RS br CN - ER EN: 6 EEE ER EHLER 2 2 SE 28 W r ‚ - 2 “ A eig > | u: “ m & KR ” ” ARCHIV ANATOMIE, PHYSIOLOGIE WISSENSCHAFTLICHE MEDICIN, IN VERBINDUNG MIT MEHREREN GELEHRTEN HERAUSGEGEBEN D*. JOHANNES MÜLLER ORD, ÖFFENTL. PROF. DER ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE, DIRECTOR DES KÖNIGL, ANAT, MUSEUMS UND ANATOMISCHEN TIEATERS ZU BERLIN. Jahrgang 1855. Mit zwanzig Kupfertafeln. BERLIN. VERLAG vox VEIT ET COMP. VIHDAE wur $ "0, 10124 io iu UML dein A PL HIDIaaM ana 1 HERR warn Rees; Ta Ten na Ara De! Br Inhaltsanzeige, Seite Bericht über die Fortschritte der mikroskopischen Anatomie im Jahre. 1854. Von K. B. Reichert in Breslau. . 2... 1 Ueber die weitere Entwickelung von Mesotrocha sexoculata. Von Dr. Max Müller. (Hierzu Tafel I) .......... ıl Ueber Sacconereis Helgolandica. Von Dr. Max Müller. (Hierzu ER DENN = or m ned an vorn ao.) aeg ei, mom 13 Ueber die Eier der Scomberesoces. Von Ernst Häckel. (Hierzu REN Ve ee ar ee ae 23 Ueber die Form der Stethoseops. Von Prof. L. Fick. (Hierzu BELARUS ee ner 32 Ueber den grossen Fetttropfen in den Eiern der Fische. Von Dr. Anetziu a, le daher. Aesres' Ne 34 Der hintere Sklerotikalring im Auge der Vögel, Von Dr. wi Leydig. (Hierzu Tafel VI. Fig. 1—-7.)........ . 40 Ueber Cyelas corne« Lam. Von Dr. Franz Teydig. (Hierzu Tale" VI Fig?8 Tone ee. 47 Fortsetzung der Beobachtungen über die Metamorphose der Echi- nodermen. Von Joh. Müller ...... ee... 67 Ueber die Mieropyle und den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. Zugleich ein Beitrag zur Lehre von der Be- fruchtung. Von Prof. Rud. Leuckart in Giessen. (Hierzu Tasel VII— II)e 43 vefeirehgene - ie eek. . 9% Ueber Selbstbewegung der Muskelfaser. Von Schultz- ni tzenstein. - . » BR EL En E hu, a Te RR it 265 Versuche über den Einfluss, 25 Durchschneidung der ee nerven auf die Respirationsorgane. Von Wilhelm Wundt MUIBitlelbarg - . u re mim olenmege.e on Bhes > ... 269 Beiträge zur Anatomie der Nematoden. Von N. Lieberkühn. (Hierzu Tafel XIL, ZI). . „ı. „222. a . 914 Anthropotomische und zootomische Notizen. Von C. Bergmann, 337 Zur Anatomie der Trichodina. Von Dr. W. Busch. (Hierzu Tafel N a RE Et al SS A 357 Beitrag zur Histologie der Nieren, ron Dr. W. Busch. (Hierzu ee Nein oe hehe © 363 Zum feineren Bau der Arthropoden. Von Dr. Franz Leydig. BEE EPRLELEN VUN) 00. 0 aan @ sn 376 Zur Entwickelungsgeschichte der Gelenke. Von Prof. H. Luschka in Tübingen. (Hierzu Tafel XIX) ..... te De WAGN IV Selte Ueber die Sprösslinge von Autolytus prolifera Gr. Von Dr. A. Krohn . «MIN AHRREIL ER EIT e 489 Ueber die frühesten Entwickelungsstufen der Pelagia noctiluca. Von Dr. A. Krohn. (Hierzu Tafel RX). 2 0 anal Ueber den Schädel eines Pampas-Indianers. Von Prof. A. Retzius 498 Beiträge zur chemischen Kenntniss des Fötuslebens. Von Prof. Schlossbergeramif. ni 11H 3m HR so RL la 504 Corrigenda. Seite 338 Zeile 12 v.u. statt Unbegreiflich lies Ungewöhnlich. il. - » Beugungsapparat I. Bewegungs- apparat, 346 ,„12v.o. „ vordern l. obern. „ 36 „ l4vw.u ', jedem 1. jeden. n» 348° „-13vw.o. „ Der- l. Dor-. » SHOT ORTE „ schräge 1. sehnige. 3a, migua „ an]. von. oDl +» 5 +18: «, „*an-l um 32 „3, „» der l. den. E1 Bericht über die Fortschritte in der mikroskopischen Anatomie im Jahre 1854. Von C. B. REICHERT in Breslau. Allgemeiner Theil (atomistische und systematische Naturauffassung). Jede wissenschaftliche Leistung steht unter dem Einfluss der zur Zeit allgemein oder häufig auch nur an einem bestimmten Orte herrschenden Ideen oder Auffassungsweisen von der Natur im Allgemeinen oder von den Objekten der Unter- suchung im Besonderen. Einige dieser Auffassungsweisen, wie die ideale, die reale, die dynamische, die atomistische, die mathematische, sind von allgemeinerem Charakter und metaphysischer Natur; andere, wie die physikalische, me- chanische, chemische u. s. f. bewegen sich in engeren Grenzen, haben begrenzte empirische Wurzeln und sind gewisser Maassen Niederschläge aus den allgemeinen Gesetzlichkeiten, in welche die empirischen Thatsachen zur Zeit untergebracht sind; beide Anschauungsweisen schliessen sich nicht aus, werden aber Panie geuug nach Willkür ausgeschlosseu. Die herrschenden Auffassungsweisen, durch Lehrer, Schriften, namentlich durch Handbücher verbreitet, bestimmen die Be- handlung und Verarbeitung des wissenschaftlichen Stoffes und werden so vorübergehend zu so genannten wissenschaftlichen Methoden oder in Erin ihres Wechsels zu wissen- schaftlichen Moden, während die einzig wahre und darum exakte wissenschaftliche Methode des Naturforschers, die logisch-induktive, unabhängig von einseitigen Naturauffas- sungen besteht und dauernd aushält. Referent will hier nicht die Berechtigung und den Werth der einzelnen Naturauf- fassungen, die sehr zahlreich sind und oft in einem sehr beschränkten Gebiete menschlicher Erfahrungen wurzeln, näher prüfen; es genüge vielmehr, ihren bedeutenden Einfluss auf die literarischen Leistungen markirt zu haben, Viele Arbeiten segeln allerdings unbewusst mit dem herrschenden Winde Müllers Archiv. 1855. Jahresbericht, A 2 und fügen sich leicht jedem Wechsel; bei anderen geht es ziemlich bunt und wirr durcheinander; aber zu keiner Zeit fehlt es an Forschungen, in welcher gewisse herrschende’ Hauptrichtungen konsequent und mit vollem Bewusstsein, leider oft auch mit grosser Einseitigkeit und Arroganz, re- präsentirt sind. Dass auch das Auge des Mikroskopikers unter solchen Einflüssen arbeitet, davon giebt die Geschichte auch der letzten Decennien zahlreiche Beweise. Je mächtiger indess diese Einflüsse sind, nm so nothwendiger wird es, sie klar herauszustellen, damit ihr Antheil an der Erklärung der Naturerscheinungen, an der Begründung von Thatsachen und deren gesetzlicher Verkettung möglichst klar hervortritt. Im vorliegenden Berichte, dessen Zweck sich nicht in dem Aus- zuge der jährlichen Leistungen auf dem mikroskopischen Gebiete erfüllt, der vielmehr auch auf die Vorwärtsbewegung der Wissenschaft zu achten hat, ist Referent stets bedacht gewesen, im allgemeinen Theile solche Arbeiten hervorzu- heben, die von einem allgemeinen Interesse für die Auffassung und Behandlung des morphologischen Stoffes sind. Zur Ka- tegorie solcher Arbeiten gehören nach des Referenten Er- messen die Abhandlung Virchow’s „die Cellular - Pathologie“ (Archiv für path. Anat. und Phys. Bd. VII, p. 1.—39.) und die auf dem bekannten atomistischen Standpunkte ge- gebene Erläuterung Ludwig’s über die Bildung organisirter Formen (Handb. der Phys. des Menschen; Bd. II., p. 154. sqgq.). Es ist besonders die letztere Schrift, die dem Ref. die Ver- anlassung giebt, bei Besprechung dieser Arbeiten die Auf- merksamkeit auf die atomistische Auffassungs- und Be- handlungsweise der organischen Natur zu lenken, die Konsequenzen derselben, den Werth und ihre Berechtigung besonders gegenüber derjenigen zu zeigen, die ihre Begrün- dung in dem systematischen Wesen der organischen Natur findet,und die deshalb kurz „diesystematische“ heissen mag, Virchow, dem seine Zeitgenossen das grosse Verdienst zuerkennen müssen, die pathologische Anatomie im Sinne der Lehre von der Zelle mit vieler Schärfe und mit Beherr- schung des ihm reichlich zu Gebote stehenden Materials be- arbeitet zu haben, hat diese seine Bestrebungen in der oben bezeichneten Abhandlung ausführlicher besprochen. Der Verf. richtet seine Waffe mit Recht gegen die naturwissenschaft- liche Prüderie, in den Lebensvorgängen durchaus nur ein mechanisches Resultat der den konstituirenden Körpertheilen inbärirenden Molecularkräfte zu sehen. Alle unsere Erfah- rungen weisen darauf hin, dass das Leben mit und ohne Hindernisse (pathologisches Leben) sich nur in konkreter Form, an gewisse Heerde von Substanz gebunden, zu äussern vermag; — und diese Heerde seien die Zellen und Zellen- gebilde. Innerbalb dieser Heerde möge immerhin die me- chanische Substanz nach chemischen und physikalischen Ge- 3 setzen wirken und thätig sein; rücke man aber im System des Organismus bis zu den letzten Grenzen vor, in welchen es noch Elemente mit dem Charakter der Einheit gebe, so habe man bei den Zellen stehen zu bleiben. Die Zellen seien die eigentlichen vitalen Elemente, aus denen sich Ge- webe, Organe, Systeme, das ganze Individuum zusammen- setzen. Während die Einheiten der Physiker, die physika- lischen Molecüle und Atome, nur aus sinnlich gewonnenen Voraussetzungen erschlossen werden, liegen die organischen Einheiten, die Zellen und deren Derivate, innerhalb der Grenzen sinnlicher Wahrnehmung. Auf solcher Basis be- kämpft der Verf. die einseitigen humoral- und solidar -patho- logischen Anschauungen, welche letztere neuerdings in die Nerven-Pathologie aufgegangen sind; er beansprucht die Eigenschaft der Reizbarkeit für die Zellen in jeglicher Form, eben als vitale Einheiten, unbeschadet dessen, dass gewisse Zellen-Derivate, wie z. B. in den Nerven, Muskeln ete., die Erregungsfähigkeit in einer besondern Richtung offenbaren, u. 8. f£ Indem der Verfasser so auf die systematische Ein- heit der Zelle hindeutet, denkt er sich die komplieirteren lebenden Organismen aus vielen solchen einzelnen Lebens- heerden zusammengesetzt, die eben nur zusammenhalten, weil sie wie die Glieder eines Staats (pag. 2 auf einander angewiesen seien. Die Einheit des Gesammt-ÖOrganismus ist das Resultat dieser Einzelwesen; die Zellen sind die Atome der organischen Natur und bilden als solche den Ausgangs- punkt für jede weitere Betrachtung. Während also Virchow auf der einen Seite, in Betreff der Zelle, den systematischen Standpunkt festhält, scheint es dem Referenten, als habe der Verf. in Betreff der sonst in der organischen Natur vor- kommenden systematischen Einheiten und regulatorischen Prinzipien die atomistische Anschauungsweise geltend gemacht oder derselben doch einen gewissen Vorschub geleistet. Es ist bekannt, dass Schwann, als er die Theorie der Zelle gründete, auch sofort die Nothwendigkeit erkannt hat, das Verhältniss derselben zur organischen Natur überhaupt, namentlich zu den einzelnen Geschöpfen und komplieirteren Organismen näher zu würdigen. Es sind hier nach Schwann’s riebtiger Ansicht nur zwei Fälle denkbar: die Zelle ist entweder die absolute Herrscherin in der organischen Natur und alle besondern Weisen ihres Daseins, in den organolo- ischen Bestandtheilen eines Organismus, in einem Indivi- uum, in einer Species, Gattung ete., sind von ihr im Bunde mit anderen unter diesen oder jenen Umständen gleichsam freiwillig gewählt; oder die Zelle. (und die Zellenkomplexe) ist nur Dienerin anderer in der organischen Natur ausge- sprochener oder vorhandener regulatorischer Einheiten, und die specielle Ausdrucksweise ihrer Existenz von den letzteren abhängig. Schwann entschied sich, in Berücksichtigung des Ar 4 Umstandes, dass bei niederen Organismen eine beliebig ab- gelösete Zelle zum Keim einer neuen Generation oder eines neuen Organismus werden könne, für den ersteren der beiden möglichen Fälle. Joh. Müller hat in seiner Physiologie (Bd. II., p. 644.) bereits auf das Bedenkliche dieser Ent- scheidung hingewiesen, durch welche den Zellen wohl eine zu grosse Wichtigkeit beigelegt werde; nur bei niederen Or- ganismen könne eine solche Ansicht aufrecht erhalten werden. Neuerdings ist indess durch die Lehre von den Individuen- stöcken, worauf Ref. in seiner Schrift (die monogene Fort- pflanzung p. 142.) aufmerksam machte, der einzige, wirkliche Stützpunkt dieser Ansicht verloren gegangen. „Wo wir Zellen begegnen, sind sie nur Träger der in der organischen Natur vorkommenden Einheiten in grossen und kleinen Kreisen, potentiell (als Keim) oder effectuell (in den ent- wickelten Organismen), allein oder im Bunde mit anderen und vielen. Die Zellen finden sich nirgend selbstständig ohne weitere Beziehung vor; sie werden nur in Geschöpfen dieser oder jener Species des Pflanzen- oder Thierreiches ange- troffen und haben also jedes Mal ihr spezifisches Gepräge, ihre bestimmte Beziehung zu einer vorliegenden Einheit.“ Alle Erfahrungen, alle Thatsachen sprechen demnach für die zweite Ansicht; es giebt nur einen Weg, die erste An- sicht zu begründen, nämlich den, dass man nachweise, wie die Zelle zu irgend einer Zeit oder an irgend einem Orte aus der Einheit, in welcher sie determinirt ist, sich gleichsam emancipirt und ihre absolute Herrschaft durch den Uebertritt in eine andere Einheit offenbart hätte. So lange dieser Nach- weis fehlt — und es sind bis auf den heutigen Tag nicht einmal Andeutungen davon vorhanden, — ist der wissen- schaftliche Naturforscher gezwungen, das Verhältniss der Zelle zur organischen Natur und den darin gegebenen Ein- heiten nach der zweiten Ansicht aufrecht zu erhalten und den wissenschaftlichen Stoff in diesem Sinne aufzufassen und zu bearbeiten. Seit Schwann und J. Müller ist die angeregte Frage über die Relation der organischen Zelle zu der organischen Natur kaum beachtet; man häuft Beobachtungen auf Be- obachtungen, meist ohne weitere Ueberlegung, zuweilen mit dem unwissenschaftlichen Hintergedanken, dass die Ent- scheidung sich am Ende der Beobachtungen schon heraus- stellen werde. Es ist aber, ganz abgesehen davon, dass man eine Sache nicht nehmen darf, wie man will, sondern so zu fassen hat, wie sie ist, durchaus nicht gleichgültig für die Behandlung und Bearbeitung des wissenschaftlichen Stoffes sowohl in der Morphologie, als in der Physiologie, ob man der einen oder der anderen oben bezeichneten Auffassungs- weise der organischen Zelle huldigt. Wer die Zelle als absolute Herrscherin in der organischen 5 Natur hiustellt, ist konsequenter Weise gezwungen, bei allen Induktionen und Konstruktionen in der Morphologie, wie in der Physiologie von der Zelle, als seinem wirklichen Aus- gangspunkte auszugehen; alle sonstigen Einheiten in der organischen Natur, mögen sie in der systematischen Gliede- rung eines Organismus oder im Nebeneinandersein der Ge- schöpfe ihren Ausdruck finden, sind ihm nur Produkte von Zellenwirkungen; die Zellen sind ihm die Atome, die Kraft- punkte der Atomistiker; man befindet sich, vielleicht ohne es zu vermuthen, auf dem atomistischen Standpunkte; man, begründet eine atomistische Anatomie und Physiologie, wenn auch nicht in der unerquicklichen Form, wie sie uns neuer- dings in einem Handbuche der Physiologie geboten wurde, da man die systematische Einheit der Zelle erhalten kann, aber doch jedenfalls etwas Verwandtes. Auf dem bezeich- neten atomistischen Standpunkte bleiben auch die kompli- eirtesten Geschöpfe eben nur Zellenaggregate in anatomischer und pbysiologischer Beziehung, wie zweckmässig und kunst- gerecht und nothwendig wirkend die Zellen sich auch zu- sammengefunden haben mögen. Bei der Bildung eines solchen Aggregats kann nicht von einer Entwickelung durch Sonde- rung und Differenzirung die Rede sein; man fabrieirt die Geschöpfe, wie man Häuser, Schiffe, Uhren, Töpfe fabrieirt — durch Aggregation nach beliebigem Schemata, nur dass die Baumeister in den Zellen sitzen. Die Begriffe von Keim, von Zeugung, von Entwickelung, von Organisation, von Funktion, von Reizbarkeit im weiteren Sinne des Wortes, die sämmtlich in dem Boden des systematischen Wesens in der organischen Natur wurzeln, sind auf dem atomistischen Standpunkte theils gar nicht zu definiren, theils nur in einer Fassung, welche den thatsächlichen Verhältnissen in der or- ganischen Natur nicht entspricht. Wenn der Atomistiker sich des Wortes „systematisch“ bedient, so ist dadurch nicht die Anerkennung einer systematischen Einheit, einer im Sinne eines regulatorischen Prineips gegebenen Gliederung ausge- sprochen, sondern er kann durch den Ausdruck nur irgend eine ersonnene mechanische Zusammenstellung oder eine be- sonders für das Gedächtniss eingerichtete, schematische An- ordnung seiner Atome bezeichnen. — Wird die Zelle nach dem zweiten Fall als Dienerin in der organischen Schöpfung aufgefasst, so stehen wir mit ihr auf dem systematischen Standpunkte, auf welchem es eine erwiesene Thatsache ist, dass die organische Natur im Ganzen, wie in den Einzelnheiten ihren Grundcharakter in dem systematischen Wesen oflenbare. Die Zelle ist dann nicht der Ausgangspunkt jeder weiteren Betrachtung, sie ist vielmehr das organisirte Endglied in der systematischen Gliederung der organischen Schöpfung überhaupt und seiner Einzelwesen im Besonderen, und nur Ausgangspunkt der 6 Betrachtung für die in ihrer Einheit gegebenen Bestandtheile. - Die Zellen und deren Derivate, einzeln oder in Komplexen, müssen auf diesem Standpunkte mit steter Berücksichtigung der sie beherrschenden regulatorischen Einheiten, worin jedes Glied der systematischen Gliederung seine Stelle und mit ihr seine Bedeutung hat, aufgefasst und nach allen Beziehungen hin wissenschaftlich bearbeitet werden. Auch wenn diese regulatorischen Einheiten noch nicht klar erkannt sind, so weiss doch der Systematiker, dass er auf einem systemati- schen Boden steht, und dass er denselben niemals aus den Augen verlieren darf, wenn er nicht der atomistischen Will- kürherrschaft anheim fallen will. Um den Unterschied beider Anschauungsweisen hervorzuheben, wählt Ref. ein morpho- logisches Beispiel. Der Atomistiker sieht in dem Central- Nervensystem der Wirbelthiere eben nur ein Aggregat von Zellen und deren Derivate, die in einer bestimmten Weise sich gruppirt haben, dabei vielleicht von dem hinteren Ende, vom Rüchenmark, oder auch vom Gehirn aus den Anfang machten und auf diese Art secundäre Formverhältnisse pro- dueirten; schliesslich wird das Aggregat auch zu noch anderen Bestandtheilen des Körpers aggregirt oder mit ihnen in Ver- bindung gesetzt. Der Systematiker erkennt in dem Central- Nervensystem einen nächsten Bestandtheil in der syste- matischen Gliederung des Körpers, ein Primitivorgan. In dieser Bedeutung werden seine morphologischen Verhältnisse zunächst mit Berücksichtigung der übrigen, koordinirten Pri- mitiv-Organe im Gesammtsystem aufgefasst und beurtheilt, und die Zellen stehen hier noch ganz im Hintergrunde, haben bei Beurtheilung dieser Formverhältnisse direkt noch nicht mitzusprechen. Dann rückt die systematische Zergliederung in dem Oentralnervensystem selbst weiter vor nach der bereits erkannten oder doch vermutheten Ordnung von Haupt- und Unter-Abtheilungen, nach den darin gegebenen symmetrischen Hälften, nach Gehirn und Rückenmark u. s. f. Auf jedem Standpunkte der morphologischen Analyse giebt es hier be- stimmte morphologische Gesichtspunkte, die sich nach der Coordination und Subordination der Bestandtheile im System richten; aber die Zellen und ihre Derivate haben mit ihrer Form noch keine direkte Beziehung zu der Form, die sich in den ihnen vorangehenden Gliedern des Systems ausspricht. Endlich führt die Analyse zu den Endgliedern der morpho- logischen Organisation, zu den Zellen und ihren Derivaten, und hier greifen sie mit ihrer Form und Textur in die Struktur des Parenchyms direkt ein. Bei dieser Auffassungsweise der morphologischen Verhältnisse in der organischen Natur ist der Systematiker sich bewusst, dass er zugleich genetisch verfährt und genetisch zu verfahren hat; er weiss, dass die Bildung einer Organisation in einer systematischen Sonderung oder Zergliederung des Keimes bestehe, der eine bestimmte en regulatorische Einheit durch Vererbung enthält, dieselbe durch Entwickelung explicirt und weiter vererbt. Der sich sondernde und entwickelnde Keim besteht nun allerdings aus Zellen und au diesen wird nach Form, Mischung ete. jeder ein- tretende Bildungsvorgang mehr oder weniger deutlich offenbar. Gleichwohl gehören die Zellen der Totalität des Keims an, und was sie leisten, das leisten sie nicht aus freier Wahl oder durch irgend welchen zufälligen Umstand veranlasst und so also mit willkürlichen oder zufälligen Erfolgen, sondern nur im Sinne des Keimes, mit nothwendiger Beziehung auf ibn als Einheit und gewisser Maassen als seine Agenten, Die organische Natur hat auch zahlreiche Aggregationsformen in den Individuen - und Organstöcken aufzuweisen, und ihre durch den Knospenzeugungsprozess vermittelte Bildung weicht sehr wesentlich von der Entwickelung systematisch geglie- derter Einheiten ab. Die Zellen aber gewinnen dabei keine absolute Freiheit; sie bleiben immerhin durch das systemati- sche Prinzip in der organischen Schöpfung determinirt. Es leuchtet ein, dass die Zelle auf diesem systematischen Stand- punkte als organisirtes Endglied in der organischen Schöp- fung erfasst ebensowenig Etwas von ihrer wichtigen Bedeu- tung verliert, als dieses bei den Individuen der Fall ist, wenn wir sie als Endglieder im zoologischen oder botanischen Sy- steme registriren; die Zellen werden vielmehr in ihrer gesetz- lichen Relation zu der regulatorischen Einheit, der sie ange- hören, um so gründlicher und naturgemässer gewürdigt. Die Unterschiede der atomistischen und systematischen Auflassungsweise gegenüber der organischen Schöpfung wieder- holen sich ebenso auf dem physiologischen Gebiete, wie auf dem morphologischen, und was für die Anatomie Gültigkeit hat, das muss sich in der Physiologie geltend machen; denn die Anatomie war und bleibt immerdar die erste und wich- tigste Grundlage der Physiologie. Sehr gut sagt Virchow: „Keinem Sterblichen .ist es vergönnt, das Leben in der Zer- streuung physikalischer oder chemischer Substanz, in diffuser, wenn man will, geistiger Form zu erkennen ete.“; und an einem anderen Orte (a a. O. p. 10.): „und, wenn der Phy- siolog sein Gesetz, sei es durch physikalische, sei es durch chemische Untersuchung festgestellt hat, so kann der Anatom noch immer mit Stolz erklären: dieses ist der Körper, und so ist, fügt Ref. hinzu, seine wesentliche Natur, seine ge- gliederte Organisation, an welchem das Gesetz zur Erschei- nung tritt.“ Es würde den Ref. zu weit abführen, wollte er die Unterschiede auf dem physiologischen Gebiete genauer verfolgen, Es genüge darauf hinzuweisen, dass z. B. der Keim für den Systematiker seine besondere Bedeutung da- durch erhält, dass derselbe durch Sonderung und Entwicke- lung die in ihm enthaltene prineipielle Einheit explieirt, also mit Rücksicht auf das systematische Wesen gefasst ist, und 8 dass demnach dem Atomistiker der volle Begriff des Keims entgehen muss; dass ferner der Entwickelungsprozess für den Atomistiker eben nur eine Aufeinanderfolge von Ver- änderungen einer Substanz mit irgend welcher künstlichen Aggregation und Komposition darstellt, dass er dagegen im systematischen Sinne die Sonderung einer systematischen Einheit in die Gliederung ihrer Bestandtheile enthält; — dass der Begriff der Organisation für den Atomistiker eine künst- liche Gruppirung, für den Systematiker eine systematische Gliederung ist; — dass der Begriff der Funktion im ato- mistischen Sinne dem einer einfachen Leistung gleichgestellt wird, dass dagegen beim Systematiker Funktion die im ge- gliederten System determinirte Leistung eines seiner Bestand- theile ist; dass ebenso das Reizungsverhältniss für den Atomistiker ein einfaches ursächliches und Wirkungsverhält- niss bezeichnet, während bei der systematischen Naturauf- fassung in dasselbe zugleich die systematische Natur des einen unter den konkurrirenden Faktoren, des Hauptfaktors, in welchem schliesslich die Wirkung im Sinne der systema- tischen Gliederung zu verrechnen ist, aufgenommen wird, so dass dadurch der oder die übrigen Faktoren in die Kate- gorie von Nebenfaktoren (Reizen) gestellt werden und zu- gleich auch der Begriff der Reizbarkeit im Allgemeinen sich entwickelt u. s. f. Obige Erläuterungen möchten nicht allein die grossen Unterschiede, sondern sogar die offenbaren Gegensätze der atomistischen und systematischen Naturauffassung und der darauf gegründeten Methoden in der Behandlung des wissen- schaftlichen Stoffes übersehen lassen. Es kann daher nicht gleichgültig sein, wie die Bewegung der Wissenschaft vor- wärts gehe und wie man sich daran betheilige; man behandele die organische Natur entweder systematisch und dann darf man keine Atomisterei treiben, oder umgekehrt; beides zu- gleich ist nicht möglich, unerachtet in manchen Dingen die Gegensätze nicht hervortreten. Stellt sich aber die Frage, welcher von den beiden Auffassungsweisen der organischen Natur gegenüber naturgemäss und berechtigt sei, so kann die Antwort nicht zweifelhaft sein: der Grundcharakter der or- ganischen Natur ist anerkannt systematisch, die Auffassung und Behandlung muss systematisch sein. Nur auf einige Gegenbemerkungen will Ref. noch eingehen. — Man wird uns von der einen, von befreundeter Seite entgegnen, dass diese Naturauffassung ja alt hergebracht und anerkannt sei. Dieses ist vollkommen richtig; alle unsere morphologi- schen und physiologischen allgemeinen Vorstellungen wurzeln in derselben; und es muss einleuchten, dass der denkende Beobachter bei Betrachtung der organischen Schöpfung sich des Eindrucks nicht erwehren könne, den diese Schöpfung mit ihrem systematischen Grundcharakter auf ihn macht. 9 Allein es ist auch ebenso gewiss, dass dabei manche Irr- fahrten durchgemacht worden sind und noch in Aussicht stehen, dass Verstösse dagegen täglich selbst von Forschern begaugen werden, die gar nicht auf dem Standpunkt der Atomistik sich befinden, dass vorliegende Berichte manchen Kampf in dieser Richtung auszufechten hatten, und dass end- lich grade in der Gegenwart selbst von begabten Natur- forschern mit allen nur möglichen Waffen gegen diese Auf- fassungsweise angekämpft wird. Daher schien dem Ref. ein Wort, eine möglichst genaue Dariegung dieser Naturauffassung auf dem organischen Gebiete, ihrer Berechtigung, ihrer Unter- schiede von der atomistischen am rechten Platz und zur rechten Zeit. Und weiter erwartet Ref. den Einwurf, dass die systematische Natur der organischen Schöpfung zwar anzuerkennen sei, aber in allen ihren Einzelnheiten und Ab- stufungen nicht klar vorliege, dass man also zur Verminde- rung von Irrthümern besser thue, ohne Rücksicht darauf sich an das Einzelne zu halten und so abzuwarten, ob nicht auf diesem Wege, gewisser Maassen von unten auf, das syste- matische Wesen sich uns erschliesse. Darauf ist zu erwidern, dass die Unvollkommenheit unserer Erkenntnisse eine als richtig anerkannte Auffassung und Methode überhaupt nicht, am wenigsten aber im vorliegenden Falle zu beseitigen ver- mag, da die systematische Auffassung und Methode ihre rein logische Seite hat, die zu allen Zeiten und an jedem Orte in voller Kraft bleibt; dass wir auch bereits mitten in dieser Auffassung mit allen unseren Vorstellungen uns befinden und es nicht mehr in unserer Macht haben, sie abzuschütteln; dass ferner die Erforschung des Einzelnen durch sie nicht nur nicht beeinträchtigt, sondern grade gefördert wird; dass endlich demjenigen das systematische Wesen für immer ver- schlossen bleibt, der nur den Blick auf das Einzelne, viel- leicht auf das Atom heftet und sein systematisches Auge für die Gesammtheit nicht offen erhält. Auf der anderen Seite dagegen wird man sehr gern geneigt sein, uns den Vorwurf zu machen, dass wir mit unserem systematischen Standpunkte nicht bis zu der äussersten Grenze des Denkens vorgedrungen seien. Die äussersten Grenzen selbst wird man bald in der physikalischen, bald in der chemischen, oder in der modernen mechanischen oder in der mathematischen Behandlung des wissenschaftlichen Stofles suchen. Sollen diese Worte einen berechtigten Sinn haben, so kann es nur der sein, dass man vom Systematiker verlange, er solle auch in der organischen Schöpfung den physikalischen, chemischen, mechanischen, mathematischen Verhältnissen, wo und wie immer sie sich zu erkennen geben, mit Rücksicht auf die anerkannten, all- gemein gültigen Gesetze Rechnung tragen, Diese Forderung ist allerdings gerecht; aber sie wird auch auf dem systemati- schen Standpunkte nicht zurückgewiesen; der Systematiker 10 verlangt nur, dass alle diese Verhältnisse mit Rücksicht auf den systematischen Grundcharakter der organischen Schöpfung gefasst werden sollen. Fordert man aber, dass, weil diese Verhältnisse in der anorganischen Natur ohne solche Neben- beziehung auftreten und behandelt werden können, also auch in der organischen Natur zu behandeln seien, so haben wir für solche Gegner zwar keine problematische äusserste Grenze des Denkens entgegenzustellen, aber eine andere jedem Natur- forscher ganz nahe und zunächst liegende, nämlich die, dass nach allgemein gültiger, induktiver logischer Me- thode die Dinge in der Natur in allen Fällen in dem Verbande, in der Verkettung, wie sie gegeben sind, aufgenommen und der weiteren Behandlung uuterworfen werden müssen. Vermögen das die Gegner nicht, so ist es jedenfalls ein übles Zeichen in Betreff der angewandten Methode. Die Gegensätze der atomistischen und systematischen Auf- fassungsweise der organischen Schöpfung geben sich nicht nur in den Beziehungen der Zelle zu den ihr übergeordneten systematischen Einheiten zu erkennen, sondern auch iu Be- treff der ihr untergeordneten Bestandtheile und der Art und Weise, wie sie als organisirtes Endglied sich bildet und ent- wickelt. Am konsequentesten hat Ludwig auch nach dieser Richtung neuerdings die atomistische Anschauungsweise ver- treten (a. a. O). Man darf nicht erwarten, dass der Verf. die Zelle als organisirtes Endglied der organischen Schöpfung in ihrer Totalität auffasst und demgemäss behandelt; Ludwig kennt entweder die Thatsache des systematischen Grund- charakters der organischen Schöpfung nicht, oder er will sie nicht kennen. Die elementare organische Zelle erhält in der Physiologie eine Stelle in dem Kapitel über die Absonderung. Die Absonderung nämlich setzt Säfte, und die Veränderung der Säfte führt auf den Gedanken der Zelle und Zellenbildung! Die flüssigen Bestandtheile der Säfte können gasförmig, sie können auch fest werden. Das Festwerden der flüssigen Be- standtheile der Säfte führt zur Bildung der dem thierischen Körper eigenthümlichen Formen. Während der Systematiker in der Zelle Flüssiges und Festes unterscheidet, aber den inni- gen Verband, die Einheit nicht stört, werden wir hier von Humores zu Solida geführt, obschon die Humores organisirte Bestandtheile zur Voraussetzung baben. Soweit nun, fährt Ludwig fort, die eigenthümlichen Formen mit unseren Ver- grösserungsgläsern — dieser Passus ist für den Atomistiker sehr bezeichnend, - zerlegt werden können, sind dieselben so beschaffen, dass sie aus allgemein wiederkehrenden Massen- anhäufungen, die man gewöhnlich Korn, Faser, Haut be- zeichnet, aufgebaut sind. Solche Körner, Fasern, Häute seien nämlich, entweder jedes für sich, oder in Verbindung miteinander und zugleich mit Flüssigkeit benutzt, um eigen- 11 thümlich begrenzte Gebilde (Zellen, Röhren, Fasernetze u. 5. w.) herzustellen, die von den Anatomen Gewebs- elemente genannt werden. Wenn man solche Worte liest, so muss man glauben, die Erfahrungen der letzten 20 Jahre seien an dem Verf. spurlos vorübergegangen. Der sichtbarste Inhalt der Lebensgeschichte des Korns, der soliden Faser und Platte findet sich nun nach Ludwig darin, dass sie aus Flüssigkeiten sich allmälig hervorbilden und dann unter ste- tiger, wenn auch sehr langsamer Veränderung ihrer Form sich wieder auflösen. Auf solche Weise hat sich der Verfasser das Areal für die weiteren Betrachtungen abgesteckt. Von hier aus wird zunächst den bisherigen, ihm vollkommen un- zugänglichen, morphologischen Bestrebungen der Vorwurf der Willkürlichkeit, der Unvorsichtigkeit u. s. f. gemacht, und dann zur Beurtheilung des Mechanismus einer wahren Entwiekelungsgeschichte der Elementarformen die Auf- gabe des Physiologen in Beantwortung der Fragen gesucht: 1) wie wird der feste Aggregatzustand in jedem Falle mög- lich, was bei dem Verf. auch so viel heisst, als wie werden Niederschläge möglich; 2) warum nehmen die festgewordenen Massen die bekannten anatomischen Formen an; und 3) was bedingt die Veränderungen derselben. Für das Wort „Ent- wickelungsgeschichte“ der Elementarformen, dessen Bedeu- tung auf dem atomistischen Standpunkte, wie Ref. gezeigt, nicht zu fassen ist, wünscht der Verf. lieber ein neues Wort „Formfolge“ einzuführen. Mit Spannung sieht der Leser der Beantwortung von Fragen entgegen, die auch auf dem systematischen Stand- punkte ihre hohe Bedeutung haben, die hier aber in der Fas- sung und mit der nothwendigen Induction auftreten, welche das systematische Wesen der organischen Schöpfung von dem Physiologen fordert. Statt dessen werden uns als Antwort auf die erste Frage Hilfsmittel mitgetheilt, durch welche im Allgemeinen nach den Lehrbüchern der anorganischen und organischen Chemie Niederschläge in Flüssigkeiten entstehen. Zu solchen Präcipitationserscheinungen werden auch die Ge- rinnung des Fasertofls, desgleichen die Fälle gerechnet, wenn etwa organische Substanzen, vor Allem flüssiges Ei- weiss durch erkcllang mit anderen chemischen Körpern oder in Folge einer durch die Lebenshergänge (!R.) herbei- geführten Umsetzung unlöslich werden. — In Betreff der zweiten Frage bemerkt Ludwig, dass die geometrischen Eigenschaften der Flächen, welche Niederschläge begrenzen, entweder von innern, in der Masse selbst thätigen Kräften, oder von Umständen hervorgerufen werden, die mit Rück- sicht anf die Masse, aus welcher der Niederschlag besteht, äussere zu nennen seien. Auf die erste Weise entstehen Krystalle, auf die zweite etwa vorhandene Formen soge- nannter amorpher Masse. Von den wichtigeren festen Thier- 12 stoffen bleibe es ungewiss, ob sie krystallinisch oder amorph seien, obgleich die doppelte Brechung der Liehtstrahlen und der Umstand, dass Fibrin in Fasern (!R.) gerinne, auf ein krystallinisches Wesen hindeute. Inzwischen sieht der Verf. schliesslich von der Entsgheidung dieser für die weiteren Konsequenzen seiner Anschauungsweise sehr wichtigen und wesentlichen Frage ganz ab; er will lieber dabei stehen bleiben, dass ein wesentlicher Unterschied zwischen den or- ganisirten Formen und den Krystallen gegeben sei. Die Form der Krystalle nämlich sei wesentlich abhängig von der chemischen (und thermischen) Konstitution der Masse,.- die Gestalt der Thierstoffe sei von anderen Umständen abhängig; und es zeigt sich alsbald, dass der Verf. darunter äussere versteht. Auf die Gestalt der organisirten Bildungen habe z. B. die Form des Tropfens Einfluss; ferner die Dichtigkeit der Lösung, aus welcher sie niederschlagen, denn aus ver- dünnten Eiweisslösungen fallen Flocken, aus koncentrirten kompakte Massen nieder; desgleichen die Gestalt der Ge- fässe, denn Eiweiss und Faserstoff nehmen bei Gerinnung die Gestalt der Gefässe an. Daraus folge dann mit Nothwendig- keit, fügt Ludwig hinzu, dass die besonderen Gestalten im Thierleibe die ‚Folgen einer gestaltgebenden Einrichtung, — einer Prägung — sein müssen. Der Krystall also findet für seine Bildung innere Bedingungen vor, die Organismen sind Produkte von Prägungsanstalten, wte die Fabrikate galvanoplastischer Anstalten, der Münz- fabriken, der Konditoreien u. s. f.; wahrlich, schlagender konnte das Widersinnige der atomistischen Anschauungsweise in der organischen Schöpfung nicht zur Schau treten. Man könnte versucht sein zu glauben, dass der Verf. mit der Phy- siologie seinen Scherz treibe, doch die weiteren Erläuterungen decken uns den vollen Ideenkreis des Verfassers auf. Wenn Ludwig auch, wie er selbst sagt, aus Mangel (ja aus grossem Mangel R.) an Beobachtungen nicht im Stande sei, die „prä- genden Einrichtungen“ der organisirten Bildungen genau anzu- geben, so wolle er doch von allgemeinem (von seinem be- grenzten atomistischen R.) Standpunkte aus den Nachweis versuchen, dass solche Prägungsanstalten im Körper nicht fehlen. Da die einfachen Bildungen Korn, Faser, Platte seien, so wird gezeigt, dass ein Präcipitat die Körnchenform beibehalten werde, sobald die präcipitirenden Tropfen nicht zusammenfliessen, oder wenn die Lösung, aus welcher der Niederschlag entsteht, in sehr kleinen Tröpfchen, die nicht unmittelbar aufeinander folgen, in das fällende Medium ein- geträufelt wird! Die Faser wird entstehen, wenn die ge- rinnungsfähige Lösung in einem Strahl in das fällende Me- dium sich ergiesst, oder auch, wenn sie zufällig in eine Spalte geräth! Die Platte endlich bildet sich, „wenn die Grenzen der beiden aufeinander wirkenden Flüssigkeiten eine grössere 13 (soll wohl heissen flächenhafte R.) Ausdehnung besitzen und der Niederschlag gleichzeitig an allen Orten der Berührung erfolgt, so dass mit dem Erscheinen des Niederschlags die weitere Vermischung beider Flüssigkeiten gehemmt ist.* — Ausser den bezeichneten einfachen Prägungseinrichtungen be- stehen in unserem Körper noch andere komplieirtere. So z. B. treten plötzlich Platten oder Fasern auf, wo vorher nur Körnchen waren, die isolirten Körnchen müssen hier also verschmolzen sein; in anderen Fällen wird durch ein partielles Lösungsmittel (durch eine Art Aetzung R.) die Platte, die Faser in Körnchen zerfällt. Die Körnchen, |Fa- sern, Platten sind aber weiter eigenthümlich im thierischen Körper zusammengestellt; die Platten bilden Mantel für kugelförmige, röhrenförmige ete. Gebilde; die Fasern sind in Netze, in Bündel etc. zusammengebracht u. s. f. Hier seien doch überall Prägungsanstalten, Fabriken nöthig. Da es in- dess dem Verfasser zu ermüdend und wenig (ja wahrlich sehr wenig R.) fruchtbringend erscheint, in obiger Weise alle hier einschlagenden, möglichen (!!R.) Prägungseinrichtungen durchzugehen, so wird schliesslich nur die Zelle abgefunden. Nach Ludwig besteht die Zelle aus einer dehnbaren, po- rösen Haut, welche einen kleinen, Flüssigkeit enthaltenden Binnenraum eingrenzt, dessen verschiedene Durehmesser nicht gar zu beträchtlich voneinander abweichen. Wenn die Mor- phologen dieser, wie der Verf. schon selbst sagt, vagen Defi- nition gegenüber verlangen sollten, dass die organische Zelle auch zeugungs- und entwiekelungsfähig sei, so stellt Ludwig die merkwürdige Forderung, die Anatomen sollen erst be- weisen, dass der Grund für die von der Zelle bekannten Eigenschaft auch wirklich in der Zelle selbst gelegen sei! Indem dann der Verf. den so schlüpfrigen, aber für seinen Standpunkt sehr ergiebigen Boden der Zellenbildung betritt und hier grade diejenigen Beobachtungen auswählt und in eine für ihn passende Fassung bringt, die nicht allein ganz falsch sind, sondern auch andere Auslegungen zulassen, da findet er die sich darin aussprechenden Mechanismen der Zellenausprägung so nett und einfach, dass man, unter Be- rücksichtigung des Scharfsinns und der Feinheit in allen übri- gen Werken der Natur, geneigt sein könnte, sie für Erfin- dungen menschlicher Einbildungskraft zu halten. Dass man auch Beobachtungen gemacht habe, und zwar an den günstig- sten Orten, aus welchen hervorgeht, dass auch die Zelle als organisirter Körper, grade wie die komplieirteren Organismen, ihre nächsten Bestandtheile «durch Sonderung hervortreten lasse, davon hat der Verf. natürlich keine Notiz. Freilich vermögen wir in solchen erwiesenen Fällen nicht anzugeben, aus welchen Bedingungen der eine in oder an einem Zell- inhalt oder an Portionen desselben gesonderte (und nicht von aussen präeipitirte) Bestandtheil fest wird, ein anderer flüssig 14 bleibe; allein auch auf dem Standpunkte des Verfassers sehen wir uns vergeblich nach Aufkläruug um, es sei denn, dass man uns die Haptogenmembran vorhalte. Damit der Leser schliesslich auch eine Einsicht in die Prägungseinrichtungen gewinne, durch welche nach Ludwig die histologischen Formen der Zelle bedingt seien, so mag hier mitgetheilt werden, dass dieselben von den verschiedenen Einflüssen ab- hängen sollen, welche die eine oder die andere Stelle der Zelle durch die angrenzenden Gewebstheile von verschiedener Beschaffenheit erfahren! Um diese Verhältnisse genauer an- geben zu können, fehle es leider noch an Beobachtungen und Erfahrungen, doch giebt der Verf. den Anatomen seine Rath- schläge, wie man dazu am besten gelangen werde. — Referent glaubt Angesichts solcher Behauptungen, die von ganz willkürlichen Prämissen ausgehen und fast auf jedem Schritte die aus der Bildungsgeschichte der Organismen be- kannten Thatsachen mit Füssen treten, jeder weiteren ein- dringlichen Kritik überhoben zu sein. Auch wüssten wir keine Rathschläge zu ertheilen; denn man muss leider voraussetzen, dass Ludwig und seine Anhänger sich absichtlich den Weg haben abschneiden wollen, den wir dabei einzuschlagen hätten. Aber danken müssen wir dem Verfasser, dass er ohne irgend welche Rücksicht mit eiserner Konsequenz auf dem atomisti- schen Standpunkte vorgeschritten ist; er hat uns die daraus hervorgehenden Inkonsequenzen für die organische Schöpfung ohne Scheu hingestellt und übersehen lassen; wir wissen nun, woran wir sind. Recht oft hat man heut zu Tage Gelegen- heit, in Wort und Schrift den herrschenden atomistischen Sinn zu erkennen, aber er tritt dann nicht so rein und fass- lich hervor, er verbirgt sich vielmehr unter einem Gemisch von physikalischem , chemischem, mechanischem Formelwesen. In den meisten Fällen geschieht dieses bewusstlos; man kennt weder den atomistischen noch den systematischen Standpunkt und also auch nicht deren Gegensätze. In anderen Fällen scheint man zu glauben, dass wir bei der Zelle, als dem ein- fachsten organisirten Gebilde, eine Art Vermittelung eintreten lassen und halb atomistisch, wie es für die: anorganische Natur genügt, halb systematisch verfahren könnten. Zwei Standpunkte jedoch, von welchem der eine, um bestehen zu können, das leugnen muss, was der andere als Grundlage seiner Auffassungsweise hinstellt, sind begreiflicher Weise nicht zu vermitteln. Die Zelle ist kein Grenzgebiet, kein Uebergangsgebilde zwischen der organischen und unorgani- schen Natur, die Zelle ist, auf dem systematischen Stand- punkte, als einfachstes organisirtes Gebilde das Endglied des grossen und komplieirt organisirten Schöpfungssystems; alle wichtigsten Lebenserscheinungen in der organischen Natur offenbaren sich in ihr in der einfachsten Weise. Diese That- sache ist durch die vergleichende Naturforschung und durch _ a Te ne 15 die Entwickelungsgeschichte bald nach Auffassung der Theorie der Zelle festgestellt worden, obgleich vergebliche Operationen sich dagegen erhoben, die man heut zu Tage mit der kriti- schen Periode bemänteln will. Die Zelle ist noch aus Be- standtheilen zusammengesetzt; allein die Zerlegung und Zer- gliederung, durch welche sie als organisirtes Endglied der organischen Schöpfung anerkannt wird, geht von einem ande- ren Gesichtspunkt aus, als derjenige ist, auf welchem sie sich als organisirtes Endglied ergiebt; aus diesem Grunde bleibt die systematische Zergliederung der gesammten orga- nischen Schöpfung bei ihr stehen. Die Zelle nämlich ist als organisirtes Endglied der organischen Schöpfung zugleich das Anfangsglied organisirter Bildung überhaupt, und von diesem Standpunkte wird die Betrachtung weiter geführt, entweder im Sinne der Atomistik oder mit Rücksicht auf den Grund- charakter der organischen Schöpfung und auf ihre Natur als organisirtes Endglied derselben, im systematischen Sinne. Auf dem ersteren Standpunkte lassen wir willkürlich aufge- nommene Atome oder Molecüle in flüssiger oder fester Form sich zusammenfinden und auf irgend eine geschickte Weise die Zelle zusammensetzen und natürlich auch ebenso darin wirken. Auf dem systematischen Standpunkte gehen wir von der Zelle in ihrer Totalität als einer uns gegebenen Einheit aus; wir unterscheiden daran eine feste Membran, einen den Kern enthaltenden Inhalt, und weiter an dem Kern die be- treffenden Bestandtheile. Bei dieser Zerlegung werden wir auf sogenannte durchweichte feste und auf flüssige Bestand- theile geführt; wir wissen dabei ebenso wenig, wie der Ato- mistiker, aus welchen Bedingungen der eine Bestandtheil fest geworden, warum ein anderer flüssig geblieben, und wie man sich genau den durchweichten festen Zustand zu denken habe. Aber wir nehmen die Bestandtheile mit der nothwendigen, uns vorliegenden Beziehung zur Einheit der Zelle auf, wir unterscheiden und sondern sie in dieser Einheit, wir setzen sie nicht willkürlich zur Zelle zusammen, sei es, dass wir eine Blase mit Flüssigkeiten füllen oder um einen beliebigen organischen Stoff einen Mantel herumlegen. Schon bei der Zelle, noch mehr bei den physikalischen, chemischen, mor- I areinehen ete. Erscheinungen an ihr werden wir in unseren orstellungen von dem Hergange der Processe auf kleinste Dimensionen zurückgeführt, mag man sie Atome oder Mole- eüle nennen, Aber, um nicht, wie Virchow sagt, diffus zu werden, fassen wir auch diese kleinsten Verhältnisse mit Rücksicht auf die uns gegebene Einheit der Zelle auf; sie erscheinen uns, so zu sagen, im Dienste der Zelle, wie die Zelle selbst in Beziehung auf die ihr übergeordneten, regula- torischen Einheiten. Der Unterschied der atomistischen und systematischen Naturauffasung liegt also nicht etwa darin, dass der Systematiker sich scheue, wo nöthig auf kleinste 16 Dimensionen und einfachste Verhältnisse in seinen Vorstel- lungen zurückzugehen, sondern darin, dass wir in die vor- liegenden Einheiten der organischen Schöpfung analytisch zergliedernd vorgehen, während der Atomist diese Einheiten zerstört und, von Atomen, die er mit seinem Sinn willkürlich beseelt, ausgehend, sich künstlich diese Einheiten aufbaut oder wenigstens aufbauen zu können glaubt, Von allgemeinem Interesse für die mikroskopische Ana- tomie auf unserem Gebiete beginnt die Lehre von dem Pri- mordialschlauch (Utrieulus primordialis H. Mohl, U, in- ternus Harting.) der Pflanzenzelle zu werden. Schon seit mehreren Jahren sind die Botaniker auf eine Sonderung des Zellinhaltes namentlich jugendlicher Pflanzenzellen aufmerk- sam geworden. Man unterschied das Protoplasma oder Plasma, eine mehr zähflüssige, schleimige, die festeren Bestandtheile, die Körnchen und den Kern führende Substanz , — und die Zell- flüssigkeit. Zuweilen ist das Protoplasma durch den ganzen Inhalt verbreitet, und die Zellflüssigkeit in Vacuolen derselben enthalten. Die häufigste Anordnungsweise des Inhaltes ist nach Pringsheim (Untersuch. über den Bau und die Bil- dung der Pflanzenzelle. Berlin, 1854 p 5.) die, dass das Plasma sich als Rindenschicht des Inhaltes ausbreitet, und die Zellflüssigkeit den mittleren Raum einnimmt. An dem Plasma markirt sich ferner eine äusserste, unmittelbar der Zellwand anliegende, farblose Partie, bis zu welcher die Körnchen nicht vordringen, und diese Erscheinung, sowie der Umstand, dass der Zellinhalt, nach Einwirkung chemischer Agentien und wahrscheinlich in Folge des Austritts von Wasser, in seiner Totalität auf ein kleineres Volumen mit unebener Oberfläche sich zusammenzieht, haben zur Auffassung eines Primordialschlauches geführt. Die betreffende Schicht des Plasma war die Veranlassung, dass Kützing bei den Algen seine Amylidzelle beschrieb, dass Karsten in der Pflanzen- zelle eine sekundäre Zelle unterschied, und dass schliesslich Hugo Mohl die Lehre vom Primordialschlauch gründete, die eine wesentliche Veränderung in der Auffassung und Beurtheilung der Erscheinungen des Pflanzenzellenlebens ver- anlasste. Der Primordialschlauch wurde bald als die ursprüng- liche, wesentlichste, oft (Algen) alleinige und zwar stick- stoffhaltige Zellmembran der Pflanzenzelle angesehen; die aus Cellulose bestehende, früher ursprüngliche Zellmembran sollte von ihr durch schichtweise Absetzung von Cellulose an dıe Aussenfläche gebildet werden; von ihr wurde Zellbildung durch Theilung abhängig gemacht. Die Angelegenheit des Primordialschlauches ist inzwischen selbst bei den Botanikern eine Kontroverse geblieben, wie dieses die Gegenbemerkungen von Nägeli und Schleiden beweisen. Pringsheim erklärt in der oben bezeichneten Schrift (p. 72.), dass es keine eigenthümliche zweite, von der Zellstoffhaut verschiedene 17 Hülle der Pflanzenzelle gebe, dass die scheinbar feste Be- renzung, welche der Inhalt der Pflanzenzelle bei seiner eosung von der Zellwand unter gewissen Bedingungen annehme, aus der Konsistenz und Anordnung des Plasma, seiner äussersten körnerlosen Häute und seiner inneren Kör- nerschicht erklärbar werde, und dass in manchen Fällen die jugendliche Zellstoffwand für den Primordialschlauch gehalten worden sei. Ref. hat zu geringe Erfahrungen über diesen Gegenstand, um zur Schlichtung der angeregten Frage Etwas beitragen zu können. Allein davon kann man sich leicht überzeugen, dass der Inhalt von Konfervenzellen bei Behand- lung mit Glycerin oder Zuckerwasser sich öfters nicht in seiner Totalität von der Zellstoffwand ablöset, sondern beim Zusammenschrumpfen an der Oberfläche sich hier oder dort in Fäden auszieht, wenn nämlich die fragliche Schicht an den betreffenden Stellen sich nicht von der Zellstoffwand ab- löset. Mag nun auch eine junge Zellmembran sehr elastisch und weich sein, das beschriebene Verhalten der äusseren, körnerlosen Schicht des Plasma lässt sich doch kaum mit den Eigenschaften einer Membran vereinigen. Der stickstoffhaltige Primordialschlauch würde als sicher festgestellte Thatsache zunächst den, von der verschiedenen chemischen Beschaffenheit der Zellmembran hergenommenen Unterschied der Thier- und Pflanzenzelle aufheben, und es würde dadurch eine wünschenswerthe grössere Einheit in der Lehre von der Zelle hergestellt werden können. Diese nächste Folgerung aus der Lehre vom Primordialschlauche enthält jedoch an sich kein Moment, aus welchem eine ver- änderte Anschauungsweise auf dem Gebiete der thierischen Histologie herzuleiten wäre. Mit der Auffassung des Primor- dialschlauches ist aber zugleich die Zellstoffwand der Pflan- zenzelle in die Kategorie eines gesonderten festen Ab- scheidungsproduktes der eigentlichen Zellmembran getreten, und diese Vorstellung ist es, welche bei Uebertragung der Lehre vom Primordialschlauch auf die thierische Zelle sich geltend gemacht hat: man suchte auch hier zwei Zellmem- branen und namentlich einen solchen Bestandtheil aufzufinden, der hinsichtlich der Bildung und Bedeutung mit der Zellstoff- wand der pflanzlichen Zelle vergleichbar wäre. Es lag nahe, dass man zunächst an die, von vielen Histologen ange- nommenen, verdiekten Wandungen der Knorpelkörperchen, durch deren Verschmelzung zuweilen die Grundsubstanz des Knorpels gebildet werden sollte, erinnert wurde. Remak betrat auch bereits im Jahr 1852 (Müll. Archiv, 1852. p. 63 sq.) mit voller Entschiedenheit den angedeuteten Weg. Nach ihm sollen die Zellen in der Grundlage eines byaliuen Knorpels, gleich allen übrigen Embryonalzellen und der Fur- chungskugeln, von doppelten Membranen umgeben sein. Während dann die innere Zellmembran (der Primordial- Müller’ Archiv. 1856. Jahresbericht B 18 schlauch) sich an der Bildung von Tochterzellen betheilige, lagere sich an der Innenfläche der äusseren Zellmembran, bevor sie hinschwinde, eine Knorpelschicht (primäre Knorpel- kapsel) ab. Dasselbe soll sich später an den äusseren Zell- membranen der Tochterzellen und der folgenden Generationen wiederholen, und auf diese Weise in die primären Knorpel- blasen, sekundäre etc. eingeschachtelt werden, so dass die ganze Intercellular- oder Grundsubstanz der Knorpel schliess- lich aus der Verschmelzung von ineinander geschachtelten Knorpelblasen hervorgehe. Auch Kölliker ging auf die Lehre vom Primordialschlauch ein. Er führt die äussere Zell- membran der Pflanzenzelle als Extracellularsubstanz in sein Handbuch der Geweblehre (2. Auflage p. 25 sq.) auf; er fasste daher aus der Lehre vom Primordialschlauch besonders das Moment auf, dass die Zellstoffhaut als ein Absonderungs- produkt des Primordialschlauches anzusehen sei, wobei es ihm, mit Rücksicht auf seine Anwendung dieser Lehre, untergeordnet erschien, ob dies Absonderungsprodukt eine vollständige oder unvollständige zweite Hülle der - Zelle bilde. Auf diese Weise hatte der Verfasser sich die Bahn eröffnet, auch jene Substanz, die wir bisher als Inter- cellularsubstanz bezeichneten, mit der Lehre vom Primordial- schlauch verweben zu können. Warum aber Kölliker dann auch neuerdings noch den Ausdruck „Intercellularsubstanz* beibehält und sie von seiner Extracellularsubstanz unter- scheidet, vermag Referent nicht einzusehen, da erstere jeden- falls auch als ein Ausscheidungsprodukt der Zellen bisher angesehen wurde. Der Verfasser rechnet nun zu den der Zellstoffhaut entsprechenden Bildungen: die zum grössten Theil aus verschmolzenen äusseren Zellmembranen hervor- gegangene Grundsubstanz des Knorpels, die Membranae propriae der Drüsen, die eigentliche Scheide der Wirbelsaite, die sogenannten Glashäute (Linsenkapsel, Membrana De- moursü), eigenthümliche, den Zellen des Zahnschmelzes an- haftende Massen, die Chitinmembranen, welche bei wirbel- losen Thieren den Darmschlauch und öfters auch Drüsen auskleiden.*) Dagegen kann Kölliker darinRemak nicht *) Ein ausgezeichnetes Beispiel und zwar einseitiger Verdiekung von Zellmembran, die wohl sicher auf Rechnung einer äusseren Ab- scheidung zu bringen sei, sollen nach Kölliker die Hornzähne der Batrachierlarven liefern. Jeder Zahn entwickelt sich nach dem Verf. aus runden Zellen mit schönen Kernen, deren Zellwand sich einseitig verdickt, in eine Spitze auszieht und endlich zu einem hohlen, braunen Hornzahn sich ausbildet, in dessen Höhlung noch der Rest der ursprüng- lichen Zelle mit Kern sitzt (a. a. O. p. 36.). Referent glaubt die Er- scheinungen, welche sich bei Larven von Rana esculenta und fusca zu erkennen geben, anders deuten zu müssen. Die Lippen der Frosch- larven bestehen auseinemSubstrat, das, abgesehen von Gefässen und Nerven 19 beistimmen, dass alle thierischen Zellen zwei Membranen hätten, und dass dieselben auch an den Furchungskugeln und Embryonalzellen nechzuweisen seien. — Harting nennt die der Zellstoffwand entsprechende Umhüllung der thierischen Zelle „Elastine“. Er stellt die Primitivscheide der Nerven- fasern in die Kategorie der mit der Zellstoffwand der Pflanzenzelle vergleichbaren Bildungen und sieht in derjenigen Substanz der Ganglienkörper, die sich unmittelbar in den Axenceylinder fortsetzt, die Vertreterin desPrimordialschlauches. Auch die innere Haut der Tracheen bei den Insekten, die Dotterhaut bei denjenigen Eiern, die noch eine äussere Um- hüllung haben, die innerste Haut der Zellen in dem Mantel der Tunicaten werden mit dem Primordialschlauch verglichen. Doch gesteht der Verfasser, dass die Unterscheidung zweier Hüllen an den thierischen Zellen noch mit Schwierigkeiten verbunden sei. (Het Mikroskop, deszelfs gebruik, geschiede- nis en tegenwoordige toestand. D.IV. 1854, p. 160 sq.). — Bruch schliesst sich in seiner Abhandlung „Ueber Binde gewebe* (Siebold’s und Kölliker’s Zeitsch. Bd. VI., p. 145 sq.) zum Theil an Kölliker an, indem nach ihm die Scheide der Wirbelsaite, die 'Tunicae propriae der Drüsen- schläuche, die Grundsubstanz des Knorpels wahrscheinlich als Extracellularsubstauz zu deuten seien. Namentlich führt er eine Notiz aus seinem Tagebuch (vom 24. Juni 1350) an, aus welcher hervorgeht, dass Hoden und Nierenkanälchen anfangs aus soliden Zellenmassen bestehen, auf deren Aussen- fläche die Tunica propria sekundär als strukturlose, kernlose, anfangs sehr dünne Blastemschicht erscheint. Er macht jedoch zugleich darauf aufmerksam, dass strukturlose Häute öfters aus einem Stroma von Bindesubstänz gebildet wird, welches, der histo- logischen Beschaffenheit nach, dem häutigen Knorpel oder dem Faser- knorpel gleicht und deutliche, kernähnliche Knorpelkörperchen enthält. In der Mitte dieses Stroma’s befindet sich bei ausgewachsenen Larven von Rana fusca eine hyalinknorplige Leiste. Auf der freien Fläche des Substrats erheben sich in Reihen geordnete Papillen, die aus der- selben Substanz bestehen, wie das Stroma, und darüber hinweg, breitet sich das verhornte, heller oder dunkler braun gefärbte Epithelium aus. Auf den Papillen bildet das Epithelium eine Kapsel, deren Horn- plättchen keine Kerne mehr zeigen; beide zusammen, Papillen und Hornbelag, stellen die Zähnchen der Larve dar. An den Hornplättehen des Hornzahns befinden sich bei Rana fusca kleine, sägeartig vorsprin- gende Nebenzähne, grade so, wie bej den Hornplättchen der Epi- dermis bei Insekten, oder auch bei den Hornplättchen der sekundären Federstrahlen solche Fortsätze hervortreten. Die kegelförmige Horn- kapsel des Zahns nimmt sich mikroskopisch so, wie eine an der Spitze verdickte Kapsel aus; sie besteht aber aus Hornplättchen, die sich an die übrigen noch gekernten Hornzellen der Epidermis der Lippe an- schliessen, und, was in ihr liegt, ist keine Zelle, sondern die Zuhn- papille, B* 20 aus flächenhaft ausgebreiteten Zellen hervorgehen, dass die Entstehung der Tunica propria als Extracellularsubstanz noch keineswegs bei allen Drüsenschläuchen feststehe, dass eine Intercellularsubstanz im bisherigen gangbaren Sinne zwischen den ursprünglichen Knorpelzellen doch nicht ganz entbehrt werden könne, und dass zur Begründung der Zellenlehre eine vollständige Uebereinstimmung der thierischen und pflanz- lichen Zellen wohl nicht erforderlich sei. Obige Mittheilungen lassen, wie mir scheint, zur Genüge so- wohl die Lehre vom Primordialschlauch derPflanzen als auch die Art und Weise,sowie die Richtung übersehen, in welcherihre An- wendungauf dem thierischen Gebiete versuchtwurde. Mass man einräumen, dass die Lehre des Primordialschlauches selbst in der Botanik noch viel Unsicheres und Schwankendes hat, so ist das noch vielmehr bei Uebertragung dieser Lehre auf die thierische Zelle der Fall; es giebt hier nicht ein einziges sicher konstatirtes Beispiel von zwei Zellmembranen an einer Zelle, oder von zwei Bestandtheilen, die annäherungsweise in eine solche Relation zu einander zu bringen wären, wie die Grenzschicht des Zellinhaltes der Pflanzenzelle und die Zellstoffwand. Man kann allerdings an den Furchungskugeln, die grössere Fetttröpfehen oder solide Fettkörperchen zahl- reich enthalten, wie die des Froscheies oder der Eier von Strongylus auricularis, eine mehr oder weniger mächtige Grenzschicht unterscheiden, in die jene Körperchen nicht eindringen. Es ist auch richtig, wie Remak bemerkt, dass diese der Einwirkung erhärtender chemischer Agentien zu- nächst ausgesetzte Schicht nach der Erhärtung sehr gewöhn- lich im Zusammenhange abgelöset werden kann; aber diese Schicht enthält noch feine Körnchen, besitzt ursprünglich keine Konsistenz einer Membran und zeigt erhärtet keine schwache Begrenzung an der dem übrigen Inhalt der Fur- chungskugel zugewendeten Fläche. Was die Knorpelkapseln betrifft, so muss Referent von Neuem mit aller Entschieden- heit sich dahin erklären, dass dergleichen nicht existiren. Es giebt keine ineinandergeschachtelte Knorpelblasen, keine sogenannte Mutterzellmembranen, keine verdiekte Zellmem- branen in der Knorpelsubstanz; es giebt nur mehr oder weniger zahlreiche, mehr oder weniger dicht aneinander gruppirte Knorpelzellen mit sehr schwer nachweisbaren ein- fachen Zellmembranen und die entsprechenden Höhlen der Grundsubstanz, in welche jene eingebettet sind; alle Erschei- nungen, die obige Deutungen veranlasst haben, sind das Pro dukt der das Lieht stark brechenden und spiegelnden krummen Flächen dieser Höhlungen. Ref. weiss wohl, dass er mit dieser Ansicht fast allein stehe; dennoch zwingt ihn die ge- naueste und recht oft wiederholte mikroskopische Analyse des Knorpels, seine gewonnene Ueberzeugung offen auszu- sprechen. In jüngster Zeit hatte Ref. besonders sein Augen- 21 merk auf die abgelöseten, sogenannten Knorpelkapseln ge- richtet; stets zeigte es sich, dass man entweder die wirk- lieben Knorpelzellen vor sich hatte, oder dass beim Schnitt aus dem Gerüste der aggregirten Knorpelhöhlen Lamellen mit Rudimenten der letztern entfernt und abgerissen waren. Verdickte Membranen, die man für Zellmembranen hält, und übereinander gelagerte Schichten kommen bei den Eihüllen vor, wobei man davon absehen kann, dass nach der Ansicht einiger Forscher selbst der Dotter um das Keimbläschen ab- gelagert, obschon nicht vondemselben ausgeschieden sein soll. Allein über die Zahl, Bildung und Bedeutung der Dotter- umhüllungen ist noch ein solches Dunkel verbreitet. dass man als nächste Aufgabe nicht die voreilige Anwendung der noch schwankenden Lehre des Primordialschlauches, sondern die genauere Ermittelung der Bildungsgeschichte jener Schichten und Häute anerkennen muss. Die Lehre vom Primordial- schlauch würde sich aber auf unserem Gebiete den Anhang nicht haben erwerben können, wenn man sich an den Nach- weis zweier Zellmembranen, in solchem Verhältniss zu ein- ander, zum Zellinhalt, zur ganzen Bildungsgeschichte der Zelle, wie es von den Phytotomen aufgefasst wird, genau hätte halten wollen. Statt dessen hat man, wie schon be- merkt, vorzugsweise den Umstand hervorgehoben, dass die äussere Zellmembran als isolirtes (nicht als Verdickungs- schicht), festgewordenes Absonderungsprodukt der inneren Zellmembran sich bilde, wobei es schliesslich gleichgültig sei, ob das Absonderungsprodukt die innere Zelle vollständig um- hülle oder nur einseitig berühre. Auf diese Weise gelangte man bei Uebertragung der Lehre vom Primordialschlauch auf das Gebiet der Intercellularsubstanz in der thierischen Mor- phologie, die wenigstens vom Ref. stets als ein Absonderungs- produkt der Zellen, in deren Umgebung sie sich findet, an- gesehen worden ist.- Die Verwerthung der Intercellularsub- sianz für die Lehre von den doppelten Zellmembranen würde sich aber nur dann rechtfertigen lassen, wenn sich nachweisen liesse, dass diese Substanz durch Verschmelzung von anfangs isolirt bestehenden und als äussere Zellmembranen zu be- trachtenden Absonderungsprodukten der betreffenden thierischen Zellen hervorgehe; ein solcher sicher konstatirter Nachweis liegt nicht vor. Am wenigsten aber möchte es zu billigen sein, dass man die sogenannten Glashäute, die intermediäre Haut, die primitiven Scheiden der Nerven, die Chitinmem- branen u. 8. f. ohne alle Rücksicht auf die Bildungsgeschichte über einen Leisten schlage, oder selbst, wenn sich für die eine oder die andere der Nachweis geben liesse, dass sie als ein isolirtes, erhärtetes Absonderungsprodukt flächenhaft aus- gebreiteter Zellen daständen, mit der äusseren Zellmembran der Pilanzenzelle parallelisire, Die Corpora amylacea sind auch in diesem Jahre 22 Gegenstand einer näheren Untersuchung gewesen. Donders beobachtete, dass sie auch ohne vorausgegangene Behandlung mit Schwefelsäure durch Anwendung von Jod blau gefärbt werden. Da ausserdem ihre Substanz durch Alkalien an- schwillt, so ist er geneigt, sie nicht für Cellulose, sondern für Amylum zu halten (Nederlandseh Lancet. 1854. p. 275.). — Virchow hat die von ihm mit der Cellulose verglichene Substanz der Corpora amylacea in Verbindung mit Schenk vom vergleichenden Standpunkte aus nachträglich geprüft und sich in Grundlage der gewonnenen Resultate sowohl gegen die Deutung Donders, als auch gegen H. Meckel erklärt. Bei Anwendung von wässriger Jodlösung oder einer Lösung von Jod im Ueberschuss in Jodkalium entstehe, wie der Verfasser schon früher erwähnte, anfangs ein blasbläulicher Schimmer, der bei stärkerer Einwirkung blaugrau, später mehr violettgrau werde; niemals jedoch trete ein reines Vio- lett oder Blau hervor. Dringt das Jod reichlicher ein, so werde das Korn allmälig gelbbräunlich, hin und wieder mit einem Stich ins Bläuliche. Lasse man alsdann Schwefelsäure einwirken, so komme das volle Blau, dann Violett, und end- lich Violettbraun zu Tage. Bei der Stärke und beim Amyloid entspricht die reine blaue Farbe nur einer gewissen Höhe der Jodeinwirkung; bei schwächerer Einwirkung und bei be- ginnender Zerstörung nach Zusatz von S0,. zeigt sich ein violettblaues, ja ein violettrothes Ansehen. Von Cholesterin unterscheidet sich die Substanz der Corpora amylacea: durch die Auflöslichkeit in Wasser beim anhaltenden Kochen, zu- weilen auch schon beim Erwärmen, durch die äusserst starke und schnelle Reaktion gegen einfache Jodlösung im auf- gelöseten Zustande, durch ihr Verhalten gegen SO,., in wel- cher die Corpora amyl. aufquellen und blasser werden, ohne irgend eine Farbenveränderung darzubieten, durch ihre Unauf- löslichkeit in Aether, durch den Mangel an Farbenerschei- nungen im polarisirten Lichte, worauf bereits Donders auf- merksam machte. „Ueber das ausgebreitete Vorkommen einerdem Nerven- mark analogen Substanz im thierischen Körper“ be- richtet Virchow in demselben Bande seines Archivs (p. 562. sq.). Der Verf. wurde auf die in Rede stehende Substanz schon vor mehreren Jahren bei Untersuchung kranker Lungen- theile aufmerksam gemacht; sie fand sich an ausgepressten und abgeschabten Massen derselben vor und zeichnete sich hinsichtlich des mikroskopischen Verhaltens durch die grösste Uebereinstimmung mit dem Nervenmark aus, obschon sie von Nervenfasern nicht abstammte. Sie war von zähflüssiger Be- schaffenheit und bildete leicht jene eigenthümlichen Formen, die wir vom herausgequollenen Nervenmark kennen. Später wurde dieselbe Substanz im Eierstock des Kalbes beobachtet, der in Alkohol gekocht worden war; sie quoll dann an mikros- 23 kopischen Schnittehen hervor, die vom halbtrockenen Organ gefertigt und in Wasser untersucht wurden. Sie erschien hier oft in Kugeln von mattglänzendem Habitus, ähnlich den so- genannten Eiweisstropfen. In anderen Fällen, in der Galle einer Gallenblase und in einer Lebercyste, wo sie neben Cholesterin-Ausscheidungen angetroffen wurde, zeigte sie sich in Kugeln mit konzentrischer Streifung, äbnlich den Colloid- kugeln. Auch Meckel hat die fragliche Substanz unter den „abgedampften Speckstoffen verschiedener Extrakte ete.* (An- nal. d. Charit. Bd. IV., p. 269.) beschrieben, Sie lässt sich ferner nach Virchow in jeder Milz nachweisen, deren Par- enchym zerrieben, mit Wasser digerirt und gekocht wird, und dessen Rückstand später mit Alkohol ausgekocht wurde; des- gleichen in der Schilddrüse. Chemisch wird die Substanz dadurch charakterisirt, dass sie im heissen Alkohol leicht löslich ist und sich schon beim Erkalten zum Theil aus- scheidet, während ein anderer Theil noch gelöst bleibt. Im Wasser quillt sie ungewöhnlich auf, ähnlich dem Amylum im heissen Wasser, und dann zeigt sie die charakteristischen plastischen Eigenschaften. Durch Aether, Chloroform und Terpentinöl löst sie sich mit Leichtigkeit auf. Starke Alkalien machen die Substanz etwas einschrumpfen; durch starke Säuren, namentlich durch konzentrirte Schwefelsäure, quillt sie auf und wird später zerstört; Chromsäure macht sie gelb, hart und starr, Bei sehr konzentrirter Einwirkung der SO,. färbt sie sich roth, zuweilen violett. Das Verhalten des alko- holischen Extrakts bei Abdampfung bis zum Trocknen, bei Behandlung des Rückstandes mit Aether u. s. f. hat gezeigt, dass die Erfolge mit denen übereinstimmen, die nach Drum- mond (Monthy Journ. 1852. Jan. p. 573.) an dem alkobholi- schen Extrakt von Gehirn und Nerven beobachtet werden, woraus denn auf die Identität der fraglichen Substanz mit dem Nervenmark zu: schliessen wäre. Von den im Gehirn nachgewiesenen eigenthümlichen chemischen Stoffen würde es sich hier besonders um die sogenannten phosphorhaltigen Hirnfette handeln (Cerebrinsäure und Oleophosphorsäure Fremy; Leeithin und Cerebrin Gobley). Eine Vergleichung zeige nun zwar, dass von allen Beschreibungen dieser Stoffe keine einzige vollständig auf die fragliche Substanz passe, dass aber von allen Forschern eine sie charakterisirende Eigenschaft „das Aufquellen mit Wasser“ hervorgehoben werde, und diese Eigenschaft sei auch charakteristisch für die in Rede stehende Substanz. Namentlich bemerkt Vir- cehow, dass im Allgemeinen die meiste Uebereinstimmung zwischen der Oerebrinsäure oder dem Cerebrin und seiner Substanz sich vorfinde. Eine den Gehirnfetten analoge Sub- stanz ist ferner von Chevreul und Denis, desgleichen von Gobley im Blute, von Virchow in dem Faserstofl- fette, von Gobley im Dotter der Eier.von Vögeln, Karpfen, 24 von Fremy im Dotter aus Eiern von Plagiostomen, des- gleichen von mehreren Forschern in Krebsgeschwülsten an- getroffen. In dem Eiter endlich, namentlich in etwas älteren Produkten, wie es scheint, bei beginnender Zersetzung, haben verschiedene Beobachter nicht selten vorkommende kleine Körper von geschichtetem Bau und blassglänzender Fläche beschrieben und sie mit Corpuscula amylacea verwechselt; diese Körperchen gehören aber nach Virchow gleichfalls hierher. Aus diesen Mittheilungen geht hervor, dass sich im thierischen Körper sehr verbreitet eine Substanz vorfindet, die im freien Zustande den beträchtlichsten Bestandtheil des Gehirnmarkes, des Rüchenmarkes, der Nervenfasern ausmacht und hier durch ibre äussere Erscheinung den mikroskopischen Habitus jener Formbestandtheile bestimmt, und die ausserdem, wie Vir- ehow sich ausdrückt, histologisch gebunden oder gewisser Massen diffus, in anderen flüssigen oder festen Bestandtheilen unsichtbar verbreitet angetroffen werde. Obgleich nun diese Substanz wahrscheinlich kein chemisch einfacher Körper sei, so trete er doch, wie Albumin, Fibrin, Syntonin, als gleich- mässiger, durchaus homogener, isolirter Stoff entgegen und nöthige uns, ihn in der Sprache besonders aufzuführen. Da- her schlägt Virchow, zur Vermeidung von Verwechselungen mit anderen schon bezeichneten, aber noch problematischen Substanzen den Namen „Markstoff“ „Myelin“ vor. Was die Unterscheidung des Markstoffes von den Corpora amylacea betrifft, so weiset Virchow in Folge einer Kontroverse mit Henle darauf hin, dass die Jodschwefelsaure Reaktion sich beim Markstoff nicht finde. Bemerkungen über die Corpora amylacea hat anch Güns- burg (Zeitschr. Heft 4. p. 295.) mitgetheilt. „Mikroskopische Untersuchungen über die Porosität der Körper“ hat F. Keber angestellt. (Königsberg, 1854. 4.) Specieller Theil, Samenkörperchen und Eier. Die Entwickelung der Samenkörperchen bei Ascaris mystax hat Meissner verfolgt. (Beob. über das Eindringen d. S. in den Dotter; Zeitsch. für wiss. Zool. Bd. VI. p. 209 sq.) Die Erscheinungen während der Entwickelung der Zoosper- mien gleichen ausserordentlich denjenigen, die Ref. von As- caria acuminata mitgetheilt hat. Sie sind in gleicher Weise auch bei Asc. marginata, megalocephala und depressa von dem Verf. beobachtet worden. In der Deutung der Erschei- nungen ist Meissner dem Gange gefolgt, welchen er in Betreff der ähnlichen Erscheinungen bei Mermis albicans ein- geschlagen hat und worüber im vorjährigen Berichte das Noth- wendige mitgetheilt wurde. Abweichend von des Referenten 25 Beobachtungen bei Ascaris acuminata sind die Angaben Meissner’s, über die Entstehung der „Entwickelungszellen“ (Keimzellen R.) der Zoospermien. Der Verfasser betrachtet zunächst den körnigen Zellinhalt der Mutterzelle jener Keim- zellen, nachdem derselbe die strahlige Zeichnung ange- nommen, ohne nähere Begründung als Kern, lässt diesen, analog seiner Angabe von der Bildung der Eier, in 2 bis 8 Tochterkerne sich theilen, die letzteren sich regelmässig an der Zellwand vertheilen und schliesslich das korrespon- dirende Stück dieser Zellwand zur Zellmembran des betref- fenden Tochterkernes sich abschnüren. Referent sah den ganzen Zellinhalt der Mutterzelle durch Zellbildung um Inhalts- portionen an der Entwickelung der Keimzellen der Zoosper- mien sich betheiligen; von einer Einschnürung der Mutter- zellmembran war keine Spur bei Ascaris acuminata aufzu- finden. Deutlicher als bei Ascaris acuminata ist bei den in Rede stehenden Nematoden ein eigenthümlicher Körper des Kernes der Keimzelle in seiner Bildung zu verfolgen gewesen. Ref. hielt den gleichwerthigen Bestandtheil des Kerns bei A. acum. für ein verändertes Kernkörperchen, Bei Ascaris mystax etc. überzeugte sich Meissner, dass er als eine anfangs uhrglasförmige Verdichtung eines Theiles der Sub- stanz des Kernes anzusehen sei, der mit seiner Konvexität die Zellwand berührt und den flockigen, mit einem Kern- körperchen versehenen übrigen Theil des Kernes, wie eine Schale, in seine Konkavität aufnimmt. Der verdichtete Theil des Kerns nimmt später, wie Nelson genau beschrieben hat, eine tassen-, becher-, zuletzt glockenförmige Gestalt an. Referent sah diesen Theil, beim Herauspressen aus der engen Oefinung der Gebärmuttter, in Faserform ausgezogen werden. Nach dem Platzen der Zellmembranen der Samenkörperchen scheint der Same nur aus solchen Kernen zu bestehen, daher die letzteren schlechtweg auch für die Samenkörperchen ge- halten werden. (R.) Aus diesem Grunde werden auch die birnförmigen Samenkörperchen des Strongylus aurie., in denen Ref. noch die vollstängige Zelle erkennt, von Meiss- ner mit dem ähnlich geformten Kern der Zoospermien - Zelle der Ascariden identifieirt. Die Entwickelung der sehr langen, mit einem etwas zuge- spitzten und gekrümmten Kopfende verschenen Samenkörper- chen bei den Blattkiemern (Venus deeussata) unter den Mollusken erfolgt nach Leydig auf die Weise, dass kleine Körperehen, an welchen sich wegen ihrer Kleinheit Nichts von einer weiteren Zusammensetzung unterscheiden lasse, un- mittelbar in die Samenfäden auswachsen. Die kleinen Körner selbst sind, zugleich mit den zu wurstförmigen Massen ver- einigten, reifen Zoospermien, von einer gemeinschaftlichen Tunica propria eingeschlossen. (Müll. Arch. 1554. p. 298 sq.) — Nach v. Hessling entstehen die Samenelemente der Na- 26 jaden in Bläschen, die zu 20 —30 in einer grösseren Blase eingeschlossen sind. (Zeitschr. f. wiss. Zoologie. 1854: Ueber den Eintritt der Samenz. in das Ei.) Meissner hat seine Untersuchungen über die Ent- wickelung der Eier bei Nematoden fortgesetzt und die Resultate in der oben bezeichneten Abhandlung niedergelegt. Die Entwickelungsweise der Eier erfolgt bei Asc. mystax, marginata, megalocephala, triquetra im Wesentlichen so, wie es von Mermis albicans im vorjährigen Berichte mitgetheilt worden ist. Die reifen Eier liegen hier dicht gedrängt in der Eierstocksröhre, ohne die Wand der letzteren, wie bei Mer- mis alb., auszubuchten und knospenartig vorzutreiben. In der Mitte der Eierstocksröhre soll, — Ref. hat bei Asc. mystax vergebens danach gesucht, — eine scheinbare Rhaphe (Rkachis? R.) dadurch entstehen, dass die Eier nach der Pe- ripherie der Röhre gelegen sind und durch ihre Spitzen mit den in der Axe gelegenen Keimzellen in Verbindong sich befinden. Verf. gesteht zu, dass der Nachweis der Eibildung nach dem, von ihm bei Mermis alb. mitgetheilten Schema bei den genannten Ascariden schwierig sei; allein er habe sich dennoch sowohl hier, als bei Filaria mustelarum von dem Vorhandensein dieser eigenthümlichen Eibildung über- zeugt. Auf der anderen Seite fügt der Verf. hinzu, dass bei kleineren Arten von Nematoden sich ein anderer Bildungs- typus für die Eier vorfinde. Ref. sieht zwischen Ase. acumi- nata und mystax keinen wesentlichen Unterschied, Bei Stron- gylus armatus beobachtete Meissner eine wirkliche Rha- chis, einen Axenstrang am Eierstock, der durch Präparation isolirt werden kann. Er stellt einen dünnwandigen, mit Dot- terkörnchen gefüllten Kanal dar, an welchem die Eichen mit einem kürzeren oder längeren Stiele, wie die Johannisbee- ren, befestigt sind. Die Stiele sind unmittelbare Fortsetzun- gen einer Haut der Eichen, die als Dotterhaut gedeutet wird, und die auf diesem Wege direet in die Wand des Axenka- nals übergeht. Die Entwickelung dieser Eier hat der Verf. bisher nicht verfolgen können, Doch sah man, dass die Rha- ebis nach dem blinden Ende des Eierstocks hin feiner und die Eichen kleiner werden, und dass am äussersten Ende die Rhachis aufhöre. Wie die reifen Eier in den Biweissschlauch gelangen, scheint noch nicht aufgeklärt zu sein. Die Eibildung, wie sie von Meissner zuerst bei Hermis albicans aufgefasst ist, erwirbt sich leicht Anhänger, da durch sie zugleich eine Vorstellung von der Bildung der Mikropyle gegeben ist. So ist auch Leydig geneigt, nach derselben die Erscheinungen bei den sich entwickelnden Eiern von Ve- nus decussata zu deuten (Müll. Archiv 1854, p. 300). Es zei- gen sich hier in dem Stroma des Eierstocks helle Bläschen mit einem Kern, die für das spätere Keimbläschen gehalten werden. Diese Bläschen wachsen, umgeben sich mit körni- 27 ger Substanz (Dotter) und treten dann mit einem homogenen Hof, der an der Grenze sich hautartig zur Dottermembran verdichtet, anfangs buckelförmig, dann beerenartig hervor, bis zuletzt das halbreife Ei mit einem stielartigen Anhange dem Eierstock ansitzt. Um die Dotterhaut wird später eine Eiweissschicht abgesetzt, die zuletzt bewirken mag, dass am halsartigen Theile des Eies die Dotterhaut vom Eierstock sich abschnürt und die Mikropyle offen lässt. Auf ähnliche Weise gebt nach Leydig die Bildung der Eier von Holothuria tubul. vor sich (a.a. O. p. 307). Bei der Mikropyle der Fischeier scheint kaum eine Hoffnung vorhanden zu sein, die Entste- hung derselben nach dem von Meissner angegebenen Schema der Eibildung zu erklären. (R.) Auf Anregung Kebers ist die Beschaffenheit und Bildung der Eihüllen zur Tagesfrage geworden. Joh. Müller sah sich veranlasst, seine schon früher mitgetheilten Beobachtun- gen über den Kanal (Mikropyle) in den Eiern der Holo- thurien in diesem Archiv (1854, p. 60 sq.) zu veröffentlichen. An Eiern von Sternaspis thalassemoides war er von Max Müller aufgefunden (Observat. anat. de vermib. quibusdam maritimis. Bero]. 1852). In den Icon. zootomicae (Tab. XXI. Fig. XII.) hatte R. Wagner schon die Mikropyle der Holo- thurien-Eier gezeichnet. Leuckart hat darauf aufmerksam gemacht, dass Doy&re nach dem Institut (1850, p. 12) eine ähnliche Bildung bei Syngnathus und bei einem Cephalopoden beobachtet habe. Den Eikanal der Unionen und Anodonten haben Leuckart und Keber aufgefunden (Artikel: Zeugung in R. Wagners Wörtberb. für Phys. Bd. IV. 1853, p. 801; — Ueber den Eintritt der Samenzellen in das Ei. Königsb. 1853). Meissner hat eine bestimmte Stelle der dreiseitig prismatischen Eier von Ascariden als Mikropyle gedeutet (a. a. O.). In seiner zweiten Mittheilung der „Beobachtungen über das Eindringen der Samenelemente in den Dotter* (Sie- bolds u. Köll. Zeitschr. Bd. VI. p. 272 sq.) macht der Verf. auf die schon längst bekannte, eigenthümliche Zeichnung oder Skulptur an dem einen Pole des Chorion der Insek- teneier aufmerksam und spricht die Vermuthung aus, dass diese Stelle sich wohl überall als Mikropyle ausweisen werde. Näher untersucht wurden von Meissner: Musca vomitoria, domeslica, mehrere Arten von Tipula, Lampyris splendidula, Elater pectinicornis?, Telephorus, eine zur Gattung Adela ge- hörige Motte, eine Art der Pyraliden, Tortriz, Euprepia lubri- eipeda, Euprepia Caja, Liparis salieis, Pieris Brassicae, Ten- Ihredo viridis?, Palistes, Spathius elavatus?, Agrion virgo, Pa- norpa. Desgleichen wird von ihm die Mikropyle bei Gamma- rus pulez nachgewiesen, Zahlreiche Bohaskantle in der Eikapsel, d.h. in der, im Kierstocksfollikel um das Bi gebildeten äusseren Hülle der Fischeier hat Joh. Müller entdeckt (Müll. Arch. 1854, p. 186), 28 Die Eikapsel des Barsches ist 1,” dick und auf der äussern Oberfläche sechseckig facettirt. Jede Facette enthält in ihrer Mitte einen offenen Trichter, der sich vertikal in ein Röhr- chen von !/4so— "Yıooo“‘ Breite fortsetzt. An der Innenfläche der Eikapsel öffnen sich die Röhrchen wieder trichterförmig. Die Zahl der vertikalen Röhrchen lässt sich für die Eihülle auf 11000 berechnen. Auch fand J. Müller die Dotterhaut der Fische nicht so einfach gebildet, wie man gewöhnlich an- nimmt. Sie ist bei Cyprinus erythrophthalmus, Perca fluviati- lis, Acerina vulgaris auf der äussern Oberfläche mit äusserst kleinen, cylindrischen, am Ende abgerundeten Fortsätzen be setzt und gewinnt dadurch ein sammtartiges Ansehn. — Re- mak gibt an, dass die Zona pellucida des Kanincheneies, nach Entfernung des Discus proligerus, bei 250facher Ver- grösserung durch ihre Dicke hindurch radiär gestreift er- scheine. An der Eihaut von Gobio fluviatilis seien ähnliche Streifen bemerkbar, und man soll sich hier überzeugen kön- nen, dass sie von dünnen, hohlen Cylindern herrühren, wel- che radiär gestellt die etwa '/,,““ dicke Eihaut bilden. Joh. Müller weiset in einer Anmerkung darauf hin, dass die er- wähnte Streifung der Dotterhaut an Fischeiern eine optische Täuschung sei, entstanden durch die im mikroskopischen Bilde sich theilweise deckenden Bilder der auf der Oberfläche be- findlichen kleinen Zapfen. (Müll. Arch. 1854, p. 252 u. p. 256.) Epithelien. Die Beschaffenheit des epithelialen Ueberzugesin den ableitenden Harnwegen hat Kölliker genauer untersucht (Mikroskop. Anat. Bd, II. p. 65 sq.). Das Epithel ist hier überall mehrfach geschichtet, von 0,02—.0,04° Dicke, und zeichnet sich durch wechselnde Form und Grösse seiner Formelemente aus. Die Zellen in der Tiefe sind rundlich und klein, in der Mitte cylindrisch oder konisch, an der Oberfläche rundlich, polygonal. Auffallend ist das häufige Vorkommen von zwei Kernen, das auf einen regen Wieder- ersatz der vom Harn weggespülten Zellen hindeutet. Aus- serdem wurde der Verf. von Virchow auf helle, mässig dunkel contourirte, runde Körner von 0,001 —.0,002“ Dicke aufmerksam gemacht, die zuweilen das Ansehen von Kernen annehmen und in ziemlich grosser Anzahl im Zelleninbalt angetroffen werden. — Das Epithelium an der vordern Flä- che der Iris ist nunmehr auch von Kölliker namentlich bei Neugeborenen und Kindern beobachtet worden (a. a. O. p- 640). Der Ciliartheil der menschlichen Netzhaut besteht nach dem Verf. aus zum Theil sehr langen und schmalen, zum Theil kürzeren cylindrischen Zellen, welche durch ihre regelmässige Anordnung neben einander, sowie durch ihre schönen Kerne ganz an Epithelialzellen erinnern. Die in- 29 neren Enden der längsten Zellen erscheinen verschmälert und selbst gabelförmig getheilt. Beim Ochsen sind die Zellen nie- driger, mehr pflasterepitheliumartig, doch sind auch hier die Enden spitz ausgezogen und decken sich dachziegelartig, wäh- rend die äusseren Enden grubenförmige Vertiefungen zur Auf- nahme der pigmentirten Zellen der Choroidea besitzen. Ob- gleich sich die Zellen des Ciliartheils der Netzhaut innig an die Schichten der eigentlichen Netzhaut anlegen, so verhal- ten sie sich doch zu verschieden von ihnen, als dass man sie als eine continuirliche Fortsetzung irgend einer Schicht der Retina betrachten könne (a. a. O. p. 683 sq.). — Von dem Epithel des Endocardium bemerkt der Verf., dass es nur einschichtig sei, und dass die zweite, tiefere Lage, von der Luschka und Bowman sprechen, auf pathologische Ver- diekungsschichten des Substrats zu beziehen seien (a.a. 0. p- 492). — Luschka, der in der Synchondrosis sacroi- liaca nicht eine Knorpelfuge, sondern ein wahres Gelenk findet, beschreibt das durch Abschaben von der Synovial- membran gewonnene Epithelium. Es besteht aus rundlichen oder vielmehr kreisförmig oder elliptisch begrenzten, fein granulirten, durchschnittlich 0,016 Mm. breiten Plättehen mit einem meist deutlichen, gewöhnlich etwas helleren, zart con- tourirten Kerne. Durch Essigsäure werden die Zellen blass, in concentrirter Aetzkalilösung verschwinden sie in kurzer Zeit vollständig (Archiv für pathol. Anat. u. Phys. Bd. VII. p- 303 sq.). — An der Oberfläche der Gefässgeflechte der Pia mater findet sich nach Luschka ein in mehreren La- ga über einander geschichtetes Epithelium. In den tiefsten chiehten desselben soll selbst bei eben getödteten Säuge- thieren und Vögeln eine höchst feinkörnige Molekularmasse mit zahlreich eingestreuten, rundlichen, zart granulirten Ker- nen vorkommen, Die nächsten Schichten sind vorwiegend aus theils polygonalen, theils rundlichen Zellen zusammen- gesetzt. Die oberste, an der freien Fläche gelegene Schicht besteht aus sehr verschieden gestalteten Zellen, die jedoch alle als Derivate des fein granulirten, kernhaltigen Epithe- linmplättchens anzusehen seien. Es finden sich neben einan- der: sparsame granulirte, sphärische Körper mit je einem Kern; sphärische, nur noch einen Kern enthaltende, übri- gens homogene, lichte, äusserst zart eontourirte Zellen; end- lich glasartig durchsichtige Bläschen mit ungemein zarter, struk- turloser Wandung, die über den Rand des Präparates mehr oder weniger weit hervorragen, oft kaum aufzusitzen schei- nen (Biweisstropfen. R.). (Arhiv für physiol. Heilkunde Bd. XII. p. 3 sq.) In dem Berichte der Verhandlungen der physikalisch-me- dizinischen Gesellschaft in Würzburg (Bd. V. p. 14) „über einige an der Leiche eines Enthaupteten angestellte Beobach- tungen“, fand Gegenbaur am obern Augenlide nur ge- 30 wöhnliches Pflasterepithel. In der Nasenhöhle wurde Flim- merbewegung überall, auch in der Regio olfactoria wahrge- nommen (Gegenbaur, Leydig, Müller), Die Epithelial- zellen enthielten hier und da 2—3 hinter einander liegende Kerne. Desgleichen beobachtete Kölliker, dass am Trom- melfell Flimmerbewegung fehle, ebenso an den Gehör- knöchelchen, dass sie aber an den übrigen Gegenden der Paukenhöhle vorhanden sei. Von Leydig wurde das Ge- hirn auf Flimmerbewegung untersucht. Zunächst wur- den die Epithelialzellen der Plexus choroidei berücksichtigt, die nach Valentin bei Säugethieren, nach des Verf. Beob- achtungen auch bei Fischen, Amphibien, Vögeln Flimmer- haare tragen. Das Präparat war nur von der Flüssigkeit der Seitenkammern befeuchtet, aber Cilien konnten nicht erkannt werden, obschon die Zellen in bester Lage waren und mit scharfem Rande sich abgrenzten. Ebenso wenig zeigten die Zellen des Ependyms der dritten und seitlichen Hirnkammern Flimmerhärchen. Dagegen erschien deutliche Flimmerbewe- gung, durch ziemlich lange Cilien bewirkt, an dem Epithel der hintern Abtheilung oder des Calamus scriptorius der vier- ten Hirnkammer, etwa bis zur Gegend der Striae medullares hin. Die schon matt gewordene Bewegung der Flimmerhär- chen wurde durch Kalilösung wieder lebhaft aufgeregt, jedoch pur auf kurze Zeit. Ob das Epithel der Plexus choroidei die- ser Gegend gleichfalls der Flimmerbewegung ermangele oder eine Ausnahme mache, ist nicht hervorgehoben (R.). Von den Flimmerhärchen des Epithels auf der Innenfläche der Canal. semicirculares von Petromyzon Planeri gibt Ecker eine nähere Beschreibung und Zeichnung (R. Wagn. Icones physiolog. Tab. XI.; Bericht der Gesellsch. zur För- derung der Naturw. zu Freiburg, 1354, Nr. 2.). Jede Zelle trägt ein einziges, ®/,,“' langes Flimmerhaar. Dasselbe ent- springt mit zwei Wurzeln und läuft spitz aus; wird es län- gere Zeit in Chromsäure aufbewahrt, mit Natron behandelt und dann gepresst, so zerfällt es in steife Fäserchen. An der Bewegung nimmt nur der untere Theil des Härchens An- theil; der obere geräth mehr passiv durch den Stoss in Un- dulation. — An der äussern Haut des Sipho von Lithodo- mus lithophagus sitzen die Cilien nach Leydig auf einer dicken hellen Cuticula auf, die am Rande der Cylinderzellen sich hinwegzieht. Anfangs ist man geneigt, den lichten der Cutieula entsprechenden Schein des Präparates für den opti- schen Ausdruck der verdiekten Basilarflächen der cylindrischen Flimmerzellen zu halten. Allein durch Kali lässt sich eine glashelle, die Cilien tragende Haut ablösen, und so meint der Verf., dass hier vielleicht die verdickten Basilarflä- chen der Zellen zur Cuticula verwachsen seien (Müll. Arch. 1854, p. 302). In Betreff der Regeneration einzelner Schichten in dem 31 mehrfach geschichteten Epithelium hält Donders es für das Wahrscheinlichste, dass die untersten grossen, vollsaftigen, nach des Referenten Ansicht mehr durch Zerrung als von Natur eylindrischen Zellen (Kölliker) als Mutterzellen zu betrachten seien (Henles Jahresb. vom Jahre 1854, p. 29; — F. C. Donders en A. F. Bauduin: Handleiting voor de natuurkunde van den gezond. Mensch. D. II.). Von der Entwickelung der Epidermis des Menschen bemerkt Günsburg Folgendes (Untersuch, über die erste Entwick. versch. Geweb. ete. Breslau 1854, p. 32 sq.): In der öten Woche ist die epidermoidale Zelle vollendet; der Kern ist zwar noch deutlich, aber die Hüllen der Zellen seien schon zum Theil zur Membran vereinigt. Von der öten bis 10ten Woche zeigt sich als oberste Lage der Epidermis eine texturlose Membran mit eingestreuten Zellenbildungen, Ele- mentarkörnchen und Molekeln. An den Extremitäten tritt in der Sten Woche, bevor irgend ein anderes Gewebe differen- zirt ist, eine Lage doppelter Epithelien auf, welche bald zu einer scheinbar texturlosen Haut verschmelzen. In der 10ten Woche ist in den obersten Zellen der Epidermis eine derar- tige chemische Veränderung eingetreten, dass dadurch das Kalialbuminat der Zellhülle präeipitirt und der Kern unsicht- bar gemacht wird. Die Verhornung der Epithelialzelle ist eingetreten. In den nächsten Wochen bis zur 13ten ist die Zellenbildung in den tieferen Schichten der Epidermis sehr lebhaft. Diese Mittheilungen halten sich ziemlich genau an die Worte des Verfassers. In Bezug auf das pigmentirte Epithelium (Membr. pig- menti) der Choroidea stimmt Kölliker darin H. Müller (Verh. der Würzb. med. Gesellsch. Bd. III.) bei, dass der an Pigmentkörnchen ärmere und den Kern enthaltende Theil der Zellen nicht gegen die Retina, sondern gegen die Ge- fässmembran der Choroidea gerichtet sei (Mikr. Anatomie Bd. II. p. 636). ; Nagel, Zur normalen und pathologischen Anatomie der Nägel etc. hat Virchow Beiträge geliefert (Würzburg. me- dieinische Verhandl. Bd. V. p. 83 sq.). Der Verf. unterschei- det mit dem Ref. an dem Nagel-Corium den. hintern, der Lunula entsprechenden Theil als eigentliche Matrix und den vordern Theil als Nagelbett, auf welchem der Nagel nur fort- eschoben, nicht aber wirkliche Nagelsubstanz gebildet wird. as bindegewebige Stroma im Corium des Nagelbettes ist durch elastische Basärn ausgezeichnet, die in der Tiefe eine Reihe grosser, elastischer Netze mit weiten Maschenräumen bilden, welche wieder in primäre und secundäre getheilt wer- den, Von hier aus steigen einzelne Faserzüge aufwärts ge- gen die Leisten. Ausser diesen Fäden zeigt sich bei An- wendung von Reagentien eine ziemlich grosse Menge von Kernen, namentlich in den oberflächlichen Schichten bis in 32 den lichten Grenzsaum hinein. In dem Corium der eigent- lichen Matrix des Nagels treten die elastischen Elemente zu- rück, und zugleich werden sternförmige Zellen mit deutlichen Kernen sichtbar, die in eine lockere Grundsubstanz einge- bettet sind. An der Matrix ferner überzeugte sich der Verf., dass die kleinen, mehr flachen, granulirten Zellen des Mal- pighischen Netzes in ihrer Uebereinanderschichtung einen all- mäligen Uebergang zur Hornsubstanz des Nagels formiren, während die grösseren, mehr cylindrischen Zellen auf dem Nagelbette senkrecht gegen die Oberfläche aufgesetzt erschie- nen. Die von Rainey und Ammon beobachteten, mit Horn- zellen gefüllten Follikel des Nagelbettes sind von Virchow genauer untersucht. Sie sind bald von cylindrischer, wurst- förmiger, bald von flaschen- oder birnförmiger Gestalt; in anderen Fällen endlich stellen sie rundliche, concentrische Massen dar. Die beiden ersteren Formen zeigen freie Ver- bindungen mit der Oberfläche; die concentrischen Kugeln scheinen zuweilen ganz abgeschlossen zu sein. Eine beson- dere Membran hat sich an ihnen nicht nachweisen lassen. Ihre Unbeständigkeit und variable Beschaffenheit spricht nach Virchow für eine mehr accidentelle Entstehung; gewiss hän- gen sie mit einer gestörten Entwickelung des Rete Malp. zu- sammen, zumal sie an den Zehennägeln so häufig vorkom- men. — Nach Günsburg sind die Nägel beim Embryo von 13 Wochen als deutliche ovale Platten mit dem Nagelpfalz sichtbar. Die Zellen, welche sie bilden, sind dnrchgängig langgestreckt und enthalten einen centralen Kern, der sich in Essigsäure löst (a. a. O. p. 41). Haar. Ueber die Form der Haare verschiedener Men- schenragen bemerkt Browne, dass das Haar des rothen In- dianers eylindrisch, das Haar des Weissen im Qnerschnitt oval, das Negerhaar länglich elliptisch, also fast platt sei. Bei dem Mischling des Negers und Amerikaners finden sich ovale und platte Haare neben einander (Henles Jahresb. v. Jahre 1854, p. 31; — P.A Browne: Trichologia mam- malium ete. Philadelphia 1853. 4to ). „Beiträge zur Kenntniss der Haare des Menschen und der Säugethiere, Breslau 1854“ hat Reissner veröffentlicht. Re- ferent hat über diese Arbeit einen kritischen Bericht in der Abhandlung: „Ueber Structur, Textur, Bildung und Wachs- thum der Haare“ (Zeitschr. für klinische Medizin von Güns- burg, Bd. IV. p. 1 sq.) gegeben. Es werden in der Schrift die schon im vorjährigen Berichte (p. 28) besprochenen Beob- achtungen des Verfassers ausführlicher mitgetheilt und be- sonders neue Untersuchungen über Entwickelung und Bildung der Haare hinzugefügt. In Betreff der historischen Bemer- kungen wird Reissner von Henle (Jahresber. 1854 p. 31) der Vorwurf gemacht, dass er unrichtig Eylandt als den- jenigen Forscher bezeichnet habe, der zuerst in der Mark- 33 substanz des menschlichen Haares die vertrocknete Pulpa er- kannte. Henle wünscht die Priorität dieser Ansicht dem Steinlin vorbehalten zu sehen. Die Abhandlung Stein- lins, der besonders Spürhaare untersucht hat, ist die letzte im 9ten Bande der Zeitschr. f. rat. Medizin des Jahres 1350. Auf der S.304 spricht derselbe ausdrücklich von der Schwie- rigkeit sich vorzustelleu, dass die Pulpa bis in die Spitze des langen Frauenhaares hinreichen solle, und gedenkt der Gründe, welche die Richtigkeit dieser Ansicht sehr wahr- scheinlich machen. Die Dissertation Eylandts wurde am 25. August 1850 vertheidigt und enthält eine getreue Abbil- dung mit der in die Marksubstanz verlängerten Pulpa des menschlichen Haares. In dem ersten Theile der Arbeit be- handelt Reissner das ausgewachsene d.h. das durch Aus- bildung des sogenannten Haarkolbens am Wurzelende sich abschliessende Haar, im zweiten Theile die Entwickelung und Bildung desselben. Am Haarkolben fehlt die innere Wurzelscheide, die Epidermis oder das Epithelium und bei feinen Haaren zuweilen die Marksubstanz, indem die ver- trocknete Pulpa sich gänzlich dem Blicke entzieht; die Horn- substanz, aus welcher der Kolben besteht, gleicht am mei- sten der Rindensubstanz. Wenn aber der Verf. dieserhalb den Kolben nur aus der Rindensubstanz bestehen lässt, so macht Ref. darauf aufmerksam, dass in die Hornsubstanz des Kolbens die innere Wurzelscheide, das Epitheliuam uud die Rindensubstanz des Schaftes sich fortsetzen, und dass in derselben daher die genannten Theile repräsentirt sind. Wichtig sind die Mittheilungen über die Entwickelung des Haares, die in mehreren wesentlichen Punkten von der Darstellung Köllikers und Remaks abweichen. Die ersten Anlagen der Haare sind bei Säugethierembryonen von 7'' bis 10“ Länge in der Gegend der Augenbraunen und der Schnauze sichtbar. Sie zeigen sich als weissliche Punkte, ohne irgend eine Spur von Pigmentkörnchen, die man wohl früher als Vorläufer einer Anlage des Haares betrachtet hat. An Durchschnittchen gibt sich die Anlage des Haares als eine flache, hügelartige Papille der Lederhaut, überzogen von der Epidermis, zu erkennen; sie nimmt sich wie eine eben ans der Haut bervorbrechende Knospe aus. Auf der nächsten Entwickelungsstufe weicht die Lederhaut in der Pe- ripherie der hügelartigen Anlage etwas zurück, indem gleich- zeitig die Epidermis in das um den Hügel gebildete Thal hineinwuchert. An der Oberfläche der Haut wird dadurch keine Veränderung bewirkt; hier ist die frühere hügelartige Erhebung sichtbar. Die Papille repräsentirt den künftigen Haarkeim, die sie umgebende Furche mit der äusseren Be- grenzungswand des Corium ist der Haarsack, jene die Fur- che ausfüllende und die Papille überziehende Epidermis stellt die noch nicht weiter gesonderte Hornmasse der äusseren Müller's Archiv, 1855, Jahresbericht, © 34 und inneren Wurzelscheide und des Haares selbst dar. Die erste Anlage des Haares ist also kein solider, in die Leder- haut sich hineindrängender Fortsatz der Epidermis, — eine Vorstellung, gegen die Ref. stets seine Bedenken erhoben hat; — die erste Anlage des Haares ist vielmehr eine grosse, breite Hautpapille, die auch wie gewöhnliche Hautpapillen von der Epidermis bekleidet wird, die aber frühzeitig sich dadurch vor ihnen auszeichnet und von ihnen gewissermaas- sen sich isolirt, dass sie sich in das Parenchym des Coriums einsenkt und einen Haarsack bildet. Weiterhin wird nun die Furche um die Papille unter fortdauernder Mitwucherung der Epidermis tiefer und dadurch dem Haarsacke ähnlicher, während gleichzeitig die Anlage des Haarkeims an Länge zunimmt und eine kegelförmige Gestalt erhält. Um diese Zeit erst tritt, und zwar nur an gefärbten Haaren, Pigment- ablagerung auf. Die Pigmentkörnchen finden sich innerhalb der Zellen der Epidermis in der Nähe des Haarsackes; stern- förmige Pigmentzellen, die Remak gesehen haben will, uud die bekanntlich nur in bindegewebigen Substraten vorkom- men, zeigten sich nirgend. Gegenwärtig lässt sich zuwei- len schon eine Differenzirung in der den Haarsack ausfüllen- den und die Spitze der Haarpapille bekleidenden Zellenmasse (Epidermiszellen) unterscheiden. Der Haarpapille zunächst markirt sich eine lichtere, innere, mehr längsgestreifte Partie, welche den Hornsubstanzen entspricht, die zum Haare selbst gehören (innere Haarscheide und Haarschaft), und eine dunk- lere, äussere mehr quergestreifte Masse, welche in Folge op- tischer Täuschung sich wie aus Cylinderzellen gebildet aus- nimmt und die Anlage der äussern Haarscheide darstellt; die innere Partie kann als Epidermis der Haarpapille, die äus- sere als Epidermis des Haarsacks geschieden und aufgefasst werden. An pigmentirten Haaranlagen lässt sich gegenwär- tig auch schon eine Scheidung in der Epidermis der Papille wahrnehmen; nach aussen markirt sich eine farblose, nach innen, der Papille zunächst, eine pigmentirte Schicht; diese gehört dem Haarschaft, jene der inneren Haarscheide an. Auch der Haarbalg ist bereits in seinen wesentlichen Theilen vorhanden; er besteht von innen nach aussen aus einer struk- turlosen Membran, einer quer- und längsgestreiften Schicht, und gibt sich als einen abgegrenzten Theil der Lederhaut zu erkennen. Bei fortschreitender Entwickelung werden die genannten Theile des Haares bestimmter und deutlicher; die Haarpapille nimmt zugleich eine kugelförmige Gestalt an und erhebt sich mit einer geringen Einschnürung vom Grunde des Haarsackes. Zugleich zeigt sich eine andere Veränderung: das nunmehr gebildete Haar beginnt zu wachsen und das Ni- vean der Oberhaut zu durchbrechen. Dieser Durchbruch des Haares ist durch das Auftreten einer sich einerseits allmälig erhebenden, andererseits steil abfallenden Längswulst bezeich- 35 net, welche die hervorgewachsene Spitze des Haarschaftes, bekleidet von der inneren Haarscheide, umschliesst. Diese Wülste werden bald grösser, enthalten die meist zusammen- gerollte Haarspitze mit dem entsprechenden, mehr oder we- niger zerfallenen Theile der inneren Haarscheide und werden endlich von der Haarspitze gewaltsam durchbrochen. Die aus rundlichen, mässig abgeplatteten Zellen zusammengesetzte äussere Haarscheide bildet zugleich mit dem Haarsack durch seitliche Wucherung die Anlagen der Talgdrüsen. — Von dem dachziegelförmigen Epithelium an der Innenfläche der Wurzelscheide bemerkt der Verf., dass die freien Ränder nach abwärts gerichtet seien. — Hinsichtlich der Kontroverse, ob das aus der Anlage hervorgehende Haar das ganze Haar re- präsentire (Kölliker) oder nur einen Theil desselben, die Haarspitze, indem der übrige Theil durch Wachsthum allmä- lig nachgebildet würde (Reichert), entscheidet sich der Verf. für die letztere Ansicht. Das Haar verhält sich also hinsicht- lich seiner ersten Bildung und seines Wachsthums, worauf Ref. stets aufmerksam gemacht hat, genau wie die Fe- der; zuerst wird die Spitze gebildet, und durch Wachsthum werden der Länge nach die übrigen Theile zur Wurzel hin produeirt; desgleichen werden in einem gegebenen Querschnitt zuerst die äusseren, dann die inneren Bestandtheile gebildet, zuerst das entsprechende Stück der innern Haarscheide, dann desgleichen das Epithelium, die Rindensubstanz und endlich etwa vorhandene Markzellen des Haarschaftes, welche letz- teren zugleich mit der getrockneten Papille die Marksubstanz repräsentiren. Bei dem Wachsthum des Haares ist die äus- sere Haarscheide nicht betheiligt, sie ist, wie bemerkt, die Epidermis des Haarsackes. Nach des Referenten Ermessen scheint es wohl zweckmässig, den Namen „innere Haar- wurzelscheide* ganz zu beseitigen. Die innere Haarwurzel- scheide ist evident nichts Anderes, als die am freien Ende fortdauernd zerfallende, an der Haarwurzel aber mit dem Haarschaft selbst stets sich neu bildende und fortwachsende Scheide des Haares, analog der Scheide der Feder; sie könnte daher auch einfach „Haarscheide* heissen, Die äussere Haarwurzelscheide dagegen ist Theil des Haarsackes; sie ist die Epidermis desselben. Die ganze Auffassung der Haar- gebilde kann dadurch nur gewinnen. — Reissner hebt mit Recht hervor, dass die Unterscheidung von Wurzel und Schaft des Haares, wie sie gewöhnlich gemacht wird, nicht ganz passend sei. Der in der Haut steckende Theil des Haares, die sogenannte Wurzel, unter- scheidet sich im oberen Abschnitte nur dadurch von dem freien Schafte, dass die Haarscheide noch nicht zertrümmert ist, sondern als Scheide noch fungirt. Zweckmässiger sei es, mit dem Namen „Haarwurzel* den Abschnitt zu be- zeichnen, welcher zur Verlängerung des Haarschaftes mit [6% 36 seiner Scheide (Ref.) noch in Ausbildung begriffen ist. Als obere Grenze der Wurzel ist eine Linie anzusehen, die etwas oberhalb der weisslichen Stelle des Haarschaftes liegt, auf welche Referent zuerst hingewiesen. An der Wurzel ferner liesse sich der, die zwiebelartıg erweiterte Papille auf- nehmende Theil als „Haarknopf“ (Henle) bezeichnen. An dem Haarknopf endlich hat der Verf. noch das „Keimlager des Haarschaftes und der Haarscheide* unterschieden. Das- selbe reicht vom Grunde des Haarsacks bis auf die breiteste Stelle des Haarkeims hinauf und besteht nur aus rundlichen Zellen. — Mit Rücksicht auf die Wurzel lassen sich die Haargebilde in 2 Abtheilungen bringen: in der einen stellt sie mit dem Keimlager und dem eingeschlossenen Keim einen einfachen, an der Basis abgerundeten Kegel dar (Stacheln, Tasthaare von Triebechus Rosmarus); in der zweiten Ab- theilung erweitert sie sich zwiebelartig zum sogenannten Haarknopf (feinere Haare, Borsten, viele Tasthaare), Die Erweiterung im letzteren Falle betrifft indess mehr die Haar- papille, als die um dieselbe gebildete Röhre von Hornsub- stanz. Ref. hat in der bezeichneten Abhandlung (a. a. O. p. 10) hinzugefügt, dass auf die Formverhältnisse der Wurzel und namentlich des Basilarstückes der Haarpapille die ver- schiedenen Wachsthums-Verhältnisse der Haargebilde von Einfluss zu sein scheinen. Mit Verlängerung des Hadrechilder stellt sich nämlich gleichzeitig einerseits eine Abnahme im Querdurchmesser der Papille, andererseits ein Zuwachs von Verdickungsschichten der um sie gelagerten Hornröhre ein; die Papille also verdünnt sich bei Verlängerung des Haares, die Hornröhre nimmt in ihrer Wandung entsprechend an Dicke zu. Wächst nun das Haargebilde schnell, so vertheilt sich die Abnahme, wie der Zuwachs, auf ein längeres Stück des Haargebildes; die Haarpapille erscheint kegelförmig, eben- so die Höhle der Röhre von Hornsubstanz. Beim langsamen Wachsen der Haargebilde koncentrirt sich Ab- und Zunahme auf ein kürzeres Stück der Längendimension; die Papille er- weitert sich am Grunde des Haarsacks zwiebelartig, ebenso die Höhle des Haarschaftes. Ausser diesen konstanten Ver- änderungen während des Wachsthums der Haargebilde können noch andere sich geltend machen. So weiss man, namentlich von den Stacheln, dass die Papille und entsprechend die Innenfläche der Haarröhre während des Wachsthums ver- schiedene Veränderungen in der Konfiguration der freien Fläche erleiden, dass ferner das ganze Haargebilde während seiner Verlängerung an Dicke zu- und abnehmen könne etec., worauf Ref. nicht weiter eingehen mag. Reissners Schrift enthält sehr interessante Beläge über optische Täuschungen, die dadurch entstehen, dass der Beobachter das mikroskopische Bild nicht genau analysirt, alle darin vorkommenden Pünktchen, Schatten, Linien, Fi- 37 guren als zu einer Ebene, zu einem Querschnitt des Präpa- rats gebörig betrachtet und danach die körperlichen Formen deutet. Unsere Literatur ist voll von Irrthümern, die aus dieser Quelle fliessen; man sieht cylinderförmige Zellen, Fa- sern, strahlig angeordnete Linien oder vielmehr Körper, wo in Wirklichkeit keine Spur davon vorhanden ist. Referent hat leider oft vergebens auf diese Täuschungen aufmerksam gemacht. Die von Reissner erwähnten Fälle sind ausser- ordentlich belehrend und zur Prüfung denjenigen Lesern zu empfehlen, die sich für die möglichste Beseitigung optischer Täuschungen interessiren (a. a. O. Tab. II., Fig. 8, 9). — Linse und Glaskörper. Die Linse ist von Kölliker einer genaueren Unter- suchung unterworfen worden (Mik. Anat. Bd. II. p. 703 sq. u. 730 eq.; ferner: Zeitsch. f. wiss. Zool. Bd. VI., p. 142 u, 143). In Betreff des lamellösen Baues der Linse wird her- vorgehoben, dass die einzelnen Blätter nicht regelmässig begrenzt seien, nie aus einer einzigen Lage von Linsenfasern bestehen und in der Richtung der Dicke der Linse einander so decken, dass die Linse aus sehr vielen radiären Segmenten von der Breite einer einzigen Linsenfaser zusammengesetzt gedacht werden könne, Dass die Linsenfasern Röhren seien, gehe auch aus der Entwickelung hervor, doch lasse sich das Hervorquellen des Inhaltes in Form zähflüssiger, heller Tropfen nur an den oberflächlichen, weicheren Schichten ver- folgen. Die an Linsenfaseru nach Behandlung mit Kreosot hervortretende Längsstreifung (Harting, Arnold, Va- lentin) rühre nicht von einer Zusammensetzung aus Fibrillen her, sondern sei auf Faltenbildungen der Scheide der Faser zu beziehen. Als Ausdruck von Unebenheiten der Oberfläche der Faser werden auch die zuweilen sichtbaren feinen Quer- streifen, ähnlich denen an den Schmelzprismen, angesehen. Die von Harting im Aequator der Linse beobachteten po- lyedrischen und als Zellen gedeuteten Figuren sind nach dem Verf. die durch gegenseitigen Druck sich abplattenden Enden der Linsenfasern. Kerne, und zwar, wie schon H. Meyer angab, je einer in einer Faser, finden sich nır am Rande der Linse vor. Die im Allgemeinen spitz auslaufenden Enden der Linsenfasern verbreitern sich nach K. schliesslich in platte Anschwellungen von 0,006 — 0,015 im Querd.; die- selben erscheinen besonders nahe hinter dem Aequator der Linse in Seitenansichten keulen- oder birnförmig. In Bezug auf die Enutwickelung der Linsenfasern, die sich auch bei Erwachsenen verfolgen lasse, wird besonders die Innenfläche der Linsenkapsel da, wo das Epithel der vorderen Wand gegen den Rand der Linse hin aufhört, zur Untersuchung empfohlen. Wie Meyer richtig angebe, seien dabei nicht 38 alle Zellen des Epithels an der vorderen Innenfläche bethei- ligt, sondern nur die an den freien Rand der Linse heran- reichenden. Die Umwandlung gehe nun so vor sich, dass die äussersten Zellen zuerst in der Richtung der Meridiane der Linse nach hinten zu sich verlängern und zugleich sich abplatten. Später, wenn die ausgewachsenen Zellen schon mehr oder weniger schief stehen, verlängern sie sich auch nach vorn und gelangen so mit ihrem vorderen Ende an die innere Seite des Epithels der vorderen Wand; an der hinteren Innenfläche der Linsenkapsel findet sich nach K. gleichfalls kein Epithel. Beim Auswachsen der Zellen werden die Kerne grösser, zeigen deutlich 1 — 2 Kernkörperchen, halten sich aber bemerkenswerther Weise immer am Aequator der Linse, mithin beiläufig in der Mitte der Faser. Da, wo die ver- breiterten Enden der Linsenfasern die hintere Wand der Linsenkapsel berühren, bewirken sie daselbst polyedrische Abdrücke, die wahrscheinlich zur Annahme eines Epitheliums an dieser Wand verleitet hätten. — Auch Leydig gibt von Tetrao urogallus an, dass alle zunächst der Kapsel ge- legenen Linsenfasern Kerne führen, und zwar je eine Faser, mochte sie auch !/,"' P. messen, nur einen Kern von unge- fähr 0,004“ im Durchm. (Müll. Arch. 1854, p. 337). — Nach Günsburg besteht die Linse des menschlichen Fötus bis zur Mitte des 2ten Monats nur aus Zellen. Die Linsen- fasern bilden sich aus diesen Zellen und zwar je eine aus einer Zelle (a. a. O. p. 75 sq.). C. Thomas versuchte die Anordnung der Linsenfasern an Schliffen trockner Linsen von Fischen (nam. Dorsch), vom Frosch, Krokodil, Schaf, Rinde ete. zu studiren. Die Linsen wurden einfach getrocknet, dann in Mandelöl gelinde erwärmt, um Luftblasen auszutreiben. Bei parallel der Seh- axe gefertigten Schnittchen werden zwei einander durch- schneidende Systeme von koncentrischen Kreisen oder Ellipsen, zuweilen selbst mehrere Kurvensysteme sichtbar. Es ist bis- her unmöglich gewesen, die an solchen Schliffen erscheinenden Kurvensysteme mit den uns bekannten anatomischen That- sachen in Verbindung zu bringen, oder etwas Neues für die Struktur der Linse daraus zu konstruiren. Gewisse vom Verf. beobachtete schildförmige Körper der Dorschlinsen sind übrigens nach Czermak als Abdrücke des Rüssels der Stubenfliegen anzusehen (Deutsche Klinik 1853 p. 558; Bei- träge zur Kenntniss der Struktur der Kristalllinse ete. Prag. Viertelj. 1854. Bd. I. Ausserord, Beil. p. I sq. — und Bd. IV. p. 176). Glaskörper. Auch Doncan sah bei Embryonen den ganzen Glaskörper ursprünglich von Zellen erfüllt, die später, vom Centrum aus, gegen die Peripherie hin zu unregelmässigen kleineren und grösseren Körperchen sich verändern, während zwischen ihnen die bei Zumischung von Wasser aufquellende 39 Glasfeuchtigkeit sich einstellt. Bei Erwachsenen wurde eine ähnliche, das Licht stark brechende Schicht von Zellen auf der Innenfläche der Hyaloidea beobachtet, namentlich auch an der hinteren Kapselwand. Ausserdem fand der Verf. im Glaskörper des Erwachsenen: feine mit Körnchen besetzte Fasern, namentlich in den seitlichen Partieen, ferner Körnchen- haufen und endlich im vorderen Theile des Glaskörpers Stücke von glashellen, faltigen Membranen. Doncan hat sein Be- denken gegen die Anordnung von Lamellen gleich Radien um eine centrale Axe im menschlichen Glaskörper ausge- sprochen. Er gesteht zu, dass mit Chromsäure behandelte Präparate die von Hannover u. A. beschriebene Streifung darböten, und dass diese Streifung bei in gleicher Weise behandelten Glaskörpern von Thieren fehle. Gleichwohl fehlen wirkliche Lamellen, und die Zeichnung sei daher entweder von einer Schiehtung des Glaskörpers herzuleiten, die mit der ursprünglichen Anordnung der Zellen des Glaskörpers im Embryo im Zusammenhange stehe, oder ein Kunstprodukt, welches durch Zerklüftung beim Einschrumpfen des Glas- körpers entstehe, (!) Dass jedoch der Glaskörper mit Flüssig- keit gefüllte Räume enthalte, sei aus den Bewegungen entop- tischer Gesichtserscheinungen, der mouches volantes, wahr- scheinlich (Nederl. Lanc. 1854. No. 11 u. 12). Mit Rücksicht auf die von Schöler gemachte Beobachtung über die Entwickelung des Glaskörpers deutet Kölli- ker (M. A. Bd. IT, p. 728) die einzelnen Theile der Linse und des Glaskörpers so, dass er den Glaskörper dem sub- entanen Bindegewebe, den gefässreichen Sack um die Linse der eigentlichen Lederhaut, die Linse selbst der Epidermis vergleicht. Obschon die Bildung der Linsenfasern nach Köllikers Darstellung zu einer solchen Deutungsweise sehr einladen, so glaubt Ref. doch darauf hinweisen zu müssen, dass zur Begründung derselben noch manche Lücke in der Entwickelungsgeschichte auszufüllen sei. Der verstorbene Schöler, der unter Anleitung des Ref. mit grosser Liebe und Eifer die erste Bildung des Augapfels studirte, hat näm- lich nachgewiesen, dass sowohl die Linse als auch der Glas- körper, also beide durch sekundäre Wucherung der ganzen Cutis in die vom Gehirn hervorgetretene primitive Augen- blase so eindringen, dass die vordern Wände der letzteren von der Anlage der Linse, die untere Wand von der Anlage des Glaskörpers zurückgedrängt werde. Der Vorgang ist so zu denken, wie man sich gewöhnlich die Einstülpung der Viscera in den serösen Sack vorstellt. Jedenfalls participiren die Anlagen der Linse sowohl, als die des Glaskörpers an der ganzen Cutis; es ist weder die Linse ein epidermoidales Gebilde allein, noch der Glaskörper ein blosses Produkt des Substrates der Epidermis. Es ist möglich, ja wohl wahr- scheinlich, dass in der Liuse später mehr die Epidermis, 40 in dem Glaskörper mehr das Substrat der Epidermis zur Entwiekelung gelangt. Aber die Linse zum Glaskörper so zu stellen, als ob die erstere die Epidermis des Glaskörpers sei, lässt sich aus der Entwickelungsgeschichte nicht recht- fertigen. Gebilde der Bindesubstanz. Referent hat hier zunächst der Abhandlung Bruchs: „Ueber Bindegewebe“ (Zeitsch. für wiss. Zool. Bd. VI., p- 145 —-207) zu gedenken, die es sich zur Aufgabe macht, derjenigen histologischen Auffassung und Bearbeitung der Bindesubstanzgebilde entgegen zu treten, welcher sich nach langem, vergeblichem Kampfe der Gegner die meisten mi- kroskopischen Forscher zugewendet haben. Wir haben es mit einer Partheischrift za thun, und um so mehr war es Pflicht, sie genau und gründlich zu studiren, damit der Fort- schritt der Wissenschaft davon Gewinn habe. Man findet aber in der Schrift fast nur etwas breiter getretene Remi- niscenzen der Gegner aus den letzten 10 Jahren, ohne dass auf die Gegenbemerkungen Rücksicht genommen wäre. Wie wenig der Verf. es sich hat angelegen sein lassen, den bis- herigen Gang der Verhandlungen zu beachten, geht daraus hervor, dass er selbst jene als blosse Faltungen längst be- kannten Bänder von Sehnen-Querschnittchen zum Beweise einer die Fibrillen verbindenden Intercellularsubstanz ete. be- nutzt (a. a. O. p. 198). Man darf wohl voraussetzen, dass Henle, der in seinem Referat über vorliegende Schrift aus- drücklich sagt, Bruch habe „mit guten Gründen“ die neuere Ansicht von den Bindesubstanzgebilden bekämpft, auch nicht unterlassen haben wird, diese guten Gründe hervorzubeben und geltend zu machen. Henle hat nun ein grosses Ge- wicht auf die Angabe Bruchs gelegt, dass bei Aufstellung der Gruppe von Bindesubstanzgebilden die chemische Ueber- einstimmung in der Grundsubstanz nicht zu hoch anzuschlagen sei, weil die Intercellularsubstanz zuwejlen sehr wenig oder gar keinen Leim oder Chondrin liefere, und andererseits Substanzen und Gewebe der verschiedensten Art eine gleiche chemische Reaktion, wie z. B. Muskelfasern und geronnenes Fibrin, besitzen können. Ein Blick auf die Geschichte un- serer Wissenschaft hätte die Gegner belehren müssen, dass nicht in Grundlage der Eigenschaft mehrerer Gewebe, Leim und Chondrin zu geben, die verwandtschaftliche Reihe der Bindesubstanzgebilde zusammengestellt wurde, sondern ganz besonders in Berücksichtigung der Uebereinstimmung in der morphologischen Entwickelung. Aber widersinnig wäre es, das bezeichnete Moment nicht unter die charakteristischen chemischen Eigenschaften der Bindesubstanzgebilde zu rechnen, da es bisher nur bei ihnen beobachtet worden ist. Und weiter 41 wird hervorgehoben, dass die Essigsäure Bindegewebe auf- quelle und durchsichtig mache, Knorpel aber nur wenig ver- ändere, und dass dieses gegen die Verwandtschaft beider spräche. Wer aber hat denn die Essigsäure zum Kriterium für histologische Verwandschaften gemacht, und hört denn die verhörnte Epithelialzelle auf, eine Epithelialzelle zu sein, weil sie durch Essigsäure nicht mehr, wie andere Epithelien, aufquillt! Die Erfahrung hat ferner gelehrt, dass die Gegner der neueren Lehre von den Bildesubstanzgebilden ihre Waffen gern auf Nebendinge ricbten, um, wie es scheint, den Blick des unerfahrenen Lesers von der Hauptsache abzuwenden. Früher war die Aufmerksamkeit allein auf des Ref. Deutung der parallelen Streifenzüge in der Intercellularsubstanz des Sehnen- und reifen Bindegewebes gerichtet, jetzt wird unauf- hörlich der Umstand breit getreten, dass Virchow zuweilen blosse Lücken für Bindesubstanzkörperchen gehalten haben soll. Ueber den letzteren Punkt lohnt es der Mühe nicht, auch nur ein Wort zu verlieren. In Bezug auf die parallele Streifung im Sehnengewebe ist man bemüht, die Faltenzüge zu beseitigen und präformirte Fibrillen einzusetzen, indem man zu hoffen scheint, dass dadurch die Verwandtschaft des Sehnen- und Knorpelgewebes aufgehoben würde. Es ist nun zwar bekannt, dass auch die Grundsubstanz des hyalinen Knorpels streifig werden und, wie es scheint, sogar in Fi- brillen zerfallen könne, dennoch kommt auch Bruch wieder darauf zurück, und, da Henle den vom Verf. gemachten Einwand gegen die Deutung der Streifenzüge als Falten so treffend findet, so muss auch schon Ref. darauf näher ein- gehen. Zu den Erscheinungen nämlich, welche andere For- scher und den Referenten bestimmt haben, die bezeichneten Streifenzüge von Falten abzuleiten, und die sowohl iu der Schrift des Ref. als auch im vorjährigen Berichte besprochen worden sind, gehört auch der Umstand, dass durch Zerrung und Ausspannung mittelst des Druckes durch das Deck- gläschen oder auf andere Weise die Züge der Streifen ver- ändert, ja unter günstigen Verhältnissen zum Verschwinden gebracht werden können, und dass namentlich auch die äusseren Kapselmembranen der Vater-Paeini'schen Körper- chen, die im ungespannten Zustande parallel gestreift sind und eich in Fibrillen spalten lassen, durch die interkapsuläre Flüssigkeit zu homogenen Lamellen ausgedehnt seien. Bruch nun und Henle belieben die Zerrung und Ausspannung fort- zulassen; sie wählen sich nur den Druck und machen dann die „treffende* Bemerkung, dass man durch Druck und Be- seitigung von Zwischenräumen kleinere und gröbere Sub- stanzen (Muskeln, Blutzellen ete.) so zusammenpressen könne, dass daraus homogene Massen hervorgehen! — In obigen Mittbeilungen hat Ref. die „guten Gründe“ nam haft gemacht, durch welche Bruch nach Henles Ansicht 42 die verwandtschaftliche Reihe von Bindesubstanzgebilden be- kämpft haben soll. Bruch ist auch in bekannter Weise gegen das Kontinnitätsgesetz aufgetreten, aber er hat sich die Einsicht in die Bedeutung und den Sinn dieses Gesetzes, das beim genaueren Studium der Verbindungsstelle zwischen Cornea und Sclerotica auf so leichte Weise erkaunt werden kann, unmöglich gemacht, indem er jede beliebige Flüssig- keit zwischen den Zellen oder deren Derivate für histologische Intercellularsubstanz ausgiebt, auf diesem Wege die hetero- gensten Dinge zu Continua umwandelt oder verbindet und dadurch das histologische Kontinuitätsgesetz und seine An- wendung zu beseitigen sucht. Der grösste Abschnitt der Arbeit des Verf. ist übrigens damit beschäftigt, die beiden Haupttheile der Bindesubstanzgebilde, die Intercellular- oder Grundsubstanz und die Bindesubstanzkörperchen einer näheren Prüfung zu unterwerfen. ‚Es werden hierbei eine solche Menge oft ganz zweifelhafter und unsicherer, oft sogar ganz un- richtiger Beobachtungen als ausgemachte Thatsachen zu wei- teren Folgerungen benutzt, dass es dem Ref. wenigstens unmöglich ist, auf das Specielle genauer einzugehen. Als Zweck, oder, wenn man will, als Resultat darf bier zunächst der Nachweis angesehen werden, dass die Intercellularsub- stanz zu verschiedenen Ursprungs sei, als dass sie unter einen Rahmen gebracht werden könne. In einigen Fällen soll sie Rest von Cytoblastem sein, wovon nach des Ref. Ansicht kein konstatirtes Beispiel bekannt ist; in andern sei sie aus verschmolzenen Zellen hervorgegangen, und ist also, wenn esirgendwo erwiesen wäre, nichtzurIntercellularsubstanz der Gebilde der Bindesubstanz zu rechnen (R.); in noch anderen Fällen, wie z. B. bei der Whartonschen Sulze, dem Knorpel ete., sei sie wahrscheinlich als Ausscheidungs- produkt von Zellen anzusehen und in Vergleich zu bringen; damit hier aber nicht Verwandtschaft gesucht werde, muss der zweite Haupttheil hindernd in den Weg treten. In Be- treff nämlich der Bindesubstanzkörperchen wird bewiesen oder vielmehr obne Weiteres behauptet, dass die Spiralfasern, die mit dem elastischen Gewebe identisch sein sollen, zu den Bindesubstanzgebilden als Analoga der Knorpelkörper- chen gar nicht gehören, und dass überhaupt im formlosen und geformten Bindegewebe so vielerlei heterogene Dinge vorkämen, dass sie nicht unter einen Hut zu bringen seien. Im embryonalen Bindegewebe gehören zu den verschiedenen Körpern, die nach der Ansicht des Verf. fälschlich für spindel- förmige oder geschwänzte Bindesubstanzkörperchen ausge- geben seien, folgende: die kontraktile Faserzelle, die sich durch das beträchtliche, bipolare Wachsthum, durch den an- geblich stäbchenförmigen Kern, durch die Reaktionen gegen Essigsäure, Salpetersäure etc. auszeichnet; die elastische Faserzelle, ausgezeichnet durch das fast unbegrenzte Wachs- 43 thum der spindel- oder pfriemenförmigen Kerne, durch die Resistenz gegen Essigsäure, Kali, durch die Neigung zur Anastomose und Netzbildung (letzteres mit Rücksicht auf die Gleichstellung der Spiralfasern mit dem elastischen Ge- webe R.); die Gefässzelle, charakterisirt durch die runden oder ovalen, durch spontane Theilung sich vermehrenden Kerne, durch das multipolare Wachsthum der Zellenkörper und durch die entschiedene Neigung zur Verschmelzung (bei Bildung und Erweiterung von Gefässröhren R.). Nach einer so willkürlich aufgenommenen Vorlage kann von wahrheitsgetreuen Schlüssen nicht die Rede sein. Ver- wechselungen wirklicher Bindesubstanzkörperehen und der Bindesubstanzgebilde überhaupt mit andern histologischen Formelementen und selbst mit zusammengesetzteren Bestand- theilen des Körpers sind allerdings möglich. Doch darf der Verfasser es wohl auch anderen Forschern zutrauen, dass sie solchen Verwechselungen aus dem Wege zu gehen wissen, und nicht einen so exorbitanten Ausspruch machen, „dass ein grosser Theil, wenn nicht die Mehrzahl der wirklichen Elementartheile, auf welche die Virchowsche Theorie (die bekanntlich auf demselben Fundamente, wie die des Refe- renten, steht) sich stützt, weder zum Bindegewebe noch zum elastischen gehört, sondern auf andere Gewebe, namentlich auf unentwickelte Kapillargefässe (!R.) zu beziehen ist.“ Wer den guten Willen hat, wird Orte zu finden wissen, wo irgend ein Bindesubstanzgebilde mit spezifisch ausgeprägtem Charakter der Masse nach überwiegt und von anderen, fremd- artigen Bestandtheilen nur noch die spärlichen Gefässe Be- achtung verdienen, und wo sich also die histologische Ent- wickelung ohne grosse Gefahr, Verwechselungen zu begehen, studiren lässt. Für das reife, lockig gestreifte Bindegewebe oder Sehnengewebe. ist die Sehne selbst der geeignete Ort, da hier meist die Komplikation mit dem wirklichen elastischen Gewebe fehlt, und die Spiralfasern als Aequivalente der Knorpelkörperchen leicht erkannt werden. Für das Studium der Entwickelung des Faserknorpels wähle man die Cornea oder die tieferen Massen des Lig. intervertebrale. Die Ent- wickelung des gallertartigen Bindegewebes ist sehr gut im Schwanze der Froschlarven, namentlich von Rana esculenta, am vorzüglichsten aber nach des Referenten Erfahrungen in der vorübergehenden Flosse des Schwanzes der Fisch- embryonen zu studiren, Nur der hinterste Theil dieser Flosse erleidet die Metamorphose zur bleibenden Schwanz- flosse, der übrige Theil schwindet bei vielen Fischen früher, als irgend eine Spur von Gefässröhren, oder von irgend welchen anderen fremdartigen Elementen darin auftritt: Man hat eine dünne Platte vor sich, die von einem einfachen, sehr durchsichtigen Epithelium überzogen wird, und deren innere Zellen alle Stadien zur Bildung des gallertartigen 44 Bindegewebes mit Intercellularsubstanz und darin einge- betteten, anfangs rundlichen, dann geschwänzten, endlich steroförmigen Bindegewebkörperchen durchmachen, von denen beim Döbel beispielsweise nur wenige mit Pigmentkörnchen sich füllen. Eine Verwechselung mit der Bruchschen soge- nannten Gefässzelle kann hier nicht stattfinden, wie denn überhaupt die Entstehung der Kapillargefässe aus stern- förmıgen Zellen und somit auch die sogenannte Gefässzelle Bruchs sehr problematisch ist. An allen angeführten Orten geht die Entwickelung, wie beim Knorpel, zunächst von den Zellen aus; diese scheiden eine mehr oder weniger feste In- tercellular- oder Grundsubstanz aus, und Grundsubstanz und Zellen halten nun, wie beim Knorpel, zusammen zu einem gemeinschaftlichen Ganzen, beim Fortgange der histologischen Entwickelung die verschiedenen Formen der Bindesnbstanz- gebilde darstellend. Darin liegt der wesentliche Unterschied dieses abgeschiedenen Stoffes, dieser Intercellular- oder Grund- substanz von anderweitigen parenchymatischen Flüssigkeiten, die nach der Abscheidung auch so sofort aus der Verbindung mit den Zellen und deren Derivaten treten. Wer sich von dem Unterschiede der aus Zellen hervorgehenden Spiralfasern und des eigentlichen elastischen Gewebes, der elastischen Platten, durchlöcherten Membranen oder elastischen Faser- netzen überzeugen will, dem kann Ref. die Untersuchung des sich entwickelnden Ligamentum nuchae und vor Allem des Netzknorpels im äusseren Ohr empfehlen. Am letzteren Ort lässt sich die Ausscheidung des elastischen Stoffes in Form eines Netzes aus der Grundsubstanz des byalinen Knor- pels ganz deutlich verfolgen. Das elastische Gewebe gehört also zur Grundsubstanz der Bindesubstanzgebilde, wie es denn durch die Untersuchungen Zellinskys und später auch Schlossbergers erwiesen ist, dass dieser elastische Stoff in jeder Grundsubstanz der Bindesubstanz- gebilde neben dem Chondrin und Leim gebenden Stoffe in grösserer oder geringerer Menge vorhanden ist. Wie wir elastische Knorpel besitzen, so giebt es auch elastisches Sehnengewebe, und das /igamentum nuchae, die Liy. flava etc. sind exquisite Beispiele von solchem Sehnengewebe. Die Entwickelung des Sehnengewebes bei Regeneration der subeutan durchschnittenen Achillessehne von Kaninchen hat Boner studirt (Arch. f. path. Anat. u. Phys. Bd. VII. p- 162 sq.). Am 2ten Tage erscheinen die Blutkörperchen im Coagulum runzelig und unregelmässig gestaltet, ihr Inbalt körnig, der Farbstoff theilweise gelöst. Am 4ten Tage lassen sich die Blutkörperchen nicht mehr wahrnehmen; die ganze Masse erscheint gleichmässig roth und körnchenhaltig. Bald werden nun runde Zellen mit grossen undeutlich kontourirten Kernen sichtbar, die beide allmähg länglich werden; nament- lich nimmt der Kern eine fast spindelförmige Gestalt an. 45 Am 6ten Tage haben die Zellen die Form eines sphärischen Zweiecks. Am 8— l10ten Tage erscheint die regenerirte Sub- stanz fast vollkommen weiss; die zartwandigen Zellen besit- zen feine Ausläufer; die Intercellularsubstanz zeigt deutliche Längsstreifung. Bei Sepiola und Loligo fand Leydig ein Bindegewebe, welches nahezu den Charakter des Sehnengewebes der Wir- belthiere hat. Es besteht aus homogenen Lamellen, die sich leicht falten und kräuseln und dadurch scheinbar Faserzüge hervorrufen; die gelockte Streifung ist etwas steifer. Nach Einwirkung von ‘Kali treten spindelförmige und verästelte, lichte Streifen auf, die an die Bindegewebskörperchen erin- nern. Bei Echinus esculentus verhält sich das Bindegewebe, z.B. im Mesenterium des Darms oder in den Bändern des Kauapparates, morphologisch durchaus gleich dem der Wir- beltbiere (Müll. Archiv 1854, p. 303 und p. 310). Im vorjährigen Berichte (a. a. ©. p.35sq.) hat Ref. eine Erläuterung darüber gegeben, wie «die feinen, der lockigen Längsstreifung entsprechenden Pünktchen aufdemQuer- schuitt der Sehne vom Standpunkte derjenigen zu deuten seien, die in den Längsstreifen des Sehnengewebes den op- tischen Ausdruck von Faltenzügen erkennen. Hierbei war es nöthig, auf den lamellösen Bau kompakter Massen der Binde- substanzgebilde hinzuweisen. Henle hat in seinem neuesten Jahresbericht (1856, p. 33) darauf erwidert, dass Ref., „wie man sehe*, an Stelle der früher behaupteten homogenen Struktur der Bindegewebsbündel eine lamellöse setze, und dass er es nicht für gerathen balte, bloss vorausgesetz- ten Lamellen zu Liebe eine solche Untersuchung zn unter- nehmen. Zudem sei auch dann nicht über die Faserung des Bindegewebes hinwegzukommen; denn entweder liegen gefal- tete Membranen in dem (sog.) Primitivbündel neben einan- der, dann bilden sie Abtheilungen, die von unseren Fibrillen (!R.) nicbt weit verschieden seien; oder sie stecken koncen- trisch in einander, dann sei wenigstens das innerste Element eine Faser.“ Der geschichtliche Hergang ist folgender. Ref. hatte anfangs (im Jahre 1845) weder die feinen Pünktchen an Querchnittehen der Sehne, noch auch den lamellösen Bau kompakter Bindesubstanzgebilde erkannt; er hat dann später (Müll. Archiv 1849, Jahresb. p. 41) auf die Schichtbildung in kompakten Bindesubstanzgebilden hingewiesen; darauf er- hob sich die Kontroverse über die feinen Pünktchen der Querschnittchen einer Sehne, und dann folgte die Erläuterung mit Rücksicht auf den erwiesenen lamellösen Bau der Binde- substanzgebilde überhaupt und insbesondere auch der Sehnen im verflossenen Jahre. Bei einem solchen Thatbestande ist es, gelinde gesprochen, mindestens nicht gerechtfertigt, so zu referiren. wie es Henle thut. Was ferner den zweiten Punkt betrifft, wonach die in die Sehnensubstanz sich kon- 46 tinuirlich fortsetzenden primären, sekundären ete. Muskel- scheiden, — sei es bei ganz widernatürlich supponirter In- einanderschachtelung, oder bei ihrer Aggregation neben ein- ander, — im zusammengefalteten Zustande Stränge, Faser, sogar die sog. Fibrillen der Sehnensubstanz bilden können; so berühren diese Vorstellungen Henles die Kontroverse über die Bedeutung der an den einfachsten Lamellen auftretenden Längsstreifung gar nicht. Es wird hier wieder einmal die histologische Texturfrage mit der Frage nach den durch die Struktur bedingten Formverhältnissen in den Bestandtheilen unseres Körpers konfundirt; ein feiner, faserähnlicher Kror- pelfaden macht die hyaline Knorpelsubstanz nicht zu einem Fasergewebe. — Eine dem sogenannten unreifen Bindegewebe ähn- liche Bindesubstanz beschreibt Leydig bei den Rotiferen (Zeitschr. f. w. Zool. Bd. VI. p.104 sq.). Sie besteht in der äussern Haut aus homogener Grundmasse mit eingestreuten, kernähnlichen Körperchen. Von der Bindesubstanz der äus- seren Haut ziehen Fortstätze zu den Eingeweiden und zwi- schen die letzteren. Sie erscheinen unter dem Bilde ver- zweigter Zellen, indem hier und da in dem Netzwerk die Kerne sichtbar werden. Wie bei den Wirbeltbieren, so grenzt sich auch hier die Bindesubstanz nach aussen hin durch eine elastische Lamelle ab, die man als Cuticula be- zeichnet, und die auch zum Panzer wird. Die Ansichten Huxleys von den Bindesubstanzgebilden nähern sich zufolge der Mittheilungen Henles denjenigen des Referenten. Der Verfasser geht indessen von Kernen (Endoplasten) aus, die ursprünglich in einer homogenen Grundsubstanz, welche die Intercellularsubstanz und Zellmem- branen mit Zellinhalt vertritt und Periplast genannt wird, eingebettet seien. Das Periplast gehe in der Folge 3 Arten chemischer Differenzirung ein: in gelatinöse Intercellularsub- stanz, in leimgebende oder elastische Zellenwände, und in zwei Varietäten morphologischer Differenzirung: „Vacuolation und Fibrillation“ (Canst. Jahrb. 1855 p. 39; — The british and foreign medico -chirurg. review, 1853, p. 309).. Knorpel. Den Fibrocartilageintervertebralis aus den ersten Lebensjahren hat F. J. Kaufmann näher unter- sucht (Archiv für path. Anat. und Phys. Bd. VI. p. 412 sq.). Die quadratischen Verknöcherungs-Kerne der Wirbelkörper besitzen oben und unten einen ziemlich mächtigen hyalinen Knorpelüberzug, der, ähnlich den Gelenkknorpeln, in der Peripherie etwas anschwillt und hier etwas auf die vertikale Fläche des Wirbelkörpers übergreift, die sonst nur von Bein- haut überzogen ist. An die verdickten Ränder der Knorpel- lamellen je zweier Wirbelkörper inserirt sich der sehnige Theil des Lig. intervertebr.; den centralen Raum zwischen ihnen füllt die gallertartige Masse aus. An Stückchen der 47 Konorpellamelle, die einige Stunden gekocht waren, fand der Verf. die Knorpelhöhlen von einer Membran ausgekleidet, die zugleich mit dem Inhalte, nach Auflösung der Grundsubstanz durch Schwefelsäure von mittlerer Koncentration (nach mehr- stündiger Behandlung), isolirt werden konnte. Bezeichnete Membran ist die Vircho wsche Kapsel, der Inhalt die eigent- liche Knorpelzelle. Von der Ansicht ausgehend, dass die dicht gruppirten Knorpelkörperchen durch 'Tochterzellbildung hervorgehen, bemerkt der Verf., dass hierbei der Anfang von der Kapsel gemacht werde. Die eigentliche Knorpelzelle ist am besten ın dem Gallertkern zu studiren. Sie sollen bier gewöhnlich zu mehreren in der Kapsel eingeschlossen sein. Sie sind um so grösser und durchsichtiger, je weicher die Gallertmasse ist; ihr Kern markirt sich als ein röthlich schimmerndes Bläschen, dessen Membran und Kernkörper- chen bei längerer Einwirkung der Essigsäure sichtbar wer- den. Im Centrum des Gallertkerns wird der Kern grösser und nimmt bald ganz oder grösstentheils die ganze Höhle der Zelle ein. Zwischen der gallertartigen und faserigen Masse besteht ein allmäliger Uebergang, indem die Grundsubstanz feinkörnig, dann feinfaserig (feinstreifig R.) wird, während die Zellen sich in die Länge ziehen und in Reihen lagern. In ihrer Form verlängern sich die Zellen bipolar und veräs- teln sich sternförmig. — Die besprochene Kapsel der Knor- pelkörperchen wird für die Mutterzellmembran erklärt, Redfern hat Messungen der Gelenkknorpeln aus ver- schiedenen Lebensaltern angestellt, aus denen hervorgeht, dass dieselben im Alter nicht dünner werden. (On the thickness etc. Montbly Journ, 1854, p. 21 sq.) Knochen. Harting beschreibt und zeichnet in seinem Werke „Het Mieroscop ete.“ (p. 289; Tab. III. Fig. 44) eigen- thümliche Faserzellen, die brückenartig die äusseren Lamel- len zweier angrenzenden Röhrensysteme der Haversschen Kanälchen mit einander verbinden. An den Enden sind die Fasern zuweilen gabelförmig gespalten. Sie zeigten sich an feinen Querschnittchen der Röhrenknochen junger Thiere, die zuvor mit Salzsäure behandelt waren. An Knochenschliffen erscheinen sie, wie die Knochenkörperchen, mit Luft erfüllt, Zahnbein. Huxley hat sich in Betreff der Bildung des Zahnbeins wieder an die Ansicht der älteren Anatomen angeschlossen, nach welcher das Zahnbein durch schichtweise Ablagerung auf den Zahnkeim, ohne dass letzterer mit sei- ner Substanz dabei betheiligt ist, entstanden gedacht wird. Der Verf. gibt an, dass sich zwischen der Membr. praefor- mativa und dem Zahnkeim eine anfangs ganz strukturlose, helle Substanz ausbreite, die als Anlage des Zahnbeins an- zusehen sei. Diese Substanz erreiche bald eine Dicke von "/so0 Zoll, bekomme dann ein fleckiges Aussehen und lasse auf der Oberfläche zahlreiche, sehr kleine Höhlungen sicht- 48 bar werden. Während in der Folge durch weitere Resorp- tion die Höhlungen sich verlängern und die Zahnkanälchen darstellen, verkalke zugleich die lichte Substanz. (On the development of the Teeth, and on the nature and import of Nasmyth’s „Persistent Capsule“. Quarterly Journ, of Mi- crosc. science T. 1.) E. Lent, der in Aufforderung Köllikers die Entwicke- lung des Zahnbeins und Schmelzes (Zeitschr. für wiss. Zool. Bd. VI. p. 121 sq.) studirte, hat sich entschieden für die Betheiligung des Zahnkeims an der Bildung des Zahnbeins ausgesprochen. Er bediente sich zu seinen Untersuchungen menschlicher (von Neugebornen und von Fötus von 6 Mo- naten), aber auch embryonaler und noch nieht durchgebro- chener Zähne vom Kalbe, Kaninchen, Eichhörnchen und vom neugebornen Pferde. Werden solche Zähne so lange mit Salz- säure oder auch mit verdünnter Salpetersäure oder Schwefel- säure behandelt, bis das Zahnbein sehr leicht mit einer Na- del durchstochen werden kann, so lassen sich mikroskopische Stückchen zubereiten, an welchen die Fortsätze der von Kölliker sogenannten Elfenbeinzellen (Sch wanns eylindri- sche Zellen der Zahnkappe) bis in die Zahnröhrchen verfolgt werden können. Bei sorgfältigem Zerzupfen des Präparates liessen sich sogar die ganzen Zahnröhren als Fortsätze der bezeichneten Zellen isoliren. Beim Abheben des als Kappe auf der Zahnpulpa aufsitzenden jungen Zahnes sieht man die Zellen mit den abgerissenen Fäden auf der Oberfläche des Zahnkeims sitzen; die Zellen zeigen häufig noch ihren Kern; ist derselbe undeutlich, so wird er durch Essigsäure heller oder durch verdünnte Jodlösung intensiv gelb. Ausserdem pflegen die Zellen einen granulirten Inhalt zu haben, der um so körniger und dunkler erscheint, je mehr die Säure einge- wirkt hat. Die Verlängerung in die Fortsätze geschieht meist allmälig; die langen Fortsätze haben den Durchmesser eines Zahnkanälchens, also im Mittel 0,001”. An einigen Zellen ist es dem Verf. gelungen deutliche Verästelungen an den Fort- sätzen zu sehen. Beim Zahn eines Füllen liess sich in den Fortsätzen ein deutlicher Inhalt unterscheiden. Die Bildung der eylindrischen Zellen mit ihren Fortsätzen ist am besten in der Periode zu verfolgen, in welcher die erste Lamelle des Zahnbeines auftritt. Um diese Zeit verlängern sich die Zellen der Zahnpulpa unter der Membr. praeformativa zu eylindri- schen Zellen, und der Zahnkeim scheint nur von einem cy- lindrischen Epithel überzogen zu sein. Doch lässt sich die Zellenschicht (Membran. eboris Köllik.) nicht isoliren, auch überkleidet sie anfangs nieht die ganze Zahnpulpe, sondern stets nur die Gegend, die gerade zur Bildung des Zahnbeins vorschreitet. Daher erscheiut sie an der Spitze zuerst und rückt dann nach abwärts vor, bis schliesslich beinahe die ganze Pulpa von solchen Zellen bedeckt ist. Hat die Zelle 49 die eylindrische Form angenommen, so schickt sie ihren Fort- satz aus, der allmälig die Länge von 0,01 —0,02'" erreicht. In der Regel scheint eine einzige Zelle zur Bildung eines Zahnröhrchens verwendet zu werden, doch sieht man zuwei- len auch Verbindungen von 2 Zellen und Zellen mit 2 und mehr Kernen, was auf eine Betheiligung mehrerer Zellen bei der Entwickelung eines Zahnröhrchens hinzuweisen scheint. Sobald übrigens die Bildung von Fortsätzen beginnt, so wer- den auch Kalkablagerungen bemerkbar. Bei Beantwortung der Frage, wo die Grundsubstauz herkommt, in welche sich die Kalksalze absetzen, scheint der Verf. dem Ref. weniger glücklich gewesen zu sein. Es liegt wohl am nächsten, dass die Zahnpulpa, deren Zellen zu Zahnbeinkörperchen sich um- wandeln, auch die Grundsubstanz, in welche diese Zellen eingebettet sind, zur Ablagerung der Kalksalze hergebe oder mit anderen Worten zur Grundsubstanz des Zahnbeins ver- knöchere, Statt dessen bemerkt Lent, dass anfangs zwi- schen den cylindrischen Zellen Grundsubstanz nicht sichtbar sei, und dass dieselbe also entweder von den eylindrischen Zellen selbst und deren Fortsätzen "oder von der Pulpa aus- geschieden werden müsse. Zahnschmelz. Huxley hat die merkwürdige Beobach- tung mitgetheilt (a. a. O.), dass der Schmelz unter der Mem- brana praeformat. sich bilde, dass die letztere Haut und das Schmelzoberhäutchen identisch seien, und dass demnach bei Bildung des Schmelzes das sogenannte Schmelzorgan mit sei- ner Membran nicht betheiligt sei. — Lent hat in der oben bezeichneten Abhandlung auch Untersuchungen über die Bil- dung des Schmelzes gegeben. Er bestätigt die Angabe Hux- leys in Betreff der Membr. praef. An einem Durchschnitt durch Zahnsäckehen, Schmelzorgan und Zahnbein mit der Zahnpulpa folgen die einzelnen Bestandtheile von innen nach aussen so auf einander: Zahnpulpa, Elfenbeinzellenschicht, Elfenbein, Schmelz, Membrana praeformativa, Schmelzmem- bran, der aus gallertartigem Bindegewebe bestehende, später auch Gefässe führende Theil des Schmelzorganes, endlich Zahnsäckchen. An der Innenfläche der Membr. praef. sieht man die Abdrücke der Schmelzprismen, wie schon Huxley angibt; doch Kerne liessen sich nicht unterscheiden. Man überzeugt sich leicht, dass die bisherige Ansicht, nach wel- cher die Zellen der Schmelzmembran zu den Schmelzprismen petrifieiren sollen, bei der bezeichneten Lage der Membrana praef. sich nicht halten lässt. Ueber die Art und Weise, wie sich nun aber die Schmelzprismen bilden, vermag der Verf. nur eine Wahrscheinlichkeits- Theorie aufzustellen. Da näm- lich die strukturlose Membr. praef. keinen Anhaltspunkt für die Bildung der Schmelzprismen gewähre, so könne man sich vorstellen, dass die Zellen der Schmelzmembran durch die Membr. praef. hindurch Sekrete absetzen, die nicht zusam- Müller's Archiv, 1855, Jahresbericht, D 50 menfliessen, sondern isolirt bleiben und als solche verkalken (@R.). — In Betreff des Zahnkittes glaubt der Verf. ge- funden zu haben, dass die Knochenkörperchen aus Zellen hervorgehen. Dieses widerspricht der Ansicht Huxleys, der das Cement aus der strukturlosen Membr. praef. sich bilden lässt. Wahrscheinlich sei bei Bildung des Cements das Zahn- säckchen betheiligt. Kontraktile Substanz und Muskelfasern. Die Beobachtung Ecker’s, dass die kontractile Sub- stanz der Hydren, ja ihr gauzer Körper weder Zellen noch deren Derivate enthalte, durfte mit genügenden Gründen be- zweifelt werden, sobald der Furchungsprozess an den be- fruchteten Eiern von Hydren nachgewiesen war. Diese Zweifel konnten nicht durch die noch zweifelhaftere Angabe Eeker’s beseitigt werden, dass nämlich der Leib der Hydren wesent- lich aus Intereellularsubstanz gebildet würde, und dass die Embryonalzellen selbst für den Aufbau des Embryo-Leibes eine mehr untergeordnete Bedeutung hätten. Leydig hat nun auch wirklich die Beobachtungen Corda’s, Baum- gärtner’s u. A. bestätigt und nachgewiesen, dass unsere Hydren aus Zellen und Zellenderivaten zusammengesetzt sind (Müll. Archiv. 1854, p. 270 sq.). Er unterscheidet an den Hydren ein Epithelium, dessen kernhaltige Zellen an der Basis des Fusses allmälig eylindrisch werden, zweierlei Arten von Nesselorgane enthalten und sehr wahrscheinlich von einer homogenen Cuticula überzogen sind. Unter dem Epithelium liegt, durch eine glashelle, homogene Haut getrennt, das eigentliche Leibesparenchym, welches aus grossen, oval oder rundlich geformten Zellen besteht, die gegen die Höhlen des Thieres hin (namentlich im Leibe und im Arm) hier und da Cilien tragen. Dle Zellmembranen sind elastisch und scheinen untereinander zu einem Netzwerk verschmolzen zu sein. Ausser einem klaren wandständigen Kern und einem gleich- falls wandständigen braunen, bei Hydra virid. grünen Körner- haufen enthalten sie einen klaren ‚ hellflüssigen Zellinhalt, und dieser allein scheint kontraktil zu sein. Auch in der kontractilen Substanz der Räderthierchen hat Leydig die histologischen Eigenschaften der sonst bei wirbellosen Thieren vorkommenden Muskeln erkannt (Zeitsch. f. w. Zool. Bd. VI, p. 91 sq. u. p. 106.). Schon Ehrenberg, Leuckart und Bergmann hatten bei den Rotatorien quer- gestreifte Muskeln beobachtet. Die Elemente der Muskeln sind nach Leydig feine oder dieke Primitiv-Cylinder. Die feinen primitiven Cylinder sind homogene Fäden, die sich namentlich bei Muskelnetzen als Ausläufer von Zellen er- weisen. Die dicken Primitiv-Cylinder enthalten im Innern in grösseren Distanzen Kerne, sind entweder gleichfalls ho- 51 mogen, oder lassen eine Rinde und eine Axensubstanz unter scheiden, welche letztere Moleküle enthält. Der ganze pri- mitive COylinder kann aber auch in kleine Muskeltheilchen zerfallen, so sich den quergestreiften Muskelfasern annähern, ja ihnen vollkommen gleich werden. — In den kleineren Mit- theilungen zur tbierischen Geweblehre (Müll. Archiv 1854, 8.296 sg.) beschreibt Leydig die Muskelfasern von Bullaea aperta, Venus decussata, Sepiola, Loliyo, Echinus esculentus. Bei Bullaea ap. lässt sich an der Faser eine zarte Hülle und eine Innenmasse unterscheiden, die wiederum aus einer homogenen Rinde und einer körnigen Marksubstanz besteht. Bei Venus dec. bestehen die Schalenmuskeln aus klaren, homogenen Cylindern von platter Form mit zwischen gela- gerten Körnern; in den gelben Muskeln des Herzens etc. fin- den sich Oylinder, welche in ihrer ganzen Dicke gekörnelt sind. Die Muskeln von Loligo und Sepiola schliessen sich in ihrem Bau an die der übrigen Mollusken an. Die Axen- substanz zeigt oft eine Annäherung an Querstreifung; im Kie- menherzen sind, wie schon H. Müller fand, wirklich quer- gestreifte Muskelfasern vorhanden; auch Kerne bemerkt man öfters. Eigenthümlich verhalten sich die Muskeleylinder im Kauapparat von Echinus escul. In einer zarten Scheide liegen keilförmige Stücke von ziemlicher Grösse, die quer gegen einander geschoben sind. Ausserdem kommen auch Muskeleylinder vor, die in der Axe, neben den keilförmigen zunächst der Hülle gelegenen Stücken, ein Bündel blasser Fasern einschliessen; zuweilen finden sich auch in der Hülle die bezeichneten Fibrillen allein vor. Ueber die grauen, gallertartigen, netzförmig sich ausbrei- tenden Purkinjeschen Fäden im Endocardium der Wie- derkäuer, die namentlich sehr leicht beim Schafherzen zu finden sind, hat v. Hessling „histologische Mittheilungen* gemacht (Zeitschr. für wiss. Zool. Bd. V. p. 189 sq.). Unter dem Mikroskop zeigen sich die Fäden blassgelb gefärbt und aus polyedrischen Körnern zusammengesetzt. Ihre Maschen sind von Fettzellen allein oder mit Bindegewebe und elasti- schem Gewebe erfüllt. Sie endigen in der Muskelsubstanz oder in den Faserschichten des Endocardiums. Auch in den äusseren Faserlagen unter dem Pericardium ist ihre Verbreitung gar nicht selten. Die oben bezeichneten Körner stellen so- lide Körper von etwa wachsartiger Konsistenz und sehr gros- ser Durchsichtigkeit dar. Sie sind im Allgemeinen von un- regelmässiger Gestalt, doch meist in die Länge ausgezogen. Der Längsdurchmesser beträgt im Mittel: beim Schafe 0,05 bis 0,05“, bei der Ziege 0,02"‘, beim Kalbe 0,01 — 0,04", beim Schweine 0,03— 0,05", Zeitweise erscheinen die Körner ganz strukturlos; in anderen Fällen ist die Masse feinkörnig, mit 1—3 Kernen versehen, gewöhnlich aber nach mehreren Rich- tungen gestreift und bisweilen von Fettmolekeln angefüllt, 2* 52 Sind mehrere Kerne vorhanden, so liegen sie meist hinter einander und werden im ganzen oder halben Umikreise von feinen, grauen, bisweilen goldgelben, glänzenden Körnchen umgeben. Die etwa vorbandene Längsstreifung der Körner ist selten parallel, und nicht ein einziges Mal hat sich ein Zerfallen in Längsfasern beobachten lassen. Häufiger zeigt sich Querstreifung, die stets der Längsaxe folgt und voll- kommen derjenigen quergestreifter Muskelfasern gleicht. Auch verhalten sich die Reagentien im Wesentlichen ebenso, wie bei willkürlichen Muskelfasern. Die genannten Körner lie- gen in strukturlosen, höchstens mit eingestreuten Kernen ver- sehenen, glasbellen Scheiden, aus denen sie leicht herausfal- len, und die mit dem Bindegewebe des Endocardiums in Ver- bindung stehen. Sie werden von einer der übrigen Muskel- masse des Herzens gleichen Substanz auf das Innigste ein- gehüllt. Der Verfasser hält die fraglichen Körper für neben einander liegende Stücke getrennter Muskelsubstanz, deren Vorkommen jedoch zu constant sei, als dass man sie für pa- thologisch ansehen könne. Kölliker hat bekanntlich (Mikr. Anat. Bd. II. p. 494) ihre Kontraktionen beobachtet und er- klärt sie für gekernte Zellen, deren Inhalt in quergestreifte Muskelmasse sich umgewandelt hat; sie werden von ihm auch quergestreifte Muskelzellen genannt. — Innerhalb der Purkinjeschen Fäden, so wie selbst in der Muskelmasse des Herzens beobachtete v. Hessling theils runde, theils läng- liche Körper von dunkelm, körnigem Anseben. Die runden Körper haben einen Durchmesser von 0,12; bei den läng- lichen beträgt die grösste Länge 0,15 — 0,20“, die Breite 0,05 — 0,08 (Schaf, Ochs). Sie lassen sich leicht isoliren, besitzen eine strukturlose Hülle und eine zähe, dem Eiweiss ähnliche, hyaline Inhaltsmasse, in welcher verschieden ge- staltete Körperchen und zwischen ihnen Fettkörnchen in gros- ser Menge suspendirt sind. Referent hat die Purkinjeschen Fäden beim Schafe gleich- falls einer Untersuchung unterworfen. Was v. Hessling über die fraglichen Körper ın diesen Fäden mittheilt, ist im We- sentlichen richtig; eine Zellmembran besitzen sie nicht, wie auch v. Hessling bemerkt. Die zwischen ihnen sichtbare quergestreifte Zeichnung, welche vom Verfasser für zwischen gelagerte, gewöhnliche Muskelmasse des Herzens gehalten wird, ist nach des Referenten Ansicht auf die spiegelnden, quergestreiften oder auch längsgestreiften Seitenwände der Körperchen selbst zurückzuführen !). In Betreff der Deutung 1) Einige Beobachter (Donders, Harting, Kölliker) geben an, dass die Fibrillen der Muskelfasern des Herzens auf Querschnitten eine strahlige Anordnung zeigen. Nach des Referenten Dafürhalten entsteht eine solche strahlige Zeichnung in auffallender Weise nur da- durch, dass die streifige Zeichnung des Muskelfasermantels oder des 53 dieser fraglichen Körper, sowie der Purkinjeschen Fäden überhaupt scheint es dem Ref., als habe man mehr Schwie- rigkeiten gesucht als wirklich vorhanden sind. An frischen Präparaten, namentlich aber sehr gut an Schnittchen getrock- neter Präparate überzeugt man sich, dass man es mit einer gewöhnlichen quergestreiften Muskelfaser oder mit einem pri- mitiven Muskeleylinder zu thun hat, der durch die ausseror- dentliche Kürze, desgleichen durch seine Dieke, durch die grosse Pellueidität, durch die bei embryonalen, quergestreif- ten Muskelfasern häufig vorkommenden Kerne und körnige Masse in der Axe, endlich auch durch die Lagerung von den darunter und daneben verlaufenden übrigen Muskelfasern des Herzens sich auszeichnet. Die kurzen Muskeleylinder sind mit dem einen abgestumpften Ende gegen die übrige Mus- kelmasse des Herzens, mit dem andern gegen die elastische Faserschicht des Endocardiums gerichtet, in welcher nicht selten Fettkörnchen aufgehäuft liegen. Bei der Flächenan- sieht der Purkinjeschen Fäden siebt man dieses Ende der Muskelfaser, den natürlichen Querschnitt mit der körnigen Axensubstanz und den gewöhnlich darin bemerkbaren Ker- nen; das mikroskopische Bild erinnert an eine Zelle. Die Endigungsweise der Primitivmuskelbündel ist nicht abnorm, sie ist vielmehr gerade so, wie sie Ref. überhaupt von den gestreiften Muskelfasern angegeben hat, und die hier so recht übersichtlich zur Anschauung tritt. Auch das Verhalten der primitiven Muskelscheiden bietet nichts Abnormes dar; bei den kurzen Primitivmuskelbündeln ist das Studium desselben sogar sehr lehrreich für die Beurtheilung normaler Verhält- nisse, An feinen Schnittehen getrockneter Herzsubstanz fällt nämlich die fibrilläre Masse der Primitivmuskelbündel leicht heraus, und es liegen nun die Primitivscheiden entleert vor uns. Sie stehen einerseits mit der elastischen Faserschicht des Endocardiums, andererseits mit der Bindesubstanz der übrigen Herzmuskulatur in kontinuirlicher Verbindung. Man überzeugt sich hierbei zugleich, dass zwischen den La- mellen dieser Scheiden keine andere Muskelsubstanz einge- schoben ist; ja die Scheiden der primitiven Muskelbündel stel- len sich wie ein aus homogenen Lamellen von Bindesubstanz gebildetes Fachwerk dar, in dessen Räume die fibrilläre Masse eingelegt ist. Das Endocardium ist in der Gegend der Pur- kinjeschen Fäden nicht anders beschaffen, als da, wo das- selbe die übrige Herzmuskulatur überzieht. Ref. unterschei- det die tiefste, durch zahlreiche elastische Fasernetze ausge- Längsschnittes in das mikroskopische Bild des Querschnittes aufgenom- men und das Ganze auf die Ebene des Querschnittes bezogen wird. An recht dünnen Querschnittchen hat Ref. vergebens nach einer ecla- tanten strahligen Zeichnung gesucht; es steht dann sehr in unserem Belieben wie man sich die Pünktchen geordnet denken will, 54 zeichnete Bindegewebeschicht — elastische Faserschicht —, die zunächst an die Muskulatur grenzt. Darüber liegt eine liehtere Substanz von zäher Beschaffenheit, die in einer lich- ten, mehr gallertartigen Grundsubstanz spindelförmige Kör- perchen enthält und wahrscheinlich als eine Form unreifen Bindegewebes anzusehen ist. Dann folgt eine granulirte und streifig erscheinende, das Licht stark brechende Grenzlamelle, welche elliptisch oder kreisförmig begrenzte, kernähnliche, platte Körperchen zeigt, und die entweder eine epitheliale Membran oder gleichfalls eine Lamelle von Bindesubstanz, eine Art intermediäre Haut (basement membrane) darstellt. Auf ihrer freien Fläche breitet sich das Gefässepithelium aus. Die Zeichnung der gallertartigen, grauen Purkinjeschen Fä- den wird daher ausschliesslich durch das Auftreten der be- sprochenen kurzen Muskeleylinder an jener Stelle bedingt. Der Lage nach werden die kurzen Primitivmuskelbündel bei ihrer Kontraktion das Endocardium und die sehnenartigen Aus- läufer desselben spannen müssen; wir haben es mit einem netzförmig ausgebreiteten Spannmuskel des Endocar- diums zu thun, dessen primitive Muskelbündel etwas an- ders als die der übrigen Herzmuskulatur sich verhalten. Im Amnion der Hühnerembryonen, dessen Kontrak- tionen bereits v. Bär beschrieben hat, sind von Remak die Muskelfasern nachgewiesen. Es sind einkernige Muskclfasern, die im frischen Zustande nicht leicht, wohl aber nach dem Absterben oder nach Behandlung des Präparates mit Alko- hol 30 °% , Sublimatlösung 0,2 %%, Chromsäure 0,2 %, ete. sich isoliren lassen. Der Centraltheil der Faser scheint bau- chig angeschwollen, und man unterscheidet an der gewöhn- lich abgeplatteten Faser eine dünne durchsichtige und eine dickere, weniger durchsichtige Seitenhälfte. Die letztere zeigt zuweilen so regelmässige, dichte Querfurchen (?R.), dass man versucht werden könnte, die Fasern zu den querge- streiften zu zählen. Die Muskelfasern bören am Bauchnabel auf; im Amnion des Kaninchens, Schweines, des Menschen waren sie nieht vorzufinden (Müll. Archiv 1854, p. 396). Harting ist der Ansicht, dass die ellipsoidischen Kör- perchen, aus welchen die Fibrille eines menschlichen Mus- kelbündels besteht, Bläschen darstellen. Der Verf. schliesst dieses aus dem Verhalten dieser Körperchen bei Kontraktion der Muskelfasern von einem Fisch, Frosch oder Insekt unter dem Mikroskop, wenn ein elektrischer Strom hindurchgelei- tet wird; die ellipsoidischen Körperchen werden nämlich ey- lindrisch. Bei den Fibrillen von Oestrus equi haben die ein- zelnen Körperchen eine mehr rhombische Gestalt. Harting lässt die einzelnen Körperchen der Fibrillen durch moleku- kulare Präcipitation aus dem Zelleninhalt sich bilden; der Kern der ursprünglichen Zellen geht bei Entwickelung der 55 fibrillären Substanz der Muskelfaser verloren (Het. Mikroskop A > 120 seg. und $. 171 sq.). ach Mayer bestehen die Fibrillen der Primitivmuskel- bündel von der Fliege und von Gammarus puler aus einer Längsreihe von viereckigen, gekernten Plättehen, deren Durch- messer '/ono— "/iaoo beträgt. Desgleichen macht der Verf. auf die körnige Axensnbstanz aufmerksam, die namentlich in den Primitivmuskelbündeln von Dytiscus marginalis die Axen- gegend einnimmt und als ein Mittelstreifen sich zu erkennen gibt; derselbe wird„Axencylinder des primitiven Mus- kelbündels“ genannt. Die Nervenfasern sollen sich im In- nern des primitiven Muskelbündels verästeln (Müll. Archiv 1856, p. 214 sq.). Ueber das Verhältniss der gestreiften Muskelfasern zur Sehne bemerkt Bruch, dass er sich von der abgestumpften Endigungsweise derselben in abgekochten Augenmuskeln von Säugethieren neuerdings gleichfalls bestimmt überzeugt habe (Zeitschr. für wiss. Zool. Bd. VI. p. 198). — Ueber die Tex- tur der glatten Muskelfasern hat J. F. Mazonn seine, ihm eigenthümliche Ansicht mitgetheilt (Müll. Archiv 1854, p- 25 sq.). — Die Muskelfasern von Phyllirhoe bucephalum be- schreiben H. Müller und Gegenbaur (Zeitschr. für wiss. Zool. Bd. V. p. 355 sq.). — Ueber die Entwickelung ge- streifter Muskelfasern schreibt Günsburg: Unters. ete. p. 1. In der Abhandlung: „Recherches sur les albuminoides* (Arch. general. d. med. 1853, p. 681 sq.) machen Leconte und A. de Goumoens die Mittheilung, dass ebenso, wie Blutfibrin, Kasein, Eiweiss, Vitellin und Globulin, so auch die glatte und gestreifte Muskelfasersubstanz zwei chemisch verschiedene Stoffe enthalte; der eine ist in Acidum acetic. erystall. auflöslich und wird Oxoluine (9&0s-Avw) genannt, der andere ist darin nicht löslich und heisst Anoxoluine. Die in kryst. Essigsäure lösliche Substanz schlägt sich durch Neutralisation der Flüssigkeit als Flocken nieder, in welchen, wie beim Blutfibrin, Körnchen erkannt werden. Die in kryst. Essigsäure unlösliche fibrilläre Substanz hat die Streifung verloren und ist in Acid. tartarie. löslich, während die in Körnchen erscheinende Oxoluine dadurch aufquillt, ohne zu verschwinden. Die Anoxoluine der fibrillären Substanz wird durch Salzsäure violett gefärbt, doch ist die Färbung nicht so lebhaft, wie bei der faserigen Substanz des Blutfibrins. Histologische Formelemente des Nervensystems. Bei Phyllirhoe bucephaluw scheinen zufolge der An- aben Gegenbaurs und Müllers (Zeitschr. f. wiss. Zool, d. V. p. 560) nur nach einer Seite hin Fortsätze von dem Ganglienkörper auszugehen. Deutliche Fasern sind in den 56 Nerven nicht zu unterscheiden. Der sich verästelnde Nerv bestebt aus einer hellen, oft quergerunzelten Scheide, die mit einzelnen Kernen versehen ist, und aus einem hellen, feinkörnig streifigen Inhalt. In einzelnen Fällen sind kleine Gruppen von Ganglienzellen in die Scheide eingelagert. — Von dem Nervengewebe der Räderthierchen bemerkt Ley- dig, dass dasselbe als aus umgewandelten Zellen hervorge- gangen zu betrachten sei. Die Zellenmembran übernehme die Rolle der Nervenscheide, der Zellinhalt werde zu einer blass molekulären Substanz, die eigentlichen Nervenmolekeln, zwi- schen denen an manchen Orten, — bei Endigung der sensi- blen Nervenfasern, — noch der ursprüngliche Kern sich er- halte und durch Anschwellung der Faser zur Bildung von Nervenkörpern beitrage (Zeitschr. f. w. Zool. Bd. VI. p. 106). Marcusen hat nun gleichfalls die schon im vorigen Jah- resberichte erwähnte Beobachtung mitgetheilt, dass die Ner- venfasern des elektrischen Organes beim Zitterwels nur aus einer einzigen Stammfaser hervorgehen. Dieselbe hat am Ursprunge eine Breite von 0,025Mm. und besitzt einen Axen- eylinder von 0,008 — 0,009 Mm. im Durchmesser (Bericht der Petersb. Akad. 1853, 24. Juni). — Bilharz hat zufolge der Berichte der Freiburg. Gesellsch. (No. 2 sq.) gefunden, dass die in Rede stehende elektrische Primitivfaser jeder- seits mit einer '/,—'"/;" grossen Ganglienzelle in Verbin- dung stehe. Unter dem Namen „Perineyre* beschreibt Robin aus- führlich die Primitivscheide der Nervenfasern, ohne jedoch wesentlich neue Eigenschaften beizubringen (Note sur le pe- rineyre, espece nouvelle d’element anatomique, qui concourt a la constitution du tissu nerveux peripherique; Arch. gener. 1854, p. 323 sq.). — Die Endigung der Nervenfasern in Schlingen wird von Gerlach für den Zahnkeim (Hndbuch d. allg. u. spez. Geweblehre 1854, p.176) und für die Zungenpapillen (a. a. O.p.294) festgehalten. Schlingenbildung und netzförmige Verbindungen sollen nach de Ruiter (De actione belladon- nae in iridem, Traj. ad Rhen. 1853) in den Endigungen der Irisnerven vorkommen. Kölliker bestätigt (Mikrosk. Anat. p. 647) diese Angabe und fügt zugleich hinzu, dass netzför- mige Verbindungen der peripherischen Nervenendigungen in der Haut der Maus leicht zu konstatiren seien. Auch in den Papillen der Clitoris des Schweines sah Kölliker Schlin- genbildung (a. a. ©. p. 458). — Die Netzhaut hat mehrere Forscher beschäftigt. Nach Remak (Allg. medicinische Oentralzeit. 1854, p. 1) drängen sich die multipolaren Ganglienzellen zwischen die Fasern oder vielmehr in die Maschen des netzförmig sich ausbrei- tenden Sehnerven. An der Innenfläche der Retina lassen sich demnach faserige und gangliöse Meridiane unterscheiden. ) 57 Die verästelten Fortsätze der Ganglienzellen haben die Ei- genschaften von Nervenfasern und verfolgen in ihrer Aus- breitung die Richtung von hinten nach vorn, gleich den Fa- serzügen des Sehnerven selbst. Die nach aussen von der Ganglienzellenschicht gelegene Körnerschicht besteht nach dem Verf. gleichfalls aus multipolaren Ganglenzellen , die aber kleiner sind. Sie wird durch eine sehr dünne Faser- lage von der äusseren Körnerschicht getrennt, in welcher weder Nervenfasern, noch Ganglienzellen nachzuweisen sind. Sie soll nur aus radiär gestellten, kernhaltigen Fasern be- stehen, die „an ihren, verbreiterten, kernhaltigen Aussenflä- chen mit den Stäbchen und Zapfen besetzt sind“. Von die- sen Fasern gehen Fortsätze in radiärer Richtung (Müller- sche radiäre Fasern) durch die Schichten der Retina bis zur Membr. limitans, woselbst sie durch Erweiterung mit einan- der verschmelzen, anastomosiren und eigentlich die Membr. limit. bilden sollen. Remak hält die Membr. limit. mit den radiären Fasern für einen „bindegewebig elastischen Stütz- apparat* der Netzhaut. Im Bereiche der Maeula lutea lau- fen sämmtliche aus Nervenfasern und Ganglienzellen beste- hende Schichten in eine gangliöse, durch multipolare Gan- glienzellen gebildete Platte (Lamina gangliosa) zusammen, deren verdünnter, napfförmiger Centraltheil (Fovea optica) in dem gesunden Auge eines Kindes von einer Spalte durch- bohrt erschien. Bis zur Sehgrube konnte der Verf. die Aus- breitung der Fasern des N. opticus verfolgen. Auch die ra- diären Fasern fehlen hier; die von festen Scheiden umhüll- ten Ganglienzellen werden nach aussen von den Zapfen be- deckt, und zwischen ihnen und der Choroidea befindet sich eine intensiv gelbe glashelle Substanz. In der Peripherie der Macula lutea sind die Stiele der Zapfen sehr lang und ge- schlängelt. Das innere Ende der Zapfen soll mit den Schei- den der Ganglienzellen der Lamin. ganglios. in Verbindung stehen. — M. de Vintschgau hat die mikroskopische Struk- tur der Retina beim Menschen, Säugethieren, Vögeln, Am- pbibien, Fischen und bei Cephalopoden untersucht. Der Verf. unterscheidet, von der Membrana limitans abgesehen, sechs Schichten beim Menschen: die Stäbchen- und Zapfenschicht, die äussere und die innere Körnerschicht, die molekulare Schicht, die Nervenzellenschicht und die Ausbreitung der Fa- sern des n, opticus. Am inneren Ende des Zapfenstiels, da, wo derselbe in den Zapfen übergeht, befindet sich nach V. beim Menschen (nicht bei Säugethieren) das schon von Pap- penheim und Paecini beobachtete, farblose, rundliche Kü- Ben; das bei Vögeln und anderen Thieren durch schöne ärbungen ausgezeichnet ist. Sein Durchmesser beträgt un- efähr 0,0034 - 0,0044 Mm. Am inneren Ende des Zapfens eschreibt der Verf. beim Menschen (nicht bei Säugethieren) ein kernartiges Gebilde mit einem Durchm. von 0,0068 Mm. 58 Derselbe reicht schon in die äussere Körnerschicht hinein und entspricht der „kerntragenden Anschwellung“ Köllikers oder dem „Zapfenkern*“. Von hier setzen sich die Zapfen in Mül- lers radiäre Fasern fort, welche, die äussere Körnerschicht durchsetzend, in der inneren Körnerschicht zu spindelförmi- gen, mit der Längsaxe in der Richtung der Radien gestell- ten Körpern (Köllikers innerer Zapfenkern R.) sich er- weitern und dann weiter mit Fortsätzen der Ganglienzellen in Verbindung stehen. Gewöhnlich theilen sich diese zu den Zapfen gehörigen radiären Fasern beim Uebergange in die Ganglienzellenschicht in mehrere Aeste. Die in radiäre Fa- sern sich fortsetzenden Ausläufer der Stäbehen stehen mit der äusseren Körnerschicht in Verbindung, doch nicht direkt, son- dern vermittelst seitlicher Zweige, die in die Fortsätze der Körner dieser Schicht übergehen. Viutschgau beobachtete mehrere Male, dass die isolirten radiären Fasern mit Fort- sätzen der Zellen aus der Ganglienschicht sich im Zusam- menhange befanden. In der inneren Körnerschicht finden sich nach dem Verf. ausser solchen Körperchen, die denen iu der äusseren Körnerschicht ganz gleichen, die oben bezeichneten spindelförmigen Anschwellungen der mit den Zapfen in Ver- bindung stehenden radiären Fasern und unregelmässig ge- staltete, kernhaltige Zellen. Letztere senden feine Fortsätze aus, sind etwas kleiner als die Nervenkörper der Ganglien- zellenschicht und bilden eine fast zusammenhängende Lage auf der Grenzscheide der inneren Körnersehicht und der nach innen folgenden molekularen Schicht. In der zwischen bei- den Körnerschichten befindlichen molekularen (internucleare) Schicht erkennt der Verf. ausser durchziehenden radiären Fa- sern zarte, sphärische Zellen mit fein granulirtem Inhalte und einem kernkörperchenähnlichen Flecken; sie sind beson- ders deutlich in der Nähe des gelben Flecks. Zwischen der inneren Körnerschicht und der Ganglienschicht liegt nach V. die schlechtweg sogenannte moleeulare Schicht (graue Ner- vensubstanz, Pac. und Köll.), die aus fein granulirter Sub- stanz und Fäden besteht. Die Fäden gehören zu den radiä- ren Fasern und zu den Fortsätzen der Ganglienkörper, wel- che letztere sowohl mit dem radiären Fasern als mit den Nervenfasern des Optieus Verbindungen unterhalten. Die ra- diären Fasern sollen, ohne sich auszubreiten, sehr innig auch an die Membr. limitans sich anlegen und mit derselben ver- bunden sein. In Betreff der Ausbreituug der beiden Körner- sehichten bemerkt der Verf., dass sie überall und zwar ge- trennt bis zur Ora serrata vorzufinden sind, namentlich auch in der Macula lutea; die äussere Körnerschicht nimmt in ih- rer Ausbreitung von hinten nach vorn an Dicke zu, die in- nere dagegen ab. — Bei den Cephalopoden folgt auf die Membr. limitans: eine Schicht von Zellen mit feinen Fort- sätzen, darauf eine parallele Faserschieht, die radiär gestellt 59 ist und von H. Müller mit den Stäbchen der Vertebraten verglichen wird; sodann spindelförmige, gleichfalls radiär ge- richtete, pigmentirte Körperchen, die einerseits mit den pa- rallelen Fasern, andererseits mit den Kernen der nächstfol- genden nucleären Schicht sich verbinden, und endlich nach aussen von der nucleären Schicht breitet sich der N. opticus aus (Recerche sulla struttura mierose. ete. Sitzungsberichte der Kaiserl. Akad. zu Wien; mathem.-naturwiss. Kl. Bd. XI. p- 943 sq.). — Die Köllikerschen Beobachtungen über die mikroskopisch-anatomische Beschaffenheit der Retina, die im Wesentlichen mit den Angaben Müllers in Betreff der Re- tina der Säugethiere übereinstimmen, sind ausführlich in der mikroskopischen Anatomie (p. 649 — 703) mitgetheilt. Ref. kann aus dieser wichtigen Arbeit, von welcher die Hauptre- sultate schon in den beiden letzten Jahresberichten bespro- chen worden sind, nur Einzelnes hervorheben, Genau ge- nommen lassen sich nach Köll. 9 Lagen in der Retina des Menschen unterscheiden: die Stäbchen- und Zapfenschicht, die äussere Körnerschicht, die Zwischenkörnerlage, die innere Körnerschicht, die freikörnige, graue Substanz, die Nerven- oder Ganglienzellenschicht, die Sehnervausbreitung, die inne- ren, sich ausbreitenden Enden der radiären Fasern, die Mem- brana limitans, die jedoch passend in 5 Schichten zusammen- zuziehen sind, indem die Körnerschichten mit der Zwischen- körnerlage zusammengefasst und die Endausbreitung der ra- diären Fasern nicht besonders hervorgehoben wird. Die Schicht der Stäbehen und Zapfen wird nicht wie früher in zwei La- gen getrennt, da sich erwiesen hat, dass die innere Grenze des Zapfenkörpers und Stäbehenkörpers in gleicher Linie liegt, und dass der gekernte Anhang des Zapfenkörpers, das Za- pfenkorn, in die äussere Körnerschicht hineinragt. Die Aequi- valente der Zapfenkörner sind für die Stäbchen die sonst in der äusseren Körnerschicht vorkommenden Körner, welche gleichfalls Kerne besitzen und zuweilen unmittelbar als An- hang der Stäbchenkörper auftreten, gewöhnlich aber vermit- telst dünner Fäden (radiärer Fasern) mit den letzteren in Verbindung stehen. Die äussere Körnerschicht wird demnach, abgesehen von einer geringfügigen Zwischensubstanz, aus den äusseren Zapfen-, den äusseren Stäbchen-Körnern und radiä- ren Fasern gebildet, die von den genannten Körnern nach den äussersten oder nach den inneren Schichten der Retina fortziehen. Die äusseren Stäbehenkörner sind etwas kleiner als die Zapfenkörner. In der Zwischenkörnerschicht sieht man ausser einer homogenen, oder feinkörnigen Verbindungs- substanz die radiär sich fortsetzenden feinen Ausläufer (Mül- lersche Fasern) der bezeichneten Körner zu der inneren Kör- nerschicht und den sogenannten inneren Zapfen- und Stäb- chenkörnern, mit welchen sie sich direkt verbinden. Mehrere äussere Stäbchenkörner vereinigen sich durch ihre fadenför- 60 migen Ausläufer zuweilen zu einem einzigen Faden, der dann mit einem einzigen inneren Stäbchenkorn zusammenhängt. Die in der inneren Körnerschicht gelegenen, inneren Zapfenkör- ner sind meist spindelförmig; das äussere Ende ist zu den Zapfen, das innere nach der Membr. limit. gerichtet. Die in derselben Schicht vorkommenden inneren Stäbehenkörner sind meist von eckiger, dreieckiger Form. Von den Ausläufern zieht der eine radiär zur Stäbebenschicht, die anderen theils radiär zur Membr. limitans, theils in der Flächenausbreitung der Retina weiter. Auch die inneren Körner besitzen einen Kern. Die feinkörnige, graue Substanz besteht aus vielen durch einander gewirrten Fäden, die theils zu den radiären Fasern, theils zu den Ausläufern der Nervenzellen in der Ganglienzellenschicht gehören. Die multipolaren Nervenkör- per in der Ganglienzellenschicht hängen durch ihre Fortsätze theils mit den Fasern des Opticus, theils und wahrscheinlich auch mit den radiären Fasern der Stäbchen- Zapfen- und Körnerschichten zusammen. Sehr auffallend bleibt bei dieser Vorstellung, dass die radiären Fasern eine, wenn auch lok- kere Verbindung mit der Membr. limit unterhalten (R.). Der Verf. hält es für sehr wahrscheinlich , dass die äusseren und inneren Stäbchen- und Zapfenkörner Nervenzellen seien, dass demnach die Ausläufer derselben einerseits (radiäre Fasern) mit den grossen multipolaren Nervenkörpern der Ganglien- zellenschicht und durch diese mit den Optikusfasern zusam- menhängen, und dass andererseits (in der Stäbchen- und Za- pfenschicht) die Ausläufer zu den Stäbchen und Zapfen sich verwandelt haben. Zwischen den multipolaren Nervenkör- pern und den Stäbehen und Zapfen liegen aber intereurrent zwei kleinere Nervenkörper: die äusseren und inneren Za- pfen- und Stäbchenkörper. Alle Schichten der Retina lassen sich, von der Macula lutea abgesehen, bis zur Ora ser- rata verfolgen, woselbst das oben beschriebene Epithelium sich an sie anschliesst. Am gelben Fleck fehlt die Schicht der Sehnervenfasern; die Ganglienzellenschicht berührt un- mittelbar die Membr. limitans. Doch verlieren sich einzelne Fasern zwischen den Zellen dieser Schicht, obschon eine Ver- bindung mit denselben nicht mit Sicherheit nachzuweisen war. Von den übrigen Schichten der Netzhaut hört die feinkörnige graue Substanz schon in dem peripherischen Bezirke des gel- ben Flecks auf, und die Zwischenkörnerschicht fehlt in der Fovea centralis. Desgleichen bestätigt der Verf., dass im Bereiche der Macula lutea nur Zapfen vorkommen. — Von der in Chromsäure erhärteten Retina eines Hingerichteten hat Bergmann über die Maeula lutea folgende Beobach- tungen mitgetheilt (Zeitschr. f. rat. Mediz. Bd. V. p. 247 sq.). Der gelbe Fleck markirte sich als ein etwa birnförmiges Feld, welches seine Spitze gegen den Collieulus n. opt. kehrte und na seiner oberen und unteren Seite von einem zarten, erha- 61 benen Randwulste eingefasst war. An der Spitze waren die beiden Randwülste von einer Mittelwulst (plica centralis) un- terbrochen; am entgegengesetzten Ende verloren sie sich all- mälig ohne Schluss. In der von den Randwülsten eingeschlos- senen Area centralis lag in der Mitte die kleine, eckige, sehr scharf gezeichnete Fovea centralis. Auf Durchschnitten er- wiesen sich die Randwülste als von den bogenförmig um den gelben Fleck verlaufenden Nervenbündeln gebildet; an der Area dagegen wird die Nervenfaserschicht rasch dünn, und dann beginnt die starke Ganglienschicht, über welcher die Membr. limitans sich frei abhebt. Mit Schärfe liess sich fer- ner erkennen, dass sich die Ganglienkörperschieht nieht über den Boden der Fov. centr. fortsetzte, während die beiden Körnerschichten, sammt der Zwischenkörnerschicht, unge- stört obschon sehr verdünnt fortliefen. Eigenthümlich ist das Verhalten der von den Zapfen durch die äussere Körner- schicht nach der inneren Körnerschicht und den Ganglien- zellen ausstrablenden radiären Fasern. Dieselben weichen nämlich in einer Gegend, welche die Fovea centralis zum Mittelpunkt hat, nach allen Seiten aus einander, um gleich- sam das riugs um das Grübchen gelegene, mächtige Gan- glienbette aufzusuchen und sich mit diesem und weiterhin mit den Sehnervenfasern zu verbinden. — Die von H. Mül- ler an dem Auge eines Enthaupteten angestellten Beobach- tungen ergaben in Betreff der Macula lutea Folgendes (Würz- burg. Verhandl. Bd. V. p. 16). Die gelbe Färbung war in der Mitte der Macul. lut. durch sehr grosse Durchsichtigkeit aus- gezeichnet; von einer wirklichen Lücke konnte der Verf. sich nicht überzeugen. Die Zapfen daselbst zeigten sich schmä- ler, länger gestreckt, als ausserhalb der M. lutea. Die bau- chige Anschwellung derselben war fast gar nicht bemerkbar. Die totale Länge betrug 0,02. Ebenso wie an der Macula lutea fand H. Müller auch an der Ora serrata die Zapfen sehr dicht gedrängt. Ueber die Endigungsweise des Gehörnerven in der Schnecke gibt Kölliker folgende Mittheilungen (Ueber die letzten En- digungen des Nerv. cochl. Jubelschr. 1854. 4to.). An Durch- schnittchen der vorher kurze Zeit mit Salzsäure behandelten Lamina spiralis überzeugte sich der Verf., dass der Nerv, eochleae nicht am freien Rande der Lamina spiralis oss. in der Scala tympani endige, sondern vielmehr daselbst (am Rande des Sulcus semieircul. Huschke) die Lamina spiralis membr. durchsetze, in die Scala vestibuli gelange und hier mit den Cortischen Zähnen der zweiten Reihe endige. Der Theil der Habenula denticulata, an welcher die Nerven hin- durchtreten, wird Habenula perforata genannt. In der ersten Schneckenwindung lässt sich dieser Uebergaug, nachdem die Nerven abpräparirt sind, auch von der Fläche erkennen; am Hamulus, wo die Nervenausbreitung dünn ist, selbst ohne 62 weitere Vorbereitung. Entgegen Corti bemerkt ferner der Verf., dass die Ausbreitung des Nerv. cochl. nirgends frei in der Scala tymp. liege, und dass sie vielmehr, sobald sie aus dem Knochen hervortrete, von zwei Beinhautlamellen einge- schlossen werde. Das Cortische Organ, so nennt K. die Zähne zweiter Reihe mit den auf ihnen sitzenden gestielten Zellen, sei demnach als die eigentliche Endigung des Nervus cochleae anzusehen. Auch die mikroskopisch - chemischen Re- aktionen sprechen nach Köllikers Beobachtung für die Ue- bereinstimmung mit blassen Nervenfasern und Ausläufern von Ganglienzellen. Für die einzelnen Zähne der zweiten Reihe schlägt der Verf. den Namen „Cortische Fasern“ vor. Die kernhaltige Anschwellnng, mit welcher dieselben beginnen, wird für eine bipolare Ganglienkugel gehalten, die einerseits mit den dunkelrandigen Fasern des Nerv. cochl., andererseits mit den Cortischen Fasern in Verbindung steht; die drei Cylinderepithelialzellen Cortis seien endständige Ganglien- kugeln. — "In Betreff der Tastkörperchen ergeben Köllikers Un- tersuchungen an einem Enthaupteten (Würzb. Verhandl. Bd. V. p. 25), dass die Querstreifung ganz bestimmt durch Kerne, welche wahrscheinlich spindelförmigen Bindesubstanzkörper- chen angehören, bedingt seien. Die Endigung der oft in Spi- raltouren aussen um die Körperchen gelegenen Nervenfasern liess sich nicht übersehen. Der Verf. hat ferner wenig ent- wickelte Tastkörperchen an der Brustwarze, an der Glans penis und clitoridis gefunden (Handb: der Gewebel. p. 108). Meissner hält dagegen die Ansicht fest, dass die queren Fasern wirklich die aus der Theilung doppeltkontourirter Nervenfasern entspringenden Endäste sind. Er stützt sich dabei auf das Verhalten der Tastkörperchen etwa einjähriger Kinder und auf pathologische Zustände derselben (Zeitschr, f. wiss, Zoologie Bd. VI. p. 296). R. Wagner erklärt sich zufolge neuerer Untersuchungen gegen das Vorhandensein einer eigenthümlichen Membran und gegen die Bläschenform der Tastkörperchen. Der Verf. hält es für wahrscheinlich, dass die Tastkörperchen grösstentheils aus verzweigten, zu- sammengeballten Nervenfasern bestehen, die in eine elasti- sche Substanz von ziemlicher Konsistenz eingebettet seien (Neurolog. Unters. Gött. 1854, p. 134). Nach Mayer (Ver- handlungen der Rhein. naturforsch. Gesellsch. Bd. X, p. 372) sollen die Tastkörperchen im Innern eine primitive Jymphati- sche Drüse mit primitiven Lymphgefässen enthalten. Die Vater-Pacinischen Körperchen hat Leydig von einer jungen Feldmaus aus der Gegend zwischen den Vorderarmknochen untersucht. Dieselben weichen in ihrer Struktur gleichfalls von denen der Vögel ab und stimmen mehr mit den Vater-Pacinischen Körperchen der übrigen Säugethiere überein (Müll. Archiv 1854, p. 339). Kölliker 63 bestätigt die Beobachtung Hylanders, dass in der Clitoris des Schweines Vater-Pacinische Körperchen vorkommen (Mikr. Anat. Bd. II. p. 458). Eine festere Grundlage gewinnen die Untersuchungen über die mikroskopisch-anatomische Beschaffenheit des Gehirns und namentlich des Rückenmarks. R. Wagner gelangt zu dem Resultat, dass nur Primitivfasern und Ganglienzellen für die wesentlichen neurologischen Formelemente der Oentral- tbeile zu betrachten seien. Die überall in der grauen Sub- stanz und zwischen den Ganglienzellen vorkommende fein- körnige graue Substanz, die bei wirbellosen Thieren, wo Ge- fässe fehlen, vermisst werde, sei ein Bette für die Blutge- fässe, ein Medium für die Separation der Ganglienzellen un- ter einander und von den Blutgefässen und ersetze die Binde- substanz. Die etwa vorkommenden sog, freien Kerne gehö- ren entweder zu der erwähnten Bindesubstanz, oder seien da, wo sie massenhaft sich vorfinden (rostfarbene Substanz der Windungen des Cerebel.) wahrscheinlich für Nervenzellen zu halten. Die Ganglienzellen des Gehirns seien stets mul- tipolar und werden nur durch Verstümmelung apolar, unipo- lar, bipolar. Die Fortsätze der multipolaren Ganglienzellen seien theils Ursprünge von Primitivfasern, theils Kommissur- fasern der Ganglienzellen unter einander. Die Nervenfasern des Gehirns haben eine sehr verschiedene Dicke ('/,.o bis %/000 Mm.); die feinsten Fibrillen finden sich in den Rand- wülsten, und die dieksten Fasern werden in der Regel fein beim Uebergange in die Ganglienzelle; alle Fasern führen einen Axencylinder. Die Ganglienzellen des Rückenmarks, des verlängerten Marks, des Mittelhirns bis zu den Corpora dentat. eereb. und den Grenzen der Corpora striat., desglei- chen derjenigen der Randwülste des Grosshirns, des Am- monshorns, der Fase. dentat. gleichen sich im Wesentlichen und zeigen nur Unterschiede in der Grösse, in der Pigmen- tirung, in der Zahl der Fortsätze. Die Ganglienzellen der Gyri eerebelli sind durch die Retortenform ausgezeichnet. Von den durch die hinteren Rückenmarkswurzeln eintreten- den Fasern geht a) ein Theil direkt zum Gehirn, b) ein zweiter Theil kombinirt sich mit den kleineren, multipolaren Ganglienzellen der hinteren Hörner, e) ein dritter sehr be- trächtlicher Theil geht zu den grossen multipolaren Zellen der vorderen Hörner derselben Seite. Von den kleineren multipolaren Zellen steigt ferner eine Faser noch zum Ge- hirn hinauf, urd eine andere hinter dem Centralkanal als Kommissurfaser zu den Ganglienzellen der hinteren Stränge der anderen Hälfte. Desgleichen nehmen alle Fasern der motorischen Wurzel ihreu Ursprung von den grossen multi- polaren Zellen der vorderen Stränge, die zugleich eine Fa- ser von der sensibeln Wurzel empfangen. Ausserdem schei- nen in den vorderen Hörnern Ganglienzellen vorzukommen, 64 die eine Faser aufwärts zum Gehirn und eine andere als Kommissurfaser in die vordere Querkommissur zu den Gan- glienkörpern der anderen Hälfte entsenden (Neurol. Unters. p- 157 sq.; desgl. in den Götting. gelehrten Anz. 1854). Owsjannikow untersuchte unter Anleitung Bidders be- sonders das Rückenmark der Fische ( Disquisitiones micro- scopicae ete. Dorp. Liv. 1854, ec. Tab. III.). Alle Fasern der Spinalwurzeln stehen mit den Ganglienkörpern des Rücken. marks in Verbindung. Dieses liess sich besonders schön am Rückenmark von Petromyzon fluv, und Ammocoetes branch. nachweisen, desgleichen bei L. sandra, E. lucius, Salmo sa- lar, S. trutta, Accipenser Sturio, A. ruthenus, Thymal. velifer, Abramis Brama, Lota fluviat., Leueisc. jeses, Silur. glanis, Ga- dus Lota ete. Es ist ferner ein und dieselbe, gewöhnlich spindelförmige Ganglienzelle, welche die sensible nud moto- rische Nervenfaser aufnimmt und die gleichzeitig noch zwei bis drei (also im Ganzen fünf) Nervenfasern entsendet, näm- lich eine aufwärts zum Gehirn, eine zweite in die vordere Querkommissur zur Anastomose mit einer Ganglienzelle der anderen Hälfte der Med. spinalis, und bisweilen eine dritte (Petromyz. und Ammocoet.), welche eine Verbindung mit den, zwischen den Müllerschen dicken Nervenfasern bei Petro- myzon gelegenen Ganglienzellen von rundlicher Form zu un- terhalten scheint. Die von den Ganglienzellen nach dem Ge- hirn aufsteigenden Nervenfasern bilden die Längsfasern der weissen Rückenmarkssubstanz. Die durch den Reichthum der Blutgefässe so ausgezeichnete Grundsubstanz der grauen Masse des Rückenmarks, in welche die Ganglienzellen mit den zu- und abgehenden Fasern eingebettet sind, und von welcher hauptsächlich die graue Farbe abhängt, ist nach dem Verf. für Bindesubstanz zu halten. Auch die gelatinöse Substanz der hinteren Hörner bestehe im Wesentlichen aus Bindesub- stanz; die darin, sowie in der grauen Masse der hinteren Hörner überhaupt, vorkommenden Zellen sind Bindesubstanz- körperchen. Die bei Petromyzon und Ammocetes bekannten Fasern des Rückenmarks stellen nackte Axeneylinder dar und besitzen keine eigenthümliche Hülle von Bindesubstanz. Aus den von dem Verf. und überhaupt in Dorpat angestell- ten Untersuchungen geht hervor, dass die Ganglienkör- per in vier Abtheilungen zu bringen sind. Die unipo- laren Nervenkörper des N. sympathieus, die bipolaren Gan- glienzellen der centripetalen Nervenfasern, die quadripolaren Nervenkörper des Rückenmarks für die Reflexbewegungen und die psychischen multipolaren Ganglienkörper des Gehirns. Die zwischen den Müllerschen dicken Nervenfasern gelegenen runden Ganglienkörper bei Petromyzon und Ammocoetes ent- senden gleichfalls sehr zahlreiche Aeste nach dem Gehirn und scheinen auch, wie oben bemerkt, durch Kommissurfa- 65 sern mit den quadripolaren Ganglienkörpern des Rücken- marks derselben Seite in Verbindung zu stehen. Von der Zirbel erwähnt Förster (Götting. gel. Anzeig. 1854, Stück 176, p. 1760), dass sie ganz gleichen Bau mit dem kleinen Lappen der Gl. pituitaria habe. Beide besitzen keinen drüsigen Bau, sondern bestehen wesentlich aus fein- körniger Masse, die spindelförmige, mit zahlreichen, faser- artigen Ausläafern versehene Zellen enthält. Die Zellen glei- chen bisweilen den Nervenkörpern des Gehirns und Rücken- marks. — Ueber die Entwickelung der neurologischen Formele- mente haben wir Beobachtungen von Harting (Het Mikr. p. 189) und von Günsburg (Untersuchung über die erste Entw. ete. Breslau 1854, p. 64 sq.) — Ueber das Verhalten der Nerven nach Durchschneidungen und über die Regene- ration derselben vergl. „Neurolog. Notiz,“ (Archiv des Ver- eins f. gem. Arb. Bd. I. p. 609 sq.) von Schiff, und „Ueber die Regeneration durchschnittener Nerven“ (Zeitschr. f. wiss, Zool. Bd. VI. p, 155 sq.) von Bruch. Blut und Lymphe. Das Analogon der Blutflüssigkeit bei den Räderthier- chen in der Leibeshöhle und in der Umgebung der Ein- geweide ist nach Leydig meist wasserhell, doch zuweilen (Notommata centrura, Synchaeta, Polyarthra) auch röthlich oder gelblich gefärbt. Dasselbe entbehrt in den meisten Fällen geformter, in ihm suspeudirter Elemente, doch bei Eosphora najas, Euchlanis u. A. eirkuliren darin kleine, helle Körperchen, die auch bei einer grossen Species von Notom- mata von Quatrefages (Fror. Tagesb. 1852. No. 430) be- obachtet worden sind (Zeitsch. f. w. Zool. Bd. VI. p. 78). — Bei Phyllirhoe buceph. beobachteten H. Müller und Gegenbaur gleichfalls ein farbloses Blut mit spärlichen, gekernten Zellen von 0,003 — 006‘ im Durchm. v. Dusch hat durch Versuche zu ermitteln gesucht, ob das Lösungsvermögen der Galle für die Blutkör- perchen vom Wasser oder von den darin gelösten orga- nischen Gallenbestandtheilen abhängig sei. Es ergab sich, dass sowohl das glycocholsaure, als auch namentlich das taurocholsaure Natron nach kurzer Zeit die Blutkörperchen des Menschen- und Frosch-Blutes auflösen; die Kerne des Frosch-Blutkörperchen erhalten sich am längsten. Bei einem Versuche mit Taurin allein waren die Blutkörperchen nach zweistündiger Einwirkung nur eingekerbt und zackig geworden kg und Experimente als Beitrag zur Pathogenese des cterus etc. Leipzig. 8.). h Moleschott giebt Mittheilungen über das Verhältniss der farblosen Blatkörperehen zu den farbigen beim Müller's Archiv. 1855. Jalıresbericht, E 66 Menschen (Wiener Wochensch. 1854, No. 8). Um das Zählen zu erleichtern, war das Sehfeld durch Haare eingetheilt; das aus dem kleinen Finger genommene Blut war mit gesättigter Glaubersalzlösung verdünnt. Es wurde jedes Mal das Blut von 7 Individuen gleicher Kategorie von 7 Beobachtern unter- sucht und das Mittel aus den Zählungen genommen, Das Knabenblut enthält die meisten farblosen Blutkörperchen; mit zunehmendem Alter nimmt die Zahl der Corpuse. deco- lorata im Verhältniss zu den C. colorata ab. Das weibliche Geschlecht zeigt, von der Zeit der Regeln und der Schwanger- schaft abgesehen, auf eine gleiche Anzahl farbiger Blut- körperchen weniger farblose, als das männliche; während der Schwangerschaft und der Regeln findet eine Zunahme der Corp. decol. statt. Eiweissreiche Nahrung vermehrt die Zahl der weissen Blutkörperchen beträchtlicher, als eiweissarme. Die mittlere Verhältnisszahl farbloser Blutkörperchen zu den farbigen ist 1 : 357, oder 1000 farbige Blutkörperchen haben zwischen sich etwa 2,, farblose. Diesem Mittel entspricht die Verhältnisszahl der farblosen und gefärbten Blutkörper- chen bei jungen Männern nach eiweissarmer Kost; unter dem Mittel bleiben nüchterne, nicht ınenstruirte Mädchen und Greise, darüber gehen Männer, Jünglinge, junge Männer nach eiweissreicher Kost, Schwangere, Menstruirte, Knaben. — Vierordt hat die relativen Zahlverhältnisse farbiger und farbloser Blutkörperchen des Milzvenenblutes von einem Hingerichteten, 1'/, Stunden nach dem Tode, durch Zählung zu bestimmen gesucht. Aus 4 Zählungen ergab sich als Mittel 1 farbloses Blutkörperchen auf 4,9 farbige. Der Verf. gesteht übrigens zu, dass die bezeichnete Verhältnisszahl zu ungünstig für die gefärbten Blutkörperchen ausgefallen sein könnte, indem sich in dem ausgepressten Blute der Milz Zellen der Milzpulpa befunden haben, die sich von den farb- losen Blutkörperchen nicht unterscheiden liessen. Auch macht Vierordt darauf aufmerksam, dass kleinere farblose Blut- körperchen den schwach gefärbten und zackig gewordenen Corp. colorat. sehr ähnlich aussehen (Archiv f. phys. Heilk. Bd. 13, p. 410). Ref, möchte aus seinen Erfahrungen noch hinzufügen, dass manche rothe Blutxörperchen, bei Stagnation des Blutes und einem günstigen Menstruum, leicht das Hä- matin verlieren, grösser, rundlich, körnig werden und dann leicht mit gewöhnlichen Corpusc. decolorata verwechselt werden können. — Ausführliche Mittheilungen über chemische und morphologische Verhältnisse des Milzvenenblutes finden sich in Grays Werke: On the structure and use of the spleen. Lond. 8. Auch Gray hebt die grosse Zahl farbloser Blut- körperchen hervor und unterscheidet gewöhnliche Lymph- körperchen und doppelt so grosse farblose gekernte Körper, die den Zellen der Milzpulpa (?R) gleichen. Auch Blut- körperchen haltige Zellen kommen nach ihm, wenn auch 67 selten, im Milzvenenblute vor; die Bildung derselben wird nach schon bekannten Schemen beschrieben ete. Nach Drummond sollen die rothen Blutkörperchen theils aus den ursprünglichen Bildungsdotterzellen, theils aus den später auftretenden weissen Blutkörperchen auf die Weise sich entwickeln, dass bei ersteren der Kern zum Blut- körperchen wird, bei letzteren dagegen nur bei Säugethieren der Kern, bei Fröschen, Fischen und Vögeln das ganze farblose Blutkörperchen zum farbigen sich verwandelt. Der Blutfarbstoff soll aus Fett gebildet werden (On the deve- lopement of the blood ete.; Monthly Journ. 1854. Sept. u.Nov.). Gray fand dieLymphe in den oberflächlichen Ge- fässen der Milz blass, strohfarben. Sie enthielt, ausser zahlreichen dunkeln Körnchen, und dunkelrothen oder schwar- zen Pigmentmolekeln, kuglige, farblose, nach Anwendung der Essigsäure gekernt erscheinende Körperchen von der Grösse gewöhnlicher Blutzellen, und zuweilen einige Blutzellen selbst. Die Lymphe der tieferen Gefässe erscheint wahrscheinlich in Folge der grösseren Anzahl von Blutzellen gelblich roth. Die Lymphkörperchen sind hier zahlreicher, farblos, fein- körnig, von 0,002 — 0,004” im Durchm.; bei Behandlung mit Essigsäure wird ihr Kern deutlich, Einige unter ihnen sind etwas grösser und ihr Kern erscheint unregelmässig und dunkel contourirt (a. a. O. p. 254). — Gubler und Que- venna untersuchten die Lyinphe, welche von Zeit zu Zeit aus einem varikösen Lymphgefäss des Schenkels herausfloss. Sie war weisslich und gerann nach !/, Stunde. Unter dem Mikroskop zeigten sich, ausser zahlreichen, kleinen Fett- tröpfchen, gelbliche gefärbte und farblose, kuglige Körper- chen von nur 0,005 mm, mittlerem Durchm. Die farblosen waren weniger zahlreich, einige unter ihnen etwas grösser (Gaz. med. No. 24, 27, 30, 34). Blut- und Lymphgefässe, Die Gewebe in den Wandungen der Blutgefässe und deren Anordnung hat sehr ausführlich Kölliker behandelt (Mikrosk. Anat. Bd. II., p. 495 sq.). In der Literatur ist die Arbeit von Weyrich nicht benutzt, obschon sie sich durch Genauigkeit auszeiehnet. Der Verf, spricht sich gegen die Deutung der in der T. intima stärkerer Gefüsse vor- kommenden „streifigen Lamellen“ als epitheliale Membranen aus, indem es nicht erwiesen sei, dass die wirklichen Epi- theliumzellen der Gefässe in einem genetischen Zusammen- hange mit den streifigen Lamellen stehen, was nach des Ref. Ansicht auch nicht nothwendig erscheint. Zu den „streifigen Lamellen“ der Tunica intima rechnet Kölliker: die aus spindelförmigen, gekernten Zellen bestehenden Schichten mit bedeutendem Zusammenhange der Elemente; ferner streifige 68 helle Lagen mit länglichen Kernen ohne deutliche Zellen oder Fasern; desgl. homogene oder leichtstreifige kernlose Häute mit grosser Neigung zum Einrollen; feinfaserige dunkel aus- sehende Membranen, die sich wie das feinste, elastische Netz- werk ausnehmen und gleichfalls sich leicht einrollen; endlich fibrilläres Bindegewebe mit feinen, elastischen Fäserchen. Die gefensterten und durehlöcherten Membranen, welche bei den Arterien auf der Grenzscheide der T. intima und T. media auftreten, nennt der Verfasser „die elastische Innen- haut“. Auffallend war es dem Ref., dass Kölliker nicht der von ganz feinen Löcherchen siebförmig durchbrochenen elastischen Lamelle gedacht hat, welche bei kleinen Arterien oft allein, bei grösseren zugleich mit der eigentlichen ge- fensterten Membran an der bezeichneten Stelle ganz nahe bei einander angetroffen wird. Bei der Axillaris und Popli- taea fand der Verf. auch glatte Muskeln in der Intima. In der Vena cava inf. unterhalb der Leber, in der V. subelavia und in dem Endtheile der Vena cava sup. und infer. scheinen die Muskeln in der T. media zu fehlen; letztere führt nur Bindegewebe mit elastischen Fasern. In der Vena saphena magna liegt zwischen der elastischen Längsfaserhaut der In- tima und den Muskeln der T. media längsstreifiges Binde- gewebe mit entsprechend gelagerten elastischen Fasernetzen; der Verf, rechnet diese Schicht zur Media, obgleich sie, der Richtung der Streifung nach, zu der Intima gehören müsste. — Die eigenthümlichen von J. Müller entdeckten Ranken- gefässe im hinteren Theile des Corpus cavernos. penis und im Bulbus urethrae werden auch von Kölliker bestätigt, doch fand der Verf, dass von ihnen in der Regel feinere Arterienzweige abgehen (a. a. OÖ. p. 416). — Von Segond haben wir eine Abhandlung über das Kapillarsystem (Anat. et Physiol. de Systeme cap. Paris 1853, 4. ce. Tab. I.) und von A. Verneuil über das Venensystem erhalten (Le systeme veineux. Paris 1855. 4). Von letzterem Beobachter wird in Uebereinstimmung mit Weyrich die Existenz der efensterten Membranen zwischen Tun. int. und media der enen geleugnet. Was die Entwickelung der Blutgefässe betrifft, so sind darüber Beobachtungen von Kölliker (M. A. p. 345 sq.), Bruch (Zeitsch. f. wiss. Zool. Bd. VI., p. 173 sq.), Drum- mond (a. a. OÖ.) und Günsburg (Verhandl. d. Leopold. Akad. p. 268) mitgetheilt. Es vereinigen sich fast alle Be- obachter zu der Ansicht, dass das Herz und die ersten stärkeren Gefässe aus soliden Zellenanlagen sich bilden, deren centrale Masse zu Blut, deren Rindenschicht zu der Gefässwandung sich verwandele. Anfangs besteht die Wan- dung nach Bruch aus spindelförmigen Zellen, welche die Anlage der 'Tunica intima repräsentiren, während secundär einerseits von Innen das Gefässepithelium und von Aussen 69 die Tunica media und adventitia sich anlegen. Nach Drum- mond sind bei jungen Säugethierembryonen die ersten spindel- förmigen Zellen mit ihrer Längsaxe quer zur Längsaxe der Ge- fässe gelagert. Die feineren Gefässe und die Kapillaren, die erst späterlauftreten, werden nach dem Schema Schwanns entwickelt. Referent hat bereits im vorliegenden Berichte erwähnt, dass ihm, nach wiederholten Untersuchungen von Fisch- embryonen, die Bildung von Gefässen aus sternförmigen Zellen mehr als je zweifelhaft geworden ist. Dagegen liess sich hier die Bildung von sternförmigen Körpern, ganz ähn- lich den ästigen, sternförmigen Zellen, aus welchen man die Kapillarröhren entstehen lässt, bei Verlangsamung des Blut- laufes und Entleerung des Blutes aus einzelnen Bezirken des vorliegenden feinen Gefässnetzes, ganz deutlich verfolgen. Ueber die Art und Weise, wie die ursprünglichen Haupt- stämme des Blutgefässsystems sich erweitern und vergrössern, hat Ref. noch keine sichern Aufschlüsse erhalten können. Mehrere Erscheinungen erwecken den Gedanken, dass dieses unter der Form hohler Auswüchse, wie schon Remak und Bruch (für gewisse Gefässe) angeben, also durch eine Art Knospenbildung, geschehe, Ref. sah jedoch die Gegend, wo eine Gefässbahn sich erweiterte, durch Anhäufung von feinen Körnchen, wie bei eintretender reger Zellbildung, getrübt, so dass es ihm unmöglich war, zu entscheiden, ob das neu hinzugekommene Stück der Gefässbahn gleich ursprünglich als hohler Fortsatz der bestehenden Gefässröhren gegeben sei, oder vielmehr als solide, später hohl werdende Gefäss- anlage mit den bestehenden Gefässröhren sich in Verbindung setze. Wahrscheinlich kommen beide Formen von Erweite- rung der Gefässbahnen vor, worauf auch schon Bruch hin- weiset. Die Blutgefässe der Cephalopoden beschreibt Leydig (Müll. Arch. 1854, p. 304). Die schon von v. Hessling und H. Müller gesehenen Kapillargefässe sind wirklich vor- banden; die Wandung besteht aus einer homogenen Haut mit Kernen, die oft buckelförmig ins Innere vorspringen. Die Arterienwände zeigen, wie bei Wirbelthieren, eine in Längs- falten sich legende elastische Lamelle als Intima, ferner eine muskuläre Tunica media und eine Adventitiaa Die Blut- efässe scheinen alle innerhalb der Lymphgefässe zu ver- aufen. „Ueber einen eigeuthümlichen Inhalt der Darmblut- gefässe“ berichtet E. Brücke (Sitzungsb. d. Kais. Akademie zu Wien. Bd. XII., 1854, p. 682). Der Verf. fand nämlich die Zottenkapillaren und selbst die Venen bis zu dem Me- senterium hinauf beim Maulwurf und ebenso früher beim Wiesel von einer körnigen Masse angefüllt, die bei auffallendem Lichte in dünnen Schichten weiss, in diekeren isabellfarbig oder schwach gelbröthlich erschien und deren 70 Körnchen bei durchfallendem Lichte durch die Dunkelheit des Kontour sich auszeichnete. Die Körnchen waren leicht löslich in verdünnter Natronlösung und Ammoniak, unlöslich in Aether. Aehnliche Beobachtungen hat auch Virchow (Ueber einige Zustände der Darmzellen. Würzburg. Verhandl. Bd. IV., p. 350 sq-) gemacht. Von den Lymphgefässen bemerkt Kölliker, dass die mittelstarken Stämme von 1—1!/,"' im Durchm,. ähnlich den Venen drei Häute wahrnehmen lassen. In der Intima der Lymphgefässe aus dem Plexus lumbalis und der Extre- mitäten fand der Verf. eine deutliche elastische Netzhaut, die nach Weyrich in den Lymphgefässen des Mesenteriums fehlt; in der Adventitia laufen die Muskelfasern schief und longitudinal, wodurch sich Lymphgefässe selbst von '%,’” im Durchm. gut von kleinen Venen unterscheiden lassen (Mik. Anat. Bd. II, p. 527). Von den Lymphgefässen und Lymphdrüsen der Fische bat Leydig einige Beobachtungen mitgetheilt (Müll, Arch. 1854, p. 323). Bei Trigla hirundo sieht man, dass die Tun. advent. der Blutgefässe des Mesenteriums durch Entwickelung eines Maschengewebes und Aufnahme von zelligen Elementen in die Areolen, ganz den Bau einer Lymphdrüse angenommen hat, und so sind bei manchen Arten der Fische die Blut- gefässe des Mesenteriums in ihrem ganzen Verlaufe scheiden- artig von Lymphdrüsen umhüllt. Dass bei Fischen die Blut- gefässe scheidenartig von Lymphgefässen eingeschlossen liegen, wie schon Fohmann angiebt, ist leicht zu be- stätigen. Auch bei den höheren Wirbelthieren soll die Tu- nica advent. der Blutgefässe einem dasselbe umschliessenden Lympbgefässe angehören. — Die Bindegewebskörperchen sollen die eigentlichen kapillaren Anfänge der Lymphgefässe sein (a. a. OÖ. p. 325). (!R.) Gefässdrüsen, Die Milz hat Führer untersucht (Arch. f. phys. Heil- kunde Bd. XIII. p. 149 sq.). Nach dem Verf. soll die Milz- pulpa aus einem beständigen und unbeständigen Ka- Pillarnetze bestehen. Letzteres bildet sich durch Ausstülpungen oder Auswüchse der Haargefässe selbst, die zu feinen Fort- sätzen auswachsen, stellenweise varıkös werden und Zellen entwickeln, in welchen die Blutkörperchen entstehen. Von den Fortsätzen gehen neue Reiser und Anastomosen aus, wodurch ein Kapillarnetz gebildet wird, das mit der nächsten Vene in Verbindung tritt. Nach Entleerung des Inhaltes kollabiren diese unbeständigen Kapillarnetze, und neue treten wieder auf. Die Malpighischen Körperchen bestehen aus- schliesslich aus einer solchen Arterienverzweigung mit einer Krone von Kapillarzellen; mit dem letzteren Namen werden 11 die neu sich entwickelnden Fortsätze genannt. Die Milz- körperchen erscheinen besonders deshalb weisslich, weil die Kapillarnetze fast gar kein rothes, zumal Venenblut führen, und besonders weil junge Blutkörperchen aus dem zuströmen- den Plasma in ihnen entwickelt werden. Die spindelförmigen Zellen des Gefässepitheliums der Cavernen und Aeste der Vena lienalis, deren Kerne zu jungen Blutkörperchen selbst werden sollen, sowie die dünnen Wandungen oben genannter Gefässräume, in welchen allerdings reichlich Kapillarnetze verbreitet sind und auch die Oorpuse. lienis liegen, sind haupt- sächlich, wie es dem Ref. scheint, zur Aufstellung obiger Ansicht verwerthet worden. — Nach Gray findet bei der Milz ein dreifacher Uebergang der Kapillaren in die Venen Statt: einmal, und zwar in den häufigeren Fällen, durch Ver- mitteluug von Cavernen, sodann durch schlauch- oder flaschenförmige Blindsäcke von 0,05” im Durchm , welche den kleineren Venen seitlich aufsitzen und die Kapillaren aufnehmen, endlich dadurch, dass die Kapillaren direkt iu die Venen sich fortsetzen, die aber plötzlich sich stark er- weitern. In den feineren Trabeculae unterscheidet der Verf. Bindegewebe, elastisches Gewebe und spindelförmige Faser- zellen, die aber weder den glatten Muskelfasern, noch den spindelförmigen Zellen des Gefässepitheliums gleichen. Zu- weilen bestehen die kleinen Balken aus unbestimmt granu- lirten Membranen mit rundlichen Kernen. Muskelfasern fand Gray in der Tunica propria bei Hunden, Katzen, Schweinen, und in den Balken beim Rinde, Hunde, bei der Katze, Ratte, beim Esel, Pferd, Schaf, Kaninchen, Igel. Aus der Beschrei- bung der Malpighischen Körpereben und der Milzpulpa, die Gray statuirt, sind besondere Beobachtungen nicht hervor- zuheben. Bei bebrüteten Hühnereiern sah der Verf. die Malpighischen Körperchen erst am 20.—21sten Tage als kuglige Massen von Kernen (?R.) und feinen Körnchen auf- treten; die strukturlose Hülle zeigt sich wenige Tage nach dem Auskriechen. Beim Menschen erscheint die Milz im 2ten Monat der Schwangerschaft schon ganz deutlich, und sie möchte daher schon früher, in der öten oder 4ten Woche, angelegt sein (H. Gray: On the struct. and use of the spleen ete,). — Huxley leugnet die Existenz einer besonderen Hülle an den Malpighischen Körperchen der Milz. Der In- halt besteht nach dem Verf. aus einer homogenen, struktur- losen, nicht flüssigen Masse (Periplast), in welcher dicht aneinanderliegende, rundliche oder polygonale bläschenartige Kerne (Endoplasten) eingebettet sind. Ausserdem bestätigt Huxley, dass im Inneren der Malpighischen Körperchen sich ein oder mehrere Arterienzweige verästeln, was sich besonders gut bei Zusatz von Syrup zu den frischen Präpa- raten übersehen lasse, An den Wandungen der Gefässe waren quer- und längs-ovale Kerne, auch eine dünne Adven- 72 titia zu unterscheiden; beim Schafe fehlen eireuläre Muskel- fasern, dagegen zeigen die Arterien stark entwickelte Längs- muskelfasern (Huxley: Microse. Journal 1854, Jan.). In Betreff der Nebenniere findet nun auch Kölliker, was bereits Ref. in vorstehenden Berichten bemerkte, dass wirkliche Drüsenschläuche in der Rindensubstanz, wie Ecker angiebt, nicht vorhanden seien. Die Rindensubstanz besteht aus einem gefächerten Stroma von Bindegewebe, dessen Hohlräume von Zellen angefüllt werden, die neben feinen Körnern einer stickstoffhaltigen Substanz mebr oder weniger zahlreich auch Fetttröpfehen enthalten, In der braunen Lage der Rinde führen die Zellen auch braune Pigmentkörnchen. In dem bindegewebigen Stroma der Marksubstanz liegt eine blasse, feinkörnige Substanz, in welcher beim Menschen fast immer blasse Zellen von 0,008 — 0,016 im Durchm. zu unterscheiden sind. Die eckige Form derselben, die zuweilen vorkommenden, verästeltelten Ausläufer, der feinkörnige, mit Fett- und Pigmentkörperchen versehene Inhalt machen sie den Nervenzellen der Centralorgane ähnlich (Mik. Anat. Bd. II. p. 378). Drüsen, Ueber die „Appendieulargebilde“ des Hodens hat Luschka seine Beobachtungen mitgetheilt (Virch. Archiv f. path. Anat, u. Phys. Bd. VI. p. 310 sq.). Der Verf. unter- scheidet hier: die Morgagnischen Hydatiden, die Vasa. aber- rantia Halleri und die zottenartigen Verlängerungen des vis- ceralen Blattes der serösen Umhüllung des Hoden. Die Morgagnischen Hydatiden sind entweder gestielt oder unge- stielt. Die ungestielten Hydatiden fehlen am Hoden fast nie, haben eine rundliche, häufig auch blattähnliche Form und die Grösse einer Linse, einer Erbse, selbst einer kleinen Haselnuss. Sie sitzen fast regelmässig unter dem Kopfe des Nebenhoden. Sie enthalten fast immer eine Höhle, die mit einem Samenkanälchen des Nebenhoden kommunicirt und dann auch mit Samenkörperchen angefüllt ist, Fehlt die offene Verbindung mit den Samenkanälchen, so gleicht der Inhalt demjenigen der Bläschen, die häufig im subserösen Bindegewebe des Nebenhoden angetroffen werden. Er be- steht aus einer hellen Flüssigkeit von verschiedener Kon- sistenz und zahlreichen, darin eingebetteten Fettkörnchen und Nuclei von 0,004—0,006 mm. im Durchm. Der Stiel der gestielten Hydatiden hat niemals eine nachweisbare Verbin- dung mit den Samenkanälchen. Er lässt sich unter der Se- rosa des Nebenhoden bis an die innere Seite des Vas defe- rens verfolgen, wo er allmälig verschwindet. Die Vasa aberrant. H. liegen meistentheils von der Umhüllung des Nebenhodens bedeckt, selten frei; ihr Sitz ist bekannt. Der 73 Lieblingsort der zottenartigen Verlängerungen ist das innere Blatt der eigenen Scheidenhaut des Hoden und zwar am häufigsten entsprechend dem scharfen Rande des Nebenhoden an der Stelle, wo die Serosa, als Band des Nebenhoden, in die Bildung des Saceus epididymidis übergeht. Die Grösse dieser „Scheidenhautzotten* ist sehr variabel; ihre Länge schwankt zwischen '/, mm. und 6 und mehr mm. Am Ge- wöhnlichsten erscheinen sie als mohnkörnergrosse Pünkt- chen, bald vereinzelt, bald in Gruppen beisammen stehend. Sie haben eine blatt-, kolben- oder schlauchartige Gestalt; zuweilen sind sie durch einen gemeinschaftlichen Stiel mit einander verbunden. Das Gewebe der Zotten ist eine direkte Fortsetzung des Scheidenhaut-Bindegewebes, gewöhnlich über- zogen von einem aus mehreren Schichten gebildeten Pflaster- epithelium, Lereboullet hat seine Beobachtungen über die Leber, deren schon im Bericht vom Jahre 1352 gedacht wurde, in dem „Memoire sur la structuse intime du foie et sur la na- ture de lalteration etc, (Paris. 4o., 1853 a. planch. IIII.)* niedergelegt. Die Arbeit ist vergleichend anatomisch, und die Untersuchungen deutscher Autoren sind überall berück- sichtigt. In Betreff der Kontroversen hat der Verf. nach fremden und eigenen Beobachtungen sich in folgender Weise entschieden. Das an der Oberfläche der Leber des Menschen befindliche Kapillarnetz der Art. hepatica unterscheidet sich in der Form nicht von dem darunter liegerden Kapillarnetz der V. port. und steht mit demselben im Zusammenhange. Der lappige Bau der Leber ist beim Menschen mehr oder weniger untergegangen, Die Grösse der Läppchen über- schreitet selten 2 mm; ihre verschiedene Färbung in der Pe- ripherie und im Centrum ist allein von der Anhäufung des Blutes in den verschiedenen Regionen des Kapillarnetzes im Leberläppchen abhängig. Die Leberzellen sind paarig in Form eines längsmaschigen Netzes geordnet; ein Unterschied zwischen Peripherie und Centrum findet darin nicht Statt; eine eigenthümliche Wand, eine Tunica propria fehlt, die Maschen werden vom Kapillarnetz zwischen der Vena inter- lob. und intralob. eingenommen. Die Vasa aberrantia fossae transversae sind Drüsenschläuche und besitzen Pflasterepi- thelium,. Die bei wirbellöosen Thieren vorkommenden diffe- renten Leberzellen (Pettzellen und eigentliche. Leberzellen) finden‘ sieh bei Wirbelthieren nur noch bei Fischen und Ba- trachiern, und in embryonalen Zuständen auch bei den übrigen Wirbelthieren. Beim Menschen haben sich in fötalen Zu- ständen die Fettzellen noch nicht nachweisen lassen. Gleich- wohl bleibt der Verf, bei der Ansicht, dass die eigentlichen Leberzellen aus den Fettzellen hervorgehen. Lereboullet benutzt Chloroform, um die Zellmembran an den Fettzelleu nachzuweisen. — Nach Gerlach treten von dem Ductus BP Ze 74 interlobularis zahlreiche, nur 0,002 — 0,004'" breite Gallen- kanälchen unter rechtem Winkel in die Leberläppchen ein und bilden durch Anastomosen ein Netz, das zwischen den Leberzellen liegt. Dieses Netz hört entweder in der Pe- ripherie des Läppchens auf oder dringt, plötzlich in seinen Kanälen weiter werdend, bis zum Oentrum des Läppchens vor (Handb. d. allg. u. sq. Gewebelehre. 1854. p. 335). Referent hat im vorjährigen Jahresberichte angegeben, dass die letzten Endigungen der Gallenkanäle, zufolge seiner Untersuchungen, nach Art kavernöser Strukturen im Be- reiche des Blutgefässsystems als ein kavernöses Drüsen- böhlensystem anzusehen seien, in welchem die Kanalform untergegangen und die Hohlräume nur noch durch Septa voneinander getrennt seien, die aber die Tunica propria der Drüsenelemente vertreten. Henle hat in seinem Referat darüber (Canstatts Jahresb. 1356. p. 48) bemerkt: „Immer bleibt es eine merkwürdige Eigenthümlichkeit der Septa in gesunden (auch in kranken R.) Lebern, dass jedes nur ein Kapillargefäss enthält, und —!— es bleibe demnach der Willkür überlassen, ob man die Substanzbrücke, die das Lumen des Kapillargefässes von dem leberzellenhaltigen Hohl- raum scheidet, für Tunica propria des letzteren erklärt, wie Reichert, oder für Kapillargefässwand ete., oder für beides.“ Darauf ist zu erwidern, dass der Anatom selbst für den Fall, wenn in den Septa erwiesener Maassen konstant nur ein Kapillargefäss verliefe, sich doch jedenfalls bei dem Faktum beruhigen müsste, und dass es sich bei vorliegender Kontroverse nicht um drei Ansichten, sondern um die beiden handele, ob die Leberzellen nur von nackten Kapillargefässen durchsetzt, oder ob letztere von einer Lamelle, respektive Tunica propria, getragen seien, Des Referenten Beobachtungen haben auch für die Leber des Menschen nachgewiesen, dass die Kapillargefässe in bindegewebigen Lamellen, die sich als Septa zwischen den Leberzellen darstellen, verlaufen, und darauf hin wurde das kavernöse Drüsenhöhlensystem konstruirt. Was endlich den Passus über die Willkür betrifft, so muss man ihn wohl für einen Lapsus calami halten. er A. Kölliker: Mikroskopische Anatomie oder Gewebe- lehre des Menschen. Bd. II. Schluss, Leipzig 1854; und Handbuch der Gewebelehre des Menschen, 2. Auflage 1855. L. Mandl: Anatomie mikroscopique. T. II., Histogon&se, Liv. 6— 11. E. M. van Kempen: Traite d’anatomie deseript. et d’histolog. speeiale. Louvain. 8. L. A. Segond: Traite d’anatomie generale. Paris. 8. I. Quekett: Lectures on histology. Vol. II. London. 8. | 75 P. Harting: Het mikroskop, deszelfs gebruik etc. Vierde Deel, met drie Platen. 1854. I. H. Wythes: The mieroscopist ete. Rdit. II. Phila- delphia 1853. 12. With illustrations, A. Hannover: Das Mikroskop, seine Konstruktion und sein Gebrauch. Leipzig. 12. Mit 41 Abbild. I. W. Griffith and Arthur Henfrey: The micographie dietionary, London. 8. Part. I.— II. na te ee 2 SEA MP Berlin, Druck der Gebrlider Unger’schen Hof-Buchdruckerei. Pr auyyb re Br ı se, entoiee ine - #7 true Pr Be- Ben i BR a Kur Mr Dita u >, wu reich RE Rah u le Küh 0 ur” te TE 'Soptä role, me aber Ah Tunden Yesgeis Her Farin, ‚Dante | re erst we Kabwen, EM ‘ « it: Seweyes Er 453 N ipen ia e “m 48 ö z s » . e nt gr Ri 5 Fu GM, Pe irn) «® ie oe - A Dargufihben EFT, Kris vg a ee 2 ne Ba; as pr "7 sol was det „a Ueber die weitere Entwicklung von Mesotrocha sexoculata. Von Dr. Max MÜLLER. (Hierzu Taf. I.). Mesotrocha sexoculata gehört zu jenen räthselhaften Thier- formen, die mein Vater bei einem ersten Aufenthalte in Hel- goland im Jahre 1845 beobachtete und beschrieb'!). Im dar- auf folgenden Jahre setzte W. Busch?) die Beobachtungen an dem in Rede stehenden Thierchen fort, und gelang es die- sem eine weiter entwickelte Form zu beobachten, so dass sich die Klasse, der dasselbe im System einzureihen, bestim- men liess. Es fand sich nämlich in den 6—8 Furchen oder Ringen der vorderen d. h. vor dem ersten Räderorgan be- legenen Körperabtheilung jederseits eine Anzahl Borsten, die darüber keinen Zweifel liessen, man habe es mit einem Lar- venzustande und zwar dem eines Borstenwurms zu thun. Da indess die Larve bis auf das Vorhandensein zweier dorsalen Tentakeln hinter den sechs Augen, eine vollständigere Ab- schnürung der Hinterleibs-Ringe und die Verwandlung des einfachen Endzipfels in einen fünfzipfeligen Fortsatz keine weiteren Veränderungen zeigte, so konnte die Chaetopoden- Gattung dieser Larve nicht bestimmt werden. Alle andern Kennzeichen der Mesotrocha, die einfache, grosse Oberlippe 1) Bericht über einige neue Thierformen der Nordsee von J. Mül- ler. Müller’s Archiv f. Anat. Physiol. 1846. S. 104. 2) Ueber Mesotrocha sezoculata von W. Busch. Ebend. 1847. 8, 187. Müller's Archiv. 1865. 1 2 Dr. Max Müller: Ueber die weitere und zweilappige Unterlippe, die beiden getrennten Räderor- gane um die Mitte des Leibes und der auf der ganzen Ober- fläche befindliche Wimperflaum fanden sich ganz in derselben Weise wieder vor. Als ich im ‚Herbst dieses Jahres meinen Vater nach Helgoland begleitete, war ich so glücklich, ein Exemplar der Mesotrocha zu erhalten, das durch die Gegen- wart einer ganz besondern Art von Hakenborsten ausser den schon bekannten Borsten des Vorderleibs auch die Gattung zu erkennen möglich machte. Die Bestätigung davon wurde erst später durch die Auffindung eines fast vollständig ent- wickelten Wurmes gegeben, der neben den Charakteren die- ses noch die Eigenschaften der Larve deutlich besass. Das Exemplar der Mesotrocha (Fig. 7 und 8), welches schon Hakenborsten zeigte, mass nur ?/,"' in der Länge und unterschied sich durch nichts von den durch Busch be- schriebenen Larven. Uebrigens hatte es noch nicht die Eut- wicklung in der äusseren Körperform erreicht, die die am meisten fortgeschrittene über 2'” grosse Larve von Busch besass; namentlich fehlt ihm die grosse Entwicklung und starke Abschnürung der fünf Ringe der hintern Körperabthei- lung von einander, hinter dem zweiten Räderorgan. Auch war der Endzipfel noch in seiner einfachen Form erhalten. Eine Rückbildung der zwei Lappen der Unterlippe war nur in unbedeutendem Grade vorhanden, sodass jedenfalls ihre zweigetheilte einer Hasenscharte ähnliche Form noch deut- lich hervortrat. Die Ringe des Vorderleibs bis zum ersten Räderorgan, sieben an der Zahl, enthielten Borsten, meist neun in einer Reihe, ganz von der Beschaffenheit, wie sie Busch beobachtete. (Fig. 3a und b giebt ein Bild dersel- ben). Der Darm, der ganz einfach und sehr breit hinten in ein kurzes rectum übergeht, enthielt mehrere zusammenge- ballte, ovale und dunkle Kothklumpen (Fig. 8). Die Haken- borsten nun fanden sich, was indess ihrer ausserordentlichen Kleinheit wegen erst beim Pressen des Thierchens klar wurde, nur auf dem hinter dem ersten Wimperkranz gelege- nen Theile des Körpers, und zwar in mehreren Gruppen von je drei, von denen immer zwei Gruppen nahe der Mit- Entwicklung von Mesotrocha sexzoeulata. 3 tellinie des Körpers neben einander standen. Die zwei ersten Gruppen lagen unmittelbar hinter dem ersten Wimperkranz; welchen Gliedern des Hinterleibs etwa die folgenden ent- sprechen möchten, war bei der Kleinheit des Objects (die längste Dimension der Hakenborsten betrug nur etwas über 1450‘) nicht auszumachen. Sie gehören ihrer Form nach zu den mehrzähnigen Hakenborsten, wie sie bei einigen Röh- renwürmern, Serpula, Amphictene'), Terebella?), Sabellaria°) Chaetopterus*) beobachtet sind. Die Hakenborsten der Mesotrocha bilden ein unregelmäs- siges Oval, dessen eine lange Seite mit schräg geneigten, spitzen Zähnchen besetzt ist, deren ich in diesem Fall acht zählte. (Fig. 3). Bei der Untersuchung eines Chaetopterus in Triest war ich auf eben diese Form von gesägten Hakenborsten auf- merksam geworden; deshalb musste sich mir jetzt sofort die Vermuthung aufdringen, die Mesotrocha möge die Larve eines Chaetopterus sein, wozu die Form des Kopfes sehr wohl stimmte. Betrachtet man die Grösse unserer Larve (7/,) und ihre sonst noch wenig fortgeschrittene Entwicklung im Ver- gleich zu der einen Form von Busch, die etwas über 2' mass, so liegt die Vermuthung nahe, die Larven von Busch möchten die eben beschriebenen Hakenborsten auch schon besessen haben, dieselben möchten aber ihrer ausseror- dentlichen Kleinheit wegen nicht wahrgenommen worden sein. Exemplare der Mesotrocha noch ganz ohne Borsten, an denen ich zum Vergleich eine Messung vornahm, waren 1%'' lang, 1) Savigny syst. des annelides. p. 72. 88. 2) Von Terebelle medusa sind die Hakenborsten abgebildet von Savigny, description de l’Egypte, annelides. pl. 1. Fig. 3. 13. 3) Von Sabellaria alveolata sind die Hakenborsten abgebildet von Milne Edwards in Cuvier, le regne animal. Edition aeccompagnee _ de planches graves. Les Anndlides. Pl. 6. Fig. 29. — Desgl. von Sa- bellaria maynifica von Grube im Archiv f. Naturgesch. XIV. Jahrg. I. Taf. III. Fig. 5u. 4) Leuckart im Archiv £. Naturgesch. XV. Jahrg. I. 8. 345. 1* ” 4 Dr. Max Müller: Ueber die weitere ein Exemplar, das schon die Borsten des Vorderleibs hatte, aber noch keine Spur von Hakenborsten zeigte, mass ebenso wie die Larve mit Hakenborsten 7/,". Zur Gewissheit wurde die oben ausgesprochene Vermu- thung in Betreff der Gattung durch Auffindung eines fast vollständig ausgebildeten Chaetopterus, der durch die ganze Form des Kopfes schon, dann durch Zahl und Stellung der Augen, endlich durch noch vorhandene Rudimente der frü- heren zwei Räderorgane seine Uebereinstimmung mit Meso- trocha erwies. Er ist mit dem feinen Netz gefischt und in seinem jetzigen Zustande noch pelagisch. Die Grösse des- selben war nur wenig über !2/,, verkennbar die bekannten drei Abtheilungen des Körpers; die dritte und letzte nur in erster Anlage, während die zwei ersten schon ziemlich entwickelt waren. Der Kopf ist mit ‘“, indess zeigte er schon un- der ersten Körperabtheilung zu einem Stück verschmolzen, ohne deutliche Abschnürung, und stimmt ganz mit dem der Mesotrocha überein. Sein dieker Rand geht in die dieke ein- fache Oberlippe über, die von der zweilappigen, unten schild- förmig vereinigten Unterlippe etwas überragt wird. Dieht an dem Uebergange des Randes der Oberlippe in den der Un- terlippe stehen jederseits zwei Augen, von denen immer das hintere das grössere ist, ganz wie bei Mesotrocha. Etwas weiter zurück vom Lippenrande und in der Mitte dicht zu- sammengerückt, stehen noch zwei etwas kleinere Augen. Auf dem Rücken trägt der Kopf jederseits einen kurzen Tentakel (Fig. 4n.5a). Die Gestalt des Vorderleibs ist et- was platt-gedrückt von oben nach unten, eine deutliche Rin- gelung ist nicht wahrzunehmen, nur stehen bis zu der Stelle des ersten Wimperkränzes am Rande neun längliche Fuss- höcker (5) hervor, die etwas nach dem Rücken zu gerichtet sind, und deren Borsten nicht in ein Bündel zusammenge- fasst stehen, sondern die mit der Spitze nur hervorsehend in einer Querreihe der Länge des Fusshöckers nach angeordnet sind. In einer Reihe stehen 9—11 Borsten, so zwar, dass die Borsten am Grunde des Fusshöckers stark und dick, gegen die Spitze desselben hin immer schmaler werden; ihre Entwicklung von Mesotrocha sexzoculata 5 Form ist Fig. 6 a, b, c, d, von verschiedenen Seiten abgebildet. Die Länge des Vorderleibs beträgt bei der jetzigen Ausbil- dung des Thiers etwa die Hälfte des ganzen, indem der Vor- derleib bis zu der Stelle e in der Zeichnung reicht, also die durch zurückgebliebene Pigmentirung deutlichen Ringe (eu. f), an denen die Räderorgane gesessen haben, in sich schliesst. Dass an diesen Stellen wirklich die Räderorgane gesessen haben, ist ausser durch die Pigmentirung auch dadurch klar, dass sich an dem vorderen Ringe noch Spuren grösserer Wimpern vorfanden (Fig. 4e), die ich indess nicht mehr in Bewegung sah. Hinter dem Rudiment des zweiten Räder- organes erschienen an den Seiten zwei grosse, fleischige und mit kurzen Wimpern wimpernde Lappen (g,g), die nach dem Rücken des Thiers zu gerichtet sind, und die als An- lage des zehnten dorsalen Fusspaares anzusehen sind, das ja bei Chaetopterus ausserordentlich und flügelarlig vergrössert ist. Ob diese Lappen auch hier schon, wie beim erwachse- nen Chaetopterus nicht hervorsehende, nur zum Halt die- nende, einfach lineäre Borsten einschliessen, kann ich nicht angeben, da ich leider meine Aufmerksamkeit nicht beson- ders auf diesen Punkt gerichtet habe. — Unmittelbar hinter den oben beschriebenen neun Fusshöckern dicht an dem er- sten Wimperkranz befinden sich an der Bauchfläche zwei kleine Höckerchen (Fig. 4m), und zwei eben solche sehr wenig grössere an der Bauchfläche hinter dem zweiten Wim- perkranz und zwischen den zwei grossen, fleischigen Lappen (0). Durch das Vorhandensein dieser Lappen, also des zehn- ten Fusspaares, und ihre Lage wird die vorher angegebene Begränzung der vorderen Körperabtheilung gesichert. Da, wo die Gränze Statt findet (ec), sehen wir auch die grösste Einschnürung; und wir wissen ja, dass wenigstens bei Chae- topterus norvegieus ebenso wie die Glieder des Mittelkörpers untereinander, auch die mittlere Abtheilung mit der vorderen nur durch eine schmale Verbindung zusammenhängt. An der unentwickelten Larve würde die erste Abtheilung des Leibes bis hinter das zweite Räderorgan und bis an die erste Einschnürung daselbst (Fig. 8c) reichen, und die Ent- 6 Dr. Max Müller: Ueber die weitere wicklung der ganzen zweiten und dritten Körperabtheilung von den noch übrigen vier Ringen und dem Endzipfel zu erwarten sein. Und in der That finden wir schon bei der einen Larve von Busch!), die etwa in der Mitte steht zwi- schen meiner Mesotrocha mit Hakenborsten und dem fast voll- kommen ausgebildeten Chaetopterus, den vordern Theil der Larve mit den Räderorganen so gut wie unverändert, wäh- rend vier Ringe des Hinterleibs eine bedeutende Vergrösse- rung erfahren haben, und der Endzipfel zu einem vielzipfe- ligen Anhang geworden ist. Die vier folgenden Ringeunseres Thiers gehören der mittleren Körperabtheilung an, und machen fast allein die ganze zweite Hälfte seiner Länge aus. Sie stellen die vier auf der Rück- seite blasig aufgetriebenen Mittelglieder des Chaetopterus dar (p, q, r und s). Die blasige Auftreibung befindet sich etwas näher dem vordern Ende eines jeden Gliedes, ist durchsich- tiger als der übrige Leib, und glich bei dem lebenden Thiere entfernter Weise einer Glocke, deren sich dasselbe vorzugs- weise zur Fortbewegung bediente, indem es damit fortwäh- rend eine schlagende Bewegung von vorn nach hinten aus- führte. Jedem dieser glockenartigen Lappen entsprechend sieht man auf der Bauchfläche zwei dicht neben einander stehende kleine Höcker (n, !, d und v), ganz in derselben Weise wie die schon beschriebenen der vordern Körperab- theilung (m und 0). Das letzte der vier aufgetriebenen Glie- der ist das am wenigsten ausgebildete und kleinste. Der jetzt noch folgende kleine Anhang (t) ist Alles, was unser Thier von der dritten Abtheilung des Leibes besitzt, und hat sich unzweifelhaft aus dem Endzipfel der Larve hervorgebil- det. Die zwei seitlichen Fortsätze des Anhanges sind wohl zwei der an dieser Körperabtheilung wieder auftretenden dor- salen Fusshöcker; Borsten waren in denselben noch nicht zu bemerken. Was die Hakenborsten betrifft, so konnten dieselben auch bei diesem Thiere erst dann bemerkt werden, als durch 1) Archiv f. Anat. Physiol. 1847. Taf. VID. Fig. 1. Entwicklung von Mesotrocha sexoculata. 7 Pressen die übrigen Theile zerstört waren; ihre Vertheilung in situ zu beobachten war also nieht möglich. Indess blieben die pigmentirten Wimperkränze auch nach dem Pressen sichtbar, und es erschienen die ersten zwei der ziemlich nahe beisammen liegenden Gruppen von Hakenborsten dicht hinter dem ersten Räderorgan. Im Ganzen konnte ich vier solcher Gruppen rechts und links wahrnehmen, deren jede 4—5 Hakenborsten enthielt. Mit Rücksicht auf den erwachsenen Chaetopterus kann daher kein Zweifel obwalten, dass die vier ersten ventralen kleinen Höcker mit denselben versehen waren (m, o, n und /); die noch folgenden zwei Paare ven- traler Fusshöcker hatten somit noch keine Hakenborsten er- halten (d und v). Die Form der Hakenborsten ist ganz die schon bei Mesotrocha beschriebene, nur konnte ich hier neun deutliche Zacken zählen; ihre längste Dimension betrug ?%;,'". In Betreff des Wimperflaums der zwei flügelartigen gros- sen Füsse des zehnten Paares (g) ist noch zu erwähnen, dass auch an den Lappen der Unterlippe und noch an verschie- denen anderen eircumscripten Stellen Wimperbewegung beob- achtet wurde, die es nicht unwahrscheinlich macht, dass viel- leicht noch immer die ganze Oberfläche des Thieres mit Wim- pern versehen war. Der Verdauungskanal beginntmit einem dick- wandigen Oesophagus (Fig.5 X), der in der Gegend des ersten Räderorgans in einen weiteren und dunkler gefärbten Magen und Darm übergeht, der sich ohne Windungen und ohne die glockenartigen Auftreibungen der Glieder des Mittel-Körpers durch eine entsprechende Erweiterung auszufüllen durch die ganze Länge des Körpers fortsetzt. Ich komme nun zu der Frage, ob die Mesotrocha als Larve des Chaetopterus norvegicus oder pergamentaceus zu betrachten sei. Den Charakteren nach, die ich eben beschrie- ben habe, möchten eine wie die andere Species eben so gut passen, wenn nicht der Umstand besonders für den norvegi- cus spräche, dass bei unserem Thier die Glieder des Mittel- Leibes nur durch schmale Brücken mit einander verbunden sind, während die des pergamentaceus ohne besondere Ein- schnürung in einander übergehen. Ausserdem würde wohl 8 Dr. Max Müller: Ueber die weitere das Vorkommen der Mesotrocha auch in der Nordsee, und zwar in besonderer Häufigkeit zu Gunsten der norvegischen Species entscheiden, da der pergamentaceus bis jetzt ausser im westindischen Ocean nur bei Triest beobachtet zu sein scheint. Dass das Vorkommen der norwegischen Art jeden- falls viel häufiger sein muss, als bis jetzt bekannt ist, geht schon daraus hervor, dass Busch von der Verbreitung der Mesotrocha anführt, er habe sie in allen von ihm besuchten Meeren, also auch im adriatischen und mittelländischen Meer, wiedergefunden'). Uebrigens sind die Unterschiede beider Species durchaus nicht von so durchgreifender Art, als es bisher den Anschein hatte. Zunächst was die Kopfbildung betrifft, so ist sie bei beiden vollkommen gleich, beide sind auf dem Rücken desselben mit zwei cylindrischen Tentakeln versehen. Augen erwähnt Will?) bei Chaetopterus perga- mentaceus ohne Angabe der Zahl und ihrer Lage; R. Leu- ekart°) hat sie nicht aufgefunden; auch Sars*) kannte keine bei Chaetopterus norvegieus, indess konnte ich, wenn auch nur mikroskopisch nach Abtragung der betreffenden Haut- stelle bei einem sonst schlecht conservirten Exemplar der norvegischen Art einen Haufen Pigmentflecke am Grunde der Tentakeln wahrnehmen. Dass Sars die Rückenfläche zur Bauchfläche macht, hat schon Leuckart berichtigt; durch die Lage der Augen bei der Mesotrocha wird die Richtigkeit der Leuckart’schen Ansicht bestätigt. Auch die Zahl der Fusspaare am Vorderleib scheint nicht verschieden zu sein; jedenfalls varürt sie. Audouin und Milne Edward’ss) geben als Zahl der Vorderleibs-Füsse inclusive des gros- 1) Beobachtungen über Anatomie und Entwicklung einiger wirbel- loser Seethiere. 1851. S. 59. 2) Ueber das Leuchten einiger Seethiere. Wiegmanns Archiv 1844. S. 332. 3) Chaetopterus pergamentaceus beschrieben von Rud. Leuckart. Wiegmanns Archiv 1849. S. 340. ’ 4) Beskrivelser og Jagttagelser over nogle maerkelige eller nye i Havet ved den Bergenske Kyst levende Dyr. 1835. S. 54. 5) Annales des seiences naturelles. Tome XXX. S. 416. Entwicklung von Mesotrocha@ sezoculata. ) sen flügelförmigen Fusspares zehn an, ebenso Sars vom Chaetopterus norvegieus. Leuckart beobachtete zwei Exem- plare des pergamentaceus, das eine mit 12, das andere mit 13 Fusspaaren. Was ferner die ventralen Fusshöcker be- trifft, so hatte ich Gelegenheit, mich selbst zu überzeugen, dass bei Chaetopterus norvegieus die ersten zwei Paare der- selben nicht dem Gliede der flügelartigen Dorsalhöcker allein angehören, sondern dass das erste Paar gerade wie bei der andern Species schon zu dem neunten Paar kleiner Dorsal- höcker zu rechnen ist; das neunte Glied wird nämlich vom zehnten genau wie bei dem pergamentaceus auch durch einen beträchtlichen Zwischenraum getrennt. In diesen Zwischen- raum kommen beiläufig die zwei Räderorgane der Larve zu liegen. Auch der Umstand, den Sars anführt, dass der vierte Fusshöcker seiner Species ausser einer geringeren An- zahl der gewöhnlichen Borsten mehrere viel dickere und an- ders gestaltete (Fig. 1a) führt, findet sich bei Chaetopterus pergamentaceus gerade so wieder, wie ich bei einem Exem- plar mit zehn Fusshöckern der ersten Körperabtheilung in Triest beobachtet habe. Die Borsten sind bei beiden Arten ganz gleich und so beschaffen, wie Fig. 15 in verschiedenen Lagen gezeichnet ist. Endlich sind auch die ventralen Höcker des neunten und zehnten Paares und alle folgenden bei Chae- topterus norvegiecus mit den zuerst von Leuckart beschrie- benen Hakenborsten versehen; auch hier haben dieselben 9—11 Zacken, an den Gliedern des Mittelkörpers jedoch mehr, bis zu 15 nämlich. Die Hakenborsten sitzen nicht nur an einem Ende, wie Leukart anführt, sondern an beiden auf einem rechtwinklig zu ihnen stehenden Stiel auf; zur Ver- bindung mit dem Stiel dienen eigene an den betreflenden Enden angebrachte Spitzen; jedoch reissen die Stiele an dem unteren Ende der Hakenborsten, die auch etwas schwächer sind, besonders leicht ab, sodass man meist nur solche mit einem Stiel an der obern Spitze zu Gesicht bekommt. Fig. 2ab stellt die Hakenborsten von Ch. pergamentaceus, Fig. 2e de die vom norvegieus dar. — Beide Species haben an den Gliedern der dritten Körperabtheilung nicht einen, sondern 10 Dr. Max Müller: Ueber die weitere jederseits zwei Ventralhöcker; ob Chaelopterus norvegicus schon an den Gliedern des Mittelkörpers statt eines jeder- seits zwei derselben besitzt, liesse sich nur danach beurthei- len, ob auch wirklich beide mit Hakenborsten versehen sind; an dem schlecht eonseryirten Exemplar, das mir zu Gebote stand, liess sich dieser Punkt nicht mehr mit Sicherheit be- stimmen. Sollten beide Paare Ventralhöcker mit Hakenbor- sten versehen sein,-so wäre darin allerdings ein wesentlicher Unterschied ausser den geringen Formverschiedenheiten be- gründet. Die Zahl der Hinterleibsglieder wird bei Chaetop- terus norvegieus auf 12, bei Chaetopterus pergamenlaceus auf 21— 24 bestimmt. Indem man sich für die Ansicht entscheidet, dass Meso- trocha seroculata die Larve der norvegischen Species sei, so fragt sich, ob eine andere Art von Mesotrocha, die Busch im Mittelländischen und Adriatischen Meer öfter beobachtet, vielleicht zum Chaetopterus pergamentaceus gehöre. Diese Larve war im Allgemeinen ebenso geformt, hatte namentlich dieselben zwei Tentakeln, war aber nur mit 4 Augen und mit nur einem Wimperkranz ausgestattet. In dem Zwischen- raum zwischen dem neunten und zehnten Glied würde also hier nur das eine Räderorgan seinen Sitz haben. — Eine andere sehr ähnliche Larve, auch nur mit einem Wimper- kranz, die Busch an demselben Orte beschreibt (Tab. IX. Fig. 1—8), und die auch ich einmal in Messina gefunden habe, scheint nicht hierher zu gehören, vielmehr die Larve eines noch nicht bekannten, auch mit Rückenkiemen oder mit vielen flügelartigen Fussgliedern versehenen verwandten Thieres zu sein. Auffallend ist die Aehnlichkeit der Borsten derselben an der vordern Abtheilung des Körpers mit denen unseres Wurms, dagegen die gezähnten Platten der Fuss- stummeln am hintern Theil des Körpers nach der Abbildung von Busch abweichen, Wollte man es für nicht wahrschein- lich halten, dass zwei wenig von einander verschiedene Species derselben Gattung, wie die des Chaetopterus, Lar- venzustände hätten, die eine mit nur einen Wimperkranz, die andere mit zweien, so müssten beide von Busch be- Entwicklung von Mesotrocha sexoculata. 11 schriebene Larven mit nur einem Wimperkranz als nicht zur Gattung Chaetopterus gehörend von der Mesotrocha sexo- culata gesondert werden. Man könnte dann die eine noch nicht mit Borsten versehene Larve für eine andere Entwick- lungsstufe der andern ansehen, für welche es eine offene Frage bleibt, welcher Gattung sie angehört. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Borsten aus der ersten Körperabtheilung eines erwach- senen Chaetopterus pergamentaceus; a. aus dem vierten Fusshöcker; b. die der andern Fusshöcker. Fig. 2. a,b. Hakenborsten von Chaetopterus pergamentaceus auf den rechtwinklig zu ihnen gerichteten Stielen aufsitzend, „7 lang; ce, d, e. Hakenborsten von Chaetopterus norvegieus, 25 lang; e. aus der mittleren Körperabtheilung desselben. Fig. 3. a, b. Borsten der vorderen Körperabtheilung von Meso- trocha sexoculata; c. Hakenborsten derselben ‚tz lang. Fig. 4. Fast vollkommen entwickelter Chaetopterus auf der Seite liegend, 42” lang. a. Tentakeln; b. die 9 ersten dorsalen Fusshöcker; e, f. die beiden Wimperkränze; g. die grossen dorsalen Fusshöcker des zehnten Paares; p, 9, r, s. die vier aufgetriebenen Glieder des Mit- telkörpers; m, 0, n, I, d,v. die ventralen Fusshöcker; t. Rudiment der dritten Körperabtheilung. Fig. 5. Dasselbe Thier auf dem Rücken liegend. Die Bezeich- nung wie in Fig 4. Fig. 6. a,b, e,d. Borsten desselben Thiers; e. Hakenborsten, 730" lang. Fig. 7. Mesotrocha sexoculata aufrecht schwimmend, halb von der Seite gesehen; 75 lang; a. einer der zwei dorsalen Tentakel; e,f. die beiden Räderorgane; t. der Endzipfel. Fig. 8. Dasselbe Thier stärker vergrössert und auf dem Rücken liegend ce. die Stelle, wo beim erwachsenen Chaetopterus die vor- dere Leibes- Abtheilung sich von der mittleren abschnürt. 12 Dr. Max Müller: Ueber die weitere Entwicklung etc. Anmerkung des Herausgebers. Nachdem Busch bewiesen, dass Mesotrocha sexoculata nichts anderes als eine junge Annelidenlarve ist und dieselbe jetzt durch Max Müller als der Jugendzustand des Chae- topterus erkannt ist, könnte der Name Mesotrochae nur noch zur Colleetivbezeichnung derjenigen Annelidlarven benutzt werden, deren Räderorgane in der Mitte des Körpers stehen, während sie bei andern am vordern und hintern Ende ange- bracht sind (Telotrochae), oder sich in Abständen vom vor- dern bis hintern Ende wiederholen (Polytrochae) oder ganz fehlen (Atrochae), in welchem Fall sie durch die allgemeine Wimperbewegung ersetzt sind. Vergl. Monatsbericht der Aka- demie der Wissenschaften zu Berlin 1851. S. 470. Die Gattung Chaetopterus Cuv. ist identisch mit Tricoelia Renier. Letzterer nannte das von ihm entdeckte Thier aus dem adriatischen Meer Tricoelia variopedata. Die Charactere dieser Wurmgattung waren weder von Renier noch von Cuvier hinreichend bezeichnet, bis Audouin und Milne Edwards (1833) ihre Beschreibung und Abbildung lieferten. Eine Beschreibung und Abbildungen des adriatischen Wurms befinden sich in den Osservazioni postume di Zoologia adria- tica del Prof. S. A. Renier publicate per cura dell J. R. istituto veneto di scienze, lettere ed arti al studio del Prof. G. Meneghini. Venezia 1847. fol. p. 35. Tav. VIII. Die wenig bekannte Schrift von 1804. Prospetto della classe dei Vermi, worin Renier seine erste Beschreibung des Wurmes gab, habe ich nicht gesehen. Meneghini hat a. a. O. die betreffenden Stellen daraus und aus den Tavole di Classifi- cazione ausgezogen. , D. Max Müller: Ueber Sacconereis Helgolandica. 13 Ueber Sacconereis Helgolandica. Von Dr. Max MÜLLER. (Hierzu Tafel II. u. IIL.). Die Gattung Sacconereis ist von meinem Vater!) aufgestellt worden, und characterisirt sich durch drei Tentakeln am Kopf, jederseits einen ventral gestellten Cirrus tentacularis, vier Augen mit Linsen, jederseits an jedem Gliede zwei Borstenhöcker und einen dorsalen Cirrus, namentlich aber dadurch, dass sich die Jungen derselben in einem weiten Sack entwickeln, der an der Bauchseite der Weibchen befind- lich. Die von demselben beschriebene Species, Sacconereis Schultzii 1” laug, welche in Triest beobachtet wurde, zeich- net sich durch eine hellgelbe Farbe, auch an den Cirren, durch sehr lange, einfach lineäre Borsten der Dorsal- und kürzere Sichelborsten der Ventralhöcker und 30— 31 Glieder aus; ihre Jungen von 2,‘ Grösse hatten schon die vier Au- gen mit Linsen, wovon zwei kleiner sind und mehr in der Mitte stehen, und waren von vier Wimperkränzen umgeben. An der Stirn trugen sie sechs Haarborsten ähnlich denen der Planarien, und ebenfalls mehrere am‘ Hinterende. Mein Vater führt an, dass auch Max Schultze diesen Borsten- wurm in Helgoland beobachtet habe; da ich indess die Sac- conereis von Helgoland lebend in grosser Anzahl zu unter- suchen Gelegenheit hatte, so ergeben sich mehrere Unter- 1) Ueber den allgemeinen Plan in der Entwicklung der Echino- dermen, 1853. 8.7. 14 Dr. Max Müller: schiede, die es möglich machen eine neue Species daraus zu bilden, die ich Sacconereis Helgolandica nennen will. Die Grösse der Exemplare, die ich untersucht habe, schwankte zwischen 24” und ®/', die meisten hatten eine Länge von °/%'“. Ebenso schwankte die Anzahl der mit Bor- sten versehenen Glieder zwischen 15 und 20, während sie meist 18 betrug. Die Farbe dieser Species ist hellgrün, etwas durchsichtig. Der Kopf unseres Wurms ist auch an seinem Stirnrande mit drei langen Fühlern versehen (Fig. 1 und 2a); am Stirnrand in den beiden Zwischenräumen zwischen den drei Fühlern habe ich öfter Wimperbewegung wahrgenommen, wohl die Fortsetzung der in der Regel in der Umgegend des Mundes befindlichen; an den Seiten stehen vier rothbraune Augen, ungleich an Grösse, aber alle vier mit Linsen ausge- stattet, und zwar ist das kleinere Paar Augen dem Rücken näher gerückt, das grössere Paar näher der Bauchseite. Un- mittelbar hinter dem Kopf folgt ein sehr schmales Glied noch ohne Borstenhöcker und nur an der ventralen Seite jeder- seits einen Fühlereirren, etwas kürzer als die Stirnfühler, tragend (Fig. 1u.25). Diese beiden Fühlereirren nehmen ihren Ursprung auf der Bauchseite rechts und links neben dem Mundeingang (c), so dass man sie auch Mundfühler nen- nen könnte. Nun folgt der übrige Körper wenig breiter als der Kopf und auch nur sehr unbedeutend gegen die Mitte hin an Breite zunehmend, gegen das Ende ganz allmählig schmaler werdend. Jedes Glied hat jederseits zwei Borsten- höcker und einen dorsalen sehr langen Cirrus (d), die in dem Verhältniss zu einander stehen, dass sich der sehr we- nig hervorragende Rückenhöcker zwischen dem dorsalen Cirrus und dem ziemlich weit vorragenden Bauchhöcker be- findet (Fig. 328). Eine einzige aber durchaus constante Aus- nahme von dieser Anordnung bilden das erste und zweite Borsten tragende Glied; da hier immer nur der ventrale Höcker mit dem langen Dorsal-Cirrus vorhanden ist, der dorsale Fusshöcker fehlt (Fig. 34). Der Rückenhöcker trägt, ein diehtes Bündel langer, einfach lineärer und sehr dünner Borsten, die nur sehr wenig tief in dem Fleische des Hök- Ueber Saecconereis Helgolandica. 15 kers eingepflanzt sind; der Bauchhöcker dagegen hat eine Acieula (Fig.3 A u.Ba), deren Spitze aus dem Höcker nicht hervorsieht, und ein Bündel der Fig. 11 abgebildeten zusam- mengesetzten zweispitzigen Setae faleigerae (5) d. h. Borsten mit sichelförmigem zweispitzigen Anfang. Die langen Bor- sten des Rückenhöckers scheinen von dem Thiere nur mit der ganzen seitlichen Extremität zusammen bewegt werden zu können, während es die kurzen Sichelborsten einzeln weiter vorzustrecken, ein zu ziehen und auseinander zu brei- ten im Stande ist. Ausser diesen Borsten hat jedes Glied jederseits noch ein Bündel kurzer lineärer Borsten, die von der Basis der Acicula gegen die Oberfläche des Rücken- höckers hingerichtet sind (Fig. 3 Be), und lediglich dazu be- stimmt scheinen, dem Rückenhöcker mehr Halt zu verleihen, da sie nicht einmal dessen Oberfläche erreichen; dem ersten und zweiten Gliede fehlen sie selbstverständlich constant. — Das Schwanzglied ist durchaus nackt, ohne Cirri anales. Der Verdauungskanal durchläuft ohne Windungen die Länge des Körpers, um am Schwanzgliede mit dem After zu endi- gen; vom Munde bis zum dritten Gliede bemerkt man einen dünnhäutigeren Theil desselben, der als Oesophagus oder Magen gedeutet werden kann. Eine Bewaffnung durch Kiefer fehlt vollständig. Alle Individuen unserer Species, die ich untersucht habe, bis auf zwei, waren Weibchen, d. h. sie trugen an der Bauch- fläche jenen grossen Sack, der entweder mit Eiern oder mit mehr oder weniger weit entwickelten Larven gefüllt war. Auch die zwei Exemplare ohne Eiersack hatten keine Spur eines Ersatzes dafür in einem durch Zoospermien kenntlichen Hoden, dagegen deutete bei einem derselben die bauschige Beschaffenheit der Ventraloberfläche darauf hin, dass entwe- der der Biersack durch Platzen schon verloren gegangen war, oder dass es ihn noch bekommen sollte; es wird somit wahr- scheinlich, dass auch diese beiden Exemplare Weibchen wa- ren, Der Biersack erstreckte sich entweder vom fünften bis zum zehnten Glied inel., oder einige Male auch vom vierten bis zum eilften. An der Haut desselben liess sich durchaus 16 Dr. Max Müller: keine Structur wahrnehmen; sie war stets glashell und durch- sichtig, und schien bei unverletztem Thier wegen des bedeu- tenden Abstandes der Eier von ihrer äussern Contour eine beträchtliche Dicke zu besitzen; übte man jedoch durch Dar- aufbringen eines Deckgläschens einen gelinden Druck auf den Wurm aus, so wurden die Eier dicht an der äussern Con- tour des Sackes angedrängt, sodass diese selbst oft nur in dem Zwischenraum zwischen zwei Eiern deutlich blieb (Fig. 2). Eine doppelte Contour des Eisackes liess sich nicht wahr- nehmen. Der Sack selbst, dessen Wand in die ventrale Oberfläche des Thiers übergeht (Fig. 2e), und der sich durch eine Hervortreibung dieser Oberfläche zu bilden scheint, muss mit der innern Leibeshöhle der Sacconereis frei communieiren, da ich mehrere Individuen fand, bei denen ausser in dem Sacke auch mehrere Eier in dem Zwischenraum zwischen Darm und Leibeswand sich befanden. Dass die Hülle des Sacks äusserst zart sein muss, geht unter anderem auch daraus hervor, dass sie durch den gelindesten Druck an der einen oder andern Stelle zerriss 'und die Eier oder Larven austreten liess. Von Eingeweiden ausser dem Darm beobachtete ich nur ein einziges Mal kleine, runde, durch ein lappiges Gefüge an Drüsen erinnernde Körper, die zu je zwei zusammenhän- gend an der Basis jedes Fusshöckers sassen vom dritten bis eilften Glied inelusive, übrigens bei einem Exemplar, dessen Eiersack mit Eiern gefüllt war (Fig.2f,f). Da diese drüsi- gen Körper allen andern Exemplaren fehlten, also vielleicht, nachdem ihre Bestimmung vollendet, zurückgebildet "waren, so könnte man sie als die Bildungsstätte der später in den Eisack gelangten Eier, als Eierstöcke ansprechen. Was den Inhalt des Eisackes anlangt, so fand sich dieser in den verschiedensten Stadien der Entwicklung bei den ver- schiedenen Individuen. Bei einem und demselben Individuum waren immer Eier oder Larven gleich weit entwickelt. Die Eier (Fig.4) mit einem grossen Keimbläschen und scharf begrenzten Keimfleck versehen, besassen eine äusserst zarte Hülle und sehr feinkörnigen Dotter. Ihre Grösse war \%,"'. Die jüng- sten Larven von ®/,,' Grösse (Fig. 5) waren ihrer Form nach Saeconereis Helgofundica. 17 nur wenig von den Eiern verschieden, hatten indess schon eine durch dunklere Färbung deutliche Anlage des Darms, zwei schwach pigmentirte Augen, noch ohne Linsen und wimperten auf der ganzen Oberfläche. Die nächste Veränderung bestand darin, dass die auch jetzt noch auf der ganzen Oberfläche wim- pernden Larven (?%,9) einen Wimperkranz etwa in der Mitte des Leibes erhielten (Fig.6). Dieser Wimperkranz scheint nicht der vorderste, sondern der später zweite, von vorn nach hinten gezählt, zu sein. Die am weitesten vorgeschrittenen Larven, die ich beobachtet habe (Fig. 7 und 8), erstere °%," lang, die zweite ?/, zeigten an den Seiten deutliche Einschnürungen, da wo die Ringe entstehen sollen, besonders an dem zuge- spitzten Hinterende, und hatten theils schon vier Augen mit Linsen (Fig. 7), theils war die Zahl der Wimperkränze auf drei vermehrt (Fig. 3); letztere Larven trugen auch schon am Stirnrande zwei der langen Haarborsten, wie sie den Planarien eigen sind. Eine deutlich rädernde Bewegung war an diesen Wimperkränzen noch nicht zu sehen. Larven mit vier Wimperkränzen!) befanden sich nicht unter denen, die I) Larven mit vier Wimperkränzen scheinen nur selten in der Ord- nung der Borstenwürmer vorzukommen. Bei weitem die meisten sind jedenfalls nur mit zweien versehen, dem einen dicht hinter dem Kopf, aber noch vor dem Mund, und dem andern unmittelbar vor dem Schwanzglied. So beobachtete ich in Helgoland unter andern eine Larve, die sich mit grösster Bestimmtheit als der Gattung Phyllodoce angehörend bestimmen liess, da das T'hier, obschon noch den vordern und hintern Wimperkranz tragend, doch schon ganz ausgebildet war (*" lang). Dasselbe hatte zwei kleine Augen mit Linsen, zwei Paare ganz kurzer über einander stehender Stirnfühler, vier lange Fühler- eirren jederseits, hinter dem vordern Wimperkranz; einen breiten vor- streckbaren Rüssel ohne Kiefer, aber mit Papillen, und das Schwanz- glied mit zwei kurzen und breiten Cirri anales versehen. Die Zahl der Glieder mit Borstenhöckern betrug 26, dahinter meist noch meh- rere, welche noch keine Borsten hatten. An jedem Glied befand sich jederseits nur ein Borstenhöcker mit einer Acicula und einerlei Art Borsten (Fig. 14), einem kurzen ventralen, fadenförmigen Cirrus und einem dorsalen blattartigen (Fig. 15). Am Rande der blattartigen Rückencirren bemerkte man einzelne Büschel ausserordentlich feiner Zöttchen vertheilt. Müller’ Archiv. 1855. 2 18 Dr. Max Müller: Ueber ich gefunden habe, jedoch trugen die Larven der Sacconereis, die Max Schultze iu Helgoland beobachtete und die auch von grüner Farbe war, und deren Larven ebenfalls nur zwei Haarborsten an der Stirn hatten, deren vier, sodass an der vollkommenen Uebereinstimmung der Larven beider Arten von Sacconereis nicht zu zweifeln ist. Ich schliesse an die Beschreibung dieser Sacconereis die eines andern Borstenwurms von Helgoland an, der mit Sac- conereis zugleich in sehr zahlreicher Menge gefangen wurde, und der trotz mehrerer nicht unbedeutender Verschiedenheiten doch eine ausserordentliche Aehnlichkeit mit ersterer besitzt. Besonders auffallend ist, dass, sowie bisher nur weibliche Exemplare von Sacconereis gefunden worden sind, alle sehr zahlreichen Individuen dieses Borstenwurms männlichen Ge- schlechts waren. Es liegt daher sehr nahe, daran zu denken, dass dieser nene Wurm das Männchen von Sacconereis sein könnte, und ich würde in der That dieser Ansicht beipflich- ten, wenn irgend andere Beispiele so auffallender Verschie- denheit der beiden Geschlechter in der Klasse der Anneliden bekannt wären. Jedenfalls will ich diesem Wurm der Mög- lichkeit wegen, er könnte das Männchen von Sacconereis sein, keinen Namen geben. Die Grösse desselben varüirt von %/,'—1%/,,'"; Borsten tragende Glieder zählte ich in den allermeisten Fällen 21, zuweilen 22. Auch dieser Wurm besitzt eine hellgrüne Farbe und ist etwas durchsichtig, wie Sacconereis. Die grösste Verschiedenheit zeigt sich in der Form des Kopfes und in Zahl und Sitz der Tentakeln. Der Kopf hat eine grössere Ausdehnung besonders in der Längendimension, trägt übri- gens auch zwei Paar rothbraune Augen seitlich, alle mit Linsen, von denen wieder das grössere Paar die mehr ven- trale Seite einnimmt, das kleinere die dorsale (Fig. 9 u. 13). Am vordern Stirnrand ziemlich weit auseinander dorsal ste- hen zwei ganz kleine, zarte Fühler (a); unter ihnen und die ganze breite vordere Fläche des Kopfes zwischen den zwei Paar Augen einnehmend zwei sehr dicke und grosse, von der Mitte ihrer Länge etwa an zweigespaltene Fühler, die Sacconereis Helgolandica. 19 ausserdem noch das Eigenthümliche haben, dass die ganze innere Hälfte ihrer Oberfläche mit äusserst feinen Haarbor- sten, ännlich denen der Planarien, besetzt ist, die oft in disereten Querreihen zu stehen scheinen (Fig. 9 u. Fig. 13c). Die Lage dieser dieken Fühler ist derartig, dass die zwei Zipfel, in die sie gespalten sind, nicht quer in eine Ebene zu liegen kommen, sondern halb übereinander liegen; auch ist der mehr dem Dorsum zugewandte der beiden Zipfel eben- falls mit den feinen Haaren besetzt. Die Bewaffnung mit Haaren an Fühlern ist so auffallend, dass ich, ehe ich die Stelle des Mundes kannte, glaubte, ausgestülpte Kiefer vor mir zu haben, etwa wie die ganz weichen, nicht hornigen Sehlundeirren der Alciopa candida. Zwischen diesen zwei dicken Fühlern am vordern Stirnrand konnte man kurze Wimpern sich bewegen sehen. Hinter dem Kopfe in der Mitte befin- det sich ein unpaarer dorsaler Cirrus von ausserordentlicher Länge (e); er reicht bis zum fünften oder siebenten Glied und steht in einer Linie mit zwei eben so langen dorsalen Fühlereirren (f, f), denen ein sehr viel kürzerer Fühlereirrus auf der ventralen Seite entspricht (b), so dass im Ganzen jederseits zwei Fühlereirren vorhanden sind. Zwischen der Basis der letzten zwei kurzen ventralen Fühlereirren befindet sich der Mund (Fig. 13@) ohne Kiefer. Der unpaare lange mittlere Fühler hat noch das Ausgezeichnete, dass er an der einen Seite mit ganz winzigen kleinen Büscheln feiner Här- chen besetzt ist (Fig. 13 e), die um so schwerer wahrzunehmen sind, als sie an demselben Exemplar, an dem man sie schon gesehen, durch die geringste Bewegung des Thiers, wodurch die Fühler eine ungünstige Lage erhalten, unsichtbar werden. Es ist deshalb nicht ganz unmöglich, dass vielleicht auch die beiden langen Fühlereirren solche Haarbüschel besitzen und dieselben nur der ungünstigen Lage der Fühler wegen nicht gesehen werden konnten. Die Glieder-des Wurms sind be- deutend breiter als lang, am wenigsten lang die drei ersten; die Breite des ganzen Thiers wächst gegen die Mitte hin sehr unbedeutend, um gegen das Ende wieder allmählig und nur in geringem Maasse abzunehmen. Die Fusshöcker nun 7% 20 Dr. Max Müller: Ueber sind so übereinstimmend mit denen der Saeconereis gebildet, dass ich ganz auf das dort gesagte verweisen kann; wir fin- den hier wieder einen ventralen Höcker mit kurzen Sichel- borsten, einen dorsalen mit sehr langen, einfach lineären Borsten und darüber einen dorsalen hier indess kürzeren Cirrus (Fig. 10B). Auch hier hat der Ventralhöcker eine Acicula, und erhält der Dorsalhöcker mehr Halt durch ein Bündel kurzer, einfach lineärer und nicht vorragender Bor- sten (Fig. 10 3b). Die ventralen Sichelborsten sind ganz genau ebenso beschaffen, wie bei Sacconereis, und haben namentlich auch den zweispitzigen Haken (Fig. 11). Wäh- rend aber bei Saeconereis nur den zwei ersten Gliedern der dorsale Höcker mit langen, lineären Borsten fehlte, fehlt derselbe hier ganz constant den drei ersten Gliedern (Fig. 10 A), die also nur aus dem Ventralhöcker mit Acicula und Sichel- borsten und dem dorsalen Cirrus bestehen. Der Darmkanal durchsetzt die ganze Länge des Thiers ohne Erweiterung oder Windungen, und endigt mit dem After an dem vollkom- men nackten und nicht mit Cirri anales ausgestatteten Schwanzgliede. Wie schon oben erwähnt, waren alle Individuen, die ich gesehen habe, männlichen Geschlechts und stets in den drei ersten Gliedern die innere Höhle zwischen Darm und Lei- beswand strotzend angefüllt mit Zoospermien, deren lebhafte Bewegung bis in die Spitzen der Fusshöcker man durch die Bedeckung des Körpers bei unverletztem Thiere sehr deut- lich wahrnehmen konnte. Die Höhle dieser drei ersten Glie- der musste am dritten Gliede durch eine Scheidewand abge- schlossen sein, wie auch vorn am Kopf, da ich die Zoosper- mien, die sonst selbst bis in die hohlen Cirri superiores vor- drangen, weder jemals in den Fühlereirren noch in dem In- nern des vierten Gliedes beobachtete. Die Zoospermien, wenn am meisten ausgebildet, hatten die in Fig. 124 abge- bildete lang gestreckte Form; waren sie weniger entwickelt, so erschienen sie weniger regelmässig geformt, kleiner und mehr rundlich (Fig. 12c). Ausser den Zoospermien befanden sich stets noch sehr fein granulirte Zellen von 1400 — 50" Sacconereis Helgolandica. 21 Grösse im Innern der drei ersten Glieder (Fig. 12 5), die durch den Druck des Deckgläschens in der Regel in die Spitzen der Fusshöcker und in die Dorsaleirren gedrängt wurden; in diesen Zellen geht wohl die Bildung der Zoospermien vor sich. Schwänze konnte ich selbst bei den stärksten Vergrös- serungen an den Zoospermien nicht wahrnehmen. Als Hoden möchte ich ovale, dunkelgraue und zuweilen noch gelappte Körper deuten, die bei allen Exemplaren die Basis der Fuss- böcker einnahmen im zweiten und dritten Glied. Wahrschein- lieh befinden sich zu einer früheren Zeit in den drei ersten Gliedern solche Hoden, werden aber später, wenn der fer- tige Samen sich in die Leibeshöhle selbst ergiesst, allmählig aufgelöst. Sehr zu Gunsten dieser Annahme spricht eine nur an einem Exemplar gemachte Beobachtung, bei dem auch das erste Glied jedenfalls einen solchen grauen Körper, aber schon halb zerstört, enthielt (Fig. 9). Beschreibung der Abbildungen. Fig.1. Sacconereis Helgolandica auf dem Bauche liegend. Grösse #"—#". a. Drei Stirnfühler; b, b. zwei ventrale Fühlercirren; d, d. Dorsaleirren. Fig. 2. Vorderer Theil derselben auf dem Rücken liegend; a, b, d. wie vorher; e. der Mund; e.. Contour der Hülle des Eisacks, wo diese in die Leibeswandung der Bauchfläche des Thiers übergeht. /,f. Drü- sige Körper an der Basis des 8— 11. Fusshöckers (Ovarien?) Fig. 3. A. Fusshöcker des 1. und 2. Gliedes. a. Acicula; b. Si- chelborsten. B. Fusshöcker der übrigen Glieder. a, b. wie vorher; ec. kleines Bündel kurzer, lineärer Borsten, die dem Rückenhöcker mit den langen Borsten zum Halt dienen. Fig. 4. Ei von Sacconereis 7'5”’ gross. Fig. 5—8. Larven derselben in verschiedenen Stadien der Ent- wicklung von 2," — 7," Grösse. Fig 9. Borstenwurm von sehr ähnlicher Beschaffenheit, wie Sac- conereis, männlichen Geschlechts. Grösse von „4”"—-4}"", a. Kurzer dorsaler Stirufühler; b. ventrale Fühlereirren; c. zweigespaltene, breite, grosse Fühler am Vorderrande des Kopfs auf der Innenseite mit fei- nen Härchen bewaflnet; d, d, d. dorsale Cirren; e. mittlerer, unpaarer und dorsaler sehr langer Fühler; f, f. dorsale sehr lange Fühlereirren. 20 Dr. Max Müller: Ueber Sacconereis Helgolandica. Fig. 10. A. Fusshöcker der drei ersten Glieder desselben Wurms. a. Acicula; 5. Sichelborsten. B. Fusshöcker der übrigen Glieder. a, b. wie vorher; c. kleines Bündel kurzer, lineärer Borsten, die dem Rückenhöcker mit den langen Borsten zum Halt dienen. Fig. 11. Sichelborsten mit zweispitzigem Haken aus den Ventral- höckern sowohl der Sacconereis Helg. als des neuen stets männlichen Borstenwurms. - Fig. 12. Samen-Elemente des letzteren. a. Zoospermien; c. eben- solche weniger entwickelt; b. fein granulirte Zellen „45"—+!7" gross. Fig. 13. Der vordere Theil desselben Borstenwurms auf dem Rücken liegend. Die Bezeichnung wie in Fig. 9. Fig. 14. Borsten einer !'’ langen Wurmlarve aus der Gattung Phyllodoce. Fig. 15. Fusshöcker derselben mit einem dorsalen blattartigen und einem ventralen fadenförmigen Cirrus. - Ernst Haeckel: Ueber die Eier der Scomberesoces. 23.5 Ueber die Eier der Scomberesoces. Von Ernst HÄckeEL. (Hierzu Taf. IV. u. V.). Die Scomberesoces oder Pharyngognathi malacopterygü bil- den, indem sie viele sehr ausgezeichnete und verschiedene anatomische Eigenthümlichkeiten in sich vereinigen, eine der natürlichsten und bestbegränzten Fischfamilien, deren Gat- tungen aber erst von J. Müller in ihrem übereinstimmenden Bau erkannt und vereinigt wurden, während die frühern Zoologen sie bald da, bald dorthin zerstreuten, und selbst noch Cuvier sie mit Clupeeny Salmonen und andern weich- flossigen Bauchflossern in eine sehr unnatürliche Gruppe, seine Esoces, zusammenwarf. In der That geben die von der Haut der Kiemenhöhle ganz überzogenen Nebenkiemen, der völlig einfache Darm- kanal ohne alle Anhänge und Blinddärme, besonders aber der Mangel von Stachelstrahlen in den Flossen bei gleich- zeitiger völliger Verschmelzung der untern Schlundknochen, sowie endlich die Reihe gekielter vorspringender Schuppen, welche jederseits unter der Seitenlinie sich von vorn nach hinten erstreckt, so scharfe und ausgezeichnete Charaktere aller Scomberesoces ab, dass man diese als Muster einer na- türlichen Familie hinstellen kann. Es ist daher nicht zu ver- wundern, dass diese merkwürdigen Fische auch in feineren anatomischen Eigenthümlichkeiten trefflich übereinstimmen, Eine solche fand ich an den Eiern der Belone vulgaris auf, welche ich auf Helgoland frisch zu untersuchen Gelegenheit hatte. Als ich diese Eier nämlich unter das Mikroskop 24 Erust Haeckel: Ueber die brachte, fiel mir sogleich ein System eigenthümlicher Fasern in die Augen, welche zwischen Dotterhaut und Dotter lagen, und letzteren in dichtgedrängten Parallelkreisen umgeben. Nach meiner Rückkehr nach Berlin hatte Hr. Prof. J. Mül- ler die Güte, mir auch die Eier der andern Scomberesoces- gattungen (Tylosurus, Scomberesor, Hemiramphus, Exocoetus) aus hiesiger Sammlung zur Untersuchung zu überlassen, und ich war nicht wenig erstaunt, auch an diesen ganz den näm- lichen merkwürdigen Bau wiederzufinden, und zwar, einige unwesentliche Verschiedenheiten abgerechnet, ganz überein- stimmend. Das Wesentliche dieses Baus, welches allen Gat- tungen gemeinsam ist, besteht kurz in Folgendem: Unmittelbar unter der äusseren Eihaut oder Dotterhaut, welche am reifen Ei sehr zart, structurlos und sehr dicht mit äusserst feinen, dunkeln Punkten besetzt erscheint, er- streekt sich um den ganzen Dotter herum ein dichtes Netz eigenthümlicher, sehr zahlreicher und dichtgedrängter Fasern, welche weder mit dem Dotter noch mit der Dotterhaut zu- sammenhängen und sich beim Zerdrücken oder Zerzupfen des Eis sehr leicht von beiden in Form langer vielfach ver- schlungener Stränge isoliren lassen. In einer einfachen Lage, und am ganz reifen Ei selbst in einer doppelten bis drei- fachen, freilich unvollkommenen Schicht bedecken sie von allen Seiten den Dotter so dicht, dass man von letzterem nur hier und da etwas durchschimmern sieht. Diese Fasern anastomosiren nicht untereinander, sind vollkommen einfach (nur sehr selten einmal gespalten), solid, cylindrisch, ganz homogen, glashell und durchsichtig, mit einem leicht gelb- lichen Anflug und zeichnen sich durch ein sehr starkes Licht- brechungsvermögen aus, das ihre Contouren äusserst scharf und dunkel hervortreten lässt. Auch in ihren übrigen phy- sikalischen, wie in ihren chemischen Eigenschaften nähern sie sich den elastischen Fasern, sind ziemlich hart, biegsam und elastisch. Ihre Länge ist nicht direet zu bestimmen, jedoch sehr bedeutend und übertrifft wohl bei allen den Umfang des Eies mehrere Mal. Ihre Breite varürt von 4,0" — Yo", beträgt — Eier der Scomberesoces. 25 “ jedoch im Mittel durebgängig Yu. Die Fasern vpn Scom- beresor‘) und Hemiramphus?) sind im Allgemeinen etwas breiter, die von Tylosurus®) und Exocoetus*) etwas schmaler, als bei Belone. Jede Faser behält während ihres ganzen Verlaufs ziemlich dieselbe Breite bei, läuft aber an den einen (jüngern) Ende sehr allmählig in eine lange Spitze aus, während das andere (ältere) Ende entweder allmählich oder scharf abgesetzt in einen länglich-runden Kolben an- schwillt, welcher 2—3 mal so breit, 6— 8 mal so lang als die Breite der Faser ist, und den man in mehrfacher Bezie- hung die Wurzel der Faser nennen kann. Er sitzt nämlich mit seiner abgeschnittenen Basis, welche eine kreisrunde platte (bei Tylosurus convexe) Scheibe darstellt, an der in- neren Fläche der Dotterhaut ziemlich fest an, so dass oft ein Stückchen der letztern beim Isoliren der Faserwurzel an ihr hängen bleibt. Besonders deutlich ist dies an jüngeren Eiern zu sehen, deren Dotterhaut eine viel beträchtlichere Dicke hat und deutlich eine innere und äussere Fläche unter- scheiden lässt. An diesen ist auch ein zarter, cylindrischer, kurzer Schlauch am deutlichsten, welcher sich von dem kreis- förmigen Rande der Basis erhebt und als feine durchsichtige Hülle (Fig. 7—11, I.) die Faserwurzel in ihrem ganzen Umfange umgiebt. Am entgegengesetzten Ende der letzteren, wo die Faser von der Wurzel abgeht, ist das schleierartige Säckchen zum Durchtritt der Faser durchbrochen, was mit der Entwicklung derselben zusammenhängt (siehe unten). Obwohl diese Hülle der Faserwurzel am jungen Eie nie fehlt, so ist sie doch am reifen Eie nicht immer sichtbar, entweder nur weil sie sehr eng und dicht der Wurzel anliegt, oder weil 1) Untersucht der Scomberesox des Mittelmeers (Sairis nıaus Raf., Scomberesor Rondeletii Val.) 2) Untersucht der Hemiramphus des rothen Meers (Esor margina- tus Forsk., Hemiramphus Commersonii Cuv., Hemiramphus Far Rüpp). 3) Belone truncata Lesueur, 4) Exocoetus exiliens Gm, 26 Ernst Haeckel: Ueber die sie später resorbirt wird. Indess ist sie bei Erocoetus fast an allen Fasern deutlich. Sehr interessant ist es, dass die verschiedenen Gattungen der Scomberesoces sowohl hinsichtlich der Form der Faser- wurzel, als des Verlaufs der Fasern selbst, ziemlich beträcht- liche Verschiedenheiten zeigen. Was zunächst die erstere be- trifft, so ist sie am ausgezeichnetsten bei der von Cocco aufgestellten Gattung Tylosurus. Diese Gattung, welche sich durch einen vorspringenden, schwieligen, dicken Kiel an jeder Seite des Schwanzes von Belone unterscheidet, wurde von Valeneiennes wieder eingezogen, weil er jenen Gattungs- charakter nicht für ausreichend hiel. Nun scheint aber die bei Belone ganz verschiedene Form der Faserwurzel jenen Unterschied nur zu bestätigen. Bei Tylosurus gleicht näm- lich die Wurzel einer sehr zierlichen, schlanken Urne (Fig. 11). Das Faserende geht in eine bauchige, krugförmige Erweite- rung über, welche oben sich wieder mehr verengt, und dann durch einen vorspringenden, tellerförmigen Rand abgeschnit- ten ist, auf welchen eine planconvexe Linse, wie der Deckel der Urne, aufgesetzt ist. Am nächsten. schliesst sich hin- sichtlich dieser zierlichen Bildung an Tylosurus Hemiramphus an (Fig. 9). Jedoch ist die Urne hier dicker, plumper und ohne Deckel. Noch viel einfacher ist die Gestalt der Faser- wurzel bei Sairis (Fig. 8), wo der scharfe, tellerförmige, ver- breiterte Rand verschwunden und durch eine rundliche, stumpfe Kuppel ersetzt ist. Aehnliche rundliche Form findet sich auch bei Belone (Fig. 7). Am einfachsten endlich ist die Wurzel bei Exocoetus (Fig. 10) gestaltet, wo die Faser sich in ‚einen regelmässigen oder etwas bauchigen Kegel erweitert, mit dessen Basis sie der innern Fläche der Dotterhaut an- sitzt. Uebrigens bietet noch die Grösse der Faserwurzel bei den verschiedenen Gattungen einige Differenzen dar, wie aus folgender Uebersicht hervorgeht. Eier der Scomberesoces. 27 Wurzel von | Länge Breite + _— ! —— . _ Tylosurus Us" Yo“ Hemiramphus Va a Scomberesoxr Year allge Belone Ira: 15" Exocoetus a no“ I Die Anordnung und der Verlauf der Fasern ist bei den verschiedenen Gattungen ebenfalls verschieden, wie Fig. 5, 13—16 zeig. Am einfachsten gestaltet sie sich bei Belone (Fig. 5), wo die Fasern weniger gebogen und verschlungen sind, als bei den andern Gattungen. Sie laufen ziemlich grade und parallel dicht gedrängt neben einander hin, und umspinnen den Dotter ebenso, wie die Parallelkreise die Erdkugel umgeben, sodass man am Dotter eine Axe, an deren beiden Polen die Fasern die kleinsten Kreise beschrei- ben, und einen Aequator, an dem die concentrischen Ringe den bedeutendsten Umfang erreichen, unterscheiden kann. Aehnlich, jedoch nicht so regelmässig, ist die Anordnung bei Hemiramphus (Fig. 13), wo die Fasern ebenfalls noch in deut- lichen Parallelkreisen um eine ideale Axe verlaufen, jedoch ziemlich stark wellig gebogen und in zierliche Lockenbündel geordnet sind. Fast nur noch spurweise tritt die regelmäs- sige, concentrische Anordnung bei Tylosurus (Fig. 14) auf, wo die einzelnen Faserbündel schon ziemlich bunt durcheinander gesponnen sind und wo die Wurzeln der Fasern nach ver- schiedenen Richtungen divergiren, während sie bei Belone und Hemiramphus fast durchgängig in einer bestimmten Rich- tung parallel dem Verlauf der Fasern geordnet sind. Ganz regellos und unbestimmt wird letzterer bei Sairis (Fig. 15), wo die Fasern ganz ohne Ordnung durcheinander gewirrt sind und nach allen Richtungen hin einander durchkreuzen und umschlingen. Dagegen sind sie wiederum nach einem ganz eigenthümlichen Typus bei Exocoetus (Fig. 16) geordnet, indem hier auf der Dotteroberfläche mehrere (10—20) Mit- 28 Ernst Haeckel: Ueber die telpunkte oder Pole vorhanden sind, um welche herum sich die sehr zierlich wellig gelockten, aber parallel in Bündel gestellten Fasern, in concentrischen Systemen ordnen, was ein sehr zierliches und regelmässiges Bild gewährt. Je- doch ist sowohl bei ihm, als bei den andern Gattungen zu bemerken, dass die regelmässige Anordnung der Fasern, wie sie eben beschrieben wurde, nur zu einer gewissen Zeit der mittleren Reife des Eies völlig deutlich sichtbar ist, während sowohl vor dieser Zeit, wenn die Fasern noch nicht die ge- hörige Länge haben, als auch nachher, wenn sie sehr lang ausgewachsen sind und in 2—3 Lagen den Dotter umgeben, wenig mehr davon zu sehen ist. In ihrem chemischen Verhalten stimmen die Fasern mit keinem mir bekannten Stoffe vollkommen überein, nähern sich jedoch durch ihre mikrochemischen Reactionen am mei- sten dem elastischen Gewebe, von dem sie sich aber sogleich durch ihre Leichtlöslichkeit in kochender Essigsäure unter- scheiden. Auch von Alkalien werden sie viel stärker ange- griffen und rascher aufgelöst. In sehr concentrirtem Kali oder Natron werden sie sogleich blass und trübe, sehr mürbe und bröcklich, so dass sie leicht in kleine Fragmente mit splittrigen Bruchflächen zerfallen, Zuweilen zeigen sie dann auch Längsrunzeln oder werden varicoes. Meist lösen sie sich sehr bald auf. Ammoniak greift sie viel weniger an und in verdünnten Alkalien lösen sie sich erst nach langem Ste- hen. Gegen Säuren zeigen sie sich viel resistenter. Nur concentrirte Schwefelsäure löst sie sofort auf. Concen- trirte Salzsäure macht sie nach längerer Einwirkung erblas- sen und schrumpfen, löst sie aber nicht. Starke Salpeter- säure bewirkt eben so wenig eine Lösung; wie auch concen- trirte Phosphorsäure und Essigsäure, dann auch alle ver- dünnten Säuren selbst nach tagelanger Berührung mit den Eiern gar keine Wirkung auf die Fasern ausüben. Ebenso sind kochendes Wasser, Alkohol und Aether ohne Einfluss. Dagegen lösen sie sich in kochender Essigsäure sofort voll- kommen auf (und erscheinen auch bei Neutralisation der Säure nicht wieder). Zucker und Schwefelsäure färben sie matt Eier der Scomberesoces. 29 orangeroth, während der Dotter gleichzeitig eine tiefe Pur- purfarbe annimmt. Durch Jod werden die Fasern, ebenso wie durch Salpetersäure und Chromsäure gelb gefärbt. Was ich über die Entwicklung dieser sonderbaren Faserı ermitteln konnte, bezieht sich auf die jungen Eier von Belone, die ich auf Helgoland frisch untersuchen konnte. Alle in Weingeist aufbewahrten Eier waren zur Untersuchung der Entwieklung ganz unbrauchbar, schon wegen der Undurch- tigkeit des Dotters. Irgend eine Beziehung der Fasern zu Zellen konnte ich nicht entdecken. Soviel konnte ich aber mit Sicherheit fest- stellen, dass jede Faser durch einseitige Verlängerung der Wurzel, die vor der Faser da ist, entsteht, wie sich das an jungen Eiern in allen Stadien verfolgen lässt. In Fig. 1-5 sind 5 solcher Stadien gezeichnet. Die ersten Spuren der Faserwurzeln erscheinen als dunkle Punkte, deren Zahl auf der ganzen Dotteroberfläche etwa 30 — 50 betragen mag (Fig. 1). Diese Punkte vergrössern sich allmählig zu rundlich dreieckigen oder vieleckigen, soliden, glashellen, scharf cön- tourirten Körnern, von denen ınan deutlich sieht, dass sie der inneren Oberfläche der Dotterhautblase fest aufsitzen (Fig. 2). Eine weitere Struktur, eine Höhlung, ein körniger Inhalt ete. ist an diesen glasartigen Körnern nicht im min- desten wahrzunehmen. Bald aber erscheint die bis dahin einfache Contour doppelt; es tritt eine zarte Hüllmembran um das Korn auf, welche der spätern schlauchartigen Hülle der Faserwurzel entspricht. Wenn diese äussere Contour auch in vielen Fällen nicht deutlich zu unterscheiden ist, so liegt dies daran, dass sie dem innern von ihr umschlossenen Kerne äusserst eng anliegt, und man muss um so sicherer auf ihre Anwesenheit schliessen, als in dem folgenden Sta- dium ihr deutliches Bild nie fehlt. Jetzt durchbricht nämlich der innere Kern die äussere Hülle (Fig. 3), indem er unipo- lar auswächst und sich in eine Faser verlängert, welche durch schnelles Wachsthum zu einer der colossalen, oben beschrie- benen Pasern wird. Gleich nachdem der Kern so ausge- wachsen, kann ınan das zerrissene Ende der zarten Hülle, 30 Ernst Haeckel: Ueber die welche nun als ein an einem Ende der innern Dotterhaut- fläche aufsitzender, am andern Ende (für den Durchtritt der Faser) offener Schlauch erscheint, als eine zarte Querlinie deutlich erkennen (Fig. 5). Aeusserst deutlich aber wird das ganze Häutchen, wenn die jungen Fasern sich erst ein wenig verlängert haben, wobei sie sich anfangs sonderbar schlan- genartig zu krümmen pflegten. Fig. 4 zeigt ein ganzes Ei, Fig. 6 eine einzelne Faser desselben bei sehr starker Ver- grösserung. Die 3förmig gebogene Faser zeigt an den Con- cavitäten der Biegungen feine, scharfe Querrunzeln (welche auch die erwachsenen Fasern, Fig. 12, hier und da noch zeigen) und schwillt am vordern Ende in einen Kolben an, der im Verlauf des weitern Wachsthums zur Faserwurzel wird und aus dem zuerst vorhandenen Knopfe entstanden ist. Eingehüllt ist er, grade wie die Mooskapsel von ihrer Calyptra, von der zarten Schlauchhülle, welche nun sehr locker und weit aufsitzt, und sich nicht mehr verändert, wäh- rend die Wurzel noch etwas grösser wird. Die Fasern selbst sind anfangs stark gewunden, und nach verschiedenen Rich- tungen gedreht, zeigen aber im weitern Wachsthum sehr bald ein Bestreben, sich in Parallelkreise zu ordnen, wie das schon oben beschrieben ist. Am ganz reifen Ei werden sie endlich so lang, dass sie 2, selbst 3 übereinanderliegende, jedoch nir- gends ganz vollständige Fasernetze um den Dotter, der wie ein Ball von ihnen besponnen wird, bilden. Was an den aus dem Eierstock ausgetretenen, sowie an den befruchteten Eiern aus den Fasern wird, konnte ich leider nicht erfahren, da mir solche Eier nicht zu Gebote standen. Indess möchte eine weitere und genauere Untersuchung ihrer Entwicklungs- geschichte wohl ein würdiger Gegenstand künftiger, ausführ- licherer Forschungen sein, da diese interessanten Gebilde sowohl in ihrem morphologischen und chemischen Verhalten, als auch ganz besonders in ihrer Entwicklungsweise, deren eigentliche Bedeutung mir sehr dunkel geblieben ist, keinerlei Analogie oder Aehnlichkeit mit verwandten Gebilden darzu- bieten scheinen. Eier der Scomberesoces. 31 Erklärung der Figuren. Fig. 1, 2,3,4. Junge Eier verschiedener Entwicklungsstadien von Belone. Vergr. bei 1 und 2:30, bei 3 und 4: 200. Fig. 5. Ein reiferes Ei von Belone. Vergr. 100. Fig. 6. Eine einzelne junge Faser des Eies Fig. 4. Vergr. 600. Fig. 7—11. Einzelne ausgebildete Faserwurzeln der verschiedenen Scomberesoces -Gattungen. Vergr. 300. I. Ohne Wurzelhülle; II. mit derselben. Fig. 7. Belone; 8. Scomberesoz; 9. Hemiramphus; 10. Exocoetus; 11. Tylosurus. Fig. 12. Ein gewundenes Stück einer isolirten Faser von Hemi- ramphus. Vergr. 300. Fig. 13. Ei von Hemiramphus. Vergr. 100. Fig. 14. „ „ Tylosurus $ 4 Fig. 15. „ „ Scomberesor 5 Y Fig. 16. „ „ Exocoetus = ” 32 Prof. L. Fick: Ueber die Form des Stethoscops. Ueber die Form des Stethoscops. Von Prof. L. Fıck. (Hierzu Taf. V. Fig. 17. u. 18.). Wenn ich ein gewöhnliches Stethescop in freier Luft an das Ohr halte, so höre ich fortwährend ein leises Geräusch, was ebenso fortdauert, wenn ich die Aufsatzmündung des Stethescops auf einen beliebigen nicht tönenden Gegenstand aufsetze. Jeder, den ich noch zum Versuch aufgefordert, hört in gleicher Weise dieses Geräusch. Es ist sehr begreif- lich, dass dieses Geräusch durch das Andrücken der Platte auf das Ohr und in Specie durch das Eindrücken des Tragus gegen den Eingang des Ohrs hervorgebracht wird. Offen- bar muss dieses leise Rauschen die Genauigkeit in der Wahrnehmung der zu beobachtenden Lungen -Herzgeräusche ete. etwas stören. Diesen Uebelstand der Stethoscope mit aufgesetzten Ohr- platten habe ich nicht gefunden bei einem Stethescop, was ich mir derart construirte, dass das Ohrstück einfach abgerundet ohne jede Aufsatzplatte endigte, welches ich geradezu in den Eingang des Ohrs hinter den Tragus einschiebe. Bei einem dergleichen construirten Stethescop hört man in freier Luft durchaus kein Geräusch und bei der Untersuchung eines Thorax die zu beobachtenden Geräusche ausserordentlich rein. Die beiliegende Zeichnung wird die Sache ohne alle Worte sofort deutlich machen. Der Durchschnitt des Gehör- gangs ist durch eine Glasplatte unmittelbar auf das Papier übertragen, die rothen Linien bezeichnen in Fig. 1 das ge- wöhnliche Stethoscop und die bei der Anlegung desselben Prof. L. Fiek: Ueber die Form des Stethoscops. 33 unvermeidlichen Verbiegungen des Tragus und der Concha aurieulae; in Fig. 18 ist die Einsetzung meines Stethoscops durch die rothen Linien angedeutet. Es ist ferner bekannt, dass es bei dem gewöhnlichen Stethoscop absolut nöthig ist, den Kopf durchaus in dersel- ben Richtung an die Ohrplatte anzudrücken, wodurch sehr oft ausserordentlich unbequeme Stellungen nöthig werden. — Mein Stethoscop kann mit dem Ohrrande einmal in den Ein- gang des Ohrs eingeschoben nach allen Seiten eines ziemlich grossen kegelförmigen Raumes verstellt werden, ohne dass diese verschiedenen Stellungen den mindesten Einfluss auf seine Leistung haben, was aus der Natur der Sache folgt. Ich bediene mich dieses Stethoscops seit Jahren mit dem besten Erfolge. Nur ist freilich nicht zu verkennen, dass für die medizinisch technischen Apparate dasselbe gilt, was bei jedem andern Handwerkszeug wahr ist, dass nämlich die Gewohnheit und die auf der Gewohnheit ruhende Dexterität des Brauchenden — bis zu einem gewissen Grade kleine Abweichungen der Construction praktisch irrelevant erscheinen lassen, wenn nur das rationelle Prineip bei der Construction des Werkzeugs im Allgemeinen gewahrt bleibt. — Da übri- gens neuerdings wieder von Verbesserung des Stethoscops gesprochen wurde — man hat biegsame von Gutta percha gefertigte Stethoscope empfohlen — so mag es vielleicht auch nicht ohne Interesse sein, meine Form zu prüfen. Müllers Archiv, 1855 sg 34 Andr. Retzius: Ueber den grossen Ueber den grossen Fetttropfen in den Eiern der Fische. Von Prof. Dr. A. Rerzıvs. (Aus der Öfversigt af K. Vet. Ak’s. Förhandl., d. 19. Apr. 1854, übersetzt von Fr. Creplin) Ich hatte in früher einige Male von mir untersuchtem Fischrogen die Dotterblase immer mit einem emulsionartigen Inhalte von zahlreichen kleinen, gröberen und feineren Fett- tropfen angefüllt gesehen, welche in einer klarern, eiweiss- ähnlichen Flüssigkeit gleichsam aufgeschlämmt waren. Im neulich untersuchten Rogen von Aalquappen, welche wäh- rend der Laichzeit in der Ostsee gefangen und mir vom Frei- herrn G. von Cederström gütigst übersandt worden waren, befand ich den Inhalt ganz anders, nämlich einen einzigen grossen Oeltropfen, schwimmend in der eiweissähnlichen Flüssigkeit, ganz klar, ohne Einmengung der feineren Tropfen. Fetttropfen in den Eiern der Fische. 35 Fig. 1. Vier Rogenkörner der» Aalquappe, während der Laich- zeit aus unbefruchtetem Rogen genommen und mittelst schwacher Ver- grösserung von oben angesehen; a. der Fetttropfen, b. die Eiweiss- flüssigkeit im Dotter, c. die Keimmasse für den Anfang des Em- bryo’s. Dieser Fetttropfen, oder wenn man ihn so nennen will, diese Fettzelle, hat für den ungewohnten Beobachter ein wunderbares Ansehen. Er ist sehr gross, hat einen beson- ders dunkeln Schatten im Umkreise und schwimmt beständig oben auf. Man kann ihn auch mit blossem Auge sehen, ob- gleich der Aalquappenrogen sehr fein ist. Genau von der Seite betrachtet, zeigt er sich zwischen der Wand der Dot- terblase und dem wasserhaltigen, albuminösen Fluidum, in welches er hineingedrückt ist, linsenförmig abgeplattet. Rathke hat aus den Eiern des Blennius viviparus (Ab- handl. zur Bildungs- und Entwickelungsgesch. Th. II. S. 6) 16—20 soleber Fetttropfen beschrieben. v. Baer eitirt dies in seinem klassischen Werke: Untersuch. üb. d. Entwicke- lungsgeschichte der Fische, wo er äussert: „Nach Rathke sind im Blennius vieiparus ursprünglich mehrere Oeltropfen, die während der Entwickelung zu einem Oelbläschen sich sammeln. In keinem der von mir untersuchten Cyprinus- Laiche fand ich einen gemeinschaftlichen Oeltropfen.* Aus derselben Stelle geht hervor, dass Carus denselben Oel- tropfen in den Eiern von Cyprinus Dobula dargestellt hat, welche daher, wie Baer meint, entweder dem Kaulbarsch oder dem Barsch angehört haben. Baer sah dasselbe Oel- bläschen ebenfalls beim Zander, beim Kaulbarsch und beim Barsche. Beim Hechte sowohl, als bei den Cyprinus-Arten, fand er das Fett in zahlreiche Oeltropfen in der Peripherie des Dotters vertheilt. Einige Zeit nach der Untersuchung des eben erwähnten Aalguappenrogens erhielt ich neu befruchteten Hechtrogen. Auch in diesem fand ich die grosse Oelblase; dagegen sah ich sie mehrmals beim Barsche fehlen und bei ihm statt dessen den Dotter kleine Oelblasen in unzähliger Menge ent- halten, ©. Vogt hat in seiner vortrefflichen Arbeit, Em- 3* 36 Andr. Retzius: Ueber den grossen bryologie des Salmones (Hist. nat. des Poissons d’eau douce de l’Europe centrale p. Agassiz, Neufchatel 1842), auf diese Verhältnisse auch grosses Gewicht gelegt. Er sagt: Das Eigelb (bei den Fischen) gleicht an äusseren Eigen- schaften weniger dem Gelben als dem Weissen bei den Vö- geln. Es besteht aus einer klaren, homogenen, klebrigen Feuchtigkeit, ohne Spur von Cellen oder anderen Körper- chen, wie bei anderen Thieren.* „Ich lege ein besonderes Gewicht auf diesen Umstand, weil derselbe einen so wichti- gen Einfluss auf die Bildung des Embryo’s ausübt. — — „Ein anderer wichtiger Theil des Gelben besteht aus den Oeltropfen, welche auf dessen Oberfläche schwimmen“ — — „in Folge ihres geringern speeifischen Gewichts werden sie von dem übrigen Dotter weggetrieben und gegen dessen Haut abgeplattet. Dieses geringere specifische Gewicht der Oel- tropfen verursacht auch, dass sie sich an einer Stelle ansam- meln, wo sie einen Disceus bilden, welcher allemal aufwärts gerichtet ist, so lange als das Ei im Wasser liegt.“ u. s. w. Es erhellt hieraus, wie wir weiterhin sehen werden, dass der ausgezeichnete Verfasser, obgleich er das Verhalten mit den Bestandtheilen des Fischdotters aus Fett und klarem Eiweiss, ohne eigentliche Zellen, richtig aufgefasst, doch, aller Wahr- scheinlichkeit nach, nur ein vorübergehendes Stadium aufge- fasst hat, während dessen sich das Fett zu einigen, wenige- ren Tropfen an der Oberfläche des Dotters angesammelt hatte. Dies muss zum Theil auch der Fall mit von Baer gewesen sein, welcher nach dem verschiedenen Verhalten der Fetttropfen die Rogenkörner verschiedener Fische erkennen wollte. So sagt Baer (l. e. S.8): „In den meisten Eiern sind es zerstreute Oeltropfen und zwar sehr kleine in Cy- prinus Blicca und Cyprinus erythrophthalmus, grössere und weniger zahlreiche im Hechte, wo sie die Peripherie des Keims umgeben, zu einem grossen Tropfen gesammelt im Ei des Barsches, Kaulbarsches und des Zanders“ in Beziehung hierauf hinzufügend: „Schon wegen dieses Wechsels kann ich von dem Oelbläschen nicht die grosse physiologische Be- deutung erwarten, die man ihm zugeschrieben hat.“ Was Fetttropfen in den Eiern der Fische. 37 nun den Barsch betrifit, so habe ich bei den Individuen, welche ich untersucht, längere Zeit vor der Laichzeit den grossen Oeltropfen nicht angetroffen, sondern statt seiner unzählige kleine, überall im Dotter umher zerstreute Tropfen, welche der Laichzeit näher geringer an Zahl und grösser zu werden schienen. So war das Verhalten auch bei der Aal- quappe. Es ist hier schon angeführt worden, dass der Rogen der Aalquappe während der Laichzeit nur einen Oeltropfen hat. Dass der oben abgebildete Aalquappenrogen von Individuen abgestammt sei, die in der Ostsee gefangen wor- den, habe ich auch schon bemerkt. Kurz nach ihnen unter- suchte ich Aalquappen aus unseren Binnenseen, in denen sie einen Monat später als die Aalquappe der Ostsee laicht. Bei ihnen zeigte sich der Rogen wie in Fig. 2. Das Fett war hier in eine Menge theils grösserer, theils kleinerer, durch die ganze Dottermasse zerstreuter Oeltropfen vertheilt. Die grösseren Tropfen waren hier nicht einfach oder klar, zeigten nicht den dunkeln Ring im Umkreise, sondern waren von unzähligen, noch kleineren Körnern gra- nulirt, fast wie die grossen Cellen im Dotter der Vögel. Fig. 2. Rogen von Gadus Lota, etwa einen Monat vor dem Anfange der Laichzeit gesammelt. In den kleinen, unausgebildeten Eiern, welche in den Eierstockwänden der mehrfachen Fischarten eingeschlossen sitzen, die nach Stockholm zu Markte kommen, und in denen 38 Andr. Retzius: Ueber den grossen das Purkinje’sche Keimbläschen im Verhältnisse zu dem wenig ausgebildeten Dotter selbst noch gross ist, habe ich im allgemeinen nur Spuren von Oeltropfen in eben diesem Bläschen gefunden. Es sind wahrscheinlich diese Tropfen, welche Vogt als Theile des Keimflecks (a. a. O. 8.4) be- schreibt, wenn er sagt: „Die Keimflecken, welche das Keim- bläschen in einer Anzahl von 6 oder 12 enthält, sind von einer sehr klaren Feuchtigkeit umgeben; es sind im allge- meinen kleine klare Blasen, wie das Keimbläschen selbst, aber von weniger eirkelrunder Form.“ „Ich habe sie oft den Wänden des Keimbläschens gleichsam angeheftet gefunden, in anderen Fällen jedoch geglaubt, sie frei schwimmen zu sehen.* Coste bildet auch diese Tropfen im Purkinje- schen Bläschen des Stichlingseies ab, ohne dass man sie jedoch im Texte des Werks erwähnt fände. Ich bin daher zu der Ansicht gelangt, dass der Wagner- sche Keimfleck bei den Fischen aus Fetttheilchen bestehe, welche allmählich erzeugt werden, an Anzahl zunehmen, sich mit einander vereinigen und als Tröpfchen oder Bläschen auftreten.‘ Sowie diese die Oberhand gewinnen, scheinen sie das Keimbläschen auszudehnen und ihre Bildung durch den ganzen Dotter hindurch fortzusetzen. Es ist wahrscheinlich, dass das Keimbläschen durch diesen Vorgang bei den Fischen frühzeitig zerstört werde. Dies Verhalten muss Licht über die richtige Bedeutung sowohl des Keimflecks (als Kernkör- pers), wie auch des Keimbläschens (als Kernzelle) verbreiten können. Ein genaueres Studium dieser abwechselnden Verhältnisse des Fetts und der Eiweissflüssigkeit im Fischrogen wird wahr- scheinlich den von Stannius vor kurzem aufgestellten Grundsatz bekräftigen, welcher in der von ihm im vergan- genen Jahre herausgegebenen denkwürdigen Schrift: Beob- achtungen über Verjüngungsvorgänge im thieri- schen Organismus angeführt wird, wo er S. 61 äussert: „Das Wichtigste, was diese Abhandlung giebt, ist aber, meiner Ueberzeugung nach, die Hinweisung aufunabsehbareReihen von chemischen Processen | | | | | Fetttropfen in den Eiern der Fische. 39 imlebenden Thiere, bei welchen Fett- und Eiweiss- modificationen die wesentlichste Rolle zu spielen scheinen“ u. s. w. Nirgends scheint dieses Verhalten näher zur Hand, nir- gends in einfacherer oder klarerer Form uns vor Augen zu liegen als im Eie, und wie wir sehen, vorzüglich im Eie der Fische. Wir dürften hierbei annehmen können, dass die Mehrzahl der verschiedenen Materialien, welche in die Bil- dung des Embryo’s eingehen, ihren Elementartheilen nach mit einer der genannten beiden Hauptformen, nämlich dem Fett und dem Eiweiss, sich verbinden und unter deren wechsel- seitiger Einwirkung auf einander die mannigfaltigen Theile hervorrufen, aus denen der Organismus gebaut und durch welche er erhalten wird. Auch mehrere Tage noch nach dem Einschliessen des Dotters in die Bauchhöhle bei den kleinen Fischembryonen kann man den Oeltropfen durch die klaren Bauchwände hin- durch auf dem Dotter sehen. Dies haben auch Carus, Vogt u. m. lange zuvor schon wahrgenommen und abge- bildet. Bei den Aalquappenjungen, welche aus dem zuerst erwähnten Rogen ausgebrütet wurden, erschien der Fett- tropfen sehr gross noch 10 Tage, nachdem das Junge das Ei verlassen hatte. Fig. 3. Aalquappenjunges, 10 Tage alt, durch das Mikroskop schwach vergrössert; gesehen; a. der noch grosse Dottersack, b. der Oeltropfen. 40 Dr. Franz Leydig: Der hintere Der hintere Sklerotikalring im Auge der Vögel. Von Dr. Franz Leyoie. (Hierzu Taf. VI. Fig. 1—7). Im vorigen Jahre entdeckte Gemminger!') im Auge der Spechte ein bis dahin nicht bekanntes Knochenstück, welches den Sehnerven bei seinem Eintritt in den Augapfel umgiebt. Als feiner Kenner der Lebensweise der Vögel bezieht er die Knochenplatte auf die eigenthümliche Art der Spechte, ihre Nahrung zu suchen, wovon eine lebendige Schilderung gegeben wird und erklärt sie für ein Schutzorgan gegen Quet- schungen des Sehnerven. Von den Spechten schloss der genannte Forscher auf die Gegenwart des Knochens bei ver- wandten Vögeln, dem Rabengeschlecht, Gimpel, Kernbeisser, Grünling, Meisen, Spechtmeise, Baumläufer und gab Zeich- nungen, welche eine Uebersicht von den gefundenen Formen lieferten, ausserdem vermuthet er das Knochenstück noch bei Iynz, Alcedo, Graculus, Pyrrhocorar, Coracias und den Lozien. Gänzlich vermisste er es bei den Tag- und Nachtraubvögeln, den Hühnern, Sumpf- und Schwimmvögeln. In den folgenden Zeilen erlaube ich mir mitzutheilen, dass dieser hintere Sklerotikalring noch im Auge von Vögeln an- getroffen wird, welche der Entdecker nicht namhaft ge- macht hat. Ich hatte im Archiv für Anatomie und Physiologie bezüg- 1) „Ueber eine Knochenplatte im hintern Skleroticalsegment des Auges einiger Vögel“ in der Ztschrft. f. wiss. Zoologie 1853. S. 245. Sklerotikalring im Auge der Vögel. 41 lich des Fächers im Vogelauge die Angabe gemacht, dass unter ihm ein weisser Wulst sei, dessen histologische Bedeu- tung mir nicht klar war. Bei Wiederaufnahme des Gegen- standes an frischen Thieren überzeugte ich ‚mich alsbald, dass ich einen Theil der Optieusentfaltung, durch einseitige Prä- paration veranlasst, für etwas besondres genommen hatte; dieses Irrthumes halber bitte ich um Entschuldigung. Gele- gentlich jener an einem frisch geschossenen Thurmfalken (Falco tinnunculus L.) gemachten Correktur wurde aber auch wahrgenommen, dass die Sklerotika an der Eintrittsstelle des Sehnerven in einer bestimmten Umgrenzung ossifizirt sei, die strahligen Knochenkörperchen waren deutlich und hell. Leider gestattete der Zustand der Augen nicht mehr, die Contouren der Knochenplatte im Ganzen fest zu stellen, doch regte die Beobachtung dazu an, auf das etwaige Vorhandensein des fraglichen Knochenstückes noch andere Vogelgattungen zu prüfen. Zunächst wurde mir die Gelegenheit, den gemeinen Bussard (Falco buteo L.) zu untersuchen; es kann aber ver- sichert werden, dass hier der hintere Sklerotikalring mangelt. Auch au einem in Weingeist aufbewahrten Eulenauge (wahrscheinlich von Strir flammea) ist keine Spur des Kno- chens zugegen. Aus der Familie der Zahnschnäbler (Dentirostres) konnte ich bei einem Weingeistexemplare von Muscipeta Sa- telles Lieht. darüber nachsehen. Es findet sich hier ein gut entwickelter Knochen von hufeisenförmiger Gestalt, das Fo- ramen opticum umgebend. * Am unteren Rande des Bogens geht er in zwei kurze Spitzen aus und die beiden Schenkel sind von ungleicher Form, der eine einfach oval-blattförmig, der andre mit einem seitlichen Ausschnitt. Der Knochen hat Markräume mit Fettzellen. Nicht minder in der Gruppe der eigentlichen Sänger (Subulirostres) ist das Auge mit diesem Knochenstück aus- gestättet. Meine Nachforschungen erstrecken sich auf die Bachstelze, Amsel, Rothschwänzchen und einen mexikani- schen Zaunkönig ( Weingeistexemplar). 42 Dr. Franz Leydig: Der hintere Bei der weissen Bachstelze (Motacilla alba L.) sind die Schenkel des hufeisenförmigen Knochens von ungleicher Länge (Fig. 3); der, weleher den andern überragt, hat einen grösseren und einige kleinere Ausschnitte, die Spitzen des hintren Bogenrandes sind sehr kurz. Der Knochen hat Mark- räume mit’ Fettzellen und Blutgefässen. Bei der Amsel (Turdus merula L.) sind die Schenkel des Knochens stets von gleicher Länge (Fig. 5), aber ebenfalls wieder von verschiedenen Contouren, indem der eine stärkere Ausschnitte als der andere zeigt. Die Spitzen am hintern Rande sind lang und begrenzen eine Oeffnung, welche durch den Sklerotikalknorpel vervollständigt wird. Der Knochen mit Markräumen. Der betreffende Knochen des Rothschwänzchen (Syl- via phoenicurus L.) stimmt in seiner Form (Fig.4) sehr mit dem der Bachstelze überein, nur sind die Spitzen am Bogen etwas länger, Auch hier sehe ich in den Markräumen zu- gleich mit den Fettzellen unverkennbare Blutgefässe. Im Auge des mexikanischen Zaunkönigs (Troglodytes gigas Licht.) bildet der Knochen fast, indem die Schenkel des Hufeisens vorn nahe an einander kommen, einen ovalen Ring (Fig.7). Das Knochenstück weicht von dem der vor- hergehenden Vögel dadurch ab, dass die Schenkel beinahe gleich gestaltet sind und der hintre Rand des Bogens ohne Spitzen, bloss wellig gerandet ist. Markräume im Knochen. Von Kegelschnäblern (Conirostres) untersuchte ich den Haussperling, den Stieglitz und einen weiblichen Buchfinken, welche alle den in Rede stehenden Knochen besitzen. Bei Passer domesticus sind die Schenkel der hufeisenför- migen Knochenplatte nicht gleich lang, der hintre Rand des Bogens leicht ausgeschnitten mit zwei scharfen . Spitzen. Markräume mit Blutgefässen im Innren. Der Knochen von Fringilla carduelis hat am hintren Rande eine kurze und eine lange Spitze. Bei Fringilla caelebs hat der Knochen grosse Aehnlichkeit mit dem von Sylvia phoenicurus, nur sind die Schenkel ziem- lich gleich lang und auch die hintren Spitzen von fast der- Sklerotikalring im Auge der Vögel. , 43 selben Grösse. Die Markräume mit den Fettzellen und Blut- gefässen kommen ebenfalls beiden Finkenarten zu. Aus der dem Rabengeschlechte verwandten Sippe der Staare konnte ich unsren gemeinen Staaren und den nord- amerikanischen rothflügligen Staaren (Weingeistexemplar) mir besehen: Auch sie haben den Knochen. An dem Sturnus vulgaris L. sind die Schenkel von gleicher Länge, aber un- gleicher Form (Fig.1), die Spitzen am hintern Rande des Bogens stehen weit auseinander. Bei Cassicus phoeniceus Vieill. (Psaracolius phoeniceus Wagler) sindz die letzteren sich sehr nahe gerückt, die Schenkel des Hufeisens von glei- cher Länge, und wenn auch ohne den Ausschnitt des Sturnus vulgaris, doch von ungleicher Gestalt. In beiden Vögeln gehen sie soweit um das Sehnervenloch herum, dass nahezu ein vollständiger Ring zum Vorschein kommt. Markräume im Innern. Von der Familie der Dünnschnäbler (Tenuirostres) habe ich einen kleinen Colibri (Weingeistexemplar), dessen Speziesnamen ich nicht angeben kann, mikroskopirt. Auch hier mangelt im Auge das Knochenstück nicht, nur erscheint es reduzirt auf einen kurzen Bogen, dessen Linien ich in Fig. 6 getreu wiedergegeben habe. Mit Markräumen. Endlich habe ich noch den hintern Sklerotikalring ange- troffen in der Familie der_Spaltschnäbler (Fissirostres) bei unsrer Hausschwalbe (Hirundo urbica L.). Ich brachte nur ein einziges junges Thier auf, und das bot /die Eigen. thümlichkeit dar, dass ausser einem schmalen Knochenbogen (Fig. 26), dessen Schenkel ungleich lang waren, noch zwei davon isolirte verknöcherte Stellen der Sklerotika zu sehen waren. Die eine Össifikation (Fig. 2c) lag nach aussen von dem langen Schenkel des Bogens. Die der Gattung Hirundo zunächst verwandten Segler (Cypselus) ermangeln dagegen des. hintren Sklerotikalringes. Wenigstens ist es so an einem ausländischen, angeblich aus Östindien stammenden Cypselus der hiesigen Sammlung. In der Ordnung der Columbae vermisse ich nach Unter- suchungen der Haustaube den betreffenden Kuochen, er fehlt 44 Dr. Franz Leydig: Der hintere auch, wie ich durch Autopsie weiss, dem Haushuhn, Reb- huhn, Truthahn, ebenso der Gans und dem Phalaropus fim- briatus Tem. Der abgehandelte Knochen lässt sich selbst an ganz klei- nen Vögeln bequem dadurch präpariren, dass man vom ge- reinigten Augapfel das hintere Sklerotikalsegment wegschneidet und mit Kalilauge aufhellt, der Knochen sticht dann ohne weitres von der übrigen harten Angenhaut ab. Im Hinblick auf das Vorhandensein des Knochenstückes muss es auffallen, dass eng verwandte Thiere hierin Abwei- chungen zeigen, der Thurmfalke z. B. einen solchen besitzt, der Bussard und die Eulen nicht; in ähnlichem Verhältniss stehen Hirundo und Cypselus. Zur bessern Uebersicht mögen hier die Vögel zusammen- gestellt werden, an denen man bis jetzt den Knochen kennt: von Gemminger wurde er gefunden bei: von mir bei: Dryocopus Martius Falco linnunculus Gecinus viridis Muscipeta Satelles Gecinus canus Motacilla alba Picus major Turdus merula Picus medius Sylvia phoenieurus Picus minor Troglodytes gigas Apternus Iridaclylus Passer domesticus Corvus coraz Fringilla carduelis Corvus corniz Fringilla caelebs Corvus corone Sturnus vulgaris Corvus frugilegus Cassicus phoeniceus Corvus monedula Trochilus Pica caudata Hirundo urbica. Garrulus glandarius Silla europaea Certnia familiaris Tichodroma muraria Parus ater Pyrrhula rubicilla Lanius. Vergleicht man die einzelnen Formen mit einander, so Sklerotikalring im Ange der Vögel. 45 erblieken wir das Knochenstück in geringster Ausbildung beim Kolibri, wo es von halbmondförmiger Gestalt ist, ohne Seitenschenkel; oder in andrer verkümmerter Art beim Gim- pel, wo der Bogentheil fehlt und nur zwei Knochenleisten am Rande des Sehnervenloches zugegen sind; von da an wird es hufeisenförmig, bis es bei den Spechten zu einem vollständigen, knöchernen Ring um das Sehnervenloch ver- wachsen ist. Dazu kann noch eine isolirte deutliche Ossifi- kation kommen, wie sie Gemminger bei den Spechten sah und ich bei der Hausschwalbe. Es dürfte auch von allgemeinerem histologischen Interesse sein, dass die Sklerotika aller von mir.untersuchten Vögel aus Hyalinknorpel besteht, der von Bindegewebe überzogen ist. Fragt man darnach, ob der hintre Sklerotikalring durch Össifikation des Bindegewebüberzuges oder des Hyalinknor- pels entstanden sei, so glaube ich gesehen zu haben, dass derselbe wenigstens zum Theil dureh Verknöcherung des Knorpels erzeugt wurde, und insofern von dem vordern Skle- rotikalring differirt, der seinen Ursprung aus der Verkalkung von Bindegewebe nimmt. Vielleicht hängt damit auch eine gewisse Verschiedenheit im Baue zusammen. Ich habe näm- lich von vielen der oben genannten Vögel den vordern Kno- chenring des Auges unter dem Mikroskop gehabt, aber nie in den Knochenschuppen Markkanäle gesehen, sondern sie bestanden durchweg nur aus der Grundsubstanz und den Knochenkörperchen; anders ist die Sache bei dem hintren Knochenstück, das ohne Ausnahme von grösseren oder kleineren, auch netzförmig zusammenhängenden Mark- räumen, Fettzellen und Blutgefässe einschlies- send, durchbrochen ist. Ob wirklich der besproohene Knochen den Dienst leisten soll, den Sehnerven bei einer „kopferschütternden Nahrungs- weise“ vor Quetschung zu bewahren, möchte ich dahin gestellt sein lassen. Die Kolibri, dann die eigentlichen Sänger, die Schwalben ete. pflegen auf ganz andere Art ihr Futter zu suchen und weisen doch den hintren Sklerotikalring auf. Hat man ja nicht einmal für den vordern, aus Knochenschuppen 46 Dr. Franz Leydig: Der hintere Sklerotikalring etc. zusammengesetzten Ring, eine sichere teleologische Deutung bis jetzt gefunden, und doch dürfte letzterer, wofür seine ausnahmlose Existenz redet, zu den Leistungen des Vogel- auges nothwendiger sein, als der in der einen Gattung ge- genwärtige, in der andren fehlende Knochen am Sehnervenloch! Erklärung der Abbildungen. Der hintere Sklerotikalring verschiedener Vogelarten. Fig. 1. Von Sturnus vulgaris, mässig vergrössert, a. die Mark- räume. Fig. 2. Von Hirundo urbica, geringe Vergrösserung; a. der Seh- nerve, etwas aus seiner Lage gebracht und auf die Seite gelegt; b. der Knochenbogen; e' und c?. die isolirten Knochenstücke; d. die knor- pelige Sklerotika. Fig. 3. a Motacilla alba; a. de a b. Sehnerve Fig. 4. Von Sylvia phoenicurus, Bezeichnung wie bei der vorher- gehenden ne Fig. 5. Von Turdus merula, Fig. 6. Fig. 7. Von Troglodytes gigas. Die Figuren 3—7 sind sehr gering vergrössert. Von Trochilus, Spec.?; a. der Knochen; b. der Sehnerv. Dr. Franz Leydig: Ueber Cyelas cornea Lam. 47 Ueber Cyelas cornea Lam. Von Dr. Franz LEYyDIe. (Hierzu Taf. VI. Fig. s—18). Die Maingegend hat in Wassergräben die genannte Muschel häufig, dagegen ist aus dem Fluss selber die Cyelas rivicola selten lebend zu gewinnen und für die nachstehenden Notizen hat mir lediglich die erst bemerkte Art gedient. Es bietet die Gattung Cyelas manche Eigenthümliehkeiten im Bau und der Entwicklung dar, wodurch es gerechtfertigt sein dürfte, wenn darüber Einiges hier ausgesagt wird. Hautbedeckung und Muskeln. Die Struktur der Muschelschalen nimmt im gegenwär- tigen Augenblick ein erhöhtes Interesse in Anspruch, da man bemerkt hat, dass die physikalischen und histologischen Eigenschaften eine unverkennbare Aehnlichkeit mit dem Zahn- schmelz der höheren Thiere offenbaren. Ich kenne aus eigner Anschauung nur die Schalen von Unio und. Anodonta, vor und nach Behandlung mit Säuren und will deren Bau kurz voranstellen, Zu äusserst liegt eine grünlich gefärbte Haut (die Epidermis der Autoren), homogen und an der Innen- Näche mit zellenartigen Eindrücken versehen. Nach Kost!) finden sich „in dieser vielfach gefalteten und homogenen Membran Epithelialzellen und zwar Plattenepithelien von ziemlich verschiedener Grösse und Form“, in denen er nir- 1) Ueber die Struktur und chemische Zusammensetzung einiger Muschelschalen, Inauguralabh. 1853. 48 Dr. Franz Leydig: gends „bestimmte Kerne“ unterscheiden konnte. Mir däucht, als ob die zelligen Zeichnungen nur die Abdrücke seien, wel- che die Enden der darunter stehenden Kalksäckchen in der homogenen Membran zurücklassen, ungefähr so, wie Lent') ein Theilchen der Membrana praeformativa eines jungen Pferdezahnes mit den von den Schmelzfasern herrübrenden Eindrücken abbildet, und ich möchte überhaupt diese äussre strukturlose Haut der Muschelschalen dem Schmelzoberhäut- chen des Zahnes gegenübersetzen. Unter dieser Membran folgt eine Lage, welche in ihrem Bau lebhaft an den Zahn- schmelz erinnert, indem kolossale „Schmelzprismen“ pallisa- denartig nebeneinander gereiht sind, welche auch noch bei vollem Kalkgehalt dieselbe Querstreifung zeigen, wie die Schmelzfasern des Zahnes. Werden die Kalksalze ausgezogen, so hat man ein System von engverbundenen senkrecht ste- henden Säckchen vor sich, deren homogene Wand wieder eine deutliche, auf Schichtung weisende Querstreifung erken- nen lässt. v. Siebold (vergleich. Anatomie S. 242) nennt sie „prismatische mit zarten Wandungen versehene Zellen“, Kost (a. a. O.) die „Kalksäckchen“. Wüsste man etwas sicheres rücksichtlich der Entstehung dieser Schicht, so würde dadurch zweifellos auch ein Licht sich über die Art der Ge- nese der Schmelzprismen des Zahnes verbreiten, da die gang und gäbe Vorstellung von der Verkalkung der Schmelzzellen durch die Untersuchungen von Huxley und Lent beseitigt worden ist. Den bedeutendsten Theil der Muschelschalen bildet die unter den Kalksäckchen gelegene Perlmutterschicht, von der bereits v. Siebold und Kost richtig melden, dass sie aus dachziegelförmig sich deekenden Lamellen bestehe, die ho- mogen und verkalkt sind, ohne alle zellige Struktur. Sie sind es, welche den Perlmutterglanz der Schalen hervorrufen. Um nun auf unser eigentliches Objekt zurück zu kommen, so weicht die Gattung Cyelas im Bau ihres dünnschaligen 1) Ueber die Entwicklung des Zahnbeins und des Schmelzes in der Ztschrft. f. wissensch. Zoolog. 1854, Ueber Cyelas cornea Lam. 49 Gehäuses nieht unbeträchtlich von den Najaden ab. Betrachtet man mikroskopisch die frische Schale, welehe nebenbei er- wähnt nach dem Schloss zu dünner als gegen den freien Rand hin ist, so fallen zunächst dunkle Kanäle auf, die sich durch die ganze Dicke erstrecken. v. Siebold hat sie ge- sehen (a. a. ©. S.243. Anmerk. 6) und ist nur darüber im Zweifel geblieben, ob sie die Kalkerde mechanisch abgelagert enthalten, oder ob es hohle Räume seien. Ich habe mich bezüglich dieses Punktes vergewissert, dass sie nicht kalk- führend, sondern hohl sind; in sehr dünnen Schalenfragmen- ten erscheinen sie nicht dunkel, sondern vollkommen hell und leer, erst allmählig bei einer gewissen Dicke der Schale be- schatten sie sich und sehen dann schwarz aus!). An der frischen Schale zeigt auch die Grundsubstanz zwischen den Kanälen eine fein-netzartige Zeichnung. Wird die Schale einige Tage in Essigsäure mazerirt, so fällt sie zu einem dünnen, gern sich faltenden und leicht zerreissbarem Häut- chen zusammen, dessen Zusammensetzung sich jetzt folgen- dermassen darstellt: von aussen macht den Anfang eine gelb- braune, längsstreifige Haut, darunter kommen senkrecht durch die Dieke der Schale die erwähnten Kanäle, sie sind zahl- reich, 0,024 lang, 0,003 breit, unverästelt, haben eine distinete Wand und gegenwärtig einen grümlich - bröckligen Inhalt; an der innren Schalenfläiche macht sich eine Art Epitel, aus 0,007—0,0120 grossen Zellen bestehend, be- merklich. i Vergleicht man nach dem Mitgetheilten die Schalen der Najaden und die von Cyelas mit einander, so beruht der Unterschied zweishen beiden darauf, dass bei letzterer die Kalksäckchenschicht mangelt, und zweitens in der Anwesen- heit der Kanäle, welche andrerseits den Unionen und Ano- donten fehlen. Ein homogenes, verkalktes Oberhäutchen ist 1) Bekommt ein Schalenstück durch Druck Sprünge, so behalten auch diese, so lange ihr Durchmesser den der Schalenkanäle nicht oder höchstens nur 2—3 Mal übersteigt, dasselbe schwarze Aussehen wie die Kanäle! Müller's Archiv. 1856, 4 50 Dr. Franz Leydig: bei allen drei zugegen; während unter ihm bei den Najaden die „Schmelzprismen“ kommen, so folgt bei Cyelas alsbald die Perlmutterschicht, und diese ist hier nicht lamellös, son- dern besteht aus einfach verkalkter Grundmasse und den durchsetzenden Kanälen. Letzteren kommt wohl keine an- dere Bedeutung zu, als jene, welche die Knochenkörperchen und Zahnkanälchen haben: sie führen durch die Schale eine Ernährungsflüssigkeit, da in ihnen so wenig als in den ge- nannten Hohlräumen des Knochens oder der Zähne Kalk niedergelegt ist. Ueber die, Zellen an der Innenfläche der Schalen möchte ich die Vermuthung aussprechen, dass sie es sind, welche in die Kanäle auswachsen, wenigstens nimmt man wahr, dass an der Innenseite frischer Schalen jeder Kanal von einem zellenartigen Hof umgeben ist. Vom freien Rand der Schale weg erstreckt sich die ho- mogene Oberhaut derselben in der Form einer Cutikula auch auf den Mantelsaum, vielleicht auch über die Athemröhren, die mir nicht überall zu flimmern scheinen. Die Zellen des obren und untren Sipho sind orangegelb gefärbt nicht durch ein körniges, sondern mittelst diffusem Pigment). Mit Rücksicht auf die Beschaffenheit der Muskeln muss ich dasselbe anführen, was ich schon anderwärts von einigen Conchiferen vorgebracht habe. Die Primitiveylinder sind band- artige Gebilde, entweder rein homogen oder doch mit einer körnigen Achse versehen, welche selbst Kernrudimente da und dort beherbergt. Während die Elemente z. B. der Schliessmuskeln von mehr hellem Aussehen sind, so erscheint die Herzmuskulatur wegen ihrer körnigen, gern sich zer- bröckelnden Primitiveylinder dem freien Auge gelblich. Nervensystem und Sinnesorgane. Die Anordnung des Nervensystemes ist die bekannte 1) Die wimpernden Zellen des Mantelschlitzes von Unio haben einen braunen Inhalt. Der Mantel ist hier weisslich durch Haufen eingelagerter Kügelchen, die nach Essigsäure erblassen (kalkhaltig? sind). Ueber Cyelas cornea Lam. 51 der gleichschaligen Blattkiemer. Ein Ganglienpaar liegt am Eingange des Verdauungskanales (Par anterius), ein andres in der Gegend des hintren Schliessmuskels (Par posterius) und ein drittes ist im Fusse verborgen (Par inferius). Das Par anterius erscheint sowohl mit dem Par posterius. als auch dem Par inferius durch Nervenstränge verbunden. In histologischer Beziehung lässt sich nichts bemerkens- werthes hervorheben. Die Ganglien haben eine homogen häutige Hülle, welche eine schmutzig braune aus Molekular- masse und kleinen Zellen bestehende Nervensubstanz um- schliesst. Die Nervenstränge zeigen ebenfalls ein homogenes, scharf contourirtes Neurilem und ein undeutliches längsmole- kuläres Contentum. Mehr Beachtung verdient die Struktur der durch v. Sie- bold entdeckten Gehörwerkzeuge, welche dem vordren und untren Rande des Fussganglions ansitzen und ein Paar Behälter mit kugelförmigen Otolithen darstellen. Nach von Siebold wären die ungleich dicken Wandungen der Gehör- kapseln homogen, was sie allerdings beim ersten Anblick auch zu sein scheinen, doch kann ich schon am frischen Objekte bei guter Vergrösserung helle Kerne in denselben unterschei- den, ferner erkenne ich am Rande des Innenraumes feine, deutliche Cilien. Behandelt man aber die isolirten Gehör- werkzeuge mit Essigsäure, so zeigt sich ein Bau, wie ihn Lig. 8 wiedergiebt. Zu äusserst erblickt man eine helle 0,004 dieke Schicht Bindesubstanz (Fig 8a) gewissermassen das Gerüst des ganzen Organes, sie hat concentrisch gelagerte Kerne von scharfeontourirtem Aussehen; nach innen zu geht sie in eine festere Grenzschicht, man könnte sagen in eine Tunica propria aus (Fig. 8b). Die vorher homogen erschie- nene Lage, welche den Hohlraum unmittelbar umgiebt, bietet jetzt eine Zusammensetzung aus Zellen dar (Fig. 8c), wovon jede einen 0,006“ messenden Kern hat. An der freien Seite der Zellen sind Cilien angebracht, und wie man so oft an Wimperzellen beobachtet, die Cilien tragende Wand ist ver- diekt und bildet einen hellen Saum unter den Flimmerhär- chen. Die Cilien in den Hörkapseln der Schnecken hat 4* 52 Dr. Franz Leydig: zuerst R. Wagner wahrgenommen (Lehrb. der Physiologie 2. Aufl. 1843. S. 463. Anmerk. 3), von Siebold vermuthet ebenfalls für die Lamellibranchier „ein die Höhle der Gehör- kapseln auskleidendes Flimmerepitel“. Ich habe die Flim- merhärchen und ihr Verhältniss zu dem die Wand bildenden Zellen zweifellos gesehen und am unbehelligten Gehörorgan wälzt sich auch der Otolith sehr regelmässig um seine Achse, die schwankende Bewegung tritt erst ein, wenn Druck oder andre Umstände das Organ in etwas alterirt haben. Nach längerer Einwirkung von Essigsäure treten die Flimmerzellen bauchig nach innen und verengern damit die Lichtung der Ohrblase. Des Vergleiches wegen habe ich mir auch das Gehörorgan von Unio und Anodonta näher besehen. Dasselbe ist bekann- termassen dem Fussganglion nicht unmittelbar angeheftet, sondern am Ende eines eigenen langen Hörnerven. Was die nähere Structur angeht, so hat auch hier die Gehörkapsel eine äussere helle Zone, aus Bindesubstanz bestehend, dann kommt eine leicht gelblich gefärbte dieke Schicht, welche sich nach Essigsäure trübt und aus schmalen, im Verhält- niss zu denen von Cyclas sehr schmalen, radiär gestell- ten Zellen gebildet wird, welche wieder die schwierig zu erblickenden Flimmerhärchen tragen. Der Otolith, dessen Bewegungen ich mehrmals sehr gut zusehen konnte, weicht insofern von dem der Cykladen ab, als er niemals die ra- diären Striche enthielt, sondern nur schwach concentrisch gestreift war. Verdauungsapparat. Die Mundöffnung wird von ein paar lanzettförmigen Tastlappen umgeben, deren Wimperbesatz aus sehr ungleich langen Härchen besteht, indem zwischen sehr feinen Cilien von Stelle zu Stelle 3—4 mal längre Wimpern schlagen. Der Magen hat eine etwas gebuchtete Gestalt und seine Epitelzellen zeigen partienweise einen gelbgrümlichen oder kör- nigen Inhalt. Mehrmals traf ich auch einen Krystallstiel an, noch öfter habe ich ihn aber vergebens gesucht. Er war Ueber Cyelas cornea Lam. ‚53 von eylindrischer Form, glashell mit etwas körniger Achse Auch an dem Krystallstiel der Najaden unterschied v. Sıe- bold (a. a. O. S.268. Anmerk. 15) eine homogene, helle, ge- schichtete Rindensubstanz und eine gallertige, kleine Körnchen enthaltende Markmasse. Der Darm macht eine schlingenförmige Biegung nach un- ten, durchbohrt darauf das Herz und endet, nachdem er über den hintren Schliessmuskel gegangen ist, in dem obren Sipho aus (vergl. Fig.18d4). Die zellige Auskleidung ist auch bei ihm nicht von gleicher Beschaffenheit. An dem einen Orte sieht man grosse; schöne Öylinderzellen, deren verdickte freie Wand stattliche Cilien trägt, anderwärts erscheinen die Zellen kürzer und die Wimpern feiner, dann sind die Zellen ferner gefüllt mit dunkler Punktmasse, oder mit grössren Fetttropfen und braunen Körnern. Die ansehnliche Leber liegt um den Magen herum, in wel- chen auch die Ausführungsgänge münden uud besteht aus läng- lichen Follikeln. Die Sekretionszellen der letzteren haben feine Wimpern, wie ich mit Heinrich Meckel') sehe, ein ziem- lich isolirt stehendes Faktum, da die Leberfollikeln der Mol- lusken sonst nicht wimpern. Auf eine andre Eigenthümlichkeit hat v. Siebold?) aufmerksam gemacht: ‚‚in Bezug auf den feineren Bau der Leber sind mir bei Cyelas cornea, lacustris, rivieola, Unio pietorum und Tichogonia polymorpha glashelle, kurze und eylindrische Fäden aufgefallen, welche etwas ge- wunden, aber starr von den Wandungen der blinden Leber- drüsenenden in die Höhle derselben hineinragten. Was diese Fäden ..... zu bedeuten haben, ist mir räthselhaft geblie- ben.“ Soweit von Siebold. Ich glaube über diesen Punkt Aufschluss ertheilen zu können, indem ich die Ueberzeugung gewonnen habe, dass die fraglichen fadenförmigen Gebilde nichts andres, als Sekret der Leberzellen sind, welches zwi- chen die Zellen ausgeschieden ist und daher nach den lokalen 1) Mikrographie einiger Drüsenapparate der niederen T'hiere in Müller’s Archiv f. Anat, u. Phys. 1846. S. 10. 2) a a. O. $. 269. Anmerk. 4. 54 Dr. Franz Leydig: Bedingungen gewissermassen durch Druck eine fadige Gestalt angenommen hat. Die betreffenden Fäden (vergl. Fig. 95) stimmen in Farbe und sonstigem Verhalten vollkommen über- ein mit den rundlichen Sekretklümpchen, welche sich im Fol- likelraume anhäufen können; man sieht auch nicht selten einen Faden continuirlich in einen derartigen Ballen übergehen. Zusatz von Kalilauge bewirkt, dass die Sekretkörnchen, wel- che durch ihr Aneinanderkleben zwischen den Drüsenzellen die Fäden erzeugten, wieder auseinanderweichen , was sich in gleicher Art an den Körnchenballen wiederholt. — In einer Jungen nur '/, Zoll langen Unio bin ich denselben Bildungen begegnet, doch waren die „Fäden‘ nicht so zahlreich, wie bei Oyclas. Circulationsorgane. Das Herz liegt am Rücken, wie bei den Najaden, in einem geräumigen hellen Raum (Herzbeutel oder Blutraum ?), ist von Gestalt rundlich, hat innen eine Klappe und seine Muskelele- mente verbinden sich geflechtartig, der Darm tritt, wie schon erwähnt, durch dasselbe hindurch, seitlich sitzen ein paar flügelartige Theile an (vergl. die Fig.11e, d, e u. Fig. 1Se). Von Interesse war es mir, den Blutlauf an reifen Em- bryonen betrachten zu können, da man bisher, soviel ich weiss, die Richtung des Blutstromes bei den Blattkiemern nicht unmittelbar am lebenden Thier studirt hat, sondern die An- gaben hierüber sich nur auf Injektionsversuche stützen. An jungen 1’/,"' grossen Thieren, die aus den Bruttaschen ge- nommen werden und gehörig ihren Fuss hervorstrecken, sieht man, dass die Hauptrichtung der eireulirenden Blutkügelchen vom Herzen nach vorne und herab in den Fuss geht, darauf wendet sich die Strömung nach hinten nnd oben zurück zum Herzen. Eigentliche Blutgefässe existiren nicht, wohl aber erkennt man einige constante Bluträume von grösserer Aus- dehnung, ein soleher findet sich um Magen undLeber (zugleich \ Leibeshöhle), ferner um das vordere Ganglion und den vorde- ren Schliessmuskel der Schale; dann umgiebt ein derartiges Blutreservoir das Pedalganglion und erstreckt sich nach vorne Ueber Cyelas cornea Lam. 55 und rückwärtsin den Fuss und hängt schliesslich mit einem gröss- ren Blutraum zusammen, in welchem das hintre Ganglion, der hintre Schliessmuskel und die Nieren liegen. Bei der Beob- achtung der Circulation am lebenden Thier ist nun zwar, wie sich von vorne herein versteht, die Bewegung des Herzens der Haupthebel des Kreislaufs, aber nicht ausschliesslich, denn die Contractionen des Thiers und namentlich die Bewegungen des Fusses wirken auf die Richtung der Blutströmung wesent- lich ein, ja kehren sie theilweise ganz und gar um. Während z. B. in ruhiger Lage von der Gegend des Herzens her von Zeit zu Zeit ein Blutkügelchen in den Raum hineinrollt, wel- cher das vordre Ganglion und den Schliessmuskel umgiebt, so stürzen plötzlich, indem der ausgedehnt gewesene Fuss eine kräftige Contraction vollzieht, eine Menge von Blutkörperchen in der entgegengesetzten Richtung von unten nach oben und hinten. Eine ähnliche Oscillation im Kreislauf lässt sich allent- halben wahrnehmen. An dergleichen jungen Thieren habe ich auch bezüglich des Wassergefässsystems mit demMikroskop etwas gesehen, was unsre Ansichten über die Existenz der wasserführenden Kanäle fester stellen dürfte. Ich erblicke nämlich mit aller Schärfe die „Fori acquiferi‘“ der Haut. Hat die Muschel den Fuss bestmöglichst ausgestreckt, so fixire man (Lins. 5. 6. 7. Plösl) den Rand desselben, man wird da erkennen, dass zweier- lei Wimperhärchen schlagen, feinere und von Stelle zu Stelle ein Büschel längrer (Fig. 10@), die Wimperzellen bilden einen fein granulirten, ziemlich dicken Saum. Wendet man diesem seine Aufmerksamkeit zu, so markiren sich klar und deutlich in ihm helle Kanäle, von ungefähr 0,0008”’ Durchmesser, ein- fach oder verzweigt( Fig. 105). Dieäussre Mündung istzwischen den Flimmerhärchen augebracht, die innre geht in das Lüc- kennetz über, welches zwischen der Fussmuskulatur bleibt (Fig.10 d). Sobald der Fussrand sich stärker zusammenzieht, verschwinden sie dem Blick und kehren wieder bei gehöriger Ausstreckung. Wie man weiss, haben delle Chiaje und Bär schon vor geraumer Zeit ein Wassergefässsystem der Acephalen beschrie- 56 Dr. Franz Leydig: ben, das mit besondren Oeffnungen nach aussen münde. Es wurde gegen das Vorhandensein eines solchen von mancher Seite Einspruch gethan, die angeblichen Mündungen für Zer- reissungen erklärt und dergleichen mehr, obgleich, wie von Siebold '!) richtig bemerkt, „eine Reihe von Thatsachen für die Anwesenheit von nach aussen mündenden Wasserkanälen in den Blattkiemern spricht‘. Meine mitgetheilte Beobachtung ist eine Bestätigung dessen, was v. Siebold darüber weiter aussagt: „Nimmt man eine Muschel, nachdem sich dieselbe behaglich im Wasser ausgestreckt hat, schnell aus demselben heraus, so spritzt, indem das Thier Fuss und Mantelränder einzieht, eine Menge freier Wässerstrahlen an verschiedenen, aber bestimmten Stellen ihres Mantel- und Fussrandes weit hervor. Hiernach muss man wohl annehmen, dass sieh an den genannten Stellen verschiedene Mündungen von Wasser enthaltenden Behältern befinden. Diese Oeffnungen scheinen jedoch sehr klein zu sein und ziehen sich wahrscheinlich aus- serordentlich fest zusammen, da sie nur während des Wasser- spritzens ihre Anwesenheit verrathen, und sich weder nachher, noch vorher auffinden lassen.“ Noch will ich anführen, dass ich auch an den Kiemen von Cyclas die wasserführenden Po- renkanäle erkannt habe. Dagegen gerathe ich in Widerspruch mit v. Siebold, wenn ich die Beziehung der Fori acquiferi zum Blutgefässsystem bei unsrer Üyclas weiter verfolge. Nach dem genannten Forscher sollen die etwa vorhandenen Haut- poren in ein Netz von Kanälen führen, die als Wassergefässe verschieden seien von den Blutgefässen; es sei daher, zu wel- chen Untersuchungen Unio und Anodonta benutzt wurden, ein doppeltes System von Wasser und von Blut führenden Kanälen in den Lamellibranchien vorhanden. Das Studium der lebenden Cyclas indessen dringt eine, andere Anordnung auf. Denn besieht man s’ch die Einzelnheiten in der Struktur des Fusses, so verliert sich der grössre Central-Blutraum desselben nach der Peripherie zu in ein Netz kleiner Lücken, welche zwischen den einzelnen Muskelzügen und Muskelprimitiveylindern blei- 1) a. a. 0. 8.279. Ueber Cyelas cornea Lam. 57 ben, und wie unmittelbar wahrgenommen werden kann, die im Epitel des Fusses beschriebenen feinen Porenkanäle mün- den direkt in dieses Lacunennetz d. h. mit andren Worten ins Blutgefässsystem aus. Darnach muss ich die vielfach ange- feindete Lehre delle Chiaje’s, der zufolge das Blutgefäss- system der Lamellibranchier nach aussen hin offen stehe, für vollkommen der Wahrheit entsprechend erklären. Die Blutkügelchen sind farblose 0,004" grosse Körnchen- zellen. Mit der Zeit dürfte auch wohl die „„Wandungslosigkeit‘ der Blutgefässe der Acephalen und andrer wirbellosen Thiere von einem veränderten Standpunkt aus betrachtet werden. Wenn man sagt, das Blut eireulire bei gar vielen dieser Geschöpfe in „Lacunen,“ in „Zwischenräumen des Körperparenchyms‘‘, so wird man sich doch die Frage vorlegen müssen, was be- grenzt denn histologisch diese Lacunen oder Zwischenräume, sind es elementare selbstständige Zellen, oder die Muskelpri- mitivtheilchen oder die Nervenmoleküle? Bei Beantwortung der Frage wird man darauf stossen, dass es eigentlich überall nur die grössren und kleinren Lücken und Hohlräume der Bindesubstanz sind, in denen das Blut eireulirt, die Binde- substanz umhüllt die Muskel- und Nervenelemente, formt das Gerüst der Drüsen und demnach bildet, worauf es in vorlie- gender Sache eigentlich ankommt, immer nur die Bindesub- stanz die Grenze oder die Wand der „‚Lacunen‘“ und „Paren- chymszwischenräume‘‘. : Wer aber vermöchte zu beweisen, dass im wesentlichen histologischen Verhalten, abgesehen von den morphologischen Abänderungen, der Bau des Gefässsyste- mes der Wirbelthiere anders sei, umspült auch hier je das Blut die Drüsenzellen selber, oder die Muskelprimitistheilchen oder die Nervenelemente, oder hält sich nicht vielmehr überall das Blut in den Schranken der Bindesubstanzräume, die hier nur zum Theil eine speziellere Ausbildung und Selbstständig- keit erlangt haben. Durch eine solche Betrachtungsweise könnte sich vielleicht allmählig der schrofle Gegensatz, den man zwischen dem Cireulationsapparat vieler Wirbellosen und Wirbelthiere statuirt hat, ausgleichen lassen ! 58 Dr. Franz Leydig: Respirationsorgane. Als vorzugsweise dem Athmungsprozess dienend gelten die vier häutigen Blätter, welche den Leib und zum Theil den Fuss umschliessen. Gleichwie bei manchen andren Blattkie- mern zeigt sich das innre Kiemenpaar länger als das äussre, welches letztre auch nicht so weitnach vornesich erstreckt, als das innre. Der freieRand von beiden Paaren erscheint etwas braun gefärbt. Geht man auf die Struktur der Kiemen ein, so ist leicht zu sehen, dass jedes Kiemenblatt in seiner ganzen Aus- dehnung von einem innren Gerüst gestützt wird, welches aus einer homogenen, in Kalilauge ausharrenden Substanz beste- hend, Halbkanäle oder Rinnen bildet, die von Stelle zu Stelle unter einander verbunden sind‘). Das (cbitinhaltige?) Kiemengestelle ist von Flimmerzellen überkleidet, welche an den Seiten der Rinnen starke, hackenförmig arbeitende Cilien besitzen, und zwar trägt je eine Zelle immer nur ein Flimmer- haar. Den Raum zwischen zwei solchen Reihen dicker Cilien nehmen zarte Flimmerhärchen mit ihren Zellen ein, und end- lich der freie Rand der Kiemen ist von sehr langen (0,0120'' messenden) und dabei zarten Cilien eingefasst, so dass dem- nach auf je eine Kiemenrinne Flimmercilien von dreifacher Art kommen. Ich will nicht gegen die hergebrachte Auffassung dieser blattförmigen Organe als Respirationswerkzeuge streiten, muss aber bekennen, dass die Beobachtung des Kreislaufs an leben- den jungen Thieren jene Ansicht nicht nur nicht unterstützt, sondern sogar in Frage stellt. Es ist mir nämlich nie gelun- gen, obgleich ich wiederholt an vielen Individuen meine Auf- merksamkeit hierauf lenkte, Blutkügelchen in die „‚Kiemen‘‘ eintreten zu sehen, was doch und sogar in reichem Maasse geschehen müsste, wenn hier das Blut vorzugsweise athmete. Während im übrigen Körper und auch im Mantel die Blut- kügelchen herumgetrieben werden, war ich nie so glücklich, 1) Ein ähnliches Gerüst, nur von noch festerer Beschaffenheit, findet man auch bei den Najaden. Ueber Cyelas cornea Lam. 59 irgend einmal ein Blutkügelehen in den betreffenden Organen zu erblicken. Es darf auch wohl daran erinnert werden, dass einer der ausgezeichnetsten Zootomen, Bojanus, bei den Najaden ihre Bedeutung als Respirationswerkzeuge in Abrede gestellt hat. Harnorgane. Die Form der Nieren im Ganzen lässt sich gut an jungen Individuen herausfinden. Es stellt jede Niere (vergl. Fig.11 und Fig. 18%) einen gewundenen Schlauch dar, der zwischen dem Herzbeutel und dem hintern Schliessmuskel liegt, der Ausfüh- rungsgang mündet unter dem zuletzt genannten Theil in den Sipho aus. Das eigentliche (blinde?) Ende des Nierenschlau- ches (Fig.11@) habe ich nicht erblicken können, und es scheint mir eine nähere Beziehung (Communikation?) zwischen ihm und dem Herzbeutel obzuwalten. Die Sekretzellen zeigen in besondren bläschenartigen Räumen die Harneoneremente. Jene Sekretionszellen, welche das Lumen der Niere begrenzen, ha- ben äusserst feine, eigentlich nur an ihren Wirkungen wahr- nehmbare Cilien im wahren Gegensatz zu den kolossalen Wimpern, welche im Ausführungsgang der Niere bei, der erwachsenen Cyclas so sehr in die Augen springen. Sie sind 0,024 — 0,0360""' lang). Fortpflanzungsorgane. Die Gattung Cyelas gehört, wie zuerst v. Siebold nach- gewiesen hat, zu den wenigen Lamellibranchiern, welche 7witter sind. Ich sehe nun zwar die Hoden- und Eier- stocksfollikel sehr klar zwischen Leber, Darm und Niere eingefügt, aber kann mir so wenig, wie dies v. Siebold ge- lungen ist, die Ausführungsgänge zur Anschauung bringen. Das Thier ist zu klein, als dass man es mit freiem Auge bis auf diesen Punkt zergliedern könnte, und für die mikroskopi- 1) Anodonta scheint sich entsprechend :zu verhalten, wenigstens sagt H. Meckel (a. a. O. 5. 14), dass die Wimperbewegung nament- lich an der Ausmündung des Nierensackes stark sei. 60 Dr. Franz Leydig: sche Behandlung vermochte ich auch nicht die Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Der Eierstocksschläuche sind nur we- nige, von länglicher Gestalt, gegen 0,124'' lang, und enthalten exquisite Ovula (v. Siebold konnte keine wahren Eier fin- den). Sie (Fig.12) bestehen aus einer scharfeonturirten Eihaut, die das Licht lebhaft blau bricht und mir keine mikropylartige Bildung zu haben scheint, zwischen ihr und dem körnigen Dotter zeigt sich eine Eiweisszone. Der Keimfleck hat con- stant die Bisquitform. Die ebenfalls nur in geringer Zahl vorhandenen Hodenfol- likel haben eine mehr rundliche Gestalt, sind von 0,04—0,72’" Durchmesser, erfüllt mit hellen Bläschen und den Zoosper- men. Diese bewegen sich äusserst lebhaft, sind stecknadel- förmig, das Köpfchen scharf und glänzend, der Haaranhang sehr zart. Von der Entwicklung. Wie vielleicht zuerst Jacobson (siehe bei Carus Er- läuterungstafeln z. vergl. Anat. Hft. III.) abgebildet hat, ent- wickeln sich die Embryonen von Cyclas in eigenen Taschen, die in die Kiemen hineinragen. Es werden in dieser Beziehung die äusseren Kiemenblätter genannt, ich finde aber ohne Aus- nahme die Säcke mit Embryonen im innren Kiemenpaar; ebenso wenig kann ich bestätigen, dass die Taschen ‚‚nie mehr als ein Ei enthalten“, ich treffe verhältnissmässig selten ein einziges Ei in einer Tasche, gewöhnlich entdeckt man drei Säcke, und jeder birgt mehrere Embryonen, selbst fünf bis sechs. Die Bruttaschen wimpern weder aussen noch innen und haben an ihrer Innenfläche eine sehr merkwürdige Zellenlage, die wahrscheinlich die Absonderung der hellen Flüssigkeit be- sorgt, in der die Früchte schwimmen. Die Zellen sind von sehr verschiedener Grösse, indem sie von 0,002 -0,024'" und selbst 0,04’ messen; die kleinsten haben die gewöhnlichen Charaktere elementarer Zellen, die grössren aber, welche in das Innere der Bruttaschen knospenartig vorspringen, zeigen eine äussre Eiweisszone, die sehr wenig dem Wassereinfluss Ueber Cyelas cornea Iam. 61 widersteht und bald bedeutend aufquillt, dann einen körnigen Inhalt, in welchem eine ungewöhnlich starke Vermehrung der Kerne statt hat (ich zählte 20 und mehr), ohne dass die In- haltskörnchen sich um die neuen Kerne gruppirt hätten. Was die Entwicklung des Embryo selber betrifft, so bin ich nie ım Stande gewesen, ein in den ersten Furchungs- abschnitten begriffenes Ei zu selien, vielmehr waren die jüng- sten mir zu Gesicht gekommenen Embryonalstadien immer schon der Art, dass sie am Ende der Furchung standen, oder genauer gesagt, eigentlich schon etwas darüber hinaus waren. Man darf daher wohl annehmen, dass das Ei auf seinem Wege vom Eierstock zur Bruttasche diesen Prozess durchmacht. Die jüngsten Embryonen sind gegen 0,024"! gross, von nieht ganz runder Gestalt (Fig. 13), und bestehen aus Zellen, welche, je nachdem sie die Peripherie des Embryo oder den Kern bilden, merklich differiren. Die äussren Zellen haben ein klares Aussehen in Folge der wenigen Körnchen ihres In- haltes; die innren Zellen dagegen erzeugen, da sie voll von Dotterkörnchen sind, einen dunklen Ballen (Fig. 13a). Der Embryo entbehrt einer besonderen Hülle, hat ferner keine Spur von Flimmerhärchen und rotirt deshalb auch nicht. Da zwischen der Rindenzellenschicht und dem innren dunklen Bal- len allmählig ein Hohlraum auftritt, so stellt der Embryo dann eine nicht ganz runde Blase dar mit einem innren Zellen- haufen. : Die nächste Veränderung ist die, dass an dem einen Pol (der Verlauf lehrt, dass es der vordre ist) eine Grube sich ein- senkt, die in ihrer Vertiefung nach innen auf den dunklen Zellenballen stösst, zugleich wölbt sich der an den untren freien Rand der Grube angrenzende "Theil zu einem Fortsatz hervor, der sich als Fuss gestaltet (Fig. 14a). An der Grube d. i. am Kopfe erscheint jetzt eine starke, aus 0,007’ langen Cilien gebildete Bewimperung (Fig. 15 a), die trichterförmige Fortsetzung der Grube ins Innre wird Schlund und der dunkle innre Zellenballen wandelt sich blasig um und hat damit den Magen. angelegt (Fig. 155). Auch die 62 Dr. Franz Leydig: Aussenfläche des Fusses hat einen, wenn auch sehr zarten Wimperbesatz bekommen (Fig. 15c) und nicht minder fimmert die Innenfläche des Magens, dem unterdessen vom hintren linde des Embryo her, dem Schlunde gegenüber eine Einstül- pung sich genähert hat, die zum Darm wird. Der Embryo hat eine Grösse von 0,72'’ erreicht und der Fuss vollführt bereits lebhafte Contraktionen. Der wesentlichste Fortschritt der nächsten Zeit im Ausbau der äussren Gestalt beruht in der Bildung des Mantels. Die erste Anlage desselben erkennt man als einen seitlichen Vor- sprung (Hautfalte), der von rückwärts nach vorne wächst (Fig. 164). Alsbald auch scheidet sich die Schale ab in Form einer kleinen kapuzenartigen Bedeckung des Rückens (Fig. 16c). Von innren Organen wird nach und nach die Niere sichtbar, im Fuss bemerkt man das Ganglion pedale und daran die Gehörblase, letztre jedoch noch ohne Otolithen (Fig. 165), Als ein besondres embryonales Gebilde hat sich im hintren Theil des Fusses die Byssusdrüse gebildet, ich zähle deutlich zwei Byssusfollikel (Fig. 16e). Doch ist noch kein Abson- drungsprodukt — kein Byssusfaden — sichtbar. Die letzte Hauptumänderung im äussren Habitus erfährt der Embryo durch die Bildung der Kiemen. Auch sie wachsen als Leisten von hinten nach vorne und zwar gehen sie ursprüng- lich vom Mantel aus. Betrachten wir uns jetzt den Embryo (Fig. 17), welcher schon das Aussehen des Muschelthieres dar- bietet, so finden wir bezüglich seiner äussren und innren Theile folgendes. Die Schale (d), bereits kalkhaltig, da sie nach Essigsäurezusatz Gasentwicklung zeigt, besteht aus zwei ho- mogenen, scharfeontourirten und. wenig vertieften Schüssel- chen, welche am Rücken des Thieres weit von einander ab- stehen, aber hier durch eine homogene Membran, eine Fort- setzung der Schalen selbst und durch Faltenbildung ihre Anwesenheit kund gebend, untereinander zusammenhängen. Anlangend die äussre Haut, so existirt noch am Mund die starke Bewimperung, deren Cilien selbst 0,0120" lang sind. Auch der Fuss flimmert, und zwar stehen unter dem kurz- haarigen Wimperbesatz in Distanzen Büschel längrer Cilien. Ueber Cyelas cornea Lam. r 63 Doch verlieren sich die Flimmerhärchen nach der hintren Partie des Fusses und dieGegend, wo die Byssusdrüse steckt, ist eilienlos. Der Mantel, sowie die Kiemen entbehren in der ersten Zeit ebenfalls der Cilien, und der hinterste Theil des Mantels, welcher zum Sipho wird, hat selbst an ganz reifen Embryonen keine Flimmerhaare. — Die Entstehungsweise der Leber durch Ausstülpungen des Magens ist sehr klar zu ver- folgen. Anfangs sackt sich der Magen jederseits in ein einfa- ches Cöcum aus, dessen Wände dieselbe Dieke und Struktur (auch die Cilien) hat, wie der Magen selber, dann wachsen die Aussfülpungen und theilen sich wieder, bis am Ende des Em- bryonallebens ungefähr jederseits ein halb Dutzend Leberfolli- kel den Magen umgeben. DieLeberzellen sind noch sehr dunkel, da sie dieht mit Molekularmasse angefüllt sind. Der Darm hat sich verlängert, eine Schlinge gebildet, um sich darauf, wie man an Embryonen gut sieht, die auf demRücken liegen, mitten durch die zwei Nierenschläuche nach hinten zu wenden. In letztren wimpern die Ausführungsgänge noch nicht, in den Sekretzellen sind aber schon länger die Harnconcremente sichtbar. Von einem Herzen ist noch nichts wahrzunehmen, trotzdem eireuliren oder vielmehr oseilliren die Blutkügelchen, da der Fuss mit seinen kräftigen Contraktionen die Rolle des Herzens ausführt. Im reifen Embryo ist das Herz und seine Bewegungen klar zu erblicken. Vom Nervensystem sind nach dem Ganglion pedale, welches zuerst auftrat, das vordere und zuletzt das hintere erschienen. Nerven kann ich jedoch nicht unterscheiden. Aus dem Gehörorgan leuchtet jetzt als ein kleiner glänzender Punkt der Otolith hervor, er macht noch keine regelmässige Rotation, sondern wird in der Gehörkapsel arg hin und her geworfen, Auf die frühe Entwicklung des Gehörorgans bei Cyclas hat bereits v. Siebold aufmerksam gemacht (a. a. O. S. 261. Anmerk: 4). Derselbe Forscher hat auch die Byssusdrüse im hintren Winkel des Fusses entdeckt (a. a. OÖ. S. 294. Anmerk. 13), das Organ ist paarig, hat eine flaschenförmige Gestalt, ist mit einer dicken Zellenlage (Se- kretzellen) ausgekleidet, und hat gegenwärtig die höchste Aus- bildung erreicht (Fig. 18/), indem es 0,0024" im Längendurch- 64 Dr, Franz Leydig: messer beträgt. Der Byssusfaden zeigt ein helles homogenes oder feinstreifiges Aussehen, hat bei reifen Embryonen eine Dicke von 0,0120’ und die Byssusfäden der Bewohner einer Bruttasche verbinden sich alle zu einem gemeinsamen Stamm, der an die Wand des Brutsackes sich anheftet. Der Byssus- faden ist von weicher Beschaffenheit, er lässt sich ausziehen wie ein Speichelfaden, reisst dann ab und bildet ein Knötchen. An reifen Embryonen sind auch die Schalenmuskeln sehr gut im Querschnitt zu sehen (Fig.18ef). Der vordre ist schmäler als der hintre, übrigens gleicht das histologische Bild von beiden in der Hauptsache vollkommen dem Muskelquer- schnitt eines Wirbelthiers. Es zieht sich von der allgemeinen bindegewebigen Umhüllung des Muskels ein System von Scheidewänden ins Innre, die eine Anordnung von primären und sekundären Bündeln erkennen lassen, die Bindesubstanz (Perimysium) ist bei durchgehendem Licht schwärzlich, die Muskelsubstanz hell. Nirgends dringen Blutkügelchen ins Innre des Muskels ein, sondern umspülen ihn nur von aussen. Im Hinblick auf die Lebensäusserungen der Embryonen mag auch erwähnt werden, dass sie, so lange noch kein Bys- susfaden sie hemmt, ziemlich schnell in der unverletzten Brut- tasche herumschwimmen, herausgenommen aber bleiben sie in gewöhnlichem Wasser entweder ruhig auf einer Stelle lie- gen oder strecken höchstens den Fuss mehr oder weniger heraus. Da sich unsre Kenntnisse von der Entwieklung der Bival- ven bis jetzt nur auf einige wenige Arten (Unio, Anodonta, Teredo, Modiolaria, Cardium, Ostrea), beschränken, über wel- ‚che die Untersuchungen von Carus, (Quatrefages, Lo- ven, Davaine vorliegen, so dürften die obigen Mittheilun- gen nicht ganz unwillkommen sein, und ich will zum Schluss nur noch auf etwelche Differenzpunkte in der Entwicklung von Oyelas gegenüber den andren genannten Blattkiemern hin- weisen. Bei letztren bedeckt sich unmittelbar nach der Fur- Ueber Cyelas cornea Lam. 65 chung der Embryo mit Cilien, mittelst deren er die bekaunten Rotationen vornimmt, bei Cyelas ist dieses nicht der Fall; der aus der Furchung hervorgegangene Embryo ist eilienlos, er rotirt nicht, erst später erscheint eine Garnirung von starken Wimpern am Kopfende, und diese ist unzweifelhaft als die Andeutung jenes Segels aufzufassen, welches bei den frei schwimmenuden Seemuscheln eine besondre Ausbildung erfährt, bei Cyelas aber dem Aufenthalt des Embryo entsprechend un- bedeutend bleibt. In der Entwicklungsweise der Körpergestalt und der An- lage der Organe folgt augenscheinlich unsre Cyelas dem be- kannten Schema der Mollusken, insbesondre dem der Gaste- ropoden. Erklärung der Abbildungen. Fig. 5. Das Gehörorgan von Cyelas cornea, nach Essigsäure- Behandlung und bei starker Vergrösserung: a. die bindegewebige Hülle, b. deren scharfe Grenze nach innen (Tunica propria), c. Flimmerzellen. Fig. 9. Zwei Leberfollikeln im Längsdurchschnitt, starke Ver- grösserung: a die flimmernden Drüsenzellen, 5. abgeschiedenes Sekret. Fig. 10. Fussrand eines Embryo bei starker Vergrösserung: a. das Epitel mit den kürzern und längern Cilien, b. die Wasserkanäle, wel- che das Epitel durchsetzen, c. Muskeln des Fusses im Querschnitt, d. die Bluträume zwischen ihnen. Fig. 11 stellt die Nieren des Embryo dar (starke Vergrösserung): a. Nierenschlauch, b. der Ausführungsgang, c. das Herz in der Con- traktion, d. flügelförmige Anhänge, e. Perikardium, f. Darm. Fig. 12. Ein Eierstocksei. Fig. 13. Das frühste mir bekannt gewordene Embryonalstadium : a. der dunkle innre Zellenhaufen, welcher zum Magen wird. Fig. 14. Ein weiter vorgeschrittener Embryo: a. die Grube, wel- che den Mund bildet, b. der Fuss. Fig. 15. Noch älterer Embryo von oben gesehen: a, die starke Wim- pern am Kopfsegel, b. Magen, c. Fuss. Fig. 16. Weiter entwickelter Embryo von der Seite betrachtet: Müller’ Archiv. 1855, 5 66 Dr. Franz Leydig: Ueber Cyelas cornea Lam. a. Mund, b. Ganglion pedale mit der Ohrblase, e. Byssusdrüse, d. erste Anlage des Mantels, e. Auftreten der Schale. Fig. 17. Aelterer Embryo: a. Mund, b. Magen, ce. Mantel, d. Schale, e. Kiemen, f. Nieren. Fig. 18. Ein fast reifer Embryo: a. Mund, 5b. Leber, c. Herz d. Darm, e. vordrer Schliessmuskel, f. hintrer Schliessmuskel, g- Ganglion anterius, A. Ganglion posterius, i. Ganglion pedale mit dem Ohre, k. Niere, ! Byssusdrüse mit dem Byssusfaden, m. Kiemen. Die Figuren 13—18 sind bei geringer Vergrösserung gezeichnet. Le Joh. Müller: Fortsetzung der Beobachtungen etc. 67 Fortsetzung der Beobachtungen über die Meta- morphose der Echinodermen. Von JoH. MÜLLER. Diese Fortsetzung besteht aus Nachträgen, welche die siebente Abhandlung über die Metamorphose der Echinoder- men!) begleiten und auf der VIII. und IX. Tafel derselben durch Abbildungen erläutert sind. Sie ist hier ausgezogen, um sie mit einigen weiteren Bemerkungen zu vermehren. I. Nachtrag zu den Seeigellarven der Nordsee und des Sundes. Im J. 1847 beobachtete ich in Helsingör einen äusserst jungen Seeigel, der noch mit den Gitterstäben der Larve versehen war und bereits die Anlagen der 5 Schmelzzähne hatte. Erste Abhandlung. Taf. VII. Fig. 9. Damals kannte man schon eine Seeigellarve mit Gitterstäben, nämlich die in Helgoland heobachtete, welche sich von verschiedenen andern Helgoländischen Seeigellarven dadurch auszeichnete, dass sie niemals Wimperepauletten erhält und im reifen Zustande statt & vielmehr 13 Fortsätze, unter diesen aber einen un- paaren Scheitelfortsatz besitz. Von dieser Larve stammte der in Helsingör beobachtete junge Seeigel mit Zähnen nicht ab, sondern von einer Larve mit nur 8 Fortsätzen ohne Scheitelstab und ohne Wimperepauletten. Diese Larve glich 1) Dieser Abhandlung, welche in den Abhandlungen der Akademie der Wiss. zu Berlin vom J. 1854 erscheint, ist zugleich ein vollstän- diges suchliches Register über die ganze Folge beigegeben. D® >S Joh. Müller: Fortsetzung der Beobachtungen © > > der vorhin erwähnten nur in dem Mangel der Wimperepau- letten und in dem Besitz der gegitterten Stäbe des Schirms; ich stellte sie wegen des Mangels der Wimperepauletten und des Mangels des Scheitelfortsatzes und wegen des Besitzes von nur 8 Fortsätzen, so wie wegen der Uebereinstimmung in der Gestalt mit einer in Helgoland selten beobachteten Larve zusammen, die keine Gitterstäbe, sondern einfache Stäbe des Schirms hatte. Leider hatte ich, mich mit der Beziehung auf die Abbildungen der Helgoländischen Larven beruhigend, unterlassen die Larven von Helsingör zu zeich- nen. Auf die Unterschiede der Larven in dem Besitz oder Mangel der Wimperepauletten musste ich gleich anfangs den grössten Werth legen, und in der That stehen diese Unter- schiede, wie wir jetzt sicher wissen, in erster Linie, weil sie sich nicht bloss auf die Unterscheidung der Arten, son- dern der Gattungen der Seeigellarven beziehen. Diese von mir in Helgoland und Helsingör beobachteten Seeigellarven mit und ohne Scheitelstab stimmten also darin überein, dass sie keine Wimperepauletten besassen. Nach- dem sich ergeben, dass die Echinuslarven gerade mit diesen Wimperepauletten versehen sind, so schienen mir die Arten von Seeigellarven mit Gitterstäben, welehe ich in der sechsten Abhandlung unterschied, einer eigenen von Echinus verschie- denen Gattung anzugehören. Als Krohn dureh Befruchtung des Echinus brevispinosus eine Larve mit Gitterstäben ohne unpaaren Scheitelfortsatz erhalten hatte, war es gewiss, dass es auch Echinus mit Gitterstäben geben könne. Dies schien einiges Licht auf den räthselhaften Seeigel von Helsingör zu werfen, in welchem Zähne mit Gitterstäben zusammentreffen. Die Vermuthung Krohn’s, dieser könne von einem Echinus herstammen, dessen Larve gleich der des Echinus brevispinosus mit Gitter- stäben versehen sei, war unter diesen Umständen so wahr- scheinlich, dass ich mich selbst von dieser Auflösung der Verwickelung angezogen fühlte. Aber zu dieser Erklärung passte nicht, dass jene Seeigel, wie ich ausdrücklich bemerkt hatte, aus Larven ohne Wimperepauletten verfolgt waren. über die Metamorphose der Echinodermen. 69 Erste Abhandlung p. 295 (23). Dass der muthmassliche Echinus sich ohne Wimperepauletten entwickele, wäre mit allem, was über die Larven der Echinus festgestellt ist, un- vereinbar. Es ist daher mit der Deutung des Seeigels von Helsingör auf einen Echinus stillschweigend entweder diese Annahme oder die Voraussetzung verbunden, dass ich mich in der Ableitung dieses Seeigels von einer Larve ohne Wim- perepauletten geirrt haben könne. Es lag noch die Möglich- keit vor, dass vielleicht die jungen Spatangen mit vergäng- lichen Zahnrudimenten versehen seien. Obgleich dies nichts weniger als wahrscheinlich ist, so schien es mir doch nöthig hierauf zu achten und ich empfahl dies der ferne- ren Beobachtung in dem Auszuge der Abhandlung über die Gattungen der Seeigellarven. Seitdem ist es schon direet an den jüngsten Spatangen von Krohn beobachtet, dass sie keine Rudimente von Zähnen besitzen. Archiv f. Anatomie Physiologie 1854. p. 211. Die Lage dieses Ge- genstandes war anziehend genug, die nordischen Seeigel abermals in Angriff zu nehmen. Bei meinem letzten Aufent- halt in Helgoland im September 1854 erhielt ich Gelegenheit, die Untersuchung über den räthselhaften Seeigel von Hel- singör wieder aufzunehmen und zur Entscheidung zu bringen. Sie ist dahin ausgefallen, dass die Charaktere dieses Seeigels und seiner Larve weder mit denen der Spatangen noch mit denen der Echinus zusammenfallen. In diesem Jahre kamen die Helgoländischen Spatangoid- larven mit Scheitelfortsätzen gar nieht vor. Die beiden Echi- nuslarven mit Wimperepauletten, diejenige mit stumpfem und diejenige mit conischem Scheitel erschienen einigemale wie- . der’). Die auf Taf. IV. Fig. 1.2 der ersten Abhandlung abgebildete Seeigellarve ohne Wimperepauletten mit 8 Fort- 1) Die Helgoländische Echinuslarve mit conischem Scheitel erhält sehr frühe schon ihre Wimperepauletten. Ein Exemplar, bei dem die dorsalen Seitenarme noch nicht entstanden, hatte bereits die Wimper- epauletten. An dieser Larve wurden die queren Kalkleisten unter dem Darın, wie sie bei Echinus liwidus, pulchellus, brevispinosus u. a. vorkommen, vermisst. 70 Joh. Müller: Fortsetzung der Beobachtungen sätzen und characteristischer Vertheilung der Kalkleisten in der Kuppel wurde nicht wiedergesehen. Dagegen erschien eine andere Larve ohne Wimperepauletten mit 8 Fortsätzen häufig, welche zwar eine ganz ähnliche Vertheilung der Kalk balken in der Kuppel hatte, deren Kalkstäbe der Markisen- arme und der dorsalen’' Seitenarme aber nicht einfach, son- dern immer gegittert waren. Diese Larve war schon in Helsingör oft vorgekommen, sie ist es, von der ich den See- igel von Helsingör ableitete. Sie ist der vorhin erwähnten, auf Taf. IV. Fig. 1. 2 der ersten Abhandlung abgebildeten Larve so ähnlich wie Varietäten einer und derselben Art. Ich hatte und habe noch keine Mittel ihre Abweichung in der Beschaffenheit der Schirmstäbe (einfach oder gegittert) zu erklären. -Es können verschiedene Arten, es können auch Varietäten derselben Art sein. Vielleicht auch, sage ich mir, war die wahre Beschaffenheit der Stäbe bei der Beobachtung von Helgoland vom Jahre 1346 übersehen; diese Annahme ist jedoch schon deswegen etwas bedenklich, weil ich drei ausgeführte Zeichnungen in verschiedenen Ansichten von jenem Exemplar besitze; es wäre auch, falls es sich um die- selbe Species handeln sollte, nieht nöthig, einen Irrthum anzunehmen, da es Beispiele ähnlicher Varietäten giebt, wie 2. B, bei Echinus brevispinosus und beim Pluteus paradozus. Im Mittelmeer bei Nizza lebt eine ganz ähnliche Larve ohne Wimperepauletten mit 8 Fortsätzen, von denen die- jenigen des Schirms mit gegitterten Kalkstäben versehen sind. Taf. VII. Fig. 9 der vierten Abhandlung. Die Vertheilung der Kalkleisten in der Kuppel ist ganz ähnlich wie bei der nordischen Larve, die uns jetzt beschäftigt'). Uebrigens ist die ähnliche Vertheilung der Kalkleisten in der Kuppel dieser Larven jenen Formen nicht allein eigen; sie wiederholt sich vielmehr mit geringen Modificationen in den jüngern Larven 1) Vergl. die Erklärung der Abbildung a. a. O. p. 85 (49). Diese Larve des Mittelmeers ist der fraglichen Larve des Sundes und der Nordsee in allen Beziehungen so ähnlich, dass sie wahrscheinlich zu derselben Gattung gehört, und vielleicht sogar in der Species damit identisch ist. z über die Metamorphose der Echinodermen. 71 des Echinus brevispinosus und in den jüngern Spatangoidlar- ven. In den Larven, um die es sich jetzt handelt, bleibt aber dieses Balkenwerk der Kuppel bis zur Ausbildung des See- igels unverändert, während es beim Echinus brevispinosus und bei den Spatangoidlarven später bis auf seine Stützen zu Grunde geht, zur Zeit, wo der Scheitel dieser Larven sich zu seiner spätern Form und ihren neuen Kalkgebilden ent- wickelt. Die Larve mit 3 Armen ohne Wimperepauletten, mit Git- terstäben der Schirmarme ist in Helgoland diesmal in allen Stufen ihrer Entwickelung bis zum ausgebildeten Seeigel beobachtet; und dieses ist der Seeigel, bei welchem sowohl in Helsingör als diesmal in Helgoland die Zähne beobachtet worden sind. . Diese Seeigel zeichnen sich dadurch aus, dass sie, obgleich mit Zähnen versehen, doch Tentakeln, d. h. Füsschen mit blasigen Enden ohne Kalkring besitzen; die Larve aber zeichnet sich dadurch aus, dass sie wie die Echinuslarven 3 Fortsätze und keinen Scheitelfortsatz erhält; sie weicht da- gegen von den Echinus ab, dass sie niemals Wimperepau- letten besitzt, worin sie den Echinoeidaris und den Spatan- goiden gleicht; von diesen weicht sie wieder ab durch ihre 8 Fortsätze und dass ihr das zweite Paar der dorsalen Sei- tenfortsätze, auch die Aurikeln oder Aurikularfortsätze ab- gehen. Aus allem diesem kann man schliessen, dass diese Larve und ihre Fortsetzung, der Seeigel, von den Eigenschaften der Echinus sowohl als Echinoeidaris und den Spatangoiden sich gleich stark entfernt. Die Form der Tentakelenden an den bei Helgoland gefischten mit Zähnen und Resten von Gitterstäben versehenen jnngen Seeigeln von !4'' Grösse sowohl, wie an den bis zum Seeigel ausgebildeten Larven, dessen Tentakeln bereits spielten, erfordert noch eine be- stimmtere Bezeichnung. An dem an der Larve ausgebildeten jungen Seeigel haben schon die blasig angeschwollenen Enden vorn eine kleine spitze Hervorragung, an dem jungen Seeigel hat sich der Tentakel so weit ausgebildet, dass das blasige Eindstück oft länglich ausgezogen und der Gipfel quer abge- 72 Joh. Müller: Fortsetzung der Beobachtungen schnitten ist, so 'dass eine Art Hals am Ende des blasigen Theils hervorragt; über das quer abgeschnittene Ende der Blase erhebt sich wieder in der Mitte ein ganz kleines spitzes Wärzchen, entsprechend dem Ende des Wassergefässes. Kalkige Theilchen sind gar nicht vorhanden. Der quer ab- geschnittene Gipfel ist der breiten Saugscheibe der Füsschen der Echinus zu vergleichen, das Wärzchen in der Mitte der Saugscheibe der Echinen. Solche Füsschen habe ich weder bei Echinen noch Spatangoiden gesehen. Die Saugfüsse der Cidaris sind auch abweichend; zwar sind die dorsalen Füss- chen der Cidaris ohne Saugscheibe und ohne Kalkring, aber die Füsschen der allein hier in Betracht kommenden Ventral- seite der Cidaris sind mit Saugnapf und Kalkskelet versehen. Uebrigens bleiben aber die Cidaris schon wegen ihrer ganz abweichenden hohl-kehlenförmigen Zähne ausser Betracht, Ich erinnere mich aus der Beobachtung des lebenden Echi- nocyamus tarenlinus (= Echinocyamus pusillus) in Messina, dass die Echinoeyamus gerade mit solchen des Kalkrings ermangelnden Füsschen, wie sie vorher beschrieben worden, versehen sind An Weingeistexemplaren dieses Seeigels finde ich den Knopf am Ende der Füsschen breiter als laug von der Form eines Ellipsoids, die Mitte von dem spitzen Ende des Wassergefässes überragt und ich vermisse wieder gänz- lich den Kalkring der Echinen. Bedenkt man ferner, dass unsere reife Larve und der dazu gehörende junge Seeigel immer grün sind, so könnten sie wohl auf Echinocyamus pu- sillus bezogen werden, welcher in der Nordsee weit verbreitet ist. Zwar habe ich diesen Seeigel nicht selbst bei Helgoland gefischt, es ergiebt sich aber aus den Nachrichten der Fischer, dass er in der Nähe der Insel vorkommen muss, auch hat man den gemeinten kleinen platten länglichen Seeigel dort öfter im Magen der Schellfische gefunden. Dass Echinocya- mus pusillus im Sunde vorkömmt, weiss ich aus den Nach- richten, die ich zur Zeit meines Aufenthalts am Sunde in Copenhagen erhalten. Auch führen v. Düben und Koren diesen Seeigel von Kullen an. Kongl. Vet. Acad. Handl. f. 1544. p. 279. Der gesuchte Seeigel muss jedenfalls bei Hel- a -. über die Metamorphose der Echinodermen. 3 - goland und Helsingör häufig sein. Echinus neglectus scheint nach den zuletzt angeführten Beobachtern der einzige Echinus zu sein, der bis in den Sund hinuntergeht, dieser wird bei Helgoland nicht gesehen. Der bei Helgoland häufige Eehinus sphaera soll bei Kullen aufhören und nicht im Sunde vor- kommen. 1 Was die Zähne unseres Seeigels betrifft, so schienen sie bei früherer Vergleichung mit den hohen und stark zusam- mengedrückten Zähnen der Seeigel aus der Familie der Cly- peastriden nicht zu stimmen. Die Zähne des Echinoeyamus pusillus laufen nach Forbes Beschreibung in comprimirte Spitzen aus, welche an den Rändern abgerundet und gerinnt sind. Ich finde die Zähne der Echinocyamus und Fibularia viel weniger hoch als die der Olypeaster, Mellita, Arach- noides, Echinarachnius, doch sind die Zähne des Behinoeya- mus pusillus immer noch eomprimirt und gegen 1'%— 1'!/,mal so hoch als breit, sie sind übrigens dreikantig, an den Seiten etwas ausgehöhlt oder gerinnt; von den Zähnen der Echinus, welche ohngefähr so hoch als breit sind, unterscheiden sie sich hauptsächlich durch ihre grössere Schmalheit oder grös- sere Höhe. Mit dem auf Taf. VII. Fig. 9* und Fig. 10* der ersten Abhandlung abgebildeten Zahnrudiment verglichen, würden die Zähne eines Echinus oder vielmehr dessen Zahn- spitze sehr gut stimmen, die’Zähne von Echinoeyamus sind beim erwachsenen merklich höher, indessen werden die Zähne von BEehinoeyamus nicht ausgeschlossen. Wir müssen näm- lich bedenken, dass wir in den abgebildeten jungen Zähnen nur die Zahnspitzen, nicht den zu seiner vollkommenen Höhe ausgebildeten Zahn vor uns haben und dass die Höhe des Kiels an der Spitze von vorn nach hinten zunimmt; beim Wachsthum wird sich dieser Kiel daher leicht bis zu derjeni- gen Stärke erhöhen, welche der Zahn des Echinocyamus pu- sillus besitzt. Wenn die fraglichen Larven und Seeigel dem Echinoeyamus pusillus also einem Olypeastriden angehören, so würde es sich erklären, warum ihre Oharactere so gänzlich von den Eigenschaften der Echinus und Spatangus abweichen oder 74 Joh. Müller: Fortsetzung der Beobachtungen vielmehr eine Fusion eines Theils der einen und andern sind. Uebrigens ist der junge Seeigel dem Echinocyamus dermalen in der Gestalt wenig ähnlich, denn er ist nicht länglich platt, sondern rund und der von Stacheln freie Theil sogar stark erhaben (was von der Ausbildung des Zahnapparates her- rühren kann). Die Stacheln würden ganz gut passen. An dieser Stelle bleibt es zu erwägen, dass alle solche Deutungen ohne die Controlle der künstlichen Befruchtung immer nicht völlig sicher sind und auch durch manche bei einzelnen Larven vorkonmende Abweichungen gefährdet wer- den. Dahin gehört z. B. dass es Ophiuren und Holothurien mit und ohne Metamorphose giebt, dass Aurikeln beim Echi- nus brevispinosus erscheinen, dass derselbe auch eine Andeu- tung des zweiten Paars der dorsalen' Seitenarme der Echino- eidaris und Spatangen freilich ohne Kalkstäbe besitzt, dass die Aurikeln der Larve des Spatangus purpureus nach Krohn keine Kalkstäbe enthalten, indem der Kalkbogen am Scheitel der Larve sich nicht bis in die Aurikeln fortsetzt. Mangel, Vorkommen und Ausbildung der Aurikeln beruhen indess nur auf Variationen eines Theils, den alle Larven besitzen, wäh- rend der Besitz oder Mangel der Wimperepauletten etwas ganz Positives ist, welches auf die Entwickelung der Wim- perschnüre nicht redueirt werden kann. Der Mangel der Wimperepauletten bei den Larven von Echinocidaris kann hier nicht wohl in Betracht kommen, da die Gattungen Echi- mus und Echinocidaris in wichtigen Beziehungen gänzlich ab- weichen. Dann ist aber die Beschaffenheit der Sauger an unserm jungen Seeigel etwas, das sich mit einem Eehinus nicht wohl verträgt. Lassen wir nun die Beschreibung der Larve in ihren ver- schiedenen Entwickelungszuständen folgen. Im jüngeren Zustande (?/,“) hat unsere Larve wie ge- wöhnlich nur 4 Fortsätze, diejenigen der Markise und die ersten Fortsätze des Mundgestells, die Fortsätze der Markise enthalten einen gegitterten, die Fortsätze des Mundgestells einen einfachen Kalkstab, welcher mit dem erstern durelı einen Bogen zusammenhängt, da wo das Gitter aufhört. über die Metamorphose der Echinodermen. 5) Von da geht ein Ast longitudinal im Körper der Larve gegen die Kuppel biu, ein zweiter longitudinaler Ast geht von dem Kalkbogen des Mundgestells gleichfalls im Körper der Larve fort zur Kuppel, beide hängen im obersten Theil der Kuppel durch eine quere Leiste zusammen, so dass auf jeder Seite des Larvenkörpers ein Kalkrahmen entsteht, der auf deu Stützen der Markise und des Mundgestells ruht,‘ wie bei der jüngeren Spatangoidlarve und bei der jüngeren Larve des Echinus brevispinosus. Aus den obern Ecken des Rahmens in der Kuppel setzt sich wieder, wie bei diesen Larven, ein Ast fort, einer nach der ventralen Seite, der andere nach der dorsalen Seite der Kuppel. Die entsprechenden Zweige beider Seiten begegnen sich sowohl an dem ventralen als an dem dorsalen Theil der Kuppel, ohne sich zu verbinden. Es entsteht dadurch an unserer Larve eine ventrale und dorsale mittlere Ecke der Kuppel. Aus dieser Beschreibung ergiebt sich, dass der oberste Theil der Kuppel einen Kranz von Kalkbalken enthält, der aus 2 symmetrischen Hälften besteht und mit zugleich zu den seitlichen Kalkrahmen des Körpers der Larve gehört. Dadurch dass die entgegenstrebenden Aeste von rechts und links nicht verbunden sind, ist eine Erweiterung der Kuppel unter Verlängerung dieser Aeste möglich. Unter dem Darm gehen die gewöhnlichen queren Kalkleisten hin, vom obern Ende der Gitterstäbe entsprin- gend. Bis dahin gleicht das Kalkgerüste der Kuppel einiger- massen dem der jüngern Spatangoidlarve. Bei dieser geht der Kalkbogen zum Mundgestell mehr quer ab und ist daher die untere Seite des seitlichen Kalkrahmens des Larvenkör- pers der oberen mehr parallel, somit dieser Rahmen regel- mässiger viereckig. Bei unserer Larve dagegen ist der An- fang jenes Bogens gegen die Fortsetzung des Markisenstabs in den Körper der Larve geneigt. Am meisten ähnlich sind unsere Larven der in der sechsten Abhandlung Taf. VII. fig. 3—6 abgebildeten Triestiner Larve, welche Krohn auf Echinus brevispinosus bezogen hat. Wenn die dorsalen Seitenarme entstehen, nimmt auch der Körper der Larve an Umfang zu, die dorsalen Seitenarme 76 Joh. Müller: Fortsetzung der Beobachtungen sind gegittert. Die Maschen ihres Gitters sind kürzer als an dem Gitter der Markisenarme, die letztern haben am Anfang der Stäbe sehr grosse lange Maschen, entfernter vom Ur- sprung sind diese Maschen nur halb so lang als am Anfang. Die Gitterstäbe sind wie gewöhnlich bei Seeigellarven drei- kantig, es fehlt ihnen die leichte Drehung der Kanten, die man am Anfang der Gitterstäbe bei Echinoeidaris und ver- schiedenen Spatangoiden bemerkt. Zu dieser Zeit hat der longitudinale Balken zur Kuppel aus den Markisenarmen einen neuen Zweig aus seiner halben Länge entwickelt, dieser begiebt sich quer zur ventralen Seite des Larvenkörpers demjenigen der ander andern Seite entgegen, ohne sich mit ihm zu verbinden, dieser Ast liegt oberflächlich noch über dem Darm, ähnlich wie bei Spatan- gen. Bei manchen Exemplaren entsteht durch die starke Ausbildung der letztgenannten Kalkleisten eine buckelförmige Hervorragung der Körperwand auf der Ventralseite des Lar- venkörpers über der Markise und über dem After. In allen ist der Körper von rechts nach links zusammengedrückt, da- gegen breit von der Dorsalseite zur Ventralseite. Die dorsalen Gitterstäbe theilen sich am Ursprung in zwei Wurzeln, die eine derselben ist kurz, liegt in der Nähe des Kalkbogens für das Mundgestell und breitet sich später in eine durchlöcherte Platte aus, die andere ist viel länger und theilt sich am Rücken des Larvenkörpers wieder in zwei Aeste, wovon der eine nach dem Gipfel der Kuppel auf- steigt, der andere dem entsprechenden der andern Seite gekreuzt entgegensteht. Eine Verwachsung der Wurzel der dorsalen Gitterstäbe mit dem Kalkbogen für das Mundgestell tritt in der Regel nicht ein, doch habe ich unter mehreren einen Fall beobachtet, den ich mir nicht anders als durch eine Verbindung erklären konnte, welche übrigens schon ein- mal bei der ähnlichen Larve mit einfachen Schirmstäben ge- sehen ist. Die Entwickelung der Nebenarme und ihrer Kalkstäbe erfolgt wie gewöhnlich aus einem besondern gemeinsamen über die Metamorphose der Echinodermen. 17 Kalkbogen der Rückseite, dessen Mitte wieder wie immer einen medianen Ast in die Rückenwand ausschickt. Reife Larven haben */,”. Zu dieser Zeit findet man den Seeigel schon an der Seite innerhalb des Larvenkörpers mit den Anfängen der Tentakeln und Stacheln angelegt und die Larve verändert sich nicht weiter, während der Seeigel seine Stacheln und Tentakeln ausbildet. Es kommt also weder zur Bildung von Wimperepauletten noch von Aurikelfortsätzen und bildet die Wimperschnur nur einfach ihren Bogen an den Seiten des Körpers. Die reife Larve und der Seeigel sind grün und schwärz- lich gesprenkelt, auch auf den Tentakeln sind langgezogene schmale schwärzliche Flecken. Beim Zerdrücken des freien Seeigels kommen noch einige Reste von dem Balkenwerk der Kuppel zum Vorschein, gleich wie auch die Wurzeln der Stäbe der dorsalen Seitenarme mit den ersten Maschen des frühern Gitters. In einem Kreise standen 10 netzförmige Kalkstücke und bei ihnen lagen die Zähne mit den Spitzen nach der Mitte gerichtet, sonst weit auseinander. Die Stacheln haben die bei den jungen Seeigeln gewöhnliche Form und sind sechskantig, ganz wie ich sie von diesem Seeigel schon früher abgebildet habe. Sie hatten in einem Fall auf die ganze Länge bis zu ihrer Basis erst 7 Maschen in einer Längsreihe von Maschen, weniger als in den zu Helsingör abgebildeten Fällen, auch waren die Zahn- spitzen noch verhältnissmässig kürzer als in jenen, so dass die in Helsingör abgebildeten Exemplare sich um ein ganz geringes im Alter unterscheiden. Die Füsschen hatten die- selbe Form wie zur Zeit, als der Seeigel noch mit der ganzen Larve verbunden war und enthielten keine Spur eines Kalkringes. Der schon an der Larve sichtbare Gipfel des blasigen Endes der Füsschen ist jetzt noch bestimmter aus- gebildet und lassen sich daran die charakteristische quere Abstutzung des Gipfels und das auf der Abstutzung befind- liche, winzige spitze Wärzchen erkennen; die blasigen Knöpfe der Fühler sind übrigens jetzt etwas länglicher geworden als 7s Joh. Müller: Fortsetzung der Beobachtungen sie zur Zeit waren, als der Seeigel noch mit der Larve ver- bunden war. II. Nachträge zu den Asteridlarven. 1. Ophiurenlarven. Rückenporus derselben. Bei Helgoland fanden sich diesmal 2 Ophiurenlarven, Pluteus paradozus und die Larve der Ophiothrix fragilis; der erstere in einer erstaunlichen Menge, so dass an manchen Tagen viele Tausende durch das feine Netz zusammengebracht waren. Unter ihnen war die Varietät mit gegitterten Kalk- stäben der Auriculararme nicht selten. Bei dieser Form war die Scheitelspitze meist etwas schlanker und länger, die Sei- tenarme gerader und nicht platt, sondern abgerundet, so dass man sie leicht für eine eigene Art nehmen könnte. Aber die Grösse ist dieselbe, der Magen ist wie bei der andern grün und auch bei der gewöhnlichen Form verlieren die Arme später zur Zeit der Entwickelung der Ophiure ihre Abplattung und werden vielmehr walzenförmig; auch giebt es hinsichtlich der bald mehr geraden bald gebogenen Form der Auriculararme Uebergänge. Bei den Ophiurenlarven des adriatischen Meeres hatte ich mich überzeugt, dass die Verbindungsbogen der Kalkstäbe an dem Scheitel der Larve in der Mitte nicht geschlossen sind, vielmehr die Zweige von beiden Seiten nur auf einander stossen. Auch beim Pluteus paradozus ist der Schluss der Bogen nur scheinbar, bei starken Vergrösserungen erkennt man vielmehr die solutio continui zwischen den dicht anein- ander stossenden Enden. Das Kalkskelet besteht daher nur aus zwei symmetrischen ganz von einander getrennten Hälf- ten, wodurch das Wachsthum der Larve gesichert ist. Bisher fehlte noch die Beobachtung des Rückenporus in den Ophiu- renlarven. Zur Zeit der ersten Beobachtung des Pluteus pa- radozus war mir der Rückenporus der Echinodermenlarven über die Metamorphose der Eehinadermen. 79 überhaupt noch unbekannt; derselbe wurde erst im J. 1349 an den Larven der Holothurien und Asterien, d. h. bei den Aurieularien und Tornarien und bald darauf bei den Bipin- narien, zuletzt an den Seeigellarven aufgefunden, dagegen wollte es nicht gelingen diesen Porus an den Ophiurenlarven sicher zu beobachten. Ich suchte ihn an den adriatischen Ophiurenlarven an der Rückseite des Larvenkörpers über dem in 5 Blinddärmehen getheilten Säckchen, das seitwärts vom Schlunde liegt und die erste Anlage des Wassergefäss- systems ist. Ich glaubte auch beim Pluteus bimaculatus zu- weilen hier am Rücken, seitwärts von der Verbindung von Schlund und Magen einen kleinen Porus zu erkennen; aber bei der Schwierigkeit, diese verhältnissmässig grossen Larven in schiefer Stellung schwebend zu erhalten, konnte ich mich von der Verbindung des Säckchens mit einem Porus durch eine Röhre nicht überzeugen, und ieb überging diesen un- sicher gebliebenen Punkt lieber ganz mit Stillschweigen. Den Pluteus paradorus fand ich zu diesen Beobachtungen viel mehr geeignet. Zur Zeit wo die erste Anlage des Wasser- gefässsystems in Form eines in 5 Blinddärmchen getheilten Säckehens zur Seite des Schlundes erschienen ist, bemerkt ınan auch immer einen kleinen Porus über dem Säckchen in der Rückenwand, seitwärts von der Mitte, in ‘der Gegend zwischen Schlund und Magen. Um den Hals des Säckchens zum Porus zu sehen, ist es nöthig, den Larven eine schiefe Stellung im Wasser zu geben, welches bei diesen kleinen Larven mit wenig langen Armen ziemlich leicht gelingt. Hat man die Ansicht auf den Rücken der Larve so, dass die Fortsätze nach vorwärts, der Scheitel nach rückwärts gerichtet ist, so liegt der Porus constant auf der linken Seite des Rückens zwischen Schlund und Magen. Der Rückenporus des Wassergefässsystems ist nunmehr in den Larven der Holothurien, Seeigel, Asterien und Ophiu- ren beobachtet. Kürzlich war ich so glücklich, den Porus des Wasser- gefässsystems in der erwachsenen Ophiolepis ciliata M. T. s0 Joh. Müller: Fortsetzung der Beobachtungen aufzufinden!). Schon im Jahre 1850 hatte ich den Steincanal der Ophiuren gefunden. Archiv f. Anat. Physiol. 1850 p.121. Ueber den Bau der Echinodermen. Abh. d. Akad. a. d. J. 1853. p. 201 (81), Taf. VI. Fig. 10. 11. Dieser Kanal ent- springt aus einer kleinen Aushöhlung auf der innern Seite eines der 5 grossen Mundschilder. Es ist dasjenige Mund- schild, welches sich bei Ophiolepis ciliata durch einen erha- benen Umbo, bei Ophioderma longicauda durch einen vertief- ten Umbo ausgezeichnet. Dieses Schild war im System der Asteriden von Müller und Troschel, Braunschweig 1342 p. 3, als Ersatz der Madreporenplatte erklärt worden, und schon enthält der Vorläufer unserer Arbeit im Monatsbericht der Akademie von 1840 p. 106 diese ganz richtige Auffassung, die damals schwer begreiflich war und auch nicht allgemein angenommen worden ist?). Aber es war niemals gelungen, eine Mündung an diesem Schilde zu bemerken, daher ich schon vermuthete, dass die Oeffnungen des Steinsacks viel- leicht innerliche im Eingeweideraum wie bei den Holothurien sein werden, oder auch von den Genitalplatten ihren Zugang haben. Ueber den Bau der Echinodermen p. 202 (82). Nach- dem ich kürzlich den Rückenporus der Ophiurenlarven erkannt hatte, habe ich die Aufgabe nochmals in Angriff genommen, diesen Porus in der erwachsenen Ophiure wiederzufinden. Sie ist bei Ophiolepis ciliata gelöst worden. Der Porus liegt in dem fraglichen Mundschild auf dem linken®) Rande des- selben, dicht bei dem vordern (d. h. adoralen) Ende der angrenzenden Genitalspalte, und lässt sich an jedem trock- nen Exemplar dieser Ophiure mit der Lupe sogleich erken- 1) Der Monatsbericht der Akademie 1854 2. November enthält unter den Nachträgen über Echinodermenlarven auch hiervon eine Anzeige. 2) Uns war diese Sache schon damals nicht zweifelhaft, da uns bekannt war, dass man beim Zerbrechen und Anschneiden des frag- lichen Schildes auf ein Madreporenlabyrinth in seinem Innern stösst. 3) Bei der Bezeichnung links denkt man sich die Längenachse des Schildes so gestellt, dass das adorale Ende des Schildes nach vorn, das aborale Ende nach rückwärts gerichtet ist. . über die Metamorphose der Echinodermen. sı nen; er führt ins Innere des Schildes, nämlich in ein in der Substanz des Schildes versteckt liegendes Madreporenlaby- rinth, welches sich in die auf der innern Seite des Schildes befindliche Aushöhlung oder den Anfang des Steinkanals öffnet. Der äussere Porus gehört dem Rande des Schildes selbst an, ist gänzlich äusserlich und setzt daher den Stein- kanal und das Tentakelsystem mit dem Seewasser in Ver- bindung !). 2. Bipinnaria von Helsingör und Ostende. Was- sergefässsystem und Rückenporus. Von Asterienlarven fand sich diesmal bei Helgoland die Bipinnaria von Helsingör in verschiedenen Stadien ihrer Ent- wickelung von %4,—°%o‘'. Bei Exemplaren von 5/,,'' waren die beiden Blinddärme mit innerer Strömung, welche zu den Seiten des Magens und Schlundes liegen, schon vor dem Munde zur Form eines V verbunden, wie es auf Taf. I. Fig. 7 meiner zweiten Abhandlung abgebildet ist. Diese Verbindung ist in gleicher Weise von Van Beneden bei derselbigen Larve in Ostende beobachtet, welcher die beiden Säcke an jüngern Larven jedoch ganz getrennt gesehen hat. "Bull. .de l’Acad. Roy. de Belgique T. XVII. n. 6. Bei der Bipinnaria von Triest ist immer nur ein einziger wimpernder Sack ent- wickelt, der mit dem Rückenporus zusammenhängt; dagegen liegen anfangs zu den Seiten des Magens wie bei den Larven der Ophiuren, Holothurien und Seeigel 2 längliche Körper, welehe man überall von dem Sack mit innerer Wimperbewe- gung unterscheiden kann. Vierte Abhandlung Taf. II. Fig. 6. Bipinnaria. Taf. I. Fig. 1.3.9. Auricularia. Ich war geneigt, die Beobachtung von Van Beneden von ursprünglich zweien Säcken aus diesem Verhalten zu deuten. Daher hat es mich überrascht, bei den Helgoländischen jungen Exemplaren der 1) Auch bei Ophioderma longicauda M. T. befindet sich der Porus am linken Rande des mit dem Umbo versehenen Schildes, mehr ver- steckt am adoralen Ende der angrenzenden Bauchspalte. Um den Porus hier zu sehen, ist es nöthig, das Schild mit Umgebung in einer Kalilauge zu kochen. Müller's Archiv. 1805, 6 - 32 Joh. Müller: Fortsetzung der Beobachtungen = Bipinnaria von Helsingör und Ostende von 2/4,“ in der That % noch ganz getrennte Säcke, jeden mit innerer Strömung zu beobachten, und es schien, dass sie auch am entgegen- gesetzten Ende ohne allen Zusammenhang waren. Sobald sie sich vor dem Munde vereinigt haben, so kann man die Strömung von Kügelchen aus dem einen in den andern Sack durch das Mittelstüäck sehen und es ist daher die Scheide- wand zwischen beiden verloren gegangen. Die innern Wände der Säcke sind mit Zellen belegt, in welchen auf Anwendung von Essigsäure die Kerne sichtbar werden. Der Rückenporus, welcher schon bei der Bipinnaria von Triest zur Beobachtung kam, wurde jetzt auch bei der Bi- pinnaria von Helsingör beobachtet, wo er viel schwieriger wahrzunehmen ist. So lange noch zwei Säcke sind, ist nur der eine derselben mit dem Porus durch einen Hals verbun- den!). Wenn\die Larve auf der Bauchseite liegt, und man die Ansicht der Rückseite hat, das Flossenende der Larve nach vorn gerichtet ist, so ist es immer der linke Sack, der diesen Hals und seine Oeffnung besitzt, und hier bleibt diese Verbindung, auch wenn die Säcke sich später an dem andern Ende vereinigt haben, jetzt für beide zugleich. Die Larven widerstreben der Lage auf der Bauchseite und selbst der schwebenden Stellung mit der Bauchseite nach unten sehr 1) Auf eine Mittheilung hievon an Hrn. Dr. Krohn hat mir der- selbe unterm 17. October d. J. erwiedert, dass sich die Bipinnaria asterigera gleichwie die Bipinnaria von Marseille in Betreff der Was- sergefässsäcke und des Rückenporus ganz so wie die Bipinnaria von Helsingör verhalten und dass er bei sehr jungen Individuen der Bi- pinnaria von Marseille sich von der ursprünglichen Trennung der bei- den Säcke gleichfalls überzeugt habe. Dies Verhaltenist um so eigen- thümlicher, als andere Asterienlarven, wie die Bipinnaria von Triest und die Tornaria mit allen übrigen Echinodermenlarven in dem Besitz nur eines einzigen ursprünglichen Wassergefässsackes übereinstimmen. Die Bipinnaria asterigera und die Bipinnaria von Triest weichen übri- gens noch in einem andern wesentlichen Punkte ab. Bei ersterer ist die von der Larve abgewendete Seite des sich entwickelnden Seesterns die Bauchseite, bei letzterer nach Krohn’s Beobachtungen (Archiv f. Anat. Physiol. 1853. p. 317) die Rückseite. = über die Metamorphose der Echinodermen. 83 und suchen immer wieder vermöge der Wimperbewegung die Bauchseite nach oben zu kehren. Sobald sich die Säcke vereinigt haben, wächst das Mittel- stück des Sackes immer weiter bis zu den beiden Endflossen hin, so dass es diese zuweilen fast ganz ausfüllt. Die übri- gen Wimpel der Bipinnaria nehmen dagegen keine Verlänge- rungen des WassergefässsyStems auf. Vom Seestern ist bei Larven von ®/,, noch nichts ent- wickelt, doch erkennt man jetzt über dem Magen schon einige wenige dreischenklige Kalkfiguren, welche auf die baldige Ausbildung des Perisoms des Seesterns hindeuten. 3. Neue Art von Brachiolaria'). In der zweiten Abhandlung über Echinodermenlarven be- schrieb ich unter dem Namen Brachiolaria eine 1847 in Hel- singör beobachtete Asterienlarve, welche den Bipinnarien verwandt, sich von diesen dadurch unterscheidet, dass sie statt der Flossen an dem einen Ende 3 mit einem Stern von Papillen gekrönte Arme hat. Von dieser Larvenform sah ich in Messina eine zweite Art, welche in der Ausbildung des Seesterns begriffen war. Es waren 3 mit Papillen besetzte Arme an derselben Stelle vorhanden, und die Wimpel waren ähnlich; aber die Anordnung der Papillen war gänzlich ab- weichend, und die Arme sind mehr abgeplattet, so dass sie eine ventrale und dorsale Fläche besitzen. Hierdurch wird die Eigenthümlichkeit der Brachiolarien als Gattung von Asterienlarven noch augenscheinlicher, als sie es bisher schon war. Der Brachiolaria von Helsingör fehlten die Endwimpel oder Flossen der Bipinnarien völlig. Die dorsale Wimper- schnur machte ihren Bogen über die Basis des Mittelarms, während die ventrale Wimperschnur dem Mittelarm bis nahe zum Ende folgte. Die Brachiolaria von Messina von ®/,' Grösse, deren paarige Wimpel ebenso wie bei dem, Thier vom Sunde stehen, besitzt einen dorsalen unpaaren Wimpel 1) Monatsbericht der Akademie v. 16. März 1854. 6” 84 Joh. Müller: Fortsetzung der Beobachtungen oder die dorsale Flosse einer Bipinnaria. Die ventrale Flosse der Bipinnarien fehlte und ihre Stelle war von den Armen der Brachiolaria eingenommen, welchen die ventrale Wim- perschnur bis zum Ende folgte, indem sie von einem zum andern Arm überging, auf- und absteigend. Die Papillen bildeten bei der Brachiolaria von Helsingör eine Krone auf den Enden der Arme, bei der Brachiolaria von Messina mit plattern Armen waren die Ränder der Arme auf der ven- ralen Seite in ganzer Länge und bis auf den Gipfel der Arme mit Papillen oder Zapfen besäumt, so zwar, dass diese Pa- pillen dicht neben der Wimperschnur auf der ventralen Seite der Ränder standen und sich zuletzt auf der ventralen Seite der Armenden anhäuften. In der Abhandlung über den allgemeinen Plan in der Entwiekelung der Echinodermen wurden die festsitzenden Echinaster-Larven und die schwärmenden Bipinnarien und Brachiolarien verglichen und es ergab sich, dass die Wimpel der Bipinnarien und Brachiolarien den Armen der festsitzen- den Larven nicht homolog sind, dass vielmehr das Analogon der Arme der letztern die 3 hohlen mit Papillen besetzten Arme der Brachiolaria sind, so dass Brachiolaria sowohl die Wimpel der Bipinnarien als die Arme der Echinasterlarve besitzt. Bei der neuen Brachiolaria von Messina sind die 3 frag- liehen Arme ebenfalls hohl; die ihre Höhle auskleidende besondere Membran setzt sich in die Haut eines mittlern grossen Raums der Larve fort, der sich bis zum Seestern und wahrscheinlich bis in sein Inneres erstreckt. Bei der Echinasterlarve setzt sich die innere Membran der hohlen Arme in die innere Haut der Körperwände des Seesterns fort. Im Innern des Pedunkels der Echinasterlarve von Amerika hat Agassiz eine Strömung beobachtet, diese Strömung ist auch schon in den hohlen Armen der Brachiolaria von Hel- singör gesehen. Ein Rückenporus der Larve wurde nicht beobachtet und war der hintere Theil des Körpers wegen der vorgeschrittenen Entwiekelung des Seesterns und seiner über die Metamorphose der Echinodermen. s5 Kalkfiguren zu undurchsichtig, um so sowohl hierüber als über die erste Anlage der Tentakelkanäle etwas auszumitteln. Es entsteht die Frage, ob der mit innerer Strömung ver- sehene Raum der Brachiolaria dem wimpernden Sack der Bipinnarien oder der Höhle der Arme und des Körpers der Echinasterlarve entspricht. Die neuere Beobachtung über die Bipinnaria von Helsingör, bei welcher der wimperude Sack seine Verlängerungen bis in die beiden Endflossen treibt, ohne dass die andern Wimpel davon gefüllt werden, macht es wahrscheinlich, dass der die Arme der Brachiolaria ausfül- lende Schlauch nichts anders als eine Verlängerung des Was- sergefässsackes wie bei den Bipinnarien ist. Die Bedeutung der wimpernden Höhle in den Pedunkeln der Echinasterlarve, welche sich in die Körperhöhle derselben fortsetzt, hat noch nicht sicher festgestellt werden können. Gewiss ist, dass sich diese Höhle später in zwei Theile son- dert, die Höhle der Pedunkel und die Bauchhöhle des See- sterns. Ein Zusammenhang der Höhle des Pedunkels mit dem Wassergefässsystem des Seesterns war schon vermuthet, hat aber bis jetzt nicht nachgewiesen werden können. Die Echinasterlarve besitzt zwischen den 4 Armen eine räthselhafte napfartige Warze. Eine gleiche Warze besitzt nun auch die Brachiolaria zwischen den 3 Armen. Schon in der Brachiolaria von Helsingör wurde ein runder trüber Kör- per an der Ventralseite der Basis des Mittelarms beschrieben und abgebildet. In der Brachiolaria von Messina ist dieser Theil wiedergesehen und weiter beobachtet. Er befindet sich auch hier an der ventralen Wand der Basis des Mittelarms zwischen den 3 Armen und es ist ausgemittelt, dass es eine flach über den Körper der Larve vorspringende napfartige Warze ohne Oeffnung ist. Wenn gleich die Bedeutung dieser Warze weder bei der festsitzenden Echinasterlarve noch bei der schwärmenden Brachiolaria festgestellt werden konnte, so ist doch wenigstens die in ihrer Gegenwart liegende Be- stätigung der Homologien der Echinasterlarve und Brachio- laria willkommen. Ob die Brachiolarien vou ihren Armenden analog der 86 Joh. Müller: Fortsetzung der Beobachtungen Echinasterlarve auch zum Anhalten an fremden Körpern Ge- brauch machen, ist dermalen noch ungewiss. Man muss auch gespannt sein zu erfahren, ‘ob die Wimpel und die Arme gleichzeitig entstehen oder ob den Wimpeln ein Zu- stand, vergleichbar der Echinasterlarve, vorausgeht. Der an dem hintern Theil des Körpers der Larve ent- wickelte Stern mit Kalknetz umschloss die Verdauungsorgane mit Ausnahme des Schlundes. Der Stern war am Umfang rundum gezackt, aber noch nicht pentagonal und gegen die Larve zu noch weit offen, die Tentakel noch nicht hervor- gebrochen. Die fünfblätterige Figur auf der Ventralseite des gelappten Hintertheils der Brachiolaria von Helsingör war anfangs auf das Echinoderm gedeutet. Aus dem Studium der Auricularia ergab sich dann, dass der Stern von Blinddärmehen nur die Anlage des Tentakelsystems des Echinoderms ist. III. Ab- handlung p. 40 (8). Dieselbige Tentakelanlage wurde in der IV. Abhandl. bei der Bipinnaria von Triest festgestellt. Aus den Beobachtungen über die Entwicklung des Seesterns in der Bipinnaria von Triest und in der Brachiolaria von Mes- sina folgt auch, dass der gelappte mit Kalknetz durchzogene Hintertheil der Brachiolaria von Helsingör nicht dem Körper der Larve allein angehören kann, vielmehr der künftige See- stern selbst ist. Anmerkung. Obgleich der reiche Stoff der Echinodermen - Entwicke- lung dermalen schon in allen Richtungen ausgebeutet ist, so ist doch schon von der künstlichen Befruchtung der Holothu- rien, Ophiuren und Asterien noch eine fernere Erweiterung unserer Kenntnisse namentlich für die Bestimmung der Ar- ten zu erwarten. Auf diesem Wege wird man auch erfah- | ren, welchen Gattungen der Asterien die Bipinnarien, Bra- cehiolarien und Tornaria entsprechen. Zu den Bipinnarien über die Metamorphose der Echinodermen. 87 scheinen sowohl Gattungen aus der Abtheilung der Aste- rien mit After (Archasteridae) als afterlose (Astropectinidae) zu gehören. Denn der Stern der Bipinnaria asterigera behält noch nach seiner vollkommenen Ausbildung ‚den After, bei der Bipinnaria von Triest geht aber der After in dem sich ausbildenden Stern nach Krohn’s Beobachtung verloren. Archiv 1853 p. 317. Bündel dreispitziger Stachelchen, wie sie Koren und Danielssen an dem reifen Stern der Bi- pinnaria asterigera gesehen und abgebildet, werden bei den mehrsten Asterien vermisst, diese Form der Stachelchen könnte leicht eine Jugendform der Stacheln sein. Es ist jedoch zu bedenken, dass der fünfarmige norwegische Solaster furcifer von Düben und Koren, den ich nicht gesehen, Pinsel von zwei- oder dreispitzigen Stachelchen besitzt. Spinulis peni- eillorum planis 1. triquetris apice bi-trifurcatis. Kongl. Acad. Handl. f. 1844. p. 243. Tab. VI. Fig. 7—10. Von der in Mar- seille, Nizza, Triest und Messina beobachteten Tornaria!) ist von Krohn kürzlich ein weiteres Stadium der Entwicke- lung beobachtet. Archiv 1854 p. 212, Taf. X. Fig. 1.2. Die grössten von mir gesehenen Exemplare waren !!/,,'', das von Krohn beschriebene grössere Exemplar reichlich 1”, also doppelt so gross. Die Veränderung, welche die Tor- naria bis dahin erfahren, betrifft die Strecken der bilateralen Wimperschnüre an der vordern Hälfte des Thiers (worin der Wassergefässsack) und die dort von den Wimperschnüren auf Bauch und Rückseite begrenzten drei Felder. Um diese Felder haben sich nämlich die Wimperschnüre jetzt in zahl- reiche Schleifen zierlich gekräuselt, während die queren Züge der Wimperschnüre hinter diesen Krausen wenig oder nicht verändert sind, auch der ringförmige Wimperreifen um den Hintertheil der Larve noch besteht. Man kann für gewiss annehmen, dass der Hintertheil des Körpers wie bei den Bipinnarien und Brachiolarien zur Entwickelung des Seesterns 1) IL Abh. d. Akad. a. d. J. 1848. p. 101 (29) Taf. V. Fig. 4—10. III. Abb, der Akad. a. d. J. 1849, p.55 (33) Taf. VL. Fig. 17. IV. Abb. d. Akad. a. d. J. 1850. p. 75 (39) Taf. IX. Fig. 57. 88 Joh. Müller: Fortsetzung der Beobachtungen dienen wird, denn dieser enthält den Magen und Darm, dass dagegen die ganze vordere Hälfte des Thiers, wo die krau- sig begrenzten Felder und worin der Wassergefässsack ent- halten ist, an der Ausbildung des Seesterns keinen Antheil nehmen wird und nach der Entwickelung des Seesterns ent- weder zur Reduction oder zum Abstossen bestimmt, also hin- fällig ist. Jetzt gleichen beide Hälften zwei durch eine Ein- schnürung geschiedenen Halbkugeln, und die Einschnürung ist die Gegend, wo der Wassergefässporus seinen Sitz hat, wo also die Madreporenplatte des spätern Seesterns liegen wird. Die wurmförmige Asterienlarve!) von Nizza und Triest, deren kleinste Exemplare gegen %%,'' messen, ist noch als Problem übrig geblieben und ist dermalen die Form, welche am meisten unsere Aufmerksamkeit in Bezug auf ihren Ursprung und ihr Ziel spannt. Es entstand gleich an- fangs die Vermuthung,, dass sie vielleicht die Fortsetzung der Tornaria sein könnte. Diesem scheint zu widersprechen, dass bei dem aus der wurmförmigen Asterie hervorgehenden Stern die Enden der Tentakelkanäle der Arme aus der Spitze der Armenden, wie bei den jungen Ophiuren hervorstehen, wäh- rend das Ende des Tentakelkanals bei mehreren jungen As- terien, z. B. Echinaster Sarsii und Asteracanthion Mülleri auf der Bauchseite des Armendes hervorsieht. Auch haben die Tentakelenden der wurmförmigen Asterie einen Kranz von spitzen Saugwärzchen, welchen man bei Asterien noch nicht gesehen hat; die Eigenthümlichkeiten der wurmförmigen Larve lassen sich aber nirgend an die Entwicklungsgeschichte der Ophiuren anknüpfen, in der niemals eine wurmförmige Gestalt mit queren Einschnitten auftritt. Auch wird man in dem stumpfen Anhang der wurmförmigen Asterienlarve schwer den Scheitel einer Ophiurenlarve erkennen können. Man könnte sich ferner versucht fühlen, diesen interradialen Kör- 1) IH. Abh. d. Akad. a. d.J. 1849. p. 58 (26) Taf. VI. Fig. 8-12, Taf. VII. Fig. 1—4. IV. Abh. d. Akad. a. d. J. 1850. p. 76 (40). VI. Abh. d. Akad. a. d. J. 1852, p. 60 (36) Taf. I. Fig. 15. 16. über die Metamorphose der Echinodermen. 89 pertheil der wurmförmigen Asterienlarve mit dem Pedunkel “einer Echinasterlarve zu vergleichen; dann bleiben aber die queren Abtheilungen des Rückens, welche in die Bauchseite zwischen den Armen des Sterns auslaufen, auch unerklärt, ebenso gewisse undeutliche röthliche Pigment-Spuren auf den Einschnitten, die man an den jüngern Exemplaren dort zu erkennen glaubt. Der interradiale Anhang der wurmförmigen Asterienlarve ist zu massenhaft und dick, um dem Aftertheil wie etwa der Afterröhre der Bipinnaria asterigera verglichen oder um der Madreporenplatte identificirt zu werden. Abgesehen von den Verschiedenheiten der Tornaria, der Echinasterlarve und der wurmförmigen Asterienlarve, so ist in ihnen das vergleichbare einmal derjenige Theil des Kör- pers, aus dem sich der Seestern entwickelt, ferner ist in allen dreien derjenige Theil der Larve vergleichbar, der zum Seestern nicht verwandt wird, die zur Reduction bestimmte übrigbleibende oder hinfällige Larvenportion, also in der Tor- naria vordere Hälfte, in der Echinasterlarve Pedunkel, in der wurmförmigen Larve interradialer Anhang. In dem Fall der Abstammung der wurmförmigen Asterienlarve von der Tor- naria frägt sich daher, ob diese Abtheilung mit dem der Reduction unterworfenen Theil der Tornaria zusammenfällt. 90 Rud. Leuckart: Ueber die Micropyle und Ueber die Micropyle und den feinern Bau der Schalen- haut bei den Insekteneiern. Zugleich ein Beitrag zur Lehre von der Befruchtung. Von Prof. Run. LEUCKART in Giessen. (Hiezu Taf. VII—XI.). Die auffallenden Angaben, die Leon Dufour in den Annal. des science. natur. 1345 T. II. p. 76 über die Entwick- lung der Pupiparen gemacht und noch neuerdings (Mem. pres. ä Pacad. de l’Instit. 1851 p. 316) wiederholt hat, veranlassten mich im Laufe des vergangenen Sommers zu einer Reihe von Untersuchungen über eben diese merkwürdigen Geschö- pfe. Die Resultate derselben werden bei einer andern Ge- legenheit mitgetheilt werden; ich will mich hier einstweilen nur auf die Bemerkung beschränken, dass die Entwicklung dieser Thiere, trotz der Angaben des französischen Entomo- tomen, im Wesentlichen genau in derselben Weise vor sich gehet, wie bei den übrigen Insekten. In den zweifächrigen Eiröhren, die nach meinen Untersuchungen je zu zweien in den bekannten sackförmigen Ovarien eingeschlossen liegen, entsteht ein Ei (immer nur ein einziges), das durch den kur- zen fast beständig mit Samenfäden angefüllten unpaaren Eier- gang herabtritt, auf diesem Wege befruchtet wird und sich sodann in der Scheide (matrice L. D.) zu einer Larve entwik- kelt, die eine vollständige innere Organisation besitzt und durch das Secret der beiden Anhangsdrüsen an den weib- lichen Genitalien bis zur Zeit der Verpuppung ernährt wird. Im Einzelnen zeigt nun aber dıe Entwicklungsgeschichte die- ser Thiere mancherlei höchst abweichende und eigenthüm- den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 9 liche Verhältnisse. Schon die Bildung des Eierstockseies (Tab. I. Fig. 1) ist auffallend, nicht etwa die Form dessel- ben, die, wie bei den meisten Diptern, ziemlich lang ge- streckt ist, auch nicht der Besitz von zweien deutlich ge- schiedenen Dotterhüllen, die nach meinen gegenwärtigen Er- fahrungen wohl so ziemlich allen Insekteneiern zukommen, sondern der Umstand, dass das vordere etwas abgestumpfte Ende mit einer weiten (!/,‘) und ziemlich tiefen (1) Grube versehen ist, deren Boden in der Mitte von einer kleinen mehr oder minder spaltförmigen Oefinung von etwa !/,,0'“ durchbohrt wird (ibid. Fig. 2 u.3). Die Oeffnung führt durch beide Ei- häute, die im Umkreise derselben dicht auf einander liegen und etwas fester, als gewöhnlich, zusammenhängen, in den Innenraum des Eies, wie man durch Trennung und Isolation der Häute ganz deutlich beobachten kann, Bei der ersten Entdeckung dieser sonderbaren Grube dachte ich sogleich an eine Micropyle, allein diese Deutung wurde wieder verlassen, als ich bald darauf mich überzeugen musste, dass sich dieselbe während der Entwicklung der junge Larve, die erst bei ihrer Geburt ihre Eihüllen verlässt, allmählich in einen Trichter verwandelt, der in die Mundhöhle sich hin- einsenkt und bei der Nahrungsaufnahme gewissermassen als Leitapparat dient'). Unter solchen Umständen lag es ja nahe, die Grube‘ des Eierstockseies als eine Eigenthümlich- keit unserer Thiere zu betrachten nnd ihr Vorkommen mit den besondern Umständen der Nahrungsweise bei denselben in Zusammenhang zu bringen. Eine Zeitlang glaubte ich nun wirklich, dass die Bezie- hung dieser Grube zur Nahrungsaufnahme die ganze functio- nelle Bedeutung derselben umfasse, bis ich endlich, bei der Untersuchung der ersten Entwicklungszustände, die weitere Beobachtung machte, dass dieselbe bei dem Durchtritte durch den unpaaren Eiergang, der, wie schon v. Siebold nachge- 4) Eben so bildet sich später auch am hintern Pole des Eies eine eigenthümliche Verbindung der Eihäute mit den ersten Luftlöchern zum Zwecke der Athmung. 92 Rud. Leuckart: Ueber die Mieropyle und wiesen hat, bei unsern Thieren als Samentasche fungirt, mit Spermatozoen erfüllt werde. Das Pupiparenei trägt bei sei- ner Ankunft in der Scheide an dem obern Pole eine ziem- lich hohe scheibenförmige Eiweisslage, die schon während des letzten Aufenthaltes in der Eierstocksröhre gebildet ist, und diese Eiweissscheibe umschliesst in der ersten Zeit der Körperentwicklung einen mehr oder minder dichten Pfropf von Samenfäden, der mit seiner untern Spitze den Boden der Grube berührt und dieselbe in der Regel ganz vollkom- men ausfüllt. Das obere Ende des Samenpfropfes wird ge- wöhnlich von der äussersten Sebicht der Eiweisslage bedeckt, so dass derselbe nirgends nach aussen hervorragt; es bedarf aber nur eines gelinden Druckes, um diese Decke zu spren- gen und den Pfropf hervortreten zu lassen. Sobald das geschieht (ibid. Fig. 2), weichen die Samenfäden, die bis dahin ziemlich parallel und dicht verpackt gelegen hatten, oft noch unter lebhaften Bewegungen aus einauder; man überzeugt sich erst jetzt, dass man es wirklich mit einem Samenpfropfe zu thun hat, während man früher in demsel- ben nur eine unbestimmte Masse von streifigem Aussehen und gelblicher Färbung erkennen konnte. Diesen Samen- pfropf habe ich mitunter noch in Eiern beobachtet, die bereits auf einem ziemlich vorgerückten Stadium der Lar- venentwicklung standen und schon die wesentlichsten innern Organe des Larvenkörpers angelegt hatten. Er geht erst später, wenn die Grube sich in den Mundtrichter verwandelt, mit sammt der umhüllenden Eiweissmasse verloren, ob durch Auflösung oder auf sonst einem Wege, weiss ich nicht zu sagen. Auffallend aber ist es mir gewesen, dass ich nie- mals, auch nicht in den ältesten Pfropfen, irgend eine Ver- änderung des Aussehens, namentlich auch keine Spur einer etwaigen „Fettmetamorphose* habe bemerken können !). Ueber die Art und Weise, in welcher der Samenpfropf 1) Nach den Beobachtungen von Bischoff kann man auf Säuge- thiereiern von 5—6 Tagen bekanntlich ebenfalls noch unveränderte Samenkörperchen nachweisen. den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 93 in die trichterförmige Grube des Eies hineingelangt, steht mir bei Mangel einer direeten Beobachtung nur eine Vermu- thung zu. Man könnte annehmen, dass solches rein auf me- ehanischem Wege durch Zusammenziehung der Muskelwände an dem unpaaren Eileiter geschähe, dass dadurch nach dem Durchtritt des Eies zu guter Letzt noch eine gewisse Portion des eingeschlossenen Sperma durch die Eiweisslage in das Innere der Grube hineingetrieben würde. Gegen solche äus- sere Gewalt aber spricht einmal der Umstand, dass die Sa- ınenmasse nicht frei zu Tage liegt, sondern von der Eiweiss- lage bedeckt ist, und sodann in einem noch höhern Grade die parallele Gruppirung der Fäden, die alle mit ihren vor- dern Enden gegen den Boden der Grube hingerichtet sind. Ich kann unter solchen Umständen kaum daran zweifeln, dass die Samenfäden, die immerhin vielleicht durch äussere Triebkräfte bis an das Ei befördert sind, durch ihre selbst- ständigen Bewegungen in die Grube hineindrangen, dass die- selben einzeln, wie ich das späterhin auch bei Musca vomi- toria beobachtete und schon früher mit Bischoff bei den Fröschen gesehen hatte, graden Weges mit dem Kopfende voran, die Biweissmasse durchsetzten, und sich in der Grube allmählig in grössern Portionen ansammelten. Der obere Pol des Eies ist die einzige Stelle, die bei der anatomischen Bildung der Genitalien dem Angriffe der Samenfäden ausge- setzt ist; die Anhäufung derselben in der trichterförmigen Grube erscheint uns demnach ganz natürlich und in Ueber- einstimmung mit den gegebenen Verhältnissen. Durch die Beobachtung dieses Samenpfropfes gewann nun die erste Deutung der trichterförmigen Grube von Neuem eine gewichtige Unterstützung. Nach den jüngsten unzwei- felhaften Erfahrungen über das Eindringen der Samenfäden in das Innere des Eies war von vorn herein auch hier ein solches Verhältniss zu vermuthen; der einzige Ort, an wel- chem die Samenfäden mit den Eihäuten in Berührung ka- men, war nun aber mit einer Oeflnung versehen, die in das Innere hineinführte — was lag näher, als die Annahme, dass diese Oeflnung nach Art der pflanzlichen Micropyle auch 94 Rud. Leuekart: Ueber die Micropyle und wirklich zum Durchlassen der Spermatozoen bestimmt sei? Dennoch dauerte es eine längere Zeit, bevor ich diese Oeff- nung mit Bestimmtheit als eine Micropyle im strengsten Sinne des Wortes erkennen konnte — freilich, wie ich mich später überzeugte, wohl nur deshalb, weil das Eintreten der Samenfäden blos an jenen Eiern zu beobachten ist, die erst seit kürzester Zeit an dem Orte ihrer Entwicklung angekom- men sind, solche Eier aber nur durch einen sehr günstigen Zufall und in spärlicher Anzahl dem Beobachter in die Händs fallen. Bei andern Insekten habe ich mich im Laufe meiner Untersuchungen häufiger von dem Eindringen der Samenfäden durch die Mieropyle überzeugen können; bei den Pupiparen (Melophagus) gelang es nur einige wenige Male, zu sehen, wie die Samenfäden unter schlängelnden Bewe- gungen durch die Oeffnung im Boden der Grube hindurch- drangen und mehr oder minder weit in den Raum zwischen Dotter und Eihaut hineinhingen Die Zahl dieser Ein- dringlinge ist übrigens beständig nur äusserst beschränkt, wohl nur selten mehr als 3—4, während die Menge der aussen bleibenden Samenfäden meist auf mehrere Hundert zu veranschlagen sein dürffe. In einigen Fällen beobachtete ich aber auch in der Grube des Micropylenapparates und der Eiweissschicht eine geringere Menge, vielleicht ein Dut- zend von Fäden, die dann in verschiedenen Zügen, einzeln und zu mehrern, neben einander lagen. So war es mir nun durch meine Untersuchungen zur Ge- wissheit geworden: es giebt Insekten, deren Eier zum Zwecke der Befruchtung mit einer Micropyle ver- sehen sind. KNatürlicher Weise kam es jetzt darauf an, über die Verbreitung dieses Apparates einen Aufschluss zu gewinnen; ich habe seit Mitte Juni mehr als tausend Insek- ten aus den verschiedensten Gruppen untersucht und bin so glücklich gewesen, bei fast zweihundert Arten den Apparat, um den es sich hier handelt, aufzufinden. Schon bei meinen frühern Untersuehungen war mir an vielen Insekteneiern (na- mentlich an Schmetterlingseiern) eine Stelle aufgefallen, die durch helleres Aussehen und dünnere Beschaffenheit vor dem den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 95 = übrigen Chorion sich auszeichnete; ‘schon damals. hatte ich (Art. Zeugung in Wagner's H. W. B. Bd. IV. S. 906) die Vermuthung ausgesprochen, dass diese Stelle gleich der „Mi- eropyle“ der Holothurieneier für die Befruchtung von Bedeu- tung sein dürfte 1). Dieselbe Stelle ist es, welche ich heute, wenn auch nicht in allen Fällen als die Micropyle selbst, doch als den Sitz der Miceropyle in Anspruch nehmen darf. Uebrigens ist diese Stelle nicht etwa von mir allein bislang beobachtet worden. Schon Malpighi erwähnt derselben beim Ei des Seidenspinners, wo er sie als „Grübchen“ beschreibt und mit der Narbe einer abgefallenen Beere vergleicht (Diss. epist. d. Bombyce. 1669), und unter den spätern Entomolo- gen giebt es kaum einen Einzigen, der dieselbe nicht an dem Ei des einen oder andern Insektes wahrgenommen hätte. Erwähnenswerth sind in dieser Beziehung besonders die Na- men von Reaumur, de Geer, Sepp, Leon Dufour und Herold, von denen der letztere sogar wusste, dass das Malpighische Grübchen, das er als Scheibehen erkannt zu haben glaubte, den Schmetterlingseiern ohne Ausnahme zu- komme (Unters. üb. die Bildungsgesch. der wirbellosen Thiere, Lief. U. Erkl. d. Taf. 6 Bog.1). Dass dieses Gebilde nichts 1) Bei dem hohen Interesse, welches diese Verhältnisse heutigen Tages gewonnen haben, darf ich hier wohl wörtlich wiederholen, was ich damals a. a. O. bemerkt habe. „An manchen Eiern finden wir Einrichtungen, die uns vermuthen lassen, dass das Chorion an sich die Einwirkung des Sperma verhindere. Zu diesen rechne ich namentlich den canalförmigen Gang, der nach der Entdeckung von J. Müller das Chorion der Holothurieneier durchsetzt und dem Sa- men die unmittelbare Berührung der Dotterhaut erlaubt. An dem Chorion der Insekteneier habe ich häufig eine ähnliche Bildung beobachtet, eine mehr und minder grosse Stelle, die von einer sehr viel dünnern Beschaffenheit ist, als die übrige Hülle, Bei den T’rematoden u. a., deren Chorion eine gleichmässig derbe und feste Beschaffenheit hat, darf man endlich aus der anatomischen Anordnung der innern Genitalien sogar mit Bestimmt- heit entnehmen, dass die Berührung des Bildungsmateriales mit dem männlichen Zeugungsproducte schon vor der Entwicklung der äussern Eihüllen stattfindet, dass mit den Elementen des Dotters auch zugleich der Samen in das Chorion eingeschlossen wird.“ 96 Rud. Leuckart: Ueber die Micropyle und “ desto weniger bisher keine speciellere Beachtung gefunden hat, kann uns in der That nicht im Geringsten verwundern; als Gebilde „von unbekannter Bedeutung“ bot es der wissen- schaftlichen Verwerthung auch nicht den geringsten Angriffs- punkt. Es gehörte zu den vielen sonderbaren Eigenthüm- lichkeiten in der Bildung und Form der Insekteneier, von denen uns die Entomologen bis auf die neueste Zeit so Vie- les berichtet haben, obne dass sie im Stande waren, densel- ben ein allgemeineres Verständniss abzugewinnen, Nach meinen gegenwärtigen Erfahrungen darf ich die An- wesenheit einer Micropyle an den Eiern wohl als allgemein verbreitet unter den Insekten annehmen. Ich habe nur äus- serst wenige Arten untersucht, bei denen ich, falls die Ver- hältnisse sonst günstig waren — es glückt im Ganzen viel seltener, als man vielleicht von vorn herein vermuthet, voll- ständig reife Eier bei den weiblichen Insekten aufzufinden !), und doch lassen sich die betreffenden Untersuchungen nur an solchen ausführen — ich habe, sage ich, nur äusserst wenige Weibchen mit völlig ausgereiften Eiern unter Händen gehabt, bei denen ich über die Existenz einer Micropyle im Ungewissen geblieben bin. Und immer waren dieses nur solche Arten, deren Eier wegen der Zähigkeit des Dotters, der nicht ausfliessen wollte, auch wohl zugleich noch wegen der Zartheit, Helle und Elastieität der Hüllen sich nur äus- serst schwierig unter dem Mieroscope in einer zweckmässi- gen Weise behandeln liessen. Abgesehen aber von diesen Fällen gelang es überall, und oft schon auf den ersten Blick, bei grossen und kleinen Eiern, bei solchen mit äusserst fe- sten und andern mit zartern Hüllen, die Existenz eines Mi- eropylapparates zu constatiren, 1) Meine Untersuchungen würden auch wohl schwerlich ihren ge- genwärtigen Umfang erreicht haben, wäre es mir nicht gelungen, eine Anzahl befreundeter Entomologen und Schüler dafür zu interessiren. Ich erwähne hier namentlich der Beihülfe der Herren Prof. Herold in Marburg, Prof. Kirschbaum in Wiesbaden und Realschullehrer Dieor& hierselbst, denen ich für ihre vielfachen freundlichen Mitthei- lungen mich dankbar verbunden fühle. den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 97 Aber dieser Micropylapparat hat nicht immer jene ein- fache Bildung, die ich oben bei den Pupiparen geschildert habe. Wir finden in ihm dieselbe Mannichfaltigkeit, densel- ben Formenreichthum wieder, den der Beobachter auch sonst überall in der bunten Welt der Insekten zu bewundern hat. Oeffnungen zum Durchlass der Spermatozoen sind es aller- dings in allen Fällen, die diesen Apparat zusammensetzen, aber Zahl, Vertheilung, Form und Bildung wechseln ‚dabei auf das Allermannichfaltigste. Ich will die Frage hier nicht weiter untersuchen, wodurch dieser Wechsel bedingt werde, man wird schon von vorn herein vermuthen dürfen, dass es vorzugsweise die anatomische Bildung des Befruchtungsap- parates und das Verhältniss desselben zu den eileitenden Or- ganen ist, auf welche sich die jedesmalige Entwicklung der Micropyle zurückführen lässt. Gegenwärtig ist es zunächst nur meine Aufgabe und Absicht, auf die Existenz und Ver- breitung dieses wichtigen Apparates hinzudeuten, und zu zei- gen, wie seine Bildung in den einzelnen grössern und klei- nern Gruppen der Insckten in bestimmter Weise wechselt. Diese Aufgabe lässt sich aber nur dann mit einiger Vollstän- digkeit erfüllen, wenn bei der Beschreibung des Micropylen- apparates auch zugleich die feinen Texturverhältnisse der Ei- ‘ hüllen oder vielmehr des Chorions (denn die innere, früher häufig übersehene Eihaut bleibt in allen Fällen eine homogene nnd zarte Membran) in Betracht gezogen werden, Auch in die- ser Beziehung kommen bei den Insekteneiern mancherlei über- raschende und eigenthümliche Bildungen vor, wie sie bisher kaum irgend wo beobachtet sind. Vertiefungen in Form von Gruben, Rinnen, Schrunden und Canälen, Aufsätze der man- nichfaltigsten Art und Bildung, Höcker, Leisten u.s.w. wettei- fern hier in bunter Fülle und zierlichster Anordnung. Im Gan- zen sind übrigens diese Texturverhältnisse mit ihren eigen- thümlichen Zügen weit weniger an die Grenzen der einzelnen natürlichen Gruppen gebunden, als die Mieropylenapparate'). 1) Die Bildung der letztern ist nach meinen Beobachtungen für die einzelnen Gruppen: so charakteristisch, dass man sie in zweifelhaften Milllor's Archiv. 1855, 7 98 Rud. Leuckart: Ueber die Micropyle und Selbst bei nahe verwandten Arten finden sich häufig die grössesten Verschiedenheiten in der mikroscopischen Bildung des Chorions und zwar, wie mir scheint, um so con- stanter und auffallender, je beträchtlicher zugleich der et- waige Grössenunterschied der zugehörenden Eier ist. Es gilt als ziemlich durchgreifendes Gesetz, dass die Textur- verhältnisse des Chorions um so complieirter und auffallen- der werden, je mehr das Ei an Grösse zunimmt. Ein klei- nes Ei hat in der Regel ein ganz homogenes Chorion, das sich höchstens durch eine festere Beschaffenheit und eine feine Granulirung vor der innern Eihaut auszeichnet; wenn nun aber das Volumen des Eies wächst, wenn die äussere Hülle, die doch zunächst als Stütz- und Schutzapparat fun- girt, entsprechend sich verdickt, dann sehen wir sogleich jene Vertiefungen und Hervorragungen, jene Gruben und Leisten, wie ich sie oben erwähnt habe. Ich glaube nicht zu irren, wenn ich behaupte, dass diese eigenthümlichen Texturverhältnisse ihrer nächsten Bedeutung nach auf den Verkehr mit der äussern Atmosphäre Bezug haben. Das Ei bedarf, wie wir wissen !), eines solchen Verkehres zu seiner Entwicklung; es nimmt Sauerstoff auf und produeirt Kohlen- säure, wie das ausgebildete Thier, wenn auch immerhin in geringerer Menge. Nun aber ist es gewiss, dass ein solcher Verkehr durch eine feste und derbe Membran, wie das stark verdiekte Chorion eines grössern Insekteneies mit homoge- ner Bildung es sein würde, kaum in genügender Weise un- terhalten werden könnte. Durch die gegebenen Texturver- hältnisse wird dieser Verkehr jedenfalls in einem hohen Grade erleichtert; die Gruben, Gänge und Kanäle, die das Cho- rion bis zu einer bestimmten Tiefe durchsetzen, _bringen die Luft in einen innigen Contaet mit dem Dotter?), ohne die Fällen sogar als ein Merkmal von systematischem Werthe zu Rathe ziehen kann. 1) Man vergleiche hierzu die Versuche von Michelotti an den Eiern von Liparis dispar und Bombyz mori, Pfaff und Friedlän- der, franz. Annalen Hft. 4 S. 48. ; 2) Die weisse Farbe, die den meisten Insekteneiern zukommt, rührt den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 99 Festigkeit der äussern Hüllen im Geringsten zu beeinträch- tigen. Was bei den Eiern mit einer Kalkschale durch die vollständige Porosität der Wandungen erzielt ist, dasselbe wird hier auf analogem Wege durch ein System von mehr oder minder regelmässigen Erhebungen und Vertiefungen ver- mittelt. Die mikroseopischen Einrichtungen an den Eierschalen der Insekten lassen sich hiernach vorzugsweise unter zweierlei Gesichtspunkten zusammenfassen; sie sind Einrichtungen zur Vermittlung des Wechselverkehrs mit der äussern Atmosphäre und Einrichtungen zum Durchlassen der Samenfäden in das Innere (Micropylen). Natürlicher Weise ist hiermit noch keineswegs das volle Ver- ständniss aller jener merkwürdigen Bildungen erschlossen, die wir im Laufe unserer Darstellung an den Insekteneiern noch hervorheben müssen und auch zum Theil sehon durch frühere Beobachter kennen gelernt haben. Die Beziehungen des Eies zu den äussern Verhältnissen der Entwicklung sind weit mannichfaltiger, als dass sie sich durch einige wenige Sätze umschreiben liessen; was wir in Voranstehendem her- vorgehoben, bezieht sich nur auf die allgemeinsten Verhält- nisse, die schon im Voraus einige Berücksichtigung verdienten. Bevor ich aber dazu übergehe, meine Untersuchungen im Speciellen darzulegen, darf ich mir beiläufig wohl die Bemer- kung erlauben, dass meine Beobachtungen ganz unabhängig von irgend einer äussern Einwirkung entstanden und fortge- führt wurden. Ich hatte bereits eine grössere Anzahl be- freundeter Gelehrten von meinem Funde in Kenntniss ge- setzt, namentlich auch die Herren Prof. Bischoff, Prof. Bardeleben, Dr. Eckhard und Dr. Welker durch Demon- stration einiger Präparate von’ der Existenz der Micropyle an Insekteneiern überzeugt, hatte bereits an Herrn Prof. J. Müller eine kurze Notiz über die Hauptresultate meiner in vielen Fällen (der Farbenwechsel nach dem Legen beständig) von der Pneumaticität des Chorions her. q7* 100 Rund. Lenckart: Ueber die Micropyle und Untersuchungen zur gefälligen Mittheilung an die Königl. Aka- demie der Wissenschaften zu Berlin übersendet (vgl. Monats- berichte 1854, Augustheft S. 494), als ich durch einen Zufall erfuhr, dass in Göttingen von Herrn Dr. Meissner dieselbe Entdeckung gemacht sei. Die Untersuchungen dieses fleissi- gen Beobachters sind in dem zweiten Hefte der Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie 1854, das am 14. September aus- gegeben wurde, mir aber schon in den ersten Tagen dieses Monats durch die Güte des Verf. zukam, publieirt worden. Sie beziehen sich — abgesehen von Gammarus puleer — auf 4 Diptern (Musca vomitoria, Musca domestica, Tipula? und Culez?), 3 Käfer (Lampyris splendidula, Blater pectinicornis, Telephorus?), 7 Schmetterlinge (Adela?, Pyralis?, Tortrir?, Euprepia lubricipeda, E. Caja, Liparis salieis, Pieris brassicae), 3 Hymenoptern (Tenthredo viridis, Polistes gallica, Spathius clavatus) und 2 Neuroptern (Agrion virgo und Panorpa com- munis), im (sanzen also auf 19 Insekten, von denen ich die grössere Mehrzahl gleichfalls untersucht habe. In den Haupt- punkten sind unsere beiderseitigen Beobachtungen überein- stimmend !), nur in Bezug auf die Mieropyle der Schmetter- linge (auch einiger andern Insekten) muss ich mit aller Be- stimmtheit ein abweichendes Verhältniss verfechten. Meiss- ner schreibt diesen Thieren und überhaupt allen Insekten ohne Ausnahme eine einfache Mieropyle zu, wie wir sie schon oben bei Melophagus kennen lernten; ich hoffe indes- sen im Laufe meiner Darstellung den Nachweis zu liefern, dass es ganze grosse Abtheilungen unter den Insekten giebt, die mit einer mehrfachen Micropyle versehen sind, und dass zu diesen namentlich auch die Schmetterlinge gehören?). 1) Der Vorwurf von Meissner, dass ich in meiner Uebersicht über die Bildung und den Bau der Eier in der Thierwelt (Art. Zeu- gung) der Existenz des schon längst bekannten „Grübchens“ an den In- sekteneiern keine Berücksichtigung geschenkt hätte, ist jedenfalls un- gegründet, wie aus der oben angezogenen Stelle zur Genüge hervor- geht. Allerdings habe ich dabei nicht auf die ältern Beobachtungen verwiesen, indessen thut das doch dem Sachverhältnisse nicht den geringsten Abbruch. 2) Auf der Göttinger Naturforscher - Versammlung, wo ich über . den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. ]0J Uebrigens bin ich mir sehr wohl bewusst, dass meine Untersuchungen trotz ihres bei Weitem grössern Umfangs die Frage nach dem Bau und der Bildung der Insekteneier eben so wenig zu einem Abschlusse bringen können, als die Angaben von Meissner. Jedenfalls aber werden sie mit den letztern dazu dienen, dieses interessante Capitel der weitern Berücksichtigung derjenigen Entomologen zu empfehlen, die durch ihre Beobachtungen über Bau und Leben und Ent- wicklung der Insekten sich zu würdigen Schülern und Nach- folgern eines Reaumur, de Geer, Swammerdam u. A. gemacht haben. Ich bedaure im Interesse meiner Arbeit nur das Eine, dass ich erst inmitten des Sommers, nachdem die günstigste ‘Zeit für solche Untersuchungen bereits verflossen war"), auf die allgemeinere Verbreitung der Micropyle bei den Insekteneiern aufmerksam wurde, und gegenwärtig dem ‚Winter enigegensehe, der schon aus den natürlichsten Grün- den einer Untersuchungsreihe, wie es die vorliegende ist, ein Ziel setzt. Es ist hinreichend bekannt, dass die Insekteneier keines- wegs jene Uebereinstimmung in der äussern Form besitzen, die wir sonst gewöhnlich bei den Eiern, und namentlich bei denen der höhern Thiere, antreffen. Die Kugelform mit ih- ren leichtern Abweichungen ist allerdings auch bei ihnen die häufigere, aber daneben giebt es zahlreiche Eier von fremd- artigem Aussehen, mit walzenformiger, halbkugliger, linsen- die Micropyle des Insekteneies einen Vortrag hielt, habe ich eine An- zahl dieser Formen (auch Sphinz populi) unter dem Mikroscope de- mionstrirt und eine grosse Menge von Fachgenossen von der Richtig- keit meiner Behauptung überzeugen können. I) Hier und da habe ich durch Untersuchung von Spiritusexempla- ren oder getrockneten Eiern und Insekten, die sich leicht aufweichen lassen, die Lücken, die mir blieben, auszufüllen gesucht, aber leider hat solches keineswegs so vollständig geschehen können, als ich wohl gewünscht hätte. Nur bei hartschaligen Eiern erweist sich ein derar- tiges Verfahren als zulässig. 102 Rud. Leuckart: Ueber die Micropyle und . förmiger Gestalt, selbst Eier mit Stielen und Fortsätzen der mannichfachsten Art. Um alle diese verschiedenen Formen in ihrem gegenseitigen Zusammenhange auffassen zu können, wird es zunächst nothwendig sein, durch eine passende Ter- minologie sich über die einzelnen morphologisch übereinstim- menden Regionen und Punkte am Insektenei zu orientiren. Die Eier der Insekten entstehen bekanntlich ohne Aus- nahme in röhrenförmigen Drüsen, eines hinter dem andern. Der Durchmesser, der mit der Achse dieser Eiröhren zu- sammenfällt, wird nun am passendsten als Längsdurch- messer bezeichnet, selbst in denjenigen Fällen, in welchen derselbe vielleicht weit hinter den übrigen Durchmessern des Eies zurückbleibt. Die Grösse dieses Durchmessers ist über- haupt ausserordentlich wechselnd; ein grosser Theil der oben erwähnten Modificationen der Eiform lässt sich ohne Weite- res auf eine einfache Verlängerung oder Verkürzung desselben zurückführen. ! Das vordere Ende dieses Durchmessers, das nach der blind geschlossenen Spitze der Eiröhre gerichtet ist, be- zeichnet den obern oder vordern, das entgegenliegende Ende, das nach der äussern Geschlechtsöffnung hinsieht und bei der Geburt zuerst hervortritt, den untern oder hin- tern Eipol. Diese Benennungen sind nicht nur durch die relative Lage des Eies gerechtfertigt, sondern auch durch das Verhältniss zum Embryo, der von demselben verschlos- sen wird. Der obere Pol des Eies beherbergt in allen Fällen das Kopfende des Thieres. Am leichtesten kann man sich hiervon bei den Arten mit eylindrischen Eiern überzeugen, bei denen (Fliegen, Wanzen, Heuschrecken u. a.) der Em- bryo gestreckt im Innern angetroffen wird. Aber auch die rundlichen Eier, die einen zusammengekrümmten Embryo umschliessen, machen nach den Beobachtungen von Herold am Kohlweissling (a. a. O. Tab. XII.), am Seidenspinner (a. a. ©. Tab. VI. Bog. 1*) und am Abendpfauenauge (Tab. VII. Bog. 2*), denen ich noch meine eigenen Untersuchun- gen am Flohe anreihen kann, von diesem Gesetze keine den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 103 Ausnahme). Unter solehen Umständen erklärt es sich auch, dass die Vorkehrungen zum Aufsprengen des Eies, die Dek- kelapparate, Klappen, dünneren Stellen u. s. w., die das Aus- schlüpfen des Embryo erleichtern und so häufig bei den In- sekten (namentlich solchen mit festem Chorion und unbe- wehrten Embryonen) angetroffen werden, beständig an dem vordern Eipole ihren Sitz haben. Der hintere Pol dient da- gegen häufig zur Befestigung des Eies und ist zu diesem Zwecke nicht selten abgeplattet, mit einem Stiele verse- hen u. s. w.?) Die kugligen Eier und solche mit verkürzter Längsachse sind, gleich den Thieren mit ähnlicher Körperbildung, voll- kommen radiär gebaut. Ein jeder Schnitt, der in der Rich- tung der Längsachse bei ihnen geführt wird, theilt dieselben in zwei gleiche Hälften, deren Aussehen, Sculptur und An- hänge auf das Genaueste übereinstimmen. Anders aber bei den lang gestreckten, eylindrischen Eiern, die wir im Gegensatze zu den eben erwähnten Formen als seitlich symmetrische bezeichnen dürfen. Bei ihnen giebt es, in der Regel wenigstens, nur einen einzigen Längsschnitt, der das Ei in zwei gkeiche Hälften theilt, und dieser steht senkrecht auf zwei eiuander 1) Meissner vermuthet (a.a. O. S. 288), dass der Kopf des Em- bryo’s beständig der Micropyle zugekehrt sei. Dieser Irrthum ist of- fenbar dadurch entstanden, dass Meissner nur solche Insekteneier kannte, deren Micropyle am obern Pole gelegen war. (Auch in den Eiern von Gomphocerus mit Micropylen am untern Pole, wie in de- nen von Pulex mit Micropylen an beiden Polen, entsteht der Kopf des Embryo’s im obern Ende.) 2) Die Gestaltsverschiedenheiten der Insekteneier, die so sehr auf- fallend sind, beziehen sich überhaupt wohl alle zunächst und vorzugs- weise nur auf die Localverhältnisse, unter denen dieselben abgelegt werden und während der Fötalentwicklung verweilen. Wie die halb- kugelförmige Bildung mit ihren Annäherungen (auch die gestielte) vorzugsweise bei festsitzenden Eiern vorkommt, so beobachten wir die runde und ovale Form hauptsächlich bei solchen Eiern, die frei auf dem Boden oder im Wasser sich entwickeln, die eylindrische end- lich bei solchen . die in ein festes Medium (Erde, Pflanzen, Thiere u. %. w.), auch in Ritzen oder dergl hineingesenkt werden, 104 Rud. Leuckart: Ueber die Micropyle und gegenüber liegenden Flächen, die sich durch ihre Krümmung, auch mitunter durch ihre Seulptur und die Bildung ihrer An- hänge mehr oder minder auffallend von einander unterschei- den. Die convexe, stärker gekrümmte Fläche nenne ich die Bauchfläche des Eies, die gegenüber liegende, die nicht selten, besonders bei den Diptern, mit Falten und Fort- sätzen versehen ist, dagegen die Rückenfläche. Wenn ich bei der Bezeichnung dieser Flächen nur das Ei im Auge gehabt hätte, würde ich vielleicht die beiden Namen mit ein- ander vertauscht haben. So aber war es vorzugsweise das Verhältniss zum Embryo, das ich berücksichtigte. Die con- vexe Fläche des Eies entsprieht der Bauchfläche der jungen Larve, wie schon von Herold bei der Schmeissfliege her- vorgehoben wurde und von mir in vielen andern Fällen be- stätigt werden konnte’). Während des Aufenthaltes in den Ovarien scheint diese convexe Fläche meistens nach aus- sen, den Seitentheilen des mütterlichen Körpers zu, gekehrt zu sein, Wie ich schon oben gelegentlich erwähnt habe, lassen sich bei den Insekteneiern im Allgemeinen zwei Hüllen un- terscheiden, eine innere, die Dotterhaut im engern Sinne des Wortes, und eine äussere, das sg. Chorion. Man hat frei- lich nach dem Vorgange von Stein (vgl. Anat. und Physiol. der Insekten I. S. 66) wohl hier und da die Existenz einer innern Dotterhaut in Abrede gestellt und die Zahl der Ei- hüllen bei den Insekten ausschliesslich auf das Chorion be- schränken wollen (ich selbst habe früher, Art. Zeugung a. a. 0. S. 302, die Zweifel von Stein getheilt), allein es ist ge- wiss, dass solches mit Unrecht geschehen. Die Dotterhaut lässt sich in fast allen Fällen, wie auch Meissner hervor- gehoben hat, sehr deutlich und bestimmt unterscheiden, ob- gleich sie an Dünne und Zartheit meist beträchtlich hinter dem Chorion zurückbleibt?). Sie ist beständig texturlos und 1) Freilich giebt es auch Ausnahmen, wie z. B. Blatta, bei der die convexe Fläche des Eies wirklich die Rückenfläche ist. 2) Dazu kommt, dass diese Dotterhaut nur eine zeitweilige Exi- den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 105 ohne Spuren einer weitern Zusammensetzung, gleich der Dot- terhaut der übrigen thierischen Eier. Im Umkreis der Mi- eropyle hängt sie gewöhnlich mit dem Chorion fest zusam- men, so dass hier nur in wenigen Fällen eine vollständige Isolation möglich wird. Im Gegensatze zu dieser Dotterhaut zeigt das Chorion in der Regel eine äusserst derbe Beschaffenheit und eine be- trächtliche Dicke, obwohl es auch Fälle giebt (bei kleinern Eiern, namentlich solchen, die sich im Wasser, im mütter- lichen Körper und unter ähnlichen Verhältnissen entwickeln), in denen zwischen Chorion und Dotterhaut nur geringe phy- sikalische Unterschiede obwalten. In solchen Fällen ist das Chorion auch eben so homogen und texturlos, wie die innere Eihaut, obgleich es doch sonst als Regel gilt, dass die äus- sere Fläche desselben in verschiedener, meist sehr charakte- ristischer und zierlicher Weise gezeichnet ist. Am häufigsten ist eine mehr oder minder regelmässige Wiederholung von kleinen (%,— 00‘) sechseckigen Feldern, die sich durch Furchen gegen einander abgrenzen und mitunter einen Belag von förmlichen Epithelialzellen darzustellen scheinen. Aus dieser einfachen Bildung lässt sich ein grosser Theil jener mannichfaltigen Structurverhältnisse ableiten, auf die wir oben hingedeutet haben. Die Ränder der Felder erheben sich häu- fig zu wallartigen Leisten, die nicht selten noch auf ihrem Kamme die trennende.Furche erkennen lassen, die wir eben erwähnten, in andern Fällen aber auch keine Spur dieser Bildung mehr zeigen, und dann gewissermassen selbst die Felder gegen einander abgrenzen. In Breite und Höhe und sonstiger Bildung zeigen diese Leisten die grössesten Ver- schiedenheiten; sie können das ganze Feld überwuchern, so dass von diesem vielleicht nur noch eine grubenartige Ver- tiefung in der Mitte übrig bleibt; sie können sich in Form stenz hat und, wie schon von Rathke, Kölliker und Zaddach gelegentlich hervorgehoben wurde, während der Entwicklung des Em- bryo verloren geht. (Ashnliches gilt auch bekanntlich für die Dotter- baut des Gasteropodeneies u. a.) 106 Rud. Leuckart: Ueber die Mieropyle und von Körbehen oder Trompeten ausziehen u.s.w. Auch die Fläche der Felder selbst zeigt mancherlei Abweichungen in Grösse, Glätte und Aussehen. Häufig erheben sich auf derselben Körner, oder es entwickeln sich Gruben, Löcher und Schrunden, die in die Tiefe dringen u.s. w. Auch die Furchen oder Leisten zwischen den Feldern werden nicht selten der Sitz von bohrlochartigen mehr oder minder weiten Vertiefungen, die sich in senkrechter oder schräger Richtung in das Chorion hinein verfolgen lassen '). Ich habe oben die Aehnlichkeit der Chorionfelder mit einem Epithelialüberzuge hervorgehoben. Diese Aehnlichkeit ist keine oberflächliche, sondern liegt in der Genese der Felderung begründet. Schon Stein (a. a. O, S. 56) und Meyer (Zeitschrift f. wiss. Zoologie I. S. 193) haben dar- auf aufmerksam gemacht, dass sich die Zellenauskleidung der Eiröhren bei der Bildung des Chorions betheilige, aber sie gehen, wie es mir scheint, darin zu weit, dass sie das ganze Chorion aus einer Metamorphose dieser Zellen her- leiten. Ich habe in vielen unausgebildeten Insekteneiern statt der spätern Felder eine deutliche Zellenlage auf dem Cho- rion vorgefunden, aber ich habe mich niemals mit Sicherheit davon überzeugen können, dass auch die untern Schichten des Chorions einen zelligen Ursprung haben. Die Möglich- keit einer solchen Bildung will ich natürlich nicht im Gering- sten in Abrede stellen, ich glaube aber nicht, dass dieselbe 1) Ich erlaube mir bei dieser Gelegenheit auf einen einfachen und praktischen Kunstgriff aufmerksam zu machen, um ein Loch und einen Höcker oder überhaupt eine jede Vertiefung und Erhebung des mi- kroscopischen Bildes leicht und sicher als solche zu erkennen. Eine Vertiefung wird — von einer mittlern Einstellung aus gerechnet — beim Senken des Tubus hell und glänzend, während diese Erscheinung bei einer Erhebung durch die entge- gengesetzte Manipulation hervortritt. Die erste Kenntniss dieser Thatsache, die für die gehörige Deutung der mikroscopischen Bilder und namentlich auch für das Verständniss der Reliefverhältnisse an den Insekteneiern von grössester Wichtigkeit ist, verdanke ich den gefälligen Mittheilungen des Hrn. Dr. Welker, der sich darüber wohl an einem andern Orte weiter aussprechen wird. den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 1()7 bis jetzt in einer genügenden Weise nachgewiesen worden. Jedenfalls möchte ich hier nochmals hervorheben, dass die Felderbildung oder, wenn man lieber will, die zellenartige Textur bei keinem Insektenei in ganzer Dicke des Chorion beobachtet werden kann, sondern sich ausschliesslich auf die Oberfläche beschränkt. Unter der metamorphosirten Zellen- lage findet sich in allen Fällen eine Schicht von homogenem Aussehen, bald dünner, bald dicker. Auch die äussere stru- eturirte Lage zeigt eine verschiedene Mächtigkeit und in man- chen Fällen sogar eine selbstständige Bildung, so dass die Zahl der Eihüllen dann bis auf drei vermehrt ist. Die Metamorphose der äussern Zellenlage des Chorions ist in den einzelnen Arten, je nach der spätern Struetur, ausserordentlich verschieden und führt oftmals zu sehr diffe- renten Bildungen. Es würde ein interessanter Beitrag zur Lehre der Histiogenese sein, sie bei einer Anzahl von Eifor- men mit Sorgfalt und Genauigkeit zu verfolgen — was wir bis jetzt darüber wissen, ist im höchsten Grade fragmentar, zum Theil auch entschieden irrthümlich, wie z.B. die An- gabe von Stein (a.a.O.), dass sich bei den mit Leisten umgürteten Feldern der Zellenkern in die Fläche, die Zel- lenmembran aber nur in die Leisten verwandele. Ich habe bei meinen Untersuchungen natürlicher Weise oftmals Gele- genheit gehabt, einzelne Phasen dieser Metamorphose zu beobachten, indessen gestehe ich offen, dass meine Aufmerk- samkeit viel zu sehr auf andere Dinge gerichtet war, als dass ich diese Gelegenheiten gehörig hätte ausbeuten können. In Bezug auf die Zeitverhältnisse, die bei Bildung dieser Hüllen eingehalten werden, ist zu bemerken, dass das Cho- rion erst nach der Dotterhaut seinen Ursprung nimmt. Ich habe mehrfach bei den Insekten (sehr deutlich namentlich bei Tetanocera) Eier angetroffen, bei denen noch keine An- deutung des Chorions vorhanden war, obgleich sich die Dot- terhaut schon vollständig entwickelt hatte. Die Bildung des Chorions selbst geschieht durch Ablagerung von aussen; die tiefsten Schichten entstehen zuerst, die äussern mit ihren eigenthümlichen Texturverhältnissen zuletzt. Wo drei Hüllen 108 Rud. Leuckart: Ueber die Micropyle und vorkommen, ist es gleichfalls die äusserste, die zuletzt ge- bildet wird, nachdem die mittlere Hülle bereits eine Zeit- lang existirt hatte (z. B. bei Pediculus suis, Aeschna). Wenn nun aber das Chorion nicht in seiner ganzen Masse durch eine Metamorphose des Eiröhrenepitheliums gebildet wird, dann kann man die Mieropyle auch nicht mit Meiss- ner (a.a.0. S. 289) durch die Annahme einer einfachen Lücke in diesen Zellen entstehen lassen '). Durch Beobach- tungen an Gomphocerus, bei dem die Micropylen eine kanal- förmige Bildung haben und in ziemlich bedeutender Anzahl an dem untern Pol des Eies eine kurze Strecke vor seiner Spitze gruppirt sind, habe ich mich überdies mit aller Ent- schiedenheit davon überzeugt, dass diese Apparate nicht von Anfang an dem Chorion zukommen, sondern erst nach der Ablagerung desselben durch Resorption ihren Ursprung neh- men?), in einer Weise also, die sich von der Genese der Micropyle an den Eiern der Najaden und Holothurien (vgl. hierüber meine Beobachtungen im Art. Zeugung a. a. O. S. 801 und in Bischoff’s Widerlegung u. s. w. S. 41) sehr auffal- lend unterscheidet. Vor der Ablagerung des Chorions habe ich an der Dotterhaut niemals eine Micropyle wahrgenom- men?°); ich kann deshalb auch nicht glauben, dass die Bil- dung der Chorionmieropyle durch eine Präexistenz der Dot- terhautmieropyle bedingt sei, wie es Meissner vermuthet. Dass übrigens bei der Bildung des Chorions Resorptions- processe der mannichfaltigsten Art mit ins Spiel kommen, da- 1) Die Deduction von Meissner klingt allerdings sehr plausibel — zumal wenn man dabei von der Stein’schen Theorie der Cho- rionbildung ausgeht —, ist aber doch entschieden unzureichend, so- bald man einmal weiss, dass es Insekten mit vielfachen Micropylen giebt, und dass diese Micropylen keineswegs beständig an dem vor- dern Pole angebracht sind. 2) Eine Bestätigung dieser Beobachtung finde ich darin, dass ich nicht selten (wie u. a. bei Borborus, Tetanocera und verwandten Flie- gen) Eierstockseier antraf, deren Micropylapparat noch ohne Oeff- nung war, sonst aber bereits vollkommen entwickelt schien. 3) Wohl aber habe ich Fälle beobachtet, in denen bei Anwesenheit der Chorionmicropyle die Dotterhaut noch obne Loch zu sein schien. den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 109 für lassen sich leicht eine Reihe von Beispielen anführen. Auf die Gruben und Canäle des Chorions: will ich nicht ein- mal hinweisen, obgleich auch diese in manchen Fällen (wie ich z. B. bei Arge Galathea beobachtete) auf solchem Wege ihren Ursprung nelımen — in andern Fällen (z. B..bei Te- tanocera) scheinen dieselben gleich von Anfang an durch eine ungleichmässige Ablagerung zu entstehen —, dagegen mag es mir erlaubt sein, hier die Bildung der Deckelapparate an- zuziehen. Bei der ersten Anlage des Chorions geht dasselbe beständig in gleichmässiger Entwicklung über die ganze Dot- terhaut hin; der Deckel entsteht nach meinen Beobachtungen erst dadurch, dass in bestimmter Entfernung von dem vor- dern Eipole eine ringförmige Furche auftritt, die immer mehr in die Tiefe greift und endlich fast vollkommen bis auf die Dotterhaut durchschneidet. Doch genug dieser vorläufigen Bemerkungen, die in dem Folgenden grossentheils ihren speciellen Nachweis finden wer- den und einstweilen nur dazu dienen sollen, dem Leser mit einer flüchtigen Einsicht in den Zusammenhang der einzelnen Details von vorn herein die Möglichkeit einer. Vergleichung zu geben. Gehen wir jetzt zu der Darstellung des Baues und der Bildung der Eier in den einzelnen Insektengruppen über. 1. Dipteren. Die Eier der Dipteren sind von einer ovalen, meist etwas langgestreckten, doch mitunter auch kugligen Gestalt und von unbedeutender Grösse. Der Unterschied zwischen Rücken und Bauch ist mitunter sehr auffallend, und ersterer häufig (in der Familie der Musciden) mit zwei parallelen Längs- leisten versehen, "die nach oben bisweilen in Form von ohrförmigen Fortsätzen oder Schwänzen her- vorragen. Der Micropylapparat besteht in allen Fällen (bei den echten Dipteren) aus einer einfachen Oeffnung am vordern Bipole oder doch wenigstens 110 Rud. Leuckart: Ueber die Micropyle und in der Nähe dieses Poles. Die Häute des Eies sind meistens dünn und nachgiebig und in derRegelvon einer weissen oder gelblichen Färbung‘). Ich beginne die Reihe der von mir beobachteten Formen mit dem Ei von Melophagus ovinus (Tab. I. Fig. 1), theils weil dieses überhaupt der Ausgangspunkt meiner Untersu- chungen war und auch schon oben von mir mehrfach be- rücksichtigt wurde, theils auch deshalb, weil dasselbe nach der Textur seiner Häute zu den einfachsten Insekteneiern ge- hört. Im ausgebildeten Zustande misst dieses Ei etwa 14. Es ist ziemlich schlank und langgestreckt, nach der Rücken- fläche zu gebogen und am vordern etwas breitern Pole ab- gestumpft. Die beiden Eihäute sind glatt und vollkommen structurlos, die innere abweichender Weise merklich derber und dicker ('/%oo“'), als die äussere, auch von einem mehr opaken Aussehen. Im Umkreis der trichterförmigen Micro- pyle zeigen die Eihäute einen schmalen Ringwulst (Fig. 3), der sich nach Innen ohne Weiteres in die abschüssigen Wan- dungen des Triehters fortsetzt. Auf der Innenfläche dieses Trichters bemerkt man (in beiden Häuten) eine blasse, aber deutliche Zeichnung, schuppenartige Felder von 1%, die durch zarte und niedrige Leisten von bogenförmigem Ver- laufe begrenzt sind. Die Oeffnung der Micropyle und das Ein- dringen der Samenfäden ist schon oben beschrieben worden. An die Bildung dieses Eies schliesst sich das Ei einer andern viviparen Diptere, die ich beobachten konnte?), das 1) Gedeckelte Fliegeneier habe ich nicht beobachtet, doch sollen solche nach Leon Dufonr (Mem. pres. 1851 p. 288) bei Oesirus vor- kommen. 2) Eier von Tackina, Sarcophaga u. a. sind mir nicht zur Beob- achtung gekommen, doch zweifle ich nach einer flüchtigen Untersu- chung der Ocydromia glabriculata Fall., die gleichfalls vivipar ist, kaum daran, dass sich die Verhältnicse bei allen diesen Fliegen ziem- lich gleich verhalten. Ob die von Leon Dufour (Mem. etc. 1. c. p- 302) beobachtete Befestigung der Tachineneier in der Scheide der trächtigen Weibchen auf ein abweichendes Verhalten hindeutet, muss ich unentschieden lassen. den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. ]]] Ei einer Deria (wohl D. rustica). Auch hier sind die Häute des kleinen (!4“) schlanken Eies von einer glashellen und structurlosen Beschaffenheit, nur noch zarter als bei Melo- phagus. Rücken und Bauch lassen sich kaum von einander unterscheiden, da das Ei fast völlig gestreckt ist. Der hin- tere Pol des Eies, der auf die schlankere Hälfte folgt, ist ziemlich spitz, der vordere dagegen abgestumpft und in sei- ner Mitte (Fig. 4) mit einem kurzen Mundstücke versehen, das schon in der Profillage sehr deutlich vorspringt und die Micropyle darstellt oder, wenn man lieber will, im Innern einschliesst. Die Höhe dieses Aufsatzes beträgt 1%.0'‘, eben so viel, als die Weite desselben am vordern Ende, während die Micropyle im Grunde desselben kaum mehr als 1000” misst. Wie bei Melophagus ist auch hier der vordere Pol mit sammt der Micropyle von einer Eiweissmasse überdeckt, aber diese beschränkt sich nicht blos auf die bezeichnete Stelle, sondern lässt sich in Form einer dünnen Schicht über die ganze Eihaut hin verfolgen. Ueber die Bildungsweise dieser Umhüllung bei Deria habe ich keine Erfahrung, doch dürfte es wohl nach meinen Beobachtungen an zahlreichen andern Diptern keinem Zweifel unterliegen, dass dieselbe auch in vorliegendem Falle schon während des letzten Aufenthaltes in den Övarien ihren Ursprung nimmt. Die untersuchten Eier wurden aus der Scheide genommen und waren eben erst befruchtet. Sie zeigten einzelne Samenfäden, die theils in dem Eiweissüberzuge vergraben und in verschiedenen Tou- ren um das vordere Ende des Eies herumgewunden waren, theils auch im Innern zwischen der Eihaut und dem etwas zusammengezogenen, sonst aber noch ganz unveränderten Dotter beobachtet werden konnten. Bei einigen der letztern fand ich das eine Ende des Fadens noch ziemlich weit aus dem Mundstück der Micropyle hervorragen. Aus dem Gen. Musca untersuchte ich drei Species auf die Bildung ihrer Eier, und unter diesen zunächst die bekannte Schmeissfliege, die Musca vomitoria Auct. (die freilich nach den neuern Dipterologen von der eigentlichen M. vo- mitoria verschieden ist und richtiger als M. erythrocephala 112 Rud. Leuekart: Ueber die Micropyle und bezeichnet wird). Das’ Ei dieses Thieres ist ausserordent- lich bekannt und wohl von jedem Mikroscopiker einmal beobachtet worden, aber nichts desto weniger finden sich doch an ihm ‚eine Reihe von eigenthümlichen Structurver- hältnissen, die nur, wenig beachtet sind und auch dureh die neueste Beschreibung von Meissner (a.a. O. 5.273) noch nicht vollkommen aufgeklärt wurden. Ueber die äussere Form brauche ich kaum ein Wort zu verlieren; das Ei ist ziemlich gedrungen, etwa 1’ lang und erscheint mit unbewaffnetem Auge an beiden Polen ziemlich gleichmässig abgestumpft. Betrachtet man das entleerte Ei, so entdeckt man ferner an demselben einen weissen Streifen, der sich auf der einen Fläche bis zu beiden Polen hinzieht und an dem einen Ende sogar den Pol zu überdachen scheint. Der letztere Pol ist der obere, der Streifen ein eigenthümlicher Apparat von Längsleisten, der an der stark abgeflachten Rückenfläche hinläuft, trotz seiner sonderbaren Bildung meines Wissens aber nur bei Herold (l.c. Tab. XIV. Fig. 8) eine Berück- siehtigung gefunden hat. Die beiden Häute des Eies sind leicht zu isoliren und von sehr verschiedenem Aussehen (Tab. I. Fig.5). Während die Dotterhaut, wie gewöhnlich, zart, blass und glashell ist, und sich leicht in Falten legt, zeigt das Chorion eine gewisse Sprödigkeit und eine äusserst zier- liche Zeichnung. Man sieht schöne sechseckige Feldchen von etwa 40, die sich bei einer gewissen Einstellung des Fo- cus eben so deutlich als regelmässig gegen einander abgren- zen und in ihrer ganzen Ausdehnung mit kleinen und dicht- stehenden Pünktchen (von etwa 1%yoo‘'); besetzt sind. Ge- wöhnlich deutet man dieses Bild (so auch Meissner) durch die Annahme von kleinen Körnchen, die auf der Oberfläche des Chorions sich erheben; ich glaube aber mit Bestimmt- heit behaupten zu können, dass dasselbe von einer dichtste- henden Menge grubenförmiger Vertiefungen oder Poren her- rührt, deren Ränder und Zwischenräume allerdings mit zahl- reichen äusserst kleinen Hervorragungen besetzt sind. So schliesse ich theils aus dem optischen Verhalten bei Heben und Senken des Tubus, theils aus der Bildung des Chorions den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 113 bei andern nahe verwandten Formen, bei denen die „Pünkt- chen“ grösser und deutlicher werden und über ihre wirkliche Natur keinen Zweifel lassen. Auch an den Eiern unserer Schmeissfliege giebt es eine Stelle, an der man die betref- fenden Pünktchen ganz deutlich als Gruben erkennen kann, und diese ist der hintere Eipol, wo sich das Chorion bis etwa "oo verdickt und bei der Profillage die Gruben bis in die Tiefe hinein verfolgen lässt. An eben dieser Stelle überzeugt man sich auch, dass die Grenzen der Felder nicht durch Furchen, sondern durch wallartige Leisten ‘gebildet werden, die freilich sonst nur äusserst schmal und niedrig sind, hier aber doch deutlich über die Felder hervorragen. Die Erkenntniss dieser Leisten wird noch dadurch besonders erschwert, dass sie nicht vollkommen solide sind, sondern in gleicher Weise, wie die Fläche, welche sie umgrenzen, von grubenförmigen Vertiefungen durchsetzt werden. Nur die Leisten zwischen den Feldern des obern. Poles machen in dieser Beziehung eine Ausnahme, auf die ich weiter ünten noch einmal zurückkommen muss. - i Beim Trocknen des Eies füllen sich die eben beschrie- benen Poren mit Luft, die also fein vertheilt in die Tiefe des Chorions bis auf die untere glatte Lamelle hineindringt. Betrachtet man ein solches luftgefülltes Chorion unter dem Mikroscope (natürlich in einem Medium, das die Luft nicht austreibt, am besten :also in Wasser oder in Glycerin, das ich überhaupt beim Untersuchen der Eierschalen nicht ge- nug empfehlen kann), so sieht man die Lufttröpfehen: in ihren Poren, meistens aber nicht isolirt, sondern mit den angrenzenden Tröpfehen zu den zierlichsten Bildern zusam- menfliessend. Ein Unkundiger kann leicht durch solche An- sichten getäuscht werden; sie erklären sich indessen, sobald man nur bedenkt, dass diese Lufttröpfehen über das Niveau ihrer Behälter je nach ihrer Grösse mehr oder minder weit hervorragen und um so eher zusammenfliessen können, als die Fläche der Felder ja auch sonst nicht ganz eben ist. Ue- berdies existirt von dieser Fläche eigentlich nur wenig mehr, als der vorspringende Rand der Poren, da die letztern kaum Müllers Archiv. 1800. 8 114 Rud. Leuekart: Ueber die Micropyle und weiter als um die Grösse ihres eignen Durchmessers von ein- ander entfernt sind. Obgleich die beiden Pole des Schmeissfliegeneies dem un- bewaffneten Auge fast gleich erscheinen, ist doch zwischen ihnen, wie schon Meissner beschrieben hat, ein sehr auf- fallender Unterschied. Der obere Pol (Fig. 5) ist flacher und in der Mitte (die übrigens nicht selten tellenförmig nach: in- nen eingesenkt ist) mit einer scheibenförmigen hellen Stelle von etwa !/4,'' versehen, die ihrer Durchsichtigkeit wegen vor dem übrigen Chorion um so auffallender sich auszeich- net, als die zunächst anliegenden Felder eine verhältniss- mässig äusserst starke Punktirung (d.h. weitere Poren) be- sitzen. Auch sonst zeigen diese Felder mancherlei Abwei- chungen. Sie werden immer kleiner und unregelmässiger, während die Leisten, die sie trennen, an Breite sehr merk- lich zunehmen und ihre Poren allmählig verlieren. Uebrigens würde man irren, wenn man den obern Pol des Eies mit der Mieropyle für vollkommen glatt hielte. Bei genauerer Untersuchung sieht man (Fig. 6) auf ihm dieselben Poren und Felder, wie auf dem übrigen Chorion, aber die Gren- zen der Felder sind nur äusserst wenig ausgezeichnet und die Poren fast ganz verschwindend. Nur in unmittelbarer Nähe der Micropyle werden die Felder wieder deutlicher, um sich hier in Form eines zackigen Mundstückes zu erhe- ben, das wie eine Warze (Fig.5) über die Fläche des hel- len Hofes emporragt. Die Breite dieses Mundstückes beträgt etwa 1%, die Höhe viel weniger, '%90 Der Innenraum desselben ist nach unten trichterförmig verengt und liegt mit seinem Boden wohl 1%,‘ unter dem Niveau des Hofes, also in den Innenraum des Eies hineingesenkt. Im Mittelpunkt des Bodens findet man (Fig. 6) die eigentliche Mieropyle, die nur selten mehr misst, als Yo (Meissner sagt Yon — Yon“; doch bleiben meine Messungen beständig weit unter dieser Grösse). Im Umkreis dieser Mieropyle adhärirt die Dotter- haut an dem Chorion, so dass die Oeffnung durch beide Häute hindurchgeht. Der Leistenapparat der Rückenfläche, dessen ich oben ge- den feinern Ban der Schalenbaut bei den Insekteneiern. 115 dacht habe, besteht (Fig. 5) aus zwei parallelen Duplieaturen des Chorions von je !/90, die mit ihrer Fläche, wie ein Paar Bänder, aufliegen und in so geringer Entfernung angebracht sind, dass ihre nach innen umgeschlagenen Ränder in der Mittellinie fast auf einander stossen. Nur am obern Ende, wo die beiden Leisten sich ziemlich plötzlich verschmälern, um dicht hinter dem Rande des hellen Hofes bogenförmig in einander überzugehen, wird der Zwischenraum zwischen ihnen grösser. Am hintern Ende findet sich gleichfalls ein Zusammenhang zwischen beiden Leisten, aber ohne Vergrös- serung des Zwischenraumes. Die beiden Flächen dieser leistenförmigen Duplicaturen sind übrigens in keinem festen Zusammenhange; sie lassen sich von einander abheben und gestatten sogar eine voll- kommne Entfaltung. Ist eine solche an irgend einer Stelle gelungen, dann überzeugt man sich, dass die Innenfläche der Falten und der Zwischenraum zwischen beiden eine Textur hat, die sich von dem übrigen Chorion merklich unterschei- det. Die netzförmige Zeichnung der Felder ist beinahe ver- loren gegangen, während die Punktirung sehr viel stärker hervortritt. Die Gruben sind tiefer oder wenigstens weiter und fliessen hier und da mit den anliegenden Gruben zu dicht in einander gewundenen Furchen zusammen. Dieser Unter- schied der Textur influirt natürlicher Weise auch auf die phy- sikalische Beschaffenheit des Chorions, das zwischen den Falten sehr viel leichter einreisst, als an andern Stellen, und hier auch von der Larve beim Ausschlüpfen gesprengt wird. . Ich glaube daher auch, dass der ganze Apparat zunächst nur die Aufgabe hat, das Ausschlüpfen des Embryos zu erleich- tern. Statt eines Deckels, wie er sonst häufig zu solchem Zwecke vorkommt, sehen wir hier einen streifenförmigen Flecken von einer dünneren und loseren Beschaffenheit, der leicht zu zerreissen ist, aber nicht frei zu Tage liegt, son- dern zum Schutze des Bies und des Embryos von seinen fal- tenförmig nach Innen umgeschlagenen Rändern bedeckt wird. Bei den reifen Eiern findet man dieselbe Eiweisslage im Umkreis des Chorions, wie bei Deria, auch dieselbe Anhäu- g® 116 Rud. Leuekart: Ueber die Micropyle und fung am obern Pole, die überhaupt bei den Diptern (und an- dern Insekten) sehr allgemein verbreitet ist und zunächst, wie es scheint, auf das Eindringen der Samenfäden in die Mieropyle Bezug hat. Von Meissner ist dieses Eindringen sehr anschaulich beschrieben worden; ich kann die Darstel- lung desselben vollkommen bestätigen und möchte überhaupt die Schmeissfliege allen denjenigen Physiologen zur Unter- suchung empfehlen, die an diesem Vorgange entweder noch zweifeln oder sich doch ein überzeugendes Bild davon ver- schaffen wollen. Man kann kaum eine Schmeissfliege erha- schen, die in ihrer Vagina nicht ein oder zwei befruchtete Eier mit umherträgt'), und wird im Sommer wohl kaum ein Dutzend solcher Eier untersuchen können, ohne das eine oder andere Mal die Samenfäden im Momente des Einschlü- pfens anzutreffen. Was hier über die Eier von Musca erythrocephala gesagt wurde, gilt ebenso auch von denen der Musca caesarea, (die sich überhaupt nur äusserst schwer von den Eiern der Schmeissfliege unterscheiden lassen. Die Verschiedenheiten, die man etwa hervorheben könnte, beschränken sich auf eine etwas beträchtlichere Grösse der Poren und eine etwas stär- kere Entwicklung der Leisten zwischen den sechseckigen Fel- dern. Auch ist der helle Hof, der das Mundstück der Mi- eropyle umgiebt, etwas kleiner und die Vereinigung der bei- den Längsfalten am Vorderende nicht immer nachzuweisen. Ich habe Eier beobachtet (freilich kommen solche auch bis- weilen bei M. erythrocephala vor), in denen die obern Enden dieser Falten rechts und links allmählich in die kleinen Fel- der übergingen, die den vordern hellen Hof umgeben. 1) Mitunter dauert dieser Aufenthalt so lange, dass sich der Em- bryo im Innern des Eies vollkommen entwickelt. Ich habe selhst Fälle beobachtet, in denen derselbe noch während der Untersuchung aus- schlüpfte. Auf derartige Fälle bezieht sich auch sonder Zweifel die Angabe in dem Nov. Diet. d’hist. natur. XII. p. 564, dass die Eier der Schmeissfliege schon in zwei Stunden ausschliefen — eine An- sabe, die Kirby und Spence (Anleitung u. s. w. III. $.111 Anm.) nur für „sehr heisses Wetter“ gelten lassen. den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 117 Weit grössere Verschiedenheiten zeigt dagegen unsere ge- meine Stubenfliege, Musca domestica. Die Eier dersel- ben!) sind nur wenig kleiner als die der Schmeissfliege, auch in den allgemeinern Umrissen der Form denselben nicht un- ähnlich, aber einmal nach dem vordern Pole zu entschieden sehr viel stärker verjüngt, und sodann mit einem sehr viel diekern Chorion versehen. Die Stärke dieser Haut beträgt an den Seitenflächen etwa !/%o0“‘ und wächst an den Polen so- gar bis auf mehr als das Doppelte. Die Sculptur ist ganz wie bei den übrigen Muscaarten; das Chorion zeigt (Fig. 7) Felder und Gruben, wie gewöhnlich, nur sind die Gruben noch wei- ter als bei M. caesarea und in Uebereinstimmung mit der be- trächtlichen Dicke des Chorions auch beträchtlich tiefer. An den Polen des Eies werden die Gruben zu förmlichen senk- recht stehenden Kanälen, die bis auf die Innenfläche des Chorions herabsteigen, aber blind geschlossen sind, noch be- vor sie dieselbe erreichen. Noch grössere Verschiedenheiten sprechen sich in der Bildung des Leistenapparates und der Micropyle aus. Die beiden Leisten sind nämlich (Fig. 7) reichlich doppelt so weit von einander entfernt, als bei M. erythrocephala ('/,“'), und äusserst niedrig, so dass sie sich nicht einmal umschlagen können, und der ganze Zwischen- raum zwischen ihnen zu Tage liegt. Abweichungen in der Structur dieses Theiles lassen sich nicht auffinden; die Rük- kenfläche des Chorions, die von den Falten umschlossen wird und eine fast vollkommene Ebene darstellt, ist ebenso gezeichnet und auch ebenso fest, als die Seitenflächen des- selben. Dafür aber sieht man eine tiefe Furche, die auf den Leisten und dem bogenförmigen Verbindungstheile derselben unterhalb des vordern Poles hinläuft, und so stark in die Tiefe greift, dass es nur eines mässigen Druckes bedarf, um die Rückenfläche aus ihrem Zusammenhang mit dem übrigen Chorion zu trennen und klappenartig umzuschlagen. Der hin- I) Auch Meissner beschreibt (a.a. ©. S. 276) die Eier der Stu- benlliege, bat aber augenscheinlicher Weise ein ganz anderes Thier (vielleicht eine Antlomyia) unter Händen gehabt. 118 Rud. Leuckart: Ueber die Mieropyle und tere Theil der Rückenfläche bleibt dabei in seinem ursprüng- lichen Zusammenhang; Falten und Leisten verschwinden all- mählig gegen den hintern Pol des Eies ohne sich einander anzunähern. Es leidet unter solchen Umständen kaum einen Zweifel, dass wir in dieser Bildung eine neue Form der zum Auslassen des Embryo bestimmten Apparate vor uns haben. Was nun die Micropyle unseres Fliegeneies betrifft, so ist diese bei dem Mangel des hellen Hofes und des mund- stückartigen Aufsatzes so wenig ausgezeichnet, dass man sie nur mit Mühe auffindet. Im Profil ist dieselbe fast gar nicht sichtbar; in der Regel überzeugt man sich bei dieser Lage nur davon, dass es in der Mitte des vordern Poles oberhalb der Klappenvorrichtung eine kleine Stelle giebt, in der die Eihaut etwas eingesunken ist. Nur an einigen we- nigen Eiern ist der Rand dieser Stelle noch durch ein Paar spitze Hervorragungen ausgezeichnet, die an das Mundstück der Schmeissfliege erinnern, aber wohl beständig sehr viel niedriger und spärlicher bleiben (Fig. 7). Die erwähnte Stelle ist der Eingang in die Mieropyle, die eine flache trichterför- mige Grube mit glatten Wänden von '%,, darstellt und in der Tiefe mit einer deutlichen Oeffnung (1.00) versehen ist. Die Chorionlage, die von dieser Oefinung durehbohrt wird, ist immer noch ziemlich ansehnlich, so dass die Oeff- nung selbst mehr das Aussehen eines Kanales, als eines ein- fachen Loches darbietet. Die untere Mündungsstelle dieses Kanales hängt, wie gewöhnlich, mit der hellen und structur- losen, dünnen Dotterhaut zusammen. Die Eiweissschicht des reifen Ovariumeies mit ihrem vordern Buckel verhält sich genau wie bei der Schmeissfliege. Die eben beschriebene Bildung wiederholt sich in einer sehr übereinstimmenden Weise bei den Eiern der Stechfliege, Stomozys caleitrans, die sich fast nur dadurch vor denen der Stubenfliege auszeichnen, dass die Dicke ihres Chorions noch sehr viel beträchtlicher ist !). Sie beträgt an den Seiten- 1) Die systematische Zoologie trennt übrigens die Stechfliege von den echten Musciden und bringt sie in eine eigne, meist sehr entfernt stehende Gruppe. den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. ]]9 wänden '/s0‘“, an den Polen sogar 199”. Die Gruben er- scheinen unter solchen Umständen natürlich überall an den Durchscehnitten der Wandung als deutliche senkrecht stehende Porenkanäle. Am weitesten sind dieselben auf den Rücken- leisten, besonders am äussern Rande der Nath, wo sie sich zum Theil bis auf '%900°“ erweitern. Dass mit der zuneh- menden Dicke auch die sonstige physikalische Beschaffen- heit des Chorions sich ändert, versteht sich von selbst. Das Chorion unserer Fliege ist fast vollkommen starr und von grosser Festigkeit. Bei Borborus finde ich eine Eiform, die sich in mehrfa- cher Beziehung an die der Schmeissfliege anschliesst. Ich untersuchte Borborus (Limosina) silvaticus, dessen Eier etwa \/4“ messen und eine sehr gedrungene Gestalt besitzen, sich aber nach vorne ziemlich stark verjüngen. Die Rük- kenfläche des Eies ist fast vollkommen eben und (Fig. 8) durch zwei breite Leisten ('/,‘) begrenzt, die in grosser Ent- fernung (von '%4,'”) stehen, so dass sie einen ansehnlichen Theil dieser Fläche unbedeckt lassen, obgleich sie, ganz wie bei Musca erythrocephala, nach innen umgeschlagen sind. Die Enden der Leisten bleiben unvereinigt, auch vorn, wo sie schliesslich aus einander zu weichen scheinen, um die Mi- eropyle bogenförmig zu umfassen. Das Chorion, das eben keine besondere Dicke hat, ist gleichmässig punktirt, d.h. mit Grübchen versehen, wie bei den bisher betrachteten Ar- ten; nur stehen diese Grübchen hier minder dicht, als bei Musca. Eine Felderung kann man hier und da gleichfalls unter- scheiden, am deutlichsten an den äussersten Enden der Rük- kenfläche, deren Felder etwa '/,,,° messen und durch ziem- lich breite und glatte Zwischenräume getrennt sind. Im Ue- brigen zeigt die Sceulptur der Rückenfläche (auch die Innen- Näche der Leisten) manche Eigenthümlichkeiten, namentlich auch darin, dass die Löcher derselben auf kleinen warzen- förmigen Erhabenheiten von "4,90 stehen und dadurch na- türlich an Tiefe und Deutlichkeit beträchtlich zugenommen haben. Gegen das vordere Ende der Rückenfläche erhebt sich der Rand dieser Höcker, wenigstens der halbe Rand 120 Rud. Leuckart: Ueber die Mikropyle und derselben zu einer wulstigen Lippe, so dass dann die Löcher von halbmondförmigen Bogen umfasst werden. Die Sculptur, die ich eben beschrieben habe, beschränkt sich aber nicht aus- schliesslich auf die Rückenfläche, sondern dehnt sich auch über den ganzen vordern Pol aus, bis über die Mikropyle hinüber. Die letztere lässt sich bei unserer Fliege mit Leichtigkeit auf- finden, da sie (Fig. 8) von einer schönen und ziemlich re- gelmässigen Rosette (von !%,“) umgeben ist. Sie bildet, wie gewöhnlich bei den Diptern, eine trichterförmige Grube (00), deren Grund von einer kleinen Oeffnung (1Ao00) durchsetzt wird. Die Felder der Rosette haben ungefähr dieselbe Grösse wie der Eingang in die Mikropyle, und ste- hen — meist zu zwölf — in einem einfachen Kranze neben einander. Die Leisten, die sie von einander trennen, schei- nen durch ein Zusammentreten der oben erwähnten halb- mondförmigen Wülste entstanden zu sein; wenigstens kann man sich leicht davon überzeugen, dass diese in der näch- sten Umgebung der Rosette eine entschiedene Tendenz zu einer linearen Anreihung besitzen und sich allmählig zu voll- kommnen leistenartigen Zügen zusammengruppiren. ‘Auch sind die Felder der Rosette nicht etwa ganz glatt, sondern mit deutlichen, wenn auch nur flachen und spärlichen Gruben versehen, wie die übrige Eihaut. Bei Druck auf den Dotter reisst ganz allgemein das Cho- rion auf der Bauchfläche, und zwar da, wo die Sculptur des Rückens ziemlich plötzlich aufhört, also eine kurze Strecke hinter der Micropyle. Ich glaube annehmen zu dürfen, dass hier auch der Embryo hervortritt. Wozu dann aber die eigen- thümliche Ausstattung der Rückenfläche dient, ob zur Befe- stigung des Eies!), ob zur Bildung eines Luftraumes (im Falle das Ei etwa in den Koth hineingelegt wird) oder zu welchem Zwecke sonst, muss ich dahin gestellt sein lassen. 1) Reaumur, der ein Fliegenei mit Rückenleisten beobachtete (Mem. pour serv. a l’'hist. des Ins. T. IV. p. 381. Tab. XXVI. Fig. 19, 20), glaubt wirklich, dass diese Bildung durch Vergrösserung der Ober- Hläche das Ankleben des Eies erleichtere. den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 121 Ist der Unterschied zwischen Rücken und Bauchfläche sehon bei dem eben beschriebenen Borborus-Ei auffallend, so gilt dieses in einem noch viel höheren Grade von den Eiern der Hylemyia canicularis, die gegen '/"' messen und an beiden Polen ziemlich gleichmässig abgerundet sind. Die Rückenfläche dieses Eies ist vollkommen eben, und fast in ihrer ganzen Breite (!4,“) von zweien parallelen, nach in- nen umgeschlagenen Falten bedeckt, die an den Enden ganz plötzlich mit einer abgestumpften Ecke aufhören, ohne sich vorher merklich zu verschmälern oder einander zu nähern (Tab. I. Fig. 9). Die stark gewölbte Bauchfläche hat im All- gemeinen die gewöhnliche Sculptur der Museideneier; ‚sie zeigt die bekannten sechseckigen Felder (1%), die hier von ziemlich breiten und deutlich vorspringenden Leisten umschlossen sind, und auf den Feldern die gewöhnliche Punetirung. Dieselbe Bildung beobachtet man auf der Aus- senfläche der Rückenfalten, während dagegen die Innenfläche derselben und der Rücken, in den diese letztere sich fort- setzt, ein sehr verschiedenes Aussehen hat. Allerdings findet man auch hier die sechseckigen Felder des übrigen Chorions, aber die Leisten, welche dieselben trennen, sind zu breiten ("As0‘') balkenartigen Erhebungen geworden, durch deren Entwickelung die Grösse der Felder sehr merklich (bis zu ’As0‘) beeinträchtigt wird. Felder und Leisten sind dabei noch fortwährend punktirt, ja noch deutlicher, als solches auf der Bauchlläche der Fall war, weil sich die Ränder der Poren allmählig etwas aufwulsten. Am auffallendsten wird diese Umwulstung der Poren gegen die Mittellinie der Rückenfläche, wo die Wülste zu einem förmlichen. Netz- werke mit unregelmässigen Maschen von (Yo —Viooo‘) Zu- sammentreten und die ursprüngliche Felderung vollkommen verdrängen. Die Mikropyle liegt inmitten eines glatten Hofes von ziemlich ansehnlicher Grösse, und zwar genau am vor- dern Pole, ist aber (Fig. 9) ohne alle Auszeichnung (Mund- stück, Spitzen u. dergl.), so dass sie leieht übersehen werden kann. Sie stellt eine einfache Oeffnung von etwu ! honc.. dar. 122 Rud. Leuckart: Ueber die Micropyle und Bei dem verwandten Genus Anthomyia (s. st.) finde ich gleichfalls sehr ansehnliche Rückenfalten, wie bei Hylemyia, dabei aber eine nach der Bauchfläche hinübergedrängte Mikro- pyle (Fig. 10), und auch sonst in der Textur des Chorions mancherlei Abweichungen. Namentlich sind hier, ziemlich all- gemein, wie es scheint, die Poren der sechseckigen Felder zu weiten Gruben geworden, die bei Anthomyia pallida oo —Vsoo‘ messen (bei einer zweiten Art!), die ich aber lei- der unbestimmt lassen muss, nur '%o00‘“), und dabei so dicht stehen, dass das ganze Chorion auf den ersten Blick ein schönes und zierliches Gitter darzustellen scheint. Auf den Rückenleisten sind diese Gruben noch weiter, namentlich bei Anthomyia pallida, wo sie allmählig bis zu !/50“‘ heranwach- sen. Die Firsten, welche zwischen den Gruben bleiben, zeigen bei letzterer Art ein unregelmässiges höckriges Aus- sehen und erheben sich an dem scharfen Rande der Falten sogar zu förmlichen rückwärts gekrümmten Zähnchen. Trotz ihrer ansehnlichen Breite (!/4,'”) lassen die Falten übri- gens einen ziemlich beträchtlichen Zwischenraum, der sich nach vorn zu noch etwas vergrössert und durch seine ebene Fläche vor dem ziemlich stark convexen Bauche sehr auffal- lend auszeichnet. Das vordere Ende der Rückenleisten ist bei Anth. pallida in einen stumpfen Fortsatz ausgezogen, der ohr- förmig neben dem verjüngten obern Pole vorspringt (Fig. 10), wenn man das Ei vom Rücken oder vom Bauche aus be- trachtet. Der Eingang in die Micropyle ist wie bei Musca erythrocephala von einem becherförmigen Mundstück umgeben, das aus einzelnen kleinen Spitzen oder Nadeln zusammenge- setzt erscheint und an dem ausgebildeten Eie von einer buk- kelförmigen Eiweisslage überdeckt wird. Bei frisch gelegten Eiern konnte das Eindringen der Samenfäden ganz in der- selben Weise wie bei Musca erythrocephala beobachtet werden. Die Oeffnung im Boden der trichterförmigen Mikropyle be- trägt Yo.‘ und ist, wie gewöhnlich, mit ihren Rändern an 1) Das Ei dieser Art misst 3” (das von Anth. pallida 1") und ist durch die gelblich braune Färbung seines Chorions ausgezeichnet. den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 193 der untenliegenden Dotterhaut festgewachsen. Beim Sprengen des Eies reisst das Chorion gewöhnlich am vordern Pole, vorne über der Bauchfläche, wo wahrscheinlicher Weise auch der Embryo hervortritt. Am leichtesten geschieht dieses bei der zweiten Art, deren Eier schon aufreissen, wenn man sie nur mit Wasser in Berührung bringt. Eine ähnliche Bildung der Rückenfalten wie bei Anthomyia pallida scheint nach den Beobachtungen von Leon Dufour bei Lispe vorzukommen'), über deren Eier wir (l. c. p. 308) Folgendes lesen: „Les oeufs sont grands, d’une teinte rous- sätre. Ils ont une face convexe, finement striee suivant la longueur, et une face plane ou deprimee, parcourue par deux nervures submarginales, paralleles, terminees au bout ante- rieur par une spatule arrondie, debordant ce bout, elegam- mant bord&e de longues soies arqu&es, au bout posterieur par deux petites pointes sursaillantes subalees.* An die eben beschriebenen Arten des Gen. Anthomyia reihen sich durch gitterförmige Bildung des Chorions noch zahlreiche andere auch dem äusseren Aussehen nach ver- wandte Fliegen aus den Gen. Helomysa, Osecinis, Tetano- cera u.8. w. Aber die Aehnlichkeit zwischen den Eiern die- ser Fliegen und denen von Anthomyia ist keine vollkommne; schon auf den ersten Blick findet man Verschiedenheiten, theils darin, dass die Rückenfalten fehlen oder vielmehr in derselben rudimentären Entwicklung vorhanden sind, wie bei Musca domestica und Stomozys, theils auch darin, dass die Mieropyle genau den vordern etwas abgeflachten Pol des Eies einnimmt und ohne Mundstück ist. Die letztere liegt in einer ziemlich tiefen, von glatten Wänden umgebenen Grube; sie stellt (Fig. 18) eine structurlose runde Platte dar, die bei den grössern Tetanoceraarten bis !/,,9”’ misst, nach dem Cen- trum zu etwas eingezogen ist und hier von einer feinen Oefl- nung (*/o00“’) durchbohrt wird. Beim Sprengen des Eies 1) Leon Dufour hält diese Bildung der Eier für eine auffallende Eigenthümlichkeit des Gen. Lispe, mit welchem Rechte oder vielmehr mit welchem Unrechte, wird aus dem Obigen zur Genüge hervorgehen 124 Rud. Leuckart: Ueber die Mikropyle und reisst diese Platte (besonders bei Tetanocera) häufig aus dem Zusammenhange mit dem Chorion, um in Verbindung mit der Dotterhaut zwischen den auseinander weichenden Lippen der Rückenwülste (Tab. I. Fig. 16) nach aussen hervorzutreten. Die Dotterhaut ist wie gewöhnlich structurlos, hat aber (auch schon bei Anthomyia mit gitterförmigem Chorion) eine sehr beträchtliche Festigkeit und Dicke. Die Rückenfalten umfas- sen mit ihren vordern zusammenhängenden Enden den obern Pol des Eies und zwar an der Bauchfläche (Fig. 18), so dass die Mikropyle beim Aufreissen dieser Falten mit der Rücken- fläche im Zusammenhang bleibt, wie bei Borborus. Dass diese Fläche übrigens wirklich als Rückenfläche betrachtet werden darf, schliesse ich daraus, dass sie etwas weniger breit ist, als die gegenüberliegende Fläche, auch daraus, dass sie bei Oscinis taeniopus eine abweichende Struetur besitzt, was ich bei den Fliegen immer nur an der Rückenfläche an- getroffen habe. Sonstige Anhaltspunkte für die Bestimmung von Bauch und Rücken fehlen völlig, da beide Flächen ihrer Krümmung nach durchaus nicht verschieden sind. Auch die Rückenleisten fallen nur wenig auf, so dass ich sie lange Zeit übersehen konnte, bis ich auf die Constanz der Riss- stelle und das glatte Aussehen der Rissränder aufmerksam wurde. Sie erscheinen als niedrige Falten oder Wülste und sind oftmals fast nur durch die Furche, die auf ihnen hin- läuft, von den zahlreichen Längsfalten zu unterscheiden, die an dem entleerten Chorion (auch schon bei Anthomyia), je nach den Structurverhältnissen mehr oder minder deutlich, zur Beobachtung kommen. So übereinstimmend nun aber auch dieser Typus der Ei- bildung ist, fehlt es doch keineswegs an speecifischen Unter- schieden, namentlich in der Struetur des Chorions. Bei einer kleinen grauen Fliege dieser Gruppe, die ich in grosser Menge von einem Kothhaufen ablas und für eine Anthomyia halten würde, wenn die Bildung des Eies nicht abweichend wäre, zeigt das Chorion noch eine deutliche Felderung, wie bei den zuletzt betrachteten Arten, aber die Felder sind vier- eckig und sehr regelmässig über einander angebracht (Fig. 13), den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 125 so dass die Seitengrenzen derselben in Form von (etwa 24) parallelen Längslinien an dem Ei hinziehen. Vorn an den Polen gewinnen die Felder allmählig die gewöhnliche Grup- pirung in einem unregelmässigen Quineunx. Auf der Ober- fläche dieser Felder erheben sich zahlreiche höckerför- mige Wülste von etwa !;00, die grubenartige Vertiefungen ('%s0) zwischen sich lassen und nicht selten zu verästelten längern Zügen zusammenschmelzen. Auf solche Weise ent- steht in den Feldern des Chorions — die Grenzen der ein- zelnen Felder bleiben frei — der Anschein eines vielfach unterbrochenen und unregelmässigen Gitterwerkes; am vor- dern Pole, im Umkreis der Mikropyle, wo diese Bildung überhaupt am meisten entwickelt ist, sogar eine förmliche Rosette mit vielfachen Blätterkreisen. Ganz ähnlich verhält es sich bei einer wohl noch unbe- schriebenen Art des Gen. Helomyza, nur dass hier die lineare Gruppirung der Felder meist nicht so streng eingehalten ist, obgleich die Tendenz dazu ganz unverkennbar hervortritt. Die Form der Felder ist meistens (Tab. I. Fig. 19) sechs- eckig, zeigt aber zahlreiche Unregelmässigkeiten in der Grösse und dem Verlaufe der Grenzen. Das Gitterwerk ist noch eben so wenig vollständig, als bei der vorhergehenden Art, auch nicht am vordern Pole, gewinnt aber dadurch ein etwas verschiedenes Aussehen, dass einmal die Maschenräume desselben kleiner sind (14500) und sich sodann auch noch als tiefe Gruben in die Substanz des Chorions hinein verfol- gen lassen. Bei Oscinis taeniopus ist die Felderung des Chorions voll- kommen verloren gegangen. Die Oberfläche des Eies ist mit einem continuirlichen Gitterwerke überzogen, dessen Leisten eine ziemlich gleichmässige Entwicklung besitzen und enge Maschenräume (1/30) umgrenzen, die sich nach Innen po- renartig in die Dicke des Chorions hineinsenken. ‘Nur an der vordern Fläche des Rückens fehlt dieses Gitterwerk. Es wird hier durch zahlreiche isolirt neben einander stehende Tu- berkel vertreten, die eine nur unbedeutende Höhe besitzen, sich allmählich nach den Seitenrändern hin erheben und dureh 126 Rud. Leuckart: Ueber die Mikropyle und Vergrösserung und Verschmelzung schliesslich das gewöhnli- che Aussehen wieder annehmen. Am ausgezeichnetsten ist diese Gitterbildung des Chorions (Fig. 16 und 17) bei Tetanocera, wenigstens bei T. reticulata und T. arrogans, die sich fast vollkommen übereinstimmend verhalten. Bei beiden findet man eine Anzahl breiter Längs- wülste (1490), die sich in Entfernungen von etwa \/," im ganzen Umfange des Eies vom vordern bis zum hintern Ende hinziehen und mit vielen kleinen Spitzen und Tuberkeln be- setzt sind, die der Oberfläche derselben ein höckriges Aus- sehen geben. Zwischen je zweien dieser Wülste erheben sich noch (Fig.17) drei schmale, aber scharf markirte Längsleisten, eine mittlere und zwei seitliche, die durch zahlreiche Quer- brücken in ziemlich gleichen Abständen dergestalt zusammen- hängen, dass die Fläche zwischen den Wülsten von einem schönen Gitterwerke übersponnen ist. Die Maschen dieses Git- terwerkes messen !/,,0—"/50 und haben eine ziemlich regel- mässige Form, obgleich natürlich der Verlauf der begren- zenden Leisten nicht gerade mit mathematischer Genauigkeit die hervorgehobenen Richtungen einhält. So sind namentlich die Längsleisten gewöhnlich etwas ziekzackförmig gebogen, und an je den äusseren Spitzen der Winkel mit den Querleisten verbunden, so dass die Gestalt der Maschen mehr oder min- der sechseckig wird. Die mittlere Längsleiste ist beständig die ansehnlichste und eigentlich aus zweien dicht an einander stossenden Leisten zusammengesetzt, die sich bei einem stärkern Drucke leicht von einander abtrennen. An den Po- len des Eies verlieren die Längswülste ihr eigenthümliches Aussehen. Sie werden schmal und glatt, wie die übrigen Leisten, [mit denen sie dann unter zahlreichen Abweichun- gen von der Längsrichtung zu einem unregelmässigen Ma- schennetze zusammenfliessen. An dem hintern papillenförmig vorspringenden Pole erreichen diese Maschen fast das Dop- pelte ihrer sonstigen Grösse. Während wir bei den letztbeschriebenen Fliegeneiern nur sehr unbedeutende Rudimente der Rückenfalten angetroffen haben, giebt es noch andere Species aus der Gruppe der den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 127 Museciden, bei denen diese Gebilde zu einer ausserordent- lichen Entwickelung gelangen. Den Uebergang zu dieser Bildung macht schon die Anthomyia pallida und, in einem noch höheren Grade, das Gen. Scatophaga, dessen Eier bereits von Reaumur (l. c. T. IV. p. 376. Fig. 9, 10), Kirby (Einleitung in die Entomologie Bd. III. S. 104. Tab. XV. Fig. 19) u. A. beobachtet und als „geöhrte Eier“ beschrie- ben sind. Meine eigenen Untersuchungen sind an Se. ster- coraria angestellt, doch scheint es, dass sich die übrigen Arten sehr übereinstimmend verhalten. Das Ei dieser Fliege misst 2/4’, ist hinten bauchig, vorn stark verjüngt, und lässt schon mit blossem Auge zwei kurze und flügelförmige Fort- sätze erkennen, die das Vorderende zwischen sich nehmen, ohne es indessen gerade zu überragen. Bei Untersuchung der entleerten Eier überzeugt man sich nun weiter, dass diese beiden „Ohren“ nur die vordern abgerundeten Enden zweier Rückenfalten sind, die sich allerdings nur über das obere Viertel des Eies hinziehen (Tab. 1. Fig. 11), aber nichts desto weniger schon auf den ersten Blick als Analoga der so viel- fach von uns unter diesem Namen hervorgehobenen Gebilde erkannt werden. Wie immer sind dieselben an dem Rücken angebracht, an einer Fläche, die sich schon durch ihre ab- weichende Gestalt von dem stark gewölbten Bauche, dem sie gegenüberliegt, sehr leicht unterscheidet. Am vordern Ende sind beide Falten fast um die ganze Breite des Eies von einander entfernt, nach hinten aber nähern sie sich all- mählig, so dass sie schliesslich fast vollkommen zusam- menstossen, Gleichzeitig nimmt die Höhe der Falten im- mer mehr ab und zwar der Art, dass ihre Ränder in der Mittellinie der Rückenfläche dicht neben einander nach hinten herablaufen, sobald man dieselben nach innen umschlägt. Natürlicher Weise sind die Ohren in dieser Lage nicht sicht- bar; sie kommen nur dann zur Betrachtung, wenn man sie von der Rückenfläche abhebt und nach Aussen richtet!'). 1) Nach den Beobachtungen von R&aumur sollen diese Ohren das allzu tiefe Einsinken der Eier in den Koth, in den sie abgelegt wer- werden, verhindern, indessen dürften sie auch wohl insofern in Be- 128 Rud. Leuckart: Weber die Mikropyle und Was die Struetur des Chorions betrifft, so hat unser Ei eine grosse Aehnlichkeit mit dem von M. erythrocephala, nur. dass die Punktirung der Felder ungleich deutlicher ist und: vor- zugsweise nicht von Gruben, sondern von Höckern und klei- nen Wülsten herrührt. Am stärksten sind diese Erhebungen auf den Rückenleisten und dem davon umschlossenen drei- eckigen Felde, das überdies noch durch eine Anzahl gruben- förmiger Vertiefungen ('%;,“), die von wallartigen Rändern umgeben sind, ein eigenthümliches Aussehen darbietet. Die Mikropyle ist sehr unscheinbar und schwer zu finden. Sie liegt als ein kleines und triehterförmiges Grübehen (Y/00‘) mit einer Oeffnung im Boden eine Strecke weit hinter dem vordern Pole auf der Bauchfläche, wie bei Anthomyia, und ist von einem mehrfachen Kranze schmaler und unregel- mässiger Felder umgeben, die durch die Breite und die helle Beschaffenheit ihrer Contouren auffallen. Auf der Bauch- fläche geht diese Zeichnung ganz allmählig in die gewöhn- liche Felderung über, während sie sich auf dem Rücken ge- gen die oben erwähnte Fläche weit schärfer absetzt. An der letzteren Stelle reisst das Chorion ein, sobald man nur einen einigermaassen kräftigen Druck auf das Ei einwirken lässt, Noch weit eigenthümlicher und abweichender gestaltet sich diese Bildung an dem Ei der Essigfliege, Drosophila cel- laris, bei dem die Rückenfalten überhaupt nur in Form von zwei lanzettförmigen, langen Hörnern entwickelt sind, (Tab. T. Fig. 12), die sich rechts und links neben dem vordern Pole des Eies erheben und wohl '%“‘ messen, während der Längs- durchmesser des Eies kaum mehr als 1/4 beträgt. Die Wurzel dieser Hörner inserirt sich eine kurze Strecke hinter dem Vorderende des Eies und bezeichnet die Rückenfläche, die sich freilich sonst in Nichts, auch nicht durch eine ab- weichende Krümmung von der Bauchfläche unterscheidet. Das dünne Chorion zeigt fast genau die Bildung von M. erythrocephala, sechseckige Felder mit schwachen Contouren tracht kommen, als sie die Oberfiäche des Chorions noch mit der at- wosphärischen Luft in Contacht bringen, wenn das Ei auch fast völlig versenkt ist. un re | den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 129 und zahlreichen feinen punktförmigen Gruben. An der Wur- zel der Hörner wird die Punktirung dentlicher; die Gruben werden grösser , bis sie endlich auf den Hörnern das Maxi- mum ihrer Entwicklung erreichen und hier noch obendrein von Höckern und wulstigen Rändern umgeben werden. Die Micropyle steht dicht neben dem vordern Pole des Eies an der Rückenfläche und stellt einen kurzen und kegelförmigen Aufsatz (Fig. 13) dar, der '%,“‘ hoch ist und an seiner Wur- zel 1%,“ im Durchmesser hat. Die Basis dieses Kegels ist schief von vorn nach hinten abgestutzt und an der Verbin- dungsstelle mit dem Chorion von einer bogenförmigen Leiste umgeben, die man leicht für den optischen Ausdruck einer geräumigen Höhle im Innern halten könnte. Auf dem äussern abgellachten Ende dieses Aufsatzes bemerkt man eine Oeffnung von 1%o0', den trompetenförmig erweiterten Ausgang eines Kanales (von Yo”), der die ganze Länge des Kegels durch- setzt und mitten auf der schiefen Basalfläche in den Innen- raum des Eies hineinmündet (Fig. 15). Die nächste Umgebung dieses Miceropylaufsatzes ist glatt und nur an der Rückenflä- che mit einer Anzahl von halbmondförmigen, niedrigen Leisten versehen, die einige rundliche Felder begrenzen und bis an die Wurzel der Hörner hinanreichen. Die Rissstelle des Cho- rions ist an dem vordern Pole, wo der helle Hof der Micro- pyle in das punktirte Chorion übergeht. Die Eiweissschicht des reifen Bies umgiebt das ganze Chorion und erreicht, wie gewöhnlich, am vordern Ende ihre grösste Stärke. Sie über- deckt den Aufsatz der Micropyle und geht von da in bogen- förmiger Fortsetzung auch auf die Hörner über (Fig. 12). Sepsis punctum zeigt ganz dieselbe Structur des Cho- rions, und auch sonst eine ähnliche Bildung, hat aber abwei- ehender Weise statt der beiden Hörner nur einen einzigen dünuen und peitschenförmigen Fortsatz, der mehr als eine halbe Linie misst und den Längsdurchmesser des Eies reich- lieh um das Doppelte übertrifft (Tab. I. Fig. 14). Dass die- ses unpaare Anhangsgebilde übrigens trotz seiner abweichen- den Porm den beiden Hörnern bei Drosophila und Scato- phaga entspricht, wird dadurch bewiesen, dass man an sei- Müllers Archiv. 1855. 9 130 Rud. Leuckart: Ueber die Mieropyle und ner Basis ('/,,,‘) und auch noch weiter oben ganz deutlich eine mittlere Längsrinne bemerkt, die auf dem Anhange hin- zieht und die Zusammensetzung aus zweien seitlichen Hälf- ten auf das Entschiedenste nachweist (Fig. 15). Ueberdies verlängert sich die Basis dieses Anhanges nach rechts und links in eine Falte, die gewissermassen eine Fortsetzung der- selben darstellt und sich eine ziemliche Strecke” weit über die Seitenflächen des Chorions verfolgen lässt. Freilich er- reichen diese Falten nicht jene Entwicklung, wie bei den meisten vorher betrachteten Musciden, aber nichts desto we- niger müssen sie doch wohl als analoge Theile betrachtet werden. Die Micropyle steht an der Basis des Anhanges und zwar der convexen Fläche des Eies, also dem Bauche zugekehrt. Sie erscheint als ein kurzer ('/s0“) eylindrischer Aufsatz, der sich mit seiner Rückenwand an den peitschen- förmigen Anhang anlehnt, wie ein Schwalbennest an die Mauer (Fig. 15). Die äussere Oeffnung ist von ziemlich an- sehnlicher Weite, verengt sich aber schnell zu einer trichter- förmigen Höhle, die schliesslich mit einem kanalförmigen Gang von '/o0‘“ das Chorion und die Dotterhaut durchsetzt. Die oben erwähnten Seitenfalten bezeichnen die Rissstelle des Eies. Die bisher betrachteten Fliegen gehörten mit Ausnahme von Melophagus (und Stomorys) zu der grossen und arten- reichen Familie der Museiden. Aus den übrigen Familien habe ich nur wenige Species auf die Bildung der Eier un- tersuchen können, und von diesen erwähne ich hier zunächst die bekannte Eristalis tenaxr aus der Familie der Syr- phiden. Die Eier dieses Thieres haben ungefähr die Grösse und Statur der gemeinen Fliegeneier (M. erythrocephala), d.h. sie sind fast 1‘ lang, nach vorn verjüngt und mit einer platten, ja selbst etwas eingebogenen Rückenfläche verse- hen. Rückenfalten oder deren Andeutungen fehlen, wie ich denn diese Gebilde überhaupt nur bei den Museiden ange- troffen habe. Bei mikroseopischer Untersuchung des Cho- rions wird der Beobachter zunächst durch ein eben so zier- liches, als eigenthümliches Bild überrascht; er sieht (Tab. I. den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. ]31 Fig. 20) zahlreiche ziekzackförmig gebogene Doppelcontou- ren, die kleine längsgestellte Felder (!/,,“) von ovaler oder rautenförmiger Gestalt umschliessen. Erst bei näherer Be- trachtung, namentlich auch bei Untersuchung des Profiles wird man ein Verständniss dieses Bildes gewinnen. Man wird sich auf solche Weise davon überzeugen, dass die Gren- zen eines jeden Feldes von einer ziekzackförmig gefalteten Leiste gebildet werden, deren äusserer Rand sich in Form einer dünnhäutigen Lamelle erhebt, dass also jedes Feld ge- wissermassen den Boden eines Körbchens oder einer Zelle mit gefalteten Wänden abgiebt. Am Rande des Eies sieht man diese Körbchen sich deutlich über das eigentliche dünne Chorion (bis zu einer Höhe von 14,0“) erheben und nach der äussern Oeffnung zu sich allmählig verjüngen, so dass die obern Ränder derselben ganz frei stehen, während die Basalränder sich nicht blos berühren, sondern auch mit ihren Falten in einander eingreifen. Die Mieropyle nimmt die Mitte des vordern Poles ein und ist ihrer Grösse und Bildung wegen sehr leicht zu entdecken. Sie besteht (Fig. 20) aus einer structurlosen, platten Scheibe von !%,“, deren Cen- trum in einem Durchmesser von Yo trichterförmig nach innen eingesenkt ist und im Grunde von einer deutlichen Oefinung (!Ago‘‘) durchbohrt wird. In nächster Umgebung dieser Micropyle sind die korbartigen Aufsätze des Chorions sehr rudimentär; nur wenig mehr als verästelte Längsleisten, die ziekzackförmig verlaufen und mit ihren Zweigen vielfach in einander greifen. Was sich hier hei Eristalis nur in der nächsten Nähe der Micropyle vorfindet, beobachtet man bei Syrphus (S. ribe- sii u.a.) auf der ganzen Oberfläche des Chorions. Eigent- liche Körbehen fehlen gänzlich; man sieht blosse kurze und sternförmig verästelte Leisten, die nach aussen vorspringen, auch wohl kammartig in Form einer dünnen Lamelle sich erheben, aber keine geschlossenen Räume umgrenzen. Auch stehen diese Leisten viel weiter entfernt, so dass sie kaum einmal mehr mit ihren Aesten in einander greifen. Der Micropylapparat ist wie bei Eristalis, nur kleiner, wie denn 9% 132 Rud. Leuekart: Ueber die Micropyle und überhaupt das ganze Ei nicht unbeträchtlich hinter dem dieser Fliege zurückbleibt. "Bei Leptis scolopacea, dem Repräsentanten einer an- dern Familie, glaube ich eine ähnliche Bildung beobachtet zu haben, doch sind meine Untersuchungen über das Ei die- ses Thieres, die aus einer sehr frühen Zeit stammen, nicht völlig genügend, namentlich nicht in Bezug auf die Miero- pyle, von der ich in meinen Notizen Nichts erwähnt finde. Das Ei ist ungewöhnlicher Weise kugelrund, auch nur von unbedeutender Grösse (!4,) und trägt auf seinem dünnen Chorion zahlreiche‘ eylindrische Aufsätze von 1%,“ Höhe, die freilich minder dicht stehen, als bei Eristalis, aber doch ebenfalls als Körbchen oder Zellen bezeichnet werden dürfen. Das äussere verjüngte Ende dieser Zellen hat einen Durch- messer von !/o0”. An der Innenwand derselben beobachtet man die Touren eines dünnen Spiralfadens, der sich nach aussen hervordrücken lässt und trotz seiner geringen Blasti- eität wohl dazu dienen möchte, das Körbehen, das bis an seine Oefinung in einer Eiweissschicht vergraben liegt, vor dem Zusammenfallen zu bewahren. Die Eier der Haematopoda pluvialis aus der Familie der Tabaniden sind im Gegensatze zu dem eben erwähnten Falle von einer schlanken und spindelförmigen Gestalt, nach der Bauchfläche zu etwas gebogen, wie wir es so häufig bei den Diptern finden. Ihr Längsdurchmesser beträgt ?/,‘”. Das vordere Ende ist abgestumpft und zeigt eine Micropyle, die ziemlich weit nach Innen in den Biraum hineinhängt. Die Eihäute sind glatt. Aus der Familie der Asilinen kam Asilus erabrifor- mis zur Untersuchung. Die Eier dieser Fliege messen bei einer ziemlich ansehnlichen Breite reichlich ®/4, und haben eine bauchige Bildung. Das vordere etwas verjüngte Ende ist abgestutzt, das hintere gerundet. Das Chorion (Fig. 21) besitzt eine sehr beträchtliche Dicke ('/,0”'),; wie ich sie kaum bei einer andern Fliege beobachtet habe, und eine ho- mogene Beschaffenheit. Die obere Fläche ist vollkommen glatt, die untere dagegen (wie man auf den Durchscbnitten den feinern Bau der Schalenhaut bei’ den Insekteneiern. 133 mit Bestimmtheit beobachtet) mit zahlreichen kleinen Körn- chen besetzt, deren Zwischenräume sich nicht selten während der Untersuchung mit Luft füllen. Ich zweifle nicht, dass sol- ches auch im unverletzten Ei geschieht, da ich zugleich eine Anzahl von dünnen Kanälen aufgefunden habe, die in senk- rechtem Verlaufe die Dieke des Chorions durchsetzen und an beiden Flächen ausmünden, nicht etwa blos an der äussern. Die letztere Mündungsstelle ist allerdings am auffallendsten, da sie die Mitte einer scheibenförmigen: Erhebung. einnimmt; bei genauerer Untersuchung wird man sich aber auch leicht von der Anwesenheit einer zweiten Ausmündung überzeu- gen. Die Zahl dieser Kanäle ist im Ganzen nicht sehr bedeutend, und ‚ihre Gruppirung, wie es scheint, ohne be- stimmte Ordnung. Die Mieropyle liegt mitten auf der vor- dern Endfläche des Eies, ist. aber nur wenig ausgezeichnet und deshalb leicht zu übersehen, Sie stellt eine kleine spalt- artige Oeflnung dar ('/oo'), deren Umkreis zu einer flachen Grube vertieft ist und ein höckriges Aussehen hat. Die Dot- terhaut ist deutlich, aber von zarter Beschaffenheit. Die grosse Abtheilung der Mücken bot mir wegen der Schwierigkeit der Artbestimmung für meine Untersuchungen nur ein geringes Material. Ich habe eigentlich nur zwei Spe- cies dieser Gruppe untersucht, die gemeine Stechmücke, Cu- lex pipiens, und Limnobia punctata, gelegentlich aber auch einige andere Mückeneier von unbekannter Herkunft verglei- chen können. Die Eier von Limnobia (Tab. I. Fig. 22), die ich zuerst erwähne, sind, wie die Eier vieler anderer Mük- ken (Tipula, Corethra u. s. w.), von schwarzer Farbe, klein (4) und spindelförmig, nach beiden Enden ziemlich gleich- mässig zugespitzt. Die schwarze Farbe inhärirt dem Chorion, das eine sehr feste und spröde Beschaffenheit hat und bei Anwendung eines Druckes leicht in Stücke bricht. Im In- nern des Chorions bemerkt man eine deutliche, aber sehr zarte Dotterhaut, Das Chorion selbst ist vollkommen stru- eturlos, trägt aber äusserlich noch eine fest aufliegende Schicht eiuer ‚glashellen Substanz, gewissermassen eine dritte Eihälle, die sich von Zeit zu Zeit, in Entfernungen von 1/4, 134 Rud. Leuckart: Ueber die Micropyle und der Länge nach in eigenthümlicher Weise aufwulstet (Fig. 22). Diese Längswülste messen etwa "/,, und umschliessen im Innern entweder zahlreiche Lücken oder — was ich für wahrscheinlicher halte — körperliche Einlagerungen, die sich durch ihr starkes Liehtbrechungsvermögen bestimmt und scharf von der Umhüllungsmasse unterscheiden. In jeder Längs- leiste bemerkt man in der Mitte eine Reihe grösserer Ein- lagerungen in Form von senkrechten Stäbchen oder Spitzen und seitlich neben denselben noch eine Anzahl kleinerer, die ein mehr höckerförmiges Aussehen haben. Nach den Polen des Eies hin treten diese Wülste allmählig zusammen, doch sind sie auch sonst nicht vollkommen isolirt, sondern von Zeit zu Zeit durch eine dünnere Querleiste mit höckerförmi- gen Einlagerungen verbunden, so dass die äussere Oberfläche des Eies von weiten Gruben durchzogen zu sein scheint. Die äussersten Ausläufer der Wülste bilden an den Polen des Eies einen vorspringenden Knopf von wechselnder Grösse. Nur eine einzige Stelle des Chorions bleibt von diesem Ue- berzuge frei, und diese liegt in Form einer runden Scheibe von 00‘ eine kurze Strecke hinter denı vordern Eipole. Nach dem Centrum zu ist diese Stelle etwas eingebogen und hier von einer kleinen Oeffnung (!/%,0“) durchbohrt, die man nicht selten auf einem abgesprengten Stücke isolirt zur Un- tersuchung bekommt und leicht als Mieropyle erkennen wird. In der Peripherie dieser Scheibe (Fig. 23) bildet der glas- helle Ueberzug des Eies einen Ringwulst mit zahlreichen kleinen Einlagerungen. Die Fläche, die mit der Micropyle versehen ist, dürfen wir wohl als Bauchfläche betrachten, theils nach der Analogie mit Anthomyia u. a., theis auch des- halb, weil sie am stärksten gewölbt ist. Dieselbe Lage der Mieropyle beobachtet man an den kur- zen und gedrungenen Eiern der Tipula pratensis, die aber sonst wegen ihrer Festigkeit und ihrer Schwärze der mi- kroscopischen Analyse fast unzugänglich sind, so dass ich ausser Stande bin, ein histologisches Detail darüber zn bie- ten. Meissner, der die Eier von Tipula? gleichfalls unter- suchte, hat dieselbe Beobachtung gemacht und die Micropyle den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 135 nur daran erkannt, dass er einige Spermatozoen aus dersel- ben hervorragen sah. An den Eiern von Culex pipiens hat die Mieropyle diese excentrische Stellung verloren und ihre gewöhnliche Lage auf dem vordern Pole wieder eingenommen (Tab.1. Fig. 24), wie man schon aus der Beschreibung und Abbil- dung von Kirby (a. a. ©. S. 101 Tab. XV. Fig. 18), auch aus der Angabe von Meissner entnehmen kann. Die äus- sere Form des Eies (fast 14“) ist im Allgemeinen dieselbe, wie bei Limnobia, nur ist das vordere Ende abgestumpft, und zwar in ziemlich auffallendem Grade. Was die Eihäute betriflt, so unterscheidet man auch hier ein structurloses Cho- rion und eine äussere glashelle Umhüllung von eigenthüm- lichem Aussehen, Von der Anwesenheit einer Dotterhaut habe ich mich nicht mit ‚gleicher Bestimmtheit überzeugen können. Das Chorion ist fest und diek, aber nicht mehr so spröde, als bei Limnobia, auch heller gefärbt und höch- stens mit einem bräunlichen Anflug. Der äussere Ueberzug (für den ich der kürzern Bezeichnung. wegen künftighin den Namen Exochorion gebrauchen werde) lässt sich leicht — was bei Limnobia niemals gelang — in zusammenhängenden grössern Stücken absprengen und für sich untersuchen. Manu überzeugt sich dabei, dass derselbe eine ziemlich dieke Lage bildet und von zahlreichen tiefen Furchen durchzogen wird, die zunächst und vorzugsweise der Länge nach verlaufen und die ganze Schicht in eine Anzahl länglicher oder rautenför- miger Wülste (von '/5“' Länge und ',0“ Breite) auflösen (Fig. 24). Aber auch diese Wülste sind nicht compact und homogen, sondern von Querfurchen durchsetzt, die freilich weniger tief und breit sind, als die Längsfurchen. Ein jeder Wulst zerfällt auf solche Weise in eine Anzahl von 4—6 Tuberkeln oder Buckeln, die sich der Länge nach an einan- der reihen und namentlich in der hintern Hälfte des Bies mit einer eignen kuppenförmigen Wölbung nach Aussen vor- springen. Am vordern abgestumpften Pole') bilden diese I) Kirby beschreibt an dem vordern Ende einen eignen knopf 136 Rud. Leuckart: Ueber die Micropyle und Höcker einen förmlichen Kranz, der sich nicht selten in eon- tinuo abhebt und eine weite Oeffnung von '/,,”“ einschliesst. Diese Oeffnung führt ohne Weiteres auf die Oberfläche des Chorions, die hier in der Mitte von der Mieropyle (!%.) durchbohrt wird. Bei der Dicke des Chorions hat diese Mi- eropyle eine fast kanalförmige Bildung. Das Exochorion, das ich hier bei Culer und Limnobia be- sehriehen habe, findet in der Darstellung von Meissner (a.a.0,. S.277) keine Erwähnung. Es rührt das wohl da- her, dass Meissner theils weniger günstige Objeete (Tipula), theils auch solehe (kleinere Culieiden) zur Untersuchung hatte, bei denen diese äussere Hülle wirklich vermisst wird. Nach meinen gegenwärtigen Erfahrungen kann ich über die Ver- breitung derselben allerdings noch nichts Näheres mittheilen, aber davon habe ich mich durch die Untersuchung verschie- dener Culieideneier hinlänglich überzeugen können, dass sie keineswegs bei allen Arten dieser Gruppe vorkommt. Es giebt Culieiden, deren Eier mit nacktem Chorion in eine dicke Ei- weissschicht hineingesenkt sind. Als Anhangsgruppe pflegt man heutigen Tages den Dip- tern gewöhnlich auch noch die kleine, anomale Familie der Puliciden anzureihen. Wir wollen hier das Gleiche thun, obwohl sich diese Thiere in Bezug auf die Bildung der Micro- pyle in sehr auffallender Weise von den eigentlichen Diptern unterscheiden. Die Eier unseres gewöhnlichen Flohes, Pu- lex irritans, haben eine ziemlich ansehnliche Grösse (1/4) und eine tonnenförmige Gestalt (Tab. I. Fig 25). Sie sind breit, nur wenig gewölbt und an beiden Polen ganz gleich- mässig abgeflacht. Die Häute bestehen aus einer Dotterhaut von gewöhnlicher Bildung und einem derben und dicken Cho- rion, das ein unebenes, fast schuppiges Aussehen hat und mit zahllosen, flachen und kleinen, dicht stehenden Grübchen be- setzt ist. Eine einfache Micropyle, wie wir sie sonst ganz allgemein bei den Diptern antreffen, fehlt bei Paler. Statt ihrer findet man (Fig. 26) eine grössere Anzahl von Oeffnun- förmigen Aufsatz, doch habe ich diesen bei meinen Eiern niemals in einer markirten Weise wahrgenommen. | | | den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 137 gen, die, wie die Löcher eines Siebes, auf einem rundlichen Felde von !%,“ beisammenstehen, sich aber nicht bloss auf den obern Pol des Eies beschränken, sondern in überein- stimmender Weise auch am untern Pole wiederkehren. Der einzige Unterschied zwischen beiden Polen ist der, dass die Zahl der obern Mieropylen gewöhnlich etwas grösser ist, als die der untern. Am obern Pole findet man meist 50—60. am untern dagegen meist nur 40—45 Oeffnungen. Dass diese Oeflnungen übrigens wirklich als Micropylen fungiren, dar- über kann kein Zweifel sein. Ich habe bei frischgelegten Eiern sehr häufig in der dünnen Eiweissschicht des Chorions die Samenfäden an den Polen angetroffen und auch mehrere Male mit aller Bestimmtheit gesehen, dass einzelne dieser "äden durch eine Micropyle nach Innen hineinhiugen. Bei der Dicke des Chorions, die an den Polen noch beträchtli- cher ist, als an der übrigen Fläche und hier reichlich 14,, misst, erscheinen die Micropylen im Profil natürlicher Weise als senkrechte Kanäle (von 1300), die sich nach Aussen etwas trichterförmig erweitern und graden Weges durch Cho- rion und Dotterhaut hindurch führen. 2. Hemipteren. Die Eier der Wanzen sind vielleicht beständig, wennauchinsehr verschiedenem Grade, gestreckt, bald kurz und tonnenförmig, bald oval oder auch eylindrisch und im letztern Falle mit einem merk- lichen Unterschied zwischen Rücken und Bauch- fläche. Der vordere Pol ist in der Regel sehr aus- gezeichnet, sei es nun durch eine eigenthümliche Entwicklung der Micropylen, die fast beständig in mehrfacher Anzahl vorhanden sind und sich nie- mals weit von dem vordern Pole entfernen, sei es durch Anwesenheit eines Deckels oder durch so- lide Fortsätze. Am hintern Pole findet sich mit- unter ein glocken- oder scheibenförmiger Haft- apparat. Die Häute des Eies sind nicht selten gefärbt und gewöhnlich von beträchtlicher Härte 138 Rud, Leuckart: Ueber die Micropyle und zeigen aber in der Regel nur eine mässige Eut- wicklung des pneumatischen Apparates. Pediculus. Nach der Bildung der Eier scheint es voll- kommen gerechtfertigt, die Gruppe der echten Läuse den Hemiptern zuzuzählen. Wir finden an denselben trotz man- chen eigenthümlichen Verhältnissen im Wesentlichen den eben geschilderten Typus. Das Ei der gemeinen Kopflaus, Pe- diculus capitis (Tab. Il. Fig.1), das schon von Swam- merdamm (Bibel d. Natur S.38 Tab. I. Fig. 1) beobachtet wurde, hat eine birnförmige Gestalt uud ist, wie bei allen Läusen, von einer verhältnissmässig sehr ansehnlichen Grösse (es misst fast 1%“), Der hintere Pol ist zugespitzt, der vor- dere aber abgestumpft und mit einem flachen, runden Deckel versehen, der am Rande fast unter rechtem Winkel in die Seitenwände übergeht. Der Deckel ist eingefalzt, d.h. durch eine ringförmige Furche mit aufgewulsteter und vorspringen- der äusserer Lippe gegen das übrige Chorion abgesetzt. Die Furche greift übrigens nicht durch die ganze Dicke der Eihaut, sondern nur durch die obern und mittlern Schich- ten, so dass die untere Substanzlage des Deckels mit dem Chorion in continuirlichem Zusammenhange bleibt. Dass das Chorion eine sehr beträchtliche Festigkeit hat, ist hinreichend bekannt; es besitzt eine Dicke von '/,,, ist aber nichts desto weniger vollkommen homogen und structurlos. Nur der Deckel macht in dieser Beziehung eine Ausnahme, in- sofern er eine unebene, feinkörnige Oberfläche hat und auch ausserdem der Sitz der Mieropylen ist, die schon von Swam- merdamm gesehen und ziemlich richtig abgebildet sind, ob- gleich ihre eigenthümliche Bildung nicht vollkommen verstan- den wurde. Die „Knöpfchen“, die Swammerdamm anf dem Deckel beschreibt und die nach demselben „keine eigen- thümliche Gestalt“ haben sollen, sind zarthäutige Zellen, die sich von der Fläche des Deckels erheben und gleich den Zellen einer Honigwabe dicht neben einander stehen. Durch das Gewicht eines Deckgläschens werden diese Zellen augen- blieklich zusammengedrückt und verschoben, so dass man bei solehen Präparaten statt der Zellen nur eine zarthäu- den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 139 tige, vielfach gefaltete Masse sieht, über deren wahre Natur man sich keine Rechenschaft geben kann. Gewöhnlich zähle ich 10— 14 solcher Zellen, die dann die ganze Fläche des Deckels mit Ausnahme des Randes einnehmen und je etwa 14,‘ im Durchmesser haben. Die eigentliche Mieropyle fin- det sich erst im Centrum dieser Zellen und ist das „weisse Pünktchen“, dasSwammerdamm in der Mitte seiner „Knöpf- chen“ entdeekt hat und als eine „kleine Höhle“ in Anspruch nimmt. Sie stellt (Fig.2) einen senkreehten Kanal von '4300‘” dar, der sich nach Aussen etwas erweitert und an seinem Rande mit einem Kranze von vorspringenden Höckern ver- sehen ist. Die äussere Oeffnung der Micropyle nimmt da- durch meistens ein sternförmiges Aussehen an. Im weitern Umkreis dieser Oeffnung bemerkt man noch einen deutlichen Ringwulst von etwa 14.“ im Durchmesser. Die Zellen selbst stellen gewissermassen eine Wiederholung und stärkere Ent- wicklung dieses Ringwulstes dar und entstehen von allen Theilen des Micropylapparates am spätesten, so dass man sie nicht selten noch an Eiern vermisst, die sonst bereits vollkommen ausgebildet zu sein scheinen. Wie dieser Micropylapparat am vordern Pole, so findet sich auch am hintern Pole des Eies ein Gebilde, das unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Es stellt gewissermassen einen abgestumpften Kegel dar, der etwas excentrisch (Fig. 1) dem hintern Pole eingefügt ist und durch Längsfalten und leistenförmige Einlagerungen ein eigenthümliches streifiges Aus- sehen angenommen hat. Der untere Durchmesser dieses Ge- bildes misst !%,“, der obere ist geringer, etwa !%,”‘, und eben so viel beträgt auch die Höhe, Der Innenraum ist hohl, so dass das Gebilde auch mit einer Glocke verglichen wer- den könnte, doch scheint es, als wenn von dem obern Bo- den oder der Kuppel, wenn man lieber will, noch eine An- zahl dicht gedrängter Spitzen und Höcker herabhängen. In Bezug auf die Bedeutung dieses sonderbaren Anhanges darf ich mich vermuthungsweise wohl dahin aussprechen, dass dasselbe einen Haftapparat darstellt. Eine Zeitlang glaubte ich in ihm einen zweiten Micropylapparat gefunden zu haben, 140 Rud. Leuckart: Ueber die Miceropyle und allein diese Ansicht habe ich aufgegeben, da ich vergebens nach einer Oeffnung in demselben gesucht habe. Die Dotter- haut unserer Eier ist zart, wie gewöhnlich, scheint aber an der Innenfläche des Deckels ziemlich fest mit dem Chorion zusammenzuhängen. Die Eier der Filzlaus, Pediculus pubis, sind nicht un- beträchtlich kleiner, als die der Kopflaus, aber in allen we- sentlichen Verhältnissen vollkommen damit übereinstimmend. Der einzige auffallende Unterschied besteht (Tab. D. Fig. 3) darin, dass die ringförmige Leiste, die den trichterförmi- gen Eingang in dem Micropylkanal umgiebt, sehr viel: wei- ter. ist, als bei Pediculus capitis (sie umschliesst ein ruu- des Feld von !/,‘“) und eine Anzahl radiärer Ausläufer, die in. den Zwischenräumen des Deckels zur Bildung eines un- regelmässigen Gitterwerkes mit weiten Maschen zusammen- treten. Weit grössere Abweichungen zeigt dagegen das Ei der Schweinelaus, Pediculus (Haematopinus) suis, obgleich auch dieses den eben geschilderten Typus noch immer fest- hält. Wenn wir von der beträchtlichen Grösse absehen (das Ei misst gegen ?4), dann beschränken sich die Abweichun- gen desselben im. Wesentlichen auf die Anwesenheit eines Exochorions eine damit zusammenhängende etwas verschie- dene Bildung des Deckels und der Micropylen. Das Exo- chorion, das ich eben erwähnt habe, hat eine bräunliche Färbung und eine sehr beträchtliche Dieke (14,0), ist aber nicht homogen, wie das eigentliche Chorion, sondern (Tab, 1. Fig.4) mit einer unzähligen Menge von Kanälen versehen, die, durch Abstände von !/4s,“ getrennt, sehr regelmässig im Quincunx angebracht sind und in senkrechter Richtung bis auf das Chorion hindurchsetzen. Die untere Oeffuung die- ser Kanäle beträgt etwa 14300”, die äussere dagegen ist sehr viel weiter, meist '/o0 oder noch mehr, wie am Falze des Deckels, wo (Fig. 4) die Zwischensubstanz des Chorions in den äussern Schichten auf ein leistenförmiges Gitterwerk redueirt ist, In Form eines solchen Gitterwerkes setzen sich diese äussern Schichten auch auf den dünnen Saum fort, der den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. [41 am vordern Rande des Eies über den Falz des Chorions vor- springt. Die nächste Umgebung des glockenförmigen Anhan- ges am hintern Eipole ist die einzige Stelle, an der die eben beschriebenen Kanäle fehlen. Die Oberfläche des Exocho- rions hat hier ein gleichmässig höckriges Aussehen. Was nun das Chorion betrifft, so sieht man auch an diesem (Fig. 4) eine deutliche Zeichnung. Man unterscheidet ziemlich regel- mässige sechseckige Felder von 1/0‘, die sich durch Furchen von einander abtrennen und dergestalt gruppirt sind, dass die Kreuzungspunkte der Furchen je mit der untern Mün- dungsstelle eines Luftkanales im Exochorion zusammenfallen. Dazu kommt noch, dass die ganze Oberfläche des Chorions ein schwach gekörneltes Anssehen hat. Der Bau des Deckels ist im Grunde ganz derselbe, wie der des übrigen Eies, nur mit dem Unterschiede, dass beide Hüllen hier im ausgebildeten Zustande sich nicht mehr von einander trennen lassen. Die obere Fläche des Deckels zeigt zahlreiche weite Oefinungen, die durch dünne und hohe Lei- sten von einander geschieden sind und sich als trichterför- mige Kanäle nach unten in die Substanz des Deckels hin- einsenken. Die meisten dieser Trichter haben einen schrä- gen Verlauf, so dass man sie nicht bis auf ihren Grund über- sehen kann; ich habe mich indessen durch allmählige Abtra- gung der äussern Schichten überzeugen können, dass sie schliesslich mittelst einer feinen Oeffnung (A300) auf der Unterseite des Deckels ausmünden. Diese Oeffnungen sind sonder Zweifel die Mieropylen; wir haben also hier bei P. suis eine Bildung, die sich vollkommen an die Bildung der entspre- chenden Apparate bei den übrigen Läusen anschliesst. In allen Fällen erhebt sich die Oberfläche des Deckels im Umkreis der Micropylen zu zellenartigen Räumen, aber diese Zellen bleiben bei P. suis nicht dünnhäutig und zart, sondern er- starren zu einem festen und spongiösen Gewebe. Unter den echten Wanzen scheint sich die Familie der Lygaeiden nach der Bildung der Micropylen zunächst an die Läuse anzureihen. Ich untersuchte Pyrrhocoris apterus, ein Thier, dessen Ei mir schon vor der Untersuchung durch 142 Rud. Leuckart: Ueber die Mikropyle und eine schöne Abbildung aus der dritten leider noch nicht publi- eirten Lieferung des schon mehrfach eitirten Herold’schen Werkes bekannt geworden war. Herold zeichnet hier am vordern Pole des ovalen Eies (von reichlich !%) fünf kurze eylindrische Aufsätze, die ungefähr ein Feld von 14,“ um- grenzen (Tab. I. Fig.5) und nach meinen Beobachtungen nichts Anderes darstellen, als dünnhäutige Becherchen von 1/0‘ Höhe und eben solcher. Weite (am vordern offnen Ende), die sich im Umkreis der, Mieropylen erheben. Die innere Oefinung der Micropylen beträgt etwa 4/2005; die äus- sere ist etwas trichterförmig erweitert. In einigen seltenen Fällen habe ich statt fünf soleher Becherchen auch deren sieben gezählt, die dann einander etwas näher gerückt waren. Ein Deckelapparat fehlt den Eiern unseres Thieres; das Chorion ist verhältnissmässig dünn ('%50““) und ohne alle Zeichnung. Aus der Familie der Schildwanzen habe ich eine grö- ssere Anzahl von Arten untersuchen können. Die Eier dersel- ben stimmen darin überein, dass sie mit einer kurzen und ge- drungenen, mitunter fast kugligen Gestalt und einer ziemlich anschnlichen Grösse den Besitz eines Deckels verbinden, dessen Rand von einer grössern oder geringern Anzahl von schlanken und langgestreckten becherförmigen Mikropylen umgeben ist (Tab. II. Fig. 6). An den Pentatomeneiern ist dieser sonderbare Schmuck schon seit langer Zeit bekannt gewesen und namentlich von de Geer, Kirby und Leon Dufour bei verschiedenen Species beobachtet. Aber der feinere Bau und die Bedeutung dieser „Haare“ blieb unbe- kannt, denn die Vermuthung von Leon Dufour (l.c. Tab. IV. p. 201), dass sie zum Festhalten des Deckels bestimmt seien, war eine Hypothese, die sich schon durch einen unbefangenen Blick auf die Anordnung und die Richtung derselben wider- legen liess. Dass diese Apparate nun übrigens wirklich zum Durchlassen des Sperma dienen, ist freilich nicht von mir beobachtet — wie ich denn überhaupt keinerlei directe Er- fahrung über den Befruchtungsprocess bei den Wanzeneiern besitze —, äber einmal wird solches schon durch die anato- den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 143 mische Bildung derselben zur Genüge bewiesen und sodann liegt eine Angabe von Kirby und Spence vor (a. a. O. S. 96), die den physiologischen Werth der betreflenden Auf- sätze über allen Zweifel erheben möchte. Die genannten englischen Entomologen beobachteten nämlich einstens ein Nest solcher Eier, bei denen eine jede dieser Borsten „eine kleine weisse Kugel“ trug, „so dass das Ganze wie ein schöner kleiner Schimmel aussah.“ Ich glaube keinen Fehl- griff thun, wenn ich diese „weissen Kugeln“ als Spermatröpf- chen in Anspruch nehme und die ganze Beobachtung dahin auslege, dass sie den Act der Befruchtung bei den Eiern unserer Thiere uns vorführe. Die Unterschiede, die sich in der Bildung des Eies bei den Schildwanzen vorfinden, sind im Ganzen nur gering. Sie beschränken sich vorzugsweise auf die Form der Samen- becher und die Seulptur des Chorions, das sich übrigens sehr allgemein, wie es scheint, durch eine beträchtliche Dicke ("Aso— so‘) auszeichnet. Bei Pentatoma (Cimex) rufipes und P. perlatum ist das Chorion vollkommen strueturlos, bei Tetyra maura in der obern Hälfte von einem zarten, aber doch sehr deutlichen Leistenwerk übersponnen, bei Sewtellera nigrolineata und andern Arten (wie 2. B! Pentatoma juniperi- num nach de Geer, P. Aparines nach Leon Dufour) sogar mit ansehnlichen Haaren, Borsten oder Dornen besetzt. Die Leisten, die ich bei Tetyra eben erwähnt hahe, umschreiben ziemlich regelmässige sechseckige Felder von '!/,“, werden aber nach unten zu allmählig unvollständig, und vielfach unterbrochen, bis sie schliesslich in Höckerreihen sich auf- lösen und allmählig vollkommen verloren gehen. Unterhalb des Deckelrandes findet man einige grössere sechseckige Räume (von 1%,”‘), die durch kleinere unregelmässige und verschobene Felder getrennt werden und je in ihrer Mitte ein Samenbecherchen aufnehmen. Die Haare stehen bei Scutellera und zweien andern Arten, deren Bier ich im Freien auflas und unbestimmt lassen muss, obgleich ich die eine derselben nach der Eiform für identisch mit P. juniperinum hal- ten möchte, gleichfalls auf Leisten (Fig. 6) und zwar ohne be- 144 Rud. Leuekart: Ueber die Mikropyle und sondere Wurzel, so dass sie nur als locale Erhebungen desCho- rions angesehen werden dürfen. Die Felder, die von diesen Lei- sten begrenzt werden, haben auch ganz die gewöhnliche sechs- eckige Form, sind aber meistens etwas grösser und mitunter von einem höckrigen Aussehen. Die Haare zeigen eine ver- schiedene Bildung. Sie sind z. B. bei P. juniperinum dornförmig und spitz, bei Seutellera gleichbreit und plattgedrückt, mit abgestumpftem Ende u. s. w. Bei letzterer sind auch ge- wöhnlich die Haare, die auf den Ecken der Leisten stehen, sehr viel stärker und länger ('4,;'”), als die zwischenliegen- den. Der Deckel hat genau dieselbe Bildung wie das an- grenzende Chorion, gegen das er gewöhnlich nur (Fig.6) durch einen mehr oder minder breiten und deutlichen, verdünnten (und structurlosen) Randstreifen abgesetzt ist. Einen förm- lichen Falz habe ich unter den von mir untersuchten Arten nur bei dem einen Pentatoma mit behaarten Eiern angetroffen. Die Zahl der Samenbecherchen beläuft sich nach meinen Beobachtungen gewöhnlich auf 24 (mit individuellen Schwan- kungen von 20— 26). Die einzige Art, bei der ich eine be- trächtlich geringere Menge antraf, ist P. juniperinum mit 13 Samenbecherchen. In der Mehrzahl der Fälle besitzen diese Gebilde die Form eines Champagnerglases, doch finden sich zahlreiche und auffallende Verschiedenheiten, nicht bloss in Länge, Weite, Bildung des Stieles, sondern auch in der Ge- sammtform. So zeigt z.B. P. juniperinum schlanke und ke- gelförmige Mikropylaufsätze (Fig. 7) von colossaler Grösse (14), so dass sie schon dem unbewaffneten Auge auffallen. Sie messen an ihrer Wurzel 14,“ an ihrem vordern Ende !A20‘“ und umschliessen einen Kanal von etwa "/o0.. Die äusserste Spitze mit der Oeffnung ist schräg abgestutzt und von löffelförmiger Bildung. Tetyra maurd besitzt Micropyl- aufsätze, die bei einer ähnlichen Borstenform eine Länge von !%,“' haben und überall dieselbe Weite (!4,,‘”) zeigen. Bei den übrigen Arten finde ich dagegen becherförmige Aufsätze, die sich von der Wurzel nach vorn zu erweitern, bald plötz- lich, wie bei P. perlatum (Fig. 8), bald allmählig und ganz gleichmässig (Fig. 9). Die Weite des vordern Kelches beträgt den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 145 in diesen Fällen durchschnittlich etwa '%,,“, während die Wurzel nur !% 0 — Yon misst. Die Länge schwankt zwi- schen '%, und !45'". Die Richtung der Mieropylaufsätze fällt so ziemlich mit der Längsachse des Eies zusammen, während dagegen die kanal- förmige Fortsetzung derselben, die das Chorion durchsetzt und die eigentliche Mieropyle (!4 500“) darstellt, mehr oder min- der senkrecht zu der Längsachse steht. Der Verlauf dieses Canales lässt sich leicht verfolgen und namentlich auch die Einmündung in den Innenraum des Eies sehr deutlich zur Anschauung bringen. ‘Wo sich das Becherchen inserirt!), da erhebt sich die äussere Fläche des Chorions nicht selten in Form eines Hügels und Ringwulstes, während die innere Ausmündung des Mieropylcanales, auch wohl die Wandung dieses Canales selbst, mitunter eine fein granulirte Beschaf- fenheit hat (Fig. 9). Mit Reduvius, dem Repräsentanten einer neuen Familie, beginnt auch eine neue, in mehrfacher Beziehung abwei- chende Bildung des Micropylapparates, die im Gegensatze zu der bisher beschriebenen Anordnung eine „wandständige“ genannt werden könnte und mit einigen Modificationen bei der grössern Anzahl der noch übrigen Landwanzen, wahr- scheinlich auch bei einigen Wasserwanzen (bei Naucoris) vor- kommt. Die Micropylen verlaufen hier in Canalform auf der Innenfläche eines eigenen schirmartigen Fortsatzes, der den Deckel umfasst und in gewissem Sinne eine Verlängerung der äussern Firste des Deckelfalzes darstellt. Durch die Annahme], dass die Samenbecherchen, die bei den Schild- wanzen frei und isolirt im Umkreis des Deckels standen, blattartig abgeplattet und mit ihren Seitenrändern zu einer ringlförmigen Lamelle unter einander verwachsen seien, könnte 1) An dieser Stelle bricht der Micropylaufsatz, besonders wenn er einen dünnen Stiel hat, leicht ab, so dass dann die Micropyle eine ganz einfache Bildung zu haben scheint. So erklärt es sich wohl, wenn Leon Dufour bei Sceutellera maura statt der Haare „une rangee eireulaire de tres-petits points blancs“ auffand (1. c. p. 189). Müller’s Archiv. 1855. 10 146 Rud. Leuekart: Ueber die Mikropyle und man vielleicht diese Bildung noch am einfachsten mit der vorhergehenden in Uebereinstimmung bringen. Die Eier von Reduvius personatus, den ich hier zuerst hervorhebe (Tab. II. Fig. 10), erinnern durch ihre äussere Ge- stalt noch auffallend an die Eier der Schildwanzen. Sie sind oval und bauchig (reichlich !%’‘ lang), nach den Enden zu verjüngt und am vordern abgestumpften Pole mit einem ziemlich flachen und eingefalzten Deckel versehen. Das bräunlich gelbe Chorion besitzt eine sehr beträchtliche Härte und eine Dicke von Yo. Die äussere Fläche ist vollkom- men glatt und glänzend, die innere dagegen von einem fein- körnigen Aussehen. Eine weitere Struetur sucht man ver- gebens; nur hie und da sieht man einen dünnen Canal, der, wie bei Asilus, bis auf die untere Fläche des Chorions hin- führt und sonder Zweifel auch hier die Aufgabe hat, die atmosphärische Luft in einen nähern Contact mit dem Dotter und Embryo zu bringen. Die äussere Lippe des Deckelfalzes verlängert sich in eine dünne und vorsprin- gende schirmartige Lamelle von ';,‘“, an deren Innenwand man schon bei oberflächlicher Betrachtung eine Anzahl senk- rechter leistenförmiger Erhebungen hinziehen sieht. Diese scheinbaren Leisten sind nun die Mieropylen, deren Zahl sich ungefähr auf 80 belaufen mag, so dass die einzelnen etwa %45‘ von einander entfernt sind. An jeder dieser Micropylen (Fig. 11) unterscheidet man zwei Theile, einen äusseren becherförmigen Abschnitt, der fast die grössere Hälfte dersel- ben ausmacht, und einen untern Abschnitt von kanalförmiger Bildung. Der erstere ist an der Innenfläche der Lamelle mit der ganzen Länge festgewachsen, doch so, dass er deutlich vorspringt. Er beginnt mit einer querstehenden Oeffnung von 1/00‘ dicht unter dem obern Rande des Sehirmes und ver- jüngt sich von da allmählig, bis er in der Tiefe des Falzes ankommt. Wie nun bei den Schildwanzen der freistehende Becher sich in einen Canal fortsetzt, der das Chorion durch- bohrt, so auch hier. Aus dem untern Ende des Bechers entspringt ein dünner Gang (400) der schon oben er- wähnte untere Abschnitt der Micropyle, der, gewissermassen den feinen Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 147 eine Verlängerung des Innenraumes, eine Strecke weit (1/40) in der Substanz des Chorions herabläuft und sodann nach einer kurzen Biegung auf der Innenfläche ausmündet. Eine wesentlich gleiche Bildung finde ich an den Eiern der Bettwanze, Acanihias lectularia'), die freilich auf den ersten Blick bei einer sehr abweichenden Gestalt ganz ver- schieden zu sein scheinen. |Die Eier sind (Tab. II. Fig. 12) langgestreckt (14), eylindrisch und fast gleichbreit (v7); am hinteren etwas weiteren Ende abgerundet, vorn nach der einen (Rücken-) Fläche zu gebogen und mit einem ziem- lich flachen Deckel versehen), dessen Rand von einer ringförmigen Schirme (!%,‘”) umfasst wird. Das Chorion ist fest und an den von mir beobachteten Eiern, die aus dem Ovariam genommen sind, augenscheinlich aber ganz reif waren, structurlos und glatt, während de Geer und Leon Dufour zahlreiche kleine Spitzen beschreiben, die von der Oberfläche des Eies sich erheben sollten. Nur der Rand des Deckels und die nächstliegende Portion des Chorions zeigt ein etwas unebenes Aussehen, aber die Höcker, die dasselbe bedingen, sind entschieden nicht an der äussern Fläche angebracht, sondern wie bei Reduvius an der Innen- fläche, die hier ebenfalls durch dünne und senkrechte, ein- zeln stehende Kanäl ezur Aufnahme vou Luft befähigt ist. Nur die Oberfläche des Deckels hat ein abweichendes Aussehen und ist (Fig.13) von einem zierlichen Gitterwerke übersponnen, dessen Leisten nach der Mitte zu ihre höchste Entwicklung erreichen und ziemlich regelmässige Felder von '%, um- schreiben. Die Zahl der Mieropylen beträgt gegen 100, die Grösse ihrer Abstände etwa !/,,0”. Sie erscheinen (Fig. 13) als äusserst dünne Kanäle (von etwa 1,00’), die die ganze Höhe des Schirmes von dem stark verdickten Rande an durchsetzen und unterhalb desselben wie bei Reduvius mit I) Nach der Bildung der Eier darf daher auch die Gruppe der Acanthiaden kaum von der der Reduvinen abgetrennt werden. 2) Es ist ein Irrthum, wenn Meissner, ich weiss nicht auf wel- che Autorität hin, behauptet, dass der mit einem Deckel versehene Pol der Bettwanzeneier der untere sei (a. a. O. S. 287). 10* 148 Rud. Leuekart: Ueber die Mieropyle und einer deutlichen Oeffnung in das Ei hineinmünden. Die Wandungen dieser Kanäle bilden auf der Innenfläche des Schirmes eine vorspringende Längsleiste, die etwa son‘ misst und an dem vordern keulenförmig verdickten Ende die äussere Mieropylöffnung als eine schmale Längsspalte erken- nen lässt. Das Ei von Harpactor eruentus (Tab. 1. Fig. 14) hat eine ganz ähnliche Form und Bildung und unterscheidet sich, wenn wir von der beträchtlichern Grösse und der mehr ge- drungenen Form (es misst 1” in der Länge und fast 14 in der Breite), auch von der bräunlichen Färbung absehen, fast nur durch einen sehr eigenthümlichen kegelförmigen oder hutartigen Aufsatz von 1‘, der auf der Oberfläche des Deckels befestigt ist und eine schwammige Beschaffenheit hat. Bei näherer Untersuchung erkennt man in diesem Auf- satze ein dickes Bündel zarthäutiger Röhren oder langge- streckter Zellen, die gleich den Markzellen mancher Pflan- zen mit Luft gefüllt sind und auch sonst in Form und Aus- sehen mit diesen einige Aehnlichkeit haben. Das untere Ende der Röhren, die durch ihre Wandungen fest mit ein- ander zusammenhängen, sitzt auf einem Leistenapparate, der wie bei Acanthias die Oberfläche des Deckels überspinnt. Die ganze Bildung darf man in morphologischer Beziehung über- haupt wohl nur als eine weitere Entwicklung dieser Leisten in Anspruch nehmen. Der Micropylapparat zeigt (Fig. 14) die grösseste Uebereinstimmung mit Acanthias, nur fehlen die keu- lenförmigen Endanschwellungen an den Leisten, die im Innern die Micropylcanäle einschliessen. Auch sieht man hier und da zwischen diesen Leisten noch eine schwächere Längs- leiste ohne Canal herabsteigen. Der Rand des Schirmes, an dem die Micropylcanäle hinlaufen, zeigt statt eines verdick- ten breiten Saumes zwei schmälere Ringleisten, die durch Anastomosen zusammenhängen, und verlängert sich sodann in eine äusserst dünnhäutige Lamelle, die den Deckelaufsatz bis zur Spitze überzieht und eine schöne und deutliche Fel- derung erkennen lässt. Die Felder sind durch vorspringende Leisten abgesetzt und haben in der Regel eine langgestreckte den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 149 Form. Die Innenfläche derselben ist ziemlich stark ge- körnelt (Fig. 14). Einen wesentlich gleichen Typus der Eibildung finde ich bei Nabis brachyptera Kirschb. (n. sp.) und den von mir unter- suchten Capsinen (Capsus ater, Phytocoris seticornis, Ph. 2notata, Ph. viridis). Die Hauptdifferenzen beschränk- ten sich auf eine etwas abweichende schlankere Gestalt, die noch schlanker ist als bei Acanthias, und auf eine stärkere Entwickelung des Schirmes, der den Deckel um ein Ansehn- liches überragt und mit dem honigwabenartigen Aufsatze des- selben so ziemlich die gleiche Höhe hat (Fig.15-19). Freilich ist diese Höhe weniger beträchtlich als bei Harpactor, aber immer noch ganz ansehnlich, so dass das betreffende Gebilde schon dem unbewaffneten Auge auffällt'),, Ueber die Bedeutung dieses sonderbaren Apparates weiss ich keinen befriedigenden Aufschluss zu geben. Dass er die Bestimmung habe, den Deckel aufzuschliessen, scheint kaum glaublich. Man könnte viel eher annehmen, dass derselbe zum Festhalten des Dek- kels diene, zumal dieser wirklich nur äusserst lose eingefügt ist. Indess steht doch zu bezweifeln, dass darin die einzige Aufgabe dieser Anordnung bestehe. Die histologische Bildung des Chorions ist genau dieselbe wie in den bisher betrachteten Fällen bei Acanthias und Re- duvius. Das Chorion ist dick und aussen glatt, aber innen granulirt, wenn auch bei den einzelnen Arten in verschieden starkem Grade. Hier und da sieht man auch einen dünnen kanalförmigen Gang, der die Dieke des Chorions durchsetzt und die Räume zwischen den Höckern der Innenfläche mit Luft füllt. Die stärksten Granulationen finden sich beständig 1) Nichts desto weniger scheint dasselbe den frühern Beobachtern fast vollkommen entgangen zu sein. Nur bei Kirby und Spence finde ich (a. a. O. 8.112. Tab. XV. Fig. 16) eine Bemerkung, die ich darauf bezieben möchte. Sie betrifft ein Wanzenei (freilich, wie — wohl irrthümlich — angegeben wird, von Pentatoma) mit einer „sonderbaren Maschine“, die „in Gestalt einer Armbrust“ auf dem Deckel befestigt sei und dazu dienen möchte, den Deckel aufzu- schliesseu (?). 150 Rud. Leuckart: Ueber die Micropyle und unterhalb des Deckelfalzes, wo das Chorion seine grösseste Dicke erreicht (bei Phyticoris viridis = Yıso, bei Nabis = !/%00) und auch nicht selten äusserlich mit Grübchen oder weiten zellenartigen Vertiefungen (Ph. viridis Fig. 16) ver- sehen ist. An diese Vertiefungen schliesst sich bei Ph. viridis nach oben noch ein weitmaschiges Leistenwerk], das gewis- sermassen die Fortsetzung derselben darstellt und auf der Oberfläche des Schirmes sich bis über die Hälfte seiner Höhe verfolgen lässt (Fig. 17). Die Höhe dieses Schirmes ist sehr beträchtlich, wie schon bemerkt wurde, zeigt aber je nach der Grösse des Eies bei den einzelnen Arten einige Verschiedenheiten. Bei Nabis sub- aptera und Phytocoris binotata, deren Eier etwa 1‘ messen, beträgt dieselbe '/4,, bei Capsus mit Eiern von etwas mehr als !,' etwa 1%. Sie überragt die Höhe des Deckels, wenn wir von dem wabenartigen Aufsatze desselben absehen, reichlich um das Vierfache, besonders an der Bauchfläche des Eies, wo der Schirm mitunter eine stärkere Entwicklung erreicht. In der Mitte der Seitenflächen ist dieser Schirm dagegen nicht selten beträchtlich niedriger, namentlich bei Capsus, wo der Rand desselben in der Profillage weit aus- geschritten erscheint. Diese Profillage bekommt man bei den Eiern, um die es sich hier handelt, fast ausschliesslich zu Gesicht; ein Umstand, der theils von der Krümmuug des Eies am obern Ende, theils auch daher rührt, dass eben dieses Ende sich allmählig von den Seiten etwas abplattet. An dem Schirme ist diese Abplattung gewöhnlich am stärk- sten, namentlich bei /hytocoris, wo der Querdurchmesser desselben kaum den zehnten Theil der Länge beträgt, so dass der Schirm mit seinem Inhalte hier gleichsam einen kammartigen Aufsatz des Eies darstellt (Fig. 13). Die Micropylen stehen (Fig. 15, 16) in der ganzen Peri- pherie des Schirmes und betragen jederseits etwa 20—25 oder auch mehr, wie bei Ph. seticornis, wo ich deren über 35 zählte, bald einige mehr, bald auch weniger in den ein- zelnen Eiern. Sie erscheinen als dünne Kanäle (von 14500); die die ganze Höhe des Schirmes in senkrechtem Verlaufe den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. ]5l durchsetzen und, wie bei Acanthias u. Ss. w., unterhalb des Deckelfalzes mit einem scharfen Bogen in den Innenraum des Eies einmünden. Das obere Ende dieser Micropylkanäle ist nur schwer zur Anschauung zu bringen. Bei Phyt. viridis trägt dasselbe (Fig. 15) einen förmlichen Samenbecher, wie wir ihn bei den Schildwanzen angetroffen haben, einen ey- lindrischen Aufsatz von Y,,“ Länge und '/,,0“ Breite, der sich an den vordern dünnen Saum des Schirmes anlehnt, aber nur an seinem untern Ende festsitzt, so dass er die verschiedensten Lagen annehmen kann. Bei den übrigen Eiern dieser Gruppe habe ich vergebens nach diesen Samenbecher- chen gesucht, so dass ich fast geneigt bin, hier eine einfa- che Oefinung am obern Ende der Mieropylkanäle anzuneh- men, wie in den zunächst vorhergehenden Fällen. Nament- lich gilt solches für Nabis, deren Schirm am Rande oberhalb der Micropylkanäle, gewissermassen als Andeutung der bei Harpactor vorkommenden Bildung, einen zarten mit Längs- und Querleisten übersponnenen Saum trägt. Die hervorge- hobene Verschiedenheit ist mir übrigens um so glaublicher, als Ph. eiridis sich auch durch die Bildung des Deekelappa- rates von den übrigen untersuchten Arten unterscheidet. Bei den letztern ist der Innenraum des Schirmes von dem oben erwähnten wabenartigen Gewebe vollständig ausgefüllt. Die Zellen, die dasselbe zusammensetzen und etwa soo“ weit sind, stehen parallel neben einander und, wie die Wände des Schirmes, im Allgemeinen senkrecht auf der Deckelwöl- bung (Fig. 19). Die äussern Oeffnungen dieser Zellen sind frei und unbedeckt und liegen ungefähr in der Ebene des Schirmrandes, in der Mitte auch wohl (Nabis und Capsus) etwas tiefer, so das die vordere Fläche des Deckelaufsatzes dadurch ein muldenförmiges Aussehen annimmt!). Aber an- 1) Ob die Bildung dieses Aufsatzes übrigens bei allen Arten des Gen. Nabis genau dieselbe ist, muss ich natürlich unentschieden lassen. L&on Dufour beschreibt (l.c. p. 218) das Ei von Nabis dorsalis und sagt von diesem: „ils sont allong&s, eylindroides, tronques et möme un peu &vasds a une extr&mite et le contour de la tronquature est reborde, 152 Rud. Leuckart: Ueber die Mieropyle und ders, wie gesagt, verhält sich die Bildung dieses Apparates bei Ph. viridis. Die Zellen schmiegen sich hier (Fig 16, 18) an die Wölbung des Deckels an, um sich sodann im Cen- traum desselben in Säulenform zu erheben; sie bilden, wie in dem Falle von Kirby und Spence, eine Armbrust, deren Bogen auf dem Deckel aufliegt, während der Schaft von demselben sich erhebt. Den Vergleich von Kirby und Spence möchte ich übrigens eben nicht zu dem meinigen machen; ich möchte die Bildung des Zellenapparates viel lie- ber mit jener Haartracht vergleichen, bei der die Haare an allen Seiten glatt auf dem Kopfe aufliegen, und sich nur auf dem Scheitel in Form eines Schopfes erheben. Die Säule oder, wenn man will, der Schopf des Wabenapparates, der von den Wänden des Schirmes natürlicher Weise durch einen Zwischenraum getrennt ist, zeigt übrigens keinen vollkommen kreisförmigen Durchschnitt, sondern ist von den Seiten zu- sammengedrückt und am obern Ende dachartig abgeflacht, so dass die Eingänge in die Zellenräume des Apparates, die hier eine schlitzförmige Bildung haben, auf den beiden Flä- chen dieses Daches neben einander stehen (Fig. 15). Auf einer frühern Entwicklungsstufe (Fig. 15) ist die Bildung des Apparates mit diesem Doppeldache abgeschlossen; während der spätern Entwicklung wächst nun aber die Firste dessel- ben nach rechts und links in eine horizontale Leiste aus, bis dadurch allmählig ein förmlicher zweiter Deckel entsteht, der sich mit seinen Rändern auf den Saum des Schirmes auflegt (Fig. 16,18). Die Substanz dieses äussern Deckels besitzt gleich den Zellenwänden in ihrer obern Hälfte eine spongiöse Beschaffenheit. Sie zeigt Gruben und Lücken von verschie- dener Weite, besonders in der Peripherie, so dass der Schluss des accessorischen Deckels sehr unvollständig erscheint und die Füllung der Samenbecherchen ungehindert geschehen kann. Auf welche Weise das freilich geschieht, das muss ich der spätern Zeit zur Beobachtung übrig lassen. comme crenele en dedans“ — doch bleibt es unentschieden, ob hiermit der wabenartige Deckelaufsatz gemeint sei. den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 1]53 So nahe verwandt nun nach der Bildung der Eier die Capsinen mit den Reduvinen erscheinen, so verschieden ist von denselben in dieser Beziehung das Gen. Myrmus (M. Schillingii), bei dem ich eine Form und einen Bau des Eies und namentlich des Micropylapparates vorfinde, wie er bis jetzt noch einzig unter den Landwanzen dasteht!). Das Ei hat auf den ersten Blick eine ovale Gestalt (2% lang, 1/4 breit), zeigt aber bei näherer Untersuchung (Tab. I. Fig. 20) in der Krümmung der Rücken- und Bauchfläche, auch in der Anwesenheit eines Deckels und der Stellung desselben ganz ähnliche Verhältnisse, wie wir sie bei den zuletzt betrach- teten Formen vorgefunden haben. Nur ist die Gestalt im Ganzen sehr viel gedrungener und der Deckel sehr viel klei- ner, als bei den meisten dieser Thiere, auch ohne Schirm und Aufsatz, ja selbst ohne eigentlichen Falz. Wie bei einem Theile der Schildwanzen wird die Grenze des Deckels nur durch einen dünnen Randstreifen angezeigt. Dazu kommt, dass unser Ei auf der gekrümmten Bauchfläche ungefähr an der hintern Grenze des mittlern Drittheiles einen napf- oder schildförmigen Anhang trägt, der sonder Zweifel zum Befe- stigen des Eies dient. Das Chorion hat eine sehr beträchtliche Dicke (X) und eine bräunliche Farbe. Es besteht (Fig. 22) aus meh- reren über einander gelegenen Schichten von verschiedener Struetur, einer obern,. mittlern und untern, allein diese Schich- ten hängen fest zusammen und lassen sich auf längere Strek- ken nicht von einander abtrennen. Die untere, zugleich auch die dünnste dieser Schichten hat eine feinkörnige Beschaffen- heit, wie wir das schon so häufig bei den Wanzen angetrof- fen haben. Die mittlere Schicht, die darauf folgt und durch ihre Färbung das bräunliche Aussehen des ganzen Eies be- dingt, ist schön und regelmässig gefeldert. Sie besteht aus sechseckigen Facetten von '4,, die durch ziemlich breite Furchen (',,”) von einander getrennt werden, und in der 1) Nach den Angaben von L&on Dufour (l. ce.) dürfte übrigens eine ähnliche Bildung wohl allgemeiner bei den Coreiden vorkommen. 154 Rud. Leuckart: Ueber die Micropyle und Mitte je eine weite und schüsselförmige Grube von #44, tragen. Furchen und Gruben liegen aber nicht frei zu Tage, sondern werden von der äussern COhorionschicht überdeckt, die die beiden andern Schichten an Mächtigkeit beträchtlich überragt und ihrer Hauptmasse nach vollkommen homogen ist. Nur an der Oberfläche zeigt diese Schicht eine eigen- thümliche Bildung, zahlreiche grosse Höcker von halbkugel- förmiger Gestalt (Yıso — Vs‘), die tiefe Thäler zwischen sich lassen und den Feldern der mittlern Schicht insofern entsprechen, als jedesmal oberhalb der Centralgrube dieser Felder sich ein Höcker erhebt, der die nächstliegenden in der Regel durch seine Grösse etwas übertrifft. Wo die Thä- ler zwischen diesen Hügeln an einander stossen, vertiefen sich dieselben hier und da zu einem dünnen Kanale, der bald in die Centralgrube, bald auch in die Furchen der mitt- lern Chorionschicht hineinführt und von da aus die Luft bis zwischen die Unebenheiten auf der Innenfläche der Eihaut fortleitet. Der Haftapparat, den wir oben erwähnt haben, wird ausschliesslich von der äussern structurlosen Chorion- schicht gebildet. Er besteht ursprünglich aus einem ein- fachen cylindrischen Stiel oder Zapfen von 1%,“ Dicke und 1/70» Länge, aber das Ende dieses Zapfens verwandelt sich durch Bildung eines lamellösen Ringwulstes allmählig in eine Scheibe, die sich eine Strecke weit über das anliegende Cho- rion ausbreitet. Die Zahl der Micropylen beträgt bei Myrmus nur zwei, und diese beiden sind (Fig. 20) in der Mittellinie des Eies, die eine auf dem Deckel, und zwar dem vordern Rande des- selben angenähert, die andere oberhalb dieses Deckels an der vordern Eispitze angebracht. Eine jede dieser Micropy- len (Fig. 21) liegt auf einer kleinen kugligen oder birnförmi- gen Erhebung von !/,,'“, die an der Spitze eine muldenför- mige Grube von !/,,“‘ trägt, aus deren Tiefe ein Micropyl- kanal von’ ziemlich ansehnlicher Weite (1/0) hervorkommt. Der Kern dieser Erhebung, der den Micropylkanal umgiebt, besteht aus einer spongiösen Masse, die gewissermassen eine den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 155 Wucherung der untersten Chorionschicht darstellt und äusser- lich nur von einer dünnen structurlosen Lage überdeckt wird. Die Verhältnisse, die wir hier ‚eben bei Myrmus angetrot- fen haben, machen in unverkennbarer Weise einen. Ueber- gang zu der Eibildung der Wasserwanzen, die — mit Aus- nahme von Naucoris cimicoides, einem Thiere, das sich in dieser Hinsicht an die Reduvinen anzuschliessen scheint!) — so weit ich untersuchen konnte, ganz allgemein einen über- einstimmenden Typus uns vorführen. Die Eier sind mehr oder minder gestreckt, nach hinten nicht selten in einen Stiel verlängert, ohne Deckel und mit einer einzigen oder höchstens mit zwei Micropylen versehen. Ich beginne mit dem Gen. Coriza, aus dem ich zwei Arten C. striata und C. nigrolineata untersuchte. Die Eier sind (Tab. II. Fig. 23), wie schon Leon Dufour angiebt (l.e. p. 222) birnförmig, am obern Ende in eine kurze und dünne Spitze ausgezogen, am untern bauchigen Ende da- gegen mit einem scheibenförmigen Haftapparate versehen, der in jeder Beziehung mit dem entsprechenden Gebilde bei Myrmus übereinstimmt und zum Befestigen der Eier, (auf Wasserpflanzen) dient. Das Chorion ist farblos, verhältniss- mässig fest und diek, aber ziemlich structurlos, namentlich bei C. striata, wo man nur hier und da eine kleine Vertie- fung und (besonders nach vorn zu) die schwachen Controu- ren einer Pelderung auf der Oberfläche antrifftt. Coriza mi- grolineata lässt dagegen eine grosse Menge kleiner gruben- artiger Vertiefungen erkennen, die ziemlich weit in das hier etwas dickere Chorion hineindringen, Die schnabelartigeSpitze, die am vordern Ende vorspringt, besteht aus einem conischen 1) So wenigstens nach der Beschreibung von Leon Dufour, die folgendermassen lautet: „Les oeufs de la N. cimicoides sont oblongs, eylindroides, un pen courb&s, blanchätres, trös lisses, obliquement tronqu&s a leur bout anterieur. Cette troneature est cir- eonscrite par un filet surveillant.*“ Die Eibildung von N. aptera scheint dagegen verschieden und mit der der übrigen Was- serwanzen übereinzustimmen (l. c.): „Les oeufs de la N. aptera sont ovales-obtus, nullement tronqucs.“ 156 Rud. Leuckart: Ueber die Micropyle und Aufsatz des Chorions (14,‘ breit, !/,“' lang), der einen ein- zigen dünnen Micropylkanal im Innern einschliesst. Die äusserste Spitze dieses Aufsatzes habe ich — da ich meine Eier durch Aufweichen trächtiger Weibchen gewann — nicht beobachten können, es dürfte wohl zu erwarten sein, dass dieselbe eine trichterförmige Bildung besitzt. Die Oberfläche dieses Aufsatzes ist, namentlich an der Wurzel, von tiefen Schrunden und querstehenden Falten durchzogen. Bei Notonecta glauca haben wir trotz der abweichen- den Eiform und des mangelnden Haftapparates ganz dieselbe Bildung. Das bräunliche Ei (reichlich 1‘) ist ziemlich schlank, nach hinten etwas verjüngt, vorn abgestumpft und mit einer fast ganz ebenen Rückenfläche versehen. Die Micropyle liegt mit ihrem Aufsatze nicht genau am vordern Pole, sondern der Bauchfläche etwas angenähert. Das Chorion ist fest und dick, besonders an der Bauchfläche, und wird (Fig. 24) durch zwei über einander liegende Lamellen gebildet, die sich leicht in grössern Flächen von einander abtrennen lassen. Die un- tere dieser Flächen, der das Pigment inbärirt, ist von ansehn- licher Dicke, besonders am Rücken, wo sie '/s,‘“ misst, und von zahllosen feinen aber sehr deutlichen Poren durchsetzt, die bis in die untern Schichten derselben hindringen, sich in- dessen sonst in ihrer Entwicklung nach der Dicke der einzel- nen Chorionstellen richten. Ausser diesen Löchern bemerkt man noch eine schöne und deutliche Felderung (!4,“‘) mit vorspringenden Leisten. Die obere Chorionschicht zeigt im Wesentlichen dieselbe Structur, besonders an der Rücken- fläche, wo sie von der untern Schicht, der sie aufliegt, kaum zu unterscheiden ist. Nach dem Bauche zu ändert sich aber ihr Aussehen und zwar dadurch, dass die Breite und Höhe der Leisten zwischen den einzelnen Feldern allmählig ganz ausserordentlich zunimmt (Fig. 24). Die breitesten Leisten mes- sen '/,,‘“ und springen dabei so weit vor, dass die eigentliche Fläche der Felder, die zwischen ihnen bleibt, die Form von tiefen und weiten Centralgruben annimmt. Der Boden und die Seitenwände dieser Gruben werden von Kanälen durch- setzt, die bis auf die untere Chorionschicht eindringen. Die den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneien. 157 Leisten selbst bleiben solide, wie man sich in der Profillage leicht überzeugen kann, Bei einer Betrachtung von der Fläche aus scheinen dieselben allerdings von quer verlaufenden Ka- nälen durchsetzt zu sein, indessen rührt dieses Aussehen nur daher, dass die eben erwähnten Kanäle der Seitenwände in schräger Richtung die tiefern Lagen des Exochorions un- ter den Leisten durchbohren. Im Umkreis der Micropyle be- merkt man (Fig. 24) ein helles Feld von !44“, das sich scharf gegen das übrige Chorion absetzt und eine sehr un- deutliche Felderung und einfache Punktirung zeigt. Aus der Mitte dieses Feldes erhebt sich der Micropylaufsatz, der eine einfache Haarform hat, wie bei manchen Schildwanzen, sich aber nach dem Ende zu ein Wenig (von Yı.,"— Yo‘) er- weitert. Die Höhe beträgt '/,‘”, doch war bei den beobach- teten Eiern das äusserste Ende abgebrochen. Der Mieropyl- kanal ist ziemlich weit, besonders an der Spitze, wo er reichlich !45,”‘ misst, während die innere Mündung nur !%99‘ beträgt. Die Ränder des Kanales sind höckrig. Das Eı von Limnobates stagnorum steht (Tab. II. Fig. 25) zwischen den beiden letztbetrachteten Formen gewissermassen in der Mitte. Es ist schlank und langgestreckt, etwa 14 lang, '/‘ breit, nach hinten zu verjüngt und schliesslich in einem langen ('/,,“) und dünnen (!/,,,“) soliden Stiel ausge- zogen, dessen Ende, wie bei Coriza und Myrmus, eine rund- liche Haftscheibe trägt. Der vordere stumpfere Eipol ist mit einem gleichfalls langen (Y/,s“) und schlanken (!/,,“) Miero- pylaufsatze versehen, dessen Kanal von ziemlich beträchtli- cher Weite ist ('/goo‘) und vorn in einen dünnhäntigen Trich- ter auszulaufen scheint. (Auch hier konnte ich, wie bei allen Wasserwanzen, nur aufgeweichte Eier untersuchen.) Das Chorion ist ziemlich dick und fest (',,,,”) und Anfangs bis auf einige schmale Längsleisten, die in Entfernungen von ’/0‘ verlaufen und durch einige noch dünnere Anastomosen zusammenhängen, vollkommen structurlos. Späterhin lagert sich jederseits neben diesen Leisten eine mitunter auch mehr- fache Reihe von kleinen und rundlichen Hervorragungen ("/00“‘) ab, die durch thalartige Vertiefungen von einander getrennt 155 Rud. Leuckart: Ueber die Mieropyle und sind. Der Micropylaufsatz gewinnt durch ähnliche Höcker ein schuppiges Aussehen, während der Stiel beständig glatt bleibt. Hydrometra lacustris hat grosse und ovale, gelbliche Eier, wie Notoneeta, nur dass der Unterschied zwischen Rük- ken- und Bauchfläche nicht so deutlich hervortritt. Das Cho- rion ist einfach, aber sehr diek (14,,) und fest, besonders an den Polen, wo die Dicke desselben bis zu 14,” steigt. Die Oberfläche zeigt zahlreiche Unebenheiten, Hervorragungen und Poren, welche letztere bis in die Tiefe des Chorions hin- eindringen, obgleich sie niemals jene Regelmässigkeit, Schärfe und auch jene Weite besitzen, wie wir dies oben bei Noto- necta hervorgehoben haben. Der Micropylapparat ist aller- dings noch einfaeh, wie in den vorhergehenden Fällen, aber ohne Aufsatz; er erscheint (Fig. 26) als ein dünner (1%,0”'), scharf markirter Kanal, der aus einer flachen und weiten Grube am vordern Pole hervorkommt und in schräger Rich- tung nach hinten herabläuft, so dass seine Mündung nicht genau in den Pol des EBies hineinfällt. Das untere Ende des Micropylkanales beschreibt eine kurze Strecke vor der Aus- mündung einen scharf nach innen gewandten Bogen. Dieselbe Bildung finden wir an den ähnlich geformten, aber kleinern Eiern von Velia currens, nur dass hier (Fig. 27) statt eines einfachen Micropylkanales deren zwei existiren, die in geringer Entfernung (von '/,,”) neben ein- ander stehen und aus derselben Grube (!/,,) hervorkom- men. Der Verlauf dieser Kanäle ist etwas divergirend, aber sehr viel weniger auffallend, als bei Hydrometra, mit dem das Chorion unseres Eies sonst trotz seiner grössern Dünne (a0) übereinstimmt. Die Nepiden besitzen ebenfalls diese Bildung des Micro- pylapparates, auch im Wesentlichen dieselbe Eiform, sind aber bekanntlich dadurch ausgezeichnet, dass sie in der Nähe des vordern Poles eine (kleinere oder grössere) Anzahl lan- ger Strahlen tragen. Man giebt seit Swammerdamm ge- wöhnlich an, dass der Insertionspunkt dieser Strahlen mit dem vordern Pole des Eies zusammenfalle, doch habe ich den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 159 mich bei Nepa cinerea, an der ich meine Untersuchun- gen anstellte, ganz deutlich überzeugen können, dass der Kranz von Strahlen, der hier vorkommt, eine excentrische Lage hat und der einen Fläche des Eies angenähert ist (Tab. II. Fig. 25). Das vordere Ende dieser Fläche, die ich we- gen ihrer geringern Wölbung für die Rückenfläche halte, ist schräg abgestutzt und bildet ein rundliches Feld, dessen Pe- ripherie von sieben langen (1”) und divergirenden !) borsten- artigen Strahlen umsäumt ist. Die untern Enden dieser Strah- len sind knopfförmig verdiekt und in unmittelbarer Berüh- rung. Oberhalb dieses Strahlenkegels springt der vordere Eipol ein wenig vor und eben hier findet man die Micropy- len, die man ohne Kenntniss ihrer Lage sehr leicht überse- hen kann. Ein Deckel fehlt. Das Chorion von Nepa cinerea besteht (Fig. 29) aus zwei Lamellen, die sich mit Ausnahme eines kleinen rundlichen Feldes am hintern Pole, der Basis des Strahlenkegels ge- genüber, leicht abtrennen lassen und eine verschiedene Stru- ctur besitzen. Die äussere festere und dickere Lamelle, das Exochorion, ist regelmässig gefeldert. Sie zeigt auf einer fein granulirten Oberfläche sechseckige Räume von '/,,”, die durch schwache Leisten von einander getrennt sind und eine Anzahl von 4—12 (meist 8 oder 10) rundlichen Buckel von "/a00'“ tragen. Die Mitte der Buckel ist durch eine Oeffnung ausgezeichnet, die sich in einen dünnen Kanal auszieht und in Form dieses Kanales die ganze Dicke des Chorions bis auf die untere Fläche durchsetzt. In den Zwischenräumen zwischen den untern Mündungsstellen dieser Kanäle er- heben sich auf der innern Fläche des Exochorions einzelne unregelmässige Hervorragungen von rundlicher oder bogen- 1) Nach der Abbildung von Swammerdam (l. e. Tab. I. Fig. 7) sollen diese Strahlen auch im Eierstocke divergiren und das untere Ende des vorhergehenden Eies zwischen sich nehmen. Ich habe mich davon nicht überzeugen können und die Strahlen mit Kirby und Spence 4a. n.0. 8. 102) im Kierstocke beständig wie „eine Art Schwanz“ dicht neben einander liegend zur Seite des vorhergehenden Kies angetroffen. 160 Rud. Leuckart: Ueber die Micropyle und förmiger Gestalt. Die innere Lamelle, das Endochorion, ist von sehr zarter und höckriger Beschaffenheit. Sie trägt eine Anzahl von kleinen und dicht stehenden Hervorragungen, de- ren Zwischenräume sich augenblicklich durch die Kanäle des Exochorions hindurch mit Luft füllen, sobald man das Ei dem Contacte derselben aussetzt. Gegen den vordern Pol des Eies und den Strahlenkegel nimmt |das Exochorion (Fig. 29) allmählig ein etwas abwei- chendes Aussehen an, indem die Grenzen der Felder ihre frühere Deutlichkeit verlieren und die Zahl der Buckel auf denselben beträchtlich zunimmt. Gleichzeitig oblitteriren die Kanäle, die sonst in der Mitte der Buckel ihren Ursprung nehmen, die Buckel selbst werden platt, und so kommt es denn, dass die Oberfläche des Exochorions an den genann- ten Stellen und namentlich im Umkreis des Strahlenkegels fast wie geschuppt oder gepflastert aussieht. Zwischen den Wurzeln der Strahlen bietet das Exochorion ein neues Bild; es zeigt hier ein ansehnlich entwickeltes Gitterwerk, das muldenförmige Gruben von unregelmässiger sechseckiger Ge- stalt (1% — a0“) umschliesst und einige kleine tuberkelför- mige Höcker zwischen sich erkennen lässt. Es bedarf kaum der Bemerkung, dass auch diese Bildung uns nur eine Mo- dification der gewöhnlichen Textur des Exoehorions vor- führt. Was nun die Strahlen betrifft, so erscheinen diese als solide Fortsetzungen oder Auswüchse des Chorions, wie die Hörner an den Eiern gewisser Museiden, obgleich sie sich von diesen insofern unterscheiden, als sie, in Uebereinstim- mung mit der eigenthümlichen Bildung des Chorions, aus zwei über einander liegenden Schichten bestehen, aus einer Achsenschicht und einer Rindenschicht (Fig.29). Die erstere ist eine Fortsetzung des Endochorions; sie hat eine spongiöse Beschaffenheit und umschliesst zahlreiche kleine Räume, die mit den Lufträumen zwischen Endochorion und Exochorion zusammenhängen. Im Gegensatze zu dieser Achsenschicht hat die Rindenschicht der Strahlen, die begreiflicher Weise eine Verlängerung des Exochorions darstellt, eine ganz ho- mogene und feste Beschaffenheit. Sie zeigt nicht einmal mehr den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 161 die Spuren jener eigenthümlichen Textur, die wir sonst an dem Exochorion aufgefunden haben. Aber nur die untere Hälfte der Strahlen ist es, in der das Exochorion diese ein- fache Bildung hat. In der obern Hälfte zeigt dasselbe ein sehr abweichendes Aussehen; es ist hier von zahlreichen diehtstehenden Kanälen durchsetzt, die in das spongiöse Ge- webe der Achsenschicht hineinführen. Für die physikalischen Vorgänge des Entwicklungsproces- ses ist die eben geschilderte Bildung voraussichtlich von höch- ster Bedeutung. Das Ei der Nepiden wird bekanntlich in den Stengel gewisser Wasserpflanzen hineingesenkt, vielleicht mehr oder minder tief, so dass nur die äussere Hälfte des Strahlenkegels constant nach Aussen hervorragt. Die Koh- lensäure, die während der Entwicklung producirt wird, sam- melt sich nun sonder Zweifel in den Lufträumen zwischen den beiden Lamellen des Chorions, und diese Lufträume stehen nur an den Strahlen in unmittelbarer Berührung mit dem umgebenden sauerstoffhaltigen Wasser. Es bedarf kei- nes weitern Beweises, dass unter solchen Umständen die Sauerstofflung des Dotters, wie schon Kirby und Spence vermutheten (a.a. O. S.105), weit leichter und reichlicher vor sich gehen kann, als etwa bei vollständiger Homogenität der Rindenschicht an den Strahlen oder gar bei Abwesen- heit der letztern. (Die Oeffnungen des übrigen Exochorions haben freilich wohl dieselbe Bedeutung, doch möchte zu ver- muthen sein, dass sie weniger mit dem umgebenden Was- ser, als vielmehr mit den Pflanzensäften in Wechselwirkung stehen. ) Ich habe schon oben darauf hingewiesen], dass sich am hintern Eipole eine eircumscripte Stelle finde, an der die bei- den Lamellen des Chorions mit einander verwachsen sind. Die mikroscopische Bildung dieser Stelle schliesst sich un- mittelbar an die Bildung der Rindenschicht in der äussern Hälfte der Strahlen an, nur dass sich die Felderung des Ex- ochorions noch sehr deutlich nachweisen lässt. Die Buk- kel der Felder sind verschwunden, während sich dafür die Zahl der senkrechten Kanäle sehr beträchtlich vermehrt hat, Müller's Archiv. 1865, 11 162 Rud. Leuckart: Ueber die Mieropyle und Die beiden Mieropylen liegen dicht neben einander, in Entfernung von !%,” und erscheinen als einfache Kanäle, die in etwas divergirender Richtung das Chorion durchsetzen und etwa 1%o00° messen. Der Umkreis derselben ist im Um- fang von '/s0‘“ ganz glatt (Fig.29) und von einer bräunlichen Färbung. Die nächste Umgebung der Micropylen erscheint demnach als ein bisquitförmiges Doppelfeld, das nach aussen etwas vorspringt und genau an dem vordern Eipole ange- bracht ist. So Vieles von den echten Wanzen, den Halbdeckflüglern. Was nun die Gruppe der Homopteren und zunächst die der Cicaden betrifft, so schliessen sich diese nach meinen Beobachtungen durch Eiform und Bildung der Micropylen unmittelbar an’ die Wasserwanzen an. Die Thiere, die mir aus dieser Gruppe zur Untersuchung dienten, waren vorzugsweise zwei Arten des Gen. Cerco- pis, C.spumaria und C. bivittata, auch ausserdem Del- phaz div. sp., Centrotus cornutus, Ledra aurita, Aco- cephalus rostratus und Tettigonia haematodes'). Alle diese Arten produeiren ein langgestrecktes, walzenförmiges Ei (von '%—1‘”), das sich meistens nach dem vordern Pole zu ein wenig verjüngt und eine blendend weisse Farbe hat. Rücken- und Bauchfläche des Eies sind gewöhnlich, wenn auch in wechselndem Grade, durch die Art und Stärke ihrer Krümmung von einander verschieden, bei den Gen. Cercopis, Centrotus und Tettigonia auch noch durch eine eigenthümliche histologische Bildung der Rückenfläche, die in mehrfacher Beziehung, namentlich auch durch ihre Bedeutung für den hervorbrechenden Embryo, an die Auszeichnungen der Rük- kenfläche bei den Fliegeneiern erinnert. Bei Acocephalus?) 1) In Bezug auf die Verbreitung dieser Singeieade will ich hier beiläufig erwähnen, dass dieselbe auch bei Göttingen vorkommt, wo sie (auf der sg. Rathsburg) schon vor vielen Jahren von mir beob- achtet wurde. 2) Bei Acocephalus zeigt sich im obern Pole des reifen Eies eine kuglige Dottermasse, die sich durch Aussehen und histologische Bil- dung sehr auffallend von dem übrigen eigentlichen Dotter unterschei- den feinern Ban der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 163 und Ledra ist das Chorion in ganzer Ausdehnung homogen und structurlos, wie auch bei Centrotus und Tettigonia, wenn wir von dem eben erwähnten Rückenstreifen absehen. Nur bei Cercopis zeigt dasselbe an allen Stellen ein granulirtes Aussehen, das von kleinen und dicht stehenden Grübchen herrührt, die bei Cercopis bivittata auf der innern Fläche, bei C. spumaria dagegen auf den äussern angebracht sind und bei letzterer eine sehr ansehnliche Tiefe erreichen, so dass sie, wie bei Stomozys und andern Fliegen, als senkrechte Kanäle erscheinen. t Was nun den Rückenstreif, die oben erwähnte Vorrich- tung zum Aufsprengen des Eies, betrifft!), so erreicht dieser bei Cercopis spumaria seine höchste Entwicklung. Hier sieht man auf dem vordern Drittheil der Rückenfläche eine förm- liche Längsnath, deren Ränder in Form eines ansehnlichen Wulstes (von */,,“ Höhe und Breite) nach aussen vorsprin- gen und mit zahlreichen kegelförmigen Zapfen von eigen- thümlichem Lichtbrechungsvermögen in einander eingreifen. Zu den Seiten dieses Wulstes zieht sich, wenigstens lin der obern Hälfte, ein breiter Streif von tiefern Poren hin. Bei Cercopis bieittata fehlt die Nath mit den wulstigen Rän- dern; der ganze Apparat beschränkt sich hier (Fig. 30) auf die beiden Längsstreifen von Poren, die aber eine viel be- trächtlichere Weite erreichen (fast !Ao00‘), als bei C. spuma- ria, und in der hintern Hälfte allmählich in der Mittellinie zu einem einfachen Streifen zusammenschmelzen. Bei Cen- trotus findet sich von Anfang an nur ein unpaarer Streifen, der aber hier (Fig. 31) durch weite Gruben ausgezeichnet ist, die so dicht stehen, dass die Zwischenräume zwischen ihnen eine Leistenform darbieten. Die obern Gruben sind rundlich und eng ('%o,) und dabei sehr tief, während die untern bei einer beträchtlichern Grösse (bis zu !/,,“) viel facher erschei- det und in sehr frappanter Weise an die Bildung erinnert, die wir durch Ley dig (Ztschft. für wiss. 'Zool. 1853 S. 10) bei Coccus hespe- ridum kennen gelernt haben. 4) Nach L&on Dufour sollen auch die Eier von Hydrometra beim Ausschlüpfen des Embryo der Länge nach aufspalten (l. c. p. 219). ul® 164 Rud. Leuckart: Ueber die Mieropyle und nen. Die Tiefe der vordern Gruben entspricht der Dieke des Chorions, die bis zu '/,” beträgt. Das Ei von Tettigonia zeigt gleichfalls einen unpaaren, oder äusserst breiten Rük- kenstreif, der sich bis weit über die Seitenflächen emporzieht und ein granulirtes Aussehen hat. Zwischen den höckerför- migen Excrescenzen, von denen dieses Aussehen herrührt, ist die Substanz des Chorions vertieft; man darf die ganze Bildung wohl dahin deuten, dass der Rückenstreif dieser Eier durch ein zusammenhängendes System von flachen Gruben ausgezeichnet sei. Die Micropylen habe ich mit Bestimmtheit nur bei Cerco- pis aufgefunden, (weniger deutlich aber auch bei den übrigen Eiern beobachten können). Sie sind (Fig. 30) in zwiefacher An- zahl vorhanden und auf dem vordern etwas abgeflachten Pole rechts und links in einer Entfernung von '!/,‘“ angebracht. Die Schwierigkeit der Beobachtung rührt theils von der Ab- wesenheit einer jeden Auszeichnung her, theils auch von den zahlreichen Poren und Gruben, die gewöhnlich den vor- dern Pol des Eies bedecken. Was den Bau der Micropylen betrifft, so stellen diese einen kleinen beutelförmig in den Innenraum des Chorions hineingesenkten Trichter dar (von 00), dessen Boden von einem dünnen Kanale durchsetzt wird. Oberhalb dieser Mieropylen findet sich bei den reifsten Eierstockseiern eine buckelförmige Eiweisslage, wie wir sie früher bei den Diptern sehr allgemein beobachtet haben. Aus den übrigen Familien der Homoptern stehen mir keine Beobachtungen zu Gebote!). Nichts desto weniger kann ich 1) Die einzigen Eier, die ich untersuchen konnte, sind die Eier von Coccus Cacti, die ich durch Aufweichen der Weibchen gewann. Die Eier, die meist einen ausgebildeten Embryo (mit sechs kräftigen Beinen, zwei Fühlern und zwei äusserst langen spiralig aufgerollten Horngräthen, die im Vorderleibe — rechts und links eine — verbor- gen liegen und wohl als Rüssel fungiren) enthalten, sind von ovaler Gestalt und zeigen eine einzige dünne Hülle (wohl Chorion), an der ich jedoch vergebens nach einem Micropylapparat suchte. (Beiläufig will ich hier noch erwähnen, dass auch Gamasus coleopterorum vivi- par ist — meines Wissens das zweite Beispiel dieser Art unter den Acarinen. ) * den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 165 es aber nicht unterlassen, hier die Angaben von Leon Du- four über das Ei von Psylla ficus anzuziehen. „Les oeufs, sagt der bekannte Entomotom (l. ce. p. 230 Pl. XVII. Fig. 191), sont blanes, ovales conoides, pointus par un bout, arrondis par Yautre, et munis au-dessous de ce dernier diun bee la- töral assez prononc&, qui leur donne de la ressemblance avec certaines cornues des chimistes.* Mit diesem Schnabel oder Haken werden die Eier in den Spalten oder Schrun- den der Feigenbäume befestigt; ich glaube deshalb, dass derselbe eben so wenig, wie der Haftapparat bei Myrmus u.s. w., mit der Micropyle ausgestattet ist, sondern suche diese an dem zugespitzten Ende des Eies, das nach der Ab- bildung zugleich das obere ist. In solcher Auffassung werde icb noch durch die weitere Angabe bestärkt, dass dieses obere Ende bei den gelegten Eiern einen ziemlich langen und fadenförmigen Fortsatz trägt, der den Eierstockseiern abgeht. „Leur bout pointu, so erfahren wir ferner, se ter- mine par un filet capillaire presque aussi long qu'eux, et plus ou moins flexueux.* Es fragt sich nun freilich, was wir in diesem Faden vor uns haben. Meissner hält denselben für einen becherförmigen Aufsatz im Umkreis der Micropyle; ich muss indessen gestehen, dass ich diese Ansicht nicht theilen kann!). Leon Dufour erwähnt ausdrücklich, dass die betreffende Bildung den Eierstockseiern abgehe und ver- muthet in ihr ein Absonderungsproduct der Anhangsdrüsen an den weiblichen Organen. Ich glaube diese Ansicht inso- fern theilen zu dürfen, als ich den Ursprung des betreffen- den Fadens gleichfalls in den Anhangsgebilden des Eiergan- ges suche. Aber ich sehe darin kein Absonderungsproduct, sondern einen Samenstrang, den unsere Eier in ihre Miero- pyle aufnehmen, sobald sie die Einmündungsstelle der Sa- mentasche, die L&on Dufour bekanntlich nur für eine An- hangsdrüse ansieht, vorbeipassiren. Man wird mir freilich 1) Meissner ist überhaupt in Bezug auf die Deutung der auffal- lenden Eiformen und ihre Beziehung zu dem Micropylapparate nicht eben allzu glücklich gewesen. 166 Rud. Leuckart: Ueber die Micropyle und die grosse Menge von Samenfäden entgegenhalten, die diesen Strang zusammensetzen müssen, allein ich glaube nicht, dass solches gegen meine Ansicht spricht. Schon bei Melophagus haben wir gesehen, wie zur Befruchtung eines Eies mitunter eine grosse Menge von Samenfäden in Anspruch genommen wird; wir werden später, bei Ephemera, Beispiele kennen lgp- nen, in denen diese Menge noch ungleich beträchtlicher ist und wohl schwerlich der Menge nachsteht, die ich hier bei Psylla in dem fadenförmigen Fortsatze des gelegten Eies vermuthe. 3. Lepidopteren. Die Eier der Schmetterlinge sind ganz allge- mein von einerkurzenundgedrungenen, mehr oder minder kugligenGestalt, nicht selten auch am hin- tern Ende, mit dem sie (auf Blättern, Zweigen u. s. w.) befestigt werden, abgeplattet, halbkugelförmig oder selbst linsenförmig. Ein Unterschied zwi- schen Rücken- und Bauchfläche fehlt beständig. Die Schalenhaut ist diek und fest, auch nicht sel- ten gefärbt und in der Regel mit einem Systeme vereinzelter Luftkanäle versehen, die in senk- rechter Richtung von Aussen in das Chorion hin- eindringen. Die Micropyle ist beständig mehrfach; sie besteht aus einer wechselnden Anzahl von Ka- nälen (meist aus 4—6), die aus einer gemeinschaft- liehen Centralgrube des vordern Poles hervorkom- men und in radiärem Verlaufe die Eihäute durch- setzen. Die Oberfläche des Chorions ist mehr oder minder deutlich gefeldert, namentlich am vordern Pole, wo diese Felder im Umkreis der Central- grube ganz constant eine zierliche und reiche Ro- sette zusammensetzen. Dass der vordere Pol des Schmetterlingseies sich vor den übrigen Theilen des Chorions durch seine eigenthümliche Bil- dung und oftmals in sehr auffallender Weise auszeichne, ist eine längst bekannte Sache und schon vielfach hervorgehoben, den feinern Bau der Schalenhaut bei den Jnsekteneiern. 167 Man vergleiche hierüber namentlich Sepp, Beschouwing der wonderen Gods 1764 u. flgd., ein bändereiches aber immer noch unvollendetes Werk, in dem eine sehr beträchtliche An- zahl von Lepidoptereneiern abgebildet und beschrieben ist. Selbst die Anwesenheit eines Grübchens am vordern Pole war den ältern Beobachtern zum Theil bekannt. Allein die- ses Grübcehen ist nur in einigen wenigen Fällen das oben beschriebene Centralgrübehen, aus dem die Micropylkanäle gleich Abzugsröhren hervorkommen. In der Regel beziehen sich die Angaben von der Existenz eines Grübchens am Schmetterlingsei auf eine Vertiefung des vordern Poles, die schon dem unbewaffneten Auge sichtbar ‘ist und den ge- sammten Mieropylapparat mit seiner Rosette im Innern ein- schliesst (vergl. Tab. III. Fig. 6, 7, 8, 17). Meissner, der mehrere Schmetterlingseier untersuchte (a. a. 0. S. 275), hat die Bildung des Micropylapparates ver- kannt. Er beschreibt das Centralgrübchen mit seinen Ka- nälen als eine „sternförmige Oefinung* und giebt den Schmet- terlingen nur eine einzige Micropyle, wie wir sie oben bei den Dipteren vorgefunden haben. Hätte Meissner Gelegen- heit gehabt, die Eier einer Sphinz, einer Gastropacha oder sonst eines grossen Spinners zu untersuchen, so würde der- selbe wohl schwerlich in diesen Fehler verfallen sein. So aber beobachtete M. nur solche Fälle, in denen die Kanäle kurz und dünn sind ‚und auf den ersten Anblick wirklich leicht für strahlige Ausläufer des Grübchens oder optische Ausdrücke von Falten im Umkreis desselben gedeutet wer- den können. Dass das Grübchen in allen Fällen nach unten geschlossen ist und keine Oeflnung dsrstellt, wie Meissner behauptet, darüber kann meiner Meinung nach nicht der ge- ringste Zweifel obwalten; wenn M. wirklich, wie er angiebt, _ Dotterkörnchen daraus hervorgepresst hat, so kann dieses trotz aller gegenseitigen Versicherungen nur nach einer Zer- reissung geschehen sein, da die Kanäle (und namentlich in den Meissner'schen Fällen) zu fein sind, als dass die Dotter- masse durch sie hindurch entweichen könnte. Zur völligen Bestätigung meiner Angaben kann ich ferner auch noch hin- 168 Rud. Leuckart: Ueber die Micropyle und zufügen, dass ich bei Gastropacha quercus, Euprepia Caja und Acidalia brumata das Einschlüpfen der Samenfäden durch die Mieropylkanäle direct beobachten konnte. In Anbetracht dieses Controverspunktes will ich die spe- cielle Darstellung vom Bau des Schmetterlingseies hier ohne Rücksicht auf die gewöhnliche systematische Gruppirung mit den Sphingiden beginnen, mit einer Gruppe, deren Eier ich vor allen andern dem Beobachter des Micropylapparates bei den Schmetterlingen empfehlen kann. Ich untersuchte vier Arten: Sphinz populi, Sph. Euphorbiae, Sph. tiliae und Sph. ocellata, deren Eier in allen wesentlichen Punk- ten mit einander übereinstimmen. Die Eier dieser Thiere sind bekanntlich von ansehnlicher Grösse und einer fast kug- ligen Gestalt, obgleich der Längsdurchmesser etwas vorwal- tet. Das vordere Ende ist stumpfer, als das hintere, etwas abgeflacht und in der Mitte mit dem Micropylapparate ver- sehen. Man unterscheidet hier schon bei schwacher Lupen- vergrösserung, wie sie z.B. Herold anwendete, ein Cen- tralgrübchen und im Umkreis desselben eine ringförmige Auf- wulstung. Durch Hülfe des Mikroscopes überzeugt man sich dann ferner (Tab. IIl. Fig. 1), dass das Centralgrübchen, das nur flach und schüsselförmig ist und bei Sph. populi YAso"' (bei Sph. ocellata '/,) misst, einen zackigen Rand besitzt, und dass jeder dieser Zacken sich in einen Kanal verlän- gert, der eine ziemliche Strecke weit unter der Oberfläche des Chorions hinkriecht, bis er an der Peripherie des vor- hin erwähnten Ringwulstes in einem scharfen Bogen sich nach unten wendet und mit einer sehr deutlichen schlitzförmigen Oeffnung in den Innenraum des Eies einmündet. Die Dotter- haut ist bis über diese Mündungsstellen hinaus mit dem Cho- rion in festem Zusammenhang. Auf solche Weise entsteht nun im Centrum des vordern Eipoles bei den Sphingiden das Bild eines schönen und zier- lichen Sternes mit langen Strahlen. Die Zahl dieser Strahlen wechselt bei den einzelnen Arten; bei Sph. populi zähle ich deren 21— 24, bei Sph. Euphorbiae 12— 16, bei Sph. ocellata nur 10—12. Auch die Länge der Strahlen ist nicht immer den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 160 dieselbe; bei Sph. populi hat der Stern einen Durchmesser von 1%,, bei Sph. Euphorbiae von !/,,', bei Sph. ocellata von 1/40‘ Die Weite der einzelnen Kanäle beträgt durchschnitt- lich etwa "4300. Die Rosette, die diesen Mieropylapparat umgiebt, ist weit weniger augenfällig, als sonst gewöhnlich bei den Schmetter- lingseiern, indessen immer noch mit aller Bestimmtheit nach- zuweisen. Sie besteht aus einem Kranze lanzettförmiger Blät- ter oder Felder, die das Ende der Micropylkanäle noch um ein Erkleckliches überragen und in der Art gruppirt sind, dass sie den Zwischenräumen zwischen je zwei Kanälen entspre- chen. Die Zahl der Felder ist also beständig mit der Zahl der Micropylen übereinstimmend. Mit dieser Rosette ist nun aber die Felderbildung auf der Oberfläche des Chorions bei den Sphingiden noch nicht abgeschlossen; auf die Blätter der Rosette folgen (Fig.2) nach aussen noch mehrere andere Kreise von Feldern, die jedoch ihre regelmässige Gruppi- rung allmählig verlieren und gleichzeitig dabei eine gedrun- gene sechseckige Form (von durchschnittlich !/,,) annehmen. Bei Sph. populi lässt sich diese Felderbildung über das ganze Ei mit gleicher Deutlichkeit verfolgen, während sie sonst in der Regel nur auf den obern Pol sich beschränkt und nach 5—6 Kreisen allmählig aufhört. Die Grenzen der einzelnen Felder erscheinen als ziemlich scharfe und rinnenförmige Fur- chen, so dass es fast das Aussehen hat, als sei die Ober- fläche des Eies mit einem einfachen Pflasterepithelium über- zogen. Die Aehnlichkeit der Felder mit einer Zelle wird um so täuschender, als man bei Sph. populi je in der Mitte der- selben eine flache Erhebung (von 1/,,”) wahrnimmt, die un- willkürlich an einen Zellenkern erinnert. Bei Sph. Euphorbiae findet man übrigens statt dieser einen Erhebung auf den Fel- dern des Chorions (mit Ausschluss der Rosettenfelder und der nächstliegenden, die auch bei Sph. populi ganz eben sind) deren mehrere, 3—4—6, und diese Erhebungen bleiben auch jenseits der Facetten, so dass das ganze Chorion da- durch eine unebene Oberfläche annimmt. Achnlich verhält es sich bei Sph. ocellata, nur dass hier diese Unebenheiten nicht 170 Rud. Leuckart: Ueber die Micropyle und von einander isolirt sind, sondern vielfach nach allen Rich- tungen hin zusammenfliessen. Die Luftkanäle stehen sehr einzeln, bald näher, bald wei- ter, in Entfernungen von etwa 4 — Vs“. Sie erscheinen als gerade Röhren von Yo‘, die mit erweiterter Oeffnung beginnen und in schrägem Verlaufe nach unten, gewisser- massen wie Bohrlöcher, in die Tiefe des dicken Chorions hineindringen (!%,‘“), aber mit blindem Ende aufhören, noch bevor sie die untere Lamelle desselben erreicht haben. Bei Sph. populi fallen die äussern Oeffnungen dieser Kanäle be- ständig mit den Kreuzungspunkten der Furchen zwischen den Feldern zusammen. Bei den andern Arten kann man über die Gruppirung derselben nichts Näheres angeben, da sie erst jenseits des gefelderten vordern Abschnittes, der auch bei Sph. populi ohne Kanäle ist, beginnen. Die Eier von Sesia apiformis ähneln durch ihre Form und die Dicke ihres Chorions den Eiern der Sphingiden, sind aber viel kleiner (!/,'“) und auch sonst in mehrfacher Beziehung verschieden. Zunächst ist hier hervorzuheben, dass (Tab. II. Fig.3) die Zahl der Micropylkanäle bis auf 5 oder 6 ver- ringert ist, und der Verlauf derselben eine etwas andere Rich- tung einhält. Die Kanäle divergiren allerdings immer noch sehr merklich (so dass die Entfernung ihrer inneren Mün- dungsstellen wohl drei Mal so gross ist, als der Durchmesser des Centralgrübehens, der !%;,' beträgt), aber sie steigen doch graden Weges und ohne alle Krümmung durch die Dicke des Chorions hinab. Die Rosette, die den Micropylapparat umgiebt und 1%,“ im Durchmesser hat, ist sehr viel deutlicher, nicht etwa deshalb, weil die Furchen der Felder tiefer wa- ren, sondern vorzugsweise deshalb, weil die äussern Rän- der der Felder über das Niveau des Chorions etwas vor- springen. Ein Gleiches gilt von einem zweiten: Blattkreise, der an die Felder der Centralrosette sich anschliesst und bei regelmässiger Entwicklung die doppelte Felderzahl (also etwa 12) enthält. Jenseits dieser Doppelrosette folgen noch zahlreiche weitere Felder, so dass das ganze Chorion davon übersponnen wird; aber die Grenzen dieser Felder sind weit . den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 171 weniger scharf und deutlich. Die auffallendsten Abweichun- gen zeigt das System der Luftkanäle, das (Fig. 3) aus zahl- reichen feinen und dichtstehenden Poren besteht, die bis zu einer gewissen Tiefe in das Chorion hineindringen und nur die Grenzen der einzelnen Felder frei lassen. Den Blättern der Doppelrosette fehlen diese Poren fast vollkommen. Man sieht hier nur einige kleine Unebenheiten, die die Stelle der- selben zu vertreten scheinen. Noch grössere Abweichungen zeigt die Eibildung der Zy- gäniden (Zygaena filipendulae). Der Mieropylapparat be- steht hier nur aus vier sehr feinen Kanälen, die ziemlich senk- recht durch das Chorion hinabsteigen und von einer vierblät- trigen Rosette umfasst werden. Im Umkreis dieser Rosette stehen noch andere Felder, die sich einigermassen in vier eoncentrische Kreise zusammenordnen lassen. Ueber die Luft- kanäle finde ich in meinen Notizen keine Nachricht, wohl aber noch die weitere Bemerkung, dass die Oberfläche des Chorions ein fein gewelltes Aussehen habe. Ich vermuthe, dass die Luftkanäle fehlen, zumal auch die Dicke des Cho- rions trotz der Grösse des Eies nur wenig beträchtlich ist. Bei den grössern Spinnern, zunächst Saturnia Carpini, finden wir im Gegensatz zu Zygaena eine auflallende Annä- herung an die Sphingiden. Form und Grösse des Eies, Dicke und Felderung des Chorions, ja selbst die Bildung des Mi- eropylapparates (Fig. 4) zeigen hier fast ganz die gleichen Verhältnisse, nur ist das Chorion vielleicht noch etwas dicker und der Verlauf der 6—7 Mieropylkanäle gestreckter. Der Stern des Mieropylapparates misst 1/,,“. Der wesentlichste Unterschied unseres Eies beruht in der Bildung des luftfüh- renden Apparates. Dieser besteht einmal aus den schon bei Sphinz liervorgehobenen Kanälen, die aber hier sehr viel regelmässiger und häufiger stehen (in Entfernungen von !/,," und darüber) und ganz genau mit den Ecken der einzelnen Felder zusammenfallen, auch diese Felder noch da erkennen lassen, wo dieselben nicht mehr durch Furchen von einander getrennt sind. Zu diesen weiten und geraden Kanälen, die auf der Oberfläche des Bies ihren Ursprung nehmen, gesellt 172 Rud. Leuckart: Ueber die Micropyle und sich nun aber noch ein zweites System von dichtstehenden, engen Luftgängen, die sich von der Innenfläche des Chorions erheben und den untern Schichten desselben ein spongiöses Aussehen geben. Durch einen direeten Zusammenhang mit dem untern Ende der ersterwähnten weitern Kanäle kann die- ses zweite System mit Luft gefüllt werden; wir erkennen hier also im Wesentlichen ganz dieselbe Bildung, wie wir sie frü- her z. B. bei Nepa vorgefunden haben, obgleich bei letzterer diese beiden Systeme des luftführenden Apparates an zwei von einander abgetrennte Schichten des Chorions übertragen waren. Die Grenze des zweiten Systemes ist übrigens dem vordern Eipole weit mehr angenähert, als die des erstern; während das letztere in einer grössern Entfernung von der Centralstelle beginnt, erst da, wo die Felderung bereits zu schwinden anfängt, lässt sich das punktirte Aussehen der untern Chorionfläche bis zur innern Mündungsstelle der Mi- eropylkanäle oder, was dasselbe besagt, bis zur Anheftungs- stelle der Dotterhaut verfolgen. Die voranstehende Beschreibung passt im Wesentlichen auch für die grössere Anzahl der Arten aus dem Gen. Ga- stropacha, und zwar namentlich für Gastropacha quereus, Gastr. potatoria und Gastr. dumeti. Die Verschieden- heiten, die hier etwa hervorzuheben sind, beschränken sich fast ausschliesslich auf die Bildung des Micropylapparates und dessen Umgebung. Einmal sind nämlich die Kanäle, die gewöhnlich in sechsfacher Anzahl vorkommen — bei Gastr. potatoria aber auch nicht selten bis auf 8, 10 und 11 steigen — sehr viel stärker geneigt, als bei Saturnia (namentlich bei den zwei letztgenannten Arten, wo die grösseste Entfernung der untern Mündungsstelle nur !/,,,‘ beträgt, während die Centralgrube "5; misst), und sodann auch in der Regel, wie es scheint, von scharf begrenzten, aber nur kleinen Fel- dern umgeben, die eine mehrfache zierliche Rosette (von 9/0) zusammensetzen. Der Umfang dieser Rosette ist schon mit unbewaffnetem Auge abzuschätzen, indem der- selbe mit der kleinen Delle des vordern Eipoles räumlich zu- sammenfällt. Ich darf indessen nicht unerwähnt lassen, dass den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 173 ich bei Gastr. dumeti diese Rosette und die Felderung über- haupt vergebens gesucht habe — allein es stand mir nur ein einziges Ei dieses Thieres zu Gebote, so dass möglicher Weise die Abwesenheit derselben nur als eine individuelle Eigen- thümlichkeit zu betrachten ist. Uebrigens entfernt sich das Ei dieses letztern Thieres auch noch in anderer Beziehung von der gewöhnlichen Bildung, insofern nämlich als bei ihm das zweite System der Luftgänge, das von der Unterfläche des Chorions ausgeht, eine ganz excessive Entwicklung erreicht und bis an die obern Schichten der Eischale heranragt. Das System der isolirt stehenden weiten Kanäle ist dafür be- trächtlich redueirt; die Oefinungen derselben sind äusserst eng und kaum etwas Anderes als regelmässig gruppirte Aus- mündungen des luftführenden innern Apparates!). Die Eier von Gastr. neustria zeigen noch grössere Ei- genthümlichkeiten, nicht nur in histologischer Hinsicht, son- dern auch namentlich und zunächst in ihrer äussern Bildung. Bei den bisher erwähnten Arten dieses Genus sind die Eier kuglig, auch wohl in der Richtung des Längsdurchmessers etwas verkürzt, wie bei Gasir. dumeti; hier aber, bei Gastr. neustria haben wir Eier von kegelförmiger Gestalt, vorn ab- geflacht und mit wulstigem Rande versehen, nach hinten da- gegen verjüngt und dabei von den Seiten merklich zusam- mengedrückt. Die Mitte der scheibenförmigen Vorderfläche ist (Fig. 5) dellenartig vertieft, wie bei den übrigen Gastro- pachaarten und vielen andern Spinnern mit dicker Schalenhaut, hier aber noch dadurch besonders ausgezeichnet, dass sie von einem ganz ansehnlichen Ringwulste umgeben wird, der mit dem vorher erwähnten Randwulste concentrisch ist. Auf diese 1) Gewöhnlich injieirt sich dieser Apparat an den Eiern der Ga- stropachaarten (und so auch namentlich bei den oben namhaft gemach- ten Species) nur unvollständig und stellenweis., Solche luftführende Stellen sind dann weiss oder grau, das letztere dann, wenn sie zu- gleich mit jenem braunen Pigment durchtränkt sind, das gleichfalls stellenweise in das Chorion dieser Eier abgelagert ist. Auf solche Weise erklärt sich die eigenthümliche scheckigse Färbung, die schon seit lange an den Eiern dieser Thiere bekannt ist. 174 Rud. Lenckart: Ueber die Mieropyle und Weise entsteht nun an unsern Eiern (Fig.5) der Anschein eines förmlichen Deckels, obwohl ein solches Gebilde ihnen fremd ist — vorausgesetzt, dass wir unter einem Deckel im- mer nur einen scharf und deutlich durch eine Furche abge- setzten oder gar nur einen eingefalzten Theil des Chorions verstehen. Der Mieropylapparat nimmt, wie gewöhnlich, das Centrum der Delle ein. Er besteht aus 4 oder 5 Kanälen, die fast vollkommen senkrecht durch die Dicke des Chorions hinabsteigen und bis auf !/,.9‘ einander angenähert sind. Die Rosette im Umkreis dieser Kanäle ist äusserst undeutlich, doch kann man sich bei günstigen Objecten davon überzeu- gen, dass sie aus mehrern Blätterkreisen besteht und schon im innersten Kreise mehr Blätter enthält, als Micropylka- näle vorhanden sind. Die geringe Deutlichkeit dieser Rosette rührt daher, dass die ganze Oberfläche des Eies, mit Aus- schluss des Centralgrübchens und der allernächsten Umgebung, mit zahlreichen feinen und dichtstehenden Poren bedeckt ist, die bis zu beträchtlicher Tiefe in das Chorion hineindringen und auch vielfach unter einander anastomosiren. Am gering- sten ist die Entwicklung dieses Porenapparates auf den Sei- tenflächen des Eies, die auch am dünnsten sind, während dagegen die beiden concentrischen Wülste der Vorderfläche, und namentlich der innere Wulst, ein förmliches spongiöses Aussehen darbieten. Ausser diesen Poren, die sonder Zwei- fel auch in morphologischer Beziehung den feinen Luftgän- gen der übrigen Gastropachaarten entsprechen, obwohl sie die untersten Schichten des Chorions freizulassen scheinen, finden sich übrigens auch noch die grossen und bohr- lochartigen Kanäle, aber nur auf der Vorderfläche. Sie be- ginnen bereits in der schon mehrfach erwähnten Delle und zwar Anfangs in einer äusserst regelmässigen Gruppirung, so dass man wohl dasselbe Verhältniss zu den Feldern des Chorions vermuthen darf, das ich schon bei andern Eiern aus dieser Gruppe der Schmetterlinge hervorgehoben habe. Die stärkste Entwicklung erreichen diese Kanäle auf dem in- nern Ringwulste, wo ihre äusseren Oeflnungen nicht selten eine solche Weite annehmen, dass die obern Schichten des Es den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 175 Chorions, die diese Oeflnungen umgeben, zu einem blossen Gitterwerk redueirt zu sein 'scheinen. Ich habe an dieser Stelle mitunter Oeffnungen von 'Aso‘‘ im Durchmesser auf- gefunden. An das eben beschriebene Ei von Gasir. neustria schlies- sen sich in mehrfacher Beziehung die Eier von Orgyia, die bei beiden einheimischen Arten, Org. anligua und Org. go- nostigma, in einer fast ganz vollständigen Weise übereinstim- men. Schon äusserlich macht sich trotz der kugligen Form dieser Eier eine gewisse Aehnlichkeit bemerkbar; der vor- dere Pol derselben ist abgestumpft und im Umkreis der mitt- lern Delle mit einem breiten Wulste versehen, der fast bis an den Rand der Vorderfläche hinanragt. Der Mieropylap- parat besteht in der Regel aus 4 Kanälen (auch wohl aus 5 oder 3, selbst hier und da nur aus 2), die ziemlich senk- recht hinabsteigen und von einer hübsch markirten Doppel- rosette (1/4) umgeben werden (Fig. 6). Die innere dieser Rosetten hat meist 6, auch wohl 8 Blätter, also mehr, als Kanäle vorhanden sind, so dass sich an dieser oder jener Stelle ein überzähliges Blatt zwischen dieselben einschiebt. Hier und da kann man, namentlich bei Org. gonostigma, auch noch eine mehr oder minder vollständige dritte Blattreihe un- terscheiden, aber in der Regel ist die grössere Mehrzahl die- ser peripherischen Felder in eigenthümlicher Weise umgestal- tet, von unregelmässigen zackigen Contouren begrenzt und dabei mehr oder minder grubenartig vertieft. Noch weiter nach aussen folgen (Fig.6) zahlreiche, sternförmig zerrissene Gruben, die ungefähr in den Entfernungen der frühern Fel- der stehen und sich durch die mannichfachsten Uebergangs- formen gleichfalls nur als moditfieirte Felder oder vielmehr als Centralgruben von Feldern zu erkennen geben. Je weiter sich diese Bildungen von dem Micropylapparate entfernen, desto enger werden die Risse, bis sie sich schliesslich, auf dem Randwulste der Delle, in sternförmig verästelte Schrunden verwandeln, die in dem gemeinschaftlichen Kreuzungspunkte am meisten vertieft sind und mit den peripherischen Enden ihrer Ausläufer nicht selten unter einander communiciren. 176 Rud. Leuckart: Ueber die Mieropyle und Jenseits des Wulstes erreicht diese zierliche Bildung ihr Ende; man findet hier nur noch zahlreiche runde Löcher, die der ver- tieften Mitte der sternförmigen Risse entsprechen dürften; aber auch diese nehmen rasch an Umfang und an Menge ab und ste- hen schliesslich nur noch als vereinzelte Oeflnungen in grös- sern Abständen neben einander. Dass diese Apparate in phy- siologischer Beziehung den weiten Luftkanälen entsprechen, die wir bei Gastropacha u. a. angetroffen haben, leidet kei- nen Zweifel, aber durch ihre topologischen Beziehungen zu den Feldern des Chorions sind sie von denselben verschie- den. Sie bezeichnen die Felder selbst und nicht die Gren- zen derselben; sie stehen auf den Fluren und nicht auf den Rainen. Das zweite System der Luftapparate, das wir bisher bei allen Bombyeiden antrafen, wird auch bei Orgyia gefunden und zwar in ganz derselhen mächtigen Entwicklung wie bei Gastr. neusiria. Directe Ausmündungen nach aussen habe ich nicht mit Sicherheit an demselben auffinden können, da- für aber ist es hier wiederum die untere Fläche des Cho- rions, von dem dieselben ausgehen. Die stärkste Ausbil- dung erreicht dieses System auch hier in dem aufgewulsteten Ringe der Vorderfläche. Auf die Orgyiaarten lasse ich den Seidenspinner, Bom- byz mori, folgen, einen Schmetterling, dessen Eier sich übri- gens in mehrfacher Beziehung sehr eigenthümlich verhalten, so dass kaum irgendwo unter den Eiern der einheimischen Arten eine Annäherung an den Bau derselben sich bemerk- lich macht. Auf den ersten Blick haben die Eier dieses Thie- res eine kuchenförmige Gestalt, wie die Eier vieler Noctuen, aber der Micropylapparat nimmt nicht die Mitte der einen Fläche ein, sondern vielmehr den scharfen Rand des Ku- chens, und zwar eine Stelle dieses Randes, die durch eine leichte Zuspitzung sich auszeichnet. Diese spitze Stelle, sagt Herold (a.a.O. Taf. VI. Fig. 1 und 2), ist gewöhnlich beim Ablegen nach dem Kopfe des Weibehens hin gerichtet und scheint auch im Mutterleibe, d.h. in den Eierstocksröhren, diese Richtung zu besitzen. Es unterliegt also wohl keinem . den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 177 Zweifel, dass diese Stelle das Vorderende des Eies bezeichnet, dass das Ei des Seidenspinners also nicht in der Richtung des Längsdurchmessers, sondern von den Seiten zu einer scheiben- förmigen Masse abgeplattet ist. Die Oberfläche dieses Eies zeigt ein chagrinartiges Aussehen, das nach der Darstellung von 'Malpighi und Herold von zahllosen neben einander stehenden kleinen Hügelchen herrühren soll, in Wirklichkeit aber (Fig. 7) durch zahllose tiefe Risse und Schrunden bedingt wird, die nach den verschiedensten Richtungen verlaufen und Felder von ungefähr '/,,,"' umgrenzen. An manchen Stellen, und namentlich in der Mitte der Seitenflächen, sind diese Schrunden vielfach unterbrochen; statt eines zusammenhän- genden Systemes sieht man dann eine Menge neben einander stehender isolirter Gruppen von etwa '/,,"’, von denen eine jede aus einem einfachen oder auch mehrfachen kleinen Cen- tralfelde mit einer Anzahl kurzer und radiärer Ausläufer gebil- det ist. Durch eine Communication dieser Ausläufer entsteht eine neue Felderung und dadurch ist das gewöhnliche Aussehen. Auf den einzelnen Feldern findet man häufig noch (Fig. 7) ein eircumseriptes Loch, die äussere, wenig erweiterte Oeffnung eines Luftkanales, der geraden Weges, aber doch in schräger Richtung durch die Dicke des Chorions hindurchführt. Die untere Fläche dieser Eihaut ist granulirt und kann durch die oben erwähnten Kanäle mit Luft injieirt werden, doch bleibt diese Einrichtung beständig sehr viel unvollkommner, als bei den bisher betrachteten Spinnern,, deren Eier freilich auch vor denen des Seidenspinners eine sehr viel beträchtlichere Dicke des Chorious voraushaben. Die Micropylen liegen (Fig. 7) in einem Grübchen von etwa ’/,', das schon Malpighi kannte, und bestehen aus drei kurzen und dünnen Kanälen, die bei ihrer Kürze kaum noch den Namen von Kanälen verdienen und vielleicht richtiger als einfache Löcher bezeichnet werden. Iın Umkreis derselben findet man eine Doppelrosette, die mit ihrem äussersten Blatt- kreis bis an den Rand des Grübchens reicht, aber in der Regel, wenigstens bei trocknen Eiern, nur wenig deutlich ist, weil die untere Fläche des Grübchens eine ziemlich stark gra- Müllers Archiv, 1855. 12 1785 Rud,. Leuckart: Ueber die Micropyle und nulirte Beschaffenheit hat. Der innerste Kreis der Rosette be- steht aus 6—S Blättern, von denen je zwei bis drei auf eine Mieropyle kommen. Ausserhalb des Grübchens unterscheidet man gleichfalls noch einige Blattkreise, aber nur wenige, zwei bis drei, worauf dann ohne Weiteres die schon oben beschrie- bene Bildung ihren Anfang nimmt. Man könnte leicht ver- muthen, dass diese überhaupt nur eine Fortsetzung der Ro- settenbildung darstelle, doch muss ich gestehen, dass mir sol- ches sehr wenig wahrscheinlich ist. Die Risse und Schrunden halte ich nicht für die Grenzen der den Rosettenblättern ent- sprechenden Felder, sondern vielmehr für Bildungen auf die- sen Feldern selbst, wie wir sie oben bei Orgyia kennen gelernt haben. Von einem directen Zusammenhange dieser Schrunden mit den äussersten Contouren der Rosettenblätter habe ich mich niemals überzeugen können; dagegen hat es mir oftmals geschienen, als ob die obersten Luftlöcher eine ziem- lich regelmässige Gruppirung einhielten, so dass man durch Verbindung derselben mittelst gerader Linien gewissermassen eine Fortsetzung der Rosettenfelder construiren könnte. Ich wende mich jetzt zu dem Gabelschwanze, Harpyia vinula, der sich nach der Bildung seiner Eier kaum von den Spinnern abtrennen lässt, und sich an die bisher betrachteten Formen wohl eben so enge und noch enger anschliesst, als manche andere Arten, die wir später noch zu berücksichtigen haben. Das Ei dieses Thieres hat fast genau die Form einer Halbkugel und einen Radius von etwa '/,'"”. Auf dem Gipfel seiner Wölbung trägt es (Fig.S) das kleine Grübchen, das wir schon vielmals bei den dickschaligen Schmetterlingseiern her- vorgehoben haben '), das aber hier trotz seiner Kleinheit (Y/,,") um so augenfälliger ist, als die ganze übrige gewölbte Fläche eine schöne und tiefe kirschrothe Färbung hat. Diese Färbung in- härirt der äussersten Schicht des Chorions, die sich leicht ab- 1) Nach der Darstellung von Meyer (Zeitschr. für wiss. Zool. I. S. 173. Tab. XV. Fig. 1) soll dieses Grübchen am hintern Pole gelegen sein, doch glaube ich diese Auffassung unbedenklich als irrthümlich bezeichnen zu dürfen, obgleich ich die Eier des Gabelschwanzes nicht an ihrer Bildungsstätte untersuchen konnte. den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 179 heben lässt, und dann wie ein zierliches Epithelium von sechs- eckigen Zellen aussieht, das von einer grossen Menge feiner Poren durchbohrt ist. Unter diesem Epithelium finden sich auf der Oberfläche des gewölbten Chorions zahlreiche grosse und weite Gruben (Fig. 8), je eine unter einer Zelle, die sich in der Tiefe ziemlich plötzlich, wie ein Trichter, in einen en- gern Luftkanal fortsetzen. In dem obern Abschnitt des Eies sind diese Gruben so weit ('/,,"), dass die Substanz zwischen ihnen fast bis auf ein Leistenwerk“redueirt ist; nach hinten aber nimmt die Weite allmählig ab, bis die Gruben schliess- lich nur noch als die Endöffnungen von Luftkanälen erscheinen, die sich höchstens durch ihre beträchtlichere Weite (bis '/;,,"') vor den gewöhnlichen bohrlochartigen Luftkanälen auszeichnen. Die Länge dieser Kanäle beträgt etwa '/,,'", und eben so viel misst auch die Tiefe der weitesten Gruben, die sich in die- selben fortsetzen. In der Regel verlaufen diese Kanäle in schräger Richtung, aber nichts desto weniger bietet doch ihre Länge ein ungefähres Maass für die Dieke des Chorions, das hier bis zu '/,,"' heranwächst. Die Wände zwischen den Gru- ben sind von dichtstehenden feinen Poren durchzogen, aber diese Poren greifen nicht in die Tiefe, so dass das eigentliche Chorion, wie man an Querdurchschnitten sieht, aus zwei ver- schiedenen Lagen zusammengesetzt erscheint, aus einer obern porösen und aus einer untern homogenen Lage, die eine deut- liche Schichtung aus-einzelnen über einander liegenden Lamel- len erkennen lässt. Die hintere Basalfläche des Eies zeigt eine sehr abweichende Beschaffenheit. Sie besteht aus einer ein- fachen dünnen Haut, deren Oberfläche mit sechseckigen Fel- dern, den Fortsetzungen der epitheliumartigen Decke, bezogen ist und ein fein granulirtes Aussehen hat. Gruben und Luft- kanäle fehlen. Was die Bildung des Mieropylapparates betrifft, so be- steht dieser (Fig.8) aus 12—15 Kanälen, die, wie gewöhn- lich, an der Peripherie eines Öentralgrübchens hervorkommen und in einem steilen Bogen durch die Dieke des Chorions hin- durchsetzen. Die Rosette im Umkreis des Micropylapparates ist nur wenig deutlich und aus zahlreichen glatten Blättern 12% 180 Rud. Leuckart: WUeber die Mikropyle und zusammengesetzt, deren Fläche in der Mitte etwas mulden- artig vertieft ist. n Ptilodontis palpina und Pygaera bucephala haben gleichfalls ein halbkugelförmiges Ei, wie der Gabelschwanz, aber mit einem kleinern Radius und einem sehr viel dünnern Chorion. Mit der Dicke der Eischale ist zugleich auch jene gewaltige Entwicklung der luftführenden Apparate verloren gegangen, die wir (mit Ausschluss von Bombyx mori) bisher ganz allgemein bei den Spinnern antrafen. Allerdings sind die Spuren dieser Bildungen bei unsern Eiern noch nachzuweisen, aber sie sind kaum beträchtlicher, als bei der Mehrzahl der Wanzen und Fliegen. Auch die Delle, die den Mieropylappa- rat und seine Rosette aufnimmt, hat an Schärfe und Deut- lichkeit beträchtlich verloren. Die Kanäle, die diesen Micro- pylapparat zusammensetzen, 10 bei Ptilodontis, 6 bei Pygaera, haben aber immer noch eine ziemlich ansehnliche Entwick- lung und namentlich eine ganz beträchtliche Länge, die um so mehr hervortritt, als dieselben in starker Divergenz aus einander weichen. Das Feld, das ihre innern Mündungsstellen umschreiben, misst etwa \/,,’. Im Umkreis dieses Mieropyl- apparates steht eine sehr zierliche Rosette ('/,,"') mit schlan- ken Blättern, auf die nach aussen noch zahlreiche andere Blattkreise folgen, so dass fast die ganze gekrümmte Eifläche mit Feldern überzogen ist. Die Gestalt dieser Felder wird aber allmählig immer gedrungener und nimmt ziemlich bald die Form von mehr oder minder regelmässigen Sechsecken an. In den peripherischen Blattkreisen sieht man hier und da auf den Kreuzungspunkten der Furchen, die die Felder von einander abtrennen, eine kleine Oeffnung (höchstens Y,,."), die in einen bohrlochartigen Luftkanal hineinführt. Aber die Zahl dieser Kanäle ist äusserst gering, so dass man nicht selten 10 und noch mehr Felder durchmustern kann, ohne eine Spur dersel- ben anzutreffen. Die Unterfläche des Chorions ist fein granu- lirt, besonders bei Ptilodontis, wo sich die Grübchen in Form von förmlichen kleinen Gängen nach oben in das Chorion hinein erheben. Im Allgemeinen werden diese Gänge um so tiefer, je mehr die Deutlichkeit der Felder nach der Periphe- rie zu abnimmt. den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 181 Bei dem Gen. Euprepia sind die Eier am hintern Pole nur wenig abgeflacht, so dass man sie leicht für kugelförmig halten könnte. Das Chorion ist dünne, noch dünner als bei den zuletzt betrachteten Arten, fast ohne Spur des untern Porensystemes, sonst aber ähnlich gebildet. Im Umkreis des Mieropylapparates, der (Fig. 9) aus 5 (bis 6) kurzen Kanälen zusammengesetzt wird, die man bei oberflächlicher Betrachtung leicht (mit Meissner) für die sternförmig verlängerten Ecken des Centralgrübehens ('/,,,''") ansehen könnte, steht eine Rosette von zahlreichen schlanken Blättern, deren Ränder sich von der übrigen Chorionfläche etwas abheben. Wie bei Ptilodontis und Pygaera schliesst sich an diese Rosette (von '/,,''") noch ein weiterer gefelderter Chorionabschnitt an (Fig. 9), dessen Facetten immer gedrungener werden und an ıhren Ecken ganz constant einen bohrlochartigen Luftkanal erkennen lassen. Diese Kanäle bleiben auch noch eine Strecke weit jenseits des gefelderten Chorionsegmentes sichtbar. So wenigstens bei Euprepia Caja, während sich bei E. lubrieipeda insofern eine Abweichung findet, als sich hier die Furchen zwischen den Fel- dern sehr bald, wie schon Meissner beobachtet hat (a. a. O. 5.280) — das einzige Beispiel der Art, das ich kenne — in reihenweis gestellte Luftkanäle auflösen. Form und Bildung dieser accessorischen Kanäle ist genau dieselbe, wie bei E. Caja. Sehr ähnlich verhalten sich nach meinen Beobachtungen die kuchenförmig abgeplatteten Eier von Liparis dispar und Sericaria chrysorhoea, über die ich kaum mehr zu be- merken brauche, als dass die Rosette des Micropylapparates etwas gedrungener ist ('/,,") und aus verhältnissmässig nur wenigen Blättern (meist 9) besteht, während zugleich die Zahl der peripherischen Blattkreise sehr reducirt ist (Fig. 10). Meist wird schon der zweite oder dritte dieser Kreise in einem hohen Grade unvollständig"). Die Luftkanäle stehen ohne Ausnahme jenseits des gefelderten Segmentes und immer nur einzeln, so 1) Bei Liparis salicis kommt übrigens nach Meissner (a. a. O. S. 281) eine grössere Anzahl von Blattkreisen vor, so dass die Achn- lichkeit mit Euprepia dadurch noch grösser wird. 182 Rud. Leuckart: Ueber die Micropyle und dass sie bei ihrer geringen Weite leicht übersehen werden können, Bei Lithosia quadra finde ich eine Bildung des Cho- rions, die in einiger Hinsicht an den Gabelschwanz erinnert, nur dass dieselbe hier bei einem kleinern und sehr viel dünn- häutigern Eie auch beträchtlich einfacher erscheint. Sie cha- rakterisirt sich dadurch, dass die äussere Fläche des kuchen- förmigen Eies mit zahlreichen weiten Gruben (von Y/,,''') be- setzt ist, die durch leistenförmige Brücken von etwa Y/,g'' von einander getrennt werden und eine Felderung andeuten, die sich sonst auf keine weitere Weise zu erkennen giebt. Dass wirklich diese Gruben je einem Felde entsprechen, sieht man auf das Bestimmteste bei Untersuchung der Micropyl- rosette, die an und für sich freilich nur klein und unregel- mässig ist, aber noch von zwei oder drei Blattkreisen um- geben wird, von denen die äussersten auf ihren Feldern bereits dieselbe Grube, wie wir sie eben beschrieben haben, erkennen lassen. Die Zahl der kurzen und strahlenartigen Micropyl- kanäle beträgt meist nur 3 oder 4. Aus der Familie der Eulen habe ich nur einige wenige Ar- ten auf die Bildung ihrer Eier untersuchen können. Ich er- wähne von diesen zunächst die Noctua (Apamea) didyma, die durch die Form ihrer Eier und die Bildung ihres Chorions mit den Gen. Liparis und Sericaria fast völlig übereinstimmt. Die Micropylrosette ('/,,”') besteht bei einer Anzahl von 4—5 kurzen und strahlenartigen Kanälen, die mit dem Cen- tralgrübchen '/,,,'" messen, aus 14—16 schlanken Blättern, an welche sich nach aussen 3—4 Kreise kurzer und gedrun- gener Felder von unregelmässiger sechseckiger Gestalt an- schliessen. Die Grenzen dieser Felder erheben sich in Form von schmalen und niedrigen Leisten, wie sie statt der sonst vor- handenen Furchen auch schon bei den letzterwähnten Spinnern vorkommen. Die Fläche der Felder zwischen diesen Leisten zeigt ein unebnes, wellenförmiges Aussehen. Die Eier von Plusia chrysitis haben bei gleicher Form eine sehr abweichende Bildung. Man findet bei ihnen zunächst im Umkreis des Micropylapparates (Fig. 11) eine dreifache, den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 183 äusserst zierliche Rosette ('/,,"') mit kurzen und abgerundeten Blättern, die nach Aussen immer grösser werden und je nach ihrer Grösse eine wechselnde Zahl von 2—4 ganz ansehulichen Längswülsten tragen. Die Ränder der Blätter sind scharf ge- zeichnet und ziemlich stark aufgeworfen, so dass es Anschein hat, als wenn die äussereBlattreihe jedesMal unter der innern hervorkomme und zum Theil von dieser gedeckt werde. Die Blätterzahl der innern Rosette ('/,,'') beträgt meist 8 oder 9, während die Zahl der kurzen Micropylkanäle gewöhnlich nur 5—6 ist. Auf diese Rosette folgt nun nach aussen noch eine weitere Felderung, aber von einem ganz abweichenden Aus- sehen, Die Felder sind (Ibid.) nicht mehr scharf begrenzt, sondern nur durch schwache wallartige Erhebungen gegen ein- ander abgesetzt und sehr regelmässig in meridianartigen Längs- reihen angeordnet. Von den Endblättern der Rosette laufen gewissermassen zahlreiche ziemlich breite Wülste aus, die von Zeit zu Zeit (in gleichen Abständen) durch schwächere (@uerwülste verbunden sind. Zwischen den Wülsten bleiben seichte viereckige Gruben, und diese sind es nun eben, die ich als Felder in Anspruch nehme. Dass solches mit Recht geschieht, geht daraus hervor, dass die Ecken derselben nicht selten durch ein Löchelchen bezeichnet sind, das sich nach unten in einen dünnen Kanal verlängert und sonder Zweifel die bekannten bohrlochartigen Luftgänge repräsentirt. Uebri- gens stehen diese Kanäle beständig nur einzeln, so dass sie leicht übersehen werden können. Das Chorion ist dünn, etwa '/r00 , und mit feingerunzelter Oberfläche. Die hintere Fläche des Eies ist, wie beständig bei den kuchenförmigen Eiern, noch dünner und ohne alle Zeichnung. Aus der Gruppe der Spanner kamen Acidalia brumata, Zerene grossulariae, Cidaria moeniaria und Cabera trilineata zur Untersuchung. Alle vier Arten stimmen darin überein, dass sie ein ziemlich dickes und unebnes, ich möchte fast sagen, rauhes Chorion besitzen, dessen Rauhigkeiten (Fig. 12, 13) von zarten wellenförmigen Erhebungen herrühren, die vielfach in einander greifen und sich bei Acidalia allmäh- lig gegen das hintere zugespitzte Einde hin in dichtstehende 184 Rud. Leuekart: Ueber die Micropyle und feine Poren auflösen. Dazu kommen auch, wenigstens bei den drei letztern Arten, noch grössere Luftlöcher, die eine ziem- lich regelmässige Gruppirung einhalten und nicht selten durch feine, mehr ‚oder minder deutliche Contouren dergestalt ver- bunden werden, dass sie, wie gewöhnlich, die Ecken von sechseckigen Feldern einnehmen. Am auffallendsten ist diese Bildung bei Cabera trilineata, wo (Fig. 13) die Felder '/,, bis 0" messen, während die Luftlöcher zu der ansehnlichen Grösse von "/,,o heranwachsen, und auch noch dazu von ziemlich hohen ringförmigen Leisten umgeben werden. Bei Zerene grossulariae sind die Luftlöcher gleichfalls von einem Ringwulste umsäumt, aber dieser ist hier sehr viel breiter und niedriger, so dass es den Anschein gewinnt, als wenn die Löcher in der Mitte einer kleinen runden Scheibe ('/,,,") an- gebracht seien. Die Felder auf dem Chorion von Acidalia bru- mata sind weniger durch scharfe Contouren, als vielmehr durch Einsenkungen bezeichnet (Fig. 12), wie bei Plusia, die dem ganzen Ei ein polygonales Ansehen geben. Der Micropylapparat ist von einer kleinen und unschein- baren, einfachen Rosette (/,„— /,,"') eingefasst, die gewöhn- lich aus 5—6 Blättern (bei Zerene aus 10—12) besteht und nur hier und da noch die undeutlichen Spuren eines zweiten Blatt- kreises erkennen lässt. Bei Zerene und Acidalia hat dieser Ap- parat (Fig. 12) dasselbe sternförmige Aussehen, das wir schon bei den Noctuen und einigen unechten Spinnern hervorgehoben haben, auch eine verhältnissmässig ganz ansehnliche Grösse (iso); bei Cidaria und Cabera dagegen entbehrt derselbe des Centralgrübchens, so dass die eigentlichen Mieropylkanäle hier (Fig. 13) ganz isolirt neben einander zu stehen kommen. Die Zahl dieser Kanäle sinkt dabei auf 3, während sie bei Acida- lia 5—6 und bei Zerene sogar bis 10 beträgt. Die Kanäle sind kurz und kaum weiter, als 500”. Unter den Pyraliden finde ich bei Nymphula stratiota- lis dieselben Unebenheiten des Chorions, auf die ich eben bei den Spannern aufmerksam gemacht habe, auch hier und da ein feines Luftloch, das in das Chorion hineindringt. Die Micropyle besteht aus 5 feinen, aber ziemlich langen und ge- den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 185 > spreitzten Kanälen von '/,,,'", die aus einem kleinen und ziem- lich flachen Centralgrübchen hervorkommen und von einer acht- bis neunblättrigen zarten Rosette ('/,,"") umgeben wer- den. Nach aussen folgen auf die Blätter dieser Rosette noch einige unregelmässige, meist auch nur unvollständig begrenzte Felder. Bei Botys urticalis ist das Chorion äusserst dünn Os ) und glatt, jedoch in ganzer Ausdehnung gefeldert, d.h. mit ziemlich breiten, aber nur flachen Leisten übersponnen, die ziemlich regelmässig gestellte sechseckige Felder von etwa go zwischen sich nehmen. Auf den Kreuzungspunkten die- ser Leisten sieht man hier und da ein äusserst feines Löchel- chen. Die Micropylrosette besteht aus 8$—12 ziemlich schlan- ken, meist aber sehr ungleich entwickelten Blättern, die vier isolirte, kurze und punktförmige Micropylkanäle zwischen sich nehmen. Die Grenzen der einzelnen Blätter sind leistenförmig aufgewulstet, lassen aber auf der Firste dieser Leiste noch deutlich die trennende Furche erkennen, die auf den Grenz- leisten der übrigen Felder verloren gegangen ist. Bei einer zweiten silbergrauen Art des Gen. Pyralis finde ich gleichfalls ein gefeldertes Chorion, aber die Felder sind breit (’/,,') und stehen in regelmässigen Meridianen neben einander. Dazu kommt, dass die Oberfläche mit zahlreichen punktförmigen Grübchen versehen ist. Meine Erfahrungen über die Eier der Wickler und Motten sind nur geringe, aber ausreichend, um auch für sie dieselbe Bildung der Mieropyle in Anspruch zu nehmen, die wir bis- lang bei allen Schmetterlingen aufgefunden haben. Bei einer hellblauen Motte aus dem Genus Tinea beobachtete ich vier isolirte punktförmige Micropylkanäle, die von einem ziemlich umfangreichen gefelderten Hofe umgeben waren; bei einer zweiten schwarzen Motte mit weisser (Juerbinde, Adela ep.?, dagegen (Fig. 14) eine sternförmige Mieropyle mit vier strahlenartigen Kanälen, die in der Mitte einer schönen und regelmässigen Rosette ('/,,"') von 12 langgestreckten Blättern angebracht war, Bei der von Meissner untersuchten Adela (#. #. ©. 8. 278), war die Bildung des Micropylapparates ohne 186 Rud. Leuckart: Ueber die Mieropyle und Zweifel ganz ähnlich — ich glaube wenigstens nicht, dass ge- rade dieser eine Schmetterling sich anders verhalte, als die vielen von mir untersuchten Arten, die ja doch im Wesent- lichen alle unter sich übereinstimmen. Wir haben aus Gründen, die weniger von wesentlicher, als von formaler Bedeutung waren, bisher die Tagschmetterlinge ausser Acht gelassen und müssen diese jetzt noch anhängen, obgleich sie eigentlich an der Spitze der ganzen Ordnung vor den Sphingiden stehen sollten. Zunächst betrachten wir von diesen Thieren die sog. unechten Tagfalter, die das Genus Hesperia bilden und sich noch am meisten an die vorher- gehenden Formen anschliessen. Die von mir untersuchten zwei Arten, 7. Comma und H. silvanus, stimmen in Bezug auf die uns hier interessirenden Verhältnisse fast vollkommen un- ter sich überein. Das Ei hat bei einem Durchmesser von '/,'"" eine halbkugelförmige Gestalt und ein ziemlich diekes Chorion (/s00 ), das auf seiner vordern, gekrümmten Fläche zahlreiche ziemlich grosse und regelmässige hexagonale Felder ('/,"") erkennen lässt. Die Grenzen der Felder sind durch breite und niedrige, wallartige Leisten bezeichnet, während die Fläche derselben eine grosse Menge von feinen Oeffnungen (von etwa Y/s000”) trägt, die namentlich bei 4. Comma ziemlich dicht stehen und, wie bei Sesia, in Form von kurzen Kanälen eine Strecke weit in das Chorion hineindringen. Die hintere ebene Fläche des Eies zeigt dieselben Oeffnungen, aber feiner und ohne Felder. Der Micropylapparat ist höchst unscheinbar und kann leicht übersehen werden. Er besteht aus vier kurzen, kreuzweis gestellten Kanälen, die den eben erwähnten Luft- kanälen nicht unähnlich sehen, aber das Chorion durchsetzen und von einer freilich nur unregelmässigen und undeutlichen Rosette umgeben werden. Auf die Blätter dieser Rosette, die durch zarte Furchen sich absetzen, folgen noch einige andere ähnliche Blattkreise, bis sich allmählig erst die oben erwähnte deutliche Felderung mit den Luftlöchern hervorbildet. An diese unechten Falter reiht sich das Genus Po- Iyommatus (Lycaena), und zwar unter den mir bekannten Arten zunächst der hübsche ?. Alexis, dessen Eier sich von den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 187 den eben beschriebenen fast nur durch eine zierlichere und mehr markirte Bildung des vordern Poles unterscheiden. Der Micropylapparat, der diesen Pol einnimmt, hat mit seinen 3—4 kurzen Kanälen eine sternförmige Bildung, wie wir sie auch unter den Nachtschmetterlingen so häufig angetroffen haben und wird von einem doppelten oder dreifachen Kranze rundlicher Blätter umgeben, die sich durch scharfe Leisten gegen einander abgrenzen und eine schöne und elegant ge- formte, glatte Rosette (1/,,) zusammensetzen (Tab.IIl. Fig. 15). Die Zahl der Blätter, die zunächst den Micropylapparat um- geben, ist gewöhnlich nur gering, mit der Zahl der Micro- pylkanäle meist übereinstimmend. An den äussersten Blatt- kreis dieser Rosette schliesst sich sodann das übrige gefel- derte Chorion, dessen Felder ziemlich bald bis zu 1%, heranwachsen und eine sehr wechselnde Gestalt haben. Auf der Grenze der Felder erhebt sich eine wallartige, ziemlich breite Leiste, die an den Kreuzungspunkten hier und da (Fig. 15) in Form eines rundlichen Zapfens oder Knopfes (von 4450) vorspringt. Die Oberfläche der Felder zeigt zahlreiche kleine Gruben, wie bei Hesperia, aber — wohl in Uebereinstimmung mit der geringern Dicke des Chorions, das, der geringen Grösse des Eies entsprechend, nur 1/,,9'” misst — ohne kanalförmige Verlängerungen, und zwischen diesen Gruben kleine höckerförmige Hervorragungen, die nicht selten hier und da zu einem feinen Gitterwerk zusam- menfliessen. Auf der hintern Fläche des stark zusammen- gedrückten (fast linsenförmigen) Eies gehen alle diese Bil- dungen allmählig verloren, so dass die Mitte derselben ganz glatt ist. Polyommatus virgaurea und P. Circe, die wiederum ein halbkugelförmiges und auch grösseres Ei besitzen, als P. Alexis, zeigen im Wesentlichen ganz dieselben Verhält- nisse, namentlich auch (Fig. 16) ganz dieselbe zierliche Ro- settenbildung im Umkreis der Micropylkanäle, deren Zahl hier gewöhnlich 4 oder auch 5 beträgt. Der einzige auffal- lende Unterschied besteht in der Grösse der Chorionfelder, die bis zu '4," gewachsen ist, und in der Entwicklung der 188 Rud. Leuckart: Ueber die Mieropyle und Leisten, die diese Felder von einander abtrennen (14,,). Dass aber diese Felder ohne Weiteres, wie man vielleicht ver- muthen könnte, den oben bei P. Alezis beschriebenen Cho- rionfeldern oder, was dasselbe besagt, den Feldern der Ro- sette gleich zu setzen seien, scheint mir im höchsten Grade zweifelhaft. Ich will dabei nicht in Anschlag bringen, dass dieselben sehr viel grösser sind, als die ganze aus 3—4 Blattkreisen zusammengesetzte Rosette, (denn es ist ziemlich häufig, dass die peripherischen Chorionfelder die centralen überragen), aber den Umstand darf ich wohl nicht ausser Acht lassen, dass keinerlei Uebergang zwischen diesen Fel- dern und den Blättern der Micropylrosette stattfindet. Man sieht auf das Deutlichste, wie sich die letzten Ausläufer dieser Rosette, weit entfernt, in die leistenförmigen Erhebungen zwischen den einzelnen Feldern überzugehen, in die Fläche dieser Felder hinein fortsetzen und allmählig zwischen dem Gitterwerke im Umkreis der feinen Choriongrübehen verlieren. Unter solchen Umständen dünkt es mir am wahr- scheinlichsten, dass die grossen Flächen auf dem gewölb- ten Chorion unserer Eier einer grössern Anzahl gewöhn- licher Felder entsprechen, zumal sich diese auch schon bei P. Alexis hier und da (meist zu sechsen) um einen gemein- schaftlichen Mittelpunkt zu einer grössern Fläche (von 14.) zusammenordnen. Die breiten Leisten, die bei P. virgaurea und P. Circe die einzelnen Felder abtrennen, gleichen den zapfenförmigen Hervorragungen an den Ecken der kleinern Felder bei P. Aleris, und theilen mit diesen ganz das ge- wöhnliche Aussehen der Eifläche. Uebrigens hat es den An- schein, als wenn diese Hervorragungen und Leisten nicht dem eigentlichen Chorion angehörten, sondern einer beson- dern Hülle, die äusserlich dem Chorion aufliest und zunächst den Sitz der vielfachen Unebenheiten auf der Oberfläche der Eier abgiebt. Dieselbe Trennung des Chorions in zwei über einander liegende Membranen findet man noch deutlicher bei einigen andern Tagfaltern, bei Parnassius Apollo und Arge Galathea, welche letztere nach der Bildung ihrer Eihäute ganz ent- den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 189 schieden von dem Gen. Hipparchia, dem man sie gewöhnlich apreiht, abgetrennt werden muss. Bei Parnassius Apollo finde ich ein ansehnliches Ei, das in der Richtung seines Längsdurchmessers etwas abgeplattet ist, wie etwa das Ei von Gasiropacha dumeti, mit dem es auch in seiner Grösse (Querdurchmesser fast ?/4‘) übereinstimmt. Ein Grübchen am Vorderpole, das schon mit blossem Auge sichtbar ist (4), enthält den Micropylapparat mit "einer mehrfachen Rosette, die sich (Fig. 17) durch ihre Bildung und das Aus- sehen ihrer Felder einigermassen an die Rosette von Polyomma- tus anschliesst, obwohl die leistenförmigen Vorsprünge an den Grenzen der Blätter weniger entwickelt sind. Die Zahl der Mi- eropylkanäle, die, wie bei den echten Spinnern, ziemlich weit sind (4900) und mit einem mehr oder miinder gespreitzten Ver- laufe aus dem Centralgrübchen (!4s,) hervorkommen, be- trägt in den von mir untersuchten Eiern beständig drei, wäh- rend die Blätter der Centralrosette gerade in doppelter An- zahl vorhanden sind. Die Felderbildung des Chorions lässt sich übrigens bei unserm Ei auch noch über die letzten scharf begrenzten Blätter der Rosette hinaus eine Strecke weit ver- folgen, nur verlieren die Felder dabei eben sowohl ihre scharfe und bestimmte Begrenzung, als auch ihr glattes Aus- sehen. Anfangs bemerkt man auf denselben nur eine Menge von kleinen und diehtstehenden Grübchen, die in die Dicke des Chorions hineindringen, aber bald erheben sich auf der Oberfläche auch Wülste und ringförmige Leisten, die mehr oder minder tiefe Gruben und zellenartige Räume einschlies- sen. Die ersten dieser Zellenräume sind eng und von gerin- ger Höhe, aber die Dimensionen derselben wachsen rasch, so dass sie sich bald als ganz ansehnliche Erhebungen kund tlıun. Das Aussehen wird um so auflallender, als diese Zel- lenräume nicht etwa isolirt stehen, sondern (Fig. 17) haufen- weise, wie es die Felderung mit sich bringt, zusammengrup- pirt sind. Die grössesten der Haufen messen etwa 4, und enthalten 8—10 solcher Zellen, von denen einzelne wohl eine Weite von 143,” besitzen. Die Wände der Zellen haben eine fein poröse Beschaffenheit und erreichen eine Höhe von 1%”. 190 Rud. Leuekart: Ueber die Micropyle und Auf der hintern Fläche des Eies nimmt diese Bildung rasch, wie sie entstanden, ab. Die Wände der Zellenräume gehen verloren und es bleibt schliesslich nur noch ein fein punk- tirtes Aussehen, wie wir es auch an den Scheidewänden zwischen den einzelnen Zellen hervorgehoben haben. Die beiden Schichten des Chorions hängen ziemlich fest zusam- men, namentlich an den Polen, während sie sich an den Seitenflächen lei@hter trennen lassen. Nach der Trennung überzeugt man sich, dass die untere Chorionschicht ein ziem- lich glattes und homogenes Aussehen hat, dass also die Punktirung und die Zellenbildung auf der Oberfläche zunächst nur durch das Exochorion bedingt ist. Bei Arge Galathea ist der Zusammenhang zwischen den beiden Chorionschichten weit lockerer und überall mit Ausnahme der Mäicropylrosette leicht zu lösen. Die letztere (Fig. 18) ist gross (!%,‘) und aus 4—5 Blattkreisen zusam- mengesetzt, doch sind die Blätter viel weniger scharf von einander geschieden und auch viel weniger regelmässig grup- pirt, als bei Parnassius und Polyommatus. Das Erstere rührt zum Theil wohl daher, dass die Rosette das frühere glatte Aussehen verloren hat und gleich dem ganzen Chorion fein punktirt ist. Natürlicher Weise werden die Grenzen der Ro- sette dabei nur wenig hervortreten, zumal sich auch die Fel- derung noch eine ganz ansehnliche Strecke weit über das vordere Segment des rundlichen Eies verfolgen lässt. Die Grösse dieser Felder wächst allmählig mit der Entfernung von den Miceropylkanälen, die gewöhnlich in vierfacher An- zahl vorhanden sind und eine Bildung wie bei Polyommatus zeigen. Auch das Aussehen der Felder wird anders, inso- fern wenigstens, als sich ziemlich plötzlich (Fig. 18) auf den- selben eine Anzahl von 6—12 weiten (1,0) und tiefen Löchern unterscheiden lässt. Eben solche Oeffnungen, nur noch weiter, finden sich auf den Kreuzungspunkten der Grenz- furchen zwischen den einzelnen Feldern. Jenseits des gefel- derten Chorionsegmentes bleibt dieselbe Bildung, so dass mit Ausschluss der Rosette das ganze Chorion von Löchern durchbohrt ist, die etwa um das Doppelte oder Dreifache den feinern Bau der Schalenbant bei den Insekteneiern. 19] ihrer Weite von einander abstehen. Durch Isolirung der bei- den Chorionschichten, die beide etwa "4, diek sind, kann man sich übrigens leicht davon überzeugen, dass sich diese Löcher nur auf das Exochorion beschränken, aber dafür auch die ganze Dicke desselben durchsetzen. Das Endochorion bedingt dagegen das punktirte Aussehen, das wir oben er- wähnt haben; es ist der Sitz von zahlreichen dichtstehenden Grübehen und zarten Gängen, die in die Tiefe hineindringen und durch Hülfe der weiten Löcher des Exochorions mit Luft gefüllt werden. Sehr verschieden von dieser Bildung bei Arge Galathea ist die Struetur des Chorions bei den echten Arten des Gen. Hipparchia, von denen ich eine ziemlich beträchtliche An- zahl (H. Egeria, H. Megaera, H. Hyperanthus, H. Ti- thonus, H. Janira, H. Semele, H. Pamphilus) unter- suchen konnte. Alle diese Arten stimmen trotz mancher speeiellen Abweichungen in den allgemeinern Zügen der Ei- bildung vollkommen unter sich überein. Sie besitzen ein ziemlich dickes und elastisches Chorion, dessen äussere Fläche gewöhnlich (H. Janira, Tithonus, Megaera u. a.) eine unebene Beschaffenheit hat, die an das oben erwähnte schuppige Aus- sehen des Spannereies erinnert, und bald von dichten wellen- artigen Erhebungen, bald auch (wie bei H. Janira, Fig. 19) von isolirten kleinen Hügeln herrührt. Der Mieropylapparat besteht aus 3—5 kurzen und dünnen Kanälen, die in ge- spreitzter Richtung verlaufen und mitunter so dicht neben einander stehen, dass ihre äussern Oefinungen zu einer ziem- lich tiefen Grube zusammenfliessen '). Die Rosette, die die- sen Apparat zunächst umgiebt, zeigt eben so viele kleine 1) Beiläufig will ich hier erwähnen, dass ich bei HM. Tithonus einmal — das einzige Beispiel unter mehrern tausend Eiern, die ich untersuchte — ein Ei mit doppeltem Micropylapparate, gewissermas- sen eine Doppelmissbildung, antraf. Beide Apparate waren etwa %/5'"" von einander entfernt und einzeln mit einer Rosette versehen, aber beide Rosetten mit den davon ausgehenden zwei Systemen von Feldern flossen bald zu einem gemeinschaftlichen Bilde zusammen. Die äussere Form des Eies war kaum irgendwie verändert. 192 Rud. Leuckart: Ueber die Micropyle und = Felder, als Kanäle vorhanden sind; an die Blätter dieser Rosette schliesst sich aber sodann nach aussen noch ein ziemlich umfangreiches Netzwerk, dessen Felder, wie bei Arge Galathea, mit einem ähnlichen Mieropylapparate, rasch an Grösse zunehmen. Anfangs haben diese Felder in der Regel (ausgenommen ist z. B. H. Janira, Fig. 19) eine un- regelmässige Gruppirung, allmählig stellen sie sich indessen reihenweise nach den Meridianen des Eies, wie wir das schon mehrfach bei den kleinern Nachtschmetterlingen gefunden haben, und zwar in querer Richtung über einander, so dass die Seitengrenzen der Felder in eine ziekzackförmige Längs- linie zusammenfallen, Die Biegungen dieser meridianartigen Längslinien sind in verschiedenem Grade ausgeprägt, bei H. Egeria z. B., bei dem die regelmässige Stellung der Felder in Längsreihen überhaupt nur wenig hervortritt, sehr auffal- lend, bei H. Megaera, Janira u. a. dagegen fast Null. Im letzteren Falle sind die Streifen zwischen den Längslinien nicht selten (ausgenommen ist namentlich H. Hyperanthus) gewölbt und nach aussen vorragend, so dass dann das Ei, wie bekanntlich bei vielen Arten des Gen. Hipparchia ein kannelirtes Aussehen annimmt (Fig. 19). Die Grenzen zwi- schen den einzelnen Feldern bestehen aus Leisten; aber Form, Höhe und Entwicklung dieser Leisten zeigt bei den einzelnen Arten die grössesten Verschiedenheiten. Am schwächsten finde ich dieselben bei 4. Egeria, am schärfsten dagegen bei H. Tithonus und H. Janira, wo sie in der ganzen Oberfläche des Eies den gleichen Charakter behalten, und mit den Leisten der Centralrosette übereinstimmen. Nur die Längsleisten, die die Seitengrenze der Felder bilden, machen insofern eine Ausnahme, als sie, wie gewöhnlich, sehr viel breiter sind und an der Insertionsstelle einer jeden Aequato- rialleiste, die gleich den Sprossen einer Leiter zwischen je zweien Längsleisten ausgespannt sind (nicht selten aber ziem- lich undeutlich werden, wie bei H. Megaera), von einem deut- lichen Luftloche durchbohrt werden (Fig. 19). Die Stellung dieser Luftlöcher, die ich bei keiner Art vollkommen ver- misse, obgleich ihre Grösse und auch ihre Anzahl sehr be- den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 193 trächtlich varüirt, ist also ganz die gewöhnliche; sie stimmt mit der Bildung und Gruppirung der Chorionfelder überein. Ihre stärkste Entwicklung zeigen diese Luftlöcher unter den von mir untersuchten Arten bei H. Hyperanthus, wo sie sich, wie bei den grössern Spinnern und den Sphingiden, in deut- liche Kanäle ausziehen, die in schrägem Verlauf (14,,“) in die Dicke des Chorions hineindringen. Diese Kanäle sind hier um so auffallender, als sie die einzigen Zeichen jener regelmässigen Felderung abgeben, die wir sonst bei Hippar- chia über den grössesten Theil des Chorions sich ausbreiten sehen. Auf die kleinen Felder im Umkreis des Micropyl- apparates folgen hier nämlich nur einige wenige grössere Felder, die, wie häufig bei den Hipparchien, von doppelten Contouren, d.h. von breiten, aber ziemlich flachen und wall artigen Leisten umgeben sind. Aber diese Felder gehen, wie gesagt, sehr schnell verloren — bis auf die Luftlöcher, die ihre Ecken bezeiehnen und dieselbe meridionale Gruppirung einhalten, die wir sonst ganz allgemein an den Chorionfel- dern bei Hipparchia vorfinden. Was wir im Voranstehenden über die Bildung des Cho- rions bei Hipparchia gesagt haben, gilt übrigens zunächst nur von den Seitentheilen des Eies und dem vordern Pole. Der hintere Pol desselben ist in verschiedenem Grade abgeplattet (bei H. Tithonus, Janira u. a. auch zugleich der vordern), bald mehr, bald weniger, und von dünnerer Beschaffenheit, auch beständig ohne Felderung und Löcher. Das Einzige, was derselbe mit dem übrigen Chorion gemein hat, ist das eigenthümliche schuppige Aussehen, was den meisten Arten (ausgenommen ist z. B. H. Hyperanthus und H. Egeria) zu- kommt. Eine neue, durch die Structurverhältnisse mancher Hip- parchia-Arten (besonders H. Janira) schon vorbereitete Form der Chorionbildung finde ich endlich bei den Gen. Argynnis (A. Aglaja), Pieris (P. brassicae) und Colias') (C. 1) Auch Vanessa dürfte wohl nach der Abbildung bei Sepp hie- her gehören. Ich selbst habe keine Gelegenlieit gehabt, die Eier der- Müller‘ Archiv. 1855, 13 194 Rud. Leuckart: Ueber die Mikropyle und hyale). Das Ei dieser Thiere ist von einer ziemlich lang- gestreckten finger- oder zuckerhutförmigen Gestalt mit ab- geplattetem bintern Pole und mit einer gerippten Seitenfläche. Die Rippen, die in gleichmässigen Abständen (von !%, bis 1/5‘) neben einander bis zur Basis herablaufen, erscheinen unter dem Mikroscope (vergl. hierüber auch Stein a. a. O. S. 56) als scharfe Leisten, die durchschnittlich etwa 100“ messen und von Zeit zu Zeit (in Entfernungen von Y—!y50'') durch schwächere sprossenartige Querleisten in Verbindung steben (Fig. 20). Ich brauche wohl kaum zu erwähnen, dass die Bildung, die in diesem schönen und regelmässigen Git- terwerke vor uns liegt, nur eine besondere Form der ge- wöhnlichen Felderbildung darstellt. Wir können das — auch abgesehen von den Erfahrungen bei Hipparchia — schon des- halb mit aller Bestimmtheit behaupten, weil einmal die vier- eckigen Felder, die von diesen Leisten umschrieben werden, nach vorn allmählig in die Blätter der Micropylrosette über- gehen (Fig. 20) und sodann auch deshalb, weil wir auf den Längsleisten, namentlich in der vordern Hälfte des Eies, je an der Wurzel einer Querleiste ein deutliches, ziemlich wei- tes Luftloch (14300) antreffen, wie wir es sonst nur an den Ecken der Felder zu finden gewohnt sind. Zwischen den Leisten hat das Chorion eine nur unbedeutende Dicke, viel- leicht nur "4500. Dazu kommt, dass die Oberfläche dessel- ben nicht einmal eben ist, sondern zahlreiche weite und flache Grübchen erkennen lässt, die so dicht neben einander stehen, dass die Zwischensubstanz zu einem feinen und niedrigen Netzwerke redueirt zu sein scheint. So wenigstens bei Ar- gynnis und Colias (Fig. 20), während die Oberfläche der Fel- der bei Pieris ein fein gewelltes Aussehen hat. Die Gruben sind hier gewissermassen in der Richtung des Längsdurch- selben zu untersuchen, «da die zweite überwinternde Generation dieser Thiere, wie vielleicht die Mehrzahl der überwinternden Insekten, auch Chrysopa u. a., erst im nächsten Frühjahr geschlechtsreif wird. (Einige Insekten überwintern aber auch nach Art der Frösche, des Flusskreb- ses u.s. w. mit völlig oder doch fast völlig entwickelten Eiern. Hie- her 2. B. Cynips quereus, Forficula, Blatta.) den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 195 messers in einander geflossen, zugleich aber auch kleiner, als namentlich bei Argynnis. Die hintere abgeplattete Fläche des Eies ist ohne Leisten, zeigt aber sonst das Aussehen des übrigen Chorions. Der Micropylapparat ist fast noch unscheinbarer, als bei Hipparchia, und auch darin verschieden, dass das Central- grübchen wieder schärfer hervortritt und zu einer ziemlichen Grösse herangewachsen ist (!%5o‘)- Die Kanäle selbst !), die gewöhnlich in fünffacher Anzahl vorhanden sind (Fig. 20), haben eine sehr unbedeutende Weite und werden nicht selten von den Leisten der Centralrosette, deren Blätterzahl meist mit der Zahl der Mieropylen übereinstimmt, so vollständig gedeckt, dass sie sich der Beobachtung eine Zeitlang ent- ziehen können. Die Blätter dieser Centralrosette sind klein, so dass der Durchmesser der ganzen Rosette nur 1/,,““ misst, wachsen aber schon in den folgenden unregelmässigen Blatt- kreisen, so dass bereits im 4. oder 5. Cyelus der Unter- schied zwischen ihnen und den Seitenfeldern fast verwischt ist (Fig. 20). Die Oberfläche dieser Centralblätter zeigt das- selbe Aussehen, welches von mir an den Seitenfeldern her- vorgehoben worden, nur sind die Grübchen flacher und grös-. ser, so dass die Unebenheiten viel weniger hervortreten. 4, Neuropteren. Die Eier der Neuropteren sind in der Regel, wie es scheint, von einer ziemlich gedrungenen, sphärischen oder ovalen Gestalt, klein und nur 1) Meissner behauptet (a. a. O.S. 281), dass die Micropyle von Pieris Brassicae „fast so beschaffen ist, wie die von Musca vomita- ria“ — ich muss das indessen vollkommen in Abrede stellen, obgleich ich gern zugebe, dass man die wirklichen Micropylen leicht übersehen kann. Ich selbst habe dieselben Anfangs vergebens gesucht und eine Zeitlang vermuthet, dass die ‚Luftlöcher hier die Rolle eines Micropyl- apparates übernommen hätten. Auf diese Ansicht bezieht sich auch die irrthümliche Angabe in den Monatsberichten der Königl. Akade- mie, dass die Micropylen bei einer Anzahl von Schmetterlingen in grösserer Menge den ganzen vordern Abschnitt der Eier einnähmen. 13* 196 Rud. Leuckart: Ueber die Micropyle und von dünnen Häuten umgeben. Der Micropylappa- rat, der sich nicht selten dureh eine besondere Bil- dung seiner nächsten Umgebung, durch Aufsätze u.s. w., auszeichnet, ist immer am vordern Ende, in einigen wenigen Fällen auch zugleich am hin- tern angebracht und besteht bald nur aus einer einfachen Oeffnung, bald auch aus zahlreichen, siebförmig neben einander gestellten Löchern. Die letztere Anordnung des Mieropylapparates beobach- tete ich zunächst in der Familie der Psociden bei zwei Arten des Gen. Psocus, die beide in der Bildung ihrer Eier voll- kommen übereinstimmen. Die Eier dieser Thiere sind ver- hältnissmässig sehr gross (1/4) und von ovaler Gestalt, nach vorne merklich zugespitzt. Sie zeigen ein festes und derbes, aber doch nur dünnes ("/,00) Chorion und eine deutliche Dotterhaut. Das Chorion hat einen bräunlichen Schimmer und ein granulirtes Aussehen, das von zahlreichen dicht ne- ben einander stehenden kleinen, aber scharf begrenzten Grüb- chen herrührt. Am vordern Pole des Eies sind diese Grüb- chen am tiefsten, zum Theil vielleicht deshalb, weil sich das Chorion gleichzeitig ein wenig verdickt, und von diesen tiefern Grübchen durchbrechen nun einige, vielleicht 15—20, die sich über ein rundliches Feld von etwa '%,'' im Durchmes- ser vertheilen, die Eihäute, um den Micropylapparat zu bil- den. Die Grösse dieser Löcher ist übrigens sehr unbedeu- tend, kaum !/4g00, so dass man dieselben leicht übersehen kann, wie denn überhaupt der ganze Apparat im Vergleich mit andern derartigen Einrichtungen höchst unscheinbar ist. In einem noch höhern Grade gilt dieses von den Eiern der Phryganiden, bei denen ich überhaupt vergebens nach einem Micropylapparat gesucht habe. Die Eier dieser Thiere (ich untersuchte mehrere Arten des Gen. Phryganea und My- stacides) sind klein, kugelrund und, wie gewöhnlich, (vgl. auch Zaddach, Untersuchungen über Entwicklung und Bau der Gliederthiere I. 1.2) von zwei Häuten umgeben, einem Chorion und einer Dotterhaut, von denen das erstere aber kaum durch Dicke und Festigkeit, noch viel weniger durch den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 197 seine Structur und Bildung von letzterer verschieden ist. Die reifen Eierstockseier tragen ausserdem noch eine dünne Ei- weissschicht, in der ich bei frisch gelegten Eiern, die, von einer Gallertmasse eingehüllt, eine Zeitlang an der Hinter- leibsspitze der Mutter anhängen (vergl. Kirby und Spence, a.a. 0.8.74), auch deutliche Samenfäden erkennen konnte, ohne dass es mir indessen gelang eine Mieropyle aufzufinden. Bei Panorpa communis bin ich kaum glücklicher ge- wesen, obwohl ich die Eier derselben häufig untersuchte und auch mitunter eine* siebförmig durchlöcherte Stelle beobachtet zu haben glaube. Nichts desto weniger bin ich über die wahre Bildung des Micropylapparates in Zweifel geblieben, theils deshalb, weil sich jene Stelle niemals in einer wün- schenswerthen Klarheit zur Anschauung bringen liess, theils auch deshalb, weil Meissner im Gegensatze zu diesen Be- obachtungen angiebt (a. a. O. S. 284), dass bei unserm Thiere eine einfache Mieropyle vorkomme, die nur „wegen gänz- lichen Mangels irgend einer Auszeichnung der Umgebung sehr schwer aufzufinden sei.“ Jedenfalls muss diese einfache Micropyle, wenn sie vorhanden ist, sehr klein und unbedeu- tend sein und beträchtlich hinter der Grösse zurückbleiben, die Meissner sonst seinen Mieropylen zuschreibt. Uebri- gens liegt, glaube ich, der Hauptgrund, warum sich die Mi- eropyle so schwer entdecken lässt, weniger in dem Mangel irgend einer Auszeichnung der Umgebung, als vielmehr darin, dass das Chorion, wie auch bei den Phryganiden, im höch- sten Grade elastisch ist und der zähe Dotter nur unvollkom- men zum Ausfliessen gebracht werden kann. Die Form der Bier ist wie bei Psocus, auch die Bildung des Chorions in- sofern etwas ähnlich, als die Oberfläche desselben ein un- ebnes, feinhöckriges Aussehen hat. Die reifen Eierstockseier sind, gleich denen von Phryganea, mit einer dünnen Eiweiss- schicht überzogen. Die Eier von Sialis lutaria, aus der Familie der Sem- bloden, sind schon vor längerer Zeit durch Suckow (Heu- singer's Zeitschrift für organ. Physik II. S. 265) bekannt ge- worden und neuerdings auch von Leon Dufour (I. e. T. VI. 198 Rud. Leuckart: Ueber die Mikropyle und Pl. 12. Fig. 190) in übereinstimmender Weise abgebildet. Sie sind von ovaler Gestalt und ziemlich gestreckter Form, fast etwas cylindrisch und neben ihrem vordern Ende seitlich (d. h. wohl der Bauchfläche zugewandt) mit einem kurzen und dünnen „grannenartigen“ Fortsatze versehen. Schon von vorn herein war zu vermuthen, dass dieses Gebilde mit dem Micropylapparat zusammenhänge; das Resultat meiner Unter- suchungen hat diese Vermuthung vollkommen bestätigt. Der Aufsatz ist (Tab. IV. Fig. 1) ein konisches Mundstück von !/0‘‘ Länge, das sich nach dem freien ?Ende zu allmählig (von %oo— Yso0‘) verjüngt und schliesslich eine deutliche Oeffnung (1%) zeigt, die sich in Form eines Kanales durch den Aufsatz verfolgen lässt. Die Eier, die ich untersuchte, waren aufgeweicht und aus dem Eierstocke genommen. Sie liessen nur eine einzige feine und structurlose Hülle erken- nen, von der ich es ungewiss lassen muss, ob sie die Dot- terhaut oder das Chorion darstellt. Jedenfalls waren die Eier noch vor der vollkommenen Reife, wie namentlich auch daraus hervorging, dass bei einem grossen Theile derselben das conische Mundstück noch ohne Oeffnung war und eine einfache zipfelförmige Verlängerung der Eihaut darstellte. Die Arten des Gen. Perla besitzen nach den Beobach- tungen von Leon Dufour gleichfalls einen besondern Auf- satz am vordern Eipole. „Les oeufs de la Perla bicau- data, sagt derselbe (l. c. p. 614. Pl. 13. Fig. 207), ont leur surface toute chagrinee par des tubereules obtus. Leur bout anterieur est deborde par une lame membraneuse transversale en are de cercle, d’un blanc azure difficile & constater, mais bien reelle. Les oeufs de la Perla mar- ginata sont ni chagrines, ni tubercule. Leur forme est elegamment ellipsoidale deprim&, leur surface parfaitement lisse. Leur ligne me&diane est legerement relevee en carene, tandis que leur pourtour semble presenter une bordure car- tilagineuse; leur bout anterieur est preedede d’un bouclier semilunaire d’un blane pur, soutenu par une sorte de pedicelle subtriangulaire.* Ich habe leider keine Gelegenheit gehabt, diese Eier zu den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 199 untersuchen, zweifle aber keinen Augenblick, dass sich die Beobachtungen von Leon Dufour auf den Micropylapparat der Perliden und dessen Bildung beziehen. Ganz ähnliche Verhältnisse finde ich an den Eiern der Florfliegen (Chry- sopa vulgaris, Hemerobius lupuli, Osmylus macula- tus), die am vordern Ende gleichfalls mit einem knopf- oder buckelförmigen Mieropylaufsatze versehen sind. Der Stiel, durch dessen Hülfe die ovalen Eier dieser Thiere auf frem- den Gegenständen, Blättern und dergl. befestigt werden (vgl. Reaumur |. ec. T. III. p. 286. Tab. XXXIUI und XXXIII) hat mit dem Micropylapparate nicht das Geringste zu schaffen; er findet sich am hintern Pole und wird erst beim Ablegen des Eies durch eine durchsichtige schleimartige Umhüllungs- masse gebildet'). Die Struetur des Chorions stimmt bei den untersuchten Arten insofern überein, als die Oberfläche des- selben beständig von einem Leistenwerke übersponnen ist. Aber die Bildung dieses Leistenwerkes zeigt manche auffal- lende Verschiedenheiten. Bei Osmylus (Fig. 2) umschreibt dasselbe ziemlich grosse und regelmässige 4—6eckige Felder (von RT die nach den Polen allmählig kleiner werden und in der Mitte etwas eingesunken sind, so dass sie mit ihren Rändern gewissermassen eine flache und schüsselförmige Grube dastellen. An den Kreuzungspunkten sind die Leisten am stärksten entwickelt und nicht selten sogar in Form eines kleinen Zapfens erhoben. Hemerobius (Fig. 3) verhält sich ganz ähnlich; nur sind die Felder kleiner und die Leisten, die sie trennen, vielfach unterbrochen, so dass fast durch- gehends nur die Kreuzungspunkte derselben in Form ver- I) Anfangs scheint diese Umhüllungsmasse das ganze Ei zu um- geben, wie wir es von der äussern Eiweisslage der Fliegeneier u. s. w. hervorgehoben haben. (Später kann man die Fortsetzung des Stieles als eine dünne Lage nur in der hintern Hälfte des Eies nachweisen.) Der Stiel entsteht erst dadurch, dass das Weibchen, nachdem es das halb hervorgetretene li mit seinem Ueberzuge befestigt hat, den Hin terleib emporhebt, ohne aber das Ei fahren zu lassen und die Anbei tumgsstelle dadurch zu einem Faden auszieht, der dann bei der Grösse seiner Verdunstungsfläche rasch, wie der Spinnenfaden, erhärtet. 200 Rud. Leuckart: Ueber die Mikropyle und ‘ ästelter Erhebungen, wie bei Syrphus, stehen bleiben. Bei Chrysopa findet man nur am, vordern Pole eine Felderung (Fig. 4); auf der übrigen Chorionfläche ist dieselbe verloren gegangen und durch ein zartes, aber dichtes Gitterwerk: ver- treten, dessen enge Maschen als Grübchen erscheinen und an die Bildung des Psoeideneies erinnern '). Der Micropyl- Aufsatz hat in allen Fällen eine schwammige Textur. Er stellt eine Wucherung der Chorionleisten dar und erreicht bei Osmylus eine Höhe und Breite von !/,”“, während er sonst sehr weit hinter dieser Grösse zurückbleibt (14,“‘). Bei He- merobius (Fig. 3) zeigt dieser Aufsatz eine Ringform. Die äussere Fläche desselben ist tellerförmig eingesunken, dünner als der Rand und mit einer ansehnlichen Menge kleiner sieb- artig neben einander stehender Micropyl-Oeffnungen versehen. Osmylus und Chrysopa hat (Fig. 2 und 4) einen zapfenför- migen Aufsatz, wie er bei Perla marginata vorzukommen scheint, der überall dieselbe Dicke zeigt und von zahlreichen radiär verlaufenden Micropylkanälen durchsetzt wird. Der ganze Aufsatz besteht fast ausschliesslich aus den Wandun- gen der trichterförmigen Micropylkanäle, und diese Wandun- gen selbst dürften kaum etwas Anderes sein, als stärkere (zellenartige) Entwicklungen der gewöhnlichen Leisten um die Chorionfelder. Der Eingang in die Micropylkanäle be- trägt 14. Bei den Eintagsfliegen könnte man nach den Angaben von de Geer (l.c. T.II.P. 2. Pl. XXIII. Fig. 5), Leon Dufour (l.e. p. 582) und auch nach denen von Burmeister (Zei- tung für Zoologie I. Nr, 14. S. 107) vielleicht einen ähnlichen Micropylaufsatz vermuthen. De Geer beschreibt an den Eiern dieser Thiere „une partie allongee en forme de pointes dont le bout superieur est termine“, ein Gebilde, das nach der beigegebenen Abbildung eine grosse Aehnlichkeit mit den „Grannen“ der Eier bei Sialis hat, und Leon Dufour er- 1) Die Angabe, dass das Ei der Florfliegen mit einem Deckel ver- sehen sei, ist unrichtig, Der Embryo durchbricht das Chorion am vordern Pole, neben dem Micropylaufsatze. den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 201 wähnt bei denselben „une sorte de chapiteau hemispherique*, von der er es aber ungewiss lässt, ob sie dem vordern oder hintern Ende des Eies zukomme. Burmeister, der ganz denselben Aufsatz beobachtete, entscheidet sich dahin, dass er eine hornige Beschaffenheit habe und eine örtliche Ver- diekung des Chorions darstelle, fühlt sich aber späterhin, wie in einer Anmerkung hinzugefügt wird, versucht, ihn mit dem von Stein inzwischen beschriebenen sog. Corpus luteum der Insekteneier zu parallelisiren. Ich habe das Gebilde, um das es sich hier handelt, bei drei Ephemerenarten, Palin- genia horaria, Oxycephala luctuosa, und einer zwei- flügligen kleinen Species, die ich noch am ersten für die Ozye. lactea halten möchte, untersucht und darf wohl mit Bestimmtheit behaupten, dass es von einem Micropylaufsatze vollkommen verschieden ist. Es geht solches schon daraus hervor, dass das betreffende Gebilde, das ich bei den er- wähnten Arten niemals an den nach Aussen abgelegten Eiern vermisste"), während der frühern Zustände und namentlich auch während des Aufenthaltes im Eierstocke fehlt (vergl. Swammerdamm, a. a. O. S. 109). Der Aufsatz besteht (Tab. IV. Fig.5u.6) aus einer soliden Masse von streifiger Textur und einer zähen, selbst festen Beschaffenheit, die äusserlich auf dem Chorion aufliegt und zwar beständig an den Polen, genau an jener Stelle, wo nach meinen Unter- suchungen die siebförmigen Mieropylapparate mit ihren Oefl- nungen angebracht sind. Bei Ozycephala lactea (?), wo diese Miceropylen an beiden Eipolen vorkommen, findet man auch (Fig.7) an beiden Polen einen solchen Aufsatz und zwar hier in Form einer concav-convexen Linse, die mit ihrer Concavität auf dem Chorion aufliegt und den Rand des Mi- eropylapparates nicht unbeträchtlich überragt. Aehnlich ist die Bildung des Aufsatzes bei Ozxycephala luctuosa (Fig. 6), nur mehr mützenartig, indem einmal die ganze obere Hälfte des Eies davon bedeckt wird und sodann auch die Mitte des 1) Die aufgetrockneten Eier von Baetis venosa, die ich untersuchen konnte, wären dagegen entschieden ohne solchen Aufsatz. 202 Rud. Leuckart: Weber die Micropyle und Aufsatzes sich nach der einen Seite hin in einen zipfelförmi- gen Fortsatz auszieht, durch den gewöhnlich mehrere neben einander liegende Eier zusammenkleben. Bei Palingenia ho- raria hat dieser Aufsatz endlich (Fig. 5) eine halbkugelför- mige Gestalt und eine sehr beträchtliche Grösse, so dass sein Volumen wohl den vierten Theil des ganzen Eies aus- macht. Ueber die Natur dieses Aufsatzes kann bei näherer Un- tersuchung kaum länger ein Zweifel bleiben: er besteht aus einer Unmasse von Samenfäden, die in Strängen oder Bündeln beisammenliegen und auf den Mieropylapparat unserer Eier aufgeklebt sind'). Bei Oz. lactea (?) zeigen diese Bündel einen schlingenförmigen Verlauf und mancherlei Windungen, mit denen sie sich vielfach decken; bei den übri- gen Arten aber sind dieselben gestreckt und in strahlenför- miger Richtung der Art neben einander gestellt, dass das eine Ende (wie es übrigens auch bei Oz. lactea der Fall ist) den Mieropylöffnungen sich zukehrt. Am regelmässigsten zeigt sich diese Gruppirung bei Palingenia (Fig. 5), wo die Köpfe der Bündel an der Oberfläche des Aufsatzes in Form von kleinen Buckeln vorspringen. Das Aussehen der einzel- nen Bündel ist genau dasselbe, wie in den männlichen Ge- schlechtswegen; die Fäden liegen dieht neben einander und sind in eine Substanz von völlig gleichem Brechungsvermögen eingebettet, so dass die Bündel fast ganz homogen erschei- nen und von dem Unkundigen leicht verkannt werden können. Uebrigens brauche ich wohl kaum zu bemerken, dass ich die Identität dieser Bündel mit den Samenbündeln genau constatirt habe, so dass es mir auch gelang, meinen verehr- ten Freund und Collegen, Herrn Prof. Bischoff von der Natur dieser Massen vollständig zu überzeugen. Natürlicher Weise wird übrigens nicht die ganze ungeheure 1) Auch bei Baelis venosa finde ich an den oben erwähnten auf- geweichten Eiern und zwar an beiden Polen eine Menge lockiger Stränge, die gleiehfalls ohne Zweifel als Samenfadenbündel in An- spruch genommen werden dürfen. den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 203 Menge dieser Samenfäden in das Ei aufgenommen. Es sind immer nur einige wenige Fäden, die durch die Micropylen hindurchschlüpfen, wie ich es an frisch gelegten Eiern von Oz. lactea beobachten konnte. Die Grösse des Aufsatzes wird dadurch nicht im Geriugsten verringert; er lässt sich (wie der Samenpfropf bei Helophagus) in unveränderter Weise noch an solchen Eiern auffinden, die bereits die junge Larve im Innern einschliessen. Was die Form der Eier betrifft, so ist diese bei den klei- nen y") Eiern von Ozycephala vollkommen oval, bei denen von Palingenia aber, die 1/4” messen, nach vorn etwas zugespitzt. Die Structur des Chorions ist äusserst einfach; nur bei Palingenia zeigt die Oberfläche ein höckriges, von feinen Grübchen herrührendes Aussehen. Die Micropylplatte ist etwas verdickt, mit zahlreichen äusserst feinen (1900) Oeffnungen versehen und trotz den beträchtlichen Grössen- unterschieden der Eier annäherungsweise von demselben Durchmesser (1, .—'/30)- Aus der Familie der Libelluliden untersuchte ich Aeschna grandis, Libellula depressa und Agrion virgo, die alle drei darin unter sich übereinstimmen, dass ihre Eier am vordern, papillenförmig vorspringenden Ende mit einer einfachen Mi- eropylöffnung versehen sind. In anderer Beziehung zeigen diese Eier aber so vielerlei Verschiedenheiten, dass es am zweckmässigsten sein wird, dieselben der Reihe nach einzeln zu betrachten. Bei Aeschna grandis unterscheidet man (Tab.-FV. Fig. 8) an den grossen und gestreekten eylindrischen Eiern (fast 1” lang und reichlich '4” breit) drei leicht isolirbare Häute, eine zarte Dotterhaut und zwei darüberliegende dicke und feste Membranen (jede zu 14,5”), die wir nach der schon oft gebrauchten Terminologie als Endochorion und Exocho- rion bezeichnen wollen. Das erstere ist trotz seiner Dicke vollkommen strueturlos und von ziemlich weicher, fast elasti- scher Beschaftenheit. Sein vorderes Ende zeigt (Fig. 8) einen papillenförmigen Vorsprung, der bei einer Höhe von "4, an seiner Basis eine Breite von '/,,“ besitzt und an der 204 Rud. Leuckart: Ueber die Mieropyle und äussersten Spitze eine spaltartige Oeffnung erkennen lässt Diese Spalte ist die Mieropyle. Sie führt in einen ziemlich weiten Kanal, der von dicken Wandungen begrenzt wird und sich in Uebereinstimmung mit der Form der Papille nach unten erweitert, vielleicht auch seiner ganzen Länge nach von einer Fortsetzung der Dotterhaut bekleidet ist. Jeden- falls erfordert es gerade an dieser Stelle einige Gewalt, die beiden Häute von einander zu trennen. Das Exochorion hat eine beträchtlichere Festigkeit, als das Endochorion und eine ganz verschiedene Bildung. Die Oberfläche desselben ist auf das Schönste und Regelmässigste gefeldert, und zwar der Art, dass die einzelnen sechseckigen Felder ('/,”) von hohen und breiten (!/,0“‘), scharf begrenzten Leisten umgeben sind. Eigentlich besteht eine jede dieser Leisten aus zwei an ein- ander anliegenden Erhebungen, die sich durch eine nahtartige Furche gegen einander abgrenzen; man überzeugt sich hier deutlicher, als vielleicht sonst irgendwo, dass solche Leisten nur durch die aufgewulsteten Ränder der Felder gebildet werden. Die Fläche selbst hat ein unebnes, granulirtes Aus- sehen. Das vordere Ende des Exochorions zeigt ganz die- selbe Papille, wie wir sie oben an dem Endochorion hervor- gehoben haben, aber diese Papille ist nicht nur glatt und ohne Spur von Felderung, die ziemlich plötzlich an ihrer Basis aufhört, sondern auch an der einen (Bauch-?) Fläche mit einer weiten herzförmigen Oeffnung versehen, so dass die Spitze des Endochorions mit der Micropyle daraus her- vorragt (Fig.8). Das vordere Ende des Exochorions bildet gewissermassen eine löffelförmige Fortsetzung, die zur Auf- nahme der Micropylpapille bestimmt ist. Die Eier von Libellula depressa sind (Fig. 9) von sehr verschiedener Form, kurz ('/4‘“) und gedrungen, fast kugel- förmig, nur nach hinten in eine stumpfe Spitze verlängert. Sie zeigen eine dünne Dotterhaut und ein fein granulirtes Chorion, das nur wenig stärker ist (1/00), ausserdem aber noch eine äusserst dieke (!/,,o“‘) und durchsichtige mantel- artige Hülle, die hier, und da eine körnige Beschaffenheit hat und nach Aussehen und physikalischen Eigenschaften leicht den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 205 für eine Eiweisssebicht gehalten werden könnte. Nichtsdesto- weniger glaube ich aber nicht, dass sich diese Hülle mit der dünnen Eiweisslage parallelisiren lasse, die wir sonst so häufig, namentlich bei den Dipteren, an den Eierstockseiern angetroffen haben. Die letztere bildet sich erst sehr. spät, kurz vor dem Austritt aus den Eierstocksröhren, während die Entstehung des durchsichtigen Mantels bei den Eiern von Libellula in eine sehr viel frühere Periode fällt, auch, wie es scheint, auf einem andern Wege vor sich geht. Dazu kommt, dass dieser Mantel eine sehr viel beträchtlichere Festigkeit hat, als jene Eiweissschicht. Alles das lässt mich vermuthen, dass diese Bildung nicht geradezu als eine Eiweisslage, wie sie sonst vorkommt '), betrachtet werden könne. Ich möchte sie viel lieber als eine Art Exochorion ansehen, als ein Ge- bilde, das ja auch in manchen andern Fällen, z. B. bei den Culexarten, in Aussehen und physikalischen Eigenschaften einige Aehnlichkeit mit einer Eiweisslage darbietet. Dieses Exochorion umgiebt das ganze Ei mit Ausnahme seines vor- dern Poles. Hier zeigt dasselbe (Fig. 9) eine weite und flache, grubenartige Vertiefung, die bis auf das Chorion reicht und einen ansehnlichen Aufsatz von konischer Gestalt nach aussen hervortreten lässt. Die Höhe dieses Kegels beträgt 0’, seine Breite an der Basis '/,', seine Spitze etwa '/s0“. Die Wandungen, die ihn bilden, haben eine ansehn- liche Dicke (1/5) und eine glashelle Beschaffenheit, sind aber weder mit dem Chorion, noch mit dem Exochorion in eontinuirlichem Zusammenhang. Der Aufsatz erscheint (Fig. 10) als ein selbstständiges Gebilde, das auf der Oberfläche des Chorions aufsitzt und nur durch eine dünne Fortsetzung des Chorions, die ihn im Innern auskleidet, vielleicht auch durch die übergreifenden Ränder des Exochorions in seiner Lage befestigt wird. Nichts desto weniger halte ich diesen Kegel 1) Ich glaube übrigens Grund zu der Annahme zu haben, dass diese Eiweisslage sehr viel allgemeiner an den Eierstockseiern der Insekten vorkommt, als wir bis jetzt wissen — vielleicht nur den we- nigsten Eiern abgehet. 206 Rund. Leuekart: Ueber die Micropyle und u für einen Theil des Exochorions und zwar für die vordere Papille desselben, die sich schon bei Aeschna mitunter gegen den übrigen Theil des Exochorions deutlich absetzt. Den Beweis für die Richtigkeit dieser Annahme finde ich in dem Umstande, dass die Bildung des Kegels gleichzeitig mit der des Exochorions vor sich gehet und dass beide in der ersten Zeit ihrer Existenz nicht nur dasselbe grobkörnige Aussehen haben, sondern auch wirklich in continuirlichem Zusammen- hang stehen. Dieser Kegel ist nun aber nicht etwa nach allen Seiten hin geschlossen, sondern (Fig. 10) wie die Papille des Exo- chorions bei Aeschna, mit einer ansehnlichen löffelförmigen Oeffnung versehen, die am obern Ende !/,,,‘ misst, sich nach unten verschmälert und schliesslich in Form eines Längs- schlitzes bis über die Mitte des Kegels hinaus verfolgt wer- den kann. Ohne Zweifel zeigt die kegelförmige Fortsetzung des Chorions, die den weiten Innenraum des Aufsatzes aus- kleidet, eine correspondirende Oeffnung, doch gelang es nicht, dieselbe zur Anschauung zu bringen. Auch über das Ver- halten der Dotterhaut weiss ich Nichts anzuführen, es müsste denn das sein, dass sich dieselbe fast in horizontaler Rich- tung unter der Basis des Kegels hinzieht und an der Bildung desselben nicht betheiligt zu sein scheint. Agrion virgo besitzt im Gegensatz zu Libellula ein lang- gestrecktes schlankes Ei (1% lang, !/,” breit), das sich nach hinten allmählig verjüngt und vorn (Fig. 11) in eine eonische Spitze auszieht, ohne dass sich diese indessen so auffallend gegen das übrige Ei absetzt, wie in den bisher betrachteten Fällen, namentlich im letztern. Dotterhaut und Chorion sind dünn und ohne irgend auffallende Structur. Ein Exochorion fehlt; nur auf der vordersten Spitze des Eies findet man eine körnige Belegmasse von gelblichem Aus- sehen, die wir wohl als Ueberrest einer derartigen Hülle und namentlich als Analogon des conischen Mieropylaufsatzes betrachten dürfen, wie wir ihn bisher, freilich nur in einem mehr oder minder deutlichen Zusammenhange mit dem Exo- chorion, bei den Libelluliden antrafen. Am vordern Pole ist den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 207 diese Belegmasse am dicksten (1450), auch nicht selten in einen Zapfen ausgezogen, während sie nach hinten allmählig abnimmt und schliesslich verschwindet. Die Micropyle er- scheint als einfache Oeffnung, die etwas excentrisch ange- bracht ist und in Form eines Kanales von 0” die Beleg- masse durchsetzt. Bei manchen Individuen von Agr. virgo zeigt diese Micropyle nicht die geringste Auszeichnung, so dass sie nur mit grosser Schwierigkeit sich auffinden lässt, bei andern aber sitzt auf dem Rande der Micropyle ein zar- ter und dünnwandiger Trichter von ziemlich ansehnlicher Grösse. Bei solchen Individuen erreicht auch (Fig. 11) die Belegmasse des vordern Eipoles und namentlich der zapfen- förmige Vorsprung derselben eine sehr viel stärkere Ent- wicklung, so dass letzterer nicht selten u, — 0‘ beträgt. Schon Meissner hat (a.a. O.S.283) auf die Anwesenheit dieses Trichters bei Agrion virgo hingewiesen; es. scheint ihm aber entgangen zu sein, dass die Wände dieses Trichters — so war es wenigstens bei den von mir untersuchten Indivi- duen — keine continuirliche Membran darstellen, sondern (Fig. 11) aus einer Anzahl von beiläufig 12—14 finger- oder blattförmigen Fortsätzen gebildet werden, die etwa !/,‘“ lang und so“ breit sind. Nur an dem untern Ende hängen diese Blätter unter sich zusammen; die Wände des Trichters sind also gewissermassen’ geschlitzt und in eine Anzahl von strei- fenförmigen Blättern zerfallen. Beim Herabrücken des Eies durch die Vagina werden sich diese Blätter, die im Eierstocke keineswegs immer eine ganz regelmässige Lage zeigen und häufig nach hinten über den Eipol herabhängen, wohl auf- richten und zusammen einen Trichter oder Kanal bilden, der gewiss in zweckmässigster Weise zum Auffangen und Fort- leiten des Sperma dienen kann. Dass dieser Apparat nach seinen Beziehungen zu den Eihäuten eine direete Fortsetzung des Chorions darstellt, ist von Meissner schon richtig er- kannt worden. Der Micropylkanal, der den Aufsatz durch- bohrt ‘), wird, wie in den vorher betrachteten Fällen, von 1) Meissner giebt an, Eier ohne den Aufsatz, wohl aber mit 208 Rud. Leuckart: Weber die Mikropyle und einer Fortsetzung des Chorions ausgekleidet und die Ränder dieser Fortsetzung eben sind es, die uns in Form des Sa- mentrichters entgegentreten. Die excentrische Lage der Mi- cropyle erinnert an die löffelförmige Bildung der Micropyl- papille bei Aeschna und Libellula. 5. Orthopteren. Die Eier der Orthopteren sind mit wenigen Aus- nahmen cylindrisch oder doch gestreckt, meist auch etwas nach der Rückenfläche zu gebogen. Sie haben eine ansehnliche Grösse und eine dicke pneumatische Schalenhaut, die gewöhnlich gelb- lich oder braun, mitunter auch schwarz gefärbt ist. Der Micropylapparat ist ohne Aufsätze, aber hier und da durch eine besondere Beschaffenheit seiner Umgebung ausgezeichnet. Er besteht aus einer verschiedenen meist mehrfachen Zahl von ansehnlichen Löchern oder trichterfürmigen Ka- nälen, die gewöhnlich in grösserer Entfernung von dem vordern Ende angebracht sind, bald nur auf der convexen Bauchfläche, bald auch im gan- zen Umkreis des Eies. Aus der Familie der Acridier kamen Oedipoda coeru- lescens nnd mehrere Arten des Gen. Gomphocerus (G. lineatus, G. 2-guttalus, G. variabilis) zur Unter- suchung. Die Eier derselben stimmen fast bis auf die Ein- zelnheiten mit einander überein. Sie haben eine ansehnliche Grösse (Oedipoda 2", Gomphoceros 1°/,“') und eine walzen- förmige, wenig gebogene Gestalt, sind am vordern Pole et- was abgeflacht, am hintern dagegen zugespitzt. Das Chorion hat bei einer beträchtlichen Dicke (durchschnittlich etwa 4.) Trichter beobachtet zu haben, während mir umgekehrter Weise (als blosses Entwicklungsstadium möchte ich bezweifeln, da man doch ge- wöhnlich alle Entwicklungsstufen neben einander in demselben Eier- stock antrifft) Eier ohne Trichter aber mit — schwach entwickeltem — Aufsatze vorkamen. den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 209 eine bräunliche Färbung, und zeigt zahllose feine Poren, die dicht neben einander stehen und weit in die Tiefe hineindrin- gen. Eine Felderung lässt sich nnr an den Polen erkennen, wo die Eihaut etwas verdickt ist; jedoch zeigen die einzelnen Arten hierin einige Verschiedenheiten. Am deutlichsten sehe ich die Felder ('%,”‘) am hintern Pole von Oedipoda, im Um- kreis der besonders stark verdiekten, auch mit einigen grös- sern Luftlöchern versehenen Eispitze (Tab. IV. Fig. 12). Auf den Grenzen der Felder, die eine unregelmässige sechseckige Gestalt haben, stehen Leisten von derselben porösen Be- schaffenheit, wie wir sie schon oben von dem Chorion an- gemerkt haben. Die Micropylen findet man in einiger Ent- fernung von dem hintern Eipole (etwa '/" oberhalb der Spitze). Sie bilden (Fig. 12) einen Kranz von etwa 30—40 ansehnlichen Kanälen, die in schräger Richtung, von vorn nach hinten, die Eihaut durchsetzen und etwa 1%, messen. Für jeden dieser Kanäle findet sich (Fig. 13) eine kleine Längsleiste, die am obern Ende etwa '/,“ breit ist, nach unten sich aber allmählig sehr beträchtlich verschmälert. Das obere Ende ist schräg abgestutzt und mit dem Eingang in den Micropylkanal versehen. Er erscheint als eine grosse und weite Oeffnung (14, breit, '%,‘“ lang), die sich nach Art eines Trichters ziemlich rasch verengt und sehliesslich in einen Kanal mit einer Mündung von !/,,,“ ausläuft. Die Entfernungen der einzelnen Kanäle sind ziemlich gleichmäs- sig und schwanken von 14,— 4”. Die Eier der Locustinen zeigen (nach Untersuchungen an Meconema varium, Locusta viridissima und L. can- tans, Decticus griseus und D. verrucivorus, Ephippi- gera autumnalis und Eph. vitium) im Wesentlichen die- selbe Grösse, Färbung und Gestalt, wie die Eier der Acri- dier. Allerdings ist die Grösse im Ganzen noch beträcht- licher (bei Mec. varium = 1'%"', Dect. verrucivorus = 2%", Loc, viridissima — 3"), die Färbung noch dunkler (bei Dee. griseus und Loc. viridissima fast schwarz), die Gestalt auch in sofern abweichend, als der vordere Pol sich allmählig, gleich dem hintern zurundet, aber alle diese Verschieden- Müller’ Archiv. 1856. 14 210 Rud. Leuckart: Ueber die Mieropyle und heiten sind nur von geringem Belange. Viel grössere Diffe- renzen finde ich dagegen in der Bildung des Mieropylappa- rates und der Structur des Chorions. Der erstere besteht allerdings, wie bei den Acridiern, aus weiten trichterförmigen Kanälen, allein diese Kanäle sind einmal in viel geringerer Anzahl vorhanden (zwischen 6 und 12) und sodann aus- schliesslich an der Bauchfläche und zwar hoch oben an der Bauchfläche, noch vor der Grenze des vordern Viertheils, angebracht (Fig. 14). Ueber das Chorion lässt sich im All- gemeinen nur soviel sagen, dass es bei einer beträchtlichern Dicke an seiner ganzen Oberfläche sehr deutlich gefeldert ist. Aber die Entwicklung dieser Felder zeigt so mancherlei Ver- schiedenheiten, dass wir dieselbe im Speciellen bei den ein- zelnen Arten berücksichtigen müssen. Am einfachsten ist diese Bildung bei Ephippigera auctum- nalis, bei der die Felder ungefähr dasselbe Aussehen haben, wie bei den Acridiern, sich auch in ähnlicher Weise durch niedrige und schmale (Yooo“‘) Leisten gegen einander ab- grenzen (Fig. 17). Uebrigens besteht eine jede dieser Lei- sten, wie auch schon bei Oedipoda, eigentlich aus zwei an einander anliegenden Erhebungen, die durch eine Furche 'ge- trennt sind, wie man sehr entschieden namentlich dann er- kennt, wenn sich diese Furche zufälliger Weise mit Luft in- jieirt hat. Am vordern Ende sind die Leisten am höchsten; sie bilden hier förmliche Körbehen, wie bei den Syrphiden u.a., die an dem frisch gelegten Ei von einer eiweissartigen Masse erfüllt sind, von einem Ueberzuge, der wahrscheinlich bei allen Locustinen und verwandten während des letzten Aufenthaltes in dem Ovarium abgesondert wird, Uebrigens bleiben auch diese Körbchen nur niedrig, etwa !/o‘. Lei- sten und Felder sind mit zahlreichen feinen Poren versehen, wie bei den Acridiern, die letztern auch noch mit einer grös- sern, scharf begrenzten Grube, die den Mittelpunkt der ohnehin schon von der Basis der Leisten etwas abfallenden Fläche einnimmt (1490). Sehr ähnlich verhält sich (Fig. 14) Meconema varium, nur dass hier die Centralgruben der Felder fehlen, während dafür den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 2] aber die Höhe der Leisten sehr viel beträchtlicher ist. Sie misst durchschnittlich '%;,“ und steigt an den Polen des Eies sogar bis auf mehr als das Doppelte. Bei Ephippigera vitium und den Decticus- Arten ist das Aussehen der Felder auf den ersten Blick sehr abweichend. Bei näberer Untersuchung redueiren sich indessen die Ver- schiedenheiten dieser Thiere darauf, dass die schmalen Cho- rionleisten, die bisher unmittelbar aus der Fläche der Felder sich erhoben, hier noch von einer besondern scharf begrenz- ten wallartigen Erhebung getragen werden !), so dass man vom Grunde der Centralgrube ab gewissermassen drei Ter- rassen zu durchwandern hat, die Fläche der Felder, den Wall und schliesslich erst die Firste der Leisten (Fig. 15). Die Leisten bleiben beständig niedrig, auch an den Polen, dafür wächst hier aber (bei zunehmender Dicke des Chorions) die Höhe der Wälle, so dass die Fläche der Felder den Bo- den einer tiefen und geräumigen Grube zu bilden scheint. Bei Dectieus griseus nimmt zugleich die Breite der Wälle, die sonst durchschnittlich etwa '%,,“' beträgt, so beträchtlich zu, dass die Felder bis auf die Centralgrube fast völlig ver- schwinden, so dass dann natürlich der Unterschied zwischen Höhe und Tiefe auch sehr viel ansehnlicher zu sein scheint. Bei eben dieser Art findet sich auch, was ich sonst nirgend unter den Locustinen angetroffen, ein Unterschied in der Bildung der Bauch- und Rückenfelder, indem die letztern bei gleichzeitiger Verdünnung des Chorions viel weniger ent- wickelt sind, als die erstern. Wahrscheinlich bezeichnet diese Bildung des Rückens die Durchbruchsstelle der jungen Larve. Für Locusta cantans gilt im Wesentlichen dasselbe, wie für die Deeticus-Arten, nur dürfte hervorzuheben sein, dass die Poren des Chorions hier sehr viel feiner sind und weni- ger hervortreten, als in den frühern Fällen. Dafür aber bie- tet das Oentralloch eine beträchtliche "Tiefe und eine so an- 1) Hier und da sieht man übrigens auch schon bei Eph. autumnalis ein solches Verhalten, nur dass hier die wallartige Unterlage der Lei- sten beständig viel flacher und niedriger bleibt. 14% 212 Rud. Leuckart: Ueber die Mieropyle und sehnliche Weite, dass es bis auf einen schmalen Saum die ganze Fläche der Felder in Anspruch nimmt. Eben so ist es bei Locusta viridissima, die sich freilich in anderer Weise, durch die Entwicklung der Grenzleisten zwischen den ein- zelnen Feldern höchst auffallend auszeichnet. Während näm- lich diese Leisten sonst gewöhnlich, wie wir gesehen haben, nur niedrig bleiben oder sich höchstens in Form von zarten Körbchen erheben, verwandeln sie sich hier (Fig. 16) in trom- petenförmige Aufsätze, die sich allmählig von !/ı3o‘, (dem Durchmesser der einzelnen Felder) bis auf !%,,' verdünnen und erst am Ende wieder kelchartig ausbreiten. Die Ränder dieser Endausbreitungen fliessen zu einer continuirlichen Haut zusammen, und so entsteht denn gewissermassen im Um- kreise des Chorions eine gefensterte Umhüllung, deren Lö- cher durch dünne Röhren mit den Centralgruben der Cho- rionfelder zusammenhängen. Die Röhren mit ihren Endaus- breitungen sind äusserst zarthäutig und lassen sich leicht von dem eigentlichen Chorion entfernen, wie denn überhaupt bei allen diesen Eiern die äussern Schiehten des Chorions mit den tiefern und festern nur lose verbunden sind. Zur Stütze der dünnen Membran, die, wie erwähnt, durch die äusser- sten Enden der trompetenförmigen Aufsätze gebildet wird, entwickeln sich rippenartige, freilich immer nur zarte Ver- diekungen, die von der Endöffnung nach allen Seiten hin ausstrahlen. Die Höhe dieser Röhren beträgt an den Seiten- flächen des Eies etwa '/,‘, an den Polen dagegen bis zu 148. Die Aufsätze gewinnen dadurch (Fig. 16) die grös- seste Aehnlichkeit mit der bekannten Form der Stethoskope, die um so mehr in die Augen fällt, als die Endausbreitungen derselben hier nicht mehr, wie an den übrigen Stellen zur Bildung einer membranösen Hülle zusammenfliessen, sondern isolirt bleiben und nach den verschiedensten Richtungen hin- sehen. Schon mit unbewaffnetem Auge erkennt man hier die einzelnen Röhren, die gleich Borsten neben einander stehen und der Oberfläche des Eies ein sammetartiges Aus- sehen geben. Aber schwerlich wird man ahnen, dass das den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 2]3 Microseop in diesem Ueberzuge eine Bildung nachweist, die au Eigenthümlichkeit und Zierlichkeit ihres Gleichen sucht. Ueber den Micropylapparat der Locustinen kann ich mich kurz fassen. Er besteht, wie bei den Acridiern, aus ansehn- lichen Kanälen mit trichterförmig erweiterter äusserer Mün- dung (von '%,0), aber diese Mündungen (Fig. 17) fallen hier mit der Oberfläche des Chorions zusammen. Die Mieropyl- kanäle verlaufen ihrer ganzen Länge nach (1/,,'“) in der Sub- stanz des Chorions. Sie beschreiben (Fig. 17) einen ziemlich ansehnlichen Bogen, indem sich ihr äusseres Ende fast senk- recht auf die Oberfläche des Eıes stellt, während sie sonst in diagonaler Richtung nach hinten und innen verlaufen. Bei Meconema varium und Decticus verrucivorus finde ich die ge- ringste Anzahl dieser Kanäle, nur 6— 9, während sonst ge- wöhnlich 10—12 vorkommen. In der Regel stehen dieselben haufenweise neben und über einander, bald näher, bald fer- ner, bei Meconema varium (Fig. 14) noch am gleichmässigsten in derselben Höhe, so dass die Gruppirung hier einigermas- sen an die Acridier erinnert. Bei Locusta viridissima bilden sie einen sehr hohen aber nur schmalen Haufen, der in die Mittellinie der Bauchfläche fällt, bei Ephippigera autumnalis meist zwei seitliche Haufen neben der Mittellinie u. s. w. Die nächste Umgebung der Micropylöffuung ist glatt, scheint aber nichts desto weniger einem Felde zu entsprechen , so dass (Fig. 17) die Oeflnung selbst als eine vertiefte und ka- nalförmig verlängerte Centralgrube zu betrachten sein dürfte. Wo die Oeffnungen nahe stehen, Niessen diese glatten Stellen zu einer gemeinschaftlichen Fläche von unregelmässiger Ge- stalt zusammen (Loc. viridissima). Die Felder, die sich an diese Stellen zunächst anschliessen, sind kleiner als gewöhn- lich, meist auch stärker durchlöchert und mit breitern Lei- sten versehen (Decticus). Die Eier der Grylloden habe ich im reifen Zustande nicht untersuchen können. Was ich darüber mittheilen kann, be- schränkt sich fast ausschliesslich auf die Form der Eier, die bei Acheta campestris mit der der vorhergehenden Grup- pen übereinstimmt, bei Gryllotalpa dagegen sehr viel kür- 214 Rud. Leuckart: Ueber die Micropyle und zer und bauchiger ist, so dass die Eier eine fast ovale Ge- stalt haben. Rücken und Bauchfläche sind dabei aber immer noch durch eine verschiedene Krümmung ausgezeichnet. In Bezug auf die Textur des Chorions erfahren wir durch Rathke (Müller's Arch. 1844. S.23), dass die Oberfläche bei Gryllotalpa „mit äusserst kleinen Höckerchen versehen sei.“ Acheta hat — wenigstens bei meinen Eiern — ein ho- mogenes, glattes Chorion. Der eine Pol dieser Eier ist ab- gestumpft. Er bildet eine Fläche, die sich durch eine deut- liche Firste gegen das übrige Chorion absetzt. In dieser Firste sehe ich mehrere feine Oeffnungen, die in die Tiefe dringen, doch muss ich es unentschieden lassen, ob dieselben etwa die ersten Andeutungen der Micropylen darstellten. In diesem Falle dürfte sich die Anordnung des Mieropylappa- rates an die Bildung der Acridier anreihen. Ganz anders und abweichend von allen bisher betrach- teten Orthopteren verhalten sich die Eier der Phasmoden, die ich bei zweien Arten, der Cyphocrania violascens und einer Bacteria, die sich sehr nahe an die B. bicornis anschliesst, untersuchen konnte. Schon durch die Beobach- tungen von J. Müller (Nov. Act. Acad. Caes. Leopold. T. XI. T. 2.p. 637) haben wir manche Eigenthümlichkeiten dieser Eier kennen gelernt, namentlich auch erfahren, dass sich dieselben durch den Besitz eines Deckelapparates und einer eigenthümlich gezeichneten Stelle an der Bauchfläche, der sog. Narbe, in auffallender Weise auszeichnen. J. Müller beschreibt in der Mitte des Deckels eine Oeffnung, die man vielleicht für eine Micropyle halten könnte; ich habe mich indessen davon überzeugt, dass die Micropyle unserer Eier, die allerdings nur in einfacher Anzahl vorkommt, in der un- tern Hälfte der Narbe gelegen ist (Fig. 13 und 20) und glaube wohl annehmen zu dürfen, dass diese Narbe, die allen Phas- modeneiern zuzukommen scheint!) — Parkinson beobach- tete sie auch bei dem Rieseneie (5 lang, 3“ breit) von 1) Die Monographie von Gray kann ich leider nicht einsehen: ich weiss daher auch nicht, ob hier darüber ein Näheres mitgetheilt ist. den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 215 Phasma dilatatum, das in den Linnaean Transact. T.IV. Tab. 18. Fig. 4,5 abgebildet ist — überhaupt nur zu der Micropyle und dem Befruchtungsacte eine Beziehung hat. Dazu kommt, dass die von J. Müller bei Bact. ferula beobachtete Oeff- nung, die überdies nicht einmal durchgängig ist, sondern von den untern Schichten des Deckels verschlossen wird (a.a.O. S. 641), in andern Fällen, und so namentlich in den von mir untersuchten Eiern, vollkommen fehlt. Die äussere Gestalt des Eıes ist bei beiden Arten trotz des beträchtlichen Grössenunterschiedes (der Höhendurch- ınesser beträgt ohne Deckel bei Cyphocrania 3°, bei Bacteria 114, die Breite bei ersterer 2, bei der andern Art 1) sehr ähnlich, wenn wir von der Bildung des Deckels ab- sehen. Das Ei ist (Tab. IV. Fig. 15—20), wie auch bei den übrigen Phasmoden, oval und an beiden Polen abgestutzt, oben noch weiter als unten, so dass man es nicht unpassend mit einem abgestutzten Kegel vergleichen könnte, zumal die Rückenfläche fast gerade und auch die Bauchfläche nur wenig gekrümmt ist. Die Bauchfläche ist in beiden Fällen ein We- niges länger, als der Rücken, während die Seitenflächen etwas zusammengedrückt erscheinen. Der Deckel ist eingefalzt, wie bei den Wanzeneiern, sitzt aber äusserst lose. Er ist scheibenförmig und flach, besonders bei Bacteria, wo er (Fig. 18) am Rande mit einem eignen kronenartigen Aufsatze versehen ist, wie solcher nach J. Müller auch bei Bacteria ferula, (vielleicht noch weiter unter den Arten dieses Genus) vorkommt. Bei unserer Art besteht dieser Aufsatz aus einem hohen (1”) kegelförmig eingerollten Blatte, das durch seine Form an eine Bischofsmütze erinnert und an der Spitze ziemlich weit offen bleibt. Die Wand des Blattes ist dünn und wird (Fig. 13) durch vier breite und vier schmale einge- lagerte flache Rippen gestützt. Die Rippen stehen alternirend und zwar der Art, dass die vier breiten Rippen nach Rücken, Bauch und beiden Seiten hin gerichtet sind. Die Oeffnung greift zwischen die Spitzen der vier breiten Rippen hinein und hat eine kreuzförmige Gestalt. Der Innenraum dieser Krönung ist hohl und ohne weitere Erhebungen. Bei Cypho- 216 Rud. Leuckart; Ueber die Micropyle und erania fehlt (Fig. 19, 20) eine jede Spur dieser Bildung. Die Ränder des Deckels sind glatt und eben, dafür aber erhebt sich die Mitte desselben in Form eines deutlich vorspringen- den Zapfens oder Nabels. Auch der Deckel unserer Bacteria trägt einen Nabel, aber einen sehr viel kleinern, der kaum mehr ist, als der Kreuzungspunkt von zwei unter rechtem Winkel auf einander stossenden Firsten, die sich über den Deckel hinziehen. Die Oberfläche des Chorions ist in beiden Fällen uneben, mit kleinen Höckern und Vorsprüngen versehen. Bei Cypho- crania haben diese Höcker (Fig. 19,20) eine flache Form und eine gleichmässige Entwicklung, so dass sie gewisser- massen wie Pflastersteine neben einander stehen. Nur die Narbe macht eine Ausnahme. Sie ist (Fig. 23) fast völlig glatt und scharf gegen die Umgebung abgesetzt, aber nur klein, so dass sie weit weniger in die Augen fällt, als bei Bacteria. Sie hat bei einer Länge von ?/,“‘ eine rautenför- mige Gestalt mit einer obern und einer untern Spitze. Die grösste Breite beträgt kaum die Hälfte ihrer Länge. Die Fläche der Narbe ist muldenförmig vertieft, doch wird diese Vertiefung zum Theil wieder dadurch ausgeglichen, dass die Mittellinie derselben kielförmig vorspringt. In der untern Hälfte der Mulde bildet diese Erhebung eine ziemlich hohe Leiste, die nach hinten sich allmählig abdacht, und am vor- dern scharf abgesetzten Ende eine grosse, schon mit blossem Auge sichtbare Oeffnung trägt (Fig. 23). Diese Oeffnung ist die Micropyle. Sie durchbohrt in den reifen Eiern!) das Chorion und steht auf der Innenfläche desselben (Fig. 24), wie wir später noch schildern müssen, mit der Dotterhaut in Zusammenhang. Während die Narbe von Cyphocrania sich auf die untere Hälfte der Bauchfläche beschränkt (Fig. 20), nimmt diese bei Bacteria (Fig. 18) fast die ganze Länge dieser Fläche ein. 1) In unreifen Eiern findet sich statt dieser Oeffnung nur eine Grube — es entsteht also auch hier’ die Mieropyle erst durch Resorp- tion, wie es früher schon angegeben worden. den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 217 Sie hat reichlich die Länge von 1“ und eine gleichmässige Breite von mehr als '4. Die Enden sind zugerundet, wie es nach J. Müller auch bei B, ferula der Fall ist. Die Mi- eropyle steht an Grösse beträchtlich hinter der von Cypho- erania zurück. Sie wird (Fig. 21) von einem kleinen rund- liehen Buckel getragen, der im untern Winkel der Narbe vorspringt und sich nach hinten in eine niedrige, stielförmige Längsfirste fortsetzt. (Bei B. ferula scheinen diese Erhebun- gen etwas anders beschaffen zu sein, vorausgesetzt, däss das von Müller beschriebene „innere Blättehen“ der Narbe mit dem „Schweife“, in den das Blättchen ausläuft, den eben beschriebenen Bildungen auch wirklich entspricht.) Die Rän- der der Narbe springen weit mehr vor, als bei Cyphocrania, und sind überdies durch eine stärkere Körnelung ausgezeich- net. Eine Einfassung von ähnlichen Höckern umgiebt (Fig. 18) den Falz des Deckels und die abgestumpfte hintere End- Näche. Die Seitenflächen des Chorions zeigen niedrige Er- hebungen, die zu längern Zügen mit einander verschmelzen und grosse, mehr oder minder glatte Felder beschreiben. Das Chorion unserer Eier hat eine sehr beträchtliche Fe- stigkeit und erreicht bei Cyphocrania die exorbitante Dicke von ',*, Es besteht in beiden Arten aus zweien zusammen- hängenden Schichten (Fig. 21), die sich schon bei den Lo- eustinen unterscheiden lassen, aus einer äussern Lage von pneumatischer Beschaffenheit und einer innern harten und glänzenden Lage, die vorzugsweise die Festigkeit des Chorions bedingt und wie eine förmliche Lasur aussieht. Dazu kommt als Bekleidung der innern Chorionfläche noch (Ibid) eine eigue dünne „Schalenhaut“, die schon von J. Müller aufge- funden ist, also wahrscheinlich unter den Phasmoden eine ziemlich allgemeine Verbreitung hat, obgleich sie den übrigen Insekteneiern abgeht. Durch Hülfe dieser Schalenhaut wird der Deckel, der sonst vollkommen isolirt ist, in seiner Lage erhalten und befestigt '). Bei Cyphocrania lässt sich diese I) Bei den übrigen Insekten mit eingefalztem Deckel wird die Stelle der Schalenhaut von den untersten Chorionschichten vertreten. 218 Rud. Leuckart: Ueber die Mieropyle und Haut ohne grosse Schwierigkeiten in continuo abheben — bis auf die Narbe, an der dieselbe (Fig. 24) fest mit dem Chorion verwachsen ist und ein weisses Aussehen hat. Der histologische Bau der Schalenhaut ist sehr einfach. Die einzige Auszeichnung derselben besteht in zahllosen kleinen Körnern, die ihr aussen aufliegen und namentlich auf der Innenfläche der Narbe zu einer ganz ansehnlichen Entwicklung kommen, so dass hier förmliche grubenartige Räume zwischen den Körnern sich ausbilden. Die feine Vertheilung der Luft in diesen Räumen ist es eben, von der die weisse Färbung die- ser Stelle herrührt. Dass die untere Lage des Chorions, die zunächst an diese Schalenhaut anstösst, durch eine sehr beträchtliche Festigkeit sich auszeichne, ist schon erwähnt worden. Sie entbehrt dabei zugleich der Elastieität in einem solchen Grade, dass sie bei jedem Versuche einer flächenhaften Ausbreitung eine Menge von Rissen bekommt, wie das auch, wenngleich sehr viel weniger auffallend, schon bei den Eiern der Locustinen (besonders der Ephippigera autumnalis) zu beobachten ist. Am zahlreichsten und weitesten sind diese Risse gewöhnlich — schon wegen der starken Krümmung des Chorions — in der Nähe des Deckelfalzes, wo sie auch von J. Müller be- obachtet, aber irrthümlieher Weise für normale Bildungen und zwar für Gefässe gehalten sind. Es braucht heutigen Tages kaum noch besonders hervorgehoben zu werden, dass sich nirgends in der Schalenhaut der Insekten Gefässe vor- finden, auch bei der eigenthümlichen Bildung dieser Hülle nieht vorfinden können. Nichts desto weniger ist übrigens die Struetur dieser innern Chorionschichten sehr auffallend. Sie bestehen aus zahllosen kleinen und durchsichtigen Plätt- chen von Yo — 0“, die mit ihren unregelmässigen Ecken in einander greifen und auch mehrfach über einander ge- schichtet sind. Ein jedes dieser Plättchen zeigt wiederum eine Zusammensetzung aus schmalen (Yo) platten Streifen, die parallel neben einander liegen, in den benachbarten Plätt- chen aber constant nach einer andern Richtung verlaufen. Die ganze Bildung entfernt sich so sehr von den gewöhn- den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 219 lichen Structurverhältnissen der organischen Gewebe, dass man sich auf den ersten Augenblick fast versucht fühlt, hier eine regelmässige Ablagerung irgend eines erystallischen Kör- pers anzunehmen. In chemischer Beziehung ist diese untere Chorionlage durch eine viel grössere Resistenz gegen Alka- lien ausgezeichnet, als sonst gewöhnlich den Häuten der In- sekteneier zukommt). Die obern Schichten des Chorions sind von einer sehr abweichenden Bildung. Sie bestehen aus einer braun gefärb- ten Substanz, die von zahlreichen Löchern und Luftgängen durchbohrt wird. Bei Cyphocrania sind diese Lufträume so zahlreich, dass die ganze Masse eine schwammige Beschaf- fenheit annimmt und sich wie Kork schneiden und bearbeiten lässt. Nur die äussere Fläche stellt hier eine continuirliche Membran dar, mit zahlreichen diehten Höckern und kleinen Löchern in der Mitte dieser Höcker; die übrige Masse be- steht aus einem zusammenhängenden Systeme dünner Stäb- chen und Balken, die sich nach allen Richtungen hin ver- ästeln und zahlreiche Gänge, Höhlen und Kanäle von ver- schiedener, zum Theil sehr anschnlicher Weite umschliessen. Bei unserer Bacteria sind diese äussern Chorionschichten sehr viel fester, aber doch gleichfalls von zahllosen kleinen Poren und Luftkanälen durchsetzt. Die äussere Fläche erhebt sich hier in allerlei unregelmässigen Fortsätzen, in Dornen, Zäh- nen, Körnern der mannichfaltigsten Gestalt und Grösse. In dem Deckelaufsatze, der ausschliesslich aus diesen äussern Chorionsehichten gebildet wird, haben die eben erwähnten Fortsätze die Gestalt von kleinen Schüppchen, während die Luftgänge meist in paralleler Richtung von oben nach unten verlaufen, u 1) Das Chorion der Insekteneier (auch das der Locustinen) zerfällt bei längerer Maceration in kaustischem Kali, ohne sich darin indessen vollständig zu lösen. Es verhält sich also anders, wie der äussere Panzer der Arthropoden, sei es nun, weil es wirklich nicht aus Chi- tin, sondern aus einem andern (jedenfalls aber verwandten) Stoffe be- steht, sei es, weil das Chitin des Chorions in ein Bindemittel von elweissartiger Beschaffenheit eingelagert ist. 220 Rud. Leuckrt: Ueber die Mieropyle und Die Dotterhaut bildet trotz der Anwesenheit eines Deckels, wie gewöhnlich, eine geschlossene Hülle um den Dotter und zwar von ziemlich ansehnlicher Stärke, so dass sie sich ohne Gefahr einer Verletzung abtrennen und isolirt darstellen lässt, Unterhalb des Deckels, wo sie die grösseste Dicke erreicht, erhebt sie sich in zierlichen Falten, die in gekrümmter oder gewundener Richtung verlaufen und vielfach in einander grei- fen. Die übrige Oberfläche der Dotterhaut ist gleichfalls nicht vollkommen texturlos, obgleich das bekanntlich sonst die Regel ist. Sie zeigt zahlreiche kleine Höcker, die na- mentlich gegen den Deckelfalz und noch mehr gegen die Narbe zu an Grösse und Entwicklung zunehmen und nicht selten zu längern Zügen mit einander verschmelzen, ‚auch wohl hier und da zur Bildung eines unregelmässigen feinen Netzwerkes zusammentreten. Die Dotterhautmieropyle ist leicht aufzufinden, da sie den Mittelpunkt einer scheibenför- mig verdickten und porösen Stelle (!%,“) einnimmt, die in eine entsprechende Vertiefung an der Innenfläche der Narbe (Fig. 24) hineinpasst. Die Oeffnung selbst beträgt etwa 1%’. Sie ist (Fig. 22) von einem wulstigen Rande umgeben, und erscheint gewissermassen als Kopf einer ziemlich langen Halbrinne, die nach hinten verläuft und durch zwei vorsprin- gende Leisten auf der Innenfläche des Chorions begrenzt wird. Die Umgebung dieser Hälbrinne ist glatt und bildet einen Buckel, der von einer rinnenförmigen Vertiefung an der Innenfläche der Narbe (Fig. 24), der früher erwähnten Er- hebung an der Oberfläche gegenüber, aufgenommen wird. Bei den Mantiden, die man früherbin bekanntlich mit den Phasmoden in derselben Familie zusammenstellte, findet sich eine sehr verschiedene Bildung der Eier, wie ich bei Man - tis oraloria mich überzeugen konnte. Das Ei dieses Thie- res ist von cylindrischer Gestalt, 2“ lang, 24 breit, und nach vorn allmählig verjüngt, so dass seine grösste Breite eine Strecke weit vor das hintere abgerundete Ende fällt. Dazu kommt, dass das ganze Ei, wie bei den Springheu- schrecken und noch merklicher, als hier, nach dem Rücken zu gebogen ist. Die äussern Hüllen bestehen aus zwei derben den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 29] Häuten, die sich leicht isoliren lassen. Die untere Haut ist auf ihrer ganzen Fläche gleichmässig punktirt, d.h. mit feinen und dichtstehenden rundlichen Löchern versehen (etwa '/,00 ); die bis in die Tiefe der Membran hineindringen. Die obere übertrifft die untere an Festigkeit und Dicke, besonders am hintern Pole, wo sie '/,,,'' misst. Nach vorn ist dieses Exo- chorion dünner, namentlich in der vordern Hälfte der ge- krümmten Bauchfläche, wo sich schon dem unbewaffneten Auge ein breiter ('/,'"') weissgefärbter Streifen bemerklich macht, der an der Kuppe des Eies beginnt und weit nach hinten herabragt. Die Ränder dieses Streifens sind scharf markirt und trennen sich leicht aus ihrer Verbindung mit dem übrigen Chorion, so dass der ganze Apparat wohl als Ersatz des fehlenden Deckels betrachtet werden darf. Bei mikrosco- pischer Untersuchung unterscheidet man auf der Oberfläche dieser dünnen Stelle eine grosse Menge gewundener und auch zum Theil verästelter kurzer Leisten und Wülste, die auf das Mannichfachste in einander greifen und wohl kaum eine audere Aufgabe haben, als dieser Stelle trotz ihrer Dünne die nöthige Festigkeit zu verleihen '). Das übrige Exochorion ist struetur- los; nur seitlich bemerkt man noch einige runde und scheiben- förmige kleine Erhebungen mit einem Grübchen im Mittel- punkte, das sich in einen durchbohrenden Kanal verlängert und die Poren des Endochorions mit Luft zu versorgen hart. Ueber die Bildung des Mieropylapparates kann ich leider Nichts angeben; ich habe keine Mieropylen aufgefunden, un- streitig wohl deshalb, weil die untersuchten Eier, die aus dem Ovarium genommen wurden, noch nicht zu ihrer völligen Ent- wicklung herangereift waren. In der hintern Hälfte der oben beschriebenen dünnen Stelle habe ich freilich eine Anzahl run- der heller Felder bemerkt (’/,,,'”), die etwa in Zwischenräu- rm 1) Ob die eonvexe Fläche des Eies, die diese dünne Stelle trägt, übrigens wirklich die Bauchfläche ist d. h. ob sich unter ihr der Bauch des Embryo entwickelt, muss einstweilen dahin gestellt bleiben. So viel ist wenigstens gewiss, dass sich die Vorkehrungen zum Aus- schlüpfen der Larve sonst gewöhnlich nicht an der Bauchfläche, son- dern vielmehr an der Rückenfläche vorfinden. 998 Rud. Leuckart: Ueber die Micropyle und E74 men von '/,,"' stehen und möglichenfalls durch die Bildung einer Oeffnung sich in die Mieropylen verwandeln können, aber einstweilen muss ich es unentschieden lassen, ob diese Felder auch wirklich als die Andeutungen der Mieropylen zu betrachten sind, besonders da die Zahl derselben sehr viel beträchtlicher ist, als die grösseste Zahl. der bis jetzt bei den Orthopteren beobachteten Mieropylen. Ich zähle deren in man- chen Eiern über 100. Eine ähnliche Form, wie wir sie hier eben bei den Eiern der Mantiden kennen gelernt haben, finden wir an den Eiern der Schaben, die während des letzten Aufenthaltes in den Ge- schlechtswegen bekanntlich (vergl. Götze, Naturforscher Bd. XVI. S. 183, Tab. IV. Fig. 16-19, de Geer, |. ce. T. II. p- 533) zu mehrenen und in regelmässiger Anordnung von einem eigenthümlichen hornigen Futterale umschlossen werden. Ich habe leider keine Gelegenheit gehabt, die reifen Eierstocks- eier dieser Thiere zu untersuchen. Das Einzige, was mir zu Gebote stand, waren einige Eierkapseln von Blatta germa- nica, indessen glaube ich mich doch auch an diesen von den wesentlichsten Structurverhältnissen überzeugt zu haben. Die Eikapseln bestehen aus einem walzenförmigen, seitlich zusam- mengedrückten Futterale, das im Innern eine Doppelreihe von Eiern einschliesst, die nach derselben Richtung hinsehen und der Quere nach so dicht aneinander liegen, dass sie sich flächenhaft begrenzen und eine alternirende Gruppirung ein- halten. Die nach aussen gekehrte Fläche, die dem hornigen Ueberzug des Futterales anliegt, und nach der Lage des Em- bryo in beiden Reihen als Rückenfläche bezeichnet werden muss, ist die einzige gewölbte Fläche der Eihaut. Besässe sie dieselbe Bildung, wie die Bauchfläche, so würde das Ei uns- rer Thiere im Innern der Kapsel ein sechsseitiges Prisma dar- stellen, wie die Bienenzellen, die ja bekanntlich gleichfalls in alternirenden Reihen neben einander stehen. Das Chorion unserer Bier, das sich übrigens in der Eikap- sel weder von dem äussern Ueberzuge, noch auch von dem Chorion der anliegenden Eier vollständig abtrennen lässt, ist äusserst dünn und leicht zerreisslich. Es zeigt unter dem Mi- den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 293 eroscope ein unebenes Aussehen, das von unzähligen kleinen Höckern und Hervorragungen herrührt und eine deutliche Fel- derung erkennen lässt (Fig. 25). Die Felder sind sechseckig und dadurch gegen einander abgesetzt, dass die oben erwähn- ten Hervorragungen auf ihren Grenzen zu einem (freilich mehrfach unterbrochenen) Zuge kurzer und gestreckter Leisten zusammenschmelzen. Die äussere Wand der Kapsel ist deut- lich von dem Chorion, auf dem sie aufliegt, verschieden '). Sie ist vollkommen structurlos, von ziemlich beträchtlicher Dicke und fester Beschaffenheit. Am untern Pole der Eier geht diese Wand (Ibid.) ohne irgend eine Unterbrechung von der einen Reihe der Eier auf die anliegende über, am vordern Pole zeigt sie dagegen eine Längsnaht, die auf der Mittellinie der Eikapsel hinläuft und beim Ausschlüpfen der Jungen be- kanntlich aufspringt. Die Lippen, welche diese Längsnaht bilden und sich dureh eine ansehnliche Verdickung auszeich- nen, erheben sich dachartig zu einer Firste, die sich deutlich absetzt und einen luftgefüllten Raum umschliesst, der sich durch die ganze Länge der Kapsel oberhalb der Eier hinzieht. In diesen Luftraum ragt eine kammförmige Leiste hinein, die (Ibid.) auf der Grenze der beiden Eierreihen aufsitzt und durch eine Fortsetzung der aneinander anliegenden Bauchflächen des Chorions gebildet wird. Diese Leiste hat eine poröse oder schwammige Beschaffenheit und mag wohl — wie die ohrför- migen Chorionanhänge gewisser Musciden und die Strahlen der Nepideneier — eine Art Absorptionsapparat darstellen, durch den die Luft in die Zwischenräume zwischen den Hök- kern und Leisten der Chorionflächen hineingeleitet wird. Na- türlicher Weise ist dieser Luftraum auch nach aussen nicht vollkommen abgeschlossen; die oben erwähnte Längsnaht, die sich auf der Firste des Daches hinzieht, besitzt eine Anzahl von Löchern, durch welche derselbe mit der Atmosphäre in Communication tritt. Die Zahl dieser Luftlöcher entspricht 1) Es ist also unrichtig, wenn Rathke (Meckels Arch. 1832. 8.371) angiebt, dass die „Hülse mitsammt dem Fachwerke im Innern“ das Chorion darstelle. 224 Rud, Leuekart: Ueber die Mieropyle und der Zahl der Eier in der Kapsel oder zunächst vielmehr der Zahl der Scheidewände, die sich rechts und links im Innern des Futterales hinziehen und, wie wir wissen, durch die eigentlichen Eihäute gebildet werden. Die Löcher sind weit (/s'') und liegen je auf dem Gipfel einer Erhebung, die schon dem unbewaffneten Auge sichtbar ist und der Längsnaht ein gezähneltes Aussehen giebt. Die Communication mit dem ein- geschlossenen Luftraume ist übrigens keine directe; der Boden der Gruben, deren Rand die Löcher bildet, setzt sich aller- dings in einen ziemlich weiten Kanal fort ('/,,,"), aber dieser Kanal endigt, bevor er die Wand des dachartigen Aufsatzes durchbohrt hat. Dafür aber haben die untern Schichten der eben erwähnten. Wand eine poröse Beschaffenheit und eben durch diese dünnen und unregelmässigen Porenkanäle mag dann die Erneuerung der eingeschlossenen Luft vor sich gehen. Nach dem Mieropylapparate habe ich längere Zeit gesucht, bevor ich ihn aufgefunden. Er besteht aus einer ein- fachen, aber ziemlich grossen ('/,,,”) und rundlichen Oefl- nung, die das Chorion durchbohrt und (Fig. 25) dieht neben der einen abgeplatteten Seitenwand auf der vordern Rücken- fläche der Eier angebracht ist, da, wo diese Rückenfläche sich in den Winkeln des Luftraumes an den äussern Kapsel- überzug anlegt. Der Kapselüberzug selbst ist undurchbohrt; es leidet wohl keinen Zweifel, dass die Befruchtung bereits vor der Bildung desselben vor sich gehet. Der Umkreis der Micropyle ist durch eine stärkere Entwicklung der Chorion- höcker ausgezeichnet. Die Eier von For fieula habe ich im ausgebildeten Zu- stande nicht untersuchen können. Ich muss mich darauf be- schränken, hier ihre kuglige Gestalt hervorzuheben. Eben so unvollkommen sind meine Erfahrungen über den Bau der Eier bei den ungeflügelten oder unechten Ortho- pteren. Indessen hat es den Anschein, als wenn sich diese in mehrfacher Beziehung von den Eiern der Heuschrecken und verwandten Formen merklich unterschieden. So namentlich das Ei der kauenden Thierläuse oder Mallophagen, das nach den Angaben von Kirby und Spence (a. a. O.S.98, 105, 112) den feinern Bau der Schalenhaut'bei den Insekteneiern. 295 in einem auffallenden Grade an die Bildung der echten (sau- genden) Läuse erinnert. ‚Die beträchtliche Grösse, der Besitz eines Deckels, selbst die Zeichnung, die Kirby und Spence hervorheben, das alles sind Verhältnisse, wie wir sie oben bei Pediculus und namentlich bei P. suis vorgefunden haben. ‚Wie sieh die Micropyle verhalte, wissen wir nicht, doch dürfte man wohl vermuthen, dass der ‚‚gewundene Griffel“, in den sich nach Kirby und Spence der halbkugelförmige Deckel auszieht, zu diesem Apparate irgend eine Beziehung habe! 6. Coleopteren. ‚Die Eier der Käfer haben eine radiäre, meist ovale oder kuglige Gestalt.»Der Micropylapparat ist am vordern Pole angebracht und in der Regel aus einer mehrfachen Anzahl von Oeffnungen zu- sammengesetzt. Die Oeffnungen stehen bald un- regelmässig neben einander, bald auch kränzför- mig, und dann erinnert die Bildung des Micropy]l- apparates nichtselten an die Schmetterlinge, na- mentlich wenn sich die Oeffnungen dabei 'gleich- zeitig in kamalförmige Gänge ausziehen. Bei Biern miteiner dieken Schalenhaut ist dieser Ap- paratınicht selten in einer Grube’gelegen. Der pneumatische Apparat zeigt eine sehr'verschie- dene Entwicklung, ist aber bei grossen und dick- häutigen Eiern gewöhnlich sehr ansehnlich. Die Arten, deren Eier ich: untersuchen "konnte; gehören fast zur Hälfte in die umfangreiche Familie -der Longicornen, mit der wir deshalb denn auch hier unsere Betrachtung begin- nen wollen. Die einfachste Bildung fand ich in dieser Familie bei Astynomus aedilis, dessen Eier. schlank und lang ge- streckt sind und etwa 1'/,'' messen.‘ ‚Das Chorion ist eine dieke ()/,.,"') und feste Membran, deren Oberfläche (Tab. V. Fig. 1) mit feinen weit in die Tiefe hineindringenden Löchel- chen übersäet ist und wie punktirt ‚aussieht. Die Mieropyle ist einfach. Sie erscheint als eine 'Oeffnung von "/,,,"' und führt (Ibid.) in einen ziemlich langen Kanal C/0), der eine Müller's Archiv. 1855 15 226 Rud. Leuckart: Ueber die Micropyle und Zeitlang unter der Oberfläche des Chorions 'hinläuft, statt: das- selbe geradenweges in senkrechter Richtung zu: durchsetzen. Bei Lamia textor und Rhagium yordaz findet sich dieselbe Eiform, ‘auch dasselbe Chorion, das bei Rhagium freilich ‚beträchtlich dünner und weniger deutlich punktirt ist; aber dazu gesellt sich (Fig. 2) in beiden Fällen noch eine äus- sere gefelderte: Eihaut, ‚die sıch leicht in grossen Stücken ab- trennen und isolirt untersuchen lässt:- So ähnlich die genann- ten Arten in‘dieser Beziehung auch sind, so fehlt: es dabei doch in der Structur des Exochorions nicht an speeifischen Unterschieden. Bei Lamia textor erscheinen die Felder bei näherer Betrachtung als scharf markirte Gruppen von Höckern, Runzeln: und Leisten, die durch fein durchlöcherte Fluren 'von einander ‘getrennt: sind. Nur an: den Polen des Eies haben diese Gruppen die gewöhnliche sechseckige Gestalt der Cho- rionfelder, allmählig aber wird die Bildung derselben unregel- mässig; bis die Felder schliesslich eine zackige, mehr oder minder sternförmige Begrenzung (Fig. 2) annelmen. ' Die her- vorgehobene Gestaltveränderung geschieht ‘auf Kosten. der Grösse; die Breite der punktirten Fluren wächst allmählig ‘ge- gen die Aequatorialzone ‘des Eies. Bei Rhagium mordax be- stehen die Felder eigentlich auch aus einerGruppe dichtste- hender Höcker, wie bei ZLamia textor,; aber diese Gruppen zeigen einmal überall die Form eines regelmässigen Sechseckes und lassen sodann auch noch. eine besondere Grenzleiste er- kennen, die dadurch entsteht, dass die äussersten Höcker sich in die Länge strecken und bis auf einige geringe Lücken mit einander verwachsen. : Diese Bildung ist um so auffallender, als die Leisten noch einen ‘dünnhäutigen: Saum tragen, ‚der sich zu einer ansehnlichen Höhe erhebt‘ und an den Polen zu förmlichen Bechern oder Füllhörnern auswächst, wie wir das schon früher mehrfach und in ähnlicher Weise namentlich bei Eristalis tenax unter den Dipteren kennen gelernt haben. Die Miecropyle ist: wegen der höckrigen Bildung des Exochorions bei’ unverletztem Ei kaum nachzuweisen, wird aber deutlich, wenn Man die äussere Hülle entfernt und zeigt dann in.beiden Fällen" ganz dieselbe Bildung, wie bei Ast. aedilis. den feinern Bau der Schalenhaut ‚bei den Insekteneiern. 227 In einer andern Gruppe der Longicornen, bei Prionus besitzt das Ei eine abweichende. eitronförmige Gestalt. und auch sonst eine verschiedene Bildung (des Chorions und Miero- pylapparates). Ich untersuchte zunächst den bekannten Pr. coriarius, dessen Ei bei einer, Länge von zwei Linien ®/,''' in der Breite misst und nach den Polen hin sich zuspitzt. Das Chorion ist beträchtlich dick (Y,,"") und fest und von ähn- lichem Aussehen, wie bei den Deetieus- Arten. Die: äussere Fläche desselben (Fig. 4) zeigt grosse ('/,,'' und darüber) und ziemlich regelmässige sechseckige Felder, die sich durch schmale Furchen gegen einander absetzen ‘und in der Mitte eine weite Grube tragen,.so weit, dass die‘ Oberfläche der Felder dadurch bis auf einen breiten und flachen leistenförmi- gen Rand im Umkreis der Gruben redueirt ist.. Nach innen reichen diese Gruben, bis etwa auf die Hälfte der‘ Chorion- dicke. Die Ränder und Wände, derselben sind fein punktirt; sie haben eine poröse Beschaffenheit, während der Boden mit zahlreichen kleinen Runzeln und Höckern besetzt ist, zwischen denen sich gleichfalls einige feine, in die Tiefe dringende Lö- cher vorfinden. Der vordere Pol des Eies ist in einem Durch- messer von '/,,"' abgeflacht oder vielmehr schüsselförmig ver- tieft, so dass die Ränder in Form eines Randwulstes vor- springen, Die Felder, die diesen Wulst zusammensetzen, sind undeutlich abgegrenzt und mit flachen punktirten Gruben ver- sehen, während die zwischenliegende Fläche glatt ist. ‚Der vertiefte Innenraum der Abflachung selbst wird von zahlreichen Schrunden durchzogen, die im Allgemeinen. einen radiären Verlauf einhalten und ein Feld von etwa "/,,"' überspinnen. An der Grenze dieses Feldes stehen. die Eingänge in die Mi- eropylen, die von etwa 12—14 kleinen Oeffuungen (300) gebildet werden und eine kranzförmige Gruppirung einhalten. Eine jede dieser Oeffnungen setzt sich in einen dünnen Kanal fort, der in schräger Richtung nach aussen hinabsteigt und etwa eine Länge von '/,,, ‚hat. Bei dem amerikanischen Prionus fuliginosus findet sich im Wesentlichen derselbe Typns der Eibildung, obgleich die 15* 228 Rund. Leuckart: Ueber die Micropyle und Grenzen zwischen den einzelnen Feldern fast völlig’'geschwun- den sind, und die untern Schiehten des Ohorions weit mehr als die äussern eine poröse Beschaffenheit haben.‘ Vielleicht hängt dieser Unterschied damit zusammen, ‘dass das Chorion!hier trotz ‘der geringern Grösse des Bies eine nöch viel beträcht- lichere Festigkeit und Dieke ('/,,'") hat, 'als im vorhergehen- den Falle. Die Löcher und Porenkanäle der untern Choriön- schiehten nehmen vorzugsweise aus dem Boden und den Sei- tenwänden‘ der weiten Gruben ihren Ursprung, die auch hier je die Mitte eines Feldes bezeichnen. Sie haben eine verhält- nissmässig 'ganz ansehnliche Weite (/,,;,,” ) und "halten zum Theil eine regelmässige’ radiale Gruppirung ein. Man kann sich‘ eben so leicht, als entschieden davon überzeugen," dass sie durchbohrend sind, d.'h. die ganze Dicke des Chorions bis’ auf' die Dotterhaut durchsetzen. “Die Oberfläche des Cho- rions'izeigt gleichfalls ein’ punktirtes Aussehen, aber dieses rührt: weniger von Löchern und Poren, sondern vielmehr vor- zugsweise von’ Runzeln, Höckern und Leistchen her. Nach vorn zu werden diese Brhebungen immer höher und regelmäs- siger, bis’ sie'sich schliesslich in zarthäutige enge Zellen (Y/,,,"" weit „.)/j3;”’ hoch) verwandeln, die wie die Zellen der Honig waben dicht neben einander stehen und selbst die Centralgru- ben: der Felder überwuchern (Fig. 3). Die Bildung des 'vor- dern Poles ist, wie'die der Micropylen‘, im Wesentlichen "wie bei Pr. coriarius, nur ist die Vertiefung hier sehr viel auffal- lender, so dass sie eine Triehterform darbietet. ‘Der obere Durchmesser dieser Vertiefung ist — '/;"'. Die’ Innenfläche des Trichters verhält sich histologisch, ‘wie sonst die Innen- fläche des Chorions; sie zeigt zahlreiche Löcher und Porenka- näle, die aus der Tiefe der Centralgruben auf der Aussenfläche hervorkommen. Die Gruben selbst sind, der Dieke der Trich- terwand entsprechend, kanalförmig vertieft und von einem fast horizontalen Verlaufe (vgl. den Querdurchschnitt in Fig. 3). Der Micropylapparat nimmt in der Tiefe ‘des Trrichters aus einem sternförmigen Grübchen von ,,,"" seinen Ursprung und hat (Fig. 3) die grösseste Aehnlichkeit mit dem Mieröpyl- apparat der Sphingiden und grössern Spanner. Er besteht aus den feinern Bau der Schalenhaut bei den: Insekteneiern. 2209 10—12, engen und langen Kanälen, die in schräger Richtung nach unten und aussen verlaufen und je etwa /,,"" langrsind. : Eine neue Modifieation ‚der Eibildung finde ‘ich in der Fä- ınilie der Cerambyeinen, aus der ich: den: einheimischen H @m+ maticherws’Cerdo und den exotischen ©; (?) guadrimdon- latus untersuchen konnte. ' Die Eiform ist allerdings'noch' so ziemlich dieselbe, wie bei Prionus, aber'idas Chorion ist schr -viel dünner (bis '/;4,’) und.bis auf die untere Fläche'homogen und structurlos.. Die weiten: Gruben; die wir bei: Prionus \auf- fanden, sind hier (Fig.5, 6) zu engern ("/;,5"') Kanäleni'ge- worden; die lim: geschwungenem Verlauf, durch .das Chorion hindurchtreten und auf.der.Unterfläche desselben ausmünden. Ehen diese Unterfläche ist nun weiter mit einem Systeme zu+- sammenhängender schmaler Furehen durchzogen, die bei 4. Gerdo (Fig-5) einen wellenförmigen Verlauf haben, bei C. 4-ma- culatus 'aber (Fig. 6) zu einem Netzwerk zusammenfliessen, dessen Maschenräume' von kleinen und flachen rundlichen Tu- berkeln ausgefüllt,sind. Durch Hülfe der Kanäle »kann dieses System von Gängen mit Luft ‘gefüllt werden. Die äussere Mündung der Kanäle ist von einem vorspringenden Rand- wulste umgeben, der bei 4. Cerdo, den Durchmesser'von Y, 4," hat, bei ©. 4-maculatus aber bedeutend kleiner ist. Bei letz- terem stehen diese Kanäle übrigens sehr viel dichter, als bei H, Gerdo. i Die Felderung ist fast: vollständig verloren gegangen und nurbei €, 4-maculatus, namentlich in der vordern Hälfte des Eies, durch eine stärkere Entwicklung der Furchen auf der Unterfläche des Chorions nachzuweisen (Fig.6). Das Verhält- niss der Luftkanäle zu diesen Feldern ist genau dasselbe, wie das Verhältniss zwischen den Oentralgruben und den Feldern bei Prionus (Pig. 6); es kann also wohl nicht zweifelhaft sein, dass die Kanäle wirklich, wie wir oben annahmen, eine blosse Modification dieser Gruben darstellen. Der vordere Bipol von H. Cerdo ist abgeflacht ('/,'") und! mit einem breiten , falten- artigen Randwulste umgeben , von dem hie und da eine ähn- liebe Längsfalte nach aussen abgeht (Fig. 5): Die Oberfläche der Abflachung ist mit zahlreichen radiären Schrunden durch- 230 3 Rud. Leuckart: Ueber die Micropyle und zogen, wie bei ‚Prionus:coriarius, die nach’ dem Centrum zu immer tiefer werden. Daher kommt es denn auch, dass’ der Micropylapparat unseres T'hieres so schwer zu entdecken ist und in manchen Eiern, namentlich solchen ‘mit stärker 'ent- wickelten Schrunden, in der That kaum nachgewiesen werden kann. In einigen Fällen habe ich mich aber mit aller Ent- schiedenheit davon überzeugen können, dass derselbe fast ge- nau die Bildung hat,'wie bei Pr. coriarius. Er besteht aus s—10 kleinen (500 ) Oeffnungen, die kranzförmig im Um- kreis des Centrums — etwa "/,,, von demselben’ entfernt — auf der Abflachung des vordern Poles liegen und in Form von engen Kanälen fast senkrecht von da in den Innenraum des Eies hinabsteigen. Wie'nun in solcher Weise unser ZH. Cerdo durch die Bildung des vordern Eipoles an den einheimischen Pr. coriarius sich auschliesst, so erinnert dafür der brasilia- nische (.4-maculatus in dieser Hinsicht an den gleichfalls in Brasilien einheimischen Pr, fuliginosus. Unter allmähliger Ver- diekung des Chorions und gleichzeitiger Erweiterung der Cen- tralgruben erhebt sich hier der vordere Eipol zu einer ansehn- lichen Warze, die eine trichterförmige Vertiefung von beträcht- licher Weite und Höhe einschliesst und eine ähnliche Bildung der Centralgruben und der Innenfläche ihre Wandung erken- nen lässt, wie wir sie bei Pr. fuliginosus oben hervorgehoben haben. Man könnte höchstens in so fern eine Verschiedenheit anmerken, als die kanalförmig vertieften Centralgruben hier mehr in schräger Riehtung nach innen und unten verlaufen. Den Micropylapparat habe ich nicht genau analysiren können, doch darf man wohl mit Bestimmtheit annehmen, dass er im Wesentlichen wie bei Z. Cerdo gebildet ist. Aus der Familie der Chrysomelinen kamen G@alleruea tanacetiund Haltica affinis zur Untersuchung. Die Eier dieser beiden Arten sind von derselben ovalen Form und stim- men auch sonst in allen wesentlichen Punkten mit einander überein. Sie bestehen aus drei’ leicht isolirbaren Häuten, einer zarten Dotterhaut, einem Chorion und einem Exochorion. Das letztere hat eine gelbliche Färbung und eine beträchtliche Dicke (Y/,7,''), und zeigt zahlreiche Gruben, die eine anschn-. den feinern Bau = Sehalenhaut bei den Insekteneiern. 93] liche Weite besitzen und dabei so tief sind, dass ihr Boden nur von einer dünnen und zarten Lamelle gebildet wird. Be- Galleruca ist das Exochorion‘ gleichzeitig gefeldert, d-h- (Pig. 7) mit schüsselförmigen Vertiefungen (145) besetzt, zwischen denen die Oberfläche leistenartig vorspringt. Die Gruben sind klein (!/,,‘) und flach — wenigstens im Ver- gleieh mit Haltica, wo diese Gruben (4,5) die einzige Aus- zeichnung bilden. ‘Das eigentliche Chorion ist sehr viel dün- ner (bei Galleruca "A900, bei Haltica noch feiner), aber fest und elastisch, und vollkommen structurlos. Der Zusamnien- hang mit dem Exochorion ist so locker, dass letzteres in der Regel zurückbleibt, wenn man die Eier aus’ der braunen kittartigen Substanz hervorhebt, durch deren Hülfe dieselben haufenweise nach dem Ablegen vereinigt sind. Ueber 'den Mieropylapparat kann ich nichts 'Bestimmtes"angeben, doch finde ich in meinen Notizen eine Bemerkung, die mich ver- muthen lässt, dass er eine kleine und unscheinbare, einfache Oefinung sei. Die Eier der Lamellicornien haben — nach einigen we- nigen Fällen (Geotrupes stercorarius, Aphodius fime- tarius, Cetonia aurala) zu urtheilen — ganz allgemein eine kurze und gedrungene, ovale Gestalt, trotz ihrer Grösse (Ei von Geotrupes 2'%"' lang, 1“ breit) aber nur ein ein- faches und noch dazu ziemlich weiches und dünnes Chorion. Die Oberfläche zeigt einige Unebenheiten, Vertiefungen und Erhebungen, die jedoch nur wenig markirt sind und selbst bei den grössern Arten nur niedrig bleiben. Bei letztern unterscheidet man hier und da auch eine undeutliche Felde- rung, sechseckige ebene Flächen von etwa !%,, deren Rän- der nach aussen etwas vorragen. Ueber die Micropyle bin ich im Ungewissen geblieben; sie ist jedenfalls ohne alle Auszeichnung und wahrscheinlicher Weise mehrfach. Bei Aph. fimetarius glaube ich wenigstens in der Gegend des vor- dern Eipoles einen Haufen änsserst kleiner Löcher aufgefun- den zu haben, die ich als Mieropylen in Anspruch nehmen möchte. Weit entschiedener kann ich mich in dieser Hinsicht über 232 Rud. Leuckart: Ueber Sie Mieoagpla und das Ei von Blaps mortisaga aussprechen, das,'sich nach Form und Grösse und Bildung des Chorions unmittelbar, an das Ei der Lamellicornien anreiht. Am vordern Pole findet sich hier eine scheibenförmig verdickte Stelle, von !/,, ‚u. die (Fig. $) von zahlreichen Schrunden ‚durchzogen ist, sodass sie beinahe ein gepflastertes ‘Aussehen hat, und etwa 3—10 rundliche Oeffnungen von 1305‘ erkennen lässt. Ein ‚Theil dieser Oeffnungen steht‘in einem unregelmässigen Kranz um den Mittelpunkt der Erhebung. Die Eier, die. ich ‚untersuchte, waren. vollkommen ‚entwiekelt, ‚und, gleich‘ den! reifen ‚Eier- stockseiern vieler. anderen | Insekten, von einer dünnen Ei- weissschieht überzogen. Unter den ’Buprestiden‘ finde‘ ich ‘bei der ‘grossen ‚exoti- schen Jalodisıhirta, die ich untersuchen konnte, ein ova- les Ei von. etwa 114° Durchmesser und’ von. bräunlicher Farbe. ‚Das Chorion hat eine ziemliche Festigkeit und zeigt eine ‚Bildung, die ‚an Prionus, "besonders Pr. coriarius, erin- nert. Man unterscheidet sechseckige Felder von !%y', die sich durch, zarte Furchen begrenzen und in ‚der ‚Mitte eine tiefe und weite (!/0) schüsselförmige Grube tragen. , Der Boden dieser Gruben zeigt einige unregelmässige Erhebungen, während ihre Seitenwände und die Oberfläche des Chorions zwischen den Gruben fein punktirt sind und. eine, poröse Be- schaffenheit besitzen. Die. eben beschriebene regelmässige Bildung. der Felder findet man jedoch nur in der. breiten Aequatorialzone des Eies; nach‘.den Polen zu werden die - Felder undeutlich, lang: gestreckt und die Gentralgruben all- mählig (Fig. 9) schmal und spaltförmig. Auf den Polen selbst erkennt man nur ‚noch einige kleine (1,0) und'rundliche, flache Gruben, die man wohl: als letzte Ueberreste der wei- ten. Centralgruben beanspruchen darf. . In Bezug auf diese Gruben’ sind die beiden Pole gleich gebaut. Aber .der vor- dere Pol zeigt ausserdem noch eine Reihe von Eigenthüm- lichkeiten, die auf den Mieropylapparat Bezug haben. ‚Er ist (Fig. 9) in der Mitte, etwa in einem Durchmesser von !/0', abgeplattet und vertieft, so dass die Ränder dieser Stelle vorspringen und die eben erwähnten Gruben erst bei den feinern Bau; der Schalenhaut bei, den Insekteneiern. 233 einer Senkung des Tubus in Sicht"kommen. Die Micropylen findet man im Umkreis dieser Stelle, an dem vorspringenden Rande, und zwar in ‚ziemlich, gleichen Entfernungen, und von einer Bildung, die sich, fast ganz genau an ‚Pr. coriarius anschliesst. .Sie bestehen, wie. hier, aus: 10.— 12 feinen, aber deutlichen Oeffnungen (200), die in lange und radial verlaufende Kanäle hineinführen. Agrilus'biguttatus, eine,einheimische Buprestide ‚.be- sitzt ein Ei, von linsenförmiger Gestalt mit; einer ‚dicken (/s0‘), und einer dünnern Fläche. ‚Die ‚erstere zeigt viele einzeln stehende halbkugelförmige Hervorragungen, von ‚ver- schiedener, zum, Theil ziemlich ansehnlicher Grösse „(bis ' 450) — eine ganz ähnliche: Bildung finde ich an. dem:Cho- rion von: Hylobius abietis aus der Gruppe der, Rhynchoten — auch feine Löcher zwischen den ‚Hervorragungen,, während die letztere ein gekörneltes Aussehen hat und mit .dicht,ste- henden kleinen Erhebungen (!/200) bedeckt ist.,,Den Mi- cropylapparat habe ‚ich ‚nicht, mit Bestimmtheit zur..Unter- suchung. bringen können, doch glaube ich ihn einige Male in Gestalt von 3—4 spaltförmigen Oeffnungen auf einer. gemein- schaftlichen Erhebung von !/,,‘” gesehen zu haben. Weit auffallender und leichter zu finden ist der Micropyl- apparat,an den rundlichen Eiern von Lampyris noctibuca, die schon von Meissner (a. a..0. S. 278) untersucht, sind. Meissner beschreibt bei diesen Eiern, wie bei den Schmet- terlingen, eine sternförmige Micropyle von !/0“‘, die von einem Kranze radiärer. Falten oder Wülste des sonst. stru- eturlosen Chorions umgeben sei —ich muss,indessen beken- nen, dass ich mich eben: so wenig, wie bei den 'Schmetter- lingen, von der Richtigkeit dieser Beschreibung überzeugen konnte, Nach meinen Untersuchungen hat der Mieropyl- apparat von Lampyris eine ganz andere Bildung. Statt einer sternförmigen Oefinung finde ich, hier, fast wie bei Blaps, in dem Mittelpuukte des vordern Eipoles ‚einen schildförmigen Haufen von Höckern und Wülsten, der ‚etwa Yo — Vu‘ misst und von dem an der Peripherie etwa 10—14 längere Leisten (von '43,'“) in radiärem Verlaufe ‚abgehen. : Meiss- 234 Rud. Leuckart: Weber die Micropyle und ner’hält diese Leisten für Falten, ich glaube indessen 'be- haupten zu dürfen, dass sie die Micropylkanäle im Innern einschliessen, die freilich nur sehr dünn sind (etwa 100), aber doch Lumen und Oeffnung deutlich erkennen lassen. Zwischen den Höckern des Schildes findet man hier und da gleichfalls eine Oeffnung, doch will ich es unentschieden lassen, ob diese nur in eine tiefe und grubenartige Schrunde, oder gleichfalls in einen Mieropylkanal hineinführt. Die An- gabe von Meissner, dass unser Thier eine einfache Micro- pyle von sternförmiger Bildung besitze, rührt wohl daher, dass im Centrum des Schildes mitunter eine grössere Erhe- bung gefunden wird, die ohne Anwendung der früher er- wähnten optischen Hülfsmittel leicht für eine Vertiefung oder Oeffnung genommen werden kann. Meissner will freilich Dotterkörner aus dieser Oeffnung hervorgedrückt haben — aber Jedermann weiss, wie leicht durch irgend welche zufäl- lige Lagerung von mikroscopischen Elementen der Anschein eines solchen Vorganges bedingt sein kann. Vielleicht hat sich Meissner sogar durch die Höcker des Mieropylschildes, die er nirgends erwähnt, obgleich sie doch zuerst auffallen, täuschen lassen. Aehnlich mag es sich bei Elater (pectinicornis) und Telephorus verhalten, bei deren Meissner (a.a. 0.) eben so, wie bei Lampyris, die Micropyle als eine ansehnliche (Y%00') Oefinung beschreibt, die von einem Kranze radiärer Falten umgeben sei. Auch die Laufkäfer haben nach meinen Untersuchungen eine solche mehrfache Micropyle, obgleich dieselben sich sonst, in Bezug auf die Bildung des Chorions, sehr abwei- chend verhalten und mit den Hydrocanthariden einen eignen Typus der Eibildung unter den Käfern uns vorführen. Das Ei dieser Thiere (ich untersuchte ausser einigen Arten von Harpalus und Amara namentlich Carabus cancellatus) hat eine kurze und dicke walzenförmige Gestalt und ein zier- lich gegittertes zartes und dünnes Chorion (Fig. 11), wie wir es in andern Ordnungen schon mehrfach und namentlich un- ter den Dipteren bei Tetanocera und Anthomyia angetroffen den feinern Bau der Schälenhaut bei den Insekteneiern. 235 haben. Bei Carabus messen die Maschen dieses Gitterwerkes etwa 14,5”, auch wohl darunter, die’ Leisten dagegen nur "A000. Auf dem zarthäutigen Boden der Maschen sieht man mitunter nochmals 'eine Gitterbildung zweiter Ordnung oder doch hier und da eine wulstförmige Erhebung. Nach‘ dem vordern Pole wird die Grösse der Maschen allmählig gerin- ger, während gleichzeitig die Leisten an Breite zunehmen und sehliesslich (Fig. 11) zu einer gelb gefärbten runzlichen Scheibe‘ von !/,, zusammenfliessen. Diese Scheibe ist der Sitz der Mieropylen, die aus 6, 8— 10 Oeffnungen von etwa 3%300°“ bestehen. Aehnliche Oeffnungen sieht man auch’ hier und da noch im Umkreis ‚der ‘Scheibe an’‘den 'Kreuzungs- punkten der Leisten, doch hat es mir geschienen, als wenn diese letztern nicht durchgehend wären. Eine 'regelmässige Gruppirung der Leisten und’Maschen ist nicht wahrzunehmen oder höchstens nur im nächsten Umkreis der Micropylscheibe an. einigen radiär verlaufenden Längsleisten nachzuweisen. 7, Hymenopteren. Die Eier der Hymenopteren sind von einer mehr oder minder gestreekten Gestalt und von einer geringen Grösse. Ihr Chorion ist einfach und gewöhnlich zart, nach hinten mitunterineinen soliden Stiel verlängert!) und am vordern Pole mit dem Micropylapparate versehen. ‘In der Re- gel (vielleicht immer) finden sich mehrere Micro- pylen, inForm vonlaugen, aber äusserst engen Ka- nälen, die in paralleler oder doch nur wenig diver- girenderRichtung eine Strecke weitunter der Ober- fläche des Chorions hinlaufen. Die innern Oeff- nungen dieser Kanäle fallen so ziemlich mit dem Mittelpunkte des vordern Poles zusammen, wäh- rend die äussern ÖOeffnungen in einiger Entfer- nung von demselben an der Rückenfläche gelegen 1) Meissner verlegt diesen Stiel irrthümlicher Weise an das vor- dere Ende des Eies. A. a. O. 8. 287, 236 Rud. Weuckart:,, Ueber. die ‚Mikropyle und sind und gewöhnlich eine ziemlich regelmässige Bogenreihe zusammensetzen. ‚Die Zahl derselben variirt von 2—30, , Der pneumatische, Apparat fehlt: meist vollständig. Das dünne Chorion der Hymenopteren ist in der Regel structurlos. Ob die voranstehende Darstellung für alle Hymenopteren- eier oder’ auch nur für die grössere Mehrzahl derselben gilt, muss/.ich. zur Bestätigung oder, Widerlegung | einer‘ spätern Zeit ‚überlassen '). Meine Beobachtungen stützen sich nur auf.einige wenige Fälle und haben nicht..einmal‘ überall.ein erwünschtes. Resultat, geliefert. ' So viel ist aber| sicher,‘ dass die..hervorgehobenen Charaktere, ‚wenn, auch: immerhin mo- difieirt, ‚in ‚sehr verschiedenen Familien dieser Ordnung vor- gefunden werden. Zu diesen gehört u. a, die Gruppe :.der Bellen aus der ich mehrere Arten untersuchte... Bei Pimpla v ari- eornis, die ich zuerst nenne, finden‘ wir ein. Ei vons/4'', das ziemlich schlank ist und einen vordern abgestumpften Pol besitzt. Das Chorion ist dünn und elastisch, aber ziem- lich ‚fest, und lässt bis auf einige kleine Unebenheiten kei- nerlei Structur ‚erkennen. Der Mieropylapparat zeigt (Tab. V. Fig. 12) eine eigenthümliche, auf dem'ersten Blick nur schwer verständliche Bildung. Man sieht eine Anzahl von. etwä 30 dichtstehenden: schmalen Falten, die gleich den Blättern ‚eines Fächers (etwa 1,0’ von einander entfernt). in’ schwach 'ra- diärer Richtung verlaufen und ein dreieckiges Feld oder rich- tiger ein, von Bogenlinien begrenztes Trapezoid von 4/5 Höhe und .!/,,“ Breite, zusammensetzen. Die abgestumpfte Spitze dieses Feldes stösst an den vordern Pole des: Eies, während die gegenüberliegende breite und bogenförmig ‚ge- krümmte Grenzlinie eine ziemliche Strecke weit davon. ent- 1) Ueberhaupt können .die allgemeinen Bilder von dem Bau der Eier, die ich der speciellen Betrachtung in den einzelnen Ordnungen vorgestellt habe, einstweilen nur eine relative Gültigkeit beanspruchen. Durch spätere Erfahrungen werden dieselben gewiss noch mancherlei mehr oder minder wichtige Modificationen erleiden. den feinern Ban der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 237 fernt ist und 'an der sonst freilich nicht im geringsten aus- gezeichneten Rückenfläche liegt. Das untere Ende'der Fal- ten; das diese Grenzlinie zusammensetzt, ist dicker (300) und’dentlicher als das gegenüberliegende centrale Ende. Ich gestehe offen, dass ich längere Zeit hindurch diesen 'sonder- baren Apparat nicht gehörig zu deuten verstand, bis ich schliesslich, und zwar zuerst bei Paniscus testaceus (bei dem im Wesentlichen "dieselbe Bildung‘ vorkommt," die Dicke der Falten ‘aber etwas beträchtlicher ist) darauf aufmerksam wurde, dass diese Falten auf ihrem peripherischen Ende eine kleine’ dreieckige Oeffnung (Y4s00) trugen. "Durch fortge- setzte Untersuchung bin ich nun allmählig zu der Ueberzeu- gung gekommen, däss eine jede dieser Fälten oder Leisten einen äusserst dünnen Känal’im ‘Innern einschliesst, der die Eihäute durcehbohrt und sonder Zweifel als Micropyle agirt. Freilich ist dieser Kanal nur äusserst dünne (1%;,0”), noch dünner, als bei Acanthias und selbst bei Lampyris, zum Dürchlassen eines Samenfadens aber immer noch ausreichend. Am'deutlichsten erkennt man’ diese Anordnung bei den reif- sten Eiern; bei weniger reifen scheinen die Be re vollkommen solide zu sein. Ganz dieselbe Bildung, die ich hier beschrieben‘, beob- achtete ich auch 'bei einigen’ grössern aber unbestimmten Ar- ten des Gen. Tchneumon, nur fand ich hier constant eine geringere Anzahl von Micropylkanälen‘) in einigen Fällen sogar nur drei. Eben so verhält es sich bei den Schlupfwespen mit ge- stielten Eiern, die wir besonders durch Hartig (Arch. für Naturgesch. 1837. 1. S. 151) näher kennen gelernt haben, Der Stiel hat mit dem Micropylapparate; nicht das Geringste zu schaffen, da’ er von dem entgegengesetzten Ende des Eies abgeht und eine solide Verlängerung des Chorions darstellt. Er dient ausschliesslich zur Befestigung des Eies an dem Körper lebendiger Insekten, Meine Angaben. stützen sich. auf die. Untersuchung der- selben Eier, die de @eer (Ive; T. II. P.2. Pl.29)' von der äussern Haut der Gabelschwanzraupe 'ablas und von Ophion 238 Rud. Leuckart: Ueber die Micropyle und luteum herleitete, die, aber nach den Bemerkungen von Har- tig wahrscheinlich ‚von Paniscus testaceus (oder auch Mesoleptus testaceus) abstammen. Die Eier messen ohne Stiel etwa '% und sind (Fig. 14) von einer ziemlich gedrungenen oyalen Gestalt, am Rücken und am Bauch aber nicht voll- kommen gleichmässig, gewölbt.. _Am vordern Pole ‚ist die Bauchfläche, ‚die beim Ausschlüpfen der Larve ') in Form eines Längsspaltes aufreisst, am meisten gewölbt, am hin- tern Pole dagegen, die Rückenfläche. Der Stiel entspringt mit, einer birnförmigen Anschwellung. und zwar; an ‚der Bauchfläche des ‚Eies, eine kurze Strecke vor dem hin- tern Pole, Er hat eine sehr ‚beträchtliche Länge, so. dass er den Längendurchmesser des Eies um das Doppelte und Dreifache übertrifft, und ist am, äussersten Ende mit einer kleinen knopfartigen Scheibe versehen, ‚mit welcher derselbe unter die Raupenhaut eingesenkt wird. Das Chorion unseres Eies hat eine dunkelbraune Färbung und eine ganz ansehn- liche Dicke (14,0), zeigt aber nichts desto weniger keinerlei Seulptur, weder Löcher noch Felder (wie. sie sich ‚nach Hartig a. a. O. Tab. IV. Fig. 11 u.12 z.B. bei manchen Try- phon-Arten unterscheiden lassen). Nur am vordern Pole be- obachtet man eine ziemlich grosse (!/,,) schüsselförmige Grube — den Anfang der spätern Rissstelle — und am hin- tern Rande dieser Grube (Fig. 13) die centraleu Enden von acht Micropylkanälen, die sich hier deutlich, wie schon er- 1) Bekanntlich verweilt diese auch nach dem Ausschlüpfen noch eine, Zeitlang in ihrer Schalenhaut, wie in einem Gehäuse. Vgl. De Geer und Hartig a.a. O. Sie ist dann mit ihrem Bauche der Rissstelle zugekehrt — und eben deswegen bezeichne ich die betreffende Fläche des Eies als Bauchfläche. Es setzt das voraus, dass der Bauch der Larve auch bei seiner ersten Bildung diese Lage hat. Möglichen Falls hat sich die Larve jedoch beim Ausschlüpfen umgedreht, so dass unsere Bauchfläche dann in Wirklichkeit die Rückenfläche darstellt und umgekehrt. Ich gestehe, dass mir diese Vermuthung nicht unwahr- scheinlich dünkt, einmal, weil die Vorkehrungen zum Aufsprengen sonst gewöhnlich am Rücken und nicht am Bauche angebracht sind und sodann, weil die Eiform yon Mierogaster u. a. am, meisten auf eine solche Auffassung hinweist. den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 239 wähnt wurde, als Kanäle erkennen lassen und ein Lumen vom etwa '%no0“‘ besitzen. Die Länge dieser Kanäle beträgt etwa 1400‘, die Zwischenräume zwischen ihnen am periphe- rischen Ende 140”. Bei verschiedenen Arten der Gen. Microgaster und Spathius habe ich ‚mich ebenfalls von einer analogen Bil- dung des Mieropylapparates überzeugen können, ‚obgleich Meissner, der Spathius clavatus untersuchte, hier. nur eine einfache, „durch ein Paar Falten im Chorion ange- deutete“ Micropyle beschrieben hat (a. a. O. S. 283). Die Bier dieser Schlupfwespen (Fig. 17) sind klein (bis zu 44,4") und schlank, weit mehr gestreckt, als in den bisher erwähn- ten Fällen. und in der Regel auch. mehr ‘oder minder stark nach dem Rücken zu gekrümmt. ‚Der vordere Pol ist abge- rundet, der hintere dagegen zugespitzt und ganz constant in einen dünnen und kurzen (!/o—"/n0‘‘) soliden Fortsatz aus- gezogen, den wir wohl als Rudiment eines Stieles betrachten dürfen. Eine Dotterhaut konnte ich in mehreren Fällen mit aller Entschiedenheit nachweisen. , Der Micropylapparat be- steht aus zwei dünnen Kanälen, deren Oefinungen (!Asoo’“ nach der convexen Fläche hinsehen und leieht unterschieden werden können, wenn man das Ei in. eine passende Stellung bringt (Fig. 15). In. der Profillage sieht man natürlich nur eine einzige Oeffnung und auch diese nur als einen kleinen Aus- schnitt, an den sich dann der Micropylkanal wie eine bogenför- mige Falte von ansehnlicher Länge (!/,,0“') anschliesst (Fig. 16). Die Entfernung der beiden Micropylen beträgt etwa 1,0. Bei einer Betrachtung vom Rücken aus (Fig. 15) zeigt der Vorsprung zwischen den Eingängen ebenfalls einen kleinen Ausschnitt, doch habe ich mich nicht davon überzeugen kön- nen, dass dieser in einen dritten mittlern Mieropylkanal 'hin- einführe, Dass sich die bisher beschriebene Bildung nicht aus- schliesslich auf die Schlupfwespen' beschränkt, ‚beweist eine Beobachtung an einer ‚schwarzen Sphegıide, die,ich leider unbestimmt lassen muss, An dem spindelförmigen Ei, dieses Thieres habe ich fast ganz denselben Micropylapparat beob- 240 Rud. Leucekart: Ueber die Mieropyle und achtet, wie er oben bei Pimpla beschrieben wurde, Nur betrug hier die Zahl der Kanäle kaum mehr als die Hälfte der frühern Menge. Die Eier von Vespa vulgaris und Apis mellifica haben mich bisher bei meinen Untersuchungen im Stiche ge- lassen. Ich habe bei ihnen keine Mieropyle auffinden kön- nen, muss aber hinzufügen, dass ich nur ein einziges Mal Gelegenheit hatte, die Eier dieser Thiere zu beobachten, und das zu einer Zeit, in welcher mir der Mieropylapparat der Hymenopteren überhaupt noch unbekannt war. Das Chorion der. Honigbiene ist bis auf den hintern abgestumpften Pol, mit dem dasselbe an der Wand der Zelle angeklebt wird, von einem äusserst zarten Leistenwerk übersponnen und ge- feldert, wie schon Swammerdamm (a.a.O. Tab. XXIH. Fig. 12) abbildet. Die Felder, die zwischen den Leisten bleiben, zeigen auf ihrer Oberfläche eine feine Körnelung. Wie die Micropyle an den Eiern dieser T'hiere beschaffen sei, muss ich unter solchen Umständen dahin gestellt sein lassen, ich glaube indessen kaum, dass in der Entwicklung dieses Apparates ein erheblicher Unterschied von dem bis- her hervorgehobenen Verhalten obwalte. Meissner hat nun freilich bei Polistes gallica eine Bildung beschrieben (a.a: 0:8. 282), die meine Vermuthung sehr wenig zu unterstützen scheint; ich muss indessen gestehen, dass ich einigen Zweifel in'die Richtigkeit dieser Darstellung setze. Die Existenz des gestielten Trichters, den Meissner hier am vordern Eipole auffand, wage ieh natürlich nieht im Geringsten anzutasten, aber bezweifeln möchte ich doch, dass dieser Trichter mit seiner äussern Oeffnung eine einfache Micropyle darstelle. Einmal sind die Grössenverhältnisse dieses Apparates so co- lossal (der weiteste Durchmesser desselben beträgt !/,', der Durchmesser des Stieles '%,“), wie ich sie nirgends, kaum einmal bei den Eiern der Phasmen, an dem Micropylappa- rate aufgefunden habe, und sodann erwähnt Meissner selbst einer „zarten radiären Faltung“ im Grunde des Trichters, deren Vorkommen doch zu auffallend an die Bildung des Micropylapparates ‘bei den übrigen IHymenopteren erinnert, den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 24] als dass man die Vermuthung einer Analogie zwischen beiden unterdrücken könnte. Ist diese Vermuthung gegründet, so dürfte man den Trichter wohl als einen eigenthümlich gebil- deten Träger des Micropylapparates in Anspruch nehmen. Natürlich wird dann auch der Innenraum des Triehters nicht mit dem Innenraum des Chorions zusammenhängen, sondern davon getrennt sein. Vielleicht hat Meissner selbst diese Trennung beobachtet. Er giebt wenigstens an, dass sich die Dotterhaut nur eine Strecke weit in den Stielkanal des Trich- ters hinein verfolgen lasse und zur Bildung des Trichters selbst nieht das Geringste beitrage, vielmehr schon vorher ihr Ende erreiche. Mögen die Verhältnisse bei Polistes übri- gens sein, welche sie wollen, die von Meissner entdeckte Bildung ist jedenfalls sehr interessant und eigenthümlich und um so auffallender, als das doch sonst so nahe verwandte Gen. Vespa derselben entbehrt. In gewisser Beziehung erinnert diese Bildung an die son- derbaren Eiformen der Gallwespen, die von Hartig (Ger- mar's Arch. 1841. S. 324) beschrieben und auch von Leon Dufour (l.c. p.410) bei einigen Arten dieser Thiere (Xi- phydria und Diplolepis) beobachtet wurden. Aber diese Aehn- lichkeit ist nur eine oberflächliche, in so fern der lange keu- lenförmige Anhang der Gallwespeneier keinen Micropylappa- rat, auch keinen Träger dieses Apparates darstellt, sondern ein integrirender Theil des Eies selbst ist!),. Das Ei der Gallwespen, das ich bei Cynips quercus untersucht habe, besteht (Fig. 19) gewissermassen aus zwei Hälften, die durch einen langen und hohlen Stiel mit einander in Zusammenhang stehen. Für gewöhnlich ist nun allerdings der Dotter nur in der einen dieser Hälften enthalten und zwar in der hin- teren, die eine gedrungene retortenförmige Gestalt hat und offenbar als Hauptmasse des Eies zu betrachten ist, aber 1) Nichts desto weniger ist die Genese dieses Anhanges übrigens dieselbe, wie die der schwanzförmigen Anhänge am Chorion von Dro- sophila und Sepsis. Auch diese letztern sind auf einer frühern Bil- dungsstufe einfach und hohl und mit Dottermasse angefüllt, wie der Anhang bei Cynips. Müllers Archiv, 1855. 16 242 Rud. Leuckart: Ueber die Micropyle und man braucht auf diese nur einen Druck auszuüben, um die ganze Dottermasse allmählig durch den Stiel hindurch in die vordere Hälfte hinüberzutreiben (Fig. 20). Diese vordere Hälfte, die im leeren Zustande eine gestreckte Keulenform hat, nimmt dabei an Volumen zu; sie bläht sich zu einer ovalen Masse auf, während die gegenüberliegende Hälfte ın demselben Verhältnisse sich verkleinert. Die Lage des Dot- ters im vordern Theile des Eies dauert indessen nur so lange, als der Druck auf die hintere Hälfte anhält; sobald dieser aufhört, wird der Dotter allmählig wieder in seinen frühern Behälter zurücktreten. Das vordere gestielte Anhangsgebilde des Eies, so überzeugt man sich bald, ist bei den Gallwes- pen mit einem äusserst elastischen Ueberzuge versehen, der den Inhalt zusammenpresst und auch, je nach den Umstän- den, in das eigentliche Ei wieder hineintreibt. Für die be- kannten Schicksale dieser Eier ist eine Einrichtung, wie wir sie eben geschildert haben, jedenfalls von hoher Bedeutung. Die Eier dieser Thiere besitzen eine verhältnissmässig sehr ansehnliche Grösse (bei Cynips quercus misst der Längen- durchmesser der hintern Hälfte = !4,”, der Querdurchmesser = 144“); es wird durch die sonderbare Bildung derselben nieht blos die Geburt, sondern auch das Einsenken in das Parenchym des Pflanzenkörpers beträchtlich erleichtert. Wäh- rend dieser Vorgänge befindet sich der Dotter voraussichtlich in dem keulenförmigen Anhange des Eies, der in den Geschlechtswegen zurückbleiben wird, bis das eigentliche Ei in das junge und weiche Pflanzenparenchym versenkt ist. Sobald nun aber der Druck des Legestachels auf dieses Ei aufhört, beginnt die elastische Kraft des Anhangs ihr Ueber- gewicht geltend zu machen und den Dotter allmählig in das Ei hinüberzutreiben. Der Druck, der dabei auf das umge- bende, saftige und also auch nachgiebige Pflanzengewebe ausgeübt wird, bedingt wahrscheinlicher Weise jene Auftrei- bungen und Excrescenzen, die überall das Bette der Gall- wespeneier und ihrer Larven auszeichnen und ihrerseits für die Ernährung der jungen Brut gewiss von grossem Werthe sind, zumal diese ja bei ihrem beschränkten Bewegungsver- den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 243 mögen bis zum Ausschlüpfen beständig an demselben Orte bleibt und keine neuen Futterplätze aufsucht. Was nun den feinern Bau unseres Eies betrifft, so unter- scheidet man an demselben die gewöhnlichen zwei Eihäute, Dotterhaut und Chorion. Das letztere ist homogen und stru- cturlos, gleich dem erstern, hat aber in den einzelnen Theilen des Eies eine sehr verschiedene Dicke. An dem eigentlichen Ei ist es äusserst dünne, kaum '!/o00‘, während es in dem keulenförmigen Anhange, der etwa die Länge des Eies hat, aber nur 1/9 breit ist, reichlich '/,, hat. Natürlicher Weise gilt solches nur für die gewöhnlichen Verhältnisse. Bei gefülltem Anhange ist die Bekleidung desselben beträchtlich dünner, weil sich die Masse dann über eine grössere Fläche vertheilt, aber doch immer noch dicker, als das Chorion des eigentlichen Eies. Der Stiel, der etwa 1'% Mal die Länge des Eies hat und, wie auch die keulenförmige Endanschwel- lung, etwas plattgedrückt ist, zeigt gleichfalls ziemlich dicke Wände, aber doch dünnere, als der Anhang, wie man schon daraus entnehmen kann, dass sein ganzer Durchmesser, we- nigstens in der Mitte überhaupt nur 14,0 beträgt, wovon überdies noch reichlich ein Drittheil auf den eingeschlossenen Kanal kommt. Nur die Wurzel dieses Stieles macht hiervon eine Ausnahme. Sie ist sehr viel dicker, aber die Verdickung derselben ist (Fig. 15) eine excentrische, so dass man eine dicke ('/,;0) und eine dünne Wand (YAooo‘) zu unterschei- den hat. Der Uebergang dieser Verdickung in den dünnern Theil des Stieles, der etwa !/,,” oberhalb der Wurzel statt- findet, geschieht ganz plötzlich durch drei über einander lie- gende terassenförmige Abstufungen, von denen sich eine jede in einen äusserst zarten Kanal verlängert, der mit dem Stiel- kanal parallel zur obern Spitze des Eies hinläuft. Ich glaube diese drei Kanäle als drei Micropylen in Anspruch nehmen zu dürfen, obgleich dieselben, wie gesagt, ausserordentlich dünn sind und ein Aussehen haben, als wenn ihre Wandun- gen zusammengefallen wären, Vielleicht erweitert sich das Lumen derselben bei der Entleerung des eigentlichen Eies; es ist wenigstens denkbar, dass der Druck des Dotters bis 16* 244 Rud. Leuckart: Ueber die Mieropyle und auf das Lumen dieser Kanäle seine Wirkung ausdehnt. Auch darf wohl daran erinnert werden, dass der Augenblick der Befruchtung mit dem Uebertreiben des Dotters in den An- hang des Eies der Zeit nach zusammenfällt. Aus der Familie der Blattwespen untersuchte ich mehrere Arten des Gen, Tenthredo. Die Mieropyle, die Meissner (a.a.0.S.282) als eine aufgewulstete rundliche Oeffnung von '%so”' beschreibt, habe ich nicht auffinden können, doch kann ich Meissner darin beistimmen, dass diese Thiere mit ihren ziemlich grossen und gedrungenen Eiern und ihrem weichen structurlosen Chorion der Untersuchung in hohem $rade unzugänglich sind. Die voranstehenden Beobachtungen beziehen sich auf etwa 180 Insekten aus den verschiedensten grössern und kleinern Gruppen; es wird wohl erlaubt sein, die übereinstimmenden Ergebnisse derselben in einer allgemeinern Form zu verwer- then. So kann es namentlich in Bezug auf den Micropyl- apparat, glaube ich, fortan keinem Zweifel mehr unterliegen, dass dieser 1. eine Auszeichnung aller Insekteneier !) ist, dass er 2. aus einer bald einfachen, bald auch mehrfachen Oefl- nung besteht, die durch die Eihüllen hindurchgeht, und dass er 3. wirklich zum Einschlüpfen der Samenfäden dient. Das letztere ist freilich nur bei einer verhältnissmässig geringen Anzahl von Arten nachgewiesen, bei etwa einem Dutzend, allein nichts desto weniger dürfte es wohl eben so sicher sein, als die beiden ersten Thatsachen. Für die Lehre 1) Später hoffe ich, als eine Fortsetzung dieser Untersuchungen, meinen Lesern auch einen Ueberblick über den Bau und die Verbrei- tung des Micropylapparates bei den übrigen Arthropoden geben zu können. Dass dieser nicht ausschliesslich auf die Insekten beschränkt sei, beweisen schon die Angaben, die uns Meissner über die Miero- pyle des Gammurus-Eies gemacht hat. Vgl. Zeitschrift u. s w. S. 284, den feinerno Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 245 vonder Befruchtungistnun abergerade dieserletzteNachweis von höchster Bedeutung, denn erst durch ihn hat die Frage nach der Mieropyle der thierischen Eier ihre physiologische Begründung gefunden. Bis dahin konnte ja immer noch bezweifelt werden — wie denn auch geschehen —, dass die Löcher und Ka- näle, die man an der Hülle der Eierstockseier bei verschie- denen Thieren seit einiger Zeit entdeckt und in Bezug auf ihr äusseres Verhalten mit den Mieropylen der pflanzlichen Eier verglichen hatte, auch wirklich die physiologische Be- deutung dieser Mieropylen besässen. Die Untersuchungen und Angaben von Keber können (auch in ihrer nochmaligen Wiederholung) keinen Anspruch darauf machen, diese Frage entschieden zu haben, denn das Samenkörperchen, dessen Eindringen und Metamorphosen hier so minutiös beschrieben wurden, ist bekanntlich nichts weniger, als ein Samenkör- perchen, sondern eine Verdiekung der Eihaut an der Basis des Mieropylaufsatzes und noch nach dem Ausschlüpfen der Embryonen in unveränderter Weise aufzufinden (vgl. Bischoff, Widerlegung u. s. w. und Hessling, Zeitschrift für wiss. Zool. V. 8.392). Die voranstehenden Beobachtungen sind demnach zusammen mit denen von Meissner!) die ersten und bis jetzt die einzigen, die das Eindringen der Samen- fäden durch eine Micropyle bei den thierischen Eiern nach- weisen. Die Untersuchungen von Meissner, die ich eben erwähnte, kann ich aber nur zum Theil, nur in so weit hie- her rechnen, als sie auf das Insektenei Bezug haben. Die Angaben über das Ascaridenei und seine Micropyle (a. a. O. 5.208) kann ich, in Betreff der vorliegenden Frage wenig- stens, nicht für entscheidend ansehen, denn es ist mir fort- 1) Ich darf wohl nochmals daran erinnern, dass meine Untersu- chungen ganz unabhängig von den Angaben Meissner’s sind und diesen in ihrer ersten Veröffentlichung (in dem Augustheft der Ber- liner Monatsberichte) sogar vorausgingen. (Es scheint mir des- halb auch durchaus unmotivirt, die Entdeckung der Mieropyle an den Insekteneiern, wie das von einer anerkannten Autorität mit gänzlicher Umgehung meines Namens kürzlich geschehen ist, ausschliesslich für Herrn Dr. Meissner zu vindiciren.) 246 Rud. Leuckart: Ueber die Mikropyle und während unmöglich, mich überhaupt von der Existenz einer Eihülle (und damit denn auch natürlich einer Mieropyle) auf dem betreffenden Entwicklungsstadium dieser Eier zu über- zeugen. Selbst wenn es erwiesen wäre, dass die kegelför- migen Zapfen, die Meissner für die Samenkörperchen aus- giebt und durch eine Mieropyle in den Dotter hineindringen lässt'), wirklich die befruchtenden Elemente wären — ich darf mich bierbei, ganz abgesehen von meinen eignen Untersu- chungen, wohl schon im Voraus auf die baldigst in der Zeit- schrift für wissenschaftl. Zoolog. erscheinende Auseinander- setzung von Prof. Bischoff berufen —, selbst dann könnte ich nur so viel zugestehen, dass Meissner bei den Ascariden das Eindringen der Samenkörpercben in die noch hüllen- lose Dottermasse nachgewiesen habe. Bis auf die Beobachtungen von mir und Meissner war die uns bekannte Zahl der Thiere mit einem Mieropylappa- rate an den Eiern nur ausserordentlich gering. Mit Sicher- heit konnte man ihnen nur die Holothurien (nach J. Müller, Leuckart und Leydig) und Ophiothriz fragilis unter den Seesternen (nach J. Müller), Sternaspis thalassemoides unter den Würmern (nach M. Müller) Unio, Anodonta (nach Leuckart, Keber, Bischoff, Hessling) und Venus de- cussata (nach Leydig) unter den Bivalven ?) zuzählen. Alle diese Thiere hatten einen einfachen Mieropylapparat, der sich nach den Beobachtungen des Verfassers an den Najaden (Wagner’s H. W. B. der Physiol. Art. Zeugung S. 801) und 1) Ich habe diese Zapfen übrigens nicht selten (bei Ascaris mystaz) auch an andern Stellen, als an der Meissner’'schen Micropyle, fest- sitzen sehen. 2) Dass die Mieropyle weiter unter den Bivalven vorkomme, be- weisen (abgesehen von den Angaben von Lov&n und Quatrefages) namentlich anch die Abbildungen, die Davaine (Mem. de la Soe. biol. T.IV. Pl. II. Fig. 1. D.E.) von den Eierstockseiern der Auster gegeben hat. Davaine hält diese Eier freilich für missgebildet („des ovules plus ou moins deformes”), aber er fügt unmittelbar dar- auf hinzu: „tels qu’ils se presentent ordinairement au microscope“, so dass unsere Vermuthung dadurch wohl zur Gewissheit erhoben wird. den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 947 Holothurien (Bischofl’s Widerlegung u. s. w. S. 39), die im Wesentlichen seither von andern Seiten mehrfach bestätigt wurden !), überall als eine Art Stigma zu entwickeln schien. Man hätte danach fast schliessen können, dass die Mieropyle überhaupt nur bei solchen Eiern vorkomme, die auf einer frühern Bildungsepoche mit der Wand ihrer Drüsenschläuche continuirlich zusammenhingen. Die Entdeckung der Miero- pyle des Insekteneies zeigt uns, wie voreilig solch ein Schluss gewesen sein würde. Wir finden einen Mieropylapparat bei Eiern, die beständig lose in ihren Drüsenschläuchen gelegen sind; wir müssen uns überzeugen, dass dieser Apparat auch noch "auf einem andern Wege, als durch die Lösung eines frühern Zusammenhangs, dass er durch Resorption entstehen kann. Dazu kommt, dass uns die Micropylapparate der In- sekteneier nach meinen Untersuchungen eine Menge der auf- fallendsten Verschiedenheiten in Forın und Bildung vorführen, wie man sie früher kaum im Voraus ahnen konnte. Neben den Eiern mit einfacher Mieropyle kennen wir jetzt nament- lich auch zahlreiche Beispiele mit mehrfachen und selbst vielen solchen Oeffnungen, mit Mieropylen, die sich über einen grössern oder kleinern Abschnitt der ganzen Eihaut ausbreiten, Diese letztern Fälle machen es mir auch sehr glaublich, dass das eigenthümliche System von Löchern und Kanälen, das nach den Beobachtungen von J. Müller (Monatsber. der Berliner Akademie 1854. S. 164) und Remak (dieses Archiv 1854. S. 252) das Chorion der einheimischen Knochenfische durchsetzt, gleichfalls den Mieropylapparaten zugehöre?) und 1) Es gilt das auch von Leydig, obgleich dieser in einer mich selbst überzeugenden Weise meine Angaben über die Zusammensetzung der äusseru Eihaut bei den Holothurien berichtigt hat. Vgl. dieses Arch. 1854. S. 306. 2) Leydig scheint dagegen geneigt zu sein, den Knochenfischen eine andere Micropylbildung beizulegen. Er hebt wenigstens (a. a. O. 5.326) hervor, dass das Ei von Trigla hirudo mit seiner äussern Kapsel in auffallender Weise an die Eier mit einfacher Miceropyle er- innere. Da diese Angabe aber nur für eine Zeit gilt, in der weder 248 Rud. Leuckart: Ueber die Mieropyle und den Befruchtungsact vermittele. Freilich wird solche Deu- tung erst der Bestätigung durch das Mikroscop bedürfen, aber diese wird wohl schwerlich ausbleiben, da doch kaum anzu- nehmen ist, dass die Samenfäden durch das feste Chorion hindurchdringen und die Löcher unbenutzt lassen. Weit zwei- felhafter bin ich in Bezug auf die vadiären Streifen in der Zona pellueida der Säugethiereier, die Remak (a. a. ©.) mit diesen Löchern der Fischeier zusammenstellt. Ich weiss nicht einmal, ob man sie mit Recht als die optischen Aus- drücke von Kanälen beanspruchen darf, da man weder Lu- mina, noch Oefinungen an ihnen erkennen kann, So viel aber scheint ausgemacht, dass diese Zeichnung auf einem bestimmten Structurverhältnisse beruht; man muss selbst zu- geben, dass durch eben diese Verhältnisse möglichen Falls auch den Samenfäden beim Eindringen in das Ei der Weg vorgezeichnet sei, auf dem sie die Zona durchsetzen. Auch als Kanäle würden diese Gebilde zum Durchlassen der Sa- menfäden, die ja mit Kopf und Schwanz im Innern vorge- funden werden, noch einer Erweiterung bedürfen '), J. Mül- ler erinnert bei Gelegenheit dieser mieropylartigen Einrich- tungen auch an die radiäre Zeichnung des Chorions bei den Taenieneiern. Ich habe dieselbe bei verschiedenen Arten (T. serrata, T. Coenurus u. a.) untersucht und nach Prüfung des optischen Verhaltens auch wirklich die Ueberzeugung gewon- die Dotterhaut, noch das Chorion bereits gebildet war, so dürfen wir die hervorgehobene Aehnlichkeit wohl nicht allzu hoch veranschlagen. 1) Von einer einfachen Micropyle beim Säugethierei habe ich trotz der angestrengtesten Untersuchungen niemals eine Spur entdecken kön- nen. Ich trage deshalb auch kein Bedenken, mit Bischoff die von Meissner einmal beobachtete Lücke in der von Eiweiss bereits um- hüllten Zona des Kanincheneies (a. a. OÖ. S. 248) für eine zufällige Ver- setzung nnd nicht für eine Micropyle zu halten. Bischoff versiehert mich, sich früher oftmals davon überzeugt zu haben, dass unzweifel- hafte Risse unter dem Mikroscope zuweilen genau in der beschriebenen Weise sich präsentiren. Gleiches gilt gewiss auch von der ältern Be- obachtung Barry’s, Phil. transact. 1843. B. I. p. 33. (Die Keber- schen Angaben über die Mieropyle des Säugethiereies bedürfen, glaube ich, trotz der Bestätigung von Seiten Barry’s kaum einer ausdrück- lichen und direeten Widerlegung.) den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 249 nen, dass sie von dicht stehenden senkrechten Kanälen (000) herrühren. Ob diese Kanäle aber das Chorion voll- kommen durchbohren, muss ich unentschieden lassen. Eben so zweifelhaft bleibt es natürlicher Weise, ob dieselben als Mieropylen agiren. Ich muss indessen gestehen, dass ich solehes nicht glaube, einmal weil diese Kanäle bei andern Cestoiden, Ligula, Tetrarhynchus, auch schon bei Taenia eucu- merina u.a. fehlen, und sodann, weil nach der anatomischen Bildung der Geschlechtsorgane bei diesen Thieren die Be- fruchtung voraussichtlich schon vor der Bildung des Chorions vor sich gehet, eine Micropyleinrichtung also kaum nothwen- dig sein dürfte. Ueberhaupt bin ich der Ansicht, dass wir keineswegs be- rechtigt sind, überall an den thierischen Biern die Existenz eines Micropylapparates vorauszusetzen. Dass die Samen- fäden zum Zwecke der Befruchtung in allen Fällen mit dem Dotter in einen unmittelbaren Contact kommen, darf aller- dings nach den heutigen Erfahrungen und namentlich den Untersuchungen von Newport (am Froschei), Bischoff und mir (am Frosch- und Säugethierei), Meissner (am Säugethierei), Lacaze Duthiers (am Ei von Dentalium) — der Beobachtungen am Insektenei u. a. nicht zu gedenken — nicht länger bezweifelt werden, aber dieser Contact wird voraussichtlich bei den einzelnen Thieren auf eine verschie- dene Weise vermittelt sein. Wie der Besitz von Deckel- apparaten, Klappen und ähnlichen Vorkehrungen zum Aus- lassen des Embryo aus den Eihüllen nur auf bestimmte Thier- arten, d. h. auf gewisse äussere Umstände beschränkt ist, obgleich die Embryonen ohne Ausnahme ausschlüpfen, ganz eben so wird voraussichtlich auch die Existenz der Micro- pylen zum Eindringen der Samenfäden innerhalb gewisser Grenzen bleiben. Zum Theil können wir schon von vorn herein die Verhältnisse bestimmen, unter denen die Anwe- senheit einer Micropyle bei den thierischen Eiern zu einer physiologischen Nothwendigkeit wird. Es wird das nament- lich da der Fall sein, wo die Eier schon frühzeitig, noch bevor sie mit dem Sperma zusammentreflen, von einer 250 Rud. Leuckart: Ueber die Mikropyle und festen und resistenten Hülle umgeben werden, an der das Bohrvermögen der Samenfäden ohne Erfolg bleiben würde. Es werden also vorzugsweise die Eier mit einem Chorion (d. h. einer accessorischen, noch im Eierstocke gebildeten, meist sehr festen Hülle) sein, bei denen wir die Anwesen- heit einer Micropyle voraussetzen dürfen. Zu diesen Eiern mit Chorion gehören in der That auch fast alle die Fälle, in denen wir bisher eine Micropyleinrichtung gefunden haben, die Eier der Insekten und Knochenfische, die der Holothu- rien und auch die der Bivalven. Es ist wohl kaum anzunehmen, dass unsere Erfahrungen über das Vorkommen der Micropylapparate an den thierischen Eiern gegenwärtig schon zu einem Abschlusse gekommen seien. Wir werden dieselben sicherlich noch bei zahlreichen andern Thierformen auffinden '). Die frühern negativen Er- gebnisse dürfen wir in der Mehrzahl der Fälle gewiss nicht allzu hoch veranschlagen. Man muss es selbst erfahren haben, wie leicht es möglich ist, einen derartigen Apparat, besonders wenn er eine nur beschränkte Stelle einnimmt und sonst ohne Auszeichnung ist, zu übersehen, um einen sol- chen Ausspruch für gerechtfertigt zu halten. Ich darf wohl von mir behaupten, dass ich mir einige Uebung in dem Auf- finden dieser Apparate erworben habe, aber nichts desto we- niger bedurfte es in vielen Fällen einer stundenlangen oftmals wiederholten Forschung und der angestrengtesten Aufmerk- 1) Zu diesen Thieren gehört auch wahrscheinlicher Weise, wie ich jetzt glaube, der Frosch. Ich habe bei diesem T'hiere vielfach die Samenfäden im Innern des Dotterraumes angetroffen, auch oftmals bei ihrem wunderbar schnellen Einbohren durch die äussern Hüllen über- rascht, aber niemals gesehen, dass dieselben durch die äusserst feste Dotterhauthindurchdrangen. Sobald die Fäden an der !/a25” dicken Dotter- haut ankamen, bogen sie sich um, wie ein Nagel, der auf ein undurch- dringliches Hinderniss stösst (vgl. Bischoff, Bestätigung S. 5). Dazu kommt, dass die Zahl der wirklichen Eindriuglinge im Vergleich zu der Menge, die das Eiweiss durchsetzen, nur äusserst gering ist, So wie ferner die Beobachtung von Newport (Phil. transact. 1853. B. 2. p. 251), dass das Froschei an verschiedenen Stellen seiner Oberfläche in verschiedener Weise für die Befruchtung empfänglich ist. den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 251 samkeit, bevor ich mich über die Anwesenheit und die Bil- dung desselben orientirt hatte. Hätte ich nicht von vorn herein die feste Ueberzeugung gehabt, dass er vorhanden sei, so würde er mir sicherlich bei vielen Insekten entgangen sein. Auf der andern Seite können wir aber auch nicht erwar- ten. dass die Anwesenheit eines Chorions in allen Fällen mit einem Micropylapparate combinirt sei. Die Bildung des Chorions kann ja möglicher Weise erst nach dem befruch- tenden Contacte mit den Samenfäden erfolgen, wie bei den Turbellarien, Trematoden und wahrscheinlich auch den Cestoi- den, bei denen — schon nach der anatomischen Bildung der Geschlechtsorgane zu urtheilen !) — die Samenfäden zugleich mit dem Dotter und dem Keimbläschen in eine feste cho- rionartige Kapsel eingeschlossen werden. Das Ei von Gam- marus hat nach Meissner (a. a. O.) nur eine Dotterhautmi- cropyle, über welche das Chorion hinweggeht — die Be- fruchtung wird hier sonder Zweifel gleichfalls vor der Ab- lagerung des Chorions stattfinden. Wir haben die physiologische Nothwendigkeit eines Mi- cropylapparates so eben auf die physikalische Beschaffenheit der vor der Befruchtung gebildeten Eihüllen zurückzuführen versucht. Aber damit soll keineswegs etwa gesagt sein, dass eine solche Einrichtung nun ausschliesslich auf die Eier mit derartigen festen Hüllen beschränkt bleibe. Es lassen sich noch eine Menge anderweitiger Verhältnisse denken, die auch bei einer weichen und zarten Eihaut — Meissner erwähnt bei der mit einem Micropylapparate versehenen Dotterhaut von Gammarus ausdrücklich, dass sie „äusserst zart“ sei — die Anwesenheit einer Mieropyle, wo nicht absolut nothwen- dig, so doch wünschenswerth machen, Jedenfalls aber wird das Vorkommen der Micropyle unter solchen Umständen vor- aussichtlich sehr viel beschränkter sein, als bei den Eiern 1) Bei Mesostomum Ehrenbergii glaube ich mich auch durch die mikroscopische Untersuchung eben gebildeter, zum Theil noch weich- schaliger Eier von der Anwesenheit der Samenfäden zwischen der Dot- termasse überzeugt zu haben. 2523 Rud. Leuckart: Ueber die Mieropyle und mit einer festen und (für die Samenfäden) weniger leicht durchdringlichen Eihaut. Es sind also dreierlei verschiedene Arten, auf die wir so eben die Phänomenologie der Befruchtung, d. h. den Con- taet der Samenfäden mit dem Dotter zurückgeführt haben: das Eindringen der Samenfäden mit Durchbohrung der Eihaut, das Eindringen durch Mieropylen und das Eindringen in die Dottermasse vor Ablagerung der Eihäute. Noch eine vierte Art des Contactes, auf die in neuerer Zeit besonders Meissner hingewiesen hat, können wir bier an- führen, den Contact durch frühzeitigen Schwund der Dotterhaut, wie er nach Meissner (a. a. OÖ. S. 240), namentlich bei dem Regenwurme stattfindet. Auch die Gasteropoden, bei denen ein ähnliches Verhältniss schon längst bekannt ist (vergl. be- sonders Leydig, Zeitschrift für wiss. Zool. Bd. II. S. 127), dürften sich wohl, vielleicht auch die Hirudineen u. a. Wir- bellose, in ähnlicher Weise verhalten. Was aus den eingedrungenen Samenfäden wird, welchen etwaigen Antheil sie namentlich auch an den Veränderungen nehmen, die wir als die nächsten Folgen der sog. Befruch- tung kennen, darüber steht uns bis jetzt kaum eine Vermu- thung zu. Das Einzige, was wir mit Bestimmtheit wissen, ist das, dass die Samenfäden, die theilweise in den Dotter hineindringen, theilweise aber auch in der nächsten Umge- bung des Dotters, zwischen Dotter und Dotterhaut, verwei- len, sieh allmählig auflösen (nach meinen Erfahrungen an Melophagus und Ephemera weit schneller als die aussen blei- benden Fäden). Ob das durch eine Art Fettmetamorphose, wie Meissner will, oder durch einfaches Zerfallen und Ver- flüssigung geschieht, darf ich wohl unentschieden lassen. Genug die eingedrungenen Samenfäden lösen sich auf. Was aber weiter aus den Ueberresten dieser befruchtenden Ele- mente wird, ist uns noch fortwährend unbekannt — denn dass Herr Dr, Keber mit seinen Beobachtungen dieses Pro- den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 253 blem nicht gelöst hat, darüber kann wohl nicht länger ein Zweifel sein. Es ist höchst wahrscheinlich, dass die Masse der Samenkörperchen nach ihrer Auflösung dem Dotter sich beimischt, ob aber als Flüssigkeit, ob in Form von Mole- eülen, wissen wir nicht — wir wissen nicht einmal, ob diese Beimischung erst nach vollendeter Befruchtung geschieht, ge- wissermassen also nur beiläufig und zufällig ist, oder ob sie für den Process der Befruchtung und Entwicklung irgend ein wesentliches Moment abgiebt. Noch viel weniger können wir natürlicher Weise darüber urtheilen, ob im letztern Falle die etwaigen Ueberreste der Samenfäden sich in irgend einer Art direet bei der Bildung der Embryonalzellen oder gar bei dem Aufbau des Embryo betheiligen. Mit dem Nachweis von dem unmittelbaren Contacte der Samenfäden und des Dotters ist die Lehre von der Befruchtung allerdings um eine schöne und interessante Thatsache bereichert, aber auch für lange Zeit, fürchte ich, an der Grenze unserer sinnlichen Wahr- nehmungen angekommen. Giessen, im November 1854. Erklärung der Kupfertafeln. Tab.#+ vı (Eier von Fliegen). Fig. 1. Ei von Melophagus ovinus. Fig. Durchschnitt des Micropylapparates mit einem Samen- pfropfe. Fig. 3. Micropylapparat desselben Eies von oben gesehen. Fig. 4. Oberer Eipol mit Micropyle von Dezia. Fig. 5. Oberer Eipol mit Mieropyle und Rückenleisten von Musca romitoria (mit eindringenden Samenfäden). Fig. 6. Micropylapparat desselben Thieres von oben gesehen. Fig. 7. Oberer Eipol mit Mieropyle und Rückenleisten von Musca domestica. Fig. 8. Dasselbe von Borborus silvaticus. Fig. 9. Reifes Ei von Helomyia canicularis vom Rücken aus ge- sehen, mit Micropyle und Leistenapparat. w 254 Rud. Leuckart: Ueber die Micropyle und Fig. 10. Oberer Eipol von Anthomyia pallida mit Mieropyle und Rückenleisten in der Profillage., 5 Pr Fig. 11. Oberer Eipol von Scatophaga stercoraria, Fig. 12. Reifes Ei von Drosophila cellaris. Fig. 13. Micropylapparat derselben Fliege. Fig. 14. Reifes Ei von Sepsis punctum. Fig. 15. Micropylapparat von Sepsis. Fig. 16. Oberer Eipol von Tetanocera relieulata mit hervortre- tender Dotterhaut. Fig. 17. Chorionstückehen derselben Fliege. Fig. 18. Oberer Eipol von Anthomyia (?). Fig. 19. Chorionstückchen von Helomyia sp. nov. Fig. 20. Oberer Eipol von Eristalis tenax. Fig. 21. Chorionstückehen von Asilus crabriformis. Fig. 22. Ei von Limnobia punclata in der Profillage. Fig. 23. Micropylapparat desselben. Fig. 24. Oberer Eipol von Culex pipiens. Fig. 25. Reifes Ei von Pulex irritans. Fig. 26. Micropylapparat desselben. Tab. IE vlt (Eier von Wanzen). Fig. 1. Reifes Ei von Pediculus capitis mit Mieropylen und Haft- apparat. Fig. 2. Durchschnitt einer Micropyle mit Aufsatz von demselben Tbiere. Fig. 3. Micropylen von Pediculus pubis (vor der Bildung der Aufsätze). Fig. 4. Chorionstück von Pediculus suis mit den beiden Häuten. Fig. 5. Oberer Eipol mit ılen Micropylen von Pyrrhocoris aptera. Fig. 6. Ei von Pentatoma juniperinum (?). Fig. 7. Micropyle dieses Eies mit haarförmigem Aufsatz. Fig. 8. Samenbecherchen von Pentatoma perlatum. Fig. 9. Samenbecherchen von Pent. rufipes. Fig. 10. Ei von Reduvius personatus. Fig. 11. Zwei Micropylen dieses Eies. Fig. 12. Ei von Acanthias lectularia. Fig. 13. Oberer Eipol mit Deckel und Micropylen von Acanthias. Fig. 14. Ei von Harpactor eruentus. Fig- 15. Oberer Eipol mit Deckel und Micropylapparat von Phy- tocoris viridis vor vollständiger Ausbildung des Deckelaufsatzes. Fig. 16. Ein eben solcher Eipol im Zustande der völligen Ent- wicklung. den feinern Ban der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 255 Fig. 17. Einige Micropylen dieses Eies. Fig. 18. Längsdurchschnitt durch den obern Eipol dieser Wanze, um die Bildung der Micropylen und des Deckelaufsatzes zu verdeut- lichen. Fig. 19. Ein eben solcher Durchschnitt durch den obern Eipol von Nabis brachyptera. Fig. 20. Ei von Hyrmus Schilling. Fig. 21. Eine Micropyle dieses Eies. Fig. 22. Querdurchschnitt durch das Chorion dieses Eies mit sei- nen drei Lagen. Fig. 23. Ei von Coriza striata. Fig. 24. Oberer Eipol von Notoneeta glauca mit Micropylapparat und den beiden Chorionlamellen. Fig. 25. Ei von Limnobates stagnorum. Fig. 26. Oberer Eipol mit der Mieropyle von Hydrometra la- eustris. Fig. 27. Eben dieser Eipol von Velia currens. Fiz. 28. Ei von Nepa cinerea in der Profillage. Fig. 29. Micropylapparat mit nächster Umgebung von Nepa ci- nerea, Fig. 30. Oberer Eipol von Cercopis bivittata. Fig. 31. Oberer Eipol von Centrotus cornutus. Tab. HR IX (Schmetterlingseier). Fig. 1. Micropylapparat mit nächster Umgebung von Sphinz populi. Fig. 2. Oberer Eipol von Sphinz populi. Fig. 3. Micropylapparat mit Umgebung von Sesia apiformis. Fig. 4 Ebenso von Saturnia Carpini. Fig. 5. Oberer Eipol von Gastropacha neustria. Fig. 6. Mieropylapparat mit Umgebung von Orgyia gonostigma Fig. 7. Ebenso von Bombyz mori. Fig. 8. Von Harpyia vinula. Fig. 9. Oberer Eipol von Euprepia Caja. Fig. 10. Micropylrosette von Liparis dispar, Fig. 11. Von Plusia chrysitis. Fig. 12. Von Acidalia brumata, Fig. 13. Von Cabera trilineata. Fig. 14. Von Adela ? Fig. 15. Von Polyommatus Alexis. Fig. 16. Von Polyommatus virgaurene, Fig. 17. Von Varnassius Apollo, 256 Rud. Leuckart: Ueber die Micropyle und Fig. 18. Micropylrosette von Galathea Arge. Fig. 19. Oberer Eipol von Hipparchia Janira. Fig. 20. Oberer Eipol von Colias hyale. Tab ER (Eier von Neuroptern und Orthoptern). Fig. 1. Oberer Eipol von Sialis lutaria. Fig. 2. Oberer Eipol von Osmylus maculatus. Fig. 3. Oberer Eipol von Hemerobius lupuli. Fig. 4 Mieropylapparat mit Umgebung von Chrysopa vulgaris. Fig. 5. Ei von Palingenia horaria mit einem Haufen von Samen- fadenbündeln auf dem Micropylapparate. Fig. 6. Ein eben solches Ei von Oxycephala luctuosa., Fig. 7. Ei von Ozycephala lactea (?) mit Spermatozoenhaufen an beiden Polen. Fig. 8. Oberer Eipol von Aeschna grandis. Fig. 9. Ei von Libellula depressa. Fig. 10. Micropylapparat desselben. Fig. 11. Micropylapparat von Agrion virgo. Fig. 12. Unterer Eipol mit dem Micropylapparat von Oedipoda coerulescens. Fig. 13. Ein einzelner Micropylkanal desselben Thieres. Fig. 14. Oberer Eipol mit dem Micropylapparat von Meconema varium. Fig. 15. Chorionstück von Decticus verrucivorus, Fig. 16. Chorionstück von Locusta viridissima. Fig. 17. Ein einzelner Micropylkanal von Ephippigera autum- nalis. Fig. 18. Ei von Bacteria bicornis (?). Fig. 19. Ei von Cyphocrania violascens im Profil. Fig. 20. Dasselbe Ei von der Bauchfläche gesehen. Fig. 21. Micropylapparat von Bacteria. Fig. 22. Dotterhautmieropyle desselben Thieres. Fig. 23. Micropylapparat mit der Narbe von Cyphocrania. Fig. 24. Die Narbe von der Innenfläche aus gesehen. Fig. 25. Querdurchschnitt durch die Eikapsel von Blatta ger- manica. Farben: (Eier von Coleoptern und Hymenoptern). Fig. 1. Oberer Eipol von Asiynomus aedilis. Fig. 2. Chorionstückchen von Lamia textor. den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. 257 Fig. 3. Qnuerdurchschnitt durch den obern Eipol von Prionus fu- liginosus, mit dem Mieropylapparate. Fig. 4. Chorionstückchen von Prionus coriarius. Fig. 5. Oberer Eipol von Hammaticherus Cerdo. Fig. 6. Chorionstückchen von Cerambyz (?) 4-maculatus. Fig. 7. Stückchen vom Exochorion der Galleruca tanaceli. Fig. 8. Micropylapparat von Blaps mortisaga. Fig. 9. Micropylapparat mit Umgebung von Jalodis hirta. Fig. 10. Micropylapparat von Lampyris noctiluca. Fig. 11. Mieropylapparat mit Umgebung von Carabus cancellatus. Fig. 12. Oberer Eipol von Pimpla varicornis. Fig. 13. Oberer Eipol von Paniscus testaceus (?). Fig. 14. Ei von Paniscus lestaceus (?). Fig. 15. Oberer Eipol von Microgaster gastropachae vom Bauche aus gesehen. Fig. 16. Derselbe im Profil gesehen. Fig. 17. Ei von Microgaster gastropachae, Fig. 18. Micropylapparat von Cynips quercus. Fig. 19. Ei von Cynips quercus im gewöhnlichen Zustande. Fig. 20. Dasselbe Ei mit gefülltem Anhange. Nachschrift. Auf S. 247 der voranstehenden Abhandlung habe ich die Vermuthung ausgesprochen, dass die von J. Müller entdeckten Porenkanäle bei den Süsswasserfischen als Micropylen fungi- ren dürften, Als ich solches niederschrieb, war mir der Ap- parat, um den es sich handelte, aus eigener Untersuchung noch unbekannt; ich würde sonst wohl schwerlich ohne Weiteres diese Vermuthung geäussert haben. Sie hat sich schon heute als un- richtig erwiesen, indem inzwischen die wahre Micropyle der Süsswasserfische, und zwar durch Prof. Bruch in Basel, aufge- funden ist Dieerste Nachricht von diesem Funde erhieltich durch eine an Prof. Bischoff gerichtete briefliche Mittheilung, der sodann später eine Anzahl von Forelleneiern, an denen Bruch seine Beobachtungen angestellt hatte, zur Untersuchung nach- folgten. Wir beide, Prof, Bischoff und ich, haben uns da- Müller’ Archiv. 1856. 17 258 Rud. Leucekart: Nachschrift durch auf das Bestimmteste von der Richtigkeit der Bruch- schen Angaben überzeugen können. Da Bruch selbst darüber wohl bald eine weitere Mittheilung machen wird, so will ich — mit gütiger Erlaubniss des ersten Entdeckers — hier nur so viel bemerken, dass die Micropyle der genannten Fischeier einen einfachen trichterförmigen Kanal darstellt, der in senk- rechter Richtung, wie bei den Eiern der Holothurien, das dieke Chorion (1/;,””) durchsetzt und an der innern Fläche desselben mit einer Oeffnung von 1900” ausmündet. Der Eingang in den Micropylenkanal ist beträchtlich weiter, '/,10‘”- Er liegt in einer ansehnlichen Grube (von !%‘”, mitunter aber auch kleiner), die sich schon mit unbewaffnetem Auge deut- lich erkennen lässt, und beständig in der Nähe des grossen röthlichen Oeltropfens im Dotter aufgefunden wird. Im eut- wickelten Ei entspricht diese Stelle dem Kopfende des Em- bryo. Die Oberfläche der Eihaut hat eine sehr eigenthüm- liche Structur, wie bei Coregonus (Vogt), die von einer gros- sen Masse dicht im Quineunx stehender Pünktchen herrührt, welche sich, je nach der Entfernung des Tubus, bald dunkel und bald hell im Gesichtsfelde präsentiren. Ich habe mich mit aller Bestimmtheit davon überzeugt, dass der Anschein dieser Pünktchen durch dünne Röhrchen oder Kanäle bedingt wird, die in senkrechter Richtung durch die Dicke der Eihaut hindurchsetzen, ohne indessen auf der Innenfläche auszu- münden. Die Röhrchen entsprechen offenbar den Luftkanä- len, die wir so vielfach neben den Micropylen an den Eiern der Insekten (auch Wasserinsekten) kennen gelernt haben. Bei der Forelle sind diese Kanäle nur dünne (kaum 1/90‘), so dass man sich ohne Benutznng der uns bekannten opti- schen Hülfsmittel nur schwer von der wahren Natur dersel- ben überzeugen wird, man braucht aber nur das Ei vom Wels zu untersuchen, um die (hier weitern, '%s00) Kanäle augen- blicklich als solche zu erkennen. Auch die Profillage bietet ziemlich sichere Anhaltspunkte für die richtige Deutung. J. Müller stellt diese Kanäle mit den von ihm entdeckten Porenkanälen zusammen, aber mit Unrecht. Die Chorion- kanäle unserer Forelle finden sich in ganz entsprechender [5%] zum vorhergehenden Aufsatze. 59 Weise, auch beim Barsche. Sie bedingen hier jene sammt- artige Bildung, die J. Müller an die Dotterhaut verlegt und von kleinen zapfenartigen Hervorragungen ableitet. Der ein- zige Unterschied ist der. dass die Kanäle hier noch feiner sind und noch diehter stehen, als bei der Forelle. Bei dieser Uebereinstimmung der Structur kann es nicht zweifelhaft sein, dass die Haut, um die es sich hier beim Barsche handelt, dieselbe ist, die man bei den Salmonen als Chorion bezeich- net. Eine Dotterhaut habe ich, als isolirte Eihaut, bei demselben freilich nicht auffinden können, allein diese scheint auch der Forelle abzugehen. In beiden Fällen unterschied ich nur die eine dieke (bei dem Barsch !/s0“) Eihaut, die von den er- wähnten Kanälen durchsetzt wird. Allein diese Eihaut ist doch nicht so einfach, wie man vielleicht auf den ersten Blick annehmen möchte. Sie besteht vielmehr aus zweierlei Schich- ten, einer äussern dünnen und festen Membran und einer auf der Innenfläche aufliegenden dieken Schicht von zäher, sar- kodeartiger Substanz. Bei dem Barsch misst die erstere nur '/00‘, während die innere Substanzlage '/as,‘‘ beträgt. Die Innenfläche der letztern zeigt zahlreiche, grosse und flache Höcker, von etwa 14.5, die durch Einschnitte von einander getrennt sind und fast wie die Köpfe einer zusammenhängen- den Zellenlage aussehen. Sonst aber lässt diese Schicht kei- nerlei Spuren einer weitern Zusammensetzung erkennen. Auch ist ihre Verbindung mit der äusseren membranösen Begren- zung der Eihaut so dicht und fest, dass die Kanäle der letz- teren sich unmittelbar in dieselbe hinein fortsetzen. Die eben beschriebene Zeichnung an dem Chorion scheint unter den Knochenfischen ziemlich allgemein verbreitet zu sein. J. Müller giebt an, dass er dieselbe noch bei meh- reren andern Süsswasserfischen wahrgenommen habe, und ähnliches ist auch von mir schon früher (in Wagner’s IH. W. B. Bd. IV. 5.769) — freilich gleichfalls mit Verkennung der wahren Strukturverhältnisse — hervorgehoben worden, Ich habe dieselbe Bildung jetzt auch bei Syngnathus, und zwar hier an einer sehr dünnen Eihaut vorgefunden. Was nun die äussere Hülle oder Kapsel der Barscheier 17” 260 Rud. Leuckart: Nachschrift betrifft, die von den Müller'schen Porenkanälen durchsetzt wird, so kann ich diese nach Lage, Aussehen und physika- lischen Eigenschaften nur für eine Eiweissschieht halten. Die äussere Begrenzung derselben ist freilich membranenartig fest, wird diese aber zerrissen, so kommt eine Masse zum Vor- schein, die ganz die gewöhnliche Beschaffenheit des Eiweisses hat, auch bei Zusatz von Essigsäure, Alkohol u. s. w. gerinnt, freilich ohne sich dabei zu trüben. Jedenfalls ist diese Schicht dieselbe, die bei andern Süsswasserfischen als Eiweisshülle bezeichnet wird, und ziemlich allgemein bei diesen Thieren vor- kommt, obgleich sie vielleicht immerhin nur in seltenen Fäl- len eine so ansehnliche Entwicklung zeigt, als beim Barsche. Wie weit die Müller’schen Porenkanäle in dieser Eiweiss- hülle verbreitet sind, müssen wir einer spätern Untersuchung zur Bestimmung überlassen. Müller hat dieselben nur beim Barsche und dem nahe verwandten Kaulbarsche aufgefunden. Bei der Forelle fehlen sie mitsammt der Eiweissschicht. Da- gegen finde ich sie wieder beim Hechte, freilich sehr viel weniger deutlich und ohne jene zierliche Bildung, die den Barsch so auffallend auszeichnet. Sie erscheinen hier als ein- fache Röhrchen von 300 und darunter, die in senkrechter Richtung die dünne Eiweissschicht ('/,.,‘) durchsetzen. Durch die Bruch’sche Entdeckung ist die Existenz der Miero- pyle zum ersten Male bei einem Wirbelthiereie ausser Zweifel gestellt. Dieser ersten Beobachtung werden gewiss sehr bald noch andere ähnliche nachfolgen. Es ist kaum glaublich, dass das beschriebene Verhalten bloss der Forelle oder dem Gen. Salmo zukomme. Ich freue mich, schon heute der Forelle einige andere Fische mit einer Micropyle hinzufügen zu kön- nen, und zwar zunächst den Wels, Silurus glanis. Ich unter- suchte freilich nur ein einziges Ei, das schon seit Jahren in Spiritus aufbewahrt war, und einen vollkommen entwickelten Embryo umschloss, der bereits die Eihaut quer vor dem Kopf- ende gesprengt hatte. Hart an dieser Rissstelle habe ich hier neben zahlreichen Rissen und Schrunden, die offenbar erst in Folge eines an dieser Stelle stattfindenden Resorptionspro- cesses entstanden waren, eine Oeffnung gefunden, die in jeder zum vorhergehenden Aufsatze. 361 Beziehung mit der Micropyle des Forelleneies übereinstimmte, nur dass die grubenförmige Vertiefung vermisst wurde, die bei der Forelle den Mieropylkanal aufnimmt. Noch bestimm- ter kann ich mich in dieser Beziehung über einen zweiten Fisch, den schon mehrfach genannten Barsch aussprechen. Die Mieropyle desselben ist freilich ungleich schwerer auf- zufinden, als die der Forelle, aber sie ist doch ganz unzwei- felhaft vorhanden. Sie stellt einen dünnen Kanal dar, des- sen Eingang etwa "00 misst. In der Regel hat es den Anschein, als wenn derselbe in schräger Richtung durch die Eihaut verliefe — man könnte ihn daher auch auf den ersten Blick leicht für eine Querspalte (von etwa '%,0“’ Länge) hal- ten, allein ich glaube, dass dieses Aussehen nur von einer Verschiebung der inneren Substanzlage der Eihaut herrührt. Ich habe einige Male das Glück gehabt, die Mieropyle nach einem nur geringen Drucke zur Anschauung zu bringen und dann einen senkrechten Kanal, der sich nach unten etwas verengerte, vor mir gehabt. In solchen Fällen zeigten die oben erwähnten Hervorragungen an der Innenfläche der Ei- haut im Umkreis der Micropyle eine recht zierliche, fast ro- settenartige Gruppirung, durch deren Anwesenheit dann die Micropyle leicht in die Augen fiel. Bei einem stärkern Drucke — und in der Regel ist ein solcher zum Austreiben des Dot- ters nothwendig — wird diese Bildung zerstört und dann hält es, wie gesagt, bei dem Mangel jeder weitern Auszeich- nung äusserst schwer, die Micropyle zu finden, (Ich empfehle auch hier das Glycerin. Hat man das Präparat einige Zeit darin liegen lassen, so gelingt es an jedem Ei, die Mieropyle nachzuweisen.) Wie sich die Porenkanäle zu dieser Micro- pyle verhalten, weiss ich nicht anzugeben. Um die letztere zu entdecken, muss man die erstern zerstören. So viel ist aber gewiss, dass die Eiweissschicht an keiner Stelle des Bies eine Lücke zeigt, dass die Samenfäden also die Dicke derselben durchwandern müssen, um die Micropyle zu errei- chen, Dass die Porenkanäle hierbei benutzt werden, ist eine Vermuthung, die zu nahe liegt, als dass man sie verwerfen könnte, zumal auch das anatomische Verhalten derselben da- 262 Rud. Leuckart: Nachschrift für spricht. Die Porenkanäle erscheinen demnach gewisser- maassen als Micropylen der Eiweisshülle. (Das Eiweiss des Froscheies ist ohne diese Apparate und wird — vor dem Aufquellen — von den eindringenden Samenfäden auf gradem Wege durchsetzt.) Ein dritter Fisch mit Micropyle, den ich der Forelle hinzu- fügen kann, ist der Hecht. Die Bildung ist im Wesentlichen, wie bei der Forelle, nur dass auch hier die grubenförmige Vertiefung im Umkreis des Micropylapparates fehlt. Der Kanal hat eine trichterförmige Gestalt und eine senkrechte Richtung. Sein Eingang ist ziemlich weit, "/.,0”, so dass er .ohne grosse Schwierigkeiten aufgefunden werden kann, verengt sich aber ziemlich bald bis auf '/,,‘“ und mündet schliesslich mit einer Oefinung von "/s0“ in den Innenraum des Eies. Eine Dotterhaut fehlt, wie in den früheren Fällen. Das Chorion ist dicker als die Eiweissschicht ('/;0‘“) und hat das gewöhn- liche Aussehen, ist aber auf der Innenfläche schärfer begrenzt, als beim Barsch, und ohne Vorsprünge. Auch bei Syngnathus Acus habe ich die Micropyle als eine einfache etwas trichterförmige Oeffnung von 1%,“ auf- gefunden. Aber dieser Fund ist nichts Neues, denn die be- treffende Oeflnung ist bereits im Jahre 1850 von Doyere am Ei vom Syngnathus (Scyphius) Ophidion beschrieben worden, lInstit. 1350 p. 12. Die Beobachtung von Doyere ıst bisher übersehen — ich freue mich, dieselbe nach Gebühr in ihr Recht einsetzen zu können, um so mehr, als darin bereits diese Oeffnung als Mieropyle bezeichnet und ihre wahrscheinliche Beziehung zum Befruchtungsacte hervorgeho- ben wurde. Ausser Syngnathus nennt Doyere auch noch Loligo media als ein Thier mit Micropyle; ich habe leider nicht Gelegenheit gehabt, diese Angabe bestätigen zu kön- nen. Bei Syngnathus soll die Micropyle '/,,; mm., bei Lo- ligo "ro — so. mm. messen (es scheint fast, als sei das ein wenig zu hoch gegriffen). Beim Frosche habe ich bisher vergeblich nach einer Mi- eropyle gesucht. Wenn eine solche wirklich vorhanden ist — Newport giebt an (l.c. p.271) „that the spermatozoa do % zum vorhergehenden Aufsatze. 263 not reach the yelk by any special orifice or canal iu the enve- lopes* —, so ist diese jedenfalls äusserst klein und ohne alle Auszeichnung. Es ist schon mit grossen Schwierigkeiten ver- bunden, die Dotterhaut dieses Thieres in passender Weise für die Untersuchung vorzubereiten, noch schwieriger aber, eine einfache Oeffnung von weniger als !/,00°“ (denn gewiss ist die Mieropyle der Froscheier nicht grösser) unter den zahl- reichen Dottermoleeulen, die der Eihaut auch bei sorgfältig- ster Präparation immer noch anhängen, aufzufinden. Dass die von Prevost u. Dumas (Ann. des se. nat. 1824, T. I. p- 104, 109) in der Mitte der dunkeln Hemisphäre des Frosch- eies beschriebene „tache jaune circulaire*, die schon bei Lu- penvergrösserung sichtbar sein soll, keine Oeffnung darstellt, wie die Beobachter behaupten, darüber ist mir nicht der ge- ringste Zweifel geblieben. Die Stelle, an der diese Bildung vor- kommen soll, ist übrigens iu der 'That so ziemlich diejenige, an der man nach der Analogie mit dem Forellenei die Mi- eropyle erwarten könnte. Nicht glücklicher als beim Froschei bin ich bislang auch bei dem Hühnerei gewesen, bei dem ich übrigens zunächst nur die Stelle oberhalb der Cicatrieula untersucht habe. Für die Annahme einer ganz allgemeinen Verbreitung der Mieropyle bei den Lamellibranchiaten haben wir durch die Untersuchungen von Lacaze-Duthiers (Ann. des sc. nat, 1854. II. p. 155) so eben eine neue Stütze gewonnen. Frei- lich scheint es, dass dem Beobachter die Untersuchungen der deutschen Anatomen über die Najadeneier und ihre Mi- eropyle gänzlich unbekannt geblieben sind; es würde sonst doch wenigstens irgend eine Andeutung über den physiolo- gischen Werth der Chorionöffnung gegeben sein. Dass Do- y&re auch bei Loligo eine Micropyle aufgefunden hat, ist schon vorher erwähnt worden. Vielleicht, dass auch bei manchen Rhabdocoelen eine solche vorkommt. O. Schmidt (rhabd. Strudelwürmer S.15) erwähnt wenigstens bei einigen dieser Thiere an den Biern einen kürzern oder längern hoh- len und stielförmigen Aufsatz, der namentlich bei Prostomum lineare eine grosse Aehnlichkeit mit dem Mieropylaufsatze 264 Rud. Leuckart: Nachschrift zum vorhergehenden Aufsatze. der Najaden hat, nach der Darstellung des Verf. jedoch nur dazu dienen soll, die Dottermasse von der Bildungsstätte aus ‘ dem Ei zuzuleiten. Was das Eindringen der Spermatozoen betrifft, so soll dieses (laut Newport, l.c. p. 267) schon 1842 von Farre bei dem Ei des Regenwurmes beobachtet sein. Ich habe hier keine Gelegenheit die angezogene Stelle (Carpenter’s Princ. of hum. Phys. p. 617) zu vergleichen, indessen glaube ich kaum, dass in jener Zeit das wahre Regenwurmei bereits in England bekannt war. Giessen, den 27. Februar 1855. Schultz-Schultzenstein: Ueber Selbstbew. d. Muskelfaser, 265 Ueber Selbstbewegung der Muskelfaser. Von SCHULTZ - SCHULTZENSTEIN. Die Nr. 3. des Jahrganges 1854 dieses Archivs enthält S. 214 bis 219 einen Aufsatz von Hrn. Prof. Mayer in Bonn, über spontane Bewegung der Muskelfibrillen, worin der Verf. sagt: „Die neue Entdeckung des’ Prof. Schultz-Schultzenstein über spontane Bewegung der Muskelfibrillen in dem abgerissenen Fuss der Fliege ist zwar in Bezug auf dieses Insekt neu, aber nicht im Allgemeinen“, und dann nachzuweisen sucht, dass von ihm eine Bewegung der Muskelfibrillen nach dem Tode bei niederen Thieren und selbst beim Frosche bereits früher beobachtet worden sei. Es ist keine Frage, dass wenn eine so wichtige Entdeckung, wie die sichtbare Selbstbewe- gung der Muskelfasern !), wirklich längst dagewesen, aber von allen Forschern auf diesem Gebiet nur gänzlich über- sehen sein sollte, der Autor derselben eine Priorität mit Recht für sich in Anspruch nehmen könnte, und es verlohnt daher der Mühe, die Angaben des Herrn Prof. Mayer näher zu prüfen, um zu sehen, ob die von ihm angeführten Beobach- tungen wirklich mit der Entdeckung einer sichtbaren Selbst- bewegung der Muskelfasern an lebenden Thieren identisch, und ob ein Verfahren zur Beobachtung dieser Bewegung von ihm früher angegeben worden ist, oder nicht. Der Hr. Verf, beruft sich zunächst auf seine Schrift: Elementarorganisation des Seelenorgans, Bonn 1838. S. 7, wo die spontane Muskel- 1) Der Herr Verf, hat die älteren Beobachtungen, von denen iel diejenigen von Valentin, Remak, Will (Archiv 1843) erwähn e, susser Acht gelassen. Anmerkung des Herausgebers. 266 Schultz-Schultzenstein: bewegung des Frosches beschrieben sein soll. Schlägt man aber dieses Werk nach, so findet sich weder auf $.7, noch sonst im ganzen Verlaufe der Schrift auch keine einzige Silbe über spontane Muskelbewegung und selbst am Schluss ist erwähnt, dass sie nur ein Beitrag zur organischen Monaden- lehre sein solle, während in einer Anmerkung über Endigung der Nerven in den Muskeln hinzugefügt wird, dass die Mus- kelsubstanz aus feinen Kernen, die durch Fäden in gerader Richtung verbunden seien, und mit diesen ein Knotennetz bilden sollen, bestehen; dass die Kernchen (Biosphären) wie Vorticellen an Fäden hingen u. dergl. m., während aber weder ein Thier, noch ein Verfahren genannt ist, wodurch solche Beobachtungen zu machen sind; noch auch nur mit einer Silbe von einer sichtbaren Bewegung des Muskelknotennetzes die Rede ist. Weiter beruft sich der Herr Verf. auf einen Aufsatz in Froriep’s Notizen 1347. $.98, worin von ihm in den Muskelfibrillen des Blutegels dieselben Bewegungen, welche Mandl an den aus dem Körper genommenen Nerven- fibrillen des Rückenmarksstranges dieses Thieres gesehen haben wollte, beschrieben sein sollen. In diesem Aufsatz eitirt der Verf. merkwürdiger Weise aus der Schrift über das Seelenorgan eine Stelle, die sich darin, wie schon angegeben, gar nicht findet, worin es aber heissen soll, dass mehrere feine Muskelbündel vom Frosche sich beugen und wieder aufrichten, während hinzugefügt wird, dass von ihm ähnliche, aber leise und langsame Bewegungen an einem Muskelbün- del des Blutegels gesehen seien, ferner, dass die Erscheinung der vitalen Kontraktilität der Plasmafaser (?) angehöre, sich wenigstens bei niederen (welchen?) Thieren noch nach dem Tode andauernd finde; ob selbe aber auch bei höheren Thieren (wozu man doch die Frösche rechnen könnte) und überhaupt während des Lebens stattfinde, sei noch durch Beobachtung zu erweisen. Auch hier wird kein Verfahren angegeben, wodurch man eine Lebensbewe- gung der Muskelfasern unmittelbar mikroskopisch sehen könne, und aus dem ganzen: „über Bewegung der Nervenstränge* überschriebenen Aufsatz geht nicht hervor, ob seine Angaben Ueber Selbstbewegung der Muskelfaser. 267 über Muskelbewegung auf sicherer unmittelbarer Beobachtung oder auf Vermuthungen, nach Analogie der angeblichen Be- wegungen der Nervenfasern beim Blutegel beruhen; um so mehr als der Verf. auch die Bewegungen der erektilen Organe von den darin enthaltenen Nervenschlingen ableiten möchte. Jedenfalls aber ist, was der Verf. beschreibt, seiner eigenen ausdrücklichen Erklärung nach, nicht zu den Lebensbewe- gungen zu rechnen, während er nur von sogenannten Bewe- gungen nach dem Tode spricht, wirkliche Lebensbewe- gungen aber für noch nicht beobachtet erklärt. Zuletzt bezieht sich der Herr Verf. auf einen von ihm verfassten Bericht über die neusten Leistungen in den ana- tomischen und physiologischen Wissenschaften in der rheini- schen Monatsschrift für praktische Ärzte, worin $.348 von der Struktur der primitiven Muskelfaser die Rede ist. Der- selbe sucht bier im Sinne von Bauer, Bowmann, die Platten- und Säulenstruktur der Muskelfasern darzuthun, um darauf die elektrobiologische Theorie zu begründen, nach der die Muskelbewegung unter Mitwirkung eines sogenannten bio- elektrischen Fluidums geschehen soll; und der Muskelapparat daher „nothwendig einem elektrischen Apparate analog konstruirt sein müsse.“ Mit dieser elektrischen Ansicht will nun der Verf. bei der Kontraktion des Muskels von Gammarus Puler eine Annäherung der Muskelplatten ge- sehen haben, die durch das Einströmen eines elektrischen Fluidums von den Nerven ausgeben soll, während die Aus- dehnung die Folge eines rein physikalischen Aktes des thierischen Cautschuks (!) der Plasmafaserhülle (!) sein soll. Was hier also wirkliche Beobachtung oder blosse theoretische Vermuthung ist, die für Beobachtung ausgegeben wird, wird jeder leicht selbst enträthseln können. Den ersten Beobach- tungen des Verf, liegt seine Theorie der Biosphären, den andern die elektrobiologische Theorie zu Grunde, und er hat daher nach den ersteren eine Bewegung von Biosphären, nach den letzteren eine Bewegung von elektrischen Plättchen sehen wollen, Von Muskelbewegung (ganzer Muskelbündel) überhaupt wird dabei gesprochen, wie man nach den Er- 268 Sehultz-Schultzenstein: Ueber Selbstbew. d. Muskelfaser. scheinungen, die jeder mit blossen Augen sieht, immer von Muskelbewegung gesprochen hat; ob aber damit dasselbe schon beobachtet und festgestellt war, was durch die Beob- achtungen über Selbstbewegung der Muskelfasern durch ihre Fibrillen und den inneren Gang der Thätigkeiten hierbei an der Fliege durch ein eigenthümliches Verfahren ent- deckt worden ist, ist eine ganz andere Frage. Die von uns beschriebene Selbstbewegung der Muskelfasern ist keine Be- wegung nach dem Tode, sondern umgekehrt eine Lebens- bewegung, die mit dem Tode der Muskelfasern aufhört. Sie besteht nicht darin, dass galvanische Plättehen oder thierisches Cautschuk sich von Aussen durch Anziehung nä- hern und wieder entfernen, sondern darin, dass die Fibrillen einer Faser sich von Innen selbst ausdehnen und zusammen- ziehen, während die Faserhülle mit ihren Querstreifen (nicht Plättchen) sich passiv dagegen verschiebt, und keinerlei Ner- ven mit den Fasern in Verbindung sind. Von einer Selbst- bewegung der Muskelfibrillen innerhalb der Hülle der Mus- kelfasern ist in allen von Herrn Prof. Mayer angeführten Beobachtungen durchaus nicht die Rede, und hiernach wird man zu beurtheilen verstehen, inwieweit der obenangeführte Ausspruch begründet ist, dass die Entdeckung der Selbstbe- wegung der Muskelfibrillen von Herrn Mayer an Fröschen und Blutegeln früher schon geschehen sein sollte. Wäre durch irgend eine frühere Beobachtung die Kenntniss einer solehen Bewegung und ein Verfahren zur Beobachtung der- selben auch nur von Ferne constatirt worden, so hätte- ja auch bei der Sorgfalt, mit der dieser Gegenstand von so vielen Seiten in neuerer Zeit beobachtet worden ist, so etwas den Blicken der Forscher unmöglich entgehen können. Wilh. Wundt: Versuche üb. d. Einfluss der Durchschn. ete. 269 Versuche über den Einfluss der Durchschneidung der Lungenmagennerven auf die Respirationsorgane. Von WILHELM Wuxpr in Heidelberg. Die Veränderungen, welche die Respirationsorgane der Thiere nach der Durchschneidung der Lungenmagennerven erleiden, haben, als ein Gegenstand, der in gleicher Weise für die normale wie für die pathologische Physiologie vom höchsten Interesse ist, in neuester Zeit die Aufmerksamkeit vieler Forscher auf sich gezogen. Durch die hohe Vervollkomm- nung, die die pathologisch -anatomische Untersuchung über- haupt erhalten hat, wurde die Aufgabe ermöglicht, die Funk- tionsstörungen während des Lebens, die früher allein genü- gend berücksichtigt werden konnten, mit den Ergebnissen, welche die Leichenöffnungen lieferten, in Zusammenhang zu bringen, Die Erfahrung zeigt, dass wo in einem Organ eine Funk- tionsstörung und eine materielle Veränderung neben einander auftreten, weitaus am häufigsten die letztere als das primäre angesehen werden muss. Es wird darum wohl gerechtfertigt sein, dass wir auch bei Betrachtung des durch die Vernich- tung der nervi vagi gesetzten Zustandes an der gewohnten und klareren Anschauungsweise festhalten und vor Allem bestrebt sind: die Störungen der Respirationsfunktionen aus den Veränderungen der Respirationsorgane abzuleiten. Die Untersuchungsmethoden, die man zum vorliegenden Zweck angewandt hat, konnten erst einigermassen genügen, sobald man bestimmte objektive Thatsachen festzustellen suchte. Mau beobachtete so die Zahl der Athemzüge sowie 270 Wilhelm Wundt: Versuche über den Einfluss der der Herzschläge in einer bestimmten Zeit, das Verhalten der Eigenwärme und die Lebensdauer der Thiere, um hierdurch wenigstens für den Grad der Störung ein gewisses Maass zu erhalten. Von geringem Werth ist die Beobachtung der Athem- frequenz; keinesfalls kann man nach ihr etwa die aufgenom- mene Luftmenge beurtheilen, sie ist hier nur der eine Faktor einer Grösse, die ebenso von der Intensität jedes einzelnen Athemzuges abhängt. Ebenso wenig scheint es zulässig, die Zahl der Athemzüge unter allen Umständen als proportional dem Grad des Athembedürfnisses zu betrachten. Bei der Pulsfrequenz mögen ähnliche Verhältnisse stattfinden, mit denen wir uns aber hier nicht weiter zu beschäftigen haben. — Hingegen lässt uns die Eigenwärme vielleicht eine Schäz- zung zu über die Höhe des Stoffwechsels im ganzen Körper und insbesondere in den Lungen, da wir wohl annehmen dürfen, dass sie zu diesem in irgend einem Verhältnisse stehe. Die Lebensdauer nach der Operation kann nur einen unvoll- xommenen Maassstab abgeben, da sie gewiss zu sehr von individuellen Verhältnissen abhängt. Nach dem heutigen Stande der Nervenphysiologie ist es nur möglich, die durch die Durchschneidung des Vagus ge- setzten Veränderungen in einer sensitiven oder in einer mo- torischen Lähmung zu sehen, denn dies sind die einzigen Erscheinungsweisen, die wir an peripherischen Nerven kennen. Brachet, Arnold, Romberg erklärten so die Wirkung der Vagusdurchschneidung aus einer Aufhebung des Athem- bedürfnisses, als der spezifischen Sensibilitätsrichtung der Lunge, die noch bestehenden Inspirationen sollten nur als Folge derGewohnheit zurückbleiben. Marshall Hall glaubte, dass die reflektorischen Athembewegungen vernichtet würden, die willkürlichen hingegen fortbeständen. Volkmann nahm ein Aufhören des Reizes an, mit dem die Kohlensäure in den Lungen auf die medulla oblongata wirkend Athembewe- gungen veranlasse, indess der Reiz, der durch die sensibeln Nerven der andern Körperorgane zum Centrum gelange, fort- dauere. Andern schien eine Beeinträchtigung der Motilität das her- m m nn an Du I ee Dnrchschneid,. d. Lungenmagennerven auf d. Respirationsorgane. 271 vorstechendste. Nach Legallois, Valentin, Mendels- sohn bestände diese in einer Lähmung der Kehlkopfmuskeln, in einer daraus folgenden theilweisen Verschliessung der Stimmritze; nach Traube im Gegentheil darin, dass die gelähmten Stimmbänder schliessungsunfähig werdend den Mundflüssigkeiten den Eintritt in die Luftwege gestatten. Fowelin legt das Hauptgewicht auf eine allmähliche Herz- paralyse. Schiff endlich stellt die Hypothese auf, dass der Lungenmagennerve in den Lungen eine sympathische Natur annehme, dass daher seine Durchschneidung trophische Stö- rungen in dem Lungengewebe veranlasse. Das Gewohnheitsgesetz von Brachet hat durch Volk- mann schon seine glänzende Widerlegung erfahren. Glaubte aber Brachet das Athembedürfniss mit der Durchschnei- dung total entfernt, so nahmen doch auch seine Gegner we- nigstens eine partielle Aufhebung desselben an. Dies wäre nur begründet, wenn durchaus erwiesen wäre, dass die Zahl der Athemzüge dem Athembedürfniss parallel gehe, und wenn die beobachteten Thiere Symptome zeigten, welche einer solehen Annahme nicht widersprächen. Die Lähmung der Kehlkopfmuskeln allein in Betracht zu ziehen, scheint schon darum ungerechtfertigt, weil zum Lungengewebe selber ein grosser Theil der Vagusfasern tritt, deren Lähmung dort ebenfalls irgend einen Effekt hervorbringen muss. Dasselbe scheint gegen Fowelin’s Ansicht zu sprechen. Ob, wie Schiff annimmt, eine Hirnnervenfaser noch in der Periphe- rie völlig ihre Wirkungsweise ändern könne, ist immerhin fraglich. Doch würden auch dann nur Empfindungen und Bewegungen durch dieselbe vermittelt werden können, nur mit der besondern Erscheinungsweise, die jene im Gebiet des Sympathikus darzubieten pflegen. Die Einwirkung, welche die Durchschneidung der Lun- genmagennerven auf das Befinden des Thieres äussert, ist entweder eine plötzliche oder eine allmähliche. Plötzlich ist die Einwirkung stets bei Thieren im jüngern und häufig auch 272 Wilhelm Wundt: Versuche über den Einfluss der bei solchen im mittleren Alter; aber auch bei den ältesten Thieren ist die Operation insofern immer von Einfluss, als die ihr unmittelbar folgende Zeit augenscheinlich peinlicher ist, wie die spätere, als die Angewöhnung an die unmittelbarsten Folgen der Operation in den ersten Stunden nach dieser das Thier nach und nach in einen erträglicheren Zustand versetzt. Es tritt dann aber wieder ein Punkt ein, von dem aus sich das Befinden, meist bis zum letzten Augenblicke steigend, verschlimmert. Bei ganz jungen Thieren ist diese doppelte Schwankung nicht merklich; meistens beginnt hier unmittelbar mit der Durchschneidung die Störung, die entweder sich fast völlig gleich bleibt oder ganz allmählich bis zum letzten Augen- blicke zunimmt. Der Anblick des Thieres, wenn die durch die Operation gesetzte Störung ihren gewöhnlichen Grad erreicht hat, ist ein überaus bemitleidenswerther und macht den Eindruck höch- ster Athemnoth, verbunden mit dem Gefühl der Unmöglichkeit dieselbe zu befriedigen und mit vergeblichen Anstrengungen, die hinreichende Luftmenge einzuführen. Meist ist der Hals starr ausgestreckt, das Gesicht in die Höhe gerichtet. Die Nasenlöcher, das Maul werden weit bei jeder Einathmung geöffnet. — Die Muskelaktion bei der Respiration ist verän- dert: die Bewegung jedes einzelnen Muskels ist stärker als in der Norm, und es ist eine grössere Anzahl dabei betheiligt; durch die Thätigkeit aller Hülfsmuskeln der Respiration treten die Bewegungen des Thorax stärker hervor, was besonders auffällt beim Kaninchen, das sonst mehr abdominal respirirt. Diese intensiv und extensiv vermehrte Muskelaktion kommt fast allein auf Rechnung der sehr gedehnten Inspiration; die Exspiration ist im Vergleich zu dieser sehr kurz, gleicht einem plötzlichen schlaffen Zusammensinken. Hiegegen liegt eine sehr lange Pause zwischen einer Exspiration und der nächst- folgenden Inspiration. = Die Athmung ist mit einem Geräusch verbunden, das sich verschieden verhält. Entweder ist es ein lautes, schon in der Ferne sich kundgebendes Rasselgeräusch, oder es ist ein lei- ses Pfeifen in der Kehlkopfgegend, oder man hört ebendort Durchschneid. d. Lungenmagennerven auf d. Respirationsorgane. 2753 den eigenthümlichen Ton, den das Auf- Dur, Zugehen eines Klappenventils hervorbringt. Nahrung nehmen die Thiere oft keine mehr zu sich; ver- suchen sie es, so sind sie entweder wegen der steten Athem- züge, zu denen sie gezwungen scheinen, gar nicht im Stande, die Speisetheile, die bei der Exspiration zum Theil wieder ausgeworfen werden, weiter als in den vordern Theil der Mundhöhle zu bringen, oder es gelingt auf einen Augenblick die Unterdrückung der Athmung, so dass der Deglutitionsakt vollzogen werden kann, oder aber es werden durch eine inten- sive Inspiration die Speisen gegen den Pharynx geworfen, und es kommt also auf irgend eine der beiden letztern Arten eine Weiterförderung derselben zu Stande: in diesen Fällen tritt alsbald das heftigste, andauerndste Würgen , Erbrechen, selbst bei Kaninchen, bei denen man sonst dies nicht beob- achtet, ein. Allemal ist ein solcher Anfall von nachhaltiger und schwächender Eiuwirkung auf das Befinden des Thieres, wie sich dies an dem schwächer und seltener werden der Athemzüge zeigt. Seltener werden die Athemzüge meistens auch sobald der Tod herannaht. Eine grössere Unruhe bemächtigt sich jetzt des Thieres, das in diesem Stadium der heftigsten Athemnoth oft die ungewohntesten Stellungen annimmt und Bewegungen ausführt, zu denen man es nicht für fähig gehalten hätte. Es stellt sich auf die Hinterfüsse und klammert mit den Vorder- pfoten krampfhaft an eine Wand sich an, es keilt seinen Hals in die engsten Winkel ein, die es auffinden kann, ist es ein- gesperrt, so sucht es in’s Freie zu gelangen und führt zu dem Ende Sprünge aus, die eine Muskelkraft erfordern, welche verglichen mit der Grösse des Thieres unglaublich scheint. Körperstellen mit reichem Gefässnetz färben sich bläulich. Der Tod erfolgt unter Konvulsionen oder unter allmählich eintretender Ermattung. Dieses Bild, das von Hunden und vorzüglich von Kanin- chen, bei denen die Störung am intensivsten sich ausprägt, entnommen ist, wird wohl bei den übrigen Säugethieren nur unwesentliche Modifikationen erleiden, auffallend verschieden Müller’ Archiv. 1865, 18 7A Wilhelm Wundt: Versuche über den Einfluss der stellt es aber bei Vögeln sich dar. Die Tauben, bei denen ich die Durchschneidung vornahm, waren so munter wie vor- her, an ihrem lHabitus war durchaus nichts ungewöhnliches wahrzunehmen. Um so erstaunlicher war die ungeheure Ab- nahme der Zahl der dabei nicht merklich verstärkten Athem- züge. Immerhin war unmittelbar nach der Operation und kurz vor dem Tode der Zustand dem der übrigen Thiere analog. Hat man vor der Durchschneidung die Tracheotomie ge- macht, so ist der Einfluss, den die Operation unmittelbar übt, nicht nur von geringerem Grade, sondern es ist sogar hier das erste Stadium dasjenige, in welchem das Thier sich verhältnissmässig am besten befindet, und erst mit dem Ein- tritt der Rasselgeräusche beginnen die intensiveren Symptome der Athemnoth, die bis zum Tode allmählig zunehmen. Eine doppelte Schwankung ist also nicht zu bemerken, man findet vielmehr ein stetiges Steigen der Symptome. Diese letzteren sind etwas abgeändert: das Thier scheint nur bemüht, durch die künstliche Oeffnung Luft ein- und auszutreiben, eine Wir- kung der Gesichtsmuskeln findet sich daher nur in geringe- rem Grade als nothwendige Mitbewegung jeder tieferen In- spiration. Von bedeutendem Einflusse ist das Alter der Thiere. Sehr alte Thiere finden sich unmittelbar nach der Operation nie sehr beeinträchtigt, ob bei ihnen die Tracheotomie ge- macht ist oder nicht; bei ganz jungen Thieren tritt der Ein- fluss der letzteren am meisten hervor, bei ihnen allein fand ich ihn auch sich so weit erstrecken, dass er auf die Lebens- dauer ändernd einwirkte. Schon bei Thieren von mittlerem Alter zeigte sich die Tracheotomie nur als ein Palliativum für die nächstfolgende Zeit, im Ganzen schien aber dieser zweite operative Eingriff bei ihnen den Eintritt des Todes nur zu beschleunigen. Um das allgemeine Befinden der Thiere zu beurtheilen, müssen wir uns an die so eben geschilderten Zeichen halten, die sich dem unbefangenen Beobachter als die Symptome der intensivsten Athemnoth aufdrängen, einer Athemnoth, die aber ungewöhnlicher Weise mit einer Verminderung der Zahl der Durchschneid. d. Lungenmagennerven anf d. Respirationsorgane. 2975 Athemzüge und, wenn wir dem äussern Anschein trauen dür- fen, gleichzeitig mit erhöhter Intensität jedes einzelnen Athem- zuges verbunden ist. Dabei scheint die Tracheotomie von allzu geringem Einfluss, als dass wir etwa einen gehinderten Luftzutritt durch die Stimmritze für das wesentliche Moment ansehen könnten. Noch unmöglicher wird es aber, Angesichts des bejammernswerthen Zustandes der Thiere eine totale oder partielle Aufhebung des Athembedürfnisses zu statuiren. Zu untersuchen, wie das Gefühl des Athembedürfnisses, wie eine abnorme Erhöhung desselben überhaupt zu Stande kömmt, gehört nicht hierher. Wir haben hier nur das Faktum des erhöhten Athembedürfnisses zu erklären. Jeder Athemnoth liegt aber entweder ein Hinderniss in den Zugängen zum vor- handenen Respirationsapparat oder eine Verminderung der athmenden Fläche desselben zum Grunde. Es kann daher nur Aufgabe des Experimentes sein, zu bestimmen, welche Art der Dyspnö, welches Respirationshinderniss oder welche Verminderung respirirenden Parenchymes im gegebenen Falle uns vorliegt. Zu diesem Zwecke haben wir in der nachfolgenden Ver- suchsreihe gewisse objektive Veränderungen während des Le- bens — das Verhalten der Athmungs- und Pulsfrequenz, des Inspirationszuges, der Eigenwärme —, die Lebensdauer und endlich durch die jedesmalige Leichenöffnung den Zustand der Lungen nach dem Tode zu ermitteln gesucht. Für die Durchschneidung legte ich die Nerven bei Säuge- thieren (grössere Hunde ausgenommen) durch einen einzigen Einschnitt in der Mitte des Halses unterhalb der Glandula thyreoidea blos. Im selben Schnitt wurde zum Zweck der Tracheotomie die Luftröhre frei gemacht, aus deren vorderer Wand ich meistens ein kleines rundes Stück ausschnitt, ein 'erfahren, welches insbesondere für die Messung des Ath- mungsdruckes sich zweckmässig zeigte. Eine Canüle wurde nicht eingelegt, sondern die Weichtheile durch ein umgebun- denes Stück Flor zurückgehalten, so dass ein Eindringen von Wundsekret in die Luftwege nicht stattfinden konnte, und dennoch der Respirations- mit dem Deglutitionsapparate in 18* 276 Wilhelm Wnndt: Versuche über den Einfluss der Verbindung blieb. Zur Messung der Inspirationsintensität brachte ich vor die Fistelöffnung luftdicht ein graduirtes, mit Wasser gefüllies und dreifach gebogenes Glasrohr, so dass das Steigen des Wassers in demselben der bei dem Athem- zug aufgenommenen Luftmenge proportional war. Versuche an Kaninchen. Die Wärme wurde in der Schenkelbeuge gemessen; zu ihrer genauen Bestimmung hielt ich es für nothwendig, dass das Quecksilber während etwa 5 Minuten die einmal erreichte Stelle nicht mehr verliess und dass ausserdem immer die Temperatur des Zimmers bemerkt wurde; die Temperatur- grade sind nach Celsius. Obgleich ich meist im Todesmoment der Thiere zugegen war, so habe ich doch, um auch ohne- dies die Lebensdauer feststellen zu können, bei einigen Ka- ninchen von Stunde zu Stunde nach dem Tode die Tempe- ratur gemessen. Da die Bedeckungen dieser Thiere ziemlich gleich, da überdies alle Versuche bei nicht sehr verschiedener Temperatur angestellt sind, so lässt sich hieraus mindestens auf 1% Stunde genau, wie sich aus der Uebereinstimmung der folgenden zwei Beobachtungen ergiebt, die Lebensdauer be- rechnen. 1. Beobachtung. 2. Beobachtung, ——— — Stunden nach d.Tode. Zimmertemp. Temp.d.Thieres, Zimmertemp. Temp. d. Thieres. 1 12,7 28,7 12,1 27,6 2 12,5 26,1 12,1 26 3 12,5 24,2 12,1 23,2 4 12,5 22 - = IR 5 —_ 2 11,7 20,6 Wo diese Tabelle benützt ist, wird die Lebensdauer als wahrscheinliche angegeben werden. Die einzelnen Sektionsberichte haben wir im Folgenden der Kürze halber übergangen und werden in der allgemeinen Zusammenstellung das dem einzelnen Fall Eigenthümliche nachtragen. Durchschneid. d. Lungenmagennerven auf d. Respirationsorgane. 277 Versuch I. Durchsehneidung beider Lungenmagennerven bei einem erwachsenen Kaninchen, — Wahrscheinliche Le- bensdauer: 11', Stunden. Zimmertemp. Temp. d, Thieres. Zahl d. Athemzüge. Vor der Operation 14,1 39,2 154 Unmittelbar nachher — — 26 Nach '% Stunde 13 39,2 33 Nach 4 Stunden 12,7 36 28 ee 13 32 35 Versuch II. Durchschneidung beider Vagi nach vorherge- gangener Tracheotomie bei einem erwachsenen Kaninchen. — Lebensdauer: 10 Stunden 15 Min. Zimmertemp. Temp.d, Thieres. Zahl d, Athemzüge. Vor der Operation 11%7. 37,4 136 Unmittelbar nachher — _ 20 Nach '/%, Stunde EZ 37,3 23 Nach 4 Stunden 11,8 37,1 34 Ba tr: 12,5 32,2 26 Versuch II. Durchschneidung beider Vagi nach vorher- gegangener Tracheotomie bei einem erwachsenen Kaninchen, mit Messung der Inspirationsintensität. — Lebensdauer: 3 Stun- den 30 Min. Zimmertemp. Temp. d. Thieres. Zahl d. Athem- Inspirationszug . züge. in Millim, Vor der Operation 11,5 AN 140 48 Unmittelbar nachher — _ 32 252 Nach '% Stunde 12 36,2 32 _ Nach 3'% Stunden 12 31,5 38 u Versuch IV, Durchschneidung beider Vagi nach vorher- gegangener Tracheotomie bei einem etwas jüngeren Kanin- chen, mit Messung der Inspirationsintensität. — Lebensdauer: 9 Stunden, Zimmmertemp, Temp. d. Thieres. Zahld, Athem- Inspirationszug züge. in Millim, Vor der Operation 12,1 40,1 98 34 Nach 1 Stunde 12,8 36,6 45 - Nach 2 Stunden 13,5 39 47 234 n„ 93 n 13,9 38,3 46 210 278 Wilhelm Wundt: Versuche über den Einfluss der Zimmertemp. Temp.d. Thieres. Zahld. Athem- Inspirationszug züge, in Millim. Nach 4 Stunden 14,6 37,9 45 — work en 14,5 36,5 43 jer AN MO) e 14,5 35,1 43 — at A 14 34 40 48 re ” 14,2 32 38 18 a ” 14 29 — = Versuch V. Durchschneidung beider Vagi bei einem sehr alten Kaninchen. Lebensdauer: 36 Stunden. Zimmertemp. Temp.d.Thieres. Zahld. Athemzüge. Vor der Operation 11,2 39,6 85 Unmittelbar nachher — = 26 Nach 2 Stunden 14,2 39,6 44 need 2 13,7 40,3 30 ICHS; 13,1 37,5 30 BES 5 12,3 37,2 37 10 E 37,8 38 ar 13,2 38 34 Zweiter Tag. Nach 22 Stunden 12,5 32,1 39 para 12,5 33 40 RE - .; — 34,5 45 ae 12,5 34,6 42 DR —_ 33,6 37 BSR, 14 31,2 28 nr 286 5 _ 28,7 _ Versuch VI. Durchschneidung beider Vagi nach vorher- gegangener Tracheotomie bei einem alten Kaninchen. Beob- achtungen über die Zahl der Athemzüge nach momentanem Verschluss der Fistelöffnung. Lebensdauer: 9 Stunden. Zimmertemp. Temp.d, Thieres, Zahld. Athem- Inspirationszug züge. in Millim. Vor der Operation 5,8 38,8 109 60 Unmittelbar nachher — u 37 _ Zimmertemp. Temp.d. Zalıld, Athemzüge. Inspirationszug Thieres. mit Fistel, ohne Fistel. in Millim. Nach 2 Stunden 7,5 38,1 40 _ 144 „een 346 53 42 = Durchsehneid. d. Lungenmagennerven au d. Respirationsorgane. 270 Zimmertemp. Temp. d, Zahld. Athemzüge. Inspirationszug Thieres. mit Fistel. ohne Fistel. in Millim. Nach 6 Stunden 7,7 37,2 38 36 126 = ae 357 38 35 96 Versuch VII. Durchschneidung der Vagi bei einem etwa 14 Tage alten Kaninchen. — Lebensdauer: 2 Stunden 55 Min. Zimmertemp. Temp.d Thieres. Zahl d. Athemzüge. Vor der Operation 19,6 40,7 175 Unmittelbar nachher — — 26 Nach 1 Stunde 24 39,6 36 „ 2 Stunden 24 38,7 49 Versuch VII. Durchschneidung der Vagi nach vorherge- gangener Tracheotomie bei einem dem vorigen gleichalterigen Kaninchen. — Lebensdauer: 3 Stunden 15 Min. Zimmertemp. Temp.d. Thieres Zahl d. Athemzüge. Vor der Operation 24 40,4 158 Unmittelbar nachher — _ 43 Nach 1 Stunde 24 40,5 29 Nach 2 Stunden 24,5 40,4 36 „9 ” 24 36,8 21 Versuch IX. Durchschneidung beider Vagusnerven bei einem alten Kaninchen, Tödtung nach 10 Stunden durch einen Einstich zwischen Atlas und Hinterhaupt. Ziimmertemp, Temp.d. Thieres,. Zahl d. Athemzüge. Vor der Operation 16,5 38,7 132 Unmittelbar nachher — _ 45 Nach 4 Stunden 22,3 38,2 53 ER 22,5 39,5 48 ol. 21,2 39,2 58 Versuch X. Durchschneidung der Vagusnerven nach vorher- gegangener Tracheotomie bei einem dem vorigen etwa gleich- älterigen Kaninchen, Tödtung auf dieselbe Weise nach 10 Stund. Zimmertemp, Temp. d. Thieres. Zuhl der Athiemzüge mit Fistel. ohne Fistel. Vor der Operation 16,5 39 122 — Unmittelbar nachher — u 58 47 Nach 4 Stunden 22,3 38,5 74 56 en a 22,5 39,6 76 _ gl... 21,2 394 4 60 280 Wilhelm Wunder: Versuche über den Einfluss der Versuch XI. und XII. Durchschneidung beider Lungen- magennerven bei 2 zehn Tage alten Kaninchen, mit und ohne Luftröhrenfistel. Das Thier ohne Luftröhrenfistel stirbt nach 3 Stunden, gleichzeitig wird das andere Thier getödtet. Zahl der Athemzüge. Thier mit Fistel. Thier ohne Fistel. 1 Stunde nach der Durchsehneidung 50 23 2 Stunden „ ,„ M 44 32 Versuch XIII. Durchschneidung beider nervi reeurrentes bei einem erwachsenen Kaninchen. — Lebensdauer 74 Stunden. Zimmertemp. Temp. d, Thieres. Zahl d. Athemzüge. Vor der Operation 10 39,7 132 Unmittelbar nachher — ; — 100 Nach 2 Stunden 12 40,7 106 EI 13,2 40,5 68 Su. , 13,2 41 52 ARE’; 13 40 47 Zweiter Tag. Nach 24 Stunden 1l 33,2 42 28 » 13,3 34 60 insau hi; 14,6 36,5 58 POGE EL" 13,6 37,1 51 Dritter Tag. Nach 48 Stunden 13,6 41 60 ul 15,5 40,4 54 BR, 15,6 41,4 51 EB: 4; 14,6 41 44 Vierter Tag. Nach 72 Stunden 13,8 39 4 Versuch XIV. Durchschneidung des neryus vagus der linken Seite bei einem ziemlich jungen Kaninchen. Tödtung nach 5 Tagen durch einen Einstich zwischen Atlas und Hin- terhaupt. Versuche an Hunden. Herzschläge und Athemzüge wurden in der Bauchlage des Thieres gezählt, die Wärme ebenfalls in der Schenkelbeuge gemessen. Durchschneid. d. Lungenmagennerven auf d. Respirationsorgane 281 Versuch XV. Durchschneidung der Vagi bei einem alten Hunde. — Lebensdauer: 21 Stunden 15 Minuten. Zimmertemp. Temp.d. Zahl.d. Zahl d. Thieres,. Athemzüge. Herzschläge. Vor der Operation 14 39,5 23 106 Unmittelbar nachher — = ) 160 Nach 2 Stunden 16,5 42 17 190 a 19 2718 180 EAHGE u 21,4 41 19 190 Se 19,6 44 13 208 BON 18,2 41 14° 168 Kurz vor dem Tode 14,4 42,7 15 — Versuch XVI. Dürchschneidung der Vagi bei einem 'y, Jahr alten Hunde nach vorheriger Tracheotomie. — Vermuth- liche Lebensdauer: 15 Stunden. Zimmertemp. Temp .d. Zahld. Zahld. Thieres. Athemzüge. Herzschläge. Vor der Operation 6,5 38,9 23 38 Unmittelbar nachher — u 8 _ Nach 2 Stunden 7,5 36,7 Ü 136 Erg am > det; 37,6 8 206 EN n _ 37,2 8 250 mel - 8,7 32,5 6 128 Versuche an Tauben. Die Temperatur wurde unter dem einen Flügel gemessen. Die Athmung war im ersten Versuch meistens so unmerklich dass sich ihre Frequenz nicht bestimmen liess. Versuch XVII. Durchscheidung der Vagi bei einer erwach- senen Taube. — Lebensdauer: 48'/, Stunden. Zimmertemp. Temp. d. Thieres. Zahl d, Athemzüge. 3 Vor der Operation 13 42 39 Unmittelbar nachher 6 Nach 4 Stunden 13,1 39,1 — ag Pr 37,7 = „ 12 Pr — 38 we: ! Zweiter Tag. Nach 20 Stunden 12,5 38,2 _ ; = 39,3 u n„ 28 5 14 36,8 = 282 Wilhelm Wundt: Versuche über den Einfluss der Zimmertemp. Temp. d. Thieres, Zahl d, Atlhemzüge, Dritter Tag. Nach 44 Stunden 11,8 34,6 8 As 5 13,1 32,1 E= Versuch XVII. Durchschneidung der Vagi bei einer ganz jungen Taube. — Lebensdauer: 32 Stunden. Zimmertemp. Temp. d.Thieres. Zalıl d. Athemzüge. Vor der Operation 14,2 41,4 46 Unmittelbar nachher — _ 11 Nach 4 Stunden 16,2 40,4 23 2.8 5 14,9 41 21 la 14,5 40,6 21 Zweiter Tag. Nach 20 Stunden 13,7 41,5 20 or a 15,9 40,9 25 er, 15,5 37,1 28 Da, wie wir oben gesehen haben, das Alter der Thiere von wesentlichem Einflusse auf ihr ganzes Verhalten während der Operation ist, so müssen wir schliessen, dass dies auch bei den einzelnen Funktionsäusserungen, die wir spezieller zergliedern, der Fall sein wird. Ich habe deshalb die den Versuchen unterworfenen Kaninchen in drei Klassen gebracht, von denen — nach ungefährer Schätzung — die erste Thiere im Alter von 2 bis 4 Wochen, die zweite Thiere von mitt- lerem Alter und die dritte ältere Thiere enthält. Die normale Athemfrequenz beträgt im Mittel 134 in der Minute, sie sinkt nach der Durchschneidung auf ein Mi- nimum von 27,5. Junge Thiere haben in der Norm eine be- deutendere Athemfrequenz als ältere, durch die Operation wird das Verhältniss umgekehrt, es resultirt somit für ältere Thiere eine weit geringere Abnahme. Der Gang der Athemfrequenz lässt sich durch eine Curve darstellen, die, bei den Thieren vom verschiedensten Alter, ihr Minimum unmittelbar nach der Operation, ihr Maximum dieser um so entfernter hat, je jünger das Thier ist. ; Durch die Tracheotomie wird diese Curve bei älteren und Durchschneid. d. Lungenmagennerven auf d. Respirationsorgane. 283 mittleren Thieren wenig abgändert, doch steht ihr Minimum minder tief, das Maximum rückt mit abnehmendem Alter der Operation näher. Bei den jüngsten Thieren kehrt aber die Curve gänzlich sich um, so dass das Maximum der Durch- schneidung folgt, das Minimum dem Tode vorangeht. Vergleicht man, um einen Maassstab für den gesammten Stand der Kenfrequenz zu erhalten, das Mittel aller in glei- chen Intervallen nach der Durchschneidung gemessenen Athem- frequenzen, so ergiebt sich im Allgemeinen für die Ahesen mit Luftröhrenfistel eine höhere Zahl. Athmungsfrequenz der Kaninchen vor und nach der Durchschneidung. A. Thiere ohne Luftröhrenfistel. Mitt]. Athmungs- frequenz vor | nach der Durchschneid, Alter, Zeit desselben. Zeit desselben. Versuch. Minimum. Maximum, 1. Höchst. Alt.) 85 37 26 | Unmittelbar 59 1Stunde nach! V. n.d.Durchsch. d. Durchschn. 2. Mittleres A.| 154 30 126 =; 35| 3% Stunde | I. vor dem Tode 3. Jüngstes A.| 175 37 126 = 49| 55 Minuten | VII. vor dem Tode Mittel | 134 34 |26 47 B. Thiere mit Luftröhrenfistel. Mittl. Athmungs- frequenz. vor | nach der Durchschneid, Alter. Zeit desselben. Zeit desselben. Maximum. Versuch, 1. Höchst, Alk. 109 | 41 [37] Unmittelbar |53 \4 Stund. nach| VI. | n.d.Durchsch. d. Durchschn, 2.Mittleres A. a.| 156 27 20 - 34 5 II. b. | 140 35 32 5 38| Nach 2 u. 4 | III. Stunden, c 98 43 38/1 Stunde vor | 47 Nach 2 Stund.| IV. | dem Tode. a+b+e| 124 35 30 39 3 3.Jüngstes A.| 158 32 |21| 15 Min, vor 43 | Unmittelbar |VIIL. SenyEole- ir md-Durchach. |; Mittel - 38.00 4 | 284 Wilhelm Wundt: Versuche über den Einfluss der E Nach der Durchschneidung des uervus vagus einer Seite nimmt die Zahl der Athemzüge gleichfalls ab. Das Thier athmet aber sehr uuregelmässig, oft ist die eine Inspiration kürzer oder länger als die andere, oft athmet es häufiger in der einen Minute als in der unmittelbar nachfolgenden, so dass man zu einem bestimmten Zählungsresultate nicht ge- langen konnte. Einen auffallenden Gegensatz zu diesem bildet das Thier, dem die nervi recurrentes durchschnitten sind. Es athmet mit derselben Regelmässigkeit, die wir nach der Durchschnei- dung beider Vagi beobachten. Dabei sinkt die Zahl der In- spirationen, im Kehlkopf sind dieselben Geräusche hörbar wie bei Thieren, denen der Vagus gelähmt ist; das Rasseln in den Luftwegen aber fehlt. Wir haben oben gesehen, dass die Zahl der Athemzüge in einer bestimmten Zeit, wenn wir daraus auf die aufge- nommene Luftmenge und somit auf den, wie wir wohl schlies- sen dürfen, mit ihr parallel gehenden Grad des Stoffwechsels in der Lunge einen Schluss machen wollen, nur als der eine Faktor einer Grösse zu betrachten ist, dessen anderer Fak- tor, die Athmungsintensität, erst zu ermitteln wäre. Da wir unser Manometer nicht mit dem Querschnitt, sondern mit einer seitlichen Oeffnung der Trachea in Verbin- bindung brachten, so lässt sich aus den Beobachtungen nicht die bei einer Inspiration aufgenommene absolute Luftmenge ableiten, es giebt uns aber, wenn wir zu verschiedenen Zei- ten unsere Messungen anstellen, die Höhe des Wasserstan- des in der Glasröhre unmittelbar das Verhältniss an, in dem die durch die Einzelinspiration aufgenommenen Luftmengen zu einander stehen. Der erste der in dieser Hinsicht angestellten Versuche (II.) ergab uns nur, dass der durch die Inspiration ausge- übte Zug alsbald nach der Durchschneidung um das fünffache gesteigert war, die spätern Versuche (IV. und VI.) zeigten aber, dass derselbe nur sehr kurz auf dieser enormen Höhe sich erhielt, dass er alsbald wieder zu sinken begann und (wenigstens im IV. Versuch) zuletzt weit unter die Norm ge- Durehschneid. d. Lungenmagennerven auf die Respirationsorgane. 985 drückt wurde. — Im normalen Zustand hob der Inspirations- zug im Mittel aus den drei Versuchen eine Wassersäule von 64, in der ersten Zeit nach der Durchschneidung von 216 Millim. Höhe. Kurz vor dem Tode hob derselbe bei dem älteren Thier 96, bei dem jüngeren nur 13 Millim. Die in einer Minute aufgenommene Luftquantität wird durch das Produkt der Menge der in einer Inspiration eingesogenen Luft und der Inspirationszahl erhalten. Da wir aber jene Gesammtmenge nicht gemessen haben, so müssen wir uns auf jenes Verhältniss beschränken, welches die Mul- tiplikation der gehobenen Wasserhöhen mit den Athmungs- frequenzen ergiebt. — Es zeigt sich alsbald, dass die Luft- aufnahme sogleich nach der Durehschneidung beim jüngeren Thier bedeutend erhöht, beim älteren nur wenig erniedrigt ist, sie sinkt dann kontinuirlich, bis sie vor Eintritt des To- des nur noch einen Bruchtheil der Normalgrösse beträgt. Auf dem umgekehrten Wege, wenn wir statt des Mate- rials der Respiration das Produkt derselben, die Menge der erzeugten Kohlensäure, messen würden, müssten wir zu dem gleichen Resultate gelangen. In der That hat Fowelin') diesen Weg bereits eingeschlagen und eine Vermehrung der Kohlensäure-Exhalation nach der Durchschneidung der Vagi nachgewiesen, Es ist nicht unwahrscheinlich, dass diese Ana- Iyse in der ersten Zeit nach der Operation vorgenommen wurde, und es mag vielleicht später das Resultat sich ab- ändern, im selben Maasse als die Menge der aufgenommenen Luft geringer wird. Verhältniss der inspirirten Luftmengen vor und nach der Durchschneidung. 1. Älteres Thier. 2. Thier von mittlerem Alter. ——— Versuch VI. Versuch IV, Versuch III, Vor der Durchsehneidung 6540 8232 5720 Unmitltebar nachher _ _ 8064 2 Stunden nachher 5760 10998 _ 1) De causa mortis post nervos vagos dissectos. Dorpati 1852. 286 Wilhelm Wundt: Versuche über den Einfluss der 1, Aclteres Thier. 2. Thier von mittlerem Alter, Versuch Vl. Versuch IV. Versuch 11T. 6 Stunden nachher 4138 _ —_ Zu 5 = 1920 = BR E 3648 684 = Die Abnahme der Körperwärme scheint mit der Ab- nahme der aufgenommenen Luftmenge Hand in Hand zu gehen. Uebereinstimmend mit den Messungen der letzteren und vielleicht auch mit Fowelin’s Versuchsergebnissen wird aber zuweilen in den ersten Stunden nach der Operation ein geringes Steigen der Temperatur beobachtet. (V., X., XV.) Es ist übrigens zweifelhaft, ob diese vorübergehende Tem- peraturerhebung auf Rechnung der Vagusdurchschneidung zu setzen sei. Wir müssen immer im Auge behalten, dass wir durch jede Operation zwei Wirkungen veranlassen, von denen zunächst die erste der Operation als soleher ohne Rücksicht auf die Trennung spezieller Theile zukommt. Jede Wunde hat eine Fieberaufregung und mit ihr eine Temperaturzunahme im Gefolge, die gewiss wiederum nur eine Folge der durch das Fieber erhöhten Intensität der Athmungs- und Herzbe- wegungen sein mag. Bei Kaninchen, wo die Wunden unbe- deutender waren und nie zur Eiterung kamen, ist wohl an- zunehmen, dass auch das Fieber viel kürzer seine Wirkung äusserte, als beiHunden, wo in einem Falle (XV.) die Eigen- wärme in der That bis zum Ende des Lebens zunahm. Doch ist eine Temperatursteigerung vorzüglich nur bei älteren Thie- ren vorhanden, sie beträgt bei Kaninchen 0,5 —0,7, beim Hunde 3,20 C. Die Abnahme der Temperatur ist, wenn sie einmal be- gonnen hat, und namentlich wenn die Lebensdauer des Thie- res kürzer ist, gewöhnlich eine kontinuirliche. Bei längerer Lebensdauer finden sich öfter geringe Schwankungen. Die Abnahme ist in der ersten Hälfte der Zeit nach der Opera- tion geringer als in der zweiten, sie verhält sich in jener bei verschiedenen Thieren weit verschiedener und scheint im um- gekehrten Verhältnisse zum Alter zu stehen. Sie beträgt nach Durchsehneid. d. Lungenmagennerven auf d. Respiratiönsorgane. 287 2 Stunden beim jüngeren Thier 2 (VII), nach 4 Stunden beim mittleren 3,2 (1.), beim älteren 0,4 (IX.). Die Tracheotomie hält das anfängliche Sinken der Wärme um so mehr auf, je jünger das Thier ist: Beim jungen Thier ist nach 2 Stunden noch keine Abnahme vorhanden (VII.), beim mittleren beträgt diese nach 4 Stunden 1,2 (II.), beim älteren ebenfalls 1,2 (V1.). Sehr rasch wird die Abnahme kurz vor dem Tode; die Tracheotomie macht hier keinen Unterschied; wohl aber ist ein solcher zu bemerken, je nachdem das Tbier aus einem verhältnissmässig guten Zustand plötzlich in die Todesnähe versetzt wird, sein Befinden also sehr schnell sich verschlim- mert, oder.je nachdem es langsam und allmählig unterliegt. Im ersten Fall ist die Abnahme viel rascher, sie beträgt in der Stunde 2—3 (II. und IV.), im andern Fall langsamer, 1—1,5° C. Es ist interessant, damit die Abnahme der Körperwärme nach dem Tode zu vergleichen. Sie betrug in einem Fall beim Kaninchen 3,9% in der ersten Stunde. Da in dieser er- sten Stunde die Temperatur noch nicht viel unter der wäh- rend des Lebens stattgehabten steht, also die Wärmeausstrah- lung, die ja der Differenz der Körperwärme und der äusse- ren Wärme parallel geht, noch nicht.sehr erniedrigt ist, so kann diese Zahl wenigstens annäherungsweise zum Vergleich dienen. Wenn aber ein lebender Körper in derselben Zeit bei langsamem Tode 2,9—2,4, bei raschem 0,9—1,9° Wärme weniger verliert als ein todter Körper von nahezu gleicher Temperatur, so muss er dieselbe Wärmemenge noch in sich erzeugen. Mag nun die Temperatur rascher oder langsamer sinken, das endliche Resultat ist bei Thieren vom selben Alter nahezu immer dasselbe: die Endtemperatur ist nicht mehr verschie- den als die Verschiedenheit der Eigenwärme im normalen Zustande beträgt. Dies geht aus den Versuchen hervor, in welchen die Gelegenheit günstig war, die Temperatur in den letzten Momenten vor dem Tode zu messen. Das Minimum der Eigenwärme steht am tiefsten beim 288 Wilhelm Wundt: Versuche über den Einfluss der alten (28,7, V.), höher beim mittleren (30,2, III. und IV.), und am höchsten beim jungen Thier (36,8, VIIL), wie bei der Vergleichung der in den Todesmomenten bestimmten Tem- peraturen der Versuche III., IV., V. und VII. sogleich auffällt. Es scheint die Tracheotomie keinen erheblichen Unter- schied weder in Bezug auf die endliche Wärmeabnahme noch auf den mittleren Temperaturstand, d.h. auf das Mittel aus allen in gleichen Intervallen beobachteten Temperaturen, zu machen. — Körperwärme vor und nach der Durchsehneidung. A. Thiere ohne Luftröhrenfistel. . Temp. vor d. Durchschn. Mittlere Temp. Minimum. Versuch. nach ders 1. Höchstes Alter 39,6 35,9 28,7 Ne 2. Mittleres Alter 39,2 35,7 32 I. 3. Jüngstes Alter 40,7 39,1 SSH VII. B. Thiere mit Luftröhrenfistel, 1. Höchstes Alter 38,83 37,1 35,7 ı. 2. Mittleres Alter a. 37,4 35,5 32,2 I. b. er 33.83 31,5 I. c. 40,1 35,2 29 IV. — 38,4 348 30,9 3. Jüngstes Alter 40,4 39,2 36,38 VII. Die Lunge des Kaninchens ist im normalen Zustande hell fleischroth und behält, wenn sie bei Eröffnung des Thorax auf ein sehr kleines Volumen zusammengesunken ist, diese Farbe bei oder wird doch nur sehr wenig dunkler gefärbt. Eröffnen wir den Brustkasten eines Thieres, das an Vagus- paralyse gestorben ist, so sinken gewöhnlich nur einzelne Lungentheile zusammen, andere, namentlich die Lungenspitze, bleiben ausgedehnt. Wenn wir genauer zusehen, so erkennen Durchschneid. d. Lungenmagennerven auf d. Respirationsorgane. 289 wir, dass dieses Ausgedehntbleiben von einer doppelten Ur- sache herrührt. Theils nämlich ragen einzelne Gruppen von Läppchen hervor, die so weiss oder noch weisser als in der Norm und lufthaltig sind, kurz wir haben das stets auf der Vorderfläche vorhandene emphysema vesiculare vor uns; oder aber wir sehen das Lungenparenchym so gänzlich in seiner Struktur verändert, dass es keine Luft mehr enthält, in eine homogene feste Masse verwandelt ist. — Die einzelnen Ab- theilungen der Lunge sind der Ausbreitung und dem Grad nach von der Veränderung verschieden ergriffen. Gewöhnlich steht die rechte Lunge dem normalen Zu- stande noch näher als die linke. — Auf der Vorderfläche der oberen Lappen bemerkt man häufig emphysematische Auf- treibung, die aber häufig auch fehlt. Gewöhnlich zeigen sich einzelne hochroth gefärbte, eingesunkene Stellen, die, wenn Emphysem vorhanden ist, um so tiefer unter dem Niveau des übrigen Parenchyms stehen. Auf der Herzfläche ist nach hinten ‘meist schon eine braunrothe, weiter über das Paren- chym verbreitete und mit der Ebene des übrigen Parenchyms gleichstehende Stelle bemerkbar. Diese Stelle hängt unmit- telbar zusammen mit der Veränderung, die wir auf der Hin- terfläche dieser Lappen treffen. Sie ist entweder von gleich- mässig brauner oder von gleichmässig graulicher Farbe oder — was der häufigere Fall ist — schon die Oberfläche hat ein granulirtes Ansehen, ist undeutlich grau und braun ge- körnt; endlich schimmern oft aus der Tiefe des missfarbigen Grundes grössere graue oder grünliche Abscesse, von der Grösse eines Nadelkopfes bis zu dem einer Erbse hervor. Nicht immer nimmt diese Veränderung die ganze Hinterfläche ein, in vielen, ja in den meisten Fällen findet sie sich nur als eine längliche Insel in der Mitte derselben, indem sie schein- bar von dem Lungenarterienast ausgeht und um all’ dessen mit blossem Auge noch sichtbare Verzweigungen sich lagert. Die letztbesprochene Veränderung trifft man in fast allen Lungen der auf diese Weise gestorbenen Kaninchen; sie kann aber auch fehlen, und dann sind beide obere Lappen ent- Müllers Archiv. 1855. 19 290 Wilhelm Wundt: Versuche über den Einfluss der weder — doch selten — normal oder so wie die übrigen Theile der Lunge verändert. Die beiden unteren Lappen haben seltener wie die oberen auf ihrer Vorderfläche emphysematisch aufgetriebene Stellen. Ihr Gewebe ist zum grossen Theil noch lufthaltig; die Theile, die davon ausgenommen sind, finden sich entweder unregel- mässig zerstreut über die Oberfläche, vorzüglich am vordern scharfen Rand, und sind von verschiedener Grösse, oder das luftleere Parenchym bildet ein zusammenhängendes Netzwerk, das die ausgedehnten Lobuli umgiebt, und dessen feinste Verzweigungen man noch zwischen die zum Theil abnorm vergrösserten einzelnen Lungenbläschen sich hineinerstreeken und nur viel feiner auf ähnliche Weise umgeben sieht wie das ganze Läppchen umgeben ist. — Bei der Form, wo einzelne unregelmässige luftlose Particen über die Oberfläche verbreitet sind, ist die Farbe gewöhnlich hellroth, selten kann sie auch etwas dunkler gefunden werden, nie hat sie aber das eigen- thümlich Braunrothe, wie wir's so häufig an der Hinterfläche der oberen Lappen treffen. Ganz charakteristisch endlich ist die Vertiefung, die diese veränderten Stellen im Parenchym bilden, und die, wie es scheint, im selben Verhältniss ab- nimmt, als die Färbung dunkler wird. An den Rändern na- mentlich erscheinen diese Vertiefungen als zackige Ausbuch- tungen, so dass sie oft den Schein von Substanzlücken an- nehmen. In anderen Fällen bildet, wie bemerkt, das luftlose Pa- renchym ein Continuum, das in sehmalen Streifen die Lobuli und in noch weit schmäleren die einzelnen Lungenbläschen umgiebt, mit den allerfeinsten Ausstrahlungen wohl aber auf diesen, die ausgedehnt und glänzend ziemlich hervorragen, sich ausbreitet; denn diese haben nicht mehr das fast weisse, hell fleischfarbene Ansehen, sondern sind meist von hoch- rothem Schimmer. — Die Farbe der zwischen die Lobuli sich ausbreitenden Veränderung ist gewöhnlich die des venösen Blutes, sie zeigt nicht mehr Abstufungen als dieses. Verfolgt man aber die Veränderung auf die Hinterfläche der Lungen, so modifieirt sich die Farbe etwas. Diese Modifikation er- Durehschneid d Lungenmagennerven auf d. Respirationsorgane. 291 streckt sich aber nicht auf die breiteren luftleeren Streifen zwischen den Läppchen, sondern auf die Oberfläche des Läpp- chens selbst, also auf die feinen Streifen zwischen den einzelnen Bläschen und das Injectionsnetz auf diesen. Zunächst wird die vorn helle, rosige Röthe dunkler, sie nimmt dann einen violetten Schimmer an, und gegen den hintern Rand tritt uns die ent- schiedenste dunkelviolette Färbung entgegen. Zugleich ist der Glanz, den die einzelnen ausgedehnten Bläschen den Lobulis ertheilen, ein anderer geworden. Vorn war er hell, spiegelnd, das äussere Ansehen liess glauben, dass die Bläs- chen von einer durchsichtigen Flüssigkeit erfüllt seien. Die- ses Aussehen wird allmählich trüber, je näher man zum hin- tern Rande gelangt. — Ist man bis zum Hilus gekommen, so sieht man, wie die die Lungenläppchen umgebenden ve- nösen Netze unmittelbar von den Aesten der Lungenarterie ausgehen, so dass sie als Verzweigungen dieser erscheinen. Oft trifft man die genannten Arten der Veränderung der beiden unteren Lappen in verschiedenen Uebergangsformen neben einander. — Hier und da ist die letztgenannte Verän- derung über die ganzen Lappen verbreitet, während die vor- dern Ränder zackig gekerbt sind, also grössere Flächen luft- losen Parenchyms enthalten. Hie und da ist die ganze Lunge hochroth, byperämisch und dabei von einer Masse kleiner dunkelrother Punkte besetzt. Nicht selten erstreckt sich die Veränderung, die wir als beinahe konstant auf der Hinter- fläche der obern Lappen angegeben haben, auf den obern Theil der untern und des mittleren; meist ist jene Verände- rung dann aber an den letztgenannten Theilen wenig weit vorgeschritten, was schon das nicht granulirte, nicht grau- liche, sondern braunrothe des Aussehens zeigt. Hie und da haben die untern Lappen zum Theil oder an ihrer ganzen Oberfläche ein von dem betrachteten ganz ver- schiedenes Aussehen, und dies namentlich in Fällen, wo das Leben der Thiere sich länger hinauszog, was dafür spricht, dass die sogleich zu beschreibende Veränderung nur eine weitere Entwickelungsstufe der schon erörterten sei. — Hier haben die Lungen an Volumen zugenommen, sie haben eine 1ı9* 292 Wilhelm Wundt: Versuche über den Einfluss der gleichmässig dunkelrothe Grundfarbe, die auf der Hinterfläche violett wird. Hie und da sieht man auf der Oberfläche eine venöse Gefässinjeetion an einzelnen Stellen, öfter, besonders am untern Rand, kleine an ihrer regelmässig dichotomischen Theilung leicht zu unterscheidende grau aussehende Bron- chialästchen, in einigen wenigen Fällen sah ich solche feinste Bronchialäste auch mit Blut erfüllt. Diese totale dunkle Fär- bung des Parenchyms breitet sich meist über beide oder doch über den einen untern Lungenlappen vollständig aus; oft ist dann noch der mittlere und noch mehr die Vorderfläche bei- der oberer Lappen in einem sichtlich frühern Stadium der Veränderung begriffen, blos in geringem Grad geröthet und mit eingesunkenen Stellen überdeckt. Blies man Luft in die Lunge, so verhielt sie sich je nach der Art und dem Grad der Veränderung sehr verschieden. Bestand diese auf der Vorderfläche nur in beschränkten ge- rötheten und eingesunkeuen Stellen, so war es oft möglich das norınale Aussehen dadurch völlig herzustellen. Oft aber liessen sich auch einzelne Stellen von Luft nicht mehr aus- dehnen und bildeten dann noch weit auffallendere Vertiefun- gen; namentlich war dies mit den zackigen Einkerbungen am vordern Rande der Fall. Immer aber, auch wenn auf den ersten Blick die Vorderfläche ganz normal wieder aussah, konnte man bei genauerer Besichtigung eine Masse unregel- mässig gestalteter kleiner rother Punkte erkennen, die die normale Kaninchenlunge nicht sehen lässt. Anders verhielt sich die hintere Fläche. Nie war es möglich die ausgebrei- teten Verdichtungen der obern Lappen, mochten sie einen Grad der Veränderung zeigen, welchen sie wollten, von dun- kelbrauner oder von graulicher Farbe sein, im geringsten durch Aufblasen mit Luft zu füllen. Füllte man aber die Umgebung, so war auch jetzt noch das verdichtete Gewebe in gleichem Niveau mit dem lufterfüllten. Im Uebrigen liess sich die Lunge aufblasen, ob die Veränderung mehr auf das Einsinken einzelner umschriebener Gebiete sich beschränken oder als Injektion der Interlobularräume darstellen mochte, und mit Luft gefüllt hatte sie in beiden Fällen das gleiche Durchschneid. d. Lungenmagennerven auf d. Respirationsorgane. 293 Aussehen. Liess man aber die Luft wieder ausströmen und die Lunge eine kurze Zeit hindurch liegen, so hatten im er- sten Fall die eingesunkenen Flächen sich nicht vollständig wieder hergestellt, sie waren weniger vertieft, und noch über ihren Umfang war die Röthe verbreitet. Im zweiten Fall hatte das Aussehen sich völlig geändert. Von der vorher so deutlichen Injektion der Interlobularräume war nichts mehr zu sehen, die Lobuli selbst schienen weniger Luft mehr zu enthalten, das Ganze war von gleichförmig diffuser, hellerer Röthe, wie von arteriellem Blute imbibirt. Nur emphysema- töse Stellen blieben weiss gefärbt, gaben nicht alsbald dem Ausströmen der Luft wieder nach, sondern ragten ausge- dehnter wie zuvor über die Oberfläche empor. — Waren die untern Lappen in das zweite Stadium getreten, durchaus roth und dicht, so war auch hier grossen Theils eine Ausdehnung durch Luft nicht mehr möglich. Beim Durchschneiden zeigten die hepatisirten Theile der obern Lappen sich trocken, gleichfalls entweder durchaus braunroth oder braun und grau gefärbt, in beiden Fällen deut- lich granulirt. Hie und da waren grössere oder kleinere graue Stellen eiterig erweicht. Auch aus durchschnittenen Bronchien ergoss sich namentlich auf Druck eine eiterige Flüssigkeit; bisweilen konnte man selbst in den feinsten Bronchien fein zertheilte Speisereste, namentlich zerkautes Gras, entdecken. In den meisten Fällen ergoss sich aus dem Durchschnitt keine Spur von Blut. In ziemlich reichlicher Menge ergoss sich aber dieses, wenn man eingesunkene Stellen der übrigen Lungentheile durchschnitt, es war hellroth, durch vieles Serum verdünnt und in den meisten Fällen sehr lufthaltig, daher von schau- migem Ausschen, hie und da aber, wenn man gerade eine grössere und tiefer gehende verdichtete Stelle traf, durchaus luftlos. Die Menge der sich ergiessenden Flüssigkeit nahm zu mit dem Grad der Veränderung; da wo die Lunge überall luftleer und dunkelroth sich fand, erhielt man sie meist in reichlichster Menge. In gleichem Maass stieg die wässerige Beschaffenheit des Ergossenen, so dass dieses der Art wurde, 294 Wilhelm Wundt: Versuche über den Einfluss der wie wir es beim Ödem der Lunge anzutreffen gewohnt sind. In den Gefässen der Lunge traf man dunkle Blutgerinnsel, in seltenen Fällen auch eben solche in den feinsten Bron- chien, die erweitert waren. Bisweilen waren diese ausge- dehnt, aber leer, daher oberflächlich so deutlich als grauliche Verzweigungen sichtbar, meistens enthielten sie eine weisse oder hellrothe schaumige Flüssigkeit. Hie und da war die Struktur des Lungengewebes ganz verloren gegangen; es schien von Blutinfarkten durchdrungen. In einem Fall beim Hunde fand sich im rechten obern Lappen eine Masse von Abscessen, etwas heller als normaler Eiter gefärbt, die dicht beisammenstanden , oft zusammenflossen oder nur dünne Scheidewände zwischen sich liessen. Bisweilen fanden sich mitten in dem eiterigen Brei Stückchen zerstörten Lungen- gewebes. Jener selbst-aber bestand aus wenig Eiterkörper- chen, Exsudat- und Körnchenzellen und aus vorzüglich vielen Elementarkörnern. — Lüftröhre und beide Bronchien waren theilweise oder voll- kommen von einer schleimigen, schaumigen, meist röthlich, hie und da aber auch durchaus weiss gefärbten Flüssigkeit erfüllt. Manchmal fanden sich auch lockere hellrothe, seltener festere schwarzrothe Blutklumpen. Sehr häufig zeigten sich Speise- reste, namentlich zerkautes Gras, in der Luftröhre und noch mehr in den Bronchien, die entsprechende Stelle der Schleim- haut war geröthet. Immer liess die schaumige Flüssigkeit bis in die feinsten Bronchien sich verfolgen, sie war meist von demselben Ansehen wie diejenige, welche sich aus dem Durchschnitt gerötheter aber noch lufthaltiger Partieen ergoss. Meistens konnte man auch die Speisereste bis in die letzten mit der Scheere zu erreichenden Bronchialäste verfolgen, de- ren Lumen nicht selten dadurch völlig verstopft war. Bei Thieren, denen eine Luftröhrenfistel angelegt worden, zeigten die Lungen, wenn man den eintretenden Tod abwar- tete, dem Grad und der Ausdehnung nach im Allgemeinen dieselben Veränderungen wie bei den Thieren, bei..denen jene Nebenoperation nicht war gemacht worden. Schon während der letzten Stunden des Lebens trat bier der blutige Schaum Durehsehneid. d. Lungenmagennerven auf d. Respirationsorgane. 205 aus der Fistelöffnung aus und konnte durch einen Druck auf den Thorax vermehrt werden. In einem Fall erfolgte der Tod unter dem Erguss schwarzen Blutes aus derselben, wel- ches in wenig Stunden zu einem zusammenhängenden Ooa- gulum erstarrte, das, einen einzigen Oylinder bildend, bis an das Ende eines sehr feinen Bronchialastes verfolgt werden konnte. Bemerkenswerth ist, dass die Hepatisation der hin- tern Partie der obern Lappen relativ häufiger fehlte, und dass nicht so häufig und in so grosser Menge Speisetheile in den Luftwegen gefunden wurden, wie bei den Thieren ohne Tra- cheotomie. — r - Bei ganz jungen Kaninchen wurde die Hepatisation öfters vermisst, ob sie eine Luftröhrenfistel besassen oder nicht. Bei zwei erwachsenen nach 10 Stunden getödteten Thieren zeigte sich die Veränderung dem Grad nach völlig gleich, bei beiden auch die Hepatisation vom nämlichen Umfang, doch war die Congestion der nicht hepatisirten Lungentheile bei vorhandener Trachealfistel weit beschränkter. Von zwei sehr jungen nach 3 Stunden getödteten Thieren zeigte sich die Lunge desjenigen mit Trachealfistel, ausser einer Entzündung der hintern Partie der obern Lappen, fast ganz normal, die Lunge des andern beträchtlich verändert. Bei Kaninchen und Hunden verhielt sich die Lungenver- änderung ziemlich ähnlich, bei den letztern waren nur die einzelnen Fälle sich weniger gleich, die verschiedenen Er- krankungen weniger auf bestimmte Lungentheile beschränkt. Die Vogellunge war hingegen weit weniger verändert, wie sich dies wohl aus der Organisation derselben erklärt; denn es leuchtet ein, dass ein überall so unbeweglich befestigtes Organ auch in seiner Form durch ein etwa gesetztes ent- zündliches Exsudat oder durch eine hyperämische Transsuda- tion wenig verändert werden kann. Die Lunge zeigte sich blutreich, einzelne mehr geröthete Stellen waren etwas ver- tieft. In den freien Bronchialendigungen stand rothe Nlüs- sigkeit. Nach der Durchschneidung des einen nervus vagus finden sich hochrothe, eingesunkene Stellen über die gauze Lunge 296 Wilhelm Wundt: Versuch über den Einfluss der verbreitet, aber in weit geringerer Ausdehnung als man dies nach der Durchschneidung beider Nerven beobachtet. Eine eigentlich entzündliche, das heisst mit dem Erguss festen Ex- sudates verbundene Verdichtung wird nicht angetroffen. Aus dem Durchschnitt ergiebt sich reines Blut. — Nach der Durchsehneidung beider nervi recurrentes zeigen sich die obern Lappen in ähnlicher Weise wie nach der Durch- schneidung der Vagi hepatisirt. Aber die Hepatisation erstreckt sich hier weiter als dies dort in den meisten Fällen geschah, sie nimmt noch einen Theil des mittlern und der untern Lappen ein. Der übrige 'Fheil der letztern ist normal, we- nige geröthete Stellen.ausgenommen. Diese aber haben nicht das eingesunkene Ansehen, wie wir's bei den übrigen Ver- suchen beobachteten. Einzelne Lungenläppchen sind emphy- sematisch. Es bleibt uns noch übrig, die Resultate der mikroskopi- schen Untersuchung der aus den Lungendurchschnitten ge- wonnenen und der in der Luftröhre enthaltenen Flüssigkeiten mitzutheilen. Die Flüssigkeit aus den hyperämischen untern Lappen zeigte unter dem Mikroskop ohne Anwendung von Reagen- tien eine Menge Blutkörperchen, die nicht oder vielleicht nur wenig von der im normalen Blut verschieden war. Kaum war es möglich daneben noch andere Elementarbestandtheile zu erkennen. Diese traten erst bestimmter nach Zerstörung der Blutkörperchen durch etwas Essigsäure hervor; sie waren in sehr sparsamer Zahl vorhanden. Neben den, dem An- schein nach, nicht vermehrten farblosen Blutkörperchen be- merkte man Elementarkörner, einige Körnchenzellen, an denen zum Theil die Membran verschwunden war und diese als blosse Körnchenaggregate sich darstellten. In ebenso geringer Anzahl fanden sich Exsudatkörperchen, d.i. vollkommen runde regelmässig gestaltete lichte Zellen, mit einem ziemlich gros- sen, meist wandständigen Kern, der durch die Essigsäure klarer hervortrat, während die Membran dadurch undeutlicher wurde. Seltener wurden auch Flimmerepithelien getroffen. — Mit dem Grad der Veränderung minderte sich die Menge der Durchschneid. d. Lungenmagennerven auf d. Respirationsorgane. 297 vorhandenen Blutkörperchen, so dass in den wässerigen Er- guss aus fast ganz verdichteten Stellen sich neben der ge- ringen Zahl jener recht gut ohne Weiteres die übrigen Form- bestandtheile erkennen liessen, ohne dass deshalb die Zahl dieser erheblich vermehrt gewesen wäre. — In der halbflüssigen Masse, die durch Abschaben aus der Hepatisation der obern Lappen erhalten werden konnte, wa- ren keine oder nur sehr wenige, oft geschrumpfte Blutkör- perchen zu sehen. Dagegen zeigten sich hier namentlich neben Elementarkörnern die Körnchenzellen und Körnchen- haufen in grösserer Anzahl, neben ihren Exsudatzellen, pyoide Körperchen, ausserdem Zellen, die nach ihrer Grösse, nach ihren Reaktionen durchaus den Eiterkörperchen identisch wa- ren. Grössere Abscesse bestanden durchaus aus solchen, in ihrer Mitte waren die mit blossem Auge sichtbaren Gras- fragmente als Pflanzengewebe, als Massen von Chlorophylil- körnern zu erkennen. Die Flüssigkeit, die in den Luftwegen angesammelt war, enthielt zahlreiche Flimmerepithelien und je nach der Röthe mehr oder weniger Blutkörperchen. Es waren solche aber auch in den Fällen darin zu finden, wo die Ansammlung iu durchaus weissen Schleime bestand. Die Sektionsbefunde in den übrigen Körperorganen, die weniger in das Bereich der vorliegenden Untersuchung gehö- ren, wollen wir hier noch kurz erwähnen. Fast in allen Fällen zeigte sich das Herz und die Kör- pervenen, sowie die Lungenarterie und der Anfang der Aorta mit Coagulis erfüllt. Diese Coagula waren im linken Herzen von derselben schwarzrothen Farbe wie im rechten. Die Gerinnung war nie eine Faserstoff-, sondern stets eine Blut- gerinnung, welche an den Herz- und Gefässwänden nicht fest haftete. Häufig war das rechte Herz erweitert. Das meistens schon wenige Stunden nach dem Tode in den Ge- fässen geronnen angetroffene Blut war bei der Untersuchung sogleich nach dem Tode immer noch flüssig, hie und da er- hielt sich diese flüssige Beschaffenheit durch 24 Stunden. Im Oesophagus befanden sich Speisen, bisweilen auch in 298 Wilhelm Wundt: Versuche über den Einfluss der der Mundhöhle. Die obere Partie des Darmkanals war ge- wöhnlich leer, die untere überfüllt. — Die Leber fand sich blutreich, weich, die Gallenblase von dünnflüssiger Galle strotzend. Wir betrachten hier den Halsstamm des Vagus, des, ‚wie Niemand bezweifelt, sowohl sensitiven als motorischen Ner- ven auch als sensitiv und motorisch bis an sein peripherisches Lungenende. — Da nun die Respirationsorgane ihre Innerva- tion durch den pneumogastrischen Nerven erhalten, so muss auch die Empfindung und Bewegung, die wir an ihnen be- obaehten, von ihm abhängen, es müssen mit seiner Durch- schneidung Empfindungs- und Bewegungslähmungen gesetzt werden, Wir haben im Kehlkopf ein Organ, das sehr komplieirter Bewegungen, einestheils zur Hervorbringung der Stimme, anderntheils zur Eröffnung der Stimmritze bei der Inspiration, zum Verschluss derselben bei der Exspiration und beim zwei- ten Deglutitionsakte fähig ist. Es ist dieses Organ ausserdem von einer sehr sensibeln Schleimhaut ausgekleidet, die, wenn sie gereizt wird, alsbald die heftigsten Reflexaktionen hervor- ruft. Diese Schleimhaut setzt sich in die Luftröhre, in die Bronchien, ja in die Lungenbläschen fort, in welchen letz- tern sie freilich nur noch als eine dünne, mit einem Epithel bekleidete Faserlage erscheint. — Wir finden, dass die Schleimhaut der Respirationsorgane nach unten zu ebenso allmählich von geringerer Sensibilität wird, wie wir dies an der Darmschleimhaut von der Mundöffnung an beobachten. In der That muss diese Sensibilität in den Lungenbläschen selbst schon fast geschwunden sein, da wir in ihnen die Ab- lagerung der massenhaftesten Exsudate sehen, ohne dass da- mit eine besondere Empfindung verbunden wäre; diese tritt vielmehr erst auf, wenn die verflüssigten Exsudate, nach oben gefördert, mit der Schleimhaut der Bronchien, der Luftröhre in Berührung kommen. — Anstatt der quergestreiften Fasern, die wir im Kehlkopf Durchschneid. d. Lungenmagennerven auf d. Respirationsorgane, 290 als isolirte Muskeln antreffen, finden wir in der Luftröre nur noch glatte Muskelfasern, die an der hintern Wand zwischen den Knorpeln liegen, die in den feinern Bronchien die ganze Wandung umgeben und wahrscheinlich bis an die Lungen- bläschen selber reichen. Die Wirkung dieser Lungenmuskeln hat Volkmann sehr schön auf Reizung der Vagusnerven durch Einbringen eines heberförmigen mit Wasser gefüllten Glasrohres in die Luftröhre eben getödteter Thiere nachge- wiesen. Mit dem Uebergang der quergestreiften in glatte Fasern dürfen wir aber wohl schliessen, dass auch nur noch die Möglichkeit unwillkürlicher Bewegung gegeben ist. Unter den Nervenfibrillen, die den Vagusstamm zusammen- setzen, giebt es noch andere, sympathische, die ohne Zwei- fel die Bewegungen der Muskelhaut eines Theils der Lungen- gefässe regeln. — Mittelbar von Einfluss auf die Lungen sind die Nervenfäden, die zum Herzen sich begeben und auf des- sen Bewegungen -influenziren ; eine Veränderung in diesen Bewegungen muss natürlich auch alsbald eine Veränderung in den Verhältnissen des kleinen Kreislaufes nach sich ziehen. Ist die Sensibilität in der Schleimhaut der Luftwege auf- gehoben, so ist die nächste Folge, dass in Bronchien und Trachea sich Massen, seien dies nun fremde von aussen ein- gedrungene Körper oder von der Schleimhaut selbst erzeugte Absonderungen, anhäufen können, ohne dass dadurch ein Reiz gesetzt wird, der jene komplieirte Reflexbewegung des Hustens veranlasst, die die Entfernung der angehäuften Mas- sen zur Folge hat. So liegt auch die Möglichkeit vor, dass Speisetheile leichter in die tiefern Partieen der Luftwege sich verirren, da sie, wenn sie einmal den Kehlkopfeingang über- schritten haben, nicht mehr entfernt werden. Die Kehlkopf- höhle selbst hat ihre Empfindlichkeit noch beibehalten, weil stets der Vagusstamm erst unterhalb des Abgangs des nervus laryngens superior durchschnitten wird. Weit zusammengesetzter ist die Störung, die auf eine mo- torische Paralyse des Athmungsapparats eintreten muss. So getheilt die Ansichten der Anatomen über die Verthei- lung der nervi laryngei superior und inferior nach sind, so 300 Wilhelm Wundt: Versuche über den Einfluss der scheint doch jedenfalls der letztere als der vorzüglichste Be- wegungsnerv der Kehlkopfmuskeln angesehen werden zu müs- sen. Werden diese bewegungsunfähig, so ist die Folge davon ein schlaffes Aneinanderlegen der Stimmbänder, ein Ver- schluss der Stimmritze. Da bei der Inspiration die Glottis nun durch keine Muskelwirkung mehr erweitert wird, so muss dies auf einfach mechanische Weise durch die eindringende Luft selbst geschehen. Das Thier ist daher genöthigt, seine äussern Athmungsmuskeln viel bedeutender anzustrengen, den Thorax mehr als gewöhnlich zu erweitern und dadurch die Luft in den Lungen beträchtlicher zu verdünnen, so dass die beiden Stimmbänder wie die Klappen eines Ventils aus ein- ander weichen und der äussern Luft den Eingang gestatten. Im normalen Zustande ist die abwechselnde Erweiterung und Verengerung der Stimmritze bei In- und Exspiration durch- aus nicht blos von s. g. physikalischen Kräften, d. h. von der Gewalt des ein- und ausdringenden Luftstroms abhängig. Er- folgte, wie Volkmann!) annimmt, die Verengerung, nach dem Prinzip der Venenklappen, bloss durch den Anstoss der exhalirten Luft beim Ausathmen, so wäre wohl auch im nor- malen Zustand jenes klappende Exspirationsgeräusch am Kehl- kopf hörbar, welches ich stets nach Durchschneidung der Re- eurrentes und Vagi beobachtete. Eine Lähmung des Muskelapparats der Bronchien hat noth- wendig eine Erweiterung derselben zur Folge; aus den fei- nern Bronchien wird die Luft nicht mehr vollständig entleert und dadurch der erste Grund zu einem entstehenden Em- physem gegeben. Ueberdies kann die Bronchialerweiterung eine Ursache zu der Verdiehtung des umgebenden Lungen- gewebes werden, sie kann die Ansammlung von Stoffen in den Luftwegen begünstigen. Der paralytischen Erweiterung der Lungengefässe folgt natürlich eine grössere Blutanhäufung, eine Stase. Es kann diese letztere unterstützt werden durch die vermehrte Herz- aktion, die sich — wenigstens in der unmittelbar der Durch- 1) Müller’s Archiv, 1840. Durchschneid. d. Lungenmagennerven auf d. Respirationsorgane. 30] schneidung folgenden Zeit — sowohl durch eine Vermehrung der Zahl der Herzschläge als durch eine Vergrösserung des Seitendrucks in den Gefässen kund giebt. In Bezug auf die Lungen selbst ist die so zu Stande gekommene Hyperämie jedenfalls eine passive. Die paralysirten Wandungen eines Theils ihrer Gefässe werden durch den Druck vom Herzen aus noch mehr erweitert, permeabler, es kann so Transsu- dation der wässerigen Blutbestandtheile und Verpfropfung durch das zurückgebliebene eingedickte Blut entstehen. Betrachten wir den Zustand der Lunge, der bei der Sek- tion an Vaguslähmung gestorbener Thiere sich darbot, so fin- den wir ihn in der That dem entsprechend. Wir finden an verschiedenen Stellen das Gewebe verdichtet, wir finden se- röse, zum Theil blutige Transsudation, Anhäufung derselben in den Luftwegen, wirkliches Ödem; in manchen Fällen ist durch den heftigen Blutdruck eine Gefässwand zerrissen, wir finden Bluterguss durch Bronchien und Luftröhre, das Gewebe der Lunge selbst scheint von geronnenem Blut infareirt. In den Bronchien stockt das Sekret, bildet bisweilen abscess- ähnliche Anhäufungen, die aber in ihrer mikroskopischen Zu- sammensetzung von wahren Eiterheerden sich unterscheiden. — All’ diese Veränderungen hängen zusammen, eine geht aus der andern hervor, sie sind die gradweise gesteigerten Folgen eines und desselben Prozesses. Dieser Prozess aber ist eine Stockung des Blutes in den Gefässen der Lunge. Das Lungengewebe wird durch die passive Stase, die in sei- nen Capillaren entsteht, natürlich in Mitleidenschaft gezogen, aber es selbst betheiligt sich eigentlich nicht dabei; es trägt darum keine der geschehenden Veränderungen den Charakter der Entzündung an sich, es ist vor Allem das endliche Pro- dukt nicht ein gerinnendes Exsudat, sondern eine flüssige, seröse oder sanguinolente, Transsudation. Es ist nicht ein Uebermauss der Ernährungszufuhr, das, wie in der Entzün- dung, am Ort des lokalen Reizes auch ein Uebermaass von Ernährungsmaterial ablagert, sondern die Ernährungsstörung, die wir hier auftreten sehen, besteht vielmehr in einer Ver- armung an Material, die zu all’ jenen Veränderungen, welche 302 Wilhelm Wundt: Versuche über den Einfluss der . wir bei Cirkulationshemmnissen auftreten sehen, führen kann. Das erste Stadium dieser Veränderungen lässt sich frei- lich nicht immer von dem ersten Stadium der Entzün- dung unterscheiden, weil eine passive und eine aktive Hy- perämie häufig erst aus ihren Folgezuständen beurtheilt werden können. Es zeichnet sich dieses Stadium aus durch die Blutüberfüllung der Gefässe, die entweder in gerötheten, unter dem übrigen Paremchyn liegenden einzelnen Stellen oder rivgs um die Lobuli und Lungenbläschen sich zeigen kann. — Im erstern Fall werden die Lungenbläschen durch die erfüllten Gefässe komprimirt, wir haben dann das eigen- thümliche Bild einer mit Volumabnahme verbundenen Con- gestion, eines Zustandes, welcher der von Jörg beschriebe- nen, von Hasse!) aber erst in ihrer Entstehungs- und Er- scheinungsweise genauer erforschten Atelektasis ähnlich, ja der seiner anatomischen Beschaffenheit nach vielleicht iden- tisch mit ihr ist, aber in der Art der Entstehung durchaus abweicht. Bei der Atelektasis ist die Leerheit der Lungen- bläschen bedingt durch mangelnden Lufteintritt, nach der Vagusdurchschneidung ist sie durch gewaltsame Austreibung der Luft von den überfüllten Gefässen aus entstanden. — Der zweite Fall scheint dann einzutreten, wenn irgend eine die Lungenbläschen ausdehnende Ursache, sei dies nun ein Emphysem oder ein wässeriges Transsudat stattfindet; das anatomische Bild aber hat hier grosse Aehnlichkeit mit der Beschreibung, welche Legendre und Bailly?) von ihrem etat foetal congestionne geben. In ihren weiteren Stadien führt die geschilderte Hyperämie oft zu einer Verdichtung des Gewebes, welche vollkommen derjenigen gleicht, die man häufig nach intensiveren Bron- chiten antrifft. Wollte man aber deshalb den hier abgelau- fenen Prozess für eine Bronchitis erklären, so wäre dies ebenso falsch, als wenn man das erste Stadium mit der Atelektasis identifieirte, wie wir ja überhaupt erst aus dem ganzen Ver- 1) Pathol. Anatomie, S. 324. 2) Archives gen. 1844, 4me serie, t. IV. pag. 55. Durchschneid. d. Lungenmagenneryen auf d Respirationsorgane. 303 lauf eines pathologisch-anatomischen Vorgangs auf seine Na- tur schliessen dürfen. Die nach Bronchitis eintretende Gewebs- verdichtung kommt nicht der Entzündung als solcher zu, sondern sie ist eben nur eine Folge der Ueberfüllung der durch die Entzündung paralytisch erweiterten Bronchien mit stagnirendem Sekrete. Dieselbe Stagnation haben wir aber aus anderer Ursache nach der Vagusdurchschneidung be- obachtet. Die zweite Veränderung, die wir neben der genannten beobachten, ist das vesikuläre Empbysem. Den ersten Grund zur Entstehung desselben kann man mit Longet!) in der Ansammlung der Luft in den paralysirten Luftwegen suchen. Wir sehen überdies, dass mit der Lähmung der Muskelfasern der Bronchien, der innern Athmungsmuskeln gleichsam, eine vermehrte Thätigkeit der äussern Athmungsmuskeln eintritt, die das Streben hat, jenes Hinderniss der Lufteirkulation aus- zugleichen, mit diesem Streben aber vorzugsweise auf die Aufnahme von Luft, als auf das nächste, dringendste Bedürf- niss, gerichtet ist. Es entsteht so ein auffallendes Missver- hältniss zwischen Exspiration und Inspiration; durch letztere werden die Lungenbläschen weit über die Norm ausgedehnt, durch erstere bei weitem nicht zu ihrem frühern Volum zu- rückgeführt. Es ist- so nicht nur die Entstehung eines Em- physemes erklärlich, sondern es kann auch, wenn durch die verengte Stimmritze nicht die der übermässigen Ausdehnung der Lufträume entsprechende Luftmenge eindringt, mit der Luftverdünnung ein die Transsudation von Blutbestandtheilen in die Lungenbläschen begünstigendes Moment gegeben sein. Fast immer scheint sogar Ruptur von Capillaren in die Luft- wege stattzufinden, weil die in diesen angesammelte Flüssig- keit stets Blutkörperehen enthielt. Neben diesen beiden von einer Summe gemeinsamer Ur- sachen abstammenden Veränderungen finden wir als dritte eine wirkliche Entzündung mit den verschiedenen Graden der 1) Note sur une nouvelle cause d’emphyseme pulmonaire. Comptes rendus. 1842. 304 Wilhelm Wundt: Versuche über den Einfluss der Hepatisation, die bei Kaninchen vorzugsweise auf die obern Lappen beschränkt ist, bei Hunden seltener und bei Vögeln, wie es scheint, niemals vorkommt. Als unmittelbaren Grund dieser Veränderung müssen wir die Speisetheile betrachten, die in die Luftwege durch die gelähmte Stimmritze gelangt sind. Wo keine fremden Körper in den Luftwegen sich fin- den, wird auch diese Veränderung vermisst. Wir sehen somit zwei Reihen von Veränderungen der Läh- mung der Vagusnerven folgen, deren eine durch die blosse Durchschneidung der untern Kehlkopfsnerven hervorgerufen werden kann, und die als Folge der motorischen Lähmung des Kehlkopfs und der Sensibilitätslähmung der Trachea, deren andere als Folge der Lähmung jener sensibeln und motori- schen Fasern des Vagus angesehen werden muss, die zu den Lungen und zum Herzen sich begeben. Beiden Reihen von Vorgängen entsprechen auch die Re- sultate der mikroskopischen Beobachtung: wir fanden in einem Fall alle die Produkte der Entzündung, namentlich Eiter- körperchen, in grosser Zahl; im andern Fall keine beson- deren oder nur auf niedrigster Organisationsstufe stehende oder aus dem Zerfall anderer Elemente hervorgegangene For- men in geringer Menge. Die Entzündung der Lunge kommt zu Stande, wenn das Thier versucht Nahrung aufzunehmen und diese dann, durch die heftige Athemnoth mitten im Deglutitionsakt zu einer In- spiration gezwungen, in die Luftröhre aspirirt, oder wenn in die letztere Speisetheile aus Magen und Ösophagus regurgi- tiren. Die Möglichkeit dieses letztern Ereignisses wird durch das Vorhandensein einer Lungenentzündung , sowie durch das Vorhandensein von Gras in den Luftwegen der Thiere, die keine Nahrung mehr zu sich genommen, bewiesen. Man trifft diese Veränderung in gleicher Ausbreitung bei Thieren mit und ohne Luftröhrenfistel, im Allgemeinen in spätern Todesfällen weiter vorgeschritten, aber durchaus nicht kon- stant, da die Entzündungsursache zu den verschiedensten Zeiten einwirken kann; sie entwickelt sich, sobald einmal der irritirende Körper vorhanden ist, dieser aber dringt weniger Durchschneid. d. Lungenmagennerven auf d. Respirationsorgane. 305 häufig ein bei Thieren mit Luftröhrenfistel, weil von ihnen jene die Speisetheile aspirirenden Inspirationsbewegungen mit dem Mund nur als überflüssige Mitbewegungen in geringerer Stärke geschehen, ja von dem Thier vielleicht vermieden wer- den können. — Man findet die Entzündung konstant bei er- wachsenen, nicht immer bei jungen Thieren; der Grund da- von liest ohne Zweifel in dem bei den letztern dichtern Ver- schluss der Stimmritze. Zu beachten ist, dass ganz alte Thiere auch wiederum häufiger ohne Lungenentzündung sterben; die Ursache davon ist wahrscheinlich, dass sie, minder heftig in- spirirend, auch fremden Körpern weniger leicht Gelegenheit geben, in die Luftwege einzudringen. Die passive Hyperämie entwickelt sich vom Moment der Durchschneidung an, sie und ihre Folgen sind darum um so weiter geschritten, je länger das Thier lebt, und je heftiger während der Lebenszeit die bedingende Ursache einwirkt. Diese aber ist von geringerer Wirkung bei älteren Thieren, von denen ja überhaupt jede Störung ertragen wird, bei denen aber überdies eine mit dem Alter eintretende grössere Festig- keit der Gewebe die passive Erweiterung der Gefässe er- schweren kann, während zugleich aus den dickeren Gefäss- häuten vielleicht weniger leicht Transsudation erfolgt. Es schreitet daher diese Veränderung bei einem jungen Thier viel rascher zum gleichen Grade als bei einem alten. — Die Luftröhrenfistel hat bei älteren Thieren gar keinen Einfluss, bei solchen von mittlerem Alter zeigt es sich, dass sie dem Fortschreiten der Hyperämie und des Transsudations- prozesses einigen Einhalt zu thun vermag. Dies hängt ver- muthlich mit der Erleichterung des Athemprozesses zusammen, so dass wir annehmen müssen, dass die Einführung einer grössern Menge von Luft auch die Entwicklung jener Alte- ration aufhält. Man kann diese Wirkung einfach als eine mechanische betrachten, indem der die Lungenzellen erwei- ternde Luftstrom dem andringenden Blute ein Hinderniss ent- gegengesetzt, zu dessen Ueberwindung dieses erst längerer Zeit bedarf. Uebrigens ist der günstige Einfluss im mittleren Alter gering; sehr beträchtlich ist er aber bei jungen Thieren, Müller’s Archiv. 1855. 20 306 Wilhelm Wunder: Versuche über den Einfluss der wo bei vorhandener Luftröhrenfistel wir kaum die ersten Spu-, ren der Veränderung sahen, während ohne solche diese, schon die ganze Lunge einnehmend, zum Tode geführt hatte. Den Grund dieses Unterschiedes giebt ohne Zweifel, abgesehen von der verschiedenen Ertragungsfähigkeit der verschiedenen Altersklassen, der Umstand, dass mit zunehmendem Alter die Glottis nach ihrer Lähmung offener bleibt. Versuchen wir es, aus den Veränderungen nach dem Tode die Erscheinungen vor demselben zu erklären, so treffen wir unter den letztern als die auffallendste die Abnahme in der Zahl der Athemzüge, um so auffallender, wenn wir, wie dies Manche thun, die Lungenveränderung für eine einfache Ent- zündung und diese für die einzige Störung im Befinden des Thieres erklären würden, denn die Pneumonie liesse eher eine gesteigerte Athemfrequenz erwarten. Der Verschluss der Stimmritze setzt dem Lufteintritt ein Hinderniss entgegen, welches allein dadurch gehoben werden kann, dass das Thier seinen Thorax viel bedeutender erwei- tert und durch die damit geschehende beträchtlichere Luft- verdünnung in den Luftwegen gerade einen solchen Zug aus- übt, dass durch ihn die zwei Stimmbänder sich öffnen kön- nen. Die Muskeln des Thorax haben jetzt mit grosser Anstrengung das auszuführen, was früher mit geringem Kraftaufwand die kleinen Kehlkopfmuskeln zu Stande brach- ten, denn sie müssen bedeutende Widerstände überwinden, bis sie zu jener Endwirkung gelangen. Das zweite Hinderniss, welches von dem Lungengewebe selber ausgeht, besteht in der Lähmung des gesammten Bron- chialbaumes. Die Funktionen, die diesem in der Fortleitung und Vertheilung der Luft zukommen, muss nun ebenfalls die Aktion der äussern Respirationsmuskeln einigermaassen zu ersetzen suchen. Von nicht geringem Einflusse ist wohl auch im ersten Stadium die Compression der Lungenbläschen von den erfüllten Gefässen aus, namentlich aber in den späteren Stadien die Ansammlung des wässerigen Transsudates. Jedes Hinderniss in den Zugängen zu dem Respirations- organ fordert zu seiner Entfernung eine gewisse Kraftanstren- Durchschneid. d. Lungenmagennerven anf d. Respirationsorgane. 307 gung. Da das Thier im normalen Zustand bei weitem nicht die ganze Summe von Kraft zur Anwendung bringt, zu der seine Respirationsmuskeln fähig sind, so können kleinere Hindernisse lange Zeit, wenn nicht immer, mit Beibehaltung der normalen Inspirationszahl und ohne dass daraus ein be- sonderer Nachtheil für das Leben entsteht, überwunden wer- den, indem nur von der gesammten Leistungsfähigkeit des Thieres ein grösserer Theil auf die Respiration sich richtet. Wird aber das Hinderniss so gross, dass es von den Respi- rationsmuskeln nicht mehr in dem Umfang bewältigt werden kann, um den Lungen die hinreichende Luftmenge zukommen zu lassen, so muss nothwendiger Weise das Thier seine ge- ringere Kraft bei jeder Inspiration eine sehr lange Zeit hin- durch zur Anwendung bringen; je ungenügender die Kraft ist, um so bedeutender muss der Aufwand an Zeit werden, und es ist klar, dass es einen Punkt geben muss, wo der Grad des Hindernisses ein solcher wird, dass er sich mit der früheren Athmungsfrequenz nicht mehr verträgt, wo also ein Sinken der Inspirationszahl eintritt. Dieses Sinken ist an- fänglich nicht nothwendig verbunden mit einer Minderung der Luftaufnahme, da durch eine grössere Intensität der Athem- züge die geringere Zahl aufgewogen werden kann. Diese Ausgleichung ist aber nur so lange möglich als die steigende Ermüdung dieses erlaubt. Nach der Vagusdurchschneidung tritt der Erstickungstod um so früher ein, als mit dem Er- guss von Flüssigkeit in die Luftwege ein neuer Umstand hinzukommt, der es jedenfalls nur einer geringen Luftmenge noch möglich macht, bis an das Ende der Wassersäule zu dringen, Man hat gewiss keinen Grund, das Hinderniss, 'auch be- vor der Flüssigkeitserguss erfolgt ist, für zu gering zu hal- ten, als dass daraus eine Verminderung der Athmungsfrequenz hervorgehen könnte. Sehen wir doch, dass auch nach der Durchschneidung der untern Kehlkopfsnerven eine solche Verminderung eintritt, die wir uns in diesem Falle unmöglich auf eine andere Weise erklären können. Ueber die Folgen aber, die eine Lähmung des gesammten Bronchialbaumes 20% 308 Wilhelm Wundt: Versuche über den Einfluss der haben möge, fehlen uns alle anderweitigen Erfahrungen, doch ist es sicherlich nicht gerechtfertigt diese verbreitete Musku- latur beim Mechanismus der Respiration ganz zu vernach- lässigen. Niemand wird die Fortbewegung des Darminbhaltes allein von der Bauchpresse ableiten, der letztern würde es auch bei der unausgesetztesten Anstrengung nicht möglich sein, die Leistung der Darmmuskulosa einigermaassen zu er- setzen. Durch die Betrachtung dieser entfernt analogen Ver- hältnisse können wir uns vielleicht erst einen Begriff machen von der Bedeutung der Bronchialbewegung und von den Fol- gen ihrer Paralysirung. Dazu kommt, dass, wie wir oben gesehen haben, die In- spiration — wohl in Folge des bedeutenden Lufthungers — so sehr die Exspiration überwiegt, dass die letztere kaum wahrgenommen werden kann. Es resultirt daraus nothwen- dig ein längeres Intervall, da die Luft, die sonst durch einen einzigen Muskelstoss ausgetrieben wird, jetzt mehr nach Art der Diffusion, nur beschleunigt durch die Elastieität des Lungengewebes, sich langsam entfernen muss, bevor eine neue Luftaufnahme möglich wird. Diejenige Dyspnö, die wir bei den meisten Lungenerkran- kungen zu sehen gewohnt sind, zeigt insofern gerade die entgegengesetzte Erscheinung, als die Zahl der Inspirationen bedeutend wächst, so dass man ja aus dem Grad dieses Wachsthums auf den Grad der Dyspnö zu schliessen pflegt. Immer sind aber in diesen Fällen auch die Bedingungen der Athemnoth gänzlich verschieden: es ist nicht ein den Zutritt der Luft erschwerender Umstand, sondern eine Verminde- rung der Respirationsfläche vorhanden. So sehen wir bei senilem Emphysem, wo ein grosser Theil des Gewebes atro- phirt ist, bei dem Athmungsunfähigwerden grosser Lungen- theile durch tuberkulöse, pneumonische Exsudate, bei Com- pression eines Theils der Lunge durch Pleuraergüsse oft die Inspirationszahl beträchtlich vermehrt, weil eben die kleinere athmende Fläche, wenn ihr Nachtheil einigermaassen in’s Gleichgewicht gesetzt werden soll, eines rascheren Gaswech- sels in den gesunden Lungenpartien bedarf. Würde hinge- Durchschneid. d. Lungenmagennerven auf d. Respiratiönsorgane. 300 gen ein Thier, dessen Stimmbänder und Bronchien gelähmt, dessen Luftwege dicht von Flüssigkeit erfüllt sind, versuchen, mit gewohnter oder gar mit grösserer Raschheit zu athmen, so würde der damit nothwendig verbundene geringere Kraft- antrieb der Luft nicht einmal die Stimmritze zu öffnen, ge- schweige denn bis in die feinsten Bronchien ‘und Lungen- bläschen oder gar durch die unmittelbar unter der Stimmritze beginnende Flüssigkeitssäule zu dringen vermögen. Es sind somit zwei Hindernisse, das eine im Kehlkopf, das andere in der Lunge selbst, welche durch die Vagusläh- mung der Athmung sich entgegensetzen. Beide Hindernisse kann das Thier nur durch einen Aufwand an Kraft und Zeit überwinden, der für die einzelne Inspiration um so beträcht- licher wird, als das Thier im Ganzen stets dieselbe Luft- menge aufzunehmen bestrebt ist. Für das Verhältniss, in dem beide Hindernisse zu einander stehen, können wir ein Maass erhalten durch die Vergleichung des Einflusses der Durchschneidung der Recurrentes und des der Vagi. Bei dem Kaninchen, dem die erstern durchschnitten wurden, verhielt sich die Athemfrequenz vor der Operation zum Mittel dersel- ben nachher wie 132:62, nach der Durchschneidung der Vagi bei Kaninchen von mittlerem Alter wie 154: 30; sie sank also im ersten Fall auf '%, im zweiten auf '/, der ursprünglichen Grösse, so dass das Hinderniss im Kehlkopf zum Gesammt- hinderniss sich verhielte wie 2:5, zum Hinderniss in der Lunge wie 2:3. Meistens wird das letzte Hinderniss gegen Ende des Le- bens bedeutend überwiegend, indem es durch den Erguss des Transsudates zur gänzlichen Unwegsamkeit der Luftwege führt. Unerklärt blieb uns bis jetzt, warum die Vögel, denen Jer Lungenmagennerve getrennt ist, sich so auffallend in ihrem äussern Erscheinen von den Säugethieren unterschei- den. Dieses Erscheinen kann uns den grössten Theil der Zeit über keineswegs als Ausdruck einer Athemnoth erschei- nen; und doch dürfen wir eine gänzlich verschiedene Wir- kung bei den verschiedensten Thierklassen nicht wohl er- warten, es können nur manchfache durch die speciellen Or- 310 Wilhelm Wundt: Versuche über den Einfluss der ganisationsverhältnisse bedingte Abänderungen statthaben. Es wird uns darum allein vielleicht der Bau der Vogellunge auf- klären können. Diese enthält bekanntlich ein auf der Lun- genoberfläche mündendes und dort mit Luftbehältern in Ver- bindung stehendes System von Röhren, welche, wegen der Befestigung des Organes an der Thoraxwand, immer von ziemlicher Weite bleiben. Die Luft, welche in den verschie- denen Behältern sich befindet, wird stets mit der Luft in den Bronchialröhren diffundiren; es kann sein, dass so ein steter Austausch auf einige Zeit möglich, die Lunge mit vorräthiger athmosphärischer Luft auch ohne Athmung versorgt wird. Würde das Thier, wie andere, sehr kräftig inspiriren, so würde mehr Luft in die Luftbehälter angesaugt werden als vielleicht von oben in die Lunge noch eindringt; es kann also wohl vorkommen, dass ein T'hier, so lange es noch ath- mungsfähige Luft in seinem eigenen Körper hat, zu einer fruchtlosen Muskelanstrengung sicht nicht entschliesst. Aus der geminderten Luftaufnahme erklärt sich am ein- fachsten die Abnahme der Wärme. In der That finden wir, dass beide analog sich verhalten, doch folgt nur eine kleine 'Wärmeverminderung auf eine bedeutende Abnahme der auf- genommenen Luftmenge. Wir sehen im Versuch IV. die er- stere um das 1,2fache, die letztere um das 10fache, im Ver- such VI. die erstere um das 1,08fache, die letztere um das doppelte ihrer Zahl herabsinken. — Sehr bedeutend wird das Sinken der Wärme wie der Luftaufnahme erst, wo die Flüs- sigkeitsansammlung in den Luftwegen beginnt. Aus diesem Grunde sehen wir auch, dass beim Kaninchen, dem blos die Recurrentes durchschnitten sind und bei dem diese Flüssig- keitsansammlung nicht oder in keinem höheren Grade als bei jeder pneumonischen Affektion besteht, nicht nur keine Er- niedrigung, sondern — wie meist bei entzündlichen Zustän- den — eine ziemlich dauernde Erhöhung der Temperatur er- folgt. Das Thier ist also im Stande durch vermehrte Kraft- anstrengung das Hinderniss der verengten Glottis auf längere Zeit zu überwinden, so dass, ausgenommen bei jungen Thie- ren, dieses Hinderniss während der Zeitperiode, in der der Durchschneid. d. Lungenmagennerven auf d. Respirationsorgane. 31] Tod erfolgt, nur eine geringe Mitursache von diesem zu sein scheint. Es geht aus dem Gesagten hervor, dass durchaus nicht unter allen Umständen die Athmungsfrequenz als proportio- nal dem Grad des Athembedürfnisses betrachtet werden kann, dass dies nur für die Fälle von Gültigkeit ist, wo ein Theil des Respirationsorgans für die Respiration untauglich gewor- den und der Zutritt der Luft zu dem übrigen Theil nicht be- deutend erschwert ist. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass in vielen Fällen beide Grundursachen der Dispnö zusammen auftreten, und es ist leicht einzusehen, dass dann das Ver- hältniss ein komplieirtes, die Intensität und Frequenz der Athmung eine Resultante aus beiden Faktoren werden muss. Eine Behinderung des Luftzutritts wird aber, wenn sie einen gewissen Grad erreicht, stets ein Sinken der Inspirationszahl zur Folge haben, und es wird hier im Gegentheil die Ab- nahme der Athemfrequenz dem Grad des Hindernisses pro- portional sein. Nach allen Symptomen, die das sterbende Thier darbietet, ist demnach eine allmähliche Erstickung als nächste Todes- ursache anzusehen. Eine Erlahmung der zuerst abnorm ge- steigerten Herzthätigkeit können wir wohl als Mitursache betrachten; theilweise ist sie vielleicht gleichfalls zu den Er- stickungsursachen zu rechnen, denn eine mangelnde Blutzu- fuhr zu den Lungen, wie sie entsteht, indem das Herz seine Blutsäule nicht mehr bewältigen kann, fällt in ihren Folgen mit einer mangelhaften Luftaufnahme zusammen. Wir haben in der vorangehenden Auseinandersetzung nur eine noch nicht erwiesene Annahme gemacht, wir haben vorausgesetzt, dass die Sensibilitäts- und Motilitätserschei- nungen am Lungengewebe ganz oder vorzugsweise vom ner- vus vagus abhängig seien, so dass allein die Lungengefässe sämmtlich oder zum Theil sympathische Fasern erhielten. Es spricht für diese Annahme das oben erwähnte Experiment Volkmanns, wahrscheinlich wird sie durch die Vergleichung des Gesammtdurchmessers der vom Sympathicus und vom Vagus zur Lunge tretenden Zweige, nach der es nicht glaub- 312 Wilhelm Wundt: Versuche über den Einfluss der lich ist, dass dem erstern ein so überwiegender Einfluss zu- kommen sollte, dass für den letztern fast keiner mehr übrig bliebe. Ist aber auch ein direkter Beweis hierfür nicht mög- lich, so glaube ich doch, dass eine Hypothese, die keine Voraussetzungen macht, sondern nur aus der Analogie mit feststehenden Thatsachen zu schliessen wagt, aus der sich Funktions- und Gewebsveränderungen am unmittelbarsten ab- leiten lassen, die meisten Gründe für sich haben dürfte. Resultate. 1) Durch die Durchschneidung der Lungenmagennerven werden der Respiration zwei Hindernisse entgegengesetzt, deren eines in der Lähmung des Kehlkopfs, deren anderes in der Lähmung der Bronchien seinen Grund hat. 2). Beide Hindernisse machen einen solchen Aufwand an Kraft und Zeit nöthig, dass jede einzelne Inspiration länger dauernd und intensiver wird, während die aufgenommene Luftmenge anfänglich die gleiche bleibt, die Inspirationszahl aber sogleich beträchtlich abnimmt. 3).Mit der eintretenden grösseren Behinderung der Luft- wege und mit der allmählichen Ermattung sinkt die Luftauf- nahme und zugleich die Eigenwärme des Thieres. 4) Entsprechend den zwei Hauptalterationen, die die Re- spirationsorgane erleiden, finden sich in der Lunge zwei Hauptveränderungen: die lobuläre Entzündung, eine Folge der Lähmung des Kehlkopfes, und die passsive Congestion mit ihren weiteren Stadien, eine Folge der Lähmung der Bronchien und eines Theils der Lungengefässe, sowie der gleichzeitig vermehrten Herzaktion. 5) In Folge der hohen Athmungsnoth überwiegt die In- spiration bedeutend über die Exspiration, als dritte entspre- chende Veränderung zeigt sich daher in der Lunge das vesi- kuläre Emphysem. 6) Die Entzündung entsteht am seltensten bei jungen, weniger häufig bei alten, als bei Thieren mittleren Alters. Die Congestion tritt um so später ein, je älter das Thier ist. 7) Eine Luftröhrenfistel kann die Entstehung der Entzün- Durchschneid. d. Lungenmagenneryen auf d. Respirationsorgane. 313 dung wie der Congestion verzögern, ändert aber die Art der Lungenerkrankung in nichts ab. Ihr günstiger Einfluss steht im umgekehrten Verhältniss zum Alter des Thieres. 8) Dem entsprieht in den verschiedenen Altersklassen die verschiedene Curve der Athmungsfrequenz, welche, ebenfalls zum Grad der Dyspnö im umgekehrten Verhätnisse ‚stehend, bei allen Thieren ohne Luftröhrenfistel von einem der Durch- schneidung unmittelbar folgenden Minimum bis zu einem mit zunehmendem Alter jener immer näher rückenden Maximum steigt und dann wieder abnimmt; welche bei erwachsenen Thieren mit Luftröhrenfistel wenig davon abweicht, bei jun- gen aber von einem Maximum nach der Durchschneidung bis zu einem dem Tode vorangehenden Minimum sinkt. 34 N. Lieberkühn; Beiträge zur Anatomie der Nematoden. Von N. LIEBERKÜHN, Hiezu Taf. XII. XIII. In dem Gewebe des Proventrieulus von Fulica atra und Anas boschas domestica und fera finden sich bisweilen stecknadel- knopfgrosse blutrothe Flecke, welche im Aussehen Sugilla- tionen ähneln, und sowohl von der Schleimhaut- als von der Peritonäalseite her gesehen werden können: es sind weibliche Nematoden von ungewöhnlicher Form und blutrother Farbe, welche diese Erscheinung verursachen. Wenn man eine kleine Oeffnung in die farbige Stelle hineinschneidet und einen leichten Druck auf die Umgebung ausübt, so tritt das Thier hervor. Gewöhnlich sitzt es innerhalb der Drüsen mit dem Schwanz nach der Oeffinung zugekehrt, nur einmal fand ich es zu meh- rern Exemplaren frei auf der Schleimhaut. Die Zeit der Auf- findung waren die Monate August, September und October. Unter fünf der genannten Vögel enthielt sie durchschnittlich einer und zwar in sehr verschiedener Menge: bisweilen nur in zwei, andere Mal in fünf, und einmal in mehr als zwan- zig Exemplaren. Die Gestalt der grössten Exemplare ist ein plattgedrück- tes Sphäroid; an den beiden Endpuncten des kürzern Durch- messers treten der Kopf und der Schwanz hervor, und von ersterem zu letzterem laufen vier schmale Furchen in nahezu gleichen Abständen von einander über den ganzen Körper herab, welche dem Thier das Ansehen einer vierfächerigen Beere verleihen. Die Grössenverhältnisse eines Exemplars mit reifen Eiern betrugen: 2 mm. der Durchmesser vom Kopf zum Schwanz, Beiträge zur Anatomie der Nematoden. 315 3 mm. der Querdurchmesser; bei einem kleinen waren Länge und Breite gleich, nämlich 2 mm.; in wieder andern maass der Durchmesser vom Kopf zum Schwanz 2 mm., der Quer- durchmesser halb so viel. Ausser den vier Längsfurchen hat das Thier über den ganzen Körper feinere Querfurchen, welche in dem mittlern Theile des Körpers um etwa 0,03 mm., weiter nach vorn und hinten um weniger von einander abstehen, und nur da unter- brochen sind, wo sie von den Längsfurchen geschnitten wer- den. Die Querfurchen bilden nahezu Kreise, die vom Halse beginnen und bis zur Mitte des Körpers wachsen, von da ab aber wieder sich verkleinern, bis sie an der Austrittsstelle des Schwanzes etwa denselben Durchmesser erreichen, den sie am Austritt des Halses besitzen. So wie der Hals nach dem Kopfende zu sich etwas ver- dünnt, so wird auch der Schwanz gegen sein Ende hin all- mälig dünner und läuft schliesslich in zwei feine Spitzen aus, welche meist eine gleiche Länge haben. Auch am Halse unmittelbar über einem nachher zu be- schreibenden Schlundring firfden sich auf entgegengesetzten Seiten zwei feine Stacheln, die sich konisch zuspitzen, und auf zwei halbkugeligen Erhabenheiten der Haut aufsitzen; die Erhebung des ganzen Apparates über die Körperfläche be- trägt kaum 0,01 mm. Dicht darunter ist eine feine Quer- spalte, mit einer geringen Erhabenheit umgeben, welche in ein kleines Säckehen hineinzuführen scheint, jedenfalls ein Analogon zu dem Organ, welches v. Siebold bei mehren Nematoden entdeckt und neuerdings Bilharz auch bei An- cylostomum duodenale näher beschrieben hat. Gegen das Ende des Schwanzes befindet sich die Analöffnung und etwas mehr nach vorn die Geschlechtsöffnung. Das Muskelsystem, Sowohl die Längs- als die Querfurchen repräsentiren einen Tlieil desjenigen Apparates, welchen man als Muskelsystem zu deuten pflegt. Es liegt unmittelbar unter einer feinen, durchsichtigen, leicht quergestreiften, epiteliumlosen Mem- 316 N. Lieberkühn: bran, welche das ganze Thier überzieht, und namentlich deut- lich in der Umgrenzung des Körpers zum Vorschein kommt, wenn derselbe stark gedrückt wird. Bei denjenigen Exem- plaren, bei welchen die Entfernung vom Kopf- zum Schwanz- ende kleiner ist, als der Querdurchmesser, sieht man die Haut des übrigen Körpers nicht direct in die des Halses und Schwanzes übergehen, sondern Hals und Schwanz treten aus einer Vertiefung hervor; wenn man aber einen zweckgemässen Druck auf das Thier ausübt, so bemerkt man den Uebergang sogleich; kleinere Exemplare, deren Eierschlauch noch leer war, hatten stets eine mehr längliche Gestalt und liessen leicht erkennen, wie die ältere Form zu Stande kommt; es dehnen sich nämlich die durch die vier grossen Längsmuskel- partieen gebildeten Abtheilungen mehr und mehr in die Breite aus, während der Längsdurchmesser unverrückt bleibt oder nur unverhältnissmässig langsamer zunimmt; jene Ausdehnung kann so überhand nehmen, dass es scheint, als wären vier kugelige Gebilde eng neben einander gelagert. Die einzelnen von den Muskeln herrührenden Querstreifen haben eine Breite von 0,015 mm.; sie zeigen eine leichte Streifung und nur hie und da fettähnliche Körnchen. Ihre Begrenzung ist sehr re- gelmässig ; nur selten sieht man einen feinen Zweig, der dann um ein Mehrfaches dünner ist, als der Quermuskel selbst, von dem einen zum andern verlaufen. Ihr Abstand von ein- ander beträgt in der Mitte des Körpers etwa 00,3 mm. Ehe der Quermuskel in den Längsmuskel eintritt, wird er in der Regel breiter, bisweilen noch einmal so breit, als in seiner Mitte; selten spaltet er sich in zwei Stücke, welche dann meist die Streifung auffallender zeigen. Wenn es gelingt, gerade das Schwanzstück mit einem Theil des Körpers auf einem Objeetglase auszubreiten, so dass der Schwanz in der Mitte liegt: so sieht man, wie von ihm als dem Mittelpunkte einer Anzahl concentrischer Kreise (der Quermuskeln) vier Radien, die Längsmuskeln unter nahezu rechten Winkeln auslaufen um alle jene Kreise in fast gleichen Abständen zu schneiden Die gesammte Anordnung des Muskelapparates ist am klar-. sten an solchen allerdings seltenen Exemplaren zu übersehen, Beiträge zur Anatomie der Nematoden. 317 deren Körperparemehym nicht von Blutfarbstoff durchtränkt ist; ein äbnliches Bild erhält man jedoch auch, wenn man die Thiere einige Zeit in Spiritus liegen lässt, worin sie all- mälig farblos werden. Die sogenannte Rücken- und Bauch- linie bieten keine Eigenthümlichkeit der Structurverhältnisse dar, wohl aber die beiden zu den Seiten verlaufenden Längs- muskelstreifen; sie haben bei einem Thiere mittlerer Grösse die Breite von 0,07 mm.; sie zeigen eine leichte Faserung und feine Fettkörnchen, wie die andern Muskeln; in ihrem Innern ist ein feiner Streifen von 0,006 mm. im Durchmesser sicht- bar, welcher sich so weit nach dem Schwanzende hin er- streckt, wie die Muskelmasse; er ist durchsichtig, verläuft theilweise in gerader Richtung,.theilweise vielfach gewunden; Körnehen und Faserung fand ich nicht in ihm vor; in ein- zelnen Fällen konnte ich ihn nach aufwärts bis zu einer Stelle des Schlundes verfolgen, welche sogleich näher beschrieben werden soll. Es ist mir zweifelhaft geblieben, ob der Strei- fen ein solider Strang ist, oder ob die Erscheinung nur durch eine Unterbrechung der Muskelsubstanz bedingt wird. Die Stelle, bis wohin ich den Streifen am Kopfende verfolgen konnte, ist durch ‚einen wulstigen Ring bezeichnet, wel- cher die obere Abtheilung des Schlundes fast gerade in der Mitte umfasst. Dieser Wulst hat eine Dicke von ungefähr 0,015 mm., an zwei gegenüberliegenden Stellen ist er etwas breiter; seine Substanz zeigt nichts Specifisches; Zellen waren nicht darin nachweisbar. Wie leicht ersichtlich, ist aus solchem Thatbestand nicht zu entnehmen, ob wir es mit einem Schlundganglion zu thun haben. Durch analoge Er- scheinungen bei anderen Nematoden würde sich für die be- sprochene auch keine Aufklärung gewinnen lassen, da die- selben jede genauere Untersuchung entbehren, wie bereits Meissner behauptet; für die Existenz eines Schlundganglions bei mermis albicans ist jedoch von Meissner der anatomische Beweis vollständig geführt. Ausser den vier breiten Längsmuskelgruppen finden sich noch kleine Längsmuskeln vor, welche sich an verschiedene Stellen der structurlosen Haut ansetzen, Sie zeigen vollstän- 318 N. Lieberkühn: dig dieselbe Struetur, wie die übrigen Muskeln und sind na- mentlich am Halse solcher Exemplare deutlich, welche noch keinen Farbstoff aufgenommen haben. Obwohl sie eine grosse Regelmässigkeit in ihren Ursprungs- und Ansatzpunkten bie- ten, so habe ich doch aus Mangel des erforderlichen Mate- rials auf eine genauere Untersuchung verzichten müssen. Von denjenigen Muskeln, welche in der Leibeshöhle von innern Organen zur Haut verlaufen, will ich hier nur die des obern Theils des Verdauungskanals erwähnen. Sie sind kaum halb so breit, wie die Quermuskeln der Haut und entsprin- gen von letzterer und zwar am untern Theil des Halses, wo die Erweiterung des Körpers den Anfang nimmt; manche von ihnen setzen sich aus zwei Theilen zusammen und verlaufen dann als ein Strang zu dem obern Theil des Darmes, der dadurch nach dem Halse heraufgezogen werden kann und beim Nachlass der Contraktion wieder herabsinkt. Es gelingt bisweilen, ihrer acht bis zehn zu zählen. — Bewegungen des Thieres bemerkt man in der Regel nur am Kopf- und Schwanz- theil; selten kommen Einschnürungen des mittleren Körper- stückes vor, welche dann von Auftreibungen der benachbarten Theile begleitet sind. Der Verdauungsapparat hat im Wesentlichen dieselben Eigenschaften, wie bei andern Nematoden. Er besteht aus einer Mundöffnung am vordern Ende des Thieres, einem Schlunde und einfachen Darme, welcher unweit des Schwanzendes in einen After ausmündet. Die Mundöffnung ist kreisförmig. Einzelne Abtheilungen sind in ihr nicht zu unterscheiden. Sogleich an seinem Anfange erweitert sich der cylindrische Hohlraum tonnenförmig und setzt sich deutlich gegen seine obern wie untern Grenzen ab, eine Erscheinung, welche durch eine Verdickung der Schlund- auskleidung bedingt ist; der Längsdurchmesser dieser Schlund- auskleidung beträgt 0,015 mm., ihr grösster Breitendurchmes- ser 0,01 mm. (So weit es möglich war, sind die Messungen an einem und demselben und zwar völlig entwickelten Exem- plare ausgeführt worden.) Von hier ab erscheinen die drei Beiträge zur Anatomie der Nematoden. 319 Wände des Schlundes, wie sie bei andern Nematoden be- kannt sind; der Querdurchschnitt in der Schlundhöhle würde einem Dreiecke in der Form nahe kommen. Ungefähr '/, mm. von dem vordern Ende tritt eine neue Abtheilung des Schlun- des auf, welche weiter ist als die erste und sich durch einen Ringsstreifen gegen sie absetzt, sonst aber sich in Nichts wahrnehmbar von ihr unterscheidet. Sie ist etwa 1 mm. lang, nimmt allmälig an Dicke zu und endet in drei Kolben, welche 0,04 mm. weit in den Darmkanal hineinragen. Die äussere structurlose Membran des Darmes ist anscheinend die unmit- telbare Fortsetzung der innern epiteliumlosen Membran des Schlundes, welche diesen seiner Länge nach auskleidet. Der Darm erweitert sich gleich an seinem Anfange sehr bedeu- tend, so dass er fast die Hälfte von der Dicke des Thieres erreicht. Man sieht ihn schon mit blossem Auge durch die äussere Haut als eine braune Masse durchschimmern, na- mentlich wenn man das Thier etwas drückt. Die Haut des Darmes besteht aus einer structurlosen völlig durchsichtigen Schicht, auf deren Innenfläche eine Schicht von theils kuge- ligen, theils abgeplatteten und unregelmässig geformten Zel- len auflagert. Diese Zellen enthalten nur selten einen deut- lichen Kern; ihr sonstiger Inhalt besteht aus einer zähen farblosen Substanz, in die feine fettartige Körnchen einge- streut sind, Die Zellenwandungen zerplatzen auf Zusatz von Wasser sehr leicht. . Wo der Körper in den Schwanz ausläuft, beginnt der Darm sich bedeutend zu verengern, und endigt mit einem Durchmesser von 0,04 mm. in den After. In sei- nem Endtheile war der Epitelialüberzug nicht mehr zu ver- folgen. Contractionen des Darmes konnte ich nicht mit Si- cherheit wabrnehmen; es traten zwar in dem untern Theile häufig starke Verengerungen und Erweiterungen ein, indessen gelang es mir nicht, die möglichen Einwirkungen der Kör- permuskeln bei der Beurtheilung auszuschliessen. Der Inhalt des Verdauungskanales besteht zuweilen aus einer ungeheuern Menge von Blutkörperchen des Vogels, in welchem das En- tozoon lebt; selten sieht man dieselben noch roth; gewöhn- lich sind es Bläschen mit einer durchsichtigen Hülle und einem 320 N. Lieberkühn: auffallend deutlichem Kern, welcher mannigfaltige Formen annimmt. Der Blutfarbstoff durchdringt die ganze innere Körpersubstanz und färbt sie gleichmässig blutroth; die Eier- schläuche, der Darmkanal, der Schlund waren niemals durch- tränkt. Die Geschlechtsröhre, welche doppelt vorhanden ist, umschlingt in vielfachen Win- dungen den untern Theil des Schlundes und fast den ganzen Darmkanal. Es lassen sich in ihr vier Abtheilungen unter- scheiden, wie sie v. Siebold für die Nematoden angiebt, nämlich ovarium, tuba Fallopii, uterus und vagina. Das Ova- rium kann man denjenigen Theil des Schlauches nennen, wel- cher von dem blinden Ende bis zu der grossen sphäroidischen Anschwellung verläuft. Es besteht nur aus einer einzigen durchsichtigen structurlosen Membran, an welcher sich keine Spur eines Epitelialüberzuges nachweisen lässt. Seine Länge übertrifft um ein Mehrfaches die des ganzen Thiers, sie be- trägt über einen halben Centimeter. Und dies ist nur der bei weiten kleinere Theil der ganzen Geschlechtsröhre, welche sich indessen nie herauspräpariren und zu Messungen zube- bereiten liess. Der Querdurchmesser ist am geringsten am Anfang des Ovarium und an der Stelle, wo es in die er- wähnte Blase ausmündet; er beträgt 0,01 mm. Der erste Theil des Ovarium enthält zellenähnliche Gebilde von kaum 0,008 mm. im Durchmesser, jedes umschliesst einen Nucleus von 0,002 mm. Dieselben bleiben beim Zersprengen ihres Behälters zusammenhängend, ohne dass ich hier schon eine Rhachis wahrnehmen konnte; das Wasser übt in kurzer Zeit einen störenden Einfluss darauf aus, der vorher gleich- mässig vertheilte Inhalt wird nämlich von vielen wasserhellen Blasen unterbrochen, welche bald so überhand nehmen, dass man von der ursprünglichen Anordnung nichts mehr erkennt. Ohne dass eine bestimmte Uebergangsstelle bemerkbar wäre, erscheint in der zelligen Masse die Rhachis; es ist möglich, dass sie schon im blinden Ende des Ovarium ihren Ursprung nimmt, verfolgen konnte ich sie aber nur bis etwa zum ober- Beiträge zur Anatomie der Nematoden. 321 sten Drittel. Die Eier sind hier sehr dicht zusammengedrängt, und haben die mannigfaltigsten Formen; ihr grösster Durch- messer beträgt 0,013 mm., der des Kernes 0,003 mm.; weiter unten, wo man schon einen Nucleolus erkennt, ist die Grösse des Ei’s 0,02 mm., des Kernes 0,01, des Nucleolus 0,003 mm. Oefters gelingt es, die Rhachis zu einem grossen Theile un- versehrt herauszudrücken und die Eier davon auf eine be- deutende Strecke loszutrennen. Sie ist 0,007 mm. dick und giebt an jedes Ei einen Stiel ab. Körnige fettartige Sub- stanz, wie sie nach Meissner’s Untersuchungen in der von Strongylus armatus sich findet, war hier nicht zu entdecken. Die Eier sind schon von einer deutlichen Haut umgeben, aus der man den Nucleus und die eiweissartige durchsichtige Masse herausdrücken kann. Thatsachen, aus denen sich die Ent- stehung der Rhachis und der Eier herleiten liesse, sind mir nicht bekannt geworden. Die Blase, in welche das Ovarium übergeht, besteht eben- falls nur aus einer einfachen, structurlosen Haut ohne Epi- telium. Sie misst etwa 0,2 mm. im grössten Durchmesser. Von der Rhachis sind in ihr keine Spuren mehr aufzufinden. Ihr Inhalt besteht meist aus Eiern von ovaler oder plattge- drückter Form ohne Stiel, aus eiweissartiger Substanz und aus Samenelementen, oder aus den letztern allein; es werden diese bei der Anatomie des männlichen Geschlechtsschlauches näher beschrieben werden. Der Situs der blasigen Anschwel- lungen ist in dem unversehrten Thier constant in dem obern Theile der Bauchhöhle zu beiden Seiten des obern Abschnit- tes des Darmes, und erkennt man sie leicht durch die äussere Haut hindurch. Die Blase geht in einen ungefähr 0,03 mm. dicken Schlauch über, welchen man die Tuba nennen kann. Sie weicht in ihrer Structur insofern vom Ovarium ab, als sie nicht bloss von derselben structurlosen Membran gebildet wird, sondern auf ihrer Innenfläche auch einen eigenthümlichen Zellenbelag enthält. Die Zellen liegen an vielen Stellen nur zerstreut auf und erheben sich ungleichmässig, so dass sie der Mem- bran ein hökriges Ansehen verleihen. Sie zeichnen sich durch Müller's Archiv. 1860. 21 322 N. Lieberkühn: a ihre Grösse und einen auffallend kleinen Nucleus aus, in wel- chem man öfters auch einen Nucleolus erkennt; ihr Inhalt ist durchsichtig und nicht mit wahrnehmbaren Fettkörnchen vermischt; ihr Liehtbrechungsvermögen ist äusserst schwach; die Grösse der Zelle beträgt 0,03 mm., die des Nucleus 0,01 und die des Nucleolus 0,003 mm. im Durchmesser. An ein- zelnen Stellen sind sie fast noch einmal so lang als breit und in zwei einander entgegengesetzte Spitzen ausgezogen; wo solche sich vorfanden, waren sie dichter zusammengedrängt. Im Wasser zerplatzen sie häufig und entleeren ihren Nucleus. Neben ihnen kommen in der Tuba noch kleine Kugeln von gallertiger Substanz und Eier in verschiedenen Entwieklungs- stadien vor. Ob jene Gallertkugeln und Zellen in irgend einem Zusammenhang mit der Eischaalenbildung stehen, ist mir nicht bekannt geworden. Die erste Veränderung, welche mit den Eiern vorgeht, nachdem sie mit den Samenelementen zusammengetroffen sind, besteht im Verschwinden des Stiels, durch den sie mit der Rhachis zusammenhingen. Gleichzeitig tritt auch meist die mehr ovale Form ein, welche fortan con- stant bleibt. Danach nimmt im weitern Verlauf des Eier- schlauches allmälig die äussere Schaale an Dicke zu und die Keimbläschen sind nieht mehr sichtbar. Statt dessen erschei- nen die Phänomene der Dotterfurchung: es finden sich Eier mit zwei, vier, acht und mehr Dotterabtheilungen; das Licht- brechungsvermögen des Dotters bleibt aber immer auffallend schwach. Zwischen den gefurehten Eiern bemerkt man einige, an denen das eine Ende des Embryo bereits als eine homo- gene ceylindrische vorn zugespitzte Masse zum Vorschein kommt. Zersprengt man ein solches Ei, so tritt der Embryo schon seiner ganzen Länge nach hervor, der vordere Theil bricht das Licht weit stärker, als der übrige Körper, und erkennt man daher die Form des letztern innerhalb der Ei- schaale hier noch gar nicht. Weiter unten finden sich oft nur Eier in diesem Stadium der Entwicklung. Bisweilen beob- achtete ich auch, dass bei Anwendung von Druck das Ei an seiner einen Spitze sich in der Weise öffnete, dass ein Stück der Schaale in Form eines Deckels absprang, gerade wie es Beiträge zur Anatomie der Nematoden. 323 bei Trematodeneiern zu geschehen pflegt. Manche Eier ent- behren selbst noch während der Furchung die ovale Form, sondern sind plattgedrückt und beinahe löffelförmig gebogen; andere sind auch an den Spitzen eingedrückt. Wieder an- dere haben so ganz unregelmässige Formen, dass man sie gar nicht für Eier halten würde, wenn man nicht alle Ueber- gangsformen von ihnen zu den entschiedenen Eiern sähe. Solche verkrüppelten Formen ziehen sich bisweilen neben den normalen vereinzelt durch die ganze Tuba hindurch; mitunter schwellen sie stark im Wasser auf und zeigen noch das Keim- bläschen. Es soll hiermit keineswegs behauptet werden, dass alle die unregelmässigen Körper, wie sie schon vielfach be- obachtet sind, diese Weise der Entstehung hätten. In ein- zelnen Thieren fand ich den ganzen Eierschlauch vom Beginn der Tuba ab ausschliesslich mit jenen Körperchen angefüllt, in andern fehlten sie gänzlich. Schliesslich sei hier noch eine andere eigenthümliche Eiform erwähnt, welche ich zu wieder- holten Malen bei einigen von Fulica atra entnommenen Thie- ren entdeckte. Es sind Eier, die an ihren Enden Büschel tragen, wie sie Kölliker als regelmässige Bildung bei As- caris dentata beschreibt; diese Büschel bestanden aus vielen feinen Fasern, welche etwa die halbe Länge des Eies be- sassen; sie sind also um vieles kürzer, als die bei den Eiern von Ascaris dentata vorkommenden; in dem vorliegenden Falle waren die Embryonen schon vollständig ausgebildet. Köl- liker hält jene Bildungen so wie die von v. Siebold bei Eiern von Taenia variabilis und von Dujardin bei Mermis nigrescens beobachteten für Analoga der Hagelschnüre der Vogeleier. In dem Endstück des Eierschlauches tritt nun eine Ver- änderung in dem Belage der Zellen ein; diese drängen sich nämlich mehr und mehr zusammen und werden meist fünf- oder sechseckig. Sie sind im Allgemeinen kleiner uud haben verhältnissmässig grössere Kerne; manche schliessen zwei, einige drei Kerne nebst Kernkörperchen ein. Hier fand ich zuweilen völlig entwickelte Eier mit bewegungsfähigen Em- bryonen. Eine scharf charakterisirte Uebergangsstelle von 21" 324 N. Lieberkühn: der Tuba zum Uterus konnte ich nicht entdecken. Nach kur- zem Verlauf des Uteri vereinigen sich jetzt die beiden Ge- schlechtsröhren des Thieres zu einer einzigen, welche den- selben Zellenbelag beibehält. - Ich schliesse hier noch eine kurze Beschreibung des Em- bryo an. Das Auskriechen aus dem Ei geschah in der Weise, dass an der einen Spitze desselben ein Deckel aufsprang; durch die entstandene Oeffnung verliess das Thier die Ei- schaale. Es ist etwas über drei Mal so lang, als der Längs- durchmesser des Eies, von drehrunder Gestalt, etwa funfzehn Mal so lang, als breit, nämlich 0,15 mm. lang und 0,01 mm. dick. Nach vorn läuft der Körper plötzlich in eine Spitze aus, welche zurückgezogen und wieder vorgeschoben werden kann. Das vordere Zehntheil des jungen Thieres zeigt eine Anzahl Querstreifen, welche dasselbe rings umgeben. Nach hinten verjüngt sich der Körper allmälig und läuft in vier kleine Spitzen aus. Im Innern des Thiers konnte ich keine bestimmte: Organisation entdecken; nur feine Fettkörnchen lagen durch die das Licht schwach brechende Substanz zer- streut. Frei habe ich solche Jugendformen niemals in dem’ Proventriculus der angeführten Vögel gefunden. Sie stimmen in ihrer Gestalt weder mit den Weibchen noch mit den nach- her zu beschreibenden Männchen überein. Die kleinsten der frei gefundenen Weibchen hatten schon Mund, Schlund, Darm und Geschlechtsröhre, wie die ausgebildetsten; nur waren sie von weit mehr länglicher Gestalt; ihre Länge betrug bereits gegen 2 mm. und ihre Dicke '/; mm. Uterus und Tuba ent- hielten noch keine Eier. Die Längs- und Quermuskeln waren schon deutlich vorhanden. Man braucht sich nur vorzustellen, dass die Leibeshöhle sich mit ihren Massen von Eiern füllt, während der Längsdurchmesser des Thiers unverändert bleibt, so giebt diess die Gestalt des ausgebildeten Weibchens. Das Receptaculum seminis. Ehe die Geschlechtsröhre in die Vulva ausmündet, ver- bindet sich mit ihr noch der Ausführungsgang eines Organes, welches sich bis jetzt bei keinem Entozoon erwähnt findet, Beiträge zur Anatomie der Nematoden. 395 allgemein aber in der Klasse der Insekten und Arachniden vorkommt. Es besteht aus einer Blase mit durchsichtigen contractilen Wandungen ohne erkennbare Structur. Die Form der Blase ist kugelig oder birnförmig, und wechselt in der Grösse ihrer Durchmesser je nach dem Grade des Contrac- tionszustandes; bei grössern Exemplaren ist sie schon mit blossem Auge durch die Haut des Thieres hindurch zu sehen, indem ihr grösster Durchmesser nahezu '/, mm. erreicht. Sie reicht mit ihrer Basis bis zu der Stelle hinauf, wo die beiden Geschlechtsröhren sich zu einer einzigen vereinigen, und bleibt in ihrem Verlauf in unmittelbarer Nähe der letztern. Ihr Ausführungsgang hat dieselben Eigenschaften, wie sie selbst und ist auch ceontractil. Sobald er jedoch mit der Geschlechts- röhre zusammengeflossen ist, treten Cirkelstreifen in der Aussenwand und Längsstreifen in der Innenwand auf, welche entweder der Ausdruck von Faltungen der Haut sind oder wirkliche Fasern repräsentiren; es gelang mir nicht, durch Präparation die Existenz von letztern nachzuweisen. Dieser Canal mündet nun nach äusserst kurzem Verlauf in die Vulva aus. Die Vulva erhebt sich über die Körperoberfläche in ähn- licher Weise wie bei andern Nematoden und lassen sich häu- fig sechs seichte Einschnürungen an ihrer Aufwulstung unter- scheiden, welche wie Radien von dem Mittelpunkt auslaufen, sonst aber weiter keine eigenthümlichen Structurverhältnisse zeigen. Wenn man sich von der Schwanzspitze des Thieres eine Linie durch die Ausmündungsstelle des Darmes gerade nach dem Kopfe hin gezogen denkt, so fällt die Vulva in diese Linie. Die Entfernung der Vulva von der Schwanz- spitze betrug bei einem grössern Exemplare '/, mm., die vom After '/, mm., die des Afters von der Schwanzspitze somit gleichfalls '/ mm. Der Inhalt des Receptaculum seminis ist der Form nach derselbe, wie der der verschiedenen Theile des männlichen Geschlechtsschlauches, und fand ich ihn schon bei sehr klei- nen Exemplaren vor, deren Tubae und Uteri noch keine Spur von Eiern enthielten. Streng genommen lässt sich nur behaupten, dass in dem 326 N. Lieberkühn: Receptaculum alle jene Formationen sich finden, welche in dem Saamenschlauch des Männchens vorkommen; ihre Iden- tität folgt daraus noch nicht mit Nothwendigkeit; das Cha- rakteristische der Saamenbestandtheile unseres Thieres ist äusserst unbedeutend, die so weit verbreitete Bewegungs- fähigkeit der Spermatozoiden fehlt gänzlich bei den bis jetzt bekannten Nematoden und dadurch geht ein wesentliches Kri- terium verloren. Nur mit diesem Vorbehalt ist der Ausdruck Receptaculum seminis gebraucht worden. Es liegen mir keine Beobachtungen darüber vor, wie der Saamen aus dem Re- ceptaculum in die Geschleehtsröhre gelangt, um die Eier zu befruchten; der Inhalt des Receptaculum muss aber bei hin- reichender Contraetion der Wandungen und gleichzeitigen Ge- schlossenbleiben der Vulva nothwendig in den Uterus hinein- fliessen. Stein sagt über das Receptaculum der Insecten (S. 110): „der eigentliche Befruchtungsact besteht darin, dass die Spermatozoen, wenn eine Generation reifer Bier den Eier- gang passirt, die Saamenkapsel verlassen und durch den Saamengang oder durch den Befruchtungskanal, falls ein sol- cher vorhanden ist, nach abwärts gelangen, um sich auf die vor der Mündung dieser Canäle vorbeistreichende Eier zu er- giessen und sie durch ihre unmittelbare Berührung zu be- fruchten.* Bei unserm Thier finden sich aber die Saamen- elemente schon in den obersten 'Theilen des Eierschlauches. Iım Monat September fand ich zu mehrern Malen im Schleime des Proventieulus von Anas boschas domestica einige männliche, bestachelte, bis 6 mm. lange und '% mm. breite Nematoden von drehrunder Gestalt, während in den Drüsen eine grosse Anzahl der eben besprochenen Weibchen steck- ten. Es mochten ım Ganzen etwa zwanzig Männchen gewe- sen sein. Ich lasse hier zunächst ihre Beschreibung folgen. Die Haut zeigt bei Anwendung starker Vergrösserungen eine feine re- gelmässige Querstreifung, sonst ist sie structurlos, durchsich- Beiträge zur Anatomie der Nematoden, 3927 tig, farblos. Auf ihrer Oberfläche ist sie mit Stacheln besetzt, welche sich in vier Reihen vom Kopfende bis zum Schwanz- ende hinziehen und um so enger stehen, je mehr sie sich diesen Punkten nähern. Sie neigen mit den Spitzen nach dem Schwanzende hin und sind weit mehr vereinzelt, als es bei andern bestachelten Nematoden zu sein pflegt z. B. bei den von Diesing beschriebenen Arten von Cheiracanthus, wo sowohl Männchen wie Weibehen Stacheln tragen. Ihre Gestalt ist beinahe kegelförmig, nur sind sie etwas plattge- drückt; die Basis ist sehr geneigt gegen eine nach ihrem Mittelpunkte von der Spitze aus gedachte gerade Linie. Die Grössenverhältnisse der Stacheln, ihre Entfernung von ein- ander an den verschiedenen Körpertheilen, ihre Neigung: dies Alles ist genau aus der Abbildung zu entnehmen, welche mit Hülfe der Camera clara entworfen ist. Das Schwanz- ende läuft in eine feine Spitze aus, welche auf das abge- stumpfte Körperende aufgesetzt ist. Ein besonderer Apparat findet sich noch an dem Kopt- ende, es sind eine Art gespaltener Stacheln, welche mittels eines feinen Bandes, das innerhalb der Haut verläuft, an zwei einander gegenüberliegenden Punkten der Mundöffnung an- geheftet sind; das Band ist etwa 0,05 mm. lang und trägt an seinem untern Ende den gespaltenen Stachel. Man sieht diese Vorrichtung dann besonders deutlich, wenn das Thier auf dem Objeetglase zerquetscht wird. Ausserdem finden sich unmit- telbar über jenem Schlundringe, welcher gerade so liegt, wie beim Weibchen, die oben näher beschriebenen zwei Erhaben- heiten mit ihren Spitzen. Bei einem Exemplare von 6 mm. Länge betrug die Entfernung des Schlundringes vom Kopf- ende 0,19 mm., die Entfernung der beiden Spitzen 0,16 mm. Die Muskeln verlaufen unmittelbar unter der Haut, indem sie von ihr ent- springen und sich an ihr festsetzen. Ich fand nur Längs- muskeln, Sie sind sehr schmal und schwach längsgestreilt, In ihrem Innern zeigen sie kaum messbare fettartige Körn- 328 N. Lieberkühn: chen. Die sogenannten Seiten-, Bauch- und‘ Rückenlinien habe ich nicht mit Sicherheit auffnden können. Der Verdauungsapparat besteht aus denselben Theilen, welche beim Weibchen be- schrieben worden sind. Die Mundöffnung ist nahezu kreis- förmig; die structurlose Haut ist in ihrer Umgebung etwas verdickt. Die tonnenförmige Verdiekung der innern Wand ist hier 0,02 mm. lang und etwa ebenso gross im Querdurch- messer; durch Contractionsverhältnisse können in der näch- sten Fortsetzung der tonnenförmigen Auskleidung kleine Ab- weichungen von der gewöhnlichen Form entstehen, welche daran zweifeln lassen, ob die Anordnung des Apparates völ- lig identisch mit der beim Weibchen ist. Der Schlund nimmt bis ungefähr bis zum Ende des ersten Drittheils des Gebil- des nur sehr allmälig etwas an Dicke zu, hier wird aber der Querdurchmesser erheblich grösser und wächst dann wieder nur wenig bis zum Beginn des Darmes; an dieser Stelle, etwa 1,2 mm. bei einem grössern Exemplare vom Kopfende entfernt, verdünnen sich die drei Schlundstücke wieder und ragen mit ihren stumpfen Enden eine kurze Strecke in den Darmkanal hinein. Man kann sich das Verhältniss der struc- turlosen Haut des Schlundes zu der des Darmes so vorstel- len, dass erstere über die in den Darm hineinragenden Wulste umbiegt, etwas zurückläuft und nun wieder umkehrt, um als Fundamentalmembran des Darms einen braunen Zellenbeleg an- zunehmen; letztere sieht man klar, wenn man den Darm aus dem Körper herausdrückt; die kleinen mit feinkörnigen Inhalt versehenen Zellen bemerkt man oft nur schwierig, im Was- ser zerplatzen sie leicht. Der charakteristische Darminhalt des Weibchens, die Blutkörperchen des Wirthes in ihren zer- fallenden Zuständen fand ich bei keinem Männchen vor, ebenso enthielt auch das Körperparenchym niemals Blutfarbstoff. Das Darmrohr verläuft nun sich zuletzt allmälig verdünnend bis etwa 0,22 mm. vor der Schwanzspitze, wo es in den After ausmündet; es ist oft schwierig, dies letzte Stück bis ans Ende zu verfolgen; bisweilen gelingt es jedoch, namentlich Beiträge zur Anatomie der Nematoden. 329 wenn es mit körnigem Inhalt versehen ist und solcher den Canal entlang gleitet. Der After ist etwas über der übrigen Körperoberfläche erhaben und quergespalten. Es ist aber nicht bloss die Ausmündungsstelle des Darmes, sondern auch des Saamengefässes. Das Saamengefäss. ist nur einfach vorhanden. Der Hoden beginnt mit seinem blinden Ende in der Mitte des Thieres, läuft nahe bis an die Grenze zwischen Schlund und Darm hinauf, wendet dann wieder um, indem er immer mehr an Dicke zunimmt und verläuft nun in gerader Richtung neben dem Darm entlang, den er an Dicke mehr als zwei Mal übertrifft. Ungefähr im letzten Drittel des Körpers verengt er sich plötzlich und geht in das von v. Siebold bei andern Nematoden beschriebene Vas deferens über. Dies ist sehr kurz und ein Drittel so dick, wie der Hoden an dieser Stelle. Die daraus hervor- gehende Saamenblase nimmt sogleich wieder denselben Durch- messer an, welcher der Hoden zuletzt gehabt hatte; bald nach ihrem Ursprunge verliert sie aber stetig an Dicke und mündet schliesslich mit einem in seiner Scheide gelegenen Spieulum zu jeder Seite in den After neben dem Darm aus. Nicht bei aller Exemplaren ist dies Verhältniss sogleich sicht- bar; es fällt aber sofort in die Augen, wenn das Saamenge- fäss gerade bis ans Ende Saamenelemente enthält, die dann hin und wieder durch den After entleert werden; unter gün- stigen Umständen lassen sich aber auch die Wandungen selbst bis an die Ausmündungsstelle verfolgen; der Durchmesser beträgt hier 0,01 mm. Epiteliumbeleg und speeiellere organi- sirte Bestandtheile konnte ich an der sehr contractilen Saa- menblase nicht entdecken, ebenso wenig eine charakterisirte Uebergangsstelle zu dem Ductus ejaculatorius, mit welchem Namen man nach v. Siebold’s Vorgang das Ende des Saa- menschlauches bezeichnen kann. Der Hoden ist bis nahe zum Vas deferens meist mit einer das Licht schwach brechenden zelligen Masse erfüllt; hier bricht der Inhalt gewöhnlich das Licht stärker, und in der 330 N. Lieberkühn: Saamenblase in der Regel am stärksten. Er besteht aus Bläs- chen von 0,006 mm. Durchmesser, dem das Licht schwach bre- chenden Theil, und aus fettartigen Körnchen, welche ein star- kes Brechungsvermögen besitzen. Die Bläschen enthalten gröss- tentheils ein kaum messbares kernartiges Gebilde und viele äusserst feine Körnchen; manche entbehren die feinen Körn- chen. Die fettartigen Kügelchen, welche frei im untern Theile des Saamengefässes vorkommen, vereinigen sich öfters zu Haufen von der Grösse der Bläschen-Körperchen, welche sich entschieden als Spermatozoiden durch Analogie mit andern charakterisirt hätten, fand ich nicht. Es ist möglich, dass die zellartigen Gebilde die Functionen der Spermatozoiden ver- treten. Die eben beschriebenen Elemente des Saamenschlau- ches kamen nun beim Weibehen sowohl im Receptaculum seminis als auch im Eierschlauch bis zum Ovarium hinauf vor. Die Spieula. Zu beiden Seiten des Afters, ein wenig mehr nach dem Kopfende zu, bemerkt man noch zwei Oeffnungen, welche die Ausmündungsstellen der Spieula bezeichnen, Sie fallen sogleich auf, wenn die Spicula hervorgeschoben werden. Die zur Beobachtung gekommenen Exemplare hatten sämmtlich zwei ungleich lange Spieula. Das längere hat folgende Ge- stalt: am Anfang, wo sich die beiden Aufhängemuskeln an- setzen, ist es eine allseitig geschlossene Röhre bis zum Ende des ersten Drittheils des ganzen Spieulum, hier verliert sich ein Stück aus der obern Decke und es entsteht ein kurzer Halbcanal, welcher sich noch einmal auf eine kleine Strecke wieder überwölbt, um sich sogleich wieder zu öffnen und bis ans Ende offen zu bleiben; dieser ein wenig gebogene Halb- canal ist länger als das übrige Stück, Die Substanz der Spi- eula ist fein quergestreift; an ihre vordere Spitze setzt sich noch eine kleine durchsichtige ungestreifte Verlängerung an. Das kürzere Spieulum ist anscheinend der ganzen Länge nach ein offener Halbeanal; es ist noch nicht halb so lang wie das grössere, dieses misst 0,32 mm., jenes 0,15 mm, Beide Spieula sind von einer contractilen Scheide eingeschlossen, Beiträge zur Anatomie der Nematoden. 331 die beim Herausschieben derselben sich faltig zusammenlegt und beim Zurückweichen sich wieder ausdehnt. Die beiden Aufhängebänder der Spicula entspringen von der innern Bauch- wand und sind ungefähr halb so lang wie das grössere Spi- eulum. Scheiden und Aufhängebänder waren namentlich an einem Präparate sehr deutlich zu sehen, wo sie noch mit den isolirten Spieulis zusammenhingen. Die Scheide lief nicht bis zur Spitze des Spiculum und war am entgegengesetzten Ende, wo sich die Aufhängebänder ansetzen, geschlossen. Das Saamengefäss steht an keiner Stelle mit ihr im Zusammen- hang. Wenn die Scheidewandungen gerunzelt und faltig ans- sehen, so war jedesmal das Spieulum aus seiner Oefinung hervorgestreckt, und wenn ein Spieulum hervorgestreckt war, so war die Scheide gefaltet; besondere Muskeln vermochte ich an letzterer nicht zu entdecken. Danach würde sich nichts gegen die Auflassung einwenden lassen, welche v. Siebold über den Mechanismus der besprochenen Theile aufgestellt hat, dass nämlich die Scheide an den beiden schmalen Mus- keln ihre Antagonisten hat. Dass der Saamenschlauch auch bei einzelnen andern Ne- matoden zugleich mit dem Darm in den After ausmündet, ist unzweifelhaft. Retzius giebt in seiner Beschreibung von Ascaris anura an, dass die Geschlechtstheile des Männchens aus einer einfachen Saamenröhre beständen, welche sich, wie ihm schien, gemeinschaftlich mit dem Darm öffnete. Indem ich ein Männchen von Ascaris suilla mit einer feinen Scheere bis zur Schwanzspitze öffnete, konnte ich sowohl Darm als Saamengefäss bis zur Afteröffnung bloss legen, wo beide selbstständig austraten und zwar das Saamengefäss unterhalb des Darmes. Von einem grossen Exemplare von Ascaris megalocephala gelang es mir, durch Eröffnung des Thieres von der dem After gegenüberliegenden Seite her ein Präparat herzustellen, welches Folgendes zeigte: an der Bauch- seite verlief das Endstück des Saamenschlauchs und endete in dem Afterschlitz; darüber, also auf der Rückenseite des Thieres lag das Ende des Darms und trat an dem Saamen- gefäss anliegend nächst hinter ihm zum After heraus; hinter 332 N. Lieberkühn: dem Darm folgten die zwei Scheiden der Spieula, welche beide neben einander gleichfalls selbstständig in dem After ausmündeten; die Ansatzstellen der Scheiden waren die Haut des Thieres an dem hintersten Theil der Analöffnung und das Ende der beiden Aufhängebänderpaare. Der Aufhänge- bänder waren, wie gewöhnlich, vier, zwei für jedes Spiculum; je zwei verliefen vom Anfang ab zusammenklebend neben dem Darm entlang nach oben bis zu einer Stelle, der innern Hautfläche, welche etwa um die vierfache Länge eines Spi- eulum von der Schwanzspitze entfernt lag; daselbst zerspal- teten sich sämmtliche vier Bänder in dünnere Streifen und verloren sich in der Hautmuskelmasse. Die Spieula selbst sahen mit ihrem vordern Theile zum After hinaus. Nach Mehlis’, Creplin’s, v. Siebold’s Beobachtungen ist es bei andern Nematoden, nämlich bei Trichocephalus dispar, Tri- chocephalus unguiculatus ganz anders; hier verbindet sich der Mastdarm zunächst mit einem aus der untersten Saamen- blase hervortretenden Canale, welcher weiterhin wieder in die Muskelscheide des Penis einmündet, und diese letztere setzt sich allein bis zum hintern Leibesende fort, wo sie mit gemeinschaftlicher Oeffnung für Darm und Geschlechtsorgan endigt. Es fragt sich nun, ob das bestachelte Männchen wirklich zu dem unbestachelten Weibchen gehört. Man könnte daran denken, ob es nicht vielleicht besser zu einem von Dujar- din beschriebenen, gleichfalls in dem Proventrieulus der En- ten vorkommenden Weibchen passt. Aus Dujardin’s Be- schreibung (histoire naturelle des helminthes S. 290) lässt sich jedoch dies nicht schliessen; er nennt das betreffende Thier Hystrichis; es ist nur vorn mit Stacheln besetzt und hat einen zurückziehbaren Mund; die Beschaffenheit etwa in dem Eier- schlauch vorkommender Saamenelemente ist nicht angegeben. Abgesehen davon, dass Hystrichis in den von mir untersuch- ten Vögeln niemals vorkam, bietet das oben geschilderte Weibchen auffallende Eigenthümlichkeiten dar, welche mit de- nen des Männchens zusammentreffen: die Verhältnisse des Schlundes, die beiden mit Spitzen versehenen Apparate an Beiträge zur Anatomie der Nematoden. 333 derselben Stelle des Halses, die Lage des Schlundrings; hier- zu kommt, dass im Geschlechtsapparat des Weibchens sich dieselben Samenelemente vorfinden, wie in dem des Männ- chens. Der Beweis, dass sie zusammengehören, würde jedoch erst vollständig durch die Beobachtung des Copulationsactes geführt sein. Ich kann nicht bestimmen, ob die bei Fulica vorkommen- den von denen bei Anas verschieden sind; die Weibchen zeig- ten sich bis jetzt identisch; da mir jedoch die Männchen nur bei Anas bekannt geworden sind, so bleibt noch die Möglich- keit übrig, dass sich bei spätern Untersuchungen ein Unter- schied der Männchen herausstellt, und wir es bei diesen ver- schiedenen Vögeln doch mit verschiedenen Species zu thun hätten. Wenn man die beschriebenen Nematoden unter eine der bekannten Gattungen unterordnen sollte, so würde zunächst an die von Diesing (Medicinische Jahrbücher des K. K. öster- reichischen Staates. Neueste Folge. VII. Band. S. 94.) unter dem Namen Tropisurus (später Tropidocerca genannt) aufge- stellte zu denken sein. Dieser Forscher fand Weibchen und Männchen im Fleisch des Magens von Cathartes Urubu. Die Angaben über die äussere Form des Weibchens und über die Eier sind mit den unsrigen beinahe in Uebereinstimmung; abweichend ist jedoch die Beschreibung des Eierschlauches: „um den verhältnissmässig sehr dicken Magen schliesst sich der äusserst feine, weisse, fadenförmige Eiergang, der sich endlich in die ihrem Durchmesser nach doppelt diekere Ge- bärmutter endigt, die in unzähligen Windungen, die ganze innere Höhle des kugelförmigen Körpers strotzend erfüllend, und den Magen dicht einhüllend, endlich an dem Halse des Thieres, dort wo das Kopfende mit dem Körper in Verbin- dung tritt, in einen einfachen Schlauch als weibliche Scheide ausmündet“. In unserm Entozoon ist aber der Eierschlauch nicht einfach, sondern doppelt, und die Geschlechtsöffnung liegt nicht am Halse, sondern am Schwanz; am Halse liegt vielmehr eine kleine Oeffnung, die zu einem in seinen Func- tionen unbekannten Organ führt. . 334 N. Lieberkühn: Noch weit mehr weicht die Beschreibung des Männchens ab. „Die männlichen Geschlechtstheile anlangend, so liegen diese an der nach innen gekrümmten Seite des Wurms, dem Magen gleichlaufend, und beginnen mit einem an der obern kolbenförmigen Erweiterung des Magens liegenden Knöpf- chen (den Hoden), das in eine an beiden Enden wenig ver- engerte, in der Mitte aber erweiterte Samenblase mündet, welche dann in die einfache fadenförmige, von einer zarten Scheide umgebene Ruthe verläuft, die oberhalb der wulstigen Erhöhung vor dem After zum Leibe heraustritt“. In unserm Thier beginnt die Geschlechtsröhre nicht mit einem Kolben und nicht am obern Theile des Magens, sondern weiter un- ten am Darm nnd biegt nach oben um; ferner geht sie nicht in die Scheide der Ruthe über, sondern mündet selbstständig mit dem Darm aus, und endlich ist der Penis nicht einfach sondern doppelt vorhanden. Hiernach ist klar, dass die in Rede stehenden Nematoden, nur dann unter Diesing’s Gattung Tropidocerca gestellt werden können, wenn man die angegebenen Abweichungen als Beobachtungsfehler annimmt. Anders ist es aber mit dem von Mehlis und Creplin beobachteten, Spiroptera, inflata M. oder Tetrameres haemo- chrous Cr., genannten Thier, welches Diesing für identisch mit Tropidocerca paradoza, Creplin aber für eine davon verschiedene Species erklärt, wie ich aus einer brieflichen Mittheilung Creplin’s an G@. R. Wagener entnehme; Creplin erwähnt darin auch eines Manuscriptes von Meh- lis, welcher den Tetrameres haemochrous (Spiroptera inflata) danach in den Drüsen des Vormagens von Ciconia nigra, Charadius pluvialis, Anas mollissima, Mergus Serrator et Al- bellus gefunden hat. Mehlis giebt nicht an, ob die weibliche Geschlechtsöffnung vorn am Halse oder am Schwanze liegt, ob der Eierstock einfach oder doppelt ist, ob sich eine Schlund- auskleidung vorfindet; dagegen behauptet er, am Munde un- deutlich kleine Papillen wahrgenommen zu haben; bei dem Männchen erwähnt er die Stacheln nicht, wohl aber schien Beiträge zur Anatomie der Nematoden. 335 ihm das Schwanzende von schmalen Flügeln eingefasst und ein doppelter Penis vorhanden zu sein. Bei unserm Thier kommen aber weder Papillen am Mund noch Flügel am Schwanz vor. Hier sind sonach die Abweichungen der Beobachtung un- bedeutender, selbst wenn man die Identität der von Mehlis und mir gefundenen Species annehmen will. Freilich ist die nur im Manuscript vorhandene Beschreibung von Mehlis sehr kurz, und der Beweis der Identität nicht hinreichend zu führen. Dass aber wirklich eine Species existirt, welche von der bei Anas domestica vorkommenden verschieden ist, steht fest. Ich fand dieselbe in den Pepsindrüsen des Vormagens von Corvus Cornix im Monat November, und zwar in drei weib- lichen Exemplaren; das grösste war 3 mm. lang und ebenso breit. Die Körperform dieser Species ist dieselbe, wie bei Anas, nämlich ein plattgedrücktes Sphäroid, an dessen kürzeren Durchmesser an entgegengesetzten Enden Kopf und Schwanz hervortreten. Der Schlund hat dieselben Verhältnisse zum Darm, besitzt an derselben Stelle den wulstigen Ring; der Darm isı eben so weit; die Anal- und weibliche Geschlechts- öffnung liegen an derselben Stelle; die Eierröhre ist ebenfalls doppelt vorhanden und gehen beide etwa in derselben Ent- fernung von der Geschlechtsöffnung in eine einzige Röhre über, deren Epithelium gleichfalls keine Verschiedenheit zeigt. Die bis jetzt von mir beobachteten Abweichungen sind folgende: 1) Die tonnenförmige Schlundauskleidung ist über noch einmal so lang als breit, während sie bei der andern Species nahezu eben so lang wie breit war; ausserdem sind ihre Wandungen verhältnissmässig weit dicker; 2) die enge Mundöffnung, welche in die tonnenförmige Erweiterung übergeht, ist in ihrem Umkreise mit drei wul- stigen Erhabenheiten umkleidet, von denen jede nach unten in zwei Spitzen ausläuft. Hiervon findet sich bei der anderr Species keine Spur; 336 N. Lieberkühn: 3) der Schwanz läuft in eine einzige Spitze aus; während derselbe bei der andern in zwei Spitzen endigt; 4) die Eier sind auffallend mehr zugespitzt, als bei der bei Anas beobachteten Form, und weichen hierin auch von den Eiern bei Tropidocerca paradora ab, wie sie Diesing abbildet. Das Junge hat einen Haken am Kopfende, wie er bisweilen bei andern Nematoden, aber nicht bei der bei Anas gefundenen Species vorkommt. Figurenerklärung. Fig. 1. Das Weibchen aus Fulica atra. 25 Mal vergrössert. An dem oben hervortretenden Kopfende sieht man den Schlund und Schlundring durchscheinen. Das untere spitzer zulaufende Schwanz- ende zeigt die Analöffuung. Fig. 2. Der Halstheil des Weibchens. 400 Mal vergröss. Man sieht den Schlund mit seinem Canal, die tonnenförmige Auskleidung, den Schlundring; zu beiden Seiten des Halses die beiden Erhabenhei- ten mit den Stacheln. Fig. 3. Letztere Vorrichtung isolirt. 450 Mal vergrössert. Fig. 4. Der Schwanztheil eines Weibchens. Das Receptaculum seminis mit dem vereinten Eierschlauch in die Vulva ausmündend. Darunter Mastdarm und Analöffnung. 160 Mal vergr. Fig. 5. Das Junge, den Kopftheil einziehend. 500 Mal vergr. Fig. 6. Jugendzustand des Weibchens (25 Mal vergr.); das stum- pfere Ende ist der Kopftheil.e Der Darm ist im Verhältniss zum Schlunde noch sehr dünn. Die vier Längsmuskelapparate, wie die Quermuskeln sind in der Andeutung vorhanden. Fig. 7. Samenelemente aus dem Receptaculum seminis. 590 Mal vergrössert. Fig. 8. Das Männchen aus Anas domestica. 110 Mal vergr. Fig. 9. Das Schwanzstück des Männchens. Von den drei Oeff- nungen gehören die beiden äussern den Spicula, die mittlere dem Darm- und Samenschlauchende zu. Der mit Körnchen gefüllte Canal ist der Samenschlauch. Ihm zur Seite liegt das kleinere Spieulum vollständig und das grössere noch nicht zur Hälfte abgebildet. Vergr. 330 Mal. Fig. 10. Stacheln vom Männchen in verschiedenen Lagen abge- bildet. 500 Mal vergrössert. Fig. 11. Die beiden Spicula. 310 Mal vergrössert. C. Bergmann: Anthropotomische und zootomische Notizen. 337 Anthropotomische und zootomische Notizen. Von ©. BERGMANN. 1) Seltene Schilddrüsenmuskeln. Zufällig kamen mir kurz nacheinander zwei Kehlköpfe vor, welche ganz ungewöhnliche Verhältnisse der Muskulatur der Schilddrüse darboten, wie sie meines Wissens seit Haller nicht erwähnt worden, zum Theil auch von Haller nicht selbst gesehen worden sind. So gering das physiologische Interesse soleher Muskelbündelehen ist, so mochte ich doch diese Notiz wohl um so eher mittheilen, als ein genauer neue- rer Myotom selbst den so häufigen levator oder azygos gland. thyr. in Zweifel zieht. Dieser letztere Muskel ist schon lange bekannt und ist von manchen Anatomen für ganz re- gelmässig erklärt. Es musste derselbe, wie die sonst etwa vorkommenden Muskelchen zur Schilddrüse, in früherer Zeit ein bestimmteres Interesse haben, da man lange hoffte, einen Ausführungsgang der Schilddrüse nachzuweisen und einem solchen Muskel, wie auch den sternothyreoidei u. s. w. eine Wirkung auf die Entleerung der Drüse zutraute, Ist nun aber der Muskel auch. nicht regelmässig vorhan- den, so ist er doch auch nicht selten und Herr Theile muss ihn nur durch irgend seltsame Umstände nicht gesehen haben, dass er die Vermuthung aufgestellt hat, man habe eine Ver- längerung der Drüse, einen Zipfel, welcher von derselben öfters nach aufwärts geht, für einen Muskel gehalten. Ich gebe zu, dass man zuweilen versucht sein kann, diesen wohl- bekannten Zipfel mikroskopisch zu untersuchen, ob er keine Müllers Arohlv, 1855, 22 338 C. Bergmann: Muskelfasern enthalte; hat man aber den Muskel selbst vor Augen, so wird man das Bedürfniss einer mikroskopischen Untersuchung gar nicht haben. Man kanu deshalb nicht um- hin, anzunehmen, dass der Muskel Herrn Theile wirklich nicht vorgekommen ist und möchte geneigt sein anzunehmen, dass sich in dieser Hinsicht Verschiedenheiten verschiedener Gegenden finden, wie sie z. B. nach Huschke’s, Rosen- müller’s, Giesker’s Beobachtungen in dem Vorkommen von Nebenmilzen zwischen Nord- und Süddeutschland Statt haben. (S. Huschke im neuen Sömmering.) Uebrigens stimmen die Anatomen in der Beschreibung des Muskels nicht völlig überein. Die meisten mir bekannten finden ihn (wie auch ich) unsymmetrisch und so bildet ihn auch Langenbeck (Myol. tab. VI. fig. 14.) nach einem mir bekannten Präparate ab. Dagegen findet sich in dem schö- nen Werke von Bourgery und Jacob (tom. II. tab. 90. fig. 4.5.) der Muskel als median in seiner obern Anheftung, nach unten in zwei Seitentheile auseinandergehend. Der Text bezeichnet den Muskel als hyothyroidien de Duverney und giebt den medianen Ursprung vom Zungenbeine als Regel. Das erste der beiden Präparate bietet nun A. diesen levator auf beiden Seiten, jedoch ungleich stark entwickelt. Auf der rechten Seite entspringt der Muskel 8 mm. breit, auf der linken nur 2 mm. breit vom Zungenbeine. Die Ursprünge sind theils am äussern Ende der Basis, theils auch an den grossen Hörnen. Unbegreiflich ist es auch, dass diese Muskeln sich nicht auf der Vorderseite, sondern auf der Rückseite der Drüse ausbreiten. B. Aus jedem muse. ericothyr. löst sich an seinem-innern Rande ein zur Drüse verlaufendes Bündel ab; das linke ist gegen 8 mm. breit, steigt nach vorn und innen abwärts gegen den Ausschnitt der Drüse und erreicht mit seinem Innen- rande die Mittellinie; das rechte Muskelchen ist nur 4 mm. breit und theilt sich alsbald in einen schräg absteigenden Schenkel, welcher mit dem Muskel der andern Seite in der Mittellinie zusammentrifft und einen mehr grade herablaufen- den, welcher sich hinter der Drüse verliert. Die Mehrzahl Anthropotomische und zootomische Notizen. 339 der Fasern scheint am obern Rande des schmalen Mittelthei- les der Drüse sich zu endigen. C. An den äussern Rand des linken leyator tritt ein zar- tes Bündelchen aus dem muse. ericopharyng. herab und läuft, mit dem levator an seinem untersten Ende sich verbindend, zur gland. thyr. Vergleicht man hiermit Haller (Elementa, Tom.III.Lib. IX. $XXIII.), so ergiebt sich, dass er ein doppeltes Vorkommen des gewöhnlichen levator gekannt, auch, jedoch nur auf einer Seite, den Muskel B. gesehen, während ihm der Muskel C. nur aus der Erwähnung von L’Alouette bekannt war. Letzterer mag übrigens wohl einmal unbemerkt bleiben bei einer Un- tersuchung. Ich gestehe wenigstens, dass ich das Präparat selbst gearbeitet und oft vor Augen gehabt, ehe ich auf die- ses eigenthümliche Bündelchen aufmerksam wurde. An dem zweiten Präparate findet sich ein Muskel, welcher vom Unterrande der lamina dextra cartil. thyr., in einer Breite von 10 mm., etwas mehr nach vorn als hinten, ausgeht. Die Bündel des ganzen glatten Muskelchens steigen parallel gerade hinunter an die Hinterfläche der Drüse; die Enden der Muskelbündel setzen sich zum Theil ganz scharf ab gegen den fibrösen Ueberzug derselben. Ein kleiner Fort- satz der Drüse kommt dem Muskel entgegen. Dieser Muskel liegt, wie aus dem Gesagten erhellt, auf dem m. erico-thyreoid., und seine obere Insertion ist neben der obern Insertion jenes, mehr oberflächlich. Somit ist er dem Muskel B. des andern Präparates ähnlich. Er unter- scheidet sich von demselben jedoch, indem er schon der senk- rechten Richtung seiner Fasern nach nicht mit dem muse. ericothyr. übereinstimmt, mit welchem er auch ausserdem kei- nen Zusammenhang hat. Diese Varietät könnte also viel- leicht neu sein, und hat jedenfalls darin etwas Eigenes, dass er sich nicht als excessive Bildung eines andern Muskels dar- stellt, wie A. aus dem thyreo-hyoid., B. aus dem crico-thy- reoid. und ©. aus dem crico-phar. hervorgehen. Ein sehr schwaches Muskelchen, welches ich noch auf der linken Seite bei einem dritten Kehlkopfe finde, hat auch nur ähnlichen 22° 340 C. Bergmann: Ursprung mit dem muse. ericothyr, an der cartil. thyr., ohne weiteren Zusammenhang oder Gleichheit der Richtung, würde also auch hierher gehören. 2) Muskeln einer mangelhaften Hand. Seltsame muscec. lumbricales u. s. w. Ich hatte Gelegenheit eine Hand zu untersuchen, welcher ein Finger fehlte. Die vorhandenen drei Finger will ich Zeige- finger, Zwischenfinger und Ohrfinger nennen. — Schon die äussere Untersuchung ergab den Zwischenfinger als verkiümmert, seine Spitze ragte nicht weiter hervor, als die des Ohrfingers, während der Zeigefinger beide merklich überragte. Dabei war der Zwischenfinger rundlich und zart im Vergleich zu den andern und zeigte sich steif. Es ergab sich denn auch bei der innern Untersuchung zu- nächst dieses Fingers, dass er nicht einen einzigen Muskel hatte. Wohl aber war auf der Volarseite und Dorsalseite ein sehniger Ueberzug, welcher deutlich genug Rudimente der gewöhnlichen Beuge- und Strecksehnen darstellte. So war auf der Volarseite eine nur an beiden Enden befestigte, übri- gens freie, Sehne. Das obere Ende ging von der Basis der phal.I. aus, das untere Ende, an der Basis der phal. III. be- festigt, bezeichnete die Sehne als Nachbild einer durchboh- renden Beugesehne. Zu beiden Seiten derselben liefen, be- sonders an der phal. II., sehnige Streifen, an die Enden der durchbohrten Sehnen erinnernd. Auch eine Art sehniger Hülle um diesen Apparat fehlte nicht. — Auf dem Rücken war die sehnige Hülle in Schenkel getheilt, ähnlich denen einer Ex- tensorsehne. — Die Volarfläche der Phalangen (I. und II.) bot nicht die gewöhnliche Fläche mit seitlichen erhabenen Rändern dar, sondern war convex. Die bemerkenswerthesten Abweichungen fanden sich in dem Beugeapparate. 1. Flexor perforatus. Die Hauptmasse des Muskels geht an die Sehne des Zeigefingers. Wo der Muskelbauch an dem Flexor perforans anliegt, tritt an einer Stelle ein kleines . Anthropotomische und zootomische Notizen. 341 Fleischbündel, an einer andern eine kleinere Sehne in diesen hinein. Ausserdem kommt ein kleiner Schwanz aus dem Muskel hervor, dessen sehr feine Sehne sich noch in zwei spaltete, von welchen die eine gegen die Basis oss. metac. II. und III. (des Zeige- und Zwischenfingers) verlief und hier ziemlich fest sass, während die andere zu der durchbohrten Sehne des Ohrfingers ırat, von dieser jedoch nur einen kleinen Theil bildete. 2. Flexor perforans giebt a. die durchbohrende Sehne des Zeigefingers, welche durch eine aus dem flex. long. poll. kommende Sehne (3. b.) ver- stärkt wird; b. die durchbobrende Sehne des Ohrfingers; e. den grössten Theil der durchbohrten Sehne desselben Fingers (und zwar ist der dazu beigetragene Theil evident grösser, als dass er nur von den Muskelbündelchen, und der kleinen Sehne herrühren konnte, welche oben aus dem flex. sublim. in den prof. treten). 3. Flexor pollie. longus. a. Die gewöhnliche Sehne für den Daumen; b. eine Hülfssehne für den Zeigefinger (S. 2. a.). 4. Lumbricales. : Von den Sehnen 2.a. und 3. b. entspringt eine Fleisch- masse!), welche sich in a. einen starken lumbricalis des Zeigefingers und b. ein feines Muskelchen für den Daumen spaltet. Letz- teres (seinem Ursprunge nach ganz der Sehne 3. b. angehö- rend) heftet sich mit dem adductor pollic. an das betreffende Sesambein. c. Von der Volarfläche der durchbohrten Selne des 1) Indem die Sehne 3. b. grossentheils zum Ursprunge dieses Lum- briealmuskels verwandt ist und nur zum kleinen Theile in die Zeige- fingersehne 2, a. übergeht, ist der Fall analog einem von Theile be- obachteten. (8, im neuen Sömmerring. II. 1. 8. 279.) 342 C. Bergmann: Zeigefingers geht ein kleiner lumbricalis an die Radialseite des Ohrfingers. d. Von demselben Ursprunge geht ein Bündel mit unge- wöhnlicher Richtung aus, indem es sich auf dem obern Rande des Faserknorpels anheftet, welcher das Gelenk zwischen os metac. und phal. I. des Ohrfingers deckt. e. Ein ähnliches Muskelchen ist an einem Ende auf dem entsprechenden Knorpel des Zeigefingers befestigt, am andern mit c. zusammen am Ohrfinger. d. Dieselbe Befestigung am Ohrfinger hat noch ein drittes Muskelchen, dessen anderes Ende sonderbarer Weise sich wie ein lJumbricalis ulnaris des Zeigefingers verhielt, also in einem aufwärts convexen Bogen von der Sehne des m. interosseus ulnaris des Zeigefingers zu der Sehne -des m. inteross. radial. des Ohrfingers verlief. Letztere drei Muskeln sind freilich nicht im gewöhnlichen Sinne lumbricales, aber doch jeder wenigstens durch eine sei- ner Befestigungen diesem Systeme verwandt und jedenfalls nirgends anders unterzubringen. Es möge hier bemerkt sein, dass diese Muskelchen, so zart sie zum Theil waren, sich doch, bei untadelhafter Conservation, völlig klar darstellen liessen. Von dem Mm. interossei ist nur zu bemerken, dass der m. inteross. ulnar.‘ des Zeigefingers ein biceps oder triceps war. Er ging aus von der Ulnarseite des os metae. indieis, von der Radialseite des os metac. des Ohrfingers und letz- teres Bündel nahm, indem es über die Volarseite des os me- tac. des Zwischenfingers verlief, auch von dessen Radialseite noch ein schwaches Bündelchen auf. Noch verschiedene andere Varietäten wurden bemerkt, welche aber keine deutliche Beziehung zu der Hauptdeformi- tät hatten. So war der M. flex. carpi radialis doppelt vor- handen. Die gewöhnliche, an die Basis oss. metac. indieis tretende, Sehne hatte einen unter rechtem Winkel abgehen- den Nebenschenkel zum os multang. majus. Der überzäh- lige Handbeuger ist zweiköpfig; der eine Kopf tritt aus dem normalen flex. carpi radialis (welcher ihn deckt) hervor, wäh- Anthropotomisebe und zootomische Notizen. 343 rend der andere von der Mitte des radius neben dem flex. long. pollie. entspringt. Anheftung an der Radialseite des ligam. carpi volare propr. Der langen Daumenmuskeln sind vier, doch fehlt ein nor- maler extensor brevis. Dieser wird durch eine mit dem ex- tensor longus verlaufende Sehne vertreten, während die mit dem abduetor longus verlaufende Sehne nur eine Verdoppe- lung dieser war. Von den zwei Sehnen heftete sich eine an die basis oss. metae. pollie., die andere an das os multang. maj. — Von den beiden extt. carpi radiall. heftete sich der kür- zere, indem der grössere Theil der Sehne in einem Bogen unterwärts lief, hauptsächlich an der basis oss. metae. dig. auriculor. an. Osteologisch war die Ahweichung in der Handwurzel ge- ring. Die zweite Reihe zählte nur drei Knochen, von wel- chen aber der mittlere seiner Gestalt nach deutlich sowohl dem os capitatum als multang. minus entsprach!). Das os hamatum trug den Ohrfinger und bietet dem Zwischenfinger eine sehr kleine Fläche. Dieser ruht übrigens auf dem os capitat., welches auf seinem, dem os multang. minus entspre- chenden Vorsprunge, ausserdem den Zeigefinger trug. Mit einer kleinen Fläche stützt sich dieser, wie gewöhnlich, gegen das os multang. maj. — Mit dieser Abweichung an der linken Hand war auch ein Zehenmangel am rechten Fusse verbunden, jedoch weder von bedeutenden Muskelabweichungen, noch von einer Abweichung in der Zahl der Fusswurzelknochen begleitet. Das os cuboid. 1) Dieser Knochen scheint übrigens nicht durch Verschmelzung ent- standen. Das Individuum war noch jung (zehnjährig) ‚und das os lu- natum z.B. hatte einen bei weitem nicht linsengrossen Knochenkern. Dennoch war in dem verhältnissmässig grossen Kerne des capitato- multangulam keine Spur einer Theilung. 344 C. Bergmann: dient nur einer Zehe zur Befestigung. Aus der Musculatur‘ wäre etwa zu erwähnen, dass der kurze Beuger der kleinen Zehe eine starke Portion an die Zwischenzehe abgab. 3) Ein Paar sehnige Apparate, welche zur Combi- nation von Bewegungen dienen. (Pferd. Hund. Katze.) Zur Bezeichnung des hohen Ranges, welchen die Körper- bildung des Menschen, gegenüber den höchsten thierischen Organismen einnimmt, hat man seit lange den Vieles umfas- senden Ausdruck gefunden, dass Thieren wohl sehr gewöhn- lich in einzelnen Richtungen ein Vorrang vor den Menschen zukomme, dass aber der menschliche Körper allen durch viel- seitige Bildsamkeit und Verwendbarkeit überlegen sei. Belege zu diesem Satze aus der Anatomie und Physiologie der Sin- nesorgane, der natürlichen Bedeckungen und Bewaffnungen, der Bewegungswerkzeuge drängen sich Jedem in Menge auf. Einige zootomische Wahrnehmungen veranlassen mich, auf gewisse Erscheinungen im Bewegungsapparate hier aufmerk- sam zu machen, in welchen die vielseitige Bildsamkeit der menschlichen Bewegung gegenüber der thierischen Beschrän- kung und einseitigen Vollendung ganz besonders und in eige- ner Weise hervortritt. Ich glaube das Wesen der anatomischen Einrichtungen, von welchen ich spreche, in dem Ausdrucke zusammenfassen zu können: dass in dem menschlichen Bewegungsapparate weniger, als in dem der Thiere, zwingende Bedingun- gen zu gewissen Bewegungscombinationen enthal- ten sind. Es ist aus der menschlichen Anatomie ersichtlich genug, dass auch für uns nicht jede Bewegung jedes Gelenkes sich gleich kräftig mit beliebigen Bewegungen anderer, namentlich benachbarter Gelenke vereinigen lässt. Die Erinnerung an die Verknüpfung der Muskelmassen mehrerer Finger oder Zehen, und an die durch Contrast gegen die Hand besonders auffallende Verbindung zwischen M. flex. long. halluc. und Anthropotomische und zootomische Notizen. 345 M. flex. long. digitor. ped. liegen hier Jedem besonders nahe — da selbstverständlich hier nicht die Rede ist von den im Nervensystem allein begründeten Combinationen, wie der Augenmuskeln u. s. w. — Eben so wird man an die so zahl- reichen Muskeln denken, welche über mehr als ein Gelenk hinüberreichen. Bei diesen ist, wie alltägliche Beobachtung lehrt und Ed. Weber’s Muskelmessungen verständlich ma- chen, die Wirkung auf ein Gelenk ja immer abhängig von dem jeweiligen Zustande eines oder mehrerer anderer. Die eine der möglichen Wirkungen erreicht nur dann ihren Gipfel, wenn das andere Gelenk durch Antagonisten oder sonst wie festgehalten wird. So hebt der M. rectus femoris das Bein so lange nur unvollkommen, als das Kniegelenk in Streckung bleibt; so vermögen die von der tuberositas ossis ischii her- absteigenden Unterschenkelbeuger beim Gehen den ganzen Schenkel mächtig zurückzuziehen (relativ gegen den Rumpf, m, a. W. diesen vorzuschieben), weil die Kniebeugung durch andere Wirkungen gehemmt ist; so ist die beugende Wirkung des M. biceps brachii nicht bloss vom Schultergelenke, son- dern auch von den Pronatoren abhängig u. s. w. Wollte man diesen Einrichtungen gegenüber sich ein Ideal eines Beugungsapparates erdenken, in welchem jedes Gelenk in allen Richtungen seiner Bewegung völlig selbstständig wäre, so würde man dazu nur Muskeln anwenden dürfen, welche über ein Gelenk hinüber, von einem Knochen zum nächsten sich erstreckten, d.h. man käme bei dieser Phantasie so- gleich bei einem Monstrum an, wie jener berühmte Naturfor- scher, der, die Natur kritisirend, sich eine Hand mit zahl- losen Fingern erdachte. Das eine wie das andere, wenn es nicht schon mit den Mitteln, aus denen unser Körper gebil- det ist, unvereinbar wäre, würde doch ausser Verhältniss zu den Bedürfnissen und Fähigkeiten des menschlichen Gei- stes sein. Den niedern Fähigkeiten der Thiere ist es angemessen, dass in ihrem Bewegungsmechanismus noch mehr bestimmte Combinationen vorgeschrieben sind, auch auf andere Weise eine bestimmte Verwendung der möglichen Bewegung begün- 346 C, Bergmann: stigt wird.') Anhaltender Ueberlegung wird es gelingen müssen, in solchen Einrichtungen noch etwas mehr, als blosse Beschränkung zu sehen und zum Theil liegen die damit ver- knüpften Vortheile oberflächlich genug, um sie gar nicht über- sehen zu können. Ich erinnere an Einiges aus dem Baue der Vögel Bekannte. Bei diesen sind, wie man weiss, die Bewegungen der Handgelenke auf die Ab- und Adduction beschränkt und sehr vom Ellenbogengelenke abhängig, so- wohl dureh Muskeln und Sehnen (Handwurzel-Mittelhandge- lenk), als auch durch die von mir in diesem Arch. (1839. 3.296 ff.) beschriebene Längsverschiebung des Radius, ohne deren Kenntniss die vorderen Handwurzelgelenke sinnlos bleiben. Für eine solche Einrichtung ist, wie sehr sie auch 1) Man wird hier an federnde Gelenke, wie das Fnssgelenk des Storches denken dürfen. Im Ellenbogengelenke habe ich diese Eigen- schaft bei mehreren Säugethieren bemerkt, eminent in einem Falle beim Hasen, schwächer und selbst unmerkbar bei andern Exemplaren. In jenem eminenten Falle sah ich nach Entfernung aller Weichtheile und Durchschneidung selbst der Bänder, dass die Form der Gelenkflächen allein schon hinreicht, diese Erscheinung zu bewirken (Radius und Ulna zusammen umfassen hier die Gelenkrolle so weit, dass das Ge- lenk, so lange die Gelenkknorpel frisch sind, nicht auseinander fällt), Dass eine solche Einrichtung für ein Gelenk passen kann, welches für Excursionen von einem gewissen Umfange bestimmt ist, begreift man wohl, während die Einrichtung hinderlich wird bei einem Gelenke, welches in jedem Grad von Beugung oder Streckung gleich leicht soll gebracht werden. Sehr überraschend war es mir daher, kürzlich an einem ganz frischen Ligamentpräparate des menschlichen Ellenbogens ebenfalls ein sehr dentliches Federn zu bemerken, und zwar eben so, wie namentlich beim Hasen: dass bei der Ueberführung aus der Beu- gung in die Streckung eine gewisse Erschwerung der Bewegung sich geltend machte, wenn dieselbe sich ihrem Ende näherte, bis dann der letzte Act der Streckung wieder wesentlich durch die Spannung der Bänder unterstützt vor sich ging. Da der Humerus einige Zoll über dem Gelenke durchschnitten war, so genügte die Kraft, um dieses Stück ganz selbstständig in die volle Streckung zu schnellen. Ob eine solche Beschaffenheit des menschlichen Ellenbogens nur eine mehr oder weniger seltene Ausnahme ist, vermag ich noch nicht zu bestimmen. Anthropotomische und zootomische Notizen. 347 den Bewegungsmodus beschränkt, schon die dadurch mög- liche Concentration der Muskelmassen hinreichende Recht- fertigung. Neben dieser so höchst charakteristischen Einrich- tung muss die viel eitirte Verbindung zwischen Knie- und Zehenbeugung bei den Vögeln erwähnt werden; eine Ein- richtung, deren vollständige Beurtheilung nur im Zusammen- hange mit einer Beleuchtung des andern Umstandes möglich ist: dass die Hauptmuskelmasse der Zehenbeuger, von der Hinterfäche des Os femoris entspringend, bei der Kniebeu- gung erschlaffen muss. Aber auch bekannte Einrichtungen von Säugethieren bie- ten Manches dar, was zur Erläuterung des vorangestellten, hoffentlich für fernere Untersuchungen fruchtbaren Gesichts- punktes dienen kann. So bilden ja bei schlüsselbeinlosen Säugethieren Portionen des M. eueullaris und deltoideus, unmit- telbar in einander übergehend, eine Muskelverbindung zwischen den vordern Theilen der Wirbelsäule und der Extremität, welche die Bewegungen dieser Theile noch weit mehr von einander abhängig machen, als sie es beim Menschen sind. — Eben so bekannt und sehr ausdrucksvoll ist die Verknüpfung zwi- schen dem M. latissim. dorsi und dem M. triceps brachii, welche, wo sie recht ausgebildet ist, stets gleichzeitige Wir- kung beider Muskelmassen andeutet, wie sie für die Bewe- gung des Laufens (auch des Scharrens!) in Ordnung ist, für manche andere Zwecke hinderlich sein würde.') Da ich, wie gesagt, hoffe, dass eine Berücksichtigung des dargelegten Gesichtspunktes sich in der vergleichenden Ana- tomie förderlich erweisen werde, so erlaube ich mir, noch zwei Beispiele von Verknüpfungen verschiedener Gelenke mit- zutheilen, deren Anschauung mich zunächst besonders auf- 1) Ausnahmsweise findet sich ürigens auch diese Einrichtung beim Menschen angedeutet. Ganz kürzlich sah ich von der nach Innen und Voru gewandten (also dem cap. longum musc. trieipit. abgekehrten) Fläche der Sehne des M. latissimus und vom untern Rande derselben ein ganz ansehnliches Sehnenblatt entspringen, welches abwärts in den hintern Sehnenspiegel des cap. long. trieipit. überging. Die Fasern kreuzten die Richtung der eigentlichen Sehne des M. latissimus. 348 C. Bergmann: merksam auf die ganze Klasse von Erscheinungen machte. Das eine Beispiel ist seiner sehr einfachen anatomischen Grundlage nach zwar bekannt, scheint jedoch nicht physio- logisch gewürdigt zn sein, das andere ist noch nicht ganz genügend anatomisch beschrieben. Wer bessere Gelegenheit hat, solche Untersuchungen auszudehnen, wird leicht weitere Ausbreitung und Modificationen der anzugebenden Thatsachen finden. Bei Gelegenheit einer Untersuchung am Vorderfusse des Pferdes fand ich Folgendes. Ich hatte von einem jungen Füllen den frischen Schenkel, vom Ellenbogengelenke an ab- wärts. Nimmt man ein solches Präparat in der Weise in die eine Hand, dass der Metacarpus mit der Vorder- oder Der- salläche auf der Hohlhand horizontal ruht, so strecken sich natürlich Vorderarm und Finger. Wenn man nun, den Meta- earpus in der gedachten Lage fixirend, mit der andern Hand den Finger des Präparates beugt, so beugt sich (hebt sich) auch das Antibrachium. Fasst man den Meta- carpus dagegen so, dass seine Volarfläche aufrubt, die be- nachbarten Glieder also hinabhängen, so findet umgekehrt aufStreckung im Handgelenke auch Streekung der Zehe statt. Dagegen wirkt eben so wenig die Streckung der Zehe auf das Handgelenk, als Beugung des Handgelenks auf die Zehe. — Der Versuch lässt sich natürlich an einem erwachsenen Theile nur schwer und mit Assistenz ausführen, worin denn auch die Erklärung zu suchen wäre, weshalb eine so merk- würdige Eigenschaft eines so bekannten Theiles vielleicht noch unbeachtet geblieben ist. Freilich habe ich nur beschränkte Gelegenheit hippotomische Schriften über diesen Punkt zu vergleichen, Die anatomische Untersuchung dagegen lehrt, dass die Ursache jener Erscheinungen in einem einzigen und keines- wegs unbekannten Ligamente liegt. Es ist das Band, wel- ches Gurlt als eine Hülfssehne erwähnt, welche vom os pi- siforme zur Sehne des kurzen Streckers tritt. Anthropotomisehe und zootomische Notizen 349 er —.: f/ Dieses Ligament geht breit, faseienartig, von der Aussen- seite des os pisif. aus und wendet sich, zugleich rasch schma- ler werdend und absteigend auf das Dorsum des Metacarpus. In diesem Verlaufe kreuzt es unter spitzem Winkel die Sehne des kurzez Streckers, liegt folglich alsdann zwischen den bei- den Streckersehnen und nimmt von da an die Richtung rein nach abwärts. Es versteht sich also, dass es in seinem Ver- laufe einen flachen Bogen beschreibt, dessen Convexität, gegen die Sehne des langen Streckers gewandt, an dieser befestigt und dadurch in der Lage gesichert ist. Im übrigen verbindet sich die Sehne nach einmaliger Untersuchung an einem er- wachsenen Exemplare im Absteigen theils besonders innig mit der Sehne des kurzen Streckers, theils mit der kleinen Sehne, welche sich von der Sehne des langen Streckers ab- löst und als Hülfssehne zum kurzen Strecker bezeichnet wird. Letztere sah ich am untern Ende des Metacarpus sich thei- len und einerseits in die Sehne des langen Streckers zurück- kehren, andererseits in die des kurzen wirklich übergehen. Indem nun bei Streekung im Handgelenk das os pisiforme seine Lage gegen den Metacarpus ändert, wird das beschrie- bene Ligament gespannt und wirkt wie eine Strecksehne des Fingers. Wird umgekehrt der Finger gekrümmt, so spannt sich natürlich das Band von unten her, zieht am Hakenbeine und vermittelt so eine Krümmung des Handgelenkes. Zu erinnern ist noch, dass besagtes Band im Verhältnisse zu den Sehnen und den zu bewegenden Massen nur schwach erscheint. Wir können ihm nicht sehr viel Gewicht beilegen als wirksamem Momente, wohl aber eine sehr entschiedene Bedeutung als Indication. Die dem Ligamente zuwider- laufenden Combinatinationen erscheinen als widernatürlich; würden sie erzwungen, so müsste das Ligament zerrissen oder disloeirt werden. Die zweite mitzutheilende Beobachtung machte ich an der Hinterextremität des Hundes und hielt sie, da ich in den Anatomien der Haussäugethiere keine entsprechende Beschrei- bung fand, eine Zeit lang für so gut als neu. Doch musste ich überlegen, dass etwas Aehnliches auch bei der Katze sich 350 C. Bergmann: finden möge; und als dies sich bestätigte, war es natürlich, zu erwarten, dass Straus-Dürckheim das Verhältniss er- kannt haben werde. Ganz exact ist indessen seine Beschrei- bung nicht. Eine der kleinen Ungenauigkeiten, welche sie enthält, rührt wohl daher, dass Straus eben die Katze zum Gegenstande der Untersuchung hatte. Ich sage deshalb zu- nächst, was sich beim Hunde fand. Hier sieht man an der Ferse, nach Innen an der Achilles- sehne, einen sehnigen Strang angeheftet, welcher, zwar keine Muskelsehne im engeren Sinne, doch so mit Muskeln (und zwar den Unterschenkelbeugern) in Verbindung steht, dass sie unter gewissen Voraussetzungen etwas von der Wirkung der- selben auf die Ferse überträgt. Verfolgt man nämlich diesen Strang aufwärts, so findet man, dass er von der Achillessehne eine Strecke aufsteigt und sich dort in zwei schräge Platten theilt, welche neben den Wadenmuskeln zur Aussen- und Innenseite des Ober- schenkels aufsteigen. Die innere der beiden Platten ist ein- fach eine Fortsetzung der sehnigen Fasern, welche die Mus- kelbinde des Oberschenkels an der Innenseite enthält, und findet sich solchergestalt sehr innig mit dieser innern Muskel- masse verbunden. Die äussere Platte hat einen etwas andern und auffallendern Ursprung. Zwar hängt auch sie mit der Fascie an der Aussenseite des Oberschenkels zusammen. Als ihr Hauptursprung aber lässt sich eine an der Innenfläche der äussern Beugemuskeln (biceps) aufsteigende Sehne be- zeichnen. Es kann allerdings auch dieser Strang als ein Be- standtheil der die Innenfläche des Muskels bedeckenden Binde bezeichnet werden, stellt aber einen in dieser Binde sehr scharf gezeichneten Sehnenstrang dar, welcher quer gegen die Muskelfasern und ihnen fest angeklebt, parallel der Tibia hinaufsteigt bis an das Os femoris. Bei der Katze ist nun der Apparat ganz ähnlich, Auch hıer steigen auf beiden Seiten der Wadenmuskeln Sehnenstrei- fen herab, welche die am Oberschenkel gelegenen Kniebeuger in Verbindung mit der Ferse setzen. Der Ursprung dieses in die Fascie eingelagerten Sehnenapparates weicht nur darin Anthropotomische und zootomische Notizen. 351 ab, dass der Sehnenstreif an der Innenseite der äussern Beuge- muskeln nieht so scharf markirt ist, sich mehr dünn ausbrei- tet und verwischt. Er fällt deshalb weniger ins Auge, als selbst bei kleinen Hunden und ist darum auch von Straus nicht bemerkt. Auch nach abwärts findet sich eine kleine Differenz an der Einrichtung des Hundes. Ich finde zwar nicht, dass die Sehnenstreifen mit der Achillessehne verwachsen, wie Straus angiebt. Sie umhüllen dieselbe theilweise, liegen ihr sehr fest an, sind aber durchaus nicht mit ihr verschmolzen. Aber sie verbinden sich auch nicht so bestimmt mit einander, wie beim Hunde, sondern ich verfolge den an der Aussenseite der Wadenmuskeln gelegenen Sehnenstreifen, wie er sich an die Achillessehne wendet und am vordern Rande der Fersen- fläche befestigt, während der innere Streif der Hauptsache nach bis zum Innenrande der Fersenfläche hinab verläuft. — Da beide Streifen in der Fascie enthalten sind, versteht sich, dass sie durch diese auch hinter den Wadenmuskeln zusam- menhängen. Dieser Apparat kann gewiss unter verschiedenen Umstän- den in Wirksamkeit treten. Mir scheint jedoch, dass seine gewöhnlichste Wirkung im Gehen stattfinden muss und eine gewisse Analogie mit der oben erwähnten Wirkung des M. latissimus dorsi auf den M. triceps brachii, somit auf den Ellenbogen haben muss. Ich meine, durch den beschriebenen Apparat muss, im Augenblicke wo die Beuger zum Zurück- ziehen des Schenkels wirken, die Ferse angezogen werden. Die beregte Wirkung wird unzweifelhaft wie bei dem Men- schen, den Beugern zukommen, welche hinter dem Acetabu- lum entspringen, somit namentlich der Fleischmasse, welche die Stelle des Caput longum bieipitis einnimmt. Diese Wir- kung muss beim Laufen dem Aufsetzen des Fusses alsbald folgen. Denken wir uns, dass in dem Augenblicke selbst, wo der Fuss aufgesetzt wird und zu tragen beginnt, jene Sehnen sich etwas anspannen, an den Oberschenkelmuskeln etwas zerren, so werden letztere, in dem unmittelbar folgen- den Momente ihrer Activität, die Zerrung ausgleichend der 352 C. Bergmann: a Ferse einen Ruck aufwärts geben, welcher, die Wirkung der Wadenmuskeln unterstützend, den Fuss gegen den Boden stemmt. — Insofern hier die höher gelegenen Muskeln der Wadenmuskeln aushelfen, gehört der Apparat zu denen, durch welche der Schwerpunkt einer Extremität höher hinauf verlegt wird. Ausserdem muss dieser Apparat aber auch bei Streckung im Kniegelenke eine Streekung des Fusses herbeiführen. 4) Die Knochenkerne des Atlas und Epistropheus, Im Jahrgange 1853 dieses Archivs bat Hr. Aug. Müller (S. 290— 298) dieses morphologische Thema sehr übereinstim- mend mit der Darstellung behandelt, welche ich einige Jahre früher („Ueber die Skelettsysteme der Wirbelthiere* auch in den „Göttinger Studien 1845“) davon gegeben hatte. Vgl. S. 43—65 od. 231—253 meiner Abhandl. — Hr. Müller ge- braucht, ohne meine Abhandlung zu kennen, das Wort os odontoideum, wie ich es vorgeschlagen hatte, für den Haupt- knochenkern des Zahnfortsatzes. — Ich hatte am Zahnfort- satze, ausser der von Joh. Müller entdeckten Zwischenplatte zwischen os odont. und Körper des epistropheus noch eine vordere Epiphyse bei Kaninchen, Hasen, Eichhörnchen, Kätz- chen und Schweinen gefunden und von letzteren (S. 57) ab- gebildet. Ihr allgemeines Vorkommen bezweifelte ich nach mehreren vergeblichen Nachsuchungen bei Hund, Kalb, Reh. Hr. Müller hat denselben Knochenkern bei Kaninchen, See- hund und Känguruh gefunden, eben so aufgefasst wie ich und hält ihn für allgemein. Ferner hatte ich bei Ente, Gans und Huhn an der Ven- tralseite des Epistropheus ein Knochenkernchen bemerkt, wel- ches, an die Vorderfläche des Epistropheus sich anschliessend, unterhalb des os odontoid. liegt und von mir den ebenfalls häufig unpaaren Knochenkernen verglichen wurde, welche an der Ventralseite des Halses von Reptilien auf der Gränze der Wirbelkörper vorkommen, auch am Epistropheus an entspre- Anthropotomische und zootomische Notizen. 353 chende Stelle sich finden. Dieses Knöchelehen habe ich in einem Durchschnitte der vordern Wirbel der jungen Ente dar- gestellt (S. 58) und mit dem untern Schlussstücke des Atlas verglichen. Hr. Müller hat dasselbe Knöchelchen bei meh- reren Vögeln gefunden und eben so wie ich aufgefasst. Auch in unsern anderweiten Argumenten finden sich merkliche Aechn- lichkeiten, wie in der Hinweisung auf sonstige alternirende Stellungen von Wirbelelementen, um daraus die Stellung die- ser ventralen Knochenkerne am Atlas und Epistropheus zu erläutern, in der Hinweisung auf die rippentragenden untern Dornen am Schwanze der Fische, um daraus die Rippen am Atlas des Krokodils zu erläutern. Solche Uebereinstimmung zweier Schriftsteller, welche von einander nicht wissen, hat für den Gegenstand selbst keine Nachtheile, sie kann eher für besonders überzeugend gelten, falls danach ein Bedürfniss vorliegt. Dagegen ist es unan- genehm, wenn unter solchen Umständen ein Widerspruch hervortritt. Denn man würde von dem Zweiten immer noch mehr Aufmerksamkeit voraussetzen, wenn man annehmen dürfte, dass er die vorhandene entgegengesetzte Ansicht des Ersten kannte; diese Voraussetzung fällt hier weg und mit ihr auch die Aufklärungen, welehe ein zweiter Durchforscher über die eventuellen Irrthumsquellen seiner Vorgänger ge- ben kann. So finden sich nun auch einige Divergenzen zwischen Hrn. Müller und mir, von denen wenigstens eine mich in Verlegenheit setzt. Ich meine damit nicht Verschiedenheit in den Argumenten, wie sie z.B. darin liegen, dass Hr. Mül- ler als Thatsache voraussetzt, dass das os odontoideum von der chorda durchbohrt werde. So wenig ich das bezweifle, finde ich es doch selbst jetzt noch nicht in solcher Breite bewiesen, dass ich es zur Basis nehmen möchte. Doch Der- artiges wird Niemand stören. Wohl könnte das aber ein an- derer Differenzpunkt. Ich legte einiges Gewicht darauf, dass bekanntermaassen bei Beutelthieren ein gänzlicher Mangel des untern Schlusses des Atlas vorkommt und dass Joh. Mül- ler ein unteres Schlussstück auch beim Murmelthier vermisste; Müller‘s Archiv, 1855. 23 354 C. Bergmann: ich dehnte Untersuchungen hierüber auch auf junge Vögel aus, glaubte beim Kukuk zu erkennen, dass sein Atlas nur aus den beiden Bogenstücken gebildet werde und überzeugte mich namentlich durch Untersuchung junger Tauben, dass bei diesen die Bildung des Atlas ohne Hülfe eines untern Kernes nur aus den Bogenschenkeln hervorgehe. Das Interesse die- ser Thatsache sah ich darin, dass eben das nicht constante Vorkommen eines solchen Theiles die Vermuthung verstärken müsse, er entspreche einem auch andern Wirbeln oft fehlen- den Stücke, also jedenfalls nicht dem sog. Körper, dessen Abortiren bei beschuppten Reptilien, Vögeln und Säugthieren nicht bekannt ist. Wenn nun dem gegenüber Hr. Müller das untere Schluss- stück des Atlas für ganz constant erklärt, so genügt in Be- zug auf die Säugthiere ein Hinweis auf das oben von den Beutelthieren und dem Murmelthiere Gesagte, um zu zeigen, dass dies zu weit gegangen ist. Vgl. auch Meckel. Syst. II. 2. 290 oder Stannius Lehrb. S. 341. — Anders freilich steht es mit den Vögeln. Auch hier soll nach Müller so grosse Uebereinstimmung herrschen, es soll nicht nur das untere Schlussstück des Atlas, sondern auch der oben erwähnte kleine Knochenkern, welcher sich unter- halb des os odontoid. vorn an den Epistropheus legt, ganz allgemein sein. Diesem gegenüber kann ich mich nicht auf altbekannte Thatsachen berufen; ich kann auch nicht sagen, Hr. Müller habe aus seinen Untersuchungen wohl zu gene- relle Folgerungen gezogen — denn Hr. Müller führt eben die Taube, welche ich so besonders sorgfältig untersucht, unter den Skeletten an, welche auch er geprüft habe. Der Behauptung aber, dass dort dieselben Knochenkerne wie beim Entchen u. s. w. vorkommen, möchte man nun auch um so eher Glauben beimessen, als eine positive Wahrnehmung in solchen Fällen sicherer ist, als eine negative. Dennoch muss ich bei der Ueberzeugung verharren, dass Hr. Müller sich irrt, und muss denselben bitten, seine Un- tersuchung zu revidiren, damit man ins Klare komme, ob es bei den Vögeln zwei Bildungstypen dieser Wirbel giebt, wie Anthropotomische und zootomische Notizen. 355 ich gefunden zu haben meine, oder nicht. Ich habe die frü- 'hern Präparate wieder durchgesehen, im aufgeweichten und getrockneten Zustande, und meine, sie genügen, um die Kno- chenkerne überzeugend darzuthun. Drei Exemplare vom 6. und 9. Tage sind zu jung, um aus ihnen etwas Sicheres zu schliessen; ein anderes vom 11. Tage ist dagegen schon so weit verknöchert, dass die Gelenkplatte des Atlas ganz aus einem Stücke besteht. Dagegen ist die Entwicklung bei einem Exemplar vom 14. und einem vom 15. Tage weiter zurück. Hier ist in der Mitte, namentlich unten, noch etwas von der Gelenkplatte knorpelig, darüber aber haben sich die beiden Bogentheile schon vereinigt. Die Spitzen derselben, wo sie einander entgegenkommen, haben eine unregelmässige Ge- stalt, man sieht hier etwas wie einzelne Knochenkrümeln und mag Aehnliches vielleicht auch rasch vorübergehend weiter abwärts auftreten und Veranlassung zur Annahme eines Kno- chenkernes gegeben haben. Eben so finde ich vorn am Epistropheus den von Hrn. Müller behaupteten Knochenkern nicht, wohl aber ein be- sonders weissliches Ansehen der Knochensubstanz, wie eine feine weisse Kruste. Dies findet sich aber auch bei an- dern Wirbeln auf den Gelenkflächen, würde also immer nicht der fragliche Knochenkern sein können, selbst wenn es discret wäre. Es ist hier wohl nicht übel am Platze, ein interessantes Factum zu erwähnen, welches ich erst seit jener Abhand- lung aus der zweiten Auflage von v. Rapp’s Edentaten (Tübingen 1852) kennen gelernt habe: dass bei Priodontes gigas der Zahnfortsatz gelenkartig mit dem Hinterhaupts- beine verbunden ist und auch bei Dasypus gymnurus das Hin- terhauptsbein eine entsprechende Gelenkfläche besitzt. 23* 356 €C. Bergmann: Anthropotomische und zootomische Notizen. Noch benutze ich, da ich einmal jene Abhandlung er- wähnt habe, die Gelegenheit, einen Irrthum zurückzuneh- men, den ich dort begangen. Ich glaubte in der Cutis der Lacerta agilis Schuppen von eigenthümlichem Bau, von Knor- pel und Knochen merklich verschieden, gefunden zu haben. Nach spätern Untersuchungen muss ich annehmen, dass die- selben der Epidermis angehören, von welcher ich damals die Cutis sorgfältig befreit zu haben meinte. W. Busch: Zur Anatomie der Trichodina. 35 = Zur Anatomie der Trichodina. Von Dr. W. Busch. Hiezu Taf. XIV. A. Bei der Untersuchung der Harnblase von Tritonen stiess ich ich auf eine sehr grosse Anzahl von Exemplaren der Tricho- dina pediculus. Die zierlichen Thierchen schwammen ent- weder frei in der Flüssigkeit herum, oder sie sassen mit ihrem platten Ende auf einer Stelle der inneren Wand, an weleher sie nach ihrer Gewohnheit mit Hülfe des Wimper- kranzes hin und herglitten. Da mir bei der Beobachtung die- ser merkwürdigen Thierform einige Thatsachen in Bezug auf die äussere Körperform auffielen, die auch in der neuesten Arbeit über dieselbe!) nicht angegeben sind, so theile ich die- selben hier mit. Die Gestalt der Trichodina lässt sich am besten, wie es von Ehrenberg geschehen ist, mit einer Urne vergleichen, aber nur dann, wenn das Thier seinen Körper vollständig ausgereckt hat, weil man nur so den bauchigen Leib und den napfförmigen Rand des abgestutzten Endes deutlich bemerkt. Ist das Thier todt und von eingedrungenem Wasser aufge- schwellt, so gleicht es weniger einer antiken Urne, als einem modernen aber weit weniger ästhetischen Geräthe. Nur sel- ten jedoch bekommt man das Thier in dieser Gestalt zu sehen, weil bei der grossen Beweglichkeit und der starken Contractilität der Körpermasse der Leib die mannigfaltigsten Formen annehmen kann. Gewöhnlich wird der bewegliche 1) Prof. Stein: die Infusorien auf ihre Entwicklungsgeschichte untersucht. 8.173 u, folg. 358 W. Busch: Theil des Leibes als Vorderkörper (Fig. la.) bezeichnet, da gegen das abgestutzte Endtheil, an welchem die Membran (Fig. 1u. 2b), so wie der feste einem Uhrrädchen gleichende Stabkranz (Fig.2u.3c) sich befindet und an dem die grosse Wimperscheibe befestigt ist, als Hinterleib betrachtet. In dem sogenannten Hinterleibe befindet sich der zuerst von Stein sehr richtig beschriebene napfförmige Saum (b), an dessen Basis der Ring des festen Stabkranzes (c), von welchem die Häkchen ausgehen, befestigt ist. Die nach der inneren Seite abgehenden Häkchen liegen im Parenchym des Körpers eingebettet und sind schwächer als die stark nach auf- und auswärts gekrümmten äusseren Haken. Der Ring des Stabkranzes ist zwischen dem Abgange je zweier dieser Haken leicht gedreht. Bei Thieren, welche vom Wasser auf- gequollen sind, kann man sich überzeugen, dass die Conti- nuität des Körpers innerhalb dieses Ringes vollständig un- unterbrochen ist, denn bei diesen wird zuweilen die den Körper begrenzende Membran bogenförmig zwischen dem Ringe hervorgehoben. An der Basis der napfförmigen Membran und nach aussen von ihr ist das Hauptlokomotionsorgan des Thieres der hin- tere Wimpernkranz (d) befestigt. v. Siebold hat diesen als undulirende Membran gedeutet, während Stein die einzelnen Wimpern desselben deutlich erkannt bat und nur von einem Wimperkranze spricht. Die Wahrheit scheint mir in der Mitte zu liegen, denn, wenn ich auch deutlich besonders bei sterbenden Thieren, die einzelnen Wimpern beobachtete, so konnte ich sie doch niemals, wenn nicht ein Einriss vorhanden war, bis zu dem Rande des Napfes verfolgen. Das Organ besteht nämlich aus einem häutigen undulirenden Saume, an dessen freiem Rande noch Wimperhaare eingefügt sind. Am besten überzeugt man sich hievon bei sterbenden Thieren, bei denen man das leise Schlagen des Saumes und der Wimpern erkennt. In der weiteren Beschreibung wird gewöhnlich angegeben, dass der Mund (Fig. 1 u. 53h) in der ringförmigen Furche eines zweiten, sogenannten vorderen Wimpernkranzes befind- Zur Anatomie der Trichodina. 359 lich ist, welcher je nach der Ausdehnung, deu das Thier seimem Leibe giebt, bald mehr bald weniger weit von dem zugespitzten Ende des kegelförmigen Körpers entfernt ist, ja zuweilen, wenn das Thier jenes Ende einzieht, die äus- serste Gränze des Leibes zu bilden scheint. Das Verhältniss ist jedoch nicht so einfach, jener zweite oder vordere Wim- perkranz ist nicht ein einfacher Gürtel, der das Thier ring- förmig umgiebt, sondern ein Saum, der in Form einer Spirale von ohngefähr anderthalb Windungen den Leib umkreist. Zuerst wurde ich hierauf aufmerksam, als ich Thiere, wie das in Fig. 1 abgebildete beobachtete. Diese Stellung, wobei sie das ganze Profil dem untersuchenden Auge darbieten, neh- men die Thiere sehr häufig ein, wenn sie mit dem stumpf abgestutzten Hinterende an einem Gegenstande festhaften. Hier fiel es mir auf, dass man in der Ebene von f auf bei- den Seiten des Körpers die Wimpern wahrnehmen konnte, ausserdem aber noch bei g den Wimpersaum an einer Seite des Körpers beobachtete. Von g liess sich dann der Saum weiter nach innen verfolgen, bis er mit einer Biegung ab- schloss, die den Mund des Thieres bildete. Drehte sich das Tbier, während es sonst seine Profil-Stellung beibehielt, um seine Längsaxe, so konnten die zwei Wimperbüschel, die vorher auf der rechten Seite lagen, auf die linke treten, wäh- rend rechts dann nur noch der eine untere befindlich war. Steht ein Thier gerade auf dem abgestutzten Hinterende, so beobachtet man, wenn es für kurze Zeit ruhig liegt, wie in einiger Entfernung von dem spitzeren Vorderende der Wim- persaum fast vollständig kreisförmig um den Leibesumfang herumläuft, dann aber statt sich zu schliessen, noch um den halben Umfang des Körpers herabsteigt und bei dem Munde endet. 50 durchläuft er also ungefähr eine Spirale von andert- halb Windungen. Von der Richtigkeit dieser Thatsache kann man sich leicht überzeugen, wenn man Thiere in der auf- recht stehenden Stellung antrocknen lässt. Der Saum näm- lich, an welchem die Wimpern eingefügt sind, ist von feste- rer Substanz als der übrige Körper und bleibt im getrock- neten Zustand als ein feiner, schmaler Streifen von anderthalb 360 W. Buseh: Spiralen zurück, wie ihn die Fig.4 zeigt. Ein eiuziges Mal nur war die Spirale nicht einfach, sondern hatte in ihrem Verlaufe noch eine Schleife,wie sie in Fig. 4 durch punktirte Linien an- gegeben ist, wahrscheinlich war diese durch Verschiebung bei dem Antrocknen entstanden. In der Profillage von Fig. 1 ist sowohl der vordere Saum als die hintere Hälfte, in welcher der Mund liegt, parallel mit dem hinteren abgestutzten Leibesende und alsoauch parallel mit dem festen Hakenkranze. Der Leib des Thieres hat aber eine so ausserordentliche Beweglichkeit, und Verschiebbarkeit, dass er alle möglichen Stellungen zu der Ebene, in welcher der Hakenkranz liegt, einnehmen kann; so kann das Stückchen des Wimpersaumes von g an bis zu dem Munde in eine Ebene gerathen, die fast vertikal zu der Ebene des Stabkranzes liegt; eine Stellung, in welcher wahr- scheinlich die Trichodina mitra, die ich selbst nicht untersucht habe, von Stein abgebildet ist. Beiläufig gesagt sind die Wimpern an diesem spiraligen Saume viel kürzer und zarter, als die des hintern grossen Wimperkranzes. Ferner ist zu bemerken, dass die Endbiegung der Spirale, welche den Mund bildet, beweglich ist. Einige Male gelang es mir nämlich, Thiere in einer Stellung zu fixiren, in welcher die Mund- öffnung frei am Seitenrande des Objektes befindlich war (Fig. 5). Bei dieser Stellung konnte man eine Erweiterung und Verengerung der wimpernden Mundöffnung, die das Thier nach Willkür vornahm, beobachten. Wie bei anderen Infusorien findet man in den Trichodi- nen einen bandförmigen Nucleus, der nicht von dem der anderen Thiere verschieden ist; einige Exemplare jedoch, die ich darauf untersuchte, enthielten keinen solchen, sondern statt seiner einen mit Körnern gefüllten rundlichen Schlauch (Fig. 2k), über dessen Deutung ich jedoch nichts angeben kann. — Mehrere der grössten Exemplare von 1%, Linie Durchmesser wichen von der eben gegebenen Beschreibung der Thiere noch dadurch ab, dass sie an der Basis des Wim- persaumes einen grösseren oder kleineren hervorragenden Fortsatz zeigten (Fig. 2m), in dessen Substanz wie in dem Körper sich nur einige kleine Kügelchen erkennen liessen. Zur Anatomie der Trichodina. 361 Schwimmt das Thier, so hängt dieser Fortsatz parallel dem Leibe herunter. Wahrscheinlich ist es mir, dass hier der Beginn einer Knospenbildung vorliegt; da ich jedoch keine weitern Entwicklungszustände dieser Sprosse beobachtet habe, so wage ich nichts Näheres zu bestimmen. Ausser dieser Abweichung habe ich unter einer ausserordentlich grossen Anzahl von Thieren nur ein einziges Mal eine Formverände- rung beobachten können. Es betraf dies das kleinste Exem- plar, welches mir überhaupt zu Gesicht gekommen, von !/, Linie Längsdurchmesser (Fig.3). Hakenkranz, hintere Wimper- scheibe, vordere Wimperspirale und Mund waren schon vorhan- den, der ganze Körper des Thieres jedoch vollständig von den Seiten zusammengedrückt, so dass er sich zu dem der übri- gen Trichodinen verhielt wie ein zusammengelegter Klapphut zu einem auf den Kopf gesetzten. Stand das Thier auf dem spitzen vorderen Leibesende, so dass man gerade in den Hakenkranz hineinsehen konnte, so hatte man nicht ein ring- förmiges Organ vor sich, dessen Durchmesser überall diesel- ben waren, sondern der Hakeukranz war so von den Seiten zusammengedrückt, dass sein Längsdurchmesser ungefähr acht Mal so gross war als der quere. Dem entsprechend war auch der umgebende Wimpersaum nicht kreisförmig, sondern stark von den Seiten zusammengedrückt. Wir hatten es hier nicht etwa mit einem Artefakte zu thun, denn das Thierchen schwamm munter wie die grösseren umher und bewegte sich nach al- len Richtungen frei. Auch ist es unmöglich, das unnachgie- bige Skelett des Hakenkranzes zusammenzudrücken; bei stär- kerem Pressen wird es entweder unverletzt herausgesprengt, oder es bricht an einer Stelle und die beiden freien Enden disloeiren sich über einander. Es bleibt daher nur übrig, entweder diese Gestalt für eine monströse Bildung oder für einen Jugendzustand zu erklären, in dessen weiterer Ent- wicklung das zusammengedrückte hintere Ende sich zu einer kreisförmigen Grundfläche des Kegels ausziehen müsste, da- mit das Thier den übrigen Trichodinen gliche. Von beiden ist mir das letztere das Walirscheinliche. 362 W. Busch: Zur Anatomie der 'Trichodina. Erklärung der Abbildungen. Die Buchstaben bedeuten in allen Figuren dasselbe. Fig. 1. Trichodina Pediculus von der Seite gesehen. Fig. 2. Ein sehr grosses Exemplar mit einem Auswuchs (Knospe?) und einer Körnerkugel im Innern. Fig. 3. Von den Seiten zusammengedrückte junge Trichodina. Fig. 4. Das Skelett der vorderen Wimper-Spirale. Die punktirte Linie bedeutet eine einmal beobachtete Schleifenbildung, vielleicht durch Druck verursacht. Fig. 5. Der Mund der Trichodina am Seitenrande des Objectes gesehen. . Vorderkörper. . Napfförmige Membran. . Stabkranz oder Hakenkranz. . Hintere Wimperscheibe. Erste kreisförmige Windung der vordern Wimperspirale. . Letzte Windung derselben. Mund. . Körnerkugel. m. Wahrscheinlich sprossenartiger Auswuchs des Körpers keunmtmwuoacd» W. Busch: Beitrag zur Histologie der Nieren. 363 Beitrag zur Histologie der Nieren. Von Dr. W. Buscn, Hiezu Taf. XIV. B. Ein genaueres Studium der Structur der Nieren hat mich längere Zeit beschäftigt, als ich über den Mechanismus der Seeretion Untersuchungen anstellen wollte. Mir war bekannt, dass Goodsir zuerst innerhalb der kernhaltigen Zellen der Leber bei Mollusken und Krebsen Galle nachgewiesen hatte, dass er ferner an der inneren Fläche des Tintenbeutels von Loligo Zellen gefunden hatte, welche Tinte in ihrem Innern beherbergten, so dass für diese Fälle durch Beobachtung nachgewiesen war, dass die Zellen die Werkstatt seien, in denen das Secret gebildet werde. Einige Jahre später er- schien die für diesen Gegenstand überaus wichtige Arbeit Heinrich Meckels „Mikrographie einiger Drüsenapparate der niederen Thiere* (Müller’s Archiv 1846). In ihr wurde, wie der Verfasser in der Einleitung als Zweck des Aufsatzes angiebt, für viele Drüsen der niederen Thiere bewiesen, dass die Epitelialzellen die eigentlichen Stätten der chemischen Wirksamkeit seien und ausserdem noch für einige Zellen, welche das Secret in Form von Niederschlägen enthalten, festgestellt, dass die Ausscheidung des in den Zellen enthal- tenen Secretes, durch Dehiscenz oder Platzen der Zelle be- werkstelligt werde. Dieses letztere galt unter Anderem von der Niere der Schnecken, indeın die kugelförmigen, aus „harn- saurem Ammoniak“ bestehenden Niederschläge, welche sich im freien Harne vorfinden, in derselben Form in den Epite- 364 W. Busch: lialzellen der Nieren gesehen wurden. Meckel war ferner der Erste, welcher die Bildung des Secretbläschens in den secernirenden Zellen der Niere bei diesen Thbieren nachwies. Er fand nämlich, dass die kleinsten Zellen in ihrem Innern einige stark lichtbreehende Körnchen enthielten, dass dann, wenn die Zellen gewachsen waren, in ihrem Innern sich je- desmal ein klares Bläschen von heller Flüssigkeit befand, in welchem sich Körnchen von harnsaurem Ammoniak moleku- lar bewegten. Dieses Bläschen, das Secretbläschen, wuchs nun weiter, bis es den ganzen Raum der Zelle einnahm und den Kern derselben an die Wand drückte, während sein In- halt von festem Haru sich vermehrte, indem entweder noch mehr einzelne Körner abgeschieden wurden, oder eine ein- zige grössere Kugel sich ausbildete. Diese aus harnsauren Salzen bestehenden Körner und Kugeln wurden dann auch in dem faltenreichen Sacke der Nieren und deren Ausfüh- rungsgang frei, ohne von einer Zellenmembran umgeben zu sein, gefunden. Hieraus wurde eben geschlossen, dass der Inhalt der Zelle durch Platzen der Wand entleert werde, und zwar nahm Meckel bei den Epitelialen der Schnecken die Möglichkeit an, dass nur das Secretbläschen ausgestossen werde und die Zelle ein neues bilden könne. Dieser Process der Secretion ist bei den Nieren der Lungen- schnecken ausserordentlich leichtin seinen verschiedenen Stadien zu beobachten und auch ich habe ihn gesehen, wie Meckel ihn schildert, nur möchte ich auf das Secretbläschen weniger Ge- wicht legen. Bei den meisten mit Harn gefüllten Zellen sind zwar, wie Fig. 1 zeigt, die sämmtlichen Kügelehen in dem hellen Seeretbläschen vereinigt. Ausserordentlich häufig sind aber auch die Ausnahmen, in denen noch neben dem Secret- bläschen, zwischen diesem und der Zellenwand, also in dem gewöhnlichen Zelleninhalte die Körnchen von harnsauren Sal- zen sich befinden. Meckel selbst hat zwei solcher Beispiele in seiner Fig. 1le und d abgebildet. Ebenso kommen, wenn auch seltener, Exemplare von Zellen vor, die wie Fig. 2 gar kein Secretbläschen enthalten, und nur ausser dem Kerne, grössere und kleinere Harnkügelchen einschliessen. Hieraus Beitrag zur Histologie der Nieren. 365 folgt, dass das Seeretbläschen durchaus nicht nothwendig ist und dass die Zelle, auch ohne dass ein solches vorhanden ist, sich mit Harnniederschlägen füllen kann. Hiezu kommt, dass fast in allen Zellen der erste amorphe körnige Harn auftritt, ehe das Bläschen vorhanden ist und dass daher mei- stens die zarte Membran des Bläschens erst aus dem Zel- leninbalt sich um den schon theilweise abgeschiedenen Harn bildet. Haben sich die Zellen oder ihre. Secretsbläschen mit dem körnigen Harne gefüllt, so ist kein anderer Weg für das Frei- werden dieser festen Körper denkbar, als das Platzen der Zellen. Es spricht hierfür, wie schon Meckel anführt, dass man in dem Ausführungsgange der Nieren den Harn in der- selben Form wie in den Epitelialzellen der Drüse vorfindet. Bei anderen Niederschlägen könnte man sich zwar vorstel- len, dass dieselben in den Zellen wieder gelöst würden, im gelösten Zustande durch die Zellenwand drängen und dann noch einmal vor dem Ausführungsgange sich nieder- schlügen, aber nicht so bei diesem harnsauren Salze. Es ist dies so schwer löslich, dass eine ungeheure Menge von Flüssigkeit dazu gehören müsste, um die schon nieder- geschlagenen Harntheile wieder aufzulösen und durch die Zellenmembran hindurchzuführen, wie sie in den Nieren die- ser Thiere schwerlich eireulirt. Hiergegen kann nicht der Einwand gemacht werden, dass zum Heranschaffen des Materials zur Secretion eine gleiche Menge Flüssigkeit nothwendig sei; denn dieses tritt nicht als im Blutwasser gelöstes harnsaures Salz zur Niere, sondern die herbeigeführten einfachen Blutbestandtheile werden durch metabolische chemische Thätigkeit der Zellen erst zu diesem unlöslichen Salze verändert. Man kann bei dem Harn der Schnecken hierfür einen directen Beweis führen. Dieser Kör- per, der in der drusigen Form, wie ihn Fig. 2 in der Zelle zeigt, vorkommt, zeigt bei der Probe durch Bildung von Pur- pursäure die Gegenwart von Harnsäure. Bei dem Glühen des Harnes bleibt kein fester Rückstand, die Säure ist daher nicht an Kali oder Natron gebunden. Löst man den Harn 366 W. Busch: in kaustischem Kali und erwärmt die Lösung, so entweicht kein Ammoniak, es ist also auch kein harnsaures Ammoniak, wie Mylius früher schon nachgewiesen hat. Aus reiner Harnsäure besteht das Secret aber auch nicht, da bei dem Zusatze von Salzsäure sich Harnsäurekristalle ausscheiden, die Säure also aus ihrer Verbindung mit einer (wahrschein- lich organischen) Base ausgetrieben wird. Dieses harnsaure Salz in den Schneckennieren löst sich ziemlich leicht in ko- chendem Wasser, fällt aber nach dem Erkalten in Form eines feinen Pulvers nieder. Auf diese Weise kann man allen Harn, der in der Niere enthalten ist, sehr leicht ausziehen und un- tersuchen, wie viel Wasser vou gewöhnlicher Temperatur dazu gehören würde, die ganze Harnmasse aufzulösen. Ich befreite eine mittelgrosse Weinbergschnecke von ihrem Ge- häuse, ohne sie zu verletzen, und wog sie. Das Gewicht betrug zwei Drachmen und achtundzwanzig Gran. Die Niere wurde ausgeschnitten und mit zwei Unzen Wassers gekocht, um den Harn zu extrahiren. Die Flüssigkeit wurde in ko- chendem Zustande filtrirt, dann das auf dem Filtrum Zurück- gebliebene noch einmal gekocht und wieder filtrirt, um so viel als möglich war, die ganze Masse des Harns auszuzie- hen. In der abfiltrirten Flüssigkeit fielen jedoch wieder bei dem Erkalten die weissen Flocken nieder. Niederschlag und Wasser wurden hierauf mit der doppelten Quantität Wassers gemischt und von Neuem erwärmt. Derselbe Vorgang fand statt, Lösung bei der Erwärmung und Niederschlag beim Erkalten. Diese Procedur der Wasservermehrung und Er- wärmung, wurde mit demselben Resultate noch mehrere Male wiederholt, bis endlich die Wassermenge sechzehn Unzen be- trug. Diese grosse Quantität Flüssigkeit löste den Nieder- schlag bei der Erwärmung und erhielt ihn auch beim Erkal- ten so weit gelöst, dass die Flüssigkeit nur noch leicht opa- lisirte. Es waren also 16 Unzen Flüssigkeit nöthig, um den festen Harn, den eine nicht ganz drittehalb Drachmen schwere Schnecke enthielt, aufzulösen; oder, mit anderen Worten ge- sagt, mehr als das Einundfünfzigfache des Gewichtes der Beitrag zur Histologie der Nieren. 367 ganzen Schnecke wurde an Wasser von gewöhnlicher Tem- peratur erfordert, um den Harn zu lösen. Dieses Resultat scheint mir hinreichend, um zu beweisen, dass der Harn nicht als gelöstes Salz in die Nieren einge- führt werden könne, sondern dass die Zellen der Drüse ihn erst durch einen chemischen Process aus dem zugeführten Materiale darstellen müssen. Ebenso wird auch dadurch be- wiesen, dass, nachdem der Niederschlag in den Epitelialzel- len einmal geschehen ist, die gesammte in der Schnecke ent- haltene Flüssigkeit nicht genügen würde, ihn wieder aufzu- lösen und durch die Zellenwände hindurchzuführen. Es bleibt hiernach nur übrig, eine Dehiscenz, ein Platzen der Zellen anzunehmen, um ihren Inhalt zu entleeren. Wir haben daher hier ein Beispiel, dass die secernirenden Zellen wenigstens eine theilweise Zerstörung erleiden müssen, um das Secret fortzuschaffen. Wenn auch, wie Meckel als mög- lich annimmt, nur das Secretbläschen (in den Fällen, wo ein solches vorhanden ist) ausgestossen wird, so würde nur un- endlich wenig von der ursprünglichen Zelle zurückbleiben. Das Secretbläschen nimmt, kurz bevor die Zelle platzt, die Höhle der Zelle fast vollständig ein, bildet also fast den ganzen Zelleninhalt, es würde dann nur der Kern und die weit aufgerissene Membran zurückbleiben. Ist der abgeschiedene Harn an den Ausführungsgang der Niere gelangt, so wird‘er von dem lebhaften Wimperepite- lium nach aussen geschafft. In der kleinen Gartenschnecke ist dieses Epitelium von einer Schönheit, wie man ihm selten in der Thierwelt begegnet. Es sitzt hier auf franzenartigen Vorsprüngen, die unter dem Mikroskope mit einer breiten Borte eingefasst erscheinen, über welche die Kuppeln der Zellen hervorragen. Die ganze zu Tage tretende Oberfläche der Zellen beträgt einen grösseren Kugelabschnitt als eine Halbkugel, und diese ist nicht etwa mit einer einfachen Reihe von Wimpern besetzt, sondern trägt einen dichten Besatz, ungefähr wie ein Morgenstern seiue Stacheln. Da nun bei den Schnecken und, wie Meckel ausserdem nachgewiesen, bei den Harnzellen der Insekten, sich der feste 368 W. Busch: körnige Harn bis zu seiner Bildungsstätte in den Zellen ver- folgen lässt, so sollte man glauben, ein Gleiches würde sich bei den Wirbelthieren thun lassen, welche einen festen Harn absondern. Auch hier haben wir schwer lösliche Körper, entweder Harnsäure oder harnsaure Salze, so dass man ver- muthen dürfte, der Harn würde nicht in gelöstem Zustande durch die Epitelzellen durchgehen, sondern in ihnen als Nie- derschlag aufgefunden werden. Ich ging daher an diese we- gen des zusammengesetzten Baues der Drüse sehr schwierige und mühsame Untersuchung, habe aber, wie ich hier vorher- sagen kann, von den vielen angestellten Beobachtungen, in dieser Beziehung nur ein negatives Resultat gewonnen. Ich wählte von den Vögeln Tauben, Hühner, Sperlinge, Canarien- vögel, Hänflinge u. s. w., von den Amphibien die bei uns ge- meinsten Schlangenarten Coluber natrix und Vipera Berus aus. Bei allen diesen Thieren wird der Harn in Form einer festen weissen Masse, die bei durchfallendem Lichte schwarz aussieht, gemischt mit etwas Schleim abgeschieden. Die Form desselben ist körnig oder kugelig entweder in Form sehr kleiner schwarzer Körnchen oder in Gestalt drusiger Gebilde, wie Fig. 3 zeigt, die durch einen dunkleren Streifen in der Mitte in zwei Halbkugeln getheilt erscheinen oder von deren Centrum drei oder vier dunklere Streifen nach der Peripherie verlaufen, die das Ganze in eben so viel Sectoren theilen. Bei der Untersuchung der Harnkanälchen, welche festen Harn führen, gewinnt es den Anschein, dass diese Drusen durch Aneinanderlegen mehrerer jener schon erwähnten feinen Kü- gelchen entstehen, und dass je nachdem deren zwei, drei oder vier zusammenschmelzen, man mehr oder weniger Streifen im Innern wahrnimmt. Ist der drusige Körper fertig gebildet, so kann man an ihm eine Umhüllang und einen Inhalt durch Reagentien erkennen. Lässt man nämlich langsam Salpeter- säure unter dem Mikroskope zutreten, so dass die Auflösung der Kugeln nicht zu rasch geschieht, so bemerkt man an der Peripherie zuerst eine Aufhellung. Ein äussert feiner Con- tour bleibt als Umhüllung bestehen, dann folgt nach innen ein heller Ring (die Stelle, an welcher die äussersten Schich- Beiträge zur Histologie der Nieren. 369 ten der Harnkugel gelöst sind) und endlich im Centrum eine noch feste schwarze Harnkugel. Diese wird, je mehr Sal- petersäure zutritt, also je mehr Harn aufgelöst wird, immer kleiner, bis sie zuletzt ganz schwindet und man nur noch die zarte Umhüllung als leere helle Kugel bemerkt, deren Um- risse immer undeutlicher werden und endlich ebenfalls ver- schwinden. In seltenen Fällen kann man sowohl im freien Harne als in dem von Harnkanälchen eingeschlossenen diese Umhüllung ohne Reagentien sehen; die Kugel ist dann nicht. vollständig von Harn gefüllt und man sieht einen Kern von festem Harne, umgeben von einem hellen Ringe, der von einem zarten Con- tour begrenzt wird, ungefähr ebenso, wie man es sonst nach Zusatz von Salpetersäure wahrnimmt (Fig. 3a). Hierdurch wird man leicht an die Secretbläschen der Schnecken mit ihrer Harnkugel erinnert, es ist aber nichts dem ähnliches. Diese Drusen bilden sich immer erst in der Röhre des Harn- kanälchens, niemals findet man sie in einer Zelle eingekap- selt. Selbst die kleineren Harnmoleküle, aus deren Anein- anderlagern die Drusen hervorgehen, werden immer erst im freien Lumen der Kanälchen, nie in den Zellen angetroffen. Ich darf dem geneigten Leser nicht zumuthen, mit mir die ganze Balın der Untersuchungen zu durchlaufen, die doch nur zu dem negativen Resultate führen, dass eben nicht in den Zellen der Niederschlag des festen Harnes stattfinde. Jeder Körper, in dem durch Reagentien Harnsäure nachgewieseu werden konnte, lag stets in dem Lumen der Kanäle. Nur zweimal in einer langen Reihe von Beobachtungen glückte es mir, eine Epitelialzelle zu sehen, in welcher nach Zusatz von Salpetersäure ein kleiner Krystall entstanden war. Von Täuschung konnte nicht die Rede sein, jedesmal lag die Zelle so frei, dass ein Strom von Flüssigkeit sie drehen machte, so dass man sich von der Einkapselung des Krystalls über- zeugen konnte. Beweisen kann dies seltene Factum, welches beide Male an Tauben beobachtet wurde, auch nichts: die Zelle konnte getränkt sein mit der Lösung des harnsauren Salzes und zufällig fiel, ehe dieses durch die Wand ausgezogen Müllers Archiv. 1855. 24 370 W. Busch: wurde, der Krystall bei dem Zusatze des Reagens im Innern nieder. Die festen Harnkörnchen hingegen, die man bei hin- reichender Uebung von den Protein und Fett-Molekülen, wel- che die Epitelialen füllen, schon ohne Reagens unterscheiden lernt, sieht man niemals als Zelleninhalt. Vom chemischen Gesichtspunkte ist es zwar schwer zu begreifen, wie der feste Körper gelöst durch die Zellenwand durchgehen soll, wenn wir auch hier mit verhältnissmässig leichter löslichen Körpern zu thun haben. Glüht man reinen Taubenharn, so erhält man einen alkalisch reagirenden festen Rückstand, die Säure ist also mit einem der fixen Alkalien verbunden, mit denen es die am leichtesten löslichen Salze bildet. Nieren von grossen Schlangen aus tropischen Ge- genden, deren Harn aus krystallinischer Harnsäure, also einem ausserordentlich schwer löslichen Körper besteht, habe ich nicht untersuchen können; bei diesen müsste es am leich- testen sein, den Harn bis zu seiner Bildungsstätte hinauf zu verfolgen, und ich zweifle auch nicht, dass man hier wie bei Schnecken und Inseeten den Harn als festen Körper in den Epitelialzellen antreffen wird, da er in ciner Zusammen- setzung abgeschieden wird, welche ihn erst in 14000 bis 15000 Theilen lauen Wassers lösen lässt. Während jener Untersuchungen wurde auch die feinere Struetur der Niere häufig Gegenstand der Beobachtung. Be- kamntlich ist die erste Bowman’sche Angabe, dass der Ge- fässknäuel (Glomerulus) frei, ohne Ueberzug in die Kapsel der Harnkanälchen hineinrage, von den besten Beobachtern als unrichtig nachgewiesen worden. Die Structur der Niere bietet daher keine Ausnahme mehr von der allgemeinen Re- gel, die die Natur bei dem Bau der Drüsen festgehalten hat, dass das von den Blutgefässen zu liefernde Material immer erst durch eine Schicht Epitelialzellen hindurchgehen muss, ehe es in die Höhlung der Drüsengänge gelangt. Widerstrei- tende Meinungen sind jetzt nur noch über den Punkt, wie die Anordnung des Gefässknäuels zu der erweiterten Stelle der Nierenkanälchen sich verhält. Zwei gewichtige Autoritäten: Bidder und Reichert nehmen nach Untersuchungen an Beiträge zur Histologie der Nieren. 371 Tritonnieren an, dass der Glomerulus nicht die bauchige Er- weiterung des Harnkanälchens durchbohre, auch nicht in die- selbe eingestülpt sei, sondern dass der ganze Körper als kreisförmige platte Scheibe nur neben der bauchigen Erwei- terung gelagert sei. Meine Untersuchungen an Schlangen hatten, wie ich un- ten anführen werde, mich entschieden überzeugt, dass der ‚Glomerulus wirklich in einer Kapsel, dem erweiterten Ende eines Harnkanälchens gelegen sei; ich musste daher die von Bidder besonders empfohlene Stelle, die zerstreuten Reneuli des männlichen Triton aufsuchen, um eine Vergleichung an- zustellen. In der That kann man hier Nierentheile übersehen, ohne mit Messer oder Nadeln das Präparat auseinanderge- zerrt zu haben, und man sieht, wie die genannten Beobachter angeben, den Glomerulus die verschiedensten Stellungen zu der einfachen bauchigen Erweiterung des Kanälchens anneh- men. Gerade die Leichtigkeit aber, mit der man unter gün- stigen Umständen durch Druck des Deckplättchens den Glo- merulus vom Kanälchen entfernen kann, lässt mich trotz der Autorität der genannten Beobachter vermuthen, dass hier Druckerscheinungen leicht Täuschungeu hervorbringen kön- nen. Der Glomerulus des Tritons ist nämlich ein so grosser Körper, dass schon das platte Auflegen des Deckplättehens ihn aus seiner Lage verschieben kann. Liegt das Präparat nicht gerade so unter dem Mikroskope, dass der Glomerulus genau in der Mitte der erweiterten Stelle gesehen wird, so kann er durch leichten Druck vollständig losgesprengt wer- den. In günstigen Präparaten hingegen, die keinem Drucke ausgesetzt zu sein schienen, sah ich auch stets, wie Carus es abbildet, den Gefässknäuel innerhalb der erweiterten Stelle des Kanälchens liegen. Uebrigens bemerke ich, dass die Be- obachtungen an dieser Stelle mich nicht zu einer festen Ue- berzeugung geführt haben würden, wenn ich dieselbe nicht schon durch Untersuchung der Schlangenniere gewonnen hätte. Bei diesen Thieren muss man freilich die Niere durch Nadeln zerreissen; die Elemente der Drüse sind aber so leicht in einander gefügt, dass man auch ohne grosse Verletzung sie 24° 372 W. Busch: aus einander zerren kann. Falls aber bei dieser Präparation Verletzungen entstehen, so können diese nur zwei zusammen gehörende Theile von einander reissen; wenn man also den Glomerulus doch in dem Harnkanälchen liegen sieht, so ge- sehieht dies trotz der Präparation, nicht durch dieselbe. Bei den Schlangen liegt der Glomerulus nicht in einer einfachen Erweiterung des Kanälchens, wie beim Triton, son- dern ganz entschieden in dem erweiterten Ende des Kanäl- chens. Leicht erhält man durch glücklichen Zufall bei diesen - Thieren, die ich nicht genug zur Untersuchung empfehlen kann, verschiedene Präparate, die uns bald das Profil, bald die volle Fläche des Endes des Harnkanälchens zeigen. In welcher Lage man aber auch dasselbe zu Gesicht bekommen mag, man wird immer, wenn nicht Zerstörungen gemacht sind, das Gefässknäuel innerhalb der Kapsel wahrnehmen. Die Kapsel selbst sitzt wie Fig. 4 zeigt, als eine vollständig runde, nicht abgeplattete Kugel auf dem Ende des Kanälchens auf. An der Gränze des Kanälchens und der Kapsel befinden sich in dem ersteren jene grossen mit starken Wimpern besetzten Zellen, die schon Bowman beim Frosche abgebildet hat. Sieht man sie vollständig von oben, so haben sie die platte Gestalt, die die Fig. 4a zeigt. Bei unverletzten Exemplaren bemerkt man ferner deutlich, dass die obere Wand der Kap- sel mit einem polygonalen Epitelium (Fig. 4b) besetzt ist. Verstellt man das Mikroskop, so sieht man ein ganz gleiches Epitelium auch auf der untern dem Beobachter abgewandten Kapselwand. In sehr günstigen Fällen kann man auch aus- serdem an dem freien Rande des Gefässknäuels, welches in der Höhle eingeschlossen liegt, einzelne Epitelialzellen wahr- nehmen (Fig. 4c). Freilich bekommt man dieselben selten zu Gesicht, da sie uns nicht ihr plattes Ende vollständig zu- kehren und man meistens nur einen auf dem Gefässbogen sitzenden Kern mit einem Ueberzuge bemerkt. Auf der fla- chen Seite der Gefässe lässt sich das Epiteliumgitter nicht gut erkennen wegen der Undurchsichtigkeit der Unterlage und weil man schon durch ein gleiches an der obern Kapsel- wand hindurchsehen musste. Bei erwachsenen Schlangen "A Beiträge zur Histologie der Nieren. 373 ferner gelang es ınir nie, wenn der Glomerulus aus der Kap- sel herausgezerrt war, aufsitzende Epitelien wahrzunehmen; derselbe erschien vielmehr stets vollständig glatt. Bei Em- bryonen jedoch von Coluber Natrir, die nur noch wenige Tage vom Ausschlüpfen entfernt waren, gelang es mir mehrere Male hinter einander an einem herausgepressten Glomerulus deut- lich einen Epitelialüberzug wenigstens stellenweise zu bemer- ken. Wurden die Präparate in Wasser untersucht, so konnte man nach einiger Zeit selbst ein Aufquellen der Zellen wahr- nehmen, so dass der Verdacht einer Täuschung durch Kerne der Gefässwände von der Hand gewiesen werden musste. An einem solchen Körper sah ich, dass das Epitelium nicht etwa den Windungen des Gefässes folgte, sondern brücken- förmig zwischen zwei Windungen ausgespannt war. Binde- gewebe, welches die Zellen mit dem Gefässknäuel verband, habe ich nicht gesehen, sein Vorhandensein ist mir aber wahr- scheinlich, da die Gefässe immer, wie Reichert bemerkt, im Körper mit andern Geweben durch Bindegewebe verbun- den werden, Die Art des Eintretens des Gefässes, welches den Glo- merulus bildet, in die Kapsel, ist schwer zu beobachten. An einigen Exemplaren, welche zufällig so lagen, dass der Ein- iritt des Gefässes um ein Kleines oberhalb oder unterhalb der äussern Peripherie der Kapsel sich befand, bemerkte ich immer ein Einschlagen der Contouren, als habe das Gefäss eine Einstülpung vorgenommen (Fig. 4d). Ich glaubte auch zuerst, es sei eine vollständige Einstülpung der ganzen Tuniea propria der Kapsel vorhanden. Das Verhältniss ist aber nicht so einfach. Hat man die eingeschlagenen Con- touren am Eintritte des Gefässes genau in das Auge gefasst und verstellt nun das Mikroskop, so sieht man deutlich den Rand der Kapsel continuirlich sich über das Gefäss fortsetzen. Das Gefäss stülpt nicht die ganze Tuniea propria ein, son- dern durchbohrt sie und drängt nur das an deren innerer Seite befestigte Epitelium vor sich her. Die Auskleidung vom Epitelium lässt sich hiernach ungefähr mit dem Verlaufe einer serösen Haut vergleichen: Ein Parietalblatt kleidet die 374 W. Busch: ganze innere Wand der Kapsel aus und schlägt sich beim Ein- und Austritte des Gefässes als Visceralblatt auf den Gefässkuchen über. Alles Blut, welches aus dem Glomerulus in das Harnkanälchen gelangen soll, muss daher, wie auch schon viele andere Beobachter angegeben, durch ein den Ge- fässkuchen überziehendes Epiteliennetz passiren. Man findet auch schon zuweilen in der Höhle der Kapsel, bei ganz un- gedrückten Präparaten, feine kleine Harnkörnchen, so dass die Secretion hier oben am Ende eben so vor sich geht, wie im weiteren Verlaufe der Kanäle. Gewöhnlich wird angegeben, dass der Gefässkuchen der niederen Wirbelthiere nur aus Windungen eines und dessel- ben Gefässes bestehe. Es kommen aber auch hier Theilun- gen des Gefässrohres vor, wie Fig. 5 eine solche aus dem Glomerulus einer Viper zeigt. Was nun die Wimperauskleidung der Niere betrifft, so sind am leichtesten die langen von Bowman beschriebenen Cilien in dem Halse des Harnkanälchens zu sehen. Bei schonender Behandlung jedoch kann man sich gerade bei Schlangennieren leicht überzeugen, dass dies Flimmerepitelium weit nach un- ten ausgebreitet ist. Man darf zur Präparation nur nicht Wasser wählen, weil in diesem die Bewegung schnell erlischt; am besten nimmt man eine eiweissartige Flüssigkeit, in wel- cher das Phänomen lange Zeit fortdauert. Ich wählte ge- wöhnlich das Eiweiss von Schlangeneiern. So lebhaft wie an der Gränze der Kapsel und des Kanälchens ist die Flimmer- bewegung nur in dem nächstfolgenden engern Theile des Harnkanälchens. Wo dieses aber weiter wird, was bei den Schlangen erst nach einem ziemlich langen Verlaufe geschieht, werden die Cilien zarter und die Bewegung minder lebendig. Man kann sich jedoch von dem Vorhandensein des Wimper- epiteiums auch in diesem Theile der Niere überzeugen, wenn man einen solchen Gang unter dem Mikroskop geknickt hat, wie in Fig. 6, wo man also das ganze Lumen des Kanäl- chens übersieht. Die Abbildung zeigt, dass in das freigelas- sene Lumen des Kanälchens die auf den Zellen sitzenden Cilien hineinragen. Anfangs, wo die Bewegung sehr lebhaft Beiträge zur Histologie der Nieren. 375 ist, kann man die einzelnen Cilien schwerer unterscheiden, sobald diese langsamer wird, sieht man, dass jede Zelle nur eine Cilie trägt (Fig. 7), welche sie wie eine Geissel bewegt. Nicht nur in den Harnkanälchen, sondern auch in dem er- weiterten Ende derselben, der Kapsel, stehen Cilien auf den polyedrischen Zellen. Hier habe ich sie aber nur bei Schlan- genembryonen, jedoch deutlich eine Viertelstunde lang schla- gend gesehen, wenn es gelang, den Glomerulus so heraus- zuziehen, dass gleichzeitig die Kapsel aufgerissen, offen neben dem Gefässknäuel lag, Es kommt also die Flimmerbewe- gung bei den Schlangen ebenso in der Kapsel, wie bei den Tritonen in der flaschenförmig erweiterten Stelle im Verlaufe der Harnkanälchen vor. Bei Vögeln habe ich niemals Flim- merbewegung in der Niere sehen können. Erklärung der Figuren. Fig. 1. Nierenzelle einer Lungenschnecke mit einem Secretbläs- chen, welches die Harnmoleküle einschliesst. Fig. 2. Nierenzelle einer Schnecke mit festem Harne ohne Se- eretbläschen. Fig. 3. Körniger und drusiger Harn von Vögeln in verschiedenen Vergrösserungen. a. Harnkugel von einem freien Ringe umgeben. Fig. 4. Ende eines Harnkanälchens und Kapsel aus der Niere einer Schlange. a. Grosse Wimperzellen im Halse des Kanälchens. b. Epitelium von der Wand der Kapsel. ce Epitelialzellen auf dem Glo- merulus. d. Umschlagstelle des Epiteliums auf das eintretende Gefäss. Fig. 5. Sich theilendes Gefässrohr aus dem Glomerulus einer Viper. Fig. 6. Geknicktes Harnkanälchen. Im Lumen sieht man die Wimpern der Zellen. Fig. 7. Das Ende einer solchen Zelle mit der Wimper. 376 Frz. Leydig: Zum feineren Bau der Arthropoden. Von Dr. Frz. LeyDıe. Hierzu Taf. XV.— XVII. In den folgenden Mittheilungen lege ich weitere Beiträge zu einer künftigen vergleichenden Histologie vor. Man ist wohl allgemein darin einverstanden, dass unsere Kenntnisse über die Strukturverhältnisse der Thierwelt noch keineswegs nach allen Seiten hin in gleicher Höhe stehen mit jener Ausbil- dung, welche die Geweblehre des Menschen gegenwärtig er- reicht hat. Insofern jedoch die Mehrzahl der jetzt erschei- nenden zootomischen Arbeiten neben den systematischen Be- strebungen das Ziel klar im Auge hat, die Lücke dieser Doktrin auszufüllen und das Mangelhafte verschwinden zu machen, so dürfte sich wohl in nicht sehr ferner Zeit aus der Menge der Detailbeobachtungen ein einheitliches wissenschaft- liches Bild von der thierischen Geweblehre gewinnen lassen. Von ähnlichen Gedanken geleitet, habe ich den letzten Som- mer und Herbst dazu verwendet, eine Anzahl von Crusten- thieren, Spinnen und Insekten zu zergliedern, theils um vor- handene Angaben zu prüfen, theils um mich über Strukturen zu unterrichten, auf die andere Forscher bis jetzt nur gele- gentlich ihre Aufmerksamkeit gerichtet hatten. Von meiner Ausbeute möchte ich das Nachstehende der Veröffentlichung für nieht unwerth halten. Von der Haut. l. Crustaceen. Ueber den feinern Bau des Haut- skelets mancher Crustenthiere haben Valentin!), v. Sie- 1) Repertorium f. Anat, u. Physiol. Bd.I., 1836. Zum feineren Bau der Arthropoden. 377 bold'), H. Meckel?) und Lavalle°) Untersuchungen an- gestellt. Um allgemeinere Vergleichungspunkte erhalten zu können, ist es nöthig, vorerst in die Einzelnheiten der Haut- struktur verschiedener Glieder dieser Thierordnung einzugehen, Die Haut des Flusskrebses besteht aus der harten, äussern Schale und einer darunter gelegenen weiche, Haut- schicht. Betrachtet man die Schale von der freien Fläche, so ist da allerwärts eine mehr oder minder klare zellig-po- Iygonale Zeichnung wahrzunehmen. Ein Gleiches sehe ich am Hummer, an Squilla mantis und vorzüglich scharf bei Dorippe lanata, und obschon mir keine Erfahrungen zu Ge- bote stehen, wie dieses polygonale Netz der Oberfläche, des- sen Maschenräume in ihrer Grösse beträchtlich schwanken, entstanden ist, so muss ich doch in hohem Grade bezweifeln, ob die Linien als die Gränzen von etwa chitinisirten Zellen aufzufassen wären, da es mir nicht gelingen wollte, an Scha- len, die in Säuren macerirt waren, zellige Elemente isolirt darzustellen. Die scheinbaren Zellen können sich auch nach aussen wölben, an Grösse zunehmen und die Schalenober- fläche höckerig machen. Bei der Flächenansicht fallen ferner ausser den felderarti- gen Linien zahllose schwarze Punkte auf. Hatte man ein Schalenstückehen gewählt, das an und für sich etwas durch- sichtig ist, so springt leicht in die Augen, dass die Punkte die Ausmündungen von feinen Canälen vorstellen, welche die Haut senkrecht durchsetzen. Fertigt man sich passende ver- tikale Schnitte, so lassen sich die Canäle an jeder beliebigen Schalengegend nachweisen, wobei ein genaueres Nachforschen übrigens belehrt, dass es dem Caliber nach zweierlei Canäle giebt, weite und feine. Manche Krebse, z. B. Squilla mantis haben so viele schon ohne weitere Präparation durchsichtige Stellen, dass die beiderlei Canäle mühelos unterschieden wer- den können. 1) Vergleichende Anatomie. 2) Müller's Arch. f. Anat, u. Plıys, 1846. 3) Annal. d. scienc, natur, 1847. 378 Frz. Leydig: Die weiten Canäle stehen an Zahl den feinen sehr nach, ihre untere Oeffnung führt auf die nicht verkalkte weiche Hautlage und unverkennbar steigt an den besonders weiten Canälen ein fadenförmiger Fortsatz der weichen Hautschicht in den Canal der Schale aufwärts. Die obere Mündung steht constamt, wenn Haare da sind, mit diesen in solcher Verbin- dung, dass das Lumen des Canales in das des Haares über- geht, fehlt ein Haarbesatz oder ist derselbe abgefallen, so liegt die Mündung frei zu Tage. Die weiten Canäle haben eine helle Lichtung, die feinen hingegen erscheinen mehr als dunkle Striche, was nach Valentin seinen Grund in dem kohlensauren Kalk haben soll, der in den Röhrchen enthalten sei. Schon v. Siebold!) bemerkt hierzu, dass es ihm nicht geglückt wäre, eine Ablagerung von kohlensaurem Kalk in den Hautkanälen zu beobachten und ich habe mich überzeugt, dass die Canäle nicht den Kalk enthalten, die schwarze Farbe rührt von ihrer Enge her und der Kalk ist lediglich mit der von den Canälen durchsetzten Grundsubstanz verbunden. Die interkanikuläre oder Grundsubstanz besteht aus ho- mogenen und chitinisirten Lamellen, die übereinandergeschich- tet auf dem senkrechten Schnitt eine sehr regelmässige pa- rallele Längsstreifung darbieten und selbst wieder nach ihrer Dünne oder Dicke, so wie nach den Färbungen mehre di- stinkte Hauptlagen bilden können. So stufen sich z.B. an der Hummerschale die Schichten in folgende drei ab: die oberste ist roth, die zweite nach aussen gelblich, nach unten grau, die innerste tiefgrau. Die unter der Schale liegende weiche Haut hat beim Fluss- krebs entweder die Beschaffenheit von gewöhnlichem, nur etwas steifem Bindegewebe, in welchem nach Kalilauge Binde- gewebskörperchen in Form von länglichen, schmalen Lücken, häufig mit einigen Punkten im Innern, auftreten; oder es bie- tet die Natur von gallertiger Bindesubstanz dar. Dann sieht man ein Maschenwerk, das in seinen Centralpunkten schöne, 0,007“ grosse Kerne besitzt und in den Hohlräumen eine 1) A.a. 0, S. 421. Anm. 3. Zum feineren Bau der Arthropoden. 379 helle Gallerte einschliesst. Die Gallerträume sind sehr ver- schieden gross, 0,024 — 0,04”, sinken aber auch, namentlich gegen die Oberfläche hin zu 0,0120‘ bis selbst 0,004 herab. Von den rothen, blauen und goldglänzenden Pigmentirungen dieser Haut, welche meist in verzweigten Massen auftreten, verdient besonders die blaue in Anbetracht ihrer Elementar- theile einer eigenen Erwähnung, da sie ausser feinen Punk- ten aus blauen Crystallen, meist 0,004“ lang, besteht. Sie vergehen schnell in Kalilösung, während die Körnchen des rothen Pigmentes darin ausharren, Aus den Familien der Ampbipoden, Isopoden und Myria- poden habe ich mir die Haut von den Gattungen Gammarus, Asellus, Porcellio, Oniseus, Armadillo, Julus und Seolopendra angeschen und ganz analoge Strukturverhältnisse beobachtet. Die chitinisirte, aber nicht verkalkte Haut von Gammarus pulex zeigt die zweierlei Canäle, die weiten, meist wegen der geringen Dicke der Haut nur 0,006‘ lang und durch ihre obere Oeflnung mit dem Lumen der Haare zusammenhän- gend und dazwischen die zahllosen feinen Canäle. Die weiche Hautlage darunter weist innerhalb einer feinmolekulären Sub- stanz zahlreiche Kerne auf. Bei Asellus aquaticus sind ebenfalls zweierlei Canäle und auf der freien Schalenfläche eine polygonal-zellige Zeichnung sichtbar. Die chitinisirtte und am Rücken durchschnittlich’ 0,007'% dicke Hautlage hat aber etwas Kalk aufgenommen, weshalb nach Essigsäurezusatz starke Gasentwicklung folgt. Unter der Schale macht sich wieder eine weiche Hautschicht bemerkbar, die gelbkörniges und kaffeebraunes diffuses Pigment enthält, Der Hautpanzer von Porcellio scaber, Oniscus murarius und Armadillo pulchellus stimmt im Wesentlichen des Baues mit einander überein. Bei allen ist die Chitinhaut sehr kalkhal- tig und daher bewirkt die Anwendung von Essigsäure eine lebhafte und lang andauernde Gasentwicklung. Auf der freien Fläche der Schale markiren sich entweder felderartige Con- turen oder die Felder sind in schuppenähnliche Wülste erho- ben, was man z. B, schr gut am Rande eines Leibessegmentes 380 Frz. Leydie: (vgl. Taf. XV. Fig. 7c) sieht. Von den doppelten Canälen fal- len die weiten, ungefähr 0,002‘ im Querdurchmesser halten- den rasch in die Augen, da sie hell und scharf sind und con- stant vor ihrer Ausmündung an der Basis der Haare eine ampullenartige Erweiterung bilden (Taf. XV. Fig.7b). Unter der Schale folgt die weiche, unverkalkte Hautlage (Fig. 7 d), welche aus Molekularmasse, 0,004 grossen Kernen und Pigment zusammengesetzt erscheint. Letzteres bringt es stel- lenweise z. B. am Kopf von Armadillo pulchellus zur Bildung von dichten, zierlichen Netzen. Nach Zusatz von Essigsäure kann es sich ereignen, dass ein Theil der Pigmentkörner in die weiten Canäle vordringt und sie damit dunkel färbt. Die nicht minder kalkhaltige Schale von Julus terrestris weicht in einigen Dingen ab. Zwar findet sich auch hier die zellige Zeichnung an der Oberfläche (Taf. XV. Fig. 8a) und die geschichtete Grundsubstanz wird von zweierlei Canälen durch- drungen, aber es kommt nicht bei den weiten zur Bildung von Ampullen am oberen Ende und die feinen Canäle da- zwischen sind hier deutlich verästelt, so dass sie den Zahn- kanälchen mancher Thiere sehr ähnlich sehen. Die weiche Hautlage darunter hat die vorhin aufgezählten Eigenschaften. Behandelt man übrigens einen Fuss mit Essigsäure, so zieht sich diese Haut (vgl. Fig. 9b) etwas von der Schale zurück, wobei jetzt offenbar wird, dass sie in die weitren Canäle der hier nur 0,007“ dicken Schale papillenartige Fortsätze hin- einschickt. Die chitinisirte gelbliche Haut von Scolopendra forficata ist nicht kalkhaltig, daher auch biegsam, hat aber gleich den vorhergegangenen Thieren aussen eine zellige Zeichnung und Canäle, wovon die grösseren ohne Ampullen sind und für sich oder in Haare und Stacheln ausmünden. Die weiche Hautlage besitzt etwas violettes Pigment an manchen Orten, z.B. an den Rändern der Beine, Meine früheren Mittheilungen über die Anatomie von Ar- gulus, Artemia ete. melden nichts von Canälen in der Cuti- cula, da ich jedoch bei Apus cancriformis dieselben jetzt eben- falls sehe, so dürfte bezüglich dieses Punktes noch einmal Zum feineren Ban der Arthropoden. 381 Nachlese gehalten werden. Die Cutieula des Apus ist ohne Kalk, aber mit zellig oder zellig-höckeriger Zeichnung und wo sie einige Dieke erlangt, mit feinen und grösseren zu den Haaren in Beziehung stehenden Canälen ausgestattet. Es mögen wohl noch manche Abänderungen im Baue der Haut bei den Crustenthieren bekannt werden, wie mich sol- ches die Schale der Sphaeroma cinerea vermuthen lässt, welche Eigenthümlichkeiten darbietet , die ich nicht auszugleichen vermochte. Die verkalkte Haut ist sehr dünn, hell und bricht wie Glas, bei der mikroskopischen Untersuchung überraschen vor Allem Bildungen, welche den Knochenkörperchen der Wirbelthiere aufs Haar ähnlich sehen und näheres Betrach- ten und Vergleichen belehrt, dass sie ihren Ursprung aus einer ossifieirten, epitelartigen Zellenlage genommen haben, und dass die Knochenkörperchen nur die übrig gebliebenen Lücken der in grösserer oder geringerer Ausdehnung verkalkten Zel- len sind. Zugleich mit den „Knochenkörperchen“ trifft man in Abständen und oft durch grosse Strecken von einander getrennt seltsame, nach der Fläche verästelte Hohlräume mit zahlreichen blind geendigten Ausläufern, Ueber diese Theile weg geht dann noch eine homogene, geschichtete Cutieula mit den gewöhnlichen, senkrecht stehenden Canälen. 2. Spinnen. Klarer ist die Haut der Arachniden. Von ihr wusste man bis jetzt bloss'), dass sie aus einer äussern oder Chitinhaut, die am Hinterleibe wellenförmige, die Haar- auswüchse umgebende Ringe habe und einer darunter gele- genen weichen, nicht chitinisirten Schicht bestehe. Ich bin im Stande zu zeigen, dass die Arachniden im Bau der Haut, abgesehen von dem Kalkgehalt, der durchweg fehlt, die grösste Verwandtschaft 'mit den Crustenthieren an den Tag legen. Denn erstens vermisse ich nirgends, wo ich hierauf nach- suchte, die doppelten Canäle in der Chitinhaut, ich sehe sie bei Mygale avicularia, zahlreichen Epeiraarten, verschiedenen Salticus, Thomisus, Theridium, Clubiona, Lycosa, Argyronecta, Teyenaria 80 gut wie bei Phalangium und unter den unter- 1) Vergl. v. Siebold a. a. O, S. 520, 382 Frz. Leydig: suchten Acarinen bei Ixzodes, Acarus coleoptratorum (auf Sca- rabaeıs stercorarius), nicht minder bei Scorpio. Die grösse- ren Canäle (Fig. 6b) sind nicht verästelt, sondern steigen gerade oder höchstens leicht wellig durch die Chitinhaut, die feinern, welche wegen ihrer Enge sich schwarz ausnehmen, sind unter Andern bei Phalangium verästelt. Die grössern Canäle münden überall, wo Haare stehen, in die Basis der- selben. Ein besonderes Interesse nehmen die Hautcanäle von Iro- des in Anspruch. Es standen mir mehrere lebende Exem- plare von Izodes testudinis, die auf Testudo graeca schma- rotzten und im vollgesogenen Zustande (Weibchen) 8“ in der Länge maassen, zu Gebote. Die weissgraue Haut war unter dem Mikroskop stark schwarz punktirt und gestrichelt, was von den Canälen herrührte; die grossen (Fig. 5b) nahmen meist einen etwas gekrümmten Verlauf und erweiterten sich an beiden Enden bis zu 0,010“ ampullenartig, wobei das obere Ende gewöhnlich mit einer kurzen Borste zusammen- hing. Die feinen Porencanäle (Fig. 5c) schienen sich zu ver- ästeln und mit einander zu anastomosiren. Das Bemerkens- wertheste indessen ist ihr Inhalt. In den übrigen Arachniden mag wohl hauptsächlich eine helle Flüssigkeit sie ausfüllen, hier aber bei unseren Izodes sind die beiderlei Canäle luft- haltig. Wird die Luft durch irgend ein Reagens ausgetrieben, so schwinden natürlich die auffallend dunkeln Conturen, die Canäle werden hell, nehmen aber ihr altes Aussehen alsbald wieder an, wenn nach dem Austrocknen der Flüssigkeit die Luft zurückströmen kann. Ohne Zweifel wird die für das freie Auge weissgrauliche Farbe der Haut durch diesen Luft- gehalt bedingt. In den braunen Hautpartieen: Schild, Kie- fer ete. haben die beiden Canalarten nicht dieses Contentum. Obgleich bei den übrigen oben namhaft gemachten Arach- niden die Hautcanäle nicht mit Luft gefüllt sind, so finde ich doch, wovon bisher ebenfalls Niemand Kenntniss zu haben scheint, dass die Hautauswüchse nicht selten lufthaltig und dann glänzend weiss sind. Bekanntlich haben die Haare der Spinnen entweder die Form von einfachen Borsten oder sie Zum feineren Bau der Arthropoden, 383 sind gefiedert oder sie stellen Schüppchen dar, denen der In- sektenflügel ähnlich. Bei Salticus z. B. trifft man Schüppchen an, die eben so leicht abfallen, wie bei Schmetterlingen, und zahlreiche, regelmässig geordnete Hohlräume besitzen, deren Scheidewände eine Längs- und Querstreifung hervorrufen. In diesen Kammern ist Luft enthalten, die am abgefallenen Schüppehen entweicht, worauf die dunkeln Conturen und die glänzend weisse Farbe bei auffallendem Licht ebenfalls ver- schwunden sind. Ganz dasselbe beobachte ich bei Clubiona elaustraria, hier hat für das freie Auge der Haarpelz einen gar schönen Silberglanz, und bei mikroskopischer Unter- suchung erfährt man, dass neben den einfachen und gefieder- ten Haaren noch blattförmige vorkommen, die in zahlreichen kleinen, wohl in einander sich öffnenden Kammern, Luft zum Inhalt haben und daher der Silberglanz des Pelzes. Noch bei andern Spinnenarten (z. B. Epeira, Theridium) habe ich lufthaltige Haare wahrgenommen. Was die Grundsubstanz der Chitinhaut betrifft, so ist sie aus geschichteten homogenen Lamellen gebildet, die entweder ganz farblos sind, oder bräunlich (Epeira, bei Mygale in den obern Schichten braunschwarz) oder grünlich, z. B. in Salti- cus aeneus flaschengrün. Wie bei den Crustenthieren bietet auch hier wieder die Oberfläche der Chitinhaut und zwar am Cephalothorax und den Beinen eine zellige Zeichnung dar, auch springen wohl die Conturen derselben namentlich an den Extremitäten schuppenartig oder getäfelt (Phalangium) vor. Doch habe ich hier so wenig, wie bei den vorhergehen- den Thieren wirkliche Zellen isoliren können. Statt der zel- lenähnlichen Linien erscheint auf der Oberfläche des Abdo- mens der Arachniden eine ganz eigenthümliche, wellenför- mige, die Basis der Haarauswüchse in concentrischen Ringen umgebende Zeichnung, von welcher v.Siebold aussagt, dass es sich schwer entscheiden lasse, ob sie von einem innern, besondern Strukturverhältnisse oder von zarten Faltungen der Öberhaut herrühre. Ich habe indessen die Ueberzeugung gewonnen, dass diese Linien nicht verstrichen werden kön- nen, dass sie keine blossen Faltungen sind, sondern unver- 384 Frz. Leydig: äusserlich in der Struktur der Haut liegen, so gut als die bekannten zierlichen Linien in der Handfläche und Fusssohle des Menschen. Daher verschwinden sie unter keinen Um- ständen, selbst nicht an dem kleinsten ausgeschnittenen Stück- chen nach Behandlung mit Essigsäure oder Kalilauge. Sie stellen eben das Aequivalent der zellen- oder schuppenähn- lichen Linien an den anderen Körperstellen dar. Unterhalb der Chitinhaut kommt die weiche Hautschicht (Fig. 6c), entweder aus Molekularmasse und Kernen sammt Pigment bestehend, oder die Körncheu sind um die Kerne so gelagert, dass die Haut wie aus Zellen zusammengesetzt sich ausnimmt z.B. an Salticus. Das Pigment ist entweder schwarzkörniges (Salticus, Tegenaria ete.), oder es ist eine in Essigsäure unveränderliche Punktmasse, die für das freie Auge weiss aussieht, so z.B. am Bauche von Phalangium opilio. Das silberglänzende Pigment, welches das Abdomen mancher Spinnen (z. B. Tetragnatha und Epeiraarten) schmückt, gehört nicht der Haut an, sondern den Endbläschen der Leber. Es besteht aus sehr kleinen, lebhafte Molekularbewegung zei- genden Plättchen oder Flimmerchen, die einzeln fast farblos sind, im Beisammenliegen aber silberig bei auffallendem Licht und dunkelbraun bei durchgehendem werden. 3. Insekten. Meine Untersuchungen erstrecken sich zwar nicht auf sehr viele Arten, aber doch so weit, um den Aus- spruch vertreten zu können, dass im Wesentlichen das histo- logische Verhalten dasselbe sei, wie bei den andern Arthro- poden. Da es zunächst der Hirschkäfer ist, mit dessen Haut- struktur wir durch die Mittheilungen von Hermann Meyer!) bekannt gemacht wurden, so gehe ich auch von ihm aus und lege in Fig. 1 und 2 Abbildungen vor. Der genannte For- scher unterscheidet einen innern und äussern Epidermisüber- zug, der aus neben einander gereihten Zellen bestehe, ich erkenne nun zwar beim Hirschkäfer, wie auch bei andern Insekten, z.B. an Scarabaeus stercorarius und Iyphoeus, Ano- 1) Müller’s Archiv f. Anat. u. Phys. 1842. p. 12. Zum feineren Bau der Artlıropoden, 385 plia Frischü, Locusta viridissima, Forficeula auricularia, Tetti- gonia plebeja u. a. eine zellige Zeichnung der Oberfläche, die da und dort durch Vorsprünge der Conturen ins Schupen- artige übergeht, allein ich muss wiederholen, was, ich schon mehrmals hervorhob, es ist mir nicht gelungen, wirkliche Zelleu zu isoliren, und was nicht minder gegen die Zellen- natur spricht, sind die Abänderungen, welche die zellenarti- gen Linien bei verschiedenen Insekten erleiden. Man ver- gleiche in dieser Hinsicht z. B. die Oberfläche der Flügel- decken von Cantharis vesicatoria mit der von Dytiscus striatus: bei ersterem Käfer erscheint das Bild ganz ähnlich einem Pflasterepitel, während bei dem Wasserkäfer (Fig. 4ec) die Linien in der Art auseinanderweichen, dass sie keineswegs mehr ins Zellenschema sich schicken. Sie erzeugen Netze, dessen Räume ungleich gross und ungleich gestaltet sind mit zahlreichen blind geendigten Ausläufern, ganz so, wie man mitunter gegenwärtig noch hie und da die Lymphcapillaren des Menschen versinnlicht sieht. Ich glaube mich auch ver- gewissert zu haben, dass die Linien sowohl bei Cantharis als auch bei Dytiscus Furchen sind, welche die Oberfläche in Felder oder bei Tiefergehen der Furchen und Emporwölben des einen Randes in tafelförmige Schuppen abgränzen. Für eine solche Auffassung redet auch laut die Beschaffenheit der Oberfläche, welche die Cuticula der Larve des Ameisenlöwen (Myrmeleon formicarius) darbietet. Auf ihr kehrt durch Fur- ehenbildung dieselbe eigenthümliche, wellenförmige Zeichnung, nur in etwas roherer Ausführung wieder, die das Abdomen der Arachniden kennzeichnet. Die Chitinhaut selber zeigt sich aus homogenen, beim Hirschkäfer 0,004 — 0,006" breiten Schichten zusammengesetzt, welche wie senkrechte Durchschnitte z.B. von den Flügeldecken des Lucanus cer- vous (Fig. la), Scarabaeus stercorarius und typhoeus lehren, abwechselnd sich kreuzen. Die Schichten bestehen bei den genannten Käfern aus eylindrischen Massen (Fig. 2), welche den „Bindegewebsbündeln“ der Haut höherer Thiere entspre- chen. Meyer nennt sie „glashelle Stäbe“. Sie sind ent- weder hell oder verschiedenfarbig pigmentirt, In der grünen Müller's Archiv. 1865 25 386 Frz. Leydig: Raupe von Sphinz ocellata z. B. liegt die grüne Farbe unter der Chitinhaut, letztere ist ganz farblos, anders ist es bei der Raupe von Papilio Machaon,. wo die intensiv rothen und schwarzen Flecken der Outicula selber innewohnen und nur die gelbe Farbe der unter der Cuticula liegenden Haut an- gehört. In den Flügeldecken der Käfer bilden die Chitinschiehten eine obere und untere Lamelle, die an den Rändern in ein- ander übergehen, sonst aber einen Hohlraum übrig lassen, welcher von Stelle zu Stelle durch säulenartige Commissuren unterbrochen wird, deren Axe z.B. in Scarabaeus typhoeus, Lucanus cervus u.a. dunkel gefärbt ist. Bei Scarabaeus ty- phoeus messen die Commissuren 0,04—082'' in der Länge und 0,0120“ in der Breite. Die Höhlung zwischen der obern und untern Lamelle der Flügeldecken ist wohl ein Blutraum, ich erblicke wenigstens da bei Anoplia Frischü, dessen Flügel wegen ihrer Dünne ohne weitere Präparation untersucht wer- den können, zerstreute zellige Elemente, ganz vom Charakter der Blutkörperchen der Insekten und es hat auch schon vor längerer Zeit Carus in den Flügeldecken verschiedener Kä- fer, was ich an Cantharis melanura bestätigen kann, den Kreis- lauf direkt beobachtet. Durch den betreffenden Raum ziehen auch sehr gewöhnlich Tracheen, bei Carabus auratus z. B. in den Längsriffen und ohne Blasenbildung, bei Anoplia Frischiü erweitern sich die Tracheen zu sehr zahlreichen Blasen von verschiedener Grösse, die beträchtlichsten haben !/,'" in der Länge und '/,“' in der Breite. In den weichen Flügeldecken von Cantharis melanura Fabr. gewahre ich auch noch mit den Tracheen verlaufend, blasse Stämmchen, die mir Nerven zu sein scheinen. Um wieder zur Beschaffenheit der eigentlichen Chitin- lamellen zurückzukehren, so werden dieselben von den glei- chen Kanälen durchsetzt, wie die Haut der Crustaceen und Arachniden und zwar giebt es auch hier zweierlei, weite und daher helle und feine oder dunkle Porenkanäle. An einiger- maassen durchsichtigen Hautstellen lassen sie sich ohne alle Vorbereitung gut erkennen, so z. B. bei Carabus auratus, Pro- Zum feineren Bau der Arthropoden. 387 erustes coriaceus, Gryllotalpa vulgaris, Gryllus campestris, For- mica rufa, Locusta viridissima, Forficula auricularia, Nauco- ris ete. oder man macht senkrechte Schnitte von Theilen, die in Kalilauge gelegen waren. Da ist dann besonders interes- sant und giebt über die morphologische Bedeutung einen Fingerzeig, dass die weiten Canäle bezüglich ihrer Conturen zur geschichteten Grundsubstanz sich ganz analog den Binde- gewebskörperchen in der Haut höherer Thiere verhalten, d.h. sie haben gezackte Ränder, welche sich zwischen die Chitin- lamellen verlieren, man könnte auch sagen, es seien stern- förmige Interstitien, die durch eine gewisse Anordnung resp. Auseinanderweichen der Chitinlamellen erzeugt werden (vgl. Fig. 1b). Wenn Haare zugegen sind, so münden sie in die Basis derselben, bilden auch z. B. in Locusta viridissima am- pullenartige Erweiterungen, so auch an den Rändern der Bauchschienen von Forficula auricularia, wo sie sich ferner nach innen hin zu grösseren Räumen vereinigen (Fig. 3b). Anlangend den Inhalt der Canäle, so ist er in den mei- sten Fällen eine klare Flüssigkeit, ein Ernährungsfluidum, dagegen finde ich, dass bei einigen Wasserinsekten an manchen Körperpartien die Kanäle lufthaltig sind, so kann man sich un- schwer überzeugen, dass der Silberglanz der Unterseite vonHy- drometra paludum Fabr. darin seinen Grund hat, dass die Poren- kanäle mit Luft gefüllt sind. In ähnlicher Art scheinen die Flügel von Notonecta. glauca Luft einzuschliessen, und ich vermuthe, dass auch die weisse Farbe des haarigen Puders von manchen Coceiden und Aphiden durch die gleiche Ursache bedingt ist. Letzterer Punkt ist es ferner, der mir die Hautschuppen der Insekten bemerkenswerth macht, denn obgleich diese Gebilde schon vielfach untersucht worden sind, so sehe ich doch in den mir zu Gebote stehenden Schriften von Lyonet!), Bernard-Deschamps?), Fischer?) nichts 1) M&moir. da Museum Tom. XX. 2) Annal. d. science, nat. Tom. III. 1835. 2 3) Mikroskopische Untersuchungen über die Käferschuppen, in der Isis 1846. 25* 355 Frz. Leydig: darüber erwähnt, dass es lufthaltige Schuppen giebt. Ohne auf die mir nieht ganz genügenden Angaben über die Struktur der Schuppen kritisch eingehen zu wollen, erwäbne ich so viel, dass die Hautschuppen der Insekten im Kleinen nach demselben Schema gebaut sind, wie die Flügeldecken im Grossen. Sie bestehen aus zwei Lamellen, die an den Rän- dern in einander übergehen und ausserdem durch zahlreiche Scheidewände, sehr regelmässig nach der Länge und Quere gestellt, verbunden sind, wodurch ebenso zahlreiche Kämmer- chen im Innern übrig bleiben, und unter einander zusammen- hängen. Nimmt man weiter auf die Farbe der Schuppen Rücksicht, so kann sie als diffuse Materie der Substanz der Schuppe selber inhäriren, oder sie tritt unter der Form von molekulärem Pigment auf, das in den Kammern niedergelegt ist, oder endlich die Kammern sind mit Luft erfüllt, was der Schuppe ein schneeweisses Aussehen verleiht. Die Wahrheit des letzteren Ausspruches kann man leicht prüfen durch Un- tersuchung etwa von Liparis salicis Linn. oder Pontia brassicae Linn., bei diesen Schmetterlingen werden die Haare und Schuppen ganz hell, sobald die Luft entwichen ist, der sie lediglich ihre schneeweisse Farbe verdanken. Schon einfacher Wasserzusatz verdrängt unter den Augen des Beobachters die Luft aus den Hohlräumen, geschieht das nur theilweise, so treten Figuren auf, wie Bernard-Deschamps a.a. O. Pl.4 Fig. 34, 35, 36 abbildet, welche freilich von ihm ganz anders gedeutet werden. Auch die Fig.3, welche Fischer a.a. O. giebt, ziehe ich hieher, und wenn dieser Autor $. 412 sagt, dass die „obere oder Granulationslamelle“ sich in Wasser zusehends, äusserst rasch in Weingeist und Aether auflöse und dann nur die „gestreifte Grundlamelle“ zurückbleibe, so beweisen mir die Worte, dass er jene Umwandlung, welche die. Schuppe nach dem Verlust der Luft darbietet, allerdings wahrgenommen, aber unrichtig erklärt hat, insofern er eine „Granulationslamelle“ annimmt, die sich in Wasser löse! Unterhalb der Chitinhaut folgt wieder die weiche Haut- schicht, welche in hergebrachter Weise aus Molekularmasse mit Kernen besteht, hie und da so, dass die Kerne kleine Zum feineren Bau der Arthropoden. 38) Bezirke der Molekularmasse als zu ihnen gehörig ansprechen, was noch deutlicher hervortritt, wenn Pigmentkörner in die- ser Schicht abgelagert sind, dann bilden die gefärbten Kügel- chen, wie z. B. in Locusta viridissima, Raupe von Sphinz ocel- lata, Larve von Myrmeleon formicarius etc. einen Hof um die Kerne. Mit dieser Haut innig verbunden finde ich beiBärenrau- pen (Bombyz rubi) Hautdrüsen. Es sind rundliche Säckchen, 0,024 — 0,04" gross, deren Sekretionszellen sich durch ver- ästelte Kerne, ähnlich denen in den Zellen der Serikterien auszeichnem”(Fig. 12 Ad). Ganz besonders muss ich darauf ° aufmerksam machen, dass die Oeffnung der Drüsensäckchen unmittelbar in die weiten Canäle der Chitinhaut mündet, welche, wie das mehrmals erwähnt wurde, in die Basis der Haare übergehen. Man weiss von jeher, dass die Haare der Bärenraupen leicht abbrechen und mit der menschlichen Haut in Berührung gebracht heftiges Jucken, ja selbst Entzündung verursachen, und am berüchtigsten sind in dieser Beziehung bekanntlich die Prozessionsraupen geworden. Die einen Na- turforscher erklärten sich die Erscheinungen damit, dass die Haare die Träger eines specifischen Giftes seien, die andern, z. B. v. Siebold, schrieben die hervorgebrachte Reizung nur der mechanischen Einwirkung der Haare, dem Einbohren derselben in die Häute, zu. Angesichts des eben geschilder- ten anatomischen Verhaltens, wonach ein Hautdrüsensäckchen sein Sekret in das Lumen des Haares entleert, wo es sich ansammeln kann, müssen ohne Bedenken die abgebrochenen Haare im wörtlichsten Sinne als die Träger eines specifischen Hautsekretes oder Giftes betrachtet werden, welches sowohl unsere Lederhaut, sowie auch noch mehr unsere Schleim- häute heftig alteriren kann. Uebrigens scheinen nur bestimmte Raupengattungen mit diesem Hautdrüsenapparate ausgestattet zu sein, ich habe mehrere Dornraupen echter Tagfalter mit negativem Erfolg untersucht, kann ferner von der Raupe des Papilio Machaon und Sphinz ocellata angeben, dass ihnen der- gleichen Hautdrüsen mangeln. Für die Behauptung, dass nur Hautdrüsen die eigentlichste 390 Frz. Leydig: Veranlassung abgeben, warum gewisse Raupenhaare ein jucken- des oder brennendes Gefühl in der menschlichen Haut erzeu- gen, sprechen auch die Beobachtungen, welche H. Karsten!) schon vor längerer Zeit veröffentlicht hat. Dieser Forscher giebt eine hübsche Darstellung vom Bau der ästigen Haare einer Saturnia, „die beim Berühren die Wirkung der Brenn- nessel auf die Haut ausüben“ und in dem Punkte, worauf es hier ankommt, stimmt die Struktur der Haut ganz mit dem überein, was ich von der genannten Bärenraupe gemeldet habe. Die Haare der Saturnia sind hohle Röhren und unter der Haut giebt sich ein Drüsenschlauch zu erkennen, dessen Ausführungsgang in das Innere des Haares führt, und dessen Sekretionszellen „wohl das die Haut brennende Sekret be- reiten, wenn die Spitze des Haares in derselben abbricht“. Karsten hat ferner die Borsten der zur Gattung Vanessa, Acraea und Argynnis gehörenden Raupen untersucht, „die jedoch kein Brennen verursachen“, und es ergab sich, dass der bei Saturnia unterhalb der Borste befindliche Schlauch hier fehlt. Nachdem im Vorausgegangenen die Struktur der Hautbe- deckung von verschiedenen Arthropoden erörtert wurde, lässt sich auch die Frage behandeln und erledigen, wohin im histologischen System das „Chitingewebe“ zu stel- len sei. Bisher hat man dasselbe beim Horngewebe ?) oder den Epitelialgebilden untergebracht, indem man sich 1) Bemerkungen über einige scharfe und brennende Absonderungen verschiedener Raupen in Müller’s Archiv f. Anat. u. Phys. 1848. 2) In den Handbüchern findet man unter den zum Horngewebe gehörigen Gebilden auch die „Penisstacheln“ aufgeführt. Dazu möchte ich bemerken, dass nur die hornigen Platten, Stacheln und Hacken an der Eichel der Säugethiere mit Recht da untergebracht sind, aber nicht die Penisstacheln der Ophidier. Ich sehe wenigstens, dass bei der Ringelnatter (Tropidonotus natrix) dieHäckchen an der Innenfläche des Penis aus ächter Knochensubstanz bestehen, die strahligen Kno- chenkörperchen sind von Mittelgrösse und sehr klar, diese Penissta- cheln gehören daher in die Kategorie der Hautknochen! Zum feineren Bau der Arthropoden. 391 bei der geringen Kenntniss hinsichtlich des Baues besonders daran hielt, dass das Chitingewebe häufig die äusserste Be- gränzung des Thierkörpers ausmache. Für die Zukunft wird diese Einreihung als unmöglich erscheinen, vielmehr dürfte ‚Jeder, der nach eigner Anschauung die Haut der Arthropo- den kennen zu lernen strebt, mir beistimmen, wenn ich die Verwandtschaft, welche zwischen den Chitinhäuten und der Bindesubstanz der Wirbelthiere herrscht, hervorhebe, und geradezu die Chitinhäute der Gliederfüssler für chi- tinisirte Bindesubstanz anspreche. Die Aehnlichkeit im histologischen Verhalten springt so recht in die Augen, wenn man vergleichungsweise einen senkrechten und mit Kalilauge behandelten Hautschnitt etwa eines Frosches und einen in Kali gelegenen senkrechten Schnitt der Flügeldecke eines grösseren Käfers nebeneinander. betrachtet: hier wie dort hat man sehr regelmässig geschichtete homogene Massen, die durchsetzt sind von Hohlräumen und worauf bereits oben hingewiesen wurde, die Lücken von einer Chitinhaut, welche in Kalilauge macerirt wurde, zeigen mitunter in der Art ihrer Begränzung eine lebhafte Uebereinstimmung mit den „Binde- gewebskörperchen“ der Wirbelthiere. Durch ihre zarten ver- ästelten Ausläufer wird die homogene Grundsubstanz ebenso in eylindrische Massen abgesetzt, wie im Bindegewebe der Wirbelthiere die sogenannten „Bindegewebsbündel“ auf gleiche Art entstehen. In andern Fällen haben die Lücken der Chi- tinhaut ganz das Aussehen von Zahnröhrchen, die ja bekann- termaassen auch nichts anderes, als in bestimmter Richtung ausgewachsene Bindegewebskörperchen vorstellen. Wollte Jemand wenigstens für die äusserste Lage, die unmittelbare Gränze der Haut, welche eine zellige Zeichnung darbietet, die Verwandtschaft mit dem „Horngewebe* festgehalten wis- sen, so kann nach meinen Erfahrungen auch das nicht zu- gegeben werden. Denn wie erwähnt, nie ist es mir geglückt, die felderartigen Linien in wirkliche Zellen aufzulösen und zweitens können die Conturen (Vertiefungen), welche in der einen Art und an der einen Körperstelle zellenartig verlau- fen, bei einer andern Gattung oder an anderen Gegenden des 392 Frz. Leydig: Leibes in Wellenlinien oder unregelmässig netzartige Figuren sich umsetzen, oder es kann sich die Oberfläche in Höcker und Schuppen erheben. Endlich möchte ich auch zu Gun- sten meiner Ansicht anführen, dass bei den Wirbelthieren die Auswüchse der Epidermis: Nägel, Haare, Federn ete. auch eine Zusammensetzung aus Zellen so gut wie die Epidermis selber kund geben, was bei den Arthropoden nie der Fall ist, weder die einfachen noch die gefiederten Haare, noch die schuppenartigen Anhänge bestehen je aus Zellen, was sie doch wahrscheinlich sein würden, wenn die Hautlage, als deren unmittelbare Fortsetzungen sie unzweifelhaft dastehen, selber aus Zellen bestände, so aber ist die Substanz, aus der alle genannten Hautauswüchse gebildet sind, ebenso homogen wie die übrigen Schichten der Chitinhaut. Ich weiss wohl, dass meine Angabe in ziemlichem Wider- spruch mit denen anderer Forscher stehen. Es meldet Plat- ner') von der Haut der Seidenraupe, dass sie „aus kleinen, sternförmigen, dunkeln Zellen, die wirkliche Canälchen aus- schicken, welche untereinander anastomosiren“, bestehe, zwar wird dies von Hermann Meyer?) für eine Täuschung er- klärt, aber der letztgenannte Forscher nimmt doch auch ein wirkliches Pflasterepitel auf den freien Flächen der Flügel- decken des Hirschkäfers an, nicht minder Heinrich MeckeP®), der solches von dem Butterkrebs und der Nashornkäferlarye aussagt. Auch de Filippi‘) bemerkt von der Haut der Seidenraupe, dass die Haut aus vier Schichten bestehe, und die zweite habe „cellule stellate“. Sollte wirklich die Haut der Seidenraupe, die ich nicht selbst untersucht habe, so ex- ceptionell gebaut sein? Ich kann nicht umhin, einstweilen daran zu zweifeln, besonders wenn ich mich an die Bilder erinnere, welche die entschieden homogene Tunica intima des 1) Dieses Archiv 1844. 2) Zeitschr. f. wiss. Zoolog. 1849. 3) A.2.0. S. 18. 4) Ricerche anatomico -fisiologiche sul Baco da Seta o larva de Bombyx mori, Memor. dell. Societat. dell. Seienz. biolog. in Torino. Vol. I., 1854. Zum feineren Bau der Arthropoden. 393 Darmes bei manchen Insekten giebt: die Innenhaut z. B. des Kropfes von Locusta viridissima ist so regelmässig und eigen- thümlich gefaltet, dass man auf den ersten Blick wahrhaftige Kuochenkörperchen zu sehen glaubt, und doch sind es blosse Faltungen! Während demnach die fertigen Chitinhäute keine zellige Zusammensetzung erkennen lassen, sondern eine homogene Grundmasse und ein Lückenwerk oder Canäle im Innern, so müssen weitere Untersuchungen lehren, ob nicht, was der Analogie nach wahrscheinlich ist, die Hohlräume unter Be- theiligung zelliger Elemente entstanden sind. Mir gehen dar- über vorläufig alle Erfahrungen ab. Noch darf in Erinnerung gebracht werden, dass auch von den Chitinbildungen der Mollusken, Würmer und Polypen meines Wissens bis jetzt Niemand eine Zusammensetzung aus chitinisirten Zellen hat nachweisen können. Strahl z.B., welcher das chemische Verhalten einiger Skelettheile der Se- pien näher untersucht hat, bemerkt ausdrücklich '), dass er in der Substanz der Sepienzähne, nachdem sie so lange mit Kalilösung behandelt war, als diese noch färbende Bestand- theile aufnahm, „keine besondern Elemente“, sondern nur „parallele, wenig verworrene und verschlungene Fasern“ sah. Die lederartigen Coccons der Hirudineen, die harte Eischale der Turbellarien, der Polypen haben wohl auch keinen zel- ligen Bau?), trotzdem, dass die Eihaut von Hydra viridis zel- lig aussieht, nach Ecker?) „in polygonale, etwas erhabene Felder getheilt“ ist. Von den Muskeln. Es ist bekannt, dass die Muskeln der Arthropoden durch- weg quergestreift sind, und zwar nicht bloss die Stamm- 1) Müller’s Arch. f. Anat. u. Phys. 1848. 2) Bei einer im hiesigen Stadtgraben lebenden Plumatella hat die braune, chitinisirte Schale der grossen, schotenförmigen Wintereier eine durch und durch areoläre Beschaffenheit. 3) Entwicklungsgeschichte des grünen Armpolypen, die hübschen Fig. IV. und X. 394 Frz. Leydig: muskeln, sondern auch die Muskulatur der Eingeweide, des Darmes, der Drüsen, des Herzens. Frey und Leuckart!) haben angegeben, dass bei kleinen Insekten die Muskeln glatt seien, was ich bis jetzt nicht bestätigen kann, indem die al- lerdings oft scheinbaren (im frischen Zustande) einfachen Muskeln nach Zusatz von etwas Alkohol die Querstreifung erkennen liessen und selbst an Coceus hesperidum, deren ältere Individuen kaum mehr etwelche Lokomotion vornehmen und daher wie verkümmerte Muskeln zeigen, sind dieselben bei jüngern Individuen deutlich quergestreift?). Ob die Quer- streifung am frischen Thier hervortritt oder nicht, hängt über- haupt von Lebenszuständen des Muskels ab, die uns noch verborgen sind. Denn wie ich solches häufig beobachtet habe, es können dieselben Muskeln bei zwei Individuen der glei- chen Art variiren, nach Gebrauch von Reagentien aber bleibt die Querstreifung nicht aus. v. Siebold sagt bezüglich der Muskelbündel, welche in Spiraltouren die Wandungen der Giftdrüsen®) bei den Arachniden umgeben, es sei auffallend, dass sich diese Muskeln in ihrer histologischen Struktur so sehr verschieden verhalten. Bei Lycosa, Drassus, Tegeneria und Micryphantes fand er sie sehr deutlich quergestreift, bei Epeira dagegen, Thomisus, Clubiona und Mygale erschienen sie ihm glatt und bei Salticus hatten sie eine undeutliche Querstreifung, so dass der genannte Forscher nicht wusste, ob sie zu den quergestreiften oder zu den glatten Muskeln gerechnet werden sollten. Ueber die Giftdrüse der Kreuz- spinne liest man auch bei Heinrich Meckel*), dass die dicke Lage breiter, plattgedrückter, vom blinden Ende des Drüsenfollikels zum Ausführungsgang spiralig aufsteigender 1) Lehrbuch der Zootomie., 2) Zeitschr. f. wiss Zoolog. 1853. 3) Unter den ältern Beobachtern hat auch Ramdohr, Verdauungs- werkzeuge der Insekten, Halle 1811, von Aranea domestica auf Tab. XXX. Fig. 3 die Spiralmuskeln gut abgebildet, obwohl er im Text (S. 208) sie nur als äussere, dünne, gedrehte, weite und durchsichtige Membran bezeichnet. 4) A.a. 0. S.35. Zum feineren Bau der Arthropoden. 395 Fasern ohne Querstreifen sei und es heisst weiter: „obgleich bei Insekten glatte Muskeln meines Wissens noch nicht ge- funden sind, so halte ich doch dies eigenthümliche Stratum seiner Anordnung wegen für muskulös, da auch kein andrer Muskelapparat vorhanden ist, um das Gift kräftig auszutrei- ben“. Allen diesen Angaben gegenüber muss wiederholt wer- den, dass man allerdings an den frischen Muskeln des Gift- schlauches mitunter die Querstreifung vermisst, aber nach Anwendung von Alkohol habe ich sie überall (und nament- lich sei bemerkt, bei Epeira, Clubiona, Mygale, Argyroneta) wahrgenommen. Dies vorausgeschickt habe ich noch auf einige Punkte in der Muskelstruktur der Gliederfüssler hinzuweisen. Die Mus- kelbündel bestehen aus der Scheide und dem quergestreiften "Inhalt. Erstere ist oft am lebenden oder frischen Muskel kaum zu erkennen, am todten Muskel aber hebt sie sich ge- wöhnlich weit ab und zeigt zahlreiche Kerne. Ein solches Verhalten habe ich schon früher von Argulus, den Phyllo- poden, Corethra speziell beschrieben. Der quergestreifte In- halt, die eigentlichen contractilen Elemente, ist nicht aus Fasern zusammengesetzt, sondern aus kleinen würfelförmigen oder auch keilförmigen Körperchen und die wohl mit halb- flüssiger Substanz erfüllte Interstitien zwischen ihnen erzeu- gen die Querstreifung. An den Muskeln der Arthropoden ist nicht selten der charakterisirte elementäre Bau wegen der Grösse der Würfel- theilchen um vieles klarer als bei den Wirbelthieren zu sehen, ebenso kann, wie uns zuerst Reichert!) an den Muskeln des Krebses belehrt hat, bei den Arthropodenmuskeln über- haupt der kontinuirliche Uebergang des Sarkolemma in die Sehnen sehr sicher wahrgenommen werden. Da die Sehnen häufig, gleich der äussern Haut chitinisirt sind und man letz- tere bisher zu dem Horngewebe zählte, hat sich die sonder- bare Auffassung einschleichen können, dass den Sehnen der 1) Vergleichende Beobachtungen über das Bindegewebe, Dorpat 1845. 396 Frz. Leydig: Wirbelthiere vollständig entsprechende Gebilde bei den Glie- derfüsslern gar nicht existiren. Ich finde bei den verschie- densten Arthropoden, besonders leicht an den Kopfmuskeln (der rothen Ameise, der Horniss, Spinnen, Zecken ete.) die Sache genau so, wie sie Reichert geschildert hat: die Seh- nen (chitinisirte Bindesubstanz) entfalten sich gegen die Mus- keln hin zu cylindrisch gestalteten Schläuchen, welche, indem sie die quergestreifte Masse als Inhalt umschliessen, das Sarko- lemma darstellen. Ich füge in Fig. 14 auf Taf. XV.-von Izodes testudinis, wo die Bilder überaus deutlich waren, eine Zeich- nung bei. Die sogenannten primitiven Muskelbündel waren hier verschieden breit, von 0,024" bis selbst 0,1”; die Seh- nen, welche sich an die äussere Haut ansetzen, sind sehr lang und verhältnissmässig sehr schmal, sie theilten sich pinsel- förmig in Schläuche, deren Inhalt die quergestreifte Muskel- substanz war. Mehrmals ereignete es sich, dass letztere aus ihrem Schlauch, dem Sarkolemma herausfiel (Fig. 14c), wo dann in sehr fasslicher Weise zu erblicken war, dass das Sarkolemma die unmittelbare, aber nicht chitinisirte, sondern weich gebliebene schlauchartige Fortsetzung der Sehnen sei. Damit hängt auch wohl zusammen, dass mit dem Sakolemma bläschenartige Kerne zurückgeblieben sind, die in der Sehne selber fehlen. In den Thoraxmuskeln vieler Insekten ist die Bindesub- stanz des Sarkolemma weicher als an andern Körperstellen, dabei feinkörnig, mit den gewöhnlichen Kernen versehen, aber nicht hautartig consolidirt, und deshalb fallen bei der Präpa- ration die spezifischen Muskeltheilchen — die Muskelwürfel- chen — sehr leicht in feinen Säulen zusammenhängend, aus- einander. Sehr gewöhnlich haben die Muskeln der Arthropoden in in ihrem Innern einen gewissen embryonalen Charakter bei- behalten. Die Primitivbündel besitzen einen centralen, hellen Kanal, in welchem die Kerne eine oft so dichte Axe bilden, dass man an die Markzellen des menschlichen Haares erin- nert wird. Zum feineren Bau der Arthropoden. 397 Eine interessante Muskelform habe ich bei Spinnen beob- . achtet. Neben den gewöhnlichen Primitivbündeln mit einer einzigen Kernreihe in der Axe finden sich solche, die 5, 6 und mehr dergleichen aus Kernen gebildete Centralstränge aufweisen (Fig. 13). Derartige primitive Muskelbündel mes- sen 0,04— 0,72 in der Breite und sind durch Verschmelzung mehrer entstanden, wie namentlich aus der Betrachtung des Querschnittes (Fig. 13a) hervorgeht. Ich erlaube mir dabei anzumerken, dass solche Muskeln, die man sich besonders schön von Tetragnatha extensa verschaffen kann, doch nicht wenig zu Gunsten jener Ansicht sprechen, welche ich an andern Orten über Bau und. Entwicklung dieses Gewebes veröffentlicht habe. Verästelte Muskeln sind bei Arthropoden, vorzüglich an den Eingeweiden eine ordinäre Erscheinung und es mag bei dieser Gelegenheit Ramdohr’s gedacht werden, welcher, was man bis jetzt übersehen hat, bereits im Jahre 1811 das Muskelnetz des Magens von Sphex viatica Tab. XIV. Fig. 4, von der Speiseröhre der Larve des Myrmeleon formicarius Tab. XVII. Fig. 3, und Bombyx quereus Tab. XVII. Fig. 6 sehr gut abgebildet hat. Ueber das Vorkommen von quergestreiften Muskeln in den Sinnesorganen wird betreffenden Orts die Rede sein. Endlich habe ich auch noch etwas über Muskelpara- siten der Arthropoden anzuführen. In den Muskeln ver- schiedener Spinnen besonders im Herbst und am meisten bei Epeira diadema sah man sowohl in den Muskeln des Stam- mes als auch des Herzens Haufen eigenthümlicher ovaler Körperchen, sie lagen im Innern der Primitivbündel, waren hell, scharf conturirt, 0,002” lang und schwanden nicht in Kalilauge; wo sie dicht beisammen lagen verursachten sie bei auffallendem Licht weisse Streifen. Sie gehören offenbar nach Form, Lichtbrechung und chemischem Verhalten zu den Pseudonavicellen- oder Psorospermenähnlichen Gebilden, die schon öfters in den Muskeln der Ratten und Mäuse gesehen wurden. Auch aus der Leibeshöhle von Coccus hesperidum 398 Frz. Leydig: habe ich entsprechende, jedoch um die Hälfte grössere Kör- perchen angezeigt!). Von den Sinnesorganen. Der Struktur des Nervensystems habe ich kein anhal- tendes Studium gewidmet und daher nur folgendes zu er- wähnen. Die Nervencentren (Ganglien) und peripherischen Nerven haben eine homogene, der Bindesubstanz angehörige, mit einzelnen Kernen versehene Hülle. Sie erscheint meist farb- los, mitunter jedoch stellenweise pigmentirt, so sieht man bei Scolopendra forficata allenthalben über das Neurilem weg dendritische violette Pigmenthaufen zerstreut. (Dasselbe Pig- ment haben bei diesem Thiere übrigens auch die Eingeweide.) Im Flusskrebs geht das Neurilem da und dort nach aus- sen in das gleiche gallertige Bindegewebe über, welches den weichen Theil der äusseren Haut und auch sonst das inter- stitielle Bindegewebe formt. Die eigentliche Substauz der Nervencentren besteht aus Molekularmassen, in welche kleine und grössere zellige Ele- mente eingebettet sind. Bei den Spinnen (Clubiona, Lycosa, Epeira) scheint die Mitte der Ganglien von einer Punktmasse eingenommen zu sein, um diese herum lagern sich Zellen von verschiedener Grösse. In Clubiona claustraria, wo ich die Punktsubstanz und die Zellen näher ins Auge fasste, war unverkennbar zu sehen, dass zum Theil schöne klare Kerne mit Nucleolis von Partieen der Molekularmasse hofartig um- geben werden und nach einer Richtung hin die Umhüllungs- masse in einem linear punktirten Strang sich fortsetzt. Der- gleichen Gebilde entsprechen den unipolaren Ganglienzellen, umsonst war bisher mein Bemühen, Bilder ansichtig zu wer- den, die den multipolaren Elementen im Gehirn und gewis- sen Ganglien der Wirbelthiere gleichkommen. Sie dürften aber kaum mangeln, und in Zukunft gelingt es vielleicht an 1) Zeitschr. f. wiss. Zoolog. 1853. S. 11 Fig. 5 auf Taf. 1. Zum feineren Bau der Arthropoden. 399 erhärteten Präparaten die so leicht verletzbare Beschaffenheit derselben zu überwinden und sie darzustellen. Die Ganglienkugeln der Insekten sind meist klein und sehr zart, doch giebt es auch Ausnahmen, so bemerke ich z. B., dass bei der Horniss (Vespa erabro) das Ganglion frontale, aus welchem die Schlundnerven hervorgehen, aus sehr gros- sen 0,024” messenden Ganglienkugeln zusammengesetzt ist. Der helle Nucleus hat ein einziges Kernkörperchen. Was die Nerven betrifft, so ist der vom Neurilem um- schlossene Inhalt besonders in den feineren Verzweigungen ein blassmolekulärer, ohne eigentliche Primitivfasern, an an- dern Orten, vorzüglich bei Spinnen und den höhern Krebsen, bekommt das Contentum des Neurilems durch eine gewisse lineare Anordnung der Molekule das Aussehen, als bestehe es aus Fasern, jedoch erinnern letztere höchstens, bei Man- gel jeglicher Markscheide, nur an die Fasern des Olfactorius und der Remak’schen Nerven der Wirbelthiere, um so mehr, als mit der fibrillären Substanz zahlreiche längliche (beim Flusskrebs im Opticus 0,0120“ in der Länge messende) Kerne verlaufen. An verschiedenen Spinnenarten ist es mir aufge- fallen, dass der Inhalt der Nervenstämme da weit eher eine Differenzirung in zwar blasse, aber deutlichere Fibrillen zeigt, als bei den Insekten. In den Nerven des Bauchstranges vom Flusskrebs kommen neben den gewöhnlichen, den Olfactorius- elementen gleichenden Fasern noch jene eigenthümlichen brei- ten Röhren mit längspulverigem Achsenstrang vor, welche Ehrenberg und Hannover schon gekannt und namentlich von Remak genauer beschrieben worden sind und deren Beziehung zu den Ganglienkugeln noch auszumitteln ist. Vielleicht darf man diese enorm breiten Nervenröhren den bandartigen, theilweiss kolossal breiten Nervenfasern im Rük- kenmark von Petromyzon vergleichen, welche durch Joh. Müller bekannt geworden sind. 1. Ohr. Mehr als die Struktur des Nervensystems habe ich mir den Bau der Sinneswerkzeuge der Insekten angelegen sein lassen, und da hierüber doch im Ganzen nicht überflüssig 400 Frz. Leydig: viele Arbeiten veröffentlicht worden sind, so mag es erlaubt sein, etwas ins Detail des Gegenstandes einzugehen. Bekanntermaassen hat Joh. Müller!) das Gehörorgan bei Gryllus hieroglyphieus entdeckt, später gab v. Siebold?) eine genaue Darstellung über dasselbe von verschiedenen Acrididen, Locustiden und Achetiden; seitdem wurde meines Wissens das Objeet von Niemand mehr aufgenommen. Ich hielt mich in den Untersuchungen hauptsächlich an Acridium coerulescens und Locusta viridissima. Bei Acridium coerulescens liegt das Gehörorgan im hintern Theil des Thorax zu beiden Seiten über dem Ursprung des letzten Fusspaares. Man stösst da äusserlich auf einen festen Ring, in welchem eine irisirende, beiläufig 11% grosse Mem- bran eingespannt ist. Die eigentliche Form des Ringes ist in Fig. 16f auf Taf. XVI. zu sehen. Die äussere Haut erhebt sich unten in einen zungenartigen Vorsprung, der im Innern blos Fettkörper und Tracheen besitzt. Die trommelfellähn- liche Membran (Fig. 16e) und der dazu gehörige Rahmen (f) sind chitinisirte Hautschichten. An der Innenseite des Trom- melfells nehmen ein paar Vorsprünge die Aufmerksamkeit in Anspruch (Fig. 16 b, c, d), deren sehr charakteristische Form und näheres Verhalten man durch Anwendung von Kalilauge sehr gut zu erkennen vermag, wie es in Fig. 17 gezeichnet erscheint. Der obere kleinere (Fig. 16d, Fig. 17.d) ist im Allgemeinen gesagt ein dreieckiger 0,024 breiter Knopf, mit der Spitze nach unten gekehrt. Er hat ein von zahlreichen feinen Porenkanälen punktirtes und gestricheltes Aussehen. Der untere grössere Vorsprung ist eine Art winklig eingebo- gene Querspange (Fig. 16 b, ce, Fig. 17 b,c) von etwas com- plizirter Natur. Der eine Arm (b) beginnt dünn und indem er sich nach innen immer stärker emporwölbt, wobei er aus- ser den feinen Porenkanälen auch die weiten besitzt, formt er einen dieken Wulst (e), zu dessen Bildung übrigens auch der andere Arm der Spange (ce), welcher breit und rinnen- 1) Zur vergleichenden Physiol. des Gesichtssinnes. 2) Wiegmann’s Archiv f. Naturgesch. 1844. Bd. I. Zum feineren Bau der Arthropoden. 401 förmig ausgehöhlt ist, das seinige beiträgt. Die Chitinsubstanz bietet an dem mittleren Vereinigungshöcker (e) nach dem er- sten Blick eine zellige Zusammensetzung dar, bei weiterm Nachforschen erfährt man indessen, dass es bienenwaben- ähnliche 0,004 breite Räume sind, nach innen frei geöffnet und nur ein Theil derselben in einem Umkreis von 0,0360 erscheint geschlossen und mit Luft gefüllt, was natürlich be- wirkt, dass diese Partie als weissglänzender Fleck bei auf- fallendem Licht und schwarzareolärer bei durchgehendem von der Umgebung sehr absticht (Fig. 17f). Um die Bedeutung des eigenthümlichen Baues gleich in das rechte Licht zu setzen, will ich zum Voraus bemerken, dass in die areolären Räume des Knopfes (e) die letzten Enden des Hörnerven sich einsenken. Der Acustieus (Fig. 16a) nämlich, welcher aus dem drit- ten Brustganglion entsprungen ist, schwillt, indem er sich dem Knopf des spangenartigen Vorsprunges an der Innenfläche des Trommelfelles genähert hat, in ein ovales, zu beiden Seiten etwas eingebogenes, also beiläufig bisquitförmiges Ganglion an (Fig. 18). Schon das Neurilem des Nerven ist öfters, namentlich bei grössern Individuen, ein wenig bräun- lich pigmentirt, constant aber zeigt der hintere Abschnitt des Ganglions eine braunfleckige Farbe. Bezüglich der feinern Struktur des Hörnerven und der pigmentirten Ganglienpartie kann nichts ‚von ähnlichen Gebilden wirbelloser Thiere Ab- weichendes erwähnt werden: der Hörnerv hat eine homogene, mit einzelnen Kernen ausgestattete Hülle, ebenso das Ganglion, der Inhalt des Nerven ist eine molekuläre Substanz, in wel- cher innerhalb des Ganglions kleine und grössere, ja bis 0,0120 grosse Blasen von hellem Aussehen, sowie ächte Kerne liegen, letztere sind besonders da am Ganglion ange- häuft, wo die Pigmentirung aufhört. Das vordere ungefärbte Ende des Ganglions (Fig. 13 c) bietet einen sehr bemerkenswerthen Bau dar. Es erscheinen hier nämlich spezifische Elementartheile, welche auf gewisse fundamentale Bedingungen zurückweisen, unter denen erst der Gehörnerv einer Heuschrecke nicht minder wie der Müller's Archiv. 1855. 26 402 Frz. Leydig: eines Wirbelthieres zu seinen Leistungen befähigt wird. Das Ganglion nimmt an der bezeichneten Stelle ein, wenn auch in den zartesten Linien angedeutetes Ausschen an, als ‚ob die Nervenmolekule in gewisse strangartige Massen sich zu- sammenfügten, von denen jede, wie der freie Rand beweist (Fig. 13c) von einer überaus feinen Hülle umgeben ist. Im etwas kolbig erweiterten Ende eines solchen Stranges oder, richtiger ausgedrückt, Schlauches springt ein stäbehenförmiges Gebilde ins Auge, das durch v. Siebold entdeckt wurde. Die Form desselben von Acridium coerulescens habe ich unter starker Vergrösserung bei Fig. 19a naturgetreu wiedergegeben, man unterscheidet daran ein vorderes wie kappenförmiges Ende, dann das eigentliche konische Stäbchen, was hohl sein dürfte, da die Wand nach innen einige Vorsprünge macht. Das hintere Ende geht in einen feinen Stift aus, den ich bis 0,0160 weit in die Molekularmasse zurückverfolgen konnte, bis er selber molekulär zerfallend mit der umgebenden Punkt- masse verschmilzt. Die Zahl solcher Stäbchen mag gegen 20—30 in einem Ganglion betragen, und die oben geschilder- ten areolären Räume, welche die knopfartige Verdiekung an der Innenfläche des Trommelfelles bildet (Fig. 17e), dienen zur Aufnahme der schlauchigen Enden sammt Stäbchen des Ganglion. Bei dieser Gelegenheit darf ich wohl an das erinnern, was ich in Anbetracht der Endigung der Hautnerven bei der Ti- pulidenlarve Coretbra plumicornis bekannt gemacht habet), da die Analogie eine unverkennbare ist. Die Hautnerven schwellen dort an ihrem Ende unterhalb der Hautborsten kolbig an und in der Verdiekung liegen ausser der Molekülar- masse helle Kerne. Hier am Hörnerven, dem andere Funk- tionen anvertraut sind als dem einfach sensibeln Hautnerven, erscheinen in der Anschwellung ganz eigenthümliche Elemente, die Stäbchen, welche wahrscheinlich mit der Pereeption der Schallwellen in unmittelbare Beziehung gesetzt sind. Die Aehnlichkeit in der übrigen Ausrüstung der Haut- und Hör- 1) Zeitschr. f. wiss. Zool, 1851, Taf. XVI. Fig. 1. Zum feineren Bau der Arthropoden. 403 nerven erstreckt sich aber noch weiter. Die Enden des Hör- nerven liegen in kleinen Vertiefungen des an dieser Stelle verdickten Trommelfelles, welches zunächst die Schallschwin- gungen aufnimmt und die an gleichem Orte befindlichen mit Luft gefüllten Recessus unterstützen sonder Zweifel in be- stimmter Weise das Hören. Aber auch den Hautnerven der Corethra geht ein äusseres Hülfswerkzeug nicht ab, da wie a.a.O. des näheren zu sehen ist, mit jeder terminalen An- schwellung des Nerven eine gefiederte Borste der Cuticula als äusserer Fühler in Verbindung steht. v. Siebold nennt die feingestielten Stäbchen, jedoch mit einem Fragezeichen, primitive Nervenfäden; nach den Erfah- rungen, die in neuerer Zeit über die Endigungsweise des Seh- und Hörnerven bei Wirbelthieren gemacht wurden, wird man die stabförmigen Körperchen im Acusticus der Insekten dem Stratum bacillosum im Auge der Wirbelthiere und den Zäh- nen zweiter Reihe (Corti) in der Schnecke vergleichen müs- sen, nur rücksichtlich der Parallelisirung der Nerven waltet noch dasselbe Dilemma ob, was ich schon früher über diesen Gegenstand!) zur Sprache gebracht habe, die Frage nämlich, entspricht der ganze mit längsmolekulärer Masse angefüllte und in seinem Ende das Stäbehen bergende Schlauch einer einzigen Nervenprimitivfaser der Wirbelthiere oder sind die längsstreifig geordneten Inhaltsmoleküle ein Bündel von Fi- brillen, Ich bekenne, dass es mir an Anhaltspunkten ge- bricht, die Frage entschieden beantworten zu können, da man ja auch bei den Wirbelthieren über die hier zunächst in Be- tracht kommenden Elementartheile des Nervus olfactorius und der Remakschen Fasern sich noch nicht hat einigen können. Was ich bisher über die Struktur des Gehörorganes von Aeridium vorbrachte, war entweder Bestätigung oder weitere Ausführung der durch v. Siebold bekannt gewordenen Da- ten, dagegen kann ich der Darstellung des genannten Zooto- men bezüglich des „Labyrinthes“ nicht zustimmen. Nach v. Siebold wäre an der innern Seite des Trommelfelles zwi- }) Zeitschr. f. wiss. Zoolog, 1853, 8. 6. 404 Frz. Leydig: schen den paar hornigen Fortsätzen, „ein mit heller Flüssig- keit gefülltes, äusserst zartes Bläschen als häutiges Labyrinth“ befestigt und in der nächsten Umgebung. des Labyrinthes ende der Hörnerv mit dem Ganglion. Die Existenz eines solchen selbstständigen Labyriuthes muss ich in Abrede stel- len, was v. Siebold so nennt und zeichnet, ist die Wand einer Tracheenblase, welche durch ihren nach dem Trommel- fell gekehrten Theil mit dem Trommelfell selber bis auf die Stelle, wo das Ganglion des Acustieus sich an den Hornknopf anlegt (vgl. Fig. 16), mit dem Trommelfell verwachsen ist. Der Hörnery sammt Anschwellung liegt demnach zwischen der Haut des Trommelfelles d. h. Cuticula und der äussern Wand jener Tracheenblase, der betreffende Raum ist daher auch unmittelbare Fortsetzung der Leibeshöhle und theilt mit dieser demnach auch die weiche, nicht chitinisirte Hautlage, welche Kerne mit braunem Pigment besitzt. Ich will nicht verschweigen, dass auch Joh. Müller!) ausdrücklich das Vorhandensein eines Labyrinthbläschens bei Gryllus hieroglyphicus hervorhebt: „an der innern Fläche jener Membran (Trommelfell) liegt ein sehr feinhäutiges mit Was- ser gefülltes Bläschen an, welches länglich und über zwei Linien gross mit seiner einen Extremität die Membran be- deckt, mit seiner andern nach abwärts gerichtet ist. Deut- lich ist jenes Bläschen von den Tracheen zu unterscheiden und bei eigener Ansicht nieht mit einem Luftsack zu verwech- seln“. Der letzte Satz hat allerdings für mich etwas beunru- higendes, aber trotzdem glaube ich für Acridium coerulescens bei meiner negativen Behauptung stehen bleiben zu müssen und schlage zum Nachprüfen besonders folgendes Verfahren vor. Man schneide behutsam ein ganzes Ohr aus, lege es so, dass die innere Fläche sich dem Beschauer zukehrt und vermeide ein Deckglas. Da sieht man dann die weiss glän- zenden Stränge und Falten, welche sich von den innern Horn- vorsprüngen des Trommelfelles weg und zum Theil über das Ganglion verbreiten und auf den v. Siebold’schen Figuren 1) Zur vergleichenden Physiologie des Gesichtsinnes, S. 438. Zum feineren Ban der Arthropoden. 405 „Labyrinth“ genannt werden. Jetzt setze man Kalilauge zu und die Labyrinth sein sollenden Partien glätten sich ab und unter dem Entweichen der Luftblasen heben sie sich unter der Form einer flachen Tracheenhaut ab! Ferner kann auch in Anschlag gebracht werden, dass am Gehörorgan der Lokustiden und Achetiden selbst nicht durch v. Siebold ein „häutiges Bläschen oder Labyrinth“ gesehen wurde. Die Darstellung, welche wir dem Entdecker des Gehörorganes der zuletzt genannten Orthopteren ver- danken, finde ich sehr richtig. Es ist hier das Organ in den Vorderschienen untergebracht, dicht an dem Kniege- lenk, die Haut bildet eine Höhle, die nach vorne durch eine Art Trommelfell geschlossen ist, der Haupttracheenstamm der Vorderbeine erweitert sich an diesem Orte zu einer Blase, an welcher das Ganglion des Gehörnerven herabzieht. Der histologische Befund bezüglich der Nervenendigung stimmt im Wesentlichen mit dem über Acridium Gemeldeten überein und lässt manches noch schärfer erkennen. So gehen hier (bei Locusta viridıssima) die vorhin als Nervenschläuche be- schriebenen Abtheilungen des Ganglion in deutliche Endbla- sen aus (Fig. 19b), die in mehren Reihen neben einander längs der Tracheenblase sich forterstrecken, wobei sie von oben nach unten an Grösse abnehmen. Aus der Mitte von jeder Endblase des .‚Nervenschlauches leuchtet ein kolbenför- miges, vierkantiges Stäbchen hervor, das noch von einem hellen Raume umschlossen ist. Wie man bei Betrachtung der Stäbchen von der Fläche sich überzeugen kann, so ist das mützenartige Ende regelmässig vierlappig im Einklang mit den vier Seitenkanten, und dieser Theil schwindet auch nicht in Essigsäure, was mit der übrigen Substanz des Stäb- chens geschieht. In gleicher Weise verhalten sich die stabförmigen Elemente bei der Feldgrille (Acheta campestris), deren Gehörganglion ziemlich stark braunpigmentirt ist. Man wird nicht daran zweifeln, dass ich manchen Ver- such gemacht babe, auch an andern Insekten und Spinnen ein Gehörorgan aufzufinden, doch ist mir solches bisher nicht 406 Frz. Leydig: gelungen. Die grosse Singeicade (Tettigonia plebeja), die bei Würzburg während des Hochsommers in den Weinbergen lärmt und noch am ehesten, wie auch v. Siebold vermuthet, etwas von einem Ohr haben dürfte, war mir zur Zeit dieser Bestrebungen nicht mehr zur Hand. 2. Fazettirte Augen. Jedermann kennt die berühmten Untersuchungen, welche Joh. Müller über die Gesichts- organe der Arthropoden in seinem Werke: zur vergleichenden Physiologie des Gesichtssinnes 1826 niedergelegt hat, erwägt man indessen, dass schon die nächstfolgende Arbeit von Will (Beiträge zur Anatomie der zusammengesetzten Augen mit fazettirter Hornhaut 1540) mancherlei von Joh. Müller ab- weichende Angaben enthält, und dass noch mehr der neueste Autor über diesen Gegenstand, Gottsche in seinem Auf- satze: Beitrag zur Anatomie und Physiologie des Auges der Krebse und Fliegen, Müller’s Archiv 1852, theilweise zu ganz andern Resultaten gekommen ist, als seine Vorgänger, so darf es wohl als zeitgemäss betrachtet werden, wenn die- sen Organen ein erneutes Studium zugewendet wird. Ich habe sowohl von Spinnen, als auch von Krebsen und Insekten die Augen näher mikroskopirt, will indessen nicht mit den sogenannten einfachen Augen die Darstellung beginnen, son- dern was mir weit zweckdienlicher erscheint, den Bau der zu- sammengesetzten Augen zuerst erörtern. Vorher noch eine Bemerkung über blinde Insekten. Die in Ameisenhaufen lebende Käfergattung Claviger gilt bisher allgemein als augenlos, nur in Carus „System der thierischen Morphologie “') finde ich die Notiz: „Claviger hat nach Schmidt zwei Ocellen.“ Ich kann das nicht zugeben und muss die ältere Angabe für richtig erklären. Während die nahverwandten Käfergattungen Pselaphus Heisii und Brya- zis fossulata zwei deutliche Augen besitzen, die jederseits ungefähr 20 stark kuglig vorspringende Hornhautabschnitte zeigen, erblicke ich bei Claviger foveolatus selbst bei der sorg- fältigsten Behandlung keine Spur von Augen. 1) S. 202, Anmerk. 22. Zum feineren Bau der Arthropoden. 407 Im Bau der fazettirten Augen stösst man auf so zahl- reiche Modifikationen eines Grundschema’s, dass es unum- gänglich nothwendig wird, speziell das auseinander zu setzen, was bei einzelnen Gattungen sich der Beobachtung darbietet. Krebse. Nachdem ich mich schon längere Zeit mit dem Auge unseres Flusskrebses — sowohl frischen als auch ge- kochten Exemplaren entnommen — abgegeben hatte, ohne über Manches ins Klare gelangen zu können, nahm ich eine schon seit Geraumem in Weingeist aufbewahrte Herbstia con- dyliata vor. Die Theile des Auges waren sehr gut conservirt und hatten einen gewissen Härtungsgrad erlangt, der das Studium nicht wenig erleichterte und mir auch eine bessere Einsicht in das Auge des Astacus fluviatilis erschloss, wes- halb ich jenen Krebs vor Allem schildern will. Die Horn- haut ist sechseckig fazettirt und besteht aus geschichteten Chitinlamellen (Taf. XVII. Fig. 32f). Jede Fazette springt nach innen halbkuglig vor (Fig. 32g). Von der Innenfläche jeder Fazette, an deren Peripherie, senkt sich eine homogene Hülle schlauchartig nach innen (Fig. 32h), und grenzt damit auch die hinter der Hornhaut liegenden Weichgebilde in eben so viele isolirte Sektoren ab, als äusserlich an der Hornhaut sich Fazetten markiren. Fragliche Hülle ist zunächst der Fazette von festerer Beschaffenheit, noch etwas, wenn man so sagen darf, ehitinisirt, weiter nach dem Innern der Augen- masse zu wird sie blasser und zarter, wobei sie den gleich zu beschreibenden Gebilden eng anliegt und erstreckt sich bis zum sogenannten Ganglion opticum. Innerhalb des Schlan- ches zwischen Hornhautfazette und Oberfläche des Schgan- glions treten folgende Bildungen auf. Der Raum, welcher unmittelbar hinter dem kuglichen Vorsprung der Fazette und dem Krystallkegel übrig bleibt, wird von einer weichen, durch- sichtigen Substanz eingenommen; der birnförmige Krystall- kegel (Fig. 32e), welcher körnig getrübt war, besteht deut- lich aus vier Segmenten. An seine hintere Spitze setzt sich ein sehr eigenthümlich gearteter Cylinder an, der aus dem Ganglion opticum entspringt (ig. 32a) und dessen EBigen- schaften man auch am besten von hier aus verfolgt. Bei 408 Frz. Leydig: seinem Ursprung misst er nur 0,002 im Durchmesser, schwillt dann aber zu einer Spindel an (Fig. 32b), die 0,010 im Querdurchmesser hat und ehe das vordere wieder verschmäch- tigte Ende der Spindel die Spitze des Krystallkegels erreicht hat, fällt noch eine zweite Anschwellung auf (Fig. 32d), die durch vier regelmässig im Kreuz gestellte zellige Körper her- vorgerufen wird. Der aus dem Ganglion opticum zum Kry- stallkegel tretende Cylinder erscheint durchweg sehr regel- mässig mit vier Längsrippen versehen, die in ihrer Lage mit den vier Segmenten des Krystallkegels eben so gut wie mit den vier zellenartigen Körpern der zweiten Anschwellung eorrespondiren und die Längsrippen sind wieder von dicht sich folgenden Querfurchen unterbrochen, was Alles zusam- men ein ganz auffallendes Aussehen erzeugt, das erst nach und nach dem Blick verständlich wird. Da an der spindel- förmigen Anschwellung die Längsrippen sowohl wie die Quer- furchen grösser sind als oberhalb und unterhalb der Anschwel- lung, so markiren sie sich hier am schärfsten. Das Pigment ist nur um die spindelförmige Auftreibung und namentlich bei der vierzelligen oberen Verdiekung angehäuft, jenseits dersel- ben mangelt das Pigment vollständig. Die Kerne in der vor- dern Anschwellung werden nach Kalilauge, wodurch das Pig- ment grossentheils entfernt wird, deutlich. Was den Flusskrebs anlangt, so muss man verschie- dene Untersuchungsmethoden zu Hülfe nehmen, frische Augen, andere, die in Weingeist gelegen waren und gekochte. Die Fazetten der Hornhaut sind der Mehrzahl nach viereckig, aber bei Durchmusterung grösserer Stücke gewahrt man auch fünf- und sechseckige Fazetten. Sie zeigen sich auf dem senkrechten Schnitt schön geschichtet und in der Mitte jeder Fazette kann man häufig eine kreuzförmige Vertiefung (auch in Fig. 30 angedeutet) erblicken. Auch hier setzt sich von jeder Fazette aus ein Schlauch bis zum Sehganglion fort, der anfänglich hart conturirt, nach hinten zu bis zum Verschwin- den fein wird (Fig. 30f). Die Innenseite der Fazette ist nicht gewölbt wie bei Herbstia, sondern flach, der Raunı zwischen dem vordern Ende des Krystallkegels und der Innenfläche Zum feineren Bau der Arthropoden. 409 der Hornhaut wird von einer homogenen, gallertigen Masse eingenommen; der Krystallkegel (Fig. 30d), welcher im fri- schen Zustande sehr weich und gallertig zerfliessend ist, hat, wie Weingeist und gekochte Exemplare lehren, eine eylin- drisch-vierkantige Gestalt und springt daher am vordern und hintern Ende in vier regelmässig gestellte Buckel vor. Aus der Oberfläche des Ganglion opticum erhebt sich wieder jenes eigenthümlich faserartige Gebilde, welches mit dem hintern Ende des Krystallkegels zusammenhängt (Fig. 30c). Es bil- det bald nach seinem Ursprung eine stark spindelförmige Anschwellung (Fig. 30b), deren Substanz aus dem lebenden Thier eine lebhaft rosenrothe Färbung hat, die Anschwellung misst 0,04 in der Länge und hat in der breitesten Gegend 0,0120“ im Durchmesser. Die rothe Färbung verschwindet allmählig bei Wasserzusatz. Am frischen Objekte hält es schwer, die eigentliche Form der Anschwellung festzustellen, bald meint man die Conturen auf spiralige Windungen, bald auf regelmässige Einknickungen beziehen zu müssen und ich gestehe, dass ich vor der Erkenntniss dieses Gebildes bei Herbstia in meiner Auffassung lange hin- und herschwankte, später freilich konnte ich überzeugend sehen, dass anch hier beim Flusskrebs die Anschwellung vier stark vortretende Längsrippen besitze, die wieder regelmässig durch Querfur- chen eingekerbt waren. Ueber die Anschwellung hinaus ver- liert der Cylinder bald die Querkerben, während die Längs- kanten bleiben und genau den vier Längsabschnitten des Krystallkörpers entsprechen, an die sich das verbreiterte Ende des Cylinders anschliesst. Innerhalb der von der Fazette kommenden allgemeinen Hülle lassen sich Kerne unterscheiden. Bezüglich der Struktur des Ganglion opticum sieht man, dass die fibrilläre Substanz des Sehnerven in geflechtartigen Zügen auseinander weicht, in die Zwischenräume lagern sich einfache Punktmasse, zahlreiche Kerne und zellige Elemente, bestehend aus scharfem Nucleus mit zarter granulärer Um- hüllungsmasse. Die freie Fläche des Ganglions, aus der die zum Krystallkörper gehenden Cylinder hervorkommen, er- scheint durch die Anordnung des Pigmentes in regelmässige 410 Frz. Leydig: Felder abgetheilt. Was die Pigmentirung der jenseits des Sehganglions liegenden Partien anlangt, so ist schwarzes rings um die Mitte der Krystallkegel und um die spindelför- migen Anschwellungen der Cylinder abgesetzt und zwar ist an letzterem Ort das meiste Pigment angehäuft. Ausser dem schwarzen Pigment trifft man aber auch ungefähr halbwegs zwischen dem Ende der Krystallkegel und der obern Spitze der spindelförmigen Anschwellung ein bei auffallendem Licht weisses Pigment an, das ebenfalls aus kleinen Körnchen zu- sammengesetzt sich zeigt. Von andern Krebsen wurden noch verglichen der Hum- mer (Astacus marinus), Dorippe lanata, Ilia nucleus, Lambrus spinimanus, Dromia Rumphiü, Squilla mantis, sämmtlich Wein- geistexemplare. In der Hauptsache kehren immer dieselben Strukturverhältnisse wieder, aus denen ich nur Folgendes heraushebe. Beim Hummer sind die Cylinder an ihrem Ursprung aus dem Sehganglion bloss 0,006 breit, schwellen aber als- bald in die gerippten Körper an, welche, wo sie am umfäng- lichsten sind, 0,0120“ messen. Es scheint mir, als ob sie mehr als vier Kanten besässen, die Fortsetzung der An- schwellung verlor sich nach vorne in eine homogen körnige Masse, die bis unter die Hornhautfazetten reicht, ohne dass sich ein Theil derselben als Krystallkegel abgeschieden hätte. In der schlauchartigen Hülle, die von den Fazetten bis zum Sehganglion sich erstreckt, machten sich da und dort Kerne bemerklich, sowie Gerinsel, die Eiweisströpfehen sehr ähnlich sahen. Das Pigment erschien auch hier nur in einem Gür- tel um jene die Krystallkegel vertretende Substanz und um die gerippten Anschwellungen angehäuft, und verlief sich von da als schwache senkrechte Streifen ins Sehganglion hinein. Dorippe lanata stimmt im Wesentlichen des Baues mit Herbstia überein, die Fazetten sechseckig, die Anschwellung des Cylinders deutlich vierkantig, weiter nach oben eine zweite stark pigmentirte Verdiekung und nur darin macht sich eine Abweichung von Herbstia bemerkbar, dass statt eines eigent- lichen Kıystallkegels eine gleichmässige Substanz den Raum Zum feineren Bau der Arthropoden. 4ll vom vordern Ende des Cylinders und der Innenfläche der Fazette ausfüllt, doch ist bei Einstellung des Fokus auf die Innenseite der Hornhaut eine vierbucklige Zeiehnung klar zu erblicken. Ilia nucleus hat sechseckige Hornhautfazetten, die nach innen kuglig vorspringen. Bezüglich des Krystallkörpers nä- hert sich dieser Krebs dem Hummer und der Dorippe an, d.lı. der Raum unter der Fazette ist von einer gleichmässi- gen Substanz ausgefüllt, in welche sich der vom Ganglion opticum kommende Cylinder ausbreitet. Letzterer bildet bald nach seinem Ursprung eine vierkantige Anschwellung, welche 0,024” Jang ist und 0,006‘ breit. Lambrus spinimanus besitzt sechseckige, nach innen con- vexe Fazetten, und verhält sich auch sonst ganz analog, wie der vorhergehende Krebs. Die Anschwellung des Cylinders ist vierkantig und scharf quergefureht, welche Zeichnung, wenn auch in verjüngtem Maassstabe, sich ohne Mühe bis zum Uebergang des Oylinders in die homogene, den Krystallkegel ersetzende Masse verfolgen lässt. Hat man die Hornhaut so abgezogen, dass das obere Ende des Umhüllungsschlauches betrachtet werden kann, so sieht man in der Mitte eine kreuz- förmige Figur. Bei Dromia Rumphi sind die Hornhautfazetten vierkantig, aber anders gestellt, als beim Flusskrebs, indem nicht beide über die Hornhaut wegziehenden und die Fazetten begrän- zenden Linien gerade verlaufen, sondern die eine in regel- mässigem Zickzack gebrochen wird, wodurch ein ähnliches Bild zum Vorschein kommt, wie eine aus Backsteinen auf- geführte Mauer giebt. Unter der Fazette, von dem gemein- samen Schlauch umschlossen, liegt zunächst eine durchsichtige, gleichartige Substanz und dann erst folgt ein 0,0360 langer Krystallkegel, dessen oberes vierbuckliges Ende man klar erkennt, wenn der Fokus durch die Hornhaut hindurch in die Tiefe eingestellt wird. Es tritt dann in jeder Fazette eine kreuzförmige Zeichnung hervor. In Squilla mantis, deren Hornhaut sechseckig fazettirt ist, zeigt sich die vierkantige quergerippte Anschwellung des vom 412 Frz. Leydig: Ganglion aufsteigenden Cylinders länger als beim Flusskrebs: sie misst 0,1” in der Längenrichtung. Nach diesen Mittheilungen will ich einstweilen versuchen, die Beobachtungen anderer Forscher mit den meinigen in Verbindung zu bringen. Ueber die Fazetten, deren Form und Struktur, dürfte sich kaum eine Meinungsverschiedenheit erheben. Wenn ich entgegen Will, der sie aus „Hornplättehen“ zusammengesetzt sein lässt, behaupte, dass sie aus chitinisirten Bindsubstanz- lagen bestehen, so ist das eine Folge der oben rücksichtlich der Haut der Arthropoden vorgebrachten Daten. Wichtiger scheint es mir, das Verhältniss und die Bedeutung jenes Ge- bildes festzustellen, das ich in den Einzelbeschreibungen den Umhüllungsschlauch oder Scheide genannt habe. Will hat, wie man aus seinen Angaben über Palaemon serratus, Galathea strigosa etc. und namentlich aus seinen allgemeinen Betrachtungen hervorgeht, Theile des Schlauches gesehen, aber er scheint mir darüber nicht zum Abschluss gelangt zu sein. Gottsche kennt die Sache genauer, er bezeichnet das obere Ende des Schlauches als „eiweissartige Hülle, welche die Verbindung des Krystallkörpers mit der Cornea ver- mittelt und welche Fortsätze zwischen die Krystallkörper hintinterschiekt“. Er scheint auch den Schlauch in seiner ganzen Ausdehnung gesehen zu haben, denn $. 487 a. a. O. sagt er, dass die membranartigen Fortsätze zwischen den Krystallkörpern in Continuität stehen mit dem die Augen von einander isolirenden Schlauch, Die in Rede stehende Scheide hat meiner Ansicht nach keine andere Bedeutung, als die, welche das Sarkolemma, oder Neurilem oder andere bindegewebige Theile haben, die nur zum Zwecke der Umschliessung, Isolirung oder Stütze anderer Gebilde dienen. Es ist Bindesubstanz, die in ähn- licher Art von der Innenfläche der Hornhaut abgeht und einen Inhalt aufnimmt, wie die chitinisirten Sehnen sich in Schläuche auflösen, welche dann unter der Form eines weichen Sarko- lemma, die contractilen Elementartheile umfassen. Daher sind die oberen Enden der Schläuche, der Cornea zunächst, noch Zum feineren Bau der Arthropoden. 413 fester und lassen sich, wie Gottsche richtig bemerkt und ich wiederholt gesehen habe, nach Abnahme der Hornhaut gitterförmig oder als Netz darstellen. Wo die Schläuche wei- cher geworden sind, nach unten gegen das Sehganglion hin, zeigen sie auch dasselbe histologische Verhalten, wie das weiche, nicht chitinisirte Bindegewebe vieler Arthropoden: Punktsubstanz und eingestreute Kerne. Den Inhalt des Schlauches bilden die Theile, welche Will aufzählt als weiche Masse zwischen der Hornhaut und dem Krystallkörperchen, dann das Krystallkörperehen selber, die Kapsel desselben, der Glaskörper, die Sehnervenfaden und dessen Anschwellung. Ich will, um ein Verständniss dieser Bildungen herbeizuführen, vom Ganglion opticum ausgehen. Die Oberfläche des Sehganglions ist durch Pigmentirung felderartig abgetheilt, und den Feldern entsprechend erheben sich die Nervenfasern der Autoren, die Cylinder in den vorangehenden Detailbeschreibungen; die eigenthümliche ge- rippte Verdiekung, in welche sie gleich darauf anschwellen, wurde von Will früher gar nieht weiter gewürdigt, er sagt bloss, dass beim Flusskrebs der ganze Nervenfaden bald nach seinem Ursprung aus dem Ganglion zweimal so dick sei, als in seinem übrigen Verlauf. In seiner spätern Arbeit!) erklärt er die Anschwellung des Nervenfadens für eine Täuschung, die hervorgebracht werde durch eigenthümliche Prismen, welche er für den Bewegungsapparat der Pupille zu halten geneigt ist. Ich kann jedoch nicht umhin, meine Meinung dahin abzugeben, dass Will die Natur der betreffenden An- schwellung sehr verkannt hat, denn das, was er als gelbliche oder röthlich gefärbte Prismen beschreibt, die sich häufig stark schlängeln, sind nichts anderes, als die Kanten der spindel- förmigen Anschwellung des „Nervenfadens“. Weiter unten, wenn ich das Auge der Insekten abhandle, werde ich dar- auf zurückkommen. Joh. Müller hat der Anschwellung mehr Aufmerksamkeit gewidmet, er sagt in der Anmerkung 1) Ueber einen eigenthümlichen (Bewegungs?) Apparat in den fa- zettirten Insektenaugen, Müller’s Archiv 1843. 414 Frz. Leydig: zu dem eitirten Aufsatz von Will: „die Anschwellungen der Sehnervenfäden haben beim Flusskrebs einen sehr merkwür- digen Bau; sie scheinen aus einem gewundenen Sehlauche von durchsichtig blassröthlicher Färbung zu bestehen“. Noch genauere Angaben findet man bei Gottsche über die eigent- liche Form der vielberufenen Anschwellung, er nennt sie „ganz wunderliche vierseitige Doppelpyramiden“ oder auch „prismatische, quergeriefelte Körper“. Es ist, wie ich oben gemeldet, nicht so leicht die wahre Form der Anschwellung zu erkennen, bei längerer Beschäftigung gewinnt man indes- sen die Ueberzeugung, dass die Auftreibung bei Krebsen meist scharf vierkantig ist, aber wieder mittels querer Ein- schnitte „geriefelt“, die homogene Substanz, welche die An- schwellung formt, bricht das Licht, wie die Stäbehen im Auge niederer Wirbelthiere und auch die rosenrothe Färbung jist dieselbe, wie man sie an den Stäbchen z.B. des Landsala- manders, Frosches etc. sieht. Nachdem der „Nervenfaden“ die gerippte Anschwellung gebildet hat, geht er aufs neue verschmälert nach vorne und stellt damit das vor, was Gottsche den „Stiel“ nennt und auf seinen Figuren mit d bezeichnet, er erwähnt dabei aus- drücklich, dass er bei Cancer pagurus den „Stiel in die „Dop- pelpyramide* übergehen sah, aber bei Astacus, Palaemon, Galathea sei es ibm nicht gelungen, sich davon ganz sicher zu überzeugen. Ich kann mit Bezug hierauf nur wiederholen, dass ich unzweifelbar den Zusammenhang bei den von mir untersuchten Krebsen, auch bei einem Jahre lang in Wein- geist gelegenen Astacus fluviatilis wahrgenommen habe. Der Stiel in der Sprache Gottsche’s hat auch die gleiche vier- kantige und quergerippte Beschaffenheit, wie seine Anschwel- lung, nur verliert sie sich nach vorne beim Flusskrebs etwas früher, als z.B. an Herbstia. Setzt man dem frischen Ob- jekte Essigsäure zu, so schlängeln sich unter Quellung die Kanten längs des ganzen „Nervenfadens“ und seiner An- schwellung (Fig. 31 auf Taf. XVII.) und erzeugen damit auch bei Krebsen jene Bilder, welehe Will auf einen eigenthüm- lichen Bewegungsapparat gedeutet hat. Zum feineren Bau der Arthropoden, 415 Was endlich die Theile betrifft, welche Will als Glas- körper, Krystallkörper und Kapsel desselben unter- scheidet, so werden wir unten bei mehren Iusekten (Mantis z.B.) erfahren, dass sie alle zusammen unmittelbare Fort- setzungen, ja Enden der „Nervenfäden“ in der Art sind, dass sie sich, selbst abgesehen von der Continuität der Conturen, gar nicht, weder im optischen noch chemischen Verhalten vom „Nervenfaden“ absondern. Hier bei den Krebsen und wie später auch von vielen Insekten, zu erwähnen sein wird, hat das Ende des „Nervenfaden“ eine andere Be- schaffenheit angenommen, das Ende hat sich in eine helle, homogene Masse umgeändert, die aber unter der Form eines viersegmentirten Krystallkegels der vierkantigen Gestalt des „Nervenfaden“ sich anpasst. Die Krystallkegelsubstanz erscheint bei manchen Krebsen, z. B. dem Astacus fluviatilis so weich-gallertig, dass im frischen Zustande, auch bei der vorsichtigsten Präparation, der Krystallkegel immer seine Form einbüsst, und erst am erhärteten Präparat kann festgestellt werden, dass er oben und unten in vier regelmässig gerich- tete Buckel ausgeht. Nach Gottsche soll er bei Astacus unregelmässig abgeschnitten sein, was ich nicht bestätigen kann, eben so wenig die Schilderung, welche Will über den sogenannten Glaskörper giebt, weder beim Flusskrebs noch den andern mir vorgelegenen Krebsen sah ich etwas ähnliches, beim Flusskrebs vielmehr erweitert sich der vierkantige „Ner- venfaden“ vorne und stösst am erhärteten Objekte unmittel- bar so an den Krystallkörper, dass je eine Kante des „Ner- venfadens“ in die Längsachse eines Krystallkegelsegmen- tes fällt. Dagegen findet sich sehr allgemein zwischen den vier obern Buckeln des Krystallkegels und der Innenfläche der Horn- hautfazette eine homogene, gallertige Ausfüllungssubstanz. Es will mich aber bedünken, als ob letztere ebenfalls nur ein vorderer Abschnitt der Krystallkegelsubstanz wäre, wofür spricht: 1) dass bei gewissen Insekten (siehe unten) die Buckel der Krystallkegel unmittelbar an die Hornhaut stossen, 2) die Masse hier bei den Krebsen nicht minder mit 416 Frz. Leydig: vier schwachen im Kreuz gestellten Buckeln endet, da die eigenthümliche kreuzförmige Figur, die man so häufig in der Mitte jeder Fazette erblickt, die Valleeulae der Buckel sind, 3) bleibt die Substanz bei manchen Krebsen, z. B. dem Hum- mer, im Weingeist eben so klar, wie die Krystallkegel. bei andern Arten aber differirt ihre chemische Beschaffenheit offenbar etwas von jener der Krystallkegel, denn z.B. am gekochten Auge des Flusskrebses hat der eigentliche Krystall- kegel ein ganz dunkles Aussehen, die fragliche Substanz hin- gegen ein schmutzig ‘gelbes. Gottsche hat noch die An- gabe, dass der Krystallkörper von Astacus fluviatilis oben flach gefunden werde, und sich mit einer spitzen Warze an die Cornea anhefte; wie schon gesagt, sehe ich, dass das obere wie untere Ende vierhöckerig ist, und was die „spitze Warze“ anlangt, so bin ich ausser Stand, mir die Zeichnung e der Fig. 3 Gottsche’s zu erklären, höchstens könnte ich mir denken, dass vier kernartige Bildungen (vgl. Taf. XVII. Fig. 31), welche das oberste Ende des Umhüllungsschlauches auszeichnen und bei gewisser Lage den Inhalt des Schlauches einzuschnüren scheinen, dazu Veranlassung gegeben haben. Das Resultat, welches ich vorläufig aus meinen Beobach- tungen ziehen muss, trifft demnach mit einer Aeusserung zu- sammen, die Gottsche gelegentlich bei Squilla mantis macht; ich halte nämlich das, was Will als weiche Masse zwischenHornhautundKrystallkegel,als Krystall- körperchen, als Kapsel desselben und endlich als Glaskörper unterschieden hat, nicht für Bildun- gen, an die sich nur der „Nervenfaden*“ ansetzt, sondern für unmittelbare Fortsetzungen, für die vorderen Partien der „Nervenfäden“, es sind die Enden derselben, welche lediglich eine andere Natur angenommen haben. Ich werde am Schluss, wenn ich den histologischen Befund des Arthropodenauges mit dem des Wirbelthierauges zu vergleichen habe, auf die- ses Thema noch näher eingehen und will jetzt fortfahren, weiteres Material beizubringen, indem ich den Bau des zu- sammengesetzten Insektenauges vorführe, Zum feineren Bau der Arthropoden. 417 Coleopteren. Die Gattungen Scarabaeus stercorarius, Cetonia aurata, Procrustes coriaceus, Carabus auratus, Silpha obseura, Elater noctilueus, Rhagium indagator, ein südameri- kanischer grosser Prionus, Dynastes, Blaps haben namentlich zur Untersuchung gedient. Mit Ausnahme des Prionus, welcher von den genannten Käfern im Bau des Auges sehr abweicht, finden sich sonst dieselben fundamentalen Anordnungen vor. Die Hornhaut- fazetten sind nach aussen schwach, nach innen stark convex, so dass sie da linsenartig vorspringen (vgl. Fig. 33g, h), bei Dynastes z. B., dessen Hornhaut die ganze Dicke von 0,72” hat (Fig. 34), beträgt die linsenartige Wölbung 0,006’ im senkrechten Durchmesser. Die Hornhaut ist geschichtete und chitinisirte Bindesubstanz, und die Fazetten zeigen sich häu- fig, so z. B. in Rhegium indagator, Clerus formicarius, Cetonia aurata u.a. bis auf ein rundes Centrum, welches hell bleibt, gelb oder gelbbraun gefärbt. Jeder Fazette zugehörig erstreckt sich ein Schlauch oder Scheide von der Innenfläche der Hornhaut zum Sehganglion (Fig. 33i, Fig. 34g), welcher den „Nervenfaden“ sammt sei- nem eigenthümlich modifizirten Ende d.i. die Krystallkegel- substanz umschliesst. Aus der Oberfläche des Sehganglions erheben sich, rings- um pigmentirt, die „Nervenfäden“ (Fig. 33d, Fig. 34b). Sie schwellen darauf sehr bald, wie ich es bei Procrustes coria- ceus, Scarabaeus stercorarius, Dynastes sah, beträchtlich an (Fig. 33, Fig. 34a), dagegen vermisse ich die Verdickung bei Carabus auratus. Will erwähnt zwar in seinen Beiträgen die Anschwellung ausdrücklich auch von Cetonia aurata, doch hat der genannte Forscher diesen merkwürdigen Theil des „Ner- venfadens“ in seiner ersten Arbeit wenig beachtet, und in seiner zweiten (Müller’s Archiv 1843), wovon bereits oben die Rede war, hat er von ihm eine unrichtige Auslegung ge- geben. In den „Beiträgen“ wird bloss mitgetheilt, dass man in der Mitte der fraglichen Anschwellung des „Nervenfadens“ eine hellere Röhre ziemlich deutlich unterscheiden könne, Ich sehe aber daran, und zwar will ich mich an Procrustes co- Müller's Archiv. 1855. 27 418 Frz. Leydig: riaceus') halten, folgendes. Im frischen Zustande zeigt die Anschwellung dieselbe schön rosenrothe Färbung, wie das analoge Gebilde beim Flusskrebs, die Farbe schwindet nach längerem Einwirken von Wasser oder nach Reagentien, Kali- lösung, Weingeist etc. Anlangend die Form, so hat die An- schwellung vier scharf vortreteude Längskanten, die auf dem Querschnitt sich rechtwinklig kreuzen. Zwischen den Längs- kanten ist eine äusserst zarte Querstrichelung bemerkbar (Fig. 33c'). Die Substanz, aus welcher der Nervenfaden und die Anschwellung bestehen, ist homogen, klar, bricht das Licht stark, ist weich und biegsam und erinnert in ihrem op- tischen Verhalten, sowie in ihren Umänderungen nach Rea- gentien ganz entschieden an die Stäbchen im Auge der Wir- belthiere. Mit Wasser oder Kalilauge zusammengebracht, fan- gen die vier Längskanten, vorher so scharf und gradlinig, an aufzuquellen, sich zu krümmen und bekommen ein ge- schlängeltes Aussehen. Ich habe zur bessern Beurtheilung in Fig. 33 auf Taf. XVII. bei e!, d! die fraglichen Objekte in frischem Zustande gezeichnet und daneben bei c? d? die Ver- änderungen nach Wasserzusatz. Die Kanten erstrecken sich jenseits der Anschwellung, wenn auch zarter, doch bis zum letzten Fünftel der ganzen Länge des „Nervenfadens“, wo jede Kante sich in einen knopfförmigen Vorsprung erhebt, so dass an dieser Stelle eine vierhöckerige Anschwellung gleichwie bei Herbstia u.a. erzeugt wird (Fig. 33e, Fig. 34c). Es kann nun nach der Schilderung, welche Will a. a. ©. von dem neuen und vermeintlichen Beweguugsapparat giebt, keinem Zweifel unterliegen, dass er die Kanten der Anschwel- lung des „Nervenfadens“ für Muskeleylinder gehalten hat. Es seien vier durchsichtige Cylinder, oder eigentlich Prismen, 1) Auffallend ist mir, dass mit jedem fazettirten Auge hier noch drei eigenthümliche pigmentirte Körper vorkommen. Es sind gestielte Blasen von 0,72 — 0,1“ im Durchmesser, innen mit dunklem Pigment und unter der hellen Wand blasse epitelartige Zellen. Der Stiel der Blasen scheint nervös. (Sind es verkümmerte Nebenaugen ?) Zum feineren Bau der Arthropoden. 419 welche den Nervenfaden nach dem Hervortreten aus der Wölbung des gemeinschaftlichen Sehnerven bedecken, sie seien gelblich oder röthlich gefärbt, häufig geschlängelt ete. Statt Weiterem ersuche ich den geneigten Leser, der sich für den Gegenstand interessirt, sich das Ange eines der genannten Käfer zu besehen und dabei die Arbeit Will’s und meine Abbildungen (Fig. 33) zur Hand zu nehmen, um zu sehen, dass wir beide ein und dasselbe Objekt verschieden deuten. Dass übrigens auch noch andere Irrungen untergelaufen sind, geht daraus hervor, dass Will „in höchst seltenen Fällen“ Luft in den Prismen gesehen zu haben glaubt, so dass er daran denkt, doch „nicht mit Sicherheit entscheidet“, ob sie (die Prismen) als Stützpunkte für die Bewegungsfäden oder als Endigungen der Tracheen zu betrachten seien.“ Will hat sich hiebei einer Verwechslung mit wirklichen Tracheen schuldig gemacht, denn die 30—35 zarten Fäden, von denen er spricht, und die nach ihm von den durchsichtigen Cylin- dern entspringen sollen, sind, was schon Brants gerügt hat, wirkliche feine Tracheen (vgl. Fig. 331), und kommen nicht von den „Prismen“, sondern letztere gehen nach vorne bis zum Knopf e aufFig. 33. Da ich einmal ins Kritisiren hinein- gerathen bin, so möchte ich auch bemerken, dass v. Sie- bold die Angaben Will's nicht richtig aufgefasst hat, wenn er in seiner vergleichenden Anatomie 8. 587 Anmerk. 14 die Will’schen vier durchsichtigen Cylinder „die Krystallpyra- miden“ umgeben lässt. Will sagt ausdrücklich, dass „um den Nervenfaden, wo er aus dem Pigment, welches die Wöl- bung des gemeinschaftlichen Sehnerven bedeckt, hervortritt“, die vielberufenen Cylinder angebracht seien, was noch klarer ersichtlich ist aus der Anmerkung 1, wo Will sich äussert: „ieh habe mich bei meinen früheren Beobachtungen täuschen lassen, indem ich die durch die Prismen hervorgebrachte Anschwellung für eine Auftreibung des Nervenfadens hielt“. So viel zur Historie der Sache. Die vierkantige Anschwellung des „Nervenfaden“ hat nicbt bei allen Arten die schön rosenrothe Färbung, bei Scarabaeus 27* 420 Frz. Leydig: stercorarius z. B. sieht man sie roth, bei Si/pha obscura sind sie vollkommen farblos, wasserhell. Die verschmächtigte Fortsetzung des „Nervenfaden“, welche jenseits des vierhöckerigen Knopfes (Fig. 33e) liegt (ich halte mich wieder an Procrustes coriaceus) erweitert sich unmittel- bar zur Substanz des Krystallkegels, oder vielleicht richtiger gesagt, zu dem Substanzhof des Krystallkegels (Fig. 33f). Auch ersterer von birnförmiger Gestalt ist deutlich aus vier Segmenten zusammengesetzt und in die Vertiefung, welche am oberen Ende zwischen den vier Höckern bleibt, drückt sich die Horuhautlinse ein. An Käfern, die lange in Wein- geist gelegen haben, wie es z. B. an dem von mir untersuch- ten Dynastes der Fall war, ist die Cavität an den Krystall- kegeln zur Aufnahme der Linse ausgesprochener, man ver- gleiche Fig. 34. Hier treten auch in den vier Höckern bei c Kerne hervor. Die Grösse der Krystallkegel wechselt sehr, die bedeu- tendsten sah ich bei einem südamerikanischen Blaps, wo sie bei einer Breite von 0,0180“' in der Länge 0,024 hatten, die von Scarabaeus stercorarius z. B. sind kürzer und gedrunge- ner als die von Procrustes, Carabus auratus, auch jene von Cetonia aurata messen nur 0,010 in der Länge. Eine eigenthümliche Beschaffenheit der Krystallkegel ge- wahre ich bei Elater noctilueus. Während bei den voraus- gegangenen Käfern diese Gebilde weich sind und in Wasser, Essigsäure ete. sich leicht verändern, zeigen sie hier eine sehr derbe Natur. Sie messen 0,0360 in der Länge, bestehen aus Kern und Schale, welch letztere durch unmittelbare Er- weiterung des „Nervenfadens“ gebildet ist. Nach Zusatz von Kalilauge schwellen sie leicht an und spalten sich, ohne je- doch auseinander zu fallen, nach der Quere in schmale schei- benartige Schichten, das vordere Ende scheint auch mit der dazu gehörigen allgemeinen Scheide fester der Hornhaut an- gewachsen zu sein. Ich kann diese Besonderheiten deshalb nicht auf Rechnung des Aufenthaltes im Weingeist bringen, weil ich ganz Aehnliches am frischen Auge unserer Cantharis melanura Fabr. beobachtet zu haben glaube. Zum feineren Bau der Arthropoden. 421 Das Pigment ist durchschnittlich am meisten an der An- schwellung der Nervenfäden oder auch am zweiten vierhöcke- rigen Knopf angesammelt. Oben musste bestritten werden, dass die von Will als Bewegungsfäden der Pupille angezeigten Gebilde Muskeln seien. Es existiren aber ausserdem wirkliche eontractile Ele- mente im Auge der Käfer und anderer Insekten. Sie liegen innerhalb der Scheide, häufig so vom Pigment verdeckt, dass es schwierig hält, sie zu sehen, und eine gewisse Vertrautheit mit dem Gegenstande voraussetzt. Es sind äusserst feine, quergestreifte Fäden, — einzelne Fibrillen nach der Sprache mancher Histologen — und bestehen nur aus einer einzigen Reihe von würfelförmigen Muskeltheilchen (Fig. 33k), daher sie gewissen feinen Pilzfäden sehr ähnlich erscheinen. Auf jeden Schlauch mögen etwa ein halb Dutzend soleher Fibril- len kommen, die gerade von hinten nach vorne verlaufen und sich in das um die Krystallkegel gelagerte Pigment verlieren. Einen ganz anderen Typus der Augenbildung habe ich bei einem grossen exotischen Prionus kennen gelernt, und es ist wahrscheinlich, dass alle Bockkäfer, deren Augen einen tie- fen Ausschnitt haben, worin die Fühler stehen, eben so or- ganisirt sind. Es fällt nämlich an den Augen der genannten Gattung zunächst auf, dass die Hornhaut (Fig. 29a auf Taf. XVI.) sehr dick ist, indem sie '!/“ erreicht, dann dass unter ihr kein Pigment kommt, sie selber aber schwarz und un- durchsichtig bleibt. Eine nähere Untersuchung, namentlich durch gute senkrechte Schnitte unterstützt, lehrt folgendes. Die äussere Fläche der Hornhaut springt in starken (0,04 messenden) Halbkugeln vor, die sich nach innen durch eine zweite Wölbung zu einer Linse vervollständigen (Fig. 29b), die allein hell und durchsichtig ist. Hinter jeder Linse zeigt sich die dieke Hornhaut trichterförmig ausgehöhlt, wobei die Spitze des Triehters nach- der Innenseite der Hornhaut ge- kehrt ist (Fig. 29e). Betrachtet man daher die innere Fläche #der Cornea, so markiren sich zahlreiche Löcher, von denen jedes in einen trichterförmigen Raum führt, der nach aussen durch die innere Oonvexität der Linse geschlossen wird. In 422 Frz. Leydig: die Räume hinein treten Nervenstämmchen, in deren gemein- samer Scheide auch quergestreifte muskulöse Elemente ent- halten zu sein scheinen. Das nähere Verhalten der nervösen Elemente im Innern des Trichters liess sich wegen des in grösster Menge vorhandenen schwarzen Pigmentes nicht bestim- men, ich habe, da man Nervencylindern ähnliche Gebilde vermu- theu darf, wohl darnach geforscht, aber nichts darüber erfahren. Man wird zugestehen, dass bei der beschriebenen Einrich- tung die Augen des Prionus im strengen Sinne fazettirt nicht genannt werden können, sondern eher in die Reihe der zu- sammengehäuften einfachen Augen aufzunehmen sind. Orthopteren. Eine wohl geraume Zeit in Weingeist gelegene Schizodaciyla monstrosa erwies sich sehr brauchbar und instruktiv. Man nehme Fig. 35 zur Hand. Die Horn- haut (d) war dünn, die Fazetten nach innen ganz unbedeu- tend gewölbt, die Umhüllungsschläuche (e) von den gewöhn- lichen Eigenschaften. Der Nervencylinder (b) liess sich vom Pigment vollständig reinigen, er war unten ohne Anschwel- lung, aber nach seiner ganzen Länge scharf vierkantig, dabei 0,004” diek und (durch den Weingeist) von hellgelbem Aus- sehen. Was aber ein spezielles Interesse verdient, war, dass der Nervenstab nach vorne unmittelbar in eine gleichmässige Masse anschwoll (ec), die sonst aus Krystallkegel nnd becher- förmiger Erweiterung des Nervenstabes besteht; das oberste Ende geht in vier flache Höcker aus. Dadurch wird schla- gend bewiesen, dass auch in den andern Äugen der Nerven- faden oder Stab und die Krystallkegelsubstanz unmittelbar zusammengehören, in einander übergehen, nur verschiedene Abschnitte eines und desselben Gebildes sind. — Das meiste Pigment war dort angehäuft, wo gewöhnlich die Spitze der Krystallkegel sich befindet. Acridium coerulescens hat unterhalb der dimnen Horn- haut zweierlei Pigment zuerst ein weissgelbes, darauf das violette. Im frischen Zustande ist die Krystallkegelsubstanz (Fig. 37b) äusserst weich und vergänglich, doch lässt sich, bei gehöriger Vorsicht sehen, dass sie vierfach segmentirt ist, und jedes Segment noch einen rundlichen kernartigen Zum feineren Bau der Arthropoden. 493 Fleck besitzt. Nachdem das Auge einen Tag in Wein- geist gelegen hat, ist der Krystallkegel schärfer, aber auch kleiner geworden, hat die kernartigen Bildungen verloren und füllt jetzt das vordere Ende des Umhüllungsschlauches nicht mehr aus, sondern letzteres steht weit von ihm ab. Der vierkantige Nervenstab (Fig. 37a) ist farblos, nicht röthlich. Innerhalb der Scheide (c) erblicke ich deut- lich gegen sechs quergestreifte Muskeln (d), die einzelnen bloss 0,0004—0,0012” breit und sich nach vorne in das an- gehäufte Pigment (e) verlierend. Am Ganglion opticum un- terscheidet man oben eine in Felder geordnete Pigmentlage, darunter kommen helle Kerne und Zellen und hierauf eine dichte Punktmasse, in welche sich die fibrilläre Substanz des Sehnerven verliert. Ganz ähnlich dem Acridium verhält sich Locusta viridis- sima. Das Augenpigment besteht aus violetten, gelben und weisslichen Lagen, auch in Mantis religiosa (Weingeistexem- plar) zeigt sich bei einem senkrechten Durchschnitt des Auges und Anwendung geringer Vergrösserung zunächst unter der Hornhaut ein röthlich graues, dann ein weissgelbes und end- lich das dunkel violette oder schwarze. Der Nervenstab (Fig. 36b) bildet hier gleich nach seinem Ursprung aus dem Ganglion opticum eine bedeutende sechskantige Anschwellung, die am breitesten Theil 0,0120 misst. Das obere Ende des Nervenstabes stimmt vollkommen mit dem überein, was von Schizodactyla monstrosa gemeldet wurde, da die Krystallkegel- substanz das unmittelbare Ende des Nervenstabes vorstellt. Die Art der Pigmentvertheilung kann man auf Fig. 36 wahr- nehmen. Bei der Maulwurfsgrille (Acheta gryllotalpa) bemerkt man am oberen Ende der Umhüllungsschläuche unmittelbar unter der dünnen Hornhaut zu jedem Schlauch gehörig vier kernartige Bildungen, ähnlich wie beim Flusskrebs, welche in gleicher Höhe mit den vier Höckern der kleinen Krystall- kegel liegen. Die langen Nervenstäbe sind nach dem gan- zen Verlauf von vielem dunkeln Pigment umbhüllt. Hymenopteren. Es wurden untersucht die Gattungen 424 Frz. Leydig: Apis mellifica, Vespa crabro, Bombus lapidarius, Hylotoma ro- sae. Der vierkantige Nervenstab scheint nirgends eine untere Anschwellung hervorzubringen, nach Zusatz von Wasser legen sich die Längskanten in dichte Schlängelungen. Die Substanz der Krystallkegel ist sehr weich und offenbart (bei Bombus gesehen) eine Scheidung in Kern und Schale, letztere ent- spricht der becherförmigen Ausbreitung des Nervenstabes, ist zart segmentirt mit je einem nucleusartigen Fleck in der Spitze der Segmente; der Inhalt der Schale — Kern — ist vergänglich, nicht leicht zu erblicken, und repräsentirt den eigentlichen Krystallkegel. Bei der Biene, Horniss und Hummel konnte auch unter dem Mikroskop die Thätigkeit der Pigmentmuskeln direkt beobachtet werden. Das Pigment kommt in Streifen von hinten nach vorn zur Krystallkegelsubstanz, wo es sich zu einem irisartigen Ring vereinigt (Fig. 38). An Präparaten, die aus dem lebenden Thier stammen, fällt auf, dass nicht alle Pupillarringe von gleicher Grösse sind, was sich bald dahin aufklärt, dass sie in verschiedenem Contraetionszustande sich befinden, man kann verfolgen, wie sich die Pigmentringe der einzelnen Krystallkegel so schliessen, dass nur ein heller kleiner Punkt von letzteren frei bleibt. Uebrigens hält es schwer, die Muskelfibrillen selber isolirt sich vorzuführen, da ihnen das Pigment sehr innig anklebt, ja dieses hat seine streifige Anordnung gerade davon, weil es zumeist die Mus- keln begleitet. Auch sind die Muskelfäserchen äusserst zart (wie die feinsten Pilzfäden), doch gelang es mir mehrmals an Präparaten, die einer lebenden Horniss entnommen, mit Weingeist behandelt wurden, Fragmente von quergestreiften Muskelfäden rein zu sehen. Neuropteren. In Agrion eirgo ist die Krystallkegelsub- stanz nicht minder weich, wie bei der vorangehenden Ord- nung, auch bildet das schwarze Pigment schöne irisartige Gürtel um das Ende der Krystallkegel, auch glaube ich die Veränderungen der Pupille wahrgenommen zu haben. Die Hornhaut ist sehr dünn. Hemerobius perla hat festere Krystallkegel, von einer Con- Zum feineren Bau der Arthropoden. 495 sistenz wie etwa die von vielen Käfern. Die goldglänzende Farbe der Augen ist ein Lichtbrechungsphänomen der Horn- hautfazetten. Hemipteren. Habe davon Hydrometra paludum und No- tonecta glauca geprüft. Bei ersterer bilden die hellen Horn- hautfazetten starke linsenartige Wölbungen nach innen, der Nervenstab ist vierkantig und verdickt sich vorne vierkolbig, wo das meiste Pigment abgesetzt erscheint. In Notonecta zeigen sich die Nervenstäbe farblos, ziemlich breit und vier- kantig. Lepidopteren. Bei Vanessa urticae stehen auf der braungelben Cornea, deren Linsenabschnitte blos hell sind, Haare. Der Nervenfaden oder Stab_scheint polygonal ohne Anschwellung, die Krystallkegel sind klein, birnförmig, hinten sehr zugespitzt, sie werden umfasst von einer homogenen Schale, die bis unter die Hornhautfazetten reicht — die kelch- förmige Ausbreitung des Nervenstabes. An der Uebergangs- stelle vom Nervenfaden zum Krystallkegel die stärkste Pig- mentirung. Der Umhüllungsschlauch deutlich wie immer. Von Pieris brassicae habe ich mir angemerkt, dass wie beim Krebs, Maulwurfsgrylle u. a. auch hier am vordern Ende des Umhüllungsschlauches vier im Kreuz gestellte, 0,002” grosse kernartige Bildungen angebracht sind. Krystallkegel klein, birnförmig, der vierkantige Nervenstab schön rosenroth. Das Verhältniss desselben zur Schale des Krystallkegels wie vorher. Der Nachtfalter Liparis salicis hat nach aussen gewölbte Hornhautfazetten, die Krystallkegel sind grösser (0,024 lang) als bei den Tagschmetterlingen, das vordere Ende vierbucklig. Die feinen Tracheen, welche sich bei allen genannten Insek- ten zwischen den Augenschläuchen verbreiten, treten hier sehr zahlreich auf und bewirken durch ihren Silberglanz, dass man ein Tapetum zu erblicken glaubt. Dipteren. Anlangend die Hornhaut der Musca dome- slica, #0 besitzt sie, wie ich klar sche, nicht blos sechseckige, sondern auch viereckige Fazetten. Jede Fazette wölbt sich nach innen zu einem schwach linsenartigen Vorsprung. Die 426 Frz. Leydig: Krystallkegel kurz und birnförmig, aber ziemlich breit, sind sehr weich, die übrigen Augentheile indessen finde ich an- ders als Gottsche a.a.O. Fig.5 von Musca vomitoria (?) abbildet. Der aus dem Sehganglion stammende Nervenfaden (y in der Fig. Gottsche’s) ist vierkantig, und verlängert sich, ohne eine Anschwellung zu erzeugen bis zur Spitze des Krystallkegels. Hier stösst man auf vier im Kreuz gestellte Kügelchen, die 0,0024” gross sind und das Licht stark bre- chen, und welche man auch bei Betrachtung der Fazetten von oben durchschimmern sieht. Um den Nervenstab herum ist die weite Scheide gelegt („Schleimscheide* Gottsche, was auf eitirter Figur „Scheide“ genannt wird, ist ohne Zweifel der Nervenstab), sie ist gelbkörnig und hat da und dort 0,006’ grosse Kerne, hört aber nicht, wie Gottsche zeich- net, eine Strecke hinter der Krystallkegelspitze auf, im Ge- gentheil reicht wie bei allen mir vorgelegenen Insekten bis unter die Hornhaut. Die Gattung Syrphus, wovon ich S. Ribesii und balteatus zergliederte (Fig. 39 auf Taf. XVII.), hat ebenfalls kurze, birn- förmige, weiche Krystallkegel (b), an deren Spitze der vier- kantige, farblose, gleichmässig dieke Nervenstab (a!) sich ansetzt. Betrachtet man die Krystallkegel in situ von oben, so kann bei Einstellung des Focus in die Tiefe des Kegels das Ende des Nervenstabes als kreuzförmiges Körperchen erkannt werden. Die Scheiden der Nervenfäden (ec) bilden unter der Hornhaut eine rothbraune pigmentirte Membran, die nach Umständen als wabige Haut sich präsentiren kann, Etwas aber zeichnet die Gattung Syrphus von allen von mir untersuchten Insekten aus. Ueberall sonst sind die Tracheen, welche vom Ganglion opticum aus zwischen die Nervenschei- den eintreten, von sehr feinem Durchmesser, bei dem in Rede stehenden Zweiflügler erweitern sich die dünnen Tracheen- röhrchen, nachdem sie das Sehganglion hinter sich haben und zwischen die Scheiden gelangt sind, zu langen, gerade ge- streckten und blind geendigten Schläuchen (d), was dem senk- rechten Augenschnitt ein sehr zierliches Aussehen verleiht. Zum feineren Bau der Arthropoden. 427 Ich glaube annehmen zu dürfen, dass das im Vorherge- gangenen aufgeführte Material hinreichend wäre, um die Morphologie des zusammengesetzten Arthropodenauges jetzt von einem allgemeineren Standpunkt aus zu betrachten und nach den Analogien im Wirbelthierauge zu suchen. Bekanntlich schwellen die Sehnerven bald nach ihrem Abgang aus dem Gehirn zu dem Ganglion opticum an'). Gottsche hat zuerst diese Bezeichnung verlassen und nimmt das Sehganglion für das Aequivalent der Retina im Wirbel- thierauge. Man kann ihm darin beistimmen und den Vergleich nur näher insofern begränzen, dass man die Netzhaut des Wirbelthieres erst nach Abzug der Stäbchen- und Zapfen- schicht mit dem Ganglion opticum des Insektenauges auf eine Linie stell. Wie wir wissen, hat die Retina der höheren Thiere nach ihren mikroskopischen Elementen (Körner, Ner- venzellen‘, Opticusfasern und Bindesubstanz) den Bau eines flächenhaft ansgebreiteten Ganglions, und da das Sehganglion der Insekten ähnlich eonstruirt ist, indem ausser dem stützen- den und zusammenhaltenden Bindegewebe und Tracheen die fibrilläre Substanz der Nervengeflechte, so wie Lagen von körnigen und zelligen Gebilden die wesentlichen Elementar- theile ausmachen, so ist der Vergleich ein nicht ungerecht- fertigter. Die nach der Hornhaut gekehrte Fläche der Retina im Insektenauge ist entweder glatt, dabei aber doch durch Pigment felderartig abgetheilt, oder sie erhebt sich in kleine Papillen, Gottsche erwähnt sie vom Hummer, Will sah sie bei der Cicada orni, bezweifeln möchte ich, ob Will richtig gesehen hat, wenn er die Wärzchen „unregelmässig gestellt“ nennt, wahrscheinlich sind sie, wie ich auch bei Pro- erustes wahrnehme, genau den Hornhautfazetten entsprechend 1) Bei manchen Käfern scheint es mir, als ob das Sehganglion in eine hintere und vordere Partie zerfalle, zwischen beiden findet die Communication durch Nervenplexus statt. So sehe ich es bei Cara- bus auratus, Procrustes coriaceus, Coccinella punctata etc. Die vordere Partie ist pigmentirt, die hintere nicht, letztere ist kugelig, die vordere ist mehr hautförmig. 428 Frz. Leydig: angeordnet. Erst jetzt kommt und bei Anwesenheit von Wärzchen als Fortsetzungen dieser, die Lage jener eigenthüm- lichen eylindrischen Körper, welche ich als Ganzes genom- men dem Stratum bacillosum, den Stäbchen und Zapfen des Wirbelthierauges für gleichbedeutend halte. Die Angaben über diese Gebilde im Auge der Insekten waren bisher ziem- lich mangelhaft, bei Will werden die von mir gemeinten Theile „innere Röhren des Nervenfadens“ genannt, Gott- sehe bezeichnet sie als „Stiel* (auf seinen Figuren 3 und 4 sind sie d, i, auf Fig. 5, das, was er „Stiel“ und „Scheide“ nennt). Durch die obigen Schilderungen dürfte eine bessere Kenntniss angebahnt werden. Es besteht das Stratum baeil- losum des Insektenauges aus mehr oder weniger langen, ge- wöhnlich vier-, seltener vielkantigen Stäben, deren Substanz in optischer und chemischer Beziehung sich durchaus wie die Stäbehen der Retina der Vertebraten verhält; sie sind homo- gen, brechen das Licht stark, sind farblos oder rosenroth (an der frischen Retina des Frosches, Salamanders haben die Stäbchen dieselbe Farbe), in Wasser, noch mehr in Essig- säure quellen sie auf, krümmen sich, schlängeln sich ete., auch die feine Querstrichelung, welche sie zeigen, ist an den gros- sen Stäbchen der nackten Amphibien, namentlich nach Was- serzusatz angedeutet. In den Anschwellungen,- welche die Stäbe im Insektenauge häufig, wie bei den Krebsen bilden, möchte ich die Analoga der Zapfen (Coni) im Auge der Wir- belthiere erkennen. Das vorderste Ende der Stabgebilde er- scheint bei manchen Insekten, wenigstens bei längerer Ein- wirkung von Weingeist, man erinnere sich z. B. an Schizo- daetyla und Mantis nach den Conturen und substantiell nicht verschieden von dem übrigen Stab, bei anderen wandelt sich das zunächst unter der Hornhaut liegende Ende in eine weiche, helle Masse um, die selbst wieder in ihren Lagen differente Grade der Weichheit darbieten kann, so dass man von eigenem „Glaskörper“, Krystallkörper“, weicher Masse zwischen Krystallkörper und Hornhaut spricht, Theile, die morphologisch nur als besonders geartete Abschnitte des vorderen Endes der Stäbe gelten können. Wenn, was oben Zum feineren Bau der Arthropoden. 429 von Elater noctilueus und Cantharis melanura gemeldet wurde, sich bestätigt, so scheint die Substanz, welche die Krystallkegel erzeugt, auch eine härtere Beschaffenheit an- nehmen zu können. In neuerer Zeit hat man sich wieder mit der verlassen gewesenen Ansicht befreundet, dass die Stäbehen im Auge der höheren Thiere die eigentlichen Enden der Fasern des Sehnerven seien. Da nach meinem Dafürhalten die stabför- migen Gebilde im fazettirten Arthropodenauge den Stäbchen im Wirbelthierauge zu vergleichen sind, so kann man auch erstere als Nervenfaden erklären, jedoch unter dem ausdrück- lichen Zusatz, dass sie spezifisch umgeänderte Nervenenden sind, denn „Nervenprimitivfasern“, die eine etwelche Natur wie die Stabgebilde haben, existiren wohl nirgends bei den Arthro- poden, und auch die Optieuselemente, welche sich im Seh- ganglion geflechtweise verbreiten, sind nur blass und fein- molekulär. In Carabus auratus liess sich beobachten, wie die Stäbe an ihrer Wurzel die gleiche feinmolekuläre Be- schaffenheit hatten, etwas weiter nach aussen bestanden sie aus kleinen würfelförmigen Stücken, homogen und schon stark lichtbreehend, nach und nach schwanden die Spatien zwischen den Würfeln, so dass im weiteren Verlauf der vierkantige eontinuirliche Nervenstab sich erhob. Die stabförmigen Bildungen im fazettirten Auge wurden übrigens von Anfang an von Joh..Müller, Will u. A. für Nervenfasern oder Nervenröhren gehalten, nur scheinen beide genannte Forscher sie den gewöhnlichen Nervenprimitivfasern der Wirbeltbiere, welche aus Hülle, Markscheide und Axen- eylinder bestehen, an die Seite gesetzt zu haben, was sich wenigstens aus der Meinungsverschiedenheit ableiten lässt, die hinsichtlich des Endes dieser Fasern im Auge zwischen Joh. Müller und Will herscht. Joh. Müller hält es für wahr- scheinlich, dass der wesentlichste Theil des Nervenfaden an der Spitze des Krystallkegels aufhört und die becherförmige Hülle nur der Nervenfaserhülle entspreche, während Will daran festhält, dass das „Nervenmark bis zum Rand der Ba- sis des Krystallkegels sich erstreckt.“ Ich muss Will Recht 430 Frz. Leydig: geben, gehe aber, wie aus dem Obigen erhellt, noch einen _ Schritt weiter, indem ich die becherförmige Hülle, Glaskörper und helle Substanz zwischen Krystallkegel und Hornhaut für modifizirte Enden des Stabgebildes und demnach auch durch- weg für nervös halte und wiederhole, dass man die Analoga nicht in den gewöhnlichen Nervenprimitivfasern der Wirbel- thiere suchen darf, sondern einzig und allein in den Bacillis und Conis der Retina höherer Thiere. Auch bei letzteren sind mitunter die fraglichen Bildungen nicht durch und durch gleichartig, so unterscheidet man z.B. an den Stäbchen der Ringelnatter eine opakere Kernsubstanz und hellere Rinden- schicht, an den Stäben der Salamandra maculata und der Anguis fragilis hebt sich nach Wasserzusatz eine helle Hülle von einer dunkleren Kernsubstanz ab, Erscheinungen, die am vordersten Ende der Stäbe bei den Arthropoden sich schärfer dahin ausprägen, dass die Kernsubstanz als eigentlicher Kry- stallkegel sich bemerkbar macht, und die Rindenschicht als die „becherförmige Ausbreitung des Nervenfadens“. Schon Cnvier nahm, wie ich aus Joh. Müller’s ange- führtem Werk erfahre, die kegelförmigen Körper in den In- sektenaugen für Fortsetzungen des Sehnerven. Wie nun allenthalben in den Organen die Elemente, welche der Empfindung, Bewegung und Absonderung vorstehen, durch Bindesubstanz gesondert, verbunden und gestützt werden, so sind auch die stabförmigen Körper des fazettirten Insekten- auges in eine Bindesubstanz eiugesenkt, welche von der Horn- haut aus sich zur Retina erstreckt und Schläuche bildet, die dem Sarkolemma der Muskeln, Neurilem und Tunica propria der Drüsen gleichstehen. Gottsche hat auf seinen Figuren das, was er von diesen Schläuchen wahrgenommen hat, mit f, g, h oder auch mit „Schleimscheide* bezeichnet. Im le- benden Thier ist die besagte Bindesubstanz weich, feinkörnig, hat einzelne eingestreute Kerne, gegen die Hornhaut zu und in Aleohol nimmt sie härtere Linien an und wird hautartiger. Innerhalb der Hülle verlaufen auch die Tracheen, die quer- gestreiften Muskeln und ist das Pigment abgesetzt. Wenn ich demnach eine Parallele ziehe zwischen dem fa- Zum feineren Bau der Arthropoden. 431 zettirten Auge eines Arthropoden und dem Auge eines Wir- belthieres, so setze ich die Theile in folgender Art einander gegenüber. DieHornhaut und die linsenförmigen Wöl- bungen nach innen ensprechen der Hornhaut und Linse des Wirbelthierauges, die Krystallkegelsub- stanz (incl. helle Masse hinter der Hornhaut, Schale des Krystallkegels, Krystallkegel selber) sammt kantigem Ner- venstab sind gleich dem Stratum bacillosum im Wir- belthierauge, das Sehganglion hat sein Analogon in jeuen Schichten der Retina, welche aus Körnern, Zel- len, und Nervenfasern sich zusammensetzen. Die Pigmente sind gleich der Chofoidea und Iris, und die querge- streiften Muskeln finden ihr Aequivalent in den muskulösen Elementen der Iris und Choroidea. Daraus folgt, dass das fazettirte Auge nach meiner Auf- fassung nicht einer Zahl einzelner dicht aneinander gerückter Augen entspricht, sondern eine organische Einheit, ein Ein- zelauge vorstellt. Am fazettirten Auge mancher Gliederfüssler fällt mir noch eine optische Erscheinung auf, von der meines Wissens nir- gends die Rede ist, aber mir beachtenswerth zu sein scheint, und die ich zuerst an einem gut erhaltenen Limulus poly- phemus der hiesigen Sammlung gewahrte. Da hat das gelbe Auge einen centralen schwarzen Fleck, so dass bei Betrach- tung des Thieres aus einiger Entfernung das Auge einem Wirbelthierauge, namentlich einem Rochenauge mit gelber Iris täuschend ähnlich sieht, denn der schwarze runde Fleck gleicht aufs schönste einer Pupille. Es lässt sich jedoch schnell sehen, dass der Fleck nicht von einem Pigmente herrühren kann, denn er wandert nach der verschiedenen „ Stellung des Auges aus der Mitte nach dem Rande. Auch das Auge von Locusta viridissima (ein anderer von wirklichem Pigment bedingter dunkler Fleck findet sich hier am oberen, inneren Augenrand) bietet eine solche Pseudo- pupille dar, ebenso erblickt man einen länglichen nach dem Halten des Auges verschieden gestellten Pupillenfleck bei Acridium coerulescens; bei Schmetterlingen (Vanessa urticao, 432 Frz. Leydig: Pieris brassicae) und der Horniss (Vespa crabro) hat sich die Zahl der wandernden Flecke vermehrt, man zählt deren 10 bis 12. Da die pupillenartigen Flecke nicht im Pigmente ihren Grund haben, so müssen sie rein reflektorischer Natur sein. 3. Einfache Augen. Die einfachen Insektenaugen haben bisher, so viel ich weiss blos Sömmering, Joh. Müller und Treviranus untersucht. Mir sind aus eigener Anschauung nur die einfachen Augen der Horniss genauer bekannt, welche auch von Treviranus studirt wurden. Das Auge (Fig. 28 auf Taf. XVI.) zeigt aus eine deutliche Horn- haut, eine Fortsetzung der äussern Chitinhülle (a), welehe sich nach innen zu einer bedeutend@n kugligen Linse ver- dickt (b), so dass die Linse lediglich eine verdiekte Haut- partie ist. Treviranus hat sich vielleicht dadurch bestim- men lassen, auszusprechen'!), es gäbe keine Hornhaut bei der Horniss und Hummel. Hinter der Linse folgt nicht unmit- telbar das Pigment, sondern eine helle Lage (ec), von der Treviranus nichts meldet, die aber von Joh. Müller ge- sehen und für Glaskörper erklärt wurde. Wie ich die Sache beurtheile, entspricht sie der weichen, klaren Masse, welche im fazettirten Auge das Ende der Stäbe d. i. die Krystall- kegelsubstanz bildet, sie erscheint hier im einfachen Auge als eine Anzahl dicht beisammen liegender gestielter Blasen mit gallertigem Inhalt, deren Stiele in das Pigment (d) ein- gesenkt sind. Letzteres hat eine zum Auge radiäre Anord- nung und umschliesst damit helle Streifen einer weichen Sub- stanz, die den Stäben des fazettirten Auges analog sind. Die Augen sitzen unmittelbar einem gangliösen aus Punktsubstanz, zelligen Elementen und feinen Tracheen bestehenden Höckern auf, welche, wie bereits Treviranus abgebildet hat, kurze Fortsätze am Gipfel des Gehirnes sind. Anlangend die Augen der Arachniden, so haben dar- ö über Sömmering, Gäde, Joh. Müller, Dug&s und zu- letzt im Jahre 1333 Brants Forschungen angestellt, seitdem hat sich Niemand mehr für den Gegenstand interessirt, was 1) Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Sinneswerkzeuge, S. 84. Zum feineren Bau der Arthropoden. 433 um so mehr verwundern darf, als die Angaben Joh. Mül- ler’s und Brants’ sehr auseinander gehen. Nach dem hol- ländischen Gelehrten') nämlich sind die einfachen Augen der Spinnen nicht, wie Joh. Müller vertritt, dem Wirbelthierauge zu vergleichen, sondern mit Abrechnung des Verhaltens der Linse dem fazettirten Auge der Arthropoden. Ich glaube in dieser Streitfrage mitsprechen zu dürfen, da ich längere Zeit hindurch den Augen von den Gattungen Mygale, Thomisus, Lycosa, Salticus, Segestria, Dysdera, Clubiona, Argyronecta, Mieryphantes, Epeira u. a. eine besondere Aufmerksamkeit ge- widmet habe. Die Zahl, Stellung und Richtung der Augen bei den ver- schiedenen Arachnidengattungen ist bekannt, ebenso weiss man, dass sie z. B. an Mieryphantes acuminatus auf einem eigenen, etwas gekrümmten Höcker stehen, in welchen sich der Cephalothorax nach oben verlängert, während z.B. an Epeira clavipes jede der vier Randaugen auf einem besondern Höcker angebracht ist. Die Zahl der Augen ist bei den Ara- neen meist 8, in wenigen Arten 6, den Opilioniden wurden früher 2 Augen zugeschrieben, Treviranus') will ausser dem mittleren Augenpaar noch ein paar Seitenaugen im Win- kel des oberen Brustschildes aufgefunden haben, mir scheint jedoch, dass Treviranus sich in diesem Punkt geirrt habe, denn ich erkenne in den vermeintlichen Augen nichts anderes, als ein paar Luftlöcher (Stigmata), wofür sie auch schon Latreille genommen hatte. Unter den mir näher bekannten Spinnen hat die an Arten so reiche Gattung Salticus, welche ihre Beute im Sprung überfällt, die grössten Augen und eignet sich daher am besten zu den Voruntersuchungen. Uebrigens muss man die Theile sowohl ganz frisch, mit dem Blute des Thieres befeuchtet, als auch nach Einwirkung von Wasser, Säuren, Alkohol ete. studiren. 1) Observations sur les yeux simples des animaux articules, Annal. d. science. nat. 1838, 2) Vermischte Schriften anatomischen und physiologischen Inhalts, Bd. I., S. 24, Tab. II. Fig. 10 wv. Müllers Archiv, 1860. 28 434 Frz. Leydig: Anlangend die Linse, so ist sie ohne Mühe von allen Be- obachtern erkannt worden, sie erscheint (Fig. 24b) kugelrund und ist von fester Beschaffenheit. Histologisch von Bedeu- tung ist, dass dieses Organ, gleich wie bei den zusammen- gesetzten und einfachen Augen der vorausgegangenen Ar- thropoden, nichts selbstständiges ist, sondern lediglich eine verdiekte Partie der äusseren Chitinhaut. Man kann sich da- von unschwer überzeugen, es lässt sich die Linse nicht von der Hornhaut trennen, sie hat ferner den geschichteten Bau, wie die Hornhaut, und da die homogenen Lagen sich kreu- zen, so bekommt man Bilder wie in Fig. 40a auf Taf. XVII., die an den Querschnitt der Linsenfasern bei Wirbelthieren erinnern (ich sah dies bei Mygale, Clubiona claustraria, Ly- cosa saecala u.a. auch beim afrikanischen Skorpion). Etwas schwerer ist zu beobachten, dass in der Linse auch die hellen Kanäle nicht fehlen, die oben von der Haut der Arthropoden beschrieben wurden. Ich erkannte sie sehr klar bei Phalangium opilio (Taf. XVI. Fig. 22a), in der Lage, wo sich die hintere Fläche der Linse dem Beschauer zukehrt, in derselben Stellung der Linse bei Mygale avi- eularia. Von den früheren Forschern wurde es nicht geradezu aus- gesprochen, dass die Linse vom morphologischen und histo- logischen Standpunkte aus nur eine kuglig verdickte Stelle der äusseren Haut ist, obschon Joh. Müller ausdrücklich erwähnt, dass die Linse mit der Cornea verwachsen sei. Erst Zenker') hebt hervor, dass bei den Arachniden und Skor- pioniden die Hornhaut durch Verdiekung der Hautschichten eine Linse nach innen hervorwachsen mache. Wenn jedoch ferner derselbe Forscher die Linse der Arthropoden auch histologischerseits der Linse des Wirbelthierauges paralleli- sirt, indem er sie schildert, als bestehe sie aus meridionalen Fasern mit glatten Rändern, so kann ich hierin nicht beistim- men. Die Linsensubstanz des Wirbelthierauges leitet be- 1) Anatomisch-systematische Studien über d. Krebsthiere im Ar- chiv f. Naturgeschichte, Jahrg. XX. Zum feineren Bau der Arthropoden. 435 kanntlich ihren Ursprung her aus einer Verdickung der Horn- sehicht des Embryo (Remak) und ist auch später aus Ge- bilden zusammengesetzt, die zwar metamorphosirten aber doch selbstständigen Elementarzellen entsprechen. Anders bei den Arachniden. Hier ist das Bildungsmaterial der Linse chiti- nisirte Bindesubstanz, die Linse besteht nicht aus dicht an- einandergereihten zelligen Elementen, sondern aus Lagen einer homogenen Substanz, die von Canälen durchsetzt ist. Ich theile daher den Hauptgedanken Zenkers, wonach die Linseauch der Arachniden nur eine verdickte Haut- partie ist und weiche nur darin ab, dass ich unmöglich den elementaren Bau beider Linsenarten für gleichartig halten kann, denn die Linse der Spinnen reiht sich unter die chiti- nisirte Bindesubstanz ein, die der Wirbelthiere gehört zu den Epitelialgebilden. Hinter der Linse kommt ein Gewebe, das von Joh. Mül- ler „Glaskörper“ genannt wird und „ganz aus pflanzenarti- gem Zellgewebe mit zum Theil länglichen Zellen, deren Längs- axe in der Richtung der Radien liegt, besteht“. Joh. Mül- ler!) setzt noch bei, dass die Wände der Zellen sehr deutlich seien, und dies sei um so interessanter, als die Zellen des Glaskörpers bei den Vertebraten mit dem Mikroskop kaum nachzuweisen sind. Meine Erfahrungen über diesen soge- nannten Glaskörper drängen mich zu einer anderen Auffas- sung hin. An einem Weingeistexemplar von Mygale zeigt die gedachte Lage hinter der Linse die von Joh. Müller gemeldeten Eigenschaften. Es ist eine graue Masse, in deren Concavität die Linse ruht. Mikroskopisch untersucht erinnert sie nach dem ersten Anblick an die Chorda dorsalis mancher Thiere, man hat schön polygonale scheinbar abgeschlossene Zellen vor sich, schärferes Zusehen entdeckt, dass die radiär ver- längerten Zellen ein unteres abgeschlossenes Ende nicht haben, sondern faserartig zulaufend sich ins Pigment verlieren. (Ganz ähnlich verhält sich der Glaskörper von Androctonus africa- $) Archiv f, Anat. u, Phys. 1838, CXL. 28 * 436 Frz. Leydig: nus, nur sind die zelligen Gebilde kleiner als bei Mygale). Wendet man sich zur Prüfung dieses Gewebes an lebende Spinnen, so zeigt sich das Aussehen desselben sehr verschie- den von dem, was die in Weingeist gelegene Mygale darbie- tet. Der „Glaskörper* von Tegenaria domestica, Clubiona claustraria, Argyronecta aqualica, Epeira, Salticus aeneus und Lycosa saccata, mit dem Blute der Thiere befeuchtet, hat das gleich helle, gallertige Aussehen, wie die Krystallkegelmasse des Flusskrebses und vieler Insekten, es ist dieselbe Licht- brechung, dieselbe Weichheit, und man muss mit aller Sorg- falt präpariren und Druck vermeiden, wenn klar gesehen werden soll, dass er aus kolbigen Gallertgebilden zusammen- gesetzt ist (Taf. XVI. Fig.24e und Taf. XVII. Fig.40b), deren vorderes Ende an die Linse stösst und deren hinteres sich in das Pigment einsenkt. Wird die Spinne längere Zeit in Weingeist gelegt, so erfolgt Aehnliches, was im Insektenauge geschieht, die Theile nehmen schärfere Conturen an und der „Glaskörper“ besteht jetzt aus kernlosen Zellen, deren zu- gespitztes Ende sich im Pigment verbirgt. Die Gallertkolben (kernlose Zellen) des „Glaskörpers“ scheinen sich in ihrer Grösse nach dem Umfang des Auges zu richten, wenigstens sind sie in den grossen Augen des Salticus beträchtlicher als etwa in denen von Tegenaria oder Epeira. Schon aus dem Voranstehenden erhellt, dass das soge- nannte einfache Spinnenauge Elemente besitzt, die in viel- facher Beziehung mit jener Krystallkegelsubstanz des fazettir- ten Insektenauges harmonirt, welche im lebenden Thier als weiche Masse auftritt und erst nach Härtung in Weingeist eine bestimmtere Gestaltung annimmt. Der Einklang im Baue zwischen dem Sehorgan der Spinnen und dem fazettirten Insektenauge erstreckt sich noch weiter. Brants hatte ent- deckt, dass innerhalb der Pigmentschicht hinter dem Glas- körper durchsichtige Röhren liegen, die er den durchsichtigen Kegeln hinter der Cornea der Insekten vergleicht, wozu dann (a. a. O,) Joh. Müller bemerkt, dass er nach erneuter Un- tersuchung mehrer Exemplare des afrikanischen. Skorpions und eines Exemplars von Mygale avicularia sich nicht habe Zum feineren Bau der Arthropoden. 437 überzeugen können, dass die von Brants beobachteten Röh- ren dieselben Organe seien, wie die Krystallkegel der Insek- ten. Wenn ich nun gleich in letzterem Punkte mich der Gegenrede Joh. Müller’s anschliesse, da ich in dem Gallert- kolben des sogenannten Glaskörpers die Analoga der Krystall- kegel erblicke, so finden denn doch nach meiner Meinung die von Brants bezeichneten durchsichtigen Röhren ihr Aequi- valent im fazettirten Auge an den kantigen Stäben, welche oben dem Stratum bacillosum des Wirbelthierauges paralelli- sirt wurden. Diese eigenthümlichen und so sehr in die Augen springenden Theile scheinen bisher nur von Mygale gekannt zu sein, ich besah sie mir von Epeira diadema, Salticus sce- nicus und aeneus, Lycosa saccata, Phalangium opilio, und möchte behaupten, dass wer sich die gedachten Gebilde des Spinnen- auges im frischen Zustande vorführt und die Nervenstäbe des Insektenauges aus eigner Anschauung kennt, ohne Rückhalt beides für gleichartige Organe erklären wird. Sie sind hell, brechen das Licht stark, alteriren sich schnell in Wasser und schlängeln sich (Taf. XVI. Fig. 26). Nur muss ich bekennen, dass mir ihre eigentlichste Gestalt, so wie ihre Beziehung zu einem hellen scheidenartigen Saum nicht recht klar geworden ist und die Darstellung, welche ich davon in Fig. 40d gege- ben habe, trägt in dieser Beziehung einen schematischen Cha- rakter. Sie erreichen nirgends die Länge, welche sie im fazettirten Auge haben (bei Epeira diadema messen sie 0,010‘ in der Länge), haben aber öfters, wie z. B. in Mygale, eine Art feiner Querstreifung, ähnlich wie an den Stäbchen des Frosches und an den Stäben vieler fazettirten Augen. Ausser den Gallertkolben des „Glaskörpers“ und den stab- artigen Gebilden kannte ich längere Zeit noch schöne zellige Elemente, die unzweifelhaft ihre Lage hinter dem „Glaskör- per“ hatten. In Lycosa saccata z. B. waren es 0,006 — 0,007 grosse blasige Gebilde mit einem leicht gelblichen 0,003” messenden Kern, letzterer von grösserer Consistenz als die Membran. Da die Theile so überaus zart und weich sind, und obendrein an betreffendem Orte viel Pigment liegt, so habe ich, um in der Erkenntniss weiter zu kommen, vielerlei 438 Frz. Leydig: Präparationsmethoden angewendet, unter Anderm wurden die behutsam herausgenommenen Weichtheile des Auges kurze Zeit mit starkem Alkohol behandelt und dann unter dem Mikroskop verdünnte Kalilauge zugesetzt, wodurch das Pig- ment zum Theil sich wegschaffen liess, da schien es dann an Epeira diadema und Salticus aeneus, als ob die fraglichen Zellen (Fig. 40e) sich wie bipolare Ganglienkugeln verhielten, und ich glaube bemerkt .zu haben, dass das untere rohrartig ausgezogene Ende der Zelle in die Conturen des Saumes überging, welcher das Stäbchen einschloss, während das obere Ende mit dem Gallertkolben des Glaskörpers zusammenhing. Auch bei Mygale habe ich einen ähnlichen Zusammenhang gesehen. Vielleicht hatte schon Joh. Müller dieselbe Be- ziehung gemeint, wenn er sagt: „die Fasern des Sehnerven sind, wo sie zum Auge der Spinnen kommen, durch lange fadenartige Pigmentkörper getrennt, gegen den Glaskörper zu schwellen die trüben Fäden des Sehnerven keulenförmig an. In einem Fall sah ich am Ende der Keulen der Nerven- fasern auch noch kleine Kugeln ansitzen.“ In der Anschwel- lung sind die Kerne schön bläschenartig mit Nucleolus und messen 0,007 Es dünkt mir, dass im fazettirten Auge das Analogon dieser zelligen Anschwellung von der vierhöckeri- gen, mit Nucleis versehenen Verdickung in der vorderen Ge- gend der Stabgebilde (vergl. Herbstia, Procrustes, Dynastes) vorgestellt werde. Endlich ist noch des Pigmentes im Spinnenauge zu ge- denken. Die Hauptmasse besteht überall aus dunkelvioletten bis schwarzen Körnchen, deren Anordnung im Allgemeinen bedingt durch die stabförmigen Körper eine ziemlich radiäre (Fig. 25 auf Taf. XVI.) ist, und die Pigmentvertheilung des fa- zettirten Auges ins Gedächtniss ruft. Manche Spinnen, z.B. Saltieus aeneus, besitzen hell violettes und gelbes Pigment beigemischt. Betrachtet man das unverletzte Auge der zuletzt genannten Spinne (Taf. XVI. Fig. 23) und stellt den Fokus in die Tiefe des Auges ein, so zeigt sich, dass das dunkle Pig- ment hauptsächlich hinter „dem Glaskörper“ angehäuft ist, und dass an den seitlichen Rändern der Linse nur schwache Zum feineren Bau der Arthropoden, 439 dunkle Pigmentstreifen verlaufen (b), während dazwischen (ec) gelbes Pigment liegt. Die dunklen Streifen vereinigen sich zu einem irisartigen Gürtel um die Linse (a). Einen sehr prächtigen Anblick gewährt das Ange vieler Spinnen bei geringer Vergrösserung und Beleuchtung von oben dadurch, dass aus seinem Innern ein glänzendes Tape- tum hervorleuchtet, das Dug£&s!) entdeckt und kurz ange- zeigt hat. Ich kenne es von |Hieryphantes acuminatus, wo es grün, blau und golden schillert, von mehren Theridien, wo es einen goldgrünen Glanz hat, von Tegenaria domestica, wo es mehr weissgolden aussieht, lebhafter glänzend ist es bei Dysdera, Teiragnatha, ganz besonders, schon für das freie Auge, glänzend zeigt sich mir das Tapetum in Argyroneta aqualica, wo es stark weiss spiegelt. Bei allen diesen Spin- nen ist das Tapetum ein continuirliches, überzieht den Grund des Auges vollständig. Dagegen weisen einige Spinnen das Eigenthümliche auf, dass mitten durch das Tapetum ein schwar- zer Pigmentstreifen in Wellenlinien zieht. Man vergleiche hiezu Fig. 20 auf Taf. XVI., die hinteren Augen von C/ubiona elaustraria Hahn bei geringer Vergrösserung darstellend. Das Tapetum glänzt hier je nach der Beleuchtung vom Violetten ins Silbrige und die schwarze gezackte Pigmentzone (a), die nach dem Längendurchmesser des ovalen Auges verläuft, hebt sich scharf davon ab. Ganz die gleiche Bildung fand ich bei einem kleinen Theridium, dessen Speeiesname ich nicht beibringen kann. Auch Phalangium hat ein Tapetum, aber wieder in anderer Art modifizirt, es ist kein zusammenhän- gendes, sondern erscheint unter der Form von zerstreuten Flitterchen, die Fig. 21 auf Taf. XV1. giebt das Aussehen, ab- gerechnet den Glanz, bei geringer Vergrösserung getreu wie- der. Wenn ich den Vergleich machen darf, so nimmt das Tapetum des Augengrundes sich hier aus, wie Sterne am dunkeln Firmament. Wieder bei andern Spinnen ist zwar am unvergehrten Auge kein Tapetum zu erkennen, aber nach- dem die Wejchtheile herauspräparirt sind, wird an ihnen ein I) Annal, d, sciene, natur, 1836: Tom 18 p. 177, 440 Frz. Leydig: solches sichtbar, das in radiären Streifen (0,007 breit) zwi- schen dem dunklen Pigment steckt und am vordern Rande des Augenpigmentes einen schmalen Saum bildet, so sah ich es z. B. an Lycosa saccata und mehren Arten von Epeira. Endlich giebt es Spinnen, denen das Tapetum vollständig mangelt, dahin rechne ich z.B. Salticus scenicus und aeneus, so wie Thomisus citreus. Forscht man nach der Elementarorganisation des Spinnen- tapetums, so findet man sie etwas verschieden nach den ein- zelnen Arten, bei mehren Gattungen, so z.B. bei Argyroneta aquatica besteht es aus denselben Flitterchen, welche das Tapetum im Auge der Fische zusammensetzen, es sind bei Argyroneta 0,004 — 0,006” lange und etwa die Hälfte breite Plättchen (Taf. XVI. Fig. 27), die dicht an einander liegen, erst nach stärkerem Druck auseinander weichen und in den Regen- bogenfarben irisiren. Ebenso umfänglich sind die Elementar- theile des Tapetums von Tegenaria domestica und Lycosa sac- cala, in anderen Gattungen besteht es aus Kügelchen, die grösser sind, als die Pigmentkörner, dies ist z.B. der Fall bei Micryphantes, Phalangium u. a. Ein Umstand von Bedeutung ist ferner der, dass die Pig- mentlage des Auges mit Muskeln ausgestattet ist. Brants sagt (a.a. O. p. 313) darüber: „on trouve deux muscles dans la Mygale qui viennent de l’os hyoide et s’attachent en tissu vasculaire des grands yeux moyens. Ainsi ä chaque petit oeil marginal parviennent des fibres musculaires qui prennent leur origine des muscles mandibulaires.*“ Joh. Müller be- merkt dagegen: „ob die Gesichtswerkzeuge der Spinnen be- weglich sind, muss ich dahin gestellt sein lassen, der vordere Theil ist es gewiss nicht und die Linse ist mit der Cornea verwachsen.“ Ich bin in der Lage, mich darüber ganz bestimmt äussern zu können, ich sehe sowohl bei Hygale als auch andern Spin- nen die Muskeln der Choroidea sehr klar, bei Mygale sind es 0,006 — 0,007“ breite quergestreifte sogen. Primitivbündel, welche geflechtartig, jedoch im Ganzen cireulär in der Pig- mentschicht verlaufen. Man macht das Präparat einfach so, Zum feineren Bau der Arthropoden. 441 dass man das herausgenommene und nicht weiter zerstückte Auge mit Kalilauge behandelt, wodurch das Pigment grossen- theils schwindet. Gar schön konnte ich auch an Saltieus aeneus wahrnehmen, wie die quergestreiften Muskeln inner- halb der Pigmentlage vorne einen Kranz, man könnte sagen eine Muskellage der Iris bilden. Die contractilen Elemente sind sehr schmale quergestreifte Primitiveylinder. Aus dem ana- tomischen Verhalten ist ersichtlich, dass die Linse, worin Joh. Müller gewiss Recht hat, durch die Muskeln nicht in eine andere Stellung gebracht, etwa vor und zurückgeschoben werden kann, aber die ganze Pigmentschicht (Choroidea) kann sich verengern und erweitern, und dadurch auf die ein- geschlossenen Weichgebilde wirken. Man kann übrigens, und darauf möchte ich Gewicht legen, an lebenden Spinnen die Bewegungen der Choroidea überaus leicht und sicher direkt beobachten, was bis jetzt den Forschern entgangen zu sein scheint. Zu diesem Zwecke verstümmle man durch Abschnei- den der Beine eine lebende Spinne, um sie regungslos zu machen, und fixire bei geringer Vergrösserung und auffallen- dem Licht, das man noch durch Sammelgläser verstärken kann, die Augen. Da gewahrt man, dass der dunkle oder durch ein Tapetum glänzende Augengrund sich zusammen- zieht, und das nicht etwa langsam, allmälig, sondern ganz kräftig, er macht zuckende Contractionen. Ich habe diese Erscheinung wiederholt gesehen bei Thomisus, Theridium, Argyroneta, Clubiona, Tetragnatha u. a. Auch Tulk') hat schon in seiner Anatomie von Phalangium opilio angegeben, dass ein paar Muskeln zu den beiden mittleren Ocellen her- antreten, und schreibt ihnen eine Verschiebung des Augen- inhaltes zu. Bezüglich der Sehnerven mag kurz erwähnt sein, dass in ihnen eine fibrillenartige Sonderung des Inhaltes viel gründ- licher ausgesprochen ist, als bei den Insekten. Die einzelnen Fibrillen ähneln im optischen Verhalten durchaus den Axen- I) Annals of natural histor, Tom. XIL. 1843, oder Froriep’s neue Notizen Bd. 30. 1844. 442 Frz. Leydig: eylindern der Wirbelthiernerven. Am hinteren Augensegment entwickeln die Nervi optiei (so sehe ich es wenigstens an Lycosa und Salticus) durch Aufnahme körniger und zelliger Elemente (Fig. 248) ein Analogon des Sehganglions im fa- zettirten Auge. Die im Vorhergegangenen aufgezählten Einzelheiten über den Bau der einfachen Augen der Insekten und Spinnen dürften wohl so viele Geltung haben, um die gedachte Frage erledigen zu können, sind die einfachen Augen der Arthro- poden den Augen der Vertebraten zu vergleichen, oder stel- len sie nur eine Modification der fazettirten Augen vor? — Joh. Müller vertheidigt bekanntlich die erstere Ansicht, in- dem er sich auf die Coexistenz der einfachen Hornhaut, der Linse, des Glaskörpers, des irisartigen Gürtels stützt; Brants auf der andern Seite hält sich berechtigt, aus der Gegenwart von Gebilden im Auge der Spinnen, welche er den Krystall- kegeln des fazettirten Auges gegenübersetzt, die sogenannten einfachen Augen für eine Combination der zusammengesetz- ten Augen der Insekten und der Augen der Wirbeltbiere zu erklären. Wie der freundliche Leser bereits aus den obigen Detailschilderungen entnommen haben wird, so sehe ich mich gezwungen, die Auffassung Brants für die richtigere zu hal- ten, denn auch im Spinnenauge existirt als unmittelbares Ende des Sehnerven eine körnig-zellige Schicht, die dem Ganglion opticum oder der Retina gleichkommt, und aus ihr erheben sich stabartige Gebilde, von derselben lichtbrechenden Be- schaffenheit, wie die Bacilli des Wirbelthierauges, und diese enden, nachdem noch eine Zelle eingeschoben ist, mit einer kolbigen, gallertigen Erweiterung hinter der Linse. Das Pig- ment umhüllt die Stäbchen und kann durch Muskeln bewegt werden. Der einzige wesentliche Unterschied im Baue der fazettirten und sogenannten einfachen Augen liegt allein darin, dass dort für jeden Nervenstab eine eigene Linse oder we- nigstens Hornhautabtheilung kommt, hier im einfachen Auge aber eine einzige Linse für alle vorhandenen Nervenstäbe zugleich bestimmt ist. Dies dürfte aber auch ferner die Hauptdifferenz zwischen dem fazettirten Auge der Arthropo- Zum feineren Bau der Arthropoden. 443 den und dem Wirbelthierauge sein, so dass man sich zuletzt in dem Versuche, die Sehorgane der einzelnen Thierarten zu systematisiren, in einem förmlichen Kreis bewegt, da nach dem anatomischen Verhalten die einfachen Augen den fazet- tirten nicht entgegengesetzt, sondern lediglich Abänderungen derselben sind, und hinwiederum der Bau der fazettirten Au- gen sich auf den Grundplan des Wirbelthierauges zurück- führen lässt. Ich möchte mich der Hoffnung hingeben, dass der ge- feierte Physiolog in Berlin die Annahme, dass die stabartigen Gebilde im fazettirten Auge den Stäbchen im Sehorgan der Wirbelthiere analog sind, für begründet halten und den wei- teren Folgerungen zustimmen wird, was mir um so wahr- scheinlicher ist, als Joh. Müller sich bereits im Jahre 1838 folgendermaassen ausdrückt: „Das Verhalten der Nerven- fasern (im Auge der Mygale) erinnert sehr an das bei den Sepien, deren Retina aus aufrecht stehenden Cylindern, den unmittelbaren Fortsetzungen der Fasern des Sehnerven zu- sammengesetzt wird, zwischen welchen das Pigment faden- artig verläuft, wie ich noch neulich bei Untersuchung ganz frischer Sepien sah. Die Retina enthält übrigens auch bei den höheren Thieren eine Schicht von aufrecht stehenden stabförmigen Körpern, deren Verhalten zu den Sehnerven- fasern hier weniger klar ist, als bei den Spinnen.“ Wenn dann Joh. Müller damit schliesst: „Doppelte Gründe für die Richtigkeit der Vergleichung der einfachen Augen der Artikulaten mit den Augen der Wirbelthiere*, so kann dar- aus abgeleitet werden, dass er auch nicht den Vergleich der fazettirten Augen mit dem der Wirbelthiere in Abrede stellen wird, sobald im zusammengesetzten Auge Gebilde nachge- wiesen sind (was oben geschehen ist), die den Stäbchen in der Wirbelthierretina entsprechen. Das optische Gebiet wage ich nicht zu betreten, doch möchte ich mir ein kleines Fragezeichen an den bisher un- angefochtenen Satz anzubringen erlauben, wonach zwischen dem Sehen mit den sogen. einfachen und dem Sehen mit fa- zettlirten Augen ein ganz prinzipieller Unterschied herrsche- 444 Frz. Leydig: Insoweit nach dem anatomischen Befund geurtheilt werden kann, scheint eine solche wesentliche Differenz nicht obzu- walten. Vom Verdauungsapparat. Bezüglich der hieher gehörigen Organe mag aus meinen Notizen folgendes ausgehoben werden. Jenes eigenthümliche Gestell des flaschenförmigen Magens, welches Brandt!) von Oniscus beschrieben hat, trägt die Bezeichnung „knorpelig“, welche ihm überall beigelegt wird, mit Unrecht. Ich habe besagtes Organ mir von Porcellio scaber betrachtet, wo es etwas complizirt erscheint, die Haupt- theile sind ein oberer, stiletförmiger Zahn und ein paar seit- liche Bogen. Letztere gehen an ihrer Innenfläche in kleine epitelartige Höcker aus, und nach vorne in kürzere und län- gere Borsten. Das Ganze hat eine weisse Farbe und ist nicht knorpelig, sondern zeigt sich als homogenes und mit Kalk imprägnirtes Chitingewebe. Es scheint bis jetzt nicht bekannt zu sein, dass auch bei Gammarus pulex ein ähnlicher, wenn auch einfacher ausgerü- steter Magen sich findet. Der Schlund erweitert sich hier ebenfalls in einen kugligen Magen, hinter dem die vier Leber- schläuche einmünden, im Innern des Magens verdickt sich die auskleidende Chitinhaut zu mehren nach der Länge des Magens gestellten Reifen, die mit langen, dicht stehenden Borsten (oder Lamellen?) besetzt sind. Der Magen ist das Aequivalent des Kaumagens vom Flusskrebs. Anlangend die Struktur des Darmes, so mache ich darauf aufmerksam, dass beim Flusskrebs die homogene Intima (Chitinhaut), welche bei einen Tag lang in Chromsäure ge- legenen Exemplaren als vollständiger Schlauch aus dem Darm herausfällt, eine zellige Zeichnung darbietet, sie hat grössere Felder und innerhalb dieser wieder kleinere, die mit feinen Höckern besetzt sind. Und doch sind letztere trotz aller 1) Brandtu. Ratzeburg, Medizinische Zoologie, Bd. II. Tab. 15, Fig. 41. Zum feineren Bau der Arthropoden. 445 Aehnlichkeit keine Zellen, wenigstens wird man umsonst ver- suchen, dergleichen Gebilde zu isoliren. Ich denke mir, dass die Zeichnung gewissermaassen der Abdruck der darunter gelegenen Zellen ist, als deren Ausscheidungsprodukt doch die homogene Intima angesehen werden muss. Die nächste Schieht unter der Intima besteht aus Zellen von variabler Beschaffenheit, und nach aussen kommt eine Muskelhaut, deren Elemente bekanntermaassen quergestreift sind und sich häufig verästeln.| Bei Oniscus murarius und Porcellio scaber sieht man die- selbe Differenzirung der Darmschichten: zu: innerst die In- tima, darunter Zellen und nach aussen die Tunica muscularis; nur verdient hier die Zellenlage einige Beachtung, da die Elemente derselben sehr grosse 0,0120‘ messende Blasen darstellen, mit beträchtlichem Nucleus, der wieder einen oder mehrere Nucleoli hat. Ja von Stelle zu Stelle trifft man Blasen von 0,72‘ Umfang, und solche besitzen vier Kerne in den abgerundeten Ecken. Dann ist diesen Zellen auch eigenthümlich, dass unterhalb der Mernbran eine dicke, gra- nuläre Zone sich bemerkbar macht, welche radiär streifig erscheint, wie wenn sie von feinen Canälen durchsetzt wäre. In Gammarus puler ist die Intima des Darmes stark, die Zellenlage setzt sich aus kleinen Zellen zusammen, und die Muskelhaut hat die Eigenschaften, wie sie vom Flusskrebs angegeben wurden. Der Schlund von Izodes testudinis zeigt sich chitinisirt, der Magen hat zahlreiche und lange Ausstülpungen, an denen es mir mehrmals vorkam, als ob sie sich durch Brücken netz- artig verbinden können. Der Magen und seine Anhänge er- schien immer von einer braunen, klebrigen Flüssigkeit erfüllt, die das eingesogene und umgeänderte Blut der Schildkröte war, auf der die Zecken schmarotzten. In ihr liessen sich die einzelnen Stadien der Umwandlung der Blutkügelchen in Körnchenzellen gut übersehen: man hatte noch fast unver- sehrte Blutkörperchen der Schildkröte in Ballen zusammen- gehäuft vor sich, in anderen Ballen waren die Blutkügelchen entfärbt, verkleinert, und zwischen ihnen Pigmentkörner auf- 446 Frz. Leydie: getreten. Unter Zunahme der Verkümmerung der Blutkügel- chen und Vermehrung der Pigmentkörner bildet sich ein gros- ser, heller, kernartiger Körper inmitten des Ballens aus. Die anderen noch übrigen Stadien weisen darauf hin, dass durch Theilung des kernartigen Körpers und Umhüllung mit Por- tionen der Pigmentkörner, also in Folge einer Art Furchung, wobei die Körner sich nach und nach entfärben, zellige Ge- bilde hervorgehen, die den Blutkügelchen des /zodes auf ein Haar gleichen, wenigstens vermag ich nicht sie von einander weg zu kennen. Im Magen von Izodes Sciuri, von denen ich vier Exem- plare untersuchte, fanden sich bei allen in grösster Menge Blutkrystalle vom Wirth des Zecken. Die meisten waren klein, einige aber sehr grosse sechsseitige Tafeln von 0,1 im Breitendurchmesser (Taf. XV. Fig. 12B). Von Farbe dun- kelroth, hielten sie sich in Wasser, wurden aber durch Essig- säure rasch gelöst!). — Im Magen von Izodes testudinis be- gegneten mir ferner räthselhafte parasitische Gebilde, die ich auch von Piseicola (aus derselben Lokalität) kenne. Es sind 1) Bei dieser Gelegenheit nehme ich mir die Freiheit, eine Beob- achtung von mir über die „Globulinkrystalle“ in Erinnerung zu brin- gen. Im Winter 1847/48 habe ich betreffende Gebilde gelegentlich meiner Untersuchungen über Piscicola zuerst gesehen, zu einer Zeit, wo ausser den Virchow’schen Hämatodinkrystallen nichts von son- stigen Blutkrystallen bekannt war. Die kurze Mittheilung steht in meinem Aufsatz über Piscicola, Zeitschr. f. wiss. Zool. 1849. S. 116 und die Abbild, Fig. 34B: „Eine andere interessante Veränderung geht das Blut von Nephelis ein, wenn es in den Magen von Clepsine gelangt ist. Anfangs ist es flüssig und die farblosen Blutkörperchen sind in dem rothen Blatplasma deutlich zu sehen. Bald aber schwinden letz- tere und das rothgefärbte Plasma selbst zerfällt in eine Menge von rothgefärbten, tafelföormigen Blättchen und kleineren oder grösseren, einzelnen oder zusammenhaftenden Stäbchen und Säulchen (Hämatin- krystalle?). Tritt bei verletztem Magen Wasser hinzu, so lösen sie sich schnell auf. Ebenso löst sie Essigsäurezusatz bei unverletztem Thiere. Bei weiter vorgeschrittener Verdauung sind auch diese Hä- matin (?) Krystalle im Magen verschwunden, und letzterer enthält nur eine schwache röthliche Flüssigkeit, in der grümliche, farblose Massen schwimmen,“ Zum feineren Bau der Arthropoden. 447 Fäden von 0,0120—0,0130“' Länge, und, wie mir scheint, mit einem Flimmersaum ausgestattet. — Auch der Darm ist sehr zartwandig und die Kerne des Epitels haben immer zwei Nueleoli, die einander gegenübergestellt sind. ') Die Araneen haben im Munde eine rinnenförmige Leiste, welche schon Lyonet und Duges gekannt haben, der sich daran schliessende Schlund ist quergestrichelt, stark chitini- sirt und nach oben knieförmig umgebogen, das hintere Ende schwillt zu einer ebenfalls chitinisirten mehrkantigen Kapsel an. Bei Salticus aeneus geht rings um den Schlund eine zarte, schwarzpigmentirte Umhüllung. An das vordere Ende des Schlundes und noch mehr an die hintere Anschwellung setzt sich in strahliger Anordnung eine kräftige, quergestreifte Muskulatur an. Der eigenthümliche Ringmagen im Cephalothorax mit den Aussackungen ist hinlänglich bekannt, er hat eine meist weisse Farbe, was die Folge von dem dichten Fettinhalt seiner Zel- len ist. An jungen Thieren von Lycosa saccata, die ich aus dem Eiersack herausholte, sah man, dass die blinden Enden der Magencöca bis in die Basalglieder der Beine sich erstreck- ten. Die Zahl der Blindsäcke des Magens scheint mir nach den einzelnen Arten abzuändern, so geht an den Jungen von Lycosa saccata (Fig. 15) nur jederseits in die beiden hinter- 1) Meines Wissens ist bis jetzt noch nicht über Gregarinen, die in Milben wohnen, berichtet worden. In einer kleinen gelbröthlichen Milbe, die unter Steinen lebt, sie hat mit Seirus elaphus Duges die meiste Aechnlichkeit, finde ich Gregarinen in grösster Anzahl. Die kleinsten waren nur 0,024” lange ovale Schläuche, mit einem Kern im Innern, der ausser einem grösseren Korn noch ein oder zwei klei- nere hatte. Die ausgewachsenen Exemplare hatten eine Länge bis zu 4", waren weiss bei auffallendem Licht, schmutzig braun bei durch- fallendem, einfach oder abgeschnürt, und das eine Ende, welches rüs- selartig sich auszog, besass nach rückwärts gerichtete Hacken von sehr blassem Aussehen. Die Zahl derselben schien mit der Grösse des Thieres zuzunehmen, die höchste beobachtete Zahl der Hacken betrug sechs. Nach der systematischen Eintheilang von Stein (über die Natur der Gregarinen, Müll. Arch. 1848) gehört die Gregarine zu Stylorhynchus, 448 Frz. Leydig: sten Beine eine unmittelbare vom Magen kommende Aus- sackung, in die beiden ersten Beinpaare gabelt sich eine ein- zige Ausstülpung, so dass daher eigentlich jederseits nur drei, zwei hintere ungetheilte und ein vorderes getheiltes Cöcum aus dem Magen hervorgehen, andererseits zähle ich bei einem Theridium, durch dessen hellen Cephalothorax der Magen scharf durchschimmert, jederseits sechs blinde Enden in der Art, dass das vorderste Cöcum einfach ist, das zweite gablig getheilt, das vorletzte einfache erstreckt sich bis ans Ende des Basalgliedes vom hintersten Bein, das letzte Cöcum ist das kürzeste, Bezüglich des Traetus der Insekten sind meine Studien nicht so weit gediehen, dass sie mich über das, was man schon weiss, hinausgeführt hätten. Nur darauf möge aufmerksam gemacht werden, dass die Intima häufig Zeichnungen besitzt, die man, nach dem ersten Blick zu urtheilen, auf Zellen be- ziehen könnte, so sieht man im Proventrikel von Procrustes coriaceus wabige Bildungen, in deren Grunde wieder feinere, sternförmig gestellte Faltenzüge erblickt werden. Aehnliches zeigt sich im Kropf von Locusta viridissima. Man ist anfäng- lich überrascht von der Aehnlichkeit mit Knochenkörperchen oder Bindegewebskörperchen, und doch sind es nur, wovon nähere Besichtigung überzeugt, Faltenbildungen. Im Darm erheben sich die Falten der Intima zu regelmässigen, poly- gonal sich begränzenden Alveolen. — Dass die quergestreifte Muskelhaut des Tractus sich in derselben raschen Art zu- sammenzieht, wie die Stammmuskeln, sieht man gut an Ein- geweiden grösserer Insekten, welche durch Abreissen des Kopfes vorgefallen sind. Die Bewegungen sind nicht minder lebhaft, wie wenn man den Darm der Schleie (Tinca chrysitis) galvanisirt. Eine sehr bemerkenswerthe Umbildung ist vom Darmkanal der Larve des Ameisenlöwen (Myrmeleon formicarius) be- kannt, wie wir durch die Untersuchungen von Reaumur, Ramdohr, Dutrochet und zuletzt von Leon Dufour!) I) Recherches anat. et physiol. sur les Orthopteres, les Hyme- nopteres et les Neuropteres, 1841 Pl. 12. Fig. 175 u. 177. Zum feineren Ban der Arthropoden. 449 erfahren haben. Ich muss unter diesen Arbeiten die von Ramdohr als die richtigste bezeichnen. Der Schlund, in welchen die Nahrungsstoffe durch die beiden hohlen Kiefer- zangen übertreten, bildet einen schwarzbraunen, rundlichen Vormagen, der, nachdem sich der Tractus abermals verjüngt hat, sich zu einem sackartigen, gelbbraunen Magen erweitert; der darauf folgende Darm ist sehr schmal (nur 0,72 breit), macht einige Schlängelungen, nimmt die Malpighischen Ge- fässe auf und bildet plötzlich an seinem Ende eine Erwei- terung, die Ramdohr,, fleischigen Knoten“, Leon Dufour „bouton lentieulaire assez charnu“ nennt. Beiden Forschern ist die wahre Form dieses Theiles entgangen, welcher da- durch entsteht, dass der Darm mehre (es scheinen fünf zu sein) Aussackungen hervortreibt (Taf. XVII. Fig. 48 c), die in- dess nieht selbstständig werden, sondern nur wulstartig vor- . springen, was gut gesehen wird, wenn man bei der mikros- kopischen Untersuchung ein Deckglas vermeidet. Der letzte Abschnitt des Nahrungscanales ist eine dünne Blase (Spinn- gefäss, Ramdohr, le gros intestin ou le rectum, Dufour), die, was letzterer nicht bemerkt zu haben scheint, Ramdohr aber genau berichtet, mit einem braunen hornigen Röhrchen ausmündet (Fig. 48e). Mit Rücksicht auf den feineren Bau des Nahrungscanales ist zu erwähnen, dass der Schlund aus einer Tunica propria und einer aus quergestreiften und sich verzweigenden Elementen bestehenden Muskelhaut zusammen- gesetzt ist. Die gelbbraune Farbe des zweiten Magens rührt von einer Zellenlage her, welche durch ihren dunkelkörnigen Inhalt die grösste Aehnlichkeit mit der Leber vieler Anne- liden zeigt. Der Darm hat helle farblose Epitelzellen und im Lumen habe ich nie Speisereste getroffen. Es verlaufen in seiner Wand zwei Längstracheenstämme (Fig. 48b), die Seitenzweige abgeben, und zuletzt strahlen die zwei Stämme auf den Wülsten des knopfförmigen Darmendes aus. In dem „bouton lenticulaire* scheint das Lumen des Darmes aufzu- hören, oder es führt höchstens eine sehr feine Oeffnung, die ich übrigens nicht gesehen habe, in das sogenannte Rectum (Fig. 48d) oder Spinngefäss (Ramdohr) über. Letzteres hat Miller’ Archiv. 1866. 29 450 Frz. Leydig: eine ganz andere Struktur als der übrige Darm: es besteht aus einer dünnen, sich gern faltenden, homogenen Chitinhaut, welche nach innen von einem Epitel nicht überdeckt ist, aber an der Aussenseite einzelne quergestreifte und verästelte Muskeln besitz. Die Chitinhaut geht dann über in das braune Endröhrchen (Fig. 48e), welches eine getäfelte Aussen- fläche hat. Das sogenannte Rectum scheint sich lediglich wie ein Behälter für das Sekret zu verhalten, welches aus dem drüsigen Endknopfe des Darmes ausgeschieden wird, wofür spricht, dass der Endknopf einen dichten Zellenbeleg hat, der im Rectum vollständig mangelt, während hier eine sehr beträchtliche Menge einer gelblichen Flüssigkeit ange- sammelt ist. Obschon ich die Lebensart des Ameisenlöwen nicht genau kenne, so ist es mir doch sehr wahrscheinlich, dass die aus dem Darm secernirte Flüssigkeit als Spinnmate- rie zum Einpuppen verwendet wird, wie das auch anderwärts zu lesen ist. Die drüsigen Anhänge des Nahrungscanales der Arthro- poden zeichnen sich durch manche Eigenthümlichkeiten aus. Die Speichelorgane von Julus finde ich, entgegen Trevira- nus, so wie Ramdohr und Burmeister melden, als zwei lange, helle Schläuche, und jedes Paar geht‘, was v. Sie- bold zuerst bemerkt hat, hinten schlingenförmig in einander über. Bei Julus terrestris ist der eine Schlauch etwas dün- ner als der andere, und windet sich spiralig um letzteren. Das Epitel ist wasserhell und kleinzellig. Die im Verhätniss zur Grösse des Thieres enorm ent- wickelten Speicheldrüsen von /rodes hat v. Siebold sehr richtig beschrieben. Ich lege in Fig. 11 auf Taf. XV. eine Zeich- nung aus Izodes testudinis bei. Die Drüse ist von traubigem Aussehen, die Aeini (a) sind 0,72—0,1’” grosse gestielte Bla- ‘sen, innen ausgekleidet von grossen, klaren Zellen, gegen den Stiel jeder Drüsenblase zu markiren sich fünf andere (b), durch den körnigen Inhalt dunkle Zellen uud ebenfalls ge- stielt. Die Lichtung des Ausführungsganges (e) ist, wie bei den Tracheen, von einem „Spiralfaden* begränzt. Bei den Araneen trifft man im vorderen Ende des Ce- Zum feineren Bau der Arthropoden. 451 phalothorax eine drüsige Masse an, eine Art Speicheldrüsen, ich habe zwar wiederholt gesehen, dass sie aus grossen Zel- len besteht, aber verabsäumt, den Zusammenhang und den Ort der Ausmündung zu bestimmen. Es ist zweifelsohne der- selbe Drüsenapparat, den Wasman von Mygale beschrieben hat und v. Siebold auch bei anderen Spinnen fand. Ueber den Bau der Speicheldrüsen von Insekten ver- danken wir Heinrich Meckel sehr hübsche Aufschlüsse, die ich hinsichtlich der Biene bestätigen kann. Das Thier hat zweierlei Speicheldrüsen, eine obere, die wohl die eigent- liche Speicheldrüse vorstellt, und eine untere, die nach der hellen, zähen, das Licht stark brechenden Beschaffenheit des Sekretes zu urtheilen, den Serikterien analog ist. Die obere oder Supramaxillardrüse besteht aus einem einzigen langen Gang und daran sitzenden Blasen, jede der letzteren ist mit Zellen angefüllt, und der Blasenstiel umschliesst eine Anzahl feiner chitinisirter Röhrchen — die Ausführungsgänge der Se- kretionszellen — welche kontinuirlich in die Innenhaut des gemeinsamen Ductus übergehen. — Die untere Speicheldrüse ist ästig zertheilt. Die Intima des Ausführungsganges er- scheint mehr chitinisirt als in der vorhergehenden Drüse und ist daher gegen die Mündung zu von gelbbraunem Aussehen. Hier zeigt sie sich auch spiralig geringelt, während sie nach den Eudblasen (Acini) hin, die eine etwas unregelmässig birn- förmige Gestalt haben, netzartig gefaltet ist, schliesslich klei- det sie die Endblasen aus, indem sie die Sekretionszellen bedeckt, und, was Meckel nicht gesehen zu haben scheint, sie wird innerhalb der Drüsenblasen von kleinen Löchern durchbohrt, welche 0,0008 — 0,002” im Durchmesser halten, sich meist als Centrum eines Faltenkranzes präsentiren und wohl in derselben Anzahl wie die blassen und zarten Sekre- tionszellen vorhanden sind. Sie müssen als das Aequivalent der feinen chitinisirten Röhrchen gelten, welche das Sekret aus den Zellen der obern Speicheldrüse in den gemeinsamen Aus- führungsgang leiten. — Hier mag auch vorläufig ‘ein Punkt erwähnt sein, welcher bei der Struktur der Tracheen näher gewürdigt werden wird. Der „Spiralfaden“, welcher sich in 29* 452 Frz, Leydig: der Intima des obern Drüsenausführungsganges windet, darf nicht als ein selbstständiges Gebilde aufgefasst werden, son- dern er ist blos eine ins Lumen vorspringende Verdickung der homogenen Innenhaut. Die äussere Membran des Aus- führungsganges ist ebenfalls gleich der sogenannten Peritoneal- hülle der Tracheen Bindesubstanz mit eingestreuten Kernen. Von der Leber des Flusskrebses haben Karsten und Meckel gezeigt, dass die Follikeln von einer strukturlosen Intima ausgekleidet werden. Ich sehe eine solche ebenfalls sehr klar in den vier Leberschläuchen des Gammarus pulez, unter ihr liegen die stark fetthaltigen Sekretionszellen, und nach aussen dient als Stütze des ganzen Follikels eine nicht minder homogene, aber zartere Haut aus Bindesubstanz. In ziemlich weiten Abständen gehen um die Leberfollikeln quer- gestreifte Muskeln herum, Reife bildend, die auch an der Leber der Oniseinen und vielleicht auch denen des Fluss- krebses nicht fehlen. Die Leber der Spinnen, welche im ausgebildeten Zustande so vielfach gelappt ist, besteht bei jungen Lycosen (von der Bruttasche) aus fünf einfachen Aussackungen des Darmes von derselben Farbe und Beschaffenheit, wie die Magenanhänge im Kopfbruststück. Vom Circeulationsapparat. Den niedern Arachniden mangelt bekanntlich ein Herz, auch scheint die Flüssigkeit, welche die Organe umspült, nicht immer geformte Theile zu besitzen, wenigstens kann ich bei Käfermilben in den Beinen nichts von oscillirenden Blutkör- perchen erblicken, wohl aber hat Ixodes sehr reichliche Blut- kügelchen, die ziemlich gross (0,004— 0,006”) sind, blass granulirt mit hellem kernartigem Fleck. Ueber den Bau des Herzens der Spinnen wissen wir aus den Schriften von Treviranus, Brandt, Dug£s u. A., dass es eine im Allgemeinen spindelförmige Gestalt hat, und die Rückenfläche des Hinterleibes einnimmt, alle Beobachter sahen auch, dass namentlich vom hintern Ende rechts und links Gefässe sich abzweigen, denen die Bedeutung von Arterien Zum feineren Bau der Arthropoden. 453 zukommt. Hingegen gehen die Meinungen darüber ausein- ander, wie das Blut in das Herz zurückgeführt wird, indem die Einen besondere Venen beschreiben (z.B. Wasman bei Mygale), Andere, wie Duge&s, ein Venensystem vermissten. Auch Grube!) stellt sich die Frage: wie gelangt das Blut in das Herz hinein? und bemerkt darauf: „bei genauerem Nachsehen wird man sich überzeugen, dass das Herz seit- liche Oeffnungen besitzt und dass es von einem stellenweise weit abstehenden und mit einer besondern Haut ausgekleide- ten Raume umgeben ist, mit welchem es durch jene Oeff- nungen kommunizirt.“ Grube sagt nicht, wie viele derglei- chen seitliche Oeffnungen da seien, doch scheint er nach dem, was von der Uebereinstimmung der Spinnen mit Scorpionen erwähnt wird, jederseits mehre anzunehmen. Ich habe das Herz von Tegenaria, Salticus, Epeira, Lycosa und Argyroneta untersucht, und sehe mit aller Klarheit auf beiden Seiten gerade da eine Oefinung, wo Brandt (a. a. OÖ. Tab. XV. Fig. 16aa) die Kiemengefässe zeichnet. Hier ist das Herz am breitesten und die mit einer klappenartigen Falte ver- sehene Oefinung hat dasselbe Aussehen, wie die seitlichen Herzspalten bei Branchipus?). Umsonst habe ich darnach ge- forscht, zu erfahren, ob das vordere Herzende, welches von den seitlichen Spalten nach dem Bauchstiel sich wendet, blind geschlossen sei oder auch eine Oefinung habe. Grube will das Herz in den Cephalothorax hinein verfolgt und hier bei einer Art Epeira die Hauptäste der Vertheilung deutlich unter- schieden haben. Von einer Verzweigung konnte ich nie etwas wahrnehmen, sondern die Präparate liessen nur immer dar- über Zweifel zu, ob das Herzende im Bauchstiel geschlossen oder mit einer Oeflnung ausgestattet sei. Hinsichtlich der feineren Struktur des Herzens vermag man leicht zu sehen, dass das Organ aus Muskeln und einer Innenhaut besteht. Erstere verlaufen ringförmig, sind quer- gestreift und haben einen etwelchen körnigen Habitus (sind I) Müller’s Arch. f. Anat. u, Phys, 1842. S. 300. 2) Zeitschr. f. wiss, Zoolog. 1851. Tab. VIIL Fig. 2 454 Frz. Leydig: weniger hell als die Stammmuskeln). Die Innenhaut ist ho- mogen und bildet bei Tegenaria, Lycosa, Epeira, Saltieus zahl- reiche circuläre Vorsprünge, wodurch das Herz unvollständig eingeschnürt oder gekammert erscheint, in Argyroneta, wo das Herz von vielen Tracheen umsponnen ist, mangeln die Vor- sprünge, und das Herz zeigt sich daher einfach cylindrisch. Bei Tegenaria domestica glaube ich auch schwache Längs- muskelzüge nach aussen von den Ringmuskeln erkannt zu haben, so wie einen an der Medianlinie dem Herzen ange- hefteten Nervenstrang von 0,0120“ Breite. Die vom Herzen abtretenden Gefässe (Arterien) haben an ihren Anfängen ebenfalls noch eine aus Längen- und Ring- fasern bestehende Muskelhaut, weiterhin ist diese geschwun- den und man unterscheidet nur noch eine scharfe, homogene Intima und nach aussen eine blasse Hülle mit Kernen. Geht man der capillaren Verzweigung nach, so gewinnt man die Anschauung, dass die Gefässwände mit der Bindesubstanz der Organe in der Art verschmelzen, dass von selbstständi- gen Blutgefässen nicht mehr die Rede sein kann, sondern die grösseren und kleineren Lücken der. Bindesubstanz, welche überall mit einander zusammenhängen, bilden die Blutbahnen. Ich weiss nicht, ob Jemand den Kreislauf an lebenden Spinnen näher studirt hat, jedenfalls bietet er interessante Erscheinungen dar, die übrigens in Harmonie stehen mit den eben vorgebrachten und durch Zergliederung gewonnenen Daten., Nimmt man nämlich aus dem Eiersack von Lycosa sac- cata junge Thiere, so sind diese durchscheinend genug, um über den Kreislauf allerlei Aufschlüsse zu bekommen. Wen- det man zunächst dem Herzen (Taf. XV. Fig. 15c) die Aufmerk- samkeit zu, so zeigt sich die Contraction desselben nicht als eine peristaltische, sondern das Organ zieht sich in ganzer Länge auf einmal zusammen. Schon aus der Anatomie der Theile liess. sich vermuthen, dass das Blut im Herzen von vorn nach hinten strömen müsse, was an der lebenden Zyeosa bestätigt wird. Diese Richtung des centralen Blutlaufes dürfte aller Beachtung werth sein, denn die Spinnen unterscheiden Zum feineren Bau der Arthropoden. 455 sich dadurch von allen übrigen Arthropoden, da bei sämmt- lichen bis jetzt auf diese Frage untersuchten Krebsen und Insekten das Blut innerhalb des Herzens von hinten näch vorne strömt. Aus dem Herzen tritt das Blut in die Arterien über, die ins Abdomen hineinführen, und sammelt sich darauf in zwei Hauptströmen an, welche am Rande des Hinterleibes von hinten nach vorn ziehen, nach der Gegend, wo die „Lungen“ verborgen sind. Die Hauptmasse des Blutes fliesst hier durch die zwei beschriebenen Spalten des Herzens in letzteres ein, um wieder nach hinten ausgetrieben zu werden. So weit ist der Kreislauf leicht und sicher zu beobachten, schwieriger wird es, die Cireulation im Cephalothorax sich verständlich zu machen. In jedem Bein bemerkt man zwar ohne weiteres einen hin- und zurückführenden Strom, auch ausserdem sind zwischen und über den Muskelpartien kreisende Blutkügel- chen wahrzunehmen, aber in welcher Beziehung steht dieser Kreislauf im Cephalothorax zum Herzen? Da innerhalb des Herzens das Blut von vorn nach hinten fliesst, so können die arteriellen Ströme im Kopfbruststück nur von jener um die Herzspalten angesammelten Blutmasse Abzweigungen sein, welche durch den Bauchstiel in den Cephalothorax übertreten und die venösen Ströme vermögen nur auf die Weise ins Herz zurückzugelangen, dass entweder, worüber ich, wie obeu gesagt, im Ungewissen geblieben bin, der nach dem Bauch- stiel sich hinsenkende Theil des Herzens eine ähnliche Spalte hat, wie seitlich, oder das Blut des Cephalothorax muss wie- der durch den Bauchstiel surück und zusammen mit dem Blute des Abdomen durch die zwei seitlichen Herzöffnungen eintreten. Man vergleiche hiezu die Fig. 15 auf Taf. XV., wo die Pfeile die Richtung der Blutströmung versinnlichen. Bezüglich des „lakunalen* Kreislaufes wirbelloger Thiere möchte ich von Neuem mit derselbeu Bemerkung hervortre- ten, die ich schon an einem andern Orte (mein Aufsatz über Cyclas cornea, dieses Archiv 1855, Hft. 1.) laut werden liess. Bei genauerer Berücksichtigung der histologischen Verhältnisse kann man nämlich kaum mehr den scharfen Gegensatz an- 456 Frz. Leydig: erkennen, der seit Längerem zwischen der Bluteireulation in Gefässen und der in „Zwischenräumen des Körpers“ auf- gestellt worden ist. Die Blutcapillaren der Wirbelthiere sind (vgl. meine anat. und physiol. Untersuchungen über Fische und Reptilien S. 112) umgewandelte Bindegewebskörperchen, auch die stärkeren Gefässe sind in der Hauptsache Binde- gewebsräume, die nur durch Ausbildung von elastischen Häu- ten eine schärfere Abgränzung erhalten haben, und sich durch muskulöse Elemente vervollständigen. Die Blutlakunen der Wirbellosen sind aber überall nicht minder von Bindesubstanz begränzt und lassen sich als Hohlräume im Bindegewebe auf- fassen. Man betrachte z.B. die Circulation in den Beinen der Spinnen, des Gammarus pulex, Asellus aquaticus ete., hier bewegt sich das Blut zwischen dem Sarkolemma der Muskeln, den Sehnen, Nervenscheiden, der Haut, und es wer- den sonach die Conturen des Blutraumes von Bindesubstanz gebildet; nicht anders verhält es sich mit der Circeulation im Abdomen oder im Thorax; bei den Spinnen z.B. verliereu sich die Wände der aus dem Herzen gekommenen Blutge- fässe in jene Bindesubstanz, welche für die Leberläppchen, Harnkanäle, Spinndrüsen etc. als Stütze dient, das Blut be- wegt sich daher abermals in Bindegewebslücken. Diese An- schauungsweise kann, ohne den Thatsachen Gewalt anzuthun, auf alle die Beispiele von „interstitieller Bluteireulation“ über- tragen werden, es wird nach Abzug der Einzelmodifikationen immer so viel Wahres übrig bleiben, dass in den einen Thie- ren die Bindesubstanzräume für die Blutbahnen individueller werden, als wahre Blutgefässe sich ausweisen, in anderen Geschöpfen aber die Bindegewebsräume ihren ursprünglichen, wenn ich so sagen darf, unbestimmten Charakter beibehalten. Anlangend das Herz der Insekten, so dürfte dasselbe noch einer spezielleren histologischen Arbeit werth sein. Um dieses Organ herum erblickt man bei den verschiedensten Coleopteren, Orthopteren ete. eine eigenthümliche Zellenmasse (bei Locusta viridissima mit grünem Inhalt, sonst häufig mit gelblichem); sie wird von Bindesubstanz zusammengehalten, in welche sich die Scheiden der Flügelmuskeln des Herzens Zum feineren Bau der Arthropoden. 457 verlieren, und die Zellen sammt dem Bindegewebe geben das Medium ab, durch welches sich die Flügelmuskeln mit dem Herzen verbinden. Ganz unverkennbar liegt hierin eine wei- tere Ausbildung dessen vor, was ich von der Larve der Co- rethra plumicornis (Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. III.) beschrieben habe. Bei dem zuletzt genannten Thier habe ich ferner frü- her unbekannte einzellige Klappen in der hintersten Herz- abtheilung gefunden (a. a.O. Fig. 20), und es scheint mir, als ob noch andere Insekten mit ähnlichen Vorrichtungen aus- gestattet seien, denn im Herzen einer Bärenraupe (B. rubi), welches ausser der Muskelhaut eine starke Tunica intima zeigt, nehme ich im Innern in Distanzen sehr grosse 0,72’ im Durchmesser haltende Zellen wahr, die vielleicht später als analoge Herzklappen erkannt werden können. Leider ist die Untersuchung eine sehr schwierige, da man am ausge- schnittenen Herzen seine Studien machen muss, während bei Corethra gedachtes Organ im unverletzten frischen Thier der Beobachtung leicht zugänglich ist. Das Blutserum der Insekten ist bekanntermaassen eine mehr oder minder gelbliche, auch wohl ziemlich intensiv gelbgrüne Flüssigkeit, so sehe ich es bei Acridium coerulescens, Acheta campestris, Locusta viridissima, der Raupe von Sphinz ocellata, Bombyz Rubi, Papilio Machaon u. a. Die allzeit farb- losen Blutkügelehen sind nicht immer rund, sondern auch (in der nativen Flüssigkeit) z.B. bei Bärenraupen gar nicht sel- ten spindelförmig, sowie ich auch früher schon von Corethra gemeldet habe, dass dort alle im lebenden Thier kreisenden Blutkügelchen verästelte Zellen vorstellen. Von den Respirationsorganen. An verschiedenen Onisciden fallen an den Kiemendeckeln kreideweisse Flecken auf, welche von Duvernoy und Lere- boullet als schwammige Apparate angesehen werden, dazu bestimmt, die Feuchtigkeit der Luft zu absorbiren, um so die Kiemenlamellen anzufeuchten. Entgegen dieser Beschreibung 458 Frz. Leydig: rührt nach v. Siebold!) die weisse Farbe jener eigenthüm- lichen vier Körper von sehr fein zertheilter Luft her, was ich bestätigen kann. Die Luftgänge bilden ein ähnliches eng- maschiges Netz, wie die Capillaren in den Lungen der Wir- belthiere, man kann die Luft leicht austreiben, worauf die Luftgefässe als polygonale helle Gänge in der Haut des Or- ganes zurückbleiben. Auf der Unterseite glaube ich eine grössere Oeffnung zu sehen, die zum Einlassen der Luft die- nen könnte. Auch die histologische Beschaffenheit der Kiemenblätter von Asellus aquaticus verdient einige Beschreibung (Fig. 10 auf Taf. XV.) Die äussere Begränzung zeigt eine sehr dünne homogene Cuticula (a), darunter liegen zellige Gebilde (b), welche ich nicht recht zu deuten weiss, es sind grosse un- regelmässig gebuchtete Körper, deren Wand breit und fein radiär gestreift ist, Linien, die man auf sehr dünne Canäle beziehen könnte. Im Innern liegt ein grosser Kern (oder Zelle?), im frischen Zustande wasserklar, 0,0120 — 0,0160 im längsten Durchmesser haltend, mit zweitem und drittem eingeschachtelten Bläschen, im Tode findet körnige Trübung statt. Zwischen den gebuchteten Körpern, über welche noch eine gemeinsame zarte Contur wegläuft, bleiben Gänge übrig (e), in denen das Blut kreis. Treviranus?) spricht von kreisförmigen von einem durchsichtigen Hof umgebenen Stel- len, die an den Kiemendecken wahrzunehmen seien, und hält sie für zusammengeflossene und geronnene Flüssigkeit. Mir däucht, nach der Abbildung zu schliessen, als ob Trevira- nus damit ein Infusorium, 'eine Lagenophrys abgezeichnet habe, die sehr constant an den Kiemen des Asellus parasi- tisch lebt. Was die Respirationsorgane von Arachniden und Insekten betrifft, so wünsche ich die vorhandenen Angaben um etwas erweitern zu können. Die Form der Tracheenstigmata scheint bei der Gattung Izo- 1) Müller’s Arch. f. Anat. u. Phys. 1842, CXLI. Anm. 2. 2) Vermischte Schriften Bd. 1. S. 77 u. Tab. XII. Fig. 69. Zum feineren Bau der Arthropoden. 459 des nach den einzelnen Arten abzuändern, denn bei /rodes Seiuri erscheinen sie rund und siebförmig durchlöchert, bei Irodes tes- tudinis zeigen sie eine länglich geschweifte Gestalt mit einer einzigen trichterartigen Oeffnung. Dahinter entspringen die Tracheen büschelförmig, sie messen bei I. testudinis 0,72 im Querdurchmesser und vertheilen sich baumförmig. Sie bestehen aus einer äussern bindegewebigen Hülle mit Kernen und einer innern scharf conturirten Chitinhaut. Der soge- nannte Spiralfaden ist kein selbstständiges Gebilde, sondern nur eine spiralig verlaufende Verdiekung der Chi- tinmembran nach innen. Sie verliert sich in den feinern Verzweigungen. Zuletzt zerfallen die Tracheen meist plötz- lieh in Büschel äusserst feiner Röhrchen, welche die der Stammtrachee angehörige zarte Umhüllungshaut beibehalten. Die allerfeinste und zahlreichste Vertheilung findet übrigens im Gehirne statt. Dass auch die eigentlichen Spinnen Tracheen besitzen, ist durch Dug&s, Grube, Menge, v. Siebold bekannt geworden, und ich stimme den Angaben dieser Forscher, in- soweit sie den Ursprung und die Vertheilung der Tracheen betreffen, vollkommen bei, bin indessen weniger mit den Be- richten über die Struktur einverstanden. So wird behauptet, dass die Spinnentracheen „spiralfaserlos“ seien, nun betrachte man aber die grossen Tracheenschläuche, welche binter den sogenannten Lungensäcken entspringen, z. B. von Segestria Taf. XVIII. Fig. 51) nach dem Austreiben der Luft und man wird eine interessante Modifikation des „Spiralfadens“ ent- decken, die darin besteht, dass die Chitinmembran zwar eben- falls ringförmig vorspringende Leistchen bildet, aber ausser- dem noch in sekundäre Plättchen sich erhebt, so dass das Lumen der Trachee sich areoläür gestaltet und die Luft nicht unter der Form einer continuirlichen Säule darin enthalten ist, sondern, wie auch v. Siebold bemerkt, fein zertheilt. Dasselbe sieht man, nur in zarterer Ausführng, bei Tetragna- tha (Taf. XVII. Fig. 50), und am schärfsten entwickelt bei Argyroneta aquatica (Fig. 49), wo die reifartigen Vorsprünge und die Septen dazwischen tiefe Recessus für die Luft bilden. 460 Frz. Leydig: In den kleinen Tracheen, welche aus dem Ende des grossen Tracheenschlauches büschelförmig entspringen, mangeln die Leisten, die Chitinmembran ist nach innen glatt und daher die Luftsäule gleichförmig. Wiederum sehr beachtenswerth sind die platten Tracheen, welche aus einer Querspalte vor den Spinnwarzen ihren Ursprung nehmen. Nach v. Siebold besteht jede „dieser platten, silberglänzenden Tracheen aus einer dünnen, aber festen, homogenen Membran, welche äus- serlich von einer weichen, glashellen, einem Peritonealüberzug entsprechenden Haut umhüllt wird“. Als wesentlich finde ich beizusetzen, dass auch hier das Lumen keineswegs ein eontinuirlich gleichmässiges ist, sondern es wird durchzogen von Querbalken, die sehr schmal sind und daher von der Fläche (in scheinbarem Querschnitt) angesehen, sich wie Körnchen ausnehmen (man vergl. Taf. XVIII. Fig. 52), wo- durch die Lichtung der Tracheen in eben so viele mit ein- ander zusammenhängende Areolen zerfällt. Dies ist denn auch der Grund, warum die Luft in solchen Tracheen ebenso „fein zertheilt ist wie in den Lungenplatten* der Arachniden und der Mangel ähnlicher Vorsprünge in den büschelförmigen Endzweigen gestattet wieder andrerseits die hier eontinuirlich auftretende Luftsäule. Bezüglich der sogenannten Lungen der Spinnen hat be- reits Leuckart!) mit aller Bestimmtheit ausgesprochen, dass diese Organe nichts anders sind, als „modifizirte Tracheen*. Ich sehe, dass der feinere Bau vollkommen der gleiche ist mit den zuletzt behandelten bandartig platten Tracheen, und in den „kleinen, punktförmigen Körnehen“, welche nach Leuckart in die Chitinhaut eingelagert sind, erkenne ich dieselben Vorsprünge ins Innere, welche man bei den platten Tracheen findet, und in denen schon Leuckart mit Recht die ersten Andeutungen der „Spiralfaser“* muthmaasst. Dem bisher Mitgetheilten zufolge kann ich auch die gang und gäbe Darstellung vom Baue der Insektentracheen nicht ganz gut heissen. Es sollen die Luftcanäle aus einem 1) Zeitschr, f, wiss. Zool. 1849. Zum feineren Bau der Arthropoden. 461 Peritonealüberzug und aus einer innern Schleimhaut bestehen und zwischen beiden ziehe sich der „Spiralfaden“ hin. Anlangend die „Peritonealhülle“, so ist sie eine binde- gewebige, helle und meist farblose Haut, welche unzweifel- haft durch das Verwachsen von Zellen derselben Art entstand, die den Fettkörper bilden, mit denen sie auch in innigem Zusammenhange bleiben. Die Kerne der Zellen erhalten sich auch in dieser Hülle unverändert, Mitunter liegen gefärbte Pünktchen in ihr, so z. B. gelbe bei Locusta viridissima, die, wenn sie grösser geworden, als gelbe Fetttropfen sich aus- weisen (nach kurzem Aufenthalt in Weingeist wird das gelbe Pigment violett), bei der Raupe von Sphinz ocellata ist be- sagte Haut grünlich pigmentirt, schwärzlich bei der Larve von Dytiscus marginalis etc. Die Membran, welche den Tracheen das spezifische Aus- sehen verleiht, ist eine homogene Chitinhaut, welche das Lumen begränzt, und wie schon einigemal in Anregung ge- bracht wurde, den sogenannten „Spiralfaden“ erzeugt. Es muss im Hinblick auf dieses Gebilde wiederholt erklärt wer- den, dass er kein selbstständiger Faden sei, sondern nur eine nach innen vorspringende Verdickung der homogenen Chitin- haut, er liegt daher keineswegs „zwischen der äussern und innern Haut“, sondern ist innere Haut selber. Von einer eigenen „innern Schleimhaut“, die aus Pflasterepitel bestehen soll, habe ich nirgends die geringste Spur wahrgenommen, und wenn selbst Stein’) von einer „Epithelialhaut der Tra- cheen“ spricht, auf der „Stachelborsten* vorkommen können, so möchte ich vermuthen, dass die vermeintliche Epithelial- haut die homogene Chitinhaut war und die „Stachelborsten“ können so gut wie der „Spiralfaden* nur Auswüchse dieser Haut nach innen sein. Auch waren bereits andere Forscher nahe daran, dasselbe Resultat aus ihren Untersuchungen zu ziehen. So sagt H. Meyer?), er habe die Ansicht gewon- 1) Vergleichende Anat, u. Physiol. der Insekten, S.105 Anm. 1. 2) Ueber die Entwicklung des Fettkörpers, der Tracheen und der keimbereitenden Geschlechtstheile bei den Lepidopteren, Zeitschr. f. wiss, Zool. 1849, 8, 181. 462 _ Frz. Leydig: nen, der Spiralfaden werde nicht als solcher abgelagert, son- dern stelle ursprünglich eine homogene Membran dar, und diese spalte sich erst nach geschehenem Lufteintritt in den Spiralfaden. Das letztere ist unrichtig, wie sich leicht heraus- stellt, wenn man von starken Tracheen eines grossen Käfers (z. B. von Procrustes coriaceus) die homogene Intima ins Auge fasst. Man richte den Fokus auf den äussern Rand der ho- mogenen Chitinhaut ein, und man wird sehen, dass sie keines- wegs unterbrochen ist, wie das der Fall sein müsste, wenn sie, wie Meyer will, gewissermaassen reifartig zersprungen wäre, im Gegentheil ihre äussere Contur geht continuirlich fort, und ihre innere erhebt sich als Verdickung nach innen, das heisst mit andern Worten, springt als Spiralfaden vor. Ebenso spricht Leuckart (a.a. O. S. 227), obgleich er den „Spiralfaden“ noch zwischen zwei Häuten eingeschlossen sein lässt, doch aus, dass auch da, wo der Spiralfaden anatomisch selbstständig auftrete, er doch nur eine entwickelte (freilich sagt er „äussere“) Schicht des Tracheenskelets darstelle, Beim Durchmustern der Tracheen verschiedener Insekten gewinnt man auch die Erfahrung, dass ausser der eigentlichen spiralartigen Verdickung die Chitinhaut noch da und dort se- kundäre Vorsprünge bildet, wodurch dergleichen Tracheen denen von Arachniden sehr ähnlich werden können. So be- obachtet man bei den starken Tracheen von Procrustes coria- ceus in den Räumen zwischen den Spiraltouren noch kleine, zahlreiche, die Spiralringe im Winkel schneidende Vorsprünge. Ja in den Tracheenblasen, denen Mancher den „Spiralfaden* absprach, während Andere richtig einen modifizirten Spiral- faden hier zugestanden, haben die Hauptverdiekungen der Chitinhaut meist einen unregelmässigen ziekzackigen Verlauf, aber zwischen ihnen können wieder so zahlreiche, kleinere Septen sich erheben, dass die Innenfläche der Blase ganz gitterartig wird. In dieser Weise sehe ich es z.B. an den Tracheenblasen von Scarabaeus stercorarius. An den Tra- cheenerweiterungen im Kopf der Biene und anderer Hy- menopteren erzeugen die Vorsprünge ein so kleinmaschiges Netz nach innen, dass die Vertheilung der Luft dazwischen Zum feineren Bau der Arthropoden. 463 lebhaft au die bandartig platten Tracheen und sogenannten Lungen der Arachniden erinnert. « Ein rechtes Verständniss über die Histologie der Tracheen kann übrigens nur gewonnen werden, wenn man den Bau des Fettkörpers mit berücksichtigt, weshalb jetzt von diesem die Rede sein soll. Das Gewebe des Fettkörpers ist, den Fettgehalt abge- rechnet, Bindesubstanz. In der Zecke (Irodes testudinis) durchzieht ein Balkenwerk den Leibesraum zur Befestigung der Eingeweide in ihrer Lage, es ist, wenn ich mich so aus- drücken darf, ein Fettkörper ohne Fett. Das Balkennetz ist aus verschmolzenen Zellen hervorgegangen, deren Kerne per- manent bleiben. Die Verwachsung der Zellen scheint in der Art erfolgt zu sein, dass röhrenartige Gebilde entstanden, in denen die ursprünglichen Kerne und eine Punktmasse liegen. Hie und da sitzen dem Balkengewebe grössere Blasen an, in welchen man wahrhaft riesige Kerne von 0,04 Durch- messer erblickt. Die sogenannte Peritonealhülle der Tracheen ist die unmittelbare Fortsetzung des Balkengewebes, und beide sind in jeglicher Beziehung ein und dieselbe Substanz. Wendet man dem Fettkörper von Gammarus puler die Aufmerksamkeit zu, so zeigt er sich als ein helles Netzwerk, entstanden aus zusammengeflossenen Zellen, deren Kerne überall noch vorhanden sind. Dazu kommen Fetttropfen als Ablagerungen ins Innere der netzförmigen Bindesubstanz. Will man vom Fettkörper der Insekten sich überzeugen, dass er lediglich Bindesubstanz mit eingeschlossenen Fett- tropfen ist, so nehme man Stellen zur Ansicht, in welchen das Fett ganz oder fast ganz mangelt. Sehr gut eignet sich z. B. von Locusta viridissima jener Theil, welcher an der Spitze der Eierstöcke sich findet, und den ich auf Taf. XVII. Fig.53 wiedergegeben habe. Wem die verschiedenen Modifikationen des Bindegewebes bei höheren Thieren bekannt sind, wird da augenblicklich die Form der netzförmigen Bindesubstanz erkennen. Man hat helle, strahlig ausgewachsene Zellen vor sich, deren Ausläufer mit einander verschmelzen, und aus den Knotenpunkten leuchten die Kerne klar hervor. Fett- 464 Frz. Leydig: tropfen fehlen hier, ist indessen eine grössere Partie des Ge- webes ausßeschnitten worden, so kann man den Uebergang des beschriebenen, zarteren und fettlosen Bindegewebes in fetthaltiges d. h. in den genuinen Fettkörper verfolgen. In letzterem erscheint das Balkenwerk von beträchtlicherem Um- fang, und ausser den Zellenkernen nimmt eine mehr oder minder reichliche Fettniederlage das Innere der Bindesubstanz ein. Als etwas eigenthümliches muss ich erwähnen, dass so- wohl bei Locusta viridissima als auch bei Decticus verucivorus ausser dem gelben Fett noch eine andere Substanz im Innern des Balkenwerkes vorkommt, die unter der Form von ver- ästelten schwarzen (weissen bei auffallendem Licht) Flecken bemerkbar ist, und aus kleinen Körnchen zusammengesetzt wird, welche in Essigsäure aushalten und in Kalilauge schwinden. In den äussern Umrissen kann der Fettkörper in den ver- schiedenen Insektengattungen und nach den Lebenszuständen sehr varüren, aber immer wird man zu erkennen vermögen, dass er aus Bindesubstanz und Fett besteht, mit letzterem freilich mitunter in einem Grade erfüllt, dass eine weitere Untersuchung sehr erschwert wird. Aus dem Voranstehen- den ergiebt sich auch, dass der Vergleich des Fettkörpers der Insekten mit dem Netze der höheren Thiere, wie ihn früher Beobachter, namentlich Malpighi und Cuvier machten, auch vom histologischen Standpunkt aus, vollkommen richtig ist. Die Bindesubstanz des Fettkörpers steht in sehr inniger Beziehung mit den Tracheen, und darauf möchte ein ganz besonderes Gewicht zu legen sein. Schon H. Meyer, der die Entwicklung und den Bau des Fettkörpers, namentlich von Raupen, untersucht hat, und dessen Mittheilungen, inso- weit sie hierher gehören, mit den meinigen nicht in Wider- spruch stehen, bemerkt, dass in ganz jungen Raupen die Zellen, welche zu den Fettkörperlappen werden, jenen Zel- len, aus welchen Tracheen entstehen, so ähnlich seien, dass man beide nicht von einander unterscheiden kann, und dass man deshalb auch nicht beurtheilen könne, ob man in sol- chen Zellenreihen zufällig reihenweise angeordnete Fettkörper- Zum feineren Bau der Arthropoden. 465 zellen oder künftige Tracheenschläuche vor sich habe. Nach dem, was ich durch meine Zergliederungen erfahren habe, gehört die Bindesubstanz des Fettkörpers und die Tracheen in ähnlicher sich bedingender Art zusammen, wie bei höheren Thieren das Bindegewebe und die Blut- und Lymphgefässe in eng genetischer Beziehung stehen. Die Bindesubstanz in der Leibeshöhle der Insekten geht hervor aus Zellen, die linear, oder nach der Fläche, oder netzförmig mit einander verwachsen. Da wo Tracheen sich bilden sollen, scheidet sich eine homogene Chitinhaut in Form eines Rohres ins Innere der verschmolzenen Zellen ab und sichert dadurch ein Lumen; dass oft nur ein kleiner Theil vom Innern der ver- schmolzenen Zellen hiezu verwendet wird, weist ein Blick auf Fig.53 nach, wo sehr zarte Tracheen (Chitinhaut) inner- halb sehr geräumiger, strahlig verbundener Zellen verlaufen. Die Chitinhaut der Luftgefässe der Insekten findet nach mei- nem Dafürhalten bei den höheren Thieren ihr Analogon in der homogenen, elastischen Intima der Blut- und Lymphge- fässe, Wie daher bei Wirbelthieren die Bahnen für das Blut und die Lymphe nur Hohlgänge in der Bindesubstanz sind, welche zunächst durch die Intima elastica ihre Individualisi- rung vom Bindegewebe erhalten, so sind auch die Luftgefässe der Insekten in letzter Instanz Hohlgänge im Bindegewebe und treten nur dadurch als etwas Spezifisches auf, dass das Lumen durch eine eigenthümlich geartete Haut (die Chitin- membran) gestützt ist. Was die Endigungsweise der Tracheen betrifit, ob frei, ob geschlossen, so dürfte sie wohl die sein, dass die feinsten Reiser zum Theil netzförmig zusammenhängen und andrer- seits blind geschlossen ausgehen. Für letztes Verhalten spricht die oben vorgebrachte Beobachtung, wonach im Auge gewis- ser Dipteren die Tracheen mit erweiterten und blindgeschlos- senen Endschläuchen zwischen den Nervenstäben aufhören. Von den Nieren und Serikterien. * “ U ” . Die Nierencanäle von Julus terrestris bestehen aus der homogenen Tunica propria, an der nach innen die Sekretions- Müllers Archiv. 1855. 30 466 Frz. Leydig: zellen liegen. Letztere sind klein, ganz hell oder höchstens mit überaus feinen Molekülen gefüllt. In der Lichtung der Canäle begegnet man farblosen Harn-Crystallen, 0,004” im Durchmesser und von oktaedrischer Gestalt. Sie sind nicht gerade häufig. Heinrich Meckel hat sehon!) angezeigt, dass er in der Höhle der Malpighischen Gefässe bei der Raupe von Sphinx convolvuli quadratpyramidalische Crystalle, die zum Theil homogen weiss, zum Theil aus zwei weissen und einer mittleren rothen Schicht bestanden, gefunden habe. Ich treffe ebenfalls und zwar in reichlichster Menge Crystalle frei im Lumen der Nierencanäle bei der Raupe von Bombyz rubi. Sie sind noch einmal so gross als bei Julus, und meist Ok- taeder. Die Harncanäle der Acarinen kann man bei verschiedenen Arten ohne Mühe wahrnehmen. So bemerkt man bei Gam- masus coleoptratorum jederseits einen langen, weissen Harn- schlauch, dessen vorderes blindes Ende sich bis in das Basal- glied des ersten Fusspaares erstreckt, nach hinten zu ver- einigen sie sich in die Cloake. — In Irodes testudinis sah ich wie v. Siebold bei Irodes Rieinus die Niere unter der Form von zwei langen, unverästelten Blindschläuchen, die von der Cloake ausgehend bis zum Vorderleibsende hinaufragen. Hi- stologisch betrachtet bestehen sie aus der Tunica propria und grossen Sekretionszellen mit schönem Kern und dunkel- molekularem Inhalt. Das Drüsenlumen ist überfüllt mit rund- lichen Harneonerementen von geschichtetem Aussehen, in der Cloake sind sie in bedeutender Menge angehäuft. Dieser In- halt bewirkt, dass die Nierenschläuche dem freien Auge als lebhaft weisse Fäden erscheinen. Die Harnschläuche der Spinnen sind im Gegensatze zu den gleichen Organen der Milben vielfach verästelte Canäle, die sich zwischen den Leberläppchen verbreiten und zuletzt mit ihren Endverzweigungen zwischen den Endbläschen der Leber netzförmig zusammenhängen. Auch sie haben eine Tunica propria, und im Innern umgiebt eine schwarze Punkt- 1) A. a. 0. 5.44. Zum feineren Bau der Arthropoden. 467 masse die Zellenkerne hofartig, sammelt sich auch so an, dass die Canäle und namentlich die Kloake ganz prall damit angefüllt sind. Die Spinndrüsen der Raupen nehmen unser Interesse in- sofern in Anspruch, als! hier nach der Entdeckung von Hein- rich Meckel eine Form von Zellenkernen vorkommt, die noch bei keinem andern Thier getroffen wurde. Ich kenne die Serikterien von Raupen verschiedener Tag-, Abend- und Nachtfalter, und habe mich von der Richtigkeit der Angaben Meckels überzeugt. Es sind die Sekretionszellen der ge- dachten Organe wahrhaft kolossal, und an B. rubi sehe ich, wie Meckel bei Vanessa urlicae und Sericaria dispar, dass nur zwei Zellen auf den Umfang des Follikels kommen. Meckel zeichnet durchweg eine scharfe Zellenmembran, was ich nicht ganz so finde, vielmehr haben sowohl frisch als auch nach Reagentien die zelligen feinpunktirten Abtheilungen nur eine feine, homogene Gränzschicht, die bei Betrachtung des ganzen Follikels den anstossenden Zellen gemeinsam ist. Statt eines rundlichen Kernes zeigen nun diese Zellen einen verästelten und die Verzweigung kann einen sehr hohen Grad erreichen. Die Kerne sind hell und scheinen mir hohl zu sein, gefüllt mit Flüssigkeit, nach Weingeist, Essigsäure etc. nehmen sie gleich andern Kernen härtere Conturen an und werden dunkel. Es wurde oben erörtert, dass ähnliche Kerne auch in den Hautdrüsen der Raupen existiren. Für die Noth- wendigkeit solcher Kernformen hat Meckel eine Erklärung gegeben, der man wohl, in so lange uns bessere Kenntnisse über das elementare Zellenleben abgehen, wird zustimmen müssen. Er sagt: „der Zellenkern soll zwar bei Pflanzen nieht von Wichtigkeit sein, scheint jedoch bei den Thieren stets eine grosse Rolle zu spielen, und entweder die eigent- liche Ursache der Zellenthätigkeit zu sein, oder ein Regula- tor. Daraus ist die eigenthümliche Ausbildung des Kernes in diesen kolossalen Zellen zu erklären. Der'Kern verästelt sich durch die Zelle, um überall seinen Einfluss geltend zu machen und die Sekretion zu vermitteln.“ 30* 468 Frz. Leydig: Die Höhle der Serikterien ist von einer ziemlich dieken und homogenen Intima ausgekleidet. Von den Fortpflanzungsorganen. Aus der Gruppe der Acarinen habe ich den männlichen Apparat von Ixodes testudinis untersucht. Das Männchen ist viel kleiner als das Weibchen, und der schwarzbraune Rücken- schild bedeckt bei ihm den ganzen Leib. Man könnte auch hier ohne Kenntniss des anatomischen Baues wie das früher häufig bezüglich des Izodes Ricinus geschehen ist, in den Irrthum verfallen, das Männchen als eine eigene Species an- zusehen. Die Umrisse des Hodens sind mir nicht ganz klar gewor- den, doch habe ich so viel erkannt, dass er auf jeder Seite von drei bis vier länglichen Schläuchen zusammengesetzt wird. Diese scheinen sich zu einem rundlichen Körper zu vereini- gen, aus dem zwei Samengänge hervorkommen. Mehr unter- richtet bin ich rücksichtlich der eigenthümlichen, bis jetzt nur durch v. Siebold bekannt gewordenen Samenelemente. Der letztgenannte Forscher sagt bloss: „in den Hoden von Ixodes Rieinus sah ich eine zahllose Menge’ wasserheller, ziemlich langer und grosser Stäbe, welche sich nicht bewegten, durch Berührung mit Wasser aber eine bogenförmige Krümmung annahmen und an dem einen Ende kolbenförmig anschwol- len.“ Die Zoospermen der von mir mikroskopirten Zecken- art gehören zu den riesigen Formen (Taf. XVII. Fig. 42), indem sie 0,1“ in der Länge messen. Es sind helle Cylin- der, welche an dem einen Ende nach und nach bis zu 0,003 Dicke anschwellen, was nicht erst, wie v. Siebold zu glau- ben scheint, durch Berührung mit Wasser geschieht, sondern ihre wahrhafte Gestalt ist. Sieht man sich nach der Ent- wicklung um, so zeigen die Hodenschläuche im blinden Ende rundliche Blasen, gefüllt mit blassen Kügelchen, darauf ver- längern sich die Blasen, werden oval, und in solchen erblickt man mit allmälig steigender Schärfe zugleich mit dem Schwin- den der Inhaltskörperchen ein Zoosperm, dessen dünnes Ende gegen die kolbige Anschwellung zurückgeschlagen ist (Fig.42a). Zum feineren Bau der Arthropoden. 469 Im Hoden frei geworden verrathen sie keine Spur von Be- wegung, nach Wasserzusatz bläht sich gerne die Spitze der kolbenförmigen Anschwellung etwas knopfartig auf und platzt auch wohl. Die Zoospermen treten bei der Begattung in die weiblichen Theile über und sammeln sich in zahlloser Menge in einem langen Receptaculum seminis an. Da sind jetzt ihre Eigenschaften etwas anders als im Hoden. Sie erscheinen entschieden länger und überhaupt ausgebildeter, und was ich im Hoden nie sah, sie bewegen sich im weiblichen Thier, indem sie sich hin- und herwerfen. Nach Wasserzusatz hö- ren die Bewegungen bald auf. Die Eierstöcke von Izodes testudinis sind dünnhäutige, von Tracheen umsponnene Schläuche. Das Ei hat einen feinkör- nigen, farblosen Dotter, und das Keimbläschen ein oder zwei Keimflecke mit Höhlungen. Das Innere des Receptaculum seminis wird von sehr grossen Zellen überzogen. Der Hoden von Phalangium besteht aus zahlreichen finger- förmig eingeschnittenen Läppchen, die sich zu einem Samen- gang vereinigen, der vielfache Schlängelungen macht, eine dieke Muskellage besitzt und sich am Ende blasenartig er- weitert, wo alsdann die Zoospermen sich anhäufen. Die Blase führt über in ein langes horniges Begattungsglied, an dessen Wurzel sich starke Muskeln strahlig ansetzen. Die Zoosper- men sind allein von Leuckart (Artikel Zeugung im H. W. B von Wagner) untersucht worden, jedoch wie ich behaupten möchte, nicht ganz richtig charakterisirt worden. Es sind (Taf. XVII. Fig.41d) rundliche Gebilde von 0,002’ Grösse, platt mit einer mittleren leistenartigen Erhebung. Anfänglich bielt ich sie für regungslos, fasst man sie aber aus dem le- benden Thier ins Auge, wie sie etwa aus einer Rissstelle des Samenganges hervorgequollen sind, so ist ihre selbst- ständige, oseillirende Bewegung unverkennbar, ja nach der Bewegungsweise möchte ich auch auf die Anwesenheit eines äusserst feinen Haaranhanges zurückschliessen. — Die Eier von Phalangium haben mehre Keimflecke von verschiedener Grösse, manche davon sind blosse Körnchenhaufen. Anlangend die Zoospermen der Spinnen, so beschreibt. 470 Frz. Leydie: v. Siebold die Samenkörperehen der echten Spinnen als zellenförmige Gebilde von rundlicher oder nierenförmiger Ge- stalt, sie seien ohne Haaranhang und stets bewegungslos. Hiezu bemerkt Leuckart (a. a. O.): „Ich habe derartige Körperchen gleichfalls ausserordentlich häufig in den männ- lichen Geschlechtsdrüsen der Spinnen angetroffen, muss aber trotzdem bezweifeln, dass sie in allen Fällen die ausgebil- deten Samenelemente darstellen. Bei Clubiona und Tetra- gnathus wenigstens enthalten die Samentaschen der Palpen zur Zeit der Brunst unverkennbare Samenfäden, mit stark verdicktem cylindrischem Kopfende und einem verhältniss- mässig kurzen Schwanzfaden. Auch bei Epeira finden sich Samenkörperchen von walzenförmiger Gestalt, die mit den Kopfenden der eben erwähnten Samenfäden eine grosse Aehn- lichkeit haben, aber des dünnen Schwanzfadens zu entbehren scheinen.“ Leuckart fügt übrigens noch ausdrücklich bei, dass er niemals Bewegungen an denselben wahrgenommen habe. Ich kenne die Zoospermen von Epeira, Clubiona und Dysdera. Bei Epeira, wo Leuckart den dünnen Schwanz- faden bezweifelt, kann ich den zarten Haaranhang mit Sicher- heit wahrnehmen. Die Mehrzahl der Zoospermen lag starr da, aber einige bewegten sich ziemlich lebhaft drehend, ohne jedoch von der Stelle zu kommen. Verfolgt man die Ent- stehung, so liegen im blinden Ende der beiden Hoden- schläuche helle Bläschen, weiter nach vorne grössere Blasen mit einer Menge Tochterbläschen und in jedem dieser er- scheint ein Samenfaden, dessen walzenförmiges Kopfende als Verdickung der Wand des Bläschens auftritt (Fig. 41a). Bei Dysdera (Fig. 41b) ist der Körper walzenförmig, nach beiden Enden zugespitzt und ziemlich (0,007) lang und meist (was auch bei Epeira der Fall ist) etwas gedreht. Auch hier ist ein Schwanzanhang vorhanden, der indessen bei scharfem Zusehen sich so ausnimmt, als ob er als häutiger Saum dem Körper ansitze, wodurch einige Aehnlichkeit mit jenen Zoo- spermen zu Wege kommt, welche undulirende Häute haben. Uebrigens sah ich hier nichts von Lokomotion. Bei einer Clubiona waren die Körper der Samenelemente von länglich Zum feineren Bau der Arthropoden. 471 birnförmiger Gestalt, und der kurze Schwanzfaden sehr deut- lich (Fig. 41e). Während die Hauptmasse der Zoospermen sich entschieden ruhig verhielt, vollführten einige lebhafte Be- wegungen. Ich habe auch mehre Männehen von Argyronecta aqualica, bezüglich der Zoospermen (im August) mikroskopirt, ohne aber eine rechte Kenntniss erlangen zu können. Der Inhalt der Hodenschläuche, welche von zahlreichen Tracheen ringartig umgeben sind, gerinnt mit Wasser zusammengebracht, zu einer gelblichen Substanz, in der ich in der bezeichneten Jahreszeit keine spezifischen Körperchen auffinden kann, höch- stens liessen sich winzig kleine runde Gebilde mit mittlerem Punkt unterscheiden. Für die Gattungen Epeira, Dysdera, Clubiona dürfte es demnach gewiss sein, dass ihre Zoospermen aus einem ver- dickten Körper und haarförmigen Schwauz bestehen, und was die Bewegung betrifft, so könnte sie wahrscheinlich nach dem Uebertritt der Zoospermen in die weiblichen Theile eine all- gemeine werden. Die Spinnen dürften hierin den Zecken gleichen, und spätere Untersuchungen werden uns vielleicht belehren, dass alle jene Samenkörperchen, welche bis jetzt als „starr“ bekannt sind, im weiblichen Körper Bewegungen entwickeln. Die Eierstockseier der Spinnen lassen bekanntermaassen einiges Sonderbare sehen. Jedes Ei liegt in einer gestielten Kapsel, welche nach v. Wittich an der innern Fläche einen Epitelialüberzug haben soll, den V. Carus in Abrede stellt. Wo ich hierauf Acht gegeben habe, bei Salticus scenicus, Epeira diadema, Tegenaria domestica sehe ich ein klares Epi- tel im Innern des Kapselstieles, aber es hört, wo sich der Stiel zur Kapsel erweitert, mit scharfer Gränze auf, und die Kapsel bleibt epitellos. Das Keimbläschen ist entweder ein zartwandiges Gebilde, oder auch so derbhäutig, dass man deutlich doppelte Conturen unterscheidet (z. B. in Saltieus aeneus). Auch der Keimfleck wechselt sehr nach Zahl und Form; er ist gross, einfach mit mittlerer Höhle bei Miery- phantes acuminatus, mehrfach bei einigen Saltieus, Clubiona elaustraria, Teyenaria domestica etc. An den Eiern gewisser 472 Frz. Leydig: Spinnen — ınir bekannt aus T'egenaria, Lycosa, Salticus, Tho- misus — findet sich ausser dem Keimbläschen und dem Dot- ter noch ein seltsamer Körper, über den v. Wittich und Carus nähere Beschreibungen gegeben haben. Er ist rund, bald scharf gerandet mit lichterem Hof und centralem körni- gem Fleck, bald blass, wie verwaschen, und mit nebligem Hof, doch auch dann mit mittlerer kernartiger Zeichnung, ein andermal ist er concentrisch geschichtet. Essigsäure macht ihn blässer. Die Bedeutung fraglichen Körpers ist noch voll- ständig unbekannt, da, wie Leuckart richtig bemerkt, weder der Bau noch die Bildung einen sichern Anhaltspunkt bietet. Mit Rücksicht auf den Genitalapparat der Insekten er- laube ich mir, über den Eierstock und dessen Inhalt folgen- des vorzubringen. Die beiden Ovarien der Insekten werden durch zarte Fäden an den Thorax befestigt, und man weiss, dass Joh. Müller diese Fäden für Gefässe erklärt hat, welche eine Verbindung zwischen den Eierstöcken und dem Herzen unterhalten sollen. Es haben nun zwar fast alle Beobachter die Müller’sche Auffassung für unrichtig erklärt, und selbst Stein, der neneste genaue Entomotom lässt sich darüber folgendermaassen vernehmen: „Nach Allem, was ich über den feineren Bau und das Vorkommen des Verbindungs- fadens mitgetheilt habe, halte ich es für erwiesen, dass der Verbindungsfaden, selbst wenn er an das Rückengefäss ge- heftet ist, mit demselben in keiner unmittelbaren Kommuni- kation stehen könne, dass vielmehr die Verbindungsfäden in allen Fällen nur die Bedeutung von Ligamenten haben, welche die einzelnen Eiröhren bloss unter einander verbinden oder sie in dem Brustkasten befestigen“ (a. a. O. 8.43). Ich habe den betreffenden Gegenstand von Locusta viridissima unter- sucht, und kann nicht zugeben, dass hier blosse „Ligamente“ vorliegen sollen, sondern ich erkenne eigenthümliche Organi- tionsverhältnisse, die ein erneutes Studium erheischen. In der genannten Heuschreeke münden die Eierstocksröhren nicht blind, sondern von einem Eierstocke vereinigen sie sich alle zu einem „Verbindungsfaden“. Letzterer ist, was ich bestimmt sehe, kein solides Band, sondern ein hohler Schlauch, der Zum feineren Bau der Arthropoden. 473 aus der Vereinigung der Eiröhrenspitzen hervorging; die Ei- röhren sind bis dahin, wo sie sich zu dem gemeinsamen Schlauch verbinden, mit Tracheen reich umsponnen, der Schlauch selber hat keine Tracheen mehr, er besteht aus einer’homogenen, sich gern faltenden Membran mit rundlichen Kernen und besitzt nach aussen zarte Ringmuskeln, die man erst nach Weingeistzusatz zu erkennen vermag. Wie endet der Schlauch? Ich glaube gesehen zu haben, dass er in mehre Zipfel ausläuft, mit denen er sich in die Bindesubstanz jener eigenthümlichen Zellenmasse verliert, welche das Herz umgiebt, und von der oben die Rede war. Gegen die Auf- fassung eines ordinären Bandes spricht doch entschieden, dass besagtes Gebilde hohl ist und Muskeln hat, und zweitens, dass das Lumen der Eierstocksröhren continuirlich mit der Lichtung desselben zusammenhängt. Mit der Höhlung des Rückengefässes scheint keine Kommunikation statt zu haben. Es darf darauf aufmerksam gemacht werden, dass das mi- koskopische Aussehen des „Verbindungsfadens“ lebhaft an eine andere räthselhafte Bildung erinnert, die ich von Coccus hesperidum angezeigt habe'). Dort erscheint ein Blindsack des Darmes in einen Schlauch eingesenkt, der „sich an die Innenfläche des Hautskelets zu befestigen scheint“. Die Mem- bran, aus der er besteht, seine Kerne und Faltenbildung haben Verwandtschaftliches mit dem „Verbindungsfaden“ des Eier- stockes, und obschon ich ausser Stand bin zu sagen, als was eigentlich die beregten Bildungen gelten müssen, so habe ich doch die Ueberzeugung, dass es keine gewöhnlichen Li- gamente sind, sondern spezifische Organisationsverhältnisse, die erst weiterer Aufklärung bedürfen. Die Struktur der Eihaut der Insekten verdient im gegen- wärtigen Augenblick, wo die Frage nach dem Eindringen de Zoospermen neue Forschungen hervorruft, auch einige Beach- tung. Es ist aus dem Werke von Stein bekannt, dass das Chorion der Insekteneier mit einer einfachen Zellenschicht in genetischer Beziehung steht, und ich finde, dass die Eischale I) Zeitschr. 1, wiss. Zool. 1853, S. 3. Fig. 1f 474 Frz. Leydig: der Insekten bei manchen Arten deutliche Porencanäle hat. In dem Chorion von Sphinz tiliae (Fig. 43), welches keine zellige Zeichnung erkennen lässt, unterscheidet man zweierlei Porencanäle: weitere, welche weniger zahlreich, und feinere, welche äusserst zahlreich vorhanden sind. In der Rihülle von Bombyz neustria, ebenfalls ohne zellige Struktur, sind nur die feineren Porencanäle zugegen. Die ovalen reifen Eier von Locusta viridissima, deren Chorion aus schönen polygonalen Feldern besteht, sind ausgezeichnet durch einen helleren Pol. Er rührt davon her, dass die Felder an diesem Ort einen viel bedeutenderen Diekendurchmesser haben, als an der übrigen Eihaut. Durch jedes Feld (vgl. Fig. 46 u. 47) erstreckt sich ein geräumiger 0,0012— 0,0016“ breiter Porencanal von hel- lem Aussehen. Aber auch jedes andere Feld des Chorions hat einen solehen, wenn auch kürzeren Porencanal, und im- mer ist er im Centrum angebracht, wo er trichterförmig be- ginnt und auch trichterförmig erweitert an der Innenfläche des Chorions mündet. Es ist mir übrigens nie gelungen, auch nicht bei dem stärksten Druck etwas von der Dotter- substanz durch die Porencanäle hindurch nach aussen zu pressen. Von Käfern habe ich die Eischale von Scarabaeus stercorarius und Procrustes eoriaceus untersucht. Die erstere hat ein zelliges Aussehen, ob Porencanäle da sind, kann ich mich nicht vergewissern, wenigstens müssten sie sehr spar- sam sein. Das Chorion des genannten Laufkäfers hat auf den ersten Blick eine gegitterte Beschaffenheit (Fig. 45), wie wenn es grob durchlöchert wäre, doch weisen die zarten Faltenschattirungen in den scheinbaren Lücken auf die An- wesenheit einer feinen Membran hin, welche die Zwischen- räume ausfüllt, und die Gitter sind nur die Verdiekungen der- selben. Ein ähnliches Chorion scheint nach den Beschrei- bungen von Stein (a.a. ©. S.59) den Laufkäfern überhaupt eigen zu sein. Aus den Mittheilungen desselben Forschers schliesse ich auch, dass die Eischale noch anderer Käfer Porencanäle besitzt, so sagt er z.B. von Galeruca tanaceli, dass ihm die sechseckigen Felder des Chorions wie von fei- Zum feineren Bau der Arthropoden. 475 nen Nadelstichen durchbohrt geschienen haben, was wohl nichts anderes als Porencanäle waren. In der Eischale des Flusskrebses und von Eriphia spi- nifrons, wo ich nach Porencanälen suchte, habe ich nichts davon bemerkt. Man wird fragen, ob durch die Porencanäle die Zoosper- men in das Ei eindringen. Mir stehen darüber keine Beob- achtungen zu Gebote, auch möchte ich eher zweifeln als daran glauben, hat doch Meissner!) bei den verschiedensten In- sekten (Musca, Tipula, Lampyris, Elater, Telephorus, Adela, Pyralis, Tortriz, Euprepia, Liparis, Pieris, Tenthredo, Spathius, Ayrion, Panorpa) eine wirkliche Mieropyle gefunden, und das Eindringen der Zoospermen durch dieselbe in das Innere des Eies direkt beobachtet! Joh. Müller und Remak haben in neuerer Zeit die Porencanäle in der Eihaut von Fischen nachgewiesen. Beide Forscher nehmen an, dass die Samen- elemente durch etwelche dieser Canäle bis zum Dotter ge- langen. Die Porencanäle des Barsches und Kaulbarsches haben, wie aus den Mittheilungen Joh. Müller’s?) ersicht- lich ist, eine gewisse Achnlichkeit mit denen von Lo- custa viridissima. Die Eihülle ist fazettirt, jede sechseckige Masche enthält in ihrer Mitte einen offenen Trichter, der sich vertikal in ein Röhrchen fortsetzt, welches sich auf der Innen- fläche der Eihülle öffnet. Etwas anders sind die vom Gobio fluviatilis nach der Schilderung Remak’s®): „Es zeigt die Oberfläche (der Eihaut) ein feinfazettirtes Aussehen: jede Fazette misst etwa "oo L. und auf je 5%X5 bis 6x6 Fazet- ten kommt eine Oefinung von nahezu gleichem Umfang.“ Bei Fischen kommen, gleichwie bei den Insekten, gewiss noch andere Modifikationen vor. Ich untersuchte z.B. ein Weib- chen von Cobitis fossilis, welches reife Eier hatte; hier ver- hält sich die Eikapsel ungefähr so, wie oben von Bombyx neustria berichtet wurde. Sie ist nur 0,006‘ dick, ohne zel- 1) Zeitschr. f.wiss. Zool. 1854, Hft. U. 2) Dieses Archiv 1854. Hft. II. 9) Dieses Archiv 1854. Hft. III. 476 Frz. Leydig: lige Zeichnung (Fig. 44), und von äusserst zahlreichen, senk- rechten Porencanälen durchsetzt. Zugleich mit dem weibli- chen Thier war auch eine männliche Cobitis fossilis eingefan- gen worden, und ich verglich daher neben einander den Breitendurchmesser des Kopfes der Zoospermen und mit dem der Porencanäle. Es zeigte sich, dass die letzteren kaum halb so breit sind, als die Köpfe der Samenkörperchen. Doch bin ich weit entfernt, aus dieser Beobachtung eine Frage ent- scheiden zu wollen, die wohl noch einige Zeit braucht, um spruchreif zu werden. Würzburg im Januar 1855. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Senkrechter Schnitt durch die obere Lamelle einer Flügel- decke vom Hirschkäfer (Lucanus Cervus) (nach Kalibehandlung). aa. die sich kreuzenden und homogenen Chitinlagen, bb. die den Binde- gewebskörperchen entsprechenden Hohlräume. Fig. 2. Einige Chitinlagen (aa. der vorigen Figur) von der Fläche gesehen. Fig. 3. Hautrand der Bauchschienen vom Ohrwurm (Forficula auricularia): a. Borsten, b die Hautcanäle. Fig. 4. Oberfläche und Rand der Flügeldecken von Dytiseus stria- tus: a. die Porencanäle von der Seite, b. von oben, c. die netzför- migen Furchen auf der freien Fläche statt polygonaler, epitelartiger Felder. > Fig. 5. Chitinhaut von Ixodes testudinis: a. Borste, b. die weiten Hautcanäle, c. die feinen Hautcanäle. Fig. 6. Senkrechter Schnitt durch die Haut der Vogelspinne (My- gale avicularia): a. die homogenen Lagen der Chitinhaut, b. die Haut- canäle, ce. die nichtchitinisirte weiche Hautschicht. Fig. 7. Haut von Armadillo pulchellus: a. die verkalkte Chitin- haut, b. deren weite Kanäle, c. schuppenartige Erhebungen der Ober- fläche, d. die weiche Hautlage. Fig. 8. Verkalkte Haut von Julus terrestris: a. die epitelartige Zeichnung der Oberfläche, b. die Canäle, c. die feinen und weiten Hautcanäle an der Ausmündung betrachtet. Fig. 9. Senkrechte Ansicht der ganzen Haut von Julus terrestris nach Essigsäurezusatz: a. die verkalkte äussere Lage mit den feinen und weiten Kanälen, b. die weiche innere Hautschicht, welche zarte Fortsätze in die weiten Canäle der äusseren verkalkten Haut abgiebt. Zum feineren Bau der Arthropoden. 477 Fig. 10. Scheinbarer Flächen-Durchschnitt durch den Kiemenrand von Asellus aquatieus: a. die homogene Cutieula, b. die eigenthüm- lichen zelligen Elemente, deren Wand wie von feinen Porencanälen durchsetzt ist, c. die Bluträume, d. Blutkügelchen. Fig. 11. Ein Läppchen der Speicheldrüse von Ixodes testudinis: a. die'Drüsenblasen, b. eigenthühmliche gestielte Sekretionszellen, c. der Ausführungsgang, dessen Innenhaut in queren Ringen vorspringt. Fig. 12A. Haut und Hautdrüsen der Raupe von Bombyz rubi: a. Haare, das eine mit abgebrochener Spitze, b. Chitinhaut mit den Porencanälen, c. weiche Hautlage, d. Drüsensäckchen. Fig. 12B. Blutkrystall aus dem Magen von /zodes Seiuri. Fig. 13. Ein Muskel von Tetragnatha extensa: a. der Querschnitt, er zeigt ausser der zarten Umhüllung b. (Sarcolemma) eine Rindensub- stanz c., welche vielfache Einbuchtungen nach innen macht, und eine Marksubstanz d., die körnig ist und zahlreiche Kerne besitzt. Die An- sicht von der Seite e. in Verbindung mit dem Querschnitt lehrt, dass dieser „primitive Muskelbündel“ durch Verschmelzung von mehren Pri- mitiveylindern entstanden ist. Fig. 14. Muskeln von Ixodes testudinis: a. die chitinisirte Sehne welche sich theilt, und zarter geworden, das schlauchförmige Sarko- lemma bildet, in b ist letzteres noch erfüllt von der quergestreiften Muskelsubstanz, während in e die Muskeltheilchen herausgefallen sind und das leere Sarkolemma als unmittelbare Fortsetzung der Sehne er- kannt wird. Die Figuren von 1-14 sind bei starker, ungefähr 350maliger Ver- grösserung gezeichnet, die folgende Fig. 15 dagegen ist bei sehr ge- ringer Vergrösserung dargestellt. Fig. 15. Kopfbruststück und Hinterleib von einer jungen aus dem Eiersack genommenen Lycosa saccata, namentlich um die Richtung des Kreislaufes zu versinnlichen. a. Die Augen, b. der Magen mit seinen Aussackungen, c. das Herz. Die Pfeile geben die Richtung der Blutströmungen. Fig. 16. Das ganze Gehörorgan einer Heuschrecke ( Acridium coerulescens), bei geringer Vergrösserung von innen betrachtet. a. Der Nervus acusticus, welcher mit einem Ganglion endet, b., ec, d. die drei Hornvorsprünge an der Innenfläche des Trommelfells e., wo der An- satz und die Endigung des Hörnerven Statt hat; f. der hornige Rahmen des Trommelfells. Fig. 17. Die drei Vorsprünge b., c., d. der vorigen Figur bei starker Vergrösserung und isolirt (nach Kalibehandlung) Die Punkti- rung des Vorsprunges d. rührt von feinen Hautcanälen her, an der Vereinigung von b. und c. bei e. entstehen die polygonalen Aushöh- lungen, in welche sich die Endigungen des Ganglion acusticum legen in £. sind diese Höhlungen mit Luft gefüllt. 478 Frz. Leydig: Fig. 18. Das Ganglion aeustieum isolirt und bei starker Vergrös- serung gezeichnet. a. Der Hörnerv, b. die Anschwellung, zum Theil pigmentirt, ce. die Endigung des Hörnerven mit eigenthümlichen stab- artigen Gebilden. Fig. 19. Dergleichen Stäbchen noch mehr vergrössert, a. von Acridium, liegt innerhalb eines feinkörnigen Nervenschlauches, b. von Locusta viridissima. Auch hier erscheint er gewissermaassen als der Kern eines blasig erweiterten Nervenschlauches, ce. dasselbe von oben angesehen, wo es vierkantig sich zeigt. Fig. 20. Die zwei hinteren Augen von Clubiona claustraria, gering vergrössert (Linse 1. 2 Plösl). In jedem Auge geht ein ziekzackiger Pigmentstreifen a. durch das helle Tapetum b. Fig. 21. Das Auge von Phalangium opilio, bei derselben geringen Vergrösserung, um das zerstreute Tapetum (die hellen Pünktchen in dem schwarzen Augenpigment) darzustellen. Fig. 22. Die Linse des Auges von Phalangium von innen her und bei starker Vergrösserung, um die Canäle a. zu zeigen, welche sie als Hautgebilde mit der Chitinhaut b. gemein hat. Fig. 23. Ein Auge von Salticus aeneus, gering vergrössert und der Fokus auf den Grund des Auges eingestellt, a. der irisartige Pigmentgürtel, b. radiäre dunkle Pigmentstreifen, ce. gelbes Pigment. Fig. 24. Ein Auge von Salticus im senkrechten Schnitt und bei geringer Vergrösserung: a. die allgemeine Chitinhaut des Körpers, b. die Krystalllinse, ec. das dunkle Augenpigment, d. der irisartige Gürtel, e. der sogenannte „Glaskörper“, der eigentlich das Ende der nervösen Elemente vorstellt, f. die Stäbchenschicht, g. Zellenschicht der Retina. Fig. 25. Ein Stückchen Augenpigment der Kreuzspinne (Epeira diadema), bei starker Vergrösserung, a. die Stäbchen im scheinbaren Querschnitt. Fig. 26. Einige Stäbchen isolirt und in ihren Veränderungen dar- gestellt. Fig. 27. Mehre Flitterplättchen des Augentapetums von Argyro- nela aqualtica, bei starker Vergrösserung. Fig. 28. Ein sogenanntes einfaches Auge der Horniss (Vespa cra- bro). a. Die äussere allgemeine Haut, b. die Krystalllinse, c. der so- genannte Glaskörper, d. das Pigment, e. Zellen der Retina. Fig. 29. Ein kleines Stück des senkrechten Durchschnittes vom „fazettirten Auge“ eines grossen südamerikanischen Prionus (starke Vergrösserung): a. die sogenannte Hornhaut, b. deren vordere linsen- förmige Abschnitte, c. die grossen trichterartigen Höhlungen hinter den Linsen innerhalb der geschichteten „Hornhaut“, und in denen die nervösen, muskulösen und pigmentirten Augentheile ruhen. Die folgenden Figuren sind mit Ausnahme von Fig. 48 bei starker Vergrösserung gezeichnet, Zum feineren Bau der Arthropoden. 479 Fig. 30. Eine Fazette des Auges und was dazu gehört vom Fluss- krebs im frischen Zustande. a. Oberfläche des Ganglion opticum (Zel- lenschieht der Retina), b. pyramidale Anschwellung des Nervenstabes c., welcher in den „Krystallkörper“ d. übergeht, e. Hornhautfazette, f. bindegewebige Scheide mit ihren Kernen, die von der Hornhaut kommend bis zum Sehganglion sich erstreckt. Fig. 31. Nervenstab sammt Anschwellung und Krystallkörper, so wie die Scheide, nach Behandlung mit Essigsäure, vom Flusskrebs. Bezeichnung wie in der vorhergehenden Figur. Fig. 32. Augenfazette und was dazu gehört von Herbstia condy- liata: a. Oberfläche des Ganglion optieum, b. Anschwellung des Ner- venstabes ec., d. eine andere vierbucklige Anschwellung, e. Krystall- körper, f. Hornhautfazette, g. deren linsenartige Verdiekung nach innen, h. Scheide. Fig. 33. Aus dem Auge von Procrustes coriaceus: a. Bündel des Sehnerven, b. Ganglion opticum, e'., c?. Anschwellungen der Nerven- stäbe d'., d*., wovon c'. im frischen Zustande dargestellt ist, während c*, die Veränderung nach Wasserzusatz, Essigsäure etc. zeigt, e, zweite vierbucklige Anschwellung, f. Krystallkörper, g. Hornhautfazette, h. deren linsenartige Wölbung nach innen, i. Scheide, k. quergestreifte Muskeln, 1. Tracheen. Fig. 34. Aus dem Auge von einem Dynasles: a. Anschwellung des Nervenstabes b., c. zweite vierbucklige Verdickung, d. Krystall- körper, f. Hornhautfazette, g. Scheide. Fig. 35. Aus dem Auge von Schizodaetyla monstrosa: a. Ober- fläche des Sehganglions, b'. Nervenstab ohne Pigment, b?. mit Pigment geht ohne Gränze über in den Krystallkörper c., d. Hornhautfazette, -e. Scheide. Fig. 36. Aus dem Auge von Mantis religiosa. Bezeichnung wie in Fig. 35, der Nervenstäb bildet nach seinem Ursprung aus dem Seh- ganglion eine bedeutende Anschwellung. Fig. 37. Aus dem Auge von Acridium coerulescens: &. der Ner- venstab, b. der Krystallkegel im frischen Zustande, c. Scheide, d. quer- gestreifter Muskel, e. Pigment. Fig. 38. Das Pigment um einen Krystallkegel von der Horniss (Vespa erabro), um die pupillenartige Anordnung zu zeigen. Fig. 39. Aus dem Auge von Syrphus: a'. Nervenstab ohne Pig- ment, a?, mit Pigment, b. Krystallkegel, c. Scheide, d. Tracheen. Fig. 40. Aus dem Auge der Spinnen: a. Stück von der Linse, man sieht die sich kreuzenden Schichten derselben, b. der sogenannte Glaskörper, c. Nervenzellen, d Nervenfasern mit den stabartigen Ge- bilden. Fig. 41. Zoospermen von Arachniden: a. von Kpeira, b. von Dysdera, ©. von Clubiona, d. von Phalangium. 480 Frz. Leydig: Zum feineren Bau der Arthropoden. Fig. 42. Zoospermen von Izodes testudinis: a. die Entwicklung derselben, b. ausgebildete. Fig. 43. Ein Stück Eischale von Sphinz tiliae, um die zweierlei Porencanäle anschaulich zu machen. Fig. 44. Ein Stück Eischale von einem Fisch (Cobitis fossilis), ebenfalls mit Porencanälen, die aber von einerlei Durchmesser sind, Fig. 45. Ein Stück Eischale von Procrustes coriaceus. Fig. 46. Ein Stück Eischale von Locusta viridissima, mit an bei- den Enden trichterförmig erweiterten Porencanälen. Fig. 47. Ein einzelner Porencanal isolirt dargestellt. Fig. 48. Das Ende des Darmes der Larve vom Ameisenlöwen (Myrmeleon formicarius): a. Darm, b. dessen Tracheen, c. das eigent- liche Ende des Tractus, d. Spinnorgan, e. das Ausmündungsrohr, Fig. 49. Tracheenstamm und sein büschelförmiges Zerfallen von der Wasserspinne (Argyroneta aquatica). Fig. 50. Stück eines Tracheenstammes von Tetragnatha: a. die helle bindegewebige Hülle, b. die Chitinhaut mit ihren Vorsprüngen nach innen. So weit die schwarze Schattirung reicht, ist noch die Luft zugegen, der helle Theil ist Iluftleer. Fig. 51. Stück eines Tracheenstammes von Segestria, um die eigenthümlichen Conturen zu zeigen, welche durch die Vorsprünge der Chitinhaut nach innen erzeugt werden. Bezüglich der hellen und dun- keln Partie gilt die Bemerkung von vorhin. Fig. 52. Stück einer Trachee von Lycosa saccata, dunkel, wo noch lufthaltig, hell, wo luftleer. Fig. 53. Zeigt das Verhältniss, in welchem die Tracheen a. zur Bindesubstanz b. stehen, von Locusta viridissima. H. Luschka: Zur Entwickelungsgeschichte der Gelenke. 48] Zur Entwickelungsgeschichte der Gelenke. Von Prof. H. Luschka in Tübingen. (Hierzu Taf. XIX.) Aıs ich durch die Untersuchung der Schambeinfuge des Men- schen (vgl. Virchow’s Archiv 1854. S. 299) die Ueberzeugung gewonnen hatte, dass diese Knochenverbindung die niederste Stufe der Gelenksformation überhaupt darstelle, da ergab sich der Gedanke von selbst, dass sie zugleich ein gewisses Entwickelungsstadium eines fertigen Gelenkes repräsentiren möchte. Nachdem ich schon früher beim Foetus verschie- dener Thiere und des Menschen über dem Gelenksknorpel eine faserige Substanz häufig gefunden hatte, und am Knorpel der Schamfuge nachher sah, wie eine eben solehe über dessen hyaliner Grundmasse ausgebreitet liege und überdies verschie- den gestaltete, mikroskopisch kleine Fortsätze produeire und endlich dass mitunter, indem diese Fortsätze nebst ihrer bindegewebigen Unterlage zu einer synovialen Flüssigkeit zer- schmelzen, eine weitere, durch glatte Knorpelflächen begrenzte Höhle erzeugt werde; da erschien es mir unzweifelhaft, dass dieses der gesetzmässige Vorgang bei aller Bildung höherer Gelenke sein möchte. Wenn man auf die unsern Gegenstand betreffenden An- gaben der Schriftsteller zurückblickt, und anstatt irgend einer Erklärung des Geschehens bei der Gelenksbildung, der nichts- sagenden Bemerkung begegnet: „die Gelenke entstehen da- durch, dass sich die Knochen von einander abgliedern“ oder „bei der Gelenkbildung sammle sich eine lichte Feuchtigkeit zwischen den Knorpeln an, und diese werde von einer Haut, Müller» Archiv. 1850. sl 482 H. Luschka: der Synovialhaut, begrenzt;* dann darf ich wohl hoffen, dass meine gegenwärtigen Mittheilungen als die Vorläufer einer grössern Arbeit gerne entgegengenommen werden. Da die meisten Gelerike bei denjenigen Embryonen, in welchen das Knorpelskelet bereits fertig ist, schon zu einem Grade von Ausbildung gediehen sind, dass man nicht hoffen kann, hier die Anfänge derselben zu erforschen; die Em- bryonen aus einer frühern, der Bildung des Knorpelskelets vorausgehenden Periode aber, der Weichheit des ganzen Ge- webes und der Unmöglichkeit einer genügenden Sonderung wegen, zur Erzielung überzeugender Resultate durchaus nicht geeignet schienen, so habe ich einen andern Weg eingeschla- gen, welcher, wenn er auch nicht zu einer definitiven und allseitigen Erledigung der Sache hinführt, doch einige Auf- klärung und unter allen Umständen kennenswerthe That- sachen eröffnen wird. Es finden sich nämlich einerseits manche Stellen des Kör- pers, an welchen eine Gelenksbildung bisweilen erst nach der Geburt auftritt, und andererseits an fast allen Gelenken des Neugeborenen noch Spuren des muthmasslichen Ent- wickelungstypus. In ersterer Beziehung erschien es mir vor Allem beleh- rend, die Verbindungsstellen der 2—7 Rippe mit dem Brust- beine, und die Vereinigung zwischen Handgriff und Körper des Sternum zu studiren. An der Stelle einer gegliederten Verbindung zwischen zweiter bis siebenter Rippe und dem Brustbeine, finde ich nicht selten eine, durch eine faserige Substanz vermittelte Continuität. Die solide, der Dicke des Rippenknorpels ent- sprechende Faserung geht ohne scharfe Grenze aus dessen Grundsubstanz hervor und verliert sich ebenso in der den Sinus costalis des Brustbeinrandes auskleidenden Knorpel- masse, An diese Wahrnehmungen schliessen sich jene Beobach- tungen an, denen zufolge inmitten jener Faserung eine ganz kleine Höhlung besteht zum Zeugniss, dass hier die Gelenks- bildung auf einer frühern Stufe stehen geblieben ist. Man Zur Entwickelungsgeschichte der Gelenke 483 findet den Knorpel, sowohl der Rippe als des Sinus costalis sterni, mit einer sehr reichlichen, mit der Seitenwandung, der künftigen Synovialmembran, continuirlichen, in die hyaline Grundsubstanz jener Knorpel übergehenden Faserung bedeckt, welche an ihrer der Höhle zugekehrten Fläche ein vielfach zerklüftetes, durch das Hereinragen im Zerfalle begriffener Faserbündel, unebenes Ansehen darbietet. Die ganze An- ordnung der die Höhlung begrenzenden Gewebstheile gewährt den Eindruck eines sie betreffenden, allmälig fortschreitenden Schmelzungsprocesses. Es ist sehr bemerkenswerth, dass die Auflösung jener die Knorpel überdeekenden Substanz in der Regel bei der Ent- wiekelung der Sternocostalgelenke nicht durchgreifend statt- findet, indem sich fast ausnahmlos beim Erwachsenen am Gelenksende des Rippenknorpels, eine bald mehr homogene, bald mehr gestreifte oder auch faserige Lage vorfindet, von welcher aus im Verlaufe der Zeit verschieden gestaltete, blatt- ähnliche, oder mannigfaltig geästigte Fortsätze in „die Ge- lenkshöhle herein zu wachsen pflegen. (Fig. le.) Das, was sich zwischen dem Ende des Knorpels der zweiten bis sie- benten Rippe und dem Brustbeine, als Ausnahme findet, d.h. eine durch eine faserige Substanz vermittelte Continuität, das erscheint bei der Verbindung zwischen Körper und Hand- griff des Sternum als Regel. Hier geschieht die Vereini- gung, wenn nicht, was nach dem 40. Lebensjahre sehr häufig der Fall ist, eine völlig knöcherne Oontinuität besteht, fast ausnahmlos durch eine faserige Substanz, welche die beiden, jenen Knochenstücken angehörigen, aus ächtem Knorpel be- stehenden Scheiben verbindet. Die Faserung geht ohne scharfe Grenze aus der Grundsubstanz der Scheiben, deren fibrillären Zerfall sie hauptsächlich darstellt, hervor und enthält ausser einer Anzahl in sie hineingestreuter Knorpelzellen, ausge- zeichnet viele feinste elastische Fasern. An der zweiten Rippe erstreckt sich die Fasermasse gemeinhin so weit nach aus- wärts in den Sinus costalis, dass sie in Verbindung steht mit der das Gelenksende des Knorpels in zwei Fagetten schei- denden Kante. 31* 484 H. Luschka: Nur in höchst seltenen Fällen habe ich in einer sehr grossen Anzahl darauf geriehteter Untersuchungen zwischen Handgriff und Körper des Brustbeins eine Höhle gefunden, und ebenso ist eine solehe meinem verehrten Collegen Bruns, welcher diesem Gegenstande ebenfalls seit langer Zeit bei jeder Gelegenheit seine Aufmerksamkeit zugewendet hat, nach mir gemachter Mittheilung in mindestens 50 Sectionen nur zuweilen spurweise vorgekommen. Meine Wahrnehmungen betreffen ein zweijähriges Kind, bei welchem die spaltförmige Höhlung den Umfang einer Linse, und zwei erwachsene Personen, bei welchen sie die Grösse einer Kaffeebohne dargeboten hat. Die innere Oberfläche sämmtlicher dieser Höhlen war nicht glatt, sondern mit zahllosen theils einfachen blattähnlichen, theils mehrfach gelappten, theils faserig aus einander gefallenen Fortsätzen besetzt, welche aus dem die Höhle begrenzenden Gewebe in diese hinein gewuchert und sie grösstentheils erfüllt hatten. Dass auch hier die Höhle durch Verflüssigung der ur- sprünglich soliden Bindesubstanz muss zu Stande gekommen sein, und dass dann erst secundär das Auswachsen des übri- gen Gewebes in Gestalt der bezeichneten Fortsätze wird stattgefunden haben, dürfte nicht minder richtig sein, als dass, wie wir es an den normalmässigen Gelenken zeigen werden, auch hier, indem durch Schmelzung später entstandener Bin- degewebsfortsätze die Höhlung vergrössert und die ächte Knorpelsubstanz freigelegt und geglättet wird, mitunter eine alle Attribute eines wahren Gelenkes darbietende Einrichtung entstehen könne, wie sie in der That zur Beobachtung von Maisonneuve (vgl. Archiv. general. Juil. 1842) gekommen zu sein scheint. Diese und ähnliche Versuche der Natur ein Gelenk zu bilden, hat man vielleicht auch nach einer andern Seite hin zu beobachten Gelegenheit. Es sind die sog. widernatürlichen Gelenke wohl in den meisten Fällen anfangs solide faserige Verbindungsmittel von Knochenfragmenten unter einander. In ihnen kann im Verlaufe der Zeit eine, bis zur Bildung einer dünnwandigen Kapsel fortschreitende Verflüssigung der Zur Entwiekelungsgescbichte der Gelenke. 485 Bindesubstanz zu einer synovialähnlichen Masse erfolgen, welche man denn auch, wenn ich recht berichtet bin, bei operativen Eingriffen wirklich ausfliessen gesehen hat. Ein sehr bedeutendes Interesse gewährt als Ausdruck normalmässigen Stehenbleibens auf einer frühern Ent- wickelungsstufe, das Unterkiefergelenk. Es ist bekannt, dass hier über einer beim Erwachsenen sehr dünnen, beim Neu- geborenen mächtigern Schiehte echter Knorpelsubstanz, eine verhältnissmässig dicke, sehr viele elastische Elemente ent- haltende Fasermasse liegt, welche, wie ich finde, gewöhnlich eine Anzahl feiner Fortsätze produeirt, die, obschon meist in die Gelenkshöhle frei hereinragend, doch nicht selten mit dem Gewebe des Meniscus zum Theil verwachsen sind. In Erwägung der morphologischen Verwandtschaft der Rippen mit dem Unterkiefer, habe ich es nicht unterlassen, deren Vertebralverbindungen, in Beziehung auf die Natur des Gelenksknorpels näher kennen zn lernen, und wurde nicht wenig überrascht, auch hierin eine Aehnlichkeit zu finden. Ueber einer Schichte hyalinen Knorpels (Fig. 2.a) befindet sich am Capitulum eostae, und da wo es vorkommt, auch am Tubereulum der Rippe, eine sehr mächtige Lage einer Fasersubstanz, welche ganz allmälig aus der homogenen Grundsnbstanz desselben hervorgeht und in ihrer an diese zunächst anstossenden Schichte ein höchst eigenthümlich ge- formtes, von dem des Unterkiefergelenkes abweichendes Ge- rüste darstellt. Die Faserung erscheint hier nämlich unter der Gestalt eines mannigfaltig verästigten Balkenwerkes. (Fig. 2.b.) Die stärkern, eine durehsehnittliche Breite von 0,008 mm, besitzenden Balken sind entweder homogen oder fein gestreift oder endlich wie im faserigen Zerfalle begriffen. Sie spalten sich vielfach gabelig, geben, während ihres nach allen Richtungen gehenden Verlaufes, gröbere und feinere Fasern ab, und fallen an ihren Enden meist pinselartig aus- einander, Die aus den gröbern, in schr wechselnder Weise angeordneten Balken hervorgegangenen Fasern treten unter einander in die allermannigfaltigste Verbindung und veran- lassen #0 die Erzeugung eines, rundliche Räume einschliessen 486 H. Luschka: den Maschenwerkes. Sowohl in den Balken selber, als in manchen von structurloser Bindesubstanz erfüllten Räumen, findet sich da und dort eine Knorpelzelle, oder auch eine sehr feine elastische Faser. Gegen die freie Fläche des Gelenksknorpels hin laufen die aus dem bezeichneten Balkenwerke ausstrahlenden fei- nern Fibrillen, in eine grösstentheils structurlose Bindesub- stanz aus, welche nur vereinzelte Knorpelzellen trägt, da- gegen ausgezeichnet viele feine elastisehe Fasern im fertigen und in der Entwickelung begriffenen Zustande (Fig. 2e). Ob- sehon diese ganze Anordnung sieh im Wesentlichen an durch sorgfältige Perpendieularschnitte gewonnenen Objekten ohne alles Reagens erkennen lässt, so tritt sie doch erst nach Zu- satz von concentrirter Essigsäure in ihrer vollen Deutlichkeit hervor. Mit Ausnahme der eben bezeichneten Gelenke der Rippen, der Sternocostalgelenke, des Gelenkes des Unterkiefers, be- findet sich über der Substanz des Knorpels aller übrigen Gelenke des Erwachsenen, im normalen Zustande entweder gar keine von seinem Gewebe verschiedene, oder nur eine äusserst dünne Schichte einer durchscheinenden, von geform- ten Elementen freien Masse. Ganz anders verhält es sich beim Foetus und, worauf ich besonders aufmerksam machen will, beim Neugeborenen. An den verschiedensten (Gelenken habe ich hier über dem Knor- pel eine bald mehr faserige, bald mehr homogene oder nur schwach gestreifte, an Perpendieularschnitten einen unregel- mässigen Saum darstellende Substanz gefunden, welche übri- gens so ohne alle scharfe Grenze aus der Knorpelgrundmasse hervorgeht, dass ich nicht anstehe, dieselbe als einen zu ihr gehörigen und nur als Rest der Entwiekelung des Gelenkes erscheinenden Bestandtheil zu betrachten. Dasjenige, was an dieser Substanz am meisten in die Augen fällt, und was ich die Fachgenossen an den Gelenks- knorpeln der Zehen des Neugeborenen, der hier besonders schönen Ausprägung wegen, nachzusuchen bitte, das sind verschieden gestaltete Auswüchse derselben (Fig. 3e). Zur Entwickelungsgeschichte der Gelenke. 487 Diese Fortsätze finden sich namentlich hier ausnahmlos und in grösster Anzahl. Sparsamer traf ich sie über dem Knor- pel des Hüftgelenkes, Knie- und Schultergelenkes, und ande- rer gegliederter Knochenverbindungen. Die gewöhnlichsten Gestalten der Auswüchse sind blattähnlich, häufig den Blät- tern des Rohrschilfes vergleichbar, aber auch in verschieden anderer Weise geformt. Sie haben eine Länge von 0,04— 0,08mm. Neben einfachen solchen Productionen, die bald vereinzelt, bald in grösserer Anzahl über einem Gelenks- knorpel vorkommen, sieht man auch verästigte, bisweilen busch- oder strauchähnliche Formen. Die Fortsätze selbst sind gleich wie die Substanz, aus der sie ausgewachsen sind, bald ganz structurlos oder fein längsgestreift, bisweilen deut- lich gefasert und dann öfters korkzieherähnlich aufgerollt. Gegen Essigsäure und Aetzkalilösung verhalten sie sich wie Bindegewebe. In manchen befinden sich eine oder mehr feinste elastische Fibrillen, nicht selten auch eine Knorpelzelle. Von sehr bedeutendem Interesse erschienen mir diejenigen Wahrnehmungen, in welchen sich nur noch Spuren dieser Fortsätze und ihres Mutterbodens vorfanden, und auch diese wie im Zerfalle und in der Auflösung begriffen waren, weil sie uns eine Einsicht gewähren: wie durch jene Verflüs- sigung einerseits, die Synovia ensteht, anderer- seits die Knorpeloberfläche allmälig bis zu dem Grade geglättet wird, wie sie uns im vollendeten Gelenke zur Anschauung kommt. Wenu man die hier in Kürze mitgetheilten Erfunde über- blickt, dann wird man wohl einige Berechtigung haben zur Annahme: dass bei seiner Entwickelung an denjenigen Thei- len des Skeletes, welche in eine gegliederte Verbindung tre- ten sollen, anfangs mindestens die Intercellularsubstanz des Knorpels vollständig continuirlich sei, später aber da, wo ein Gelenk auftritt, im Innern eine Verflüssigung erfahre, nach aussen hin aber faserig zerfalle und überdies zum Theil die Bildungsstätte für Blutgefässe und isolirte elastische Fi- brillen darstelle. Aus den Resten jener jetzt als Bindesub- stanz erscheinenden theils homogenen, theils faserigen Inter- 488 H. Luschka: Zur Entwickelungsgeschichte der Gelenke. cellularmasse wäre abzunehmen, dass die auch sie bis zu einem gewissen Grade betreffende Schmelzung, nur so all- mälig fortschreite, dass inzwischen aus ihr noch jene Fort- sätze herauswachsen können, (was begreiflich durch die wäh- rend des Uterinallebens nur geringe Abnützung der meisten Gelenke sehr begünstigt wird) um schliesslich ebenfalls der Auflösung entgegen zu gehen. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Senkrechter Durchschnitt des Gelenksendes des Knorpels der dritten Rippe eiues 18jährigen Menschen. (200mal vgr.) a) Hyaline Grundsubstanz mit zahlreichen Knorpelzellen. b) An Formelementen arme, über dem Knorpel liegende Bindesub- stanz, aus welcher verschieden gestaltete bis 0,08mm. hohe Fortsätze hervorgewachsen sind. e.c. Fig. 2. Perpendieularschnitt durch den Gelenksknorpel des Köpfchens der dritten Rippe des nämlichen Individuum (500 ml. vgr.) a) Hyaliner, an den Knochen anstossender Knorpel. b) Aus diesem hervorgehendes, einen faserigen Zerfall seiner Grund- substanz darstellendes Balkenwerk, mit da und dort eingestreuten Knorpelzellen, c) Die oberste Schichte des Gelenksknorpels bildende, theils homo- gene, theils durch Ausläufer jener Balken, und durch feine elastische Fibrillen gefaserte Substanz. Fig. 3. Senkrechter Durchschnitt des Gelenkknorpels vom Köpf- chen der 2ten Phalange der kleinen Zehe eines Neugeborenen. a) Hyaliner Knorpel. b) Diesen bedeckende, feinfaserige Substanz, aus weleher c) zahlreiche, blattähnlich gestaltete Fortsäze ausgewachsen sind, A. Krohn: Ueber die Sprösslinge von Autolytus prolifera. Gr. 480 Ueber die Sprösslinge von Autolytus prolifera Gr. Von Dr. A. Kronn. (Briefliche Mittheilung an den Herausgeber.) Die Abhandlung von Dr. M. Müller über Sacconereis helgolan- dica im Archiv 1855 veranlasst mich, Ihnen einige Bemerkungen mitzutheilen, die Sie interessiren dürften. Die beiden von M. Müller so sorgfältig untersuchten Anneliden, deren geschlecht- liche Beziehung zu einander derselbe bereits mit richtigem Blick vermuthet, sind mir seit dem Spätsommer 1850, den ich in Helgoland zugebracht, sehr wohl bekannt. Nach den daselbst angestellten Beobachtungen über ihre Entwickelung kann ich in vollster Ueberzeugung aussprechen, dass sie keinesweges zur Aufstellung einer neuen Gattnng und Art berechtigen, in- dem sie nichts anderes, als die freigewordenen Sprösslinge von Autolytus prolifera Grube (Nereis prolif. OÖ. F. Müller) sind. Als solcher habe ich ihrer in meinem Aufsatze über die Erscheinungen bei der Fortpflanzung von Syllis prolifera und Autolytus prolifera gedacht. Arch. f. Naturgesch. 1852. Bd. 1. p. 70. Meine Beschreibung des Männchens ist, wie ich leider eingestehen muss, nicht ganz genau, auch insofern mangelhaft, als ich über dem Bestreben mich kurz zu fassen, manche wichtige Theile, wie z. B. die dorsalen Fühlereirren, nicht erwähnt. Nichtsdestoweniger ist leicht ersichtlich, dass das, was ich für den mittleren Kopffühler angesehen, gleich- bedeutend mit dem unpaaren dorsalen Cirrus (M. Müll. fig. 9e) ist, während die beiden als tentakelförmige Vorsprünge be- zeichneten Fortsätze den kurzen dorsalen Stirnfühlern (fig. 9a) entsprechen. An meiner Vermuthung, dass Nereis corniculata ©, F, Müll. (Diplocergea corniculata Grube, Arch. f. Natur- 490 A. Krohn: Ueber die Sprösslinge von Autolytus prolifera Gr. gesch. 1850. Bd. 1. p. 312) mit dem männlichen Sprössling von Autolytus identisch sei, halte ich auch noch jetzt fest. Mit besonderm Interesse ersehe ich, dass das Weibchen die Brut in einem eigenen Sacke mit sich herumführt. Es ist dies um so beachtenswerther, als die Familie der Syllideen, zu der Autolytus gehört, noch einige andere Beispiele einer den Weibchen übertragenen Brutpflege aufzuweisen hat. Ich er- innere an Exogone, Cystonereis und Syllis pulligera Am Sehlusse meiner Abhandlung habe ich die merkwürdige Fort- pflanzung von Autolytus auf die Erscheinungen beim Genera- tionswechsel zurückzuführen gesucht. Jetzt, nachdem durch Dr. M. Müller die aus den Eiern der Sprösslinge hervorge- henden Jungen bekannt geworden, finde ich um so mehr Grund auf jener Ansicht zu beharren, da ich kaum bezweifle, dass diese Jungen, nach überstaudener Metamorphose, zu proliferirenden Stammindividuen auswachsen. Vielleicht dürfte Dr. M. Müller sich bewogen fühlen, auf diese Andeutungen hin, einen Nachtrag zu seiner interessanten Abhandlung zu liefern'). Bonn, den 11. Juni 1855. 1) Als ältere auf das trächtige Weibchen mit dem Eiersacke be- zügliche Beobachtung ist noch die Scolopendra marina von Slabber, natuurkundige verlustigingen. Haarlem 1778 p. 83 pl. 10 fig. 3—5 zu erwähnen, welche jedoch weder genügend beschrieben, noch hinrei- chend genau abgebildet ist. Anmerkung des Herausgebers. N ! | | 7 h } A. Krohn: Ueb. d. früh. Entwickelungsstufen d. Pelagia noctiluca. 49] Ueber die frühesten Entwickelungsstufen der Pelagia noctiluca. Von Dr. A. Kronn. (Hierzu Taf. XX.) Unter der Menge kleiner Medusen, die man bei Messina, an windstillen Tagen, dicht an der Meeresoberfläche herum- schwärmen sieht, findet sich auch nicht selten eine noch we- nig ausgebildete Schirmqualle, deren Entwickelungsstadium dem der jungen, von ihrer polypenförmigen Amme unlängst abgelösten Med. aurita (s. Sars über die Entwickelung der Med. aurita und Cyanea capillata, Arch. f. Naturgesch. 1841. Bd. 1, p. 9—34. Tab. II, Fig. 47 u. 48) vollkommen zu ent- sprechen scheint. Ihr wenig gewölbter Schirm ist in acht verhältnissmässig lange, an den Enden durch einen Einschnitt in zwei Zipfel getheilte Randlappen ausgezogen, und beträgt, inclusive der letztern, etwa 1” im Durchmesser. Jeder Rand- lappen ist mit einen in den Einschnitt vorragenden Rand- körper versehen, dessen knopfförmig angesehwollenes Ende nur eine geringe Zahl der bekannten krystallinischen Stein- chen enthält. Mitten von der Unterseite des Schirms hängt das sogenannte Mundrohr herab, ein viereckiger hohler Fort- satz, auf dessen freiem Ende der Mund sich befindet, und dessen Höhle in den die Scheibe einnehmenden Magen führt. Es entspricht dieses Rohr, wie es schon Sars (l. ce. p. 14) an Med. aurita nachgewiesen hat, der Basis oder dem Stiel der vier künftigen Arme, deren Anlagen man in der Gestalt kurzer, abgerundeter, über den Mund hervorragender Läpp- chen bereits wahrnimmt. Der Magen ist der Zahl der Rand- 492 A. Krohn: Ueber die frübesten lappen entsprechend, in acht innerhalb der letztern bis zu den Randkörpern sich erstreckende Nebensäcke ausgestülpt. Von den Zeugungsorganen lassen sich blos einzelne Fühlfäden unterscheiden, nämlich vier winzige, konische, einander dia- metral gegenüber von der untern Wand der Magenhöhle sich erhebende und frei in sie hineinragende Fortsätze. Der Mus- kelapparat besteht aus einer schmalen kreisförmigen Faser- binde am Scheibenrande. und zwei dünnen Bündeln an jedem Randlappen, welche nach dessen Länge bis zu den End- zipfeln verlaufen. Die Oberfläche des Schirms ist mit ein- zelnen runden, verhältnissmässig grossen, von einem rothen körnigen Pigment umgebenen Nesselkapseln besetzt. Diese junge Qualle hatte ich in früheren Jahren wieder- holt beobachtet, ohne dass es mir gelingen wollte, etwas Sieheres über ihre Abstammung zu ermitteln. Es liess sich nach der Anordnung ihrer Verdauungsorgane nur so viel ver- muthen, dass sie wahrscheinlich das Junge einer Pelagia, namentlich der im Mittelmeer so weit verbreiteten ?. noctiluca sei. Diese Vermuthung hat sich denn auch im Winter von 1853 auf 54, wo ich sie zuerst in vorgerückteren Stadien an- traf, vollkommen bestätigt. Gattung und Art waren somit festgestellt und glaubte ich nach der oben beschriebenen Ent- wieckelungsstufe voraussetzen zu dürfen, dass die P. noctiluca, in Bezug auf ihre frühste Entwickelungsperiode, in nichts Wesentlichem von Medusa und andern zur Familie der Me- dusiden gehörenden Gattungen, wie Cyanea, Chrysaora, Ce- phea, Cassiopea, abweichen werde. Es musste mich daher nicht wenig überraschen, als mir im Januar eine noch viel jüngere Entwickelungsstufe als die eben gedachte, und im Lauf des Februar deren mehrere in verschiedenen Ueber- gangsformen zu Gesicht kamen. Die jüngste Form zeigte sich von so einfacher Bildung, dass sie mir dem Embryonen- zustande nicht sehr fern schien. Es liess sich an ihr nicht einmal eine Andeutung der künftigen radialen Gestalt erken- nen. Die Aufgabe war nun zu erfahren, in welcher Gestalt wohl der Embryo das Ei verlasse. Zu diesem Zweck wur- den eine Meuge Weibchen nach einander genau untersucht, Entwiekelungsstufen der Pelagia noctiluca. 493 aber ohne allen Erfolg, denn es liessen sich weder in den Eierstöcken Spuren einer beginnenden Entwickelung, noch an den Armen, in denen bei mehreren Schirmquallen be- kanntlich die junge Brut bis zu ihrer Reife verweilt, Em- bryonen entdecken. Es blieb mir nun nichts anders übrig, als zur künstlichen Befruchtung meine Zuflucht zu nehmen. Die ersten zu diesem Behuf unternommenen Versuche schlu- gen fehl, wogegen der letzte, mit mehr Aussicht auf Erfolg im April angestellte, vollkommen gelang '). Wenige Stunden nach der Befruchtung stellte sich in den meisten Eiern die Furchung ein, und um die 32ste Stunde sah ich die ersten ausgeschlüpften Embryonen. Die ausgeschlüpften Embryonen (Fig. 1—4) sind walzen- förmige, mehr oder weniger in die Länge gestreckte Wesen, deren eines Ende (a), das beim Schwimmen stets voraus- geht, abgerundet ist, während das andere (b) mehr abgestutzt erscheint. Die längern Exemplare (Fig. 1 u. 2), die fast im- mer sehr schmächtig sind, messen !/, bis an 1 Mm., die kür- zern, von mehr untersetzter, oft länglich-ovaler Gestalt (Fig. 3 und 4), meistens ®/% Mm.?). Alle diese Embryonen sind halb- durchsichtig, von der Farbe des mattgeschliffenen Glases. Dies Ansehen rührt von einer weisslichen, zarten, aus klei- nen Körnern zusammengesetzten Hülle her, welche die glas- helle Leibessubstanz äusserlich überzieht. Der äussere Ueber- zug ist dieht mit feinen, kurzen Cilien besetzt, durch deren Thätigkeit die Embryonen, unter fortwährenden Rotationen um die Längsachse, ziemlich rasch im Wasser fortgleiten. Ist das abgestutzte Ende aufwärts gerichtet, so zeigt sich seine Fläche sichtlich eingedrückt oder vertieft, und im Centrum mit einer äusserst kleinen runden Oeffnung versehen. Diese 1) Zu diesem Versuche wurden Eier benutzt, die ich von den Ovarien bereits losgelöst fand. Sie lagen in unzählbarer Menge auf der Oberfläche derselben, eingehüllt in eine glashelle Substanz von eiweissartiger Consistenz. 2) Achnliche Ungleichheiten in der Form zeigen, nach Sars (Il. c.), auch die Embryonen von Cyanea. Einige sind oval, andere mehr lang- gestreckt, oder fast cylindrisch. 494 A. Krohn: Ueber die frühesten Oeffnung ist der Mund, der in eine rundliche, scharfumschrie- bene, das hintere oder untere Leibesdrittel einnehmende Höhle, den Magen (e) führt!). Aus der mehr oder minder langgestreckten Form der Em- bryonen soll nun allmählich die Gestalt einer schwach ge- wölbten Scheibe, wie sie dem Schirm in der gleich eingangs beschriebenen Entwickelungsstufe eigen, hervorgehen. Es ge- schieht dies dadurch, dass der Leib des Embryo von jetzt an ausschliesslich in die Breite sich entwickelt. Schon am nächstfolgenden Tage erscheint er sichtlich aufgetrieben, na- mentlich in seiner untern Hälfte (Fig. 5). Der Magen (d) zeigt sich nun erweitert, die am Munde durchbrochene Fläche (die Unterseite der künftigen Scheibe) augenscheinlich ver- grössert. Letztere (ce), welche am Embryo eingesenkt war, tritt nun, wahrscheinlich in Folge des vom Magen in grösse- rer Menge aufgenommenen, mit Nahrungsstoffen geschwän- gerten Wassers, gewölbt nach aussen vor, während der sie begränzende Umkreis oder Rand (b) wulstig verdickt erscheint. An diesem Rande bemerkt man am dritten Tage acht kurze, platte, in eine abgerundete Spitze auslaufende Fortsätze (Fig. 6, e,e). Es sind, wie leicht zu errathen, die unlängst hervorgewachsenen Randlappen, mit welchen gleichzeitig eben so viele Nebensäcke am Magen sich entwickelt haben. Wäh- rend nun der Leib immer mehr in die Breite wächst, bilden sich die Randlappen rasch zu ihrer spätern Gestalt heran. In einem nächstfolgenden Stadium (Fig. 7) lassen sich an ih- nen bereits die Rudimente der Randkörper unterscheiden, deren Knöpfe (f,f) man aus einem seichten Einschnitt am Unterrande der Lappen hervorragen sieht. Inzwischen hat sich der Mund vergrössert und findet sich nun am Ende eines äusserst kurzen, röhrenförmigen Vorsprungs (g), welcher be- greiflich nichts anderes sein kann, als der noch rudimentäre 1) Den Mund und Magen unterscheidet man schon deutlich an den reifen, noch von der Eihülle eingeschlossenen, in immerwährender Drehung begriffenen Embryonen. Letztere sind übrigens kürzer und runder als die ausgeschlüpften. Demnach muss sich ihr Leib nach der Geburt sehr rasch verlängern. Entwiekelungsstufen der Pelagia noectiluca. 495 Stiel der vier künftigen Arme. Beim Schwimmen, das übri- gens weniger rasch vor sich geht als früher, sind zwar noch immer die Cilien, womit die Oberfläche besetzt ist, vorzugs- weise thätig. Doch hilft jetzt auch der Schirm zeitweise mit, indem er sich namentlich an seiner Basis abwechselnd contra- hirt und expandirt, wobei zugleich die Randlappen rudernd hin- und hergeschwenkt werden. Es wachsen nun bald die beiden Zipfel aus den Randlappen hervor, in den Knöpfen der Randkörper erscheinen die ersten Krystalle, und es schwin- det der Wimperbesatz, so dass das junge Thier von nun an, nach Art der ältern scheibenförmigen Individuen, nur durch Zusammenziehungen des Schirms sich fortbewegt. Die weitern Veränderungen bis zum Uebergang in das gleich anfangs geschilderte Stadium, bestehen hauptsächlich darin, dass die Randlappen und ihre Zipfel sich verlängern, der Stiel der Arme immer stärker sich ausbildet und nach und nach auch die hohe Wölbung des Schirms sich verliert. Wäh- rend dieser Zeit hellt sich der äussere Ueberzug, dessen bei der Beschreibung der Embryonen erwähnt wurde, immer mehr auf. Es scheint dies mit dem Erscheinen der Nesselorgane, die sich in ihm entwickeln, in Zusammenhang zu stehen. Der Entwickelungsgang in den nächstfolgenden spätern Sta- dien stimmt im Allgemeinen mit dem bei Med. aurita und Cyanea capillata überein (vergl. Sars |. e.). Mit dem Heranwachsen des jungen Thieres bilden sich nämlich am Schirm die Räume zwischen den Randkörperradien, oder die Interradien, wie ich sie bier nennen will, mit den in ihren Bereich fallenden Orga- nen allmälig aus, während die Randlappen gegen die Scheibe, die sich sehr viel rascher vergrössert, mehr und mehr im Wachsthum zurückbleibent), Ist die junge Pelagia bis an 3" 1) Bemerkenswerth ist, dass die von Eschscholtz unter dem Namen Ephyra octolobata beschriebene jugendliche Schirmqualle (System d. Acalephen p. 84. Tab. VIII. Fig. 1), trotz aller Uebereinstimmung in der Gestalt, doch dadurch von den Jungen der Pelagia, Medusa und Cyanea abweichg, dass die Randkörper nicht auf den Randlappen, sondern am Scheibenrande} in den Einschnitten zwischen den letztern liegen, Nach der obigen Bezeichnung wären es also die Interradien, welche sich bei dieser Schirmqualle zuerst entwickeln. ” 496 A. Krohn: Ueber die frühesten im Durchmesser herangewachsen, so erscheinen die Randlap- pen schon um vieles kürzer und breiter. Der Magen ist nun mit sechszehn Nebensäcken, wie in der ausgewachsenen Pe- lagia, versehen, von welchen die acht später entwickelten in- terradialen, bis an die Einschnitte zwischen den Randlappen reicheu, und nicht nur kürzer, sondern auch noch viel enger als die zuerst gebildeten Nebensäcke erscheinen. Bei 4" Durch- messer lassen sich iu den Interradien, und zwar an der Unter- seite der Scheibe, dieht am Rande, bereits die acht Fangfäden oder Tentakeln unterscheiden. Doch sind sie nicht alle gleich stark entwickelt, indem vier ins Kreuz zu einander gestellt, schon die Länge des Schirmdurchmessers erreicht haben, wäh- rend die vier übrigen noch ganz rudimentär erscheinen. Der Stiel der Arme zeigt sich nun länger nnd stärker, während die Arme selbst nicht bedeutend weiter entwickelt sind, als in dem gleich anfangs beschriebenen Stadium. Die Randkörper ent- . halten eine grössere Menge Krystalle, auch hat sich die Zahl der Fühlfäden der künftigen Zeugungsorgane schon verdoppelt. Von den acht interradialen Randlappen ist jedoch noch keine Andeutung vorhanden'). Ueber dieses Stadium hinaus habe ich die Entwiekelung nicht verfolgen können. Es ergiebt sich somit, dass die P. noctiluca, im Gegensatz zu Med. aurita und den andern oben erwähnten Medusiden, ohne Vermittelung einer Ammengeneration sich entwickelt. Diese unter den Schirmquallen, wie es scheint, nur selten vor- kommende Entwickelungsweise wurde bekanntlich zuerst von J. Müller an der Aeginopsis mediterranea nachgewiesen. (Arch. f. Anat. 1851, p. 272. Tab. X1. Vergl. ferner Kölliker in d. Zeitschrift f. wissensch,. Zoolog. Bd. IV. p. 320). _Neuerlich hat sie auch Gegenbaur bei Trachymema eiliatum, einer nach Form und Bau den Oceaniden nahestehenden neuen Gattung und Art beobachtet. (Verhandl. d. mediein. physik. Gesellsch. 1) Nach Eschscholtz (l. cc.) sollen die nur wenige Linien im Durchmesser betragenden Exemplare der Pelagia panopyra, an Fang- fäden und Armen schon ganz mit den grossen übereinstimmen, bis auf die noch wenig entwickelten Geschlechtsorgane. Entwickelungsstufen der Pelagia noctiluca. 497 in Würzburg Bd. IV. p. 204. Tab. II. Fig. 17—23'). Indess fehlt es noch an Aufschluss über die frühesten Entwickelungs- zustände beider Arten. Ohne Zweifel aber stammt das Wim- perkleid, das die sich entwickelnden Jungen anfangs besitzen, wie bei Pelagia, vom Embryo. Auch möchte ich vermuthen, dass letzterer ebenfalls als ein bereits mit Mund und Magen versehenes Wesen aus dem Ei schlüpft. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1—4. Ausgeschlüpfte Embryonen der P. noctiluca, 60 mal vergrössert. 3 Abgerundetes Ende. — b Abgestumpftes Ende, — c Magen. Fig. 5. Entwickelungsstufe vom 2. Tage, a Schirm, — b Wulstiger Rand desselben. — c Gewölbt hervorra- sende Unterseite des Schirms. — d Magen. (Höhe des Schirms etwa 5 Mm.) Fig. 6. Entwickelungsstufe vom 3. Tage. a, c, d wie in Fig. 5. — c, e Anlagen der Randlappen. Fig. 7. Weiteres Stadium. a, c, d, e,e wie in Fig. 6. — f,f Rudimente der Randkörper. — x Anlage des Stiels der künftigen Arme. 1) Zur Gattung Trachynema gehören, allem Anschein nach, auch die beiden von J. Müller beschriebenen, durch Wimperbewegung schwimmenden jungen Medusen. (3te Abhdl. über Echinodermenlarven p- 32 Tab. VII. Fig. 9-11; Arch. f. Anat. 1852, p. 34.) Müller ist indess geneigt, die ältere Form für das Junge der Polyrenia Teucostyla Will zu halten, Müllers Archiv, 1850. 32 498 A. Retzius: Ueber den Ueber den Schädel eines Pampas - Indianers: Vom Prof. A. Rerzıus. (Aus der Öfversigt af K. Vet.- Ak.’s förhandlingar, 1855, No. 1, über- setzt vom Dr, Creplin) Vor einiger Zeit empfing ich den vorzüglich gut erhaltenen und charakteristischen Schädel eines s. g. Pehuenches oder Puelches aus dem südlichen Theile der Republik Buenos-Ayres. Er war von unserm Landsmann, Hrn. Johann Wilhelm Smitt, mitgebracht und dem anatomischen Museum übergeben worden. Besitzer zweier grösseren Estaneias in der Banda oriental, am untern Theile des Uruguay-Flusses, zwischen den Flüsschen Arenal, San Salvador und Espenillo, in der Nähe der Stadt San Salvador, hat Hr. Smitt sich schon seit 1840 ununterbrochen in den Gegenden der s. g. conföderirten La Plata-Republiken und mehrere Jahre in Paraguay aufgehalten. Er hat dadurch Gelegenheit bekommen, wichtige Erläuterun- gen über die wilden Volksstämme, wie über andere Gegen- stände und Verhältnisse in diesen, von uns noch wenig gekann- ten Ländern einzuholen. Der hier in Rede stehende Schädel gehörte einem Indianer mittlern Alters aus dem südlichen Theile der Pampas an, welcher mehrere Wanderungen land- aufwärts bis in die Nähe von Buenos-Ayres gemacht hatte und dort in einer Schenke erstochen worden war. Der Wirth, welcher von Hrn. Smitt den Auftrag bekommen hatte, ihm den Schädel eines Pampas-Indianers zu verschaffen, benutzte die Gelegenheit, setzte sich in Besitz des Kopfes und übersen- dete denselben an Hrn. Smitt. Diese Umstände werden hier nur als Beweis der Aechtheit des Schädels angeführt. Schädel eines Pampas -Indianers. 499 Wir haben schon früher Veranlassung gehabt, zu näherer Kenntniss über die Körperbildung dieses Indianerstammes zu gelangen, und zwar durch das Individuum, welches der ver- storbene Generalconsul Tarras von Montevideo mitgebracht hatte und von welchem ich eine Beschreibung und eine’vom Hrn. Wilh. v. Wright verfertigte Portraitzeichnung zu Hrn. Tarras interessanten Nachrichten von den Indianerstäm- men in den Republiken La Plata u. Oriental (K. Vet. Akad’.s Handlingar för Ar 1845) mitgetheilt habe. Daneben hatte ich bei meinem Aufenthalt in Paris im Jahre 1833 selbst schon Gelegenheit, zwei Häuptlinge mit Familien der s. g. Charruas-Pampas-Indianer zu sehen, welche vom General Riyera während seines Vertilgungskrieges gegen diese und die verwandten Stämme waren gefangen genommen worden. Hro. Smitt’s Angabe, betreffend das Ansehen der Pe- huenches-Indianer; stimmt völlig mit dem, was ich selbst ge- funden habe, überein, nämlich, dass der Wuchs mittelmässig, der Leib mager, der Körperbau aber ziemlich stark ist. Das Haar ist grob, schlicht, schwarz und glänzend. Die Hautfarbe ist olivengrau in Chocoladenfarbe spielend. Die Augen sind schräg gestellt, wie bei den Malaien, die Iris sehr dunkel. Hände und Füsse sehr klein. Die Pehuenches- Indianer er- streeken sich bis weit hinab in das Magelhaens-Land und ge- hen zu einem bedeutenden Theile von dort nach den südlichen Pampas hinauf. Der Schädel, von welchem hier Figuren in '/, Grösse mit- getheilt werden, zeigt die brachycephalisch-prognathische Form, kurzen Längsdurchmesser, im Vergleiche mit diesem bedeu- tende Höhe, hervorragende Jochhöcker und etwas hervorste- hende Vorderzahn-Alveolen. Das Grundstück des Hinterhaupt- beins ist sehr steil und die Wölbung zwischen demselben und den Gaumenflügeln des Keilbeins ungewöhnlich hoch. Die Kopfdecke ist ziemlich platt, ohne Rücken; die Stirn beinahe niedrig, im Verhältnisse zum Uebrigen, aber nicht schmal. Die bogenförmigen Linien, welche die Gränzen für die Ansatzstellen der Schläfenkaumuskel-A poneurosen. bezeich- nen, gehen an der Scheiteldecke weit hinauf (Fig. 3) und bil- 32° 500 A. Retzius: Ueber den den an einigen Stellen einen niedrigen Kamm, woraus man auf eine starke Ausbildung der Schläfen-Kaumuskeln schliessen kann. Die Augenbraunenhöcker sind ziemlich gross. Die grösste Breite der Hirnschale fällt über die Gegend der War- | zenfortsätze und die absteigenden Flächen der Scheitelhöcker, wie ihre grösste Höhe sich auch in der Gegend befindet, die zwischen denselben Höckern liegt. Die Scheitelbeine bilden nur einen kleinen Theil der Schädeldecke, weil sie sich fast abschüssig-steill zum Hinterhaupt hinabbiegen. In der Nähe des Endes der Pfeilnaht gegen die Kranz- naht steht eine kleine Er- höhung (Fig. 1); die Seiten- flächen der Scheitelbeine sind gleichfalls sehr steil. Die Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. eben erwähnten, hoch hinaufgehenden bogenförmigen Schläfen- linien erstrecken sich auch auf eine ungewöhnliche Weise in die Ebene für das Hinterhaupt, so dass sie sich gegen die Spitze der Lambdanath bis auf einen Abstand von 6 Centimetern oder etwa 2'/, Zoll einander nähern. (Fig. 3.) Die Hinterhauptsebene ist platt, sehr abschüssig. Die Spitze der Lambdanaht erstreckt sich hoch hinauf (bis etwas über die Schädel eines Pampas-Indianers. 501 Mitte der Hinterhauptsebene, Fig. 3). Ueber den grösseren bogenförmigen Linien laufen ein paar ähnliche (Fig. 3) in der Nähe der Spitze der Lambdanaht. Diese Linien sind wahr- scheinlich Zeichen ungewöhnlich stark ausgebildeter Nacken- abtheilungen des Musculus epieranius (Museuli occipitales). In dieser Gegend ist das Hinterhaupt etwas hervorspringend, gleichsam in einen Hinterhauptshöcker, welches Verhalten so, wie in Fig. 1, erscheint; aber dieser vorspringende Theil ist nicht wie ein gewöhnlicher Hinterhauptshöcker von den Seiten zusammengedrückt, sondern geht fast quer über den untern Theil der Hinterhauptsebene. Die beiden Schalen des Hinter- hauptsbeins, welche das kleine Gehirn tragen (Receptacula eerebelli) liegen in der Hinterhauptsebene nach oben. Ueber der Vereinigung der grossen bogenförmigen Linien steht ein kleiner, aber starker Hinterhauptszacken. Nahe dem grossen Hinterhauptsloche befindet sich in der Mitte ein kleiner Kamm (Crista oceipitalis externa), zu’ dessen Seiten zwei starke Gru- ben stehen. Die Gruben sowohl, als die Erhöhungen für die Unterkie- fergelenke sind ungewöhnlich flach. Die äusseren Gehöröff- nungen (Meatus auditorii externi) sind ungewöhnlich eng, von der Form einer stehender, schmalen Bohne, von oben nach hinten und unten etwas abschüssig. Die Gelenkfortsätze des Hinterhauptbeins sind fast eben, nach vorn gleichmässig hinablaufend, so dass die Knorpel- fläche sich in ihrer vordern Ecke endigt. An der Innenseite, au welcher die Seitenbänder für den Zahnfortsatz des zweiten Halswirbels befestigt gewesen, sind sie höckerig und gruben- tragend, woraus man wohl schliessen dürfte, dass jene Bänder stark angestrengt worden seien. Von unten angesehen zeigte dieser Schädel eine fast viereckige Form mit beinahe grösserer Breite, als Länge. Die Augenhöhlen sind ziemlich gross, die Nasenwurzel ist schmal; die Nasenbeine bilden einen schmalen, scharfen Rücken und sind ziemlich vorspringend; die äussere Nasenöflnung ist gross, nach oben zugespitzt, birnförmig, der untere Nasen- stachel stark hervorstehend. 502 A, Retzius: Ueber den Die Löcher für die Infraorbitalnerven sind gross; gleich unter dem untern Orbitalrande befanden sich einige Knochen- zacken, gleichsam Spuren starker Muskelbefestigungen für den Levator labii superioris; die Wangengruben breit. Die meisten Zähne im Oberkiefer fehlten. Die übriggeblie benen waren die hinteren Vorderbackenzähne (Dentes prae- molares posteriores) und die eigentlichen molares. Sie waren sämmtlich klein, ziemlich stark abgenutzt. Jeder D. molaris hatte eine tiefstehende Furche an der Aussenseite, entsprechend der Theilung der Wurzeln, oberwärts, wie auch nach innen fortlaufend, über der Mitte der Zackenfläche. Der dritte Backen- oder Weisheitszahn beiderseits war mehr, als gewöhnlich, aus- gebildet, in der Wurzel sowohl, als in der Krone. Die Wur- zeln der übrigen Zähne waren nicht gross. Alle Backenzähne standen sehr abschüssig’nach aussen. Der Schmelz war dicker, als gewöhnlich, sehr weiss, hatte aber an der äussern Seite eine dichte, braune Bedeckung in der Nähe der Zahnhälse. Das Gaumengewölbe ist nach hinten ziemlich hoch, und die in ihm vorkommenden vier bogenförmigen Zähne bilden erhöhte Kämme, Der Unterkiefer fehlt. Maasse. Fronto - oceipitallänge von der Glabella bis zur Spitze der Sutura Jambdoidea .... .. . 0,135 Vorsprung des untern Hinterhauptstheils hinter diesem Bunkte, " Sueylersetclssine veinejeme 0,030 IBralp AETISTHTTTR u fest ehren: wrore are 0,097 do.. ‚des Hinterhaupts, „53 «....2. 1. a1... 40. 0,145 en ia: - Ayonmemern- Jar 0,495 Re nthtas Ifürg: sen A Länge des Rückenmarksloches . . . 2... . - 0,032 Breitöderselben. usuölenzishusnes yeah re Paar AED BIACHBEIEWEHE = 00... 4000 2. 2 te 0,145 Oberkieferhöhe von der Nasenwurzel bis zum , _ Disrnlarrande, adsssigin sahılid Seeiscraeaift a 0,078 Höhe, wie gleichfalls Breite, der Augenhöhlen 0,039 Die hier mitgetheilte Beschreibung des von Hrn. Smitt eingelieferten Pehuenchesschädels kann als eine Vervollständi- Schädel eines Pampas-Indianers. 503 gung der Angaben über die oben erwähnte, in den „‚Akademiens Handlingar“ beschriebene Pampas-Indianerin betrachtet werden. Schon bei einer frühern Gelegenheit!) hatte ich auf die allgemeine Vertheilung der brachycephalischen und der doli- chocephalischen Indianerstäimme in Amerika aufmerksam ge- macht; ihr zufolge sind die dolichocephalischen im östlichen und die brachycephalischen im westlichen Theile des weit-aus- gedehnten amerikanischen Continents herrschend. Auf der öst- lichen Seite treffen wir Dolichocephalen schon in Labrador und im nördlichen Canada, als Eskimo, an, weiter hinab als zahlreiche Stämme s.g. rother Indianer, vormals auf den west- indischen Inseln als Caraiben, und noch jetzt als solche in Guyana und als Guaranis in Brasilien und Paraguay. An der westlichen Seite kommen die brachycephalischen Ein- wohner auf den Kurilen und wahrscheinlich im ganzen russi- schen Amerika, die Chenouken im Oregonlande, die Azteken in Mejico, die Incas in Peru, die Araucaner in Chili, die Fue- gier im Feuerlaude, vor. Ein besonderes Verhalten findet je- doch beim Magelhaenslande und der Republik Buenos-Ayres Statt. deren Indianerstämme alle brachycephalisch sind. Nach Vergleichungen der Schädel von diesen beiden einan- der entgegengesetzten Formen mit denen anderer Länder fin- det man, dass die Mehrzahl der östlichen Indianerstämme sich in der Form den Guanchen auf Teneriffa und den atlantischen Völkern in Afrika nähert, die von den westlichen Theilen des Landes mehr den malaiischen und mongolischen Volksstämmen. Diese Vertheilung darf jedoch nieht im strengsten Sinne genommen werden, Viele Stämme haben sich nach entgegen- gesetzten Richtungen hin verbreitet, wie die dolichocephali- schen Aymaras und Huanchas in Peru, welche wahrscheinlich dahin von Brasilien, eben so wie die Creeks, Natches und meh- rere andere brachycephalische Völker östlich von der Gebirgs- kette, welche wahrscheinlich dahin von Mejico und Kalifornien gekommen sind. 1) S. Förhändlinger ved de skandinaviske Naturforskores femte Möde der holdtes i Kjöbenhavm fra den 12. til den 17. Juli 1847 Bil. LFrenologien bedömd frän anatomisk ständpunkt af ARetzius, übers, v. Creplin in diesem Arch., J. 1848, 5.233 — 262. 504 Schlossberger: Beiträge zur chemischen Kenntniss des Fötuslebens. Von Prof. SCHLOSSBERGER. Ein vollendetes Verständniss des Gewordenen, Fertigen be- steht nicht ohne Kenntniss seines Entstehens und Reifens. Die Lehre vom feineren Bau des Thierkörpers hat erst von der Zeit an grosse Fortschritte gemacht, seit die Anatomen der Entwicklung der Gewebe ihre eifrigsten Bemühungen zuwandten und die genetische Methode ist nunmehr in der organischen Formenlehre für alle Zeiten eingebürgert. Zu einer chemischen Entwicklungsgeschichte fehlen aber noch nahezu alle thatsächlichen Anhaltspunkte, so dass auch nicht die Grundlinien einer embryonalen Mischungslehre vor- liegen. Darum dürften die nachstehenden Untersuchungen, zu denen mich die Ausarbeitung meiner vergleichenden Thier- chemie zunächst veranlassten, trotz ihres fragmentarischen Charakters nicht ganz unwillkommen sein. Sie beschränken sich zunächst auf vier Embryonen von Kühen, welche ich vollkommen frisch, noch im unverletzten Uterus eingeschlos- sen, und im Alter von 4, 6, 10 und 20 Wochen, zur Unter- suchung erhielt (3 davon verdanke ich der Güte des Herrn Med.-Rath Hering.) An den zu berichtenden Analysen be- theiligten sich mit Eifer und Sorgfalt meine beiden Assisten- ten, die Herren J. Hauff und Vogtenberger von hier, so- wie Herr med. st. Staiger aus Stuttgart. I. Die Uterinmilch der Wiederkäuer. Zur Untersuchung der Nahrung des Fötus giebt es wohl kein tauglicheres Objekt als das Sekret der eigenthümlichen | | Beiträge zur chemischen Kenntniss des Fötuslebens. 505 Uterindrüsen der Wiederkäuer. In die Vertiefungen dieser Drüsen senken sich bekanntlich die zahlreichen Gefässzotten ein, welche bei den Wiederkäuern statt der Placenta fungiren (Cotyledonen), ohne dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den fötalen und mütterlichen Gefässen irgend statt- fände (v. Baer, v. Rapp u. A.). Das Sekret wird durch leichtes Abschaben und sanften Druck auf die Uterindrüsen gewonnen, nachdem die Chorion- zotten vorsichtig herausgezogen worden sind. So konnte es mehrmals ohne Beimengung von Blutstreifen erhalten werden, welche natürlich bei stärkerem Druck nicht ausbleiben. Sein Ansehen ist das der Milch oder des Chylus, seine Konsistenz, rahmähnlich. Da es an der Luft bald noch dicker wurde und dann bei Wasserzusatz flockig erschien, vermuthete ich einen Gehalt an Faserstoff. Allein auch nach längerem Stehen konnten unter dem Mikroskop in dem mit Wasser an- gerührten Sekrete keine amorphen Massen erkannt werden, die auf einen spontan gerinnenden Proteinkörper hingewiesen hätten. Die Verdichtung rührte also nur vom Eintrocknen her. Der Wiederkäuerfötus erhält folglich (so wenig wie der Säugling des Menschen und der Säugethiere) kein Fibrin in seiner Nahrung zugeführt. Dagegen zeigte das Mikroskop in dem Fluidum eine beträchtliche Menge geformter Elemente neben einzelnen Fett- tröpfehen und Molekularkörnern aufgeschwemmt, welche das chylöse Ansehen und die dickliche Konsistenz bedingen, Neben deutlich zelligen Gebilden glaube ich noch freie Kerne und Körnerglomerate von dem Aussehen der Entzündungskugeln oder der Colostrumkörper wahrgenommen zu haben. In den rundlichen oder polygonalen Zellen traten auf Zusatz von Essigsäure 1—3 Kerne deutlich hervor. Durch Kali ver- schwanden die Zellen und Kerne und es wurden dunkle Kör- ner sichtbar, die in Aether löslich waren. Das Sekret war geruchlos und reagirte in allen 4 Fällen deutlich, wenn auch schwach sauer, Ich wurde dadurch an die häufig saure Reaktion der frischen Kuhmilch erinnert. 506 Schlossberger: Dagegen fand ich die Reaktion des Mageninhalts des Fötus, sowie des Fruchtwassers immer etwas alkalisch. Mit Wasser verdünnt und aufgekocht lieferte das Sekret ein ansehnliches, rein weisses, flockiges Gerinnsel-Eiweiss. In dem farblosen Filtrat erzeugte Essigsäure und ebenso Ferrocyankalium keine Fällung mehr, dagegen wurden daraus durch Gallusinfus noch weissliche Flocken niedergeschlagen. Das Filtrat gab weder mit Kali allein, noch ‚mit Kupfersalz und Kali beim Erhitzen irgend eine Reaktion auf Zucker. Ich wiederholte diese Prüfung in 3 Fällen, immer mit dem- selben Resultat: Abwesenheit von Zucker. Das alko- holische Extraet enthielt viel Fett, hauptsächlich in flüssiger Form; beim Erwärmen mit verdünnter, Schwefelsäure ent- wickelte es den Geruch von Butter-Essigsäure. Die Unter- suchung auf Milchsäure ist noch nicht vollendet. Die völlige Einäscherung des Sekretes gelang nur schwie- rig; die Asche war halb geschmolzen und enthielt, soweit ihre sehr geringe Menge eine Prüfung gestattete: Phosphor- säure, Alkalien, Kalk, eine Spur Chlor und Eisen. Die quantitative Analyse ergab: ? a. beim Fötus von 6 Wochen. b. beim Fötus von 20 Wochen. Wasser 88,07 88,03], ..14on0 Fester Rückstand, „11,98: „11,973 bei 120° getröckniel, 100,00 100,00 Fett 1,59 1,52 dir . Asche 0,71 0,70) irekt bestimmt Eiweiss sammt zelligen Gebilden und Extractiv- stoffen 9,63 9,75. Bemerkenswerth ist die beinahe völlige Uebereinstimmuug der beiden Sekrete aus immerhin ziemlich auseinanderliegen- den Perioden des Fötuslebens. Vergleichen wir nun die Absonderung der Ute- rindrüsen der Kuh mit deren Brustdrüsensekret. In Betreff der mancherlei aufgeschwemmten mikroskopischen Gebilde steht jenes dem Colostrum nahe, während bekannt- lich die ausgebildete Milch nur Butterkügelchen zeigt. Das Beiträge zur chemischen Kenntniss des Fötuslebens. 507 Colostrum ist dagegen um 6—10%, Wasser ärmer (nach Simon’s und Boussingault’s Analysen), während die normale Kuhmilch nicht selten den gleichen oder ganz ähn- lichen Wassergehalt zeigt. Der Mangel an Zucker ist für das Uterinsekret bezeichnend, übrigens soll auch das Colostrum ärmer an Zucker sein. Der Fettgehalt ist am niedersten in der Uterinabsonderung, steigt im Colostrum auf 2,6%, in der Kuhmilch durchschnittlich auf 3,9— 4%. Die Anwesen- heit von Albumen bildet wieder eine Uebereinstimmung mit dem Colostrum, dem aber das Casein gewöhnlich auch nicht ganz abgeht. Der Gehalt an Salzen ist ganz übereinstimmend mit dem der Milch, : Die Nahrung des Fötus ist nach Vorstehendem viel ärmer an Respirationsmitteln (was sich bei seiner un- vollständigen Respiration wohl begreift) als die Nahrung des neugeborenen Thiers; sie ist dagegen reich an plasti- schem Nährstoff. I. Schleimstoff im Fötusmagen. Die Mägen der vier Fötusexemplare waren alle mit einer klaren, gelblichen, fadenziehenden, schwach alkalisch reagi- renden Flüssigkeit erfüllt. Ich untersuchte dieselbe genauer bei dem Fötus von 20 Wochen, wo ihre Menge 1% Schoppen betrug. Dieselbe war fast geruchlos, von 1015 spec. Gewicht und in hohem Grade zäh, fadenziehend. Kochen erzeugte in ihr keine Trübung, dagegen fällte Essigsäure einen reich- lichen gallertigen Niederschlag, der auch beim Er- hitzen mit überschüssiger Essigsäure ungelöst blieb und da- bei zu einem oben aufschwimmenden Klumpen sich. ballte. Mit dem Ausfällen dieser Materie durch Essigsäure oder Al- kolhol war die fadenziehende Eigenschaft der Flüssigkeit auf- gehoben. Sublimat und Alaunlösung gaben in der Magen- Nlüssigkeit keinen Niederschlag; dagegen fällte Gerbsäure reichlich (gelbe Flocken); diese Fällung fand) aber auch noclı statt, nachdem der Schleimstoff abgeschieden war., Die quan- titative Analyse ergab: 508 Schlossberger: Wasser 95,6 Fester Rückstand 1,4 100,00 Schleimstoff 0,44 Salze 0,96 Durch Gerbsäure fällbare organ. Materie 0,10. Von besonderem Interesse war mir im vorliegenden Falle die wesentliche Verschiedenheit zwischen dem Mageninhalt und der Amniosflüssigkeit. Letz- tere war nämlich bei dem 20wöchigen Fötus sebr coneentrirt. (1025 spec. Gewicht), enthielt viel Eiweiss, aber keinen Schleimstoff. Damit soll die Möglichkeit nicht geläugnet sein, dass Ampniosflüssigkeit zuweilen in den Fötusmagen gelangt; in unserem Falle aber war es nachweisbar nicht der Fall. Die Magenflüssigkeit eines 10Owöchigen Fötus war in viel schwächerem Grade fadenziehend und gab mit Essigsäure nur eine Trübung. Es finden also beträchtliche Unterschiede im Gehalte an Schleimstoff statt. Der aus dem ersterwähnten Mageninhalt abgeschiedene, mit Essigsäure ausgekochte Schleimstoff wurde auf einen Ge- halt an Schwefel (durch Verpuffen mit Kalibydrat und reinem Salpeter) geprüft, aber keiner gefunden. Noch reihe ich hier einen Versuch mit dem Labmagen des 20wöchigen Fötus an, der ziemlich geröthet war, wäh- rend die übrigen Mägen desselben ganz blass erschienen. Ich legte den abgewaschenen Labmagen in frisch gemolkene Milch, von der eine zweite Probe für sich aufbewahrt wurde. Bei 20° war in 8 Stunden die Milch durch den Labmagen in eine steife Gallerte verwandelt, während die Probe ohne Lab durchaus keine Gerinnung zeigte. Es besitzt folglich schon der Fötusmagen diese merkwürdige Eigenschaft des Kälberlabs. Der dünne Darm enthielt einen hellen Schleim, der mit Salpetersäure schr schön das Farbenspiel des Gallenfarbstoffs zeigte, Beiträge zur chemischen Kenntniss des Fötuslebens. 509 II. Wasser- und Fett- Gehalt einiger Fötustheile. A. Wasser in 100 Theilen (bei 120° Trocknung): a. Fötus mit 4 Wochen: b. F. mit 6 W. e. F. mit 20 W. Gehirn 91,7 = 2 Herz 88,2 89,9 89,07 Lunge 90,0 39,9 36,01 Muskel 91,4 92,0 87,14 Augapfel 90,1 _ — Leber _ 33,4 33,41 Milz _ —— 81,32 Thymus _ _ 83,74 Blut _ 82,83 30,65 Galle = — 86,55 Neben dem grossen Wassergehalt der Fötustheile, der zu erwarten war, weisen die vorstehenden Ziffern nach, dass fast alle Theile des Fötus wässriger sind als dessen Blut. Gerade die blutreichsten Fötusorgane sind die wasserärmsten. Eine analoge Thatsache für das Ge- hirn des Neugeborenen und die Hirnrinde des Erwachsenen hatte ich schon früher constatirt. Noch füge ich Wasserbestimmungen bei, die an einem sogleich nach der Geburt durch Untertauchen des Kopfs unter Wasser getödteten Hunde vorgenommen wurden: Gehirn 90,09% Herzmuskel 82,3°/, Wasser. Muskel 82,4 Milz 80,0. B. Fettgehalt. Die hierüber von mir angestellten Versuche sind wenig zahlreich; vielleicht dass ich sie in Bälde erweitern kann. Fötus von 4 W. Fötus von 6 W. Fötus von 20 W. Herzmuskel 1,3 1,7 2 Augapfel 0,9 _ — Muskel 1,7 0,9 0,75 Blut _ _ 0,2 —0,09 Galle _ — 0,95 Das Blut des 20wöchigen Fötus liess auch bei 24 stündi- gem Stehen keine Gerinnung bemerken. Mit einem gtt. 510 Schlossberger: Essigsäure gekocht, lieferte es 14,69%, grauröthliches Ge- rinnsel (Albumin mit Haematoglobulin). Die Sehnenanlagen ‚und das Bindegewebe sammt Haut- stücken von dem 6wöchigen Fötus wurden im Papinschen Topf bei 4 Atmosphären eine volle Stunde gekocht. Die Lö- sung leimte nicht, gelatinirte nicht, gab aber Fällungen mit Gerbsäure und mit bas. essigsaurem Bleioxyd. Schon Schwann hatte gefunden, dass unreifes Bindegewebe keinen ächten Leim liefert. IV. Amniosflüssigkeit. Dieselbe war bei dem Fötus von 4, 6 und 10 Wochen nahezu identisch, sehr ‚arm an organischer Substanz, von schwachem Geruch, schwach alkalisch, schäumte beim Schüt- teln, gab beim Abdampfen Häute, aber beim Kochen allein oder mit Zusatz von etwas Essigsäure kaum eine Trübung. Durch Lab gerann sie nicht. Durch Kochen mit Chlorcaleium entstand eine leichte Trübung. Mineralsäuren fällten nichts. Alkohol bewirkte nur die allerleichteste Trübung. Sublimat gab gar keine Veränderung, Nur Galläpfelabkochung und Blei- essig fällten reichlich. Sie war nicht fadenziehend. Spec. Gewicht 1012, 1011, 1014, In ihrem alkoholischen Extraet suchte ich ver- geblich nach Harnstoff. Sehr abweichend, offenbar pathologisch verändert war das Fruchtwasser des 20 wöchigen Fötus: es war sehr trüb, flockig, sedimentirte stark beim Stehen, gab schon beim Kocheu, besonders aber auf Ansäuerung reichliche Fällung und zeigte das hohe spec, Gewicht 1025. Die innere Fläche der Eihäute war in. diesem Fall überall mit festsitzenden weiss- lichen Exsudaten besetzt, die übrigens auch bei den anderen Fötusexemplaren nicht ganz fehlten. Analysen: Fötus von 4W. Fötus von6W. Fötus von 10 W. ‘Wasser 98,93 98,836 93,34 Fester Rückstand 1,07 1,14 1,16 100,00 100,00 100,00 Organ. Substanzen ; 0,14 0,18 u Salze 0,93 0,96 — Beiträge zur chemischen Kenntniss des Fötuslebens. 5ll In allen diesen Fällen ist so gut als völlige Identität vor- handen. Dagegen ergab die Analyse des pathologisch ver- änderten Fruchtwassers (bei dem Fötus von 20 Wochen): Wasser 96,38 Fester Rückstand 3,62 100,00 Organ. Materien 2,93 Salze 0,69 Die wässrigen und alkoholischen Extracte der Uterinmilch und der Amniosflüssigkeit habe ich noch in Arbeit, und werde darüber berichten, wenn sich bemerkenswerthe Erfunde erge- ben sollten. Hodoslie bus ig ei Niosiginaul hie nam ; Er on ut L- Dinge . 2’ EN De IE Ze zus Ta we by wen EEE Te. Mira a Da WER ARE wa re halten ie N N x A . kind > VE Fin Weir. A BE, rd 5 h S S Müllers Archiv 1835. (nun MellersArchuil232 Feng u Miles Archir 1855. NEN : N > g a nlllz Ua" Ss "I SS Y ns Archwr 1033. IN N Lit) RER) Zu HE. rt =! Mills Archiv 1855 Human se ershrchw 1888. La Gunand Malloshehis 7033, Tag ZU N = = RS EITHER Taf ZV 3» a nn FAN (Aanand nn ms“ Felle TapV N N ZapaIZ, Malkrs Archir 1255 u ZZ einge 2 Fuinand re RU rn