt, welche zumeist eine longitudinale zur Längs- axe des Ohres parallele Richtung einhalten, wodurch es bei ober- flächlicher Betrachtung den Anschein hat, als seien die Oberhaut- plättchen von rhomboidaler Gestalt, weil ohne Anwendung von Reagen- tien die Grenzen eines jeden einzelnen Plättchens nicht sichtbar sind, dagegen aber die braunen Pigmenthäufchen, in den durch die Fält- chen gebildeten länglich rhomboidalen Feldern liegend, eine derartige Gestalt der Plättchen vortäuschen.

In jeden Haarbalg stülpt sich das Oberhäutchen trichterförmig ein und es erscheint in diesem Trichter die Faltung und Fältelung desselben besonders zierlich und dicht. In den oberen Partien des Trichters bilden die Fältchen rhomboidale Feldchen, in denen die braunen Pigmenthäufchen sichtbar sind. Weiter nach abwärts werden die Khombi beständig schmäler und schmäler, bis endlich in den unteren Theilen des Trichters die Falten und Fältchen dicht aneinanderliegen und demselben ein langreihiges oder der Länge nach gestreiftes Ansehen verliehen.

298 Dr. Jos. Sohöbl:

Das Stratum MalpigUL

Die Malpighi'sche Schicht besteht ihrer Hauptmasse nach aus rundlich-ovalen Zellen, welche einen Durchmesser von 0,0037— 0,0071 Mm. besitzen und in ihrem Inneren gelbbraunes bis dunkel- braunschwarzes Pigment enthalten. Einzelne dieser Zellen, nament- lich die, welche dunkelbraunschwarzes Pigment enthalten, sind von demselben ganz angefüllt, andere, namentlich mit blasserer Pigmen- tirung, zeigen dasselbe nur an einer Seite angehäuft, während die andere, gewöhnlich den Kern enthaltende Seite pigmentfrei bleibt Endlich gibt es viele Zellen, die ziemlich blass sind und nur wenig gelbbräunliches Pigment eingestreut enthalten.

An der untersten Grenze der Malpighi'schen Schicht befindet sich ein Netz von grossen dunkles Pigment enthaltenden Zellen von äusserst polymorpher Gestalt, welche in ziemlich gleichen Abständen von einander regelmässig zerstreut liegen.

Ihr Durchmesser beträgt 0,0148—0,0186 Mm., sie sind durch- weg mit dunkelbraunschwarzem Pigment dicht angefüllt, nur in ihrer Mitte bleibt die Stelle des Kerns mehr oder weniger blass ; ihre Gestalt ist bald rundlich, bald länglich, bald dreieckig, bald vier- eckig, bald polygonal und nähert sich häufig der Stemform mit un- regelmässigen Ausläufern. Die Entfernung der einzelnen Zellen von einander beträgt im Mittel 0,0198 Mm.

Durch diese zweierlei verschieden grossen, verschieden geformten und verschieden pigmentirten Zellformen, und namentlich durch die regelmässige Yertheilung der grösseren erhält die Malpighi'sche Schicht besonders von unten betrachtet ein prachtvolles tigerartig gemus- tertes Aussehen.

Beiderlei Zellen der Malpighi'schen Schicht bekleiden die trich- terartige Einstülpung des Oberhäutchens an jedem Haarbalg bis zur Einmündungssteile der Talgdrüsen, woselbst die grössere Zellform verschwindet, die kleinere kontinuirlich in die Zellen der Ausfüh- rungsgänge der Talgdrüsen und die der Wurzelscheide, insoweit von einer derartigen gesprochen werden kann, übergeht.

Selbst bei albinotischen Igeln ist die Malpighi'sche Schicht nie vollkommen pigmentfrei. Namentlich enthalten die grossen Zellen stets etwas, wenn auch sparsames und sehr blasses Pigment.

Das ftassere Ohr des Igels als Tastorg^n. 399

Die Lederhrai

Das Stroma der Lederhaut besteht aus gewöhnlichem Binde- gewebe mit zahlreichen eingestreuten Bindegewebskörpercheu.

Die Bindegewebskörperchen in der tiefsten Lage der Cutis un- mittelbar über dem Knorpel sind von gewöhnlicher spindelförmiger Gestalt und pigmentlos, weiter nach aufwärts in gleichem Niveau mit den untersten Theilen der Haarbälge werden dieselben allmälich grösser, walzig-oval von Gestalt und mit einzelnen staubförmigen Pigmentkömehen wie bestreut. Noch weiter nach aufwärts werden sie noch grösser, oval von Gestalt, etwa winzigen Ameiseneiem glei- chend und sind an der ganzen Oberfläche mit feinsten Pigmentköm- chen besäet Noch weiter nach oben etwa in gleichem Niveau mit den Talgdrüsen verlieren sie bei abermaliger Grössenzunahme ihre ovale Gestalt, werden häufig dreieckig, mitunter polygonal und gehen in der obersten Schicht der Cutis unmittelbar unter der Mal- pighi'schen Schicht in sternförmige Pigmentzellen mit zahlreichen Ausläufern über.

Diese sternförmigen Zellen liegen unmittelbar unter der Malpi- ghi'schen Schicht und erstrecken sich bis etwa zu dem Niveau der Talgdrüsen. Ihre Grösse ist mitunter sehr bedeutend variirt aber angenau. Einzelne messen vom äussersten Ende des einen Aus- läufers zum entgegengesetzten 0,0840 Mm.

Sie sind ganz mit schwarzbraunem Pigment angefdUt; nur in der Mitte bleibt die Stelle des Kernes pigmentfrei.

Ihre Gestalt ist im Ganzen sternförmig, doch höchst polymorph mit den verschiedenartigsten, mitunter verästelten und wieder ver- schmelzenden Ausläufern von vei*schiedenster Länge, die häufig mit den benachbarten Zellen zusammenstossen und so zu anastomosiren scheinen.

An gut gelungenen Querschnitten kann man den ganz allmä- lichen Uebergang der colossalen, vielfach verästelten Pigmentzelle unter der Malpighi'schen Schicht bis zum winzigen spindelförmigen farblosen Bindegewebskörperchen in der Nähe des Knorpels in prachtvollster Weise zur Ansicht bekommen, indem die Zellen je weiter sie sich von der Oberfläche entfernen an Gestalt immer we- niger complicirt werden, an Grösse und Pigmentreichthum beständig abnehmen.

Zur Untersuchung dieser Verhältnisse eignen sich am besten die dunkelsten Varietäten der Igel und ganz ausgewachsene Exem-

300 Dr. Job. Bohöbl:

plare. An albinotischen Igeln sind alle diese Zellen vollständig pigmentlos und namentlich sind die obersten sternförmig verästelten ohne Anwendung von Reagentien gar nicht wahrnehmbar.

Das elastische Gewebe der Lederhant.

Unmittelbar unter der Malpighi'schen Schicht befindet sich eine dünne Schicht, welche aus eng verfilzten elastischen Fäden von un- messbarer Feinheit besteht.

Von dieser elastischen Schicht nach abwärts steigen gleich zier- lichen Säulengängen Bündel elastischer Fasern von verschiedener Stärke und gehen zwei bis drei übereinander liegende arkadenartige Bogen bildend ineinander über. Die zelligen Zwischenräume zwischen den Säulengängen und BogenwOlbungen werden von schwächeren Bündeln und einzelnen elastischen Fasern, die mit den ersteren zu- sammenhängen, netzartig durchflochten.

Von den Wölbungen der Arkaden gehen wieder einzelne Bündel elastischer Fasern aus und bilden, sich verschiedentlich kreuzend und an Knotenpunkten wieder verschmelzend, ein zunächst weitmaschiges Netz, dessen zellige Zwischenräume abermals wieder von feineren Bündeln und einzelnen Fasern durchkreuzt werden.

Je weiter sie jedoch nach abwärts gelangen, um so schwächer werden durch beständige Yerästlung und Abgeben von einzelnen Fasern die Bündel, desto enger, langgestreckter und undeutlicher werden die Maschen, bis endlich ungefähr gegen die Mitte des Stro- mas der Cutis sie sich sämmtlich in einzelne Fasern von unmess- barer Feinheit aufgelöst haben, welche dann weiter nach abwärts die Cutis gleichmässig filzartig durchsetzen, um am Knorpel wieder eine zusammenhängende dichte verfilzte Schicht zu bilden.

Die elastische Schicht unmittelbar unter^^dem Stratum Malpighii betheiligt sich meiner Ansicht nach an der trichterförmigen Einstül- pung der Oberhaut und des Malpighi'schen Stratums an jedem Haar- balge, bildet daselbst am Trichter, die beiden erstgenannten umhül- lend, ein äusserst feines strukturloses Häutchen, welches man bis in die Ausführungsgänge der Talgdrüsen verfolgen kann und von dem ich glaube, dass es weiter nach abwärts als die sogenannte Glashaut des Haarbalges sich fortsetzt.

Lässt man ein Präparat in einer sehr schwachen Ghromsäure-

Das äussere Ohr des Igels als Tastorgan. SOI

lösong von etwa 0,01 Prozent oder auch in anderen Flüssigkeiten durch längere Zeit maceriren, so gelingt es mitunter bei Beseitigung der Oberhaut und Malpighi'schen Schicht stellenweise auch deren Einstülpungen in die Haarbälge sammt den Haaren und der den Wurzelscheiden entsprechenden Zellenmassen zu entfernen. Die TalgdrQsen bleiben dann gewöhnlich zurück und am unteren Theile des Haarbalges sieht man die leeren Faserschichten desselben und bei gelungener Präparation oder Schnittfuhrung auch die Glashaut.

An solchen Pnlparaten sieht man nun ganz deutlich ein äusserst feines strukturloses Häutchen sich von der Oberfläche trichterförmig gegen die Einmündungsstelle der Talgdrüsen erstrecken. Auch kann man bei günstig gelegenen Präparaten wahrnehmen, wie am oberen Ende dieses Häutchens zahlreiche elastische Fasern von unmessbarer Femheit in dasselbe förmlich überzugehen scheinen, auch während der ganzen Ausdehnung sieht man Fäden, wenn auch weniger zahl- reich von demselben ausgehen.

An diesem trichterförmigen Häutchen kann ich selbst bei den stärksten Vergrösserungen und bei Anwendung der verschiedensten eingreifendsten Beagentien keine Struktur nachweisen. Das einzige was man an ihr bemerkt, ist, dass sie zuweilen wenigstens stellen- weise an guten Präparaten längs des ganzen Trichters von der Ober- fläche bis zur Einmündung der Talgdrüsen äusserst feine dichtste- hende Längsfältchen zeigt, welche anfangs fast den Eindruck von Längsfasem oder Längsstreifen machen, bei andauernder Beobachtung jedoch und bei verschiedener Stellung und Beleuchtung des Objektes sich als Fältchen darstellen.

Da nun die sogenannte Glashaut des Haarbalges genau dasselbe Aussehen und Verhalten besitzt und sich von unten nach aufwärts gleichfalls bis zur Einmündungssteile der Talgdrüsen verfolgen lässt, so glaube ich zu dem Schlüsse berechtigt zu sein, dass diese beiden Membranen mit einander zusammenhängen oder mit anderen Worten ein und dieselbe Membran sind, welche von oben her mit den ela- stischen Elementen der obersten Cutisschichte zusammenhängend die tnchterförroige Einstülpung des Oberhäutchens und der Malpighi- schen Schicht bis zur Einmündungssteile der Talgdrüsen umhüllt, sich hier höchst wahrscheinUch auf die Talgdrüsen umschlägt, dieselben umhüllt und weiter nach abwärts unterhalb der Ausführungsgänge der Talgdrüsen die sogenannte Glashaut des Haarbalges darstellt.

An den Talgdrüsen selbst konnte ich sie bis jetzt nicht isoüren,

302 Dr. Jos. Schöbl:

glaube jedoch aus den oben angeführten Thatsachen zu obigem Schlüsse berechtigt zu sein.

Zur Untersuchung der elastischen Elemente der (^^utis eignen sich am besten ältere Exemplare albinotischer Igel, wo das Pigment der Untersuchung nicht hinderlich ist.

Haare.

Die Haare des äusseren Ohres erreichen im Durchschnitt eine Länge von 2 bis 2,5 Mm. An der Basis, wo sie unmittelbar aus dem Haarbalg heraustreten, sind sie am dünnsten, ihr Durchmesser beträgt daselbst 0,0296 Mm., weiter nach aufwärts werden sie all- mälich stärker und stärker und erreichen etwas über der Mitte ihre grösste Dicke. Der Durchmesser beträgt daselbst 0,0555 Mm», von da nehmen sie an Dicke wieder beständig ab, bis sie mit ziemlich feiner Spitze enden.

Die Plättchen des Oberhäutchens sind an der Basis des Haares nahezu ebenso hoch als breit, und drei bis vier derselben genügen, um die ganze Peripherie des Haares zu umspannen. Ihr oberer Rand ist mit scharfen ungleichen Zähnen versehen. Weiter nach oben nimmt die Höhe der Plättchen beständig ab, und ihre oberen Ränder bilden scharf zackige unregelmässige Wellenlinien. Weiter nach abwärts in den Haarbalg hinein werden die Plättchen mehr rundlich und verschwinden unterhalb der^Einmündungsstelle der Talgdrüsen gänz- lich. Das Markgewebe bildet einen sehr dünnen Strang in der Mitte des Haares, welcher ziemlich hoch über der Basis erst beginnt und weit von der Spitze entfernt bereits endet. Die Zellen desselben sind rundlich polygonal. Ohne Anwendung von Reagentien ist er nicht sichtbar und fehlt häufig gänzlich, namentlich bei dunkelpigmentirten und schwächeren Haaren. (Das Fasergewebe dagegen zeigt auch ohne Reagentien längs des ganzen Haares eine zierliche feine Längs- streifung. Am untersten Theile des Haares, welcher sich bereits im Balge befindet^ ist diese Streifung am auffallendsten und unterhalb der Einmündungsstellen der Talgdrüsen bemerkt man an demselben ziemlich tiefe Furchen und Risse. Noch weiter nach abwärts theilen sich die Faserzellen in zahlreiche einzelne Bündel, welche endlich strahlig besenförmig auseinanderfahren und von denen ein jedes mit scharfer Spitze zwischen den hier befindlichen, den Wurzelscheiden entsprechenden Zellen^endet

Die meisten Haare selbst nicht albinotischer Individuen enthalten

Das äussere Ohr des Ig^els als Tastorgan. 308

kein Pigment, nur einzelne sind mit dunklerem braunen Pigment ver- sehen, welches dann meist in Körnchenform in Längsstreifen geord- net erscheint.

Die Stellung der Haare ist eine regelmässige und die Distanzen zwischen den einzelnen so ziemlich gleich, sie betragen im Mittel 0,25 Mm.

Die Haarbälge.

Wie bereits erwähnt wurde, bilden Oberhaut, Stratum Malpighii und eine feine strukturlose Haut, welche ^mit den elastischen Ele- menten der obersten Cutisschichte zusammenhängt, an jedem Haar- balge eine trichterförmige Einstülpung, welche sich bis zur Einmün- dungsstelle der Talgdrüsen allmälich und gleichmässig verdünnt. An der obersten weitesten Oeffnung beträgt der Durchmesser des Trichters 0,229 Mm., am unteren schmälsten Theil der JElöhre un- mittelbar über den Ausführungsgängen der Talgdrüsen 0,083 Mm. Die ganze Länge des Trichters von der Oberfläche bis zu der letzt- genannten Stelle beträgt 0,322 Mm. Die innerste Auskleidung des Trichters bildet das zierlich längsgefältelte Oberhäutchen, dessen Plättchen äusserst zart werden, ihre Pigmentkörner endlich verlieren und sich bis nahezu zur Einmündungssteile der Talgdrüsen verfolgen lassen, woselbst das Oberhäutchen mit schwer wahrnehmbarer Grenze aufhört.

Das Stratum Malpighii verliert ungefähr in der unteren Hälfte des Trichters seine grösseren polymorphen Zellen, während sich seine kleineren rundlich polygonalen unmittelbar in die Ausführungsgänge der Talgdrüsen und zwischen diesen in die tieferen Partieen des Haarbalges fortsetzen.

Die zumeist nach aussen gelegene strukturlose Haut lässt sich bis in die Ausführungsgänge der Talgdrüsen verfolgen und es ist mehr als wahrscheinlich, dass sie sich zwischen denselben nach ab- wärts fortsetzt und mit der weiter abwärts am Haarbalg wahrnehm- baren strukturlosen Haut ein und dasselbe ist.

Die beiden Faserhäute fehlen am Trichter, das umliegende Bin- degewebe ist weder verdichtet noch irgendwie vom gewöhnlichen verschieden. Dagegen erscheinen die Trichter von elastischen Fäden und verästelten Pigmentzellen umsponnen, eigene Capillaren oder Nerven besitzen sie nicht. Unterhalb der Einmündungsstellen der Talgdrüsen ist die Gestalt des Haarbalges eine Strecke weit cylin-

304 Dr. Jos. Scböblt

drisch oder walzenförmig. Der Durchmesser dieses walzenförmigen Theiles ist entweder gleich oder etwas weniges grösser als der des untersten Theiles des Trichters; die Länge beträgt 0,0996 Mm. Die Hülle desselben bildet eine feine strukturlose Membran, im In- neren ist derselbe von einer Schicht schöner, rundlich polygonaler kernhaltiger, gelbbräunlicher Zellen ausgekleidet, welche nach ab- wärts zu rundlich viereckig und endlich etwas länglich werden. Sie sind eine direkte Fortsetzung der Zellen des Stratum Malpighii des Trichters. Diese ganze cylindrische Partie des Haarbalges wird von aussen her von einem dichten Gewinde dunkelrandiger Nerven- faser, von dem später die Rede sein wird, umwickelt. Dieses Nerven- gewinde endlich wird nach aussen zu von Bindegewebe umgeben, welches theils die Längsrichtung theils die Querrichtung einhält, und somit bereite die beiden Faserhäute andeutet.

Unterhalb des cylindrischen Theiles ist der Haarbalg bimformig elliptisch von Gestalt und besteht aus einem soliden, keinerlei Höh- lung enthaltenden ZellkOrper, in dessen Mitte die besenförmig zer- faserte Haarwurzel endet. Der grösste Durchmesser etwas oberhalb der Mitte des elliptischen Zellkörpers heträgt 0,145 Mm., die Länge desselben 0,289 Mm.

Die Zellen, aus denen der Zellkörper zusammengesetzt ist, sind länglich von Gestalt, besitzen ovale Kerne und sind blass biiun- lich von Farbe. Sie sind eine unmittelbare Fortsetzung der Zel- len des cylindrischen Theiles des Haarbalges und somit auch der Malpighi'schen Schicht. Ihre Anordnung ist eine sehr regelmässige und zierliche; sie sind nämlich sämmtlich so gelagert, dass ihre Längsaxen strahlig gegen das gemeinsame Centrum, wo sich das zerfaserte Haarende befindet, gerichtet sind, wodurch der ganze Zell- körper ein sehr schönes radiäres Aussehen gewinnt.

Umhüllt wird der Zellkörper von einer äusserst feinen struk- turlosen Membran, welche jedoch ungemein schwierig darzustellen ist, und an seiner Oberfläche verlaufen der Länge nach von oben nach abwärts zu einander parallel in gleichen Abständen von ein- ander eine Menge von Nervenfasern, welche ihm bei höherer Ein- stellung des Focus an gelungenen Exemplaren ein sehr schönes längsrippiges Aussehen verleihen.

Am unteren verschmälerten Ende des elliptischen Zellkörpers befindet sich ein knopflörmiger rundlich ovaler Anhang, der zugleich den Haarbalg nach abwärts abschliesst. Der Längsdurchmesser

DftB iassere Ohr det Igels als Tastorgan. 805

derselben beträgt 0,0591 Mm., der Querdorchmesser 0,0915 Mm. Es enthält keinerlei Zellen und besteht blos aus schlingenförmigen Umbeugungen der obengenannten rippenförmig verlaufenden Nerven, welche den Zellkörper nach abwärts solchergestalt um ein weniges liberragen.

Ich nenne dieses ovale Gebilde Nervenknäuel, obgleich er aus keiner Aufwickelung einer einzelnen Nervenfaser, sondern nur aus einzelnen Schlingen besteht und zwar wegen der Analogie, die dieses Gebilde bei anderen Thieren namentlich bei der Maus besitzt, wo wahre Knäule vorkommen. Sowohl der Zellkörper als der terminale Nervenknäuel sind nach aussen zu von den beiden Faserhäuten um- hQlIt Die innere Faserhaut ist ziemlich mächtig, ihre Fasern haben eine quere lUchtung und sie zeigt zahlreiche gleichfalls quer gele- gene, länglich spindelförmige Bindegewebskörperchen mit oft deut* liehen Kernen. Die äussere oder Längsfaserhaut ist schwächer, ihre Fasern und Bindegewebskörperchen halten die Längsrichtung.

Eigene Gapillaren besitzen die beiden Faserhäute nicht, sondern diese ganze Partie des Haarbalges erscheint bloss von sehr weit- maschigen Capillargef&ssen, welche mit denen der Talg- und Schweiss- drüsen zusammenhängen, umsponnen.

Die unterste Partie jedoch, wo sich der Nervenknäuel befindet, ist von einem ungemein dichten sehr engmaschigen und sehr zier- lichen Capillametz umsponnen. Von eigentlichen Wurzelscheiden wie bei anderen Haaren kann bei einer derartigen Struktur des Haarbalges nicht die Rede sein.

Die zellige Auskleidung des cylindrischen Theiles des Haarbalges sammt dem ganzen soliden elliptischen Zellkörper entsprechen als direkte Fortsetzungen der Malpighi'schen Schicht der äusseren Wur- zelscheide.

Ein Analogon der inneren Wurzelscheide gibt es nicht; ausser man wollte die innersten Zellen des ZeUkörpers, zwischen denen die Fasern des Haares unmittelbar enden und welche etwas kleiner, zarter und blässer sind als die äusseren, ohne sich jedoch anderweitig von ihnen zu unterscheiden oder abzugrenzen, als solches auffassen. Noch viel weniger kann von einer Haarpapille die Rede sein, da die Haarwurzel zerfasert zwischen den Zellen des Zellkörpers en- dend gar nicht vorhanden ist.

806 Dr. Jos. Sohöbl:

Die Nerven der Haarb&lge.

Zu jedem Haarbalge treten ein mächtiges oder zwei schwächere, aus marklosen Fasern bestehende Nervenstämmchen.

Ist ein einziges Nervenstämmchen vorhanden, so spaltet es sich bevor es den cylindrischen Theil des Haarbalges erreicht, häufig gabelig in zwei gleich starke Aeste, welche beide zum Haarbalg gelangen. Sind zwei Stämmchen vorhanden, was sehr häufig der Fall ist, so konmien sie gewöhnlich von entgegengesetzten Seiten zum Haarbalg und sind dann stets gleich stark; in allen Fällen, wo sich die Zahl ihrer Fasern ermitteln liess, war sie stets genau dieselbe.

Am cylindrischen Theile des Haarbalges angelangt, gehen die Nervenfasern an denselben und umwickeln ihn seiner ganz^ Ausdehnung nach mit ungemein zahlreichen dichten Windungen, und bilden auf diese Weise einen prachtvollen, Nervenring, der den ganzen cylindrischen Theil des Haarbalges umhüllt.

Von der Innenfläche dieses Ringes biegen zahlreiche Nerven- fasern nach abwärts und verlaufen parallel zu einander, längsrippen- artig die Oberfläche des elliptischen Zellkörpers bekleidend, nach abwärts bis zur unteren Spitze desselben und bilden diese überragend, indem sie daselbst schlingenförmig umbiegen, einen rundlich ovalen Nervenknopf oder Nervenknäuel. Die Längsfasem am elliptischen Zellkörper stehen gewöhnlich etwas dichter, als ich es in der Zeich- nung angegeben habe, oft verlaufen sie ganz dicht nebeneinander. Die Zeichnung wäre aber gar zu komplicirt und unklar geworden, wenn ich die Längsrippen so dicht gezeichnet hätte.

Die Talgdrüsen.

Die Talgdrüsen umgeben in zierlicher Stemform jeden Haarbalg; ihre Anzahl, Grösse und Form jedoch ist ungemein variabel.

Im Allgemeinen kann man annehmen, dass an den Haaren, die an der Spitze des äusseren Ohres gelegen sind, die wenigsten klein- sten und am einfachsten gestalteten Talgdrüsen sitzen, und dass

dieselben je weiter man sich der Basis des Ohres nähert an Zahl, Grösse und Vielgestaltigkeit stetig zunehmen. Die geringste Anzahl derselben, was jedoch ungemein selten vorkommt, ist 3, die grösste, was häufig der Fall, ist 7 bis 9. Ihr^ Grösse schwankt zwischen weiten Grenzen, im Mittelmass kann man ihren Längsdurchmesser mit 0,925 Mm., ihren Querdurchmesser mit 0,0555 Mm. angeben.

Daa aoBsere Ohr des Igels als Tastorgan. 807

Die Gestalt der kleineren ist kenlenfBrmig mit rundlichen buchtigen Hervorwölbungen. Die grösseren gewinnen aUmälich ein verschie- denartig lappiges Ansehen, die grössten sind mitunter zierlich traubig zusammengesetzt.

Die kleineren liegen gewöhnlich in einer einzigen Masche der Capillaren, die grossen werden von zierlichen Netzen umsponnen. Sie besitzen eine zarte bindegewebige Hülle, vielleicht auch ein feines strukturloses Häutchen, von dem ich oben gesprochen habe, das ich aber nicht isolirt darstellen konnte.

Die Zellen ihres Ausführungsganges sind eine unmittelbare Fort- setzung derer des Stratum Malpighii dte trichterförmigen Theiles des Haarbalges und unterscheiden sich durch nichts von demselben. Weiter gegen das Innere der Drüse zu werden sie grösser, besitzen einen Durchmesser von 0,0138 Mm., sind rundlich polygonal von Gestalt und besitzen schöne, ovale, grosse, fettglänzende Kerne, ausserdem oft winzige Fetttröpfchen im Inneren zerstreut.

Die Schweissdrfisen.

Wenn schon die Talgdrüsen in Bezug auf Grösse, Form und Anzahl grossen Schwankungen unterworfen sind, so ist dies bei den Schweissdrüsen in noch weit grösserem Maasse der Fall, und es erstrecken sich hier die verschiedensten Schwankungen, nicht nur auf verschiedene Regionen eines und desselben Organes, sondern es gibt hierin auch eine grosse Verschiedenheit bei verschiedenen In- dividuen. Es gibt einzelne Thiere, bei denen fasst in jedem Haar- balg eine Schweissdrüse einmündet, während dieselben bei anderen Individaen nur äusserst spärlich vorhanden sind. Im grossen Ganzen kann man sagen, dass sie in den obersten Partieen des Organes gewöhnlich fehlen, weiter nach abwärts an Zahl und Grösse stetig zunehmen. Auch muss erwähnt werden, dass nicht alle in den trichterft^rmigen Theil der Haarbälge einmünden, sondern dass es auch oft welche giebt, die von den Haarbälgen unabhängig mit selbstständigen Ausführungsgängen, die dann nach oben zu gleich- falls eine trichterförmige Gestalt annehmen, ausmünden.

Was die Grösse anbelangt, so kann man sagen, dass dieselbe im Allgemeinen eine kolossale ist ; ich habe einzelne gemessen, bei denen die Gesammtlänge des Schlauches die enorme Länge von 4 Mm. betrug, vielleicht giebt es noch längere, die Länge des Aus* fährongsganges beträgt 0,83 Mm. und darüber. Der Durchmesser

908 Dr. Jos. Schöbl:

der Schläuche schwankt zwischen 0,0415 und 0,1245 Mm. Die DurchmeiSser der Ausführungsgänge betragen ungefähr die Hälfte.

Die Gestalt der Drüsen ist schlauchförmig, jedoch kommen schon bei den kleineren einzelne Gabeltheilungen des Schlauches oder blindsackförmige Ausstülpungen vor, in viel grossartigerem Maassstab kommt dies an andern grossen und grössten Drüsen vor. Wiederholte Gabeltheilungen und blindsackartige Ausstülpungen sind hier an der Tagesordnung, ja es kommen auch, wenn auch selten, anastomotische Verbindungen zwischen je zwei Gabelzweigen einer Drüse vor.

Die kleineren Drüsen winden sich schlangengleich frei zwischen den übrigen Gebilden der Cutis, die grösseren erscheinen häufig, die grössten fast stets in dichtgedrängte Packete von ungleichem Maass rundlich viereckig oder in länglicher Gestalt zusammengewunden, welche zusammengeschnürten Waarenballen nicht unähnlich sehen. Die Durchmesser derartiger Packete betragen oft 1,5 Mm. und darüber. Die einzeln sich herumschlängelnden Drüsen sind von ziemlich weitmaschigen Gapillaren umgeben, zwischen denen sie sich verschiedentlich hindurchschlingen.

Die Drüsen sind von zahlreichen Blutgefässen und Ga- pillaren, welche ziemlich enge Maschen bilden und in das Innere der Packete eindringen, umsponnen.

Die Ausführungsgänge besitzen eine bindegewebige Hülle, deren zahlreiche Kerne die Längsrichtung einhalten und eine Membrana propria. Die sie auskleidenden Zellen unterscheiden sich in nichts von denen der Malpigh'ischen Schicht, deren unmittelbare Fortsetzung sie darstellen.

Am Drüsenschlauche selbst befindet sich unter der bindegewe- bigen Hülle, deren zahlreiche Kerne gleich&lls zur Längsaxe der Drüse parallel gelagert sind, ein Beleg glatter Muskeln, welcher dem Drüsenschlauche selbst ein schönes längsstreifiges Aussehen verleiht. Die Zellen der Schläuche sind rundlich oval, 0,0092 Mm. gross, enthalten einen, mitunter auch zwei Kerne und einzelne F^t- tröpfchen.

Die Blntgefilsse.

Was die Blutgefässe des äusseren Ohres anbelangt, so wül ich eine Schilderung ihres Verlaufes ganz übergehen, da sie nichts Bemerkenswerthes oder sonst Abweicheades darbieten.

Das äussere Ohr des Igels als Tastorg^n. 809

Nur das eine möchte ich erwähnen: Dass die Capillaren der obersten Schiebt unmittelbar unter dem Stratum Malpighii braun- schwarz pigmentirte Kerne besitzen, ja bei sehr dunklen Varietäten mitunter längs ihres ganzen Verlaufes mit dunklen braunen Pig- mentkdrnem wie bestreut sind.

Die Nerven.

Das äussere Ohr des Igels ist ein ungemein nervenreiches Organ.

Die grössten und grossen Nervenstämme und Aeste liegen in der tiefsten Schicht unmittelbar über dem Knorpel, welchen sie häufig durchbohren, und treten mit den jenseits des Knorpels ge- legenen Nervenstämmen der anderen Seite des Ohres in Verbindung. Die Stärke dieser Nervenstämme beträgt an der Basis bis 0,1845 Mm.

Die Verästelung derselben ist im Allgemeinen eine baumförmig dichotomische, doch kommen hin und wieder bereits zwischen diesen starken Nerven und deren Aesten Maschenbildungen oder Verbin- dungen der verschiedensten Art vor.

Direkte enge Maschen werden häu% gebildet , indem ein Ast vom Stamme sich wegbegibt und nach kurzem Verlaufe wieder zu demselben Stamme zurückkehrt, um sich wieder mit ihm zu ver- schmelzen. Auch bilden nebeneinander verlaufende Nerven dadurch enge Maschen, indem sie gegenseitig in einer Zahl von Fasern mit- einander auslaufen; die Oestalt derartiger Maschen ist dann ge- wöhnlich eine länglich viereckige.

Verbindungen zwischen je zwei Nervenstämmen kommen zahl- reich und in mannichfaltiger Weise vor. Nicht selten kommt eine theilweise Kreuzung eines Theiles der Nervenfasern vor, wodurch eine chiasmenartige Verbindung zu Stande kommt. In andern Fäl- len streicht ein Theil der Nervenfasern des einen Stämmchens in schiefer Richtung zum andern und stellt auf diese Weise eine schiefe Brücke zwischen beiden dar; grade QuerbrQcken oder Queranasto- mosen sind sehr selten.

In noch andern Fällen gehen zwei Nervenstämmchen bogig in einander über und bilden auf diese Weise Schleifen oder Schlingen. Der knorpeldurchbohrenden Verbindungen, wodurch Nerven der einen mit der jenseitigen analogen Nervenschicht verbunden werden, habe ich bereits früher Erwähnung gethan.

810 Dr. Jos. Schob):

Die feineren Zweige dieser Nervenstämme dringen, ohne einiger- massen abgegränzte Schichten zu bilden, allmählig in die höheren Schichten der Cutis, bis sie gleiches Niveau mit den unteren und mitt- leren Theilen des Haarbalges erreichen. Ihre Verästelung ist eine theils baumförmige, theils im höchsten Grade unregelmässig netz- förmige.

Der Durchmesser dieser Nervenäste ist gleichfalls höchst varia- bel, er schwankt etwa zwischen 0,083 0,0415 Mm.

Direkte enge Maschenbildungen kommen am wenigsten vor, viel häufiger sind weite unregelmässige Maschen, an denen sich im weiteren Verlauf mehrere Stämmchen von ungleicher Stärke bethei- ligen. Endlich begibt sich ein Theil dieser Nerven entweder ein- zehi oder zu zwei zu den Haarbälgen, wie bereits oben angege- ben wurde

Weiter nach aufwärts gegen die Malpighi'sche Schicht zu wer- den die Nerven durch fortgesetzte Theilungen und Abgabe von Nebenästen stets feiner und feiner, bis sie endlich nur vier oder zwei Fasern enthalten. Auch diese feineren und feinsten aus marklosen Fasern bestehenden Nerven lassen sich in keine besondere Schicht abgrenzen, sondern entwickeln sich ganz all- mählig, und es gibt auch bei ihnen das fQr die stärkeren, tiefe- ren Stämmchen angegebene Verbreitungsgesetz, nämlich theils dicho- tomische oder baumförmige, verästelte, theils polymorphe Netz- bildung.

In den obersten Schichten der Cutis, unmittelbar unter dem Stratum Malpighii, verlieren diese schwächsten, aus 2 bis 4 Fasern bestehenden Nervenästchen ihre HttUen und werden Mass, anderseits entspringen von ihnen seitlich gewöhnlich zu zweien, selten einzeln, meist unter rechten Winkeln blasse Fasern. Diese blassen Nervenfasern sind ziemlich stark, sie besitzen im Mittel den Durchmesser von 0,0025 und bilden im gleichen Niveau mit den obersten Capillaren, theilweise über denselben, ein schönes, un- regelmässiges Netz, indem die einzelnen blassen Fasern mit einander anastomosiren und an den Knotenpunkten Anschwellungen von sehr verschiedener Gestalt besitzen. Auf diese Weise entstehen theils direkte enge Maschen , was jedoch seltener der Fall ist, theils wei- tere indirekte, indem erst nach weiterem Verlauf, nach wiederholter Anastomosenbildung eine Masche zum Abschluss kommt; ein Theil dieser Fasern begibt sich über dieses Netz , wird beständig schwä-

Das ftusBere Ohr des Igels als Tastorgan. 811

eher, bis zu unmessbarer Feinheit, und bildet ganz unmittelbar unter den Zellen des Stratum Malpighii ein ganz ähnliches Netz wie das vorher beschriebene, nur dass die Anschwellungen an den Knoten- punkten kleiner und sparsamer sind.

Wenngleich diese beiden blassen Netze unmittelbar und all- mählig in einander übergehen und eine strenge Scheidung in zwei Schiebten nicht thunlich erscheint, so kann man doch an jeder Stelle blasse, tiefere, stärkere Netze von dem feineren, höher gelegenen Terminalnetz unterscheiden.

Die Anschwellungen an den Knotenpunkten des blassen Ner- vennetzes sind äusserst polymorph, bald dreieckig, bald viereckig, bald polygonal, bald ganz unregelmässig. Oft sind es förmliche Nervenmembranen von sehr verschiedener Gestalt, die wie durch- löchert erscheinen. Oft bilden membranöse oder bänderartige Aus- breitungen der blassen Nerven an derartigen Knotenpunkten ein zierhches Netz, das dem Plexus mesentericus stellenweise nicht un- ähnlich sieht.

ScUnssbemerkimgeii.

Da das Verhalten der von mir oben als Haarbalgnerven bezeichne- ten Nervenäste am Haarbalge selbst und ihre Endigungsweise den wich- tigsten und interessantesten, zugleich aber auch den schwierigsten Theil meiner ganzen Arbeit darstellt, so will ich noch mit wenigen Worten den Untersuchungsgang darstellen und daran einige ver- gleichende Bemerkungen knüpfen.

Es unterliegt gar keiner Schwierigkeit, bei einiger Uebung in der Anfertigung guter Präparate und bei richtiger Anwendung der passenden Keagentien an jedem Haarbalge, der dem äusseren Ohre des Igels entnommen ist, am cylindrischen Theile dessel- ben, unmittelbar unter der Einmündungssteile der Talgdrüsen, ein dichtes und schönes Gewinde wahrzunehmen und nachzuweisen.

Die Stärke der einzelnen Fasern dieses Gewindes, ihr optisches Verhalten y ihr Verhalten gegen Reagentien ist genau dasselbe, wie das der marklosen Nervenfasern benachbarter Nervenstämmchen, auch gelingt es mitunter, Kerne in ihren HQlIen wahrzunehmen.

Schwieriger schon ist der Nachweis des direkten Zusammen- hanges dieses Gewindes mit einem oder zwei Nervenstämmchen.

An Querschnitten des äusseren Ohres, die den ganzen Haar- balg unversehrt enthalten, muss man vom Glück ganz besonders

M. Scboltae, Archiv f. mlkrcMk. AiMtomie. 8. Bd. 21

813 Dr. Jos. Sohöbl:

begünstigt sein, wenn der Nerv gerade so zu liegen kommt, dass man [seinen Uebergang in das Gewinde unzweifelhaft sehen kann. Man kann oft lange arbeiten and zahllose Schnitte anfertigen, und kein einziger ist hierzu geeignet. Viel sicherer und rascher gelangt man zum Ziele, wenn man mit einem sehr scharfen Rasinnesser äusserst feine Schnitte senkrecht auf die Längsaxe des Haarbalges aufbringt, unter einer Reihe derartiger Schnitte werden sich stets einzelne befinden, wo man das Gewinde von oben in Form eines Ringes zu sehen bekommt; und au solchen Präparaten ist es dann ungleich leichter, den direkten Zusammenhang mit Nerven zu sehen.

Nimmt man nun zu dieser directeu Beobachtung noch die Ana- logien mit ähnlichen Gebilden anderer Thiere hinzu, bedenkt man, dass in der Flughaut der Fledermäuse, wie ich in diesem Archiv Band VII, 1. Heft nachgewiesen habe, sich zu jedem Haarbalge ein Nervenstämmchen begibt und ihn umschlingt, dass femer im äusseren Ohre der Mäuse, wie ich gleichfalls in diesem Archiv beschrieben habe, zu jedem Haarbalge ein Nervenstämmchen sich begibt und denselben, wenn auch mit wenigen, höchstens 3 bis 4 Touren, umwickelt ; so habe ich damit wohl hinlänglich den Beweis geliefert, dass das am Haarbalge beobachtete Gewinde aus Nerven- fasern besteht und dass wir es hier mit einem prachtvoll entwickel- ten, dicht gewundenen Nervenringe zu thun haben.

Ich glaube, dass bei diesem sorgfältigen Wege der Beobachtang und Schlussfolgerung sich keinerlei Täuschung einschleichen konnte. Betrachten wir diesen Nervenring im Vergleiche zu den obener- wähnten Thieren, bei denen Analoga desselben vorkommen, so fin- d^ wir, dass in der Flughaut der Fledermäuse bereits Andeutun- gen desselben vorkommen, indem die Nervenfasern daselbst den Haarbalg förmlich umschlingen, ja manchmal in 1 oder 2 Touren umwickeln, bevor sie sich weiter nach abwärts begeben. Im äusse- ren Ohre der Maus ist schon eine unzweifelhafte Ringbildung vor- handen , doch ist der Ring ein wenig entwickelter und besteht ge- wöhnlich nur aus 3 bis 4 Touren. Die höchste Entwickelung er- reicht diese Ringbildung beim Igel, wo die Zahl der Umgänge 60 bis 80, ja 100 und vielleicht darüber eireichen kann, und dieselben dicht gedrängt einen bedeutenden Haarbalg umwickeln.

Betrachtet man ein gutes Präparat aus dem Ohre des Igels, in dem sich ein unversehrter Haarbalg befindet, bei massiger Ver- grösserung, etwa 3—400, so bemerkt man bei hoher Einstellang

Das äassere Ohr des Ig«ls alt Tastorgan. 818

des Focus den unteren elliptischen Theil des Haarbalges, der hier den Zellkdrper desselben an der Oberfläche wie mit ziemlich dicht stehenden Längsrippen besetzt.

Die Ergrfindnng der Bedeutung und wahren Natur dieser Längsrippen bildet den allerschwierigsten Theil der ganzen Unter- suchung.

Eine Isolirung derselben längs ihres ganzen Verlaufes vom Zell- körper, den sie bekleiden, ist ein Ding, das der gewandtesten Tech- nik Hohn spricht. Es ist also mehr Sache eines glücklichen Zufalls, als der geschicktesten Präparation, wenn man ein ge- eignetes Objekt zu Stande bringt. Vor mir liegt aus Vielen ein einziges Präpai-at, welches drei dieser Rippen seitlich vom Zell- körper verschoben zeigt und an dem sie längs des grössten Thei- les ihres Verlaufes isolirt beobachtet werden können. Sie stellen an diesem Präparat ziemlich flache Bänder dar, die am oberen und unteren Ende etwas verschmälert sind, etwa in der Mitte oder etwas oberhalb derselben etwas weniges breiter erscheinen.

Auch darf ich nicht unerwähnt lassen , dass ich mich gleich Anfangs bei Beobachtung des längsstreifigen Aussehens dieser Par* tie des Haarbalges sehr versucht gefühlt habe, diese Längsstreifen oder Rippen für einen Beleg glatter Muskelfasern zu halten , und dass selbst später, nachdem ich bereits fast unzweifelhaft seine Natur erkannte, immer wieder neue Zweifel in dieser Beziehung in mir entstanden. Am besten gelangt man noch zum Ziele, wenn man die obersten und untersten Partien dieses Abschnittes des Haarbalges far sich isolirt darstellt. An isolirten Nervenringen sieht man häufig von der Innenfläche derselben sehr zahlreiche flach werdende Fasern umbiegen und nach abwärts, die Längsrichtung einnehmend, verlaufen.

An der unteren Spitze des Zellkörpers gelingt es gleichfalls, häufig den Zusammenhang der Rippen desselben mit den denselben überragenden Schlingen wahrzunehmen.

kh glaube aus der Beobachtung des direkten Zusammenhanges dieser Längsfasern mit den exquisiten Nervenringen einestheils und mit den schlingoaförmigen Fasern unterhalb des Zellkörpers, sowie ans der Analogie mit den früher erwähnten Thieren zu dem Schlüsse b^echtigt zu sein, dass es Nervenfasern aiiid, welche vom Nerven-

314 Dr. Jos. Sohöbl:

ring abspringend, den Zellkörper längsrippenartig bekleiden und unterhalb desselben Schlingen bilden, wodurch der rundlich ovale Nervenknäuel gebildet v^ird, welcher ein Analogon der Knäuel so- wohl des äusseren Ohres der Maus, als der Flughaut der Fleder- mäuse darstellt.

Vergleicht man das Verhalten und die Endigungen der Haar- balgnerven bei diesen drei Thieren in Bezug auf Ring und Knäaei- bildung, so ergibt sich die interessante Thatsache, dass dieselbeu im umgekehrten Verhältnisse zu einander stehen, je entwickelter und relativ grösser der Nervenknäuel, desto unbedeutender der Nerven- ring und umgekehrt.

Bei der Fledermaus ist die Knäuelbildung relativ die grösste, der Ring kaum angedeutet. Bei der Maus halten Ring und Knäuel einander das Gleichgewicht, indem beide in massigem Grade ent- wickelt sind. Beim Igel erhält der Ring seine höchste Entwicke- lung und der Knäuel, wird durch die verhältnissmässig sehr kleine Partie der die Zellen überragenden Schlingen augedeutet.

Bei der Fledermaus ist die untere Partie des Zellkörpers ein- geschnürt und von den Nervenfasern umwickelt, es besteht somit nur die Rinde des Knäuels aus Nervenfasern, im Innern desselben befinden sich Zöllen des Zellkörpers. Bei der Maus liegt der Ner- venknäuel für sich selbständig unterhalb des Zellkörpers. Bei dem Igel wird der ganze Zellkörper von Längsnervenfasem bekleidet und statt des Nervenknäuels findet man unter demselben nur die schlingenförmigen Umbeugungen derselben.

Ich habe die Knäuel in der Flughaut der Fledermäuse Termi- nalkörperchen genannt, ich glaube meine damalige Wahl dieser Bezeichnung für diese Gebilde dadurch entschuldigen zu können, dass gerade bei der Fledermaus diese Nervenknäuel eine relative Grössenüberlegenheit über das winzige Haar und somit mehr Selbstän- digkeit erlangen.

Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass der Verlauf, die Endi- gung der Haarbalgnerven, die Bildung des Ringes, die Bekleidung des Zellkörpers, die Bildung des Knäuels sammt dem Haarbalg und Haar zusammen einen terminalen Tastapparat darstellen.

Ich glaube dergleichen ausser den drei bereits besdiriebenen Formen auch noch bei anderen Thieren gesehen zu haben, worüber

Das äanere Ohr de« Iffels als Tastorgan. 816

ich, bis mir genauere Beobachtungeo za Gebote stehen werden, be- richten will.

Bemerkenswerth ist schliesslich die Thatsache, dass ich bei allen Thieren und Organen, an denen ich derartige an Haare ge- bnndene Tastapparate vorfand, auch stets gleichzeitig ein blasses terminales Netz sensitiver Nerven nachweisen konnte.

Brkl&nuis der Tafel XIV.

Die ganze AbbUdong steUt einen feinen Sohnitt dar, der senkrecht ge- tnhri ist gegen die Lftngsaxe des äusseren Ohres nnd etwa ans der Mitte desselben herstammt.

Der ganze Schnitt ist namentlich in der oberen Partie wie leicht ge- quetscht dargestellt, so dass die za oberst gelegene Oberhaut und das daran* ter befindliche Stratum Malpighii nicht als reine Querschnitte, wodurch die Abbildung an Deutlichkeit yerlieren würde, sondern im Halbprofil erscheinen.

Auch die darunter gelegene oberste Schicht der Cutis zwischen dem Stra- iom Malpighii und der obersten Grenze der Capillaren ist auf dieselbe Weise etwas breiter dargestellt, als sie im reinen Querschnitt erscheinen würde. Diese Darstellungsweise hatte den Zweck, wenigstens einen Theil der blassen, terminalen Nenrennetze, welche auf der Tafel sammt ihren in den Knotenpunkten befindlichen polymorphen Anschwellungen schwarzpunktirt erscheinen, zur Anschauung zu bringen.

Auch die Arkaden und Netzbildung^en des elastischen Grewebes, welche SOS feinsten Fäden zusammengesetzt dargestellt sind, erscheinen auf diese Weise deutlicher. Zwischen diesen bereits genannten Elementen sieht man in der bezeichneten Region zahlreiche sternförmig verftstelte braune PigmentzeUen. Weiter nach labwärts gehen diese Stemzelienl in ein- facher gestaltete, endlich gegen die Mitte zu in braun pigpnentirte Biu- degewebskörperchen und nach abwärts in gewöhnliche spindelförmige Bin- degewebszellen über. Desgleichen gehen die in der obersten Schicht der Cutis grau dargestellten Arkaden und Netze des elastischen Gewe- bes in der Mitte der Tafel in ein filzartiges Oewebe von Fäden über und durchsetzen nach abwärts zu das gewöhnliche Bindegewebe. Das^Oberhäutchen und das Stratum Malpighii bilden in der Medianlinid eine trichterförmige Einstülpung zum Haarbalg, in welche linkerseits der gleichfalls triohtariormige Ausföhningagang der Schweissdrfise einmündet und welche in der Mitte da« sohwanschraffirte Haar enthalt.

816 Dr. Jos. Schöbl: Das äussere Ohr des Igels als Tastorgan.

Unterhalb des Triohtert amgeben die TalgdrfiBen den Haarbalg in schö- ner Sternform, und unterhalb ihrer Ausfuhrungsg&nge sieht man den cylin- drischen Theil des Haarbalges Ton einem zierlichen Nervengcwinde um- geben.

Weiter nach abwärts befindet sich eine elliptisch bimf5rmige Anschwel- lung des Haarbalges, welche ganz aus Zollen zusammengesetst ist. Aus der Mitte dieses elliptischen Zellkörperchen schimmert das zerfaserte nntere Ende des Haares hindurch; die Oberfläche desselben erscheint dagegen tod den an ihr verlaufenden Nervenfasern bedeckt.

Nach abwärts wird dieses ganze Gebilde und damit auch der Haarbalg durch einen länglich runden blassen Knopf abgeschlossen, der aus Nerven- schlingen besteht.

Der ganze elliptische Zellkörper sammt dem unteren knopfformigen An- hang ist von einer bindegewebigen Hülle umgeben , dessen Elemente aussen die Längsrichtung, innen die Querrichtung einhalten.

Die mächtige Schweissdrüse mündet, wie bereits erwähnt, linkerseits in den trichterförmigen Theil des Haarbalges, ihr Ausfuhrungsgang streicht dann nach abwärts und der Drüsenschlauch selbst windet sich am Anfang und kd Ende, eine Gabeltheilung bildend, gleich einer Schlange durch die ganze Abbildung.

In der Mitte der Tafel verläuft in querer Richtung ein Nervenstämmchen von mittlerer Stärke, von diesem entspringt links gleich am Rande ein Ast. welcher sich zum Nervengewinde des Haarbalges begibt, nachdem er während seines bogigen Verlaufes ein Zweigchen abgegeben hat, welches sich in das blasse terminale Nervennetz auflöst.

Haarbalg, Talgdrüsen und Schweissdrüäen erscheinen von mehr oder weni- ger weitmaschigen Capillaren umsponnen, welche um das knopfformige untere Ende des Haarbalges ein zierliches, dichtes, engmaschiges Netz bilden.

Die YergrÖsserung ist etwa 360.

Zur Kenntniss der Sinnesorgane der

Schlangen.

Von

Br. I^eydliip,

Profeuor in Tübingen.

Hierzu Tafel XY n. XVI.

Den Freunden der Herpetologie and Histologie erlaube ich mir von meinen Studien über die Classe der Reptilien eine Fortsetzung vorzulegen, welche zunächst und ergänzend an einige vor kurzer Zeit veröflfentlicbte Mittheilungen ^ sich anschliessen soll.

Die gegenwärtigen Untersuchungen beziehen sich einmal auf Organe der Schlangen, welche den Jacobson'schen Organen der Sängethiere entsprechen und bis jetzt kaum nach dem Vorkommen, geschweige denn rflcksichtlich des Baues bekannt wai*en und doch so merkwürdiger Art sind!

Auch die zweite Gruppe der zu behandelnden Gegenstände: die von mir in der Mundhöhle der Schlangen aufgefundenen Sin- nesbecher, darf ich wohl der Beachtung empfehlen. Was ich über die feinere Zusammensetzung zu erörtern habe, erweitert unsere Kenntnisse über diese Bildungen und kann vielleicht dazu beitra- gen, die Widersprüche, welche in meinen Auffassungen und denen einiger anderer Forscher liegen, zu verringern ; freilich bin ich trotz- dem nach wie vor der Ansicht, dass das rechte Verständniss der

1) Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier, Tübingen bei Laupp (Siebeck], 1872. Es trägt diese Schrift ein viel späteres Datum, als sie nach der Zeit, in der sie ausgearbeitet und gedruckt wnrde, haben sollte, was ich ra berücksichtigen bitte, wenn da und dort neuere Arbeiten übergangen zu sein scheinen.

318 Dr. F. Leydig:

morphologischen und physiologischen Bedeutung dieser Organe uns noch nicht aufgegangen ist.

Endlich habe ich drittens zu zeigen, dass die Hautpapillen mit „Tastkörperchen'' auch bei den Schlangen an bestimmten Stellen zugegen sind, und ich meine, dass auch diese Theile einer weiteren Aufmerksamkeit nicht unwerth wären.

I. Die Jacobson'schen Organe.

Bisher habe ich nur zwei der einheimischen Arten untersucht, die Ringelnatter, Tropidonotus natrix, und die glatte Natter, Coro- nella laevis; in Folgendem beziehen sich übrigens, wofern es nicht ausdrücklich bemerkt ist, die Angaben auf die erstere Gattung und Art.

Um die Einzelheiten übersichtlicher auftreten zu lassen, sollen die in die Zusammensetzung des Organs eingehenden Theile zunächst für sich besprochen werden.

1. DieKnochen.

Zwei Knochen sind es, welche zu unserem Organ in näherer Beziehung stehen: die sogen. Concha oder das Riechbein und der Vomer oder das Pflugschaarbein.

Man kann an der ungefähr dreieckigen Concha ein Mittelstück oder Körper und drei Fortsätze unterscheiden. Das Mittelstück*) erscheint schalenartig ausgehöhlt; die weite Oeffhung des Hohlrau- mes kehrt sich nach unten. Der vordere Fortsatz*) geht gegen den Zwischenkiefer, Intermaxillare, und legt sich in eine seitliche Grube an der Hinterfläche dieses Knochens. Der hintere Fortsatz*) er- streckt sich rückwärts und befestigt sich an eine etwas vorstehende Gelenkfläche des absteigenden Theiles des Stirnbeines, Frontale, unterhalb des dort austretenden Nervus olfactorius. Sowohl der vordere Fortsatz als der hintere endigen gelenkkopfartig , insbeson- dere der letztere besitzt einen geradezu verdickten Gelenkkopf. Gleich dem Kiefer - Gaumenapparat ist auch Concha und Vomer beweglich dem eigentlichen Schädel verbunden. Von anderer Art

1) Fig. 3, a.

2) Fig. 3, c.

3) Fig. 8, b.

Zur Kenntniss der Sinnesorgane der Schlangen. B19

zeigt sich der dritte Fortsatz, welcher, ohne ein Gelenkende zu er- halten, vom äusseren Rand des Knochens abgehend, nach oben biegt nnd mit ziemlich starker EinwärtskrOmmung die Knorpel- kapsel der Nase von aussen eine Strecke weit umspannt.

Auch im Hinblick auf den Vom er kann man von einem mittle- ren Stock oder Körper und von drei Fortsätzen reden. Das Mit- telstOckO zeigt sich wie blasig aufgetrieben, und auch hier ist die auf solche Weise gebildete Höhle weit offen. Der vordere Fortsatz*) legt sich, flach und spitz auslaufend, an den entsprechenden Theil der Goncha an, ohne einen Gelcnkhöcker zu bilden. Der hintere Fortsatz '), in eine senkrecht stehende Platte sich verbreiternd, wird nahe seinem Ende von einem grossen Loch oder Fenster durch- brochen; er verbindet sich durch ein kurzes, dickes, viele elastische Elemente enthaltendes Band mit dem Gaumenbein, Palatinum. Der dritte Fortsatz ist kurz und legt sich an die Wurzel des entspre- chenden Fortsatzes der Goncha an.

Fassen wir bezüglich der Lage dieser Knochen den Schädel im Ganzen in's Auge, so liegt die Goncha nach oben und der Vo- iner nach unten. Beide Knochen schliessen derart aufeinander, dass sie wie zusammengehören, und indem so das ausgehöhlte Mittel- stdck der Goncha mit dachartiger Wölbung die Mulde des Vomer überdeckt, kommt ein Hohlraum zu Stande, der zur Aufnahme des Jacobson'schen Organes bestimmt ist. Die Rückenfläche der Goncha bildet zugleich den knöchernen Boden der Nasenhöhle.

Am rein skeletirten Schädel macht sich im Bereich der Pflug- schaarbeine eine geräumige paarige Oeifnung bemerklich, welche nach hinten und einwärts lediglich vom Yomer, nach vorne und auswärts aber auch zum Theil von der Goncha umgrenzt wird *). Auf guten Abbildungen von Schädeln der Schlangen ist diese in der That sehr auffällige Oeffnung richtig angebracht.

Wir sehen sie z. B. an dem von Franz Wagner gezeichne- ten Schädel des Gallophis bivirgatus in Meyers Abhandlung ttber den Giftapparat der Schlangen^). Hingegen mögen die Zeichnungen

1) Fig. 4, a.

2) Fig. 4, c.

3) Fig. 4, b.

4) Vgl Fig. 1.

5) Monatsberichte d. Akad. d. Wiesensch. in Berlin, Mars 1869.

^ k

820 Dr. F. Leydif?:

im Werke von Bibron und DumdriP) theilweiae nach SchädelD gefertigt sein, welche nicht ganz rein, wenigstens nicht in der Yo- mergegend, präparirt waren ; denn es sind die Oeffnungen nur flüch- tig angedeutet. Bei Bungarns ^) jedoch erscheint rechts die Oeff- nung scharf gehalten und nach der Abbildung zu schliess^i, wurde auf der linken Seite des Schädels, durch Aufbrechen des Knochens, ein, wie man annehmen darf, vergeblicher Versuch gemacht, sich weiter über dieses Loch und den Raum, in den es führt, zu unter- richten. Im Texte sucht man umsonst nach einer Aeusserung, welche darthun könnte, dass die Autoren wussten, was sie mit dem Loch und dem Baume anfangen sollten^ obschon sie sich über die „Garactäres anatomiques observ^s sur deux totes osseuses*^ ver- breiten.

In einer gewissen „Odontography'' ist über die Stelle des Schä- dels von Gobra di capello, wo man die Oefinungen sehen soUte, ein Wirrwarr von Linien gezogen, welche verrathen, dass das Auge des Zeichners und dessen, der zeichnen liess, 4^^ Knochen dieser Gegend nicht verstanden hat.

Faunistische Arbeiten über Schlangen, insoweit ich sie bis jetzt kennen gelernt, vermeiden es , auch wenn sie sonst auf das Skelet im Allgemeinen und die Gesichtsknochen im Besonderen sich ein- lassen, die Concha, den Yomer, den von den Knochen umschlos- senen Raum, sowie dessen Oefihung am Gaumen zu berühren. Selbst Seh leg eP), der doch gewiss eine Menge von Schädeb sich näher besehen hat, sagt blos, es sei ein Vomer da, „compos6 de deux pi^ces sym^triques, se r^unissant le long de leur face interne, lar- ges et triangulaires en avant, effil^es vers Textr^mit^ qui les r6unit au sph^noide.^' Die Concha heisst bei ihm „un petit os, analogue aux comets/'

Dass sich in einer Arbeit Dug^s', obschon sie um zehn Jahre älter ist als die ebengenannte, nämlich in den Untersuchungen über das Schlingen bei den Reptilien^), an den von unten dargestellten

1) Erpetologie generale. Atlas 1864.

2) A. a. 0. PI. 77.

8) Essai Bur la physionomie des Serpens. La Haye 1837.

4) Ann. d. sc. natur. 1827. Die Abhandlung Duges* enthält auch, wie ich zu spät sehe, eine Reihe schöner, den Bau und die Lebensersoheinangen der Eidechsen betreffender Beobachtangen, und hätte in meiner Schrift (die in Deutschland lebenden Saurier) an mehreren SteUen angefahrt werden sollen.

Zar Kenntniss der Sinnesorgane der Schlangen. 321

Schädeln der Ooluber natrix und C. viperinus Dicbts von dem sich zeigt, was wir suchen, kann immerhin etwas befremden, da der Verfasser zu den besten und genauesten der französischen Zoologen gehörte, um so mehr darf deshalb hervorgehoben werden, dass in einer einige Jahre nachher herausgegebenen Schrift von DuvernoyO wenigstens die paarige Oeffnung am Gaumen von der gemeinen Viper ^) angedeutet sich zeigt und am Schädel der Klapperschlange") sogar scharf gezeichnet ist, wenn auch ohne den rechten Bezug zu den Knochen. Letzteres erscheint ausgedrückt am Schädel der Ringelnat- ter«), doch gehen fälschlich der Zwischenkiefer und die beiden Pflug- schaarbeine ohne Grenze in einander über, und die Oeffnung der Höhle zeigt sich blos vom Vomer umschlossen, wie wenn die Concha sich nicht daran zu betheiligen hätte. Im Texte selber geschieht der Sache nirgends Erwähnung.

Um darzuthnn, wie auch die Anatomen , welche die Theile des Kopfekeletes der Schlangen im Einzelnen durchgehen, noch keine Ahnung davon hatten, dass Concha und Vomer, indem sie sich schüsselartig aushöhlen und die Vertiefung einander zukehren, ein ganz besonderes Organ zu umschliessen haben, mag das, was MeckeP) über die beiden Knochen, wovon er Jedem einen Paragraphen widmet, sagt, hier angeführt werden: „Das Riechbein besteht aus zwei kleinen, nicht miteinander vereinigten dreieckigen Seitenhälften, die von der ansehnlichen Riecbnervenoffhung durchbrochen sind und, beweglich mit den benachbarten Knochen verbunden, vor dem Stirn- bein, unter den Nasenbeinen, hinter dem Zwischenkieferbein liegen. Der Pflugschaar zerfällt in zwei nicht miteinander verbundene, ja selbst in der Mittellinie meistentheils durch eine Lücke von ein- ander getrennte längliche, in der Mitte, wenigstens bei den eigent- lichen Schlangen, durch eine ansehnliche Oeffnung durchbrochene, zwischen dem Riechbein, Zwischenkieferbein und Gaumenbein liegende Knochen."

Bei dem geringen Interesse, welches somit die in Rede stehen- den Knochen selbst den die Schlangen im Näheren Untersuchenden

1) Memoire snr les caraoterea tirSs de Panatomie pour distinguer les eerpenfl venimeax des serpens non Tenimeux. Ann. d. sc. nat. 18S2.

2) A. a. 0. PI. 8, fg. 2, Fig. 3. 8) A. a. 0, PI. 10, Fig. 6.

4} A. a. O. PI. 6, fg. 8, Fig. 4.

5) Syütem der yergleichenden Anatomie. Th. II. 1. Abtb. HaUe 1824.

322 Dr. F. Leydig:

eingcflösBt hatten, wird es begreiflich, dass die Verfasser derHand- und Lehrbacher, auch jüngster Tage, beide Knochen entweder ganz unerwähnt lassen , oder höchstens den Vomer berührend , von ihm bemerken, dass er „paarig sei*' oder „in zwei seitliche Hälften zer- falle", gegenüber den Vögeln und Säugern, wo er „einfach" ist. Ein einziges Werk') macht eine und zwar bedeutende Ausnahme, indem es die Mittheilung bringt: „Am Boden der Nasenhöhle liegen (bei den Schlangen) paarige Ossa vomeris; auswärts vom Vomer ein zweiter Knochen: die Ooncha. Beide Knochen: Vomer und Goncha, begrenzen eine Höhle, die nach unten geöffnet ist/' Und später nach Abhandlung des Gerachsapparates wird der von beiden Knochen begrenzten Höhle noch einmal gedacht; sie fände sich bei mehreren Coluberarten, bei Python, bei Trigonocephalus u. L Und endlich heisst es : „Diese Organe erinnern nach ihrer Lage an- ter der Nase an die Jacobson'schen Organe der Säuger." Wenn der Verfasser jenes Buches die Ansicht äussert, dass das Granze von ihm zuerst erwähnt werde, so ist das unrichtig; denn ich werde nachher, wenn die Weichtheile zur Sprache kommen, zeigen, dass die Organe lange vorher von einem Anderen bemerkt worden sind. der sie aber allerdings irrig gedeutet hat.

2. Knorpel.

Gleichwie der Raum der Nase zeitlebens seine knorpelige, noch vom Primordialschädel herstammende Capsel beibehält, so bleibt auch bei dem zweiten Geruchsorgan eine Bezeichnung, welche ich im Voraus für die Jacobson'schen Organe gebrauchen möchte wenigstens theilweise eine knorpelige Auskleidung beständig. Der Knorpel steht nach oben in Verbindung mit dem Nasenknorpel und wird für uns überdies dadurch wichtig , dass er muschelartig') in den Raum von unten herauf vorspringt und dadurch^auf dem senk- rechten Schnitt wie eine knorpelige Papille sich ausnimmt ; zugleich verengt die Knorpelplatte die Mündung der Höhle nach unten. - Histologisch ist der Knorpel von derselben hyalinen« Beschaffenheit, wie jener der Nasencapsel.

1) Handbuch der Anatomie der Wirbelthiere. Berlin 1854.

2) Vergl. Fig. 6, c.

Zar Kenntnias der Sinnesorgftne der Schlangen. 898

3. Weichtheile.

Die Weichgebilde, welche das Organ im engeren Sinn zusam- mensetzen, denn die Knochen und Knorpel dienen nur zur Umhül- lung, sind der Nerv und sein glockenförmiges Ende.

£s lässt sich bei einiger Sorgfalt und indem wir Beagentien zu Hülfe nehmen, der ebengenannte Theil so ausschälen, dass er sich genau in der Form zeigt, wie Figur 6 veranschaulicht. Das Organ erscheint als gestielte, vorne ofifene Halbkugel; man könnte es gar wohl auch mit einem noch am Sehnerven sitzenden Aug- apfel vergleichen, dessen Hornhaut aber sammt Linse entfernt wurden.

Der Nervo kommt vom vorderen Ende des Lobus olfactorius des Gehirns und zwar von dessen unterer Fläche ; am ausgeschälten Organ zeigt er sich gesondert vom Riechnerven'), als ein für sich bestehendes fiündeL Auf Längsschnitten durch die ganze Schnauze hingegen nimmt sich sein Ursprung auch derart aus, als ob sich der Riechnerv in zwei Hälften theile, wovon die obere Partie zur Nase und die untere Hälfte zum Jac4)bson'schen Organ sich begibt Im histologischen Verhalten herrscht auch nicht der mindeste Un- terschied zwischen der bekannten eigenthümlichen , zart fibrillären Natur der Elemente des Geruchsnerven und denen des Nerven zum Jacobson'schen Organ.

In die Knochenhöhle, von welcher oben die Rede war, einge- treten, gehen die Uauptbündel solchergestalt auseinander, dass sie ähnlich der Retina des Auges, eine nach vorne oifene HohlkugeP) herstellen, welche weisslich von Farbe und ziemlich dick ist. Die Lücke am vorderen Abschnitt wird , insolange das Organ seine na- türliche Lage und Umgebung hat, von der Knorpelpapille einge- nommen.

Bietet die Untersuchung, in so weit sie bisher gefuhrt wurde, keine sonderlichen Schwierigkeiten dar, so gestaltet sich dies anders, wenn wir uns den Bau der weissgrauen Endglocke des Nerven klar machen wollen. Am meisten noch fördern Schnitte durch das ganze Organ ^). Wir sehen alsdann an Köpfen, welche in Weingeist lagen.

1) Fig. 6, c.

2) Fig. 6, b.

3) Fig. 6, d.

4) Fig. 6.

824 Dr. F. Leydig:

in gleicher Weise wie an solchen, welche in Chromsäure aufbewahrt wurden, dass fragliche Haut

1) aus einem Fasersystem,

2) aus dazwischen liegenden zelligen Elementen,

3) aus einem nach innen abschliessenden Epithel besteht. Schon bei geringer Yergrösserung zeigt sich deutlich, dass die

Hauptzüge ^) der Fasern strahlig verlaufen, dabei aber sich doch auch durcli Seitenbalken verbinden. Man wird unter den angegebenen Umständen, schon nach der ganzen Richtung, welche die Faserzfige mit den Ausstrahlungen des Nerven vor dem Eintritt in die Knochen- höhle haben, sich geneigt fühlen, das obige Fasersystem als Eudge- decht nervöser Elemente von strahliger Gruppirung aufzufassen.

Bringen wir nun aber stärkere Vergrösserungen*) in Anwen- dung, so schwindet die Sicherheit. Die Fäserchen, durch Chrom- säure gehärtet, können nach ihrer Feinheit allerdings gar wohl die Fibrillen des Nerven sein; aber dann gibt es auch wieder andere, welche mir eher zum Bindegewebe zu gehören scheinen. Zwischen den Fasern ist die erwähnte kleinzellige Masse und auch an dieser meine ich, zweierlei Zellenarten zu unterscheiden, solche nämlich, welche als Bindegewebszellen anzusehen wären und andere, denen eine nervöse Natur zukommt, somit kleine Ganglienkugeln vorstel- len könnten.

Weiterhin wird bei einer Yergrösserung, welche ein Eingehen auf histologische Einzelheiten möglich macht, das Epithel, welches die dickliche weissgraue Haut gegen die Lichtung der Höhle ab- grenzt, beachtenswerth.

Es besteht dieses Epithel aus Cylinderzellen , welche sich rück- wärts zur Haut hin keineswegs scharf absetzen ; vielmehr hängen ihre feinen, einwärts gehenden Enden nach Allem, was ich zu sehen vermag, mit den vorhin besprochenen Fäserchen zusammen. Dabei zeigt sich ferner an Schnitten , welche recht dünn ausgefallen sind, dass das Epithel in Schichten sich abstuft. Man unterscheidet näm- lich die mehr helle Lage der eigentlichen Cylinderzellen, dahinter eine etwas breitere und dunklere Zone, wohl Fortsetzung des Kör- pers der Cylinderzellen nach einwärts, endlich eine dritte und schmä- lere Partie, auf welche dann erst die vierte oder Hauptmasse der

1) Fig. 5, b.

2) Fig. 7.

Zar Eenntniss der Sinnesorgane der Schlangen. 336

zellig-faserigen Substanz folgt Das Ganze gemahnt mich einiger- massen an den Wechsel von Körner- und Zellenschichten am Durch- schnitt der Netzhaut des Auges.

Auch bei anderer Untersuchungsweise werde ich an die Retina erinnert Aus dem eben getödteten Thier genommen und mit Spei- chel befeuchtet, macht die betreffende Haut den Eindruck einer neryösen Substanz : sie ist hell, blass, feinkörnig, durchaus verwandt der Natur des Nervus olfactorius. Sowohl die Fäserchen als auch die zwischen denselben gelagerten Zellen sind leicht zerstörbar, und die cylindrischen Grenzzellen, welche als Epithel bezeichnet wurden, machen nach ihrer Natur keine Ausnahme von den hinter ihnen liegenden kleinen Zellen, sondern sind eben so blass und hinfälligen Wesens wie jene. Härchen oder Borsten auf diesen Zellen zu sehen, gelang mir bis jetzt nicht; wahrscheinlich waren sie bei ihrer abergrossen Zartheit schon eingeschmolzen, bevor sie unter das Mikroskop gebracht werden konnten. Es will mir eben immer mehr vorkommen, als ob diese hinfälligen fiorsten nicht eigentlich Fort- sätze der Zellenkörper wären , sondern gleich den Stiftchen, Fäden und Borsten an den nachher zu erörternden Becherorganen blosse Abscheidungen der Zelle.

Gleichwie am Riechnerven und am Nasenraum das umhüllende und auskleidende Bindegewebe durch vieles dunkle Pigment ausge- zeichnet ist, so umsäumt der gleiche Stoff reichlich auch den Ner- ven and seine Entfaltung im gegenwärtigen Sinneswerkzeug.

Ich hatte die Bekanntschaft der bis jetzt abgehandelten Organe zuerst bei den Lacerten ganz auf dem Wege eigener Untersuchung gemacht und erst hintendrein bemerkt, dass bezüglich umfängliche- rer Reptilien die Bildung theilweise schon von Anderen angezeigt worden war. Als ich die Organe sodann auch bei den Schlangen anfsnclite, war ich sogleich bei der Grösse und auffälligen Beschaf- fenheit, welche das Organ hier hat, überzeugt , dass dasselbe Jenen, welche aus dem Bau und der Entwickelung der Schlangen ein be- sonderes Studium gemacht hatten, unmöglich ganz fremd sein könne. Und so finden wir denn auch, dass in der That Rathke^) unser

1) Rathke, Entwiokelungtgeschichte der Natter. Königsberg 1839. Tafel Vn, Fig. 7, Fig. 8, Fig. 9.

826 Dr. F. Leydig:

Gebilde als eine ^,den Schlangen eigentbümliche Nasendrüse^' beBchrieben hat. Sie sei ein birnförmiges, mit einer einfachen Höhle versehenes und im Verhältniss zu dieser seiner Höhle sehr dick- wandiges Bläschen. Es sei umgeben von zwei Knochenschalen, welche far dasselbe eine Capsel ausmachen. Dieses Bläschen oder Nasendrüse entstehe so, dass es sich in einer frQheren Zeit von der Riechhaut abschnüre. Die Mündung der Nasendruse sei am Gau- men in einer Furche, welche dicht neben dem inneren Nasenloch nach der Mittellinie des Kopfes geht.

Dass nun besagtes Organ keine Drüse sei, sondern ein Sinnes- Werkzeug, hätte Rathke vielleicht selbst noch erkannt, wenn er am Schädel fertiger Tbiere den Gegenstand länger verfolgt hätte imd namentlich auf den dicken Nerven gestossen sein würde.

Da genannter Forscher das Organ Nasendrüse nennt und als den Schlangen eigenthümlich bezeichnet, so war er ohne Zweifel der Ansicht, dass es sich um die zehn Jahre vorher von Joh. Müller gefundene Drüse bandele^). Letztere aber nach Lage und Bau ganz davon verschieden, ist eine wahre Drüse und gleichwerthig der Drüse, welche auch bei den Eidechsen aussen an der Nasencapsel liegt«).

4. Mündungsstelle.

Am skeletirten Kopf^) sind die Oeffnungen so deutlich, da^ wie schon oben gesagt wurde, bessere Abbildungen über Schlangen- schädel sie wiedergeben. Mehr Schwierigkeiten begegnet man, wenn wir an dem noch mit seinen sämmtlichen Weichtheilen versebenen Kopf die Oeffnungen aufsuchen. Nach den Zeichnungen bei Rathke zu schliessen; ist die Oeffnung des Organs bei den Embryonen gross und deutlich , während sie später sehr fein sei und nur mit Mühe wahrzunehmen.

Ich habe am besten gefunden, Längsschnitte durch die ganze Schnauze, in der Richtung der Choaneu und des Organs selber, zu

1) Joh. Müller über die Nasendruse der. Schlangen, Archiv f. Anat. u. Physiol. 1829.

2) Vergl. Leydig, die in Deutschland lebenden Saurier. Es scheint, dass Rathke besonders dadurch veranlasst wurde, an die „Nasendruse'* tu denken, weil Joh. Müller bezüglich der Ausmündung auch später noch sagt: „Ductus. ... in palato exit." (De gland. sec. struct. p. 53.)

8) Siehe Fig. 1.

Zur Eenntniss der Siiinetorgmne der Sohlangen. 327

legen *). Es erscheint jetzt das letztere unterhalb des Nasenraumes gerade dort, wo derselbe nach hinten abbiegt, um zur Choane zu werden. Man erhält auf diese Weise auch die beste Uebersicht über das Grössenverhältniss der eigentlichen Nase zum Jacobson- sehen Organ, und sieht ferner, wie sehr die Lichtung der Höhle eingeengt wird, einerseits von oben her durch die dicke, die Nerven- entfaltung tragende Haut, und anderei*seits von unten her durch den einspringenden Knorpelwulst. Unterhalb des Organs macht sich in der Schleimhaut des Gaumens ein schwarzer Pigment fleck bemerklich, welcher auch am unverletzten Gaumen nach Abhebung des Epithels deutlich ist. An dieser Stelle ist die Mündung in die Rachenhöhle, aber in Form eines sehr engen Schlitzes, welcher sich in eine rückwärts laufende Furche *) auszieht , um mit dieser auf die Choane zu treffen^).

Von den Ghoanen her erstreckt sich denn auch das Wimper- epithel auf den in's Innere der Höhle vorspringenden Knorpelwulst, beschränkt sich aber auch auf denselben. Dass unter dem Epithel auch eine dünne bindegewebige Lage als Fortsetzung der gleichen Schicht der Schleimhaut den Knorpelwulst überdeckt, ist selbstver- standlicL

5. Schlussbemerkung.

Es kann nicht dem mindesten Zweifel unterliegen, dass die abgehandelten Bildungen den unter dem Namen Jacobson'sche Organe bekannten Theilen der Säuger gleichwerthig sind. Die

1) Vergi Fig. 2.

2) Fig. 2, d.

8) Der oben erwähnte lohwanse Fleck am Gaumen ist , wie ich nach- trftgUeh finde, von Cloqaet (Organisation des voiet lacrymales ohez lei serpens, Mem. du Museum 1821) bemerkt und abgebildet (Fig. 10» e), aber sehr irrig gedeutet worden, im Zusammenhang mit einem andern starken Fehler. Er beschreibt nämlich und zeichnet (Fig. 10, d) einen „Sinus ou sac inter-maxillaire" , der zu den Thränenwegen gehören soll und eben am Gaumen an der gedachten Stelle sich ö£fne. Dieser weite, glattwandige Raum aber, von einer Längsscheidewund durchsetzt und unter dem Auge zwischen Oberkiefer und Gkumen gelegen, hat nichts mit den Thränenwegen zu thun sondern ist ein Lymphranm. Ich werde anderw&rts auf diesen Punkt zurück kommen.

IL BehnltBe. AtoUt t rnfkrodk. ABAtemie. Bd. 8.

880 Dr. F. Leydig:

Fortsetzung auch von aussen längs der Zahnreihe sichtbar ist und sowohl vorne wie hinten bogig abschliesst. Die Zähne stecken so- mit wie in einem schmalen, nach der Länge aufgeschlitzten Sack; das Gleiche wiederholt sich an den Gaumenzäbnen 0 und ebenso am Unterkiefer^).

Die feinen, schrägen Längserhöhungen, welche der Schleimhaut der Mundhöhle eigen sind, erstrecken sich auch am Gaumenge- wölbe über die Zahnfleischleisten weg; wenigstens verbreiten sie sich über die Begrenzungen des Thaies, welches zwischen der nach in- nen gewendeten Zahnleiste des Oberkiefers und der nach aussen gekehrten am Gaumenbein besteht. Auf der Seite nach den Zähnen hin ist die Haut glatt ; am Boden der Mundhöhle sieht man die Leistchen rechts und links von der Zahnreihe, doch wieder nur an der von den Zähnen abgewendeten Seite. Man kann ausser den stärke- ren Längswülsten noch feinere oder solche zweiter Ordnung, welche dazwischen sich erheben, unterscheiden. Gegen den freien Rand des Zahnfleisches gabeln sich die Leisten. Zur Untersuchung die- ser Verhältnisse der Schleimhaut eignen sich, weil die Leisten sich zusammenzuziehen vermögen, frische Thiere nicht gut, weit besser sind Weingeistexemplare.

Die Organe, um welche es sich handelt, stehen an der Falte des Unterkiefers zahlreicher, dichter hintereinander, als an der Oberkinnlade, was von vorne herein die Anwendung der Lupe lehn

2. Nerven und Hügel der Leisten.

Schon die flüchtige Besichtigung lässt erkennen , dass die mit den Schrägleisten versehenen Zahnfleischfalten reich an Nerven sind und dass femer die Nerven eine sehr bestimmte Vertheiiung ein- halten").

In der Tiefe des Thaies, welches von den oben gedachten Fal- ten erzeugt wird, verläuft ein Nervenstamm zugleich mit Blutge- fässen; der Weg der Hauptnerven sowohl, wie der seitlich in Ab- ständen entspringenden Aeste , wird theilweise durch Pigment be- zeichnet, indem dieses die Nerven begleitet. Am Unterkiefer, z. B.

1} Fig. 10. b.

2) Fig. 11, a.

3) Vergl. Fig. 24.

Zur Kenntniss der Sinnesorgane der Schlangen. 381

von Tr. natrix, findet sich nur am vorderen Dritttheil umhüllendes Pigment, während am Oberkiefer der dunkle Pigmentstreifen in dem Thale des Zahnfleisches länger ist. Seitwärts gehen feinere Pigmentiinien ab und bei näherer Untersuchung ergibt sich aber- mals, dass auf solche Weise die Bahn einer stärkeren Arterie und eines Nerven sammt Seitenzweigen angedeutet wird. Die Nerven gehören am Ober- und Unterkiefer dem zweiten und dritten Aste des Trigeminus an, und mögen im Besonderen Zweige des N. alveo* laris superior und N. alveolaris inferior sein ; die des Gaumens sind wohl Rami palatini des N. facialis.

Schneiden wir die Zahnfleischfalten aus, um zunächst den wei- teren Verlauf der Nerven unter dem Mikroskop zu verfolgen, so kehren immer zwei wesentliche Punkte wieder. Einmal bilden die in die Falte eingedrungenen Nervenstämmchen durch Austausch ihrer Fasern einen fortlaufenden Nervenplexus *). Zweitens treten von diesem aus zum freien Rand der Falte und zwar zu dort be- findlichen hiigelartigen Vorsprüngen NervenbQndel, um da- selbst zu enden ^). Man sieht entweder nur ein Bündel, oder es können, indem von einer anderen Stelle des Plexus ebenfalls Fasern ihre Richtung hierher nehmen, mehrere Bündel sein. Vielleicht hängt dies auch mit der Grösse der Hügelfzusammen , welche kei- neswegs von ganz gleichem Umfang längs des.'Eammes der Schleim- bautfalten sind, sondern z. B. am Oberkiefer von hinten nach vorne an Grösse zunehmen.

Bei ganz jungen Thieren scheinen die Höcker sich noch mehr abzuheben als später, denn Rathke und | dies verdient beson- ders hervorgehoben zu werden ~^hat dieselben an solchen bemerkt and abgebildet. An Früchten der Ringelnatter seit dem Beginn der vierten Periode entstehen nach Genanntem dicht neben der Reihe der Zahnbehälter zwei zarte Falten der Mundtheile, die sie zwischen sich nehmen, rasch sich vergrössern, nach einiger Zeit sie überragen und verdecken und „an ihrem Rande eine Menge sehr kleiner warzenförmiger Erhöhungen erhalten*' '). Beigesetzt wird, dass man diese Falten auch an erwachsenen Nattern wahrnehmen könne.

1) Fig. 24. b.

2) Fig, 24, a.

3) Abgebildet a. a. 0. Taf. YU, Fig. 5.

832 Dr. F. Leydig:

Mit dem, was Rathke gesehen hate, schliesst aber auch die bisherige Kenntniss ab; weder darüber, dass Nerven an die Erhö- fanngen gehen nnd dort enden, noch von der besonderen Stnictur der Hägel oder Warzen, wie sie nachher erläutert werden soll, finde ich in der Literatur eine darauf bezügliche Angabe. Nur noch eine Beobachtung von Treviranus möchte vielleicht hierher gehören. Es erwähnt derselbe da, wo er in seinem Buche : Die Erscheinungen und Gesetze des organischen Lebens, n. Band, 1832, S. 177, vom Geschmackssinn spricht, dass bei Chamaeleo carinatus auf beiden Seiten der unteren Kinnlade, an der inwendigen Seite der Zähne, eine wulstige Lefze liege, die mit Papillen besetzt und zu einem Ge- schmackswerkzeug geeignet sei. Ueber etwa vorhandene Nerven oder sonstige Eigenthümlichkeiten wird nichts benchtet, wesshalb idx fräher *) die Ansicht äusserte , dass der Wulst bei Chamaeleo der Unterzungendrüse von Anguis entsprechen möge. Es ist mir aber jetzt viel wahrscheinlicher geworden, ohne dass ich ein Cha- mäleon untersucht hätte, dass Treviranus eine Zahnfleischleiste obiger Art mit diesen Worten bezeichnet hat

3. Epithel der Leisten und Epithelhügel.

Die Schleimhaut der Mund- und Rachenhöhle besitzt sowoU flimmerloses Plattenepithel, als auch flimmerndes Gylinderepithel.

Das erstere oder die flimmerlose Schicht findet sich über nnd zwischen den Zähnen, femer an der inneren Seite der Lippen, um die Mündungen der Lippendrüsen herum; weiterhin auf und vor der Zunge, endlich oben am Bachen vor den Choanen.

Hingegen beginnt das zweite oder flimmernde Epithel am Ba- chengewölbe in der Umgebung der Choanen und erstreckt sich von da rückwärts; endlich sind auch die leistentragenden Zahnfleisch- falten von diesem Epithel überdeckt.

Weiterhin ist zum Voraus erwähnenswerth, dass an vielen Punkten der Mund- und Bachenböhle das Epithel zwischen seinen gewöhnlichen Zellen auch Schleimzellen besitzt.

In ganz frischem Zustande untersucht, ragen sie gern wie mit kolbigem, kömigem Ende über das übrige Epithel empor '), und

1) Histologie, S. 312.

2) Vergl. Fig. 20>. Fig. 22.

Zar Kenntniss der Sinnotorgane der Schlangen. 3B8

versehiedeDe meiner früheren Abbfldungen stellen sie ebenfalls nach dieser Beschaffenheit dar ^) ; ein Aussehen, welches dadurch bedingt ist, dass das Secret der Schleimzellen eine Strecke weit aus der Oeffnung vorgequollen erscheint Ein andermal und besonders gut nach Aufbewahrung eines Thieres in sehr schwacher Lösung von doppelt chromsaurem Kali unterscheidet man an der Zelle eine kleine Oeffiiung sehr deutlich, wahrend ein tidier liegender, viel weiter spannender Ring den Bauch der Zelle (sie hat Flaschenform) aus- dnickt«).

Gehen wir nun soweit vorbereitet an die Untersuchung eines aus dem frischen Thier geschnittenen StQckes der längs den Zahn- reihen sich hinziehenden Falten, so erkennen wir sofort, dass auf den Hockern oder Papillen des Randes je ein eigenartiges Ge- bilde aufsitzt. An demselben muss uns alsdann, abgesehen von seinem ebenfalls hügeligen oder höckerigen Umriss, zunächst in die Augen fallen, dass, während rings herum die Gegend wimpert, seine Oberfläche cilienlos ist, auch nicht aus Gylinderzellen, sondern aus Plattenzellen besteht").

Man erkennt femer leicht, dass die Plättchen alle im Kreis geordnet sind, und obschon sie lediglich dem Epithel der Schleimhaut angehören, doch innerhalb desselben, als Ganzes, sich wie besondere randliche Warzen abheben. Man wird sich femer nicht allzulange mit der Untersuchung der gedachten Gebilde beschäftigen, ohne gewahr zu werden , dass die Mitte der warzenförmigen Hervorragung von einer Partie etwas anders beschaffener Zellen eingenommen wird, die zusammen als ein innerer Ballen oder Eem sich ausnehmen können^). Sowohl in frischem Zustande, als auch nach Behandlung mit passenden Reagentien macht sich die bezeichnete Sonderang bemerklich.

1) Z. B. in meiner Histologie S. 310: „Epithel der Darmschleimhaut eines Weissfifches''; oder S. 338: „Darchschnitt durch die Darmwand von Heliz hortensis.'^

2) VergL Fig. 23, m

3) Vergl. Fig. 20.

4) Vergl. Fig. 19, c.

386 Dr. F. Leydig:

becherfQnnigeB Organ entblösste Außenfläche des Gipfels der Papille bei starker Vergrösserung und Vermeidung von allem Dnick, so erscheint dieselbe nicht gewölbt, sondern zu einer leichten Mulde vertieft, und die Oberfläche der Mulde zeigt sich feingrubig, wie etwa der Blüthenboden der CompositenO- Und wie dort in den Vertiefungen die Einzelblttthen stecken, so ruhen hier in den Grüb- chen die zelligen Elemente, insbesondere jene Zellen, welche den inneren Ballen des becherförmigen Organes bilden.

5. Bedeutung der inneren Zellen der Epithelial-

Hflgel.

Schon erwähnt wurde, dass die äusseren Lagen der Epithelial- hOgel oder Becherorgane aus cilienlosen Plattenzellen bestehen und die inneren aus Cylinderzellen. Die ersteren isolirt, erinnern durch- aus an die gewöhnlichen kernhaltigen Plattenzellen aus der Mund- höhle der Säuger und sind als Deck- oder Hüllzellen zu betrachten.

Die Cylinderzellen sind doppelter Art: die einen gehören ge- wöhnlichen Elementen an , wie sie so häufig die untersten Lagen von Epithelien bilden, die andern aber zeigen die Natur der Schleimzellen.

Es sind Körper, an denen man in gewissem Sinne einen den Kern enthaltenden Fuss unterscheidet, dann den Bauch der Zelle, in welchem das Secret sich bildet, und endlich den verengten, deut- lich nach aussen sich öffnenden HalstheiP).

Dass man es mit Zellen der angedeuteten Art zu thun habe, wird uns zuerst angekündigt durch Oeffnungen auf der Oberfläche des knöpf- oder warzenförmigen Gesammthügels '). Die Oeffnungen liegen zwischen den Plattenzellen; sie stehen zu mehreren auf dem Gipfel der Warze, finden sich aber auch zerstreut am übrigen Um- fang des Hügels. Wenn die Einzelöffhungen in der Mitte des Or- gans nahe zusammenrücken^), so kommt der Anschein einer gemein- samen Oeffnung zu Wege, namentlich nach Anwendung von Ghrom- säure, und jetzt könnte der von mir für die gleichwerthigen Gebilde bei Fischen und Amphibien gebrauchte Ausdruck „becherförmiges

1) Vergl. Fig. 25.

2) Vergl. Fig. 18, c.

3) VergL Fig. 20, a; Fig. 26, b.

4) So z, B. auf Fig. 26.

/

Zur Kenntnifls der SinBesorgane der Schlangen. 887

Organ'' in Anwendung gelangen. Häufig aber stehen die Oeffnun- gen der Schleimzellen so zerstreut über den Hügel hin, dass man ihn besser „epithelialen Knopf oder Warze'' heissen darf. Und dass er wirklich nur dem Epithel angehört, lehren besonders auch Cüirom- s&orepräparate, allwo die Warzen sich vollständig und rein von der Irindegewebigen Schicht der Schleimhaut ablösen lassen.

lieber die Schleimzellen ist femer zu berichten, dass man das Vorquellen des Secretes an der lebenden Zelle beobachten kann. Haben wir nämlich ein Stückchen der Schleimhaut von jener Zu- bereitung unter den Augen, wie sie vorhin zum Ansichtigmachen der Nervenendkolben empfohlen wurde, so kann dasselbe auch die- nen, um das Sichvordrängen des Secretes erblicken zu lassen.

Obschon ich nun auch die Innenzellen geradezu „Schleimzellen" genannt habe, so will ich doch damit nur die Gruppe bestimmen, wohin die Verwandtschaft geht. Denn schon durch ihre Lage in den Warzen und ihre Beziehung zu den Nervenfasern entfernen sie sich von den übrigen oder gewöhnlichen im Epithel zerstreuten Schleimzellen. Dazu kommen auch noch zwei andere Punkte.

Das Secret jener Schleimzellen, welche zwischen dem Wimper- epithel der Umgebung liegen, stellt einen körnigen Ballen vor und ist daher von dunklem Aussehen; das Secret der Innenzellen der Warze erscheint als kömerlose, helle, homogene Masse; dann sind auch die sämmtlichen cylindrischen Elemente der Warze zarter und niedriger als diejenigen, welche der wimpemden rings herumliegen- den Fläche angehören.

Fassen wir jetzt das Wesentliche im feineren Bau der abge» handelten Organe zusammen, so haben wir als Ergebniss Nerven- fasern, welche an der Grenze des bindegewebigen Theiles der Schleimhaut mit Ganglienkugeln oder Endkolben aufhören. Zwei- tens finden wir, dass über den Nervenenden innerhalb des Epithels Elemente stehen, welche ich Schleimzellen besonderer Art nenne. Empfindende und secemirende Bildungen treten in eine eigenthüm- liche Verbindung. Einen wirklichen ununterbrochenen Zusammen- hang zwischen etwaigen Fortsätzen oder Ausläufern der Ganglien- kugeln (Endkolben) mit den Stielen der Schleimzellen wahrzuneh- men, war ich nicht im Stande ; aber ich vermuthe , dass er doch vorhanden ist, und späteren Beobachtern glückt es vielleicht, die

<

886 Dr. F. Leydig:

bedierfönnigeii Organ entblösste Außenfläche des Gipfels der Papille bei starker Vergrösserang and Vermeidung von allem Druck, 80 erseheint dieselbe nicht gewölbt, sondern zu einer leichten Mulde vertieft, und die Oberfläche der Mulde zeigt sich feingrubig, wie etwa der Blüthenboden der CompositenO* Und wie dort in den Vertiefungen die Einzelblttthen stecken, so ruhen hier in den Grüb- chen die zelligen Elemente, insbesondere jene Zellen, welche den inneren Ballen des becherförmigen Organes bilden.

5. Bedeutung der inneren Zellen der Epithelial-

Hügel.

Schon erwähnt wurde, dass die äusseren Lagen der Epithelial- hügel oder Becherorgane aus cilienlosen Plattenzellen bestehen und die inneren aus Cylinderzellen. Die ersteren isolirt, erinnern durch- aus an die gewöhnlichen kernhaltigen Plattenzellen aus der Mund- höhle der Säuger und sind als Deck- oder Htillzellen zu betrachten.

Die Cylinderzellen sind doppelter Art: die einen gehören ge- wöhnlichen Elementen an , wie sie so häufig die untersten Lagen von Epithelien bilden, die andern aber zeigen die Natur der Schleimzellen.

Es sind Körper, an denen man in gewissem Sinne einen den Kern enthaltenden Fuss unterscheidet, dann den Bauch der Zelle, in welchem das Secret sich bildet, und endlich den verengten, deut- lich nach aussen sich öffnenden HalstheiP).

Dass man es mit Zellen der angedeuteten Art zu thun habe, wird uns zuerst angekündigt durch Oeffhungen auf der Oberfläche des knöpf- oder warzenförmigen Gesammthügels "). Die Oeffhungen liegen zwischen den Plattenzellen; sie stehen zu mehreren auf dem Gipfel der Warze, finden sich aber auch zerstreut am übrigen Um- fang des Hügels. Wenn die Einzelöffhungen in der Mitte des Or- gans nahe zusammenrücken^), so kommt der Anschein einer gemein- samen Oeffhung zu Wege, namentlich nach Anwendung von Ghrom- säure, und jetzt könnte der von mir für die gleichwerthigen Gebilde bei Fischen und Amphibien gebrauchte Ausdruck „becherförmiges

1) Vergl. Fig. 25.

2) Vergl. Fig. 18, c.

3) Vergl. Fig. 20, a; Fig. 26, b.

4) So z, B. auf Fig. 26.

Zur Eenntniss der SinBesorgime der Schlangen. 887

Organ'' in Anwendung gelangen. Häufig aber stehen die Oeffnun- gen der Schleimzellen so zerstreut über den HQgel hin, dass man ihn besser „epithelialen Knopf oder Warze'' heissen darf. Und dass er wirklich nor dem Epithel angehört, lehren besonders auch Cüirom- saurepräparate, allwo die Warzen sich vollständig und rein von der bindegewebigen Schicht der Schleimhaut ablösen lassen.

Ueber die Schleimzellen ist femer zu berichten, dass man das Vorquellen des Secretes an der lebenden Zelle beobachten kann. Haben wir nämlich ein Stückchen der Schleimhaut von jener Zu- bereitung unter den Augen, wie sie vorhin zum Ansichtigmachen der Nervenendkolben empfohlen wurde, so kann dasselbe auch die- nen, um das Sichvordrängen des Secretes erblicken zu lassen.

Obschon ich nun auch die Innenzellen geradezu „Schleimzellen" genannt habe, so will ich doch damit nur die Gruppe bestimmen, wohin die Verwandtschaft geht Denn schon durch ihre Lage in den Warzen und ihre Beziehung zu den Nervenfasern entfernen sie sich von den übrigen oder gewöhnlichen im Epithel zerstreuten Schleimzellen. Dazu kommen auch noch zwei andere Punkte.

Das Secret jener Schleimzellen, welche zwischen dem Wimper- epitbel der Umgebung liegen, stellt einen körnigen Ballen vor und ist daher von dunklem Aussehen; das Secret der Innenzellen der Warze erscheint als kömerlose, helle, homogene Masse; dann sind auch die sämmtlichen cylindrischen Elemente der Warze zarter und niedriger als diejenigen, welche der wimpernden rings herumliegen- den Fläche angehören.

Fassen wir jetzt das Wesentliche im feineren Bau der abge* handelten Organe zusammen, so haben wir als Ergebniss Nerven- fasern, welche an der Grenze des bindegewebigen Theiles der Schleimhaut mit Ganglienkugeln oder Endkolben aufhören. Zwei- tens finden wir, dass über den Nervenenden innerhalb des Epithels Elemente stehen, welche ich Schleimzellen besonderer Art nenne. Empfindende und secemirende Bildungen treten in eine eigenthüm- liche Verbindung. Einen wirklichen ununterbrochenen Zusammen- hang zwischen etwaigen Fortsätzen oder Ausläufern der Ganglien- kugeln (Endkolben) mit den Stielen der Schleimzellen wahrzuneh- men, war ich nicht im Stande; aber ich vermuthe, dass er doch vorhanden ist, und späteren Beobachtern glückt es vielleicht, die

888 Dr. F. Leydig:

Zellen im Epithel als eigentliches Endorgan der Nerven durch an- dere Methoden der Untersuchung nachzuweisen.

Ich möchte desshalb auch an diesem Orte nicht unterlassen, darauf hinzuweisen , dass eine gewisse Aehnlichkeit der beschriebe-

<

nen Organisation mit dem sich darbietet, was ich über die von mir bei Krebsen aufgefundenen und „Geruchszapfen'' genannten Theile dargelegt habe*). Ich bitte z. B. die Figuren zu vergleichen*), welche die gemeinten Theile von unserem Flusskrebs oder der Wasserassel versinnlichen ; der Geruchszapfen, unter dem die termi- nalen Ganglienzellen gleich den Endkolben lagern, könnte ein^ „Becherzelle'' gar wohl an die Seite gesetzt werden. Andere auf- fallende Züge in der Verwandtschaft erblickt man zwischen den von mir beschriebenen „Hautdrüsen^' der Lumbricinen und den uns hier beschäftigenden Schleim- oder Sinneszellen der Reptilien % Auch dort scheint die „Hautdrüsenzelle" mit einer Nervenfaser zusam- menzuhängen.

6, Die Organe bei der Blindschleiche.

Auch bei Anguis fragilis mangeln nicht in der Mundhöhle die becherförmigen Organe. Doch macht sich gleich ein Unterschied darin bemerklich, dass sie nicht auf papillenartigen Hervorragungen der Falten stehen, welche längs der Zahnreihen im Ober- oder Unterkiefer, sowie am Gaumen angetroffen werden, sondern vielmehr in Grübchen des Bindegewebes ruhen; durch diesen Umstand und weil sie auch ganz dicht, wie gehäuft, beisammen lagern, erinnern sie nicht wenig an echte Drüsen^), und ich meine, dass sie ge- rade deshalb unsere Aufmerksamkeit besonders verdienen.

In die Falten der Schleimhaut, welche Träger der gedachten Bildungen sind, sieht man wieder wie bei den Schlangen zahlreiche Nervenstämmchen hereintreten und den Weg gegen die Haufen der Becherorgane nehmen; doch habe ich sie hier nicht so weit zu ver- folgen vermocht, als bei genannten Nattern geschehen ist, und muss

1) üeber Geraohs- and Gehörwerkzeage der Krebse and Insecten. Archi? für Anat. a. Phys. 1860.

2) A. a. 0. Taf. VII.

8) Yergl. m. Abfaandlang über Phreoryotes. Diesea Archiv Bd< I, Taf. XVn, Fig. 12.

4) VergL Fig. 17.

Zar Eenniniss der Sinnesorgane der Schlangen. 389

daher es anentschieden lassen, ob ebenfalls, wie für die letzteren gezeigt wurde, Endkolben oder Terminalganglienkugeln sich finden ; hingegen lässt sich in einem weniger wichtigen Punkt eine lieber- einstimmung leicht erkennen, insofern nämlich auch hier die Falten nach Aufhellung ihrer bindegewebigen Substanz sich sehr reich an feinen elastischen Fasern zeigen, und dass in der Tiefe der Fal- ten um die Nervenstämmchen und Blutgefässe herum sich dunkles Pigment in Form grosser verzweigter Zellen verbreitet. Bemerkt mag übrigens werden, dass der Anschein von Papillen auf der Ober- flache der Falten dadurch entstehen kann, dass man die Leisten, welche die Gruben umgeben, im optischen Durchschnitt vor sich hat. Bei Pseudopus, wovon nachher, sind die eben angedeuteten Verhältnisse ganz gleich mit denen von Anguis, aber mehr in's Grosse gehalten und desshalb weniger einem Missverständniss ausgesetzt.

Die eigentlichen Becher nun, abermals ihren sie zusammen- setzenden Elementen nach dem Epithel ausschliesslich zugehörend und jeder für sich in einer grubigen Austiefung der Bindegewebs- schicht ruhend, sind unt^r sich von sehr verschiedener Grösse, ohne aber im Wesentlichen des Baues von einander abzuweichen, da eben nur die Anzahl der zelligen Bestandtheile den Wechsel im Umfange bedingt.

Obschon auch bei der Blindschleiche zunächst der Ghoanen Flimmerepithel zugegen ist, so erscheinen die Zahnfleischfalten nur von flimmerlosen mit Kern und Kemkörperchen versehenen schönen Plattenzellen überzogen; diese bilden denn auch wieder für unsere Organe die Deck- oder Hüllzellen und erzeugen zusammen wohl einen leichten Höcker, während sie anderseits auch in ganz flacher Lage über den inneren Zellenballen des Bechers wegstreichen.

Diese Innenzellen nun, für uns wieder die wichtigeren Theile, beurkunden hier noch sicherer als bei den Schlangen die Natur von Schleimzellen. Haben wir z. B. die Falte neben einer Hälfte des Unterkiefers aus dem frischgetödteten Thiere, mit Speichel befeuch- tet, vor uns, so macht sich entschieden bemerklich, dass die Par- tien heller Cylinderzellen, durch die Lagen der Plattenzellen hin- dnrchtretend , eine wolkige Substanz aus sich hervorquellen lassen, ganz nach Art abscheidender Zelten. Bringen wir uns die besagten Bildungen von unten oder hinten her zur Ansicht 0, so bestätigt

1) Fig. 18, b.

840 Dr. F. Leydig:

sich abermals die eben ausgesprochene Auffassung: man unter- scheidet den in gewissem Sinne soliden Stiel der Zelle und ihren bauchigen oder oberen Theil.

Besehen wir die einzelne Schleimzelle bei stärkerer Vergrösse- rung noch genauer, so überzeugen wir uns, dass ihr den Kern ber- gender Stiel von platter Form ist, dabei von blassem Aussehen, in so lange er sich uns von der Fläche darstellt, sehr scharf oder dan- kel aber dann, wenn er uns die schmale Seite zukehrt Die Mün- dung des bauchigen Abschnittes zeigt sich gern wie mit umge- schlagenem zackigen Rand, und auch der untere Pol des austreten- den Secretballens kann eine strahlige Zeichnung darbieten^). Die Punktirung des bauchigen Abschnittes der Zelle lässt sich bei stär- kerer Vergrösserung auch als Ausdruck eines besonderen Structur- Verhältnisses erkennen'). Es scheint nämlich, als ob die Einzel- punkte die optischen Durchschnitte von Balken seien, welche von der Innenfläche der Wand einwärts vorspringen und sich in ein feines Maschenwerk auflösen, fast ähnlich, wie ich solches seiner Zeit von gewissen grossen Kernen bei Triton gezeigt habe*).

Hat man auf die ganz frischen Tbeile eine Lösung von doppelt chromsaurem Kali einwirken lassen, so tritt an der Mündung der Zellen etwas auf, was es weiter rechtfertigen kann, die Organe so zu deuten, wie es hier geschieht. Es erscheint eine Anzahl kleiner stiftartiger Eörperchen von dreieckiger Oestalt und dunklem Umriss; ihre Spitze ist nach aussen gerichtet^). War Chromsäure angewendet worden, so sieht man anstatt der kurzen dreieckigen Stiftchen um das Zwei- und Dreifache längere abge- stutzte Fäden oder Stäbe^) büschelweise aus dem gemeinsamen Sinnesbecher hervorragen; auch sie haben den Umriss, wie ihn härtliche Substanzen darzubieten pflegen.

1) Dieser umgekrempte zackige Rand machte mir an gewöhnlichen Becherzellen öfters den Eindruck, als ob die Zacken Reste von Gilien wären. Ist dieses richtig, so müsste man annehmen, dass Flimmerzellen zu Becher- zellen werden können.

2) Siehe Fig. 28 in etwas schematisoher Darstellung.

3) Vom Bau des thierischen Körpers, S. 14.

4) Fig. 18, d.

«

5) Fig. 18, d.

Zar KenntnisB der Sinnesorgane der Schlangen. 341

Noch verdient Erwähnung, dass wie bei den Schlangen eigent* lieh die einzelne Schleimzelle auf dem Epidermishöcker für sich aus« mündet^), gleichwie solches mit denjenigen Schleimzellen der Fall ist, welche über die Epithelfläche zerstreut vorkommen. Man unter- scheidet so auf dem Höcker drei, vier und mehr dergleichen klei- nere oder Einzelöfifhungen ; aber indem die Zellen mit ihrem Halse zosammenneigen , schmelzen auch die EinzelöfFhungen zu einer ge* meinschaftlichen zusammen. Zur Erklärung dieser Erscheinung will es mich bedünken , als ob der Grad der eben stattfindenden Abschei- dung des Secretes und der Reizungszustand, in welchem die Schleim- haut durch das Herausgeschnittenwerden sich befindet, die mancher- lei Uebergänge zwischen einer Anzahl kleiner Oeffnungen und einer mitunter ganz weiten einzigen bedingen mögen.

7. Die Organe beim Scheltopusick.

Ich gebe auch vom Pseudopus Pallasii, welches Thier gleichwie m Vielem seiner übrigen Organisation, so auch im Verhalten der Sinnesbecher seine Verwandtschaft mit der Blindschleiche an den Tag legt, zuvörderst eine Darstellung der Kiefer- und Gaumenfalten in Figur 13 und Figur 14, welche unter der Lupe gezeichnet sind. Man unterscheidet an der hier sehr umfänglichen Gaumenleiste') die einwärts gegen die Choanenspalte gerichtete Partie, welche ähn- lich wie bei Anguis fragilis') mit einem Zipfel gegen die Choanen herübergreift; zweitens den gegen die Zähne gewendeten Abschnitt, auf welchem eine Rinne sich eintieft. Um die Zähne selber zieht alsdann abermals oben wie unten die Kieferfalte*).

Führen wir einen senkrechten Schnitt durch eine der Zahnfleisch- falten, so erscheint darin eine starke Vene, eine Arterie und die Nerven, welche ihre Richtung nach oben nehmen. Denn auf den bezeichneten Leisten fehlen auch hier nicht die becherförmigen Sin- nesorgane, sowohl an den Gaumenwülsten, als auch an den Zahn- fleischleisten des Ober- und Unterkiefers lassen sie sich erkennen, und am entwickeltsten treten sie an den Gaumenfalten auf.

1) Fig. 18, a; verj^l. auch Fig. 17.

2) Fig. 13, a,

3) Fig. 12, a.

4) Fig. 18, b; Fig. 14, b.

842 Dr. F. Ltydig:

Schon für die Lupe macht sich, nachdem das Epithel abge- streift ist, ein wie zerstochenes Aussehen der Oberfläche bemerklichi und unter dem Mikroskop gibt sich dieses als wabige ^) Bildung zu erkennen, wobei die Waben wie bei Anguis sehr ungleich rücksicht- lich ihrer Grösse sind. Sehen wir von diesem Wechsel ab, so wird die Grubenbildung, indem die Vertiefungen sehr dicht sich folgen, der Aussenfläche eines Fingerhutes vergleichbar. Das Bindege- webe der Gaumenfalte ist wie jenes der Eieferfalten sehr reich ao feinen elastischen Netzen, welche, wenn sie näher in's Auge gefasst werden, sich als elastische, die Bindegewebsbündel abgrenzende Hal- len darstellen^). Die „elastischen Netze'' sind daher gleich dem, was wir „Spiralfasern'' nennen. -- Zahlreiche Nervenstämmchen steigen in die Falte herauf und vertheilen sich büschelförmig gegen die Grübchen der Oberfläche; dass letztere sich auch von Blutcapillaren umsponnen zeigen, braucht wohl kaum erwähnt zu werden.

Die eigentlichen Sinn es bech er sind nun wieder reine Epi- thelialgebilde. Der zellige Beleg der Schleimhaut, indem er die Gruben auskleidet, schliesst über jeder Grube zu einem Höcker mit mittlerer Oeffnung zusammen ; darnach hat jeder Sinnesbecher, nach der verschiedenen Tiefe und Breite der Grube im Bindegewebe, die Form eines verschieden grossen Säckchens, dessen Wand lediglich aus Plattenzellen besteht ').

Die den Schleimzellen entsprechenden [Gebilde vermochte ich hier nicht so deutlich zu erkennen, wie bei Anguis ^ was ich mit dem Umstand in Zusammenhang zu bringen geneigt wäre, dass das untersuchte Thier während des Winterschlafes gestorben war und die besagten Elemente vielleicht während dieser Zeit sich zurück- gebildet hatten. Doch konnte an der Oeffnung einiger Becher eine

1) Fig. 15.

2) üeber die Beziehungen des elastischen Gewebes zum Bindegewebe, zu den ,,Spiralfa8ern*', den „Hornfaden", zum „Cutioular- und Chitingewebe" vergl. mein Buch: Vom Bau des thierischen Közpers 1864, S. 48. Ich meine, die historische DarsteUung, welche Boll in seiner durch scharfe Be- obachtungen sich auszeichnenden Arbeit: „üeber den Bau und dieEntwicke- lung der Gewebe" in diesem Archiv Bd. 7, gegeben hat, müsste einige Abänderungen erfahren, wenn Boll auch von dem, was ich in der ange- zogenen Schrift über diese Gewebe vorbringe, Eenntniss nehmen woUte.

8) Fig. 16.

Zur KeDntniss der Sinnesorgane der Schlangen. 343

<

Anzahl dunkler hervorstehender Striche wahrgenommen werden, welche wohl die Bedeutung der bei Anguis erwähnten Stiftchen ha- ben mochten, und im Inneren der Becher hob sich immerhin da und dort eine Gruppe von Zellen ab, welche anders beschaffen waren, als diejenigen der Wand.

Anmerkung L Wer vielleicht meiner Abhandlung Qber die Organe eines sechsten Sinnes einige Aufmerksamkeit geschenkt hat, wird es verstehen, warum ich mich der Hoffnung hingab, dass die Untersuchung der so eigenthiimlicben Seitenfalten des Pseudo- pns mir neue Aufschlüsse in der beregten Frage gewähren könne. Das ist jedoch keineswegs der Fall gewesen. An den lebenden Thieren zwar sie hielten bei mir zwei Jahre in der Gefangen- schaft aus glaubte ich mehrmals Andeutungen von besonderen Organen zu erblicken. War nämlich bei gewissen Bewegungen des Thieres die Seite des Körpers von der Sonne grell beleuchtet, so erschienen in der Tiefe der etwas feuchten Falte grauweisse Kör- perchen, wie fadig aufgereiht. Als ich aber am todten Thiere die Falte mikroskopisch untersachte, fand ich nichts, was ich den becherförmigen Sinnesorganen hätte vergleichen können, so dass ich einstweilen den mir vorliegenden Widerspruch nicht zu lösen vermag.

Anm er k ung 2. Ich habe in meiner Arbeit über Phreoryctes 0 auf gewisse rundliche blasse Flecken in der Haut des Kopflap- pens und des Schwanzendes der Lumbricinen aufmerksam gemacht, in denen ich Sinnesapparate vermuthe. Glapar^de*) bestätigt deren Anwesenheit, muss aber ebenfalls gesteben, dass er über diese blassen Organe in der Hypodennis nichts Neues vorzubringen vermöge. Bei den Schlangen nun kommt in der Haut etwas Homo- loges vor. Man bemerkt weniger auf den Schildern als auf den Schuppen helle, abgegrenzte Flecken, welche zunächst davon her- rühren, dass unter Zurücktreten des Pigments die Epidermis dünn und durchsichtig geworden, in leichter Wölbung und ohne Oeffnung über die darunter liegenden Zellenpartieen weggebt. Diese Flecken sind um vieles grösser, als die Oeffnungen der Sinnesbecher, welche sich

1) Archiv för mikrosk. Anatomie, Bd. I, S. 259, Taf. XYIII, Fig. 13, o.

2) Histologische üntenuchuiigeti über den Regenwurm, Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie, Bd. XIX, Separatabdr. 8. 10, Anmerkung.

IL SclnütM, ArohiT t mikrosk. AuKomio. Bd. 8. 28

S44 Dr. F. L«y)lig:

deutlich dayon unterschieden zeigen. Die Oeflnungen fflr die Siü- nesbecher sind an den Kopfschildern auch zahlreicher, stehen ent- weder dicht gehäuft, z. B. auf den Nasalplatten ^ auf dem Schnau- zenschild, oder sie halten gewisse, wenn auch nicht sehr r^el- massige , Reihen ein , z. B. auf dem sogen. Wirbelschild. Die hier gemeinten hellen Flecken finden sich ferner, soweit bis jetzt meine Erfahrung geht; auf allen Rückenschuppen, gegen deren freien Rand oder Spitze zu. Bei Cioronella laevis ist der kreisrunde Fleck in der Einzahl ; bei Tropidonotus natrix und Tr. tessellatus, Goluber flaves- cens und 0. yiridiflavus, bei Vipera berus und V. ammodytes sind es zwei. Der Grund, warum ich diese durchscheinenden Stellen mit den Enden der Nerven in Beziehung bringen möchte, liegt darin, weil man an Quer- und Längsschnitten die Ueberzeugung gewinnt, dass von den Nerven des Schuppenkörpers, welch letzterer gleich einer läng- lich platten Hautpapille ist, ein stärkerer Ausläufer die Richtung gegen die freie Spitze der Schuppe, somit gegen den lichten Fleck einhält. Bisher hat mich das viele Pigment der Lederhaut durch- aus verhindert, mir weitere Aufklärung zu verschaffen. Zur einst- weiligen Kenntniss aber und um auch Andere, welche sich mit ähn- lichen Studien befassen, auf die „Punkte^' aufmerksam zu machen^ habe ich die Figur 29 und Figur 30 beigegeben.

Anmerkung 3. In den mir eben zugehenden Sitzungsbe- richten der Gesellschaft naturforschender Freunde in Berlin fOrdas Jahr 1870 berichtet Reichert ttber den Bau des Branchiostoma lubricum nach Studien, die er an diesem Fischchen im Herbst 1868 in Neapel angestellt hatte. Damach finden sich namentlich in der Haut des Kopfes und des Schwanzes über den Nervenenden zwi- schen den übrigen Elementen der Epidermis eigenthümliche Zellen, deren Membran an der freien Endfläche mit einem stachelfc^rmigen Fortsatz ausgerüstet ist. Für mich geht aus dieser Mittheilung hervor, dass auch bei Branchiostoma etwas den becherförmigen Or- ganen Verwandtes vorkommt. Zweitens erfährt man, dass das Ner- venende unter diesen Zellen mit Endkolben aufhöre. Auch dieses stimmt mit dem, was ich oben über die gleichen Organe der Rep- tilien anzuzeigen hatte, überein. „Eine continuirliche Yerbmdnng zwischen den Stachelzellen und den Endkolben ist bei Branchiostonm nicht vorhanden.''

Anmerkung 4. Endlich erlaube ich mir, gewisse Beobach-

Zar Kesntniss der Sinnesorgane der Schlangen. d45

tiingen, welche ich vor Jahren an der Epidermis des Wallfisches gemacht, an dieser Stelle in Erinnening zu bringen^).

Ich traf dort besonders geartete Partieen in der Epidermis gerade Ober den Spitzen der Papillen der Lederhaut, die mich schon damals, was ich auch ausdrücklich erwähnte, an die becherförmigen Organe der Fische gemahnten; nur liess sich keine Spur von Ner- ven in den Papillen erblicken es handelt sich natürlich um ein Weingeistpräparat und eine weitere Begründung des Vergleiches konnte nicht durchgeführt werden. Ganz ähnliche Verhältnisse fin- den sich auch am sogenannten Flotzmaul des Rindes, wie ich ge- l^entlich einer Untersuchung, welche Graf Egloffstein hier in Tübingen über die Haut des Rindes anstellte und leider damals nicht beendigte, sehen konnte. Da ich unterdessen das bezeichnete Object nicht mehr vorgenommen habe, beschränke ich mich auf Voranstehendes, und nur das möchte ich noch hinzufügen, dass v. Nathusius, welcher sich ebenfalls über diese Partieen ausgespro- chen hat ') , gewiss im Unrecht ist , wenn er die gedachten Zellen der Epidermis für Bindegewebsbildungen erklärt.

8. Schlussbemerkungen.

Als ich vor mehreren Jahren') die becherartigen Sinnesorgane bei einer Anzahl von Amphibien näher untersucht hatte, fasste ich meine Ergebnisse dahin zusammen :

1. Dass die Organe bei den Larven von Tritonen, Salamandern, l'röschen und Kröten, allwo sie am Kopfe und den Seiten des Lei- bes und Schwanzes vorkommen, Hügel der Epidermis seien: oben mit einer Oeffnung versehen, innen mit einem besondem zelligen Körper, dessen Elemente durch Secretion eine Art Schleimfaden hervortreten lassen können. An jeden der Hügel begebe sich ein Nerv.

2. Diese bei den Larven der bezeichneten Batrachier deutlich epidermoidalen Endorgane an Nerven bilden sich, nachdem die Thiere

1) üeber die ftasseren Bedeckungen der Säugethiere, Archiv für Anatomie ond Physiologie, 186% S. 681.

2) Ebenda 1869, 8. 78.

8) Üeber Organe eines sechsten Sinnes. Nov. act. acad. Leop. Carol. 186&

846 Dr. F. Leydig:

aus Kiemenathmern zu Lungenathinern geworden sind, zu den grossen Haatdrüsen des Kopfes und der Seitenlinie um.

Ueberblicke ich jetzt das, was mich meine früheren und ge- genwärtigen Studien an den gleichen Organen bei den Reptilien (Sauriern und Ophidiem) gelehrt haben, so finde ich mich, indem ich von den Einzelbeobachtungen zu einer allgemeineren Anschauung gelangen möchte^ auf dem gleichen Wege wie dazumal; ja die jetzt gewonnenen neuen Erfunde dienen überdies dazu, die zwei Haupt- punkte meiner früheren Auffassung noch besser zu stützen.

Denn was zunächst die Elemente des zelligen Innenkörpers be- trifft, so geben sie sich mir an den genannten Schlangen und Sau- riern als eine Art von Schleimzellen zu erkennen, d. h. als gestielte Bläschen, deren oberes Ende mit einer Oefhung versehen ist, ans welcher eine Substanz hervortreten kann. Unter besonderen Um- ständen, wie es scheint, nimmt das Secret bestimmte Gestaltungen an. Bei den Larven von Tritonen und Salamandern gehört hierher der von mir nachgewiesene und näher beschriebene Faden. An dai Organen in der Mundhöhle der Blindschleiche sind es die bespro- ebenen Stäbchen und Stiftchen. Ich möchte sogar die Ansicht aufstellen, dass ein mir fremdes Gebilde, welches ich an unseren Organen, nicht der Mundhöhle, sondern der äusseren Haut, bei der Blindschleiche und der glatten Natter seiner Zeit erwähnt und ge- zeichnet habe, ebenfalls die Bedeutung einer zu typischer Form gewordenen Abscheidung haben möge. Es ist das Gebilde, welches ich als eine mir damals unverständliche Zeichnung wiedergab 0. Dass ich auch die merkwürdigen aus einem aufgerollten Faden be- stehenden Körperchen bei Myxine hierher rechne, wurde schon in meiner Abhandlung über die Organe eines sechsten Sinnes vorge- bracht*).

Ich habe oben darauf hingewiesen und möchte es gegenwärtig noch einmal hervorheben, dass mir gewisse Aehnlichkeiten zu be- stehen scheinen zwischen dem, was ich an den Zapfen der Anten- nen bei Gliederthieren seinerzeit auffand*) und dem jetzt an den becherartigen Sinnesorganen der Reptilien Wahrgenonmienen. Auch der „Zapfen" nämlich, wie ich ihn z. B. von Asellus aquaticus,

1) A. ft. 0. S. 88. S. 86, Taf. III, Fig. 22 f, Fig. 28.

2) S. 15, S. 62,

3) Archiv für Anatomie und Physiologie, 1860, Taf. VlI.

Zar Kenntnis« der Smneiorgane der SohUngeü. 347

Astacns fluviatilis, Julus terrestris and andern darstellte, gibt darch seine Becherform und Oeifnung am freien Ende Anzeigen, dass die zeitweilige Abscbeidung eines Stoffes stattfinden möge. Das mar- kirte Endknöpfchen hat sein Homologon in dem dunkelrandigen Stift- chen, z. B. bei Anguis, und wie ich bei letzterer Art einen gewis- sen Wechsel bezüglich der Grösse, Form, Dasein oder Fehlen zu rerzeichnen hatte, so ist ein Gleiches auch schon früher von mir z. B. bei DaphnidenO und der Wasserassel bemerkt worden.

Eine weitere Aehnlichkeit im Gesammtbau springt in die Augen, wenn wir auf das Verhältniss der Nerven blicken. Bei den Krebsen erzeugt der zu den „Zapfen'' gehende Nerv ein Ganglion; hier bei den Schlangen findet sich nicht minder eine gaugliöse Partie an gleicher Stelle. Das eigentliche Ende der nervösen Elemente oder ihr üebergang ist von mir bisher blos an den „Zapfen'' gesehen woi-den: ich konnte z. B. an Asellus den sehr blassen Nerven in den Stiel des Zapfens hinein verfolgen, wo sich dann eine zarte und kleinblasige Substanz anschloss ; bei den Reptilien hingegen musste ich mich wie früher schon ^) so auch jetzt dahin beschränken, auf die grosse Wahrscheinlichkeit des ununterbrochenen Zusammenhanges hinzuweisen.

Auch der zweite Hauptpunkt, zu dem mich meine früheren Untersuchungen geführt haben, wonach die in Bede stehenden Sin- nesorgane in nahe Verwandtschaft zu Bildungen treten, welche als „Hautdrüsen'^ schlechthin aufgefasst werden, findet in den obigen Mitiheilungen eine neue Stütze^). Denn die Organe bei Anguis und Pseudopus erinnern theilweise so sehr an „Drüsen", dass man sie bei geringer Yergrösserung und ohne weiter dieser Sache nach- zugehen, für wirkliche Drüsen gelten lassen wird.

Wir können unmöglich den Gegenstand verlassen, ohne der Angaben zweier Beobachter zu gedenken, welche, wenn auch nicht die Organe der Beptilien, doch jene der Fische, Batrachier und ent- sprechende Bildungen bei Säugethieren sorgfältig geprüft haben und in einer Bichtung von dem , was ich für richtig halte , abzuweichen scheinen.

1) Naturgeschichte der Daphniden, z. B. S. 41.

2) No¥. aot Leop. Carol. 1868, z. B. 8. 83, S. 86.

3) Ich erlaube mir namentlich auch auf den „Anhang'' meiner Abhand-\ long über Organe eines sechsten Sinnes zu verweisen (8. 97),

848 Dr. F. Leydig:

Franz £. Schulze, ganz besonders vertraut mit den ünte^ suchungen feinster Structurverhältnisse, unterscheidet, indem er die Sinnesbecher der Batrachier vor längerer Zeit und jüngst auch die der Mundhöhle der Froschlarven auffand ^ ) , ausser den Deckzellen noch Stützzellen und Sinneszellen. Die Sinneszellen tragen bei den Organen aus der Mundhöhle der Froschlarven am äusseren Ende einen kurzen kegelförmigen Fortsatz, welcher gegen die übrige Zelle durch eine deutliche Querlinie sich absetze. Dieser zugespitzte Fort^ satz entspreche den borstenförmigen £ndtheilen, welche man an gewissen Epithelzellen anderer Sinnesorgane k^nne.

Auch Schwalbe, ein ebenfalls trefflicher Untersucher, welcher die homologen Organe auf den Zungenpapillen (Papulae vallatae) der Säuger entdeckte'), unterscheidet ausser den Deckzellen die specifischen Sinneszellen und trennt sie in Stab- und Stiftzellen Letztere gehen am freien Ende in ein dünnes hellglänzendes Stift- chen auS; and diese Stiftchen können aus der Oefihung des ganzen Organs hervorragen. Daneben erkannte Schwalbe aber auch noch einen feinen Härchenkranz, der dem freien Ende der Deckzellen angehört

Die Beobachtungen der genannten beiden Forscher stimmen mit meiner Erfahrung darin überein, dass die zelligen Elemente, welche den wesentlichen Theil der Sinnesbecher ausmachen, beson- dere zugespitzte Fortsätze, Borsten und Fäden am freien Ende aus sich hervorgehen lassen. Schwalbe und F. Schulze betrach- ten sie als eigentliche Fortsätze der Zelle, wohl , wenn ich ihre Worte richtig auslege , etwa in der Weise , wie ein Flimmerha&r Theil einer Zelle ist.

Ich hingegen muss auf Orund alles dessen, was ich bisher über diese Organe sah, annehmen, dass die fraglichen Gebilde in dem Verhältniss einer Art Secret zu den Sinneszellen stehen , und dass die letzteren selber morphologisch den Schleimzellen am meiste verwandt sind. Die Härchen und Stifte erscheinen und verschwin- den je nach der Zeit und dem Bedürfniss ; woraus sich erklärt, dass man auf Individuen von Larven der Salamander s. w. stossen kann, welche jins auch nicht eine Spur der gesuchten Fäden und Stifte erkennen lassen, während andere Individuen sie uns deutlich zeigen. Auch dieser Wechsel tritt in die Reihe der Gründe, welche

1) Dieses Archiv, 1870.

2} Dieses Archiv, Bd. 3 (1867) u. Bd. 4 (1868).

Zar Eeimtnifls der Sinnesorgftne der Schlangen. 849

mich zur Annahme bestimmen^ dass in diesen Sinnesbechern neben der empfindenden Thätigkeit auch eine secretorische stattfinden möge. Und es darf darauf zurückgewiesen werden, dass bei Pseu- dopos und Anguis die Sinnesbecher in sehr zu beachtender Weise durch die Natur ihrer Zellen und durch deren Zurücktreten in sack- artige Vertiefiingen der Schleimhaut den Uebergang zu Drüsen ge- wöhnlicher Art Termitteln.

m. Hantpapfllen mit „TasfkSrperehen*^

Die Art von Papillen, um welche es sich hier handelt, wurde zuerst von Hensche aus Königsberg in der Haut des Frosches bemerkt und davon eine kurze und zwar nur mündliche Mittheiluug gegeben 0- Alsdann beschrieb ich die Theile näher von der Dau- mendrüse desselben Thieres'). Später wies ich sie auch an andern Batrachiern nach, so von der Haut des Rückens, der Kehl- und Brustgegend der gemeinen Kröte, Bufo cinereus; iusbesondere be- handelte ich sie etwas ausführlicher von der Haut der Feuerkröte, Bombinator igneus').

Ich finde jetzt, dass auch unsere einheimischen Nattern in ihrer Haut die gleichen Gebilde besitzen'). Einstweilen sind sie mir bei der Ringelnatter nur an den Lippenrändem begegnet, allwo sie rings um die Schnauze sich erheben. Sie stehen sehr vereinzelt, daher weit auseinander, und nur an der Spitze der Schnauze, be- sonders in der Umgebung der Scharte, aus welcher die Zunge her- ausspielt, sind sie etwas zahlreicher. In die Mundhöhle erstrecken sie sich nicht ; sie gehören, soweit meine Erfahrung reicht, lediglich der äusseren Haut an.

Was ihre eigentliche Gestalt anbelangt, so liesse sich ein Stiel, ein Körper und eine Endspitze unterscheiden. Letztere ist fein- zackig, was aber der freien Fläche der Lederhaut hier allgemein zukommt; denn die von der Epidermis gereinigte Bmdegewebslage

1) Siehe meinen Aufsatz über Tastkörperchen und Muq^lstractar. Archiv für Anatomie u. Physiologie, 1866, 8. IM.

2) A. a. 0.

3) Ueber Organe eines sechsten Sinnes. I^qt, aet. aoajL. Leopold. Garol, Vol. XXXiy, p. 88.

4) V^rgL Fig. a

350 Dr. F. Leydig:

der äusseren Haut zeigt zwischen den Papillen einen so feinzacki- gen Saum, dass er an die Beschaffenheit von Sammet erinnert 0-

Im Inneren der Papille liegt ein „Tastkörperchen*', über dessen Structur ich mich auch diesmal näher zu unterrichten suchte. Es mag zunächst wiederholt werden, dass an den entsprechenden Thei- len von Bombinator sich das rundlich-ovale Körperchen derart aas- nahm, als ob es von etwas Faserähnlichem umsponnen wäre und dadurch vom Rande her eingeschnitten oder wie gezackt sei; auf der Oberfläche kamen QuerzQge in Sicht und die kernähnlichen Punkte Hessen sich zum Theil als Querschnitte von eben solchen Faserzügen deuten. Doch war das Ganze zu winzig, als dass man sich weiter darüber aufklären konnte. Hier bei der Ringelnatter, wo das Körperchen ein bischen umfänglicher ist, glaube ich bei sehr starker Vergrösserung (Tauchlinse Nr. 9) einen Einblick in den Bau gethan zu haben, der mir meine Auffassung, welche ich vor langer Zeit über die Structur der Tastkörperchen') des Menschen ausgesprochen, nicht nur in's Gedächtniss gerufen hat, sondern mich annehmen lässt, dass ich schon damals nicht unrichtig ge- sehen habe.

Die anscheinend zellige Zusammensetzung, welche das Tast- körperchen der Schlangen bei massiger Vergrösserung darbietet, löst sich unter der Tauchlinse auf:

1) in elastische Faserzüge, welche in schrägen Gängen, da und dort unterbrochen, dabei mit kernähnlichen Verdickungen, sich bis in den Stiel der Papille herab erstrecken •); von dort an gehen sie deutlich in das oben bei der Schleimhaut erwähnte feine elastische Netz^) über, welches in seiner morphologischen Bedeutung zusam- menfällt mit den Bindegewebskörpern.

2) Man unterscheidet innerhalb der Windungen dieser elastischen Züge und als Haupttheil des y,Tastkörperchens'' eine blasse und feinkörnige Substanz, die aber trotzdem zu einem besonderen Ge- bilde abgegrenzt ist, zu dessen Umspinnung die elastischen Fasern dienen^). Bei gewisser Einstellung wird man die blasse kömige

1) Fig. 8, a.

2) A. a. 0. S. 168. 8) Fig. 9, a. 4) Fig. 9, b. 6) Fig. 9, a

Zur Kenntniss der Sinnesorgane der Schlangen. 351

Materie fdr Zellsubstanz oder Protoplasma halten können und die elastische Umhüllung für eine Zellenabscheidung, etwa gleich der Capsel um eine Knorpelzelle. Doch ist dies eben nur das Aussehen im optischen Durchschnitt; legen wir hingegen die Bilder der ver- schiedenen Schnittebenen als ein Ganzes zusammen, so wird der Gedanke lebendig, dass man es mit kleinen Endkolben der Nerven zu thun haben möge.

Dass dieser eben ausgesprochenen Auffassung eine gewisse Wahrheit zu Grunde liegen müsse, wird mir gerade durch den Um- stand wahrscheinlich, dass ich mich im Augenblicke geneigt fühle, das Gesehene in gleicher Weise auszulegen, wie ich es vor 16 Jah- ren an den Tastkörperchen des Menschen that, obschon mir der bezügliche Aufsatz seit der Veröffentlichung meiner Histologie kaum mehr vor die Augen gekommen war. Dort bemerke ich, dass im Innern des Tastkörperchens, besonders klar bei Einstellung auf den Querschnitt der Papillen, sich eine blasse, homogene Substanz mar- kire, die sich von der mit Querkemen versehenen, schalenartigen Hülle abgrenzt. Es schien mir, nach dem optischen Aussehen zu schliessen, als ob der innere Strang in seiner Natur ganz mit dem Cylinder übereinstimme, in welchen die Nervenfaser innerhalb der Pacini'schen Körperchen der Vögel anschwillt. Die Lichtbrechung, die fein granuläre Beschaffenheit erinnerten durchaus daran. Indem ich dann den Vergleich weiter durchführte, erschien mir der bedeut- samste Theil des Tastkörperchens ein ovaler oder cylindrischer Strang zu sein, welcher aus Nervensubstanz bestehe, und um die- sen Knopf herum schlage sich das mit Querkernen versehene Neu- rilemm. Und endlich y was für die Gebilde bei der Natter in be- sondere Anwendung kommen mag: nach den Beobachtungen Nuhn's hat es den Anschein, als ob jede in die Papille hereinge- tretene Nervenfibrille einen Endknopf bilden könne, so dass das Tastkörperchen wie aus zwei oder mehreren übereinander stehenden zusammengesetzt sich zeige.

Wenn ich nun meine damaligen Abbildungen über die Papillen am Daumen des Frosches jetzt von diesem Gesichtspunkte aus be- trachte, so möchte ich in Figur 1 B, b^ mehr die Oberfläche des „Tastkörperchens*^ erblicken, und die queren und geschlungenen

1) A. a. 0. Ttf. y.

862 Dr. F. Leydig:

Linien, welche ich damals auf die Windungen eines Nerrenkn&aels >) deutete , auf die Elemente des Neurilemms beziehen ; hingegen in Figur d mögen die „sechs und mehr rundlichen Eliimpchen zu einem Haufen zusammengeballt'^ den Theilen entsprechen, welche mir gegenwärtig bei der Natter den Eindruck von kleinen Endkol- ben machen.

Wird meine im Voranstehenden gegebene Auslegung des Ge- sehenen als zutreffend befunden, so wäre man noch mehr berech- tigt, die nahe Verwandtschaft der grösseren und kleineren Endkol- ben der Wirbelthiere einerseits , und der an ähnlichen Stellen sich findenden Terminalganglienkugeln der Wirbellosen andererseits her- auszuheben.

Bei einer andern Gelegenheit^) habe ich auch eines inneren Stranges oder Achsenkörpers in jenen Papillen^ welche den Mand- rand der Frosch- und Erötenlarven besetzen, gedacht. Derselbe bestehe aus dicht zusammengeschobenen, quergelagerten Zellen, welche nach unten zu, ohne Unterbrechung, in die in der Tiefe der weichen gallertigen Lederhaut liegenden strahligen Bindegewebskör- per übergehen. Diese Zellen, welche durch ihr enges Zusammen- liegen innerhalb der Papille für diese eine festere Stütze bilden, entsprechen offenbar den elastischen Faserzügen, deren aus den Papillen der Natter gedacht wurde; es bleibt aber von Neuem zu untersuchen , ob in dem Achsenstrang der Papille auch die andere vorhin abgehandelte Substanz zugegen ist, von der ich dazumal wenigstens nichts wahrgenommen hatte.

Noch ist schliesslich im Hinblick auf die Tastkörperchen bei unserer Ringelnatter anzugeben, dass man schon auf dem Wege der gewöhnlichen Zergliederung von einem grossen Nervenreich- thum der Schnauze Beweise erhält, indem man starke Aeste des Nervus trigeminus an den genannten Theil treten und dort aus- strahlen sieht. Ein weiteres Verfolgen des Gegenstandes lehrt, dass in der Lederhaut des gedachten Ortes sich ein dichtes Endnetz') von Nervenfasern ausbreitet, dessen Maschen in mehreren Schichten übereinander liegen. Man überzeugt sich femer, dass sichEndbfln-

1) In meiner Histologie hat diese Ansicht durch dan Holzschnitt Fig. 42 (S. 81) einen noch schärferen Ausdruck erhalten.

2) Organe eines sechsten Sinnes, 3* 36. 8) Fig. 8, 0.

Zar EenntiuBf der Sinnesorgaae der Sohlangen. 96S

del ablösen, welche gegen den Stiel der Papillen sich wenden; wo- bei ich freilich gewänscht hätte, auch ihren Zusammenhang mit der inneren Substanz der Tastkörperchen vor die Augen zu bekommen, was aber bis jetzt nicht gelungen ist Tübingen, Mitte December 1871.

ErkUrong der Abbildnngea.

Tafel XV. Die Figuren 1 bis 11 beziehen sich Bammtlioh auf die Bingelnatter

(Tropidonotus natrix). Fig. 1. Skelet der Schnauze, von unten. Mit der Lupe vergrossert.

a. Paariges Pflngschaarbein (Vomer); nach vorne und oben kommt ein Stück der Conoha zur Ansicht.

b. Zwischenkiefer. 0. Oberkiefer.

d. Graumenbein. Fig. 2. Schnauze auf dem Langsdurchschnitt ; geringe Yergrösserung.

a. Nasenraum, mit verhältnissmässig glatter Schleimhaut, vergH- ohrämit

b. dem zur Choane absteigenden Theil, dessen Schleimhaut schon eine ähnliche, wenn auch zartere Faltenbildung zeigt, wie die Ausklei- dung des Baohens. (Bei sch&rferem Zusehen macht sich auch im Abschnitt a eine feine netzartige Erhebung der Oberfl&che be- merklich.)

c. Zweites oder Nebengeruchtorgan (Jaoobson'sches Organ). '

d. Ausmündungskanal.

e. Lymphraum*

f. Blutgefäss.

g. Knochen, h. Drüse.

Fig. 3. Die Concha für sich und vergrössert-

a. Schalenartig ausgehöhltes Mittelstück.

b. Hinterer Fortsatz.

c. Vorderer Fortsatz.

Fig. 4. Der Yomer für sich und vergrössert

a. Blasig aufgetriebenes Mittelstück; die Löcher links dienen den eintretenden Nerven.

b. Hinterer Fortsatz.

c. vorderer Fortsatz.

Fig. 6. Nebengeruohsorgan in aUen seinen Theilen, senkrecht durchschnitten und schwach vergrössert.

854 Dr. F. Leydig:

a. Nervenbündel.

b. Endausstrahlung der Nerven im Inneren der Höhle.

c. Einspringender Enorpelwuht.

d. Goncha.

e. Vomer.

Fig. 6. Die Weichgebilde des Nebengeruchsorgans im Znsammenhang ani der festeren Umgebung ausgeschält und gering vergrössert

a. Lobus olfaotorius.

b. Nervi olfaotorii abgeschnitten.

c. Der Nerv des Nebengeruchsorgans.

d. Seine glockenförmige Entfaltung.

e. Theil der eigentlichen Nasenhöhle, angeschnitten.

Fig. 7. Ein Stück der die Höhle des Nebengeruchsorgans auskleidenden Haut im senkrechten Schnitt und starker vergrössert

a. Flimmerepithel auf dem Enorpelwulst.

b. Lichtung des Organs.

c. Epithel über den Nervenenden.

d. Dicke zellig-fasrige Lage.

e. Den Knochen durchsetzende Nervenbündel.

Fig. 8. Lederhaut vom Mundrand.

a. Der freie feinzackige oder haarige Saum der Lederhant.

b. Vereinzelt stehende Papillen.

c. Nervengeflecht und dessen Ausstrahlungen.

Fig. 9. Eine Papille sehr stark vergrössert, um den Ban des ».Tastkörper- chens" hervortreten zu lassen.

a. Elastische Züge.

b. Bindogewebskörper der Haut.

c. Blasse umschlossene Substanz.

Fig. 10. Die eine Seite des Gaumens unter der Lupe.

a. Ghoane.

b. Oaumenaahne und die seitlichen Falten.

c. Oberkieferzähne und die gleichen Falten.

d. Mündungen der Oberlippendrüse.

Fig. 11. Die eine Seite des Bodens der Mundhöhle unter gleichen Verbsli- nissen.

a. Falten längs der Zähne des Unterkiefers.

b. Zur Unterzungendrüse gehörige Theile.

Fig. 12. ^Die eine Seite des Gaumens von der Blindschleiche (Anguis firagilis) unter der Lupe.

a. Ghoane.

b. Gaumenfalte.

a Falte für die Zähne des Oberkiefers.

Zur KenntDiss der Binneaorgtne der Schlangen. 856

Fig. 13. Die eine Seite des Gaamens von Pseudopus Pallasii.

a. Choane und die Ganmenfalten.

b. Z&hne der Oberkinnlade und ihr Zahnfleisch«

Fig. 14. Boden der Mundhöhle zur Seite der Zunge von demselben Thier. Beide Figuren mit der Lupe vergrössert.

a. Untenungendrüsd.

b. Zahnfleiachfalte.

Tafel XVI.

Fig. 16. Stück der Gaumenfalte von Pseudopus in seinem bindegewebigen Theil nach Wegnahme des epithelialen Ueberzuges.

a. Gruben, in denen die Sinnesbecher sassen.

b. Leisten zwischen den Gruben.

Fig. 16. Mehrere der Sinnesbecher, abgehoben und in verschiedener Ansicht ebenfalls von Pseudopus.

a. Von oben.

b. Von hinten und seitwärts. (Beide Präparate nach einem Elxem- plar in Spiritus.)

Fig. 17. Stuck der Zahnfleischfalte des Oberkiefers von Anguis fragilis im frischen Zustande ; massig vergrössert.

a. Epithel.

b. Die wie bei Pseudopus dicht beisammen liegenden drüsenartigen Sinnesbecher, theils von oben, theils von der Seite gesehen.

c. der zu ihnen gehörige Nerv.

Fig. 18. Die epithelialen Sinnesbecher im Einzelnen.

a. Ein solches Organ von oben; die drei hellen Stellen sind Oefi*- nuDgen der Schleimzellen ; zur Seite anschliessendes gewöhnliches Epithel mit den Oeffnungen von vier Schleimzellen.

b. Drei Sinnesbecher von rückwärts; man unterscheidet den Stiel und den bauchigen Körper der Schleimzellen.

c. Eine Anzahl der SchleimzeUen für sich dargestellt in verschiede- nen Zuständen. Sind sowohl aus Anguis fragilis , als auch aus Tropidonotus natriz genommen.

d. Zwei Sinnesbecher, wovon der eine die Einwirkung von Kali bichrom. erfahren hat, der andere die von Chromsäure. Es kom- men jetzt aus der Mündungsstelle in dem einen Fall dreiseitige Stiftchen, im anderen warzige Fäden zum Vorschein.

Fig. 19. Von der Oberkieferfalte der Goronella laevis nach Einwirkung einer doppelt chromsauren Lösung.

a. Papilläre Erhebung.

b. Epithel.

c. Die inneren oder Schleimzellen des Sinnesbeohers.

856 Dr. P. Leydig:

Fig. 20. Sinnesbeoher dea Zahnfleisobes im frisoben Zustande, von oben nsd ohne Druck von Tropidonotas natrix. M&ssig starke yergrö8s^ rong und der Focus nur auf die Aussenfläche eingestellt

a. Die zerstreuten Oeffnungen in dem nicht flimmernden Epithel-

höcker.

b. Das umgebende Flimmerepithel ; die dunkleren Kolben bezeich- nen die Schleimzellen und ihr vorquellendes Secret.

Fig. 21. Papille des Zahnfleisches im optischen Längsschnitt, frisch und ohne Druck von Tropidonotus natrix.

a. Wimpemdes Epithel.

b. Nicht wimpernder Epidermishügel.

c. Nerv mit seinen Terminalganglien, umgeben von Blut^fassen. Fig. 22. Gipfel einer Zahnfleischpapille mit Sinnesbecher, frisch und ohne

Druck von Tropidonotus natrix. Bei allm&hliger Tiefcreinstel- lung des Focus :

a. Das wimpernde Epithel der Umgebung mit dem vorquellenden Secret der Schleimzellen.

b. Der Nerv der Papille,

c. Seine Terminalganglien oder Endkolben.

d. Blutgefässe in ihrer Yertheilung.

Fig. 28. Zur Kenntniss der Schleimzellen des gewöhnlichen Epithels.

a. Drei Schleimzellen nebst Umgebung im frischen unveränderten Zustande von oben.

b. Drei andere Schleimzellen, isolirt und von der Seite.

Fig. 24. Ein grösseres Stück der Zahnfleiscbfalte von Tropidonotus natrix vom Epithel entblösst, bei geringer Yergrosserung.

a. Papillen.

b. Nerven.

Fig. 25. Gipfel einer Papille, um die seichte Mulde und in ihr die kleinen Grübchen für die Aufnahme der Sohleimzellen hervortreten zu lassen.

Fig. 26. Ein Epidermishügel (Sinnesbecher) nach Einwirkung von Kali bichro- micum, abgehoben und von oben angesehen.

a. Wandzellen.

b. Oeffnungen der Innen- oder Schleimzellen.

Fig. 27. Ebenfalls mit der Lösung des doppelt-chromsauren Kali bebandelte Papille nach abgehobenem Epithel.

a. Bindegewebe.

b. Der Nerv.

o. Seine Terminalganglien oder Endkolbon.

Fig. 28. Eine Schleimselle bei. sehr starker Yergrosserung und halbsche- matisoh.

Zar Kenntniss der Sinnösorgftne der Schlangen. d67

a. Die scbeinbaren Punkte der Wand bei Einstellung auf die Ober- fläche.

b. Das faserige Fachwerk, welches sich von der Wand in's Innere zieht und dessen Wurzeln die Punkte a vorstellen. Tiefe Ein- stellung.

Fig. 29. Eine Schuppe vom Nacken der Coronella laevis » gering vergrössert. a. Die umschriebene blasse, durchscheinende Stelle.

Fig. 90. Kopfschild derselben Natter, gering vergrössert. a. Die Oeffiiungen der Sinnesbeoher.

Zur Entwiokelung der einfachen Asoidien.

Von €. Kapffer.

ffierzu Taf. XVII.

L Die Gattimg Holgula.

Lacaze-Duthiers macht die Mittheilung <1&S8 die Entwick- lung der Molgula tubulosa eine Ausnahme von dem für die Eni- Wickelung der Ascidien voreilig als allgemein gültig angenommenen Gesetze aufweist, indem aus dem Ei nicht die lebhafte, geschwänzte Larve hervorgeht, sondern ein amöbenartig sich bewegendes, rundes^ halbfittssiges Wesen, eines Schwanzes entbehrend, das nach Spren- gung der Eikapsel auf den Boden des Gefässes sich anhefte und ruhend verharre. Bald nach dem Ausschlüpfen zeige der kuglige Körper der jungen Molgula mehrere durch die Farbe unterschiedene Zonen. Die äusserste derselben entwickele mehrere Fortsätze, die längere Zeit hindurch auf die Zahl von fünf beschränkt bleiben und die der Autor als die ersten Bildungen der später an dem Körper des Thieres so zahlreichen fadenförmigen Haftzotten ansieht.

Lacaze-Duthiers stellt dann weitere Mittheilungen über den Entwickelungsgang dieses interessanten Geschöpfes in Aussicht. Bis heute indessen ist wenigstens der Kieler Bibliothek der betreffende Band der Mömoires nicht zugegangen.

Hancock') verhält sich dieser Mittheilung gegenüber etwas skeptisch. Wenn er sie auch nicht direct anzweifelt, so weist er

1) Comptes rendus Mai 30. 1870. pag. 1164.

2) Annais and Mag. of natural History 1670 pag. 853.

Zur Entwiokelaiig der ein&obeD Aseidiexi. S5ft

doch die naheliegende Schlassfolgernng, die er auch bei Lacaze- Dathiers voraussetzt, als gelten diese Verhältnisse für die ganze Gattung Molgula, entschieden zurück. Er bezieht sich hierbei dar. auf, dass Van Beneden^X ^^ seiner Asc. ampulloXdes, die eine geschwänzte Larve entwickelt, eine Molgula vor sich gehabt habe. Der Schwanz dieser Larve sei aber vollständig entwickelt und durch einen langen fad^iförmigen Fortsatz am Ende ausgezeichnet. Diese Behauptung, dass das Thier, an dem Van Beneden die Entwicke- lung studirte, eine Molgula sei, wird indessen von Hancock nicht weiter begrtlndet Dann stützt er sich auch in seiner Abweisung auf die eigene Beobachtung, dass eine, seiner Meinung nach, unzwei- deutige Molgula, die er als M. complanata auf Grund eines Exem- plars beschreibt'), ebenfalls geschwänzte Larven und zwar im In- nern des Cloakenraums entwickelt. Diese glichen sehr den von Van Beneden beschriebenen und abgebildeten, also den Larven der Asc ampulloldes F. Bened.

Und endlich bezweifelt Hancock, ob die Molg. tubulosa, an der Lacaze-Duthiers gearbeitet bat, überhaupt in das Genus Molgula gehört Denn sei sie identisch mit M. tubulosa von For- bes und Hanley (British MoUuska), so müsste sie entschieden anderweitig untergebracht werden und zwar in ein neues Genus Eu- gyra, das in demselben Aufsatze characterisirt wird.

Hancock arbeitet mit einem so bedeutend reicheren Materiale, als ich innerhalb des Bereichs der Nord- und Ostsee bisher mir be- schafil habe, dass ich hinsichtlich systematischer Fragenmit grosser Vorsicht mich zu äussern habe. Indem ich von der Fortsetzung der in diesem Jahr begonnenen »Untersuchung der deutschen Meere«, an der meine Gollegen Möbius und Hensen direct betheiligt sind, und die im nächsten Jahre namentlich der Nordsee gelten solL eine wesentliche Bereicherung meiner Sammlung mir verspreche, ver- schiebe ich mein Urtheil über die Opportunität einer Vermehrung der Genera der einfachen Ascidien unserer Meere bis zu einer dem- nftchstigen zusammenfassenden Pnblication.

Ich kenne bis jetzt mit Sicherheit 13 Arten einfacher Ascidien aus der Kieler Buchte dem Alsen-Sunde, dem grossen Belt und dem

1) Recherchet 8. l'Embryogenie, FAnat. et la Physiologe des Ascidies simples. Mem. Acad. Royale d. Belg. Tome 20 pag. 98.

2) L. 0. pag. 366.

M. SchaltM, AidüT f. Bikrotiu Anatonto. Bd. S. 24

860 C. Kupffer:

Hafen von Arendal in Norwegen. Diese Arten fügen sich zwang- los in die 3 Gattungen »Ascidia« Baster. Forb. sxidHanl., i>Cyn- thia« Savigny. Forb. and Hatd., »Molgulaa E. Forbes.

Von dieser Zahl gehören 7 der ersten, 3 der zweiten und 3 der dritten Gattung an. Die auf die Gestalt und Merkmale des geschlechtsreifen Thieres gegründete Gharacteristik der drei Gat* tungen wird durch die Bildung der Eier und den Gang der Ent- Wickelung gestützt Bei den 7 Arten der Gattung »Ascidia« haben die reifen Eier einen matt gefärbten^ mehr oder weniger durch- scheinenden Dotter. Die Follikelzellen bekleiden die Oberfläche der Eihaut in geschlossener gleichmässiger Schicht, meist zottenartig entwickelt; der Inhalt dieser Zellen ist blasig zerklüf- tet. Die Tunicazellen (Testazellen) bilden entweder eine geschlos- sene, epithelartige Schicht, oder erscheinen in regelmässig vertheii- ten Gruppen an der Innenfläche der Eihaut resp. der Oberfläche des Dotters.

Die drei Arten der Gattung »Cynthiaa, die ich kenne, haben reife Eier von intensiv roth gefärbtem, undurchsichtigen Dotter. Da das Ei nicht ausgeworfen wird, sondern in der Leibeshöhle sich entwickelt, so kann man nicht leicht darüber ins Klare kommen, ob über- haupt noch Follikelzellen dasselbe bekleiden, nachdem es befruchtet worden ist Man findet in Furchung begriffene Eier in der Leibeshöhle, die eine nackte Eihaut ohne Follikelzellen zeigen. Jedenfalls unterschei- den sich die Follikelzellen, die man als äussern Beleg der Eihaut unge- furchter Eier findet, von denselben der ersten Gruppe dadurch, dass sie nicht blasig zerklüftet sind. Sie sind klein von halbkugeliger Form.

Die Tunicazellen treten nicht in zusammenhängender Schicht auf, sondern erscheinen vereinzelt in der vorher zwischen Eihaut und Dotter in dünner Lage ausgeschiedenen Gallertsubstanz der Tunica.

Drei Arten endlich, von denen eine aus dem westlichen Becken der Ostsee stammt, die beiden andern im Hafen von Arendal ange- troffen wurden, gehören zur Gattung Molgula E. Forbes. Die reifen Eier sind denen der Cynthien ähnlich, die Follikel- und Tu- nicazellen verhalten sich wie bei diesen, der Dotter ist völlig un- durchsichtig, aber farblos, bei auffallendem Lichte weisslich er- scheinend.

Deutlichere Unterschiede zeigt die Entwickelung des befruchteten Eies der drei Gruppen: bei den Ascidien sens. striet erfolgt die Befruchtung aussen und es entwickelt sich die von Erohn, Kowa-

Zar Entwiokelung der einfach en Ascidien. 861

levsky und mir beschriebene geschwänzte Larve im Freien. Bei den Cynthien erfolgt die Befruchtung und Entwickelung im Innern, die Larve verlässt die Eihaut in der Kegel schon innerhalb der Leibeshöhle und gelangt als geschwänztes lebhaft schwimmendes Geschöpf ins Freie. Sie gleicht viel der von Milne-Edwards beschriebenen Botrylluslarve, ist intensiv roth gefärbt und daher sehr undurchsichtig. Das Rückenmark erstreckt sich, wie bei den Larven der ersten Gruppe durch den ganzen Schwanz, soweit die Chorda reicht.

Dasselbe, in Hirnblase, Rumpfganglion und Gaudalstrang geglie- derte Centralnervensystem, der ganzen Länge nach mit einem Cen- tralcanal versehen, besitzen auch die mir bekannten Larven meh- rerer Arten von Botryllus und Botrylloldes M. Edtc., die ich im Hafen von Arendal fand.

Wenn somit die zusammengesetzten Ascidien (Synascidien) sich den beiden ersteren Gruppen der einfachen enge anschliessen, ge- staltet sich die Entwickelung oei Molgula ganz abweichend. Ich spreche hier allerdings nur von zweien der drei Arten, die ich kenne. Die dritte fand ich erst nach dem Ende der Legezeit.

Bei den zwei Arten also wird das Ei noch vor der Furchung ausgeworfen und entwickelt sich im Freien. Eine Larvenent- wickelung findet aber nicht statt, sondern der Entwickelungs- gang ist ein continuirUcher und directer, der Embryo erlangt noch innerhalb der Eihaut die sämmtlichen Charactere des geschlechts- reifen Thieres. Besondere Larvenorgane, die sich später rückbilde- ten, treten im Innern nicht auf. Es ist kein Rudiment weder der Chorda noch des Schwanzes sichtbar.

Die eine Art kommt im Kieler Hafen nicht zahlreich vor, in manchem Jahr sucht man tagelang vergeblich nach ihr, besonders am Beginn der Legezeit, im Juli. Im Spätherbst wird sie häufiger. Zahlreicher findet sie sich in den Gewässern von Sonderburg, im Hörup-Haff, in der Flensburger Föhrde. Sie bewohnt die tiefere Uferregion, die vom Rottang (moderndes Seegras) bedeckt ist, und alle Exemplare, die ich gefunden, waren init anhaftenden Frag- menten halb vermoderten Seegrases bekleidet Zweifellos gehört das Thier in das Genus Molgula E. Forh., das nach äusseren Merk- malen folgendermassen charakterisirt wird: 0

1) History of British MoUuaka pag. 36.

562 C. Kap ff er;

»Der Körper mehr oder weniger kugelförmig, angeheftet oder frei, mit membranöser Tunica, gewöhnlich mit fremden Gegen- ständen übwzogen; die Oefifhungen auf sehr contractilen und nackten Röhren, die Kiemenöffnung sechslappig, die Gloaken* öffimng yierlappig.c

Auch wenn dies Genus nach Alder und Hancock ^) in die zwei enger begrenzten Genera »Molgula und Engyra« gespalten wird, käme unser Thier in die erstere Gruppe, denn es besitzt die posi- tiven Kennzeichen derselben : Längsfalten des Kiemensacks und Ge- schlechtsorgane, die in zwei Portionen vertheilt sind, während Han- cock von seiner neuen Gattung Eugyra angiebt, dass der Kiemen- sack faltenlos ist und die Geschlechtsorgane eine zusammen- hängende Masse bilden.

Das Thier lässt sich aber mit keiner der beschriebenen Arten identificiren. Von der Abbildung der A. tubularis BatKke in der Zool. Danic. unterscheidet es sich deutlich, die Beschreibung im Texte ist unzureichend und auch jedenfalls nicht zutreffend. Forbes M. tubulosa ist nach Beschreibung und Abbildung gewiss ein an- deres Thier, als das unsrige, dessen Schilderung ich daher folgen lasse.

Cfattong Molgnla E. Forbes, 1. M. macrosiphonica n. sp.

Körper kugelförmig, bei erwachsenen Exemplaren bis 2 Cm. im Durchmesser haltend, Siphonen lang, von der Basis zur Spitze sich allmälig verjüngend, können nicht vollständig eingezogen werden; der Gloakensipho ist der längere, im gestreckten Zustande dem Durchmesser des Körpers gleichkommend, stets gekrümmt, biswei- len knieförmig geknickt; der Kiemensipho etwas kürzer, grade; die Basen beider Siphonen einander nahe gerückt, aber nicht zusammen- stossend. Die ganze Oberfläche, ausser den Siphonen, mit langen fadenförmigen Haftzotten besetzt, die Tunica (test der Englander) häutig, durchscheinend; besonders auf den Siphonen, die Oeffhungen ohne Ocellen und farbigen Saum, die Kiemenöffnung mit sechs drei- eckigen Lappen, die Gloakenöffnung mit vier stumpfen Ecken besetzt; man sieht aber diese Vorsprünge erst deutlich, nachdem man die Tunica von den Siphonen abgezogen hat. Die Farbe ist matt.

1) Axm. of natur. histor. 1870 pag. 966—867.

Zar Entwiokelonf der einfiMdien Asoidien. 868

hriLunlich grau. Der Ueberzug wird wohl nach dem Standorte wech- seln, alle Exemplare, die ich erhalten habe, waren von Bmchstflk- ken modernden Seegrases dicht bedeckt. Diese Bekleidung haftet sehr fest an, indem die Haftzotten die emzelnen Stacke umschlin- gen. Nur die Siphonen ragen nackt hervor.

Der Kiemensack ist längsgefaltet, hat jederseits sechs Falten, die Tentakeln am Eingange desselben sind ästig verzweigt Der Darm macht, vom Magen an, zwei Windungen, die an der linken Säte des Eiemensacks gelegen sind, die Geschlechtsorgane bilden zwei längliche Körper, die, auseinandergerückt, der eine zwischen den Windungen des Darms, der andere an der entgegengesetzten Seite des Kiemensacks liegen. Beide enthalten Hoden und Eierstock vereint. Die langen, unter sich ungleichen Siphonen unterschei* den diese Art sowohl von M. tubulosa Forb. wie von Asc. tubularis RaMe, die Forbes mit der seinigen identifidrt Beide werden abgebildet mit konischen gerade aufgerichteten Siphonen, von kaum der halben Länge des Körperdurchmessers. Forbes erwähnt aus- serdem von seiner Art, dass die Siphonen bläulich seien und mit gelben Oceilen am Rande besetzt wären, wovon hier heine Spur. Die Asc. tubularis Bathke wird ausserdem als »verrucosa« bezeichnet, was hier ebenfalls nicht zutrifft.

2. M. Simplex Jlder and Hancock^), die zweite Art, die mir befruchtete Eier lieferte, fand ich wie erwähnt im Hafen von Aren- dal, wo sie auf schlanunig-sandigem Grunde, besonders des TromS- sundes, sehr gemein ist; das Thier ist kaum halb so gross als die vorige Art, kugelrund, mit kurzen konischen Siphonen, die völlig eingezogen werden, ohne Oceilen. Der Kiemensack ebenfalls mit sechs deutlichen Längsfalten jederseits. Der Darm und die Ge- schlechtsorgane verhalten sich wie bei der vorigen, nur dass die Geschlechtsorgane hier eine gelappte, dort eine ziemlich glatte Ober- fläche zeigen. Der Ueberzug ist feiner Sand. Die Beschreibung der M. Simplex von Hancock stimmt mit den Kennzeichen dieser nor- wegischen Art so gut, dass ich keinen Grund zur Trennung finde.

An den Eiern, die diese beiden Arten im verflossenen Som- mer und Herbst mir lieferten, liessen sich die Grundzüge der Ent- Wickelung befriedigend feststellen, die sich bei beiden übereinstimmend verhalten und den Angaben von Lacaze-Duthiersnach derne^a-

1) Ami. and Mag. of natur. hist. 1870 pag. 865,

864 G. Eopffer:

tiven Seite hin entsprechen, insofern eine geschwänzte, mit tioer Skeletaxe ausgestattete Larve nicht gebildet wird. Der Embryo gestaltet sich aber andererseits durchaus nicht amöbenartig, sondern wird innerhalb der Eihaut zur wohl caracterisirten Ascidie mit mus- kulösen Siphonen, Kiemenspalten, pulsirendem Herzen etc.

Mein Material war ein spärliches. Von M. macrosiphonica be- sass ich während des Juli nur ein Paar, das ich mir vom Horup- haff holte, nachdem ich hier am Orte mehrere Tage lang vergeblich gesucht hatte. Nach Arendal kam ich in der Mitte des August und musste leider erfahren, dass die Legezeit der Ascidien dort über- haupt zu Ende ging und die diesjährige Brut nicht geschlechtsreif wurde. Ich wäre indessen auch bei reicheren Vorräthen schwerlich weiter gekorommen, als aus den folgenden Mittheilungen erhellt, denn die Eier beider Arten sind sehr ungünstig für die Beobach- tung der fundamentalen Vorgänge. Der ungefurchte wie der ge- furchte Dotter ist völlig undurchsichtig und die einzelnen, nach einander gebildeten Theile werden erst klar, nachdem die histiolo- gische Entwickelung bereits ziemlich weit vorgeschritten ist

Das Ei (Fig. 1). Das gelegte Ei besteht ausser der undurch- sichtigen Dotterkugel aus einer schmalen, durchsichtigen Schicht um den Dotter, der zarten Eihaut und einer einfachen Lage halb- kugelig gewölbter FoUikelzellen, die die Eihaut aussen bekleiden. Die Basen dieser Zellen schliessen dicht an einander und gestalten sich hexagonal, weshalb die gesprengte Eihaut, von innen betrach- tet, aus hexagonalen Facetten zu bestehen scheint. Das Ei unter- scheidet sich also von denen der bisher genauer auf die Entwicke- lung untersuchten Ascidien, A. mammillaris, mentula, canina, durch das Fehlen einer deutlichen Lage von Tunicazellen an der Innen- fläche der Eihaut. Wendet man einen leichten Druck an, so ent- deckt mau kleine rundlich-spindelförmige Zellen vereinzelt in der schmalen durchsichtigen Schicht zwischen Eihaut und Dotter (Fig. 1. y). Es lässt sich der Zeitpunkt ihres Auftretens schwer bestim- men. Man kann nur das .Eine mit Bestimmtheit aussagen: sie sind bereits vor der Furchung da. Der Act des Ausstossens der Eier ist hier nicht so bequem zu beobachten, wie bei Asc canina^ weil die Eier kaum halb so gross sind und mehr vereinzelt gelegt wer- den. Nach wiederholtem stundenlangem Warten ist es mir zwei Mal gelungen, einige unmittelbar nach dem Auswerfen mit der Pi- pette aufzufangen. Bei diesen sah man zwei Stadien des Vorgangs:

Zur Ehttwickelung der einfaehen Asoidien. 865

änige Eier enthielten die vereinzelten Zellen bereits in der hellen Schicht, andere noch nicht. Die letztern zeigten deutlich im dunk- len Dotter hart an der Oberfläche desselben in Abständen von ein- ander kleine lichte runde Flecke, die in der dunklen Masse wie Bläschen hervorstachen. Dieselben hellen Flecke findet man auch ..n einzelnen reifen Eiern im Oviduct, nicht an allen. Sie fehlen vollständig an der Peripherie der beiden ersten Furchungskugeln, es sind dann aber auch schon Tunicazellen vorhanden. Und diese erscheinen zunächst stets hart an der Oberfläche des Dotters, erst allmälig etwas abrückend. Ich bringe daher diese Zellen mit den erst auftretenden kleinen hellen Flecken der Bandschicht des Dot- ters in Zusammenhang. - Die Herkunft der Tunicazellen an den Ascidieneiem ist kontrovers und bei der Wichtigkeit der Elemente, aus denen das fQr die Tunicaten characteristische Organ entsteht, wird es zweckmässig sein^ den Stand der Kontroverse eingehend darzulegen.

Eowalevsky hatte sich gleich anfänglich dafür ausgespro- chen, die Zellen der Tunica stammten von den Follikelzellen. Mir schien diese Annahme zunächst auch die wahrscheinlichere. Ein- gehende Untersuchungen des Ovariums von Asc. canina überzeug- ten mich aber eines Andern. Ich fand, dass noch keine Spur der Tunicazellen da war, als bereits die FoUikebsellen die Eihaut ge- bildet hatten und darnach die blasige Zerklüftung des Proto- plasmas erfuhren, die ihnen als Zotten des gelegten Eies eigenthüm- lich ist Da der Dotter auf diesem Stadium noch zur Genüge durch- sichtig ist, lässt sich die Abwesenheit von etwa vorher eingewan- derten Zellen mit voller Sicherheit feststellen.

Die Tunicazellen treten bei dieser Art also erst auf an Eiern, die folgende Beschaffenheit haben : eine durch diffuses Pigment hell- gelb gefärbte, leicht körnige Dotterkugel wird dicht umschlossen von der homogenen, isolirbaren Eihaut, und dieser sitzen aussen in einfacher Schicht, und eng an einander schliessend, grosse farblose sechsseitig prismatische Zellen auf. Diese besitzen eine zwar zarte, aber deutliche Membran, einen stark lichtbrechenden Kern und sind im Uebrigen von wasserhellen ziemhch gleich grossen Bläschen an- gefüllt, zwischen welchen der Kern in der Schwebe gehalten wird. 0 Protoplasmareste sind weder um den Kern, noch an der Innenseite

1) Siehe meiae Fig. dieses Archiy Bd. 6 Fig. 2 B,

366 G. Kapfler:

der Membran nachweisbar. Sehr dQnne Lagen von Protoplasma mögen die Wandschicht der zellsafthaltigen Bläschen bilden, deren (jonstitution ich mir sonst nicht erklären könnte, allein der Nach- weis ist weder optisch noch chemisch zu führen. Jedenfalls sind diese so umgewandelte Follikelzellen derartige, dass man ihnen die Fähigkeit der Vermehrung, der Brutbildung absprechen muss.

Es bleiben also nur zwei Weisen der Herkunft der Tunicazellen für mein Object denkbar ; entweder es sind eingewanderte Elemente, oder sie stammen vom Dotter her.

Ich habe nun früher ausgeführt ^\ welche positiven Wahmeh* mungen für die letztere Auffassung sprechen:

1. Die jungen Tunicazellen haben bei A. canina gleich von An- beginn die gelbe Farbe des Dotters, die keinemElemente ausser- halb der Eihaut zukommt.

2. Es finden sich in jedem Eierstock während der Legezeit folgende Formen neben einander:

Eier, die innerhalb der Eihaut den gleichmässig kömigen gel- ben Dotter zeigen;

Eier, die eine pellucide kömchenfreie gelbe Randschicht des Dotters aufweisen;

andere, die diese Randschicht radiär zerklüftet wahrnehmen lassen, und endlich

Eier mit [der einfachen Lage kleiner gelber Zellen an Stelle dieser Rahdschicht.

Dass durch die directe Beobachtung der genetische Connex dieser Phasen nicht erwiesen werden kann, ist selbstverständlich, es fragt sich daher, ob das Nebeneinander dieser verschiedenen Zustände in demselben Eierstocke genügende Berechtigung gewährt, dieselben in der Reihenfolge genetisch zu verbinden, als es eben geschehen ist Ich glaubte diese Berechtigung läge vor und sprach mich deshalb ') dahin aus, die Tunicazellen entständen aus dem Dotter auf dem Wege der »freien Zellenbildung«, vor der Befruchtung und ohne Betheiligung des bei allen diesen Entwickelungsvorgängen intact ver- bleibenden Keimbläschens.

Kowalevsky, der im Uebrigen meiner Darstellung des Ent- wickelungsganges der Eier beistimmt, beharrt für diesen Punkt bei

1) Dies. Arch, Bd. 6 pag 128.

2) A. ft, 0,

Zar Entwiekelung der emÜMhen Aioidien. 367

seiner ersten Meinung ^), nnd stützt diese auf neue Beobachtungen an einer Art, die der von mir benutzten am nächsten steht, an Asc. intestinalis. Leider trifft seine Voraussetzung, dass dieselbe für mich leicht zugänglich ist, nicht zu, die Asc. intestinalis kommt in unsem Buchten nicht vor. Ich war daher im verflossenen Herbste an die Norwegische KQste gegangen und durchsuchte den Hafen und die Rhede von Arendal mehrere Wochen lang nach diesem Thier, fand aber, bei einer sonst reichen Asddienfauna, von der A. intestinalis Färb. Moni, nur zwei junge Exemplare. Keife Eier von der Form, wie Kowalevsky eines Fig. 4 Tab. X dieses Arch. Bd. 7 abbildet, enthielten sie noch nicht, sondern alle entsprachen- erst den Figg. 1, 2, 3 von Kowalevsky. Gerade diese jungen Stadien sind nun zwar die wichtigen für Entscheidung der vorliegenden Frage, indes- sen ist es doch ein Uebelstand, wenn das reife Product nicht zur Vei^leichung vorliegt Die Deutung einzelner Theile bleibt dann doch immer unsicher.

Was ich nun hier constatiren konnte, war Folgendes : die leicht gelblich tingirten unreifen Eier waren von einer einfachen Lage platter, mit Kern und Kernkörperchen versehenen Zellen dicht um- schlossen, der Epithelialkapsel des Follikels. Die Zellen erschienen von der Kante spindelförmig, in der Flächenansicht hexagonal. Eine Eihaut war noch nicht vorhanden. Ausserdem fanden sich, nicht in kontinuirlicher Lage, kleinere rundliche Zellen zer- streut nach innen von der ersten Lage, zum Theil, oder vollständig in den Dotter eingesenkt. Das sind die Zellen, die Kowalevsky als Tunicazdlen deutet. Aus diesen Beobachtungen ziehe ich nun den Schluss:

1. dass diese Objecto durchaus mit den von Kowalevsky ge- sehenen und gezeichneten identisch waren, aber

2. dass diese vermeintlichen Tunicazellen durchaus nicht identisch sind mit den Zellen des Follikelepithels, sie haben ungefähr nur die Grösse der Kerne der letztem.

Man kann daher aus dem vorliegenden Befunde nicht unmit- telbar schliessen, wie Kowalevsky') es thut, dass die Zellen des Follikelepithels sich von der Theca ablösen und in den Dotter ein- treten.

1) Arch. f. micr. Anat. Bd. 7. pag. 108.

2) Die«. Aroh. Bd. 7. pag. lOS.

368 C. Rupffer:

Auch nach Kowalevsky's Zeichnangen entsprechen seine Tunicazellen nach Grösse und Gestalt den Kernen der Follikel- Zellen. Die ganzen, langgestreckten Spindeln in der Circomfere&z des Dotters seiner Figg. 1, 2, 3 sind die Follikelzellen, nur dann gibt es ja ein geschlossenes Epithel, und eine Flächenansicht der Zellen an einem gesprengten und ausgebreiteten Follikel lehrtauf den ersten Blick ,dass die Spindeln der Ausdruck der Eantenansicht jener platten Zellen sind. Text und Bezeichnung der einzelnen Theile in den Abbildungen 1,2 und3 lassen mich fast vermuthen, dass Ko w alev sky die Kerne der Follikelzellen für die ganzen Zellen genommen hat. Wenn nun auch die kleinem rundlichen Zellen an und in der Rand- schicht des Dotters bei unreifen Eierstockseiem der A. intestinalis Yom Follikelepithel herstammen den Gegenbeweis kann ich an diesem Objecte nicht flihren —, so können dieselben nur Abkömm- linge dieser Epithelzellen sein und nicht diese selbst, in direkter Ein- wandrung begriiFen. Es fehlt mithin ein wesentliches Glied in Kowa- levsky's Beweisführung, der Nachweis der Abstanmmng.

Aber diese Art gibt fQr die vorliegende Frage überhaupt ein viel ungünstigeres Object als A. canina. Bei der letztem trennt die Eihaut bereits Epithel und Dotter und ist das Epithel in seiner eigenartigen Umbildung bereits weit vorgeschritten, wenn die Tuni- cazellen entstehen, so dass beide Theile scharf aus einander gehaltra werden können. Nach wiederholter Prüfung der besehriebenen Verhältnisse muss ich daher bis auf Weiteres bei meiner Deutung bleiben.

Diese Deutung harmonirt femer mit der Art des Auftretens der Tunicazellen am Ei von M. macrosiphonica. Kleine pellacide, schwach lichtbrechende Zellen treten vereinzelt am reifen Ei auf, in der Gallertschicht zwischen Dotter und Eihaut erscheinend, nach- dem vorher helle Flecke an der Peripherie des dunklen Dotters sichtbar geworden waren. Sie sind kaum halb so gross als die starklichtbrechenden Follikelzellen an der Aussenfläche der Eihaut Irgend welche Anzeichen von Theilung oder Bmtbildung an den letztem sind durchaus nicht wahrzunehmen.

In diesem Falle wäre allerdings, falls derselbe isolirt genommen wird, ein Einfluss der Befruchtung oder eine Betheiligung des Keim- bläschens an der Bildung der Tunicazellen nach der directen Beob- achtung nicht auszuschliessen, denn das Erscheinen derselben an den Eiem kurz vor oder nach dem Auswerfen fällt ziemlich mit dem

Zar Entwiokelnng dor einfkoben Aseidien. M9

Zeitpunkt der Befruchtung zusammen und das Keimbläschen ist der Undurchsicbtigkeit des Dotters wegen schon vorher nicht zu erblik- ken. Aber diese Frage darf nicht an einem isolirten Falle, der aus- serdem unklare Verhältnisse aufweist, aufgeworfen werden, sondern mass im Zusammenhange mit den zahlreichen Fällen der Aseidien- grappe beurtheilt werden, wo weder ein Einfluss der Befruchtung noch eine Betheiligung des Keimbläschens denkbar sind.

Es bleibt nur die Alternative; entweder sind es vom Fol* likelepithel stammende und in den Dotter eingewanderte Zellen, die nachträglich wieder austreten, oder es sind Producte freier Zellen- bildung in der Randschicht des Dotters. Wenn ich mich auf Grund der Verhältnisse bei A. canina fOr die zweite Auffassung erkläre, so gestehe ich zugleich bereitwillig zu, dass ich bei den übrigen unter- suchten Arten A. intestinalis, mentula parallelogramma und com- planata Fabric. nicht so klare Verhältnisse getroffen habe, da hier die fraglichen Elemente vor der Bildung der Eihaut erschei- nen. Ich kann bei den letztgenannten Thieren die Möglichkeit nicht leugnen, dass man es mit Abkömmlingen der FoUikelzellen zu thun hat, ich muss nur bestreiten, dass sie mit den letztem bei ihrem Erscheinen flbereinstimmen.

Sonderbarerweise legt M. macrosiphonicä nicht blos einzelne Eier, sondern auch zusammenhängende Klumpen, in denen die Eier durch ein ziemlich festes, structurloses hyalines Bindemittel vereint werden, wie bei dem Laich von Gastropoden, nur konsistenter, als es bei einer mir bekannten Gastropodenart angetroffen wird. Diese Eier stehen etwa um ihren halben bis ganzen Durchmesser in der Binde- masse von einander entfernt und entwickeln sich genau so, wie die vereinzelten, frei im Wasser liegenden. Ein Unterschied tritt aber, wenn auch nicht in der Entwickelung, doch an den EihflUen auf; die einzelnen Eier haben die kontinuirliche Bekleidung der Fol- likelzellen auf der Eihaut, die zwar nicht lange haftet, aber doch meistens bis zur Bildung der Epidermis vorhält; die in Klumpen vereinten haben diesen Zellenbelag nicht, statt dessen zeigt sich aber an jeder Eihaut, derselben aussen aufsitzend, ein platter Ku- chen von ZeUen, cf. Fig. 4. e, den ich aus keiner andern Quelle herzuleiten weiss, als dass er aus den vom grössten Theile der Pe- ripherie des Eies abgestreiften und zu einer Masse zusammenge- räckten FoUikelzellen gebildet wird. Der Grösse der Zellen nach wäre diese Deutung zulässig, aber den Vorgang kann ich mir nicht

870 C. Knpff er:

klar machen. Bei M. simplex habe ich nichts entsprechendes ge- sehen, sondern nur isolirte Eier angetroffen. Sehr häufig wächst eine der unten zu erwähnenden Zotten des Embryo in diesen »Ku- chen« hinein, als sollte daraus endosmotisch Emährungsmaterial aufgenommen werden.

Die EntWickelung. Ich sende voraus, dass aus der Beob- achtung der EntWickelung an diesen beiden Arten von Molgula ich keine Erweiterung unserer Kenntniss der primären Bildungen habe schöpfen können und zufrieden sein musste zu konstatiren, dass, so weit sich Einblicke in die Gestaltungen der dunklen Masse des Dot- ters thun liessen, die Vorgänge keine wesentlichen Abweichungen von den an den Eiern der bisher beobachteten Ascidien darboten.

Die Furchung vollzieht sich regebnässig, die Kerne der For- chungskugeln sind nicht wahrnehmbar. Damach plattet sich die kuglige Masse an einer Stelle etwas ab, aber nicht in dem Masse wie bei A. mammillata, dem Hauptobject von Kowalevsky, bei A. mentula und caninä, dass die Form geradezu kalbkuglig würde. Ob die Abplattung mit einer becherförmigen Einstülpung von dieser Seite her parallel geht, durch welche der Kiemendarmsack, das dritte Keimblatt, angelegt wird, lässt sich gleichfalls nicht sicher entscheiden, ist aber nach dem Folgenden wahrscheinlich.

Die Abplattung gleicht sich bald wieder aus und der abemuds kuglig gewordene Embryo wird nun in der Randschicht durchsich- tiger, man unterscheidet die einschichtige Anlage der Epidermis (Fig. 2 aOf im Innern zwei getrennte dunkle Massen und einen spaltförmigen Raum zwischen der Epidermis und den letztem, die Leibeshöhle. Die Epidermiszellen sind ziemlich so hoch, wie breit, von der Basis gesehn hexagonal und von zahlreichen dunklen Köm- chen angefüllt, so dass die Keme nicht deutlich sichtbar werden. Die beiden Portionen der dunklen Innenmasse erscheinen sdur ver- schieden.

Die eine Portion ist ein hohler Schlauch, der von einer einfa- chen Lage grosser abgestumpft pyramidaler Zellen umschlossen wird, die ganz undurchsichtig sind, so dass man Mühe hat, den Hohlraum im Innern bei Abplattung durch Dmck zu erkennen, man kann sich aber doch von der Existenz der Höhle sicher überzeugen. Dieser Sack ist die Anlage der Kieme und des Darms, ist vollstän- dig geschlossen und von der Epidermis durchweg getrennt, b. die zweite Portion, ungefähr eben so gross, wie die vorige, bildet eine

Zar Entwickelung der einfachen Aseidien. 871

compakte Ansammlung von rundlichen dunklen Körpern, doppelt 80 gross als die Epidermiszellen, aber bedeutend kleiner, als die grossen Pyramiden der Eiemendarmanlage. Es ist das also eine besondere Anlage, von der im Ei der bisher beobachteten Ascidien kein Analogon beschrieben ist, cf. Fig. 2 u. folgende.

Nun lagen die Verhältnisse in den vorhergehenden Stadien lei- der nicht so, dass sich hätte entscheiden lassen, ob diser Körper sich secundär von der Kiemendarmanlage trennt, oder direct aus einer centralen Portion der Furchungskugeln herzuleiten ist, die durch die Einstülpung der oberflächlichen Schicht, aus welcher höchst wahrscheinlich auch hier der Kiemendarmsack entsteht, aus dem Centrum verdrängt wird. Da mit weitem Wahrscheinlichkeiten der Wissenschaft nicht gedient ist, so lasse ich es unerörtert, auf ein der Beobachtung günstigeres Object hoffend. Die Kugeln dieser Anlage bleiben femer von derselben Grösse, die sie auf dem eben geschilderten Stadium zeigen, nehmen aber der Zahl nach in dem Hasse ab, als die Entwickelung weiter geht, ohne dass innerhalb des Haufens irgend welche Gruppimngen aufträten, aus denen sich einzelne Organe hervorbildeten. Das Schwinden der Kugeln erfolgt von der Pripherie des Haufens aus, so dass der Umfang desselben stetig einschrampft. Ohne Zweifel sind die Kugeln Zellen, ihr In- halt ist zunächst nicht Fett. Dieses tritt aber allmälig darin auf. Aus diesem Material entstehen vermuthlich folgende Organe : Blut- körperchen, Herz mit Pericardium und eine Blase am Pericardium, die als Niere gedeutet werden muss. Aber da die Bildungsweise nicht klar ist, nehme ich Anstand dieselben direkt als Keim- oder Bildungszellen des mittlem Blattes zu bezeichnen und ziehe den in- differenten Namen i>Reservekugelntf vor. Diese sind vollständig consumirt, wenn die Muskulatur der Haut und die Gefässe auf- treten. —

Demnächst sieht man nun die Epidermishöhle zapfen- oder keulenförmige Anhänge bilden. Es gestaltet sich an beschränkter Stelle eine faltenförmig übergreifende Duplicatur derselben, diese dehnt sich aber nicht über die Oberfläche aus, sondern wächst mit beschränkter Basis konisch hervor und schmiegt sich zunächst der Oberfläche an, Fig. 2, 4 d. Es entstehen rasch hinter einander fünf solcher Zotten. Diese hat Lacaze-Duthiers schon erwähnt und giebt dieselbe Zahl dafür an. Meist stehen sie so, dass vier von ihnen ungefähr in eine Durchschnittsebene des Embryo fallen, die fünfte,

872 G. Kapffer:

etwas al>geräckte, ist dann nicht gleichzeitig zu übersehen. Sie werden also von einer einfachen Lage Epidermiszellen gebildet und ihre hohle Axe bleibt in Communication mit der Leibeshöhle. Sie wachsen rasch bis zu unbestimmter Länge, können sich von der Oberfläche der Epidermis abheben und eine Länge erreichen, die den Durchmesser des Eies übertrifit. Aber es ist gar keine Gonstanz hierin. Bei dem einen Eie bleiben sämmtliche von der Gestalt und Lagerung der Zotten d in Fig. 4, bei dem andern wächst die eine oder zwei bedeutender in die Länge, dann treiben sie die Tunicaschicht und die Eihaut vor sich her und brmgen so einen langen schwänz- aiügen Fortsatz hervor. Ist ein solcher entstanden, so zieht sich darnach im weitem Verlauf die Zotte sammt der Tunica wieder zu- rück und es bleibt blos der leere Schlauch der Eihaut nach wie in Fig. 5 und 6.

Ich bemerke hierbei, dass an isolirt gelegten Eiern um die Zeit des Auftretens dieser Zotten die Follikelzellen stets schon abgefaUen sind, die Eihaut, ohnehin zart, liegt dann nur noch durch eine feine Gontour angedeutet der Gallerte der Tunica dicht an und kann leicht ganz übersehen werden, so dass man meinen könnte, der Embryo sei bereits ausgeschlüpft. Solche lang hervor schies- sende Zotten belehren dann eines bessern, indem sie die Eihaut iso- lirt zur Wahrnehmung bringen, sobald sie sich zurückziehen. De- stillirtes Wasser hebt die Eihaut übrigens gleichfalls von der Tunica ab, tödtet aber den Embryo.

Die Zotten sind kontractil und expansionsfähig. Man sieht sie langsam sich der Länge und Breite nach dehnen^ sich partiell ein- schnüren und vor oder hinter der Einschnürung sich aufblähen. Wenn bereits freie Zellen in der Leibeshöhle aufgetreten sind, ge- langen diese in den Zottenraum, werden hin und her bewegt und so wird auch die Flüssigkeit der Leibeshöhle in langsame Flactuation versetzt

Diese träge Bewegung ist entschieden von den sie bildenden Epidermiszellen abhängig, die dabei aktiv thätig sind, sich strecken und kontrahiren. Dass die Dehnung nicht von Drucksteigerung in der Leibeshöhle abhängt; geht daraus hervor, dass zur Zeit nur eine Zotte sich recken hann, die übrigen, trotz freier Communica- tion mit dem Binnenraum, unbeweglich bleiben, und femer aus ganz lokalisirten Dehnungen einer Wandstelle der Zotte.

Sonderbar ist das nicht selten von mir beobachtete Verhältniss

Zur Entwiokelang der einfachen Asoidien. 878

dass an in Klumpen vereinten Eiern eine Zotte bis in den Zel- lenkachen hineinwächst, der auf der Oberfläche der Eihaut liegt und mit demselben in festere Vereinigung tritt, so dass sie einen ganzen Tag und länger in dieser Verbindung verharrt. Es ist nicht immer die dem Kuchen nächste Zotte, die dahin vordringt, sondern mitunter hat dieselbe einen weiten Weg bis dahin zurück zu legen. Aber auch hierin trifft man nicht Constanz.

Gleich das erste Ei der M. macrosiphonica, das ich erblickte^ zeigte eine so regelmässig symmetrisch und paarig angeordnete Stellung von vier Zotten, dass ich im höchsten Grade überrascht wurde und eine Larve mit vier Extremitäten vor mir zu haben glaubte, die Fig. 4 giebt den Embryo wieder. Noch häufiger sah ich solche regelmässige Ordnung bei M. simplex. Als nun andere Eier je einen langen Fortsatz aufwiesen, schien zu den vier Extremi- täten der Schwanz gegeben zu sein und man wird es natürlich fin- den, dass ich mit einiger Zähigkeit nach Stützen für diese Deutung sachte. Indessen Weiteres ergab sich in diesem Sinne nicht. Es trat nirgends auch nur eine Spur eines Axengebildes auf, sämmtliche Fortsätze verharrten als hohle Epidermiszotten, der Mehrzahl der Embryonen fehlte der lange Fortsatz und, wo er auftrat, war seine Stellung am Körper keine regelmässige. Ich wies die lockende Ver- suchung ab, nach weiteren Parallelen mit höheren Kreisen auszu- schauen. Mmeriün bleibt die Fünfzahl der Stummel bei dieser Art und der vonLacaze-Duthiers beobachteten, neben der anderwei- tigen Variabilität der Verhältnisse, höchst merkwürdig.

Die Entwickelung des Kiemensacks und Darms vollzieht sich, wie bei der geschwänzten Larve anderer Ascidien, wenn auch die Einzelheiten nicht entfernt so deutlich verfolgt werden können. Es scheiden sich bald zwei Abschnitte an dem ursprünglichen Sack, ein vorderer, in der Seitenansicht ungefähr viereckiger, der Kiemen- sack, und ein hinterer cylindrischer Abschnitt. Nennt man nach Analogie der Bezeichnungen an den geschwänzten Larven und in Uebereinstimmung der Lage des Gentralnervensystems, hier sowohl wie bei jenen Larven, die Seite die ventrale, an welcher die Bauch- furche sich entwickelt es ist die rechte Seite der Abbildungen so geht der cylindrische Abschnitt, die Anlage des Nahrungs- kanals aus der dorsalen hintern Ecke des Kiemensacks hervor, wächst erst der Kieme anliegend ventralwärts und wendet sich darauf, eine Schlinge bildend, wieder dorsalwärts, an der linken Seite des

B74 G. Eupffer:

Schlundes voraberstreichend (Fig 5 und 6). Die Anlage der Bauch- furche im Kiemensack zeigt sich sekr bald, es wird die Seite der Kiemen schärfer kantig, erscheint durch die bedeutendere Wanddicke dunkler als die übrige Kieme und es lassen sich die langen cylio- drischen Zellen wahrnehmen, die gleich anfänglich die Wand der Furche bilden (Fig. 5—8 f).

Gleichzeitig mit der Scheidung von Kieme und Dann bildet sich der Mund- oder Kiemensipho als eine scheibenförmige Verdik- kung der Epidermis am Vorderende, die sich napfförmig einsenkt und mit der Kieme verschmilzt (Fig. 5, 6 g). Etwas später ^- folgt die Bildung des Kloakensiphos in ganz entsprechender Weise im hintern Theil der dorsalen Seite, K.

Und um dieselbe Zeit gewahrt man denn auch, dass das Ner- vensystem bereits existirt, denn es entfernt sich der Kiemensack von der Epidermis und an seiner dorsalen Seite wird ein Strang sicht- bar, der Wand des Sackes dicht aufliegend, der zwischen den An- lagen beider Siphonen verläuft. Später tritt derselbe viel deutlicher hervor und soll noch genauer beschrieben werden (Fig. 5, 6, n).

Was ich zur Beantwortung der wichtigsten Frage, der nach der Entstehung des Nervensystems, beibringen kann, ist sehr wenig.

An Eiern des Stadiums der Fig. 2 ungefähr, d. h. nach Son- derung der Epidermis und nach der Scheidung der dunklen Innen- masse in die zwei beschriebenen Portionen ehe noch die Zotten da waren, habe ich zwei Mal mit aller nur wttnschenswertben Deut- lichkeit das Bild der Fig. 3 gehabt; zwei entgegengesetzte Falten der Epidermis, mit ihren Scheiteln einander zustrebend und zwischen beiden die Oberfläche des Eies eingesenkt. Ich bin in beiden Fällen nicht dazu gekommen, den Ausgang dieser Bildung mit Klarheit zu verfolgen. Das erste Mal drehte ich das Ei, um wo möglich die Ausdehnung dieser Furchenbildung auf der Oberfläche zu übersehen, erreichte meinen Zweck aber nicht, denn bei dem absolut undurch- sichtigen Grunde, den das Innere des Eies bot, war in der Ansicht von oben nichts Sicheres wahrzunehmen und die ureprüngliefae Lage konnte ich nicht wieder erlangen. Aber ich konnte an diesem Ei noch konstatiren, dass sich nachträglich fünf Zotten bildeten, die ich vom ersten Ursprung an verfolgen konnte. Die Entwicklung des zweiten Eies, an dem ich ungefähr dasselbe sah die Einsenkung der Oberfläche zwischen den zwei entgegengerichteten Spitzen war nur weniger tief stockte bald darauf, es starb ab. Daraas

Zar Entwicklung der einfschen Asoidien. 875

skh kern sicherer Schluss ziehen, aber die Wahrscheinlichkeit spricht doch dafür, dass es sich hier um das Oentralnerveasystem gehan- delt hat, denn von innem Organen kann, nachdem der Kiemen- darmsack bereits da war, keines sich um diese Zeit und auf diese Weise anlegen, es könnte sich mithin blos handeln um eine Verwechs- lung mit den Epidermiszotten g. Aber dagegen spricht die Nähe der beiden Duplicaturen zu einander, die Zotten stehen entfernter, wie ein Blick auf Fig. 4 zeigt, und es widerspricht dem ferner, dass in dem ersten Falle mit Sicherheit nachher die Entstehung von fünf Zotten konstatirt wurde^ dann können die beiden ersten Duplikaturen nicht auch solche gewesen sein, sonst wäre die regu« läre Zahl der Zotten überschritten worden.

Alles das zusammengenommen scheint es mir wahrschein- lich, dass die Gestaltung der Oberfläche in Fig. 3 mit der Bildung des Nervensystems in Beziehung steht und dass dasselbe sich durch Furchenbildung und Schliessung der Furche aus dem obem Keim- blatt entwickelt.

Grehen wir zu den späteren Stadien über, so ist zunächst das Auftreten grosser blasig ausgedehnter Zellen in der Leibeshöhle zu erwähnen. Ihre Bildung . geht vom hintern Theile, wo die Bje- servekngeln liegen, aus, von dort schieben sie sich vorwärts. (Fig. 6, 7 h). Es sind heOe Kugeln mit deutlicher Membran und einem flachen Kern in derselben, die im Innern kleine runde Zellen zeigen, von der Grösse und Beschaffenheit, die man, nachdem das Herz zu pulsiren begonnen hat, durch dasselbe passiren und in der Leibes- höble nmhertreibend sieht. Diese Blasen stossen an die Epidermis einerseits und die Wände der innem Organe andererseits. Ich er- blickte dieselben noch bei den ältesten Entwicklungsstufen, die ich durch Züchtung in der Porcellanschale erlangen konnta Hier fehl- im noch Blutgefässe und es gingen durch das Herz arst spärliche Blutkörperchen. Das» diese letzteren im Innern der Blasen entste- hen, scheint mir zweifellos, die Uebereinstimmui^ der freien und d^ noch eingekapselten kleinen Zellen ist eine vollständige. Die weiteren Schicksale der kemhaltigeii Blasenwände aber vermag ich nicht anzugeben.

Die scunächst in ringförmigen, dann longitudinalen Zügen an den Siphon en auftretenden Muskeln (Fig. 7, 8 mX von denen die longitudinalen sich stetig weiter über den Kiemensack erstrecken, sind feine glatte Fasern und entstehen aus rundlichen Zdlen, die

M, Sehiütie, ArchiT f. mikrotk. Anatomi«. Bd. S. 25

876 G. Kupffer:

man vorher in der Leibeshöhle um die epitheliale Anlage des Sipho sich ansammeln sieht

Das Nervensystem wird erst klar zu übersehen, nachdem die Muskeln bereits entstanden si^d. Es liegt dann als ein blasser, cy- lindrischer, an den Enden sich nicht verdickender Strang, angeheftet an die dorsale Wand des Eiemensacks (Fig. 8»,n) und erstreckt sich von dem Flimmerbogen (Fig. 8«,fl), am Eingange zum Eie- mensacke, bis zur Basis des flaschenförmig gestalteten Aftersipho. An beiden Endpunkten spaltet sich der Strang in Nerven, v. Vom läuft ein Ast längs des Flinmierbogens, ein anderer geht mehrfach verzweigt unter den Muskeln des Kiemensipho hin und vertheilt sich an diese. Am hintern Ende sind ebenfalls zwei Hauptzüge der Nerven zu unterscheiden, der eine streicht der Länge nach am Sipho hin, vertheilt sich an die Muskeln, der andere Zug geht quer längs der Basis des Sipho zum Afterdarm und Schlünde. Weiter konnte ich den letztem nicht verfolgen.

Der centrale Strang besteht aus kleinen runden Zellen mit punkt- förmigen, aber in jeder deutlich sichtbaren Kernen. Die Nerven sind nicht so blass und zart, wie die von mir entdeckten Spinalnerven der Larve von A. mentula, sondern zeigen bis in ihre feinste Verzweigung etwas Glanz, wodurch es erleichtert wird, sie im Ver- lauf zu verfolgen. Unmittelbar vor dem Flimmerreif am Vorder- ende des Stranges ist eine kleine flimmernde Stelle an demselben. Es kann das nichts anderes sein, als die Anlage der Flimmergrabe, die ich bei drei Arten von Molgula in derselben Entwicklung ge- troffen habe, wie sie bei den Salpen beschrieben wird. Gfegen die Leibeshöhle bekleidet eine zarte pellucide Scheide den Strang.

Bei dem erwachsenen Thiere der M. macrosiphonica hat der Centralnervenstrang dieselbe Ausdehnung, d. h. er reicht hier eben- falls von der vor der dorsalen Vereinigung der Flimmerbogen gele- genen Flimmergrub^ bis in die Nähe der Basis des Kloakensipho, und die von beiden Enden abgehenden Nerven, die aber nicht ent- fernt so deutlich zu verfolgen sind, wie hier am Embryo, verhalten sich entsprechend der eben gegebenen Schilderung. Den relativen Maassen nach bleibt das Gentralnervensystem aber bedeatend in der Entwicklung zorück, da die Distanz der Siphonen sich im Verhältr niss zum Umfange des ganzen Körpers verkürzt.

Es bleibt nun noch einiger Organe Erwähnung zu thun, die am

Zar Entwicklang der einfisM^hen Ascidien. 377

die Zeit erscheinen, wo die Muskulatur von den Siphonen auf die Kieme sich ausdehnt. Die Reservekugeln sind allmälig auf eine kleine Zahl redudrt worden, die um das aborale Ende der Bauch- furche und den Scheitel der Schlinge gesammelt liegen, die der Darm bildet Zwischen den vordersten dieser Kugeln tritt eine helle Blase auf (Fig. 7, r). Wenn sie völlig zu übersehen ist, ist sie nicht grösser als eine der Reservekugeln, die eine Hälfte ihrer Wand ist ganz dflnn, die andere stärkere erscheint aus sehr kleinen cylindrischen Zellen zusammengesetzt Im Innern erblickt man in ganz pellucider Flüssig- keit ein kleines dunkelbraunes Concrement Nun wächst die.Blase ziem- lich rasch und es verdünnt sich dabei auch die bis jetzt noch dickere Hälfte ihrer Wand und es vermehren sich die Cioncremente, die in der wasserhellen Flüssigkeit suspendirt sind. Das Organ liegt rechts vom hintern Ende der Bauchfurche und ist nur von dieser Seite her (alle Abbildungen mit Ausnahme von Fig. 8 b sind von dieser Seite entworfen) zu erblicken. Zwischen dieser Blase und der Kieme, also an der linken Seite der erstem erscheint das Herz. Erst durch jene verdeckt, so dass man den Beginn seiner Bildung nicht beob- achten kann, wächst es dorsalwärts darüber hinaus (Fig. 8 a. o). Man unterscheidet dann den Herzbeutel p, als eine Endothelblase und dann den Herzschlauch, der durch eine Einschnürung in zwei Ab- theüungen geschieden ist. Am Anfange findet eine langsame, an beiden Abtheilungen gleichzeitig auftretende Pulsation statt. Der Embryo, der in Fig. 8 a. dargestellt ist, offenbarte aber schon den Charakter der Klasse, durch die der Richtung nach wechselnde Auf- einanderfolge in der Contraction beider Herzhälften. Während diese beiden Organe entstehen, sind die Reservekugeln vollständig ver- schwunden, nachdem die letzten durchaus zu Fettkugeln geworden waren und eine gelbliche Farbe angenommen hatten, wie ich es auch an den Zellen des Fettkörpers bei A. canina beobachtete, in den sich die Elemente des verkümmerten Schwanzes dort metamor- phosir^n.

Die Blase mit den Concrementen, die an die linke Seite des Herzbeutels angeheftet ist und kurz vor demselben entsteht, hat ohne Zweifel die Function einer Niere. Bei dem erwachsenen Thier fand ich sie an derselben Stelle wieder und Concremente darin ; diese sind knglig oder scheibenförmig, concentrisch geschichtet, die ein- zelnen Schichten fein radiär gestreift, die Farbe der Stücke wechselt zwischen gelb und schwarzbraun. Eine Oe&ung oder gar einen

878 C. Knpifar:

Aasfühnmgsgang der Blase l^abe ichi^eder beim efftwicl^elteii Thier noch beim Embryo finden können.

Erohn beschreibt in ganz gleicher Weise die Bildung einer concrementhaitigen Blase bei Phallusia (Ascidia) mammillata Oi ^^^ neben dem Besiduum des verkümmerten Larvenschwanzes aufixetend, wie hier bei Molg. in unmittelbarer Nähe des Bestes dpr Beaerve- kugeln. Das Depositum ist dort kreideweiss. Bei dieser Art bleibt das Bläschen aber nicht vereinzelt, sondern es treten andere dane- ben auf und so entsteht ein zusammenhängender Gomplex, der beim entwickelten Thier den grösten Theil des Darms bedeckt. Krohn neigt ebenfalls zu der Deutung, dass es ein nierenartiges Secre- tionsorgan sei, nur scheint ihm ^er Mangel von AusfQhrungsgängen hierbei ein Hindemiss.

Veisuehe mit der Murexidprobe gaben mir von den gesammel- ten Goncrementen mehrerer Exemplare von Molg. macrosighonica kein Be^i^ltat, verdünnte Salpetersäure löste die braune Masse leicht auf. Ein unzweideutiges positives Besultat erhielt ich aber bei ei- ner andern Ascidie, die sich durch ein sehr entwickeltes Organ die- ser Art auszeichoet, bei A. complanata Fabric. Ich fand d^ Thier in Arendal in 20 Faden Tiefe. Ausser Fabricius, der es in d^ Fauna grönlandica kurz beschreibt, scheint Niemand es getrofifen za haben. Es gehört zur Gattung Ascidia. Hier verhüllt den Magen von der rechten Seite ein grosses plattes Organ, von reichlich der dreifachen Ausdehnung des Magens. Es lässt den eine lange Schlinge bilflenden Mitteldarm frei und erstreckt sich vom Magen querüber zum Afterdarm. Schon das blosse Auge erkennt an dem isolirten Organ fünf- und sechseckige, platte, durchsichtige Zellen, mit je ei- nem braunen Kern darin. Ein Zwischengewebe ist nicht vorbandoi, diese pelluciden platten Blasen stossen unmittelbar an einuider. Das Ganze l&sst sich mit einiger Mühe vom Magen abtrennen. C!om- municationen der Blase unter einander oder Ausführungsgäng^ finde ich nicht. Die braunen Kerne sind nun Goncremente, wie die von Molgula beschriebenen. Sie sind mehrfach concentrisch geschich- tet, dabei fein radiär gestreift, meist kuglig, aber auch !ahgq[)lattet, von massiger Consistenz, so dass man durch Druck aufs Deckglas sie leicht zerquetscht. Diese Deposita nehmen vom hintern zum vordem Ende des Organs, d. h. vom Magen gegen den Afterdarm

1) MüU. Arch. 1862 pag. 829.

Zur Entwicldong d«)r einÜAchen Atddien. 879

ZU, an GtOsae gteichMssi^ ab, ohne dass die {Aatten Blasen, m de- nen sie suspendirt sind, sich gleichfalls verkleinerten. Nur am aus- sersten Vorderende fand ich einige kleinere und weniger platte Bla- sen, in denen ich nichts oder eine punktförmige Spur der Concre- tion entdecken konnte. Ich bemerke, dass die Thiere, an denen sich dies Verhalten zeigte, erwachsen waren, die, wie die erschöpften Geschlechtsorgane erweisen, ihre diesjährige Legezeit bereits über- standen hatten. Es findet hier also eine stete Fortbildung des Or- gans beim reifen Individuum statt, wie Krohn es beim Embryo von Phalhäia mammillata beobachtete, am vordem Ende entstehen neue Blasen und beginnen die Ausscheidung der Goncretion, ohne dass man von den hintersten sagen kann, sie seien an der Grenze ihrer Thfttigkeit angelangt, denn eine Schrumpfung, ein Gollapsus fisst sich da nicht wahrnehmen. Die grossen Goncremente erreichen 0,2 mm. im Durchmesser, die Blasen selbst 0,5—0,7 mm.

Ich nahm das isolirte Organ von zwei Thieren und behandelte es im Urschälchen mit ein paar Tropfen verdünnter Salpetersäure. Die Goncremente lOsten sich bald vollständig. Der bei langsamer Verdampfung nachbleibende Fleck war ziemlich farblos. Das Ur- schälchen wurde nun über ein anderes gestiUpt, das einige Tropfen Ammoniak ^tithielt und sehr bald röthete sich der Fleck, zwar nicht sehr intensiv, aber zweifellos. Damach ist also die Natm* des Organes nicht mehr fraglich utld die vereinzelte Blase der Molgula ebenfalls als Secretionsorgan aufzufassen.

Histologisch ist die Nierenblase von Molgula nicht eine Einzel- zelle, sondern die Wand ist zusammengesetzt gebaut. Man sieht (Fig. 7, r) wenigstens einen Theil der Wand aus kleinen Gylin- derzellen bestehend uhd bemerkt später zwei Schichten, eine pro- pria mit länglichen Kernen und darin ein deutliches plattes Epithel mit nuden Kemen.

Auch die einzelnen platten Blasen der Niere von A.complanata sind in derselben Weise doppelt geschichtet. Die äussere Schicht ist ein Endothel aus länglichen Zellen mit undeutlich hervortreten- den Goiitouren, die innere ein regelmässiges, scharf gezeichnetes plattes Epithel. Goncretionen in den Epithelzellen selbst habe ich nicht erblickt.

Es sind also Nieren von besonderm Typus, deren Secret nicht ausgeführt, sondem innerhalb geschlossener Blasen in fester Sub- stanz abgelagert wird. In der einfachsten Form' bleibt es bei einer

X

880 G. Kapffer:

Blase, die Fortbildung erfolgt durch Vermehrung der secemirenden Blasen, wahrscheinlich stetig während der Lebensdauer.

Bald nach dem Erscheinen der Nierenblase treten die flimmern- den Spalten im Kiemensacke auf, Fig* 8*,s, ganz ebenso wie Krohn es zuerst von A. mammillata schilderte. Der Darm ist mittlerweile so weit gewachsen, dass er nicht Raum hinter dem Eiemensacke hat, sondern der mittlere Theil der Schlinge, die derselbe bildet, sich an der linken Seite der Kieme nach vom schiebt. Bei dieser Ver- längerung des Darms krümmt sich schliesslich der bei der Ansicht von rechts her verdeckte Mitteldarm S. förmig und es erscheint nun, demseiben anliegend, ein Organ, das mir bisher noch räthselhaft ist. Es beginnt als ein wasserheller, mit einem Ende der äussern Darm- wandung ansitzender Stab, der frei in den Raum zwischen zwei Schenkel der Darmwindung hinein wächst, sich dann theilt und aber- mals theilt. Die Aeste fliessen, sich einander zuneigend, zusiunmen, es entstehen so netzförmige Verbindungen, die ich bis zur Bildung von 4 5 Maschen verfolgen konnte (Fig. 8 b, w). Weiter gehen meine Beobachtungen nicht, denn ich konnte ältere Embryonen nicht erziehen. Nur so viel liess sich noch constatiren, dass die Glieder des Netzes hohl waren, eine sehr dünne Wand besassen und kleine runde ebenfalls wasserhelle Zellen darin auftraten. Krohn beschreibt etwas ganz Aehnliches von Phall. (Asc.) mammillata Gav. >) und bringt die Bildung mit einem netzförmig den Darm d^ ent- wickelten Thieres umstrickenden System feiner Ganäle von wasser- hellem Inhalte in Beziehung^ welche mit kolbenförmigen Enden begin- nen und auch im Verlauf zu Ampullen anschwellen. Da nun die Entstehung beim Embryo von der Därmwand ausgeht, so schliesst er natürlich auf eine Verdauungsdrüse. Dass wir beide dasselbe gesehen haben, ist mir nicht zweifelhaft und ich lege hierauf beson- deres Gewicht, indem durch diese Bildung, wie durch die Entste- hung der Niere, eine bis in die Einzelheiten reichende Uebereinstim- mung in der Entwicklung des Molgulaembryo und der geschwänzten Larven im letzten Stadium, nach Verlust des Schwanzes dar- gethan wird. Der Deutung des Organs mich anzuschliessen, nehme ich aber Anstand, denn ich habe weder eine Gommunication mit dem Darm, noch überhaupt eine Betheiligung des Darmepithels an der Bildung des ersten hellen^ an den Darm sich anlehnenden Stabes

1) L. 0. pag. 881.

Zur Entwicklung der ein&chen Asoidien. 381

bemerkt Ich finde nan auf dem Mitteldarm der erwachgenen Molgula ein prachtvoll entwickeltes Kanalsystem aufliegend, das mit weiteren Maschen stärkerer Aeste oberflächlich beginnt und in ein dichtes Gapillametz darunter übergeht Dasselbe überraschend schön ausgebildete System finde ich auch bei A. canina und anderen Arten, auf und in der Darmwand. Man trifft im Verlauf der Ca- näle vielfach Erweiterungen an denselben und sieht blinde cylin- diische Anhänge daran. Die gröberen Aeste haben durchaus den Bau von Blutgefässen und es treten in der That zahlreiche Gefäss- stämme von aussen her in das Netz ein. Mir ist es auch bei A. canina gelungen, dieses System wenigstens partiell vom Herzen aus zu injidren. Die Injectionsmasse war in mehrere der blinden An- hänge eingedrungen. Solche blinde kolbige Anhänge sind auch nichts Neues im Gefässsystem der Ascidien. Man findet dasselbe an den colonialen Gefäasen in der gemeinsamen Tunica der Syn- asddien. Ich halte daher das Ganze für einen besonders entwickel- ten Theil des Circulationsapparates, dem wohl neben der Besorption des Chymus noch andere Functionen zukommen. Namentlich ist es mir höchst wahrscheinlich, das es die Bildungsstätte fQr die der Form und Grösse nach ziemlich wechselnden geformten Elemente des Blu* tes abgiebt Die blinden Anhänge sind mit Zellen ganz oder theil- weise gefüllt und auch sonst sieht man mehrfach Hügel von Zellen, die fest aneinander hängen, vom Endothel ausgehend in das Lumen der Canäle hineinragen* Die anscheinend isolirte Entwicklung des- selben, mit Anlehnung an den Darm ist zwar überraschend, schliesst aber diese Deutung doch nicht aus.

Soweit reichen meine Beobachtungen aber die Entwicklung von M. macrosiphonica. Die zuletzt beobachtete Entwicklungsstufe ist in Fig. 8 naturgetreu dargestellt. Sie entspricht der Gesammtor- ganisation nach dem Stadium der Entwicklung der A. canina, das ich in Fig. 19 und 20 meiner Abhandlung i) abgebildet habe, voll- ständig. Ich habe zu der Darstellung in Fig. 8 absichtlich ein In- dividuum gewählt, an dem die leere Hülse eines ursprünglich vorhan- denen langen Forlsatzes vorhanden war, zum Beweise, dass die Eihaut hier die Tunica noch umhüllt, was man übrigens auch in der Gegend der

1) Dies. AroL Bd. 6. Taf. DL

882 0. Knpffer:

Siphonen sieht, wo sich die in die Siphomündung einwärts gezogene Tu- nica von der darüber hinstreichenden Eihaut abhebt. An anderen Exem- plaren derselben Ausbildung konnte ich die Haut nicht mehr finden.

Die Embryonen von M. simplex, deren Entwickelung ganz ähn- lich verläuft, streifen die Eihälle früher ab.

Wider mein Erwarten verschwinden die zottenförmigen Anhänge bei M. macrosiphonica gegen das Ende der Entwickelung, sind also nicht die Anlagen der späteren Haftfäden, sondern Embryonal- Organe.

Aus dem Mitgetheilten erhellt zur Genüge, dasB hier eine con- tinuirliche, progressive Entwickelung vorliegt, die als 'die typisdi ursprüngliche der Ascidiengruppe innerhalb der Glasse der Tunica- ten aufgefasst werden kann. An diese schliesst sich weiter die 'Exti- wicklungsweise derjenigen Ascidien, die mit geschwänzten Larven auftreten. Es beginnt dieselbe nach dem Typus der Molgala, dar- auf tritt die Complication ein, durch welche der Anschluss an den Stamm der Yertebraten erreicht wird. Aber diese Erweiterung des zu Grunde liegenden Planes, die in der Richtung einer höheren Ausbildung verlief, bricht auf einer bereits erreichten hohen Stufe plötzlich ab, um unter regressiver Metamorphose derjenigen Organe, durch deren Bildung der Entwicklungsgang der Molgula bereits überschritten war, wieder in diesen einzulenken und nun denselben bis zum Ende harmonisch beizubehalten.

Es ist bei dieser Vergleichung beider Prozesse das Folgende von Wichtigkeit : Bei den geschwänzten Larven bilden die aus dem Zerfall hervorgehenden Elemente, d. h. die zusammenschnurr^de Ghorda, die von einander gelösten Muskel- und Nervenzellen, einen der Fettmetamoi*phose unterliegenden Klumpen, der noch längere Zeit im Hinterende des Körpers zu sehen ist^). Dieser findet sich dort genau an der Stelle, die der Best der Beservekugeln beim Embryo der Molgula gleicher Ausbildung einnimmt. Hat man die Entwickelung der Molgula nicht kontinuirlich verfolgt, sondern sähe blos diese letzte Stufe, so könnte man schliessen, der Fetthaufen rührte auch hier von einem atrophirten Schwänze her.

Auch die erste Erscheinung der Beservekugeln gestattet die Annahme, dass man in ihnen, wenigstens in einem Theile derselben, die den Ghorda- und Muskelzellen des Schwanzes homologen Ele-

1) Cf. Fig. 18, 19, 20 dieses Archivs, Bd. 6^ Tab. IX.

Znr Entwiklung der dnfachen Asoidien. 888

mente zu sehen hat. Sie liegen am hintern Ende zwischen Epider- mis und der Kiemendarmanlage, gehören also zum mittleren Blatte oder bilden vielmehr hier das ganze mittlere Blatt.

Leider verhindert nnn die geringe Durchsichtigkeit desObjects, zu entscheiden, ob die Reseryekugeln (Zellen) sich direkt an der Bildiing der blutbereitenden Blasen, des Herzens und der Niere be- theiligen. Geschieht das auch, so wird damit immer nur der klei- nere Theil derselben zur Oi^anbildung verbraucht. Der Haupttheil erfahrt die Verwendung, der auch die atrophirenden Elemente des Schwanzes verfallen, d. h. er wird allmählig als Nährmaterial ver- flüssigt und konsumirt. Legt man also den Entwicklungsgang der Molgula der Betrachtung zu Grunde und hält dagegen die Ent- wickelang der geschwänzten Larve, so schaltet sich die Bildung der Skeletaxe und der zugehörigen Theile bei der im Sinne progres- siver Phjlogenie höher stehenden Gruppe in den Entwicklungsgang der Molgula als Episode ein, zu deren Realisirung bereits beim Em- bryo der letzteren das Material in den Reservekugeln ausgebildet wäre.

Versuche ich nun, mir vorzustellen, wie etwa die Einleitung eines weiteren Fortschritts erfolgt wäre, so liegt es nahe, an eine relativ rapidere; Entwicklung des Nahrungskanals, als es bei den bis jetzt beobachteten Larven der Fall ist, zu denken, derart, dass die Kiemenspalten durchbrächen und die Flimmerung der Kieme begänne, so^lange noch die Chorda, das Rückenmark und die Mus- kehi des Schwanzes vorhanden wären. So könnte durch Nahrungs- aainalune die Bedingung zum Fortbestehen dieser Theile geboten werden y was bei den bekannten Larven nicht der Fall ist. Ihre Muskel- und Nervenzelle arbeitet ohne Ersatz, erschöpft ihren Kraft- vorrath und verfällt nothwendigerweise der Atrophie. Der Rest ihres Materials wird verwendet zur Weiterentwickelung des übrigen Olganismus und die vollständige Gonsumtion fällt mit dem Zeit- punkte zusammen, in welchem die Aufnahme äusserer Nahrung möglich wird.

Bei einer Synaseidie aus dem Arendaler Hafen, Botrylloides rubrum , M. Edw. ^) , konnte ich bereits eine relativ raschere Ent-

1) Ich will hier bemerken, dass ich entgegen M. Sars die Angaben von Mecznikow (Bull. d. TAcad. de St. fetersb., Tome 13, pag. 291) hinsichtlich der Botryllaslarren durchaus zu bestätigen habe. Jedes Ei prodacirt nur ein Individanm, das nach der Festsetzung durch seitliche Enospung sich ver* mehrt Krohn bat dieselbe Ueberseugong gewonnen.

384 G. Kapffer:

Wicklung der Kieme beobachten, als bei der Larve von A. canina. Die Chorda und die Muskelzellen waren noch nicht vollständig atrophirt, sondern bildeten noch in einiger Ordnung einen stummel* artigen Schwanz, als die Kieme bereits flimmerte und beide Sipho- nen offen standen. Hierin fanden merkliche individuelle DifferenzeD statt, andere Junge desselben Stockes zeigten genau auf derselben Stufe nur einen Klumpen fettigen Detritus als Rest der Organe Aes Schwanzes.

Eine Zwischenstufe andererseits zwischen den Molgulaart^i, die ich beobachtete, und den geschwänzte Larven produdrenden Gyn- thien ist bereits vor längerer Zeit von van Beneden ^ beobach- tet worden. Es ist das die Asc. ampulloides v. Beneden, deren Entwicklung er beschrieben hat Schon das entwickelte Thier steht mitten inne, die derbe lederartige Tunica schliesst es an die Cyn- thien an. Die Form und Lagerung des Darmes, die Vertheilong der Genitalien in zwei annähernd symmetrischen Portionen nähert es der andern Gruppe. Und ebenso verhält es sich mit der Entwick- lung, Die ersten Stadien (1. c. pl. U, Fig. 17 21) zeigen die grösste Aehnlichkeit mit dem Embryo von Cynthia rustica, es ent- wickelt sich eine Chorda (Fig. 19, 22) und ein Pigmentfleck tritt auf| der bei Molgula macrosiphonica fehlt Die letzten Stadien zei- gen durchaus die Formen der jungen Molgula, die charakteristischen Epidermiszotten sind da, sie verschwinden zuletzt, ganz so, wie ich es beobachtet habe, aber der Haufen von Beservekugeln wird weder dargestellt noch erwähnt, derselbe fehlt, was damit harmonirt, dass gleich anfänglich ein Schwanz mit Chorda gebildet wurde. Die zwischen den Anfangs- und Endstadien stehenden Formen des Em- bryo sind mir fremd. Die Larve wird da abgebildet (pL III, Fig. 1—6) mit vier bis fünf Fortsätzen an den Seiten des Körpers, ein^n längeren am Vorderende und dem in Verkümmerung begriffenen Schwänze.

Mit der Ausdehnung der Untersuchungen auf neue Glieder der interessanten Ordnung wird die Serie sich ohne Zweifel vervollstän- digen, vielleicht noch über die bisher beobachteten Endglieder hin- aus verfolgen lassen.

1) Recherches sur rEmbryogemie TAnat. et la Physiol. des Aso. simple«. BnixeUes 1846.

Zar Eniwiokliiiig der entfachen ABoidien. 886

n. Das Nervenf^stem der Larve yon Asc. mentnla Zool dm.

Der Wunsch, ein giinstigeres Object fQr die Beobachtung der Asddienentwickelang zu erlangen, führte mich im vorigen Herbste nach Arendal in Sttd-Norwegen. Gleich die ersten Züge des Grund- netzes wiesen eine an Individuen und Arten reiche Fauna nach. Es fanden sich in Mengen : Asc. mentala, parallelogramma, virginea, complanata Fabr.y Molgula Simplex AJd. Htme.^ gladalis M. Sars. Geradezu massenhaft waren Synasddien vorhanden: mehrere Arten von Botryllus und Botrylloldes, Amauroudum, Didemnum ; auch Gla* velina lepadiformis konnte jederzeit erlangt werden.

Bedenklich war es bei dieser Fülle von Thieren, dass der im Uebrigen reichhaltige Auftrieb keine Ascidienlarven enthielt, und ich musste denn die Erfahrung machen, dass ich fOr meinen Zweck einen zu späten Termin gewählt hatte , indem ich am 15. August dort eintraf, es legten nur noch wenige Exemplare und vom 20. August ab keine einfache Asddie mehr, die Botryllen hielten länger vor, hörten aber auch bald mit dem Legegeschäfte auf. Ich griff nun zu kOnstlicher Befruchtung, aber gleichfalls mit negativem Er- folge, die Saison war eben vorttberl Da ich mich dieses Missge- schickes nicht versah, ging ich mit den ersten Portionen von Eiern, die ich erhielt, nicht besonders systematisch zu Werke und gelangte nicht dazu, die im Grunde allerdings nicht sehr wesentlichen Diffe- renzen, die zwisdien Kowalevsky's und meinen Angaben über die fundamentalen Vorgänge bestehen , befriedigend zu erledigen, was ich um der lebhaft gewünschten Uebereinstimmung willen sehr bedaure. Soviel zeigte gleich der erste Blick, dass A. mentula ein unvei^leichlich viel schöneres und durchsichtigeres Object abgibt, ab die von mir benutzte hiesige Art, A. canina.

Ich will aus meinen lückenhaften Beobachtungen hier nur einen Abschnitt herausgreifen, der unabhängig von den Einzelheiten im Gange der Entwicklung erledigt werden konnte und manches Neue von Interesse bietet, die Histiologie des Nervensystems der völlig entwickelten Larve von Asc. mentula.

Die Verhältnisse sind hier viel weiter ausgebildet, als die bis- herigen Darstellungen annehmen liessen, und die histiologische Dif- ferenzirung ist eine bedeutende.

Nachdem ich an der Larve von A. canina das durch den hin-

S86 C. KupfUt:

tern Theil des Bumpfes und den Schwanz sich erstreckende Rücken- mark und den in die Himblase mündenden Gentralkanal nachge- wiesen hatte, trat Eowalevsky^ diesen Angaben bei und lehrte, dass in der Entwiklung das Centraln^rvensjstem der Läi^e nach stets gleichen Schritt mit der Chorda hält. Sdne Abbildungen*) des ausgebildeten Organs sind aber doch wohl schematisch gehalten, denn diese Zusammensetmng aus polygdrisch aneinander schlieaseD- dem gleichartigen Zellen entspricht den Verhältnissen bei meinem Objecto nicht, der Bau ist vielmehr nach den Regionen ein abwei- chender.

Es gliedert sich das CSentralnervensystem der ausgeschlüpfte Larven von A. mentula und canina in zwei Abschnitte, den Him- theil und Rückrami^ktheil. Der erstere liegt vor der Chorda und ist kolbig verdickt, der letztere über der Chorda. Das Vorderende derselben fügt sich in die Einschnürung, die die beiden Abschnitte von einander trennt (cf. Fig. 9).

Am Himtheil sind wieder zwei Abtheilungen zu unterscheiden, die Himblase mit den beiden Sinnesorganen und der dch hinten daran schliessende solide Himganglientheil, der von dem Central- kanal durchsetzt wird. Das Rückenmark zerfällt gleichfalb in zwei Portionen : den im Rumpf gelegenen dickeren, spindelförmigen Theil, Rumpftheil (Rumpfganglion Eowalevsky^ und den cylindrischcD Candaltheil.

Die Himblase erscheint von der rechten Seite her ungefähr quadratisch, Fig. 9, von der entgegengesetzten mehr al^erundet^ Fig. 10: Die untere (ventrale) Wand trägt eine nach innen vor- springende Leiste, die Crista acustica, auf der der OtoUth schwebt. Die vordere Wand ist die dünnste und legt sich sehr eng an die anliegende des Ktemensaokes und die trichterförmige Anlage der Mundöffhung an. Die obere Wand verdickt sich von vom nach Md- ten und enthält im hintern obern Winkel das Sehorgan.

Hinten schliesst sich an die Blase die Himganglienmasse an.

Die Einzelheiten im Baue der Wände dieser Blase anlangend, so erscheint die zur Crista acustica sich erhebende untere Wand (Fig. 10, b) aus aufrecht gestellten feinen Cylinderzellen zusammen- gesetzt, die gegen den Scheitel der Leiste stetig an Höhe zunehmen

1) Dieses Archiv, Bd. 1, pag. 101.

2) L. c Tbb. XIII, Fig. 37; 88.

Zur Entwicklaxig dar einfachen Ascidien. 887

und kleine Kerne zeigen, die sich wie längliche Punkte auBnebmen. Geht man vom Scheitel gegen die Enden der Leiste, so erreichen die Elemente eine Kleinheit, dass die Kerne nur eben die Grenze der Wahmehmbarkeit bei reichlich tausendfacher Vergrösserung flberachreiten. Gegen die Höhle hin tragen die ^Uenenden eine Cuticida, die an doppelten Conturen kenntlich ist; die unteren (äusseren) Enden ruhen höchst wahrscheinlich auch auf einer sehr dünnen Basalmembran, mit Bestimmtheit nachweisbar ist dieselbe aber nicht.

Innerhalb der Grista findet sich eine ihrer grössten Erhöhung entsprechend gelagerte l^se von eb^so wasserklarem Inhalte, wie der in der Gehimblase (Fig. 10, d). Sie reicht von der inneren Cnticula bis zu dem äusseren die Wand begrenzenden Contur, ver* drängt also aus der Mitte der Grista die Zellen vollständig, wie es die Fig. 2 zeigt, die nach einem Exemplar entworfen ist, das sich durch die Grösse dieser sonderbaren Bildung auszeichnete. Eine selbstständige Wand dieser Blase konnte ich nicht überzeugend er- blicken.

lieber dem Gentrum derselben schwebt der grosse eiförmige Otolith derart, dass der Scheitel seines spitzeren Pols die Guticula, die über die Blase hinweggeht, soeben tangirt. Wenn über die Na- tur dieses Organs noch ein Zweifel sein könnte, wird der dadurch gehoben, dass feine Härchen ihn stützen. Da man diese Region weder von der dorsalen noch von der ventralen Seite des Larvenkörpers her untersuchen kann, sondern nur die Seitenlage eine genügende Annäherung des Objectivs gestattet, lässt sich nicht unterschaden, ob die Härchen einen kompleten Kreis bilden; von beiden Seiten her lassen sich einige in der Peripherie auf einander folgende wahrnehmen. Sie entsprechen in ihrer Lage den am Um- £Buige der eingeschlossenen Blase gelegenen längsten Zellen der Grista, haben eme stärkere Bapia, laufen iq eine feine Spitze aus, sind gleichmässig gegen die Äxe des OtoUthen gmeigt und berühren densdben in einem Parallelkreise ^ der nur etwa um Vs der Axen- länge vom spitzen Pole absteht (Fig. 10, c).

üeber den Otolithen selbst habe ich zu dem, was ich darüber bei der Beschreibung der Larve von A. canina gesagt, nichts hin- zttzufilgen. Einen Stiel, durch den das Gebilde der Grista angehef- tet wäre, wieKowalevsky ihn noch neuerdings beschreibt und zeichnet, habe ich bei dies^ beiden Arten nach vollendeter Ent-

388 G. Knpffer:

Wicklung durchaus nicht getroffen. Es würde eine stielartige Ver- bindung mit der Qista ein unentwickelteres Verhältniss darstellen, denn da zweifellos sich der Otolith aus der Wand hervorbildet, so steckt er in unentwickeltem Stadien noch zum Theil darin. Hier, bei meinem Objecto, war er schliesslich ganz frei; aber die Persi- stenz einer Verbindung ist ja . als niedere Entwicklungsstufe des Organs durchaus zulässig, wie andererseits das Auftreten der Blase in der Grista, die bei A. canina fehlt, als weiter vorgeschrittene Differenzirung anzusehen ist Diese Blase ist etwas Neues in der Morphologie der Gehörorgane, ich habe nichts Entsprechendes in der bezüglichen Literatur auffinden können. Vielleicht darf man dieselbe als erste Spur der Entwicklung eines selbstständigen La- byrinthbläschens ansehen. Der Otolith entwickelt sich nämlich nicht an der Stelle seiner schliesslichen Lagerung, wie Kowalevsky ganz richtig angibt, sondern zunächst in der Nähe der oberen Wand der Gehimblase, also hart unter der Epidermis, und die ganze An- lage verschiebt sich nachträglich mit der Erweiterung der Hirnblase nach unten. Es wäre die Möglichkeit nicht von der Hand zu wei- sen, dass früh, so lange die Otolithenanlage sich noch dorsal unter der Epidermis befindet^ diese sich an der Bildung der Blase be- theiligt.

Geht man von der unteren Wand der Gehimblase auf die vor- dere über, so verlieren sich bald mit dem Abflachen der ZeUen die seitlichen Begrenzungslinien derselben und es erscheint dieser Theil selbst bei tausendfacher Vergrösserung als homogene Lamelle. Vergeblich habe ich nach der Communication gesucht, die Kowa- levsky bei reifen Larven am oberen Theile der Vorderwand zwi- schen Himblase einerseits, Kiemenhöhle und Mundtrichter anderer- seits beschreibt und abbildet 0- Er deutet diese Communication als in Zusammenhang mit der Bildung der ^,Flimmerscheibe, von welcher aus die flimmernde Bauchrinne beginnt". ~ Diese „Flim- merscheibe'^ oder Flimmergrube findet sich bei allen Ascidien, die ich kenne, in ganz ähnlicher Ausbildung, wie sie bei den Salpen angetroffen wird; von derselben, die stets in der dorsalen Mittel- linie der Kieme liegt, gehen die Flimmerbogeiv aus, die die Mund- Öffnung der Kieme umgreifen, um sich ventral am Vorderende der flimmernden Bauchrinne wieder zu vereinen. Man darf daher

1) L. 0. Tab. Xn, Xin, Fig. 82, 34, 87.

Zar Entwiklung der einfachen Ascidien. 889

wohl nicht sagen, dass die Bauchrinne aas derselben beginnt, da die Kiemenöffhnng zwischen beiden liegt. Eowalevsky hat aber ohne Zweifel dasselbe Organ gemeint , da die Gommunication, von der er spricht, sich an der dorsalen Wand des Eiemensaekes findet. Es ist auch mir höchst wahrscheinlich, dass an der Bildung der FHmmergrabe das Gentralnervensystem participirt, ob aber durch solche Eröffnung der Himblase in die Kiemenhöhle, wie er sie be- schrdbt, muss ich dahin gestellt sein lassen; jedenfalls war an der frei schwimmenden Larve von A. mentula keine Spur äner Oeff- nnng vorhanden, die Eßmblase war völlig geschlossen. Wenn Ko- walevsky erwähnt^), ich hätte schon diese MQndung gesehen, aber ihre Entstehung nicht verfolgt, so hat er mich missverstanden. An der citirten SteUe habe ich von der Bauchrinne und der Mundöff- nung gesprochen und deren Entstehung genau so beschrieben, wie er sie nachträglich schildert; von einer andern Oeffnung ist dort nicht die Rede.

Die obere Wand der Himblase wird von vom nadi hinten starker, indem die Zellen rasch an Höhe zunehmen. Sie sind an- ders beschaffen, als die Gylinder der Grista acustica, ihre Gonturen sind undeutlich. Kerne nicht zu erblicken und die Substanz ist fein granuhrt. Den Winkel, in der obere und hintere Wand zusam- menstossen, nimmt das zweite Sinnesorgan ein.

Dasselbe besteht aus dem geschichteten lichtbrechenden Appa- rat, einem Pigmentkörper dahinter und einem Halbkranz prismati- scher heller Zellen zu äusserst, die sich radiär um den Pigment- körper lagern und mit ihren inneren Enden in denselben hineinra- gen. Die Axe des gesammten Apparates ist zur Axe des Nerven- systems schräg gelagert und träfe, verlängert, die rechte Seitenwand der Himblase unter spitzem Winkel.

Den lichtbrechenden Apparat habe ich zuerst bei A. canina beschrieben, wo derselbe eine ganz ähnliche Zusammensetzung hat, wie bei der hier in Rede stehenden Art. Kowalevsky hat dann diese Linse bei A. intestinalis ebenfalls gefunden.

Unter starken Vergrösserungen untersucht (600—1000), zeigt dieser Apparat bei A. mentula folgende Verhältnisse: er besteht aus drei Theilen , einem konvex - konkaven Meniskus zu äusserst (Fig. 10, m), einer annähernd halbkugeligen Linse, 1, in zweiter Reihe,

2) L. c pag. iia

SOO C. Kupffer:

die in die Konkavität des Meniskus hineinpasst, und einem kleinen kugeligen Kern im Centrum der letztere. Der Kern ist wegen der Bichtung des Apparates nach rechts nur von dies^ Seite her m sehen (Fig. 9). Die Linse und der Kern sind zum Theil von Pig- ment verdeckt, und es lässt sich über die Gesammtform derselben nicht entscheiden ; da es mir nicht gelang, das Pigment durch Sal* petersäure zu lösen.

Der Meniskus hat keinen scharfen, sondern einen afatgemndeteD Band, der ringsum die Linse laerklich überragt. An diesen Bande schlägt sich die innere Cuticula der Hirnblase auf die konvex. Fläche des Meniskus über (Fig. 9, f), so daas zwi- schen beiden Theilen ein Verhältnifis wie zwischen der Zonula Zin- nii und der Linse des Wirbelthierauges besteht^ der Meniskus wird durch diese Zonula fixirt. Durch dieses Verhalten der Cuticula ent- steht zugleich ein den Band des Meniskus umfassender Ringkanal (Fig. 10, n), ein Canalis Petiti, zwischen dem Rande und der Wand- fläche innerhalb der abgehobenen Cuticalaw

Der Pigmentkörper steckt mit dem Haapttheil innerhalb des soliden Hirns und umgreift die Linse mit scharfem, ebenem Rande.

Diese Himmasse erscheint nicht gleich von beiden Seiten her betrachtet. Auf der rechten Seite zerfällt sie in drei deutlich unter- schiedene Portionen.

Die zumeist dorsal gelegene Abtheilung gehört zweifellos zu dem Sehorgan. Sie besteht aus den blassen prismatischen oder viel- mehr pyramidalen Zellen, die Kowalevsky bereits in seiner ersten Abhandlung von A. intestinalis und mammillaris beschrieben hat^ und die radiär zum Pigmentkorper gestellt, mit ihren inneren Enden in denselben hineinragen (Fig. 9, e). Bei A. canina sind sie nicht zu sehen, sie stecken da ohne Zweifei im Inneren, wie sie audi hier bei A. mentula von links her verdeckt sind. Wie der Pigmentkor- per selbst keine regelmässig gew(^te Fläche ihnen zuk^^brt, er* scheint auch dieser Halbkranz umgebender Zellen nicht gleiehmässig. Die vordersten, direct gegen die Bttckenfläcbe des Körpers gerichte- teuy sind kürzer und stossen mit ihren Basen unmittelbar an den oberen Grenzkontur des Hirns, nach hintien zu werden sie succes- sive länger, an der ventralen Seite des Pigmentkörpers finden sich keine (cf. Fig. 9). An die nach hinten gerichteten längsten scUiessen sich Fibrillen an, die longitudinal gegen das Bückenmark verlaufen.

Diese Zellen sind schwach lichtbrechend und völlig pdludde,

Zar Entwiokelang der einfachen Asoidien. 891

em deaUieber, starker brechender Kern ist in jeder vorhanden. In mehreren derselben habe ich sehr bestimmt bei 600facher Vergrösse- rang eine feine Axenlinie bemerkt, die von der Basis bis zum Pig- ment zn verfolgen war, wie es Fig. 1 an den änssersten Zellen bei- derseits wiedergibt. Das Bild war so bestimmt und klar, dass ich es erwähnen muss, sehe aber natürlich dieses Object nicht als das- jenige an, bei dem sich die Gontroverse von den Axenfäden erledi- gen VissL

Ist es nicht zu bezweifeln, dass der gesammte Apparat, von dem die Bede ist, also die lichtbrechenden Theile, der Pigmentkör- per and diese Zellen zusammengehören und in der Gombination ein tiesichtsorgan darstellen, so darf man diese Zellen wohl als Betina bezeichnen oder vielmehr als einen Theil der Betina. Natfirlich ist nidit daran zu denken, dass es die sogenannten „lichtpercipirenden^' Elemente, d. h. dicgenigen sind, in denen die Lichtwellen sich in Ner- venerr^ung umsetzen, weil sie dem von allen Seiten sie treffenden Lichte direct ausgesetzt sind, diese Elemente würde man viel- mehr nach Analogie der bisher bekannten Augen innerhalb des Pig- ments zu suchen haben , sondern ich meine , man kann diese Zellen der ZeUenschicht im Auge der Gephalopoden und Gastropo- den vergleichen, die die lichtpercipirenden Stäbchen trägt. Epithel- zellen (Sind es hier wie dort , die radiäre Stellung zur Aussenfläche des Pigments ist ebenfalls ttbereinstimmend. Gesetzt nun, es fan- den sich innerhalb des Pigments stäbchenartige Gebilde auf den Innenenden der Zellen, so wäre die Uebereinstimmung mit dem Auge der erwähnten Mollusken eine befriedigende, so hätte man hier ein Molluskenauge als unmittelbaren Hirntheil, aus dem Innen- epithel der Himblase entwickelt, und an diesen Geschöpfen, die die Kluft von Evertebraten zu Vertebraten überbrücken, nähme auch das Auge eine vermittelnde Stellung ein. Die blosse Anwesenheit des Pigments in der Mächtigkeit, wie die Abbildungen es zeigen, nöthigt übrigens dazu, darin Elemente anzunehmen, die vor der allseitigen Beleuchtung bewahrt, der Einwirkung des durch den dioptrischen Apparat geordneten Lichtes vorbehalten sind, also jeden- falls Analoga der Stäbchen des MoUuskenauges, Analoga der Aussen- glieder an den Zapfen und Stäbchen des Wirbelthierauges. Es sei daher denjenigen, die die Entwickelung der Asddien demnächst zu Studiren Gelegenheit haben, das Aug» bestens empfohlen.

Ausser diesen Betinazellen zeigt das Hirn auf der rechten Seite

K. Schiütse, ArohiT f. mlkro«k. Anatomie. Bd. 8. 26

309 C. Kupffer:

noch zwei deatlich anterschiedeoe Abtheilnngen , die als mittleres und unteres Hirnganglion bezeichnet werden mögen. Das mittlere prominirt etwas stärker als das untere. Ersteres besteht rundweg aas rundlichen, dicht an einander gelagerten Zellen mit deutlichem Kern und punktförmigem, aber scharf hervortretendem Kemkörper- chen (Fig. 1, f). Die zweite Abtheilung enthält die bestimmt um- grenzten Zellen nicht, sondern besteht aus einer fein punktirt er- scheinenden Grundsubstanz und darin regelmässig vertheilten Ker- nen, die ziemlich die Grösse der Zellenkeme der ersten Abtheilung haben, aber das Licht stärker brechen als jene, so daas sie unter allen Elementen dieser Himganglien zunächst bei der Betrachtung hervortreten (Fig. 1, g). Bei der Ansicht von links erscheint das Hirn anders. Die auf der rechten Seite von den Retinazellen ein- genommene Begion zeigt links einen undeutlich fibrillären Bau mit vorherrschend radiärem Verlauf der Fibrillen. Durch eine Kerbe an der obem Seite wird diese Begion hinterwärts abgegr^izt Das mittlere Himganglion dringt nicht durch die ganze Dicke bis zur linken Oberfläche vor, es ist linkerseits nichts davon zu sehen. Den grössten Theil der linken Seite nimmt die Substanz des unteren Himganglions ein (Fig. 1 u. 2, g), aus der nach hinten feine Fi- brillen ausgehen , die gestreckt gegen das Rückenmark verlaufen. Aus allen drei rechterseits beschriebenen Himabtheilungen entsprin- gen ebenfalls feine longitudinal verlaufende Fibrillen.

Der spindelförmig gestaltete Rumpfitheil des Rückenmarkes ist durch eine Einschnflrung deutlich vom Hirn abgesetzt und seine Axe ist gegen die Axe des Hirns etwas geknickt. Die vordere Grenze desselben liegt über dem Vorderende der Chorda, die hintere fällt mit dem Anfang des Schwanzes zusammen. Die Oberfläche ist durchweg von einer Schicht von Längsfibrillen bddeidet, durch welche hindurch man deutlich Zellen im Innern erblickt. Beim Uebergange zum Schwanztheil wird die äussere Faserlage dünner, die Zellen werden deutlicher und weiterhin am Caudalnuurk mögen noch Fibrillen äusserlich vorhanden sein, sind' aber nicht zu erblicken; die Bestandtheile sind rundlich viereckige Zellen vom Charakter der im mittleren Himganglion, mit Kern und scharf hervorstechenden Kemkörperchen.

Das Interessanteste nun, was ich hier mitzutheilen habe, ist das Vorhandensein von Spinalnerven, die in regelmässigen Abstän- den von einander vom Rückenmark entspringen und jedenfalls an

Zur EnCwiokeliiag dar ein&dben AsoidieiL 898

die Moflkehi treten, ob auch an die Epidermis, liees »eh nicht con- statiien. Mit aller nur wünschenswerthen Schärfe habe ich drei Paare gesehen, das erste Paar an der Grenze von Rmnpf- and Schwanztheil des Markes, die folgenden ungefähr in Abständen von der Länge einer Muskelzelle dahinter (Fig. 1, s). Meinem Beglei- ter, Dr. Paul Langerhans, konnte ich die Nerven überzeugend demonattiren. Es sind nicht rundliche Stränge, sondern flache Fi- briUenbandel , mit den charakteristischen feinen Pünktchen besetzt. Die Fibrillen sind gedrängter am Marke und gehen weiterhin ilcher- förmig auseinander Es treten mehrere Fibrillen zu je einer Mus* kebEeUe. An der Stelle, wo sie die Muskelzelle treffen, sieht man auf der Oberfläche der letzteren deutlich mehrere kleine Kreise. Das Bild kann nicht durch den optischen Querschnitt von Fibrillen bedingt sein, denn die Dimensionen entsprechen sich nicht, eben so wenig von Fibrillenbttndeln, denn solche sind nicht vorhanden. Es liegt vielmehr nahe, die Kreise als Kerne eines Nervenendorgans zu deuten (Fig. 1, n). Ich bemerke dabei, dass die Muskelzellen an dieser Larve und der von A. canina nicht als eigentlich querge- streifte zu bezeichnen sind. Eine zarte quere Strichelung sieht man aUerdings, aber nicht entfernt die deutlichen Querstreifen, wie an den Muskeln von Appendicularia. Mit dem Kern der Muskelzelle haben die Fibrillen nichts zu thun.

So scharf und bestimmt, als ich die Si»nalnervenfibrillen in Fig. 1 gezeichnet habe, sieht man sie nur ein paar Sekunden lang, im Moment des Todes. Es zeigt sich nämlich oonstant eine Er- scheinung, auf die ich besonders hinweise, dass im Augenblick des Todes, gleich nach der letzten Zuckung des Schwanzes des ster- benden Thieres, die Fibrillen plötzlich deutlicher werden; ist es nun Gerinnung oder sonst ein Vorgang, jedenfalls hebt sich das blasse Fäserchen dunkler von der Unterlage und Umgebung ab. Da dem Tode stets krampfhafte Zuckungen vorausgehen ^ ao kann man den signalisirten Moment nicht versäumen, wenn man die letzte Zuckung abwartet und dabei den Nerv fest im Auge behält Die helle klare Chorda als Unterlage der Nerven bei der Seitenansicht er- leichtert die Auffindung derselben und die Wahrnehmung jener Todeserscheinung. Auch die Fibrillen der äusseren Längsfaserschicht des Markes treten in demselben Momente bestimmter hervor.

Bei der Metamorphose dieser Larve geht, wie ich nach aller- dings nicht ganz abgeschlossenen Untersuchungen glaube aus-

9H C. Kupffer:

sprechen zu darfea, mit der Himblase auch der Theil hinter derselben, den ich als Hirnganglion bezeichnet habe, zu Grunde, selbstverständ- lich auch der ganze Caudalstrang, so dass der Centrahienrenknoten der Asc. mentula allein dem Rumpftheil des Markes an der Lanre correspondiren würde.

Das sind die Resultate meiner Untersuchung des Centraineryen- Systems einer für die Beobachtung recht günstigen Ascidtenlarve. Es sind durchweg Ergänzungen des bisher Bekannten, aber zugleich Ergänzungen der Gesichtspunkte, auf die die Parallele mit den Wirbelthieren sich stützt. Das Rückenmark mit seiner äusseren Faserschicht, seinem inneren Zellenlager, den in gleichen Abstanden entspringenden Spinalnerven gestattet die Vergleichung bis in's Einzelne.

ErkUnmg der Abbildangen auf Tat XVIL

Alle Figuren beziehen sich auf die Entwickelung von MolguU macro- siphonica. Es bedeuten allgemein: a. Follikelzellen ; p. Eihaut; y. Tunicazellen ;

a. Epidermis;

b. Kiemensaok;

c. Reservekugeln ;

d. Zottenförmige Anh&nge des Embryo (Epidermiseotten);

e. Darm;

f. Bauohfurche und Endostyl;

g. Eiemensipho;

h. Blutkörperchen haltende Blasen; k. Eloakensipho ;

1. Freie ZeUen in der Leibeshöhle; m. Muskeln ; n. CentralDervenflystem. Fig. 1. Reifee gelegtes Ei ku» vor Beginn der Fvcbung, nach Anwendung von leichtem Druck, wodurch die Tunicazellen y in der Gallert- Schicht deutlicher sichtbar werden. Fig. 2. Die Epidermis ist ausgebildet, im Innern der Eiemendarmsack von dem Haufen der Resenrekugeln deutlich geschieden, eine Epidermis - zotte d bildet sich. Fig. 3. n vermuthliche Anlage des Centralnervensysteme. Fig. 4. Elf aus einem Klumpen eusammenhangender Eier iaolirt An einer

Zur Entwickelung der einfkohen Asoidien. 395

SUUe sttet der Eihaat ein Eaohen von Zellen an, c , der dieeen zussmmenhäDgenden Eiern eigenthümlich ist. Vier Zotten, d, lie- gen ziemlich genau in einer Ebene. Die Fignren 5—8 , a zeigen den Embryo von der rechten Seite.

Fig. 5. Kiemenzack und Darm, e, beginnen sich zu scheiden , es sind fünf Zotten sichtbar, unter denen eine lange, die die Tunika und Eihaut vor sich her schiebt; das Nervensystem, n, wird deutlich wahr- nehmbar.

Fig. 6. h. Blutkörperchenhaltige Blasen.

z. Leere, von der Eihaut gebildete Hülse, aus der eine eben so lange Zotte sich zurückgezogen hat.

Fig. 7. Die Muskeln m des Kiemensipho sind gebildet, die Niere , r, tritt auf.

Fig. 8, a. Ein Embryo kurz vor dem Abstreifen der Eihaut und dem Be- ginn der Wasseraufnahme, o. Herz, p. Perikardimn.

r. Nierenblase, rechts dem Herzen vorliegend, n. Das Centralnervensystem , an beiden Enden in peripherische

Nerven, v, ausgehend« B. Drei Kiemensackspalten auf verchiedenen Graden der Ausbildung, z. Wie in Fig. 6. t. Tentakeln, fl. Flimmerbogen.

Fig. 8, b. Ein Embryo von ungefähr derselben Entwickelungsstufe wie der vorige. Von der linken Seite gezeichnet um das zwischen den Windungen des Darmes sich entwickelnde netzförmige Or- gan, w, zu zeigen, n. Der Magen. Fig. 9. Larve von A. mentula. Die Tunioa ist weggelassen. Ansicht von rechts. Schröder. Immers. 3 Mm. Aeq. Oc. 2. Vergr. ca. 600.

a. Himblase.

b. Rumpflheil l

^ ü 1^1. -1 } des Ruckenmarkes.

c. Gaudaltheil J

d. Gnsta acustica mit den Oehörhaaren auf der Oberflache, die den Otolitben stützen, und einer Blase im Innern

e. Retinazellen.

£ Mittleres Hirnganglion, g. Unteres Hirnganglion, h. Gentralkanal. i. Chorda, m. Mnskelaellen. 8.6. Spinalnerven.

896 C. Knpffer: Die Entwickelung der einfaehen Ascidien.

n. Kleine Kerne an der Eintrittaetelle der NerrenfibrilleD in die Muskelzellen.

0. Anlage des Mundes, k. Kiemensack.

1. Darm.

i. t. Zellen des mittleren Blattes. Fig. 10. Hirnblase derselben Larre, von links gesehexL Schröder. Immen. 3 Mm, Aeq. Oa 4. Yergr. 1100—1200.

a. Himblase.

b. Gylindersellen der Grista acostica.

c. Hörhaare.

d. Blase in der Grista.

e. Otolith.

f. Innere Guticula der Himblase, sich auf die Oberfl&che des Me- niskas, m^ fibersohlagend.

n. Ganal am den Rand des Meniskos. 1. Linse.

h. Centralkanal, dessen Mündong in die Himblase durch das dahin- ter liegende Pigment verdeokt ist.

Untersuchungen über die Eier der Beptilien.

IL Zugleich Beobaehtnngeii am Fisch- nnd VogeleL

Von

Dr. Th. Bbner.

PriTfttdocent sa Wünburg.

Hienni Taf. XYin.

Die Frage, welche Deutung den meroblastischen Eiern gegen- über den holoblastischen zukonune, ist durch die neuesten Arbeiten einer Losung keineswegs näher gerückt, vielmehr haben dieselben die seit lange bestehenden Gegensätze nur verschärft

Diese Gegensätze gipfeln bekanntlich in zwei principiell ver- schiedenen Ansichten, nach deren einer die Eier mit partieller Dot- terfurchung, als deren Repräsentant gewöhnlich das Yogelei behan- delt worden ist, zur Zeit ihrer vollen Ausbildung nicht mehr Zellen sind, wie die Eier der Säugethiere, sondern zusammengesetzte Ge- bilde, weil Elemente des Follikelepithels in sie übergetreten seien (K. E. V. BaerO, H. MeCkel«), Allen Thomson«), Ecker*), His^), Stricker)*), während dieselben nach der anderen als Zellen

1) K. £. Baer, Eniwiokeliuigsgesoh«

2) H. Meekel, Z. f. w. Zool. Bd. 8. 1862.

S) Allen Thomson, Art. „Ovum** in Todd's Gyelopaedia of anatomy and phytiology. ToL Y. (Supplementär^ Volam) 1869.

4) Ecker, Icones phyBiologicae.

5) Hie, üntersnohnngen über die erste Anlage des Wirbelthierleibes, I, die EntvFickelong des Hühnchens im £i. Leipzig 1868.

6) Stricker, Beiträge snr Kenntniss des Hühnereies, Sitsgsber. der Wien. Akad. 54. Bd. 1866.

398 Dr. Th. Eimer:

betrachtet werden müssen. Die Vertreter letzterer Anschaaang trennen sich aber insofern, als die Einen unter ihnen im merobla- stischen Ei, obschon sie dasselbe als Zelle ansehen, wiederum Zellen eingeschlossen annehmen, entweder Dotterzellen oder Binnenepithel oder beides (Schwann^» ß« Wagner*), Leuckart'), Coste*), Samt er ^), Klebs»), und für das Schildkrötenei J. Clark)?), während die Anderen dasselbe als einfache Zelle betrachten (Hoyer«), Gegenbaur»), Kölliker^ö), Fr. Gramer"), Na- thusius«), E. van Beneden)»»).

Klebs trifft das Binnenepithel auch in holoblastischen Eiern, und Waldeyer»^) sucht eine Uebereinstimmung zwischen diesen und den meroblastischen dadurch zu gewinnen, dass er auch das reife Säugethierei für ein zusanunengesetztes Gebilde erklärt, indem er den sogenannten äusseren Dotter (Pflüge.'r ^^) desselben alsAb- scheidungsproduct der Granulosa auffassen möchte.

In der ganzen Frage spielt die Dotterhaut eine grosse Rolle weil diejenigen, welche die Eier mit partieller Dotterfurchung als Zellen betrachten, das frühe Auftreten der Dotterhaut an denselben als Beweis dafür in's Feld führen, dass ein Wachsen dieser Eier

1) Schwann, mikrosk. Unters.

2) R. Wagner, Lehrb. der Physiol.

5) Leuokart, Art. Zengang inWagner's HandwÖrierb. d. Physiol. 1853. 4) Co sie, Bist. gen. et part. da dereloppement des corps orgaoises

Paris 1847--49.

6) J. Samter, Nonnlla de evol. ovi avinm etc. Dissert. inaug. Halts Sax. 1853. VergL darüber die gleich zu citirende Arbeit von Geg enbaur S. 4d5.

6) Klebs, Virch. Arch. 1861 u. 1863.

7) Embryology of the turtle, in Agassis* Gontributions to the Natoral bist, of the United States of North Amerika. Boston 1857. Vol. IL yergL J. Clark „a claim for scientific property" 1863. (Man corrigire hiemach das Citat anf Seite 220 nnd dasjenige auf Seite 233.)

8) Hoyer, Müll. A. 1867.

9) Gegenbaur, MüU. A. 1861.

10) Kplliker nimmt in seiner Entwickelungsgesohichte 1861 das BinneD- epithel an, später nicht mehr. Vgl. S. 133 der Arbeit Grameres.

11) Fr. Gramer, Würzb. Verh., Neue Folge I. Bd. 1869.

12) Nathusius, f. w. Zool. Bd. XVIII. 1868.

IS) £. van Beneden, Becherches sur la composition et la signifieation de Poeuf 1870.

14) Waldeyer Eierstock n. Ei, 1870, 8. 47 o. 48.

15) P f 1 üge r, Ueber d. Eierstöcke d. Säugethiere d. Menschen, Leips. 1863.

Untersuchungen über die Eier der Reptilien. 899

durch Apposition yon Aussen nicht angenommen werden könne. Dm so * ungereimter muss daher die Thatsache erscheinen, dass der Begnif Dotterhaut nichts weniger als auf fester Grundlage ruht, ein Uebektand, welchen £. van Beneden kürslich mit Recht hervor- gehoben hat Ein Blick auf die Literatur wird leicht ergeben, dass man bis jetzt die heterogensten Dinge Dotterhaut genannt hat, wenn sie nur irgendwie die Bolle einer Eihülle spielten, während ich stimme. in dieser Auffassung mit £. van Beneden^) gänzlich äberein „eine Membran, welche man Dotterhaut nennen will, doch bistogenetisch eine bestimmte Bedeutung haben sollte.'*

Man hat bald EihttUen mit dem Namen »Dotterhaut« bezeich- net, welche vermöge ihrer Entstehung die wahre Zellmembran des Eies sind, bald solche, welche vom Follikelepithel gebildet werden, bakl endlich hat man eine Bildung so genannt, welche meiner An- sicht nach in keine von beiden Kategorien gehört, nämlich die Zona pellndda.

Um dieses Urtheil zu begründen, will ich die Aeusserungen ei- niger Autoren über die vDotterhaut« hier folgen lassen.

Am Hühnerei ist nach His') die Dotterhaut vom reifen Eierstocksfollikel zu erkennen als eine durchsichtige, etwas steife Membran, an deren Innenseite die Granulosazellen eingebettet sind. Ihr erstes Auftreten scheint in die letzten Tage vor dem Le- gen des Eies zu fallen, da man sie mit Sicherheit erst in den gelb- werdenden FoUikehi nachweisen kann. Die Entstehung dieser Dot- terhaut wird so gedacht, »dass, wie die weissen Dotterzellen all- mälig durch die weiche Cuticula hindurch in den kömigen Haupt- dotter und durch diesen in das Innere des Eies vordringen, so auch die letzten Granulosazellen denselben Weg antreten, und durch die Cuticula sich durchdrängen. Letztere gelangt alsdann an deren Aussenseite und in dichte Berührung mit der Snpraeapillaris. Hier- nach erhärtet sie endlich in vollständiger Weise, nachdem bis da- hin ihre Consistenz zwar zugenommen, aber doch immer noch eine geringe (eine zähschleimige?) geblieben war. Die Cuticula, aus welcher die Dotterhaut entstehen soll, ist eine 2—4 Mik. breite durchsichtige Lage (die Basalmembran einiger, die Dotterhaut an- derer Autoren), die völlig identisch ist mit der Zonoidschicht^).''

1) A. a. 0. S. 228.

2) A. a. 0. 8. S8.

3) A. m. 0. 8. 28.

400 Dr. Th Eimer:

Nach Waldeyer bildet sich die Dotterhaat nicht auB der Zonoidschicht des Hauptdotters, hat mit dem letzteren überhaupt gar nichts zu thun, sondern ist eine innere Basalschicht des Fol- likeleiHthels, und zwar vorzugsweise deijenigen Zellen de»elben, welche ihre breiten Enden nach innen wenden ') ; sie entsteht aas der am mosten peripherisdi gelegenen Schicht der von Waldeyer sogenannten Zona radiata*). Diese Zona radiata verliore sich nach und nach bis auf ihre aller&usserste ganz dünne Schicht, und diese sei dann die Dotterhaut.

Goste und Meckel lassen Keimbläschen und weissen Dotter eine Zeit lang Yon em&r dicken Membran umgeben sein, wdche die eigentliche Dotterhaut sein soll. Nach aussen von diesen soll sich der gelbe Dotter durch Wucherung des Follikelepithels bilden, UDd ausserhalb des letzteren wQrde somit erst die ftlsehlich sogenannte Dotterhaut liegen. Demnach soll der Discus proligerus sammt dem weissen Dotter des Hühnereies dem Säugethierei entsprechen, eine Anschauung, welche auf diejenige v. Baer's gegründet ist, und wei- cherauch Allen Thomson und Ecker huldigen. Andere, so Leo- ckart, Hoyer, Samter, KöUiker, konnten jedoch jene eigent- liche Dotterhaut nicht finden, dagegen trafen sie schon an den jüng- sten Eiern eine nach innen von der Granulosa liegende D(rtter- haut*).

Purkinje^) und von Baer beschreiben als Dotterhaut eine ausserhalb der Granulosa liegende Oewebsschicht. Von Schwann sagt His, es sei durch denselben der histologische Begriff einer Zellenmembran mit demjenigen der Dotterhaut vermengt worden, nnd wohl kaum zum Vortheil einer raschen Verständigung. Es yer- lege Schwann die Dotterhaut nach aussen von der Granulosa, betrachte sie aber als Zellmembran.

£. van Beneden stimmt Gegenbaur in Beziehung auf die

1) A. a. 0. S. 62 a. 63.

2) Diese Zona radiata ist oflfenbar idenÜBch mit der Cuticala yod His and Gramer. loh fähre die vorstehenden und die folgenden Beispiele ab- sichtlich ausführlich an, um zu zeigen, wiesehr die Begriffe und die Be* Zeichnungen sich hier kreuzen.

3) Zur Berichtigung der Aeusserungen Stricker'« auf 8. 1 (Separat- abdruok) seiner SchrifL Vgl. KöUiker Entwickelungt^geeoh. 8. 27.

4} Purkinje, Symb. ad ovi avium bist ante inoubat. 1830.

Untenaohungen aher dU Eier der Reptilien. 401

BiMoiig der Dotterhant bei, welcher dieselbe ans der Randscbidit 0 hervorgehen Uset, und er schreibt dem Vogelei deshalb eine wahre Dotterhant zu, weil dieselbe ihrer Entstehung nach als Zellmem- bran betrachtet werden müsse*

Es wird d^nnach bei den Vögeln als Dotterbaut bald eine Mem- bran aofgeftthrt» welche ausserhalb des Grannlosaepithels, bald eine sokhe, welche innerhalb desselben liegt, eine Membran deren Bildung, abgesehen von der verwirrenden Verschiedenheit der Unteraneichten, bald eben der Granulosa, bald den peripherischen Schichten des Dotters zugeschrieben wird.*

Was die Eihtüle der Säugethiere angdit, so ist es hier Oe- brauch geworden, die Zona pellucida kurzweg als Dotterhant zu be- zeichnen. Die Meisten leiten aber ihre Entstehung vom Follikel- epithel ab. Von diesem, und nicht vom Ei soll sie abgeschieden sein. So äussern sich u.A. Beichert, Pfliiger, Waldeyer und van Beneden. Letzterer nennt die Zona pellucida C!horion, weil er alle Eihöllen mit diesem Namen belegen möchte, welche ihren Un^rung von der Granutosa herldten. Zahlreiche Forscher, wie Valentin, Krause, Barry, R. Wagner, H. Meyer, Reichert, Pfiü- ger, haben aber die Existenz einer feinen Membran unterhalb der Zona peUocida behauptet, welche dann als die wirkliche Dotterhant als Zdlmembran aufzufassen wäre. Auch £• van Beneden erkennt eine solche besondere Membran um den Dotter des Säuge- thiereies an.

Was die Fische betrifft, so lassen v. Baer>), Ransom*) und Anbert^) (Hechtei) den Dotter von einer besonderen feinen Haut umgeben sein, während Waldeyer^) eine solche vermissthat Auch

1) Der Zonoidscbicht von His, Molekular schicht yon Waldeyer. Ge- genbanr Usst übrigens die ganze ursprüngliche „Bandschidit'S zur Dotter- hant erhürten, naoh van Beneden schwindet jene bis auf eine üusserste Schicht, welche snr Dotterhaut wird.

2) Unters, über die Entwickelnngsgesoh. d. Fische eta Leipsig 1885.

3) Vgl. Allen Thomson a. a, 0. S. 99 und Ransom: On the struc- tore and growth of the ovarian ovum in Oasterosteus leiurus. Qaarterly Joum. Micr. sc. Jnly 1667. ref. in Heule 's Jahresber. Diese und die anderen Arbeiten Ransom*B über das Fischöl sind mir im Augenblick nicht zugäng- lich gewesen. Ich werde aber bei Gelegenheit sp&ter zu yeröffentliiohter Be< obaohtongen über das Fischei darauf surückbommeB können,

4) Z. t w. Zool. Bd. 5| 186i.

5) A. a. 0. 8. 81.

iOe Dr. Th. Eimer?

Reichert') nimmt nach innen von der porösen Haut keine wei- tere Holle an. Dennoch soll sich nach ihm die poröse Dotterhaut als Ablagerung aussen auf die ursprüngliche Dotterhaut bilden. Nach Kölliker') ist dagegen die äusserste Lage der letzteren zuerst vor- handen, denn sie trage schon zur Zeit, da sie noch sehr dünn sei, die Zöttchen, welche auf der HQlle vieler Fischeier vorkommen. Erst später entstehe an der inneren Seite dieser dünnen Haut die poröse M^nbran. Es sei aber nicht leicht, sagt Kölliker, diese Vor- gänge auf bestimmte, bekannte Erscheinungen des Zellenlebens zurück- zufahren. „Es könnte jedoch die ganze Entstehung der so eigen- thümlichen Dotterhaut der Fische ganz gut begriffen werden, wenn sich nachweisen liesse, dass an der Innenseite derselben noch eine Membran sieh findet, die dann als die eigentliche ursprttnglidie Zell- membran der Eier oder als der Primordialschlauch derselben anzuse- hen wäre. Vogt*) und Lereboullet^) nun statuiren in der That neben der porösen Eihaut noch eine besondere, zarte Dotterfaaut, woge- gen auf der anderen Seite Reichert und Lenckart eine solche nicht finden konnten.^ In den meisten Hüllen könne man, fährt K<Vlliker fort, keine Spur einer weiteren Hülle nach innen von d^ porösen Dotterhaut sehen, aber er habe in einigen Fällen beim Karpfen und bei CioWtis fossilis etwas gesehen, was ihm Vorsicht auferlege. An entleerten Eiern des Karpfen nämlich sehe man hie und da inneo an der porösen Lage in Profilansichten noch eine blasse, zarte und nicht ganz regelmässige Linie, innerhalb welcher erst der beweg- liche Dotter liege, und welche Linie leicht die primäre Dotter- haut bedeuten könnte. Bei Gobitis fossilis sei es ihm selbst einmal gelungen, eine solche Haut als dünne strukturlose Lage auf eine bedeutende Strecke zur Anschauung zu bringen und scheine es ihm daher, obschon er auf das Gemeldete nicht gerade zu grosses Ge- wicht legen woUe, doch vorläufig das Natürlichste, die ganze soge- nannte Dotterhaut der Fische als eine Ausscheidung einer zarten, den Dotter zunächst umschliessehden Zellmembran anzusehen, um so mehr als dadurch die Poren der secundären Dotterhaut ganz in dieselbe Linie zu stehen kommen, wie die Poren in den Cuticular-

1) Moll. A. 1856, S. 92.

2) Würzb. Yerh. 8. Bd. 1868, S. 80 ff. 8) Vogt, Embryol. des Salmones, 1842. 4) LereboDllet Ann. d. tc. nat. 1654.

üntenuohniigeB ftber die Eiar der Baptilien. 40t

bildongen, mit denen sie auch in der That in allen Beziehungen die gröaste Uebereinstimmung haben.

Ueber das Beptilienei liegen bis jetet nur Untersuchungen . von J. Clark, Gegenbaur und Waldeyer vor. Die beiden letz- teren abertragen auf dasselbe auch in Beziehung auf die ^Dotterhauf' die am Yogelei gewonnenen Ergebnisse.

Nach den Mittheilungen, welche ich im vorigen Abschnitte aber die Hüllen des Bingelnattereies gemacht habe, bestehen diese frühe aas zwei feinen Häutchen, von doien das innere aus der Binden« Schicht entsteht, durch Abscheidung von Seiten derselben, oder durch Verdichtung ihrer äussersten Lage.

Dieses innere Häutchen entspricht also einer Zell- membran und ist daher ausschUesslich und allein als Dotterhaut zu bezeichnen, dam ich bin mit £. van Bene- den einig darin, dass man mit diesem Namen nur diejenigen Eihül- len belegen sollte, welche histogenetisch einer ZeUmembran gleich- werthig sind.

Das äussere der zwei Häutchen leitet seine Entstehung auf die Follikelepithelzellen zurück. Es ist entweder ein Abscheidungs- produet derjenigen Granulosazellen, welche ihre breite Orundfläche dem Ei zukehren, oder es bildet sich dadurch, dass diese Grund- fläche erhärtet Vermöge dieses Ursprungs ist es als ein Chorion zu betrachten.

Die Zona pellucida endlich ist nicht etwa ein Chorion, sie ist mcht als zusamm^gesetztes Gebilde in der Weise aufzufassen, dass sie ihren Ursprung zahlreichen Zellen, den Granulosazellra verdankte, sie istvielmehr als von einer einzigen Zelle, dem Ei, abgeschiedene Cuticularbildung anzusehen.

Erst nachdem die Dotterhaut entstanden ist, lagert sich die Zona auf der äusseren Fläche derselben ab.

Diese zuerst durch das Studium des Ringelnattereies gewonne- nen Anschauungen befestigten Untersuchungen, welche ich an den Eihüllen der grünen Eidechse, des Moloch horridus und an demjeni- gen verschiedener Schildkröten, also bei Bepräsentanten aller drei AbtheQungen der Schleicher gemacht habe. Nur bei der Ringel- natter traf ich, wie früher bemerkt, das Chorion von der Zona durch

lOA Dr. Th. Eimer;

eme, aUer<fiiigs nur mit sehr starken Vergrösserungen deutlich erkenn- bare, weil äusserst feine helle Linie, die ich für den Ausdruck eines leeren Raumes erklärt habe, getrennt. Dagegen sind bei dem oder jenem der genannten Thiere andere Einzelheiten mehr hervorgetre- ten, welche die Beurthmlung des Ganzen nach der einen oder der anderen Richtung hin erleichterten.

Was die Zona pellucida betrifft, so ist dieselbe schon von An- deren mit dem Basalsaum der Gylinderzellen des Darmkanals verglichen worden. Der Vergleich leidet nicht unter meiner Auffassung, welche die Zona als Abscheidungsproduct nicht der FoUikelepithelzellen, sondern des Eies angesehen wissen möchte. Die Entstehung beider ist auch so eine homologe. Bei beiden ist ferner eine Querstreifung vorhanden, welche auf Poren zu beliehen ist. Aber es findet sich zwischen den zweien noch eine weitere Homologie in einer Streifung derLänge nach. Eine solche LängsstreifiBttg haben am Basalsaum der Dann- cylinder zuerst Erdmann ^) und ich *) nachgewiesen und Flem- ming^) hat Andeutungen deasdben Verhaltens an Cuticnlarsäumen von Zellen aus der Haut von Molluske gesehen.

Ich habe diese Längsstreifiing des fiasalsaums der Darmcylin- der als den Ausdruck einer Flächenschichtung, und diese als die Folge einer schichtweisai Abscheidung der Guticula von Seiten der Zellen bezeichnet^). Man trifft ganz dieselbe Längsstreifung nun öfters an der Zona pellucida von Beptilieneiem. Von der glatte» Natter (Coronella laevis) wurde ein solches Verhalten schon in Fig. 16 des vorigen Abschnittes abgebildet Allein oft ist, anders vrie in jener Abbildung, die ganze Breite der Zona durch dicht auf- einanderfolgende feinste Linien gezeichnet. Dass diese Linien wirk- lich die Grenzen von Schichten ausdrücken, sah ich sehr schön an den Eierstockseiem eines Moloch horridus, welchen ich der Güte des Herrn Dr. Brehm verdanke. Zugleich bestätigten diese Eier meine Angaben über die Entstehung der Zona.

1) „Beobachtungen über die Beeorptionswege in der Schleimhaat des Dünndarms'*. Diss. Dorpat 1867.

2) ^ie Wege des Fettes in der Darmsohleimhaat bei seiner Resorption", Virch. Arch. Bd. XXXVHI.

8) YgL W. Flemming, ,,Ünter8. über Sinnesepithelien d. Mollusken'*. Dieses Aroh. Bd. VI 8. 447 and „die haartragenden Sinneszellen in d. Ober- haut d. MoUosken'S ebdas. Bd. Y Taf. 26 Fig. 16,

4) A. a. 0.

üntenoohungeii über die Kier der Beptilien. 405

Der firagliche Moloch hatte im Monat November todt tmd ohne ConserviniBgsflüBsigkeit die Reise von Berlin nach WQrzburg ge- macht, kam aber doch noch so frisch in meine Hände, dass z. B. die Epithelzellen der Eifollikel ziemlich vollständig erhalten waren. Die Zona stellte an den älteren Eiern einer quer- nnd znweilen zugleich längsgestreifte, in diesem Falle also gitterartig gezeich* nete Haut dar; an jüngeren dagegen hatte sie in den verschiedenen Lagen ein verschiedenes Ansehai. Unten war sie himr, wie zu einer bestimmten Zeit die „Zona radiata'^ des Hühnereies, von der wir später reden werden, aus feinen Fädchen gebildet, welche senkrecht auf die verhältnissmässig dicke Dotterhaut 0 gestellt waren. Nach oben traten, nach ganz allmähligen Uebergängen, an die Stelle der Fädchen quergestreifte Schichten >); auf sie folgten homogene, welche je weiter nach oben desto mehr unter sich verschmolzen.

Auch das Ghorion war in die Verschmelzung eingegangen.

An Eiern von 2 Mm. Durchmesser traf ich nur ein deutliches Chorion und eine Dotterhaut, zwischm beiden aber noch keine Ab- lagerungy also ganz dieselben Verhältnisse, welche ich von Ringel- nattereiem etwa von derselben GrOsse beschrieben habe.

Das Geschilderte (vgL Fig. 1—5) ist auf keine andere Weise zu erklärai, als durch die Annahme, es verschmelzen die Elemente der von Seiten des Eies auf die Dotterhaut abgelagerten Zona, die Fädchen, nach oben allmälig zu dichteren Lagen, während sie un- ten durch die fortdauernde Abscheidung der Rindenschicht beständig wachsen').

Zuweilen war, wohl an weniger frischen Eiern, die Dotterhant von der Zona durch eine zwischen beide eingelagerte eiweissartige Masse streckenweise abgehoben (vgL Fig. 5).

Aber auch ohne diese Abhebung war sie an den Molocheiem meist ungewöhnlich deutlich von der aufgelagerten Zona zu unter- scheiden.

1) Wie ich das untere Häutohen fortan nenne.

2) Ein solcher üebergang erkl&rt sich leicht, wenn man hier dieselben Grundlagen als Torhanden annimnit^ welche in der Cntioala der Epiihelxellen dee Darmkanals gegeben sind, an deren einzelnen St&bohen ich eine iusserst feine Qaersireifang beobaohiei habe. VgL Yirch. Aroh, Bd. XXXVm 8. 168.

8) loh bemerke, dast sich diese Thatsachen sehr ein&oh auf die Angaben Ton Kölliker zurückf&hreu lassen, wonach sieh am Fischei die Zona (po- röse Dotterhant) doroh Ablagerung von innen verdickt.

406 Dr. Th. Eimer:

Das Gh ori on bildete ich im vorigen Abschnitt vom Ringelnatterei als ein Hautchen ab, welches während der ersten Zeit seiner Aus- bildung überall da von Lücken durchbrochen ist, wo zwei der über ihm liegenden Oranulosazellen mit der Basis aneinander grenzen *), wie leicht verständlich ist, wenn man bedenkt, dass dasselbe als ein Abscheidungsproduet dieser Zellen betrachtet werden muss. Beim Moloch habe ich das Chorion nur als ein zusammenhängendes Hänt- chen') gesehen, allein ich habe hier jüngere Eier als solche von 2 Mm. Durchmesser nicht untersucht. DasChorion war auch hier, wie in allen anderen Fällen, was ich ausdrücklich noch einmal hervorhebe (vgl. S, 232), äusserst fein, erschien selbst mit Tauchlinse 10 HartB. betrachtet nur als Linie.

Die Dotterhaut, welche bei ihrem ersten Auftreten stets zarter ist wie das Chorion, übertrifft dasselbe bald an Dicke.

An älteren Follikehd scheint das Chorion in den meisten Fällen innig mit der Zona zu verschmelzen, so dass es zuletzt mit dersel- ben eins wird. Am besten eignen sich zu seiner Erkennung Follikel von IVs 3 Mm. Dickendurchmesser, an welchem die Zona erst schmal oder gar noch nicht vorhanden ist.

Eine Bemerkung Waldeyers, welche ich hier erwähnen will, bezieht sich offenbar auf ein durchbrochenes Chorion bei Lacerta agilis. Dieselbe lautet'): »An etwas grösseren Follikeln zeigt sich die innerste Schicht des Protoplasmas dieser Zellen (der untersten Follikelepithelzellen) mehr homogen, von stärkerem Glänze, wie eine membranartige Lage, die es von dem Dotter abgrenzt. Man kann beim ersten Auftreten dieser membranartigen Lage konsta- tiren, dass sie nicht von gleicher Dicke ist; auf kurze Strecken, namentlich zwischen je zwei einzelnen Zellen, scheint sie mitunter ganz zu fehlen. Bei weiter vorgerückten Bildungen ist indessen eine

1) Vgl. Taf. XI Fig. 12.

2) Einigemale glaubte ich bei der Ringelnatter ein Chorion zu sebeo. das aus weniger Stückchen bestehe, als deren ursprünglich vorhanden sind: es mussten also hier einzelne der ursprünglichen Theile desselben untereinaa- der yersohmolaen sein. Ich habe dieses Verhalten in Fig. 14 Taf. XI angedeutet. Allein bei der grossen Feinheit des Objects ist die Möglichkeit einer Täusch ang hier nicht ausgeschlossen: unbestreitbar Thatsächlichem entsprechen nur die Formen des Ghorion, welche ich einerseits in Fig. 12 und andererseits in Fig. 13 u. 16 Taf. XI abgebildet habe.

3) A. a. 0. S. 70.

Üntenacbungen aber die Eier der Reptilien. 4ffl

coBtinuhrlich geschlossene Membran vorhanden, welche das Follikel* epithel vom Dotter vollständig zu trennen scheint. Ich sage absicht- lich ^»scheint'', denn in der That ist, wie Beobachtungen an älteren Follikeln ergeben, die Trennung nur eine scheinbare und es liefern die Eidechsen in diesem Punkte eine sehr hübsche Ergänzung der bei den Vögeln gewonnenen Erfahrungen/* Wir werden nämlich sehen, dass bei den Vögeln ebenfalls ein Chorion vorhanden ist Es ist das dieselbe Schicht, welche Waldeyer als den innersten Theil der Zona radiata betrachtet, welcher nach dem Zerfall der übrigen Be- standtheUe dieser allein noch übrig bleibe, und aus welcher später bei Reptilien wie bei Vögeln die Dotterhaut entstehen soll

Wenn ich auch das letztere, wenigstens was die Reptilien be- trifft^ nicht zugeben kann, so stimmen Waldeyer und ich doch darin überein, dass wir die in Rede stehende (von mir Chorion ge- nannte) Schicht für ein Abscheidungsprodukt der Follikelepithelzellen erklären. Mit der Zona pellucida (Z. radiata) aber hat dieselbe bei den Reptilien meiner Ansicht nach nichts gemein.

1£& hebt Waldeyer weiter hervor, dass wie beim Huhne so bei der Eidechse die „Zona radiata' aus Stäbchen zusammengesetzt sei, ähnlich dem Basalsaum der Darmcylinder.

Ich benutze die Gelegenheit, hier zu bemerken, dass bei Rep- tilien wie beim Huhn an die Stelle der Stäbchen später, mit Beginn der Auflösung der Zona, feine Fädchen treten. Beim Huhn lassen dieselben relativ grosse Zwischenräume zwischen sich und können durch irgendwelche Störung sogar leicht in ihrer gegenseitigen Stel- lung verschoben, unregelmässig verbogen werden.

Sehr schön breit traf ich die Stäbchen Oft bei Schildkröten, und J. Clark 0 bildet dieselben sehr gut ab. Aber diese Abtheilung der Zona pellucida in breite Stäbchen gibt demselben Veranlassung zu einer ganz eigenthümlichen Lehre von der Enstehung derselben. Er nimmt nämlich an, die Stäbchen seien säulenartig zusammengedrückte Zel- len, hervorgegangen aus einer Lage grosser platter Zellen, welche zu der Zeit unter der Granulosa zu finden sind, wo das Ei dem unbewaffiieten Auge sichtbar wird. Clark äussert , dass er über die H^kunft dieser Zellen auf Orund von Beobachtung nichts mit-

1) A. a. 0. S. 484 u. 485. M. Sebnltse, AroiilT t mikroik. Aiwioinie. Bd. 8. 27

408 Dr. Th. Eimer:

theflen könne. Ihrer Lage nach müssten sie aber vom Graafschen Follikel abstammen. Sie möchten also, worin allerdings Irrthom möglich sei, andeuten, dass die Zona nicht vom Dotter abgeschie- den wird.

Diese Zellen, welche also später zu den Stäbchen znsammen- gedrückt werden sollen, sitzen aussen auf dem j^Dottersack,* - so nennt Clark die Dotterhaat, welche, unterhalb der Zona pellucida liegend, als feines Häutchen das Ei zunächst umschliesst. Es ergibt sich also eine vollkommene Uebereinstimmung zwischen den Angaben des genannten Forschers und den meinigen darin, dass wir beide eine Dotterhaut unterhalb der Zona pellucida bei Repti- lien finden, eine Uebereinstimmung, welche vielleicht um so mehr zu beachten ist, als mir das Werk von Agassiz resp. Clark, welchesflber- haupt in der deutschen Literatur nur wenig beachtet ist, erst zugäng- lich wurde, als meine Untersuchungen schon abgeschlossen waren.

Aber die Uebereinstimmung in unseren beiderseitigen Ergeb- nissen geht auch weiter, indem von ClarkO der Dotterhaut die- selbe Entstehungsweise zugeschrieben wird, ¥rie von mir. Während der ersten Zeit ihrer Entwickelung zeige sie dieselbe kömige Beschaf* fenheit wie der Eiinhalt ; wenn sie zu dieser Zeit platze, so zerfalle sie in eine Unzahl von kleinen matten Kömchen, und es werde da- durch ihr Ursprung klar, dass diese Körnchen dem Aussehen nach identisch seien mit denjenigen, welche dann aud dem Ei austreten.

„Ob diese Haut durch eine allmälige Veränderung der Dichtig- keit der obersten Dottertheilchen, oder ob sie als Niederschlag in ihrer gegenwärtigen Form entstanden ist, ist unmöglich festzustellen.'*

Auch in Beziehung auf den höchst wichtigen Satz, dass erst, nachdem die Dotterhaut gebildet ist, aussen auf derselben die Zona pellucida entstehe, stützen sich gegenseitig unsere Angaben.

Nur über die Entstehungsweise der Zona pellucida haben mich meine Untersuchungen zu ganz anderen Ergebnissen geführt, als Clark, und ich habe nie etwas von jenem platten Epithel ge- sehen, aus welchem sich dieselbe seiner Meinung nach bilden soU. Dagegen konnte ich Schritt für Schritt ihre Entstehung nach Art einer Cuticularbildung verfolgen, wie ich das im vorigen Abschnitte vom Ringelnatterei geschildert habe. „Wenn das Ei, sagt Clark von den Schildkröten, etwa einen Durchmesser von Vio Zoll erreicht hat, so ist die Dotterhaut resorbirt Wahrscheinlich ist ihre Funk-

1) A. a. 0. S. 464, 465.

üntersaebuDgeii über die Eier der Reptilien. 400

tion dann durch die schon wohl entwickelte Zona pellucida ersetzt'^ Nach meinen Beobachtungen ist die Dotterhaut zu dieser Zeit nicht reeorbirt, wohl aber ist sie in so inniger Berührung mit der auf ihr abgelagerten Zona, dass beide nur in günstigen Fällen ab von ein- ander verschiedene Bildungen erkannt werden können.

Im vorigen Abschnitte habe ich vom Ringelnatterei bemerkt, dass ich das Epithel an der Innenseite der Dotterhaut, welches Oegen- baur hier wie bei Vögeln vermisst hat und welches für letztere vielfach discutirt worden ist, das Binnenepithel von Klebs, schon sehr frühe (an Eierstockseiem von weniger als 3 Mm. Durchmesser) habe nachweisen können. Ich füge hier hinzu, dass ich dieses Epi- thel auch bei unserer gewöhnlichen Eidechse (Lacerta agilis), bei Chamaeleo vulgaris und bei Schildkröten gefunden habe, und zwar sowohl in Eiern, welche dem Eierstock, als in solchen, welche dem Eileiter entnommen wurden, und endlich auch an solchen, welche schon seit längerer Zeit gelegt waren.

Von der Innenseite der Schale von Ringelnattereiem, welche am 23. Juli gelegt wurden, konnte ich, nachdem dieselben in der Zwischenzeit unter die günstigsten Verhältm'sse zur Weiterentwicke- lung gebracht worden waren, am 10. August ein zartes Häutchen ablösen, welches nach innen den Dotter direkt begrenzte. Bei mi- kroskopischer Untersuchung zeigte sich, dass dieses Häutchen zu- sammengesetzt war aus einer einfachen Lage sechseckiger, grosser platter Zellen, von 0,03 Mm. Durchmesser, mit grossem Kern (0,013 Mm.), welcher sehr oft zwei Kemkörperchen enthielt. Die sehr re- gelmässig begrenzten Zellen führten einen Inhalt von sehr feinen Protoplasmakömchen, und jeden Kern umgab eine Lage von Fett- tröpfchen.

Im August traf ich dasselbe Häutchen an der inneren Seite der Schale von Eidechseneiem, welche ich dem obersten Theile des Ei- Idters entnommen hatte. Die Zellen, welche dasselbe zusammen- setzen, waren hier gleichfalls meist sechseckig, aber oft unregelmä»- sig und mehr ungleich gross wie im Ringelnatterei. Die grössten waren um die Hälfte breiter wie dort; es fanden sich meist zwei Kerne in einer Zelle, und Fetttröpfchen waren in der ganzen Zelle zerstreut.

Ein ebensolches Epithel trifft man nun an kleineren Eiern, und an aus dem Eierstock entnommenen kann man von der inneren Seite der Dotterhaut unter gün^igen Umständen ein Häutchen ab-

410 Dr. Th. Eimer:

lösen, welches aas Zellen zusammengesetzt ist, die in allen Eigen- schaften so mit denjenigen des geschilderten Epitheliums überein- stimmen, dass ich, untei*statzt von den gleich zu erwähnenden An- gaben von Clark beide für identisch halten muss.

In den Eierstockseiem enthalten die Zellen häufig 2 oder 4 Kerne, sind offenbar in lebhafter Vermehnmg begriffen. Je kleinere Eier man untersucht, desto weniger scharf sind die Grenzen der Zellen, desto weniger sind diese platt, desto mehr Fetttröpfchen enthalten sie, und desto mehr scheinen sie in ihren Eigen- schaften sich Dotterelementen zu nähern.

In aus dem Eileiter genommenen, 8 Mm. im Durchmesser hal- tenden Eiern des Chamaeleons ^) traf ich die Zellen des Epithels klein (0,013— 0,016 Mm. breit), aber offenbar noch nicht vollkommen aus- gebildet, denn sie waren noch nicht so ausserordentlich dünn und platt, wie man sie später findet, auch lagerten sie sich mit ihren Rändern nicht vollständig aneinander an, es lag vielmehr jede Zelle noch frei«

Schwann, Coste und His haben dieExistenz dieses Epithels bei den Vögeln behauptet, K.ölliker's Ansicht in Betreff desselben habe ich Eingangs erwähnt, und ausser Gegenbaur läugnet das- selbe auch F. Gramer.

Elebs schreibt dem Binnenepithel eine weite Verbreitung und eine grosse Bedeutung zu. Es soll nicht nur im Vogelei, sondern auch in Fischeiern und im Ei des Frosches vorkommen, soll endogen entstehen und die weissen Dotterzellenerzeugen. Stricker meint, es habe Klebs das Follikelepithel als Binnenepithel beschrieben, weil er nicht angebe, dass er beide zusammen an einem und dem- selben Ei getroffen habe. Zur Rechtfertigung von Elebs, und um nicht denselben Vorwurf zu erfahren, bemerke ich, dass man an jungen Reptilieneiem, sobald ein Binnenepithel überhaupt vorhanden ist, dieses immer gleichzeitig mit dem Follikelepithel an einem nnd demselben Follikel nachweisen kann, dass an solchen jungen Folli- keln eine Verwechslung beider wenigstens bei der Ringebmtter ein Ding der Unmöglichkeit ist, wovon jeder überzeugt sein wird, der das Binnenepithel je einmal gesehen hat. Uebrigens bildet schon Clark mehrfach Follikel- und Binnenepithel an demselben Ei ab, bemerkt aber auch schon, dass es nicht leicht sei, das letztere zum

1) Auch dieses Thier hat mir Herr Dr. Brehm geschiokt, wofür ich ihm gleichwie für den Moloch zu grossem Dank verpflichtet bin.

üntersnchungen über die Eier der Reptilien. 411

ersten Male za sehen. An älteren Follikeln, wo die Granolosazellen auch bei den Vögeln flach geworden sind 0 wird eine Verwechslung derselben mit dem Binnenepithel schon eher möglich sein und so mag sich die Angabe von His erklären, es lägen nach der Eröff- nung des Follikels beim Huhn die Granulosazellen nach innen von der Dotterhaut, es seien dieselben durch letztere durchgewandert und sie entwickelten sich während des Durchtretens des Eies durch den Eileiter zu den weissen Dotterzellen.

Was die Bedeutung des Binnenepithels anbetrifft, so hat Clark auch hier die einzigen Angaben gemacht, welche mit den meinigen in Einklang zu bringen sind. Er beschreibt dasselbe von der Schild- kröte*) und nennt es Embryonal membran. Er meint, bis wei- tere Untersuchungen die Identität desselben mit der „Keimblase^^ von Bischoff, oder der ,,ümhüllungshaut^' von Reichert nach- gewiesen hätten, erscheine es, um Verwirrung zu vermeiden, das beste, ihm einen besonderen Namen zu geben.

Es beschreibt Clark das Epithel von einem Ei, welches kaum dem blossen Auge sichtbar ist, als eine Lage von kleinen Zellen, welche noch nicht mit einander verbunden seien, und welche in Grosse und Aussehen den nächstgelegenen Dotterelementen gleichen sie scheinen nichts als veränderte Dotterzellen zu sein. Auch an grösseren Eiern beschreibt Clark das Epithel übereinstimmend mit meinen Angaben, ja er führt an, er sei so glücklich gewesen, die Zellen noch in einem Ei zu finden, welches schon seit 18 Tagen gelegt war also zufällig gerade eben so lang, wie die Ringelnat- tereier, in welchen ich das Häutchen oben beschrieben habe. Bei der Schildkröte traf Clark zu dieser Zeit die Zellen in Theilung. Er hat aber weiter die Beziehungen der Embryonalmembran zum Keim verfolgt und findet, dass dieselbe jeder Faltung und Biegung des letzteren folge, „whether it be over the curved back of the „em- bryo" or into the furrow which forms the incipient spinal tube, or close to its now very much depresset head, or backwards and up- wards again with the folds of the amnios.^' Später bilde die Em- bryonalmembran eine innere Lage am Amniossack, während ein Theil von ihr in das Spinalrohr eingeschlossen sei, welcher aber bald re-

1) Vgl. Gramer a. a. 0. S. 189. Auch bei den Reptilien ist, wie früher bemerkt, das zuerst mehrschichtige Follikelepithel zuletzt zu einer einfachen Lage platter Zellen geworden. Vgl meine Fig. XYI Taf. XI.

2) A. a. 0. S. 486 ff.

412 Dr. Th. Eimer:

Borbirt zu werden scheine. Der Theil der Membran endlich, welcher den ganzen Dotter umgibt, bleibe unterscheidbar bis das junge Thier ausgeschlüpft sei, zu dieser Zeit scheine sich dieselbe aber aufzulösea.

Es bieten also weder die Untersuchungen von Clark noch die meinigen der Angabe von Klebs eine Stütze, dass das Bin- nenepithel einer Brut von Dotterzellen den Ursprung gebe.

Dagegen sprechen sie dafür, dass dasselbe endogen entstehe. Es spricht dafür nicht nur seine Lage innerhalb der Dotterhaut, sondern auch der Umstand, dass seine Zellen zuerst von einander getrennt liegen, dass sie nicht so platt wie später und dass sie über- haupt zuerst dotterähnlich sind. Clark hält sie aus diesen GrOn- den 0 geradezu für umgewandelte Dotterzellen. Ich wage aber die Behauptung, dass das Binnenepithel endogen entstehe hauptsächlich auf Grund von Beobachtungen am Amphibien- und am Fischei, über welche ich demnächst berichten werde.

Die Hüllen, welche den Dotter, des ReptUieneies während einer bestimmten Zeit umgeben, sind also folgende:

1. Ein Epithel, welches den Dotter unmittelbar umschliesst

2. Eine Dotterhaut, welche der Zellmembran gleich zu setzen ist und welche ¥rie eine solche entsteht. Sie und das Binnenepi- thel bilden sich erst nachdem das Ei eine gewisse Grösse er- langt hat.

3. Die Zona pellucida, welche ich für ein Abscheidungsprodact des Eies erkläre.

4. Ein Chorion, zuerst in Gestalt eines durchbrochenen Häatr chens auftretend, welches von den Follikelepithelzellen aus gebil- det wird.

5. Das Follikelepithel.

Zona pellucida und Dotterhaut erscheinen später als ein Gan- zes und auch das Chorion scheint sich bei den meisten Reptilien bald innig mit der Zona zu verbinden.

Der Dotter ist immer vollkommen scharf gegen die Hüllen abgegrenzt und eben so scharf setzt sich die Zona vom Granulosaepi- thel ab. Während ich auf jene Tbatsache später noch zurückzukommen Gelegenheit haben werde, muss ich diese hier ausdrücklich betonen, indem ich bemerke, dass die zahlreichen Untersuchungen, welche ich am Reptilienei gemacht habe, mir auch nicht den entferntesten An-

1) A. a. 0. S. 487.

Untersachangoii aber die Eier der Repülien. 413

haltspunkt für die Auffassung geboten haben, es möchte die Zona pelludda von den Granulosazellen abgeschieden worden sein.

Beweise für die Bildung der Zona vom Granulosaepithel aus sind übrigens auch bei anderen Thieren, wo dieselbe behauptet wurde, nicht vorgebracht Als Grund für eine derartige Entstehung z. B. bei den S&ugethieren, hat man angeführt, dass die Grenze der Zona gegen die Granulosazellen hier nicht scharf, sondern vielfach gezackt sei und Waldeyer, welcher diesen Grund acceptirt, führt einen Satz von Reichert^) an über das betreffende Verhalten beim Meer- schweinchen, wonach dieser Forscher jene .unr^elmässige Begren- zung durch die Annahme der Anwesenheit „von flachen Grübchen auf der Oberfläche der Zona pellucida erklären möchte, welche die Zellen des discus proligerus aufnehmen und möglicherweise zu einer weicheren, von diesen selbst abgesonderten und als Verdickung der Zona pelludda selbst verwendeten Schicht gehören/^

Auf Seite 232 sprach ich von einer welligen Form der oberen Grenze der Zona des Ringehiattereies, welche vielleicht gleichfalls auf Grübchen hinweist Um zu zeigen, dass diese hier nicht wohl durch Eindrücke der FoUikelepithelzellen entstanden sein könnten, habe ich die schematische Fig. 14 A. Taf. XI gezeichnet Aber damit diese Zeichnung nicht eine falsche Vorstellung hervorrufe, mnss ich bemerken, dass jene Aeusserung sich nur auf Unebenheiten der obe- ren Grenze der Zona bezieht, die nicht deutlicher sind, als diejenigen, welche Waldeyer in seiner Figur 19 von Hühnerfollikeln abbildet, auf Unebenheiten, welche man nur mittelst sehr starker Vergrösse- rungen erkennen kann.

Ausserdem muss ich hier nachtragen, dass dieselben durchaus nicht regelmässig, sondern vielmehr nur da und dort vorzukommen scheinen.

Wenn auch das zarte Chorion dem Eindrücken der Granulosa- zellen vielleicht, wie man einwenden kann, kaum einen Widerstand leisten wird, so werde ich im nächsten Artikel einen Fall anzuführen haben, für welchen die Reicher tische Erklärung zweifellos keine Gültigkeit haben kann.

Aber auch heute habe ich noch eine Angabe zu machen, welche beweisen möchte, dass umgekehrt FoUikelepithelzellen in Fo^e des durch die Dickenzunahme der Zona auf sie ausgeübten Druckes Formveränderungen erleiden können. Und in Verbindung mit die-

1) Reichert, Entw. der Meerschw. Abh. Berl. Akad. 1862, S. 109.

414 Dr. Th. Eimer:

ser Angabe sind noch andere Verhältnisse zu schildern, welche einer Entstehung der Zona durch Abscheidung von Seiten der Granulosa* Zellen widersprechen.

Ich habe gezeigt, dass am Ringelnatterei das Follikelepithel mit langen Fortsätzen in den Eiinhalt hineinragt. Dort sind aber die Ausläufer gerade während ihres Durchtritts durch die Zona meist nur sehr schwer zu erkennen. Ganz anders ist dies bei der glatten Natter (Goronella laevis). Hier traf ich in dieser Beziehung ein höchst interessantes Verhalten. Es war hier an Follikeln von 3—7 Mm. Durchmesser die Zona in kurzen Abständen von aussen nach inncan von relativ weiten Kanälen durchbohrt. In je einem solchen Kanal stack ein dicker Ausläufer einer Granu- lös az eile. Der Ausläufer ragte eine ziemliche Strecke weit in den Eiinhalt hinein und endigte dann meist stumpf (vgl. Fig. 6). In seinem Centrum liess sich sehr häufig eine helle Linie sehen, welche zuweilen deutlich als Kanälchen zu erkennen war, so dass der Ausläufer ein Röhrchen ^) darstellt. In den kleineren Eiern, welche noch ein mehrschichtiges Epithel hatten, waren meist die- jenigen Ausläufer am schönsten, welche von den der Zona unmittel- bar aufliegenden Epithelzellen herrührten. Zuweilen konnte man aber Ausläufer, welche Zellen aus den obersten Lagen des Epithels angehörten, als feine Röhrchen fast durch die ganze Granulosa hin- durch verfolgen.

Der Körper der Zellen der untersten Lage nun war da, wo er der Zona auflag, zuweilen vollkommen abgeflacht, Zellkörper und Fortsatz verhielten sich zur Zona wie ein Nagel mit breitem Kopf, welchen man durch ein Brett geschlagen hat'), eine Gestaltveränderung,

1) Ich weise darauf hin, dass ich auch die Ausläufer der Cylinderzellen des Darmkanals vom Frosch für ,,hohIe Röhrchen von unendlicher Feinheit" erklart habe. A. a. 0. 8. 138.

2) Diesen Vergleich macht schon Pflüger in Beriehong auf die be- schriebenen offenbar ähnlichen Verhältnisse am Katsenei, welche er zu der Mikropyle in Beziehung bringt. Er sagt a. a. 0. S. 113: „Einzelne dieser der Zona aufsitzenden Zellen senden spitze, zuweilen sich theilende Fortsätze in die Zona, welche bis zu verschiedener Tiefe eindringen, in einigen FäUen die- selbe unzweifelhaft durchbohren, um in die Eihöhle zu gelangen und den Dotter zu berühren. So sieht man dann die Zellen auf und in der Zooa sitzen wie tief in eine Wand eingetriebene, mit runden Köpfen versehene Nägel/^ Daraus und aus Anderem schliesst Pflüg er auf ein Hineinknospen von Granulosazellen in das Ei. Allein in meinem Falle handelt es sich zu- weilen um Zellen, bei welchen an ein Knospen nicht mehr zu denken ist, in-

Untersuchungen über die Eier der Reptilien. 415

welche unmöglich an den Granalosazellen entstehen könnte, wenn diese die Zona abscheiden würden. Dieselbe lässt sich aber erklä- ren, wenn man annimmt, die Zona bilde sich vom Ei aus und flache die Körper der mit Fortsätzen in der Dotterkaut steckenden Epi- thelzellen an deren untern Seite, durch in centrifugaler Richtung auf sie ausgeübten Druck ab.

Um zu sehen, ob und in wie weit sich die bei den Reptilien gewonnenen Ei^ebnisse auf andere, verwandte Thierklassen ausdeh- nen lassen, habe ich Untersuchungen amVogelei und an den Eiern zahlreicher Knochenfische gemacht.

An Follikeln des Huhns von bis zu 3 Mm. Durchmesser traf ich keine Haut, welche im Sinne der vom Reptilienei beschriebenen als Dotterhaut aufzufassen wäre, dagegen ist die zwischen Granu- losaepithel und Zona radiata (Waldeyer) liegende, von einer ge- wissen Zeit der Ausbildung des Eies an leicht nachzuweisende Mem- bran, welchen. A. von F. Gramer und Waldeyer abgebildet ist, offenbar homolog dem äusseren der 2 Häutchen, welche ich vom Reptilienei beschrieben habe.

Wie von den genannten Autoren richtig angegeben ist, wird das Fol- likelepithel des Hühnereies von Zellen hergestellt, welche in Beziehung auf Lagerung in der Weise mit einander abwechseln, dass immer die eine die Basis die andere die Spitze dem Ei zukehrt. Dass von 'den Grund- flächen der erstgenannten Zellen das fragliche Häutchen abgeschieden ist, wird besonders durch ein Verhalten offenbar, welches bisher nicht beobachtet zu sein scheint: es besteht dasselbe oft deutlich aus lauter einzelnen Stückchen, deren jedes der Grund- fläche einer Epithelzelle entspricht, während auf dem Querdurchschnitt gesehen, überall da kleine Lücken vorhanden sind, wo zwei jener Grundflächen nebeneinander zu liegen kommen. Jeder einzelne Abschnitt der Haut sieht geradezu wie eine Verdickung der Basis der Granulosazelle aus, welcher er anliegt fvgl. Fig. 7 u. 8). Wir haben also hier eine vollkonunene Homologie mit den Verhält- nissen vor uns, welche ich von dem Chorion der Ringelnatter be- schrieben habe, und auf welche wohl auch die oben citirte Aeusse- ruDg Waldeyer's über das Eidechsenei zu beziehen ist.

Die in Rede stehende Eihülle des Hühnereies ist also ein Chor ion.

dem dieselben offenbar schon der Resorption entgegengehen, wie dann ihr stark körniger Inhalt beweist.

416 Dr. Th. Eimer:

Zwischen diesem Ghorion und der Rindenschicht liegen die Ele- mente der „Zona radiata/' Dieselben sind, wenigstens an den grös- seren der von mir untersuchten Follikel, wie früher bemerkt, feine F&den, welche sowohl dem Chorion fest anzusitzen, als mit der Rio- denschicht innig zusammenzuhängen scheinen. Und zwar fägen sie sich an letztere in einer regelmässigen, scharfen Linie an. Vielleicht dass doch an der Grenze zwischen beiden eine mikroskopisch nicht nachweisbare Verdichtung des äiissersten Theils der Rindenschicht liegt. Oder dass später, an grösseren Follikeln als die von mir un- tersuchten sind, eine Dotterhaut hier noch entsteht^)? Oder endlicii, dass nur das Chorion sich später weiter entwickelt*)?

Ich beobachtete, dass die Zona „radiata'' an grösseren Eiern schmäler wird und es ist wohl zweifellos richtig, was Waldeyer sagt, dass dieselbe nämlich mit der Zeit schwindet. Ein solches Resorbirtwerden kann man auch an der Zona pellucida des Repti- lieneies verfolgen. Beide die „Zona radiata'' des Hühnereies und die Zona pellucida der Qbrigen Wirbel thiere sind wahrscheinlich iden- tisch. Dann aber wäre nicht wohl anzunehmen, dass in Beziehung auf die Entstehung beider verschiedene Gesetze walten.

£. van Beneden äussert freilich, es finde sich am Hühnerei nichts, was mit der Zona pellucida des Säugethiereies verglichen werden könnte. Die Eihülle des ersteren erklärt er, zufolge seiner erwähnten Ansicht über ihre Entstehung, wie schon bemerkt, für eine wahre Dotterhaut, die Zona pellucida des Säugethierdes dage- gen für ein Chorioü.

Nebenbei sei hier bemerkt, dass sich ausserhalb des Follikel- epithels, diesem dicht anliegend, beim Huhn sehr leicht eine beson- dere Haut, welche von Waldeyer Membrana propria folliculi ge- nannt, und welcher vielfach fälschlich die Rolle einer Dotterhaut zugeschrieben worden ist, nachweisen lässt.

1) E. van Beneden lässt in der That mit Gegenbaur einesolche aus der peripherischen Schicht des Dotters sich bilden. Gegenbaur wirft dage* gen S. 616 a. a. 0. die Frage auf, ob das Follikelepithel durch Abscheidnn^ einer homogenen Schicht um die von Seiten der aussersteu Lagen des Doi- ters gebildete Membran nicht eine zweite absetse, die dann mit ersterer aich vereinigt. Der Umstand, dass am reifen Ei des Huhns die Dotterbaut ans zwei ganz deutlichen ziemlich fest miteinander verbundenen Lamellen bestehe, lasse ihn einige Bedenken tragen, die gesammte Membran vom Dotter allein abzuleiten.

2) Diese Annahme entspricht der Ansicht von Waldeyer.

ürienachuiigen über die Eier der Reptilien. 417

In Beziehung aof den Inhalt des Hühnereies möchte ich anfüh- ren, dass ich zaiveilen auch hier deutlich eine Streuung der Rinden- schicht hahe sehen können, welche auf Ausläufer der FoUikelepithel- zellen wie beim Ringelnatterei zur&ckgef&hrt werden muss.

An in Osmiurosäure erhärteten Follikeln des Huhnes von 3 Mm. Durchmesser n^ar der Eiinhalt innerhalh der Rindenschicht gleichfalls wie dort in scharfbegrenzte Lücken zerklüftet, aber zu einem so schönen Maschennetz wie im Ringelnatterei traf ich die Zwischenräume zwischen den Lücken nicht ausgebildet.

Die Rindenschicht, welche sich mit dem Orösserwerden des Eies auch hier verschmälert, zeigte so wenig wie bei iesr Natter jene Lücken (vgl. die Abbildungen).

Endlich muss ich noch einen eigenthttmlich glänzenden Ring erwähnen, welchen ich zuweilen innerhalb der Rindenschicht antraf (Fig. 8), von welchem mir wegen der geringen Zahl der Untersu- chungen, die ich in dieser Richtung gemacht habe, zweifelhaft blieb, ob er der inneren Rinde des Ringehattereies homolog sei.

An den Eiern von zahlreichen unserer Knochenfische habe ich Einrichtungen in Beziehung auf die Eihüllen finden können, welche ganz denselben Grundplan erkennen lassen, nach welchem dieselben bei den Reptilien gebaut sind.

Die Zona ist hier bekanntlich meist sehr schön radiär gestreift, zuweilen, wie bei der Forelle, sehr breit. Gerade bei diesem Fische liess sich deutUch sehen, dass die Streifung von Stäbchen herrührt, welche radiär zur Oberfläche des Eies gestellt sind, und zwischen den Stäbchen konnten oft sehr schön auf dem radialen Durchschnitt der Zona die Poren erkannt werden, welche sich nach Zusatz von fremden Flüssigkeiten zuweilen dadurch zu Lücken erweiterten, dass die Stäbchen, während sie in ihrem oberen und unteren Theile zu- sammenhängend blieben, in der Mitte auseinanderbogen.

Aber auch eine feine Längsstreifung zeigte sich hier sehr oft und zuweilen äusserst deutlich. Und dass dieselbe der Ausdruck einer Flächenschichtung ^) ist, wird dadurch bewiesen, dass die ganze Zona

1) Yi^ Kölliker, Würzburger Yerh. Bd. a 1868. S. 86, wo eine solche Sohichftiing von Squalna argenieoB a. Abrenös br«ma erwftbni iit

418 Dr, Th Eimer:

sich geradezu in eiiuselne Blätter auflösen kann'), welche sich in verschieden grossen Zwischenräumen von einander abzuheben ver- mögen. Die einzelnen übrigens sehr feinen Blätter zeigen dann gewöhnlich ein welliges oder gezacktes Aussehen, entsprechend ih- rer Bildung aus Stäbchengliedern, oder entsprechend den Poren, von welchen sie während ihres Zusammenhalts durchsetzt werden.

Nach innen gegen das Ei zu ist die Zona stets scharf begrenzt. Es ist mir häufig gelungen, die Dotterhaut, von welcher die früher erwähn- ten Autoren sprechen, zwischen der Zona und dem Dotter sehr deut- lich zu sehen. Wenn man Eier frisch in Jodserum untersucht, so löst sie sich oft als feines Häutchen von der Innenfläche der Zona ab, spannt sich zwischen zwei Punkten derselben wie eine Brücke aus und drängt den Dotter von dieser ab (Fig. 13). Aber man kann sie zuweilen auch an unversehrten Eiern als feine, längs der Innen- fläche der Zona verlaufende Linie erkennen. Ich' sah diese Dotter- haut u. A. bei der Forelle, beim Hecht, beim Weissfisch, nnd sehr schön auch beim Karpfen, wo Kölliker nach seiner oben dtirten Aeusserung dieselbe offenbar gleichfalls gesehen hat, ohne jedoch über die Deutung des Gesehenen schlüssig zu werden.

Es äussert sich Kölliker, wie oben bemerkt, dahin, dass falls die Anwesenheit einer Dotterhaut unter der Zona bestimmt nachgewie- sen werden könnte, diese letztere als eine vom Ei als Zelle abge- schiedene Cuticularbildung betrachtet werden dürfte. Da die von diesem Forscher geforderte Voraussetzung erfüllt ist, meine Zeich- nungen mögen wohl allenfallsige Zweifel ausschliessen, so glaube ich die Entstehung der Zona pellucida nach demselben Modus, nach welchem sie bei den Reptilien statt hat, auch bei den Fischen an- nehmen und dieselbe also auch hier für eine vom Ei ausgehende Cuticularbildung betrachten zu dürfen.

Die Homologie in Beziehung auf die bisher geschilderten Ver- hältnisse ist bei beiden Thierklassen eine vollkommene. Aber die- selbe erstreckt sich noch weiter. Es ist schon von mehreren For- schem an der Aussenseite der Zona pellucida von Fischen ein Häut- chen beschrieben worden, welches sich zuweilen von derselben ab- löse*). Ich kann das Vorhandensein dieses Häutchens an den Eiern

1) Vgl. Remak. Müll. A. 1654, S. 254.

2) Nach Aubert, Z. f. w. Z. 1854 zeigrt die Hülle des reifen Heohteies, eine innere dicke und eine äussere dünne Lage, welche letztere, nachdem das Ei einige Zeit im Wasser gelegen, sich abhebe. Remak sagt (MälL A. 1854,

Ünienachnngon Aber die Eier der Reptilien. 419

von zahlreichen unserer Knochenfische bestätigen. Beim Hecht ist es schon am ganz frisch untersuchten Ei sehr deutlich zu sehen. Es zeichnet sich hier dadurch aus, dass seine äussere Grenze zwar eine gerade, scharf begrenzte Linie darstellt, die innere, sich an die Zona anschßessende, dagegen unregelmässig, wie weUenförmig ge- bogen ist Es vermag sich dieses Verhalten zu erklären, wenn man unterhalb des Häutchens auf der Oberfläche der Zona ebenfalls Grüb- chen vorhanden annimmt, in welche sich in regelmässigen Abständen verdickte Abschnitte jenes Häutchens hineinlegen.

An den Eiern anderer Fische traf ich dieses Häutchen im opti- schen Durchschnitt als regelmässige^ scharf- und doppeltbegrenzte Linie. Dasselbe hebt sich, besonders nach Zusatz fremder Flüssig- keiten, oft streckenweise von d^er Zona ab, gleich der Dotterhaut; es ist aber stets etwas dicker als diese wiederum ein Verhalten ganz wie ich es vom Ringelnatterei beschrieben habe.

Ich möchte auch hier das geschilderte Häutchen als Chorion ansehen.

Es ist an den Eiern von Fischen, zuerst von Lereboulett 0 und von Johannes Müller^) beim Barsche, eine besondere Art von Hülle beschrieben worden, welche als Eikapsel öder als zweite oder äussere Eihülle bezeichnet worden ist. Diese Eihülle besteht nach Müller aus Röhrchen, welche radiär auf die Oberfläche der

S. 254): An der Aussen- und an der Innenfl&che der Zona peUucida von Eiern , welche wahrscheinlich vom Gründling (Gobio fluviatilis) herrührten, habe sich nach längerem Einlegen in einer Mischung von doppeltohrom- saurem und doppeltschwefelsaurem Kali ein Blatt von kaum Veoo Linie Dicke ablösen lassen. Leuckart spricht (Müll. A. 1856, 8.260) von einer äusse- ren membranartig festen Begrenzung der Zona peUucida. Xölliker be- merkt (Würzb. Yerh. Bd. 8. 1858, S. 84) : «^Es markirt sich an der Dotter- hant bei allen Fischen eine äussere resisteniere dünnere Schicht, welche selbst die Streifiing noch bewahren kann, während die inneren Theile voll- kommen erblasst sind. An unveränderten Dotterhäuten beträgt diese Lage 0,0003 0,001"', aufgequollen das Doppelte und mehr, üebrigens habe ich diese Lage auch an frischen Eiern beim Hecht von der übrigen Dotterhaut isolirt erhalten und bei Perca war dieselbe auch an Chromsäurepräparaten sehr deutlich zu sehen."

1) A. a. 0.

2) MüU. A. 1864. Vgl. auch Leuckart, ebdas. 1866, S. 268 ff., Leydigy ebdas. 1855, S. 476. Reichert, ebdas. 1856.

420 Dr. Th. Eiin«r:

Zona gestellt sind. KOlliker^) hat nachgewiesen, dass diese Bdhr- chea aus den Granulosazellen sich hervorbilden. Dieselben stellen, wie ich mich überzeugt habe, in voller Ausbildung Trichtercheo dar oder Trompeten, welche sich mit den nach auswärts gerichteten Schallstücken berQhren (Fig. 9 u. 10). Diese Trichterchen sind offenbar den merkwürdigen ähnlichgestalteten Bildun- gen gleichzusetzen, weicheich vom Eid er Ringelnatter') beschrieben habe, den Trompeten, welche auch dort aas den Zellen der Granulosa sich entwickeln, und wir haben hier vielleicht die interessanteste Homologie zwischen Fisch- und Reptilienei vor uns, von welcher ich reden kann. Kölliker hat die Trichterchen des Barscheies Saftröhralien genannt, weil er denselben eine besondere Rolle für den Stoffwechsel der Eier zuschrieb. Und Remak sagt von den Röhrchen: „Sie scheinen von einer dicklichen (eiweissartigen ?) Masse erfüllt zu sein, denn beim Druck tritt diese zuweilen wie ein abgerundeter Pfropf oder wie ein Gylinder aus dem Trichter hervor. Durch Kochen des Eies und Behandeln mit Chromsäure scheint der Inhalt der Rohren zu gerinnen, und hin und wieder sieht man dann Unter- brechungen des Inhalts in den Röhren. Wenn man die frischen Eier bis zum Zerreissen der Dotterhaut comprimirt, so ereignet es sich oft, dass die öligen Theilchen des Dotters bis in die Röhrchen und bis hinaus aus ihre äusseren Oeffnun- gen getrieben werden, man sieht dem Durchquellen des Oels durch die Röhrchen zu.... Dagegen dringt nichts zwischen die Röhrchen.*'

Ich habe schon im letzten Artikel die Trompeten des Ringel- nattereies Becberzellen genannt. Es sind in derThat beide, die Trichter des Ringelnattereies wie diejenigen des Barscheies nichts anderes als Becherzellen eigenthüm- lieber Art.

Nun habe ich früher erklärt^), dass die Becherzellen überall, wo sie vorkommen, von einer bestimmten Zeit ihrer Ausbildung an,

1) V\rürzb. Verh. Bd. 8, 1858.

2) loh bemerke hier, dass ich AndeatuDgen einer beginnenden Trichter- büdung in seltenen Fällen auch an den Follikelepithelzellen der gronen Eidechse traf.

8) Vgl. rxL laaag.-Dissert. ,^ar Geschichte derBecheneUen'^ 1867. Berlin. Hirschwald, 1868, and „Ueber Bechersellen^S Yirch. Arch. Bd. XIAl 1868.

üntersachnngen ftber die ESer der Reptüieii. 421

nachdem sie ihren Inhalt ausgeworfen haben, hohle Schläuche mit relativ dicken Wänden, Intercellularschläache, wie ich sie einmal nannte, darstellen, welche die Oberfläche, specieU der Schleimhäate, mit dem Parenchym in offene Verbindung setzen^). Ich versuchte sogar eine Ausscheidung von Stoffen aus dem KSrper durch sie auf experimentellem Wege direct nachzuweisen.

Kurz, ich war der Ansicht, es möchten die älteren Beeherzellen als AusmQnduni^röhrchen des Lymphgefässsystems fungiren, und ich gebrauchte die Bezeichnung Stomata für ihre Mttndungen auf der Oberfläche der Schleimhäute, weil ich diese für die Analoga der ebenso genannten Löcher hielt, welche zwischen den Endothe- lien vorkommen.

Es ist dem Obigen zufolge Gebilden, welche wir heute als Becherzellen ansprechen müssen, durch ihre Bezeichnung als Saft- röhrchen schon lange vor mir eine derjenigen ähnliche Bedeutung zuerkannt worden, welche ich ihren Verwandten ertheilen wollte, und schon Remak's Angaben weisen auf eine solche hin.

Um die Beziehungen zwischen den bisher als solche bekannten Becherzellen und den Trichterzellen des FoUikelepithels in da^ rechte Licht zu setzen, verweise ich auf die von mir getreu nach der Natur gezeichneten Abbildungen der ersteren in Fig. 11 bis 14 von Taf. Xn, Bd. XUI von Virchow's Archiv.

Der Aussenfläche der Zona pellucida besser des Ghorions zahlreicher Fische sitzen bekanntlich in mannigfacher Anordnung, Grösse und Anzahl eigenthümliche zottenartige Erhebungen auf'). Reichert rechnete diese Zöttchen zur zweiten EihflUe, Kölliker dagegen erklärte, dass sie nichts anderes seien, als eine äussere Lamelle der porösen Dotterhaut. Ich muss beiden Ansichten wider- sprechen: Die Zöttchen sind nichts Anderes als Dotter- masse, welche durch die Poren der EihQlle hindurch aus dem Ei herausgetreten ist'), sich nun in Form von

1) Die Yenchiedenheiien einer soloheD Aa£Gu8img von derjenigen Letxe- rich's in anatomischer wie in physiologischer Beziehong ergeben sich schon aus meinen Arbeiten von selbst. Vgl. aach das Folgende.

2) Zaerst von J. Müller gesehen (a. a. 0. 1854).

3) Kölliker beschreibt (a. a. 0. S. 86) die Zöttchen von Oobio flaria- Ulis als Gebilde von fetUhnlichem Ansehen^ die mit leicht verbreitertem Ende in der äasseren Lamelle der porösen Dotterhant woneln. Bei Gkisterosteas aber stecken sie mit einem Stiel in der Dotterhaut. Sie schrumpfen auf

422 Dr. Th. Eimer:

Tröpfchen an die Aussenfläche des Chorion anhängt und dort viel- leicht mit den EihüUen nach und nach eine härtere Beschaffenheit annimmt. Zuerst aber sind die Zöttchen einfach weiche Dotter- tropfen, welche an frischen jüngeren Eiern ganz das Aussehen von körnerlosem Dotter haben.

Es ist mir gelungen, zu sehen , wie solche Zöttchen sich bilde- ten und verschwanden : ich beobachtete, wie ein sehr niedriges Zött- chen allmählig sich vergrösserte , indem es offenbar geradezu aus der EihüUe herausquoll. Denn znletzt zog es sich am inneren Ende in einem stielartigen Fortsatz aus, welcher Anfangs noch in einer der Poren der Zona stak, bis er endlich ganz aus derselben her- austrat. Das jetzt freigewordene Zöttchen nahm nach und nach wieder die Form eines Dottertropfens an, indem es seinen Fortsatz allmählig einzog.

Uebrigens wird schon die Form und die verschiedene Grösse der Zöttchen darauf hinweisen , dass die gegebene Erklärung ihrer Natur richtig ist: immer trifft man in Beziehung auf Form and Grösse alle Stufen nebeneinander, welche hervorgequollene Tröpf- chen ;^igen müssen.

Am Ei des Barsches traf ich auch Tröpfchen am Fuss der Saft- röhrchen auf der Aussenfläche des Chorion (vgl. Fig. 9 u. I0),was ich ge- genüber der oben wiedergegebenen Angabe R e m ak ' s bemerken muss.

Ich habe gezeigt, dass aus dem Beptilienei Dotter nach aussen durch die Eihüllen und selbst durch die Granulosa durchtritt Wir haben also hier bei den Fischen ein ähnliches Verhalten. Ob hier dieselben Zöttchen zeitlebens auf der Eihttlle aufsitzen bleiben , am zuletzt vielleicht zu erhärten, oder aber, ob sie als Tropfen nach der oben beschriebenen Art beständig abfallen, tun durch neue er- setzt zu werden, so dass ein beständiges Durchsickern von Dotter durch die Eihüllen stattfindet, vermag ich nicht zu sagen, aber nach dem, was ich vom Reptilienei schon berichtet habe und noch zu berichten haben werde, scheint mir die zweite Annahme vorzu- ziehen zu sein.

Wahrscheinlich ist mir , dass sie den Zweck haben , die Poren von einer gewissen Zeit an zu verstopfen, wohl um den Eintritt des

Zosais von EaU. Ebenso nennt Reichert (Müll. A. 1856, S. 95) die ZöU- oben fetiähnlioh. Sie seien zähe, so dass sie sich bei Zerrung fadenförmig ansziehen. Zuweilen ziehe sich nur ein Ende fadenförmig aus und hafte an der Eihülle, wahrend das andere, freie, knopfformig angeschwollen sei.

Ünteraaohangen über die Eier der Reptilien. 423

Wassers in die Eier zu verhindern, nachdem dieselben abgelegt worden sind^-

Ein wechselweises AbfaUen der Zöttchen könnte zugleich die Respiration erleichtem.

Wenden wir uns auf Grund der bisher gegebenen Thatsachen nun zur Erörterung der Eingangs bertthrten Fragen, so ergibt sich zunächst, dass mir meine bisherigen Untersuchungen weder bei den Reptilien, noch bei den Vögeln, noch bei den Fischen Anhaltspunkte far die Auffassung gegeben haben, nach welcher das meroblastische Ei in der Weise durch peripherische Apposition wächst, dass Fol* likelepithelzellen sich direct in Dotterelemente umwandeln. Auf diese Art gebildete Dotterzellen sollen nach His selbst in die Zu- sammensetzung des Embryo eingehen.

Aber es scheint mir nicht, dass sich der Keim auf so , ich möchte fast sagen, rohe Weise äusserer Hülfe versichere.

Das Ringelnatterei von IV2 Mm. Durchmesser hat oft schon eine deutliche Dotterhaut und ein Chorion ; bald erhält es eine dicke Zona pelludda. Follikelepithel und Dotter sind von nun ab durch mehrfache Schranken geschieden. Es hat das Ei aber jetzt noch weitaus den grössten Theil seines Wachsens vor sich, denn es wird über 2 Centimet«r lang.

Bildungen, welche auf Uebergänge zwischen Follikelepithel und Dotter hindeuten könnten, sind nirgends zu bemerken, und ich würde in der That an solche zu denken niemals veranlasst gewesen sein, wenn nicht das Wachsthum des Eies von anderer Seite durch eine entsprechende Annahme zu erklären versucht worden wäre.

Es ist nachgewiesen, dass das Follikelepithel beim Huhn ein« schichtig ist und bleibt. Dasselbe ist der Fall bei den Schildkröten. Am Ei der meisten übrigen Reptilien ist es zwar mehrschichtig. Aber die dem Chorion mit ihrer Basis zugewendeten Zellen bleiben zeitlebens mit derselben scharfen Linie von den EihüUen abgesetzt.

1) Ich eriniierQ daran, daiiB an den Eierschalen von Wasservögeln Vor- richtungen vorhanden sind, welche wahrscheinlich dazu dienen, die Poren ge^en das Eindringen von Wasser zu verschliessen (vgl. G. Landois, Z. f. w. Zool, Bd. Xy, und W. v. Kathusius, ebdas. Bd. XYIII). Nach Lan- d o i 8 ist die Oberhautschicht der Eier entenartiger Vögel zu diesem Zwecke mit flüssigem Fett imprägnirt.

M. achidtae, ArebiT f. mikrock. Aiwtomto. Bd. 8. 28

424 Dr. Th. Eimer;

Dasselbe ist beim Hühnerei der Fall. Es nimmt zwar das mehr- schichtige Epithel der Reptilieueier eine Zeit lang an Dickendurch- messer zu. Allein diese Breitenzunahme muss, wie früher bemerkt, auf Rechnung einer Vergrösserung der Zellen, besonders derjenigen der mittleren Lage, gesetzt werden.

Den entscheidendsten Beweis gegen eine Umwandlung von Granulosazellen in Dotter geben aber die langen Fortsätze ab, mit welchen jene in das Innere des Ringelnattereies hineinragen and ihre Umbildung in Trichterzellen. Denn die Fortsätze zeigen, dass dieselben Epithelien, welche an kleinen Eiern vorhanden sind, auch den grossen noch aufsitzen, und die Trichterzellenbildung zeigt, dass diese selben Zellen später sich nach aussen öffnen und ausser- halb des Eies zu Grunde geben.

Dass die centralen Theile des ReptiUeneies bei dessen Wachsthum eine äusserst wichtige Rolle spielen, das möchten die Thatsachen beweisen , welche ich im vorigen Artikel angefühlt habe. Hier im Ceiitrum des Organismus befindet sich der Herd einer kolossalen Stoffumbildung, deren Erzeugnisse sich über alle Bezirke desselben verbreiten ^). Vielleicht dass Ablagerung von im Gentrum gebildetem Dotter zwischen die Granulosazellen und an der inneren und äusse- ren Seite der Granulosa auch bei Vögeln His zu den bekannten Schlüssen geführt hat^). Jedenfalls gelangt bei ReptiUen niemals

1} Es finden sich Angaben bei Clark, welche darauf hinweisen, dass er einige Stadien der centralen Dotterbildung beobachtet hat. Seite 461 spricht er von sieben oder acht grossen, hellen Eiweisskugeln, die im Ei der Schildkröte auftreten, nachdem dssselbe eine gewisse Grösse erreicht hat. Dieselben sollen von der homogenen Masse herrühren, aus welcher, wie er beschreibt , die eine H&lfte des jungen Eies noch bestehe , nachdem die an< dere längst von kömiger Dottermasse erfüllt sei. Die Abbildung Taf. YIII, Fig. 16 zeigt aber deutlich, dass wir es mit Theilen von centrogenem Dotter zu thun haben. Seite 462 sagt Clark femer, dass Eier von Vsi ^^ Durchmesser zuweilen gefleckt seien durch rundliche , helle, hyaline, aus eiweissartiger Substanz bestehende Kügelohen , welche , wie Fig. 16, a und 16, b derselben Tafel zeigen, gleichfalls Theilstücke von centrogenem Dotter sein dürfbea VieUeicht gehören auch Fig. 18, a und Fig. 19, und die Be- merkungen über einen „todt-weissen" Ring um das Keimbläschen a. auf Seite 459 und 460 hierher.

2) Die Fig. 4, c der Taf. II des His'schen Werkes scheint zu dieser Vermuthung zu berechtigen. Dieselbe entspricht nämlich durchaus der oben citirten Figur 7 von Clark: Die albuminösen Kugeln von Clark

üntenachnngan über die ESier der Reptilien. 425

Dotter, wie das His von den Vögeln beschrieben hat, von der Peripherie des Eies nach dem Centrum , sondern es findet hier eine gewaltige Dotterwanderung in umgekehrtem Sinne statt

Eine andere Frage ist die, ob das Follikelepithel nicht etwa dadurch, dass seine Zellen sich direct in Dotterelemente umwan- deln, sondern durch Abscheidung 0 einen Antheil an der Dotter- bildung nehme.

Waldeyer möchte die Entstehung der ganzen Rindenschicht auf Rechnung einer solchen Abscheidung von Seiten des Follikel- epithels setzen. Die von diesem herstammenden Stäbchen der Zona radiala sollen zu den Körnchen der Rindenschicht zerfallen. Er überträgt die am Hühnerei gewonnenen Ergebnisse auch auf die- jenigen der Reptilien. Hier ist aber eine Yergrösserung nach sol- chem Modus nicht möglich, nachdem einmal die Dotterhaut gebildet ist, und auf dieser lagert sich ja die Zona, durch deren Zerfall spä- ter die Rindenschicht entstehen soll, erst ab. Die Rindenschicht ist bei den Reptilien und auch bei den Vögeln schon lange vor dem Entstehen der Zona vorhanden.

und die Paralecithkageln von His sind diesen Figuren nach dasselbe und beide sind wohl wieder identisch mit meinen Dotterschorfen, also Thei- len des centrogenen Dotters, während nach H i s die Paralecithkngeln vom Granulosaepithel abstammen sollen. Ich bemerke hier, dass ich sehr häufig auch ausserhalb der Granulosa aus dem Centrum des Eies stammenden Dot- ter bei der Ringelnatter traf wie His die Paralecithkngeln gleichfalls auch ausserhalb der Granulosa beim Huhn trifft.

1) Stricker hat (vgl. a. a. 0.) einmal beobachtet, dass einzelne direct auf dem Dotter aufsitzende Epithelzellen (beim Huhn) auf ihrer Basis bläs- chenähnliehe Dotterelemente trugen, wie sie um dioselbe Zeit den ganzen Dotter durchsetzen. Er hält diese Dotterelemente für ein Produkt des Fol- Ukelepithels und schliesst, dass dieselben an solchen Stellen in den Dotter hincingelangen, „wo die Dottermembran defect ist oder defect wurde in Folge oder im Laufe des Wachsthums des Eies." Darauf muss sich der Passus bei Waldeyer (a. a. 0. S. 63) beziehen, wonach Stricker an einzelnen Stel- len der Dotterhaut Lücken beschreibe, durch welche die Elemente des Fol- Uk^epithels durchtreten können. Ich habe nun nie etwas gesehen, was die Anschauung Stricker's von einer Thei Inahme des FoUikelepithels nach Art eines direct Dotter secemirenden Apparates, wie sie aus dessen Angabe ge- folgert werden müsste, rechtfertigen könnte. Ebensowenig dürfte eine de- fecte Dotterhaut an einem vorsichtig behandelten Objecto zu beobachten sein. Dagegen müssen in der Zona und Dotterhaut, z. B. bei Goronella

426 Dr. Th. Eimer:

Es ist im vorigen Artikel auszuführeD versucht worden, das die Rindenschicht nichts anderes sei als der Ueberrest des Ursprung- liehen Eiprotoplasmas, welcher noch nicht in Dotter verwandelt ist. £s ist gezeigt worden, dass sie mit dem Wachsen des Eies nicht breiter, sondern schmäler wird, femer, dass der Raum zwischen in- nerer Rinde und Dotterhaut mit jenem Wachsen gleichfalls nicht an freite zunimmt Endlich ist gezeigt worden , dass die Entfer- nung der FettkOmchenschale , welche sich im Ei der meisten Rep- tilien und auch in denjenigen des Huhns schon vor dem Entstehen der Dotterhaut findet, dass die Entfernung dieser Schale von der Dotterhaut auch späterhin constant bleibt.

Zu alledem kommt noch das Binnenepithel, welches ich schon an weniger als 3 Mm. im Durchmesser haltenden Follikeln der Rep- tilien gefunden habe 0 ? und welches an gelegten Eiern noch vor- handen ist.

Und wie wächst das Ei, nachdem das Follikelepithel der Re- sorption verfallen ist? Ich traf dieses aber z. 6. bei Goronella laevis schon an Follikeln von 4 Mm. fast geschwunden, während doch die Eier dieses Thieres fast eben so gross werden, wie die- jenigen der Ringelnatter.

Pflüger hat bekanntlich am Katzeuei einen äusseren and einen inneren Dotter unterschieden; mit letzterer Bezeichnung be- legte er einen Hof von zuerst hyaliner Masse, weicher das Keim- bläschen umzog. Waldeyer fasst, wie Eingangs bemerkt, auf Grund dieser Thatsache auch das Säugethierei als zusammengesetz- tes Gebilde auf, indem er annimmt, dass der äussere Dotter Pf lä- ger's vom Granulosaepithel abgeschieden sei.

Aber meine Beobachtungen über den centrogenen ') Dotter des Reptilieneies dürften die Richtigkeit jener Schlussfolgerung zum Mindesten zweifelhaft machen, zumal da P flüger ^) selbst durch seine Entdeckung veranlasst wird, von der Möglichkeit des Vor- handenseins eines Nahrangsdotters auch im Säugethierei zu sprechen.

Es werden also fernere Untersuchungen darauf gerichtet sein

laevis, nach meiner oben gegebenen Beschreibung ziemlich grosse natür- liche Lücken entstehen mit dem Schwinden des Follikelepithels (rgl. Fig. 6).

1) Clark &nd es, wie bemerkt, an noch kleineren.

2) 'Wie ich den im Mittelpunkte des Eies entstehenden Dotter fortao nennen will.

8) A. a. 0. S. 79.

Untersuchungen über die Eier der Reptilien. 427

müssen, ob nicht jener innere Dotter des Eatzeneies in der That auf diejenigen ähnlichen Processe im Säugethierei hinweise, welche ich aus dem Ei der Reptilien beschrieben habe^.

Auf welche Weise und in welchem Grade eine active Theil- nahme der Granulosazellen an der Dotterbildung meiner Meinung nach vielleicht denkbar wäre, davon wird später gehandelt werden.

Für eine solche active Theilnahme von wesentlichem Belang scheinen mir aber keine vollgültigen Beweise vorzuliegen.

Das gewaltige Wachsen speciell der meroblastischen Eier setzt einen ungeheuren Stoffwechsel voraus, zu dessen Unterhalt allerdings beständig Material von Aussen aufgenommen werden muss').

Das Wachsen des Eies ist im Wesentlichen auf Rechnung einer Assimilation von Ernährungsmaterial zu setzen, welches direct aus dem Kreislauf bezo- gen ist.

Es wächst das Ei nicht nach anderer Art wie jede Zelle wächst, nur in anderem Masse.

Die Umsetzung des aufgenommenen Rohstoffes ge- schieht hauptsächlich im Mittelpunkte des Eies, von hier, von der Gentralwerkstätte aus, werden die aus ihm gearbeite- ten Produkte über dessen ganzen Bereich verbreitet

Vielleicht gehen ähnliche Vorgänge mit dem Stoffwechsel in jedem Ei, in jeder Zelle Hand in Hand.

Man hat mehrfach in Zellen eine Bewegung des Protoplasma von der Peripherie nach dem Kern und im umgekehrten Sinne be- obachtet Und Kolli k er hat schon in Rück^cht auf die poren- führende Keimbläschenmembran, welche er bei Gadus Iota fand, und

1) Hält man zu den Angaben Pf lüger 's vom inneren Dotter die Fig. 2, Taf. I der Entwiokelnngsgeschichte des Kaninchens von Bischoff, wo ein Kaninohendotter mit „fleckigem Aussehen'' abgebildet ist, welche Abbildung auffallend mit den oben citirten von Hie und Clark übereinstimmt, und wie diese mit den meinigen leicht auf dasselbe Object «urüclauführen ist, so tritt die Vermuthung sehr nahe, dass der centrogene Potter ein allgemeines Vorkommen sei.

2) R van Beneden sagt in Rücksicht auf die Bildung des Nahrungs- dotters: „L'oeuf cellule protoplasmatique vivante, est baignee par le liquide nourricier, qui impr^gne tous les tissus; il peut puiser dans ce liquide les materiaux dont il a besoin pour elaborer ces matieres nutritives, tout comme ane cellule salivaire pulse dans le liquide nourrider les matiöres dont eUe doit former son produif

428 Dr. Th. Eimer:

in Rücksicht auf den radiär-röhrigen Bau des Nahrungsdotters vom Hechtei, wie er von Reichert") beschrieben worden ist, die Frage aufgeworfen, ob sich der Säftestrom in den Zellen nicht innerhalb radiärer Bahnen bewege.

In der streifigen Umhüllung des Keimbläschens, welche ich beim Ringelnatterei gefunden habe zu einer Zeit, wo das Keim- bläschen noch eine centrale Lage hatte, dürfen wir wohl eine weitere hierher gehörige Thatsache erkennen. Gleichzeitig hat Oellacher^) im Forellenei eine Bildung getroffen, welche er für eine porenhaltige Hülle des Keimbläschens anspricht.

Sei dem wie ihm wolle, jedenfalls ist das Wachsthum des Rep- tilieneies ein centrifugales.

Diesem Satz scheinen mir auch die langen Fortsatze des Folli- kelepithels nicht zu widersprechen. Entweder sind dieselben in ihrer ganzen Länge in das Ei hineingesprosst, oder sie sind, da sie durch die Poren etwas in das Ei hineinragten, bei der Vergrösse- rung desselben zu grösserer Länge gewissermassen ausgezogen worden.

Welcherlei Einrichtungen sind nun aber gegeben, um der grossen Menge von Emährungsmaterial, deren das Ei zu diesem Wachsthum bedarf, den Eintritt in dasselbe zu ermöglichen?

Es sind meiner Ansicht nach die mit ihren Fort- sätzen in den Dotter hineinragenden Follikelepithel- Zellen, welche eine Zeit lang die Wege für das Ernäh- rungsmaterial des Eies abgeben.

Mit demSchwinden der Granulosazellen werden die Poren der Eihüllen frei, in welchen jene Fortsätze steckten, und jetzt sind offene Kanälchen zum Zweck der Ernährung und Abscheidung gegeben.

1) Müll. A. 1867. Mao vergl. aaoh Pflüger a. a. 0. S. 79, wo dem inneren Dotter des Katzeneies eine strahlige Beschaffenheit zageschrieben wird : man sehe, sagt P f 1 ü g e r , wie Fortsätze mit scharfer Abgrenzung an verschiedenen, doch nicht an zahlreichen Stellen von dem inneren Dotter ausgehen und bis zur Zona pellncida reichen. Man könnte dies, äussert er weiter, auch so auffassen, dass man sagt, es bestände im Ei um das Keim- bläschen eine Höhle, welche durch radiär verlaufende, sich allmählig veijüD- gende Kanäle mit der Zona pelluoida zu communiciren scheint.

2) Dieses Arohiv Bd. YHI, S. 1.

UntersuchuDgeD über die Eier der Reptilien. 429

Die Trichterzellen stellen, wo sie vorkommen, solche Eanälchen schon her so lange das Follikelepithel noch vorhanden ist.

Es spielt das Epithel u. a. im Darmkanal nachweislich die Rolle eines Filtrationsapparates, indem dasselbe bestimmte Stoffe durch sich hindurchtreten lässt, andere zurückhält.

Ob nun die Granulosazellen nach Analogie solcher Epithelien nach Auswahl Stoffe aufnehmen, um sie wieder an das Ei abzu- geben, dürfte schwer zu entscheiden sein. Dennoch wird man vor- aussichtlich nicht allzusehr in die Ferne schweifen , wenn man die Thatsachen , welche die Resorptionsthätigkeit gerade des Darmepi- thels an die Hand gibt, wenigstens theil weise hierher zu übertragen versucht *).

Die protoplasmatischen Granulosazellen dienen wohl nur der Zufuhr, die Saftröhrchen und die Poren aber auch der Ausscheidung von Stoffen.

Es muss demnach dem Follikelepithel eine grosse Bedeutung für das Wachsthum des Eies zugeschrieben werden. Es fragt sich aber, ob es an demselben nicht doch noch einen mehr activen An- theil nimmt, ob es nämlich nicht, nachdem es seine Rolle als Lei- tungsapparat für Zufuhr und Abfuhr und vielleicht als Filtrations- apparat erfüllt hat, durch die Poren der Eihüllen, bezw. durch die eigenen, in den Poren steckenden Fortsätze, welche Röhrchen darstellen, vom Ei gewissermassen

l) Die Cylinderzenen des Darmkanals lassen bekanntermassen zwar sehr leicht Fett durch, sehr schwer aber irgend welche der Ernährung nicht die- nende Dinge, z. B. die feinen Kömchen gefutterter Farbstoffe. Obgleich an- dererseits die Becherzellen dem Darmlumen offene Mündungen zukehren, so tritt während der Verdauung doch niemals Fett in sie hinein. Dieses nehmen die geschlossenen protoplasmahaltigen Cylinderzellen auf. Aus beiden Grün- den müssen besondere physikalische (?) Beziehungen zwischen dem Proto- plasma der letzteren und dem Fett vorhanden sein, welche dessen Aufoahme bedingen (vergl. m. Aufsatz : .,Die Wege des Fettes in der Darmschleimhaut bei seiner Resorption'* in Virch. A. Bd. XLVIII, S. 164 ff.). Wahrscheinlich ist aber, dass die Becherzellen, nachdem sie einmal zu Saftröhrchen gewor- den sind, doch in ausgedehntem Masse der Resorption dienen und zwar in gleicher Weise überaU, wo sie vorkommen, nicht allein im Darmkanal, indem sie vieUeicht den raschen Eintritt von wässerigen Flüssigkeiten in's Gewebe gestatten; und möglich ist, dass auch den TrichterzeUen des f'ollikelepithels demnach eine besondere Bestimmung dieser Art zukommt, abgesehen von derjenigen für die Excretion.

432 Dr. Tb. Eimer:

sich auf Alkoholpräparate beziehen, ausser da, wo dies ausdrücklich bemerkt ist, und auch dann nur hülfsweise; ich habe vielmehr da, wo Durchschnitte an Eiern nöthig waren, um zu einem Einblick in deren inneren Bau zu gelangen, immer die Osmiumsäure als Er- härtungsmittel angewendet, ein Reagens, welchem man gewiss nicht den Vorwurf wird machen können, dass es rohe Veränderungen im obigen Sinne hervorrufe.

Im speciellen Falle fixirt, erhärtet dieses Reagens einfach die Ueberreste des Eiprotoplasmas, welche zwischen den auf Kosten des letzteren gebildeten Dotterelementen übrig sind. Denn au frischen Eiern kann man die dem Netz zu Grunde liegende Anordnung des weichen Protoplasmas leicht wieder erkennen. Später aber, wenn das Protoplasma bis auf feine Fäden aufgezehrt ist, haben diese auch im frischen Ei eine ziemliche Resistenz, und man findet Bruch- stücke des Netzes, welches sie bilden, auch hier.

Dass wir es im Maschennetz nicht mit einer die natürlichen Verhältnisse verzerrenden Gerinnung des Protoplasmas zu thun ha- ben, möchte der Umstand zeigen, dass dasselbe nie da auftritt, wo sich der Dotter noch nicht zu bilden angefangen hat, so trifit man es anfangs nur im Centrum des Eies. In der Rindenschicht habe ich es selbst nach deren Umwandlung in Dotter nicht beobachten können, es grenzte sich vielmehr stets äusserst scharf gegen dieselbe ab (vergl. Fig. 16)«).

Dass vorübergehend und auf bestimmte Gegenden beschränkt im Ei eigenthümliche Gonsistenzveränderungen des Protoplasmas entstehen können, beweist das Auftreten der so merkwürdigen i n - neren Rinde, welche ich mir bis jetzt wenigstens nicht anders als durch solche entstanden denken kann.

Die successiven Veränderungen, welche das Maschennetz Hand in Hand mit der Vergrösserung der Dotterelemente erlitt, haben den Beweis geliefert, dass letztere wirklich auf Kosten des Eiproto- plasmas entstehen.

Ausserdem aber scheint mir dasselbe nicht unwichtig zu sein für die Beurtheilung der Fadennetze, welche man an erhärteten

1) Ich sage dies besonders auch mit Beziehung auf die über die in- nere Rinde auf Seite 228 gemachte Angabe.

2) Vielleicht bezieht sich die Stelle bei Clark auf Seite 461, wo er von sponge-like meshes im frischen Schildkrötenei spricht, auf die hier behandel- ten Dinge.

üntenuoliuDgen über die Eier der Reptilien. 438

Präparaten anderwärts trifft (Retina '), graue Substanz der Central- Organe des Nervensystems, sogen. Winterscblafdrflsen der Säuger*).

Die Umwandlung des Keimbläscheninbalts endlich, welcbe icb im vorigen Artikel beschrieben habe, deutet, wie ich annehmen muss, auf dessen Untergang im Ei der Ringelnatter hin. Und zwar er- leidet dasselbe jene Veränderungen jeweils sehr frühe, denn ich traf dieselben schon in Follikeln von 2,5 Mm. Dickendurchmesser. Es mass also hier das Keimbläschen lange vor der Befruchtung zu Grunde gehen ').

Die Angaben Oellacher's, welcher das Keimbläschen im Fo- rellenei ebenfalls schon vor der Befruchtung schwinden lässt, und die meinigen bestätigen sich gegenseitig in Beziehung auf diese Frage, welche von Einfluss sein muss auf die weitere , ob und wie lange die Eier mit partieller Dotterfurchung als Zellen zu betrach- ten seien.

Nach dem Vorstehenden kann ich das Reptilienei nicht als zu- sammengesetztes Gebilde im Sinne Wald ey er 's auffassen.

Das Follikelepithel nimmt an seiner Vergrösserung keinen nach- weisbaren activen Antheil. Es wächst wie jede Zelle oder wie jeder selbstständige Organismus wächst, durch Assimilirung von aussen aufgenommenen Ernährungsmaterials.

Es scheidet auch Stoffe aus, und vielleicht darf diese Ausschei- dung gleichfalls verglichen werden derjenigen selbstständiger Orga- nismen.

Aber es ist das Reptilienei auch nicht zeitlebens eine einfache Zelle, wie G e g e n b a ur will.

Nachdem das Binnenepithel in ihm entstanden ist, muss es als Zelle mit endogener Brut betrachtet werden.

Nun scheint aber das Binnenepithel auch in holoblastischen Eiern vorzukommen, vielleicht sogar im Säugethierei , wie gewisse Bemerkungen Pflüger's vermuthen lassen möchten^). Es muss

1) Bes. M. Sofa u Uze, Obs. de ret. struct. pen. Bonn 1869.

2) Vgl Hirzel und Frey, Z. f. w. Zool. Bd. XII, Taf. XII. Fig. 4, d u. 8. 172. Hier liegen die Fett tropfen des Organs in dem Gitterwerke von Fäden.

3) In diesem Punkte widersprechen sich die Ergebnisse, welche £. van beneden erlangt hat, und die meinigen, denn £. van Ben e den ist der Ansicht, dass das Keimbläschen in keinem Ei schwinde.

4) Vgl. Pflüger a. a. S. 115.

434 Dr. Th. Eimer: Untersuchimgen über die Eier dar ReptiUen.

der Zukunft vorbehalten bleiben, zu entscheiden, ob nicht beide, die Eier mit partieller, wie die mit totaler Datterfurchung eine Zeit lang Zellen mit endogener Brut sind.

Den grössten Theil seines Wachsthums macht das Reptilienei erst nach Zugrundegehen seines Keimbläschens durch, es kann jetzt nicht mehr als Zelle aufgefasst werden , wenn eine Zelle ihre Eigenschaft als solche mit dem Kern verliert

Erkl&rniig der Abbildnnj^en auf Taf. XVIII.

Allgemeine Bezeichnungen: Gh Ghorion, D Dotterhaat, Z Zon& pellucida, K Rindenschicbt.

Sämmtlicho Figuren beireffen die ersten Eihüllen. Fig. 1 6 vom Moloch horridns.

Fig. 1 von einem 2 Mm. im Durchmesser haltenden Ei;

Fig. 2 5 von Eiern bis sa etwa 8 Vi Mm. Fig. 6 von der glatten Natter (Coronella laevis). Fig. 7 vom Huhn (2 Mm.). Fig. 8 > » (3 Mm.) M. p. Membrana propria folliculi. G Granulusa.

Zr Zona radiata. Fig. 9 u. 10 vom Barsch, S Saftröhrchen. An ihrem Fuss, dem Ghorion

aufsitzend« Zöttohen. Fig. 11 u. 12 vom Weissfisoh. Fig. 11 mit Zottcfaen. Fig. 12 die Zou

aufgeblättert und durch Längs- und Queretreifung gitterartig

gezeichnet.

Fig. 13 vom Karpfen.

Die feineren Strukturverhältnisse der Drüsen im

Muskelmagen der Vögel.

Von Hr. Robert WIederahelai.

Hiena Taf. XIX.

Es ist noch nicht lange her, dass nach den bahnbrechenden Unter- nehmungen Hering' s über die Leber L an gerh ans und Saviotti beim Pankreas nachgewiesen haben, dass das Lumen der Drüse keineswegs den ersten Anfang des Drüsengangs repräsentirt, son- dern dass vielmehr Fortsetzungen desselben es sind, welche sich zwischen die SecretionszeUen hineinerstrecken, um dort die ersten Abflusswege fbr die Secretmasse zu bilden. Während Langerhans diese Kanäle bis an die Propria gehen und dort blind endigen Hess, will Saviotti (Untersuchungen über den feineren Bau des Pan- kreas. Dieses Archiv Bd. V, 1869) beobachtet haben, dass viele derselben durch Schlingenbildung zwischen Propria und Zelle sich gegenseitig in Verbindung setzen.

Mag es sich nun so oder so verhalten, so ist doch immer im Auge zu behalten, dass es sich beim Pankreas sowohl, als bei ver- schiedenen anderen DrQsen, z. B. den Thränen- oder Speicheldrösen (Boll, Pflüger), welche auf ihr Kanalsystem untersucht wor- den sind, immer um Interzellularräume handelt, welche die Injec- tion erforderten, um genau studirt werden zu können; die Natur gelbst bot in keiner Weise die Hand dazu, das Verhältniss der Se- cretmasse zum Zellprotoplasma genau sicher stellen zu können.

Um so lieber folgte ich einer Einladung des Herrn Prosector Dr. Hasse, mich mit den Drüsen im Muskelmagea der Vögel ein-

436 Dr. Robert Wiedersheim:

gehender zu beschäftigen , in welchem er, wie schon seine Arbeit „Beiträge zur Histologie des Vogelmagens" (Henle's Zeitschrift f. r. M. Bd. 28) beweist, auf ein eigenthümliches Verhalten des Secrets zu den Zellen aufmerksam geworden war. Derselbe hat mir bei Ausarbeitung dieses Themas in freundlichster Weise seine Unter- stützung zu Theil werden lassen , wofür ich ihm hiermit meioen wärmsten Dank ausspreche!

Während nun die oben genannten Forscher es mit injicirbaren Kanälen zu thun hatten, süess ich hier auf eine natürliche In jection insofern, als das Secret, welches schon innerhalb des Drüsen- lumens eine relativ bedeutende Gonsistenz zeigt, die Injectionsmasse repräsentirt und sich als solche bis in die feinsten Interzellular- räume hinein isoliren lässt Es sind dies Verhältnisse, wie sie mei- nes Wissens bis jetzt noch nirgends in der Reihe der höheren Wir- belthiere ein Analogon gefunden haben, wenn sie nicht mit den Be- funden Leydigs (Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier, 1872) und Eimers (Untersuchungen über die Reptilien. Dieses Archiv Bd. 8, 1872) an den Eischalen der Reptilien in Parallele zu bringen sind. Hier werden von Beiden Fasern beschrieben , welche an den Enden angeschwollen und hakig gekrümmt erscheinen. Auch Wein land beobachtete sie und glaubte ihre Entstehung so deuten zu können, dass er eine Zelle nach einer Seite hin in eine sehr lange Faser sich fortsetzen liess. Nach Leydig kann von einer solchen Entstehungsweise nicht die Rede sein und sollen diese Fa- sern nach ihm in die Gruppe der Zellenabscheidungen , d. h. der Guticttlarbildungen gehören. Er lässt sie von den Zellen der Lei- tungsrohren abgesondert werden und sagt dabei, dass sie von einem weicheren Zustand bald in den des harten oder chitinisirten über- gehen, wodurch sie die scharfen Linien und ihre Widerstandsfähig- keit gegen Reagentien erhalten.

Der Verlauf dieser Arbeit wird zeigen, wie nahe es für mich lag hier an analoge Verhältnisse zu denken , ohne dass ich jedoch behaupten möchte, dass es sich wirklich so verhält. Jedenfalls ist es von nicht zu unterschätzendem Werthe, dass in den DrOseo im Muskelmagen der Vögel eine Materie vorliegt, welche ganz daza geeignet ist, durch den ihr -• sit venia verbo von der Natur ver- liehenen Pass Anspruch zu machen auf die Eigenschaften eines Zel* lenprodukts, also einer Cuticularbildung, welche mit Bezug auf ihre Structur , wie gesagt , an die in der Schale des Reptilieneies vor-

Die feineren SiraktorverhiiltDisse der Drüsen im Maskelmagen der Vögel. 487

kommenden Fasern erinnert, die, wie aus den Befunden jener For- scher hervorgeht, dem elastischen Gewebe nahe stehen.

Sollte' es sich herausstellen, wie es nach Weinlands und Leydigs Beobachtungen den Anschein hat, dass die Bildungsweise dieser Fasern eine ähnliche, wie an dem von mir untersuchten Ob- jecto ist, sei eS| dass die Fasern als Umwandlungsprodukt des Zell- protoplasma oder als Cuticularabscheidung , wie in meinem Falle, anzusehen sind, so wäre das um so interessanter, weil Donders and Yirchow annehmen, dass die elastische Fasermasse grössten- theils nicht als Differenzirungsprodukt der Intercellularsubstanz an- zusehen ist, sondern als ein Umwandlungsprodukt des Protoplasmas eines Theils der Bildungszellen der Bindesubstanz. Dazu kommt noch, dass Hasse nach seinen Beobachtungen an der Basilarmem- bran der Schnecke und dem embryonalen Ligamentum nuchae an- nimmt, dass die elastischen Fasern als eigenthämliche Cuticularab- scheidung, wie hier in den Drüsen des Muskelmagens, eines Theils der embryonalen Bindegewebszellen aufzufassen seien, deren Proto- plasma aber, im Gegensatz zu meinem Objecto, nac}i vollendeter Bildung der elastischen Fasern verschwindet und somit dasselbe für sich ohne Andeutung der ursprflnglichen Bildungssubstanz be- stehen lässt.

Ein weiterer Punkt, der mir wohl der Beachtung werth er- scheint, wäre der, dass Guticularbildungen, bei den höheren Thieren wenigstens, gewöhnlich nur an freien Zelloberflächen beobachtet wer- den, während wie beim elastischen Gewebe innerhalb von Zellenmas- sen (Hasse) so hier eine Cuticularbildung statt flüssigen Secrets in einer Drüse vorhanden ist Wir sehen somit, dass die Grenze zwi- schen DrUsensecret und an freier Oberfläche ergossener Cuticula eine sehr labile ist, was um so weniger befremden dürfte, als ja die Drüsen als Einbuchtungen der freien Schleimhautfläche aufzufas- sen sind.

Wie ich schon in meiner vor kurzem erschienenen Dissertation flüchtig berührte, hat auch Schwalbe (Beiträge zur Kenntniss der Drüsen in den Darmwandungen, insbesondere der Brunnerschen Drü- sen. Dieses Archiv Bd. 8. 1871) in letzter Zeit an den Brunner- schen Drüsen Resultate erhalten, welche in mancher Beziehung an das von mir Gefundene erinnern. Auf die Detailverhältnisse werde ich an Ort und Stelle zu sprechen kommen und hebe hier nur über- sichtlich die Hauptpunkte hervor.

838 Dr. Bobert Wiedersheim :

Einmal hat das von ihm beschriebene polygonale Maschenwerk in den Drüsen vom Baa des Pankreas im Duodenum des Kaninchens überraschende Aehnlichkeit mit dem Reticulum, welches die Drüsen des Muskelmagens überzieht und femer ist es Seh walbe nie gelungen, die interzellulären Kanäle zu injiciren, vielmehr fand er sie mit ei- ner „homogenen, glänzenden, Substanz^' ausgegossen, welche er als Kittsubstanz aufzufassen geneigt ist. In wie fem mich diese letztere in ihrem Verhalten zu den einzelnen Zellen an meine eigene Beobach- tungen erinnerte, kann ich erst später erörtern und will hier von den Zellen nur so viel sagen^ dass dieselben, was ihre äussere Confign- ration, ihren hackenartigen Fortsatz und endlich ihr Verhalten gegen Beagentien anbelangt, im wesentlichen mit dem von mir im Muskel- magen vorgefundenen Drüsenzellen zu harmoniren scheinen.

Oehe ich nun an die Betrachtung der von mir beobachteten Ver- hältnisse, so muss ich vorausschicken, dass ich mein Hauptaugenmerk darauf richtete, die Drüsen frei von der bindegewebigen Zwischen- substanz in möglichst vollkommen isolirtem Zustande zu erhalten. Zu diesem Zweck bediente ich mich zweier verschiedenen Methoden. Ich machte senkrecht zur freien Magenoberfläche feine Schnitte und trennte dann mit Nadeln die wie ein weisser Saum an die Guticola anstossende Drüsenschichte von der ersteren los, worauf ich theils die vollständigen Drüsen mit allen ihren Epithelien, theils nur die weiter unten zu beschreibenden Secretbüschel zu Gesicht bekam. Eine andere Isolationsweise, die ich namentlich an Präparaten in Anwendung bringen konnte, welche 12 Tage in MüUer'scher Flüs- sigkeit gelegen hatten, war die, dass ich die Cuticula abzog, mit welcher die ganze Drüsenschicht in Gestalt eines äusserst zarten, seidenglänzenden Filzes noch fest zusammenhing. Letztere schabte ich sorgfältig ab und brachte sie auf das Objectglas, weich sie durch Zerzupfen und länger fortgesetztes Schütteln in möglichst kleine Theile zerlegte. Das Resultat war, dass ich viele hundert Drüsen in vollkommen isolirtem Zustande erhielt, welche sich namentlich zum Studium des Epithels vortrefflich eigneten, während die dazwischen- liegenden, von Zellen entblössten Secretbüschel, was ihre vollkommene Isolation anbelangt, weit zurückstanden hinter jenen, welche ich durch die Schnittführung erhalten hatte.

Die Drüse gleicht einem einfachen Hohlcylinder, dessen Länge ich als Mittel von 10 Messungen bei der Taube auf 403 /* fest- stellen konnte, wobei ich jedoch Schwankungen beobachtete von

Die feineren Struktarverli&Itnisse der Drüsen im Mnekelmagen der Vögel. 439

379—454 ^. Das der Mflndung zugekehrte Ende erweitert sich ftllmählig, während der nach dem Fundus zu schauende Theil etwas schmäler wird, bis er endlich mit einer leichten Auftreibung blind- sackartig abschliesst Die Verlaufsrichtung ist senkrecht oder in seltenen Fällen gegen die G^end des Fundus hin leicht gekrümmt.

Durch das Mikroskop betrachtet, erhält man von der einzelnen Drüse, je nach hoher oder tiefer Einstellung zwei wesentlich ver- schiedene Bilder. Im ersteren Fall schemt sich über den ganzen Drüsenschlauch ein glasartig helles Reticulum auszubreiten, wobei in jede Masche eine Zelle zu liegen kommt. Wie ich schon früher an- zudeuten Gelegenheit hatte, wird man durch dieses Bild unwillkür- lich an die Drüsengangcapillaren erinnert, wie sie Schwalbe bei den Drüsen des Duodenums oder Saviotü beim Pankreas beschreibt. Auch die von Ebstein (Beiträge zur Ldxfe vom Bau und den physioto- gischen Funktionen der sog. Magenschleimdrüsen. Dieses Archiv, Bd. VI, 1870) beschriebenen hellen, polygonalen Netze in den Magen- schleimdrüsen erinnern an das von mir beobachtete Balkenwerk, was um so interessanter ist, weil die Drüsen des Muskelmagens vom Vogel den Pylorusdrüsen der höheren Wirbelthiere entsprechen.

Die einzelnen Maschen schienen mir anfangs keine bestimmte Form zu haben und sich regellos aneinander zu reihen. Erst spä- ter, bei der Untersuchung der feineren Detailverhältnisse, beobachtete ich, dass in der Gegend des Fundus zugleich mit dem Kleinerwer- den der Maschen auch die ovale Form mehr in den Vordergrund tritt, während die Maschen in der Gegend der Drüsenmündung durch- weg grösser sind und fast ohne Ausnahme eine deutlich polygonale Form erkennen lassen. Messungen, die ich mit den Maschen resp. Zellen in der oberen und unteren Hälfte der Drüse anstellte, be- stätigten dieses, lieber die gewonnenen Resultate handle ich bei der Beschreibung der einzelnen Drüsenzelle ab. Wesenüich verschie- den davon ist das Bild der Drüse, welches man bei tiefer Einstellung erhält Hierbei nämlich sieht das Auge durch die durchsichtige, die Oberfläche des Schlauchs überkleidende Zellenlage hindurch und zugleich in's Lumen der Drüse.

An die Stelle des bei hoher Einstellung sichtbar gewesenen Maschenwerks tritt bei tiefer Einstellung ein in der Längsaxe von vielen parallelen Linien durchgezogener farbloser oder auch schwach trQblicher Drüseninhalt, welcher, um mich Hasse's Ausdruck zu bedienen, „büschelartig^' gegen den Drüsenfandus auszustrahlen

M. Schaltee, Ardüv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 8. 29

440 I>r. Robert Wiedersheim:

scheint Ich wurde dabei an die schon oben erwähnte Arbeit Schwalbe's erinnert, welcher, nachdem er den Bninner'schen Drüsen des Schweins Kalilauge zugesetzt hatte, ebenfalls eine „eigen- thümlich streifige Anordnung^' des Alveoleninhaltes zu notiren hatte.

Auch bei der Entleerung des letzteren , nach dem Platzen der Membr. propria, macht er auf eine ,,feinstreifige, in der umgebenden Flüssigiieit sich alsbald büschelförmig ausbreitende Substanz'^ auf- merksam. Ob ich dies für Andeutungen ähnlicher Verhältnisse zu halten berechtigt bin, wage ich nicht zu entscheiden, und begnüge mich, die Sache nur berührt zu haben.

In gleicher Ebene mit dem Secretbüschel treten die an den Bändern der Drüse erscheinenden Secretzellen in vollkommener Profil- Ansicht zu Tage, wobei nicht schwer zu erkennen ist, dass jede ein- zelne der letzteren mit einer *jener oben angedeuteten parallelen Linien in Verbindung tritt, wodurch ich Hasse's Vermuthuug, als stände jedes Secretströmchen mit einer Zelle in Verbindung, bestätigen kann. Ein solches Bild, wie man es bei tiefer Ein- stellung erhält, kann an den Bau einer Kornähre erinnern, wobei die Spelzen den Zellen entsprechen, nur dass diese gerade die um- gekehlte Richtung zur Längsaxe einnehmen wie jene.

Fig. 1 zeigt eine isolirte Drüse bei hoher, Fig. 2 eine solche bei tiefer Einstellung.

Unmittelbar unter der Guticula hängen die Drüsen durch kurze, spitzbogige Verbindungsstücke untereinander zusammen, welch letz- tere als Ausdruck der freien Schleimhautfläche des Magens aufzu- fassen sind und ebenfalls^ polygonale Zellen tragen.

Die schönsten Bilder isolirter Drüsen erhielt ich an frischen Präparaten und dann an solchen, welche 8 Tage in Müller'scher Flüssigkeit, oder 3 Tage in Jodserum gelegen hatten; auch drei- tägiges Einlegen in eine dünne Ghromsäurelösung liefert schone

Resultate.

Auf Essigsäurezusatz schrumpft die Drüse und lässt die Zell- kerne deutlicher hervortreten, was auch bei Behandlung mit Salz^ure der Fall ist, nur dass die schrumpfende Drüse dabei ungleich dunklere Conturen annimmt, während der Secretstrom im Lumen klar und deutlich wie ein die ganze Drüse durchziehendes, weisses Band hervortritt. Kali caust. macht die Grenzen zwischen den Maschen und den eingelagerten Zellen undeutlich, was auf die Quellung zurückzuführen ist.

Die feineren Struktorverhältnisse der Drüsen im Mnakelmagcn der Vögel. 441

Was den Inhalt der Drüsen betrifft, so zeigt sich das Lumen erfallt von einer zähflüssigen, glasartigen Materie, welche aber kei- neswegs homogener Natur ist, sondern schon bei schwacher Vergrösse- rung von jenen obenerwähnten parallelen Streifen durchzogen er- scheint, welche sich vom Fundus bis zur Drüsenmündung und selbst noch mehr oder weniger weit in die Cuticula hinein verfolgen lassen.

Um zu einer genaueren Kenntniss dieser Secretmasse zu ge- langen, ist es sehr zweckmässig, diese sowohl innerhalb der Drttse als ausserhalb derselben, also in isollrtem Zustand zu betrachten. Das Secret innerhalb der Drüse kommt am besten zur Anschauung bei der schon früher besprochenen tiefen Einstellung. Auch bei einer vollkommen conservirten , also rings von Zellen umsäumten Drüse lässt sich mit leichter Mühe erkennen, dass das, was ich bisher mit dem Ausdruck „parallele Streifen^' bezeichnet habe» Einzelströmchen sind , welche zu jeder der wandständigen Zellen in gewissem Rap- port stehen. Dies tritt noch viel prägnanter da hervor, wo man Drüsen erhält, welche an dieser oder jener Stelle eingerissen sind; hier, wo mehr oder weniger Zellen zu Grunde gegangen oder her- ausgefallen sind, liegen die Secretfäden blos und erscheinen an jeder Stelle, welche einer verloren gegangenen Zelle entspricht, leicht ver- dickt und abgerissen. (Vergl. das obere und untere Endstück von Fig. 2.)

In welche Beziehung das bei hoher Einstellung erscheinende wabenartige Gefüge der Drüsenoberfläche zu den bei tiefer Einstel- lung im Lumen gerade oder wellenfönnig und wohl auch spiralig verlaufenden Secretfäden zu bringen ist, lässt sich erst näher erör- tern, wenn die Zelle in ihrer Beziehung zum einzelnen Secretfäden geschildert werden wird.

Um das Secret im isolirten Zustand zu erhalten, bediente ich mich ganz derselben Präparationsmethoden, wie ich sie zur Iso- lation der Drüsenschläuche angewendet habe; neben vollkommenen Drüsen erscheinen, wie oben bemerkt, immer auch isolirte Secret- büschel, welche besonders da einen charakteristischen Eindruck machen, wo sie noch in der Continuität mit der Cuticula bis zum Fundus hinab gesehen werden. Man kann dabei einen Vergleich machen mit einem feingezähnten Kamm, wo dann die Cuticula dem Griff desselben entsprechen würde. Fig. 3.

Im wesentlichen sind es 3 verschiedene Grade der Isolation, welche erreicht werden können.

442 Dr. Robert Wiedersheim:

Das einetnal erhält man und dies ist in der bei weitem grössten Anzahl der frischen Präparate der Fall ein Secret- büschel von der Form eines stumpf auslaufenden Kegels, dessen scharf abgeschnittene Basis der Stelle entspricht, wo die Lostren* nung von der Guticula stattgefunden hat. Fig. 4, C.

Jeder einzelne Faden verläuft mehr oder weniger gerade, je- doch werden namentlich an der Stelle, welche dem Drüsenfundos entspricht, häufig Strömchen von wellenförmiger oder exquisit kork- zieherartiger Windung angetroffen, was ich mir folgendermassen erkläre: Während die Secretion in der Drüse ihren steten Gang weiter ging, war der Abfluss durch irgend welchen Umstand ge- hemmt; der Secretfaden musste sich also winden, um Raum zu be- kommen.

An den Rändern des Büschels, sowie auch hier und da im In- nern desselben erscheinen leichte Verdickungen, welche jedesmal dem Ende eines Fadens zu entsprechen scheinen. Fig. 4.

Während das eben beschriebene Secretbttndel aus einer Reihe von gerade oder wellenförmig parallel nebeneinander verlaufenden Einzelströmchen besteht, erhält man bei anderen Präparaten ein Bild des Secretzapfens , welches ein stacheliges Aussehen trägt und an ein zerrissenes Netz erinnert. Dabei ragen die Bruchstücke der eingerissenen Maschen wie kurze Borsten an der Oberfläche des Secretzapfens empor und verleihen dem Ganzen einen rauhen Cha- rakter. Fig. 5 zeigt einige solcher unvollkommen isolirter Secret- büschel bei schwacher Vergrösserung.

Eine vollkommene Isolirung gelang mir nur in äusserst selte- nen Fällen, bot aber dann ein sehr charakteristisches Bild dar, welches an die feinste Filigranarbeit erinnert. Das Secret reprä- sentirt hier einen getreuen Ausguss des ganzen Drüsenschlaucbs bis in die Interzellularräume hinein, was bei der zuletzt beschrie- benen Form nur in unvollkoipmenem Grade der Fall war.

Bei hoher Einstellung erscheint das oben beschriebene, zellen- freie Reticulum, während die Ränder der Drüse auf den ersten An- blick wie mit horizontal abstehenden Stacheln besetzt erscheinen. Bei tiefer Einstellung verschwinden die Maschen, zu gleicher Zeit aber wird man gewahr, dass man es an den Rändern keineswegs (im Gegensatz zu dem zuletzt betrachteten Isolationsgrad) mit stachelartigen Gebilden, sondern einfach wieder mit Maschen zu thun hat, welche in Profilansicht erscheinen.

Die feineren Siruktunrerhältnisse der Drusen im Moskelmagen der Vögel. 448

Die dellenartig vertieften Maschen reihen sich regellos anein- ander und zeigen, was Form und Grösse anbelangt, die bei Betrach- tong der isolirten Drttse besprochenen Variationen. Die Länge eines vollständig isolirten Secretzapfens steht, wie sich auch von vorne> herein eicht anders erwarten lässt, nicht weit hinter jener des gan- zen Drüsenschlauches zurück. (Drüse minus Epithel gleich Secret- zapfen.)

Es muss sich unwillkürlich die Frage aufdrängen, wodurch sind diese verschiedenen Isolationsgrade bedingt?

Die natürlichste Erklärung schien mir anfangs die zu sein, dass, je älter das Präparat, desto höher der Erstarrungsgrad des Secrets und desto leichter dessen vollkommene Isolation bis in die feinsten Interzellularräume hinein. So plausibel dies auch klingen mag, so wurde ich doch wieder zweifelhaft, als es mir auch bei einem ganz frischen Präparat (Columba domestica) gelang, den Zapfen eben so vollständig, ja ich kann sagen, noch schöner isolirt zu erhalten, als ' mir dies vorher bei einem über ein Jahr alten Alkoholpräparat ge- glückt war. Fig. 6.

Jedenfalls ist daraus zu einsehen, dass das Secret, kaum aus der Zelle getreten, schon eine relativ bedeutende Consistenz besitzen muss. Dass dieser Erstarrungsgrad keine postmortale Erscheinung ist, lässt sich am besten an jenen Präparaten beweisen, welche, nachdem ich sie dem noch lebenswarmen Magen entnommen hatte, dennoch jene korkzieherartig gewundenen Secretströmchen im Fun- dus der Drüse erkennen Hessen, ohne dass ich Reagentien angewen- det hätte.

Die klarsten Netzbilder erzielte ich durch dreitägiges Einlegen . in Jodserum, welchem eine zweitägige Behandlung mit einer dQn- nen Ghromsäurelösung folgte. Auch ganz alte Weingeistpräparate geben schöne Bilder. Was Curschmann (KöUiker und Sie- bold, 1866, Bd. XVI) von der Einwirkung der Reagentien auf die Cuticula angibt, gilt im wesentlichen auch für die Secretbüschel. Die einzelnen Fasern sind selbst nach zwölfstündigem Liegen in Kali causticum noch zu erkennen, während sie durch Kochen rasch in eine homogene, gelatineartige Masse übergeführt werden. Gegen andere Reagentien verhalten sich die Büschel, ähnlich wie das elastische Gewebe, fast ganz indifferent, was besonders für die Mi- neralsäuren gilt Höchstens lässt sich bei Einwirkung von Salz- saure eine langsame Contracüon derselben beobachten.

444 Dr. Robert Wiedorsheim:

Werfen wir nun einen Blick auf das Verhältniss des ein- zelnen Secretströmchens zu der Secretzelle:

Bei der relativ grossen Zähigkeit des von der Zelle abgehenden Secretfadens konnte ich erwarten, ihn bis in seinen ersten Ursprang vom Zellenprotoplasma beobachten zu können. Gerade hierbei stiess ich auf Eigenthümlichkeiten, welche mich, wie ich schon in der Ein- leitung zu bemerken Gelegenheit hatte, an die Befunde Leydifrs und Eimers an den Schalen der Beptilieneier erinnerten. Jeder Secretfaden zeigt an seinen) peripheren Ende eine kolbenartige Ver- dickung, welche sich bei starker Vergrösserung als ein kleines Hohl- gebilde darstellt. Dieses legt sich demjenigen Abschnitte der Zelle an, welcher dem Drüsenlumen zugekehrt ist, und erzeugt dadurch eine Kappe oder Schale, welche der Zelle aufsitzt. Diese Secret- schale schiebt sich mit ihrem Boden an der Unterseite jeder in's Drüsenlumen hereinschauenden Zelle hin und zwar genau bis an die Basis eines hackenfSrmigen Fortsatzes, von dem später die Rede sein soll. Die Zelle ruht auf diese Weise in der Secretschale , wie irgend ein Gegenstand z. B. in der gekrümmten Hohlhand. Der Boden dieser Schale ist von unbestimmter Form, unregelmässig poly- gonal oder mehr rundlich, je nach der Drüsenregion, wie ich das selbe Verhalten schon bei der Beschreibung des Maschennetzes be- sprochen habe. Der Grund jeder Masche ist nämlich iden- tisch mit dem Boden der Secretschale undso gilt dasselbe, was ich über polygonale resp. ovale Maschen an der Mündung und am Fundus gesagt habe, auch hier in seinem ganzen Umfange.

Bei weitem die grösste Anzahl der frischen Präparate liefern Secretbtischel ohne Maschenwerk, oder mit .anderen Worten: in der weitaus grösseren Zahl von Isolationsversuchen reissen die Se- cretschalen mit den Zellen ab und kommen bei geeigneter Präpa- ration zu Hunderten zu Gesicht. Dabei erscheint die Zelle wie mit einem langen, glasartig hellen Fortsatz versehen, welcher aus Secret besteht, während am entgegengesetzten Ende ein hackenförmiger Fortsatz zu erkennen ist. Fig. 7, a.

Letzterer krümmt sich mit seiner Convexität nach unten und aussen von der Drüse, wenn man sich diese in der Längsansicht liegend denkt. Gerade bei diesen isolirten, in der Secretschale lie- genden Zellen hat man gute Gelegenheit, dieselben in der reinsten Profilansicht zu Gesicht zu bekommen, wodurch man in den Stand gesetzt wird, die Tiefe der Schale wenigstens annähernd bestimmen

Die feineren Strnkiurverhaltnisfle der Drüsen im Muskelmagcn der Vögel. 445

ZU können. Ich fand, dass dieselbe bei den grösseren Zellen als Mittel aus 5 Messungen 6,0 /ti beträgt. Die Grenze zwischen Pro- toplasma und Secretanfang ist nicht immer leicht zu bestimmen, jedoch lässt sich so yiel sagen, dass der Uebergang kein all- mäh liger ist. Je nach der verschiedenen Lage der Zelle be- kommt man auch verschiedene Bilder der Secretschale. Während man oft den Eindruck gewinnt, als liege die Zelle in der Tiefe eines kleinen Schiffchens, so kann dicht daneben eine andere Zelle liegen, von welche hellen, wulstigen Rändern umsäumt erscheint; oder erhält man Bilder, wo die zu unterst liegende Zelle von einer un- regelm'ässig gestalteten Secretplatte, deren Ränder mehr oder weni* ger weit über die Zelle hinausragen, überdeckt erscheint. Fig. 7, b.

Charakteristisch ist in allen Fällen der gegen das Lumen der Drüse herein sich erstreckende, schmäler und schmäler werdende Fortsatz der Schale, welcher zum Secretfaden wird und sich dem nächst über ihm liegenden zuwendet, um sich mit ihm zu verbin- den. Am deutlichsten kann man dies an den Rändern von Drüsen beobachten, welche stark gekrümmt, eingerissen oder auseinander- gezerrt sind. Hier stehen die Zellen weit von einander ab und sind aus ihrer ursprünglichen Lage gewichen, wodurch auch die Secret- schale von ihren Nachbarinnen abgerissen erscheint. (Vergl. Fig. 2 bei a u. ß.) Am frappantesten sprechen für das Verhältniss des einzelnen Secretfadens zur Drüsenzelle diejenigen Präparate, bei denen der ganze Secretzapfen bis zu dengenigen Abschnitt hin frei von Zel- len erscheint, welcher dem Fundus entspricht. Dort sieht man zu- weilen noch eine oder mehrere Zellen an den isolirten, lang ausge- zogenen Secretfaden hängen und kann sie ungehindert durch an- stossende Zellen aufs eingehendste studiren.

(Fig. 8 zeigt einen isolirten Secretbüschel aus der Gegend des Fundus, z z = anhängende Zellen. Karminfärbung.)

Der Umstand, dass die Zelle nur in einem dellenartig vertief- ten Gebilde ruht, welches sich eng über den Theil der Zelle herüber- stülpt, welcher einerseits dem Drüsenlumen, andererseits den be- nachbarten Zellen zugewendet ist, lässt es begreiflich erscheinen, warum ich den Namen Schale und .nicht Kapsel gewählt habe; um nämlich den letzteren Namen rechtfertigen zu können, mUsste auch die der Propria zugewendete Zellenpartie von Secret umspült sein, was nicht der Fall ist , da dieselbe zur Aufnahme des später ausführlicher zu beschreibenden, hakenförmigen Fortsatzes dient.

446 Dr. Robert Wiedersheim:

Was das Pflasterepithel der Drüsen betrifiFt, so lassen sich die schon öfters angedeuteten Forradifferenzen an der MdnduDg und dem Fundus nachweisen. Ein Grössenunterschied existirt wirk- lich, wenn er auch in den meisten Fällen ein minimaler zu nennen ist ; während die gegen die Drasenmflndung hin liegenden Zellen im Breitendurchmesser durchschnittlich etwa 13,6 ii und im Dicken- durchmesser etwa 7,0 haben, betiilgt der Breitendurchmesser der gegen den Fundus zu liegenden Zellen durchschnittlich etwa 9,6 bis 11,8 II, und der Dickendurchmesser etwa 5,0 /u. Auch auf den Querschnitten zeigen sich verschiedene Höhenverhältnisse, auf die ich später noch einmal zurückkommen werde. Jede Zelle, mag sie polygonal oder oval sein, besitzt einen schönen grossen Kern, wel- cher fast constant einen Nucieolus einschliesst. (Vergl. Fig. 7, b.) Eine Zellmembran ist nirgends nachzuweisen, was audi mit Seh wal- be's Beobachtungen an den Brunner'schen und mit Heidenhains an den Labdrüsen (Untersuchungen über den Bau der LabdrQsen. Dieses Archiv 1870) übereinstimmt. Derjenige Theil der Zelle, welcher der Propria zugewendet ist, trägt, wie obenerwähnt, einen kurzen hakenförmigen Fortsatz von durchschnittlich 2— 3 // Lange, welcher an den von Schwalbe bei den Zellen der Brunner'schen Drüsen beschriebenen „spitzen, schnabelartigen'' Fortsatz erinnert Derselbe zeigt, wie jener, dasselbe Verhalten gegen Reagentien und dieselbe homogene glashelle Structur; auch legt er sich wie jener dachziegelförmig über die peripherische Fläche der anstosaenden Zelle hinüber und erzeugt so in Gontinuität mit vielen seiner 6e< nossen ein Bild, welches eine homogene Grenzhaut vortauschen könnte zwischen den Zellen einer- und der später zu erwähnenden Basalmembran andererseits. (Vergl. Fig. 9.)

Was die Natur dieses hackenförmigen Fortsatzes betrifft, so spricht mehr als ein Grund dafür, ihn nicht als zum Protoplasma gehörig aufzufassen: einmal seine glashelle Structur, welche ihn scharf vom Protoplasma abgrenzt und zweitens sein Verhalten gegen Reagentien. Auf Zusatz von Essigsäure schrumpft die ganze Zelle, während der Hackenfortsatz nicht nur unverändert bleibt, sondern sogar deutlicher als vorher heraustritt. Ueberhaupt theilt er in seinem Verhalten gegen Reagentien alle Eigenschaften des Secrets, was auch im wesentlichen für die Karmintinction gilt; jedoch habe ich darin zwischen den beiden den kleinen Unterschied wahrgenommen, dass das Secret fast immer, wenn auch viel lang-

Die feineren Strukturverhältnisse der Drüsen im Muskelmagen def Vögel. 447

sarner als die Zellen, wenigstens einen leichten rothen Ton annimmt, was ich bei dem hackenartigen Fortsatz nie beobachten konnte. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal vom Secret ist sein geringe- res Lichtbrechungsvermögen, welcher Umstand ihn auch immer scharf von der Secretschale abhebt. Dies lässt sich an Längs- wie an Querschnitten beobachten, und man erhält in beiden Fällen ein Bild, welches an eine dem Schaft entgegengekrümmte Lanzenspitze erinnert.

Ich halte mich für berechtigt, diesen Fortsatz als Guticular- bildung aufzufassen, oder mit anderen Worten: die Secretion geht auf zwei einander diametral entgegengesetzten Theilen der Zelle vor sich, einmal gegen das Lumen der Drüse unter der Form der Secret^hale resp. des Secretfadens , und zweitens in der Richtung gegen die Propria zu in Gestalt des hackenformigen Fortsatzes.

Ich kann die Betrachtung der Zelle nicht schliessen, ohne noch einmal auf Schwalbe's Arbeit zurückzukommen. Derselbe spricht von „scharfen Contouren^^ oder auch von einem „scharfen Saum'S welchen er an dem Kernende der Zellen und an denjenigen ihrer Seiten, welche den benachbarten Zellen und dem Drüsenlumen zugekehrt sind, wahrgenommen hat.

Er selbst sagt : „Rollt man nun unter dem Deckgläschen die Zellen vorsichtig um ihre Längsaxe, so sieht man sehr deutlich, dass diese scharfen Linien durchaus nicht Durchschnitte einer Mem- bran, sondern wirklich nur schmale, auf der Oberfläche der Zelle aufliegende Streifen einer homogenen glänzenden Substanz darstel- len.'^ „Die erwähnten Streifen sind überall von messbarer Breite und zerbröckeln sehr leicht, so dass man sie selten unversehrt eine ganze Seitenwand einer Zelle einnehmen sieht, sondern meist nur Rudimente davon in Gestalt verschieden langer glänzender homogener Stäbchen, der Zellenoberfläche anhaftend, wahrnimmt

Es sind mir dabei unwillkürlich diejenigen von mir beobachte- ten Zellen eingefallen, wo die Secretschale theilweise abgerissen war, wodurch ich ein ganz ähnliches Bild erhielt, wie es Schwalbe beschreibt, wenn er von jenen glänzenden homogenen Stäbchen an der Zellenoberfläche spricht. Auch was er über das constante Vor- kommen des Hakenfortsatzes einer- und sein leichtes Abreissen sowie über die verschiedenen Grössenverhältnisse andererseits er- wähnt, habe ich in seinem ganzen Umfang auch in meinem Fall

448 Dr. Robert Wiedersheim :

ZU beobachten Gelegenheit gehabt; femer finde ich Aehnlichkeit zwischen meinen Zellen und den von ihm mit „Keulenzelleo^' bezeichneten Formen, sowie mit den von Saviotti (das Pankreas) abgebildeten ^,centroacinären" Zellen von Langerhans, welche nach Saviotti nichts anderes darstellen, als die Anfänge der grösse- ren Drüsengänge, welche sie mit den Driisenbläschen in VerbinduDg setzen.

Um noch einmal auf Schwalbe zurückzukommen, so liess mich namentlich der Umstand an etwas, dem von mir aufgefunde- nen Secretnetz Analoges denken, dass es ihm nie gelang, an frischen aus der Membrana propria entleerten Drüsen jener „Kanälchen'* ansichtig zu werden. Auch mir gelang es bei alten Alkoholpräpa- raten ungleich häufiger, das Netzwerk bis in die feinsten Interzel- lularräume hinein zu isoliren , als dies an frischen Präparaten der Fall war.

Ich komme nun auf die Resultate zu sprechen, welche ich an Querschnitten erzielte.

Je nachdem man den Magen der Natatores, Gallinacci oder von Golumba untersucht, erhält man verschiedene Bilder iu der Lagerung der Drüsen zu einander. Ich kann die Beschreibung Hasse's bestätigen, indem auch ich bei den beiden ersteren ein gruppenweises Zusammenliegen der Drüsen beobachtete, während bei Golumba und den verschiedenen Fringillaarten Drüse an Drüse liegt, ohne dass eine gewisse Regelmässigkeit in der Anordnung zu erkennen wäre.

Da die Drüsen bei Golumba durchschnittlich etwas grösser sind, als bei den Gallinacei, so studirte ich nur bei jener Gattung aus- führlicher die Querschnitte.

Hier begegnet man einem Maschenwerk aus dünnen Bindege- webszügen ; die Maschen sind alle so ziemlich von derselben Grösse, zeigen jedoch Grössendiiferenzen , je nachdem der Querschnitt die Drüsenmündung oder den Fundus getroffen hat. Wie ich schon früher bemerkte, erscheint ja der Drüsenschlauch im Längsdurch- messer betrachtet, gegen die Guticula hin breiter werdend ; dem ent- sprechend zeigen auch Quei-schnitte, welche durch die Gegend der Drüsenmündung gemacht werden, ein weiteres Lumen, als solche am Fundus.

Ebenso verhält es sich auch mit den Höhenverhältnissen der

Die feineren Strukturverhftltnisse der Drüsen im Moskelmagen der Vögel. 449

Zellen. Die Zellenhöhe im Fondas beträgt durchschnittlich 6,0 ^u. Die an der Mündung 7,0—8,0 /i.

Was das Drüsenparenchym selbst betrifft, so konnte ich es am besten studiren an Präparaten, welche ich vorher mit der Nadel zerzupft and auseinander gezerrt hatte. Dabei geschieht es nicht selten, dass man die Drüsen in der ganzen Ausdehnung ihrer Peri- pherie isolirt bekommt y wo sich dann die verschiedenen concentri- schen Schichten in mehr oder weniger gelockertem Zustand präsen- tiren und in ihren Beziehungen zu einander verfolgt werden können. Am bequemsten geschieht dias vom Lumen gegen die Peripherie.

Zuerst stösst man hierbei auf das Secret, mit welchem das Drüsenlumen vollständig ausgegossen erscheint, wenigstens war dies bei allen Präparaten der Fall, welche ich drei Tage zuvor mit ver- dünnter Chromsäure behandelt hatte. Es besteht aus einer schwach- tröblichen Masse, welche gegen die Peripherie heller und heller wird; während im Gentrum eine dunklere Partie esistirt.

Je mehr man sich der Peripherie nähert, desto häufiger stösst man auf eingestreute dunkle Flecken von minimaler Grösse, welche gegen das Centrum immer spärlicher und in immer unregelmässige- rer Ordnung auftreten, dagegen an den äussersten Schichten eine conzentrische Verlaufsrichtung nicht verkennen lassen. Fig. 9 o, C.

In der, wie ich glaube, richtigen Deutung dieser Verhältnisse unterstätzte mich wesentlich ein durch den untersten Theil des Fun- dus geführter Schnitt. Ich konnte an demselben vom Centrum bis zar Peripherie jene Flecken erkennen, welche nach aussen eine mehr nindlichei gegen das Centrum eine mehr abgeplattete Form zeigten. Durch ihre namentlich an den peripheren Schichten deutlich aus- gesprochene conzentrische Anordnung wurde ich zu der Ansicht geführt, dass wohl jeder Fleck einem Secretströmchen entsprechen möchte. Mit diesem conzentrischen Verlauf stimmt auch jene Stelle aus Hasse's Arbeit überein, wo er von der „conzentrischen Schich- tung der Secretraasse" spricht. Dass an Querschnitten, welche weiter gegen dieMfindung der Drüse zugeführt wurden, im Centrum jene dunkle, fast ganz homogene Partie erscheint, erkläre ich mir daraus, dass diese Stelle von Secretfäden eingenommen wird, welche aus der grössten Tiefe der Drüse, also aus der Gegend des Fundus kommen, und welche dann während ihres Verlaufs unter dem Ein- fluss des umgebenden Secretdrucks Gelegenheit hatten, zu einer mehr compacten Masse zusammenzufliessen. Dafür spricht auch der

460 Dr. Robert Wiedersheim:

Umstand, dass je mehr man sich der Peripherie nähert, Jene Flecken desto deutlicher und regelmässiger geordnet hervortreten , denn je weiter vom Gentrum, desto jünger resp. kürzer das Strömchen, welches jedesmal einem jener Flecken entspricht

Alte Alkoholpräparate lieferten mir nicht selten Bilder, wo das ganze DiHsensecret aus der Drüse herausgefallen war. Letzteres machte mit den von der Peripherie in radiärer Anordnung abste- henden Einzelströmchen einen äusserst zierlichen Eindruck. Fig. 9 /?, S. An Präparaten, wo keine Schrumpfung der Secretmasse stattgefunden hat, trifft man letztere in unmittelbarem Contact mit den anstossenden Zellen, wie ich dies oben bei den Chromsäureprä- paraten anzudeuten Gelegenheit hatte. Fig. 9, C.

Der granulirte Charakter zeigt sich an den Zellen im Quer- schnitt sehr prononcirt, ebenso tritt der grosse Kern mit seinem Nucleolus deutlich hervor. Gegen die Propria hin schickt jede den oben erwähnten hakenförmigen Fortsatz aus, welcher sich fast rechtr winklig zu seiner Zelle krümmt und sich bis in die Mitte der Ba- sis der nächstliegenden Zelle herum legt. Fig. 9 a, H. Dieser Umstand, unterstützt durch die glasartige, homogene Beschaffenheit des hakenförmigen Fortsatzes und ferner ein ähnliches Verhalten der Zellen in den Brunner'schen Drüsen, wie es Schwalbe be- schreibt, brachte mich anfangs zu der Ansicht, dass gerade diese wie zu einer fortlaufenden Membran sich aneinanderreihenden, haken- artigen Fortsätze eine Art von Bajsalmembran repräsentiren würden. Ich kam aber davon zurück, als ich Präparate erhielt, an denen die Zellen zum Theil herausgefallen oder mit ihrer Umgebung nur noch in lockerem Zusammenhang waren. Dabei beobachtete ich, wie hin- ter den aus ihrer gegenseitigen Stellung gewichenen Hakenfort^ Sätzen noch eine äusserst zarte , glashelle Membran verlief , welche wohl nichts anderes ist, als eine eigentliche Basalmembran, welcher die Propria unmittelbar anliegt. Fig. 9 ß^ b. Die Dicke derselben konnte ich auf 3,0 ^i feststellen.

Es bleibt mir nun nur noch übrig, über das Verhältniss der Secretmasse zu den einzelnen Drüsenzellen im Querschnitt einige Bemerkungen zu machen. Schon oben habe ich Gelegenheit gehabt. zu behaupten, dass der Zellenkranz und die Secretmasse in unmit- telbarem Contact stehen, sofern letztere nicht geschrumpft sei. Ist letzteres der Fall, so ist dies ein wesentliches Unterstützungs- mittel für das Studium der feineren Secretionsverhältnisse , indem

Die feineren Struktarverbftltnitise der Drüsen im Muskelinagen der VÖgel. 461

sich das Secret über jeder Zelle unter Bildung einer Reihe von Ar- kaden zurückgezogen hat, ohne jedoch seine Gontinuität mit den Zellen vollständig aufzugeben. Fig. 9 /?, A. Letztere ist vielmehr noch vorhanden und zwar an den Seiten der Zelle, welche den be- nachbarten Zellen zugekehrt sind. Dort dringen feine Einzelström- chen ein, welche sich genau bis an die Basis des abgehenden Haken- fortsatzes hin erstrecken, so dass, wenn man sich alle Hakenfort- sätze zu einer die Zellen umkreisenden Membran aneinander gereiht (lenkt, diese die eigentliche Grenze nach aussen für die Secretmasse bilden würde.

Somit liegen hier Verhältnisse vor, welche aufs lebhafteste an die Arbeit von Langerhans über das Pankreas erinnern. Wie dort, so ist es auch hier nicht das Drüsenlumen, welches den ersten Anfang des Ausführungsganges repräsentirt, sondern Fort- setzungen von diesem, welche sich bis zur Basis der Hakenfortsätze zwiiichen die Drüsenzellen hinein erstrecken. Wesentliche Abwei- chungen von diesen blinden Endigungen der Ausführungskanäle weisen die Befunde Saviotti's am Pankreas auf. Dieser lässt, wie ich schon zu Anfang dieser Arbeit angedeutet habe, jene Interzel- lulargänge in den meisten Fällen mit Kanälchen im Zusammenhang stehen, welche „dicht an der Membr. propria längs der Zellenränder verlaufen und benachbarte radiäre Kanälchen schlingenfSrmig ver- binden. Für diese schlingenförmigen Verbindungskanäle kann ich also in meinen Präparaten kein Analogen aufweisen, vielmehr glaube ich aufs deutlichste nachgewiesen zu haben, dass in meinem Falle nur diejenigen Seiten der Zelle, welche benachbarten Zellen und dem Drüsenlumen zugekehrt sind, in Betracht kommen können, wenn es sich um die Beantwortung der Frage nach der Entstehungsweise der Secretschale resp. des Secretfadens handelt.

462 Dr. R. Wiedersheim: Die Strukturverh. d. Drüsen i. Muskelmagen d. Vögel

Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIX.

Fig. 1. Isolirte Drüse aus dem Muskel magen der Taube. Hohi' Einstellnnc (Frisches Präparat.)

Fig. 2. Eine ähnliche bei tiefer Rinstellung. An den Rändern erscheinen die Zellen in Profilansiobt. Im Lumen siebt man die Sekreiström- chen vom Fundus zur Mündung der Druse hinziehen , wäbrenA das Secretnetz der unteren Drüsenfläche schwach durchschimmert. Arn Fundus sind die Zellen abgerissen; die gewundenen Secretl^cii liegen bloss. Bei a und ß sind die Zellen aus ihrer gegenseitigcD Lage gewichen.

Fig. 8. Ein Stück der Cuticula (a) in Verbindung mit den isolirt^n Secrei* zapfen (b). Letztere lassen deutlich das Maschenwerk erkennen. (Schwache Yergrösserung. Altes Alkoholpräparat.) *

Fig. 4. Unvollkommen isolirter Secretzapfeu. (Geringster Grad der Isola- tion. G Ansatzpunkt an die Cuticula.)

Fig. 5. Zweiter Grad der Isolation eines Secretzapfens. Die bei Fig. 1 und 3 sichtbaren Maschen sind hier eingerissen und verleihen dem Gan- zen ein stacheliges Aussehen. Chromsäurepräparat.

Fig. 6. Vollkommenster Grad der Isolation eines Secretzapfens. Getreuer Ausguss des Drüsenlumens. M M Maschen in Piofilansicht. (Fri- sches Präparat.)

Fig. 7. a Isolirte Secretzellen in innigem Coutact mit der Secretsobale resp. Seoretfaden. h h h Hakenfortsatz. b, Isolirte Zellen m verschie- denen Lagen, s s Isolirte Secretschalen.

Fig. 8. Isolirter Secretbüschel mit anhängenden Secretschalen. Im Fundus erscheinen 4 Zellen (z z) , welche noch in Continuität mit ihren zugehörigen Secretfaden stehen.

Fig. 9. et Querschnitt durch ein Chromsäuropräparat von Columba dornest. 0 Secretmasse in genauem Contact mit den Secretionszellen. B Dunkles Centrum. Gegen die Peripherie hin erscheinen die conzen- trisch verlaufenden» dunklen Flecken, ß Querschnitt durch ein alte« Alkoholpi*äparat. S Das isolirte Drüsenseeret. z z Isolirte Zellen. b Basalmembran. A Die von den Zellen bogenförmig sich abhe- bende Secretmasse ; die einzelnen Secretströmchen sind aus den Inter- zellularräuraen herausgezogen.

Zur Kenntniss der Nervenendigung in der

Hirnrinde.

Von Prof. Dr. SS. Rindfleisch.

Wenn man kleine Stückchen von der Hirnrinde des Kaninchens 10 14 Tage in Vio procentiger Ueberosmiumsäure macerirt und dann etwa 1 Woche lang in reinem Glycerin aafbewahrt hat, so sind sie zur mechanischen Zerlegung in ihre Texturbestandtheile möglichst geeignet. Man zerbröckelt sie zunächst mit grosser Scho- nung und wählt unter den Bruchstücken ein solches aus, welches sich von selbst als ein rundliches Fascikel etwa von der Dicke einer starken Stecknadel abgelöst hat. Dieses bringt man auf den übjectträger in einem mittelgrossen Tropfen Glycerin und bedeckt es mit einem Deckgläschen, welches an allen vier Ecken mit Wachs- Tüsschen versehen ist Die Wachsfusschen müssen so hoch sein, dass der Raum unter dem Deckgläschen nicht ganz mit Glycerin gefüllt und das Präparat unter allen Umständen vor Druck ge- schützt ist Nun drückt man sanft mit der Präparimadel da , wo das Präparat liegt, auf das Deckgläschen, hebt die Nadel aber so- fort wieder auf und wiederholt diese Procedur so lange, bis das Ab- und Zufliessen des Glycerin eine solche Lockerung des Präparates (ohne Quetschung) erzeugt hat, dass es von selbst auseinanderfällt and seine Theile sich durch den ganzen Glycerintropfen vertheilt haben. Man wird dann erstaunen über den hohen Grad von Voll- ständigkeit, mit dem ;sum Exempel die Ganglienzellen zur Isolirung gelangen. Alle Fortsätze sind deutlich und die „verästelten*' las- sen sich bis zur Auflösung in so kleine PQnktchenreihen verfolgen, dass der Begriff des „Fädigen'* ganz verschwindet und eine directe Continuität mit dem „kömigen** Kitt der nervösen Theile ersicht- lich wird.

464 £• Rindfleisch: Zur Eenntniss der Nervenendigung in der Hirnrinde.

In diesen Präparaten nun finde ich in grosser Menge Endstücke markhaltiger Nervenfasern, wie ich sie in nebenstehender Figur

abgebildet habe.

-"' "^^^^ ^ ^^> Jedes dieser End-

^/ ' / l \ l stücke ist auf der

einen Seite vari- kös durch die I ! \ / Mark-Tröpfcheu,

die daran hängen, wie der Thau- tropfen an einem Spinnweb-Faden; nach der einen Seite aber ver- liert sich das

Mark und es geht ein sehr feiner Faden daraus hervor, der sich nach kurzem Verlaufe noch mehr verjüngt, dann aber plötzlich in einen Büschel feinster Fäserchen verästelt, welche wieder densel- ben unendlich zarten Uebergang vom „Fädigen'' in das „Körnige" zeigen, wie die verästelten Ausläufer der Ganglienzellen.

Danach liegt in der Hirnrinde des Kaninchens eine doppelte Art der Endigung markhaltiger Nervenfasern vor. Die einengeben in die Axencylinderfortsätze der Ganglienkörper über, die andern lösen sich in dieselbe körnigfasrige Substanz auf, in welche die Pro- toplasmafortsätze der Ganglienkörper eintauchen. Nehmen wir an, dass die einen „zuleitende'', die andern „ableitende'* Nervenfasern sind, so würde ein Hauptaccent auf die intermediäre kömig-fasrige Substanz fallen und diese gradezu als das Hauptglied der ganzen Kette, als „Gentralnervensubstanz'' erscheinen, während für die Ganglienzelle nur die ihnen von Max Schnitze zugewiesene Be- deutung als Sammel- und Umlagerungsapparate für die nervöse Erregung übrig bliebe.

Erklärung der Abbildung.

Niobt-ganglionäre Endigung markhaltiger Nervenfasern in der Hirnrinde. 1 : 600.

Ein Beitrag zur Kenntniss dar Geachmaoksorgane.

Von Dr. Alex. K* von AJtai

aus Pest.

In einer Arbeit ,,Die becherförmigen Organe der Zunge'' be- schreibt H. von Wyss^) ein auf der Kaninchenzunge jederseit» von den beiden Papillae vallatae constant vorkommendes Gebilde, welches sich durch einen ausserordentlichen Reichthum an den von Loven') and Schwalbe*) entdeckten Geschmacksknospen oder Schmeck- bechem auszeichnet. Er bezeichnet es als Papilla foliata und bnd dieselbe allerdings rudimentär, aber doch Geschmacksknospen enthaltend, auf der Zunge der Ratte und des Eichhorns wieder, während es ihm nicht gelang, bei den übrigen Säugethieren und beim Menschen ein Analogon derselben zu entdecken. Eine der Hauptsache nach mit den von Wyss^schen Angaben übereinstim- mende Darstellung der Papilla foliata des Kaninchens gibt Engel- mann in seiner Abhandlung über die Geschmacksorgane. (Hand- buch der Lehre von den Geweben, herausgegeben von Stricker, p. 825.) Auch er erwähnt nicht, eine Papilla foliata mit Geschmacks- knospen bei anderen Thieren gefunden zu haben.

Bei meinen Untersuchungen über diesen Gegenstand wandte

1) Dieses Archiv Bd. 6, p. 247.

2) Beitrage £ur Kenntniss vom Bau der Geschraaokswärzohen der 2unge. Dieses Arohiv Bd. 4, p. 96.

8) Ueber die Geschmacksorgane der Säageihiere und des Menschen. Dieses Archiv Bd. 4, p. 154.

M. flcliiatsep Azohiv f. mlkrosk« Automie. Bd. 8. SO

466 Dr. Alex. K. von Ajtai:

ich nun zunächst meine Aufmerksamkeit der Zunge des Men- schen zu. Von älteren Anatomen, Weber in Hildebrandt's Anatomie und J. C. Mayer'), wird daselbst eines faltigen Gebil- des am Seitenrande der Zunge Erwähnung getban, das sie als Papilla lingualis foliata bezeichnen, von Wyss untersuchte die an der bezeichneten Stelle sich vorfindenden Falten, vermochte aber keine becherförmigen Organe darin zu entdecken. Ich bin in dieser Beziehung glücklicher gewesen und muss die erwähnten Falten auf der Zunge des Menschen für die der Papilla fohata des Kanincheas entsprechenden Gebilde erklären.

An beiden Seiten der menschlichen Zunge, dicht von der glossa buccalis, Uebergangsfalte der Zungenwurzel bis zum vorderen Drittel der Zunge, also in den hinteren zwei Drittheilen, ist die Schleimhaut in Querfalten gelegt, welche sich mit der Läi^ axe der Zunge kreuzen; und zwar nimmt die Höhe dieser Falten und die Tiefe der Gruben zwischen ihnen nach vorne zu immer mehr ab. Die gefaltete Stelle ist ferner nicht scharf begränzt, hat auch keinen solch regelmässigen Rahmen, wie wir ihn bei der Papilla foliata des Kaninchens finden, so dass man sie mit Faltenbildungen verwechseln könnte, wie sie auf der Oberfläche von Schleimhäuten , die nur locker mit ihrer Unterlage verbunden und auf derselben verschiebbar sind, häufig wahrgenommen werden.

Es gelang mir jedoch, anden Seitenwandungen die- ser Falten eben so gestaltete und organisirte becher- förmige Organe, Deck- und Geschmackszellen aufzu- finden, wie diejenigen waren, welche ich aus den Papulae circum- vallatae derselben Zunge bekam, oder wie diejenigen, welche sich in den Papillae foUatae des Kaninchens vorfinden, mit dem einzigen Unterschiede, dass hier die Zahl der becherförmigen Or- gane gering und ihre Vertheilung eine unregelmässige ist Ausserdem hat die Configuration der ganzen £pithelschicbt denselben Charakter, wie bei den Papillae foliatae des Kaninchens und Hasen, während die eigentliche Papillarschicht hinsichtlich der Entwickelung des Bindegewebes mehr zurticktritt. Die Geschmacks- endapparate finden sich besonders im hinteren Theile der Falten- bildung, seltener schon im mittleren Theile, und im vorderen Drit- theile fehlen sie gänzlich.

1) UnterBuohungren aus dem Gebiete der Anatomie etc. Bomi 1842.

Ein Beitrag zur Kenntnisa der Oeachmacksorgane. 457

Es existirt also in der That auf der menschlichen Zunge noch eine vierte Form vonPapillen, welche mit Rech t P ap i Ha foli ata genannt werden kann, und welche sich in Hinsicht ihrer physiologischen Bedeutung den Papulae circumvallatae anreiht; sie ist aber in ihrer Ausbildung unvollkommen und im Vergleiche mit derjenigen des Kaninchens nur rudimentär.

Eine genauere Untersuchung der verschiedenen Säugethierzun- geo ergab nun, dass die Papilla foliata viel verbreiteter ist, als dies von Wyss annimmt. Schon bei Schwalbe (1. c. p. 168) findet sich eine von v. Wyss nicht beachtete Angabe, dass sich beim Schweine „an jeder Seite der Zunge etwa Je einen Zoll lateral- wärts von der grossen Geschmackspapille eine glatte, mit tiefen unregelmässigen Furchen versehene Stelle auf der Oberfläche der Zunge, ungefähr einen halben Zoll im Durchmesser haltend^', be- finde, und gelang es diesem Forscher, in der Tiefe der Falten ein- zelne Schmeckbecher aufzufinden. Ich hatte Gelegenheit, mich von der Richtigkeit dieser Angaben zu überzeugen und muss das be- schriebene Gebilde der Papilla foliata des Kaninchens vollkommen gleich setzen.

Verhältnissmässig schön entwickelt fand ich femer diese Papil- lenform auf der Zunge des Pferdes, wo sie nahe zur Wurzel der Zunge an beiden Seiten derselben , näher der oberen als der unteren Fläche anzutreffen ist und die Oberfläche derselben ein wenig überragt; sie hat eine elliptische Gestalt von 1 Zoll Längen- und V4 7jo\\ Breitendurchmesser; beide sind so gegen einander ge- neigt, dass ihre verlängerten Längsdurchmesser sich ungefähr in der Gegend der Epiglottis kreuzen. Die Papille wird gebildet von 8—10 schiefen, queren, oft S-förmig gekrümmten ungleich langen Falten.

Die Furchen zwischen den mehr wulstigen Falten sind schmal, and das ganze Gebilde ist von einer ein wenig wulstigen Erhöhung der Zungenschleimhaut wie von einem Rahmen umgeben.

Becherförmige Organe fanden sich in der Tiefe der Furchen dieses Gebildes in so grosser Menge, dass darin die Papilla foliata des Pferdes der des Kaninchens kaum nachstehen dürfte.

Auffallend waren die Verhältnisse beim Hunde. Während sich in einigen Fällen zahlreiche Schmeckbecher innerhalb einer wohl- entwickelten Papilla foliata jederseits am hinteren Theile des Zun-

468 Dr. Alex. K. Ton Ajtai:

genrandes nachweisen Hessen, fanden sich bei anderen Thieren nur Faltenbildungen wie beim Menschen mit vereinzelten Schmeckbe- chem, und in noch anderen Fällen war keine Spur einer Papilla foliata zu constatiren. Bei der Katze scheint eine solche Überhaupt zu fehlen und finden sich an Stelle derselben eine Anzahl grosser kolbenförmiger Papulae filiformes in einer Reihe neben einander, deren schon E. Klein *) Erwähnung thut.

Mit völlig negativem Resultate untersuchte ich die Zunge des Schaafes, Kalbes und Meerschweinchens. Nie gelang es mir hier, ein der Papilla foliata analoges Gebilde aufzufinden. Ueberblicken wir die mitgetheilten Thatsachen, so fällt uns sofort eine Eigenthamlichkeit in die Augen, auf welche ich hier noch aufmerksam machen möchte.

Es stellt sich nämlich (wenn wir vom Meerschweinchen absehen) heraus, dass eine Papilla foliata um so entwickelter, um so reicher an Schmeckbechem angetroffen wird, je geringer entwickelt die Papillae vallatae sind. So finden wir grade bei den Thieren, die nur 2 umwallte Papillen besitzen, wie beim Kaninchen, dem Schweine und Pferde, die Papilla foliata am schönsten entwickelt. Beim Menschen und Hunde ergeben sich mittlere Verhältnisse, da hier die Zahl der Papillae vallatae eine schwankende ist, so zeigt auch die Papilla foliata dem entsprechend einen verschiedenen Grad der Ausbiklung bei verschiedenen Individuen.

Bei den Wiederkäuern endlich wird durch die zahlreichen nm- wallten Papillen der Mangel einer Papilla foliata reichlich ersetzt

Während der Untersuchung der Papillae foliatae des Menschen wurde ich auf 2 eigenthttmliche Epithelzellenformen aufmerksam, deren ich hier noch kurz gedenken will.

Die eine Art dieser Zellen gleicht im Allgemeinen den Zellen, welche Henle in seiner Eioge weidelehre*) von der Spitze der PapiUae filiformes beschreibt und abbildet (p. 122, Fig. 80 u. 81), oder den Zellen, welche Hoff mann') und Heiberg^) nach Sub- stanzverlusten des Gomealepithels bei der Regeneration desselben auftreten sahen und als knospende Epithelien deuteten. Ich fand

1) Stricker's Handbuch der Lehre von den Geweben, p. 372.

2) 8. 122.

3) Virohow'g Archiv Bd. 51, p. 378.

4) üeber die Neabildung des Hornhautepithels. Wiener medic. Jahr- bücher 1871.

Beitrag bot Kemit&tM der Geschmaokiorgatie. 459

deren in der ganzen Ausbreitung der Papilla foliata zwiflchen den gewöhnlichen Epithelien zerstreut, in grosser Menge. Sie besitzen einen scharf begränzten, verschieden grossen und gestalteten Kör- per, haben in dem peripherischen Theile einen homogenen, um den Kern einen fein granulirten Inhalt ; der Kern enthält 1—2 glanzende Kemkörperchen. Die auffälligste Erscheinung an ihnen ist ein lan- ger Fortsatz. Derselbe ist scharf conturirt und wenigstens so lang, wie der grösste Durchmesser der Zelle , oft aber auch um das zwei- bis vierfache länger, ferner vollständig homogen, mattglänzend, bald gerade, bald wellenartig verlaufend, hat bald ein spitzes, bald ein abgestumpftes Ende, und manche unter ihnen tragen an ihrem Ende eine kleine Kugel von gleicher Beschaffenheit, in deren Mitte ein glänzender Punkt zu sehen ist.

Meistens entspringt der Fortsatz plötzlich aus der Zelle, das heisst, er nimmt schon an der Zellengränze diejenige Dicke an, welche er auch im weiteren Verlaufe zeigt; andere haben einen breiten Ursprung, manche sind beinahe ganz konisch.

Aehnliche Epithelzellen mit Fortsätzen fand ich auch im iso- lirten Epithel der Papilla foliata des Pferdes.

Die zweite Art von Zellen gleicht den Geschmackszellen der becherförmigen Organe, nur sind sie drei- bis fünfmal grösser. Es sind dies sehr zarte Gebilde von länglich eiförmiger Gestalt, de- ren Pole ziemlich plötzlich in einen längeren und einen kürzeren Fortsatz übergehen. Die Fortsätze und der peripherische Theil des Zellenkörpers sind ganz homogen, mattglänzend und nur um den Kern, welcher den Zellenkörper nie ausfüllt und verhältnissmässig viel kleiner ist, als die Geschmackszellenkerne, welche in der Regel fast den ganzen Zellenkörper bilden, kann man einige Trübung be- obachten, ohne dass eine granulirte Beschaffenheit wahrnehmbar wäre. Die Enden der Fortsätze waren meist verwachsen, manch- mal sehen sie wie abgebrochen aus.

Diese Zellen fand ich im Gegensatze zu den oben beschriebenen geschwänzten Epithelzellen nur in den hinteren zwei Drit- theilen der Papulae foliatae, also dort, wo sich auch Ge- schmackszellen vorfinden.

* Wie sie dort innerhalb des Epithels gelagert sind, ob sie, wie ich vermuthe, senkrecht zur Oberfläche die Dicke des Epithels durchsetzen, ist mir nicht gelungen, mit Sicherheit zu ermitteln. Schnittpräparate gaben darüber keine Auskunft.

460 Dr. Alex. K v. Ajtai: Ein Beitrag zur Kenn tuiss der Gesohmackaorgane.

Die in vorstehenden Zeilen mitgetheilten Resultate wurden mit Hälfe der bereits von Schwalbe für die Untersuchung der Ge- schmacksorgane angegebenen Methoden gewonnen und kann ich in dieser Beziehung auf dessen oben citirte Arbeit verweisen.

Schliesslich benütze ich diese Gelegenheit, um Herrn Professor Schwalbe meinen innigsten Dank auszusprechen fOr seinen freund- lichen Rath, mit welchen er mich bei dieser sowie bei anderen Ar- beiten im Leipziger physiologischen Laboratorium unterstfitzte und noch unterstützt.

Leipzig, Januar 1872.

Untersuchungen über die Leuchtorgane der bei Vera-Cruz vorkommenden Leuchtkäfer.

Von Dr. C«rl HelBeniAiiB.

L Abtheilimg.

Ueber die Leuchtorgane der deutschen Lampyriden haben die Untersuchungen von Leydig, Kölliker und Max Schultze Au&chluss gegeben, fQr exotische Leuchtkäfer fehlen genauere Be- obachtungen vollkommen, obgleich sie gerade an einer Anzahl der- selben ihrer Grösse wegen viel leichter anzustellen sind. Die fol- genden Zeilen sind bestimmt, diese Lücke auszufüllen, so weit es meine schwachen Kräfte gestatten, und beginne ich mit den leuch- tenden Elateren, den Cnc6yos des tropischen Amerikas, welche sämmtlich der Gattung Pyrophorus angehören.

In der Umgegend von Vera-Cruz kommen 2 Arten derselben vor, welche sich wesentlich nur durch ihre Grösse unterscheiden. Die grösseren messen bis über 3 Gentiro., die kleineren bis 2,5 Centim. ; beide sind matt braunschwarz gefärbt und mit einem fei- nen graugelben Filz bedeckt. Eine genauere Bestimmung der Arten gestatteten meine entomologischen HUlfsmittel nicht.

Wunderbar ist, dass eine so schöne Naturerscheinung, wie das Leuchten der Guc6yos, die reisenden Naturforscher nicht zu einer genaueren Untersuchung aufgefordert hat. Die meisten haben das grösste der vorhandenen 3 Leuchtorgane ganz übersehen, ja einige hielten sogar den Inhalt der ganzen Leibeshöhle fttr leuchtend. Lacordaire (Milne Edwards le<;ons) hat zwar die 3 Leuchtorgane

462 Dr. Carl Heinemann:

gesehen, verlegt aber das grosse Bauchorgan fälschlich an die hin- tere untere Fläche des Metathorax.

Die Flugzeit der kleineren Art dauert von Ende Btärz bis Ende Mai, der grösseren von Ende April bis Ende Juni , doch wird die- selbe durch frühzeitiges Eintreten heftiger Regengfisse abgekOrzt. In der Gefangenschaft kann man sie Ober 4 Wochen lang erhalten; nach dem hiesigen Volksgebrauch gibt man ihnen Zuckerrohr, fau- lendes Holz und die schönen BlQthen der Plumeria zur Nahrung, und badet sie täglich einmal in frischem Wasser. Ihr Aufenthalt ist Busch und Wald, doch verfliegen sie sich oft weit davon. Ueber ihre Verbreitung kann ich nach eigenen Anschauungen und fremde» Mittheilungeo Folgendes sagen. IKe Gncöyos sind Bewohner aos- schliesslich der heissesten Pierra caliente, die heissen Kflstenstriche sind in Mexico ihr eigentliches Vaterland. Verfolgt man z. B. eine der beiden Hauptstraasen , mkim tob Vera^Cruz nach der Haupt- stadt führen, die über Orizaba, so bildet der Pass bei Ghiquibüite die Grenze für das Vorkommen der Gucüyos, obgleich die heisse Zone sich noch 6 Leguas ^Ki^ im flach Cördova erstreckt Die Larve lebt in iaukm Heiz, welchaa die Wilder in so feidiem Masse darbieten^ zuweilen auch im Ztiekerrohr, doch ist ntdi Beobachtung zuverlässiger Hiesiger die häufig ausgesprochene Ansiebt, als sei das Vorkommen des Käfers an die Gullur to Zuckerrohres gebun- den, durchaus falBch. Die Larven habe ich selbst bisher Boch nicht untersuchen kAinen.

Im heissen Küstenkmde gewUurt ein Wald in mondscheinlosen Nächten^ denn nur i% solehen entfalten <He Thiere ibie volle Leucht- thätigkeit, einen wirklieh praehtvcdlODi Anblick, mam glaubt sich in den ZauberwaU des Mährehens versetat| wo jedes Baumbhitt mit leuchtenden Edelsteinen besetzt ist. Viel trägt zu diesem Emdmck ausser der Grösse der Leuchtorgane die Stätigkeit des Lichtes bti. Während aufUitzenden und sofort wieder verlöschenden Funkm gleich die Lampyriden uailiersehwärmen , fesselt das Licht der Ca- cüyos namentlich im Fhige durch seine gleichbleibende Stärke das Auge des Beobachters. Damit soll nicht gesagt sein, diiss bei ge- nauerer Beobachtung, namentlich in der Gefangenschaft, wo die Thiere sich niemals in freier vollkommener Thätigkeit befinden, nicht ein abwechselndes An- und Abschwdlen des Lichtes zu be- wirken sei, ebensowenig als^das VerloschaD des lichtes der Lampy- riden bekanntlich ein vollkommenes ist, immerhin muss diese Ver-

Unters, üb. d. Leuchtorgftne der bei V^rtt-Gruis verkomm. Leuchtkäfer. 468

achiedenlieit in der Leachttbatifikeit als eine dttrcbgreifeiidiii beeeidi- net werden.

Die Farbe des GociyQlichtes ist ein eigenthttinlidies HellgrOn mit etwas Gelb gemischt, welches noch am besten mit dem Licht ▼erglichen werden kann, das mit chlorsanrera Baryt bereitete Feoer- werkss&lze ausstrahlen« ' Das lidit der Uer beobachteten Lanpj- riden seigt mancherlei Abstufungen Yön Gelb, öfters mit Beimi- sehung von Blau.

Die GucAyos sind näohtlicke Tbiere, welche von der Abeod- bis in die Morgeiidftmnierung ihr Wesen treiben, doch leuchten sie auch am Tage sofort, wenn man 9ie erweckt, wm kmrase Zeit nach- her wieder mr Ruhä m kommen. Interes^mt ist die einschläfernde und damit auch das Leucktea aufhebende Wirkung nicht Mir des TageS; sondern auch des Lampenlichts. Oft habe ich stark lemch- teade Cacdyos bei Nacht dem Lieht einer gewöbidicben Pettoleum- lampe ausgesetat und in einer Viertebtunde Bewegung und Leucht- thitigkeit auihöieii s^be»; naeh Entfernung der Lampe kehrten in kUrserer Zeit Bewegung und Leuchten zuiUck« Aehnlich wirkt das Mondlicht, denn nur an dunklen Waldstellen sind ia Mondschein- nächten die Gac6yo6 thäf^: Es ist keine Uebertreibang, wttin Rei- sende beriehtea, dass sie in dunklen Nächten den Weg erhellen und oft habe ich es nit Erfolg versucht , bei dem Licht eines ein* zigen Käfers, wenn auch rntthsam, zu lesen.

Dass herausgeschnittene Leuchtorgane noch längere Zeit foft- leuchten, iirt eben so schon von den Lampjriden bekannt; das er- löschende Licht selbst zerstückelter Organe kann durch mechanische RdaHig wieder von? Neuem angefacht werden.

Naeh diesen angcmeinoi Bemerkungen wende ich mich zu der genaueren Bescfareibiiig der Leuchtorgane» wobei zu bemerken ist, dass die angegebenen Masse sich sämmüich auf die grössere Käferart beäehen.

Es sind 3 Leuchtorgane vorhanden, 2 symmetrisch im Pro- thorax nahe den Aussenräadem und den nach hinten vorspringen- den Winkeln desselben gelegen, und ein viel grösseres unpaariges Banchorgan. Die Brastorgane liegen dicht unter der festen Ghitin- hfiUe, welche hier 2 der Augenflecken der Lepidopteren vergleich- bare, durchsichtige gelblich weisse, leicht vorgewölbte Stellen von elliptischer Fornn aufweist. Der grösste Durchmesser dieser Flecke ist etwas nach Aussen zur Längsaxe des Körpers geneigt und misst

464 Dr. Carl Heinemann:

bis 6,5 Mm. Zam Verständniss der Lage des bisher fast immer übersehenen, aber unter den dreien grössten Leuchtorgans mus^ eine Eigenthttmlichkeit unserer Käfer hervorgehoben werden, von der ich, zu wenig mit der Entomologie vertraut, nicht weiss, ob sie auch bei anderen Käfergattungen vorkommt. Metathorax und Ab- domen sind nämlich sehr beweglich und nur auf der Rückenseite miteinander verbunden der Art, dass der Hinterleib nach der Rücken- Seite in die Höhe gehoben werden kann und der grösste Theil sei- ner freien Endfläche von etwa dreieckig gleichschenkeliger Form nach vom und unten sichtbar wird. In diese annähernd dreieckige Endfläche, deren ungleiche längere, etwas gekrümmte Seite die obere ist, ist nun das Leuchtorgan einge&lzt und zwar zwischen eine niedrige Leiste, welche nahe dem Pigmentende am erstra Gen- tralring entspringt und dem etwas eingebogenen Rande dieses Rin- ges selbst. Da nun der Käfer die besprochene Bewegung des Hin- terleibes nur im Fluge ausführen kann , denn sonst wird sie durch die Flügeldecken verhindert, so ist von dem Organ nichts zu sehen, wenn man einen Käfer in Oefangenschaft beobachtet An seiner Oberfläche ist das besprochene Organ ebenfalls von der Ghitinhülle des Körpers bedeckt, diese ist aber hier nicht von horniger Be- schaffenheit, sondern stellt ein dünnes, unter dem Mikroskop völlig strukturloses Häutchen dar, welches sich bei einiger Sorgfalt am frischen Organ leichter nach Einwirkung von Säuren oder Alkalien abtrennen lässt.

Beim Männchen fUUt das Organ den Abdominalquerschnitt, d. h. den freigelassenen grösseren unteren Theil desselben vollstän- dig aus, beim Weibchen ist das Organ kleiner. Seine Gestalt ist die einer dreieckigen Platte, an welcher durch eine zarte Längs- furche und oben und unten seichte Einschnitte eine Entwicklung aus symmetrischen Seitenhälften angedeutet ist. Rechtwinkelig zu der Längsfurche verläuft eine Horizontale, wodurch die Vorder- fläche des Organs in 2 kleinere obere und 2 grössere untere Falten getheilt ist Die Breite des Organs beträgt oben, wo sie am gröss- ten ist, beim Männchen bis 6,5 Mm. Die Brustorgane sind dünne Platten von Form und Grösse der oben beschriebenen Flecke, unter denen sie unmittelbar liegen. Die folgenden Mittheilungen sind namentlich an dem leichter zu präparirenden Bauchorgan angestellt, nachdem ich mich erst von der wesentlich gleichen Beschaffenheit beider überzeugt hatte.

Unten, üb. d. Leacbiorgane der bei Vera-Cruz vorkoinm. Leuchtkäfer. 466

An beiderlei Organen unterscheidet man ganz wie bei den europäificben Lampyriden 2 in Farbe und Darchsichtigkeit verschie- dene Schichten, eine vordere dicke, welche leuchtet, von einem Pig- ment hellgelbUch gefärbte, die beim Leuchten etwas Durchsichtiges annimmt, und eine dünnere hintere vollkommen weisse, wie kalkige, welche nicht leuchtet. Beide Schichten hängen innig zusam- men und sind selbst bei Anwendung von 35procentiger Kalilauge nicht rein zu trennen. Die mikroskopische Untersuchung der frischen Organe habe ich ohne Zusatzfittssigkeit in künstlichem Serum und im Blut der Kfifer vorgenommen.

Die Leuchtzellen der vorderen Schicht sind offenbar viel soli- dere Gebilde, als bei den europäischen Lampyriden, denn an Zer- zupfungspräparaten erkennt man sie selbst ohne Zusatzflassigkeit bei wechselnder Einstellung als rundliche Ballen, bei Wasserzusatz zerfallen sie schnell. Das Gesichtsfeld ist dann erfüllt von kleinen scharf oontnrirten Kömchen, welche lebhafte Molecularbewegung zeigen und von grösseren, stark lichtbrechenden Tropfen. Länger halten sich die Zellen in Zuckerwasser. Schöne Bilder erhält man in künstlichem Serum oder Käferblut (natürliche Amniosdüssigkeit war in Vera-Cruz der hohen Temperatur und der entfernten Lage des Schlachthauses wegen nicht unzersetzt zu erhalten), man sieht dann rundliche, auch längliche Zellen, deren Durchmesser von 0,025 bis 0,0425 und darüber schwankt; sie beMehen aus einer fein- kömigen Substanz, welche einen mndlichen Kern einschUesst, der entweder ein Kerakörperchen oder ebenfalls feinkörnige Masse ent- hält Eine Membran ist nicht nachweisbar. Die polyedrische Form ist hier die seltenere, häufiger erscheinen die Zellen im Durchschnitt als Parallelogramme mit abgemndeten Ecken, auch gewinnt man bei fortgesetzter Untersuchung die Ueberzeugung, dass Abweichun- gen von der runden oder länglich mnden Form, als bimförmige, blattförmige, der Zerrung bei der Präparation und dem Dmck des Deckgläschens zuzuschreiben sind. Fortsätze konnte ich selbst bei ' starken Vergrösserangen nicht wahmehmen. Bei längerer Einwir- kung des Semms tritt eine eigenthümliche Veränderung der Zell- substanz ein; diese nimmt nämlich ein radiär strahliges Aussehen an mit entsprechender feiner Kerbung an dem scheinbaren Zellen- rande, wie herrührend von einer Faltung der Zellmasse, die von einem festen Punkt ausgeht oder von radienweise erfolgenden Ver- zehrang derselben. Bei allmäliger Verdunstung der Zusatsflüssig-

466 Dr. Carl Heinemann:

keit und zonehitiendem Druck des Deckgldschens zerfallen die Zel- len und 2war jedesmal mit einem gewissen Ruck, so dass dadurch eine Zusammensetzung aus festeren und von diesen eingeschlossenen flossigeren Theilen wahrscheinlich wird. Die ergossene Masse ent- hält erstens eme grosse Menge der schon oben erwähnten feioen KOmchen, zweitens blasse Bläschen oder Tropfen, die einen gefüllt mit in lebhafter Molecularbewegung begriffenen Körnchen, die an- dern nidit, drittens die bekannten stark lichtbreefaenden Tropfen. Es ist hier der Ort hervorzuheben, d^ in der unversehrten frischen Zelle niemals etwas von Molecularbew^ung zu bemerken ist.

Was ich von microdiemischen Reactionen der Zellen beobachtet habe, beschränkt sich auf Folgendes:

Sehwefekftnre Kst die Zellen rasch auf, während die Tracheen sichtbar bleiben, Schwefelsäure und Zucker haben denselben Effect, nur dass stellenweise eine rosenrothe Färbtttg der Flttssigkeit anf- tritt. Lässt man zu einem m Znckerwasser bereiteten Präparat unter den Deckgläschen ein Minimum Schwefelsäure hinzutreten, so gelingt 69, die Zellen eine Zeit lang schön sichtbar zu erhalten, und man kafm sich dann von ihrer rothen Färbung fiberzeugen. Diese Beobachtung stehl im Widerspruch mit der von Milne Ed- wards (Le^Bs^ fome 8, pag. 105) nach Macaire mitgeäieilten, doch zweifle ich nicht, dass auch an den Leuchtzellen der Lampy- riden dieselbe Beaotion gelingt

Wässerige Jodlösung allein bewirtet keine Färbung, ebensowenig mit SO'«

Essigsäure hellt die Zellen stark auf, so dass die Kerne stär- ker hervortreten, bei längerer Einwirkung bleiben nur die Kerne sichtbar , bis endlich auch diese verschwinden. Die starke Essig- säuremischuDg von Moleschott hellt ebenfalls stark auf, nur bleiben Zellen und Kerne nach 48stüBdiger Einwirkung noch gut sicht- bar, während von den Tracheen dann schon nichts mehr zu se- hen ist.

Kalilauge von 35 Procent hellt die feinkörnige Zellenmasse vollkommen auf und bringt das oben beschriebene strahlige Aas- sehen sofort hervor. Lässt man unter dem Deckgläsehen Wasser hinzutreten, so lösen sich die Zellen blitzschnell auf und nur die wunderbar reichen Tracheenverästelungen bleiben zurflck.

Alkoholpräparate lassen sich zwischen Hollundermart: bequem schneiden, die Zellen treten in ihrer trübkömigen Structor und mit

Unten, fib. d. LenohtorgAiie der bei Yerft-Cnu Torkomm. Leuöhtkifer. 46T

ihren Kernen deatlich h^ror, onr die feinen TracheenTerfistelungan werden wegen Entziehung ihres Lnftgeh&Its ansichtbar. Durch- achnitte frischer Lenchtorgane reagiren gegen Lackmuspapier leicht sauer, doch wage ich natürlich nicht, zu entscheiden, ob dies die normale Reaction der Leuehtzellen oder Folge eingetretener Zer- setzung ist

Indem wir uns nun zur Schilderung des Verhältnisses der Leuchtr Zellen zu den Tracheen wenden , sollen hier einige fragmentarische Bemerkungen über die Tracheenstämme der GucAyos Platz finden. Wie wohl alle bisher untersuchten Käfer, haben aach die Guc&yos 9 Paar Stigmen , Yon denen 7 auf den Hinterleib, 2 auf die Brust kommen. Die Abdominalstigmen sind rundlich, liegen nahe dem äusseren Rande der Dorsalringe, die Braststigmen yertheilen sich auf Meso- und Metathorax. Die ersteren liegen an der äusseren Abdachung des dorsalen Theiles und sind ebenfalls rund, die letz- teren sind viel grösser, in die Länge gezogen zweilippig und sitzen am äasseren Theil des vordem oberen Randes. Diese grossen Stig- men des Metathorax führen in Lufträume, von denen nadi vom stärkere, nach hinten feinere Längsstämme entspringen; diese letz- teren versorgen das Bauehleuchtorgan.

«

Das Verhalten der feineren Tracheenenden istnunaberraschend verschieden von dem bei Lampyris splendidula. Zunächst zeigen die ferneren Tracheen nicht jene baumförmigen Verzweigungen, son- dern laufen mehr parallel pinselartigen Ausstrahlungen gleich, dann aber ist von Tracheenendzellen keine Spur nachzuweisen, wie sie Max Schnitze an den Leuchtorganen der Männchen von Lamp. splend. beobachtet hat. Dagegen fällt schon an Alkohol- oder frischen Zerzupfangspräparaten eine Anordnung der Leuchtzellen in Reihen auf, welche bestimmt werden durch die Ausstrah- lung der Tracheenäste, es erscheinen die Zellen wie Perlen auf eine Schnur, so auf die Tracheen aufgereiht. In der Ausstrahlungsrich- tung ist offenbar eine Trennung des Zusammenhanges leichter, als in einer andern, und gelingt es daher ohne Mühe, solche Zellen- reihen zu isoliren. Die Tracheenäste verlaufen da oft stark ge^ schlängelt, verlassen eine Zellenreihe, um schlingenfOrnüg umbiegend in eine andere einzutreten. Kalilauge von 35 Procent, welche be- kanntlich so treffHche Dienste leistet, durch Auflösung der Kitt- substanz die Elemente mancher Gewebe zu isoliren, hebt die Ver- bindung von Zellen und Tracheen nicht auf, die Zellen trennen sich

468 Dr. Carl Heinemann:

bei dieser Behandlung sehr leicht in der Richtung der Tracheeoaus- Strahlung, an den Tracheenästen selbst bleibt immer eine Anzahl Zellen festhaften. Ferner kann man an Präparaten, welche in Lö- sungen der Os.-S. gelegen und dadurch einen höheren Grad von Brttchigkeit erlangt haben, mit Leichtigkeit Zellen isoliren, an wel- chen ein Stttck der abgebrochenen Trachee haftet, oder besser ge- sagt, welche von einem TracheenbruchstQck durchsetzt werden. Oft habe ich an solchen Präparaten gesehen, wie feinste Tracheenenili- gungen in einer Zelle aufhörten oder wenigstens nicht weiter zu verfolgen waren.

Es ist hier der Ort, ausführlicher von der Einwirkung der Üs.-S. auf unsere Leuchtorgane zu sprechen, zumal hierbei noch an- dere Fragen zur Erörterung kommen werden.

Legt man lebende Gucüyos 12; selbst 24— Stunden in Ipro- centige Lösung der Säure, so färbt sich nur die nicht leuchtende kalkig weisse Schicht schwarz, die leuchtende bleibt fast weiss. Stellt man nun Zerzupfungspräparate her, so sieht man keine Spur von Tracheenendzeilen ; die Leuchtzellen selbst treten scharf hervor, sind leicht gebräunt und zeigen häufig Fortsätze von derselben Be- schaffenheit, wie der übrige Zellkörper. Hin und wieder sieht man diese Fortsätze in Fasern übergehen, deren Bedeutung, ob Nen oder feinste Tracheenendigung, ich vorläufig noch unentschiedea lassen muss. Was die Natur der. Fortsätze betrifft, erinnere ich daran ; dass mit den stärksten Objectiven von Zeiss es mir nie gelang, an frischen Präparaten davon etwas zu sehen und glaube ich daher auf die Möglichkeit hinweisen zu müssen, dass sie künst- lich bei der Präparation erzeugt seien. Die durch Osm.-S. verän- derte Gonsistenz; die erlangte grössere Zähigkeit der ZellsubstaDz erklären sehr wohl Gestaltveränderungen ohne nothwendige Tren- nung des Zusammenhanges bei der Nadelpräparation. Dieselben Resultate erhält man bei dem Einlegen frischer ganzer Leuchtor- gane ; eine Schwärzung der leuchtenden Schicht und auch dann nur eine theilweise tritt erst ein, wenn man zerschnittene Organe in Iprocentige Säurelösung auf 6—7 Stunden legt, doch ist dann wegen zu starker Brücbigkeit nicht mehr so viel von den Zellen zu sehen. Man findet noch wohlerhaltene Zellen, auch solche mit Tra- cheenfragmenten, aber der Kern ist schon sehr undeutlich. In schwächeren Lösungen z. B. von Vs Procent sind die ZeHeo noch weniger gut erhalten.

Unters, üb. d. Leuditorgane der bei Vera-CriuB Yorkomm. Leuchtkäfer. 469

Vorgreifend will ich schon hier mittheilen, dass bei drei von mir antersachten hiesigen Lampyrisarten nach Einlegen der leben- den Thiere in Lösungen ven Osm. S. sofort die Tracheenendzeilen scharf und in derselben Anordnung hervortraten, wie sie Max Schnitze von Lamp. splend. abgebildet hat.

Wenden wir uns nun zu der Betrachtung der nicht leuchten- den Schicht Frisch in künstlichem Serum untersucht, erscheint sie zusammengesetzt aus grösseren Tracheenstämmen und compac- ten zum Theil kugeligen Massen, von denen einige sofort wieder sich als Conglomerate kleiner scharf conturirter Kömchen ausweisen. Bei Einwirkung starker Kalilauge wird an einzelnen der Jcugeligen Körper eine strahlig-krystallinische Structur sichtbar. Von einem Kingeschlossensein in Zellen habe ich mich nicht überzeugen kön- nen, obgleich das Verhalten der Leuchtzellen zu starker Lauge ein ähnliches ßesultat bei der nicht leuchtenden Schicht erwarten Hess. Bei Zusatz von Säuren verschwinden die dunkeln Massen und es krystallisirt reichlich Harnsäure heraus. Die Murexidprobe, welche hier wegen genügender Menge des Materials sehr leicht anzustellen ist, bestätigt die mikroskopische Beobachtung. Am schönsten aus- gebildet sind die Krystalle der Harnsäure in Präparaten, welche in Os. S. gelegen haben. Die leuchtende Schicht in ähnlicher Weise behandelt, liefert Krystallisationen anderer Art, aber nie von Harn- säure. Betreffend die mit der Harnsäure verbundene Base kann ich für diesmal nur das negative Resultat verzeichnen, dass bei den Cucüyos diese Base entschieden nicht Ammoniak ist.

Wenn ich nun also auch die Existenz von UratzeUen für die Cucüyos in Abrede stellen muss, wäre es immer noch möglich, dass die nicht leuchtende Schicht sich allmälich aus der leuchtenden als ein Product der Leuchtthätigkeit herausbilde, worauf M. Schnitze hinweist; ich habe jedoch bei vierwöchentlicher Beobachtung keine wahrnehmbare Differenz in der relativen Dicke beider Schichten am Anfang und Ende der Beobachtungszeit nachweisen können.

Der innige Zusammenhang beider Schichten wird nach meinem Dafürhalten wesentlich durch die Tracheen vermittelt. Fragen wir nun nach der Bedeutung der nicht leuchtenden Schicht, so möchte ich sie darin finden, dass sie als Licht zurückwerfender und damit den Glanz des Lichtorgans erhöhender Apparat wirkt.

Die Nerven des Bauchleuchtorgans kommen von dem ersten Abdominalknoten des Bauchstranges, welcher direct dem Leuchtorgan

470 Dr. Carl Heinemann:

aufliegt. Beiläufig sei bemerkt, dass von den 5 vorhandenen Abdo- minalknoten der fünfte der grösste und mit dem vierten durch ver- hältnissmässig nur kurze Längscommissuren verbunden ist

lieber das genauere Verhalten der Nerven zu den LeuchtzeDen bin ich bisher zu Resultaten noch nicht gekommen und will ich nächstes Frühjahr diese Frage von neuem aufnehmen.

Am Schluss dieser lückenhaften Mittheilungen möchte ich noch auf die Wechselbeziehung der Leuchtorgane zum Blut hinweisen, Fragen, über welche sich an den kleinen europäischen Lampyrideu wohl kaum Untersuchungen anstellen lassen. In der That sind so bedeutende chemische Umsetzungen, wie sie offenbar in den Leacht- Organen vor sich gehen, ohne Theilnahme des Blutes nicht denkbar, ja ich möchte sogar hierin eine wesentliche Function dieser Organe erkennen. Weit entfernt, die Natur dieser gegenseitigen Einwt^ kung erörtern zu können, will ich hier nur einige Bemerkung^ über die das Bauchleuchtorgan umspülende allgemeine KörperfiQs- sigkeit mittfaeilen, die nicht sofort als identisch mit z. B. aas dem Rückengefäss entnommenem Blut angesehen werden kann.

Entfernt man bei einem lebenden Käfer die Flügeldecken und schlägt den Unterleib in die Höhe, so erscheint bei noch kräftigen Thieren die feine Chitindecke des Bauchleuchtorgans von Flüssig- keit prall hervorgewölbt; schneidet man ohne Verletzung des Or- gans selbst diese Haut ein, so quellen einige Tropfen einer klaren graugelblichen, nicht leuchtenden Flüssigkeit hervor, welche zunächst weder auf Lackmus- noch Cuccumapapier reagirt. Nach einiger Zeit färbt sich die Flüssigkeit braun und dann bemerkt man wohl in Folge eintretender Zersetzung eine leichte Röthung des Lackmus- papieres. Betrachtet man die noch nicht braun gefärbte Flüssigkeit genau, so erscheint sie wie aus zweien nicht vollkommen gemischten zusammengesetzt, einer farblosen und einer grünlichgelben; ebenso bemerkt man, dass die Braunfärbung sehr selten durch den ganzen Tropfen gleichmässig , sondern meist nur stellenweise erfolgt, zu- weilen sogar gelingt es, auf Papier den Tropfen zu einem durch- sichtigen grünlichgelben Lack eintrocknen zu lassen. Bringt man etwas Flüssigkeit auf einer Glasplatte in einen hermetisch verschlos- senen , mit Wasserdampf gesättigten Raum , so tritt selbst nach 8 Tagen keine spontane Gerinnung, wohl aber die Braunfärbung ein. Benetzt man einen Glasstab mit der Flüssigkeit und bringt ihn in destillirtes Wasser, so fällt ein ^^eisses Gerinnsel langsam zu Boden;

Unten, üb. d. Leuchtorg^e der bei Vera-Cruz Torkomm. Leuchtkäfer. 471

auf einer Glasplatte erhitzt, gestaltet die Flassigkeit, ehe sie zu kochen anfängt, zu einem weissen Oerinnsel, welches unter dem Mi- kroskop feinkörnig erscheint (von ausgeschiedenen anderen Sub- stanzen?). Die frische Flüssigkeit unter dem Mikroskop untersucht, zeigt eine* grosse Menge theils runder, theils spindelförmiger, farb- loser, fein granulirter Körperchen, welche oft mit feinen Fortsätzen ausgestattet sind. Spontane Bewegungen habe ich an jhnen nicht wahrnehmen können. Der Durchmesser der runden beträgt durch- schnittlich 0,005 Mm., die spindelförmigen sind schmaler, aber da- für doppelt so lang. Es lag nun die Frage nahe, steht das Braun- werden der Flüssigkeit mit diesen farblosen Blutkörperchen in Be- ziehung? Anfangs war ich geneigt, dies anzunehmen, weil die braune Substanz bei mikroskopischer Beobachtung zuerst immer in Massen auftritt, die oft täuschende Aehnlichkeit mit weissen Blut- körperchen haben, bei fortgesetzter Beobachtung bemerkt man je- doch 1. dass die braune Masse häufig deutlich krystallinisch auftrat, 2. dass sich die Braunfärbung auch in der Flüssigkeit verbreitet, 3. dass eine Masse Blutkörperchen gar nicht im Bereich der gefärbten Stel- len liegen, sondern ihr normales Aussehen bewahren. Bei fortschrei- tender Verdunstung erscheinen andere Krystallisationen, unter denen mir namentlich regelmässige Octaeder aufGelen. Stellt man die Teich- mann'sche Häminprobe mit der braunen Substanz an, so ergibt sie kein Resultat.

Vera-Cruz, den 6. Novbr. 1871.

M. Scboltie, ArclüT C niUarock. Automie. Bd. a. $1

Modelle zur Erläuterung der Form, des Volumens und der Oberflächenentfaltung der rothen Blutkör-

perohen der Wirbelthiere.

Von HU Weleker.

I.

Die Grössenverschiedenheiten der Blutkörperchen haben von jeher lebhafte Beachtung gefunden, und wir verdanken Milne-£d- wards, Gulliver und anderen Forschern umfassende Maasstabellen, R. Wagner und Ecker (Icones physiologicae) gute Abbildungen der hier vorkommenden Grössen- und Formverschiedenheiten. Sinn und Bedeutung gewinnen diese Grössenunterschiede indessen erst da- durch, dass zugleich die Zahlenverhältnisse der Blutkörperchen und das Maass ihrer Oberfläche mit in Betracht gezogen werden.

Eine Reihe von Modellen rother Blutkörperchen^ welche ich vor einigen Jahren gelegentlich meiner metrischen Bestimmungen des Blutes aus Gyps gefertigt hatte, scheint für mehrere Zwecke der Demonstration ein nicht unbrauchbares Hilfsmittel abgeben zu können, und ich habe auf den Wunsch einiger Freunde Veranstaltung ge- troffen, dass dieselben weiter vervielfältigt werden und käuflich zu haben sind^.

Indem ich betreffs der bei der Modellirung maassgebenden Data, sowie des Näheren der mittelst der Modelle gewonnenen Ei^ebnisse, auf meine früheren Mittheilungen verweise*), hebe ich hier nur das- jenige hervor, was zur Erläuterung der ModeUe erforderlich ist, und an deren Betrachtung sich unmittelbar anschliesst

Sämmtlich nach demselben Maassstabe ausgeführt (5000fache

1) Herr Q. Klaatsch (Assistent am anat. Institut zu Halle), dem ich die Formen übergeben habe, liefert diese Modelle 12 Stück, colorirt, iu zweckmässigem Kistchen zum Preise von 6 Thlr.

2) Zeitschr. f. rat. Med,, S. Reihe IV, 145 und XX, 267.

Modelle zar Erlftatemng der Form eto. der rothen Blutkörperchen. 478

Linearvei^össening), gewähren dieselben, mehr als die mikrosko- pische Betrachtung der wirklichen Blutkörperchen dies vermag, einen unmittelbaren Einblick in die Grössen- und Formverhältnisse dieser Körperchen.

Die Säugethiere sind vertreten durch Moschus, Ziege, Sie- benschläfer, Lama und Mensch; die übrigen Wirbelthierklassen durch Buchfink, Eidechse, Frosch, Proteus und Schleihe. Dem menschlichen Blutkörperchen ist, um den bisquitförmigeo Quer- schnitt zu zeigen, ein zweites, querdurchsägtes Exemplar beigefügt.

Das kleinste dieser Blutkörperchen (Moschus) zeigt bei dem gewählten Maasstabe die Grösse eines Chemisettenknopfes ; das des Menschen die Grösse eines Thalers, während das Blutkörperchen des Proteus die Grösse eines Brodleibes erreicht. Das Volum dieses letzteren ist gleich dem von 1 28 Blutkörperchen des Menschen und gleich dem von 3000 des Moschus.

Ganz ebenso, wie hinsichtlich des Volumens ergeben diese Mo- delle einen unmittelbaren Einblick in die ausserordentlich differenten Grössen der Oberfläche, welche den Blutkörperchen der verschie- denen Thiere zukoount. Bei dem Menschen =128 (Millionstel Quadrat-Millimeter), sinkt die Oberfläche des Blutkörperchens bei der Ziege auf 56, während sie bei Proteus auf 3444 steigt.

Führen wir aber einen neuen Factor in die Betrachtung ein, welchen die Blutkörperchen-Zählung uns liefert, und erfahren, dass die Zahl der Körperchen ziemlich genau in demselben Verhältniss abnimmt, in welchem das Volum des Blutkörperchens wächst, und erwägen wir, dass die Energie der Athmung wesentlich geknüpft ist an das Maass, in welchem die Blutkörperchensubstanz mittelst Ober- flächenentfaltung frei gelegt, das Volum des einzelnen Körperchens mithin klein ist, so ist uns die Grösse des Blutkörperchens c.p. ein unmittelbarer Ausdruck für die Tauglichkeit eines Blutes als Athmungsvermittler, in dem Sinne nämlich, dass die kleinen Blutkörperchen einen lebhaften Stoffwechsel begünstigen und umgekehrt. ^)

Meine Blutmengebestimmungen hatten ergeben, dass die Bin t- m e n ge innerhalb der drei höheren Wirbelthierklassen nur in massigen

1) Das auB der Reihe faUen der Fische, die mit ihren sehr kleinen blatkörperchen den im Wasser absorbirten Sauerstoff zu assiroiliren haben, ist nicht ein Widerspruch, sondern eine Bestatif^iing dieser Annahme.

474 H. Welcker:

Grenzen schwankt ^); ganz ähnlich ergab die Zählang und Messung, dass das Volumverhältniss zwischen Plasma und Blnt- körperchen innerhalb jener Thierklassen nicht sehr verschieden ist^). Im Gegensatz hierzu zeigt es sich, dass in Folge der Ver- schiedenheiten der Zerklüftung der Blntkörpenchensubstanz hier in grössere, dort in sehr viel kleinere TheilstQcke das Maass der durch die Körperchen gleicher Blutmengen repräsentirten freien Ober- fläche ausserordentlich verschieden ist, und es scheint mir diese Verschiedenheit der Oberfiächenentfaltung eines der bedeutungs- vollsten Motive zu sein, welche die metrische Bestimmung des Blutes hervortreten lässt.

In jener Beziehung nun sind die Warmblüter mit ihren kleinen Blutkörperchen weitaus im Vortheil. Den Blutkörperchen eines Cub.- Millim. Menschenblut kommt eine freie Oberfläche von 640 D Millim. zu; den Körperchen gleicher Blutmengen von Kaltblütern sehr viel weniger (bei Frosch nur 240, bei Proteus nur 124 Q Millim.). Welche staunenerregende Grössen durch feine Ausprägung des histologischen Elementes hier (ganz ähnlich, wie bei den Drüsen) erzielt werden, lehren folgende Berechnungen, die ich aus meinen früheren Mittbei- lungen hier wiederhole:

Die Blutkörperchen des gesammten Körperblutes eines Mannes, wenn man dessen Blutmenge zu 4400 Gub.-Cent. ansetzt'), besitzen eine Gesammtoberfläche von 2816 D Meter, d. i. eine Quadratfladie 80 Schritt in Seite.

Werden in einer Secunde 176 G. G. Blut in die Lunge einge- trieben ^), so beträgt die Gesammtoberfläche der pro Sekunde in die

1) Auf 100 Qrmm. reines Thier kommen:

im Mittel aus 8 Säugethierspecies ... 6,6 C.C. Blut

> 9 B 5 Arten Vögel 7,6 > »

» > » 4 » Reptilien .... 6,2 » >

> » 4 » Amphibien ... 6,2 » > » » » 8 » Fische 2,7 > >

2) Mittel aus 4 S&ngethieren: 82 Vol. Blutkörperchen zu 68 YoL Plasma.

> »2 Vögeln: 28 > » 72 > >

> > 4 Reptilien: 27 > > > 78 » >

»6 Amphibien: 25 » * » 75 > >

3) Mittel aus einer Bestimmung des Verf. und zwei Bestimmungen vod Bischoff.

4) 188 Grm. nach Volkmann, 180 Grm. nach Vierordt; die obige Ziffer entspricht dem Mittel dieser beiden Angaben.

« H

Modelle zur Erl&uierang der Form eto. der rothen Blutkörperohen. 475

%

Lunge eintretenden Blutkörperchen 81 D Meter, d. i. eine Quadrat- flädie von 13 Schritt in Seite.

Ich ftige hier noch einige Ziffern bei, welche sich auf das Blut derjenigen Thiere beziehen, deren Blutkörperchen in unserer Mo- dellenreihe vertreten sind')*

Tabelle I.

VolBH, Oberlliolie mid Zahl der BlatkSrperokeii.

(neoh Teb. A B, ft. e. 0., XX, p. aeo.)

1. I 2. I 3. I 4. I 5. 1 Blatkörperchen besitzt:

6. I 7. 1 8. I 9. 1 Gab. Millim. Blat beBitxt:

Lftnge

(Mm.)

Breite

(Mm.)

Dioke

(Mm.)

Volum Ober fläche

(Million-

(T«n-

•endmil-

UoBftel

C-Mm.)

tiel □Mm.;

Blut- körperchen

(an Zahl)

Blut-

kör-

peroh.

(C.-Mm.)

«lutkör-

Plas- perehea-

XQa ober

(a-Mm.)

fliehe (□Mm)

•chus javanicuB Ige. 8 Tage alt loa ... . benscbläfer . nach . . . iDgilla coelebs Berta agilia . Da temporaria )teus anfjraiuens ica Cbryeitis .

0,0025

0,0054 0,008010,0040

0,0062

0.0077

0,012410,0075

0,0159 0,0099

0,0220 0,0682 0,0128

0,0156 0,0387 0,0102

0,0006?

0,0010

0,0016

0,0016

0,0019

0,0018

0,0024

0,0086

0,0090

0,0080

3

20

26

40

72

88

201

644

9200

56

64 84 128 162 274 602 8444

9720000

18900000

8410000

5000000

3600000

1420000

404000

36000

0,20 0,37 0,84 0.86 0,32 0,28 0,26 0,83

0,80 0,63 0,66 0,64 0,68 0,72 0,74 0,67

545 893 704 640 592 887 243 124

Ffir die vergleichende Histologie dürfte die Orösse der Blutkörperchen noch die besondere Bedeutung besitzen, dass das Blutkörperchen innerhalb gewisser Orenzen als eine Art histologi- schen Modulus, als ein Maassstab fQr die GrSssenverhältnisse der Gewebe der verschiedenen Thiere angesehen werden kann. Denn nach der Grösse der Blutkörperchen richtet sich die Feinheit der Gapil- laren; mit letzterer geht innerhalb gewisser Grenzen Hand in Hand die Feinheit des Drüsenbaues u. s. f.

Auf die Yergleichend-anatomischeBedeutung der Grössen- unterschiede der Blutkörperchen hat v. d. Hoeven (Gryptobran- chus), betreffs der Blutkörperchen von Lepidosiren Verf. hin- gewiesen (a. a. O., XX, p. 278). Dass die Eidechse au(^ betreffs der Grösse der Blutkörperchen sich näher zum Vogel, als zu den nackten Amphibien stellt, zeigt unsere Reihe.

Als eine ihren Bedingungen nach nicht aufgeklärte Erscheinung

1) In der Tabelle, welcher diese Ziffern entnommen sind (Zeitscbr. f. rat. Med., XX, p.290 und 291) bitte ich in der Aufschrift der Gol. 12 (»Blute) statt »Cnb.-Mm.c su leeen: »Cub.-€».c

476 H. Weloker:

pflegt die GeldroUenbildung der Blutkörperchen genannt zu werden (Rollett in Stricker's Handbuch der Gewebe, p. 273), und man hat theilweise zu sehr gesuchten Erklärungen gegriffen. Bei näherer Betrachtung unserer Modelle scheint die Sache gar nichts Unverständliches zu haben. Legt man zwei Exemplare des Modells des menschlichen Blutkörperchens mit ihren Flächen so aufeinander, dass der vorstehende Rand des einen den des anderen ringsum berührt, so unterliegt es wohl keinem Zweifel, dass bei der im Ver- hältniss zu dem ausserordentlich geringen Volum (und Gewicht«) sehr grossen Oberfläche des Säugethierblutkörperchens die A ttractioo ausreicht, die in solcher Weise aneinander gerathenden Körperchen aneinander haften zu lassen und die einmal aneinander gehängten auch bei Schwankungen der Blutflüssigkeit festzuhalten, während alle diejenigen Körperchen; die in verschobener Stellung zusammen- treffen, sogleich wieder loslassen, da sich hier immer nur zwei Punkte ihrer Ränder berühren, der übrige Theil ihres Randes aber, in Folge der Biconcavität, wie unterminirt ei'scheint.

n.

Ich füge noch einige Bemerkungen bei, betreffend die Frage nach der Sicherheit der auf die Modellirung der Blutkörperchen gestützten Bestimmungen.

In einer durchaus freundlichen Erwähnung dieser Bestimmun- gen (Stricker's Handbuch, p. 276) scheint Rollett doch etwas mehr, als der Lage der Verhältnisse nach Grund vorhanden ist, An- stand daran zu nehmen, dass die Austiefung und Randabrundung des nach den M&ssungsergebnissen gefertigten Gypscylinders „dem Augenmaasse(!) nach'' geschah, so dass diejenigen meiner Ziffern, welche auf die Modellirung gestützt sind, doch nur die Bedeutung „grober Schätzungswerthe^' besitzen könnten.

Jene Blutuntersuchungen waren so mühsam und zeitraubend, dass es wohl gerechtfertigt erscheint, wenn der Autor wünscht, dass dieselben so viel und so wenig Vertrauen finden möchten, als sie verdienen.

Die Volum- und Oberflächenziffer der in 1 Gub.-Millim. Blut enthaltenen Körperchen beruhen beide auf so complicirten, sänuntlich von Fehlerquellen bedrohten Manipulationen (Blutgewinnung, Messung der Körperchen, Zählung, Modellirung, Wägung) dass wie ich dies gleich Eingangs meiner Arbeit hervorhob und im Verlaufe derselben

Modelle zur Erläuterung der Form etc. der rothen Blutkörperchen. 477

im Einzelnen nachwies Fehler schwerlich ganz zu vermeiden sind, und dies auch dann nicht, wenn in der Reihe jener Manipulationen eine Bestimmung mittelst des Augenmaasses nicht vorkäme. Gerade diese Bestimmung mittelst des Augenmaasses scheint mir indess in dem gegebenen Falle verhältnissmässig sehr wenig bedenklich. Da- g^eo würde die der ModeUirung vorausgehende Durchmesser- bestimmung, wiewohl auf „Messung** beruhend, keinen anderen Werth, als den einer ungefähren Schätzung besitzen, wenn ich, wie dies in der Mikrometrie doch sonst ziemlich allgemein Brauch ist, mich eines käuflichen Mikrometers bedient und die genaue Zurück- f&hrung desselben auf den Normalmiilimeter (a. a. 0., XX, 259) unterlassen hätte. Zeugniss hierfür legen ab die so sehr differenten Mittelwerthe des Durchmessers des rothen Blutkörperchens, welche ich nach verschiedenen Autoren zusammengestellt habe (a. a. 0., 258). Gelegentlich der Untersuchungen, durch welche ich nachwies, dass die mikroskopischen Objecto nach Art kleiner Sammel- und Zerstreuungslinsen wirken 0, hatte ich an künstlich gefertigten (ihrer Gestalt nach mithin bekannten) mikroskopischen Objecten studirt, wieweit die Gestalt gebogener Flächen mittelst der mikroskopischen Einstellung und unter Beachtung des Lichtbrechungsvermögens der Objecte und ihrer Umgebung bestimmbar sind. Es zeigte sich hier, dass das senkrecht auf seinem Rande stehende Blutkörperchen bei scharfer, centraler Einstellung ein völlig correctes Bild seines Quer- schnittes liefert, der „optische Querschnitt^' mit dem wirklichen iden- tisch ist Nun ist es aber nicht besonders schwer, einen Gylinder, dessen beide Hauptdurchmesser in demselben Verhältnisse zueinander stehen, wie die des Blutkörperchens, mittelst des Augenmaasses so zu formen, dass sein Querschnitt dengenigen der frisch unter das Mikroskop gebrachten, in Hunderten von Exemplaren zu fortwäh-

1) Mikroskopische ReliefverhältnisBe and damit Zasam- menhängendes (Zeitschr. f. rat. Med., N. F., 1865» VI, p. 172). Die Ergebnisse dieser üntersachungen finden sich grossentheils wieder in dem 12 Jahre später (1867) erschienenen Werke von Naegeli und Schwen- den er („das Mikroskop'S p. 182, £f.). vielfach mit Abweichungen, denen ich nicht beistimmen kann. Die Gestalt- und Beleuchtungsverhftltnisse des Blutkörperchens, bei deren Erklärung RoUett die Werke von N. und S. und von Harting citirt, glaube ich zuerst (a. a. 0.) nach den Brechungs- geeetsen erklärt und die irrige Meinung von den hier und anderwärts (Schief- beleuchtnng) zor Wirkung kommenden ,,Schatten*' widerlegt zu haben.

478 H. Weloker:

rendem Vergleiche v(MrIiegenden Master genau entspricht. Selbst ungeübte Mikroskopiker und Zeichner entwerfen von dem auf dein Rande stehenden Blutkörperchen nahezu denselben Umriss ; geübte und sorgfältige Arbeiter werden Modelle liefern, welche in ihren Proportionen wenig von einander abweichen. Legt man 0,00774 und 0,0019 Mm. als Durchmesser zu Grunde, so fuhrt die ModeUirung, wie ich mich wiederholt überzeugt habe, constant zu Volumwerthen, welche von 72 (Tausendmillionsteln Gubik-Millimeter) wenig ab- weichen, ja man erkennt „71" und 73^' mit Sicherheit als Grenz- werthe; ich war bei der zu ,,71" führenden Modellirung, bereits ehe ich wog und rechnete, gewiss: , Jetzt fällt der Fehler nicht nach der Plusseite^', während ich bei dem „73'' ergebenden Yer suche davon ausgegangen war, das Modell eher zu schwer, als za leicht zu machen. Hier wäre also der mögliche Fehler bereits auf sehr enge Grenzen gerückt.

Das Schwierigere liegt offenbar nicht in der Volumbestimmung, sondern in der ihr vorausgehenden Messung der beiden Hauptdurch- messer, — dies aber sowohl in Hinsicht des Messapparates, wie des Messobjectes. Wäre es möglich, neben den beiden Hauptdurchmes- sem des Blutkörperchens auch seine Abrundung durch directe Mes- sung zu bestimmen, so würde auch diese letztere Messung von den- selben Fehlem bedroht sein, wie die Durchmesserbestimmung. Es genügt, in dieser Beziehung an die Maassangaben des menschlichen Blutkörperchens zu erinnern, die von Seiten verschiedener Forscher vorliegen, wo denn z. B. die von Valentin gegebenen Ziffern (0,0071 und 0,0016) auf ein Blutkörperchenvolum fähren, welches selbst dann, wenn die Abrundung des Randes und die centrale De- gression völlig unterbleiben, das Körperchen mithin als voller Gylin- der gedacht wird, nur „64^' beträgt Ebenso würden die von Ro- bin, von Harting und von Gulliver ang^ebenen Mittelwerthe bei jeder nur denkbaren Fa<;onnirung des Modells zu VolumwertiieD führen, welche hinter dem normalen Mittelwerthe zurückbldben.

Ganz Aehnliches gilt von der Oberflächenbestimmung, und ich erwähne nur, dass die von mir benutzte Tapeziermethode (a. a. 0. 269) bei geschickter Anwendung sicherlich der mathema- tischen Berechnung nicht nachsteht, indem bei letzterer doch For- mebi zu Grunde gelegt werden müssen, die den Oberflächebi^un- gen unserer Körperchen nicht überall gerecht werden.

Der Schwerpunkt für unsere Frage liegt, wie ich wiederhole,

Modelle cur Erl&utenmg der Form eto. der rothen Blutkörperchen. 479

in der Durchmesserbestimmang. Ein Fortschritt dürfte hier viel- leicht auch betreffs directer Aufnahme der Oberfi&chebiegungen von der weiteren Entwicklung der Mikrophotographie zu hoffen sein. Dass indess bei genauer Titrirung des Mikrometers die Mes- sung der Blutkörperchen zu übereinstimmenden Maassen führen könne^ geht aus Maassangaben hervor, welche ich in einer soeben erschienenen Arbeit von Manassel'n^) verzeichnet finde.

Diese Messangen Manasseins weisen bei Kaltblütern erhebliehe indivi- dneUe Schwankungen der Blutkörperchengrösse nach, derart, dass z. B. unter den Salamandern ein Thier die Mittelziffer 0,036, ein anderes die Mittel- ziffer 0,041 ergab. Ich glaube nicht, dass die Messung des menschlichen Blutkörperchens durch ähnlich grosse individuelle Schwankungen bedroht ist. Bei dem unverkennbaren Zusammenhange der Grösse der Blutkörperchen- Oberfläche und der Energie der Athmung sind hier aus aprioristischen Gründen so grosse Schwankungen für die Warmblüter, die bekanntlich homöo- therm sind, nicht zu erwarten; bei den von mir untersuchten 6 gesunden Männern bewegte sich die Schwankung der Mittelwerthe in den engen Gren- zen von 0,0084 bis 0,0078.

Als eine „nicht zu verachtende Gontrole^' hatte ich die Volum- und Oberfiächenbestimmung des Blutkörperchens in gleicher Weise, wie beim Menschen, auf Thiere der verschiedenen Wirbelthierklassen ausgedehnt, und gerade hier liegt ein Moment vor, welches bei der Frage nach der Glaubwürdigkeit unserer ZiHem in Anschlag kom- men dürfte. Die letzten Ziffern nämlich, welche ich bei meinen Berechnungen erhielt und in welchen sich die Fehler sämmtlicher vorausgegangenen Operationen summiren mussten: die Ziffern des auf 1 Cub.-Millim. Blut entfallenden Gesammtvolums der Blutkör- perchen (vergl Col. 7 der oben gegebenen Tabelle I), stimmen unter sich nahe aberein, ein Umstand, welcher wohl dafür sprechen dürfte,

1) üeber die Dimensionen der rothen Blutkörperchen unter verschiedenen Einflüssen. Tübingen 1872. Verfasser weist durch umfassende Messungen bei Thieren aller Wirbelthierklassen nach, dass das Volum der Blutkörperchen in Folge septicämischer Vergiftung (Jaucheein- spritxung in die Venen) sich merklich verkleinert (im Verhaltniss von 11:10); Verkleinerung der Blutkörperchen erfolgt nach M. ferner durch Verbringung des Thieres in erhöhte Temperatur, durch den Gebrauch von Morphium^ sowie durch den Einfluss der Kohlensäure, letzteres sowohl durch Erstickung des Thieres, als durch Behandlung der Blutkörperchen mit Koh- lensaure. Umgekehrt erfolgt Vergrösserung durch den Gebrauch des Chinins, der Blausäure, des Alkohols, durch den Einfluss des Sauerstofis, sowie durch Einwirkung von Kälte auf die Thiere.

480

H. Welcker: Modelle zur Erl&aterimg der Form etc.

dass hier ein durchgreifendes Verhältniss zu Grunde liege, und dasB die Fehler der Volum- und Zahlenangaben, welche jener nbereiD- einstimmenden Endziffer zu Orunde liegen , nicht aUzugross säen

Tabelle II. Zitrem des Volome der in I Cub.-Milllm. Blut enthaltenen Blntklrperelier

(Nach Col. 9 der Tabelle B, a. a. 0. p. 290 )

Cub.-Mm.

S&ugethiere.

Vögel.

Reptilien.

Amphibien.

0,16

^^

._

.^

Triton

0,16

_^

-~

0,17

0,18

0,19

-

0,20

Ziege

0,21

0,22

£lephaiit

^■MM

Laoerta muralia

0.28

0.24

Rana temporam

0,26

Taube

.—

_

0,26

Salamandra mac

0,27

.

.

0,28

Laoerta agilis

Rana temporaria

0.29

_

.

_

0,80

_

^ _—

0.81

p

_

_

„^

0.82

Buchfink

.—

^_

0,33

_

Proteus

0.84

Siebenschl&fer

_

^~

m^^

0,35

•_

.^

0.36

Mensch

..

^

„^

0,87

Lama

.

.

.^

Die beigefügte Tabelle II , welche über die Art der Schwankungen dieser Endziffer näheren Aufschluss gibt, macht es wahrscheinlich, dass dieselbe, indem sie in den verschiedenen Wirbelthierklassen so nahe um eine allen Klassen nahezu gemeinsame Ziffer schwankt, in Wirklichkeit auch innerhalb der einzelnen Klassen übereinstim- mender ist, und dass nur in unseren Bestimmungen, indem bei dem einen Thiere nach der einen, bei dem anderen nach der anderen Seite gefehlt wurde, so grosse Differenzen sich ^gaben, wie z. B. bei Triton und Proteus. Ich vermuthe, dass unser Proteus- blutkörperchen bei der Modellirung etwas zu dick ausgefallen ist, habe indess Nachbesserungen hier und überall für unzulässig ge- halten.

üeber die Anfänge der Speichelgänge in den Alveolen der Speicheldrüsen.

Von

T. von fibner^

Priyatdocent in Innsbruck.

Hierzu Tafel XX.

Eine Reihe neuerer Untersuchungen der Speicheldrüsen hat zu der Vorstellung geführt, dass die Anfänge der speichelausfahrenden Gänge nicht einfache centrale Hohlräume in den Drüsenalveolen darstellen, sondern vielmehr aus einem Netze feinster Kanälchen bestehen, welche sich zu den Secretionszellen der Speicheldrüsen in ähnlicher Weise verhalten, wie die Gallencapillaren zu den Leber- zellen. Derartige Angaben wurden zuerst für das Pankreas gemacht und später auch auf die Mundspeicheldrüsen ausgedehnt; ja in neuester Zeit wird sogar einer acinösen Di*üse, von der man es am wenigsten vermuthen sollte, der Milchdrüse, ein die Zellen umspin- nendes Netz von Secretionsröhrchen zugeschrieben *). Es lässt sich nicht leugnen , dass diese Angaben, falls sie sich bewähren, von grossem anatomischen und physiologischen Interesse sind. In letz- terer Beziehung möchte ich nur hervorheben, dass damit allen jenen VorsteUungen, welche die Drüsensecrete direct aus dem Zerfall der Secretionszellen ableiten, der Boden entzogen wäre.

Man darf sich indess nicht verhehlen, dass die Untersuchungs- methode, auf Grund deren die Existenz von Secretionscapillaren be-

1) Vergl. Henle's Jahresbericht für 1870, p. 52. M. Schultie, Ardiiv f. mflErosk. Anatomie. Bd. 8. 32

48ä V. von Ebner:

hattptet wird, durchaus nicht einwurfsfrei ist Die Injectionen mit löslichem Berlinerblau können in der Frage endgültige Entschei- dungen nicht bringen, und manmuss Reichert zugeben, dassvon der Injectionsmasse selbst gegrabene Wege mitunter in Form der zierlichsten, regelmässigsten Netze erscheinen können.

Am Pankreas des Frosches konnte ich mehrmals beobachten, dass die Injectionsflüssigkeit zwischen die Epithelzellen der grösse- ren Ausfuhrungsgänge in der Art eindrang, dass die Zellen in den Maschen eines scheinbar aus drehrunden Kanälen gebildeten regel- mässigen Netzes eingeschlossen schienen (vergl. Fig. 2). Solche Erfahrungen müssen zur äussersten Vorsicht mahnen. In der That stände es schlecht um den Beweis der Existenz der Gallencapilla- ren, wenn derselbe sich nur auf die Ergebnisse von Injectionen mit Berlinerblau stützen würde. Für die Speicheldrüsen sind aber die Injectionsresultate bestätigende Erfahrungen noch nicht vorhanden. Die physiologische Injection mit Indigokarmin, welche EwaldO versuchte, gelang an den Speicheldrüsen nicht, und was die Sicht- barkeit von Secretionscapillaren an nicht injizirten Präparaten be- triift, so ist allerdings durch verschiedene Beobachter konstatirt, dass zwischen den Secretionszellen helle Streifen und faserartige Bildun- gen vorkommen; allein es bleibt fraglich, ob dieselben als eine Art Bindesubstanz oder vielleicht zum Theil als Nerven oder endlich als Secretionsröhrchen aufzufassen sind.

Die vorausgeschickten Bemerkungen sollen nur vorläufig den Standpunkt bezeichnen, den der Verfasser gegenüber den Injectionen mit löslichem Berlinerblau festhält. Die Ueberzeugung, dass auf dem angedeuteten Wege die fraglichen Structurverhältnisse nicht vollständig aufgeklärt werden können, drängte sich erst im Laufe der Untersuchungen auf; allein selbst, wenn dieselbe von vorn- herein festgestanden hätte, so konnten die Injectionsversuche, al^e- sehen von dem Mangel anderer guter Untersuchungsmethoden, schon deshalb nicht umgangen werden, weil das Hauptgewicht aller neue- ren einschlägigen Arbeiten vorzugsweise auf ihnen ruht.

Die Injectionen wurden am Pankreas und den Mundspeichel- drüsen verschiedener Thiere vorgenommen. Als Injectionsmasse diente gewöhnlich Berlinerblau, das nach der von Brücke gegebenen

1) Beitrage zur HiBtioIogie und Physiologie der Speicheidrasen des Hon- das. Inaug.-Dissert. Berlin 1870.

üeber die Axiftnge der Speichelgaage in den Alveolen der Speicheldrüsen. 48d

Vorscbrift bereitet wurde, und zwar meist in wässeriger Lösung, seltener in Verbindung mit Glycerin.

Stets wurde das Berlinerblau unter konstantem Druck injizirt, der durch Wasser erzeugt wurde. Der Apparat , dessen ich mich bediente, weicht nur wenig von einem von Toldt^) beschriebenen ab und erwies sich als sehr brauchbar. Als Windkessel dient eine am Boden tubulirte Flasche von etwa 700 Gem. Inhalt In dem Halse dieser Flasche sind mittelst eines mit drei Bohrungen ver- sebenen Eautschukpfropfens erstens eine mit einem Hahne versehene, rechtwinkelig gebogene Glasröhre zur Verbindung mit der die In- jectionsflüssigkeit enthaltenden Flasche, zweitens ein Quecksilber- manometer zur Ablesung des Druckes und endlich eine frei in die Luft mündende, ebenfalls mit einem Hahne versehene Glasröhre befestigt. Als Druckgefäss dient ein Scheidetrichter ohne Hahn, von ungefähr gleicher Gapacität wie der Windkessel, welcher mittelst eines langen Eautschukrohres mit dem Tubulus am Boden des Wind- kessels in Verbindung steht. Das Druckgefäss ist an einer starken Schnur befestigt, welche über einen an der Wand befindlichen Ha- ken läuft, und kann in beliebiger Höhe fixirt werden. Der einmal gefüllte Apparat braucht niemals entleert zu werden. Ist alles Wasser vom Druckgefässe in den Windkessel übergetreten, so braucht man nur den Glashahn, der zur Injectionsflasche führt, abzasperren, dagegen den Glashahn, der in's Freie führt, zu öfifnen, so fliesst alles Wasser in das Druckgefäss zurück, wenn man dasselbe unter das Niveau des Windkessels herabsenkt.

Wie man sieht, fehlt hier die Mariotte'sche Flasche und die Tropf Vorrichtung, welche Hering und Toldt bei ihren Apparaten zar Erzielung eines vollkommen konstanten Druckes angewendet haben. Diese Einrichtung scheint mir bei Anwendung von Wasser- druck und Benützung von Gefässen mit den angegebenen Dimen- sionen für die hier in Betracht kommendeu I^jectionen ganz uu- nothig zu sein', da die verbrauchte Iiyectionsmasse im Verhältniss zur drückenden Wassermasse sehr klein ist, so dass sich der Druck während einer Injection nicht merklich ändert. Die Anwendung der Glashähne statt der sonst gebräuchlichen Quetschhähne empfiehlt sich, abgesehen von dem besseren Verschlusse, besonders desshalb, weil ein gut gefetteter Glashahn mit einer Hand leicht und rasch

1) Dieses Archiv Bd. Y, p. 172 n. Taf. XI, Fig. II.

484 T. von Ebner:

sich dirigiren lässt , was namentlich dann sehr wesentlich ist, wenn man ohne Assistenz zu arbeiten genöthigt ist

Bezüglich der mikroskopischen Untersuchung der injizirten Drüsen muss erwähnt werden, dass anfänglich als Härtungsmittel starker Alkohol verwendet wurde. Da sich aber herausstellte, Am die Elementartheile , namentlich die Epithelien der feineren Aus- führungsg^nge nur ausnahmsweise gut erhalten blieben , so wurde später zur Härtung stets MüUer*sche Flüssigkeit benützt, welche die Elementartheile gut conservirt, ohne die Injectionsfarbe zu zer- stören.

Indem ich nun zu dem Gegenstande meiner Untersuchungen übergehe, w^de ich mich zunächst zum

Pankreas.

An dieser Speicheldrüse wurde zuerst von Langerhans ^) nachgewiesen, dass bei der Injection mit Berlinerblau in den Alveo- len nicht ein einfacher centraler Hohlraum sich füllte sondern dass von dem centralen Gange aus noch feine Kanälchen zwischen die einzelnen Zellen eindringen, um schliesslich unter der membrana propria mit blinden, häufig bimförmig angeschwollenen £nden auf- zuhören. Ziemlich gleichzeitig haben dann Saviotti') und Gia- nuzzi^) ebenfalls In jectionsversuche vorgenommen und zwar erste- rer am Pankreas des Kaninchens und letzterer an dem des Hundes. Beide kamen zu dem Resultate, dass die feinen zwischen die Zellen eindringenden Kanälchen ein nicht blind endigendes Netzwerk dar- stellen, so dass die Drüsenzellen in Maschen dieses Netzes liegen. Saviotti liess es übrigens dahingestellt, ob neben Läppchen mit netzf()rmigen Sekretionscapillaren nicht auch solche vorkommen, welche die von Langerhans geschilderten, blind endigenden Ka- nälchen besitzen. Ausserdem nimmt Saviotti zweierlei Läppchen im Pankreas an. Erstens solche, welche einen centralen Gang be- sitzen, mit welchem die SpeichelcapiUaren durch radiäre Kanälchen

1) Beiträge zur mikrosk. Anat. der Bauchspeicbeldrüse. Inaug.-Dissert. Berlin 1869.

2) Dieses Archiv Bd. Y, p. 404.

3) Gomptee renduB T. 68, I p. 1280.

Ueber die Anfange der Speichelgange in den Alveolen der Speicheldrüsen. 486,

in Verbindang stehen; dann sollen aber anch Läppchen yorkom- nien, an welche ein kleiner Ausfahrungsgang herantritt, der sich sofort in ein oberflächliches Netz auflöst, ohne dass im Inneren des Läppchens ein centraler Gang zu finden wäre. Die Angaben Sa* viotti's wurden von BolP) bestätigt.

Ich habe mich ebenfalls zunächst mit dem Pankreas des Ka- ninchens beschäftigt und fand an mehreren injizirten Exemplaren dieser Drüse einzelne Läppchen , an welchen Stellen zu finden wa- ren, die vollkommen den von Saviotti gegebenen Abbildungen entsprechen.

£s kommt vor, dass der grösste Theil eines Läppchens das regelmässigste Netz zeigt« so dass in jeder Masche eine Zelle liegt. Die Kanälchen, aus welchen sich das Netz zusammensetzt, erschei- nen als scharf conturirte blaue Striche, die allerdings an einzelnen Stellen Anschwellungen zeigen. Die Drüsenzellen selbst erscheinen vollkommen ungefärbt, so dass man sich schwer entschliesst , an künstlich gebahnte Wege zu denken. Daneben sieht man freilich eine überwiegende Zahl von Läppchen , an welchen die Masse aus den fraglichen Kanälchen zum Theile ausgetreten ist und die ZeUen mit einer blauen Schicht ganz oder theilweise überzogen hat, oder wo die Injectionsmasse zu grossen blauen Flecken zusammengeflos* sen ist, welche erst an der Membrana propria eine Gränze finden. Es würde sich nun zunächst darum gehandelt haben, an guten Schnitten die fraglichen Kanälchen im Querschnitte zu sehen. Dies Kriterium ist unerlässlich , wenn man mit voller Sicherheit behaup- ten will, dass man es mit drehrunden Kanälchen, welche zwischen zwei Zellen verlaufen, zu thun habe. Saviotti gibt an, dass man die Speichelcapillaren des Pankreas an nicht injizirten Stellen wahr- nehmen könne. Er sagt nämlich, dass man zwischen den einzelnen Zellen feine glänzende Streifen sehe, welche an theilweise injizirten Läppchen mit den injizirten Kanälchen in Zusammenhang stehen. Das Vorkommen von glänzenden Streifen zwischen den Zellen der Speicheldrüse ist unzweifelhaft und wurde schon von Pflüger betont; ob aber die von Saviotti gegebene Deutung richtig ist, bleibt fraglich. Sind die Streifen Kanälchen, so müssen sie sich gelegentlich an Schnitten auch als von zwei Zellen begränzte Löcher darstellen, wie man dies an den Gallencapillaren der Leber sehen

1) Beiträge sur mikrosk. Anat der adnöson Drüsen. Berlin 1869,

486 y. von Ebner:

kann; dies ist mir jedoch so wenig geglückt, als Ewald*), man sieht an Schnitten, die in den verschiedensten Richtungen geführt sind, stets glänzende Streifen, während man vergeblich anzweifel- hafte Querschnittsbilder sucht. Man muss indess im Auge behalten, dass das Pankreas des Kaninchens für die Entscheidung dieser Frage kein günstiges Object ist. So brauchbar es sich wegen seiner Lockerheit und flachen Ausbreitung für die Injection erweist, so ungeeignet ist es aus denselben Gründen zur bequemen Anfertigung sehr feiner Schnitte , wie sie zur Erfüllung der oben aufgestellten Forderung unerlässlich sind. Ausserdem ist das überall zwischen den Läppchen des Pankreas verbreitete Fett sowohl beim Kanin- chen, als auch bei den meisten anderen zugänglichen Säugethieren sehr störend. Aus diesen Gründen hoffte ich an dem compacteren, fettfreien Pankreas anderer Wirbelthiere bessere Erfolge zu erzie- len. Ich wählte als das am leichtesten zugängliche Object das Pankreas des Frosches. Schon Saviotti versuchte dasselbe zu injiziren, hatte aber keinen Erfolg, da er die Kanäle in's Duodenum einführte und letzteres, wie er sich ausdrückte, „über und unter der Einmündung des pankreatischen Ganges'' unterband. Der Ductus pancreaticus des Frosches mündet aber nicht direct in das Duode- num, sondern verbindet sich mit dem Ductus choledochus, der, ein kleines Stück vor seiner Einmündung in's Duodenum ausgenommen, rings von Pankreasparenchym umgeben ist. Die Einführung einer Kanüle in den Ductus choledochus namentlich grösserer Exemplare des grünen Frosches gelingt wegen der Derbheit dieses Ganges ziemlich leicht. Hyrtl hat bereits vor mehreren Jahren von die- sem Gange aus die Gallengefässe der Froschleber injizirt. Etwas schwieriger sind die Injectionen bei Rana temporaria, weil hier der Gang zarter und enger und häufig so verborgen ist, dass er erst durch Präparation isolirt werden muss. Schon bei sehr geringem Drucke (10 20 Mm. Quecksilber) gelingt es häufig, Injectionsmasse bis in die Alveolen des Pankreas einzutreiben , während sich die Leber auch bei Anwendung eines viel höheren Druckes (60 Mm.) nicht füllt. Es ist daher nicht nöthig, den Ductus hepaticus za unterbinden.

Von den zahlreichen Iiuectionen, die an dem genannten Objecte ausgeführt wurden , kann ich nur zwei insofern als gelungen be*

1) L. c. p. 7.

Ueber die Anfange der Speichelgange in den Alveolen der Speicheldrüsen. 487

zeichnen, als an einigen allerdings beschränkten Stellen blaue Netze aufzufinden waren, deren Bälkchen scharfe Gonturen zeigten und in ihren Maschen die gänzlich ungefärbten Drüsenzellen enthielten. Fig. 1, welche, was das Netz anbelangt, mit Hülfe der Camera getreu nach der Natur copirt ist, gibt ein Bild von einem muth- masslichen Speichelcapillametze im Pankreas des Frosches. Auch hier gelang es nicht, deutliehe Querschnitte der feinen Kanälchen aufzufinden. Da die gut injizirten Stellen sehr sparsam sind, so trifft es sich nicht leicht, dass gerade an den entscheidenden Stellen der Schnitt so dünn ausgefallen ist, dass er nur eine Zellenlage umfasst, was natürlich unerlässlich ist, um das Verhalten der Ka- nälchen zu den Zellen vollkommen klar zu übersehen. Manchmal schien es, dass von den im Präparate der Fläche nach laufenden Kanälchen, dort wo 3 Zellen aneinanderstossen, ein kurzes drehrun- des Stück senkrecht aufsteige. Indessen ist das hier gezeichnete Bild so prägnant, dass man schon aus der Längsansicht der blau injizirten Streifen mit ziemlicher Sicherheit sagen kann, dass man es mit feinen drehrunden Gebilden zu thun habe. In der Mehr- zahl der Fälle bieten die Schnittpräparate des injizirten Frosch- Pankreas aber andere Bilder. Man sieht unregelmässigc blaue Netze zwischen den Zellen durchlaufen, deren Balken nicht scharf conturirt und häufig bandartig verbreitert sind. An den Knoten- punkten dieser Balken sieht man häufig unförmliche blaue Flecken, nicht selten sind auch ganze Zellen von der Injectionsmasse um- flossen ^ manchmal ist die Masse sogar, wie es scheint, in das In- nere der Zellen selbst eingedrungen, während der Kern in der blauen Zelle als ungefärbter Körper sichtbar ist. Neben diesen Bildern kann man ausser zahlreichen nicht injizirten Läppchen auch solche sehen, die nur unvollkommen ii^izirt sind. Häufig ist nur ein cen- traler Gang gefüllt, der sich entsprechend der Verästelung der Al- veolen da und dort theilen kann, oder es sind ausser dem centralen Gange auch radiäre zwischen die Zellen gegen die Oberfläche der Läppchen dringende, blind endigende blaue Streifchen vorhanden, welche theils scharf conturirt, theils undeutlich abgegränzt sind, so dass die Masse theilweise die Zellen gefärbt hat

Nicht selten sieht man an einer grösseren Gruppe von Drüsen- zellen ein dieselben umspinnendes Netz, ohne dass ein Centralkanal bemerkbar ist.

Um die hier beschriebenen Bilder gehörig würdigen zu können,

488 V. von Ebner:

müssen ^ir zunächst auf die Structur der Pankreasalveolen, wie sie sich namentlich auf Grund der Untersuchung von nicht mit Berliner- blau injizirten Präparaten herausgestellt hat, etwas näher eingehen. Bekanntlich hat BolP) den Nachweis geführt, dass von den Umhüllungen der Drüsenalveolen, die er als Drüsenkörbe bezeich- nete, Bälkchen in das Innere der Alveolen zwischen die einzelnen Secretionszellen eindringen, die vielfach untereinander verbunden, ein intraalveolares Bindesubstanzgerüste darstellen. Es lässt sich nun in der That auch am Pankreas, ebenso wie an den Mundspei* cheldrüsen das Vorhandensein einer Gerüstsubstanz zwischen den Drüsenzellen nachweisen. An frischen Präparaten stellen sich die fraglichen Gerüstbälkchen als doppelt conturirte Streifen dar. An mit MüUer^scher Flüssigkeit etc. macerirten Präparaten sieht man manchmal dass zwischen zwei in ihrem Zusammenhange etwas ge- lockerten Zellen ein selbstiLndiges faserartiges Gebilde sich befin- det, das mitunter etwas über die Zellen hinausragt Nicht selten stehen diese zwischen den Zellen verlaufenden Bälkchen mit ge- wissen Spindel- und sternförmigen Zellen in Zusammenhang, weiche Lange rh ans ^) unter dem Namen centroacinäre Zellen beschrie- ben hat. Die Secretionszellen des Pankreas selbst sind , wie man ebenfalls an Macerationspräparaten sieht, zum Theil mit Bälkchen oder Fäserchen in Verbindung, welche ihrerseits wieder mit den centroacinären Zellen in Zusammenhang stehen können. Benätzt man zu diesen Isolationsversachen mit Berlinerblau injizirte Drü- sen, so gelingt es bisweilen, blaue Fäserchen in Zusammenhang mit angefärbten Faserstückchen zu sehen; manchmal kann man centro- acinäre Zellen mit ganz oder theilweise blaugefärbten Fortsätzen und auch Drüsenzellen mit blaugefärbten Fäserchen in Verbindung finden. Welcher Art die Verbindung der erwähnten Bälkchen mit den DrQsenzellen ist , ob dieselben nur äusserlich anhaften oder oh sie in die Substanz der Zellen selbst übergehen, wage ich nicht mit Sicherheit zu entscheiden. Der Umstand, dass an Isolationspräpa- raten bei weitem die Mehrzahl der Zellen keine Fortsätze besitzt, scheint für ein loses Anhaften an der Oberfläche der Zellen zo sprechen. Zu Gunsten dieser Ansicht spricht ferner, dass man an den mit Fortsätzen versehenen Drüsenzellen die Fortsätze von der Zellsubstanz meist scharf abgesetzt erblickt.

1) DiesoB Archiv Bd. V, p. 834.

2) L. c.

lieber die Anfange der Speichelgange in den Alveolen der Speicheldrüsen. 489

Was die centroacinären Zellen anbelangt, so ist es nach den dbereinstininienden Untersuehungsergebnissen von Langerhans, Saviotti und Boll kaum mehr zweifelhaft, dass dieselben dem System der Ausführangsgänge angehören, und wir wollen jetzt die Verbindung der Ausführungsgänge mit den Alveolen etwas näher in's Auge fassen. Die Ausführungsgänge mittleren Kalibers, welche beim Frosch von einem ziemlich niedrigen Gylinderepithel ausge- kleidet sind, dessen Zellen die basale Auffaserung, wie sie an den von Pflüger sogenannten Speichelrdhren der Mundspeicheldrilsen vorkommt, vollkommen fehlt, gehen entweder allmählig oder ziem* lieh plötzlidi in feine Gänge über, die mit Gapillaren einige Aehn- lichkeit haben und mit einem aus platten, spindelförmigen, zum Theil mit ziemlich langen Fortsätzen versehenen Zellen bestehenden EpitheBum versehen sind. Diese Gänge laufen nun noch theilweise wie die Gänge mittleren Kalibers im interstitiellen Gewebe mit den Blutgefässen und Nerven , treten aber dann schliesslich, nachdem sie sich meist vorher noch getheilt haben, in das Innere der Alveo- len ein, so dass von nun an die AusfOhrungsgänge von eigentlichen DrQsenzellen umgeben sind. Dieser Theil der Ausführungsgänge stellt nun die centroacinären Zellen dar (Fig. 5, 6). Die Alveolen selbst haben die Gestalt mehrfach verzweigter , zum Theil ziemlich langer Schläuche, denen ein deutliches Lumen nicht zukommt und welche in der mannichfialtigsten Weise gekrümmt sind, so dass man an Schnitten meist nur kurze Schlauchabschnitte zu sehen bekommt, die sich als rundliche oder längliche Zellhaufen darstellen, je nach- dem die Schlauche quer oder schräg durchschnitten sind. Der in- traalveolare Theil der Ausführungsgänge ist nun nicht selten von einer einfachen Lage von Drüsenzellen umgeben ; an vielen Stellen jedoch, namentlich am Ende der Alveolen, häufig aber auch seitlich aufsitzend, finden sich Anschwellungen des secemirenden Paren* chyms, so dass Gruppen von 3, 4 und mehr Zellen einen rundlichen oder länglichen Haufen bilden, in welchen die intraalveolaren Aus- führungsgänge nicht mehr eindringen. Die Verbindung der intraal- veolaren Ausführungsgänge mit den Drüsenzellen zeigt sich an Schnitten häufig in der Art, dass die letzten centroacinären Zellen mit ihren Fortsätzen zwischen den Drüsenzellen ohne Uebergangs- formen sich verlieren. Bisweilen sind aber die letzten centroacinären ZeDen von besonderer Form, indem sie nur gegen den Ausführungs- gang hin eine spindelförmige Verlängerung zeigen , während sie an

490 V. von Ebner:

die Drüsenzellen mit einem rundlichen, den Kern tragenden Körper anstossen. Wo Gruppen von Drüsenzellen den centroacinären Zel- len seitlich aufsitzen , sieht man manchmal Fortsätze der letzteren unter fast rechten Winkeln abbi^en und zwischen den Drüsenzdlen sich verlieren (Fig. 5).

Noch muss eines Verhältnisses gedacht wenien, das mir einige Male an Schnitten an den Eintrittsstellen der Ausführungsgänge in das Innere der Alveolen vorgekommen ist, das ich aber nicht mit Sicherheit zu deuten im Stande war. Es scheint nämlich bisweilen, als ob einzelne Zellen des Ausführungsganges, bevor derselbe in den Alveolus eintritt, sich direct auf di^ Oberfläche des Alveolos begeben, um dort in die Bildung der Membrana propria einzugehen. Allein es sind verschiedene Umstände, die eine klare Anschauung verhindern. Einmal sind die centroacinären Zellen morphologisdi so wenig charakterisirt , dass sie mit spindelförmigen Bindegewebs- zellen, wie sie im interstitiellen Gewebe vorkommen, verwechselt werden können. Zweitens sind die Alveolen des Froschpankreas sehr unregelmässig und verzweigt, und häufig an Schnitten so un- deutlich voneinander abgegränzt, dass man nicht selten darüber in Zweifel bleibt, was Oberfläche und was Inneres eines Alveolus ist Es können endlich auch interalveolare Theile der Schaltstucke oft direct mit den Drüsenzellen in Gontact erscheinen, da sie häo^ nur durch die sehr zarte Membrana propria von den letzteren ge- trennt sind. Bei dem begreiflicher Weise nicht sehr häufigen Er- eignisse, dass man gerade die Eintrittsstelle eines Ausführungsgan- ges in einen Alveolus an einem Schnitte sieht, ist es daher schwer, zu entscheiden, ob man es wirklich mit Zellen der Ausführungs* gänge, die auf die Oberfläche des Alveolus treten, zu thun hat, oder ob man durch eine der früher genannten Quellen der Täuschung irre geführt wird. Ich bin auf die berührte Frage erst in Folge von Untersuchungen an der Parotis aufmerksam geworden und werde daher später, wo von den Mundspeicheldrüsen die Rede sein wird, auf diesen Gegenstand zurückkommen.

Wie sich aus dieser Darstellung ergibt, zeigen die Alveolen der Bauchspeicheldrüse einen eigenthümlich complicirten Bau, welcher von dem der Mundspeicheldrüsen nicht unbeträchtlich abweicht

Um das geschilderte Bild zu vervollständigen, müssen wir noch mit einigen Worten der Membrana propria gedenken. BekannÜicfa ist gerade über diesen Punkt in neuester Zeit viel verhandelt worden,

Üeber die Anfange der Speichelgange in den Alveolen der Speicheldrüsen. 491

wobei die widersprechendsten Ansiebten zu Tage kamen. Pfla- ger besteht daraaf , dass jeder Alveolus eine UmhüUang in Form einer allseitig geschlossenen structarlosen Haut besitze, während andere jede besondere Umhüllang der Alveolen läugnen und die- selben nur durch interstitielles Gewebe von einander getrennt sein lassen. Eine dritte Ansicht lässt allerdings eine besondere Umhül- lung der Alveolen zu; dieselbe würde aberaus sternförmigen ana- stomosirenden Zellen bestehen, welche einen durchbrochenen Korb darstellen. In neuester Zeit hat BolP), der diese letztere Vorstel- lung vertrat, eine Vermittelung mit der Pflüger'schen Ansicht ge- sucht, indem er jetzt zwischen den Balken seines Drüsenkorbes noch eine Aasf&llung in Form einer überall geschlossenen Haut annimmt Nach den Erfahrungen, welche ich sowohl am Pankreas, als an den Mundspeicheldrüsen gemacht habe, halte auch ich es für zweifellos, dass die Alveolen an ihrer Oberfläche von einer allseitig geschlos- senen Hülle umkleidet sind. Dafür spricht, abgesehen von den Gründen, welche Pf lüg er dafür anführt, besonders eine Thatsache, die man bei Injectionen zu beobachten Gelegenheit hat; dass näm- lich ein in einem Alveolus entstandenes und denselben ganz erfül- lendes Extravasat sehr häufig entsprechend der Oberfläche des Al- veolus sich scharf abgränzt, ohne in das interstitielle Gewebe sich auszubreiten. Dies wäre nicht denkbar , wenn nicht . eine überall geschlossene Gewebeschicht dem Weiterdringen der wässerigen In- jectionsflüssigkeit eine Gränze setzen würde.

Was den Bau der Membrana propria anlangt, so glaube ich, dass die Schilderung, welche Boll in seinen Beiträgen zur mikros- kopischen Anatomie der acinösen Drüsen gibt, den zu beobachten- den Thatsachen am besten entspricht Im Pankreas des Frosches sowie auch des Kaninchens und Meerschweinchens sind übrigens die ästigen Zellen und ihre Fortsätze, welche in der Grundmembran sich aasbreiten, sehr zart

Recht instructive Bilder über das Vorhandensein der Membrana propria und besonders über das im Innern der Alveolen verbreitete Fasergerüste geben Präparate von Drüsen, die mit öligen Massen injizirt sind. Ich versuchte solche Injectionsmassen aus Terpentin- uDd Olivenöl, die ich mit Alkanna gefärbt hatte, ursprünglich in der HoShung, damit vielleicht die fraglichen Speichelcapillaren dar-

1) Beiträge bot mikrosk. Anai der acinösen Drüsen. BerUn 1S69.

492 V. von Ebner:

zustellen. Diese Hoffnung wurde indess nicht erfüllt. Ein Schnitt durcli eine derartig injizirte und in Miiller'scher Flüssigkeit gehärtete Drüse hat für den ersten Anblick etwas Verwirrendes und sieht, wenn man die Injectionsmasse durch Alkohol und Aether entferot hat; fast so aus, als ob das Präparat mit dem Pinsel bearbeitet worden wäre (Fig. 3). An vielen Stellen bemerkt man fiast nichts als ein Gerüstwerk, bestehend aus den Umhüllungen der Alveolen und den mit denselben in Verbindung stehenden faserartigen Bil- düngen, während die Drüsenzellen an vielen Durchschnitten von Alveolen gänzlich fehlen, an anderen als verunstaltete, stark com- primirte Massen einseitig an die Membrana propria angedrückt er- scheinen. Manchmal sind die Drüsenzellen ringsum von der Alveo- lenwand abgelöst und stellen einen unregelmässigen Klumpen im Gentrum des Alveolus dar, während von der Alveolen wand feine Fäserchen gegen den Zellenklumpen hinziehen. Es ist ofiimbar, dass die ölige Flüssigkeit die Drüsenzellen zum Theil ^nzlicb ans ihrer Lage verdrängt, stellenweise auch zertrümmert hat, während die Umhüllung der Alveolen erhalfen blieb. An diesen Präparaten kann man nun wiederum deutlich sehen, dass eine Membrana pro- pria wirklich existirt Ueber die feinere Structur dieser Haut kann man sich indess an solchen Präparaten nicht gut unterrichten, da einerseits vielfach Trümmer von Drttsenzellen auf derselben haften, andererseits auch die Conservirung der Elementartheile in Folge der Injection nicht sehr vollkommen ist. Sehr deutlich sieht man aber, dass die innere Obei-fläche der Membrana propria nicht glatt ist, sondern dass mancherlei Fortsätze in das Innere des Alveolus hin- einreichen, die zum Theil selbst wieder hautartig sind, grossentheiis jedoch die Form von ästigen faserartigen Bildungen besitzen. Mit- unter ist von solchen faserartigen Fortsätzen nichts zu sehen, die Alveolen zeigen dann eine ziemlich geräumige Höhle, deren Wand mit unbedeutenden Unebenheiten versehen ist. Bisweilen sieht man auch centroacinäre Zellen in dem Lumen der Alveolen gleichsam frei flottiren, doch ist ein solches Vorkommen selten, da die genann- ten Zellen ebenso wie die Drüsenzellen häufig entweder zertrümmert oder' verunstaltet wurden.

Etwas verschiedene Bilder erhält man, wenn statt mit einer Mischung aus Terpentin- und Olivenöl mit reinem Olivenöl injizirt wurde. Das in die Alveolen eingedrungene Oel behält meistens die Form eines kugeligen Tropfens, der entweder auf der einen Seite

üeber die Anfänge der Speichelgange in den Alveolen der Speicheldrasen. 498

von der Membrana propria, auf der anderen von zur Seite gedräng- ten Drttsenzellen begränzt ist, oder aber in der Mitte von Zellen sich befindet, die als ziemlich dünne Plättchen die Membrana pro* pria austapeziren. Wenn man solche Präparate mit schwächeren Vergrösserungen betrachtet, so begreift man vollkommen, warum die Alveolen auf Grund von Injectionen in früherer Zeit für beeren- formig gehalten wurden.

Eztrahirt man aus solchen Präparaten das Oel mit Alkohol nnd Aether, so kann man auch hier wieder nicht selten von der Alveolenwand ausgehende, mitunter verzweigte Fäserchen in die froher vom Oel eingenommene Höhle hineinragen sehen. Auch cen- troacinäre Zellen kann man an diesen Präparaten und zwar häufi- ger als an den früher besprochenen beobachten, da das reine Oli- venöl die Gewebeelemente viel weniger angreift, als eine Mischung aus Terpentin- und Olivenöl.

Um mit Hülfe dieser Oelinjectionen zu entscheiden, ob die mit- telst Berlinerblau injizirbaren Netze identisch seien mit dem intraal- veolaren Fasemetze, machte ich den Versuch, mit Berlinerblau inji- zirte Bauchspeicheldrüsen unmittelbar darauf auch mit Oel zu inji- ziren« Es lässt sich dies leicht mit Hülfe conischer Canülen aus- führen, da man nicht nöthig hat, dieselben in den Ductus choledochus einzubinden. Gewöhnlich geschah es, dass das Oel nicht in diesel- ben Alveolen eindrang, in welchen sich bereits Berlinerblau befand. An einigen Stellen findet man aber doch Oel und Berlinerblau in denselben Alveolen. £s lässt sich dann in der That mitunter kon- statiren, dass blau gefärbte ästige Fäserchen, welche da und dort in ungefärbte übergehen, von der Alveolenwand in die Höhle hin- einragen oder zwischen den auf die Seite gedrängten Zellen sich verlieren (Fig. 4). Es ist damit, wie ich glaube, ein Beweis gege- ben, dass es das intraalveolare Netz ist, welches sich bei der In- jection blau färbt.

Noch muss ich eines Punktes gedenken, der für die Auffassung der Pankreasstructur von Bedeutung wäre wegen der Analogie, welclie dadurch mit gewissen Drüsen wirbelloser Thiere, z. B. den Speicheldrüsen der Schnecken, hergestellt würde. Bei diesen Drü- sen steckt nämlich jede Zelle in einer eigenen Umhüllung (Tunica propria) 0- An den mit Oel injizirten Bauchspeicheldrüsen des Frosches

1) Leydig: Histologie p. 348.

494 V. von Ebner:

sah ich, wie bereits erwähnt wurde, von der Membrana propria ausser Fäserchen da und dort auch hautartige Scheidewände in das Innere der Alveolen abgehen. Allein bezfiglich der Deutung dieser Thatsache konnte ich keine genügende Sicherheit gewinnen. An vielen Präparaten sieht man nämlich unzweifelhafte drehrunde Fa- sern und es ist sehr wohl möglich, dass die Fälle, wo man mem- branöse Scheidewände zu sehen bekommt, sich so erklären, dass an drehrunden Fäserchen anhaftende Zellfragmente hautart^e Bildun- gen vortäuschen. Indessen ist immerhin auffallend, dass derartige Bilder sehr häufig sind. Es scheint mir am wahrscheinlichsten, dass man es, ähnlich wie an der Membrana propria der Alveolen, mit membranösen Bildungen zu thun hat, in welchen rippenartige Ver- dickungen vorkommen. Auf diese Weise lassen sich alle Bilder am angezwungensten erklären, und es wird auch der Umstand begreif- lich , dass man an Schnitten nicht injizirter Drüsen fast überall die zwischen den Drüsenzellen befindliche Substanz in Foim von Streifen und nicht in Form von den Querschnitten drehrunder Fäserchen entsprechenden Punkten zu sehen bekommt.

Indem ich alle im Vorhergehenden aufgeführten Beobachtungai zusammenfasse , glaube ich folgende Sätze über den Bau der Pan- kreasalveolen (zunächst des Frosches) aussprechen zu dürfen.

1. Die Alveolen des Pankreas stellen verzweigte und mit sät- liehen Ausbuchtungen versehene Schläuche ohne deutliches Lumen dar, welche durch eine hautartige allseitig geschlossene Umhüllung (Membrana propria) begränzt sind.

2. Die Ausfübrungsgänge, in ihren Anfängen aus spindel- und sternförmigen Zellen bestehend, beginnen im Inneren der Alveolen und stellen die sogen, centroacinären Zellen dar.

3. Von der Membrana propria gehen in das Innere der Alveo- len faserige oder hautartige, mit faserartigen Verdickungen versehene Fortsätze ab, welche unter sich anastomosirend ein Beticulam bil- den, das mit den Fortsätzen der centroacinären Zellen zusam- menhängt.

4. In den Maschen dieses Beticulums liegen die Drüsenzell^ und zwar meist je eine in einer Masche. Die Drüsenzellen selbst haben keine Fortsätze, was man als solche ansehen könnte, sind wahrscheinlich nur äusserlich anhaftende Bälkchen des Reticulnms.

Wenn wir mit diesen Vorstellungen an die Beurtheilung der Injectionsresultate mit Berlinerblau gehen, so könnte man zunächst

üeber die Anfange der Speicbelgänge in den Alveolen der Speicheldrüsen. 496

daran denken, dass die Balken des erwähnten Netzwerkes hohl seien und die capUlarenartigen Anfänge der Speichelgange darstellen. Und diese Vorstellung gewinnt noch dädarch eine bedeutende Stütze, dass man an injizirten Präparaten blau gefärbte Fäsercben, welche theils an den Zellen anhaften, theils zwischen denselben verlaufen, sdien kann. Andererseits stehen dieser Annahme aber so grosse Schwierigkeiten im Wege, dass wir gezwungen sind, dieselbe fallen zu lassen. Die intraalveolaren Ausfilhrungsgänge sind so beschaffen, dass ihr Lumen zwischen den centroacinären ZeUen liegt Diese Zellen hören inmitten des Alveolus auf und wir sehen nur mehr Fortsätze derselben, welche sich mit dem intraalveolaren Netze ver- binden, zwischen die Drüsenzellen eindringen. Wir mflssten also plötzlich die Speichelausfuhrenden Wege, wenn wir sie gegen ihren Ursprung verfolgen, in die Fortsätze von Zellen' verlegen, während sie frfiher als wahre Intercellularräume zwischen den Zellen lagen. Zu einer solchen Annahme sah sich in der That Langerhans gezwungen, allein Henle^) hat mit Recht auf die ünerklärlichkeit eines derartigen Verhältnisses aufmerksam gemacht Zu dieser Schwierigkeit kommt noch der Umstand, dass das fragliche Netz nicht durchgehends aus drehrunden Gebilden zu bestehen scheint, und dass sich dasselbe mit der Membrana propria der Alveolen ver- bindet, was jedenfalls für ein System von Secretionsröhrchen sehr sonderbare Facta wären.

Wenn wir daher Aber die Anfänge der Secretionswege der Spei- cheldrüsen uns eine Vorstellung bilden können, die keine derartigen Schwierigkeiten involvirt und gleichzeitig das Factum erklärt , dass durch Injection bisweilen regelmässige, die Zellen umspinnende Netze entstehen können, so ist eine solche Vorstellung unbedingt vorzu- ziehen. Folgendes Schema scheint mir diesen Anforderungen zu ge- nügen : Das einerseits von der Umhüllung der Alveolen, andererseits von den centroacinären Zellen ausgehende Netz schliesst eine Menge von kleinen Hohlräumen ein, welche sowohl unter sich als auch mit dem Lumen der Ausführungsgänge durch die zwischen den letzten CQitroacinären Zellen befindlichen Zwischenräume in Verbindung stehen. In diesen Hohhräumen befinden sich nun die Drüsenzellen,

welche stellenweise den Netzbalken ziemlich fest anhaften. Das von den Zellen abgesonderte Drüsensecret ist überall zwischen der Ober-

1) Jabresbcr. für 1S69, p. 77.

496 V. von Ebner:

fläche der Drüsenzellen und den Netzbalken verbreitet» und die An- fänge der Speichelgänge haben mithin keine selbständige Form, sondern stellen ein unregelmässiges Lückenwerk dar, das einerseits von den Drüsenzellen, andererseits von den Balken des Netzwerkes begränzt ist Um diese Vorstellung durch einen Vergleich deut- licher zu machen, könnten wir die Anfänge der Speichelgäoge mit den Lymphwegen im Inneren einer Lymphdrüse, die Drüsenzelien mit den Follikeln und FoUikuIarsträngen , die Balken des intra- alveolaren Netzes mit den Trabekeln der Lymphdrüsen in Parallele setzen.

Es lässt sich nicht läugnen, dass die Injectionsresultate, wie man sie gewöhnlich erhält, sich ungezwungen durch unsere Annahme erklären lassen. Die Masse dringt eben überall zwischen die Zellen ein, theils in Form' von Canälen, theüs aber die Zellen ganz um- fliessend oder bei etwas stärkerem Drucke wohl auch die Zellen com- primirend, so dass man dann injizirte Zellen vor sich zu haben glaubt Dieses letztere namentlich dann, wenn man durch die blaue Masse den Kern als ungefärbten Fleck hindurchschimmem sieht Die Iiyectionsresultate mit öligen Flüssigkeiten sind dann eben&Us leicht verständlich, während unter der Voraussetzung, die fraglicheD Netze seien die Speichelcapillaren , nicht begreiflich wäre, dass die- selben auch nur ein einziges Mal bei einer Injection mit Oel erhal- ten bleiben. Auch das, wie ich hier nochmals betonen mus, jeden- falls nicht gewöhnliche Vorkommniss, dass das injizirte Netz ganz regelmassig aus drehrunden Kanälchen zusammengesetzt erscheint, lässt sich begreifen. Ich verweise auf 4as bereits in der Einleitung Gesagte und will hier nur noch hinzufügen, dass es eine bekannte Erfahrung ist, wie leicht sich lösliches Berlinerblau auf Zellen, Fasern etc. niederschlägt Bei einer misslungenen Injection einer Kaninchenniere vom Ureter aus beobachtete ich zufällig eine in dieser Beziehung interessante Thatsache, die wohl der Mittheilung werth ist. Es waren starke Extravasale entstanden und an der Nierenkapsel hatten sich mehrere Lymphgefässe schwach mit Ber- linerblau gefüllt Bei der mikroskopischen Untersuchung des vor- her in Alkohol gehärteten Präparates zeigte sich nun an ein^^ dieser Lymphge&sse eine EndothSzeichnung, die frappant einer Silberzeichnung ähnlich sah, bei welcher die schwarzen Gonturen durch blaue ersetzt waren. Aehnliche Bilder kann man manchmal auch an sogen, echten Epithelien sehen, die mit wässerigem Berliner-

üeber die Anfinge der Speiohelg&nge in den Alveolen der Speicheldrüsen. 497

blau in BerOhrung gekommen Bind. Mit Rücksicht auf derartige Erfahrungen darf es uns daher nicht überraschen, wenn gelegent- lich die Iigectionsmasse gerade an den Balken des intraalveolaren Netzes sich niederschlägt und so feine GapUlarröhrchen vortäuscht. Bei der grossen Feinheit der in Rede stehenden Gebilde ist es aber wohl unmöglich, direct zu sehen, ob das Blau auf der Oberfläche oder im Inneren der Bälkchen enthalten ist.

Mit einigen Worten müssen wir noch der Frage gedenken, ob die Speichelcapillaren mit selbstständigen Wandungen versehen sind, wie Langerhans und Gianuzzi glauben, oder ob sie solcher entbehren, wieSaviotti, Pflüger undEwald annehmen. Es kann sich, wie ich glaube, nur darum handeln, ob das von BoU entdeckte intraalveolare Gerüste als Speichelcapillametz auf- zufassen ist oder nicht; denn stets folgt die Injectionsmasse in den Fällen, wo deutliche Netze i^jicirt sind, den Balken der Gerüstsub- stanz. Man sieht an den centroacinären Zellen häufig die Fortsätze blau gefärbt; und dass man blau gefärbte Fäserchen entweder durch Maceration oder mit Hülfe der Oelinjectionen isoliren und in Zu- sammenhang mit ungefärbten Faserstückchen sehen kann, wurde bereits früher bemerkt Ich war auch lange Zeit geneigt, dieses intraaiveolare Netz als Netz der Secretionscapillaren anzusehen; allein gerade das Studium des Pankreas brachte mich von dieser Ansicht ab.

Es darf übrigens nicht verschwiegen werden, dass auch die hier gegebene Darstellung der Structur der Pankreasalveolen Schwierig- keiten iovolvirt. Die centroacinären Zellen gehören dem System der AofiführuDgsgänge an und sind in dieser Eigenschaft als echte Epithelzellen anzusehen. Diese Zellen stehen nun mittelst ihrer Fortsätze direct oder indirect in Verbindung mit der Umhüllung der Alveolen, welche letztere von allen neueren Untersuchen! dem Bindegewebe zugezählt wird. Die Behauptung der Continuität zwi- schen echten Epithelien und Elementartheilen des Bindegewebes hat jedenfalls viel Missliches, wenn sie auch nicht vereinzelt in der Lit- teratur dastehen würde. Die histogenetische Bedeutung der Mem- brana propria scheint mir aber doch noch nicht vollkommen sicher za stehen. Es wäre wohl möglich, dass dieselbe als Epithelialge- bilde aufzufassen ist. Später werde ich noch einer Beobachtung an den lippendrüsen d^s Menschen gedenken, die ei9er solchen Auf- fassuJig günstig ist.

M. ScbnltM. ArcUv f. mikroak. Anatomie. Bd. 8* 33

iöfe V. von "Ebner*:

Bevor wir das Pankreas verlassen, möge noch der eigenthum- lichen, aus randlichen, glänzenden körnchenfreien Zellen bestehenden Haufen gedacht sein, welche Langerhans im Pankreas auffand und die er vermuthungsweise für nervöse Apparate hält. Saviotti hat später dieselben Zellen als den Ausführungsgängen angehörig angesehen. Diese letztere Auffassung halte ich nicht für richtig. An Schnitten von in Müller'scher Flüssigkeit gehärteten Bauch- speicheldnlsen des Frosches fallen diese Zellhaufen durch ihre stark gelbliche Färbung auf und stellen fast stets rundliche, seltener läng- liche Massen dar. Ein Lumen sah ich in denselben nie, ebenso fand ich an Injectionspräparaten dieselben nicht injicirt. Dagegen war mir auffallend, dass in der Umgebung dieser Zellhaufen häufig grössere venöse Blutgefässe zu beobachten sind. Ich will mich jeder Vermuthung über die Bedeutung dieser ^/ellhaufen enthalten, da ich keine eingehenderen Untersuchungen über dieselben ange- stellt habe.

Mundspeicheldrüsen.

ha Folgenden sollen die Ergebnisse besprochen werden, welche sich bezüglich der angeblichen Secretionscapillaren durch die Unter- suchung einiger Mundspeicheldrüsen ergeben haben. Es wurden untersucht; Die Parotis des Meerschweinchens, des Kaninchens, d^ Hundes und der Katze, die Submaxiliardrüse derselben Thiere. Es würde vielleicht zweckmässig sein, die Parotis und die Submaxillaris gesondert zu besprechen ; denn obwohl diese beiden Drüsen einige Eigenthümlichkeiten, die dem Pankreas fehlen, miteinander gemein haben, so gibt es doch auch wesentliche Differenzpunkte namentlich bezüglich der Verbindung der Ausführungsgänge mit den Alveolen. Denn merkwürdiger Weise scheinen die centroacinären Zellen an der Submaxiliardrüse wenigstens des Hundes und des Kaninchens gänz- lich zu fehlen , während sie an der Parotis vorkommen , wenn auch in geringerer Entwickelung als am Pankreas. Die Submaxillaris würde also in dieser Beziehung einen eigenen Typus darsteUeo. Meine Untersuchungen erstrecken sich indess auf ein viel zu gerin- ges Material, um allgemeine Schlüsse zu ziehen, und ich muss mich mit fragmentarischen MittheOungen begnügen. Ich beginne mit der Submaxillaris des Hundes.

Was zunächst den Bau der Alveolen anlangt, so kann ich auf Grund eigener Beobachtungen mich vollkommen Dem anschliessen,

j

Ueber die Anf&Dge der Speichelgange in den Alveolen der Speicheldrüsen. 499

was Boll in seiner Abhandlung über die Bindesubstanz der Drüsen 0 darüber bemerkt hat. Auch ich sehe hier das intraalveolare Netz besonders klar entwickelt und finde, wie Boll, dass alle die Dop- peltcontnren, die man im Innern der Alveolen sieht, auf dieses Netz bezogen werden müssen, während man Gränzen der Zellen nie oder &st nie zu sehen bekommt. Isolirte Zellen zeigen meistens keinen Doppelcontur. Wo ein solcher vorhanden ist, bleibt er gewöhnlich nur auf einen Theil der Zelle beschränkt, und beim Rollen der Zelle überzeugt man sich, dass er von einer der Zelle aufgelagerten Faser herrührt. Nicht selten sieht man solche den Zellen anhaftende Fasern beiderseits über die Zelle hinausragen. Die von den Zellen häufig in der Nähe des Kernes abgehenden Fortsätze sind ebenfalls solche nur an der Zelloberfläche fest anhaftende Fasern, die übri- gens mit der Zollsubstanz selbst nicht in Contiuuität zu stehen scheinen ; oft sieht man solche Fasern gabelförmig getheilt ein Stück weit auf der Zelle verlaufen und dann plötzlich enden. Der Kern der Speichelzelle liegt dann meistens knapp an der Bifurcations- stelle. Diese .Beobachtungen wurden an Macerationspräparaten aus verdünnter Chromsäure und doppeltchromsaurem Kali gemacht Es gehören also, wie ich glaube, die vielfach besprochenen Fort- sätze der Speichelzellen des Hundes ebenfalls dem intraalveolaren Netze an, zum Theil, wenn man will, der Umhüllung der Alveolen, da diese Fortsätze gewöhnlich ganz oberflächlich unmittelbar unter der Membrana propra liegen.

Die Alveolen der Submaxillaris des Hundes zeigen bekanntlich am reinen Querschnitte gewöhnlich ein sehr regelmässiges kreisrun- des Lumen. Interessant ist es nun, dass man nicht selten Theile des intraalveolaren Gerüstes als unmittelbare Begränzung des Lu- mens sieht, ein Umstand, der mir, so lange ich der Ansicht war, dass das BoU'sche Netz das System der Secretionscapillaren sei, viel Kopfzerbrechen machte. (Yergl. Fig. 7, d'.) Noch muss ich einen Punkt erwähnen, der mit der hier gegebenen Darstellung in Wider- spruch zu sein scheint. Heidenhain') schreibt nämlich den Zel- len der Submaxillaris des Hundes ganz entschieden Membranen zu. Ich glaube, dass diese Angabe sich nicht strikte aufrecht erhalten läast und stelle mir die Sache in Analogie mit dem über das Pan-

1) Archiv f. mikrosk. Anat. p. S39.

2) Stadien des physiologischen Institats zu Breslau, 4. Heft 1868, p. 13

BÖO V. von Ebner:

kreas Angefahrten so vor, dass die erwähnten Faseni und FcHrtsitze rippenartige Verdickungen in membranösen Scheidewänden darstel- len, welche die einzelnen Zellen von einander trennen, mit der Zell- substanz aber in viel innigerer Berührung stehen, als dus intraal- veolare Gerüste des Pankreas mit den Pankreaszellen, wofür die später zu erwähnenden Iijectionsresultate sprechen.

Wir wenden uns nun zu der Verbindung der Ausführungagänge mit den Alveolen. In den Mundspeicheldrüsen finden sich im Ge- gensatze zum Pankreas ganz eigenthttmlich gebaute Ausiührungs- gänge mittleren Kalibers, die Pflüg er mit dem Namen Speichel- röhren bezeichnete. Dieselben zeichnen sich durch ein hohes Cylio- derepithel aus, dessen Zellen an der Basis pinselartig au^efasert sind. Diese Speichelröhren nun theilen sich vieUSeush meist unter spitzen Winkeln (die Ausführungsgänge des Pankreas dagegen unter rechten oder stumpfen Winkeln) und gehen dann ganz plötzlich in kurze Gänge über, welche mit einem kubischen Epithel ausgeklei- det sind. Diese Gänge, welche den Speichelröhren end- oder seiten- ständig aufsitzen können, theilen sich sehr häufig unmittelbar nach ihrem Abgange in zwei Aeste, welche mit dem Speichelrohrey von dem sie abstammen, eine Tförmige Figur bilden. Diese mit kubi- schem Epithel ausgekleideten Gänge, welche, wie ich glaube, nicht unpassend als Schaltstücke bezeichnet werden können, gehen nun nach kurzem Verlaufe in der Art in die Alveolen über, dass einfach an Stelle der kubischen Zellen die Mosaik der Speichelalveolen tritt. Statt einer weiteren Beschreibung verweise ich auf Figur 7, welche eine solche Verbindung möglichst getreu wiedergibt. An dünnen Schnitten von in Alkohol erhärteten Drüsen sind diese Verbindun- gen sehr leicht zu sehen , wenn man die Prt^arate mit Blaohok- extract tingirt Die Kerne des Epithels der Schaltstücke, die ziem- lich nahe aneinander liegen, färben sich besonders lebhaft blau und man sieht schon bei einer lOOfachen Vergrösserung die Schaltstücke als kurze blaue Schläuche deutlich hervortreten. Mit starken Ver* grösserungen kann man dann die Details studiren.

Wir haben also hier eine Art der Verbindung zwischen Alveo- len und Ausführungsgängen, welche von der am Pankreas beobach- teten total verschieden ist. Man stösst in der That auf grosse Schwierigkeiten , wenn man diese beiden Arten der Verbindung der Ausführungsgänge mit den Alveolen miteinander vergleichen wül. Denn abgesehen von dem Eindringen der Epithelzellen in das In-

Üeber die Anfange der Speichelgange in den Alveolen der Speicheldrüsen. 501

nere der Alveolen in dem einen Falle^ besteht eine wesentliche Ver- schiedenheit in Betreff des intraalveolaren Netzes. Im Pankreas sehen wir die centroadnären Zellen selbst mit Fortsätzen versehen, welche mit dem Netze sich verbinden; in der Snbmaxillaris des Hundes setzt sidi die Membrana propria des Alveolas auf die Schaltstücke der Ausfuhrungsgänge fort und in das Innere der Schaltstücke dringen ebenso Gerüstbälkchen zwischen die Epithel- zeUen, wie zwischen die Drüsenzellen der Alveolen. Ich verweise auf die Abbildung (Fig. 7), in welcher man die doppeltconturirten Linien aus den Alveolen an die kubischen Zellen herantreten und theils an deren innerer, der Lichtung zugewendeten Seite, zum Theil auch zwischen den Zellen verlaufen sieht. An der Oberfläche der Schaltstücke ist eine kernhaltige Schichte zu unterscheiden, die man wohl als Fortsetzung der Membrana propria ansehen muss.

Ein ähnliches Verhalten der Verbindung der Ausführangsgänge mit den Alveolen, wie bei der Submaxillaris des Hundes, lässt sich auch bei der Unterkieferdriise des Kaninchens beobachten; auch hier wird der Uebergang durch allerdings etwas längere Schalt- stäcke als beim Hunde, welche ebenfalls mit kubischem Epithel ausgekleidet sind, vermittelt, lieber das Verhalten des intraalveo- laren Gerüstes, das beim Kaninchen ebenso wie die Membrana propria jedenfalls schwach entwickelt ist, kann ich nichts Näheres aussagen. Bezüglich der Schaltstücke muss noch hervoi^ehoben werden, dass den kubischen Zellen aussen noch deutliche spindel- förmige Zellen aufliegen, welche in die Umhüllung der Alveolen übergehen.

Auch bei den Schleimdrüsen fehlen, wie es scheint, die centro- adnären Zellen gänzlich. Gute Präparate, an welchen man den Uebergang der Ausführangsgänge in die Alveolen sieht, erhielt ich von den Lippendrüsen des Menschen ; ein solches ist in Fig. 9 dar- gestellt Der Ausführangsgang a, von hohen Cylinderzellen ausge- kleidet, schliesst sich plötzlich ohne Vermittelung eines Schaltstückes an die Schleimzellen des Alveolus an. Dieser letztere ist von einer gut entwickelten Membrana propria umgeben, an welcher man da und dort deutlich eine Zusammensetzung aus zelligen Elementen erkennen kann. Diese zelligen Elemente setzen sich nun direct in die Cylinderzellen des Ausfnhrangsganges fort, und manchmal sieht man Uebergangsformen von den platten Zellformen der Membrana propria zu den Cylinderzellen des Ausführangsganges, der selbst

502 V. von Ebner:

nur aus einer einfachen Zellenlage besteht und nicht wie das Schalt- stück der Submaxillaris des Hundes von einer Fortsetzung der Membrana propria überkleidet wird. Dieses merkwürdige Verhält- niss spricht offenbar dafür, dass wenigstens bei den in Bede stehen- den Schleimdrüsen die Membrana propria eine epitheliale Bildung, eine Fortsetzung des Ausführungsganges darstellt, so dass also das secernirende Parenchym gleichsam in dem blinden Ende des Aus- fuhrungsganges steckt. Ich lege auf dieses Verhältniss ein beson- deres Gewicht, weil es geeignet ist, die früher erwähnten Schwie- rigkeiten zu beseitigen , welche unter der Voraussetzung, die Mem- brana propria sei eine Bindegewebsbildung, erwachsen. Bei der Submaxillaris des Hundes müssen wir, da die Membrana propria auch die Schaltstücke überzieht, annehmen, dass dieselbe in die Zellen der Speichelröhren übergeht Soviel scheint mir sicher, dass die Speichelröhren aus einer einfachen Zellenlage bestehen und nicht mehr von der Membrana propria überzogen werden. Um die in- teressante Frage nach der Verbindung der Ausführungsgänge mit den Alveolen im Zusanmienhange zu besprechen, möge hier noch dasjenige folgen, was ich an der Parotis, insbesondere der des Meer- schweinchens und Kaninchens ermittelt habe. Auch an der Paro- tis schieben sich zwischen Alveolen und Speichelröhren Schaltstücke, die aber viel länger sind als an der Submaxillaris und mit spindel- förmigen Epithelzellen ausgekleidet sind. Der Uebergang der Spei- chelröhren in die Schaltstücke ist ein ziemlich unvermittelter; an Stelle der hohen Cylinderzellen mit basaler Auffaserung treten plötz- lich erst ziemlich kurze, dann längere Spindelzellen, wobei das Rohr eine drei- bis viermal geringere Dicke erhält. Dort wo dieSehaltr stücke in die Alveolen übergehen, findet gewöhnlich eine zwei-, drei- bis vierfache Theilung derselben statt und unmittelbar an der Thei- lungsstelle tritt dann das Alveolenepithel auf. Zur Verdeutlichung der etwas complicirten Verhältnisse, die jetzt zu besprechen sind, verweise ich auf Figur 11. In diesem Falle theilt sich der Gang in drei Zweige, von einem derselben ist in der Zeichnung nur mehr der Anfang zu sehen. Man sieht nun, wie über die dachziegelartig einander deckenden Spindebsellen der Schaltstücke die Dnisenzellen sich herüber schieben, so dass das Ende des Ausführungsganges im Alveolus steckt, wie der Stiel im Apfel; ein Vergleich, den bereits Boll gebraucht hat. Die letzten Zellen der SchaltstUcke zeigen zum Theil ganz enorm lange Fortsätze, welche im Innern des Alveolus

Deber die ÄDfange der Speichelgaoge in den Alveolen der Speicheldrüsen. 508

zwischen den Zellen sich verlieren. Allein nicht blos in das Innere iA AIveoloB dringen die Schaltstückzellen als oentroacinäre Zellen ein; ein TheU derselben geht, wie ich mich hinreich^d überzeugt zu haben glaube, und wie man auch an dem abgebildeten Präpa- rate bei b' sehen kann, direct auf die Oberfläche des Alveolus über, am in die Bildung der Membrana propria einzugehen.

Ganz ähnliche Verhältnisse finden sich an der Parotis des Ka- ninchens, des Hundes und der Katze. Wie die Membrana propria bei der Parotis und beim Pankreas sich zu den Schaltstücken ver- hält, ist schwer mit Bestimmtheit zu sagen, da gerade bei diesen Drüsen die Membrana propria wegen ihrer Zartheit auch an den Alveolen ohne besondere Hülfemittel häufig schwer oder gar nicht wahrgenommen werden kann. Ich halte indessen dafür, dass die Schaltstücke an der Parotis wie auch am Pankreas aus einer ein- fachen Zellenlage bestehen. Es ist dies um so wahrscheinliober, als wie gesagt, an der Parotis und vermuthlich auch am Pankreas bisweilen Zellen der Schaltstflcke nach aussen von den Drüsenzellen auf die Ob^äche der Alveolen übergehen. Nach diesen, wie ich gestehen muss, von einem befriedigenden Abschlüsse leider noch weit eotfemten Untersuchungen der Verbindungen der Alveolen mit den ausfahrenden Gängen wollen wir uns zu den Injectionsergebnissen an den Mundspeicheldrüsen wenden und mit der Unterkieferdrüse des Hundes beginnen. Die Injecüonen mit Berlinerblau führten trotz zahlreicher, darauf gerichteter Versuche niemals zur Darstel- lung eines so regelmässigen Netzes, wie wir es am Pankreas ken* nen gel^nt haben. Häufig drang die Masse nur bis in die centra- len Lichtungen der Alveolen, welche sich entsprechend den Thei- langen der letzteren bisweilen verästeln und die Injection lehrte dann nicht mehr, als man an nicht injicirten Drüsen sehen kann. Bei stärkerem Drucke (50 70 Mm. Quecksilber) drang aber die Masse auch häufig zwischen die Zellen ein und erzeugte dann die mannigfiEÜtigsten Bilder. Nicht selten sieht man Alveolen, in welchen die Masse, den Balken des intraalveolaren Netzes folgend, entweder in scheinbar drehrunden Ganälen oder in mehr difiusen Bahnen hier und da bis unter die Membrana propria gedrungen ist und dort entweder flächenartig sich ausgebreitet hat oder noch streckenweise in scheinbar drehrunden Ganälen fortfliessend Andeutungen von Netzen erzeugt hat Am leichtesten scheint die Masse dort unter die Membrana propria zu dringen, wo sich die sogen. Halbmonde

504 y. von Ebner:

befinden; manchmal sieht man dieselbe auch zwischen den ZeUen des Halbmondes und den Schleimzellen. Häufig siebt man das Bwlinerblau in Form von Tropfen in die Zellenmosaik eingedrungen; oft beobachtet man Bilder, die für vollständig injicirte Zellen impo- niren können. Man sieht nämlich scharf nmgränzte blaue Flecken von der Form und Grösse einer Dräsenzelle, an welchen man bis- weilen, wenn man mit Garmin tingirt hat, den Kern durchschim- mern sieht. Oft kann man beobachten, wie zu diesen Flecken , die man in einem Schnitte nach Dutzenden zu sehen bekommt, ein drehrunder blauer Faden hmläuft. Ich habe mich namenüieh mit Rücksicht auf die Ansichten, wetehe Pfluger jttngst über den Bau der Leber 9 und der Speicheldrüsen^) veröffentlicht hat^ eftnstlieh mit der Frage beschäftigt, ob wir es hier mit injictrten Zellen za thun haben. Denn offenbar könnte man die erwähnten blauen Flecken so deuten und die drehrunden blauen Fäserchen, die zu diesen Flecken hinführen, ate Ausführungsgänge auffassen. Diese Vorstellung hat namentlich deshalb viel Verführerisches, weil dann die scheinbar so complicirten Speicheldrüsen auf den einfachen Ty- pus der einzelligen Drttsen, wie sie bei den Hirudineen etc.^) vor- kommen, zurückgeführt werden könnten. '

Wenn man nur die Injecüensresultate an der SubmaxUlaris des Hundes im Auge behielte, würde man schwer in's Klare kommen. Die erwähnten blauen Flecke nehmen unzweifelhaft den Raum einer Zelle ein. Ob sie nun wirklich injicirte Zellen sind oder ob ihre scharfe Begrenzung nur daher rührt, dass eine Zelle zertrümmert wurde, während die umgebenden Zellen Widerstand lasteten, oder ob vielleicht gar nur das Berlinerblau sich auf der OberfläclK einer Zelle niedergeschlagen hat, nachdem dieselbe von ihrer Umg^nng loagewühlt wurde, lässt sich schwer mit Sicherheit entscheiden; da- von kann man sich aber überzeugen, dass der scheinbare zuführende Ganal nichts ist als ein Stück des intraalveolaren Netzes, auf des- sen Oberfläche sich das Berlinerblau niedergeschlagen hat, denn die fraglichen blauen Streifen können häufig in Zusammenhang mit un- gefärbten Theilen des, wie schon erwähnt wurde, hier besonders deutlichen intraalveolaren Netzes erblickt werden. Dass das intra-

1) Aroh. f. Physiologie, Bd. H, p. 469.

2) Dieses Arohiv, Bd. Y, p. 20a.

3) Yergl. Leydig Histologie, 1. c. o. p. 115, p. 120.

Ueber die Anf&nge der Speiobelgftnge in den Alreolen der SpeicbeldrÜBen. 605

^iTeoIare Netz in dieser Drftse auf keinen Fall als Speichelcapillar- netz angesehen werden darf, geht schon daraus hervor, dass es nicht nur zwischen den Zellen, sondern auch an der inneren Ober- fläche derselben, angranzend an das Lumen der unzweifelhaften, speichetatusflibrenden Gänge, angetroffen wird. (Yergl. Fig. 7.) W^n die Fasern des intraalveolaren Netzes Ganälchen wären, so könnte man sieh keine befriedigende Vorstellung davon machen, wie sie mit den AusfQhrungsgängen zusammenhängen.

Durch Injeetionen mit Oliven- und Terpentinöl konnte ich keine ähidichen Erfolge erzielen, wie beim Pankreas. Ich muss ttbrigens gestehen, dass ich fttr diese Injeetionen , welche ich erst in letzter Zeit cultivirte, leider nur wenig Material zur Verflkgung hatte, so dass ich möglicherweise bei zahlreicheren Versnchen bessere Resul- tate erzielt hätte. Die öligen Massen dringen ttbrigens ziemlich leicht ein. Entweder füllte sich nur das centrale Lumen der Alveob- leo oder das Oel wühlte die Zellen von der Membrana propria los. An solchen Stellen kann man dann häufig noch Extraction des Oeles, da und dort Schleimzellen noch mit der abgehobenen Membrana propria durch faserartige Fortsätze in Verbindung sehen. Besonders leicht werden die sogen. Halbmonde von der Membrana propria losgewOhtt. Ein Eintreiben der Masse zwischen die einzelnen Schldmzellen und eine Zertrttmmerung derselben gdang übrigens selbst bei Anwendung eines Druckes nicht, bei welchem die Mem- brana propria an vielen Stellen durchbrochen wurde.

Erwähnenswerth ist hier noch die Thatsache, dass ölige Iiqec- tionsmassen sehr leicht durch die Gylinderzellen der Speichehröhren hindurchdringen, so dass dieselben nadi der Entfernung des Oeles wie von zahkeichen Vakuolen erfUlt aussehen. Aehnliches kann man bisweilen auch an den Zellen des Halbmondes beobachten. Das Berlinerblau dringt Übrigens auch leicht durch die Wände der Speichefaröhren , und ich habe sowohl an der Unterkieferdrüse des Hundes, als auch an den Parotiden verschiedener Thiere oft zahl- reiche Speichelröhren ringsum von Berlinerblau umgeben gefunden, ohne dass irgendwo die Masse durch die Alveolen extravasirt wäre. Bei Injeetionen mit Berlinerblau lässt sich übrigens nicht so leicht wie bei Iiyectionen mit Oel konstatiren, dass die Masse ihren Weg durch die Zellen nimmt

Die Submaxillardrflse des Kaninchens lässt sich schwer iiyiciren ; das Berlinerblau drang mir stets nur in die oberflächlich liegendeu

606 y. von Ebner:

Alveolen und füllte dort entweder nur die centralen Lichtungen ode^ drang auch stellenweifie theils in drehranden, theils in mehr diffusen Bahnen zwischen die Zellen ein ; regelmässige Netze erhielt ich nie- mald. Das Eindringen der Injectionsmasse in die Zellen kommt auch hier vor. Sehr leicht geschieht es, dass die Injectionsmasse einen ganzen Alveolus blau f&rbt. Man kann sich dann von der Existenz einer geschlossenen Membrana propria überzeugen, indem die iiyicirte Masse nicht selten entsprechend dem Gontur des Alveo- lus scharf abgegränzt erscheint. Bei der Sabmazillaris des Kanin- chens bekommt man übrigens auch leicht Extravasate in das inter- stitielle Gewebe, was bei der Unterkieferdrüse des Hundes, derea Alveolen eine weit stärkere Membrana propria besitzen, auch bei Anwendung eines hohen Drackes selten geschiebt.

Was die Iqjectionen an den Parotiden betrifft, so will ich ein- gehender nur die Parotis des Meerschweinchens berücksichtigeo, weil ich an derselben die meisten Untersuchungen machte. Bei einem Drucke von 45—50 Mm. Quecksilber füllt sich diese Drüse grossentheils mit Berlinerblau ; schöne regelmässige Netzzeichnungen sind indessen selten und stets nur auf wenige Alveolen beschränkt. Ich habe in Fig. 6 einen solchen regelmässig injicirten Alveolus mit Hülfe der Camera lucida dargestellt. Einzelne Balken des blauen Netzes erscheinen sehr scharf conturirt und drehrund, andere sind mehr verwachsen. Die Netzbalken entsprechen theils den Gontnren der Zellen, theils gehen sie über die Zellen hinweg. Dass die blauen Netzbalken identisch sind mit den Balken des intraalveolaren Netzes, davon kann man sich auch hier überzeugen. Das gewöhn- liche Ii^ectionsresttltat ist indessen ein anderes. Es füllen sich die centralen Gänge der Alveolen und die Masse drängt in Form von Tropfen die Zellen auf die Seite, so dass der centrale Hohlraum nicht selten wie eine Aehrenspindel mit Blüthen ringsum von bkaoi Kttgelchen umgeben ist. Ausserdem dringt die Masse in der man- nigfaltigsten Weise zwischen die Zellen bis unter die Membrana propria.

Sehr instructiv sind an dieser Drüse Injectionen mit ölig^ Massen. Eine Mischung aus zwei Theilen Terpentin- und einem Theile Olivenöl lässt sich sehr leicht bei geringem Drucke in die Alveolen treiben. Fertigt man von einer derartig injicirten Drüse Schnitte an, so findet man nach der Extraction des Oeles ein Bild, das auf den ersten Anblick einige Aehnlichkeit zeigt mit einem

Ueber die Anfange der Speiohelgänge in den Alveolen der Speicheldrüsen. fi07

Schnitte von der SabmaxiUaris des Hundes oder von einer Schleim- drQse. Man sieht nämlich die Balken des intraalveolaren Netzes sehr scharf hervortreten, während die Zwischenräume zwischen den-* selben ganz blass erschemen. (Vergl. Fig. 10.) Die Aehnlichkeit ist indess nur eine oberflächliche. Denn während bei den genannten DrQsen die Maschenräume des intraalveolaren Netzes von blassen sogen. Schleimzellen erfüllt werden, sind hier die Maschenräume leer und die Zellen sind zur Seite geschoben, theils zertrümmert, theils zu unscheinbaren Klümpchen komprimirt (Fig. 10, d); kurz man erhält ein Bild, das dem früher vom Froschpankreas geschil- derten sehr ähnlich, nur vielleicht noch prägnanter ist Man sieht die feinen Bälkchen von der Membrana propria ausgehend im Innern des Alveolus die zierlichsten Netze bilden; ebenso sieht man an glücklich geführten Schnitten den Zusammenhang dieser Bälkchen mit den Fortsätzen der Spindelzellen der Schaltstücka Wendet man statt der erwähnten Mischung rdnes Olivenöl an, so kann man auch hier wiederum bemerken, dass das Bild ein wesentlich anderes wird. Das Olivenöl füllt meist in Form von Tropfen grosse Ab* schnitte der Alveolen aus; intraalveolares Netz und Drüsenzellen w^den zusammen an' die Membrana propria angedrückt, nur da und dort sieht man Theile des ersteren erhalten. (Vergl. Fig. 8.) Mit der früher erwähnten Terpentin-Olivenölmischung gelang es mir nicht, solche Bilder zu erhalten. Auch wenn man einen starken Druck anwendet, bleibt das intraalveolare Netz in der früher ge- schilderten Weise erhalten ; man erreicht dadurch nur, dass an ein- zelnen Alveolen die Membrana propria gesprengt wird, so dass die Masse in das interstitielle Gewebe hinaustritt. Man bekommt dann Bilder, die den Beschreibungen entsprechen, welche Bell von den Speicheldrüsen gibt, die durch Einstich injicirt wurden. Die Alveo- len sind weit auseinander gedrängt und erscheinen von schaligen Räumen (Lymphräumen) umgeben. Einfache Streifen von Binde- sabstanz trennen am Schnitte die zwei benachbarte Alveolen um- gebenden Bäume von einander. An mit reinem Olivenöl ii^icirten Präparaten konnte ich etwas derartiges niemals wahrnehmen ; stets bleibt das Oel innerhalb der Alveolen, welche stark ausgedehnt und mit ihren Wänden knapp aneinander gepresst sind, so dass man von dem interstitiellen Gewebe fast nichts zu sehen bekommt (Vergl. Fig. 8.)

Es fragt sich nun, wie man sich die Anfänge der Speichelgäage

606 y. TOB Ebner:

iB den Alveolen der Mundspeicheldrfisen yorznstellen habe. ZnnAchst verdient vor Allem der Umstand hervorgehoben zu werden, dass bei den Mundspeicheldrflsen in den Alveolen deatliche kreisrande Lichtungen vorkommen, tAe dem Pankreas zu fehlen scheinen. Saviotti bildet zwar solche vom Kaninchen ab, allein ich muss bemerken, dass ich an reinen Querschnitten von Alveolen des Pan- kreas niemals ein kreisrundes Lumen bemerkte. Maachmal glaubte ich ein solches zu sehen, allein bei genauerer Untersuchung stellte sich heraus, dass das scheinbare Lumen von dner centroaeinären Zelle eingenommen wird.

Man muss noch immer die Müglichkeit zugeben, dass bei den Mnndspeicheldrttsen dieses centrale Lumen der einzige Raum ist» in welchen normaler Weise das Sekret der Drfisenzellen direct ge- langt Alle durch Iiqection zwischen den Zellen dargestellten Wege könnten kttnstlich gebahnt sein. Allein wahrschemlich ist dies nicht Die Existenz des intraalveolaren Netzes läset schliessen, dass, falls die früher über den Bau des Pankreas entwickelten Ansichten rich- tig sind, auch bei den Mnndspeicheldrttsen keine prinzipiell ver- schiedene Einrichtung vorhanden sein werde. Insbesondere gilt di^ fOr die Parotis, da hier die Verbindung der Ausftthrungsgänge mit den Alveolen ganz ähnlich ist, wie am Pankreas. Auch die Injec- tionsresultate, welche mit den am Pankreas gewonnenen zionlich übereinstimmen, sprechen dafür. Anders steht es mit der ^bmaxil- lardrüse, besonders der des Hundes, und mit den SchleimdrOs«]. Sie weidien in ihrem Baue und bezüglich der Verbindung der Aus- fühmngsgänge mit den Alveolen so sehr von der Bauchspeicheldrüse ab, dass es zu gewagt ist, dort gemachte Erfahrungen direct auf jene Drüsen zu übertragen. Indessen lassen auch hier die Injec- tionsresultate die Deutung zu, dass das Secret zwischen den Zellen abfliesse und dann erst- in die Gentralkanäle der Alveolen gelange. Es ist besonders ein Umstand, der es fast unabweisbar macht, solche Wege anzunehmen, nämlich die Existenz von Zellen, welche mit dem Lumen der Alveolen gar nicht direct in Berührung sind. Solche Zellen sind in der SubmaxiUaris des Hundes und der Katze, sowie an den Schleimdrüsen regelmässig an vielen Alveolen unter der Membrana propria zu sehen, sie sind durch ihren Eiweissgehalt und durch den Umstand, dass sie sich in Folge dessen leicht mit Carmin färben, charakterisirt und konstituiren den sogen. Halb- mond. Heidenhain hat bekanntlich den Halbmond als Keim-

Üeber die Anfiknge der SpeioheAg&nge in den Alfeolen der SpeioheldrftieiL 609

sUtte flir die Schleiilixellen an^gdasst und die Amicht ausgespro- chen, dasB die ScUeimzellen darch die Secretion zu Grunde geben and dann dureb Neubildung ron den Zellen des Halbmondes ans ersetzt werden. Diese Behauptung wurde wesentlich auf die sehr auffällige Thatsache gestützt, dass nach durch Iftngere Zeit künst- lich Tom Nerven aus unterhaltener Secretion die Sehleimzellen an der Sttbmaxillaris des Hundes verschwinden und statt derselben oweisshaltige, in Carmin sich f&rbende, den Halbmondzellen Yöllig gleichende Zellen auftreten. Es lüsst sidi indessen nicht leugnen, dass die Behauptung der Gegner (Pflflger und Ewald), es handle sich nur um verschiedene Secretionszostände derselben Zellen, vieles f&r sich hat, nur gehen die genannten Forscher offenbar zu weit, wenn sie die Existenz des Halbmondes als selbständiges Gebilde ganz in Abrede stellen und denselben als das an die Wand ge- drängte Protoplasma der Schleimzellen ansehen 0*

Dass die Halbmondzellen die Keimstätte für die Schleimzeilen seien, wird, wie ich glaube, durch die Verhältnisse, wie sie an der SubmaxUlaris des Meerschweinchens vorliegen, sehr unwahrschein- lich. Dort findra sich nämlich stets untermnander Alveolen, die mit Schleimzellen, und andere, die mit eiweisshaltigen Zellen, wie die Alveden der Kaninchensubmaxillaris erfüllt sind. Den Alveolen mit Schleimzellen MMen, wie bereits BoU gefunden hat und wie ich bestätigen kann, die Halbmonde. Boll sieht sich daher, weil er die Ansicht Heidenhains Ober die ScUeimzellen festhalten will, zu der nichts weniger als wahrscheinlichen Annahme gcnöthigt^ dass die mit Schleimzellen erfüllten Alveolen durch die Secretion zu Grunde gehen und durch neue ersetzt werden. Viel wahrschein- licher ist, besonders wenn man die an den Labdrüsen von Heiden- hain') und von Bollett^) neuerlich aufgedeckten Einrichtungen berücksichtigt, dass man es an der Hundesubmaxillaris mit zweierlei dauernden Secretionszellen zu thun habe, die man an der gereizten Drüse wegen äusserlicher Uebereinstimmung nicht mehr von einander unterscheiden kann. Unter dieser Voraussetzung muss man noth- wendig annehmen, dass das Secret der Halbmondzellen normaler Weise auf Wegen zwischen den Schleimzellen oder längs der Mem-

1} Pflüger in Strioker's Handb. p. 810 ond Ewald 1. c.

2) Dieses ArehiT. Bd. VI.

3) üntemiohimgeQ a. d. Intüt&te f. Phyalologie etc. in Graz, II. H. 1871.

610 y. von Ebner:

brana propria zwischen den Zellen des Schaltstflckes hindarch ab- fliessen kann. Die Injectionsresultate lassen beide Möglichkeiten zu. Erstens kann man häufig, wie schon Oianuzzi fand, längs der Halbmonde schalige Räume injidrt finden, welche mit dem Gentralkanale in Verbindung stehen. Bisweilen sieht man aber aach, wie ich hier noch nachträglich bemerken will, Injectionsmasse unter der Membrana propria, zwischen den Schleimzellen und an den Halbmonden, ohne dass der Gentralkanal der Alveolen gefällt ist Wenn wir schliesslich auf das Mitgetheilte zurückblicken, so tritt leider die Thatsache in den Vordergrund , dass die positiven Resultate ziemlich spärlich sind. Ich glaube gezeigt zu haben, dass ein regelmässiges Netz von drehrunden Secretionsröhrchen in den Alveolen der Speicheldrüsen nicht existirt und dass Injectionen mit BerUnerblau in dieser Frage überhaupt nichts beweisen können. Die positive Seite der Frage konnte nur vermuthungsweise beant- wortet werden; ich suche die Anfange der Speichelgänge in Räu- men ohne selbständige Form , welche zwischen dem intraalveolaren Netze und den theilweise mit dem Netze in Verbindung stehendoi Drüsenzellen übrig bleiben. Bezüglich des intraalveolaren Netzes suchte ich wahrscheinlich zu machen, dass dasselbe sammt der Membrana propria, mit welcher es zusammenhängt, eine epitheliale Bildung ist. Endlich möge noch an die interessanten, für das Ver- ständniss der Drüsenstruktur gewiss nicht unwichtigen Unterschiede erinnert werden, welche bezüglich der Verbindung der Ausführungs- gänge mit den Alveolen bei verschiedenen Drüsen vorkommen.

Erst nach Abschluss dieser Arbeit kam mir die Abhandlung Schwalbe's über die Brunner'schen Drüsen ^ zu Gesicht, die für mich natürlich von grossem Interesse war, insbesondere in Betreff desjenigen, was über das intraalveolare Netz, das „Kanälchennetz", beigebracht wird. Zunächst freute ich mich, constatiren zu können, dass Schwalbe einige wichtige thatsächliche Verhältnisse an den Brunner'schen Drüsen ganz so fand, wie ich an der Submaxillaris des Hundes. Dahin gehört das Verhalten der Fasern des „Kanal- chennetzes" zu den Zellen an mit Müller'scher Flüssigkeit und mit

1) Dieses Arohiv YIII. Bd., l. Heft p. 92.

lieber die Anfange der Speichelg&nge in den Alveolen der Speioheldrüeefn. 611

Chromsäure behandelten Präparaten, der Mangel einer eigentlichen Zellmembran, die Isolirbarkeit der Fäserchen des „Kanälchennetzes'S endlich das Vorhandensein von Theilen des „Kanälchennetzes'' an der dem Lnmen zugewendeten Seite der Drüsenzellen. Die Gründe, die Schwalbe fQr die Kanälchennatur dieses Netzes anführt, scheinen mir und wohl jedem, der nicht auf die Ii^ections- resultate mit Berlinerblau ungebührlich viel Gewicht legt, nichts weniger als zwingend. Theilweise ist mir das Raisonnement Schwalbe's nicht recht verständlich. Wenn Schwalbe behaup- tet, die isolirbaren Theile des ,,Kanälchennetzes" seien Gerinnsel, so können die^e Gerinnsel wohl nichts anderes als geronnenes Drü- sensecret sein. Andererseits macht aber Schwalbe wahrscheinlich, dass das „Kanälchennetz'' aus Myosin, aus derselben Substanz, welche die Zellen untereinander verkittet, bestehe. Wie nun das- selbe Ding gleichzeitig oder abwechselnd DrUsensecret und Kittsub- stanz sein kann, ist mir unbegreiflich. Und endlich möchte ich fragen, was für einen Sinn die Theile des „Kanälchennetzes" haben sollen, die unmittelbar an das Driisenlumen gränzen?

In einem wichtigen Punkte ist Schwalbe zu Resultaten ge- kommen, welche von denen BolTs und von den meinigen abwei- chen. Derselbe behauptet nämlich, die Membrana propria der von ihm untersuchten Drüsetf sei an ihrer Innenseite vollkommen glatt und sende nirgends Fortsätze in das Innere der Alveolen, mit an- deren Worten, dass das intraalveolare Netz nirgends mit der Mem- brana propria zusammenhänge. Jedenfalls haftet das intraalveolare Netz der Speicheldrüsen an der Membrana propria stellenweise fest an, ob wirkliche Continuität oder blos Gontiguität vorhanden ist, ist schwierig zu entscheiden, und ich muss es dem Leser überlassen, zu beurtheilen, ob ich auf Grund meiner Erfahrungen berechtigt war, die Continuität anzunehmen.

619 y. von Ebner:

ErkUniBg der Abbüdtngeii auf Taf. XX.

Fig. 1. Pankreas vom Frosoh vom Ductus cboledochos aus injioirt Die Gränzen der Alveolen waren nioht deutlich zu sehen und konnten daher nur beiläufig eingetragen werden. Das injicirte Netz üt mit Hülfe der Camera lucida oopirt. Vergr. 46(). Alkoholpräparat

Fig. 2. Längsschnitt von einem grösseren Speichelgange des Froschpaukreas, an welchem ein injicirtes Netz zu sehen ist. a. Bindegewebe. b. Epithelzellen im Profil gesehen, c. Epitbelzellen von der inneren Fläohe gesehen. Vergr. 480. Präparat ans Müller'scher Flfissigfkeit.

Fig. 3. Schnitt von einem mit Terpentin- und Olivenöl iigicirten Frosch- Pankreas, a. Izgicirte Alveolen mit dem intraalveolaren Netse. b. Drüsenzellen durch die Injection auf die Seite gedrangt» c. Gränze der Alveolen (die Membrana propria der zwei benachbarten Alveolen nebst dem dazwischen liegenden interstitiellen Gewebe sind durch die Ausdehnung der Alveolen so aneinander gedrängt, dass man sie nicht als getrennt unterscheiden kann), e. Blutkörperchen in einem Capillargelftsse. Vergr. 460. Präparat aus Müller'scher Flüs- sigkeit, die Iiyectionsmasse ist mit Alkohol und Aetker extrahiri.

Fig. 4. Schnitt von einem auerst mit Berlinerblan , dann mit Olivenöl inji- cirten Froschpaukreas. a. Theilweise mit Olivenöl injicirte Alveolen. b. Theile des intraalveolaren Netiea durch die vorausgehende In- jection mit Berlinerblau theilweise blau gefärbt, c. Auf die Seit<^ gedrängte, theilweise zertrümmerte Drusenzellen, d. BlntgefsAse.. Vergr. 460. Präparat wie das vorige behandelt

Fig. 6. Schnitt von einem in Mäller'soher Flfissigkeit geharteten Frosch* paokreaa. a. Eztraalveolarer Theil eines AaBfäfamngsganges. b. In- traalveolarer Theil deeselben (centroacinäre Zellen) mit den zwischen die Drüsenaellen eindringenden Zellfortsätsen. e. Interstitielles Bindegewebe, d. Gapiltargefass. Vergr. 460.

Fig. 6. Schnitt von einer mit Berlinerblau it^icirten Parotis des Meer- schweinchens. Präparat aus Müller'scher Flüssigkeit. Vergr. 46().

Fig. 7. Schnitt von einer Submaxillaris des Hundes, a. Speichelrohr an der Kuppe getroffen, b. Schaltstück, c. Membrana propria der Alveo- len, d. Intraalveolares Netz stellenweise (d') das Lumen am Quer- schnitte eines Alveolns umgränzend. e. Halbmonde (Protoplasma- zollen). Nach einem mit Blauholzextract tingirten Alkoholpräparate. Vergr, 670.

Fig. 8. Schnitt von einer mit Olivenöl i^jicirten Parotis des Meerschwein- chens, a. Injicirte Alveolen, b. Membrana propia. c An die Mem- brana propria angedrückte Reste zertrümmerter Zellen, d. Besu« des intraalveolaren Netzes, Präparat aus Müller'scher Flüssigkeit mit Alkohol und Aether extrahirt. Vergr. 460.

Ueber die Anfange der Speichelgange in den Alveolen der Speicheldrüsen. 513

Fig. 9. Schnitt von einer Lippendrüse eines vierjährigen Kindes. Der Schnitt ist mit Carmin gefärbt, die tingirten Theile sind in der Zeichnung dankel gehalten, a. Aasführungsgang. b. Membrana propria znm Theil deutlich als aus Zellen zusammengesetzt erkennbar, b. Zellen der Membrana propria, welche direct, in die Epithelzellen des Aus- fuhrungsganges überzugehen scheinen, c. Schleimzellen, d. Intra- alveolares Netz. e. Protoplasmazellen (Halbmond), f. Bindegewebe. Präparat aus Müller'scher Flüssigkeit. Vergr. 460.

Fig. 10. Schnitt von einer mit Terpentin- und Olivenöl injicirten Parotis des Meerschweinchens, a. Muthmassliches Ende eines Schaltstückes. b. Membrana propria. c. Intraalveolares Netz. d. Auf die Seite gedrängte, theilweise zertrümmerte Drüsenzelien. o. Interstitielles Gewebe, f. Eine Arterie. Präparat aus MüUer'scher Flüssigkeit, Schnitt mit Alkohol und Aether extrahirt. Vergr. 460.

Fig. 11. Schnitt von einer in MüUer'scher Flüssigkeit gehärteten Parotis des Meerschweinchens, a. Schaltstück, b. Letzte Zellen der Schalt- stücke (centroacinäro Zellen), deren Fortsätze zwischen die Drüsen- zellen eindringen, bei b' eine Zelle, die einen Fortsatz auf die Oberfläche eines AlveoluB entsendet. c. Membrana propria nur theilweise wahrnehmbar, d. Interstitielles Bindegewebe, e. Blut- gefäss. Vergr. 770.

M. Brhnltza, ArchlT f. mikrosk. Anatomie. Bd. 8. 34

Zur Naturgescbiohte der Vibrionen.

Von

Oscar Orimm

in St. Petenborg.

Theils im vorigen , theils zu Anfang des jetzigen Jahrhunderts wurden verschiedene kleine Organismen, die eine langgestreckte Form und nicht deutlich sichtbare Organe hatten, unter dem Namen Vibrio beschrieben. So hat 0. Müller 1773 eine Menge Vibrio- nenarten gegründet, die sich späterhin als verschiedenen Klas- sen angehörende Organismen erwiesen, und zwar hauptoachlich als freilebende Nematoden erkannt worden sind. Sodann hat Ehren- berg ebenfalls viele neue Arten beschrieben, die er später theils anderen Thier- und Pflanzenordnungen zurechnete. Die sehr man- gelhafte Kenntniss der Vibrionen, wie der meisten anderen mikro- skopischen Organismen dauerte bis zur Erscheinung des grossen Werkes von Ehrenberg: „Die Infusionsthierchen als vollkom- mene Organismen", in der der berühmte „Forscher des kleinsten Lebens*' die Vibrionen in eine Familie vereinigte, aus der alle nicht hierher gehörende Organismen, wie die Monaden, Nematoden u. s. w., entfernt wurden; hier vertheilte er alle ihm bekannte Vibrionen unter 5 Gattungen (Bacterium, Vibrio, Spirochaeta, Spi- rillum und Spirodiscus), indem er einer jeden Spedes für den da- maligen Standpunkt der Wissenschaft eine sehr sorgfaltige Beschrei- bung widmete.

In neuester Zeit, besonders seit man die Vibrionen als das Gontagium verschiedener Infectionskrankheiten anerkannt hat, wur- den sie von Vielen hinsichtlich ihrer Anatomie und Physiologie

Zur Naturgeschichte der Vibrionen. 615

ontersacbt; man dachte durch die Erkenntniss ihrer Entwicklungs- uDd Lebensgeschichte den Grad ihrer Theilnahme bei der Entste- hung gewisser Krankheiten bestimmen zu können, und also auch zum Verständniss derselben zu gelangen. Da aber alle diese Unter- suchungen in der neuesten Zeit erschienen sind, so werden sie wohl allen Lesern mehr oder weniger bekannt sein , und deshalb werde ich hier die Geschichte der Entstehung und des Ganges dieser Lehre nicht darstellen, wie auch die einzelnen Untersuchungen Qber die Vibrionen» ihre Anatomie, chemische Zusammensetzung, Entwick- lung und Angehörigkeit zu der einen oder anderen Organismen- gruppe, nicht näher berücksichtigen, da dies den Umfang dieses Artikels zu sehr vergrössem würde, und eine ziemlich genaue Dar- stellung dieser verschiedenen Arbeiten von Hr. Polotebn off ge- geben worden ist^).

Bevor ich aber zur Besprechung der Bacterien übergehe, die von Brau eil im Blut des am Milzbrand kranken Viehes gefunden und von Davaine als Ursache des benannten Uebels beansprucht worden sind, muss ich noch bemerken, dass ich im Folgenden wie diese Organismen (Bacteriden D.), so auch die in Sümpfen und In- fusionen von mir aufgefundenen Vibrionen besprechen werde, da es mir schien, sie alle in Hinsicht ihrer Naturgeschichte studiren zu müssen, indem ich hoffte, in ihnen analoge Verhältnisse vorzu- finden, was sich spater als vollkommen richtig erwies, besonders da die vermeintlichen Bacteriden des Milzbrandes unstreitig zu dem Genus Vibrio Ehrb. gehören.

Die Milzbrandkörperchen, resp. Bacteriden D., sind mehr oder weniger lange Stäbchen, die meist aus mehreren einzelnen Körper- chen zusanmiengesetzt erscheinen, die bald eine Cylinderform mit parallelen Rändern und abgerundeten Enden, bald die Gestalt läng- licher Ovale haben. Die Zahl solcher einzelnen Körperchen, die mit einander zu einem Stäbchen verbunden sind, variirt sehr stark, meist beträgt sie aber nur 5. Ein jedes Körperchen, resp. das ein- zelne Glied der Kette oder des zusammengesetzten Vibrio, enthält in seiner Mitte eine Höhle, die wahrscheinlich mit einer flüssigeren Substanz erfüllt ist; bei der Einwirkung von Essigsäure sieht man, dass in diesem Inhalt noch Kömchen suspendirt sind, die manchmal Tängere Stränge bilden; man wird übrigens auch ohne die Anwen-

1) Sitsb. d. k Acad. d. Wies, m Wien Bd. LX, Abth. 1, Nov.-Heft 1869. In minfcher Sprache erschienen 1871.

516 Oscar Grimm:

dung der Reagentien gewahr, dass der Inhalt nicht allein aus der flüssigeren Substanz besteht. Der äussere Theil, die helle, halbdurch- sichtige Masse ist, wie es scheint, ziemlich hart und elastisch, und wird von aussen wahrscheinlich noch mit einer weicheren Schicht bedeckt, in der Art, wie die Pseudopodien bei Actinophrys, nur zeigt hier die- selbe keine Körnchen, ist hingegen vollkommen homogen. Solche Köi-perchen sind, wie schon gesagt, mit einander zu Ketten verbun- den, die mehr oder minder lang sein können. Dabei communiciren ihre Höhlungen nicht untereinander, sondern bleiben beständig ge- trennt, indem man zwischen ihnen Scheidewände leicht zu sehen be- kommt ; dieselben können sich aber sehr verdünnen. Die Ursache der Entstehung der unter einem gewissen Winkel gebogenen Vibrionen werden wir später kennen lernen. Hier bemerken wir aber noch, dass die Grösse der Milzbrandbacterien höchst mannigfaltig sein kann; so fand ich einst im Blut eines kranken Pferdes, das, nach- dem es aus dem Organismus entfernt war, gegen eine halbe Stunde gestanden hatte, von 0,0060 bis 0,0154 Mm. grosse Ketten, indem die einzelnen Körperchen derselben im Mittel 0,0021 Mm. massen ; in der Milz eines andern verstorbenen Pferdes fand ich Bacterien von 0,0048 bis 0,0320 Mm., bei einer Dicke von 0,0008 Mm.; in der Lunge desselben Pferdes waren die Bacterien von 0,033 bis 0,098 Mm. gross. Auch diese Beispiele werden wohl genügen, um d^ Variiren der Bacterienketten in Hinsicht ihrer Grösse zu zeigen. Was nun die einzelnen Körperchen der Ketten anbelangt, so ist auch ihre Grösse starken Schwankungen unterworfen; ihre Länge beträgt von 0,002 bis 0,003 Mm., bei einer Dicke von ungefähr 0,001 Mm.; man trifft aber auch längere und kürzere, wobei auch die Dicke sich bis auf 0,0015 Mm. erhöhen kann.

Alles das oben von den Milzbrandbacterien Gesagte gilt auch für die anderen von mir untersuchten Vibrionen und Bacterien, nur mit dem Unterschied, dass die Zahl der Kettenglieder noch ver- schiedener sein kann, wodurch auch die Länge der Kette stark va- riirt; ebenso ist auch die Grösse der einzelnen Glieder verschieden. Es treffen sich Vibrionenketten, die aus nur 2 Gliedern bestehen; andere wieder sind aus 20, 30, ja sogar 50 und darüber Gliedern zusammengesetzt. Dabei befindet sich die Grösse der Glieder nicht in einer bestimmten Beziehuhg zu ihrer Zahl, resp. der Länge der Kette. Diese Verhältnisse werden wir femer noch besprechen, jetzt wollen wir aber noch bemerken, dass man auch unregelmässig

Zar Naturgeschichte der Yibrionea. 517

angeordnete Ketten vorfindet, in der Art, wie Vibrio subtilis bei Ebrenberg gezeichnet ist (Tab. V, Fig. 6), nur dass die Ketten- glieder nicht immer so regelmässig beieinander liegen.

Was die höchst chaijtkteristischen Körper der Gattung Spirillum anbetrifift, so kann ich hier nur das mittheilen, dass das Sp. volu- tans Ehrenberg's aus zwei und auch mehr Gliedern besteht, die der Art Sp. undula entsprechen; die letzteren aber zeigen keine Zusammensetzung aus kleineren Gliedern, gleich dei^^nigen der an- deren Vibrionen (Vibrio und Bacterium), wie es von Ehrenberg dargestellt wird; zwar scheint es beim Eintrocknen der Spirillen, als ob sie aus solchen bestehen, dies ist aber eine künstlich her- vorgerufene Erscheinung, indem an den lebenden Spirillen nichts von dem zu sehen ist. ,

Ehrenberg nahm an, dass Bacterium triloculare und auch die Arten der Gattung Vibrio eine Geissei besitzen, mit Hülfe deren sie ihre Bewegungen ermöglichen sollten. Ich habe eine solche nie wahrnehmen können und bin der Meinung, dass das Bacte- rium triloculare, nichts anderes als eine Monade (Monas) war, die nahe der Monas gliscens steht. Zwar scheint es manchmal, wenn man einen schnell dahin strömenden Vibrio zu Gesicht bekommt, als ob sich dasselbe in ein Schwänzchen verdünne, mit dem es wie mit einer Flosse arbeitet, ~ dies ist aber nur eine Gesichtstäuschung, ^ welche dadurch bewirkt wird, dass die 2 oder 3 letzten Glieder des Vibrio hin und her pendeln (wodurch, wie wir es später noch sehen werden, die Bewegung der Kette auch bewirkt wird).

Bei der Untersuchung der vei*schiedenen Vibrionen konnte ich natürlich nicht vergessen, Jhre chemische Zusammensetzung näher zu bestimmen, da dasselbe zur Erkenn tniss ihrer Natur von Nutzen sein könnte. Leider aber ist die Mikrochemie bis jetzt noch zu sehr mangelhaft, ja sie existirt zur Zeit kaum; dabei stellt uns in diesem Fall die ausserordentliche Kleinheit des Objects noch ein Hindemiss in den Weg. Mir halfen aber theilweise die aus Vibrio- nen zusammengesetzten Filze und Kugeln, die gewöhnlich auf fau- lendem Wasser sich bilden, so auch die massenhafte Anhäufung der Bacterien, die ich in der Lunge der an Milzbrand verstorbenen Thiere vorfand. Indem ich die Wirkung der verschiedenen Reagen- tien auf Vibrionen untersuchte, bin ich zu folgenden Schlüssen ge- langt: Die Schwefel- und Salzsäure lösen die Vibrionen auf, die erstere sogar augenbhcklich ; schwächere Lösungen derselben bewir-

618 Oscar Grimm:

ken einen langsameren Eflfiect ; Essigsäure wirkt auf sie viel lang- samer, sie fixirt zuerst die Höhle und dann löst sie langsam den Körper des Vibrions auf; Salmiak bewirkt dasselbe. Von Kreosot wird der Organismus heller, wobei die Vakuole (Höhle) schön sicht- bar wird, später zeigen die Ränder unregelmässige Einbuchtungen und schliesslich löst sich der Körper auf. Von Jod werden sie bräunlich gefärbt; Garmin (salniiakfreier) ftrbt sie roth. Alkohol und Aether lösen sie langsam auf.

Dies alles zeigt schon, dass wir es mit einem organischen Korper zu thun haben, der wenn auch nicht aus Protoplasma besteht, so doch gewiss aus einer protoplasmaähnlichen Substanz, aus einem, möchte ich sagen, Protoplasmaderivat«. Merken wir uns noch, dass alle Vibrionen, also auch die Milzbrandkörperchen, nach ihrem Tode im Wasser sich auflösen, verfaulen.

Indem man die augenscheinliche Härte des Vibrionenkörpers in Betracht zieht, ist es schwer vorauszusetisen, dass der electrische Strom auf dieselbe einen gleichen Effect ausübt, wie auf die Infu- sorien Ol Rhizopoden, Blutkörperchen u. s. w. ; da ich aber bei ihnen eine weichere äussere Schicht annehme, so glaubte ich, dass es möglich wäre, in derselben die Veränderungen bemerken zu können, die vom Strom möglicherweise bedingt sein könnten. Aber die von mir in dieser Hinsicht angestellten Untersuchungen sind bis jetzt erfolglos geblieben. Dies wird aber theilweise dadurch erklärt, dass die Electroden meines Apparats, obgleich auch sehr dOnn angefer- tigt, dennoch nicht zulassen, stärkere Vergrösserungen, wie z. B. das Fttnfzehnsystem von Hartnack, zu gebrauchen; bei kleineren Vergrösserungen aber (das 9-S.) sind wohl kaum die muthmasslichen Veränderungen in der Peripherie des Vibrionenkörpers bemeikbar. Jedenfalls bin ich bis jetzt nicht im Stande gewesen, irgend welche Veränderungen in der Masse des Vibrionenkörpers bei der Einwir-

1) Die Infusorien verhalten sioh zum electrischen Strom, nach meiner Untersuchung, wie auch andere protophuimatiBehe Körper; beim aohwB- ohen Strom fiuigen sie geschwinder an sich zu bewegen, dann erhalten sie eine amöbenförmige (Gestalt, und beim stärkeren Strom zerfallen sie mehr oder minder geschwind (beim Strom einer gewissen Stärke momentan) in einzelne Klümpchen und Körnchen. Beim schwächeren Strom nehmen dnige dieser Klümpchen eine runde Form an^ bedecken sich auf der ganzen Ober^ fläche mit stark flimmernden Cilien, in Folge deren sie sich bewegen, indem sie damit das Ansehen selbständiger Organismen annehmen.

Zur Naturgeschichte der Vibrionen. 619

kung des electriscben Stromes zu anterscheiden. Unlängst hatte ich aber die Oelegenheit, zu beobachten, dass das sogen. Spirillum tenue, wie auch die Infusorien, beim Schliessen eines schwachen Stromes sich schnell zu t)ewegen anfangen und auf gewissen Punk- ten versammeln , wo sie augenscheinlich den Strom vermeiden , da hier auch die Infusorien keine Veränderungen zeigten ^).

Aus dem vom Bau der Vibrionen Gesagten geht hervor, dass dieselben wohl keine Geissein oder Schwänzchen besitzen, so dass die Angaben von Ehrenberg und Job. Luders zu berichtigen sind. Man sieht aber auch in ihrer Masse nichts, was der Bewegung des Protoplasma der Bhizopoden oder der Diatomeen gliche, obgleich man jetzt auch nicht im Stande ist, so grade heraus das Nichtvor- handensein einer Art solcher Bewegung zu behaupten, da es leicht möglich sein könnte, dass mit der Zeit sich so was auch finden wird. Eine amöbenartige Bewegung ist hier auch nicht zu sehen. Dessenungeachtet aber sind die Vibrionen unstreitig mit selbständiger Bewegung begabt und dabei ist man genöthigt, bei ihnen nicht nur die Willkühr, sondern auch eine gewisse Einsicht zuzulassen. Zwar wird dies Alles von einigen Forschern abgeleugnet; sie sagen, dass die Vibrionen nur der Molekular- Bewegung fähig sind, und die Milzbrandkörperchen erhielten von Davaine den Namen Bacteriden, weil sie unbeweglich sein sollten. Es wird natürlich Niemand abstreiten wollen, dass die kleinen Vibrionen gleich allen kleinen Körpern der sogen. Molekular-Bewegung unterworfen sind ; und diese Bewegung einer grossen Menge auf dem Objectglas sich befindender Vibrioned kann auch verhindern, die selbständige Bewe- gung derselben zu beobachten. Wenn man aber diese Körper näher betrachtet, so wird wohl ein Jeder leicht bemerken, dass die Vi- brionen ausser der passiven Bewegung auch noch einer activen befähigt sind. Diese active Bewegung wird aber leichter bemerk- bar, nachdem man das folgende Experiment angestellt hat. Man ninunt einen Tropfen Wasser oder Blut, das von Vibrionen wimmelt, und untersucht denselben mit dem Mikroskop; wenn

1) Auf das indifferente Verhalten der Vibrionen zum eleetrischen Strom eich stfitzend, behauptete Prof. Golnbew (5. Sitzung der zool. Section der 3. Versammlung der russischen Naturforscher), dass dieselben nicht ans Pro- toplasma bestehen, indem er meinte, dass ich ihnen diese Eigenschaft zu- schreibe; ich dachte aber gar nicht, dies zu behaupten, wie es aus dem oben Gesagten hervorgeht.

520 Oscar Grimm:

man dabei keiner activen Bewegung gewahr wird, so bringt man einen Tropfen Salmiak dazu; Salmiak tödtet die Vibrionen, so dass man nun auch wirklich keine active Bewegung finden wird; wenn man nun die Bewegungen der Vibrionen vor und nach dem Zu- satz des Salmiaks vergleicht, so wird man leicht die active von der passiven Bewegung unterscheiden. Statt des Salmiaks kann man auch bis zu einem gewissen Grad geführte Erhitzung gebrauchen, die ebenfalls die Vibrionen tödtet.

Wekher Art sind aber diese Bewegungen?

Ganz zuerst sehen wir eine pfeilschnelle Bewegung in gerader Richtung; der Vibrio durchläuft geschwind das Gesichtsfeld, and wenn es gelingt, demselben mit dem Äuge zu folgen^ so bemerken wir, dass er, nachdem er eine gewisse Strecke zurückgelegt, unter einem Winkel umbiegt und seinen Weg in einer andern ßich- tung verfolgt. Dabei bewegt sich der Vibrio bald mit dem einen, bald mit dem andern Ende voraus. Deiters kann man aber eine andere Art der Bewegung beobachten, eine langsamere und, wie es scheint, viel zweckmässigere. Das ist die scblangenartige Bewegung, welche wie die ein- so auch die vielgliedrigen Vibrionen besitzen; die erstereu, d. h. die eingliedrigen Vibrionen bewegen sich zickzackmassig, augenscheinlich ohne sich zu biegen, d. h. ohne ihre Körperform zu ändern ; die anderen, die vielgliedrigen Vibrionen schlagen mit ihren 2 oder 3 letzten GUedern regelmässig rechts und links wie ein Fisch mit seiner Schwanzflosse, und dadurch bewegt sich die ganze Kette in der oben gesagten Richtung. Bei dieser Bewegungsart kann ebenfalls das beliebige Ende der Kette als Flosse fungiren, zu der eine verschiedene Gliederzahl, je nach der Länge der ge- sammten Kette, verwerthet sein kann. Diese Bewegung, die auch für die Milzbrandvibrionen von mir beobachtet worden ist, bemerkt man am leichtesten bei den grösseren Vibrionenarten, die man in den verschiedenen Infusionen antrifft. Hier muss ich noch bemer- ken, dass bei dieser Bewegung der vielgliedrigen Vibrionen, wenn sie nur schnell genug ist, es öfters uns scheint^ als ob dieselben einen langen Schwanz besitzen, wie es von Joh. Lüders beschrie- ben und abgebildet wird (d. Arch. Bd. 3, Taf. XIX, Fig. 4); einen Schwanz oder Geissei gibt es aber hier gewiss nicht, wie wir es schon oben hei-vorgehoben haben.

Endlich gibt es noch eine dritte Bewegungsart, bei der der ganze Körper eines langen Vibrio sich schlängelt. So eine Bewegung

Zur Naturgeschichte der Vibrionen. 521

hatte ich ablängst die Gelegenheit bei Vibrionen zu beobachten, die im Blut eines Huhns, nachdem dasselbe abgezapft war, sich ein- fanden. Die Bewegung dieser war sehr ähnlich derjenigen eines vibrioähnlichen Subjects, das ich zuerst hier in Petersburg zwischen faulenden Lachselem, später aber in den Nowgorod'schen Sümpfen gefunden habe. Dieses Geschöpf war einem Haar ähnlich, welches 0,060 Mm. in die Länge und 0,0015 Mm. in die Breite hatte; es bestand aus einer durchsichtigen, glasähnlichen Substanz, iu der feine Körnchen und kleine Bläschen unregelmässig eingebettet lagen, die scheinbar aus einer flüssigeren Masse bestanden. Die Bewegun- gen dieses Haares sind verhältnissmässig sehr langsam und wurden dadurch bewirkt ^ dass das Geschöpf sich krampfhaft hin und her krümmte. Eine eben solche Bewegung .beobachtete ich bei dem oben bezeichneten Vibrio aus dem Blut eines Huhns.

Was nun die Spirillen betrifft, so sind diese in ihrer Form unveränderlichen Organismen mit den oben beschriebenen Bewegungen nicht begabt. Sie bewegen sich höchst charakteristisch, indem sie, in eine Spirale gewunden, sich nur um ihre Längsaxe bewegen und dadurch die Ortsveränderung bewirken. Dass dieselbe namentlich durch die Bewegung der Spirille um ihre Längsaxe bewirkt ist, wird schon dadurch bewiesen, dass die langen Spirillen (Sp. volutans), die unregelmässig angeordnet sind (die Ursache dieser Erscheinung werden wir späterhin kennen lernen), d. h. solche, deren beide Enden nach ein und derselben Richtung gewendet sind, keiner Orts- veränderung fähig sind, obgleich sie sich auch um ihre Längsaxe bewegen.

Wenn aber dlfi Vibrionen mit dem Bewegungsvermögen auch b^abt sind, so tritt für sie zur gewissen Zeit ein Zustand ein, wo sie in der That vollkommen ruhig da hegen, resp. gar keine Be- wegung zeigen. Wodurch dieser Bacteridenzustand , möchte ich sagen, bewirkt wird, weiss ich nicht, ich fühle mich aber berech- tigt, zu behaupten, dass dies nicht etwa von ihrer Grösse abhängt. Bekanntlich haben sich einige Beobachter in der Art geäussert, dass die Vibrionen, die eine gewisse Grösse erreicht haben, der moleku- laren Bewegung nicht mehr ausgesetzt sind und deshalb ruhig da liegen. Gegen diese Auffassung aber spricht die sehr leicht zu be- obachtende Thatsache, dass manchmal grössere Vibrionenketten sich noch bewegen und kleinere dazwischen sich schon zur Ruhe bege- ben haben. Oefters habe ich gesehen, dass grosse Vibrionen, die in

522 Osoar Grimm:

der That der passiven Bewegung nicht mehr fähig waren, sich doch nach einer der oben beschriebenen Art bewegten. Noch habe ich beobachtet, dass lange Vibrionenketten , nachdem sie zur Rohe ge* kommen und wenige Augenblicke dalagen, sich zu bewegen anfin- gen und ihi'e Ruhestätte veränderten. Bemerkens werth ist noch der Umstand, dass die ruhenden Vibrionen beständig sich noch an- einander legen, indem sie kleine Häufchen und sogar auch Kugeln bilden, die sehr leicht in dem auf faulendem Wasser sich bildenden Filze aufgefunden werden können. Manchmal wachsen diese Häufchen zu grösseren Klumpen, so dass man sie mit blossem Auge leicht sehen kann, ja sogar bis zu 1 Mm. und darüber. Dasselbe sehen wir auch auf dem Objectträger, obgleich hier unter dem Deckgläs- chen natürlich keine Klumpen, sondern netzartige Inseln durch die Vibrionen gebildet werden.

Hinsichtlich der Ursache und des Ziels dieses Ruhezustandes konnte ich leider nicht in's Klare kommen/ Möglich ist es, dass er nichts mehr als der Tod ist; andererseits aber könnte man an- nehmen, dass dies irgend ein anderer physiologischer Prozess sei, um so mehr, da wir wissen, dass bei vielen einfachen Orga- nismen so ein Ruhezustand dem Fortpflanzungsprozess vorangeht Zwar haben wir bei den Vibrionen keine Fortpflanzung wahrgenom- men, aber die Abwesenheit dieses Prozesses während der Bewe- gung der Vibrionen fuhrt auf den Gedanken, ob während des Ruhe- zustandes nicht die Fortpflanzung auf eine gewisse Art stattfinde? Die Lösung dieser Frage bleibt den künftigen Untersuchungen vor- behalten.

Wir wissen, dass wie ein- so auch vielgliedrige Vibrionen vor- gefunden werden ; später werden wir erfahren, dass sie des Wachs- thums im eigentlichen Wortsinne nur zur Zeit ihrer ersten Lebeos- periode fähig sind ; ihre Theilung in Glieder haben wir aber nie beobachtet, ebenso wie auch keiner der früheren Forscher. Nun wissen wir aber, dass die grösseren oder längeren Vibrionen aus einer Reihe kleinerer Glieder zusammengesetzt sind , dass sie eine Art Kette bilden. Es fragt sich denn somit, wie kommen die klei- nen Glieder resp. Vibrionen zur Bildung der Kette? Wir wissen schon, dass auch die kleinen resp. jungen Vibrionen mit d^ acti- ven Bewegung begabt sind; sie laufen hin und her, und in diesem Laufen vergeht verhältnissmässig eine geraume Zeit, so dass ich manchmal zwei und auch mehr Stunden ein und dasselbe Indivi-

Zar Natargesohiohte der Vibrionen. 528

damn beobachtete und dabei gar keine Veränderangen wahrnehmen konnte, ausgeschlossen eine geringe Verlängerung des Körpers. Es traf sich aber auch nach einer halben Stunde ein höchst interes- santes Phänomen zu beobachten. Indem diese kleinen, noch ein- gliedrigen Vibrionen hin und her laufen und sich begegnen, l^en sie sich mit ihren Enden aneinander . und verschmelzen zu einer zweigliedrigen Kette. Mit dieser vereinigen sich noch andere ein- und auch vielgliedrige Vibrionen, so dass dadurch grössere Ketten sich bilden. Diese Vereinigung oder Copulation habe ich nicht nur bei den Milzbrandvibrionen, sondern auch bei verschiedenen in Mo- rasten aufgefundenen Formen beobachtet. Besonders interessant ist dieser Prozess bei Spirillum undula; diese Form besteht bekannt- lich aus einem längeren Stäbchen, welches eine Spirale mit nur einer Windung darstellt, die sich um ihre Längsaxe dreht und da- durch die Ortsveränderung bewirkt Indem eine solche Spirille eine andere ihr gleiche emholt, l^t sie sich mit ihrem vorderen Ende an die andere und verschmilzt mit ihr so innig, dass es später unmöglich ist, zu bemerken, dass diese zweiwindige Spirille eigent- lich aus zwei einwindigen besteht ; sie fahren fort , sich zu bewegen und zu leben ganz wie vorher, indem sie der Art Spirillum volu- tans entsprechen.

Bekanntlich finden wir unter den einfach organisirten Ge- schöpfen wie auch vielen Zellen öfters den Gopulationsprozess ; aber das beschriebene Verwachsen der Vibrionen erinnert uns zuerst an die Bildung der Plasmodien bei Myzetozoen, das durch Verschmel- zung (wenn auch einer anderen Art) amöbenartiger Sporen zu Stande kommt.

Noch muss ich aber hier bemerken, dass bei den Vibrionen nie die Hohlräume resp. Vakuolen mit einander communiciren, im 6e- gentheil, immer ist eine, wenn auch noch so feine Wand zu sehen, die die Vakuolen der beiden verschmolzenen Vibrionen von einan- der theilt

So haben wir denn den Modus der Entwicklung der langen Vibrionen kennen gelernt, und dies ist aller Wahrscheinlichkeit nach die einzig mögliche Entwicklungsart; wenigstens hatten wir kein einziges Mal die Gelegenheit, zu beobachten, dass ein eingliedriger Vibrio, ohne sich mit seinesgleichen zu verbinden, selbständig zu einer Kette sich entwickele; andererseits aber beobachteten wir öfters, dass mit der Zahlenzunahme der Ketten die Masse der ein-

524 Oscar Grimm:

gliedrigen Vibrionßn geringer wurde. Wenn aber diese Ketten resp. Vibrionencolonien nicht selbständig heranzuwachsen im Stande sind, d. h. ohne das Hinzukommen neuer Glieder, so ist es doch unzweifelhaft, dass diese letzteren, die einzelnen Glieder resp. Vibrionen sich verlän- gern oder wachsen im eigentlichen Wortsinne. Dieselben erscheinen zu- erst als kurze» ovale Körperchen, die sich ein wenig verlängern, bis sie miteinander zu einer Colonie sich vereinigen.

Wenn aber die Vibrionen zu wachsen und sich zu bewegen fähig sind, so kann man nicht daran zweifeln, dass sie sich ernähren. Diejenigen Forscher, die ihnen ihre Lebendigkeit durchaus abstreiten wollen, bemiihen sich natürlich zu beweisen, dass sie auch zum Er- nährungspix)zess unfähig sind, dass sie keine Stoffemeuernog brau- chen. So erblickt H. Polotebnoff eine grosse Beweiskraft in der von ihm gemachten Beobachtung, dass sich Bacterien aus den Spo- ren von Penicillium auch ohne den freien Zutritt der Luft entwickeln. Ich hätte aber lieber zugelassen, dass für ihre Entwicklung (nicht aber für das Leben) auch die im Wasser unter dem Deckglaschen sich befindeifide Luftquantität gross genug ist, wenn ich nicht zu einem ganz anderen Resultate als H. Polotebnoff gekommen wäre; ich wiederholte mehrmals dieses Experiment und nie ent- wickelten sich Vibrionen, namentlich aus den Sporen von Penicil- lium, ohne Zutritt der athmosphärischen Luft.

Als Beweis, dass den Vibrionen zu ihrer Bew^ung die ath- mosphärische Luft nützlich und nöthig ist, führe ich hier eine von mir beobachtete Thatsache an. In eine Flasche mit einem gut angepassten Pfropfen wurde eine geyrisse Quantität Blut eingegos- sen, welches Vibrionen enthielt; diese Flasche stand bei mir ganze 5 Tage unangerührt; als ich nun nach Verlauf dieser Zeit sie ge- schwind öffnete und einen Tropfen des übel riechenden Blutes unter dem Mikroskop untersuchte, bemerkte ich eine Menge kleiner Vi- brionen, die aber, indem sie hin und her zitterten, gar keine active Bewegung zeigten; dies dauerte aber nicht lange; bald fingen einige von ihnen an sich langsam zu bewegen und nun vergrösserte sich merklich die Zahl dieser sich bewegenden Individuen. Dieser ein- zeln dastehenden Thatsache kann ich natürlich keine absolute Be- weiskraft zurechnen, und ich bin vollkommen überzeugt, dass es nothwendig ist, sehr genaue Experimente anzustellen, um hinsicht- lich der Frage über die Ernährung der Vibrionen in's Klare zu kommen. Dessenungeachtet aber zeigt auch die hier angegebene

Zar Natorgesohichte der Vibrionen. 625

Beobachtung, wie gering sie auch ist, dass die Vibrionen der ath- mospbärischen Luft darehaus nicht entbehren können. Noch be- merke ich hier, dass die Vibrionen, nachdem sie eine längere Zeit der Luft entbehrt haben, absterben und verfaulen, resp. sich auf- losen.

Bis jetzt ist es noch keinem P'orcher gelungen, für die Vibrio- nen irgend eine Art der Vermehrung zu entdecken. Weder Thei- luDg noch Knospung, noch die Entwicklung von Sporen oder Keimen ist hier zu beobachten. Ich habe schon oben gesagt, dass es möglich ist, dass sie sich während des Ruhezustandes auf irgend emeArt vermehren; darauf hin deute theilweise auch der Verwacbsungs- oder Copulationsprozess ; that«iächlich habe ich aber ebensowenig wie auch die andern Forscher etwas von dem Ver- mehrungsprozess zu beobachten Gelegenheit gehabt. Hier muss ich aber die Aufmerksamkeit des Lesers auf das Oeschöpf lenken, welches wir bei der Besprechung der Bewegung der Vibrionen kennen ge- lernt haben. .Diese haarähnlichen Onganismen vermehren sich durch Quertheilung. Zwar habe ich den Prozess der Theilung selbst nicht gesehen, aber die folgende von mir gemachte Beobachtung beweist die Existenz desselben; ich hatte nämlich einst auf dem Objectr träger unter einem Deckgläschen 4 solche Geschöpfe, nach Verlauf von 5 bis 6 Stunden fand ich, dass dieselben durch 16 kleinere In- dividuen ersetzt sind. Dies ist der Grund, weshalb ich hier eine Quertheilung annehme.

Hinsichtlich der Entstehung der Milzbrandvibrionen bin ich zu dem Resultate gekommen, dass sie aus dem Protoplasma (der weissen Blutkörperchen) sich entwickeln.

Die Blutkörperchen und die Elemente der verschiedenen Organe (iMilz, Niere, Leber) sind beim Milzbrand dem Körnchenzerfall oder der parenchymatösen Entzündung unterworfen. Das Protoplasma dieser Zellen (weisse Blutkörperchen, Epithelium der Niere und der Lunge, Zellen der Leber und der Milz) verfällt einer besonderen chemischen (?) Veränderung, die bis jetzt leider nicht näher bestimmt worden ist. Die weissen Blutkörperchen, deren Zahl sich stark vermehrt, erscheinen beim kranken Vieh erst verdunkelt, feinkörnig, später verstärkt sich ihr kömchenhaltiges Aussehen, so dass wir leicht bemerken, dass sie nun aus folgenden Elementen bestehen : aus den Fetttröpfeben, einer Menge Eiweisskömchen verschiedener Grosse und der sie zusammenbindenden Masse, die eine wässerige

526 Osoar Qrimin:

C!onsisteiiz besitzt. Die Eiweisskömchen legen sich meist in der Peripherie des Blutkörperchens und ragen nach aussen, so dass die Zelle ein granulirtes Aussehen erhält; später wird das Blutkörper- chen meist zu einem unregelmässigen Haufen der beschriebenen Eiweisskömchen, von denen die meisten sich abtrennen und mm der allbenannten molekularen Bewegung unterworfen sind. Dass diese Bewegung eine passive ist, wird schon dadurch genug bewie- sen, dass auch die Fetttropfen, denen man gewiss keinen Willen zuzuschreiben im Stande ist, ebenfalls sich hin und her zittmid bewegen. Man findet aber auch, dass diese Kömchen ihre zitternde Bewegung noch im Blutkörperchen selbst anfangen, was namentlich dann möglich ist, wenn ihre Zahl geringer und die sie umgebende Masse wässeriger ist. Wenn man nun im letzten Fall diese Körn- chen eine längere Zeit hindurch beobachtet, da dies viel leichter ist als wenn man eine grosse Masse vor Augen hat, die ihre Bewegung nur nach dem Austritte aus dem Blutkörperchen anfangen, so sehen wir, dass einige von den EiweissC?)- Körperchen allmählig eine ovaJe Form annehmen, wobei sie eine Höhlung enthalten. So ein Körper- chen, aus der umgebenden Masse ausgetreten, führt seine zit- ternde Bewegung fort, dabei wird man aber auch einer Bewegungs- art gewahr, die nicht passiv zu sein scheint. Jetzt beginnt eine leicht bemerkbare Veränderung in diesen Körperchen. Ein jedes von ihnen erhält nun die Gestalt eines mehr regelmässigen Stäb- chens mit abgerundeten Enden, oder eigentlich die eines verlängerten Ovals; solche Stäbchen enthalten im Innern eine mehr oder minder grosse Höhle, die meist näher zu dem einen Ende des Stäb- chens liegt, nicht im Centrum; deshalb befinden sie sich auch öfters in verticaler oder geneigter Stellung und scheinen aus einem runden Köpfchen und einem dünneren Schwanz zu bestehen; dabej scheint es, dass das Köpfchen, d. h. das die Vacuole einschliessende und deshalb nach oben gewendete Ende ein stärkeres Lichtbrechungs- vermögen besitzt. Bald aber wechselt die Vacuole ihre Stellui^, so dass sie gerade in die Mitte des Stäbchens zu liegen kommt Zu dieser Zeit bewegen sich diese Körper selbständig nach der einen oben beschriebenen Art, bald vereinigen sie sich zu Ketten, mit einem Wort, erscheinen als dieselben Vibrionen, deren Leben wir oben geschildert haben.

Also sind das lebendige Organismen, die dem Wachsthum, der activen Bewegung, der Nahrungsaufnahme und der Goloniebildung,

Zar Natorgesohichie der Vibrionen. 527

ja möglich auch der Fortpflanzung fähig sind; dabei sind es aber Geschöpfe, die sich aus dem Protoplasma durch Urzeugung ent- wickeln 0* Indem wir aber sie als lebendige Geschöpfe auffassen, können wir sie weder zum Thier- noch Pflanzenreich zählen, sie gehören augenschemlich zum dritten Organismenreich, zu dem von Haeckel neuerdings gegründeten Reich der Protisten, wo sie eine besondere Gruppe der Yibrioniden zu bilden haben.

Was nun ihre Entstehung betrifft, so kann man die Frage auf- stellen, ob in den Blutkörperchen nicht Keime der Vibrionen sich befanden, welche sich in die beobachteten Vibrionen entwickeln konnten. Dann muss man annehmen, dass diese Keime so klein sind, dass sie mit den jetzigen Hülfsmitteln von gewöhnlichen Elementarkömchen nicht zu unterscheiden sind.

Ich weiss voraus, dass viele mir einen Vorwurf machen wer- den, dass ich die Theorie von Pasteur nicht anerkenne, des- halb will ich sogleich bemerken, dass ich die Verdienste des be- rühmten französischen Forschers gar nicht vermindere. Indem ich nämlich vollkommen damit einverstanden bin, dass verhältniss- mässig hoch organisirte Geschöpfe wie Pilze und dergleichen nicht durch Urzeugung zur Entwicklung kommen, kann ich nicht zugeben, dass seine berühmten Experimente die Möglichkeit der Urzeugung ganz ausgeschlossen haben; im Gegentheil, ich muss vollkommen Haeckel beistimmen, der bemerkt: „Und doch konjiten alle jene berühmten Experimente von Pasteur u. s. w. weiter gar nichts beweisen, als dass in jenem speciellen Falle, unter jenen höchst

1) Hier erlaube ich mir, mitzutheilen , dass ioh das Yergnügen gehabt habe, die Bestatignng meines Fundes der Entstehung der Vibrionen aus dem Protoplasma von Pr. Gobulew 2u hören. Derselbe äusserte sich folgender- massen: »Wenn man eine Zeit lang ein Blutkörperchen des Frosches in einer feuchten Kammer beobachtet, so sieht man, dass dasselbe sich in eine durch- sichtige Masse verwandelt, in der dunkle Körnchen zerstreut liegen ; aus die- sen Kömchen entwickeln sich die Bacterien.« (Bericht der 3. Sitzung der zoologischen Section der Naturforscherversammlung in Kiew 1871.)

Yergl. die Schrift von G. A. S. Schnitze über die Brown'sche Moleku- larbewegung. Freiburg 1828. In dem Gapitel »von der Erzeugung der Mo- naden« pag. 29 u. ff. findet sich eine genaue Beschreibung, wie man nicht nur aus Blutkörperchen, sondern aus vielen anderen organischen Partikelohen bei Gelegenheit ihrer Zersetzung in wässerigen Flüssigkeiten unter dem Mi- kroskop Vibrionen (Monaden) hervorgehen sehen kaam, wenn man viele Stun- den hintereinander beobachtet.

528 Oscar Grimm:

künstlichen und verwickelten Bedingungen, keine Organismen durch Urzeugung entstanden seien.**') Es möge mir erlaubt sein, mit den Worten desselben Gelehrten zu schliessen: „In der That ist die Theorie der Urzeugung ein nothwendiger und integrirender Bestandtheil der universalen Entwicklungstheorie. Sie ist die natür- liche Brücke, welche die Kant-Laplace'sche Theorie von der mecha- nischen Entstehung des Weltgebäudes und der Erde continuirlich verbindet mit der Lamark-Darwin'schen Theorie von der mechani- schen Entstehung der Thier- und PÜanzenarten *).

Aus der dargestellten Naturgeschichte der Vibrionen geht u. a. hervor, dass als Individuen nicht ganze Ketten, sondern die einzelnen Glieder derselben zu betrachten sind', wie es vollkommen richtig noch von Ehrenberg erkannt wurde. Mit diesem Factum verän- dert sich aber unsere Anschauung auf das ganze System der Vibrio- nen. Es versteht sich von selbst, dass wir somit bei der Bestim- mung der Arten hauptsächlich auf die Form und Grösse der Indi- viduen, resp. der Kettenglieder, zu achten haben, nicht aber auf die Länge der gesammten Kette. Deshalb können wir Spirillum vola- tans nicht als eine eigene Art betrachten, da dasselbe nur durch Verschmelzung zweier Spirillum undula hervorgegangen ist. So kann es sich treffen, dass einige Individuen, z. B. von Bacterium enchelys, zu einer längeren Kette mit einander verwachsen , und dann erhal- ten wir augenscheinlich Vibrio rugula oder Vibrio bacillus. Solche Umgestaltungen sind auchi unmittelbar zu beobachten, so dass es höchst schwer fällt, eine gewisse Form zu der einen oder andern Species zu stellen.

Unglücklicher Weise aber für die Systematiker und besonders der Antidarwinisten muss ich hervorheben, dass auch die einzelnen Glieder, unsere Individuen, gar keine beständige und dauerhafte Artcharakter^ besitzen; wie ihre Form, so auch die Grösse geben uns gar keinen Massstab, nach dem vrir die Vibrionen in Arten von einander theilen könnten. Man ist immer im Stande, eine willkür- lich grosse Zahl Uebergangsformen zwischen allen Arten der Bac-

1) E. Haeckel: Biologische Studien. H. I. p. 178.

2) Id. p. 177.

Zar Natorgesohichto der Vibrionen. 529

terien und Vibrionen aufzufinden. So z. B. unterscheiden sich Vi- brio rugula und Vibrio bacillus nur durch die Grösse ihrer Glieder ; bei diesen beiden Arten ist die Länge der Glieder ihrer Dicke gleich, und die Dicke der Glieder beträgt bei Vibrio rugula Viooo L., bei Vibrio bacillus aber Vi 440 L. (nach Ehrenberg). Ich könnte aber eine beliebige Zahl Uebergangsformen zwischen den Vibrionen- gliedem dieser zwei Grössen zeigen, und sogar auch grössere und kleinere. Zwischen Vibrio lineola und Vibrio subtilis existirt schein- bar eine grössere Differenz ; ich habe aber auch hier alle denkbare Uebergangsformen beobachtet. Vibrio lineola und Vibrio tremulans bieten auch der Beschreibung Ehrenbergs nach nur eine geringe Verschiedenheit ; nach meinen Beobachtungen aber ist dies eine und dieselbe Form, da sie in einander, wie auch in die übrigen Formen leicht übergehen. Dasselbe muss ich hinsichtlich aller Arten der Bacterien und Vibrionen sagen, üinsichtlich der Spirillen habe ich schon oben mitgetheil^, dass Spirillum volutans eine Colonie des Spririllum undula ist. Was nun das Spirillum tenue anbelangt^ so muss ich Ehrenberg beistimmen, dass diese Form von den Arten der Gattung Vibrio sich dadurch unterscheidet, dass seine Spirale beständig unbiegsam oder starr bleibt; ich sehe aber gar keine Möglichkeit, dasselbe als eine besondere von den anderen Spirillen verschiedene Art aufzufassen, da wir in diesem Falle genöthigt sein werden, soviel neue Arten zu gründen, als wir Uebergangsformen auffinden werden, und die Zahl dieser ist unendlich. Ich merke hier noch an, dass die längeren Exemplare dieser Spirille ebenfalls aus kleineren, untereinander vereinigten Individuen bestehen.

Was nun die Milzbrandkörperchen anbetrifft, so muss ich sagen, dass auch sie derselben Veränderlichkeit in Form, Länge und Dicke unterworfen sind. Falls man haben will, nach der Beschreibung der Vibrionen, die uns Ehrenberg geliefert hat, sie zu bestimmen, so werden wir sie bald zuBacterium enchelys oderBactmum punctum, bald zu Vibrio lineola, Vibrio tremulans und auch sogar Vibrio ru- gula, Vibrio prolifer oder Vibrio bacillus stellen müssen. In der Lunge fand ich immer längere Ketten, als z. B. im Blut; in der Milz, den Nieren und dem Blut finden sich der Grösse nach sehr verschiedene Formen.

Mit einem Wort, alle Vibrionen zeigen uns, dass bei ihnen die verschiedenen Formen ineinander übergehen, so dass wir nicht im Stande sind, dieselben in verschiedene Arten zu vertheilen. Es exi-

M. Bohiiltse, Arohly f. mikrosk. Anatomie. Bd. 8. 85

630 Oscar Grimm: Zur Naturgeschichte der Vibrionen.

Stiren nur gewisse, sehr scharf charakterisirte Typen, die aber nicht weiter theilbar sind. Ich kenne nur zwei solche Typen: 3pi- rilluin und Vibrio, indem ich unter dem zweiten Namen die Gat- tungen Vibrio und Bacterium Ehrenberg vereinige ^).

Wenn es sich aber später erweisen würde, dass die oben be- schriebene neue Form wirklich zu der Gruppe der Vibrioniden ge- höre, so hätten wir drei Typen.

1) Spirochaeta und Spirodiscus habe ich nicht die Gelegenheit gehabt, zu beobachten; denke aber, dass wenigstens Spirodiscus zum Pflanzenreich gehört.

Ueber eine neue Süsswasser-Badiolarie.

Von

IHear Cfrlmm

in St. Petersbarg.

Hierzu Fig. A. Taf. XXI.

Nachdem wir durch die unermüdlichen Forschungen von J. Mül- ler und £. Haeckel eine grosse Anzahl von marinen Radiolarien kennen gelernt haben und so ziemlich vollständig auch ihre Lebens* verrichtangen erfuhren, wussten wir bis zur letzten Zeit gar nichts von diesen Thieren aus dem snnsen Wasser. Ja man dachte sich sogar, dass sie ausser dem Meere gar keine Repräsentanten hätten, wie die Annahme auch nicht sonderbar scheinen mochte, dass die Urahnen dieser merkwürdigen Wasserthierchen keine Nachkommen in den kleineren Wasserbassins nachgelassen hätten. Es waren zwar Sässwasser-Rhizopoden bekannt, die möglicherweise den Radiolarien ziemlich nahe stehen konnten, dessenungeachtet aber erschien zwi- schen diesen zwei Thiergruppcn eme Kluft, dass es schwer war, von der einen zur anderen hinüber zu bUcken. Nun erschien aber die Ideine Schrift von Falke, dann die von Grenacher und endlich auch die bahnbrechende Untersuchung des um die Kenntniss der einfachsten Organismen vielfach verdienten R. Greeff, in der er die so sehr interessante Frage über die Existenz der Süsswasser- Radiolarien positiv zu lösen versucht und auch in der That sie löst. Einigen der von ihm beschriebenen Formen fehlt wohl sehr wenig, um ihre natürliche Stellung im System der See-Radiolarien ein- zunehmen 9 und doch ist Etwas, was den Beobachter nöthigt,

632 Osoar Grimm: lieber eine neue Süsswasser-Radiolarie.

sie mehr als Uebergangsformen von den See-Radi olaiien za den gewöhnlichen Süsswasser-Rhizopoden zu betrachten. Dies ist nament- lich der etwas abweichende Habitus der Protoplasmamasse mit dem darin liegenden Kern resp. Centralkapsel. ümsomehr aber erscheinen diese Uebergangsformen interessant, da sie am besten die Zusam- mengehörigkeit und die Abstammung der verschiedenen Typen uns zeigen. Es muss nur eine grössere Zahl solcher Bausteine zu- sammengebracht werden, und erst dann wird es möglich, ein dauer- haftes Gebäude aufzuführen, die verschiedenen Formen in ein na- türliches System einzureihen.

Als ich im verflossenen Sommer die torfigen Moraste desNow- gorod'schen Gouvernements durchstöberte, um die verrufene Furia infernalis der sibirischen Pest zu suchen, traf ich einst auf ein Geschöpf, das gegen 0,02 Mm. im Durchmesser, auf den ersten Blick als ein Protoplasmakügelchen mit vielen feinen darin suspen- dirten Kemchen erschien, von dem nach allen Seiten hin eine Menge feinster Protoplasmafaden ausstrahlten. Der Körper selbst war r^el- mässig rund, wenn man die kleinen hier und da hervorragenden Ausstülpungen nicht in Betracht zieht, die ein jeder Protoplasma- körper mehr oder weniger zu besitzen pflegt Unter der Oberflache des Körpers im Protoplasma erblickte man einige mehr oder weniger runde Körper. Die Protoplasmamasse zog sich theilweise etwas zu- sammen, um dann wieder die frühere Gestalt und Dehnung anzu- nehmen. Die von der Peripherie des Körpers strahlig verlaufen- den Protoplasmafäden verschwanden theilweise auch öfters, dano kamen sie aber wieder zum Vorschein, indem wieder andere von ihnen sich unseren Blicken entzogen. In ihrer Masse war leicht eine, übrigens zienüich langsame, Kömchenströmung zu beobachten, indem die im Protoplasma gelegenen feinen Kömchen, unter denen aber gewiss keine Zellen sich vorfanden, nach den Enden der Fä- den oder der Pseudopodien langsam getrieben wurden und dann wieder umkehrten, um die frühere Stelle im Körper selbst einzu- nehmen. Die Länge der Pseudopodien war im Mittel gleich dein Durchmesser des Körpers. Später, als das Auge sich an das schone Bild einigermassen gewöhnt hatte, und bei genauerer Prüfung, erblickte ich durch das Protoplasma, genau in der Mitte des Körpers, ein Bläschen, dessen Durchmesser etwa ein Drittel desjenigen des Körpers betrug. Es war nämlich eine vollkommen runde Blase, in der man nichts bemerken konnte; von ihr strahlten aber nach allen Seiten

üeber eine neue Sasswasser-Radiolarie. 595

bin einige kaum bemerkbare Linien, die sich ak höchst feine Stränge erwiesen, welche nämlich von der Oberfläche der Blase zur Peri- pherie des gesammten Protoplasmaköi-pers verliefen und hier sich unserer Sehkraft entzogen, so dass ich eigentlich nicht weiss, ob sie hier endige oder, wie es mir wahrscheinlicher ei*8cheint, sich in die Pseudopodien als eine Art von Axencylindern fortsetzen.

Bei der Einwirkung eines Tropfens Schwefelsäure, wie es von Haeckel empfohlen wurde, erwies sich, dass die grossen Ku- geln, die mir erst in dem Protoplasma gelegene Körper zu sein schienen, nichts anderes als Löcher der Schale waren. Das Thier hatte nämlich eine vollkommen regelmässig-kugelige Schale, die der Schwefelsäure-Reaction zufolge aus Kieselerde bestand. Die Schale war an der einen Seite von ungerähr 80 Löchern durchbohrt, die bei einem Durchmesser von ca. 0,001 Mm. eine mehr oder weniger nindliche Form hatten, so dass die Zwischenräume oder die Schalen- stäbchen so ziemlich breit aussahen.

Der gesammte Körper des Thieres bestand also aus einer Pro- toplasmamasse, mit feinsten Kömchen erfüllt, von der eine Menge contractilcr Pseudopodien mit sichtbarer Körnchenströmung aus- strahlten; einem verhältnissmässig grossen Kern mit den von ihm nach allen Seiten hin aufsteigenden dünnsten Fäden, die wahrschein- lich als Axencylinder der Pseudopodien fungiren ; dieser Kern scheint vollkommen der sogen. Centralkapsel einer Kadiolarie zu entspre- chen, und wird deshalb von uns auch als solche beansprucht; und endlich auch noch aus einer gefensterten Kieselschale. So ist denn das Thierchen wohl als eine Süsswasser-Kadiolarie zu betrachten, und zwar gleicht es einer echten See-Badiolarie, wie z. B. der Gyr- tidosphaera reticulata Hkl., mehr als die von Dr. Greeff beschriebenen Formen. Die Abwesenheit der sogen, gelben Zellen kann gewiss nicht als Absprechungsgrund dienen, da dieselben auch bei einigen See-Radiolarien, wie bei den Acanthometriden, fehlen.

Leider habe ich keine Beobachtungen über die Lebensweise und die physiologischen Verrichtungen des Thieres anstellen können, so dass ich auch nichts hinsichtlich der interessanten Frage über die Art der Fortpflanzung mitzutheilen im Stande bin.

Schliesslich muss ich noch hinzusetzen, dass ich anfangs dachte, eine von dem Stiel abgerissene Glathrulina vor Augen zu haben, konnte aber beim sorgfältigsten Suchen den Rest des vermeintlichen Stieles nicht auffinden ; ausserdem beweist wohl auch die Grösse des

534 Oscar Grimm:

Kernes, resp. der Gentralkapsel, und die ausserordentliche M^e langer Pseudopodien, dass wir uns nicht irren, das Thier verschie- den von den Clathrulinen und anderen Rhizopoden zu halten. Ich will es zu Ehren des verdienstvollen Naturforschers Hm. Professor R. Greeff mit dem Namen El aste r^) Greeffii bezeichnen.

Die beigefügte Abbildung, Taf. XXI, wurde zwar ohne eine Camera , aber mit der grössten Sorgfalt gezeichnet. Die Fehler gegen die Perspective möge man dem schlechten Zeichner ver- zeihen.

1) flog = Sumpf, itartiQ ^ Stern.

Ueber den Cysticercus taeniae gracilis, eine freie

Cestodenamme des Barsches.

Von

Br. von Iiinstow

in Ratzebarg.

Hierzu Fig. 1-6, Taf. XXI.

Bei den grossen Fortschritten, die in den letzten Jahren in der Erforschung der Entwicklungsgeschichte der Tänien gemacht sind, muss es auffallen, dass die Vogeltänien denen der Säugethiere gegen- über in der hierauf bezüglichen Literatur eine so überaus dürftige Rolle spielen. Unsere Kenntniss ist auf zwei Species beschränkt, den vielbesprochenen Cysticercus limacis^) oder arionis aus Arion ater, welcher in Totanus hypoleucos zur Taenia arionis von Sieb, erwächst, und Gryporrhynchus pusillus Nordm. ^) aus Tinea chrysi- tis, der in Ardea nycticorax als Taenia macropeos Weäl. geschlechts- reif wird. Seit längerer Zeit besitze ich nun einen dritten Cysti- cercus und die dazu gehörige Tänie, ohne bisher im Stande gewesen zu sein, aus den höchst mangelhaften Beschreibungen Diesing*s die Art bestimmen zu können, was mir erst durch das schöne Werk Krabbe^s möglich wurde.

Beim Untersuchen eines Barsches fand ich in dem Magen des- selben ein zweites von ersterem verschlungenes kleines Exemplar,

1) Leuckart: Die menschlichen Parasiten, Bd. I, Fig. 51.

2) Nordmann: Mikrograph. Beitr. I, 101, Tab. Yni, 6.

536 Dr. von Linstow:

und in dessen Darminhalt entdeckte ich bei der mikroskopischen Prüfung desselben neben einer Anzahl kleiner Grustaceen den näher zu beschreibenden Cysticercus, der seiner Kleinheit wegen sehr schwer zu isoliren war, da er mit blossem Auge kaum sichtbar ist. Das Gebilde, frei im Darminhalt liegend, ist 0,14 Mm. lang und 0,09 Mm. breit; im Centrum befinden sich 8 Haken von etwa 0,08 Mm. Länge und genau der Gestalt, wie sie Taenia gracilis Krahhe {Zeder) zeigt. Der Cysticercus hat eine doppelte Hüllmembran, von denen die äussere homogen, die innere fein punktirt ist; die Pünktchen entsprechen wahrscheinlich den optischen Durchschnitten von Mas- kelfasern, die man auf der Fläche als parallele Querstreifung sieht; auch Längsstreifen zeigen sich; nach der oberen Seite zu, wohin die Wurzelenden der Haken gerichtet sind, findet sich eine trichter- förmige Einbuchtung der Hüllen, während dieselben am entgegen- gesetzten Pole verdickt sind. In der Verlängerung der Spitzen der Haken zeigt sich ein schlauchförmiger, mehrfach eingeschnürter Körper, der offenbar die erste Anlage der Tänienproglottiden dar- stellt. Ausserdem bemerkt man kleine runde, mitunter doppelt- conturirte Körperchen, von denen ich nicht weiss, ob sie dem Inhalt oder den Hüllen des Cysticercus angehören. Es ist nun wohl er- laubt, als hierzu gehörige Tänie die Taenia gracilis Krahhe za bezeichnen, wegen der völligen Uebereinstimraung der betreffenden Haken in Zahl, Form und Grösse. Fütterungsversuche werden sich wohl nur in der Weise anstellen lassen, dass man junge Barsche die reifen Proglottiden dieser Tänie fressen lässt, was mir bisher unmöglich war, da ich die letztere erst einmal und zwar nicht, wie zu vermuthen, in Anas boschas dom. et fera oder Anas Penelope, sondern in Mergus merganser gefunden habe, der allerdings auch gelegentlich von jungen Barschen lebt. Meine Exemplare waren 10—15 Mm. lang, die Haken des Skolex stimmen genau mit denen, wie Krabbe sie abbildet und beschreibt 0- Den Text Krabbe 's will ich, da das Dänische nicht jedem Leser geläufig sein dürfte, mir erlauben, herzusetzen. „Bloch (Nr. 4, S. 14 und Tab. III, Fig. 3 4) beschreibt unter dem Namen T. coUo longissimo Band- würmer bei Anas boschas und Penelope, von welchen er bemerkt^ dass der Kopf sehr leicht abgeht und deshalb schwierig zu bekommen ist. Die Kennzeichen sind übrigens sehr mangelhaft ang^eben.

1) Krabbe: Bidrag til Eundskab om Faglenes Baendelorme, pag. 51, Tab. VII, Fig. 154-156.

Dr. von Linstow: Ueber den CyBÜcercas taeniae graoilis. 687

Zeder (Nr. 16, S. 347) nannte diesen Wurm T. gracllis. Da es kaum klar gestellt werden kann, welche Art Bloch vor sich gehabt hat, darf es mir erlaubt sein, Zeders Benennung für diesen Wurm anzunehmen, von welchem ich schon verschiedene Male einige Exemplare bei Enten gefunden habe (August 1865, October und November 1868), und von welchen die Köpfe immer im Darmschleim, getrennt von den Gliedern, gefunden wurden. Der Schnabel war mit 8 Haken versehen (Fig. 154), von 0,077 0,080 Mm. Länge (Fig. 155). Die Geschlechtsöifnungen sind einseitig und die 6e- schlechtstheile gleichen denen von T. sinuosa. Eier fanden sich nicht.'*

Hierzu muss ich bemerken, dass ich den Skolex häufig noch in Verbindung mit dem übrigen Wurm gefunden habe, dass aber die Genitalien der Zeichnung, wie sie Krabbe von T. sinuosa (1. c. Tab. VIII, Fig. 153) gibt, durchaus nicht gleichen, weshalb ich eine Zeichnung des Randes zweier Proglottiden mit den Girren beifüge.

Erklärung der Abbildungen.

Fig. 1. Yergr. 350. Freier Cystioercus Taeniae gracilis aus Porca fluviatilis.

Fig. 2. Vergr. 600. Einzelner Haken. ,

Fig. 3. Natürliche Grösse. Taenia gradlis Krabbe aus Mergus merganser.

Fig. 4. Vergpr. 150. Rand zweier Proglottiden mit Girren.

Fig. 6. Vergr. 90. Skolex der Tänie.

Das Saugadersystem und die Nerven der Cornea.

Von

Br. Mm üavdowsky

aas St. Peterabiirg.

Hierau Tafel XXÜ, XXIII u. XXIV.

Die Frage über die Endigungen der Nerven in den verschiede- nen Organen und Geweben gehört unstreitig zu den fruchtbarsten Aufgaben der neueren rationelleren Histologie, zu den Aufgaben, deren exacte Lösung für die Physiologie und Pathologie des N^ven- systems unentbehrlich ist.

Aber trotz der Arbeiten, durch welche unsere Wissenschaft so bereichert worden ist, wie die Untersuchungen der Herren Müller, Arnold, Kühne, Deiters, Pflüger, Cohnheim, M. Schnitze und vieler Anderen, besitzt kein Abschnitt der Histologie so viele Lücken, wie die Frage über den Bau des peripherischen Nerven- systems.

In der Absicht, einige dieser Lücken auszufüllen, stellte ich im Verlaufe von zwei Jahren eine Reihe von Untersuchungen an, über welche ich , soweit sie die Endigung der Nerven in der Cornea be- treffen, im Nachfolgenden berichten will.

Ehe wir aber auf diese Frage eingehen, ist es nothwendig, über den Bau des Hornhautgewebes selbst klar zu werden, welcher so verschieden von den Autoren aufgefasst wird und, nachdem wir unsere Ansicht darüber festgestellt, dann erst die Endigungen der Nerven in der Hornhaut zu untersuchen.

Dr. M. Lavdowsky: Das Saagadersystem und die Neiren der Cornea. 539

1. üeber die SaftkanUehen der florahsai

Seit der Entdeckung der sternförmigen Korperchen durch Toyn- b ee 0 in der Hornhaut und durch die Untersuchungen V i r ch o w ' s *), welche die Stellung und Bedeutung dieser Elemente in ein klareres Licht rückten, betrachtete man fast allgemein bis zur Zeit der For- schangen von His") und betrachtet noch jetzt die Grundsubstanz der Cornea als aus faserigen Böndelgeflechten bestehend, die aus dicken, platten und breiten Lamellen construirt werden, und die parallel der Oberfläche dieses Gewebes gelagert sind. Einer solchen Anordnung der Faserplättchen verdankt die Hornhaut (nach der Meinung der Autoren) ihre blätterige Construction. In den Zwi- schenräumen dieser Lamellen sind, parallel der Homhautoberfläche, reihenweise sogenannte spindel- und sternförmige Eörperchen der Cornea gelagert. Durch Anastomosen dieser Körperchen (der Binde- gewebszellen nach Yirchow und den Autoren) werde die Möglich- keit des Weiterrückens der nährenden Flüssigkeit erklärt, welche aus den benachbarten Gefassen der Sclerotica in's Gewebe der ge- fisslosen Cornea transudiren sollte.

Die Hornhaut, indem sie die unmittelbare Fortsetzung des Ge- webes der Sclerotica bildet, mit welchem sie im embryonalen Zu- stande vollkommen (ibereinstimmt, unterscheidet sich jedoch von der Sclerotica dadurch, dass sie an ihren beiden Oberflächen mit glas- artigen, elastischen Membranen bedeckt ist, welche genau der eigent- lichen Homhautsubstanz anliegen und ihrerseits ebenso wie die Comealsubstanz unmittelbar in das benachbarte Gewebe übergehen. Die freie Oberfläche ist mit vielschichtigem Epithel bedeckt, welches von der Oberfläche der Conjunctiva auf die Bowmann'sche Membran übergeht, und mit dem einschichtigen, sehr zarten Epithel der Descemet'schen Membran wird die Fortsetzung derselben, das ligam. pectinatum bekleidet und so die Verbindung mit der Iris hergestellt.

In der Jetztzeit stimmen fast alle Forscher mit der Lehre über den Bau dieser glasartigen Lamellen ^) und ihrer Epithelbedeckungen

1) W. His, Beiträge zur norm. u. path. Histol. der Cornea. Basel 1856. P«g. 33.

2) R. Virohow, Cellalarpatbologte.

3) W. Eis, loc. cit.

4) Mit Aosnahme Kniger, z. B. Tamamscheff und Schweiggor- Seidel, nach welchen die structarlosen Membranen den Charakter von feinen fibrillären Geweben besitzen.

J

640 Dr. M. Landowsky:

Überein , so dass Meinungsverschiedenheiten nur in Bezug aof den feineren Bau der Grundsubstanz der Hornhaut bestehen.

Während Henle*)» Dornblüth*) und Langhans«) die Grundsubstanz der Cornea in glasartige Lamellen zerlegen, nvelche keine? Spur von faserigem Bau besitzen, halten Virchow*), Köl- liker^) und nach ihnen alle Autoren das Comealgewebe far ein solches, welches aus einer Verflechtung sehr feiner Fibrillen zusam- mengesetzt sei, die zu dicken und schmalen Bündeln zusammen- tretend die Lamellen formiren sollen, und obgleich sie im Ganzen plattenartig gelagert sind , doch an vielen Stellen miteinander zu- sammenfliessen. His^), welcher mit vollem Rechte die Grundsub- stanz der Cornea für eine structurlose Substanz hält, deren schein- bare Bandelartigkeit von einer Theilung der homogenen interceilu- lären Substanz in einer bestimmten Richtung abhängt, fuhrt zu- gleich seine Beobachtungen über die Cornea mit polarisirtem Lichte an, i^uf Grundlage deren (die doppelte Strahlenbrechung durch die Grundsubstauz) Veranlassung gegeben wird, die Existenz dicker und schmaler Bündel in dieser Substanz anzunehmen, welche ein der Oberfläche der Hornhaut parallel verlaufendes Netz bilden.

Was aber die Körperchen betrifft, welche zwischen den Lamel- len liegen, so ist hier der Unterschied der Ansichten ein weit grel- lerer. Virchow, His und mehrere Andere halten diese Elemente für gewöhnliche sternförmige Zellen , die vollkommen analog den Elementen des Bindegewebes (Sehnen, Schleimgewebe etc.) sind. Aber schon einige von diesen Autoren schliessen sich der Ansicht an, die von Recklinghausen^} ausgesprochen und von Leber^) bestätigt wurde.

Schon an den Präparaten von H i s in seinem bemerkenswerthen Werke über die normale und pathologische Histologie der Cornea erblicken wir Hindeutungen auf den wahren Bau dieses Grewebes.

1) u. 2) Dornblüth, Üeber den Bau der Cornea. Zeitschr. f. rat Medic Bd. VIII, 1866. Daselbst Bd. VIJ. 1865.

3) Zeitschr. f. rat Medic. Bd. XII, 1861.

4) loc. cit.

5) KöUiker's Gewebelehre, 6. Aufl. Bd. U, p. 646.

6) loc. cit. p. 13 u. folg.

7) Recklinghausen, Die Lymphgefasse und ihre Besiehung s. Binde- gewebe. 1862.

8) Leber, üeber Lymphwege der Hornhaut.

* Das Sangfadersystem und die Nerven der Ck)rnea. 541

Indem His die Hornhaut mit Silber von verschiedener Stärke be- handelte, erhielt er Niederschläge des letzteren, bald in der Grund- Substanz zwischen den Körperchen, bald im Innern deraelben in Gestalt feiner und gröberer Kömchen, welche ausserordentlich deut- lich die Conturen dieser Elemente markirten. Wenngleich auch His geneigt war, anzunehmen, dass in der Hornhaut ein System com- municirender Kanälchen existire, welches keine Verbindung weder mit den Blut- noch Lymphgefässen besitze, dessen ungeachtet aber einige Verschiedenheit vom Systeme der communicirenden Körper- chen des gewöhnlichen Bindegewebes offenbare, so änderte dieses nicht im geringsten die herrschende Ansicht über den Bau der Cor- nea, und als Becklinghausen seine Arbeit erscheinen liess, wurde seine Meinung mit grossem Argwohn betrachtet

Recklinghausen erhielt bei der Behandlung der Hornhaut mit Silber in derselben ein Netz anastomosirender Kanälchen, in deren fflweiterten Stellen er Zellen supponirte, welche von den Homhaut- körperchen verschieden seien, und als His von einer Ablagerung des Silbers inner- und ausserhalb dieser Körperchen sprach, sepa- rirte Recklinghausen das System der Kanälchen der serösen Häute mit seinen Zellen von den sogen. Hornhautkörperchen.

Eigentlich haben beide ein und dasselbe gesehen, aber der eine sprach von Körperchen im Virchow'schen Sinne, der andere dehnte seine Lehre über die Bindegewebskörperchen vollständig auch auf . die C!ornea aus, indem er ein neues, bis dahin unbekanntes histolo- gisches Element einführte. Bei Injectionen der Hornhaut füllte er mit der Masse das System dieser Kanälchen und, Allen zuwider, bewies er ihre Verbindung mit den Lymph- und sogar mit den Blutgefässen (1. c p. 36).

Die von Bowmann entdeckten Röhren erkannte er für eben solche, aber nur durch die Masse stark erweiterte Kanälchen, und sowohl diese, als auch jene rechnet er zu den Gebilden, die keine eigenen Wände besitzen. His dagegen, indem er die Coiiiea anders aoffasste, leugnete nicht eigene Wände und isolirte sogar die Horn- hautkörperchen in Säuren.

Indem Leber vermittelst Einstichs bei Kälbern und anderen Thieren Ii^ectionen in die Hornhaut machte und alle Regeln der neuesten Technik für die AnfüUung so zarter Gebilde, wie diese Ka- nälchen sind, beobachtete, erhielt er nicht blos die Bowmann'schen Rohren, sondern er bemerkte auch den Uebergang der Masse aus

642 Dr. M. Laydowsky:

den letzteren in die Höhlen der Eanälchen selbst Die Anoi'dnang dieser Gebilde auf Flächen und Querschnitten, ihre Form und die Leichtigkeit, mit welcher sie angeftlllt werden können alles die- ses spricht zu Gunsten der Meinung, dass diese Eanälchen wirklich den sogen. Hornhautkörperchen entsprechen , aber die Möglichkeit, sie sogar durch schwache Essigsäure zu isoliren, weist trotz der Meinung Recklinghausen's darauf hin, dass die Kanälchen eigene Wände besitzen. Somit müsste die Meinung der Gegner über diese Eanälchen ihren Halt verlieren. Allein die Frage, was die Zellen der Hornhaut sind und in welcher Beziehung sie zu den Kanälchen und den Bowmann'schen Röhren stehen, haben Leber's Erfahrun- gen nicht nur nicht gelöst, sondern sogar noch mehr verwirrt.

Endlich hat in letzterer Zeit Schweigger-Seidel^) eine ganz neue Ansicht über den Bau der Hornhaut geäussert.

Seiner Ansicht nach finden sich in der fibrillären Grundsabstanz dieses Gewebes ausser den sogenannten Hornhautkörperchen noch platte Zellen vor, die ihrem Charakter nach den Formelelementen entsprechen, welche nach der Ansicht von Ranvier^) den Haupt- bestandtheil der Sehnen und des Bindegewebes im Allgemeinen bilden. Diese platten Zellen stellen sich nach der Ansicht von Schweigger- Seidel in der Form von zarten, glasigen, kernhaltigen Platten dar, welche elastische Eigenschaften besitzen und in den Höhlen oder Kanälchen der Hornhaut gelagert, mit den Hornhautkörperchen ein Ganzes bilden.

Was die Frage über das Verhältniss und die Lage dieser Platten in den Saf tkanälchen anbetrifft, so werden nach Schweigger-Seidel diese Kanälchen nur von einer Seite von diesen Platten austapeziert (welche der Descemet'schen Haut zugewandt ist), indem sie mit der einen Fläche an den Wänden der Kanälchen angeheftet sind, mit der anderen jedoch frei in die Höhle der letzteren hineinragen.

Einverstanden mit der letzteren Ansicht des gelehrten Autors,

1) Schweiggrer-Seidel, Ueber die Grundsubstanz und die Zellen der Hornhaut des Auges (Arbeiten aus der physiologisch. Anst. eu Leipzig, 1870, p. 121).

2) Mit Bereitwilligkeit stimmen wir der Ansicht von K an vier über den Bau der sogen. Zellen des Sehnengewebes bei, fühlen uns aber nicht be- rechtigt^ mit ihm zu behaupten, dass die Formelelemente des Bindegewebes in allen Theilen des Organismus denselben Structurtypus besitzen, wie die Sehnen, weü uns beweisende Gründe dazu fehlen.

Das Saugadersystem und die Nerven der Cornea. 643

bin ich jedoch bis jetzt genöthigt, zu zweifehl, dass diese Platten als besondere Bildungen betrachtet werden müssen und sich von den Homhautkörperchen unterscheiden sollen, glaube vielmehr, dass meine Ansicht über die sogen. Homhautkörperchen bei den ver- schiedenen Arten der Behandlung, besonders bei Vergoldung des Gewebes, sich mehr der Wahrheit nähert.

Als Untersuchungsobjecte haben mir namentlich die Hornhäute der Menschen, Hunde, Katzen, Kälber, Frösche und Tritonen ge- dient, welche mit Jodserum, Essig- und Chromsäure, Chlomatrium, vorwaltend aber mit Ghlorgold , seltener mit salpetersaurem Silber behandelt wurden; wir haben sie während des Lebens und injicirt untersucht. Zu letzterem Zwecke wurden sie häufiger von Menschen, Hunden und Katzen entlehnt, weil bei diesen die AnfüUung der Kanälchen mit weniger Mühe verbunden ist. Die ünt^*suchung der Hornhaut mit den drei erstgenannten Flüssigkeiten bei vollkommen frischen Objecten, gibt keine klare Vorstellung von den Safbkanäl- chen. Die macerirten Präparate geben in den drei ersten Flüssig- keiten die besten Bilder von den Nerven und Zellen , weniger gute aber von den Saftkanälchen ; die Conturen letzterer werden zu durchsichtig und blass und geben demzufolge keine genauen Bilder, oder sie fallen und fliessen dermassen mit den Zellenkörpem (Chrom- säure) zusammen, dass dieselben unbefriedigende Gestalten darbie- ten. Dagegen sind alle diese Flüssigkeiten zur Controle derjenigen Präparate unumgängUch nöthig, welche mit Gold und Silber bear- beitet wurden.

Von der Behandlungsmethode mit Chlorgold werde ich nicht ausführlicher sprechen, weil sie aus den Werken Cohnheim's^) und vieler anderen Autoren bekannt ist.

Wir beginnen damit, was uns die Versilberung der Hornhaut ergeben hat eine Methode, bei welcher Objecto gewonnen wur- den, die am meisten denjenigen Gestalten ähnlich waren, welche wir auf den serösen Häuten bei ihrer Versilberung gesehen haben.

His und Becklinghausen, indem sie Fixation des Silbers

1) Cohnheim, üeber die Endigimg der sensibl. Nerven in der Horn- haut. Yirchow's Archiy Bd. 38, p. 348.

544 Dr. M. LavdowBky:

entweder in der Grundsubstanz oder ihren Körperchen erhielten, stellten diese Wirkung des Silbers in Abhängigkeit von der verschie- denen Stärke der Lösungen; übrigens erklärt der letztere Autor mit dem erstem in Betrefi* der Möglichkeit des Silberaberganges aus der Grundsubstanz in die Höhlen der Saftkanälchen überein- stimmend, die Ursache dieses Ueberganges nicht. Andere Autoren lassen einen solchen Uebergang des Silbers aus der Grundsubstanz in die Körpercheu nicht zu. Die Thatsache jedoch unterliegt keinem Zweifel, aber freilich gelangte das Silber in einigen Fällen erst dann in die Körperchen, nachdem es sehr stark in der Grundsubstanz abgelagert war und zwar am häufigsten nach der Einwirkung star- ker Lösungen und sogar Aetzung mit Lapis in substantia. Eben unter solchen Bedingungen bietet die Cornea auch solche Bilder dar, welche zur Verwechselung ihrer saftfahrenden Kanälchen mit den ähnlichen seröser Häute führen können. Ich besitze noch ein derartiges Präparat, welches vom Hunde nach der Gauterisation der Cornea gewoijnen wurde. Schnitte durch den Schorf, der sich nach der Aetzung gebildet hatte und die angränzenden Theile desselben geführt, bewiesen sehr deutlich die verschiedenen Momente des Silber- niederschlages in Gestalt feiner und grober, dunkelbrauner und schwarzer Punkte in der vollkommen homogenen Grundsubstanz. Diese Körnchen mit ununterbrochener, dunkelbrauner Färbung der Grundsubstanz zugleich, zeichneten vorzüglich und deutlich ein Sy- stem anastomosirender Saftkanälchen ab, welche wie helle Sterne im dunkel-silberfarbigen Felde zum Vorschein kamen. Nach Mass- gabe der Annäherung zum Centrum des Schorfes trat das Bild in Folge stärkerer Färbung nach grösserer Anhäufung der grobem Silberkörnchen deutlicher hervor. Wenn man in Fig. 7 u. 8 den weissen Grund (die Substanz zwischen den Kanälchen) schwan machen und umgekehrt die Lumina der Kanälchen selbst (a, a) hell lassen würde, so erhielten wir eine vollständige Vorstellung von solchen versilberten Präparaten. Während wir an Goldobjecten in- nerhalb der Kanälchen Körperchen mit Kernen etc. sehen, finden wir an versilberten Präparaten unter den oben angeführten Bedin- gungen nichts Aehnliches. Wo sind die Körperchen mit den Ker- nen geblieben? Sind sie unsichtbar geworden?

Andere Präparate, die eben solchen Stellen entlehnt waren, zeigten, dass in dem Masse, wie die Ablagerung des Silbers im In- nern der Kanälchen vor sich ging, in letztern die Körperchen

Das Saagadersystem und die Nerven der Cornea. 545

mit den in denselben eingeschlossenen Kernen kaum bemerkt werden.

Diese Eanälchen an Goldpräparaten, zwischen den „Faserplätt- chen'' der Grundsubstanz liegend, welche gegenseitig miteinander yerbonden sind, legen sich mit ihren Conturen so eng den Umran- dungen der Grundsubstanz an, dass man zwischen beiden keine Gränze nachweisen kann; in diesem Falle scheinen die Eanälchen wirklich wandlose Gebilde, gleichsam Höhlen in der genannten Sub- stanz zu sein, deren Wände die Grundsubstanz selbst zu bilden scheint.

Unsere mit Gold gerärbten Saftkanälchen bilden ein sehr ent- wickeltes Böhrennetz (s. Fig. 7 u. 8). Die Umrisse dieser Kanälchen sind scharf markirt und ausserordentlich schön , durch sehr feine Goldpünktchen violett mit einer grossem oder geringern Beimischung von rosenfarbiger oder dunkler Nuance gefärbt. Die gröberen Mole- küle durchdringen dicht die protoplasmatische Substanz der Zellen, welche in den erweiterten Stellen der Kanälchen gelagert sind. Die Verdichtung des Goldes tritt in der unmittelbaren Umgebung des Zellenkemes schärfer hervor und markirt deutlich seine Gontur. Die Substanz des Kernes besitzt sehr feine, rosenfarbige Kömchen mit zerstreuten violetten Punkten, unter denen nicht selten Nucleoli deutlich zum Vorschein kommen. Die Kerne, mit 1—3 glän- zenden Kernkörperchen, sind in dem körnigen Protoplasma excen- trisch gelagert, obgleich an allen ebenen Objecten die Lagerung derselben augenscheinlich dem Mittelpunkte der Zelle und des Kanälchens entspricht; doch stellt sich auf Querschnitten der Hornhaut heraus, dass der Kern grösstentheils unmittelbar ir- gend einer Stelle der Wand des Kanälchens (der vorderen oder hinteren) anliegt und seltener in der Mittellinie des Kanälchens sich befindet. Hier ist das Protoplasma der Zellen theilweise unmittel- bar mit der Kanälehenwand zusammengeflossen, indem letztere mit jenem an dieser Stelle ein ununterbrochenes Ganze ausmacht, wäh- rend mit den übrigen Theilen, welche die Form zarter Fortsätze haben, entsprechend der Richtung der divergirenden Röhrchen, das Protoplasma sich frei in der Kanälchenhöhle wiegt, indem es fast von allen Seiten her mit einer bewegbareren, weniger kömigen, das ganze System der Saftkanälchen erfüllenden Flüssigkeit umge- ben wird.

Mit dieser Flüssigkeit, welche die membranlosen Zellen umgibt,

M. Schnltse, ArchlT f. mikrosk. Anatomie. Bd. 8. 36

646 Dr. M. Lavdowsky:

confluirt zuweilen das Protoplasma der letzteren, and in diesem Falle kann man nicht mehr die Grenzen beider sehen. Eben diese membranlosen^ protoplasmatischen Gebilde, die mit Kernen und Kemkörperchen versehen sind, werden bei rohen Behandlungsme- thoden in Gestalt der sogen. Hornhautkörperchen (spindel- und sternförmige Elemente) isolirt, weil ihre Verbindung mit den Saft- kanälchen zerstört ist.

An Goldpräparaten ist es nicht schwer, sich von dem röhren- förmigen Charakter der verschiedenen Kanälchen und besonders von ihrer wechselseitigen Verbindung zu einem Röhrensystera zu über- zeugen; le;tzteres in verschiedenen Ebenen und parallel der Ober- fläche der Cornea. An solchen Präparaten sticht sehr scharf der Charakter der Anastomosea dieser Kanälchen hervor; sie senden röhrenförmige Zweige zu den benachbarten oder auch zu andern fernliegenden Kanälchen aus, ohne die nächsten Zweige und Knoten ersterer zu berühren. Die divergirenden Röhrchen und ihre Zweige tauchen, indem sie einen spitzen Winkel mit dem Ausgangspunkte aus dem Knoten in die darunter liegende Schicht bilden, auf ihrem Wege in die benachbarte Schicht ein, treten dann abermals heraus, um über 2 --3 Röhrchen der höher liegenden Schicht zu passiren und mit den letzteren zu confluiren.

Ein eben solcher ist der Charakter, mit geringem Unterschiede in der Richtung der Kanälchen, auch in den Hornhäuten des Men- schen, wo ihre Breite und Länge etwas kleiner ist im Vergleiche mit den Hornhäuten des Hundes. Bei der Katze ist alles dieses etwas grösser als beim Menschen, und nur die Länge der Kanälchen zwischen den Knoten ist beim letzteren grösser, als bei der Katze. Endlich ist bei allen von mir untersuchten Thieren der allgemeine Typus der Kanälchenanordnung in der ganzen Dicke der Cornea unregelmässig concentrisch : die langen Axen der Kanälchen sind bogenförmig gestellt, mehr oder weniger der flachen Cor neal Umge- bung parallel, was man am besten an den der vordem und hintern Oberfläche dieses Gewebes zunächst liegenden Schichten bemer- ken kann.

Führt man den Schnitt der Art aus, dass derselbe regelmässig vertical zu den Ebenen verläuft, welche die vordere Oberfläche des Gewebes begränzen, wie es in Fig. 12 geschehen ist, und richtet darauf das Rasirmesser etwas schief, so kann man deutlich die bogenförmigen Röhrchen der Kanälchen beobachten, welche schiebt-

Das Saugadersystem and die Nerven der Cornea. 647

weise zwischen den Lamellen gelagert und selten im yorder-hintem Diameter anastomosiren. Von einer solchen Richtung des Schnittes hängt der Umstand ab, dass man unregelmässig verlaufende lange Röhrchen und ihre Anastomosen mit den Knoten der Eanälchen beobachten kann, welche mit ihren breiten Theilen unter den Schnitt gerathen sind. An diesem Präparate sieht man die Theilung der Böhrchen und ihren Uebergang in die Knoten.

Was aber die Saftkanälchen der Kälber, Frösche und Tritonen betrifft, so ist der allgemeine Charakter in der Anordnung der Röhrchen auch hier fast derselbe, wie beim Menschen, bei den Katzen und Hunden, so dass der Unterschied nur darin besteht, dass bei Kälbern (Fig. 9) und Fröschen (Fig. 11) die Kanälchen ausserordentlich eug, ungleicher in ihren Umrissen, sehr lang, und ihre Richtungen geradlinig sind.

Letztere, in Anzahl von 6—12 Röhrchen, bilden zusammen- fliessend sternförmige Höhlen, die mit grossen Kernen und einer geringen Quantität des Protoplasma gefüllt sind, welches diese Kerne bekleidet und mit seinen Ausläufern in die divergirenden Röhrchen hineinwurzelt. Die Kerne dieser Körperchen sind entweder gleich- gestaltet, oder sie befinden sich in den mannigfaltigsten Phasen ihrer Theilung, als deren Product gewöhnlich 2 Kerne, selten 3 und 4 mit gleicher Quantität von Kemkörperchen zu Tage treten. Die Theilung der Kerne ist ebenso sicher, als die Theilung der bei normalen und pathologischen Vorgängen in das Hornhautgewebe eingewanderten weissen Blutkörperchen, welche im ersten Falle diejenigen Gebilde produciren, die den Namen Wanderzellen, im zweiten Falle Eiterelemente führen. Diese Theilung unserer Kanälchenzellen ist durch Virchow, His und Andere in einer so glänzenden und dauerhaften Form bewiesen worden, dass es unbe- greiflich ist, wie die Autoren, die Gohnheim's Theorie sich zu- neigten, diesen Umstand leugnen konnten.

Nach dieser kurzen Abweichung wollen wir uns zu den Horn- häuten derjenigen Thiere wenden, mit welchen wir den Anfang ge- macht hatten.

Bei jeder Frage ist das Streben billig, eine solche Methode aufzufinden, welche endgültig den fraglichen Punkt in dieser oder jener Richtung feststellen würde. Ebenso verhält es sich auch hier mit den Fragen: Haben die „Homhautkörperchen'^ den Charakter ununterbrochener Röhrchen? Sind dieselben mit eigenen Wänden

54B Dr. M. LavcLowsky:

versehen und in welchem Verhältniss stehen sie zu den andern Elementen?

Auf Grundlage der bereits vergoldeten Objecte haben wir ihre hohle Natur, ihre Beziehung zu den Homhautzellen etc. bewiesen. Alles dieses wird noch mehr durch Injectionen der Cornea bestätigt.

Zur Erreichung dieses Zweckes habe ich für meine Injectionen gewöhnliches Berlinerblau und andere Masse gebraucht. Die Injec- tionen wurden mit der kaltflüssigen Masse mit Beihülfe des Lud- wig'schen, als auch v. Alferow- und Rindowsky- Apparates *) ge- macht oder, um den unnützen Lärm zu veimeiden, mit einer ge- wöhnlichen Spritze vollzogen, die sonst zur subcutanen Ii^jection gebraucht wird.*)

Frische Hornhäute von Menschen, Hunden und Katzen lassen sich wegen der Breite ihrer Kanälchen leichter und vollständiger injiziren, als diejenigen von Kälbern, Fröschen und Tritonen; die in der Müller'schen Flüssigkeit und Spiritus macerirten füllen sidi schwieriger an, in Gold und Essigsäure noch schwerer, besonders wenn das Gewebe stark gequollen war und die Platten der Grund- substanz sich von einander losgelöst hatten; die Extravasate sind in diesen Fällen unvermeidlich, weil die exfoliirten Lamellen (durch die Einwirkung der Essigsäure beim Vergolden) zur Zeit der Los- lösung von einander Zerreissungen und Spalten der Saftkanälchen verursacht hatten.

Die besten Objecte erhält man von den Hornhäuten, welche glücklich vergoldet sind, an welchen man auf einmal alles übersehe kann, was nur in der Hornhaut bei den verschiedenen Behandlungs- methoden des Gewebes zu sehen ist ein Umstand, welcher selten wegen Unvollkommenheit der Methoden der mikroskopischen Tech- nik angetroffen wird. An solchen Präparaten, wo die Saftkanälchen injizirt sind, findet man auch die Conturen und Körperchen mit den Kernen durch Gold gefärbt, desgleichen auch die Nerven und ihre Endigungen ; aus solchen Präparaten, sage ich, kann man gewiss

1) Als Basis dieses neuen Apparates (welcher auf der 8. Natarforscher- Versammlung zu Kiew gezeigt wurde) dient der in Gautschukblasen sich be- findende Luftdruck, welcher durch ein Manometer regulirt wird and der sich durch seine permanente Wirkung auszeichnet.

2) Die Canülen derselben sind jedoch zu dick und deshalb muss man sie durch gläserne Röhrchen ersetzen, welche am Ende in ein hohles Härchen ausgezogen sind.

Das Saugadersystexn und die Nerven der Cornea. 649

eher einen Schloss ziehen, weil derselbe zu gleicher Zeit den andern controUirt.

In der 10. Fig. A u. B habe ich derartige Objecte dargestellt, welche geeignet sind, jeden Skeptiker zu überzeugen, dass die saft- fahrenden Kanälchen in der That Röhrchen mit eigenen, specifischen Wänden darstellen, welche man isoliren kann, wie es Leber gethan hat; aber wir haben oben gesagt, dass seine Injectionen zugleich die Frage nicht gelöst haben, was die Homhautzellen sind und in welcher Beziehung sie zu den Kanälchen stehen.

Wir haben bereits an den Goldpräparaten darauf hingewiesen, dass die Hornhautzellen protoplasmatische, von den Kanälchen ab- gesonderte Gebilde sind, welche, obgleich sie innerhalb derselben gelagert, mit ihnen nur am Orte der Lagerung der Kerne in Ver- bindung stehen. An Fig. 10 (A u. B), wo dieses scharf zu Tage tritt, sehen wir einerseits die Kanälchenhöhlen mit einer blauen Masse, welche völlig (a, a) oder nur theilweise (a') das Protoplasma mit seinen Kernen einhüllt, die mehr oder weniger deutlich in Ge- stalt golddurchtränkter , deutlich conturirter, violett-rosenfarbiger oder mit Blau gemischter Körperchen hervortreten ; andererseits das Fliessen der Masse an den Umsäumungen der Kanälchen und die Sonderung der ersteren von den letzteren durch eine violett- kömige Contur der mehr oder weniger dicken Wand des Kanäl- chens (B) , welches seinerseits von dem hellen homogenen Gmnde der Grundsubstanz scharf abgesondert ist. Bei v, v sind besonders gut die Umrisse der Wand des leicht durch die Masse ausgedehnten Kanälchens zu sehen. Man muss nur diese Abbildungen mit Fig. 7 und 8 und den andern aus den Hornhäuten der Hunde und Katzen vergleichen, um sich von der Identität der vollkommen analogen Gebilde zu überzeugen und jeden Gedanken über die injicirten Ka- nälchen als Kunstproducte von der Hand zu weisen^).

Dasselbe nehmen wir auch an injicirten Hornhäuten des Men- schen wahr, sei es, dass letztere vergoldet sind oder nicht. Eben ein solches ist das Kanälchennet^ mit eigenen Wänden und nur die Lichtungen der Kanälchen sind enger. Die Sache verhält sich aber

1) Schweigger-Seidel (1. c.) and Boddaert (Gentralblatt. 1871. Nr. 22) haben verschiedene Injectionen der Hornhaut gemacht und gleich mir eine Anfiillung des Systems der Saftkanälchen mit der Ipjectionsmaflse erhalten, so dass schliesslich jeder Zweifel an der kanstlichen Production dieser Büdnngen beseitigt ist

550 Dr. M. Lftvdowsky:

anders, wenn die Cornea nacb der Injection z. B. mit Spiritus und Essigsäure oder mit irgend einem andern erhärtenden Reagens be- handelt wurde; in diesem Falle werden wir eine der Abbildung 10, C. ähnliche Figur erhalten, wo die injicirten Kanälchen stark geschrumpft sind, ungeachtet dessen ein zierliches Netz dieser Ka- nälchen sichtbar ist, welche mit demjenigen sich verbinden, in wel- ches die blaue Masse nicht eingedrungen.

Eben diese Abbildungen zugleich mit dem Umstände, dassman derartige injicirte Kanälchen durch starke Mineral- und Essigsaure isoliren und ihr ganzes System mit den Körperchen als ein selbst- ständiges Ganze aus der Grundsubstanz aussondern kann, lassen keinen Zweifel mehr übrig, dass die von Leber gefundene That- sache wahr ist, nämlich, dass das Kanälchensystem mit seinen eige- nen Wänden in der Form einer homogenen und nach unserer Mei- nung sogar ziemlich dicken (v, v) Membran versehen ist.

Diese Präparate, als auch diejenigen ohne Injection, welche nor vergoldet sind, geben eine positive üeberzeugung von der grossen Verschiedenheit unserer Kanälchen in Vergleich mit denen, welche in den serösen Häuten an ihrer Oberfläche sogleich unter dem Epi- thelium verbreitet sind. In der Cornea sind die Röhrchen mit Wänden versehen; aber in den serösen Häuten sind es wandlose Höhlen, als deren Wand die Grundsubstanz erscheint. Im ersten Falle enthalten die Knoten unbedingt Protoplasma mit Kernen und Kernkörperchen und daselbst befindet sich auch die Nervenendigung, wie wir weiter sehen werden ; im zweiten sind die Höhlen der Sub- stanz ganz gewiss ohne Zellen und ohne alle Formelemente, wenn man nicht für solche die einfachen Niederschläge des Silbers an- sehen wollte, welche bisweilen gleichsam an eckige KSrperchen er- innern, während dieselben in der That künstliche Producte der übermässigen Färbung des Gewebes sind.

Endlich, bevor wir zu den Nerven der Cornea übergehen, müssen wir von den sogen. Bowroann'schen Röhren und von der sonderbaren Thatsache (die Injectionen der Nerven) sprechen), welche von Reck- linghausen bemerkt wurde.

Wenden wir uns wieder zur Fig. 10, B. Hier habe ich mehrere Bildungen, welche einen röhrenförmigen Charakter besitzen und eine unmittelbare Fortsetzung des Systems der Saftkanälchen bilden, dargestellt. Diese Bildungen habe ich früher für die sogen. Bow- mann'schen Röhren gehalten, jetzt aber, auf Grund meiner neueren

Das Saugadersystein and die Nerven der Cornea. 561

Präparate, bin ich anderer Meinung. Wir sind überzeugt, dass diese Bildungen (f, t', t') in der Mehrzahl der Fälle nichts anderes als injicirte Nerven sind ; in jedem zweifelhaften Falle braucht man das Präparat nur verschiedenen Manipulationen zu unterwerfen, um sich zu überzeugen, dass im Inneren dieser röhrenförmigen Figuren sich leicht Nervenfasern auffinden lassen.

Diese Erscheinung, die so sonderbar erscheint, ist nach unserer Ansicht eine natürliche Noth wendigkeit, welche aus der anatomischen Anordnung der Cornealnerven hervorgeht. Hier, um Wiederholungen zu vermeiden, verweise ich nur darauf, dass eine ansehnliche Menge von Nervenbündeln, gesonderten Fasern und Axencylindem der Hornhaut in die Kanälchenhöhlen gebettet ist, aus welchen diese Nerven abermals in die Grundsubstanz eintreten, um von hier aus eine andere Eanalchenkette zu passiren und hier zu endigen oder, nachdem sie herausgetreten sind, ihre Richtung weiter einzuschla- gen. , Diese Nerven, allerseits von Eanälchen umringt, durch welche die injicirte Masse jBiesst , und dieselben durchbohrend , um in die Grundsubstanz überzugehen, sind bald von Bohren^ bald von blauen Streifen der Masse umgeben, welche durch die Oeffiiungen geht und an der Oberfläche dieser Nerven als blaue Säume zum Vorschein kommt.

Es ist daraus ersichtlich, dass unsere Ansicht über diese Bil- dungen sich von der Ansicht Schweigger-Seiders unterscheidet, nach welcher diese speerartigen Figuren röhrenförmig sein sollen, nichts mit den Kanälchen gemein haben und in Folge der Ausbrei- tung der Injectionsmasse zwischen den auseinandergedrängten Fa- sern von ihm zu den Kunstproducten gerechnet werden.

n. Die Homhautnerven und ihre Endigungen.

Zu dem zweiten Theile unserer Beobachtungen übergehend, müssen wir bemerken, dass wir das nähere Eingehen in die Lite- ratur unserer Frage für nützlich halten, woher wir nur einige Unter- suchungen kritisch berühren werden.

Was die Anordnung und Endigung der Nerven in der Cornea betrifft, so haben die Untersuchungen namentlich von His^), Kühne«), Sämisch»), Hoyer*), Engelmann*), Cohn-

1) w. Eis, 1. c,

2) Kühne, Das Protoplasma und die Oontractilitat. Leipzig 1864. 8) Beitrage z. norm. u. pathol. Histologie des Auges, 1862, p. 11.

4) Virchow's Arohiv f. Anatomie etc., 1866, p. 181.

5) Ueber die Hornhaut des Auges. Leipzig 1867.

562 Dr. M. Lavdowsky:

heim*), Kölliker»), Lipmann®) und andere sehr viel Bemer- kenswerthes über die Verbreitung und Endigung der Coineaberveii nachgewiesen.

Einige von diesen Autoren nehmen die Existenz von Ner\'en- Zellen in der Cornea an, andere haben unter Nervenzellen Knoten beschrieben, welche an der Stelle der Theilung und Verflechtung der Nervenbündel und einzelner Fasern sich befinden.

Wenn es His nicht schwer war, in den Geflechten Ganglien zu erkennen, worin auch die meisten Autoren übereinstimmten, so war es aber viel schwerer, richtige Schlüsse zu ziehen in Betreff des weiteren Verlaufes der Fasern, welche aus diesen Ganglien entstehen oder durch dieselben hindurchtreten.

Während KU hn e mit Bestimmtheit eine Verbindung der feinsten Nervenfibrillen (Axencylinder) mit den Ausläufern der Hornhaut- körperchen behauptete (er hat sogar die merkwürdige Erscheinung der Cotttractilität der letzteren unter dem Einflüsse des electrischen Stromes gesehen, welcher auf den mit der Zelle verbundenen Ner- ven einwirkte, und deshalb rechnete er die Nerven der Cornea zur Kategorie der motorischen), gingen andere Autoren noch weiter, indem sie das Hineinwachsen der Axencylinder in das Protoplasma und den Zellenkem und sogar eine Verbindung der kaum messba- ren Fibrillen mit den Kernkörperchen und ihre Endigung in den- selben beschrieben (Lipmann); die. Mehrzahl der übrigen Forscher, da sie eine solche Verbindung nicht fanden, beschränkte sich auf die Voraussetzung, dass die letzten isolirten Fibrillen in der Grund- substanz der Cornea entweder mit freien, dünner werdenden Enden (Sä misch) oder mit kolbenförmigen Verdickungen (Krause) en- digen. Kölliker, Hoyer und Engelmann leugneten ganz die Möglichkeit einer solchen Verbindung.

Tolotschinov*), welcher dieser Frage einige Zeilen gewidmet hat, sagt, dass es ihm gelungen sei, nur eine Annäherung der Ner- venfaser zum Zellenfoi-tsatze zu sehen, aber von einer Verbindung mit dem letzteren kann er nichts Zuverlässiges sagen.

Es ist zu bemerken, dass kein einziger Autor, von dem Ver-

1) Virchow's Archiv, Bd. S8, p. 343.

2) Gewebelehre, 5. Aufl., p. 650.

3) Virchow's Archiv, Bd. 48, p. 218.

4) Inaugural-DisB. 1867, p. 23.

Das Saugadersystem und die Nerven der Cornea. 658

bältnisse der Nerven zu den Zellen sprechend, die Frage theilt in eine nach der Beziehung der Nerven zu den Zellen und die andere oach der Beziehung der Nerven zu den die Zellen umgebenden Eanälchen. Sobald die ersteren und letzteren als von einander un- abhängige Gebilde anerkannt worden sind, muss man von der Be- siehung der Nerven zu jedem von ihnen gesondert sprechen. Nur Kühne, ob zwar zu der Zeit die Frage von der Beziehung der Zellen zu den Eanälchen noch im Keime war, macht, wie es scheint, eine Begrenzung, aber auch bei ihm ist die Rede eher von der Ver- bindung der Nervenscheide mit der „Zellenmembran'S als mit der Kanälchenwand.

Indem wir zur speziellen Untersuchung Übergehen, wollen wir zuerst die Frage über die Verbreitung und Endigung der Nerven in der Grundsubstanz der Ciornea beantworten und dann erst der Frage von der Beziehung der Nerven zum Epithel uns zuwenden womit wir unsere Arbeit endigen werden.

Die Anzahl der in die Cornea eintretenden Nerven ist verschie- den: So gibt es beim Frosche (nach Engel mann) bis 8, aber bei Menschen und höheren Thieren (nach Cohnheim, Eölliker und Sämisch) von 20 bis 36 48 Stämmchen. Wir haben fast dieselbe Anzahl der Nervenstämme gefunden, während bei Fröschen diese Anzahl je nach Alter, Entwicklung und Grösse der Thiere von 6—10, bei Tritonen von 4 6 und 8 schwankte. ^

Die Nervenstämme, in die Hornhaut eingetreten, bilden sogleich unter verschiedenen Winkeln Anastomosen. An den Stellen der Verflechtung und Tbeilung der Bändel (desgleichen der primitiven Fasern), was besonders deutlich an den Hornhäuten der Frösche und Kälber zum Vorschein kommt, sind die Nerven mit einer rei- chen Anzahl von Kernen versehen, welche sich vielfach theilen und mit sehr feinen, wellenförmig gewundenen, varicösen Fasern umge- ben sind. Die grösste Anzahl solcher Kerne triSt man bei Fröschen und Kälbern an, die kleinste bei Menschen und Hunden. Bei Menschen und Katzen sind diese Kerne weit kleiner, als bei andern Thieren; dagegen bei Tritonen sind sie sehr gross. Von ovaler, rundlicher, zuweilen dreieckiger Form, liegen diese Kerne als un- regelmässigere Häufchen in einem schönen, rosa-violetten, aus sehr feinen Fasern und Axeucylindcrn gebildeten Netze, welche durch Verflechtung und Verbindung miteinander drei- und viereckige Ner- venknoten (oder Ganglien) bilden. Diese Knoten sind von vom nach

554 Dr. 11 Laydowsky:

hinten abgeplattet und im Gewebe eingebettet. Sie entstehen durch eine enge Berührung der Fasern miteinander, sowie durch Verflech- tung derselben mit den Axencylindem. Aus diesen Knoten entsprin- gen neue Bündel sowie einzelne Fasern, welche sich entweder in die Grundsubstanz (zu den Canälchen und Hornhautkörperchen) oder nach vorne (zum Epithel) begeben.

Bevor sie jedoch zu diesen Stellen gelangen, bilden die Nerven vermittelst neuer Ganglien allmählig enger werdende, schlingenfor- mige Anastomosen (Fig. 1) und Netze, welche theils schichtenwdse, theils ineinander gelagert sind.

Die Anastomosen zwischen den feinsten isolirten Fasern (ge- nauer: Axencylindem), an welchen nicht mehr Kerne bis dicht zu ihrer Endigung zu bemerken sind, kommen durchaus nicht so selteo vor, da sie bei gelungener Vergoldung deutlich hervortreten (n). Diese dickem Fasem erzeugen noch dünnere, die man sehr deutlich bei 9 und 10 immers. System sehen kann. In der letzten Zeit habe ich mich noch mehr überzeugt, dass der Charakter der Vertheilung dieser feinen und der noch etwas dickeren Fädchen sich sehr wenig von der Anordnung der Nerven, welche gleich unter der Bowmann- sehen Membran sich befinden, unterscheidet. Dieser Umstand hat mich noch mehr in meiner Ansicht verstärkt, welche ich im Nach- trage gegen Hoyer aufgestellt habe.

j Sowohl diese, als auch jene theilen sich gabelförmig, vereinigen sich darauf wieder, indem sie dichtere, engmaschige Netze mit vari- cösem Charakter bilden. Diese letzteren, als sehr dünne, varicose Fasem, treten in die innigste Verbindung mit den Kanälchen und Körperchen und zugleich mit den Faserbündeln, und, die Saftkanäl- chen passirend, erreichen sie das sogen, subepitheliale Amold'sche Netz und treten dann mit der Epithelialdecke der Hornhaut in Ver- bindung. Die grösste Anzahl der Fasem bleibt jedoch in der Cor- nealsubstanz und liegt zwischen den Kanälchen und Körperchen.

Wenn man die isolirten, mit Kemen versehenen Nervenfasern, sowie die Axencylinder, welche bisweilen in ihre Bestandtheile (Pri- mi tivfibrillen nach M. Schnitze) zerfallen und zu den Kanalchec und Körperchen treten, verfolgt, findet man, wenn auch nicht im- mer, solche Erscheinungen, welche durch Vieles an die Abbildungen Kühne's erinnern.

An vergoldeten Präparaten gelang es uns nicht zu sehen, dass ^ie Markfaser (wie es bei Kühne auf Taf. VIII abgebildet) zu der

Das Saugraderaystem und die Nerven der Cornea. 565

Zdle oder dem Eanälchen tretend, mit ihrer Hülle unmittelbar mit den Conturen der letzteren zusammenfloss und der Axencylinder sich im Protoplasma des Hombautkörperchen endete. Wir können mit Kühne auch in der Beziehung nicht übereinstimmen, dassein jedes derartiges Präparat auf die Endigung der Nerven in der be- treffenden Stelle hinweisen würde. Im Gegentheile hat man an solchen Präparaten beständig die Beobachtung gemacht, dass meh- f rere derartige Eanälchen und Körperchen, in welche unstreitig die isolirten Axencylinder und ihre Bündel hineinwachsen , in der That nur als Bahnen dienen, durch welche die Fasern ohne Unterbrechung zu andern Eanälchen und Eörperchen sich weiter begeben, wo sie auch, wie wir es unten sehen werden, endigen. Jeder Axencylinder (besonders bei Hunden), seltener die Bündel derselben (beim Frosch), wandern zuerst durch eine ganze Eette von Kanälchen, in den Höhlen der letzteren gelagert, legen sich unmittelbar ihren Wän- den an, treten dann aus denselben heraus, um abermals in die nahe liegende Eette der benachbarten Eanälchen zu gelangen, und lösen sich endlich entweder in der Wand auf oder erstrecken sich weiter and wurzeln in das Hombautkörperchen selbst hinein.

Auf der IL Fig. (Frosch) sehen wir eine Verbindung von gan- zen Bündeln der feinsten Fasern und Axencylinder (N') mit den Saftkanälchen, welche mit einem kömigen Protoplasma der Eörper- chen und grossen Kernen (mit 1—2 Eemkörperchen) versehen sind. Es wäre natürlich vorauszusetzen , dass bei N' wir eine Ramification und Endigung der Cylinderbündel in's Protoplasma der Eanälchen haben, allein dieses würde aus folgenden Gründen nicht richtig sein : Einerseits, weil mit der Entfemung der Axencylinderbündel vom Orte ihres Urspmnges (g) auch die Dicke dieser Bündel oder, ge- nauer gesagt, die Quantität der Axencylinder, welche den Bestand- theil des Bündels formiren und in die Eanälchen hineinwurzeln, allmählig abnimmt, bis endlich zum Zellenkeme ein einziger Gylin- der (n') gelangt, welcher mit ihm sich auch verbindet; anderseits weist die beständige Verbindung von 1 2 Axencylindem (bei Hun- den, Eatzen) mit einem Eeme darauf hin, dass die Verbindung der Bündel (als „Endigung der Nerven'*) mit dem Eanälchen oder {Eör- perchen nur eine scheinbare Erscheinung ist. Die 11. Abbildung wird uns dieses theilweise klar machen. Während bei N' dicke Bündel von Nervenfasern in das Eanälchen eingehen, dringen bei n' und n" zwei und endlich ein Axencylinder in die Eanälchen

666 Dr. M. Lavdowsky:

ein. Aller Wahrscheinlichkeit nach beschränken sich die isolirten Axencylinder nicht blos auf eine Ramification in den Kanälchen ood dem Protoplasma eingeschlossenem Eörperchen^ (n"), wie dieses in unserm Falle za sehen ist, sondern sie durchlaufen auch den Kern bis zom Nucleolus, in welchem sie endlich enden, wie es Lipmann bei Fröschen gesehen hat und wie wir es unten bei den Homhänteo der Hunde und Katzen beweisen werden.

Dasselbe, aber weit deutlicher, beobachtet man an den Horn- häuten der Hunde; doch durchwandern hier das Kanälchensystem dünnere Bündel und zerfallen äusserst schnell in isolirte AxencY- linder. In Fig. 2, A sieht man eine lange, isolirte Faser, mit Van- cösitäten besäet, durch die Wand in's Innere der Kanälchen gelan- gen. Aus denselben herausgetreten, richtet sie sich gegen eine andere, senkt sich wieder bei n' in die Höhle des Kanälchens ein, durch- läuft den Kern, um in seinem Kernkörperchen (n") zu endigen.

Nicht immer ist es jedoch so leicht, sich von der Lage einer solchen Faser an der innern Oberfläche der Kanälchenwand za überzeugen, obgleich es keinem Zweifel unterliegt, dass die Masse der Nervenfasern, indem sie die Grundsubstanz passirt, nur eng den Kanälchenwänden anliegt. Wie dem auch sei, endigen diese und jene Fasern niemals im Protoplasma, fliessen niemals mit dem Zellenfortsatze zusammen, sondern erreichen unbedingt den Kern und das Kernkörperchen (s. Fig. 2, B).

Es ist hierbei folgender Umstand bemerkenswerth: In den Zel- len, deren Kerne scheinbar keine Kernkörperchen enthalten, lösen sich die Axencylinder in dem Kern selbst auf (Fig. 4, B), indem sie eng mit denselben zusammenfliessen und an der Vereinigungsstelle bisweilen leicht erweitert sind (Fig. 4, A); oder die Axenfibrille der blassen Faser, da wo sie sich dem Kerne nähert (Fig. 3, n'), yerschmilzt mit demselben derartig , als ob der Kern selbst beim Begegnen mit der Faser zu ihrem Ende sich ausdehnen würde, mn mit derselben zu confluiren, während die Scheide der blassen Fi- brille sichtbar in die Gontur der Kanälchen (c) übergeht.

Diese letztere Form der Verbindung zeigt uns, wie die Bezie- hung der Nerven zum „Zellenfortsatze'^ aufzufassen ist. In den Fällen, wo man eine solche Verbindung sehen konnte (ausgenom- men, wenn der starke Goldniederschlag den weitem Verlauf der Faser im Kanälchen zu verfolgen hinderte), trat entweder die so

Bas Saagaderaystem und die Nerven der Cornea. 657

eben beschriebene Figur oder irgend eine andere mehr oder weniger complicirte Form derselben (Fig. 9, u, beim Kalbe) hervor.

Bei den letzteren Thieren ist es sehr schwer, in Folge des ausserordentlich dichten Kanäldiennetzes die Enden der Axencylinder za verfolgen. An diesem Präparate (Fig. 9, n) sehen wir ein dickes, dichotomisch sich spaltendes Nervenbündel und eine von ihm ab- tretende Faser, die mit einem Kerne versehen ist ; desgleichen auch mehrere andere Fibrillen, welche in diesem Bündel vorkommen und mit Axencylindem vermengt sind. Die Faser n, einem Saftkanälchen sich nähernd, verschmilzt vermittelst ihrer Membran mit der Contur seiner Wand, während der Axencylinder, sich dem stark gefärbten Kerne nähernd, mit demselben zusammenfliesst.

In solchen Fällen kann man freilich nicht sagen, ob die Axe mit dem Kerne vereinigt ist oder sich weiter fortsetzt, oder endlich, wie wir dieses an Fig. 4 (n') gesehen haben, eine solche Fortsetzung ganz fehlt.

Seltener erhält man complicirtere Gombinationen (Fig. 6): der Zellenkem wird einerseits gleichsam durch das zu ihm tretende Bündel (N) der feinsten Axencylinder umfasst, anderseits von einem isolirten Fädchen umgeben, welches um den Kern leicht aus- geschweift ist, mit einem Worte eine etwas complicirtere Form, als die in Fig. 4.

Endlich existirt eine ganz besondere Form der Nervenendigung gen, welche ausschliesslich für die Kanälchen bestimmt ist (Fig. 7 und 8).

Die dicken Axencylinder, welche von der einen Seite in die Kanälchenkette eintreten und gleichsam mit den allmählig dünner werdenden Enden der letzteren confluiren, zerfallen in ihre Primi- tivfasem (N'), welche in's Innere der Kanälchen gelangen, während ihre entgegengesetzten Enden, welche an diesen Stellen nicht in ihre Faserbestandtheile gesondert sind, in unregelmässige Plättchen von rhombischer Form (Fig. 8, p) sich spalten, die zuweilen Kerne enthalten und sehr eng der Kanälchenwand sich anschmiegen. Eine weniger complicirte Form solcher rhombischen Platten stellt Fig. 7, p dar. Hier geht der Axencylinder in eine weniger complicirte kernlose Lamelle über, die mit der Kanälchenwand verlöthet ist (Fig. 7, Np).

'Ea ist schwer zu sagen , ob nur diejenigen der Axencylinder, welche in ihre Bestandtheile zerfallen, sich auf den entgegengesetzten

658 Dr. M. Liaydowsky:

Enden in die beschriebenen rhombischen Platten (oder Comeal- plättchen") erweitem, oder ob dieses auch mit andern dünneren Fasern möglich wäre. Fig. 7 spricht eha: zu Gunsten des letztem Umstandes.

In diesen bisweilen leicht ausgeschweiften und dicht der Kanäl- chenwand plattenartig angepressten Lamellen wäre es erlaubt, eine besondere Form der Nervenendigungen zu erblicken, welche blos für die Saftkanälchen bestimmt und vöUig unabhängig von der Nervenendigung der Körperchen ist, nur steht dieser Anschauung eine zu geringe Anzahl solcher Gebilde im Wege (dieses wurde von mir nur bei Hunden beobachtet).

Die erste Hälfte unserer Aufgabe ist somit gelöst

Wir wenden uns jetzt der anderen Hälfte derselben zu, näm- lich: Zu der Beziehung der Nerven zur vordem Epi- thelialbedeckung der Cornea.

Oben ist bereits gesagt worden, dass die Nerven an verschie- nen Stellen in die Homhautsubstanz eintreten. Hierbei ei^ibt es sich, dass sowohl diejenigen der Nervenfasern und Nervenbündel der Axencylinder , welche in keinerlei Verbindung mit den Körper- chen und Kanälchen gestanden haben, als auch die Nervenstämn- chen, welche in die vordersten Theile der Cornea gelangten (da sie unter sich und den in die Bowmann^sche Haut eintretenden Nerven anastomosirten), ein neues Geflecht theils in der Substanz, theils an der Oberfläche dieser Membran bilden.

Dieses Geflecht ist das sogen, subepitheliale oder Ar- nold'sche Netz, dessen feinste Fibrillen, sich gegen das Epithe- lium erhebend; zwischen seine Zellen eintreten, hier ein neues Netz bilden und endlich sogar die Oberfläche der Epithelbedeckung er reichend, ausserhalb derselben mit den Anschwellungen oder Ver- dickungen sich auflösen, wie dieses von Gohnheim (1. c) nachge- wiesen wurde.

Indem Kölliker, Tolotschinow und andere vieles von Cohnheim an Goldpräparaten Gefundene bestätigen, haben sie jedoch diese Cohnheim'schen Verdickungen nicht gesehen.

Da wir eben mit Cohnheim übereinstimmen, dass das Ar- nold'sche Netz in der Substanz der Bowmann'schen Membran ge- bettet ist unA zwar in ihrem obersten Theile, können wir die Belege Nicolaevs (1. c. p. 43) nicht gut heissen. Da er keine Verbin- dung der Nerven mit demjenigen „Linien*' gesehen hat, welche in

Das Saagadersystem und die Nerven der Cornea. 559

Gestalt echt yaricöser Fasern, die vollkommen ihren feinsten Fibril- len ähnlich sind und in der Grundsubstanz der Cornea liegen (Fig. 1, d), zwischen den Epithelialzellen verlaufen, so bedeutet daa nur so viel, dass es ihm nicht gelungen sei, vieles davon zu sehen, was von Cohnheim, Kölliker, Tolotschinov beobachtet worden ist.

Diejenigen Präparate, wo zwischen dem Nerven und diesen varicösen Fasern keine Verbindung zu sehen ist, oder wo das Ner- venende wie ein Block über oder unter dem Epithel hervorragt, sind als zu diesem Zwecke untaugliche anzusehen ; denn es ist nicht schwer y solche zu erhalten, an welchen man bei allen beliebigen Einstellungen des Focus von der Verbindung der Fasern des sub- epithelialen Netzes (Fig. 12, f) mit den varicösen Fibrillen des Epithelialnetzes sich überzeugen kann.

An diesen Abbildungen (Fig. 12) sind alle diese Beziehungen zu sehen: 1. die Verbindung der Nervenfaser (N) mit den subepithe- lialen Fasern (f), welche durch seine Theilungsstelle (R. perforans) treten ; 2. der Durchtritt letzterer zwischen den cyhndrischen Zellen, welche von diesen Fasern umfasst werden, und endlich 3. ihr Hin- emwachsen zwischen den rundlichen Epithelialelementen und so weiter bis zum Pflasterepithelium. Das subepitheliale Netz verschiedener Thiere kann man in allen seinen Formen am besten auf Ebenschnitten (Figuren dazu habe ich nicht beigefügt; um die Abbildungen Cohn- heims, Köllikers und Anderer nicht zu wiederholen) betrachten.

Es leuchtet von selbst ein, dass man keinen Grund hat, diese interepithelialen, varicösen Fasern für Producte einer künstlichen Goldablagemng zu halten. Auch ist es evident, dass man in die- sen varicösen Fasern Cohnheim's das Endnetz der Hornhautner- ven und namentlich des Epithelialüberzuges bei höheren Thieren erblicken muss.

V7as aber die Gohnheim'schen Verdickungen dieser varicösen Fasern betrifft, so hält es wirklich schwer ; dieselben aufzufinden (wer kennt die mutable Wirksamkeit des Goldes in ähnlichen Fäl^ len nicht 1). Auch andere Autoren haben sie nicht gefunden; aber zubehaupten, dass die von Cohnheim beschriebenen Gebilde nichts weiter als Goldniederschläge im Epithelialüberzuge der Cornea sind, ist eben so irrig, als wenn man die varicösen Fasern des epithe- lialen und subepithelialen Nervennetzes für Eunstproducte ansehen würde.

660 Dr. M, Lavdowsky:

Wenn diese Gohnheim'schen Endigungen an der Hornhaatober- fläche auch anderwärts als endgültig anerkannt sein werden; wenn die von Kühne beobachtete Thatsache der Gontractilität derHom- hautkörperchen festen Fuss gefasst haben wird (was auch eine Be- stätigung in der neuesten Untersuchung von Rolle t^ erfahren hat, laut welcher „die Homhautkörperchen ein contractiles Protoplasma besitzen"), so wird auch der Gedanke wahrscheinlich werden, dass erstere die Enden der sensiblen Nerven der Cornea sind und dass die mit Kernen, Kernkörperchen sowie die mit den Kanäleben ver- bundenen Nerven die Rolle der motorischen Leiter des in der Hom- hautgrundsubstanz verbreiteten Nervensystems spielen. Wollte man endlich in den Nervenganglien der Cornea eine Verwandtschaft der- selben mit den Nervenzellen auf Grundlage der neuesten Forschon- gen M. Schultzens über die letzten Elemente, obschon wir in diesen Ganglien nicht den gewöhnlichen Typus der Nervenzelleo entdecken sehen, so würde der Gedanke, dass die Nervenganglien der Cornea als Reflexglieder dieser und jener Nerven, sowie dass die Fasern und Axencylinder zwischen diesen Ganglien als intercen- trale Fasern anzusehen sind sehr nahe liegen.

Wir würden also in dem hypothetischen Reflexapparate der Hornhaut alle nothwendigen Elemente haben : die Gohnheim'schen Verdickungen mit ihren Nerven als Geflihlswege dieses Appara- tes; Ganglien oder Knoten mit ihren intergangliösen Fibrillen als äusserste Glieder mit ihren Intercentralfasem; und endlich als motorische Leiter die aus den Ganglien abtretenden Nervenfasern, deren Ende das Homhautkörperchen (das leistungsfähige Organ) eine contractionsfahige Zelle ist.

Freilich, wir sind weit davon entfernt, dieser HypoÜiese den Charakter einer Thatsache zuzuschreiben, und wir verweisen auf dieselbe als auf eine logische Nothwendigkeit, welche aus dem be- schriebenen Charakter der Nervenordnung und ihrer Endigungen in der Cornea hervorgeht.

Schliesslich wollen wir noch in Kurzem das Gesagte resumiren.

Die Hornhaut besitzt kein solches System von Saftkanälchen, wie nach der Ansicht von Recklinghausen die serösen Häute auf ihrer Oberfläche haben. Kein einziges von diesen Kanälchen

1) Rollet, Üeber die Gontractilität der Hornhautkörperchen and die Hornhaathöhlen Centralblatt, 1871. N. 13.

I)a8 Saugadersystem and die Neryen der Cornea. 561

enthält weder Bindegewebskörpercben , noch auch andere Formele- mente. Hierin liegt der Hauptunterschied des saftführenden Sy* Sterns der serösen Häute vom System der Homhautkanälchen.

Letztere sind, da sie ein in der Homhautsubstanz verbreitetes Netz bilden, mit protoplasmatischen, kernhaltige NervenendigungeiQ enthaltenden Elementen versehen. Dieses Kanälcheinetz hat seine eigenen Wände und kanü leicht als ein selbständiges System von röhrenförmigen Gebilden injicirt und isolirt werden. Umgekehrt, lässt sich das saftführende System der serösen Häute als ein Netz von minirten Kanälchen in den oberflächlichen Schichten der letz- tem weder isoliren noch injiciren.

Das Netz der Saf tkanälchen der Cornea dient als Leiter sowohl für die Bündel der Nervenfasern und Axencylinder , als auch für die Theile dieser und jener.

Die Nerven dieses Gewebes werden, indem sie sich in der Grund- substanz und im Systeme der Saftkanälchen verästeln, nach Mass- gabe ihrer Divergenz immer dünner, bis zum Grade von isolirten, blassen Fasern, Ax^ncylindern und ihren Bcstandtheilen. Die letz- teren lassen, indem sie gemeinschaftlich mit Bündeln der dickeren Fibrillen verlaufen, diese oder jene Kanälchenkette unberührt, tre- ten darauf in die benachbarte Kette ein, wo sich auch ein geringer Theil derselben in den Kanälchenwänden (mit rhombischen Platten) endet; während der grösste Theil in Gestalt isolirter Axencylinder in das Protoplasma der Homhautzellen hineinwurzelt, ihren Kern erreicht und daselbst, entweder mit ihm verschmelzend in dem- selben sich auflösst, oder in die Substanz des Kernes eintritt und im Kernkörperchen endigt. Ein anderer Theil der Hornhaut- nerven dient zugleich mit denjenigen, welche io das vordere Drittel der Hornhaut und unmittelbar unter der Bowmann'schen Haut eintreten, als Ursprung für die Entwicklung des soge- nannten „subepithelialen Nervennetzes'' Arnold 's, welches in der Bowmann'schen Membran in der Nähe ihrer vordem Oberfläche versenkt liegt.

Die Endfasem dieses Netzes senden in Gestalt von Axencylin- dem Wurzeln in den vordem Epithelüberzug der Cornea, bilden hier ein Geflecht und enden scheinbar nur das Plattenepithelium er- reichend. Ihre Enden setzen sich vermuthlich bis zur freien Oberfläche des Epithels fort, um hier mit Gohnheim's Verdickungen aufzu- hören.

U. ScholtM, ArchiT f. mlkrMk. Aiutomie. Bd. 8. 37

562 Dr. H. Lavdowtlcy:

Die letzten Fasern gehören, dem durch ihre Endigungen einge- nommenen Orte gemäss, zur Kategorie der sensiblen Nerven, und sie bilden wahrscheinlich zugleich mit den Nervenfasern, welche vermittelst Nervenganglien (oder Knoten) und intergangUösen Fa- sern sich in den Kanälchen und Körperchen endigen, einen compli- cirten, reflectorischen Apparat, in welchem die Zellen, die in deo Saftkanälchen der Cornea enthalten sind , als die leistungsfähigen Organe erscheinen.

Nachtrag*

Nachdem meine Arbeit zum Drucke in diesem Archive abge- schickt war, ist eine Reihe Beobachtungen von RoUett^) und Klein*) erschienen, über welche ich ein paar Worte hier sagen muss, in Anbetracht der Resultate, zu welchen die gen. Autoren gekommen sind, die theils meine Beobachtungen bestätigen, theils ihnen widei*sprechen.

Doch ehe wir zu denselben übergehen, müssen wir noch bei den neuen Beobachtungen von Hoyer^) verweilen, welche jedoch später als meine ausführlichen Mittheilungen in Rudnew's Archiv f. Histo- logie etc. publicirt worden sind. In kurzen Zügen will ich hier die Hauptpunkte erläutern, in welchen Hoyer von meinen and iea Untersuchungen Anderer abweicht.

Indem er zugleich mit mir die Existenz des Ainold'schen (sab- epithelialen) Netzes, den Durchgang der Fasern des letztem zwi- schen den Epithelialzellen und ihre Endigung an der Oberflache des vordem epithelialen Beleges der Comea (ausser dem freien Hervorstehen der Cohnheim^schen Nervenendknöpfchen, welche so- wohl er, als auch ich nicht gesehen haben, obgleich er an den En- den der letzteren Fasern leichte varicöse Verdickungen zugesteht)

1) L c. und Stricker'B Lehre v. d. Geweben, V. Lief. p. 1091.

2) Klein: On the peripheral distribution of Non-medallated Nen*«3- fibres in Quarterly Jonrnal of microscop. Science, Ootob. 1871 p. 405 a. January 1872 p. 21.

S) Hoyer: Ueber die Nerven der Hornhaut (Warsohaner Universititt- berichte 1870, N. 2).

Das Saagadersystem und die Nerven der Cornea. 568

zaerkenBt, weicht Hoyer von mir in den zwei folgenden Punk- ten ab:

1. Indem er von dem Theile des vordem HomhautneiTennetzes spricht, welches hinter der Bowmann'schen Membran liegt und das er „Subbasalschichf' nennt, meint Hoyer, dass dieses Geflecht, welches aus einer Fortsetzung der Conjunctivalnerven besteht, man von den übrigen Nerven der Hornhaut trennen und in zwei Schich- ten, eine obere aus feinen, varicösen Fasern bestehende Schicht, die sogleich unter der Bowmann'schen Haut liegt, und eine tiefere unter- scheiden müsse , - welche aus den obem und tiefen Nervengeflechten der Horuhautsubstanz entsteht. Die Fasern (nach Hoyer) der „Subbasalschicht'' scheinen niemals Kerne zu enthalten und nachdem sie eine kurze Strecke verlaufen sind, endigen sie mit freien Enden, die mit kleinen Verdickungen versehen sind.

Auf dieser Grundlage, zugleich mit dem ' Umstände , dass es Hoyer nicht gelungen ist, eine Verbindung der Nerven mit den Uoruhautkörperchen zu sehen, rechnet er die Nerven seines Ge- ilechtes zur Kategorie der sensiblen und spricht endlich, dass mit Bücksicht auf meine erste Abbildung (s. Fig. 1) und nach der Beschreibung der Nervenverbreitung in der Cornea mir be- reits seine „Subbasalschicht^* der Nerven bekannt war, als ob ich ihre besondere Bedeutung nicht erkannt hätte. Jedoch können wir mit Hoyer darin nicht übereinstimmen, dass man in dem Geflechte, das unter der Bowmann'schen Haut liegt, eine besondere Schicht erblicken sollte, daher wir es auch nicht von den übrigen Homhautnerven trennen können, welche eng mit diesem Geflechte verbunden sind und duYch ihren Charakter der Verbreitung sich nicht von den Nerven unterscheiden*).

2. Was aber die Endigung der Nerven in der Grundsubstanz betrifft, so muss man sagen, dass, wenngleich auch ich ebenso wie

1) Auf der Natarforscherversammlung im vorigen Jahre za Kiew anwe- send, habe ich mit grossem Vergnügen die von Hoyer dorthin mitgebrach- ten, die Nerven der Cornea betrefiPenden Präparate mir angesehen, muss je- doch hier bekennen, dass trotz der Schönheit und Eleganz derselben ich mich von seiner Hauptthese, den greUen Unterschied in der Yertbeilung der >Snb- basalschichtnervenc betreffend, in Folge dessen man dieselben der Meinung H o y e r ' 8 nach in eine besondere Schicht isoliren sollte , nicht überzeugen konnte, üebrigens wie wir auch diese Schicht benennen würden, so wird dadaroh am Wesen der Sache nichts geändert.

564 t)r. M. tjavdowskyt

Kölliker, Hoyer und Andere viele sehr feine Fibrillen gefunden haben, welche dem Scheine nach frei mit einer leichten Verdickung am Ende aufhören, so halte ich dennoch die Behauptung Hoyer's für zu gewagt, dass die Nerven in der Grundsubstanz mit freien Enden sich auflösen; welche nicht mit den Körperchen verbunden sind; und ich bin fest davon überzeugt, dass die sogen, „freien Enden^* nichts anderes als die Producte eines unvollkommenen Gold- niederschlages und daher einer unvollständigen Färbung sind.

Rollett*) und Klein^) sind über die Endigungen der Nerven in der Grundsubstanz d^r Cornea zu negativen Resultaten gelangt, gleich Hoyer und Andern über die Verbindung der Nerven mit den sogen. Hornhautkörperchen : „Ich muss z. B., sagt Rollett, vielmehr gerade auf Grund dieser Goldpräparate behaupten, dass man die feinsten Nervenfasern im Hornhautgewebe immer (??) an den Hornhautkörperchen und ihren Ausläufern vorbeilaufen siebte also eine Verbindung der Hornhautkörperchen mit Nerven daran nicht nachgewiesen werden kann*' (1. c. p. 1139).

Hier wiederhole ich, dass zwar das von mir oben beschriebene (s. Fig. 2, A u. B, Fig. 3, 4, A u. B etc.) bemerkenswerthe Ver- hältniss der Axencylinder der motorischen Nerven zu dem Kern und Kemkörperchen der Saftkanälchenkörperchen nicht so häufig beob- achtet wird, als man es erwarten sollte (ich sage noch mehr: auf manchen Exemplaren der Hornhaut konnte ich dieses Verhält-niss gar nicht finden), so ist es dafür in den Fällen, in welchen ich es mit aller Genauigkeit bei starker Vergrösserung beobachtet habe (hier controlirte ich es immer mittelst Zerzupfung, Isolirung, Auf- lösung der Elemente und Nervenendigungen), keinem Zweifel unterworfen, dass ein Theil der Nerven in den Kernen oder Kemkörperchen der Saftkanälchenzellen endet, wogegen das, was die Autoren (Kühne) die Verbindung der Nerven mit den Fort- sätzen oder Ausläufern der „Körperchen'' benennen, sich immer entweder als Producte einer unvollständigen Ablage- rung des Goldes (in diesen Fällen färbten sich nicht die Theile des Axencylinders , welche im Innern des Homhautkör- perchens nahe beim Kern sich befanden) oder als Product einer zu starken Färbung herausstellte (es ist begreiflich,

1) Von der Hornhaut. Stricker's Lehre v. d. Geweben, Y. Lief. p. 1134 39.

2) Quarierly Journal of microsoop. Science, Ootob. 71 u. January 72.

Das Saugadersystem nnd die Nerven der Cornea. 665

dass im letzten Falle die groben Ablagerungen des Goldes im Proto- plasma der Körperchen die wahrscheinlich existirende Verbindung mit dem Kern unsichtbar machen, und dass auf die Weise die letz- tere sich gleich dem ersten Falle dem Auge des Beobachters, wenn auch aus anderer Ursache, entzieht).

Ich glaube y dass es mir zugleich mit Lipmann zu bewei- sen gelungen ist, dass die Nerven unbedingt mit den Zellen und dabei mit den Kernen und Kernkörperchen in Verbindung stehen, daher ist es begreiflich, dass in derartigen Nerven sensible Fasern von unserem Gesichtspuncte aus nicht möglich sind.

Schliesslich bleibt mir hier noch zu bemerken flbrig , dass ich bis jetzt mich noch nicht von der Wahrheit der Ansicht über den Bau der Hornhautköi-perchen als „platte Zellen^^ der Ansicht, welche von Schweigger-Seidel (s. oben) aufgestellt worden ist, über- zeugen konnte und ich mich eher der Ansicht Rollett's (I. c) anschliesse, und gleich dem letzteren die sogen. Hornhautkörperchen fftr ein „Protoplasmanetz'' halte, welches mit einem Theil der Ner- ven und Nervenendigungen in einem äusserst reichen System von röhrenförmigen Saftkanälchen eingebettet ist, deren vollständige und äusserst gelungene Injectionen nach Leber nicht nur von mir, son- dern von Müller, von Schweigger-Seidel und endlich von Boddaert erhalten sind.

St. Petersburg, im Januar 1872.

Dr. M. Lavdowsky.

ErUänmg der Abbildangen auf Taf. XXH, XXm n. XXIV.

Fig. 1. Neryennetz von der HomhautsubBtanz des Hundes. N Dicke Stämme von Nervenfasern, die mit Kernen und immer feiner werdenden FibriUen versehen sind. Erstero und letztere theilen sieh dichoto« misch und verdünnen sich bis zum Grade isolirter Fäserohen (n) und Axencylinder. S. 7. ok. 2 Hartnack.

Fig. 2. A. Eine varicose Faser (Axencylinder) n, welche durch zwei ver- einigte Saftkanälchen tritt; n' Hineinwachsen einer Faser in'a Saftkanälchen und Protoplasma des Körperohens; n'' Durchtritt

566 Dr. M. Lavdowsky:

durch die Substanz des Kernes und Endigung im Kernkörpercben (aus der Hornhaut eines Hundes). S. 9. immers. ok. 3. B. Dagselbe. Endigung einer verzweigten Faser im Kerne und Kemkörperchen.

Fig. 3. Drei durch röhrenförmige Fortsätze vereinigte Kanftlcben; a Roh^ chen, die aus einem Ganglion der Kanälchen divergiren: b Kerne mit Kemkörperchen; c Grenzen des Protoplasma, welches einen Kern umgibt; n' Verbindung einer blassen Faser mit der Kanälchen- wand und des Azencylinders mit einem Kerne (Hund). S. 9. im- mers. ok. 3.

Fig. 4. A. Yaricöse Faser (n) mit einem Kern (n') des Körperchens ver- bunden, welches im Kanälchen liegt (Katze). B. Verbindung eines dichotomisch verzweigten Nerven mit zwei Kernen in den Kanälchen (Hund). S. 9, ok. 3.

Fig. 5. A. Verbindung von Bündeln der Axencylinder mit einander (N) und eines derselben mit dem „Zellenfortsatze*' der Kanälchen (n% S. 9, ok. 2 (Katze). B. Verbindung eines Azencylinders mit dem tyZellenfortsatze'* der Kanälchen aus der Hornhaut des Frosches. S. 9, ok. 3.

Fig. 6. Ck)mplicirtere Verbindung der Axencylinder (N n) mit einem Zel- lenkeme des Kanälcheus. S. 9, ok. 3 (Hund).

Fig. 7. Netz von Saftkanälohen mit 2iellen und ihren Kernen; a Kanälchen- röhren; b Körperohenkerne ; N ein Axencylinder; p Erweiterong desselben in eine rhombische Platte, die mit der Kanälchenwsod verbunden ist (Hund). S. 8. ok. 3.

Fig. 8. Verbindung von zwei Kanälchennetzen vermittelst eines Axencylin- ders (N), welcher in seine Primitivfasern zerßillt (N') und in das Kanälchen eintritt; n Austritt letzterer aus den Kanälchen und Eintritt in die Grundsubstanz zwischen denselben; p Erweiterung eines Axencylinders in eine grosse complicirte rhombische Platte, die mit einem Kerne versehen ist (Hund). S. 8, ok. 3.

Fig. 9. Netz von Saftkanälchen und ihren Knoten; a Kanälchenröbren; b Körperchenkerne; c getheilte Kerne; a' spindelförmige Kanälchen mit Kernen; N dickes Nervenbündel; n eine von ihm abireteode Faser, die mit einem grossen Körperchenkeme verbanden ist (KalhK S. 10, ok. 4. Fig. 10. A. Ein mit Gold bearbeitetes und mit Berlinerblau itgicirtes Netz von Saftkanälohen aus dem Centrum der Gornea eines Hundes, a, a' theilweise und völlig injicirte Goldkanälchen; b ihre Kerne (mit nucleoli) mit einor blauen Masse umgeben, welche ihrerseits durch die Kanälchenwände abgegränzt wird, in denen ebenso wie im Protoplasma mit Kernen das Gold in Gestalt rosenfarbiger oder violetter Kömigkeit sich abgelagert hat. Fig. 10. B. Ebenfalls röhrenförmige Gebilde (injicirte Nerven) aus dem peripherischen' Theile der Hornhaut, a, a'i b dasselbe wie bei

Dm Saogadenysteni und die Nerven der Cornea. 567

A; t' Verbindung eines Röhrohens mit der Kanälchenkette ; t" »blindes Endec dieses Röhrebens.

Fig. 10. C. Ein injicirtes, aber nicht vergoldetes Nets von Kan&lohen aus der Cornea eines Hundes, welche mit Spiritus und Essigsäure bear- beitet wurde, a, a' stark injicirte Kanälchen, aber in Folge der Alkoholeinwirkung bedeutend eingeschrumpft; b Verbindung letz- terer mit dem gewöhnlichen uninjioirten Saftkanalsystem. Fig. 10 A, B u. C. S. 8, ok. 3.

Fig. IL Eanälchennets mit Körperohen aus der Hornhaut eines Frosches, a Eanälchen; b Körperchenkeme; N Nervenbündel mit Axencylin- der; g Nervenganglien; N' Wurzeltreibung in die Saftkanälchen ; n' Wurzeltreibung zweier; n' eines Axencylinders; n sehr feine, geradlinige Axencylinder und Primitivfibrillen. S. 10, ok. 3.

Fig. 12. Vertioal-schiefer Durchschnitt der Cornea des Hundes; a, d bogenför- mige geordnete S[an&lchenröhren , von denen einige sich dichotomisch theilen; a' Röhrohen von Kanälchenknoten; c, o' unvollendete Con- toren (von einem unvollständigen Groldniedersohlage am betreffenden Orte) der Kanälchenröhrchen; N ein sich verzweigender Nerv; f Fibrillen eines subepithelialen Nervennetzes ; n epitheliales Nerven - netz, dessen Fasern das Plattenepithel erreichen. S. 9, ok. 2.

Untersuchungen über den Isrmphaüsohen Apparat

in der Milz.

Von

Dr. SSdnard Kyber,

Assisienten am pathologischen Institute in Dorpat.

Hienu Taf. XXV und XXVI.

Bei der Betrachtung des Baues der Milz wird die Auftnerk- samkeit besonders nach zwei Richtungen hin gefesselt, einerseits durch die feinsten Blutgefässe, andererseits durch die Lymphbahnen. Als ich meine früheren Untersuchungen über dieses Organ <) veröffent- lichte, hatte ich nur in Bezug auf das Verhalten der ersteren defi- nitiven Aufschluss erzielt. Jenem nattlrlichen Gesetze zufolge, nach welchem der Mensch um so mehr durch einen Gegenstand gefesselt wird, je weniger derselbe erforscht ist oder zugänglich erscheint, interessirte mich aber noch mehr, als die Blutbahn, die Lymphbahn.

Auf das Feld der Wissenschaft ist das Object schon zu Anfang des vorigen Jahrhunderts geworfen, und zwar erkannte Ruysch-), nachdem er auf ingeniöse Weise die Lymphgefässe der Hülle der Kalbsmilz dargestellt hatte, „vasa illa (lymphatim) non solum in plenis superficie reperiri, verum etiam in parte interiori artenam splenicam nervosque concomitari". Er stellte dieses hin gegenüber den Kesultaten anderer Forscher, welche gar keine Lymphgefässe bei der Milz sahen.

1) Dieses Arohiv Bd. VI, p. 510.

2) Opera omnia. Amstelodami MDCGXXXVII. T. I. Dilucidaiio ralvn- larum in vasis lymphaticis etc., p. 18.

Dr. £. K y b e r : ünteranchangen üb. d. lympbatischen Apparat in der Mils. 5^

Ruysch's Angaben worden jedoch in unserer Zeit von den meisten Beobachtern ignorirt, sei es, weil man dieselben nicht kannte, sei es, weil man sie für bedeutungslos hielt; denn dieselben sind alter Sitte gemäss nur in Form der heutigen „vorläufigen Mitthei- lungen^' gemacht Dass aber die späteren bis auf Tomsa (1863) nicht weiter oder nicht einmal so weit kamen als Ruysch, rährt hauptsächlich daher, weil der Weg des directen Nachweises durch die Injection hier mlihsam ist, auf dem bequemen Wege der histo- logischen Analyse aber geirrt wurde.

Thatsache ist nun, dass man zu Anfang des letztverflossenen Decenniums in der vorliegenden Frage so weit zurückgekommen war, als es nur möglich sein konnte. Ein Theil der Beobachter 0 nahm hypothetisch an, dass die Milz ein wesentlich zum Lymph- gefitössystem gehöriges Organ sei, oder behauptete in derselben Weise ohne Weiteres das diametral Entgegengesetzte. Ein anderer Theil beschäftigte sich zwar eingehend mit der Untersuchung der Frage, war aber im Wesentlichen zu negativen Resultaten gelangt. So glaubte bekanntlich Teich mann'), gestützt auf die Ergebnisse seiner Iqjectionen, den Ausspruch thun zu dürfen, „dass im Innern der Milz keine Lymphgefässe vorkommen". Und Billroth') ge- langte nach eifrigem Forschen zu der Ansicht, „dass die mensch- liche Milz (sowie auch die Milz der Katze, des Hundes) überhaupt gar keine Lymphgefässe besitze'^

Allerdings wurde der Gedanke an die Anwesenheit solcher im Innern unseres Organs auch nach dem Bekanntwerden der Teich- mann'schen Untersuchungen nicht allgemein aufgegeben. Ja Schweigger-Seidel^) meinte in Bezug auf die den kleinen Ar- terien zukommende adenoide Scheide (Lymphscheide), es sei „wohl unzweifelhaft, dass diese mit den Lymphgefässen in Verbindung steht''. Aber diese Ansicht stützte sich allein auf die histologische Verwandtschaft jener Scheide mit dem in den Lymphdrüsen zu fin- denden Gewebe. Abgesehen von den Lymphbahnen in der Hülle, welche nur bei gewissen Thieren (Pferd, Rind, Schwein, Schaf) durch

1) Eine genaue Zusammenstellang der älteren Literatur findet man in dem weiter unten bezeichneten Aufsätze von Tomsa. Ich gehe deshalb kurz über dieselbe hinweg.

2) Das Saugadersystem vom anatomischen Standpunkte, 1861, p. 97,

3) Yirchow's Arohiv Bd. XXIII, p. 498,

4) Ebendaselbst p. 669.

670 Dr. Eduard Kyber:

die Injection leicht darstellbar sind, einer nicht richtig gedeuteten Beobachtung Teichmann's und jenen von einzelnen Forschern gesehenen Lymphgefässstämmen, welche am Hilus neben den Blatge- fassen aus dem Organe herauskommen, handelte es sich nur um Yermu- thungen, bis endlich die Injectionsergebnisse von T omsa 0 erschienen.

Die auf die Pferdemilz bezügliche Darstellung, welche von die- sem Forscher in grossartigen Zügen entworfen ist, geht bekanntlich dahin: Milzgewebe und adenoide Arterienscheide sind von Lymph- bahnen durchzogen; zum Abfluss von hier ist ein zweifacher Weg vorhanden : einerseits sind es die Milztrabekel, in denen die Lymph- flüssigkeit in der Regel den in der Kapsel verlaufenden Gefäfisen zufliesst, anderei'seits wird dieselbe durch die Scheide der grösseren Arterien zum Hilus geführt ; überall gewahrt man aber (Kombinatio- nen beider Wege.

Späterhin wurden diese Angaben mehrfach kritisch betrachtet, sie fanden zum Theil eine von der Tomsa'schen differente Deutong, auf Beobachtungen gestützte Mittheilungen über denselben Gegen- stand wurden jedoch nur spärlich geliefert. Wir gehen auf diesel- ben an den betreffenden Stellen ein.

Ich habe früher nur das die Balken durchziehende Stromgebiet darstellen und über dieses nur in den Hauptumrissen Angaben machen können. Wie aber mem Literesse für die Milz nachher nicht auf- hörte, so habe ich bei zweckmässiger Gelegenheit weitere Unter- suchungen insbesondere in Bezug auf die Lymphwege in derselben gemacht. Und jetzt ist es mir denn auch ebenfalls gelungen, längs den Arterienstämmen verlaufende Lymphbahnen zu injiciren und bis in den adenoiden Theil der Arterienscheide zu verfolgen und eine Communication des in dem Balkenwerke befindlichen Stromge- bietes mit dem Milzgewebe sicher nachzuweisen.

Es soll nun zunächst hauptsächlich die Milz des Pferdes be- trachtet werden, indem ich hier das vollständigste Besultat erhalten habe und dabei ein unmittelbarer Vergleich mit den auf dasselbe Thier bezüglichen Angaben T om sa's möglich ist. Wo ich das Object nicht näher bezeichne, ist also immer die Pferdemilz vorauszusetzen.

Wie auch Tomsa, injicirte ich mit einer kleinen Handspritze (von Lür) und zwar ebenfalls nur in der Stromrichtung der ober- flächlichen Lymphgefässe. In dem Modus, wie sich die Bahnen

1) Sitzangsberiohte der Wiener Akademie, mathem.-naturw. Klasse 186S. Juni-Dez. Bd. XLYIIL 2. Abtbi. p. 662.

' üniersucliungeii aber den lympbatisohen Apparat in der Milz. 571

Mten, besteht jedoch zwischen Tomsa's und meinen Resultaten der Unterschied^), dass die Injectionsmasse bei jenem durch die Trabekel in die Milz eindrang, worauf sie am Hilus aus der Tiefe ' wieder hervorkam und in Lymphgefässe überging, während bei mir beide Stromgebiete in einer dem Lymphstrome entgegengesetzten Richtung injicirt wurden, nämlich einerseits eine Injection der Bah- nen in den Trabekeln (Trabecularbahnen) von der Oberfläche aas erfolgte , andererseits ' aber auch die die Arterie umgebenden (perivasculären) Bahnen vom Hilus zur Tiefe sich füllten; in diese drang die Masse also vermittelst Communicationswegen, welche in der Gegend des Hilus zwischen ihrem Stromgebiete und den in der Kapsel verlaufenden Bahnen oder zwischen den aus beiden sich entwickelnden Stämmen bestanden. Zu bemerken ist auch, dass / Tomsa als Ii^ectionsmaterial Leim mit löslichem Berlinerblau ver- wcrthete, während ich nur eine kömige kaltflUssige Masse (das ge* wohnliche Beale'sche Blau^) benutzt habe, und zwar wegen der be- kannten Unzuverlässigkeit des Leimes').

Indem ich mit der Betrachtung des perivasculären Strom- gebietes beginne, glaube ich zunächst als etwas Wesentliches mit- theilen zu müssen, dass unter wenigstens 30 Milzen^) vom Pferde, bei denen ich die Ii\jection der Lymphgefässe vornahm, nur zwei eine FüUung der hier zu betrachtenden Bahnen ergaben, und dass die Injectionsmasse nur in einer (hier jedoch an 5 verschiedenen Stellen des Organes nachgewiesen) bis in den adenoiden Theil der Arterienscheide vorgedrungen war. Interessant war es jedoch, dass die Einspritzung in diesen beiden Fällen verhältnissmässig leicht sich ergab; indem von verschiedenen Zweigen der Kapselgefässe aus, in deren Verlauf die Canüle eingeführt wurde , in der Regel ohne äusserlich am Hilus sich manlfestirende Gefässrupturen ein Ueber- gang der Masse in die perivasculären Bahnen erfolgte. Die Ursache hierfür lag, wie ich glaube, darin^ dass die letzteren in diesen Fällen

1) Dieser Unterschied ist natürlich unwesentlich, aber der Erwähnung gewiss werth.

2) Frey: Das Mikroskop, 1868, p. 96.

3) Siehe in diesem Arohiv Bd. VI, p. 542.

4) Eine besondere Aufmerksamkeit habe ich im Herbste des vergange- nen Jahres 12 Miken gewidmet, hier mitunter 4 6 Stunden auf ein eincelnea Organ verwendet» um dasselbe zu injioiren.

572 Dr. Eduard Kyber:

sich in weit geöffnetem Zustande befanden, wie das ^äter noch berührt werden wird.

Wir haben nun bei dem bezeichneten Stromgebiete einersdts die Wurzel desselben, d. h. den adenoiden Theil der Arterienscheide, andererseits die abführenden Bahnen zu betrachten.

Ich beginne mit den letzteren, den perivasculären Bahnen, jenen Räumen und Ganälen, welche im Innern der Milz die zahl- reichen gesondert in das Organ eintretenden Aeste der Arteria lie- nalis einhüllen. In Fig. 1 0 erhält man bei SOfacher Vergrösse- rung einen Begriff von den Verhältnissen auf einem Querschnitte, welcher einer Stelle entnommen ist, die, in der Richtung der einge- hüllten Arterie gemessen, ca. IV2 Cm. von der Eintrittsstelle der letzteren in die Milz entfernt war. Innerhalb der grösstentheils aus längsverlaufenden glatten Muskelfasern bestehenden Balken- scheide (e), welche ihren Ursprung von der Tunica propria des Organes nimmt , liegt central die Arterie (a) ; seitlich von dieser gewahrt man die Nervenstämme (c); der übrige Raum wird Ton lockerem Bindegewebe (d) und den theils leer, theils mit Injections- masse gefüllt erscheinenden Lymphbahnen eingenommen. Die letz- teren ziehen unsere Aufmerksamkeit am meisten auf sich. Dort, wo dieselben am dichtesten von der blauen Masse angefüllt sind, gewährt das Bild einen etwas eigenthümlichen Anblick. Man fragt sofort, ob es sich auch wirklich um angefüllte präformirte Wege handele. Ans den nächstfolgenden Seiten wird der Leser sich selbst ein Urtheil bilden. Damit man mich jedoch nicht missverstehe, will ich gleich das meinige dahin abgeben, dass wir es hier zwar mit präformirten Lymphwegen zu thun haben, dass dieselben aber in dem vorliegenden Objecte dilatirt und durch die bei der Injec- tion erfolgte Zerreissung der Umgebung vielfach mit einander ver- bunden sind; ausserdem sind bei der weiteren Behandlung nach- träglich Körnchen der blauen Masse in das Gewebe zwischen den Bahnen gelangt.

Man gestatte mir nun auch bei der näheren Beschreibung der Uebersichtsbilder hier und da etwas zu anticipiren, wofür der Be- weis erst später geboten werden wird. Auf diese Weise lassen sich die Thatsachen am kürzesten vorführen.

1) Die Behandlang der abgebUdeten Präparate ist bei der »Erklärong der Abbildungen zu sehen.

Untersacliangen über den lympiiatischen Apparat in der Milz, 578

Wir setzen die Betrachtung mit der schon bekannten Fig. 1 fort. Manches Interessante bietet dieselbe dem aufmerksamen Be- schauer dar. Ich habe die Einspritzung, wie gesagt, nicht von den Hauptstämmen, sondern von den in der Kapsel verlaufenden 6e- fassen aus durch Gommunicationsbahnen gemacht. Augenscheinlich hat nun mehr als ein Gefäss am Hilus mit den perivasculären Bah- nen der Arterie in Fig. 1 im Zusammenhange gestanden, denn während dieselben an der unteren Peripherie grösstentheils voll- kommen leer sind, hat sich die Injectionsmasse an der oberen äusserst dicht angehäuft. Durchgehen wir weiter das Detail, so sieht man links oben einen mit der blauen Masse angefüllten wohlbegrenzten Raum, von welchem Ausläufer nach unten abgehen. Auch von den anderen angefüllten Räumen dringt die Masse mehrfach in Spalten die sich im Bindegewebe befinden, hinein. Die Räume selbst sind verschieden gross, von durchaus unregelmässiger Gestalt. Die In- jectionsmasse erscheint in ihnen theils sehr dicht angehäuft, theils haftet sie nur den Wänden an; sie ist in letzterem Falle einerseits nur in geringer Menge in die Bahnen eingedrungen, andererseits bei der Schnittführung und weiteren Behandlung aus denselben her- ausgefallen. Interessant ist auch, dass die Balkenscheide in der oberen Peripherie (im Bilde) nicht dilatirt erscheint, ja die centrale Arterie liegt sogar näher der oberen als der unteren Begrenzung. Eine gewisse Ausdehnung hatte die Injection wohl bedingt, diese Dilatation hat sich aber wahrscheinlich später bei dem Schwinden des flüssigen Theiles der Injectionsmasse in der MüUer'schen Flüs- sigkeit, worin die Objecte gehärtet wurden, wieder ausgeglichen. Hauptsächlich ist übrigens, wie es scheint, nur das lockere Binde- gewebe in der Umgebung der grösseren Lymphbahnen bei der In- jection comprimirt worden, denn in der oberen Peripherie des vor- liegenden Objectes ist dasselbe nur in Gestalt schmaler dichter Septen sichtbar, während es unten, wo die Bahnen leer sind, viel reichlicher wahrgenommen wird. Rechts im Bilde fällt uns die fast vollständige Einhüllung des Nerven durch die i^jicirten Räume auf, und hier sieht man femer einen (durch Vereinigung von drei kleineren entstandenen) mächtigen muskulösen Trabekel, der sich an der Balkenscheide ansetzt ; seine Lymphbahnen sind in ihrem * Endtheile in geringer Ausdehnung von den perivasculären Bahnen aus iiyicirt. Die uninjicirten Räume erscheinen theils nur als Lücken im Bindegewebe, theils erkennt man schon hier eine besondere Wand

574 Dr. £dnard Kjberi

an ihnen (links). Interessant ist in dem Bilde endlich noch das Verhalten der Arterie (a) zu den perivasculären Bahnen. Man sieht, dass es nicht die Adventitia (z) derselben ist, in welcher sie verlaufen. Die Adventitia ist viel dichter, als die Umgebung, wo- durch sie sich von dieser in Uebersichtsschnitten sowohl nach der Tinction mit Rosanilin, als auch ohne diese (aus MüUer'scher Flüs- sigkeit) durch dunklere Färbung abhebt. An der Peripherie geht dieselbe jedoch continuirlich in das das Bett der Lymphbahnen bil- dende lockere Bindegewebe über, welches als Fortsetzung des sab- peritonealen Bindegewebes zu betrachten ist. Mitunter dringt die Injectionsmasse aus den zunächstliegenden Bäumen auch zwischeo die Fasern der Adventitia hinein.

In Fig. 2 sieht man ebenfalls bei SOfacher Vergrösserung einen Querschnitt von einer anderen Arterie und deren Umgebung, wel- cher einer Stelle entnommen ist, die ca. 3 Gm. von dem Eintritt der Arterie in das Organ entfernt lag. Dasselbe zeigt abermals die vorhin berührten Verhältnisse. Es ist hier die Iiyection jedoch bes- ser gelungen. Die mit blauer Masse angefüllten Räume erscheinen deutlicher als präformirte Bahnen. Ausserdem sieht man dieselben zum Theil im Längsverlaufe in der Umgebung eines von der Arterie a abgegangenen Zweiges (a'), welcher selbst nur in geringer Aus- dehnung an einer gebogenen Stelle von dem Schnitte getroffen wurde. Auch sieht man an der im Längsschnitte sich präsentiren- den Balkenscheide (e) der Arterie a', wie dieselbe aus der Lauge nach verlaufenden Muskelzellen besteht.

Ehe wir weiter gehen, ist hier noch die bei derselben Ver- grösserung gezeichnete Fig. 3 zu betrachten. Ich habe mich be- müht, das betreffende Präparat mit grösster Genauigkeit darzustel- len. Es handelt sich um eine kleine Partie eines Uebersichts- schnittes, welcher in der Längsricl\tung einer Arterie derart g^ macht ist, dass die Arterie nur an der Peripherie stellenweise ge- troffen wurde. Sie ist nicht dargestellt, hätte mit starker Ad- ventitia — links in dem Bilde liegen müssen. Die gezeichnete Partie ' befand sich 1— 17« Cm. von dem Hilus der Milz entfernt Den rechten Rand bildet die Balkenscheide (a), an der nichts von einem 'zelligen Bau gesehen wird, weil das Präparat nicht gefärbt ist An der durch feine Streifung angedeuteten Stelle (e) zwischen beiden Anhäufungen der Injectionsmasse liegt in der Tiefe ein starker Nerv, welcher ebenfalls nur an der Peripherie getroffen wurde und

Untersuchungen über den lympbatischen Apparat in der Milz. 575

nicht deutlich erscheint, weil der Schnitt eine beträchtliche Dicke besitzt und ungefärbt ist , makroskopisch und an der Lage jedoch anzweifelhaft als solcher erkannt wird. In dem lockeren Bindege- webe unmittelbar am Nerven verläuft nun ein wohlgeformtes Lymph- gefass. Dieses hat mir die Veranlassung zur Darstellung des Bil* des gegeben. Das Gefäss ist im Präparate eben so deutlich sichtbar, wie hier; sein Lumen ist theilweise mit Injectionsmasse ausgefüllt, zum Theil ist dasselbe leer und nur an den Wänden mit einigen blauen Körnchen belegt, wie das nicht selten bei der Injection mit den körnigen Massen gesehen wird. Das untere Ende des Gefässes verliert sich, ohne dass es weiter verfolgt werden kann, das obere, welches dem Hilus der Milz zugekehrt ist, beginnt nicht an jener Stelle, wo es auf dem Bilde aus den gefällten Räumen zu entsprin- gen scheint, sondern erscheint abgeschnitten, wie man das bei ver- schiedener Einstellung des Mikroskops sieht. Wahrscheinlich ich zweifle nicht daran ging es unmittelbar in die am Hilus austre« tenden Stämme über. Nachweisen konnte ich das nicht, weil man- cher Schnitt bei der Anfertigung solcher Präparate verloren geht, indem trotz der Dicke, welche dieselben haben müssen, damit die Continuität gewahrt werde, doch häufig ein Ablösen der Theile von einander stattfindet, namentlich dann, wenn die in dem lockeren Gewebe verlaufenden Bahnen am gelungensten in der Längsrichtung getroffen worden sind. Das Bild thut aber jedenfalls unzweifelhaft dar, dass in der Umgebung der Arterien im Innern der Milz neben den übrigen Lymphwegen auch wohlgeformte Lymphgefässe vor- kommen. Bilder, ähnlich dem dargestellten, habe ich, wenn auch weniger schön, nicht selten in Schnitten aus der Nähe des Hilus gesehen. Klappen scheinen in diesen Gefässen keine oder nur rudi- mentäre vorhanden zu sein. Was das sonst noch in Fig. 3 Wahr- nehmbare anlangt, so treten auf der linken Seite mehr begrenzte injicirte Räume hervor/ während auf der rechten Seite eine gleich- massige Anhäufung der blauen Masse in dem dicken Schnitte vor- handen zu sein scheint

Aus dem Mitgetheilten geht schon hervor und aus dem Fol- genden wird sogleich weiterhin ersichtlich werden, dass die peri- vasculären Lymphbahnen, abgesehen von der äusserst wechselvollen Gonfiguration ihres Lumens, nament- lich auch in ihrem Baue eine nicht unbedeutende Ver- schiedenheit darbieten. Es wiederholt sich hier also dieselbe

B76 t)r. Eduard Kyber:

Erscheinung, welche von dem Lymphgefässsystem im Allgemeinen bekannt ist. Im Wesentlichen haben wir jedoch nur eine zweifache Form, einerseits ausgebildeten Lymphge- fassen ähnliche Ganäle, andererseits eigen thümliche Lymph räume. Die letzteren findet man aber wiederum theils als solche ; welche mit stärkeren Wandungen versehen sind, theils als solche, deren Begrenzung nur durch die als Endothel bekannte dünne Zellenschicht gebildet wird, und diese letzteren stellen ihrer- seits wieder entweder grössere Räume in dem Bindegewebe dar, oder präsentiren sich nur als feine Spalten zwischen den Bindege- websbalken.

Die wohlgeformten Gefässe, von denen man eines in Fig. 3 ge- sehen hat, will ich nicht weiter besprechen; diese Art Gefässe sind so bekannt, dass über ihre Natur kein Zweifel bestehen kann. Die übrigen Bahnen müssen aber noch weiterhin betrachtet werden.

Die Fig. 5 möge zur Orientirung dienen. Dieselbe stellt bei 310facher Vergrösserung einen Theil eines feinen Querschnittes dar, welcher 272—3 Cm. von der Eintrittsstelle der Arterie in das Organ entfernt gemacht ist. Bei a sieht man einen kleinen Theil der Wand (Muscularis) der von den Lymphbahnen eingehüllten Arterie. Hiernach haben wir es also mit einer der Arterie zunächst liegen- den Partie zu thun. Unmittelbar der Adventitia (b) sich anschliessend, sieht man auf dem Querschnitte die starken Fibrillenbündel de« lockeren Bindegewebes (f), und in diesem die Lumina von quer durchschnittenen Canälen oder Räumen, deren Wand theils deutlich hervortritt (d), theils nur theilweise oder gar nicht in dem Bilde zu sehen ist (c, e). Man sieht auch, dass die Spalten zwischen den Bindegewebsbalken mit diesen Räumen im Zusammenhange stehen.

Zunächst ist das lockere Bindegewebe zu berücksichtigen. Das- selbe unterscheidet sich nicht wesentlich von dem lockeren Binde- gewebe anderer Orte; es besteht aus feineren und stärkeren Binde- gewebsfasern (Fibrillenbündeln), Zellen, welche bald reichlicher, bald spärlicher vorhanden sind, und einer grossen Menge elastischer Theile.

Die Kenntnisse über den Bau des Bindegewebes haben nun aber in der jüngsten Zeit eine neue Wendung genommen, deshalb ist es nothwendig, bei diesem Gegenstande noch einen Augenblick zu ver- weilen.

Nachdem schon früher einzelne einschlägige Beobachtung^ ge-

Üntenuoliongeii über den lymptkatisohen Apparat in der Milz. 577

macht worden waren, hat bekanntlich zuerst Banvier^) näher dargethan, dass die zelligen Elemente der Sehnen und des lockeren Bindegewebes abgeplattete Gebilde, mehr oder weniger ähnlich den Zellen auf der Oberfläche seröser Häute, darstellen, und dass die- selben den FibriUenbündeln von aussen anhaften. Das weitere De- tail der Ranvier'scben Angaben erwies sich zwar als irrthdmlich, das Wesentliche in Bezug auf die Bindegewebszellen ist aber schon mehrfach bestätigt worden. Ich will hier nur anführen, dass nach Schwalbe') die zeUigen Elemente der den Opticus umhüUenden Bindegewebsbalken, sowie auch der Balken des Fontana'schen Bau- mes nur solche Platten sind, welche hier za elastischen kernhalti- gen Scheiden zusammengeschmolzen erscheinen, während BolH), der die Frage über den Bau des Bindegewebes einer eingehenden Untersuchung unterworfen hat, in Bezug auf das fibrilläre Binde- gewebe der ,f Arachnoides cerebri^' und der von ihr zum Gehirn ab- gehenden Balken zu dem Besultate kommt, dass hier ein wechsel- YoUer Bau vorhanden ist, obwohl es sich stets um analoge Verhält- nisse handelt: Die Fibrillenbttndel sind mit äusserlich ihnen an- haftenden Zellen versehen ; diese sind auf den einzelnen Fasern in verschiedener Menge vorhanden, vorzugsweise abgeplattet, bald je- doch kleiner und mit weichem Protoplasma versehen, bald in iso- lirte kernhaltige ehistische Platten umgewandelt, bald endlich zu elastischen, mit Kernen versehenen Scheiden, welche die Fibrillen- bündel einhüllen, zusammengeschmolzen. Ausserdem fand Boll in den Zellen und den von diesen gebildeten Scheiden elastische Strei* fen oder Bippen.

Ich muss mich nun in Bezug auf das lockere Bindegewebe, welches die Arterienstämme in der Milz umgibt, an Boll an- schliessen, doch scheint hier eine noch grössere Mannigfaltigkeit zu bestehen, als an anderen Orten.

Die Fibrillenbündel sind von sehr verschiedener Dicke. Bei alten Pferden sieht man alle Uebergänge von ganz feinen Fasern bis zu solchen von 0,021—0,03, mitunter selbst bis 0,06 Mm. Durch- messer. In der Milz des Füllens sind dieselben durchweg feiner. Beim Ochsen und Kalbe findet man ein ähnliches Verhältniss, doch

1) Arohive de Physiologie normftle et pathologique T. 11 1869, p. 471.

2) Dieeee Archiv Bd. VI, p. 51 n. 291.

3) EbendM^btt Bd. Vü, p. 275.

X. BohidtM» ArohlT 1 mSktoA. Aiulomto. Bd. 8. 38

&8Ö l)r. fidnard KyberV

physiologische Beobachtung gemacht wird, obwohl auch diese nar relativen Werth hat. Wenn man aber die in Rede stehenden Zel- len nach dem mikroskopischen Aussehen als lymphoide besdchnen dar^ und somit geneigt ist, auch bei ihnen die diesen Zellen über- haupt zugeschriebenen Lebenseigenschaften vorauszusetzen, so wird in unserem Falle der Schluss nahe liegen, dass sie wenigstens zum Tbeil von dem adenoiden Theil der Arterienscheide herrQhrm.

Das oben bezeichnete Präparat (Fig. 5) ist der Milz eines aHen Pferdes entnommen. Die Bindegewebsbalken, welche eine beträcht- liche Dicke besitzen, werden auf dem Quer- und Schrägschnitte ge- sehen ; zwischen denselben treten , da das Object mit RosaniUn ge- färbt ist, die elastischen Gebilde durch ihre tiefere Farbe stark hervor. In dem Bilde sieht man den direeten Uebergang dieses Gewebes in das dichtere, sonst nicht wesentlich von denselben ver- schiedene Gewebe der Arterienadventitia (b). Der Zusammenhang mit der Balkenscheide ist ebenfalls ein inniger, indem ein directer Uebergang der Fasern des betrachteten Bindegewebes in die Balken- scheide wahrgenommen wird. In der menschlichen Milz, wo die Balkenscheide grösstentheils oder mitunter ausschliesslich aus Bin- degewebe beßteht, ist dieser Uebergang leicht verstandlich; er er- folgt zwar allmählig, aber rasch, so dass die Balkenscheide sich mehr oder weniger scharf von dem in derselben eingeschlossenen Gewebe abhebt ; nur in jenen Fällen, wo durch pathologische Ver- änderung das lockere Bindegewebe im Inneren dichter oder die Balkenscheide lockerer wird, vertiert sich die scharfe Grenze zwi- schen beiden. Bei dem Pferde (ähnlich bei dem Ochsen and Schweine) besteht die Balkenscheide zum grössten Theile oder fast ausschliesslich aus in der Längsrichtung angeordneten Muskelzellen ; nach innen zu enthält dieselbe jedoch immer einzelne zwischen den MuskelzellenbündeloL dahinziehende Bindegewebsfasern, und diese stehen im Zusammenhange mit denen des Innenraumes. Ich habe die betreffenden Verhältnisse namentlich bei alten Pferden naher untersucht. Die Fasern des lockeren Bindegewebes fand ich in der Peripherie, d. h. in der Nähe der Balkenscheide, in der R^el durch- weg feiner, als in dem centralen Theile, in der Nähe der Arterie. Jene feinen Fasern nun verweben sich mit dem dichten Bndc^e- webe zwischen den Muskelzellenbündeln der Balkenscheide entweder derart, dass die Grenze zwischen Balkenscheide und lockerem Binde- gewebe mehr oder weniger scharf hervortritt , oder man findet an

ÜnteTsuohazigen aber den lymphatisoheD Apparat in der Milz. 681

d^ Grenze zwischen beiden Muskelzellenbündelchen, welche sich von der dichteren Masse der Balkenscheide eine kleine Strecke ganz oder theilweise entfernen und, ihr parallel laufend , in mehr locke- rem Bindegewebe eingebettet erscheinen. Es tritt dieses besonders schön an solchen (mit Rosanilin gut gefärbten) Schnitten hervor, wo die Balkenscheide der Länge nach getroffen ist. Die äusseren Theile der Balkenscheide bestehen dagegen auch hier aus dicht ge- lagerten Muskelzellen. Das Verhältniss der Balkenscheide zu dem einliegenden Bindegewebe ist übrigens sehr ähnlich jenem, welches zwischen dem subserösen Bindegewebe und der Tunica propria be- steht, sowie auch der Bau der Balkenscheide mit dem der Tunica propria übereinstimmt, und wir werden das soeben Berührte noch deutlicher in Fig. 10 bei A und B weiter unten sehen.

Wenden wir uns jetzt zu den grösseren in dem Bindegewebe befindlichen Räumen. Dass die in Fig. 5 bei 310facher Vergrösse- rung dargestellten Räume c, d, e Lymphräume sind , ist leicht zu beweisen: Einerseits gelangt die in notorische Lymphbahnen einge- spritzte Injectionsmasse in dieselben hinein, wie ich das bei der Pferdemilz erreicht habe, andererseits kann man beim Einstich in das lockere Bindegewebe, welches die Arterie umgibt, notorische Lymphbahnen am Hilus füllen, wie mir das bei der Milz des ^Rin- des gelungen ist; dazu kommt noch der Umstand, dass jenen Räu- men keine andere Deutung gegeben werden kann, wenn man ihre Lage und ihren Bau berücksichtigt.

Bei d (Fig. 5) sieht man einen Raum mit verhältnissmässig sehr stark entwickelter Hülle. Die Räume c, c lassen ebenfalls eine Hülle erkennen, dieselbe ist hier aber grösstentheils viel feiner, auch nicht überall gleichmässig entwickelt, indem sich dickere und feinere Stellen vorfinden; an einzekien Stellen wird die Haut aU- mählig so dünn, dass man zuletzt bei der einfachen Betrachtung bei 500facher Vergrösserung nicht mehr sagen kann, ob sie noch vorhanden ist

Die in Rede stehende Hülle zeigt in ihrem optischen und che- mischen Verhalten die nächste Verwandtschaft mit den elastischen Gewebstheilen. Sie hebt sich in frischen und ungefärbten Objecten durch stärkeren Glanz von den Bindegewebsfasern ab, nach der Anilintinction durch viel dunklere Färbung; schön bei schwacher VergrOsserung erkennt man sie nach dieser Behandlung, wenn sie

682 Dr. Eduard Eyber:

starker entwickelt ist, als saturirt gefärbte Auskleidung der Räume in der blassen Umgebung.

Betrachtet man die Haut genauer, so sieht man, dass ihre zum Lumen gekehrte Oberfläche nicht vollkommen glatt ist; man er- kennt hier auf Durchschnitten entweder kleine Erhebungen, wie wenn an einzelnen Stellen ganz kleine flache Kerne eingemauert wären, oder gewahrt kleine Leisten von eben messbarer H5he und Dicke, die sich von der Oberfläche erheben. Zur Peripherie hin sendet sie hie und da deutlich wahrnehmbare Fortsätze zwischen die Bindegewebsbalken, und zwar derart, dass man (in Schnitten) von der die Spalträume überbrückenden Haut unter einem verschie- denen Winkel diese Fortsätze, mit oder ohne deutliche Verbreite- rungen an den Abgangsstellen, sich entfernen sieht, oder die Haut erscheint in der Gegend der Spalten, welche sich zwischen den an- liegenden Balken vorfinden, stellenweise mit feinen Lüdcen versehen, und hier setzt sich dieselbe dann auf die Balken fort. Wegen der grossen Feinheit der Theile sind diese Verhältnisse keinenfalls überall deutlich zu sehen, nicht ganz selten überzeugt man sich jedoch ganz sicher davon. In der Regel ist die Hülle der Räume dort^ wo sie durchbrochen erscheint, äusserst fein, so dass man ihr Durchbrochen- sein vielfach erst dann bemerkt, wenn man beim Zeichnen die Be- grenzung der letzteren genauer durchmustert. Aber auch an den dickeren Hüllen kann man solche Lücken und Fortsetzungen auf die Bindegewebsbalken sehen (Vergl. Fig. 5 am unteren Ende bei d). Mit den Bindegewebsfasern steht die EEaut in keinem directen Zu- sammenhange; sie liegt vielmehr den Balken nur auf, ist jedoch so fest an dieselben geheftet, dass sie sich in Schnitten der in Müller- scher Flüssigkeit gehärteten Objecte nur selten in grösserer Aus- dehnung loslöst, während die Scheiden der Balken dieses, wie es scheint, sehr leicht thun.

In der Weise, wie bei d in Fig. 5, habe ich die Hülle nur bei alten Pferden gesehen. Sie erreicht hier im Maximum die Dicke von 0,003 Mm. Diese starke Entwickelung wird jedoch auch hier nur selten gefunden. In einer aus früherer Zeit aufbewahrten Milz eines Füllens, welche ich zum Vergleich durchforschte, zeigte sich die Hülle nicht stärker, als von eben messbarer Dicke. Den Ver- hältnissen beim Pferde am nächsten fand ich die Bildung beim Rinde, jedoch beim Ochsen feiner, als bei alten Pferden. Beim Menschen ist die B^renzung der Lymphräume nur von äusserster

Unienmohang^eii über den lympbatisohen Apparat in der Milz. 583

Feinheit, so dass man in der Regel bei einfacher Betrachtang kaum eine Andeutung einer Hülle findet.

üeber die Bedeutung derselben bin ich nicht ganz in^s Beine gekommen. Es scheint mir jedoch, dass sie in nahe Verwandtschaft mit jener Haut zu stellen ist, welche Schwalbe 0 als eine dem Schlemm'schen Canal zukommende „endotheliale Auskleidung von dgenthOmlicher Beschaffenheit'' beschrieben hat, und mit den Mem- branae propriae der DrUsen, welche nach BolP) als aus verschmol- zenen platten Bindegewebszellen entstandene Gebilde aufzufassen sind. Ich bin leider nicht in der Lage, eine Entstehung der uns interessirenden Haut aus solchen Zellen sicher nachzuweisen. Was mir die eben erwähnte Annahme zu gestatten scheint, ist Folgen- des: 1. Dass man neben den Räumen mit einer stärker ausgebil- deten Haut und zwar bedeutend häufiger (oder selbst ausschliesslich) solche findet, welche nur durch Auseinanderdrängen der Bindege- websbalken entstandene Höhlen zu sein scheinen (Fig. 5, e), 2. dass man alfer ebenfalls an diesen Höhlen eine äusserst feine, den Binde- gewebsbalken anliegende, die Spalten in der Peripherie überbrückende oder Fortsätze in dieselben einsendende Linie als optischen Aus- druck einer Haut finden kann, in welcher auch kleine elliptische Kerne zu erkennen sind, 3. dass man ferner auch dort, wo die Haut stärker ooitwickelt ist, Uebergänge in die äusserst feine, zum Theil der Wahrnehmung sich entziehende Hülle sehen kann, 4. dass an gewissen lULumen eine Deckzellenlage (sogen. Endothel) sicher nach- zuweisen ist, 5. dass endlich eine stärkere Entwickelung der Hülle wahrscheinlich erst bei älteren Thieren eintritt

Ueber die elastischen Deckzellen, die sogen. Endothelien *), sind

1) Dieses Archiv Bd. VI, p. 806.

2) L. 0. p. 820, 323.

3) indem Virchow (dessen Arohiv Bd. XI, p. 466) historisoh nachge- wieeen hat, dass das Wort lEpithelc weder von tela (Gewebe), noch von tiJios (Ende, Oberfl&che), sondern ^Xti (Brnstwarse, im weiteren Sinne Pa- pille) herstammt, erscheint mir der Ausdruck »Endothele durchaus unpas- send. Noch unthunlicher erscheint es mir, gewisse Zellen des Bindegewebes als »endothelartig« oder »endotheUoid« (Boll, in diesem Archiv Bd. VII, p. 826) zu bezeichnen. Es ist nicht einzusehen, weshalb die Bindegewebs- zeUen jetzt, nachdem ihre Natur besser erkannt ist, mit neuen Namen belegt werden müssen. Auch die die Oberfladie der grrösseren Binnenräume des Körpers bekleidenden Zellen können zur ünterscheidang von den genetisoh

684 Dr. Eduard Kjber:

nQD noch einige Angaben zu machen. Wenn man bei einer Kalbs- milz die Arterie sammt Balkenscheide herausprftparirt, das Binde- gewebe, welches sich zwischen dieser und der Arterie befindet, los- löst und in bekannter Weise mit Argentum nitricum behandelt» so kann man an einzelnen Stellen das schwarze Netz der bdcannten Silberlinien erhalten. Noch besser gelang mir dieses, wenn ich nach Einstich in die Balkenscheide eine c. 0,2 % Lösung des Silbersalzes in das perivasculäre Bindegewebe iqjicirte. Ist der Einstich gelun- gen, so kommt die Flüssigkeit nicht aus dem Arterienstamme her- vor, sondern die Scheide wird aufgebläht, oder die Masse quillt am Hilus ausserhalb der Arterie hervor. Wenn ich nach einer solchen Injection das perivasculäre Bindegewebe m einer kleinen Strecke sorgfältig lospräparirte und auf dem Objectträger ausbreitete , er- hielt ich nach Einwirkung des Lichtes Bilder, wie man eines in Fig. 6 bei A (SOfache Yergrösserung) sieht. Wegen der erwähnten Präparation gibt die Anordnung des Silbemetzes im Bilde die natör- liehe Verbreitung zwar nicht wieder, aber man überzeugt sich hier von der Anwesenheit einer Deckzellenhaut.

Ob eine solche Zellenlage auch auf der Oberfläche der relativ starken elastischen Hülle der Lymphräume vorhanden ist, oder ob diese, ein Aequivalent für jene, aus ihr entstanden ist, wie wir das als wahrscheinlich hinstellten, kann ich deshalb nicht sicher ent- scheiden, weil jene stärkeren Hüllen nur bei alten Pferden von mir gesehen wurden. Die Behandlung mit Argent. nitr. habe ich aber bei der Milz dieser Thiere nicht vorgenommen.

Ueber die bezeichneten Deckzellen habe ich nur noch wenig zu sagen. Bei B und C (Fig. 6) sieht man dieselben bei SlQEacher Yergrösserung in situ; es sind hier kleine Partien von grosseren mit Silbernitrat behandelten Präparaten dargestellt; eine weitere Beschreibung dürfte überflüssig sein. Bei D (Fig. 6) findet man abgelöste Fetzen der Zellenhaut, welche theils (a und b) nadi der Silbereinwirkung und Maceration in verdünntem Glycerin dargestellt, theils (c) von dem nicht mit Silber behandelten Präparate nach einigem Liegen in Glycerin durch Schaben entfernt worden sind. Ein Vergleich mit den Fig. 7 dargestellten Zellenhäuten, welche aus den Lymphgefässen der Kapsel herrühren und die gewöhnlichere

verschiedenen Epithelien einfach »Bindegewebs-Deokzellenc oder »ebutiflche Deokiellenff genannt werden.

Unterraohongen über den lymphtttitoliOQ Apparat in der Mili. 686

Form der diese Gefitese auskleidenden Zellen darbietai, zeigt» dass die Zellen in den perivasculären Bahnen etwas verschieden davon sind, indem sie kleiner erscheinen und ihre Gonturen nicht so weit- schweifende Schlangenlinien darbieten, doch findet man auch hier verschiedene Formen, darunter auch solche, welche jenen Zellen sehr ähnlich sind.

An den Balken habe ich, wie auch Schwalbe^ au einem anderen Orte, keine Silberlinien mit Sicherheit gesehen. Ich konnte zwar nach Injection der bezeichneten Lösung des Silbersalzes in das perivasculäre Bindegewebe in den zerzupften Präparaten Balken finden, welche fast vollständig von den schwarzen Linien umsponnen erschienen, aber es ist am wahrscheinlichsten, dass dieselben solche waren, welche die grösseren Lymphräume begrenzten, denn der grösste Theil der Balken färbt sich durch das Silbersalz nur braun, und an manchen Stellen erhielt ich nach der Iigection des Silber- sahEes in das perivascul&re gar keine schwarzen Linien, obwohl das Object vollkomme» frisch bearbeitet wurde').

1) Dieses Arohiv Bd. VI, p. 66.

3) Da ich mich obeo bei der Betrachtung der Silberbilder nur kors ge- best habe, sei es mir gestattet, an dieser SteUe noch einige Bemerkungen über denselben Gegenstand su machen.

Ich schliesse mich in Bezug auf die Bedeutung der v. Recklingbausen-

4

sehen Silbermethode an Schweigger- Seidel (Berichte der königl. s&chsi- scben Gesellschaft d. Wissensch. Mathem.-phys. Cl. 1866, p. 880) darin an, dass die »Safbkanalbilderc keine > Saftkanäle t darthun, dass aber die bekann- ten scharfen schwarzen Linien »bedingungslos als die Grenzen c Ton Zellen oder, wie ich hinzuf&ge, deren Derivaten anzusehen sind« und dass man wei- terhin zu der Annahme berechtigt ist, »dass da, wo bei der Silberbehan^ung ähnliche Liniennetze zum Vorschein kommen, überall besondere Zellenlager vorhanden seien.«

Mein Vertrauen in die Silbermethode ist in dieser Beziehung bedingungs- los, jedoch nicht blind. Ihre Bedeutung erschien mir anfangs zweifelhaft, nnd zwar hauptsächlich deshalb, weil ich an demselben Froschmeeenterium mitunter auf der einen Seite die von Schlangenlinien begrenzten grossen Felder, auf der anderen ein regelmässiges Mosaik von bedeutend kleineren Zellen erhielt, ja zuweilen auf derselben Seite diese so verschiedenen Zeich- nongen fand, also an einem und demselben Orte zwei Bilder, welche sich von einander ebenso unterscheiden, wie z. B. Fig. 7 A von Fig. 8. Nach- dem ich aber weiterhin, im Anschlüsse an Seh weigger -Seidel, weder auf Papier noch getrocknetem Bindegewebe, frischem oder getrocknetem elaiti-

586 Dr. Eduard Kyber:

Nachdem nun die Verhältnisse im Einzelnen betrachtet worden sind, ist es erforderlich, das perivasculäre Stromgebiet vom Anfange bis zum Ende zu durchgehen. Ich werde dasselbe jedoch in dem

sehen Gewebe, welche mit Hühnereiweiss behandelt worden waren, ähnliche Silberbüder erhalten konnte, eben so wenig dieses erzielte, wenn jene Objecte im lebenden Körper des Frosches oder ausserhalb des Thieres mit Flüssigkeit aus der Bauchhöhle oder den subcutanen Lymphranmen imprignirt worden waren, wandte ich meine Aufmerksamkeit wieder jenen Objecten su, wo die Silberliniennetse zu sehen waren, und ich fand in der That, dass sich überall, wo diese Netze erhalten werden, bei einiger üebung mit Leichtigkeit Häut- chen mit der schwarzen Zeichnung isoliren lassen; allerdings gelingt es nicht immer, Kerne in den darch die schwarzen Fäden begrenzten Feldern zur Wahrnehmung zu bringen, aber die Existenz feiner Häute (mit der elastischen Substanz nahe kommenden Eigenschaften), die autf gesonderten, fest mit ein- ander verbundenen Feldern bestehen, tritt klar zu Tage.

Ob man nun der Ansicht huldigmi will, dass die Kittsubstanz sich durch das Silber fllrbe, oder jener, dass eine in den Furchen zwischen den Zellen auf deren Oberfläche befindliche Substanz dieses thue, das bleibt sieh in Be- zug auf die Hauptfrage gleich. Jedenfalls handelt es sich aber, wie ich an- nehmen zu müssen glaube, nicht um eine die Fläche bespülende albuminhal- tige (im speciellen Falle Lymph-) Flüssigkeit, welche sich in Furchen ange- häuft hätte, sondern um eine Substanz, die zu der Kittsubstanz in naher Be- ziehung steht. Ich Bchliesse das einerseits daraus, dass die schwarzen ZeUen- grrenzen z. B. an dem Epithel der von Urin bespülten HamblasenachleimhsQt des Hundes auf das Vorzüglichste dargestellt werden können, andererseits daraus, dass solche schwarze Linien an einem reichlich mit Flüssigkeit der Lymphsäcke des Frosches imbibirten fremden Gewebe, welches ebenfidls feine Furchen auf der Oberfläche besitat, nicht entstehen. Es eradheint mir nicht nothwendig, die »Schaltplättchen« in der Weistf zu erkU^en, dass die- selben ihre Entstehung einem in Furchen des Zellenkörpers seihet sich bil- denden Miederschlage verdanken. Es werden auch mit Kernen Tervehene kleine Platten zwischen 4 8 Mal grösseren Platten, die alle Kerne haben, gesehen. Gerade die verschiedene Grösse der Platten ist charakteristisch für die betreffenden Häute. Wo Linien gesehen werden, welche scheinbar im Innern einer Platte abgebrochen endigen, kann mit demselben Rechte eine theilweise Verschmelzung der Zellen angenommen werden, mit welchem man Furchen im Zellenkörper annimmt; auch konmit es vor, dass zuweilen nur ein Theil der Zellengrenzen sich färbt, die Fortsetzung der abgebrochenen Linie dagegen deutlich im ungefärbten Zustande bis zu einer anderen Silber- linie verfolgt werden kann.

In Bezug auf die eigenthümliche Begrenzung der die elastischen Zellen- dedken bildenden Platten möchte ich mir noch folgende Bemerkung erlauben.

ünterBuchangen über den lympfaatiichen Apparat in der Milz. 687

der Stromrichtung der Lymphflüssigkeit entgegengesetzten Verlaufe verfolgen, weil ich mich auf diese Weise am besten an den Gang meiner Untersuchungen halten kann.

Man könnte hier zwar, am die Formen zu erkl&ren, besondere Wachsthuros- geeetze annehmen. Meiner Ansicht nach sind die Schlangenlinien and zacki- gen Netze jedoch nur temporare Begrenzungen der Zellen, dadurch bedingt, daas die elastische Substanz der Zellenkörper sich ungleichmässig contrahirt und die dünnen Zuge der die Platten fest aneinanderhaltenden Eittsnbstanz in verschiedener Hichtung verzerrt werden. Es l&sst sich nämlich (besonders schön am Froschmesenteriara) das von Schlangenlinien gebildete Silbemetz durch Zerrung des Objectes in die yerschiedensten Formen bringen; durch Dehnung kann man aus den bekannten Figuren langgestreckte, ganz schmale Felder bilden, wo die grösseren Biegungen der Silberlinien mehr oder weni- ger ausgeglichen, nur die kleineren Zacken noch geblieben sind; die Länge der Felder erscheint hier bedeutend grösser, als £rüher, ist albo auf Kosten der Breite entetanden, und man kann die Dehnung der Platten mit jener eines Gummistückchens yergleichen. Dass die betreffenden Zellenplatten der elastischen Substanz nahe stehen, ist bekannt ; die Resistenz gegen chemische Agentien und das optische Verhalten beweisen dieses. BoU hat neuerdings dargethan, dass man in diesen Zellenkörpem stärkere Leistchen in dünneren Partien zu unterscheiden habe. Eine verschiedene Contractionsfahigkeit der einzelnen Theile einer Zellenplatte lässt sich hiemach ohne Bedenken anneh- men. Andeutungen von Falten sieht man trotz der Feinheit der Yerhältnisse ganz oonstant. Bei starker Anfnllung der Lymph- (und Blut-) Bahnen, wenn die Wandungen sich ausdehnen, werden die einzelnen Theile einer Zellenplatte wahrscheinlich auch in verschiedener Weise gedehnt, und dann dürften ihre Contuien die Schlängelungen verlieren. Jedenfalls ist eine be- trächtliche Dilatation der in Rede stehenden ZeUendecke möglich, ohne dass Zerreissungen erfolgen. Während der Iigection (Lösung von Arg. nitr.) kann man die Lymphbahnen der Milzhülle z. B. um das lOfache ihres im colla- birten Zustande wahrnehmbaren Durchmessers oder darüber ausdehnen; präparirt man sich hiemach ein Object, um die Deckzallen dieser Bahnen von der Fläche mikroskopisch zu betrachten, so vermindert sich der Umfang der Wand wieder beträohthch, stärkere Faltungen sieht man in der ZeUen- haut aber nur in verhältnissmässig geringer Menge; die ZeUenhaut bildet trotz der vorangegangenen Dilatation eine ununterbrochene Decke.

Die mannigfachen Formen, in welchen der braune NiederschUg auf der Oberfläche der Zellenkörper sich zeigte sind allgemein bekannt. Zu bemer- ken habe ich aber noch, dass ich nicht ganz selten von verschiedenen Loca- litäten Bilder erhalten habe, wo neben den schwarzen Linien eine schöne braune Färbung der Kerne der ZeÜen zu sehen war, während die Oberfläche des 2!ellenkörper8 sonst vollkommen frei von dem Niederschlage war (Flg. 7 B) oder nur spärliche braune Körnchen zeigte (Fig. 8),

588 Dr. Ednard Kyber:

Die Arteria lienalis verläuft beim Pferde, nachdem sie za der Milz gelangt ist, längs dem Hilus in der Richtung vom breiten zum schmalen Ende des Organes, und löst sich ^^ährend dieses Verlaufes in zahlreiche Zweige auf, welche gleich nach dem Abgange von dem Hauptgefässe in das Organ eintreten. Sie liegt sammt der Vene, den Nerven und den Lymphgefässstämmen zwischen den von der Tunica propria als Ligamentum gastro-lienale sich fortsetzenden Peritonäalblättem in einem lockeren Bindegewebe eingehüllt. Dieses letztere steht nun in Zusammenhang mit jenem Bindegewebe, wel- ches die Arterien tm Inneren des Organes umgibt und das Bett der perivasculären Bahnen darstellt Die Venenstämme kommen hier nicht in Betracht, da sie ausserhalb der Balken scheide liegen.

Dort, wo die Arterienzweige in das Organ eintreten, sieht man feine Lymphgefässe aus dem lockeren G«webe hervorkommen. Es gelingt nicht bei jeder Arterie, dieselben sicher nachzuweisen, aber dieses beweist doch nicht ihr Fehlen , da die Ge&sse im uninjidrten Zustande äusserst fein sind. Durch die Präparation kann man sie kaum weiter in die Tiefe verfolgen. In einer Entfernung von ca. IVs Cm. vom Hilus fand ich jedoch noch solche Gefässe» wie eines in Fig. 3 gesehen wurde.

Weiterhin findet man, dass die ganze Strecke von der adenoi- den Arterienscheide bis zum Hilus von den geschilderten Lymphrän* men durchsetzt ist. Zum Theil handelt es sich hier nur um Höh- len, welche auf Längs- und Querschnitten eine annähernd gleidie Ausdehnung zeigen und durch engere Gänge mit einander communi- ciren. In manchen Fällen habe ich mich jedoch überzeugt, dass ein Theil der Bäume nicht derartige Höhlen, sondern Canäle dar-

Die Lösung des Arg. nitr., welche ich benutzte, war 0,2 bis 0^ ^/o- Die suooessiTe Behandlung der Objecto mit Schwefels. Eisenoxydol und Ferridcyankalium oder Eisenchlorid und Ferrocyankalium (Vergl. Leber, Arch. f. Ophthahnol. Bd. XIV, p. 300, und Severin, Beiträge zvtr Lehre von der Entzfindung. Inaug.-Dissert. Dorpat 1871. p. 44) habe ich ebenfaDs in Betracht gesogen. An manchen Orten erhielt ich durch diese Methode sehr schöne Bilder, aber dieselbe ist keinenfalls so sicher, wie die Silber- methode, und gerade bei den Versuchen in Bezug auf ihre Brauchbarkeit zxn DarsteUung der Deckzellen in den Blut- und Lymphgefassen gab sie mir die schlechtesten Resultate. Schon t. Recklinghausen (Die Lymphgefässe und ihre Beziehung zum Bindegewebe. Berlin 1862. p. 14) scheint diese Eisenmethode gekannt zu haben.

tJntersuohmigen über den lympliskiadien Apparat in der Milz. 689

Stellt, die in der Längsrichtung der Arterie verlaufen. Am leieh- testen ist es, dieses auf successiven Querschnitten zu erkennen; es erscheinen hier in grosser Ausdehnung immer wieder solche Bäumei welche als Fortsetzungen der im Torhergehenden Schnitte gesehenen anerkannt werden müssen, obwohl ihre relative Lage zu der betreffenden Arterie nicht selten allmählig eine andere wird. Aach die auf dem Durchschnitte sichtbare Form des Lumens ändert sich mehrfach. Neue Räume treten in den Schnitten auf und früher dagewesene schwinden. Einzelne Bahnen lassen sieh aber vom An- fange der Arterie am Hilus, wo sie augenscheinlich in ausgebildete Lymphgefässe übergehen, bis unweit der adenoiden Arterienscheide, wo sie als feine Spalten beginnen, wiedererkennen. Es sind nicht überall ganz gleiche Verhältnisse vorhanden. Gewisse Arterien werden von einer grossen Anzahl Canäle und Räume umgeben, an- dere haben nur zwei oder einen deutlich wahrnehmbaren Lymph« kanal. Diese letzteren sind besonders geeignet, die eben gemachte Angabe zu bestätigen. Injectionen sind hierzu nicht gerade noth- wendig ; man erkennt die grösseren Räume auch im uninjicirten Zu- stande, theils mit spaltförmiger Lichtung, theils in der Fig. 5 ab- gebildeten Form. Auf Längsschnitten gelangt man an uninjicirten Präparaten nicht so leicht zu einem bestimmten Resultate, weil die Bahnen hier nur selten in grösserer Ausdehnung übersehen werden können, doch kann man auch hier Räume wahrnehmen, deren Durchmesser in der Längsrichtung der Arterie den Querdurdimesser bedeutend überwiegt. An geeigneten Schnitten überzeugt man sich femer, dass die Bahnen, wo deren viele sind, in mehrfacher seit- licher Gommunication mit einander stehen, wie wir denn auch ihren Zusammenhang mit dem feinen Spaltensystem im Bindegewebe schon kennen gelernt haben. Interessant ist es, dass die grösseren Lymph- räume nicht nur nicht eine relativ vollständigere Begrenzung haben, als die kleineren, sondern dass gerade an einzelnen kleineren Ca- nälen die Wand am vollständigsten ausgebildet sich zeigt So finde ich z. B. an Ganälen mit einem Durchmesser von 0,1—0,2 Mm. eine bis 0,003 Mm. dicke flüUe, während an Räume von 0,4 0,5 Mm. Wate nur eine etwa 0,001 Mm. dicke, vielfach durchbrochene Wand oder (ohne Silberbehandlung) wohl auch gar nichts von einer solchen gesehen wird.

Dass es nicht die Tunica adventitia der Arterie ist, in welcher die Lympbbahnen geborgen sind, sondern vielmehr das, wenn man

690 Dr. fSdaard Sybet:

SO sagen darf, in die Tiefe sich einsenkende subperitoneale Binde- gewebe, das warde schon berührt, sowie auch das Verhältniss der Bahnen zu der äusseren Arterienhaut. Die Tunica adventitia ist in manchen Fällen (Fig. 1, 2) recht stark entwickelt, in anderen nur dünn, aber auch dann als eine Zone dichteren Gewebes von der mehr lockeren Umgebong zu unterscheiden. Die Grenze zwischen beiden lässt sich nicht scharf ziehen. Im Allgemeinen kann aber angegeben werden, dass der die Bahnen (uninjicirt) enthaltende Bin- degewebsmantel in seiner Wand selten dünner als die .Muscularis der eingehüllten Arterie an der betreffenden Stelle ist; vielfach ist die Dicke dieses Bindegewebsmantels (abgesehen von der Adventitia) jedoch annähernd eben so stark oder stärker als der Durchmesser der uniiyicirten Arterie, wenn man bei der Bestimmung des letzteren nur die Peripherie der Muscularis berücksichtigt ^ die nicht genau begrenzte Adventitia also wegfallen lässt (Vergl. Fig. 1 u. 2). Die- ses relative Verhältniss gilt sowohl für die grösseren, als auch für die kleineren Arterienstämme und deren Umhüllung.

Beiläufig sind noch die Nervenstämme zu berücksichtigen. Diese sind gewöhnlich durch ihre Scheide und etwas lockeres Bindegewebe von den Lymphbahnen abgegrenzt. Die letzteren berühren jedoch zuweilen die Scheide der Nerven, und in Injectionspräparaten sieht man mitunter kleine Ausläufer der Masse zwischen die gröbere Bündel eines Nervenstammes eindringen.

Je weiter sich die Arterie in kleinere Aeste auflöst, desto feiner werden auch die sie umhüllenden Lymphbahnen, indem es sich hi^ mehr und mehr nur um feine Spalten in dem lockeren Gewebe handelt, welches regellos durchwühlt erscheint, wenn die kömige Iqjectionsmasse bis in den adenoiden Theil der Arterienscheide ge- langt ist. Desgleichen werden die Fasern des Bindegewebes gegen das Ende der bezeichneten Arterien feiner, die Menge der kldnen protoplasmatischen Zellen in den Spalten zwischen den Fasern reich- licher. Man findet neben den reihenförmig angeordneten Zügen die- ser Rundzellen nicht selten kleine Nester derselben. Sie liegen bald vorwiegend in der Nähe der Balkenscheide, bald reichlicher in der Umgebung der Adventitia der Arterie angehäuft. Die Balkensdieide wird immer dünner und dabei alhnählig ärmer an Muskelzellen; endlich verliert sie sich als dünner Bindegewebsstreifen. Die ade- noide Umwandlung des perivasculären Bindegewebes erfolgt hier zwar rasch, aber doch idlmählig, indem die vorhin noch geringe

Üntennohnngen aber den lympliatifloiien Appairat in der VSlt. 591

Menge der Rondzellen eine karze Strecke weiter beträchtlich ver- mehrt erscheint. Ausserdem findet auch, wie ich das beim Pferde and Schweine gesehen habe, ein plötzlicher Uebergang des die grösseren Lymphbahuen führenden Bindegewebes in die adenoide Scheide statt, und zwar geschieht solches dort, wo von den relativ starken Arterien parietal kleine Aeste abgehen. Hier sieht man dann in der je nach dem Orte verschieden dicken Balkenscheide einen Ausschnitt (in mikroskopischen Objecten), welcher der Aus- druck einer rundlichen Lücke für die durchtretende Arterie ist. Diese Lücke ist weiter als der Umfang der durchtretenden kleinen irterie (sammt Adventitia), indem auch für die umhüllende Scheide Raum sich darbietet. Die starke Arterie, welche die bedeutend klei- neren Aeste absendet, liegt mehr oder weniger central in ihrer Um- hQlinng, so dass der kleine Ast eine Strecke weit innerhalb der jener Arterie angehörigen lockeren Hülle verlaufen muss. Der innerhalb des Muskelrohres sich befindende Theil des abgehenden Astes hat nun in diesen Fällen eine zwar nicht unbedeutende, aber doch rela- tiv geringe Zahl von lymphoiden Zellen in seiner Umgebung, wäh- rend der aus der Balkenscheide ausgetretene Theil desselben mit einer vollkommen ausgebildeten adenoiden Scheide versehen er- scheint. Mitunter geht die betreffende kleine Arterie sofort nach dem Dorchtritte durch die Balkenscheide in ein Malpighi'sches Kör- perchen hinein. Hier tritt dann besonders klar die Verschiedenheit zwischen der adenoiden Wurzel und den abführenden Wegen dieses Stromgebietes hervor.

Das netzförmige Faserwerk der adenoiden Arterienscheide drängt sich bekanntlich in der Peripherie derselben dichter zusammen. Dieser peripherische Theil kann als Analogon der Balkenscheide )etrachtet werden, obwohl wir es bei jenem nur mit einem von Kandzellen angefüllten Netze, welches in einzelnen Knotenpunkten iicher Kerne erkennen lässt, zu thun haben. Beider Art „Hüllen*^ ich gebrauche hier diesen Ausdruck nur der Kürze halber für die Begrenzung der adenoiden Arterienscheide, sonst ist derselbe zwei- leutig) stehen in directem Zusammenhange. Besonders schön sieht oan dieses an jenen Stellen, wo der Uebergang der einen in die ndere terminal erfolgt. An der adenoiden Arterienscheide ist die ichtere „Hülle'' jedoch nicht immer scharf ausgeprägt.

In der adenoiden Arterienscheide, bei welcher wir nun chon angelangt sind, sind keine präformirten Wege mehr

693 Dr. Eduard Kyberi

vorhanden. Wir dürfen das, gestQtzt auf den histologischen Bau der betreffenden Theile, annehmen. Ich habe meinen frQher darQber gemachten Angaben nichts Wesentliches hinzuzufflgen ^). Fig. 4 zeigt das Verhalten der bis hierher gelangten kömigen Injections- masse. Dieselbe hat sich „formlos*' in dem Gewebe angdiinft. Die Arterie (b), auf dem Längsschnitte theilweise sichtbar, ist ein- gescheidet von dem Berlinerblau; das adenoide Gewebe thefls abgedrängt von derselben, theils, wie auch die Malpighi'schen Kör- perchen (Follikel bei a), von der Masse durchwühlt und zerstört. Es ist das dargestellte das einzige (meiner Ansicht nach) gelungoie Präparat, welches ich erhalten habe. Sonst war die Zerstörung durch die augenscheinlich gewaltsam in das zusammenhängende Ge- webe eingedrungene Masse so gross, dass namentlich nach der Fär- bung und weiteren Behandlung der Schnitte eine vollständige Zer- bröckelung erfolgte. Interessant ist, dass, wie auch auf dem Bilde zu sehen, der CBitrale Theil der Follikel, welcher auch sonst beim Auspinseln der Präparate am zartesten erscheint, am meisten von der Injectionsmasse heimgesucht wird. Bei zwei Fol- likeln sind in Fig. 4 Lücken im Gentram zu sehen, hier sind die injicirte Masse und das zerstörte Gewebe bei d^ Präparation heraod- gefallen ; bei dem dritten ist nur verhältnissmässig wenig Iigections- masse in das Innere hineingedrungen ; es zeigt sich hier jedoch schon dieselbe Erscheinung. Die blaue Masse in dem umgebenden MHz- gewebe zeigt eine Verbreitung, wie sie auch bei Extravasaten von den Blutgefässen aus erfolgt; sie ist nur spärUch in die Venenan- fänge übergegangen (im Bilde nicht zu sehen). Auch beim Einstich in das Milzgewebe erhält man eine gute Füllung der letzteren in der Regel nur dann, wenn man die Ganüle nach dem Einstich etwas zurückzieht und dann injicirt; sonst werden die Venenanfinge zu- sanmiengedrückt und die Masse durchwühlt das Parenchym. Eine

1) In Bezug auf die Gefassverbreitung in den Follikeln kann ick hier jedoch noch bemerken, dass ausser den früher (dieses Arohiv Bd. VI, Taf. XXIX, Fig. 1) von mir abgebildeten Formen beim Pferde nicht selten nech solche vorkommen, wo die Capillaren, ehe sie die Mitte erreicht haben, schlin- genförmig umbiegen, so dass mitunter ein scheinbar ganz gef&ssfreier Baum im Centrum gesehen wird; in solchen F&Uen tritt die Arterie natürlich niefat central in den Follikel, sondern speist denselben von einer oder mehre- ren Seiten, wie das auch sonst vorkommt (Vergl. L c Taf. XXIX, Fig. I A, B).

Ünteraaohangen über den lymphatischen Apparat in der Milz. 593

ähnliche Erscheinung zeigt sich also beim Eindringen der Masse von den perivasculären Bahnen her.

Ueber die in Bede stehenden Verhältnisse macht auch T o m s a nähere Angaben. Derselbe hat ein mit dem unseren gleiches Re- sultat erhalten. Indem er Milzgewebe und adenoide Arterienscheide gemeinsam auffasst, sagt er: „Betrachtet man feine, in ihren Lymph- wegen künstlich injicirte Milzabschnitte, so gewahrt man ein Netz- werk, welches auf unregelmässige Weise Häufchen von Lymphkör- pern und Blutkörperconglomerate umspinnt. Es ist äusserst zart and ?rindet sich augenscheinlich zwischen den Elementarorganismen der Milz auf eine ähnliche Art hindurch, wie wir es etwa gewahren können, wenn kleine Wasserströmehen ein lockeres Gerolle von rundlichem Flusskiesel durchrieseln."

Thatsächlich hat Tomsa, wie diese schöne Schilderung eines blass gefärbten Leimnetzes zeigt, ebenfalls eine regellose Verbreitung der Injectionsmasse im Gewebe erhalten. Schon vor langer Zeit ist ja von Schweigger-Seidel gezeigt worden, dass auch in defi- brinirtem Blute ein ähnliches Netz entsteht, wenn jenes mit flüssi- gem Leim imbibirt und in Alkohol erhärtet wird. Je geringer die Leimmenge und je stärker der Alkohol, desto weitmaschiger und feiner erscheinen solche Netze. In unserem Falle hätte sich, wenn statt der körnigen kaltflüssigen Masse Leim injidrt worden wäre, ein recht dichtes, breitfädiges Netzwerk gebildet; ein so reichlicher Cebertritt der Injectionsmasse aus den perivasculären Bahnen in die Wurzeln ist jedoch eine sehr seltene Erscheinung.

Was die Deutung Tomsa's anlangt, so meint derselbe zwar: die ,^njectionsfiguren repräsentiren hohle Räume und Gänge'', doch folgt gleich darauf die Definition, dass es solche „Räume und Gänge*' seien, „welche sich in dem intervasculären Netzwerke durch lose gewordene und ausgeführte Lymphkörper gebildet haben und noch anunterbrochen bilden, und welche aus diesem Grunde auch keine selbstständigen Wandungen und räumliche Persistenz besitzen kön- nen.^' Tomsa denkt sich also nur die etwaigen Wanderungen der Rundzellen des adenoiden Gewebes in jener Weise, wie die Leim- fäden sich schlängeln. Hiergegen will ich nichts einwenden. Wie man aber das Milzgewebe und die adenoide Arterienscheide ausein- ander zu halten habe, darauf werde ich am Schlüsse dieses Artikels hindeuten.

M. Scdraltu, ArcbiT t mikrosk. AuUmüe. Bd. 8. 89

594 Dr. Edaard Eyber:

Wenden wir uns jetzt zu dem zweiten dem Lymphgeflss- system angehörigen Stromgebiete in der Milz, so handelt es sich hierum ein die Trabekel durchziehendes, hauptsächlich in den Spalten zwischen den Muskelz.ellenbündeln der- selben seinen Ursprung nehmendes, aber auch die Ab- fallsproducte des Stoffwechsels aus dem Milzgewebe aufsaugendes Bahnennetz, welches theils in die perivasculä- ren Räume, grösstentheils in die Kapsellymphgefässe einmündet

Diese Bahnen lassen sich leichter injiciren , als die vorhin be- schriebenen. Die oberflächlichen Lymphgefässe der Milz d^ Pferdes bilden bekanntlich ein dichtes Netz, dessen zum Hilus strebenden und in dieser Richtung immer stärker werdenden Ganäle mit zahl- reichen Klappen versehen sind. Wenn man nun die Caniile in einen kleinen Ast dieser Gef&sse einführt und dann in der Stromrichtung derselben injicirt, so gelingt es fast regelmässig, einzelne Zweige in den Trabekeln gefüllt zu erhalten, sobald man nur das erreicht, dass von jenem Gefäss aus in einer etwa zwei Quadratzoll grossen Partie die seitlieh gelegenen, mit ihm anastomosirenden Bahnen, und namentlich die rückwärts von diesen sich befindenden Bahn- theile vollständig gefüllt werden. Diese Arbeit scheitert m'cht sel- ten dadurch, dass sich die beiden locker zusammengehaltenen Blät- ter (Tunica serosa und Tunica propria) der Hülle, zwischen denen die Ganäle verlaufen, während der Injection von einander trenne * indem derselbe Druck, welcher die zahlreichen Klappen beim Füllen der rückwärts gelegenen Ganaltheile sprengt, auch jene Ablösung bedingen kann. Doch kann der Versuch weiterhin an demselben Organe an zehn oder mehr Stellen wiederholt werden, während Berstungen der Gefässe am Hilus, die auch vorkommen, ein^ schwe- reren Verlust bedingen. In der Regel habe ich mehrfache Unter- bindungen oder anderweitige Hemmnisse anbringen müssen, um den Abfluss der Injectionsmasse zu verhindern ; denn wenn audi die meisten der oberflächlichen Ganäle am Hilus mehr und mehr zq gemeinsamen Stämmen sich vereinigen, so ziehen doch auch einzelne aus den Kapselbahnen entspringende Gefässe isolirt im Ligamentum gastro-lienale dahin ; mitunter entfernen sich dieselben recht wät vom Hilus, um dann wahrscheinlich gesondert in die übrige Körper- lymphbahn überzugehen, oder endlich doch nach bogenförmigem Verlaufe durch eine Lymphdrüse am Hilus der Milz zu treten and mit den anderen aus diesem Organe kommenden Geftssen sich zn

Üntenaohungen über den lymphatisolien Apparat in der Milz. 695

verbinden. In derartige Gefässe münden auch kleine Zweige ein, welche ihren Ursprung im Ligamentum gastro-lienale nehmen.

Während ich auf die bezeichnete Weise injicirte und allmählig die in reichlicher Menge am Hilus befindlichen Lymphdrüsen füllte, füllten sich in einem Falle reichlich, in einem anderen spärlich die perivasculären Bahnen, es füllten sich aber zugleich auch die Bah- nen in den Trabekeln.

In Figur 9 sieht man nun die injicirten Trabecularbahnen in einem Uebersichtspräparate. Der starke Balken links ist aus seiner naturlichen Lage um ein Geringes zu nahe an den mittleren ge- rückt, im üebrigen ist das Bild eine Gopie, nicht eine Gombination. Solche Objecte gewinnt man mehr durch Glück, als durch Geschick, nnd Ausdauer scheint mir ein Haupterfordemiss dabei zu sein. Man erhält an denselben den Eindruck, dass ein recht üppiger Strom die Trabekel durchzieht. Die Hauptbahnen laufen in den mittleren Theilen derselben, und zwar handelt es sich entweder um eine solche Bahn, oder in mächtigen Balken um zwei oder drei; in diese münden an zahlreichen Stellen kleinere Ströme von der Peripherie ein. Die letzteren werden in dem dargestellten Bilde spärlicher gesehen, als sie in Wirklichkeit vorhanden sind, weil bei der I^jection und dadurch bedingten üompression der Hauptbahnen eine Gompression der seitlichen erfolgt ist, welche ihre Füllung ver* hindert hat

Ein ähnliches Bild habe ich schon früher 0 dargestellt Was an dem Jetzt gegebenen besonders beachtenswerth ist, ist der bei e wahrnehmbare Uebertritt der Injectionsmasse in das Milzgewebe. Ich habe jedoch £ine grössere Partie ausgezeichnet, um zu zeigen, dass trotz der reichlichen Füllung, welche in den Trabekeln erhal- ten ist, nur an einer Stelle ein spärlicher Austritt der blauen Köm- chen in das Milzgewebe wahrgenommen werden kann. Zwar habe ich auch solche Präparate (von anderen Milzexemplaren) gewonnen, wo eine dichte Anfüllung des Gewebes mit Injectionsmasse sich vor- fand; die Trabekel waren aber in diesen Fällen nur spärlich gefüllt, das injidrte MUzgewebe zerbröckelte bei der Anfertigung von Schnit- ten, als Ursache der reichlichen Füllung desselben könnten in der Regdi deutlich Zerreissungen der Trabekel oder gar der Tunica {ffopria attfgefund^ werden; schon während der Injection gab sich

1) L. o. T«f. XXX, Fig. 7.

696 Dr. Eduard Eyber:

das Ereigniss dadurch zu erkennen, dass eine plötzliche circom- Scripte Aufblähung entstand, es handelte sich um misslungene Injectionen. Bei gelungener Fallung der Trabecularbahnen habe ich als Communicationswege zwischen diesen und dem MQzgewebe nicht mehr als ganz feine Gänge gesehen. Andererseits sind solche aber sicher vorhanden, wie das auch aus der jetzt zu gebenden Be- schreibung des feineren Baues der Trabekel hervorgehen wird.

Nähere Angaben aber die hier vorhandenen Verhältnisse findet man schon bei Tomsa. Seine klassische Schilderung lautet: „Die Milztrabekel des Pferdes sind dergestalt geformt, dass sie tuten- förmige Fortsetzungen der peripherischen Muskelhaut darstellen, in welche Bindegewebsbündel und elastisches Netzwerk eingepackt sind, die wieder ihrerseits als Fortsätze jenes Bindegewebsantheiles der Milzhalle anzusprechen sind, welcher als der Träger des äusserst entwickelten peripheren Lymphgefässnetzes angesehen werden kann. Diese centralen Kegel und Cylinder der Bindesubstanz im Trabecu- largeraste bergen in ihren röhrenförmigen Räumen und Spalten zwischen den Bandeln den Lymphweg, der unmittelbar in die gr^ beren Lymphstämme der Oberfläche seine Richtung einschlägt. Nacii innen zum Milzgewebe fahren aus den Trabekeln feine Spalten zwischen den Bandeln glatter Muskelfasern hindurch; sie werdra von der Lymphe zum Einsickern benatzt.

Tomsa hält hiemach und das ist auch sonst aus seiner Darstellung ersichtlich die Bahnen in den Trabekeln als einfEiche Abfuhrwege der Lymphflassigkeit aus dem Milzgewebe; meinen Be- obachtungen zufolge sind dieselben nur zum Theil als solche zu be- trachten, wie das schon oben berUhrt wurde. Das an inji Uebersichtspräparaten gewonnene Resultat wird nun durch die ünt suchung feiner Schnitte der gehärteten Milz, in denen die injid oder uninjicirten Trabekel in der Längs- und Querrichtung si< präsentiren, bestätigt und noch mehr erhärtet.

Wir haben hier natürlich nur Bruchstttcke des vorhin geseh nen Ganzen. In der Fig. 11 findet man einen in der Längsrichi durchschnittenen Balken. In der Breite ist derselbe ganz darg stellt; seine Fortsetzung nach oben fehlt in der Zeichnung; untere Ende bildete den freien Rand des Präparates. Das Obj ist mit Rosanilin gefärbt gewesen, und man erkennt in dem Bil dass es sich um einen fast nur aus Muskelzellenbiindeln gebild Strang handelt. Oben ist die centrale Bahn injicirt; durch die D

ITntenaeb angen 9ber den lyraphAtisolieD Appu»t in der Hilc

ation derselben sind die seitlichen Babnen hier cotnprimirt. [EDs ist der Schnitt an dieser Stelle etwas stärker, dadui ilinsicht etwas erschwert Nach unten zu ist die Hauptbai hre Wände sind näher aneinander gerückt, die seitlichen rerden deutlich wahi^enommen, und am untersten Ende sie :lar, wie jene mit diesen in Verbindung stehen. Es band lier nicht etwa nm eine künstliche Zerfasening, denn beim G< ier Stellschraube erkennt man die untere Umkleidung der i Fudern liegen, wenn das Organ gut gebartet ist, alle Theil Ichnittes so wohlgeordnet neben einander, dass man die is natürliche Bildungen anerkennen muss. Ancb der Bau c ekel selbst kommt uns hier zu HlUfe. Die peripherischen er Balken (vergL Fig. 11), wo eine künstliche Zerfasern dichtesten eintreten mOsste, sind nämlich immer compact; eotralen di^egen findet sich die Auflockerung. In Fig. 11 s sich nm einen kleineren Batken , deshalb steht man hi licbts von bindegewebigen Bestandtbeilen, nur hier und.^ ine feine geschlSngelte Faser hervor. Die^Begrenzung und ung der Spalten von einander wird durch Muskelzellenbün «bildet. In Bezug auf die von diesen gebildeten Wanduni ipalten will ich vorläufig nur bemerken, dass die äusseren Ci iner Muskelbündel entweder mit feinen Körnchen (gen <f mphe) versehenen oder ganz glatt sind, in welch' letztere ie zusammengekitteten Muskelzellen scheinbar direct v lymphflüsaigkeit umspült «erden.

In F^. 12 sieht man bei B einen Querschnitt von eine ekel. Es handelt sich hier ebenfalls um einen relativ fem :en, und es erscheint demnach dessen Gewebe eigentlich i tuskelzellenbändeln gebildet. Im Gentmm gewahrt mai Tösseren Spalt (das Schwarze in demselben stellt dunkelgelb 'igment dar), von welchem Ausläufer in die Umgebung a lögen diese nun zum Theil durch Faltung der B^enzu entralen Raumes entstanden sein, so ist doch sicher, dass Umgebung eine grosse Anzahl feiner Spalten, die zwischi luskelzellenbUndeln ihren Ursprung nehmen, in denselben < en. Ein Blick auf das Object (Fig. 12, B) und ein Verglei flben mit einer zusammengefalteten Arterie, welche ein g eres Aussehen auf dem Querschnitte besitzt, beweist die« Qjectionspräparate stehen hiennit im Einklänge. Die Fe

598 Dr. Eduard Eyber:

des Balkens besteht auch in dem letztgenannten Bilde aus dichtem Gewebe. Die feinen Spalten nehmen ihren Ursprung zwischen den Muskelbündelchen.

Bestätigung des eben Gesehenen, aber auch Neues erfahren wir aus dem Bilde A (Fig. 12). Es ist hier auf dem Querschnitte die Hälfte eines grösseren Balkens zu sehen. Wie alle grösseren Balken aus einem centralen, bindegewebigen und peripheren, mus- kulösen Theile bestehen , so verhält es sich auch bei dem darge- stellten. In der Umgebung der Hauptbahn (a) sieht man den opti* sehen Querschnitt der blassen Bindegewebsbalken, zwischen densel- ben mit körniger (geronnener) Masse und (gelbbraunem) Pigmeot versehene Gänge. Die letzteren nehmen ihren Ursprung zwischen den Mttskelzellenbündeln, woselbst sie in der dem Bindegewebe zu- nächst liegenden Zone weiter zur Peripherie hin enger erscheinen. Der periphere Theil des Balkens ist auch hier compact gebaai Aber an einer Stelle sieht man sehr schön einen von der Grenze am Milzgewebe in die centralen Lymphbahnen des Balkens hinzie- henden Spalt (b). Der Weg in diesem ist zum Theil durch feine blasse Körnchen und gelbbraunes körniges Pigment vorgezeichnet.

So deutlich, wie in diesem Bilde, sieht man nicht oft Commnni- cation des Milzgewebes mit den Trabecularbahnen ; dass aber eine solche nicht vereinzelt vorkommt, erfährt man indirect, wenn man die Anwesenheit des goldgelben bis dunkelgelbbraunen körnigen Pigments in den Trabekeln berücksichtigt. Dieses stimmt vollkom- men mit dem in dem Milzgewebe sich vorlGuidenden überein. Und es lässt sich die Entstehung aus den gelben Blutkörperchen leicht nachweisen, indem man alle Uebergangsformen von den kaum ver- änderten Blutkörperchen bis zu den aus ganz feinen oder aus grö- beren Körnern bestehenden Häufchen und den isolirten eckigen Ge- bilden finden kann. Die Menge desselben in den Trabekeln ist ab- hängig von der Menge im Milzgewebe. Bei alten Pferden fand ich in beiden immer reichlich Pigment. In den Milzen von Füllen, welche ich untersuchte, war kaum irgendwo eine Spur desselben in den Balken zu finden; ebenso verhielt sich hier das Milzgewebe.

Dem Dargestellten mehr oder weniger ähnliche Bilder erhält man nun in der ganzen Ausdehnung der Trabekel, doch ist die Einsicht nicht bei jeder Milz ganz leicht. In jenen Fällen, wo die oberflächlichen Bahnen coUabirt sind, kann man die Spalträume in den Trabekeln nicht oder nur undeutlich wahrnehmen. Der Ge-

üntersachuiigen über den lymphatisohen Apparat in der Milz. 699

danke li^ dann aber nahe, dass sie ebenso collabirt sind, wie die Gefasse in der Kapsel. Ich hatte es früher hauptsächlich mit solchen Objecten zu thun und konnte deshalb an uninjicirten Präparaten nicht wiederfinden, was mir die Injection ergab. Es ist daher zu rathen, die Theile möglichst frisch in die Härtungsflüssigkeit zu legen und vorher eine Stauung der Lymphe zu erzeugen. Tomsa erzielte letzteres, indem er beim lebenden Thiere in verschiedener Weise die Blut- oder Lymphgefässe verschloss oder verengerte. Man kann dasselbe recht gut auch an dem unmittelbar nach dem Tode des Thieres vorgenommenen Organe erreichen, wenn man an demselben die Lymphgefässstämme verschliesst. Die Aufsaugung von Flüssigkeit dauert hier fort und die Bahnen dehnen sich aus. Eine noch stärkere Aufsaugung von Flüssigkeit und Ausdehnung der Ganäle erfolgt, wenn das Organ dabei in warmem Wasser liegt. Untersucht man an solchen Objecten die Trabekel, so erkennt man auch ohne Injection schon bei schwacher Vergrösserung deut- lich die Bäume in denselben, und ich finde in einer zweckmässig zubereiteten Milz, dass solche in allen Trabekeln, wo man nur hin- sieht, vorhanden sind; in den grösseren Balken erscheint der cen- trale Theil aber geradezu aufgelockert, indem zwischen den Binde- gewebsbalken, den elastischen Fasern und den Muskelbündeln klaf- fende Spalten sich vorfinden. Die peripherischen Theile dagegen bestanden immer aus dichtem Gewebe, und zwar zeigt sich das Ver- hältniss in dieser Beziehung folgendermassen : Etwa die Hälfte des Balkendurchmessers wird von dem lockeren centralen Theile einge- nommoi ; rundherum zieht ein Bing dichteren Muskelgewebes ; von letzterem ist jedoch wieder nur die periphere Partie (abgesehen von den aus dem Milzgewebe kommenden Bahnen 0 vollkommen com- pact (Veiigl. Fig. 11 und 12), während nach innen zu allmählig mehr und mehr feinste Spalten auftreten, welche sich verbinden und zu grösseren Bäumen werden. Augenscheinlich handelt es sich hier um Wurzehi der Trabecularbahnen, und die Anwesenheit der Lymphbahnen dürfte bedingt sein durch die Nothwendigkmt eines Abfuhrweges für die bei der Thätigkeit des Muskelgewebes ent- stehenden Abfallsproducte des Stoffwechsels. Für die Zufuhr von Nahrungsmaterial dienen hauptsächlich die Gefässe des Milzge*

1) Die GommanicatioxiBbahnen ans dem Milzg^webe siehen als feine Spal- ten doroh das compacte Öewebe hindnroh.

600 Dr. Eduard Kyber:

webes; die Abfuhr des Verbrauchten geht nach dem Gentnun zu vor sich.

Eine Deckzellenhaut habe ich auf den die Trabecularbahnea begrenzenden Wandungen nicht nachweisen können. Die Behand- lung mit Arg. nitr. ergibt sowohl beim Zerzupfen der Trabekel in V4 7o oder noch schwächerer Lösung des Salzes, als auch nach der Injection (auf dem gewöhnlichen Wege durch Füllung der Kapsei- gefasse) durchaus unklare Bilder, weil die Muskelzellen oder die Rittsubstanz derselben oder beide zugleich sich so stark filrben, dass in Bezug auf die Silberlinien einer etwaigen elastischen Zellenhaut kein Aufschluss erhalten wird. In den grösseren Bahnen wird eine solche wohl vorhanden sein; in den feinsten könnte sie fehlen.

Es sind jetzt noch die Enden der in Bede stehenden Lymph- wege zu betrachten. Indem wir die Art des Ueberganges derselbai in jene Canäle, welche die Hülle des Organes durchziehen, unter- suchen wollen, ist jedoch zunächst Einiges in Bezug auf die letz- teren vorauszuschicken. Die Hauptkanäle derselben verlaufen, wie man das deutlich in Fig. 10 bei A und B sieht, in dem subperito- näalen Bindegewebe. An gut mit Rosanilin gefärbten Präparatoi erkennt man sofort die Begrenzung der muskulösen (eigenen) Hülle (e) des Organes, woselbst die Muskelzellenbündel dicht nebeneinan- der in verschiedener Richtung sich durchkreuzen. Die Tunica serosa (d) hebt sich als dichteres Gewebe durch dunkleres Aussehen von dem darunter liegenden Bindegewebe ebenfalls deutlich ab. Das letztere bedarf keiner weiteren Beschreibung; es unterscheidet sich von dem die perivasculären Bahnen einschliessenden Bindegewebe nur durch grössere Feinheit seiner Fasern. In ihm verlaufen nun die Hauptkanäle der Milzhülle. Die Deckzellenhaut dieser Canäle (Fig. 7) lässt sich durch Injection schwacher Höllensteinlösung oder Eintauchen abgelöster Fetzen der Tunica serosa in eine solche sehr leicht darstellen. Sie besitzt die gewöhnliche Beschaffenheit der die Lymphgefasse auskleidenden Zellenhaut. Das Abschaben ziemUch grosser Fetzen dieser feinen Haut gelingt leicht, die Zerle.gung in isolirte Zellen dagegen nur unvollständig, obwohl die Kerne der ein- zelnen Plättchen bei aufmerksamer Betrachtung überall sicher wahr- genommen werden können (Vergl. Fig. 7 A) ^). Die bezeichnete

1) In den subcutanen LymphsädEen des Frosches fand ich die Deckzel- len mit undeutlichen Kernen. Während hier aaoh nach der Abschabung des

Üntennolnmgeii über den lympbatiaoheii Apparmt in der Milz. 601

Zellenhaut bildet die einzige eigene Begrenzung der CanUe, oder sie liegt in den stärksten derselben einer leicht faserig erscheinen- den feinen Membran auf.

Zu bemerken ist noch, dass solche Ganäle nicht die einzigen Lymphbahnen der Kapsel sind ; vielniehr findet man auch hier zahl- reiche Spalten, die in dem umgebenden Bindegewebe und zwischen den oberflächlichen Bundein der Muskelhaut ihren Ursprung nehmen and mit jenen Canälen im Zusammenhasg stehen. Der oberste Theil der Tunica propria geht nämlich, wie der innerste der Balken- halle, mehr oder weniger allmählig in das anstossende subseröse Bindegewebe über. In Fig. 10 sieht man zwei Bilder (A und B), welche so ziemlich die Extreme dieses Verhaltens darstellen. Bei 6 grenzt sich die Tunica propria fast ganz scharf von dem subse- rösen Bindegewebe ab; bei A dagegen sind die Grenzen beider Ge- websmassen weit in einander verschoben. Bei G (Fig. 10) sieht man auch Ausläufer der Injecüonsmasse aus der Hauptbahn in die dila- tirten Spalten übergehen (0 ist ein ungefärbtes Object). Es erin- nert hiemach der oberste Theil der Tunica propria mit dem an- stossenden Bind^ewebe an das Innere der Trabekel, und somit kann man die letzteren in der That als Einstülpung der eigentlichen Milzhülle mit einem Theile des angrenzenden Bindegewebes auf- fassen.

Diese Einstülpung muss man sich jedoch nicht so grob vor- stellen. Diese dichten untersten Schichten der Kapsel setzen sich allerdings direct in die Tiefe fort, um den peripheren Theil der Trabekel zu bilden; in den übrigen Partien ist das Verhältniss jedoch etwas complicirter. Vor ihrer Einmündung in die Ganäle der Hülle machen die Trabecularbahnen in der Regel Biegungen. Besonders gut ist das in Fig. 10 bei A ausgesprochen. Die Bahn a geht hier erst nach rechts, dann nach links, um einen Muskelvorsprung, eine Art Klappe, zu umgehen; dann erst erfolgt die Einmündung in die Kapselbahn. Etwas Aehnliches zeigt die Bahn a bei B (Fig. 10). Es erklären diese Einmündungen die Erscheinung, warum die Trabecularbahnen sich nicht mit jener Leichtigkeit füllen , wie das bei Betrachtung von injicirten Präparaten, z. B. Fig. 10 G,

H&Qtchens mitunter auf keine Weise ein Kern in einzelnen Platten wahrge- nommen werden konnte, vermisste ich denselben in den Deokzellen der oben erwähnten Lymphbahnen niemals.

602 Dr. Eduard Eyber:

vorausgesetzt werden könnte. Durch die oben erwähnten Vor- sprünge an den Einmündungsstellen müssen diese bei der Injection der Eapselkanäle verlegt werden, und erst bei stärkerem Druck, welcher auch die Klappen in den letzteren sprengt, wird die Masse einen Eingang in die Trabekel finden können. Neben den darge- stellten findet man auch solche Bilder, welche dafOr sprechen, dass die Trabecularbahnen zuweilen mit mehreren in verschiedener Rich- tung auseinander gehenden Spalten , welche eine Strecke weit mdir oder weniger parallel der Kapsel verlaufen, in deren Bahnen ein- münden.

Einen zweiten Abfuhrweg für die die Balken durchziehende Lymphflüssigkeit bilden die perivasculären Bahnen, indem die Bah- nen derjenigen Trabekel, welche sich an die Balkenscheide der Ar- terien ansetzen, mit den diese umhüllenden Räumen im Zusammen- hange stehen. Man gewahrt solches in Fig. 1 bei h. In diesem Bilde sind die uninjicirten Trabecularbahnen. An geeigneten omn- jicirten Präparaten kann man sich von den betreffenden Verhält- Bissen ebenfalls überzeugen.

Neben der Milz des Pferdes wurde oben schon mehrmals die von anderen Thieren und dem Menschen berührt. Indem wir uns jetzt zu einer weiteren vergleichenden Betrachtung derselben wen- den wollen, ist zunächst daran zu erinnern, dass die Milz der Sän- ger, obwohl die wesentlichen Theile stets natürlich dieselben bleiben, in Bezug auf gewisse morphologische Verhältnisse zwei Typen zeigt, wie das schon vor langer Zeit von Billroth^) richtig hervorge- hoben ist

Der eine Typus wird, soweit meine eigenen Erfahrung»! reichen, durch die Milz des Pferdes, des Rindes und des Schweines repräsentirt ; nach Billroth ist auch die des Schafes hierher zu zählen. In diesen Milzen beginnen die Venen, welche nur selten mit einander anastomosiren, mit trichterförmig zugespitzten An&n- gen, welche an zahlreichen Stellen in ebenfalls konusförmig sich er- weiternde Aeste einmünden. Die Wand dieser Venen bleibt bis zu den grösseren Stämmen äusserst dünn, indem sie, wie bekannt, nur oder fast nur aus einer einfachen Zellenschicht besteht. Das Pa- renchym ist zwischen den Venen reichlich entwickelt. Was nns aber besonders interessirt, ist einerseits die starke Entwickelang

1) Zeitschr. far wiBsenBchaftl. Zoologie Bd. XI, p. 880.

ünterauobungen über den lymphatischen Apparat in der Milz. 603

des Balkensystems, andererseits die Scheidung der Tunica serosa von der Tunica propria durch eine Schicht lockeren Bindegewebes. Aach haben wir zu beachten, dass die Vene hier ausserhalb der die Arterie und deren Umgebung einhüllenden Balkenscheide verläuft. Die Milz dieser Thiere zeigt in Bezug auf den lymphatischen Appa- rat die nächste Uebereinstimmung.

Der zweite Typus wird nach meinen Untersuchungen durch die Milz des Menschen, des Kaninchens, des Hundes, der Katze und der Maus repräsentirt. Als Anfang der abführenden Blutw^e haben wir hier das bekannte zierliche Convolut der vielfach anastomosi- renden capillären Venen, welche in Stämmchen mit muskulösen Wandungen einmünden. Das Milzgewebe ist geringer entwickelt, als bei den ersterwähnten Thieren, desgleichen das Trabekelwerk. Tunica serosa und Tunica propria sind untrennbar mit einander verschmolzen. Ai*terie und Vene verlaufen in einer gemeinsamen Balkenscheide. Die Lymphwege zeigen hier ebenfalls morphologische Eigenthümlichkeiten , welche die Milz dieser Säuger von jener des erstgenannten unterscheiden lässt.

In Bezug auf den ersterwähnten Typus habe ich oben gesagt, dass die Milz des Pferdes, des Rindes und des Schweines in Bezug auf den lymphatischen Apparat die „nächste Uebereinstimmung^' zeigt. Schon der gebrauchte Ausdruck deutet darauf hin, dass die statuirte anatomische Uebereinstimmung keine mathematische ist. Wie überall in der Natur, so handelt es sich auch hier um eine grosse Mannigfaltigkeit im Einzelnen.

Wer die Milz des Ochsen neben der des Pferdes sieht und nur eine von beiden aus der Anschauung kennt, dem muss man es sa- gen, dass das andere Organ auch eine Milz sei, so verschieden sind beide in Bezug auf die Form und das makroskopische Verhalten der eintretenden Gefässe. Vergleicht man die Milz des Schweines mit der des Ochsen, so findet man ebenfalls eine nicht unbedeutende Verschiedenheit. Möge nun dieses durch die Lebensweise der Thiere (Nahrung etc.) oder durch andere Umstände bedingt sein, überall findet man doch diejenigen Verhältnisse wieder, welche oben als für diesen Typus der Milz charakteristisch hingestellt wurden. Der lymphatische Apparat zeigt nun ebenfalls trotz der Uebereinstim- mung im Wesentlichen recht beträchtliche Verschiedenheiten.

Was die Milz des Rindes (Ochsen, Kalbes) anlangt, so sind hier die in der Kapsel verlaufenden Lymphgefässe durchschnittlich etwas

604 Dr. Eduard Eyber:

geringer im Durchmesser, als die des Pferdes. Es lässt sich, wenn man in der oben bezeichneten Weise in der Stromrichtung oder gegen den Strom injicirt^ von einem einzigen Gefässe aus mit Leich- tigkeit ein die ganze Milzoberfläche überziehendes, sehr dichtes Netz darstellen, während beim Pferde das Injiciren gegen den Strom sehr schwer und nur unvollständig gelingt und beim Injiciren in der Stromrichtung nur mit Mühe die seitlich gelegenen Bahnen in grösserer Ausdehnung sich füllen, nie aber die ganze Oberfläche auf diese Weise injicirt wird, obwohl das Netz hier nicht minder dicht als beim Ochsen ist. Man darf also nicht erwairten, bei der Milz des Rindes injicirte Trabekel zu erhalten, wenn man das oberfläch- liche Netz gut dargestellt hat. Ohne Schwierigkeit geht die Masse dagegen in die Trabekel über, wenn man den leichten Abfluss aus den oberflächlichen Oefässen verhindert. Die Trabekel und Kapsel sind hier ähnlich denen des Pferdes gebaut, nur ist das Bindege- webe in den oberflächlichen Schichten der Tunica propria und in den grösseren Trabekeln reichlicher entwickelt als beim Pferde, Die unteren Partien der Kapsel und die peripheren Theile der Tra- bekel bestehen jedoch nur aus Muskelzellen ^). Die Lockerung des Inneren der Balken fand ich in den untersuchten Milzen des Rin- des weniger ausgebildet, als in manchen Exemplaren der Pferdemilz, das Organ wurde jedoch frühestens 1 2 Stunden nach dem Tode des Thieres zur Untersuchung vorgenommen und in die Härtungsflüs- sigkeit gelegt. Die Injectionsfiguren in den Trabekeln sind denen des Pferdes ähnlich. Ueber die Menge der Bahnen in diesen könn- ten nur vollständige Injectionen, welche ich bei meinen w^igen vergleichenden Versuchen nicht erhalten habe, Au£schluss geben. Berücksichtigt man jedoch den Reichthum der oberflächlichen Ge- fässe, so darf man wohl auf Verhältnisse schUessen, welche denen beim Pferde sehr nahe kommen. Die Communicationswege zwischen Milzgewebe und Trabecularbahnen habe ich beim Rinde nicht nach- gewiesen; Pigment ist jedoch in den Balken vorhanden.

Aus der Literatur kann ich erwähnen, dass auch W. Mül-

1) Eölliker (Handbuch der Gewebelehre 1867, p. 449) hebt ausdrück- lich hervor, dass u. A. die Kapsel der Milz des Pferdes and des Ochsen keine glatten Muskelfasern enthalte. Dieses ist ein Irrthum. Keine Methode kann die Anwesenheit der Mnskelzellen hier und in den Trabekeln so sicher und schön nachweisen, wie ein gut mit Rosanilin geförbtes Object. Fig. X A u. B können dieses zum Theil bestätigen.

üntenuohaiigen über den lymphatiBchen Apparat in der MÜz. 606

ler') angibt, er habe beim Ochsen von den oberflächlichen Lymph- gefässen aas „Zweige" gefüllt, „welche innerhalb einzelner Balken in das Innere des Organs übertreten/' Zu erwähnen ist ferner die schon in früherer Zeit von Teichmann an der Kalbsmilz gemachte Beobachtung, dass einzelne oberflächliche Gefässe „ausnahmsweise ihren Weg durch die Substanz der Drüse nehmen/' Es kann sich hier kaum um etwas anderes, als um injicirte Trabekel gehandelt haben.

Bei Schweinen zeigen die Kapsel und die Balken der Milz eben- falls die in Rede stehenden Verhältnisse. Wenn ich nach drei Mil- zen, welche ich hier injicirt habe, urtheilen darf, so sind die ober- flächhchen Lymphgefässe jedoch in geringerer Menge vorhanden, als bei dem Pferde und dem Ochsen, und ausserdem, wie das auch Teich mann angibt, ungleichmässig verbreitet, an einzelnen Stellen spärlicher, an anderen reichlicher entwickelt. Entsprechend dem Umfange des Orga|ies, der geringen Dicke der Häute der Kapsel and der Trabekel, sind sie auch viel feiner, als bei den erstgenann- ten Thieren. Die Füllung einzelner Bahnen in den Balken gelang mir gleich bei der ersten Injection, bei den zwei späteren nicht. Weiterhin unterliess ich die Arbeit.

An dieser Stelle ist aus der Literatur anzuführen, dass auch Eölliker') sich nach Tomsa davon überzeugt hat, dass die „Vasa superficialia einzelne Ausläufer in das Innere abgeben'', bes- ser gesagt, aus dem Inneren der Milz aufnehmen. Das Thier, auf welches sich dieses bezieht, bezeichnet er nicht näher.

In Bezug auf das zweite Stromgebiet der Lymphflüssigkeit in der Milz des Rindes und Schweines kann ich zunächst angeben, dass Quer- und Längsschnitte von grösseren Arterien und deren Umgebung Bilder darbieten, welche vollkommen mit denen aus der Pferdemilz übereinstimmen. Am raschesten überzeugt man sich davon an Querschnitten. In den untersuchten Fällen fand ich je- doch stets nur eine bedeutend schmälere Zone zwischen Ar- terie und Balkenscheide, als beim Pferde, dem entsprechend auch eine geringere Anzahl von perivasculären Bahnen vielfach nur eine oder zwei grössere Lichtungen in der Umgebung der Arterien (auf

1) üeber den feineren Baa der Mils» Leipzig und Heidelberg 1866, p. 100.

2) Handbuch der Gewebelehre 1867, p. 468.

606 Dr. Eduard Kyber:

Qaerscbnitten). Die Weite der einzelnen Bahnen ist beim Rinde jedoch nicht geringer, als beim Pferde.

Weitere Beweise habe ich auch hier durch die Injection erhal- ten. Bei der Milz des Schweines miu^hte ich dieselbe nicht, bei der des Rindes dagegen mehrere Male. Die Arteria lienalis theilt sich bei dem letztgenannten Thiere unmittelbar nach dem Eintritte in das Organ (an dessen oberem Ende) in zwei Hauptäste. Der eine Ast ist kurZy der andere verläuft in der Längsrichtung der Milz bis zu dem unteren Ende derselben. Jeder Ast ist von einer Vene be« gleitet. Schneidet man die letztere mit der Scheere auf, was be- sonders leicht bei dem langen Aste gelingt, so erhält man die in ihrer Scheide eingeschlossene Arterie. Beim Einstich in die auf diese Weise präparirte Arterienscheide gelang es mir nun, die In- jectionsmasse durch Lymphgefässe am Hilus auszutreiben.

Bemerken muss ich jedoch, dass mir dieses nur dann gelang, wenn ich den Einstich unweit der Eintrittstelle der Arterie in der Milz, etwa 3—5 Gm. von derselben entfernt, machte. Wurde der- selbe in der Nähe des peripheren Endes der Arterie geniacht, so breitete sich die Masse (Beale'sches Blau) zwar über 2—8 Cm. m der Längsrichtung des Gefässes aus, sie konnte aber nicht weiter getrieben werden; es trat eher eine Berstung der Balkeoscheide ein, als ein Austritt am Hilus.

Man kann diese Injectionsversuche auch in der Weise machen, dass man in der Gfegend der Mitte der betreffenden Arterie in die Milz einschneidet und so das eingescheidete Gefass, ohne Zerstörun- gen am Hilus zu erzeugen, blosslegt. Dieses war auch das Ver- fahren, bei welchem ich Erfolg erzielte. Die Verletzung der Arterie (beim Einstich) ist leicht zu vermeiden, wenn man die CanOle ge- hörig tangential einführt. Sollte eine solche geschehen, so erkennt man das leicht an dem Resultate, da eine Arterie von der Grösse der hier in Betracht kommenden nicht mit einem Lymphgefiisse verwechselt werden kann.

Zu erwähnen ist noch , dass die Injectionsmasse , wenn in der bezeichneten Weise injicirt wird, zuweilen, anstatt aus den Lymph- gefiissen auszufliessen, in das lockere Bindegewebe am Hilus ein- tritt. Es könnte dieses theils durch Rupturen bedingt sein, theils dadurch, dass eine Gommunication der perivasculären Bahnen mit den auch in jenem Bindegewebe sich vorfindenden Lymphräomen wahrscheinlich vorhanden ist. Das eben genannte Ereignias kann

üntenuohimgen über den lymphatisehen Apparat in der Bfils. 607

schon voransgeeehen werden, wenn die Injection nach dem Einstiche sehr schwer vor sich geht. Man hat dann offenbar die grosseren Lumina dei perivascnlären Bahnen verfehlt. In jenen Fällen, wo ich das gewünschte Besultat erhielt, erfolgte die Injection leicht. Einmal (beim Ochsen) füllte sich auf diese Weise bei Iigection von Berlinerblau neben einem kleinen Lymphgefässe ein solches, welches im dilatirten Zustande bei Hemmung des Abflusses der Injectionsmasse einen Durchmesser von ca. 3 Mm. hatte. Zwei andere Male (beim Kalbe) glückte die Injection mit Argentum ni- trium, indem sich auch hier, als der Abfluss der Flüssigkeit ge- hemmt wurde, Lymphgefässe am Hilus füllten, welche durch die Dünnheit der Wandungen und die perlschnurf&rmige Beschaffenheit unzweifelhaft gekennzeichnet waren.

Eine Füllung der perivascnlären Bahnen vom Hilus aus gelang mir beim Rinde nicht, da ich solches aber bei der Pferdemilz er- zielte, bei dieser dagegen keine Injection in der enlgegengesetzten Richtung vornahm, so ergänzen sich g^enseitig die an diesen bei- den Thieren gewonnenen Resultate.

Indem wir uns jetzt zu der Milz jener Säuger waiden, welche den zweiten Typus des Baues dieses Organes zeigt, beginnen wir wieder mit den Verhältnissen in der Kapsel und den Trabekeln.

W. Müller 0 gibt an, nachdem er erwähnt hat, dass man bei der Milz „oberflächliche^* und »tiefe'* Lymphgefässe zu unterschei- den habe: „Erstere kommen allen bis jetzt untersuchten Säugethie- ren und dem Menschen zu und lassen sich durch die gewöhnlichen Methoden ohne Schwierigkeit nachweisen.** Diese Angabe mag zum Theil richtig sein, in der vorgeführten Form ist sie aber falsch, und zwar betrachte ich sie nur als einen flüchtig niedergeschriebe- nen Satz.

Wenn jemand annimmt, dass die Milz des Hundes und der Katze gar keine oberflächlichen Lymphgefässe besitzen, so dürfte das sehr schwer zu widerlegen sein. Das Höchste, was ich in dieser Beziehung finden konnte ^ waren kleine, weissliche Höcker- chen auf der Oberfläche des Organes, welche sich zeigten, wenn die Milz des Hundes oder der Katze gleich nach dem Tode in warmes Wasser gelegt wurde. Ich bin zwar geneigt, hierin Andeutungen Yon Lymphgefässen zu s^hen, doch ist das eigentlich nur eine Ver-

1) L. o. p. 104.

608 Dr. Eduard Eyber:

muthung. Es stimmt dieses uberdn mit den oben erwähnten Beob- achtungen von Billroth und mit denen von Tomsa, nach wel- chen die eben bezeichneten Thiere „wohl gar keine oberflächlichen Lymphgefässnetze'' besitzen.

Beim Menschen lässt sich eine spärliche Anzahl dieser Gefasse dagegen sicher nachweisen. KöUiker^) findet dieselben „spärlich zwischen den zwei Hallen*' und meint, dass sie „ausser in ganz ge- sunden Milzen und in der Nähe des Hilus kaum zu erkennen'' sind. Der letztere Ort ist es in der That, wo man die betreffenden Lymph- gefässe suchen muss, wenn man sich von ihrer Anwesenheit bei der menschlichen Milz überzeugen will ; ich habe sie hier in neuester Zeit mehrmals gesehen. £8 sind ganz kleine, nicht selten durch Blutfarbstoff eine Leichenerscheinung röthlich schimmernde Zweige, welche man deutlich als varicöse Ganäle erkennt, wenn man der Stromrichtung entgegen den Messerrücken oder Fingernagel über dieselben hinwegstreift Schon im Jahre 1868 habe ich einmal ein solches Gefäss mit Verzweigungen künstlich injicirt; später wurde der Versuch nicht wiederholt, doch überzeugt man sich, wie gesagt, auch ohnedem von der Anwesenheit der Lymphgefässe in der Hülle der menschlichen Milz.

Die geringe Entwickelung der betreffenden Gefasse bei der Milz der in Rede stehenden Säuger scheint mir hauptsächlich durch die geringe Menge der Muskelzellen in dem Organe bedingt zu sein. Zwar sind bei dem Hunde und der Katze die Tunica propria und die Trabekel vorwiegend oder zum Theil ausschliesslich aus Muskel- zellen zusammengesetzt, aber die absolute Masse derselben ist doch immer verschwindend klein gegenüber jener in der Milz des Pfer- des, und in der Milz des Menschen sind sie noch bedeutend spär- licher vorhanden. Es könnte jedoch bei der Milz des Hundes und der Katze, falls hier in den muskulösen Balken Lymphbahnen vor- handen sind, die Abfuhr aus diesen durch die perivasculären Wege, ja vielleicht durch die Venenstämmchen, an welchen sich zahlreiche Trabekel ansetzen, erfolgen. Nachweisen Hesse sich das nur durch die Injection.

Was das zweite Stromgebiet anlangt, so findet man dieses auch in der Milz des Menschen und der dieser analog gebauten der Thiere

1) L. c. p. 460.

üntenacbungen über den lympbatischen Apparat in der Mibe. 609

JD ähnlicher Weise entwickelt, wie in der den andern Typus zeigen- den Milz.

In Bezug auf die MUz des Hundes und der Katze kann ich hier nur wenig angeben. Ich habe die am Hilas austretenden Stämmchen bei diesen Thieren nicht gesehen, doch sind solche von Tomsa*) und Ludwig*) beobachtet worden. An den mir vorliegen- den Objecten bietet die mikroskopische Analyse wenig dar. Die Arterien treten mit zahlreichen kleinen Aesten in das Organ ein; sehr bald nach diesem Eintritte erfolgt die adenoide Umwandlung des perivasculären Bindegewebes. Gelungene Schnitte von der in den Arterien injicirten Milz zeigen, dass die Hülle sich an der Ein- trittsstelle der Blutgefässe in ihre zwei, sonst untrennbar verbun- denen Blätter spaltet, von denen das innere als Balkenscheide der Gefässe in die Tiefe geht, das äussere sich auf die letzteren nach aussen umschlägt An jener Stelle, wo die Trennung der Blätter erfolgt, ist in der Umgebung der Blutgefässe eine grössere Menge lockeren Bindegewebes vorhanden, welches sammt den letzteren in die Tiefe eindringt. Da man nun in diesem lockeren Bindegewebe am Hilus ebenfalls feine Spalträume sieht, so liegt die Voraussetzung nahe, dass vielleicht erst von hier aus entwickeltere Lymphgefässe entspringen, um dann zwischen den Blättern des Ligamentum gastro- lienale weiter zu ziehen.

Ehe wir zu der Milz des Menschen übergehen, wo sich mit der grössten Sicherheit und leicht die perivasculären Bahnen nachwei- sen lassen, will ich hier auf eine von W. Müller') an einer Aflfen- milz gemachte Beobachtung hindeuten. In dem Milzgewebe und den Malp. Körperchen fand sich eine reichliche Menge schwarzen Pig- ments ; ähnliches Pigment wurde auch „in den Zwischenräumen der ßindegewebsbündel" in der Umgebung der grösseren Arterien ge- funden. Mit Rücksicht auf die Untersuchungen von Tomsa hält W. Müller es für „wahrscheinlich ^^ dass dasselbe „wenigstens zum Theil in wirklichen Lymphräumen'' lag. Es scheint hiernach, dass auch in jener Affenmilz nur sehr feine perivasculäre Bahnen vor- handen waren.

1) L. c. p. 666.

2) Eine briefliche Mittheilung an W. Müller. (Siehe dessen Arbeit über die MUz, p. 100.)

3) L. 0. p. 100.

U. Schnltie, ArelüT f. mikroBk. Anatomie. Bd. 6. 40

610 Dr. Eduard Kyber:

Von der Milz des Menschen sind die am Hüus austreteudeD Lymphgefässe . schon seit langer Zeit bekannt. Ich habe di&e Stämmchen mehrfach gesehen. An ca. 15 neuerdings untersuchten Milzen vom Menschen habe ich nun gefunden, dass in der Umge- bung der grösseren Arterien ganz constant dieselben Bäume Tor- kommen, welche oben von gewissen Thieren beschrieben worden sind. Es ist wirklich auffallend, dass alle Bearbeiter der Milz (auch ichi dieselben bisher übersehen haben. Es rührt dieses daher, dass man sich bei der Untersuchung der gröberen Gefassverhältnisse haapt- sächUch an die makroskopische Präparation und an das frische Ob- ject gehalten hat. An Querschnitten von gut gehärteten Milzen sieht man die perivasculären Lymphbahnen in Form wohlbegrenzter rundlicher und spaltförmiger Lichtungen, je nach dem Zustande der Füllung im Leben und der Grösse der zugehörigen Arterie, von verschiedener Weite, in zahlreichen Fällen jedoch mit einem Durch- messer von 0,03=0,1 Mm.'). Eine nähere Beschreibung dieser Bahnen braucht nicht gegeben zu werden. Es ist jedoch zu er- wähnen, dass dieselben, weil das perivasculäre Bindegewebe beim Menschen viel feiner ist, als beim Pferde und Ochsen, mehr al^e- schlossen erscheinen , indem der Zusammenhang mit den Spalten zwischen den Bindegewebsfasern nur undeutlich hervortritt. Die Vene läuft hier zwar in einer gemeinsamen Balkenscheide mit der Arterie, ist aber gewöhnlich nur auf der zur letzteren gekehrten Seite von lockerem Bindegewebe umgeben. Es kommt jedoch zu- weilen vor, dass die Vene und die Arterie rundherum von dem Lymphbahnen führenden Bindegewebe eingehüllt erscheinen, und in pathologischen Fällen, bei starker Hyperplasie der adenoiden Arte- rienscheide kann man beide Gefässe von einem ebenfalls aus ade- noidem Gewebe bestehenden Mantel (welcher nach aussen von der Balkenscheide umschlossen wird) umgeben finden.

Diese Erfahrungen sind vielleicht von einiger Bedeutung. Y^ kommt nämlich häufig vor, dass bei einem Versuche, die perivascu- lären Bahnen durch Einstich zu injiciren, die Masse, nachdem sie sich einige Zeit zwischen den Blutgefässen und der Balkenscheide fortbewegt hat, in die Vene übergeht. Bei der mikroskopischen Untersuchung fand ich in diesen Fällen immer eine grosse Zersto-

1) Dieses sind die durchschnittlichen Maximal werthe, welche ich in Ter- Bchiedenen Milzen bestimmte.

Untersuchungen über den lymphatischen Apparat in der Milz. 611

Hing. Es könnte jedoch die Frage aufgeworfen werden, ob nicht ein Theil der Lymphbahnen in die Venen der Milz einmündet. Da- neben gelingt es aber auch zuweilen, Lymphgefässe am Hilus zu injiciren, wenn man , ohne diese Gegend zu verletzen , in die Milz eJBsehneidet, eine Arterie hervorzieht und die Canüle zwischen Bal- kenscheide und Oefässen sorgfältig einführt. Ausserdem kann ich anführen, dass bei einer Milz mit colossaler Hyperplasie der ade- noiden Arterienscheide (wo sich auch die oben erwähnte kleinzellige Infiltration der Umgebung der grösseren Arterien vorfand) ein gegen den Strom injicirtes Lymphgefass einen Durchmesser von ca. 2 Mm. zeigte. Einer ergiebigen Injection setzten in diesem Falle die Klap- pen einen zu grossen Widerstand entgegen.

Zum Schlüsse möge man mir nun noch gestatten, einige indi- rect auf das vorliegende Thema sich beziehende Angaben zu machen.

Zum Ausgangspunkte nehme ich hier folgende von Tomsa hingestellten Sätze:

„Die Milz ist eine Drüse, deren Gewebe", „ähnlich jenem der Leber, ein solides von Lymphe durchtränktes Netzwerk bildet, das allseitig entweder von Blutgefässmaschen umstrickt wird, oder in welches die Blutbahn durch Auseinanderdrängen des Fasersystems eingegraben ist."

„Das Milzgewebe ist der sogenannten conglobirten Substanz gleich zu stellen." „Eine theilweise massenhaftere Einlagerung der Lympbkörperchen kennzeichnet die sogenannten Malpighi'schen Bläschen, ohne dass eine bestimmte Begrenzung letzterer gegen das Milzgewebe stattfände."

Den ersten Satz acceptire ich theilweise, den zweiten kann ich nicht gelten lassen. An jenem gefällt mir der Vergleich mit der Leber insofern, als dadurch hervorgehoben wird, dass in der Milz ein eigenes Drüsengewebe vorhanden ist. Es ist jedoch noth wen- dig, dass man das Milzgewebe und die adenoide Arte- rienscheide streng auseinander halte. Die Verschieden- heit dieser beiden Gewebe wird sowohl direct durch die mikrosko- pische Untersuchung, als auch indirect durch die in der Milz vor- kommenden Krankheiten bewiesen.

Schon die lymphoiden Zellen des Milzgewebes, welche in ihrer

612 Dr. Eduard Kyber:

Form nicht bemerkbar verschieden von denen der adenoiden Arte- rienscheide sind, unterscheiden sich ganz constant durch geringeres Imbibitionsvermögen ihrer Kerne zu Garmin und besonders Anilin. Der Contrast zwischen der Färbung der adenoiden Scheide der grösseren Arterienzweige und der des Miizgewebes tritt an geeigne- ten Objecten sofort hervor; auch in der Scheide der kleineren Ar- terienzweige sieht man die intensiv gefärbten Zellenkeme von den blassen des Milzparenchyms scharf sich hervorheben. Vielleicht findet auch eine Wanderung der Zellen der ersteren in dem letzte- ren statt , denn in dem Milzparenchym sind immer hier und da Zellen nüt stark sich färbenden Kernen eingestreut.

Das Medium, in welchem die Rundzellen liegen, lässt die Ver- schiedenheit beider Gewebe noch prägnanter hervortreten. In dem Arterienscheidenparenchym haben wir das durch Auspinseln leicht darstellbare, relativ weitmaschige Netz, welches in den Knotenpank- ten ohne Schwierigkeiten Kerne erkennen lässt. Bei dem Milzpar- enchym ist das Netz bedeutend schwieriger darstellbar, zarter und bedeutend engmaschiger ; in den Knotenpunkten sind bei ausgewach- senen Thieren nur sehr spärliche oder gar keine Kerne wahrnehm- bar: Ausser diesem Netzwerke ist in dem Milzgewebe zwischen den Rundzellen noch eine weiche Zwischensubstanz vorhanden, welche im frischen Zustande als äusserst feinkörnige, auf Essigsanrezosatz sich stärker trübende, zähe Flüssigkeit wahrgenommen wird, an ge- härteten Objecten aber als ein die Zellen einmauerndes Netz er- scheint. In dem Arterienscheidenparenchym ist etwas derartiges nicht zu sehen, obwohl an der Grenze beide Gewebe ineinander übergehen.

Krankhafte Zustände bestätigen nun die Verschiedenheit des Arterienscheidenparenchyms und des Milzgewebes. Schon früher habe ich auf die amyloide Milz hingewiesen. In gewissen Fällen (Sagomilz) findet man nur das Arterienscheidenparenchym (Malp. Körper und einfach cytogene Scheide) amyloid erkrankt, während das Milzparenchym von der amyloiden Degeneration verschont bleibt Es handelt sich hier im Wesentlichen um amyloide Metamorphose der Wandungen der Capillaren und der sich daran festsetzenden Netzfasem. Man sieht in solchen Fällen nach geeigneter Applica- tion von Jod und Schwefelsäure^) die charakteristisch gefärbte

1) YergL meine »üntersuohangen über die amyloide Degenerationt. I. Dorpat 1871, p. 80 tt. ff.

üntenaobongen über den lymphatischen Apparat in der Milz. 618

Arteriensclieide inmitten des gelben Milzparenchyms. Ein anderes Mal (sog. difiuse Amyloiderkranknng) handelt es sich am amyloide Umwandlang des Milzgewebes. Zunächst zeigt sich in der ümge- bang der capillären Venen ein dünner Mantel von amyloid verän- dertem Gewebe; durch Jod und Schwefelsäure lässt sich die Verän- dening genau studiren. Dem Lumen der kleinsten Venen zunächst liegen die nicht amyloiden Spindelzellen; an dem amyloiden Mantel erkennt man bei genauerer Untersuchung eine Entstehung aus ge- quollenen, vielfach zusammengeflossenen Rundzellen; desgleichen erkennt man durch die Amyloidreaction deutlich, dass auch die Fasern des Netzwerkes und die Zwischensubstanz an dieser Stelle amyloid geworden sind. Die adenoide Arterienscheide ist zu dieser Zeit ganz frei von der amyloiden Veränderung. Wenn die amyloide Degeneration im Parenchym weiter vorschreitet, d. h. eine Ver- grösserung des die capillären Venen umgebenden Mantels durch im- mer neue Erkrankungen an den ihm anstossenden Elementen er- folgt, wird die Arterienscheide gewöhnlich atrophisch, die Follikel werden auf die Hälfte oder ein Drittel ihrer früheren Grösse redu- cirt, arm an Rundzellen; das Netzwerk in ihnen verdichtet sich; amyloide Veränderung des Gewebes kann jedoch vollkommen fehlen. Dieses mag hier genügen. Combinationen der amyloiden Er- krankung des Milzgewebes und der Arterienscheide kommen vor, doch geht die Veränderung dann an beiden Geweben auf verschie- dene Weise vor sich.

Ausser der amyloiden Degeneration gibt es noch andere patho- logische Veränderungen, aus welchen die Verschiedenheit der beiden in Rede stehenden Gewebe von einander hervorgeht. Es kommt nämlich vor, dass die Arterienscheide eine colossale Hyperplasie erleidet, während das Milzgewebe atrophisch wird. Im hiesigen pathologischen Institute wurde unlängst eine Milz beobachtet, welche etwas aber 3 Pfund 5 Loth (russisch) wog. Die Vergrösserung war hier durch Hyperplasie der Arterienscheide bedingt, während das Parenchym nur dünne, reichlich von Pigment durchsetzte Gewebs- zäge darbot.

Allerdings kommen auch Fälle vor, wo bei colossaler Vergrös- serung der Milz gleichzeitig sowohl im Milzgewebe, als auch im Ailerienscheidenparenchym kleinzellige Wucherungen in der Weise vorkommen, dass man nicht genalu erkennen kann, von welchem Theile dieselben ausgegangen sind. Dieses sind aber besondere

6U Dr. £daard Kyber:

Krankheitsformen, die für unsere Frage nicht verwerthbar sind; ebensowenig widerlegen sie aber dasjenige, was durch andere Fille bewiesen wird.

Indem die mikroskopische Analyse eine Verschiedenheit der adenoiden Arterienscheide und des Mihsgewebes feststellt und gewisse pathologische Veränderungen ein verschiedenes krankhaftes Verhal- ten des einen und des anderen Gewebes darthun, liegt es nahe, je- dem dieser Gewebe auch eine verschiedene physiologische Bedeu- tung zuzuschreiben.

Die Experimente von Schiff haben bekanntlich schon seit langer Zeit dargethan, dass die Milz für die Verdauung der Albn- minate im Körper von Bedeutung ist. Ueber das Detail sind die Ansichten zwar getheilt, indem Baccelli^ annimmt, dass dieses Organ die Eiweiss verdauenden Stoffe dem Magen während der Ver- dauung direct zusendet (durch die zum Magenfundus gehenden klei- nen Venen), Schiff dagegen einen Einfluss auf das Pancreas fin- det und auch neuerdings constatirte, dads das Pancreas „zur Lösung selbst einer minimalen Eiweissmenge unfähig wird^ wenn die Milz seit mehreren Monaten fehlt oder atrophisch ist^' '). Jedenfalls wird aber eine Beziehung der Milz zu der Verdauung der Albuminate übereinstimmend gefunden.

Fragt man nun, welcher Theil der Milz dabei von Bedeutung sei, so ist es am wahrscheinlichsten, dass hier das Milzparenchym und die eigenthümlichen Venenanfänge in Betracht kommen.

Das Arterienscheidenparenchym zeigt die grösste Uebereinstim- mung mit jenem Gewebe, welches auch an anderen zum lymphati- schen Apparate gehörigen Orten gefunden wird. Der Zusammen- hang desselben mit Lymphbahnen tritt auch in der Milz klar her- vor. Dasselbe stellt also eine eigene Wurzel des Lymphgefasssv- Sterns in unserem Organe dar. In welchem Grade die hier vorhan- denen Rundzellen zur Ausfuhr bestimmt sind, ob dieses etwa ihre einzige Bestimmung ist, welche andere Stoffe hier noch gebildet werden, das lässt sich nicht entscheiden, ebenso wie es in Bezug auf die Lymphdrüsen nicht entschieden ist. Wir begnügen uns da- mit, dass wir die Verwandtschaft der Arterienscheide mit diesen constatiren. Hiernach dürfte ihre Bedeutung für die Verdauung aber wohl auszuschliessen sein.

1) Yirchow's Arohiv Bd. 51, p. 141.

2) Archiv für die gesammie Physiologie 1870, p. 622.

üntenaohangen über den lymphatischen Apparat in der Milz. 615

Das Milzgewebe dagegen ist, wie schon vor langer Zeit von Billroth ^) hervorgehoben wurde, ,,in seiner eigenthümlichen vom Lymphdrüsengewebe unterschiedenen Form der Milz allein eigen- thümlich/' Ihm muss hiernach eine eigenthflmliche Bedeutung zu- kommen. Bei der langsamen Blutcirculation in den weiten, das- selbe durchziehenden Venenaniängen müssen bedeutende Stoffumsätze stattfinden. Und deshalb ist es wahrscheinlich, dass von den beiden in Betracht zu ziehenden Parenchymen das Milzgewebe das bei der Verdauung in Betracht kommende ist. Dass aber auch aus diesem Gewebe Stoffe in die Lymphbahn übergehen, darf nicht bezweifelt werden.

Fassen wir unsere Anschauung über die Milz der Säuger kurz zusammen, so besteht dieses Organ einerseits aus einem eigenen seiner specifischen Thätigkeit dienenden Theile, andererseits aus einem zum lymphatischen System gehörigen Abschnitte. Ersterer wird repräsentirt durch das Parenchym mit den Venenanfängen. Die Beziehungen dieses Parenchyms, so wie auch der Trabekel und der Kapsel zum Lymphgefässsystem sind parallel zu stellen mit den analogen Beziehungen in der Leber z. B. und in anderen Organen. Dagegen ist die Arterienscheide mit den Malpighi'schen Körperchen eine Bildung, welche nur in gewissen Organen ein Analogen findet, and zwar in den einzelnen Abschnitten des ganzen Speiseweges. Wie hier neben den Drüsen eine eigenthümliche Wurzel des Lymph- gefässsystems in den Follikeln gefunden wird, so ist es auch in der Milz.

Das Eigenthümliche, welches man wohl auch darin sehen will, dass dieses Organ, scheinbar ohne Nachtheil für das Leben, aus dem Körper entfernt werden kann, schwindet, wenn man bedenkt, dass sich verschiedene Quellen für die Eiweisssubstanzen verdauenden Stoffe in demselben vorfinden und dass es verschiedene adenoide Wurzeln des lymphatischen Systems im Körper gibt.

Dorpat, den 19. Februar 1872.

1) Virohow's Arqhiv Bd. XXIU, p. 459.

616 Dr. Eduard Eyber:

Erklärung der Abbildungen auf Tat XXV n. XXVL

Sämmtliohe Abbildungen mit Ausnahme von Fig. 6, 7 und 8 sind nach durch GreoBot aufgehellten, in Canadalsam eingeschloBsenen mikroskopischen Schnitten von der in Müller'scher Flüssigkeit (4 6 Wochen) und nachträg- lich in Alkohol (1—12 Wochen) geharteten Milz des Pferdes gezeichnet. Mit Ausnahme von Fig. 3, 9 und 10 C sind die in Creosot aufgehellten Schnitte vorher mit salpetersaurem Bosanilin gefärbt worden; die Intensität der Fär- bung hierselbst ist durch dunklere und hellere Zeichnung wiedergegeben. Das Maass, welches bei der Beschreibung der Fig. 1 3 und 5 in Parenthese angeführt ist, bezeichnet annähernd die in der Richtung der Arterie gemes- sene Entfernung von der Eintrittsstelle dieser in die Milz bis zu jener Stelle, welcher der Schnitt entnommen ist. Ueber Fig. 6, 7 und 8 findet man an den betreffenden Stellen Angaben über die Herstellung der Objecte. Fig. 1. Querschnitt durch eine Arterie und deren Umgebung (ca. IVsCm.). a die Hauptarterie; y deren Media; z deren Adventitia; b dieperi- vasculären Lymphbahnen, theils mit blauer Masse gefüllt, theilsmit nur an den Wänden anhaftenden Körnchen, theils uninjicirt; c Ker- venstämme; d das lockere Bindegewebe zwischen den genannten Gebilden ; e die Balkenscheide ; f eine kleine Arterie auf dem Quer- schnitte; g ein sich mit der Balkensoheide verbindender Trabekel h dessen Lymphbahnen, die in geringem Grade injicirt sind. Ver- grösserung 1 : 80. Fig. 2. Ein eben solcher Querschnitt (ca. 3 Cm.), a e, y n. z haben die- selbe Bedeutung wie vorhin; a' stellt einen Theil einer Arterie dar, welche von der Arterie a abgegangen ist; e' die Balkenscheide im Längsschnitte; f eine kleine Arterie auf dem Längsschnitte^ am Ende derselben ein Defect. Vergr. 1 : 80. Fig. 3. Theil eines Längsschnittes von einer Arterie und deren Umgebung (1 IVs Cm.), a die Balkenscheide; b Injectionsmasse , welche theils die perivasculären Lymphräume erfallt, theils gleichmüssig verbreitet erscheint; c ein wohlgeformtes L3rmphgefa88 , zum Tbeil mit Injectionsmasse gefüllt; d lockeres Bindegewebe; e Andeutung eines starken Nerven. Yergr. 1 : 80. Fig. 4. Präparat vom Endtheile einer Arterie, a Malpighi'sche Körperchen (Follikel); b die zugehörige Arterie; o Injectionsmasse; d Milzge- webe. Vergr. 1 : 80. Fig. 6. Theü eines Querschnittes von einer Arterie und deren Umgebung (ca. 2Vs Cm.), a ein Theil der Muscularis und der Intima der Haupt- arterie; b die Adventitia; c grosse Lymphräume; d ein kleiner Lymphraum; e Lymphräume anderer Art; f die quer und schräg durchschnittenen Fibrillenbündel des zwisohenliegenden Bindegewe- bes. Vergr. 1:310.

Untersuchungen über den lymphatischen Apparat in der Milz. 617

Fig. 6. Silberbilder von den Deckzelleu aus den perivascalären Lymphrftu- men des Ochsen, in Glycerin eingeschlossen. A die Deckzellen in situ. Yergr. 1 : 80. B u. G je eine kleine Partie desselben ßildes bei SlOfacher Yergr. D nach Maceration in Glycerin durch Schaben von der Unterlage abgelöste Deckzellenhäutchen bei SlOfacher Vergr. Fig. 7. Silberbilder von den Deckzellen aus den Eapsellymphgefassen des- selben Thieres, in Glycerin eingeschlossen. A in situ; B u. 0 ab- gelöste Häutchen. Bei B sind die Kerne durch Silber gebraunt, während die Oberfläche des übrigen Zellenkörpers sonst vollkommen frei von einem Niederschlage ist. Yergr. 1 : 310. Fig. 8. Deckzellen von der der Bauchhöhle zugekehrten Fläche der Milz- hülle des Ochsen; auch hier sind die Kerne durch Silber gebräunt. Yergr. 1:310. Fig. 9. Injicirtes Balkenwerk, a Trabekel; b Lymphbahnen in denselben; c Milzgewebe; d Üebergang der Ii^joctionsmasse aus jenen in die- ses; e Andeutung der kleinen Yenen. Yergr; 1:80.

Fig. 10. A, B, G. Einmündung der theils uninjicirten Trabecularbahnen (a) in die Kapsellymphgefasse (b), welche in dem lockeren Bindegewebe (c) zwischen Tunica serosa (d) und Tunica propria (e) verlaufen; f das Milzgewebe. Yergr. 1:80.

Fig. 11. Ein Balken auf dem Längsschnitt, a die Hanptlymphbahn ; b klei- nere Spalträume zwischen den Muskelzellenbündeln. Die schwarzen Punkte deuten goldgelbes und braungelbes Pigment an.

Fig. 12. Desgleichen auf dem Querschnitt, bei A zur Hälfte, bei B ganz dar- gestellt, a die Hauptlymphbahn, in welche kleinere Bahnen von der Peripherie einmünden; b ein aus dem Milzgewebe kommender Spalt; c (bei A) das Milzgewebe. Die schwarzen Körner stellen gelbbrau- nes Pigment dar.

SSO Albert von Brunn:

ausnahmsweise za mehreren in einem structurlosen Schlauche zu liegen schienen.

Dies sind in der Kürze die neuerdings ausgesprochenen Ansich- ten. Ich will jetzt meine Beobachtungen zunächst iibar die Structor der Rindensubstanz mittheilen.

Was das Verhalten des bindegewebigen Gerüstes be- trifft, so kann ich betrelEs der beiden inneren Schichten für die Nebennieren der meisten von mir untersuchten Thiere Arnold nar vollkommen beistimmen. Ich habe besonders schön an ausgepin- selten oder längere Zeit mit Alkohol geschüttelten Präparaten ans der mittleren Rindenschicht der Pferdenebenniere die überhaupt als passendstes Object zum Studium der Verhältnisse dies^ Organs nicht genug empfohlen werden kann gesehen, dass die Zellen- stränge dieser Schicht von einem feinen Reticulum durchzogen sind, dessen Maschen nur je eine Zelle beherbergen und diese korb&rtig umhüllen. Zur Veranschaulichung dieses Verhältnisses diene Fig. 1.

Etwas anders scheint sich in dieser Beziehung die Nebenniere mancher anderen Geschöpfe zu verhalten, z. B. die des Menscheo, bei der es mir nicht gelingen wollte, nachzuweisen, dass jede Zelle ihren besonderen Korb hat. Es scheint, dass hier, wie das auch Eölliker und Eberth angeben, mitunter mehrere Zellen in einer Masche des Bindegewebes liegen. Wirkliche mit Zellen gefüllte Schläuche mit einer Membrana propria habe ich nie finden können, wohl aber die von Kölliker beschriebenen und abgebildeten Gon- volute von Fetttröpfchen , in denen man keine Zellengränzen mehr erkennen kann und die von einer homogenen Membran umhüllt za sein scheinen. Hinsichtlich ihrer muthmasslichen Natur, dass sie nämlich als eine durch excessive Fettansammlung bedeutend aus- gedehnte Zelle anzusehen seien, stimme ich Kölliker bei, am so mehr, als ich öfter beobachtet habe, dass die noch unveränderten angrenzenden Rindenstränge durch diese Massen b<^enförmig nach der Seite gedrängt waren. Für diese Entstehung spricht ausserdem noch die Thatsache, dass man solche Schläuche in den Nebennieren des Fötus' und Neugeborenen vergebens sucht, sondern sie erst im späteren Alter zu Beobachtung gelangen. Was Henle's Ansicht betrifft, so möchte ich Arnold beistimmen, welcher glaubt, dass He nie als structurlose Schlauchmembranen die die Zellenmassen umspinnenden Gapillargefässwände anspreche, ein Verhältniss, auf wel- ches ich später bei der Besprechung der Gefässe zurückkommaA werde.

Ein Beitrag zur KenntniBS de» feineren Baues etc. der Nebennieren. 6dl

In der Zona reticularis habe ich das Yerhältniss des Bindege- webes zu den Zellen ganz so gefanden, wie es Arnold und Andere schildem.

Die Parenchymzellen der mittleren Rindenschicht zeigen die allerverschiedensten Formen. Sie sind bald rundlich, bald läng- lich, bald polygonal, bald sternförmig, ihre Form richtet sich ganz und gar nach der Form der sie umhüllenden Bindegewebsmasche. In ihr Protoplasma sind, je weiter nach der Peripherie, desto mehr hellglänzende runde Körner eingelagert, oft in so grosser Menge, dass es schwer hält, den Kern zu erkennen. Diese Kömer finden sich bei neugeborenen Thieren nicht, auch sie treten ebenso wie das Fett erst später auf. Sie färben sich in Osmiumsäure nicht schwarz, sie lösen sich in mit Essigsäure angesäuertem Aether nicht auf das letztere fahrt auch Grandry an selbst nicht nach 18—24 ständiger Einwirkung, sie sind also kein Fett. Welcher Natur sie seien, weiss ich nicht anzugeben. Sie sind von den in den Kölliker- sehen Schläuchen gelegenen Fetttropfen durch diese Beactionen leicht zu unterscheiden.

Die Zellen der Zona reticularis enthalten solche Kömer nicht, ebensowenig die des inneren Theils der Zona fasciculata; dieselben bestehen vielmehr aus einem hellen, feinkörnigen Protoplasma mit klaren randen Kemen. Eine grössere oder geringere Anzahl derselben erscheint mit feinen braunen Pigmentkömehen erfüllt, welche besonders deutlich an Tinctionspräparaten hervortreten , wo sie von der Farbe der Zellen und Kerne stark abstechen. Bei ein- zelnen Thieren sind fast alle Zellen mit dem gelben Pigment im- prägnirt. Besonders aufiTällig zeigte sich das bei der Nebenniere eines jungen Löwen von der Grösse eines Wolfshundes, die ich zu untersuchen Gelegenheit hatte: sämmtliche Zellen der Zona reticu- laris und fasciculata sahen wie gelb bestäubt aus.

Während die von Arnold sogen. Zona reticularis und fascicu- lata bei allen Thieren, deren Nebennieren ich zu untersuchen Gele- genheit hatte (Menschy Pferd, Hund, Löwe, Meerschweinchen^ Ratte), wesentlich dieselben morphologischen Bestandtheile in nahezu der- selben Anordnung zeigen, ist, wie das auch Kölliker^ Eberth, Frey angeben, der Bau der der Kapsel zunächst gelegenen Schicht Arnold's Zona glomerulosa bei einigen der genannten Thiere durchaus verschieden von dem bei den anderen« Während nämlich die Ajmold'sche Anordnung beim Menschen, Löwen, Meer-

632 Albert vod Brunn:

schweinchen, der Ratte sich zeigt und die von Arnold beschriebe- nen Eigenthümlichkeiten besitzt, gehen die Zellstränge der Zona fasciculata beim Pferd und Hund direct bis zur Kapsel, in einiger Entfernung von dieser jedoch ändert sich ihr Charakter. Die oben erwähnte, von Kölliker zuerst beschriebene Rinnenform der Stränge tritt immer deutlicher hervor, und auch der Charakter der Zellen erfährt eine bemerkenswerthe Aenderung. Die Zellen werden lang und schmal und stehen mit ihrer Axe senkrecht zur Richtung des Stranges. Bei oberflächlicher Beobachtung scheinen die Stränge aus Cylinderzellen zu bestehen, wie sie auch von Eberth bezeichnet werden, während Kölliker sagt, sie sähen Cylinderepithelzellen täuschend ähnlich. An hinreichend dünnen tingirten Schnitten be- merkt man indessen bald, dass diese Zellen nicht cylin- drisch, sondern spindelförmig sind, was besonders deutlich hervortritt, wenn man feinen Theil der Zellen durch Schütteln ent- fernt hat. Dann bemerkt man auch, dass diese Zellen gegen das umhüllende Bindegewebe (wofern sie nicht durch die Präparation losgerissen sind) nur höchst unvollkommen abgesetzt sind. Ihre wirkliche Form und ihr Verhältniss zur Umgebung wird aber erst klar, wenn man aus dem völlig frischen Organ des Pferdes Schnitte fertigt und aus denselben durch Schütteln mit Kochsalzlösung einen Theil der Zellen entfernt (s. Fig. 2, a). Dann sieht man, dass die Zellen einen spindelförmigen Leib und einen oder zwei lange Ausläufer haben. Die mit zwei oder drei Kem- körperchen versehenen ovalen Kerne liegen an der dicksten Stelle des Zellenleibes; sie sind an frischen Präparaten oft schwer zu se- hen, treten aber bei Zusatz von Essigsäure sofort deutlich henor. Im Zellprotoplasma liegen grössere und kleinere kugelrunde, sehr stark lichtbrechende Kömer in grosser Zahl, welche dieselben n^a- tiven Reactionen geben, wie sie von den in den Zellen der Zooa fasciculata beobachteten Körnern besprochen wurden. Die Zellen besitzen keine nachweisbare Membran.

Die Ausläufer dieser spindelförmigen Gebilde zeigen keine Kör- nung, auch nicht die feinkörnige Trübung des Protoplasmas, sie sind homogen wie Bindegewebsfibrillen. Sie verlaufen grade oder geschlängelt nach der Wand ihres Wohnraumes zu und verfilzen sich spurlos in den Bindegewebsfasern derselben : die Zellen han gen vermittelst dieser Ausläufer mit dem Bindegewebe der Umgebung zusammen. Die Art, wie dies geschieht, ist

Ein Beitrag Eur Kenntniss des feineren Banes etc. der Nebennieren. 628

verschieden, je nachdem die Zellen einen oder zwei Schwänze be- sitzen. Während im let.zteren Falle jeder der beiden Ausläufer im Bindegewebe haftet, so dass der Zellenkörper die Mitte des dadurch Ton einer Wand zur anderen gespannten Fadens einnimmt, haften die einschwänzigen nur mit dem einen Ausläufer im Bindegewebe der entsprechenden Seite, während sie sich auf der anderen mit breiter Basis an dasselbe anlehnen. Ein Lumen in diesen Zell- strängen existirt nirgends, da alle Zellen, resp. ihre Ausläufer, durch die ganze Weite der Höhlung hindurchgehen.

Ganz ähnlich wie beim Pferde verhalten sich diese Partieen beim Hunde. Die von Eberth auch als Cylinderzellen bezeichneten Gebilde erweisen sich auch als mit dem Bindegewebe zusammen- hangende Spindeln, welche dieselben Eigenthümlichkeiten haben, wie die des Pferdes, nur etwas plumperer Gestalt sind. Von mit Epithel ausgekleideten Blasen, wie sie Grand ry beschreibt und abbildet, oder gar von leeren Schläuchen, aus denen das Epithel herausge- fallen sein soll, habe ich nichts bemerken können. Ich möchte fast glauben, Grandry hat die ganzen Zellenhaufen der äussersten Rindenschicht für leere Schläuche gehalten: denn seine Zeichnung entspricht diesen im frischen Zustande, wo man die Zellen nicht von einander abgesetzt, sondern nur durch die streifenartig ange- ordneten Körner im Protoplasma angedeutet sieht. Hätte er an Tinctionspräparaten diese leeren Schläuche gesucht, so würde er sie wohl kaum wiedergefunden haben.

Diese Aggregate von mit dem Bindegewebe zusammenhangenden Spindelzellen gehen unmittelbar in die Zellenreihen der mittleren Rindenschicht Arnold*s Zona fasciculata Über (s. Fig. 3). Die Spindeln werden allmählig kürzer und dicker, vom umgebenden Bindegewebe kommen Fasern, welche zwischen die kürzer werden- den Zellen hineingreifen. Die Zellen werden ganz allmählig zu den oben beschriebenen der Zona fasciculata, während sich ebenso all- mählig ein Bindegewebsnetz zwischen sie hineinzieht und jede ein- zehie in einen bindegewebigen Korb einhüllt.

Die sich nach Heule 's Entdeckung in Lösungen von Chrom- säureverbindungen braunfärbende , wegen ihrer Lage im Gentrum desOrganes bei den Säugethieren Marksubstanz genannte Masse ist bei manchen Thieren (Pferd, Meerschweinchen, Ratte) scharf abgesetzt gegen die Rindensubstanz. Bei anderen (Mensch, Löwe) ist diese Grenze nicht deutlich, indem diese Substanz zwar im Gen-

624 Albert von Brunn:

trum des Organes liegt, aber an der Grenze der Rinden- ond Mark- substanz eine Zone existirt, wo beide Zellenarten gemischt vorkom- men. Bei noch anderen (Hund) ziehen Rieh strangförmige CoDglo- merate dieser Zellen an den direct von der Kapsel zum Mark oder umgekehrt gehenden Gefässen entlang bis zur Oberfläche des Organes.

Die Form der Elemente der Marksubstanz tritt nur nach Be- handlung mit einigen Reagentien Chromsäure, Müller'scher Flüs- sigkeit, 5proc. Lösung von schwefelsaurem Nickeloxydul deutlich hervor. Sie sind sehr vielgestaltig: cylindrisch, rundlich, länglich, polygonal, meist mit kurzen Ausläufern versehen, die ich jedoch nie bis in das Bindegewebe habe verfolgen können. Das Proto- plasma ist feinkörnig, nie mit den grossen Körnern der Rindensub- stanz durchsetzt. Eine Zellmembran existirt nicht, wie man das an frischen Zerzupfungspräparaten sieht, wo die runden glänzenden Kerne von einer nicht deutlich abgesetzten körnigen Masse umge- ben erscheinen. Die Färbung durch Chromsäure ist bei verschiede- nen Thieren verschieden stark: dunkelbraun besonders beim Pferd, nur hellbräunlich beim Menschen. Die Kerne nehmen an dieser Färbung keinen Antheil, sie treten vielmehr durch ihre Helligkeit stets hervor. Worauf die besprochene Färbung durch Chromsanre beruht, ist bis jetzt nicht zu sagen. Sie muss ihren Grund in dem Vorhandensein eines Stoffes haben, der gerade zum Chrom eine be- sondere Verwandtschaft besitzt. Sie kann auf keiner einfachen Re- duction beruhen, was ich daraus schliesse, dass die Lösungen von Verbindungen der mit dem Chrom chemisch verwandten Metalle, des Eisens, Nickels, Kobalts, Urans, Wolframs, keine irgendwie ent- sprechende Färbung hervorrufen. Dieser das Chrom anziehende Stoff muss sehr leicht in Alkohol löslich oder durch denselben ver- änderlich sein, denn eine kurze Einwirkung desselben von 10—15 Minuten genügt, um die Chromfärbung vollständig zu vereiteln.

Die Markzellen erscheinen bei den Säugethieren zum Theil in Haufen und Streifen angeordnet, deren Form durch die Anordnaog des bindegewebigen Gerüstes und der Gefässe bedingt ist. Diese Haufen sind rundlich oder länglich, bei manchen Thieren mit ihrer Längsaxe vorwiegend senkrecht zur Oberfläche des Organes gestellt, bei anderen parallel derselben. Von dem umgrenzenden Bindege- webe zieht sich ein Maschenwerk feiner Fasern zwischen sie hinein, das indessen lange nicht so dicht ist, wie in der Rmdensabstanz der

Ein Beitrag zur Eenntnits des feineren Baues etc. der Nebennieren. 626

Pferdenebenniere, so dass wohl mehrere Zellen neben einander in einer Masche liegen mögen. Die Stellung der Zellen ist bei den Sängethieren meist mit dem längsten Durchmesser senkrecht zum Längsdurchmesser des Stranges^ den sie in vielen Fällen in seiner ganzen Breite durchsetzen, so dass jede Zelle von der einen Wand des bindegewebigen Hohlraumes zur anderen reicht. Oft umgeben die Stränge kranzförmig die Gefässe, ein Verhältniss, von dem ich später noch ausführlich zu reden habe. Während der grösste Theil der Zellen in solchen Häuf en angeordnet ist, liegen viele, besonders nach dem Cent]:;)im zu, vereinzelt im Bindegewebe, überall von die- sem umschlosseD.

Eine sehr wesentlich vom Baue der Nebenniere der Säugethiere abweichende Structur zeigt bekanntlich die Nebenniere der Vögel, ich bespreche nur den Bau des Organes der Taube, das ich allein untersucht habe (s. Fig. 4). Man findet hier eine vollständige Ver- mischung der in Chromsäure sich braunfärbenden Substanz mit der anderen. Diese sogen. Rindensubstanz ist in Strängen, die unge« ordnet, etwa wie die Tubuli contorti der Niere, erscheinen, gleich- massig durch das ganze Organ verbreitet, während die braun ge- färbte Substanz in den zwischen diesen Strängen freibleibenden Räumen liegt, ebenso durch das ganze Organ verbreitet, so dass also die Bezeichnung als Binden- und Marksubstanz hier nichts veniger als dem Sachverhalt entsprechend ist ; doch aber wollen wir sie der Kürze wegen beibehalten.

Die Zellstränge der Rindensubstanz bestehen hier durchweg aus ähnlichen Elementen, wie in der äussersten Rindenschicht bei Hund und Pferd. Der Zusammenhang der Spindelzellen mit dem Bindegewebe ist hier eben so leicht zu constatiren, wie dort (s. Fig. 2, b). Die Spindelform ist mitunter nicht so scharf ausgeprägt; man findet viele mehr kolbige Zellen mit langen Ausläufern. Das Verhältniss der Zellen zu den Wandungen der Räume ist aber ganz da^elbe, wie bei jenen Sängethieren. Eine Membran um die schlauch- förmigen Zellstränge existirt auch hier nirgends; ebensowenig ein Lumen.

Die Markzellen liegen auch hier meist zu mehreren zusammen

in Bindegewebsmaschen in dem sich zwischen den Rindensträngen

hinziehenden interstitiellen Gewebe. Die Längsaxe sowohl der

I Markzellenconglomerate wie der einzelnen Zellen geht parallel zum

I Zuge des Bindegewebes.

M. Sehnltie, ArohiT f. mikroik. AiiAtomie. Bd. 8. 41

l

626 Albert von Brunn;

Soviel über die sogen. Drüsenelemente der Nebennieren und ibre Anordnung.

Aus den Umständen nun, dass 1. die Zellen der äussersten Scbicht der Rindensubstanz in der Nebenniere des Pferdes ond Hundes und gewiss noch vieler anderer Säugethiere dass bei den Vögeln alle gegen Chrom indifferenten Zellen die beschriebene spindelförmige Gestalt mit langen Ausläufern haben, eine Gestalt, die bei epithelialen Gebilden nicht beobachtet wird; sowie 2. daraus, dass diese Ausläufer direct in das Bindegewebe der Umgebung ge- hen und sich spurlos in demselben verlieren, folgere ich, dass diese Zellen bindegewebiger Natur sind, dass sie als modificirte Bindegewebszellen zu betrachten sind. Daraas aber, dass diese Zellen' beim Hund und Pferd allmählig sich in die der mittleren Rindenschicht umwandeln und diese wieder ganz die- selben sind, wie die der innersten Rindenzone, glaube ich schlissen zu dürfen, dass kein principieller Unterschied zwischen den Zellen dieser und jener Schicht besteht^ dass auch die Zellen der Zona fasciculata und reticularis, dass also alle Rin- denzellen bindegewebiger Abstammung, bindegewebi- ger Natur sind.

Für die bindegewebige NatUi^ aer Markzellen lassen sich keine so klaren Belege geben, wenn dieselbe auch namentlich durch das oft zu beobachtende ganz vereinzelte Vorkommen dieser Gebilde mitten im Bindegewebe zum mindesten sehr wahrscheinlich ist

Gefässe der Nebennieren. Ucber den Verlauf der Ge&sse in der Nebenniere sagt Arnold: „Die zu der Oberfläche der Neben- niere tretenden und unter der Kapsel in Form beschränkter Gefass- bezirke angeordneten arteriellen Gefässe bilden in der Zona glome- rulosa Knäuel. Aus diesen gehen ziemlich weite Gefässschläuche hervor, welche die Zona fasciculata in rediärer Richtung durchsetzen und in gleichmässigen Abständen verlaufen. Durch vielfache Thei- lung und Verbindung dieser Gefässe wird in der Zona reticularis ein sehr enges Gefässnetz gebildet. Die Gefässe der Marksubstanz entspringen aus dem Gefässnetz der Zona reticularis als feine venöse Wurzeln, welche zunächst parallel der Oberfläche der Nebenniere verlaufen, dann gegen die Centralvene ziehen. Zwischen den venö- sen Gefässen sind sinuöse Räume eingeschaltet, welche, wie die 6e- füse, eine homogene und sehr zarte Wand besitzen.''

Henle, Frey, Kölliker und Sberth sind ungefähr dersel-

Ein Beitrag zur Eenntmss des feineren Baues eto. der Nebennieren. 627

ben Ansicht, nur bemerken die beiden Letzteren, dass sie die von Arnold beschriebenen Gefässknäuel in der äussersten Rindenschicht nicht gesehen haben.

Die vielen Arterien, die in die Nebennierenkapsel eintreten, tlieilen sich dort, wie das schon oft beschrieben worden ist, in viele Aeste; einige derselben gehen direct radiär durch die Rinde hin- durch zum Mark; der bei weitem grösste Theil aber löst sich schon in der Kapsel in ein fernes Netz auf, dessen Gefässe in den starken Bindegewebsbalken zum Parenchym des Organes treten. Bei den Thieren, bei denen eine Zona glomerulosa vorhanden ist, umspinnen sie als dichtes Netz die Zellenhaufen; zwischen die Zellen derselben habe ich sie aber mcht eintreten sehen.

Wo keine Zona glomerulosa vorhanden ist, also beim Pferde und Hunde, umspinnen sie die Spindelzellenstränge als ganz ausser- ordentlich dichtes Geflecht. Auf Längsschnitten sieht man sie diese Stränge arcadenförmig umgeben, so dass sich die auf beiden Seiten hingehenden Gefässe im Bogen vereinigen. Die Zahl der parallel zur Richtung der Stränge laufenden Gefässe muss eine sehr grosse sein, da man fast nie einen solchen Strang ohne solche Begleitge- fasse sieht; noch zahlreicher aber sind ihre Queranastomosen: denn auf parallel zur Oberfläche angelegten Schnitten findet man factisch nie einen Durchschnitt eines Zellenstranges, der nicht allseitig von uer Injectionsmasse umgeben wäre (Fig. 5). Diese Gefässe sind eng, vom Durchmesser der Capillaren. Sie sammeln sich zu stär- keren Röhren und senken sich in die Zona fasciculata hiHab, in der sie ganz in der von Arnold beschriebenen Weise verlaufen. Auf Längsschnitten sieht man zu jeder ^eite eines Zellenstranges ein Gefass hingehen, das den grossten Tb-eil des Bindegebsbalkens ein- nimmt. Diese Gefässe anastomosiren ' ebenfalls häufig mit einander, wie Flächenschnitte zeigen. Den Verlauf der Gefässe in der Zona reticularis habe ich im Ganzen so wie Arnold gefunden, nur muss ich bemerken, dass sich Erweiterungen dieser schon ziemlich wei- ten Gefilsse zu mächtigen sinuösen Räumen schon in dieser Zone bei vielen Thieren, besonders dem Pferde, der Ratte (s. Fig. 6), sehr oft vorfinden. Diese Blutbahnen sind an einzelnen Stellen so weit, ihre Anastomosen so zahlreich, dass es scheint, als habe man einen grossen Hohlraum vor sich, der nur von mit Gefässintima bekleide- ten Bindegewebsbalken, in welche Parenchymzellen eingesprengt seien, durchzogen sei.

628 Albert von Brunn:

Betreffend den Verlauf der Gefässe des Marks stimme ich Ar- nold ebenfalls bei, glaube aber, dass er die Häufigkeit der colossal weiten Blutlacunen lange nicht genug hervorgehoben hat (s. Fig. 6).

In der Nebenniere der Vögel ist der Verlauf natürlich ein völ- lig anderer: die Arterien treten zur Kapsel, verzweigen sich in ihr und treten in das Organ ein. Beim Eintritt sind sie am schwäch- sten. Sie verlaufen dann geschlängelt zwischen den Zellensträngen hin, diese wie auch die zwischen denselben liegenden Markzellen- haufen eng umstrickend. Je weiter nach dem Centrum hin werden sie immer weiter und weiter und ergiessen sich dort in die mäch- tige Gentralvene.

Und jetzt komme ich zur Beantwortung der wichtigen Frage: Wie sind die Wandungen der Blutgefässe beschaffen und wie ver- halten sie sich zu den Parenchymzellen ? Da sieht man denn bei genauer Beobachtung, dass, ausgenommen die Gentralvene und die stärksten in sie einmündenden Venen, sowie natürlich die direct von der Kapsel in's Mark dringenden und dort sich verästehiden Arterien, dass, ausgenommsn diese Gefässe, die Wandungen aller Gefässe der Nebenniere nur aus einer Intima be- stehen, welcher ein lockeres, adventitielles Bindege- webe aufliegt, in dessen Maschen die Parenchymkörper ruhen. Gehen wir bei der Betrachtung dieser Verhältnisse wieder von der Peripherie des Organes nach dem Centrum zu.

lieber die Beschaffenheit der Gefässwände und ihr Verhältniss zu den Parenchymzellen in der äussersten Rindenschicht beim Pferde wird man sich nur an Injectionspräparaten klar, da die starken Bindegewebsbalken sonst zu sehr stören. An Injectionspräparaten aber sieht man, dass die Injectionsmasse nur durch eine schmale homogene Schicht von den Zellen getrennt ist. Die Gefässwände bestehen nur aus einer Intima, welcher auf der den Zellen zuge- wandten Seite nur ein sehr sparsames Bmdegewebe aufliegt, m wel- chem sich die Schwänze der Spindelzellen verfilzen. Dies Bindege- webe ist so zart, dass man es an Injectionspräparaten nur als eine Verdickung der Intima bemerkt ; von seiner Existenz überzeugt man sich eben nur an frischen Schüttelpräparaten. Die Verfilzung der Zellenausläufer ist, wie bereits früher gesagt wurde, eine sehr in- time, so dass, wenn man dies Bindegewebe, wie man es doch thon muss, als Adventitia der Gefässe auffasst, man nicht umhin kann, die Spindelzellen als zu diesem adventitiellen Binde-

Ein Beitrag zur Kenntnits des feineren Baues etc. der Nebennieren. 629

gewebe gehOrig zu betrachten, sie als modificirte Ad- yentitiazellen anzusprechen.

Dasselbe Verhältniss zeigt sich aber noch klarer als in der be- sprochenen Schicht in der Zona fasciculata: hier liegen die Zellen anmittelbar auf der Intima auf, von dem sie umhüllenden Bindege- webe sieht man an Schnitten, die nicht ausgepinselt sind, gar nichts. Das Verhältniss ist ganz dasselbe geblieben, nur die Form der Pa- renchymkörper hat sich geändert. Am besten studirt man dies Ver- hältniss an den Nebennieren älterer Embryonen und neugeborener Thiere; auch die Nebennieren mancher erwachsenen Thiere, z. B. der Ratte, eignen sich gut dazu (s. Fig. 6). Und zwar geben die klarsten und am leichtesten übersichtlichen Präparate nicht injicirte Nebennieren, die man in Müller'scher Flüssigkeit gehärtet hat, weil bei dieser Methode die Blutkörper in den Gefässen erhalten und diese dadurch als solche charakterisirt werden.

Nach einem Präparat aus der Nebenniere eines fünfmonatlichen menschlichen Fötus ist Fig. 7 gezeichnet; das Bild ist der Zona fasciculata entnommen , einer Erläuterung bedarf es nach dem Ge- sagten nicht. Ganz ebenso* ist's in der Zona reticularis, nur liegen die Zellen weiter von einander entfernt, so dass man das zwischen ihnen gelegene Bindegewebe sieht; am alleraugenfälligsten aber ist das Verhältniss der Markzellen zu den Blutgefässen. Man werfe einen Blick auf Fig. 8. Da sieht man mächtige Blutlacunen wohl von dem halben Durchmesser der Gentralvene, und diese colossalen Bluträume haben als Wand nur ein Endothel mit zarten, länglichen, sich gut färbenden Kernen. Und unmittelbar auf diesem Endothel, auf dieser Intima, sitzen die braunen Parenchymzellen auf, mit ihrer Längsaxe senkrecht zur Axe des Gefässes gestellt, das Lumen gleich einem Strahlenkranze umgebend. Angesichts solcher Bilder kann man sich des Gedankens nicht erwehren : hier sind die Parenchym- zellen nach dem Verlauf der Gefässe angeordnet, sie gehören zu den Gefässen, sie bilden einen Theil der Gefässwandung. Auch hier ist es nicht möglich, das Bindegewebe zu bemerken, in dessen Ma- schen diese Zellen liegen; dass es aber vorhanden ist, zeigen aus- gepinselte Präparate. Diese Lacunen kommen in ihrem Verhältniss zu den Parenchymzellen am besten , besser als an Injectionspräpa- raten, zur Anschauung an tingirten Ghromsäurepräparaten, wo sich die gefärbten Intimakeme prächtig gegen die braunen Markzellen

630 Albert von Brann:

abheben. Dass es wirklich Bluträume sind, beweisen die Blatkörper, die man oft in ihnen liegen sieht

Ausser diesen weiten Blutbahnen und den ebenfalls nur mit einer Intima versehenen zahlreichen Venen, deren Ausbuchtungen diese Lacunen bilden, Venen, deren Endothel in demselben Verhält- niss zu den Parenchymzellen steht, wie das jener Lacunen , finden sich nun im Mark die Verästelungen der direct in dasselbe ein- dringenden Arterien, deren Durchschnitte in Fig. 8 auch sichtbar sind. Sie stehen in keinem näheren Verhältniss zu den Parenchjm- körpern und mögen wohl dazu bestimmt sein, diesen sonst nur von Venenblut durchflossenen Geweben den nöthigen Sauerstoff zuzu- führen. Die weiten Gefässe der Vogelnebenniere zeigen dieselbe zarte Wandung. Sie umstricken die Rindenzellenstränge als dichtes Netz und die Spindelzellen desselben sitzen direct auf der Intinia auf. Sie umstricken aber auch die zwischen jenen Strängen hegen- den Markzellenmassen und stehen zu ihnen in demselben Ver- hältniss.

Die aus dem Gesagten hervorgehende Auffassung der Paren- chymzellen der Nebenniere als zur Adventitia der Gefässe gehöriger Zellen scheint sehr eigenthümlich und gewagt wegen ihrer von son- stigen Adventitiazellen so ganz und gar verschiedenen Gestalt und wegen der Neuheit einer solchen Auffassung. Indessen verliert diese Auffassung einen Theil ihrer scheinbaren Kühnheit, wenn man sieb einen pathologischen Prozess in's Gedächtniss ruft : ich meine das Fortkriechen der Sarcome in der Adventitia der Blutgetässe, die sarcomatöse Entartung der Adventitiazellen, wie man sie mitunter an melanotischen Gehirnsarcomen beobachten kann. Auch hier nehmen die Zellen einen vom Typus der Bindegewebszelle so ganz verschiedenen Charakter an : aus den spindelförmigen zarten Adven- titiazellen werden grosse runde Sarcomzellen.

Was nun den Charakter der Gefässe der Nebenniere betrifft, so glaube ich, dass, ausgenommen natürlich wieder die direct nach Innen dringenden Arterien, alle Gefässe der Nebenniere als capillare oder venöse aufzufassen sind. Und zwar haben die Structur ier Capillaren alle diese Gefässe, den Durchmesser derselben aber nur diejenigen, welche die Zellenaggregate der äussersten Rindenschicht umspinnen. Ein Thcil der blutzuführenden Arterien löst sich be- reits in der Kapsel in Capillaren auf, während der andere Thdl sich erst unter derselben und in der äussersten Rindenschicht zu solchen

Ein Beitrag zur Eenntniss des feineren Baues etc. der Nebennieren. 631

verzweigt. Die Gapillaren beider Theile umspinnen die Zellenaggre- gate der äossersten Rindenschicht und senken sich dann, za stärke- ren Gelassen vereinigt, bereits als Venen in die Zona fasciculata hinab.

Nerven der Nebenniere. Was die Nerven der Nebenniere betrifft, so habe ich da die Angaben von Holm (Sitzungsberichte der kaiserl. Academie der Wissenschaften. Wien, Bd. 53) im We- sentlichen bestätigen können ; ich habe oft, besonders im Mark, viele stärkere und schwächere Nervenstämme und in und neben denselben Ganglienzellen gesehen. Ich muss aber bemerken, dass eine bedeutend grössere Anzahl Ganglienzellen, als im Organ selbst, sich in der Kapsel desselben findet. Denn hier habe ich bei allen von mir untersuchten Thieren eine beträchtliche Anzahl grosser Ganglien- knoten, die mitunter auf dem Durchschnitt 20—30 Ganglienzellen zeigten, gefunden. Die im Mark befindlichen Ganglienzellen werden durch Chromsäure nicht gefärbt, sie bleiben hell und färben sich bei nachheriger Tinction: durch diese Beaction sind sie leicht vom Parenchym zu unterscheiden, und möchte ich eben diese Verschie- denheit in der Beaction als einen Beweis principieller Verschieden- heit zwischen beiden Zellarten auffassen. Für eine Verwandtschaft beider spricht ja Oberhaupt nichts Thatsächliches.

IL

So reichhaltig die Literatur über die Structurverhältnisse der Nebennieren ist, so ärmlich ist sie über ihre Entwickelung. Nur Remak gibt mit einiger Ausführlichkeit einen Abriss ihrer Entwickelungsgeschichte. Und zwar sagt er, die Nebennieren ent- wickelten sich in der zweiten Brütwoche (beim Hühnchen) aus dem Eopftheil des von ihm so genannten Geschlechtsnerven, dessen erste Spuren am achten Brüttage aufträten. Ihre Zellen hätten anfangs sämmtlich den Charakter von Ganglienzellen ; erst später träte unter ihnen eine Scheidung in Binden- und Marksubstanz auf, indem die peripherisch gelegenen Zellen sich mit Fettkömchen füllten, die central gelegenen aber ihre gangliöse Natur beibehielten. Diese An- schauung ist in die Handbücher übergegangen, ausser ihr aber fin- det sich nichts Wichtiges.

Das genaue Studium der Entwickelung der Nebenniere wäre, glaube ich, der Weg, bei dessen Verfolgung man sich versprechen

632 Albert von Brunn:

könnte, einige Anhaltspunkte über die Function dieses bisher so räthselhaften Organs zu bekommen , sicherere, als sie die Untersu- chung des Organes erwachsener Thiere zu liefern vermag, viel zu- verlässigere, als sie das physiologische Experiment an diesen durch ihre Lage so geschützten Organen liefern kann.

Ich hatte mir vorgenommen, die Entwickelung der Nebennieren genau zu studiren, leider aber standen mir während des Winters nur in Alkohol gehärtete Embryonen aus wenigen Entwickelangs- perioden zur Verfügung; und die Hühnereier, mit denen ich BrQt* versuche anstellen wollte, erwiesen sich um diese Zeit zu diföem Zwecke unbrauchbar. Desshalb kann ich jetzt nur ganz wenige Frag- mente aus der Entwickelungsgeschicht« dieses Organes geben, be- halte mir aber vor, dieselben durch spätere Untersuchungen zu einem Ganzen zu vervollkommnen.

Zunächst erschien es nothwendig, sich an älteren Embryonen über die Lage und Beschaffenheit der Nebennieren zu unterrichten; ich nahm desshalb zuerst die makroskopische Untersuchung eines zwölftägigen und eines achttägigen Hühnerembryo vor. Nach Ab- tragung der Bauchdecken, sowie der Gedärme und Leber, befestigte ich den Embryo mittelst Igelstacheln auf einer Korkplatte und in- spicirte die Gegend der Harn- und Geschlechtsorgane. In der Höhe des oberen Drittels des Wolff'schen Körpers und der hinter demsel- ben gelegenen bereits völlig differenzirten Niere fand sich auf beid^ Seiten der Aorta, dicht an ihr anliegend, ein beim achttägigen Em- bryo etwa mohnkorngrosses Körperchen, beim zwölftägigen etwas grösser. Zerzupfungspräparate zeigten ein sehr zartes bindegewe- biges Netzwerk mit eingelagerten strangförmigen Aggregaten von Zellen, deren Form beim achttägigen rundlich war, beim zwölftägi- gen sich schon etwas der Spindelform näherte. Epitheliale Gebilde zeigten sich darin nirgends^ eben so wenig konnte ich Ganglien- zellen finden. Die Zellen waren etwas grösser, als die Bindegewebs- körperchen, aber bedeutend kleiner, als die Zellen der in der Nähe liegenden Spinalganglien.

Sodann schritt ich zur Herstellung von Querschnitten durch ganze Embryonen und untersuchte diese. Zu diesem Zwecke schmolz ich die grösseren Embryonen in Glycerinleim ein, nachdem ich die Bauchdecken und Eingeweide entfernt hatte, während ich die jüngeren in Rückenmark einklemmte.

Bei Hühnerembryonen vom zwölften Tage fand sich nun zunächst

Ein BeÜMT nr Eni i in ^m fsm»m BwM «ic. te' X^^WMMk <tt

Dach Yoni md ansQi ins der A<^rtm ni»JMi ikr uid dMi ol^fM Theile des Wolfsthes K^^pers jeder^t^ ein Ornui «mutritwir ;ftttf dem adTentitidlei Kndc^webe der AorU MUtiegewL desssen Ftee» in dasselbe hineinzugeken sdiieDeii: ein Org:ui tos «an?^(selm&$si$ gelagerteD, stnngformigen Gehilden mit nrisdienliegendem Binde- gewebe bestdiend. Die Elemente, »us deiraü jene sinuigföniiigeii Gebilde bestaodeD. erwiesen skh mls identisch mit den oben be* schriebenen Zellen, die sich im Zerxnpfungspr&parate jenes ftUher gefundenen Eorpos fanden; beide Körper waren also dieselben. Der Länge nach ist nnn die Lagerung dieser KSrper folgende. (Jntersacht man die durch einen Embryo gelegten Schnitte tom Kopfende anfangend, so findet man zuerst einen solchen Körper genau vor der Aorta; auf tiefer gelegenen Schnitten rückt derselbe nach der Seite, während zugleich vor der Aorta ein gleichartiger Körper sich zeigt, welcher sich dann weiter abwärts auch nach der anderen Seite hinüber zieht

Das achttägige Hühnchen zeigte fast ganz dieselben Verhält- nisse. Nur waren die Nieren noch weniger entwickelt und die eben besprochenen Körper kleiner und noch nicht so weit difTerenzirt.

Dieser Körper musste die Nebenniere sein: einmal zeigte er dieselbe Structur, wie die Nebenniere erwachsener Vögel, wenn auch die Stränge noch nicht ganz so deutlich und die Spindelform dor Zellen nicht so ausgeprägt war; zweitens spricht seine Lage da Air, die ganz der Lage der Nebenniere des erwachsenen Vogels entspricht, einzig mit dem Unterschiede, dass dann die Absetzung von der Aorta eine schärfere ist; drittens fand sich, obwohl ich den ganzen Embryo Schnitt für Schnitt untersuchte, kein anderes Organ, das man für die Nebenniere hätte ansprechen können, und endlich wa- ren alle Organe dieser Sphäre völlig entwickelt, so dass eine Ver- wechselung kaum möglich war. Verbindungen mit dem WolfTschen Körper oder der Niere konnte ich nicht entdecken. Stärkere in ihr verlaufende Nerven fand ich nicht, schwache Fasern, die in eigen- thümlich gerader Richtung in ihr verlaufen, dürften vielleicht der- gleichen sein, doch konnte ich ihre Natur nicht feststellen, weil die Embryonen schon in Alkohol gehärtet waren.

Hundeembryonen, die ungefähr dieselbe Grösse hatten und bei denen die Organe der Bauchhöhle, des Centralnervensystems etc. soweit entwickelt waren, dass man sie als auf einer zwischen dem achten und zwölften Tage des Hfihnerembryo stehenden Entwicke-

684 Albert von Bruni^:

luDgsstufe betrachten konnte, zeigten die Anlage der Nebenniere an derselben Stelle. Die Abbildung Fig. 9 stellt den Durchschnitt eines exenterirten Hundeembryo aus dieser Entwickelungsperiode dar, in der Höhe des oberen Drittels des WoIfTschenvEörpers, an einer Stelle, wo man nur die eine Nebenniere genau vor der Aorta sah. Auch hier gelang es mir nicht, eine Verbindung mit den benach- barten Gebilden oder auch nur eine Aehnlichkeit der Zellen des Organs mit Epithelzellen oder Gauglienzellen zu erkennen. Die Zellen sind von rundlicher Form mit deutlichem Kern ; etwas grosser als die des Bindegewebes; eine schlauchförmige Anordnung dersel- ben liess sich noch nicht constatiren.

Dadurch, dass man in einem Stadium^ wo die Entwickelnng der Nebenniere wie die der übrigen Organe bereits so weit yorge- schritten war, keine Verbindungen mit den Nachbarorganen sah, war natürlich noch nicht dargethan, dass solche nicht früher dage- wesen seien. Ich schritt desshalb zur Untersuchung jüngerer Em- bryonen, hatte aber leider nur noch solche vom vierten und fünften Tage zur Verfügung, die ich nun wiederum vom Hals bis zum Schwanz in Schnitte zerlegte und in derselben Reihenfolge unter- suchte.

Beim 5tägigen Embryo ist der WolfiTsche Körper stark ent- wickelt, die Anlage der Nieren besteht in einer beiderseitigen An- sammlung etwas grösserer Zellen seitlich und nach hinten von der Aorta.

Einige Schnitte unterhalb der oberen Grenze des WolfTschen Körpers findet sich nun an derselben Stelle, an der ich die Anlage der Nebennieren bei älteren Embryonen beobachtet habe, ebenfalls nach vom und aussen von der Aorta zwischen ihr und der Basis des WolflTschen Körpers in dem vor der Aorta liegenden Bindege- webe ein Häufchen von Zellen, die sich durch ihre bedeutendere Grösse,* wie ihre stärkere Färbung in Carmin deutlich von dem umgebenden Gewebe absetzen. Dieses Blastem^ das ich nach seiner Lage und weil die völlig klare Anlage der übrigen Organe vor Ver- wechselung mit diesen schützt, als die erste Anlage der Nebenniere bezeichnen darf, hat nur eine höchst unbedeutende Längenansdeh- nung: ich konnte es nur auf höchstens vier Schnitten bemerken. Ich habe, obgleich die Form der Nebennierenzellen weder in späte- ren Stadien, noch in dieser Zeit die geringste Aehnlichkeit wedej mit denen des Wolffsch^n Körpers, noch mit den (^linderzellen des

Ein Beitrag cur Eenntnies des feineren Baues eto. der Nebennieren. 685

Dannrohres zeigt, sorgfältig nach etwaigen Verbindungen mit diesen Organen gesucht, aber durchaus keinen Zusammenhang zwischen beiden finden können.

Die Untersuchung des viertägigen Hühnerembryo ergab hin- sichtlich der Nebennierenanlage ein negatives Resultat, ich fand diese Anlage noch nicht. Es geht also daraus hervor, dass die Neben- nieren zwischen der 96. und 120. Stunde angelegt werden.

Die Untersuchung einiger Hunde- und Kaninchenembryonen lieferte dasselbe Resultat Solche, bei denen die Entwickelung des Urogenitalapparates auf einer niedrigeren Stufe stand, als die des Hühnchens vom fünften Tage ist, zeigten keine der beschriebenen ähnliche Zellenanhäufung, wogegen einige, bei denen ebenfalls die Nierenanlage in einer Wucherung grösserer Zellen hinten seitlich von der Aorta bestand, vor der Aorta an einer Stelle beiderseitige Blasteme aufwiesen, dicht ober- und unterhalb dieser Stelle nur ein- fache. Fig. 10 ist einem Querschnitt eines Hundeembryo entnom- men, dessen Entwickelungsstufe die des Hühnchens vom fünften Tage ist.

Die Zwischenstufen zwischen dem fünften und achten Tage fehlen mir leider gänzlich.

Endlich untersuchte ich noch einige ältere Kaninchenembryonen von 38 Mm. Länge, welche in Müller'scher Flüssigkeit gehärtet wa- ren, so dass man die Marksubstanz leicht von der Rindensubstanz trennen konnte, was bei den übrigen Embryonen nicht möglich war. Die Nebennieren hatten bereits die Grösse eines Stecknadel- knopfes und dieselbe Lage, wie bei den übrigen Embryonen.

Besonders auffallend war hier das Verhältniss der beiden Sub- stanzen zu einander. Von oben nach unten gehend bekam ich zu- erst Schnitte^ auf denen nur die Rindensubstanz zu sehen war; die Zellen zeigten eine deutlich strangförmige Anordnung, rundliche oder polygonale Form und deutliche Kerne; ihr Protoplasma war hell und feinkörnig. Auf tiefer gelegenen Schnitten erschien die braune Marksubstanz wie im erwachsenen Thiere ringsumgeben von Rindensubstanz. Weiter nach unten hin lag die Marksubstanz nach Innen von der anderen, so dass sie hier nicht von jener begrenzt war; sie lag vielmehr hier der Cardinalvene dicht an, von ihr nur durch eine dünne Faserschicht getrennt; starke Oefässe ergossen sich aus ihrem Inneren in die \ene. Endlich noch tiefer gelegene Schnitte zeigten gar keine Rindensubstanz, sondern nur Mark, in

636 Albert von Brunn:

der beschriebenen Weise der Vene anliegend. Frontalschnitte, die ich durch einen Embryo desselben Satzes anlegte, zeigten dasselbe Yerhältniss: die Rindensubstanz, mehr in der Nähe der Aorta ge- legen, bedeckte die an der Vene gelegene Marksubstanz kappen- förmig, etwa wie die Nebenniere des Neugeborenen die Niere be- deckt, so dass der innere untere Theil frei blieb. Die Marksab- stanz bestand aus scheinbar noch ungeordnet gelagerten Zellen mit hellem durch die Chromsäure schön gelbbraun gefärbten Proto- plasma und deutlichem Kern; ihre Form war meist länglich.

Wenn ich auch diesem Befunde, da er sich nur auf zwei Em- bryonen bezieht, keine Wichtigkeit beilegen kann, so glaube ich doch daraus schliessen zu dürfen, dass beide Substanzen nicht aus einem und demselben Blastem entstehen und ihre Verschiedenheit im erwachsenen Organ späterer Differenzirung verdanken, sondern dass jede von ihnen einem besonderen Blastem entsprosst, also beide ursprünglich verschiedener Natur sind und erst später in einander hineinwachsen.

Das, was ich durch meine wenigen Untersuchungen an Embryo- nen in Erfahrung ge/bracht habe, ist also kurz Folgendes: Die eri^te Anlage der Nebenniere tritt beim Hühnchen zwi- schen der 96. und 120. Stunde der Bebrütung auf; die Nebenniere entwickelt sich aus Zellen des mittleren Keimblattes im engsten Zusammenhange mit den Wan- dungen der grossenUnterleibsgefässe; die beldenSnb- stanzen der Nebenniere entwickeln sich aus besonde- ren Blastemen: das für die Rindensubstanz liegt der Aorta, das für die Marksubstanz der Gardinalvene näher.

Diese Resultate stehen nun freilich in grellstem Widersprach mit den von Remak gegebenen, wenn sie auch in der einen wichti- gen Hinsicht, die Nebenniere entstamme dem mittleren Keimblatt, dieselben sind. Ich muss aber das Gesagte aufrecht erhalten und werde, wie schon gesagt, dies Thema weiter verfolgen. Hinzufügen will ich nur noch, dass die Beziehung der Nebenniere zum Ge- schlechtsnerven dadurch höchst unwahrscheinlich wird, dass die Ne- bennierenanlage bereits am fünften, der Geschlechtsnerv erst am achten Tage auftritt; sowie dass die Annahme einer Dififerenzirung in Rinde und Mark durch Ansammlung von Fettkömchen in den peripherisch gelegenen Zellen dadurch den Boden verliert, dass man

Ein Beitrag zur Kexmtim» des feineren Baaea etc. der Nebennieren. 68*7

in den NebenniereQ älterer Embryonen, wo die Substanzen so scharf ?on einander getrennt sind, wie im erwachsenen Thiere, noch keine mit Kömchen erfüllten Rindenzellen findet.

Demnach glaube ich gezeigt zu haben :

1. Dass die Nebennieren vom mittleren Keimblatt abstammen und dass sich auch noch im Organ des er- wachsenen Thieres die bindegewebige Natur der Rin- denzellen beweisen, der Markzellen wahrscheinlich machen lässt.

2. Dass der bei weitem grösste Theil ihrer Blutge- fässe venöser Natur ist und ihre Beschaffenheit eine derartige, dass der Blutstrom im Inneren des Organs eine bedeutende Verlangsamung erfährt.

3. Dass sämmtliche Parenchymzellen vom Blut um- spült werden und von demselben nur durch eine dünne Intima getrennt sind; dass sie sich aus adventitiellen Gefässgebilden entwickeln und sich auch später wie solche verhalten.

Wenn man aus dem Allen eine Hypothese über die muthmass- liche physiologische Function der Nebennieren aufstellen darf, so ist es nur die: Das Verhältniss der Zellen zu den Blutgefässen lässt darauf schliessen, dass diese Zellen aus dem Blute irgend einen Bestandtheil aufnehmen, ihn in irgend welcher Weise verändern und dem Blute zurückgeben.

Directe Beweise dafür lassen sich zur Zeit nicht geben. Nur möchte ich der völlig ungegründeten Hypothese, die Nebenniere sei ein ganz oder tbeilweise nervöses Organ, durch diese auf anatomi- schen Grundlagen basirenden Erfahrungen entgegentreten.

Den richtigen Platz wird man vielleicht den Nebennieren als Tenösen Blutgefässdrüsen neben der Garotidendrüse und Steissdrüse als arteriellen Blutgefässdrüsen anweisen.

Herrn Professor Dr. Waldeyer sage ich für die Hülfe mit Rath und That, die er mir bei dieser Untersuchung stets so freundlich bereitwillig angedeihen Hess, meinen aufrichtigsten, herzlichsten Dank.

^

uo

I)r. Ludwig Stieda:

der verwachsen und so die schuppenförmigen Federn bild^, die vorzüglich ausgebildet auf den Flügeln der Pinguine vorkommen Aehnlich sind die rothen schuppenförmigen Spitzen auf einigen Flügelfedem des Seidenschwanzes, an den Halsfedern des Sonnerat'schen Hahns und der Columba Franoix u. s. w. In allen diesen Federn scheint die Hornsubstanz des Dorn- fortsatzes und der Strahlen mit einander^zu verschmel- zen, um diese homartigen durchscheinenden Schüppchen oder Blättchen zu bilden.'^ Es wird sich in der Folge herausstelien, dass die Ansicht Heusinger's nicht richtig ist

Eine andere wohl ältere Auffassung, deren ursprüngliche Quelle ich nicht kenne, führt Leydig an (Lehr1)uch der Histologie, 1857, p. 99 in der Anmerkung): „Die eigenthümlichen scharkch- rothen Blättchen am Ende der 5—7 hinteren Schwanziedern des Seidenschwanzes dürften auch näher untersucht werden. Nach älte- ren Mittheilungen wären sie keine Fortsetzung der Federn, sondern nur „Anhängsel aus einer bröckeligen Materie, wie Lack'' u. s.w/'

Die Federn des Seidenschwanzes haben abgesehen von ihrer Färbung und den genannten rothen Endblättchen nichts beson- deres. Ich übergehe daher hier das, was den Bau der Feder im Allgemeinen betrifft, indem ich in nächster Zeit eine ausführliche Abhandlung über Bau und Entwickelung der Federn veröffentlichen werde, und verweise auf eine vorläufige Mittheilung über denselben Gegenstand in der St. Petersburger Medic. Zeitschrift Bd XVn, 1869 (Ueber Bau und Entwickelung der Federn. Ein Vortrag).

Um den Bau der Endblättchen zu erfoi*schen, schlug ich nach einigen vergeblichen Versuchen folgenden Weg ein.

Ich fertigte feine Querschnitte der Endblättchen an, welche ich nach Zusatz von Kreosot mikroskopisch untersuchte. An solch einem Querschnitt liess sich bei schwacher Vergrösserung eine helle Rinde und eine dunkle Marksubstanz (cf. Fig« 1) erkennen. Die

^h\

lieber den Ban der rothen Bl&ttchen an den Schwingen d. Seidensohwanzes. 641

Rindenschicht war an der convexen Fläche mächtiger, als an der geraden. Bei stärkerer Vergrösserung erwies sich die undurchsich- tige Marksubstanz als durchweg lufthaltig ; durch das Kreosot wurde allmählig die hier [in Zellen eingeschlossene Luft verdrängt War endlich alle Luft vertrieben, so erschien die Marksubstanz heller als die Rinde und zusammengesetzt aus polyedrischen Zellen. Die Zel- len der Marksubstanz waren ungefärbt oder enthielten nur Spuren eines feinkörnigen rothen oder gelben Pigments. Die Rindensubstanz war mehr oder weniger homogen, durchsichtig, und enthielt einen diffusen röthlichen Farbstoff; Zellenconturen waren gar nicht oder nur so undeutlich zu erkennen, dass über die eigentliche Form der- selben nichts ausgesagt werden konnte. Schon nach diesem Befund allein kann man behaupten, dass die Endblättchen genau den Bau des Federschaftes haben. Es kam darauf an, dies durch nähere Untersuchung resp. Isolirung der Zellen näher zu bestimmen, und hierzu eignet sich unter allen Reagentien keines besser, als die con- centrirte Schwefelsäure. Ich verfuhr dabei folgendermassen : Ich brachte ein rothes Endblättchen auf einen Objectträger, träufelte etwas Schwefelsäure darauf und bedeckte es mit einem Deckgläschen, dann erwärmte ich den Objectträger ganz gelinde über einer Spiri- tusflamme. Die erste' Veränderung war eine ziemlich schnell ein- tretende Entfärbung des Endblättchens ; die darauf folgende, wie zu erwarten, ein Zerfall des Blättchens in die dasselbe zusammen- setzenden zelligen Elemente. Die Rinden Substanz (Fig. 3) setzte sich zusammen aus langgestreckten, rhombischen oder spindelförmi- gen platten Zellen; eih Kern war nicht immer wahrnehmbar, nur an einzelnen Zellen. Die Zellen waren 0,071 Mm. lang, 0,011 Mm. breit und etwa 0,004—0,005 Mm. dick. Die Rindenzellen waren so angeordnet, dass der Längsdurchmesser der Zelle mit der Längsaxe der Feder zusammenfiel und die Zellen mit ihrer breiten Fläche der breiten Federfläche sich anschlössen. Die Zellen der Rindensub- stanz sind eng aneinander gefügt und durch den Verhomungspro- zess derartig verändert, dass an gewöhnlichen Querschnitten der Blättchen eine Zusammensetzung aus Zellen kaum zu erkennen ist; meist ist die Rinde homogen, hier wieder etwas gefleckt und selten einige Zellenconturen sichtbar.

Die Marksubstanz (Fig. 2) zerfiel beim Kochen mit Schwe- felsäure in polyedrische aber sehr unregelmässig gestaltete Zellen. Dass die Zellen nicht polygonale Platten, sondern polyedrische Kör-

U. SchültM, Archif f. mikroslL Aiutomie. Bd. 8. 42

642 Dr. Ludwig Stieda:

perchen sind, lässt sich zum Theil durch die Ei^ebnisse yerschje- dener Schnittrichtungen, zum Theil auch durch die Beobachtung derjenigen isolirten Zellen, welche durch Strömungen imt^ dem Deckglase bewegt werden, darthun. Der Durchmesser der Zel- len beträgt etwa 0,0143—0,0171 Mm. Alle Zellen der Marksub- stanz sind lufthaltig; die Membran der Zelle schliesst ein einzi- ges der Grösse der Zelle entsprechendes Luftbläschen ein. Ist durch Kochen mit Schwefelsäure die Luft entfernt, so erscheint in jeder Zelle ein runder Kern, 0,008 Mm. im Durchmesser; übrigens wer- den die Kerne auch an Schnitten , welche einfach mit Kreosot be- handelt worden sind, sichtbar.

Zum Vergleich behandelte ich einen Querschnitt aus dem untern f heil eines Federschaftes in gleicher Weise mit Schwefelsäure: das Resultat war dasselbe. Es zerfiel die Rindensubstanz in platte, langgestreckte Zellen, die Marksubstanz in polyedrische.

Das Resultat meiner Untersuchung ist: „Das scharlach- rpthe Blättchen an den Schwingen desSeidenschwanzes ist das abgeflachte Ende des Federschaftes und besteht deshalb wie der Schaft aus einer Marksubstanz und einer Bind^- Substanz.

Dorpat im März 1872.

ErkUning der Figuren.

1. Ein durch Kreosot aafgehellter Querschnitt des Endbl&ttchens. a sUrk und schwach gefärbte Rindensubstanz, b Marksubstans.

2. Zellen der Marksubstanz durch Kochen mit SO, isolirt.

3. Zellen der Rindensubstanz durch Kochen mit SO5 isolirt. a toh der Fläche gesehen, b von der Kante gesehen.

üeber die Nervenendigung in der Haut der Euhzitze.

Von

Dr. Tfeu Bimer»

Privatdooent zu Würzbarg.

Die eigenthümlichen verästelten Körperchen, welche durch die Anwendung der Goldmethode auf die menschliche Haut in deren Epidermis zuerst Langerhans ^) nachgewiesen hat^ sind einmal eben wegen ihres Verhaltens gegen Ghlorgold und dann wegen ihrer Form schon von ihrem Entdecker vermuthungsweise für Nerven- elemente angesprochen worden.

Eine Verbindung der Eörperchen mit Nerven hat Langer- hans nicht mit Sicherheit erkennen können, ebensowenig Eberth'), welcher dieselben beim Menschen und beim Kaninchen untersuchte. Dagegen versichert Podkopaßw»), diese Verbindung in der Haut des Kaninchens gesehen zu haben. Ghrschtschonowitsch^), welcher die Langerhans'schen Körperchen im Epithel der Vaginal- schleimhaut beim Hunde und beim Kaninchen antraf, lässt hier einen solchen Zusammenhang ebenfalls deutlich sein.

Vorausgesetzt nun^ dass die Verbindung der Körperchen mit Nerven als gesichert angesehen wird, so ist doch die Frage nach ihrer Bedeutung noch eine durchaus offene, weil dieselben bis jetzt als völlig specifische Bildungen dastehen. Dieser Umstand bestimmte mich, sie der Untersuchung zu unterziehen.

Als Object wählte ich die Kuhzitze, veranlasst weniger durch die leichte Beschaffung und Handhabung dieses Theiles, als da- durch, dass derselbe wegen seiner Pigmentlosigkcit zu erfolgrei- chem Studium besonders geeignet zu sein schien, und vor Allem,

1) Virchow's Archiv Bd. XLIV.

2) Dieses Archiv Bd. VI, 8. 225.

3) Dieses Archiv Bd. V, S. 506.

4) Wiener Sitzungsberichte 1871.

644 Dr. Th. Eimer:

weil ich in der Zitze eines Thieres aus physiologischen Granden einen grösseren Nervenreichthum erwartete, als in anderen Haut- bezirken.

Wenn nun auch meine Wahl sich nach diesen verschiedenen Richtungen hin als eine begründete erwiesen hat, so boten mir doch erst Beobachtungen an niederen Thieren entscheidende Gesichts- punkte fUr eine Deutung der Langerhans'schen Körperchen. Diese Beobachtungen schliesse ich deshalb denjenigen über die Nerven in der Haut der Kuhzitze unmittelbar an.

Langerhans beschreibt die Körperchen in der menschlichen Haut als Gebilde mit rundlichem oder oblongem Leib, in welchem die Goldfärbung nur selten einen Kern nachzuweisen gestatte. Von diesem Leibe treten 2 bis 10, meist aber 5, oft sich theilende, Aus- läufer in der Richtung nach oben ab, um mit kropfförmiger An- schwellung an der Grenze von Hom- und Schleimschicht zu endi- gen. Ein unterer Fortsatz verlaufe gegen die Lederhaut herab, und er ist es, welcher nach Langerhans vielleicht mit muet Nervenfaser in Verbindung tritt.

Die Körperchen stehen in der menschlichen Haut so ziemlich in einer regelmässigen Reihe, bilden gewissermassen eine einfache Lage in gleicher Höhe mit der dritten bis fünften Zellschichte des Rete Malpighii.

An dem von mir untersuchten Objecto finden sich nun dnige Abweichungen von den Verhältnissen, wie sie Langerhans aus der menschlichen Haut geschildert und abgebildet hat.

Es liegen die Körperchen in der Haut der Kuhzitze nicht in einfacher Reihe, sondern sie liegen unregelmässig neben und über- einander durch fast die ganze Schleimschichte zerstreut, hinauf bis zu deren oberstem Viertel, und nach abwärts sogar noch zwischen den Epithelzellen, welche die Cutispapillen unmittelbar umgeben.

Dabei sind diejenigen unserer Gebilde^ welche sich in ein und derselben Höhe befinden, nicht weiter von einander entfernt, als Langerhans für die seinigen angegeben hat Demnach werden sie in der Kuhzitze zahlreicher sein, als in den bisher untersuchten Bezirken der Haut des Menschen.

Häufig ragen diejenigen Körperchen, welche man zwischen die unterste Lage der Epidermiszellen eingebettet findet, mit der Hälfte oder sogar mit einem noch grösseren Theile ihres Leibes oft zu drei Vierteln und noch mehr in die Cutispapille hinein. Vor

Üeber die Nervenendigung in der Haut der Euhzitze. 645

Allem an den Kuppen der Papillen ist dieses Verhalten öfters zu beobachten.

Besonders von diesen tiefgelegenen Eörperchen sieht man nun zuweilen einen Fortsatz nach abwärts streben, der ein oder das andere Mal sich mit einer denselben ähnlich gestalteten, in der Cutis liegenden Zelle in Verbindung zu setzen scheint. Die in Frage kommenden Zellen haben jedoch, gleichfalls durch Ghlorgold gefärbt, eine solche Aehnlichkeit mit Bindegewebskörperchen , wie sie zahl- reich hier sich finden, dass eine Entscheidung darüber, ob man es auch hier mit Nervenelementen, etwa mit den von Tomsa') aus dieser Gegend beschriebenen Gebilden zu thun habe, unmöglich wird. Andere Methoden als die mit Ghlorgold haben mir leider kein siche- reres Resultat in dieser Frage gegeben.

In manchen Fällen tritt der nach unten ziehende Ausläufer direct zu einer der in der Cutis zahlreich sich verbreitenden mark- losen Nervenfasern heran. Gegen die unbedingte Annahme einer organischen Verbindung beider liess jedoch die Wirkung der Gold- methode an den Bildern, welche ich erhalten habe, stets Einwände übrig bleiben. Die dunkle Färbung, die oft unregelmässigen Nie- derschläge an den massgebenden Stellen trüben den Blick in die natürlichen Verhältnisse. Zu Alledem kommt noch die gleichzeitige Färbung der Gefasse und des Bindegewebes. Dennoch habe ich nach dem was ich sah, keinen Grund, an den bestimmten Angaben von Podkopaöw und Chrschtschonowitsch zu zweifeln.

Abgesehen von dem nach abwärts strebenden Fortsatz, gehen von den Körperchen nach allen Seiten hin Fädchen ab, welche sich häufig gabelig verzweigen. Dadurch erlangen jene oft eine sehr anregelmässige Gestalt : von einer Stelle derselben kann ein ganzes Büschel von sich wieder verzweigenden Fäden abtreten, so dass sie, was aus dem oben Gesagten schon zu schliessen ist, durch das Chlorgold gefärbt, ziemlich das Aussehen von Bindegewebskörper- chen erhalten können.

Es verlaufen wohl zahlreiche Fortsätze in der Richtung nach oben, wie Langer ha ns für die menschliche Haut angibt ; aber vielleicht ebenso zahlreiche verlaufen in zur Oberfläche paralleler Richtung. Dabei findet die Verzweigung häufig in der Weise statt,

1) Wiener med. WoohenBchrift, 1866, Nr. 58.

646 Dr. Th. Eimt^r: üeber die Nervenendigung in der Haut der Enhzitze.

dass dieselbe mit den Epithelgrenzen zusaminenfällt ^ , ohne dass ich hier gefärbte Epithelgrenzen, von welchen Langerhans spricht, mit Ausläufern verwechselte. Ebenso häufig ziehen die letzteren aber auch über die Flächen der Zellen selbst hin.

Man sieht öfters, dass die Fortsätze, welche von einem Körper- chen ausgehen, in Gemeinschaft mit diesem einzelne EpithelzelleD körbchenartig umfassen, und die Zusammenstellung von Durchschnit- ten ergibt, dass einzelne Gruppen von EpidermiszeUen in gleicher Weise von den Fortsätzen eines Langerhans'schen Körperchens am- fasst werden. Dabei verläuft ein Faden oft lange Strecken gerade aus, nimmt aber durch Abgabe von Zweigen an der Umspinnung von vielen Zellen Antheil.

Eine Endigung in Knöpfchen habe ich in meinen Präparaten an den Fortsätzen nicht getroffen. Dieselben werden feiner and feiner, und oft, nachdem sie so fein geworden sind, dass sie den stärksten Vergrösserungen fast verloren gehen, glaubt man sie in den Zellen oder in den Zellkernen endigen zu sehen. Zuweilen scheinen mehrere solcher feinen Fädchen, welche von einem Punkte eines Körperchens ausgehen, in eine imd dieselbe Zelle einzutreten. Aber ich habe über die wahre Endigungsweise in keinem Falle m emem sicheren Schlüsse kommen können, entweder wegen der Fein- heit der letzten Fädchen, oder weil ich im Zweifel darüber bleiben musste, ob ich nicht etwa plötzlich sich umbiegende und dorchge- scbnittene Fortsätze vor mir habe.

In die Hornschicht hinein konnte ich , übereinstimmend hierin mit den Erfahrungen von Langerhans, die Aeste der Körperchen nie verfolgen, so sehr ich hier darnach suchte, nachdem ich in der Schnautze des Maulwurfs^) überall in der Hornschichte, und zwar bis in drittoberste Lage von deren Zellen hinein Nerven angetroffen habe.

Im Folgenden will ich nun die Langerhans^schen Körperchen mit Einrichtungen zusammenstellen, welche bei niederen Thieren vorkommen, eine Vergleichung, aus der sich ergeben vrird, dass wir berechtigt sind, jene für peripherische Ganglienzellen anzusehen, welchen für die Haut dieselbe Rolle zukommen wird, wie den ana- logen Apparaten der anderen Sinnesorgane für diese.

1) Dasselbe Verhalten ergibt sich aas den Abbildungen Podkopaew's and Eborth's fär die Haut des Eaninohens.

2) Dieses Archiv Bd. YII.

Vorlftufige Mittheilungen über die Nerven von Beroe.

Von Dr. Th, Klmer.

Es gelang mir, im Körper yon Beroö oyatos und Forskili einen angeahnten Nervenreichthum aufzufinden.

Am unteren Ende des Trichters dieser Thiere treffe ich zwei Centralkörper, welche durch eine Art Schlundring verbunden sind, wenn man diese Bezeichnung gebrauchen darf, da der Rmg den Trichter umschliesst.

Von hier aus verbreitet sich eine ungeheure Anzahl von nur mikroskopisch nachweisbaren Nerven über alle Theile des Körpers. Die meisten derselben ziehen parallel der Längsaxe, und zwar im ganzen Bereiche des Körpers, gegen den Mund hin. Gredrängtere Züge verlaufen, die einzelnen Fäden jedoch vollständig von einander getrennt, unter den Schwingplättchen.

Während ihres Verlaufs verästeln sich die Nerven. ZahUose Fasern durchziehen die Gallertmasse auch im Querumfang des Körpers und überhaupt in allen Richtungen.

Reichlich werden die Muskeln^ noch reichlicher wird die Haut mit ihnen versorgt.

Die Oberfläche der Thiere ist bekanntlich von einem sehr zar- ten und äusserst vergänglichen einschichtigen Epithel bedeckt. Die- ses Epithel liegt einer die Gallertmasse nach aussen abschliessenden zarten Haut auf. Zu ihm streben die Nerven mit unendlich feinen Fäserchen heran, und unter der Haut trifft man sie in allen Stadien der Verzweigung in ungeheurer Menge.

Bevor sie sich zum Zweck des Eintretens in das Epithel ver- ästeln, schwellen sie hier gewöhnlich zu länglich dreieckigen, kern- haltigen, ganglienähnlichen Körpern an. Von diesen treten, wie von den Langerhans'schen Körperchen, feine Fäden ab, die entweder unter fortwährender dendritischer Verästelung nach dem Epithel streben, um zuletzt mit den feinsten Fädchen in dessen Zellen ein- zutreten, oder in welche, bevor sie die feinsten Verzweigungen eingehen, wiederum kernhaltige oder kernlose Anschwellungen ganz

648 Dr. Th. Eimer:

von der Art der Langerhans'schen Eörperchen eingeschaltet sind, von welchen wie von diesen Ausläufer abgehen, die das Epithel aufsuchen.

Die Uebereinstimmung der Form dieser peripherischen Ganglien- zellen der Rippenquallen mit derjenigen der Eörperchen, wie sie von Langerhans aus der Haut der Säugethiere abgebildet worden sind, ist zuweilen eine auffallende. Ich muss beide für homologe Bildun- gen ansprechen, in meiner Ansicht gestützt durch Thatsacheo, welche die Untersuchung von Mollusken an die Hand gibt. Bevor ich jedoch über diese berichte, will ich noch einige Bemerkungen über das Verhalten der Nerven von Beroö im Allgemeinen anfügen.

Die Nervenfasern von Beroä sind von ihrem Beginne an mit in ziem- lich regelmässigen Zwischenräumen gelagerten Kernen versehen. Sie verästeln sich in der Gallertmasse mehr und mehr, um zu varicösen Fädchen, immer noch mit zeitweise eingefügten Kernen^ und schliess- lich zu unmessbar feinen Fädchen zu werden, welche in regelmässig aufeinanderfolgenden Abständen punktförmige Verdickungen zeigen, von denen einzelne gröbere, wiederum in bestimmten Abständen, zuweilen mit zahlreichen feineren abwechseln.

Diese feinsten Fädchen, welche oft in ausserordentlicbt^r Länge zu verfolgen sind, und welche wohl nicht anders denn als Primitivfibril- len aufgefasst werden können, setzen sich zum Theil direct an die Muskelfasern an. Viele von ihnen aber zeigen ein Verhalten, wie es bis jetzt meines Wissens noch nirgends an Nervenelementen be- obachtet ist,' ein Verhalten, welches für die physiologische Betrach- tung sehr bemerkenswerth sein muss.

Es kann nämlich ein Fädchen sich plötzlich in zwei Schenkel gabeln. Diese Schenkel verlaufen eine Strecke weit getrennt von einander, um dann wieder in einem Punkte zusammen zu treffen, von welchem aus wieder ein einfaches Fädchen sich fortsetzt Es ist also in eine Primitivfibrille eine elliptische oder aber, durch Verkürzung des einen Schenkels, eine halb- mondförmige Schlinge eingeschaltet. Oft folgen zwei oder mehrere solcher Schlingen hintereinander in einer und derselben Fibrille,

Die Schenkel der Schlinge sind nie dünner als der einzelne Faden, von welchem sie entsprungen sind, und in welchen sie sich wieder fortsetzen. Der letztere ist gleich ihnen einfach und von elementarer Feinheit. Es kann sich also nicht um eine Trennung

Vorläufige Mittheilungen über die Nerven von Beroe. 649

und Wiedervereinigung handeln^ auch aus dem Folgenden hervorgeht.

Die zwei Schenkel einer Schlinge können durch quere oder schiefe Anastomosen wieder untereinander verbunden sein.

Es können ferner die Schlingen dadurch zu Rechtecken oder zu Dreiecken oder zu den mann ichfaltigsten Figuren anderer Art ausgezogen werden, dass sich an einen oder an beide ihrer Schenkel feinste Fädchen eines zweiten oder mehrerer anderer Nerven an- setzen.

Es können so die complicirtesten Netze ^) von Nervenpri- mi tivfibrillen entstehen, welche noch verwickelter und wunder- barer werden, wenn die erwähnten Anastomosen der Schenkel der Schlingen unter sich dazu kommen.

An diesen Netzen, welche ich übrigens nur aus der äussersten Gallertschichte des Kör|)ers kenne, nehmen nun weiter feinste Fi- brillen Antheil, die von multipolaren Ganglienzellen her- rühren, von denen sie oft in grosser Menge ausstrahlen, um in un- gewöhnlich langem Verlauf durch die Gallerte zu ziehen. Ich sage ausstrahlen, weil oft eine bedeutende Anzahl von Fibrillen pinsel- artig von einem oder von mehreren Zipfeln einer Zelle abtritt.

Einzelne dieser Fädchen treten mit benachbarten Ganglienzellen in Verbindung.

Endlich ist noch zu bemerken, dass auch nebeneinander her- laufende Primitivfibrillen, welche von zwei verschiedenen Nerven herrühren, durch einfache Queranastomosen verbunden werden können.

Aber alle diese merkwürdigen Verhältnisse werden erst durch ausführlichere und von Abbildungen unterstützte Mittheilungen, wie ich sie in einer Arbeit über die Anatomie von BeroS ovatus zu veröffentlichen im Begriffe stehe, befriedigend behandelt werden können.

Die Zusammenstellung der früher erwähnten unter der Haut

1) Gegenbanr hat durch Anastomosirung entstehende Netze von »blass- conturirten Nervenfasern t unter der Haut von Cymbulia, Carinaria und Ptero- trachea beschrieben und von ersterer .abgebildet (Unters, üb. Pteropoden und Heteropoden 1855, S. 45, 1S7 u. 161 u. Taf. III, Fig. 8). Aber meine Abbildungen werden zeigen, dass die Netze von Beroe von diesen sich sehr unterscheiden. Andere hierher gehörige Literaturangaben werde ich in mei- ner ausf&hrUchen Arbeit über den Gegenstand noch zu machen haben.

660 Dr. Th. Eimer:

gelegenen Ganglienzellen von Beroä (welche nicht zu verwechsdn sind mit den eben berührten fast sternförmigen Gebilden) mit den Langerhans'schen Eörperchen mag nun durch die Thatsache ge- stützt werden, dass ähnliche Apparate auch bei Thieren vorkommen, welche den Säugethieren nicht so entfernt stehen, wie die Bippen- quallen.

Langerhans, welcher mit mir in diesem Frühjahr einige Wochen in Gapri zubrachte und meine Untersuchungen, welche icb dort über Beroä angestellt habe, verfolgte, hat nicht nur den hohen Grad von Uebereinstimmung der Form der peripherischen Ganglien- zellen dieses Thieres mit denjenigen aus der Haut des Menschen bestätigen können, sondern wir haben später gemeinsam die gan- glienartigen Anschwellungen der zur Haut von Carinaria tretenden Nerven, welche schon von Leydig*) und Gegenbaur') beschrie- ben worden sind, als beiden äusserst ähnliehe Gebilde erkannt, and ebendieselben haben wir auch bei Pterotrachea mutica gefunden.

Als wir im April auf der Rückreise nach der Heimath Neapel berührten, theilte uns Herr Professor Panceri die neuesten Er- gebnisse seiner Untersuchungen über das Leuchten der Thiere mit Er fand, wie er seitdem veröffentlicht hat'), dass bei Phyllirhoe bucephala Ganglienzellen, welche in grosser Menge unmittelbar unter der elastischen Membran liegen, welche den Körper des durch- sichtigen Thieres umschliesst und der wiederum das Epithel unmit- telbar aufsitzt^), Träger des Leuchtvermögens sind.

1) AnatomiBohe Bemerkungen über Garinaria, Firola und Amphioora. Z. f. w. Z. Bd. III, 1851, S. 826. Leydig spricht schon hier and nodi früher iu seiner Arbeit über Artemia salina und Branchipus stagnaUB a. demt- 0. S. 294 die Vermutfaung aus , »dass Aufnahme von Ganglienkugeln in die während des peripherischen Verlaufes sich verzweigenden Nervenfibrillen eia allgemeiner Charakter der sensitiven Nerven sei.c Die zahlreichen Stützen, welche diese Yerrauthnng seitdem gewonnen hat, brauche ich nicht einsein anzuführen. Als deren neueste weise ich nur auf die Angaben von Flem- ming über die Nerven der Landschneckenfühler hin in dessen Arb»t«n: »Unters, üb. d. Sinnesepithelien d. Mollusken.« dieses Archives Bd. VI. and »Zur Anat. d. Landschneckenfühler« etc. Z. f. w. Z. Bd. XXII, S. S69.

2) A. a. P, S. 137.

3) Intomo alla luce che emana dalle celuUe nervöse della Phyllirbce bucephala. Estratto dal Rendiconto della R. Accademia delle Scienze Fisiche e Matematiche. Aprile 1872. Sunto di Memoria.

4) Vgl Panceri a. a. 0. Sep. Abdr. S. 9 n. 10.

Vorläufige Mittheil ungen über die Nerven von Beroe. 651

Dieser Zellen siDd zweierlei zu unterscheiden; beide Arten ge- hen aber durch Zwischenformen nach Panceri ineinander über: gelbe, runde, 1853 von H. Müller^) beschriebene Zellen, und Kör- perchen, welche nach den Präparaten zu schliessen, die Pancer^ uns aus den Tentakeln von PhyllirhoS zeigte, mit den von mir aus Berog geschilderten peripherischen Ganglienzellen und mit den er- wähnten Hautganglien der Heteropoden einer Art sind. Es sind dies nach Panceri dieselben Gebilde, welche Leuckart gleichfalls im Jahre 1853 schon beschrieben hat*).

Die Lage der peripherischen Ganglienzellen von Beroä, Garina- ria, Pterotrachea und Phyllirhoß unterhalb des Epithels kann den hohen Grad der Uebereinstimmung , welche sie alle in der Form und in ihrem übrigen Verhalten mit den Körperchen aus der Haut der Säugethiere haben, nicht beeinträchtigen. Ich habe oben ange- führt, dass die letzteren in der Euhzitze oft mit dem grössten Theile ihres Körpers in der Cutis liegen; auch ist es möglich, dass hier ganz in der Cutis gelegene Zellen ihnen zugezählt werden müssen ').

Jedenfalls haben wir es da wie dort mit Hautnerven zu thun, und in allen Fällen senden wohl die fraglichen Anschwellungen derselben ihre feinen Ausläufer zum Epithel, wie ich das für Beroä verbürgen kann.

So dürfte die morphologische und physiologische Zusammen- stellung der Langerhans'schen Körperchen mit den Ganglienzellen der Haut der genannten niederen Thiere nicht ohne Begrün- dung sein.

1) H. Müller: Z. f. w. Z. Bd, IV. Vgl. aucli H. Müller u. Gegen- baur ebdas. Bd. V und Leydig, Histologie. S. 213.

2) Archiv f. Natnrgesch. 1863. Vgl. auch H. Müller u. Gegenbauer a. a. o. S. 361. So eben, w&hrend ich mit der Correctnr des Vorliegenden beschäftigt bin, geht mir durch die Güte des Verfassers die ausführliche Ar- beit Panceri 's über die leuchtenden Nerrenzellen von PhyUirhoe bucephala zu. desselben Titels wie die vorläufige Mittheilung (Memoria estratta del Yol. V. degli Atti della R. Accademia d. S. F. e M.). Auf der beigegebenen Tafel sind leider die Zellen, auf welche es mir ankommt, kaum angedeutet (Fig. 8, z. b. links unten und oben).

S) M. Vgl ausser dem Eingangs angefahrten Artikel von Tomsa auch Kessel, Centralbl. f. d. med. W. 1869 Nr. 23 u. 24, und Strioker's Hand- buch d. Gewebelehre S. 856.

Bemerkungen über die Leuchtorgane von

splendidula.

Von Dr« Tit. Kimer.

Die im Vorstehenden berührte Entdeckung Panceri's, dass die in die peripherischen Nervenverzweigungen von Phyllirhog bnce- phala eingeschalteten Ganglienzellen Träger des LeuchtvermögeBs dieses Thieres sind, veranlasste mich, die Leuchtorgane von Lam- pyris splendidula einiger Untersuchung zu unterziehen, besonders um aus eigener Anschauung die von M. Schnitze^) beschriebenen Tracheenendzellen kennen zu lernen, welchen von diesem Forscher hier die Hauptrolle beim Leuchten zugeschrieben worden ist.

Die Tracheenendzellen haben nach M. Schnitze Aehnlichkeit mit den kleinen Ganglienzellen der grauen Rinde des Hirns der Säugethiere, und sie zeichnen sich, wie er zeigt, dadurch aus, dass sie sich durch Osmiumsäure ausserordentlich leicht und intensiv schwarz färben.

Da aus den Untersuchungen zahlreicher früherer Forscher aber- einstimmend hervorgeht, dass einmal der Nerveneinfluss und dann der Säuerstoff eine wesentliche Rolle beim Leuchten von Lampyris spielen, so haben die genannten Eigenschaften, sowie der Sitz der Zellen M. Schnitze zunächst dazu veranlasst, die Tracheenend- zellen fiir die Frage nach der Ursache des Leuchtvermögens beson- ders in Betracht zu ziehen.

Der Umstand, dass die leuchtenden Punkte, welche man sieht wenn man das Leuchtorgan zur Zeit seiner Function im dunkeln Zimmer unter das Mikroskop bringt, wie Schnitze findet, in Zahl und Anordnung den Tracheenendzellen entsprechen, erheben seine Vermuthung zur höchsten Wahrscheinlichkeit.

Ebenso beweist Panceri durch das Experiment, dass es die

1) Dieses Archiv Bd. I, S. 124.

Dr. Th. Eimer: Bemerk, üb. d. Leuobtorgane von Lampyris splendidala. 653

besprochenen Ganglienzellen von PhyllirhoS wirklich sind, welche leachten; denn wenn er z. B. einem Tentakel dieses Thieres wäh- rend der Betrachtung unter dem Mikroskop einen Tropfen Ammo- niak zusetzt, so sieht er ein plötzliches Aufleuchten von zahlreichen Punkten, welche den Nervenzellen entsprechen.

Ich kann aus eigener Anschauung die Thatsache bestätigen und muss die Uebereinstimmung des Bildes betonen, welches der Versuch Panceri's liefert mit demjenigen, welches das Leuchtorgan von Lampyris unter dem Mikroskop darbietet.

Wenn ich dem Leuchtorgane von Lampyris unter dem Mikroskop einen Tropfen Osmiumsäure zusetzte, so würde das von den Punkten aasgehende Licht viel stärker; aber diese Verstärkung zeigte sich nicht als ein Aufleuchten bei mechanischer Reizung oder wie bei Phyllirhoä auf Zusatz von Ammoniak, sondern sie bestand in einem lange Zeit anhaltenden Leuchten, hervorgebracht wohl durch ein lebhaftes Verbrennen der Tracheenendzeilen in der Osmiumsäure, welches andauern dürfte, bis die letztere reducirt ist, oder bis die Zellen oxydirt sind.

Panceri nimmt an, dass eine leuchtende Substanz an die ner- vöse Masse der Ganglienzellen von Phyllirhoe bucephala gebunden sei. Es ist nicht die nervöse Substanz selbst, welche leuchtet. Aber das Leuchten steht im Leben doch unter dem Nerveneinfluss *).

KöUiker nennt das Leuchtorgan der Lampyrisarten geradezu einen nervösen Apparat^).

Nun ist zwar wohl für die Ganglienzellen bei Phyllirhoe, nicht aber für die Tracheenendzeilen von Lampyris eine Verbindung mit Nerven nachgewiesen. Die Untersuchung ist hier sehr schwielig.

Um so mehr glaube ich darauf aufinerksam machen zu dürfen, in wie hohem Grade die Tracheenendzeilen von Lampyris splendi- dula mit den leuchtenden Ganglienzellen von Phyllirhoe in der Ge- stalt übereinstimmen. Noch grösser ist aber diese Uebereinstimmung auffallender Weise zwischen den ersteren und den Langerhans'schen Korperchen aus der Haut des Menschen, wie eine Vergleichung z. B. der Fig. 9, a von M. Schnitze mit der Fig. 4 von Langer- hans auf das Ueberraschendste zeigen wird.

1) Yergl. das Nähere a. a. 0. S. 11—14.

2) Würzb. Verh. Bd. VUI, 1858.

Nochmals über die angeblichen Terminalkörperclien an den Haaren einiger Säugethiere.

(Eine Entgegnung anf Dr. Ludwig Stieda's Notiz ähnlichen Titels.)

Von

Dr. jr. SiAöbl

in Prag.

Im 2. Hefte des 8. Bandes dieses Archivs p. 274 hat Stieda meine ebenfalls in diesem Archiv erschienenen Arbeiten einer Benr- theilung unterzogen, welche mich zu einer Entgegnung nöthigt Ich sehe dabei von der eigenthUmlichen Motivirung seiner Polemik im Eingange des angeführten Aufsatzes ab und gehe gleich auf die Sache selbst ein. Was die Flughaut der Fledermäuse anbelangt, so habe ich gesagt, zu jedem Haarbalg begibt sich ein aus 4 bis 6 Primitivfasem bestehendes Nervenstämmchen , umschlingt den Hals desselben, begibt sich dann nach abwärts und umwickelt den ante- ren zelligen Fortsatz der Wurzelscheide, und bildet dadurch ein terminales Körperchen.

In meiner Arbeit über das äussere Ohr der Mäuse habe ich beschrieben, dass zu jedem Haarbalg ein zumeist aus 2 bis 4 markhaltigen Fasern bestehendes Nervenstämmchen gehe und die Gegend des eingekerbten Bandes der Glashaut desselben in mehr- fachen Touren umwickele und auf diese Weise einen Nervenring oder Kranz bilde, der das Haar umschlingt. Von diesem Nervenring streichen 2 bis 4 Nervenfasern längs der conischen Yerlängernng der Wurzelscheide nach abwärts und bilden daselbst einen Nerven- knäuel, welcher unmittelbar unter diesem Fortsatze liegt.

Nochmals über die Terminalkdrperchen an den Haaren einiger S&ugethiere. 655

Ich habe heutigen Tages, nachdem mir abermals eine ganze Reihe neuer comparativer Untersuchungen zu Gebote steht, an die- sen meinen Aussprächen nur Weniges zu ändern.

Das eine wäre, dass bei den Fledermäusen nicht eine blosse Umschlingung, sondern stets auch eine wahre Ringbildung der Ner- venfasem um den Halstheil des Haarbalges vorkommt, das zweite, was durch einen Irrthum im Manuskripte entstanden ist, dass die Nerven, die zu den Haarbälgen treten, nicht dunkelrandig, sondern marklos sind.

Mit Ausnahme dieser beiden unbedeutenden Aenderungen halte ich meine Angaben vollkommen aufrecht.

Stieda geht nun über diese Hauptsachen ganz ruhig hinweg, erwähnt meinen Nervenring auch nicht mit einem Worte, ob er ihn gesehen hat oder nicht, und des Knäuels erwähnt er nur sehr flüch- tig und im Vorübergehen. Dagegen führt er gegen mich folgende Argumente zu Felde: „Schöbl findet die Körperchen an allen Haa- ren der Flughaut der Fledermäuse und an allen Haaren des äusse- ren Ohres der Mäuse. Diesem muss ich widersprechen; ich habe mehr als einmal die Körperchen durchaus vermisst. Dagegen finde ich dieselben Gebilde sowohl bei den genannten Säugethiereu; als bei anderen (Ratte, Maulwurf) an beliebigen Gegenden der Körper- haut, jedoch keineswegs an allen Individuen.^'

Dieser ganze Passus ist im hohen Grade unklar. Was für Körperchen meint Stieda? Meint er dadurch meine Nervenringe and Knäuel? Das offenbar nicht, denn dann würde er ihnen nicht eine Verbreitung zuweisen an Körperstellen, wo sie gar nicht vorkom- men. Es ist also offenbar, dass Stieda unter seinen Körperchen etwas anderes versteht, als ich, worüber er sich durchaus nicht ausspricht, dennoch aber daraus Folgerungen gegen mich zieht. Aber das Verhalten der Nerven zu den Körperchen an anderen Körperstellen sagt Stieda wohlweislich auch nicht ein Wort.

Dass an den Haaren beliebiger Körperstellen der obengenannten Thiere Veriängerungen der Wurzelscheide oder, wie ich sie nenne, des Wurzel-Zellkörpers nach abwärts vorkommen, mit einem rund- lichen oder ovalen Knopfe endigen, ist eine ausgemachte Thatsache. Es herrscht dabei aber der ganz gewaltige Unterschied, dass diese Fortsätze oder Knöpfe an beliebigen Körperstellen einzig und allein aus Zellen bestehen, welche denen der äusseren Wurzelscheide gänz- lich entsprechen, während dieselben Fortsätze in der Flughaut von

666 Dr. J. Schobl:

Nervenfasern umwickelt erscheinen und im äusseren Ohr der Mause sich unter ihnen ein Nervenknäuel befindet.

Desgleichen herrscht zwischen diesen beiden Haarformen der gewaltige Unterschied, dass sowohl die Haare der Flughaut als die des äusseren Ohres der Mäuse am Halstheile des Haarbalg^ un- mittelbar unter der Einmündungsstelle der TalgdrQsen einen aus mehreren Türen bestehenden Nervenring besitzen, welcher jenen Haaren an verschiedenen Körperstellen durchaus abgeht, zu denen sich gar kein derartiges constantes Nervenstämmchen begibt, wie dies ausnahmslos bei den Haaren der Flughaut und im äusseren Ohre der Mäuse der Fall ist

Ich muss auf die Angriffe Stieda's die präcise Antwort geben: Die von mir beschriebenen Gebilde befinden sich an allen Haaren (etwa krankhafte ausgenommen) der Flughaut und des äusseren Ohres bei allen Individuen der angeführten Species bei jungen Tille- ren wie bei alten und zu allen Jahreszeiten. Aehnliche Gebilde an beliebigen Eörperstellen derselben Thiere sind mir wohl bekannt sie bestehen blos aus Zellen und haben mit meinem Nervenring und Knäuel nichts zu schaffen.

Stieda's Vorwurf: „Wie stimmt dieses inconstante und das verbreitete Vorkommen zu der Deutung der Körperchen als Endor- gane sensitiver Nerven?^' erscheint somit mehr als unbegründet

Als ein weiteres Argument gegen mich benutzt Stieda das Verhalten der Haarpapille zur Haarzwiebel und sagt : „Wie steht es aber mit der Anwesenheit der Körperchen an Haaren, welche auf einer Haarpapille sitzen? Hierauf gibt Schob 1 direct keine Ant- wort; er hat die Körperchen an allen Haaren der betreffenden Kör- pergegenden jener Thiere gesehen. Meine Untersuchungen geben mir eine Antwort: An denjenigen Haaren, welche eine offene Haar- zwiebel und eine deutliche Haarpapille haben, finden sich niemals jene Körperchen.'*

Hierauf gebe die ganz einfache Antwort, dass die betreffenden von mir beschriebenen Haare zu keiner Zeit eine Papille besitzen, sondern blos äusserlich von Capillaren umsponnen werden und einen abweichenden Bau besitzen, wie ich ihn in meiner Arbeit „lieber das äussere Ohr des Igels als Tastorgan^^ welche ich im November des Jahres 1871 an den Herausgeber dieses Archivs eingesendet habe und welche jetzt eben im Drucke erschienen ist (p. 295 dieses

NoclniialB über die angeblichen Terminalkörperchen etc. einiger Säugethiere. 657

Bandes), deutlicher beschreibe, als es mir bei den früheren minu- tiösen Härchen der Fledermäuse und Mäuse möglich war.

Die Zellen des Stratum Malpighii nämlich bilden zu jedem Haar- balge eine trichterförmige Einstülpung, setzen sich in die Mündun- gen der Talgdrüsen fort und zwischen ihnen nach abwärts und bil- den daselbst unterhalb der Einmündungsstelle der Talgdrüsen einen x soliden Zellkörper, dessen Zellen dieselbe Beschaffenheit und Fär- bung wie die der Malpighi'schen Schicht haben, und den ich der Kürze halber Wurzel-Zellkörper nennen will. Sein oberer Theil ist cylindrisch, der untere länglich eiförmig, und er bildet als eine un- mittelbare Fortsetzung des Stratuin Malpighii ein Analogon der äusse- ren Wurzelscheide.

Der Haarschaft begibt sich bis zur Mitte des Wurzel-Zellkörpers, woselbst sich die Faserzellen seiner Corticalsubstanz in einzelne Bündel theilen, strahlig besenförmig auseinanderfahren und durch allmählige Umwandlung unmittelbar in die Zellen des Wurzel- Zellkörpers übergehen.

Diese Beschreibung gilt mehr oder weniger auch für die Här- chen der Flughaut und des äusseren Ohres der Mäuse, sie besitzen zu keiner Zeit, wie auch die Haare am äusseren Ohre des Igels, eine Papille, und somit fällt auch dieses Argument Stieda's yoll- kommen hinweg.

Wenn also Stieda weiter sagt: „das Vorkommen der Kör- perchen an ausgewachsenen Haaren, das Fehlen derselben an wach- senden, das inconstante Vorkommen an Individuen derselben Spe- cies und die Verbreitung über verschiedene 6e(«renden des Körpers spricht durchaus gegen die Auffassung der Kör|93rchen als Nerven- endorgane. Warum soUt^a einzelne Individuen aller Endorgane beraubt sein, während andere an jedem Haare der ganzen Körper- oberfläche ein Endorgau besitzen", so muss ich auf Grundlage des bereits oben Erwähnten von alledem das diametrale Gegentheil be- haupten und die gesammte Schlussfolgerung Stieda 's von Anfang bis zum Ende als unrichtig bezeichnen.

So viel zur Abweisung der Angriffe Stieda's. Was er noch weiter über die Deutung der Körperchen als Haarkeime sagt, darauf weiter einzugehen, finde ich mich nicht veranlasst, weil hiermit Stieda wohl nur die aus Zellen bestehenden Körperchen, gewiss aber nicht mänen Nervenring und Knäuel meinen kann.

M. Schnltxt, AidüT 1 mikroik« Ajutomle. Bd. 8. 43

658 Dr. J. Schöbl:

Zum Schlüsse möchte ich jedoch noch einige Bemerkungen hin- zufügen.

Die Thatsachen, die ich sowohl in der Flughaut der Fleder- mäuse, als im äusseren Ohre der Mäuse beschrieben habe, sind das Resultat jahrelanger, mühevoller Forschung und objectiver Beobach- tung, sie werden nach meiner Ueberzeugung der Hauptsache nach stehen bleiben für alle Zeiten. Welchen Namen man der Sache beilegt, halte ich für Nebensache, wenn nur die Thatsachen richtig sind. So habe ich die Bezeichnung Terminalkörper- eben, die ich bei der Flughaut der Fledermäuse gebraucht habe, bereits längst zurückgezogen, ich spreche schon beim änsseren Ohre der Mäuse nur von Nervenring und Knäuel; noch deutli- cher ziehe ich diesen Ausdruck zurück in derArbeit über das äus- sere Ohr des Igels ; habe mich auch in einem Schreiben an Herrn Prof. Max Schnitze bereits längst in dieser Weise ausgesprochen.

Ich glaube die Wahl dieses meines damaligen Ausdruckes da- durch entschuldigen zu können, dass ich diese Gebilde zunächst in der Flughaut der Fledermäuse beobachtet habe, wo die Untersuchung nicht nur eine ungemein schwierige ist und wo das winzig kleine Härchen gegen den verhältnissmässig gewaltigen Nervenapparat ganz in den Hintergrund tritt; ich habe mich dadurch verleiten lassen, dem Nervenapparat eine grössere Selbständigkeit zuzuschreiben und dem winzigen Härchen eine untergeordnete Rolle zuzuweisen.

Eine ganze Reihe comparativer Beobachtungen, die mich zur Wahl eines anderen Ausdruckes für die obengenannten Thatsachen bestimmt haben, habe ich in einem Vortrage, gehalten in der kö- niglich böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften im April 1872, ausei andergesetzt , derselbe ist als vorläufige Mittheilung unter dem Titel: „Ueber die Nervenendigung an den Tasthaaren der Säugethiere etc.*' erschienen. Auch die Zeichnungen zu meiner definitiven Arbeit habe ich bereits begonnen, die dann, so hoffe ich, jeden weiteren Zweifel heben werden.

Die oben erwähnten comparativen Beobachtungen führten mich nun mit voller Klarheit zu der Ansicht, dass die winzigen Härchen der Flughaut, sowie die des äusseren Ohres der Mäuse und Igel Tasthaare sind und zwar die ersteren die winzigsten in der ganzen Säugethierwelt. Nervenring und Knäuel bilden nun bei den beiden ersteren den nervösen Endapparat der Tasthaare. Bei den Tast- haaren im äusseren Ohre des Igels bildet gleichfalls ein Nervenring,

Koehmals aber die angeblichen Terminalkörperoben etc. 669

der noch daza eine ganz gewaltige Aosdehniing erlangt, den ner- vösen Endapparat.

An die Stelle der Enaael der vorigen Tasthaarformen tritt hier die modifizirte Glashaut mit dem Nervenring in Verbindang und bildet gemeinsam mit ihm den terminalen Tastapparat dies^ Tasthaare.

Die Glashaut zerfallt nämlich in eine grosse Anzahl flacher Bänder , welche dicht nebeneinander li^end , von der Innenfläche des Nervenringes ausgehen und die ganze Oberfläche des Wurzel- zellkörpers längsrippenartig umspannen. Jedes einzelne Band der Glasbaut hat etwa dieselbe Stärke, wie die der Nervenfasern des Ringes, und alle hängen mit dem Nervenringe, von dem sie aus- gehen, aufs innigste zusammen.

Gelingt es durch einen glücklichen Schnitt, die Innenfläche eines Stückes des Nervenringes zur Ansicht zu bekommen, so hat es ganz den Anschein, als ob die einzelnen Bänder unmittelbar aus den einzelnen Nervenfasern des Ringes entspringen und dann nach abwärts umbiegen, so dass man sich veranlasst finden würde, sie sofort fOr Nervenfasern zu erklären, wenn nicht eine wei- tere Reihe vergleichender Beobachtungen dagegen spräche. Es würde zu weit führen, alle Beweise, die mich bestimmen, diese Haare als Tasthaare anzusprechen, hier aufzuführen und die ganze Reihe von Uebergangsformen zu schildern, welche ich zwischen ihnen und den Tasthaaren der Schnauze aufgefunden habe; ich verweise deshalb auf meine vorläufige Mittheilung über diesen Gegenstand, deren ich bereits oben Erwähnung gethan habe.

Prag, im April 1872.

Erklärung

die EntdeckuQg der Schmeckbecher von G. Schwalbe betreffend.

Von Max Sehultse«

Prof. Panum in Kopenhagen hatte die Güte, mir eine dänische Ab- handlung von Ditlevsen über die Gescbmacksorgane derZonffo bei Sauge- thieren und Mensch, welche in Kopenhagen 1872 gedruckt ist und sehr verihvolle Beitrage zur Kenntniss dieser Organe enthält, zuzuschicken. Dieser Schrift lag ein Separatabdruck aus der »Cgeskrift f. Laeger 8. R. XIII, Nr. 7c bei enthaltend eine von Prof. Panum verfasste Anzeige der Arbeit von Dit- levsen. Panum spricht sich hier über das V erhältniss der BeobaebtuDgeu von Chr. Loven in Stockholm zu den denselben Gegenstand betreffendtiD, von G. Schwalbe mit folgenden hier in wortgetreuer Uebersetzung wieder- zugebenden Worten aus: »Loven publicirte seine Entdeckungen zuerst schwedisch in dem »Medicinskt Archiv III, 9c (am Ende des Jahres 1866 oder in den ersten Monaten 1867}. Danach übersetzte er sie in^s Deutsche und übersandte' sie im Nov. 1867 an M. Schultzens Archiv für mikroskopische Anatomie, wo sie danach publicirt wurden. Dieser Umstand dürfte hier hervorgehoben werden in Bezug auf eine Prioritätsfrage, welche dadurch entstanden ist, dass kurz darauf in demselben Archiv eine Arbeit von Schwalbe über denselben Gegenstand und mit wesentlich denselben Resul- taten erschien. Die vorläufige Mittbeilung von Schwalbe, welche der aus- führlichen Publication im Archiv vorausging, ist, wie M. Schultze selbst bemerkt, erst im October 1867 gedruclä worden. M. Schultze kann da- nach wohl berechtigt sein, zu erklären, dass die Arbeit von Schwalbe selbstständig ausgeführt ist. Aber wenn er zugleich die beiden Arbeitea «Is vollkommen gleichzeitig erklärt, muss er die Publication in schwedischer Sprache (in Folge des Principes: Graeca sunt, non legunturt} ignoriren, und blos das Datum, unter welchem die deutsche Uebersetzung ihm zugeschickt wurdo^ nm in seinem Archiv publicirt zu werden, berücksichtigen. Die Priori- tät von Loven ist also unzweifelhaft und muss hier vertheidigt werden.c

Eine Differenz über die Priorität in der beregten Angelegenheit esistirte bisher nicht, da die auf pag. 108 des 4. Bandes dieses Archivs veröflentlich- ten Daten das Verbal tniss der Arbeiten Loven' s und Schwalbe*stu ein- ander vollkommen klar darlegen. Prof. Panum, so gern ich bei ihm Un- kenntniss der deutschen Sprache voraussetzen möchte, beweist, dass er die angeführte Seite meines Archivs gelesen hat, da er das Datum der YeröffeDt- liohung der vorläufige a Mittheilung von Schwalbe nur dieser entnehmen konnte. Anstatt aber Loven's eigene ebenda gedruckte Erklärung, dass sein bezüglicher Aufsatz in schwedischer Sprache im September 1S67 ge- druckt worden sei, und meine Angabe zu berücksichtigen, dass ich diesen Aufsatz im October zugeschickt erhielt und zwar nachdem Schwalbe^s vorläufige Mittheilung bereits versandt war, glaubt er besser orientirt zu sein und berichtet, dass Loven's Aufsatz bereits' am Ende des Jahres 1866 oder in den ersten Monaten 1867 gedruckt worden. Niemand konnte durch diese Eröffnung mehr überrascht sein, als Dr. Loven selbst, welcher, auf einer Reise begriffen, hier in Bonn Kenntniss von der unge- rechtfertigten Reclamation erhielt. Derselbe autorisirte mich ausdrucklich, zu veröffentlichen, dass er erst nach Kenntnissnahme des ihm durch seinen Freund Prof. Axel Key in Stockholm mitgethcilten Separatabdruckes der vorläufigen Mittheilung von Schwalbe seinen in schwedischer Sprache ge- schriebenen und im September gedruckten Aufsatz an mich abgeschickt habe. Dies, zusammengehalten mit der von mir an oben angegebenem Orte früher veröffentlichten Erklärung, enthebt mich natürlich vollständig jedes weiteren Wortes an Prof. Panum, dessen Verdächtigungen um so hässlicher klingen, als sie aus dänischer Feder an deutsche Adresse gerichtet sind.

Pruok von Carl G««isi In Bonn.

likroskei

'<

.hrhiPfmikn'.tkvp Anah'mif H.Hlll

-i:

' 'Mi

I 3-ff

Archiv fmikr. AnuUmiU

n

I

TaJVl-

4,k '

vJ

r,ia

\S-

r,,m

/']'

^r

Acchio^tnikroskot

•.'.rtVI!

F'i

r<i

•-:*

r i

.::(

.'.-iL Sa:h i.c.p:.'^

TafViJ

~' M^i^.

ü «.-_^-,:(

FigXXIX

JniuifmAfra^

Tmf.ir.

'^

■v.

i

Taßll.

^

WS.

t}<W

\ J? y

Cy- ■!/

~4nAw fiitikn)k..tnal£mu B£. W.

Jhjyir

4^

i

■4 i

.^t

^^:/:^

i) A

Jra

tt

I

rVl*

/ i

/

..' *^

/

.(

m

u

a

.*r

m

":-

U

ff

1^

/O

i

H' tn\'krmuui IV

JniüifnulavshopJjiaiemirBd/. II.

mM:i'

Äfe

Fy3-

, B*

./rrliii>j'mh7iKlip;iJmMi.r MUH.

%..l.

T

1 t

X.T-

Archiv/, mikroskoji .^

■-.-.

rt'i^f k.

"^dÄ

1

1

^

' .*-<

)wi;

W'

M

.^V- ^-

-v/ M^^S<

1 J-

Tal-my.

fig.aS.

Ta/Mm.

It,9

■:.!-

c-^^.

"<. ,«■ 'j— -..

14 5807

^'